Luisenkult: Die Unsterblichkeit der Königin von Preußen 9783412317676, 3412074039, 9783412074036


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Luisenkult: Die Unsterblichkeit der Königin von Preußen
 9783412317676, 3412074039, 9783412074036

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Philipp Demandt Luisenkult

Philipp Demandt

LUISEN KULT Die Unsterblichkeit der Königin von Preußen

§

2003 BÖHLAU VERLAG KÖLN WEIMAR WIEN

Gedruckt mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft

Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek: Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.

Umschlagabbildung: Christian Daniel Rauch: Sarkophagfigur der Königin Luise von Preußen, Detail, 1811-1813

© 2003 by Böhlau Verlag GmbH & Cie, Köln Ursulaplatz 1, D-50668 Köln Tel. (0221) 91390-0, Fax (0221) 91390-11 [email protected] Alle Rechte vorbehalten Umschlaggestaltung: Andreas Rupprecht, Berlin Satz und Reproduktionen: Punkt für Punkt GmbH, Düsseldorf Gesamtherstellung: Druckerei Runge, Cloppenburg Gedruckt auf chlor- und säurefreiem Papier Printed in Germany ISBN 3-412-07403-9

Inhaltsverzeichnis Einleitung

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Quellen und Forschungsstand

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1 Luises schlimmer Tod

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2 Ein Mythos entsteht

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3 Luises schöner Tod

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4 Das Mausoleum zu Charlottenburg

35

5 Die Geschichte der Sarkophagskulptur

45

6 Das Bildnis und die Vorbilder

57

7 Effigie, Fetisch und melancholisches Bild

71

8 Klassische Ästhetik und klassizistische Kunst

81

9 Werkimmanenz und Wirkung

89

10 Die Königin und der Kammerdiener

105

11 Schinkels erste Gönnerin

113

12 Die Schönste der Schönen

123

13 Die Nymphe

131

14 Die zweite Luise

143

15 Die Suche nach dem wahren Luisenbild

149

16 Schadow und Rauch

167

17 Fünfzig Bilder für Jung und Alt

191

18 Die Reinste der Reinen

201

19 Der Tugend ein Denkmal

213

20 Die Amazone

223

21 Die Führerin

233

22 Heldenmonumente

243

23 Deutschlands erste Berufsgattin

255

24 Natur, Nationalismus und bürgerliche Normen

265

Inhaltsverzeichnis

25 Die Märtyrerin

273

26 Sancta Louisen

283

27 Ikonen

291

28 Das Opfer

301

29 Das Eiserne Kreuz

311

30 Das Kreuzbergdenkmal

319

31 Schuld und Sühne

329

32 Ein Leben als Statue

341

33 Wie die Mutter, so der Sohn

359

34 Familiengrab

369

35 Luisenbilder im Reichsgründerkult

379

36 Die Mutter der Nation

413

37 Nationaldenkmal

425

38 Der Urenkel

431

39 Die Königin der Weimarer Republik

439

40 Luise unterm Hakenkreuz

443

41 Kampf um die Geschichte

449

42 Luise in West und Ost

459

Epilog

463

Anmerkungen

469

Literaturverzeichnis

523

Abbildungsverzeichnis

545

Register

551

Einleitung „Am 19. Juli starb die Königin in Hohenzieritz. Diese hohe Frau stand bei allen in einer Höhe, die wenig Sterbliche erreichen; sie wurde nun betrachtet als ein Wesen, schon auf dieser Erde den Engeln so nahe kommend, als es die menschliche Natur vermag. Es läßt sich also der Eindruck ermessen, welchen dieses Ereignis nicht nur auf die Nahestehenden machte, sondern auch auf das ganze Land. Johann Gottfried Schadow 1849

Königin Luise von Preußen steht am Beginn der deutschen Nationalgeschichte, als Person wie auch als Mythos, der sich ihres Lebens bald bemächtigt hatte. Wie jedes Schulkind später wußte, war die 1776 geborene Prinzessin von Mecklenburg-Strelitz mit siebzehn Jahren Gemahlin des preußischen Kronprinzen geworden, dessen Bruder sich mit der jüngeren Schwester Friederike vermählte. Einundzwanzigjährig war Luise 1797 auf den Thron gestiegen, an der Seite ihres .Fritz', der als Friedrich Wilhelm III. seinem Vater folgte. Sitte und Bescheidenheit vertrieben nun die lärmende Verschwendungssucht am Königshof und läuterten das ganze Volk. König und Königin verband ein gleichsam bürgerlicher Herzensbund, der reiche Früchte trug: zehn Kinder, denen Luise binnen anderthalb Jahrzehnten das Leben schenkte. Zwanglos, zärtlich und gerecht erzog sie ihre Prinzen und Prinzessinnen zu den ersten Bürgern ihres Landes, und die Bürger dankten es ihr mit anhänglicher Liebe. Napoleon Bonaparte zerstörte dieses Glück. Die Niederlage des zur Schlacht gedrängten Preußen bei Jena und Auerstedt brachte den Staat im Jahre 1806 an den Tiefpunkt seiner Geschichte: Einwohnerzahl und Staatsgebiet wurden halbiert und das Land und seine Menschen wirtschaftlich wie moralisch zugrunde gerichtet, während die Königsfamilie auf abenteuerliche Weise in ein entbehrungsreiches Exil gen Osten flüchten mußte. Und doch schwang sich in jenen Tagen, da Preußen ganz im Leid verharrte, Luise auf zu größter Kraft. Zuversicht und Gottvertrauen erfüllten nun ihr mütterliches Wesen, das dem König eine Stütze wurde, aber auch den Staatsreformern Hardenberg und Stein, auf die Luise große Hoffnung setzte. Ermahnen sollte sie die jungen Söhne, zu rächen Preußens Schmach und die des deutschen Volkes, an dessen Einheit sie im Stillen dachte. Und schließlich flehte sie gar selbst in Tilsit vor Napoleon um Erbarmen mit dem Staat, der Todfeind aber kannte keine Gnade. Kummer und Leid zerstörten ihr Herz. Ein halbes Jahr nach ihrer Rückkehr aus dem Exil starb sie im Sommer 1810, gerade 34 Jahre alt, im Beisein der Familie auf dem Lustschloß ihres Vaters, Hohenzieritz. Der König fiel in tiefe Melancholie, ganz

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Einleitung

Preußen traf ihr Tod ins Mark. Ein Ruck jedoch ging durch das Land; das Opfer seiner Königin vor Augen, sammelte sich das Volk. Zwei Jahre nach Luises Tod begann der Kampf, in welchem erstmals unter Preußens Führung Deutsche einig gegen Frankreich zogen, das Volk mit den Soldaten für die deutsche Sache stritt und schließlich mit dem Sieg über Napoleon das Sterben Königin Luises rächte. Und als sechzig Jahre nach ihrem Tod abermals ein preußischer König an der Spitze eines deutschen Heeres in einen Krieg gegen Frankreich gezwungen wurde, da wurde all ihr Hoffen Wirklichkeit, war es doch ihr zweiter Sohn, der 1871 als deutscher Kaiser in das geeinte Reich heimkehrte. Und als Kaiser Wilhelm 1888 starb, da hatten Luises Mann und Söhne nicht nur beinah ein Jahrhundert über Preußens Wohl gewacht, sondern auch die schöne Frau und Mutter zur Mutter der Nation gemacht, zum Engel und zum Schutzgeist fürs preußische wie deutsche Volk. „Jeder Mensch", schrieb Max Frisch, „erfindet sich früher oder später eine Geschichte, die er für sein Leben hält".2 Und auch Gesellschaften oder Nationen erfinden sich Geschichten, die sie als ihre Vergangenheit betrachten, denn gemeinsame Erinnerung spielt eine große Rolle für die emotionale Bindung des Einzelnen an eine Gemeinschaft. Erinnerung schafft Kollektivität und Identität. Erinnerung ist aber immer auch die Neuordnung der Vergangenheit. „Erfindung von Tradition" nannte der britische Historiker Eric Hobsbawm eine Bewegung, die seit der französischen Revolution und dem Auftreten Napoleons viele europäische Staaten erfaßt hatte.3 Die Monarchen, denen es gelungen war, ihre Throne über jene Zeit zu retten, empfanden die Notwendigkeit, ihre Herrschaft ideologisch neu zu begründen, und nutzten dafür die Vergangenheit. Kontinuität und Legitimität erwuchsen dabei nicht der Lüge; dennoch wurde das historische Geschehen so arrangiert, daß eine brauchbare Traditionsreihe entstand, die das Band von Volk und Krone historisch und emotional verfestigen sollte. Eine gedeutete Vergangenheit, auf vielfaltige Weise vermittelt, inszeniert und schließlich in das kollektive Gedächtnis eingedrungen, stützte Herrschaft und Macht. Geschichte wurde im Revolutionszeitalter aber auch für das Bürgertum zum maßgeblichen Stifter von Gemeinschaft, Moral und nationaler Identität. Kirchengemeinde oder Zunft gaben auf die Frage, wer man war, keine zeitgemäße Antwort mehr, und so trat Geschichte, die von Individualität, Entwicklung und Sittlichkeit erzählte, an die Stelle institutioneller Identität. Das 19. Jahrhundert wurde somit zum Jahrhundert der Vermittlung von Geschichte: Nation und Nationalismus lebten von politischen Mythen, von auf Sinn und Schlüssigkeit gebrachten Ausschnitten der Vergangenheit zur Ordnung der politischen und sozialen Gegenwart. Königin Luise von Preußen war in der historischen Mythologie der Deutschen eine zentrale Gestalt. Die Geschichte ihres Lebens und Sterbens wurde Gründungsmythos des Deutschen Reiches und historische Legitimation der Kaiserkrone auf dem Hohenzollernhaupt. Zeit ihres Lebens war Luise schon von Königshaus und Bürgertum zum populären Sinnbild bürgerlicher Tugend stilisiert worden; ihr früher Tod in schwerer Zeit mar-

Einleitung

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kiert den Beginn einer Verklärung, die in der preußischen und deutschen Geschichte ohne Beispiel ist. Ein erwachendes politisches Bewußtsein vieler Bürger wie der Wunsch nach Einbindung des auf Machterhalt bedachten Königshauses in die Erneuerung, die Suche nach Sinn im Unglück wie die Hoffnung auf Freiheit und Einheit nährten das Bedürfnis nach einer Heilsfigur und Heldin, die sich im Kampf um die neuen nationalen Ideale, die bürgerliche Moral und die wiedererstarkende Frömmigkeit hervorgetan hatte. Die Schönheit und Natürlichkeit der Königin, ihre Menschlichkeit und Ausgeglichenheit, ihr Mut und Kampfgeist, ihr von höchstem Glück wie tiefster Tragik überschattetes Schicksal, all das entsprach in seltener Vollkommenheit den Idealen einer Zeit, die aus den Wirren der Gegenwart sich lösend nach einem deutschen Leitbild suchte und dieses in der „echt deutschen Frau" auf Preußens Thron gefunden glaubte. Ein jedes Kind in Preußen lernte die Geschichte vom tugendhaften Leben wie vom Opfertod der Königin schon in der Schule. Und Luise begegnete den Menschen überall, auf Gemälden und Stichen, auf Postkarten und in Statuen, auf Bühnen und in Lichtspielhäusern, in Büchern und Zeitungen, auf Tassen und Tellern, j a selbst bei der profansten Hausarbeit, zeigten doch um die Jahrhundertwende auch Geschirrhandtücher, gegen das Licht gehalten, Luises Antlitz.,Luise' wurde zu einem der meistvergebenen Namen im 19. Jahrhundert: Kinder und Kirchen, Schulen und Vereine, Schiffe und Berge, Orden und Anstalten hießen ebenso nach ihr wie Straßen und Plätze, Dörfer und Städte. Das Leben der Monarchin fallt in die Zeit zwischen der französischen Revolution und der preußischen Reformära, eine an Veränderungen reiche, das folgende Jahrhundert maßgeblich bestimmende Epoche. Zahlreiche Ideen, die das Leben und Sterben des deutschen Staatsbürgers von den Befreiungskriegen bis zum Zweiten Weltkrieg beherrschten, manifestieren sich zum ersten Mal in klarer Form im Kult um Königin Luise. Zwei Jahrhunderte hindurch prägten deren vermeintliche Häuslichkeit und Mütterlichkeit, Bescheidenheit und Leidenskraft das deutsche Frauenbild; ihr angeblich bedingungsloser Durchhaltewille und ihre totale Opferbereitschaft machten sie noch im Dritten Reich für Mann und Frau zum Inbegriff der Pflichterfüllung auf höchster, dem Menschen erreichbarer Ebene. Ende des 19. Jahrhunderts war die Königin laut Meyers Konversationslexikon „eine der edelsten Frauen der Geschichte" geworden, und die Berliner Illustrirte Zeitung, die ihre Leser nach der weltweit bedeutendsten Frauenfigur der vergangenen einhundert Jahre fragte, erhielt eine eindeutige Antwort: Königin Luise. Kränze wurden zur Wiederkehr ihres Todestages an ihren Monumenten niedergelegt und Gedenkfeiern in Schulen, Kirchen und Rathäusern, j a selbst in Kaufhäusern veranstaltet, und so wurde der 19. Juli zum wichtigen nationalen Gedenktag der Kaiserzeit. Und immer wieder besuchte man das Mausoleum der Königin in Charlottenburg, das sich von einer privaten Gedenkstätte zu einem nationalen Wallfahrtsort entwickelt hatte. Ein Kult war entstanden, ein Kult in jeglichem Sinne des Wortes: von der übertriebenen Verehrung einer Person, der institutionalisierten Erinnerung und dem

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Einleitung

funktionalisierten Gedenken bis hin zur rituellen Handlung zur Erlangung des Heils und der Gewahrwerdung des Heiligen an heiligem Ort zu heiliger Zeit. Und dieser Kult war keineswegs nur volkstümlich und trivial, harmlos und sentimental, sondern trug bereits von Anfang an auch aggressive Züge. Kult und Mythos dienten dem Nationalismus zur Aufrechterhaltung innerer und äußerer Feindbilder und wirkten als Instrumente im Kampf um die politische Herrschaft in der jeweiligen Gegenwart. Luisenmythos und Luisenkult müssen historisch wie kunsthistorisch, politologisch wie soziologisch, religionswissenschaftlich wie psychologisch betrachtet werden, damit ihre Strukturen erkennbar werden und deren Wirkungsweise über die Jahrhunderte. Zwei Sichtweisen auf die Konstruktion und Inszenierung großer Menschen sind dabei möglich, eine zynische und eine naive. Erstere betrachtet Mythisierung und Personenkult als Ausdruck von Manipulation und Propaganda, letztere als ernstzunehmende Reaktion auf individuelle und kollektive Bedürfnisse.4 Während bis zum Zweiten Weltkrieg die naive Sicht die vorherrschende war, prägte die zynische die Literatur bis zur Jahrtausendwende. Eine jede Sicht auf Mythos und Kult jedoch, die zynische wie die naive, hat ihre Berechtigung, denn erst aus beiden Perspektiven erschließt sich der Luisenkult als Phänomen, das ergreifend und grotesk, menschlich und absurd in einem ist. Entstehen konnte der Mythos nur, weil die kollektive Bereitschaft bestand, den Tod der Königin mythisch zu lesen, und dieser Wille erwuchs mannigfaltigen Bedürfnissen, die individuelle und gesellschaftliche Ursachen hatten, innerstaatliche und außenpolitische Gründe. Zwar liegt der Zusammenhang von Mythos, politischem Irrationalismus und absolutistischer Herrschaft offen da, doch erschöpft sich die Bedeutung des Mythos nicht in seinem propagandistischen Zweck. Kult und Mythos entwickelten sich aus einem komplexen Zusammenwirken von historischen Prozessen und Ereignissen, von Identifikation und Projektion, Zufall und Absicht; und wenngleich Luise auch im Sinne kruder und verquerer Ideale instrumentalisiert worden war - was bereits im 19. Jahrhundert angeprangert wurde - so waren diese Ideale immer Ausdruck ihrer Zeit. Keiner Mythen zu bedürfen, könne auch ein Mythos sein, schrieb Günter de Bruyn in seinem Buch über Preußens Luise? Entstehung, Etablierung und Erhalt von Luisenmythos und Luisenkult sollen im folgenden in einer möglichst großen Breite dargestellt werden, wobei der Ansatz ein vor allem deskriptiver ist. Exkurse verlassen hin und wieder den beschreibenden Weg und analysieren einzelne Aspekte der Thematik. Zeitliche Schwerpunkte der Betrachtung sind die Jahre nach Luises Tod, der Beginn von Mythos und Kult, und die Kaiserzeit, die Zeit ihrer eigentlichen Blüte. Ein Leitgedanke der Untersuchung ist, das Symbolische in die Historie mit einzubeziehen, wobei das Erkenntnisinteresse vor allem auf den Fragen liegt, wie und warum sich das im Mythos entworfene und vom Kult gestärkte Geschichtsbild entwickelt hat, wann es von wem wie und warum gedeutet, vermittelt und verändert wurde, welche soziale Funktion es besaß und welche politische Relevanz. Keinesfalls jedoch bleibt dabei das Verhältnis von Wahrheit und Erfindung außer acht, offenbart

Einleitung

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sich doch die wirkungsvolle Deformation der Geschichte durch den Mythos erst mit Blick auf die historische Sach- und Quellenlage. Und über all dem stehen die Fragen, wie in aufgeklärten, säkularisierten und .entzauberten' Zeiten, wie im Licht der neueren Geschichte eine Frau zum „Abgott des ganzen Volkes" auferstehen konnte und warum es einem Kunstwerk des 19. Jahrhunderts noch gelang, zu einem zauberischen Gegenstand zu werden, zu einer nationalen Ikone.6 Luisenmythos und Luisenkult beschritten viele Wege: Kunst und Literatur, Zeitungsartikel, Predigten und Stiftungen verwiesen aufeinander und verbanden sich zu einem überaus komplexen Geflecht aus Dokumentation und Deutung, dessen Ursprung und Bezüge ebenso im Dunkeln lagen und auch liegen sollten wie seine Macher und Profiteure. Empfahl aber gerade diese symptomatische Undurchdringbarkeit den Mythos als wahre, gleichsam natürlich gewachsene Nationalgeschichte, so vernebelt sie doch zugleich den klaren Blick auf sein Gefuge und erschwert dadurch erheblich die Entflechtung seiner Stränge. Existenz und Wesen der Königin Luise werden im folgenden in Etappen und Facetten aufgefächert, eine Vorgehensweise, die man einst zur Mythisierung ihres Lebens nutzte. Der Luisenmythos ist dabei wie alle Mythen eine Erzählung, ein Mitteilungssystem, eine Botschaft, und ruht darum auf literarischen Verfahren, von Gedichten Kleists und Goethes bis zur trivialen Unterhaltungsliteratur der wilhelminischen Epoche. Zentrale Bedeutung für die Luisenverehrung aber hatte auch die bildende Kunst. Erstklassige wie drittklassige Künstler widmeten sich der schönen Toten auf so vielfaltige Weise, daß eine regelrechte Luisenikonographie entstehen konnte. Zahlreiche Bildnisse und Denkmäler gilt es daher zu betrachten, weniger jedoch als autonome Artefakte als im historischen Kontext, im Hinblick auf ihre Funktion sowie ihren Einfluß auf Mythos und Kult. Ausgangs-, Mittel-, Dreh- und Angelpunkt der Analyse ist Christian Daniel Rauchs grandiose Sarkophagskulptur der Königin Luise. Erstmals wird dies Kultbild des Luisenkults schlechthin in seiner Form und Wirkung untersucht, beginnend mit seiner eigentümlichen Entstehungsgeschichte. Die Statue im Mausoleum zu Charlottenburg war für Jahrzehnte das einzige vollplastische Bild der Königin, zu dem die Menge Zugang hatte, und so wurde der Kult um Königin Luise nicht zuletzt zum Kult um diese Statue, ihrem irdischen Ersatz.

Quellen und Forschungsstand Zahlreiche Bücher erzählen vom Leben und Sterben der Königin Luise. Eine Bibliographie von 1985 führt nahezu fünfhundert Bücher und Aufsätze auf, die meisten davon aus wilhelminischer Zeit. Enorme Auflagen erreichten vor allem die populären Biographien sowie die Kinder- und Jugendbücher der Jahrhundertwende. Und ungezählt sind all die Werke zur Geschichte Preußens, in denen auch vom Schicksal jener Frau berichtet wurde.

Einleitung

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sich doch die wirkungsvolle Deformation der Geschichte durch den Mythos erst mit Blick auf die historische Sach- und Quellenlage. Und über all dem stehen die Fragen, wie in aufgeklärten, säkularisierten und .entzauberten' Zeiten, wie im Licht der neueren Geschichte eine Frau zum „Abgott des ganzen Volkes" auferstehen konnte und warum es einem Kunstwerk des 19. Jahrhunderts noch gelang, zu einem zauberischen Gegenstand zu werden, zu einer nationalen Ikone.6 Luisenmythos und Luisenkult beschritten viele Wege: Kunst und Literatur, Zeitungsartikel, Predigten und Stiftungen verwiesen aufeinander und verbanden sich zu einem überaus komplexen Geflecht aus Dokumentation und Deutung, dessen Ursprung und Bezüge ebenso im Dunkeln lagen und auch liegen sollten wie seine Macher und Profiteure. Empfahl aber gerade diese symptomatische Undurchdringbarkeit den Mythos als wahre, gleichsam natürlich gewachsene Nationalgeschichte, so vernebelt sie doch zugleich den klaren Blick auf sein Gefuge und erschwert dadurch erheblich die Entflechtung seiner Stränge. Existenz und Wesen der Königin Luise werden im folgenden in Etappen und Facetten aufgefächert, eine Vorgehensweise, die man einst zur Mythisierung ihres Lebens nutzte. Der Luisenmythos ist dabei wie alle Mythen eine Erzählung, ein Mitteilungssystem, eine Botschaft, und ruht darum auf literarischen Verfahren, von Gedichten Kleists und Goethes bis zur trivialen Unterhaltungsliteratur der wilhelminischen Epoche. Zentrale Bedeutung für die Luisenverehrung aber hatte auch die bildende Kunst. Erstklassige wie drittklassige Künstler widmeten sich der schönen Toten auf so vielfaltige Weise, daß eine regelrechte Luisenikonographie entstehen konnte. Zahlreiche Bildnisse und Denkmäler gilt es daher zu betrachten, weniger jedoch als autonome Artefakte als im historischen Kontext, im Hinblick auf ihre Funktion sowie ihren Einfluß auf Mythos und Kult. Ausgangs-, Mittel-, Dreh- und Angelpunkt der Analyse ist Christian Daniel Rauchs grandiose Sarkophagskulptur der Königin Luise. Erstmals wird dies Kultbild des Luisenkults schlechthin in seiner Form und Wirkung untersucht, beginnend mit seiner eigentümlichen Entstehungsgeschichte. Die Statue im Mausoleum zu Charlottenburg war für Jahrzehnte das einzige vollplastische Bild der Königin, zu dem die Menge Zugang hatte, und so wurde der Kult um Königin Luise nicht zuletzt zum Kult um diese Statue, ihrem irdischen Ersatz.

Quellen und Forschungsstand Zahlreiche Bücher erzählen vom Leben und Sterben der Königin Luise. Eine Bibliographie von 1985 führt nahezu fünfhundert Bücher und Aufsätze auf, die meisten davon aus wilhelminischer Zeit. Enorme Auflagen erreichten vor allem die populären Biographien sowie die Kinder- und Jugendbücher der Jahrhundertwende. Und ungezählt sind all die Werke zur Geschichte Preußens, in denen auch vom Schicksal jener Frau berichtet wurde.

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Anfang bis Mitte des 19. Jahrhunderts war es mit Biographien über die Königin weit schlechter bestellt, denn Geschichte war noch fern jener immensen Bedeutung, die ihr gegen Ende des Jahrhunderts zukommen sollte. Eine Biographie über die verstorbene Gemahlin des regierenden Monarchen zu verfassen verbat sich zudem von selbst; und gegen jede deutschnationale Legendenschrift wäre ohnehin die Zensur eingeschritten, die in der Restaurationszeit manchen verfolgte, der vor und während der Freiheitskriege das Lied auf Deutschland und die „echt deutsche Frau" auf Preußens Thron gesungen hatte. Luises erste Biographin war Karoline von Berg, eine fanatische Patriotin, die ihr der „preußischen Nation" gewidmetes Buch 1814 anonym herausbrachte. Erstmals wurde darin der Mythos vom Kummertod der Königin in Buchform aufgeschrieben und zugleich ein Charakterbild entworfen, das zu den hemmungslosesten Verklärungen in der deutschen Literaturgeschichte zählt. Das Buch war um so folgenreicher, als es für Jahre das einzige über die verstorbene Monarchin blieb und die Autorin als deren Intimfreundin den Ruf einer zuverlässigen Chronistin innehatte. Karoline von Berg wirkte maßgeblich auf die Vorstellung von der historischen Luise, beeinflußte viele Biographen und wurde gegen Ende des Jahrhunderts Schullektüre. Ein Jahr nach der Revolution von 1848 war das Buch in seine zweite Auflage gegangen, da nun auch Friedrich Wilhelm IV. an der Legende vom deutschen Erbe seiner Mutter zu stricken begann, nachdem sich sein Vater noch verächtlich über die Autorin ausgelassen hatte. Erweitert und in zahlreichen Auflagen fortgeschrieben wurde das Buch von Friedrich Adami, einem durch historische Novellen bekannt gewordenen Schriftsteller, der für die konservative Kreuzzeitung schrieb, dem Organ des altpreußischen Adels und der protestantischen Orthodoxie. Die mitunter abstrakte und noch stark vom Frauenideal der Aufklärung bestimmte Mythisierung der Königin durch die hochgebildete Freundin wurde von Adami mit zahlreichen Anekdoten durchsetzt, die prägend wurden für den Mythos der volksnahen, bürgerlichen Luise. Das Manuskript zur ersten Auflage von 1851 wurde von Friedrich Wilhelm IV. selbst ergänzt und redigiert, wie der Autor behauptete. Eigentlicher Vater der Luisenanekdote aber war wohl Rulemann Friedrich Eylert, dessen nach 1842 in mehreren Bänden erschienenes Lebenswerk Charakter-Züge und historische Fragmente aus dem heben Friedrich Wilhelms III. zu den wirkungsvollsten Niederschriften des Luisenmythos gehörte. Eylert war Hofprediger in Potsdam gewesen, wurde 1817 Bischof und Mitglied des Staatsrates und hob den Luisenkult durch Predigten und Stiftungen maßgeblich mit aus der Taufe. Königin Luise hat er noch gekannt; in späteren Jahren wurde er zum vertrauten Gesprächspartner ihres Witwers, dessen Eheleben er nachträglich mit frommen Sprüchen und sympathischen Anekdoten zu bereichern wußte. Die meisten dieser für die Eingängigkeit des Luisenmythos so bedeutsamen Geschichten las man erstmalig bei Eylert, dessen pastorale Verklärungsschrift mit Ansichten des Autors ausgeschmückt war, die er den Eheleuten, in bescheidene Bürger verwandelt, in den Mund gelegt hatte.

Quellen und Forschungsstand

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Ende des 19. Jahrhunderts, da Geschichte, identitätsstiftend und staatlich kontrolliert, zum wichtigsten Fach im Schulunterricht wie an den Universitäten avancierte, stieg exponentiell auch die Zahl der Veröffentlichungen über Königin Luise. Enzyklopädien, populäre Geschichtsbücher und Zeitungen erzählten von der Kaisermutter, die, auf Moral und Sinn gestutzt, in viele Bereiche des öffentlichen und privaten Lebens eindringen konnte. Das Leben und Sterben der Königin, nach der Reichsgründung zu epochaler Bedeutung gelangt, wurde in verschiedenen Schauspielen auch auf die Bühne gebracht, und noch vor dem Ersten Weltkrieg widmeten sich Kinofilme ihrer Geschichte. Eine große Zahl von Büchern erschien zum einhundertsten Geburtstag der Königin 1876, zum einhundertsten Todestag im Jahre 1910 ergoß sich davon eine wahre Flut. Etliches darunter war von Frauen verfaßt, alles aber war auf die patriotische Erbauung des Lesers, meist der Jugend, abgestellt, weshalb man biographische Fakten und historische Dokumente mit fiktiven Geschichten, Dialogen und Zeitzeugenberichten vermengte. Eigentümliche Höhepunkte dieser Mythisierung sind Peter Thiels esoterisch-biologistische Auslassungen über Königin Luise, Germanias Mutterherz,, die von der Jahrhundertwende bis in das Dritte Reich immer wieder aufgelegt wurden, und Arnim Steins religiös verkitschte wie nationalistisch aufgeheizte Königin Luise, die nach 1883 mehrere Auflagen erzielte. Die meisten dieser Bücher waren nicht von Historikern geschrieben worden, sondern von Laien, denen die Leidenschaft den Stift gelenkt hatte. Königin Luise wurde nach 1871 aber auch zum Gegenstand der wissenschaftlichen Historiographie. Einige der großen Historiker der Kaiserzeit wie Mommsen und Treitschke, Meinecke und Hintze würdigten die Bedeutung ihrer Figur für die deutsche Geschichte. „Nur wenigen Glücklichen ist ein so reiches Leben nach dem Tode beschieden gewesen wie dieser deutschen Königin", schrieb Heinrich von Treitschke 1876; an diesem .Glück' jedoch war er nicht unbeteiligt, wirkten doch auch namhafte Geschichtsgelehrte am Mythos und Kult.1 Alwin Lonke veröffentlichte 1904 die erste auf Quellenstudium und methodischer Arbeit beruhende Biographie der Königin, doch rückte dieses Buch bald in den Schatten des Lebenswerks von Paul Bailleu, eines ehemaligen Sekretärs von Ranke. Einen Großteil seines beruflichen Lebens hatte der Archivrat der Monarchin gewidmet und seine Forschungen in rund zwei Dutzend Veröffentlichungen zusammengefaßt, deren Höhepunkt seine prächtige Luisenbiographie von 1908 darstellt. Das Buch markiert insofern einen Fortschritt in der Luisenrezeption, als der Autor erstmals Dokumente aus dem Hausarchiv der Hohenzollern verwenden durfte, die er als Stützen des Mythos nutzte. Ende des 19. Jahrhunderts schoß auch die Zahl der Quelleneditionen in die Höhe. Zahlreiche der später so berühmten zeitgenössischen Berichte waren über Jahrzehnte unbekannt geblieben, so etwa das Tagebuch der Oberhofmeisterin Voß, das, um allzu harsche Passagen gekürzt, wegen seiner historischen Unmittelbarkeit nach 1871 besonderen Wert erlangte. Die Schreiberin war als Symbol der preußischen Pflicht-

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Quellen und Forschungsstand

erfiillung zur wichtigen Figur im Luisenmythos geworden und hatte sich zudem auch jener Schwärmerei enthalten, die andere Bücher mitunter unglaubwürdig machte. Einst privat notiert, kursierten viele dieser Aufzeichnungen von Zeitgenossen nur innerhalb ihrer Familien und gelangten erst nach dem Tod ihrer Verfasser an die Öffentlichkeit, kamen nach der Reichsgründung jedoch zur rechten Zeit. Zitate aus Luises Briefen wurden schon von Karoline von Berg und Friedrich Adami angeführt, doch erst nach der Öffnung des Hohenzollernschen Hausarchivs durch Wilhelm II. publizierte man einige Briefe der Königin an ihren Mann, gefolgt von Briefen der Hohenzollern aus der Zeit der Befreiungskriege. Ein Jahrhundert zuvor schon als Mythos etabliert, wurde die Geschichte nun von Dokumenten untermauert, die man jedoch im Sinn des Idealbilds selektierte und um unliebsame Stellen kürzte. Einerseits wurde damit einem gewachsenen Bedürfnis nach historischer Richtigkeit und methodischer Beweisführung entsprochen, andererseits aber zugleich der Mythos als geschichtliche Wahrheit etabliert, erlag doch jede Näherung an die historische Gestalt dem Bann der über die Zeiten nicht minder historisch gewordenen Legende. Erst nach dem Ende des Kaiserreiches wurde manches Dokument veröffentlicht, das Luise in einem anderen Lichte zeigte. Die harschen Worte des preußischen Heerführers Gneisenau waren in früheren Ausgaben seiner Schriften ebenso unterschlagen worden wie die abfalligen Äußerungen in den berühmten Memoiren des Friedrich August Ludwig von der Marwitz. Und ebenfalls erst in der Weimarer Republik erschienen die vollständigen Erinnerungen Friedrich Wilhelms III. an seine Frau, denn daß diese bis zum Mittag gern im Bett geblieben war, dort aber schon das ein oder andere Glas Bier zu sich genommen hatte, war im Hohenzollernreich nicht von Interesse. Erhebliche Teile ihres schriftlichen Nachlasses hatte schon der Witwer vernichtet, doch blieben vor allem Briefe erhalten, deren erste umfangreiche Veröffentlichung Karl Griewank 1925 besorgte. Das Ende des Zweiten Weltkriegs war auch das Ende der vaterländischen Erziehung und damit des Luisenkults, nachdem Propagandawerke noch zur Zeit des Dritten Reichs entstanden waren, so die Arbeiten von Ina Seidel und Tessa Klatt. Ein gutes Dutzend Bücher über die Königin, meist Biographien, kam seitdem dennoch auf den Markt, das meiste davon nach dem Fall der Berliner Mauer, als sich das Interesse an der preußischen Vergangenheit wieder merklich belebte. Erste Darstellungen des Luisenkults entstanden früh, wenn auch nicht mit dieser Absicht. Kurz nach dem Tod der Königin wurde ihr Andenken in Predigten und Gedichten zum Gegenstand einer Anthologie. Ende des Jahrhunderts dann schrieb Paul Bellardi über Luises Erinnerungsorte in Berlin und Umgebung, und Friedrich Kircheisen erstellte eine ausführliche Bibliographie. Ein umfangreicher Aufsatz über die Königin Luise im Bilde ihrer Zeit wurde 1905 von Paul Seidel, dem Direktor des Hohenzollern-Museums und Herausgeber der Hohenzollern-Jahrbücher.; veröffentlicht, eine Aufgabe, die Hermann Dreyhaus 1926 auch für die Königin Luise in der Dichtung ihrer Zeit erfüllte. Zusammenstellungen wie diese sind Dokumentationen des Luisen-

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kults und zugleich wichtige Quellen, zum einen, weil Gedichte, Predigten und Bilder zur Komprimierung zwangen und meist der Sinnstiftung dienten, zum anderen, weil ihre Betrachtung durch die Autoren aufschlußreich für das Bild der Königin zur Zeit jener Verfasser ist. Eine umfassende, moderne Darstellung des Kultes um Königin Luise aber fehlt bis heute. Ein erstmals in den achtziger Jahren des 20. Jahrhunderts publizierter Aufsatz von Wulf Wülfing über die Stationen und Phasen der Mythisierung der Königin ist zur Grundlage einiger kürzerer Betrachtungen geworden, die meist im Zusammenhang mit größeren Publikationen erschienen und entweder einzelne Ausschnitte dieses facettenreichen Themas präsentieren oder aber grobe Uberblicke.2 Ist schon die historische Betrachtung des Luisenkults ein weitgehend unbestelltes Feld, so ist die kunsthistorische noch eine Brache - was um so schwerer wiegt, als das Visuelle große Bedeutung im Kult um eine Frau besaß, deren äußere Reize als mindestens so anziehend beschrieben wurden wie ihre inneren Werte. Eine Liste von postumen Denkmälern findet sich lediglich bei Monika Arndt im Anmerkungsapparat ihres 1976 erschienen Buches über die Goslarer Kaiserpfalz. Ein Aufsatz über die Bildpolitik des preußischen Königshauses und die Ikonographie Luises wurde zudem 1999 von Holger Simon veröffentlicht, der den Schwerpunkt seiner Betrachtung auf Schadows Prinzessinnengruppe legte; sonstige Schriften über die Bildnisse der Königin streifen die Themen Mythos und Kult nur an der Oberfläche.3 Kunstwerke dienen den meisten Autoren, die über Luise schreiben, allein zur Bebilderung, nicht zur Analyse. Kitschpostkarten, Heiligenbilder und Buchillustrationen aus wilhelminischer Zeit fungieren als augenfällige Belege für die Verklärung der Königin, nur einseitig wird Kunst damit als Ausdruck eines Kultes wahrgenommen, auf ursächliche oder folgewirksame Zusammenhänge aber fallt kein Blick. Eigenartigerweise unerwähnt bleibt auch das wichtigste Kunstwerk im Luisenkult: die Sarkophagstatue. Einhundert Jahre nach ihrer Erschaffung durch Christian Daniel Rauch verschwand die bedeutendste Grabfigur des deutschen Klassizismus aus dem Blickfeld, während Schadows Prinzessinnengruppe zu enormer Popularität gelangte und darum auch die kunsthistorische Untersuchung des Luisenkults beherrschte. Eher stiefmütterlich sind alle Rauchschen Werke von der kunsthistorischen Literatur seit 1945 behandelt worden, wie überhaupt die Berliner Bildhauerschule nach Schadow erst in den letzten zwei Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts einer näheren Betrachtung durch die moderne Kunstwissenschaft unterzogen worden ist. Ein Werkverzeichnis von Rauch gab erst Jutta von Simson 1996 heraus; neben der Betrachtung des Luisengrabmals dort sind die beiden Heftchen Das Mausoleum im Charlottenburger Schloßgarten und Die Werke Christian Daniel Rauchs im Schloßbezirk von Charlottenburg von Helmut Börsch-Supan die einzig erwähnenswerten Ausführungen über das einstmals so berühmte Werk. Das reichste Material über Rauch bietet nach wie vor die mehrbändige, nach 1873 erschienene Monographie von Friedrich Eggers, der den Bildhauer noch gekannt hat und aus reichen Quellen schöpfen konnte. Erkenntnisse über die Entstehungs-

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Quellen und Forschungsstand

geschichte des Luisensarkophages gewähren auch die Briefe des Künstlers selbst, der Caroline von Humboldt über die Arbeit in Berlin, Carrara und Rom unterrichtete. Künstler wie Schadow und Schinkel sind von der Kunstgeschichtsschreibung zwar eingehend behandelt worden, unbetrachtet aber blieb bis heute ihre Arbeit am Mythos und Kult um Königin Luise. Keine oder kaum Beachtung in der Wissenschaft fanden bislang auch die Werke wilhelminischer, heute oft: vergessener Berühmtheiten wie Encke, Richter und Werner, Keller und Schaper, Eberlein und Götz. Zeitgenössische Schriften zeigen heute unsichtbar gewordene Bedeutungen und Bedeutungszusammenhänge vieler Monumente. Kunsthistorische Bücher und Zeitungsartikel in der Tradition der vaterländischen Kunstbetrachtung, wie etwa Adolf Rosenberg sie publizierte, machen offenbar, welche Ansprüche und Geschichtsbilder hinter den Denkmälern standen und welche Botschaft aus ihnen sprechen sollte. Einweihungsreden und Denkmalsenthüllungen verraten oft mehr über die Interpreten und ihre Zeit als über das interpretierte Werk. Einzige Quellen über viele Denkmäler sind illustrierte Zeitungen wie die Leipziger Hlustrirte oder die Gartenlaube, die über neu eingeweihte Monumente berichteten und diese abbildeten, bevor das Interesse an ihnen nach dem Ende des Kaiserreiches erlosch und der Zweite Weltkrieg sie zerstörte. Einblicke in die Entstehung vieler Monumente gewähren auch die Schriften und Memoiren mancher Künstler; mitunter zeichnen sie komplexe Bilder der jeweiligen Zeit. Erinnerungen von Zeitgenossen wie Luise Radziwill, Sophie von Schwerin und Friedrich August Ludwig von der Marwitz, Hildegard von Spitzemberg und Marie von Bunsen erzählen darüber hinaus von den menschlichen, gesellschaftlichen und politischen Hintergründen des Kults um Königin Luise. Und schließlich haben sich auch viele Biographen der Monarchin über deren Bildnisse geäußert und sich von diesen inspirieren lassen, und als Schnittstellen von literarischen und bildlichen Verfahren der Mythisierung sind diese Betrachtungen von besonderem Wert. Einerseits sagen sie viel über die spezifischen Wirkungen einzelner Kunstwerke aus und zeigen, wie diese den Mythos prägten, andererseits offenbaren sie, wie die Wahrnehmung von Kunst durch den Mythos beeinflußt wurde, der dem Betrachter seine Empfindungen ebenso vorgab wie seine Erkenntnisse.

1 Luises schlimmer Tod „Selbst dem kühlen Forscherauge entrinnt eine Thräne. Friedrich Adami 1868

Einige Wochen nach dem Tod der Königin Luise erschien die Sammlung der vollständigsten und zuverläßigsten Nachrichten von allen das Absterben und die Trauerfeierlichkeiten dieser unvergeßlichen Fürstin betreffenden Umständen, die dem Leser „wo möglich auch das Geringste, was sich bei und nach ihrem Absterben zugetragen hat", erzählte. Und so erfuhren die Preußen, wie Luise von „Brustfieber" mit „Eiterauswurf" befallen worden war, wie der Berliner Arzt Ernst Ludwig Heim nach Hohenzieritz gekommen war und den König dann in Potsdam von der Lebensgefahr der Gattin unterrichtet hatte.2 König Friedrich Wilhelm III., wie man lesen konnte, war noch am Abend des 18. Juli mit dem Kronprinzen und dem Prinzen Wilhelm aufgebrochen und erreichte „am 19ten Morgens gegen 5 Uhr" Hohenzieritz. Krämpfe und Schmerzen hatten Luise schon „äußerst verändert", so daß der König beim ersten Anblick erschrocken war, wie er sich selbst erinnerte: „Die Totenblässe und der Angstschweiß, so wie alle übrigen unglücklichen Symptomata nahmen jedoch merklich zu, die Fingerspitzen wurden schon eiskalt, und mußten daher [...] beständig mit warmen Servietten gerieben werden. Ich that, so wie ein Jeder auch, mein möglichstes und hauchte fleißig in die Hände, um sie zu wärmen, ihre linke Hand behielt ich in der meinigen bis zu ihrem Ende. Alle nur ersinnlichen Kraempfestillenden und andere lindernde Mittel wurden fortwährend, aber umsonst, angewendet. Die Lage des Kopfes wurde ihr immer ängstlicher und da man ihr unteranderm rieth, die Aerme etwas weiter abzuhalten, sie würde dadurch Linderung erhalten, sagte sie, Das bringt mir den Tod, und bald darauf, ich sterbe von oben herunter. Auch: Herr Gott, Herr Jesus, verlaß mich nicht, und ganz zuletzt, als die Krämpfe ihr beinah schon ganz den Athem benahmen: Herr Jesus, mache es kurz, und wenige Augenblicke nachher, nachdem sie einigemale konvulsivisch mit dem Gesicht gezuckt hatte - verschied sie."3 Eine Stunde später trafen auch die Königskinder Charlotte und Carl in Hohenzieritz ein, wo der Vater sie schon außerhalb des Schloßhofes empfing und ihnen selbst die traurige Nachricht überbrachte. „Das Wehklagen war allgemein", schrieb die Presse, doch bei „der erfolgten Section des Leichnams" habe sich ergeben, daß der „Keim des Todes schon seit langer Zeit im Körper gelegen" und darum keine Hoffnung auf Heilung bestanden habe.4 Die Zeitungen Berlins hatten noch am 19. Juli 1810 auf den Titelseiten über die Krankheit der Königin berichtet und auch bereits Symptome angegeben, darüber hinaus jedoch Optimismus verbreitet, denn Luise hatte oft gekränkelt, galt aber als

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stark. Zwei Tage später erschien die Todesnachricht auf den Titelseiten, doch Klagelieder und Gefuhlsausbriiche fehlten an diesem Tag noch ebenso wie Spekulationen über die .wirkliche' Todesursache. Klar und sachlich hingegen wurden die Gründe des Todes erläutert und die Stationen von Luises Leben nachgezeichnet, wenn auch „mit dem tiefsten Schmerz".5 Die Nachricht verbreitete sich schnell, und eine Bewegung ging durch die Stadt, „nur mit deijenigen zu vergleichen, die in den ersten Tagen der Überwältigung durch die Feinde stattfand", wie sich ein Zeitgenosse erinnerte. „Ein Gefühl schien jeden zu durchdringen, als wäre die letzte schwache Hoffnung mit dem Leben der angebeteten hohen Frau entwichen", und so geriet die Feier ihrer Beisetzung zu einem düsteren Ereignis mit enormer öffentlicher Anteilnahme.6 Erst fünf Tage nach dem Tod der Königin war ihr Leichenzug von Hohenzieritz abgegangen und hatte am 27. Juli die Hauptstadt erreicht, wo er von einer unüberschaubaren Menschenmenge erwartet wurde. „Nun bildete sich ein Zug", berichtete Wilhelm von Humboldt seiner Frau, „und ging in der Mitte der Linden, ganz zu Fuß, [...] bis zum Schloß. Zu beiden Seiten waren Reihen von Soldaten, an einigen Orten Sängerchöre, an den anderen Militärmusik und Trommeln, die gedämpft und etwas in der Ferne sehr melancholisch klingen. Auf dem Brandenburger Tor, wo sonst die Viktoria stand, wehte eine große schwarze Fahne, alle Glocken gingen. Der Zulauf der Menschen war unglaublich, aber eine Stille, die man sich kaum vorstellt, man hörte nicht einmal das sonst bei großen Haufen fast unvermeidliche dumpfe Gemurmel."7 König Friedrich Wilhelm und seine Kinder empfingen den Sarg an der Schloßtreppe. Kerzen erhellten den Saal der Aufbahrung, den Rittersaal, die anderen Säle blieben unbeleuchtet. Die Estrade unter dem Thronhimmel, wo der Sarg niedergestellt wurde, bedeckte violetter, hermelinverbrämter Samt - „gut" habe das Ganze ausgesehen, schrieb Humboldt. „Es hatte etwas Schauerliches, die Prinzessinnen alle in tiefer Trauer mit Krepp und langen Floren, die meisten weinend und sehr angegriffen in dieser halbdunklen Abendzeit zu sehen. Sie waren im Spiegelzimmer versammelt, das die Trauergestalten noch schauerlicher vervielfältigte." Einlaß erhielt auch das Publikum für die folgenden drei Tage. „Still und gut", so Humboldt, habe sich das Volk betragen, doch wuchs die Menge, die draußen an den Portalen wartete, zu bedrohlicher Größe. Kavallerie, Polizei und Bürgergarden drängten die Menschenmassen zurück, aber „natürlich", wie ein Zeuge berichtete, „fand das Publikum, besonders die niedrigste Classe, ein solches Verfahren hart und murrte laut".8 Der Ärger machte sich Luft, es kam zu heftigen Rufen und Durchbrüchen durch die Reihen der Soldaten, und in den äußeren Stadtteilen verbreitete sich das Gerücht, ein Aufstand sei beim Schloß im Gange. König Friedrich Wilhelm stand zum Geleit bereit, als Luises Sarg nach Ablauf von drei Tagen wieder aus dem Schloß heraus gebracht wurde. Das Tragen aber ging nur langsam voran, und während der Witwer auf den ersten Blick die Fassung wahrte, beobachtete Wilhelm von Humboldt, wie seine Beine schlotterten, als der Sarg ihn

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passierte. „Der arme König ist in einer dumpfen Verzweiflung", hatte die Oberhofmeisterin Voß am Tag nach Luises Tod in ihr Tagebuch geschrieben, „ich saß lange bei ihm, immer von neuem geht er zu ihr hinein, - ich fasse es nicht, wie er sich jemals beruhigen und fassen und es ertragen soll."9 Der Witwer und die Kinder folgten dem Sarg in den Dom, wo die Königin zur vorläufigen Ruhe gebettet wurde. „Äußerst rührend waren die beiden kleinsten Kinder, Luise und Albrecht", berichtete Humboldt. „Beide waren still, aber sahen ganz unschuldig und ohne zu wissen, was ihnen geschah, heiter in das Gewimmel. Der kleine Albrecht auf dem Arm der Amme, ganz schwarz angezogen, flößte ein unglaubliches Mitleid ein. [...] Das Losreißen der Kinder von der Mutter ist schon durch seine Unnatürlichkeit herzzerschneidend." 10 „Ich leugne nicht, daß mich diese Tage sehr erschüttert haben", gestand Humboldt, der die Feier „eigentlich peinlich" fand, denn die Königin sei „wirklich und aufrichtig geliebt worden, und eine Zeremonie dieser Art" habe „immer etwas Schauspielartiges". Und doch hatte das Erinnerungstheater gerade erst begonnen, war der Kult um die Verstorbene eben erst erwacht. Einen Monat nach ihrer Beisetzung sollte Luise auf der Bühne des königlichen Opernhauses wiederauferstehen, und bei dem schönsten Schauspiel ihres Todes führte Humboldt selbst Regie.

2 Ein Mythos entsteht „Die Einzige dem Tode hingegeben? Nein nimmermehr! Sie bleibt der Ewigkeit. Ein Engel Gottes stieg herab ins Leben Und strahlend schied er zur Unsterblichkeit. "1 Friedrich Duncker 1810

„Eure Wege sind nicht meine Wege", spricht der Herr, und gleich so sprachen die Verkünder seines Wortes nach dem Tod der Königin Luise. Die Kirche in der Pflicht, auf dem Gipfel politischer Schmach und wirtschaftlicher Not das neue Unglück zu erklären, flüchtete sich in die Unbegreifbarkeit, aber auch in die „hohe Weisheit und Güte" der göttlichen Entschlüsse.2 Jesaja 55, Vers 8 und 9 war als Text aller Predigten angeordnet worden, was die preußische Ökumene vor dem Abfall vom göttlichen Pfad ebenso bewahren sollte wie vom Glauben an die preußische Monarchie: „Alles ist eitel - ganz eitel!", beschwor man mögliche Zweifler an Gottes unverständlichem Entschluß zur Heimholung der Königin Luise. „Und wo auch weiter nichts uns übrig bleibt, als schweigen und anbeten, da müssen wir die Hand auf den Mund legen und schweigen, da niederfallen und anbeten, vor Dem, der Gewalt und Macht und Herrlichkeit hat in Ewigkeit."3 Schweigen aber war die Sache der Menschen nicht, und wo Gottes Wort das Unglück nicht erklärte, da blühten Mystik und Gerüchte. Kunde von Vorzeichen der Tragödie ging durch Berlin und Potsdam; eifrig beteiligte sich auch der Hof daran, und selbst der König, von der Idee seiner vorherbestimmten Verdammnis in den Aberglauben getrieben, notierte jede düstere Begebenheit. „Närrisch ist es", schrieb Wilhelm von Humboldt, selber ein Freund von Geistergeschichten, „daß auch Vordeutungen des Todes gewesen sind, die, wenn man sie auch nicht streng erwiesen nennen kann, doch mehr als bloße Einbildung sind." Eine mysteriöse Unbekannte hatte eines Tages mit einer wichtigen Botschaft um Audienz beim König ersucht, war aber abgewiesen worden, weshalb man nun zu wissen glaubte, daß sie ihn hatte warnen wollen; und auch die ,weiße Frau' war gesehen worden, die vermeintlich immer dann im Schloß erschien, wenn einem Hohenzollern das Ende nahte. „Der eigentliche Grund oder Ungrund dieses Gerüchtes, ist meines Wißens nie befriedigend erwiesen worden", schrieb der König. „Selbst die Schildwachen wollen sie gesehen haben."4 Einen ihrer ausgelassenen Briefe an die Prinzessin Radziwill hatte die Königin wenige Tage vor ihrer Abreise nach Neustrelitz scherzhaft mit allen ihren Namen unterschrieben und hinzugesetzt: „geboren lOten März 1776 f - ja das weiß ich noch nicht". Und als sie zu ihrem Vater aufbrach, da fuhr sie an einem Montag, jenem Tag,

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der nach rassischem Glauben ein unglücklicher ist. Eine seltsame Schwermut, wie die Hofdamen berichteten, hatte sich ihrer in der Kutsche bemächtigt, was man später als Vorahnung des nahen Todes deutete. Zwei Nächte vor dem verhängnisvollen Ereignis schließlich drangen traurige Orgelklänge aus der Potsdamer Garnisonkirche. Die ganze Stadt, so erzählte man dem König, war „voll von dieser Geschichte", und Wilhelm von Humboldt berichtete Caroline: „Daß man bestimmt einzelne Töne gehört, ist ausgemacht. Man sagt aber jetzt, die Tür habe offen gestanden und der Wind habe sie hervorgebracht, auch daß viele Fledermäuse sich auf die Tastatur geworfen hätten, kurz, man sucht zu erklären, was man nicht ableugnen kann."5 Das Unerklärliche sollte dem Unbegreifbaren Sinn verleihen und quälte doch des Königs Gemüt. „Schlüßlich muß ich noch bemerken", schrieb Friedrich Wilhelm, „daß ich nicht die geringste Ahnung oder Besorgniß von dem Tode meiner Frau gehabt habe. Wohl habe ich bisweilen ohne abergläubisch zu seyn, den Gedanken gehabt, ob mir nicht in meinem jetzigen 13ten Regierungsjahre irgend ein neues politisches Unglück begegnen könnte. Seltsam genug, daß in dem 13ten Jahre unserer Ehe, der unglückliche Krieg mit Frankreich ausbrach, der uns um die Hälfte unserer Provinzen brachte, und der uns lange noch theuer zu stehen kommen wird. In meinem 13ten Regierungsjahre dagegen habe ich das Unglück, das größte was mir auf der Welt begegnen konnte, meine unaussprechlich geliebte Frau zu verlieren. Also hat die Zahl 13 doch ihr Recht behauptet."6 König und Volk suchten nach Sinn in diesem schrecklichen Ereignis, nach einem höheren Grund fiir das Sterben der Königin in der Blüte ihrer Jahre. Das Entsetzen zog weite Kreise und schuf das Gefühl von Gemeinschaft in Trauer und Schmerz. Kirchenmänner sahen „Spuren des göttlichen Sinnes" im Tod der Königin und waren sich gewiß, daß eine „höhere Bestimmung" ihn erfüllte. Kirche und Krone, Bürgertum und Militär, romantische Dichtung und Malerei webten schon bald an Mythos und Kult. Die Bereitschaft, eine Botschaft im Schicksal der Königin zu erkennen, entstand, befeuert von der desolaten politischen und ökonomischen Lage im Staat. Eigentlich wähnten sich die Preußen nach den Katastrophen der vorausgegangenen Jahre, nach Jena, Auerstedt und Tilsit, längst am Tiefpunkt ihrer Geschichte, bis sie der Tod der Königin eines Besseren belehrte. „Es ist doch unmöglich, daß einen Staat so viel aufeinanderfolgendes Unglück treffen kann, als den unserigen", schrieb der alte Blücher auf die Todesnachricht.7 „So geht denn alles, alles hin, was gut und edel war und in den Gesinnungen Würde und Gefühl hatte!", klagte Caroline von Humboldt. „Der arme König, die Kinder - Gott weiß, daß mir die Tränen stromweise herunterstürzen. [...] Ich kann nur mit stiller Wehmut an die Heimgegangenen denken, es sei auch wer es sei, aber die Zurückbleibenden! Gott, es ist schrecklich."8 Eine gesamtgesellschaftliche Sinnmaschinerie setzte sich in Gang, die neben christlichen auch abergläubische, klassisch mythologische und romantische, aus der Naturanschauung gewonnene Vorstellungen zum Mythos vom Leben der Königin über den Tod hinaus verschmolz. Das gemeinsame Wirken am Mythos öffnete die

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Tür zu einer durch gemeinsame Sinnsuche konstituierten Gemeinde. Und so war die Trauer kein verordneter Staatsakt, sondern eine kollektive Empfindung, die in engem Zusammenhang stand mit Luises Rolle und Inszenierung in der Öffentlichkeit. Zeit ihres Lebens von Hof wie Bürgertum als sympathische Volkskönigin popularisiert, wurde die Tote binnen Tagen zum nationalen Vorbild für das preußische Volk. Königin Luises früher Tod war Anstoß für die Mythisierung ihrer Biographie, die auf Sinn und Prägnanz verdichtet wurde wie auf eine verbindliche, zukunftsweisende Aussage. Erinnert wurde ihr Leben nun als Abfolge von natürlicher und unverdorbener Kindheit, erblühter Schönheit, im Unglück zu heroischen Maßen gereifter Mütterlichkeit, in der Schmach sich opfernder Selbstvergessenheit und sich schlußendlich zum Himmel hinaufschwingender Wirksamkeit. Ein jedes Gedicht auf sie aus jenen Tagen endete mit der Hoffnung auf eine bessere Zeit, und auch von den Kanzeln herab tröstete der Blick in eine hellere Zukunft. Die Zwecke Gottes seien oft verborgen, sprach Probst Ribbeck, Luises Beichtvater, „wir ahnen es zuweilen gar nicht, was Gott bei seinen Verhängnissen vorhat"9, und so wurde das Sterben der Landesmutter als Mittel abgesegnet, „welches Gott zur Erreichung seiner Absichten" gewählt habe.10 Königin Luise stieg in den Himmel, eine Apotheose, die sich von Anfang an mit den aktuellen politischen Ereignissen verband und dadurch eine nationale Dimension erhielt, eine Bedeutung für das preußische wie deutsche Volk. Endgültigkeit wich Kontinuität. Zeitungsschreiber, Dichter und Kanzelredner weckten die Tote vielstimmig zu neuem Leben auf; schon ihre Allegorisierung zum „Muster alles Edlen, alles Schönen" und ihre Asthetisierung als „der höchsten Anmuth göttergleiches Bild", ihre Verklärung zum „Schutzengel" und ihre Superlativierung als „das höchste nie erreichte Ideal" waren allesamt Bestandteile ihrer Apotheose.11 Und ganz gleich ob man die Verstorbene nun „Schutzgeist" oder „Engel" nannte, ob sie „heilig" war oder „schlummerte", ein jeder Abgesang war bestimmt von der Idee, daß die Tote weiterlebte, weiterwirkte. Königin Luise lebte als die „Königin der Herzen" weiter in den Herzen und wachte als die „Himmelskönigin" im Himmel über das Land; ihre Liebe wog schwerer als der Tod und geriet zum alles verbindenden Element. Kontinuität wurde zur alles überstrahlenden Botschaft: Kontinuität der Tugend im Wertewirrwarr, Kontinuität der Ehre in der Schmach, Kontinuität auf dem preußischen Thron und später sogar Kontinuität der Nationalidee. Konfus am Anfang, von Interessen der Krone, der Kirche wie des patriotischen und national gesinnten Bürgertums geprägt, verdichtete sich der Mythos nach den Freiheitskriegen, galt doch der Niedergang Napoleons als Beweis für Luises wirksam fortdauernde Existenz. Und doch war bereits kurz nach ihrem Tod jene Struktur entstanden, die den Mythos noch zu dem des Deutschen Reiches machen sollte. Die Verklärung der Königin zur Trägerin extremer Eigenschaften machte ihren Verlust zu einem ebensolchen Ereignis, das auf epochale Zwecke schließen ließ und alles in den Mythos integrierte, was politisch geschah und nur im Entferntesten mit dem Tod der Königin in Zusammenhang gebracht werden konnte. Zeitungsartikel und Klagelieder,

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Predigten und Bilder aus den Tagen nach dem Tod zeigten schon all die Motive, um die der Mythos dann flir mehr als ein Jahrhundert kreiste. Königin Luises Schönheit, dem Alter durch den frühen Tod entzogen, wuchs nach ihrem Tod ins Unermeßliche. Und Schönheit kündete von Güte; nur als Schönste der Schönen konnte die Monarchin darum auch zur Reinsten der Reinen werden, als welche sie der Nachwelt galt. Eine Frau, die keine politische Verantwortung besessen hatte, empfahl sich durch Vollendung als Symbol, dessen Bedeutung wandelbar gestaltet und durch Vollkommenheit gehoben und bewahrheitet werden konnte. Zeit ihres Lebens als .Bürgerliche' mythisiert, wurde die Verstorbene von Preußens Patrioten und Protestanten zum Ideal der Häuslichkeit und Mutterliebe stilisiert, zur „königlichen Dulderin" von geradezu überirdischer Beständigkeit. Die Tote wurde zur Schönsten, Reinsten und Frömmsten; sie verkörperte die Untrennbarkeit des Ästhetischen, Sittlichen und Religiösen, die man zu einem Wert vereinte und sakral überhöhte: zur Vaterlandsliebe. Keim der Mythisierung, Höhepunkt des Mythos und wichtigstes Element in seiner Nutzbarmachung durch den Nationalismus war der Glaube an Luises Tod aus Kummer über das Schicksal von Nation und Staat. Ein wenig vorsichtig formulierte Hofprediger Ribbeck schon, was später zu einer großen Tatsache der preußischen Geschichte werden sollte: daß das „Herz der edlen Fürstin" wohl „im Tode brach", weil es in einer „bösen, schweren Zeit so oft beklommen und ängstlich geschlagen hatte".12 „Mächtig ist Märtyrerblut!", sang Zacharias Werner. „Vergebens floß kein Blut!"13 Kein Wort über die Verstorbene verlor indessen Friedrich Schleiermacher bei seiner Predigt in der Dreifaltigkeitskirche, dennoch wußte jeder, wen und was der „Geistliche der Patrioten" meinte, als er von der Steinigung und Verklärung des Heiligen Stephanus, des ersten Märtyrers, erzählte.14 Keine von den „Himmelsköniginnen", schrieb Zacharias Werner, heftig für Mystik und Katholizismus entflammt, war „Luisa" an „Huld und Qualen gleich"; kaum eine Woche war seit deren Tod vergangen, da nannte sie die Vossische Zeitung eine „Heilige".15 Königin Luise wurde zur ersten Märtyrerin der Nation, gleich welche politische Gestalt diese besaß, denn das Höchste, dem sie sich hingegeben hatte, war der Glaube an das Vaterland, das Hoffen auf seine Wiedergeburt. Keinen Zweifel aber wollte der Hofprediger Sack daran belassen, was als zweite historische Tatsache in die Gemüter floß und für den kriegerischen Totenkult so wichtig werden sollte: daß Luise „selig" starb, nie vom Glauben abgefallen war und den ihr verordneten Kampf „herrlich bestanden" hatte.16 Aufrufe zur Rache verbat noch die Zensur, die französische Interessen zu wahren hatte; Luise aber, als Tote mit großen Hoffnungen besetzt, wurde zum Symbol der deutschen Freiheit. Und die Sinnstiftung ihres Opfers fand auf Erden statt. Krieg, Exil und Verlust des halben Staatsgebietes lagen als Gründe für das gebrochene Herz der Königin auf der Hand, so daß 1813 dann der Aufruf zum „heiligen" Kampf gegen Napoleon unter dem Zeichen Luises folgen konnte.

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Das Sterben der Königin hatte das erschütterte Volk in engster Weise mit dem Herrscherhaus verbunden, das plötzlich vor der unerwarteten Aufgabe stand, diese emphatische Beziehung lenken zu müssen - und die Gunst der Stunde zu nutzen wußte. Die tote Luise wurde zur politischen Herrschaftsressource. Eine Mitteilung des Hofpredigers und Oberkonsistorialrates Sack war am Sonntag dem 22. Juli als offizielle Verlautbarung in den Kirchen des Landes verlesen worden und wurde zwei Tage hiernach in vollem Wortlaut auf der Titelseite der HaudeSpenerschen Zeitung veröffentlicht: „Nach so vielen bittern Prüfungen ist ein neues uns betäubendes Unglück über uns gekommen, da es dem allweisen Beherrscher der Welt gefallen hat, über das Leben unserer allverehrten und innigst geliebten Königin zu gebieten. [...] Der harte Schlag, der uns getroffen hat, zerreißt unsere Herzen und rechtfertigt unsere bange Bestürzung, unsere Thränen und unsere Klagen; aber es ist unsere Pflicht, uns in Demut zu beugen unter die allgewaltige Hand, die uns verwundet, und anzubeten die Rathschlüsse des Ewigen! Geheiligt werde unser Schmerz durch den Glauben, daß doch gut sey, was uns böse scheint, und durch den Gedanken an die Glückseligkeit unserer früh vollendeten Königin, die nun die Früchte ihrer frommen Tugend, ihrer Leutseligkeit und ihrer geprüften Geduld in einem besseren Leben genießt. Viel, viel war des Segens, der uns durch ihre seltene Güte von Gott geworden ist; wie könnte je verlöschen in unsern Gemüthern unsere Dankbarkeit für ihre landesmütterliche Treue und Liebe, und für das erhabene ermunternde Beispiel, das sie uns hinterlassen hat. [...] An allen theuren Kindern der Vollendeten verherrliche sich die göttliche Güte, daß sie zum Trost des Königs und zum Segen des Vaterlandes sich ausbilden mögen in allen fürstlichen und christlichen Tugenden, damit sie erneuern den kommenden Geschlechtern das Vorbild der Seelengröße und Seelengüte, das sie vor Augen gehabt haben."17 Das Faktische verwandelte sich ins Nützliche. Ein schwacher Monarch, eine verfehlte Politik und eine militärische Niederlage waren nun Ergebnisse des göttlichen Wollens sowie eine vom ganzen Volk verschuldete Misere. Könige verloren anderswo die Kronen oder Köpfe, während in Deutschland der Ruf nach einem geeinten Vaterland erklang, und so nutzte das preußische Herrscherhaus die Bereitschaft, im Tod der Königin Bedeutung zu erkennen, zur Bindung des Volkes an die Monarchie. „Eines Jeden ernstliches Bestreben" sei es, mahnte Hofprediger Sack, „an seinem Theile dazu beizutragen, daß des besten Monarchen Wunsch erfüllt werde: der Wunsch, über ein gutes, einiges, durch seine Unfälle gebessertes, glückliches Volk zu herrschen!"18 Und zu Garanten dafür wurden die fortwährende Erinnerung an den größten aller Unfälle wie die rituelle Wiedererweckung der ihm entstiegenen Gefühle. Kommende Generationen müßten noch „gerührt erkennen, was Luise Ihrem Volke gewesen ist", forderte Hofprediger Ehrenberg während eines Gedenkgottesdienstes in Anwesenheit der Königsfamilie.19 Kult und Mythos wurden so von Anfang an aus dem monarchischen System heraus entwickelt, wenngleich der Witwer selbst in jenen Tagen keinen Anteil daran hatte. König Friedrich Wilhelm verharrte noch in dumpfer Lethargie, da verknüpften

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seine Hofprediger schon Appelle zu neuem Glauben, bürgerlichem Tugendstreben und unerschütterlicher Liebe zur preußischen Krone mit dem Namen Luise. Auf der anderen Seite aber war das Andenken der Toten schon um diese Zeit mit Wünschen an die Monarchie verbunden, hofften doch manche Prediger auch beim König auf gehörige Lehren aus der Katastrophe. Und so nahm man die Verstorbene in den ersten Tagen schon als das, als was man sie noch oftmals nehmen sollte: als eindringliche Form, die Forderungen legitimieren half, Forderungen des Bürgertums wie auch der Monarchie. „Auf Poesie ist die Sicherheit der Throne gegründet", erinnerte Gneisenau den König, als dieser im folgenden Jahr seine Vorschläge über die Entfesselung eines Volkskriegs gegen die Franzosen abschätzig als „Poesie" abtat.20 Edgar Allan Poe schrieb drei Jahrzehnte später seinen berühmten Satz: „Der Tod einer schönen Frau ist ohne Zweifel das poetischste Thema der Welt."21 Und darum wurde der poetische Tod der .schönsten aller Frauen' zur Neuerung der Normen eingesetzt: „Wenn Gott eine Lehre fiir ein ganzes Volk durch den Gewalttod von Tausenden, ja durch den bürgerlichen Tod ganzer Länder erkaufen läßt", fragte Friedrich Christian Wigand seine märkische Gemeinde, „warum sollte nicht, zur Lehre für eben das Volk, das milde sanfte Todesopfer einer jugendlichen, im Glauben sterbenden Landesmutter von Gott mit Weisheit gewählt werden?"22 Die Antwort auf die Frage nach der Lehre aus dem Tod der Königin jedoch gab die Nation, nicht Gott, mahnte doch das Schicksal jener Frau zu allem, was der Nationalismus dann zu allen Zeiten Tugend nannte. Die mit Tränen säen, werden mit Freuden ernten wurde zum Leitspruch des Luisenkults, und diesen ,Lieblingspsalm der Königin Luise' kannte bald ein jeder Preuße. Zahlreiche Bilder entstanden und bestärkten die Idee von Luises fortdauernder Anwesenheit. Kaum eine Woche war seit ihrem Tod ins Land gegangen, da zeigte der berühmte Modelleur Leonhard Posch in der Vossischen Zeitung die Erhöhung seiner Produktion von Medaillen an; vier Tage später offerierte auch der „Königliche Medailleur" Abraham Abramson Gedenkmünzen mit Luises Antlitz.23 Einen Taler, einen „verhältnisweise unglaublich geringen Preis", kostete das Medaillon von Posch, das als „überaus ähnlich und sehr sauber gearbeitet" beworben wurde und so gefaßt war, „daß man es gleich an die Wand hängen" konnte. Die Königliche Eisengießerei verkaufte es in verkleinerter Form auch als „niedlichen Halsschmuck" für die Dame.24 Eine „allgemeine Verbreitung" wurde diesen Devotionalien in der Presse gewünscht, die Künstler, Kaufadressen und Preise nannte. Königin Luise stieg auf Stichen in den Himmel, wobei Mariae Himmelfahrt das Vorbild war für die Verstorbene, die sternenumkränzt gen Himmel schwebte. Exemplare einer Büste wurden angeboten, die der Strelitzer Bildhauer Christian Philipp Wolff in Anlehnung an die Totenmaske gestaltet hatte. Die Königlich Preußische Porzellanmanufaktur verkaufte Tassen mit Luises Porträt. Erinnerungsstücke aller Art wurden in vielen Häusern aufbewahrt, wo man sie mit Blumen schmückte, oft Immortellen oder Vergißmeinnicht. Das Volk sprach von ihr wie von einer Heiligen, bekannte sich zur Pflicht ihres Gedenkens und gab dem Wunsch nach Sinnstiftung Sichtbarkeit.

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Einheit im Schmerz beherrschte die Szene. Einmütigkeit im Glauben an Luise, im Streben nach ihren Tugenden wie nach nationalem Zusammenhalt, das waren die Losungen, unter denen jene Tage standen, damals schon und um so mehr Jahrzehnte später, als der Mythos der Königin politisch wieder wichtig wurde. Ein Jahrhundert lang erinnerte man wieder und wieder an jene traurige und doch erhebende Zeit. Kult und Mythos, wie es später schien, waren natürlich, gleichsam von selbst entstanden, was ihren propagandistischen Einsatz auf lange Sicht verschleierte und ihre Kräfte stärkte für die Gemeinschaft unter der Hohenzollernkrone. Eylert wies drei Jahre vor der Revolution von 1848 noch mit Nachdruck darauf hin, daß Luises Bild einstmals „in allen Häusern [...], selbst in Bauernhütten" gehangen habe.25 Konsequenzen wie kein zweites Bild aus jenen Tagen hatte ein Stich der Sterbeszene nach einer Zeichnung von Heinrich Anton Dähling (Abb. 1), der Luise schon zu Lebzeiten als treusorgende Mutter im Kreis ihrer Familie verewigt hatte. Die „Porträt-Aehnlichkeit" aller Dargestellten sowie die Maße waren vor der Fertigstellung bereits angekündigt worden, ebenso der Preis und die Bezugsquelle. „Die düstere Trauerscene am Sterbebette der christlichen Königinn, in welcher der König, in Schmerz versunken, Ihre Hand hält, und von den Söhnen der Kronprinz und der Prinz Wilhelm in kindlicher trauernder Liebe niederknien, wurde überall mit Theilnahme betrachtet und man sah das Bild nur mit Wehmut an", erinnerte sich Eylert.26

Abb. 1 Heinrich Anton Dähling: Königin Luise auf dem Sterbebett, Kupferstich von Daniel Berger, 1811

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Das Bühnenbild vom Schluß des Dramas, in vielen Büchern abgebildet, war von enormer Wirkung, denn Königin Luise starb den ,schönen Tod', umringt von der Familie. „Das Sterben eines Mannes kann gar nicht so etwas Rührendes haben, wenn er auch gleich innig geliebt wird", schrieb Wilhelm von Humboldt.27

3 Luises schöner Tod „In Frieden bist du hinübergeschlummert in das beßere Land; in deiner Heimath, die du wieder zu sehen sehnlichst gewünscht hast, bist du unter lebhafter Erinnerung an die Freuden der Kindheit, umgeben von den Deinigen, sanft eingeschlafen, nicht ahnend die Nähe des Todesengels, und nur einen Augenblick empfindend die Bitterkeit des Todes und den Schmerz der Trennung. Als sich beim Anblick des Boten Gottes, der dich abrief, dein Auge emporhob zu dem Vater im Himmel; als sich dein brechendes Herz gläubig hinwandte zu dem Erlöser, da entschwand dein Geist der sterblichen Hülle, und ward befreit von den Banden, die ihn hier noch gefesselt hielten. - Du bist nun näher dem Throne der Gottheit; ein helleres Licht umstrahlt dich; dein Glaube hat sich verwandelt in ein seliges Schauen!"1 Friedrich Samuel Gottfried Sack 1810

Anonym ist der Autor des berühmten Zeugenberichts über „die letzten Lebenstage der Königin Louise", den das Tübinger Morgenblattfür gebildete Stände in den ersten Maitagen des Jahres 1811 veröffentlichte.2 Eine „geistreiche Frau" nannte der Redakteur als Quelle. „Bedurfte es aber wohl dieses Fingerzeiges? Nur eine edle weibliche Hand vermag so zart, gemüthvoll und sinnig die Züge hinzuwerfen, die vom Herzen ihre tiefste Bedeutung erhalten." Karoline von Berg verbreitete den Bericht im Anhang ihres Buches von 1814, das ebenfalls anonym erschienen war, und so schrieben Namenlose erstmalig den Mythos auf und stärkten seine Existenz als ,autorlose Erzählung', die scheinbar von allein entstand, aus dem Wesen der Dinge. Die Geschichte der Königin aber mußte früher oder später zu Papier gebracht werden, damit sie Mythos werden und bleiben konnte. Kanonisierung der Quellen steht am Anfang aller Religionen, und auch das Werk der Berg machte aus dem Leben und Sterben der Königin Luise einen Glauben, der später dann zu .Wissen' wurde. Ein „Kranz um Sancta Louisens Todesurne" war von der Schreiberin geflochten worden, „lieblichst und unverwelklichst"; und die Schleife daran, der vielfach nachgedruckte Zeugenbericht von Luises letzten Lebenstagen, schenkte Preußen die berühmteste Sterbeszene seiner Geschichte.3 Königin Luise lag krank danieder, und ihr besorgter Gatte, der sie erst später hatte abholen wollen, kam darum früher nach Hohenzieritz. „Die Königin schien noch

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keine Gefahr zu ahnen; sie erhielt um diese Zeit einen Brief vom König, und ihre Freude darüber war so unbeschreiblich groß, daß sie ihn auf ihrem Herzen aufbewahrte und mehrmals ausrief: ,Ach welch ein Brief! Wie glücklich ist, wer solche Briefe erhält!' - Ihre Sehnsucht nach dem Könige war sehr groß; sie fand es noch so lange bis zum Freitag und empfing daher die Nachricht seiner frühern Ankunft mit wahrem Entzücken. In allen ihren Leiden blieb sie sich immer gleich; sie war geduldig in den Schmerzen, und so oft sie einige Linderung fühlte, dankte sie Gott mit kindlich-frommem Sinn. Die Hinfälligkeit aller menschlichen Größe drückte sie mit wenigen Worten ebenso kräftig als wahr aus. Ich bin Königin, sagte sie, aber meinen Arm kann ich nicht bewegen! - Hätten doch alle Großen der Erde diese Lehre voll tiefer Bedeutung aus ihrem sterbenden Munde vernehmen können! Am Mittwoch Abend schien die erste Todesahnung durch ihre Seele zu gehen. Nachdenklich, mit aufgehobenem Finger, sagte sie fragend zu Heim, der vor ihrem Bette saß: Wenn ich dem Könige sterben sollte - und meinen Kindern! - Nur an ihre Lieben dachte sie, nicht an sich selbst, nicht an den Schmerz, alles was ihr teuer zu verlassen und in der Blüte des Lebens dahinzuscheiden. - Die Nacht fing ziemlich ruhig an, die ganze Familie war wach geblieben, nur der Herzog hatte sich nach dem Wunsche des Arztes nicht zum Schlafe, aber zum Ruhen aufs Bett gelegt. Gegen 3 Uhr wurde die Königin unruhig, und die Krämpfe stellten sich wieder ein. Man rief den Herzog, wie er es befohlen hatte, und als er die Nachricht der nahen Entscheidung empfing, sagte er betend: Herr, deine Wege sind nicht unsere Wege! Um 4 Uhr kam der König mit seinen beiden ältesten Söhnen an. Erst auf der Reise hatte man ihm die nahe Gefahr seiner Gemahlin entdeckt; bis dahin war sie ihm aus mißverstandener Schonung verborgen worden. Wer vermag dieses Wiedersehen zu beschreiben? - Und zu diesem herzzerreißenden Jammer lächelte die aufgehende Sonne in ewig ruhiger Klarheit herab! - Die Königin freute sich unaussprechlich, ihren Gemahl und ihre Kinder wiederzusehen; aber dem Könige mochte wohl der Schmerz die Fassung auf einen Augenblick rauben, denn als er sich entfernt hatte, sagte die Königin zu ihren Umgebungen: Der König tut, als ob er Abschied von mir nehmen wolle; sagt ihm, er solle das nicht, ich sterbe sonst gleich! - Der unglückliche Mann nahm alle seine Kraft zusammen und suchte von nun an seine sterbende Gemahlin zu überreden, er habe die beste Hoffnung und glaube nicht an ihre Gefahr. [...] Die verhängnisvolle Stunde nahte. Die Familie war in den Zimmern der Königin versammelt. Der König hielt ihre rechte Hand, die Prinzessin Solms, knieend auf der andern Seite, hatte ihre linke ergriffen, die drei Arzte, Heim, Hieronymi und Göricke, umstanden das Bett. Da beklagte sich die Königin über Mangel an Luft, und Hieronymi riet ihr, die Arme auszubreiten und höher zu legen. Sie erwiderte: Das kann ich nicht! - und der Arzt kam ihr zu Hilfe. Einen Augenblick ließ sie die Arme in dieser Lage, dann senkte sie sie schnell herab und sagte: Auch das hilft nicht! Für mich ist nur Ruhe im Tode. Nach einer kurzen Weile rief sie aus: Herr Jesus, mach' es kurz! - atmete noch einmal auf, und verschied. Gott forderte ihre Seele sanft zurück, und die schöne Hülle

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blieb ruhig, unentstellt, wie eine Heilige im tiefen Schlafe, zurück. Der König war zurückgesunken, raffte sich aber wieder auf, küßte den geliebten Mund und drückte die Augen, seines Lebens Sterne, die ihm auf seiner dunkeln Bahn einzig treu geleuchtet, auf ewig zu. Einige Minuten war alles still, dann überließ sich ein jeder seinem Schmerz auf seine eigene Weise; doch keiner entweihte das geheiligte Andenken durch wilde, leidenschaftliche Ausdrücke der Verzweiflung. Die Klage war der zum Himmel entschwebten, reinen, stillen, frommen Seele würdig. Als der König und der Herzog sich zuerst erblickten, fielen sie sich in die Arme und hielten sich lange umfaßt; sie fühlten wohl, daß ihrem Herzen die tiefste, unheilbarste Wunde geschlagen war. Eine halbe Stunde nachher kamen die Prinzessin Charlotte und der Prinz Karl, welche noch gehofft hatten, die Mutter lebend zu finden. Der Vater empfing sie und führte sie zur Leiche, von der er sich nicht trennen konnte. Immer kehrte er zu ihr zurück und seine Kinder, vorzüglich den Kronprinzen, zog er immer aufs neue nieder an das Sterbebett der Mutter. Vor Zeugen war sein Schmerz männlich gefaßt und nahm die schönste, menschliche Richtung. Er umgab sich mit seinen Kindern, er schlief in ihrer Mitte, sie durften ihn nicht verlassen. Nachmittags kamen seine beiden Schwestern, die Prinzessinnen von Oranien und von Hessen. Sie waren trostlos, warfen sich über die Leiche hin und küßten ihre Hände. Sie war uns immer eine Schwester, riefen sie, eine solche finden wir nie wieder! - Solch Zeugnis ward ihr aus jeglichem Munde. Sie war allen alles gewesen und hatte mit ihrem überschwänglich liebevollen Gemüt die Forderungen aller Herzen befriedigt. Am anderen Morgen wurde die Sektion von Hieronymi und den Berliner Ärzten unternommen. Man fand mehrere polypenartige Gewächse am Herzen, die mit 2 dicken Ästen darin eingewachsen waren. Hieronymis Vermutung war demnach nur zu richtig. Das edle Herz, das allen wohl gewollt, das eigne schwere Kränkung großmütig verzieh, es erlag dem brennend heißen Schmerz über das Schicksal des Vaterlandes. Versöhnt mit aller Welt, einig mit Gott, den Namen des Erlösers auf den Lippen, starb sie, die königliche Dulderin, am gebrochenen Herzen. [...] Vergänglich ist alle irdische Größe und Macht; selbst die Schönheit verblüht und wird zu Staub! Aber die Tugend, der reine Wille, die himmlische Liebe, sie leben ewig, denn sie gehen aus von Gott und kehren zu ihm zurück!" Einige Tage vor ihrem Tod hatte Luise aus heiterer Laune heraus einen Zettel beschrieben, den sie vor der Abreise nach Hohenzieritz auf den Schreibtisch ihres Vaters im Schloß zu Neustrelitz legte. „Mein lieber Vater, ich bin heute sehr glücklich als Ihre Tochter und die Frau des besten aller Männer. Neustrelitz, den 28. Juni 1810. Luise." Erst nach dem Tod der Tochter entdeckte der alte Herzog das Schriftstück und schickte es dem Schwiegersohn zum Trost. Das Blatt erreichte Friedrich Wilhelm am Tage nach Luises Beisetzung im Dom, es galt ihm sein Leben lang als „letztes Denkmal ihrer innigen Liebe".4 Ein „Heiligtum" nannte das Morgenblatt den Zettel und übergab seinen Inhalt dem deutschen Volk.

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Königin Luise, im letzten Aufflackern des höchsten Glücks, umgeben von der liebenden Familie, starb einen Tod, wie er den Vorstellungen ihres Zeitalters nicht gemäßer sein konnte. Die Epoche des „schönen Todes" nannte Philippe Aries diese Zeit.5 Zeitgenössische Darstellungen von Luises Sterben offenbaren eine Einstellung zum Tode, die sich seit der Mitte des 18. Jahrhunderts vor allem im Bürgertum fest verankert hatte. Die Entstehung der modernen Familie und die Hervorkehrung von Empfindsamkeit und Phantasie erzeugten mit Rücksicht auf die Hinterbliebenen eine neue Bejahung des Todes als privates Ereignis, dessen Schönheit die physischen Zeichen von Sterblichkeit verbergen und den Schmerz der Trennung überwindbar machen sollte. Erinnerten die historischen Umstände ohnehin schon an ein großes Drama, so wurde das Leben der Monarchin bald nach deren Tod literarischen Konventionen angeglichen, christlichen Ideen und bürgerlichen Idealen angepaßt und damit aufbereitet für die Gegenwart. Die Erzählung vom Luisentod im Buch der Berg entsprach vollkommen jenem Ablauf, den das Zeitalter der schönen Tode für das protestantische Spektakel des seligen Sterbens nach gutem Leben ersonnen hatte. Empfindungen und Rituale, Wiedersehen und Abschied am Sterbebett waren allesamt so „schön" gewesen, wie die Leiche später „unentstellt" war, und so folgte einem reinen Leben ein ebensolches Ende. Luise starb den ,guten' Tod, wie ihn nur Kinder starben, Jungfrauen oder durch Tugend Gereinigte.6 Die Familie segnend und den Namen des Erlösers auf den Lippen, floh die Unschuld vor dem Übel der Welt und entzog sich dem Verderben in die eigene Unendlichkeit. Indiz für die Erlösung war das Lächeln auf Luises Antlitz, von dem die Berg erzählte.7 Und stets war das Bett die Stätte des guten Todes, der in Büchern und auf Bildern das Jahrhundert überkam und Altbekanntes säkular ersetzte, war es doch der Tod Mariens, der seit dem Mittelalter im Schlafgemach dargestellt wurde. Der Tod auf dem Sterbebett scheute die Leere; aus dem Heimgang wurde ein öffentlicher Akt, bei dem der Scheidende den Mittelpunkt einer Versammlung aus Angehörigen und Freunden bildete.8 Die Ritualisierung der Sterbeszene schloß die vom Tod gerissene Lücke. Eltern, Ehegatten und Kinder verabschiedend, war der Sterbende in Beziehung zu Vorfahren und Nachfahren gesetzt und sicherte damit familiären Fortgang und Zusammenhalt; auch Fremde strömten in das Trauerhaus und betrachteten die Leiche wie ein ausgestelltes Kunstwerk, das „in dieser Zeit der Beunruhigung und des Friedensverlangens" den Tod durch Schönheit mild verklärte.9 Einige Tage Sommerhitze hatten die tote Luise jedoch so unansehnlich gemacht, daß sie nach ihrer Ankunft in Berlin nicht mehr gezeigt werden konnte - zum großen Bedauern der Menge. Entschuldigungen dafür folgten in der Presse, die kund tat, daß trotz der „zum Behuf des Transportes angewandten mineralischen Säuren" die drückende Schwüle und das Rütteln des Wagens so „dermaßen auf die Leiche gewürkt" hätten, daß „Spuren der angehenden Auflösung" sichtbar geworden seien und darum

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der „ursprünglichen Intention, dem hiesigen Publikum den körperlichen Anblick der von demselben so herzlich geliebten und verehrten Königin auch im Tode noch zu gestatten, nicht Genüge geleistet" werden könne.10 Königin Luise blieb in der Erinnerung eine schöne, unentstellte Gestalt. Zwei Bilder zeigten bald die drei Luisenkinder, die noch vor der Mutter gestorben waren und diese nun im Jenseits empfingen; auf einem anderen erschien der kleine Carl, dem die tote Mutter im Traum begegnete." Eine unendliche Fortdauer der Familieneinheit offenbarte sich dort, eine Domestikation des Himmels zu einer dem Menschen nicht mehr vollends fernen Sphäre der Fortsetzung irdischer Existenz. Die Vorstellung, daß der Tod nicht das Ende des geliebten Menschen war, machte auch die Anwesenheit am Totenbett zu einer tröstlichen Zeit. Extreme Emotionen kennzeichneten das Ereignis und verankerten es tief im Gedächtnis der Familie und der Freunde. Die Kontrolle des Ausdrucks bewahrte dabei die Würde des Toten und schützte die Schönheit der Szene vor den Häßlichkeiten unbändiger Gefuhlsausbrüche. Wie in dem Bericht des Morgenblatts zu lesen war, fugte sich die erste Familie des Landes in idealer Weise den Forderungen des schönen Todes, da doch selbst der unsägliche Schmerz des verzweifelten Königs die „schönste menschliche Richtung" genommen hatte. Einst hatten die Kinder im Bett der Mutter herumgetobt, nun schlief der Vater in ihrer Mitte. Und Friedrich Wilhelm war es auch, der den Nachwuchs stets aufs neue zu der Leiche hinzog, von der er sich nicht trennen konnte. „Die beiden Tage, die er noch nach ihrem Tode in Höhen-Zieritz zugebracht hat, ist die ganze Familie fast nicht aus dem Zimmer, wo die Tote stand, gekommen. Sie haben fortgefahren, darin zu leben", berichtete Wilhelm von Humboldt.12 Die Vorstellung einer seligen Wiedervereinigung der Familie milderte das Abstoßende und Furchterregende des Todes und wurde von Predigten und Gedichten, Denkmälern und Grabinschriften gestützt. Kleidungsstücke und Haarlocken, Bilder und Briefe, beschriftet, geschmückt und in besonderen Behältnissen aufbewahrt, fanden sich überall und trösteten über die Zeit. Das Maß der sichtbar zelebrierten Erinnerung sollte dem Maß der Liebe entsprechen, die den Tod überwinden konnte. Erster und wichtigster Anlaß des Gedenkens war folglich auch der Todestag, an dem sich die Familie um das Grab des schmerzlich Vermißten sammelte. Kunstvolle Inszenierungen des Todes waren der Pflege der Erinnerung erwachsen, begleitet von der steten Suche nach Zeichen, daß der Tote in Wahrheit weiterlebte. Zentrum dieser Ästhetisierung waren Erinnerungsbilder, mit deren Hilfe man den bejahten Tod wieder verschleiern konnte. Die Grenze zwischen den Lebenden und den Toten wurde von der Kunst umflort; kennzeichnend für den Kult des schönen Todes war der Wunsch nach idealisierten Abbildern der Leiche. Zahlreiche Familienalben in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts zeigten Fotografien von toten Kindern, Ehemännern und Ehefrauen, oft als Lebende zurechtgemacht.13 Künstliche und stabile Repräsentationen sollten Vergängliches ersetzen, wobei die Schönheit des Verstorbenen, schwärmerisch übersteigert, weniger am Urbild als an den Emotionen im Angesicht seines Verlustes gemessen wurde. Liebe und Schmerz suchten nach Manifestationen ihrer Ewigkeit.

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Das 19. Jahrhundert wurde zur Epoche der großartigen Begräbnisse, der prunkvollen Grabskulpturen und pompösen Friedhofsmonumente. Eine Konzeption des Todes bahnte sich den Weg, die weniger mit Religion verknüpft war als mit privatem Leben und persönlichem Gefühl, hatten sich die Hinterbliebenen doch die einstmals unbekannte Gewohnheit zu eigen gemacht, wieder und wieder die Gräber derer zu besuchen, die ihnen der Tod entrissen hatte. Zumeist lagen die Ruhestätten fern der Stadt, wo die Stille der Natur den Kummer linderte und Trost entstand durch Schönheit, die verging und wiederkehrte. Zusammenhalt und Kontinuität bekundeten sich in Friedhofsgängen, die zum Meditieren dienten, da man die Seelen der Verstorbenen in der Nähe wähnte. Die Zwiesprache am Grab nährte die Hoffnung auf ein Wiedersehen in einer anderen Welt. König Friedrich Wilhelm errichtete seiner Luise ein Mausoleum im Charlottenburger Schloßpark und damit sich und der Familie ein Denkmal ihrer Liebe. Die Hohenzollern empfanden und inszenierten dort das Gedenken an die Tote als lebenslange Pflicht. Kurz nach dem erschütternden Ereignis hatte sich die Vorstellung vom schönen Sterben gegen das Entsetzen über die Tragödie gestemmt, eine entsprechende Grablege aber war der Königin in dem „geschmacklosen, unkirchenartigen" Dom versagt.14 Die Schönheit der zweiten Beisetzung sollte jetzt der ersten ihren Schrecken nehmen, denn Endgültigkeit und Verzweiflung wichen im Schloßpark nun dem Fortgang und der Melancholie. König Friedrich Wilhelm baute dem schönen Tod Luises das rechte Monument. Kunst milderte den Verlust. Einige Jahre später gesellte sich zu Preußens bekanntester Sterbeszene das berühmteste Grabbild seiner Geschichte. Der verklärte Leib einer Glückseligen im Zustand zwischen irdischer Rastlosigkeit und himmlischer Ruhe tilgte den Tod durch Schönheit und Gegenwärtigkeit. Erkannt als Sinnbild der Vollkommenheit, ließ die Statue der emotionalen Überwältigung ob des Todes die ästhetische ob dessen Schönheit folgen und wirkte über ein Jahrhundert maßgeblich auf die Vorstellung von Luises Geschichte, Geist und Gestalt. Kunst und Gefühl traten in einen dynamischen, sich selbst erhaltenden Bund; das Mausoleum geriet zum Heiligtum für den privaten wie politischen Luisenkult. Endgültigkeit konnte geleugnet werden, wo Kontinuität im Ubermaß inszeniert wurde.

4 Das Mausoleum zu Charlottenburg Ihrer Asche, Eurer hiebe Baut ein Denkmal, Das zu späten Zeiten rede, Das Euch sei ein Ort der Trauer, Wo von Tränen Blumen sprießen, Wo die dunklen Bäume schatten, Wo der Strom vorüber wallet Und dem fernen Meer verkündet Eure hiebe, Eure Trauer} Achim von Arnim 1810

Eine Kantate hatte Achim von Arnim auf die „Einholung der hohen Leiche Ihrer Majestät der Königin" verfaßt, in der Luise am 25. August 1810 im Konzertsaal des Berliner Opernhauses in den Himmel schwebte. Kammersängerin Schmalz trug „mit der ihr eigenen Kunstfertigkeit" den Abschied der Königin von ihrem Volke vor und ließ die Tote gleichsam selbst erklären, wie und wo man sich an sie erinnern möge. Denket mein im Blumenflor, Denket mein im Glanz der Bäume, Wo der Nachtigallen Träume, In der Morgenröthe sterben. 2

Königin Luise lag noch im Dom, seit wenigen Tagen aber war bekannt, was „zum Angedenken Ihres schönen Todes" gebaut werden sollte: ein Tempel im Charlottenburger Schloßpark. Einen Monat nach dem Tode der Monarchin war die Errichtung ihres Mausoleums (Abb. 2) schon in vollem Gange.3 Zwei Wochen zuvor bereits hatte Friedrich Wilhelm III. eigenhändig den Entwurf skizziert; Schinkel zeichnete danach ins Reine, und Heinrich Gentz, des Landes ranghöchster Architekt, baute schließlich einen viersäuligen, dorischen Prostylos, dessen Inneres er in einen Vorraum und einen zweigeschossigen Hinterraum teilte.4 Zwei Treppen führten links und rechts in die erhöht gelegene Gedächtnishalle (Abb. 3), die von einem laternenartigen Oberlicht beleuchtet wurde. Eine mittlere Treppe wies den Weg hinab zu der darunterliegenden Gruft. Einer verstorbenen Monarchin ein eigenes Mausoleum zu errichten, war ein bislang einmaliger Entschluß in der Hohenzollerngeschichte. Zeitgenossen sahen darin einen Ausdruck von Friedrich Wilhelms großem Schmerz. „Niemals ist eine Trauer so tief empfunden, niemals eine Königin so schmerzlich beweint worden", schrieb

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Abb. 2 Heinrich Gentz, Karl Friedrich Schinkel, Ludwig Ferdinand Hesse und Albert Geyer: Das Mausoleum im Charlottenburger Schloßpark, 1810-1890

Luise Radziwill5; noch Monate nach ihrem Tod habe ihr Witwer „bei der leisesten Berührung" zu weinen begonnen, berichtete seine Schwägerin, Prinzessin Marianne. 6 Zuneigung und Liebe hatten beide Eheleute einst verbunden, ein Umstand, der im Hochadel eher als Ausnahme denn als Regel galt: „Ein solches Königspaar war in Europa nicht leicht zum zweiten Male zu finden", schrieb dessen Urenkel nicht ohne Stolz.7 Zwischen panischer Angst und banger Hoffnung hin- und hergerissen - „wie wahnsinnig", wie er später schrieb - war Friedrich Wilhelm am Abend vor dem Tode seiner Frau nach Hohenzieritz aufgebrochen; die bloße Vorstellung von ihrem Verlust brachte ihn schon an den Rand seiner Existenz: „Die heutigen Nachrichten drohen mir mit Vernichtung", schrieb er kurz vor der Abreise. „Ist sie dahin! - So bin ich dahin - Nur durch Ihr hänge ich noch am Leben. Sie ist mein Alles! Mein ganzes, mein einziges Glück auf Erden. Der große Allmächtige Gott wird aber mein inbrünstiges Gebet erhören, und mich für d i e s e n Verlust bewahren. Mein ganzes Gemüth ist zerrüttet und zerknirscht, ich habe nur den Einen Gedanken an Ihr, mit Ihr alles, ohne ihr nichts! Zu fürchterlich tönt dieß durch mein ganzes Daseyn! Nein, nein, Gott der Herr erbarme Dich unserer, so weit wird es nicht kommen. Mit Beben denke ich an das Wiedersehen. Gilt es Leben oder - Tod. O. Nein Nein. Erbarmen, erbarmen, der Schlag wäre fürchterlicher und schrecklicher als alle alle die mich je treffen könn-

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Abb. 3 Johann Erdmann Hummel: Innenansicht des Luisenmausoleums, 1811/1812

ten, wenn wier nur beisammen bleiben, dann ergehe über uns was Gottes Wille ist. Amen! Amen! Amen!" 8 Ein Vierteljahr nach dem „unglücklichsten Tag" seines Lebens hat Friedrich Wilhelm seine Erinnerungen an Luise aufgeschrieben, und seine Worte für die Gattin gaben seinen Gefühlen klaren Ausdruck: „Sie war eigentlich mein alles, ich betete sie an." 9 Und um sich dieser Liebe ewig zu versichern und sie der Nachwelt kund zu tun, nahm er Luise fort aus der Hohenzollerngruft. Kühn war dies Bekenntnis seiner Trauer um so mehr, als sein Vater noch den letzten Wunsch Friedrichs des Großen, in heiterer Umgebung auf der Terrasse von Sanssouci beerdigt zu werden, als unwürdig abgeschlagen hatte. Konventionen aber wichen nunmehr unsäglichem Schmerz: „Was ich verloren! kann n i c h t s auf dieser Welt mir wieder ersetzen. Nur Gott allein kann helfen, und die Hoffnung (warum nicht Gewißheit?) uns in jenem Leben desto enger und inniger wieder zu verbinden, kann und soll mir Trost geben." 10 Die Errichtung jenes Tempels, der auch des Königs Grabmal werden sollte, gab Friedrich Wilhelms leerem Dasein einen Sinn, eine Aufgabe, an die er sich nun klammern konnte. „Er beschäftigt sich in seinen freien Stunden fast bloß mit dem

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Monument", schrieb Wilhelm von Humboldt an seine Ehefrau, „es wird schon angefangen, daran zu bauen, und er soll fast immer dabei stehen. Dieser Schmerz und dies unaufhörliche Andenken haben in der Tat etwas Rührendes."11 Der Witwer sorgte dafür, daß man Jahrhunderte nach ihm noch wie er empfinden sollte. Die Antike kannte schon den Brauch, Mausoleen in Villengärten zu bauen, wobei der Wunsch nach Nähe zu dem verstorbenen Geliebten mit dem Schmerz als Maß für die Pracht des Bauwerks verschmolz. Eines der sieben Weltwunder, das Grabmal des Mausolos in Halikarnassos aus dem 4. vorchristlichen Jahrhundert, hatte das nach ihm benannte Mausoleum zum Symbol der Gattenliebe über den Tod hinaus gemacht. Künstler begannen um die Mitte des 18. Jahrhunderts, die christliche Jenseitshoffnung auch bildlich durch die antikische Vorstellung vom Tode abzulösen, da man das Weiterleben der Verstorbenen zunehmend dem innerweltlichen Gedenken anvertraute. Das Gefuhlsbekenntnis trat an die Stelle der religiösen Belehrung, und der auch in der Aufklärung fortlebende Glaube an die Unsterblichkeit der Seele hüllte den Tod in ein sanfteres Licht. Kleine Bauten zum Gedenken an die Toten wurden in Gärten errichtet, galt der Park doch als Elysium, das vollendete Natur und vollendete Geister zu einer neuen Gesamtheit zusammenbrachte. Das Naturgeschehen im Wechsel der Jahreszeiten weckte Gedanken an Tod und Wiedergeburt, doch war das Gefühl, das aus all dem sprach, weniger optimistisch als elegisch, es schwankte zwischen Wehmut und Schwermut, Trost und Schmerz. „Grabmäler können schon aus dem Grunde in dunklen und melancholischen Revieren der Gärten schickliche Gegenstände sein, weil sie dem Charakter und den Wirkungen dieser Gegenden so natürlich zustimmen", schrieb Christian Cay Lorenz Hirschfeld in seiner 1780 vollendeten Theorie der Gartenkunst. „Allein sie verstärken nicht blos überhaupt den Eindruck der melancholischen Gegend, sondern erwecken auch Ideen und Empfindungen, welche die melancholische Gegend für sich nicht so bestimmt hervorbringen kann. Sie machen den Anschauer schon auf den ersten Blick aufmerksam; er wird unter einer bangen Ahndung herbeygelockt; Verehrung, Liebe, Verbindung, Trennung, Thränen, Sehnsucht, Schmerz, alle diese rührenden Vorstellungen drängen sich seiner Seele entgegen; er tritt näher, sieht, lieset; er höret die stumme Klage der Freundschaft, und stimmt bald mit ein; und indem er in das sympathetische Gefühl dahinfließt, empfindet er wieder, was auch er einst verlor, und was vielleicht bald sein Freund oder seine Gattinn an ihm selbst verlieren wird; ein Gemisch von melancholischem Schauer, von sanfter Wehmuth, von zärtlichem Verlangen, und von dunklen Hoffnungen durchwallet sein Herz."12 „Entblößt und frey in seinem vollen Lichte", so Hirschfeld, dürfe jedoch kein Mausoleum dastehen, „es muß sich halb hinter dem Schleyer eines Baumes zu verbergen suchen, oder, von irgend einem Gesträuch beschattet, in einer kleinen Dämmerung zu schlummern scheinen. [...] Das Ganze muß ein großes, ernstes, düsteres und feyerliches Gemälde darstellen, das nichts Schauderhaftes, nichts Schreckliches hat, aber doch die Einbildungskraft erschüttert, und zugleich das Herz in eine Bewegung von

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mitleidigen, zärtlichen und sanftmelancholischen Gefühlen versetzt."13 Ernsthaftigkeit und Feierlichkeit sollten Mausoleen „in ihren Außenseiten zeigen, und in der höchsten Einfalt, frey von jeder Verzierung seyn, die nichts zum Ausdruck ihres Charakters beyträgt".14 Und „hohe Einfalt und stiller Ernst", schrieb Hirschfeld, zeigten sich in kleinen Tempeln mit dorischer Säulenordnung, wobei ein „finsterer angränzender Tannenwald" die Bauwerke auf beste Weise rahme, nähre doch das „ernste" Nadelholz die Melancholie. Der dorische Tempel der Königin Luise stand am Ende einer langen Tannenallee. Die Wahl dieses Platzes gründete in der Erinnerung des Königs an einen Spaziergang, auf dem Luise ihn nach jenem Weg gefragt hatte, den sie seines „eigenthümlichen schwermüthigen Karakters wegen gerne mochte". Der König führte sie dort hin, und gemeinsam schritten sie den Pfad entlang; „dieß", so schrieb er später, war „die Hauptveranlaßung zu der ihr dort errichteten Ruhestätte". 15 Entsetzt erinnerte sich Prinzessin Marianne, daß Luise sie noch kurz vor ihrem Tod zu einem Gang durch jenen Weg geladen hatte, „weil es ihre Lieblingsallee wäre!"16 König Friedrich Wilhelm war mit seinen Kindern vom Totenbett der Mutter weg in den Schloßpark von Hohenzieritz gegangen, wo es seiner Frau zum letzten Mal vergönnt gewesen war, „in Gottes schöne Natur zu blicken. Wie uns allen dabey ums Herz ward fühlt sich nur. Charlotte mußte sich nachher damit beschäftigen einen Kranz von weißen Rosen zu binden, die wir alle suchen halfen. Fritz, Wilhelm, und Karl pflückten auch ein jeder für sich, eine weiße Rose, und ich wählte eine schöne Weiße Rose mit drei Knospen, als eine Anspielung auf die drei jüngsten abwesenden Kinder, Alexandrine, Luise und Albrecht. Mit diesen Blumen gingen wir sobald wir erfuhren daß der Körper in die gehörige Ordnung gebracht war, ganz im Stillen in das Zimmer, und legten mit tausend Thränen unsere Blumen auf das Sterbebett. Den Kranz Charlottens auf die Stelle der Brust, ich, meine Rose in die Gegend ihres dereinst für mich so warm schlagenden Herzens, und die übrigen Blumen um diese herum."17 Und solch romantische Gesten wiederholten sich im Mausoleum an einer Büste der Königin, die am ersten Todestag ein Kranz aus Blumen und Zypressen schmückte.18 Die symbolische Sprache der Flora setzte sich auch in der gärtnerischen Gestaltung des ovalen Platzes vor dem Tempel fort, den man mit Zypressen und Tannen, weißen Rosen und Lilien umsäumte. 19 Elegie und Sentimentalität indessen prägten das Naturgefuhl des Witwers nicht allein, hing Friedrich Wilhelm doch auch einem Mystizismus an, einem Glauben an naturbestimmte Omina wie einst in der Antike. Ein Jahr nach dem Tode seiner Frau brachte er eine Sammlung von Begebenheiten zu Papier, zweiundzwanzig an der Zahl, die sich kurz vor jenem Julimorgen zugetragen hatten und die er nun als Unheilsboten deutete. 20 Ein Gärtner aus Neustrelitz, mit dem der König über die Frage in Disput geraten war, was eine Zeder und was eine Zypresse sei, hatte dem Laien „zu beßerer Belehrung" einen Zweig des Totenbaumes abgeschnitten, den der gedankenlose König seiner Gattin schenkte, die ihn über ihr Sofa hängte - im Schloß von Hohenzieritz.

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Eine krächzende schwarze Krähe, wie Friedrich Wilhelm von seinem General Köckritz erfuhr, hatte am Todestag der Königin lange vor deren Zimmer in Charlottenburg gesessen; und einen Brief an seine Frau fand der König später in einem Beutel, der mit Schmetterlingen bestickt war, den antiken Symbolen der Seele. Einige Zeit vor ihrem Tod hatte Luise zudem von einem seltsamen Traum berichtet, der sich nun als Kunde ihrer Uberfahrt in die Unterwelt offenbarte: König und Königin waren auf einer schönen Wiese spazierengegangen, bis sie auf einem Fluß Friedrich den Großen sahen, der in einem kleinen Boot auf sie zusteuerte. Der Alte Fritz grüßte freundlich, obgleich sein Antlitz totenbleich war, doch als Luise in den Kahn stieg, konnte ihr der Ehemann nicht folgen, da sich das Boot zu rasch entfernte. Eine angenehme Leichtigkeit war daraufhin in Luise aufgestiegen, sie sagte dem Gatten Lebewohl und versank. Kurz vor Luises Abreise nach Hohenzieritz schließlich hatten ihre Kinder ein Wolkenbild am Himmel über Charlottenburg entdeckt, das aussah wie der erste Buchstabe des mütterlichen Vornamens, zu dem zwei Treppen führten, wie die älteste Tochter dem König erzählte. Das Grabmal der Mutter setzte der Vater in den Park. Zwei Treppen führten hinauf zu ihrer Statue. Zeitgenossen hatten den Verzicht des Königs auf sichtbare religiöse Zeichen im Tempel seiner Frau bedauert und hätten angesichts von Rang und Rolle der Monarchin eine Grabkapelle für sie vorgezogen, was auch dem Wunsch nach breiter, öffentlicher Wirkung entgegengekommen wäre.21 Die Zeit unter Napoleon nämlich hatte in Preußen das religiöse Leben aufs neue angefacht, und auch der König, ein tiefgläubiger Mann, hatte den Forderungen der Kirche oft Gehör geschenkt. Königin Luise aber, die im Laufe des Jahrhunderts zum Urbild jener wiedererwachten Frömmigkeit popularisiert werden sollte, erhielt ein Mausoleum, das nichts von all dem offenbarte. Eindeutig religiöse oder patriotische Zeichen am Luisengrabmal waren im Sommer 1810 noch fehl am Platz, denn der König plante nach „Privatgeschmack" und machte, wie Wilhelm von Humboldt schrieb, jede Einmischung von außen „zu einer schwierigen Sache".22 Und vielleicht hatte sich auch die Bereitschaft Friedrich Wilhelms, den Gipfel seiner Heimsuchungen als gottgesandte Prüfung aufzufassen, zeitweilig erschöpft. „Wenn Gott uns nur beisammen läßt dann wollen wir schon das übrige aushalten", zitierte er einen Ausspruch seiner Frau aus Unglückstagen und stellte dann verbittert fest: „Gott wollte indeßen anders! - Mein Glück auf Erden ist dahin, sie hat es mit hinweg genommen denn ohne ihr hat das Leben für mich den größten Reiz verloren."23 Einzig der Einzigen, die er .angebetet' hatte, errichtete der König jenen Tempel und baute doch zugleich ein Denkmal seiner Wirklichkeitsverweigerung und Melancholie. Das Luisenmausoleum war in diesen Tagen weniger Sinnbild einer Hoffnung als ihr Ersatz, obgleich es, da in die göttliche Natur gesetzt, durchaus auch ohne religiöse Symbole in einem christlichen Sinn verstanden werden konnte. Zwei tragische Todesfalle hatten den Witwer wohl auf seine Entscheidung zum Bau eines Mausoleums von antiken Formen eingestimmt; so hatte die 1799 verstorbene Gräfin Wilhelmine Maitzahn im Schloßpark zu Dyhernfurth ein Grabmal in

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Form eines viersäuligen dorischen Prostylos erhalten, zu welchem Friedrich Gilly die Pläne geliefert hatte.24 Kurz nach dem Tod der jungen Mutter von fünf Kindern weilte das Königspaar aus Anlaß seiner Schlesienreise auf Gut Dyhernfurth und Lissa und beklagte dort gemeinsam mit dem Vater der Verstorbenen den frühen Tod der Tochter, deren Tempel zu bauen man bereits begonnen hatte. Erschüttert hatten Friedrich Wilhelm und Luise auch die Nachricht vom Tod der erst neunzehnjährigen Helena Pawlowna aufgenommen, einer Schwester des Zaren, die den Erbprinzen von Mecklenburg-Schwerin geheiratet hatte. Die vielgerühmte Schönheit war mehrfach in Berlin zu Gast gewesen und hatte dort die Zuneigung der Königin wie die schwärmerische Liebe des Monarchen gewonnen, dessen Vernarrtheit in die anmutige Russin von Luise scherzhaft verspottet wurde. König und Königin hatten das Sterben der jungen Mutter, die im Oktober 1803 von monatelangen Qualen erlöst wurde, mit großer persönlicher Anteilnahme begleitet. Der trauernde Erbprinz ließ ihr im Schloßpark von Ludwigslust ein Mausoleum in Form eines einfachen Rechteckbaus mit dorischer Säulenordnung errichten, das dem russischorthodoxen Glauben geweiht wurde und im Inneren ein klassizistisches Reliefbild der Toten zeigte.25 Und so fand auch diese junge Frau ihre letzte Ruhe in einem Tempel im heimatlichen Park. König Friedrich Wilhelm hat für seine Trauer um Luise einen ebensolchen Platz gesucht, und dieser tröstete über den Verlust - und nährte seinen Schmerz. „Ernste Wehmuth, genährt von reichen Erinnerungen", hätte den Witwer in Charlottenburg geplagt, schrieb Eylert. „Einsam wandelte Er oft durch die düstern Baumgänge, die zu ihrem Mausoleum fuhren, und den Schlüssel zum unteren Grabgewölbe desselben hatte nur Er allein. Früher war Garten und Schloß den ganzen Tag hindurch fortwährend dem Publicum geöffnet, - seit dieser Zeit aber bei Seiner Anwesenheit, Vormittags, geschlossen. Nichts war Ihm unangenehmer, als von Neugierigen beobachtet zu werden, und Alles, was die Aufmerksamkeit auf Ihn hinleitete und Geräusch machte, mochte Er nicht. Glänzende Hoffeste wurden fortan in Charlottenburg nicht mehr gegeben; eine heilige Stille und Ruhe umschwebt diesen Ort, wo die unvergeßliche Königinn Luise ihr frühes Grab gefunden."26 Das Journal für Kunst, Kunstsachen, Künsteleien und Mode berichtete am 18. November 1811 über das Mausoleum, das fernab der Öffentlichkeit errichtet wurde. Das „Monument der Königin Luise von Preußen" wurde im Grundriß abgedruckt, rekonstruiert nach dem Gedächtnis eines nicht genannten Mannes, der die Baustelle gesehen hatte. Und so konnte das Blatt nun ein Geheimnis lüften, das Gebäude beschreiben, seine Lage loben und schließlich die Entstehung eines Heiligtums prophezeien, noch bevor man das Bauwerk vollendet hatte. „Der Zeitpunkt, wo man dieß wird sagen können, ist nicht mehr fern, und dann wird, gleich heiligen Wallfahrten ohne Aufhören die Zahl deijenigen groß seyn, die es besuchen werden."27 Eilig wurde der Bau vorangetrieben, war aber, als der Sarg in den frühen Morgenstunden des 23. Dezember in das Mausoleum überführt wurde, noch eine Baustelle. Königin Luise war an diesem Tag im Jahre 1793 als Braut nach Berlin gekom-

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men und 1809 dann auch an diesem Tag aus dem Exil zurückgekehrt; als Tote tat sie ihre dritte, letzte Reise nun erneut am Vorabend von Christi Geburt - der Witwer wußte, wie man Mythen machte. Erst am Vormittag traf die königliche Familie aus Potsdam ein, begleitet vom Hofstaat. Sophie Marie Gräfin von Voß, die alte Oberhofmeisterin, hat die Szenen im Mausoleum in ihrem Tagebuch geschildert: „Ach welch ein Tag! - Ich stand früh um sieben Uhr auf und fuhr mit den beiden Vierecks nach Charlottenburg. Es war entsetzliches Wetter; der König und die Prinzen waren schon vor uns fort. Morgens vier Uhr hatte man die teure Leiche aus dem Dom nach Charlottenburg gebracht mit einer Eskorte der Garden und dem Gefolge der Herren vom Hofe. Nach zehn Uhr ging man in das Mausoleum, wo Ribbeck eine Rede hielt; man sagt, sie sei sehr schön gewesen; ich weiß es nicht, denn meine Tränen erstickten mich beinahe. Der König war mit seinen Kindern zu Fuß dem Sarge gefolgt und nach ihm alle anderen, nur Massow und ich führen. Der König und die königlichen Kinder befanden sich in einem saalartigen Raum oberhalb des Grabgewölbes, wir anderen im Peristyl. Nach der Rede und den Gebeten ging der König mit seinen Kindern hinab zum Sarge und weinte ganz herzzerreißend. Als er fortgegangen war, ging auch ich hinab mit den anderen allen, mir war zu Mute, als reiße man meine Seele aus meinem Leibe, es war furchtbar. Als ich zum Schloß zurückkam, ging ich sogleich zum König, der in einem Zustand von unbeschreiblichem Jammer war; es war mehr als erschütternd ihn zu sehen."28 Die Zeitungen berichteten eingehend von der zuvor nicht angezeigten Überführung des Sarges aus dem Dom, ausführlich beschrieben sie das „Monument", den Ablauf der Zeremonie und die Reihen der Trauergäste. Zwar wurde das Mausoleum für den Nachmittag der Öffentlichkeit zugänglich gemacht, allzu großen Pilgerströmen in den nächsten Wochen aber blieb ein Riegel vorgeschoben, da die allgemeinen Öffnungszeiten anfangs sehr beschränkt waren, wie man zu Weihnachten in der Zeitung lesen konnte: „Das Monument wird in der guten Jahreszeit allemal den 19ten eines jeden Monats geöffnet, die Gruft aber niemals ohne besondere Erlaubnis."29 Ein Vordringen zu den sterblichen Überresten also, dem „Allerheiligsten des Tempels", blieb verwehrt, verbarg sich doch der Tod an jenem Ort hinter dem Leben, das in Form einer Skulptur dort wiedereinziehen sollte.30 Das Ende der Königin Luise als Anfang ihres zweiten, ewigen Lebens machte den Todestag zum .Geburtstag' und zum wichtigsten Gedenktag im Luisenkult. Ein Jahrhundert später noch wurden Tod und Beerdigung wie aktuelle Geschehen von der Tagespresse nacherzählt, und solange die packenden Berichte damaliger Zeugen fehlten, bemühte man die aktuelle Phantasie. König Friedrich Wilhelm hatte einst den Leichenzug vom Dom bis nach Charlottenburg in tiefe Nacht verlegt, um ein Spektakel für die Massen zu verhindern, fünfzig Jahre später brachte die Vossische Zeitung Licht in das Geschehen, als hätte Arnold Böcklin es gemalt: „In der dunklen vierten Frühstunde dieses Wintertages umleuchteten Fackeln den Dom. Schwarzverhüllte Männer trugen einen Sarg aus dem Got-

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teshause und setzten ihn auf einen Leichenwagen. Von klirrenden Panzerreitern angeführt, gefolgt von wenig Wagen glitt geisterhaft, roth von den Fackeln der Diener angestrahlt, der Zug die Linden entlang, zum Brandenburger Thor hinaus, nach dem Charlottenburger Schloßgarten. Dann erhoben dieselben dunklen Männergestalten den schwarzen Sarg und schritten mit ihm über den knisternden Schnee durch die Tannenhecke dem kleinen Todestempel entgegen, dessen Pforten offenstanden, um die stille Bewohnerin zu empfangen. In der Gruft ließ man das letzte Bett der in ewigem Schlaf ruhenden Hülle der Seele, die sich emporgeschwungen zu lichter Höhe, nieder. Ein still Gebet. Dann schlössen sich die Pforten. Die Fackeln erloschen und bleich dämmerte der Morgen des greisen, auch seinem Ende entgegengehenden Schmerzensjahres 1810 herauf."31 Einhundertfünfzig Jahre später schritt der Kunsthistoriker Paul Ortwin Rave den Weg zum Mausoleum entlang; ihm war dabei, als ob er „von den leise schwankenden Zweigen der Tannen her die herzergreifenden Übergänge von Schuberts Meisterwerk ,Der Tod und das Mädchen'" hörte.32 Kurz nach dem Tod der Königin Luise vollendete Caspar David Friedrich sein radikalstes Werk. Der Mönch am Meer (Abb. I) war mit Verspätung auf die Berliner Akademieausstellung gelangt, da der „Maler des Vaterlandsgefühls" bis zuletzt Veränderungen daran vorgenommen hatte.33 Erst wurden Partien des Himmels übermalt, der Mond und der Morgenstern getilgt, dann fielen auch zwei Segelboote jener abgründigen Leere zum Opfer, die man bis dato auf einem Gemälde noch nicht gesehen hatte. Zurück blieb ein einsamer Mönch, umflattert von Möwen, ausgesetzt dem dunklen Meer und Himmel, deren Unermeßlichkeit ihn zu erschlagen wie zu schlucken drohte. „Herrlich ist es, in einer unendlichen Einsamkeit am Meeresufer, unter trübem Himmel, auf eine unbegränzte Wasserwüste, hinauszuschauen", schrieb Heinrich von Kleist über seine Empfindungen vor Friedrichs Seelandschafi. „Dazu gehört gleichwohl, daß man dahin gegangen sei, daß man zurück muß, daß man hinüber mögte, daß man es nicht kann, daß man Alles zum Leben vermißt, und die Stimme des Lebens dennoch im Rauschen der Fluth, im Wehen der Luft, im Ziehen der Wolken, dem einsamen Geschrei der Vögel, vernimmt."34 Erst durch die Identifikation mit dem Mönch kam der Betrachter dem Gemälde nahe. „Und so ward ich selbst der Kapuziner", schrieb Kleist, der sich bald darauf das Leben nahm, „das Bild ward die Düne, das aber, wo hinaus ich mit Sehnsucht blicken sollte, fehlte ganz. Nichts kann trauriger und unbehaglicher sein, als diese Stellung in der Welt." König Friedrich Wilhelm kaufte das Werk. Der rasche Tod indes, den er ersehnte, blieb ihm versagt. Eine neue Luise hielt darum Einzug in sein Leben, in unvergänglicher Gestalt.

5 Die Geschichte der Sarkophagskulptur „Das todte Bildgiebt mehr als alle Worte, Es wird zum Denkmal, heilig ist's dem Schmerz, Es lebet uns, es scheinet uns zu trösten, Und nichts ist Schein, was unser Herz gefiihlt. 0 seyd gesegnet Bilder der Verehrten, Wir möchten opfernd alle Pracht euch weihen. Achim von Arnim 1810

Einige Wochen nach dem Tod der Königin Luise konnte man in Preußen lesen, daß in ihrem Mausoleum „der Sarg in einem Gewölbe aufbewahrt, und über diesem letztern eine innerhalb mit Marmor bekleidete, mit dem Brustbilde der Königin aus carrarischem Marmor gezierte Halle eingerichtet" werden solle.2 König Friedrich Wilhelm aber hatte sich noch keineswegs entschieden, ob nun eine Büste oder ein Altar, ein Sarkophag oder eine Statue in die Halle kommen sollte, wie Carl August Böttiger am 8. September von Schadow hörte. 3 Die Suche nach einem geeigneten Monument für das Innere des Mausoleums war von Beginn an eine komplizierte Sache. Zeit- und Geldmangel hatten dazu gefuhrt, daß vier alte Säulen aus dem Oranienburger Schloß im Mausoleum neu verwendet worden waren, wo sie die Halle vom Treppenraum abgrenzten, dadurch aber den Blick vom Eingang aus auf alles zu verstellen drohten, was wesentlich größer war als eine Büste. Und eine solche hatte Wilhelm von Humboldt dem Witwer angekündigt; ungeduldig harrte dieser ihrer Ankunft. Ein unbekannter Künstler namens Christian Daniel Rauch meißelte unterdessen in Rom um die Chance seines Lebens, verhieß das Monument der Königin doch Aussicht auf Karriere; schließlich stand ein Grabdenkmal auch am Beginn von Johann Gottfried Schadows Aufstieg zum berühmtesten preußischen Bildhauer seiner Zeit. Emsig zog Humboldt im Hintergrund die Faden, und die Art und Weise, wie er dem kleinen Künstler zum großen Auftrag verhalf und dabei die prominentesten Bildhauer des Kontinents ausbootete, war ein Bravourstück der Patronage. Humboldt hatte in seiner Zeit als preußischer Gesandter am päpstlichen Stuhl gute Beziehungen zu der Künstlerschaft um den Dänen Bertel Thorvaldsen geknüpft. Enge Freundschaft verband das Ehepaar Humboldt vor allem mit Rauch, den es auch finanziell unterstützte. Kurz nach dem Tod der Königin hatte Humboldt, um diese Zeit in Berlin, schon die ganze Bedeutung jenes Grabdenkmals für den ausfuhrenden Künstler erkannt und auch die notwendige Einflußnahme auf den Witwer richtig eingeschätzt, wenngleich der ausersehene Rauch von seiner Berufung erst noch überzeugt werden mußte. Zögerlich und langsam sei der Künstler und müsse daher unbe-

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dingt zur Arbeit an der Büste angetrieben werden, mahnte Humboldt seine Frau, die Rauch in Rom beherbergte. Die Versendung des Werkes müsse Caroline ebenso überwachen wie die Übermittlung der genauen Maße, damit im Mausoleum schon die Nische angelegt werden könne. Einen Begleitbrief des Bildhauers an den König solle Caroline vorverfassen, schrieb Humboldt, nicht ohne dessen Inhalt mitzuteilen; und schließlich solle Rauch einen Abguß seines Werkes dabehalten, weil von Nachbestellungen ausgegangen werden dürfe. Alle weiteren Schritte, so Humboldt, täte dann der Witwer schon von ganz alleine.4 Eine rasche Ankunft der Luisenbüste hatte auch der König schriftlich angemahnt, wie Rauch an Thorvaldsen berichtete, der daraufhin seine geschickten Gesellen dem jüngeren Kollegen zur Hilfe sandte. 5 Eilig vollendet, wurde das Werk „als freies Zeugnis der Dankbarkeit" noch im September nach Berlin geschickt (Abb. 4). Königin Luise hatte dem jungen Rauch im Sommer 1804 eine Reihe von Sitzungen zur Modellierung ihrer Büste gewährt; stolz berichtete der Künstler später über die Zufriedenheit des Hofes mit dem Resultat.6 Kurz darauf nach Italien abgereist, hatte sich Rauch einen Abguß seines Werkes nachsenden lassen, der zur Vorlage für weitere Büsten werden sollte und auch dem nun vollendeten Werk als Vorbild gedient hatte. Eine allzu große Ähnlichkeit zwischen seiner Frau und jenem Bild, das nun aus Rom gekommen war, sah der König nicht, dennoch mochte er das Werk so sehr, daß er versicherte, „nie etwas Schöneres gesehen zu haben". 7 Und das drückte sich auch in Zahlen aus, da der Bildhauer, nach eigenem BeAbb. 4 Christian Daniel Rauch: Königin Luise, 1805-1810

k ü n d e n ein „ a r m e r S c h l u k -

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ker", vom dankbaren König zweihundert Golddukaten erhielt. „Wie reich werde ich jetzt!"8 Ende Dezember 1810 kam der Sarg der Königin in das Mausoleum, wo er von Rauchs Marmorbüste empfangen wurde. Einen Stein hatte der Bildhauer damit für das Spiel, das hierauf folgte, bereits im Brett. Einige Kräfte nämlich hatten daraufhingewirkt, daß sich die Frage nach dem Grabdenkmal schon im September zugunsten einer Sarkophagskulptur entschieden hatte: die Melancholie des Königs, die Kunstsinnigkeit des Kronprinzen und der Einfluß von Männern mit Kunstverstand, unter ihnen Schadow und Gentz, der junge Schinkel und der große Archäologe Alois Hirt, der dem König ein Stichwerk mit antiken Sarkophagen sandte. „Es sind selten den Künsten günstige Ideen bei uns", schrieb Wilhelm von Humboldt an Rauch. „Wo sie sich einmal finden, muß man sie mit Macht unterstützen." 9 Die Entscheidung fiir eine Sarkophagfigur war wie schon der Bau des Mausoleums eine Abkehr von den Traditionen der Hohenzollernfamilie. Zwar hatte der junge Alexander von der Mark als illegitimer Sohn Friedrich Wilhelms II. ein figürliches Grabdenkmal erhalten wie auch der kleine Ferdinand als Lieblingssohn der Königin Luise, doch war ein solches Bild von einer preußischen Monarchin neu - so neu wie auch die Liebe, die sich mit ihm ein Denkmal setzte. „Der König lebt in keinem andern Gedanken als dem dieses Monuments", schrieb Humboldt an Rauch. „Er will sich mit jeder Kleinigkeit daran beschäftigen, und ist ungeduldig eilig."10 Konkrete Vorstellungen über die Gestalt der Statue hatte der Witwer schon im Sinn, offen blieb indes die Frage, welcher Künstler sie erschaffen sollte. Zwei der berühmtesten Bildhauer ihrer Zeit um Entwürfe für den Sarkophag zu bitten, ist wohl Humboldts Idee gewesen; zweifelsohne aber war es dieser, der den kaum bekannten Rauch in die geplante Konkurrenz zwischen Thorvaldsen und Canova, dem „neuen Phidias" und dem von „ganz Europa vergötterten" Bildhauer, hineinschleuste.11 „Der Direktor Schadow hat den Auftrag, einen Marmorsarg anzufertigen", schrieb das Morgenblattfiir gebildete Stände am 16. August, schien es doch selbstverständlich, daß der berühmteste Bildhauer Preußens und große Porträtist der Königin auch deren Grabdenkmal erschaffen würde.12 Und dennoch wurde Schadow übergangen, was Rauch beschämte, weil er von der Gunst des Lehrers profitiert hatte und dieser, wie er dem König ausrichten ließ, „etwas ebenso gutes, als jeder bedeutende Künstler, zu leisten" vermöge.13 „Ich begreife nicht, wie man Schadow damit vorbeigehen konnte und deshalb nach Rom schreibt. An mich kommt's doch nicht."14 Humboldt jedoch, kein Freund von Schadows Kunst, beruhigte den Schüler postwendend, er möge seines Meisters wegen keine Bedenken hegen, schließlich sei es der König allein, der die Entscheidung falle.15 Entwürfe zum Grabdenkmal der Königin hatte auch Schadow zu Papier gebracht. Eine erste Idee zu einem Relief übergab er am 8. August ihrem ehemaligen Kammerdiener Timm, der das Blatt am folgenden Tag jedoch zurückbrachte. Ende des Monats überließ er es dann dem Hofmarschall von Maitzahn in der Hoffnung, vom König ein Wort der Anerkennung zu hören, erhielt aber keine Antwort. Einen Monat

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später, als der König eine Statue wünschte, hoffte Schadow auf den Auftrag, wurde aber erneut enttäuscht, obwohl er ein Modell nach einer Zeichnung des Kronprinzen angefertigt hatte. Einflußreiche Stimmen am Hof nannten seinen Stil verfehlt für diese Zeit. Unglückliche Umstände aber hatten dem Bildhauer schon früher Schaden zugefugt; drei „Fatalitäten", von Schadow selbst benannt, empfahl ihn der Vergangenheit.16 Erschaffen unter der Regierung Friedrich Wilhelms II., Schadows großem Gönner, verewigten drei Werke des Künstlers Menschen, mit denen der Luisengatte Schwierigkeiten hatte. Nicht erwärmen konnte sich der König für das Grabmal seines Bruders Alexander, war der Lieblingssohn des Vaters doch auch der seiner Mätresse Wilhelmine Enke. Zwar hatte diese dem alten König dreißig Jahre lang treu zur Seite gestanden, dennoch war ihre Verhaftung erste Amtshandlung des neuen Herrschers, nur Stunden nachdem sein Vater das Zeitliche gesegnet hatte. Kein guter Stern leuchtete auch Schadows letzter Arbeit dieser Zeitenwende. Das Grabmal des Prinzen Ludwig von Preußen, noch vom Vater bestellt, wurde vom Bruder des Toten wieder storniert. Die Luisenschwester Friederike nämlich, die sich als trauernde Witwe darstellen lassen wollte, wußte „sich nur zu gut zu trösten", wie die Oberhofmeisterin Voß in ihrem Tagebuch vermerkte: Kurzer Trauer folgten Affaren und schließlich ein Skandal durch eine Schwangerschaft.17 Die Prinzessin verlor ihren königlichen Titel sowie ihre Geburtsrechte und wurde von ihrem Sohn aus erster Ehe getrennt, mußte den unstandesgemäßen Vater des neuen Kindes, einen Prinzen von Solms-Braunfels, ehelichen und wurde dann vom Hof verbannt. Der geplagte Schadow wiederum verlor durch die Verfehlungen der königlichen Schwägerin nicht nur das Grabdenkmal des Prinzen Ludwig, sondern wurde auch um den Erfolg seines Doppelstandbilds der Prinzessinnen gebracht, das dem König nun „fatal" war und darum dem öffentlichen Blick entzogen wurde.18 Das Trio der,Fatalitäten' war damit komplett und Schadows Karriere als Hofbildhauer zuende. Erst war er beim Luisenmausoleum außen vor geblieben, später überging man ihn, den Direktor der Akademie, bei fast allen prominenten Staatsaufträgen der folgenden Jahrzehnte. Kaum fünfzigjährig, war Schadow zwar als Mensch von allen hoch geschätzt, als Bildhauer jedoch nicht mehr gefragt. Einige Wochen nach dem Tod der Königin drängte die Zeit. Zahlreiche Künstler konkurrierten in Berlin um das Monument der Landesmutter, während Humboldt nach Wien versetzt wurde. Die Vorgaben des Königs für die Sarkophagstatue waren schriftlich niedergelegt worden; Humboldt schickte sie zuerst an Rauch, der zwei beigelegte Zeichnungen fiir sich kopieren und dann an die Kollegen weitergeben sollte. Eine von beiden konkretisierte die Komposition der Liegefigur, während die andere den am Sarkophag erwünschten Adler auf einer Eichenlaubgirlande zeigte.19 Zügig, mahnte Humboldt, müßten die Entwürfe fertig sein, und weil der „gute Thorvaldsen sehr beschäftigt" sei, solle Rauch ihn doch „nach Möglichkeit" zur Eile treiben, jedoch Canova gegenüber, der „manchmal sehr reizbar" sei, besser verschweigen, daß man auch die Kollegen um Zeichnungen gebeten habe. Und wenn

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Rauch die Blätter dann zusammenhabe, solle er sie nicht nach Berlin schicken, sondern nach Wien zu Humboldt. „Das Uebrige überlassen Sie mir" - und das besorgte er mit intriganter Raffinesse.20 Zog sich Thorvaldsen aus „Freundschaft und seltener Delicatesse"21 schnell von der Konkurrenz zurück, so war Canova zu einem Entwurf bereit und mußte sich zur Strafe von Humboldt sagen lassen, daß er das Monument im Falle eines Zuschlags unter den Augen des Königs in Berlin erschaffen müsse. Ein Künstler, der es sich leisten konnte, Königen die Tür zu weisen, war unverhohlener nicht zu brüskieren; und damit Canova auch nichts anderes erfuhr, wurde Rauch in Humboldts Pläne eingeweiht.22 Ein Feuerwerk aus Schmeichelei, Beunruhigung und Beschwichtigung ließ Humboldt unterdessen auf den König los, dem eigentlich nur Rauch, der „bescheidenste, einfachste, redlichste Mensch von der Welt", als Bildhauer genehm sein könne.23 Eine „höchst unangenehme" Langsamkeit sei die „Unart" Bertel Thorvaldsens und auf diesen darum kein Verlaß, während Canova zwar ein schneller Künstler sei, jedoch mit so viel Arbeit überlastet, daß man drei Jahre auf die Statue warten müsse.24 Und sei der Däne schon recht teuer, so der Italiener „freylich der allertheuerste", wohingegen Rauch bestimmt keinen Gewinn erwarte. Zweifel schürte Humboldt auch, daß gerade die berühmten Männer „alle Mühe und alles Talent" für diese Aufgabe verwenden würden, da man von beiden auch schon weniger gute Arbeiten gesehen habe und von Canova sogar „schlechte". Ein großer Künstler sei Canova sicher, „aber auch einer, der oft flüchtig und wirklich mittelmäßig arbeitet", Rauch dagegen wolle jede Anstrengung erbringen und sei zudem ein „Mensch von sehr viel Talent und Geschmack". Ein Grabdenkmal von Canova oder Thorvaldsen bleibe „immer ein Wagestück", warnte Humboldt, der das Monument „bei Rauch bestellen würde", und das gewiß nicht aus „Partheylichkeit".25 Nachricht vom Tod der Königin hatte Rauch am Abend des 31. Juli durch Caroline von Humboldt erhalten; „Rauch", schrieb sie, „war wie von Sinnen."26 Künstlerlegende und Luisenmythos machten später das .Gefühl im Marmor' zum Zauber der Luisenstatue, emotionale Argumente aber hatte auch schon Humboldt zugunsten Rauchs ins Feld gefuhrt, halte doch das „sachlich begeisternde Interesse" des jungen Bildhauers „ohne Frage den etwaigen sonstigen Vorzügen der beiden größeren Künstler das Gleichgewicht". 27 Ehrfurcht vor dem Andenken der Königin lebe im Künstler fort, „er würde sich gehoben fühlen, einen solchen Auftrag zu bekommen, und würde einsehen, daß von dem Gelingen seine ganze künftige Laufbahn mit abhinge", schrieb Humboldt. „Kein anderer würde mit gleich vieler Liebe und Sorgfalt daran arbeiten, und der König hat den Vorzug bey ihm, daß er ausführlich mit ihm sprechen kann und gewiß ist, seine eigenen Ideen ausgeführt zu sehen, worauf doch bey einem Denkmal, an welchem die Empfindung so vielen Theil nimmt, alles ankommt." 28 Und dasselbe wurde auch dem ungläubigen Rauch erklärt: „Da Sie der Königin wirklich ergeben waren, so würde ich auf Sie am meisten rechnen und bei Ihnen das sicherste Vertrauen zum Gelingen der Statue haben." 29 Zeichnungen kamen schließlich nur von Rauch zum König, kommentiert von Humboldt. 30

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Der Einsatz dieses Mannes hatte viele Gründe, so galt es nicht nur die Karriere seines Freundes anzuschieben, dessen klassizistischer Kunstgeschmack identisch mit dem seinen war, sondern auch den König zu beruhigen, von dem man sagte, daß er zwar sein halbes Land in Tilsit verloren habe, sein halbes Leben jedoch in Hohenzieritz.31 Einige Male hat Humboldt sein tiefes Mitleid mit Friedrich Wilhelm zum Ausdruck gebracht, waren doch „die Folgen, die dieser Todesfall haben wird, nicht zu berechnen", wie er Caroline gegenüber äußerte.32 Kunst, wie Humboldt in seinen theoretischen Schriften postulierte, schuf individuelle wie kollektive Identität, folglich sah er im gelungenen Luisendenkmal zweifelsohne eine Stütze für den König, Preußens Monarchie und Volk. Und wird das Ganze für den ehrgeizigen Mann nicht ohne Eigennutz gewesen sein, so war der Tod der Königin doch auch fiir ihn persönlich ein „großer Verlust". Das Bemühen um ein würdiges Denkmal für jene Frau, die er zu seinen Gönnerinnen zählte, gab seiner Trauer Ausdruck. „Seltene Harmonie" und „wirkliche Größe" hat er Luise nach ihrem Tode zugesprochen, und ein Werk von ebendiesen Qualitäten suchte er für ihren Tempel im Charlottenburger Schloßpark.33 Die Luisenbüste Rauchs hatte entscheidend auf seine Wahl zum Bildhauer der Sarkophagfigur gewirkt, denn seit der Witwer jenes Werk gesehen hatte, galt Rauch sein ganzes Augenmerk.34 „Da Sie einmal die Büste gemacht haben, ist es natürlich, daß man sie wählte", schrieb Wilhelm von Humboldt, der all das richtig vorausgesehen hatte.35 Zwar hatte der König das Bildnis nicht besonders ähnlich gefunden, doch überdeckte die sinnliche Überwältigung im Angesicht der Schönheit diese Unzulänglichkeit. Das handwerkliche Talent des Künstlers war anhand der Büste hinreichend demonstriert worden, und daß Rauch seine Anstrengungen noch steigern werde, versprach man dem Monarchen, zumal dieser die Arbeit an der Sarkophagstatue selbst beaufsichtigen könne.36 „Eilen Sie, mein Bester, der König soll nach nichts so verlangen als Sie zu sehn und alles mit Ihnen zu verabreden", schrieb Caroline von Humboldt.37 Die Nachricht vom Zuschlag des Auftrags schlug in Rauchs Leben ein „wie eine Bombe".38 „Ein Deutscher u. ein Preuße" war Christian Daniel Rauch und damit seiner Konkurrenz voraus, wenngleich die Nationalität des Künstlers den König wenig interessierte, hoffte dieser doch vor allem auf ein Meisterwerk.39 Das Grabmal der Gemahlin sollte auch von großem Kunstwert sein, seiner Liebe gleich wie seinem Schmerz.40 Und doch klang schon in Humboldts Briefen an, daß der patriotische Gedanke bei der Wahl des Bildhauers nicht außer acht bleiben durfte. Kaum auszudenken, in welche Not die preußische Legendenschreibung später durch ein Luisengrabmal von Canova, dem Favoriten der Bonapartes, gestürzt worden wäre! Die patriotische Idee der Aufgabe betonte folglich auch der Italiener in seiner offiziellen Absage an den König, wobei er sein Verständnis für den Vorzug eines „preußischen Künstlers" zum Ausdruck brachte.41 Einen „Inländer" wollte nun auch der König haben, nicht aus politischen Gründen aber, sondern aus persönlichen, da er wünschte, daß die ganze Arbeit unter seinen Augen vorgenommen werde.42 Ein Bildhauer im „eignen Haushalte" garantierte die

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Ähnlichkeit des Bildnisses und besänftigte Friedrich Wilhelms zerrüttetes Gemüt.43 Koryphäen wie Canova und Thorvaldsen, die schon über die Teilnahme an einem ,Wettbewerb' die Nase rümpften, hätten sich diesen Strapazen nie und nimmer ausgesetzt; ersterer galt als schwierig, letzterer griff erst zum Stift, wenn er einen festen Auftrag hatte.44 Und selbst Rauch, nach langen Querelen endlich nach Italien in sein „Paradies" gelangt, wäre lieber dort geblieben, hätte man ihm keine steile Karriere in Preußen vorausgesagt: „Nehmen Sie die Sache ja ernstlich, lieber Rauch", mahnte Humboldt. „Die Arbeit ist verlockend, Sie gewinnen dadurch die Gunst des Königs, wie nie wieder durch etwas andres, u. arbeiten überdies für einen Gegenstand, dessen Andenken Ihnen werth u. heilig ist."45 Kurz nach der Überführung der Leiche in das Mausoleum kündigte die Vossische Zeitung „ein von der Hand eines berühmten Künstlers zu erwartendes Kunstwerk" an; noch aber war das Kunstwerk nicht begonnen und der Künstler nicht berühmt.46 Eine für das Monument wichtige Frage war zudem in der mühseligen Korrespondenz zwischen Berlin, Wien und Rom noch ungelöst: Humboldt wußte nicht, ob der Leichnam der Königin nach der Uberführung aus dem Dom auf Dauer in der Gruft des Mausoleums verbleiben mußte oder später in den Sarkophag der Gedächtnishalle verbracht werden konnte. Zwar nannte er in einem Brief das untere Gewölbe als ständigen Aufbewahrungsort der Leiche, doch hatte seine Frau in Rom einen gewichtigen Grund dagegen geliefert.47 Entfacht von eigenem „Enthusiasmus für die Königin" und bestärkt von Rauch, hatte Caroline im September zwei römische Bagnarolen aus der Villa Negroni erworben, zwei überaus wertvolle antike Badewannen aus Granit.48 Eine von beiden wollte sie zu einem monumentalen Sarg für die Landesmutter umarbeiten lassen und schrieb mit dieser Idee an den preußischen Hofmarschall, doch machte die zeitgleich in Berlin gefallene Entscheidung für eine Sarkophagstatue dem Ansinnen einen Strich durch die hohe Rechnung, weshalb das Denkmal überdacht werden mußte. „Schade für das schöne Gefäß" nämlich fand Wilhelm von Humboldt die Vorstellung, die Bagnarole in die dunkle Gruft zu verbannen, und erbat darum von Rauch den Entwurf einer Tempelhalle mit Marmorsarkophag und Granitbadewanne.49 Und während auch die Möglichkeit erwogen wurde, eine marmorne Figur auf die Bagnarole zu legen, pries Humboldt das antike Stück beim Hofmarschall von Maitzahn als Symbol für zeitüberdauernde Größe an und bat zugleich darum, beruhigend auf den König einzuwirken, falls dieser über das eigenmächtige Vorgehen Carolines verärgert sein sollte. Einwände, mit denen auch im Hinblick auf die ursprüngliche Funktion der Wanne zu rechnen war, hoffte Humboldt auszuräumen und bemühte damit seinen Protégé: „Soll aber der König das schöne Gefäß nehmen", schrieb er an Rauch, „so muß man ihm erst eine Zeichnung machen, wie es, als Sarkophag, den wahren Sarg enthaltend, aussehen wird. Um diesen bitte ich Sie also. Wer solche Sachen nicht selbst gesehen, begreift sonst nie, wie eine Badewanne zum Sarkophag wird."50 Kronprinz Friedrich Wilhelm war „enthusiasmiert" von der Idee, sein Vater jedoch entschied sich dagegen; die Sache scheiterte vor allem an der mangelnden Zeit.51

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König Friedrich Wilhelm drängte auf Vollendung, darum wurde seine Frau in einem Zinnsarg in der Gruft des Mausoleums beigesetzt.52 Die Wannen hingegen, vom König erworben und unter Aufsicht Rauchs in Rom restauriert, erreichten Berlin erst 1818 und gelangten später vor Schinkels neues Museum, das heute das ,Alte Museum' ist. Das Gefäß, das einmal Sarkophag der Königin Luise werden sollte, steht noch heute an dieser Stelle. Ein Preuße solle die Luisenstatue machen, hatte der Monarch gewünscht und Humboldt in einem Brief ergänzt: „Läge es nicht so tief in Seinem Charakter immer am leichtesten das Gute zu übersehen, das Er selbst stiftet, so könnte Er mit Fug hinzusetzen, u. Einer, der seine ganze Bildung Ihm dankt."53 „König Friedrich Wilhelm III. protegirte meine Lust zur Bildhauerei am meisten", erinnerte sich Rauch an seine ersten Jahre in Berlin, „dennoch half mir dieß im Ganzen wenig."54 Das frühe Sterben seines Vaters und seines Bruders hatte den Bildhauer gezwungen, fiir den Unterhalt der Mutter zu sorgen, weshalb er 1797 die Stelle seines verstorbenen Bruders annahm, Kammerdiener von Friedrich Wilhelm II. wurde und nach dessen Tod in den Dienst der neuen Königin Luise trat. Zwar hatte man ihm gestattet, in seiner freien Zeit zu modellieren und ihm sogar eine Stube dazu verschafft, doch begrenzten seine Pflichten seine künstlerischen Ambitionen stark. „Die traurigste Zeit meines Lebens" hat der Künstler diese Jahre später genannt.55 Erst nach mehreren Anläufen konnte Rauch 1804 seine Entlassung vom Dienst erwirken, da sich neben dem königlichen Kammerherrn Friedrich von Schilden auch Schadow für ihn verwendet hatte. Sieben Jahre später rief ihn das Grabmal seiner Herrin aus Italien nach Berlin zurück, das er, über Wien kommend, am 5. März 1811 erreichte. Der König, der ihn bald empfing, setzte große Hoffnungen auf ihn, doch um in der Sache konkret zu werden, fehlte ihm der Mut. Hofmarschall von Maitzahn unterrichtete den Künstler deshalb über seine Aufgabe.56 Kurz nach seiner Ankunft begann Rauch in einem Zimmer des königlichen Diensthauses in der Georgenstraße mit der Arbeit. Zwei Wochen später waren vier kleine Modelle in Ton vollendet, wobei sich Rauch in unterschiedlichem Maße an die Vorgaben des Königs gehalten hatte. Der Bildhauer testete seinen künstlerischen Spielraum und schuf auch ein Modell, das die Ideen seines Auftraggebers weitgehend ignorierte.57 Der König sei in dieser Sache nur schwer zufriedenzustellen, fürchtete Rauch, ahnte er doch schon, welch enorme Emotionalität die Modellierung der Luisenstatue begleiten würde.58 Und der besonderen Bedeutung des Werkes für den König stand die für den Bildhauer gegenüber, der zum ersten Mal seine künstlerischen Vorstellungen in einem großen Monument zum Ausdruck bringen durfte, zugleich aber wußte, daß die erhoffte Karriere allein der Zufriedenheit seines Auftraggebers erwachsen konnte. Ende März zeigte der Bildhauer nur die beiden unterschiedlichsten seiner vier Entwürfe dem König, der sich in Lob erging, besonders über eines der Modelle, das seinen Gefühlen offenbar die rechte Form gegeben hatte.59 Einige Mitglieder der

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königlichen Familie, zur Begutachtung herbeizitiert, bestärkten das Oberhaupt in seiner Wahl, die just auf das Modell gefallen war, das Rauch nach eigenen Ideen angefertigt hatte.60 Und in diesem Entwurf der den ursprünglichen Wünschen des Witwers „entgegengesetzt" war, hatte er die schlafende Königin „so grandios wie möglich" dargestellt.51 Einfach, schlicht und billig mußte immer alles für den König sein - aber so grandios wie möglich auferstehen sollte nun Luise. Andere Künstler hatten ebenfalls Modelle angefertigt, denen Rauch die seinigen hinzufügen sollte. Eine private Ausstellung aller Ideen, die auch das Schadowsche Modell mit einschloß, bot der königlichen Familie noch einmal die Möglichkeit zum Vergleich, obwohl man sich schon längst für Rauch entschieden hatte. „Der König war gleich entschlossen für eine der meinigen."62 Zwei Monate nach Beginn der Arbeit konnte der Bildhauer seinem Auftraggeber ein halblebensgroßes Modell der Liegefigur präsentieren, das auch schon erste Ideen zur Gestaltung des Unterbaus enthielt, den Rauch mit dem Aufgang und dem Untergang des Tages, mit den Genien des Todes und des Lebens schmückte. Zwar hatte sich Friedrich Wilhelm ausdrücklich „gegen alle Allegorischen Andeutungen" ausgesprochen, doch fand der Bildhauer diese zur „Verzierung des ganzen durchaus nothwendig", auch weil er überhaupt „etwas an dieser Stelle" haben wollte.63 Und wieder sollte der Künstler recht behalten, fand der König doch Gefallen an seiner Idee. Einmal mit dem Gedanken angefreundet, erbat der König nach Rücksprache mit seinen Geschwistern jedoch Entwürfe mit Motiven aus dem Neuen Testament. Eigene Wünsche, so erklärte er Rauch, wolle er hierbei hinter die Erfordernisse eines öffentlichen Monumentes zurückstellen, denn obgleich ihm klassische Allegorien eher zusagten, müsse er doch das „minder Schöne dem allgemein paßenderen vorziehn", weil die Menge „andrer Meinung wäre".64 Kaum „passend" war dagegen, was Friedrich Wilhelm nach dem Tode seiner Frau geschrieben hatte: daß er sie „angebetet" habe, ein Ausdruck, für den er sich entschuldigte.65 Einiges jedoch sprach für den Verzicht auf christliche Zeichen an der Sarkophagstatue. Zum einen paßte eine Auferstehung Christi nicht zum Stil des Sarkophagdenkmals, schon Humboldt hatte sich gegen biblische Reliefs gewandt, zum anderen scherte sich der Witwer wenig um die künstlerischen Ansichten einer breiten Öffentlichkeit.66 Und so verlor die Sarkophagskulptur im Lauf ihrer Entstehung viel Heraldisches, Symbolisches und Religiöses zugunsten einer überwältigenden Lebensnähe, die den klassizistischen Ansichten des Bildhauers ebenso entsprach wie Friedrich Wilhelms Melancholie. König Friedrich Wilhelm hatte seine Zustimmung zu dem halblebensgroßen Statuenmodell gegeben, das unter seinen Augen nun vergrößert und in allen Einzelheiten vollendet werden sollte. Der Bildhauer siedelte darum am 12. Mai 1811 in einen Arbeitsraum im Charlottenburger Schloß über, wo ihn der König, „um jeden Fingerdruck so zu sagen zu beobachten", täglich besuchte.67 Zwar hegte Rauch schon insgeheim den Wunsch, für die Arbeit am Marmor nach Italien zurückgehen zu können, doch hatte er noch nicht begriffen, was ihn in Charlottenburg erwartete. Ein Pygma-

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lion hatte sich zum Bildhauer gesellt; bald aber ließ sich die Kluft zwischen den Bedürfnissen des Königs und des Künstlers nicht mehr verbergen, und es kam zum Konflikt. Ende Mai 1811 offenbarte Friedrich Wilhelm dem Bildhauer seinen „Herzenswunsch" nach Wiedergabe der Gemahlin in „genau gemeßener Lebensgröße".68 Entsprang jener Wunsch auch seiner Sehnsucht nach lebendiger Erinnerung an den geliebten Körper, so traf er Rauch doch wie ein „Donnerschlag", da Uberlebensgröße für das Denkmal zwingend war, zumal für eine Porträtierte dieser Prominenz. Kompliziert, wie er war, fühlte sich der Künstler „wie kastrirt" und zu jeder Arbeit an der Statue außerstande.69 Egoistische Motive warf er dem König vor, der sich anzueignen versuche, was der „Zeit doch nur gehören sollte".70 Zermürbt schuf er ein zweites, nunmehr lebensgroßes Modell, das den König schließlich umstimmen sollte, zumal die Mitglieder der Familie zugunsten Rauchs gesprochen hatten, ebenso wie Schadow und Hirt. Ende August 1811 war das große Modell vollendet. Die Marmorarbeit in Italien vornehmen zu können, hoffte der Bildhauer im Stillen immer noch, doch schwand die Hoffnung täglich mit der Mitarbeit des Witwers an der Statue. König Friedrich Wilhelm nämlich glaubte, nur das „Ineinandergießen der Ideen" habe das gelungene Modell hervorgebracht, das zudem als Gipsabguß mit nach Italien hätte reisen müssen, da nur auf diesem Wege die exakte Übertragung in den Marmor garantiert sein konnte.71 Zwar tadelte Caroline von Humboldt das Ansinnen wegen der zu hohen Kosten, „aber da kennen Sie den König nicht", rechtfertigte sich Rauch, „da ist keine Falte von den tausend die er nicht beherzigt hat wie wäre es möglich nur mit einiger Ruhe an die Ausführung des Marmors zu gehen, wenn diß Modell nicht ganz so unter diesen Umständen und mit seiner Genehmigung entstanden wäre".72 Kunst und Künstler in Italien zogen Rauch zurück; zudem hatte es geheißen, daß es ihm peinlich sei, wenn er die Arbeit in der Nähe des geschmähten Schadow vornehmen müsse.73 Die Argumente aber, die man dem König vortrug, um den Bildhauer gehen zu lassen, zielten vor allem auf das Gelingen der Skulptur, die Rauch nun unter den Augen der „großen römischen Lichter" schaffen wolle. Und daß Canova und Thorvaldsen die Entstehung der Statue überwachen konnten, leuchtete auch Friedrich Wilhelm ein, weshalb er die Reise schließlich doch gestattete. Ein Abguß des Modells verblieb ihm als Ersatz und wurde vorläufig im Mausoleum aufgestellt, wo er das Opfer milderte, „das er der Kunst zu bringen beschlossen hatte".74 Ende 1811 verabschiedete sich Rauch am Monument der Königin von deren Witwer und erreichte, über Wien, Florenz und Rom kommend, im Frühjahr 1812 Carrara, wo er einen befreundeten Bildhauer traf, Friedrich Tieck. Der mitgereiste Gipsabguß war auf dem Weg zerbrochen und lag in über sechzig Stücken in der Kiste. Zwar war die Maske als Ganzes erhalten geblieben, doch mußte der Rest mühselig wieder zusammengesetzt werden, was aber immerhin so gut gelang, daß sich der Kollege lobend darüber äußern konnte.

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Und allen Beteuerungen dem König gegenüber zum Trotz fing Rauch nun an, das Modell von Grund auf zu revidieren, „viele Veränderungen" vorzunehmen und wieder „an einem ganz nakenden Stadium" zu modellieren, wie er Caroline von Humboldt berichtete. Ein „Korrekturbild" und „Portrait gerade diser vorzustellenden Königin" wolle er erschaffen, schrieb Rauch, und darum viel an dem Modell verbessern, das als Abguß zwar im Mausoleum stand, ihm jedoch schon längst nicht mehr genügte.75 Ein schöner Block des kleinkristallinen, leicht gelblichen Crestole-Marmors fand sich für das Monument und war im Oktober 1812 schon so weit mit dem Zahneisen ausgeschnitten, daß der Bildhauer selbst Hand anlegen konnte.76 Kaum drei Monate später erreichten ihn Briefe des Hofrates Bussler, der ihn aufforderte, seine Arbeit nach Rom zu verlegen, da der König die Ausfuhrung der Statue fernab von Preußen nur aufgrund der „Genialität andrer vorzüglicher Künstler" genehmigt habe, und diese seien in Carrara nicht am Platz.77 Einige Wochen später brach der Künstler darum seine Zelte ab und brachte sein Werk nach Rom, wo es von Thorvaldsen begutachtet und gutgeheißen wurde. Schadows Sohn Ridolfo aber, der das Modell in Berlin gesehen hatte und während der Visite des Dänen zugegen war, zeigte sich vom Werk in einer Weise überrascht, die Rauch verwunderte. 78 Einer entschuldigenden Äußerung gegenüber Thorvaldsen, „daß es in Marmor nun anders sey", konnte Rauch entnehmen, daß Ridolfo dem großen Kollegen „eine gar unvortheilhafte Idee" von dieser Statue gegeben hatte.79 Und in der Tat war der Luisensarkophag dem jungen Schadow von Anfang an als Vorbote für den „Untergang seines Vaters Hauses und seiner selbst" erschienen, was bei ihm und seinem Bruder Wilhelm „ganz kindisches Betragen" provozierte. „Elternliebe" leuchte zwar „aus beider Äußerungen hervor", wie Rauch die Ängste der Geschwister Schadow zu erklären suchte, hinzukämen aber auch die „hellen Flammen" ihrer eigenen „Eitelkeit".80 Der alte Schadow lästerte unterdessen in einem Brief an Carl August Böttiger über eine Figur, „welche ich die drappirte Wurst nenne, versteht sich entre nous. Denn allen Personen vom Hofe hab ich gesagt: es wäre eine gute Arbeit; denn Rauch ist ein herzensguter Mensch u. man muß nicht jedem Narren die Wahrheit sagen!"81 Ende Dezember 1813 war die Statue mit tatkräftiger Hilfe von Thorvaldsens Gesellen vollendet worden und stand zur Besichtigung in der Werkstatt.82 Künstler, die zu Caroline von Humboldt kamen, sagten ihr, „daß es unmöglich sey etwas schöneres wie diese Arbeit"83 anzusehen, und auch Canova, der „Geschmacksrichter im Bereich der Skulptur"84, zeigte sich von dem Luisengrabmal „sehr befriedigt".85 Ein Kandelaber für das Mausoleum und der Unterbau der Statue riefen Rauch im Februar 1814 nach Carrara zurück; im August stach schließlich das gesamte Monument von Livorno aus in See. Eine achtmonatige Odyssee zu Wasser folgte, die später zum Kapitel des Luisenmythos werden sollte. Das Transportschiff Alexander war acht Tage nach dem Auslaufen von dem amerikanischen Schiff Leo gekapert worden, wurde aber bald hier-

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nach von dem englischen Kaper Elisa wieder befreit, der den Frachter nach Cherbourg begleitete. Die Landung dort wurde verweigert, was beide Schiffe nach Jersey trieb, wo die Ladung im April 1815 schließlich freigegeben wurde und daraufhin mit einem englischen Kriegsschiff nach Stade gelangte. Das Monument der Königin erreichte Berlin am 22. Mai 1815 und wurde unter den Augen Rauchs, der auf dem Landweg gekommen war, im Mausoleum aufgestellt. König Friedrich Wilhelm ging noch am Abend seiner Rückkehr vom Wiener Kongreß am 30. Mai mit seinen Kindern in das Gebäude; der Bildhauer, der letzte Korrekturen gerade beendet hatte, zog sich zurück. Das „Wiedersehen" hat noch jeden Historiker zum Poeten gemacht hat, doch fand es ohne Künstler statt, den der beglückte König erst nach Tagen mit dem höchsten Lob und 10.000 Talern belohnen konnte, weil Rauch sich in Berlin verkrochen hatte - mit Migräne.

6 Das Bildnis und die Vorbilder „Nicht vergeblich hatte Rauch Jahre lang unter antiken Werken geweilt."' Eduard Dobbert 1877

Karl Friedrich Schinkel hatte kurz nach dem Tod der Königin Luise einen gotischen Entwurf zu ihrem Mausoleum angefertigt und diesen mit der Zeichnung einer Liegefigur verbunden (Abb. 5), die in ein züchtiges Gewand gehüllt war, welches auch noch das bekrönte Haupt umhüllte. Ein solch gängiges Motiv zeigte auch Schadow in seinem Modell einer Sarkophagskulptur (Abb. 6), und obwohl diese ohne christliche Attribute war, erinnerte sie doch an mittelalterliche Grabplastik: Die Hände ruhten übereinandergelegt im Schoß, und ein Schleier, durch ein Diadem gehalten, umrahmte den Kopf, wie man dies von dem bekrönten und schleierbedeckten Haupt Mariens kannte. Erfüllt waren damit die bekannten Wünsche Friedrich Wilhelms III., und auch der Blick auf das, was zeitgleich mit dem Modell in Schadows Werkstatt noch entstand, mußte den Bildhauer glauben machen, daß sein Werk dem Witwer gefallen würde. Der Maler Wilhelm Schadow, ein Sohn des Künstlers, hatte dort zwei Bildnisse der

Abb. 5 Karl Friedrich Schinkel: Entwurf für eine Sarkophagstatue der Königin Luise, 1810

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Abb. 6 Johann Gottfried Schadow: Entwurf für eine Sarkophagstatue der Königin Luise, 1810

Verstorbenen im Auftrag Friedrich Wilhelms angefertigt.2 Zeigte das eine, auf der Akademieausstellung im September 1810 präsentierte Gemälde noch ein realistisches Porträt der Königin, so stellte das andere, als Königin Luise in der Verklärung betitelte Bild (Abb. 7) eine Abberufene dar, die, gesenkten Blickes, verhüllten Hauptes und die Hände andächtig vor der Brust verkreuzt, dem Übergang in göttliche Sphären demutsvoll entgegenharrte. Das Sarkophagmodell des alten Schadow stand diesem Werk des Sohnes ikonographisch nahe. Das Gemälde war vom König freundlich aufgenommen worden, was wohl in der tröstenden Anschaulichkeit der christlichen Heilserwartung begründet lag, gemeinsam mit der zeitlichen Nähe zu dem Verlust und dem Zusammengehen mit dem zweiten Porträt, dessen Ähnlichkeit der Witwer lobte. Erfindungen wie diese aber waren in der Auseinandersetzung um das Grabdenkmal verfehlt, denn ein paar Monate nach Luises Heimgang hatte sich der Melancholiker vom Bild der toten Gattin abgewandt und suchte nun die lebende. „Schadow hat auch wieder ein Modell gemacht", schrieb Rauch im März 1811 an Caroline von Humboldt, „recht hübsch im Naiven styl, wozu man glaubte, daß der König inklinire, doch mißfallt ihm auch dieses ganz."3 Ende des 19. Jahrhunderts orientierte sich der Bildhauer Erdmann Encke am Entwurf von Schadow, als er das Sarkophagdenkmal der Kaiserin Augusta schuf (Abb. 8), die ebenfalls im Mausoleum zu Charlottenburg bestattet wurde. Zwar sollte

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sich das Werk formal an den Luisensarkophag anlehnen, doch wurde es dem Schadowschen Modell gemäß geformt, das der Kaiserin in jeder Hinsicht besser entsprach, ihrem hohen Sterbealter ebenso wie ihrem menschlichen Format. Einen Myrtenkranz, Passionsblumen und ein Kreuz in den zum Gebet gefalteten Händen, war die Achtzigjährige auf ihrem Lager aufgebahrt, Körper und Haupt vom stoffreichen Gewand umhüllt. Ehrte sie das Grabmal auch für ihren Glauben und ihre Wohltätigkeit, so hatte sie auf das Volk doch oft einen strengen, ja steinernen Eindruck gemacht. Die Schwiegermutter war dagegen im Leben ungleich populärer und im SterAbb. 7 Wilhelm Schadow: Königin Luise in der ben ungleich tragischer gewesen, Verklärung, 1810 und mit ihrer Darstellung als Schlafende hatte man den Schmerz mit einem Bild gemildert, wie man es sonst bei toten Kindern favorisierte. Königin Luise starb als ,Lichtgestalt', Augusta als „Gespenst".4 „Die Königin soll also liegend, in ruhender Stellung in Lebensgröße, in einem Gewände eingehüllt, das aber so leicht und feyn sein muß, daß die Formen des Körpers durchscheinen, vorgestellt werden. Das Gewand soll noch den Kopf umhüllen."0 König Friedrich Wilhelm III. hatte seine Vorstellungen über die Statue seiner Frau im September 1810 den Bildhauern in Rom übermitteln lassen, Christian Daniel Rauch aber hat ihn später in zwei wesentlichen Punkten umgestimmt: Eine Umhüllung des Kopfes unterblieb ebenso wie die Ausfuhrung der Statue lediglich in Lebensgröße. Kein Bild der privaten Erinnerung wollte der Künstler schaffen, sondern vielmehr ein grandioses Monument, und kein Totenmal, sondern ein Bild des Lebens verlangte der König in seinem Schmerz. Und dieses Bedürfnis, von Rauch erkannt, stemmte sich gegen die althergebrachten Traditionen christlicher Grabplastik. Eylert zufolge, dem der Bildhauer später Bericht erstattete, hätte der König, als er die Gattin wiedererstehen sah, nicht nur auf den Schleier, sondern auch auf die Krone der Königin gerne verzichtet - und damit aufjede monarchische Repräsentanz.6 Luise liegt auf weichem Lager, der dünne Stoff ihres rund ausgeschnittenen Gewandes schmiegt sich an die Formen ihrer fülligen und weichen Gestalt (Abb. 9).

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Abb. 8 Erdmann Encke: Sarkophagstatue der Kaiserin Augusta, 1890-1894

Ein hohes Kopfteil stützt den Oberkörper, das diadembekrönte Haupt ist leicht zur Seite geneigt, ein Ausdruck der Zufriedenheit liegt über dem Gesicht. Die Arme, nur bis zu den Ellenbogen vom Kleid bedeckt, sind locker unterhalb des Busens verschränkt, die rechte Hand ruht auf der linken Brust. Das lange Gewand umhüllt die übereinandergeschlagenen Beine bis über die Fußspitzen hinaus und dient damit zugleich als Decke. Ein reiches Faltenspiel in Kleid und Laken zieht die Bewegungen des Körpers nach, Knickfalten im Bettuch zeigen, daß es mit scheinbar rascher Hand über das Lager ausgebreitet worden ist. Eine Tote liegt dort nicht, vielmehr eine Schlafende. Die Arme, deren Ellenbogen nicht auf der Matratze aufliegen, verraten gleichwie der bewegte Lauf der Falten die Präsenz von körperlicher Kraft. Ein umhülltes Haupt hätte ganz im Widerspruch zu diesem Ausdruck von Lebendigkeit gestanden; statt dessen lehnte sich die Darstellung des Kopfes nun an jene Büste an, die Rauch für das Mausoleum geschaffen hatte und die Friedrich Wilhelm so gerne mochte. Das antike Haupt der Juno Ludovisi (Abb. 10) war Vorbild des Porträts gewesen, und das mit Lotosblüten und Palmetten geschmückte Diadem der Juno ebenso wie deren Haartracht trug auch die Sarkophagstatue. Einen Kranz von Sternen hatte Rauch aus dem Laken um das ruhende Haupt herausgearbeitet und die Entrückung der Dargestellten ins Himmlische angedeutet. Sterne und Mohnblüten an der Decke der Halle beschirmten die Königin und setzten den

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'MmMmii^m^mmmmmx Abb. 9 Christian Daniel Rauch: Sarkophagstatue der Königin Luise, 1811-1814

Gedanken ihres Schlafes im Mausoleum fort. Luise schlief, sie schlief, so wie ihr Mann sie oft gesehen, wenn sie sich vom Treiben des Tages zurückgezogen hatte. „Und wenn ihr der Anzug génierte zog sie ein Negligé an, und legte sich auf eine Chaise longue, um sich auszuruhen und entweder zu lesen, oder ein Mittagsschläfchen zu thun." 7 Eine verbindliche Entscheidung über den Unterbau der Statue war offenkundig nicht getroffen worden; zwar hatte Schinkel eine Zeichnung angefertigt, doch war Rauch mit dem Entwurf nicht recht zufrieden und änderte ihn ganz, nachdem er offenbar den Sockel von Donatellos Marzocco in Florenz gesehen hatte. 8 Die Idee eines Sarkophages, der die Leiche ohnehin nicht bewahrte, gab er nun zugunsten

Abb. 10 Juno Ludovisi, 1. Jh. n. Chr.

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Abb. 11 Christian Daniel Rauch: Sarkophagstatue der Königin Luise, 1811-1814

einer Kline auf, eines antiken Ruhebettes, das von ebensolch balusterartigen Rundstützen getragen wurde wie Donatellos berühmter Löwe. Königin Luises sanfter Schlummer durchströmte nun das ganze Kunstwerk und konterkarierte den Sockel in einer Weise, wie es Canova wenige Jahre zuvor noch radikaler in seiner Statue der Paolina Borghese vorgeführt hatte: Die marmorne Gestalt der Napoleonschwester ruhte auf einem Bett aus Holz. Konsequent war Rauch mit seinem Werk von mittelalterlichen Traditionen abgerückt, zur Abstimmung mit dem Auftraggeber aber fehlte die Möglichkeit. Krieg war im Anzug und spärlich die Post aus Berlin, weshalb der Künstler seine Entscheidungen alleine fallen mußte: „Also um vorwärts zu kommen muß ich ganz eigenmächtig handeln und nie fragen. [...] Sonst komme ich zu gar nichts."9 Zwei Stufen und eine Zierleiste aus Herzlaub, ein lesbisches Kyma, bilden das Postament, auf dem vier wulstige Baluster einen Unterbau umschließen, der die Form eines tumbaartigen Schreins besitzt (Abb. 11). Die Längsseiten sind in drei Felder gestaffelt; die jeweils mittleren führen bekrönte Wappenschilde, die auf der linken Seite des Sarkophages den preußischen Adler tragen und auf der rechten den Kopf eines Ochsen, des Wappentieres von Luises mecklenburgischer Heimat. Zwei mächtige, vollplastische Adler mit ausgebreiteten Schwingen, die Köpfe über die Schultern reckend, stehen an den Schmalseiten des Schreins und blicken zu der Schlafenden auf; Lotosblüten und Palmetten umlaufen den abschließenden Architrav, der von

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schmalem Perlstab eingefaßt ist. Die der Antike entlehnten Ornamente wiederholen im Ganzen die Schmuckformen der Liegefigur, wie sie im Diadem der Königin und im Saum ihres Bettuches angegeben sind, der Adlerpaare und Kronen zeigt. Die Sarkophagstatue der Königin Luise sprengt manch kunsthistorische Kategorie. Das eigenartige Schwanken des Standbilds zwischen den Sujets und Traditionen gründet vor allem in seiner Entstehungsgeschichte, die von den Bedürfnissen des Witwers wie des Künstlers gleichermaßen bestimmt war und die sukzessive Klärung wie Näherung ihrer Ansichten zum Inhalt hatte. Eine Grabfigur im eigentlichen Sinne galt es nicht zu schaffen, und darum fehlt auch ein konkretes Vorbild in der Grabmalkunst. 10 Zeigt der Blick aufjacopo della Quercias Grabmal der Ilaria del Carretto zwar, daß der Luisensarkophag dem Typus nach ein mittelalterlicher war, so doch zugleich und um so mehr, was ihn von solcher Tradition entfernte. Eylert berichtete später, daß der König von Anfang an „das erstarrte Todte der mittelalterlichen Grabmäler" vermeiden wollte.11 Zweifelsohne hatte Rauch auf seiner Reise nach Florenz von 1812 auch Grabplastik der frühen Renaissance betrachten können, für die Figur der Königin jedoch, wie er an Caroline von Humboldt schrieb, hatte ihm Florenz „weiter keinen Nutzen" gebracht.12 Die Ewige Stadt um 1800 aber, wo Kenner pilgergleich zu den antiken Schätzen zogen und Canova oder Thorvaldsen die neuen Götter waren, barg Anreize für Rauch in großer Fülle. Wieder und wieder nahm er „Abänderungen" an der Statue vor, denn fast noch wichtiger als die Wünsche seines Auftraggebers waren ihm die Forderungen seiner Kunst und Zeit.13 „Ist die Arbeit vollendet dann mag mich der König belohnen oder nicht meine Belohnung soll mir die seyn meine Ehre in der Ausführung dieses Gegenstandes allein zu finden, und wird bestimmt der Grund meines Glücks."14 Und zu seinem und des Königs Glück hatte sich der Bildhauer vor der bedeutungsvollsten Herausforderung seines Lebens gründlich mit den Werken der Antike und des Klassizismus auseinandergesetzt. Spuren hinterließ darum die Kunst der alten Griechen und der Römer im Luisenmonument. Ein Diadem wie das der Juno Ludavisi trug auch die Königin von Preußen; Eindruck auf Rauch hatte zudem die berühmte Skulptur der schlafenden Ariadne (Abb. 12) gemacht, die durch ihren hochgelagerten Oberkörper, die übereinandergeschlagenen Beine und das dünne, faltenreiche Kleid verwandt zu sein schien mit der schlafenden Luise.15 Die Statue aus den vatikanischen Sammlungen inspirierte wie die Agrippina vom Kapitol zahlreiche Künstler zu Bildnissen sitzender oder liegender Frauen und beeinflußte auch die klassizistische Grabplastik, zumal im Belvedere ihr ein Sarkophag als Sockel diente.16 Eine flüchtige Skizze von Thorvaldsen zu einer weiblichen Liegefigur auf einem Sarkophag offenbart die Auseinandersetzung des Dänen mit dem antiken Werk; zugleich hat man die Studie als Entwurf eines Luisengrabdenkmals betrachtet, denn sie zeigt einen Adler auf Eichenlaubgirlande. 17 Zwar hatte sich Thorvaldsen geweigert, Zeichnungen für jenen Auftrag anzufertigen, doch half er häufig anderen Künst-

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Abb. 12 Schlafende Ariadne, Kopie aus dem 2. Jh. n. Chr. nach einem Vorbild aus dem 2. Jh. v. Chr.

lern mit Ideen, weshalb das Blatt, wenn überhaupt, im Zusammenhang mit der Arbeit Rauchs zu sehen ist. Einfluß hatte die Antike vor allem auf die Draperie. Kleinfaltige, sich wie naß an den Körper schmiegende Faltenschwünge hauchdünner Gewänder waren stilbildendes Motiv der griechischen Kunst im 5. und 4. vorchristlichen Jahrhundert gewesen; und sollte auch das Kleid der schlafenden Luise dem englischen Maler und Schriftstellerjohn Ruskin „wie ein Bettlaken" erscheinen, „das an einer Person klebt, die sich die ganze Nacht ruhelos hin und her gewälzt hat", so war in diesem Spott doch treffend das Moment von Zeitlichkeit bemerkt, das schon die spätklassische Plastik zeigte.18 Künstler der hellenistischen Epoche schließlich machten auch die Darstellung von unterschiedlichen menschlichen Bewußtseinsstufen zu einem ausgeprägten Thema in der Bildhauerkunst. Ein Exempel dieser Sinnenden, Schlafenden oder Sterbenden war neben der vatikanischen Ariadne auch der schlafende Hermaphrodit, der zum Urbild vieler weiblicher Liegefiguren seit dem 17. Jahrhundert geworden war, weil der liegende Frauenakt als Vorbild in der antiken Freiplastik fehlte. Die berühmteste antike Kopie des Hermaphroditen befand sich im Besitz der römischen Adelsfamilie Borghese. Kein geringerer als der junge Gian Lorenzo Bernini hatte die Statue mit einem Ruhelager ergänzt, und so war der Hermaphrodit Borghese zu einem wichtigen Schaustück jener römischen Sammlung geworden, wo die Künstlerschaft der Stadt die Antike studierte. Zeitgenossen faszinierte vor allem das Lager des Hermaphrodit

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ten, hatte Bernini doch so eigenwillig wie gekonnt eine gesteppte Matratze für die Statue angefertigt, die harten Stein in scheinbar einladende Weichheit verwandelt hatte. Zwei Jahrhunderte später wiederholte Antonio Canova diesen Effekt mit seinem Bildnis der Paolina Borghese. Eine zweite Kopie des Hermaphroditen im Besitz der Borghese füllte nach 1807 die Lücke, die der Verkauf des Berninischen Werkes an Napoleon in der Sammlung hinterlassen hatte.19 Die Statue (Abb. 13) war um die Mitte des 18. Jahrhunderts von dem Bildhauer Andrea Bergondi umfangreich ergänzt worden und hatte neben einem Kopf und neuen Gliedmaßen auch ein faltenreiches, aufgewühltes Lager erhalten, ähnlich wie es später auch das Sarkophagdenkmal der Königin Luise zeigte.20 Kleinfaltige, hauchdünne Gewänder wie das der schlafenden Luise waren im römischen Klassizismus Konvention, das Lager des Luisensarkophags hingegen war so ungewöhnlich für ein Totenmal wie prägend für die Wirkung jener Statue. Die Liege, in gewollte Unordnung gebracht, weist mit vielfaltigem Faltenspiel auf die Bewegungen im Schlafe hin, und diesen Ausdruck zeigte schon Bergondis Werk: Ein stoffreiches Laken überspannte das Lager und zog in reichen Falten die Bewegungen des Schläfers nach, dessen eleganten Körperschwung die Draperie wiederholte. Das Hervorziehen des unter dem Polster eingesteckten Tuches durch die Bewegungen im Schlaf war eine spannungsreiche, den Eindruck von Lebendigkeit erzeugende Bildidee; und deren Effekt verstärkte Rauch in seinem Werk. Die Unordnung auf dem Lager der Königin gipfelte in der fast liederlichen Draperie am Fußende, wo das bestickte Tuch über eine Ecke der Matratze aufgeschlagen war und den Blick des nahenden Betrachters auf das nackte Laken lenkte, zumal man das Standbild mit dem Fußende zum Eingang ausgerichtet hatte. Zwar provozierte die Schlafende ein reiches Faltenspiel, doch war der Überwurf nur lose über das Bett gebreitet und zeigte darum keine der kompositorisch wichti-

Abb. 13 Andrea Bergondi: Schlafender Hermaphrodit, antikes Fragment mit neuzeitlichen Ergänzungen, um 1760

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gen Längsfalten zu Seiten der Liege. Einen Zipfel des Überwurfes steckte Rauch darum auf beiden Seiten unter die Matratze ein und erzwang damit einen jeweils längsseitigen Faltenschwung, der den aufgerichteten Oberkörper an den Schmalseiten des Ruhelagers harmonisch unterlegte. Zahlreiche Liegefiguren aller Zeiten zeigten diese Falte ihrer schönen Wirkung wegen, schon der antike Schöpfer der schlafenden Ariadne setzte auf diesen Effekt.21 Und wie sehr der junge Rauch trotz aller Neuerungen diesen künstlerischen Konventionen damals noch verhaftet war, offenbart der Blick auf seine später geschaffene, kleinere Fassung der Luisenstatue, wo er weitgehend auf forcierte, vom Gegenstand nicht motivierte Momente verzichtete. Skulpturen nach Art des schlafenden Hermaphroditen waren in Berlin bekannt und beliebt; so zeigte Schadow auf der Akademieausstellung 1800 das Standbild eines Mädchens, das auf faltenreichem Lager schlummerte.22 Zwei Jahre später präsentierte sein Schüler Friedrich Hagemann die Statue einer liegenden Na/'ade, die auf ebensolchem Bette ruhte. Das Werk stand nach seinem Ankauf durch Friedrich Wilhelm III. in einem Zimmer der Königin Luise.23 Kunstwerke der griechischen Antike und deren neuzeitliche Ergänzungen hatten den Schöpfer des Luisensarkophages entscheidend inspiriert. Zeit seines Lebens vom Mangel an Bildung geplagt, hatte sich Rauch in Italien eifrig an das Studium der Antike gemacht; Eggers zufolge war er seit langem der erste Künstler in Rom gewesen, „der etwas auf Bücher" gegeben hatte.24 Und doch spiegelte die schlafende Luise nicht nur die Faszination ihres Bildhauers für die Kunst der Hochklassik und des ,reichen Stils' wider, sondern auch und vor allem die für einen Zeitgenossen, der die Darstellung weiblicher Schönheit zu unerreichter Vollendung führte: Kunsthistoriker bereits des 19. Jahrhunderts spürten über dem Luisengrab den „Geist von Canova's Idealplastik".25 Und in der Tat war Rauch ein glühender Bewunderer von Canovas Kunst. Euphorisch berichtete er im Winter 1806 von den künstlerischen wie charakterlichen Qualitäten seines Gönners, der ihm einen Arbeitsraum und Marmor überlassen hatte: Das Wiener Grabdenkmal der Erzherzogin Maria Christina nannte er „das größte und prächtigste Monument, was in neuerer Zeit errichtet ist", auch alles andere mache ihn „Staunen, wenn man ins Studium dieses vortrefflichen und fleißigen Canova tritt. Bei seinem großen Talent und verdienten Ruhm ist er der liebenswürdigste Mensch, den ich noch kenne."26 Königin Luises Grabfigur trägt jenes rund ausgeschnittene Gewand, das Canova der Personifikation der Sanftmut (Abb. 14) an seinem 1787 vollendeten Grabmal für Papst Clemens XIV. gegeben hatte; und sogar persönlich mitverfolgen konnte Rauch nach 1804 die Entstehung der Paolina Borghese als siegreiche Venus (Abb. 15), Canovas berühmtestem Werk. Das Bildnis der halbnackten Napoleonschwester, von einem Apfel in der Hand nur notdürftig allegorisiert, zeigt die vielgerühmte Schönheit auf einem weichen Sofa liegend und ist ob der stupenden Bearbeitung des Marmors von betörend illusionistischer Eindrücklichkeit. Eine sichtliche Herausforderung stellte die aufsehenerregende Figur auch für den Schöpfer des Luisengrabmals dar, das dem Werk schon vom Sujet her ähnelte und

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Abb. 14 Antonio Canova: Die Sanftmut, 1783-1787

auch vergleichbar gearbeitet wurde. Extreme Politur hatte dem Bild der schönen Korsin einen hautähnlichen Glanz verliehen, und denselben Effekt erzielte Rauch durch eine ähnliche Technik. Und so stand seine Schlafende dem Meisterwerk des

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Abb. 15 Antonio Canova: Paolina Borghese als Venus Victrix, 1804-1808

Italieners auf manche Weise näher als jeder Sarkophagskulptur, denn ungeachtet ihrer mythologischen Überhöhung feierten beide,Monumente' weniger die Verdienste zweier Leben als zweier Körper Reize. Eindruck auf Rauch, so scheint es, hatte schließlich auch ein Werk des Bildhauers Damián Campeny gemacht, das 1804 in Rom fiir Begeisterungsstürme sorgte. Der Spanier, ein Freund Canovas und diesem stilistisch so nahe, daß man ihn den spanischen Canova' nannte, hatte während seines mehrjährigen Italienaufenthaltes die Figur einer sterbenden Lucretia modelliert, die in mancher Hinsicht an die Luisenstatue erinnert, erscheint die auf einem Stuhl niedergesunkene Märtyrerin doch mit ähnlich übereinandergeschlagenen Beinen, hauchdünner Gewandung und zur Seite gefallenem Haupt (Abb. IV). Antike wie zeitgenössische Werke waren Rauchs Inspiration in Rom gewesen, doch hat er im Luisensarkophag zum ersten Mal auch jene künstlerisch eigenständige Sprache zwischen dem Wirklichkeitssinn seines Lehrers Schadow, der abgeklärten Klassizität Thorvaldsens und der sensuellen Empfindsamkeit Canovas gefunden, die charakteristisch für seine besten Arbeiten wurde und in Preußen für nahezu ein Jahrhundert zur Norm geraten sollte. Klassisch antike Stilkonventionen wurden leichter Hand mit den Anforderungen des individuellen Bildnisses verbunden und dadurch das Zeitliche und das Uberzeitliche ebenso berücksichtigt wie das Private und das Öffentliche, das Intime und das Monumentale. Entstanden war ein Porträt, das in seiner behutsamen Idealisierung und angedeuteten Verklärung schwankte zwischen dem Erhalt der Erinnerung und deren

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neuer Wirklichkeit. Eine bloße Nachahmung der Natur nämlich hatte der Künstler nicht im Sinn, sondern den Wunsch, „die Idee fest zu halten, die ich von ihr habe, um sie wo möglich wahr in Marmor wieder darzustellen"; und die Idee, die Rauch von seiner Königin besaß, war offenkundig die von Schönheit, Harmonie und Größe. 27 Konserviert wie transformiert lag Luise über der Stätte ihrer Leiche. Ein Leben über den Tod hinaus hatte der Mythos seiner Protagonistin zugemessen, und dieser Mythos spiegelte sich fortan in der grandiosen Gegenwart der Königin von Preußen im Charlottenburger Schloßpark.

7 Effigie, Fetisch und melancholisches Monument „Das glückliche Verhältniß daß zwischen meiner Frau und mir stattfand ist schuld darann daß ich mich jetzt über ihren Verlust nicht trösten kann, und auch nie trösten werde. Der Verlustfür mich ist so groß, daß ihn eigentlich keiner außer ich selbst zu beurtheilen vermag. Ihr Besitz hielt mich fiir tausend Ungemach und Unglück anderer Art schadlos. War ich bey ihr so befand ich mich wohl und ich vergaß leicht manchen Kummer und Sorgen, und wenn er auch eigentlich nicht vergeßen wurde so fand ich dennoch in jenem Verhältniß eine so mächtige Beruhigung gegen alle Verfolgungen des Schicksals, daß ich nie einer ganz unglücklichen Zukunfi entgegen sah, so lange wir nicht getrennt waren. König Friedrich Wilhelm III. 1810

Königin Luise wurde auf dem Totenbett von dem jungen mecklenburgischen Hofmaler Wilhelm Ternite gezeichnet, nachdem ihn der Vater der Verstorbenen darum gebeten hatte. Kurze Zeit später ersuchte der Künstler beim König um die Genehmigung eines Kupferstiches nach seinem Werk. Zwar sah der Witwer das Bild aus Gründen der Schonung nicht, dennoch gab er dem Ansinnen statt und beauftragte Ternite zudem mit einem Porträt der Königin, das unter seiner speziellen Aufsicht entstehen sollte. Der Maler zog in das königliche Palais und erhielt dort einen Arbeitsraum neben dem Speisesaal; jeden Morgen wie nach dem Mittagessen erschien der Auftraggeber, um das Gemälde zu begutachten, damit es recht ähnlich werde. „Eines Tages öffnete sich langsam die Thür", erinnerte sich Ternite, „der König, beide Arme beladen, öffnete sie mühsam und vorsichtig, er brachte mir Bilder der Königin, die er im Palais zusammengesucht, und die ich benutzen sollte." Eine Büste, die nach der Totenmaske gestaltet worden war, wurde dem Maler als Vorbild empfohlen, während sich eine Kammerfrau der Königin die Haare wie ihre verstorbene Gebieterin frisieren und sich dergestalt als Modell verdingen mußte. „Wir müssen alles benutzen, um sie so ähnlich als möglich darzustellen", beschwor der Witwer den Künstler und sich selbst, „wir müssen sie in der Kleidung malen, die sie zuletzt getragen!"2 Luise Radziwill, Nichte Friedrichs des Großen, bot ihre Hilfe an, da sie sich gut an das Aussehen der Königin zu erinnern glaubte, denn plötzlich, nach deren Tod, genügte dem König keines ihrer Bildnisse. „Wenn er auch kein Gefühl und Verständ-

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nis flir die Kunst hatte", schrieb Adolf Streckfuß, „so zeigte ihm doch sein klarer Verstand die Mängel der vielen vorhandenen Bildnisse, welche zu verschiedenen Zeiten während des Lebens gemalt, im Schlosse zerstreut sich befanden, besonders die Mängel der Ähnlichkeit."3 König Friedrich Wilhelm besuchte das Bild in mancher Nacht. Zettel mit Bemerkungen und Wünschen fand der Maler am nächsten Morgen an dem Gemälde vor, das nach seiner Fertigstellung von dem Maler Wilhelm Wach in Ol kopiert wurde.4 Der Pastellstift von Ternite nämlich hielt nicht für die Ewigkeit. Das Bild nach der Leiche aber war Friedrich Wilhelm noch immer unbekannt, nicht zuletzt weil die gefurchtete Oberhofmeisterin Voß dem Maler ihren ganzen Zorn flir den Fall dieser Offenbarung angekündigt hatte: „Wenn ich es je dem König zeigte, so müsse ich fort, oder sie nähme den Abschied; ich hatte darum stets Ausflüchte gesucht, wenn der König danach fragte."5 Luises Leichnam war nach der Obduktion in spiritusgetränkte Tücher gewickelt worden; seinen Zustand begutachtete die Gräfin Voß an jedem Tag der Rückreise von Hohenzieritz. Die Julihitze aber setzte der Leiche so zu, daß die Oberhofmeisterin den Verfall ihres Schauwertes neun Tage nach dem Tod endgültig beschließen mußte. „Unser heimgegangener Engel fangt seit heute an, sich zu verändern", notierte sie in ihrem Tagebuch, „wir können ihn nicht mehr zeigen."6 Elf Tage nach dem Tod wurde der Sarg im Beisein der preußischen Minister zum letzten Mal geöffnet, um die Identität Luises festzustellen; deren Witwer aber verwehrte man einen letzten Blick. „Der König wünschte sehnlichst, seine Luise noch einmal zu sehen, ehe ihr Anblick ihm auf immer genommen wurde", erinnerte sich der Hofarzt Ernst Ludwig Heim, der den Trauernden jedoch inständig bat, „nicht auf seinem Verlangen zu bestehen, vielmehr das holde Bild des Lebens unverwischt in der Erinnerung zu behalten", worauf sich Friedrich Wilhelm fugte.7 Entschlossen aber wandte er sich später an den Maler Ternite, der die Leiche ja gezeichnet hatte: „Ich kann mir wohl denken, warum Sie mir das Bild nicht zeigen wollen, ich bin aber darauf vorbereitet, ich will es jetzt sehen." Der Künstler gehorchte dem König, doch schluchzte dieser schon beim ersten Anblick: „Schrecklich wahr! Nie wiedersehen!"8 „Wenn sie nicht mein wäre, so würde sie leben", hatte Friedrich Wilhelm zur Großmutter seiner Frau wenige Stunden vor Luises Tod gesagt, „aber eben weil sie meine Frau ist, darum stirbt sie gewiß."9 Zwar hatte die alte Dame dem Verzweifelten noch Hoffnung auf Gottes mächtige Hand machen wollen, doch ergab sich der König lieber dem Glauben an die vorbestimmte Verdammnis seiner Existenz. Ein moderner Historiker diagnostizierte darum „Disposition zur Zwangsneurose".10 Das Gemüt des Königs verdunkelte sich nach Luises Tod, und er fand Wahrheit in Calvins Prädestinationslehre. Eine trübe Vorstellung reihte sich an die andere, wie Eylert berichtete, „und versenkte Ihn in ein Meer von Bekümmernissen und Zweifeln", was „um so schlimmer" war, da er über seinen Schmerz „absichtlich brütete und nach Seiner Neigung ihn nährte". Und als ihn der Hofprediger auf die Verderblichkeit

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jener Stimmung hinwies, die weiterem Unglück Tür und Tor öffne, entgegnete ihm der Trauernde: „Für mich giebt es kein Unglück mehr; mich hat das größte getroffen; dagegen sind alle anderen, die noch kommen können, ein wahres Nichts."11 „Melancholie", schrieb Sigmund Freud, „ist seelisch ausgezeichnet durch eine tiefe schmerzliche Verstimmung, eine Aufhebung des Interesses für die Außenwelt, durch den Verlust der Liebesfahigkeit, durch die Hemmung jeder Leistung und die Herabsetzung des Selbstgefühls, die sich in Selbstvorwürfen und Selbstbeschimpfungen äußert und sich bis zur wahnhaften Erwartung von Strafe steigert."12 König Friedrich Wilhelm III. ist als .Melancholiker auf dem Thron' in die Geschichte eingegangen; und Melancholie, nach Freud, ist mißlungene Trauer, die Unfähigkeit, den Tod eines begehrten Menschen hinzunehmen oder das Ende einer Liebesbeziehung zu akzeptieren, die von hoher Fixierung gewesen ist. Nie und nimmer werde er sich über den Tod Luises trösten, beklagte wie beschwor sich Friedrich Wilhelm immer wieder, denn „durch ihren Besitz in eine so frohe und glückliche Lage versetzt", hatte er „fast alle übrige Verbindungen mit anderen Menschen vernachläßiget".13 Kennzeichen für Melancholie ist die Verneinung eines Verlustes, die dessen fortwährende Artikulation hervorruft. Ein „begreifliches Sträuben", alle Libido aus dem geliebten und nun verlorenen Objekt abzuziehen, verbindet sich mit einer „außerordentlichen Herabsetzung des Ichgefühls, einer großartigen Ichverarmung" und mündet in eine mitunter „aufdringliche Mitteilsamkeit, die an der eigenen Bloßstellung eine Befriedigung findet".14 Und daß Luises Witwer „alles Ersinnliche" tat, „um seine grenzenlose Liebe für die theure Entschlafene auf alle Weise an den Tag zu legen", beobachtete eine Augenzeugin schon in Hohenzieritz. 15 Edgar Allan Poe zufolge war „der Liebende, der seine verstorbene Geliebte beklagt", am besten geeignet, den Tod der schönen Frau, „das poetischste aller Themen", auszusprechen, gab seine melancholische Stimmung doch der Schönheit den erhabensten Ausdruck.16 Ausdruck suchte auch der König nach dem Tod seiner Luise, weshalb er sich einem Bildhauer anvertraute, der seine tieferen Bedürfnisse verstand und diese noch zu steigern wußte. Eines Mittags war Rauch länger als gewöhnlich zu Tisch geblieben; als er zurück in seine Werkstatt ging, sah er durch die Zimmerflucht, wie der Witwer sich entfernte. Kurz darauf begegnete er der ältesten Tochter des Hauses und lief an einigen Angehörigen des Hofes vorbei, von denen mancher weinte. Die in der Werkstatt verbliebenen Besucher erzählten ihm, der König sei „beim Erblicken des Kopfes über die Lebendigkeit und Ähnlichkeit so frappirt geworden, daß ihn im Nu die Thränen zwangen davon zu gehn".17 König Friedrich Wilhelm sei das Weinen schwer gefallen, berichtete Eylert, „sein ganzes Leben war erstarrt".18 Die Erschaffung des Grabmals war für Friedrich Wilhelm ein Ventil seiner Gefühle, für die Eingeweihten eine rührende Geschichte und fiir die Deuter des Kunstwerks ein Beweis seiner Authentizität. „Der König ist in einen Strohm von Thränen ausgebrochen, wie er den angelegten Kopf der verstor-

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benen geliebten Frau erblickt hat", erzählte Caroline von Humboldt die Sache weiter, „so sprechend ähnlich hat er ihn gefunden."19 Alleine kam der König am nächsten Morgen in die Werkstatt und überschüttete Rauch mit Lob über das gelungene Antlitz, rang ihm aber zugleich das Versprechen ab, daß er „keinen Finger mehr daran" legte.20 Zwar willigte der Bildhauer ein, dennoch verlangte der Witwer die Anfertigung einer maßgetreuen Zeichnung des Kopfes, was weitere Arbeitsschritte verzögerte und die Geduld des Künstlers zunehmend strapazierte. „Hat man eine Idee von solcher Liebe die sich jeden Tag zu erneuern scheint", fragte sich Rauch, unwissend, daß es seine Hände waren, durch die der König seine Liebe ebenso erneuerte wie seine Melancholie. Einige Gipsabgüsse wurden nach der Vollendung des Modells vom Haupt der Statue angefertigt. Exemplare gingen an die königliche Familie, an Angehörige des Hofes sowie an das Ehepaar Humboldt. Das Werk wurde auch von der Königlichen Porzellanmanufaktur in Biskuitporzellan hergestellt; Repliken aus Marmor schuf Rauch über die nächsten Jahrzehnte. Eine maßgebliche Beteiligung des Königs bei der Modellierung der Gesichtszüge liegt auf der Hand, wobei auch die Totenmaske (Abb. 16) als Vorbild gedient hatte. Erfolgsgrundlage des Bildhauers für Jahrzehnte, zeigte sich sein Talent zur Idealisierung erstmals im Luisenantlitz. Spuren des Alters und des Leidens tilgend, glättete Rauch die Gesichtszüge, deren Fülle dennoch nicht verheimlicht wurde (Abb. 17). Ein fast seliges Lächeln schien über das Gesicht zu gehen, und so hatte Rauch als Bildhauer ganze Arbeit geleistet und den König als Melancholiker in die Stimmung versetzt, die er ersehnte. Die Melancholie der Statue, der Schönheit erwachsend, war Brücke zu ihrer Ähnlichkeit. Die Anmut des Antlitzes und das Gefühl, das aus ihm sprach, wirkten in

Abb. 16 Totenmaske der Königin Luise

Abb. 17 Christian Daniel Rauch: Sarkophagstatue der Königin Luise, Detail, 1811-1814

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geradezu vollkommener Weise auf den Witwer; auf die Frage nach der Ähnlichkeit des Bildnisses aber gaben die Zeitgenossen eine zweideutige Antwort: Ergreifend und bis „zur Täuschung ähnlich"21 fand Johann Daniel Friedrich Rumpf das Porträt der Königin, und Caroline von Humboldt, die Luise nie kennengelernt hatte, bemerkt gegenüber Goethe, der Bildhauer habe „ein herrliches Kunstwerk" gemacht. „Die Ähnlichkeit dieser edlen Frau hat er auf das Schönste aufgefaßt und mit allen Anforderungen der Kunst vereinigt."22 Sophie von Schwerin, einst in der Nähe der Königin, kam der Eigenart des Denkmals wohl am nächsten, als sie schrieb, sie erinnere sich bei seinem Anblick gerne an Luise. „Es ist auch nicht minder schön als sie, aber in einem strengeren Stile gehalten, läßt es doch für die Ähnlichkeit noch zu wünschen übrig."23 Ein Grabbild, das so schön war wie sein Modell, ohne diesem doch zu gleichen, schwankte zwischen Ähnlichkeit und Verschiedenheit. Erfordert Ähnlichkeit auch immer einen Bezug, so war dieser beim Denkmal in Charlottenburg eher ein Gefühl als eine Physiognomie. Empfindungen, die mit der Dargestellten und ihrem Verlust verknüpft waren, wurden wiedererweckt und intensiviert; eine Ansprache und eine Nähe stellten sich ein, die schwerer wogen als formale Ähnlichkeit. Der Inhalt siegte über die Gestalt. Königin Luise hatte unter den Augen ihres Witwers neue Form bekommen, voll Liebreiz und Lebendigkeit. „König war disen Abend noch unten bei mir sein Butterbrod verzehrend", berichtete Rauch, „immer auszeichnend freundlich und gütig gegen mich, und wundert sich daß ich noch immer daran arbeite hat aber wie er mir merken ließ seine große Freude an disem immer daß beßere suchenden Zeitvertreib."24 Erst als der König die Tote wiederentstehen sah, erwachte er aus seiner Lethargie. „Und noch mehr wünschte ich, daß Sie den König ganz so kennten wie er ist", schrieb Rauch an Caroline von Humboldt, „es ist immer etwas ganz außerordentliches diese beharrliche Liebe und sein Schmerz über den Verlust der Unersetzlichen. Mir scheint's erstjetzt lebt er, und regsames Intereße ist an die Stelle, ehemaliger behaglicher Gleichgültigkeit getreten."25 Zeitgenossen sahen nun, wie Luises Tod den König aus den Fesseln seines Glücks befreite, in das er sich vor seinem Amt verkrochen und das ihn, anstatt ihn zu beflügeln, gehemmt und entkräftet hatte.26 „Auch spricht der König sehr frei und dreist in's Gesicht, wie er es sonst nie that", bemerkte Rauch. „Ueberhaupt glaub' ich ihn an Geist und Körper stärker und sehr veredelt."27 Wie Friedrich Wilhelm seinem Bildhauer erklärte, habe sich sein Interesse zunächst nur auf den Kopf der Statue beschränkt, nun aber kümmere ihn „jede Falte". Die Euphorie um das Kunstwerk aber mehrte die Melancholie, verwies die Statue doch permanent auch auf die Leiche in der Gruft. Alle Begeisterung im Angesicht der Anmut verband sich darum unaufhörlich mit dem Schmerz um einer solchen Anmut Verlust. Entzücken und Entsetzen kreisten um das Bild, das aus Melancholie entstanden war und Menschen fortan melancholisch machte. Kaum Erträgliches

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konnte erträglich werden, Bewältigung aber versagte das melancholische Werk. Zeichen der Trauer und ihrer Unmöglichkeit zugleich, nährte die Statue, was sie stillte; sie tröstete und verzehrte. Ein Vierteljahrhundert sei seit dem Tod der Königin vergangen, schrieb Luise Radziwill, „und immer noch wird das Andenken dieses Engels an Güte ebenso tief beklagt!"28 Ein aufsehenerregendes Kunstwerk trug den Schmerz des Königs in alle Welt, das Monument war Mitteilung seiner Melancholie. Ein prosaisches Mannsbild wandelte sich indessen zur tragischen, poetischen Figur, wie sie romantischen Zeiten gefallen sollte: „In seiner stillen, schlichten Erscheinung und Gebärde", schrieb der Dichter Ernst Moritz Arndt, „lag der Ausdruck einer eigenen Traurigkeit; er war der trauernde Ritter, der seine verlorne Geliebte nimmer vergessen konnte."29 König Friedrich Wilhelm III. machte Geschichte durch Mangel und Verlust. Die Nachwelt nahm ihn als den traurigen Gefährten der schönsten aller Königinnen, und mit der Grabstatue hatte er sich selbst in diese Rolle versetzt. „Etwas von unserem König bleibt doch sehr schön", schrieb Clemens Brentano 1815 nach Betrachtung des Luisengrabmals, „es ist das ewig wechsellose treue Andenken an seine verstorbene Gattin."30 Und in der Tat sah man Luises Witwer noch mehr als zwanzig Jahre nach ihrem Tod das Mausoleum verlassen, in sich gekehrt und mit unvermindertem Ernst.31 Kunst wird ob jener Vergänglichkeit geschaffen, die sie zu tilgen trachtet. Ewig jung und ewig schön lag Luise über ihrer Gruft, und keine Wirklichkeit trübte ihre Züge. „Nichts an diesem Grabmal, was an die Vergänglichkeit und den Tod gemahnen möchte. Daß die Erinnerung des Lebens an dieser Stätte weilt, diesen Zauber haben Zeitgenossen wie Nachlebende in ernsten Stunden tröstend empfunden."32 Die steinerne Gestalt, nicht von Verfall bedroht, konnte die Welt der Hinterbliebenen stabilisieren, auf konstruktive wie destruktive Weise. Königin Luise schlief. Kein endgültiger Tod bot sich den Zurückgelassenen dar, sondern die Unausweichlichkeit des Abschieds und dessen Verlängerung in die Ewigkeit. „Dies schöne Kunstwerk Rauchs sollte nur eine Privataufgabe sein", schrieb Clemens Brentano, „es sollte das Bild einer schlummernden Gattin und Mutter, eine Erinnerung an das schöne Leben, nicht eine Betrachtung des Todes, es sollte nur elegisch nicht tragisch sein, und es macht diesen Eindruck auf edelste Weise."33 Die Lebende starb und wurde unsichtbar, blieb aber doch in einem Bild präsent, das nach und nach mit seinem Modell identisch wurde. Und als Monument der Melancholie besaß die Statue eine enorme Wirkung, gerade wegen ihrer doppeldeutigen Stellung gegenüber dem Verlust. Zustimmung und Zurückweisung sprachen aus dem Werk, das zum dauerhaft ambivalenten Denkmal eines Mangels wurde, den es zeigte wie versteckte. Das großartige Substitut berauschte den Betrachter und verwies ihn zugleich auf den extremen Verlust eines Urbildes von ebensolcher Großartigkeit. Entstehungsgeschichte und Gestalt des Grabmals zeigen, daß Friedrich Wilhelm nach Ersatz für die Geliebte suchte. Die atemberaubende Freizügigkeit des Abbildes war nicht zuletzt einem erotischen Fetischismus erwachsen, der in engem Zusammen-

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hang mit der Melancholie des Königs stand, der Locken, Taschentücher und Kleidungsstücke der Königin mit sich herumtrug, mit diesen schlief oder sie küßte, wenn er sich unbeobachtet fühlte. Eine fetischistische Funktion hatte Friedrich Wilhelm der Luisenstatue schon gegeben, als er sowohl das Durchschimmern der Körperformen durch das Gewand verlangte als auch gegen alle künstlerischen Konventionen eine Ausführung in Lebensgröße. Und nachdem er schließlich drei Mal täglich in die Werkstatt gekommen war, um die Neuentstehung seiner Gattin zu begleiten, deren Bild er als sein Werk betrachtete, präsentierte er eines Nachts das vollendete Modell den Seinigen im Schein von Fackeln, der auf der Statue tanzte und dieselbe gleichsam lebendig machte. 34 Der Melancholiker war in seinem Element - und fand doch keine Ruhe. „Eines Nachmittags", wie sich der Maler Wilhelm Ternite an jene Zeit erinnerte, „sagte er zu mir in seiner milden, fast verschämten Weise: ,Ich möchte Ihnen wohl was anmuthen, wenn Sie es nicht unter Ihrer Würde halten; müssen aber nicht davon sprechen - die Herren von der Academie und Kunstkenner würden mich sonst in den Bann thun. Da die Büste von Rauch die Augen geschlossen hat und Ruhe und Schlaf ausdrückt, so sollen Sie es mal versuchen, die Büste mit der Farbe des Lebens zu beseelen, wir können wenigstens probiren, ob es geht. Weiß wohl, dies ist wider die Regel; aber die Natur ist überall die erste Lehrerin'." 35 Ein Bildhauer formte das Diadem der Königin in deren einstige Haartracht um, und Ternite gab dem ganzen „Lebensfarbe". Die vom Statuenmodell abgegossene Büste aber sog die Farbe auf; um dieses zu verhindern, tränkte man das Werk mit Ol, das aus der königlichen Küche kam und vom König eigenhändig aufgetupft wurde. „Wenn die Versuche des Königs, die treffliche Büste Rauch's mit Farben bemalen zu lassen und dadurch das schöne Kunstwerk zu verderben, kein günstiges Zeugnis für sein Kunstverständnis ablegen", schrieb man später mit verzeihendem Mitgefühl, „um so lauter sprechen sie für seinen natürlichen Wunsch, eine möglichst ähnliche Büste der Geliebten zu besitzen. Dieser Wunsch sollte ihm durch Rauch's Meisterhand erfüllt werden." 36 Entrückung erzeugte Ähnlichkeit. Das unselige Machwerk aus Gips, Ol und Farbe dagegen befremdete den König nach der Fertigstellung und wanderte darum auf den Dachboden des Potsdamer Stadtschlosses, wo es für lange Zeit vergessen wurde. Die Sarkophagstatue galt dem 19. Jahrhundert als wahres Ebenbild der Königin Luise. „Wie sie leibte und lebte, so liegt sie da, nur durchgeistet und das Irdische vom Schimmer der Verklärung umduftet." 37 Das Bild stand über der Leiche und trat an deren Stelle. Ein Werk, das so betrachtet wurde, ähnelte einer Effigie. Effigies, Puppen aus Holz, Wachs oder Weidengeflecht, waren seit der Antike, besonders jedoch im Mittelalter nach dem Tod eines Herrschers angefertigt worden, um die Leiche bei den oft tagelangen Beisetzungsfeierlichkeiten zu vertreten, wo der Scheinleib mit den Gewändern des Königs bekleidet und mitunter wie der lebende Monarch behandelt wurde. Effigies lagen oft auf Särgen, im Frankreich des späten

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16. Jahrhunderts sogar auf Paradebetten, um die der Hofdienst weiterging, als ob der Monarch noch lebte.38 Ein solches Königsbild war in manchen Fällen wichtiger als die Leiche selbst, da seine Zurschaustellung politisches Gewicht besaß, zeigte sie doch, daß die königliche Würde niemals starb und die königliche Jurisdiktion bis zum Tag der Bestattung fortdauerte.39 Zerfiel die Leiche auch im Sarg, so proklamierte die Effigie darüber die Kontinuität der Monarchie. Und wenn noch in der Neuzeit stimmt, was Ernst H. Kantorowicz für die politische Theologie des Mittelalters ausgeführt hat, daß ein König zwei Körper besitzt, einen natürlichen und sterblichen, der an seine Person geknüpft ist, sowie einen übernatürlichen und unsterblichen, der mit dem Staat verbunden ist, dann lag der eine Leib der Königin Luise in der Gruft des Mausoleums und der andere darüber in der Halle.40 Der Triumph des Todes verbarg sich im Dunkel, der Triumph über den Tod prangte im Licht. Die Effigies des Mittelalters hatten wohl keine Ähnlichkeit mit den Herrschern und mußten diese auch nicht haben, spätere Effigies indessen zeigten eine ansprechende Lebensnähe, wobei man für die Darstellung der Antlitze auch die Totenmasken verwendet hatte. Einen überaus lebendigen Ausdruck hatte Christian Daniel Rauch seiner Luisenstatue verliehen, bestimmt von einem ausgeprägten Zeitmoment. Die Bewegungen der Schlummernden durchkreuzten die Endgültigkeit des Geschehens, an das die Statue erinnerte, und unterstützten die Vermengung von Urbild und Substitut. Kunst machte ihre Künstlichkeit vergessen, wo der Sarg an ein antikes Bett erinnerte und Entrückung durch Schlichtheit und überreichen Realismus im Detail gemildert wurde. König und Künstler hatten mit der Überblendung von Königin und Kunstwerk begonnen, und die vaterländische Literatur trieb die Ersetzung der Verstorbenen durch ihr Monument voran, an deren Ende der Glaube stand, die Statue sei beseelt vom Dasein der Luise. Zeit ihres Lebens schon „den Engeln nahe", war die Königin, wie der Mythos erzählte, durch ihr vergeistigtes Wesen und ihre einzigartige Schönheit der übermenschlichen Vollkommenheit verwandter als der fehlbaren Menschlichkeit. Und darum, so scheint es, waren Tod und Verwandlung in ein vollendetes Kunstwerk weniger Bruch als Folge. Zahlreiche Verehrer der toten Monarchin verbalisierten deren Metamorphose in Kunst. Das Wort vom „Bild" wurde für „Luise" der meistgebrauchte Ersatz. „Kleinod" und „Zierde" waren Synonyme für ihre Gestalt; und wo eine Königin zu einem Kunstwerk wurde, da konnte ein Kunstwerk zu einer Königin werden: vollkommen und unangreifbar, dauerhaft und von kultischem Wert. Karoline von Berg hatte die Kunstwerdung ihrer Freundin schon auf deren Lebenszeit zurückdatiert, denn wie ein „großes Kunstwerk" sei Luise einst „bewundert und geliebt" worden und „kein Urteil" hätten Menschen über „ein solches Symbol des Himmlischen" gewagt. Ein Abguß des Sarkophagmodells stand bereits im Mausoleum, als die Berg die historische Luise mit dem Kultbild eines „Tempels" verglich, das man „in der Entfernung und in stiller Anbetung verehrt".41

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Königin Luise wurde ihrem Bildnis immer ähnlicher, da der Blick auf ihre Statue die Stifte ihrer Verehrer lenkte - beim Sinnieren über ihre „statuenschöne" Gestalt.42 Einige Autoren formulierten dabei auch die Transformation der Königin in deren Grabstatue: Die Selbstverwandlung in ein Kunstwerk passierte demnach auf dem Sterbebett, wo sich Luise mit „marmorbleichen Wangen" und „alabasterweißen Händen" dem Tod wie dem eigenen Denkmal näherte. 43 Die Grenze zwischen Urbild und Abbild schwand; immer dichter wurden Identität und Kontinuität, die für die Wirkung der Statue ebenso wichtig waren wie für den Mythos der historischen Luise. Eine Augenzeugin hatte einst berichtet, daß die Tote „schön und ruhig wie eine verklärte Heilige in Marmor" ausgesehen habe44; noch einhundert Jahre später glaubte dies Marie von Felseneck: „Wie in Marmor gebildet, so lag die tote Königin auf ihrem Lager, die tiefe Falte, die der Schmerz um ihren lieblichen Mund eingegraben, sie war verschwunden. Ein stiller Friede lagerte auf den, im Tod noch wunderbar schönen Zügen der königlichen Frau. Ein Friede, der nicht von dieser Welt ist - ein Friede, der ewig währet." 45 Das Sterbezimmer in Hohenzieritz machte die Verwandlung der Toten in belebte Kunst besonders augenfällig, da dort seit 1891 der Abguß einer zweiten, lebensgroßen Fassung der Sarkophagstatue stand, die Rauch 1827 vollendet hatte. Eindringlich wurde diese Transformation auch im 1877 eröffneten Hohenzollern-Museum präsentiert, wo man seit 1906 das Marmororiginal der kleineren Luisenstatue in einem kultraumartigen Kabinett vorzeigte. Ein Wachsabguß der Totenmaske und ein idealisiertes Exemplar aus Gips, das mit einer Draperie versehen war, stimmten den Betrachter in einem Vorraum auf die Statue ein, deren Antlitz der Totenmaske ähnelte und doch jede Erinnerung an den Tod durch den Eindruck von Lebendigkeit verdrängte. Und 1957 schließlich vollführte Wolfgang Liebeneiner die Verwandlung der Sterbenden in ihr eigenes Grabdenkmal mit Mitteln des Films, denn nachdem sie ihre letzten Worte ausgesprochen hatte, erstarrte Ruth Leuwerik im Schlußbild ihrer Königin Luise zu einer Anspielung auf die Sarkophagskulptur (Abb. 18), während die schluchzende Familie im Schwarz der Blende versank. Kunsthistoriker haben durch ihre Wortwahl das Denkmal gleichfalls personalisiert. Ein „eigenes Mausoleum" sei für die Statue errichtet worden, schrieb Friedrich Haack und ersetzte so den Leichnam durch das Kunstwerk.46 Und erst mit dem Grabbild sei das Mausoleum „für das preußische Volk ein Ziel frommer Wallfahrt" geworden, wie Lionel von Donop meinte.47 Erzählungen vom „Wiedersehen" des Königs mit der Statue 1815 waren schließlich auch vom fetischistischen Zweck des Werkes durchdrungen, hatte sich doch der Witwer, wie man glaubte, sogleich vor das „geliebte Bild"48 gekniet, das er „abgöttisch verehrte".49 Eine immer komplexer werdende Beziehung verband Luise mit dem Monument. Eylert zufolge repräsentierte die Statue das „Vollendete", und keinen Zweifel hat er je daran gelassen, daß sie darin mit ihrem Modell übereinstimmte. 50 Ein Zeitgenosse berichtete später, das tatsächlich überlebensgroße Werk sei nur von Lebensgröße.51 Kunstwerk und Mythos traten in einen Bund, denn die Statue wurde als lebensfahi-

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ger Ersatz etabliert und als solcher dem Mythos vom Leben über den Tod hinaus zum sichtbaren Indiz. Der Unterschied zwischen Natur und Kunst verschwand; der Gegensatz von Leben und Tod löste sich auf und sprengte die Grenze zwischen Geschichte und Gegenwart. Und durch all das bewies die Statue ihre AuthenAbb. 18 Königin Luise auf dem Sterbebett, Schlußbild des Filmes

tizität e b e n s o aus sich

selbst heraus wie den Mythos von Luises zauberischer Existenz. Die Eingeborenen Westafrikas hegten den Glauben an göttliche, unheilabwehrende Kräfte in einzelnen Gegenständen, kleinen Figuren oder Körperteilen, die der französische Historiker Charles de Brosses im 18. Jahrhundert als Urform aller religiösen Kulte betrachtete und die er „Fetische" nannte.52 Der Ersatz eines Menschen durch ein „unbelebtes Objekt, welches in nachweisbarer Relation mit der Sexualperson, am besten mit der Sexualität derselben steht", schrieb Freud, „wird nicht zu unrecht mit dem Fetisch verglichen, in dem der Wilde seinen Gott verkörpert sieht".53 Königin Luises Sarkophagskulptur, anmutig bewegt und freizügig zugleich, galt dem 19. Jahrhundert als magisches Objekt. Wie die Geschichte zeigen sollte, hatte die Statue heilige Kräfte und bewahrte nicht nur die Gestalt der Königin, sondern gleichsam auch ihren Geist. „Und so lange dieser Geist herrscht, so lange jener erzieherische Einfluß der Königin in uns allen wirksam ist, kann unser Volk seiner Zukunft muthig entgegensehen. Daß dieser Geist aber nie verlöschen wird, dafür bürgt uns die Tradition unseres Kaiserhauses: das Andenken an das Vorbild der Königin Luise bleibt der wahre Talisman der Hohenzollern."54 Königin Luise. I.iebe und Leid eitler Königin, 1957

8 Klassische Ästhetik und klassizistische Kunst „Erzeugten schöne Menschen schöne Bildsäulen, so wirkten diese hinwiederum auf jene zurück, und der Staat hatte schönen Bildsäulen schöne Menschen mit zu verdanken. Gotthold Ephraim Lessing 1763

Zwei Jahre vor ihrem Tod schrieb Königin Luise an ihren Schwager Wilhelm, der in Paris „unter den göttlichen Antiken schwebte" und „vor den verdorbenen Modernen entfleuchte", was er „absolut lesen" müsse: „Ich schreibe es Dir ab aus einer Vorlesung des Professors Süvern, die er diesen Winter hier hielt: ,Aber desto lebendiger fühlte der Grieche die göttliche, in ihrer Harmonie heitere und sich selbst vertrauende Kraft, deren er voll war. Und auf sich selbst und sie zu reflektieren noch nicht fähig, trug er durch eine natürliche Täuschung das ihm selbst Eigenste in etwas Fremdes über, er objektivierte es, d. h. er machte es zu einer Wirkung von anderen Wesen, welche in ihn überströmten. So schuf er sich Götter, in denen er seine großen Ideen versinnlicht anschaute, und was nur Großes er selbst ersann und tat, das schrieb er wieder alles ihrer Gunst und Begeisterung zu. Sein ganzes Leben wurde also, wie es in der Tat voll des göttlichen Geistes war, erfüllt mit Göttern und ihren Wirkungen, es wurde ganz eingekleidet in einen Mythus und aufgelöst in eine Poesie.' Ich glaube, lieber Wilhelm, dieses wird Dir gefallen, und ich bitte Dich, in meinem Namen Dich vor den Apollo zu stellen und ihm diese Standrede zu Ehren der Nation, aus welcher er hervortrat, zu halten!"2 Einstmals war Luises Mutter, wie diese selbst berichtet hatte, unter den Statuen ihres Gartens schwanger gegangen, damit ihr erstes Kind „ihnen ähnlich werde".3 Die Kunst hatte Wirkung getan und mit der Prinzessin Charlotte die älteste der „vier schönen und edlen Schwestern auf dem Throne" geboren, denen Jean Paul später seinen Titan widmen sollte: Aphrodite, Aglaja, Euphrosyne und Thalia stiegen vom Olymp herab, wurden „Menschen und Schwestern und nannten sich Luise, Charlotte, Therese und Friederike". Ein junger Künstler, der die vier Grazien im Park von Hildburghausen sah, blickte gen Hellas angesichts der Königin, „deren reine Formen, vor allem der so schön gebildete und doch wieder so individuell reizende Kopf so harmonisch mit dem schlanken Hals vereinigt, überall an die Antike mahnten".4 Und Luise, wie Karoline von Berg bezeugte, war auch innerlich der Klassik nahe, denn sie nährte ihren Geist an Herders „attischem Geist" wie auch an der „antiken Frische" Goethes, die „den Geist der Königin sehr ansprechen mußte, weil sie selbst diese antike Frische" zeigte. Eindruck auf Luise machten auch „die Ubersetzungen aus dem Altertum und be-

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sonders die alten griechischen Tragiker, [...] und es war natürlich, daß die großen, kräftigen und energischen Ansichten des klassischen Altertums ihr großes Gemüt ansprechen mußten".5 Erfüllt vom Geist der alten Griechen und ihrer Bewunderer, hatte die Monarchin ihr Volk wiederum „zu allem Guten und Schönen" entflammt, und die ewig gültige Kunst der Griechen nahm dieser Wirkung die menschliche Endlichkeit.6 Ein klassizistischer Bildhauer hatte Luise in die Form zurückverbracht, aus der sie einst entstiegen war, und so überdauerte die läuternde Kraft der „statuenschönen" Königin in deren Monument die Zeit. „Wie groß ihre Schönheit war, wissen alle ihre Zeitgenossen", schrieb Karoline von Berg in jenen Jahren, da Rauch die Sarkophagstatue meißelte, „und der Eindruck davon ist so mächtig gewesen, daß durch Sage und durch bildliche Darstellung dieser Eindruck noch auf die kommenden Geschlechter sich vererben wird."7 Auf der Schwelle zum Zeitalter der Nationen sich entwickelnd, erzählte der Luisenmythos von der bürgerlich häuslichen, opferbereit patriotischen und madonnengleich heiligen Mutter der Nation, die nur das Vaterland als höchsten aller Werte kannte. Entstanden war dieses Bild in der Sinnkrise der Jahre nach Jena wie im nationalen Rausch der Freiheitskriege; zu Lebzeiten der Königin jedoch war deren Mythisierung nicht nur von der neuen Frömmigkeit und der erstarkenden bürgerlichen Moral bestimmt, sondern auch von den philosophischen und ästhetischen Vorstellungen Schillers, Goethes, Winckelmanns und ihrer Zeitgenossen, die dem Kosmopolitismus der Aufklärung näher standen als dem Nationalismus der Moderne. Klassizismus, klassische Ästhetik und Antikenbegeisterung des späten 18. Jahrhunderts flössen ein in die frühe patriotische und christliche Verherrlichung der Königin und prägten deren Idealisierung in Literatur und Kunst. Aufklärung und Nationalismus, Weitläufigkeit und Vaterlandsliebe durchdrangen einander und spiegelten darin die an Brüchen und Umbrüchen reiche Zeit nach dem Frieden von Tilsit. Die Entstehung des Mythos aus den verschiedenen geistigen Strömungen der Jahre vor und nach dem Tod der Königin festigte seine Existenz, vernebelte seinen Ursprung und bot unterschiedlichen Gruppen Anknüpfungspunke. Entsprechung fanden all diese Begebenheiten in einem Bildwerk, das nicht nur auf die christlich patriotische Mystifizierung der Königin Luise rekurrierte, sondern mehr noch auf das Menschenbild der klassischen Antike. Zeitgenössische Vorstellungen über Eigenschaften und Wirkungen antiker Skulpturen beeinflußten darum auch die Rezeption der Sarkophagstatue und wirkten über diese wiederum auf das ideale Bild von der historischen Luise zurück. Klassisch antike Bildsprache, gleichsam selbst schon Träger erhabener Gedanken, war prädestiniert, Ideal, Würde und Heroik des Menschen zu verkörpern und sie herauszutragen in eine neue Gegenwart. Wie etliche Dichter und Denker um die Wende zum 19. Jahrhundert glaubten, besaß die Plastik der Antike einen sittlichen Wert, der die Wirklichkeit veredelte. Kräftigen und läutern konnte griechische Skulptur die Menschen, weil ihre Schönheit als Abglanz von Reife und Vernunft den Betrachter in seinem eigenen Menschsein ansprach und an sein moralisches Gewissen appellierte.

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Goethe zufolge war die „entschiedenste Wirkung aller Kunstwerke, daß sie uns in den Zustand der Zeit und der Individuen versetzen, die sie hervorbrachten. Umgeben von antiken Statuen, empfindet man sich in einem bewegten Naturleben, man wird die Mannigfaltigkeit der Menschengestaltung gewahr und durchaus auf den Menschen in seinem reinsten Zustande zurückgeführt, wodurch denn der Beschauer selbst lebendig und rein menschlich wird. [...] Alles unser Denken und Sinnen ist von solchen Gestalten begleitet, und es wird dadurch unmöglich, in Barbarei zurückzufallen."8 Die griechische Antike erschien als einzigartig in ihrem bruchlosen Verhältnis von Kunst und Wirklichkeit. Klassisch antike Formen und ideales Menschentum galten als etwas natürlich Zusammenhängendes, dessen sinnlicher Nachvollzug einen Weg zur Selbsterfahrung öffnete. Klassizistische Kunst nun suchte nach einem Betrachter von hoher Beobachtungsgabe, historischem Wissen und großem Einfühlungsvermögen; und vermochte sie die Klassik auch lediglich formal zu reproduzieren, so knüpfte sich doch der Anspruch daran, dem an die Form gebundenen Wert so weit wie möglich nahezukommen: dem zeitlos gültigen Humanitätsideal der griechischen Antike. „Eine edle Einfalt und eine stille Größe, sowohl in der Stellung als im Ausdruck" bescheinigte Johann Joachim Winckelmann den Skulpturen der Antike in seinen berühmten Gedanken über die Nachahmung der griechischen Werke in der Malerei und Bildhauerkunst „Je ruhiger der Stand des Körpers ist, desto geschickter ist er, den wahren Charakter der Seele zu schildern. Kenntlicher und bezeichnender wird die Seele in heftigen Leidenschaften, groß aber und edel ist sie im Stande der Einheit, in dem Stande der Ruhe." Erinnerungen an jenes „Künstlerevangelium"9 weckte im 19. Jahrhundert auch die Statue in Charlottenburg, die, bewegt und ruhig zugleich, die wahre, große Seele der Königin von Preußen zeigte und bewahrte.10 Königin Luise trat in Gestalt und Geist ihrem Betrachter nahe, und diesen, wie es hieß, läuterte ihr Anblick. Das unsterbliche Wirken jener Frau, das im Zentrum der historischen Mythologie der Deutschen im 19. Jahrhundert stand, wurde so sichtbar wie sinnfällig durch eine klassizistische Sarkophagstatue. Wie den antiken Kunstwerken war auch Luises klassizistischem Abbild das Vermögen zugesprochen worden, das menschliche Wesen zu repräsentieren, da sich der äußere Eindruck untrennbar mit den inneren Werten verknüpfte. Eine vollendete Harmonie von Körper und Geist hatte der Mythos der Königin beschieden, und der Luisensarkophag, an klassischer Formensprache orientiert und zugleich getreuer Naturerfassung verschrieben, bekräftigte den Glauben an Vollkommenheit. „Seltene Harmonie" und „wirkliche Größe" erhielten mit jener klassizistischen Skulptur die rechte Gestalt. Anmut und Würde, Schönheit und Grazie, Liebreiz und Majestät - um diese Begriffe drehten sich alle Schriften über Luises historische wie marmorne Gestalt. Zitiert und für die Mythisierung herangezogen wurden damit Kategorien der klassischen Ästhetik, deren Differenzierung vor allem Schiller beschäftigt hatte. Eigenschaften

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hatte der Dichter Erscheinungsweisen zugeordnet, die er begrifflich definierte und mit dem klassischen Skulpturenideal zusammenbrachte.11 „Anmut" wurde von Schiller als unbeabsichtigter Widerschein eines ausgeglichenen Gemüts beschrieben, als Ausdruck der Seele, der moralischen Empfindung und der inneren Selbständigkeit. Eine anmutige Erscheinung vorzustellen hieß, einig mit sich selbst zu sein, was für Schiller das „Siegel der vollendeten Menschheit" war, der Inbegriff der „schönen Seele". Erhabene Gesinnung in ihrem Ausdruck nannte der Dichter „Würde", die in der „Beherrschung der Triebe durch die moralische Kraft" gründete und von der Freiheit des Geistes zeugte. „Grazie ist immer nur die Schönheit der durch Freiheit bewegten Gestalt", schrieb Schiller, der Königin Luise als „sehr graziös" empfunden hatte.12 Das „Edle" entstand, wenn sich die Würde der Schönheit und Anmut näherte. Und Würde bekundete sich als „Ruhe im Leiden", da sie den Sieg der Willenskraft, der vernunftgemäßen Selbstbestimmung zeigte und so die in der Anmut bezeugte sittliche Reife bestätigte. „Würde wird daher mehr im Leiden, Anmut mehr im Betragen gefordert und gezeigt." Der höchste Grad der Anmut war laut Schiller das „Bezaubernde" und der höchste Grad der Würde die „Majestät", über die „nur das Heilige" verfugte. Anmut und Würde, wenn sie sich vereinigten, pries der Dichter als den idealen, vollendeten „Ausdruck der Menschheit". Und „nach diesem Ideal menschlicher Schönheit", schrieb Schiller, „sind die Antiken gebildet", an deren läuternden und befreienden Anblick er glaubte wie kaum ein zweiter zu seiner Zeit. Die Mythisierung der Königin von Preußen zehrte noch reichlich vom diffusen Enthusiasmus des 18. Jahrhunderts für die Antike. Eigenschaften, Erscheinungsweisen und Wirkungen eines klassischen Kunstwerks waren schon der lebenden Luise zugesprochen worden, weshalb nach deren Tod eine enge, gleichsam verwandtschaftliche Beziehung zwischen der historischen und der künstlichen Königin entstehen sollte. Das Urbild war über Schillers klassische Ästhetik und das antike Skulpturenideal mit dem Abbild verbunden, das durch seine klassizistische Gestalt wiederum dem Wesen und der Wirkung seines Modells nahekommen konnte. Und indem man der Skulptur menschliche Eigenschaften zubilligte, ihr Charakter und Geist zumaß, neigte man dazu, sie als reale Person zu nehmen, was sich später in der Rede von des Mausoleums „stiller Bewohnerin" ausdrückte.13 Klassizismen schlössen die vom Tod gerissene Lücke. Klassische Ästhetik und klassizistische Kunst, die historische Figur der Königin und ihre Marmorstatue verschmolzen zu einem unentwirrbaren Ganzen, dem Mythos, der von der Schönheit der Königin und der Anmut ihrer Bewegungen erzählte, der ihre Würde, Leidenskraft und Opferbereitschaft in Zeiten der Not beschwor und Luise zu einem einmaligen, vergangenen, aber fortlebenden Vorbild machte von heilsamer, den Bestand der Gemeinschaft bewahrender Kraft. Christian Daniel Rauch hatte der Verstorbenen das Diadem der Juno Ludavisi aufgesetzt und damit eine antike Skulptur zitiert, die wie kaum eine andere von Zeitgenossen bewundert wurde. Das „erhabenste weibliche Gebilde" nannte die Schrift-

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stellerin Friederike Brun die kolossale Büste, der Goethe gar den „ersten Platz" unter allen antiken Kunstwerken einräumen wollte.14 Und Assoziationen, die mit „diesem hohen Lichtstrahl der Kunst" verbunden waren, weckte auch das Rauchsche Werk als „junonisch" beschrieb ein Biograph der Königin später deren historische Gestalt.15 „Schönheit, Größe, Macht und Herrlichkeit" sah Friederike Brun im Antlitz jener Juno ruhen, die nicht nur „Weib" und „Mutter" war, sondern auch noch „Jungfrau", Sinnbild einer unberührten „Reinheit". Eine ebensolch widersprüchliche Riege weiblicher Archetypen widerspruchslos vorzustellen, bescheinigte das 19. Jahrhundert auch der Königin Luise. „Keine Spur der Vergangenheit ist in diesen ewig ruhigen Zügen eingedrückt; es spannt sie keine Ahnung der Zukunft", schrieb Friederike Brun über das antike Junohaupt; auch Luise, vom Mythos ummantelt und in klassizistische Gestalt verbracht, wurde zu einer Figur jenseits der Zeitlichkeit. „Es ist weder Anmut noch ist es Würde, was aus dem herrlichen Antlitz eine Juno Ludovisi zu uns spricht", fand Schiller, „es ist keines von beiden, weil es beides zugleich ist. Indem der weibliche Gott unsre Anbetung heischt, entzündet das gottgleiche Weib unsre Liebe; aber indem wir uns der himmlischen Holdseligkeit aufgelöst hingeben, schreckt die himmlische Selbstgenügsamkeit uns zurück. In sich selbst ruhet und wohnt die ganze Gestalt, eine völlig geschlossene Schöpfung, und, als wenn sie jenseits des Raumes wäre, ohne Nachgeben, ohne Widerstand; da ist keine Kraft, die mit Kräften kämpfte, keine Blöße, wo die Zeitlichkeit einbrechen könnte. Durch jenes unwiderstehlich ergriffen und angezogen, durch dieses in der Ferne gehalten, befinden wir uns zugleich in dem Zustand der höchsten Ruhe und der höchsten Bewegung, und es entsteht jene wunderbare Rührung, für welche der Verstand keinen Begriff und die Sprache keinen Namen hat."16 Eine ästhetische Erziehung erfuhr der Mensch nach Schillers Ansicht gerade dann, wenn er der Verbindung von Anmut und Würde gegenübertrat, wie jene Juno sie besaß und zeigte. Zwar machte die Idealität der antiken Skulptur dem Betrachter seine eigene Schwäche bewußt, doch verschreckte sie ihn nicht, sondern zog ihn an und befreite ihn durch Klarheit, Harmonie und Ruhe. Der Betrachter wurde auf seine eigene Bestimmung verwiesen, weshalb dem Menschen durch die Kunst „die Freiheit zu sein, was er sein soll, vollkommen zurückgegeben" wurde. Eine läuternde, befreiende Kraft ist der Luisenstatue ebenso zugeschrieben worden wie das Erzeugen von Verstörung und Versöhnung, von Ehrfurcht und Liebe. Das Bildwerk schwankte zwischen Nähe und Ferne, zwischen Gegenwärtigkeit und Entrücktheit, Zeitlichkeit und Zeitlosigkeit; und wenngleich diese Ambivalenzen mannigfache Ursachen hatten, so waren ihre Kräfte doch laut Schiller schon dem Haupt der Juno Ludavisi eigen, das der Schöpfer des Luisensarkophags zitierte. Und was sein Werk den Menschen zeigen sollte, schrieb Rauch an Schinkel: „Würde und Anmut".17 „Keiner unsrer Zeitgenossen, der zum erstenmal vor sie hintritt, darf behaupten, diesem Anblick gewachsen zu sein", befand Goethe über die antike Juno, und Ähnliches behauptete man später auch von der Marmorstatue der Königin Luise.18

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Euphorisches und Sentimentales, höchste Begeisterung fiir das Gewesene und tiefste Wehmut über seinen Verlust, verschmolzen in der Antikenrezeption wie im Luisenkult. Die Kunst der Antike wurde auf der Schwelle zum 19. Jahrhundert sehnsuchtsvoll als Zeugnis einer unentfremdeten Beziehung von Mensch und Natur betrachtet, von Individuum und Gesellschaft, Leben und Kunst. Ein Jahrhundert voller Spannungen erkor nun die klassizistisch abgebildete Luise zum Inbegriff der vollendeten Natürlichkeit, der inneren Ruhe und menschlichen Größe. Entstanden war der Glaube an diese Harmonie nicht zuletzt durch jene Zeitgenossen, die in der Königin ein griechisches Ideal erblickten, ein Wiederaufleuchten der Antike. Erhalten und bestätigt wurde diese Vorstellung durch eine Statue, deren antikische Schönheit das Echte und Vollkommene, vor allem aber die Sehnsucht danach höchst sinnreich verkörpern konnte. Klassizismus beschrieb seit dem späten 18. Jahrhundert auch das Ende der klassischen Tradition und das Wissen um die Unerreichbarkeit des ein für allemal Vergangenen, zugleich aber den utopischen Anspruch auf Wiederlangung antiker Humanität durch Rezeption klassischer Kunstideale. Zwar war der historische Bruch offenbar, dennoch galt die vom überstarken Sentiment der Darstellung ausgelöste Überwältigung des Betrachters als Möglichkeit einer natürlichen Selbsterfahrung und damit als der einzige Weg, auf dem der Mensch in der Moderne Anteil an der klassischen Antike erlangen konnte. Eine solche Form der Reflexion, die Schiller „sentimentalisch" genannt hat, überantwortete der Kunst nach dem politischen Scheitern der Revolution die Verwirklichung der Freiheit. Eingedenk der Erfahrung von Distanz zwischen Ideal und Lebenswirklichkeit hatten viele Betrachter der Luisenstatue eine ebenso sentimentale wie utopische Dimension zugemessen, die bald im patriotischen wie nationalen Sinne ausgedeutet wurde. Das überwältigende Abbild der Schlafenden besang man als Sinnbild der Hoffnung auf ein wiedererstarkendes Preußen wie auf die deutsche Einigkeit. Einer Zeit der Häßlichkeiten und des Niedergangs hatte sich die klassisch schöne Königin durch Tod entzogen und war dadurch zum Symbol der Sehnsucht nach einem Zustand des Echten und Natürlichen geworden wie zum Symbol ihrer Erfüllung in einer Gestalt. Und derart befrachtet, reizte sie die romantischen Dichter und deutschnationalen Hitzköpfe am Anfang des 19. Jahrhunderts ebenso zur Vereinnahmung und Verklärung wie die nationalistischen Agitatoren und wanderbewegten Ankläger der Industrialisierung an dessen Ende. Klassizistische Porträtplastik suchte nach dem Uberindividuellen im Individuum und verlieh dem Dinglichem Entlösten, aber auch dem seiner Geschichte Entleerten treffliche Gestalt. Zwar sah die Nachwelt ein „Charakterbild" im Mausoleum stehen, doch wie jener Charakter war, welche Tugenden ihn zierten und was sein Vorbild für das Volk ausmachte, das beantworteten bald die Schreiber der vaterländischen Kunstgeschichte.19 Die Idealform wurde Hohlform, deren Inhalt gesellschaftlich vereinbart werden konnte; und als klassisch schöne Statue blieb die Königin ein klassenloses Vorbild jeder Tugend, die man zu welcher Zeit auch immer .klassisch' nannte.

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Klassische Kunst und Ästhetik beschrieben das Mustergültige, Ausgereifte und Ewige, doch wurde das, was mustergültig, ausgereift und ewig war, nicht mehr vom antiken Heldenbild oder der sinnlichen Erfahrung des Einzelnen bestimmt, sondern von der Mahnung zu Gemeinsinn, die der Kampf gegen Napoleon in alle Schichten der Bevölkerung getragen hatte. Kosmopolitische und aufklärerische Ideale wichen konkreten, nach Geschlechtern getrennten Verhaltensmustern, die der Nation als höchstem Gut zum Wohl gereichten. Konnte die „stille Größe" der schlafenden Luise dem gebildeten Betrachter noch von einem vernunftbegabten Leben in einem von Ethos geprägten Gemeinwesen erzählen, so erkannte man später, da die zuvor als Merkmal der geistigen Freiheit gepriesene Beherrschung der Affekte zur stillen Häuslichkeit der Frau im bürgerlichen Zeitalter geworden war, das angebliche Urbild dieser heldenhaften Duldsamkeit im Charlottenburger Schloßpark. Erhabenheit und Harmonie machten Rückschlüsse auf die bürgerlich moralischen Eigenschaften einer derartigen Erscheinung möglich, zumal die anthropologische Lehre im 19. Jahrhundert den in der klassischen Ästhetik vorgebildeten Konnex von körperlicher Schönheit und geistiger Lauterkeit .naturwissenschaftlich' untermauert hatte. Erachtete das aufgeklärte 18. Jahrhundert die klassische Antike als Höhepunkt der Menschheitsgeschichte, so erkannte das nationalistische 19. diesen im Leben und Sterben der Königin Luise. Und so entsprang die eine absolute Norm der anderen, obgleich deren Verwandtschaft schwand, denn einstmals inhaltlich einander nah, entsprachen sich Antike und Luise bald nur noch formal als Maß der Dinge. Eine anmutige Statue kündete fortan von der geistigen Gesundheit und sittlichen Überlegenheit der Königin sowie der Deutschen in der Welt. Aus der ästhetischen Erziehung wurde die patriotische. Ziele von Patriotismus und Nationalismus durchdrangen von Anfang an die sinnliche Erfahrbarkeit der klassizistischen Luisenbildnisse. Ein Mann wie Schiller hatte der Programmkunst, die bestimmte Inhalte ideologisch zu vermitteln suchte, noch eine entschiedene Absage erteilt; ein Mann wie Novalis indessen, der die Monarchin zu Lebzeiten bereits zum Inbegriff der bürgerlichen Häuslichkeit und moralischen Integrität stilisierte, stand dazu ganz im Gegensatz. Kultische Handlungen forderte der Dichter vor Luises Gestalt, wodurch die Menschen „das gewöhnliche Leben veredeln" sollten, wie die Antike es „mit ihren Göttern" getan hatte. Eine klassisch schöne Statue sollte dabei helfen: Schadows Prinzessinnengruppe, für die Novalis eine „Loge der sittlichen Grazie" verlangte, wo das weibliche Geschlecht einen „Königsdienst" verrichten sollte, eine Huldigung, vergleichbar einem „Gottesdienst".20 „Echten Patriotismus" wollte Novalis durch diese Rituale wecken, deren natürliche Folge, „Ähnlichkeit mit der Königin", er zum „Nationalzug" der „neupreußischen" Frauen proklamierte. Und Bildnisse, besonders skulpturale, galten ihm als gute Mittel zur Verbreitung bürgerlicher Ideale. Ende des 19. Jahrhunderts sollte diese Idee in Buchillustrationen Ausdruck finden, wo man eine skulpturengleiche Luise bei der Erfüllung ihrer häuslichen Pflichten zeigte.

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Kunst und Leben, Urbild und Abbild, identisch in Funktion und Wirkung, waren bereits von Novalis überblendet worden; die Eignung der klassizistischen Plastik als Fläche fiir Projektionen trat damit schon in den Anfangstagen des Luisenkultes offen zu Tage. Und obgleich die Kunsttheorie um 1800 längst in Streit um die Frage nach der Gültigkeit des klassischen Ideals in der Bildniskunst geraten war, konnte Luises klassizistische Sarkophagskulptur noch lange politische und soziale Ideen widerspiegeln, da Modell und Ideal identisch waren und das ideale Bild darum niemals auf Dauer dem Verdacht der Fälschung ausgesetzt sein sollte. Königin Luise wurde zur Festigung des Mythos mit Helden aus allen Zeiten verglichen, dennoch blieben die vielbemühten germanischen wie mittelalterlichen Symbole hinter der einzigartigen Anziehungskraft der Antike zurück. Eine nach der Antike gebildete, erhabene, schöne und reizvolle Königin konnte Neues in Altes verwandeln und Gegenwart in Unendlichkeit. Das Zeitgenössische suchte stets Dauer in der Zeitlosigkeit der klassischen Schönheit, denn während historische Mythen wie das Schicksal der Königin Luise herangezogen wurden, um nationales Selbstbewußtsein zu festigen, verhießen die sichtbar klassischen Wurzeln der Nation die Ewigkeit.

9 Werkimmanenz und Wirkung „Die letzte Ermüdung scheint von ihr gewichen zu sein. Das andere Dasein hält sie umfangen. Das zerstört nicht, sondern befriedet; es raubt nichts, es offenbart. Dieser Ruhenden zu Angesicht empfindet man ein letztes Mal das Ineinander von Antike und Christentum, und so wird Preußens Königin, gestorben, verklärt zu einer anderen Iphigenie, undjedweder Orest, von Unterweltsschauern gepackt, wird durch sie besänftigt. Die Heimat ist gefunden; die letzte Sehnsucht scheint gestillt.al Ernst Heilborn 1927

„In dem Königlichen Garten zu Charlottenburg ist das die Leiche der entschlafenen Königinn und Ihr in Marmor darstellendes Bild, wie Sie im Tode war, enthaltendes Mausoleum nun der wichtigste Punkt geworden", schrieb Bischof Eylert 1845. „Wenn man die dunkle Trauerallee betritt, sieht man es schon in der Entfernung, und wird zu andächtigem Ernst gestimmt, je näher man ihm kommt. In stiller Verehrung siehet man den einsamen, Tag und Nacht bewachten Ort, und über dem einfachen, aber in edlem Style gebaueten Gebäude lieset man des Christen triumphirendes Glaubensbekenntnis in den beiden Buchstaben A und O. Man tritt still und schweigend hinein, da liegt über der Gruft, als Sinnbild des abgelegten Körpers der Heimgegangenen, die Königinn, wie Sie im Tode war, gebunden von seiner Macht, und doch, von ihr erlöset, frei und selig. Ein göttlicher Geist weht uns entgegen und das Auge ruhet still und ernst auf der im Tode noch schönen Hülle. Alle Ihre Theile, vom ausdrucksvollen Gesichte an, dessen Mund ein bitter-süßes Lächeln umziehet, bis auf die Füße, sind wahr und treu, und den ganzen Leib umgiebt ein leichtes Todten-Gewand, durch welches man die Formen schimmern siehet. Das Ganze ist höchst einfach; gerade in dem Kunstlosen liegt der Zauber der vollendeten Kunst. Man kann von dem Bilde nicht wegkommen, und fortgegangen, kehrt man wieder, die den Todesschlaf ruhig Schlummernde von Neuem zu betrachten. Man söhnt sich mit dem Tode und seinen Schrekken aus, und lernt verstehen und schätzen, was Seelenruhe, von ihm überwältigt, ist. Ein Geist der Ruhe und des Friedens wehet uns an, umschlossen von dieser Grabesstätte, die man ohne ernste Gedanken und gute Vorsätze nicht verlassen kann."2 Ein „Heiligthum des preussischen Volkes" hat der Kunsthistoriker Franz Kugler 1851 das Sarkophagdenkmal der Königin Luise genannt.3 Einhundert Jahre nach deren Geburt wurde von der Allgemeinen Preußischen Staats-Zeitung verkündet: „Das Mausoleum zu Charlottenburg ist bis auf den heutigen Tag für Preußen und für Deutschland ein nationaler Wallfahrtsort."4

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Luises Grabtempel war die heiligste Stätte ihres Kultes geworden und die marmorne Statue dessen heiligste Ikone. Das 19. Jahrhundert hat die Sarkophagskulptur als Bildnis und als Monument, als Mahnmal und als Nationaldenkmal, als Verkörperung Preußens und schließlich als Luise selbst betrachtet, doch die Gründe, daß es dazu kommen konnte, lagen in der Statue nicht alleine. Entstehungsgeschichte und künstlerische Form, ursprüngliche Absichten und spätere Ansprüche bedingen wie durchdringen einander in der Wirkung jenes Werkes, das weniger Keim als vollkommener Spiegel des Luisenmythos wurde und diesen wie kein Kunstwerk sonst bekräftigte. Erst die Freiheitskriege hatten die Geschichte der Königin Luise endgültig zum Mythos gemacht, erst der Niedergang Napoleons gab ihrem Sterben Sinn und bestätigte ihren Opfertod für Preußens Wiedergeburt. Und erst in den Tagen des Triumphes war auch ihr Bildnis in das Mausoleum eingekehrt. Nebulöses, in den stürmischen fiinf Jahren nach dem Tod der Königin zum Mythos sich verdichtend, kondensierte nun an diesem Werk. Etwas Unbestimmtem, so schien es, verlieh es Gestalt. Zwar ist die Wirkungsgeschichte des Luisengrabmals eng mit dem Mythos seines Modells verknüpft, dennoch trat die Statue auch ihrerseits in eine vielschichtige Beziehung zum Luisenmythos, dessen effektives Kommunikationsmittel sie wurde. Das Verhältnis von Werkimmanenz und Wirkung, von Intention und Interpretation war überaus komplex, denn wie bestimmte historische, persönliche und biographische Elemente ineinandergreifen mußten, um die Geschichte der Königin als Mythos zu etablieren, so war es auch ein Zusammenspiel von emotionalen Bedürfnissen, künstlerischen Vorstellungen und historischen Zufällen, das dem Grabmal seine Form wie Aura gab und es zum Mittler wie zum Gegenstand des Mythos machte. Die Entstehungsgeschichte des Bildes wurde später gleichfalls mythisch gelesen und in den Luisenmythos eingefugt. Zeichen des Todes und der Unsterblichkeit zugleich, erhielt die Statue durch die Verknüpfung mit bedeutenden Ereignissen eine eigene Biographie, die nahtlos an die ihres Modells anknüpfte und den Mythos von Luises Leben über den Tod hinaus in die Sichtbarkeit überführte. Und schließlich war der Umstand, daß die Tote wie schlafend, also noch lebend, abgebildet wurde, Grundlage für vieles, was der Statue an Wirkungen innewohnte und darüber hinaus noch zugeschrieben werden sollte. Die Sarkophagskulptur hat ihre enorme Wirkungsgeschichte provoziert wie gestattet, denn ebenso offen fiir Interpretationen und Projektionen wie das Leben der Toten, glich und half dies zwiespältige und doch vollendet harmonische Bild dem Mythos mehr als jedes andere Bild der Königin Luise. Wie der Mythos einem unabänderlichen Kern historischer Fakten erwuchs und über diese hinausging, wie er hervorhob, was ihm wichtig war, und übertünchte, was ihm zuwiderlief, so glich ihm darin die Grabstatue. Körper und Antlitz erhielt sie dem Auge und übertrug sie doch in eine andere Wirklichkeit. Ist der Mythos die Form, in der Geschichte wirksam wird, dann war die Statue ein mythisches Werk.

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Zeitlichkeit und Überzeitlichkeit ebenso miteinander verbindend wie Großartigkeit und Schlichtheit, Widersprüche aufdeckend und auflösend zugleich, geprägt von hoher Gegenwärtigkeit wie bedeutungsvollem Verweisungscharakter, vereinte das Kunstwerk Mehrdeutigkeit mit extremer Ansprache. Einfluß auf den Mythos hatte vor allem der Umstand, daß die Statue ein vielschichtiges Spannungsverhältnis zwischen Form und Funktion einging und damit in eine dynamische Beziehung zum Betrachter trat. Das Denkmal erzeugte aus sich wie aus seinem Aufstellungsort heraus vielfaltige, einander widerstrebende Gefühle. Eine wesentliche Wirkungsweise des Werkes, die emotionale, bestand damit auch ohne Wissen um die Geschichte. Ein Mythos verwandelt Sinn in Form, und nur ein Bildwerk, das wie der Mythos reich an Assoziationen war, auf Vollständigkeit abzielte und sich dennoch einer klaren Fixierbarkeit entzog, konnte dem Sinn als Form von Dauer dienen, da es der existentiellen Wandelbarkeit des reifenden und sich ausbreitenden Mythos zu folgen vermochte. 5 Und einer klaren Aussage enthielt sich das Bild schon ob seiner Entstehungsgeschichte. Die Statue pendelte zwischen den Stimmungen und Traditionen; sie schwankte, wie und wo sie stand, zwischen Anwesenheit und Abwesenheit, toter Kunst und beseelter Gestalt. Der Mythos der Königin Luise, wie viele Mythen von der Unbestimmbarkeit seines Ursprungs immunisiert, stärkte sich an einer Bildform ohne klare Herkunft. Klassische Ästhetik und antike Mythologie, biblische Geschichte und hagiographische Elemente, biographische Fakten und historische Anschauung kamen im Mythos zusammen; und klassisch antike Formen der Nobilitierung verband auch der Bildhauer mit christlichen Mustern der Sakralisierung, patriotischer Symbolik sowie einem durchaus ähnlichen Antlitz. Das Grabdenkmal war erfüllt von Bedeutung und deren Verlust. Ein solcher Zwiespalt lag bereits in seiner Erschaffung, die zwischen einem lebensnahen Bild der privaten Erinnerung und einem allgemeingültigen Denkmal mit Ausrichtung auf Öffentlichkeit vermitteln mußte. Das Ergebnis spiegelte die Zeit seiner Entstehung wider, vollzog sich doch im Preußen der Jahre zwischen Jena und Waterloo ein Wandel von Werten und Ideen, der prägend für das 19. Jahrhundert wurde. Antike, humanistische und kosmopolitische Ideale waren in den Jahren unter französischer Fremdherrschaft von einer neuen Vaterlandsliebe und einer wiedererwachten Frömmigkeit überlagert worden, die in alle Lebensbereiche eindrang, auch in die Denkmalkunst. Das Zeitalter der Nationen holte den antiken Heros vom Sockel und verhalf dem christlichen wieder zu Ruhm und Ehre. Klassische Mythen und griechische Gewänder wurden zur Überhöhung des nationalen, der Gemeinschaft verbundenen Helden immer seltener zitiert, und auch die der Antike entlehnten Attribute verschwanden nach und nach, weil sie unwirklich schienen und die Masse als Adressat des Denkmals sie kaum mehr zu deuten wußte. Luises Sarkophagskulptur stand zwischen der einen und der anderen Zeit, sie zehrte von alten und von neuen Strategien für die Ewigkeit. Die Bildsprache der klassischen Antike verlieh dem in Schönheit und Harmonie zeitlosen Menschenbild ge-

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eigneten Ausdruck. Konnte sich der Unkundige an der Grazie der Statue wehmütig erfreuen oder an deren Freizügigkeit ergötzen, so erzählte die Anmut ihrer zufalligen und unbewußten Bewegung dem ästhetisch geschulten Betrachter von Tugend und Seelengröße. Kenner sahen im griechischen Geist, „der da besteht in der Einfalt und maßvollen Schönheit", den „Adel" Widerscheinen, der Luises Zeitgenossen einst „entgegengeleuchtet" hatte.6 Und die Gebildeten schrieben nieder, was sie sahen und lenkten den Ungebildeten damit den Blick. Ein Diadem wie das der Juno Ludcrvisi bekrönte die schlafende Luise. Kannte deren Schöpfer auch die Hymnen gebildeter Zeitgenossen auf das antike Haupt, und mochte er gar versucht haben, Lobgesänge wie diese auf sein Werk zu lenken, so bestand er doch keineswegs auf solchen Assoziationen, zumal er die Tote nicht ,als Juno' porträtierte. Eindruck auf Rauch hatte auch die schlafende Ariadne gemacht; und wenngleich diese Statue schon im 18. Jahrhundert als Sinnbild der Melancholie und der verratenen, verlassenen Heldin galt, so diktierte doch der Künstler weder einen Vergleich mit dem Schicksal der Königin von Preußen noch zeigte er diese überhaupt ,als Ariadne'.7 Erleichtert atmete ein wilhelminischer Kunstgelehrter auf, denn der Mythos der Nation brauchte „keine Ariadne und keine Diana, sondern die einzige Königin Luise".8 Zum Schmuckstück war das Diadem der Juno geworden, das einige Damenbildnisse des Jahrhunderts zierte und kein unverwechselbares Attribut mehr war von Status, Tugend und überindividueller Idealität. Lebensnähe war der maßgebliche Wunsch des Auftraggebers gewesen, darum traten die Mythen der Antike im Luisendenkmal weitgehend zurück. Assoziationen aber blieben und adelten das Modell, denn ähnlich wie die Mythenschreiber die Königin mit großen Frauen verglichen, erlaubte auch der Bildhauer Erinnerungen an Göttinnen und Heldinnen aus Geschichte und Mythologie. Erinnerte zwar das Diadem an die Gattin des Göttervaters, die Beschützerin des Staates, so war die liegende Göttin in der Kunst doch Venus, die Schönste der Schönen, die Verführerin und Liebende. Ein Spiegelbild von Archetypen, die sich im Mythos vermengten, war auch die Sarkophagskulptur, mit und ohne Absicht. Die Mythisierung eines Menschen erfolgt durch seine Bindung an bereits etablierte Mythen, Mythisierung durch Kunst geht ähnliche Wege. Klassizistische Kunst besitzt eine politische Dimension, da sie als Ausdruck von Macht und Vernunft zum Staatsstil vieler Reiche und Nationen geworden ist. Klassisch antike Formensprache diente der Selbstdarstellung von Herrschaft. Einstellungen und Werte wurden mit ihrer Hilfe formuliert, ebenso politische Ziele. Eine „propagandistische Erfindung" wurde das Luisengrabmal anderthalb Jahrhunderte nach seiner Entstehung genannt, weil Rauch das Mitgefühl der Menschen in einen moralischen Appell umgewendet und sich damit vor den Freiheitskriegen in den Dienst einer politischen Idee gestellt habe, die das Grabmal zu einem öffentlichen Mahnmal werden ließ, einer „Art Kultstätte".9 Und in der Tat besaß die Statue eine politische Nutzungsgeschichte wie nur wenige Kunstwerke ihrer Epoche. Das

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Luisengrabmal hat wie die historische Figur eine Rolle zugewiesen bekommen und erfüllt, herausgebildet aber hatte sich diese erst im Lauf der Zeit. Keineswegs hat der Künstler die Sicht auf seine Schöpfung allein geprägt, wenngleich er eine „grandiose" Wirkung intendierte. Eine klar formulierte, über die private Erinnerung hinausweisende Absicht des Auftraggebers existierte ebensowenig wie ein klarer Auftrag an den Bildhauer, der zwischen den Bedürfnissen des Witwers und der Öffentlichkeit abzuwägen hatte, seiner Königin wie seiner Kunst gerecht zu werden verlangte und sich auch zweifelsohne selbst ein Denkmal setzen wollte. Ein schlichtes Diadem und das heraldische Beiwerk am Sockel wahrten schließlich die monarchische Repräsentanz, davon abgesehen aber traten Amt und Funktion hinter die Person zurück. Eindeutige Aussagen waren dem Bildnis daher kaum gegeben; die Verbindlichkeit, die es gleichwohl besaß, war die seiner Schönheit, Harmonie und Größe, Ausdruck eines Eindrucks, den Rauch von jener Frau erfunden wie empfangen hatte: Die „Schönste und Beste" hat er sie Jahrzehnte nach ihrem Tod genannt - doch wurde das, was das .Schönste und Beste* war, weniger vom Bildwerk als von der Gesinnung seines Betrachters bestimmt, die mehr und mehr vom Nationalismus erfüllt werden sollte.10 Ergriffenheit, Mitleid und Liebe hat Rauch erzeugt und damit eine Ansprache geschaffen, die den Betrachter ganz für das Kunstwerk einnehmen sollte und ihn zugleich für sein Modell einnehmen mußte. Auf der Suche nach der ,Idee' hat er die Königin idealisiert; bekannt mit der Vorstellung vom Zauber der antiken Schönheit, mag er auf die läuternde Wirkung der Statue gesetzt haben, wie er als monarchisch gesinnter, preußischer Patriot auch patriotische Gefühle wecken wollte. Und doch als Künstler über dem Politischen stehend, war er vor allem von der Kunst geführt, deren Autonomie und Überzeitlichkeit er stets beachtete. Die Selbstgenügsamkeit des Resultats, den Betrachter fernhaltend und fesselnd zugleich, enthob schlußendlich seine Bestimmung der Bestimmbarkeit und bot das Bildwerk der Propaganda gerade deshalb an, weil sie stets am besten wirkt, wenn sie nicht als Propaganda zu erkennen ist. Komplex aber war das Verhältnis von Absicht und Zufall, Ursache und Wirkung bei den Bildern des Luisenkultes, nicht nur weil der Mythos die Grenzen zwischen all dem oft verwischte, sondern auch aus historischer Sicht. König Friedrich Wilhelm ging es nicht darum, eine patriotische Kultstätte, eine perfekte mediale Inszenierung zur Festigung seiner Macht zu erschaffen, doch plante der Witwer nicht allein, sondern war im monarchischen System von Männern umgeben, die den strategischen Nutzen der Tragödie früh erkannt hatten und wußten, wie man den Monarchen zu entsprechenden Entscheidungen bewegen konnte. Zwar hat auch Friedrich Wilhelm in der späteren Auseinandersetzung um die Sarkophagstatue über deren öffentliche Wirkung nachgedacht, Form gegeben aber hatten dem wichtigsten Kunstwerk des Luisenkults nicht Bildpolitik und Propaganda, sondern persönliche Trauer und künstlerischer Ehrgeiz. Künstler wie Rauch und Schinkel, harrend der Gelegenheit, ihr Können zu demonstrieren, widmeten sich nach Luises Tod weit mehr der Mythisierung als der Kö-

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nig selbst; als Künstler aber hatten auch sie nicht nur die patriotische Idee im Blick, sondern oft genug den eigenen Ausdruckswillen und die eigene Karriere. Zum Kultbild wurde die Statue nicht durch den Künstler, sondern durch den Kult, den sie wiederum gestattete. Kontrolliert und kanalisiert werden konnte die Luisenverehrung im Mausoleum auf besondere Weise, schon weil das Gebäude auf dem Gelände des königlichen Schlosses lag und Friedrich Wilhelm Einfluß auf Besuche und Gedenktage nehmen konnte. Eine breite Öffentlichkeit jedoch erreichte das Grabmal erst im Lauf der Zeit, nicht zuletzt weil es anfanglich nur einmal im Monat für das Publikum geöffnet wurde. Zwangsläufig verband sich zwar mit jeder Huldigung Luises auch eine Huldigung an die Monarchie, erst der Mythos aber gab der Statue jene wachsende Bedeutung, die das Bildnis noch zum Denkmal für die Reichsgründung von 1871 machte. Das Grabbild war darum weniger ein Ausdruck von Propaganda als deren Gegenstand, zumal sein Schöpfer weniger ein Ziel als einen Weg beschrieben hatte, überdeckte doch das Sentiment die Programmatik. Emotionen aber konnten selbst Programm, ja Propaganda werden, da diese stets auch an Gefühle appelliert - und in der Tat kehrte sich eines Tages im Luisentempel die Herrschaft der Gefühle in die Herrschaft über die Gefühle. Klassizistische Skulptur suchte nach dem klassischen Ideal im Menschen, das sie abzubilden vorgab und doch auch kreierte. Einen gebildeten, mit antiker Kunst, Mythologie und Philosophie vertrauten Betrachter aber verlangte das Luisengrabmal nicht, denn als es erschaffen wurde, war die antike Mythologie schon längst nicht mehr verbindliche literarische Verständigungsform über die Dinge der menschlichen Existenz. Und mit dem Zurückweichen des diskursiven Moments zugunsten einer subjektiven Erfahrbarkeit, die nicht nur dem Kenner vorbehalten war, sondern aus der unmittelbaren Anschaulichkeit wie der Erweckung des individuellen Gefühls entstand, folgte das Bildwerk Ideen seiner Entstehungszeit.11 Ein Kunstwerk sollte sich ohne tieferes Wissen erschließen, was traditionelle, der Vereinbarung bedürftige Formalien zwar nicht ausschloß, diese aber auf ein geringes Maß zurückdrängte. Die schlafende Luise war ein Stimmungsträger, dessen Inhalt durch die Erweckung von Emotionen erfahrbar wurde; und immens war die Spanne der Gefühle bei ihrem Anblick: „Der Schmerz um Luisen hatte das Schönste in den Gemütern der Preußen aufgeregt", schrieb Eduard von Ambach, und die Statue bewahrte die Schönheit wie auch den furchtbaren, fruchtbaren Schmerz um Luisens gebrochenes Herz.12 Extreme Gefühle hatten den Luisenmythos wie keinen anderen zum emotionalen Fundament der Nation gemacht und machten darum auch die Grabfigur zur Nationalikone. „Kunstvolle Fürstengräber giebt es auch anderswo", schrieb Theodor Mommsen, „aber das Mausoleum in Charlottenburg ist doch nicht blos einzig durch Rauchs Meisterwerk, sondern ebenso sehr durch die Pietät der ewigen Todtenfeier treuer Volksliebe."13 Emotionen aber waren eher der Statue als deren Modell zugewandt, das in Vergessenheit geriet, während sein Abbild jedermanns Blick „mit Thränen" füllte und die wärmende Glut der großen Gefühle, so wichtig für den nationalen Zusammenhalt, in einem fort befeuerte.14

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Ein großes Kompliment, das man dem Kunstwerk machte, war die Kapitulation des Verstandes vor dem Gefühl, das Schwinden von Distanz, das Vergessen der Unterschiede zwischen Leben und Kunst. Zu der Zeit, in der die Statue entstand, galt die Überwältigung des Betrachters als Möglichkeit zur Läuterung, die insofern eine moralische war, als das klassische Kunstwerk das wahre Menschsein aufbewahrte. Die Begründung dieser Moral erfolgte aus der ästhetischen Anschauung und dem persönlichen Gefühl, nicht im christlichen oder dogmatischen Sinne. Empfindungen weckte die Luisenstatue aus sich selbst heraus wie durch das Verhältnis zu ihrem Aufstellungsort; exponentiell gesteigert aber wurde diese Wirkung durch den Umstand, daß kein Preuße im 19. Jahrhundert unbelastet in das Mausoleum trat. Erzogen in den Mythen des Vaterlandes, seit Kindertagen begeistert von der Schönheit, der Tugend und dem Opfertod der Königin, sah und fühlte der Betrachter mehr als das, was er vor Augen hatte, wobei sein angelerntes Wissen nun von seinen Emotionen bestätigt wurde. Die Nation war eine Sache des Gefühls und der Nationalismus eine Ideologie, bei der Empfinden wichtiger als Denken war; erwärmen konnte Königin Luise darum den Betrachter für ein Dasein im Dienst der Nationalgemeinschaft. Einst hatte das Zusammenspiel von historischer Kenntnis, sinnlicher Ansprache und individuellem Einfühlungsvermögen das klassizistische Kunstwerk vollendet, später taten dies die Mythenschreiber durch berechnete Gefühle. Eine Überwältigung durch Monumentalität, wie sie die Nationaldenkmäler des späten 19. Jahrhunderts anstrebten, wurde durch eine emotionale Überwältigung ersetzt, die der Mythos kanonisierte und um ein Vielfaches potenzierte. Die schiere Überwältigung im Angesicht der Statue nämlich wurde nicht nur angeboten, sondern eingefordert; zahlreiche Produkte der patriotischen Erbauungsliteratur haben sie vorexerziert und einer quasi religiösen Erfahrung gleichgesetzt - der ergreifendste unter den historischen Mythen der Deutschen fand sichtbare Entsprechung im Charlottenburger Schloßpark. Einerseits war es paradox, andererseits auch logisch, daß die privaten Bedürfnisse des Auftraggebers dem Monument eine aufsehenerregende Intimität gegeben hatten, deren Wirkung auf den Mythos wie die Menschen kein Straßendenkmal je erreichen konnte. „Mit unwillkürlicher Scheu betreten wir die geweihte Stätte", schrieb die Gartenlaube 1870, die den Schauder auf der Schwelle zum Nationalheiligtum beschwören wollte, ein Gefühl, das auch tatsächlich hervorgerufen wurde - durch die Luisenstatue.15 Erzeugt das plastische Bild des Menschen ohnehin wie kein anderer Gegenstand der Kunst eine Irritation beim Betrachter, so tritt im Mausoleum überdies der Wache vor eine Schlafende. Ehrfurcht und Entrückung weichen jenem einzigartigen Bund aus Nähe und Ferne, den man in Betrachtung eines Schlafenden verspürt und der einem Macht gibt und Verfügungsgewalt, aber auch Verantwortung angesichts der Schutzlosigkeit und Schwäche des Menschen im Schlaf. Einlaß erhaltend in die Intimität des Augenblicks, kam der Untertan vor die Königin, der Einfache vor die Auserwählte. Einem jeden Einzelnen wurde Anteil am In-

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nersten einer Frau gewährt, die Preußens Schutzgeist war und nach der Gründung des Reiches als Mutter der Nation gefeiert wurde. Das Gefiihl der Zugehörigkeit zu einer durch den Tod der Königin Luise konstituierten Nation, zu einer durch das Schicksal dieser Frau geeinten Gemeinschaft, ließ sich nirgendwo intensiver produzieren als in der Gegenwart jener anrührenden, beseelten Statue. Kaum verhüllt lag Luise vor dem Betrachter da und enthüllte mit der Offenbarung ihres Leibes gleichsam auch ihr ganzes Wesen, ihren ganzen Geist. Der Anblick jener Schlafenden kam dem Einsatz ihres Mythos gleich, der das Private hervorkehrte, soziale Klüfte kaschierte und Ehrfurcht vor Staat und Krone durch Liebe ersetzte. Eingeschrieben in die Kunst des klassisch Idealen lag sie da, Preußens „Idealgestalt", ein Vorbild, „wie die Geschichte wenige aufweist", und „gerade der Mann, die Frau des Volkes, der Arbeiter, der schlichte Handwerksmann ist es, der neben dem Fremden vorzugsweise jene Stätte besucht, wo .unsere Königin Luise' ruht".16 Zaghaftigkeit und Scheu machten vollster „Befriedigung" Platz, und jedes Verweilen vor dem Marmorbild war „Eintreten in tiefere Genugthuung, Bewunderung und Liebe".17 Und doch galten Genugtuung, Bewunderung und Liebe nicht nur dem Kunstwerk, sondern auch dem Modell, nicht nur der Vergangenheit, sondern auch der Gegenwart, denn schließlich kannte jeder Preuße die Geschichte von der deutschen Wiedergeburt im Opfertod der Königin Luise. Entzücken aber konnte zu Wut werden und sinnliche Verheißung zu barschem Appell, blieb doch die Erbauung von der „unendlichen Wehmut" durchmischt, daß Luise „nur die dunklen und nicht auch die hellen Tage von Preußen" gesehen hatte.18 Die Melancholie, die aus der Statue sprach, gemahnte jeden Staatsbürger an seine Pflicht, denn eine Schmach wie jene, die solcher Schönheit das Herz gebrochen, durfte sich nicht wiederholen, niemals und zu keiner Zeit. Ein figürliches, öffentliches Monument ehrt die über den Tod hinausdauernde Allgemeingültigkeit gewisser Werte. Entsprechenden Werten verständlichen Ausdruck zu geben und sie kommenden Generationen zu überliefern, ist des Künstlers Aufgabe. Ein Grabdenkmal ist Hinweis auf Unendlichkeit. Das Leben strebt dem Tode zu, das die Vergänglichkeit des Irdischen Uberdauernde hat die Phantasie des Menschen immer beschäftigt. Ein Totenmal ist für die Lebenden, es erleichtert die Trauer, bekennt das Gefühl und spendet Trost. Sepulkrale Monumente untermauern die Vorstellung von Kontinuität und Legitimität und dienen darum mitunter auch der Durchsetzung politischer Ideen und sozialer Ideale. Keineswegs aber ist es immer eine Tat, die als Verdienst im Denkmal auf die Nachwelt kommt, denn auch die Liebe kann sich über dem Grab ein Denkmal setzen, und nur ein Bild des Toten ziert dann die letzte Ruhestätte. Und doch sollte es gerade der Schmerz um Luise sein, der gleichsam bürgerliche Herzensbund über den Tod hinaus, der Friedrich Wilhelm III. als König seiner Bürger legitimierte. Ein Bildnis, das nicht explizit zur Würdigung eines gesellschaftlich relevanten Wertes oder zur Verbreitung einer politischen Einstellung in Auftrag gegeben worden ist,

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kann diesen Anspruch gleichwohl noch erhalten, wenn sich die Sicht auf den dargestellten Menschen wandelt und erst die Nachwelt ihn zum Helden kürt. König Friedrich Wilhelm und sein Bildhauer schufen eine Projektionsfläche für diesen Prozeß, ein Werk, dem der Anspruch erwachsen konnte, weit über das hinauszureichen, was es eigentlich ehrte und zeigte. Ende des 19. Jahrhunderts erst offenbarten sich die vermeintlichen Verdienste der Verstorbenen in ihrer ganzen Größe. Keiner Facette jenes Mythos, keiner Tugend und keiner Zuschreibung sollte die schweigende Statue nun widersprechen, im Gegenteil, von Anfang an, so schien es, hatte das marmorne Bild dem mythischen bereits entsprochen, das man auf die Statue zurückprojizierte und dadurch festigte. Epochale Verdienste ließen sich im Denkmal gerade deshalb erkennen, weil es so wenig zeigte, auf so vieles zu verweisen schien und schließlich dem Wertewandel des bürgerlichen Zeitalters gemäß betrachtet werden konnte: Einen „Prüfstein ihrer Frauenhoheit" nannte Heinrich von Treitschke, „daß sich so wenig sagen läßt von ihren Thaten", und setzte an zu einer Lobeshymne auf das Heldenleben der Königin Luise.19 Und mit deren Grabstein verfuhr man ebenso, denn je weniger man sah, desto mehr wollte man erkennen, und daß man nur wenig sah vom Heldentum, war für das Heldentum Indiz. „Geschmückt mit dem königlichen Diadem, dem einzigen Zeichen ihrer irdischen Größe, ist Luise ein treues Abbild der deutschen Königin der deutschen Gattin - der deutschen Mutter", wie Georg Horn erklärte.20 Entstanden als Denkmal einer Frau von Größe und Charakterstärke, empfahl sich die Luisenstatue nunmehr solcher Propaganda, weil sie sich einem Mythos anbot, den man solchermaßen funktionalisierte. Der Mythos der Königin Luise kreiste zwischen Wort und Bild; klare Bezüge und Abhängigkeiten tilgend, verdunkelte er seinen Ursprung und schuf sich eine natürliche Selbstverständlichkeit, die ihn unangreifbar machte. Korrespondieren sollte der Mythos mit einer Statue und kommunizieren durch sie, der eine ähnliche Selbstverständlichkeit bescheinigt wurde. Die Skulptur stillte wie nährte das Begehren nach dem Sichtbaren wie dem Unsichtbaren und trat in eine dynamische Verbindung mit der Erzählung des Mythos, provozierte sie doch Nachfragen, die vom Mythos beantwortet wurden und die das vieldeutige Bildwerk wiederum bejahte. „Wer gar nichts wüßte von dieser Frau", schrieb Friedrich Eggers, „dem sagt das Marmorbild so viel, daß er nach aller Bestätigung in ihrer Geschichte fragen würde und wieder in dem Bilde alle Bestätigung fände von dem, was er über sie erfahren kann."21 Die Statue war Frage und Antwort in einer Gestalt, war Spiegel der Propaganda und schien doch wie deren Sender; der Dialog von Mythos und Skulptur indes verwischte die kausalen Zusammenhänge. Eine Autonomie erfüllte das Werk, die der des Mythos glich, dem das Grabdenkmal zum Kronzeugen wurde. Die stumme, statische und doch bewegende Statue verwies auf das wandelbare Wort, das sie zugleich belegte, und stärkte durch diese vermeintliche Selbstverständlichkeit den Mythos wie die eigene Zeichenhaftigkeit. Und diese war bei aller Verbindlichkeit so unbestimmt,

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daß sie fortwährend mit neuen Bedeutungen besetzt werden konnte. Die Form hatte sich vom Sinn entfernt, woraufhin der Mythos sie mit neuem Sinn erfüllte. Zahlreiche Forderungen an das Bildwerk, nachträglich gestellt, wurden in dessen vermeintlich ursprünglichen Anspruch verwandelt, der wiederum den Mythos des Urbilds bekräftigte. „Man wußte genau, mit welcher Aufbietung und Aufreibung ihrer Kräfte die Königin der gute Engel des Landes und des Königs selber gewesen war", erläuterte Herman Grimm 1877 die Empfindungen des Künstlers und seiner Kollegen beim Erhalt der Todesnachricht. „Ihre Krankheit, ihr Tod, die erschütternde Trauer des Königs im Kreise seiner Kinder durchdrang das Volk als sei nach so vielen Niederlagen und Verlusten dies der letzte und bitterste. Es hatte etwas Symbolisches: als sei das Maß der Vernichtung voll. Hier war eine liebenswürdige Königin, zugleich eine heroische Frau, eine Mutter der Armen, eine ermunternde Freundin bescheidenen Verdienstes und zugleich die schönste, reinste Frauengestalt in jungen Jahren langsamer Krankheit erlegen, an der der Gram um das Vaterland so großen Antheil hatte. All das sollte in das Bild hineingelegt werden, das Rauch zu formen zufiel."22 Die Königin selbst, so die Legende später, hatte Rauch die Hand geführt und somit aus dem Bildhauer gesprochen, der wiederum dem „Volke aus der Seele gesprochen" und den „innersten Kern der bald darauf folgenden Freiheitskämpfe getroffen" hatte.23 Eine große Anzahl von Verweisen und Bezügen, von unmittelbaren und mittelbaren Verbindungen vertäute die Königin und den Bildhauer, das Luisendenkmal, das preußische Volk und die Freiheitskriege zu einem so undurchdringlichen wie bestechend sinnfälligen Konstrukt: der deutschen historischen Mythologie. Etwas sichtbar Selbstreflektierendes war der Statue eigen, da sich die Schlafende mit der Hand auf der Brust doch selbst bezeichnete. Die Hand, als Bote des Menschen eine nach außen gekehrte Macht, beugte sich zu der Sendenden zurück, wies auf deren Ichbewußtsein und unterstrich damit die Autonomie der Marmorgestalt. Konsequenzen für die Wirkungsgeschichte hatte jener Gestus nicht nur, weil er den Glauben an die Gegenwart des Geistes in der Statue stärkte, sondern auch, weil die Vielzahl seiner Deutungsmöglichkeiten über Bekenntnisgestus und Treuezeichen hinaus die Assoziationen des Betrachters mehrte. Eigentlich erscheine es vermessen, resignierte Julius Lange in seiner Geschichte jenes Motives schon, „alle die verschiedenen Qualitäten von Gefühlen aufzuzählen, die diese Bewegung in ihrem Gefolge haben kann" - und überaus vielfaltig waren auch die Gefühle im Gefolge der Luisenstatue.24 Das christliche Moment der innersten Empfindung durchdringt die deiktische Bedeutung jener Geste und bekundet „das Ich in der tiefsten Bedeutung des Wertes als moralische Persönlichkeit".25 Das Herz, im Volksglauben Sitz des Gewissens, schlägt in der Brust. Und in der Brust, der Stätte der Lebenskraft, sind die stärksten Gefühle des Menschen konzentriert. Zuneigung und Liebe wohnen in ihr, auch Mut und Tapferkeit. Die Brust dient als Bild für alles, was der Mensch an geistigen und seelischen Kräften in sich trägt. Luise, so hieß es, war durch das Herz gestorben, da sie nur durch das Herz gelebt hatte.26 Der Staatsmann im öffentlichen Denkmal resümiert mit der Hand auf der

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Brust den Inhalt seines Daseins, die Errungenschaften seiner Lebenszeit. Eine schwächere und doch gewaltigere Botschaft entnahm der vaterländisch erzogene Betrachter dem Anblick der schlafenden Königin, die mit der Hand auf der Brust nicht nur ihr abgeschlossenes Leben, sondern auch ihr frühes Sterben bezeichnete. Konnte man auch den ewigen Frieden in der Schlummernden ruhen sehen und hatte sie „in ihren Kriegen mit dem Schicksal Siege davongetragen von einer Art, die sie auf Erden unsterblich gemacht und ihr gewiß eine fröhliche Ankunft im Himmel verschafft haben", so gemahnte doch die Hand auf der Brust zugleich an ihr gebrochenes Herz.27 Und darum zeigte ihr Grabbild stets das „Ideal einer Königin, welche die Leiden einer schweren Zeit mit der unverwüstlichen Hoffnung auf eine bessere im Busen getragen" hatte.28 Ein Prozeß menschlicher Findung und geistiger Sammlung offenbarte sich in der Statue. Die Last der erdgebundenen Existenz von dem lächelnden Antlitz genommen und die Hand auf die Brust gelegt, erschien Luise in selbstvergessener Verinnerlichung begriffen, in einem höheren Dasein reflektierend, einer Sphäre der Glückseligkeit. Das versunkene Sinnen zog das Sichversenken des Betrachters nach, der einstmals individuelle Erkenntnisse daraus ziehen durfte, später aber seit der Schulzeit wußte, daß die Königin über wenig anderes gesonnen hatte als über Preußens Wiedergeburt. Zwar wurde der Betrachter noch einzeln angesprochen, doch nur sein Beitrag zum Wohl des Ganzen gab dem schrecklichen Tod der Königin einen höheren Sinn und vollendete auch die Sinnende. Ein vollendetes Bildnis einer Unvollendeten und ein unvollendetes Bildnis einer Vollendeten zugleich, konnte die Statue als Mahnung und Erlösung verstanden werden, als Auftrag und Bestätigung, Sinnverlangen und Sinnersatz. Anfang des W.Jahrhunderts konnte sie als Sinnbild der Hoffnung auf ein geeintes deutsches Vaterland besungen werden und am Ende als Symbol für dessen Erfüllung in Form des kleindeutschen Reiches unter preußischer Krone. Endgültigkeit leugnend, wirkte die Statue über all dies noch hinaus und wurde als fortwährende Mahnung für die Verteidigung des Erreichten eingesetzt. Das Grabmal der Königin Luise wurde wie ihr Mythos zum dauerhaften Sinngenerator für das preußische und deutsche Volk. Königin Luise blieb der Nachwelt in einer Sphäre zwischen physischer Existenz und psychischer Entrückung erhalten, und diesen Zustand unterstrich die Hand auf der Brust. Das Leben des Körpers in Herzschlag und Atemzug, sei es erwachend oder schwindend, wird durch das unwillkürliche, nicht sendungsbewußte Legen der Hand auf das Herz gefühlt; darum zeigte die Statue als Darstellung des Lebens, als beseelter Körper, das Dasein im Diesseits und als Darstellung des Todes, als von der Seele verlassener Leichnam, die Abwesenheit von Bedeutung und deren Anwesenheit an einem anderen Ort.29 Eingefroren im Augenblick, tot und nicht tot, stand die marmorne Luise wie die mythische Luise über den Kategorien der Zeitlichkeit. Einst mit der Spanne von der Schöpfung bis zum Jüngsten Tag einem religiösen Verständnis der Zeit unterworfen, wandelte sich unter dem Einfluß der Aufklärung und der französischen Revolution die Grabmalskunst. Der Verlust einer universalen

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Jenseitsvorstellung und die Entstehung der modernen Familie prägten eine neue bildliche Verarbeitung des Todes über die christliche Heilserwartung hinaus und machten die Suche nach Sinn und Trost zu einer zunehmend diesseitigen Angelegenheit. Königin Luises wie schlafend gebildete Grabfigur und ihr in die Natur gesetztes Mausoleum folgten den philosophischen und künstlerischen Vorstellungen, wie Lessing sie formuliert und Thorvaldsen sie vergegenwärtigt hatten, und entsprachen zugleich dem Mythos, der über dem Grabe keimte. Das Sterben der Monarchin in einer Zeit der tiefsten Demütigungen war als Verklärung begriffen worden; man wollte das Unglück als Verheißung einer glücklichen Wendung sehen und erwartete weniger mit christlicher als aus der Naturanschauung gewonnener Auferstehungshoflnung die Befreiung Preußens von der Fremdherrschaft. Die Sarkophagstatue konnte nun ebenso als Schlafende im Sinne der christlichen Vorstellung vom Tod als Schlaf vor dem Jüngsten Gericht verstanden werden, wie sie auch auf andere Erweckungen reagieren konnte: „Die Heroin, die nimmer erlebt, was sie großes geträumt hat", feierte man den Bildhauer zur Mitte des 19. Jahrhunderts, „läßt er im Marmor noch fortträumen bis alles erfüllt ist."30 Zwei Jahrzehnte nach ihrer Entstehung erst in einen christlichen Rahmen gestellt, zeigte die Statue selbst weder christliche Heilserwartung noch offensichtlich christliche Attribute. Kritisierte man diesen Umstand einst noch als der Wirkung abträglich, so war er doch von Vorteil, als man die Statue in ein gleichsam deutschnationales Verständnis der Zeit einordnete, das die Jahre vom Niedergang Preußens bis zu seinem Triumph in der Gründung des Deutschen Reiches umspannte. Entscheidenden Einfluß auf diese Sicht hatte ein Gedicht, das jeder patriotische Preuße kannte. Das Haupt der Sarkophagstatue hatte Theodor Körner zu seinem Schlachtruf Vor Rauch's Büste der Königin Louise entflammt. Krieger, Dichter und als Freiwilliger des Lützowschen Korps „in reinster und höchster Weise den patriotischen Idealismus des Jahres 1813" verkörpernd, war Körner seit seinem Heldentod mit einundzwanzig Jahren von einer ähnlichen Gloriole aus jugendlich bedingungsloser Vaterlandsliebe umgeben wie die Königin, deren Verklärung zur deutschnationalen Einigungsfigur er maßgeblich vorantreiben sollte.31 Körner, der in der historischen Mythologie der Deutschen zur wichtigen Symbolgestalt der Befreiungsära avancierte, hatte die Königin zum Opfer und zum Engel, zum Schutzgeist der Armee und zur echt deutschen Frau erkoren und alles dies im Antlitz einer Statue erkannt, die nicht zuletzt durch sein Gedicht zum Mahnmal und zum Kriegerdenkmal wurde und schließlich gar zum Nationaldenkmal der neuen deutschen Kaiserzeit. Das deutsche Vaterland schlief in Luise im Charlottenburger Schloßpark. Vor Rauch's Büste der Königin Louise Du schläfst so sanft! - Die stillen Züge hauchen Noch Deines Lebens schöne Träume wieder; Der Schlummer nur senkt seine Flügel nieder, Und heil'ger Friede schließt die klaren Augen.

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So schlumm're fort, bis Deines Volkes Brüder, Wenn Flammenzeichen von den Bergen rauchen, Mit Gott versöhnt die rost'gen Schwerter brauchen, Das Leben opfernd für die höchsten Güter. Tief fuhrt der Herr durch Nacht und durch Verderben; So sollen wir im Kampf das Heil erwerben, Daß unsre Enkel freie Männer sterben. Kommt dann der Tag der Freiheit und der Rache: Dann ruft Dein Volk; dann, Deutsche Frau! erwache, Ein guter Engel für die gute Sache!32

Einen Engel sah Körner in der Schlafenden, und in der Tat zeigten einige Symbole an der Statue, zwischen Antikem, Christlichem und Heraldischem schwankend, die Himmelfahrt und Apotheose der Königin Luise. Kränze aus Sternen, wie aus der christlichen Ikonographie bekannt, hatten das Haupt der Königin auf deren Himmelfahrtsbildern umrahmt; und ein Sternenkranz, wenngleich kaum merklich, lag auch um den Kopf der Statue. Entrückung in Gottes Reich deutete sich an, doch wollte man später auch das apokalyptische Weib erkennen, das wie Luise vor seinen Feinden hatte fliehen müssen, oder gar Maria Immaculata, die über das Böse triumphierte.33 Zwei mächtige Adler am Unterbau der Statue erzählten dem gebildeten Betrachter von einer anderen Apotheose. Anfangs nur als Wappentiere vorgesehen, besaßen jene Vögel nunmehr eine weiterreichende Bedeutung, da die Antike den Adler als Himmelsträger des zu Lebzeiten trefflichen Menschen kannte, dessen Vergöttlichung der aufsteigende Vogel bezeugte. Und Luises Himmelsträger folgten auch formal einem Typus, der auf antiken Sarkophagen und italienischen Grabmonumenten des Quattrocento ebenso erschien wie in der damals zeitgenössischen Bildhauerkunst. Adlerpaare bekrönen auch zwei Marmorkandelaber, die Rauch und Friedrich Tieck für das Mausoleum geschaffen hatten, wo sie das Haupt der Schlafenden flankierten, bis der Grabbau nach dem Tode Friedrich Wilhelms III. umgestaltet wurde. Zwei Lichtschalen tragend, zeigen sie sich als der Sonne entgegenfliegende Himmelsvögel und wiederholen so an sinnfälliger Stelle die apotheotische Aussage ihrer Artgenossen am Luisenmonument. Die Schäfte der Leuchter, wo die Hören und Parzen die ewige Wiederkehr von Leben und Tod verkünden, ergänzten und erweiterten diese Idee. Erinnerungen an das Bild des Adlers weckend, der als Attribut des Zeus die Götterblitze umkrallt, erhielten jene Greife, die am Luisendenkmal ihre Klauen wehrhaft in den Sitzgrund schlagen, einen nochmals erweiterten Sinngehalt, auf den schon Clemens Brentano hingedeutet hatte: „Mir macht ein schön gearbeiteter Adler, der an der schmalen Seite des Ruhebettes zu Füßen der Königin sitzt, einen eigentümlich rührenden Eindruck durch die sieben lebendigen Blumenkränze, welche als Gabe ihrer sieben Kinder auf dem Marmorboden lagen, und welche er zu hüten schien."34

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Und gleichwie der preußische Adler die welkenden Gaben der Kinder beschützte, so stellte er sich auch vor Luises unverwelkliche Gestalt. Die Allegorie des Adlers war schon in früheren Zeiten politisch umgedeutet worden, indem man die Götterblitze durch weltliche Attribute ersetzte. Ein Jahr nach Waterloo hat auch der Schöpfer des Luisensarkophages einen Adler dargestellt, der eine Schlange niederrang und damit die politische Aussage unverhohlen formulierte: den Sieg der Preußen über das napoleonische Natterngezücht. Zwei ebensolche Vögel hatte der Künstler schon der Königin zur Seite gestellt, die zur Symbolfigur dieses Konfliktes werden sollte. Erschaffen in einer Zeit der Ungewißheit, waren jene aggressiven Greife zweifelsohne von einer unterschwelligen politischen Aussage erfüllt: dem Hoffen auf Preußens Zukunft. Und doch besaßen auch sie eine Mehrdeutigkeit, die der des Bildnisses darüber kaum nachstehen sollte. Königin Luises Sarkophagdenkmal zeigte Distanz zu den überkommen Schemata der Sepulkralplastik. Die Steigerung des Natürlichen betonte den persönlichen Ausdruck und humanen Affekt und zeigte weder korrektes Christentum noch korrekte Antike. Keine gottergebene Christin wartete auf ihren Erlöser, keine Juno auf ihren Jupiter, sondern eine gefeierte Königin auf ihren melancholischen Gemahl und das preußische Volk. Die Säkularisierung tradierter Motive milderte die christliche Demut zugunsten der irdischen Schönheit; auch die Sublimierung des symbolischen Beiwerks überführte die Statue in eine Sphäre zwischen Bedeutungsverlust und Vieldeutigkeit. Einerseits hob das Zurückweichen des Christlichen die Erhabenheit des Menschen selbst hervor, andererseits offenbarte die verbleibende Erinnerung an das Christliche die Ergebenheit des Menschen in die vorgezeichneten Wege. Die Grenze zwischen dem einen und dem anderen aber war so dünn gezogen, daß die Statue leicht vom Mittel des Kultes zum Gegenstand des Kultes werden konnte. Und so gestattete das Werk Personenkult und ließ sich zugleich in das Licht des christlichen Glaubens stellen, den man mit Hilfe der so protestantischen wie patriotischen Luise als untrennbar von den Geschicken der Nation erklärte, die sich stets als Resultat des Wirkens großer Menschen sah und zugleich als Ergebnis himmlischen Wollens sakralisierte. Ersatzreligion wie Volksreligiosität konnten aus der Statue sprechen, die zur Masse sprach, weil sie die christlich geprägten Vorstellungen des Volkes aktivierte, und sich doch immer an den Einzelnen wandte, weil sie überdeutliche Aussagen hinter die Lebensnähe zurückstellte und Assoziationen über Stimmungen zu erzeugen suchte. Das Menschliche, Intime hatte Rauch durch klassische Zitate, überlebensgroße Anlage und behutsame Idealisierung mit dem Außergewöhnlichen zusammengebracht und damit einem Eindruck entsprochen, den viele Zeitgenossen von dieser Frau gewonnen hatten, zugleich aber ein Idealbild entworfen, das die Sicht der Nachwelt auf die historische Luise prägte. Eine weitgehende Immunität war dem Kunstwerk wie dem Modell zu teil geworden, denn erzählte der Mythos, wie es schien, die Dinge einfach so, wie sie sich zugetragen hatten, so zeigte, wie es hieß, auch die Statue schlichtweg eine Königin, wie

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sie gewesen war und wie man sie empfunden hatte. Entrückt war deren Idealgestalt über dem Grab daher nicht so weit, daß sie nicht mehr Vorbild, Ansporn und Mahnung sein konnte. Entstanden in einem eigentümlichen Prozeß wie in einer Zeit großer Umbrüche, hat das Grabbild konträre Erfordernisse und Ansichten in einer Synthese aus Traditionellem und Unkonventionellem, Akademischem und Anschaulichem zusammengeführt, unterschiedlichen Kreisen unterschiedliche Sinnangebote unterbreitet und damit einen Ausgleich geliefert, wie auch der Mythos ihn geliefert hatte. Ein Werk war erschaffen worden, das weitgehend für sich stand und darum für vieles andere stehen konnte, ein Werk, das zwischen Spiegel und Erzeuger des Mythos schwankte und als Tatsachenbericht wie als Verklärung betrachtet wurde, als Erinnerungsbild wie Andachtsbild, als Denkmal wie als Dokument. Und all das hat die Statue unnahbar gemacht und sie dem Menschen zugleich so nahegebracht, daß er sich ihr nicht entziehen konnte. Eine Figur war entstanden, die Liebhaberin, Mutter und Königin, Engel, Heilige und Göttin, Trösterin, Verführerin und Beschützerin zugleich sein konnte und damit alle Rollen in sich vereinte, die Luise im Leben und Nachleben zu spielen hatte. „Das ist das Bild der Königin Luise, wie es der Künstler in Wahrheit geschaut, wie es die Zeitgenossen kannten und wie es fort und fort in den Herzen ihres Volkes lebt." 35 Luises Mythos war eine immaterielle Macht. Luises Grabbild gab dieser Macht Gestalt. Das Ende der Königin Luise war der Anfang des Christian Daniel Rauch. Ein Abguß vom Haupt der Grabfigur hatte noch vor der Ausführung der Statue in Marmor die Aufmerksamkeit des kunstsinnigen bayerischen Kronprinzen Ludwig erregt, der dem Bildhauer ein langjähriger Mentor wurde.36 Die königliche Akademie zu Berlin hat den Künstler nach der Vollendung des Sarkophagmodells in ihre Reihen aufgenommen; nach der Fertigstellung in Marmor folgte man in Rom dem Rat Canovas und machte den Bildhauer ebenfalls zum Mitglied der Akademie. 37 Ein Grabstein war Grundstein einer einzigartigen Künstlerkarriere. Der Kammerdiener Rauch wurde zum einflußreichsten deutschen Bildhauer seiner Zeit und sein Werdegang zum Kapitel der Nationalgeschichte. Eine weit über die historischen Fakten hinausgehende Bindung des Künstlers an die Königin untermauerte den Mythos der Luise wie den Zauber ihres Grabbildes und bescherte dem „Priester der Schönheit und Anmuth" eine Künstlerlegende, die ihresgleichen suchte. 38 „Was die Königin ihm getan, hat ihr der Künstler durch die edelsten Schöpfungen seines Meißels vergolten, und beider Namen leben fortan untrennbar verbunden in der Geschichte deutscher Kunst."39

10 Die Königin und der Kammerdiener „ Und hätte er Nichts weiter geschaffen als das Marmorbild jener schlummernden Königin, deren Herz gebrochen vor Leid über das Schicksal ihres Landes, als jene Märtyrerin, über deren Antlitz ausgegossen ist die Weihe heiliger Verklärung - er würde dennoch unsterblich sein. Rudolf Löwenstein 1877

Christian Daniel Rauch starb am 3. Dezember 1857. Am 20. März des folgenden Jahres veranstaltete man eine Gedenkfeier fiir ihn in der Königlichen Akademie der Künste. Ein Adagio wurde gespielt und eine Rede gehalten, anschließend folgte ein Oratorium für Solisten, Quartett und Chor, zu welchem Friedrich Eggers den Text geliefert hatte und Wilhelm Taubert die Musik. Das Stück schilderte im Wechsel von Gesang und Rezitativ die Aufnahme des Bildhauers in den Himmel, wo ihn die vorausgegangenen Helden empfingen, die er auf Erden durch seine Kunst verewigt hatte.2 Ein Solist unterbrach den anhebenden ,Chor der Seligen' und sprach: „Denn so wie er gewollt, also ist es geschehn!" Der Wahlspruch der Königin Luise, wie er auf dem Boden neben ihrem Grabmal stand, eröffnete damit den Reigen der Modelle um ihres Bildners Himmelfahrt. 3 Das Luisendenkmal hatte den Aufstieg des Bildhauers zum „Herold des preußischen und deutschen Ruhmes" 4 begründet; dem Erfolg jenes Werkes verdankte Rauch, wie er selbst vierzig Jahre später schrieb, sein „Lebensglück".5 Kammerdiener der Königin Luise war Rauch gewesen, und dieser phantasieanregende Umstand war Anlaß wie Anfang seiner Künstlerlegende. Das Wissen um die Wurzeln des Meisters und seines großen Werkes gehörte im Preußen des 19. Jahrhunderts zum vaterländischen Bildungsgut. Zahlreiche Luisenbücher hatten die Geschichte des Sarkophages populär gemacht; erzählt wurde sie meist den Ausfuhrungen von Friedrich Eggers folgend, der die Entstehung der Statue in seiner Lebensbeschreibung des Bildhauers auf ansprechende Weise dargestellt hatte: „Und hiermit beginnt die berühmte Geschichte des Grabmals der Königin Luise."6 Einige Jahre vor den einhundertsten Geburtstagen des Künstlers und der Königin erschienen, inspirierte der erste Band des Eggerschen Werkes manchen Redner, der den Mythos aus den Zeilen des Kunstgelehrten extrahierte. „Die Geschichte dieses Denkmals kann man nicht ohne Rührung lesen", sprach Eduard Dobbert 1877, und der Rührung wegen wurde die Geschichte wieder und wieder ausgeschmückt.7 „Der Biograph Rauchs erzählt uns, wie huldvoll die Königin das Talent Rauchs unterstützt,

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ihm Zeit gelassen für Studien und ihm sogar gestattet habe, in ihrem Vorzimmer zu modellieren", berichtete Rudolf Löwenstein seiner Zuhörerschaft.8 Eggers jedoch hatte diese Jahre im Künstlerleben mit düsteren Farben ausgemalt; die „Werkstatt in dem Vorzimmer der Königin" war bei ihm ein Bild der Hoffnungslosigkeit: „Ich hatte damals nur e i n e n Gedanken", zitierte er Rauch, „und der war: Fort!"9 Der Mythos aber deformiert die Geschichte. Erinnerte sich der Bildhauer auch oft daran, wie „sehr gestört" er durch den Dienst bei der Königin gewesen war, so paßte doch deren vermeintlich generöse Unterstützung weit besser in den Mythos und die Künstlerlegende.10 Königin und Kammerdiener waren nahezu im gleichen Alter, doch machte der Mythos der großen Mutter den Künstler zum „Knaben", der von Luise, deren „helle Augen offen waren für alles Außerordentliche", schon früh „in seinen angeborenen Talenten zur schönen Kunst" erkannt und gefördert worden war, wie man schon 1845 bei Eylert lesen konnte.11 Königin Luise, so der Bischof weiter, bemerkte im Diener „das Idealische, Naturgemäße" und sorgte darum dafür, daß sich sein Genius „frei und heiter" entfalten konnte. Und dieser großherzige Einsatz kam zum hundertsten Geburtstag Rauchs auch auf die Bühne: Ernst Wicherts Einakter Die gnädige Frau von Paretz erzählte von der Entdeckung des talentierten Lakaien durch die Königin, die ihn am Ende zur Ausbildung nach Italien schickte.12 Erst hatte Luise den Kammerdiener „der Kunst vermählt" und ihm dann „das Thor zum warmen Süden" aufgesperrt13; ihr Bild war darum „mit dem Gefühle dankbarster Verehrung [...] in seinem Gedächtnis eingeprägt".14 Und auch die Möglichkeit, dem Dank Ausdruck zu verleihen, hatte sie ihm bald geben, als das Unglück sie dahinraffte. Das Wissen um die im Stein erhaltene Dankbarkeit bestärkte die patriotische Sendung des Sarkophages, entsprach sie doch den Emotionen, die das Volk für die sich opfernde Monarchin empfand und auch empfinden sollte. „Was Rauch durch seinen früheren Lebensgang geworden", schrieb Eylert, „ist er geworden durch die freundliche Huld der Königinn, und Sie, die weckte und unterstützte, war es, die das Licht, welches jetzt in gelungenen Werken der Mit- und Nachwelt leuchtet, so hoch stellte. Der Künstler band also an die früh Verewigte das Gefühl ehrfurchtsvoller Dankbarkeit; und was diese in einem edlen Gemüth vermag, wie sie alle Schwierigkeiten besiegt, wie sie wählt und verwirft, wie sie sich nie ein Genüge thut, und eben darum das Außerordentliche leistet, wissen alle die, welche ihre himmlischen Kräfte kennen. Aus dieser reinen und edlen Quelle ist das bildhauerische Kunstwerk ,Die Königinn im Tode' hervorgegangen; man hat es bewundert und wird es bewundern lange nach uns."15 Ein Geheimnis aber blieb auf Dauer nicht, daß jener ideellen Förderung keine finanzielle folgte; in der Tat war die Pension des Kammerdieners so kärglich ausgefallen, daß Eggers dessen Entlassung später eine „halbe Ungnade" nannte. Die Not des Bildhauers, der in Rom nur mit Hilfe der Humboldts überleben konnte, war der Monarchin mehrfach vorgetragen worden, noch ein Jahr vor ihrem Tod aber erteilte sie der Bitte nach höheren Zahlungen an Rauch eine Absage.16

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Königin Luise hatte selbst nicht viel in jenen Tagen, doch lag ihr Mäzenatentum ohnehin auf einer Ebene jenseits des schnöden Geldes, denn es war immerhin ihr Geist gewesen, der den „schlummernden Genius" des Dieners zum Leben erweckt hatte. Und dieser begann sich „zu regen" und die „Schwingen zu fühlen" im Vorzimmer einer Frau, die Künstlerbiograph Eggers mit einem einzigen Satz charakterisierte:17 „Luise von Preußen, begabt mit allen Tugenden, die den Menschen adeln, mit aller Anmuth, die ihn zieren können."18 Eine ordentliche Ausbildung zum Bildhauer war dem Lakaien zwar versagt, die Gegenwart Luises aber machte diesen Mangel wieder wett. Die „Lehrmeister" des Künstlers nämlich, wie Löwenstein 1877 erklärte, waren allein „die Natur und leuchtende Vorbilder"19, und demnach war das Vorzimmer der idealen Königin die beste Schule für jenes „junge, geistig hoch erregte Geschlecht, das sich mehr mit Ideen als mit Anschauungen nährte".20 Das „Bild" der Königin Luise war „in einem entscheidenden Momente seinem Geiste eingeprägt worden, es arbeitete fort darin"21, doch trotzdem „währte es geraume Zeit, bis der also Gesegnete sich der Gaben, mit denen er ausgestattet worden, bewußt wurde".22 Zweifel an der eigenen Größe aber schob die Vorsehung zur Seite: Eigentlich habe Rauch nur gehorchen wollen, so Eggers, als er nach dem Tod der Königin dem Auftrag ihres Witwers folgte und ein Monument skizzierte. „Daß gerade er diese Aufgabe in idealem Sinne zu lösen bestimmt war, davon hatte er noch keine Ahnung." 23 Luise aber sollte die Sache selbst entscheiden, nahm doch ihre Marmorbüste in Berlin für Rauch „das Wort".24 Die Künstlerlegende des Christian Daniel Rauch wurde über den Luisenmythos geformt, den sie motivisch wiederholte. Erzählte der Mythos vom Wirken der Königin im Leben wie über den Tod hinaus, so wurde dieses Muster auch auf den Werdegang des Künstlers angewendet, denn wie der Opfertod der Landesmutter die Preußen aus dem Dämmerschlaf gerissen hatte, so wuchs im Sterben jener Muse auch der Genius ihres Dieners erst zur vollen Größe. Und da es dessen Hand wiederum vergönnt gewesen war, ihr Bild „mit den Mitteln seiner Kunst ins Leben zu rufen", überspannte das mythische Motiv von Tod und Wiedergeburt auch in der Künstlerlegende das Jahrhundert. 25 Königin Luise hatte den sie am Leben erhaltenden Bildner gleichsam selbst geboren und bot sich dem „zu großem Schaffen" Angeregten im Tode nun zur Schaffung eines Kunstwerks an, wobei sie Modell und höhere Eingebung zugleich sein sollte.26 Die Künstlerlegende band das Fortdauern der toten Königin im Bilde bruchlos an Luises Existenz. Kunstwerk wie Karriere, von Luise selbst hervorgebracht, füngierten als mythenstabilisierende Elemente. Kammerdiener Rauch, bald ein berühmter Mann, war fortan Figur des Mythos und lebte jenseits der Zeitlichkeit. „Unsterbliche Thaten verherrlichend", hatte er „selbst Unsterbliches geschaffen", und so glich sein Aufstieg dem der Preußen nach dem Tod der Königin Luise.27 „Solch eine Arbeit einem genialen Anfänger sich darbietend, der sich seiner Kraft bewußt ist, zeigt ihn als Liebling des Glücks."28 Die

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Wendungen der Geschichte zurrten den Mythos fest, denn „wer hätte damals ahnen können, daß sich vor dem schönen jungen Diener einst neigen würden die Kammerherrn des Königs?"29 Eine vielgerühmte Eigenschaft des Christian Daniel Rauch hatte ihn als Porträtist der schönen Königin noch über sein handwerkliches Talent hinaus qualifiziert: Der „Heldendichter" der Nation galt selbst als Mann von auffallend schöner Gestalt. Eggers hatte das Außere des Künstlers schon mit dessen Karriere verknüpft, als er schrieb, der „harmonisch durchgebildete junge Mann" habe bei Hofe schon früh große Erwartungen geweckt.30 Und gleich der schönen Königin Luise hat auch der schöne Rauch die Gegenwart wie Nachwelt nicht enttäuscht. Der mannigfaltig angewandte Glaube, daß Schönes stets Schönes gebäre, fand Zeugen in den Hohenzollern wie im Haupt des Künstlers, der viele von ihnen porträtiert hatte. „Sein schöner und ausdrucksvoller Kopf, der zu vielen Bildnissen Anlaß gab, erweckte den Eindruck, als wenn er aus seinen eigenen Meisterwerken hervorgegangen wäre"31, schrieb Lionel von Donop, und laut Carl Neumann floß die Kraft: der eigenen Schönheit dem Künstler wieder aus der Hand: „Wie Rauch selbst bis in sein Alter als eine schöne Erscheinung auffiel, hochgewachsen von seinen Zügen und mit sicherem Auftreten, so sind alle seine Werke ausgezeichnet durch einen harmonischen Zug und beruhigtes Gleichgewicht."32 Nationalismus und Anthropologie verschmolzen oft im 19. Jahrhundert. Schönheit hieß Gesundheit und Gesundheit Überlegenheit. Zwangsläufig klangen solche Töne auch in den Reden auf den Künstler an; Löwenstein vor allem hatte sich der nationalistischen Agitation verschrieben und mit Blick auf die „angekränkelte" Franzosenkunst den Werken des schönen Deutschen „vollkräftiges Leben" und „frische Gesundheit" attestiert.33 Eine beliebte, für den Schulunterricht gedruckte Auswahl von Gedichten aus den Befreiungskriegen verband schließlich auch die neue „Kraft" und „Lebenswahrheit" der patriotischen Poeten mit dem gleichgearteten Werk des Bildhauers und untermauerte damit die Kraft der Statue wie den Mythos der Luise: „Wie die deutsche Bildhauerkunst in Christian Rauch, dem Schöpfer des berühmten Grabmals der Königin Luise, unter dem mächtig fördernden Eindruck der gewaltigen Zeitereignisse neuer volkstümlicher Blüte entgegenging, so streifte die deutsche Lyrik in der Zeit der Freiheitskriege mit einem Schlage vieles Gekünstelte und Krankhafte ab, das ihr bis dahin angehaftet hatte."34 Und auch Erotisches zwischen der „edlen Königin Luise" und deren „männlich schönem Liebling"35 wollte die Nachwelt wittern, da der „schöne junge Mann" am Hof den „angenehmsten Eindruck" hinterlassen und seine Wirkung auf die sinnliche Monarchin sicher nicht verfehlt hatte.36 „Rauch war ein ausnehmend schöner Mann und die Königin Luise ihm wohl gesonnen."37 Das Grabmal seiner „geliebten Königin" war dem unglücklichen Künstler darum eine Aufgabe gewesen, die ihm „nicht gemäßer sein konnte", da sie ihm „sein ganzes Inneres daran hinzugeben" erlaubte.38

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Die Statue geriet zum Minnedienst des edlen Ritters Rauch, der sich seiner Königin sublim, mit Hammer und Meißel, näherte. „Das Herzensbedürfnis des Königs, vor allem ein Abbild seiner geliebten Gemahlin vor Augen zu haben", schrieb Eggers, habe die Form des Denkmals bestimmt; Sache des Künstlers sei indes gewesen, „durch die feinste Abwägung die Fülle der Anmuth, welche das Leben beseelt hatte, auch dem Steine aufzuprägen, daß er Leben gewönne". 39 Ewiger Beweis flir das Gelingen dieser Aufgabe und die wahrhafte Verwandlung des Gefühls in Stein war die Erfindung vom weinenden Witwer im Mausoleum zu Charlottenburg, wo dieser „unter Thränen tiefster Rührung" dem Bildhauer „das reichste Lob" gespendet habe.40 Ein Geflecht von Gefühlen untermauerte die Geschichte. Die Liebe zum Vaterland hatte Luise das Leben gekostet, die Liebe des Gatten baute ihr das Mausoleum, und die Liebe zu seiner Herrin führte auch dem Bildhauer die Hand. Die großen Emotionen des Luisenmythos wurden schon von Anfang an auch in die Statue hineingelegt, deren Schöpfer nun geliebt wurde und Gemeinschaft stiftete, wie dies zuvor schon sein Modell getan hatte. Ein „Liebling nicht bloß der höchsten Kreise, sondern auch des Volkes"41 war der Bildhauer durch das Luisendenkmal geworden, erklärte Rudolf Löwenstein; es sicherte ihm „für immer" einen Platz in Preußens „Herz" wie „Kunstgeschichte".42 Der Glaube an eine hochemotionale Beziehung zwischen Bildhauer und Königin hatte erhebliche Auswirkungen auf die Rezeptionsgeschichte der Luisenstatue und prädestinierte diese auch als nationales Monument. Eine Epoche im Umbruch, die Ehrfurcht vor Staat und Krone durch Liebe zum Vaterland und seiner .ersten Familie' ersetzte, erhielt mit jenem Grabbild ein höchst wirkungsvolles Werk. Erzählungen über den „mit hingebender Liebe" meißelnden Kammerdiener unterstrichen die sinnliche Einzigartigkeit des Ergebnisses und redeten jenem Zauber des Bildes das Wort, der später die Geschicke der Nation bestimmen sollte.43 Das Grabdenkmal der Königin, meinte Lionel von Donop, war „die gereifte Frucht" von Rauchs „genährtem Jugendenthusiasmus" flir die königliche Familie.44 Enthusiasmus für Preußen, das Deutsche Reich und die Hohenzollern wurde im 19. Jahrhundert zur Kardinaltugend des guten Staatsbürgers, der wiederum nun jeden Helden der Geschichte nach seinem Einsatz für das Vaterland befragte. Und Rauch, obgleich er nie eine Waffe in die Hand genommen hatte, brauchte den Vergleich mit großen Kriegern nicht zu scheuen, galt seine Schöpfung der Luisenstatue doch als patriotische Tat. Das Bild wurde zum Nationalheiligtum, sein Bildhauer zum „Feldherrn der Kunst".45 „Während seiner römischen Lehr- und Wandeijahre empfand Rauch aufs tiefste den Schmerz um den Niedergang Deutschlands und Preußens", versicherte Lionel von Donop. „Das Maaß der Trauer füllte sich, als die Nachricht eintraf, daß die Königin Luise am 19. Juli 1810 in der Blüte ihrer Jahre gestorben war."46 Zwei Jahre später, als der Bildhauer nach Italien zurückgekehrt war, hatte er die römische Künstlerschaft im Taumel der Begeisterung über Napoleon gefunden, voller Träume „von der Wieder-

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Herstellung der alten Kaiserherrlichkeit".47 Zu Ehren des .fränkischen Cäsar' schuf Bertel Thorvaldsen seinen berühmten Alexanderfries, und Antonio Canova porträtierte die Familie Bonaparte in unerreichter Meisterschaft. „Seit drei Jahren sind ungefähr 1500 Büsten Napoleons gemacht", berichtete Rauch an Caroline von Humboldt. „Sie haben gar keinen Begriff davon was für Arbeiten hier gemacht werden und wie das Volk den Marmor würgt."48 Ein dumpfer Nationalismus aber war dem Bildhauer noch fremd; schwerer als seine patriotische Gesinnung wog seine Künstlerseele. Lorenzo Bartolinis Kolossalstatue des Korsen als Beförderer des Meerhandels lobte er für ihr „schönes Sujet", Canovas Bronzebüste desselben fand er „vortreflich gelungen" und den Fries des Dänen nannte er „das Beste, das die neuere Zeit in dieser Kunst hervorgebracht hat".49 Das Innerweltliche des Künstlers aber lag der Bedeutung seiner Aufgabe gemäß „in ganz entgegengesetzter Richtung", wie sein Biograph beteuerte. Entbrannte auch ganz Rom für die „Verherrlichung des Einen", so sollte der Bildhauer doch „die Todfeindin des allmächtigen Herrschers, seine geliebte Königin verherrlichen. Mit diesem sicheren Schatz im Herzen betrachtete er das lebendige Treiben in Rom von der technischen Seite."50 Zwischen der Ruhmsucht der Franzosen und der „bereitwilligen Unterwerfung der Römerseelen" eingezwängt, war Rauch „mit dem Herzen" doch beim deutschen Volk. Die Empfindungen jener Tage legte die Legende in die Luisenstatue: „So verfolgte ihn ewige Unruhe: von der Arbeit in die Politik, von der Politik in die Arbeit", und die „liebste Trösterin" war ihm die Arbeit am Luisenmonument.51 Die Verhaftung durch die französische Militärpolizei im September 1813 war für Rauch der Ritterschlag als Patriot.52 Eine rege Korrespondenz hatte den Bildhauer in Italien verdächtig gemacht; nachdem man seine Geschäftsbriefe beschlagnahmt und ihn für einen Tag in Arrest genommen hatte, wurde ihm im November die Deportation angekündigt. Erst nach Intervention Canovas und einer französischen Künstlerdeputation gestattete man Rauch die Weiterarbeit. Zwar sollte er die konfiszierten Dokumente zurückerhalten, die Briefe des preußischen Hofmarschalls jedoch, die das Luisenmonument betrafen, blieben einkassiert. Kurz vor Weihnachten erhielt der Künstler Order aus Paris, die seinem weiteren Aufenthalt in Rom die Bedingung auferlegte, daß er sich fortan allen unerlaubten Tuns enthalte. „Hiernach war also der Briefwechsel über die Statue der Königin Luise mit dem Geschäftsträger ihres hohen Gemahls der unerlaubteste gewesen", mutmaßte Eggers, und auch andere sahen in diesem Vorgang später den Beweis für die Kraft der toten Königin, deren Bild den Feind schon damals geängstigt hatte.53 Eggers hat die vaterländische Gesinnung des Künstlers ausführlich dargelegt und die Landkarten an den Wänden von Rauchs italienischer Werkstatt beschrieben, auf denen der Bildhauer mit Begeisterung die Bewegungen der heimischen Heerscharen im Kampf gegen Napoleon nachgezogen hatte. Das triumphierende Deutschland ließ ihn gar die höchste Kunst vergessen, konnten seine Karten ihn doch mehr beglücken „als ein Bild Raphaels es vermocht hätte".54 Und während Rauch bald „in der Lust"

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schwelgte, „fortströmend die Gedanken in Modelle und diese in Marmor umzuwandeln"55, erging es den marmornen Bonapartes umgekehrt: „Alle Statuen und Büsten Napoleons wurden gänzlich zertrümmert, eine Maßregel, die auf die Bildnisse seiner Familie ausgedehnt wurde."56 Das Grabmal der Königin Luise galt als Rauchs Tribut an die Befreiungskriege. Kämpfen konnte Rauch zwar nicht, gerne aber hätte er auch „in der Wirklichkeit die Empfindungen der Kampfesthätigkeit durchgemacht" und „wäre mitmarschiert", wie Eggers versicherte.57 Das Schicksal aber hielt Aufgaben für ihn bereit, die der Nation ebenso zu Diensten waren: die großen Denkmalsaufträge nach dem Sieg über Napoleon, die selbstverständlich allesamt an Rauch gegangen waren, da der König um sein Können wußte. Karriere und Werke des Bildhauers jedoch wurden durch den Mythos ebenso selbstverständlich in einen höheren Sinnzusammenhang gebracht, schuf doch der Schöpfer des Luisensarkophages, von der Königin erweckt, die Monumente jener Generäle, die vom Geist der toten Landesmutter zu den Waffen getrieben worden waren und die man als Vollstrecker ihres letzten Willens kannte. Keine Mühen und kein Opfer hatte das Volk im Kampf gescheut, und alles gewagt und alles gegeben hatte auch der unbekannte Bildhauer mit seinem Erstlingswerk. „Niemals war ein beginnender Künstler auf eine solche Probe vom Schicksal gestellt worden", schrieb Herman Grimm. „Und Rauch bestand die Probe."58 Epochal war der Lohn der Mühe: „Nach den Freiheitskriegen kam ihm dann die große Ernte zu, die Standbilder unserer Feldherrn aufzurichten."59 Konstruierte die historische Mythologie der Deutschen eine kontinuierliche Nationalgeschichte im 19. Jahrhundert, so gaben die Rauchschen Heldenbilder dieser Geschichte Sichtbarkeit. Und weil nach 1871 die Befreiungskriege als unmittelbare Vorgeschichte zur Reichsgründung betrachtet wurden, erhielt auch der „monumentale Geschichtsschreiber"60 dieser Ära seinen Platz in der deutschen Nationalgeschichte, stand doch sein Wirken ebenfalls „in engstem Zusammenhange mit der Erhebung Preußens, mit dem Aufschwünge Deutschlands!"61 „Das ist ja das Wesen und höchste Ziel aller Kunst, daß sie das Volk veredele", erklärte Rudolf Löwenstein dem Verein Berliner Künstler,; und daß Rauch dieses Ziel mit aller Präzision angegangen war, daran ließ der Militäijargon des Redners keinen Zweifel. Die Werkstatt des Bildhauers wurde zum Exerzierplatz der Kunst, wo der Meister, „von seinem Generalstabe und der Leibgarde zuverlässiger Gehilfen" umgeben, „Heerscharen" von Schülern nach täglicher „Musterung" in ihren „heiligen Beruf' entließ, „das befreite Deutschland" und schließlich dessen „siegreichen Heldenkaiser" zu verewigen: „O herrliche, patriotische Aufgabe, die Euch, den Jüngern, zufallt!"62 „Wer will ermessen", fragte Eduard Dobbert 1877 in Gegenwart der Kaiserfamilie, „wie weit die Rauch'schen Heldengestalten mitgewirkt haben an der patriotischen Erziehung der Nation! Daß sie nicht ohne Einfluß bleiben konnten auf die Tausende, welche täglich an ihnen vorbeigehen, liegt auf der Hand, oder es müßte auch das Lesen von den Großthaten der Vorfahren ohne Einfluß auf die patriotische Haltung der späteren Generationen sein!"63

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„Kein Zweiter" war wie Rauch „der patriotische Künstler Preußens geworden"; die Geschichte seiner Kunst ging darum auf in der historischen Mythologie der Deutschen, sakral überhöht mit Motiven aus der Schöpfungsgeschichte.64 „Wenn ein Volk durch große Thaten, durch welterschütternde Ereignisse in ein neues Stadium der Entwicklung tritt, so ist das Bedürfnis vorhanden, daß dieser Aufschwung auch in der Kunst zum Ausdruck komme", erklärte Dobbert. „Es sind neue Gedanken, neue Gefühle in der Nation entstanden [...]. Zunächst aber befindet sich diese neue Gedanken- und Gefühlswelt gleichsam in chaotischem Zustande; es muß erst ein Genius kommen, der dieses neue geistige Leben in sich sammelt, der das, was bisher bloß dunkel empfunden ward, zur Klärung bringt, es in scharfe Formen faßt."65 Das Wiedererwachen des deutschen Nationalgeistes an der Bahre der Königin Luise erhielt Entsprechung in der Kunst, bezeichnete Rauch doch „in Deutschland die Ära des neu erwachten Kunstsinns; die Kunst aber - gleichviel mit welchen Mitteln sie schafft - ist eine Bildnerin der Menschheit. Und also gebührt auch unserem Gefeierten ein Ehrenplatz unter den Erziehern des Menschengeschlechts."66 Die Königin war ihrem Kammerdiener das gewesen, was sie der Nation gewesen war: ein „Schutzgeist".67 Und wie die Schülerschar des Bildhauers die Denkmalkunst noch in der Zeit des Kaiserreiches prägte, so trug ein Kind Luises nun die Kaiserkrone.

11 Schinkels erste Gönnerin „Aber immer ist's gut, daß man Schinkel dazu braucht. Wilhelm von Humboldt 1810

Karl Friedrich Schinkel und Christian Daniel Rauch hatten sich am 5. März des Jahres 1811 in Berlin kennengelernt, dem Tag, als der Bildhauer zur Modellierung des Luisengrabmals aus Italien zurückgekehrt war; erkennen aber sollten sie einander erst vier Jahre später im Luisentempel, wo die Sarkophagskulptur nach langem Warten angekommen war und der Mythos nur noch wartete, bis man die Kiste öffnete.2 Der Architekt, schrieb Friedrich Eggers, sei aus dem Staunen nicht herausgekommen und habe sich kaum satt sehen können „an der Schönheit der Anordnung und der vollendeten Ausführung. Der architektonische Freund findet plötzlich recht augenfällig neben sich die ebenbürtige plastische Kraft für die Verwirklichung des großen Gedankens seines Freiheitsdomes und der umfassenden Pläne, die sich für die gesammte Kunstübung daran knüpfen [...]. Auf diese schöne und grandiose Weise erfaßten beide Männer die Friedensaufgabe des neuerstarkten Nationalgeistes, wodurch sie sich angeregt und berufen fühlten, von dem Hochgefühl ihrer Nation in unvergänglichen Werken der Kunst Zeugnis abzulegen."3 Ein Freiheitsdom wurde zwar nicht gebaut, das Denkmal für die Befreiungskriege auf dem Kreuzberg in Berlin jedoch schufen Schinkel und Rauch in enger Zusammenarbeit. Die Karrieren von Bildhauer und Architekt hatten in den letzten Lebensjahren der Königin Luise begonnen und waren beide auch auf ihre Weise mit dem Tode der Monarchin verknüpft. Künstlerisch sollte sich Schinkel wie sonst nur Rauch mit dem Ereignis auseinandersetzen, und so war es nur eine Frage der Zeit, bis der Mythos nach dem Werdegang des erfolgreichsten deutschen Bildhauers auch den Aufstieg des größten Architekten seiner Zeit mit dem Leben und Sterben der Königin Luise emotional zusammenbrachte; Schinkel und Rauch standen schließlich nicht von ungefähr in lebenslangen Diensten eines Königs, „dem ihre Tätigkeit Herzenssache" gewesen ist.4 Der Luisenmythos als Geschichte der Nation bekam mit Schinkel wie schon mit Rauch eine zusätzliche Stütze. Das „würdig Festkleid", das beide Künstler der preußischen Hauptstadt mit ihren Monumenten nach den Freiheitskriegen gaben, war immer auch das Kleid der Königin Luise.5 Ende des 19. Jahrhunderts sollte der Luisenmythos auch die Schinkelrezeption beeinflussen, mit ganz eigenen Absichten aber hatte der Architekt auch selbst schon Arbeit am Mythos geleistet. Schinkel wollte aus dem Tod der Königin Luise Nutzen für seine Karriere ziehen; die Aufmerksamkeit, die das Ereignis erregte, machte er dingbar für seinen Wunsch nach eigener Bautätigkeit. Lange hatte der Künstler auf

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diese Chance gewartet. Konnte Schadow schon mit dreißig Jahren auf ein bedeutendes Werk zurückblicken, so hatte Schinkel, wie auch Rauch, im gleichen Alter noch kein nennenswertes Vorhaben realisiert. Erstmals, so die Überlieferung, waren sich Architekt und Königin bei der Ausstellung eines Dioramas begegnet, einer jener kreisrunden Monumentalmalereien mit Ansichten ferner Länder, durch die sich Schinkel nach 1805 in Berlin einen Namen gemacht hatte. Ein halbes Jahrhundert später noch erinnerte sich Schadow, daß Schinkels Panoramen damals alles übertrafen, „was man bis dahin in diesem Fache gesehen hatte".6 Karl Gropius, dessen Vater Schinkels Dioramen zeigte, teilte später mit, daß damals auch die Königin von der Malerei des Architekten gehört und eine Vorstellung erbeten habe, zu der ihr Gatte sie begleitete. Auf ihren ausdrücklichen Wunsch hin habe Schinkel selbst sein Werk erläutert und dabei großen Eindruck gemacht, denn „es war dies die Gelegenheit, von wo ab Schinkel's bisher sehr beschränkte Stellung eine andere wurde".7 Schinkel stattete im Jahre 1809 die Berliner Gemächer der Königin mit Möbeln aus; der Auftrag hierzu war bereits vor der Rückkehr des Hofes aus dem Exil ergangen, da man Schinkel dem Hofmarschall als talentierten Künstler angepriesen hatte. Ergangen war diese Empfehlung, wie es scheint, durch Wilhelm von Humboldt, der Schinkel von gemeinsamen Tagen in Rom her kannte und sich später auch dessen Ernennung zum Oberbauassessor als Verdienst anrechnen sollte. Und Humboldts Engagement war von Erfolg gekrönt, erhielt sein Schützling doch „die lebhafteste Anerkennung" der Königin, wie Franz Kugler 1842 berichtete.8 Zimmer für die Monarchin hat Schinkel später noch in den Schlössern zu Charlottenburg und Potsdam eingerichtet. Kleine Aufträge von intimem Charakter öffneten ihm die Tür zum Hof, und wenngleich er noch nicht bauen konnte, so brachten seine Möbel ihm doch erstmals auch von höchster Stelle die ersehnte Aufmerksamkeit. Wie wertvoll jene Arbeiten für seine Karriere waren, hat Schinkel nie vergessen: Den „Beifall der Königin" zu seinen Entwürfen nannte er noch Jahre später sein damaliges „Glück".9 Der Erfolg seiner Dioramen und Möbel wurde für Schinkel zum Anschub seiner Architektenkarriere. Kurze Zeit später berief man ihn in die Technische Oberbaudeputation, wo er mit der Stelle eines Assessors zwar eine nachgeordnete, keinesfalls aber unwichtige Position besetzte, in der er vor allem die künstlerischen Erfordernisse des Bauwesens zu überwachen hatte. Zwei Monate nach seiner Einstellung starb die Königin, und Schinkel, den es zum Bauen drängte, witterte sofort die große Chance. Die Kunde vom Bau eines Mausoleums hatte sich rasch verbreitet. Schinkel, wie Schadow schrieb, war unter allen Künstlern „der erste, welcher mit einem Entwürfe dazu fertig war"; er habe den „sehr einfachen" Geschmack des Königs ignoriert und statt dessen aller Welt gezeigt, wie wenig er „an Beschränkung dachte".10 Ein Rätsel ist es aber heute noch, ob wirklich ernst gemeint war, was Schinkel im September 1810 auf der Akademieausstellung präsentierte. Einerseits wiesen ein Grundriß und zwei Ansichten (Abb. 19) auf mehr als eine bloße Phantasie, andererseits schien gera-

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de diese mit dem Künstler durchgegangen zu sein, als er dies gotische Elfengrab erfand, getaucht in rosafarbenes Dämmerlicht. „Ein mannigfach gewölbter Raum", beschrieb Schinkel sein Projekt (Abb. V), „dessen Bögen sich auf freistehende Säulen zusammenziehn, so angeordnet, daß die Empfindung eines schönen Palmenhains erregt wird, umschließt das auf Stufen mit vielen sprossenden Blättern, Lilien- und Rosenkelchen sich erhebende Ruhelager. Die schöne Gestalt der Königin liegt mit der Krone auf dem Haupt hier in sanfter Ruhe. Zwei himmlische Genien mit ausgebreiteten Flügeln und Palmzweigen in den Händen stehn auf sprossenden Lilien an der Seite des Haupts, blicken hold auf dasselbe hinunter und streuen Blumen darunter; ein anderer Genius an den Füßen auf einem Blätterkelch knieend, schaut zum Himmel im Wonnegefühl der Anschauung Ihres verklärten Geistes." 11 Schinkel hatte seinem Entwurf einen Text beigegeben, der im Katalog der Ausstellung abgedruckt wurde und noch in einer zweiten, ausführlicheren Fassung existiert. Das Mausoleum gab ihm Gelegenheit zur Niederschrift seiner Gedanken über die Baukunst an sich, und so wurden seine Notizen, der eigentlichen Aufgabe fast entledigt, zum künstlerischen Manifest. „Unter den seltenen Aufgaben, welches das gegenwärtige Zeitalter der Baukunst in höherer Kunstrücksicht giebt, scheint mir die für den vorliegenden Gegenstand geeignet, um an ihr zu zeigen, daß das Wesen der Baukunst einer höheren Freiheit fähig ist, als die neue Zeit demselben gewöhnlich zugestehen will."12 Enthusiastische Gotikbekenntnisse gegenüber der unzweckmäßigen „Architektur des heidnischen Altertums" entzündete Schinkel an seinem Projekt: „Die Architektur des in Rücksicht des Todes trüben und finsteren Heidentums schien mir für diesen Zweck bedeutungslos und das Bedeutsame dafür mußte neu geschaffen

Abb. 19 Karl Friedrich Schinkel: Entwurf fiir ein Mausoleum

werden,

der Königin Luise, Außenansicht, 1810

WOZU

mir das religi-

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ose Mittelalter einen Fingerzeig gab, an dessen Werken sich die Darstellung einer freien Idee, die emporhebt über die nackte Bedürftigkeit, so ergreifend ausspricht." Errichtete auch Gentz längst einen griechischen Tempel, der eine freie Diesseitigkeit zelebrierte und das „erstarrte" Mittelalter mit allen Mitteln von dem Bauwerk fernhielt, so pries Schinkel unterdessen die transformierte Gotik als den Weg zur Seligkeit. Zerberus und Hades lauerten dagegen hinter der „harten Schicksalsreligion des Heidentums, bei der das Verhängniß der griechischen und römischen Manen in der Unterwelt nicht beneidenswerth ist."13 Das antike Bild vom Tode war kaum gegensätzlicher zu betrachten, und so drängt sich die Vermutung auf, daß Schinkel seinen damaligen Hang zur Gotik für den Entwurf des Mausoleums ideologisch aufbereitet hatte. Acht Jahre später waren es ebenfalls ästhetische Gründe, die Schinkel für eine antike Säule als Siegesdenkmal auf dem Kreuzberg sprechen ließen, obgleich das Vaterländische der Gotik für ein solches Nationaldenkmal eher angebracht gewesen wäre.14 Das Kreuzbergdenkmal wurde den Vorstellungen des Königs folgend im gotischen Stil errichtet, und so fügte sich der Architekt dem König, wie er sich zuvor gefügt hatte, als er auch für Gentz' Luisentempel Zeichnungen nach den Wünschen des Monarchen machte.15 Das fruchtlose Mühen um den Mausoleumsbau jedoch zeigt Schinkel schon in jenem Licht, das ihm auf seinem Weg nach oben leuchten sollte. Zum einen wußte er um die Wichtigkeit einer optisch ansprechenden und zügig vorgebrachten Präsentation und besaß den Ehrgeiz, Architektur schon im Entwurf durch plastischen Schmuck und Landschaft zu beleben, zum anderen vermochte er sich auch im engen Rahmen virtuos zu bewegen und begriff, wie man sich unentbehrlich machte. Welche Ideen Friedrich Wilhelm auch zum Grabmal seiner Gattin kamen - immer war's doch gut, daß man Schinkel dazu brauchte. Die Gotik hatte Schinkels Entwurf für ein Luisenmausoleum zwar beeinflußt, eine bloße Nachahmung des Alten aber war keineswegs des Architekten Absicht. Eine „neu zu erschaffende Richtung der Architektur" bewegte ihn, die klassische und gotische Kunstprinzipien weiterbilden, vereinigen und vollenden sollte.16 Eingedenk des alten Bilds vom gotischen Raum als Waldesinnern, nutzte er die Transzendenz der Gotik zum Entwurf einer sentimentalen Utopie, die weniger an das Mittelalter als an die mystisch paradiesischen Schöpfungen eines Philipp Otto Runge erinnerte.17 Das romantische Begehren nach universaler Empfindung nämlich hatte Schinkel seiner philosophischen Hymne auf die gotische Form vorangestellt, die von „Ideen der Erhabenheit, der Entwickelung und des Strebens nach Höhe" künden sollte und vor allem vom „inneren, tiefen, geistigen, organischen Zusammenhang, der die Vollendung giebt".18 Kunst und Natur verschmolzen zu einem überwältigenden Erlebnisraum mit ausgefeiltem sinnlichen Konzept, das Innen und Außen ebenso vermengte wie Leben und Tod, Trauer und Trost. Ein jeder Besucher trat eine emotionale Reise an und durchschritt dabei drei Stufen der Empfindung auf dem Weg ins Monument: Eingestimmt „von den dunkelsten Bäumen", ging der Pilger dem Bau entgegen, trat „mit einem sanften Schauer" in die düstere Vorhalle ein und blickte „dann durch drei

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hochgewölbte Bogenöffnungen in die liebliche Palmenhalle, wo in hellem morgenrothen Lichte die Ruhende, umringt von himmlischen Genien, liegt". Ein unwirklicher Schimmer dort schuf eine andere Welt. „Das Licht fällt durch die Fenster von drei Nischen, die das Ruhelager von drei Seiten umgeben; das Glas ist von rosenrother Farbe, wodurch über die ganze Architektur, welche in weißem Marmor ausgeführt ist, ein sanft rothes Dämmerlicht verbreitet wird." Erlösung wartete im Raum, der „den Tod als das Ende irdischer Verhältnisse und den Uebergang zu einem schöneren Leben" zeigte.19 Königin Luise lag an einer Stätte von paradiesischer Lieblichkeit, einem Elysium der Ruhe, einem mehr noch Ankunft als Übergang inszenierenden Ort. Die „heitere Ansicht des Todes" wollte der Künstler geben, „welche allein die wahre Religion, das echte Christentum dem ihr Ergebenen gewährt". Und wie das Christentum den Menschen aus der Welt abzog, „um ihn innerlich zu vollenden", so sollte das Luisengrab als „Heiligthum" das Volk aufnehmen, „um es zu geistiger Erhebung abzusondern von der physisch handelnden Welt".20 Ein Totenmal ist immer für die Hinterbliebenen, doch plante Schinkel über die Bedürfnisse der Familie hinaus ein öffentliches Monument. „Es ist meine Absicht, daß der den geweihten Ort Besuchende sich wohl daselbst befinden soll und daß dieser Ort jedem zur Erbauung seines Gemüts offen stehe, und dies habe ich gesucht durch die folgende Ausfuhrung, welche die vorliegenden Zeichnungen anschaulich machen, zu erreichen." Ein Kultort war auf Papier entstanden, der auf Papier schon Wirkung zeigte: „Allgemein war das Bedauern", klagte Achim von Arnim in den Berliner Abendblättern, „daß derselbe nicht ausgeführt worden."21 „Der Plan seines Denkmals auf die verewigte Königin", schrieb der Dichter, „vereinigt den Kirchendienst, der den Ort nach einer ehrwürdigen Volksgesinnung heiligen muß, wo die Herrscher begraben liegen, mit der Gesinnung, daß diese Kirche ausschließlich zu ihrem Andenken erbaut sey."22 Ein Altar aber fehlte in dieser „sagenhaft-mittelalterlichen Gralshalle", und ihres überwältigend sakralen Charakters zum Trotz deutete nichts auf religiöse Feiern hin, obgleich Schinkel seinen Bau „Kapelle" nannte.23 Eine Statue der Verstorbenen war statt dessen der Altar und die Leiche selbst der Gral. Emotionen ersetzten Liturgie, und nur der Raum führte Regie. Das Gotische in der Architektur sei „unbestimmt anregend" und daher „weiblich", wie Schinkel meinte.24 König Friedrich Wilhelm III. hat der Nachwelt keine Antwort auf Schinkels Pläne hinterlassen, wenngleich sein Kommentar wohl ähnlich ausgefallen war wie zur Gestaltung der Paretzer .Luisenpforte', für die auch Schinkel einen Entwurf geliefert hatte: „Seine Majestät machten zugleich die Bemerkung, daß die Herren Architekten und Künstler überhaupt bei dergleichen Aufgaben nicht so sehr auf die Erfüllung des Zwecks und der Idee Rücksicht nähmen, als vielmehr bei der Anfertigung der Zeichnung den Zweck zu haben schienen, Beweise ihres Talents und ihres Genies zu geben, wodurch aber die wahre Absicht verfehlt würde."25 Eine ,wahre Absicht' des Luisengrabmals aber existierte nicht, denn die Königin gehörte als Frau einem Mann und als Mutter einer Familie an, als Monarchin einem

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Staat, als Preußin einer Nation und als Deutsche einem Volk. Und so konnte ihr Mausoleum für die Trauer der Hinterbliebenen und den Erhalt der Monarchie stehen wie für die Hoffnungen der Preußen auf Freiheit und die Sehnsucht der Deutschen nach nationaler Einigkeit. Eigenen Bedürfnissen entsprechend wollte Friedrich Wilhelm das Luisenmonument gestalten, Schinkel dagegen plante eine Stätte, die viele mythische und vaterländische Momente miteinander verschmolz. Das Schwanken zwischen Wirklichkeit und Utopie, Diesseitigkeit und Jenseitigkeit, Grabmal und Kirche, Kunst und Natur sollte viele Nationaldenkmäler des 19. Jahrhunderts kennzeichnen und prägte auch schon Schinkels „patriotisch-christliche Erziehungsarchitektur"26, weshalb man die Frage nach der „bewußten Schöpfung" eines „nationalen christlichen Mythos" stellte.27 Die Einbindung der toten Königin in universale Zusammenhänge hatte bereits mythische Qualität, überdies betonte Schinkel in Entwurf und Text auch vaterländisches Gedankengut. Und ließ sich das Religiöse an seinem Bauwerk schon in diesem Sinne deuten, so beschwor der Architekt zudem das jämmerliche deutsche Schicksal in der Kunst, das er in seiner Schöpfung nun zu wenden glaubte: „Unglückliche Ereignisse haben die Deutschen seit Jahrhunderten verfuhrt, von ihrer Eigenthümlichkeit abzuweichen und sich allzu unbedingt fremden Einflüssen hinzugeben", schrieb der Architekt. Die „selbstschöpferische Kraft" der Deutschen harrte ihrer Wiedergeburt in Tagen der Franzosenherrschaft.28 Zwar fügten sich diese Gedanken gut in den erwachten Mythos der Luise, dennoch war Schinkels heilsverkündendes Projekt keineswegs untrennbar mit der Königin verknüpft, deren Tod weniger Auslöser für jene Utopie des Architekten war als Anlaß zur Darlegung seiner Denkweise. Errichten wollte er das „wahre Endziel" seiner Kunst, „das eben kein anderes sei, als daß der Bau das Ideelle auspräge und veranschauliche, daß Idee und Wirklichkeit vollständig in einander verschmelzen, daß in dem äußerlichen Bau dasjenige sichtbar werde, wodurch wir Menschen unmittelbar mit dem Ueberirdischen, mit Gott zusammenhängen".29 Die Mittel dieser Sichtbarmachung gab ihm zwar die Kunst, dennoch hätte Königin Luise inmitten dieser Kunst gelegen, die zur grandiosen Bühne ihres Kults geworden wäre. Endgültiger in seiner Vollendung aber wäre dieses Mausoleum auch gewesen und nicht in jenem Maß von Interpretation und Projektion bestimmt wie das zwischen den Religionen und Stimmungen schwankende Tempelmonument. Das Mausoleum von Gentz ließ Fragen offen und war nicht zuletzt aus diesem Grund von dauerhafter Wirkung auf den Mythos und den Kult. Die „nackte Bedürftigkeit" dagegen, die Schinkel noch beklagte, sollte das Volk nicht stören, das in Scharen in den Tempel strömte. Entzaubert durch ihre französische Herkunft, wurde die Gotik als nationaler Stil mit fortschreitender Zeit von der Neoromanik abgelöst; die Antike indessen behielt ihren Wert als Symbol für zeitüberdauernde Größe. Ende des Jahrhunderts noch besah man den Luisentempel als „wahres Heiligthum", das zwar „einfach" und „schmucklos" war, doch „würdig" und „edelst" zugleich und darum auch „dem Sinne der Entschlafenen gemäß".30 Und auch

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in Tagen, da die Empfindsamkeit der Romantik als Gefühlsduselei bespöttelt und der Protz der wilhelminischen Denkmalflut verachtet wurde, stand das schlichte Mausoleum noch als Sinnbild jener altbekannten Weisheit da, wonach weniger mehr und das Einfache oftmals auch das Beste ist. Karl Friedrich Schinkels gotischem Luisengrab war zwar kein Glück beschieden, doch konnte der Künstler seiner Königin an anderer Stelle ein Monument „im Styl des Christlichen Mittelalters"31 errichten, ein Denkmal, von dem Theodor Fontane später sagen sollte, was er von Schinkels Mausoleum kaum gesagt hätte: „Das Luisendenkmal in Gransee hält das rechte Maß: es spricht nur für sich und die Stadt und ist rein persönlich in dem Ausdruck seiner Trauer. Und deshalb rührt es." 32 Auf seiner Reise nach Berlin hatte der Leichenzug der Königin Luise in der Nacht vom 25. auf den 26. Juli in der märkischen Ortschaft Gransee Rast gemacht. Das düstere Ereignis auf dem Marktplatz war von großer Anteilnahme der Landbevölkerung begleitet worden, und so regte sich schon bald der Wunsch nach einem Denkmal zur Erinnerung an jenen Aufenthalt. Zehn Tage nach dem Tod der Königin war eine Deputation der Stadt beim König vorstellig geworden, der das Vorhaben wenige Tage später auch genehmigte. Zweitausend Taler sammelten die Einwohner Gransees daraufhin gemeinsam mit den Ständen der Grafschaft Ruppin und der Prignitz. Die Ausführung des Denkmals übernahm die Königliche Eisengießerei, wo man Schinkel für den Entwurf empfohlen hatte. Keine Statue, keine Büste, sondern ein unmittelbares Erinnerungsmal an die Aufbahrung der königlichen Leiche entwarf der Architekt für den historischen Ort (Abb. 20). Ein schlichter Eisensarg mit erhöhtem Kopfteil, auf dem die goldene Königskrone ruht, steht unter einem spitzbogigen Baldachin auf gemauertem Steinsockel, der von einem einfachen Eisenzaun umfriedet ist. Die Eingänge des schwarzen Zeltes, das in der denkwürdigen Nacht dem Sarg ein Haus gegeben hatte, waren an den Giebelseiten gotisch verziert gewesen, und so mochte auch der gotische Baldachin auf das vergangene Szenario verweisen, das Schinkel nun auf Dauer in die Stadt zurückbringen sollte.33 Zahlreiche Momente seiner Pläne zum Luisenmausoleum zeigte Schinkel nunmehr in Gransee. Erinnerte das Denkmal seinem Aufbau nach bereits an eine Grabkapelle, so war mit der Umzäunung auch ein zusätzlicher Bezirk erzeugt, in dem sich jene Neigung zur Erschaffung von architektonischen Sphären offenbarte, die schon Schinkels Grabmal für Luise prägte. Die Grenzen der Zonen wurden von der Natur zum Fließen gebracht; eiserne Lilien sprossen auf Sarkophag und Baldachin, und vier hochstämmige Rosenstöcke, an vier Lanzen zu Füßen des Sockels gepflanzt, setzten diesen Gedanken fort, der schließlich in der weiträumigen Umpflanzung mit Pyramidenpappeln vollendet wurde. Der hohe, schlanke Wuchs der Bäume sollte das Monument wie ein gotisches Kirchenschiff umgeben, und so baute Schinkel auf einem Marktplatz in der Mark seine Kathedrale für die Königin Luise. „Die Frühverstorbene war eine seiner ersten Gönnerinnen", schrieb Heinz Ohff, ihr Denkmal sei darum für Schinkel mehr gewesen „als eine Beamtenpflicht".34

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Abb. 20 Karl Friedrich Schinkel: Luisendenkmal in Gransee, Aquatintaradierung, 1811

Und auch dem Mythos seiner Gönnerin erwies der Künstler einen Dienst. Das Monument erinnerte an Luises letzte Reise nach Berlin, nachdem sie erst als Braut und später als .Dulderin' aus dem Exil in Preußens Hauptstadt eingezogen war komplett war damit das im Mythos wichtige Motiv der Dreimaligkeit. Das Denkmal nahm der letzten Fahrt der Königin Luise Zeitlichkeit, gab einer vergangenen Sommernacht Unendlichkeit und machte Gransee für immer zu einem Ort der Melancholie. Die Stadt ist zur ewigen Rast der toten Königin geworden, zur stabilen wie sichtbaren Station in Luises Todesbiographie. Und auch die Heiligkeit der Toten schien Schinkel kund zu tun, glich doch sein Werk dem Schrein einer Reliquie. Eisen und schlichter Feldstein galten dabei als vaterländische Materialien und wiesen auf die Zeit der Not. Empfindungen, die vergänglich waren, hat Schinkel eingefroren, geschichtsträchtige und national gedachte Formen mit klassisch weiblicher Symbolik und sakralen Elementen vermengt und mit dieser Synthese von Kunst, Natur und Religion ein Monument erschaffen, das dem entstehenden Luisenmythos ebenso von Nutzen war wie dem allerorten keimenden Kult. Zusammenhänge des Lebens und des Todes hatte der Künstler noch erforschen wollen, seine Deuter aber fanden alsbald Antworten auf alle Fragen in Gott und den Geschlechterrollen, in der Liebe zum Vaterland und der Treue zur Monarchie. Und so bedurfte es nicht zum letzten Mal der Patrioten und der Gottesmänner, um ein Kunstwerk mit allem Nachdruck in den Dienst von Staat und Herrscherhaus zu stel-

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len, denn am Tag seiner Enthüllung weihte man das Denkmal auch der Politik: „Nie schlage ein anderes Herz in seiner Nähe, als das es mit König und Vaterland treu und redlich meint."35 Eine große Menschenmenge hatte sich zur Einweihungsfeier am 19. Oktober 1811 auf dem Marktplatz versammelt, auf den Tag genau fünfzehn Monate nach der Tragödie von Hohenzieritz. Ehrengast zu sein war dem zehnjährigen Luisensohn Carl zugemutet worden, der noch Jahre später bei der Erinnerung an die Mutter mit den Tränen kämpfte. Eylert hielt die Rede und erklärte Gransee mit dem zweiten Satz bereits zum „heiligen Ort". Eine Hymne auf die Tugenden der Toten folgte, auf ihre Gattenliebe und Gottesfurcht, ihr Kindsgemüt und ihr Wissen um die ihrem „Geschlecht gezogene Gränze"; anschließend gab der Hofprediger das Monument in die Obhut der „weiblichen Tugend", indem er die Pflege der Anlage mitsamt ihren Rosenstöcken vier „würdigen" Frauen und Mädchen übertrug - als „Auszeichnung", nicht als Pflicht.36 Das Tugendstreben jener Königin versprach wie deren Denkmal Ordnung und Stabilität; Luise hatte nicht vergebens gelebt, war nicht vergebens gestorben und blieb in Gransee fiir alle Zeit: „Und ist es möglich, daß Unsterbliche den Sterblichen nahe seyn können", rief Eylert vor dem Denkmal aus, „Vollendete! - so umschwebe uns in diesem feierlichen Augenblick Dein himmlischer Geist."37 König Friedrich Wilhelm ließ seinen Wagen fortan auf dem Weg zu der Verwandtschaft in Neustrelitz stets an jener Stelle halten, wo einst der Sarg seiner geliebten Frau gestanden hatte und noch immer stand, wie Schinkel glaubhaft machen wollte. Ein halbes Jahrhundert nach dem traurigen Ereignis wiederholte der patriotische Totenkult an der Bahre der Königin das Geschehen bei Fackelschein und Glockengeläut. „Und wie Gransee durch dieses Denkmal sich selber ehrte", schrieb Fontane, „so glänzt auch sein Name seitdem in jenem poetischen Schimmer, den alles empfangt, was früher oder später in irgendeine Beziehung zu der leuchtend-liebenswürdigen Erscheinung dieser Königin trat."38 Ein Jahr nach der Monarchin war auch der Baumeister ihres Mausoleums jung gestorben; Heinrich Gentz hatte noch Entwürfe fiir den Innenraum gezeichnet, dessen Fertigstellung er jedoch nicht mehr erleben durfte. Schinkel hatte zwar schon 1810 einen Kronleuchter nach seinem Entwurf im Mausoleum untergebracht und 1812 zwei Marmorkandelaber für das Monument skizziert, wirkte jedoch nicht weiter an dem Bau, bis dessen Front im Sommer 1828 unter seiner Leitung abgenommen wurde. Die „herrlichen Granitblöcke, welche hie und wieder an der Oder und in der Uckermarck zerstreut liegen", wollte Schinkel „fiir etwas Höheres" benutzen „als, wie es jetzt geschieht, sie fiir den Chaussee-Bau und fiir Pflasterungs-Arbeiten in Berlin zerschlagen zu lassen".39 Etwas wahrlich Höheres stand im Schloßpark zu Charlottenburg, und nachdem der rechte Felsblock 1827 gefunden worden war, begann im folgenden Jahr der Abbruch der Sandsteinfront und deren Ersetzung durch Granit. Säulen, aus einem Stein gehauen, schmückten nun das Grab der Königin und bezeugten, da man erst seit kurzer Zeit das Schleifen von Granit verstand, die Errun-

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genschaften preußischer Handwerkskunst. Die Härte des Materials kündete von der Dauerhaftigkeit des Gedenkens und machte den Granit seit jenen Tagen zum Stein schlechthin für Friedhofsmonumente. Eine sichtbar christliche Weihe, die manche Stimme einst gefordert hatte, erhielt das Mausoleum erst um diese Zeit. Das Christusmonogramm zwischen den Buchstaben Alpha und Omega, das nun im Giebeldreieck prangte, stellte Anfang und Ende in das Licht des christlichen Glaubens und überlagerte die antike Vorstellung vom Tode, die im Laufe des Jahrhunderts fast vollständig hinter den religiösen Gedanken zurücktreten sollte. Die in den Freiheitskriegen gewachsene Frömmigkeit, untrennbar mit der Vaterlandsliebe assoziiert, fand fortan auch im Mausoleum Ausdruck. Sachen aber, die am Grabbau abgebrochen wurden, blieben Sachen der Pietät. Zwei Pilaster, die der König auf Anraten Rauchs aus der Halle hatte entfernen lassen, wurden für die Anfertigung von Tischen verwendet, die Friedrich Wilhelm seinen Kindern und seinem Schwager schenkte. Die Vorstellung, irgend etwas aus dem Bauwerk „einfach fortzuthun", war dem Witwer ein Graus, darum brachte man die alte Sandsteinfront hinüber auf die Pfaueninsel, wo man einen Tempel um Rauchs Büste der Beweinten baute.40 Das Wirken Schinkels verband sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts mit dem Mythos der Luise. Zwangsläufig wurde das Werden des Architekten in das Licht der Frau gestellt, die Kaisermutter geworden war und einst in Betten schlief, die Schinkel ihr entworfen hatte. Ende des 20. Jahrhunderts noch war der Anfang von Schinkels Aufstieg vom Mythos umflort, hatte Friedrich Wilhelm III. doch den Architekten sicherlich nicht ohne Grund zu Preußens Baumeister schlechthin gemacht. „Was der teuren Verstorbenen gefallen hat, erhält nachträglich überirdischen Glanz."41 „Gab es eine neue Spontinische Oper, wer anders als Schinkel konnte die Dekorationen, gab es ein fürstliches Begräbnis, wer anders als Schinkel konnte die Zeichnungen zu Monument oder Grabstein entwerfen?", fragte schon Fontane. „Die Tischler und Holzschneider schnitzten nach Schinkelschen Mustern, Fayencen und Porzellan wurden Schinkelsch geformt, Tücher und Teppiche wurden Schinkelsch gewebt. Das Kleinste und das Größte nahm edlere Formen an: der vaterländische Ofen, bis dahin ein Ungeheuer, wurde zu einem Ornament, die Eisengitter hörten auf eine bloße Anzahl von Stangen und Stäben zu sein, man trank aus Schinkelschen Gläsern und Pokalen, man ließ seine Bilder in Schinkelsche Rahmen fassen und die Grabkreuze der Toten waren Schinkelschen Mustern entlehnt."42 Ergebnis dieser Euphorie ist auch die oft gehörte Meinung, das Mausoleum zu Charlottenburg sei Schinkels Werk. Der Glaube an eine Schinkelschöpfung geht dabei auf die Literatur des späten 19. Jahrhunderts zurück, die dem Architekten in Anbetracht seines nachmaligen Ruhmes auch die Planung jener nationalen Wallfahrtsstätte zuerkennen wollte.43 Und während das Luisenmausoleum so zum Frühwerk des Genies geriet, vergaß man seinen tatsächlichen Erbauer: Oberhofbaudirektor Heinrich Gentz. Schinkel und Luise, Lichtgestalten, kündeten derweil gemeinsam von der Kraft und Schönheit der Nation und ihrer Herrscherfamilie.44

12 Die Schönste der Schönen „Drei Tage der Ruhe genügten mir; um mich von meinen Reisestrapazen zu erholen, ich fühlte mich schon viel wohler, als die Königin von Preußen, die damals nicht in Berlin weilte, die Güte hatte, mir sagen zu lassen, ich möchte sie in Potsdam aufsuchen, da sie wünsche, von mir gemalt zu werden. Ich reiste dahin; aber nun fühle ich, daß meine Feder nicht imstande ist, den Rindruck zu schildern, den diese Fürstin auf mich machte, als ich sie das erstemal sah. Der Zauber ihres himmlischen Gesichtes, das Wohlwollen und Güte ausdrückte, die so zarten und regelmäßigen Züge, die Schönheit ihrer Gestalt, ihres Halses, ihrer Arme, die blendende Frische ihrer Hautfarbe, mit einem Wort alles an ihr übertrifft noch das Zauberhafteste, was man sich denken kann. [...] Man mußte die Königin von Preußen gesehen haben, um begreifen zu können, daß ich bei ihrem Anblick wie verzaubert dastand. Elisabeth Vigée-Lebrun 1837

Das 20. Jahrhundert zählte seine letzten Tage, da widmete sich die Berliner Boulevardpresse der neuerwachten Begeisterung fiir Preußen und seine Geschichte. Der Fall der Mauer hatte die Hauptwerke Schinkels, Schadows und Rauchs, hatte die Denkmäler der Freiheitskriege, die Straße Unter den Linden und die Museumsinsel zurück in den Blick und das Bewußtsein aller Berliner gebracht; die B.Z. nun lieferte ihren Lesern das historische Wissen dazu in einer mehrteiligen Serie, der „PreußenSaga".2 Königin Luise wurde im neunten Teil der Reihe auf den zwei Mittelseiten der Zeitung vorgestellt. Das aufreizende Gemälde Joseph Grassis, auf den wesentlichen Ausschnitt reduziert, zeigte ihre weiblichen Formen in voller Blüte, andere Bilder präsentierten ihr trautes Familienglück und ihre spannende Zusammenkunft mit Napoleon in Tilsit. Und der Mythos dämmerte durch den Text: Die Ehe auf dem Thron wurde zum Bund zweier „politisch ebenbürtiger" Partner und zu „zärtlichem Zauber", der „alle Klischees königlich-preußischen Gefiihlverzichts im Dienst von Staatsräson und Pflichterfüllung" widerlege. Das Blatt erklärte das Treffen in Tilsit zum „Verhandlungs-Duell über die Zukunft Preußens", dem sich die Königin „allein gestellt" habe, und berichtete von den bewundernden Worten des „großen kleinen Korsen" über die Frau aus der neuen alten deutschen Hauptstadt.

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Zwar war Luise der Artikel zugedacht, doch erzählte er zugleich von den Befreiungskriegen, dem Untergang Napoleons und dem Aufstieg Preußens zu Europas „stärkstem und modernstem Staat". Das Leben der Königin trat dem Mythos gemäß über die Grenzen der irdischen Endlichkeit. „Die tapfere Königin Luise aber war da schon tot", räumte das Blatt zwar ein und gab doch ihrem Dasein mit der riesigen Überschrift die verdiente Ewigkeit: Königin Luise, wahrscheinlich die schönste Berlinerin (ever). Das 19. Jahrhundert hätte dem wohl zugestimmt, nur der Konjunktiv und der auf eine Stadt beschränkte Vergleich hätten das preußische Volk gestört, denn Königin Luise, wie jeder wußte, war die schönste Frau der Welt. „Allmächtiger Gott, ist es denn nur möglich, daß ein Mensch so engelschön sein kann!"3 Luisenmythos und Luisenkult hatten das Erscheinen der Königin auf Erden zum Höhepunkt im Menschendasein verklärt. Die Schönheit der Monarchin war zur wichtigsten Grundlage für Identifikation und Projektion geworden und diente der Erzeugung und dem Erhalt vielfältiger Einstellungen und Gefühle. Schönheit wurde zum zentralen Argument in der moralisierenden Nutzbarmachung der Monarchin durch Gesellschaft und Politik. Schönheit belegte, legitimierte und immunisierte alles, wofür der Name der Luise stand, und umgab wie ein Schutzwall die Inhalte ihrer Gestalt. Der Glaube an die körperliche Idealität bestimmte und überlagerte schließlich jede Facette von Mythos und Kult. Königin Luise war „über allen Ausdruck erhaben", wie schon Schadow gefunden hatte.4 Euphorische Schilderungen der Zeitgenossen kamen auf die Nachwelt. „Sie ist die Schönste der Schönen", tönte es am Hof von Sankt Petersburg, „sie hat keine Nebenbuhlerin auf der Welt."5 Und „vielleicht zum ersten und einzigen Male in ihrem Leben" verschlug es sogar der großen Madame de Staël die Sprache: „Ohne Schmeichelei, es ist die reizendste Frau, die ich je gesehen habe." 6 Der Geschmack des Ancien Régime und die Sprache der Empfindsamkeit prägten den exaltierten Schönheitskult um die Monarchin zu deren Lebenszeit. Kommende Generationen, trunken ob der Vollkommenheit ihrer Vergangenheit, fanden nichts dergleichen übertrieben und sahen die reine Wahrheit in bloßer Geschichtlichkeit. Die Berichte über Luises Schönheit waren bei weitem zu zahlreich, als daß je ein Zweifel an ihnen nagen konnte. Und keimte doch ein Zweifel auf so ließ man ihn nur deshalb wachsen, damit man ihn zertreten konnte. „Königin Luise war keine klassische Schönheit", schrieb ihr Biograph Bailleu 1908, doch war die Untermauerung jenes vorgeblich so kritischen Urteils eine einzige offenkundige Spitzfindigkeit: „Ihr etwas blasses Antlitz aber hatte [...] feine und regelmäßige Züge; der biegsame Hals, auf dem das Haupt edel ruhte, die Schultern und die Arme waren von schöner Form und ihre Farbe blendend frisch; das Haar war blond, die Gestalt von tadellosem Ebenmaß, obwohl die Hände und die Füße etwas stark erschienen." Charme und Charisma jedoch überstrahlten die minimalen Abweichungen vom klassischen Ideal: „Der Zauber ihrer anmutigen Persönlichkeit, dem sich niemand entzog und niemand entziehen konnte, lag doch nicht so sehr in ihrer

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äußeren Erscheinung: er strömte aus ihrem Inneren, dessen schöne sanfte Harmonie ihre Bewegungen beseelte und in ihren Worten wiederklang."7 Die Kronzeugen aus dem Kreis der mecklenburgischen Familie, auf die sich der Autor berief rückten das Bild der Königin wieder gänzlich in das rechte Licht: „Luise, Engel, Schwester, Liebling meiner Seele", begann Therese von Thum und Taxis ihre Briefe und berichtete andernorts über die so Adressierte: „Auf dem Antlitz dieser unvergleichlichen Frau sind die Göttinnen der Anmut, des Spiels, des Lachens vereinigt. Ihr heiterer schuldloser Blick belebt und beglückt alles. Die Fremden strömen in dieser Stadt zusammen, man hat kaum Zeit Atem zu holen." Und was Friederike über die Schwester schwärmte, das machte der Mythos später zu Faktizität: „Luise sieht so frisch aus und ist immer schön wie ein Engel. Ihr Charakter und ihr Herz entsprechen ihrem himmlischen Äußeren, das macht sie in meinen Augen noch schöner."8 Elisabeth Vigee-Lebrun, die prominenteste Porträtistin ihrer Zeit, wurde Zeugin des Luisenmythos aus der malenden Zunft. Die französische Künstlerin, vor der Revolution geflohen, hatte die „bezaubernde, schöne, junge, liebenswürdige Königin" 1801 gemalt und ein vollkommen idealisiertes Bildnis einer Fünfundzwanzigjährigen abgeliefert (Abb. 21), der sie schriftlich noch das Antlitz einer Sechzehnjährigen bescheinigte. 9

Abb. 21 Elisabeth VigéeLebrun: Königin Luise, 1802

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Die große Schmeichlerin Marie-Antoinettes war von ihrer adeligen Kundschaft zur obersten Richterin in Fragen der Anmut erkoren worden, zu „der Schönheit Malerin", wie der Schriftsteller Jean François de L a Harpe sie nannte. Zeit ihres Lebens dem Stil der alten Zeit verhaftet, besann sich die scharfzüngige Vigée in ihren Lebenserinnerungen immer wieder der Vorzüge ihrer einstigen Modelle, ohne daß sie dem klatschsüchtigen Leser deren Makel und Schwächen vorenthalten sollte. Unvermutet aber war die wortgewandte Malerin in Preußen einer Königin begegnet, deren Erscheinung ihr die Sprache raubte. Die Sprachlosigkeit indessen, ausgerechnet, gab dem Mythos von der göttlichen Luise das sprechendste Zitat. Kaum der patriotischen Schwärmerei verdächtig und als Frau nicht von Begierde geblendet, war Vigée-Lebrun, die „wahrlich Gelegenheit genug" gehabt hatte, „schöne Frauen zu sehen und gründlich kennen zu lernen", gleichsam selbst der Beweis für die Richtigkeit ihrer lobenden Worte.10 Jahrzehnte nach Luises Tod hatte ein Gemisch aus zeitgenössischen und postumen Bildnissen im Bunde mit historischen oder erfundenen .Augenzeugenberichten' die einzigartige Schönheit der Königin über jeden Zweifel erhoben. Schönheit wurde Unterpfand all dessen, was Nation und Nationalismus als Eigenschaften Königin Luises kannten, wurde Beweis für alles, was nicht bewiesen werden mußte. „Schönheit ist eine Form des Genies", schrieb Oscar Wilde, „steht in Wahrheit höher als das Genie, da sie keiner Erklärungen bedarf. Sie gehört zu den großen Tatsachen der Welt. Sie kann nicht in Frage gestellt werden. Sie hat ihr göttliches Hoheitsrecht."11 Anmut und Grazie der Königin hatten die Trauer um deren Tod gemehrt und die Bereitschaft zu seiner symbolischen Uberschreibung verstärkt; und wie schon ihr Schicksal durch den Mythos zu einer Form geworden war, so schuf auch ihre Schönheit eine Form, die Sinn transportierte. Eine vollkommene Hülle wurde zum verlockenden Einband für die Geschichte vom vorbildlichen Leben und Sterben für das deutsche Volk. Die Schönheit der Königin Luise verschmolz mit ihrer Tugendhaftigkeit. Erstere begründete, ja bewies die letztere und umgekehrt, denn ausgezeichnete Physis trug selten lasterhafte Züge. Und aufgrund der im Angesicht des Schönen schon immer gezogenen Schlußfolgerungen auf geistige und seelische Qualitäten, im 19. Jahrhundert sogar .wissenschaftlich' untermauert, kürte man die Schönheit der Luise zur alles überstrahlenden Tatsächlichkeit.12 „Keine bestand in ihrer Nähe den Vergleich" - und erst recht nicht aus der Ferne.13 Königin Luise wurde vom deutschen Nationalismus zum Symbol der körperlichen und sittlichen Überlegenheit eines ganzen Volkes stilisiert. Die „unvergleichliche preußische Schönheitskönigin" diente der Nation zur identitätsstiftenden Überhöhung durch die Abgrenzung von Frankreich, dem Erbfeind und Mörder der Luise.14 Zeitlos und einzigartig, half deren Schönheit, die zentralen Gegenfiguren in der deutschen Geschichte herabzuwürdigen, stärkte damit das für den Nationalismus konstitutive Feindbild und relativierte die politischen Verfehlungen der preußischen Vergangenheit. Ein Land am Tiefpunkt seiner Geschichte besaß mit Luise immerhin

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noch „die Gewalt menschlicher Schönheit".15 Die Armee war am Ende, der Staat am Rande der Auflösung, die häßlichste Schmach der preußischen Geschichte aber verbarg sich später hinter Preußens schönstem Gesicht. Kaiser Napoleon dagegen war der Oberhofmeisterin Voß in Tilsit „auffallend häßlich" erschienen, wie „diese treffliche und unbestechliche Beobachterin" in ihrem vielzitierten Tagebuch vermerkte.16 „Ein dickes, aufgedunsenes, braunes Gesicht, dabei ist er korpulent, klein und ganz ohne Figur, seine großen Augen rollen unheimlich umher, der Ausdruck seiner Züge ist Härte, er sieht aus wie die Inkarnation des Erfolges." 17 Und aus der .Inkarnation des Erfolges' machte die Moral des Nationalismus gegen Ende des Jahrhunderts die Verkörperung des Ekels, bei der man schon vom abstoßenden Äußeren „auf ein von Gift und Hohn und niedriger Denkweise zerfressenes Inneres" schließen mußte.18 Einer breiten Masse war nach der Reichsgründung die Teilhabe an politischen Prozessen und deren Erinnerung eröffnet worden, wobei die identitätsstiftende Vermittlung von Geschichte und Einstellungen zunehmend in Bildern und BildbegrifFen ausgedrückt wurde. Kaum etwas ließ sich dem „äußerst gemein aussehenden" 19 Korsen nun besser gegenüberstellen als das „Götterbild" 20 aus dem Hohenzollernhaus, dessen Schönheit man in Tilsit „gesehen haben muß, um darüber urtheilen zu können", wie der preußische König selbst berichtete. 21 Und auch jener, den es zu becircen galt, fand sie „sehr reizvoll", seinem Starrsinn zum Trotz.22 „Die Königin Luise war sehr schön, sie begann aber schon den Schmelz der ersten Jugend zu verlieren", erinnerte sich Napoleon im Exil, doch wußten es die Biographen der Monarchin besser, da die Leugnung des Verfalls zum Leitmotiv einer Legende geworden war, der nur Vollkommenheit genügte. 23 „Die Schönheit der Königin, das versichern alle Augenzeugen, strahlte niemals heller als in den dunklen Tagen von Tilsit", schrieb Paul Bailleu. „Die glänzend großen Augen in Schwermut leicht verschleiert, die sonst schon zur Fülle neigende Gestalt, die jetzt durch zehrenden Kummer zu zartem Ebenmaß versteinert, vergeistigt schien, gehüllt in ein weißes silberdurchwirktes Kreppkleid, dessen Falten anmutig an den schlanken Gliedern herabflossen, auf dem biegsamen Halse das stolz erhobene Haupt unter dem Perlendiadem - so stand Königin Luise da, in Schmerz und Trauer, in hingebendem Opfermut eine rührende Verkörperung von Frauenschönheit und Frauenhoheit." 24 Entsagung brachte wahre Schönheit. Das von Glück und Leid geprägte Leben der Königin machte der Mythos zu einer mustergültigen Frauenbiographie im Dienst der Nationalgemeinschaft. Und erblüht, nicht verdorrt, war Luise in Zeiten von Unglück und Not. Eine unverwelkliche Schönheit wurde zum gleichsam natürlichen Beweis fiir den Lohn der weiblichen Selbstaufgabe. Zitate jener Zeitgenossen, die nach Luises Tod alle bedeutenden Stationen in deren Dasein mit der Versicherung ihrer einzigartigen Schönheit verbanden, untermauerten diese Tatsache: „Niemals in meinem Leben hatte ich oder habe ich seitdem ein so hinreißendes Wesen gesehen wie die Kronprinzessin", schrieb Luise Radziwill über die Ankunft der Braut. „Ihr sanfter, beschei-

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dener Gesichtsausdruck, vereint mit ihrer Schönheit und ihrem Adel, gewann ihr alle Herzen."25 „Die Königin trug einen weißen Crêpe mit Silber gestickt, ihren Perlenschmuck und ein Diadem von Perlen im Haar", erinnerte sich die Hofdame Gräfin Tauentzien an das Treffen in Tilsit. „Sie war in ängstlicher Spannung, aber trotz aller Gemütsbewegungen dieser Zeit erinnere ich mich kaum, sie schöner gesehen zu haben als gerade in diesen, fur sie so schweren Tagen."26 „Nie schöner" als in Tilsit hatte sie auch der Ehemann gefunden, der das zehnmalige Wochenbett seiner Frau als eine „Frühjahrskur" bezeichnete, die Luise stets „ordentlich veijüngt und verschönert" habe.27 „Nie" sah Luise Radziwill „die Königin edler, schöner, rührender" als am Tage ihrer Rückkehr aus dem tränenreichen Exil28, und die oft berufene Sophie von Schwerin teilte diese Sicht: „Sie hatte so viel geweint, daß sie in diesem ersten Moment sehr verändert schien; doch fand man bald die lieben Züge wieder, die durch den tiefen, ernsten Eindruck, den die schwere Zeit ihnen eingeprägt, nur veredelt waren."29 Und „unentstellt" blieb Luises „schöne Hülle" zuletzt auch auf dem Totenbett.30 „Das wahrhaft Schöne wird nie alt", schrieb Eylert, „es behält den Reiz der Neuheit."31 Das Grabdenkmal war sein Beweis; und weil Anmut, nicht Verstand, als Zierde echter Frauen galt, blieb die schöne Form, im Stein erhalten, Luises Legitimation für alle Zeit. „Zu der Zahl der berühmten Frauen konnte die Königin nur durch den einzigen Ruhm gerechnet werden, der echter Weiblichkeit keinen Abbruch tut, durch den ihrer Schönheit."32 Die Anmut der Königin steigerte das Gewicht ihres vermeintlichen Opfers für das Vaterland, und der propagandistische Wert ihres Todes wuchs mit der Schönheit als Maß für ihren Verlust: „Schönheit, Jugend, Glück und Hoheit sind so wenig wie irgendeine Erdengabe der ausschließende Besitz eines einzelnen", schrieb Sophie von Schwerin. „Dennoch gibt es solche einzelne, denen ihr Besitz in so hohem, überfülltem Maß zuteil ward, daß sie uns für die Repräsentanten aller Erdenherrlichkeit gelten. So war es, als die Königin Luise starb, als sei noch kein schönes und glückliches Weib gestorben, als habe der Tod sich noch nie an Jugend und Hoheit vergriffen."33 Und von der steinernen Luise über dem Grabe hallten stets die Worte der Gräfin wider, zumal oft erst das Monument die Menschen zu solchen Aussagen inspiriert hatte. Die Geschichte der Königin Luise war Generationen von Deutschen eingetrichtert worden, um sie auf die Nation einzuschwören und sie bereit zu machen, ihr Leben im Kampf für das Vaterland zu geben, im Mausoleum aber stand ein Bild, das nichts verriet über Leid und Sterblichkeit. Der Zwiespalt zwischen dem Erlernten und dem Sichtbaren, zwischen dem Wissen um Luises tragisches Schicksal und dem Anblick ihrer schlummernden Gestalt verstörte und versöhnte in einem fort. Ein solch anmutiges Bildnis der seligen Ruhe nach irdischem Ringen konnte dem Tod den Schrekken nehmen und zur Jenseitsverheißung, zum Erlösungsversprechen für jeden werden, der sich wie die Landesmutter für das Wohl der Nation zu opfern hatte. „Ein

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Blick auf Deine Fahne wird uns segnen", rief Theodor Körner zum Befreiungskampf unter dem Banner der Königin Luise.34 Eine „friedlich Schlummernde, deren lieblichem Antlitz man nicht den schweren Gram über das Unglück des Vaterlandes ansieht", lag im Charlottenburger Schloßpark.35 Die Schönheit war geblieben - wegen aller Qual, nicht ihr zum Trotz. „Siehst du wie die Heiligen gemalt sind, die dir als Beispiel dienen sollen", predigte Giordano da Pisa im Jahre 1310, „damit du, wenn du ein so edles und so schönes Mädchen erblickst, Freude und Stärke und Sicherheit gewinnst und nicht zweifelst."36 Entrückt der menschlichen Begreifbarkeit, wandelte Luise als „göttlich" und „überirdisch" durch das Jahrhundert. Zog sie auch die Grenze zwischen Volk und Krone, so konnte sie doch auch als Ansporn wirken, als Stifterin von Gemeinschaft und Identität. Sollte auch manche Forderung, die mit dem Mythos an die Menschen herangetragen wurde, bitter schmecken, so versüßte sie doch der Blick auf die schlafende Schöne. Königin Luise konnte Erkenntnis wie Verblendung sein, denn der Besitz von Schönheit war oft auch der von Macht und Gewalt. Und als die deutsche Kunst, die „allgemeinverpflichtende Künderin eines Volkes und seines Wollens", ihre „aus der Rasse geborenen Kräfte" vom „Kot der Judenzeit" befreit hatte, erinnerte sich auch die nationalsozialistische Kunstbetrachtung auf der Schwelle zu einer „neuen gesunden und jugendlichen kraftvollen Weltordnung" an den Sarkophag jener „edlen und gütigen Frau, die Deutschlands Erniedrigung erleben und auskosten mußte und die in verzehrendem Kampfe um die Erneuerung zu früh dahinschwand. Wohl nie ist so viel an rührender Schönheit und fraulicher Hoheit in einem Grabmal geformt worden wie in der Gestalt dieser wahrhaften Königin!"37 „Der Tod der Großen dieser Erde stimmt das Gemüth zu ernsten Betrachtungen", schrieb Friedrich Adami, „hier gesellte sich besondere Wehmuth hinzu, daß so wunderschöne Formen, solche unaussprechliche Anmuth und Liebreiz so schnell aufgelöst und in Staub zerfallen sollten."38 König Friedrich Wilhelm III. und sein Bildhauer hatten sich dem Verfall entgegengestellt und verbrachten Schönheit in eine Sphäre jenseits der Zeit. Ein Jahr nach dem Trauerspiel in Hohenzieritz schrieb der Witwer, daß Luise noch mit 34 Jahren „vollkommen das Ansehen einer Frau zwischen 20 bis 24 Jahr" behalten habe, und gab noch im selben Jahr mit der Modellierung des Grabdenkmales dem Glauben an dieses Phänomen Gestalt.39 Der Tod habe im 19. Jahrhundert begonnen, sich zu verbergen, schrieb Philippe Aries, „trotz der scheinbaren Publizität, die ihn in der Trauer, auf dem Friedhof im Leben wie in der Kunst oder der Literatur umgibt: er verbirgt sich unter der Schönheit".40 Schönheit konnte die Vergänglichkeit der materiellen Welt vergessen machen, sie bot Zuflucht bei einer Illusion von Beständigkeit, ließ hoffen durch Vollkommenheit. Die Erkenntnis vertreibend, daß Schönheit flüchtig war, verschleierten Mythos und Bild der „Schönsten aller Frau'n" den unheimlichen Fortgang der Zeit.41 „Wie alle Trauer sich allmählich in der Seele des Menschen doch in Hoffnung umgestaltet", schrieb Herman Grimm über den Luisensarkophag, „so ist es unmöglich, die Schönheit immer nur als Abbild des Todes aufzufassen."42 Die Nation, die

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sich im Grabdenkmal verkörpert sah, gab sich mit diesem in unruhigen Tagen rückwärtsgewandte Unendlichkeit. Zeit wurde mit der Hinwendung zu einer ästhetischen Form zu überwinden gesucht, die immun zu sein schien gegen die Inschrift des Todes und eben diesen doch bezeichnete. Das unaufhaltsame Entstehen der Welt erlahmte, Läuterung durchdrang die Realität. Leben und Tod rückten einer Toten und als Kunstwerk Lebenden nicht mehr zu Leibe.

13 Die Nymphe „Erlauben wir uns, einen verstohlenen Blick in das Gemach der Königin zu werfen, in die von weißem Mousselin gezogenen Draperien auf grün seidenem Grunde. - Hinter den Gardinen schlummert bei dem gedämpftem Lichte des Zimmers auf den weißen gestickten Mousselinkissen die schönste, edelste der Frauen. In dichter Fülle umwogt das aschblonde Haar die rosig angehauchten Wangen, die herrlichen Luisenaugen sind verhüllt von den langen seidenen Wimpern, die sich im Schlaf auf deren Glanz niedergesenkt haben und zwischen den rosigen vollen Lippen schwebt es wie ein Traum vom höchsten Mutter-, Liebes- und Erdenglück. "l Georg Horn 1883

„In der Berliner Gesellschaft, besonders unter den jüngeren Leuten, herrscht ein Gefühl ritterlicher Ergebenheit gegen die Königin", berichtete der englische Gesandtschaftssekretär George Jackson 1803 in die Heimat, „und ein sonniges Lächeln oder ein Blick ihrer hell lachenden Augen ist eine Gunstbezeugung, nach der man eifrig trachtet. Wenige Frauen sind mit so viel Lieblichkeit begabt als sie, und sie ist ebenso liebenswürdig und anmutig als sie schön ist; sie ist voll Lebhaftigkeit und geht mit Geist und Freude aufjedes Vergnügen ein. Doch ich muß inne halten oder Ihr werdet denken, daß mir der Kopf verdreht ist, wie es schon so viele Köpfe sind durch die Schönheit und Anmuth der Königin Luise von Preußen." 2 Ein Mittagessen im Jahre 1802 wollte der Königin nicht schmecken, da sie „außerordentlich verwirrt" wurde von der anwesenden Herrengesellschaft: „Die sechs Russen mir gegenüber fixierten mich dauernd und beengten mich so mit ihren wenig nachsichtigen Blicken, daß ich fast nichts aß."3 Etwas höflicher hatte Schadow seiner Begeisterung Ausdruck verliehen und der Königin in einer Statue den Apfel der Venus als Preis der Schönheit zuerkannt 4 , während Jean Paul sie literarisch als „gekrönte Aphrodite" auf den Thron der griechischen Liebesgöttin setzte.5 Zeitgenossen hatten gemutmaßt, daß Dichter in Luise „verliebt" gewesen seien, doch war nicht jeder Mann zu Worten in der Lage.6 Greise hatte man in Gegenwart der Königin um Fassung ringen sehen; Gesandte fremder Höfe brachte sie „aus ihrer feyerlichen Anrede".7 Wie kaum eine andere Zeit hat die Epoche des Empire, in die das kurze Leben der Monarchin fiel, die Anmut des Körpers gefeiert, in der Kleidung wie in der Kunst. Die

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verschrobene Mode des darauffolgenden Biedermeier und die verkniffene Moral der viktorianischen Ära ließen die historische Luise ebenso unberührt wie das Alter und dessen Dokumentation durch die Fotografie. Einem prüden Jahrhundert, das die Beherrschung der Leidenschaften zum zentralen Merkmal bürgerlicher Tugend gemacht und dem Kampf um die Enthaltsamkeit eine blühende Literatur gewidmet hatte, zeigte sich die Königin mit zauberhafter Sinnlichkeit und kaum verhülltem Reiz. Erotik, einst Kern der Anziehungskraft ihrer historischen Gestalt, blieb sublimiert auch Kern der Anziehungskraft ihrer mythischen Gestalt. Königin Luise, jung gestorben, behielt ihren Sex-Appeal für alle Zeit. Spuren des späten Rokoko prägten das Bild der reizenden Luise. Elisabeth VigeeLebrun und Joseph Grassi zeigten sie als vollbusige Zwanzigerin mit puppenhaften Zügen; glühende Schilderungen ihrer Anmut, wie sie von der französischen Künstlerin zu hören waren, beflügelten die Männerträume: „Wenn schon eine Frau mit solcher Begeisterung die Schönheit der Königin anerkannte und Zeugnis für sie ablegte, wie mußte es dann erst den Männern ergehen, die das Glück in ihre Nähe führte?"8 Die „Leichtigkeit ihres Auftretens in einem flir eine Königin so ungewöhnlichen Grade" veranlaßte Zeitzeugen zu der Vermutung, sie sei „kokett"9 - dennoch oder gerade deshalb wurde Luise zum weiblichen Idealtyp ihrer Epoche: „Ich glaube noch diese Fürstin vor mir zu sehen, wie sie hingegossen war auf ein weiches Sofa, neben ihr ein goldener Dreifuß, einen Schleier von orientalischem Purpur um die elegante und anmutige Taille", schilderte ein Adjutant Napoleons die Königin in einem eminent an Davids Porträt der Madame Recamier erinnernden Bericht. „In dem Ton ihrer Stimme lag eine so harmonische Sanftheit, in ihren Worten etwas so liebenswürdig und rührend Hinreißendes, in ihrer Haltung so viel Reiz und Majestät, daß ich einige Augenblicke völlig betroffen mich einer jener Erscheinungen gegenüber glaubte, deren berückende und bezaubernde Bilder uns die fabelhaften Erzählungen der alten Zeiten geschildert haben."10 Der schwedische Graf Wachtmeister gestand seinem Tagebuch, daß er sich ungeachtet der patriotischen Verehrung fiir die eigene Königin eher in die der Preußen verlieben könne.11 Und nur die „Kranken und griesgramen Antiken" waren schließlich zurückgeblieben, als die Universität der Stadt Göttingen im Juni 1799 ihre Kollegien schloß, um als Ganzes „in Hitze und Staub" nach Kassel zu marschieren, wo Luise lockte, der „Magnet". Zwar war die Landstraße „derartig mit zu dem selben Zwecke unterwegs befindlichen Kutschen, Reitern, Menschen und Karren bedeckt, daß es einer Völkerwanderung glich", doch lohnte sich die Reise: „Hättest du sie nur gesehen, wie sie mit einem holden Blick aller Herzen fesselte", schrieb ein Student an einen Freund. „Sie war in weißen Silberlinon gekleidet und der Unterzug dieses Gewebes war so dünn, daß eine jede Bewegung uns ihre Nymphengestalt zeigte. Das Kleid war sehr weit auf dem Rücken ausgeschnitten, und ein runder Schemisenzug bedeckte kaum halb die Brust, so daß man völligen Spielraum der Bewunderung hatte."12 Die Kleidung des Empire gab der sinnlichen Erscheinung Königin Luises seltene Vollkommenheit. Enthüllt vom dünnen Stoff des griechischen Gewandes, war Luise

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von göttlicher Nacktheit umhaucht, die als „ätherisch" verklärt dem allzu Fleischlichen entzogen wurde. 13 Einige Jahre nach der Gründung des Reiches, als man ihr Denkmal im Berliner Tiergarten einweihte, unterhielten sich Richard Wagner und Gattin Cosima über jene „knappen Frauen-Kostüme", die Luise einst getragen hatte - in lebhaften Bildern, wie es scheint, da der Komponist in der folgenden Nacht „französisch" träumte.14 Der Junker Friedrich August Ludwig von der Marwitz erinnerte sich ein Vierteljahrhundert nach dem Tod der Königin mit gemischten Gefühlen an deren Auftritte in der Kleidung ihrer Zeit. „Sie war sich ihrer Schönheit bewußt, war nichts weniger als gleichgültig gegen Bewunderung und liebte den Putz mehr als nötig war. Die Mode war aber damals die während der Revolution aufgekommene sogenannte .griechische Kleidung'. Die Frauenzimmer hatten nur ein Hemd und ein möglichst dünnes Kleid an, in welchem alle ihre Formen sichtbar waren. Wenige trugen noch einen engen und dünnen Rock darunter, und nur diese waren es, die von Brust und Armen nicht alles zeigten, was nur irgend möglich war. Die Königin ging, wie man weiß, in dieser Mode voran. Doch muß man zur Steuer der Wahrheit sagen, daß bei allen denjenigen, die sich nicht so sehr entblößten, die Kleidung gesunder und schöner war als die jetzige. Ohne alle Schnürleiber waren die Frauenzimmer der Zeit so gerade gewachsen wie ein Licht und zugleich gesund; trotz des ganz leichten Anzuges waren Erkältungen weniger häufig wie jetzt, und was sie von ihrer Person unverhüllt oder wenig verhüllt zeigten, war wenigstens das, was an Weibern angenehm zu schauen ist. Jetzt (1835) stecken sie in festen, langleibigen Schnürleibern, in vielen und weiten Röcken und in Kleidern, die auf der Brust ganz glatt sitzen und hoch hinauf gehen, auf den Schultern aber und hinten bis auf den halben Rücken hinunter ausgeschnitten sind. Zum Uberfluß sitzen an diesen Kleidern noch kolossal weite Ärmel, wie ein paar Pauken anzuschauen. Durch die engen Schnürleiber und die gepreßte Brust wird jetzt alles krank, was nur einen Winter hindurch getanzt hat, und diejenigen, die von Jugend auf so gegangen, sind fast sämtlich schief gewachsen. Mit den nackten Schultern und Rücken frieren sie beständig und erkälten sich trotz der dreißig Ellen Zeug, die ihnen auf dem Leib hängen. Endlich zeigen sie nicht, was hübsch an ihnen ist, sondern das Häßlichste auf die häßlichste Art. Ein paar bloße Schulterblätter und die Schultern selbst, vorn alles glatt, gibt allen ein krummes und knöchernes Aussehen, und sie müssen die Schultern, um noch krümmer zu scheinen, auch nach vorn drehen, weil sie sonst riskieren, daß das Kleid ihnen herunterrutscht. Damals war, bei allen übrigen Blößen, die Schulter selbst und die Knochen des Schulterblattes immer bedeckt." 15 Zeit ihres Lebens bot die erotische Luise einen ambivalenten Anblick. Entrüstung wie Entzücken empfand die Gräfin Brühl, die nicht begreifen konnte, „wie dieser liebe König seiner koketten Frau erlauben kann, sich so anzuziehen, wie sie es tut. Das ist nicht mehr der elegante Anzug eines eleganten Hofes, sondern der einer sehr niedlichen Schauspielerin, dekolletiert nach der Möglichkeit und coiffiert in einer

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Weise, wie sie nur einer so hübschen Person stehen kann, wie diese allerliebste Königin ist."16 Zwar hatte Friedrich Wilhelm die Toiletten seiner Gattin gutgeheißen, doch ging die Nachwelt vordergründig auf Distanz:17 „So hüllenlos wie Königin Luise", erinnerte sich die Schriftstellerin Marie von Bunsen an wilhelminische Tage, „das hätten in meiner Zeit nur Kokotten getan."18 Erotisches bewahrte die Faszination der mythisierten Gestalt. Die Prediger des Luisenkultes sammelten pikante Zeugnisse zuhauf; die Journaille trug diese mit ebensolcher Akribie zusammen wie die Geschichtswissenschaft. Zahlreiche zeitgenössische Zitate über Luises zauberhaften Charme hatte Paul Bailleu in seiner Luisenbiographie von 1908 angeführt, nachdem er schon die Allgemeine Deutsche Biographie von 1884 damit bereichert hatte. Erweitert um Eigenrecherche, fand jene Anthologie von Ergüssen auch Eingang in den Aufsatz von Paul Seidel über das Bild der Königin in der Kunst ihrer Zeit, ein Zusammenspiel von Wort und Bild, mit welchem der Direktor des Hohenzollern-Museums der erotischen Luise ein wirkungsvolles Denkmal setzte: Die Suche nach Wahrheit und Objektivität mit den Mitteln der historiographischen Methodik sicherte den Mythos in der Moderne und rechtfertigte Seidels Leidenschaft für die historischen Beschreibungen der liebreizenden Luise. Die „Anzahl der Zeugnisse" vermochte besser als „jede eigene Schilderung" das Bild der Königin „zu vergegenwärtigen", schrieb Seidel und zitierte am liebsten Fremde.19 Einem Ausländer nämlich war „gewiß keine nationale Voreingenommenheit" zu unterstellen und dessen „Urteilskraft" im übrigen ebenso „durch die Geschichte bewiesen" wie die Objektivität der Mythenschreiber durch die Berufung von Nichtpreußen als Zeugen der Legende.20 Und so resümierte dann auch Hermann Dreyhaus nach seitenlangen Zitaten des Entzückens im Dienst der Wissenschaft: „Angesichts solcher Zeugnisse erscheint das Bild der Königin Luise abgerundet."21 Ende des 19. Jahrhunderts, als man dem Faszinosum der menschlichen Sexualität mit einer Unzahl von Repressionen begegnete, wetterte ein protestantischer Pfarrer gegen jene Huldigungen der Königin, in denen sie eine antike Göttin genannt worden war „und man sich gebärdet" habe, als ob man sie „anbeten" wolle. Ein Gedicht, das Luise einst in Königsberg überreicht worden war und sie als „Venus Amathusia" apostrophierte, tadelte der Kirchenmann mit Blick auf die Geschichte: „Die Venus Amathusia war nämlich, wie ich zur Erklärung hinzusetzen muß, die berühmteste Liebesgöttin der alten heidnischen Griechen und Römer."22 Eine von Pietismus und bürgerlichem Tugendideal geprägte Sexualmoral verband sich seit den Freiheitskriegen mit dem modernen Nationalismus und seiner Heiligen Luise. Keuschheit und Sitte, Patriotismus und Frömmigkeit, als untrennbar voneinander beschworen, verschmolzen zu einem idealen Antlitz und machten Erklärungen für die Koketterie der Königin zu einer wachsenden Notwendigkeit. Die Euphorie um ihre Reize, von der ausgehenden .galanten Zeit' geprägt, war auf die grundlegend gewandelten Vorstellungen des bürgerlichen Zeitalters geprallt, dem das Vorbild der Hohenzollernfurstin unbedingt erhalten bleiben mußte. Der Mythos vom Muster aller Tugend aber ruhte nicht zuletzt auf dessen körperlicher Idealität. Ästhetik

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wiederum war immer auch von Sexualität geprägt, und Ideale weiblicher Schönheit standen stets im Kontext erotischer Leidenschaft. Konflikte schlummerten also in Luises leiblichem Reiz. Die Zwiespältigkeit, die ihr einstiges Auftreten begleitet hatte, lebte in jener Angst der Männer fort, die sich im 19. Jahrhundert stärker als in jeder anderen Zeit am Bild der verführerischen Frau manifestierte. Erlöste Büßerinnen, gefallene Mädchen und zerstörerische Teufelinnen entzückten den Mann und erschreckten ihn zugleich, denn sie ergriffen von seinem Verstand Besitz. Eva und Maria, von denen zahllose Frauentypen abgeleitet sind, standen Pate für den Weg des Weiblichen in die Verkörperung des Bösen wie des Guten, der unheilvollen Begierde wie der heilsamen Enthaltsamkeit. Künstler, die Frauen als Ideale wie Grenzen der Normen zeigten, rückten weibliche Schönheit in die Nähe von Zerstörung und Unglück. Salome und Loreley, Ophelia, die Kameliendame und die Musen der Präraffaeliten spiegelten die Fatalität des Weibes in aktiver wie passiver Hinsicht und wurden zu Konventionen in der Kunst. Das nackte Fleisch auf den Bildern der Décadence jedoch, der Realität entfremdet, existierte nur in der Ferne. Und was der Maler schon geflissentlich als „Sünde" titulierte, an dessen gerechtem Schicksal ließ auch der Literat meist keinen Zweifel, war doch der Tod für unmoralische Mädchen das häufigste Ende. Einst vor allem der Erotik seiner Protagonistin erwachsen, reflektierte der Luisenmythos stets Ideen seiner Zeit über Weiblichkeit und Sexualität. Erregung und Angst erfüllten Peter Thiel bei seinen selbsterdachten Schilderungen von Luises „geisterhaftem" Blick; und vom „Schauder" gepackt, wie der Autor erzählte, war auch der Kronprinz Friedrich Wilhelm beim ersten Treffen mit der Braut: „Luise hatte ihn durch ihre Schönheit so dämonisch gebannt, daß der ruhig nüchterne und verstandesklare Mann zu fürchten begann, nicht genügend die Vernunft zu gebrauchen", doch entsühnte die Prinzessin ihren Liebreiz gleich, da sie beteuerte, ihn der Mutterschaft zum Opfer bringen zu wollen, was der Kronprinz mit Erleichterung und einem „heißen" Kuß quittierte.23 Erotik und Schönheit warfen nur dann Fragen auf, wenn sie sozial durch keinerlei festgelegte Position gesichert waren, weshalb Luise jede Rolle spielte, die der Frau im 19. Jahrhundert zu Liebe und Respekt verhelfen konnte. Kapitelweise war in vielen Büchern der Weg Luises in die weibliche Vollendung nachgezogen worden, und die Etappen jenes Aufstiegs, der auch ein Abstieg war, wurden mit hehren Begriffen besetzt, mit Archetypen von enormer Eingängigkeit: Die Jungfrau wurde Gattin und die Gattin Mutter, die Mutter wurde Dulderin und die Dulderin Staatsbürgerin, die aber starb und wurde Engel, Heilige und Schutzgeist. Eine besenrein gefegte Biographie im Dienste der Nation schuf eine Frau, die von keinem geringeren als Friedrich Schiller „die hochsinnige Bändigung der Leidenschaften" gelernt hatte und damit die wichtigste Bürgertugend überhaupt. 24 Königin Luise entzog sich durch totale Idealisierung jeder niederen Begehrlichkeit. Erschien sie auch im Bild kokett, so war sie, wie die Nachwelt sagte, „auf der Höhe ihrer schönsten körperlichen und geistigen Entwicklung" ohne Wissen um die Wirkung

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ihrer Reize.25 Eros löste sich von Schuld, da man die weibliche Symbolgestalt des Deutschen Reiches ihrer wissentlichen Sinnlichkeit entledigte und über Häuslichkeit und Mutterschaft in das Gefiige sozialer Respektabilität integrierte. Das „uralte germanische Bedürfnis der Frauenverehrung", so Otto Hintze, war Grundlage des Kults um Königin Luise.26 Und nur die Vorahnung „menschlicher Größe", so Herrmann Dreyhaus, entflammte einst die Männerwelt.27 Das zergliederte Deutschland huldigte der Königin „wie einer deutschen Kaiserin", und deren Reize machten auch im preußisch annektierten Warschau großen Effekt, wo die „hinreißende" Luise über die „widerwillige Abneigung der Polen" triumphierte."28 Der offensichtlichste wie durchsichtigste Einsatz ihrer Anmut aber wurde zum Fiasko und damit zur Achillesferse der reinen, reizenden Luise. Das „tiefste und vollste Decolleté, das je eine Deutsche herzeigte", hatte die Königin in Tilsit präsentiert, wo es den Sieger über Preußen freundlich stimmen sollte.29 Erfolg blieb aus, doch Schuld daran war Talleyrand, „auf dem rechten Fuß hinkend, des Tyrannen würdiger Minister", da dieser, wie es später hieß, Napoleon vor der preußischen Geheimwaffe gewarnt hatte: „Sire, ich habe sie gesehen", legte man ihm in den Mund, „seien Sie auf Ihrer Hut - ich glaube nicht, daß auf der Erde ein schöneres Weib existiert."30 Eher die Erfinder solcher Warnungen aber erlagen diesem Weib, da Bonaparte selbst genossen, sich aber glatt gegeben hatte: „Die Königin von Preußen ist wirklich bezaubernd", schrieb er an Joséphine, „sie ist voller Koketterie zu mir. Aber sei ja nicht eifersüchtig, ich bin eine Wachsleinwand, an der alles nur abgleiten kann. Es käme mir teuer zu stehen, den Galanten zu spielen."31 Kurz nach der Zusammenkunft kam der „bittere" Vorwurf auf, daß sich die Königin „nur durch ein eitles Vertrauen auf die Macht ihrer Reize habe bewegen lassen können, freiwillig ihrem ärgsten Beleidiger unter die Augen zu treten", wie sich die Gräfin Schwerin erinnerte.32 Der Einsatz weiblicher Geschütze beschäftigte darum auch die Mythenschreiber, da die Königin von jener Sorte Frauen ferngehalten werden mußte, die mit Reiz und List persönliche und politische Ziele zu erreichen wußte. Welten trennten das Musterbild der deutschen Frauensitte von einer Kleopatra, einer Pompadour oder Lichtenau, Synonyme fur die Politik im Lotterbett. Und keinesfalls durften Preußens neue Männer denen des 18. Jahrhunderts gleichen, wo Frauen hinter den Kulissen die Faden zogen, derweil bedauernswerte Männer wie Marionetten auf der öffentlichen Bühne standen und Entscheidungen umsetzten, die man ihnen unter das Kopfkissen geschoben hatte. Erklärungen für Tilsit waren um so wichtiger, weil Napoleon die Königin schon 1806 der Einmischung in politische Geschäfte bezichtigt hatte. Kurz vor der Doppelschlacht bei Jena und Auerstedt stimulierte das erste Bulletin der Großen Armee die Kampfbereitschaft der Soldaten auf pikante Weise: „Man hat uns auf den 8. zu einer Zusammenkunft eingeladen", verkündete Napoleon, „niemals hat ein Franzose bei einer Einladung, bei der die Ehre beteiligt ist, gefehlt; aber da man sagt, daß eine schöne Königin Zeuge des Kampfes sein will, so wollen wir höflich sein und nach Sachsen marschieren, ohne ins Bett zu gehen."33 König Friedrich Wilhelm war zwar

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ein „guter Kerl", die schöne Intrigantin auf dem Thron indessen machte den Sieg der Franzosen zur Mannespflicht. 34 Das Bulletin vom 27. Oktober dann, diktiert in den Zimmern der geflohenen Königin, verschaffte Napoleons Arger über das sinnlose Schlachten Luft: „Die Empörung gegen die Urheber dieses Krieges hat den höchsten Grad erreicht. [...] Jedermann ist überzeugt, daß die Königin an allen Leiden schuld ist, die das preußische Volk erdulden muß. [...] In Charlottenburg fand man auch ihren Briefwechsel mit dem König während der letzten drei Jahre. [...] Diese Schriftstücke sind historische Dokumente. Sie beweisen - wenn es in diesem Fall überhaupt noch eines Beweises bedarf wie unglücklich die Fürsten sind, die Frauen Einfluß auf die politischen Angelegenheiten gestatten. Noten, Berichte und Staatspapiere rochen nach Moschus und fanden sich unter Bändern, Spitzen und anderen Toilettengegenständen der Königin."35 Napoleons Vergleich von Königin Luise mit Lady Hamilton, der Geliebten Nelsons, hatte den Ton für die Fama einer intimen Verbindung zwischen der preußischen Königin und dem russischen Zaren gesetzt. 36 „Uberall hört man sagen", giftete der Korse, „noch vor einem Jahr war sie so gut und sanft. Aber wie hat sie sich seit der verhängnisvollen Zusammenkunft mit dem Kaiser Alexander verändert!"37 Ein Sturm der Wollust, so glaubte Napoleon, habe die Königin im Innersten durchrast, und die Folge, die er „in dem Gemüthe der Königin bewirkt hat, die aus einer schüchternen, bescheidenen und mit den inneren Angelegenheiten der königlichen Familie sich beschäftigenden Hausfrau unruhig und kriegerisch ward, war eine politische Revolution. Sie wollte auf einmal ein Regiment haben und dem Staatsrathe beiwohnen; sie hat auch die Monarchie so gut geleitet, daß sie sie in wenig Tagen an den Rand des Abgrundes geführt hat." 38 „Kaiser Alexander hat sie im Jahre 1805 ins Unglück gestürzt", meinte Napoleon auch nach Tilsit noch, wo er Luise und den Zaren, aber auch den preußischen König kennengelernt hatte. Spröde und unsympathisch fand Napoleon letzteren, dem Russen hingegen beschied er ein „angenehmes Wesen" und ein Auftreten wie „ein Romanheld", weshalb „kein Zweifel" darüber bestehen könne, „wem von beiden man den Vorzug geben" müsse.39 „Ich glaube wohl, daß Alexander mit der Königin nur eine zarte Freundschaft unterhielt, in allen Züchten und Ehren", relativierte Napoleon sein Urteil im Exil, „aber der König war langweilig."40 Empörung und Wut über den bösen Verdacht jedoch kochten in Preußen fort. Eine Furie konnte der Nationalismus gut erklären, eine Fremdgängerin hingegen schlecht. Das Jahrhundert der Zucht und Sittenstrenge tilgte darum die historische Leidenschaft der schönen Luise für ihren „jungen Herkules" und schliff sie auf das unzweifelhaft platonische Niveau des Freundschaftskultes jener Zeit der Empfindsamkeit. Und den nicht grundlos erregten Verdacht übertönte die Entrüstung ob der Schäbigkeit der Anklage.41 Die „schnöde Zweideutigkeit", mit der sich Bonaparte „nicht entblödet" habe, auf das „schwärmerische Freundschaftsverhältnis" zwischen Luise und dem Zaren anzuspielen, entrüstete noch Otto Hintze.42

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Luisenbiographen überschrien fortan auch die Schändlichkeit von Preußens Strategie in Tilsit. Die Königin war als unschuldige deutsche Mutter vor den Feind getreten, Napoleon aber, der Antichrist, mißachtete das achte Gebot: „Luise und Napoleon, welch ein Kontrast! Kann sich das Feuer mit dem Wasser mengen und der Tag mit der Nacht vermählen? Wie muß dem innerlich rohen, von ungezügelten Leidenschaften durchwühlten Menschen zu Mut sein, wenn ihm die Unschuld, der Seelenadel und die echte Weiblichkeit entgegentritt? Und diese wiederum, was muß sie empfinden beim Anblick eines Mannes, dessen Natur ihr geradezu monströs erscheinen muß, vor dessen innern Häßlichkeit ihr Herz ein Grauen empfindet, und den sie schon verabscheut hat, noch ehe er die Raubmörderfaust gegen Preußen aufgehoben? [...] Napoleon trat ein. Die gelbe Farbe seines Gesichts hatte einen rötlichen Anflug, stolz reckte sich das Haupt, seltsam funkelte es in den Augen - man sah in jeder Miene die Spannung, mit welcher er der Frau entgegentrat, welche seit zwei Jahren ihn im Wachen und im Träumen beschäftigt hatte. Einen Moment blieb er wie betroffen in der Thür stehen - das Frauenbild, welches seine Augen da erblickten, diese Gestalt voll Schönheit und Liebreiz, voll Hoheit und Milde, voll Erhabenheit und Demut, voll Energie und Sanftmut, übte auf den Kaiser eine fast verblendende und verwirrende Wirkung."43 Das französische Böse setzte das preußische Gute ins rechte Licht. Erotischer Einsatz hieß Engelserscheinung, wo das Gegenüber als personifizierte Niedertracht gezeichnet war, als Sinnbild sündiger Lust. Zügellose Leidenschaften, die Schreckgespenster der bürgerlichen Moral, loderten einzig in Napoleon und damit in Frankreich zu jener wie zu jeder Zeit. Einst mit dem französischen Adel assoziiert, wurden Frivolität und Sittenlosigkeit auch auf die Kinder der Revolution übertragen, was der antifranzösischen Facette im Tugendideal des deutschen Bürgertums nun Kontinuität gewährte. Die Monstrosität des „Höllensohns" Napoleon wuchs ins Ungesunde, Nervöse, Animalische, jene Stigmata, an denen die Nation seit jeher ihre äußeren wie inneren Feinde zu erkennen glaubte. Und der Korse, wie es später hieß, hatte gar zu seinen schönen Schwestern „unerlaubte Beziehungen" gehabt.44 Kein Zweifel konnte mehr daran bestehen, daß Begierde im Feldherrn gewütet hatte. Kein Zweifel, was das Treffen von Tilsit wirklich war: eine Vergewaltigung, zumindest eine versuchte. Eine Flut von Bildern sollte nachträglich verhindern, daß es dazu kommen konnte. Kaum eine zweite Szene aus der Nationalgeschichte wurde nach der Reichsgründung so häufig dargestellt wie das Treffen zu Tilsit (Abb. VI), doch hatte das Gespräch auf Bildern meistens eins gemein: Es fand nicht, wie einst geschehen, nur unter vier Augen statt, denn stets war noch ein Beisteher zur Stelle. Und auch wenn dieser oft die Züge des „Teufels" Talleyrand besaß, so nahm er doch der Szene die Brisanz und erstickte jede krude Vorstellung vom Hergang der Zusammenkunft. Ein Bild hing meist noch an der Wand, vom Alten Fritz, der das Geschehen argwöhnisch beäugte. Ein Franzose aber, François Gosse, der die berühmteste Darstellung der Tage von Tilsit geschaffen hatte (Abb. 49), malte die Begegnung wie ein Hochzeitsbild, auf dem Napoleon Luise an der Hand ins Haus geleitete. Eine „zynische und frivole" Tat, da auf die „bekanntlich leicht entfachte Sinnlichkeit des Südländers" berechnet, nannte

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der Historiker Max Maurenbrecher Anfang des 20. Jahrhunderts die Reise der Königin nach Tilsit.46 Königin Luise hatte man bereits im Leben für die patriotische Konditionierung von Frauen in Kriegszeiten eingesetzt, nach ihrem Tod riefen Körners Lieder auch die Männer zum Kampf um eine neue Moral. Die rauschhafte Dichtung der Freiheitskriege verklärte die sexuelle Reinheit zur Grundlage der geistigen Lauterkeit und damit zum integralen Bestandteil des Opfers für die Nationalgemeinschaft.46 Erotische Leidenschaft, für die Nation als unproduktiv erkannt, wurde durch die Erfüllung von Verantwortung ersetzt und sexuelle Energie in Pflichtbewußtsein umgewandelt; die Sublimierung von Sexualität im privaten und öffentlichen Leben propagierte die heroische Unterdrückung des sexuellen Triebes als bewundernswerte Tat. Kampf und Krieg um alles Deutsche sollten einer ekstatischen, religiösen, naturgewaltigen und geradezu orgiastischen Erfahrung gleichen, die über Einsatz und Verzicht zur Selbstaufgabe führte. Eros unterlag Thanatos, aus der Braut wurde das Schwert, die „Eisenbraut". Lust wurde am Nutzen für die Nation gemessen, und gerade diese politisierte Sexualmoral verkörperte aus der Rückschau erstmals Königin Luise. Einhundert Jahre nach deren Tod erfand man liebreizende Szenarien einer sexuellen Selbsterkenntnis, die sich der französisch verzogenen Luise just mit dem ersten Kuß des preußischen Kronprinzen offenbarte. Das unbändige Verlangen nach einem „germanischen" Dasein stieg in ihr auf sie sehnte sich nach einem gefeierten Opferleben zum Wohle der Familie und bat bei Gott und Gatte um dauerhaftes Mutterglück.47 „Ein Volk, das ohne Mütter, gleicht dem Strom mit siecher Quelle."48 Krieg tobte, als Friedrich Wilhelm seine Luise küßte. Das Erotische der jungen Liebe münzte Peter Thiel in das Rauschhafte des Krieges um, war doch Luise in „ihrem Sinnen und Träumen bei Nacht" nur bei „Fritz" und der Armee: „Wenn sie ihn nur einmal im Lager besuchen dürfte. Auch reizte sie es, die Soldaten zu sehen und überhaupt zu schauen, wie es eigentlich im Kriege aussieht. Ihre für alles Große und Heroische schwärmende Fantasie war aufs regste beschäftigt, ihr immer neue erhabene Kriegsbilder vor die Seele zu malen. Sie hatte sich ganz in des Bräutigams schmucke Soldatenkleidung verliebt."49 Kummer und Leid erschienen Luise, wie es hieß, „als der Weg zu ihrem Ideale innerer Harmonie".50 Last war Lust und veredelte den Liebreiz, denn „als der Ernst der Zeit den Flitterglanz des höfischen Lebens von ihr abstreifte", wie Friedrich Meinecke meinte, „verlor sie nicht die zarte Anmut, durch die sie zuerst die Herzen bestrickt hatte, aber zeigte sie nun verbunden mit hoher sittlicher Stärke".51 Einen herrlichen Leib hatte der Mythos seiner Protagonistin auch deshalb gegeben, weil er als Träger einer Gesinnung dienen mußte, die ebenso verführerisch sein sollte wie die schöne Luise. Und diese hatte Männer angetrieben und Kinder bekommen, hatte Tugend sichtbar gemacht und dem Leid den Schrecken genommen, hatte Schönheit der Nation gewidmet und letztlich diese Schönheit hingegeben, die seitdem von der Größe ihres Opfers zeugte. Erst im Tod das höhere Leben wie die

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höchste Lust erringend, ging Luise den Weg in die Entfleischlichung und schützte ihre Reize vor dem Zahn der Zeit. Der Luisenkult war der Kult um eine tote Frau, und einer Toten oder Todgeweihten war im 19. Jahrhundert jeder Reiz gestattet, bannte doch der Tod die unheimliche Kraft von Frauenanmut. Das Gewand der Gattin müsse so hauchdünn sein, daß die Gestalt hindurchscheine, hatte Friedrich Wilhelm angeordnet, als er Entwürfe zu dem Monument in Rom bestellte. Und so schuf Rauch ein Bild von großer Freizügigkeit, während Schadow in Berlin eine Skizze modellierte, die Luise in züchtigem Gewand vorstellte. Eggers sollte später spotten, Schadows verschmähte Königin sei „hausmütterlich" gewesen oder, anders gesagt, zu „nonnenhaft".52 König Friedrich Wilhelm gab sich selbst wie auch der Nachwelt eine Statue, die all dem Schmerz um den Verlust mit höchster Sinnlichkeit begegnete. Das dünne Kleid der Schlafenden, vom Bildhauer auf einen nackten Körper nach lebendem Modell drapiert, hatte die Weiblichkeit der Königin weit weniger verborgen als enthüllt; und der Gedanke an das zeitlos Schöne lebte sichtbar fort im Garten um das Tempelmonument.53 Ein Abguß der Venus Medici wurde 1832 nach einem Rat von Rauch auf die Luiseninsel im Schloßpark von Charlottenburg gestellt, und jener Ikone griechischer Nacktheit gleich umfaßte auch die Schlafende im Mausoleum ihre kaum verhüllte Brust. Das allzu Erotische jedoch sublimierte die vaterländische Kunstbetrachtung in späterer Zeit. Erklären oder ignorieren lauteten die Losungen, wobei sich die Gartenlaube von 1870 an letzterem versuchte. Kommentierte das Blatt erst die politische Bedeutung der Königin und erzählte dann den Mythos nach, so endeten seine Ausfuhrungen mit dem Blick auf die „schöne Gestalt" über dem Grab, die als „züchtig von dem faltenreichen Gewand verhüllt" beschrieben illustrierte, was schriftlich vorbereitet worden war: das „Bild der reinsten, vollendeten Weiblichkeit".54 Erläuterungen fiir den Reiz der toten Königin brachten auch die Schreiber der preußischen Kunstgeschichte. Eggers hatte den Wunsch des Witwers nach einem Denkmal nur in Lebensgröße mit dem Wunsch nach der „ G a t t i n " in dem Bild erklärt und die tiefere Bedeutung jenes Ringens um die Statuengröße typographisch angedeutet; die vom Autor unterstellte Unmündigkeit des Königs aber nahm dem Vorgang wie dem Resultat Brisanz. Konträre Ansichten von Rauch und Friedrich Wilhelm hatte es laut Eggers nie gegeben, höchstens Mißverständnisse, denn wie der Künstler einst „die Hoheit der Königin, den Liebreiz des Weibes und die Züge der Gattin zugleich wiederzugeben versuchte, so war die innerste Absicht des Königs getroffen, besser als er zu beschreiben vermocht hatte".55 Eylert hatte bereits 1844 die Schönheit der Königin dem Leiblichen entlöst und als etwas Höheres in deren Erdenleben ausgegeben, doch klangen seine Worte oft, als spräche er von Rauchs Luisenstatue: „Was bei Ihr anzog und fesselte, war etwas Anderes, als was man sonst auch beim Anblick schöner Frauen fiihlt - es war das Durchschimmern des Idealen in der graziösen Erscheinung der körperlichen Hülle."56 Eylerts Gedanken führte Lionel von Donop 1889 in Betrachtung des Luisengrabmals

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fort, da er die „Reinheit der Form" durch die „ideale Gewandung" schimmern sah57, während der Historiker Gerd Heinrich 1981 gar „das geistige Preußen" in Rauchs Meisterwerk erblickte.58 Erotisches auch der Skulptur war Reinheit, Ideal und Lauterkeit. Die Anmut der Statue und die Ablehnung von Schadows Skizzen erklärte Seidel schließlich mit dem öffentlichen Zweck, weil er glaubte, „daß der Entwurf Schadows dem König zu schlicht und einfach war, und daß er der reinen Keuschheit dieser Auffassung gegenüber die nach antiker Monumentalität strebende heroische Betonung der schönen Königin von Rauch bevorzugte".59 Erotik wurde zu Heroik transformiert. Die Antikenrezeption des 18. Jahrhunderts hatte die Wege vorgezeichnet, auf denen im 19. und 20. die Nacktheit von Skulpturen in national bedeutsame Ideale umgeleitet wurde, in Kraft und Gesundheit, Fruchtbarkeit und Stärke. Die einstige Idee von der Veredelung des triebhaften Begehrens durch das Vollkommene der griechischen Schönheit wandelte sich zum Glauben an die Geschlechtslosigkeit des Schönen in der antiken Kunst. Und angeblich gab es keine Verbindung zwischen idealen Körpern und sexueller Begierde.60 Das Weiß des Marmors, des edelsten Materials laut Winckelmann, hatte die Verklärung der griechischen Skulptur entscheidend geprägt, und einige Deuter Winckelmannscher Schriften sahen in der Farblosigkeit antiker Gestalten die ideale Entledigung ihrer physischen Reize.61 Die Einbindung des allgegenwärtigen antiken Schönheitsideals in den Nationalismus und die Moral des Bürgertums stand hinter diesen Erklärungsmodellen, auf die sich die Freikörperkultur noch ebenso berufen sollte wie die faschistische Ästhetik. Ende des 19. Jahrhunderts, als weniger antike als mittelalterliche und christliche Ideale die respektable Frau verkörperten, war das klassizistische Schönheitsideal aus edler Anmut und stiller Größe in Tugenden wie Keuschheit und Selbstbeherrschung umgewandelt und die Kunstbetrachtung Schillers oder Winckelmanns dem nationalistischen Wertekanon angepaßt. Die Reize der Antike freilich hat keine dieser Theorien je zerstört oder zu zerstören verlangt; das Nackte nämlich war Verfuhrung und Verfuhrung Propaganda - und die tote Luise die erste Figur mit diesem Zweck. Ein Gemälde von Wilhelm Wach (Abb. VIII) warb 1812 für den kommenden Krieg mit Hilfe einer reizvollen Gestalt. Königin Luise, als Hebe, dem weiblichen Mundschenk der Götter, verklärt, posierte mit halbentblößter Brust vor dem Brandenburger Tor, dem seine Quadriga fehlte. Die Komposition des Werkes ging auf ein kleines Ölbild Peter Eduard Ströhlings von 1802 zurück, allerdings mit dem Unterschied, daß der Kopist auf die Darstellung der Quadriga demonstrativ verzichtet hatte. Eine entblößte Landesmutter rief jetzt zur Sühne jener Schmach, für die Napoleons Raub des Viergespanns Symbol geworden war wie sonst nur die dahingeschiedene Luise. Und deren Sieg über das Schicksal und die Sterblichkeit verkündete bereits der Adler mit dem Siegerkranz. Das zweifelsohne sinnlichste Porträt Luises kam im Jahr des Siegs über Napoleon auf das preußische Volk. Eros und Mythos machten den Sarkophag, „eines der köst-

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lichsten Werke der Plastik", zum nationalen Monument (Abb. III).62 Kriegsdenkmäler zeigten oft Verführerinnen kämpferisch und leicht bekleidet, da es den Soldaten anzuspornen galt, sein Blut fürs Vaterland zu geben, wie er es auch für seine Geliebte vergießen würde. „Die beiden innigsten Empfindungen, die dem Menschen gegönnt sind", sprach Theodor Mommsen, „die Ahnung des ewig Weiblichen, wie der Dichter es nennt, und das Opfergefühl sind uns persönlich geworden in der Königin Luise."63 Zwei Weltkriege haben den Deutschen das Leben und Sterben für Nation und Vaterland verleidet, den Reiz Luises jedoch nicht geschmälert, denn diese erzählt noch immer von Glückseligkeit. „Ich [...] lebe zum Vergnügen meines Mannes", schrieb die heiter gestimmte Kronprinzessin an den jüngeren Bruder Georg wenige Monate nach ihrer Hochzeit.64 Eine moderne Autorin fand nun die Lösung des Rätsels um den Mythos Königin Luise: „Da haben wir das Geheimnis. Das erklärt den Zauber dieser idolisierten Frau auf dem preußischen Königsthron und ist der Grund für ihre ausgewogene, Wärme und Liebe ausstrahlende Persönlichkeit - sie lebte, befriedigt, zum Vergnügen ihres Mannes. Was das 19. Jahrhundert nicht hat in Worte fassen können, wir können's heute direkt aussprechen: Luise war eine sexuell befriedigte Frau."65

14 Die zweite Luise „Das ist Schlummer, im Schlummer die lieblichste Fülle des Lebens, Jugend erblühete nie schöner in Mütterlichkeit. Schlägt sie die Augen nicht auf, die göttlichen ? Regt sie die Hand nicht? Nein; doch still, daß nicht störe dasfragende Wort/"' Karl August Varnhagen von Ense 1828

Kolossale Maße hatte Christian Daniel Rauch zwar fiir die Grabfigur im Mausoleum von Charlottenburg verfochten, nicht vergessen aber konnte er den „Herzenswunsch" des Königs nach einem Bild der Gattin in natürlicher Größe. 2 Die Erinnerung an den Abend des 30. Mai 1811, da ihm der Witwer seine Ideen über das Grabdenkmal auf rührende Weise vorgetragen hatte, weckte bei Rauch die Idee einer zweiten Statue, die, in Lebensgröße ausgeführt, den tiefsten Bedürfnissen des Königs vollauf entsprechen sollte. „Etwas imponirendes" hatte der Luisensarkophag durch den Marmor erhalten, was beim Tonmodell noch nicht zu sehen gewesen war, weshalb der Bildhauer schon während der Ausfuhrung der ersten Statue an eine zweite, „mehr ins naive" gehende Fassung dachte. 3 Die schlafende Luise, die „so grandios wie möglich" hatte werden sollen, war schließlich über Rauch hinausgewachsen und hatte sich in ihrem Ausdruck, der später dann wie Propaganda schien, zu guter Letzt verselbständigt. Erfaßt von Angst, sein Marmorwerk zu monumental gemacht zu haben, wollte Rauch mit einer kleinen Wiederholung nun ein Denkmal schaffen, wie es „den Augen oder dem Herzen des Königs" Genüge tat. Erst dieses wäre dann, wie er an Schinkel schrieb, „die eigentliche Lösung der Aufgabe".4 Ewig selbstkritisch, machte sich der Künstler selber Konkurrenz. Wie prekär sein Plan war, wußte er, weshalb er nur in aller Heimlichkeit und zur „eigenen Genugt u u n g " an der Statue arbeitete. König Friedrich Wilhelm eine „angenehme Überraschung" zu bereiten, war selbstverständlich dennoch seine Absicht.5 Und wie ein Standbild, das den Witwer freuen sollte, aussehen mußte, offenbart wohl schon die Wortwahl in Rauchs Briefen an Caroline von Humboldt: Ein Sortiment Marmor „von der herrlichsten Weiße" necke ihn und reize ihn seit einiger Zeit, schrieb er im Januar 1813 aus Carrara, „wie ein versteinerter Milchfluß" seien die Blöcke anzusehen, und so sei er in den langen Winterabenden auf die Idee gekommen, noch ein weiteres Modell zu einer Statue der Königin zu machen, was ihm „durch einige hiesige recht schöne Modelle noch anziehender" werde.6 Einer dieser Marmorblöcke sollte Rauch schließlich „verführen", einhundert Dukaten auszugeben, die er mit seinen Büsten eingenommen hatte.7

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Das Tonmodell der kleineren Luisenstatue war im Juni 1813 abgegossen worden, doch erst 1820 war das in Marmor angelegte Standbild nach Berlin gekommen, wo seine Fertigstellung durch den vielbeschäftigten Rauch noch sieben weitere Jahre dauerte. Ende 1827 wandte sich der Künstler schriftlich an den König und gestand, daß er, „verleitet durch den frühesten Wunsch Euer Majestät die Statue nur in Naturgröße ausgeführt zu sehen, auch dieses zweite Modell in Carrara auszufuhren" begonnen habe.8 Das Werk sei nun die Lösung dessen, was er an der Sarkophagskulptur nicht recht gelöst zu haben glaube. Die zweite Figur der Königin Luise (Abb. 22) ist von natürlicherer Anlage und erscheint im Ausdruck weniger entrückt als die Charlottenburger Grabstatue. Erzeugt wird dieser Eindruck durch die Lebensgröße, die der Skulptur besondere Intimität verleiht; konsequent hat Rauch zudem die Darstellung von Anmut im Schlummer fortentwickelt. Der einst noch hochgelagerte Oberkörper ist herabgesunken und die ganze Lage der Gestalt der Waagerechten angenähert, der Kopf ist noch weiter zur Seite gefallen und der Körper noch tiefer in das Ruhelager eingebettet. Die aufgerichteten Fußspitzen stehen im Kontrast zum Haupt, was die Lasten nun harmonischer über die Länge der Figur verteilt. Luises weiche, fiillige Gestalt umhüllt ein ärmelloses Kleidungsstück, das auch als Decke dient und der Figur durch seinen Ausschnitt einen freizügigen Liebreiz gibt. Die Arme hatte Rauch ursprünglich nackt belassen wollen, doch weil ihm später Bedenken kamen, legte er noch ein „feines Hemd in feinen Faltchen" über die Oberarme. 9 Wie schon beim früheren Werk erweckt ein reiches Faltenspiel auf Leib und Lager den Eindruck von Lebendigkeit. „Anmutiger, um nicht zu sagen menschlicher und weiblicher", hat Paul Seidel jene Statue genannt, deren Beliebtheit sich in zahlreichen Abbildungen niederschlagen sollte.10 Und Lionel von Donop, dem die Legende offenbar den Blick vernebelt hatte, fand das Werk „zur zartesten Beseelung durchgebildet" und erklärte, daß die Königin „als Preußens Genius [...] in ihrer alles Irdische überstrahlenden Erhabenheit die Hände zum Gebet" gefaltet habe, was mit dem Gezeigten nichts, mit dem Mythos aber um so mehr gemeinsam hatte.11 Kaum entscheiden konnte sich Carl August Böttiger, „ob das Bild in Charlottenburg oder dieses hier schöner" war, da man vor dem ersteren mit „Schmerz", vor dem letzteren dagegen mit „Vergnügen" stehe.12 Und so übertrumpfte jene Schöpfung, was als .vollendet' nicht zu übertrumpfen war, und stürzte manchen Zeitgenossen in das Dilemma, seiner Begeisterung für das Neue Ausdruck zu verleihen, ohne dem Alteren den Ruf der Unvergleichlichkeit zu rauben, die Aura seiner idealen Einzigartigkeit. Kunst und Kult waren im Mausoleum zu einer Vollkommenheit verschmolzen, an die es nicht zu rühren galt. Eine Figur war entstanden, die dem Privaten und Intimen anrührenden Ausdruck gab und darum auch zum Publikumsmagneten in der Künstlerwerkstatt wurde.13 Zahlreiche Besucher mußten sich „durch leises Berühren" davon überzeugen, daß die Statue „wirklich von Stein" war, wie das Berliner Kunst-Blatt berichtete.14 Eine „freudige Überraschung" aber, wie gehofft, wurde das Bildnis für den König nicht, denn dieser ärgerte sich darüber, daß die Statue seiner verstorbenen Frau ohne sein Wis-

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Abb. 22 Christian Daniel Rauch: Königin Luise, Detail, 1812-1827

sen zum Objekt künstlerischer Experimente geworden war und der Bildhauer in einer solch privaten Sache eigenmächtig gehandelt hatte. Das Bildwerk stand im schroffen Widerspruch zur Singularität der ersten Statue - das rechte Werk kam zur falschen Zeit. Und Probleme dieser Art hatte Rauch wohl schon geahnt, als er den König am 1. Dezember 1827 in unterwürfigstem Tonfall bat, die Arbeit selbst „des

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allerhöchsten Augenscheins zu würdigen, und gnädigst darüber zu entscheiden, ob mein Unterfangen dem Gelingen näher kommt und sich des allerhöchsten Beifalls zu erfreuen hat oder aber zur fernen Verborgenheit zurückkehren soll".15 Ende Januar 1828 erst begutachtete der König die Statue. Zwar muß sie ihm gefallen haben, doch wurde sie zum großen Unglück ihres Schöpfers im Antikentempel von Sanssouci eher abgestellt als aufgestellt, denn dort herrschten miserable Lichtverhältnisse. Ein „Product der Reue und des am Charlottenburger Denkmale Versäumten" nannte Rauch sein Bild im nachhinein und beschrieb damit den Grund für die Misere.16 Zwangsläufig nämlich stellte jenes unautorisierte Werk nicht nur seine eigenen Vorstellungen des Jahres 1811 in Frage, sondern auch die seines Auftraggebers, der die erste Statue gutgeheißen hatte. Die Suche nach Ersatz für die verlorne Liebe hatte Friedrich Wilhelm einst mit Leidenschaft an der Entstehung des Luisendenkmals teilnehmen lassen; und wollte ihn die Allgemeinheit auch ein Leben lang um seine Gattin weinen sehen, so ließ sein Schmerz im Lauf der Zeit doch nach, aller Melancholie zum Trotz. Emotionen aber, die vergänglich waren, wurden nun rund zwanzig Jahre später wieder angefacht, beim König wie in der breiten Öffentlichkeit. „Euer Exzellenz haben unstreitig schon davon Nachricht erhalten", schrieb Friedrich Tieck an Goethe, „daß eine zweite Statue der Königinn, der ersten ähnlich, nur kleiner, d.h. nicht größer als die Natur von neuen den verdientesten Beifall und Anerkennung gefunden hatt, und ein ganz allgemeines Interesse des hiessigen Publikums aufs neue rege geworden ist."17 Das Erstlingswerk hatte dem Künstler nicht großartig genug sein können, wovon er auch den König überzeugte, bald darauf aber hatte Rauch seine Vorstellungen gemäßigt und traf damit erneut den Nerv der Zeit. „Oh mein Gott! Sehr schön!", begeisterte sich Böttiger. „Hier vergißt die Kunst ihre Kritik, und die Natur überwältigt uns in ihrer Kraft, Wahrheit, Einfalt und Stärke. Es ist, als sähe und hörte man die Schlafende und müßte leise reden, um nicht zu wecken. Der liebliche und ansprechende Ausdruck der Ruhe, der Erquickung und des Friedens, ist über das Ganze, vom hinneigenden Haupte, vom sichtbaren Athemzuge, der Lage der Hände an, bis zu den Füßen, verbreitet und jeder Theil verstärkt diesen Eindruck. Man fühlt eben das Behagliche und Wohlthuende; aber auch das Himmlische, was man fühlt beim Anblick eines schönen schlafenden unschuldigen Kindes, - man siehet eine schlafende Mutter, die Kinder geboren hat. O möchte Sie die Augen aufthun und wieder erwachen!"18 Die Statue war nicht länger Totenmal; vom eigentlichen Sinn gelöst, stärkte sie als Bild des Lebens den Glauben an Luises dauerhafte Existenz und wurde im Original wie auch im Abguß wichtig für die Inszenierung des Luisenmythos und die Sichtbarmachung seiner Schlüssigkeit. Der Kult um Königin Luise aber wuchs dem König über den Kopf. Das Glück der Vergangenheit wurde zur Last der Gegenwart. Einhellige Ablehnung hatte die preußische Öffentlichkeit der Vermählung Friedrich Wilhelms mit Auguste Gräfin Harrach im Herbst 1824 entgegengebracht. Die morganatische Ehe mit der zur Fürstin Liegnitz erhobenen Gräfin aus katholischem

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Hause war in aller Stille geschlossen worden und wurde hiernach nur zögerlich bekannt gemacht. „Die Stimmung in Berlin", berichtete die Schwägerin des Monarchen, war „sehr gegen die Heirat des Königs. Entweder wird mit Tadel geschrieben oder so drüber geschwiegen, das es unnatürlich ist."19 Die österreichische Braut war dreißig Jahre jünger als ihr Gatte, die Zeitgenossen beschrieben sie als „frisch und elegant", beschieden ihr jedoch eine eher einfache Natur sowie ein stilles Temperament.20 Entzücken konnte sie damit den König, der sich selbst als jederzeit „empfanglich für weibliche Anmuth und Reize" charakterisierte.21 Ein „hübsches und reizendes Frauenzimmer" ließ Friedrich Wilhelm selten „unbemerkt vorübergehen", doch weil er Königin Luise trotzdem treu geblieben war, forderte sein Volk für seine Treue Ewigkeit. „Wie in Dresden so in Berlin hat die Vermählung des Königs mit der Gräfin Harrach die größte Verwunderung erregt", schrieb Rauch an Böttiger. „So gehts aber den Ehrenmännern, sie stehen hoch, man verlangt dafiir auch sehr viel, so vom Könige, er solle keusche Treue bis ins Grab bewahren."22 „Ein wahrhaft betrübtes Gemüth findet einen Ekel an den Zerstreuungen der Sinnlichkeit", mahnte nach Luises Tod der Hofprediger Sack. „Das Zusammenseyn mit guten Kindern; das Verweilen bei ihrer unbefangnen Fröhlichkeit, und der vertrauliche Umgang mit theilnehmenden Verwandten und geprüften Freunden - das sind die besten bewährtesten Aufheiterungsmittel."23 Zwar gab der König seinen argwöhnischen Beobachtern allen Grund zu der Vermutung, daß sich die Beziehung zu seiner zweiten Frau auf „Umsorgen und Pflegen" beschränkte, dennoch zwang der Schatten von Luise die Nachfolgerin in ein groteskes Reglement. Eigensüchtig und dünkelhaft hatten die Kinder des Königs darauf geachtet, daß die Stiefmutter in jeder nur denkbaren Weise zurückgesetzt wurde und ihren Rang erst hinter allen Prinzessinnen erhielt. Die Fürstin blieb von wichtigen Ereignissen bei Hofe ausgeschlossen, und auch der König behandelte sie in der Öffentlichkeit mit auffallender Kälte.24 Das Andenken der Mutter war den königlichen Kindern, die den Schritt des Vaters wie auch die neuverfaßte Etikette hatten billigen müssen, von großem Wert. Die Neuvermählung von „Papa" schmerzte um so mehr, weil auch die Kinder, dem väterlichen Vorbild folgend, einen Kult um die Tote entfaltet hatten und sich gegenseitig auf das „wehmüthige, schwermuthsvolle Andenken an schöne, glückliche, selige Tage göttlicher Mutterliebe" einschworen, „die uns nimmer wiederkehren sollen, auf dieser Welt!!!"25 Ein „Ersatz für Mama sollte und könnte es nie sein"26, hatte Friedrich Wilhelm seinem Nachwuchs zwar versichert und das neue Verhältnis vielmehr als Ausgleich für den Weggang der geliebten Töchter erklärt, trotzdem blieb die Stimmung der Kinder, die „so sehr dagegen" waren, auf lange Sicht bedrückt.27 „Gewöhnt hat man sich wohl", schrieb Wilhelm 1825 an die Schwester Charlotte, „aber es stört doch gewaltig, - gewaltigjeden Augenblick!"28 Die Fürstin Liegnitz, die ihre delikate Aufgabe mit Bescheidenheit erfüllte, erwarb sich später in der Hohenzollernfamilie großen Respekt, dennoch fühlte sich manch

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vaterländischer Erzieher noch zu Lebzeiten der Fürstin genötigt, die Rolle jener Dame zu erklären, die den Platz der heiligen Luise eingenommen hatte. Ersatz fiir die geliebte Frau habe der König nie gesucht, versicherte Ludwig Hahn seinen jungen Lesern 1854; der Witwer selbst war Zeuge: „Eine neue Luise bekomme ich nicht wieder, die Zeiten sind hin, für immer hin", jammerte der König; drei Jahre nach der Neuvermählung aber scharte sich die königliche Verwandtschaft lobend in der Werkstatt Rauchs um die neue marmorne Luise.29 „Alle Welt zerbricht sich den Kopf, wo sie aufgestellt werden soll", schrieb die Tochter des Künstlers an den Vater. „Viele raten, Du sollst sie der Kaiserin von Rußland anbieten, und könntest dreist eine Million fordern."30 Kultische Verehrung einer Mutter bot Anlaß zu phantastischen Preisvorstellungen, war die Zarin doch Charlotte, Tochter von Luise. König Friedrich Wilhelm aber machte von seinem Recht auf Kauf Gebrauch und wartete sechs Jahre mit dem Lohn, der schließlich auch nur halb so hoch ausfiel wie die ihm vorgeschlagene Summe.31 Ehe die Figur in den Potsdamer Antikentempel überfuhrt worden war, hatte die Werkstatt Rauchs zwei Gipsabgüsse davon hergestellt; der eine blieb im Atelier, während der andere als Geschenk an den Luisenbruder Georg ging, der ihm ein .Mausoleum' im Schloßpark von Neustrelitz baute, ohne daß es dazu eine Leiche brauchte. Die Statue war kein Grabdenkmal, sondern ideale Kunst und kam wie schon das Marmororiginal in Potsdam nun in einen Tempel für die Kunst. Ende des 19. Jahrhunderts ersetzte man das hölzerne Gebäude durch einen steinernen Bau und den Gipsabguß durch eine Marmorkopie. Der Abguß gelangte in das Sterbezimmer im Schloß von Hohenzieritz; als Statue kehrte die Königin damit an die Stelle ihres leiblichen Todes zurück. Einst, als man die Verstorbene in Tücher gewickelt hatte, mußte eine Hand aus der Umhüllung herausgelassen werden, denn „so groß war das Gedränge derer, die sie ihr Küssen wollten".32 Zwei Jahrzehnte nachdem Luise in der Rauchschen Werkstatt zum zweiten Male wiederauferstanden war, hatten heilserhoffende Besucher die Füße der als Gipsabguß dort aufbewahrten Plastik blank poliert.33

15 Die Suche nach dem wahren Luisenbild „Die Königin blickte im Ausdruck tiefer heiterer Ruhe nach der untergehenden Sonne hin; ihr Blick war Gebet, Dank und Freude. Ihr Angesicht schien wie verklärt, und seit ich sie so gesehen, hat keines ihrer Bilder, auch das beste und gelungenste nicht, mirferner ein Genüge thun können. Rulemann Friedrich Eylert 1842

„Gegen abend war uns, mir aber besonders, ein liebenswürdiges Schauspiel bereitet", berichtete Johann Wolfgang von Goethe 1793 aus der Belagerung von Mainz, „die Prinzessinnen von Mecklenburg [...] besuchten das Lager. Ich heftelte mich in mein Zelt ein und durfte so die hohen Herrschaften, welche unmittelbar davor ganz vertraulich auf und nieder gingen, auf das genaueste beobachten. Und wirklich konnte man in diesem Kriegsgetümmel die beiden jungen Damen für himmlische Erscheinungen halten, deren Eindruck auch mir niemals verlöschen wird."2 Ein jeder Biograph der Königin hat diese Worte wiederholt und die Geschichte vom Engel der Nation mit Goethes Anblick jenes Engels ausgeschmückt. Königin und Dichter waren im Mythos fest verbunden, der sich manches Mal auf Goethes Werke stützte, vom zweiten großen Dichterfürsten aber fehlte ein solch helfendes Zitat. Zwar „sehr graziös und von verbindlichstem Betragen" fand Schiller Preußens Königin, doch weil die rechte Euphorie in diesen Worten fehlte, strafte Legendenschreiber Armin Stein den Dichter mit einer ruhelosen Nacht. Das Klopfen Schillers um Mitternacht riß Goethe aus dem Schlaf. „Zehn Minuten später saßen die beiden Dichterfürsten nebeneinander auf dem Sopha. ,Mich litt es nicht daheim', sagte Schiller mit verklärtem Gesicht, ,ich muß Ihnen erzählen von der Einzigen, der Unvergleichlichen!' ,Sie haben mehr Glück als ich', versetzte Goethe in etwas verstimmtem Ton. Ja, diesmal bin ich der Bevorzugte', bemerkte Schiller mit Betonung. ,Sie haben sie nur gesehen, aber ich habe mit ihr sprechen, ich habe die Musik ihrer Stimme hören und ihr in die Abgrundstiefen ihrer Augen schauen dürfen! Woher nehme ich aber die Worte, um diese Göttererscheinung zu beschreiben? Stellen Sie sich das schönste Konterfei von ihr vor, es ist eine Larve gegen das lebendige Urbild. Die äußere Gestalt mag der Maler treffen, aber diese Seele, welche aus dem Himmelblau der Augen spricht, malt keines Künstlers Farbe. [...] Wie eine weiße Lilie erschien sie mir, vom ersten Strahl der Morgensonne erglühend. O hätten wir mehr solche Herzen, die verlangend der Sonne der Dichtkunst sich öffnen, wir sögen aus ihrem Anblick eine Fülle künstlerischer Begeisterung und empfingen die Antriebe zu immer höheren Zielen'."3

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Ein Glück flir Goethe und für Schiller, daß sie Dichter und nicht Maler waren, denn als Literaten stärkten sie den Mythos und kamen ihm nicht, wie mancher Maler, in die Quere. „Warum kann ich nicht einige Züge des holden Bildes festhalten, wie es noch so frisch vor meinem Sinne schwebt!", klagte die Gräfin Schwerin einige Jahre nach Luises Tod. „Die namenlose Anmut ihres Grußes, die unnachahmliche Bewegung des Ganges und der Verbeugung, oder die kindliche Ruhe ihres so sanften und doch so ernsten Blickes, oder ihr stilles Umschauen, oder das Hineinschweben der königlichen Gestalt in eine glänzende Versammlung, in der sie, wie zahlreich sie auch sein mochte, immer die schönste, die erste, die einzige Frau schien."4 Ein Zeitgenosse der Königin hatte zwar berichtet, daß viele Bildnisse ihr ähnlich seien, die Schreiber ihres Mythos aber suchten für das Gegenteil Belege.5 „Ganz ähnlich kann die Königin Luise doch nicht gemalt werden", zitierte man den Herzog Ferdinand von Braunschweig, „denn kein Künstler vermag es, Ihren herzgewinnenden Blick voll Geist und Güte so darzustellen, wie er ist. [...] Dem, welcher sie kennet, thut kein Bild, auch das beste nicht, Genüge!"6 Ergötzten sich die Zeitgenossen einst am Anblick Königin Luises und überschlugen sich nach deren Tod in verzückter Erinnerung, so war doch ihr Frohlocken das Dilemma ihrer Nachwelt. Kommende Generationen, die sich an der Schönen berauschen und erbauen wollten, sehnten sich nach einem Abbild dieser „blendenden Lichtgestalt".7 Einem treulichen Erhalt jener Erscheinung aber stand deren Wirkung klar entgegen, denn was blendet, ist so schlecht zu zeigen, wie es schlecht zu sehen ist. Die Unabbildbarkeit gehört zur Göttlichkeit. „Was, als das Geistige, das körperliche Auge nicht sehen kann, kündiget sich, umflossen von reinem Lichte, dem sinnenden Gemüthe mehr in Gefühlen und Ahnungen, als in Begriffen an", schrieb Eylert über die Königin. „Jeder erkennt es, aber Keiner kann angeben, was es ist. Das absolute ewige Object des Wahren, Schönen und Guten, ist da, im Himmel und auf Erden; aber in jedem Anschauenden reflectiert es in unendlichen Gradationen relativ, nach dem jedesmaligen Maße der Empfänglichkeit; aber bei aller Verschiedenheit der Auffassung ist dennoch der Eindruck der Bewunderung und Freude im Allgemeinen übereinstimmend."8 „Ein jeder Verehrer der Königin Luise glaubt genau zu wissen, wie der,Schutzgeist Preußens' aussah", schrieb Paul Seidel 1905 und schränkte doch ein, daß es im Grunde „ein Gemisch von ziemlich unbestimmten Eindrücken" sei, das sich „in der Erinnerung zu einem Bilde der schönen Königin" verdichte.9 Der Mythos hatte einen festen Kern und um diesen einen Kreis von Nebengeschichten, Legenden und Anekdoten, die Lokalkolorit und historische Bezüge schufen, Individualität und Menschlichkeit. Eine totale und zugleich wandelbare Struktur war damit dem Mythos eigen, die Widersprüche auflöste und dem Einzelnen die Möglichkeit zur individuellen Konstruktion und Imagination eröffnete. Der Glaube, die Königin zu kennen, war der permanenten Wiederholung ihrer Geschichte in allen nur denkbaren Zusammenhängen und Varianten erwachsen; konfus jedoch und „aus unbestimmten, unbegrenzten

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Assoziationen gebildet", hat Roland Barthes das im Mythos enthaltene Wissen genannt, eine „formlose, unstabile, nebulöse Kondensation", deren Einheitlichkeit mit ihrer Funktion zusammenhinge. 10 „Die Uberlieferung, mehr noch durch das Wort, als durch Bild und Schrift ist die richtigste Geschichtsschreibung für ein solches Erdenwallen", erklärte darum die Vossische Zeitung 1876, nachdem sie den Mythos der Königin Luise über ein Dreivierteljahrhundert publizistisch begleitet und verbreitet hatte.11 Einzig der vage, veränderliche und phantasieanregende Laut galt nun, da der Mythos etabliert und kanonisiert war, als adäquates Mittel für seinen Erhalt. Das wandelbare Wort gab dem Mythos wandelbare Existenz. Einige Luisenbiographen des späten 19. Jahrhunderts nahmen sich in ihren Büchern der mündlichen Erzählung an und bereicherten das Leben der Königin mit unerschöpflichem Erfindungsgeist. Zum Zweck der Unterhaltung und Erziehung wurden Begebenheiten mit fiktiven Dialogen ausgeschmückt, Zeitgenossen erfundene Aussprüche in den Mund gelegt und Augenzeugen zitiert, die es nie gegeben hatte. Königin Luise wurde zum Lieblingsthema der vaterländischen Literatur, und den Zauber ihrer physischen Gestalt sollte die schreibende Zunft beständig nähren, ohne daß sie ihn enthüllen konnte oder wollte. Luise selbst, so schien es, vernebelte die eigene Gestalt. Das Göttliche war der Weichzeichner ihrer Figur, die schon zu Lebzeiten nur durch einen Tränenschleier anzuschauen war, fing das Volk bei ihrem Anblick doch zu weinen an, wie ein Biograph zu wissen glaubte: „So erging es allen."12 Königin Luises Idealität im Inneren wie Äußeren war nach und nach zum Fakt geworden, die Menschen aber, die Augenwesen, verlangten auch nach visueller Vergegenwärtigung ihrer mehr erträumten als tatsächlichen Vergangenheit. Das Antlitz, Spiegel des Geistes, verhieß Erkenntnis und Verfügbarkeit. Sichtbarkeit war Unterpfand der Wirklichkeit; und wo die Nation ihre Geschichte durch Mythen ersetzte, da war das sichtbare Alibi von um so größerer Wichtigkeit. Die Nachwelt wollte nicht mehr glauben, sie wollte wissen, wie Preußens Engel „wirklich ausgesehen hat".13 Der Mythos aber kreiste zwischen der Geschichte, der Persönlichkeit, der Haltung und dem Aussehen der Königin Luise. Konkret und imaginär zugleich, war er nur als unentwirrbares, offenes Ganzes überlebensfahig, weshalb ein allzu statisches Verfahren der Verbreitung dem Mythos stets zuwiderlief, auch weil es dessen Eigenschaft, Widersprüche aufzulösen, mit Entzifferung bedrohte. Zehrte der Mythos aber von veränderlichen Assoziationen und erhielt sich durch die Fähigkeit zum Wandel, so bestach das Bildnis durch Fixierbarkeit. Ein Bildnis jedoch konnte seine Form kaum ändern und stand als solches gegen den erzählten Mythos an, den es zwar stützen konnte, zugleich aber durch Statik und Bewertbarkeit gefährdete. Luises Schönheit beförderte den Mythos und bedrohte ihn zugleich mit dem durch sie erweckten Wunsch nach Sichtbarkeit. Entzog sich daher ein Bild dem Mythos, indem es seiner Eigenschaft und Botschaft widersprach, so wurde es als unwahr abgestoßen und sein Schöpfer als untalentiert oder als von künstlerischen Konventionen verblendet diskreditiert. Die Wahrheit des Mythos ist die Wahrheit sei-

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ner Existenz. Ist ein Mythos aber wahr, weil man ihn erzählt, so ein Bild noch lange nicht, bloß weil es vorhanden ist. Kurz nach dem Tod der Königin begann die Suche nach ihrem wahren Porträt. Eine große Anzahl unterschiedlichster Gemälde stand dem Mythos wie dem gesellschaftlichen Diskurs zur Verfugung, und die Ausschnitte aus der Vergangenheit, die man daraus wählte, kennzeichneten die jeweilige Gegenwart. Zeitgenössische und postume Darstellungen bildeten eine dynamische, sich ausweitende Masse. Kunst verlor in jener Masse Statik und kam so auf den Mythos zu, der nicht allein die Suche nach dem wahren Bild bestimmte, sondern auch deren Logik und Stringenz. Kriterium für wahre Ähnlichkeit war mit dem Lauf der Jahre weniger die historische Tatsächlichkeit als die mythische Vollkommenheit. „Heinitz war gestern bei der Voß", schrieb Luise 1797 an ihren Ehemann, „und hat ihr gesagt, er wisse, daß es unhöflich sei, aber trotzdem würde er morgen mit diesem schwedischen oder dänischen Maler kommen und mich malen lassen, weil er, die Akademie, die Porzellanmanufaktur, kurz alle Welt danach begehre und schreie. Wohl oder übel muß ich armes Weibsel dran. Also morgen um 11 sitze ich da und blase höllisch Trübsal."14 Zweifel an den Bildnissen Luises aber hegte der verliebte Adressat schon seit der Verlobungszeit: „Wenn nur bei diesen häufigen Sitzungen ein Bild zu Stande kommt, daß Ihnen einigermaßen ähnlich sieht; denn daß es Ihnen ganz ähnlich wird, daran verzweifle ich. Ihre Züge sind zu fein und zu hübsch, als das ein Maler sie je treffen und die Sanftmuth und Anmuth wiedergeben könnte, die sie so reizend machen."15 Ein Maler folgte auf den nächsten, und so kam jene vermeintlich unabbildbare Gestalt in zahllosen Gemälden auf die Nachwelt. Ende des 18. Jahrhunderts aber kaum mit großen Talenten bestückt, befremdete die Berliner Malerei mit ihren Werken, zumal sich diese so sehr voneinander unterschieden, „daß man keinem Autoritätsrecht beimessen" konnte.16 „Die Künstler ihrer Zeit haben uns so gut wie ganz im Stich gelassen", klagte Adolf Rosenberg 1880 und empfahl Luises Briefe zur Lektüre, damit das „Bild" der Königin zumindest „vor die Seele" trete.17 Aus dieser Misere führten verschiedene Wege. Einer war die Ablehnung aller Gemälde als unauthentisch und von zweifelhaftem Wert. „Wenigen Künstlern ist es gelungen, von dieser seltenen Frau ein treues Bild auf die Nachwelt zu bringen", trauerte die Vossische Zeitung 1876, und Armin Stein legte solch ein Urteil schon Luises Zeitgenossen in den Mund: „Kein Maler ist im Stande, sie zu malen. Was aus d i e s e n Augen spricht und strahlt, das bringt kein Künstler aufs Papier."18 Erklärung für die „Unzulänglichkeit vieler ihrer künstlerischen Darstellungen" war die Unabbildbarkeit von Unbeschreibbarkeit.19 „Wer den Eindruck, den die Erscheinung der Königin machte, in Worte fassen will, der hat ihr Wesen, ihre himmlisch-reine kindliche Natur nicht begriffen", schrieb Karoline von Berg, doch war das Ringen um die rechten Worte manchmal noch poetisch, so das um die richtigen Pinselstriche nie.20 Die Allgemeine Preussische Staats-Zeitung sah den Grund für die Unabbildbarkeit der Königin in deren bloßer Gegenwart, die „so unbeschreiblich als unersetzlich" gewe-

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sen sei, daß der Künstler, „um nur dem Ruhme, daß er sie selbst gesehen, nichts zu vergeben", lieber „frei der Nachwelt die Ohnmacht seiner Kunst" gestehe.21 Elisabeth Vigee-Lebrun hatte die Beschreibung der Königin mit der händeringenden Suche nach den richtigen Worten eingeleitet und das schöne Dilemma damit komplettiert. Konnte schon die Feder solcher Anmut keinen Ausdruck geben, so lag es nahe, daß es der Pinsel auch nicht konnte. „Der unruhige Strom des Lebens", schrieb Jean Paul auf den Tod der Königin, „malt Ihre Glanzgestalt nur verwirrend ab, aber das stille Meer des Todes spiegelt reiner die Sonne nach, und die Ferne ruht unter unsern Füßen als sanfter stillender Mond."22 Ludolf von Beckedorff wies in diesem Sinn den zweiten Weg zur Ähnlichkeit. „Bey Lebzeiten Ihrer Majestät ist es keinem Mahler gelungen, ein nur einigermaaßen ähnliches Bild von Ihr hervorzubringen", erklärte er in den Berliner Abendblättern. „Wer hätte es auch wagen dürfen, diese erhabene und doch so heitere Schönheit, die lebendige, bewegliche, geistreiche, holdselige Freundlichkeit und den ganzen, unendlichen, immer neuen Liebreiz Ihres Wesens neben dem Ausdrucke des sinnigen Ernstes und der würdevollen Hoheit dieser königlichen Frau festhalten oder gar wiedergeben zu wollen? Erst nachdem Sie selbst hinweggenommen worden ist, und die niederschlagende Vergleichung mit dem unerreichbaren Originale nicht mehr Statt finden kann, scheint die begeisterte Trauer, womit um sie geklagt wird, Ihr Bild treuer ergriffen zu haben."23 Schmerz erst sollte dem Maler die Augen öffnen, der jenem Antlitz erst im Taumel der Gefühle zwischen Trauer und Begeisterung gerecht werden konnte. Und erst als Tote konnte Luise zum Kunstwerk werden, da ihre Präsenz ihr Bild nicht mehr bedrohte. Kommende Generationen auf der Suche nach dem wahren Luisenporträt unter „den wenigen Bildnissen, die auf Authenticität Anspruch erheben können", hatten wenig Sinn für solch vergeistigte Konstrukte, fehlte dem postumen Bild doch Augenzeugenschaft, die Garantie für Ähnlichkeit.24 Künstler seien nach Luises Tod noch weniger imstande gewesen, „ein Bild der Königin zu geben, als es den Künstlern vor ihnen möglich war, ein vollkommen treues Bild des Lebens von ihr herzustellen", schrieb Georg Horn zur Kaiserzeit.25 Luisenmythos und Luisenkult blühten nach der Reichsgründung wie nie zuvor, und je höher die entrückte Kaisermutter stieg, desto leidenschaftlicher war die Suche nach unmittelbaren Abbildern ihrer heiligen Gestalt. Und gleichwie der Mythos mehr und mehr von der Geschichtswissenschaft untermauert wurde, begann auch die Suche nach dem wahren Luisenbild mit kunsthistorischer Methode. Zeitgenossen wurden zur Versicherungen von Authentizität zitiert; die Presse machte wiederentdeckte Porträts publik und erstellte die Provenienzen dazu, alles zum Beweis der Ähnlichkeit. Kunsthistoriker mochten die Nähe des Künstlers zu seinem Modell, die Ansichten der Zeitzeugen über das Ergebnis wie auch den Rang des Künstlers als Kriterien für wahre Ähnlichkeit erachten, doch lenkte der Luisenmythos auch den Wissenschaftlern Blick und Stift.

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Wie kein zweiter begab sich Paul Seidel, der Direktor des HohenzollernMuseums, auf die Suche nach der wahrhaft ähnlichsten Luise.26 Ein langer Aufsatz, 1905 erschienen, war das Resultat; kaum ein Werk jedoch konnte vor dem .Entdecker der preußischen Kunstgeschichte' bestehen, der ohnehin nur Zeitgenössisches betrachten wollte. Die „nach dem Tode der Königin, zum Teil sechzigJahre später, entstandenen Darstellungen" seien „nicht geeignet, uns ein richtiges Bild von Luisens äußerer Erscheinung gewinnen zu lassen", gutachtete der Kunstgelehrte, „es hat ihr, im Gegensatz zu Friedrich dem Großen, ein Menzel gefehlt, der mit scharfem Auge und künstlerischem Gefühl alle historisch beglaubigten Uberlieferungen zusammenfassend, ein abgeschlossenes überzeugendes Bild von ihr in's Leben treten ließ."27 Die Makel einzelner Porträts indessen gingen in der Masse unter, der Seidels Museum ein Haus gegeben hatte. Ein zusammenfassendes und überzeugendes Bild der Königin trat am achtzigsten Geburtstag ihres kaiserlichen Sohns ins Leben, da das Hohenzollern-Museum in den Sälen des Schlosses Monbijou seine Pforten öffnete. Erdacht als Gegenstück zur neuen Ruhmeshalle im Berliner Zeughaus, wo sich die preußische Militärmonarchie ein pompöses Denkmal setzte, sollte das Museum das „Andenken an die hohenzollerischen Fürsten als M e n s c h e n erneuern", die sie stets geblieben waren, allen Kults zum Trotz.28 Kaiser Wilhelm hatte den Aufbau jener Sammlung persönlich unterstützt, indem er deren Finanzierung sichergestellt und viele Erinnerungsstücke an das Museum ausgeliehen hatte. Zahlreiche Luisenbilder aus den Schlössern von Berlin und Potsdam kamen jetzt nach Monbijou, wo man das Andenken der Königin zu Anfang in drei Räumen zelebrierte, bis man später diese Zahl erhöhte. Etliches, was Luise einst besessen, wurde dargeboten, ihr Leben damit nach modernen, „antiquarischen und paedagogischen Principien" präsentiert und zu einem Lesebuch des Mythos neu zusammengesetzt. 29 „Im Hohenzollern-Museum verkörpert sich die Erinnerung an sie, in jedem Gegenstande, der ihr gehörte oder ihr gewidmet war, tritt sie uns menschlich nahe; ihr Leben und Arbeiten, ihr Fühlen und Lieben liegt in seinen Äußerungen offen vor uns da — gleich einem Buch, in dem wir lesen können." 30 Das Museum der Hohenzollern stärkte den Luisenmythos durch Nähe und durch Sichtbarkeit, denn gelöst von aller Zeitlichkeit, blieb die Königin der Gegenwart. „Es ist eine höchst sinnvolle Zusammenstellung, die einfachen Ueberbleibsel aus den Zimmern, Schränken und Häusern des Königs und der Königin Luise mit den glänzenden Ordenszeichen ihres gestürzten Gegners", schrieb ein Besucher im Eröffnungsjahr, „und es scheint, als gehe ein leises Rauschen durch die Saiten der Guitarre und des einfachen Spinetts, welche im anstoßenden Gemach aufbewahrt werden. Dort im Schrank eine Reihe von Hüten, welche einst ihr reizendes Haupt bedeckten, der Schreibtisch mit den Leiern an beiden Seiten, mit der grünen Tuchplatte, auf welcher ihre schönen Arme ruhten, wenn sie schrieb von dem Glück, das sie im Kreise der Ihrigen empfand, von ihren Kindern, deren Wiege dort an dem Pfeiler steht, eine einfache, grünseidene Wiege, die sich zwischen zwei Pfosten schaukelt, muschelfbr-

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mig, tief — wie viel Hoffnung, Erwartung hat hier geschlummert? In dieser Wiege ruhte einst unser Kaiser Wilhelm I.!"31 Die eigene Wiege hatte Wilhelm ins Museum und damit in den Dienst der Nationalerziehung gestellt; eines aber hatte auch die Mutter gleichsam selbst der Nachwelt hinterlassen, und das Hohenzollern-Museum bewahrte diesen Gegenstand wie ein Ikone. Aus dem Schiffbruch des Todes will die Totenmaske retten, „was eine unverwesliche Individualität zum Ausdruck bringt, namentlich das Gesicht als Geheimnis" der einstigen Gestalt.32 Die Totenmaske Königin Luises galt darum als unübertroffenes Zeugnis ihrer Züge, „reiner und edler" nachgebildet als durch jedes Kunstwerk.33 Gegenstände „höchster Ehrfurcht" hat Ernst Benkard in seinem Buch Das ewige Antlitz Totenmasken genannt, „denn sie bewahren, im Sinnbild des Antlitzes, das letzte Geistige eines Menschen, den wir einst gekannt, oder der fiir alle Bedeutung besessen. Sie bewahren, während sonst Auflösung unentrinnbar am Werke ist."34 Zwischen Urbild und Abbild trat kein Künstler als Makler auf, und so erschien die Totenmaske wie eine objektive Bestandsaufnahme von unbezweifelbarer Authentizität. Eine mechanische Wiedergabe stand im Zeitalter der Fotografie für Wirklichkeit. „Die exakteste Technik kann ihren Hervorbringungen einen magischen Wert geben, wie für uns ihn ein gemaltes Bild nie mehr besitzen kann", schrieb Walter Benjamin, denn nur das technische Abbild trage in sich, was „nicht zum Schweigen zu bringen" sei, was „auch hier noch wirklich" sei und „niemals gänzlich in die Kunst" eingehe.35 Exemplare von Luises Totenmaske wurden auch im Hohenzollern-Museum aufbewahrt; zwei Gipsabgüsse waren unter ihnen, die man durch Hinzufugung eines drapierten Kopftuchs und die Glättung der Züge auf eine populäre Gefälligkeit hin stilisiert hatte. Eine dieser Masken (Abb. 23) war in vielen Luisenbüchern Frontispiz. Zuweilen sehe man Totenmasken, schrieb Georg Kolbe, „die überarbeitet, ja sogar ergänzt wurden, — nein, noch schlimmer, sie wurden frisiert, verschönert. Dies aber sind Undinge, ist vergewaltigtes, gefälschtes Leben."36 König Friedrich Wilhelm war auf der Suche nach dem wahren Bild der Toten einst vorangeprescht; erschaffen aber ließ er neue Werke, denn die alten waren ihm, dem Melancholiker, kein rechter Trost. Einige Bildnisse für den Witwer hatte der mecklenburgische Hofmaler Wilhelm Ternite angefertigt, doch obwohl sie Friedrich Wilhelm gefielen, hatten seine Zeitgenossen an ihnen wenig Freude. „Es ist Schade, daß nie ein ähnliches Bild von der Königin angefertigt worden ist", klagte Graf Henckel von Donnersmarck. „Ternite hat sie nie gesehen, und es war daher auch nicht zu verlangen, daß trotz aller Correkturen, die sowohl der König als auch die, welche sie gekannt, an dem Bilde machten, eine wahrhafte Aehnlichkeit erreicht werden konnte."37 Die steifen und versatzstückartigen Luisen von Ternite sollten auch die Nachwelt nicht beglücken, die den Maler bald vergaß, denn „vergeblich" suchte man in seinen Schöpfungen „nach dem Ausdruck sieghafter bezwingender und heiterer Schönheit".38 Königin Luise war in ihren letzten Lebensjahren ,aus der Form gegangen' und damit in einen äußerlichen Widerspruch getreten zu ihrer innerlichen Idealität. Einen

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Abb. 23 Totenmaske der Königin Luise

„zu ernsten, matronenhaften Ausdruck" bemängelte die Gartenlaube 1886 an einer postumen Luisenbüste Philipp Wolfis, da man sich die Königin doch „lieber jugendlich-lieblich" vorstellen wolle.39 Die bürgerliche Presse verlangte, der Vorbildlichkeit des Urbilds folgend, vom Abbild stets Vollkommenheit, und selbst die kunsthistorische Wissenschaft machte Makellosigkeit zum Maßstab für Authentizität. Eine verblühende Luise mochte auch Paul Seidel nicht gefallen; Kritik jedoch traf nur den Künstler, der Vergängliches vor Augen führte, wo sich die Nation in ihrer Unvergänglichkeit erkennen sollte. Und so fand Seidel von Ternites Bildnissen der Königin „das sie im Reitkostüm darstellende" das „ansprechendste" (Abb. 24), verbarg doch dies Kostüm die „unangenehm" auffallende und „in der letzten Lebenszeit anscheinend stark zunehmende Korpulenz".40 Ein solches Bildnis aber, ausgerechnet, hatte dem König offenbar gefallen (Abb. 25) und zierte darum die berühmte Gedenkschrift Eylerts auf Luise. Kurz nach deren Tod hatte Friedrich Wilhelm noch nach realistischen Porträts gesucht, bis er sich dann selbst — im Bund mit Rauch — dem Ideal zuwandte. Das Leben gefährdete die Existenz als Kunstwerk. Zehnfache Mutter, wurde Luise zum ästhetischen Risiko, das der Tod gerade noch zur rechten Zeit abwenden sollte.

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Abb. 24 Wilhelm Ternite: Königin Luise im Reitkostüm, 1827

Die Leugnung ihres körperlichen Niedergangs durchdrang fortan den Mythos wie die Ikonographie, denn als Zeuge eines zeitlos idealen Zustands mußte das wahre Bild die beunruhigende Reifung jener Schönheit verbergen, durfte Luise niemals eine andere Wirklichkeit haben als die ihrer physischen und damit geistigen Vollkommenheit. Angst vor Auflösung und Verfall band den Einzelnen wie die Gemeinschaft an die Vorstellung von Ganzheit und Intaktheit. Zeichen des Mangels und der Vergänglichkeit überdeckend, konnte die vollkommene Königin ihrem Betrachter die ewige Nation verheißen, gleichwie sie die allgegenwärtige Bedrohung des Subjektes durch den Tod für den Moment vergessen machen konnte. Zwanghaft hatte Friedrich Wilhelm III. nach Wiederbelebung seiner Frau in der Kunst verlangt und war „dabei unerschöpflich" gewesen, wie sich Eylert erinnerte. „Kein Bild, es mochte noch so ähnlich und schön sein, that ihm Genüge. An jedem hatte Er etwas auszusetzen; immer bemerkte Er kleine, zartere Züge, welche die Vollendete gehabt; Ihr Bild, wie Geist und Gemüth es beseelte, lebte anschaulich in seiner Seele; Er erinnerte sich der verschiedenen Scenen, die er mit Ihr in frohen wie in

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Abb. 25 Wilhelm Ternite: Königin Luise, Stich von Ludwig Buchhorn, 1811/12

trüben Tagen verlebt, und natürlich sah Er mehr, als der Künstler zu leisten und mit seinem Pinsel zu schaffen vermochte."41 Eine Gelegenheit, dieser Herausforderung würdig zu begegnen, hatte den Malern die Akademieausstellung im September 1810 geboten, die auch der König besuchte. „Allgemein war der Wunsch, das Bild der verehrten Königinn von geschickter Hand ähnlich bewahrt zu finden", berichtete Achim von Arnim in den Berliner Abendblättern, „unter verschiedenen, welche dieser Wunsch hervorgebracht, wurde das Bild von Schadow vorgezogen, ungeachtet es blos nach anderen Bildern und nach dem Rathe verehrter Angehörigen der Verstorbenen gemalt worden. Es übertrifft unleugbar alle Bilder, die wir von ihr Gelegenheit zu sehen hatten, [...] doch ist es unerklärlich, daß eine so allgemein bewunderte Königinn bei ihrem Leben nie von einem der besten Porträtmaler unserer Zeit gemalt worden."42 Ende August vom König in Auftrag gegeben und unter den Augen zahlreicher Familienmitglieder entstanden, war das Gemälde von Wilhelm Schadow (Abb. 26) verspätet auf die Ausstellung gelangt, wo es mit Spannung erwartet worden war und dennoch enttäuschte: „Seine Majestät, der König, hat das Schadowsche Porträt für

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Abb. 26 Wilhelm Schadow: Königin Luise, 1810

das ähnlichere erklärt, und dadurch den Werth desselben in dieser Rücksicht bestimmt", bemerkte Ludolf von Beckedorff. „Denn wo gäbe es einen sicherern Maaßstab dafür, wo ein lebendigeres und vollständigeres Bild der verewigten Monarchinn als in der treuen trauernden Erinnerung des erhabenen Witwers? Der König findet das Bild ähnlich; Er billigt es, mehr bedarf es nicht, um demselben alle Stimmen zuzuwenden. Daß sein heiliger Schmerz ohne Widerwillen und Störung bei diesen Zügen verweilen kann, dadurch wird dies Bild geadelt und weit hinausgehoben über jede Verantwortlichkeit gegen Wünsche, Forderungen und Ansprüche, die daran von Liebhabern, Kennern und Künstlern anderweitig erhoben werden könnten." Zwar „wallfahrtete" die Menge zu dem Gemälde, dennoch wollte Beckedorff seine Unzufriedenheit mit dem Porträt nicht ganz verhehlen, aller Pietät zum Trotz. 43 „Überdem scheint dasselbe noch nicht ganz fertig gemahlt worden zu seyn, und kann auch aus diesem Grunde einer vollständigen Beurtheilung noch nicht unterworfen werden. Indessen ist es nicht unbillig, daß die Kritik mit j e größerem Rechte dieses Bild des jungen Mahlers sich derselben entzieht, um desto strenger in der Beurtheilung der übrigen Porträte verfahre, womit derselbe die Ausstellung hat zieren wollen." 44 „Die Anmuth ihrer Bewegung, ihrer Freundlichkeit veranlassen die Maler sehr leicht, ganz fremdartige Ideale in ihr darzustellen", wollte Achim von Arnim das

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ernüchternde Bild des Wilhelm Schadow loben, brachte damit jedoch auch dessen Makel auf den Punkt.45 Erfüllte der Maler nämlich auch die Wünsche seines Auftraggebers zur Zufriedenheit, so ließ doch seine matronenhafte Mitdreißigerin die Göttlichkeit vermissen, die das Volk ihr zugemessen hatte und im Bild vergegenwärtigt sehen wollte. Einhundert Jahre später konnte man dem Maler noch immer nicht verzeihen, daß seine „ausdruckslose" Königin so gar nicht in die Vorstellung von der zeitlos schönen Luise paßte.46 Einen wahrlich wahren Eindruck auf die Nation machte dagegen ein Gemälde, das noch immer populär ist wie kein zweites Bild der Königin Luise (Abb. IX). Kühle Farben hatte der Dresdener Maler Joseph Grassi 1802 mit den warmen Reizen des Modells vereint und verführerische Schönheit mit kindlicher Unwissenheit zusammengebracht: „Man beachte [...] den Gegensatz des voll und versprechend entwickelten Busens zu dem ganz unschuldigen Mund." 47 Knapp verhüllt vom hauchdünnen Gewand, das übervolle Dekollete zum Betrachter hin gedreht, blickte eine strahlende Luise auf die wilhelminische Nachwelt, die ihr Wissen um Vollkommenheit vollauf bestätigt glaubte. „Mädchen und Mutter", monierte eine Feministin 1995, „das Ideal der Frau, die nicht erwachsen wird."48 Grassis Gemälde kam durch Stiche in die Öffentlichkeit. Eine Kopie in Ol wurde noch für die Mitgift einer Enkelin Luises angefertigt, und auch Paul Seidel freute sich besonders an dem Bild, wenngleich er die „in jeder Beziehung hervorragendste" Luise bei Elisabeth Vigee-Lebrun entdeckte, die nach 1801 das „künstlerisch beste und anmutigste" Porträt der Königin geschaffen habe.49 Die Prominenz der Malerin war Garantie für Authentizität. Elisabeth Vigee-Lebrun jedoch verdankte ihren Aufstieg zur teuersten Porträtistin des Adels in Europa vor allem dem Talent, ihre meist weiblichen Modelle dem ästhetischen Ideal der absolutistischen Hofgesellschaft anzupassen, deren Damen sie zu rehäugigen Weibchen umgestaltete. Und die Begabung zur galanten Manipulation zeigte die Französin bei Luise in ganzer Meisterschaft. Ein Jahrhundert nach seiner Erschaffung bediente das den zeitlosen weiblichen Reizen huldigende Bild noch immer Bedürfnisse von ebensolcher Zeitlosigkeit. Klassizistische Idealität im Bunde mit kokettem Rokoko schuf eine „voll erblühte schöne Frau in wahrhaft königlicher strahlender und auch ihrer Wirkung bewußter Erscheinung und von unendlichem Liebreize" — „nicht übertrieben", wie der Direktor des Hohenzollern-Museums fand, der das Gebot der Unabbildbarkeit jedoch beachtete, da er das Gemälde geringer schätzte als Wort und Schrift.50 Eine „Ergänzung" zu dem berühmten Zitat der Malerin, wenn auch eine „im höchsten Maße glückliche", nannte er Vigee-Lebruns Porträt.51 Der Luisenmythos war stets ein Spiegel seiner Zeit. Und wo sich eine jede Zeit die ihr gemäße Vorstellung von der Nationalheiligen erschuf, da lag es nahe, daß auch die Malerei das Bild der Königin Luise neu zusammensetzte. Ein Gemälde von 1879 war binnen kurzer Zeit in so großer Zahl auf Stichen, Kunstpostkarten und Geschirr über das Volk gekommen, daß Paul Seidel es zu dem Gemälde kürte, das „die herrschenden Vorstellungen über Luises Erscheinung" maßgeblich bestimmte.52

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Emporgestiegen zum „Lieblingsmaler der Aristokratie und des reichen Bürgerstandes", war der Berliner Gustav Richter vor allem bei den Damen wegen seiner schmeichelnden Porträts begehrt. Ein „Patriot" hatte den gefeierten Bildner Wilhelms I. nach der Reichsgründung mit der Anfertigung eines monumentalen Luisenporträts (Abb. X) für das Wallraf-Richartz-Museum in Köln beauftragt und dafür die ausdrückliche Genehmigung des Kaisers eingeholt. Zwar machten Alter und Gebrechen dem Maler schon zu schaffen, doch schuf er noch mit letzter Kraft ein Bild, das fortan als Luisenwunder galt. „Das Gemälde entstand zu einer Zeit", erzählte Lionel von Donop, „in der Richter von schweren Gichtleiden, die ihn bereits seit der zweiten Hälfte der sechziger Jahre heimgesucht, in seiner innersten Lebenskraft erschüttert wurde." Die königliche Dulderin jedoch rief ihn zur Leinwand, und „mit beispielloser Energie überwand er noch einmal die heftigen Anfalle und bewahrte sich trotz der unsäglichsten Schmerzen die Freude an der Arbeit". Luise linderte Schmerzen und schenkte ihrem Maler am Ende seiner Tage seinen „größten Erfolg" mit ihrem Porträt.53 Die jugendliche Königin, mit großen, dunklen Augen dem Betrachter entgegenkommend, schreitet in weißem, goldumsäumtem Gewand eine Treppe vor kolossaler Architekturkulisse herab; ein Mantel von Hermelin umfangt ihre leuchtende Gestalt. Die rechte Hand liegt auf dem Herzen, und „in der Tat: von dem Herzen empfing Luisens Wesen all sein Licht, jenes warme Licht, das sie über ihren Gatten, ihre Kinder, ihr Land ausströmte". 54 Ehrfurcht wich Nähe, da die anmutige Figur voll Ansprache und Zuwendung aus dem heroischen Bildgrund nach van Dyckschem Vorbild trat. Eine Königin mit puppenhaften Zügen, den Mantel der Macht in Offenbarung ihrer selbst zurücklassend, stieg hinab von der ihr zugestammten Höhe und sah doch aus, als ob sie schwebte. Die „Härten und rauhen Merkmale der Natur sind in seinen Bildern gemildert und zur Anmuth ausgeglichen", schrieb Donop über Richter, „so daß in einzelnen Fallen das Streben nach reiner, ungetrübter Schönheit eine kräftigere Charakteristik vermissen läßt". 55 Alle Härten und Rauheiten aber hatte der Mythos schon vom Antlitz jener Königin getilgt, und so war Richter als Maler ihres wahren Bilds prädestiniert. „Ein herrliches, volksthümlich gewordenes Idealporträt der Mutter des Kaisers" war sein Geschenk ans deutsche Volk. Königlicher Habitus und mädchenhafter Reiz, frohlockende Grazie und anmutige Jugend, bekennende Treue und kindlicher Ernst kamen in dem Bild zusammen und damit alle Facetten der Königin zur Kaiserzeit. Das Gemälde wurde Vorbild zahlloser Bilder, die man in der wilhelminischen Epoche und über diese hinaus produzierte. Eine Richtersche Luise nahm den kleinen Wilhelm bei der Hand, lief mit den Söhnen durch den Schloßpark von Sanssouci (Abb. 27), trat Napoleon entgegen, verkündete fromme Sprüche für den Haushalt und warb für die Nationalisten und Monarchisten in der Weimarer Republik. Einen Stern hatte der Maler dem Modell als Schmuck aufs Haupt gesetzt, als Zeichen für den hellen Stern des Vaterlands vor dem bedeutungsvoll bewölkten Firmament, und damit die Brücke zu Heinrich von Kleists berühmten Zeilen geschlagen, die der Dichter seiner Königin an deren letztem Geburtstag übergeben hatte.

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Abb. 27 Königin Luise von Preußen mit den beiden ältesten Prinzen im Park von Sanssouci, Postkarte, um 1900.

An die Königin von Preußen Erwäg ich, wie in jenen Schreckenstagen Still Deine Brust verschlossen, was sie litt, Wie Du das Unglück mit der Grazie Tritt Auf jungen Schultern edel hast getragen; Wie von des Kriegs zerriß'nem Schlachtenwagen Selbst oft die Schar der Männer zu Dir schritt, Wie trotz der Wunde, die Dein Herz durchschnitt, Du stets der Hoffnung Fahn' uns vorgetragen: O Herrscherin, die Zeit dann möcht' ich segnen! Wir sah'n Dich Anmut endlos niederregnen, Wie groß Du warst, das ahndeten wir nicht! Dein Haupt scheint wie von Strahlen mir umschimmert; Du bist der Stern, der voller Pracht erst flimmert, Wenn er durch finstre Wetterwolken bricht!56

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Kleists Zeilen, meinte Hermann Dreyhaus später, waren „das Beste, was je zum Preise der Königin Luise gesagt worden ist"; und breiten Schichten galt Richters Gemälde als ebenbürtige Antwort auf ein Gedicht, das in Preußen jedes Schulkind kannte.57 Endlich war er da, der Menzel der Königin Luise. Keinesfalls jedoch fand Paul Seidel das postume Bildwerk einer näheren Betrachtung wert. Erst „vielgepriesen", dann „schnell vergessen", urteilte die Leipziger Illustrirte 1901 über Richter bei aller Bewunderung flir seinen Erfindungsgeist.58 Zwar sollte dem „Bedürfnis weiter Kreise, die populärste aller preußischen Königinnen flir den jeweiligen Geschmack zurechtgemacht zu sehen, die Berechtigung nicht abgesprochen werden", doch rückte das gestiegene Geschichtsbewußtsein die zeitgenössischen Porträts der Königin in den Blick des Bildungsbürgertums zurück.59 Und mit wissenschaftlicher Methode fand man nun das wahre Bild der mythischen Luise in der Bildhauerkunst. Die Unabbildbarkeit der Königin Luise war nur ihre Unmalbarkeit. Kaum ein Künstler habe je ein ähnliches Bild von der Königin zustande gebracht, schrieb die Vossische Zeitung 1876, „darin waren Schadow und Rauch in ihrem kalten Stein glücklicher als die farbenbegabten Maler".60 Die Bildhauerei ist eine spezifisch soziale Kunst. Eine freiplastische Darstellung des Menschen tritt wie kein anderes Werk der bildenden Kunst in ein partnerschaftliches Verhältnis zum Betrachter, den sie unmittelbar auf das Kunstwerk wie auf einen anderen Menschen ausrichtet. Einerseits der Repräsentation menschlicher Physis vollkommen zugetan, andererseits ob ihrer Monochromie ohne vollendeten Illusionismus, verweigert sich Skulptur jener realitätsverhafteten Nachprüfbarkeit, welcher das farbige Bildnis zwangsläufig ausgesetzt ist. Die Suche nach dem wahren Luisenbild in der Malerei führte nicht nur wegen der Minderwertigkeit der Maler oftmals in die Leere. Einen Menschen zu vergegenwärtigen wie zu verklären, dazu ist Bildhauerei prädestiniert. Einnahme und Ansprache durch optisch und haptisch begreifbare Wiedergabe nähern das skulpturale Bild den Erfahrungswelten seines Beschauers, dem das Urbild zugleich in eine andere Sphäre entzogen ist. Königin Luise konnte als Statue präsent und absent in einem sein und darin dem Mythos ähneln, der die Monarchin menschlich machte und zugleich entrückte. Eine Skulptur bot sich zudem als Medium des Mythos an, weil sie weniger statisch war als das Gemälde. Einfarbige, meist farblose Skulptur ließ wie Wort und Schrift mehr Raum zur imaginären Vollendung und schwankte wie der Mythos zwischen Aussage und Assoziation, Verbindlichkeit und Variabilität. Eine bestimmte Wahrheit, eine mehr als künstlerische Gegenwärtigkeit lebte seit der Schöpfung der Sarkophagstatue im freiplastischen Bild der Königin, das auch literarisch eins geworden war mit der tatsächlichen Gestalt. Wie sich eine Zeitzeugin erinnerte, hatte Luise „etwas Statuengleiches, etwas durchaus Unsterbliches; eine Schönheit, von der die Blüte der Jugend hinweggestreift werden konnte, ohne sie zu verringern". Die unsterbliche, skulpturengleiche Existenz der Königin hatte ihre eigene Realität erhalten und prägte wiederum den Blick auf die historische Figur, die nun

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im Leben schon den Lebenden entzogen wurde. „Sie schwebte dahin, nicht wie eine Staubgeborene, und niemand wäre erstaunt gewesen, hätte sie ihr Flügelpaar plötzlich entfaltet."61 Ein Jahrhundert lang galt darum nur das Grabdenkmal als wahres Bild der Königin Luise. „Die Kunst hat uns wenig von dieser Gestalt aufbewahrt", schrieb Sophie von Schwerin, „Rauchs schlafendes Marmorbild auf ihrem Grabe in Charlottenburg ist das einzige, wodurch man gern an sie erinnert wird. [...] Alle übrigen, zahllosen Porträts, gemodelt, gemalt, gezeichnet, gestochen, sind beinahe durchgängig gleich verfehlt und können nur die falscheste Idee von ihr geben."62 Ein Jahr nach dem Tod der Königin hatte Christian Daniel Rauch das Vergötterungsbegehren des preußischen Volkes, die privaten Wünsche des Königs und die Forderungen seiner Kunst in einem Werk zusammengeführt, das allen Seiten und Zeiten Genüge tat. Die Entstehungsgeschichte der Statue und ihr Aufstellungsort, die Verknüpfung der Lebensläufe von Künstler und Modell sowie die Zustimmung der königlichen Familie, deren Oberhaupt das Bildnis gleichsam miterschaffen hatte, gaben der Skulptur die Aura der totalen Authentizität. Die Sarkophagstatue bestimmte die Idee von jener Königin bis weit in das W.Jahrhundert und war bis zur Errichtung des Luisendenkmals im Berliner Tiergarten 1880 das einzige plastische Bild Luises für das Volk. Und lange gar nicht oder nur über graphische Reproduktionen bekannt waren auch ihre gemalten Bildnisse, denn erst mit der Eröffnung des Hohenzollern-Museums und der Evolution der Massenmedien entstand Verfügbarkeit über Luises Antlitz. „Die Menge will in ihren Bildnissen die schöne gereifte Frau, die Gegnerin Napoleons und den Schutzgeist Preußens sehen", schrieb Seidel, und das Bild, das diese Wünsche schürte und befriedigte, hatte Rauch gemacht.63 Ewig spiegelte das Werk die mythischen Facetten der Königin in all ihrer Konstanz und Variabilität. Und als Effigie, als wahre Luise über dem Grab, war die Statue ohnehin stets jenseits jeder Konkurrenz. Eine lebendige Erinnerung an die frühverstorbene Mutter war den jüngeren Luisenkindern versagt, doch sogar diese Lücke, wie es scheint, hatte Rauch gefüllt. Das Gesicht der Grabstatue widerspiegelnd, wurden seine zahlreichen Luisenbüsten für die Familie allgemeingültige Bildnisse im Gedenken an die Tote. Zwar hatte sich der Bildhauer nach den Freiheitskriegen einer realistischeren Kunstauffassung angenähert, doch blieben seine Luisenbüsten davon unberührt: Klare, lineare und festumrissene Formen, antikische Haartracht und Gewandung, verbunden mit behutsam geglätteten Zügen und einem stets geneigten Haupt, schufen Bildnisse von zeitloser Schönheit und Melancholie. Karoline von Berg hatte dem Luisenmythos literarische Form und Rauch seiner Protagonistin physische Gestalt gegeben, und so waren die Lebensbilder, die Mythos und Kult über Dekaden prägten, allesamt postum verklärt. Das Buch der Berg, das sich die Königskinder gegenseitig schenkten, besaß für viele, die Luise einstmals nahestanden, großen Wert.64 „Was wir Geschwister fiir sie fühlten", schrieb die Lui-

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sentochter Charlotte zum Tode der Autorin, „das war eine Art Cultus, dem Andenken meiner Mutter gewidmet."65 Einzigartig aber blieb die Rauchsche Königin Luise keineswegs für alle Zeit. Das späte 19. Jahrhundert nämlich hat die Kunst des Johann Gottfried Schadow wiederentdeckt, und der Triumphzug dieses Meisters rückte auch das Schaffen seines Schülers in ein neues Licht. Die Suche nach dem wahren Bild der Königin in Schadows Œuvre ging mit einer kritischen Betrachtung von Rauchs Kunst einher und berührte den schon lange schwelenden Streit um das klassische Skulpturenideal in der Porträtplastik. Die historische Betrachtung wurde unterdessen vom Luisenmythos überlagert, dessen wichtigstes Kultbild auch der Kunstgelehrte nicht zu kritisieren hatte. Das mitunter wirre Ringen um die Kategorien von .Klassizismus' und .Realismus' geriet zum Schwertertanz. Zwei Statuen, zwei Hauptwerke der beiden berühmtesten deutschen Bildhauer ihrer Epoche zeigen Königin Luise. Schadow und Rauch haben wesentliche Mittler des Mythos und wichtige Mittel des Kults geschaffen, doch während der Schöpfer des Grabdenkmales diese Wirkung in gewisser Hinsicht intendierte, tat dies der Schöpfer der Prinzessinnengruppe nicht oder nur in geringem Maße. Und dennoch, ja gerade deshalb nahm der Mythos beide Werke auf verschiedene Weise zu verschiedenen Zeiten in seinen Dienst. Die kunsthistorische Bewertung jener Statuen offenbart das Verhältnis von Luisenmythos und Luisenbild und spiegelt den Wandel in der Inszenierung von Geschichte im 19. Jahrhundert.

16 Schadow und Rauch „Die Zeit ist wieder da, wo das Grabmonument des jungen Grafen von der Mark in der Dorotheenstädtischen Kirche ruhmvoll und ebenbürtig neben jenem schönen Frauenbildnis im Mausoleum zu Charlottenburg genannt wird, und der Marmorstatuen Scharnhorsts und Bülows kann nicht Erwähnung geschehen, ohne daß gleichzeitig und mit immer wachsender Pietät auf die Standbilder Zietens und Leopolds von Dessau hingewiesen würde, die wir dem erfinderischen Kopf und der mutigen Hand des Alten verdanken. Die Fachleute zweifeln kaum noch, vor wem sie sich als vor dem größeren zu beugen haben: Rauch hatte die geschicktere Hand, aber Schadows Genius war bedeutender, selbständiger. Er schritt voran und brach die Bahn, auf der die Gestalt des anderen, groß und leuchtend und mit dem fiiegenden Haar des Olympiers ihm folgte. Theodor Fontane 1882

Ein halbes Jahr vor dem endgültigen Ende der Deutschen Demokratischen Republik sinnierte das Hamburger Wochenblatt Die Zeit über „Nation als Identität"; in derselben Ausgabe offerierte ein Kunstverlag die Doppelstatue der preußischen Prinzessinnen Luise und Friederike. Die beiden Mädchen, zu zweit und doch verschmolzen, wurden unmißverständlich als Sinnbild der Einheit von verwandten und doch getrennten Entitäten angepriesen, denen die Geschichte — „es war die Doppelhochzeit des Jahres" — die Brücke baute in die Gegenwart.2 Zehn Jahre später war Schadows Prinzessinnengruppe (Abb. 28) zum Verkaufsschlager der Königlich Preußischen Porzellanmanufaktur wie der Staatlichen Gipsformerei geworden, und die Schaufenster Unter den Linden wie die Luxushotels in Berlins neuer alter Mitte schmückten sich mit jenem großartigen Werk. Die Berliner fühlten wieder preußisch und entdeckten an sich und anderen .preußische Tugend' und .preußischen Stil'; der Werdegang der schönen Statue zum Symbol der wiedererwachten Liebe zum .guten Preußen' war indessen lang und wechselhaft, wenngleich man ihn schon früh vorausgesehen hatte. „Nicht blos der Patriot, welcher eine hohe Verehrung für seine Königin und ihre fürstliche Schwester im Herzen trägt", schrieb einst ein Zeitgenosse, „sondern auch der Kunstliebhaber, Kunstkenner und Künstler verließen diese Gruppe mit der vollsten Befriedigung; und es war eines der angenehmsten Schauspiele, wie beide Klas-

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Abb. 28 Johann Gottfried Schadow: Die Prinzessinnen Luise und Friederike von Preußen, Die Prinzessinnengruppe,

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sen von Beschauern, ohne es zu wissen, Lobreden bald auf die Königin, bald auf den Künstler hielten. [...] So wie die Statue Marc-Aurels noch jetzt zu dem Herzen jedes fühlenden Menschen spricht; wie noch jetzt dem Betrachter dieses Kunstwerkes die wohlthätige Regierung dieses Monarchen, seine stille Größe langsam vorübergeht, so werden ebenfalls nach Jahrhunderten vor dieser Gruppe sinnende Bewunderer stehen, sich in die Zeit zurückzusehnen, in welcher die Königin lebte!"3 „Wie ich die beiden Engel zum ersten Mal sah", erinnerte sich Friedrich Wilhelm II. später, der damals der neunzehnjährigen Sophie von Bethmann-Metzler heftigste Avancen machte, „so war ich so frappirt von ihrer Schönheit, daß ich ganz außer mir war, als die Großmutter sie mir präsentirte." 4 Ergeben blieb der König seinen Schwiegertöchtern ein Leben lang, und seiner Begeisterung für deren Schönheit verlieh sein Hofbildhauer vollendeten Ausdruck. Zwei bezaubernde, begehrenswerte Mädchen stellten sich als natürlich empfindende Wesen vor, deren Anmut den Betrachter in Bann schlug, in der Kunst wie in der Wirklichkeit. „Die Ankunft dieser engelschönen Fürstin", berichtete Friedrich de la Motte Fouque, „verbreitete über jene Tage einen erhabenen Lichtglanz: Alle Herzen flogen ihr entgegen und ihre Anmuth und Herzensgüte ließen keinen unbeglückt." 5 Die Popularität der beiden Prinzessinnen hatte auch Schadow steigende Umsätze beschert, der Luise seit 1794 mehrfach porträtiert hatte. Gipsabgüsse ihrer Büsten verkaufte seine Werkstatt in den ersten drei Jahren über fünfzig Mal, auch Kopien in Bronze und Eisen waren im Angebot. Der Erfolg seiner Büsten brachte Schadow den Auftrag zu einem Doppelstandbild der Prinzessinnen durch den königlichen Minister Friedrich Anton von Heinitz ein, dem die Porzellanmanufaktur unterstand, wo das Werk als Statuette vervielfältigt werden sollte. Erst nach der Präsentation des lebensgroßen Gipsmodells auf der Akademieausstellung im Herbst 1795 erwachte der Gedanke an eine Marmorausfuhrung in diesem Format. Zwei Jahre später vollendet, wurde das von Luises Schwiegervater bestellte Werk aber auch der ursprünglichen Absicht folgend verkleinert und aus Porzellan hergestellt, ebenso wie aus Gips und Pappmache. Luise und Friederike warben für die Monarchie, denn als Statuette erreichte das Standbild eine gewisse Öffentlichkeit. Eher an eine intime Momentaufnahme als an ein Denkmal erinnernd, formulierte die Prinzessinnengruppe jedoch auf den ersten Blick keinen moralischen Appell, sondern feierte nur die Schönheit und Jugendlichkeit ihrer Modelle. Zwei Jahrhunderte hindurch hielt sich das Gerücht, beide Mädchen hätten vor Schadow nackt posiert; verbürgt dagegen sind die Worte, mit denen Preußens König einst dem Sohn die Mecklenburgerinnen schmackhaft machte: „Frische Fische, gute Fische."6 Einfach bekleidet und ohne Attribute ihres Ranges, zeigten sich die Mädchen „zwischen dem griechischen Schönheitsideale" und „moderner Leiblichkeit" wie „Lieblichkeit".7 Königliche Symbolik wurde überflüssig, wo der geschulte Betrachter von Anmut auf Tugend schließen konnte. Ein repräsentatives Bild wurde entworfen und zugleich die Grenze zwischen Bürgertum und Krone aufgelöst, nicht allein aus Propagandazwecken, sondern auch der Wirklichkeit gemäß, war doch die Zurschau-

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Stellung des Natürlichen auch eine Bewegung des Adels im Zeitalter der Empfindsamkeit. Und keineswegs rein bürgerlich war auch die Kleidung, die durchaus der höfischen Mode des Empire genügte. Die Prinzessinnengruppe stand im Zusammenhang mit anderen Bildnissen der Kronprinzessin, wie etwa Tischbein sie in Anlehnung an englische Adelsporträts des späten 18. Jahrhunderts malte. Einerseits der Wirklichkeit wohl nahekommend, andererseits auf Integration abzielend, entstanden solche Kunstwerke zwischen der Bildpolitik des Königshauses, den ästhetischen Vorstellungen der Künstler und dem Verklärungswillen des Bürgertums, das sich und seine Lebensweise in der jungen Fürstin erkennen wollte und auch sollte. Entscheidend prägten solche Bilder die Ikonographie der Macht in einem Land, in dem die Politik des folgenden Dreivierteljahrhunderts den Spagat zwischen dem Erhalt der Monarchie und der Einbindung des Bürgers bewerkstelligen mußte. Erst einhundert Jahre nach seiner Entstehung erhielt das kunsthistorisch bedeutendste und heute berühmteste Bild der Königin die ihm gebührende Aufmerksamkeit. Kitsch, Kunst und Literatur überboten und vereinten sich in Verklärung der Verstorbenen, ihr schönstes nach dem Leben geschaffenes Bildnis aber entzog man für Jahrzehnte dem öffentlichen Blick. Einen Platz in einer Anstalt für „sittliche Grazie" hatte Novalis für die Prinzessinnengruppe gefordert, der Bildhauer dagegen wäre schon zufrieden gewesen, wenn man die Statue überhaupt aufgestellt hätte. Kurz nach dem Tod des alten Königs vollendet, blieb das Werk zum Leidwesen Schadows, der es zu seinen bedeutendsten Arbeiten zählte, seiner Abholung harrend in einer Kiste, wo es vom Schmutz der Mäuse fleckig wurde.8 Ende 1801 sollte die Skulptur dann doch in einem Erdgeschoßzimmer des Stadtschlosses in denkbar schlechten Lichtverhältnissen aufgestellt werden; Ende des Jahrhunderts gelangte sie in die Bildergalerie im zweiten Stockwerk, kam aber erst nach dem Umsturz von 1918 in den schon von Schadow vorgeschlagenen Parolesaal, wo sie erstmals uneingeschränkt betrachtet werden konnte. König Friedrich Wilhelm III. hatte an der Auftragsarbeit seines Vaters keine Freude. Entsprach die Ungezwungenheit der beiden Prinzessinnen auch ganz dem Bild, das die Öffendichkeit von ihnen haben sollte, so stellte sich doch bald heraus, daß die jüngere „in keiner Weise ihrer fürstlichen Schwester ähnlich" war, wie die Gräfin Voß vermerkte, und „den Ernst, die Tiefe und das strenge Pflichtgefühl" vermissen ließ, „das jene erfüllte".9 Und jene Pflichtbewußte wiederum war einem Mann vermählt, der seine tugendlose Schwägerin weder real noch bildhaft in solch inniger Nähe zu seiner Frau ertragen konnte. Ein Idealbild wurde zum Schreckbild durch die Wirklichkeit; und auch nach dem Tod der Königin war ein solches Bild nicht recht am Platz, da es den durch Leid erhöhten Charakter der Vollendeten ebensowenig veranschaulichen konnte wie den Mythos der vielgeprüften Landesmutter und frommen Hüterin von Art und Sitte. Die Kunst eines Johann Gottfried Schadow aber paßte aus vielerlei Gründen nicht mehr in die Zeit.

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Das Sarkophagdenkmal der Königin Luise markiert den Führungswechsel in der Berliner Bildhauerschule, der ein großes Opfer forderte. Eingeläutet wurde das frühe Ende der Karriere Schadows aber schon mit jener zeitgenössischen Debatte, die sich um den Wert des antiken Skulpturenideals im Porträt drehte und sich auf der Schwelle zum 19. Jahrhundert gegen Schadows realitätsverhaftete Bildniskunst wandte. Zehn Jahre vor dem Aufstieg Rauchs hatte man die Werke seines Lehrers bereits heftig attackiert. Die mutwillige Beschmutzung von Schadows Altem Dessauer (Abb. 29) stand im Licht der Auseinandersetzung um die Darstellung des Helden im historisch korrekten Kleid, denn energisch machten sich die Klassizisten in diesem ,Kostümstreit' für die Verwendung des antiken Gewandes stark. Die menschlich unmittelbare Bildsprache Schadows dagegen war in ihren Augen Hohn und Spott. „Gott verzeihe mir", schrieb der Maler Friedrich Bury nach einem Besuch in Schadows Werkstatt im Jahre 1800 an Goethe, „den Anblick seiner neuen Helden konnte ich nicht ertragen, so etwas ist mir noch nie geboten worden."10 „Die geschmacklose Uniform, der kleine Hut erregt einen Widerwillen, der selbst die Bewunderung trübt, welche die Kunst abnöthigt", klagte 1807 auch das Morgenblattfiir gebildete Stände-. „Wie werden unsere Nachkommen das philosophische Jahrhundert in Hinsicht auf Geschmack beurteilen, wenn sie das Kostüm desselben zum Maßstab nehmen!"11 Entsprochen aber hatte das zeitgenössische Kostüm sowohl dem Wunsch des königlichen Auftraggebers als auch Schadows eigenem Bild vom Helden als historisches Individuum, das menschlich faßbar und moralisch bewertbar werden sollte. „Diese Figuren in römischer Tracht scheinen nichts mehr mit uns zu thun zu haben", schrieb der Bildhauer, „und es gehört immer erst eine Art von innerlicher Ueberredung dazu, um sie für das anzusehen, was sie darstellen sollen."12 Normen der Antike schufen in der Gegenwart Beliebigkeit. „Würde, Geist, Leben, und einen gewissen, dem Zeitalter angemessenen Charakter darzustellen, ist nicht leicht; und das Schicksal dieser unserer Zeitalter-Costüme, wenn sie vorüber sind, ist, dass man darüber lacht. Nur den Vortheil haben sie, nicht wie manches Bild und Statue im poetischen und fantastischen Gewände verwechselt zu werden, und sowohl dieses als jenes vorstellen zu können."13 Und doch konnte dieser Vorteil auch ein Nachteil sein, wenn es darum ging, im Angesicht des Einzelnen ein Ideal zu propagieren, dessen Inhalt offen und stets verhandelbar sein sollte. Erst die Einflußnahme Wilhelm von Humboldts hatte dem unbekannten Rauch den Auftrag zum Monument der Königin Luise verschafft, und als Verehrer Thorvaldsens erwartete Humboldt vom Künstler, beim Bild des Menschen über das Individuelle zur Idealität vorzudringen, gleichwie man dies in den Meisterwerken der Antike verwirklicht glaubte. Zurecht mußte ihm Rauch als der geeignete Mann erscheinen, solch stilistische Forderungen im Denkmal umzusetzen, als sich nach Jahren des erlahmten Kunstschaffens plötzlich die große Gelegenheit dazu eröffnete. Kunstgeschichte und Kunsttheorie des späten 19. Jahrhunderts haben mit der Spaltung von Schadow und Rauch in Antipoden jene Gegenüberstellung großer Künstler fortgeschrieben, mit welcher man seit jeher Klarheit in manch diffuse Klassizismus-

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Abb. 29 Johann Gottfried Schadow: Denkmal des Fürsten Leopold von Anhalt-Dessau, 1798-1800

debatte zu bringen versuchte. Ein kompromißloser Verfechter des Kostümrealismus aber war Schadow nie. Zeit seines Lebens blieb er in dieser Frage unentschlossen und sah im Alter selbst seine berühmten Feldherrnbilder mit kritischem Blick. Und letztlich war auch Schadow, vor allem jenseits der Porträtplastik, nicht weniger der Antike verpflichtet als seine in der Tradition Thorvaldsens stehende Schülergeneration, die ihre Werke jedoch technisch anders ausarbeitete. Die der Empfindsamkeit des 18. Jahrhunderts verbundene Kunstauffassung Schadows spiegelte sich in der malerischen Zusammenfuhrung von Elementen und For-

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men, die auf eine in besonderem Maße von Licht und Schatten modellierte Gesamtwirkung zielte. Eine bis ins Detail zu haptischer Vollendung geführte Oberflächengestaltung zeigte sich dagegen in den meisten Arbeiten von Rauch, der Elemente linear voneinander abgrenzte und einen zeichnerischen, auf die Binnenformen bedachten Eindruck hervorbrachte. Entsprochen war damit nicht zuletzt der Präferenz der Haptik bei Herder und Goethe. Einher mit diesen technischen Unterschieden ging jedoch der Wandel von der historisch korrekten Darstellungsweise zum antiken Ideal, das Schadow nicht als höchstes Maß der Bildniskunst erachten wollte. Eigenhändig bescheinigte er sich dies Unvermögen, als er die Bildhauerei seines Sohnes Ridolfo lobte, weil „die strengen Linien des guten Stils mit Anmuth gepaart" seien, selbst aber bekannte, nur „was natürliches u. rüstiges" geben zu können, wobei „das Ideale" aber kaum herauskommen würde.14 Einfach nur Schönes hat Schadow trotz mancher Versuche nie zustande gebracht, was lange Zeit bedauert wurde: „Er war eines jener elementaren Talente, die, mit energischem Wirklichkeitssinn und vielgewandter Virtuosität begabt, doch nicht halten, was sie versprochen zu haben scheinen", schrieb Carl Neumann 1893. „Was ihm fehlte, war das Stilgefühl."15 Und während Rauch als „Genie" gepriesen wurde, galt Schadow nur noch als „geschickter Handwerker". 16 Eine postume Büste der Königin Luise hat Schadow noch geschaffen (Abb. 30), für den französische General Jean Rapp, der das Werk im Mai 1811 bestellte. „Was meine Kunst vermag, wird hier getan", schrieb der Bildhauer, der in schlechten Zeiten für die Kunst große Hoffnung auf das Gelingen seiner Arbeit setzte. Kopien der Büste aus Gips und Wachs folgten dem Marmor, doch zur Enttäuschung des Künstlers versagte ihm der König die Anerkennung und bemängelte, „daß die Ähnlichkeit nicht ganz da wäre".17 Einen Abguß der Totenmaske hatte Schadow für die Arbeit zwar hinzugezogen, doch war ihm auch das lebende Antlitz der Monarchin zweifelsohne noch präsent, zumal sie ihn bereits am zweiten Weihnachtsfeiertag des Jahres 1809, drei Tage nach ihrer Rückkehr aus dem Exil, empfangen hatte. Gegenstand der Unterredung war der Tod der königlichen Kammerfrau Lotte, Schadows Schwester, die auf der Flucht des Hofes erkrankt und Ende Januar 1807 gestorben war, ein Verlust, der die Königin auch persönlich schwer getroffen hatte.18 Klagen hörte der Künstler zudem über den Kunstraub der Franzosen, der auch vor Luises Zimmern nicht Halt gemacht hatte. Das Grabdenkmal des kleinen Königssohnes Ferdinand vollendete die Liste trauriger Themen, und so war das letzte Treffen von Königin und Bildhauer wohl eine wenig glückliche Zusammenkunft. Ein kaum idealisiertes Zeugnis einer reifen Frau überbrachte Schadow mit seiner letzten Luisenbüste. Das volle Gesicht erscheint fleischig weich, weder der starke Hals und der leichte Ansatz zum Doppelkinn noch das ausladende Bruststück verbergen die Spuren der Jahre wie der zehnfachen Mutterschaft. Ernst, doch sanft ist der Blick. Das natürlich gelockte Haar und der statt eines Diadems doppelt um das Haupt gelegte Zopf verleihen dem Bildnis einen lebendigen, wenn auch stillen Ausdruck von weniger majestätischem als menschlichem Gepräge.

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Abb. 30 Johann Gottfried Schadow: Königin Luise, 1811

Ehe sich Schadow an die Arbeit machte, hatte er Rauchs Entwurf der Grabfigur wie auch dessen kolossale Luisenbüste in Augenschein genommen; später sandte er dem Kollegen auf dessen Wunsch hin einen Abguß vom Gesicht der Büste. Und dennoch offenbart der Blick auf das zur gleichen Zeit in voller Größe modellierte Grabmal mehr die Verschiedenheit der beiden Werke als deren Gemeinsamkeit, was vielleicht auch eine Erklärung für die Unzufriedenheit des Königs mit der Schadowschen Arbeit ist: Ein von seliger Verklärung überhauchtes und antikisch überhöhtes Bildnis hatte der Schüler dem nüchternen Werk seines Lehrers gegenübergestellt und mit jener Durchdringung von Realität und Idealität das Tor zu Gefühlswelten aufgestoßen, die Schadow verschlossen halten sollte. Ablehnung prominenter Zeitgenossen und Ratlosigkeit der Kunstgeschichte trafen schließlich Schadows letzte Darstellung der Monarchin, die Apotheose der Königin Luise (Abb. 31), die der Künstler 1812 vollendet hatte. Eine unglückliche Sache war die Arbeit von Anfang an, da sich schon der Auftraggeber, „ein Mann von wenig Bildung, aber von der Sucht beseelt, sich einiges Ansehen zu verschaffen", als Bankrotteur entpuppte.19 Auf ihrer Schlesienreise im Sommer 1800 hatte die junge Königin von Preußen auch das Amtsgebäude eines gewissen Salzinspektors Pilegaard in

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Abb. 31 Johann Gottfried Schadow: Apotheose der Königin Luise, 1811/12

Frankfurt an der Oder besucht und besagten Mann so nachhaltig beeindruckt, daß dieser nunmehr ihre Himmelfahrt vom Hofbildhauer höchstpersönlich in Relief gemeißelt sehen wollte. Die Kosten für den Marmor jedoch überstiegen schon die Mittel des Bestellers, weshalb Schadow seine Arbeit nur in Ton ausführte. Kurze Zeit nach dem Erhalt war Pilegaard bankrott, worauf das unbezahlte Werk zurückgefordert und später vom König erworben wurde, der es in die Kirche seines Landsitzes zu Paretz stellte. Schadows letztes Bild der Königin Luise steht bereits unter dem Einfluß der Rauchschen Sarkophagstatue. Ende August 1811 hatte der Bildhauer den Auftrag aus Frankfurt erhalten, seine Skizzen fallen damit in die Zeit, da Rauch das Sarkophagmodell in seine endgültigen Maße überführte. Einige Monate zuvor hatte Schadow den Entwurf in halber Lebensgröße besichtigt, der im September vergrößert war und auf den Künstler offensichtlich Eindruck machte: Zeigten seine ersten Skizzen zur Luisenapotheose die Tote noch mit niedergeschlagenem Blick, schulterfreiem Gewand und Zackenkrone, so übernahm er in der Ausfuhrung die geschlosse-

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nen Augen, das Diadem sowie das rund ausgeschnittene Kleid der Charlottenburger Statue. Ehe das Relief vollendet war, hatte sich Wilhelm von Humboldt zu Schadows großem Arger bereits abfallig darüber ausgelassen, doch brachte die anrührende Art der Darstellung dem Bildhauer endlich das ersehnte Lob von höchster Stelle: „Eine schöne Arbeit haben Sie da gemacht", erklärte ihm der König auf der Akademieausstellung 1812, doch trotz des späteren Ankaufs blieb das Werk für Schadow ebenso folgenlos wie seine letzte Luisenbüste, die erst nach zwei Jahrhunderten in der Versenkung wieder nach Berlin zurückgekehrt ist.20 Luisenbüsten in großer Zahl schuf nach dem Tod der Königin nur noch der Schöpfer ihres Grabdenkmals, dem König „wie kein andrer Künstler" wert geworden „durch die glückliche Lösung dieser schwierigen Aufgabe".21 „Kein bitteres Wort, kein abschmeckiges Urteil kam über seine Lippe, selbst dann nicht, als die jugendlichere Kraft des Rivalen mit der Ausführung jenes FriedrichsDenkmals betraut wurde, das einst sein Tag- und Nachtgedanke und wie nichts andres in seinem Leben der Gegenstand seines Ehrgeizes und seiner höchsten künstlerischen Begeisterung gewesen war", schrieb Theodor Fontane in seinen Wanderungen durch die Mark Brandenburg, in denen er Schadows Haltung ein Denkmal setzte.22 Und in der Tat spricht es für Schadows menschliche Gesinnung, daß er trotz aller Enttäuschungen dem Jüngeren und dessen Luisenmonument aufrichtige Anerkennung zollte: „Indessen war in dieser Zeit der Professor Rauch durch mehre vortreffliche Büsten bei den Kunstkennern in so guten Ruf gekommen, daß man ihm ein solches Denkmal zu übertragen kein Bedenken fand, wozu kam, daß man unsern Künstler als hoffnungslos aufgab. Rauch war damals allerdings in voller Jugendkraft und hatte dargetan, mit welcher Ausdauer er seine geistige und technische Ausbildung durchsetzte. Die Figur der Königin im Mausoleum zu Charlottenburg ist das erste glänzende Resultat hievon und ist als merkwürdig anzuführen, daß seine folgenden Werke jenes noch übertreffen."23 Klassizismus ist, wie die Geschichte der Klassizismen seit der römischen Antike zeigt, oft ein staatsoffizieller Stil, ein Ausdruck von Führungskraft und Stärke. Die Forderung nach klassizistischer Rückbesinnung ging meist einher mit dem Ruf nach Abkehr von Verschwendung und Verfall, nach Wiedererlangung von Moral, Klarheit und Rationalität. Die Karriere des Christian Daniel Rauch hatte in der Restaurationszeit begonnen, der Zeit, in der sich die Monarchie wieder konsolidierte; zugleich war sein Aufstieg mit einer allgemeinen ethischen und nationalen Erneuerungsbewegung zusammengefallen, die sich an der Niederlage von Jena und Auerstedt entzündet hatte und patriotische, christliche und bürgerliche Ideale in den Mittelpunkt des gesellschaftlichen Wertekanons rückte. Der Werdegang des Künstlers gründete daher auch in dessen Fähigkeit, die Kluft zwischen Realität und Idealität durch ein geschicktes Nachgeben an antikische Zeitlosigkeit zu nivellieren, ohne daß er Charakter und Ähnlichkeit allzu augenscheinlich dem Ideal zum Opfer brachte. Entsprechen konnte

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Rauch damit der Selbstdarstellung von Machtstaat und Monarchie, dem klassizistischen Kunstgeschmack der gebildeten und tonangebenden Schicht sowie dem ungebildeten und frommen Volk. Das Grabdenkmal der Königin Luise hatte Rauch nahezu selbstverständlich die großen Denkmalsaufträge für die Helden der Befreiungskriege eingebracht; das Werk hatte einen Weg beschrieben, der in Preußen für Jahrzehnte als das Maß der Bildniskunst betrachtet wurde. Eine prosaische Wiedergabe der Natur wie die Deklamation klassisch kanonischer Gebärden gleichermaßen vermeidend, suchte der Bildhauer durch Anklänge an antike Formen dem Menschen und seiner Tat allgemeingültigen Charakter zu verleihen, ohne daß er die spezifische Historie leugnete. Klassisch humanistische Idealität verband sich mit dem konkreten Individuum, dessen reales Einzelnes als eine Norm menschlichen Verhaltens betrachtet werden konnte, das Menschenwürde und Staatsräson, Person und Gesellschaft in Einklang brachte. Einen ,Kostümstreit' umschiffte Rauch, indem er entweder Gewänder erfand, die griechisch aussahen, ohne griechisch zu sein, oder aber historische Uniformen geschickt mit stoffreichen Mänteln umhüllte, deren effektvolle Drapierung an klassische Kompositionen erinnerte; ersteres zeigte sich beim Luisengrabmal, letztes bei den Denkmälern für die Feldherren der Befreiungskriege. Ein Hauch des Idealen blieb Rauchs Helden somit immer, trotz des zeitgenössischen Gewands und der Ähnlichkeit im Antlitz. Kein anderer Bildhauer war darum wie Rauch geeignet, die herausragenden Zeitgenossen als Vorbilder hinzustellen, aus denen klassisches Heldentum ebenso sprach wie Volkstümlichkeit und Vaterlandsliebe. Eine moderne Antwort hatte der Künstler damit auch auf jene vielgeschmähten Denkmäler gegeben, die Schadow in realistischer Manier von den Feldherren Friedrichs des Großen geschaffen hatte. „Wenn man in den Kunstwerken, die uns die Helden des siebenjährigen Krieges darstellen, störend afficirt wird von dem Steifen und Pedantischen, von dem Gesuchten und Gezwungenen, was ihnen anklebt", schrieb Rulemann Friedrich Eylert, „so lebt und webt, wie in den ältesten Werken der Bildhauerkunst, in den neuesten aus Rauch's Hand, frei und offen, seelen- und gedankenvoll, die Natur, wie sie in ihrer schöpferischen Wahrheit wirklich ist."24 Ein Porträt, ein Erinnerungsbild, kann auf unterschiedlichste Weise gestaltet werden, je nachdem, welche Aufgabe es erfüllen soll: eine eher nachbildgebende, indem es die Gestalt des Menschen über das Alter und den Tod hinaus erhält, oder eine mehr vorbildgebende, moralische, indem es einen Wert sichtbar zu machen, zu erhalten und zu verbreiten sucht. Der Künstler kann sein Modell naturgetreu abbilden oder einer normgerechten, ästhetisch befriedigenden Erscheinung anpassen; er kann den Dargestellten individualisieren, idealisieren oder charakterisieren, oft aber wird er versuchen, all dieses zu verbinden und das Sichtbare ebenso darzustellen wie das Unsichtbare. Kleidung und Symbole, Attribute und Allegorien können diesem Zwekke dienen, doch auch eine Regung, eine Geste oder ein Blick. Das Gesicht kann durch getreue oder gesteigerte Wiedergabe seiner charakteristischen Züge als Spie-

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gel des individuellen Geistes wirken oder durch seine Schönung auf Ebenmaß als Widerschein allgemeingültiger und überindividueller Werte. Klassizistischen Vorstellungen der Zeit um 1800 folgend, konnte die vollkommene Nachahmung der Natur nicht das Bestreben des Künstlers sein, da sie bloß ein Kunststück war, kein Werk der Kunst. Ein Bildhauer wie Rauch strebte nach Höherem, nach dem Festhalten der Idee, dem Begriff von einer Sache, dem Bild, das sich der Geist von einem Menschen macht, da erst die Ubereinstimmung der äußeren Realität mit dem Begriff dem Bildnis Wahrheit brachte. „Das Innere scheint im Äußeren", schrieb Hegel, „und gibt durch dasselbe sich zu erkennen, indem das Außere von sich hinweg auf das Innere hinweist."25 Echte Künstler bearbeiteten die Natur in einer Weise, die alle Widersprüche des Lebens auflöste oder miteinander versöhnte. Ein wahres Porträt sollte den Menschen, wie Goethe meinte, „über sich selbst erheben" und ihn „vergöttern" fiir die Gegenwart. Ethos und Souveränität mußten aus dem Bilde sprechen, das alle Bedingtheiten des menschlichen Daseins überwinden und darin den Werken der Antike nahekommen sollte, in denen man Erscheinung und Idee auf höchster, natürlicher Ebene verschmolzen glaubte. Klassische Kunst barg die Wahrheit des Äußeren wie des Eigentlichen, in der Gestalt Verborgenen, und wie die Skulpturen der alten Griechen zeigte auch das Luisengrabmal eine „überaus glückliche Verbindung von innerer Wahrhaftigkeit und lauterer Schönheit".26 „Nachdem Schadow das Prinzip des Realismus in die nationale Kunst wieder eingeführt hatte, welche Aufgabe blieb da Rauch zu erfüllen übrig?", fragte Eduard Dobbert. „Es mußte eine Brücke geschlagen werden von diesem Gebiete des Wirklichen zu demjenigen des Schönen; es mußte das Individuelle und Charakteristische innig verschmolzen werden mit dem allgemein Gültigen, und das hat Rauch getan."27 Antike Attribute hatten lange Zeit der Würdigung des Helden im Denkmal gedient, doch beruhen Zeichen stets auf Kenntnis; wenn diese nachläßt oder aber die Werte und Epochen, auf die das Beiwerk am Standbild rekurriert, kritisch betrachtet werden, verliert auch das Denkmal an Vorbildfunktion und Verbindlichkeit. Zwar bleibt es als Zeugnis der Vergangenheit bestehen, doch spiegelt es nicht mehr die Gegenwart. Ein klassizistisches Bild des Helden war ebensowenig von dauerhafter Verständlichkeit wie der klassische Heldenbegriff von unbegrenzter Gültigkeit. Die Krise des klassischen Helden schwelte schon zu Lebzeiten der Königin Luise, denn auf der Schwelle zum 19. Jahrhundert machte das Ideal des antiken Heros dem christlichen Helden Platz, der nicht dem klassischen Kanon verpflichtet war, sondern der Nation, der Wohltätigkeit und der Ergebenheit in die göttlichen Wege.28 Klassische Tugenden wie das stoische Ideal des Erduldens wurden im christlichen und nationalen Sinne umgedeutet; Glaube, Liebe, Hoffnung als höchste Tugenden von Christ und Staatsbürger verhalfen auch dem tragischen Helden zum Monument. Und mit der Neubestimmung der Heldentat wandelte sich nicht nur der Begriff des Ruhmes, sondern auch die Vorstellung davon, wer ihn erlangen konnte. Erfolg durfte nicht auf Kosten

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anderer erstrebt werden, sondern nur im Glauben an Gott, zur Ehre des Höchsten, das die französische Revolution durch die Nation ersetzt hatte. Alte Hierarchien schwanden, wo der Niedere, der alles in seiner Macht stehende vollbrachte, mehr zählen konnte als der Höherstehende, der nicht alles tat, was ihm seine Stellung ermöglichte. Einerseits erweiterte sich dadurch der Kreis der Helden im 19. Jahrhundert exponentiell, andererseits jedoch schwächte die nun einsetzende Invasion von Denkmälern für Vertreter von begrenzten Verdiensten das exemplarische Menschenbild im Leben wie in der Kunst. Die Entwicklung der Massenmedien und die Erfindung der Fotografie eröffneten zudem neue Wege zur Überprüfung der Wirklichkeit und machten das Aufrechterhalten der Idee vom idealen Menschen schwierig; unterdessen brachte die Geschichtswissenschaft Licht in das dunkle Altertum und rückte das antike Skulpturenideal in seinen historischen, nicht immer idealen Kontext. Die griechische Norm als Maß aller Kunst verlor ihre gleichsam sakrosankte Gültigkeit. Künstlerische, bürgerliche und nationalistische Kräfte, die sich gegen die Antike als Leitbild wandten, gewannen um die Mitte des 19. Jahrhunderts Oberhand im Klassizismusstreit. Kritisiert wurde der klassische Kunstbegriff vor allem, weil sich zwischen der antikischen Form des Denkmals und seiner Aufgabe eine Kluft auftat. Nationalgeschichte war zum wichtigsten Stifter kollektiver Identität geworden; auch im öffentlichen Denkmal trat das Vaterländische nach den Freiheitskriegen in den Vordergrund und gab den Monumenten einen konkreten didaktischen Zweck. Zeichen nationaler Identität und Ausdruck unsterblicher patriotischer Werte aber war das Denkmal nur, wenn der Betrachter es begriff, und die Entrückung nach antikem Vorbild störte das Verständnis, zumal sie dort Distanz erzeugte, wo Nähe entstehen sollte. Das wachsende Wissen um die Geschichte ließ zugleich das Mißtrauen gegenüber der Verklärung durch antike Formensprache wachsen, die als Verfälschung der nationalen Vergangenheit ins Zwielicht geriet und ohnehin nur von der „Geistesaristokratie" verstanden wurde. 29 Das Kosmopolitische des Klassizismus widersprach überdies dem nationalistischen Streben nach identitätsstiftender Einzigartigkeit. Klassizistische Künstler, so hieß es, hätten die Kunst vom „Heimchen am deutschen Herd" zum „Mägdlein aus der Fremde" 30 gemacht, denn unbekannt gewesen sei ihnen der „köstliche Schatz der nationalen Kunst".31 Die klassizistische Synthese von Idee und Wirklichkeit wurde zur Diskrepanz zwischen der Darstellung und dem erwünschten Effekt. Ansprache durch Wiedererkennung, Erbauung durch Zuneigung und Ansporn durch Bewunderung verlangten nach einem historisch korrekten Eindruck, der vor dem Auge als Realität bestehen konnte. Der Niedergang des Klassizismus in der Darstellung des Helden berührte dabei nicht die Idealität als solche, sondern geschah um deren Erhalt, da die Nationalerziehung längst geradlinigere Wege zum Idealen eingeschlagen hatte: Anekdoten, Mythen und Legenden, in der Schule gelehrt, verbreiteten und verklärten Geschichte in einer Weise, wie keine auf das Einfühlungsvermögen des gebildeten Betrachters bauende Statue dies vermochte. Und wo Mythen eine auf Sinn gebrachte Geschichte

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schufen und deren Helden durch Anekdoten menschlich wurden, war nur das Denkmal ohne sichtbare Retusche der rechte Widerschein jener arrangierten Vergangenheit. Einst gefeiert als einer jener Künstler, „welche jede Naturwahrheit in das Licht idealer Verklärung zu tauchen wissen, weil sie in der Idee wie in der Wirklichkeit zu Hause sind", wurde Christian Daniel Rauch nun gegen Ende des Jahrhunderts einer zunehmend kritischen Betrachtung unterzogen, obgleich sein Klassizismus niemals rein gewesen war und er sich später weitgehend von der Antike abgewendet hatte.32 „Krankhaft" fand der Kunsthistoriker Friedrich Haack die „klassizistischen Ansichten" eines Johann Wolfgang von Goethe, was seinen Kollegen Carl Neumann nicht daran hinderte, aus der Farbenlehre jenes Dichters zu zitieren, um den Klassizismus zu beklagen, den Rauch in Preußen verbreitet hatte.33 „Selbst vollkommene Vorbilder machen irre, indem sie uns veranlassen, nothwendige Bildungsstufen zu überspringen, wodurch wir denn meistens am Ziel vorbei in einen gränzenlosen Irrthum geführt werden. Diesem Irrthum ist auch Rauch unterlegen, da er glaubte, es sei der Plastik nothwendig und heilvoll, die Natur durch die Brille der Antike zu sehen. [...] Zu früh beschworen, erdrückt uns die Antike."34 Einige Jahre nach der Reichsgründung lösten sich mit dem Bröckeln der antiken Norm unter dem Gewicht der nationalen Erinnerung die letzten Epigonen Rauchs aus seiner Schule. Ein alter und ein neuer Witz begleiteten den Gang der Dinge: Wie Schadows Ruhm einst „in Rauch aufgegangen" war, so wurde Berlin jetzt „rauchfrei" durch Begas und Schaper, Eberlein und Encke. Und die gewandelten Forderungen an das öffentliche Denkmal rückten auch die Kunst des alten Schadow wieder in ein neues Licht. Die wilhelminische Epoche, die wie keine andere die Geschichte politisierte und den allegorisch umflorten Hyperrealismus zum Staatsstil erhob, pries Schadows Kunst nun als „gesund" und fand den Rauchschen Klassizismus übertrieben, da fern vom rechten Zweck.35 Die Monumente Schadows, des „Stockpreußen", des „Urberliners" von „urkräftigem Wirklichkeitssinn", sie sprachen „unmittelbar zum Volk".36 Eingedenk jenes Kostümstreits, der kein isoliertes, formalistisches Problem gewesen war, sondern eine Facette in der Entwicklung des bürgerlichen Geschichtsdenkens, mußte man jetzt erkennen, daß Schadow von Anfang an die richtige Einstellung besessen hatte. Einem historischen Realismus stand zwar auch Rauch nicht fern, doch folgte die Kritik an seinem Schaffen nicht zuletzt der Wiederentdeckung Schadows, der den talentierten Schüler, dem er einstmals hatte weichen müssen, nun von seinem Sockel stürzte. Die fortwährende Lobpreisung des einen als „epochemachenden Bildhauer der Neuzeit" wie die traurige Vergessenheit des anderen reizte die Kunstgeschichtsschreibung zur Spaltung der beiden Meister in Künstler von geradezu diametraler Unterschiedlichkeit.37 Zeigte Schadow die „Natur, wie er sie sah", so suchte sie Rauch „ins Hübsche und Angenehme zu stilisieren und sie dem Geschmack des gebildeten Philisteriums mundgerecht zu machen. Vor allem aber gebrach es dem Nachfolger an dem leben-

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digen Naturgefuhl, an dem künstlerischen Wurf an dem frischen Temperament und überhaupt an der kraftvollen Eigenart seines Vorgängers", wie man der vielgelesenen Kunst des XIX. Jahrhunderts von Friedrich Haack entnehmen konnte.38 Die Abwertung des Schülers untermauerte die Rehabilitierung des Lehrers, dessen historisch ungleich interessantere Künstlerpersönlichkeit dem Jüngeren die nachträgliche Banalisierung seiner Karriere einbrachte. Und allem Arger über die einstige Schmähung des Alteren mit „hartem, billigen Berliner Witz" entsprang nun wiederum Polemik über den „schönheitsdurstigen Kammerdiener" der Königin Luise.39 „Schadow beginnt wieder Rauch zu überstrahlen, nachdem er jahrzehntelang von ihm verdunkelt worden ist", schrieb Haack, der dem „zuckersüßen Marmor" Rauchs nur wenig abgewinnen konnte, des „gesunden" Einflusses von Schadow zum Trotz.40 Und eben diesen, wenn auch „stilisierten" Naturalismus des Lehrers vermißte auch Paul Seidel in den Werken des Schülers, dessen frühe Luisenbüste er als übertrieben klassizistisch und den Betrachter nicht „erwärmend" rügte. „Die klassizistische Richtung wurde bereits damals so übermächtig, daß ein jedes plastisches Kunstwerk nur mit dem Maßstab der Antike und nicht mit dem der Natur gemessen wurde."41 Erwärmen aber war längst Zweck des öffentlichen Monuments geworden, erwärmen an der Glut einer gemeinsamen Geschichte. Erbauung durch Emotionalisierung war erstrebenswerter als Ehrfurcht durch Entrückung, und das „Herzgewinnende, Innige und Hingebende" wurde immer öfter in den Schöpfungen von Rauch vermißt. „Es darf nicht geleugnet werden", sprach Herman Grimm, „Rauch's Werke athmen eine gewisse Kühle aus. Seinen Arbeiten ist neben der Schönheit ein, die Schönheit im höchsten Sinne genommen, beeinträchtigendes Element der Eleganz eigen."42 Ende des 19. Jahrhunderts hatte die Kunstgeschichtsschreibung die künstlerische Bedeutung von Christian Daniel Rauch relativiert; Konflikte barg jedoch der Umstand, daß der Bildhauer die preußische Vergangenheit von Friedrich dem Großen bis Friedrich Wilhelm III. monumental und standbildbeherrschend vergegenwärtigt hatte. Die Glorifizierung der Nationalgeschichte und die Kritik an ihren Bildern war darum immer ein Balanceakt. „Solange von den Thaten der Befreiungskriege wie von den Leiden der Fremdherrschaft in Deutschland die Erinnerung dauern wird, muß auch das Gedächtnis des Mannes lebendig bleiben, dessen Kunst die nachfolgenden Geschlechter es zu danken haben, daß Züge und Gestalt der Königin Luise und des Marschall Vorwärts dem Volk vertraut geblieben sind", schrieb Carl Neumann 1893. „Als ein Herold preußischen und deutschen Ruhmes genießt Rauch des wohlgesicherten Platzes unter denen, die an der Wiederaufrichtung des Vaterlandes gearbeitet haben. Daß über den Künstler Rauch ein ebenso zweifelloses Urteil bestehe, wird niemand erwarten."43 Zweifel am Können des Bildhauers aber verstummten vor dem Grabdenkmal der Königin Luise. Ketzerisch hätte jedes abschätzige Wort geklungen, denn im Mausoleum zu Charlottenburg wich Kunstgeschichte Heiligengeschichte. Die Effigie der Nationalheiligen war so vollkommen wie ihr Modell, Kritik kapitulierte vor der Gewaltigkeit der Vergangenheit: „Unerreicht, geschweige je übertroffen ist der Sar-

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kophag der Königin Luise, das größte marmorne Kunstwerk der Neuzeit." 44 Ein Heiligtum und zugleich eines „der populärsten Kunstwerke in deutschen Landen" hatte Rauch erschaffen und der Volksgemeinschaft damit einen Dienst erwiesen, den keine Stilkritik zu schmälern hatte. 45 Und ganz gleich, wie argwöhnisch die Kunst des Bildhauers betrachtet wurde — „daß Rauch in keinem einzigen Werke so fortlebt, wie in dem Charlottenburger Grabmal", blieb „Tatsache". 46 Königin Luise heiligte Rauch wie seine Mittel. Zweck und Wirkung des Grabmals stimmten die Kritiker milde, denn „für die Aufgabe, die ihm mit dem Monument der toten, als Schlafende darzustellenden Königin gestellt wurde, war Rauch gerade der rechte Mann. Dasjenige Maß von Naturwahrheit, das auch er seinem Klassizismus beizumischen beliebte, reichte für eine solche Aufgabe gerade aus. Und andererseits kamen die Hoheit und der Adel seiner Auffassung gerade dem Denkmale der toten Königin zustatten." Erschreckendes aber stünde wohl im Mausoleum, wenn die klassizistische Attacke des Künstlers auf Luise nicht von außen abgeschmettert worden wäre. „Er fühlte durch und durch klassizistisch, aber sein König und Besteller verlangte schlichte Naturwiedergabe. Als Rauch die Königin Luise modellierte, rang der König unablässig mit dem Künstler, daß dieser nicht eine kalte antikische Idealfigur, sondern die verstorbene Fürstin, seine liebe Frau in ihrer menschlichen Güte und in ihrem seltenen Seelenadel zur Darstellung brächte. Und so ist's denn auch geschehen." 47 Ein vernichtendes Urteil fällte nur ein Ausländer über die Luisenstatue: „Nicht schön" fand der englische Maler und Schriftsteller John Ruskin den „durch und durch deutschen Kopf" der Schlafenden, die er im Mai 1859 betrachtet hatte, um anschließend in sein Tagebuch zu schreiben, was „zum Glück" 48 erst einhundert Jahre später veröffentlicht wurde: „Es steckt kein Schimmer von Genie, keine bemerkenswerte oder beeindruckende Art von selbst oberflächlicher Begabung in Rauch. Es ist ein gänzlich gewöhnliches Werk und in seiner Gewöhnlichkeit selbst noch zweite Klasse." 49 Die Helden von Rauchs Hand jedoch genossen bei den Deutschen auch im Kaiserreich noch ungemeine Popularität, zumal die Unterschiede zwischen ihm und Schadow trotz des Bruchs von 1810 geringer waren, als manch einer behauptet hatte. Kurz nach der Reichsgründung lobte Meyers Konversationslexikon Rauch als Mann, welcher „der Bildnerkunst eine wahrhaft vaterländische Richtung gegeben hat" 5 0 ; und eine um die Jahrhundertwende vielgelesene Kunstgeschichte im Grundriß pries ihn als Wiederentdecker des Realismus in der Kunst und erwähnte Schadow mit keinem Wort.51 „Erfreuen, erheben, begeistern war Rauchs Ziel" 52 und die „Geschichte Preußens von der Zeit des großen Friedrich bis zu den Freiheitskriegen monumental zu verherrlichen" sein Beruf. 53 Eine Berufung dagegen hatte Schadow einst erfüllt, denn kam es Rauch auf „sittliche Erhebung" an, so Schadow nur auf „Wahrheit". 54 Und nichts als die Wahrheit suchte auch die Nachwelt im Bild einer entrückten Frau, denn was konnte mehr erheben als das Echte, Wahre, Ungeschönte? Die Idealität der Königin Luise aber hatte nicht zuletzt die Rauchsche Hand zur Realität gemacht. Einen „Anspruch auf Porträtähnlichkeit" erhebe die Sarkophag-

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statue nicht, schrieb Adolf Rosenberg. „Sie ist eine Idealfigur, welche die Züge der Königin nur im Allgemeinen festhält. Aber vielleicht entspricht gerade eine solche Idealisirung am meisten dem Bilde, welches enthusiastische Zeitgenossen [...] von der holden Königin entworfen haben."55 Und als ideales Abbild einer idealen Frau besaß die schlafende Luise ihre ganz eigene, zeitlose Authentizität. Ende des 19. Jahrhunderts, als sich Paul Seidel auf die Suche nach der wahren Luisenstatue machte, gaben ihm die Lebenserinnerungen Schadows den Beweis für die Wahrheit seiner Bildnisse. Einige Monate nach der Ankunft der beiden mecklenburgischen Schwestern in Berlin war der Bildhauer in das Kronprinzenpalais gebeten worden, wo er Luise und Friederike „in stiller Begeisterung" modellierte. Die Idee eines Doppelstandbildes folgte, zu welchem Schadow nach eigenem Bekunden „die Maße nach der Natur" nehmen und die von ihm ausgewählte Garderobe mitnehmen durfte.56 Entsprechend dieser Uberlieferung legte Seidel „auf alle Einzelheiten der Schadowschen Bildwerke höchsten Wert"57 und gestand ihnen aus Gründen der „künstlerischen Qualität wie auch der Genauigkeit der körperlichen Wiedergabe" den Vorrang vor allen anderen plastischen Werken zu, eine Auffassung, die Adolf Rosenberg schon zwanzig Jahre zuvor vertreten hatte.58 Einst bestellt ob ihres „ächt griechischen Styles" und heute gelobt als „Hauptwerk des Klassizismus", war die Gruppe zwischendurch des Realismus Meisterstück.59 Und in der Tat hatte Schadow kaum Idealisierungsarbeit leisten müssen, erwuchs doch die zeitlose Wirkung seines Werkes nicht zuletzt dem Zusammenspiel von klassizistischer Einkleidung der Natur und naturalistischer Wiedergabe jener Klassizität. Entzückende Jugend in Mode à la grecque hatte beide Mädchen schon im Leben zu Klassizismen gemacht; selten hatten Natur und Ideal einander so entsprochen wie miteinander konkurriert — ihr Abbild galt als Kniefall des Klassizismus vor der Wirklichkeit. Eine Künstleranekdote ergänzte die Geschichte und machte die Prinzessinnengruppe zum beinah antiklassizistischen Manifest: Zwei antikisierende Idealköpfe hatte Schadow, wie er selbst erzählte, von den Prinzessinnen erschaffen sollen, doch verweigerte er sich diesem Dienst. „Die Profilierung meines lebenden Originals hatte aber nicht die Stirn und Nase in einer fortschreitenden Linie", berichtete der Bildhauer von der Luisenschwester Friederike, „und nach dem ersten Visieren nahm ich mit einem Zuge, durch Wegnahme eines Stücks Ton, die Profilierung der Natur — ein Manöver, welches die hohen Herrschaften nicht wieder vergaßen und mir nachmals vormachten; auch die Prinzessin erwähnte, wie sie daraus die Abweichung ihres Profils vom Ideale wahrgenommen habe."60 Ergebnis dieser Sitzung war die bezauberndste Büste in Schadows ganzem Œuvre. Das antike Ideal war nicht schöner als Dogma zu entlarven als durch die Schönheit der Wirklichkeit. „Heute ist es uns schwer begreiflich", wunderte sich Seidel, „wie nach dem Berliner Witzworte .Schadows Ruhm in Rauch aufgehen' konnte, so daß man sich erst in unseren Tagen des tiefgehenden Unterschiedes zwischen den künstlerischen Qualitäten der beiden Männer bewußt geworden ist."61 Einhundert Jahre nach der Erschaffung des Luisenporträts in der Prinzessinnengruppe gab es viele Gründe,

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Schadows realistischere Auffassung der heroisierenden Antike Rauchs vorzuziehen, die zwar als authentisch, aber als weniger ähnlich galt. Die historischen Fakten sprachen für die größere Ähnlichkeit des Schadowschen Luisenbildes, und mit dieser scheinbar technischen Garantie wuchs der Wert des Werkes für die überzeugende Inszenierung eines Mythos von ebensolchem Anspruch auf Wahrheit. Eine vollkommene Schönheit als Spiegel einer vollkommenen Seele erhielt ihren gleichsam natürlichen Beweis durch Schadows naturalistische Bildsprache. Einst als unbrauchbar empfunden, dann als Werk der privaten Erinnerung betrachtet und der Öffentlichkeit darum lange unzugänglich, wurde die nun wieder vervielfältigte und häufig abgebildete Statue zum nationalen Monument. Empfehlen sollte sich das Werk dem Mythos jetzt durch das Private, Individuelle und Intime, das nach dem Sündenfall der Friederike und dem Tod der Königin die Unzulänglichkeit der Statue ausgemacht hatte und dieser nun im Kaiserreich enorme Popularität einbrachte. Zeitlose Schönheit hatte der Bildhauer mit Natürlichkeit und Unbefangenheit verbunden und damit eine Klassenlosigkeit vergegenwärtigt, die zu Lebzeiten der Königin als ideal gegolten hatte und nach 1871 wieder Wirkung machte. Der Zauber der Königin Luise, der, wie Schadow schrieb, „über alle Stände ausging", entwikkelte in der Prinzessinnengruppe seine ganze Kraft — einhundert Jahre nach ihrer Entstehung erst und doch zur rechten Zeit.62 Die Illusion totaler Nähe wurde immer wichtiger für den Kult ums Reich und die Hohenzollernkrone. Ende des 19. Jahrhunderts war der unzüchtigen Friederike längst verziehen worden, so daß der unbekümmerte Reiz der Prinzessinnengruppe ohne schalen Beigeschmack goutiert werden konnte. Das Entzücken im Angesicht der beiden Mädchen ergänzte nun auf ideale Weise die Erbauung bei der Betrachtung der überhöhten Sarkophagstatue, deren zweite, verkleinerte und natürlicher wirkende Fassung fast noch populärer wurde als die erste. Kopien und Abgüsse dieser Figur standen an manchem Ort; auch in Büchern war sie häufig abgebildet, wobei sie in den Bildunterschriften oftmals mit der früheren, auratisch wichtigeren Statue in Charlottenburg verwechselt wurde.63 Enttarnung droht dem Mythos ohne Maske der Natürlichkeit. Einst von großer Wirkung durch die harmonische Verbindung von der Intimität des Wirklichen und der Monumentalität des Idealen, belastete dieser Zwiespalt seit dem späten 19. Jahrhundert die Rauchsche Luisenstatue. Die offensichtliche Synthese von vergangener Antike und realer Gegenwart wirkte zwangsläufig wie ein Verweis auf die Diskrepanz von Idee und Wirklichkeit. Zwar hatte der Künstler seiner Zeit wie auch dem Mythos des Modells entsprochen, als er, erfüllt von der Idee der Schönheit und der Ordnung, die Defizite des Urbildes mit der Hinwendung zum klassischen Ideal zu überwinden suchte, doch erschien das Ergebnis nach dem Schwinden dieser Kunstauffassung als Retusche. Ein Ausgleich von Schönheit und Ähnlichkeit, um den in mancher Bildnistheorie gerungen wurde, war überflüssig im Antlitz lebender Vollkommenheit. Die Gruppe der Prinzessinnen entzog sich diesem Konflikt. Eine Klarheit sprach aus dem Bild, die der des Mythos glich, die nicht die Klarheit der Erklärung, sondern

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die der Feststellung ist. Einer eindeutigen Gattungszuweisung indes verweigerte sich das Werk, das von der einzigartigen Form eines lebensgroßen Doppelstandbilds zweier Frauen war und viele Merkmale eines Denkmals in sich trug, ohne daß es den Betrachter mahnte oder nach Ehrfurcht heischte. Die Prinzessinnengruppe konnte für alles stehen, konnte alles reflektieren, weil sie sich jeder offensichtlichen Aussage enthielt und, wie es schien, fiir nichts stand außer für die eigene Präsenz. Luises Mythos hatte die Grenzen von Realität und Idealität gesprengt und das Ringen von Idealismus und Naturalismus im Bild der Königin zu einem paradoxen Kampf gemacht. Die übergroße Statue über dem Grab war wie der Mythos wahr und unwahr zugleich, nur daß sie nicht verhehlte, was der Mythos zu verschleiern suchte. Einzigartig blieb das Werk zwar für den Kult, doch bezahlte es seine Rolle als Mittler des Mythos mit dem Preis seiner kunsthistorischen Einzigartigkeit. Eine Epoche nämlich, in der das Wissen um das Heldentum der Kaisermutter jedem Schulkind in Fleisch und Blut übergegangen war, verlangte nicht mehr zwingend nach einem Bild, das die irdische Heroine in jenem Maße propagierte wie das Charlottenburger Werk. Ende des 19. Jahrhunderts brauchte der Mythos das Bild nicht mehr zur Entstehung seiner Erzählung, sondern zur Sicherung seiner Natürlichkeit. Ist der Mythos die Verformung von Geschichte, gesichert als Natur, so galt doch die antikische Verformung des Luisenbildes leicht als Manipulation an einer Wahrheit, die der Manipulation erwachsen war und doch nur wie Natur erscheinen sollte. Der Mythos zehrte darum lang von einem Bild, aus dem er sich, als es ihm bedrohlich wurde, partiell wieder entfernte. Schadows weitgehender Verzicht auf künstliche Nobilitierung dessen, was seiner Natur nach schon vollendet war, stützte fortan, was die antikische Form des Grabdenkmales miterschaffen hatte: den Mythos der vollkommenen Luise. Anekdoten, die im 19. Jahrhundert Geschichte lehrten, schenkten dem Helden der Nation ein unverwechselbares Antlitz. Erlebnisse der Königin beim Einkaufen wurden bekannter als manch eine Regierungshandlung ihres Ehemannes, schlagkräftige Sprüche aus Luises Mund populärer als manch politischer Akt. „Eine von vielen und doch die eine unter allen", nannte Theodor Mommsen die Königin, denn in Luises Individualität spiegelten sich die nationalen, allgemeingültigen und bürgerlichen Ideale.64 Und die Bedeutung des Individuellen für den Erhalt des Idealen mehrte nun im Nachhinein den propagandistischen Wert der Schadowschen Luisenbildnisse. Die Prinzessinnengruppe wirkte seit ihrer neuen Würdigung weit stärker als das Sarkophagdenkmal auf die Vorstellung von Luise. Einer Ubermenschlichen, so schien es, gab Schadow ihre Menschlichkeit zurück. Einen Makel des Modells hatte Schadow gar verewigt, einen Makel, der zum Markenzeichen der Monarchin wurde und dem Mythos, der Geschichte auf Prägnanz hin stilisierte, ein einprägsames Zeichen für die Königin bescherte. Zwar wurde die „arme, bedauernswürdige Kunst", die sich „nicht einmal über einen dicken Hals wegsetzen darf", von einem gelehrten Zeitgenossen noch verspottet; die berühmte Kinnbinde der Königin Luise aber, obgleich sie nur eine vorübergehende Schwellung verdeckte, galt bei den Damen der Gesellschaft schon als Mode. 65

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Die Kinnbinde war von besonderem Einfluß auf die Luisenikonographie und besaß eine charakteristische Transformationsgeschichte. Einen reizvollen, erotischen Ausdruck hatte Schadow der Kronprinzessin durch den Gegensatz von dem umwikkelten Haupt und dem entblößten Dekollete gegeben, doch kannte man den Kinnbindenschleier auch als Zeichen der Nonnen wie von Mariendarstellungen der Gotik. Kleine Änderungen an der Schadowschen Luisenfigur, die im späten 19. Jahrhundert für zahlreiche Statuen und Illustrationen das Vorbild war, gaben der Königin darum bei aller Ähnlichkeit ein gegenteiliges, entsinnlichtes und madonnenhaftes Antlitz. Eine Unzulänglichkeit wie einen dicken Hals hätte ein Bildhauer wie Rauch wohl kaum in Stein verewigt; seine Figuren und Büsten blieben überindividuelle Bildnisse mit austauschbarem Beiwerk. Kronen, Schleier und Blumenkränze, mit denen Rauch Luise schmückte, schufen ein verklärtes Ideal und setzten Stil an Stelle von Individualität. Ende des 19. Jahrhunderts stellte der wiederentdeckte Schadow jener idealen Universalität, die Rauch gefeiert hatte, eine gleichfalls ideale, aber unverwechselbare Einzigartigkeit gegenüber und entsprach damit der modernen Inszenierung des nationalistischen Luisenmythos auf vollkommene Weise. Eine von gesellschaftlichen Zwängen, von Industrialisierung und sozialen Spannungen geprägte Epoche sah durch beide Mädchen in eine sorgenlose, freie Zeit zurück. Einzigartig in der Wirkung auf den Mythos war die Statue auch, weil sie Luise gemeinsam mit der jüngeren Schwester Friederike zeigt, die in der Geschichte der älteren eine ambivalente Rolle spielte. Zeitgenossen hatten zwar der Kronprinzessin Schönheit zugestanden, fanden Friederike aber überlegen an Reiz. Und dieser Sicht entsprechend hatte auch Schadow die Schillersche Vorstellung vom Bezaubernden, das sich in der Anmut der Jüngeren offenbart, und vom Majestätischen, wie es die Würde der Älteren ausdrückt, in seinem Bildwerk voneinander abgegrenzt, wobei er doch beides auf einem Sockel verschmolz.66 Eins geworden durch den Marmor, waren Luise und Friederike in der Geschichte jedoch Gegensätze. Die Reize der tugendlosen Schwester wanderten auf das Antlitz Königin Luises über, und was bei Schadow einst noch aufgeteilt war, maximierte nun Luises Attraktivität. Das Doppelstandbild nämlich, primär als Bild der Königin betrachtet, hatte den Charakter einer verdoppelten Luise angenommen; und wie Karl Griewanks Edition der Luisenbriefe ein Bild der Prinzessinnengruppe auf dem Einband trug, obgleich das Buch der Königin allein gewidmet war, zeigten Buchillustrationen Friederike nicht mehr als eigenständige Figur (Abb. 32), sondern als Kopie der Schwester, mit der sie physiognomisch vollkommen identisch ist. Zwei Kopien der Prinzessinnengruppe aus Marmor wurden um die Mitte des 19. Jahrhunderts vom Bildhauer Albert Wolff geschaffen, dem Schadows Gipsmodell gehörte; eine von beiden ersteigerte 1910 die Städtische Kunstdeputation von Charlottenburg für die Aufstellung im Rathaus der Stadt.67 Kaiser Wilhelm II. schenkte im gleichen Jahr der Stadt Hannover eine Marmorkopie des Standbilds, das der Bildhauer Valentino Casal dem Urbild gegenüber um ein Drittel vergrößert hatte.

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Abb. 32 Woldemar Friedrich: Unter den Linden in Berlin, Ausschnitt, 1896

Wie einst die Sarkophagskulptur erhielt nun auch die Prinzessinnengruppe Überlebensgröße. Das Doppelporträt, den Namen des Stifters auf dem Sockel, wurde zum Straßendenkmal mit politischer Aussage: Das Schwesternpaar war in Hannover geboren worden; Friederike kehrte später an der Seite ihres dritten Ehemanns in die Stadt zurück, deren Königin sie 1837 wurde. Einhundert Jahre nach dem Tod ihrer berühmten Schwester aber, als das Denkmal im Beisein des deutschen Kronprinzen enthüllt wurde, gehörte Hannover zum preußischen Staat, der das Königreich 1866 annektiert hatte. Ein großer Teil der Hannoveraner Bürgerschaft war nach wie vor weifisch gesinnt und hatte 1904 darum gegen die Errichtung einer Bismarcksäule protestiert, keine Einwände indessen gab es gegen die Aufstellung der Prinzessinnengruppe. Die aktualisierte Denkmalsinschrift aber, die nun die Königinnen von Preußen und Hannover bezeichnete, beschwor in anmutiger Geste die verwandtschaftlichen Beziehungen beider Häuser und propagierte die Endgültigkeit ihrer Einigkeit. Das skulpturale Bild der Königin Luise bewährte sich als Hohlform wie die ihrer Geschichte entleerte und mit Mythos gefüllte historische Gestalt. Und so erfuhren sowohl die Prinzessinnengruppe als auch die Sarkophagstatue im Lauf ihrer Reproduktionsgeschichte als Teil ihrer Rezeptionsgeschichte signifikante Veränderungen in

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der Größe wie im Kontext. Entsprach die verkleinerte, mehrfach kopierte und später auch auf Statuettenformat gebrachte Zweitfassung der Sarkophagstatue dem Wunsch nach Hervorkehrung des Intimen und Natürlichen gegenüber dem monumentalen Erstlingswerk, so verlief dieser Prozeß im Fall der Prinzessinnengruppe umgekehrt: von der Zimmerstatuette zum dynastischen Monument. Ein Jahrhundert nach der Entstehung beider Statuen war deren Zugänglichkeit in jeder Hinsicht maximiert, ihre Eigenarten angeglichen und ihr Inhaltsreichtum ausgeschlachtet. Zu guter Letzt fugte sich der späte Siegeszug der Prinzessinnengruppe wohlgefällig in die zunehmend euphorische Atmosphäre des Luisenkults zur wilhelminischen Zeit. Das Deutsche Reich mit dem Urenkel der Königin auf dem Kaiserthron taumelte von einer Feier seiner großartigen Vergangenheit in die nächste, berauscht von zwei Porträts, welche die Extreme der fiir den nationalen Zusammenhalt fundamentalen Gefühle spiegeln konnten: Begeisterung und Schmerz. Ewig wie das Entzücken beim Anblick des Luisengrabmals aber war zugleich die Melancholie. Etwas Sentimentales ob des Vergangenen mochte auch aus der Prinzessinnengruppe sprechen, doch war das Standbild frei von Bitterkeit. Ein solches Werk empfahl sich dem preußischen Triumphgebaren, und das rief nun aus mancher Kehle: „Denn sie war unser! Mag das stolze Wort den lauten Schmerz gewaltig übertönen!"68 Die wilhelminische Epoche, Ära des Luisenkultes, hatte die gemalten und gemeißelten Porträts der Königin Luise intensiver auf Wahrheit untersucht als jede andere Zeit. Experten der Kunstgeschichte erkannten mit wissenschaftlichem Blick die historische Unmittelbarkeit des zeitgenössischen Kunstwerks als Voraussetzung für Ähnlichkeit. Einerseits der geballten Koketterie in der arg berechnenden Idealisierung durch Elisabeth Vigee-Lebrun erlegen, andererseits von der naturalistischen Präzision der Prinzessinnengruppe entzückt, verstrickte man sich jedoch in Widersprüche, deren Nichtempfinden voll und ganz der Arbeit am Mythos entsprach, wie auch die Wissenschaft sie leistete. Kriterien für Wahrheit waren der Mythos und die zeitgemäße Wirkung, und so wurde das Argument der Verblendung durch künstlerische Konventionen entweder angeführt, wie beim .kühlen' Klassizismus eines Christian Daniel Rauch, oder ausgeblendet, wie beim Luisenbildnis der Elisabeth VigeeLebrun, das .erwärmend' wirkte. Zwischen Stilkritik und dem Erhalt des Mythos schwankend, erblindete der Kunsthistoriker vor den Reizen der künstlichen Königin und deren vaterländischer Gewaltigkeit. Erkannte Paul Seidel in dem Gemälde der Vigee-Lebrun die hervorragendste Darstellung der Monarchin, so rühmte Paul Bailleu das literarische Pendant dazu, das Buch der Karoline von Berg, als die für alle Zeiten „beste Charakterskizze".69 Zitate vieler Quellen hatten Bailleus eigenes Werk über die Königin so anziehend gemacht, wobei der kunsthistorische Teil von Seidel beigesteuert worden war, dessen Aufsatz von 1905 in Kurzform an die Luisenbiographie von 1908 angefügt wurde. Und als Spezialist für das wahre Bild der Königin hatte „des Kaisers Kunstschenk" auch die fortlaufende Bebilderung des Buches übernommen, das schon vor seinem Erscheinen den Ruf eines Standardwerkes innehatte.70 Ein Jahrhundert lang bereits als Mythos

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etabliert und darum immer mythisch gelesen, fand das Leben Königin Luises seinem Sinn nach nun Bestätigung durch die wissenschaftliche Methodik. Einerseits der positivistischen Wissenschaft verpflichtet, andererseits dem Ruf Luises als preußischer Idealgestalt, charakterisieren die Schriften Seidels und Bailleus den Erhalt des Mythos durch wie gegen die moderne Historiographie, galt doch die Methodik letztlich der Verklärung, die auf dem von Berg, Eylert und Adami bearbeiteten Boden gewachsen war und nunmehr ihren Segen durch die Wissenschaft erhalten sollte. Emotionale Bedürfhisse und historische Umstände hatten einst die mythische Lesart von Luises Biographie und die Verklärung ihrer Gestalt nach antiken und christlichen Ideen erzeugt, was ihr Bild mit überindividuellen Zügen ausstattete und zur handhabbaren Hülle wandelbaren Inhalts machte. Karoline von Berg hatte den Mythos erstmals aufgeschrieben und immense Idealisierungsarbeit geleistet; Anekdoten gesellten sich dann um die Mitte des Jahrhunderts zu den hergebrachten Mustern der Verklärung und individualisierten die Königin zum Zwecke des Erhalts von Idealität. Ende des 19. Jahrhunderts, da Wissenschaft und Industrie, technische Abbildungsverfahren und Zeitungsschreiber die Welt entzauberten, wurde auch der

Abb. 33 Wilhelm Ternite: Koloriertes Kopfsegment des Luisensarkophages, 1812

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Mythos — wie manch ein Porträt — modernen, wissenschaftlichen Verfahren der Uberprüfung unterzogen, neu bewertet und als Wahrheit — wie als Mythos — bestätigt. Ein Mythos sichert sich stets nach modernster Methode. Die Suche nach dem wahren Luisenbild trat schließlich in übernatürliche Sphären, als Paul Seidel auf dem Dachboden des Potsdamer Stadtschlosses jene Büste fand, die Wilhelm Ternite auf Geheiß des Königs angemalt hatte (Abb. 33). Ein Jahrhundert nach dem mißglückten Vorhaben hatte die Natur in ihrer ganzen Kraft noch wahr gemacht, was in der Kunst einst so befremdet hatte, denn „in den neunzig Jahren der Vergessen- und Verborgenheit hatte der Staub die unangenehme Glätte und Gelecktheit des bemalten Wachses derartig zerfressen, und eine der porösen Haut ähnliche Wirkung hervorgebracht, daß ein absolut realistischer und dabei hochkünstlerischer auf anderem Wege nicht zu übertreffender Eindruck erzielt worden ist". Entstanden war eine Büste der Königin „in so sympathischen und lebensvollen Farben, daß mit ihr der Nachwelt eines der entzückendsten Bildnisse Luisens wiedererweckt wurde".71 Und dieses Ding aus einer anderen Welt kam zu den Totenmasken im Vorzimmer des Luisengedenkraums im Hohenzollern-Museum, wo es den inszenierten Ubergang von der toten Königin in den Stein der Sarkophagfigur vervollständigte. Die Preußen ließen sich fortan von der Exposition jenes höchsten Naturalismus bezaubern, der sich in Wahrheit selbst erschaffen hatte.

17 Fünfzig Bilder fiir Jung und Alt „Die Bevölkerung, in deren Mitte die Königin lebte und wandelte, erkannte in ihr bald das, leuchtende Vorbild'. Die Maler wetteiferten, ihr Bildnis den Häusern als Schmuck und Mahnung zu liefern. Wilhelm Baur 1887

Ein Mythos ist eine Erzählung, die ohne Autor scheint. Entspringen kann er gleichsam dem Wesen der Dinge, weil er die Wege seiner Vermittlung vergessen macht. Die unendliche Wiederholung des Mythos in verschiedenen Medien, Kontexten und Inszenierungen verwischt seinen Ursprung und macht ihn so unangreifbar wie omnipräsent. Kaum kann der Einzelne noch bestimmen, wann und wo ihm der Mythos zum ersten Mal zu Ohren gekommen ist. Eines Tages muß er glauben, diesen schon immer gekannt zu haben; irgendwann ist er sicher, daß der Mythos schon immer existierte. Enzyklopädien, Geschichtsbücher und Presse trugen im 19. Jahrhundert historische Kenntnis in breite Kreise. Kanonisierte Geschichte wurde von den für objektives Wissen zuständigen Instanzen abgesegnet; zugleich waren Kunst, Literatur und Dichtung von historischen Stoffen durchdrungen, und gemäß der Allgegenwart des Nationalen überschritten die vaterländischen Mythen die Grenzen der Disziplinen schon im Schulunterricht. Geschichte und Religion waren nach den Freiheitskriegen die wichtigsten Lehrfacher geworden und wuchsen sich allmählich in alle anderen Stoffe aus: Kinder übten lesen mit Luisengeschichten und auswendiges Aufsagen mit Luisengedichten; darstellendes Spiel wurde mit Luisentheaterstücken geprobt und Rechnen mit ihren Lebensdaten gelernt; Haushaltskunde nahm die Königin als Klassenziel, Militärerziehung feierte sie als Ideal; Lehrer verteilten Luisenbücher zur Belohnung an besonders fleißige Schüler, und an runden Geburtstagen wie Todestagen der Kaisermutter fiel der Unterricht an Preußens Schulen aus und wurde durch Luisenfeiern ersetzt, auf denen der Direktor die Zöglinge über das Leben und Sterben der Königin belehrte. Kontinuierlich wurde das Gefühl der nationalen Zusammengehörigkeit unter dem Zeichen der großen Mutter erschaffen, durch Lehranstalten und Vereine eingeübt und durch Feste und Rituale, Gedenkreden und Umzüge untermauert, begleitet von der bildenden Kunst. Die Existenz des Mythos ruht auf medialen Grundlagen; dabei steht der Umstand, daß der Mythos eine Erzählung ist, seiner Bildwerdung nicht im Wege. Ein Mythos ist nicht an bestimmte Medien gebunden, sondern muß geradezu zwingend in den unterschiedlichsten Formen umgesetzt werden, damit er seine Präsenz wie Wandelbarkeit behält und seine Zwecke erfiillt. Und im Luisenmythos hatte ein Bild besonderen Anteil an der Verdichtung der Geschichte. Das Haupt der Schlafenden hatte

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Theodor Körner zu seinem poetischen Schlachtruf Vor Rauchs Büste der Königin Louise entflammt, in welchem er den Opfertod der Landesmutter mit dem Schrei nach Sühne verband und damit die Kernaussagen des Luisenmythos in unendlich repetierte Strophen faßte. Ein entscheidender Mittler des Mythos war das Historienbild; kein Land kam bei der Etablierung und Verbreitung seiner Mythen ohne seinen Einsatz aus, da das Historienbild auch visuell Gemeinschaft stiften konnte.2 Etwas Flüchtigem und Unbestimmtem gab es feste Gestalt, und lag sein Verständnis auch immer im historischen Wissen begründet, so war seine Kraft doch mächtiger als die von Wort und Schrift. Ein Ereignis, das mannigfach erzählt worden war, konnte das Bild zusammenfassen und vereinheitlichen, dadurch die Sicht auf das Geschehene kanalisieren und in gemeinsame Geschichte umwenden, die fortan erzählt wurde, wie das Bild sie zeigte. Erschien die Darstellung neutral und unverfälscht, war sie der Gegenwart ein Fenster zur Vergangenheit, und was der Betrachter hindurch mit eigenen Augen sah, akzeptierte er leichter als verbürgte Tatsache. Das Sehen war das letztgültige Mittel des prüfenden Menschen, weshalb das Bild weit stärker hinterfragt wurde als das Wort; doch war ein Gemälde oder eine Statue als treues Zeugnis erst einmal bejaht, dann meist von vielen und für lange Zeit. Die eigentliche Kraft des Historienbildes gleich welcher Gattung lag darin, Vergangenes zu vergegenwärtigen und den Mythos zu untermauern durch die Macht der Sichtbarkeit. Kunst zwang zur Komprimierung und Konzentration der Geschichte. Künstler, die Geschichte auf die Leinwand brachten oder ihr zu plastischer Gestalt verhalfen, stützten den Mythos durch die Grenzen ihrer Kunst, schuf doch die Zuschneidung der Historie auf die Paßform der Leinwand oder des Denkmalsockels eine Prägnanz, wie sie ähnlich auch der Mythos produzierte. Erwuchsen Mythen der nach Sinn durchforsteten Vergangenheit, an deren Ende die zurechtgestutzte Geschichte stand, so waren Bilder, die all dies spiegelten, nach der entsprechenden Schulung des Betrachters von verbindlicher Zeichenhaftigkeit. Und wie Mythen häufig miteinander verbunden waren, so ruhten sie auch auf Zeichensystemen, in denen einzelne Elemente auf vielfaltige Weise zusammenhingen und sich gegenseitig bekräftigten, was den Mythos wiederum stabilisierte. Eine zu Bildzeichen transformierte Geschichte, die einheitlich verstanden wurde und scheinbar keiner Erklärungen bedurfte, stärkte des Mythos vermeintliche Natürlichkeit. Die Bildnisse der Königin Luise von Schadow und Rauch standen im Zeichensystem des Mythos im Mittelpunkt. Komplex wie die Bedeutung jener Statuen für den Luisenmythos war auch deren Transformationsgeschichte, die auf das Verhältnis von Mythos und Bild ebenso verweist wie auf die spezifischen Eigenschaften jener Kunstwerke, aus denen man das ,wahre' Bild der Königin Luise extrahierte. Ein Bilderbuch sollte zum erfolgreichsten Mittler des Luisenmythos werden, da es Wort und Bild, Skulptur und Malerei, Statik und Dynamik, Reales und Erdachtes in sich vereinte. Und erfolgreich war es nicht zuletzt, weil es für die Zukunft der Nation, ihre Kinder, geschaffen wurde.

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Die Historienmaler Carl Röchling, Richard Knötel und Woldemar Friedrich, bekannte Illustratoren ihrer Zeit, veröffentlichten im Jahre 1896 das Kinderbuch Die Königin Luise in 50 Bildernfiir Jung und Alt, das in keiner Kinderstube des Bürgertums fehlte und, über Generationen weitergereicht, noch immer vielen Menschen im Gedächtnis ist. Königin Luise war der sechste Band der Reihe Das künstlerische Kinderbuch und gehörte zu jenen massenhaft verbreiteten Druckerzeugnissen der vaterländischen Erziehungskultur, die schon bei den Kleinsten die Liebe zum Vaterlande wecken wollte. Kaum eine Geschichte bot sich zu diesem Zweck wohl besser an als die der Königin Luise, die so schön war wie die Königinnen aus den Märchenbüchern und so tapfer wie die Ritter der deutschen Sagenwelt. Einstellungen der Gesellschaft und der Nation gegenüber wurden seit dem späten 19. Jahrhundert oft durch bildliche Aufbereitung der Vergangenheit vermittelt, und auch die Schöpfer der Königin Luise infünfzig Bildern faßten den Mythos vom Engel aus dem Hohenzollernhaus ästhetisch zu lehrreichen Formeln zwischen spezifischer Historie und allgemeiner Tugendlehre. Der Fluß der Erzählung war in signifikante Momente unterteilt; einerseits verstärkte das Buch so die im Mythos angelegte Tendenz zur Personalisierung historischer Vorgänge, andererseits konnte die Bilderfolge dort, wo das Historienbild zum Verzicht auf Nebenhandlungen gezwungen war, das Schicksal der Luise in das des Landes einbetten, was die Untrennbarkeit des Einzelnen vom Ganzen eindrucksvoll vor Augen führte. Eine jede Illustration besaß auch eine Unterschrift; einzelne Worte nur, wenn kein konkretes Tun gezeigt wurde, mehrere Sätze, wenn ein Ereignis erläutert werden mußte. Das Buch war auch hier dem Historiengemälde überlegen, das auf vorhandene Kenntnis des Betrachters setzte; zugleich aber war die jüngere Entwicklung der Historienmalerei von großem Einfluß auf die Bilderfolge. Einhergehend mit dem Bedürfnis, Geschichte überzeugend zu inszenieren, nahm auch die Historienmalerei des 19. Jahrhunderts Abstand von traditionellen Mustern des Bildaufbaus und ersetzte barocke Entwürfe, Allegorien und Symbole durch einen realistischen' Blick auf das Geschehene. Zeugnisse der Verklärung wichen, wie es schien, Zeugnissen der Klarheit. Konzentration des Geschehens in der Bildmitte und dramatische Beleuchtung, bühnenhafte Bildräume und pyramidaler Aufbau von Figurengruppen waren nicht länger allgemeingültige Mittel zur Sichtbarmachung von Momenten nationaler Größe. Eng gefaßte Ausschnitte statt dessen und mitunter krasse Anschnitte der dargestellten Personen zogen den Betrachter nun ins Bild hinein und luden ihn als Zeugen vor die Nationalgeschichte. Und eben diese sollte der Staatsbürger als Teil seiner eigenen Geschichte anerkennen, gleichwie die Pflichten, die das Vaterland ihm abverlangte. Ein ideales Historienbild machte die Leistung des Malers vergessen und bestach mit scheinbar fotografisch exaktem Blick. Mythos und Malerei ergänzten und bestärkten sich, diente die Negierung von räumlicher, zeitlicher und gesellschaftlicher Distanz doch hier wie da dem nationalen Zusammenhalt. Knötel, Röchling und Friedrich konnten als ausgewiesene Meister der Historienmalerei aus dem Vollen schöpfen, als es darum ging, Generationen von Kindern

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nahezubringen, was sich Bedeutendes im Leben und Sterben der Königin Luise zugetragen hatte. Erzeugten ihre Bilder bereits Wirkung und Vertrauen durch die Korrektheit ihrer historischen Rekonstruktion, so verlieh nun die Vermengung ihrer Handlung mit getreu gezeigten Bauten, Kostümen und Möbelstücken auch dem Mythos die gesuchte Wahrheit. Kaiser Wilhelms Wiege, von den Illustratoren im einstigen Gebrauch gezeigt, war dem Volk aus dem Hohenzollern-Museum wohlbekannt, und so überblendete der Luisenmythos als wahre und unwahre Geschichte zugleich auch im Kinderbuch das Erdachte mit Realem, die Fiktion mit Faktizität. Die Königin Luise warb für die Nation unter der Hohenzollernkrone. Zwischen den Ständen vermittelnd, baute Luise eine besondere Vertrauensbeziehung auf, weil sie als Figur in Szene gesetzt wurde, der, obgleich von einer anderen Welt, nichts Menschliches fehlte. Anekdoten aus ihrem Leben wurden in den Bildunterschriften erzählt, und es war auch hier die Anekdote, die in der narrativen Verkürzung von Geschichte und Figur ihre sozialpsychologische Wirkung entfaltete. „Kurze, großentheils anekdotenmäßige Geschichten" vaterländischer Helden müßten die Zöglinge „kennen und erzählen lernen", verlangte die preußische Lehrerausbildung schon 1854, da es jene vertrauliche Atmosphäre zwischen Volk und Herrscherhaus zu schaffen galt, die der bestehenden Ordnung den Erhalt gewährte.3 Die kalte Heroisierung der wilhelminischen Zeit hätte die Gemüter kaum in jenem Maß erhitzt, wäre sie nicht mit volkstümlichen Anekdoten angereichert worden; und wo aus der Vergangenheit schlagfertige Kriegshelden wie ,Zieten aus dem Busch' und .Marschall Vorwärts' gezaubert wurden, um dem Militarismus Identifikationsfiguren zu verschaffen, da propagierte eine popularisierte Kaisermutter den Wert der Frauentugend für die Nationalgemeinschaft. Krieg und Häuslichkeit zimmerten den Rahmen für die Geschichte von der Königin Luise, einer Geschichte von Manneskraft und Frauenstärke, deren Grenze doch in keinem Bilde zu verwischen drohte. Eingängige Bildtitel wie Die Königin in ihrem Heim, Als Mutter an der Wiege oder Häusliche Freuden beschworen die Gültigkeit traditioneller weiblicher Pflichten; idyllische Szenen auf der Pfaueninsel oder am Weihnachtsabend feierten die Einheit der Familie als Garanten der Nation und ihrer Bürgergesellschaft. Erinnerungen an adelige Damen, von denen es geheißen hatte, sie ließen ihre Kinder im Stich und gäben sie an Ammen und Erzieher, wurden ausgemerzt, da man Zofen oder Gouvernanten vergeblich auf den Bildern suchte. Die Königin, so die Botschaft, war wie jede Frau nur Gattin und Mutter, die sich liebevoll um Mann und Kinder kümmerte und nichts an andere delegierte. Und wenn sie dennoch hin und wieder eine Krone trug, wie auf den meisten ihrer Bildnisse gegen Ende des Jahrhunderts, dann weil sie ,die erste aller Frauen' war, nicht aber ,die einzige'. Königin Luise erschien im Buch zudem als ruhige und gelassene Natur, eigenartig unbewegt waren Mimik und Gestalt. Die Beherrschung der Affekte war seit dem 18. Jahrhundert in Traktaten und Bilderzyklen als „bürgerliche Grazie" ausgegeben worden, nun prägte sie das Ideal der Frau als stille Hüterin von Heim und Hort. Ereignisreich, ja stürmisch dagegen war die Männerwelt.

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Eingebettet in den Kampf gegen Napoleon, wurde der Luisenmythos nicht nur Mädchen angetragen, erinnerte doch die Königin Luise gleichfalls an die Relevanz des Krieges für den Schutz der Nationalgemeinschaft. Kenner der Uniformkunde und ausgewiesene Militärmaler wie Röchling und Knötel widmeten rund die Hälfte aller Buchillustrationen dem Kriegsgeschehen der napoleonischen Zeit. Kampfesmut und Heldentod der Fürsten und Soldaten waren auf den dramatischsten Moment hin zugespitzt (Abb. 34), während Luise auf achtzehn der fünfzig Bilder fehlte. Knapp nämlich waren die Berührungspunkte von weiblicher und männlicher Welt, die gleichwohl von mehr als nur von Buchdeckeln zusammengehalten wurden: Kampf war der Tribut des Mannes an die Nation, Entsagung für die Familie das Opfer der Frau für den Bestand, und so zeigte Königin Luise, wie man als Mann wie Frau Geschichte machte. Einzelne Bilder aus dem Buch erschienen noch im Dritten Reich in populären Publikationen zur deutschen Vergangenheit. Erst die Entwicklung der Massenmedien, die sich im fortschreitenden 19. Jahrhundert rasant beschleunigte, ermöglichte die effektive Politisierung des Mythos und seine kalkulierte Indienstnahme im Kampf um die Deutung der sozialen Welt. Und auch der Luisenmythos pflanzte sich stets in den neusten Medien fort: Stummfilme über die preußische Geschichte widmeten sich noch vor dem Ersten Weltkrieg der Zeit der Freiheitskriege; ein Jahr vor dem Marsch gegen Frankreich schließlich wurde

Abb. 34 Richard Knötel: Heldentod des Prinzen Louis Ferdinand von Preußen bei Saalfeld am 10. Oktober 1806, 1896

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der dreiteilige Film Königin Luise. Aus Preußens schwerer Zeit uraufgeführt, Hansi Arnstadt spielte darin Luise als moderne Heldin, als Mutter und Engel in Leid und Not. „Eine Lichtgestalt, zu der das Volk voll Begeisterung und Bewunderung aufsah", wie der Anfangstitel verkündete. Der Film griff die Erzählung des Mythos durch Anekdoten auf und setzte die Errungenschaften der Historienmalerei um und zugleich fort. Kaiser Wilhelm II. hatte den Filmemachern historische Wagen mit Pferden und Geschirren zur Verfugung gestellt und sogar Exponate des Hohenzollern-Museums als Requisiten ausgeborgt. Korrekte Kulissen standen für korrekte Geschichte. Der Film verbarg den Mythos im Fluidum von Fetisch und Reliquie, zumal man besonders der Ausstattung wegen dem Resultat „mit Spannung" entgegengefiebert hatte.4 Auf Weisung des Kaisers, Urenkel der Leinwandheldin, waren das Brandenburger Tor und die Straße Unter den Linden für den Dreh von Märschen und Einzügen abgesperrt worden, was bei einigen für Unmut sorgte. „Es wird immer schöner", erregte sich der sozialdemokratische Vorwärts. „Jetzt wird einer Privatgesellschaft schon die Feuerwehr und das Militär zur Verfügung gestellt, um .patriotische Aufnahmen' zu machen."5 Entsprechend den technischen Beschränkungen des jungen Mediums war das Ergebnis eine stumme Szenenfolge, die von Zwischentiteln unterbrochen wurde. Zwangsläufig ähnelte diese Erzählweise der des Kinderbuches, dem der Filmemacher

Abb. 35 Erste Begegnung der Königin mit ihren Kindern nach der Schlacht bei Auerstedt im Schlosse zu Schwedt, Szenenbild aus Königin Luise. Aus Preußens schwerer Zeit, 1913

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aber keineswegs nur notgedrungen folgte: Der Film von der Königin Luise (Abb. 35) erschien mitunter wie eine bewegte Version vom Buch der Königin Luise, dessen bekannte Bilder man zum Laufen brachte. Szenen rührten im Aufbau direkt von den Illustrationen her, und Standfotografien im Filmprogramm entsprachen bis in Details den Vorlagen von Röchling, Friedrich und Knötel (Abb. 36).

Abb. 36 Woldemar Friedrich: Erste Begegnung der Königin mit ihren Kindern nach der Schlacht bei Jena im Schlosse zu Schwedt am Abend des 18. Oktober 1806, 1896

Entworfen hatten die drei Maler ihre Königin Luise nach den Vorbildern von Rauch und Schadow, doch transformierten sie durch Handlung und Farbe das Entrückte der Skulpturen zu fixierbarer Historie. Einstmals dem Betrachter individuell anheimgestellt, wich die sinnliche Erfüllung klassizistischer Statuen vorgefaßter Programmatik. Konkrete Kontexte umgaben nun die Standbilder und beeinflußten wiederum den Blick auf die zitierten Werke. Königin Luise sprach im Kinderbuch als Rauchsche Statue mit Napoleon (Abb. VI) und stieg als Mutter an der Wiege (Abb. 37) geradewegs vom Sockel der Prinzessinnengruppe. Zwei Jahre nach deren Fertigstellung 1797 hatte schon ein Stich die Statue ohne Plinthe inmitten der Natur gezeigt und damit jene Lebendigwerdung eingeläutet, die noch ein Jahrhundert später Ausdruck fand im Film der Königin Luise.6 Eine befremdlich bandagierte Hauptdarstellerin (Abb. 38) tröstete dort den gebrochenen Ehemann über die Niederlage von Jena und Auerstedt. Die Kinnbinde vor allem zitierten Illustratoren wie Requisiteure. Schadows Statue stützte den Mythos in der Gegenwart und wurde rückblickend als wahres Luisenbild

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Abb. 37 Woldemar Friedrich: Die Königin in ihrem Heim. Als Mutter an der Wiege, 1896

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Abb. 38 Ein Kurier überbringt dem Könige die Nachricht von dem Verlust der Schlacht bei Jena, Szenenbild aus Königin Luise. Aus Preußens schwerer Zeit, 1913

bestätigt, griffen doch die Mythenmacher den Kopfputz als ein untrügliches Merkmal auf und begründeten dadurch seine Zeichenhaftigkeit. Und zum Zeichen wurde schließlich Luises ganze Gestalt. „Ein Bild von diesem reinen Leben zu geben", an diesem Versuch wollte Heinrich von Treitschke „fast verzweifeln", gleichwie „der Künstler sich scheut, das unvermischte Weiß auf die Leinwand zu tragen", doch blieb die Unfarbe des Marmors auch im Kinderbuch die Farbe der Luise. 7 Das Weiß ihrer Gewänder, den Einfluß der Bildhauerei offenbarend, markierte Frauenreinheit, Frauensitte, denn wo Enthaltsamkeit eins mit Respektabilität geworden war, gab man dem Urbild aller Tugend die entsprechende Gestalt. Kleider, farblos und ohne jede Transparenz, nahmen der Gestalt ihre bewußte Sinnlichkeit und bedienten somit ein Klischee, wie es die Ästhetik des Nationalismus von der angeblich leidenschaftslosen Schönheit propagierte. Sollte nicht zuletzt die Königin Luise dazu beitragen, das sittliche Leben vor Versuchungen zu bewahren, so kaschierten Röchling, Knötel und Friedrich auch den Eros jener Frau gemäß der Gegenwart.

18 Die Reinste der Reinen „Ihre Tugenden lasset uns zum Muster nehmen, und als Muster aufstellen unsern Kindern. Friedrich Ehrenberg 1810

„In einer Hütte unweit des Schlosses lag ein armes, altes Weib in Krankheit und in Schmerzen. Wochenlang schon hatte sie an einer Brustentzündung gelegen, und nur spärliche Pflege war ihr von der einzigen Tochter zu teil geworden, denn diese, Mutter von sechs Kindern, hatte mit sich selbst genug zu thun. Jetzt hatte sich das Blatt gewendet, jetzt hörte man die einsame Dulderin nicht mehr seufzen und klagen, denn sie hatte eine wunderbare Erscheinung gehabt, eine Engelerscheinung, davon war ihr ein großer Trost in ihrem Elend gekommen. Eine Nachbarin besuchte sie eines Morgens und fragte: ,Wie geht's, Marthlise?' Die Kranke lächelte still und sprach: ,0, es geht gut! Du lieber Gott, jetzt ist es ordentlich eine Freude, krank zu sein, denn wo jetzt eins im Elend liegt, da kommt ein Engel und bringt Trost. Jeden Morgen tritt eine weiße Gestalt an mein Lager und bringt mir, was mich an Leib und Seel erquickt. Prinzeß Luise - ein menschlicher Name ist's, aber soll's denn nur wahr sein, daß sie aus demselben Stoff gebildet ist wie unsereins? Wenn ich dieses Gesicht ansehe und diese Stimme höre, da ist es mir, als wären die Zeiten wiedergekommen, wo die Engel Gottes noch in Menschengestalt auf Erden erschienen. Ich schäme mich vor mir selber, wenn dieser Engel an meinem Bett steht, und denke: Ach wie schlecht bin ich, und wie gut ist sie! Und dennoch wird mir's wohl in ihrer Nähe. Es ist mir zu Mut, wie in der Kirche, ach nein, noch anders, noch seliger, - ich kann's gar nicht sagen, wie.' Die Nachbarin hörte still der Alten zu, und in ihrem Herzen regte sich's fast wie Neid, daß sie nicht auch krank sei, um ebenfalls solche Engelerscheinungen zu haben." 2 Die Geschichte vom Tugendengel der Nation stiftete Gemeinschaft und Identität. Königin Luise war für jeden da und hatte selbst ihre Prinzen mit Bauernkindern spielen lassen, wie Ende des 19. Jahrhunderts gedichtet wurde. 3 Der Mythos legte die Eigenschaften fest, die ein Mensch besitzen mußte, wenn er der vom Mythos konstituierten Gruppe angehören wollte. Einer Anleitung zum staatsbürgerlichen Verhalten gleich gewann der Mythos der Geschichte Regeln ab, die über den Zutritt zu einer Gemeinschaft entschieden, wobei die Bedingungen moderne waren, führten doch nicht Rang und Geburt zu Ansehen und Liebe, sondern das Leben und Streben zum Wohl der Nationalgemeinschaft. Krieg und Konzeptlosigkeit hatten die Zeit verdunkelt, in die der frühe Tod der Königin Luise fiel, und gaben deren Mythos rasch ein religiöses, apolitisches und zunehmend rückwärtsgewandtes Gepräge. Ende des 19. Jahrhunderts sollten Mythos

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und Kult zu Instrumenten fiir den Erhalt konservativer Werte und sexistischer Vorstellungen werden, bei ihrer Entstehung zu Lebzeiten der Königin kennzeichneten sie dagegen den Fortschritt der Gesellschaft. Das Aufwachsen der Königin in verhältnismäßig einfachen Verhältnissen, ihr volksnaher Charakter und ihre Liebesheirat hatten die bürgerlichen Ideologen schon früh zur Vereinnahmung ihrer Person gereizt; Luise wurde zum Bestandteil des bürgerlichen Diskurses über die Monarchie um 1800 und damit zum Indikator für den gesellschaftlichen Wandel und den Aufbruch des Bürgertums in die Moderne. Almanache wie das Taschenbuchfiiredle teutsche Weiber priesen die Königin als Muster bürgerlicher Tugend, und eine bürgernahe Monarchin wiederum wurde in Zeiten des sozialen und politischen Umbruchs nach der französischen Revolution zum Aushängeschild der preußischen Krone. Luise machte die königliche Familie zu einer bürgerlichen Familie, deren Wertekodex mit dem der Untertanen übereinstimmte. Einfaches, bürgerliches Glück wurde zum schlagkräftigen Argument gegen die vielbeklagte Sittenlosigkeit und Schwäche von Hofstaat und Regent. Ein Königshaus nämlich, das nach den Maßstäben des Bürgertums lebte und regierte, konnte dem Bürgertum kein Gegner im Kampf um politische Rechte und die nationale Einheit sein; somit sicherte der Mythos der bürgerlichen Königin, wenn auch nicht bruchlos, die Kontinuität der Monarchie.4 Einige Monate nachdem Friedrich Wilhelm und Luise den Thron bestiegen hatten, erschien im Sommer 1798 in den Jahrbüchern derpreußischen Monarchie unter der Regierung Friedrich Wilhelms III., dem ,Organ für das bürgerliche Räsonnement über die Familie des Monarchen', ein überaus merkwürdiger Text: Glaube und Liebe oder Der König und die Königin, unter diesem Titel sang Friedrich von Hardenberg ein Hymne auf den jungen König und die Frau an seiner Seite.5 Novalis malte einen Idealstaat, der als Utopie belächelt worden wäre, wenn nicht ein überaus reales Paar auf dem Thron in diesem Wunderland gesessen hätte. „Das ist eben das Unterscheidende der Monarchie, daß sie auf dem Glauben an einen höhergebornen Menschen, auf der freiwilligen Annahme eines Idealmenschen, beruht. Unter meines Gleichen kann ich mir keinen Obern wählen; auf einen, der mit mir in der gleichen Lage befangen ist, nichts übertragen." Erster Priester dieses Glaubens, hob Novalis den König an die Stelle der „Sonne im Planetensystem" und gab dem Herrscher auch konkrete Ratschläge für seinen Stand, da in säkularen Zeiten nur das Handeln zum Gemeinwohl Helden machte. Irdische Grundlagen für das Paradies des Dichters aus pietistischem Elternhaus waren Sitte und Moral, zu deren fleischgewordener Verkörperung er Königin Luise kürte, die „unendlich wirken" und die „jungen Weiber und Mädchen" in Preußen läutern sollte. „Die glücklichen Ehen werden immer häufiger und Häuslichkeit mehr als Mode werden", schrieb Novalis, war doch das Königspaar das Vorbild tugendhafter Häuslichkeit: „Der Hof ist eigentlich das große Muster einer Haushaltung. Nach ihm bilden sich die großen Haushaltungen des Staates, nach diesen die kleinern, und so herunter." Luises Haushalt sollte zum Modell für die Nation, das Private zum Modell für

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das Öffentliche und die Familie zum Modell für das Politische werden, und in der Tat zielte der Luisenmythos später stets vom Kleinen auf das Große, von der Schaffung sozialer auf die politischer Einheit, von der Familie auf den Staat. Liebe war fiir den jugendlichen Dichter das alles verbindende Element. Liebe verband den König und die Königin, Liebe sollte jede Frau mit ihrem Mann verbinden, jeden Bürger mit dem Staat. Liebe war das Tor zu einer paradiesischen Gemeinschaft, in der königliche Herrschaft nicht auf Macht gebaut war, sondern auf das Heiligtum der Liebe. „Verwandelt sich nicht ein Hof in eine Familie, ein Thron in ein Heiligtum, eine königliche Familie in einen Herzensbund?" Nichts war für den Dichter erquickender, „als von unsern Wünschen zu reden, wenn sie schon in Erfüllung gehn", denn mit dem jungen Königspaar, da war Novalis sicher, begann eine „goldene Zeit". Eine Revolution fand ohne Revolution statt. Novalis hatte für das preußische Bürgertum bereits als Wirklichkeit erklärt, was die Franzosen erst hatten erkämpfen müssen, denn als Gleiche unter Gleichen, durch bürgerliche Liebesehe reformiert und durch weiblichen Einfluß tugendhaft geworden, war die Monarchie keine Bedrohung für die Freiheit des Bürgers mehr, sondern wies in eine gemeinsame Zukunft. Das Bürgerliche, fromm und vaterländisch, wurde als Gegenbegriff zum absolutistischen, aufgeklärten Hofleben etabliert, das in all seiner Weitläufigkeit als lärmend und lasterhaft galt; und eben dieser, stark mit dem vorrevolutionären Frankreich assoziierten Sphäre war Preußens König nun entzogen, weil er eine tugendhafte Frau an seiner Seite hatte, deren Auftreten die Kluft zwischen den Lebensweisen und Interessen von Adel und Bürgertum schließen konnte. Zwar war das Bürgertum keine politisch und sozial homogene Masse, sondern unterschied sich in Konfession, Bildung, Einkommen und Mentalität, doch definierte es sich als Einheit durch seine gemeinsame Kultur, seine Bürgerlichkeit. Wie alle seine Nachfolger war Friedrich Wilhelm III. darum durch seine Lebensführung zur politischen Führung des Landes qualifiziert; sein bürgerlich deutsches Tugendstreben versöhnte den idealen Republikanismus mit der idealen Monarchie. Eine solche Staatsform schien auch dem revolutionären Frankreich überlegen, das Frauen von der politischen Bühne verbannt hatte und darum jener Kraft entbehrte, die dem preußischen Staat, wo der öffentliche Raum ideal ein privater war, durch seine tugendhaften Frauen innewohnte. 6 Einst als Hort der Frivolität und der unnatürlichen Geschlechtervermischung, der schlaffen Männlichkeit und herrschsüchtigen Weiblichkeit gebrandmarkt, war der Hofstaat für Novalis jetzt das ganze Gegenteil, da Luise dort als erste, beste Gattin einen „häuslichen Wirkungskreis im Großen" führte. Eine „politische" Funktion hatte die Königin zwar nicht, doch war der Haushalt Politikfeld preußischer Weiblichkeit. Königin Luise sollte die Menschen bessern, und schon ihr Anblick, so der Dichter, war von reinigender Kraft. Erfüllt von totaler Projektion und trunkener Phantasie, romantischer Lebensferne und ekstatischer Frauenschwärmerei, machte Novalis die Königin zum lebenden Monument. „Wer den ewigen Frieden jetzt sehn und lieb gewinnen will, der reise nach Berlin und sehe die Königin." Und diese verwandelte

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sich am Ende gar in eine Gestalt aus Goethes Wilhelm Meister, jener Dichtung, auf die der Mythos später oft verweisen sollte. „Mir kommt Natalie wie das zufallige Porträt der Königin vor", schrieb Novalis. „Ideale müssen sich gleichen." Erfindung und Wahrheit lösten sich aus ihren Grenzen, da die Uberblendung einer realen mit einer fiktiven Figur die erstere dem Irdischen entrückte und als Symbol auf den Thron einer idealisierten Bürgernation setzte. Kleist schließlich formte die Heldin seines letzten Dramas Prinz Friedrich von Homburg nach dem Vorbild Königin Luises, die er, möglicherweise in Erinnerung an Novalis' Schrift, .Natalie' nannte. Novalis schrieb das Handbuch zum Luisenkult noch zu Luises Lebzeiten. Luisenorden, Luisenbilder und Luisenehen hat er 1798 schon gefordert, Dinge, Rituale, die „ächten Patriotism" verbinden sollten mit „ächter Religiosität". Kaum einer von den hunderten Luisenbiographen aber hat später von seinem Text Notiz genommen, wohl auch, weil jenes wirre, magisch idealistische Konstrukt die vermeintlich so reale, klare Idealität der Luisenzeit ohne Absicht karikierte. Arger machte jene Hymne aber schon zu ihrer Zeit. Eine politische Utopie hatte der Dichter zur gegenwärtigen Realität erklärt, der König aber, den Novalis zum Werkzeug seiner Utopie gemacht, fand sich in dieser weniger verklärt als bevormundet und verzerrt. „Der Idealist einer Person", schrieb Nietzsche, „stellt sich diese Person so in die Ferne, daß er sie nicht mehr scharf sehen kann"7, und in der Unschärfe seiner Person sah der König keine Idealität; er habe „fiir Poesie überhaupt keinen Sinn" und halte „die Poeten fiir Phantasten", hieß es zu seiner Zeit.8 Und in der Tat, „unschicklich" und „abgeschmackt" fand Friedrich Wilhelm die öffentlichen Auslassungen über seine Ehe und verbat sich die geplante Fortsetzung, nicht zuletzt weil Novalis für eine Hofreform und eine Monarchie auf republikanischer Grundlage plädierte. Ein aufgeklärter Zeitgenosse pflichtete dem König bei, zumal auch das, „was Novalis über die Königin sage", wie „halber Wahnsinn" klinge.9 Novalis' romantischer Ruf nach einer neuen Mythologie jedoch war lediglich zu früh und auch zu laut. Erst die Not weckte den Willen zur gemeinschaftlichen Läuterung und Reue. Erst der Tod der Königin schuf für den kollektiven Glauben an ihre Idealität die rechte Emotionalität. Erst nachdem Luise dem Materiellen entzogen war, konnte sich der Mythos vollauf ihrer Leerstelle bemächtigen und in Tagen des Sinnverlustes romantisches mit revolutionärem und religiöses mit reformerischem Gedankengut verknüpfen, das zu Schlagwörtern wie .Nation' und .Vaterland' verschmolz. Novalis' Glaube und Liebe geriet zum preußischen Staatsmythos und offenbarte sich im Nachhinein als geradezu prophetische staatstheoretische Schrift. Liebe zur Familie, zu Krone, Staat und Vaterland, für den Dichter Grundlage seines idealen Bürgerstaates, wurde zum erklärten Ziel der Nationalerziehung nach der Katastrophe von Jena und Auerstedt. Emotionen sollten die Menschen mit dem Staat verbinden, Gefühle, wie sie die schönste und traurigste aller Königinnen in das Land gebracht hatte: „In den von der harten Hand der großen Könige des 18. Jahrhunderts geform-

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ten Staat, in das kalte graue Preußen strömte von Königin Luise eine Flut von Licht und Liebe: sonnig, wärmend, belebend."10 Eben jener Souverän, der Novalis noch den Mund hatte verbieten lassen, hob nach dem Tod seiner Gemahlin einen Kult mit aus der Taufe, der dem „Wahnsinn" des Poeten in nichts nachstehen sollte. „Der Regent fiihrt ein unendlich mannichfaches Schauspiel auf", hatte der Dichter einst frohlockt, „wo Bühne und Parterre, Schauspieler und Zuschauer Eins sind, und er selbst Poet, Direktor und Held des Stücks zugleich ist."11 Kritiker des Königs sahen dessen Gebaren fortan als Beweis dafiir, daß auch Friedrich Wilhelm „die Anlagen zu einer poetischen Ansicht des Lebens (die er sonst bitter tadelte) hatte, wenn er nur besser entwickelt worden wäre".12 „Das schönste, was ich kenn' und wähle, ist in der schönen Form die schöne Seele."13 Einzig mit den Worten Schillers war um die Mitte des 19. Jahrhunderts die Geschichte von der Königin Luise zu beginnen, untermauerte der klassisch ästhetische Konnex von Geist und Körper doch den Mythos ihrer reinen Seele, die im Leben schon umnebelt war von der Schwärmerei der Empfindsamkeit. „Du kannst nicht denken, was das für ein edles, reines, anmutiges Geschöpf ist", schrieb die Schwester Therese in einem ihrer exaltierten Briefe, „der Umgang mit ihr läutert einen, denn man würde sich furchten, in ihrer Nähe mit unlauterem Herzen einherzugehen, vielmehr wäre es unmöglich, denn selten erschien wohl so hohe Tugend unter einer so reizenden Gestalt."14 Der Klang einer überschwenglichen Zeit drang hinüber in die Zeit der Not. Krieg, Chaos und die Suche nach Zeichen kommender Ordnung luden alles Gute im Menschen einer Mutter au£ die sich durch Schönheit empfohlen und durch Tod der Wirklichkeit entzogen hatte. „Es schien", berichtete später Marie von Kleist, Freundin der Königin und Cousine des Dichters, „als hätte das Schicksal einen Engel auf den Thron gesetzt, um die Tugend in ihrer ganzen Liebenswürdigkeit, in ihrem ganzen Glänze zu zeigen."15 Zum Engel aber wurde Luise erst im Lauf der Zeit, denn anfangs war ihr Glanz nicht ungetrübt. „Ein frivoles Hauswesen ist meistenteils die Schuld der Frau", schrieb Novalis. „Daß die Königin durchaus antifrivole ist, weiß jedermann. Daher begreife ich nicht, wie sie das Hofleben, wie es ist, ertragen kann." 16 Klüfte zwischen Schein und Sein hatte der Dichter in seiner Hymne auf das Königspaar zwar ausgeräumt, sich aber dennoch über die Realität gewundert, da man die Vergnügungssucht der jungen Luise kannte. Die Königin liebe den Tanz so sehr, berichtete der englische Gesandtschaftssekretär George Jackson im November 1802, „daß der Hof in die Stadt kommt, um den Karneval eine Woche früher als gewöhnlich beginnen zu lassen, damit Ihre Majestät noch ein paar Volkstänze vor ihrer Niederkunft bestreiten kann".17 Einige Stunden früher als gewöhnlich verabschiedete sich Luise im Februar des nächsten Jahres von einem Hofball, zwei Stunden später gab man die Geburt einer gesunden Tochter bekannt.18 Ereignisse wie dieses aber verschwiegen viele Biographen, denn eine Mutter, die noch im neunten Monat tanzen ging, paßte schlecht ins Bild der stillen, häuslichen Luise.

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Engel machten in der Regel keine Entwicklung durch, und so glaubten viele, daß die „himmlische" Luise von Geburt an ihre „bessernde und reinigende" Kraft besessen hatte.19 Das Jahrhundert der gezügelten Leidenschaften bewahrte aber auch die liebreizende Vorstellung von der ungestümen Königin, die zwar dem Ideal zuwiderlief ihre didaktische Verwertbarkeit jedoch vermehrte. Erzieher nahmen die unbeschwerte „Jungfer Husch" an die Kandare, und gerade als vom Mann Geläuterte konnte sie ein Ideal verkörpern, das die von Natur aus unvollkommene Frau zu einer Heldin machte. Die Geschichte ihrer frühen Ehejahre war die vom Wachsen ihrer Frauentugend und wurde darum oft erzählt. Das wilde Treiben des Berliner Hofes unter dem lüsternen Friedrich Wilhelm II. hatte auch die Schwiegertöchter mitgerissen. Ein Ball reihte sich an den nächsten und machte die Nacht zum Tag, der heißumworbene Stern eines jeden Abends aber hatte die großen Sympathien der eigenen Umgebung rasch verspielt. Stürme fegten über die junge Ehe, Szenen zwischen der koketten Kronprinzessin und ihrem ernsten Gatten häuften sich, und die Nation las später bittere Zeilen über die Verfehlungen Luises im Tagebuch der Gräfin Voß - die bald jedoch von einer „Engelskönigin", die „ihre Pflichten so treu erfüllt", berichten konnte.20 Kronprinz und Oberhofmeisterin nämlich hatten sich dem Kampf gegen die „gefahrlichen, weiblichen Schwächen" gestellt: „die Vorliebe für Näschereien, das unregelmäßige Essen zwischen den Mahlzeiten, die Unpünktlichkeit, die sorglose Freude an Spiel und Tanz".21 Das erste Kind des unglücklichen Paares war tot zur Welt gekommen; warum, das wußten die Scharfmacher unter den Mädchenerziehern der wilhelminischen Zeit: „Das arme, liebe Würmlein hatte für die Sünden seiner Mutter büßen müssen. O wie schwer hatte sie der liebe Gott bestraft."22 Ekel vor dem „rauschenden Weltgetriebe" des Berliner Hofes stieg fortan in Luise auf, weil die tote Tochter sie des Nachts besuchte und ihr vorwurfsvoll in die Augen schaute. Die Kronprinzessin betete um ein neues Kind und gab sich reuevoll an jene Macht, die allen Frauen des Jahrhunderts zu Würde und Respekt verhelfen sollte: „Indem sie [...] mehr und mehr alle fremden Einwirkungen fern hielt und sich der Leitung ihres Gemahls allein überließ", schrieb Paul Bailleu, „erwarb sie sich die Festigkeit des Inneren und die Sicherheit nach Außen, die sie ihr ganzes Leben ausgezeichnet haben [...]. An der Seite des Gatten, den sie als ihren besten Freund bezeichnete und durch den sie besser geworden zu sein laut bekannte, begann dann für sie ein Leben voll Liebe und Glückseligkeit."23 „Zur Zeit Friedrich Wilhelms des Zweiten herrschte die größte Liederlichkeit", erzählte Schadow 1841 Karl August Varnhagen von Ense, „alles besoff sich in Champagner, fraß die größten Leckereien, frönte allen Lüsten. Ganz Potsdam war wie ein Bordell; alle Familien dort suchten nur mit dem Könige, mit dem Hof zu thun zu haben, Frauen und Töchter bot man um die Wette an, die größten Adlichen waren am eifrigsten. Die Leute, die das wüste Leben mitgemacht haben, sind alle früh gestorben, zum Theil elendiglich, der König an der Spitze. Man kann sich jetzt gar nicht mehr vorstellen, wie wohlthätig auf jene Ueppigkeit das Beispiel Friedrich Wilhelm's des Dritten kam, die stille Häuslichkeit, die Schönheit und Bravheit der Königin."24

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Das Leben des lasterhaften Schwiegervaters war den Zeitgenossen wie der Nachwelt augenscheinliche Kulisse für die Inszenierung des Kontrastprogramms, wo Einfachheit und Ungeziertheit eins wurden mit Redlichkeit und Bürgerlichkeit. Einem „verschwenderischen und sittenlosen Regiment" folgte das „der strengen Rechtlichkeit, Sparsamkeit und Sittlichkeit", auf „Mätressenherrschaft die musterhafteste Ehe, die vielleicht je auf dem Throne gesehen ward" und auf das „glänzende Schauspiel des kostspieligsten Hoflebens der wohltuende Anblick eines fast bürgerlich einfachen Haushaltes", wie Amalie von Romberg in ihrem Lebensbild der Sophie von Schwerin berichtete. 25 Ehrlichkeit und Gottesfurcht vertrieben Geckentum und Mystizismus, Hetären wichen Hausfrauen und Fremdgänger Familienvätern; der Lärm des Hofes verklang in der Stille des bescheidenen Lebens und die Weitläufigkeit der Aufklärung beugte sich der natürlichen Liebe zum Vaterland, zum preußischen wie deutschen Volk. Das Landhaus zu Paretz (Abb. 39), umgeben von dörflicher Ruhe, war der gleichsam bürgerliche Rahmen für das neue Bild der Herrscherfamilie. König Friedrich Wilhelm hatte das beschauliche Schlößchen noch zur Kronprinzenzeit von David Gilly gestalten lassen, nicht zum Zweck der Anbiederung an das Bürgertum jedoch, sondern ganz den Bedürfnissen eines Mannes folgend, „der ungern König spielte".26 Die Nichtrepräsentation als repräsentatives Muster vorstellend und „von gleicher Liebe für die Reize des Landlebens erfüllt, hat das fürstliche Paar die sorgenfreiesten und heitersten Stunden in der Stille und Zurückgezogenheit dieses abgelegenen klei-

Abb. 39 David Gilly: Schloß Paretz, 1796, Deckfarbenmalerei von Wilhelm Barth, um 1824

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nen Landgutes verlebt, wo Friedrich Wilhelm als .Schulze' und Luise als ,gnädige Frau von Paretz' walteten", wie Paul Bailleu erzählte. „Bei den Erntefesten, zu denen auch aus der Nachbarschaft die ländliche Bevölkerung zahlreich sich versammelte, verschmähte Luise selbst es nicht, sich in die Reihen der Tanzenden zu mischen."27 Und waren die Wochen in Paretz auch kostspielig, die Grenzen der Stände klar gezogen und Monarch und Monarchin absolutistischem Denken treu, so sprengte die mit dem Bauer tanzende Königin doch aus der Rückschau die Unterschiede von bürgerlichem Königtum und königlicher Bürgerlichkeit. Erfüllt vom Geist Luisens und nach dem Tode ihres Mannes für Jahrzehnte in einen „Dornröschenschlaf" gefallen, wurde Paretz der Nachwelt zum nostalgischen Symbol einer vergangenen Idylle.28 Zwei Jahre vor dem Ende des Hohenzollernreiches wurde Arthur Moeller van den Bruck noch melancholisch, als er Haus und Park in seinem berühmten Buch Der Preußische Stil durchschritt: „Es ist Kunst für eine deutsche Frau und preußische Königin. Kein Dichter hat sie so besungen, wie sie vor sich selber war. [...] In Paretz war sie für Stunden glücklich. Aus Paretz nahm sie nur ihr Leid mit, und noch eines, ihre Haltung und die Schönheit ihrer Haltung. So ging sie, als sie fliehen mußte, so lebte sie in den ganz einfachen und fast schmucklosen Gartenhäusern von Königsberg und Memel."29 Der Krieg trieb Luise fort. Die Flucht aus Paretz war die Vertreibung aus dem Paradies, und heraus aus dem gemauerten Denkmal der Bescheidenheit und Bürgertugend schritt die Eva ohne Schuld ihrem Martyrium entgegen, an dessen Ende der Tod stand und die totale Tugend - denn erst im Leiden, so die Lehre, reifte ihr unbeschwertes Wesen zu heroischer Vollkommenheit. Königin Luises zweite, nationale Läuterung, der sittlichen folgend, geschah im Unglück: „Bisher mehr liebende Gattin und Mutter, wurde sie erst jetzt wahrhaft die Königin von Preußen."30 Der deutsche Nationalismus, vor allem vom Bürgertum getragen, erkannte sich im ungebeugten Gang der Königin durch alle Krisen, war doch die napoleonische Epoche zum Katapult des Nationalismus geworden, zum festen Sockel der neuen Frömmigkeit, der Vaterlandsliebe und der bürgerlichen Moral im Streben nach Ordnung in Haus und Staat. Eine stille, sittsame und doch standhafte Luise bewies nach Leipzig und nach Waterloo die Schlagkraft bürgerlicher Lebensweise. Ergebenheit und Häuslichkeit wurden fortan Synonyme weiblicher Tugend und gaben der Frau ihre Funktion als Fundament unter dem Lärm der Gegenwart. Entschlossenheit und Opferwille, Gottesfurcht und Fruchtbarkeit vermengten sich zum „Muster der bürgerlichen Schlichtheit und Sittenreinheit", als das die Königin im Zweiten wie im Dritten Reich den deutschen Frauen gelten sollte.31 „Die Schläge des Schicksals, welche ihre zarte Gesundheit untergruben und den Glanz der Augen trübten, hatten ihr Gemüth vertieft und den Adel ihres Geistes noch erhoben, ihrem gebeugten Gatten stand sie tröstend und aufrichtend zur Seite, so viel sie auch selbst in der Stille weinen mochte."32 Die Königin starb leise, wie sie auch gelitten hatte, um so lauter tönte bald ihr Kult. Ein Jahr nach ihrem Tod gründete Achim von Arnim die Christlich-Deutsche Tischge-

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sellschafi, einen Tugendverein, der sich aus Opposition gegen die französische Fremdherrschaft der Stärkung von religiöser und nationaler Gesinnung verschrieben hatte und Frauen, .Philistern' und Juden den Zutritt verbot. Eine Frau, wenn auch eine tote, besuchte dennoch im Eröffnungslied die Herrenrunde: Nimmer sollen Fremde herrschen Uber unsern Deutschen Stamm, Allen wilden Kriegesmärschen Setzt die Treue einen Damm. Unseres Volkes treue Herzen Bindet eine Geisterhand, Und wir fühlen sie in Schmerzen, Sie, die uns von Gott gesandt, Daß sich Glaub' und Liebe finde, Und in Hoffnung sich verkünde, Ewig lebt die Königin. 33

Zeit ihres Lebens hatte Luise die Hoffnungen der Patrioten enttäuscht, wie schon Paul Bailleu eingestehen mußte.34 Ein Jahr vor ihrem Tod zeichnete der Freiherr vom Stein ein schlechtes Charakterbild der Königin, die im Geiste „oberflächlich" sei wie in der Bildung „mangelhaft" und ihre „leicht auflodernden, leicht verlöschenden Gefühle für das Gute" nach der Meinung der Menge richte. „Sie ist gefallsüchtig und besitzt nicht die Zartheit des Gefühls für Würde und Anstand, das der veredelten Weiblichkeit und ihrer hohen Stellung im Leben zukommt, sie ist eine angenehme, aber keine edle, ausgezeichnete, kräftige Frau. Sie erfüllt sehr unvollkommen und nachlässig ihr Pflichten als Mutter, als Gattin opfert sie ihre Zeit und ihre Neigungen ihrem Gemahl auf der an sie durch Gewohnheit gefesselt wird, ihr alles anvertraut, ohne übrigens auf ihre Meinung besonders zu achten." 35 Kurz nach ihrem Tode sprach auch Gneisenau ein hartes Urteil über die Heimgegangene: „Sie war zu sehr Frau, zu wenig Königin und unfähig, sich auf einen hohen Standpunkt zu stellen oder darauf zu erhalten. Selbst ihr Herz war ihrem Gemahl nicht immer zugewandt, viel mehr einem andern, was sie auch nicht verhehlte, und als Mutter war sie nicht achtungswürdig, da sie sich um die Erziehung ihrer Kinder nicht ernstlich bekümmerte." 36 Das schreckliche Ende aber rückte das Leben in ein milderes Licht. „Ich will nicht leugnen, daß ich nach dem Tode dieser Fürstin mehr für sie fühle, als es oft bei ihrem Leben nicht der Fall war", schrieb Gneisenau, denn „sie besaß noch so manche gute Eigenschaften und mußte, so jung noch, von ihren Kindern scheiden, von denen sie fürchten mußte, daß sie nach wenigen Jahren das Gnadenbrot würden essen müssen. Ein so gebrochenes Mutterherz erregt Mitleid."37 „Der Mensch", sagt Diderot, „zeigt sich seinen Zeitgenossen und sieht sich selbst, so wie er ist, als eine wunderliche Zusammensetzung von erhabenen Eigenschaften und schändlichen Schwächen. Aber die Schwächen folgen der sterblichen Hülle in das Grab und vergehen mit ihr; dieselbe Erde bedeckt sie: es bleiben nur die Eigen-

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Schäften, die durch Denkmäler verewigt werden, die er sich selbst errichtet hat oder die er der öffentlichen Verehrung und Dankbarkeit verdankt."38 Entzogen dem Irdischen, stieg Luise in den Himmel und läuterte das Land wie ihre Lästerer dort: „Wie bereue ich jedes Wort, was ich je gegen sie kann gesagt haben", klagte die Prinzessin Marianne gegenüber Stein, „seitdem es mir klar geworden ist, daß, wenn ich es tat, es gewiß nur Neid war, der aus mir sprach, weil sie so viel besser war als ich!"39 „Ich bin wie vom Blitz getroffen", schrieb Blücher auf die Todesnachricht, „der Stolz der Weiber ist also von der Erde geschieden! Gott im Himmel, sie muß vor uns zu gut gewesen sein."40 Die Epochalität der Katastrophe und die Idealität der Königin entsprachen wie begründeten einander und warfen Schatten auf die Lebenden, doch nur als Trägerin vollkommener Tugend konnte Luise zum vollkommenen Opfer werden, das die Preußen immerfort erziehen, mahnen und beflügeln sollte. Die Königin sei in der ganzen Welt nur als Muster ihres Geschlechts bekannt gewesen, predigte Friedrich Ehrenberg nach ihrem Tod; einhundert Jahre später sucht Armin Stein „eine Tugend, die sie nicht besäße" - und fand nicht eine einzige.41 Künstler bildeten ihre Schönheit, Dichter besangen ihre Tugend, und der Nachwelt erschienen ihre Werke als stimmige Zeugen einer „reinen und edlen Seele".42 Eine Frau, dem abendländischen Kulturdiskurs nach oft Verkörperung von Extremem, wurde ihrer Fehlbarkeit entledigt und lebte als „Reinste der Reinen" fort im Mythos der Nation und ihrer Bürgergesellschaft.43 Entschlossen, in jenem Leben und Sterben Tugendhaftes zu erkennen, verstieg man sich zu superlativischen Titelfindungen am Rande der Unbegreifbarkeit: Das „edelste, vollendetste menschliche Wesen, was vielleicht je die Erde trug", nannte sie der Bruder Georg. „Die vollkommensten Weiber jedes Zeitalters hätten ihr weichen müssen!!"44 Eylert, der Bischof holte die Erklärung für das Ideal aus der Natur, als die der Mythos stets sich tarnt: „In einzelnen wenigen Fallen häuft die wunderbare Natur sogar das unerschöpfliche Maß ihrer unendlichen Kräfte bei ihren Günstlingen, die sie auserkoren, bis zu einer Größe, Stärke und Höhe, die Alles überragt, welche die ganze Erde siehet, und die dann für alle nachkommenden Jahrhunderte als glänzende Vorbilder im unvergänglichen Lichte dastehen; aber, wie als wenn die Schöpferkraft sich erschöpft hätte, und ausruhen müßte von ihrem seltenen Werke, schafft und sendet sie eine solche außerordentliche, glänzende Ausnahme in Jahrhunderten oft nur Einmal und läßt viele Geschlechter vorüber gehen und lange warten, bis eine ähnliche, Freude und Bewunderung erzeugende Erscheinung wiederkehrt."45 Und was die göttliche Natur gegeben hatte nach jener „köstlichen treuherzigen Schilderung, welche die heilige Schrift von holdseligen Frauen entwirft", das kehrte nach dem irdischen Ende wieder in himmlische Höhen zurück.46 „Du selbst bist nicht mehr unter uns, - erhaben über Wolken und Zweifel - schmückt Dich jetzt eine unvergängliche Krone."47 Luise, in eine natürliche, religiöse und schließlich nationale Totalität eingefügt, wurde zur Heiligen, die nicht nur über alle Bosheit, sondern sogar „über alles Lob der Erde erhaben ist".48 Das wiedererwachte und wiedererweckte

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Begehren nach Sichtbarwerdung des Göttlichen auf Erden machte ihr Antlitz zum Zeichen fiir das Gute auf der Welt. Krisen war dies Bild erwachsen. Eine universale Idee, die den Bestand der Gesellschaft als Gemeinschaft auch emotional zu stützen vermochte, war in Zeiten der Aufklärung weitgehend verloren gegangen; nun aber, nach dem Untergang des alten Preußen bei Jena und Auerstedt, stieß der romantische Ruf nach einer neuen, nationalen Mythologie auf offene Ohren beim Volk. Königin Luise gab auf alle Fragen eine Antwort. Das Streben des monarchischen Systems nach Legitimität und die Sehnsucht des Bürgers nach Freiheit und Einheit, die Forderung der Prediger nach neuem Glauben und der Ruf der Freiheitskrieger zu den Waffen machten Luise zum Engel von höchst verbindlicher wie wandelbarer Tugend und Idealität. Erst in dieser Gestalt erlangte die Königin jene unangreifbare Gültigkeit, die für ein Nationalsymbol entscheidend ist. Und nach der Gründung des Deutschen Reiches, als das liberale Nationalgefuhl weitgehend eins geworden war mit dem monarchischen, erkannten sich jene, die am Mythos wirkten, einander in ,ihrer' heiligen Luise. Eine Königin verkörperte am Ende den Triumph des Bürgertums wie der Hohenzollernmonarchie. Keine zweite Königin lebe noch in solch lebendiger Erinnerung beim Volke fort, stellte Theodor Mommsen 1876 fest, „wie kommt es nur, daß an dieser Frauengestalt ein solcher Sondersegen haftet?"49 Zur rechten Zeit gestorben, blieb Luise verschont vom Niedergang des Helden in einem Jahrhundert, wo das Ideale vor den Zeitungen nicht mehr bestehen konnte und das Vollkommene in das Licht der Fotografen rückte. Die Nation, für die sie stand, war zum höchsten Wert geworden; die Kluft zwischen Idealität und Realität wurde vom Mythos aufgehoben, dem keine Wahrheit etwas anhaben konnte. Und was auch immer die Historiker an Zeugnissen ans Tageslicht beförderten, und war es noch so wenig schmeichelhaft, es wurde stets im Sinn des Ideals gedeutet, denn wo absolute Helden nicht mehr existierten, war auch Schwäche Stärke.

19 Der Tugend ein Denkmal „Jede gebildete Frau undjede sorgßltige Mutter sollte das Bild der Königin in ihrem oder ihrer Töchter Wohnzimmer haben. Welche schöne, kräftige Erinnerung an das Urbild, das jede zu erreichen sich vorgesetzt hätte. Novalis 1798

„Als Zeuxis, der größte Maler des Alterthums, ein Bild vollendeter Schönheit, eine Helena, malen wollte, fand er alle Eigenschaften und Vorzüge derselben nicht in einer schönen Griechinn vereinigt, er mußte sie theilweise von mehreren und verschiedenen zusammenlesen, das Entlehnte in Ein Bild verschmelzen, und so, begeistert von der Idee, sein Werk dem Ideale möglichst nahe bringen." Eylert erzählte die Geschichte gern, denn schließlich waren Zeuxis' Schwierigkeiten im Staate Preußen unbekannt, war doch dessen Königin die „schönste Frau" im „Körper und der Seele".2 Und diese Königin, wie Karoline von Berg ausführte, hat „durch ihr Sein uns erklärt, warum die Grazien der alten Welt gerade dreifach dargestellt wurden: weil es in der Natur eine dreifache Grazie gibt, - die Grazie des Geistes, die Grazie des Charakters und die Grazie des Körpers, und daß nur durch diese dreifache Vereinigung die wahre und echte Grazie entsteht".3 „Das Urbild liegt indessen immer in der Natur und nur sie allein schafft es", schrieb Eylert. „Aber bei allem ihrem wunderbaren Reichthume ist sie in der Verleihung ihrer schönsten Gaben dennoch haushälterisch und verleihet Einzelnen in der Regel nur Theile und Theilchen, selten in reicher Fülle das Ganze und Vollendete. Nach diesem aber liegt in der Brust des veredelten Menschen eine tiefe Sehnsucht; und darum umfließt die idealisirende Kunst ein wunderbarer fesselnder Zauber."4 Klassisch, nicht klassizistisch, ideal, nicht idealisiert erschien Luise über ihrem Grabe. „Die erste ihres Geschlechts, lebend eine Zierde des Throns, nach ihrem Tode der Schutzgeist des Vaterlandes, vor Allem aber das Muster und das unerreichbare Vorbild einer deutschen Frau", schrieb die Gartenlaube 1870 mit Blick auf die Luisenstatue.5 Einfach in der Form, monumental laut ihren Deutern, lag die Schlafende als Tugendbeispiel vor dem Volk. Das gigantische Nationaldenkmal für die Völkerschlacht bei Leipzig, ein Jahr vor dem Ersten Weltkrieg vollendet, zeigt in seiner riesenhaften Kuppelhalle vier Kolossalskulpturen, die deutsche Tugenden verkörpern sollen: Tapferkeit und Opferwillen, Fruchtbarkeit und Glaubensstärke. Einhundert Jahre zuvor hatten sich all diese Tugenden bereits in einem Antlitz vereint - im Charlottenburger Schloßpark. Eine zunehmend erkannte Diskrepanz zwischen Fiktion und Wirklichkeit nahm Allegorien in der Kunst, die auf Personen bezogenen waren, zu Lebzeiten Luises die

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Glaubwürdigkeit. Der Mythos aber hatte die auf Erden vollkommen tugendhafte und von der Kunst vollkommen gebildete Monarchin selbst zur Allegorie gemacht, die doch, wie man im Mausoleum sehen konnte, keine Allegorie war, sondern die leibhaftige Königin Luise. Und deren Mythos tilgte den Zwiespalt zwischen dem Wirklichen und Künstlichen mit der Ersetzung von Geschichte durch Natur, die es nach Eylerts Kenntnis liebte, „in alle Sphären und Gegenden des Lebens, die hohen, mittleren und unteren, fortgehend Ausnahmen in reichbegabter Kraft hinzustellen und in ihnen das höhere Ideale gleichsam zum Anschauen zu personificiren".6 Künstler zeigten fortan nur, was die Natur gegeben hatte. Königin Luise sollte schon zu Lebzeiten als Bild die Menschen bessern, die hochgestellten zuerst: „Wenn es der guten Frau [...] nicht unangenehm sein müßte", schrieb Maria Mnioch, „so wäre es für die Frauen des Landes, besonders die vornehmen, gar gut und heilsam, daß ein trefflicher Maler die fürstliche Mutter und Hausfrau in den edlen Beschäftigungen, Scenen und Gruppen abbildete, wo sie beides mit Herz und Seele als Hauptperson darstellt. Der Anblick solcher Madonnenbilder würde die trägen und blöden Gemüther erwecken und begeistern, und manchem vornehmen verehelichten Wittwer seine Haus- und Ehefrau, und manchem verwaisten Kinde seine rechte Mutter wieder geben." 7 Einer dieser Maler war Heinrich Anton Dähling, andere folgten seinem Werk. Eine Art bürgerlichen Verhaltenskodex hatte Daniel Chodowiecki in den siebziger Jahren des 18. Jahrhunderts produziert in Form einer Folge populärer Stiche: Natürliche und affectirte Handlungen des Lebens wurden in kleinen Alltagsszenen gegenübergestellt und Nüchternheit und Bescheidenheit, Triebbeherrschung und Zähmung der Affekte in Kontrast zu Pose, Künstelei und Geckentum gewürdigt, die mit dem Adel assoziiert waren, besonders aber mit der Nachahmung des Adels durch bürgerliche Emporkömmlinge.8 Zeremonialwerke und Normenkataloge wie Chodowieckis Werk, zahlreich aufgelegt, priesen stilles und in jeder Hinsicht kontrolliertes Verhalten als gesund und zukunftsweisend und machten .Natürlichkeit' zum Synonym für Bürgerlichkeit. Die Natürlichkeit der Königin Luise qualifizierte sie als Kunstobjekt. Einige Jahre nach der Thronbesteigung zeigte Heinrich Anton Dähling die Königsfamilie in trauter Eintracht (Abb. 40). Das herrschaftliche Gruppenporträt war der stillen Idylle gewichen, der symbolische Status der Sichtbarmachung der sozialen und privaten Sphäre. König, Königin und ihre Kinder erschienen als ideales Abbild der bürgerlichen, evangelischen Familie, die von der liebevollen Mutter bewahrt und vom gerechten Vater regiert wurde. Empfindung im Bild rührte den Betrachter und ersetzte Ehrfurcht durch Egalität; so trug Dähling das vom Hof aus intendierte Bild der Königsfamilie in die Öffentlichkeit und spiegelte zugleich die Wunschvorstellung des Bürgertums von einer rechten Monarchie. Königin Luise geriet zum wichtigen Gegenstand in der Bildpolitik der preußischen Krone. Künstler, oft unter Ägide der königlichen Akademie, gaben der Hohenzollernfamilie einen betont bürgerlichen Anstrich, dessen friedvoller, beruhigender

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Abb. 40 Heinrich Anton Dähling: Die königliche Familie, 1806

und auf Ausgleich bedachter Effekt um so wichtiger wurde, als sich der Hof bald ins Exil aufmachte. Und daß die häusliche Luise von dort aus mit Napoleon zu Verhandlungen zusammenkam, davon erfuhr die preußische Öffentlichkeit aus gutem Grund kein Wort.9 Ende des 19. Jahrhunderts zeigten viele Bücher Dählings Bilder und erinnerten mit diesen an die langwährende, bürgerliche Tugend der Hohenzollernmonarchie. Zeitgenössisches war meist auf Ausgleich und auf Negation der Standesgrenzen hin gemalt und nur unterschwellig auch sakral verklärt; nach dem Triumph von Bürgertum und Preußenmonarchie in der Gründung des Deutschen Reiches aber überhöhte man die Tugenden der Kaisermutter auf plakative Weise. Königin Luise stieg auf zur „Samariterin" und wirkte wie ein Engel schon zur Erdenzeit.10 Der Maler Hugo Händler, nach 1888 auf den Ausstellungen der Berliner Akademie vertreten, schuf mit dem Gemälde Königin Luise unter ihrem Volke (Abb. 41) die populärste, auf Postkarten wie Porzellantellern verbreitete Illustration ihrer Rechtschaffenheit. Königin Luise, strahlend weiß, betritt die Hütte eines vom Schicksal mit Armut, drei kleinen Kindern und einer kranken Frau gestraften Mannes; sie reicht dem so Gebeutelten die Hand zum Kuß, und mochte sich die Wohltat auch darin erschöpfen, so war das bloße Dasein jener Heiligen schon Linderung der Not. Der Vater, auf die Knie gesunken, dankt für die Gnade des hohen Besuchs und zieht durch die Berührung jenes Kultbilds Kraft auf sich und die Familie. Und während sich der Nachwuchs unbefangen um die madonnengleiche Königin Luise schart, zeigt

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Abb. 41 Königin Luise unter ihrem Volke, nach einem Gemälde von Hugo Händler, nach 1888

die ans Bett gefesselte Familienmutter Beten als Reflex auf die Epiphanie in ihrem Hause. Königin Luise als Wohlthäterin bei armen Leuten erschien auf Woldemar Friedrichs illustrem Beitrag zu dem gemeinschaftlich mit Carl Röchling und Richard Knötel verfaßten Kinderbuch in ähnlich salbungsvoller Pose.11 Kerzengerade stehend an heruntergekommenem, doch zweifelsohne redlichem Ort, empfangt Luise von den Alten Huldigungen und gießt derweil den Jüngsten ihre Weihe auf das Haupt. Nicht materielle Not, sondern sittlicher Mangel bedeutete Verderben; Recht und Tugend machten indes auch die ärmlichste Behausung zur Idylle. Der Verzicht der Königin auf Mienenspiel und affektierte Pose, deren Negation längst Pose geworden war, ließ auf unermeßliche Verinnerlichung schließen, auf Natürlichkeit, auf Tugend und Charakterstärke. Königin Luise aber besserte die Menschen nicht nur durch die Kunst. Die tugendhafte Tote geriet zur Galionsfigur einer geistigen und moralischen Erneuerungsbewegung, die den gesuchten Sinn in der Tragödie politisch und sozial zu nutzen wußte. Zeiten der Not rufen oft nach Schärfung von Moral und Sitte. Der Zusammenbruch

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des preußischen Staates von 1806 jedoch hinterließ eine Verwirrung aller Werte und Ideale, wie sie das Land nie zuvor erschüttert hatte. Die Zukunft lag völlig im Dunkeln, fast alles schien möglich und jedem Kritiker der Zustände wurde zumindest Gehör geschenkt. Königin Luise, noch zu Lebzeiten zur einzig integren Figur inmitten eines umnächtigten Gemeinwesens verklärt, stieg als Leitstern an das schwarze Firmament. Das Luisenstift zur Erziehung verwahrloster Knaben war schon 1807 ins Leben gerufen worden; kurz nach dem Tod der Königin gründete man auch Stiftungen fiir Mädchen einer neuen Zeit. Erfunden wurde nun das Ideal einer Epoche, in der die Lebensweise der bürgerlichen Gesellschaft mit der Vermischung von Patriotismus, Nationalismus und Respektabilität Fuß faßte und die Frage nach der rechten Weiblichkeit von den Belangen der Nation beantwortet wurde. Das Andenken der Königin, ritualisiert und institutionalisiert, verschmolz fortan mit umfangreichen Erwartungen an das preußische Volk. Ein zukunftsweisendes Ideal verbreitend, politisierte man in Zeiten der französischen Fremdherrschaft ein personifiziertes Tugendbild, das durch den Sieg über Napoleon als gültig, recht und gut für die Nation bestätigt wurde. Ein Leben in Nachahmung der Königin Luise galt als schönste, ehrenvollste Existenz. Kernaussage des Mythos war das Wirken der Toten über den Tod hinaus, mythisierende Projekte waren darum auch die Tugendmonumente. Ziele jener Stiftungen wurden Luise in den Schoß gelegt, wurden ihrem Willen, ihrem Geiste zugemessen und dadurch zu Beweisen ihres Wirkens jenseits der menschlichen Endlichkeit. Erdacht von patriotisch gesinnten, meist auch theologisch geschulten Männern des Bürgertums, oft im Dienst der Monarchie, negierten jene Stiftungen die Standesgrenzen und förderten die Bindung von Bürger, Staat und Krone. Zwar finanzierten private Spenden, als patriotische Opfergaben eingefordert, diese Einrichtungen, doch genossen alle auch den Schutz der Monarchie. „Luisens Tugenden müssen von nun an ein Eigenthum Vieler werden!" Zwei Wochen waren seit dem Tod der Königin vergangen, da wandten sich die Zeitungen mit einem Spendenaufruf zur Gründung eines „National-Denkmals" an die „tiefgebeugten Bewohner des Preußischen Staates" - die Herren Janke, Delbrück, Klewitz, Nolte, Rosenstiel und Sack, Staatsräte bis auf den Erstgenannten, gaben die Gründung der „Luisenstiftung" bekannt.15 Novalis' einstige Forderung, „Ähnlichkeit mit der Königin" müsse „Nationalzug" der preußischen Frauen werden, ging in Erfüllung, da das weibliche Geschlecht seine Arbeit an Preußens Wiederaufbau in einer Bildungsanstalt mit Luises Namen lernen sollte: „Ihr Sinn für Häuslichkeit, Ihre treue Liebe zum Gemahl und zu Ihren Kindern, Ihr Gefühl für Alles, was gut und edel und groß ist, möge ruhen auf des Vaterlandes Töchtern, damit sie ihren Gatten und Kindern das zu werden streben, was einst Preußens Königin Ihrem erhabenen Gatten und Ihren Kindern war!" Kummer hatte die Königin dahingerafft, den Uberlebenden war darum jede Spende für das „Denkmal" Sühne, Sinnstiftung und Teilhabe an den Ritualen der Opfergemeinschaft. Der Not zum Trotz kam Kapital zusammen, und jene, die kein Geld besaßen, gaben Silber-

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besteck und Schmuck. Ende des Jahrhunderts noch bewahrte die Luisenstiftung manche Gabe der „schwer heimgesuchten Berliner" zur Erinnerung an die vorbildliche „Opferwilligkeit".13 .Luisentum' hatte die Stiftung heißen sollen, wodurch die Königin auch wörtlich zu einer Eigenschaft geworden wäre, der Witwer aber zog,Luisenstiftung' vor und war mit seinen Angehörigen zugegen, als das Institut am ersten Todestag der Ehefrau im Beisein der höchsten Mitglieder der Zivil- und Militärbehörden sowie der Kirche eröffnet wurde. Entstanden war ein „Heiligtum"14, eine in Luises „Sinne gedachte" und „von ihr selbst im Geiste gleichsam schon begonnene"15 Einrichtung, die es nur noch zu „vollenden" galt, ein „Wunsch Luises", der sich „ganz von selbst" erfüllte.16 Zweck der Stiftung war die Ausbildung von Erzieherinnen, und als „Pflanzschule guter Erzieherinnen" versprach die Anstalt reiche Ernte, da doch die Heranziehung von Lehrkräften ideale Tugend bestens potenzieren konnte. Und da „fiir die Familie jeder vaterländischen Gegend" ersonnen, war die Luisenstiftung wichtig fiir den „ganzen Staat".17 Das lebende Geschlecht müsse erst absterben, „ehe eine neue, kräftige, sittlich edlere Nation heranreifen" könne, hatte Fichte in seinen Reden an die deutsche Nation bemerkt18 - Luise, die große Mutter, war vorangegangen, nun trat ,ihre' Anstalt an ihre Stelle und wurde selbst zur „Mutter, die sich im Kreise ihrer Kinder und Enkel veijüngt".19 Ein Ehepaar, „Vater" und „Mutter" genannt, sollte an der Spitze jener Anstalt stehen, die Pestalozzischen Ideen folgend wie eine Familie aufgebaut war, doch weil kein rechtes Paar zu finden war, übernahm ein Fräulein Lehmann vorläufig den Vorsitz und behielt ihn dann für einunddreißig Jahre. Ziel des Hauses war die Häuslichkeit. Die Anwärterinnen auf den Erzieherberuf bekamen kleine Zimmergemeinschaften junger Mädchen unterstellt, die nicht nur hausfrauliche Arbeit lernten, sondern auch Geschichte und Religion, Tanz und Musik. Königin Luise selbst, so hieß es achtzig Jahre später, habe Bildung höher gestellt als das Erlernen von „Fertigkeiten", wie „sie die moderne Erziehung mit unendlichen Opfern an Zeit und Kraft erkauft".20 Zwanglos und ohne allzu starres Reglement sollten die Zöglinge darum „aus freier Neigung ihre Pflicht erfüllen" lernen und zu gescheiten Damen reifen, die ihr „Heim durch feinen, gebildeten Sinn" zu schmücken wußten „und in der Stille desselben Quellen des reinsten Genusses" erschlossen, „vor dem jeder draußen liegende Reiz erbleicht".21 Zweihundert Taler betrug das Schulgeld, doch nahm das Internat auch mittellose Mädchen auf, die sich als Dienstboten, .Wärterinnen' genannt, verdingten, aber auch am Unterricht teilnehmen konnten und dadurch zumindest die Aussicht erhielten auf einen guten Posten in einem wohlhabenden Hause. Die Luisenstiftung hatte damit „die glücklichste Verbindung zwischen den gesellschaftlichen Stufen angebahnt". Kurz nach ihrer Gründung gehörte es bereits zum guten, patriotischen Ton, seine Töchter in das Internat zu geben; neben den Töchtern Gneisenaus war auch Agnes Rauch in jenen Jahren, als ihr Vater in Italien den Sarkophag Luises schuf, Schülerin der Anstalt.

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König Friedrich Wilhelm hatte die Luisenstiftung unter das Protektorat seiner Tochter Charlotte gestellt, später übernahm die Königin Elisabeth das Amt, von der es wiederum die Kronprinzessin Viktoria erbte. Und von Luises Witwer bekam die Stiftung neben finanziellen Zuwendungen auch die erste, dauerhafte Behausung im Anspachschen Palais in der Wilhelmstraße. Zahlreiche Städte hatten Luisenstiftungen erhalten sollen, doch dämpften die Enttäuschungen der Restaurationszeit bald den bürgerlichen Ehrgeiz. Das Berliner Haus blieb daher das einzige, es stand seit 1846 unter adeliger Führung und entwickelte sich nach und nach zu einem vornehmen Internat, dessen Lehrplan dem staatlicher Schulen folgte. Zu Ehren der Namensgeberin fand einmal im Jahr ein Stiftungsfest statt, das man anfanglich an Luises Todestag beging, später jedoch auf ihren Geburtstag legte, da dies dem Gedanken an die Wiedergeburt des Preußenvolkes eher entsprach und man zudem die anstrengenden Feiern in der Julihitze umgehen wollte. Ein jeder 10. März erhob fortan „zu dem Bewußtsein einer Gemeinschaft, die idealere Bande eint, als sie in verwandtschaftlichen und geselligen Beziehungen gefunden"; folglich wurde die Luisenstiftung wie auch die Nation zur eigentlichen, besseren Familie. Zuneigung zur Pflicht und Hingebung ans Eheleben, wie Novalis und auch Pestalozzi einst gefordert hatten, wurden von dem „Denkmal der Liebe" 22 als Garanten der Nation gelehrt und machten das „getretene Volk" zur „ersten Nation der Welt".23 Ende des 19. Jahrhunderts erkannte man im Rückblick, wie neu es doch gewesen war, „daß Töchter höherer Stände d e u t s c h e n Erzieherinnen anvertraut werden sollten. Dieser echt nationale Gedanke war dem klaren, gesunden Gefühl der hochseligen Königin entsprungen, die erkannt hatte, wie verkehrt es sei, den Unterricht und die Erziehung des deutschen Kindes in die Hand einer Ausländerin zu legen eine Mahnung, die gar viele Eltern der .besseren' Stände in unserer Zeit vergessen haben." 24 Erkenntnisse wie diese aber hinderten die Stiftung nicht daran, schon 1855 eine französische und 1857 eine englische Lehrerin ans Haus zu rufen und 1863 sogar eine Vorsteherin, die ihre Erfahrungen in England gesammelt hatte. Wenige Monate nach dem Tod der Königin Luise hatte auch Potsdam ein „wehmuthvolles Todtenopfer" gebracht, das der Nation zugute kommen sollte. Kurz vor ihrem Tod noch hatte Luise dem dortigen Hofprediger Eylert gestattet, ihr eine Veröffentlichung von Predigten zuzueignen, die dieser im November nun dem Publikum auf Subskription anbot, „um von den Einkünften des Kapitals, das aus dieser Unterzeichnung sich bilden würde, alljährlich am Todestage der Königinn, einige unbescholtene und tugendhafte arme Mädchen als Bräute auszustatten, um so im Geiste der Vollendeten, deren ganzes Leben Erfreuen und Wohlthun war, Gutes zu wirken".25 Eylert schien Novalis' Liturgie zu folgen, die im Paragraphen 24 „jede Trauung" mit einer „bedeutungsvollen Huldigungszeremonie der Königin" verknüpfte. 26 Eheliches und häusliches Glück habe Luise selbst stets hoch gehalten und als Keim einer „guten und edlen Generation" gepriesen, schrieben die Berliner Abendblätter zu Eylerts Ansinnen, das auch der königliche Witwer ein „würdiges Denkmal" genannt habe: „Wer wird nicht eilen, an einem solchen Denkmal Antheil zu neh-

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men!" 27 Einige Tausend Exemplare der Stiftungsschrift waren binnen kurzer Zeit aus „patriotischer Theilnahme" vorgemerkt, so daß das „Luisendenkmal zu Potsdam" zur ersten Wiederkehr des Todestages schon vollzogen werden konnte. Eylert vermählte die Bräute Caroline Wilhelmine Kuschwalsky und Friederike Holberg mit ihren Auserwählten in der Garnisonkirche. „Heute vor einem Jahre, an diesem Morgen, in dieser Stunde, - o! wie wird es dem Herzen so schwer, das bange Wort auszusprechen, starb unsere Königin", begann Eylert seine Predigt und hob die „vollkommene und vollendete" Landesmutter, die „Erscheinung aus der höhern Welt" in Sphären jenseits der Begreifbarkeit. „Eigenschaften - Vorzüge und Tugenden, die man bei edlen Menschen einzeln und getheilt findet, glänzten in Ihr vereint, in seelenvoller Harmonie." 28 „Kein Auge blieb trocken", berichtete die Haude-Spenersche Zeitung29, und so war die Feier wohl eher beklemmend als fröhlich über die Bühne gegangen, woran Eylert aber nichts Makabres finden konnte: Ein „blos sinnlicher Mensch" möge zwar der Ansicht sein, daß „eine Todes- und eine Trauungsfeier etwas Fremdartiges und nicht Zusammengehöriges sei", belehrte er die Gemeinde, der besonnene und ernste Christ jedoch bedenke bei allem Tun auch stets das Ende. 30 Eylert erinnerte an Luises menschlichen, bürgerlichen Sinn und huldigte zugleich der monarchischen Instanz. Die Krone der Tugend zu tragen bedurfte es keines Titels, wie schon Luise „in der Tugend eine Königin" gewesen war, „nicht blos eine Königin auf dem Throne". 31 Eintracht, schrieb Eylert später, habe das Königspaar verbunden, das „auf dem Throne" sein Glück fand „und in einer Hütte es gefunden haben würde". 32 Königin und Kult verwischten die Unterschiede von oben und unten, von reich und arm, wenn jeder nur strebte nach allem, „was in sich einen unbedingten Werth hat, und nicht an Stand und Rang, sondern an die innere Würde der menschlichen Natur geknüpft ist". Ekel vor der „verderblichen Sünde" sowie „Reinheit des Herzens und der Sitten" empfahlen die neuen Luisen als Stützen einer moralisch wie sexuell geläuterten Gemeinschaft, die dem vermeintlichen Urbild jenes seligen Zustandes ewige Gültigkeit garantierte. 33 Aus „strafbarer Anhänglichkeit a n s Alte" hatte Napoleon den seit 1807 abgetrennten preußischen Provinzen die Teilnahme am „Denkmal" untersagt; um so reicher flössen die Gelder nach der Befreiung der fremdbeherrschten Landesteile. 34 Und um so zynischer müssen den Preußen später die Zeilen erschienen sein, mit denen Bonaparte dem Preußenkönig seine Anteilnahme an der Trauer um die Königin bekundet hatte: „Mein Herr Bruder, ich habe mit großer Rührung den Brief erhalten, den Ew. Majestät mir geschickt hat, um mir den schmerzlichen Verlust, den Sie durch den Tod der Königin, Ihrer Gattin, erlitten haben, mitzuteilen. Meine besondere Kenntnis der Tugenden und ausgezeichneten Eigenschaften dieser verehrungswürdigen Fürstin lassen mich lebhaften Anteil an der schweren Betrübnis Euer Majestät nehmen." 35 Die Trauung der „Luisenbräute" unter dem Protektorat der Hohenzollernfurstinnen wurde zu einem wichtigen, öffentlichkeitswirksamen Ritual des Luisenkultes, zumal die Zahl der gleichzeitig vermählten Paare auf zwölf anwachsen sollte. Ein-

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hundert Jahre nach dem Tod der Namensgeberin, da die Eheschließungen in der überfüllten Garnisonkirche im Beisein der Prinzessin Viktoria Margarethe vollzogen wurden, feierte Potsdam nationales Erntedankfest im Zeichen der Königin Luise. Das Aufhängen der Fahnen, die in den Schlesischen, den Freiheits- und den Einigungskriegen erobert worden waren, hatte die Kirche zum Kultort der preußischen Militärgeschichte gemacht, der auch die „schwarzen Bräute" aufnahm und in das Licht des nationalen Aufstiegs hüllte.36 Tugend und Tod der Königin Luise hatten die preußische Wiedergeburt ermöglicht, Tugendkult und Totenkult verbanden sich darum jenen Auserwählten gleich, die dem Altar im schwarzen Kleid entgegenschritten, nicht nur an Luises Todestag, sondern explizit zu deren Sterbestunde. Luisenpaare, die fünfundzwanzig Jahre zusammengeblieben waren, erneuerten vor Ort als „Silberpaare" den Treueschwur zu sich und zur Nation unter Hohenzollernkrone. Schulen mit Luises Namen waren unterdessen überall im Land entstanden, Denkmäler der Bürgertugend, Kultstätten des Kaiserreiches und Monumente nationaler Identität. Luisenbräute wurden noch zu Hitlers Zeiten getraut; und seit 1939 läuteten vier neue Glocken, von denen eine den Namen .Königin Luise' trug, im Turm der Garnisonkirche. Und wie hoch man deutsche Frauentugend hängte, zeigten die drei anderen Glocken, gewidmet dem Soldatenkönig, dem großen Friedrich sowie Hindenburg, der Hitler im März 1933 mit dem berühmten symbolischen Händedruck vor der Garnisonkirche die Macht übergeben hatte. Das Ende der Demokratie war besiegelt, das Ende der vier Glocken folgte, als die Kirche 1945 von britischen Bombern beschädigt wurde - und Walter Ulbricht dann den Rest entsorgte.

20 Die Amazone „Die Königin von Preußen ist bei der Armee, als Amazone gekleidet, in der Uniform ihres Dragonerregiments und schreibt täglich zwanzig Briefe, um den Brand auf allen Seiten anzufachen. Napoleon 1806

Königin Luise begann im Ersten Weltkrieg den Kampf gegen das Britische Empire.2 Einige Tage vor der erwarteten englischen Kriegserklärung war die Besatzung des Turbinendampfers durch einen Korvettenkapitän samt Mannschaft ersetzt worden, und die Badegäste machten zweihundert Seeminen Platz. Eilig hatte man den weißen Rumpf des Schiffes schwarz gestrichen und Geschütze und Revolverkanonen geladen, zur Installation wirksamer Verteidigungswaffen aber fehlte die Zeit. Am 4. August 1914 brach das Schiff des Nachts gen England auf, wo seine „Teufelskugeln" die Mündung der Themse verminen und für die britische Flotte unpassierbar machen sollten, wenige Stunden nachdem das Empire dem Reich den Krieg erklärt hatte. Etwa auf halber Strecke zwischen der holländischen und der englischen Küste aber begegnete die Königin Luise einer britischen Flottille aus sechzehn Zerstörern, die unter Führung des Kreuzers Amphion auf das getarnte Kriegsschiff zusteuerte. Zwar warf der deutsche Dampfer auf der Flucht seine Minen in das Kielwasser, wo sie die Verfolger zerfetzen sollten, doch ging der Plan nicht auf: sie trafen keins der britischen Boote. Eine Flagge wehte bislang nicht auf der Königin Luise, noch sah es so aus, als jagten die britischen Zerstörer einen Dampfer der Harwich-Holland-Linie. Kurz vor dem unausweichlichen Kampf aber setzten die Deutschen die Kriegsfahne am Heck. Die Mannschaft ahnte von Anfang an, daß die Königin Luise geopfert werden mußte: Ziel ihrer Fahrt war die Themsemündung, doch wußte man an Bord, daß es nach der Entdeckung kein Entkommen für den langsamen Turbinendampfer geben würde. Das anschließende Seegefecht nahm wie vorhergesehen ein schnelles Ende. Kaum vierundzwanzig Stunden nach dem offiziellen Beginn der Feindseligkeiten war das Schiff gekentert, über siebzig Männer ertranken in der rauhen See. Die Uberlebenden wurden von den englischen Zerstörern aufgefischt, wo man sie, wie das deutsche Seekriegswerk lobend hervorhob, „ritterlich" behandelte.3 Hätte der Feind um die preußische Geschichte gewußt, er hätte ahnen können, daß eine Königin Luise erst nach dem Untergang die Rache für ihre Schmach vollstreckte. Eine gewaltige Detonation ging über das Meer, als die Amphion in der folgenden Nacht auf eine Mine der Königin Luise lief auseinanderbrach und über hundertfunfzig Mann mit in die Tiefe nahm, achtzehn von ihnen waren gerettete Deutsche.

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Und in Berlin um diese Zeit, wo alles Englische und Französische der nationalen Säuberungswelle zum Opfer fiel, aus dem Picadilly das Kaffeehaus Vaterland, aus dem Kabarett Chat noir ein guter deutscher Schwarzer Kater und aus dem Cafe Windsor das Kaffee Winzer wurde, gab das Luisentheater den Heiligen Krieg und das Theater des Westens Königin Luise.4 Ehe der Zweite Weltkrieg offiziell begann, fuhr eine neue Königin Luise, mit Minen vollbepackt, die Elbe abwärts in die Nordsee, wo sie eine Minensperre nach der anderen legte, dann in die Ostsee aufbrach und dort „besonders gute und umfangreiche Arbeiten" leistete. Erst hinderte sie die sowjetische Flotte am Ausbruch aus der Kronstädter Bucht, später bescherte sie den feindlichen Transportern auf deren Rückkehr erhebliche Verluste. Ende September 1941 lief das Schiff seinerseits auf eine Mine und versank innerhalb weniger Augenblicke. Eine Erinnerungstafel, die von der Reichsmarine im Gedenken an das Schicksal des gleichnamigen Schiffes aus dem Ersten Weltkrieg gestiftet worden war, nahm die zweite Königin Luise mit in die See. Ein Gedichtvers von Gorch Fock, den „fasten dütschen Sinn" der damaligen Kamikazefahrt verklärend, zierte die mitschiffs angebrachte Ehrengabe, auf der man aller Toten namentlich gedachte - nach dem Kentern der alten Königin Luise und der Vernichtung der Amphion ertranken die Männer gleichsam zum zweiten Male. „Und dann die Aussicht, das Ungeheuer zu sehen, nein, daß ist zuviel. Ihn sehen, den Quell des Bösen! die Geißel der Erde! alles Gemeine und Niederträchtige in einer Person vereinigt, und sich vor ihr noch verstellen und heiter und liebenswürdig erscheinen müssen!!! Wird der Himmel denn niemals aufhören, uns zu strafen?"5 Exaltiert war der Haß der Königin von Preußen auf Napoleon und erfüllt von diesem ihre Durchhalteappelle an den zermürbten Gatten nach Preußens Fall bei Auerstedt. Und Friedrich Wilhelm, menschlich verschlossen und nach frühen Erfahrungen den Krieg verachtend, hatte dem eminent zitierbaren Uberschwang seiner Frau nichts entgegenzustellen, die Gneisenau „kriegerisch und patriotisch" nannte.6 „In diesem Kriege, den sie einen unglücklichen nennt", schrieb Heinrich von Kleist, „macht sie einen größeren Gewinn, als sie in einem ganzen Leben voll Frieden und Freuden gemacht haben würde."7 Napoleons Zug durch den Kontinent hatte Preußens beharrliche Neutralitätspolitik im Jahr der Krise 1805 erschüttert; Friedrich Wilhelm III. aber trotzte mit bockiger Verweigerung allem höfischen wie diplomatischen Druck und brüskierte damit jene Patrioten, die für ein Bündnis mit Rußland waren sowie für den unverzüglichen Kriegseintritt. Gerüchte über politische Meinungsverschiedenheiten zwischen den königlichen Eheleuten drangen an die Außenwelt. Die Kriegspartei bei Hofe nannte sich „Partei der Königin", da man mit der russisch gesinnten Monarchin die energischste Fürsprecherin des Krieges zu haben glaubte.8 Kriegsgestimmte Hofdamen erörterten im Empfangszimmer der Oberhofmeisterin .Hauptmann Voß' die Schlachtpläne, und der anmutige „Mittelpunkt der preußischen Kriegspartei" erklärte dem französischen

Abb. I Caspar David Friedrich: D e r M ö n c h am Meer, 1808-1810

Abb. II Gustav Graef: Ferdinande von Schmettau opfert ihr Haar auf d e m Altar des Vaterlandes, 1863

Abb. III Christian Daniel Rauch: Sarkophagstatue der Königin Luise, 1811-1814

Abb. IV D a m i á n C a m p e n y y Estranv: Lucretia moribunda, modelliert 1804

Abb. V Karl Friedrich Schinkel: E n t w u r f für ein M a u s o l e u m der Königin Luise, Innenansicht, 1810

Abb. VI W o l d e m a r Friedrich: U n t e r r e d u n g der Königin Luise mit Kaiser N a p o l e o n I. in Tilsit (6. Juli 1807), 1896

Abb. VII A n t o n von Werner: A m 19. Juli 1870, 1881

Abb. VIII Wilhelm Wach: Königin Luise als Hebe vor dem Brandenburger Tor, 1812

Abb. IX J o s e p h Grassi: Königin Luise, 1802

Abb. X Gustav Richter: Königin Luise, 1879

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Gesandten unumwunden, Preußen sei zum Kampf entschlossen, wobei sich der König selbst an die Spitze der Armee stellen werde. 9 „Gewalt gegen Gewalt, das ist meiner Meinung nach das einzige."10 König Friedrich Wilhelm wurde um diese Zeit von seinem General Kalckreuth gebeten, das Dragonerregiment Ansbach-Bayreuth nach Luise zu benennen, und so erhielt das Korps am 5. März 1806 den Namen .Königin-Dragoner' auf „ewige" Zeit. „Die Armee erkennt in ihr die Vertreterin der militärischen und nationalen Ehre", schrieb Tessa Klatt in ihrem 1937 publizierten Werk. „Das stärkste Zeugnis für die Wirkung ihrer Persönlichkeit."11 „Was lehrt uns die hohe Figur der Königin Luise?", fragte Wilhelm II. 1910: „Sie lehrt uns, daß, wie sie einst ihre Söhne vor allen Dingen mit dem einen Gedanken erfüllt, die Ehre wiederherzustellen, das Vaterland zu verteidigen, wir Männer alle kriegerischen Tugenden pflegen sollen; wie in der Zeit der Erhebung Jung und Alt herbeiströmte und das Letzte hergab [...], so sollen auch wir stets bereit sein, um vor allem unsere Rüstung lückenlos zu erhalten, im Hinblick darauf, daß unsere Nachbarmächte so gewaltige Fortschritte gemacht haben. Denn nur auf unserer Rüstung beruht unser Friede."12 Königin Luise als Nationalheilige galt zugleich als erste Nationalistin einer neuen Zeit. Der moderne Nationalismus, wie ihn die militante Erscheinung Wilhelms II. in Deutschland auch auf den Thron gebracht hatte, erkannte sich in Luises Haß auf die Franzosen wie in ihrer Verehrung durch die preußische Armee. Zwar sollte die kriegerische Königin dem Ideal der stummen Tugend widersprechen - ein Widerspruch, den der Mythos später tilgte - doch brauchte die nationalistische Propaganda auch das Bild der kämpferischen Königin Luise. Eine Mitschuld am Krieg und damit an der Niederlage aber stand der unfehlbaren Luise schlecht zu Gesicht, weshalb ihr Eintreten für den Krieg die längste Zeit bestritten wurde. Krieg jedoch war im Zeitalter des Nationalismus nicht mehr Mittel der Politik, sondern natürlicher, ja heiliger Zustand, und diese Sicht der Dinge rückte auch die zürnende Luise in ein besseres Licht. „Es heißt, Luise von Preußen von ihrem Platz verdrängen und ihren Ruhm verkleinern, wenn man ihre kämpferische Aktivität gegen Napoleon für manche Zeiten der preußisch-französischen Auseinandersetzung in Abrede stellt", schrieb Tessa Klatt. „Der Versuch, Luise von der Mitverantwortung am Kriege 1806 freizusprechen und damit Napoleons Vorwürfe als gegenstandslos zu erweisen, ist nicht gelungen. Er wurde mit dem Ziel unternommen, die Erhabenheit der Erscheinung der Königin festzuhalten. Diesem Ziel hat das Fehlschlagen des Versuches mehr gedient, als sein Gelingen es gekonnt hätte."13 Krieg war niemals die falsche Entscheidung, zumal Preußen seit 1806 keinen Feldzug mehr verloren und nach drei Einigungskriegen das Deutsche Reich gegründet hatte. Die Legende nach 1871 aber hat Jena zum vierten Bein des Kaiserthrons gemacht und Luises einstige Entscheidung abgesegnet. „Gewiß, der Weg, zu dem sie riet, ging nach Jena, aber er mußte beschritten werden. Besser ein Zusammenbruch, der alle edlen Triebe der Nation erweckt und die dumpfe Schwüle aus den Seelen fort-

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fegt, als träges, ehrloses Verharren in kaum verhüllter Abhängigkeit von der Fremdherrschaft. Ohne Jena kein Auferstehen preußischen Geistes und also auch kein Leipzig, ohne Leipzig kein Sedan und kein einiges Deutschland. Königin Luise hat als preußische und deutsche Patriotin ihre Pflicht getan."14 Königin Luise wollte „nichts" von Frieden wissen, wußte Peter Thiel acht Jahre vor dem Ersten Weltkrieg, „ein männlicher Mut, ein Thatendrang, ein urgermanischer Kriegergeist" hatten sie ergriffen, und „es war ihr, als wäre sie neu geboren. Sie fühlte den allgewaltigen Gott in ihrer Brust, den Gott des Zornes über die Frevelthaten, den Gott Wodan der Germanen, wie er mit der wilden Jagd im Wettersturm dahin braust über die düstere Erde und seine Flammenblitze schleudernd Felsen zerbirst."15 Eine Waffe zu tragen aber war der Königin als Frau versagt. „Der Zorn der Landesmutter kannte keine Grenzen mehr. Warum war sie nur ein Weib, um nicht mit dem Degen in der Faust dem Barbaren Antwort geben zu dürfen!"16 Und nicht genug der Schande, wurde sie später gar in die Höhle des Löwen nach Tilsit zitiert. „Das war zu viel [...]. Nachdem sie wochenlang vor dieser Gottesgeißel hatte fliehen müssen, sollte nun Luise vor sein Antlitz treten, nicht mit dem Schwert in der Faust, nein, allein, als schwaches Weib, als flehendes, bettelndes, wimmerndes Weib, damit sie gerade durch ihre weiblichen Schwächen, durch ihr Mitleid, durch ihre Thränen des frechen Eroberers Mitleid mit dem zertretenen Preußen erschluchzen sollte."17 „Ein Soldatenweib" hatte sich Luise einst genannt, doch was bei ihr noch Scherz war, lasen andere als vollen Ernst.18 Das Handeln der Königin war Leitfaden für das Verhalten von Frauen in Kriegszeiten geworden; sie selbst schon, hieß es 1937, sei sich „der Verantwortung der Frau als antreibende, belebende und ermutigende Kraft" bewußt gewesen und habe auch erkannt, „wie verderblich sich das Zurückweichen der Frauen als hinderndes Moment für einen unablässigen Kampf auswirken" konnte.19 Zwar sollte sie in tiefster Seele unter der Notwendigkeit leiden, „die Grausamkeit des Krieges bejahen zu müssen", wie Ina Seidel 1934 schrieb, doch war es für sie „selbstverständlich", wie Tessa Klatt versicherte, „daß man den Kampf mit dieser Macht bejaht. Luise ist sich der Größe Napoleons vollkommen bewußt. Ihn zu bezeichnen scheinen ihr Ausdrücke angemessen, die sie sonst auf keinen Menschen anwendet."20 Der Haß der Königin von Preußen auf den „Teufel in Menschengestalt"21 war einst nicht ungehört verhallt - ein „Monster" nenne sie den Kaiser, hatten ihm seine umtriebigen Zuträger hinterbracht, und der „freche welsche Parvenü" fand barsche Widerworte: Eine „böse Intrigantin" saß da auf Preußens Königsthron, eine „kriegslüsterne Amazone", die zu Pferde ihre Truppen antrieb und Rußland gegen Frankreich hetzte. „Elle voulait du sang", tönte Napoleon später. „Sie wollte Blut."22 Die französische Kriegspropaganda hatte bald Luise als die wahre Feindin ausgemacht; sie, so hieß es, sei die treibende Kraft hinter dem Konflikt. Zweikampf zu Pferde habe sie von General Blücher erlernt, um für den Krieg gewappnet zu sein, und dies bei einer Kur in Bad Pyrmont.23 Erbost diktierte Napoleon in seinen Schlachtbefehl von Jena und Auerstedt, man glaube Torquato Tassos „Armida zu sehen, die im Irrsinn ihr eigenes Schloß anzündet".

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Königin Luise war der Festnahme nach der Schlacht entgangen; Napoleon aber, in Berlin angekommen, nahm demonstrativ Quartier in den dortigen Gemächern seiner Feindin, was diese aus der Ferne zu wüsten Racheschwüren verleitete. Der Korse nämlich wollte nicht darauf verzichten, „mit eigenen kaiserlichen Händen alles durchzusuchen und durchzuschnüffeln, und da er in den Korrespondenzen vielerlei zu sehen bekam, was ihn gewaltig ärgerte, so ergoß er sich in seinen Zeitungen in Spott und ließ Privatbriefe, die die Königin erhalten, abdrucken, um sie lächerlich zu machen". 2 4 Karikaturen machten um diese Zeit die Runde. Luise erschien in Husarenuniform 25 , als Pfauendame vor einer Armee aus Truthähnen (Abb. 42) und als zu Pferde vom Schlachtfeld Flüchtende. 26 Die Verunglimpfungen gipfelten in zwei weitverbreiteten Zeitungen, d e m Moniteur, Napoleons „Reichsanzeiger" und „Sprachrohr der kaiserlichen Gedanken" 2 7 , sowie dem auf deutsch erscheinenden Telegraph, einem „Schandblatt, das das Menschenmögliche in Verherrlichung Napoleons leistete" und „empörende Angriffe gegen den König und die Königin" verbreitete. 28 Ediert von Julius Lange, „von Geburt ein Braunschweiger J u d e Alexander Davison", der erst „grimmigen Haß gegen Napoleon geschnaubt hatte" und „gleich darauf im französischen Solde die ruchlosesten Lästerungen gegen die unglückliche Königin schrieb", war der jüdische' Telegraph den Antisemiten unter Deutschlands Historikern einmal mehr Exempel für den skrupellosen Opportunismus jener .Rasse'. 29

Abb. 42 Königin Luise und König Friedrich Wilhelm III. von Preußen, französisches Spottbild, nach 1806

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Napoleons Beleidigungen quittierte der preußische Hof mit größtem Protest. „Die Ausfalle gegen die Königin überschritten vollends jede Grenze des Anstandes"30, schrieb Sophie von Schwerin, und Karoline von Berg verglich jene Beschimpfungen mit Bildersturm und Blasphemie: Ehe die Franzosen sie besudelt hätten, habe Luise wie ein „Kunstwerk" dagestanden vor dem in Ehrfurcht verharrenden Volk: „Was in Entfernung und in stiller Anbetung verehrt worden, war nun aus dem Tempel gehoben; das Bild eines himmlischen Wesens sollte der Erde übergeben werden: aber indem das Volk aufgefordert wurde, über das Leben seiner Königin nachzudenken, erblickte es nur den Glanz ihrer Tugenden, und was es vorher unbewußt verehrt hatte, war nun in Klarheit von ihm erkannt. So schien das Leben der Königin aus einer Unschuldswelt gehoben zu sein, um der kalten Betrachtung und dem strengen Verstand überliefert zu werden: aber ein Leben, das eine solche Probe so herrlich bestanden hat, das muß auf einer Höhe der sittlichen Würde gestanden haben, welche von keinem Pfeil der Bosheit und des Ubermuts erreicht werden konnte."31 „Die Genialität der Gemeinheit, wie sie in dem ersten Napoleon sich verkörpert hatte", sagte Theodor Mommsen, „offenbarte sich bekanntlich in dem instinktiven Haß, durch welchen er diese deutsche Frau in seiner Weise auszeichnete."32 Zwar hatte Elisabeth Vigée-Lebrun von einem Offizier erfahren, daß die französischen Lügen und Gerüchte lediglich dem Zwecke dienten, „die Tagesberichte heiterer zu gestalten", doch wollte der deutsche Nationalismus Tieferes darin erkennen: das Eingeständnis von Luises Größe.33 „Ein Bonaparte setzt sich mit dieser Erbitterung und Energie mit einer Frau auseinander!", begeisterte sich Tessa Klatt, setzte doch der Haß des Bösen auf das Gute das Gute ins rechte Licht.34 „Mit sicherem Instinkt ahnte Napoleon die Kraft des Widerstandes, die in diesem schwachen Weibe schlummerte", erklärte Heinrich von Treitschke, „wie er allzeit in den sittlichen Mächten des Völkerlebens die gefahrlichsten Feinde seines Weltreiches sah, [...] so überhäufte er auch die fromme Frau auf dem preußischen Throne mit den pöbelhaften Schimpfreden der Wachstube."35 Schimpf und Schande aus Bonapartes Mund aber klangen nunmehr wie das höchste Lob, das der Königin Luise je zuteil werden konnte, zumal ihr Gegner durch die Wahl seiner infamen Waffen die eigene, sittliche Unterlegenheit offenbarte, waren doch schon seine Gemahlin Joséphine und sein Adjutant Ségur bestürzt darüber gewesen, wie ungehemmt der Kaiser seinem niederen Haß freien Lauf gelassen hatte.36 Die Verlagerung der politischen Auseinandersetzung auf die Ebene von Ethik und Moral half die Schande des militärischen Debakels abzumildern, wodurch sich Preußen aus der Rückschau bereits vor den Freiheitskriegen zum eigentlichen Sieger des Konfliktes küren konnte. Und Königin Luise, wie man glaubte, hatte ihren moralischen Triumph schon selbst erahnt: „Nein. Sie resignierte nicht. Sie hatte die ungeheure Übermacht gesehen, die augenblicklich unwiderstehlich triumphierte; allein sie hatte doch zugleich auch die sittliche Überlegenheit ihrer eigenen Welt über die Welt Napoleons stärker und inniger als je zuvor empfunden, und ihr frommer Glaube zweifelte nicht an dem endlichen Siege ihrer Welt."37

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Ereignisse und Gestalten hat Luise oft nach gut und schlecht bewertet; ihre strategischen Gedanken begleitete die Hoffnung auf den Sieg des Guten und die Hilfe durch eine höhere Macht. Ethisch und emotional sind politische Fragen in ihren Briefen aufgefaßt, was der Struktur des Nationalismus glich, der die Sicht auf ihre Hinterlassenschaften prägte und in diesen sein frühes Ideal erkannte. Der Kampf von Luise und Napoleon, der Kampf zweier Nationen, nahm reichlich Munition aus alten Zeiten, und nur verderbteste Epochen reichten hin als Waffenarsenale. Einst von Canova als friedenbringender Mars zu kolossaler Größe hochgebildet, wurde Napoleon nun als „blutgieriger Nero" und „neuer Cromwell" in den Staub getreten zu den Seinen, die da krochen im „modernen Babylon", das sich Frankreich nannte. 38 Zehrte der Mythos von der illustren Potenz seiner übergroßen Gegenfiguren, so bekam der „Corsendrache" die Rolle des teuflischen Konterparts zur Engelskönigin Luise.39 „Wenn in Äonen die Daten und Namen der Geschichte vom Abgrund des Vergessens verschlungen sein werden, dann wird in der Erinnerung der Völker noch der Kampf der strahlenden Königin mit dem finsteren Kaiser als der Mythos vom Kampf eines Lichtgeistes mit einem unterweltlichen Dämon lebendig sein", schrieb Ina Seidel ein Jahr nach Beginn der Hitlerzeit.40 „Nun, es lebt doch noch ein Gott, der wird ihm schon den Lohn geben, den er verdient", hatte die Königin Napoleon prophezeit, und die Nachwelt wußte um die Erfüllung ihrer Worte.41 Acht Jahre später war die alte Ordnung wieder hergestellt, und die Preußen erbauten sich genüßlich an Napoleons Hetze gegen Luise. Wie ernst gemeint die süffisanten Schmähungen gewesen waren, war nicht die Frage, vielmehr verlangte der grenzenlose Wille, die eigene Geschichte mythisch und symbolisch zu betrachten, nach unablässiger Erinnerung an Napoleons Ruppigkeit. 42 Und so kam die verunglimpfte Luise in Preußen nicht zur Ruhe. „Nie hat eine Fürstin die Leiden ihres Landes so tief mit empfunden, mit getragen", rühmte man sie fort und fort, war doch das ungebeugte Haupt der Königin Luise der Nation Beleg der Überlegenheit. 43 „Nein, sie ist nicht tot", spie Armin Stein 1897, „sie lebt, lebt in den Herzen, in der Liebe ihres Volkes, und nicht bloß als wehmütige Erinnerung, nein, es geht eine Kraft von ihr aus, eine wundersame Kraft, wie von der Sonne auf die Erde. Napoleon, du hast dich vor der Lebenden gefurchtet, vor der Toten wirst du dich entsetzen müssen! Sie wird noch mit dir reden, die Königin Luise, anders als einst in Tilsit, wo du die Flehende mit bitterm Hohne von dir stießest; sie wird Abrechnung mit dir halten, und die Thränen, welche du ihren Augen ausgepreßt, die Wunden, die du ihrem Herzen geschlagen, die mußt du bezahlen, alle!"44 Napoleon der Erste war mehr als siebzig Jahre tot und auch der dritte Napoleon hatte längst das Zeitliche gesegnet, doch je länger das Vergangene zurücklag, desto lauter wurde das Gekeife. Kein Vaterland ohne Feindesland, denn die Geschichte der Nation war auch und nicht zuletzt die ihrer Kriege und Konflikte. Krisenzeiten sind stark im Suchen nach Namen für das Eigene und das Fremde. Die Nation aber brauchte das beständige Feindbild, um eine Idee von der eigenen Identität zu haben, und in Preußen füllte Napoleon dieses Bild mit einer Mischung

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aus Haß und Anerkennung, aus Angst vor der Krake der Revolution und Bewunderung flir den Feldherrn, der als „Robespierre zu Pferde" die Revolution zugleich verkörperte.45 Viele europäische Nationen des 19. Jahrhunderts haben sich durch Abgrenzung von ihren Nachbarn definiert; und die Gründungsmythen des in Versailles proklamierten Kaiserreiches, der Kummertod der Königin Luise und die Geschichte der Befreiungskriege, machten Frankreich zu Deutschlands konstitutivem Gegensatz. Erzählungen und Verklärungen von Schlachten gegen den Erbfeind dynamisierten fortan den Zusammenhalt der Volksgemeinschaft. Klüfte im Inneren kaschierte der haßerfüllte Blick über den Rhein; die junge Nation brauchte Platz für ihre Schattenseite. Königin Luise, die ihre Haltung gegenüber den „Teufeln von Franzosen" so unmißverständlich bekundet hatte, wurde dem aggressiven Nationalismus zum Inbegriff des historischen Widerwillens gegen das Land westlich der deutschen Grenze.46 Ein Jahr war seit ihrem Tod vergangen, da hatte sich der Revanchismus ihres Andenkens vollauf bemächtigt und „die heftigsten der Eiferer" wollten aus dem 19. Juli „vor allem eine Darlegung ihres Franzosenhasses und ihrer Deutschgesinnung machen, und, wie es zu geschehen pflegt, die Unberufensten waren hierbei die Tätigsten", wie sich Varnhagen von Ense erinnerte.47 Die Unberufensten aber nutzten die Zeiten und lasen die Quellen und professionalisierten ihr Geschäft. Kaum berührt von den Unkenrufen aufmerksamer Zeitgenossen ob der Grobschlächtigkeit der Geschichtsklitterung und der Geschmacklosigkeit ihrer Gebräuche, bahnte sich die nationalistische Nutzbarmachung des Luisenschicksals ihren Weg durch die Gemüter einer unruhigen Zeit. Der Militarismus als Identitätsstifter aktualisierte, ja potenzierte die historische Gegnerschaft von Luise und Napoleon, die durch jenes Geschehen bekräftigt wurde, das der Mythos legitimieren sollte: Erst der Feldzug gegen Frankreich 1870/71 gab dem Kult um Königin Luise Feuer, Sinn und Schlüssigkeit. Die historische Luise hatte sich indessen mit ihrem Feinde ausgesöhnt; ihrer robusten Natur und ihrem vorwärtsgerichteten Pragmatismus verdankte sie die Einsicht, daß gekränkter Stolz und unverheilte Wunden fehl am Platze waren, als Preußens Souveränität gerettet werden mußte.48 „Ausgeburt der Hölle", „Abscheulichstes auf Erden" und „höllisches Wesen, das sich aus dem Kot emporgeschwungen hat"49, das waren die Worte, die sie zuvor für Napoleon gefunden hatte, und deren Derbheit nicht nur die Ausfalle ihres Gegners in den Schatten stellte, sondern auch die ihrer eigenen Partei und Entourage.50 Einer Frau jedoch, die zum Symbol des Reinen aufgestiegen war, stand kein haßerfülltes Herz. Zitate ihres Zorns fand man darum die längste Zeit in keiner Biographie. „Aber wie weh ihr auch Napoleon gethan hatte", schrieb Friedrich Adami, „ihr natürlicher Zartsinn verwehrte ihr und Anderen jede grelle Aeußerung unweiblichen Hasses. Es war an einem der letzten Tage vor der Fahrt nach Strelitz - in die Heimath, in den Tod, als Luise im Schlosse zu Potsdam vor einem Bilde des Kaisers der Franzosen stehen blieb. In ihrer stillen Betrachtung hörte sie plötzlich einen leidenschaftlichen Ausruf zu welchem eine Dame ihrer Umgebung von dem Abscheu

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gegen Napoleon sich hinreißen ließ. Da mit der Milde eines Engels wendet die Königin sich um, straft die Heftige durch einen sanften Blick und sagt: ,Wenn ich ihm verziehen habe, was er mir Böses gethan hat, was haben Sie Ursache, ihm nicht zu vergeben?' Und mit einer Handbewegung nach dem Bilde hin, als wolle sie ihn segnen, ihren großen Feind, geht sie aus dem Zimmer." 51 Die Königin hatte es Christus gleichgetan, doch „Haß gegen die Franzosen", wie Ernst Moritz Arndt gefordert hatte, wurde der Deutschen „Religion", und diese fand in Königin Luise ihre erste Heilige.52 Einhundert Jahre sollte es zwar dauern, bis mit der Öffnung des Hohenzollernschen Hausarchivs durch Wilhelm II. vollends offenbar wurde, „welchen starken Hasses [...] diese Frau fähig war", doch kamen die Dokumente zur rechten Zeit.53 Eine Nation mit Weltmachtanspruch verstand jetzt den „heiligen Zorn" im „deutschen Herzen" einer Mutter, die im Wissen um die Brautschau Bonapartes gar dem Herrgott für die Totgeburt der ersten Tochter dankte, die sonst vielleicht zur Favoritin des Leibhaftigen geworden wäre.54 „Sie pries es als ein Zeichen der unerforschlichen Weisheit der Vorsehung, ja als ein Glück und eine Gnade", lobte Bailleu, „daß ihr eigenes Töchterchen 1794 tot zur Welt gekommen und ihr dadurch jetzt möglicherweise die furchtbare Qual erspart sei, zwischen der Aufopferung der Einen und dem Verzicht auf die Rettung von Millionen wählen zu müssen. M Kein Zweifel aber, wie sich Deutschlands erste Militaristin entschieden hätte. Die Natur gab Kinder unter Schmerzen, und die Nation nahm sie unter Schmerzen wieder fort. Kalte und kälteste Ideologien wollten sich im scheinbar todesverachtenden Patriotismus einer Frau erkennen, die sich wenige Stunden nach dem Tod ihres Lieblingssohnes Ferdinand einen Brief mit politischen Überlegungen an den Gatten abgerungen hatte: „Wir finden bei allem Schmerz gefaßte Worte über den erlebten Verlust, denen sofortige Ausfuhrungen politischen Inhalts folgen", freute sich Tessa Klatt. „Sie beweist trotz des Erlebten Kraft genug, sich für das Ganze, für Volk und Staat, einzusetzen."56 Königin Luise wußte, versicherte schon Adami, „daß es höhere Güter gibt als das Leben und seinen Wohlstand, daß an solche Güter das Leben gesetzt werden muß, und daß, wenn sie auch für die Gegenwart verloren scheinen, sie doch den Nachkommen gerettet und erkämpft werden müssen". Der Krieg als ständige Daseinsform der menschlichen und nationalen Existenz fragte nicht, ob ein Opfer zu teuer war oder ein Schmerz zu stark. Keineswegs sei es „der Verlust von Menschenleben auf dem Schlachtfelde" gewesen, der Luise Kummer bereitet habe, schrieb Tessa Klatt, sondern vielmehr „das Sterben ,um nichts', das durch das Versagen der Feldherrn verursacht" werde. 57 Einst in Tilsit den „größten Fehler" seines Lebens begangen zu haben, bekannte Napoleon im Exil: „Ich hätte verfügen sollen, daß das Haus Hohenzollern aufgehört habe zu regieren", äußerte er gegenüber Baron Gourgaud, „das wäre beim Friedensschluß eine ganz einfache Sache gewesen."58 Und warum sein Fehler so fatal gewesen war, das wußten die Verehrer der Königin Luise: „Nicht Friedrich Wilhelm war es, der diese Dynastie für Napoleon gefahrlich machte." 59

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Kleist hatte die Königin an ihrem letzten Geburtstag noch als „ein'zge Siegerin" in diesem Kampf gepriesen, zu ihrem Tod jedoch, der auf dem Fuße folgte, fehlte ihm jedes Wort.60 Der Schritt von der im Leben moralisch fungierenden Monarchin zu der im Tode allegorischen aber war nur klein, und so ging ihr Kampf gegen Napoleon ohne Pause in die zweite Runde. „Erleichtert schien der große Gegner der Königin sagen zu können: seine größte Feindin sei gestorben", doch das letzte Ringen „zwischen dem noch lebenden Herrscher und der noch lebendigen Gestalt und Wirkkraft einer Dahingeschiedenen" hatte erst begonnen, wußte Tessa Klatt.61 Zwar hätten Freund und Feind im Augenblick des Todes nicht „die Kraft des Wirkens der Königin, das über ihren Tod hinaus dauerte", erkannt, doch „das Vorbild ihrer Vaterlandsliebe kräftigte dieses Empfinden in ihrem Volk".62 Und was der Königin im Leben nicht beschieden war, das glückte nun vom Himmel herab, wo sie, so Mommsen, „vor Blüchers und Yorcks Scharen" vorauszog „wie der Engel mit dem Flammenschwert".63

21 Die Führerin „Die Königin von Preußen war ohne Zweifel sehr begabt, gebildet und gewandt; seit zehn Jahren war sie der wahre Herrscher Preußens. Napoleon 1816

„Königin Luise war die Verkörperung der Kräfte, die Napoleon entgegengestellt werden konnten", schrieb Tessa Klatt. „Sie ist sich ihres notwendigen Gegensatzes und damit Kampfes gegen diesen Herrscher bewußt gewesen und hat ihr Wissen und ihren Willen aktiv in das Ringen der feindlichen Führer und Völker eingesetzt. Charakter und Temperament machten sie zu einer Vorkämpferin. Mit den Männern der preußisch-deutschen Erneuerung zusammen kann man sie zu den Gegenspielern des einen Genies rechnen. Das Recht, dies zu tun, gibt uns Napoleon selbst. Er hat sie seine .größte Feindin' genannt." 2 Königin Luise, Symbol des unbeugsamen Nationalstolzes, hatte sich nach Jena voller Gottvertrauen gegen jede Endzeitstimmung im preußischen Staat gewehrt und sich dadurch eindrucksvoll von jener Männerriege abgegrenzt, deren königliches Oberhaupt an Abdankung dachte. 3 „Königin Luise war damals die starke Seele, an der oft die besten Männer, an der vor allem ihr königlicher Gemahl in Stunden des Kleinmuts und der Verzagtheit sich aufrichtete", sprach Otto Hintze.4 „Und wie der Diamant am schönsten funkelt, wenn er auf dunklem Untergrunde ruht", schrieb Armin Stein, „so strahlt die ganze Herrlichkeit der Unvergleichlichen am hellsten in der Nacht." 5 Ende des 19. Jahrhunderts etablierte sich ein Bild der Monarchin jenseits von klaglosem Leidenswillen und stummer Opferbereitschaft. Die Königin geriet zu Preußens besonnener Führergestalt der napoleonischen Epoche und war als solche für die historische Legitimation des Reiches ebenso wichtig wie für die Würdigung der deutschen Frau in ihrem Wirken für das Wohl von Volk und Staat. Kam die Hohenzollerndynastie auch nicht umhin, Versager in ihren Reihen einzugestehen, so zeigte ihre Luise doch, daß sie das Land nie fiihrungslos gelassen hatte. Die Vorstellung von der politisch engagierten Königin ging auf Tatsachen zurück. Zweifelsohne nämlich war die Landesmutter mehr gewesen als nur moralische Stütze. Entschlossen hatte sie ihren Einfluß auf den König in den Dienst der Staatsreformer Hardenberg und Stein gestellt, ein Ausdruck, wie es schien, von ungetrübter Weitsicht und politischem Instinkt. Kompromißlosen Durchhaltewillen erkannte die Nachwelt in Luises Gang nach Tilsit, dessen schlechter Ausgang sie noch 1807 zu einem schriftlichen Appell an die Großmut des Siegers verleitet hatte. Ein Bittgang nach Paris war ihr im Sinn, doch wurde davon abgeraten; schriftlich aber legte sie

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drei Jahre später noch die Leiden ihres Landes dem kaiserlichen „Bruder" an das kalte Herz. Erfolg war ihr zwar nicht vergönnt, doch kam sie auf die Nachwelt als Figur voll Tatkraft und Mut.6 Kurz vor ihrem Tod, als ruchlose Ratgeber die Abtretung von Staatsgebiet zur Verringerung der Kriegsschulden zu erwägen wagten, raffte sich Luise auf und schrieb für das preußische Ministerium einen flammenden Appell an alle „wahren Staatsdiener" zur Rettung der Nationalität.7 „Zwischen den Zeilen weht der Geist einer neuen Zeit", schrieb Paul Bailleu im Wissen um den Gang der Dinge, hatte doch Luise „eine lebhafte Empfindung dafür, daß sie durch diese Haltung die Ehre Preußens rette".8 Das berühmteste Zeugnis ihrer Geisteshaltung aber war ihr „politisches Glaubensbekenntnis", ein Brief an den Vater von 1808, dessen Echtheit zu Recht in Zweifel gezogen worden ist. Eylert hatte 1845 jenes Schriftstück öffentlich gemacht, in dem die Königin die Grundsätze ihrer Lebensanschauung darlegte und den Niedergang Napoleons prophezeite. Kunde ihres unerschütterlichen Glaubens an Gott und die „sittliche Weltordnung", durchdrang dies .Dokument' die patriotische Literatur gleich einem Katechismus für die Nationalgemeinschaft. Einem ganzen Jahrhundert galten Luises Worte, daß Preußen „auf den Lorbeeren Friedrichs des Großen" 9 eingeschlafen sei, als Unterpfand eines politischen Verstandes, der in seinen Erkenntnissen so scharf wie in seinen Worten poetisch war und für alle Zeiten das rechte Handeln zum Wohl einer sprießenden Nation benannte: Kämpfen sollten die Menschen, sich ihrer Vorfahren würdig erweisen und deren Geschichte als Ansporn sehen, nicht als Sicherheit. Und wie die mythische Luise zwischen dem Allmächtigen und Preußen stand, so war auch ihr Glaubensbekenntnis „wie mit einer Feder aus den Schwingen des guten Engels Preußens geschrieben" und darum geradewegs von Gott gesandt.10 Krönung ihrer politischen Karriere waren schließlich ihre letzten Laute. Der Herrgott könne sie nicht trennen wollen, sagte Friedrich Wilhelm an Luises Sterbebett, weil doch nur sie sein Freund auf Erden sei - „und Hardenberg", fiel ihm die Sterbende ins Wort.11 Konnte der König kaum die Tränen halten, so wahrte die ihm angetraute Patriotin Haltung bis zum Ende. „Und als der König von Hohenzieritz nach Berlin zurückkam, hat er seinem Minister das Wort abgenommen, daß sie beide miteinander ausharren wollten, bis der Tod sie trenne", schloß Paul Bailleu sein Buch wie seiner Heldin Lebenswerk. „So schloß sich gleichsam über dem Sarge der Königin der Bund, der alle Wechselfalle der nächsten Jahre überdauerte und die Grundlagen für das neue Preußen schuf - Königin Luisens letzte, größte und wirkungsvollste Tat."12 „Wer kennt nicht den Vorwurf politischer Einmischung, den Napoleons gemeine Rache so weltkundig gemacht und den freilich auch bewährtere und nähere Zeugen auszusprechen wagten", fragte Sophie von Schwerin. „So übertrieben nun auch diese Gerüchte sein mochten [...], so ist wohl freilich ihr Anteil an den öffentlichen Ereignissen nicht zu leugnen. Und soll sie wirklich darum so hart getadelt werden? [...] Wo ist das Weib, dem es nicht vergönnt wäre, für Mann und Kind und Hab und Gut zu wirken? Und allein die Frauen und Mütter der Könige dürfen das nicht?"13

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„Zu den banalsten Phrasen über öffentliche Dinge gehört wohl die, daß eine Königin sich nicht um Politik bekümmern soll", schrieb Georg Horn, war doch die tatkräftige Hilfe deutscher Frauen essentiell für Volk und Staat.14 Und daß der Einsatz der Monarchin ein im höchsten Sinn politischer gewesen war, bestätigte noch die Hitlerzeit, denn schließlich galt als „Politik" jedwede „Tätigkeit an der Stärkung der Volksgemeinschaft als der biologischen Lebenseinheit". Das politische Leben Luises begann demnach mit ihrer Arbeit für „Volksbildung" und „Volksgesundheit" und endete als „Führerin im Kampf gegen den Korsen".15 „Die gewaltige Erscheinung Napoleons und das Versagen König Friedrich Wilhelms III."16 hätten die Königin zum Eingriff in das Schicksal ihres Staates bewegt, schrieb Tessa Klatt, und keineswegs, wie schon Bailleu befunden hatte, „weiblicher Fürwitz".17 Zwar sollten weibliche Symbolgestalten im 19. Jahrhundert meist Beständigkeit verkörpern und dergestalt den Hintergrund bevölkern, vor welchem Männer die Geschicke lenkten, doch fehlten diese Männer an Luises Seite. „Einsam kämpft sie in verständnisloser Umgebung um Preußens Ehre", rühmte noch das Dritte Reich die unbeugsame Königin und erinnerte zugleich an Preußens Schande.18 Entscheidungsschwäche, wie Treitschke schon getadelt hatte, war als „Friedensliebe" ausgegeben worden, deren oberster Verfechter taub war für die Rufe der Kassandra der Befreiungskriege.19 Die Untätigkeit des Königs hatte den Elan seiner Ehefrau entzündet und auch den Mythos ihrer politischen Führung auf den Weg gebracht, war doch Luise im Vergleich zu Friedrich Wilhelm die entschieden „reichere, begabtere, schwungvollere" Gestalt.20 Ein vernichtendes Urteil über Friedrich Wilhelm III. war die Konsequenz. Die Abhängigkeit von seiner Gattin hat man ihm ebenso vorgeworfen wie die Weigerung, auf sie zu hören, kurz, alles was er tat, war falsch, Luise dagegen hatte immer Recht. Und wenn Friedrich Wilhelm, was selten vorkam, wichtige Entscheidungen richtig traf, dann, weil er ihren Rat befolgt oder aber auf Männer gehört hatte, die Luise protegierte. Eine politische Gemahlin, das wußte der Gegner im Inland und Ausland so gut wie der König selbst, war Friedrich Wilhelms Achillesferse. Zahlreiche Zeitgenossen hätten „in dem Wahn gestanden", schrieb der Witwer im Oktober 1810, „als ob meine Frau einen bestimmten Einfluß auf die Regierungsgeschäfte gehabt hätte. Eigentlich war sie ganz ohne allen direkten Einfluß, nur manchmal bey wichtigen Politischen Ereignißen pflegte ich ihr davon zu unterrichten und ihr meine Hoffnungen und Besorgniße mitzuteilen über die sie [...], meistentheils, nach ihrer gesunden und reinen Vernunft richtig zu urtheilen wußte. [...] Nichts desto weniger aber unterhielt ich mir oft mit ihr über den Staat betreffende Gegenstände, theils um auch ihre Meinung darüber zu hören [...], theils um ihr mein Herz auszuschütten über so mancherley was mich interessirte oder kümmerte, und da ich auf ihre Zuverläßigkeit und Verschwiegenheit vollkommen bauen durfte, so war dieß für mich eine große Erleichterung, und eine wahre Wohlthat." 21 Eine „besondere Neigung für politische Gespräche" habe seine Frau besessen, gestand Friedrich Wilhelm, ebenso wie einen „von Natur aus richtigen Blick".22 Keines-

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wegs bannten darum seine verdächtig nachdrücklichen Zeilen den „ziemlich ausgebreiteten Glauben" von Luises Einfluß auf die Politik. König Friedrich Wilhelm III. blieb in der Geschichte liegen wie ein Blindgänger neben der politisch explosiven Luise. Die Krise von 1805 und 1806 verdunkelte seinen Namen für lange Zeit. Entscheidungen und Nichtentscheidungen des Königs fielen einem Verriß anheim, wie er einzigartig scheint in einer sonst so unbefangen zum Triumphzug der Hohenzollern ausgeschmückten Nationalgeschichte. Zur Verantwortung gezogen für die größte Schmach der preußischen Vergangenheit, konnte sich der Monarch auch durch den Sieg über Napoleon nicht vollends von den Fehlern reinwaschen, die seiner Frau das Herz gebrochen hatten, und so überboten sich besonders deren Biographen in Auslassungen über seine Schwäche. König Friedrich Wilhelm „war ein verschüchterter, in sich gekehrter, schwerblütiger Charakter", schrieb Paul Bailleu. „Er war mißtrauisch gegen andere, am meisten vielleicht gegen sich selbst. [...] Es ward ihm nicht leicht, zwischen entgegengesetzten Ansichten zu entscheiden: so neigte er dazu, eine Sache reifen zu lassen, Entschlüsse hinauszuschieben, oder nur vorläufige, unfertige Entscheidungen zu geben. Das Kategorische fehlte ihm ganz, obschon er hartnäckig sein konnte bis zum Eigensinn. Das ,Ich will' fiel ihm schwer, leichter wurde ihm ein ,Ich will nicht'. Eine schwunglos nüchterne Natur, die keinen Herd gefahrlicher Leidenschaften in sich barg, die aber auch Begeisterung selbst so wenig empfand, wie sie andere j e zur Begeisterung zu erheben und fortzureißen fähig war. Ein auf die Alltagswirklichkeit gerichteter Sinn, der das Element des Idealen, der Phantasie völlig ausschloß." Das ganze Gegenteil aber hatte er geehelicht, und „man fing an zu ahnen, was Königin Luise neben Friedrich Wilhelm bedeute: lebhaften Sinn für das Große und Schöne mit etwas Schwärmerei und Ideologie, reizbares deutsches Nationalgefühl mit frisch zugreifender preußischer Tatenlust". Und schließlich fand man „alle die Eigenschaften, die man bei dem König vermißte", bei Luise.23 Die Königin hatte zwar die höchste Reife in der Zeit der größten Geister nicht erreicht, doch schuld daran war nur der Gatte, der „unbedingte Unterwerfung" wollte und „Luisens Persönlichkeit mit allem schlummernden Reichtum ihrer Begabung" niederzudrücken suchte. Das Vordringen in die neue deutsche Geisteswelt, schrieb Paul Bailleu, „ward der Königin nicht leicht gemacht. [...] Das Bedenklichste aber blieb immer, daß ihr Gemahl, König Friedrich Wilhelm, keineswegs geneigt war, sie auf ihren neuen Bahnen zu begleiten oder gar zu fördern. Seine Frau sollte nicht steigen, wohin er ihr nicht folgen konnte." 24 Das deutsche Geistesleben zog darum am König ebenso vorüber wie die europäische Politik. Die Zeit des Deutschen Reiches, geprägt von Bismarck, wußte wohl, daß die Größe der Hohenzollern oft darin bestanden hatte, Männern Kompetenz zu geben, die talentierter waren als die Angehörigen der Dynastie. Und die Stärke, um die eigene Schwäche zu wissen, hatte die Königin besessen, wie schon Hardenberg bekundet hatte: „Sie würde Männer von Energie gehört und zu Rate gezogen, sie würde solche angestellt, und, wie es noch helfen konnte, entschlossen gehandelt

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haben", schrieb er in seiner bald nach 1807 entstandenen Charakteristik. „Was ihr an eigener Kraft gefehlt hätte, wäre auf solche Weise ersetzt worden. Unternehmender Mut wäre an Stelle des duldenden getreten." 25 Der Junker Friedrich August Ludwig von der Marwitz, der mit der Gräfin Charlotte Moltke eine vertraute Hofdame Luises geheiratet hatte, bezichtigte in seinen vielgelesenen Erinnerungen den König folgenreicher Ignoranz: „Die Königin behandelte er eigentlich ziemlich schlecht. Sie war nur auf Äußerlichkeiten erzogen, hatte aber die größte Begierde, sich zu unterrichten. Sie nahm Lehrer an oder ließ Gelehrte zu sich kommen, konnte aber selten die Zeit so abmessen, daß er nicht dazwischen kam, und sobald dies geschah, wie beinah immer, so mußten sie fort."26 Die Krise rückte näher, fuhr von der Marwitz fort, und die „Schwächen, Doppelseitigkeiten und Nichtswürdigkeiten" des Königs „erschütterten das Gemüt der Königin aufs tiefste". Katastrophenahnung kam in ihr auf, „sie bat, sie flehete, man sagt, sie habe sich dem Könige zu Füßen geworfen, wahrscheinlich bei Gelegenheit des Traktates wegen Hannover - alles damit er sich nicht mit der Schande beladen sollte, des Alliierten Eigentum von dessen Feinde zum Geschenk anzunehmen; aber vergebens: er wies sie hart zurück, holte einen Strickstrumpf gab ihr den und sagte, dies sei ihr Geschäft, um andere solle sie sich nicht bekümmern, [...] und von Stund' an verteidigte sie alle Maßregeln des Königs und trumpfte diejenigen tüchtig ab, mit denen sie früher wohl über unsere Politik gesprochen hatte."27 „Kampf gegen Hardenberg" hatte sich von der Marwitz auf die Fahne geschrieben, Kampf also gegen jenen Mann, auf den die Königin ihr Hoffen konzentrierte, doch als Haupt der Opposition gegen die preußischen Reformer war dem Junker die Lobpreisung Luises das rechte Mittel zur Abrechnung mit dem verhaßten Souverän und dessen Politik: „Sie hatte ein wahres, preußisches Herz und wahre Regentenehre. Alles, was groß und edel war, zog sie an. Ihn aber stieß es ab."28 Und während andere Autoren Gestalten des Himmels zur Verklärung Luises herbeizitierten und Kreaturen aus Hölle und Kloake zur Verdunkelung Napoleons, da erntete Friedrich Wilhelm Vergleiche aus dem Reich der Tiere: „Eigensinnig wie ein Maultier", so schimpfte die Gräfin Voß, drücke sich der König vor den drängenden Entscheidungen seiner Zeit.29 Der Staat steuerte ins Verderben, aber sein Führer, so Ina Seidel, „steckte bis zuletzt den Kopf in den Sand".30 Zwei Frauen rühmten im Dritten Reich die Königin Luise als überragende Führergestalt. Die eine, Ina Seidel, eine Nichte Paul Seidels, war als Schriftstellerin berühmt geworden und hatte sich in ihren Werken besonders der .deutschen Mutter zugewandt, deren Rolle und Bedeutung sie stark verklärte. Ein Jahr nach der Machtergreifung schrieb die anfangs für Hitler entflammte Pfarrersgattin eine Luisenbiographie in der Reihe Der Eiserne Hammer; ein Buch, das wegen seiner billigen Ausstattung und seines geringen Umfangs große Verbreitung finden sollte. Die andere, Tessa Klatt, dissertierte 1937 in Berlin über die politische Rolle der Königin Luise in der Zeit der napoleonischen Kriege. Erschienen war die Arbeit zwar in den Schriften der kriegsgeschichtlichen Abteilung im Historischen Seminar der Friedrich-Wilhelms- Unrver-

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sität, doch wurde eben jener Friedrich Wilhelm von Tessa Klatt als Weichling und Versager abgefertigt, Vorwürfe, die schon Ina Seidel erhoben hatte. Ein Zweifler und Verweigerer auf Preußens Thron machte die Verklärung seiner Gattin im Sinne einer nationalistischen .Emanzipation' von Frauen möglich, wobei Ina Seidel ihren Mutterkult betonte, Tessa Klatt hingegen ihren völkischen Geist, der die Monarchin zum Sinnbild der todesverachtenden Vaterlandsliebe schlechthin stilisierte. Einzig und allein als unbeugsame deutsche Mutter, nicht aus „kriegerischer Begeisterung"31, hatte Luise demnach in die Geschicke ihres Landes eingegriffen und ihren Gemahl, der „ihrer noch mehr bedurfte als ihre Kinder", gestützt und geführt.32 Keineswegs aus Ehrgeiz sei die Königin dem König in den Krieg gefolgt, schrieb Ina Seidel, „sondern sein ausgesprochener Wunsch nach ihrer Begleitung und die eigene bange Sorge um seine seelische Hilflosigkeit, die sie wie niemand sonst kennt, halten sie an seiner Seite". Einmal mehr warf die große deutsche Mutter Schatten auf den König Friedrich Wilhelm, obwohl man diesen hätte schonen müssen, denn nicht er, sondern Napoleon war im Mythos die Gegenfigur zu Luise. Der große Feldherr aber, oft gescholten und verdammt, heischte immer auch Respekt. Und der Kaiser der Franzosen hatte gewußt, was er dem Mythos, nicht nur dem eigenen, schuldig war, denn hatte er die längste Zeit Luise angefeindet, so wendete sich in Tilsit das Blatt. Einen Monat zuvor schon hatte er den Preußenkönig am Ufer der Memel im strömenden Regen zusehen lassen, wie mit dem russischen Zaren über die Zukunft des Kontinents verhandelt wurde; in Tilsit schließlich machte sich auch seine menschliche Abneigung gegen Friedrich Wilhelm Luft: Das linkisches Benehmen des Preußen und seine antiquierte Erscheinung, sein Schnurrbart, seine Husarenuniform und selbst die Zahl seiner Gamaschenknöpfe waren Anlaß zu Hohn und Spott, doch erst der Auftritt der glamourösen Gattin vor den euphorisierten Feinden offenbarte seine ganze Unzulänglichkeit.33 „Uber den König von Preußen äußerte er sich höchst ungünstig und in Ausdrücken, die ich nicht wiedergeben mag", berichtete der bayerische Gesandte Graf von Bray aus einer Unterredung mit Napoleon. „Der Kaiser hielt diesen Monarchen für beschränkt, charakterund talentlos. Bis zu der äußeren Haltung und dem bizarren Aufzuge des unglücklichen Fürsten fand er alles an demselben zu tadeln. [...] Ich bemerkte darauf, daß der Kaiser doch wohl von der Königin einen günstigeren Eindruck empfangen habe. Ja', erwiderte er, ,mit der Königin ist es etwas anderes; sie ist eine Frau von Geist und Haltung, sie ist ihrem Gemahl weit überlegen und wird ihn schwerlich lieben'."34 Die Frau von Friedrich Wilhelm hatte beim Feind schon länger Freunde. Louis Bonaparte, Hollands König von des Bruders Gnaden, hängte ein Bild der Königin in sein Schlafzimmer, während Adjutant Marnier ein Taschentuch der Königin, das diese in Tilsit verloren hatte, durch den Krieg hindurch trug und, nachdem eine Brandrakete sein Schlafgemach verwüstet hatte, die verkohlten Reste seines Fetischs in eine Urne überführte.35 „Gott, war sie schön mit ihrem Turban um den Kopf]", erinnerte sich der französische Korporal Coignet, der als Ehrenposten vor dem Tilsiter Quartier der Königin

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gestanden hatte. „Und sie hatte einen so häßlichen König! Darüber kam ich gar nicht weg. Sie wird aber wohl Königin und König in einer Person sein, dachte ich schließlich. [...] Welche Gestalt! Welch majestätische Haltung! Ich mit meinen 33 Jahren würde gern eins meiner Ohren hingegeben haben, wenn ich so lange hätte bei ihr bleiben können wie der Kaiser."36 Königin Luise „berathschlagte mit Sicherheit, Selbstständigkeit und Energie, zugleich eine Klugheit offenbarend, die ich selbst bei einem Manne bewunderungswürdig gefunden hätte und doch zeigte sie sich bei Allem, was sie sagte, so voll tiefen Gefühls, daß man keinen Augenblick vergessen konnte, es sei ein weibliches Gemüth, dem man hier Bewunderung zolle", schrieb Friedrich Gentz.37 Kurz vor der Schlacht bei Jena war dem Publizisten und Politiker eine Unterredung mit der Königin gestattet worden; später wußte er nicht, was er mehr an ihr rühmen sollte, ihr „echt weibliches Gefühl" oder ihre „männliche Energie und Reife".38 Die Grenzen der Geschlechter schienen zu schwinden im Angesicht der Frau, die gar Napoleon, wie es hieß, „mehr fürchtete als alle Männer" 39 , wobei jedoch die Frage war, welche von Preußens „feigen Memmen" er denn hätte fürchten sollen?40 „O Männer! Feiglinge! Wenn Männer Weiber werden, dann müssen Weiber sich ermannen!" 41 Und so ermannte sich Luise und rettete die Ehre Preußens wie ein „Soldat".42 „Ich bin gewiß, daß die Königin die politischen Geschäfte weit besser als ihr Gemahl behandeln würde", stichelte Napoleon im Juli jenes Jahres „mit der bösen 7", da Preußen um sein Uberleben kämpfte.43 Und der Korse sollte sie kennenlernen, die Mecklenburgerin mit „der ihrem Volksstamm eigenen Hartnäckigkeit" - nicht grundlos war das heimatliche Wappentier ein Ochse.44 Tilsit war im Mythos Bühne einer Frau, die Überlegenheit bewahren sollte, aller Schmach zum Trotz. „Sie tragen da ein schönes Kleid", suchte der Kaiser anfangs noch zu schmeicheln, „wo ist es gearbeitet? in Breslau? Macht man Krepp in Ihren Fabriken?" Der Uberlieferung zufolge bekam er die Antwort, die er verdiente: „Sollen wir von Putz reden, in diesem Augenblicke?"45 „Trotz meiner Gewandtheit blieb sie stets Herrin der Unterhaltung", erinnerte sich Napoleon 1816 auf Sankt Helena, „beherrschte sich immer und kam hartnäckig auf ihren Gegenstand zurück, doch stets in so geziemender Weise, daß man ihr deshalb nicht böse sein konnte. Auch muß man zugeben, daß ihre Aufgabe für sie sehr wichtig, die Zeit aber knapp und kostbar war."46 Ergötzt stellten die Legendenschreiber fest, daß die große Preußin dem Franzosen die Führung des Gespräches aus der Hand genommen hatte; Siegerstimmung ergriff die Deuter jener Szene: „Jetzt vertauschten sich die Rollen, jetzt stand Napoleon geschlagen vor der geistigen Überlegenheit seiner größten Gegnerin." 47 Königin Luise half über den Tiefpunkt der preußischen Geschichte. Konnte zwar auch sie die Schwäche des Staates nicht verbergen, so galt sie doch als Führerin, die gerade darum als Gegenfigur des mächtigen Napoleon taugte, weil sie eine gänzlich andere Macht ihr eigen nannte. Kannte der Korse nur den nackten Ehrgeiz, so schritt Luise voller Würde und „Gefühl für die Ehre des preußischen Staates" 48 nach Tilsit,

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wo sie sich gegenüberstanden, „der corsische Emporkömmling und die Königin aus uraltem deutschen Fürstengeschlecht".49 Erfolg war der Königin zwar nicht beschieden, doch schuld daran war Friedrich Wilhelm, wie Napoleon in gewohnter Perfidie behauptete. Erbarmungslos und unaufhaltsam ging das Gerücht durchs 19. Jahrhundert, wonach der König, instinktlos und von Eifersucht getrieben, zu früh in das Gespräch geplatzt sei und Luise den zum Greifen nahen Triumph vereitelt habe.50 „Der König von Preußen kam zur rechten Zeit! Wäre er eine Viertelstunde später hereingekommen, so hätte ich der Königin alles versprochen", erzählte Napoleon dem Zaren, und seine Worte verbreiteten sich in Windeseile: „Diese Königin von Preußen ist eine bezaubernde Frau: ihre Seele entspricht ihrem Antlitz. Auf Ehre! Statt ihr eine Krone zu nehmen, könnte man sich versucht fühlen, ihr eine zu Füßen zu legen."51 Napoleon nährte den Mythos seiner Gegnerin in Tilsit ganz bewußt, Friedrich Wilhelm dagegen ohne Absicht. Ein Blick der ärgerlichen Königin, der alles sagte, hatte den Unglücklichen abgestraft, und das Treffen mit Napoleon geriet zum historischen Konjunktiv für alle Zeit. Die Stümperhaftigkeit des Königs vertuschte fortan die Aussichtslosigkeit, die jener Zusammenkunft von Anfang an innegewohnt hatte. Zusammen mit dem redegewandten Hardenberg hatte Luise ihre „Rolle bei Napoleon" einstudiert und sich mit allen mutmaßlichen Einwendungen des Korsen auf ihre Gebietsforderungen und der Art, ihnen zu begegnen, vertraut gemacht: „Ich werde sie auswendig lernen und hersagen, so gut ich kann", bemerkte sie sarkastisch, „denn von Herzen zu dem Menschenfreund zu reden würde schwierig sein"52; dennoch war ihr Vortrag so gelungen, daß er Napoleon zu dem Urteil verleitete, Luise ziehe seit Jahren die Faden im preußischen Staat.53 „Wer die Königin gekannt hat", schrieb Sophie von Schwerin, „kann sich indes lebhaft vorstellen, was der Ton ihrer Stimme, ihr Blick, ihre Haltung aus dem einfachen Wort gemacht haben mögen."54 „Mein Plan stand fest", brüstete sich Napoleon später gegenüber seinem Großstallmeister Caulaincourt, „und weiß Gott, die schönsten Augen der Welt - und sie waren sehr schön, Caulaincourt! - können mich nicht einen Finger breit davon abbringen."55 Zugeständnisse gab es in Tilsit nicht, doch war der persönliche Triumph Luises für den ausgebliebenen politischen der sinnfällige Ersatz: „Napoleon", so Otto Hintze, „hat seitdem nie anders als in Worten hoher Achtung von ihr gesprochen."56 Erfolg durfte nicht die Absicht richten; gesucht und gefunden wurde darum die Bedeutung des mißglückten Julitages 1807 jenseits aller Politik. Eine Randnotiz der Geschichte hieß „weltgeschichtliche Begegnung", nachdem der Niedergang Napoleons den ganzen Zweck jener Zusammenkunft offenbart hatte.57 Die Befreiungsära, die der Nationalismus zur Schlacht zwischen Christ und Antichrist stilisiert hat, bereitete den Boden für die symbolische Uberschreibung einer illuster gezeichneten Feindschaft, die nunmehr ins Extreme wucherte. Zwei Staaten waren in den Krieg gezogen, doch die Königin des einen hatte klar erkannt, „daß es hier um Höheres" ging, „daß jetzt um ,die Freiheit der Welt', um das

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Glück, ,die Unabhängigkeit der künftigen Generationen' gerungen" wurde. „Das volle Bewußtsein der Bedeutung dieses Kampfes und der Größe der Aufgabe, die Preußen dabei zugefallen ist, hebt die Königin empor zu einer Höhe der Gesinnung, zu der keine Anwandlung der Schwäche heraufreicht."58 Die Bedeutung von Tilsit, erklärte Ina Seidel, „liegt vielmehr darin, daß sich hier in den am reinsten verdichteten Verkörperungen die M ä c h t e begegnen, die diesen Krieg eigentlich fuhren: der aus uraltem Cäsarenerbe erwachsene romanische Eroberungstrieb, der vor keinem Mittel, sich durchzusetzen, zurückscheut, und der auf Verteidigung seines Lebensgebietes angewiesene, unerschrockene und, aller schlimmen Erfahrungen ungeachtet, immer wieder auf Gerechtigkeit vertrauende Geist des Deutschtums in seiner ergreifendsten, wehrlosesten Gestalt".59 Epochale „Verkörperung des im Leiden triumphierenden Preußens", war Luise durch ihre Befähigung zum Tragischen prädestiniert zur deutschen Heroine.60 Die Symbolgestalt der deutschen Überlegenheit schritt nach Tilsit, wo es den „Kampf des Guten und des Bösen" auszufechten galt.61 Luise und Napoleon, „ist es nicht, als träte sich das gute und das böse Prinzip verkörpert gegenüber?" 62

22 Heldenmonumente „Die Kunst soll mithelfen, erzieherisch auf das Volk einzuwirken, sie soll auch den unteren Ständen nach harter Mühe und Arbeit die Möglichkeit geben, sich an den Idealen wieder aufzurichten. Uns, dem deutschen Volke, sind die großen Ideale zu dauernden Gütern geworden, während sie anderen Völkern mehr oder weniger verlorengegangen sind. Es bleibt nur das deutsche Volk übrig, das an erster Stelle berufen ist, diese großen Ideen zu hüten und zu pflegen, fortzusetzen, und zu diesen Idealen gehört, daß wir den arbeitenden, sich abmühenden Klassen die Möglichkeit geben, sich an dem Schönen zu erheben und sich aus ihren sonstigen Gedankenkreisen heraus- und emporzuarbeiten. Kaiser Wilhelm II. 1901

Das Heldentum Luises war nie leuchtender gewesen als im Sommer 1807, kein Ort im Deutschen Reich rief darum mehr nach einem Heldendenkmal als die Stätte ihres großen Auftritts: Tilsit. Auf Initiative einer Frau Professor Krüger hin beschloß die Stadt im Jahre 1897 die Errichtung einer kolossalen Statue.2 Ein Spendenaufruf des Oberbürgermeisters folgte, doch trugen später Stadt und preußische Regierung den Großteil der enormen Kosten, wobei der Künstler um Luises willen sogar aufs Honorar verzichtete.3 Engagement von Einzelnen, Förderung durch private Spenden, Verwirklichung indessen durch die öffentliche Hand - in dieser Weise entstanden nach 1871 viele Monumente für den Luisenkult. Statuen und Stiftungen zu Ehren der hehren Kaisermutter waren Nationalinteresse, denn wer oder was konnte die bestehende Ordnung sinnfälliger legitimieren wie nobilitieren als jene anmutige Gestalt? Kaum ein Projekt fand darum ähnlich tatkräftige Unterstützung bei Kaiserhaus und Staat, bei Kirche, Presse und Künstlerschaft als ein Denkmal für die tapfere Luise. Entworfen wurde die im Zweiten Weltkrieg zerstörte Statue für Tilsit von einem der erfolgreichsten Künstler der wilhelminischen Zeit. Ein um das andere Mal vom Namensgeber der Epoche selbst beauftragt, hatte der Bildhauer Gustav Eberlein zwei Standbildgruppen für die Berliner Siegesallee sowie das Goethedenkmal in der römischen Villa Borghese geschaffen, exportierte aber auch als Wilhelms hochgeschätzter Botschafter in Sachen Kunst monumentale Denkmalideen in andere Kontinente. Zumeist großem Pathos und Affekt verpflichtet, erwuchsen Reinhold Begas' „getreuestem Nachfolger" ungewöhnlich kühne Schöpfungen von mitunter schonungsloser Offenheit und Realität.4

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Eberlein schuf fiir den Jakobsruhe-Stadtpark in Tilsit ein drei Meter hohes Marmorstandbild Königin Luises (Abb. 43) mit einem Rundsockel von fünf Metern Höhe. Kopf und Kopfputz erinnerten an Schadows Prinzessinnengruppe, das bodenlange Kleid dagegen, obgleich vom Schnitt durchaus Empire, war in seiner Wuchtigkeit von wilhelminischem Geschmack. Ein schwerer Mantel, von der linken Hand gerafft, umfing in großem Faltenwurf den Rücken der Figur und fiel bis weit hinaus über den Rand der Plinthe. Eine Blume in Luises Hand wies jenseits aller Machtsymbole auf echte, zarte Weiblichkeit. Ausladende Formen und ein erhobenes Haupt ehrten die Königin als matronale Heroine, und so hatte die Stadt kein volkstümliches Denkmal der bürgernahen Königin, kein rührendes Porträt der stillen Dulderin erhalten, sondern das Herrscherbildnis einer Frau, der Tilsit Synonym geworden war für ihre Liebe zur Nation und ihren unerschütterlichen Mut. Eingedenk der Wendungen im deutschen Schicksal, pries Eberlein die Königin nicht als die Bittende, als welche sie den Ort betreten, sondern als die Siegerin, als die sie ihn - dem Mythos nach - verlassen hatte. Künstler wie Mythos verwandelten die Stadt der Schande in die der Ehre. Eberlein war in seiner Bildfindung dem Strelitzer Maler Georg Kannengießer gefolgt, der die Königin um die Mitte des 19. Jahrhunderts in offensichtlich Rigaudscher Manier verewigt hatte.5 Kannengießer zeigte Luise in staatstragender Pose und herrschaftlichem Ornat vor prunkvoller Kulisse. Erschaffen im Auftrag ihres Bruders und später im Berliner Stadtschloß aufbewahrt, verherrlichte das mehrfach replizierte Werk die Tote durch die Bildsprache des Absolutismus und füllte damit eine Lücke, denn zeitgenössische Porträts wie diese fehlten von Luise. Klassische Herrscherikonographie, nach 1848 den Anspruch der preußischen Monarchie unterstreichend, diente nun nach 1871 der Inszenierung deutscher Frauengröße. Die Einweihung des Denkmals in Tilsit fand am 22. September 1900 statt. Kaiser Wilhelm II. war mit dem Hofzug angereist und wurde überschwenglich von der Bevölkerung begrüßt; er kam zum ersten Mal in diese Stadt. Krieger- und Veteranenvereine hatten am prächtig geschmückten Bahnhof Spalier bezogen; nach einer kurzen Ansprache ritt der Kaiser, als General gekleidet, durch die Reihen der verdienten Kämpfer für das Reich und seine Krone. Ein Infanterie-Regiment, eine Abteilung der Ehrenkompanie, eine Regimentskapelle sowie ein Dragoner-Regiment waren unterdessen mit Fahnen und Standarten am Festplatz vor dem Denkmal aufmarschiert und umgaben die Einweihungsfeier mit militärischer Präsenz. Ein wenig zu lang, aber „gut", war die Rede des Regierungspräsidenten Hegel, eines Enkels des Philosophen, und als er geendet hatte, gab der Kaiser das Zeichen zur Enthüllung der Statue. Die Ehrenkompanie salutierte im Angesicht der „wiederauferstandenen" Luise.6 Kränze von Heimatvereinen und Frauenverbänden wurden am Sockel niedergelegt, darunter auch ein Lorbeerkranz, den das Theodor-Körner-Museum aus Dresden gesandt hatte. Ein Jahrhundert nach beider Tod grüßte der Dichter die Königin und zeigte der Welt, daß ein Opfer für die Nation niemals vergessen wurde.

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Abb. 43 Gustav Eberlein: Denkmal der Königin Luise in Tilsit, 1897-1900

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Eine lautstarke Huldigung des Kaisers und der Vorbeimarsch der Truppen beendeten die Zeremonie, worauf sich Wilhelm in das Haus begab, in dem das denkwürdige Treffen seiner Urgroßmutter mit dem Kaiser der Franzosen stattgefunden hatte. Eigens für den hohen Besuch hatte der Bewohner der ersten Etage, ein Musikdirektor Wolff, die Innenausstattung des historischen Raumes so weit wie möglich in den ursprünglichen Zustand zurückversetzt. Kaiser Wilhelm zeigte sich beeindruckt, und Philipp Eulenburg war „sehr gerührt", die Stätte jener „berühmten Unterredung" zu betreten, von der er schon in Kindertagen so viel gehört hatte.7 Kriegsveteranen, Handwerker und Bürger, dreitausend Menschen insgesamt, zogen danach in einem historischen Umzug am Rathaus vorbei, salutiert vom Kaiser zu Pferde. Zeit war aufgehoben, Geschichte Gegenwart und die ganze Nation symbolisch präsent, da Preußens Helden in Kostümen auferstanden, mancher mit mehr, mancher mit weniger Uberzeugungskraft: „Der Wagen mit der Königin Louise und der Gräfin Voss war echt und gut", schrieb Philipp Eulenburg, wohingegen der Freiherr vom Stein, der hinterhergefahren sei, „unglaublich" ausgesehen habe. Ausklang des Programms war ein Festmahl in der Bürgerhalle, wo Regierungspräsident Hegel eine Laudatio auf die deutschen Frauen im Allgemeinen und die Tilsiter im Besonderen hielt und die Infanteriekapelle für die musikalische Unterhaltung sorgte. Kaiser Wilhelm war am späten Nachmittag von weißgekleideten ,Ehrenjungfrauen' verabschiedet worden, von denen eine, die Tochter der Denkmalsinitiatorin Krüger, ein Gedicht ihrer Mutter vorgetragen hatte. Der Geist von Edelmut und Frauenstärke, der die Stadt seit jenem Juli 1807 umwehte, hatte nun Gestalt erhalten, monumental in der Bedeutung wie auch im Format. Und wenngleich das Denkmal von einer Frau angeregt worden war und seine Einweihung im Zeichen der deutschen Frau und Mutter stand, so bot es sich doch nicht allein der Selbstinszenierung deutscher Frauen an, sondern immer auch der Monarchie, dem Militär und jedem national gesinnten Geist. Die Menschen, die das Monument gestiftet hatten, versicherten sich darin einander und feierten sich selbst, beschworen die Geschichte und meinten doch die Gegenwart. Eine Luise diente auch den Frauen Magdeburgs zur Sichtbarmachung ihres Platzes in der deutschen Geschichte. Der Name der Stadt stand wie kein zweiter für die Bereitschaft der Königin zur Aufopferung in Tilsit, da sie, nachdem ihre Bitte, Preußen seine westelbischen Provinzen zu belassen, von Napoleon abgeschlagen worden war, auf dem Erhalt von Magdeburg beharrt hatte. „Die Königin hat alles getan und alle Mittel angewandt, um mir Magdeburg zu entreißen", erzählte der Franzose dem bayerischen Gesandten, „Bitten, Tränen, Überredungen! Ich habe das mit der Kaltblütigkeit eines alten Soldaten angesehen und der Szene ein Ende gemacht, als dieselbe unwürdig zu werden anfing."8 „Justice, justice, Magdebourg!" im Munde führend, habe sich die Königin erfolgreich als Tragödiendarstellerin in Szene gesetzt, ironisierte Napoleon die Unterredung später, er indessen habe die Aktrice zum Platznehmen genötigt, dadurch die Tragödie in eine Komödie verwandelt und schließlich das Gespräch auf Unverfang-

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liches gebracht - offenbar waren ihm Luises theatralische Künste nähergegangen, als ihm lieb sein konnte. „Wenn man mir das Herz öffnen könnte", soll Luise später erklärt haben, „würde man mit blutigen Zügen den Namen Magdeburg darin lesen."9 Eine Rose überreichte der Korse der Feindin zum Abschied, und es folgte jenes Wortgefecht, das jedes deutsche Schulkind kannte: „Nicht ohne Magdeburg!" wollte die Königin die Blume nehmen, doch schmetterte Napoleon diesen letzten Vorstoß mit dem Hinweis ab, er allein sei Gebender, Luise nur Empfangende. Und der Mythos hat dem Kaiser noch härtere Worte in den Mund gelegt: „Madame, Festungen sind kein Spielzeug für Damen", und so hatte die Dame das Nachsehen, aber auch das letzte Wort: „Keine Rose ohne Dornen, aber diese hier hat mir entschieden zu viele."10 Keine zehn Jahre hiernach war Magdeburg zurück im preußischen Haus und der Usurpator auf einer Insel am Ende der Welt. Ein berühmtes Gedicht von Friedrich Rückert hat der Rose von Magdeburg 1816 ein Denkmal gesetzt: Er pflückte eine Rose Vom nahen Stocke dort, Sie dir, o Makellose, Darreichend mit dem Wort: „So zu verdientem Ruhme, Zum Zeichen ihres Rechts Reich' ich die schönste Blume Der Schönsten des Geschlechts. Hinnahm, ihr Herz bezähmend, Die Königin das Pfand; Wohl stach, die Rose nehmend, Ein Dorn sie durch die Hand. Daß er sie ehrend kränke, Begehrt' er hochmutsvoll, Daß sie noch ein Geschenke Von ihm erbitten soll. Sie sprach in hohen Sitten Mit königlichem Sinn: „Ich habe nichts zu bitten Als Preußens Königin: Als Mutter meiner Söhne Tu' ich die Bitt' allhie, Zu geben mir die schöne Stadt Magdeburg für sie." Da stand der Mann von Eisen, Des Scheins der Anmut bar: „Ihr seid", sprach er, „zu preisen Als schöne Kön'gin zwar; Doch schöner Königinnen

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Einhundert sind zu leicht, Wenn man sie mit den Zinnen Von Magdeburg vergleicht." O schönste von den Schönen, Der Reinen reinste du, So hörtest du das Höhnen Und schwiegest still dazu; Du hobest in die Lüfte Den nassen Blick hinauf Und wandtest über Grüfte Bald selbst dorthin den Lauf. Dort fandest du gelinder Für deine Bitt' ein Ohr Um die Burg deiner Kinder, Die unsre Schuld verlor. Dort hast du sie erbeten Für uns von Gott zurück Und freust dich, zu vertreten Im Himmel Preußens Glück."

Eine „Schutzheilige" solle man der Stadt verleihen, hatte Rückert einst gefordert und Luise dafür genannt; ein Jahrhundert später stifteten die Frauen Magdeburgs der Königin ein Denkmal „in der Größe ihrer Frauenwürde".12 Der jüngst in der Neustadt angelegte ,Luisenpark' wurde als Platz des Marmorstandbilds ausgewählt; nach der Sichtung aller Skizzen ging der Auftrag an den jungen Berliner Bildhauer Johannes Götz. Erst in der Werkstatt von Fritz Schaper, später Reinhold Begas' Meisterschüler, war Götz schon früh an großen Aufträgen beteiligt worden und hatte neben Plastiken am Kaiser-Wilhelm-Nationaldenkmal sowie am Neptun-Brunnen auch Skulpturen für die Berliner Siegesallee ausgeführt, die Triumphmeile der Hohenzollerndynastie. Die 1904 vollendeten Standbilder römischer Herrscher auf der Saalburg brachten Götz die ganze Gunst des Kaisers und den Auftrag für seine bekannteste Schöpfung, die kolossale Statue des siegreichen Achill im Garten des Achilleion auf Korfii, Wilhelms II. Sommersitz. Einige Wochen vor der Enthüllung am 28. Juni 1901 beschrieb die Leipziger Illustrirte das Magdeburger Monument (Abb. 44): „Die in schlichter und doch graziöser Bewegung dem Beschauer entgegentretende Gestalt ist in jedem Zuge von jener zugleich zarten und hoheitsvollen Anmuth erfüllt, deren Vorstellung sich untrennbar mit dem Idealbild der Königin verbindet, wie es im allgemeinen Gedächtnis fortlebt. Aus Haltung und Ausdruck spricht ein intimer poetischer Reiz, der aber meisterlich mit der gebotenen monumentalen Ruhe des Denkmals verschmilzt." Auf der Großen Berliner Kunstausstellung präsentiert, entzückte Götz' Luise dort durch altdeutsche Erscheinung und mädchenhaften Reiz. Die scharf geschnittenen Züge und das attische Profil gaben ihrem Antlitz die Archaik, die Götz hiernach auch

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Abb. 44 Johannes Götz: Denkmal der Königin Luise in Magdeburg, 1901

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seinem Achill aufprägte. Einfache, große Faltenwürfe und eine Haltung im .gotischen Schwung' verbanden sich mit einem puppenhaften Gesicht mit großen Augen, kleinem Mund und schmaler Nase. Skulpturen nach Art der Naumburger Uta hatten Götz wohl inspiriert; verwurzelt war die Königin damit auch optisch in den Tiefen der mythenumwobenen deutschen Geschichte. Eine Kinnbinde nach Schadows Manier weckte zugleich Erinnerungen an die Prinzessinnengruppe und war der Leipziger IlJustrirten Beweis dafür, wie sehr das Magdeburger Standbild „von überzeugendem Leben erfüllt ist".13 Keineswegs nur Zierde war die Rose in der linken Hand der Königin, sondern augenfällige Erinnerung an jene Szene, deren Nacherzählung das Denkmal provozierte. Ein „gefallig schmückendes Beiwerk, das trefflich zu ihrer ganzen Erscheinung paßt", habe Götz Luise in die Hand gegeben, schrieb die Leipziger Illustrirte, „für den jedoch, der sich der Tilsiter Begegnung der Königin Luise mit Napoleon erinnert, deutet er damit zugleich auf die Worte hin, die sie dem Kaiser auf die Überreichung einer Rose erwiderte: ,Sire, geben Sie mir dafür Magdeburg!' So wird die Blume, die auch ohnedies berechtigt wäre, zu einer sinnigen Beziehung auf die Stätte, an der das Denkmal sich erhebt." Die Frage aber war für lange Zeit gewesen, warum die Königin die Rose auch ohne Magdeburg genommen hatte? Die Antwort kam erst 1892, als Hans von der Marks „dramatisches Geschichtsbild" Königin Luise oder der Friede zu Tilsit das E n d e von

Napoleons Blume auf die Bühne brachte. Zuflucht suchend unter einer Laube und „in stummen Schmerzen" auf die Rose niederblickend, setzte Luise „seufzend" an zum Monolog der Rache und vergaß, da sie alleine auf der Bühne, die stumme Weiblichkeit: „Keine Rose ohne Dornen, doch keine mit s o l c h e n Dornen, wie diese! (Schweigt wieder traurig. - Wiederholend.) ,Ich muß Ew. Majestät bemerken, daß ich es bin, der das Geschenk macht, und daß Sie es sind, welche dasselbe empfangen.' (Ironisch.) Ich bin die Empfangende! Kaiser Napoleon hatte die liebenswürdige Gnade, der armen Königin von Preußen eine Rose zu schenken, und sie - (sich erhebend.) sie nahm dieselbe an, (sich mehr und mehr erregend.) auch - ohne Magdeburg! - Und ich halte dich noch in meiner Hand? Du brennst mir zwischen den Fingern! (zerpflückt die Rose.) Ich zerpflücke Dich, wie dieser Attila mein Land zerpflückt! Ein abgerupfter Überrest - Preußen! (wirft den Stengel hastig fort.) Und ich? - Eine Bettlerin, welche v e r g e b l i c h den Reichen um ein Almosen flehte. - (Sich majestätisch aufrichtend. Mit erhabener Größe.) [...] Ein F a l l ist noch kein U n t e r g a n g [...] Nein! Empor! Luise! So wahr, wie dort das Abendrot den Untergang der Sonne verkündet, so wahr wird morgen ihr Aufgang folgen! Sie verschwindet, um uns neu zu leuchten! Herr des Himmels und der Erden, sie künde mir D e i n Tun!"14 Was hätte Giuseppe Verdi aus diesem Monolog gemacht?! Die Operette Königin Luise, Königin der Herzen, im Sommer 2001 in Neustrelitz uraufgeführt, ist die Antwort schuldig geblieben, sang „Preußens Sissi" doch zu Offenbachs, Lehärs und Strauß' Musik. Und so ist die Rachearie der Königin Luise noch immer ungesungen Gustav Eberlein jedoch gab sie mit Mitteln seiner Zunft.

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Abb. 45 Gustav Eberlein: Königin Luise und Napoleon in Tilsit, Schonung Magdeburgs, 1899

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Königin Luise und ihr Erzfeind begegneten sich wieder in einer 1899 entstandenen Gipsgruppe (Abb. 45), der Eberlein den Titel „Schonung Magdeburgs" gegeben hatte. Eberlein, oft eigentümlichen Bildfindungen zugeneigt, schuf das wohl einzige Werk, das den Höhepunkt in Luises Heldenleben mit den Mitteln der Bildhauerei szenisch zu vergegenwärtigen suchte. Ein Auftraggeber für die überlebensgroße Plastik fehlt - wenngleich ein Zusammenhang mit der Magdeburger Denkmalsstiftung möglich scheint - zweifelsohne aber hatte Eberlein gehofft, sein Werk für einen Liebhaber der Königin in Marmor ausfuhren zu können, doch kam es nicht dazu und das nicht ohne Gründe.15 Kerzengerade auf zweistufiger Plinthe stehend, reckt sich die Gestalt der Königin Luise, das Haupt kaum merklich zu Napoleon gewandt, der schräg hinter seiner Feindin auf der unteren Stufe steht, den linken Fuß indessen auf die obere setzt. Napoleons Blick geht zu Luise, die in der herabhängenden Rechten achtlos eine Blume hält. Zwei Ungleiche im gleichen Werk. Eine Stufe trennt den Kaiser von der Königin, und nicht das Standbein ist es, das Napoleon über diese Schwelle setzt. „Er ist von seinem Glück geblendet, und er meint alles zu vermögen", schrieb Luise einst. „Dabei ist er ohne alle Mäßigung, und wer nicht Maß halten kann, verliert das Gleichgewicht und fällt."16 „Sire, Sie haben mich grausam getäuscht", sprach sie beim Abschied zu Napoleon und erhielt ein Lächeln, „das ihr wahrhaft satanisch schien", als einzige Antwort.17 Kommunikation der Kontrahenten zeigte auch der Künstler kaum; übergeben ist die Dornenblume, beendet die Zusammenkunft. Zwar hat sich der Kaiser Luise zugewandt, doch wendet sich diese von ihm ab; zwar ruht sein Blick auf ihr, doch schaut sie nur noch aus den Augenwinkeln heraus auf ihn herab, voll Stolz und Überlegenheit. Die preußische Heilige zeigt dem kleinen Mann aus Frankreich die sprichwörtliche kalte Schulter - nie und nimmer habe sich Luise auf die Stufe ihres Gegenspielers herabgelassen, hatte Heinrich von Treitschke erklärt, nur „stolze Verachtung" habe den Feind getroffen, da der „Haß der Römerin" das „sanfte Herz der deutschen Frau" niemals erfülle.18 Der Geschichte trotzend wie huldigend zugleich, antizipiert Eberleins Erfindung zum 7. Juli 1807 die Siege der Befreiungskriege. Zeigten andere die Flehende und Bittende vor dem Franzosenkaiser, so erinnerte der Bildhauer schon in Tilsit an das rechte Gefalle zwischen Napoleon und Luise, dem gallischen und dem germanischen Volk. Das Doppelstandbild der im Zusammenbruch noch standhaften Königin und des hinterhältigen Korsen war konsequenter Ausdruck eines Mythos, der das ruhmlose Geschehen in Tilsit relativieren, rechtfertigen und damit retuschieren sollte. Eberlein pries zwar die Unverletzlichkeit des Idealen in der Hülle einer verletzten Frau, doch war die Erinnerung an deren Heldenmut zwangsläufig auch Gemahnung an den Tiefpunkt preußischer Geschichte. Konstituieren sich Nationen auch im Gedenken an Niederlagen und nicht nur im Feiern von Triumphen, so hatte Eberlein doch zwei Gestalten nebeneinander gestellt, die historisch zwar verbunden waren,

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mythisch aber Gegensätze. Die Unmittelbarkeit des Werkes war die der Plastik eigene, und diese Nähe befremdete. Ereignisse sollen durch Mythen Sinn erhalten; Tilsit aber, flir sich allein genommen, war der Inbegriff der Sinnlosigkeit. Kein Adjutant und kein Porträt des großen Friedrich, kein Beitext und kein Einband schützten in Eberleins Erfindung die Szene einer ehrlosen Niederlage, die nur der ganze Mythos in späte Ehre für Luise wandeln konnte. Die sonstigen Illustrationen dieses denkwürdigen Tages waren fast immer für Bücher gemacht; das Standbild stand indes alleine da, und derartige „Denkmäler seiner Schande" hatte Preußen drei Jahrzehnte nach Sedan weniger nötig denn je.19 Der Bildhauer, selbst ein großer Verehrer der Königin, hatte die meistbewunderte Frau des 19. Jahrhunderts auf einen Sockel mit dem meistgehaßten Mann gestellt, und die Erinnerung an diesen war keineswegs nur Kaiser Wilhelm eine „nicht angenehme". 20

23 Deutschlands erste Berufsgattin „Königin Luise ist keine von den großen politischen Frauen gewesen, die als Herrschernaturen in der Geschichte eine nicht immer sympathische Rolle spielen. Otto Hintze 1910

Johann Wolfgang von Goethe hatte 1814 eine Festdichtung zum Einzug der triumphierenden Monarchen in Berlin verfaßt, wobei er sich die Hoffnung, die in Des Epimenides Erwachen spricht, in der Gestalt der Königin von Preußen versinnbildlicht dachte.2 Und als Hoffnung war Luise, das Muster der edlen Weiblichkeit, zugleich umhaucht von Androgynität: Denn wie ich bin, so bin ich auch beständig, Nie der Verzweiflung geb ich mich dahin; Ich mildre Schmerz, das höchste Glück vollend ich; Weiblich gestaltet, bin ich männlich kühn. Das Leben selbst ist nur durch mich lebendig, Ja, übers Grab kann ichs hinüber ziehn, Und wenn sie mich sogar als Asche sammeln So müssen sie noch meinen Namen stammeln.

Die Auswüchse des nationalistischen Luisenkultes hatten im späten 19. Jahrhundert das Bild einer Frau erzeugt, die nach den Normen der bürgerlichen Moral als unweiblich gelten mußte. Entsprachen Mütterlichkeit und Leidenskraft dem Ideal der Zeit, so bedeutete Bildung nur im unterstützenden Sinne eine Tugend, verpönt waren dagegen Debattierfreude und politisches Engagement. Essenz all dieser Eigenschaften aber war Luise, deren überschwengliche Mythenschreiber eine Figur erschaffen hatten, die Geschlechtergrenzen überschritt und Vorbild war für Zugehfrauen wie für Generäle. Das 19. Jahrhundert hat indes die Trennung der Geschlechter zur Grundlage der staatlichen und sozialen Ordnung gemacht und der Frau das Wahlrecht ebenso verwehrt wie die aktive Teilhabe an der Politik. Eine Gesellschaft jedoch, die eine wachsende Anzahl politisch aufbegehrender Frauen unterdrückte, schützte sich nur durch umfangreiche Erklärungsmodelle vor Veränderungen und ihr Vorbild vor unerwünschter Inanspruchnahme. Jede Zeit retuschierte darum am Bild der Königin Luise. „Wer kennt nicht die unsterblich gewordenen Namen: Christine, Königinn von Schweden? - Maria Theresia, Kaiserinn von Oesterreich? - Catharina II., Kaiserinn von Rußland?", fragte Rulemann Friedrich Eylert. „Aber eine ganz andere Größe, wie die, welche wir an diesen und ähnlichen mächtigen Selbstherrscherinnen erblicken,

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tritt uns in dem Bilde unserer Königinn Luise entgegen. Es ist (das wissen alle, die sie gesehen und gekannt haben) nicht das Bild einer imponirenden, den Scepter fuhrenden Herrscherinn, es ist das sanfte Bild vollendeter Schönheit, umflossen vom Zauber der Anmuth, geschmückt mit dem wunderbaren, herzgewinnenden Reize der zartesten Weiblichkeit, Reinheit und Unschuld."3 Körperliche Schönheit und geistige Lauterkeit, so schien es, waren unvereinbar mit der Natur des Herrschens, zugleich aber definitorisch für die ideale Frau der Nation und ihrer Bürgergesellschaft;. Eine Frau, die Frau sein wollte, strebte daher nicht nach Macht. Die Geburt Luises wie zwei Drittel ihres Lebens fielen in das 18. Jahrhundert und damit in eine Zeit, in der die Frau in der Aristokratie eine besondere Machtstellung innehatte. Zwei europäische Großmächte, Rußland und Osterreich, wurden von starken Kaiserinnen regiert, und die Damen Pompadour und Dubarry beherrschten nicht allein den Hof von Frankreich, sondern, wie viele meinten, auch den Staat. Zwar wurde nur den wenigsten Frauen Ebenbürtigkeit neben den Männern zugestanden, dennoch war das Spektrum ihrer Möglichkeiten jenseits des tradierten Tugendbildes um ein Vielfaches erweitert; so wurden zahlreiche Salons, die damals als kulturelle Einrichtungen große Bedeutung hatten, von Frauen gefuhrt, was diesen in der kosmopolitischen Bewegung der Aufklärung eine wesentliche Mittlerrolle einräumte. Der Unterschied der Geschlechter wurde in diesen Kreisen weit weniger betont als später im 19. und 20. Jahrhundert. Die Behandlung der Frau und deren respektvolle Einbeziehung in wichtige soziale Angelegenheiten war für namhafte Wortführer der Aufklärung ein Prüfstein der zivilisierten Gesellschaft. Kannte die Aufklärung auch kein einheitliches Frauenbild, so bekämpfte sie doch die Vorstellung vom sündhaften, einfaltigen Weibe. Schlegel, Humboldt und Hippel wandten sich in ihren Schriften gegen die Ungleichbehandlung der Frau, und obwohl der Glaube an die fundamentale Gegensätzlichkeit der Geschlechter nicht verschwunden war, herrschte doch die Ansicht vor, daß man sie miteinander versöhnen könne. Krisenzeiten aber waren seit jeher stark im Klagen über verkommene Frauensitte. Die napoleonische Ära zwischen Konfusion und Nationalgefühl belebte darum die Idee der Frau als Hüterin des Hauses und Dienerin des Mannes wieder und verankerte sie tief im Nationalismus und der bürgerlichen Lebensweise. Einen Keil zwischen die Geschlechter trieben auch die preußischen Reformen, denn nur Männer erhielten Mitbestimmung im Staat. Die Einfuhrung der allgemeinen Wehrpflicht schließlich verschmolz die militärische mit der zivilen Sphäre, verschärfte aber die Abgrenzung von öffentlicher und privater, männlicher und weiblicher Welt. Das rauschhafte Erlebnis des Feldzuges gegen Napoleon festigte das Ideal des Maskulinen und prägte das Bild des Mannes für mehr als ein Jahrhundert. Die Angst der Männer vor der eigenen Schwäche aber wurde auf die mächtige Frau projiziert, die das Ideal der Männlichkeit zu verwässern drohte und damit Chaos und Kontrollverlust heraufbeschwor, was sittlichen Verfall ebenso zur Folge hatte wie Degeneration von Volk und Rasse.

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Extreme beherrschten nun die Vorstellung vom Weiblichen, das zwischen mütterlichem Hausengel und dämonischer Unheilsbringerin schwankte und darum immerfort in Schranken gewiesen und gehalten werden mußte. 4 Kettete sich die Frau vom Haushalt los und usurpierte sie männliche Macht, entfesselte sie Gewalt, fand sie Geschmack am Blutvergießen und der nächtlichen Leidenschaft, dann riß die Geschichte wie ein wilder Strom, der sein Bett verließ, alles auf ihrem Wege mit sich fort. Evas verhängnisvolle, unsterbliche Kräfte, in konkrete historische Konstellationen übersetzt, beherrschten Männerangst und Männerlust. Das Jahrhundert des Luisenkultes hat die Frau als Quelle allen Unglücks zum großen Thema in Kunst und Literatur gemacht, als Gegenbild zum Mann, dem Symbol fur Klarheit und Rationalität. Abbé Prévost, Oscar Wilde und Leopold von SacherMasoch ließen Männer an Manon Lescaut, an Salome und der Venus im Pelz verzweifeln; Verdi, Wagner und Strauss schickten Lady Macbeth, Kundry und Klytemnästra zu markerschütternden Auftritten auf die Opernbühne. Einem weitgehenden Rückzug der Frau aus der Öffentlichkeit zum Trotz - oder gar durch diesen provoziert blieb das Bild der starken Frau eine gleichermaßen anziehende wie bedrohliche Idee. Und deren Folgen hatte schon Luise am eigenen Leib verspürt, als Napoleon sie des Ehebruchs und der Kriegstreiberei bezichtigte. Empfanglich aber war und blieb man auch in Preußen fur die Faszination der Frau mit Reiz und Macht. „Eigenthümlich und höchstanziehend" fand Bischof Eylert die Gestalt der mächtigen und kämpferischen Frau; ausgewählte Kämpferinnen hat man darum sinnreich in die Nationalgeschichte integriert.5 Eine der populärsten Anekdoten aus den Befreiungskriegen war die vom Lützowschen Feldjäger August Renz, der am 16. September 1813 im Gefecht an der Görde allen Kameraden vorangelaufen war und sich nach baldigem Heldentod als Potsdamer Schankwirtstochter Eleonore Prohaska entpuppte, die, „nach Männerart" von „hoher Begeisterung" fur das Vaterland erfüllt, „zur Waffe gegriffen hatte". Entflammt fur die Befreiung Deutschlands war auch die mecklenburgische Bauerntochter Charlotte Krüger, die als Angehörige des Kolberger Leibregiments bei Großbeeren „rüstig mit dem Kolben" dreinschlug, bei Leipzig „Napoleons Reich zertrümmern" half und im Winter 1814 in Frankreich einmarschierte. Erst nach schwerer Verwundung als Frau erkannt, wurde sie zum Lohn fur ihren Heldenmut zum Unteroffizier befördert und bekam das Eiserne Kreuz. Ein ,Karl Petersen' erhielt diesen Orden sogar erster Klasse, ganz gleich, daß ,er' ein Mädel aus Stralsund war, was zählte waren Todesverachtung und Tapferkeit.6 Jungfrauen aber waren diese Frauen alle, wie Jahrzehnte hiernach versichert wurde, denn nur als Ungebundene und Kinderlose erlaubte man ihnen im Dienste der Nation die Androgynität auf Zeit. 7 Der Umstand aber, daß alle enttarnten Mädchen ihr Ende unter der Erde oder ihre Erlösung in der Ehe fanden, entsprach dem Anspruch eines Wertesystems mit dem Ideal der sanftmütigen Luise. Und diese war ihren Heldentod im Bett gestorben, dem „Feld der Ehre", das den Frauen gehörte.8 Königin Luise, die Gegenfigur zu Frankreichs Johanna von Orléans, mit der sie

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demonstrativ nicht verglichen wurde, „durfte nicht kämpfen"; sie „ertrug sich bis an das Ende - dies war ihr Heldentum", schrieb Moeller van den Bruck.9 Der Mythos der Retterin aber strebte nach Vollständigkeit und gab darum der vielfachen Mutter ihre jungfräuliche Kraft zurück, mit der sie „wie eine Reinigung - wie eine Erlösung" durch die Reihen der Soldaten schritt.10 Erst als Todgeweihte handelnd, tilgte Luise die unheimliche Angst vor der starken Frau, sollten Männer doch vollstrecken, was ihr versagt gewesen war, sollten Männer doch die Ordnung zwischen Mann und Frau erkämpfen, für die Luise sich geopfert hatte, jene Ordnung, die allein vor der Wiederkehr der Not zu schützen vermochte. Die ideale Frau des bürgerlichen Zeitalters handelte nicht, sie wirkte. Und wirken konnte sie auch jenseits ihres Erdendaseins, weshalb sie auch jenseits ihres Daseins leben konnte. Eingegraben in „dem Herzen ihres Volkes", wurde Luise „eine Macht in der Geschichte Preußens", sprach Heinrich von Treitschke 1876, „doch nie mit einem Schritte übertrat sie die Schranken, welche der alte deutsche Brauch ihrem Geschlechte setzt".11 Das Ende der Freiheitskriege war auch das Aus für die positiv besetzte, kämpferische Heroine. Eher durch Dulden als durch Taten ausgezeichnet, verkörperten die weiblichen Allegorien der Nation nur noch Beständigkeit. Zeit ihres Lebens hatte auch Luise schon versucht, diesem Bild nach außen hin zu entsprechen: Niemals habe sie sich in die Politik gemischt, beteuerte sie gegenüber Friedrich Gentz noch wenige Tage vor Jena und Auerstedt, um doch freimütig zu erklären, sie hätte, „wenn sie darum befragt worden wäre, fiir den Krieg gestimmt".12 Das Unternehmen führte in die Katastrophe, und die Luisenverehrer überdachten den einstigen Einfluß der Königin auf die Entscheidung zur Schlacht. Erst spät habe Luise vom Entschluß ihres Gatten zum Krieg erfahren, versicherte Karoline von Berg, und „laut ihren Beifall dazu" ausgesprochen nur, weil sich der Krieg von einer Sache des Staates „in eine Angelegenheit der Menschheit verwandelt hatte".13 Entbunden von jeder Verantwortung hinsichtlich der Kriegsentscheidung 1806, war die fraulich zurückhaltende Luise fortan frei von jeder Schuld an der Niederlage. Klaglose Opferbereitschaft, immer edel, auch ohne Erfolg, trat im Mythos an die Stelle tatfreudiger Entschlußkraft. Die Verneinung von Luises politischer Wirksamkeit zugunsten einer rein ethisch motivierten Entrüstung sicherte ihr Ideal dem Nationalismus wie der neuen Weiblichkeit. Eine nationalpolitisch bedeutsame Figur wurde die Königin gerade deshalb, weil sie sich als echte deutsche Frau aus der Politik herausgehalten hatte. „Wohl hatte Sie den entschiedensten Einfluß auf den König", schrieb Eylert, „denn Sie besaß Sein Herz; aber Sie wollte, mochte, suchte und hatte auch keinen andern Einfluß, als den ehelichen, häuslichen, - nach dem der Staatspolitik hat Sie nie gestrebt. [...] Ganz Gattinn und Mutter in weiblicher Fülle, war Ihr selbst die Neigung und Anlage dazu versagt."14 Kurz nach Luises Tod hatten die Wortführer der preußischen Wiedergeburt begonnen, die allzu unfraulichen Wesenszüge der Verstorbenen aus dem Weg zu räumen und einen Entwurf zu skizzieren, der die Monarchin im Umkreis ihrer Kinder-

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schar zur Hüterin des Vaterlands verklärte. „Wir wissen, wie innig sie, ohne jemals die Grenzen zu überschreiten, die auch für jene königlichen Höhen der Unterschied des Geschlechts feststellt, Anteil genommen hat an allen großen Begebenheiten", sprach Friedrich Schleiermacher in seiner vielzitierten Predigt auf den Tod der Königin, „wie sie sich eben durch die Liebe zu ihrem königlichen Gemahl, durch die mütterliche Sorge für die teuren Kinder alles angeeignet hat, was das Vaterland betraf."15 Kronzeugin ihres Mythos war Luise wie üblich selbst, hatte sie doch einst geschrieben, daß es „die Pflicht einer Ehefrau" sei, sich „ganz dem Geschmack ihres Mannes zu fügen und selbst Dinge, die ihr vieles und wahres Vergnügen machten, dem aufzuopfern, was sie ihm zu seiner Beruhigung, Erholung und Zeitkürzung für nützlich und nötig halte".16 König Friedrich Wilhelm III. aber hatte als Mann versagt, weshalb der Mythos eine höhere Ehe für Luise arrangierte. Die wahre Liebe ihres Herzens hatte sich nicht an Vergängliches verschwendet, sondern galt allein dem Volk und Staat. Erfüllt hatte Luise damit, was Fichte, der Apologet der preußischen Wiedergeburt, in seinen einflußreichen Reden an die deutsche Nation gefordert hatte. Und wenn es auch „der Königin beim Gemahl und den Kindern am wohlsten" gewesen sei, so habe doch schon „der kleinste Funke, der in ihr Herz flog, die Flamme der Vaterlandsliebe zum Auflodern" gebracht, wie Wilhelm Baur 1887 erklärte.17 Kehrseite des Bilds der kämpferischen Königin war zu Lebzeiten die Verhöhnung als tückisches Mannweib gewesen, Erklärungen begleiteten darum stets das Bild der politischen Luise. Die Denkerin wich einer Mutter, die nur einen Grund des Handelns kannte: Not. Und nur die Not, als eine apolitische, nationale und soziale Misere dargestellt, war auch Rechtfertigung für ihren Einsatz. Luises sittlicher Läuterung durch den Ehemann folgte im Mythos das Erwachen eines Nationalbewußtseins durch die Erfahrung der napoleonischen Kriege. „Die Königin Luise hielt sich zwar in echter Weiblichkeit von allen Staatsgeschäften fern, aber unter solchen Sorgen konnte ihr Herz nicht teilnahmslos bleiben"18, schrieb die Haude-Spenersche Zeitung 1860 und erhielt damit der Königin die edle Weiblichkeit wie ihrem Handeln Gültigkeit: Kampfgeist nämlich, ein unbändiger und ursprünglicher, keimte bei Frauen erst im letzten Augenblick. „Wie es bei rechten Frauen immer der Fall ist", bestätigte Mommsen, „entwickelte erst das Unglück die volle Kraft ihrer Natur, den Scharfblick, das Vertrauen, die Energie, welche in solchen Lagen die Männer oft beschämt."19 Eine unheimliche Heroisierung des schwachen Geschlechts aber war Mommsens Sache nicht, war doch Luise, „wie andere Frauen auch, nichts Besonderes und abnorm Geniales", wenn auch „die vollendete Weiblichkeit mit all ihrer Schönheit und Reinheit".20 Zwar hatte Luise den Drahtseilakt zwischen kämpferischer Gesinnung und kompromißlosem Erhalt ihrer Fraulichkeit bewältigt, doch wurde vor Nachahmung gewarnt, denn „Stärke" und „Festigkeit", wie die Germania 1876 schrieb, einten sich „selten" mit „holdester Weiblichkeit".21 Die deutsche Mutter aber durfte dann zur Wölfin werden, wenn Gefahr für ihren Nachwuchs drohte: „In unserer Mutter",

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sprach Wilhelm II., „unserer guten deutschen Frau, liegt eine gewaltige Macht, die niemand zu überwinden vermag."22 Kurz vor dem Ende des Ersten Weltkriegs brachte man seine Worte noch als Durchhalteappell unter das Volk. Klassische Bildung und Belesenheit hatten in Zeiten der Salonkultur die Neubestimmung der Frauenrolle legitimiert; und als „Muster hoher Bildung" pries man Luise nach ihrem Tod und feierte sie als Mäzenin und Muse von Schiller und Jean Paul, Novalis und Kleist.23 Karoline von Berg, mit Herder und Stein befreundet, hatte maßgeblich an diesem Idealbild gewirkt, das Friedrich Adami zu Ende malte. Die Berg jedoch hatte aus der Toten das gemacht, was ihr aus der Lebenden zu machen nie gelungen war: eine Geistesgröße. „Schätze lebendiger Welterfahrung" hatte Luise demnach aus Schillers historischen Schriften gewonnen, während die griechischen Tragiker und Shakespeare sie auf „geistige Höhen" hoben, „auf denen sie gern verweilte". Edward Gibbons berühmte Gedanken zum Verfall des Römischen Reiches waren von ihr „mit einem Nachdenken und mit einem Nutzen" vertieft worden wie selten zuvor, und so „blieb ihr Weniges ganz unbekannt in der Literatur, vorzüglich in der schönen, und Alles, was sie las und hörte, fruchtete ihr: denn durch die eigenthümliche Art, wie sie Schrift und Rede in sich aufnahm, verwandelte sie Alles gleichsam in ihren Geist".24 Eine Intellektuelle aber war die historische Luise nie, zum Glück für ihre Zeit. Die ungläubige „geistige Überspitzung" wie die „phantastische, revolutionäre und ironisierende Weltanschauung" einer Rahel Levin, Henriette Herz oder Caroline Schlegel waren der gottergebenen, „naiven" Landesmutter fremd, wie Heinrich Haß noch 1929 lobend bestätigte. „Man kann sagen, daß in der seltenen Harmonie von Luisens Weiblichkeit im eigentlichen Sinne die wirklich damals moderne und für ihre Zeit notwendige Frau, das Ideal der Iphigenie, [...] sich repräsentierte."25 „Eine Frau muß gehorchen; alles, nur nicht unter den Pantoffel kommen, davor hüte dich ja"26, hatte Friedrich Wilhelm II. den Kronprinzen gewarnt, der Luise nur „nach seiner Hand" reiten lassen „und bisweilen die Sporen brauchen" sollte.27 Was aber weder dem zweiten noch dem dritten Friedrich Wilhelm ganz gelang, das besorgten Literaten und Historiker, Maler und Poeten mit fortschreitender Zeit. Nationalismus und romantische Idealisierung machten den in der Aufklärung gewonnenen Grad an Emanzipation wieder zunichte. Die Furcht vor dem Verlust des angestammten Terrains trieb Männer zur anthropologischen Feststellung weiblicher Schwäche, die sich in Unfähigkeit zu höherer Bildung und strategischem Denken äußerte und Frauen aus den Hörsälen ebenso fernhalten sollte wie aus der Politik. Und Frauen, die sich diesem Paradigma widersetzten, wurden dämonisiert; selbst den deutschen Kaiserinnen Augusta und Viktoria hat man den Einfluß auf ihre Männer zum Vorwurf gemacht, wobei letztere sogar für den frühen Krebstod ihres Gatten verantwortlich gemacht wurde. Ein vermeintlich geschlechtsspezifischer Mangel an Intelligenz bestärkte die Verwandlung der toten Luise in ein Symbol, dessen Sinnfalligkeit durch das Fehlen eines ausgeprägten Intellekts eher gestützt als in Frage gestellt wurde. Die vielgelesenen

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Memoiren der Sophie von Schwerin, seit den zwanziger Jahren des 19. Jahrhunderts niedergeschrieben und 1868 erstmals veröffentlicht, räumten mit der Vorstellung einer intellektuellen Monarchin auf: „Ungeschickteres weiß ich mir aber nicht zu denken, als gerade das an einem Menschen zu loben, was er nicht besitzt", schrieb die Gräfin gegen Karoline von Berg, „und wenn eine geistreiche Biographin in ihrer sonst musterhaften Schilderung die Königin Luise als eine der Denkerinnen und Gelehrten des Jahrhunderts darstellt, so kann dieser sonderbare Mißgriff wohl nur so zu erklären sein, daß sie ihre königliche Freundin nicht an den Eigenschaften Mangel leiden lassen wollte, die ihr selbst als die schätzbarsten erschienen." 28 Einhundert Jahre nach Luises Tod, da „gerade jetzt auch die deutsche Frau beginnt, .politisch' zu werden, gleichzeitig aber Gefahr läuft, in diesen neuen Auffassungsbereichen ganz und gar zur Unsicherheit im Volksgefuhle zu gelangen", kürzte man das Buch der Gräfin auf seinen „Kerngehalt", damit seine „sittlichen Erträgnisse näher ins Bewußtsein" rückten und „um so reifere Früchte" trügen für die „heutige Zeit".29 Die Königin hatte gezeigt, wie man als Frau der Unsicherheit im Volksgefuhl entgegentrat. Kunst und Literatur der Kaiserzeit verniedlichten sie mehr und mehr, wobei man gerade die putzige Luise die heroischste nannte. Eine „liebenswürdige Naivität" entdeckte Treitschke in ihrem Gemüt, das sich mit dem zwar ehrenvollen, aber nicht minder naiven Streben nach höherem Wissen getragen habe. „Frägt man aber nicht und schämt sich seiner Einfalt gegen Jeden", zitierte er die Königin, „so bleibt man immer dumm, und ich hasse entsetzlich die Dummheit." Und die Fragen, die Luise stellte, entzückten die Nachwelt: „Da fragt sie kindlich treuherzig, damals schon eine reife Frau und vielbewunderte Königin: was man eigentlich unter Hierarchie verstehe." 30 Die Vossische 7,eitung von 1910 schließlich beschied der Königin einen Bildungsgrad „weit unter" dem einer „heutigen Volksschülerin"31, und die Memoiren der Sophie von Schwerin, deren Neuauflage sich das Feuilleton widmete, rückten gar den Gang nach Tilsit in ein neues Licht: Die Königin, so hieß es, habe dort nur wiedergeben können, was ihr vorher eingetrichtert worden wäre. „Unbegreiflich bleibt es daher immer, wie man sie, belastet mit dem Spott Napoleons über ihre politischen Intrigen, in Tilsit als Unterhändlerin auftreten lassen konnte! - Nicht minder befremdend waren uns, ich gestehe es, die Worte voll tiefen Sinnes und bewundernswerter Feinheit, die man aus dieser Zusammenkunft anführte, ja vor allem Napoleons eigene Äußerungen über die tiefen statistischen und politischen Ansichten der Königin, da sie unter uns weder für eine Meisterin der Rede noch für besonders vertraut mit irgend einer Wissenschaft galt."32 „Und was sollen unsere Frauen von der Königin lernen?", fragte Wilhelm II. zum einhundertsten Todestag der Urgroßmutter und gab auch gleich die Antwort: „Sie sollen lernen, daß die Hauptaufgabe der deutschen Frau nicht auf dem Gebiet des Versammlungs- und Vereinswesens liegt, nicht in dem Erreichen von vermeintlichen Rechten, in denen sie es den Männern gleichtun können, sondern in der stillen Arbeit

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im Hause und der Familie. Sie sollen die junge Generation erziehen, vor allen Dingen zum Gehorsam und zum Respekt vor dem Alter! Sie sollen den Kindern und Kindeskindern klar machen, daß es heute nicht darauf ankommt, sich auszuleben auf Kosten anderer, seine Ziele zu erreichen auf Kosten des Vaterlandes, sondern einzig und allein das Vaterland im Auge zu haben, einzig und allein alle Kräfte und Sinne fiir das Wohl des Vaterlandes einzusetzen. Das ist die Lehre, die die hohe Gestalt uns überliefert hat." 33 Eine „heiße Liebe zur Macht", eine „unbeugsame Energie" und „Impulsivität" sowie „Neigung zu Debatte und Widerspruch" hätten Wilhelms englischer Mutter dagegen nur Arger und Unverständnis eingebracht, wie der Sohn verbreitete. 34 Zeit ihres Lebens mußte Viktoria am eigenen Leib verspüren, welche Rolle sie am H o f zu spielen hatte: Eine „Türkin im Harem", eine „Art höhere Kammerfrau, die sich gut anzieht, mit Jedem ein banales Wort zu sprechen weiß" und in „ihrem eigenen Haus eine Puppe ist".35 Königin Luise aber, vom Mythos geschmeidig gemacht, gewann mit zunehmender Entfernung an Modernität. Ende des 19. Jahrhunderts, als die Anzahl literarisch tätiger Frauen sprunghaft gestiegen war, haben vor allem Frauen die Königin für sich entdeckt; als Ideal der deutschen Mutter wurde sie zum wichtigen Element in der nationalistischen Selbstinszenierung von Frauen um die Jahrhundertwende. Die gegen Sozialdemokratie, Arbeiterinnenbewegung und politische Frauenbewegung gerichteten Verbände wie der Flottenbund deutscher Frauen, der Deutsche koloniale Frauenbund oder die Bismarckfrauen nutzten den Luisenmythos zur Konstruktion einer weiblichen Nationalidentität. 36 Entworfen wurde ein Frauenbild, das einerseits den alten Idealen von Nationalismus und bürgerlicher Moral entsprach, andererseits jedoch als modern gelten sollte. Die Frau, nachdem sie ihre Aufgaben als Gattin und Mutter erfüllt hatte, durfte auch am öffentlichen Leben ihren Anteil einklagen, wobei es weniger um die Forderung nach politischem Einfluß ging als um die allgemeine Aufwertung der Frau in ihrer Bedeutung für die Nationalgemeinschaft. Eine historische Riege preußischer und deutscher Frauen, an deren Anfang Königin Luise stand, strich die Bedeutung der Frau für die Nationalgeschichte heraus und diente zugleich der Erfindung einer klassenübergreifenden weiblichen Wesensidentität. Kardinaltugenden der nationalistischen Frau wie Frömmigkeit und Seelengröße, Fruchtbarkeit und Leidenskraft charakterisierten ein überhöhtes, dabei gleichwohl passives Mutterideal, das die Rolle der deutschen Frau als Hüterin von Haus und Art betonte und damit ihren Anspruch auf Respekt artikulierte. Emanzipatorische, gegen die bestehende Ordnung gerichtete Forderungen gab es indessen keine. Zwar hatte der nun maßgeblich von Frauen getragene Kult um die deutsche Mutter mit Hilfe der Königin Luise ein überragendes Frauenbild kreiert, doch wurde das politische Leben der patriotischen Frau vor allem als soziales Engagement beschrieben, das man im abstrakten Sinn als Bewahren von Volk und Staat verklärte. Die konservative Frauenbewegung als Stütze der Nation stützte auch und vor allem die Männerwelt, sah man doch gerade in der Unterordnung der deutschen Frau unter patriarchalische Struktu-

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ren ihre eigentliche Höherstellung und Macht. Und als überlegen galt die deutsche Frau ohnehin weniger dem deutschen Mann als den Frauen anderer Länder, was einmal mehr die Überlegenheit des Deutschtums schlechthin hervorheben sollte. „Die Nachwelt wird mich nicht zu den berühmten Frauen zählen", zitierte Treitschke die Königin, „aber möge sie von mir sagen: sie duldete viel, sie harrte aus im Dulden und sie gab Kindern das Dasein, welche besserer Zeiten würdig waren, sie herbeizufuhren gestrebt und endlich sie errungen haben."37 Erst mit der Verneinung der eigenen Größe gab die preußische Nationalheilige dem Historiker den letzten, endgültigen Beweis ihrer weiblichen Vollkommenheit. „Ganz deutsch, ganz preußisch ist gedacht das alte Sprichwort, das jene Frau die beste nennt, von der die Welt am wenigsten redet."38 Nichts hat die Widersprüchlichkeit des Luisenkults je deutlicher gemacht als dieser Satz. Kultfigur einer modernen Emanzipation wurde Luise nicht, im Gegenteil, sie galt der Frauengeschichtsschreibung als Musterbeispiel für den Gang in die eigene Knechtschaft. Kleingehalten von einem Mann, der ihr geistig unterlegen war, und dennoch getrieben von der „bitteren Mühe, dem Weiblichkeitsideal des Königs zu entsprechen", hatte sich Luise dem Kreislauf aus „Erniedrigung, Auflehnung und Versuch, die Erniedrigung zu bejahen", selbst ergeben und war mit all dem in ihr Bett geflüchtet, ihren liebsten Aufenthaltsort. Eine Königin, die „gerne das Opfer werden" wollte und „nach außen dieses Ideal so vollkommen" verkörperte, „daß sie für die Frauen des besitzenden, national gesinnten Bürgertums zum Vorbild wurde", hatte als Deutschlands erste „Berufsgattin" eine unrühmliche Tradition begründet - eine Geschlechtsgenossin nannte die .königliche Dulderin' zweihundert Jahre später nur noch eine „königliche Zuchtstute".39

24 Natur, Nationalismus und bürgerliche Normen „Ein Zucken lief über ihr Gesicht. Und aus der Welt der Schatten herüber breitete sich ein mitleidiger grauer Schleier über ihre Stirne, über ihre Augen. Von den Fenstern herein kam erster Lindenduft. Die Bäume Germaniens erblühten im Sommerwind. Die Königin war entschlafen. Sophie Hoechstetter 1926

Eine „Königsrose" hatte der Dichter Max von Schenkendorf die Königin nach ihrem Tod genannt und seine Klage mit der Frage eingeleitet: „Hat auch dich der Sturm getroffen?"2 Das Leben der Königin von Preußen war wie das einer Blume gewesen; Blumen hatten sie begleitet seit der Taufe, wo schon die Paten Veilchensträuße trugen, Veilchen auch das Taufbecken und das Kissen des Täuflings schmückten „und selbst das Köpfchen Luises" auf Veilchen ruhte.3 Luise wurde in eine Rose verwandelt, Königin der Blumen und Sinnbild der Schönheit. Erst war die „Knospe zu einer sechzehnjährigen, üppigen Rose voll Glanz und Duft erblüht", und wie der „Morgentau auf einer sich öffnenden Rose"4 hatte sich die Anmut über ihr jungfräuliches Antlitz ausgebreitet; später reckte eine prächtige Kinderschar die „herzigen, süßen, selten schönen Gesichter" wie „Knospen um die aufgeblühte Rose".5 Die „Blüten" auf dem mütterlichen Antlitz verblichen in Preußens Leidenszeit. Und doch gefielen „fast noch mehr, als früher die rothen, so jetzt die weißen Rosen" 6 auf den Wangen der Königin, die auf dem Sterbebett noch schönste Worte hauchte, „gleichwie die Rose noch einmal ihren ganzen Duft ausströmt, ehe sie stirbt". Und nachdem sie gebrochen war, wollten die Arzte sehen, „welcher Wurm diese schöne Rose zernagt hatte. Und sie fanden den Wurm da, wo sie ihn geahnt: im Herzen: Die Dulderin war an gebrochenem Herzen gestorben."7 Die Rose wurde im Tod zur Lilie, dem Symbol des Glaubens, der Unschuld und der Reinheit. Lilien haben keine Dornen, doch im Land des Luisenmythos wuchsen Domenlilien und zierten in Bordüren die Seiten von Paul Bailleus Luisenbiographie. Einbände vieler Luisenbücher waren mit Blumen geschmückt, und die Autoren beendeten ihre Werke in der „Veilchen-", „Rosen-" oder „Erntezeit".8 Das Leben nämlich, das so oft beschrieben, war eine Existenz im Einklang mit der Natur und ihrer Gesetzmäßigkeit. Zwar huldigte die Sprache der Blumen der fraulichen Schönheit, doch setzte sie zugleich ein spezifisches Bild weiblicher Tugend fest: Schön und stumm, zart und zerbrechlich, Sinnbild der Fortpflanzung wie auch der Vergänglichkeit, lähmte die Blume als Symbol die Dynamik einer historischen Gestalt, die, vom

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Mythos ummantelt, „natürlich" war und „darum eben für uns so anziehend", wie Georg Horn 1883 meinte.9 Natur ist Ursprung, Gesundheit, Wahrheit. Natur ist, was sie ist, und natürlich ist, was selbstverständlich ist. Nationalismus, Mythos und Natur treten in einen Bund, wo es Begebenheiten in Gegebenheiten umzuwenden gilt. Der Mythos, schrieb Roland Barthes, lasse Dinge sich von ganz allein bedeuten, da er Geschichte in Natur verwandle: „Der Mythos leugnet nicht die Dinge, seine Funktion besteht im Gegenteil darin, von ihnen zu sprechen. Er reinigt sie nur einfach, er macht sie unschuldig, er gründet sie als Natur und Ewigkeit."10 Der Mythos erscheint als entpolitisierte Aussage und ist gerade darum so praktikabel für die Politik. Einerseits dient er zur Begründung einer kollektiven Moral, da er Geschichte in essentielle Typen übersetzt und dabei Normen legitimiert, indem er diese als natürliche Fakten bezeichnet, andererseits legitimiert er Gruppen, die ihn beanspruchen, weil er der historisch entstandenen Struktur einer Gesellschaft den Status eines gewachsenen Zustandes beschert, der ebenso unveränderlich wie unangreifbar ist. Natur wurde im Mythos zum maßgeblichen Begriff und Natürlichkeit zu Luises Wesensmerkmal, das alle anderen durchdrang wie auch begründete. Natur tilgte jeden Widerspruch und erklärte alles, was die Königin fiihlte, sprach und tat. Natur gab dem Mythos Wahrheit, Sinn und Schlüssigkeit und seiner Sendung Gültigkeit wie Ewigkeit. Natur erhob die Geschichte Königin Luises über Zweifel und Kritik. Und Naturalismus nahm sogar dem Bild Luises in der Kunst die Künstlichkeit. Natursymbolismus und Naturverklärung hatten die Trauer nach Luises Tod bestimmt; das Mausoleum, die Gedichte und die ,Nachtfeier' trösteten allesamt mit der Vorstellung eines Daseins, das aus der Natur gekommen war, in sie zurückkehrte und aus ihr auch wieder zu neuem Leben erwachte. Christliches Heilserhoffen und romantische Naturanschauung verschmolzen zu einem universalen Sinnkonzept, das Grenzen löste und auch politische Interessen an sich binden konnte: „In ihren königlichen Kindern stehe die beweinte Mutter neu und verklärt auf", predigte Christian Friedrich Wigand nach Luises Tod. „Aus deren frühen Thränen möge Weisheit wachsen; und der königliche Vater mit seinem ganzen Hause in Allen seinen Zweigen freue sich der veijüngten Aufblüthe des erhabenen Königsstammes in allen seinen Zweigen, so wie der neuen Blüthe des Volkswohlstandes und des Wahren und Guten im Umkreis seines ganzen Reichs!"11 „Für später Enkel Ernte hat die Saaten dies edle Herz gestreut" ß , hieß es zur Eröffnung der Luisenstiftung 1811; Jahrzehnte später, als das preußische Reich zu einem deutschen unter Hohenzollemkrone geworden war, zeigte sich die Kaisermutter als die Frau, die „schweigend fiel und mächtig keimte".13 Nationalismus und bürgerliche Moral haben sich stets auch der Natur versichert und für ihre historisch gewachsenen Normen einen natürlichen Ursprung beansprucht - und Luise, die Göttliche, galt zugleich als vollendetes Sinnbild der Natürlichkeit, die nicht nur für Klarheit und Ordnung stand, sondern auch für Bürgerlichkeit. Das Bürgertum hatte im 18. Jahrhundert die stille Natürlichkeit und das

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ungekünstelte Verhalten zu Merkmalen seines Standes erhoben, nicht zuletzt aus diesem Grund empfahl sich Königin Luise, die einzig „lebendige Blume" unter den „auf Draht gezogenen", als Leitbild bürgerlicher Lebensweise.14 Eylert verklärte das Leben der Landesmutter in seinen einflußreichen Schriften zu einem einzigartigen Dasein innerhalb der göttlichen und natürlichen Gesetze. „In Ihrem ganzen Wesen nichts Erborgtes und durch Kunst gehaltenes", sprach der Hofprediger 1811 zur Einweihung des Denkmals in Gransee, „jeder Ihrer Gedanken ein Funke Ihres hellen Geistes, jedes Gefühl, Erguß Ihres reinen liebevollen Sinnes; Ihr ganzes äußeres Leben, Ausdruck und Spiegel Ihres inneren Lebens, voll Wahrheit und Natur, voll edler Einfalt und freundlicher Milde."15 Und seine Charakteristik der Königin weitete Eylert später zu einer allgemeinen Lebenskunde aus, die in Geschichte und Natur die Gründe für die getrennten Aufgaben von Mann und Frau entdeckte: „Fassen wir die gesammte Thätigkeit beider Geschlechter klar ins Auge, des männlichen auf dem unruhigen Markte des Lebens, und des weiblichen im ruhigen Hause, so [...] hat es die Natur zur Erhaltung und zum Glück des Ganzen weise geordnet." 16 Einhundert Jahre nach dem Tod der Königin rückten darum auch deren Bildungslücken in ein anderes Licht. Ein „unverdorbenes Naturkind" war sie gewesen, dessen Entwicklung „nichts hemmend in den Weg gestellt wurde, wodurch das frische Wesen unterdrückt werden konnte".17 Die Königin wurde zum Ideal der naturbelassenen Frau, die sich der Ordnung fügte, den Erhalt der Nation garantierte - und immer wieder die historische Rechtfertigung war für das, was Max Planck 1897 über die Befähigung der Frau zum akademischen Studium vorbrachte: „Die Natur selbst" habe der Frau „ihren Beruf als Mutter und als Hausfrau" vorgeschrieben, urteilte der Physiker, „naturwidrig" seien „Amazonen" darum auf „geistigem Gebiet".18 Eine hochgebildete Frau ist Luise nie gewesen und sollte es auch nicht sein, nach dem Tod so wenig wie zu Lebzeiten. König Friedrich Wilhelm hatte bereits die Ausflüge seiner Frau in ihm verschlossene Gefilde argwöhnisch beäugt; eifersüchtig verfolgte er die Freundschaft seiner Gattin mit der belesenen Karoline von Berg, weil diese „höchst intrigante" Frau den „Naturverstand" seiner Gemahlin zu verbilden gesucht habe. „Diese Frau hat durch ihren seltsamen unverdienten Einfluß, den sie immer weiter zu poussieren sich bemühte und ihrem Gemisch von Enthusiasmus und hoher Poesie mit Trivialität, exzentrischem Wesen, mit Natürlichkeit und Austerität, mit Leichtsinn und Adulation gepaart, wenig Gutes, aber manches Ueble gestiftet."19 Der Nationalismus hat sich stets als Glaube präsentiert, in dem das Fühlen wichtiger als das Denken ist. Karoline von Berg hatte einst die „Klarheit" des „Verstandes" als Grundlage allen Handels ihrer Freundin ausgemacht, bald aber galt die Klarheit des Gefühls als Luises wahre Kraft.20 Echtheit der Emotionen und Reinheit der Herzen sollte noch Hitler an den Frauen rühmen, Stärken, durch die sich Königin Luise schon im Krieg gegen Napoleon ausgezeichnet hatte.21 Logik und Ratio hatten im Endkampf nichts verloren, und Luise, als Frau dem Handeln nach Gefühl verschrieben, konnte den alten Mythos vom Krieg der Nation

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um Sein oder Nichtsein mit urtümlicher Naturerfahrung untermauern, zeugte doch ihr gefühlsgesteuerter Einsatz für ihr verstörtes Volk von Rationalität, Gesundheit und Normalität. Luises treffliche Prophezeiungen hatten bewiesen, daß jede Handlung schädlich war, die nicht durch Emotionen kontrolliert wurde. Die Gefühlswelt dieser Frau besaß nun eine unbestreitbare Wahrhaftigkeit und belegte nebenbei die Kunde von ihrer Unverbildetheit. Luises überlegene Klarsicht war die des schlichten Gemüts gewesen, war die Natur der Jungfrau und des Kindes, die keinen Verstand besitzen, sondern Instinkt. Erfüllt und geleitet von ihrer unverdorbenen Natur, hatte die Königin im Triumphzug das Zeitalter der Aufklärung beendet und die Vaterlandsliebe als natürlichen Zustand nach Preußen gebracht. „Die Begeisterung, welche der Kronprinzessin Luise aus allen Schichten des Volkes entgegen kam", schrieb Georg Horn 1883, „die Liebe, mit welcher das Herz der Nation ihr entgegenschlug, war nicht von ungefähr - kein flüchtiges Aufwallen, erzeugt vom ersten günstigen Eindrucke - nein - diese Stimmung lag viel tiefer. Sie kam wie die Ahnung, daß diese Engelsgestalt das königliche Haus wieder wie ein Hauch der Reinigung und Einigung durchziehen würde, aus dem seelenvollen Aufschlage ihres Auges kam es wie eine Verheißung, daß in ihr die Herzenskraft der Nation wieder in erhöhten Pulsen aufwachen, daß sie in ihrer fast verklärten Weiblichkeit wie eine Erlösung wirken würde - von all dem ausdörrenden, gemüth- und herzlosen einseitigen Verstandesleben und allem undeutschen Wesen, welches sich mit demselben in das Seelenleben des Volkes eingenistet, und so später den Ruin des Staates herbeigeführt hatte."22 Lenkte das Herz die Königin, so sprach sie durch ihren Körper mit der Außenwelt. Luises politische Aussagen waren die ihrer Krankheiten, was ihrer stillen Weiblichkeit ebenso entsprach wie ihrer unverfälschten Natürlichkeit. Wie der Vogel unter Tage die Bergleute vor dem Gift des ausströmenden Gases warnt und der Karpfen im Weiher kommende Erdbeben spürt, so war das „in Güte schwimmende" Herz der Königin Seismograph für die Zustände im Staat.23 Die Leiden der Landesmutter kündeten somit von Preußens tiefem Sturz. Kapitale Fehler in der Staatsführung hatten ihren körperlichen Niedergang schon Monate vor der Katastrophe von Jena beginnen lassen, da niemand den Verlust der nationalen Ehre „persönlich so schwer und so schmerzlich" empfunden hatte wie sie. „Alles was Schönes und Edles und Hohes in ihr lebte, alles was sie selbst als Tugend' empfand, war im Innersten getroffen", schrieb Paul Bailleu. „Der Abschluß des Pariser Vertrages warf sie geradezu aufs Krankenlager. Es war die volle Wahrheit, wenn ein deutscher Diplomat [...] einige Wochen später schrieb: ,Die Königin soll bei diesem Gang der politischen Angelegenheiten unaussprechlich leiden [...]. Der Gram soll an ihrer Gesundheit nagen, daß der Leibarzt Hufeland ungemein für sie fürchtet'."24 Luise hatte das Land gewarnt; als Frau von Bildung hätte sie das nicht vermocht, verdarb doch übermäßiges Wissen den weiblichen Charakter, da es Natur durch Kultur ersetzte. Einzig der unverwischbare Gegensatz zwischen der Kultur des Mannes und der Natur der Frau aber bestimmte die Geschicke der Nation, denn die Natur

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sprang in die Bresche, wo die Kultur versagte. Die Rückbesinnung auf das Ursprüngliche schützte vor Verfall, wendete Verderben ab und lenkte den Fluß der Ereignisse in seinen angestammten Lauf zurück. Eine politische Luise hat es demnach nie gegeben - denn die politische Luise war die natürliche Luise. Der schriftliche Nachlaß der Königin galt als Unterpfand ihrer natürlichen, echten und deutschen Gefühle. „Allerdings eine wahre Offenbarung geistigen Lebens ist das Wort nur da, wo es ein Schlag des Herzens, ein Klang der Seele ist", schrieb Friedrich Adami, „wo die Rede mit dem Grundtone des ganzen Wesens übereinstimmt." Der Zauber von Luises Briefen lag darum weniger in der Kunst der schönen Worte als in der Schönheit ihrer Natürlichkeit. „Im Gegensatze zu Talleyrand, jenem hinkenden Teufel französischer Diplomatie, der da meinte: die Worte seien nur dazu da, um die Gedanken zu verschleiern, kam der Königin in ihrer mündlichen oder schriftlichen Rede vielmehr alles darauf an, ihre Gedanken und Gefühle frischweg auszusprechen." 2 ' Ausgesprochen unpassend aber war, daß sie das frischweg auf französisch tat. Zahllose französische Briefe aus der Feder der „Deutschesten aller Deutschen" stürzten deren Biographen in Erklärungsnöte. „Wohl widerstrebt es dem deutschen Sinne, daß die edle deutsche Frau und Königin ihre herzlichsten Gefühle in einer fremden und nicht in der Sprache ihres Volkes niederschrieb. Aber jener alte Wahn hatte ja auch noch auf ihre Erziehung eingewirkt, und die lange Gewohnheit der Jugend beherrschte sie noch in reiferen Jahren. Gewiß ist es, daß sie im Geist und in der Wahrheit eine Deutsche war. Auch sollte ihr letzter Ausruf mit dem sie verschied, ein deutscher sein."26 Die Nachwelt dankte Luise den deutschen Tod und nahm sie einmal mehr als Opfer der Franzosen, schon im Leben gekettet an die „Fesseln jener französischen Etikette, die das Siècle de Louis le Grand fast für das ganze europäische Staatenleben geschmiedet hatte". Eine französische Gouvernante hatte Luise demnach von einem urdeutschen Mädel zu einer tauben „Schlafwandlerin" gemacht und deren germanische Natur unter „französisch geschnittenen Bäumen", in denen selbst die Vögel „französisch sangen", zum Absterben gebracht.27 Erst nach Jena „schlug die deutsche Liebhaberei und Nachahmung der Pariser Sitten und Unsitten naturgemäß in brennenden Haß gegen das Franzosenthum um", und die „Modefesseln der Gallomanen" wurden gesprengt. 28 Das Natürliche diente dem deutschen Nationalismus zur Abgrenzung gegenüber dem Erzfeind, wobei die Liebe zum Vaterland mit Hilfe des Luisenmythos als unabänderliche Natur der Deutschen propagiert wurde. Kennzeichneten Natürlichkeit und Tugend, als eins verkündet, der Deutschen Art, so brandmarkten Künstlichkeit und Unmoral das französische Volk: „Napoleon haßte in der Königin nicht bloß die erklärte Feindin, noch mehr den sittlichen und nationalen Charakter, welchen sie in edler Verklärung im stärksten Gegensatz zu seiner eigenen Natur zur Erscheinung brachte und den zu besiegen er an den letzten Marken des Reiches verzweifeln mußte."29 Geist und Verstand der Monarchin durch Gefühl und Instinkt ersetzend, haben Historiker und Luisenbiographen der Feindschaft zwischen Deutschland und Frank-

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reich eine wesensmäßige, gleichsam natürliche Grundlage bereitet; und als Meister des Kalküls war Napoleon selbst Beweis für das Konstrukt, zumal sein Haß auf die Königin von Preußen gleichfalls als instinktgesteuert galt, was wiederum sein wahres Wesen offenbarte. Luise selbst, so Tessa Klatt, habe stets gewußt, daß Frankreich immer „nur Gegner" der Deutschen sein könne und schon „seiner Natur nach nie Verhandlungspartner für einen anderen Staat".30 Und Natürlichkeit tilgte schließlich auch den Widerspruch zwischen Luises Wut und ihrer holden Weiblichkeit, wurzelten ihre „Abneigung gegen Frankreich" und ihr „kriegerischer Eifer" doch „auf dem tiefen Grunde einer edlen, durchaus weiblichen Natur" und schmälerten daher keineswegs ihre geschlechtsspezifische Idealität.31 Königin Luise hatte dem Mythos nach die deutsche Erhebung entfacht; auch ihre Briefe, wie es schien, kündeten von der deutschen Wiedergeburt, deutsche Ausdrükke nämlich durchdrangen immer wieder ihre französischen Sätze. Das Deutsche, „unversehens heraussprudelnd", bahnte sich seinen Weg und erzählte der Nachwelt von Luises „Neuentdeckung der Muttersprache" als „nationalen Schatz".32 „Nicht umsonst schrieb der Turnvater Jahn: ,In seiner Muttersprache ehrt sich jedes Volk - ein Volk, das seine eigene Sprache verlernt, giebt sein Stimmrecht in der Menschheit auf und ist zur stummen Rolle auf der Völkerbühne verwiesen. Mag es dann aller Welt Sprachen begreifen und übergelehrt bei Babels Thurmbau zum Dolmetscher dienen: es ist kein Volk mehr'." 33 Der Mythos vom Aufstieg der Deutschen durch das Leben und Sterben der Königin Luise hat auch die Anfange der Turnbewegung integriert, denn nicht von ungefähr war „gerade in jener wunderbaren Zeit des Werdens und Wachsens, des Hoffens und Bangens" auch die Tätigkeit eines Mannes erwacht, der den Ruf nach Freiheit mit der Ertüchtigung des Einzelnen verband und die geistige Gesundung des Volkes zur deutschen Nation mit dessen körperlicher Kräftigung zusammenbrachte. Die Liebe zum Vaterland hatte Friedrich Ludwig Jahn schon „mit der Muttermilch" getrunken und ein unsterbliches „Großvolk" der „Weltgeschichte" erahnt, an dessen Aufstieg er mitzuwirken trachtete. Einst als Nationalist und Querkopf der preußischen Monarchie ein Dorn im Auge, rühmte man ihn nach der Reichsgründung als Kämpfer für die deutsche Einheit, hatte doch auch er entfacht, was neues Leben in sich barg: die „Glut unter der Asche" der Königin Luise.34 Zwanzig Jahre vor dem Turnvater hatte Luise bereits die Kräftigung ihres Leibes als Grundlage nationaler Gesinnung begriffen, wie es hieß, und mit der „Läuterung ihres Muttergeistes lange vor der Vermählung" ihre Pflichten in einem „gesunden deutschen Volksgeschlecht" erkannt, dem sie als Beispiel voranzuschreiten gedachte. Nationalismus, Sozialdarwinismus und völkische Esoterik hatte Peter Thiel 1906 zu seinem ,Jena-Jahrhundert-Weckruf!" Germanias Mutterherz vermengt, das er mit martialischer Gesinnung füllte: „Die alten Germaninnen waren rechte Mütter", erklärte Thiels Luise. „Sie waren kerngesund und konnten ihre Kinder selbst gesund ernähren. [...] Im Kriege zogen sie und ihre Kinder mit den Männern in die Schlacht und schürten sie zur Tapferkeit. Die Feigen jagten sie zurück. Ein solch gesundes Volk ver-

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mochte ganz Europa zu veijüngen, weil dies Volk noch Mütter hatte. Wehe dem armen deutschen Volk, das keine Mütter hat!"35 „Ich muß es als eine große Gunst des Schicksals begrüßen", schrieb Thiel in der Vorrede, „daß gerade am Jahrhunderttage von Jena diese meine .Luise' vor mein deutsches Volk treten darf als ein verklärtes Mutter-Ideal für alle Zeiten, als eine warnende Richterin für die verhängnisschweren Unnatürlichkeiten und Sitten-Entartungen unserer Neuzeit und als eine Prophetin, die uns vor einem neuen Jena bewahren möchte. [...] In einer Zeit, wo alles wie vor hundert Jahren nach Natur und Natürlichkeit seufzt, wo mit allen Künsten auch die Dichtkunst zum Jungborn der Natur zurückpilgert, [...] da darf und muß auch unsere Königin Luise in ihrer rein-natürlichen Menschlichkeit und schlichten Hoheit in die deutsche Volksseele hineinverkörpert werden." 36 Eingeklammert zwischen der Dekadenz der Feudalherrschaft und der Kälte des Rationalismus einerseits sowie dem Kriegssturm Napoleons und der Restauration andererseits, verklärten sich die wenigen glücklichen Jahre der bürgerlichen Königin zu einer Dekade, die im 19. und 20. Jahrhundert wehmütiges Symbol war für das Gesunde, Echte und Natürliche. Angst vor den explosiven Potentialitäten der Moderne sowie Unbehagen angesichts rasanter Industrialisierung und ihrer sozialen Folgen hatten der ewigen Nation den Horizont verdunkelt; technischer Fortschritt und Mechanisierung, Klassenkampf und Entwurzelung, zerrissene Familienbande und aufbrechende Loyalitäten bestimmten das Gefühl der Identitätskrise, des Normenverlustes und der Orientierungslosigkeit. Einer kalten Wirklichkeit suchten viele in die alte Einheit von Mensch und Natur zu entkommen: Jugendbewegung, Wandervereine und Freikörperkultur wurden zu Massenphänomenen der wilhelminischen Epoche und der Weimarer Zeit. Legenden, Mythen und Sinngebungsangebote traten in ungekannter Fülle auf, wo feste Normen fehlten und Religion nichts mehr galt. Die Sorge vor der unkontrollierbaren und vergänglichen Zeit fand Zuflucht in der Geschichte. Eine idealisierte Vergangenheit sollte die Zukunft kanalisieren und verhindern, daß sie aus den vorgezogenen Bahnen trat. Die „Schinkelzeit" wurde zum Synonym einer heilen Welt und das sentimentale Preußen zur Fluchtburg vor den Konflikten der imperialistischen Klassengesellschaft. Eylert hatte die Königin als Sinnbild der „Natur und Unschuld" in eine „goldene Zeit" verbracht, ein verlorenes Paradies, um welches Moeller van den Bruck noch 1916 trauerte.37 Die Beschwörung der Zeit hatte die Aufgabe, sie anzuhalten, und Luise, weil sie der realen Welt so fern war, neutralisierte in einem nervösen Zeitalter die Zeit.

25 Die Märtyrerin „Sie hatte zu viel weinen müssen, um ein langes heben fertig zu bringen. Theodor Mommsen 1876

Einige Jahre vor ihrem Tod, da sie allein in ihrer Pariser Wohnung lag, weil ihre weltberühmten Beine sie schon lange nicht mehr trugen, schrieb Marlene Dietrich auf ein Blatt Papier mit großer Schrift: „Lerne weinen ohne zu klagen. Königin Luise von Preußen schrieb dies auf der Flucht an die Wand. (Geschichts-Stunde, Schule)."2 „Ein eisiger Januarsturm braust über die Kurische Nehrung, wurzelt Bäume aus, trägt Dächer ab, peitscht das Meer dem schmalen Landstreifen zu. Auf weiten Strecken ist der Boden vom Regen aufgeweicht, auf anderen steinhart gefroren und von Eis überdeckt. Ode und verlassen liegt das weite Land. Die Menschen haben sich in ihre Häuser verkrochen, kein Stück Vieh wagt sich heraus. Ein alter, wetterharter Fischer freilich furchtet auch diese Sturmwellen nicht. Aber er staunt, als er auf dem Wege zum Strand zwei offene Reisewagen am Meer entlangfahren sieht. Er nähert sich und sieht in dem einen Wagen eine blasse, kranke Frau ganz in Kissen gepackt, von Fieberfrösten durchschüttelt. Er will weitergehen ..., da durchzuckt ihn plötzlich ein jäher Schrecken: das ist ja ...? Die Königin?... die Landesmutter!... hier in diesem Satanswetter ...! schwerkrank...! Seine Knie zittern, kein Wort kann er hervorbringen, so hat's ihn getroffen. Aber da dringt schon ihre Stimme an sein Ohr: ,Ihr Wundert euch, aber es ist schon wahr. Die Königin ist auf der Flucht vor dem Eroberer. Der König ist geschlagen. Die Kinder sind nicht bei mir, sie dürfen nicht in die Hand dieses Bösen fallen. Tags fahren wir im Sturm oder im Eise und haben wenig zu Essen, nachts fehlt oft ein Bett. Aber wißt Ihr, Bauer, das darf uns alles nicht mutlos machen! Wir müssen weiterarbeiten, daß wir wieder stark werden und uns aus der Schmach befreien können. Ihr Bauern müßt helfen wie die Bürger und Arbeiter in der Stadt. Nur wenn wir zusammenstehen, sind wir stark. Und dann bitten wir unsern Herrgott im Himmel, daß er unsre Waffen segne und uns einen ehrlichen Frieden wiedergebe...' Große Augen macht der Fischer. Eine schwache Frau, auf der Flucht und todkrank und solchen Mut und solches Gottvertrauen! Am liebsten hätte er vor ihr seine alten Knie gebeugt, so ergriffen war er. Aber schon ziehen die Pferde wieder an ..., die Fahrt ins Elend muß weitergehen. Ein rasches .Lebewohl', und der gespenstige Zug verschwindet in Sturm und Regen. Lange noch steht der Alte an der gleichen Stelle. Tränen laufen über seine verwitterten Backen, er hält den Hut noch immer in der Hand: ,Wir wollen dir helfen, Königin', flüstern seine Lippen, ,du sollst mit uns zufrieden sein, wenn der König uns ruft!'..."3 Ein Lesebuch für Jungen schaute in die

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Zukunft der Vergangenheit. Erschienen war es just in jenem Jahr, da Hitler in Polen einmarschierte. Ertragen ohne Klagen hatte der Nationalismus zur maßgeblichen Forderung an den Staatsbürger gemacht - Königin Luise schleppte sich voran, sie, die man fiir mehr als ein Jahrhundert als „die königliche Dulderin" betrauerte wie feierte. „Mit uns ist es aus", schrieb Luise zwei Jahre vor ihrem Tod an den Vater, „wenn auch nicht für immer, doch fiir jetzt. Für mein Leben hoffe ich nichts mehr. Ich habe mich ergeben, und in dieser Ergebung, in dieser Fügung des Himmels bin ich jetzt ruhig und in solcher Ruhe, wenn auch nicht irdisch glücklich, doch, was mehr sagen will, geistig glückselig."4 Die Königin selbst, redigiert von Eylert, hatte in ihrem .politischen Glaubensbekenntnis' das zentrale Motiv des eigenen Mythos angedeutet, womit sie ihr Martyrium vor der Nachwelt als Faktum bewahrheitete wie als Politikum bezeugte. „Unsere Königin Luise", bestätigte die Vossische Zeitung zum fünfzigsten Todestag, „starb an gebrochenem Herzen."5 Einhundert Jahre nach ihrem Tod schmückte man das Bild der an den Vater Schreibenden (Abb. 46) mit Kreuz und Dornenkrone. Einst, nachdem die Leiche aufgeschnitten und ein zerstörtes Herz gefunden worden war, hatte das Morgenblatt erklärt, der „brennend heiße Schmerz über das Schicksal des Vaterlandes" habe es verzehrt.6 Und dieser Glaube einte das Volk: „Allgemein", berichtete Heinrich Steffens, „schrieb man den Tod der Königin der unglücklichen Lage des Landes zu."7 Zahllose Zitate solcher Berichte in Büchern und Zeitungen machten das gebrochene Herz der Königin zur Tatsache der Geschichte und ihren Kummertod zum allgemeinen Bildungsgut: „Der Schmerz über das Schick-

Abb. 46 Franz Stassen: Königin Luise schreibt an ihren Vater, den Herzog Karl von MecklenburgStrelitz, 1901

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sal hatte ihre Gesundheit gebrochen", schrieb Meyer's Konversationslexikon 1877, und selbst Theodor Mommsen, der sich im Gegensatz zu den meisten seiner Zeitgenossen um eine Darstellung des Luisenlebens jenseits der Legende mühte, glaubte, „daß das gebrochene Lebensglück den Tod der Königin beschleunigt" habe.8 Konzepte des Sterbens für die Nation säkularisieren oft die christliche Hagiographie. Einerseits zu historischem Wissen gemacht, andererseits mit sakralen Motiven überhöht, stand der Tod der Königin Luise aus Sorge um das Vaterland im Mittelpunkt der ideologischen Aufbereitung ihrer Existenz. Das Opfer jener Frau war höchste Mahnung wie leuchtendes Beispiel, im 19. Jahrhundert wie noch zur Hitlerzeit. Schmerzen gebären Märtyrer, und Schmerzen zweierlei Ursprungs hatten die Königin zugrunde gerichtet; die einen wurden ihr von außen zugefugt, während die anderen von innen kamen und über die Jahre wuchsen, bis hin zum jähen Ende. Die Flucht vor den Franzosen war die erste Marter, und dieses Drama hat wie kein anderes das preußische Gemüt erhitzt, eisig nämlich war der Winter, in dem Luise vor dem Feind gen Osten floh, und berühmt die erste Szene der Tragödie, die Karoline von Berg geliefert oder gar ersonnen hatte: Die Nacht zu Orteisburg, wo die verzweifelte Monarchin in dem „bedrängtesten Augenblick ihres Lebens" den „rührenden Gesang" aus Goethes Wilhelm Meisterin ihr Tagebuch geschrieben hatte: Wer nie sein Brot mit Tränen aß, Wer nie die kummervollen Nächte Auf seinem Bette weinend saß, Der kennt euch nicht, ihr himmlischen Mächte. 9

Goethe selbst entsann sich später, daß die „höchst vollkommene" und „angebetete" Monarchin jene „tiefschmerzlichen Zeilen" in der „grausamsten Verbannung" niedergeschrieben habe und gab mit seiner Reflexion auf Luises Reflexion dem mythenstabilisierenden Verweisungsgefüge von Dichterfürst und Königin ein weiteres Element.10 Karoline von Berg aber hatte keine Bühne für jene Szene des Martyriums beschrieben, erfunden wurde deshalb noch ein schaurig schöner Ort. Zuflucht suchend vor einem „Schneegewitter", hatte es Luise nun in eine „ärmliche Bauernhütte an der unwegsamen Landstraße" verschlagen, wo „die Tiefgebeugte" des Dichters Zeilen verewigte, keineswegs jedoch im Tagebuch, sondern in der Fensterscheibe. Ein Diamant, vom Finger gezogen, diente ihr als Griffel, während Wilhelm Meister in der Bauernhütte auch zur Aufführung gelangte: „Thränen aus ihren schönen Augen benetzten das Graubrot, welches die teilnehmende Bauersfrau mit der Königin teilte, die diesmal sogar ,auf fremdem Bette weinend saß' und wohl der Schlußworte jenes Liedes gedachte: Ihr fuhrt ins Leben uns hinein, Ihr laßt den Armen schuldig werden, Dann überlaßt ihr ihn der Pein: Denn alle Schuld rächt sich auf Erden."11

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Ende des 19. Jahrhunderts zeigte der Königsberger Maler Johannes Heydeck in geradezu kindlicher Naivität die Königin auf der Flucht (Abb. 47). Eingehüllt in einen Hermelinmantel, den Kopf nach Schadows Art umwickelt und somit in aller Deutlichkeit als Königin Luise gekennzeichnet, zerkratzt die weinende Monarchin das Fenster der kargen Bauernhütte; die Bewohner verharren in andächtigem Gebet. „Nur wer romanhafte Erdichtung lieber hat, als ächte Geschichte", schrieb Friedrich Adami, der besagtes Bauernhaus vergeblich suchte, „nur der kann jene gläserne Inschrift, die an sich schon das Merkmal äußerer und innerer Unwahrscheinlichkeit trägt, für glaubwürdig ansehen"12 - doch derer gab es viele, so repetierte Abb. 47 Johannes Heydeck: Königin Luise auf der Flucht,

um 1900

sie

F r i e d r i c h F ö r s t e r in s e i n e r

mehrbändigen Geschichte der Befreiungskriege noch ebenso wie manches Geschichtsbuch der Kaiserzeit. Das Märchenbild von Heydeck, auch auf Postkarten verbreitet, zierte unterdessen die vielgedruckte Luisenbiographie des prominenten Hofpredigers Bernhard Rogge. Luises Ruhe auf der Flucht dauerte nur kurze Zeit. Kaum angelangt in Königsberg, warf der Typhus sie aufs Krankenlager, und hinein in dieses Elend traf die Nachricht von der nahenden französischen Armee. „Ich will lieber in die Hände Gottes fallen als dieser Menschen", erklärte die Fiebernde dem Hofarzt, befahl die unverzügliche Abreise und war doch selbst so schwach, daß sie in den Wagen getragen werden mußte. „Matt und entkräftet lag die schöne Gestalt in dem Sessel", berichtete eine Hofdame später, „das himmlisch blasse Gesicht sah man nur wenig durch den übergeworfenen Schleier; langsam wurde sie die breiten Schloßtreppen hinuntergetragen." Und für diese, den literarischen Konventionen des Jahrhunderts so vollendet entsprechende blutleere Schönheit begann an einem schneidend kalten Wintertag die Fahrt

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über die Kurische Nehrung, jenen „stellenweise kaum 2 Kilometer breiten Streifen öden Landes, der sich zwischen dem Kurischen Haff und der Ostsee nordwärts bis Memel zieht. Häufige Regengüsse hatten den Boden aufgeweicht", erzählte Bailleu, „das Meer, von Januarstürmen gepeitscht, drohte das Land zu überfluten, das Land sich im Meer zu verlieren. Man kam an einem Wrack vorbei, über dem die Wellen zusammenschlugen: es schien wie ein Bild des preußischen Staates. Im Heulen des Sturmes, im Brausen des Meeres dachte einer der Flüchtlinge an die Nacht, in der König Lear seinen Töchtern fluchte, und fand sie ruhiger als diese Nächte der Kurischen Nehrung." 13 Leibarzt Hufeland war der berühmteste Chronist der schauerlichen Reise: „Wir brachten drei Tage und drei Nächte, die Tage teils in den Sturmwellen des Meeres, teils im Eise fahrend, die Nächte in elendesten Nachtquartieren zu, die erste Nacht lag die Königin in einer Stube, wo die Fenster zerbrochen waren und der Schnee ihr auf das Bett geweht wurde, ohne erquickende Nahrung. So hat noch keine Königin die Not empfunden. Ich dabei in der beständigen ängstlichen Besorgnis, daß sie ein Schlagfluss treffen möchte. - Und dennoch erhielt sie ihren Muth, ihr himmlisches Vertrauen auf Gott aufrecht, und er belebte uns alle. [...] Wir erblickten endlich Memel am jenseitigen Ufer, zum ersten Mal brach die Sonne durch und beleuchtete mild und schön die Stadt, die unser Ruhe- und Wendepunkt werden sollte. Wir nahmen es als ein gutes Omen an."14 Der .Königin der Leiden' aber hatte das Leiden gut getan, da „Fahrt und frische Luft" ihre Genesung „wunderbar gefördert" hatten, wie Paul Bailleu erzählte, „sie erschien wie verjüngt".15 Endete Luises Flucht zwar in Memel, so hatte doch das zweite ihrer Martyrien erst begonnen: das langsame Sterben aus Kummer und Schmerz über Preußens Not. Kaum ein Historiker des 19. Jahrhunderts hat diesen Todeskampf bestritten - den Sinn eines Lebens, das Geschichtsbild einer Nation hätte er zerstört. Kronzeugen jenes Sterbens gab es zuhauf. Kein zweites Dokument aber sollte die körperlichen und seelischen Qualen der Königin unmittelbarer bezeugen als das berühmte Tagebuch der Oberhofmeisterin Voß, das erst nach der Reichsgründung veröffentlicht wurde. Eingeschworen auf den Glauben an Luises Kummertod, lasen ganze Generationen das immer wieder aufgelegte Tagebuch gleich einer Luisenpassionsgeschichte. „Die arme Königin weint zuviel!", klagte die Gräfin seit 1807 in steter Regelmäßigkeit. „Sie ist ein Engel, aber sie ist unaussprechlich traurig; Gott allein weiß, was sie leidet!"16 Ein jeder Patriot im Kaiserreich indessen wußte um das Leiden und fand sein Wissen nun bestätigt in den Aufzeichnungen einer Dame, deren „schlichte aufrichtige Natur" den historischen Wert ihrer Erinnerungen begründete. Kaum etwas lag der Gräfin nämlich ferner, wie ihr Herausgeber versicherte, als „ein Nachgeben an selbstische Gefühle" oder gar der „leiseste Zug von Sentimentalität".17 Züge von Sentimentalität jedoch waren beim geschulten Leser längst vorhanden und wurden von den knappen, mitnichten aber nüchternen Einträgen der Gräfin noch verstärkt. Die wiederholten Klagen über Luises Leiden, verbunden mit teils derben Verwünschungen Napoleons und der Franzosen, gaben in Zeiten, in denen ande-

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re Quellen noch unbekannt waren, dem Martyrium der Königin die Wahrheit der Geschichte. Und daß gerade die nicht fiir ein großes Publikum bestimmte Niederschrift der Voß nach ihrer späten Veröffentlichung zum universalen Beleg des Mythos wurde, zeugt von dessen eigener Dynamik wie seinem Selbsterhalt in der Moderne. Königin Luises frühen Tod betrachtete man „als einen Martertod aus Gram über das Unglück ihres geliebten Landes", und das „mit Recht".18 Der Mythos der Nation nährte sich an allem, was ihm zupaß kam, und blendete aus, was ihm entgegenstand; er stärkte sich an der Historiographie, wie er von deren Mängeln zehrte. Mythen stillen das Begehren nach klaren Ursprüngen und eindeutigen Zuordnungen, festen Identitäten und glaubwürdigen Zielen; sie geben Antworten, wo Fragen offen bleiben, und bieten Sicherheit, wo Skepsis gefordert ist. Das Leben des Märtyrers beginnt mit dem Tod; das Ende von Luises Erdendasein war darum dessen Höhepunkt, grandiose Bestätigung des Gewesenen, Eintritt in höhere Sphären und der Nachwelt ein an Deutungsangeboten überquellendes Depot. Zeitungsartikel schilderten Luises Tod ausfuhrlicher als ihr Leben; die Erinnerung an ihr Martyrium belebte dessen einigende Emotionalität, weshalb man selbst an den Geburtstagen der Kaisermutter gern von deren Tod erzählte. Die Sonderbeilage der konservativen Allgemeinen Preußischen Staats-Zeitung zum 10. März 1876 kam nach einer kurzen Lebensbeschreibung auf die Zeit der Not zu sprechen und zitierte schlußendlich aus dem Tagebuch der Gräfin Voß, die in apodiktischem Wortlaut vom Märtyrertod Luises berichtete: „Die Königin hatte ihren Kopf sanft auf die Seite geneigt und die Augen fest gen Himmel gerichtet. Ihre großen Augen weit geöffnet und aufwärts blickend sagte sie: ,Ich sterbe, o Jesu mach' es leicht!' - Ach, das war ein Augenblick, wie niemand ihn je vergißt! Ich bat den König, ihr die Augen zuzudrücken, denn der letzte Atem war entflohen! - Ach, das Schluchzen und Weinen des unglücklichen Königs, der Kinder und Aller, die umher knieten, war schrecklich. Die Wege Gottes sind unerforschlich und heilig, aber sie sind furchtbar zu gehen. - Der König, die Kinder, der Staat, der Hof, Alle, ja Alle haben Alles auf der Welt mit ihr verloren."19 Hohenzieritz war der Preußen Golgatha. Konsequent blieb die medizinische Todesursache in späteren Jahren unerwähnt; das Banale wich dem Bedeutsamen und der Keim des Todes wanderte von der Lunge in das ungleich symbolträchtigere Herz. „Die Ärzte sagen, der Polyp am Herzen sei eine Folge zu großen und anhaltenden Kummers", schrieb die Oberhofmeisterin in ihr Tagebuch, und Kummer „dessen hat sie viel, viel gehabt!"20 Liebe war Luises Macht; folglich starb sie einen „Liebestod", einen Tod aus Liebe zum preußischen und deutschen Volk.21 Sitz der Liebe ist das Herz. Sagen und Märchen, Philosophie und Religion haben das Herz als Stätte der Seele und des Lebens, der Emotionen und Affekte etabliert, als symbolischen Ort des Entstehens wie des Brechens enger Bande. Das Herz ist aber auch dem Haß ein Hort. Napoleon hatte das vergessen, als in Tilsit das „in der Königin hochaufschlagende Herz der Nation" vor seinem „Todfeind"

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stand, dem nicht mal „eine Ahnung" kam, „daß dieses deutsche Herz und dessen heiliger Zorn ihn eines Tages doch noch in den Staub treten würde".22 Und diesen Tag bestimmte jenes Herz mit seinem Tod, denn „als die Betäubung des grenzenlosen Schmerzes zu weichen begann, da erwuchs für diese Königin im Herzen ihrer Preußen eine Saat von Liebe und Verehrung, der nur das glühende Verlangen gleich kam, ihr Sterben und Leiden mit Gut und Blut rächend zu vergelten" - in Erinnerung dessen „krampfte" sich noch ein Jahrhundert später den „späten Enkeln" das „Herz".23 Königin Luise, nicht nur leiblich und politisch ihren Untertanen vorangestellt, sondern als „Königin der Herzen" 24 auch Herrscherin der Emotionen, hatte mit ihrem „Opfertod" das „Herz der Nation wachgerufen" und damit den Willen zum gemeinschaftlichen Kampf erzeugt; denn nur die Liebe, die sie gesät, konnte sich in jenen Haß verwandeln, der dem Volk die Kraft gab zur Befreiung von der Fremdherrschaft.25 Zahllose Male in dem vom Leid entflammten, offenen Herzen der Jungfrau Maria versinnbildlicht und in den Traditionen der Herz-Jesu-Verehrung anschaulich geworden, stand das Herz für die Einheit der Gläubigen im Geiste Christi und wurde als Stätte der kollektiven seelischen Vereinigung einer Gemeinschaft zu einem auch politischen Symbol von großer Kraft. Königin Luise hatte das Herz der Nation in sich getragen; damit reaktivierte ihr Mythos auch das alte Bild vom Staat als Körper. Das Land war in Not, das Volk verzagt und der Hof auf der Flucht, doch „wo sie war, dort war Preußen", schrieb Moeller van den Bruck.26 Eine Zeit der Ehrlosigkeit und Umnachtung verschmolz Nation und Individuum zu einer Gestalt, war doch Luises Leben „das Leben des Staates geworden", wie Karoline von Berg berichtet hatte. Und auf der Weltbühne, so Karl Griewank, habe nach Jena nicht mehr König Friedrich Wilhelm als „Verkörperung dieses Staates und seines Lebensrechtes" gegolten, „sondern die Königin Luise".27 Das Schicksal der Königin wurde dem des Vaterlandes gleichgesetzt; der militärische, politische und moralische Untergang machte sie zum „personalisierten Bild der damals erlebbaren Geschichte". 28 Die große Mutter trug das Volk in ihrem Herzen, und wo eine alle war, waren alle eins und eine: „Jeder fiihlte, daß auch er der königlichen Landesmutter angehörte; und in diesem erhabenen Bewußtsein bestärkte sie Jeden, auch den Ärmsten und Geringsten." 29 „Zum Symbol, zur Verkörperung des Volksschicksals" hatte sich Luise gleichsam selbst gemacht, wodurch sie nach dem „Entwicklungsgang" vom „reinen Menschentum zum Staatsbürgertum" ihre „letzte Fassung" erreichte. „Das persönliche Ich war überwunden, sie gehörte nur dem Staate." 30 Errungen hatte sie den „Zustand der höchsten Völlendung, wie ihn ein Mensch nur erstreben kann", und starb dann den leiblichen Tod an den Qualen des preußischen Staatskörpers, als dessen physische Inkarnation sie gegolten hatte.31 Schmerz und Tod nimmt der Märtyrer für das Festhalten an seiner Uberzeugung in Kauf weshalb sein Martyrium letztlich auch sein Wille ist. Ende des W.Jahrhunderts untermauerten nationalistische Scharfmacher den Mythos von Luises Mär-

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tyrertod mit der Erfindung einer Todessehnsucht. Der gewollte Verzicht auf den irdischen Körper zur Vervollkommnung des überirdischen entsprach dem poetischen Ideal der Frau, die sich zum Wohl des Mannes selbst entleibt; und geradezu lästig geworden war Luise demnach ihre fleischliche Hülle. Ekstatische Visionen begleiteten ihren Tod, doch waren diese nicht von christlichem, sondern von deutschnationalem Gehalt. Der nationale Geist, sich des kraftlosen Leibes entledigend, besuchte die tapferen Männer des Landes und gab ihnen die Kraft zur Erhebung gegen die Fremdherrschaft. „So oft Luise von dem Geistestraum erwachte", schrieb Peter Thiel, „fühlte sie ein wehes Klopfen in dem wunden Herzen, ein Brennen in der Stirn, ein Zittern aller Glieder. Tödlich müde mußte sie ins Bett getragen werden. Täglich kamen diese traumverlorenen Augenblicke. [...] Ihr ganzer Leib erstarrte, und mit offenem Mund und weiten Augen schien der ganze Leib wie geistberaubt. Zuweilen hauchten aus dem Mund verwirrte Worte von Alldeutschland, Mutterliebe, Fremdherrschaft, Napoleon, Befreiung, Harmonie, ewigen Frieden. Zuweilen bebten alle Glieder, und manchmal wand sie sich vor Schmerz im Herzkrampf. Alle Aerzte waren ratlos. [...] Diesem kranken Mutterherzen fehlte nur der Tod. Ihr Geist war schon wie halb dem kranken Leib entrückt. Im tödlich wunden Mutterherzen rang ihr Muttergeist nach voller Freiheit."32 Königin Luise, „unentstellt", starb den seligen Tod des Märtyrers, der irdisches Leid ertragen kann, weil sein Glaube stärker ist; doch waren christliche Märtyrer im Geist bei Gott, so waren Märtyrer der Nation mit dem Herzen beim Volk. Erlösung wartete nicht im Himmel, sondern auf Erden und mahnte die Lebenden zum Kampf Ein grandioser Sieg über Schuld und Tod war das Sterben der Luise, ein tragisches Schauspiel mit glücklicher Verwandlung in einen Engel am Ende. Der sterbliche Körper war abgelegt, der spirituelle aber blieb und zeigte, wie die Nation den Tod des Einzelnen, die Monarchie den Tod des Monarchen und das Ideale die Zerstörung seines Repräsentanten überlebte. Ein „Licht" war mit Luise aufgegangen, „das allen leuchten konnte und dann erst recht zu leuchten begann, als der schwache Körper zusammenbrach und der Tod sie 1810 dahinraffte".33 Schmerz und Schuld aller auf sich ladend, starb die einzig Unschuldige des Debakels für die Erlösung der Uberlebenden, wobei sie den Glauben an Gott und die Nation als untrennbar voneinander bezeugte. Königin Luise, mit dem eigenen Leib den Körper Christi säkular ersetzend, opferte sich für die große Idee, deren Erfüllung den Hinterbliebenen Rettung und Befreiung in einem werden sollte. Einstimmig hatte man die Heiligwerdung der Königin nach deren Hinscheiden publik gemacht, und die Mythisierung ihres Lebens und Sterbens zum Wohle der Nation bediente sich im Neuen Testament. Nationale Märtyrerin und perfekte Wiederholung der Christusgestalt zugleich, läuterte Luise die Lebenden und wies ihnen als Bote Gottes den Weg zu irdischem Ruhm und himmlischer Glückseligkeit. Einen „Engel im Leben" nannte sie der Hofprediger Eylert 1811, und „einen verklär-

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ten Engel im Tode". 34 Erkannt als göttliche Auserwählung, Heiligung durch Taten und Glorifizierung im Tode, wurde das Dasein der Königin zur christlichen, zur protestantischen Heiligenlegende. „Ein Engel Gottes stieg herab ins Leben", dichtete Friedrich Duncker, angeregt vom Mysterium der Fleischwerdung, „und strahlend schied er zur Unsterblichkeit." 35 Das christliche Glaubensbekenntnis inspirierte Friedrich Adami schließlich zu einer Leidensbeschreibung der Nationalheiligen im Kurzformat: „Bei Lebzeiten tief gebeugt von dem gewaltigen Eroberer; angeklagt von Napoleon vor aller Welt: ,als die Urheberin des ganzen Unheils, welches auf Preußen laste;' vertrieben aus ihrer Hauptstadt bis an die Grenzen des Königreichs; verlassen in ihrem Unglück von Vielen, die bis dahin sich in den Strahlen ihrer Herrlichkeit sonnten, verleumdet sogar von Solchen, deren Mund und Feder vordem von ihrem Lobe überfloß - danach um des Vaterlandes, um des Königs, um ihrer Kinder willen sich selbst überwindend und sich demüthigend vor dem stolzen Sieger, vor demselben Mann, der mit den vergifteten Waffen seiner Verleumdung ihrem Herzen die brennendsten Wunden geschlagen hatte, und trotz dieser hochsinnigen Selbsterniedrigung dennoch der Hälfte ihres Königreichs beraubt - alsdann nach drei Jahren voll Leid und Entsagung heimkehrend in die endlich vom Feinde geräumte Hauptstadt, den Tod im Herzen und bald darauf sterbend im Vaterhause, ohne die heißersehnte Befreiung des Vaterlandes, ohne des Königs Triumph über den großen Feind zu erleben: so stellt die königliche Dulderin sich der unparteiischen Nachwelt dar. - Und was ihr einst das Leben nur halb ertheilt, soll ganz die Nachwelt geben." 3 6

26 Sancta Louisen „ Wie ich horchte und die hohe erleuchtete Frau, das Wort des ewigen Lebens auf Ihren beredten Lippen, ansah, ßel mir der Spruch ein: ,In Deinem Lichte sehen wir das Licht, und selig sind, die da Leid tragen; sie sollen getröstet werden;' denn Alles, wurde mir heller, wie zuvor, und Sie selbst erschien mir in einer lichtvollen Klarheit, schöner, wie ich siejemals gesehen. Ludwig Ernst Borowski 1809

„Ich vertiefte mich ernster in die Dinge, deren Dasein und Wert ich zwar schon vorher gefühlt, aber mehr geahnt, als gewußt habe", schrieb Luise 1808 an Juliane von Krüdener. „Diese Betrachtungen hatten sehr tröstliche Ergebnisse fiir mich. Ich trat näher zu Gott; mein Glaube wurde stärker und so bin ich mitten im Unglück, unter zahllosen Kränkungen und Unbilden niemals ohne Trost geblieben, niemals ganz unglücklich gewesen. [...] Ja, ich bin zu einer Seelenruhe und zu einem innern Frieden gelangt, welche mich hoffen lassen, daß ich mit der Fassung und Demut einer echten Christin alle Fügungen Gottes und alle Leiden ertragen werde, die mir zu meiner Läuterung geschickt werden." 2 Zeiten des Unglücks sind stark im Glauben. Luise Radziwill lobte das Exil in Memel als Weg zu Gott, und Christoph Wilhelm Hufeland las dort zum ersten Mal seit seiner Jugend „das Wort Gottes von Anfang bis zu Ende". Einen „Gleichgesinnten" nannte ihn die Königin, auch sie half sich durch Kirchgang und Gebete über die Not der Jahre fern der Heimat. 3 Eine neue Frömmigkeit hatte sich vor und nach den Freiheitskriegen in Preußen ausgebreitet, beim Adel wie im Volk. Arndt, Fichte und Schleiermacher setzten in ihren Schriften religiöse und nationale Erneuerung gleich; und die religiösen Eiferer des neuen Nationalismus, die am Luisenmythos schrieben, machten den Glauben zur dritten und höchsten Stufe in der Läuterung der Königin Luise. Der sittlichen Bekehrung durch den Ehemann und dem Erwachen eines Nationalbewußtseins im Krieg folgte nun die Offenbarung des Göttlichen im Unglück. Erst im Leide „war sie Christin und - was mehr sagen will - in alledem ward sie Christin", schrieb Wilhelm Baur 1893, der es vom hessischen Landpfarrer zum Generalsuperintendenten der preußischen Rheinprovinz gebracht hatte. „Denn der Christ, sagt Luther, ist nicht im Gewordensein, sondern im Werden. Beide, der König und die Königin, sind erst in der Trübsal zum biblischen Christusglauben gereift. Sie haben von Jugend auf auch in den guten Tagen, hingenommen, was ihnen an christlicher Erkenntnis geboten ward. Es war Anfangs nicht die volle Wahrheit des Evan-

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geliums. Die Königsberger Tage waren ihre beste Schule, und ihr gesegneter Lehrmeister war der dortige ehrwürdige Hofprediger Borowsky."4 Ludwig Ernst Borowski, später zum einzigen Erzbischof der preußischen Landeskirche ernannt, hatte die Hoffnung des Königspaares auf Gottes Hilfe besonders zu schüren gewußt, denn mit der Lehre von der göttlichen Bestimmung der Dinge und der Läuterung des Menschen im Leid predigte er seinen fürstlichen Zuhörern aus dem Herzen. Kaum jemand verstand es besser, Gefühle zu mobilisieren als der „protestantische Papst".5 Und nach dem Tod der Königin widmete sich Borowski mit Luises Hilfe der Wiederaufrichtung des Witwers - wie der Kirche: „Ich hatte in einsamen geschäftsfreien Augenblicken oft mit der Verklärten, als ob ich vor ihr stände, als ob sie mich fragte und ich antworten müßte, gesprochen", schrieb er im November 1810 an den König, „und jedesmal ging dieses in das heißeste Gebet über: ,Gott: Hilf dem Könige, daß er tragen könne, was du ihm auferlegst; Hilf Ihm, daß Er sich finden möge in deinen unbegreiflichen Weg!'"6 „Die Kunst, den Großen zum Munde zu reden, versteht er meisterlich", bemerkte Johann George Scheffner, Kriegsrat und Mentor der Königin, „und die Salbung, die er in seine Kanzelvorträge mischt, tut ihm im Umgange große Dienste [...]. Der Hof hat ihn oft gehört, ließ sich von ihm zu Tränen bewegen, die Frucht von allem blieb aber im abtrocknenden Schnupftuch."7 König Friedrich Wilhelm jedoch belebte gegen Ende des Jahres 1809 die monatlichen Kirchenparaden der Regimenter wieder und setzte im März 1811 ein neues Militärkirchenreglement in Kraft, das dem Feldprediger abverlangte, sich vor dem Gefecht so lange bei den Truppen aufzuhalten, „wie es ohne absolute Lebensgefahr für ihn tunlich ist".8 Und der Befehl, Gedächtnistafeln mit den Namen der Gefallenen „zur Ehre der Toten" und zur „Nacheiferung der anderen" in Kirchenhäusern aufzustellen, erging noch zu Luises Lebzeiten. „Das ist ein Funken mehr", schrieb die Monarchin, „aus dem vielleicht doch noch die Flamme Gottes schlagen kann, welche die Geißel der Völker verzehrt."9 Die Königin war bald hiernach gestorben, ohne das Erhoffte mehr erlebt zu haben, und nicht nur der Witwer tröstete sich im Glauben an ihre Himmelfahrt. Hofprediger Sack erzählte dem Volk von Luises Abberufung in eine schönere Welt: „Sie hat ausgekämpft ihren irdischen Kampf, und eine bessere Krone ist ihr geworden, als die irdische, die sie so würdig getragen hat."10 Die Lebenden aber hatten noch nicht ausgekämpft, und mit Berufung auf Gott übernahm die Kirche ihre maßgebliche Rolle in der Agitation für den Volkskrieg, den sie als vaterländischen Opfergang mit religiösen Weihen schmückte. Körner sang flammende Lieder auf den Herrn und die Königin im Himmel, während das Eis von Rationalismus und Aufklärung in der Hitze des Glaubens an Gott und Vaterland zerschmolz. Einsegnungen von Kriegern in Kirchen ließen die Siege der Befreiungsschlachten wie Zeichen göttlichen Wollens erscheinen, wodurch noch das Reich, das sechzig Jahre später dieser Erhebung vermeintlich entstiegen war, als himmlisches Werk legitimiert werden konnte - ebenso wie als Werk der frommen Königin Luise. Die Historiker und Theologen nämlich, die nach der Reichsgründung

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die Erneuerung des religiösen Lebens in den Freiheitskriegen als epochale Lehre aus des Landes größter Niederlage feiern sollten, sahen den Ursprung jener Umkehr in Luise. Der Mythos machte sie zum Urbild einer als kausal beschworenen Beziehung von nationalem, bürgerlichem und christlichem Bewußtsein, das der Nationalismus seit der Befreiungsära immer propagierte. Luises himmlische Wirksamkeit war mit dem Wiener Kongreß gleichsam bestätigt worden, auf dem jedoch die Monarchie das Rad der Geschichte wieder zurückdrehen wollte und die deutsche Nationalbewegung bitter enttäuschte. Zahlreiche „Apostel" waren in die Stadt geströmt. Karl August Varnhagen von Ense erinnerte sich, daß Zacharias Werner gekommen war, „der königsbergische Preuße [...], der seinen lange versteckten Sinn endlich offen bekannt hatte, katholisch und bald auch Priester geworden war. Noch im vorigen Jahre hatte er in einem halb faselnden, halb trunkenen Gedicht den Sieg der Verbündeten besungen und in seiner Weise, die alles durcheinandermischte, die protestantische Königin Luise von Preußen als eine der Heiligen mit aufgeführt, deren Wirken im Himmel das irdische Siegeswerk mit vollbracht. Seine nunmehrigen Glaubensgenossen achteten solche Absprünge eines verwilderten Gehirns nicht, und niemand mochte die poetische Lizenz rügen, mit der die dogmatische Unterscheidung einen Augenblick der praktischen Verbündung hier zum Opfer gebracht wurde." 11 Katholisches hatte schon den Luisenkult des Bruders Georg inspiriert, bekannte doch der Italienschwärmer noch zu Lebzeiten der Schwester, daß „das Gefühl, mit dem die Katholiken an ihren Heiligen hingen, nicht von dem verschieden sei, das ihn an den Engel fessele".12 Die Unterschiede der Konfessionen aber ließen auch die europäischen Monarchen außer acht. Einheitsphantasien, Freiheitsrechte und Verfassungswünsche nach den Freiheitskriegen widersprachen den Interessen der Hohenzollerndynastie. Die Frömmigkeit, die Luise zur Symbolfigur des bürgerlichen Nationalismus gemacht hatte, stand nach dem Willen des Königshauses nicht für, sondern gegen die Nationalstaatsidee. Eine „Heilige Allianz" der drei christlichen Konfessionen hatten die Monarchen von Preußen, Rußland und Osterreich im Herbst 1815 geschlossen, um die Verhältnisse vor der napoleonischen Ära wiederherzustellen. Zar Alexander rief zu einem religiösen Bund der Völker auf, der jedwede revolutionäre oder liberale Brüderlichkeit ersetzen wie unterdrücken sollte. Der Bund zwischen Völkern wurde der zwischen Fürsten, und indem man ihn religiös gebettet hatte, setzte man auf seine suggestive Kraft. Die Idee zu diesem christlichen Friedensreich war dem Zaren nach einem Gespräch mit Juliane von Krüdener gekommen, einer pietistischen Mystikerin, die alle Großen des Kontinents bekehren wollte und in ihren Häusern Geisterbeschwörungen mit prominenten Persönlichkeiten veranstaltete. Einige Zeit in Berlin ansässig, hatte die baltische Adelige ihren Einfluß auch auf die preußische Königin auszudehnen versucht; und wenngleich sie mehr als ein paar fromme Zeilen von Luise nicht bekommen hatte, so waren diese doch von großem Wert, als man ihre Schreiberin nach 1871 zum Symbol für die angeblich gemeinsamen Traditionen von Religiosität, Nationalismus und Monarchismus machte.

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Kurz nach den Freiheitskriegen wurde die Baronin von Kriidener von ihren adeligen Freunden verleumdet und aus Deutschland in ihre östliche Heimat zurückgejagt, Luise hingegen verwandelte man auch mit Hilfe jenes rastlosen Geistes in eine Heilige. „Die moderne Historie weist kein ähnliches Beispiel von Reinheit, Glanz und schuldlosem Dulden auf, schrieb der sonst so kritische Theodor Fontane, „und wir müssen bis in die Tage des früheren Mittelalters zurückgehen, um Erscheinungen von gleicher Lieblichkeit (und dann immer nur innerhalb der Kirche) zu begegnen."13 Königin Luise, in deutlichen Anklängen an den katholischen Marienkult verehrt, besetzte als weibliche Anbetungsfigur eine im Protestantismus offene Stelle. Eine Heilige dürfe man sie rufen, schrieb die Vossische Zeitung zu Luises fünfzigstem Todestag und versicherte sich des Titels bei denen, die für Heilige zuständig sind, hatte doch „ein katholischer Kirchenfiirst, der Fürstbischof von Ermeland, Graf Joseph von Hohenzollern", die Tote „Sancta Louisen" genannt.14 Eylert, der protestantische Bischof machte die Königin schließlich mit theologischem Erklärungseifer zur Maria auf Erden, denn gleichwie des Heilands „gotterwählte hohe Mutter" das „Urbild der vollendeten Weiblichkeit" gewesen sei, so sei Luise „das Abbild eines ewigen Urbildes", das „Göttliche in reiner, menschlicher Hülle".15 Und wie Maria war auch Luise Jungfrau geblieben, die „jungfräulich blühend" abberufen wurde.16 Autoritäten beider Konfessionen hatten den Glauben an die heilige Königin von Preußen abgesegnet, folglich erzählten wilhelminische Legendenschreiber Luises Lebensgeschichte als Heiligengeschichte: „Himmlischer Gott, was hat die für Augen!", tönte ein fiktiver Zeitgenosse. „Die schauen einen wie überirdisch an, und es wird einem ganz fromm zu Mut, als stünde man vor der Mutter Gottes."17 Königin Luise, Integrationsfigur, sollte über den Konfessionen, Ständen und Zeiten stehen und ähnlich unberührbar sein wie das Gottesgnadentum der Kaiserkrone. Einhundert Jahre nach ihrer Geburt schrieb das Christliche Kunstblatt, man habe sie „die Heilige der Hohenzollern genannt" - und das „nicht mit Unrecht".18 Der Nationalismus entwickelte seine Symbole von Beginn an durch die Säkularisierung religiöser Bilder und Kulte. Althergebrachte, sakrale Wege der Sinnstiftung, die ihre Gültigkeit mitunter zu verlieren begannen, wurden sinnreich in die Mythen der Nation umgeleitet und gaben dieser den Anschein von Tradition und Kontinuität. Der Mythos formte Luises Weg in den Tod zu einem erlösenden Pfad in den Glauben an Nation und Gott. Einsatz und Entsagen wurden mit der christlichen Heilsgeschichte aufbereitet; zentrale Motive der Hagiographie kehrten im Mythos wieder und verwandelten eine endliche Existenz in Ewigkeit. Der Mythos der „Nationalheiligen" beschreibt dabei einen Säkularisierungsprozeß, der in der preußischen Geschichte ohne Beispiel ist.19 Entleert der Mythos den Gegenstand seiner Geschichte und gibt ihm den Anschein eines natürlichen Zustands, so verleiht ihm die Anpassung an religiöse Muster zusätzliche Eingängigkeit und Immunität. Eine auf Prägnanz hin stilisierte und doch von Quellen und Fakten hinreichend untermauerte Biographie wurde durch Andeutungen und Vergleiche sakral überhöht und damit reich an Sinn durch eine vorgefaßte Methode, die Sinn wie Stifter unangreifbar machte. Und

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so goß der Mythos viel Bedeutung auch durch Säkularisierung in eine Form von Schlüssigkeit und Verbindlichkeit. „Mein Reich ist nicht von dieser Welt", schrieb Luise im Jahr vor ihrem Tod an Karoline von Berg und lieferte damit selbst das meistzitierte Zeugnis ihrer Heiligkeit.20 Die damalige öffentliche Meinung, oft nachträglich konstruiert, bestätigte den Mythos und verwirrte die Kausalitäten in seiner Entstehungszeit. „Die Heilige ist im Himmel", soll der alte Blücher ausgerufen haben, als ihn die Nachricht vom Tod der Königin ereilte. Entstammt der Satz auch der Legende, so war er doch als „Dolmetsch der allgemeinen Volksstimme", als „Echo des Volksglaubens" die Wahrheit der Geschichte. 51 Die Auserwähltheit Königin Luises wurde vom Glauben an ihre Heiligkeit besiegelt, den man nach der Gründung des Deutschen Reiches mit allen Mitteln und Medien schürte. Erzählt wurde das Luisenleben als Imitatio Christi, als eine dem Erlöser nachgelebte Existenz. Die Vergleiche von Jesus und Luise begannen unmittelbar nach ihrem Tod und erlebten nach 1871 ihren Höhepunkt. „Der freundliche Stern, der seit Jahrhunderten dem Hause Hohenzollern geleuchtet und es oft durch finstere Nacht geleitet, hatte die Königin dem damaligen Kronprinzen zugeführt", erzählte Karoline von Berg 1814 und gab damit die Zuständigkeit für die Hohenzollern an eine höhere Instanz.22 Und schon Friedrich Wilhelm II. hatte für die Hochzeit des Kronprinzenpaares eine symbolträchtige Stunde gewählt: Heilig Abend, die Nacht von Christi Geburt. Zeiten des Glücks folgte nach Jena die „Passionszeit".23 Erstarkt vom neuerweckten Glauben und „den Geist des Heilands in der Brust", fühlte sich die Königin wie „neugeboren" 24 , begann zu „schweben" 25 und Wunder zu tun als „Engel voller Mitleid und himmlischer Güte". Und „wo sie erschien, da war es, als erhellte sich das Dunkel, als wichen Schmerz, Not und Tod vor der Lichtgestalt der Herrscherin zurück".26 Der Marschbefehl nach Tilsit kam und mit ihm Luises Gethsemane: „O, nun auch das noch! - Wehe mir, zu welchen Qualen bin ich in die Welt geboren! Ich meinte, der Kelch sei geleert; es ist ein Wahn, die Hefen sind noch darin, und die soll ich jetzt trinken!" Das Schlafgemach der Königin war Ort des „Kampfes" mit Gott. 27 „In der Stille ihres Kämmerleins hat die folgende Nacht, als alles im Schlummer lag, die Dulderin noch viel mit ihrem himmlischen Vater geredet und dann beim anbrechenden Morgen in ihr Tagebuch geschrieben: .Welche Uberwindung dieser Gang mich kostet, das weiß mein Gott'." 28 Und so schritt sie nach Tilsit den „Dornenpfad" 29 und beschwor den Feind „bei den Wunden Christi, Erbarmen zu haben mit dem Unglück".30 Die Krone von Preußen wurde zur „Dornenkrone". 31 Das Ende kam dann wie geschildert, und auch die Obduktion bestätigte das „Verwandte mit dem Heiland", war doch Luises Herz am „Elend ihres zertretenen Volkes" zerbrochen wie das des Erlösers an der „Sünde einer verlorenen Welt".32 Wie zu erwarten, folgte auf den Luisentod der „Ostermorgen der Befreiung Deutschlands" 33 , wobei der Mythos das nationale „Pfingstfest" vorgezogen hatte.34 Zur Befreiung nämlich hatte der Geist der Toten das Volk besucht wie einst der Heilige Geist die Jünger

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Jesu; und so war auch an Luise „wahr geworden, was von jenem Helden Israels berichtet wird, - ,Daß sein Sterben mehr Feinde bezwang als sein Leben'", wie Hofprediger Rogge 1910 erklärte.35 Konsequent verschleierte der Mythos seinen Aufbau wie Einsatz und verdrehte die Abhängigkeiten, hatte doch nicht der Staat die Königin geheiligt, sondern umgekehrt - erst „durch Luisen" war die Nation „ehrwürdig, ja heilig geworden", kein Zweifel bestand darum an beider Heiligkeit.36 Luises „eigentliche Heimat war ja der Himmel"37, hatte Karoline von Berg verkündet; einhundert Jahre später, da dieser Satz in allem bewahrheitet schien, fragte sich Kurt Eisner nicht ohne Ironie: „Hat die heilige Luise wirklich gelebt?"38 Königin Luise starb, Reliquien blieben und mit ihnen das Göttliche. Das Kleid, das sie am Tag ihrer Erkrankung in Hohenzieritz getragen hatte, wurde zerschnitten, einzelne Teile mit Bordüren umsäumt und von Friedrich Wilhelm mit kleinen Zetteln versehen, auf denen er seinen Verlust beklagte. Das Taschentuch, mit dem man ihr den Schweiß des Todes abgetrocknet hatte, trug der König auf der Brust und küßte es, wenn er sich unbeobachtet fühlte; ihr letztes Umschlagtuch legte er über den Altar der Kirche zu Paretz, und ein Umhang, den sie oft getragen hatte, bedeckte in Charlottenburg sein Bett.39 Eigens zur Aufbewahrung seiner Andenken kaufte der Witwer einen Schrank mit Luises Porträt.40 „Abgeschnitten in der traurigsten Nacht meines Lebens", stand geschrieben auf dem Zettel, in welchem er dem Hofarzt Heim eine ihrer blonden Locken anvertraute. Und noch die Enkel des berühmten Arztes bewahrten dieses „unschätzbare Andenken" als ein „Heiligtum" und ärgerten sich, nachdem es ihnen um die Jahrhundertwende gestohlen worden war, Ewigkeiten über den Verlust.41 Echte Reliquien jedoch, zumal primäre, besaßen nur die wenigsten, weshalb man auch nach Sekundärem zur Erbauung suchte, schlicht nach allem, was „nur in irgendeine Beziehung zu ihr gebracht werden" konnte. „Eine solche Reliquie befindet sich gegenwärtig in der Gärtnerei des kgl. Kriegs-Ministeriums", berichtete ein Ungenannter in der Deutschen Gärtnerzeitung zum neunzigsten Geburtstag Wilhelms I. 1887, „es ist eine Myrthe, welche von einer, der Königin Louise gehörigen abstammt und Eigenthum ihrer Excellenz der Frau Gemahlin von Albedyll ist. Diese Myrthe wurde mir im November vorigen Jahres in krankhaftem Zustande übergeben. Die gewissenhafte Pflege, welche wir [...] derselben zu Theil werden Hessen, hat es veranlasst, dass die Myrthe jetzt wieder anfangt frisch auszutreiben, so dass wir sagen können, wir haben ein Andenken an Preussens Königin, der Mutter unseres Kaisers vom Verderben errettet."42 Einhundert Jahre nach dem Tod der Königin zeigte das Hohenzollern-Jahrbuch seinen Lesern das Bild einer schlichten Gartenbank, beschriftet als Reliquie: „Die von Königin Luise zuletzt benutzte Gartenbank in Hohenzieritz."43 Der Kult um die Reliquien der Königin erhielt mit dem Hohenzollern-Museum ein eigenes Institut. Die Residenzen in Berlin und Potsdam waren so reich an Andenken wie deren Besitzer spendabel; Wilhelm I. lieh vieles an das Museum aus, und der

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Kronprinz schenkte dem Haus die meisten seiner Erinnerungsstücke an Luise. Einige Jahre nach der Eröffnung füllten diese ein halbes Dutzend Räume. Erfreuen und berauschen sollte sich die Menge an Sachen, die Luise „wirklich besass und benutzte" 44 , und so fand der Besucher Spielsachen der jungen Prinzessin, Schreibhefte, Federn und einen Tuschkasten, die ersten Ohrringe, Instrumente, Geschirr und Handarbeiten, Fächer, Taschentücher und Briefe, mehrere Möbel, darunter eines ihrer Betten, Schmuck, Kleider und Hüte, sogar Strümpfe, eine Zinnschüssel, aus der sie gegessen hatte, mehrere Locken, einen Abguß ihrer Hand sowie ein ausgestopftes Papageienpärchen, das Luise einst belustigt hatte. Die Musealisierung der Verstorbenen war vom Witwer vorbereitet worden, der ihre Hinterlassenschaften zu Objekten der Bewunderung, Reliquien und Fetischen gemacht hatte. Die kleinen Zettel an den Locken oder Kleidungsstücken, auf denen er in bittren Worten die Herkunft wie Bedeutung jedes Andenkens beschrieb, wurden im Hohenzollern-Museum vorgezeigt; der kaiserlichen Familie sicherte die regelrechte Nachinszenierung ihrer tiefsten menschlichen Tragödie die Liebe und Loyalität der Besucher über die Vergänglichkeit der Zeit. Kaiser Wilhelm I. hatte eine von Luises Locken selbst beschriftet: „Mama!"45 Ein Museum, keine Kirche, war der rechte Platz fiir die Reliquien einer säkularisierten Neuzeit. Und diese gaben auf die Frage, ob die heilige Luise wirklich gelebt hatte, eine bestrickend eindeutige Antwort. Einstmals durch Entrückung übermenschlich groß gemacht, fußten Herrscher in der Moderne auf der Faszination wie Illusion von Nähe und Verfügbarkeit.

27 Ikonen „ Alle kristlichen Völker, welchem Bekenntnisse sie auch angehören, sprechen in der Kirche, in der Kunst, im täglichen Wirken und Leben, wenn sie das Schönste, das Reinste anbetend nennen wollen, das Wort Madonna, heilige Jungfrau mit Ehrfurcht aus. Wollte ich aber ein Madonnenantlitz malen, so möchte ich die Königin entwerfen, wie du sie, Freund, unter den Waisen und Kranken mit thränenfeuchtem Auge gesehen. Eduard von Ambach 1845

Ein Vorhang wich effektvoll im Berliner Opernhaus während des Prologs zu Achim von Arnims „Nachtfeier" und gab den Blick frei auf eine Büste Königin Luises mit Sternenkranz. 2 Das Bildwerk hatte Schadow fiir diesen 18. August zur Verfügung gestellt; fünf Tage nach dem Tod der Königin hatte er gezeichnet, wie sie auf dem Sterbebett lag und Engel sie besuchten zum letzten Geleit.3 Und wie dieser Aufstieg vor sich ging, zeigte bald darauf ein Kupferstich mit Luises Himmelfahrt (Abb. 48), den der Kunsthändler Schiavonetti zum Kauf anbot. Emporgetragen von der Gestalt des Glaubens und empfangen von Engeln mit Sternenkranz und Palmenzweig, schwebt die Königin ihren drei verstorbenen Kindern zu und läßt das „weinende Preußen" unter sich in „traurigem Dunkel" zurück.4 Die kollektive Trauer über den Tod der jungen Landesmutter suchte Halt in der Vorstellung ihrer Auferstehung und zog Hoffnung aus dem Glauben an ihre himmlische Wirksamkeit. Luises Bild, schrieb Eylert, „das angenehmste und zugleich musterhafteste schon im Leben, wurde nun vollends nach dem Tode vergöttert".5 Sinn und Bedeutung wurden in den Bildern des Luisenkultes von Beginn an durch den Rückgriff auf traditionelle Ideen produziert, da man einzelne Elemente oder ganze Schemata der religiösen Kunst aus ihrem ursprünglichen Kontext löste und neu verwendete. Einerseits verlieh die Säkularisierung christlicher Bildsprache der Kunde von höheren Zusammenhängen den gewünschten Nachdruck, andererseits trieb sie die Sakralisierung des Gegenstandes voran und hob den Tod der Königin über das bloß Ereignishafte hinaus in eine Sphäre jenseits von Zeit und Begreifbarkeit. Die bildliche Spaltung von Sinn und Form sollte die Verklärung nähren, führte nach neuerlicher Zusammenfugung aber meist nicht zu Ergebnissen von Qualität und dauerhafter Gültigkeit. Kitsch blieb, wo das Ereignis und dessen Emotionen in die Ferne rückten; Versatzstücke trieben unmotiviert auf überfrachteten Flächen, wo konzentrierte Sinnerschaffung wichtiger war als das künstlerische Konzept. Und davor gefeit war nicht einmal ein Großer seiner Zunft.

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Eine Luisenapotheose in Relief (Abb. 31) hatte sich der Auftraggeber gewünscht und konkrete Vorstellungen mitgebracht, denen sich Johann Gottfried Schadow fügte. Salzinspektor Pilegaard hatte nämlich darauf bestanden, „daß seine Erfindung ausgeführt werde, insbesondere die Weltkugel, der betrübte Brennus und die Göttin Borussia. Auf der Erdkugel soll insbesondere der Sterbeort Hohenzieritz in Meck-

Abb. 48 Ludwig Wolf: Die Verklärung der Königin Luise, Stich von J. J. Krethlow, 1810

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lenburg eingeschrieben sein, darüber solle man die Königin in schwebender Gestalt erblicken, umgeben von Engeln. Er ließ es sich gefallen, daß denen die drei christlichen Tugenden: Glaube, Liebe und Hoffiing, beigefügt wurden." 6 Kein Zweifel, wonach Pilegaard der Sinn stand, erinnerte doch schon die formale Zweiteilung des Reliefs in Zonen der Trauer und der himmlischen Glorie an die Trennung von irdischer und himmlischer Sphäre, wie man sie aus Darstellungen von Christi Himmelfahrt und der Assunta kannte. Kompositorische Momente wiesen auf Raffaels Sixtinische Madonna, im Ganzen aber war der spanische Barocktypus der Maria Immaculata Schadows maßgebliche Inspirationsquelle. Die Himmelfahrt Mariens in einer traditionellen Bildform des 17. Jahrhunderts wurde zur Erhöhung der toten Königin benutzt; ein katholisches Madonnenbild geriet zu einem säkularen Andachtsbild, das den Glauben an den preußischen Schutzgeist' ebenso widerspiegeln sollte wie das Bild der liebevollen, bürgerlichen Mutter und das ewige Exempel protestantischer Frömmigkeit. Kunstauffassungen der Zeit zufolge, wie etwa Hegel sie vertrat, konnte der Künstler durchaus Formen nutzen, die einst an einen besonderen Gegenstand gebunden waren oder an eine bestimmte Anschauungsweise. Die Kunst war in dieser Hinsicht ein freies Instrument geworden, das der Künstler nach Maßgabe seiner Geschicklichkeit in Bezug aufjeden Inhalt einsetzen durfte. 7 Antike und christliche Formensprache hatte Christian Daniel Rauch im Luisensarkophag auf meisterliche Weise zusammengeführt. Einem künstlerischen Naturell wie dem seines Lehrers mußten dagegen Schwierigkeiten aus der Verarbeitung einer so abstrakten Thematik wie der einer Apotheose erwachsen, die überdies zum Leidwesen Schadows detaillierte Forderungen erfüllen mußte. Zwar hatte er anfangs noch seine Freude darüber geäußert, daß „mal ein Mensch mit einer dichtrischen Idee auftrat", doch klagte er später, der Besteller habe manches verlangt, „was die Kritik nicht aushält".8 Zustimmung von Kollegen blieb dem Bildhauer versagt. „Der jetzige Ton junger Künstler ist hievon verschieden", bemerkte Schadow, „sie erwidern auf solche darstellbare Aufgaben: ,Es spricht nicht an', und zeigen, daß sie einen freieren Geist haben." 9 Eher noch als die plakative Übernahme christlicher Sujets wird die versatzstückartige Verteilung der Figuren auf der Fläche die allgemeine Ablehnung begründet haben, obgleich Fontane später auch die „Kunstmengerei und Religionsmengerei" in der Luisenapotheose beklagte. „Eigentümlich" fand der Schriftsteller das Werk, das er in der Gutskirche zu Paretz sah, seinem in jeder Hinsicht sinnfälligen Aufbewahrungsort. Der Bildhauer, „sonst von so gutem Geschmack", habe sich hier vergriffen, zumal die Arbeit „in ihrer Mischung von christlicher und heidnischer Symbolik" kaum noch verständlich sei, „jedenfalls unserem Sinne nicht mehr adäquat". Das Bildwerk, so Fontane, gehöre jener „wirren Kunstepoche" an, „wo der große Fritz in Gefahr war, unter die Heiligen versetzt zu werden", eine Gefahr, der Friedrich jedoch entgangen war, nicht aber Luise.10 Kurz nach dem Tod der Königin erschaffen und später nicht mehr produziert, waren die Himmelfahrtsbilder konsequenter Ausdruck des Glaubens an Luises Auf-

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erstehung und damit unmittelbar an der Manifestation des Mythos beteiligt, dienten dem Mythos aber nur für kurze Zeit. Ende des 19. Jahrhunderts wurden zwar viele dieser Bilder wieder abgedruckt, doch waren ihre Aussagen in solchem Maße vorgefaßt, daß sie nur als Zeugnisse der damaligen Trauer um Luise wirken konnten, nicht jedoch als Angebote für die Gegenwart. Kultbild, kraftspendend und heilsam, war in modernen Zeiten nicht, was christliche Symbolik zeigte, sondern was den Menschen Authentizität versprach und dadurch Teilhabe an der heiligen Luise. Ein Bild, das dem Mythos dauerhaft als Medium dienen konnte, mußte wie der Mythos die Möglichkeit eines Wahrheitsbezuges in sich tragen, mußte Wandlung und Assoziation zulassen, für Interpretationen offen sein und damit gültig bleiben in jedem Kontext. Und auch Ikone konnte nur sein und bleiben, was ähnlich war, in der Moderne wie schon in frühchristlicher Zeit. „Die schönen Gesichtszüge der Königin waren während ihrer Krankheit auch nicht einen Augenblick, selbst während der heftigsten Brustkrämpfe, entstellt worden", versicherte Karoline von Berg, Zeugin des Spektakels, „und als sie tot war, entstand eine solche Verklärung auf ihrem Gesicht, besonders auf der Stirn, daß es unmöglich wäre, durch die Phantasie sich ein Bild davon zu entwerfen. Im Munde lag etwas, was andeutete: Es ist vollbracht! und mit einem leisen Zuge der Zufriedenheit es andeutete."11 Luise aber hatte gleichsam selbst ein Bild von sich im Ubergang entworfen. Entstanden scheinbar ohne Künstler und darum so authentisch wie kein anderes Porträt, zeigte die Totenmaske der Nachwelt in „verklärter Schönheit" die „himmlische Ruhe des Friedens", die Luises Abgang einst begleitet hatte.12 Die Gefaßtheit im Sterben war Manifestation ihres protestantischen Glaubens und Beweis für die beruhigende Idee vom Tod, der ohne Makel ist. Erlösung nach irdischem Ringen sah man in der Maske, dem sichtbaren Indiz für den berühmten Zeugenbericht: „Gott forderte ihre Seele sanft zurück, und die schöne Hülle blieb ruhig, unentstellt, wie eine Heilige im tiefen Schlafe, zurück."13 Der Tod ist die einzige Erfahrung, die sich der Kenntnis der Lebenden entzieht und hat darum die Lebenden immer fasziniert. Eine Totenmaske, schrieb Ernst Benkard, steht, „des Geheimnisses voll, zwischen zwei Formen des Daseins, deren eine wir zu kennen glauben, deren andere wir nur glaubend kennen. Totenmasken sind Kunstwerke aus der Werkstätte der Natur; sie sind jedoch zugleich transzendentale Objekte."14 Luises Totenmaske wurde im Hohenzollern-Museum präsentiert; effektvolle Glättung der Züge und Umhüllung mit sorgfaltig drapiertem Kopftuch gaben der Toten ein Madonnengesicht. Die „Engelskönigin" war nach neun Tagen im Sarg „nicht mehr dieselbe" gewesen, weshalb die alte Voß entschieden hatte, daß man sie nicht mehr zeigen könne.15 Kurz hiernach sagte Hofprediger Sack bei der Beisetzung im Dom, die „irdischen Überreste unserer ewig geliebten Königin" seien „heilig", und ein Gedicht aus jenen Tagen versicherte, daß „keine Zeit" ihr „schönes Bild" zerstören werde.16 Und so zerfiel die Königin im Grabe, ihr Bildnis über den Gebeinen aber, dessen Antlitz nach der Totenmaske ohne Spuren des Verfalls gestaltet war, ersetzte, was in der Gruft ver-

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weste. Königin Luise blieb im Leben wie im Sterben jenseits der Zeit - Heilige verwesen nicht. Ein Lächeln, erlöst wie auch erlösend, hatte Christian Daniel Rauch der Schlafenden gegeben; kaum merklich lag ein Sternenkranz auf dem Bettuch um ihr Haupt. Wagte schon der Künstler „schüchtern auszusprechen, daß man sie so gern eine Heilige hat nennen mögen", so sprachen andere um so lauter von Luises heiligem Bild und dessen Zauberkraft.17 Das Grabbild wurde zum Andachtsbild; die Sarkophagstatue der „Heiligen" aus „unserem Haus" versprach den Hohenzollern - und durch sie der ganzen Nation nur Glück und Schutz.18 „Wenn man vor Michelangelos Mediceergräbern von dem in unruhigen Schlaf gebannten Marmorbild der Nacht gesagt hat, sie scheine von bösen Träumen gequält über das Schicksal ihrer Vaterstadt Florenz", schrieb Carl Neumann 1893, „so mag man auf der in Marmor verewigten Erscheinung der Königin Luise Zuversicht und frohe Hoffnung ruhen sehen auf eine hellere Zukunft und den Stern des Hohenzollernhauses."19 Das Sarkophagdenkmal gab dem „Wallfahrer" die Möglichkeit, der heiligen Luise ebenso gewahr zu werden wie der Zukunft der Nationalgemeinschaft unter der Hohenzollernkrone. Ein aus mannigfachen Ursachen entstandener Glaube an die Authentizität der Statue belegte auch deren Heiligkeit. Und wenngleich die Kraft des wichtigsten Bildes im Luisenkult vielfaltig begründet war, so verweist doch die Verklärung jener Statue auf die Frühzeit des Heiligenbildes sowie auf die historisch enge Verbindung zwischen Totenbild und Ikone.20 Die Luisenstatue war in einen Kult eingebunden worden, der das Totenbild zum Kultbild machte. Erst hatte der Kult dem Grab gegolten, dann dem Bild der Toten, das durch den Kult zur Ikone wurde, deren Kraft die Geschichte bewiesen hatte. Die Exaktheit der Entsprechung von Urbild und Abbild garantierte dabei seit frühchristlicher Zeit die Gnadenwirkung der Ikone. Entstehungslegenden dienten daher der Begründung der Ikone, die als wahres Bild entweder übernatürlichen Ursprungs sein mußte oder aber ein mechanischer Abdruck des Antlitzes, der die Ikone zugleich zur Berührungsreliquie machte. Und obwohl diese „Sage vom ungemalten Bild" den Maler eigentlich ausschloß, war auch die Künstlerlegende Begründung der Ikone. Eine Legitimation für den Anspruch der Ikone war die Lukaslegende, die erzählte, wie das Urbild aller gemalten Ikonen entstanden war, als die Madonna dem Evangelisten leibhaftig Modell gestanden hatte. Ergänzt wurde jedoch auch diese Geschichte durch die Sage vom Bild, ,das nicht von Hand gemacht', da das Lukasbild der Legende nach von der Madonna selbst oder durch ein Wunder des Heiligen Geistes vollendet worden war, was der gemalten Ikone Anspruch auf vollkommene Authentizität bescherte. Entstehungslegenden wie diese wurden mitunter noch im frühen 19. Jahrhundert erzählt, da man vor allem Raffaels Sixtinische Madonna als visionäres Bild verklärte und den Maler als neuen Lukas verehrte.21 Eine solche Vielzahl von Verbindungen zwischen der Königin, dem Künstler und dem Kunstwerk tauchte im Luisenmythos auf, daß weder an der Wahrheit noch an

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der Heiligkeit der Sarkophagstatue je ein Zweifel nagen konnte. Die Entstehung der Skulptur war zur Legende geworden und diese in Rauchs Künstlerlegende aufgegangen, die Züge einer säkularisierten Lukaslegende trug und durch die Sage vom Bild, das nicht von Hand gemacht, ergänzt wurde. Königin Luise nämlich hatte dem Bildhauer zu Lebzeiten nicht nur Modell gestanden und ihm seine schöpferische Kraft eingehaucht, sie hatte auch ihr Grabmal gleichsam selbst vollendet, da Rauch „über der Arbeit in Anbetung versunken" war und sich darum mit dem Ergebnis „selbst übertroffen" hatte.22 Eine solche Geschichte verlagerte den Vorgang der Statuenschöpfung in eine höhere Sphäre. Luises Grabbild konnte zum vera icon werden, zum vom Himmel gefallenen Kultbild, das die Differenz zwischen Nachahmung und Wirklichkeit ignorierte. Die „Idee" von dieser Königin, die Rauch im Bild festhalten wollte, wurde zur Erscheinung dieser Königin, die im Bild fortwirkte. Ende des 19. Jahrhunderts sollte der Maler Anton von Werner die sich im Grabdenkmal manifestierende Epiphanie der Königin in einem berühmten Gemälde inszenieren; abgeleitet werden konnte dieses Ereignis aus dem Glauben an das wahre Luisenbild, der unter anderem in der Legende von der tatsächlichen Vision des Bildhauers gründete. Die Sarkophagstatue führte eine singuläre Existenz, da sie das Grab bezeichnete und darum prädestiniert war als Stellvertreterin und Ikone. Ergreifende Ansprache und berauschende Wirkung wohnten dem Bildwerk inne und empfahlen es als Kultbild, schwang doch in der Anbetung eines Bildes auch ein erotisches Moment mit, ein gleichsam orgiastisches Bedürfnis zur vollkommenen Hingabe. Ergriffenheit und Euphorie wurden somit zu endgültigen Belegen für die Authentizität des Werkes und bekundeten dessen Heiligkeit. Einem „in hingebender Liebe" schaffenden Künstler war es vergönnt gewesen, „das Bild, welches der hohe Gemahl von der geliebten Gattin im Herzen trug, mit den Mitteln seiner Kunst in's Leben zu rufen. Daß er das Bild der Verewigten wahr wiedergegeben, sagten ihm die Thränen im Auge des Königs, als er den Kopf der Statue im Modell vollendet sah, sagten ihm die rührenden Worte, mit denen der König ihm das Versprechen abnahm, keinen Finger mehr daran legen zu wollen. Daß Rauch aber zugleich auch die vom Volke hoch verehrte und innig geliebte Königin so dargestellt hat, wie sie im Bewußtsein der Nation lebte, daß er ein volksthümliches Werk, im besten Sinne des Wortes, geschaffen hatte, beweist die Begeisterung, mit welcher es von der Nation aufgenommen wurde, die bis auf den heutigen Tag das Mausoleum zu Charlottenburg als patriotischen Wallfahrtsort betrachtet."23 Und daß die Statue in der Tat zur Ikone geworden war, zeigt der Blick auf ihre von Besuchern blankpolierte Fußspitze. Der Kult um Königin Luise heiligte schließlich jedes ihrer Bildnisse. Erinnerungsbilder wurden sakrale Malereien, Andachtsflächen für die Patrioten in der Kaiserzeit. Keine Spuren aber hatte die Kaisermutter in der Historienmalerei hinterlassen, dieser edelsten aller Bildgattungen, womit der allem Kunstschaffen abträglichen Zeit nach Jena ebenso entsprochen war wie Luises realpolitischer Bedeutungslosigkeit. Erst

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lange nach dem Tod hatte ihr Leben jenen epochalen Sinn offenbart, den man gegen Ende des 19. Jahrhunderts in Büchern und Bildern feiern sollte. Das Treffen von Tilsit wurde in Deutschland erst nach der Gründung des Reiches gemalt. Einem Franzosen war es zugefallen, diesen Höhepunkt im Heldenleben Königin Luises erstmals anzuzeigen, wenngleich sein Bild dem Gipfel von Napoleons Vita galt. Nicolas Louis François Gosse, der 1808 im Salon debütierte und in Versailles mit zahlreichen Historienbildern vertreten ist, schuf 1836 mit dem Gemälde Napoleon empßingt die Königin Luise in Tilsit (Abb. 49) die vielfaltigst reproduzierte Darstellung der Zusammenkunft. Der Korse greift die Hand der Königin, und diese, gesenkten Hauptes seinen Blicken weichend, fugt sich ihm in seiner größten Stunde. Ein halbes Jahrhundert nach seiner Entstehung aber erschien das Bild in einem anderen Licht: „In den langen Bildergalerien von Versailles, in welchen die größten Maler des Landes toutes les gloires de la France, sich selbst eingeschlossen, verewigt haben, fallt selbst dem flüchtigen Besucher in den älteren Sälen ein Bild von viel kleineren Maßen auf, als später für die Verherrlichung der französischen Geschichte genommen worden", begann der Leitartikel der Vossischen Zeitung zum 10. März 1876. „Unter anderen Gemälden hängt es an schlecht beleuchteter Stelle ziemlich hoch, macht sich aber durch eine blendende Lichtgestalt in der Mitte bemerklich, von welcher, wie in Correggio's Christennacht, der Glanz auf die ganze Umgebung ausgeht. Es ist die Königin Luise bei ihrer Zusammenkunft mit Napoleon in Tilsit."24

Abb. 49 Nicolas François Gosse: Napoleon empfangt die Königin von Preußen in Tilsit, 1836

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Das Schloß von Versailles, wo fiinfJahre zuvor Luises Sohn zum deutschen Kaiser proklamiert worden war, fand man nun erleuchtet vom selbigen Glanz wie Correggios berühmte Heilige Nacht. Zwar glich das Gemälde von Gosse in keiner Weise dem Dresdener Meisterwerk, doch heiligte der Zweck die Mittel wie die Mittel den Zweck. „Wir haben viele gemalte und gemeißelte Bildnisse der Königin gesehen, viel über sie gehört und gelesen, aber kein Zeugnis über das Wunder ihrer Erscheinung hat uns so imponirt, wie jenes Bildnis in Versailles. Ueber dessen Kunstwert soll kein Urtheil abgegeben werden."25 Der Nationalismus lenkte die Blicke und gab dem Profanen Heiligkeit. Alte Formen wurden mit neuem Gehalt gefüllt und Unsinniges sinnig gemacht, zur Erzeugung von Gefühlen, von Hoffnung, Treue und Ewigkeit. Napoleon war 1799 dem Erlöser gleich durch die Pestkranken von Jaffa geschritten - glaubte man dem Maler Gros - und wurde von Ingres sieben Jahre später als Weltenherrscher auf dem Thron gezeigt. Das deutsche Kaiserreich, das zur Verherrlichung seiner Vergangenheit nicht mit entsprechenden Kunstzeugnissen aufwarten konnte, gab alten Bildern durch Beschriftung mit neuen Mythen Relevanz. Königin Luise erhielt die Monumente ihrer Heiligkeit mitunter aus profaner Notwendigkeit. Der Turm der Charlottenburger Stadt- und Parochialkirche am Gierkeplatz, die von Philipp Gerlach zwischen 1712 und 1716 errichtet worden war, mußte 1814 abgetragen werden, weil sein Einsturz drohte. Ein Versuch des ehrgeizigen Oberpredigers Christian Gottlieb Dressel, die Erneuerung des Turmes durchzusetzen, scheiterte am Widerstand des Königs, dennoch reichte der Theologe 1821 wieder ein Gesuch bei Hofe ein, dem er eine erste Skizze von Schinkel beigelegt hatte. Zwei Wochen später wurde Dressel in das Schloß befohlen und wähnte sich seinem Ziel schon nah, da ihm die Predigt in der Hauskapelle aufgetragen worden war, doch vergaß er in seiner Aufregung das Vaterunser, was der fromme König nicht goutierte. Kurz darauf erging die Nachricht von der Ablehnung des Bauvorhabens, weil der Monarch die Kosten zu beträchtlich fand, Schinkels Fürsprache zum Trotz. Aufgeben aber kam für Dressel nicht in Frage. Zunächst erbat er sich einen zweiten Entwurf beim Architekten und warb danach erneut um die Gunst des Königs, indem er sich ein Exemplar der neuen Gottesdienstordnung verschaffte, die Friedrich Wilhelm sehr am Herzen lag, wie Dressel wußte. Zehn Taler zahlte er aus eigener Tasche, um die neuen Gesänge von dreißig jungen Männern einüben zu lassen, und sorgte anschließend dafür, daß man an allerhöchster Stelle von der Auffuhrung im Sommer 1822 hörte. Und um diese Zeit muß auch Schinkels Plan dem König vorgelegen haben, da aus einer Kabinettsmitteilung vom 18. September verlautete, daß der König die Kosten übernehmen wolle. Das Vorhaben begann; nach zahlreichen Querelen um die Gestalt des Turmes wie den Umbau der ganzen Kirche aber mußten die Arbeiten im Winter 1825 eingestellt werden, da das Geld nicht reichte. Ein halbes Jahr hiernach konnten Turm und Kirche dennoch fertig übergeben werden, da der König weitere zweitausend Taler bewilligt hatte - wohl nicht zuletzt aufgrund des

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Abb. 50 Friedrich Heitmann: Die Königin-Luise-Gedächtnis-Kirche in Königsberg, anonymer Stich, 1901

Namens, den die städtischen und kirchlichen Behörden nun der Kirche geben wollten: Luisenkirche, und Luise nahm den Witwer in die Pflicht.26 Einstmals hatten die Gemeinden, in denen der Leichenzug der Königin Station gemacht hatte, Gedenksteine und Denkmäler errichtet, und „an den Orten, wo sie

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gewohnt, wurden die Stellen, wo sie gesessen, wo sie gestanden hatte, bezeichnet und gewissermaßen in Familienaltäre umgeschaffen", wie Karoline von Berg berichtete.27 Altäre der Nation wurden später dort errichtet, wo Luise einst gelitten hatte, und die Deutschen in jenen Hallen als Familie eingeschworen, wo das Urbild des Märtyrers über dem Altar am Kreuze hing und die Nachfolgerin aus dem Hohenzollernhaus den Namen stiftete. Kaiser Wilhelm II. nebst Gemahlin waren zugegen, als man am 9. September 1901 die Königin-Luise-Gedächtnis-Kirche (Abb. 50) in Königsberg einweihte. Der im neoromanischen Stil errichtete Bau stand ,auf den Hufen', jenem heute eingemeindeten Dorf vor den Toren der Stadt, wo Luise in einem schlichten Landhaus ihr Exil verbracht hatte. Kommerzienrat Louis Großkopf hatte den Baugrund sowie die Hälfte der erforderlichen Gelder zur Verfugung gestellt, und auch andere Bürger hatten das Vorhaben durch Spenden unterstützt.28 Ein Luisenplatz und eine Luisenstraße sowie ein Park selbigen Namens beschworen den Genius des Ortes seit geraumer Zeit; Generalsuperintendent Braun nun weihte die Luisenkirche unter dem Textwort des 126. Psalms: „Die mit Thränen säen, werden mit Freuden ernten." Das Kaiserpaar verabschiedete sich nach dem Gottesdienst vom Kirchenbaukomitee und begab sich in den nahegelegenen Park ,Luisenwahl', wo der „königlichen Dulderin" schon Jahre zuvor ein Denkmal in Form einer monumentalen Sitzbank errichtet worden war, für die Wilhelm I. ein Reliefbildnis seiner Mutter gestiftet hatte. „Unter den uralten Bäumen verweilte das Kaiserpaar längere Zeit, um sich dann hinüber zu dem Gutshaus zu begeben, in dem die königliche Familie einst gewohnt hatte. Hier ist in einem Zimmer noch alles genau so erhalten, wie es in jenen Unglücksjahren war. Möbel im Empirestil, eine Chaiselongue, zwei Kommoden, zwei Spiegel, acht schwere Holzstühle sind das einzige Mobiliar."29 Die Königin-Luise-Gedächtnis-Kirche hat den Zweiten Weltkrieg überlebt, doch schlugen die Russen drei Jahrzehnte später die Christusstatue herunter, deckten die Dächer neu und nahmen umfangreiche Umbauten vor; seit dieser Zeit beherbergt die Kirche eine Puppenbühne.30

28 Das Opfer „Sie, die so manches opfern konnte, wie gern würde sie mit lebender Zustimme diese Selbsthingabe an Gott und die Ewigkeit fiir solche Zwecke vorgeschlagen haben ? Wenn nach der Schrift der Tod klug macht, und eine Königin durch den ihrigen etwas dazu beitragen kann, so kann sie, wenn sie Luisens Sinn hat, einige Tage von ihrem Leben, denn Tage sinds doch nur, wohl abgeben. Friedrich Christian Wigand 1810

„Luise lebte still wie eine Engelseele", erzählte Peter Thiel von ihren letzten Lebenstagen, „schwebte wie ein Engel durch die armen Hütten, saß wie eine Himmelsmutter unter ihrer Kinderschar, durchflog Alldeutschlands Herzen wie ein Himmelsengel. Sie war nun Himmelsbraut geworden. Vor ihren Augen sah sie schon den Tod, der ihren Muttergeist befreien und ihre Mutterliebe freibeflügelt durch Alldeutschlands Herzen tragen sollte. Sie ersehnte sich den Tod, um die verklärte Mutter ihrer Kinder und Alldeutschlands sein zu können, da sie leiblich nicht mehr Mutter sein durfte. Diese Sehnsucht teilte sie dem Gatten mit. Er weinte. Sie erklärte ihm beseligt, wie ihr Geist im Tod dem wunden Herzen fliehen und in alle deutschen Herzen überströmen würde. Sie erschrak vor seinem Schmerz. Er weinte und blieb am weinen. Luise sprach nicht mehr davon. Sie sehnte sich zu ihrem Gott. Als Erdenmutter konnte sie den Erdenkindern nicht mehr dienen." 2 Ein Opfer wird gebracht, wird weggegeben, um sich selbst zu erhalten, denn der gewaltsame Tod des Opfers ist fiir die Lebenden Garant der eigenen Existenz. Das Opfer verbürgt eine bessere Zukunft für die Gemeinschaft, die sich im Opfer konstituiert und selbst wahrnimmt. Einst kultisches Ritual zur Besänftigung einer höheren Macht, übernimmt das Opfer auch in der Neuzeit die Sprache und Bilder der religiösen Sinnstiftung, obgleich die durch sie bezeichnete Praxis längst vorüber ist.3 Die Ehrung des Opfers dient der Erinnerung an die Toten und, wichtiger noch, als Beispiel für die Gemeinschaft. Die kollektive Vorstellung, daß ein Opfertod im Kriege allem Handeln einen Wert und einem leeren Leben einen Sinn geben kann, macht das Opfer als bedeutsamste Bestätigung des Daseins zur Grundlage von Mythos und Legende. Entspricht die Gleichsetzung von Tod und Opfer einem zentralen Motiv der christlichen Heilsgeschichte, so nutzt die nationale Selbstentdeckung die Rhetorik des Opfers, um Gemeinschaft herzustellen und diese als Nation zu sakralisieren, womit der Tod des Einzelnen in meist .heilig' genannten Kriegen von universalem Sinn für das Ganze ist.

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Die Nutzbarmachung des Opfers und die Festlegung seiner Symbole und Riten bedingen die Frage, was und für wen geopfert wurde. Und kein Tod in Preußen bot sich der Nachwelt zu solch vielfaltiger wie wandelbarer Deutung an wie der Tod einer Frau von ebensolcher Idealität in Tagen der Not. Ein Sinn war „ohne Zweifel" hinter der Tragödie, und so betrachtete man die Königin als Opfer für Ordnung, Sitte und Moral, für Preußens Wohl wie für das ganze deutsche Volk. „Erhöhung unseres Wesens" und „wohltätige Erschütterung" der Menschen verlangten die Prediger von den Kanzeln herab, denn der Tod des Opfers zum Wohl der Gemeinschaft nahm diese in die Pflicht.4 „Ermannen" sei der Zweck der Schmerzen, mahnte Hofprediger Sack, „es werde aufgeboten alle Kraft der Vernunft und des Glaubens, getrost zu bestehen den Kampf bis ans Ende. Nicht erschlaffen, sondern stählen soll uns das Unglück."5 Etwas Heiliges oder Bedeutsames mußte das Opfer im archaischen Sinne sein, weshalb Unschuld, Weiblichkeit und Jugend oft die Opfer waren, deren Reinheit den Ertrag erhöhte. Und den höchsten Zoll zahlte das preußische Volk für seinen Weg ins Glück: „Die schönste Frau ihrer Zeit, mit zwanzig Jahren Königin, geliebtes Weib eines getreuen Gatten, jugendliche Mutter eines herrlich aufblühenden Geschlechts, hatten Glück und Natur sie so reich mit ihren Gaben überschüttet, daß der Tod dem Leben freilich keine glänzendere Beute abgewinnen konnte." 6 „Mich geht's nichts an!", sprach ein Bürger in Theodor Körners Drama Joseph Heyderich oder Deutsche Treue, als ihn ein Hauptmann um Hilfe für einen verwundeten Soldaten bat.7 Eine angeblich wahre Begebenheit nutzte der verklärte Heldendichter der Freiheitskriege zur Anklage eines selbstzentrierten Standes, dessen „matte Gleichgültigkeit" schon Hegel 1802 als Merkmal seiner „politischen Nullität" benannt hatte. Der Bürger, der „Gefahr eines gewaltsamen Todes entnommen", kämpfte nicht fürs Vaterland, war doch der Krieg in der vorrevolutionären Epoche Angelegenheit eines eigenen Standes gewesen, bei dem der Tod zum Berufsrisiko gehörte und für den Kriegsherrn ein militärischer und ökonomischer Faktor war, kaum aber ein Gegenstand von Ehrfurcht oder Pietät.8 „Schändlich! schändlich!", schimpfte Körner. „Der Mensch geht den Menschen nichts an!"9 Die Tage jedoch, wo kein Bürger „an demselben Wirtshaustisch mit einem Soldaten" zusammengesessen hätte, wichen zu Luises Lebenszeit einer neuen Ära, die Soldatentum und Bürgertum im Zeichen des Nationalstaates auf einander zuführte.10 Erfolgreich hatte das revolutionäre Frankreich die Verteidigung des Vaterlandes zur staatsbürgerlichen Aufgabe gemacht, die sich aus der verfassungsmäßig festgeschriebenen Gleichheit seiner Bürger legitimierte. Ein enormes Mobilisierungspotential stand darum Napoleon zur Verfügung, der die preußische Armee 1806 binnen Stunden in alle Winde zerstreute. „Das preußische Heer war zusammengebrochen", schrieb Paul Bailleu, „der stolze Staatsbau, den es getragen, wankte und krachte in allen Fugen; die ihn hätten stützen und halten sollen, zeigten Schwäche, Feigheit, Unfähigkeit."11 Erst unter dem Eindruck der französischen Erfolge wandelte sich in Preußen die politische Untätigkeit. Die Niederlage von Jena und das Friedensdiktat von Tilsit

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gaben den Reformen Auftrieb, doch die Umsetzung vieler Pläne stockte. Zwar sollte mit der Landgemeindereform, der Städteordnung und der Einführung der allgemeinen Wehrpflicht die Identifizierung des Einzelnen mit den Belangen des Staates wachsen, die Angst vor der eigenen Courage wie dem Verlust alter Privilegien aber erstickte manch moderne Idee. Zahlreiche Mißstände waren dadurch deutlicher geworden als je zuvor, zugleich regten sich Widerstand gegen die Besatzung und Unmut über die allzu diplomatische Unterwürfigkeit der Regierung gegenüber dem Feinde. Und so wurden .Nation' und .Vaterland' zu Losungsworten der Tage unter französischer Fremdherrschaft. Einheit und Unabhängigkeit verklärte man zur Grundlage der persönlichen Freiheit und kulturellen wie sittlichen Bewußtwerdung des Menschen in der Natur seiner Gemeinschaft. Körner und Arndt, Schleiermacher und Fichte, Schill und Jahn begründeten den neuen Nationalismus von Idealität bis Aggressivität. Eine deutsche Nationalstaatsidee war geboren - später dann verklärt als die Geburt der deutschen Nation an der Bahre der Königin Luise. „Eine Nation ist eine Seele, ein geistiges Prinzip", wie Ernest Renan 1882 erklärte. „Zwei Dinge, die in Wahrheit nur eins sind, machen diese Seele, dieses geistige Prinzip aus. Eins davon gehört der Vergangenheit an, das andere der Gegenwart. Das eine ist der gemeinsame Besitz eines reichen Erbes an Erinnerungen, das andere ist das gegenwärtige Einvernehmen, der Wunsch, zusammenzuleben [...]. Eine Nation ist also eine große Solidargemeinschaft, getragen von dem Gefühl der Opfer, die man gebracht hat, und der Opfer, die man noch zu bringen gewillt ist."12 Die Idee der Nation ist untrennbar mit dem Gedenken an ihre Opfer verknüpft; die Ehrung der Gefallenen ist fundamentaler Teil ihrer politischen Kultur, denn sie tut kund, daß ein Opfer für die Nation niemals vergebens ist. Die Pflicht des Individuums zum Kampf um die Gemeinschaft verbürgt den Anspruch auf Erinnerung an einen fortdauernden Wert seiner Tat. Die Pflege des Grabes dient dem Gedenken; der Name auf einem Denkmal ist Mindestlohn für die verlorene Existenz. Ehre auf Erden wartet auf den neuzeitlichen Märtyrer, nicht Erlösung im Himmel, und aus der Unsterblichkeit der Seele wird die Unvergeßlichkeit des Opfers, wachgehalten im politischen Totenkult. Königin Luise wurde zur ersten Figur in Preußens politischem Totenkult. Körner rief ihren Namen zur Losung des Befreiungskampfes aus und machte die Rache für ihren Tod den Uberlebenden zur Pflicht. Die Verpflichtung auf Gott wurde durch die auf das Vaterland ersetzt, der politische Zweck trat an die Stelle der christlichen Jenseitsverheißung und machte die Sinnstiftung des gewaltsamen Todes zu einer diesseitigen, militärischen Angelegenheit: „Und die kräftigen und adlichen Naturen übersetzten dann die Reue über das Vergangene in die Hoffnung auf die Zukunft unter Einsetzung der ganzen Existenz des Volkes selbst wie jedes einzelnen Bürgers", schrieb Mommsen. „Wenn es einst dem Lande gelang sich zu erheben und sich zu befreien, wie Luise nie aufgehört hatte zu hoffen, so war sie nicht bloß der Ehre des Landes nachgestorben, sondern sie hatte diese Ehre auch wieder von

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den Todten erweckt. Dann war ihr Tod ein Opfertod im höchsten Sinne des Wortes."13 Ein Opfer für alle nahm alle in die Pflicht, denn in den Freiheitskriegen wich die christliche Erlösungsidee einer irdischen Zukunftshoffhung, die ebenso auf den nationalen Erfullungsgedanken gerichtet werden konnte wie auf den Erhalt der Monarchie. Die Rettung der Seelen im Jenseits wurde der Gemeinschaft anvertraut, die durch Handeln und Gedenken den gewaltsamen Tod des Einzelnen rechtfertigte und in einen höheren Sinn einordnete. Was einst der kirchlichen Messe zugefallen war, wurde Aufgabe des politischen Totenkultes, den man auch in Kirchen zelebrierte.14 Nächstenliebe und Liebe zur Nation verschmolzen, und der Nationalismus, von Beginn an säkularisierend und mit religiösen Zügen wie Weihen ausgestattet, dankte es seinen Opfern mit Monumenten, Ritualen und Heiligkeit. Und diese Form des politischen Totenkults bestand bis weit in das 20. Jahrhundert fort. Die siegenden und sterbenden Krieger standen immer wieder auf; die hilfreichen Götter, Engel oder Heiligen wurden abgerufen, Kreuze errichtet und Waffen verewigt, Pathosformeln aus der Antike und Zitate aus der Bibel weitergereicht, Heidnisches und Christliches ineinandergeblendet und die Tugenden der spartanischen oder römischen Krieger ebenso beschworen wie die germanischen Kräfte. Ikonographie und Rhetorik des politischen Totenkults blieben so gleich wie begrenzt, gewaltsam gestorben aber wurde stets aufs neue. Königin Luise war die erste Tote der Nation gewesen, wie Preußens Aufstieg zeigte, und ihr Sarkophagdenkmal, erfüllt von antiker Heldengröße wie christlichem Heiligengeist, schwankend zwischen diesseitigem Sinnverlangen und seliger Jenseitsverheißung, das erste Denkmal in Preußens politischem Totenkult. Erst das außeralltägliche, auratische Ritual am Kriegerdenkmal macht Totengedenken zum Totenkult.15 Ist persönliche Trauer nicht an Stichtage und öffentliche Rituale gebunden, so erwächst der politische Totenkult der Ritualisierung des Gedenkens, die auch am Grab der Königin stattfinden sollte. Die Weisung des Witwers, das Volk nur am neunzehnten eines jeden Monats in das Mausoleum einzulassen, machte den Anfang im Totenkult um Königin Luise. Der 19. Juli war nach 1871 Königin-Luise-Tag und wichtigster Gedenktag im Luisenkult. Kriegervereine und Garderegimenter legten Kränze im Mausoleum nieder, während man die Zöglinge der Militärakademien über das Leben und Sterben der Königin belehrte. Krieg und Opfer wurden als das höchste Menschenglück verklärt, flammende Reden auf die Erbschuld der Franzosen gehalten und die Denkmäler der Königin zu Zielen der Masse. Ein Grabmal aus der Zeit der Freiheitskriege wurde nationales Kriegerdenkmal, denn Niederlage und Triumph in ihrem Angesicht vereinend, erzählte die steinerne Luise dem Betrachter vom Wert des Todes für die Nationalgemeinschaft. Zwar fehlte der Luisenstatue eine Inschrift, wie sie am Kriegerdenkmal oft so wichtig war, Körners vielzitierte Ode Vor Rauch 's Büste der Königin Louise aber bot Ersatz.16 Das Haupt der Schlafenden hatte den Dichter zur Identifikation ihrer Figur mit dem deutschen

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Vaterland gereizt, und so zeigten die Skulptur und der berühmte Weckruf, in der patriotischen Literatur oft zusammen reproduziert, wofür die Königin gestorben war: für ein geeintes deutsches Volk. Die Leiche der königlichen Dulderin auf dem Altar des Vaterlandes (Abb. 51) zeigte Franz Stassens Illustration für Hermann Müller-Bohns 1901 erschienenes Prachtwerk zur Geschichte der Befreiungskriege. Und da diese, wie das Buch erzählte, bereits im Jahre 1806 begonnen hatten, fiel die erste Gefallene der neuen Ära auch in diese Zeit. Die Leiche, der Sarkophagstatue ähnelnd, liegt auf einem monumentalen Altar; Stein und Scharnhorst, „der Retter des Vaterlandes"17 und der „Waffenschmied" der „deutschen Freiheit"18, reichen sich davor zur „Rettung Preußens" die Hände.19 Klassizistische, stilisierte Formen von Jugendstil und Symbolismus prägen die dunkel umrauchte Aufbahrungsszene, die an kultische Totenfeiern erinnert, an Opferrituale aus längst vergangener Zeit. Kostümrealismus und Porträtgenauigkeit hingegen kennzeichnen die Bildnisse der beiden Reformer und überblenden die Allegorie mit Faktizität. Das Kapitel über „Deutschlands Wiedergeburt" mit dem Tod der Königin eröffnend, bestätigte der Zeichner die Opferung Luises direkt und ohne Umwege. Und auch die Folgen jenes Opfers präsentierte Stassen in mythischer Verkürzung und optischer Prägnanz. Königin Luise hatte die Befreiung Preußens wie die Reform des Staats herbeigesehnt; ihr Opfer zeigte, daß sie für die Nation gestanden hatte und gefallen war, die noch verwirklicht werden mußte. Ein Opfer müsse „seiner eigenen Opferung unbewußt sein, damit es vollständig sei", schrieb Mommsen 1876, dennoch beherrschte die Vorstellung vom Heimgang als Hingabe den Luisenkult.20 „Der Gang nach Tilsit", schrieb Sophie von Schwerin, „war ihr wie ein Gang in den Tod, aber sie mußte und wollte ihn tun", und so wandelte sich das Passivum des Todes zum Aktivum des Opfers und steigerte dessen propagandistische Nutzbarkeit. 21 Kein Monarch aus dem Hohenzollernhaus war je im Krieg gefallen, doch hatte eine Königin die größte aller Taten vorgemacht und damit früh verbunden, was noch so lange auseinanderklaffte: die Kontinuität des Herrscherhauses und die Tradition der Nationalidee. Einst bedurften Dynastien keiner gewaltsamen Tode zur Legitimation von Macht. Das willentliche Opfer der Königin Luise aber wurde für die Hohenzollern und ihre Fürsprecher zum großen Wert, als nach den Freiheitskriegen nicht mehr der Tod schlechthin auf das neue Leben deutete, sondern der gewaltsame Tod das politische Handeln rechtfertigte. Und Luise hatte sich nicht nur für die Monarchie geopfert, sondern für „ganz Preußenland und für das Herz aller Bürger desselben", wie Friedrich Wigand schon gepredigt hatte. Die „Freundinn des Volkes und des Vaterlandes", das „Muster ehelicher Treue und Zartheit" 22 war nach der „Heldentat der Aufopferung" 23 auch jenen Heldentod nach - innerem - Kampf gestorben, der den Tod des Einzelnen für die Nation vorwegnehmen sollte. Königin Luise war „zur Schlachtbank" geschritten, selig lächelnd und auf eigenen Wunsch als „Opfer" geschmückt, so schrieb Marie von Felseneck.24 Zwang war es

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Abb. 51 Franz Stassen: Stein und Scharnhorst an der Leiche der königlichen Dulderin und am Altar des Vaterlandes verbinden sich zur Rettung Preußens, 1901

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nicht, der sie nach Tilsit trieb, doch wird das Opfer in der Neuzeit nicht vollzogen, sondern zugemutet. „Ich komme, ich fliege nach Tilsit, wenn Du es wünschst, wenn Du glaubst, daß ich etwas Gutes bewirken kann", antwortete die Königin der Bitte des Gemahls und schrieb noch am gleichen Tage: „So fliege ich dahin, wo mein Herz nie sein wird, und trinke den Wermut und leere den Becher mit der Würde, die der Preußen Königin zukömmt." 25 Einhundertundfünfzig Jahre Nationalismus und Militarismus haben die Befreiungsära zur Epoche des höchsten staatsbürgerlichen Pflichtbewußtseins stilisiert, zur Zeit der vorbildlichsten Opferbereitschaft. Zahllose Anekdoten brachten den Menschen Einzelschicksale nahe, und die berühmteste Begebenheit jener Tage erzählte von einem Mädchen aus Schlesien, das, weil „zu arm, um irgend etwas von einigem Werthe geben zu können", sein Haar abgeschnitten und dem Staat zum Opfer gebracht hatte.26 Ketten und Ringe wurden aus der Lockenpracht gemacht und verkauften sich so gut, daß mit dem Ertrag die Kriegsausrüstung für vier Freiwillige bezahlt werden konnte. Eines der populärsten Historienbilder der preußischen Geschichte, Gustav Graefs Ferdinande von Schmettau opfert ihr Haar auf dem Altar des Vaterlandes (Abb. II), zeigt das Geschehen unter einem Bild der Königin Luise. Erst fünfzig Jahre nach dem Ereignis gemalt, „rührte und ergriff" das Werk den Schriftsteller Fontane ebenso wie seine Zeitgenossen und gelangte als eines der ersten Gemälde in die Berliner Nationalgalerie.27 Königin Luises Bild im Bild verband die Opfergabe mit der Landesmutter und stärkte deren Rang als erstes Opfer, dem das geläuterte Volk nun folgen sollte. Ein jedes Opfer für das Vaterland war Opfer für Luise und die Monarchie. Das „neue Vaterlandsgefühl" hatte sich in der Königin gefunden, bei den Männern „freudigere Todesbereitschaft", bei den Frauen „demütigere Mutterschaft".28 Kurz vor dem Ersten Weltkrieg priesen Schulbücher die Opferbereitschaft des Volkes während der Freiheitskriege. Eine Illustration Richard Knötels (Abb. 52) zeigt die Entbehrungswilligen in der Sammelstelle im Rathaus zu Breslau unter einem Bild der Königin Luise.29 Kinnbinde und Trauerflor reichten hin, um das nur schemenhafte Antlitz wahrzunehmen und als Zeichen auszumachen, das große Wirkung tat: Eine Bürgerin war sogar äußerlich zu einem Ebenbild der Königin geworden - erfüllt war nun Novalis' Forderung nach Ähnlichkeit der Frauen mit Luise. Die Königin war für den Staat ihres Gemahls gestorben, und ihr Liebestod als Tat entsprach dem Ideal aus Duldung und Entsagen, das für alle Frauen galt. Das Sterben der tugendhaften Frau als Opfer für die Gemeinschaft, für die Wiederherstellung von Ordnung und Normalität war ein literarischer und künstlerischer Topos seit Jahrtausenden gewesen und erlangte vor allem im Jahrhundert, das dem Tod Luises folgte, wieder Aktualität. „Entschlossener" solle der König durch den Tod der Gattin werden, „fester, frömmer, volksgesinnter und mit Gott und seinen Fügungen zufriedener", wie Friedrich Wigand predigte.30 Und die Siege der Befreiungskriege bestätigten, was zum poetischen Klischee im 19. Jahrhundert wurde: die tote Geliebte als Muse, das Frauenopfer

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Abb. 52 Richard Knötel: Annahme freiwilliger Gaben zum Wohle des Vaterlandes im Rathause zu Breslau, 1913

zur Stärkung erlahmter Manneskraft.31 Entbehren und Entsagen, Todesverachtung und Befreiung der Seele vom Körper hatte der Luisenmythos zu bombastischen Ideen aufgeblasen; seinen vielbeachteten Gipfel erreichte die fatale Verinnerlichung jenes weiblichen Opfergedankens, „der nach den Freiheitskriegen zu gespenstern begann", am Abend des 29. Dezember 1834 in der preußischen Hauptstadt.32 Charlotte Stieglitz, achtundzwanzig Jahre alt, schickte an jenem Tag ihren Gatten Heinrich, einen Dichter, ins Konzert, um allein zu sein für ihre letzte Tat. Erst wusch sie sich und zog ein weißes Nachthemd an, dann legte sie sich ins Bett und stach sich mit einem Dolch, den sie als Braut gekauft hatte, mitten ins Herz. Ein Abschiedsbrief erklärte ihren Selbstmord als Opfer, dazu bestimmt, ihrem manisch depressiven Manne so viel Schmerz zuzufügen, daß er zurück zur Dichtkunst fände. Zwar schlummerte der Genius ihres Witwers weiter, dennoch wurde die Tote, zu Lebzeiten unbekannt, zur Muse für die Öffentlichkeit. Einige Zeitgenossen sahen in ihrem Opfer den Akt eines wahren weiblichen Genies, das die Kluft zwischen Fleisch und

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Geist überwand, andere wiederum den Versuch, neben den schwächelnden Talenten des Ehemannes auch die unterdrückten Kräfte jener Generation von Deutschen wachzurufen, die unter den Zwängen der Biedermeiergesellschaft stöhnte. 33 Königin Luise errang im Tod die höchste Weiblichkeit wie Selbstvergessenheit, und so war der Mythos von der Mutter, die für das Glück des Mannes und der Kinder starb, nicht länger eine paradoxe Idee. „Ich bin wieder einmal recht herunter an Leib und Seel'", schrieb die Königin im Jahr von Jena, „und gern gäbe ich 20 Jahre meines Lebens hin, und hätte ich nur noch zwei zu leben, wenn dadurch die Ruhe in Teutschland und Europa zu erlangen wäre." 34 Und wie so oft ließ man Luise selber sprechen, um den Mythos zu belegen: „Opfer und Aufopferung sind mein Leben", schrieb sie kurz vor ihrem Ende. 35 Die „Apathie, die das preußische Volk gefesselt hielt, sollte erst durch eine furchtbare Katastrophe erschüttert werden", erklärte die Haude-Spenersche Zeitung fünfzig Jahre nach der Katastrophe von Hohenzieritz. 36 Und so hatte die Tragödie den Staatsbürger im Bürger aufgeweckt und den gewaltsamen Tod für die Nation zu einer Selbstverständlichkeit gemacht, einer Frage der Ehre. Ideale aber dienen nicht dazu, erreicht zu werden; das Opfer der Königin ragte aus der Masse der Gefallenen heraus, und auf Abstand gaben Mythenmacher acht. „Nicht der Soldat opfert sich für das Vaterland, wenn er auf dem Schlachtfelde sein Leben läßt", erklärte Mommsen, „er thut seine Pflicht und es ist Männerloos im Kampfe zu fallen. Aber wenn die schönste und reinste und erste Frau des Landes an den Folgen der Feigheit der Staats- und Kriegsmänner stirbt, da ist das Opfer gebracht." 37 Koryphäen der Geschichtswissenschaft nannten Königin Luise die „Iphigenie des Befreiungskrieges".38 Die Königin war zum Gründungsopfer der Nation geworden, und den Grundstein dafür hatte schon ihr Mann gelegt - mit dem Eisernen Kreuz.

29 Das Eiserne Kreuz „Sage der Königin, wenn ihre Gefiihle und die entschlossene Art, wie sie sich fiir das Gute und fiir energische Maßregeln ausgesprochen hat, bekannt wären, so würden alle gutgesinnten Leute und die ganze Armee ihr Altäre errichten. Prinz Louis Ferdinand 1805

„Es ist kein Krieg, von dem die Kronen wissen", rief Theodor Körner die Deutschen zum Freiheitskampf. Soldatentum und Bürgertum reichten sich im Zeichen des Nationalstaates die Hand, nicht zwingend aber war der preußische König in diesem Bunde der dritte.2 Die aufbrausende Nationalbewegung, ein Motor der Erhebung und nach deren Erfolgen abgewürgt, zwang den Monarchen zur propagandistischen Absicherung der Bindung von Volk und Dynastie. König Friedrich Wilhelm III. hatte bereits 1808 die Stände von Ostpreußen einschließlich der Mitglieder des bürgerlichen und des bäuerlichen Standes zu Taufpaten seiner jüngsten Tochter bestimmt, als Zeichen, wie es später hieß, für eine „neue Zeit".3 Krone und Volk einte der König zu Ehren der Frau und Mutter, von der das Kind den Namen hatte: Die kleine Luise galt fortan - wie schon die große - als „Unterpfand" der „gegenseitigen Treue".4 Wilhelm I. und Wilhelm II. nannten später ihre jeweils einzige Tochter ebenfalls ,Luise'. „Ein Brief, ein Bild der Königin, das wären Orden, Auszeichnungen der höchsten Art; Auszeichnungen, die zu den ausgezeichnetsten Taten entzündeten", hatte Novalis einst frohlockt, nicht aber „Sternschnuppen" gesucht, sondern „Milchstraßen" als Zeichen der Ehre.5 Und so etwas wie eine lange Straße hat der König in der Tat gepflastert, als er am 10. März 1813 seinem Volk, vor allem aber sich und seinen Nachfolgern ein Symbol bescherte, das militärischen Erfolg und nationale Emotionen mit dem Hohenzollernhaus und dem schönsten seiner Mitglieder verbinden sollte: „Die Stiftung des Eisernen Kreuzes am Geburtstage der verklärten Königin, aus dem Geiste und dem Herzen des Königs allein, ohne irgend eine vorhergehende Berathung ausgegangen, bekundete, welcher Erhebung des Gefühls er, der als aller Poesie irriger Weise abhold bezeichnete, fähig war", schrieb Gottlieb Theodor von Hippel - und machte aus Propaganda „Poesie".6 „Es ist ein Kreuzzug, 's ist ein heil'ger Krieg!", sang Körner, der nichts von Kronen wissen wollte. Und die Krone, sich zu erhalten, gab zum Kreuzzug das Kreuz.7 König Friedrich Wilhelms Aufruf An mein Volk erging am 17. März 1813; zeitgleich mit der Kunde der Erhebung stiftete er das Eiserne Kreuz, einen Kriegsorden in drei Klassen, der erstmals unabhängig von Stand und Dienstgrad verliehen werden konnte. „In der

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jetzigen großen Katastrophe, von welcher fiir das Vaterland Alles abhängt, verdient der kräftige Sinn, der die Nation so hoch erhebt, durch ganz eigenthümliche Monumente geehrt und verewigt zu werden. Daß die Standhaftigkeit, mit welcher das Volk die unwiderstehlichen Uebel einer eisernen Zeit ertrug, nicht zur Kleinmüthigkeit herabsank, bewährt der hohe Muth, welcher jetzt jede Brust belebt und welcher, nur auf Religion und auf treue Anhänglichkeit an König und Vaterland sich stützend, ausharren konnte."8 Die Ordensstiftung hatte der König auf der Urkunde zurückdatiert; Krone, Volk und Schwert besiegelten ihren Bund demnach am 10. März. „An diesem Tage war Ihm geboren Sein reinstes, bestes, unvergeßliches Erdenglück, an diesem Tage mußte das Ehrenzeichen einer neu beginnenden Zeit an den Tag treten."9 Ein schlichtes Kreuz aus Eisen gab Friedrich Wilhelms Trauer ihre eindringlichste Form und machte seinen Schmerz zum nationalen Kult. Kein anderes Zeichen der deutschen Geschichte wurde nach den Triumphen der Freiheitskriege ähnlich verklärt wie jenes Kreuz, das den Luisenmythos bildhaft so getragen hat wie sonst nur die Charlottenburger Statue. Zwei Monumente, das eine der Geburt erinnernd, das andere den Tod verschleiernd, sprengten die Grenzen der irdischen Endlichkeit. Das erste Exemplar des Eisernen Kreuzes erhielt Luise postum selbst: Es steckte im Sockel ihrer Büste im Erinnerungstempel im Park von Hohenzieritz.10 „Ich lebe in geistiger Gemeinschaft mit der Vollendeten", hatte der König seinem Hofprediger Eylert angeblich erklärt, „und es ist mir so, als müßte Alles, was schwer und gut ist, besser gelingen, was ich an Ihr Gedächtnis knüpfe."11 Und alles, was unter dem Zeichen des Eisernen Kreuzes gelang, war damit auch Verdienst Luises, gleichsam ihr Lebenswerk. Karl Friedrich Schinkel hatte das Kreuz (Abb. 53) nach einer Skizze des Königs entworfen; seinen tieferen Sinn erklärte Eylert später in der Potsdamer Garnisonkirche: „Es hat die Form und Gestalt eines Kreuzes, des heiligen, ehrwürdigen Sinnbildes unsers christlichen Glaubens an den Heiland und Erlöser der Welt, der für das menschliche Geschlecht am Kreuze starb, um es von allem Elende zu erlösen und zu versöhnen mit Gott. Dadurch und seit dieser Zeit ist das Kreuz bei allen christlichen Völkern das bedeutungsreiche, vielsagende Zeichen geworden, woran sich die erhabensten Wahrheiten, die rührendsten Vorstellungen, die heiligsten Pflichten, die stärksten Beweggründe, die glücklichsten Gefühle der Liebe und der Dankbarkeit, des Vertrauens, des Trostes und der Hoffnung knüpfen. Ein heiliges Sinnbild, das man nur an heiligen Stätten, auf Kirchen, auf Altären, auf Siegesfahnen, und nun auch, nach dem tiefen und frommen Sinne eines christlichen Königs, auf der Brust christlicher Helden erblickt."12 Königin Luise hing an diesem Kreuz, und alles, was der Hofprediger über den Orden sagte, sagten er und andere auch und immer wieder über sie. Die ausdrückliche Stiftung zu Ehren der verstorbenen Monarchin aber hatte Eylert in seiner Predigt von 1816 mit keinem Wort erwähnt, was der Witwer monieren sollte.13 Eylert entschuldigte sich mit der Begründung, er habe dem König keinen unnötigen

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Schmerz zufügen wollen, die Bindung des Ordens an Luise aber war für Friedrich Wilhelm von persönlichem wie politischem Wert. Erde und Himmel, Lebende und Tote, Herrscher und Beherrschte verband das Kreuz des Heilands und der Königin Luise und machte den Krieg fürs Vaterland zu einem Kampf für Gott und Preußens Monarchie. „Der Blick auf s Kreuz sollte zu dem kühnen Heldenmuthe erheben, entweder zu siegen, oder zu sterben. Darum war dieser Kampf, sowohl in dem Geiste, mit dem, als in dem Zweck, fiir den gekämpft wurde, ein heiliger Kampf, dem Gott, der Lenker der Schlachten, in dem Uebergewichte geistiger und sittlicher Kräfte die herrlichsten Siege verliehen."14 Das Eiserne Kreuz hat die Verwandlung der toten Königin in ein Symbol des Glaubens und der Liebe, der Hoffnung und der Wahrheit untermauert und warf auch auf den König Glanz: „Er war gewiß, das sagte Ihm ein göttliches Bewußtsein: in dem Zeichen des heiligen Kreuzes werde Er siegen. In hoc signo vinces." 15 Kaiser Konstantin hatte diese Botschaft einst im T r a u m

empfangen,

daraufhin

das Zeichen Christi seinen Soldaten auf die Schilde gegeben und

Abb. 53 Karl Friedrich Schinkel: Das Eiserne Kreuz,

1813

damit über das Heidentum gesiegt; anderthalb Jahrtausende später wurde auch die Stiftung des Eisernen Kreuzes zu einer himmlischen Angelegenheit. Eisen war das Material des Ordens, und ging es in entbehrungsreichen Zeiten auch darum, Edelmetall zu sparen, so verwandelten Metaphern und Bezüge doch das Billige in Wert. „Sinnreich und bedeutungsvoll, lehrreich und erinnernd ist es geformt aus einem Metall, dessen Farbe dunkel und finster, dessen Beschaffenheit streng und hart ist, zu bezeichnen und abzubilden das finstere, harte und schreckliche Zeitalter,

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in welchem es sein Dasein und für dessen Bekämpfung es ausschließungsweise seine Bestimmung erhielt. Wie gefesselt von eisernen Ketten, in unwürdiger Knechtschaft und schimpflicher Abhängigkeit, erlag damals unser und das gesamte deutsche Volk unter der Uebermacht eines stolzen, höhnenden Feindes."16 „Eisern ist das Kreuz" und erinnerte wie das Leben und Sterben der Luise „an die Pflicht der muthigen Selbstbeherrschung und an die Würde der festen Charakterstärke. Es warnet vor Bequemlichkeit und weichlicher Ruhe, vor Ausschweifung und erschlaffendem sündhaften Genüsse. Es ist Aufruf zur Abhärtung, zur Stählung aller Gefühle."17 Eisern war der Freiheitswille. „Gold gab ich für Eisen" war in die schwarzen Eheringe eingraviert, die man gegen goldene tauschte. „Große Opfer werden von allen Ständen gefordert werden", mahnte der Aufruf zum Krieg. „Aber, welche Opfer auch von Einzelnen gefordert werden mögen, sie wiegen die heiligen Güter nicht auf, für die wir sie hingeben, für die wir streiten und siegen müssen, wenn wir nicht aufhören wollen, Preußen und Deutsche zu seyn."18 Das Eiserne Kreuz ließ Standesunterschiede außer acht. Eine „kompensatorische Geste" hat man den Orden darum genannt, ein Zeichen, das patriotische Pflichten einforderte, ohne staatsbürgerliche Rechte zu gewähren - und ebenso benutzte Friedrich Wilhelm auch Luise.19 Die Betrauerte als Orden an der „Brust des Vornehmen und Geringen" sollte das Volk verbünden, nicht unter dem Dach einer Verfassung oder eines deutschen Nationalstaats, sondern unter dem Eindruck großer Gefühle und der Hohenzollernkrone.20 Keineswegs trugen nur die Männer an den Lasten des Krieges hart, und „niemand erkannte dieß tiefer und lebendiger" als der Mann der Königin Luise.21 Ein halbes Jahr nachdem er 1814, wiederum am Geburtstag seiner verstorbenen Frau, die Kriegsdenkmünze „für den eben beendeten Krieg gegen Frankreich" gestiftet hatte, genehmigte er die Stiftung eines weiteren Ehrenzeichens, „um die Verdienste der Frauen und Mädchen für Pflege der Verwundeten und Kranken, Gaben der Liebe und persönliche Aufopferung zu belohnen".22 Das Eiserne Kreuz war am Geburtstag der Königin gestiftet worden, geschmückt mit Friedrich Wilhelms Monogramm; an seinem eigenen Geburtstag gab der König nun die Stiftung des .Luisenordens' bekannt, des einzigen Ordens, der in Preußen an Frauen verliehen wurde. Königin Luise brachte die Respektabilität der Frau mit deren Einsatz zu Kriegszeiten zusammen und verknüpfte sie mit der Liebe zu Staat und Krone. Einen Luisenorden „für verdienstvolle Hausfrauen" hatte schon Novalis gefordert, herauskam eine Auszeichnung, die Frauen in die preußische Nation miteinbeziehen und für den Krieg konditionieren sollte.23 Schinkel hatte wiederum den Auftrag zur Ausführung erhalten und der König die Vorgaben gemacht: Die inhaltliche Nähe zum Eisernen Kreuz sollte erkennbar sein und zudem auf azurblauem Grund das goldene Monogramm Luises stehen, das ein Kranz aus sieben Sternen als Sinnbild der königlichen Kinder umrahmte. Die Mutterschaft der Königin wurde so geehrt und mit ihr der Erhalt der Dynastie. Eisernes

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Kreuz und Luisenorden, so Eylert, atmeten beide „denselben Geist; was der eine für das männliche Geschlecht ist, soll der andere fiir das weibliche sein; beide sind aus des Königs Innerstem hervorgegangen und man erkennt daran Ihn, wie den Baum an seinen Früchten".24 Abstammung und Beruf sollten auch bei der Verleihung des Luisenordens keine Rolle spielen, und so fand sich „sogar ein Dienstmädchen auf der Vorschlagsliste".25 Exklusiv aber ist der Kreis der Heldinnen geblieben; auf einhundert hatte Friedrich Wilhelm die Zahl der Ordensdamen begrenzt und zur Vorsteherin seine Schwägerin gemacht, die nach Luises Tod zu großer Popularität gelangte Prinzessin Marianne. Das Luisenkreuz erhielt sie selbst als erste. Das Eiserne Kreuz und der Luisenorden schmiedeten die Brücke zwischen dem Ende der Königin und dem Anfang der Befreiungskriege. Krieg hatte die Monarchin selbst gewünscht und war darum nach dem Debakel oft gescholten worden, doch stellte sich der Mythos nach dem schlimmen Sterben wie ein Schutzwall vor Luises Existenz: „Wären die Wunder von 1813 Folgen ihrer Leitung und Einwirkung gewesen", schrieb die Gräfin Schwerin, „in welchem ganz anderen Lichte möchte diese erscheinen!" 26 Konjunktive aber machten Mythenmacher zu Imperativen, und die Luisenorden gaben ihnen Recht. Die Liebe der Preußen zu ihrer Königin sei so mächtig gewesen, schrieb Karoline von Berg, daß alles, „was selbst nach ihrem Dahinscheiden Bedeutendes, Großes und Erhabenes geschieht, sich an ihren Segen anknüpft und zu ihr zurückfuhrt. Wahrlich, ein Leben, welches solche Spuren zurückläßt, welches gleichsam so fortgesetzt wird [...], muß schon seiner Natur nach, wenn auch in unsichtbarem, aber desto innigerem Zusammenhang mit diesen Ereignissen gestanden haben." 27 Der Mythos ersetzt Sichtweisen auf Vergangenes durch gewachsene, scheinbar selbstverständliche Strukturen, indem er Kausalitäten verdreht, Symptome zu Ursachen macht und Hypothesen zu Indizien, die belegen, was keines Beleges bedarf. Kraftvolle, unmittelbare Wirkungen werden erwartet, die stärker sind als jede Erklärung, die den Mythos demontieren könnte; die gegenwärtigen Wirkungen bezeugen die vergangene Wirklichkeit: „Übrigens hat das eiserne Kreuz alle die Wirkungen hervorgebracht, die es hervorbringen sollte", bestätigte Eylert, „zum offenbaren Beweise, daß in ihm selbst und in seiner symbolischen Bedeutung das Leben liegt."28 Die Grenzen von Empfindsamkeit und Sentimentalität, Poesie und Propaganda verschwammen oft in jener Zeit. König Friedrich Wilhelm hat zwar den Mythos seiner Frau nicht planmäßig erzeugt, doch spielte seine Art zu trauern den „professionellen Stimmungsmachern" vollauf in die Hände. 29 Eisernes Kreuz und Luisenorden sind wie das Luisenmausoleum auch Produkte einer Melancholie, die genährt und gelenkt wurde von Männern wie Eylert und Borowski, Gneisenau, Rauch und Humboldt. Die Idee eines Luisenordens gründete auf einer Eingabe des Rittmeisters Haake, und ob die Stiftung des Eisernen Kreuzes allein dem Geiste Friedrich Wilhelms entsprungen ist, mag dahingestellt sein, auch wenn seine Einfallslosigkeit zur Phrase seiner kritischen Biographen verkommen ist.30

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Keinesfalls aber war die Suche nach Trost und Sinn in Mythen und Monumenten die einzige Motivation des unglücklichen Königs, denn aus dem Andenken der Gattin zog der Witwer zweifelsohne Nutzen für die Monarchie. Die tote Luise war politisches Kapital, um dessen Wert wie Risiko der König wußte, geriet der Kult um jene .deutsche Frau' in Zeiten nationaler Euphorie doch leicht vom Pfand zur Last. Ein Eisernes Kreuz als deutsches Nationalsymbol entsprach den Interessen seines Stifters ebensowenig wie eine preußische Königin als Galionsfigur des Kampfes um die deutsche Einheit. Einzig als Nation unter Hohenzollernkrone sollte sich das preußische Volk erkennen; nicht grundlos untersagte Friedrich Wilhelm darum jede Verlängerung der Ordensvergabe. Das Zeichen, „nur für den heiligen Krieg bestimmt", werde mit der Zeit immer seltener werden, prophezeite Eylert. „Wenn der Letzte, der es getragen, schlafen gegangen und mit ihm es verschwunden ist, wird es eine heilige Reliquie werden."31 Der Bischofjedoch irrte, weil Krieg seit den Befreiungskriegen immer .heilig' war, für anderthalb Jahrhunderte. König Wilhelm I., das väterliche Verbot mißachtend, erneuerte nach der französischen Kriegserklärung von 1870 das Eiserne Kreuz und weckte damit dankbare Erinnerungen an die „Heldenthaten unserer Vorfahren in den großen Jahren der Befreiungskriege".32 Und auch der Mythos der toten Mutter wurde in der Neustiftung des Ordens wieder aktiviert und ausgeweitet, denn Eisernes Kreuz und Königin Luise verknüpften Hohenzieritz und Breslau, Sedan und Versailles zu einem mythischen Netz, in das die von den Preußenkönigen die längste Zeit so argwöhnisch beäugte deutsche Einheit fiel - als Frucht der Preußenkönige. Ein halbes Jahrhundert hindurch war Luise den Hohenzollern ein Begleitschutz im Kampf gegen die Verfassung und die nationale Einheit. Zeiten der Unterdrückung aber hat sie nach der Reichsgründung in Zeiten der Unterstützung zu wandeln vermocht und aus dem Gegenteil von Tradition deren Inbegriff gemacht. Die Barrikaden aus der Nacht zum 19. März 1848 rauchten noch, da beschwor der älteste Luisensohn die „lieben Berliner" mit „väterlicher Stimme", nicht einer „Rotte von Bösewichtern" in den Straßenkampf zu folgen, ein Aufruf, der mit den Tränen seiner Ehefrau schloß: „Eure liebreiche Königinn und wahrhaft treue Mutter und Freundinn, die sehr leidend darniederliegt, vereint ihre innigen, thränenreichen Bitten mit den Meinigen."33 Leidensköniginnen sollten die Masse einen, auch das Urbild aller Dulderinnen rief Friedrich Wilhelm IV. darum an, als er 1850 den Luisenorden zur Auszeichnung von Frauen erneuerte, die sich in der Revolutionszeit um die Verwundeten gekümmert hatten und damit vermeintlich ihre Liebe zeigten zu Preußen und zu seiner Krone. Ein Jahr zuvor hatte er die liberale Verfassung von 1848 zurückgezogen und durch eine restriktivere Version ersetzt. Die Erinnerung an die Erinnerung kreierte schließlich die Kontinuität der Kontinuität. Die .Erinnerungs-Kriegsdenkmünze', die Wilhelm I. zum fünfzigsten Jahrestag des Breslauer Aufrufs für die Veteranen der Freiheitskriege stiftete, gab man auch den noch lebenden Inhaberinnen des ersten Luisenordens, den Wilhelm schon 1861 erneuert hatte. Zwei Jahre später begann der deutsch-dänische Krieg, und nach dem

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ersten dieser Einigungskriege stiftete der König wiederum den Luisenorden, es war ihm eine „Pflicht". Entsagung wurde in politisch brisanten Tagen erneut auch bei den Frauen eingefordert; Luises Name erinnerte an die „schönen Ereignisse in der Zeit der Befreiungskriege" und verhieß den „ebenbürtigen" Dulderinnen der Gegenwart Teilhabe am Höhepunkt der Frauengeschichte. 34 Elisabeth, die Schwägerin des Königs und Witwe Friedrich Wilhelms IV., saß dem Kapitel jenes Ordens vor, der nunmehr auch in Friedenszeiten an Frauen verliehen wurde, die „in edler Selbstverleugnung ein ehrenvolles Vorbild" geliefert und somit „ihren patriotischen Sinn" bekundet hatten, der zugleich dem Königshaus zu gelten hatte.35 Der Orden, der nur in Preußen vergeben werden konnte, wurde von Wilhelm auch nach dem Krieg gegen Frankreich 1870/71 wieder aufgelegt, erweitert um ein , Verdienstkreuz für Frauen und Jungfrauen', das der Beschränkung auf Preußen nicht mehr unterlag. „Ein Mythos reift", schreibt Roland Barthes, „weil er sich ausbreitet."36 Adamis Buch über Luise wurde zu deren einhundertstem Geburtstag an die Kadetten der Berliner Militärakademien verteilt37; Kränze von Kriegervereinen schmückten ihre Denkmäler am einhundertsten Todestag, während die Verwaltung des Zeughauses Unter den Linden eine Gedenktafel enthüllte, auf der die revanchistische Losung des Luisenmythos in der gebotenen Deutlichkeit prangte: Der Wetterstrahl, der Deutschlands Glück zersplittert, Zerschlug auch Dir das Königliche Herz, Und heute noch nach hundert Jahren zittert, In unserer Seele leise nach der Schmerz. 38

Vier Jahre später entlud sich das Zittern einer nervösen Zeit, und unter dem Zeichen des Eisernen Kreuzes, von Wilhelm II. neu gestiftet, zog das Reich in den Ersten Weltkrieg, den das Kaiserhaus nicht überstehen sollte. Die Hohenzollerngeschichte endete im holländischen Exil; den Durchhaltewillen der Befreiungsära beschwor indessen auch die Nazizeit. Kurz vor dem Überfall auf Polen stiftete Hitler das Eiserne Kreuz. Die ständige Wiederauflegung wie die massenhafte Verleihung jenes einstmals exklusiven Ordens haben dem Eisernen Kreuz den Ruf als „Zeichen des Militarismus und des preußisch-deutschen Imperialismus" eingebracht, doch ist der Orden seiner monströsen Nutzungsgeschichte zum Trotz als Zeichen der Befreiungskriege eine Auszeichnung des letzten deutschen Krieges, der als gerechtfertigt in anderthalb Jahrhunderte Geschichte eingegangen ist.39 Das Eiserne Kreuz wurde nach dem Zweiten Weltkrieg offizielles Hoheitsabzeichen der Bundeswehr und auf jeden Panzer, jedes Kampfflugzeug lackiert; und als deutsche Truppen 1999 zum ersten Mal seit 1945 wieder in den Krieg zogen, in den Kampf gegen die Serben im Kosovo, da wollte mancher jenen Orden wiederhaben, der zwei Jahrhunderte zuvor gestiftet worden war - zum Andenken der Königin Luise.40

30 Das Kreuzbergdenkmal „Auch ist keine schönere Verherrlichung der Königin denkbar, als sie selbst zuletzt als diejenige darzustellen, welche den Siegern ihre Kränze zuwirft. Herrn an Grimm 1877

Napoleons Niedergang hatte das Eiserne Kreuz vom Kriegsorden zum Siegeszeichen gemacht, zum Symbol des preußischen Aufstiegs, das Männerbrüste und Monumente zierte, Teller und Tassen, Bestecke und Bucheinbände. König Friedrich Wilhelm III. machte die Straße Unter den Linden durch mehrere Denkmäler zur Triumphmeile im Zeichen des Eisernen Kreuzes; zeitgleich verwandelte sich die Frau, zu deren Ehren das Kreuz gestiftet worden war, in den preußischen Siegesengel, den fortan auch der Staat in Szene setzte. Die Ruhmesfahrt des Eisernen Kreuzes gab dem Mythos Kraft. Königin Luise, lange tot, wurde in die Siegesikonographie des Staates eingebunden und ihr Mythos durch eine Vielzahl von Doppelungen und Wiederholungen, Verknüpfungen und Verweisen gestützt, wobei sie selbst auch sichtbar wiederauferstehen sollte. Luises Schicksal wurde bildlich mit dem des Vaterlandes und seiner Symbole gleichgesetzt; traditionelle Allegorien und aktuelle politische Symbolik, Geschichte und Gegenwart durchdrangen einander und verbanden sich zu einem sinnfälligen Konstrukt, das in der plastischen Kunst gegenwärtig wurde. Die universale und übergeordnete Bedeutung aber, die dem Dasein der Königin zugemessen wurde, sollte vor allem dem monarchischen Anspruch dienen, der im Denkmal Ausdruck suchte. Ende des Jahres 1816 schrieb Christian Daniel Rauch an Schinkel, er finde, daß Preußen seinen im Kampf „so rühmlich gefallenen Mitbürgern ein Denkmal" schulde.2 Die Erfolge der preußischen Erhebung gebührend zu feiern, entsprach aber nicht nur den Interessen der Künstler, sondern auch denen des Hofes und der Bürgerschaft. „Kreuzberg" hatte man den Templower Berg in Berlin nach dem Eisernen Kreuz genannt und drei Jahre nach Waterloo auf Geheiß Friedrich Wilhelms III. begonnen, ein Denkmal auf dem Hügel zu errichten, das den Siegern und Gefallenen der Freiheitskriege zugedacht sein sollte. Karl Friedrich Schinkel entwarf das Monument nach den Vorstellungen des Monarchen in Form einer gotischen Kathedralenspitze, die von der Königlichen Eisengießerei gegossen wurde. Auf dem Grundriß eines gleichschenkligen Kreuzes erhebt sich das 1826 vollendete Denkmal als fast zwanzig Meter hoher Turm mit einem gestaffelten, zwölfseitigen Sockel, der Inschriften trägt. Zwölf überlebensgroße, geflügelte Statuen aus Eisen stehen darüber als Genien einzelner Schlachten, umrahmt von einer wimpergen- und fialengeschmückten Nischenzone, über der das Monument, in Fialen um einen

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30 Das Kreuzbergdenkmal

schlanken Mittelturm sich veijüngend, zur krabbenbesetzten Spitze emporwächst; auf dieser sitzt ein Eisernes Kreuz. Christian Daniel Rauch, Friedrich Tieck und Ludwig Wichmann modellierten die hohlgegossenen Eisenstatuen, deren Fertigstellung jedoch Jahre dauerte, weil die Restaurationszeit die Bildhauer mit Denkmalaufträgen überlastete. Idealplastik und Porträt verschmolzen in jenen eigenartigen Figuren, deren Konzeption aus heutiger Sicht weder dem Architekten noch den Bildhauern eindeutig zuzuweisen ist.3 „Der Ausdruck des Kopfes, das gewählte Alter, das Kostüm, die aus den Ereignissen entlehnten Attribute und endlich auch manche Porträt-Ähnlichkeit haben die Motive zu einer sehr mannigfaltigen Charakteristik und Bedeutsamkeit dieser Gestalten hergegeben", schrieb Schinkel; und scheint es auch, als sei die Komposition dieser patriotischen Mischwesen den Bildhauern selbst überlassen gewesen, so lag dem Zyklus doch ein abgestimmtes Programm zugrunde, und Schinkel, der bei Bauvorhaben oft konkrete Vorstellungen vom plastischen Schmuck besaß, war sicherlich auch hier die maßgebliche Kraft.4 Der König und der Kronprinz sind ebenfalls hinter der Idee gesehen worden, die so wichtig für die Aussage des Denkmals war; sicher jedoch ist nur, daß der Monarch das Monument in dieser Form genehmigte. 5 „Nur ganz freie Bildungen der Phantasie" hatte der Architekt erbeten und den Bildhauern darum die Fresken im Collegio del Cambio in Perugia als Vorbild empfohlen, wo Perugino personifizierte Tugenden mit Antlitzen klassischer Herrscher und Philosophen versehen hatte. „Solche Helden, solche antiken Mädchen" wünschte sich Schinkel auch am Kreuzbergdenkmal.6 Keine vergangenen Helden aber galt es auf dem Hügel vorzustellen, sondern zeitgenössische als solche auszuweisen, namentlich die königliche Familie und ihre siegreichen Generäle. Eine Heldin aber kam aus der Vergangenheit. Der Genius von Paris, 1824 nach einem Modell von Rauch gegossen (Abb. 54), erscheint am Kreuzbergdenkmal in weiblicher Gestalt. Ein bodenlanges, antikisches Gewand auf dem Leib und mit Lorbeer bekränzt, trägt die Figur auf dem rechten Arm eine bronzene Statuette der Quadriga nach Schadows Vorbild, während die linke erhobene Hand ein lanzenartiges Zepter hält, auf dessen bronzener Spitze ein Eisernes Kreuz sitzt, das mit Lorbeer umfaßt und von einem Adler bekrönt ist. Die geflügelte Statue gehört zu den vier Genien der Hauptschlachten Großgörschen, Leipzig, Paris und Belle-Alliance, die Schinkel ihrer historischen Bedeutung wegen an den vorspringenden Stirnseiten der vier Kreuzarme plazierte und durch vergoldete Inschriften betonte. „Der Genius trägt die Züge der Königin Luise", hieß es 1828 im Magazin von Abbildungen der Gusswaaren der Königlichen Eisengiesserei, dessen Wortlaut wohl vom Bildhauer selber stammte. 7 Eine „hohe weibliche Gestalt [...] mit dem Ausdruck der Majestät" nannte Rauch seine Schöpfung an anderer Stelle, und schon zu Lebzeiten des Bildhauers gab es keinen Zweifel, wen er damit gemeint hatte.8 „Der Kopf der Victoria mit dem Siegeswagen auf der Hand", verkündete eine Gedenkschrift 1852, „ist von der hochseligen Königin Louise."9 Kaum erinnert der Genius aber noch an Rauchs bekannte Luisenporträts. Ein volles Gesicht und ein schwerer Kopf auf starkem Hals sind die einzigen Reminiszenzen

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Abb. 54 Christian Daniel Rauch: Der Genius von Paris, 1824-1825

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an die Physiognomie der Königin, das attische Profil, die schweren, scharf gezeichneten Lider und der volle Mund weisen dagegen eher auf eine griechische Idealplastik. Und doch ist gerade diese Hinwendung zum Idealen charakteristisch fiir die Genese des Rauchschen Luisenbildes und dessen frühe Bedeutung fiir Mythos und Kult. Zwar hatten die Klassizismen in seinen Werken über die Jahre zugunsten einer realistischeren Komponente an Gewicht verloren, dennoch blieb Rauch, wie auch Schadow, bei Bildnissen von idealem Charakter Klassizist. Künstler und Poeten, besonders die jungverstorbenen, wurden nach wie vor durch die zeitlosen Formen der Antike verklärt; auch die Luisenbüsten Rauchs zeigen über die Jahre hinweg eine merkliche, Allgemeingültigkeit anstrebende Zunahme von Entrückung und Idealität. „Es ist nicht mehr die Vielgeliebte und Vielgeprüfte, die hier erfaßt wird", urteilte Peter Bloch, „sondern fast nur noch ein dynastisches Monument."10 Antlitz und Attribute machten den Genius von Paris weitgehend zum Ebenbild einer antiken Siegesgöttin, der ein weiblicher, geflügelter Schlachtengenius ikonographisch ohnehin schon ähnelte. Und den Viktorien hat sich kein zweiter Bildhauer seiner Zeit so eindringlich gewidmet wie Rauch, der nach den Freiheitskriegen über dreißig verschiedene Nikefiguren entwarf und in unterschiedlichen Größen und Materialien in alle deutschen Lande exportierte. Euphorisch von den Zeitgenossen aufgenommen, wurden diese Statuen stilbildend wie sonst nur Rauchs Luisenbild und besaßen maßgeblichen Einfluß auf die Siegesikonographie im 19. Jahrhundert, reicht doch die Darstellungstradition jener Viktorien bis hin zu Drakes monumentaler Viktoria auf der Berliner Siegessäule.11 Das Eiserne Kreuz hatte die Königin Luise in Zusammenhang mit der deutschen Erhebung gebracht, die Siege inthronisierten sie als preußischen Schutzgeist und verwandelten ihr Mausoleum in ein Monument der Freiheitskriege. Zeitungsartikel, Gedichte und Gemälde prägten seitdem den Blick auf die Sarkophagstatue und machten aus dieser die wohl erste und einzige liegende Nike der Kunstgeschichte. Eine Schmuckmedaille zu Ehren des Bildhauers von 1851 zeigt das Luisenmonument von Rauchs Viktorien bekränzt. Die Königin scheint „schlummernd des Vaterlandes Größe zu träumen", zugleich umscharen die Helden der Befreiungskriege, ebenfalls den Rauchschen Denkmälern entlehnt, die Statue und küren die Verstorbene zu einer Heldin jenseits der irdischen Lebenszeit.12 Das Œuvre des Künstlers zeigte sich folglich in mythischer Ordnung auf der Medaille. Entstanden durch den Mythos wie aus Melancholie, beides wiederum erhaltend und verbreitend, überlagerte sich das Bild der siegreichen Luise mit dem der Nike. König und Volk hatten „jeden Sieg mit ihr treu geteilt", bestätigte Sophie von Schwerin, und das Vaterland „hat ihr die Tage seiner Ehre zugerechnet und ihr, der seine Schmach so heiße Tränen gekostet, seinen Glanz geweiht".13 Ehre, Glanz und Weihe führte das Eiserne Kreuz hinüber in die Sichtbarkeit, und das Kreuzbergdenkmal gab der mythischen Siegerin selbst Gestalt. „Etwas mehr Bezughabendes auf die jetzigen Zeitereignisse" hatte der König der vom Brandenburger Tor geraubten Quadriga (Abb. 55) nach deren Rückkehr in die

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Hand zu geben gewünscht - und bestimmte etwas Bezughabendes auf seine Frau für diesen Zweck. 1 4 Schinkel ersetzte die Lorbeerkranztrophäe der Schadowschen Plastik durch ein eichenlaubumkränztes, adlerbekröntes Eisernes Kreuz. U n d gleichwie Eirene, die Friedensbringerin auf d e m Brandenburger Tor, in eine Viktoria verwandelt wurde und das Tor für den „Triumph des Friedens" zum Siegesmonument geriet, so wurde auch Luise durch vielfaltige Verweise auf die Q u a d r i g a zum Engel der preußischen Siege. 15 Das Kreuzbergdenkmal setzte den Mythos der Königin Luise um wie fort: Das Eiserne Kreuz auf Sockel und Zepter des Genius von Paris brachte die als Kunstwerk auferstandene Luise mit .ihrem' Zeichen zusammen und bestärkte ihre eigene Zeichenwerdung auf augenfällige Weise. Klassischer Habitus und die Verknüpfung des Eisernen Kreuzes mit antiker Siegessymbolik entzogen die Königin und das Ereignis, für das sie stand, der Zeitlichkeit. Engel geworden, blickte sie vom höchsten Hügel auf glückliche Zeiten herab, die sie herbeigeführt, als Mensch j e d o c h nicht mehr erlebt hatte.

Abb. 55 Johann Gottfried Schadow (mit Ergänzungen von Karl Friedrich Schinkel): Quadriga auf dem Brandenburger Tor, 1789-1793, Nachschöpfung von 1957-1958

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Die tote Landesmutter wurde zum Genius einer Schlacht, die durch das Schicksal der Quadriga so sichtbar und symbolisch geworden war wie keine andere im Kampf gegen die Fremdherrschaft. „Das Ziel der Siege und das Wiedergewinnen des Verlorenen", so Rauch, war des Genius von Paris Programm, und diese Botschaft erkannte man auch im Opfertod der Königin Luise.16 Kaum etwas konnte die gewünschte Aussage darum eindringlicher illustrieren als die am Kreuzbergdenkmal vorgeführte Identifikation der getöteten Monarchin mit dem geraubten Viergespann, zumal diese Verbindung an ein erschütterndes Bild gemahnte: Eine große schwarze Fahne hatte oben auf dem Brandenburger Tor geweht, als der Leichenzug der Königin Berlin erreichte. „Wie ein Stachel" ragte die Halterungsstange der geraubten Plastik aus der Attika hervor und unterstrich gleich zweifach die Misere, diente diese Stange doch als Mast der Trauerfahne.17 Zwei Jahre hiernach kehrte die Königin vor jene dunkel umwölkte Kulisse zurück. Der Maler Wilhelm Wach, ein Freund und Ateliergenosse Rauchs, verband in einem Gemälde die schmerzlich Vermißte mit dem Verlust des Viergespanns und verglich das seines Schmucks beraubte Friedenstor mit dem mutterlosen Staat (Abb. VIII). Erst das Schicksal der Quadriga hatte diese zum Symbol des Sieges und der gesühnten Schmach gemacht, und auch die Königin, postum so zahlreich dargestellt, kehrte als Symbol mit hohem Zins zurück - dem Verlust, hier wie da, erwuchs der Wert. Und die Genugtuung nach 1815 wuchs über Jahrzehnte. Ein halbes Jahrhundert nach dem Tod der Königin erinnerte die Vossische Zeitung nicht nur an Luise, sondern auch an das Schicksal der Quadriga und den Niedergang Napoleons: „Er, der so viel Unglück über unser Vaterland gebracht, hatte mit frevelnder Hand uns auch dieser Zierde beraubt. Drei Jahre später hat der gedemüthigte Feind uns, Gottlob, auch diesen Raub wieder erstatten müssen."18 Eisern wie aus Marmor überstand Luise die Zeit als .Zierde'. Eigenhändig und unablässig erstatteten sich die Preußen ihren Verlust. Die schicksalhafte Verknüpfung des Viergespanns mit der Verstorbenen bezeugte Napoleons Raubmord an Luise ebenso wie deren Verwandlung in ein Werk der Kunst. Und als Kunstwerk, geschändet und gesühnt, wurde sie zum Nationalsymbol des Volkes wie der Krone. „Drei Beleidigungen waren es vornehmlich", erklärte Friedrich Förster 1866, „für welche das Volk blutige Rache an Napoleon zu nehmen schwur: daß er den Degen Friedrichs raubte, die Königin schmähte und die Siegesgöttin vom Brandenburger Thore entführte."19 „Ein weiblicher Genius als Friede dargestellt" stand am Kreuzbergdenkmal für die letzte und entscheidende Schlacht der Freiheitskriege: Waterloo, in Preußen ,BelleAlliance'.20 Entworfen und modelliert von Rauch, trägt die Figur die Züge der ältesten Luisentochter Charlotte, die 1825 den russischen Zaren Nikolaus I. geheiratet hatte und darum auch in anderer Hinsicht eine,belle alliance' verkörperte. Die „Frucht dieses letzten Kampfes und des Sieges" versinnbildlichend, erscheint der Genius als Friedensbringer mit Ölzweig und Lorbeerkranz. Sieg und Frieden waren am Kreuzbergdenkmal Mutter und Kind. Das althergebrachte Attribut des Friedens in der Hand des Genius von Belle-Alliance unterstrich die

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überaus spezielle Symbolik des Genius von Paris, dessen Schöpfer einst „betäubt" vor Glück die Nachricht vom Einzug der alliierten Truppen in die französische Kapitale empfangen hatte und mit seinem Genius jener Schlacht nun mehr als einen Sieg im Krieg verewigte.21 Die Statue stand für die Revanche, sie tröstete über die „mit bestem Blut gesühnte und doch nie auszulöschende Schuld, daß Luise nicht den Breslauer Aufruf vernommen, nicht die Leipziger Schlacht erlebt, nicht die Viktoria abermals auf ihrem alten Platz am Brandenburger Thor geschaut hat".22 Auf dem Kreuzberg hat Luise all das nachgeholt und begnügte sich dort nicht mit Schauen, sondern handelte selbst - wenngleich man die Bildniszüge der Genienfiguren mit der Beteiligung der dargestellten Personen an den jeweiligen Schlachten zu erklären suchte.23 Zwar hatte die Monarchin den Einmarsch in Paris nicht mehr erlebt, doch nachdem der Mythos ihres Opfertodes sie bereits am Ausbruch der Befreiungskriege beteiligt hatte, ehrte nun das Kreuzbergdenkmal sie als deren symbolträchtigen Höhepunkt. Zehn Jahre nach dem Sieg über Frankreich legte Rauch die geraubte und zum Wahrzeichen gewordene Quadriga in die Hand der Königin Luise. Das Leben und Sterben für die Nation bekundend, trug die Auferstandene das Viergespann zurück. Ein Zepter des Eisernen Kreuzes, wie Schinkel es der Göttin vom Brandenburger Tor gegeben hatte, hielt auch der Genius von Paris in der Hand, der jener Wagenlenkerin nun vollends glich und diese durch die Quadriga auf dem Arm zugleich verdoppelte. Und so schien es fast, als habe die Königin selbst auf das Brandenburger Tor steigen wollen, wo sie als siegreicher Genius von Paris den Pariser Platz überschaut hätte. Einstmals als ,Quarree' bezeichnet, hatte man den Platz vor dem Tor im Jahre 1815 nach der Stadt benannt, deren Eroberung das Viergespann zurückgebracht und den Tod der Königin gerächt hatte. Kreis um Kreis schloß die Kunst. Kreuz und quer, kaum entwirrbar, wurde das Netz der Symbole und Verweise gesponnen, es gab dem Mythos frühen Halt durch Sichtbarkeit von Schlüssigkeit und Schlüssigkeit von Sichtbarkeit. Und wenn man sich noch in den Kindertagen Wilhelms II. über die Befreiungsära unterhielt, „so sprachen die Frauen stets von der Königin Luise, ebenso die Männer von ihr zuerst, dann aber stets zu zweit von Feldmarschall Blücher".24 Zwei Genien am Kreuzbergdenkmal trugen Blüchers Antlitz. Das Standbild schließlich, das Rauch dem legendären .Marschall Vorwärts' zeitgleich mit dem Kreuzbergdenkmal gegenüber der Neuen Wache Unter den Linden errichtete, zeigte auf dem Sockelrelief die im Triumph zurückkehrende Quadriga, war doch Blücher es gewesen, der die erlösende Nachricht von der Wiederauffindung des Viergespannes nach Berlin gemeldet und dessen umgehende Rückkehr eingeleitet hatte.25 Und auch den zweiten, finalen Dienst am Vaterland maß ihm der Mythos darum zu: die Rache für den Tod der Königin Luise. Kriegsheld und Königin verbanden sich auch in der Kunst. Zusammen standen Rächer und Gerächte auf dem Kreuzberg, und ein Monument für Blücher kam auch in den Schloßpark von Hohenzieritz. Ehre war zurückerlangt und der Toten eine

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Brücke ins Leben gebaut, und so blieb „von all den großen Namen" jener Zeit „nur der des Feldmarschalls Blücher neben dem der Königin Luise lebendig in der Volksseele". Kraftvoll gewirkt hatten beide, der Mann im Leben, die Frau im Tod: „Ja, Preußens edle Königin und Preußens Feldmarschall, die haben's gemacht!"26 Zusammengebracht mit dem Eisernen Kreuz und der neuen Nike auf dem Brandenburger Tor, beides vom König selbst ersonnen, fand die Inszenierung der toten Königin im Zeichen des monarchischen Prinzips auf dem Kreuzberg ihren vorläufigen Höhepunkt. „Der König dem Volke, das auf seinen Ruf hochherzig Gut und Blut dem Vaterland darbrachte, den Gefallenen zum Gedächtnis, den Lebenden zur Anerkennung, den künftigen Geschlechtern zur Nacheiferung", lautete die Inschrift; und mit dieser „trefflichen Formel für den Gefallenenkult des preußischen Obrigkeitsstaates", wie sie auf den kirchlichen Opfertafeln „für König und Vaterland" schon angeklungen war, blieb das Kreuzbergdenkmal trotz der Wendung an das Volk ein Monument der Monarchie, ein Denkmal fiir den im Königtum konstituierten und geeinten Staat.27 Zwar kam es im Revolutionsjahr 1848 auch am Kreuzbergdenkmal zu Demonstrationen, doch taugte das Werk zu dieser Zeit nicht recht als deutsches Nationaldenkmal, denn keineswegs abstrakt war die Nation hier dargestellt, sondern in mächtigen Figuren mit Hohenzollerngesichtern, über denen die Architekturmasse, so Schinkel, nur den „zur Verehrung errichteten Baldachin" abgeben sollte.28 Ein rein preußisches Ereignis schienen die Freiheitskriege gewesen zu sein und vor allem eins der preußischen Königsfamilie. Der patriotisch religiöse Stimmungsgehalt der eisernen gotischen Form setzte den Rahmen fiir die Identifizierung der als Genien vorgestellten, überirdischen Mächte mit sterblichen Figuren aus Fleisch und Blut; national bedeutsames Heldentum war personal verkörpert, preußische Historie verschmolz mit dem Kult des großen Menschen, des Militärs, der Monarchie. Das Kreuzbergdenkmal hob Luise hervor und zeigte sie zugleich im Bunde der Familie. König Friedrich Wilhelm hatte seine Züge dem Genius der Schlacht von Kulm geliehen, „von geringerer Bedeutung", wie Schinkel meinte. Eingestellt in eine Seitennische, machte der Luisengatte seiner Frau wie schon im Leben Platz.29 Die ältesten drei Königskinder waren ebenfalls in Geniengestalt erschienen, und so blieb das Werk ein monarchisches Siegesmonument, das nationale Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft im Zeichen der Dynastie verschmolz. Einmal mehr und nicht zum letzten Mal galt das Schicksal der Nation als das einer Familie, über deren Geschicke die verklärte Mutter wachte. Eine Brücke zur toten Königin hatte Schinkel schon mit seinem ersten Entwurf für das Denkmal geschlagen und auf Anregung Rauchs eine figurengeschmückte Säule vorgestellt, deren Form von jenen Kandelabern herrührte, die der Bildhauer gemeinsam mit Friedrich Tieck für das Luisenmausoleum geschaffen hatte.30 Zogen der König und der Kronprinz zwar die Gotik der Antike vor, so blieb es doch beim grundsätzlichen Aufbau einer Hochform mit umlaufender Statuenreihe. Das Einweihungsdatum des unfertigen Denkmals, der 30. März 1821, war ebenfalls Reminiszenz an die Verstorbene, war es doch der Jahrestag der Schlacht, deren Genius sie vier

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Jahre später repräsentieren sollte. Und schließlich schloß sich der Kreis, als die gegossene Figur am 10. März 1825, dem Geburtstag der Königin, am Denkmal angebracht wurde. Ein Jahr zuvor hatte Rauch das Gipsmodell auf der Akademieausstellung präsentiert und als „Victoria" betitelt - Luise, das Zeichen des Sieges und der preußischen Wiedergeburt, erhielt der Siegesgöttin Namen und Gestalt.31 Die Siegesikonographie der Landesmutter durchdrang um diese Zeit auch den Skulpturenschmuck des Schloßparks von Charlottenburg, wo seit 1823 eine ihrer Rauchschen Büsten auf einer zweieinhalb Meter hohen dorischen Säule die Luiseninsel zierte. Säulenmonumente hatte die Antike den Viktorien und siegreichen Herrschern vorbehalten, und das Wissen um diese Tradition unterstrich die Huldigung der Toten als Sinnbild der preußischen Siegeskraft. Zwei bronzene Viktorien von Rauch, die man noch wenige Tage vor dem Tod des Königs vor dessen Pavillon in Charlottenburg auf hohen Granitsäulen plazierte, wurden ebenfalls in enger gedanklicher Verbindung zu der Verstorbenen aufgestellt, wie die Suche nach dem geeigneten Standort für jene kostbaren Säulen zeigt, die Christian Gottlieb Cantian geschaffen hatte. Karl Friedrich Schinkel hatte in einem ersten Gutachten von 1827 die oberste Terrasse von Sanssouci als idealen Platz für beide Säulen auserkoren, doch wünschte der König eine Aufstellung zu Seiten des Luisenplatzes vis-ä-vis des Neuen Flügels im Charlottenburger Schloßpark. Der Architekt indessen fand eine Aufstellung dort nur dann von „wirklicher Bedeutung", wenn das Säulenpaar vor das Mausoleum käme, wo es „den Anfang des schon geheiligten Vorplatzes" zieren und markieren könne. 32 Ein halbes Jahrhundert vor seinem Umbau zum Ruhmesmal der Preußenmonarchie wäre jener Tempel schon der Form nach das geworden, was er dem Gefühl nach ohnehin schon war: ein Siegesmonument. Eine jede Viktoria, die von oder nach Rauch geschaffen wurde, hat den Triumph der Königin Luise über Tod und Todfeind unmittelbar wie mittelbar bezeugt; und als Herman Grimm, der große Kunsthistoriker, die Schar der Siegesgöttinnen zum einhundertsten Geburtstag ihres Schöpfers betrachtete, gab er dem Mythos der siegreichen Königin den Segen seiner Wissenschaft: „Wie eine Reihe Schwestern, alle derselben Mutter entstammt, sitzen sie da mit ihren Kränzen. Und wenn die Ähnlichkeit mit ihrem frühesten Urbilde auch nur in einem Hauche von Verwandtschaft besteht, so genügt ja oft genug bei solchen Vergleichen ein bloßer Hauch, um Alles zu sagen, was hier zu sagen war." Der bloße Hauch gab Grimm Gewißheit: „Kein Zweifel für mich, daß Rauchs Siegesgöttinnen die letzte ideale Verkörperung der Königin Luise sind."33

31 Schuld und Sühne „Napoleon, siehst du der Gewappneten sprühende Augen ? Hörst du der Sänger sprühende Lieder? Das sind Luisens Rächer. Armin Stein 1897

Eingetaucht in tiefes Abendrot standen die Generäle Blücher und Gneisenau im Jahre 1814 nach der Schlacht von Paris auf dem Montmatre und blickten gemeinsam auf die besiegte Stadt, da entschwand es leise von den Lippen des alten Feldmarschalls: „Luise, du bist gerächt."2 Ein jeder vaterländisch erzogene Preuße nach 1871 kannte diese wahrhaft .legendäre' Szene, die bezeichnend für die Art und Weise war, wie Mythos zu Geschichte wurde. „Ist auch der Ausruf historisch nicht voll begründet", rechtfertigte Hermann Müller-Bohn dessen Überlieferung, so lag doch nichts „wohl näher, als daß der ritterliche Alte in diesem Augenblicke des Schutzengels Preußens, der edlen Luise, gedachte, die in der Zeit des Unglücks gerade auf ihn ihre Hoffnungen gesetzt hatte. [...] Welch wunderbarer Wechsel der Ereignisse, welche gewaltige, weltgeschichtliche Wendung!"3 Eine immense Schuld war mit dem Sieg beglichen worden, die Schuld am Tod der Königin Luise. Das Sterben einer Frau ,in der Blüte ihrer Jahre' schien nicht natürlich, vergessen waren zehn Schwangerschaften binnen sechzehn Jahren und ein bekanntes Lungenleiden, vergessen und ersetzt durch den einigenden Glauben an Luises gewaltsam gebrochenes Herz. Ein Tod ,vor der Zeit' stellte die Frage nach Grund und Schuld; Schuld aber verlangte nach Sühne, die, als kollektive Pflicht verstanden, Gemeinschaft und Identität stiften konnte. Sühne war moralische Rechtfertigung und hob politische Ereignisse auf eine Ebene der Ethik. Und Sühne erlaubte überdies, historische Vorgänge ohne Zusammenhang in einem höheren Sinn zu verbinden, was Kontinuität in der Vergangenheit erzeugte zur Legitimation der Gegenwart. Schuldige am Luisentod hatte es viele gegeben, und jeder büßte auf seine Weise. König Friedrich Wilhelm III. beendete seine Fehler in der Staatsfuhrung mit dem Breslauer Aufruf, das preußische Volk entsühnte seine fatale Starre mit der Erhebung gegen den Feind, Frankreich bezahlte Tilsit mit Waterloo und Napoleon verreckte für den Mord an Königin Luise auf einem kargen Eiland im Atlantik. Ein dynamisches und stets reaktivierbares Spiel von Schuld und Sühne gab dem Mythos offene Stabilität und ordnete das 19. Jahrhundert in Klarheit zur Nationalgeschichte. Zeitgenossen sahen in Luises Tod in jenen für Preußen so schweren Tagen mehr als eine menschliche Tragödie, ihr Heimgang war „der härteste Schlag, der diesen

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Staat jetzt noch treffen konnte", wie Friedrich Gentz glaubte. „Ich kann es nicht über mich gewinnen, den Trauerzug mit anzusehen", gestand Gneisenau seiner Gemahlin, „zu viele Erinnerungen knüpfen sich daran, und mit dem Leben dieser Frau [...] sehe ich abermals eine Hoffnung verschwinden. Ich bin wirklich in tiefer Trauer."4 Ein „großes Unglück" sei das Ereignis „selbst in politischer Rücksicht. Es ist zu furchten, daß die ohnedies schwache Gesundheit des Königs diesen neuen Sturm nicht aushält."5 „Sie hatte im höchsten Grade die Gabe, zu beseelen, zu ermutigen, zu beleben und wieder zu beruhigen allein schon durch ihre Gegenwart, selbst in gefahrvollen Augenblicken; sie erkannte alle Talente, sie besaß die Kunst, selbst diejenigen zu entdecken, die sich am wenigsten selbst hervortaten", schrieb Wilhelm von Humboldt, der den Tod der Monarchin „ein wahrhaftiges öffentliches Unglück für Preußen" und „in gewisser Hinsicht sogar für ganz Deutschland" nannte, weil er eine „Leere" an der Spitze des Staates schaffe, die „nichts ausfüllen" könne.6 „Mit ihr verschwindet nicht allein das einzige wahre Lebens-Element, das diese absterbende Maschine noch beseelte, sondern auch die einzige große Dekoration, die ihr ein gewisses äußeres Ansehen noch erhielt", schrieb Friedrich Gentz.7 „Nicht die Preußen allein, auch die Österreicher und alle Deutschen fühlten den Verlust, der wirklich ein vaterländischer war", erinnerte sich Karl August Varnhagen von Ense. „Alle deutschen Hoffnungen waren mit dem Namen der herrlichen, durch das Unglück geprüften und aus ihm geläutert hervorgegangenen, so schönen als mutigen Frau verknüpft, und die durch ihren Hingang in Preußen entstehende Lücke schien unersetzlich."8 Das vielbeschworene Andenken Luises trat fortan an ihre Stelle. Kraft und Einfluß der Lebenden wurden auf die Tote überschrieben, um Gefühle zu mobilisieren und Dumpfheit umzuwandeln in neue Kraft. Die Führer des Militärs, zum Schlag gegen Napoleon drängend, wirkten von Beginn an am Luisenkult: „Sie glauben nicht, wie man hier die deutschen Fürsten verachtet", schrieb Gneisenau im August 1812 aus London an Hardenberg, „könnte doch der König aus dieser schändlichen Gesellschaft austreten, um dem preußischen Namen den alten Glanz zu verleihen. Gott wird seinen Segen hierzu geben. Bei der Asche unserer Königin beschwöre ich ihn, sich und sein Volk aus der Sklaverei zu retten."9 Zeit ihres Lebens hatte Luise ihre Kraft umsonst auf ihren Mann verwendet, dessen Selbstvertrauen sie stets zu stärken suchte. König Friedrich Wilhelm, der „schwung- und phantasielose" Gemahl, hatte in der Krise von 1805 versagt, die Niederlage von 1806 verantwortet und sich im Juli 1807 voll und ganz entehrt, als er seine Gattin zu Napoleon sandte.10 Das Treffen in Tilsit, das Luise zu größtem Ruhm gereichte, war ihres Mannes Makel für die Ewigkeit. Auf dem Gipfel der Schmach hatte Friedrich Wilhelm noch die Würde seiner Frau aufs Spiel gesetzt, obwohl es doch „mit den Händen zu greifen" gewesen sei, wie von der Marwitz schrieb, daß Napoleon sie nur empfangen habe, „um die von ihm so vielfach geschmähte Frau zu demütigen und seinem Hochmut vor den Augen von ganz

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Europa ein schmähliches Fest zu bereiten. Dennoch ließ Friedrich Wilhelm sich bereden, diesen Leidenskelch über seine unschuldige königliche Gemahlin auszugießen."11 Und wie vorauszusehen, konnte auch Luise nicht verhindern, daß mit dem Frieden von Tilsit fast der ganze Kontinent entweder Verbündeter Napoleons wurde oder zum Vasallen herabsank. Einhelligerkannte die deutsche Historiographie des 19.Jahrhunderts im Treffen von Tilsit den Tiefpunkt der preußischen Geschichte. Leopold von Ranke nannte die Berührung der „stolzen und schönen Königin" mit Napoleon „das Allerfalscheste" n , und Theodor Mommsen schimpfte über all die Männer, die gefordert hatten, daß Luise „den Lästerer ihrer Ehre durch den Zauber ihrer Persönlichkeit bezwinge". Klagte Mommsen zwar die „treulosen russischen Bundesgenossen" der „Urheberschaft auf dieses entehrende Attentat"13 an und Heinrich von Treitschke die „frevelhaften" und „feigherziger Rathgeber"14 des Preußenkönigs, so blieb „aber auch so [...] dieser Vorgang der schimpflichste Fleck jener an Flecken unserer Ehre nur allzu reichen Zeit".15 „Mit Trauer und mehr noch mit Unwillen gedenkt der Patriot der Demütigungen unseres Staates und seines Königs, deren größte die Begegnung Luisens mit dem Eroberer war", schrieb Max Lenz. „Denn nicht daß der Staat dem Untergang fast entgegengefuhrt war, war das Ärgste, sondern daß die Besiegten hoffen konnten, durch die Anmut der schönen Frau auf das Herz des Mannes wirken zu können, der nur eine Herrin über sich erkannte, die Politik." Napoleon trage darum keine Schuld, zumal er in Tilsit „die Grenzen der feinen Sitten" wohl beachtet habe. „Die Schuld trifft diejenigen, welche die hohe Frau in eine solche Lage gebracht haben."16 Ein König, der König geworden, ohne König sein zu wollen, „der einen Staat regieren wollte, ohne schuldig zu werden", der auf alles verzichten konnte, alles ertragen hätte, solange er die Einzige, die er nie entbehren wollte, nicht verlor, dieser König hatte seine Frau nach Tilsit geschickt - und damit geradewegs ans Kreuz.17 „Nie hat ihn der Gedanke verlassen können", glaubte Ernst Moritz Arndt, „seine Königin, seine geliebte Luise, sei durch die Wut und den Jammer der Zeit in der Blüte ihrer Schönheit hingerafft worden, sie sei durch den Gram über das Unglück getötet worden. Seit jenem Jahr 1810, wo sie in ihrer Mecklenburger Heimat starb, hat Freude nimmer sein Gesicht mehr überstrahlt, er hat sich selbst des Glückes und der Siege der Jahre 1813, 1814, 1815 kaum mit seinem Volke freuen können, sondern in der stillen Einsamkeit des Schmerzes sich in das eigne Herz zurückgezogen."18 König Friedrich Wilhelm hatte sich für seine Fehler selbst bestraft; das Schlimmste war ihm widerfahren, und daß er später selten laut der Schuld am Sterben seiner Frau bezichtigt wurde, verdankte er der Pietät. Zerbrochen aber war Luises Herz an Jena, und es war bekannt, wer diese Niederlage verschuldet hatte. Nannte die Vossische Zeitung von 1876 den König noch „mehr passiv als activ", so hatte die Haude-Spenersche Zeitung schon 1860 unverblümt geschrieben: „Seine Unschlüssigkeit verdarb Alles und führte zur Katastrophe." 19 Die Läuterung des Monarchen wurde denn auch als höherer Sinn hinter der höchsten seiner Heimsuchungen ausgemacht. „Er hat viel Gut, viel Blut - wider seinen

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Willen! - dahin gegeben!", predigte Friedrich Christian Wigand auf den Tod der Königin, „er hat viel Streiter fallen, viel Kinder, die sich nicht trennen wollten, von sich gerissen gesehn; er hat das Glück seiner Väter mit Unglück bezahlt; er ist in nie gesehene Engen gekommen und wandelt noch in Meerestiefen der Versuchung. Was Wunder, wenn die Vorsehung vielleicht diesen letzten Schlag zu seiner Vollbewährung recht ausgesucht nöthig findet?"20 Und daß dieser Hieb auf des Königs militärische Bewährung zielte, verstand sich nur von selbst in jener Zeit. Entnervt klagte Gneisenau gegenüber Hardenberg, Friedrich Wilhelm sei von Gott auf den Thron gesetzt worden, „um zu handeln, und nicht, um zu dulden".21 Das Unglück des Vaterlandes war weitgehend hausgemacht und der Luisenkult, wie Mommsen ihn erklärte, gewachsen auf dem Wunsch nach Abbitte: „Als dann der Tod vor der Zeit die Rose brach, da gesellte sich zu der Verklärung, die aller Liebe durch den Tod verliehen wird, noch die Empfindung, daß ihr Leben verkürzt worden war durch die Schuld nicht so sehr des französischen Feindes als derjenigen Staatsmänner, die den Vertrag von Schönbrunn abgeschlossen, durch die Schuld der Generale, die die Schlacht bei Jena verloren und Magdeburg und Küstrin dem Feinde überliefert hatten. [...] Es war nicht bloß die Trauer um den Verlust der vielgeliebten Fürstin, es war [...] vor allem [...] die unermeßliche Reue über die eigene Mitschuld an dem Unheil des Landes, an welchem der Königin Herz gebrochen war."22 Kurz vor dem Beginn der Befreiungskriege hatte Theodor Körner in seinem Gedicht An die Königin Louise die Preußen allesamt ob ihrer „feigen Schmach" als Sünder angeklagt, was dem ganzen Volk die Sühne für den Tod der Landesmutter auferlegte. „Die Schande der Armee" hatte Luise zwar „das Herz gebrochen", doch trug auch jeder, der keine Waffe getragen hatte, Mitschuld an der Katastrophe.23 Entschieden nämlich gründete die propagandistische Nutzbarmachung des Luisenopfers auf der Idee einer Kollektivschuld, die dem Volk bedingungslosen Einsatz abverlangte. Die Mobilisierung der Massen im Kampf gegen Napoleon verkörperte die Hingabe ans Vaterland in höchster Weise. Und weil Schmach und Schande die Nation zu jeder Zeit bedrohten, stimulierte man die Kampfbereitschaft immer wieder mit Luise. Das in „apathische" Starre gefallene Preußen nach der Niederlage von Jena geriet zum Schreckbild seiner Nationalgeschichte. „Man ging in sich", schrieb Wilhelm II. „Man schlug an die eigene Brust ,Mea culpa!' Tiefe Innigkeit auf religiösem Gebiet, Umkehr, Buße bereiteten den Boden der Seelen für die Aufnahme der neuen Aussaat vor und richteten flehend und voll Hoffnung [...] die Blicke nach oben."24 Hinaufgeschrieben, hinaufgesungen und hinaufgemalt, prangte die tote Luise dort. Einige Tage nach ihrem Heimgang schon zum preußischen „Schutzgeist" erklärt, wies sie selbst dem Volk den Weg aus der Schuld.25 Sühne versprach der Gang nach Westen, und mit dem nächsten Schritt auf der Suche nach Schuld wie Sinn wandten sich die Preußen den Franzosen zu, den Verunglimpfern der Königin Luise. „Der Feind, sagte man sich, habe die Schutzgöttin des Volkes getötet", berichtete Heinrich Steffens damals, den man gern zitierte. „Ein Gefühl der Rache und ein, wenn auch nicht ausgesprochener Schwur, das Andenken

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an sie durch unerschütterliche Anhänglichkeit zu ehren, stärkte die volkstümliche Gesinnung, die jede Gelegenheit ergreifen wollte, das verhaßte Joch abzuwerfen." 26 Klagte sich Preußen wieder und wieder der Fahrlässigkeit und Feigheit an, so war es doch ein Mord, der hier nach Sühne schrie. Napoleon als ein Werkzeug Gottes zu betrachten, wie es in den Tagen nach dem Tod der Königin geschah, mochte die universalen Zusammenhänge des Luisenopfers zwar erklären, reinigte aber keine Mörderhand. 27 Der Mythos brauchte Mord und Mörder wie die Nation den Feind, und so blieb Luises Tod „ein Mord, begangen durch die französische Nation", wie Hermann Maertens 1892 noch bestätigte. „Ihn zu rächen wurde unserer Nation fast ebenso zur heiligen Pflicht wie die Befreiung des Vaterlandes selbst. Diese Anschauung ist bis heute eine Erbschaft Preußens geblieben." 28 Ein Mord kann nicht veijähren; ganz Frankreich nahm man in Sippenhaft. „Die Franzosen sind zu allen Zeiten die Feinde unseres Vaterlandes gewesen", belehrte man die deutsche Jugend. „In den letzten zwei Jahrhunderten haben sie uns dreißigmal den Krieg erklärt. 1870/71 sind unsere Armeen zum zweiten Male siegreich in das modernde Babylon einmarschiert, unsere Pferde haben die Seine durchquert, und wir haben mit französischem Wein auf die Gesundheit Deutschlands angestoßen. Die verfluchte Nation ist gestürzt, wie vernichtet von dem Feuer des Himmels." 29 Klare Antworten gaben nationalistische Luisenbiographen nun auch auf die Frage nach der Schuld an der Schmach von Tilsit: Kalckreuth, Hardenberg und Friedrich Wilhelm hatten dort nur ausgeführt, was Talleyrand und Murat hinterhältig ausgeheckt - nur Napoleon und das Land, für das er stand, waren die Schlächter der Königin Luise: „Und wer hat ihr geliebtes Vaterland zertreten? Daß die schöne Königsrose mitten in der Blüte hingewelkt, wer hat das auf dem Gewissen? Wer? Millionen und aber Millionen Finger zeigen auf den Mann mit dem gelben Gesicht, dessen unersättlicher Ehrgeiz die Völker zermalmte und dessen Herzlosigkeit ungezähltes Menschenglück zertrat." 30 Der tiefe Kummer über den Krieg und die „niedrige Verleumdung", so glaubte auch die Französin Elisabeth Vigee-Lebrun, hätten Luise „in der Blüte ihres Lebens ins Grab" gebracht.31 Und Napoleon widersprach dem nicht, nur gab er einem anderen die Schuld: „Von feindlicher Seite ist dem Kaiser vorgeworfen worden, er habe die Königin Luise mit äußerster Grausamkeit behandelt und sei schuld an ihrem Tode. Das ist natürlich Erfindung. Der Kaiser ist der Königin stets mit größter Aufmerksamkeit und Hochachtung begegnet, niemand hat sie mehr gewürdigt als er. Wahrscheinlich ist es, daß der große Kummer, den sie über die traurige Lage ihres Gatten und ihres Vaterlandes empfinden mußte, und der Schmerz über die erlittenen Verluste ihren Tod beschleunigt haben. Aber das war nicht des Kaisers Schuld. Warum hatte der König ihm den Krieg erklärt?"32 Zwar hatte der Kaiser dem König sein Beileid zum Tod der Gattin ausgesprochen, doch daß er „über ihren Tod ernstlich betroffen geschienen, wie versichert wurde,

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dünkte den meisten nur Verstellung, die er in den jetzigen Verhältnissen etwa für schicklich erachte", wie Varnhagen von Ense aus Paris berichtete. „Andre sahen darin [...] die strafende Erinnerung des verleumderischen Unglimpfs, den er einst gegen den Ruf dieser Fürstin auszuüben versucht hatte, ohne daß es ihm hatte gelingen können."33 „Louise sei das Losungswort zur Rache!" verkündete Theodor Körner nach ihrem Tod und eröffnete den Reigen ihrer Rächer für mehr als ein Jahrhundert.34 Die Erbschuld der Franzosen überwog die Kollektivschuld der Preußen, und je tiefer das Geschehen in die Ferne der Geschichte rückte, desto schwerer wurde die französische Schuld und desto dringlicher die Strafe. Spiegel der schlechten Nachbarschaft war stets auch der Luisenkult. „Die Königin Luise ist tot", rief Armin Stein noch 1897, „hörst du's auf deinem Strahlenthron, Tyrann? Die Königin Luise ist tot; und du hast sie gemordet! O, unter allen Mordthaten, die du auf deinem Gewissen hast, ist das die schwerste, daß du die edelste, die reinste, die heiligste der Frauen in den Tod getrieben! Es klebt viel Blut an deinen Händen, es klaget wider dich viel Schande und Verbrechen, aber dieser Mord, er schreit am lautesten von der Erde zum Himmel, dieses Gespenst verfolgt dich ohne Unterlaß und fordert Rache!"35 „Bonaparte speit Gemeinheiten und Beleidigungen gegen mich aus", hatte Luise auf der Flucht vor den Franzosen der Gräfin Voß berichtet. „Seine Flügeladjudanten haben sich mit ihren Stiefeln auf den Sophas in meinen Gobelinsalons in Charlottenburg breitgemacht." Ein berühmter Ausruf den man später als Marschbefehl gen Frankreich nahm, machte ihrem Ärger Luft: „ Und man lebt und kann die Schmach nicht rächen!"36 „Wir haben es hier mit keinem Ausruf der Verzweiflung zu tun", erklärte Tessa Klatt 1937, „der Akzent dieses Satzes liegt auf dem Ausdruck des Wunsches, Rache zu nehmen. Zorn über die Unmöglichkeit für sie als Frau, die Rache, die sie wünscht, durchzufuhren, klingt mit."37 Luises Kinder und Kindeskinder haben ihr diesen Wunsch erfüllt. „Ich hoffe, mein Sohn, daß an dem Tage, wo Du Gebrauch machst von diesem Rocke, Dein einziger Gedanke der sein wird, Deine unglücklichen Brüder zu rächen", sprach die Mutter fünfJahre vor ihrem Tod bei der Übergabe von Uniform und Degen an den ältesten Sohn, und Dutzende Bücher haben sie zitiert. Luise sprach zur ganzen Nation und verlas ihr Testament. Die patriotischen Dichter schickten die Königin als Racheengel in den Kampf. Zeugnisse wie ein vielzitierter Brief des alten Blücher belegten später den Zusammenhang zwischen dem Opfer der Königin und dem Anfang der Befreiungskriege: „Ich bin wie vom Blitz getroffen", schrieb der .Marschall Vorwärts' auf die Todesnachricht. „In meiner jetzigen Stimmung ist mir nichts lieber, als daß ich erfahre, die Welt brenne an allen vier Enden."38 Katastrophenqualität einte Ursache und Wirkung, und die Bürger vergaßen die erste Bürgerpflicht. „Man hörte aus dem Munde sonst ruhiger Bürger die fürchterlichsten Verwünschungen gegen den verhaßten Usurpator ausstoßen", berichtete die Vossische Zeitung fünfzig Jahre später, „der

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mit nichtswürdigem kalten Hohn das Herz der Königin zum Tode verwundet hatte."39 Emotionen staute der Mythos zu einer explosiven Kraft. Das ganze Spektrum der Gefühle, Haß und Wut, Trauer und Liebe, Scham und Reue, hatte demnach das preußische Volk durchrast, das nur im Kriegsrausch Ruhe finden konnte. Niederlage und Verdammnis folgten Frankreichs, Sieg und Aufstieg Preußens Schuld; und der Lohn der Buße war epochal, wie sich 1871 zeigte. Königin Luise selbst war „den Besten ihrer Nation" vorangegangen, wie die HandeSpenersche Zeitung 1860 erklärte. Das „Leere und Frivole" wich dem „rechten Zorn" auf Frankreich wie der „echten Liebe" zum Vaterland, und „deutsches Leben" durchdrang „endlich" der Menschen Herz.40 Das Leben und Sterben der Königin wurde zum Gleichnis der Geschichte Preußens und damit des Deutschen Reiches als Nation unter Hohenzollernkrone. Zahlreiche Faktoren hatten die Geschichte der Kaisermutter als Einheitsmythos prädestiniert, über allem aber leuchtete das sinnverdichtete Schicksal aus Aufstieg und Fall, Tod und Wiedergeburt als Mahnung und Lehre. Kathartische Wirkung, Heil und Ruhe, wie schon Aristoteles erkannte, gründeten in der Tragödie. Katastrophen waren ob ihres traumatischen Charakters in der Erinnerung der Nation von Bestand, ist doch besonders das Tragische konstitutiv für das Gedächtnis des Einzelnen wie für das Gefühl von Zusammengehörigkeit. Einigende Kräfte machten die Tragödie zur Stifterin von Identität und schlußendlich auch zum Instrument der Politik. Das Drama der Königin Luise, auf wenige, scharf und groß gezeichnete Figuren und Konflikte beschränkt, das Sterben einer jungen Frau im Mittelpunkt, wurde emotionales Fundament der Nationalgemeinschaft. Ergreifend, dicht und sinnfällig wie kein anderer politischer Mythos im Deutschland des 19. Jahrhunderts, war ihr Leben und Sterben Mythos eines Reiches geworden, das als Nationalstaat nicht nur das Gewaltmonopol, sondern auch das Gefühlsmonopol für sich beanspruchen konnte. Die Nationalisierung der Masse war immer auch die Emotionalisierung der Masse. Kummer um die Königin schuf Kollektivität und befriedigte zugleich individuelle Bedürfnisse, stand doch hinter dem Wunsch, um Luise zu trauern, oft der Wunsch nach eigenem Trost. Autoren oder deren Figuren verbanden die Erinnerung an Luise mit der an die eigene Mutter, die oftmals schon verstorben war, und offenbarten damit die emotionale Ersatzfunktion des Mythos von der Königin Luise.41 Konstituierten sich Nationen in gemeinsamer Geschichte, gemeinsamem Ruhm und gemeinsamen Opfern, so gedachten alle europäischen Nationen des 19. Jahrhunderts auch ihrer Niederlagen, nicht nur ihrer Siege. Die nachträgliche Aufwertung der Niederlage als ehrenvoll sollte zur Teilnahme an den Leiden der Ahnen rühren und die Lebenden ermutigen, die verhöhnte Ehre der Toten zu rächen und damit die eigene Ehre. Und letztlich waren Triumphe, die einstigem Versagen folgten, grandioser, gerechter und erbaulicher; das Desaster als Moment der Mahnung war deshalb in der nationalen Erinnerung stets von Relevanz.

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Konflikte aber barg der Umstand, daß Preußens Untergang bei Jena in keiner Weise ehrenvoll gewesen war - niemals die Schuld und Schande jener Tage zu vergessen, lautete deshalb die Warnung an die Gegenwart. Die Verderbtheit der Vergangenheit aber wurde neben dem Wissen um die ruhmreichen Freiheitskriege durch eines erträglich gemacht: Königin Luise, als letzte Trägerin der nationalen Ehre, sicherte der Ehre die Kontinuität. Krieg und Totenkult verhießen Sühne, und schließlich war der Gegensatz „zwischen der dermaleinstigen Schmach und Erniedrigung unseres Volkes und seiner herrlichen Erhöhung" schlichtweg „überwältigend", wie Hofprediger Bernhard Rogge zur Kaiserproklamation in Versailles verkündete.42 Ein erstaunlicher Zufall der Geschichte verlieh dem Luisenmythos Wahrheit, Dauer und Epochalität, denn als die Kriegserklärung der Franzosen von 1870 an Preußen übergeben wurde, geschah dies am 19. Juli, dem sechzigsten Todestag der Königin. Die Stunde der Rache schlug zum zweiten Mal; Frankreichs Feinde warteten schon lange. Das Andenken der Königin, mahnte die Vossische Zeitung 1860, „erfreue uns mild-wehmüthig in glücklichen Stunden, es stärke uns in düstern Tagen, wende von uns die Wiederkehr der unverdienten Schmach, die das Königspaar und das Vaterland vor einem halben Jahrhundert getragen, und kräftige uns, wie damals, zum gerechten Rachekampf und reicheren Siege, wenn's an der Zeit!" 43 Die Befreiungskriege gingen mit Luises Hilfe gleichsam in die zweite Runde. Ein „Hauch" des damaligen „Heldengeistes" wehte auch „in unserem jüngsten Kriege".44 Der eine Krieg war so „heilig" wie der andere und die neue Dichtung so haßerfüllt wie die einstige von Körner und Arndt.45 Einen „zum Tode verurteilten Verbrecher"46 schimpfte man den dritten Napoleon wie schon den ersten, da auch „von der dritten Generation" der Deutschen „die Brutalität" noch nicht vergessen war, mit welcher der Onkel des französischen Kaisers die Mutter des preußischen Königs „zum Erröthen und zu Thränen der Scham" gezwungen hatte.47 König Wilhelm eilte hinaus zum Grabmal seiner Mutter und erbat dort „Kraft".48 Und als der Sohn als oberster Befehlshaber der Armee in den Krieg gegen Frankreich zog, um als deutscher Kaiser zurückzukehren, da legten die Mythenschreiber die Zügel seines Schiachtrosses der Mutter in die Hand. Schuld und Sühne produzierten die für die historische Legitimation des kleindeutschen Reiches so bedeutsame Kontinuität. Kaiser Wilhelm hatte als Knabe am Bett der sterbenden Mutter gekniet; „man weiß", schrieb Erich Mareks, „wie diese unverblichene Erinnerung den Sohn nach 60 Jahren in den gleichen Kampf gefuhrt hat, der ihr Leben zerstört hatte".49 Die Geschichte von Mutter und Sohn, ein Jahrhundert überspannend, spiegelte in höchster Sinnverdichtung die borussianische Lesart der Vergangenheit, die von der unablässigen Bewahrung des Reichsgedankens durch das preußische Herrschergeschlecht erzählte. Die Gründung des Reiches von 1871 erfüllte die jahrzehntelange Hoffnung auf einen deutschen Nationalstaat. Zwischen dem Wunsch nach Einheit und dem nach Freiheit hatte sich der gemäßigte Liberalismus nach dem Scheitern der Paulskirche

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zunehmend der Stärkung des preußischen Machtstaats zugewandt; etliche, auch namhafte Historiker waren zu königlichen Hoflieferanten in Sachen Geschichte geworden und fundamentierten die Nation unter der Hohenzollernkrone durch rückwärtsgewandte Prophetie. Die Frage, wie und warum sich Geschichte in einer bestimmten Weise und nicht anders zugetragen hatte, wurde der Gegenwart gemäß beantwortet und Geschichte explizit in den Dienst der Politik gestellt, der Identitätsbildung, der Integration sowie der Schaffung nationaler Leitbilder und Ideale. Wie keine zweite Geschichtstheorie erfüllte der ,Borussianismus' diese Zwecke. Züge eines offiziellen Geschichtsbilds tragend, erlangte er in der Historiographie des Kaiserreiches große Popularität.50 Zentrales Werk dieser Geschichtsbetrachtung, die das Hohenzollernhaus nach 1848 von seiner deutschen Mission überzeugen sollte, war Johann Gustav Droysens ab 1855 in vierzehn Bänden erschienene Geschichte der preußischen Politik. Die deutsche Einheitsidee, durch Partikularinteressen einzelner Adelsgeschlechter verlorengegangen, war Droysen zufolge nur von den Hohenzollern bewahrt worden, die sie getragen hatten durch die Wirren der Zeit. Eine innere geistige Tendenz in jener Dynastie, so hieß es, habe seit dem späten Mittelalter bewußt wie unbewußt darauf hingearbeitet, daß Deutschland seine innere Zersplitterung überwand und aus seiner außenpolitischen Ohnmacht erwachte. Die Verwirklichung des Reichsgedankens, mit dem Aufbau des brandenburg-preußischen Territorialstaates begonnen, war mit Friedrich dem Großen an ihren dramatischen Wendepunkt gelangt, da dieser Preußenfürst mit dem Wagnis seiner Schlesischen Kriege gegen Osterreich die Zerstörung des alten, morsch gewordenen Reiches eingeleitet und den neuen „nationalen Geist" erweckt hatte. Endeten Droysens Ausführungen weitgehend mit Friedrich dem Großen, so strickten Historiker wie Treitschke und Hintze mit Hilfe der Kaisermutter weiter an der nationalen Kontinuität. Königin Luise entfachte demnach die Erhebung, in der sich das deutsche Volk unter Preußens Führung erstmals als Nation erkannte. Die Freiheitskriege setzten den Lauf der Hohenzollern an die Spitze eines neuen Deutschlands fort, das nach den Einigungskriegen gegen Dänemark, Osterreich und Frankreich mit der Gründung des Reiches 1871 staatsrechtlich vollendet wurde. Königin Luise gab der borussianischen Sicht auf das 19. Jahrhundert Sinn und Schlüssigkeit; sie gestattete die Konzeption einer gemeinsamen bürgerlichen wie monarchischen Nationalgeschichte. Einerseits hatte die bürgerliche Nationalbewegung den Kampf gegen Napoleon zu ihrem Mythos schlechthin verklärt, andererseits war in diesem Mythos das Opfer der Monarchin als Moment der nationalen Sammlung ebenso etabliert wie ihre Rolle als preußischer, ja deutscher Schutzgeist. Entfacht und geschlagen wurden die Freiheitskriege damit auch von einer Hohenzollernfurstin, die dadurch zur Brücke werden konnte zwischen dem Mythos der deutschen Nationalbewegung und dem der preußischen Monarchie, aufgegangen im Kaiserreich unter der Hohenzollernkrone. Ein von oben geschaffener Staat erschien von unten gewachsen, ein junges Reich alt.

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Die mythische Überhöhung des einstigen Befreiungskampfes zum Rachefeldzug ermöglichte die so wichtige Interpretation des deutsch-französischen Krieges als Wiederholung der Freiheitskriege. Sühne für den Mord an Königin Luise hatte nach dem Kampf gegen Napoleon auch den Krieg von 1870/71 motiviert, was beide Ereignisse in einem Sinn verband und eine hundertjährige Kontinuität herstellte fiir das nationale Wirken der Hohenzollerndynastie. Kraftvoll bewahrheitet wurde dieses legitimistische Geschichtsbild durch seine Verkürzung auf eine Familienangelegenheit. Die Rache des Sohnes am Neffen des Mörders seiner Mutter verlagerte den Konflikt zweier Staaten auf eine emotionale und moralische Ebene und machte den Krieg zum aufgezwungenen und unausweichlichen Duell um die männliche und nationale Ehre. Nicht als Kämpfer um Machtinteressen, sondern als Schützer von Frauenehre und Familienglück waren die Heerscharen 1870 - wie schon 1813 - gegen die „Verunglimpfer deutscher Frauentugend"51 in den Krieg gezogen, in welchem „auch Napoleon III." die „tiefe Demütigung", die Luise durch seinen Onkel erfahren hatte, „durch den Zusammenbruch der Macht und die persönliche tiefe Erniedrigung" büßen mußte.52 Königin Luise, zweifach gerächt, stiftete nationale Identität. Liebe zu Luise und Haß auf Frankreich tilgten die Brüche in der gemeinsamen Geschichte von Bürgertum und Krone. Die borussianische Legende verschleierte den jahrzehntelangen Widerwillen des preußischen Königshauses gegen einen deutschen Nationalstaat, während die französische Erbschuld am Tod der Königin die Kluft zwischen dem monarchischen und dem bürgerlichen Nationalgefühl bis zum Krieg von 1870/71 übertünchte. „Preußen schlug hier sein Waterloo noch einmal, aber nun mit ganzer deutscher Wucht, mit der furchtbaren Unerbitterlichkeit eines Weltgerichtes, wie es sich einst auch an dem ersten Napoleonischen Kaiserreich erfüllt hatte, und als Vollstrecker nicht nur der deutschen Rache, sondern auch der deutschen Hoffnungen, um welche die Väter betrogen worden waren."53 Emotionale, militärische und dynastische Kontinuität, im Ubermaß produziert und inszeniert, trug die Tradition der Nationalidee. Seite an Seite hatten die deutschen Stämme in den Freiheitskriegen wie im deutsch-französischen Krieg gekämpft und die Hohenzollern dabei die militärische Führung innegehabt, die nunmehr ihre politische legitimierte. Die preußische Königin war für den Erfolg des ersten Krieges gestorben, den ihr Sohn sechzigJahre später gleichsam zu Ende gefochten und dafür mit Fug und Recht die Kaiserwürde erhalten hatte. „Wir müssen anerkennen, daß wir nur auf den Grundlagen weitergebaut haben, welche 1813,1814 und 1815 gelegt worden sind", sprach Wilhelm I., der seine Krönung zum König von Preußen nicht von ungefähr auf den 18. Oktober 1861, den achtundvierzigsten Jahrestag der Leipziger Völkerschlacht, gelegt hatte.54 Königin Luise stieg von der Mutter der preußischen Wiedergeburt zur Wegbereiterin der deutschen Einheit auf und machte den Kampf gegen Napoleon für das Reich zum ersten seiner Einigungskriege, deren Zahl sich damit auf vier erhöhte. Kaiser Wilhelm ging als Rächer der Mutter in die vaterländische Geschichte ein, doch

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nur dem Preußischen war und blieb der Herrscher zugetan, der sich am Gründungsdatum des preußischen Königreiches von 1701 zum Deutschen Kaiser proklamieren ließ und das neue Reich ein „verlängertes Preußen" nannte. 55 Und so sollte die heiliggesprochene Mutter, von Wilhelm hochverehrt, dem Sohn auch die Last seiner kleindeutschen Kaiserkrone nehmen, die dieser gar nicht haben wollte. „Lassen sie meine Person möglichst aus dem Spiele", mahnte Wilhelm seinen Hofprediger zwei Tage vor dessen großer Stunde bei der Kaiserproklamation in Versailles. „Nicht ich habe es ja gemacht, sondern Gott hat es so gefugt." Und Bernhard Rogge tat im Spiegelsaal, wie ihm geheißen, und rühmte die deutsche Gegenwart im Lichte ihrer gottgefiihrten preußischen Vergangenheit: „In dem Werke, das sich heute in dieser Stunde und an dieser Stätte vollziehen soll, sehen wir das Ziel erreicht, auf das Gottes Vorsehung in der Geschichte unseres Vaterlandes und Königshauses seit jener Krönung von Königsberg, deren wir heute gedenken, uns hingewiesen hat. In diesem Werke sehen wir die Hoffnungen erfüllt, an denen alle deutschen Herzen, selbst in den dunkelsten Zeiten der Entfremdung und Entzweiung festgehalten haben, in diesem Werke sehen wir die Schmach gesühnt, die von dieser Stätte und von diesem Königssitze aus dereinst auf unser deutsches Volk gehäuft worden ist."56 Die Kaisermutter stand für jedes Wort; im Ruhestand schrieb Rogge ihre Biographie. „Ein Mann mit einem einfaltigen, kindlichen Herzen, dazu mit einem Feuergeist, ein Jupiter tonans', der auch wettern konnte, wenn es dem Kampf für Recht und Wahrheit galt, [...] und, nicht zuletzt - ein treuer Vasall seines geliebten Kaisers und Königs, ein deutscher Mann mit deutschem Herzen, das ihm brach, als am 28. Juni 1919 der Vertrag von Versailles unterschrieben und das einst von ihm mit aus der Taufe erhobene alte Deutsche Reich zerschlagen wurde." 57 Die kaiserzeitlichen Schreiber des Luisenmythos übten sich fast ausnahmslos in rückwärtsgewandter Prophetie. Körner, Kleist und andere hatten die Königin schon lange vor dem Niedergang Napoleons als Siegerin und Schutzgeist besungen, wohingegen sich die Zeit vor 1870/71 kaum an echten Prognosen versuchte. Die Königin spielte in der aktuellen Berichterstattung des deutsch-französischen Krieges keine Rolle, selbst am Tag der Kriegserklärung, später des Mythos Höhepunkt, fehlt ihr Name in der Presse. Erst im Erfolg erinnerten sich Nation und Politik jener Geschichte. Ereignisse wurden Kausalitäten und Brüche Brücken; Krieg und Sieg gegen Frankreich wurden nachträglich vorweggenommen und zu eingelösten Versprechen erklärt; Kreise wurden geschlossen und Mythen mit Mythen gerechtfertigt; Luise brachte zusammen, was nicht zusammengehörte. „ L u i s e i s t g e r ä c h t ! ruft von der Höhe des Montmatre in Paris der alte Marschall Vorwärts, und nach einem halben Jahrhundert spricht es auf der Höhe von Sedan der Sohn Luisens noch einmal : L u i s e i s t g e r ä c h t ! " 5 8

32 Ein Leben als Statue „Die historische Wissenschaftfuhrt ihre denkenden Jünger zurück zu dem schlichten Glauben, daß der Eltern Segen den Kindern Häuser baut; denn sie lehrt, wie die Vergangenheitfortwirkt mitten in der lärmenden Gegenwart, und das Leben des Menschen nicht abschließt mit dem letzten Atemzuge. Heinrich von Treitschke 1876

Die Stunde des Todes ist die Stunde der Wahrheit. Die schwindenden Atemzüge sind Momente der Sammlung, der letzten Mitteilung, der Lebensbilanz. Die Niederknienden am Lager erhalten den Segen des Sterbenden; Worte werden Vermächtnisse; das Wissen um das nahe Ende gibt jedem Laut moralischen Wert. Künstlerische Darstellungen und literarische Beschreibungen der Sterbestunde bestätigen den Tod als sinnvollen Abschluß der irdischen Existenz. Karoline von Berg und eine Namenlose erzählten die Geschichte vom schönen Tod der Königin, während Heinrich Anton Dähling das Ereignis mit Hilfe einer Zeichnung sichtbar und zur Formel machte: Die sterbende Mutter, im Kreise der Verwandtschaft geborgen, blickt in die Augen des Kronprinzen, der neben seinem Bruder an ihrem Lager kniet. Der letzte Augenblick auf jenem bildhaften Testament galt der Familie und damit auch der Zukunft der Hohenzollernmonarchie. Königin Luise starb, und ihr Mann und ihre Kinder sanken am Bette nieder „wie an einem Altare".2 Das Land nahm daran teil, denn immer wieder abgedruckt, gewährten Berg und Dähling kollektiven Zugang zur Tragödie von Hohenzieritz. „Ein ganzes Volk hat die Totenbahre seiner Königin, im Tiefsten erschüttert, klagend umstanden", schrieb Alwin Lonke später und traf damit beinah die Wahrheit.3 Christian Daniel Rauch formte Luises schlafende Gestalt. Die Nachwelt nahm den Stein als wirkliche Königin, wie sie den Mythos als wahre Geschichte nahm, und ersetzte die Sterbende durch ihr Grabmonument. Zwar wurde die Verstorbene als Schlafende gezeigt, doch schien es, da die Statue das Grab bezeichnete, als sehe man Luise nach ihrem letzten Atemzuge. Eylert bereits erkannte im Mausoleum die Königin, „wie sie im Tode war", und lud die Preußen an Luises letztes Lager im Charlottenburger Schloßpark.4 Züge von Zeitlichkeit hatte schon der Bildhauer dem Werk gegeben, doch erst der Mythos und das Ritual machten jene Statue zum Ereignisbild, zur Darstellung eines gewaltigen Moments in der Geschichte. Erkannt wurde die Königin, wie sie entschlafen war, was Teilhabe an einem Geschehen erlaubte, das nach 1871 als Geburtsstunde des Deutschen Reiches gefeiert wurde. Zahlreiche Beschreibungen jenes epo-

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chalen Ereignisses waren von dem Denkmal inspiriert, das dadurch einmal mehr als wahres Bild der Königin bestätigt wurde. Auf des Lagers weißen Kissen ruht die Fürstin still und bleich, In den Zügen Engelsmilde, selber bald den Engeln gleich, Ihres Herzens matte Schläge sind gezählt fiir allezeit, Menschenleben, flücht'ge Welle in dem Meer der Ewigkeit. Keine Wolke mehr, kein Schatten ihre leise Stirn umweht, Ihre Hände ruh'n gefaltet auf der Brust, wie zum Gebet, Betet sie? - ach für ihr Leben hat sie nichts mehr zu erfleh'n, Doch sie fleht fiir ihre Lieben, ihres Volkes Wohlergeh'n.5

Die künstliche Luise, „befreit von allen Schlacken der Endlichkeit", leuchtete dem deutschen Volk als „Stern in dunkler Nacht".6 Die Statue als Bild der Königin, „wie sie im Tode war", erlaubte den Blick zurück auf Luises Sterbebett, und „da lag sie in der That wie eine Schlafende, Himmelsfrieden auf dem vollendeten Duldergesicht".7 Kein Tod war mehr schrecklich, kein Opfer unbelohnt. „Ein einfaches, leichtes Totengewand umgiebt die zarten Glieder der ruhenden Königin, um ihren Mund spielt ein schmerzlich-süßes Lächeln. - Wer das herrliche Kunstwerk in seiner hohen Einfachheit und seiner Größe betrachtet, wird unwillkürlich von dem Geiste des Friedens, der in demselben lebt, ergriffen."8 Und jener Ausdruck des Friedens gab dem Bildnis heilige Kraft; seine Betrachtung war „Andacht" und zentrales Ritual im Luisenkult. Aus der Stunde der Wahrheit wurde das Jahrhundert der Wahrheit. Die Zeit des Mythos wie des Bildes war nicht mehr die Zeit der Geschichte, sie war eine einheitliche Zeit, gereinigt von aller Endlichkeit, allen Unbotmäßigkeiten der Historie. Einstige Brüche im Lauf der Dinge verschwanden unter des Mythos Brücken, die Rückprojektionen des Heutigen in die Vergangenheit waren, galt doch das Gestrige stets nur als Variante der Gegenwart. Die königliche Familie, die am 19. Juli eines jeden Jahres im Mausoleum zusammentraf und sich in stillem Gedenken um den „heiligen Sarg" der „himmlischen Mutter" sammelte9, zeichnete über Jahrzehnte das Bild einer ihres Mittelpunktes beraubten Schicksalsgemeinschaft; und so wurde der Kult um die Mutter und deren Grab schon früh zum Treuegelöbnis auf die Krone: „Wenn aus einem glücklichen Kreise ein theures Mitglied hinweggerissen wird", sprach Friedrich Ehrenberg, „dann schließen die Uebrigen sich fester an einander, [...] man rückt näher zusammen, damit die Lücke ausgefüllt werde."10 Erst nach der Reichsgründung jedoch, dem ,Erbe' der Luise, erreichte die nationalistische Stimmungsmache mit Hilfe jenes erschütternden Bildes ihren Höhepunkt, denn als Massenerlebnis stärkte die Trauer der ersten Familie das Gefühl der nationalen Zusammengehörigkeit. Kinder, Enkel und Urenkel gingen in das Mausoleum, und in allen nur denkbaren Medien erhielt das intime Ereignis die ihm gebührende Öffentlichkeit: „Alljährlich an den Geburts- und Sterbetagen der hohen Verewigten

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erscheint als erster Besucher unser Kaiser Wilhelm, der in stiller Andacht sich hier Kraft und Mut zu seinem schweren verantwortungsvollen Herrscheramte von dem König der Könige demutsvoll erfleht."11 Zeitungen und Bücher beschrieben die Beschwörung eines großen Augenblickes der Geschichte als kräftigendes Ritual, dessen Nachvollzug im Mausoleum angeboten wurde. Eine elementare Rolle in der Mythisierung war damit der bildenden Kunst zugefallen, die eine wirkungsvolle Stätte geschaffen hatte, an der Mythisches, Einkehr und Wiederkehr, zelebriert werden konnte. Das Mausoleum machte die Nation zur Familie. Und der Kult um das Grabbild verwandelte die Vergänglichkeit von Luises letztem Atemzug in dessen Erhalt durch das deutsche Volk. „Wer einmal an dem Sterbebett einer geliebten Mutter gekniet hat, der weiß, wie ihr letztes Segenswort mit den dort empfangenen Eindrücken nachklingt durch das ganze Leben", schrieb die Leipziger Illustrirte, als man 1897 den einhundertsten Geburtstag Kaiser Wilhelms I. feierte. „Und was für eine Mutter war es, die hier aus dem Leben schied!"12 Die Antwort aus Stein stand im Charlottenburger Schloßpark. Eingefroren war ein unwiederbringliches Ereignis und erhalten die seiner Endlichkeit erwachsene Essenz. Der Segen der Mutter wirkte im Marmor fort und stärkte das Grabmal als kräftigendes, mahnendes und nationales Monument. König Friedrich Wilhelm hatte seine Kinder am Totenbett der Mutter aufgefordert, sich dieser immer würdig zu erweisen; jeder Preuße kannte die Geschichte. „Kniend und schluchzend küßten wir die eiskalte Hand und Stime", schrieb der Witwer, „ich ermahnte die Kinder bei diesem erschütternden Anblick sich einer solchen Mutter stets würdig zu zeigen und so ihr Andenken wahrhaft zu ehren. Die Kinder versprachen es in dieser feierlichen Stunde und die besten Vorsätze wurden gefaßt."13 Die marmorne Luise auf dem Sterbebett nahm der Nation wieder und wieder dasselbe Versprechen ab und gab als Nationaldenkmal, als Symbol nationaler Identität, den sich stets erneuernden Anstoß zum Gewinnen und Befestigen dieser Identität. „Und als dann nach Krieg und Sieg das Leben allmählich wieder in die alltäglichen Geleise einlenkte, da erlosch das Gedächtnis der Königin Luise nicht", schrieb Otto Hintze, „es wurde neu belebt durch den Zauberhauch der Kunst; das edle Meisterwerk Chr. Rauchs, das ihre schlummernde Gestalt darstellte, wurde eins der populärsten Kunstwerke in deutschen Landen; und die stille Grabkapelle, die es birgt, im Charlottenburger Schloßpark, wurde zu einer Art von Nationalheiligtum und an den Gedenktagen der Königin zum Wallfahrtsorte für Tausende."14 Kraft und Sinn erhielt die Statue von Anfang an durch Rituale. Entstanden war ihre vaterländische Aura durch die mythische Verknüpfung der Befreiungskriege mit dem Tod der Königin, den das Bildnis zeigt wie tilgt. Der Glaube an Luises Opfergang für Preußen hatte sie zur ersten Gefallenen der Nation und ihre Statue zum ersten Denkmal des politischen Totenkults gemacht; sinnfällig wurde ihr Fortwirken als Kunstwerk nunmehr durch die Andacht der Hohenzollern vor und nach ihren Schlachten um Preußen und die deutsche Einheit. Eine historische Konstellation hatte den Mythos der Königin angeschoben, nun gab der Gang der Geschichte auch

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ihrem Bildnis Wahrheit und Magie. Eine Abfolge von Grabbesuchen über ein Dreivierteljahrhundert, später auf Bildern verewigt, brachte die Statue mit dem politischen Geschehen jener Zeit zusammen und machte „Kreisschlüssigkeit", des Mythos stabiles Gerüst, nirgendwo deutlicher als in der Charlottenburger Ruhestätte.15 Eingebunden in bedeutende historische Ereignisse, erhielt die Grabstatue im Laufe des Jahrhunderts eine eigene Biographie, die nahtlos an die ihres Modells anknüpfte, den Mythos von Luises Wirken über den Tod hinaus bestätigte und das Bildwerk vom Spiegel zum Gegenstand des Mythos machte. Zentrale Stationen im Luisenmythos - Tod und Befreiungskriege, siegreiche Wiederkehr und Beginn des deutschfranzösischen Krieges - wurden von der Skulptur markiert, Luises irdischem Ersatz. Die preußischen und deutschen Siege vermengten Ursache und Wirkung ebenso wie Urbild und Abbild und prägten wiederum den Blick auf die historische wie auch die marmorne Figur; letztere wurde - wie ihr Modell - zur Protagonistin der vaterländischen Geschichte. Und als solche empfing die Statue nicht nur, sondern sandte auch aus, spendete nicht nur Trost, sondern mahnte auch zur Pflicht. Kontinuierlich bestätigt, war das Bildwerk weniger Bedeutungsträger als Bedeutungsproduzent. Koinzidenzen wurden gefunden und Kreise geschlossen, schon in der Entstehung des Kunstwerks, das, wie einhundert Jahre später erkannt, nicht von ungefähr „in den Jahren der Erhebung Preußens gegen Napoleons Herrschaft der Vollendung entgegenreifte".16 Und zur Einschiffung gesandt wurde das fertige Denkmal, wie schon der Bildhauer bemerkt hatte, auf den Tag genau vier Jahre nach dem Tod der Königin, deren zweites Leben schon im Jahr zuvor im Mausoleum seinen Anfang genommen hatte. Ein Gang ans Grab der Mutter stand am Beginn des Feldzuges von 1813, wie der überaus gefuhlsempfangliche Kronprinz seiner nicht minder sensiblen Schwester Charlotte berichtete: „Ich war allein in Papa's Zimmer, als er, die hellen Thränen in den Augen, zu mir sagte: wollen wir zum Monumente von Mama gehen? [...] Ein sonderbarer Zufall wollte, daß grade alle Glocken von Berlin läuteten. Es machte einen himmlischen Effekt - als begleite uns absichtlich dieser Ton, den ich zum letzten Mal am Beysetzungstage im Dom hörte, auf unserer heiligen Wallfahrt. [...] Im Augenblicke, daß wir die Granit-Stufen betraten, verdoppelte [sich] das Geleute um ein auffallendes und die große Glocke des Doms ließ sich deutlich hören. Papa öffnete die Thüre. - Innen war alles still, kein Laut von außen mehr vernehmbar. - Wir stiegen zur Gruft. Das tiefe Halbdunkel, die Heiligkeit des Ortes und die der Stunde (denn es war mein Abschied, von dem so schmerzlich-theuren Orte), der Gedanke, zum ersten Male so allein, ohne Dich, ohne Euch Lieben alle, dort zu seyn, bewegte mich unbeschreiblich. Papa kniete am Kopf-Ende, ich am Fuß-Ende lange und schweigend. Heiße, heiße Thränen fielen auf den Sarg. Einzelne Säufzer nur unterbrachen die Stille. [...] Der König übergoß mich drauf mit Thränen und sagte unvergeßliche Worte zu mir!! [...] Die Zeit drängte; wir mußten den Ort der Thränen verlassen. [...] Mir war so wehe, so wol, gewesen. Außer der Thüre, auf den Stufen standen wir wol an 10 Minu-

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ten. Papa konnte sich garnicht entschließen die Thüre zu schließen. Welch ein Augenblick. Leise und langsam schloß er sie, und als die Öffnung nur noch eine kleine Ritze betrug, schauten wir noch immer nach dem trübe schimmernden Sarge."17 Der Sieg kam bald, doch blieb die Melancholie. Einhundert Jahre später zeigte eine Illustration Franz Stassens (Abb. 56) für Müller-Bohns Geschichtswerk zum Zeitalter der Befreiungskriege die Rückkehr Friedrich Wilhelms von der Leipziger Völkerschlacht. Entblößten Hauptes legte der König den Siegerkranz auf den Sarkophag der Gattin, und der Historiker gab dazu den Text: „Welch ein mächtiger Wandel in den Geschicken! Welch gewaltige innere Kraft barg dieser Staat in seinem Volke, da es ihm gelungen war, sich nach einem solchen Sturze, verstümmelt und aller Machtmittel beraubt, mit seinen armseligen 5 Millionen Menschen wieder hinaufzuschwingen auf die Höhen der Geschichte! Wie drängte es den schwergeprüften Mann, hinauszupilgern an das Grab deijenigen, die als sein und seines Volkes Schutzengel ihn immerdar umschwebt hatte, zu seiner treuen Luise! Immer und immer wieder drängte sich auf die Lippen seines Volkes und seiner Soldaten die Frage: Warum durfte die Früh verklärte die Größe dieses Augenblickes nicht erleben!"18 Königin Luise durfte bald als Statue die Größe ihres Vaterlands erleben, dem sie als Statue noch große Momente schenken sollte. Wenige Augenblicke nachdem Rauch die Aufstellung der Sarkophagfigur im Mausoleum vollendet hatte, kam der junge Prinz Carl mit der Nachricht von der Ankunft des Vaters, der just vom Wiener Kongreß zurückgekehrt war und sogleich zum Grab der Gattin eilte. Ein Jahrhundert später wurde oft gezeigt und erklärt, wie sich das „Wiedersehen" (Abb. 57) zugetragen hatte:

Abb. 56 Franz Stassen: König Friedrich Wilhelm III. legt den Siegerpreis auf den Sarkophag der Königin, den stillen Anteil Luisens an den Erfolgen andeutend, die als Preußens Schutzgeist den Heeren in dem Kampf vorangezogen ist, 1901

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Abb. 57 Franz Stassen: König Friedrich Wilhelm III., Kronprinz Friedrich Wilhelm und Prinz Wilhelm am Sarkophag der Königin Luise im Mausoleum zu Charlottenburg, 1901

„Wenige Augenblicke später stand der König mit seinen Söhnen an der weißen in kararischem Marmor nachgebildeten Gestalt der unten im Grabgewölbe ruhenden Königin. Wie vor vier Jahren, da er zum ersten Male das Modell des Monumentes gesehen, ergriff ihn und seine Söhne mit Himmelsgewalt der Anblick der rührend schönen, wie in leisem Schlummer daliegenden Königin."19 Karoline von Berg zufolge war Luise zum rechten, zum einzig möglichen Zeitpunkt in ihr Heimatland zurückgekehrt; erst nach der triumphalen Kehrtwende der Geschichte nämlich war sie darstellbar geworden, „ohne zu berühren und auszusprechen, was nicht berührt, nicht ausgesprochen werden durfte, aus Furcht, es zu entheiligen; denn es ist das Wahrzeichen und die Art eines frommen Volkes, wenn die Unheiligen nahen und heimisch zu werden drohen, das Heilige zu verhüllen. Auch bei den Völkern der Vorzeit wurden, wenn die Barbaren sich naheten, die Bildsäulen der Götter und Heroen entfernt und die Penaten des Hauses verhüllt."20 König Friedrich Wilhelm, der am Abend des 30. Mai 1815 in das Mausoleum kam, gab dem Bild der Schlafenden die Weihe der Geschichte. Der traurige Sieger, der von der feierlichen Erneuerung der alten Ordnung kam, für welche sich Luise hingegeben hatte, und nun an ihr soeben vollendetes Grabmal trat, belegte den Mythos vor aller Welt. Keinesfalls konnte es nur Zufall sein, daß ausgerechnet in den Tagen des Triumphes auch die Königin in ihr Vaterland zurückgekommen war, gefaßt in einem Bildnis, das nicht länger Kunstwerk war, sondern Symbol, Zeichen und Luise selbst, die lebende Tote.

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Konjunktive erklärten seitdem die Geschichte; Historiker öffneten ihr Dichterherz: „Welche Gedanken mögen Friedrich Wilhelms Seele bewegt haben, als er jetzt an das Denkmal deijenigen trat, der sein ganzes Herz von dem ersten Tage ihrer Bekanntschaft an gehört hatte, die seine holde Gefahrtin in den Tagen des Glücks und sein bester Trost und seine Zuflucht in den Zeiten der Not und Erniedrigung gewesen war. Ihr Auge hatte die von ihr so energisch geförderte Neuorganisierung und Erhebung des Vaterlandes und die Befreiung vom Joche Napoleons nicht mehr geschaut, und wenn ihr Gatte jetzt als der lorbeergeschmückte Sieger der Befreiungskriege an ihr Grabmal trat, so wird er im Geiste ihr, deren Bild in den Augen des gesamten Volkes sich zum Schutzgeist Preußens verklärt hatte, die Siegespalme gereicht und ein inniges Dankesgebet für ihre geistige Mitwirkung noch aus den Regionen der Ewigkeit zum Himmel gesandt haben."21 Der Kampf aber war noch längst nicht ausgekämpft. Napoleons Flucht von Elba verdunkelte erneut den Horizont, doch nachdem Preußens Schutzgeist seine Schlagkraft schon vom Himmel herab bewiesen hatte, bestand er auch als Kunstwerk die ihm zugedachte Probe: Zum zweiten Mal sollte „das Bild der Frühverklärten als Schutzengel den Scharen in den Kampf voranziehen", und siehe, die Hohenzollern, vom Bild der Mutter fortgerissen, kehrten zum zweiten Mal als Sieger zurück.22 Endete die Schlacht von Waterloo für Napoleon auf Sankt Helena, so verlieh sie dem Mythos wie dem Grabbild seiner Feindin endgültig Wahrhaftigkeit. Stabilität und Permanenz traten im Staate Friedrich Wilhelms wie im Grabbau seiner Gattin an die Stelle von Unordnung und Vergänglichkeit. „Wie reichlich hätte sie sich für alle Leiden entschädigt gehalten", klagte Johann George Scheffner einst, „hätte sie ihres Todfeindes Napoleon Versetzung nach Elba und St. Helena und ihres Friedrich Wilhelms siegreiche Einzüge in Paris nur ahnen können" - doch hatte Luise, so der Mythos, Deutschlands große Zukunft durchaus bereits geahnt, wobei sie selbst als Marmorstatue vollenden sollte, was sie zu Lebzeiten geweissagt hatte.23 Und wie das Schicksal ihrer Kinder im Sieg und nicht im Untergang beschlossen war, so endete das Leben der Luise nicht im Schloß zu Hohenzieritz. Kurz nach dem Beginn der Freiheitskriege, „da der Glaube an alles Hohe und Schöne aus den Nebeln des Unheildruckes wieder erwachte", hatte sich unter den Soldaten die Legende verbreitet, daß der Tod der Königin nur eine Täuschung sei und sie noch lebe. „Wer hätte dem zu widersprechen vermocht?", fragte Friedrich de la Motte Fouque. „Es lag ja so tief und lebendig in der Sehnsucht eines liebenden Volkes, das, wenn doch alles Gute und Schöne wieder erwachen sollte, auch seine gute, schöne Königin Luise wieder haben wollte."24 Eine Statue hat den Wunsch des Volkes erfüllt und die jenseitige Luise ins Diesseits zurückgebracht; die Andacht vor derselben verhieß fortan Kraftübertragung durch eine höhere Macht. Die französische Kriegserklärung von 1870 kam an Luises sechzigstem Todestag, und so kam auch die Kraft zum Sieg der Deutschen erneut aus dem Luisenmonument. Zufalle der Geschichte mehrten die Bedeutung der Sarkophagstatue und katapultierten den Luisenmythos in die Kaiserzeit. Eine Abfolge von historischen Ereig-

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nissen, als erfüllte Prophezeiungen gelesen, offenbarte im Rückblick einen höheren Zusammenhang, einen übersinnlichen Sinngehalt: die Vorherbestimmtheit des deutschen Aufstiegs unter Fuhrung der Kinder der Königin Luise. Kanzler Bismarck zeigte dem Reichstag die französische Kriegserklärung an und brachte das Haus damit in stürmischen Kriegstaumel, während König Wilhelm und sein Bruder Carl zum Grabmal ihrer Mutter gingen, wohin der Kronprinz sie begleitete. Und wie schon 1813, da die Glocken Berlins dem Vater und dem Bruder auf demselben Weg geläutet hatten, bewiesen die Nachkommen der Toten abermals ihren Sinn für den mythischen Moment: „Mit dem König fuhr ich wegen des Todestages der Königin Luise nach Charlottenburg", schrieb der Kronprinz in sein Tagebuch, „wo wir längere Zeit und recht beklommenen Herzens am Sarge der Großeltern beteten. Beim Hinaustreten sagte ich meinem Vater, daß ein Kampf der unter solchen Umständen begonnen werde, gelingen müsse. Ich hoffe zu Gott, daß ich richtig vorhergesagt habe."25 Echte Prophezeiungen über den Ausgang des kommenden Krieges - selten in jener Zeit - erwuchsen der Kraft der Wiederholung, zumindest in der Gartenlaube-. „Es war eine seltene heilige Stunde, als nach der Riesenschlacht von Leipzig der König, nach seiner Hauptstadt zurückgekehrt, still und heimlich hinauswanderte nach einem dunklen Haine und dort unter heißen Thränen einen Lorbeerkranz niederlegte auf das Grab seiner Gattin, seiner Louise, die den großen Tag der von ihr so heiß ersehnten Vaterlandsbefreiung nicht erleben sollte. Allein mit Gott, kniete er zu Füßen des geliebten Bildes und schmückte es in wehmüthig dankbarer Erinnerung mit Blumen und mit dem Siegerkranze, den er ihr so gern - so sehr gern noch auf das lebende Haupt gedrückt. [...] Als aber die entscheidende Stunde geschlagen und der freche Korse nun wirklich die Kriegserklärung in die friedlichen deutschen Lande geschleudert, als von allen Seiten die Söhne des Vaterlandes zu ihren Fahnen eilten, da war es wieder der stille Hain, der von einem Könige aufgesucht wurde, ein König an der Hand seines Sohnes und seines Bruders. Was an dem Grabe seiner Mutter der Mann in Silberhaaren dem Enkel der Entschlafenen gesagt, wie er dort gebetet und den Schutzengel des Landes um Hülfe für sein gutes Recht angefleht - wir wissen es nicht, aber es mögen wohl heiße innige Bitten gewesen sein, die da zum Himmel aufstiegen - Bitten für sein Haus, sein Land und sein Volk. Und diese Bitten werden Erhörung finden; der Himmel wird mit den Deutschen sein, weil das Recht mit ihnen ist. Sohn und Enkel werden baldigst wieder einen Lorbeerkranz zu Füßen der geliebten Mutter und Großmutter legen können, und dann wird auch der stille Hain in Charlottenburg, mehr als je, wieder der Wallfahrtsort Aller werden, die ein Herz haben für die Geschicke unseres theuren Vaterlandes und seines unvergeßlichen Schutzengels - Louise!"26 Die Sache der Nation machte den Luisenkult schon vorausschauend zur Pflicht, und der Luisenmythos als totaler Sinnverdichter fand im Mausoleum zu Charlottenburg sein sichtbares Äquivalent. Wie schlafend lag das an Frankreich zu rächende deutsche Schicksal in der Halle. Zum zweiten Male war der 19. Juli Wendepunkt der deutschen Geschichte.

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König Wilhelms Besuch am Grabmal seiner Mutter gab dem Kriegsbeginn eine überwältigende Emotionalität und bezeugte den Grabbau als Keimzelle einer neuen Zeit. „An dem Grabe seiner Eltern - wir Alle erlebten es ja mit tieferschüttertem Herzen - hat der Sohn sich Muth und Kraft gesucht für die Schlachten des großen Krieges, für den steilen Weg zur kaiserlichen Krone", schrieb Heinrich von Treitschke.27 Kein Mensch jedoch, außer den Beteiligten, war dabei gewesen, auch Treitschke nicht. Ein Maler korrigierte dies durch ein Gemälde, das „vielleicht sein populärstes ist".28 „Für die Kunstausstellung [...] hatte ich ein Bild gemalt", erinnerte sich Anton von Werner an das Jahr 1881, „das den König Wilhelm am 19. Juli 1870, dem Tage, bevor er zur Armee abging, am Sarkophage der Königin Luise im Mausoleum in Charlottenburg im Gebet versunken, darstellt; eine Szene, die ich schon früher für ein Werk über den Krieg von 1870/71 als Illustration gezeichnet hatte." 29 Wenige Jahre nachdem er der Nation mit der Kaiserproklamation in Versailles die Ikone ihrer staatsrechtlichen Geburt überbracht hatte, lieferte der Maler mit dem Am 19. Juli 1870 betitelten Gemälde (Abb. VII) die Vorschau zur Reichsgründung nach, die eigentliche Geburtsurkunde von Deutschlands neuer Kaiserzeit. Anton von Werner hatte den deutsch-französischen Krieg mit einer Vielzahl von Skizzen begleitet, und so bestachen seine bildhaften Berichte über diese Vergangenheit durch eine besondere Nähe. Spätestens seit Werners prägnante Aufnahme der Kaiserproklamation, bei der er anwesend war, zur zahllos reproduzierten Gründungsakte der Reiches popularisiert worden war, standen seine Bilder im Ruf einer einzigartigen Unmittelbarkeit, Verläßlichkeit und Treue. Entfernte er sich nach 1871 auch von der aktuellen Historie und verfiel einer nostalgischen Beschwörung der Reichsgründungszeit, so blieben doch seine Bilder jener Epoche für Zeitgenossen wie Nachgeborene Dokumente von fotografischer Objektivität. Die Fotografie hatte den Maßstab für Genauigkeit gesetzt, ohne die Malerei des Künstlers zu bedrohen, da ihre Technik noch nicht ausgereift war; vielmehr hat sie zur Verbreitung seines Schaffens beigetragen, das in zahllosen Büchern fotografisch reproduziert und dadurch als gleichsam mechanische Uberlieferung bestätigt wurde. Kein zweiter Maler sollte letztlich für die Erschaffung einer kollektiven Vorstellung von historischen Ereignissen mehr Bedeutung erlangen als Anton von Werner; nur Menzels Gemälde der deutschen Geschichte besaßen vielleicht ähnlich viel Vertrauen in ihre Wirklichkeit. Und da nicht zuletzt mit der Größe des zeitlichen und räumlichen Abstandes vom Betrachter zu dem abgebildeten Geschehen die Versuchung wuchs, ein Gemälde für das Ereignis zu nehmen und die Sicht des Malers auf einen Vorgang mit diesem gleichzusetzen, mündete Werners Anspruch auf Darstellung in ein Interpretationsmonopol. Der Realismus seines Pinsels bestrickte das Auge, und allzu kritiklos war man bereit zu glauben, daß sich Geschichte zugetragen hatte, wie der Maler sie zeigte. Das gemalte Geschehen vom 19. Juli 1870 wurde als Wahrheit bestätigt vom „naturalistischen" Stil eines Malers, der wenig zu zeigen vorgab und doch so manches erschuf: ein Sinnbild des Revanchismus, eine rituelle Beweiswiederholung im Hohenzollernschen Ahnenkult. „Unser Bild stellt den Augenblick dar, in welchem Lui-

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sens Sohn, König Wilhelm, am Todestage seiner Mutter an ihrem Grabe und in der Erinnerung an die Leiden, die ihr Herz gebrochen hatten, zum Kampfe gegen den Nachfolger des Urhebers dieser Leiden und zum Kriege gegen Frankreich sich stärkte, aus dem er als der erste Kaiser des wiederhergestellten Deutschen Reiches zurückgekehrt ist."30 König Wilhelm steht zu Füßen des Luisensarkophages und betrachtet das mütterliche Antlitz. Zwar in kalten Stein gemeißelt, wacht die schlafende Gestalt doch durch das reiche Spiel von Licht und Schatten zu warmem Leben auf. Kopf und Oberkörper vom Einfall der Sonne in ein gleißendes Licht getaucht, erscheint die Statue flirrend und in Auflösung begriffen, oszillierend zwischen Präsenz und Absenz. Ein bläulicher Schimmer, von der Laterne der Vorhallendecke kommend, umgibt das Haupt mit einem unwirklichen Licht. Der Betrachter ist Zeuge einer säkularen Epiphanie. Kunst und Leben in einer Gestalt, ist der Marmor Medium des Zwiegesprächs von Mutter und Kind jenseits der Grenzen irdischer Existenz. Einige Jahre nach dem Sieg über Frankreich erinnerte man sich daran, daß seit der Kriegserklärung an Luises sechzigstem Todestag den Menschen so gewesen war, „als ob sie noch lebte".31 Und wie und wodurch sie lebte, das haben Rauch und Werner der Nachwelt vorgeführt, denn nie ist das zauberische Dasein der Königin als Statue und Ikone deutlicher, eindrücklicher vergegenwärtigt worden als in Werners Historienbild, das wiederum zahlreiche Schreiber inspirierte. „Und ihr Bild ward, als die Zeit es zu dunkeln drohte, wieder hell und lebendig", berichtete Paul Bellardi 1893, „ihre Züge vertieften sich im Volksbewußtsein, als die Heldengestalt des Königs und Kaisers Wilhelm heraufstieg in seiner Anspruchslosigkeit und Größe - war er doch ihr Sohn!"32 Das Bildnis im Bild, die gemalte Skulptur, machte das Abbild zum Urbild, zur historischen Luise. Ein Kreis war geschlossen zwischen Charlottenburg und Hohenzieritz. Erneut sollte die Stunde der Wahrheit schlagen, da der Sohn erneut ans Sterbebett der Mutter trat. Ein Gipsabguß der kleineren Liegefigur wurde 1891 im Sterbezimmer der Königin (Abb. 58) aufgestellt und vollendete dort die Sicht auf die Skulptur als wahre Luise auf dem Totenbett. Zurückgekehrt an die Stätte ihres Todes, hatte die Königin als Kunstwerk ihren Verlust an jenem Ort bezeichnet wie ersetzt; daneben lag, unter Glas geschützt, ein Kranz aus Blumen, die der kleine Wilhelm am Todestag der Mutter „als letzten Liebesgruß" gepflückt hatte. Das Mausoleum galt es fortan mit der gleichen „heiligen Scheu" zu betreten wie schon den Sterberaum in Hohenzieritz.33 Wie der Einzug der Leiche in das Mausoleum und die Aufstellung der Statue dort war auch der 19. Juli 1870 als Ereignis in Luises Leben verstanden und gemalt; nicht grundlos endeten einige ihrer Biographien mit einer Abbildung von Werners Werk. Das Ende der Monarchin wurde nun auch im Bild zum Anfang der deutschen Kaiserzeit. Kostbare Prachtbände feierten den jüngsten Krieg gegen das böse Frankreich; ihren Lesern sollten „die Augen feucht werden", wenn sie erfuhren, „was unser Heer getan und welche heroischen Opfer es gebracht hat". Auf den ersten Seiten erschien jenes „köstliche" Gemälde, „weihevoll" zu stimmen das „patriotische Herz".34

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Abb. 58 Sterbezimmer der Königin Luise im Schloß Hohenzieritz, darin ein Gipsabguß der Liegefigur in zweiter Fassung, Zustand um 1910

Eine innige Emotionalität durchdringt das Gezeigte. Kummer und Wehmut des liebenden Sohnes in Betrachtung der toten Mutter verbinden sich mit der gefühlsseligen Affinität zur Epoche der Befreiungskriege, wie sie die zweite Hälfte des W.Jahrhunderts beherrschte. Das Herz des alten Kaisers sei immer aufgegangen, „wenn er diese Erinnerungen wieder wachrief", erinnerte sich der Enkel noch Jahre nach dem Untergang der Monarchie. 35 Effektvoll öffnete der Maler den Blick in das Mausoleum, in dessen Mauern die Erinnerung an Glanz und Elend der deutschen Erhebung fortlebte. Zuvor hatte Werner den Ausschnitt des Bildes enger fassen wollen, nun aber gab er dem Raum durch die Einbeziehung des Altares, der nach dem Tode Friedrich Wilhelms III. aufgestellt worden war, eine zusätzliche sakrale Weihe. Das Schicksal der Mutter sanktionierte den wiederum von außen aufgezwungenen Krieg, dessen göttliche Legitimation sich biblisch, in deutlich lesbarer Inschrift auf dem Wandfries des Tempels enthüllte: Es sollen wohl Berge weichen und Hügel hinfallen, aber meine Gnade soll nicht von dir weichen und der Bund meines Friedens soll nicht hinfallen spricht der Herr dein Erbarmer. Nationalgeschichte, räumlich gefaßt, wurde zur kultischen Andacht.

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Konzentration auf Erbaulichkeit hatte die Komposition des Gemäldes bestimmt. Die Dokumentation des Geschehens wurde von dessen historischen Unzulänglichkeiten bereinigt und damit dem Mythos angepaßt, der Geschichte ähnlich selektierte. ElfJahre vor Anton von Werner hatte die Gartenlaube eine Illustration des Grabbesuches vorgeführt (Abb. 59), doch erinnerten die drei Hohenzollern in Betrachtung der Sarkophagskulptur eher an Besucher einer Kunstausstellung als an Pilger an geweihtem Ort. Einen solchen Fehler machte Anton von Werner nicht. Erst das Wissen um den Ausgang der Geschichte hatte sein Bild hervorgebracht, nun zollte seine nachträgliche Vorwegnahme jener erfüllten Prophezeiung dem Mythos uneingeschränkt Tribut. Der Prägnanz des Augenblicks fielen nicht nur die einstigen Begleiter des Kaisers zum Opfer, von der Geschichte wie dem Dunkel der Halle gleichermaßen in den Hintergrund gedrängt, störte auch die Gestalt Friedrich Wilhelms III. weder das Zwiegespräch noch die Symbolkraft der Stunde. „Es ist niemand dabei gewesen, als der König die stille Andacht hielt", pflichtete Adolf Rosenberg dem Maler bei, „aber der große Erfolg des Bildes beweist, daß der Künstler in richtigem Gefühl den Augenblick so wiedergegeben hat, wie er wirklich war, oder doch so, wie ihn sich die Phantasie des Volkes vorgestellt hat."36 Ersteres war indes von letzterem nur schwer zu trennen; wie meist jedoch nährte weniger die Tatsächlichkeit eines historischen Momentes als die Möglichkeit seines Geschehens die Legitimation der Gegenwart.

Abb. 59 C. Schaal: König Wilhelm I. mit seinem Sohn und Bruder am Sarkophag der Königin Luise, 1870

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Ein Bild hat die Macht, ein Ereignis in ein Zeichen zu verwandeln, es kann an die Stelle des Vorganges treten, den es zeigt. Ein Gemälde kann einer diffusen Vorstellung im Gedächtnis Form verleihen, keine noch so ausfuhrliche Dokumentation wird dann den Eindruck löschen, den die Wirklichkeit des Werkes in der Phantasie des Betrachters hinterläßt - darum gleicht die Malerei dem Mythos in der Kraft der Uberzeugung, die nicht allein in der korrekten Einhaltung formaler und historischer Kriterien gründet, sondern in dem Vermögen, die Komplexität der Historie auf das vermeintlich Klare zu reduzieren, auf Sinndichte und Schlüssigkeit. Der Unterschied zwischen dem tatsächlichen Verlauf der Geschichte und seiner bildlichen Darstellung war geradezu eine Notwendigkeit für die langfristige Wirkung von Historienmalerei, die in Anton von Werner einen Meister gefunden hat, einen Bildreporter von großem Stil im Glauben an die Mythen als die eigentliche Vergangenheit. Zweckbestimmung und nationalistische Ideologie prägten im 19. Jahrhundert oft das Bemühen selbst der großen Historiker um eine .objektive' Betrachtung der Geschichte. Die Mythen der Nation, auch von der Wissenschaft erzählt und abgesegnet, beschrieben die Gegenwart als einen naturgemäßen und dem Wesen der Dinge entsprungenen Zustand, und Ahnliches vollbrachte auch die Historienmalerei in Anton von Werners Zeit. Das sendungsbewußte Streben nach detailreicher Genauigkeit in der Vergegenwärtigung einer Episode von nationaler Größe übertünchte die Deformation des Ereignisses mit der Brillanz seiner technischen Wiedergabe. Die Bedeutung des Geschehens war genauso wirklich wie dessen Darstellung im Gemälde. Echtheit, Wahrhaftigkeit und Wissenschaftlichkeit, im Bild inszeniert, fesselten den Betrachter an das Resultat einer Augenzeugenschaft, die sich in der dokumentarischen Treue des Gegenstandes und der packenden Anschaulichkeit des Zeitmoments behauptete, den Künstler vom Erfinder zum Vermittler umwertete und diesen von seinem Produkt schließlich entfernte. Der Mythos als autorlose Erzählung entließ auch seinen Erzähler in der bildenden Kunst. Erdachtes verbarg sich und seinen Schöpfer hinter .Realismus', wie sich der Mythos als .Natur' maskierte. Anton von Werner lädt zum Eintritt in das heilige Bauwerk. Die distanzauflösende Öffnung der historischen Bühne gibt dem Betrachter das Recht, sich am Tatort umzusehen, er wird in die Handlung miteinbezogen und erhält uneingeschränkte Verfiigungsmacht über die Szene. Der Maler gewährt umfassenden Einblick in ein stilles, nichtöffentliches Zusammentreffen, dessen Ereignischarakter von der patriotischen Literatur in übernatürliche Höhen geschrieben wurde, inspiriert von eben jener Intimität, die das Gemälde offenbart und doch bewahrt; so wird der Betrachter zum Augenzeugen und erfahrt die Richtigkeit des Mythos aus dessen Umsetzung im Gemälde. Ergötzte sich der Verstand an Prägnanz und Detailreichtum der Wiedergabe, so erlag das Gefühl einem Geschehen, dessen einzigartige familiäre und historische Konstellation ebenso hinlänglich bekannt war wie seine epochale Nachgeschichte. Eine Statue wurde zum Zeichen für das wiederauferstandene Preußen, ein alter Mann, vor dieser Statue stehend, zum Zeichen für das Deutsche Reich und seine Ewigkeit.

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Erst mit der Kenntnis des Betrachters vollendete sich Werners Werk, erst der Vereinbarung erwuchs seine Zeichenhaftigkeit. Erklärungsbedürftiges jedoch schien selbstverständlich und Erdachtes wirklich, wo ein Mann wie Adolf Rosenberg ein Bild erklärte, „das überall, wo Preußen und Deutsche wohnen, ohne Erklärung verstanden wird, das in zahllosen Nachbildungen durch Photographie, Holzschnitt usw. seinen Weg um die Welt gemacht hat". Und wieder war dem Mythos, der sich ebensowenig wie das Gemälde von selbst verstand, auf die Sprünge geholfen, da der Apologet des Kaiserreichs das Bild mit allem Nachdruck erläuterte: „Es trägt nur den Titel ,19. Juli 1870'; aber jeder deutsche Patriot weiß, daß an diesem Tage König Wilhelm an der Ruhestätte seiner Eltern Trost und Sammlung suchte, bevor er hinauszog in den heiligen Krieg, der die letzte Schmach von dem Gedächtnis derer löschen sollte, deren sterbliche Reste in der Gruft des Mausoleums in Charlottenburg ruhen."37 Alle Preußen sahen fortan den Tag der französischen Kriegserklärung mit den Augen eines Malers, der seine Hände, „harmlos wie ich bin", in der Unschuld seiner naturalistischen Malweise wusch, reichten doch wenige, dem Realismus der Darstellung noch beizumessende Lichteffekte aus, um an dem scheinbar handlungsarmen Bild eine überschäumende Narration zu entzünden, die - wie das Gemälde jedes Schulkind kannte.38 Kunst und Literatur, bildliche und schriftliche Methoden der Mythisierung traten im Luisenmythos in einen vielschichtigen und dadurch stabilen Bund, regten doch Bilder zur Erzählung von Ereignissen an und vereinheitlichten oder ersetzten diese. Erzieherischen Aussagen verliehen sie optische Prägnanz und Schlüssigkeit, sie rührten den Betrachter durch Dramatik oder Innigkeit und festigten das erlernte Wissen durch Emotionalität und Sichtbarkeit. Einige Werke rekurrierten auf Texte, wie etwa das Magdeburger Denkmal auf das Gedicht von Rückert und das Gemälde Richters auf das Gedicht von Kleist, andere wiederum inspirierten zu Prosa und Gedichten, so etwa die Sarkophagstatue. Einerseits illustrierten Bilder Texte, andererseits wurden Texte immer häufiger von Bildern angeregt - somit bildeten Kunst, Literatur und Dichtung ein undurchdringliches Geflecht von Aktion und Reaktion, das einigen Bildern, vornehmlich den Statuen Schadows und Rauchs, Ursprungscharakter gab und damit besondere Kraft für Mythos und Kult. Und auch das Bild von Werner wurde zur historischen Quelle, wurde von der Dokumentation zum Dokument. Der Historiker Fedor von Koppen, der eine mehrbändige Hohenzollerngeschichte geschrieben hatte und schließlich die Leistung vollbrachte, das gesamte Leben Wilhelms I. in Gedichtform zusammenzufassen, schmiedete seine Verse zu einer Illustration von Hermann Lüders, inspiriert von Werners Werk: König Wilhelm weilet einsam An dem Tag der Kriegserklärung, Seiner Mutter Todestage, Zu Charlottenburg im Parke, In dem stillen Grabestempel, Der ob ihrer Gruft sich wölbt.

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Sechzig Jahre heut' vergangen, Seit der Königsknabe Wilhelm In dem Schloß zu Hohenzieritz An der Mutter Sterbelager Kniete und ihr letzter Segen Sanft auf seinem Haupte lag. Was sie einst in trüben Tagen Weinend zu dem Knaben sagte, Klang heut in des greisen Königs Stillbewegtem Herzen wieder: „Handelt", sprach sie, „werdet Helden, „Werdet Eurer Väter würdig! „Einst vielleicht läßt Preußens Schutzgeist „Segnend sich auf Euch hernieder!" - „Ja, Dein Schutzgeist, teure Mutter, „War mit uns im heil'gen Kriege „Für des Vaterlands Befreiung, „War mit uns von Sieg zu Siege „Bis zum Kampf auf dem Montmatre; „Wieder hat der alte Erbfeind „Seine Macht jetzt aufgeboten, „Um das deutsche Volk zu knechten; „Laß auch heute Deinen Schutzgeist, „Deinen Segen, teure Mutter, „In dem Kampfe mit uns zieh'n!"39

Das Publikum der Berliner Akademieausstellung von 1881 forderte für das Gemälde den ehrwürdigsten Bestimmungsort, der Direktor der Nationalgalerie jedoch, Max Jordan, verweigerte den Ankauf. Einige Zeit schon mit dem Maler verstritten, begründete Jordan seine Ablehnung mit der Wiedergabe jenes bläulichen Schimmers auf dem Luisengrabmal, der vom Oberlicht der Mausoleumsvorhalle herrührte und den Werner mitgemalt hatte. „Der gewissenhafte Kunstgelehrte aber war - wie ich von zuverlässiger Seite erfuhr - über diesen krassen Naturalismus so entsetzt, daß er das Bild nicht für geeignet erdachte, in die Nationalgalerie aufgenommen zu werden." 40 Eine übertriebene Detailversessenheit war den Historienbildern des Künstlers schon einmal zum Vorwurf gemacht worden, da sie nach Ansicht Jordans von dem „unbedingt erforderlichen Zweck der Sammlung und der geistigen Erhebung des Beschauers" abzulenken drohte.41 Zynisch mußte dieser Einwand in den Ohren eines Malers klingen, der wie kein zweiter Leben und Werk in den Dienst der Nation unter Hohenzollernkrone gestellt hatte. Ein Vierteljahrhundert später ärgerte sich Anton von Werner über die Zurückweisung seines Bildes immer noch, denn als Grund dahinter sah er nur die persönliche Antipathie des Direktors der Nationalgalerie.

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Zwar war das hohe Haus dem Gemälde versperrt geblieben, doch hatte sich schnell ein Käufer gefunden, der dem Werk nach dem „Gefühl" des Künstlers eine würdevolle Bleibe garantierte. Ein Angebot des Großfürsten Wladimir von Rußland ausschlagend, verkaufte er das Bild an den Besitzer der Schlesischen Zeitung in Breslau, der es seinerseits der Stadt vermachte. Ein mythischer Kreis wurde geschlossen, da die Geburtsstadt der deutschen Erhebung die gemalte Geburtsurkunde des deutschen Kaiserreichs entgegennahm, stand doch Breslaus Name seit dem - in der Schlesischen Zeitung publik gemachten - Aufruf Friedrich Wilhelms III. von 1813 für den Beginn der Befreiungskriege. Kollektiv sollte Werners Gemälde rezipiert werden und zugleich dem Einzelnen ermöglichen, sich als Teil eines Reiches zu erfahren, das sich im Luisenmythos konstituierte; und nur auf vaterländischem Boden erfüllte sich dieser Zweck. Das Bild erzeugte das Gefühl der Zugehörigkeit zu einer durch gemeinsame Geschichte und den unverstellten Zutritt zu dieser ausgezeichneten Gemeinschaft, denn als Mitglied einer großen Schicksalsgemeinschaft, nicht als Untertan, weilte jeder Patriot zusammen mit dem Kaiser am Luisenmonument — es war sein Recht wie seine Pflicht. Stätte der nationalen Sammlung und virtueller Hain für Herrscher und Beherrschte, war das vom Mythos erfüllte Mausoleum ein imaginäres und doch reelles Land, in dem alle Menschen einander entsprachen, eines Sinnes waren, und wo neben dem Opfer immer auch die Erlösung wartete. König Wilhelm war als Kaiser aus dem Krieg gekommen und abermals ins Mausoleum eingekehrt, und als er nun „wieder vor dem Bilde seiner Mutter in Charlottenburg stand, wie war ,durch Gottes Gnade' alles erfüllt, was sie gehofft und mehr als das!"42 Die Kreisschlüssigkeit des Mythos und die Augenfälligkeit ihrer Inszenierung ließen an der Sinnfalligkeit des ganzen ebensowenig einen Zweifel bestehen wie am Gottesgnadentum der Hohenzollernherrschaft: „Der Sohn Luisens, der Jena erlebte, das Vaterland unter feindlichem Joche, die geliebte Mutter sterben gesehen, die Befreiungskriege mitgekämpft hatte, 1848 fliehen mußte, der Sieger von Königgrätz und Metz und Sedan, ward am 18. Januar im Schlosse des ,Roi soleil', dessen Halle ä toutes les gloires de la France geweiht war, von den deutschen Fürsten als deutscher Kaiser anerkannt", begeisterte sich Wilhelm II., des Kaisers Enkel. „Welch eine Wendung durch Gottes Führung! Solche Tatsachen, solches Geschehen innerhalb eines Jahrhunderts nötigen die Angehörigen unseres Hauses, in Ehrfurcht und Dank erschauernd das Knie zu beugen vor Gott." 43 Erfüllt von „bangen Fragen" habe der Kaiser das „Heiligthum" der Mutter oftmals aufgesucht, erzählte der Hofprediger Kögel bei der Trauerfeier für den Kaiser 1888, und daß der Luisensohn stets Antwort bekommen, hatte Anton von Werner sichtbar bezeugt.44 Einen „Altar" hatte Friedrich Adami die Leiche der Luise genannt; aus deren Grabmal machten die Hohenzollern und ihr Maler ein Orakel, einen Ort der Totenbeschwörung, eine übersinnliche Stätte. „Als die Stunde der Vergeltung geschlagen hatte", schrieb Georg Horn, „da hat sich ihr Geist aus dem Grabe erhoben."

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Kaiser Wilhelms letzte Einkehr im Tempel seiner Mutter war die im Sarg; auch im Tod ihr nah zu sein, war sein letzter Wille. Kögel, der im Berliner Dom die Grabrede hielt, bediente sich des Militäijargons in seiner Laudatio auf die Erfüllung einer Lebenspflicht: „Und wie lautet heute in jener Gruftkapelle die Meldung? .Mutter, die du sterbend den Dreizehnjährigen gesegnet hast, dein Segen hat mich begleitet. Vater, der du mir ein ernstes Vorbild warst, der Kampf ist gekämpft, der Lauf ist vollendet, das Werk ist gethan'." 45 Und so fanden mit dem Ende der gewaltigen Geschichte von Königin Luise und Kaiser Wilhelm auch die deutschen Stämme in alter Einheit unter neuer Krone Ewigkeit. Erlösung wie am Jüngsten Tage dämmerte auf, da der Sohn für immer zu seiner Mutter zurückkehrte und beim Einzug das Bild der schlafenden Toten wach und lebendig fand - Körners flammender Weckruf wurde erhört: Drauf lispelt's liebreich durch die Bäume, Der Marmor athmet überm Grab: Luise schüttelt Engelsträume Von den versteinten Wimpern ab. Mit Deutschlands feuchten Segensblicken Schaut sie der Kaiserbahre Flor Und steigt, sie schluchzend zu umstricken, Mit treuen Armen, mild hervor. Willkommen Sohn im Heimathause, Wo betend Du so gern geweilt, Ein frommer Siedler in der Klause, D e m Lärm, der Hast der Welt enteilt! Hier schöpftest Du den Mut zum Siegen, Zu sühnen all' mein Weh und Leid. A m Mutterherzen sollst Du liegen, In waldumrauschter Einsamkeit. 46

Kreise schlössen sich durch Bilder, die auf andere Bilder reflektierten, wie Mythen auf Mythen rekurrierten. Das Kreuzbergdenkmal und die Viktoria vom Brandenburger Tor, das Grabdenkmal und dessen kleinere Wiederholung im Sterbezimmer, die Darstellung der Sterbeszene und die Bilder der Grabbesuche, all dies verschmolz zu einem offenen System von Zeichen, das sich über den Nationalstaat legte, im Zentrum die Sarkophagstatue. Und die rückwärtsgewandte Prophezeiung, jenes wichtige Mittel der Mythoskonstruktion, tätigte die bildende Kunst noch subtiler als die schreibende Zunft. „Einmal", wie Armin Stein erzählte, hatte der Sohn „sogar eine volle Stunde an der Gruft der unvergeßlichen Mutter verbracht, mit schwerem, unaussprechlich schwerem Herzen, da es galt den Entschluß zu fassen zum Kampf gegen das Reich, dessen Kaiser auch wieder den Namen Napoleon trug. Mit seinem Gott hat da der edle, fromme Fürst im Gebet gerungen wie Jakob der Erzvater, und der Geist seiner verklärten Mutter hat ihn umschwebt; und dann ist er herausgetreten mit dem festen Entschluß: Es sei! Alldeutschland nach Frankreich hinein!"47

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Das Alte Testament berichtet von Rebecca, der Frau des erblindeten Isaak, die mit einer List dem jüngeren Sohn Jakob am Sterbebett des Vaters den Segen des Erstgeborenen verschaffte, der dem älteren Bruder Esau zugestanden hatte.48 Ende des 19. Jahrhunderts malte Carl Röchling die Sterbeszene der Königin Luise als Schlußakt des berühmten Kinderbuches (Abb. 60), wobei er dem bekannten Vorbild Heinrich Anton Dählings folgte. Die letzten Momente den beiden Söhnen widmend, verabschiedete sich die Königin von ihren Kindern, die auf die Knie gesunken waren vor ihrem Sterbebett. Zeigte aber Dählings Bild von 1810 noch den Kronprinzen, dem die Mutter in die Augen blickte während der Bruder sein Gesicht in ihre Decke grub, so rückte nun der kleine Wilhelm auf den Platz des Erben vor, die Hand der Sterbenden am Haupt. „Und der Segen dieser Mutter ließ den Sohn die kühnsten Hoffnungen der Patrioten herrlich erfüllen."49

Abb. 60 Carl Röchling: Der König mit seinen beiden ältesten Söhnen am Sterbelager der Königin in Hohenzieritz am Morgen des 19. Juli 1810, 1896

33 Wie die Mutter, so der Sohn „In meiner Kindheit und Jugend verstand ich noch nicht, was sie ahnte, und dennoch hat Gott in seiner Güte mich ausersehen, diese Ahnung zu erfüllen. Und dasßößt die tiefste Demut mit dem tiefsten Danke ein. "1 Kaiser Wilhelm I. 1876

„Es war eine volle, hohe, wahrhaft majestätische Gestalt", beschrieb die Vossische Zeitung Luise an deren fünfzigstem Todestag, „das Antlitz, von blonden Locken umwallt, von fast durchsichtiger, vom zarten Wangenroth überhauchter Anmuth und Schönheit, die durch den gutmüthig-freundlichen Blick des blauen Augenpaares und ein zauberisch den frischen Mund umspielendes Lächeln, das selbst in jener trüben Zeit wie eine wehmüthige Erinnerung an glücklichere Vergangenheitsstunden nicht verschwand, noch erhöht wurde. Es ist dies freundlich-milde Lächeln ein unverkennbares Erbtheil unserem erlauchten Prinz-Regenten verblieben." Nicht nur der zukünftige König und Kaiser Wilhelm aber, der noch als Prinzregent die Geschäfte seines umnächtigten Bruders führte, war mit Anmut beschenkt: „Wie bezaubernd der Königin Schönheit war, [...] das hat sich als Sage und in Bild ja bis zur heutigen Stunde auf dies nach ihr erstandene Geschlecht vererbt. In höchster Vollkommenheit erscheint dafür Zeugnis gebend Rauch's Marmorbild, das auf ihrem Grabe ruht."2 Elisabeth Vigee-Lebrun hatte keine Worte für die Schönheit der Königin finden können und war daher um so enttäuschter, als man ihr den Nachwuchs präsentierte. „Während einer unserer Sitzungen ließ die Königin ihre Kinder hereinbringen, die ich zu meiner großen Überraschung häßlich fand; sie zeigte sie mir und sagte: ,Schön sind sie nicht.' Ich gestehe, daß ich nicht die Stirn hatte, es in Abrede zu stellen, und begnügte mich damit zu antworten, daß sie ausdrucksvolle Gesichtszüge hätten." 3 Jahre später, da die königlichen Kinder herangewachsen waren, bescheinigte ihnen die aufmerksame Malerin eine Entwicklung „außerordentlich zu ihrem Vorteil" - und daß sich die Kinder nicht nur körperlich prächtig gemacht und ihrer Mutter würdig entsprochen hatten, das bezeugte der zweite Sohn auf vollkommene Weise. Sozialdarwinismus und Sentimentalität, Pathos und Propaganda durchdrangen die liberale wie konservative Presse, die vaterländische Literatur wie die preußische Historiographie. Eine kaum entwirrbare Mischung aus geschichtlicher Wahrheit und poetischer Erfindung entwickelte den Mythos der Mutter im Sohne fort und etablierte den Luisenkult als maßgebliche Huldigungsformel an den Kaiser und die nationale Gegenwart. Keineswegs aber hat das nach 1871 mehrheitlich monarchisch gesinnte Bürgertum diese Legenden allein gestrickt; Wilhelm I. sah sich selbst als

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Erfiiller eines Auftrags, der in der Erinnerung an das Leid der Mutter gründete und im Mythos ihres Opfertodes einen so konkreten wie abstrakten Inhalt erhalten sollte. Das Vermächtnis Luises, wie nach der Reichsgründung verbreitet, war die Kaiserkrone, nicht zuletzt auf Ähnlichkeit zur großen Mutter fußte darum die preußische Führungsrolle im neuen Staat. Nationalgeschichte betrachteten auch die Hohenzollern als Familiengeschichte. „Es ist ein großes Glück und Geschenk der Vorsehung, von einer Mutter geboren zu sein, deren Schönheit, Anmuth und Würde dem zarten Gemüthe des Kindes eines reinen Geschmackes gedeihlichen Keim gibt", erfuhr der Leser des HohenzollernJahrbuchs 1905 aus dem Mund von Friedrich Delbrück, dem Erzieher der beiden ältesten Luisensöhne.4 Kontinuitätsproduktion und Legitimationsstreben begannen schon beim Körperlichen: Liebreiz und Schönheit der Mutter, nur Ausdruck innerer Werte und darum mit Sitte und Tugend verknüpft, hatten sich auf ihre Kinder und Kindeskinder vererbt, und wo derart gebildete Menschen ihren Platz hatten, erklärte die Vossische Zeitung 1860: „Für diese Gestalt war nur der Thron ein würdiger Sockel."5 Zögerlich und antriebslos, taugte Friedrich Wilhelm III. nicht als Erblasser von Erhabenheit, bewies aber Stärke bei der Partnersuche: „Es ist lange nicht genug hervorgehoben worden", schrieb Georg Horn, „daß in dem Gange des hohenzollern'schen Geschlechtes durch die Geschichte Preußens und des deutschen Volkes die physischen Eigenschaften desselben von ganz wesentlichem Einflüsse waren. Es pulsirte gesundes und dabei nicht zu heißes und rasches Blut durch seinen Geschlechtskörper. Darnach bestimmten sich die physischen Eigenschaften, und diese unterstützten die moralischen. Das große physiologische Princip der besten Auswahl hatte die Familie schon nach Instinkt und Erfahrung beobachtet, lange bevor es als wissenschaftliches Axiom ausgesprochen ward." 6 Ernst und Pflichtbewußtsein hatte Friedrich Wilhelm seinem ältesten Sohn, dem späteren Friedrich Wilhelm IV., mit auf den Weg gegeben, redlich, ehrenhaft und unerläßlich, doch wie ihr Überbringer fern von Heldentum und Größe. Der „erhabene begeisterte Aufschwung der Seele" hingegen, den Ludwig Hahns Geschichte despreussischen Vaterlandes 1867 der Königin Luise attestierte, war von dieser auf den ersten Sohn gekommen, dessen Natur nun „Reinheit, Hoheit und einen Zug nach dem Idealen" zeigte, verbunden mit „Ursprünglichkeit und Genialität".7 „Die bedeutungsvollste Zeit der Erziehung des Kindes" sei die Zeit „von der Erzeugung bis zur Geburt", schrieb Peter Thiel 1906, und ließ es .seine' Luise wissen, die nun, froher Hoffnung, „strebte nach Gesundheit leben, Schönheit leben, Wahrheit leben, Liebe leben, alles für ihr Kind, damit es recht gesund und schön und wahr und lieb erwachse". Und gleichwie Luises Mutter schon die Schönheit der Kunst in die Frucht ihres Leibes eingesogen hatte, so schloß auch die Tochter die Augen „beim Anblick von häßlichen Dingen" und ergötzte sich an „prächtigen Bildern" und „herrlichen Bauwerken. Schönheitssinn und künstlerisches Blut und Neigung zu sämtlichen Künsten sollten den Geist ihres Sohnes beleben. Er sollte dereinstens die

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prächtigsten Bauwerke schaffen und die Künste fördern. Sein Zeitalter sollte das ruhmreichste Zeitalter in der Kunstgeschichte werden."8 Kronprinz Friedrich Wilhelm, an Talent und Phantasie dem jüngeren Bruder Wilhelm überlegen, hatte schon früh die Hoffnungen der Mutter auf sich vereint, die ihm ein Wesen „voller Leben und Geist" bezeugte. „Wilhelm" dagegen, schrieb sie zwei Jahre vor ihrem Tod, „wird, wenn mich nicht alles trügt, wie sein Vater, einfach, bieder und verständig. Auch in seinem Äußeren hat er die meiste Ähnlichkeit mit ihm; nur wird er, glaube ich, nicht so schön."9 Und die Worte der Mutter wurden wahr „nur freilich alles gesteigert und gefestigt", wie Erich Mareks im hundertsten Geburtsjahr des Kaisers nachdrücklich versicherte, „aus dem Matteren und Spröderen hinaufgehoben in das Frische, Helle, Gesunde, Feste: es ist der Segen der mütterlichen Erbschaft Königin Luises, der alsbald in das Auge springt".10 Der Verfasser des Jubelbandes Unser Heldenkaiser schließlich, Wilhelm Oncken, fand die Zeilen der Mutter mißverstanden, sei es doch nur der „schlichte, gerade Soldatensinn" gewesen, den die Königin an ihrem Sohne habe rühmen wollen, eine Eigenschaft mithin von allererster Wichtigkeit.11 Zum fünfzigsten Todestag Luises hatte man die so wenig schmeichelhafte Charakterisierung ihres zweiten Sohnes bereits umgeschrieben, da aus dem „nicht so schönen" Wilhelm ein Mann „wie sein Vater" wurde, „mit dem er auch in seinem Äußeren die meiste Ähnlichkeit hat".12 Wahre Helden aber wuchsen weniger auf schöngeistigem als auf militärischem Gebiet. Krieg und Reichsgründung rückten den romantisch veranlagten Erstgeborenen in den Schatten seines jüngeren Bruders, der von der Mutter schon seit der Empfängnis auf seine Prüfungen vorbereitet worden war, wie Peter Thiel erkannte. Kläglich nämlich hatte sie bei der Erziehung ihres ersten Sohns versagt; das so vielversprechende Kleinkind war Opfer übertriebener Zuwendung durch die Mutter geworden, den warnenden Worten des Vaters zum Trotz. „Die Arme der Pflegerin erschienen ihr zu hart, der Ton ihrer Stimme zu rauh, der Blick ihrer Augen zu scharf, die Luft zu kühl, das Licht zu hell. Sie klagte, daß der Schwamm zu hart, das Wasser zu kühl und das Handtuch zu rauh wäre. Sie wickelte es recht dick und warm und fest in die Windeln und Schnüre ein, damit es nur ja nicht frieren oder gestoßen werden könnte."13 Erziehung mit Samthandschuhen hinterließ ein „schwaches, verweichlichtes Muttersöhnchen"; zum Glück fiir die Nation aber war Luise keine Frau, die einen Fehler zweimal machte. Konflikte zogen am Horizont auf, und die „germanische Fantasie" der Mutter, die nun den deutschen Kaiser unter ihrem Herzen trug, wurde feurig angeregt „und mit allerlei Kriegsbildern angefüllt", denn einen „Friedenskönig" hatte sie aus ihrem Erstgeborenen gemacht und nun erkannt, „daß diesem Friedenskönig ein starker, mächtiger, tapferer Bruder zur Seite stehen müßte". Kaiser Wilhelm hörte darum schon im Mutterleib „von den Kriegsthaten Bonapartes, des alten Fritz und des großen Kurfürsten"; und nicht genug der Vorkehrungen, betrieb die Mutter jetzt auch „die Abhärtung ihres eigenen Körpers nur eifriger, weil sie ja dadurch auch seine Kräfte stählte. Auch an den kältesten Tagen, selbst wenn ihr ein Schauer durch sämtliche Glieder

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rieselte, zwang sie sich willensstark zum freien Baden in der Luft, Sonne, Wasser, bis tief in den Spätherbst hinein."14 Zwar war der Lohn der Mühen epochal, doch ließ er lange auf sich warten, denn „wie groß war ihre Enttäuschung am 22. März!" Der Zustand jenes Knaben, der da im Jahre 1797 das Licht der Welt erblickte, war so erbärmlich und der später doch so große Kaiser ein so überaus „kleines, schwächliches, zartes und gebrechliches Kind", daß selbst ein Unverfrorener unter den Geschichtemachern diesen Jammer nicht bestreiten wollte. Das Uberleben jenes „Würmchens" aber galt als Kraftbeweis für ein Geschlecht, das sich am Busen der germanischen Luise nährte, die ihre „natürlichen Rechte" gegen den „niedrig gearteten Leib und Geist einer Amme" verteidigt und das Knäblein an die eigene Brust gelegt hatte. Einhundert Jahre später sollte die Nation den Namen verstehen, den sie dem Kind gegeben hatte: „Wilhelm, ein Helm des Willens, ein eherner Helm eines stählernen Willens!"15 „Napoleon war ein wüster Verbrecher, ein Mörder, ein gemeiner Krieger." Das Feindbild war der Mutter nach Ansicht Thiels schon früh gekommen, zusammen mit „germanischem Heldentrotz". Konnte sie aber so weit in die Zukunft blicken wie ihre Biographen in die Geschichte, so schob sie nun den Kronprinzen beiseite, faßte statt dessen den kleinen Prinzen Wilhelm an den Schultern und rief mit flammendem Blick: „Wilhelm, Napoleon ist ein Mörder! Napoleon muß gestürzt werden!"16 „Prinz Wilhelm schmiegte sich eng an der geliebten Mutter Brust", dichtete Marie von Felseneck. „Innig hielt sie den Knaben umschlossen, dann schaute sie ihn lange, lange nachdenklich an. In Prinz Wilhelms Augen leuchtete es hell auf, ein Strahl innigsten Verständnisses traf die Mutter, dann reichte er ihr seine kleine Rechte. .Mutter, ich verspreche es Dir, wenn ich erwachsen, ein Mann geworden bin, dann werde ich Deiner Worte eingedenk sein, ich will des Vaterlandes Schmach in seiner Feinde Blut tilgen!' rief er fest und zuversichtlich. ,Mein Sohn, mein geliebter Sohn, ich habe Dein Wort, auch wenn ich nicht mehr bin, dann gedenke meiner Thränen, die ich um das Vaterland vergossen und räche, räche unsere Niederlage!' ,Ich schwöre es Dir Mutter, ich räche Dich, Deine Thränen an dem Landesfeind!' Seltsam, es waren nur die Worte eines kaum zehnjährigen Knaben und dennoch beruhigten und sänfteten sie die hochgehenden Wogen der Erregung der Königin."17 Die Autorin, die jene Szene um 1900 ersann, wußte, daß der Sohn sein Wort gehalten hatte. Eifrigere Traditionserfinder hatten indes erkannt, daß lange vor dem sechzigsten Todestag der Mutter die eigentliche „Feuertaufe" des Kaisers begangen worden war in Form einer Nachrichtenüberbringung zu Pferde, die dieser als Sechzehnjähriger im Kampf gegen Napoleon bravourös gemeistert hatte. Die Gegenwart verlangte nach einer würdigen Vergangenheit, und weil der kleine Wilhelm „der ruhmvollste Mann des Jahrhunderts" werden sollte, kürte man ihn aus der Rückschau schon zum „ersten Helden der Befreiungskriege"!18 Der Mythos vom deutschen Erbe der Mutter gründete besonders auf einer berühmten Begebenheit: Die Schlacht bei Jena und Auerstedt war verloren, alles zerstob in panischer Flucht, und als die Königin Berlin erreichte, waren ihre Kinder

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schon gen Osten in eine ungewisse Zukunft fort. Erst im Schloß zu Schwedt traf die Mutter ihre Söhne wieder, und die Worte, die sie an jenem Oktoberabend 1806 an ihre beiden Ältesten richtete, fielen wie „Samenkörner einer bessern Zukunft" in „die empfanglichen Gemüter" ihrer Nachkommenschaft. 19 Luisenbücher, Luisenbilder und Luisenfilme haben aus der damaligen Rede eine Kriegspredigt gemacht, die jedes Schulkind als Vermächtnis der Kaisermutter kannte, zumal der Sohn sie ihrem Inhalt nach als wahr bestätigt hatte: „Ihr seht mich in Thränen; ich beweine den Untergang meines Hauses und den Verlust des Ruhmes, mit dem Eure Ahnen und ihre Generäle den Stamm Hohenzollern gekrönt haben. Das Schicksal zerstörte in einem Tage das Gebäude, an dessen Erhöhung große Männer zwei Jahrhunderte hindurch gearbeitet haben. Es gibt keinen preußischen Staat, keine preußische Armee, keinen Nationalruhm mehr. Ruft künftig, wenn Eure Mutter und Königin nicht mehr lebt, diese unglückliche Stunde in Euer Gedächtnis zurück und weint meiner Andenken Thränen, wie ich sie jetzt dem Umstürze des Vaterlandes weine! Aber begnügt Euch nicht mit den Thränen allein; handelt, entwickelt Eure Kräfte! Laßt Euch nicht von der Entartung dieses Zeitalters hinreißen; werdet Männer und geizet nach dem Ruhm großer Feldherrn und Helden. Wenn Euch dieser Ehrgeiz fehlte, so würdet Ihr des Namens von Prinzen, von Enkeln des großen Friedrich unwürdig sein. Könnt ihr aber mit aller Anstrengung den niedergebeugten Staat nicht wieder aufrichten, so sucht den Tod." 20 Keine vier Jahre später war die Mutter in den Tod gegangen und hatte Kinder zurückgelassen, die man später ihr „heiligstes Vermächtnis" nannte.21 Das schreckliche Sterben der Mutter, das der vierzehnjährige Kronprinz und sein ein Jahr jüngerer Bruder mit ansehen mußten, war für alle Geschwister traumatisch und hinterließ Spuren für die Lebenszeit. „Der Zauber ihres Charakters war unschätzbar", klagte Luise Radziwill gegenüber Stein, „und sie war ihrer Familie so nötig, daß unter den zahlreichen Übeln, welche die Phantasie für die Zukunft befürchten ließ, sich dieses Unglück mir niemals dargeboten hat." 22 „Noch heute fühlen ihre Kinder sich verwaist", schrieb Sophie von Schwerin 1824, „und ihre Stelle auf dem Throne wie in dem Herzen ihres Gemahls ist unbesetzt." 23 Der Verlust für die Familie schmerzte um so mehr, weil das Verhältnis untereinander ungewöhnlich herzlich war; niemals hatten Streit und Verstimmungen Eltern und Kinder dauerhaft entzweit, ein Novum in der Hohenzollerngeschichte, das vor allem der Mutter zu verdanken war, deren gelassene, robuste Natur die Launen des wankelmütigen Vaters oftmals ausgeglichen hatte.24 „Es ist", schrieb Wilhelm von Humboldt 1809, „- das fallt mir jedesmal bei ähnlichen Gelegenheiten ein - ein wunderbar bewegendes Schauspiel, eine so zahlreiche Familie, Brüder, Schwägerinnen, blühende und hübsche Kinder, die sich alle lieben und wirklich gemacht sind, einfach und glücklich miteinander zu leben, einen ganzen Tag auf einem einsamen Landsitz gleichsam sorglos zubringen zu sehen." 25 „Mama" und „Papa", wie die königlichen Eltern genannt wurden, hatten ihren Kindern eine verhältnismäßig zwanglose Erziehung angedeihen lassen, an der jedoch

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nicht jeder Freude hatte. Das morgendliche Lümmeln im Bett der Mutter und der fortwährende Lärm zu allen Tageszeiten stießen auf das murrende Unverständnis der gestrengen Oberhofmeisterin Voß, während sich Erzieher Delbrück in seinem Tagebuch über das „Kindergetobe sonder Gleichen" und die „ärgerliche Balgerey der kleinen Herrschaften im Zimmer der Königin" beklagte.26 Zehn Jahre nach ihrem Tod sollte ihr Sohn Carl noch mit den Tränen ringen, als man bei seiner Konfirmation der Mutter gedachte, deren Sterben auch sein Bruder Wilhelm als das erschütterndste Ereignis in seinem und seiner Geschwister Leben bezeichnete.27 „Wenn ich im Laufe des übrigen Jahres des lOten Märtzs und 19ten Julis gedenke", hatte schon der Kronprinz geschrieben, „so werde ich sehr ernst gestimmt, doch an diesen Tagen selbst bedarf es nur eines Wortes, ja nur eines Blikkes und gleich fließen Thränen."28 Ein „sanftes Bindemittel zwischen Monarch und Nation" nannte Sophie von Schwerin die Königin, begründet in deren Rolle zu Lebenszeit. „Wo es Danken, Antworten, Repräsentieren galt, mußte immer sie vortreten, und nur durch ihr Organ hörte man die Gesinnung des immer zurücktretenden und schweigsamen Königs. Wie oft hat man seitdem diese sanfte Vermittelung vermißt, wie vieles nahm sie hinweg!"29 König und Staat blieben dreißig lange Jahre ohne Königin, und in dieser Zeit wich der Schmerz der Sentimentalität wie die Trauer dem Kult. „Der Gedanke an die Vollendete", predigte Friedrich Ehrenberg damals, „werde ein neues Band zwischen dem Könige und seinen Unterthanen."30 Die fortwährende Klage über die zerbrochene Brücke baute eine neue zwischen dem menschenscheuen König und seinem Volk. „Die Art und Weise, wie der König den Tod Seiner geliebten Gemahlinn betrauerte und Ihr Andenken ehrte", schrieb Eylert, „hatte etwas so Wahres, Herzliches und Ansprechendes, daß alle Ihn als einen Märtyrer ansahen und Ihn als einen rechten Ehemann priesen. Dadurch entstand eine allgemeine Sympathie für Ihn, und mit dieser Sympathie, Liebe und Zuneigung. Keiner, auch selbst der Leichtsinnige widersprach nicht, und alle Jungfrauen und Bräute, Frauen und Wittwen sprachen laut. Zu den interessanten Merkwürdigkeiten Seines Lebens gehört unstreitig, daß der, besonders vom Jahre 1806, vielfach Getadelte von dem weiblichen Geschlechte von nun an nur gelobt und gepriesen wurde."31 Das Mitleid mit dem Melancholiker, der Luise das Monument seiner Treue über den Tod hinaus errichtet hatte und selbst als solches galt, hüllte die Mängel seiner tragischen Figur in ein milderes Licht. Die Hohenzollerntheologen witterten die Gunst der Stunde, und während Eylert den leidenden König mit Jesu Christ verglich, fungierte Friedrich Ehrenberg als Sprachrohr einer Himmelsbraut: „Von den glücklichen Höhen, denen sie zugeeilt ist, ruft sie gleichsam zu uns herab: Liebet den König, liebet das Vaterland, wirket fiir den König, wirket für das Vaterland, werfet von Euch die verächtliche Selbstsucht, tretet unter die Füße den elenden Partheigeist, seyd Eines Sinnes, haltet fest zusammen - das allgemeine Beste im Auge und im Herzen, kämpfet für die Wahrheit, das Recht, die Tugend, für die echte Volkslehre, heilig bleibe meinem Volke stets das Heilige."32

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Eine Hymne auf alle Hohenzollern sang der Erste königliche Hofprediger Sack mit seiner Totenklage auf die Königin und versicherte, daß es nur natürlich sei, wenn sich der Mensch nach dem Verlust der Mutter an den „doppelt teuren" Vater binde. Und da der Vater Friedrich Wilhelm schlimme Qualen litt, „müssen nun auch alle rechtschaffenen Patrioten ihrem Landesherrn noch so viel inniger ergeben seyn, sich noch so viel näher zu ihm halten, und alles aufbieten, was ihm ein unverdächtiger Beweis ihrer Treue und ihrer Liebe seyn kann".33 Ein halbes Jahrhundert später bedurfte auch der zweite Sohn Luises solch unverdächtiger Liebesbeweise. Zehn Jahre zuvor hatte man den „Kartätschenprinz" wegen seiner Härte gegenüber den Aufständischen von 1848 aus Berlin gejagt, was sein Verhältnis zu den Hauptstädtern zeitlebens belasten sollte, doch trat die jüngere Vergangenheit hinter das schwere Knabenschicksal zurück, an welches Wilhelm öffentlich erinnerte, als er die Regierung seines Bruders übernehmen sollte.34 „Nach Gottes unerforschlicher Führung haben Leid und Freude in stetem Wechsel mich begleitet", resümiert er zum Abschied aus Koblenz. „Die schweren Verhängnisse, die ich in meiner Kindheit über das Vaterland einbrechen sah, der so frühe Verlust der unvergeßlichen, teuren, geliebten Mutter erfüllte von früh an mein Herz mit Ernst."35 Erzogen von jener hohen Frau, welche „in ihm die Keime schlichter Frömmigkeit, sittlicher Tüchtigkeit, ächten Wohlwollens und herzlicher Menschenliebe zu wecken und zu pflegen suchte", wechselte Wilhelm 1857 in die Regentschaft.36 Und „er war in jeder Hinsicht darauf vorbereitet", wie sein Enkel erklärte, denn „von einer liebenden, unvergleichlichen Mutter" behütet, hatte er „als Knabe den furchtbaren Zusammenbruch seines unter Napoleons Knechtschaft niedergeworfenen Vaterlandes" erlebt, war aber vom „tapferen, hoffnungsfreudigen Glauben der Mutter" durch die „entsetzlichen ersten Jahre der Franzosenzeit" geleitet worden, eine Erfahrung, die ihn schon als Kind fiir die „schwere Verantwortung" seines späteren Amtes gestählt hatte.37 Kummer und Schmerz hatte der mächtigste Mann im Staat durchlitten, was ihn als Mensch und Monarch den Deutschen nahebrachte. „Das Bild der sterbenden Königin Luise, in so jungen Jahren in seine Knabenseele geprägt, hat ihn niemals verlassen", schrieb der letzte Kaiser, und daß das Bild des verlassenen Sohnes das Volk nicht verließ, dafür sorgte die Hofberichterstattung über die private Seite der Macht.38 Der prominente Theologe Wilhelm Baur erzählte in seinen Lebensbildern von 1877, was er selbst im Vorzimmer des Kaisers mitangesehen hatte: „Während ich wartete, ward es dämmrig und des Kaisers Jäger begann die Lampen anzuzünden. Zuletzt brachte er zwei Wachskerzen. .Diese', sagte er mir, ,muß ich jeden Abend - so will es der Kaiser - vor das Bild seiner Mutter stellen.' Mein Gemüth ward durch die ehrfürchtige Liebe, die der hochbetagte Herrscher der längst heimgegangenen Mutter bewahrt, tiefbewegt. Die Wachskerzen vor dem Bild der Mutter waren mir Zeichen einer Andacht, die an Gottgefalligkeit durch keine Heiligenverehrung übertroffen wird. Oftmals habe ich mir seit jenem Abend den hohen Herrn vergegenwärtigt, wie er vor seiner Mutter Bild ernst und still der alten Zeit, der vorigen Jahre gedenkt." Eine Schilderung von des Kaisers bewegter Kindheit folgte, mündete in eine eupho-

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tische Huldigung der Königin Luise und endete mit einem Ausblick auf das Heil der Nation in Ewigkeit. „Und wenn der Kaiser noch immer vor dem Bilde der Mutter sitzen und die Wege Gottes anbetend betrachten darf - der gewaltige und barmherzige Gott schütte Gnade, Segen und Frieden über ihn und schütze, läutere und heilige unser deutsches Volk!"39 „Kein Volk und kein Fürst in Europa aber kann sich rühmen, wie Preußen seit 1640 den Raum des Staates um mehr als das Vierfache vergrößert und die Bevölkerung fünfundzwanzigfach vermehrt zu haben", jubelte die Vossische Zeitung, als man am 22. März 1876, wenige Tage nach der Säkularfeier der Königin Luise, den neunundsiebzigsten Geburtstag ihres großen Sohnes zelebrierte.40 Die Erfüllung ihres Vermächtnisses, schrieb die Allgemeine Preußische Staats-Zeitung, „wurde in den Befreiungskriegen begonnen und im Kriege von 1870/71 durch den Kaiser und König ruhmreich zu Ende gefuhrt".41 Einhundert Jahre nach Luises Geburt hatte „der zweite ihrer Söhne eine Stellung, um welche ihn der Gewaltherrscher ihrer Zeit beneidet haben würde, umgeben von den größten Bürgschaften der Sicherheit und Dauer. [...] Dadurch ist in Preußen zwischen dem Herrscherhause und dem Volke ein Bund entstanden, der das Familienverhältnis vom Thron bis zur Hütte abschließt. [...] So ist es jetzt und so möge es bleiben, dann ist die Monarchie in Preußen und Deutschland die beste Staatsform und fest begründet."42 Emotional, genealogisch und historisch knüpfte die Mythologie des Kaiserreiches das unzertrennliche Band von Mutter und Kind wie von Volk und Herrschergeschlecht. „Mit dem Hause der Königin Luise lebte und litt das Land", erklärte Heinrich von Treitschke, „seitdem erst entstand zwischen den Hohenzollern und ihrem Volke jenes einfache menschliche Verständnis, das die Leidenschaften der Parteien nie zerstören konnten."43 Eingängig und menschlich klang der Mythos von Mutter und Sohn, der die Hohenzollern dem Gewirr der Gegenwart entzog und über jedes Parteiinteresse hob, das in der politischen Tradition der Deutschen oft für Kleingeist stand und als Gefahr für die nationale Geschlossenheit gebrandmarkt wurde. Erbe und Einheit waren erfüllt, und so suchten die eifrigsten unter Preußens Patrioten, allen voran der regierende Kaiserenkel, den alten Herrscher nach seinem Tod als „Wilhelm den Großen" neben die gleichermaßen Ausgezeichneten Karl und Friedrich zu stellen, doch weder der Mann noch die Zeit taugten für solche Ehre. Das weithin empfundene, hochemotionale Bedürfnis nach einer einigungsstiftenden Figur, das in den Jahren unter französischer Fremdherrschaft den Luisenkult begründet hatte, wollte sich ob der politisch wie gefühlsmäßig anders gelagerten Vorgeschichte zur Reichsgründung schwerlich einstellen oder aber konzentrierte sich auf eine andere Gestalt: auf Bismarck. Konsequent blieb darum die Verherrlichung Wilhelms I. mit dem Mythos der Mutter verbunden, deren Leben und Sterben noch jeder Lebensbeschreibung des Sohnes vorangestellt wurde. Kummer stärkte den Geist, und Leid brachte Mitleid - weshalb man den Kaiser nach seinem Tod zum Heiligen machte: „Zur Arbeit der Heiligen gehört auch die Trübsal, die geduldig erlitten, die gläubig durchschritten sein will",

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sprach Hofprediger Kögel bei der Gedächtnisfeier am 22. März 1888. „Wie viel Trübsal ist über das Haupt des Kaisers je und je dahingegangen, Sturm, Wetter und Blitz. Der Neunjährige sieht sein Vaterland erniedrigt, das Heer auf der Flucht, der Dreizehnjährige sieht das brechende Auge seiner Mutter, der Mann sieht die Hauptstadt in Aufruhr, der Einundsechzigjährige, an der Schwelle des Greisenalters, sieht die Last der Regentschaft auf seine Schultern gelegt."44 Und hätte Wilhelm I. auf dem Sterbebett noch wenige Stunden länger ausgeharrt, dann hätte er noch im Tode eine Brücke zur Mutter gebaut, zu ihrem Geburtstag, dem 10. März, der fast sein Todestag geworden wäre. Die Mythenmacher in seinem Sterbezimmer trösteten sich indes mit dem Beinahe und zimmerten die Brücke selbst: „Und der Vorabend des Geburtstages seiner in Gott ruhenden Mutter", sprach Hofprediger Kögel am 9. März 1888 an der Leiche des Kaisers, „hat die Erfüllung des 126. Psalmes gebracht, dieses Liedes im höhern Chor, des ,Halleluja's unter Thränen', an dem sich die Seele der Dulderin einst so oft getröstet hat. ,Die mit Thränen säen, werden mit Freuden ernten. Sie gehen hin und weinen und tragen edle Samen und kommen mit Freuden und bringen ihre Garben'. Amen." 45

34 Familiengrab „ Gottes Gnade wird uns dereinst in einem beßeren Leben wieder vereinigen, dieß ist mein alleiniger Trost in den Widerwärtigkeiten dieses Lebens. Friedrich Wilhelm III. 1813

Das Mausoleum der Königin Luise war noch nicht vollendet und ihre Leiche noch im Dom, da wünschte sich ihr Witwer selbst schon in das Grabhaus, das ihn mit seiner Frau „bald vereinigen" sollte.2 Wie die Melancholie des Königs aber war auch seine Gesundheit stark, denn obgleich er sich den Wunsch nach Einkehr bei der toten Gattin ein Leben lang bewahrte, überlebte er sie doch um drei Jahrzehnte. „Schwere und harte Prüfungen habe Ich nach Gottes weisem Rathschlusse zu bestehen gehabt", schrieb er in seinem kurzen Testament und nannte als den schwärzesten seiner Tage den, da ihm Gott das „Liebste und Teuerste" entrissen habe. Die Geliebte wollte er in einem „Jenseits" wiedersehen und übergab sich darum seinem Schöpfer mit dem Wahlspruch, der neben seinem Grabmal stehen sollte: „Meine Zeit in Unruhe, meine Hoffnung in Gott!"3 Der älteste Sohn und Thronfolger erhielt den Stern des schwarzen Adlerordens, den sein Vater einst getragen hatte. „Ein gar geringes Andenken", hatte der König dazu vermerkt, „aber was dahinter verborgen ist, hat höheren Wert."4 Der Orden wurde geöffnet und ein Miniaturbildnis der Königin gefunden, das ihr Mann ein halbes Jahrhundert hindurch „nicht nur im Herzen, sondern auch auf dem Herzen getragen hatte!" 5 Das Testament und den letzten Brief an „meinen lieben Fritz" übergab der neue König nach dem Willen des Vaters der Öffentlichkeit. „Der Heldenkönig aus unserer großen Zeit ist geschieden", ließ Friedrich Wilhelm IV. nach der Beisetzung verkünden, „und zu seiner Ruhe, an der Seite der Heißbeweinten und Unvergeßlichen, eingegangen" - der stille Grabtempel indes kam nicht zur Ruhe, denn mit dem Tode Friedrich Wilhelms III. 1840 begann die Wandlung des Luisenmausoleums zur Hohenzollernschen Familiengruft.6 Erweiterter Platzbedarf, der nach dem Tode Kaiser Wilhelms nochmals wuchs, zog Umbauten nach sich, die man erst nach fünf Jahrzehnten zu einem unglücklichen Abschluß brachte. Ein neuer Zeitgeschmack bekundete sich im umgebauten Tempel ebenso wie ein neuer Anspruch als dynastisches und nationales Monument. Das Nachsehen hatte die Kunst, geriet die schönste Grablege des deutschen Klassizismus doch zum wilhelminischen, ehrfiirchtheischenden Totenhaus, dessen ursprüngliche Wirkung nicht einmal mehr zu ahnen ist.7 Kronprinz Friedrich Wilhelm hatte schon als Fünfzehnjähriger ein Totenmal für seine Mutter auf Papier skizziert; als sein Vater gestorben war, entsprach es seinem

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Kunstempfinden wie auch Dynastieverständnis, daß dem Luisegatten ebenfalls ein Sarkophagdenkmal im Mausoleum zu Charlottenburg errichtet wurde. Auf einer Abendgesellschaft des Königspaares im Januar 1841 erging der Auftrag dazu an Christian Daniel Rauch, der fünf Monate später ein verkleinertes Modell in Ton vorstellte.8 Kontroversen über das Kostüm entstanden und verzögerten die Fertigstellung, da der Königsmantel im Entwurf dem Auftraggeber zu pompös erschien, hatte der Vater doch gewünscht, daß er im schlichten Feldmantel bestattet werde. Ein in dieser Hinsicht nun vereinfachtes Modell, vom König nach drei vorausgegangenen für gut befunden, war Ende 1842 auf die Maße des Luisengrabdenkmals vergrößert worden und stand im Atelier des Bildhauers bereit zur Besichtigung durch Freunde und die königliche Familie. Ehe mit der Marmorausführung begonnen wurde, brachte man einen Abguß nach Charlottenburg, damit sich Rauch vor der Luisenstatue letzte Klarheit über das Pendant verschaffen konnte. Und selbst noch ein solch technisches Ereignis wurde mythisch inszeniert, da die Aufstellung des Gipsmodells für den 10. März geplant war, dem Tag, an dem Luise siebenundsechzig Jahre alt geworden wäre.9 Kraftlos, leblos lag der Herrscher auf der Bahre (Abb. 61). König Friedrich Wilhelm schien bereit, seinem Schöpfer am Jüngsten Tag entgegenzutreten, und so war das Grabbild, obwohl es keine religiösen Ornamente zeigte, dem Wahlspruch des Toten vollauf gefolgt und fand auch weithin Anerkennung, zumal die Draperie, scheinbar vom Zufall komponiert, vom großen Formgefühl des Künstlers zeugte. Einfache Tat-

Abb. 61 Christian Daniel Rauch: Sarkophagstatue König Friedrich Wilhelms III., 1841-1846

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sächlichkeit und schlichter Charakter waren jedweder Verherrlichung gewichen, und so sah mancher jenes Bild sogar als Höhepunkt im Rauchschen Werk.10 Lob bekam die Statue indessen auch, weil ihre von einfachen, großen und freien Linien geprägte Ausführung in keinerlei Wettstreit mit dem per se schon „unvergleichlichen, herrlichen Marmorbild" der schlafenden Gemahlin trat.11 Zwangsläufig blieb das Werk inhaltlich wie künstlerisch hinter der Faszination des Luisensarkophags zurück. Die Gegensätzlichkeit der Eheleute hat es damit über den Tod hinaus bewahrt und den Glauben an beider Ungleichheit im Leben untermauert, wollte man doch im Königsdenkmal das erkennen, was der Mythos längst aus dem Modell gemacht hatte: den „stillen Gefährten" der Königin Luise.12 Kunstexperten wie Historiker störten sich dennoch an seiner Existenz: „Nicht nur ging durch die Statue Friedrich Wilhelms III. die Einzigartigkeit des Luisenmonumentes weitgehend verloren, es wurde auch der Gedankenkreis von Jugend, Schönheit, Ewigkeit der Natur als Trost angesichts des Todes gleichsam aufgesprengt."13 Zeitgleich mit dem Entwurf des Königsdenkmals erweiterte man den Bau im Schloßpark. Kurz vor seinem Tode hatte Schinkel noch einen Plan dafür entworfen, den Ludwig Ferdinand Hesse in die Tat umsetzte. Ein erheblich höherer Anbau mit einer rückwändigen Altarnische wurde hinter die nunmehr bläulich beleuchtete Gedächtnishalle gesetzt; entsprechend der pietistischen Frömmigkeit des neuen Königs rückte jetzt das Christliche in den Vordergrund und machte das Bauwerk zur Kapelle. Sprüche aus der Bibel umliefen in goldenen Lettern auf dem Gesims den Raum und wiesen in ihrem metallischen Glanz auf die Wölbung der Apsis hin, die man ebenfalls vergoldete. Das Sarkophagdenkmal der Königin wurde vom Eingang abgekehrt und stand jetzt neben dem des Gatten zur Apsis hingewandt, mit deren Ausschmückung das Nazarenertum in den Tempel einziehen sollte (Abb. 62). Ein Kruzifix aus Marmor des den Nazarenern nahestehenden Bildhauers Wilhelm Achtermann kam an die Wand hinter dem Altar; und nachdem der große Peter von Cornelius, um ein Fresko für die Apsis gebeten, Querelen verursacht hatte, ging der Auftrag an seinen Schüler Carl Gottfried Pfannschmidt, der einen eigenen Entwurf umsetzte. Zitat frühmittelalterlicher Malereien, knieten König und Königin zu Seiten des thronenden Heilands und bedeuteten das Fortleben der Seelen nach dem Tod wie den geringen Rang der irdischen Krone gegenüber Christi Majestät. Die gemalten Lebenden sollten die Skulpturen auf Bilder „des leiblichen Todes" zurückwerfen, wie Cornelius meinte, doch war jene Bezugnahme des Freskos auf die Sarkophage unglücklich, vor allem im Hinblick auf die vor Leben nur so strotzende Luisenstatue.14 Zweifelsohne aber rückte Pfannschmidt das Profane in das rechte Licht. Und mit dem Licht, wenn auch dem weltlichen, begann das Leid des Bildhauers und seiner Werke. „Schlimmeres hätte man mir nicht anthun können", schrieb Rauch an seinen Schüler Rietschel, „als ein so schlechtes Bauwerk für diese Monumente errichten!"15 Ein laternenartiges Oberlicht hatte dreißigjahre lang das Grabbild Königin Luises effektvoll beleuchtet, und auch das Denkmal Friedrich Wilhelms stand im Sommer

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Abb. 62 Apsis des Mausoleums zu Charlottenburg mit dem Fresko von Carl Gottfried Pfannschmidt und dem Kruzifix von Wilhelm Achtermann, 1841-1850

1846 in der Werkstatt noch „in gutem Licht", bevor es „in das allerschlechteste" geriet, das Rauch nach eigenem Bekunden je gesehen hatte. Zwei hochgesetzte und einander gegenüberliegenden Seitenfenster tauchten beide Sarkophage in ein so unvorteilhaft gleichmäßiges Licht, daß deren plastische Wirkung nahezu zerschmolz. Nahe dem Zusammenbruch, mal wieder, beklagte sich Rauch gegenüber Ignaz von Olfers, dem Leiter der Königlichen Museen, über die Zerstörung seiner Lebenswerke: „Der Anblick meiner im Mausoleum am Sonnabend vollended aufgestellten Grabmonumente [...] hat mich dermaßen vernichtet, daß mein ganzer Wille dazu gehört, mich nicht für vernichtet zu halten, daß [durch] diese Gräber das eigentliche Grab meiner Ehre für alle Zeit dort begründet ist. Ich darf darüber nicht weiter sprechen, um nicht in ein trübseliges Delirium zu gerathen, unglücklicher, rücksichtsloser ist wohl nie die Würde eines Gegenstandes und die Arbeit eines Bildhauers behandelt worden, als in diesem Neubau des Mausoleo in beiden Beziehungen geschehen ist."16 Karl Friedrich Schinkel, der Architekt und Freund, der das Dilemma angerichtet hatte und sicher auch geändert hätte, war tot. Kritik aber wollte der enttäuschte Rauch aus Feigheit nicht beim König äußern, der die Umbaupläne ja genehmigt hatte. Und so ereilte die Luisenstatue das gleiche Schicksal wie zuvor schon deren

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zweite Fassung im ähnlich schlecht beleuchteten Antikentempel; doch blieb es nicht dabei, da das Mausoleum von neuem aufgebrochen wurde, als der Sohn und Kaiser dort bestattet werden mußte. Das Grabhaus seiner Mutter hatte schon der älteste Sohn, der 1861 starb, als Platz des Herzens ausgewählt, das, von katholischen Bestattungsriten inspiriert, der Leiche entnommen und in einem herzförmigen Gefäß aus märkischem Granit zwischen den Särgen der Eltern bestattet wurde, während der übrige Körper in der Friedenskirche zu Sanssouci die letzte Ruhe fand, wohin ihm auch die Witwe folgte. ElfJahre später starb der Bruder Albrecht und wurde gleichfalls in der Gruft des Mausoleums beigesetzt; ein Jahr später folgte ihm die zweite Frau des Vaters, die Fürstin Liegnitz. Erst geschmäht, dann hoch geachtet, verschwand sie ehrenvoll, doch ohne Denkmal in dem Dunkel unterhalb der Statue einer Frau, in deren Schatten sie im Leben schon gestanden hatte. Kaiser Wilhelm I. bestimmte schließlich ebenfalls das Grab der Eltern zu seiner letzten Ruhestätte. 17 „Die Tugenden der Königin, meiner vollendeten Mutter, sollen mir unvergeßlich sein, und das Andenken der Verklärten soll bei mir stets in einem gerührten und dankbaren Herzen wohnen", formulierte Wilhelm zur Konfirmation 1815 einen seiner Lebensgrundsätze, die man im Jahr darauf in Buchform kaufen konnte.18 Und in der Tat begleitete ihn dies tief empfundene wie weit verbreitete Bekenntnis durch die Lebenszeit. Der Ordensstern des Vaters mit dem Bild der Mutter wurde auch von Wilhelm seit der Thronbesteigung getragen, und gleichwie seine Schwester Charlotte im Augenblick des Todes nach der Mutter gerufen hatte19, so kamen auch dem Kaiser auf dem Sterbett noch Bilder aus der Kindheit, „aus dem Familienleben mit der Königin Luise"20. Elf Tage nach dem Tod des Kaisers 1888 hatte der Reichstag bereits erste Schritte zur Errichtung seines Reiterdenkmals eingeleitet, dessen pompöse Umsetzung der Enkel dann zu seiner Angelegenheit erklärte. Die Frage nach der würdevollen Grablege hingegen war noch unter der kurzen Regierungszeit Friedrichs III. zugunsten eines Sarkophagdenkmals entschieden worden, das in der Halle des Luisenmausoleums aufgestellt werden sollte.21 Zwei Jahre später war die notwendige Erweiterung des Tempels vollendet; sie ging in ihren Grundzügen auf die Vorstellungen der Kaiserwitwe Augusta zurück. Die Rückwand der Halle war mitsamt der Apsis und dem Fresko so weit nach hinten versetzt worden, bis sich die Fläche des rechteckigen Raumes auf einen quadratischen Grundriß nahezu verdoppelt hatte. Einst farbenreich und filigran gestaltet, wurde die Wandzone über dem Gesims nun monochrom verputzt und die kleinteilig kassettierte Decke gröber gegliedert, was dem Tempel eine monumentalere Wirkung verleihen sollte. Die schmalen Seitenfenster wichen Halbrundfenstern, während die kellerartige Gruft zur würdevolleren Krypta umgebaut wurde. Erdmann Encke, ein früh zu Erfolg gekommener Schüler Albert Wolfis, war mit dem Entwurf des Sarkophagdenkmals beauftragt worden, den er mit der Witwe abzustimmen hatte. Kaiserin Augusta aber verbat sich jedes Bildnis und wünschte

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sich statt dessen einen Engel, der neben dem Sarkophag des Kaisers stehen und auch dem eigenen, schon angedachten Grabmal zugeordnet werden sollte.22 Encke gelangte im Lauf der Planungen zu einem pathetischen Projekt mit einem die Hände ringenden Engel und einer verzweifelt klagenden Borussia am Fußende der Sarko-

phage, wurde aber vom Tod der Kaiserin eingeholt, der Grabporträts nun wieder möglich machte. (• Zwar stieß der Künstler auf den Hay» Widerstand der Kaisertochter, die [ f j e t z t die Vorstellungen ihrer Mutter verfocht, doch ließ sich Luise von Baden, die nach dem Tod des Sohnes Ludwig innerhalb nur eines Jahres auch den Vater und den ein|| . zigen Bruder verloren hatte, im Wisk Sommer 1890 umstimmen und •RJ® befürwortete die Erschaffung zweier Liegefiguren in Anlehnung an die ^Sj Rauchschen Sarkophage. Die Idee einer Engelsstatue wurde wieder aufgegriffen und als Erzengel Michael (Abb. 63) umgesetzt, der mit dem Flammenschwert in seiner Hand die leere Vorhalle des Tempels schützen sollte, als Wächter und Symbol der deutschen Stärke.23 Zwei Adler am Luisensarkophag hatten diesen Dienst bislang verrichtet; nun wich der sublimierte Abb. 63 Erdmann Encke: Erzengel Michael, 1894 Patriotismus Rauchs dem plakativen Nationalismus der wilhelminischen Zeit. Ende 1891 waren die Modelle angelegt, doch wünschte Wilhelm II. Änderungen am Grabdenkmal des Großvaters wie auch an der Engelsstatue. Niemals hätte er dem Künstler und der Tante bei solch gewichtigen Entscheidungen allein vertraut; auch Anton von Werner, kaiserlicher Ratgeber in Sachen Kunst und überdies ein Freund i.K



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von Encke, wird sein geschultes Auge auf die Planungen geworfen haben, nachdem er schon die Ausstattung der Trauerfeiern für Wilhelm I. und Friedrich III. überwacht hatte: „Der Kaiser hörte nur auf Begas, Ihne und vor allem auf Anton von Werner", wie sich Marie von Bunsen erinnerte. 24 Die aus Cararra kommenden Sarkophage, am 2. September 1894 im Mausoleum eingeweiht, erschienen zwar als glückliche Lösungen, nicht zuletzt „weil sie die Arbeiten Rauchs nicht beeinträchtigten", doch offenbart das Bild des Kaisers (Abb. 64) auch den ganzen Wandel von Geschmack und Stil im 19. Jahrhundert. 25 Ehrfurchtgebietend ist der Herrscher in der Generalsuniform des ersten Garderegimentes aufgebahrt, effektmachend türmt sich darüber der mächtige Königsmantel; Lorbeer und Reichsschwert in den Händen preisen ihn als siegreichen Helden der Einigungskriege. Und so glorifizierte das Denkmal, wenngleich es wohl dem Sinne des Verstorbenen nicht ganz entsprochen hatte, den Reichsgründer zu Füßen seiner Eltern und spiegelte zugleich den Anspruch und das Selbstverständnis der wilhelminischen Gegenwart. Einst ein klassizistischer Tempel von freier Diesseitigkeit, erdacht als stimmungsvolles Monument intimer Erinnerungen, umgebaut zum kirchlichen Kultraum und schließlich erweitert zur Familiengruft, wurde das Luisenmausoleum zum Denkmal des Reiches unter der Hohenzollernkrone (Abb. 65). Einhundert Jahre preußischer Geschichte, die in den Toten verkörpert waren, bedeuteten einhundert Jahre deutsche Geschichte, deutsches Einheitsstreben unter Preußens Krone. Eingebettet in

Abb. 64 Erdmann Encke: Sarkophagstatue Kaiser Wilhelms I., 1890-1894

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Abb. 65 Der Innenraum des Mausoleums zu Charlottenburg, Zustand um 1896

christlich religiöse Formen, war das vom finalen Triumph der Reichsgründung gerahmte Familienbild ein Denkmal der höheren Wege und kündete damit auch vom Gottesgnadentum der Hohenzollernherrschaft. „Die mit Thränen säen, werden mit Freuden ernten", las der Hofprediger Kögel Luises .Lieblingspsalm' in Anwesenheit der Kaiserfamilie, die sich zum einhundertsten Geburtstag der Königin im Mausoleum versammelt hatte.26 Kultisch feierte man die Frau, die hinstarb wie „ein Weizenkorn, das in die Erde fallt, um viele Frucht zu bringen" - die Nachgestorbenen gesellten sich zu dieser wie die Frucht zur Saat.27 Erfüllt von der Andacht eines als so finster und fanatisch wie „leidenschaftlich orthodox" beschriebenen Kirchenmannes, der sich mit seinen „wundervollen Gedächtnisreden" auf die toten Hohenzollern schließlich so verausgaben sollte, daß er während einer solchen sein Gedächtnis verlor, wurde das Mausoleum zu einem heiligen Raum mit erzieherischem Zweck.28 Die „Stätte der Erbauung, der Erhebung und der stillen Einkehr", wo der Schutzpatron der Deutschen in Gestalt des Erzengels Michael den Besucher empfing, war ein von der Vorsehung bestimmter, von der Geschichte bewahrheiteter und von der Architektur vergegenwärtigter Ort; farbiges Glas sorgte für die rechte Atmosphäre.29 „Eintretend in den säulengetragenen Vorraum, umfangt uns ein magisches blaues Licht, unsere Sinne wie mit einem Zauber gefangen haltend und uns gemahnend, daß

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wir uns an einer geweihten Stätte befinden", führte Hermann Müller-Bohn den Leser durch das Monument. „Geisterhaft legt sich dieses Licht auch auf die mächtige, in diesem Vorraum befindliche Gestalt eines marmornen, von Encke ausgeführten Erzengels, der in kriegerischer Haltung, das flammende, vergoldete Schwert vor sich hinstützend, das Lockenhaupt mit dem kriegerischen Helm bedeckt, an den Pforten des Grabes die stumme Wacht hält." Und nachdem der Pilger diese Zwischenwelt durchschritten hatte, fiel sein Blick auf Königin Luise. „Das ruhende Marmorbild der Königin ist von ergreifender Wirkung. Das zarte Weiß des carrarischen Marmors verleiht dem diademgeschmückten Haupte einen überirdischen Glanz von himmlischer Schönheit." 30 Erziehungsliteratur schulte und schärfte die Sicht auf die Statue: „Seit 100 Jahren schläft nun Preußens schönste Königin in ihrem stillen Tempel zu Charlottenburg ihr armes, gepeinigtes Herz ruht aus von aller Qual und allem Gram, die ihr wie keiner anderen unter den Hohenzollernköniginnen zugemessen waren. Aber die Liebe, die sie säte, hat tausendfaltige Frucht getragen in den Herzen der Kinder und Enkel deijenigen, für die sie litt. Und heut wie vor 100 Jahren leuchtet uns ihr Bild entgegen, anmutig, groß und erhaben." 31 Die Königin war Mutter einer tausendjährigen Zeit geworden und ihr Mausoleum, das auch die Vollender ihres Wirkens barg, Denkmal dieser Ewigkeit. Kündeten die Buchstaben Alpha und Omega im Giebel vom Anfang und Ende des Lebens im christlichen Licht, so erzählten die Bilder von Mutter und Sohn im Inneren vom Ende der nationalen Zerrissenheit und dem Beginn der dauerhaften deutschen Einigkeit. Und nachdem der Reichsgründer gestorben war und in das Mausoleum seiner Mutter eingekehrt, stiegen auch die Besucherzahlen und hielten mit dem nationalen Aufstieg Schritt: Ein „patriotisches Heiligtum" sei der Tempel immer schon gewesen, schrieb Adolf Rosenberg, ein Ort, „zu dem anfangs Hunderte, dann Tausende" gekommen seien und zu welchem jetzt das Volk zu „Hunderttausenden" ströme.32 Stärker den je wurde der Kult. Die kollektive, gleichsam nach religiösem Ritus zelebrierte Erinnerung zu bestimmten Tagen belebte die eingeübten Inhalte neu und verankerte sie im Glauben an ihre lange Tradition; im Mausoleum kehrte die gesamte Nation zu den Ursprüngen ihrer Existenz als Gemeinschaft zurück. Der Kult um die Geschichte verschmolz mit dem Kult um die Nation, personal versinnbildlicht und sakral überhöht; so wurde der Luisenkult zum Teil von anderen Kulten, dem christlichen Glauben wie dem politischen Totenkult, und dadurch in eine Totalität eingefügt, die einen höheren Zusammenhang von Leben und Tod, Geschichte und Gegenwart, Volk und Krone, Nation und Gott bezeugte. Die Erschaffung großer Menschen und die Zelebrierung großer Augenblicke legte über die Nation ein Netz von Mythen, die als symbolisch wirksame Strukturen bestätigend, legitimierend und regulierend wirkten und dadurch zu Garanten wurden für den Erhalt der Gemeinschaft. Existenzen wurden vom Mythos weniger erklärt als in Ursprungsgeschichten gedeutet; das Hoffen auf Heil stiftete und erhielt seinen Sinn, darum war der Mythos zugleich konservierender wie perspektivischer Natur, denn

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obgleich seine Erzählung in die Vergangenheit verlegt war, wies er doch immer auf das Heutige.33 Das Mausoleum zu Charlottenburg verband einhundert große Jahre zu einer in sich geschlossenen wie auf die Zukunft deutenden Einheit und verdichtete damit den Mythos der Hohenzollern wie kein zweites Monument. Der Tempel war mehr als einer jener künstlichen Erlebnisräume mit Geschichtsbezug, wo die Nationalerziehung mit unterschiedlichen Medien und künstlerischen Disziplinen komplexe geschichtliche Vorstellungen ansprechend formulierte oder eine didaktische Gesamtaussage an herausragenden Personen und Ereignissen exemplifizierte. Das Grabhaus barg die Leiche der als Mutter der Nation verehrten Frau, ihr verklärtes Grabbild füllte jene Stätte mit einer magischen, unmittelbaren wie transzendentalen Präsenz. Kunst verlor ihre Funktion als Bebilderung des genius loci zugunsten einer größtmöglichen Autonomie. Das Grabmal erklärte Geschichte nicht, es war Geschichte und machte Geschichte. Keimzelle großer Ereignisse, war das Mausoleum zum mythischen Ort geworden, und wurde, nachdem Luises Sohn in Leib und Bild dort eingekehrt, zum Abschluß des Mythos und dessen Artikulation in Ewigkeit.

35 Luisenbilder im Reichsgründerkult „Von Generation zu Generation wird sich das Bild meiner Mutter vererben, wie ihre Tugenden, ihr festes Vertrauen auf Gottes Gerechtigkeit, ihre Liebe zum preußischen und deutschen Volke stets unter allen Wechselfallen gleich leuchtend dastanden - wenn sie auch die Erfüllung des Gehofften nicht erleben sollte. Kaiser Wilhelm I. 1876

Königin Luise und ihr Sohn Wilhelm hatten die „Wiedergeburt" einer „Volkspersönlichkeit" entzündet, wie die „Weltgeschichte kein zweites Beispiel kennt".2 Kurz nach der Reichsgründung begann darum der Bildhauer Reinhold Begas mit der Arbeit an einer marmornen Statue der Königin, die in „darreichender Stellung" die deutsche Kaiserkrone in den Händen halten sollte. „Das Werk", meldete die Leipziger Illustrirte, „ist als Geschenk fiir den Kaiser bestimmt."3 Egal ob mit oder ohne Auftrag ausgestattet, der Kunstschaffende, der die Ausstellungen mit Luisenbildern beschickte, konnte sich der Gunstbezeugung meist und der Aufmerksamkeit fast immer sicher sein und wurde nicht selten mit Medaillen und Ankäufen geehrt. Kaum einer unter den prominenten deutschen Künstlern des späten 19. Jahrhunderts hat sich nicht am Bild der Kaisermutter versucht, deren große Monumente erst nach der Reichsgründung gestiftet worden waren, erschaffen von Männern, die offizielle Stellungen bekleideten oder aber im profitablen Dienst von Staat und Krone standen wie Begas und Werner, Götz und Schaper, Eberlein und Encke. Der Markt für Maler, Bildhauer und Illustratoren war stets so groß wie die allgemeine Empfänglichkeit für die Höhepunkte einer zur Nationalgeschichte gemachten Vergangenheit. Der Luisenkult, historisch gewachsen und von unterschiedlichen Gruppen aus mitunter verschiedenen Interessen zelebriert, wurde nach 1871 Staatskult. Nationale und monarchische Gesinnung verschmolzen im Bewußtsein des konservativen und liberalen Bürgertums, dessen partikularstaatliches Nationalgeflihl weitgehend hinter dem deutschen zurücktreten sollte. Staatliche Einheit, außenpolitische Erfolge sowie Furcht vor der aufsteigenden Arbeiterklasse hatten die Mehrheit des Bürgertums zu Lobeshymnen auf Heer und Krone angefacht; und während der Kampf gegen den politischen Katholizismus und die Sozialdemokratie tiefe Gräben in das junge Reich grub und die parlamentarische Kultur unter Bismarck und dem dominanten Nationalismus verkümmerte, versicherten sich Nation und Bürgergesellschaft im Bild der Kaisermutter ihrer vermeintlichen Geschichte und damit ihrer Ewigkeit. Konservative und Liberale, die sich in einer Frau erkannten, die nie „den Adel vor dem Bür-

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ger" bevorzugt hatte, schufen sich mit jedem Luisenbild ein Sinnbild ihrer erfüllten nationalen Hoffnungen wie ihrer Moral und Lebensweise.4 Königin Luise war von der preußischen Monarchie von der Restaurationszeit bis zur Reichsgründung in die politische Ikonographie des preußischen Staates eingefügt worden, wo sie als partikularstaatliches Symbol einen kompensatorischen Zweck erfüllen sollte; das patriotische und national gesinnte Bürgertum hingegen war zu Lebzeiten der Königin, vor allem aber nach der Reichsgründung hinter den meisten Luisendenkmälern die treibende Kraft. Das Bürgertum schuf damit nicht nur maßgeblich und sichtbar das Ideal der Königin Luise, sondern auch die Hausheilige der Hohenzollerndynastie. Einst Aufgabe der Monarchie, war die Stiftung des königlichen Denkmals nun dem Bürger zugefallen, der in diesem seine Werte formulieren konnte und zugleich der Krone huldigte, denn gewollt wie ungewollt war jedes Denkmal Königin Luises auch Bekenntnis zur monarchischen Instanz. Entgegenkommen sollte die Erinnerung an die deutsche Mutter auch dem kaiserlichen Sohn, der sich nur als Preußenkönig fühlte. Ein halbes Jahrhundert zuvor hatte sein Vater den 19. Juli 1810 als den unglücklichsten Tag seines Lebens bezeichnet; für den Sohn indessen war der schlimmste Tag der 18. Januar 1871, als er in Versailles das .Vermächtnis' der Mutter erfüllte: „Morgen ist der unglücklichste Tag meines Lebens", jammerte Wilhelm I. am Vorabend der Kaiserproklamation. „Da tragen wir das preußische Königtum zu Grabe."5 Monumente seiner Mutter aber ließ sich Wilhelm gerne widmen, zumal doch die Schatulle der Hohenzollern die meisten ihrer Denkmäler ermöglicht hatte. Krone und Staat, Bürgertum und Künstlerschaft bildeten bei vielen Stiftungen einen effektiven Bund, der allen Beteiligten Genüge tat. Die Dynamik des Luisenmythos, in dem sich Bürgertum und Monarchie einander näherten, durchdrang bereits die frühsten Denkmäler, deren Entstehung eine ständeübergreifende Kollektivität offenbarte, eine Anfang des Jahrhunderts progressive, später konservative Nationalidentität. Aussage und Sendung jedoch offenbarten sich nach dem Austausch von Faktizität und Historie durch Mythos und Verweis weniger in der Betrachtung eines Monumentes als in dessen Stiftungsgeschichte. Erklärten sich später auch viele Produkte des Luisenkultes durch größtmögliche Plakativität, so verrät erst der Blick auf die Stifter und die Finanziers, auf die Einweihungsfeier und die Gedenkreden, auf den Aufstellungsort und die Pressestimmen den tieferen Sinn und Gehalt des ersten großen Luisendenkmals der frühen Kaiserzeit. Kurz nach dem deutsch-französischen Krieg entstand der Gedanke an ein Denkmal der Königin Luise. Eine von Kanälen durchzogene Blumenanlage im Berliner Tiergarten, die als „Luiseninsel" schon lange den Namen der Kaisermutter trug, wurde als Aufstellungsort eines Werkes ausgesucht, das die Stadt dem greisen Kaiser zum achtzigsten Geburtstag 1877 schenken wollte. Zur Erschaffung eines Standbilds, „das mit den Zügen und der Gestalt der Verklärten, so wie sie hier wandelte, noch zu den kommenden Geschlechtern" sprechen sollte, sammelte das Denkmalkomitee unter Vorsitz des Berliner Oberbürgermeisters

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Hobrecht einhunderttausend Mark. Die eine Hälfte dieser Summe kam aus privaten Spenden, während sich die andere aus öffentlichen Mitteln speiste.6 Erdmann Encke erhielt den Zuschlag für die Arbeit, da ihn Anton von Werner dafür empfohlen hatte. Encke entwarf ein fast drei Meter hohes Monumentalstandbild aus Marmor auf einem Rundsockel von mehr als vier Metern Höhe (Abb. 66). Das Denkmal zeigt die Königin in einem bodenlangen, unterhalb der Brust gegürteten, puffärmeligen Kleid mit ausladender, über die zweistufige Plinthe fallender Schleppe. Zwar entspricht der Schnitt des Kleides der Mode zur Luisenzeit, doch ist es von schwerer, atlasartiger Stofflichkeit. Eine lange Spitzenstola, am Haarknoten des Hinterkopfes befestigt, umrahmt das Gesicht und fallt über die Schulterpartie hinab auf den Rücken der Gestalt. Die rechte Hand, auf das Dekollete gelegt, hält den einen Zipfel jenes Kleidungsstücks, während die herabhängende linke dessen anderes Ende gemeinsam mit der Schleppe seitlich des Oberschenkels rafft.

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Abb. 66 Erdmann Encke: Denkmal der Königin Luise im Berliner Tiergarten, 1877-1880

Das Haupt geneigt und den Blick gesenkt, wirkt die Königin in sich gekehrt, ein Eindruck, den die Bewegungstendenz der sich gleichsam in die Draperie ihrer Gewandung zurückziehenden Figur unterstützt. Erscheinen die Gesichtszüge auch voller und die Augen größer, so erinnert das Antlitz doch an die Skulpturen Schadows und Rauchs, wobei Encke zur Gestaltung des Kopfes vor allem auf die Werke Rauchs zurückgriff der mehrere Büsten der Königin mit Schleier geschaffen hatte. Enckes Porträt zeigt darüber hinaus das von jenen Bildnissen bekannte palmettenbesetzte Diadem sowie die mittig gescheitelte, wellige Haartracht; dagegen fehlt die berühmte Kinnbinde, die Schadow als Zeichen der Königin populär gemacht hatte.

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Die verhaltene Schlichtheit des Standbilds verrät des Bildhauers Bemühen um eine realistische Auffassung, die der heroischen, sinnlichen Sarkophagstatue eine moderne und dennoch poetische Entsprechung bot. „Lotosblüte" nannte der romantisch veranlagte Encke die Königin - Lotosblüten gelten in Asien als Symbol der Reinheit, denn obwohl sie in schlammigen Gewässern wachsen, klebt an ihren Blättern niemals Dreck. Einen „hervorragenden künstlerischen Wert" und eine „zu Thränen rührende Wirkung" bescheinigte denn auch die Zeitschriftfiir Bildende Kunst der Statue, was Hermann Müller-Bohn bekräftigte, wehte doch ein „unbeschreiblicher poetischer Hauch" um Luises „herrliche Gestalt".7 Ein „Andachtsbild des preußischen Volkes" aber habe Encke nicht erschaffen, gab ein anderer Kommentar zu Bedenken, und in der Tat hatte der Künstler ein Denkmal entworfen, das weniger eine apotheotisch Entrückte zeigte als eine lebendige, realhistorische Gestalt.8 Encke jedoch gab einer Zeit und einem Mythos, denen das allzu allegorische Bild nicht mehr zu Diensten war, mit seinem Bild das rechte Monument. Kritik hatte sich gleichwohl schon am Modell des Standbilds entzündet: „Wollte sich der Künstler entschließen, die Züge der verehrten Königin etwas jugendlicher zu gestalten", riet die Zeitschrift Jur Bildende Kunst, „wollte er den melancholischen Schatten, der auf der Stirn schwebt, entfernen, so würde Berlin um eine plastische Meisterleistung von schönster Vollendung bereichert werden."9 Ernst und Wehmut sollten zwar aus jedem Bild Luises sprechen; Leid und Schönheit aber zu verschmelzen und zu versuchen, die Königin auch bildhaft als Gepeinigte zu zeigen, brachte nur verstörende Ergebnisse (Abb. 67). Die Kluft zwischen der sichtbaren Schönheit und dem Wissen um deren Qualen hatte schon Luises Grabbild eine besondere Faszination beschert; Schmerz und Wehmut jedoch, ins Gesicht geschrieben, drohten Altbekanntes zu zerstören, war doch „die Königin schön, bis zu ihrem Heimgang jung, voll entzückender Anmuth und Freundlichkeit".10 Das Leiden der Schönheit war kein Denkmal wert, sondern nur die Schönheit des Leidens fürs preußische Volk. „Nicht leicht wird der Kunst eine dankbarere Aufgabe gestellt", heißt es im Aufruf des Denkmalkomitees. „Denn sie wird berufen, die idealen Formen, in welcher der edle Geist Luisens seine irdische Stätte gefunden, plastisch zu bilden."11 Erdmann Encke war für diese Aufgabe der rechte Mann, galt er doch als Meister der Idealplastik. Erwartungsgemäß „bewegt" und „tief gerührt" zeigte sich der kaiserliche Sohn, als man ihm das lebensgroße Modell des Denkmals zum Geburtstag schenkte; „tief ergriffen" war auch das Kronprinzenpaar, das die Statue bereits im Atelier besichtigt hatte.12 Schlichte Schönheit und innere Zurückhaltung sprachen aus dem Antlitz, dem „vollendeten Ideal echtester Weiblichkeit" gemäß, das mit ihm gefeiert wurde.13 Etwas Melancholisches aber blieb auch dem fertigen Werk. „Die Auffassung der Gesichtszüge wird freilich auf den ersten Blick manchen befremden", warnte Adolf Rosenberg vor der Enthüllung: „Der Künstler hat nicht die jugendliche, von holdem Liebreiz umflossene Fürstin dargestellt, [...] sondern die von der Last des Unglücks gebeugte Dulderin, deren Augen von tiefer Schwermuth erfüllt sind."14

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Abb. 67 A. von Roessler: Königin Luise von Preußen mit ihren ältesten Söhnen im Schloß zu Schwedt, Ausschnitt, 1897

Erdmann Encke aber hatte die Gratwanderung souverän gemeistert. Die „edle Gestalt" erschien von „unbeschreiblichem Formenreiz", und so verschmolz das Bild wie schon der Mythos ohne Widersprüche Wehmut mit Begeisterung und Anmut mit Unglück: Das war „die deutsche Frau, an deren Herz das Leiden und die Schmach ihres Vaterlandes nagen", verkündete Adolf Rosenberg. „Aber aus diesen gramerfullten Zügen leuchtet noch siegreich der Abglanz jener seltenen Schönheit hervor, die auf alle, welche das Glück hatten, mit der Königin in Berührung zu kommen, einen so tiefen Eindruck machte."15 Kurz bevor der letzte Schimmer ihrer jugendlichen Reize sie verließ, war Luise einst gestorben und hatte mit ihrer Schönheit konserviert, was Stendhal ein „Glücksversprechen" nannte und was im Sinne der Nation zu einem Siegesversprechen geworden ist.16 Das Denkmal rückte überdies Luises Heldentum in das Licht moderner Weiblichkeit. Ein demütig geneigter Blick und eine treulich auf die Brust gelegte Hand domestizierten die einstige Heldin, die lieb und stumm der deutschen Frau vor Augen trat:

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„Wenn aber das Volk seine Ideale haben muß", erklärte Adolf Rosenberg, „so fordert daneben auch die Geschichte ihr Recht. Und die historische Königin Luise, die schlichte Frau, die an Bescheidenheit und Einfachheit keiner ihrer Unterthaninnen nachstand, sie [...] hat Encke in seinem Marmorbilde verkörpert."17 Klüfte zwischen den Ständen und das Gefalle zwischen den Geschlechtern sollten im Angesicht der Kaisermutter schwinden, deren Kleinhalten ebensolch integrative Wirkungen entfaltete wie die Kunde von ihrer Größe. Erst der Blick auf die künstlerischen, topographischen und zeremoniellen Zusammenhänge jedoch verrät die ganze Aussage der Statue: Das Denkmal im Tiergarten inszenierte die borussianische Legende. Anwohner der Tiergartenstraße hatten 1809 zu Ehren der aus dem Exil zurückerwarteten Monarchin einen Altarstein im Park aufgestellt, den eine Marmorschale zierte. Das von kleinen Teichen und Kanälen umsäumte Areal wurde fortan „Luiseninsel" genannt, und es gehörte bald zu den Ritualen des beginnenden Kultes, daß die Insel am 10. März jedes Jahres von „pietätvollen Händen in einen köstlichen Blumenwald" verwandelt wurde.18 Nahe dem Gedenkstein enthüllte man im Oktober 1849 das Standbild Friedrich Wilhelms III. von Johann Friedrich Drake (Abb. 68); seine Errichtung wurde durch Spenden der Bevölkerung ermöglicht und ging auf eine Initiative von Offizieren, Mitgliedern der Städtischen Verwaltung und der Bürgerschaft zurück.19 Die Nähe zur Luiseninsel hatte den Standort des Friedrich-Wilhelm-Denkmals begründet, gleichwie dieses wiederum den Platz für Enckes Luisendenkmal bestimmte. König und Königin galt es in jenem Garten wieder zu vereinen, den sie „im Leben oftmals Arm in Arm" durchwandelt hatten, gezeigt aber wurde schließlich kaum etwas von Zweisamkeit.20 König Friedrich Wilhelm III. stand nicht als Held der Freiheitskriege auf dem Sokkel, sondern als erster Bürger und bester Vater im Staat. „Bon bourgeois, bon père de famille, aber kein König für diese Zeiten", hatte die Diplomatie nach seinem Regierungsantritt erkannt: „Man muß ihn lieben, aber ihn bedauern."21 Und diese Empfindung blieb von Bestand, hatte man doch Friedrich Wilhelm vor allem eine Tugend zuerkannt: die Trauer um Luise. Der „schwermüthige Ernst", der sich nach ihrem Tod über sein Wesen ausgebreitet hatte, machte ihn den Menschen liebenswert und interessant. „Das ist noch ein Mann", hieß es im Volk, „der seine Frau liebt, ehrt und ihr Bild in seiner Seele mit einer Treue und Ausdauer festhält, wie es unter Millionen selten ist!"22 Erst als Hinterbliebener hatte der „nüchtern-mürrische" König „ungeahnte Tiefen des Gemüts" offenbart und sich gleichsam selbst das „Denkmal" gesetzt, das ihm im Tiergarten errichtet wurde.23 Die linke Hand beteuernd auf die Brust gelegt, stützt sich der Witwer mit der rechten, einen Kranz in der Hand, auf einen Altar mit Luises Antlitz. Das sinnende Gesicht der Luiseninsel zugewandt, ehrte das Standbild den König von Preußen als treuen Gemahl - das Friedrich-Wilhelm-Denkmal war Luisendenkmal und die „Trostlosigkeit des Königs" ihr „schönstes Monument".24

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Abb. 68 Johann Friedrich Drake: Denkmal König Friedrich Wilhelms III. im Berliner Tiergarten, 1841-1849

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Der Mythos der protestantischen Madonna machte Friedrich Wilhelm zum Joseph in der preußischen Geschichte: „Er verstand vielleicht nicht ganz das Wesen der Königin", schrieb Moeller van den Bruck, „dieser klugen, dieser bedeutenden Frau, die ein viel zusammengesetzteres Ich hatte, als die idealisierte Gestalt vermuten läßt, die man aus ihr gemacht hat: aber er verstand ihr Wesen zu feiern, sie aus schonender Liebe mit einer feinen und nur angedeuteten Erfüllung der Wünsche zu umgeben, die er als Geheimnis von ferne in ihr ahnte. Er tat es in Bescheidenheit, als Mensch, der wußte, daß er Grenzen hatte, und den Geschmack besaß, sie innezuhalten."25 Und diese Grenzen zeigten sich auch im Tiergarten, denn hatte man dort den Standort der Königsstatue aufgrund der Nähe zum Luisengedenkstein ausgesucht, dem das Monument des Königs ursprünglich hatte nachempfunden werden sollen, so verweigerte sich die Luisenstatue schließlich einer Bezugnahme auf ihr Pendant.26 Encke war der Schöpfung Drakes zwar formal gefolgt, ehrte die Monarchin aber ohne Hinweis auf den Gatten; einseitig nämlich, wie man wußte, war einst die Abhängigkeit. „Für die Lebenden ist eine solche prosaische Abbildung eines geliebten Königs schon recht, wird aber in der Folgezeit nicht in gleicher Weise beurteilt werden", hatte Schadow schon gewarnt, und in der Tat sah Peter Bloch 1979 nur noch einen „ungeliebten König" in dem Monument. 27 Klein und unbedeutend mag das Denkmal heute wirken, zum Zeitpunkt seiner Entstehung aber war es in jenem Maße Ausdruck aufrichtiger Verehrung, wie sie auch einem Mann von wenn nicht großem, so doch in sich geschlossenem Charakter entgegenzubringen war, dem das Schicksal übel mitgespielt hatte. Kurz vor seinem Tod war Friedrich Wilhelm mit den Berlinern ausgesöhnt; eine riesige Menschenmenge hatte über Tage in totaler Stille vor dem Sterbezimmer im Palais Unter den Linden ausgeharrt; vergessen schienen die politischen Spannungen der Vergangenheit. „Kein König ist bisher gestorben", hieß es nach seinem Tod am 7. Juni 1840, „welcher von seinem Volke so geliebt und so betrauert worden wäre."28 Enckes Luisenstatue war des Kaisers Geburtstagsgeschenk. Ein eigenes Standbild hatte sich Wilhelm, der Tradition entsprechend, zu Lebzeiten verbeten, im Antlitz der Mutter aber spiegelte sich der Sohn wie die Gegenwart in der Geschichte. Ein anderes Kunstwerk, das dem Kaiser, wie man in der Zeitung lesen konnte, unmittelbar vor dem Statuenmodell im Stadtschloß überreicht worden war, erinnerte Sohn und Nation an das Erbe der Luise und daran, wer es erfüllt hatte: Die Kreisschlüssigkeit des Mythos erhielt vollendete Sichtbarkeit, als Anton von Werners Gemälde Die Kaiserproklamation in Versailles (Abb. 69), gestiftet von den deutschen Fürsten und Freien Städten, dem Monarchen übergeben wurde und nun auch das Denkmal der Kaisermutter in seinen ideologischen Kontext rückte. Enckes Meißel und Werners Pinsel illustrierten Beginn und Vollendung der deutschen Geschichte. Anton von Werner hatte als Angehöriger des Denkmalkomitees auch die Statue maßgeblich mitgestaltet; seine Einflußnahme erschöpfte sich dabei nicht in der Wahl des Bildhauers, sondern reichte über Beratung bei der Statuengestaltung bis hin zum Entwurf des Sockelreliefs.29

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Abb. 69 Anton von Werner: Die Kaiserproklamation in Versailles, 1871-1877

Der Sockel hatte in der Denkmalplastik des 19. Jahrhunderts eine besondere Bedeutung erlangt, da allegorische Elemente, die am Denkmal erklärend wirkten, zunehmend historischen Darstellungen gewichen waren und so die Vermittlung der Aussage auf das Sockelrelief übertrugen, dessen bildliche Erzählung für die Belehrung des Betrachters wichtig war und die Denkmalwürdigkeit der gezeigten Figur veranschaulichte. Szenen aus dem Soldatenleben der Befreiungskriege zierten Luises Sockel, und so ehrte man die Königin einmal mehr als Heldin der Zeit nach ihrer Zeit. Encke und Werner erzählten vom Abschied der Soldaten und dem Auszug in den Kampf, von der Versorgung der Verwundeten und der Freude beim Wiedersehen, aber auch von der Trauer bei der Nachricht vom Heldentode. Das Denkmal zeigte die Königin in persona im historischen Gewand und empfahl sich dadurch als zeitgemäßes Erinnerungsbild, feierte die Dargestellte jedoch zugleich durch den Sockel als preußischen Schutzgeist. Einerseits war das Werk dem Mythos verpflichtet, andererseits immunisierte es sich und seine Aussage durch historische Korrektheit. Enckes Schöpfung war ein Kriegerdenkmal und wandte sich doch nicht nur an den Mann allein, da sein Sockel auch „das in Freud und Leid wechselnde Leben und Walten der Frau mit besonderem Bezug auf die treue, entsagungsvolle Hingebung" zeigte, die von ihr „im Dienst des Vaterlandes gefordert" wurde.30 „Wie sie ein Muster war als Gattin und als Mutter, so war sie ihrem Volke auch ein Vorbild, wenn es galt zu kämpfen und zu leiden."31 Erst mit dem eigenen Opfer zur Vollkommenheit gereift, stand die Königin auf einem Sockel, dessen Bilderzyklus in antikischer Zeitlosigkeit die zeitlose Bedeutung von Krieg und Opfer für eine sprießende Nation beschwor, maskiert mit einem schönen Antlitz.

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Kriegerdenkmal und Monument der Reichsgründung zugleich, war das Luisenstandbild ob seines Sockels eines Kriegshelden würdig, wie er zwischen Friedrich dem Großen und .Wilhelm dem Großen' in der Hohenzollernschen Kontinuität doch fehlte. Der Sockel des Luisendenkmals sei „als Gegenstück zu dem berühmten Fries von Drake am Sockel des Denkmals Friedrich Wilhelms III." gestaltet worden, berichtete Anton von Werner - und schob mit diesen Worten den Luisengatten ins Abseits der Geschichte.32 Ein „heiteres, glückliches Leben im Genüsse der freien Natur"33 entfaltend, zeigte der Sockelfries des Friedrich-Wilhelm-Denkmals die Idylle des Tiergartens, wo blumenbekränzte Kinder Schwäne futterten und Menschen inmitten von Flora und Fauna ein Leben führten, wie es „der Sinnesart des friedliebenden Königs trefflich" entsprochen hätte.34 Einen Friedliebenden aber nannte man in Tagen, da Friedensliebe eine denkbar schlechte Stärke war, einen Feigling, eine Memme. Zehn Jahre nach der Einweihung des väterlichen Denkmals, als Prinzregent Wilhelm ein Reiterstandbild Friedrich Wilhelms III. errichten lassen wollte und einer der am Wettbewerb beteiligten Künstler auf die Idee verfiel, Viktorien am Sockel zu plazieren, wies dies ein Gutachter als unpassend zurück. „Er war stark im Ertragen, aber männliche Energie und vorwärts stürmender Enthusiasmus, wie sie den,Sieger' kennzeichnen, waren ihm fremd. Daß also der Künstler das Piedestal zum Fußgestell eines Triumphators gemacht, finden wir entschieden uncharakteristisch, umsomehr, als der Triumphator selbst fehlt."35 Der vielbewunderte Sockelfries des Friedrich-Wilhelm-Denkmals im Tiergarten wurde schließlich auf Gartenvasen kopiert; der Fries des Luisendenkmals hingegen, den man auch auf Kunstpostkarten reproduzierte, fand sich auf dem Sockel des 1880 eingeweihten Germania-Kriegerdenkmals im Kleinen Tiergarten in Moabit wieder, dessen Schöpfer Richard Neumann das Standbild der Königin zum Vorbild seiner behelmten, die Kaiserkrone schützenden Germania genommen hatte.36 Zeitungsschreiber stellten die irdische Heroine aus dem Hohenzollernhaus als „wahre Germania" auf den Platz ihrer allegorischen Schwester, eine sinnfällige Uberblendung, die Neumann anschaulich machen sollte. Die steinerne Luise und die gemalte Kaiserproklamation komprimierten und inszenierten die borussianische Legende im 19. Jahrhundert. „Die heißen Wünsche und Gebete der verklärten Mutter über Hoffen und Erwarten erhört zu sehen, war unserem erhabenen Kaiser beschieden", hieß es im Aufruf des Denkmalkomitees37; und nachdem der Mutter „Bild auch zum zweiten Mal den über den Rhein ziehenden Heerscharen Alldeutschlands als leuchtendes Panier"38 vorangeschwebt war, wurde es in Marmor nun dem Sohn geschenkt, dem „Uberwinder eines zweiten Napoleons".39 Kaiser Wilhelm I. hat all dies nicht nur gerne hingenommen, sondern ließ sich auch selbst als Rächer der Mutter malen, wie der Blick in seine private Aquarellsammlung zeigt, die bedeutsame Stationen seines Lebens verewigte. Ein Bild daraus, im Hohenzollern-Jahrbuch öffentlich gemacht (Abb. 70), präsentierte die Begegnung

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von Luise und Napoleon auf der einen Seite und die von Wilhelm I. und Napoleon III. auf der anderen, während über dem Ganzen der Titel Vergeltung prangte. Eine glanzvolle Gedenkfeier zum einhundertsten Geburtstag der Königin 1876 wurde vom Komitee zur Errichtung ihres Denkmals im Tiergarten ausgerichtet und unterstrich den Rang des projektierten Standbilds als Nationaldenkmal und Kriegermonument. Kein geringerer als Heinrich von Treitschke, der „größte Demagoge unter Preußens Historikern"40, hielt als Festredner eine Laudatio auf die Kaisermutter und lieferte seinen Zuhörern einen agitatorischen Höhepunkt im nationalistischen Luisenkult.

Abb. 70 Wilhelm Camphausen: Vergeltung, nach 1871

Treitschke zog das Leben der Monarchin in markigen Worten nach und stellte es ins Licht der nationalen Totalität; er erzählte vom Schicksal eines Frauenherzens, das in „ernsten Seelenkämpfen" den „Gedanken des Vaterlandes" geboren und sich diesem schließlich hingegeben hatte, und eben dafür war ein angemessenes Publikum im Kaisersaal des Berliner Rathauses präsent: Hundertschaften hoher Militärs, unter ihnen der General der Infanterie von Boyen und Generalfeldmarschall von Moltke.41 Und mit der Selbstverständlichkeit seiner gesellschaftlichen Omnipräsenz machte das Militär auch das Luisendenkmal später zu seiner Kultstätte.42 Kränze von Korps und Kriegervereinen schmückten das Standbild an Luises Todestagen und nährten trotz der Genugtuung, die aus dem Denkmal wie aus der Geschichte sprach, die Erbfeindschaft mit Frankreich als Stifterin von Sinn und Identität.

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Das Denkmal wurde am 10. März 1880, dem Geburtstag der Königin, feierlich enthüllt. Kalt und regnerisch war die Nacht zuvor gewesen, nun aber, am Morgen, „strahlte der Himmel in heiterem Blau" und segnete das Ereignis mit dem „glänzendsten Kaiserwetter".43 Ein Gemälde von Fritz Werner aus dem Jahr 1890 (Abb. 71) zeigt den Platz um das Standbild mit zahlreichen Bannern des preußischen Adlers geschmückt und den Festpavillon mit einer Fahne des Eisernen Kreuzes bekrönt; das symbolische Preußen umgab die ganze Festivität. Ehrengäste waren die drei noch lebenden Luisenkinder, allen voran der wiederum „sichtlich gerührte" Kaiser, begleitet von seinem Bruder Carl und seiner Schwester Alexandrine.44 Die militärische und zivile Elite der Hauptstadt hatte sich geschlossen dazugesellt; letzte, uralte Veteranen der Befreiungskriege und eine Deputation des Regimentes Königin Luise fehlten ebensowenig wie Damen des Luisenordens und Zöglinge aus Luisenstiftung und Luisenstift. Und während sich der Adel um die Ahnin, das Militär um seinen Schutzgeist und die Jugend um ihr Tugendvorbild scharte und die wichtigsten Gäste auf den Tribünen ihre Plätze einnahmen, sang der Domchor aus Mendelssohns Paulus: „Siehe, wir preisen selig, die erduldet haben, denn ob der Leib gleich stirbt, doch wird die Seele leben." Eine „tiefergreifende" Rede wurde von Arthur Hobrecht gehalten und das Denkmal daraufhin unter den Klängen „Lobet den Herrn, den mächtigen König der Ehren" enthüllt, wonach die Nationalhymne „Heil Dir im Siegerkranz" den Festakt beendete. 45 Tränen fielen mit dem Fall der Hülle, und „feuchten Auges", wie versichert wurde, „blickte der greise Monarch auf zum hehren Bilde seiner Mutter".46 Einen persönlichen Grund hatten die wenigsten zu Gefiihlsausbrüchen, was den inszenierten, kalkulierten Emotionen aller aber keinen Abbruch tat. Die „Liebe" hatte das Denkmal erschaffen47, und so schrieb die bürgerliche Presse über die Reaktion des Kaisers, was die Nation erwartet hatte und das Denkmalkomitee geplant, mußte doch „jeden die Empfindung von der unvergleichlichen Größe unserer Geschichte mit doppelter Gewalt ergreifen, wenn mit der wehmütigen Erinnerung an die jugendliche Königin, der Preußens Unglück das Herz gebrochen hatte, unwillkürlich der Gedanke sich verbindet an die großartige Erhebung des Vaterlandes, an seine jetzige Herrlichkeit".48 Wie zuvor der achtzigste Geburtstag des Kaisers war auch der Tag im Tiergarten eine „symbolische Feier der errungenen deutschen Einigkeit".49 Eine „gemalte Urkunde für die Aufrichtung des neuen Deutschen Reiches" hatte Wilhelm damals mit der Kaiserproklamation in Versailles empfangen; nun kam eine gemeißelte hinzu, die Mutter ehrend, die den Gedanken im Geist und seinen Erfüller in der Tat geboren hatte und damit „Deutschlands große Zeit im Schöße trug" - in jeder Hinsicht.50 Einhundert Jahre nach Luises Geburt blickte Theodor Mommsen auf Enckes Modell der Statue, verglich es mit dem Rauchschen Grabbild und fand darin einen tröstlichen Gedanken von mythischer Qualität. „In wenigen Jahren wird sie nicht mehr bloß im Todesschlaf zu schauen sein, [...] lebendig wird sie wieder unter uns sein und uns entgegen treten aus dem Grün, das sie liebte."51 Und so schloß auch die Kunst den mythischen Kreis, da die Königin, der Geschichte folgend, bildhaft wieder-

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Abb. 71 Fritz Werner: Die Einweihung des Königin-Luise-Denkmals im Berliner Tiergarten am 10. März 1880, Ausschnitt, 1890

kehrte in lebender Gestalt. Zweihundert Kilometer westlich der Hauptstadt entstand zur gleichen Zeit ein Nationaldenkmal, das Luise und den Sohn gemeinsam als Vollender des Deutschen Reiches zeigte, pompös, gewaltig und in der gebotenen Deutlichkeit. Die Kaiserpfalz zu Goslar aus der Mitte des 11. Jahrhunderts war seit dem Niedergang der Staufer im 13. Jahrhundert so stark verfallen, daß der Rat der Stadt 1865 den Abriß erwägen mußte. Die historische Bedeutung jenes uralten Profanbaus aber bewog den Hannoverschen Staat zum Kauf. Ein Jahr später wurde Hannover von Preußen annektiert und das Gebäude wie die an den Erwerb geknüpften Verträge gingen auf den preußischen Staat über, der die Restaurierung wegen des deutschfranzösischen Krieges jedoch nur ungenügend unterstützte.

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Kunsthistorische Interessen und die allgemeine Begeisterung des 19. Jahrhunderts für das Mittelalter hatten bislang den Wunsch nach Erhalt des Bauwerks bestimmt, nach der Gründung des Deutschen Reiches aber rückte ein weitaus mächtigerer Gedanke in den Vordergrund: die Glorifizierung des neuen deutschen Kaisertums im Lichte der mittelalterlichen Kaiserzeit. Ein pietätvoller Wiederaufbau der Kaiserpfalz sollte der Gegenwart erlauben, sich das Gemäuer als Teil ihrer Vergangenheit anzueignen und damit im „deutschen Capitol" eine sichtbare Parallele zu ziehen zwischen der einstigen und der jetzigen Kaiserherrlichkeit.52 Entsprungen war diese Idee den Goslarern selbst. Eine Petition an Wilhelm I., die den Wunsch nach Erhalt des Gebäudes mit der Hoffnung auf das neu entstehende Reich verband, hatte die Stadt schon in das Versailler Hauptquartier gesandt; der Wiederaufbau, so hieß es in einer zweiten Eingabe, sei eine historische, eine heilige Pflicht. „Eine große Zeit hat große Ereignisse geboren; wieder aufgerichtet ist das Deutsche Reich, kühn sich messend mit des alten Reiches schönsten Zeiten."53 Kaiser Wilhelm fand offenkundig Gefallen an dieser Idee. Erste Mittel für den Wiederaufbau stellte die preußische Regierung schon 1872 bereit, wobei der Monarch auch wiederholt größere Summen aus seinem Privatvermögen spendete. Eine „ruhmreiche Gegenwart" verbinde sich nun „mit einer denkwürdigen Vergangenheit", tönte die lokale Presse, als Wilhelm mit seinem Sohn im August 1875 nach Goslar kam, und verbreitete zudem die Legende, daß der kunstsinnige Kronprinz die Ausmalung des schmucklosen Saales mit Fresken angeregt habe, eine Absicht, welche die zuständige Behörde, die Landdrostei Hildesheim, bereits Monate zuvor in konkreter Form erklärt hatte.54 Eingerahmt von Bildern jener mittelalterlichen Herrscher, mit denen sich die Glanzzeit der Goslarer Kaiserpfalz verband, sollte die Reichsgründung als Höhepunkt eines Programms abgebildet werden, das die Ereignisse von 1871 der mittelalterlichen Kaiserzeit vom 11. bis 13. Jahrhundert gegenüberstellte und somit das junge Reich als Wiederaufrichtung der staufischen Kaiserherrlichkeit glorifizierte. Die zu restaurierende Kaiserpfalz wurde zum Nationaldenkmal der neuen Kaiserzeit.55 Koryphäen der Kunst und Kunstgeschichte wie Reinhold Begas und Herman Grimm bildeten die Jury des Wettbewerbes, den die preußische Regierung 1876 ausgeschriebenen hatte. Gewinner war der Düsseldorfer Maler Hermann Wislicenus, eine nicht unumstrittene Wahl, da der Künstler als Schüler Schnorr von Carolsfelds den Nazarenern nahestand, deren Historienmalerei als nicht mehr zeitgemäß galt. Kritik regte sich vor allem am Entwurf des Hauptbildes, das den Vorgaben nach die Kaiserproklamation zu Versailles zeigen sollte. Die vorherrschende realistische Kunstrichtung ignorierend und darin alle Konkurrenzentwürfe hinter sich lassend, hatte der Maler die geforderte Verherrlichung des Kaisertums im Glänze der Vergangenheit zu einer monumentalen Allegorie auf die Wiederentstehung des Deutschen Reiches umgestaltet und damit die Zustimmung des Kultusministeriums wie auch des Kaisers gefunden, allen Zweifeln der Fachwelt zum Trotz.

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Eine Historienmalerei nach Anton von Werners Art, wie sie die Ruhmeshalle im Berliner Zeughaus zierte, hätte der Zeit zwar eher entsprochen; die politische Selbstinszenierung in den auratischen Mauern der Kaiserpfalz gestattete jedoch offenbar jenen partiell antirealistischen Monumentalstil, dem Adolf Rosenberg immerhin einen „auf das Große gerichteten Sinn" bescheinigen sollte, eine Verbindung zu den „Traditionen der klassischen Zeit".56 Kleindeutsch war das neugegründete Reich und protestantisch seine Krone, dennoch, ja deshalb suchte man nach Legitimation von Dynastie und Nation in einer reichsdeutschen Vergangenheit. Ein halbes Jahrhundert lang auf die Befreiungskriege beschränkt, erweiterte sich die historische Mythologie der Preußen nach der Reichsgründung in der behaupteten Nachfolge der mit den Staufern niedergegangenen Kaiserzeit. Der Führungsanspruch Preußens über die anderen deutschen Bundesstaaten gründete nun in uralter Tradition und bruchloser Kontinuität. Die frühe deutsche Nationalbewegung hatte sich in ihren romantischen Sehnsüchten vor allem dem Mittelalter zugewandt; Legenden von der einstigen Kaiserherrlichkeit wurden unter dem Eindruck der französischen Fremdherrschaft wieder aufgeweckt und als Hoffnung auf ein einiges und freies Deutschland erzählt. Kaisergeschichte und Kaisersage drangen durch Lyrik und Historienmalerei in das Bewußtsein breiter Schichten ein und prägten die verklärte Vorstellung von Deutschlands größter Zeit. Eng mit der Auseinandersetzung um die deutsche Einheit und die Führung des Reiches verbunden, gewann die historische Betrachtung der mittelalterlichen Kaiserzeit seit 1849 auch politische Aktualität, da sie die brisante Frage nach dem Wert einer deutschen Kaiserkrone berührte. Geschichtsgelehrte wie Johann Gustav Droysen und Friedrich Wilhelm Benjamin von Giesebrecht machten das mittelalterliche Kaisertum zum politischen Argument. Ersterer sah die nationale Kaiseridee vom Mittelalter bis in den preußischen Staat fortwirken und nahm damit Partei fiir die Einigung Deutschlands unter den Hohenzollern; letzterer verklärte die mittelalterliche Kaiserzeit zum Höhepunkt der deutschen Geschichte und erlangte mit seiner König Friedrich Wilhelm IV. gewidmeten Geschichte der Deutschen Kaiserzeit große Popularität. Einen Gegensatz dazu bildeten die politisch bedeutsamen Thesen Heinrich von Sybels, der den Universalismus des Kaiserreiches als verderblich für die deutsche Nation erachtete; laut Sybel bedeutete der Niedergang des Reiches im 13. Jahrhundert nicht den Untergang, sondern die Rettung der deutschen Nation, zu deren natürlicher Führung Preußen bestimmt sein sollte. Die Kontroverse des Historikers mit seinem Kollegen Julius von Ficker, der das Osterreich des 19. Jahrhunderts als einzig rechtmäßigen Nachfolger des mittelalterlichen Kaiserreichs empfand, war über den Rahmen einer wissenschaftlichen Auseinandersetzung hinaus zum Streit um die verfassungspolitischen, nationalpolitischen und machtpolitischen Fragen einer Reichsgründung geworden, zum Kampf um deren historisch ideologisches Fundament. Keine dieser historischen Debatten aber konnte eines leugnen: die Bedeutungslosigkeit der Hohenzollern zur mittelalterlichen Kaiserzeit. Zwar kam dem unter

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Friedrich Wilhelm IV. zu hohen Amtern aufgestiegene Amateurhistoriker Rudolf von Stillfried-Rattonitz das Verdienst zu, das preußische Herrschergeschlecht über die Burggrafen von Nürnberg und die Grafen von Zollern bis in das 11. Jahrhundert zuriickverfolgt zu haben, doch wurde dadurch das Bedauern, keine Hohenzollern unter den Kaisern oder sonstwie bedeutsamen Gestalten des Reiches auffuhren zu können, eher bestärkt als beseitigt.57 Das Bildprogramm der Kaiserpfalz tilgte reelle Brüche durch ideelle Brücken zwischen den Epochen der deutschen Geschichte. Ein fulminantes Panorama tat sich auf das die Kaiserproklamation nicht nur, wie im Wettbewerb verlangt, mit dem historischen Geschehen des 11. bis 13. Jahrhunderts zusammenbrachte, sondern auch die Hohenzollerngeschichte seit dem 17. Jahrhundert glorifizierte, wofür der Maler schon im 9. Jahrhundert nach Zeugen suchte. Karl der Große wurde zur Verherrlichung .Wilhelms des Großen' in die Kaiserpfalz zitiert, was im übrigen kein ungewöhnlicher Gedanke war, sah doch sogar der Kronprinz und spätere Kaiser Friedrich III. das neue Reich als „Fortsetzung des mittelalterlichen" an, weshalb er seinen Vater als „Nachfolger Karls des Großen" betrachtete.58 Zentraler Punkt der Kontinuitätsbehauptung in der Kaiserpfalz war indessen der nach 1871 zu großer Popularität gelangte Vergleich von Barbarossa und .Barbablanca', Wilhelm I. und jenem Stauferkaiser, welcher der Legende nach im Inneren des KyfFhäuserberges schlief, bis ihn die Wiederkehr der alten Kaiserherrlichkeit erweckte. Ausdruck der Sehnsucht nach einem geeinten Deutschland, war der Barbarossamythos in den Freiheitskriegen wie in der Revolution von 1848 besungen worden und entfaltete sich nach der Reichsgründung zu neuer Blüte. Kaiser Wilhelm I. galt nun als die „herrlichste Erfüllung der Kaisersage", wobei die Tatsache, daß den Kämpfern der Befreiungskriege ein anderes als das kleindeutsche Reich vor Augen schwebte, dieses Geschichtsbild ebensowenig erschüttern konnte wie der Umstand, daß die Gestalt Barbarossas eben jene universale, römisch-deutsche Kaiseridee verkörperte, der das preußische Königshaus immer ablehnend gegenübergestanden hatte.59 Einseitig wurde darum die staufische Politik als fortwährender Kampf gegen das Papsttum um den „deutschen Volksgeist" und das nationale Prinzip verformt; nicht zuletzt in Zeiten des .Kulturkampfs' gegen den politischen Katholizismus gewann diese Sicht auf die Vergangenheit an ideologischer Bedeutung und propagandistischem Wert.60 Kaiser Barbarossa sei für ihn „das Ideal eines deutschen Ritters" gewesen, erinnerte sich Wilhelm II. an seine Jugend, „und ich konnte nicht aufhören zu bewundern seine Tapferkeit, Ausdauer und Beharrlichkeit im Kampf mit dem Papst".61 Eine Darstellung der nachmittelalterlichen Reichsgeschichte mußte im Nationaldenkmal für das kleindeutsche und protestantisch geführte Kaiserreich zwangsläufig ausbleiben, da das katholische Haus Habsburg diese Jahrhunderte dominiert hatte. Die borussianischen Chronisten wie der Maler der Goslarer ,Kaiserhalle' blickten darum tiefer in die Vergangenheit. Ein im Glanz seiner mystischen Reichsherrlichkeit verklärtes Mittelalter barg nun das geschichtliche Rechtfertigungspotential für die von politischen Einsichten bestimmte Annahme einer ungeliebten Kaiserkrone. Und

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angesichts des seit dem Mittelalter schwelenden Kampfes um die Befreiung der Nation von der „geistlichen Tyrannei des Papstes"62 wurde über die Zeit der Reformation die ideelle Verbindung zwischen dem neuen und dem alten Reich hergestellt; zentrales Bindeglied zwischen Mittelalter und Neuzeit war im Bildprogramm der Kaiserpfalz aus diesem Grunde Martin Luther, der vor dem Reichstag zu Worms vollbrachte, was als Rettung des deutschen Einheitsgedankens galt, als Vorbereitung der religiösen und damit bürgerlichen und politischen Freiheit: Der Geist der Reformation, schrieb Hermann Wislicenus, habe „trotz des gewaltigen 30jährigen Krieges die feste Burg der Hohenzollern" emporgebracht 63 ; und aus dem „Borne des Protestantismus", so Heinrich von Treitschke, schöpfte das „sieche Reich den veijüngenden Trank".64 Einst hatte Luther die Befreiung des Kaisertums aus der Abhängigkeit der römischen Kirche gefordert, erfüllt hatte diese protestantische Pflicht das Hohenzollerngeschlecht. Königin Luise, die nach Tilsit gegangen war „gleichwie einst Martin Luther" nach Worms, zeigte in Goslar nun den letzten Schritt der Preußenfürsten auf ihrem Jahrhunderte langen Weg zur Kaiserkrone.65 Das Bild Die Freiwilligen und die Sieger von 1813 versammelt an der Bahre der Königin Luise (Abb. 72) machte die Kämpfer schon vor dem Kampf zu Siegern und zeigte die Landesmutter noch drei Jahre nach dem Tod frisch auf dem Totenbett, was den Zündfunken der Freiheitskriege auf direkte Weise illustrierte - wie auch die Zeit des Mythos überhaupt, die eben nicht die Zeit der Geschichte ist. Das Erwachen des deutschen Nationalgeistes am Lager der entschlafenen Luise war ein zutiefst preußisches Ereignis, dessen späte Folgen der Maler durch die Darstellung des zweiten Luisensohnes an der Bahre der Mutter andeuten sollte; ihr Tod und die Freiheitskriege veranschaulichten somit eine Vergangenheit, in der Preußen schon einmal innerhalb Deutschlands die bedeutendste Rolle gespielt hatte. Kritik regte sich in der Wissenschaft zwar an der borussianischen Sicht auf das Mittelalter, der Luisenmythos hingegen war gegenüber Anfeindungen aller Art immun und vermochte daher nicht nur das Wirken der Hohenzollern für die nationale Einheit seit der Befreiungsära darzustellen, sondern konnte auch Verbindung sein in eine tiefere Vergangenheit. Luisenbiographen hatten schon seit Friedrich Adami die Geschichte der Monarchin bis in Kaiser Rotbarts Tage zurückverfolgt, und auch in der Kaiserpfalz war die Königin jetzt Brücke in die Stauferzeit.66 Die nationale Sammlung um ihre Bahre nämlich plazierte Hermann Wislicenus als Sockelbild unterhalb seiner monumentalen Darstellung des erwachenden Barbarossa und machte den Opfertod der Königin damit zur augenfälligen Grundlage für das Wiedererwachen der mittelalterlichen Kaiserherrlichkeit. Epochale Erschütterungen zu Füßen, tritt der aus tiefem Schlaf emporgefahrene Rotbart aus der Kyffhäuserhöhle, das gezückte Reichsschwert in der Hand, die Krone des alten Reiches auf dem Haupt. Erstaunt und ungläubig zugleich geht sein Blick hinüber auf das Mittelbild der Westwand, wo der Erlöser seines Schlafes steht, der Sohn der Königin Luise.

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Abb. 72 Hermann Wislicenus: Erwachen Barbarossas und Die Freiwilligen und die Sieger von 1813 versammelt an der Bahre der Königin Luise, um 1880

Das Hauptbild über der Thronestrade der Kaiserpfalz hatte der Künstler in den Jahren 1880 bis 1882 gemalt, darin das ganze Programm der Halle resümiert und seine monumentale Verherrlichung der Hohenzollern und des neuen deutschen Kaisertums zu Ende gebracht - auf über fünfzig Quadratmeter großer Fläche. Zeitgenössische, historische und allegorische Figuren umfangen in der Wiederentstehung des Deutschen Reiches (Abb. 73) die zentrale Gestalt Wilhelms I. zu Pferde; alle Hohenzollernkönige, die Gattin, der Sohn und der Enkel umrahmen das lebende Sinnbild des preußischen Anspruchs auf die erbliche Kaiserwürde. Das Bild zeigt den ganzen Dunstkreis der borussianischen Legende und beleuchtet zugleich die Reichsgründung vor ihrem politischen Hintergrund: Bismarck, Roon und Moltke, ersterer ausdrücklich als Baumeister des Reiches dargestellt, sind ebenso verewigt wie die ehemals souveränen Fürsten, auf deren Zustimmung die Gründung des Reiches ruhte. Die vielbeschworene historische Legitimation der Kaiserproklamation jenseits der preußischen Vergangenheit prangt indessen am Himmel über des Kaisers Haupt. Erscheinungen gleich umschweben die bedeutendsten Herrschergestalten des Mittelalters seit Karl dem Großen den Reiter unter ihnen und spiegeln als Protagonisten

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Abb. 73 Hermann Wislicenus: Die Wiederentstehung des Deutschen Reiches, 1880-1882

des alten Reiches das neue in ihrem Angesicht. Kaiser Barbarossa deutet mit eigener Hand auf den Nachfolger zu seinen Füßen, denn deutsche Geschichte hatte sich mit dem „Weißbart auf des Rotbarts Thron" erfüllt - dessen Krone jedoch erhielt der Kaiser durch die Hand von Mutter Luise. Die Königin, von Wolken getragen, ist Mittelpunkt der Himmelsszenerie. „Luise erscheint so mit der Aufgabe betraut, die Kaiserkrone zugleich als eine Himmelsgabe ihrem großen Sohne darzureichen und an dem Freudentage Deutschlands als Genius

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des Vaterlandes und als wahre Germania teilzunehmen", hieß es in einem zeitgenössischen Bericht.67 Zweifach in der Pfalz zugegen, war die Königin zum Symbol aus Fleisch und Blut geworden und bezeugte den Mythos ihres Vermächtnisses durch Anwesenheit. Körner und Blücher begleiten sie als Heldenpaar, das den Luisenmythos in die Freiheitskriege hinübergezogen und damit über den Tod seiner Protagonistin hinaus geleitet hatte. Die anmutige Königin, deren Opfer die Erhebung entfacht, der junge Dichter, der sie besungen, und der siegreiche Alte, der sie gerächt, formten das mythisch stabile Dreigestirn aus Zepter, Leier und Schwert, aus Krone, Bürgertum und Militär, das die Deutschen zur Nation verschmolz. Elsaß und Lothringen gesellen sich als Personifikationen zu der heldenreichen Versammlung und erinnern durch ihre ,Heimbringung' an die zwingende Korrektur der Geschichte. Und der Rhein, der in Gestalt eines bärtigen Alten zu Füßen Wilhelms I. sitzt, war nun endlich wieder „Teutschlands Strom, nicht Teutschlands Gränze". Eine weibliche Personifikation der Sage neben der des Rheins schlägt den Bogen zu dem wohl eigentümlichsten Teil des Bildprogramms: dem Märchen von Dornröschen, das der Maler seiner Verherrlichung des Kaiserreiches gegenübergestellt hatte. Das deutsche Schicksal sollte sich in der Geschichte der schlafenden Königstochter spiegeln, die auf den Feldern über den Saalfenstern dargestellt war und fortan, obgleich französischen Ursprungs, als das „deutscheste aller Märchen" galt.68 Ein Gleichnis des Hohenzollernreichs war die Geschichte nun geworden, gleichwie die Barbarossasage, teilten Kaiser Rotbart und die kurzerhand zu dessen „Tochter" ernannte Märchenfigur doch sowohl das gleiche Schicksal als auch den gleichen Erlöser.69 „Und tritt der alte Kaiser aus seinem Schloß hervor, dann blüht die Dornenrose, das deutsche Reich empor", verkündet auf dem Mittelbild der Halle die Personifikation der Sage; und vom Sohn erweckt war auch Luise, die .Königsrose'. Ein Feuerwerk von Spiegelungen, Verweisen und Widerholungen stabilisierte den Mythos des neuen Reiches und dessen borussisches Fundament. „Das erwachte Dornröschen als veijüngte Germania in der Erscheinung der Königin Luise" erblickte die Leipziger Illustrirte in der Kaiserpfalz, wobei der Berichterstatter nicht von ungefähr ins Schwindeln gekommen war, zeigte sich der Mythos doch nun bildhaft auf der vorerst letzten Stufe seiner Totalität.70 Die historische Luise aber hatte sich inzwischen unter der Last des Legitimismus so weit aufgelöst, daß ihr Leben und Sterben in zahlreichen Biographien getrost zu regelrechten Märchen umgeschrieben werden konnte. Eine Autorin begann ihr nach „authentischen Quellen" gearbeitetes Buch gar mit dem Besuch von Elfen an Luises Wiege.71 Das Bildprogramm der Goslarer Kaiserpfalz, in seinen Grundzügen vom preußischen Staat diktiert und in seiner Gesamtheit genehmigt und bezahlt, war Ausdruck der Selbstdarstellung im Licht einer vermeintlich nationalen Vergangenheit. Zusammengefaßt in den Mauern eines historisch bedeutsamen Gebäudes, verschmolzen Mittelalter, Reformation und Befreiungsära zu einem komplexen Geschichtsbild, dessen Ausschnittartigkeit die Riege großer Figuren auf dem lange vorgezogenen Weg in das kleindeutsche Reich verbergen sollte. Einbindungen in romantische Zu-

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sammenhänge sowie Pomp und Pathos um die eigene Person habe Wilhelm I. stets mißbilligt, hatte Adolf Rosenberg versichert; das ganze Gegenteil sah man unterdessen in der Kaiserpfalz.72 Zweihundert Jahre glorifizierte Hohenzollerngeschichte hatte der Maler dem vorgeschriebenen Programm hinzugefügt, und lag doch Preußen, wie man wußte, Wilhelm besonders am Herzen, so begründete wohl auch dieser Vorstoß seine Zustimmung zu dem Projekt. Die Kaiserpfalz als Nationaldenkmal aber konnte all ihrer Monumentalität zum Trotz nicht darüber hinwegtäuschen, daß Wilhelm I. die Kaiserwürde in keinem Fall als Ziel seiner Wünsche betrachtete. Die Anhänger der deutschen Nationalidee jedoch hatten sich über Generationen hinweg so sehr an der romantischen Utopie von der Wiedererrichtung der mittelalterlichen Kaiserherrlichkeit erbaut, daß kein deutscher Nationalstaat ohne irgendeinen Bezug darauf legitimiert sein konnte. Kaiser Wilhelm hat sich und die preußische Geschichte darum auch andernorts in solch bildhaft gemachte Traditionen gestellt, doch wird er, ebenso wie er die Annahme der Kaiserkrone als Zugeständnis an den Zeitgeist und die Politik empfand, auch die politische Ikonographie der Kaiserpfalz als Ausdruck der Kompensation und Erfüllung einer Erwartung betrachtet haben, nicht als Widerschein des Glaubens an eine derartige Vergangenheit.73 Die Kaiserpfalz soll das urzeitliche Alter der Nation belegen, lange aber wog die Erfahrung der Gespaltenheit schwerer als das Gefühl der nationalen Zusammengehörigkeit. Kleindeutsch und durch Zusammenschluß entstanden, fand das neue Reich weder in einem gemeinsamen Glauben noch in der Idee eines allseitigen, naturgegebenen Territoriums oder einer Herrscherfolge innerhalb gesetzter Grenzen einen festen Grund für seine Existenz. Das Bildprogramm der Kaiserpfalz mochte das Haus Habsburg wie den Katholizismus übergehen, religiöse Spannungen im Reich negieren konnte es nicht; es mochte den Rhein als eine von vier deutschen Grenzen zeigen und die Hohenzollern als Dynastie verherrlichen, maskieren konnte es weder der ersteren Unvollständigkeit noch der letzteren Jugendlichkeit. Nationale Identität zu stiften wurde statt dessen durch träumerische Erinnerung an einen sagenhaften Zustand aus tiefem Mittelalter versucht; Ergebnisse von Politik verschwanden hinter einer überwältigenden Fülle von einigender Kultur, Geographie und Geschichte. Und Luise, die das Reich erahnt, war die Mittlerin zwischen Mittelalter und Gegenwart wie zwischen preußischer und deutscher Geschichte und stand zugleich als Brücke zwischen Traum und Wirklichkeit. Konkret und überaus verbindlich, im Gegensatz zu den unbestimmten und mitunter angezweifelten Mythen des Mittelalters, dabei ebenso romantisch, poetisch und idyllisch, war die Kaisermutter der Fixstern in der mythischen Kosmologie der jungen, alten Kaiserzeit. Erst im einhundertsten Geburtsjahr Wilhelms I. vollendet, wurde der ausgemalte Kaisersaal am 29. März 1897 feierlich eingeweiht.74 Kein Mitglied der kaiserlichen Familie und kein Regierungsvertreter von Rang hatte sich anläßlich der Vollendung eines mit so großer Euphorie begonnenen Nationaldenkmals nach Goslar bemüht; und auch die Verleihung des Roten-Adler-Ordens dritter Klasse mit Schleife änderte

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wenig an der an Nichtachtung grenzenden Art, mit der Hermann Wislicenus nach zwanzig Jahren Arbeit verabschiedet wurde. Unzufriedenheit mit dem Bildprogramm mag hinter der reservierten Haltung Wilhelms II. gestanden haben, der sich auf dem zentralen Gemälde als zwölfjähriger Knabe am Rande eines erhabenen Geschehens wiederfand, in dessen Mittelpunkt nicht nur der verehrte Großvater stand, sondern auch der unlängst entlassene Bismarck. Hatte Wilhelm I. die „ausschweifende und ihn selbst in Schatten stellende Glorifikation" des eisernen Kanzlers noch „ohne Eifersucht" ertragen, so mangelte es dem eitlen Enkel an dieser Größe.75 Nationaldenkmäler nach dessen Geschmack sprachen folglich eine andere Sprache. Auf Wunsch des Kaisers hatte Reinhold Begas bei seinem Berliner Denkmal für Wilhelm I. auf die Darstellung von Bismarck, Moltke und Roon wider ihre historischen Verdienste um die Reichsgründung verzichtet, heftiger Kritik zum Trotz. Die Erfindung einer Geniengestalt, die das Roß des Kaisers führte, entsprach weit mehr dem unbeirrbaren Glauben Wilhelms II. an das Gottesgnadentum der Hohenzollernherrschaft. Legitimation durch mittelalterliche Reichsgeschichte hingegen interessierte einen Regenten nicht, der sich nur Gott und seiner Familientradition verpflichtet fühlte. Eine historische Schwärmerei nach der Art des Vaters, „der ja gern das Kaisertum des neuen Deutschland an das mittelalterliche angeknüpft hätte", war dem Sohn suspekt. Eigens für die Eröffnung des ersten deutschen Reichstages hatte der Kronprinz einen als .Kaiserstuhl' bekannten romanischen Bronzethron aus Goslar nach Berlin schaffen lassen, eine Geste, die seine englische Frau als unangebracht getadelt hatte. „Meine Mutter", schrieb Wilhelm II., „hat diese Schwäche des Kronprinzen für das alte Kaisertum immer bekämpft und damit ihren klaren und ruhigen politischen Blick gezeigt."76 Ein klarer, ruhiger Blick auf das neue Kaisertum aber fehlte, wie ein Gemälde zeigt, das in Deutschland für Furore sorgte. Der Maler Ferdinand Keller, seit 1873 Professor in Karlsruhe und stilistisch zwischen Böcklin und Makart angesiedelt, hatte im März 1887 ohne Auftrag mit der Arbeit an einem Bild begonnen, das einzigartig werden sollte. Gegenstand der Darstellung war der Siegeseinzug Wilhelms I. und seiner Truppen in Berlin am 16. Juni 1871; herauskam das fünf mal sieben Meter große Monumentalgemälde Kaiser Wilhelm der Siegreiche (Abb. 74), eine auf Überwältigung angelegte Allegorie, schier berstend vor Pracht und Üppigkeit. Eine Künstlermonographie von 1912 beschreibt das Werk: „Auf einem von prachtvollem Schimmelviergespann gezogenen Triumphwagen steht im Hermelin die hehre Gestalt des greisen Kaisers im Begriffe, das Schwert, welches den Erbfeind bezwungen, zum Zeichen tiefsten Friedens in die Scheide zu stoßen. Das Haupt unbedeckt und auf seinem Antlitze jenen Zug der Milde, dessen ideale Verherrlichung kaum je von einem anderen Künstler charakteristischer verewigt wurde als auf diesem Kellerschen Triumphgemälde. Gefuhrt von den kraftstrotzenden, mit Eichenkränzen geschmückten Männergestalten des preußischen Wappens, dem Sinnbild deutscher Stärke, bewegt sich die kaiserliche Biga aus dem Brandenburger Tor eine

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Abb. 74 Ferdinand Keller: Kaiser Wilhelm der Siegreiche, 1887-1888

mit Marmorbalustraden, Trophäen und Eichenlaub geschmückte Via triumphalis entlang. Voraus schreiten zwei edle Frauen, die Gerechtigkeit mit Schwert und Gesetzbuch, schwesterlich umschlungen von der Wahrheit mit dem Spiegel in der Hand. Ein mit schwarzer Rüstung gepanzerter Ritter des Eisernen Kreuzes reitet auf mächtigem Kriegsrosse mit der Reichsflagge an der Spitze des Zuges. Rechts hinter dem Kaiser der Liebling des deutschen Volkes, Kronprinz Friedrich, in Kürassieruniform, auf prächtigem Rappen, den Marschallstab in der Rechten, auf dem Haupte den Siegeslorbeer. Links, durch die Perspektive etwas in den Hintergrund gerückt, der ,rote Prinz', Feldmarschall Prinz Friedrich Karl, in seiner bekannten Gardehusarenuniform. Hinter dem Triumphwagen folgen jene drei deutschen Männer, deren Namen nie vergessen werden, solange eine deutsche Zunge redet, der Staatenlenker Fürst Bismarck, der Schlachtenlenker Graf Moltke und der Schärfer des Schwertes Graf Roon. Wallende Fahnen aller deutschen Bundesstaaten, von jauchzenden Kriegern getragen, beschließen die Ruhmesfahrt. Und über dem Heldenkaiser schwebt Viktoria, die Siegesgöttin, einen goldenen Lorbeerkranz haltend. Sie ist von ihren Schwestern begleitet, welche mit Posaune und Tuba den Ruhm Wilhelms des Großen in alle Welt verkünden. Drei Genien mit Kaiser- und Königskrone vervollständigen diese visionäre Apotheose, und ein reizender Putto fliegt dem Kaiser voran, im Arme das schildartige Reliefbild der edelsten der deutschen Frauen, der Königin Luise." 77

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Ehe das Gemälde nach einer Tour durch Deutschland Einzug in die Hauptstadt hielt, wurde es im Juli 1888 auf der Münchner Jubiläumsausstellung präsentiert, wo es enormes Aufsehen erregte. Zwar war die Kunstkritik dem Maler wohl gesonnen, doch wurde diesem aufgrund seines allzu unbefangenen Einsatzes von neobarockem Pomp nur die Medaille 2. Klasse zuerkannt, die Keller beleidigt ablehnte.78 Entschädigt wurde er auf der Großen Berliner Kunstausstellung, wo man ihn mit dem ersten Staatspreis bedachte, der Großen Goldenen Medaille. Ein „besonderes künstlerisches Ereignis" nannte Anton von Werner die Ausstellung des Bildes im Uhrsaal des Akademiegebäudes, doch betrachtet wurde es dort, so scheint es, weniger als Kunstwerk denn als Kuriosität. Kaiser Wilhelm II. nahm das Bild im Februar 1889 persönlich in Augenschein, und obgleich auch ihn die hemmungslose Verbindung von Allegorie und Historie etwas befremdete, äußerte er sich „sehr anerkennend über die glänzende virtuose Leistung" und befahl den Ankauf durch die Nationalgalerie, dem einzig dafür angemessenen Ort.79 Die Besucherzahl der Akademieausstellung war indessen kläglich, was so peinlich für den Maler war wie bezeichnend für sein Werk. „Es ließe sich dies wohl daraus erklären", bemerkte die alte Kaiserwitwe Augusta bissig, „daß die von dem Künstler gewählte Allegorie, die dem schlichten Sinne des dahingeschiedenen Kaisers durchaus nicht entsprochen haben würde, auch beim Publikum kein Verständnis finden könne."80 Keller jedoch verkaufte seine Schöpfung, erhielt die Ehrungen eines Staatskünstlers und wurde vom Kaiser gelobt wie im Verein Berliner Künstler gefeiert; der erhebende Gegenstand machte ihn über Kritik erhaben, zumal die anfangliche Begeisterung für das Gemälde zwei außerhalb des Bildes liegende Gründe hatte: Der dargestellte Kaiser war über die Vollendung des Werkes verstorben, sein Sohn Friedrich folgte ihm wenige Monate später in den Tod; daher verlieh das ,Dreikaiseijahr' dem Bild einen ungeplanten Denkmalcharakter von hoher Emotionalität. Kurzerhand war das Bild in Apotheose Kaiser Wilhelms des Siegreichen umbenannt worden, was der Darstellung entsprechend problemlos vonstatten ging, da der Maler ein zeitliches Ereignis ohnehin allegorisch überhöht und damit der historischen Zeitlichkeit entzogen hatte. Der Triumph deutscher Geschichte aber war bei Keller weniger Resultat gemeinsamer Mühen als persönlicher Triumph der Hohenzollerndynastie. Kanzler Bismarck und die Generäle Roon und Moltke sind deutlich in den Schatten des Monarchen gerückt; Karl den Großen oder Barbarossa sucht man vergeblich im Zug des Heldenkaisers, statt dessen ist die germanische Vorzeit durch urtümlich gekleidete Keulenträger verkörpert und das Mittelalter in der Gestalt eines schwarzen Ritters präsent. Ein Augenblick von solcher Größe bedurfte keiner vergangenen Helden - mit einer Ausnahme: Keller versinnbildlichte die letzte Etappe auf dem Weg zur Kaiserkrone durch ein menschliches, dem Sohn von Engelhand vorausgeschicktes Antlitz. Das Bild der Mutter reflektierte die Epoche der Befreiungskriege und machte die Gründung des Reiches zu einer familiären Angelegenheit; nicht von ungefähr mit einem „Schild" verglichen, geleitete es den im Habitus eines römischen Imperators dargestellten Kaiser auf den Zenit

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der germanischen Kontinuität, die eins geworden war mit der Hohenzollerngeschichte. „Niemals werde ich diesen Tag vergessen!" Stolz und Ehrfurcht erfüllten Wilhelm II. noch im Exil, als er sich den Einzug des siegreichen Großvaters in Berlin wieder wach rief, den er als Knabe miterlebt hatte: „Truppen mit Ruhm und Siegeslorbeer ohnegleichen gekrönt, an ihrer Spitze der greise, große Kaiser, ihm zur Seite seine unsterblichen Paladine, und um uns herum ein Volk, überströmend vor Dankbarkeit gegen diejenigen, die Deutschlands Einigkeit erdacht und erkämpft hatten!" 81 Die auftrumpfende Pracht des Kellerschen Gemäldes entsprach offenbar der Tiefe jener „unauslöschlichen Eindrücke", die der Juni 1871 in Wilhelms „Knabengemüt" hinterlassen hatte.82 Ziel des Triumphzugs war der Lustgarten vor Schinkels Museum gewesen, wo man das Reiterdenkmal Friedrich Wilhelms III. feierlich enthüllte. „Totenstille herrschte auf dem Platz! Ich werde niemals bis zu meinem letzten Atemzuge den Ausdruck im Antlitz meines Großvaters vergessen, mit dem er salutierend in das eherne Gesicht des Standbildes schaute." Kein Laut war dem Kaiser über die Lippen gekommen, der Enkel aber wußte, was er dem Mythos schuldig war und verwandelte das Schweigen des Luisensohnes in klingende Worte: „Vater, ich habe meine Pflicht getan; die dir und der lieben Mutter und unserem armen Vaterland angetane Schmach ist getilgt! Deutschland ist eins geworden und grüßt dich durch mich!"83 Kaiser Wilhelm I. wurde nach der Gründung des Deutschen Reiches über die Gestalt der Königin Luise in die historische Mythologie der Deutschen eingeführt und erschien darum oft auch gemeinsam mit der Mutter in Werken der bildenden Kunst. Die Königin und ihr

Abb. 75 Fr. Martin: Königin Luise mit Prinz Wilhelm, um 1900

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Sohn waren ein mythisches Zweigespann, dessen innige Beziehung man in Luises Lebenszeit zurückdatierte. Gemälde, Buchillustrationen und Postkarten (Abb. 75) zeigten zärtliche Liebkosungen zwischen Mutter und Kind, wobei der Kronprinz oftmals fehlte. Emotionalisiert und mitunter derb verkitscht, bildete das Band von Königin und Kaiserknabe eine historische wie familiäre Einheit, die zum eindringlichen Zeichen wurde für das Deutsche Reich, sein Herrscherhaus und seine Bürgergesellschaft. Ende des 19. Jahrhunderts war die Elegie der Empfindsamkeit der konventionellen Sentimentalität der Gründerzeit gewichen und erzeugte einen emotionalen Ausgleich zu einer patriarchalisch strukturierten Gesellschaft. Der Bildhauer Gustav Eberlein schuf im Todesjahr Wilhelms I. ein lebensgroßes Doppelstandbild von Königin Luise und ihrem Sohn aus Gips, das er sowohl auf der Großen Berliner als auch auf der Münchner Kunstausstellung präsentierte.84 Zärtlich einander zugewandt, standen die Mutter und das etwa zehnjährige Kind zusammen auf der Plinthe (Abb. 76). Der Knabe, seiner Mutter entgegengereckt, umarmte diese lächelnd und schmiegte seinen Kopf an ihr Herz, während die Königin in den Himmel blickte, die Hand auf Wilhelms Haupt. Eberlein zeigte die Dargestellten ohne Insignien ihrer Königswürde. Die Komposition erinnerte an Schadows Prinzessinnengruppe, die der Bildhauer offenbar zum Vorbild genommen und in ein Denkmal für das Deutsche Reich verwandelt hatte. Zwanglose Natürlichkeit prägte folglich auch den Ausdruck seines Werkes, das auf vielfältige Weise an die Gefühle des Betrachters appellieren wollte. „Die Fülle von Anmut und Innigkeit, die der Künstler über diese Gruppe ergossen, wird der Beschauer in vollem Maße mitempfinden", hieß es im Katalogtext des Künstlermuseums in Hannoversch Münden, den w>6. io. »snijin jjuife mit tem «cinjcn ssnstim, Eberlein wahrscheinlich selbst tut.« t«»„ •«»«!••. redigiert hatte. 85 Ein Stich des Abb. 76 Gustav Eberlein: Königin Luise von Preußen mit

Denkmals diente überdies zur

ihrem Sohn Wilhelm, 1888

Illustration einer Ode des auch

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dichterisch tätigen Bildhauers, der in Die Worte der Mutter den christlichen Glauben besang und dessen Erweckung in der Kindheit.86 Der Glaube aber, den das Bildwerk ansprach, war ein anderer als der an Gott Luise und Wilhelm standen für das Deutsche Reich, an das geglaubt werden sollte. Auf den ersten Blick mochte das Gezeigte handlungsarm erscheinen, doch steckte auch der Mythos der Nation im Eberleinschen Werk: Zweifel wie auch Zuversicht sprachen aus dem Antlitz der Mutter und setzten sich in ihrer halb liebkosenden, halb behütenden Wendung zum Knaben fort; der Gedanke an das Vaterland spiegelte sich in ihrem hoffnungsvollen und doch bangen Blick. „Die edel und schön bewegte Statue der Königin umfangt schützend und segnend den sich an sie schmiegenden Prinzen Wilhelm, den späteren Kaiser Wilhelm I.", erklärte der Museumskatalog, und so berichtete die Szene nicht nur von der bürgerlichen Idylle zwischen Mutter und Kind, sondern erzählte zugleich vom opferreichen Weg in Deutschlands große Zukunft.87 Das Standbild war Medium des Mythos, zu dessen Erzählung sie anregte, war Prognose im Wissen um die Nachgeschichte. Und angesichts der Größe dessen, was Luise und ihr Sohn den Deutschen gegeben hatten, war es fast zwangsläufig, daß sich die Kunst im Dienste der Nation an eine Frau erinnerte, die ebenfalls, zweitausend Jahre früher, einen großen Sohn geboren hatte. Kaiser Wilhelms einhundertster Geburtstag am 22. März 1897 war für Berlin ein großes Fest. Zentrale Festmeile war die Straße Unter den Linden mit einer „rauschenden Festdekoration" an den Gebäuden, so auch an der Fassade der Königlichen Akademie.88 Eingerahmt vom Mittelrisalit des Bauwerks wie von einer Nische, stand dort im Obergeschoß eine monumentale Statue der Königin Luise mit dem kleinen Wilhelm auf dem Arm, die Fritz Schaper in Stuck modelliert hatte (Abb. 77). Zwei Gemälde nach Vorlagen Anton von Werners, der Einzug Kaiser Wilhelms mit seinen Paladinen und Germania mit den allegorischen Gestalten von Nord- und Süddeutschland, flankierten das Werk.89 Der prominente Bildhauer Fritz Schaper, der unter anderem das Goethedenkmal im Tiergarten und das Giebelrelief an der Hauptfassade des Reichstages geschaffen hat, gab dem Reichsgründerkult um Wilhelm I. und seine Mutter die wohl sinnfälligste Ikone. Das Bild Mariens mit dem Christusknaben war so offensichtlich Vorbild für das Werk gewesen, daß dieses schon in den Tagen seiner Anbringung an der Akademiefassade von den Berlinern den Namen die preußische Madonna erhalten hatte.90 Eingehüllt in ein bodenlanges, faltenreiches Gewand, wurde die überlebensgroße Gestalt der jungen Königin, eine zweistufige Plinthe herabschreitend, gezeigt; ihr etwa einjähriger Sohn saß aufrecht auf dem linken Unterarm der Mutter, deren rechte Hand ihn vorne stützte. Die Königin schien ruhig und hoheitsvoll, ein energischer Zug indes war ihrem Jungen eigen, der die linke Hand zum Faustchen ballte und auf dem Arm der Mutter weniger saß als thronte. Kurz nach ihrem Tode schon war die Königin auf Bildern mit Maria verglichen worden, und so stand die preußische Madonna zwar einerseits in der Bildtradition der Luisenverehrung, besaß aber andererseits ein höheres Maß an Subtilität und Eingängigkeit.

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Abb. 77 Fritz Schaper: Königin Luise mit ihrem Sohn Wilhelm, Die preußische Madonna, 1897-1901

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Ende des Jahrhunderts konnte die bildliche Sakralisierung nur noch mittelbar erfolgen, was deren Effizienz jedoch nur steigerte. Allegorien und Symbole wichen in Schapers Schöpfung der Tatsächlichkeit, und mit diesem vermeintlichen Realismus kam das Werk dem Mythos entgegen wie kein anderes Bild, das die Monarchin als Maria zeigte.91 Erinnerungen an das Porträt Luises in Schadows doch so .wahrer' Prinzessinnengruppe, die Schaper weckte, gaben seinem Werk die Aura der Authentizität. Die Transformation jener Statue aber zeigte einmal mehr deren besondere Bedeutung für den bildhaften Luisenkult: Entsprach nämlich die Anlage der preußischen Madonna in Gesicht, Haartracht und Kinnbinde dem Schadowschen Vorbild, so tilgte doch das stoffreiche Gewand jede Vorstellung von Körperlichkeit. Keuschheit, Patriotismus und Frömmigkeit verdrängten einstige Sinnlichkeit, und die berühmte Kinnbinde der Königin machte den Kopf nun zum Madonnenhaupt. Kompositorische Details setzten diesen Gedanken fort; so kannte man den kindlichen Gestus des Schleiergreifens schon von Madonnenbildern aus dem 11. Jahrhundert. Katholische Bilderwelten verschmolzen unter Schapers Händen in wahrhaft nazarenischer Manier mit der Konstitution und Legitimation der Nation im Luisenkult. Die Königin, madonnengleich von himmlischer Höhe herabschreitend, war für die Preußen und die Deutschen, was Maria für die Christenheit. Die preußische Madonna übertrug ihren Nimbus und Mythos auf den Sohn, dessen Ankunft auf Erden bereits geheiligt wurde durch ihre als unschuldig, rein und heilig ausgewiesene Gestalt. Einhundert Jahre nach Wilhelms Geburt erschien dies Ereignis als himmlisches Geschehen, der Kaiser als nationaler Messias und das schicksalhafte Band von Mutter und Sohn als nationale Heilsgeschichte. Eine diesseitige Angelegenheit wie die Kaiserproklamation von 1871 sollte als göttliche Erlösung der Deutschen verstanden werden wie die Königin und deren Dynastie als Brücke zwischen Reich und Gott. Kein Wunder, daß gerade der Urenkel, der bis zur Provokation am Gottesgnadentum seiner Krone festhielt, die Statue besonders mochte. Königin Luise war als Nationalheilige betrachtet worden, und so ist die Erfindung der preußischen Madonna eine nahezu zwangsläufige Konsequenz einer Idealisierungsgeschichte, deren säkularisierende Bildsprache sich auf der Suche nach eingängigen Formeln zu nicht mehr überbietbaren Zitaten versteigen mußte. Einst in dem revolutionären Appell an die Bürger entstanden, ihr politisches Schicksal selbst in die Hand zu nehmen, war der Nationalismus zum Rausch geworden und seine Protagonisten zu Märtyrern fürs Volk. Die Geschichte wie das Bild der preußischen Madonna erzählten der wilhelminischen Nachwelt, daß der Glaube an Gott und der an die Nation untrennbar voneinander waren, daß die Geschicke der Nation vom Himmel aus geleitet wurden, und daß jeder, der Opfer brachte und zum Wohl des Vaterlandes lebte, auch dem Allmächtigen huldigte, ebenso wie seinem Himmelsboten aus dem Hohenzollerngeschlecht. Königin Luise, wie jedes Schulkind wußte, war lieber gestorben und wollte gar ihre Kinder lieber sterben sehen, als dem Bekenntnis zur Nation abzuschwören; und mit diesem Bekenntnis als stetem Rahmen des Luisenbildes war Schapers Statue Bild des

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Opfers in Gegenwart des Sinnstifters: des Sohnes im Arme. Und so verschmolzen Anfang und Vollendung der deutschen Nationalgeschichte in einem Werk, das heiliges Zeichen für die Nation schlechthin sein sollte und mit der scheinbar zufalligen Säkularisierung des Madonnenbildes eine Form erhielt, welche die gewünschten Assoziationen weckte. Aufklärung und rationalistische Zeiten hatten viele Menschen in eine neue Frömmigkeit fliehen lassen, die auch im Hohenzollernhaus „etwas Katholisierendes" bekommen hatte.92 Die fehlende Emotionalität des Protestantismus aber wurde vom katholisch anmutenden Bild der protestantischen Kaisermutter wieder wettgemacht; Luise, die Schöne, Tragische, wärmte eine immer kälter werdende Welt. Yime. preußische Madonna als Verkörperung der Nation verwies auf das Göttliche und kompensierte zugleich dessen Verlust in einer zunehmend säkularisierten und von höchst diesseitigen Konflikten heimgesuchten Epoche. Auf seinem langen Weg hat der Nationalismus stets versucht, an Gefühle zu appellieren und mit den meisten wichtigen Bewegungen seines Zeitalters eine Verbindung einzugehen, kurzum alles zu absorbieren, was Menschen für bedeutsam hielten, weshalb er an bestimmten unabänderlichen Mythen und Symbolen festhalten sollte. Züge der Gottesmutter gab die wilhelminische Epoche nun der Urgroßmutter ihres Namensgebers und verband damit die Liebe zur Nation mit jener Liebe, die Jahrtausende lang dem Bildnis der Madonna gegolten hatte. Die Statue zeigte eine Geschichte und war doch zugleich aller Geschichtlichkeit entleert, da Historisches dem Modell - wie schon vom Mythos - entzogen und mit Hilfe von Säkularisierung durch Ewigkeit ersetzt wurde. Eine Frau, die Madonna war und nicht war, stand jenseits von Zweifeln und Zeitlichkeit für die Utopie einer unwandelbaren Nation unter Hohenzollernkrone. Und schließlich half die heilsverheißende Geschichte der Luise, als absolute und transzendente Wirklichkeit begriffen und dargestellt, die Nation zur eigentlichen Gottheit zu machen, der vor jeder anderen Gottheit Unterwerfung geschuldet ist. Keinesfalls unrealistisch dargestellt, stand die preußische Madonna in der Tradition jener hocheffektiven Mythosillustrationen, wie sie Anton von Werner mit seinem Bild Am 19. Juli 1870 hervorgebracht hatte. Eingedenk der ruhmreichen Gegenwart aber gestattete sich der Bildhauer, den Anfang der ruhmreichen Geschichte früher als sein Kollege Werner anzusetzen und den Durchbruch des göttlichen Wollens nicht erst auf den sechzigsten Todestag der Mutter zu legen, sondern bereits auf des Kaisers Geburt. Die Leipziger IJlustrirte von 1897 eröffnete den Lesern ihrer prachtvollen Ausgabe zum einhundertsten Geburtstag Wilhelms I. den Blick zurück an die Wiege des Deutschen Kaiserreichs (Abb. 78), gezeichnet von dem Piloty-Schüler Alexander von Liezen-Mayer und in der Zeitung auf einer Doppelseite reproduziert. Eichenlaubbekränzt besucht die allegorische Germania die Königin am Bettchen des Sohnes und weiht dessen Wiege mit Reichsschwert und Lorbeerkranz. Zwei Putti tragen die Kaiserkrone über der postnatalen Verkündigungsszene und deuten der Mutter die kommenden Triumphe jenes Kindes an, das in ihrem Schöße selig schlummert und nichts von all dem mitbekommt.

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Luise, sich mit dem Sohn im Arme aufrichtend und plötzlich der Madonna ähnelnd, stand nun in der Akademiefassade. Was in den Geschenken zum achtzigsten Geburtstag Wilhelms I. angedeutet, in der Goslarer Kaiserpfalz als komplexes Geschichtsbild visualisiert und in Eberleins Statue von Mutter und Kind beziehungsreich vorausgeleuchtet worden war, das verkürzte Schaper in bekannt naturalistischer' Manier auf Plakativität und Zeichenhaftigkeit. Eine historische Gestalt reduzierte sich zum Schlagwort, Sinn wurde Form, Geschichte Glauben und Glaube Gewißheit. Das Bildnis geriet zum nationalen Andachtsbild, dessen eingängiger Titel wohlweislich nicht vom Künstler stammte, was dessen Propaganda jedoch nur notdürftig kaschierte. Erwartungsgemäß hat die preußische Madonna ihrem Schöpfer großen Erfolg gebracht. Das Werk war von den Berlinern mit Beifall aufgenommen worden, und auch Wilhelm II. wünschte dringend, daß man dies Bildnis seiner Urgroßmutter in dauerhafterem Material als Gips erhalte. Erfüllt wurden diese Hoffnungen, als der Vorstand des Pestalozzi-Fröbel-Hauses den Bildhauer 1898 mit der Ausfertigung der Statue in Marmor beauftragte. Das vollendete Standbild zeigte Schaper auf der Akademieausstellung 1901, wo man ihn mit der Großen Goldenden Medaille ehrte; am 10. November wurde die überlebensgroße Statue dem Pestalozzi-Fröbel-Haus feierlich übergeben, in dessen Treppenhaus sie stand, bis sie im Zweiten Weltkrieg zerstört wurde. Kopien in Statuettenformat fertigten Berliner Firmen aus Gips, Marmor oder Bronze. Eine zweite große Fassung schuf der Künstler aus getöntem Holz.93 Luises einstige Verehrung für Pestalozzi, dessen Ideen in den preußischen Reformen Gestalt gewonnen hatten, war gemeinhin bekannt und das PestalozziFröbel-Haus für die preußische Madonna darum ein angemessener Aufstellungsort. „Wäre ich mein eigener Herr", schrieb die Königin ein Jahr vor ihrem Tod, „SO setzt' ich mich [...] in einen Wagen und rollte ZU Pestalozzi in

Abb. 78 Alexander von Liezen-Mayer: An der Wiege des Deutschen Kaiserreichs, 1897

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der Schweiz, um dem edlen Mann mit Tränen in den Augen und mit einem Händedruck zu danken; wie gut meint er's mit der Menschheit."94 Erziehung war vom Pädagogen als Rettung des Menschen in Anbetracht der Spannung zwischen Individuum und Gesellschaft gepriesen worden, wobei er Haus und Familie als wichtigste Lebenskreise fiir die menschliche und gesellschaftliche Entwicklung erachtet hatte. Elementar fiir die sittliche Bildung des Kindes war dabei die natürliche Geborgenheit und die umsorgende Zuwendung durch die Mutter, deren Wirken Pestalozzi als die Urform aller Erziehung betrachtete. Ideen des Pädagogen wurden im 19. Jahrhundert prägend fiir die Nationalerziehung, besonders von Mädchen, und als Wegbereiterin dieser Gedanken galt die häusliche Luise, die sowohl nach Pestalozzis Vorbild gelebt als auch erkannt hatte, daß durch die Methoden des Schweizers ein neues, „selbstdenkendes und kräftiges Geschlecht" fiir eine sprießende Nation heranwachsen könne.95 Entworfen als Mutter des Vaterlandes und nun problemlos aus ihrem programmatischen Zusammenhang gelöst, kam die preußische Madonna mit dem PestalozziFröbel-Haus in eine Ausbildungsstätte fiir weibliche Erziehungsberufe und wurde dadurch zum Tugendmonument. Eine madonnengleiche Luise war zum sinnreichen Zeichen fiir das „Heiligtum des Heims" geworden, das Pestalozzi schon beschworen hatte. Und was am einhundertsten Geburtstag Wilhelms I. noch ein Denkmal des Hohenzollernreichs gewesen war, stand vier Jahre später, ohne seinen ursprünglichen Sinngehalt verloren zu haben, im Treppenhaus einer Mädchenanstalt als sakral überhöhtes und zugleich bestechend reales Sinnbild weiblicher Nationalidentität. „Echte Pflichttreue" und „vaterländische Begeisterung" sollte die Königin entzünden, wie es in einem Buch von Hofprediger Bernhard Rogge hieß, das die Vereinigung der deutschen Pestalozzi-Vereine zum einhundertsten Todestag der Königin edierte.96 Die preußische Madonna repräsentierte eine zeitlose Idylle, die nicht zuletzt von den Assoziationen an das Madonnenbildnis zehrte und den Schülerinnen des Pestalozzi-Fröbel-Hauses als Studienideal erscheinen mußte. Königin Luise hatte „häuslicher Tugend und sittlicher Reinheit durch ihre eigene Ehe wieder zu Ehre und Ansehen" verholfen und damit „eine Tat von kulturhistorischer Bedeutung" vollbracht, wie sie jede Frau zur Königin machte und die königliche Ikone des Deutschen Reiches zur Ikone der bürgerlichen Respektabilität.97 Die preußische Madonna konnte die Nation, ihr Herrscherhaus sowie die Tugend der deutschen Frau verkörpern und war doch zugleich, da ohne Attribute ausgestattet, nur ein Bildnis von Mutter und Kind. Die Statue schuf sich ihre eigene Immunität; sie schwankte zwischen Bedeutung und Bedeutungslosigkeit und war wie der Mythos jenseits von Realität und Phantasie. Erinnerte Schaper aber an die Gottesmutter, so hat er den Mythos als Ursprungsgeschichte der Nation bestärkt, die wie das Göttliche keiner Erklärung bedarf, sondern Erklärung ist. Und als am 1. September 1895, dem funfundzwanzigsten Jahrestag der Entscheidungsschlacht von Sedan, die Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche in Berlin eingeweiht wurde, da erreichte der heilige Bund von Mutter und Sohn eine gleichsam

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transzendentale Sphäre. „Das einzigartige Festgeläute der fünf Bronzeglocken" war zu vernehmen, „die alle aus französischen Kanonen gegossen, im eisernen Glockenstuhl der Kirche hängen, und deren jede, nicht bloß musikalisch, ihre besondere Stimmung hat. Die größte, ihrem Klange nach schönste und tiefste unter ihnen ist die D-Glocke, die die Namen Königin Luise und Kaiser Wilhelm, dazwischen das Alliancewappen Preußen und Mecklenburg trägt. Im oberen Fries sind abwechselnd das Eiserne Kreuz von 1813 und der Luisenorden eingefugt. Auf dem Glockenmantel sind die Inschriften angebracht: ,22. März 1797 - 9. März 1888'. Ferner der Spruch: Die mit Thränen säen, werden mit Freuden ernten." 98 Der Mythos, sich aller Medien bemächtigend, schwebte seitdem auch als himmlischer Schall über der Hauptstadt.

36 Die Mutter der Nation „Es zog ein König über den Rhein, und ein Kaiser kehrt zurück! Der alte Barbarossa wacht in seiner Felsenkammer auf - siehe, die Raben sindfort, aus der Ferne hört er dröhnenden Heilruf, und ein Weißbart trägt die Krone Karls des Großen. O, wenn du 's ahnen könntest, Luise, wer der Weißbart ist, es ist dein Sohn/"' Armin Stein 1897

Kurz vor dem Ausbruch der französischen Revolution war die zwölfjährige Luise mit ihrer Erzieherin nach Straßburg gereist. Das klarsichtige Mädchen stürmte den Turm des Münsters hinauf und sah in das Elsässer Land, als plötzlich eine Fahne ihre Blicke störte. Ein Schauder durchlief ihre Kinderseele: „Waren das nicht die französischen Farben?" „O dieses schöne Land, dieses herrliche Elsaß, war es nicht sonst deutsch gewesen, ein Edelstein in der Krone des deutschen Kaisers? War nicht die deutsche Sprache hier erklungen? Floß nicht deutsches Blut in den Adern des elsässischen Volks? Alle Städte und Dörfer, welche ringsum hingestreut lagen, trugen sie nicht deutsche Namen? Wie war es doch gekommen, daß dieser deutsche Stamm nicht mehr deutsch denken und reden durfte? O, in Ohnmacht hatte das heilige römische Reich deutscher Nation gelegen, und des welschen Nachbars Räuberhand hatte über Nacht die leckere Beute erhascht. Der deutsche Aar hatte die Schwingen recken wollen, dem gallischen Hahn den Raub wieder zu entreißen, aber die Schwingen waren ihm geknickt, und trauernd hatte er die Wunde bluten lassen müssen. [...] Luise, du hochherzige, tieffiihlende Jungfrau, was sagen die Thränen in deinen schönen blauen Augen? Trauerst du mit dem im Kyffhäuser schlafenden Barbarossa über den Untergang der deutschen Herrlichkeit? O sei getrost, es wird nicht in alle Ewigkeit so bleiben! Siehe, es kommt ein Tag, da braust ein Ruf wie Donnerhall: Zum Rhein, zum deutschen Rhein!"2 Der Mythos gibt der Nation ein Fundament als Gemeinschaft. Ergebnisse von Modernisierungsprozessen, deren Anfange oft nur einhundert Jahre zurückliegen, werden vom Mythos mit der Vorstellung einer verbindlichen und unabänderlichen Form sozialer Ordnung überschrieben, beruhend auf einer als gemeinsame Geschichte gelesenen Vergangenheit. Ziel des Mythos ist Vollständigkeit. Kommuniziert und kanonisiert wurde der Luisenmythos nach der Gründung des Kaiserreiches, weil er historisch wie emotional Identität stiften konnte, Bürgertum und Adel in den neuen Nationalstaat integrierte und die Vormachtstellung Preußens legitimierte. Königin Luise war nicht nur mit der napoleonischen Ära und den Befreiungskriegen verbunden, der für die historische

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Begründung des Reiches wichtigsten Zeit, sondern gestattete auch die Anknüpfung anderer Ereignisse und Personen an ihre Geschichte. Das Ergebnis war ein Mythensystem, eine sich wechselseitig begründende, bestärkende und bewahrheitende Summe von Deutungen, eine sich gegenseitig mythisierende und als Mythen stabilisierende Gestaltenriege. Und gleichwie der Luisenkult in andere Kulte eingebunden war, so stand auch der Luisenmythos nicht alleine da, sondern war durch Vergleiche mit anderen national bedeutsamen Mythen verwoben, die sich zu einem Netz ausweiteten, das sich symbolisch über die Geschichte und Zukunft des Deutschen Reiches spannte. Königin Luise war mit wichtigen Hohenzollern und Heerführern, mit Dichtern und Künstlern, mit Hermann, Barbarossa und Luther verbunden worden; ihr Sohn Wilhelm wiederum wurde über sie in die nationale Mythologie eingeführt, ebenso wie Bismarck, denn dessen Mutter war gleichfalls eine,Luise'.3 Sechzig Jahre nach dem Tod der Königin begann die eigentliche Blüte ihres Kultes, da erst jetzt der Mythos jene Verbindlichkeit erlangt hatte, die sein Uberleben im kollektiven Gedächtnis der Nation gewährleisten konnte. Die Karriere der toten Königin von Preußen als „acht deutscher Frau" und Mutter aller Deutschen hatte dennoch früh begonnen, wenn auch ohne einheitliche oder klare Perspektive. Zwar spielte das Hohenzollernhaus im Prozeß der Mythenbildung eine wichtige Rolle, weil es die Verstorbene von Anfang an politisch instrumentalisierte, doch waren es die national gesinnten bürgerlichen Kreise, denen Luise ihren Ruf als Sinnbild des Deutschtums verdankte. Die Sänger der Befreiungskriege, deren deutschnationale Stimmung unter dem Eindruck der französischen Fremdherrschaft ekstatisch geworden war, huldigten der Königin unter betonter Mißachtung ihrer preußischen Krone als Schutzgeist der Deutschen und deuteten ihren Tod als Opfer für eine bessere Zeit. Königin Luise half über die Unsicherheiten einer historischen Umbruchsituation hinweg, ihr Name verwandelte das Chaos der Gegenwart in Ahnung zukünftiger Ordnung und deutete die Schmach der Niederlage um in Zeichen kommender Größe. Zur Zeit der Freiheitskriege jedoch besaß ein deutscher Nationalstaat auch in der Vorstellung noch keine feste Gestalt. Das deutsche Vaterland war ein historisches, poetisches und utopisches Ideal, das gleichwohl zumeist an Preußen geknüpft war und bald mit dem poetischen, idealen Antlitz seiner verstorbenen Königin verschmolz. Die himmlische Tote machte Hoffnung auf paradiesische Gefilde. Ein in der Vossischen Zeitung veröffentlichtes Gedicht zum 3. August 1810, dem ersten Geburtstag Friedrich Wilhelms III. nach dem Tode der Gemahlin, mahnte, tröstete und erbaute die Allgemeinheit mit Blick auf die Abberufene: Wenn Fürst und Volk von gleichem Eifer glühn, durch Edelmuth, durch Liebe, durch Vertrauen, des Vaterlandes Wohlfahrt neu zu bauen; dann wird, mit Segensblick, auf uns und Ihn, die himmlische Verklärte niederschauen, und um die Gruft des Musters deutscher Frauen ein Paradies von Völkerglück erblühn.4

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Spannung und Kooperation, wechselseitige Beeinflussung, gegenseitige Abstoßung und die Suche nach Ausgleich kennzeichnen das Verhältnis von Bürgertum und Monarchie in Deutschland im 19. Jahrhundert. Der Luisenmythos erwuchs dieser dynamischen Koexistenz. Identifikation und Projektion ebneten der Monarchin den Weg zum Nationalsymbol, zumal sich das Bürgertum, das der eigentliche Träger des Einheitsgedankens war, in der moralisch betrachteten Lebensweise jener Frau erkennen konnte, wollte und auch sollte. Kult und Mythos nämlich waren von liberalen und nationalen Kreisen nicht nur miterschaffen, sondern auch auf diese berechnet worden, da schon das monarchische System das Bild der ,bürgerlichen' Königin entwickelt hatte. Das bürgerliche Familienidyll und die protestantische Arbeitsethik wurden seit Friedrich Wilhelm und Luise zu ideologischen Stützpfeilern der Hohenzollernmonarchie. „Zum Bürger herabgestiegen" 5 , stellten König und Königin als „erste Bürger des Landes unter seinen Bürgern" das Private zur Schau und erhoben die Intimität von Ehe und Familie nahezu zwangsläufig in den Rang eines repräsentativen Musters, das die bürgerlichen Ideologen wiederum zur Verklärung wie zur Vereinnahmung reizte.6 Das ungezwungene Auftreten der Landesmutter und ihre gelegentliche Mißachtung des Protokolls, vor allem durch Anekdoten bekannt, untertrieben die Exklusivität ihrer Rolle und begründeten den Mythos der „Völkskönigin" Luise. Einfachheit und Ungeziertheit waren im 18. Jahrhundert vom Bürgertum als Merkmale seines Standes reklamiert worden und wurden spätestens seit der französischen Revolution eng mit dem Nationalen assoziiert; die vielbeschworene .Bürgerlichkeit' der Königin, deren Glorifizierung zu Lebzeiten begonnen hatte und in Eylerts Charakterzügen von 1842 bis 1846 ihren Höhepunkt erreichte, untermauerte darum stets die Verknüpfung von Bürgertum und Dynastie in der nationalen Sache. Der Aufstieg Luises zur Mutter der Nation gründete folglich nicht nur in ihrer Nutzbarmachung durch das Königshaus, sondern auch in dem bürgerlichen Bedürfnis nach einer idealen Wegbereiterin und Fuhrerfigur, mit deren Hilfe politische Forderungen formuliert, legitimiert und an die preußische Monarchie herangetragen werden konnten, die sich einem deutschen Nationalstaat jahrzehntelang verweigerte. Und Luise, dem Thronerhalt verhaftet und zugleich der nationalen Bewegung scheinbar zugeneigt, war für die Besetzung dieser Rolle so konsensträchtig wie keine andere Gestalt. Krone und Bürgertum, die jeweils das Andenken der Toten für ihre Interessen aufbereiteten, näherten sich einander im Zeichen der Luise. Konsens über die im Mythos formulierten Ziele bestand zwar erst nach 1871, formulierbar aber waren die Erwartungen zuvor schon für das Bürgertum wie für die Monarchie. Das patriotische Bürgertum hatte Luise zu Lebzeiten verklärt, wohingegen die nach ihrem Tod entstandenen Stiftungen von Männern gegründet worden waren, die als Staatsräte entweder dem monarchischen System angehörten oder aber als Hofprediger dessen peripherem Propagandaapparat. Eigenhändig instrumentalisierten die preußischen Monarchen das Andenken der Königin vor allem durch Ordensstiftungen während der Befreiungsära, in der Revolutionszeit sowie in den Einigungskriegen, denen die

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Gründung des Reiches folgte, nach der das national gesinnte Bürgertum wieder zum Schrittmacher des Kultes wurde. Luise war die erste moderne Königin in Preußen; sie war eine Gestalt von Öffentlichkeit und unterschied sich von ihren Vorgängerinnen schon durch ihre relative Sichtbarkeit. Elisabeth Christine, Gattin Friedrichs der Großen, verlebte ihre Jahre unbeachtet in Niederschönhausen, und auch ihre Nachfolgerinnen, die ungeliebten Ehefrauen Friedrich Wilhelms II., hinterließen kaum Eindruck beim Volk. Die „Demarkationslinie" zwischen Bürger und Monarch, „die strenge Etikette, die scharfe Abgrenzung von der Öffentlichkeit" verschwanden dagegen bei Friedrich Wilhelm und Luise, und „die Art und Weise, wie sie sich das Leben in ihrem Palais zurechtgelegt hatten", stieß beim Bürgertum auf wohlwollendes Interesse.7 Königinnen wurden mit dem Erstarken einer bürgerlichen Öffentlichkeit zu wichtigen Stützen der Monarchie, innerhalb derer sie für Wärme und Wohlfahrt standen, für Mütterlichkeit und Menschlichkeit. Euphorisch war einst die Ankunft der jungen Mecklenburgerin in Preußen gefeiert worden, die in Anbetracht der großen Erwartungen nur enttäuschen oder vollends reüssieren konnte. Erstmals aber hatte nach der Liebe auch die Tragödie eines preußischen Königspaares auf einer öffentlichen, sozialen, politischen und künstlerischen Bühne stattgefunden, auf der eine lange Vorstellung gegeben wurde, fehlte Preußen doch eine Königin für drei Jahrzehnte. Enorm war das Begehren nach einer charismatischen Figur gewesen, enorm war darum auch die Trauer um ihren Verlust. „Die Macht ihrer Persönlichkeit oder auch nur der Ruf davon war in alle Schichten der Bevölkerung gedrungen. Dem Könige war die Gemahlin, den Kindern die Mutter gestorben, dem ganzen Volke aber eine Mutter, eine Königin, wie sie vorher in preußischen Landen noch nie gelebt hatte."8 Das Zusammengehen von Individualität und Idealität, Bürgerlichkeit und Hoheit stützte in der nachrevolutionären Phase die entzauberte Instanz der Monarchie. Einerseits .menschlich' gemacht wie keine andere Hohenzollernfigur, andererseits wie keine zweite abstrahiert, konnte die Königin für das monarchische Prinzip wie für die historische Versöhnung sozialer Gruppen stehen, für das Schicksal des Staates wie für die Nation als Idee. Eine deutschnational Gesinnte war die historische Luise nie gewesen, ihre patriotischen Aussagen aber waren meist gefühlsgeladen, moralisch formuliert und vage, meinten neben Preußen oft auch Deutschland und gestatteten darum später eine Lesart im nationalistischen Sinne. Die Königin gewann daher an ungeahnter Wichtigkeit, als die kleindeutsche Geschichtsschreibung der Kaiserzeit nach der Kontinuität des Nationalgedankens bei den Hohenzollern suchte. König Friedrich Wilhelm III. hatte sich nur widerstrebend der nationalen Begeisterung von 1813 gefügt; zwar lobte ihn die vaterländische Literatur zu Anfang noch als Treiber der Erhebung, doch wandelte sich später diese Sicht. Eine „Fälschung der Geschichte" nannte Adolf Streckfuß 1863 die Rolle des Königs als Vorkämpfer der Freiheitskriege.9 Und aus Meyers Konversationslexikon von 1876 war zu erfahren, daß erst die „Erhebung des Volkes" den feigen Monarchen zum Kriegsschlag gegen

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Napoleon „gezwungen" hatte. Eine „regierende und exerzierende Maschine" sei der Staat in den Augen Friedrich Wilhelms gewesen, schrieb Hans Griewank 1943, „den Begriff der Nation und der lebendigen aus ihr in den Staat hineinströmenden Kräfte kannte er nicht. Anders Königin Luise."10 Die Epoche der Freiheitskriege war zum Mythos der Nationalbewegung geworden und Luise zum Zugang der Hohenzollern zu dieser konstitutiven Zeit, dem Beginn einer maßgeblich von der Beharrlichkeit des Bürgertums bestimmten Nationalgeschichte. Zeit ihres Lebens ohne politisches Amt nur der Mutterschaft und Repräsentation verpflichtet, war Luise für die Übernahme von symbolischen Funktionen besonders qualifiziert, im Leben wie im Tode. Entzückend durch ihre Stärken wie Schwächen, geistig hoch erregbar und darum aus der Rückschau sympathischer als der linkische und nüchterne König, galt sie durch ihre emotionale Sicht der Dinge als nationale Idealgestalt. Das Fehlen eines Nachweises für ihr politisches Wirken zugunsten der staatlichen Einheit schmälerte ihr Vorbild nicht, war doch ihr Deutschtum rein und echt wie ihre Weiblichkeit und bestand darum „am allerwenigsten" aus Interesse an „Staatsaktionen und Politik".11 Eine Ahnung, ein Funke reichte hin, um dem vaterländischen Historiker das Erwachen eines „neuen Volks- und Staatsbewußtseins" in der Königin von Preußen anzuzeigen, das sich „von den Auffassungen des königlichen Gemahls" wesentlich unterschieden hatte.12 Erst notgedrungen und zu spät hatte Friedrich Wilhelm die Reform von Staat und Militär begonnen, doch als man seine Neuerungen als Beginn des Siegs über Napoleon feierte und damit als den ersten Schritt auf Preußens Weg in Deutschlands Einheit, da wurden sie Luise angerechnet, weil sie es doch gewesen war, die kurz vor ihrem Tod noch die Berufung des Reformers Hardenberg zum Staatskanzler durchgesetzt hatte. Das Wissen um die Forderungen einer neuen Zeit war im Mythos später Ahnung deutscher Größe. Ein jäher Tod in jungen Jahren hatte den Keim für den Luisenmythos gelegt, doch das Brechen der Blume ,vor der Zeit' war der Abgang noch zur rechten Zeit. Keineswegs nämlich hatte die opferreiche Erhebung gegen Napoleon den vom Bürger ersehnten und vom Regenten versprochenen Effekt. König Friedrich Wilhelm, der schon bei der Neuordnung Europas auf dem Wiener Kongreß ein schwaches Bild abgegeben hatte, brach sein Verfassungsversprechen und enttäuschte viele Hoffnungen in Preußen auf das bitterste. Das rigorose Vorgehen der deutschen Monarchen gegen revolutionäre und freiheitliche Regungen nach dem Wartburgfest, die Zensur, die staatliche Verfolgung und die Rückkehr zum Absolutismus machten keine fünf Jahre nach Waterloo sämtliche Hoffnungen auf ein einiges und freies Deutschland zunichte. Königin Luise aber hatte all dies nicht mehr miterlebt; von den Enttäuschungen der Restaurationszeit blieb sie unbefleckt; entschwunden war sie in jener kurzen Epoche, in welcher deutsche Idealgestalten starben und geboren wurden wie zu kaum einer anderen Zeit. Kleist und Körner, Novalis und Schiller begleiteten die Königin in den Himmel, wo sie als früh vollendetes, durch Leiden erhöhtes Wesen immun war gegen die Wirklichkeit. Entscheidungen des Ehemannes hatte sie im

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Leben oft auch gegen ihre Überzeugung mitgetragen, gutgeheißen, im Jenseits blieb ihr das erspart. Konservative Kräfte, die Einfluß auf den König gewannen, hatten den Reformwillen der Befreiungsära bald wieder erstickt; zu ihnen gehörte auch die zwiespältige Natur des Luisenbruders Carl, der sich mit Hilfe der toten Schwester beim Witwer Gehör verschaffte: „Möge jeder Tag der besonderen Erinnerung an die Unvergeßliche ein Segenstag für Ew. Majestät werden, dann sind die Bitten erhört, die Sie selbst für Ew. Majestät am Thron des Allerhöchsten niederlegt."13 Die Bitten, die der Mecklenburger am Thron des Schwagers niederlegte, zielten auf den rücksichtslosen Kampf gegen die Demokratiebewegung und die Durchsetzung einer restaurativen Gesellschaftspolitik. Kritikbewußtsein schwand beim König, wenn die himmlische Gemahlin angerufen wurde; und wer weiß, ob Luise, wäre sie am Leben geblieben, nicht ähnlich gesprochen hätte wie ihre geliebten, erzreaktionären Brüder, die manch radikaler Burschenschaftler am liebsten tot gesehen hätte. Der Kampf der Deutschen um die äußere Freiheit mündete unweigerlich in den Kampf auch um die innere. Napoleon war besiegt; nun ging das Streben nach Souveränität und Unabhängigkeit einher mit dem Bedürfnis nach einem Leben, das nicht von königlicher Willkür bestimmt war, sondern von Verfassung und Gesetz. Sprachrohr dieser Gedanken war eine gänzlich fiktive Luise. Die Schriftstellerin Bettina von Arnim, leidenschaftlich in sozialpolitischen Fragen engagiert, hatte 1843 ein Buch geschrieben, in dem Goethes Mutter Gespräche mit der Königin Luise führte.14 Das Werk war dem preußischen König Friedrich Wilhelm IV. zugeeignet und dieser von der Idee so angetan, daß er, ohne das Buch genauer gelesen geschweige denn verstanden zu haben, der Autorin dankte und dem Inhalt weite Verbreitung wünschte. Kurz nach dem Erscheinen aber intervenierte die Zensurbehörde. Das Buch, so vermittelte man dem König, müsse von Rechts wegen eigentlich verboten werden, da es reich an Anspielungen auf die Monarchie und die Spannungen der Gegenwart sei, soziale, politische und religiöse Probleme hinter poetischen Visionen versteckt behandele und eine Verfassung, die Pressefreiheit sowie die Abschaffung der Todesstrafe verlange. Das Werk mit dem verfänglichen Titel Dies Buch gehört dem König gehörte zugleich in die vorderste Reihe der vormärzlichen Literatur, die jeden anderen Schriftsteller „ins Zuchthaus gebracht" hätte.15 Zensoren aber konnten Probleme nicht auf Dauer unterdrücken, wenige Jahre später entlud sich darum die geballte Frustration der Masse. Erst als 1848 in Berlin die Barrikaden brannten, entdeckte Friedrich Wilhelm IV. seine nationale Seele, wollte sich zur „Rettung Deutschlands" an die „Spitze des Gesammt-Vaterlandes" stellen und ritt mit schwarz-rot-goldener Armbinde durch die Hauptstadt. 16 Die Krone eines kleindeutschen Reiches aber, die ihm die Frankfurter Paulskirche antrug, wies er als „Schweinekrone"17 und „Hundehalsband" der Revolution zurück.18 Zwischen Bürgertum und Monarchie tat sich ein Graben auf den nach des Königs Willen Luise füllen sollte. „Die Einheit Deutschlands liegt mir am Herzen", ließ er sich 1849 zitieren. „Sie ist ein Erbtheil meiner Mutter."19

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Die Karriere der Königin als Zeichen der Einheit aber war damit noch nicht zu Ende, glaubten doch viele Liberale immer noch, daß Hoffnung für Deutschland nur aus Preußen kommen konnte. Zwar waren die Träume von einem auf Volkssouveränität gegründeten deutschen Reich unter tatkräftiger Mithilfe des Hohenzollern Friedrich Wilhelm IV. ruiniert worden, doch war und blieb Preußen der am straffsten geführte und militärisch stärkste, der wirtschaftlich gesündeste, an deutscher Bevölkerung reichste und in vielen Institutionen schlichtweg modernste deutsche Staat. Zur Führung des Reiches schien Preußen darum geeigneter als Osterreich, das ökonomisch zusehends zurückfiel und sich kaum aus der Verflechtung seiner verschiedenen Nationalitäten lösen konnte. König Friedrich Wilhelm III. hatte die tote Gattin zum Zeichen der Bindung von Volk und Herrscherhaus gemacht; den Geist indes, den er gerufen hatte, wurden er und seine Nachfolger nicht mehr los - also nutzten sie ihn für ihre Ziele. Kurz nach der Niederlage gegen Napoleon konnte der preußische Staat dem Bürger nur dann auf Dauer Opfer abverlangen, wenn er ihm im Gegenzug politische Partizipation gewährte. Kriegsorden und zivile Ehrenzeichen der Befreiungskriege, die über die Standesgrenzen hinaus verliehen werden konnten, sollten Pflichten einfordern, ohne Rechte zu gewähren, doch war der Einsatz staatsbürgerlicher Symbolik nicht mehr rückgängig zu machen, da die symbolische Geste das ihr innewohnende politische Versprechen bewahrte, nicht ersetzte. Und diesem Versprechen hatte der königliche Witwer das Antlitz seiner Frau gegeben; seine Söhne haben es mit der Neustiftung von Eisernem Kreuz und Luisenorden bestätigt, mit oder ohne Absicht. Erst die Gründung des Reiches tilgte jedoch die Kluft von monarchischem Prinzip und deutschem Nationalgefühl, worauf sich der bürgerliche Liberalismus zwischen Machtstaat und Sozialdemokratie mehrheitlich der konservativen Ordnung zuwandte. Das kleindeutsche Kaiserreich war größtenteils eins geworden mit der Vorstellung von einem geeinten Vaterland, und diese weitgehende Harmonie zwischen Bürgertum und Krone machte nun auch die Kanonisierung einer bruchlosen Nationalgeschichte möglich, die Luise als Mutter der Nation inthronisierte. Die monarchistischen Konstrukteure der Kontinuität feierten die Mutter Wilhelms I. fortan als bedeutendste historische Hohenzollerngestalt im 19. Jahrhundert. Der wichtigste Held der preußischen Geschichte, Friedrich der Große, eignete sich ob seiner Begeisterung für alles Französische und seiner höhnischen Verachtung für vieles Deutsche kaum als bewußter Wegbereiter der deutschen Einheit. Zwar hat die borussianische Legende Friedrichs Leben ganz im Sinn der Nationalgeschichte ausgedeutet, doch mangelte es dafür, gemessen am Luisenmythos, an Dichte und an Sinnfalligkeit. Ein deutsches Erbe konnte man Friedrich II. nur schwerlich abgewinnen, nachdrücklicher noch als seine Taten beschwor man darum seinen „nationalen Geist", der wenigstens ein ideelles Band zwischen den Hohenzollern auf dem Weg zur Kaiserkrone knüpfen konnte. „Der Gedanke der Einigung Deutschlands", wie Adolf Rosenberg bemerkte, „gewann nicht in Friedrich dem Großen, sondern im Geiste einer Frau, dem der Königin Luise, zuerst seine feste Gestalt."20 Und doch ver-

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körperte Luise auch den „Geist" des Alten Fritz21, der da bestand in „rückhaltlosem Einsatz von Leib und Leben für Preußens Sache"22, und integrierte so den großen Ahnherrn in die nationale Kontinuität. Die Königin war „Fritzens Frau" gewesen, wie man um 1900 von Berliner Droschkenkutschern erfahren konnte.23 Eine Urahnin stand oft am Ursprung einer Sippe oder Gemeinschaft. Eingebunden in lange, auch christliche Traditionen, war die Frau und Mutter als Heilssymbol besonders geeignet, als Quelle des Lebens wie als letzte Zuflucht. Entstanden aber war der Mythos der Luise aus einer komplexen psychologischen Notwendigkeit, da Deutschlands nationale Identität vor allem an Napoleon ausgebildet worden war, der mit der Schaffung des Rheinbundes auch das Ende der territorialen Zerstückelung vorweggenommen hatte. Das revolutionäre Frankreich hatte als Vorbild gezeigt, welche Kräfte eine modern verwaltete, von Verfassung und Zivilgesetzbuch geschützte Bürgernation besaß und als Feindbild zugleich das Gefühl nationaler Zusammengehörigkeit im Kampf gegen die Besatzer erzeugt; die Schöpfung des deutschen Nationalstaates durch wie gegen Napoleon bedingte daher nach 1871 geradezu zwangsläufig die Hervorkehrung einer Hohenzollerngestalt, die dem Usurpator als direkte und willentliche Trägerin des Reichsgedankens gegenübergestellt werden konnte. Napoleon hatte 1806 dem Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation die Anerkennung versagt und Franz II. daraufhin die deutsche Kaiserkrone niedergelegt; ein Dreivierteljahrhundert später reichte sie der Mythos an Luise weiter, die sich just im Jahre 1806 den Kampf um Deutschland und sein „Großvolk" zum Lebensziel erkoren hatte. Und so führte der Luisenkult letztlich zu Napoleon zurück, der im Leben wie im Tod einer Apotheose zugeführt worden war, wie sie im 19. Jahrhundert ohne Beispiel ist. Kein Zweifel könne darüber bestehen, schrieb Rudolf Schenda, daß das „Phänomen Napoleon Bonaparte" Schuld sei an der Heldenverehrung der Neuzeit, folglich war vielleicht auch der Luisenkult ein „verspäteter Napoleon-Ersatz-Kult".24 Ein halbes Jahrhundert der monarchischen Opposition gegen den deutschen Nationalstaat verschwand hinter der Lichtgestalt Luise. Kräftigendes Vorbild als bürgerlich Lebende, deutscher Schutzgeist als Geopferte und Wegbereiterin als Kaisermutter, war die Königin moralisch, historisch und genealogisch als versöhnende Mutter des neuen Reiches prädestiniert. Kaiser Wilhelm, der biedere Mann, der an der Mutter Sterbebett und Grab gestanden hatte, ergab sich der Macht einer Geschichte, die Historiker wie Heinrich von Treitschke hinausriefen in alle Welt. Das Erbe seiner Mutter mit der Annahme der Kaiserkrone erfüllt zu haben, glaubte Wilhelm schließlich selbst. Königin Luise, schrieb Georg Horn 1883, habe mit dem Sieg über Napoleon auch die französische Revolution beendet, denn „was war der Mann, der den Todeskeim in ihr Herz gelegt hatte, was war Napoleon anders als ein Ergebnis der revolutionären entfesselten Gewalten der Welt, und was anders wieder hat die Heere bewaffnet und die rächende Schwertfaust gestählt, die den Allfliegenden und sein Reich zu Boden geworfen, was anders als die heilige Rache und der grimme Zorn über den Tod deijenigen, die ihren Tod durch ihn - Napoleon - gefunden hatte!"25

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Zwiespältig wie die Rolle Frankreichs in der deutschen Geschichte aber war auch die Sicht des Jahrhunderts auf den Umsturz von 1789 und den großen Korsen, die abstießen durch ihre Mittel und anzogen durch ihre Ziele. Der Luisenmythos jedoch beseitigte diese unheimliche Ambivalenz. Korrekturen an der Vergangenheit erlaubend, schuf er ein Feindbild ohne Widersprüche. Königin und Bürgerin, Preußin und Deutsche, Konservative und Reformerin zugleich, war Luise selbst die Revolution gewesen, die deutsche, schöne und bessere Revolution, die „höhere sittliche Idee der Erneuerung aus dem Innern heraus", die ohne Terreur auskam, sondern nur der Liebe bedurfte. Und Luise war der lebende Beweis für Bismarcks berühmten Satz: „Revolutionen machen in Preußen nur die Könige." Einstmalige, gegenwärtige und zukünftige Harmonie erzeugend, konnte die nationale Geschichtsschreibung nach 1871 gewaltsame Umsturzversuche in ihren Legenden ebensowenig gebrauchen wie die Hohenzollern auf ihrem Weg zur Kaiserkrone. Die borussianische Legende, die sich vor allem der Wendung der Liberalen zur Machtpolitik verdankte, versöhnte Bürgertum und feudalen Adel und tilgte zwischen Liberalismus und Monarchismus jede Diskrepanz. Die deutsche Frage, wie Max Duncker 1861 schon erkannte, war eine preußische Machtfrage. 26 Ein Historiker vom Schlage Otto Hintzes erklärte darum die Revolution von 1848 als Aufstand von Pöbel, politischen Verbrechern und ausländischen Verschwörern - das preußische Herrscherhaus dagegen konnte seiner Natur und seiner Geschichte nach nie anders, als zu Deutschlands Wohl zu handeln, und hatte, bewußt wie unbewußt, die Einheit immerfort im Blick.27 Ende des 19. Jahrhunderts wurde der Luisenmythos mit allem untermauert, was aus dem Bild der Frau emotional, mythologisch und historisch, dynastisch, biologistisch und hagiographisch herausgeholt werden konnte. Die Königin war Mutter und Madonna, Göttin und Geliebte, Verführerin und Beschützerin, Amme und Amazone, Retterin und Seherin in einer Gestalt und verband damit alle Frauentypen, die Ursprungscharakter besaßen und fundamentale Macht über die menschlichen Geschicke. Zitate christlicher oder klassisch mythologischer Motive hatten die tote Landesmutter lange Zeit verklärt, doch entdeckte man nach 1871 im Buschwerk der germanischen Urwälder die wahren Ahnfrauen der Königin Luise. „Ein uraltes Gefühl des Germanenherzens" wurde Heinrich von Treitschke in Erinnerung an die Kaisermutter „wieder lebendig: die fromme Scheu vor dem Weibe, und wir verstehen, warum unsere Ahnen einst im Dickicht der cheruskischen Wälder eine heilige und weissagende Macht [...] an ihren Frauen ehrten." 28 Und daß die preußische Mutter des deutschen Kaisers gleichfalls von germanischem Blute gewesen war, belegte der Blick in ihr Erbgut. Die besten deutschen Eigenschaften vereinten sich in Luise zu einer segensreichen Essenz. „In den Eltern dieses Kindes", erläuterte Ina Seidel, „dem es bestimmt war, die schönste Unsterblichkeit in der Liebe und Dankbarkeit seines Volkes zu erlangen, hatten sich ein norddeutscher Prinz und eine süddeutsche Prinzessin in echter Liebesehe gefunden, um ihren Kindern in glücklichster Mischung die wesentlichen

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Anlagen ihrer verschiedenen Herkunft zu übertragen: die schlichte Treue und das Pflichtbewußtsein der schweren norddeutschen Stämme - die Herzenswärme und Heiterkeit süddeutschen Blutes."29 Eigentlich mecklenburgischen Geschlechts, doch in Hannover geboren und in Hessen von der „prächtigen pfalzischen" Großmutter erzogen, ausgestattet mit einem unverkennbaren Einschlag „süddeutscher Art" nach Preußen gelangt und dort zur Vollendung gereift, hatte die Königin schon selbst vollzogen, was Jahrzehnte nach dem Tod als ihr Vermächtnis Wahrheit wurde.30 „Wie in ihrem Blute sich oberdeutsche und niederdeutsche Art mischten", bestätigte Paul Bailleu, „so verschmolzen sich in Luise [...] deutsches und preußisches Wesen, deren gegenseitige Durchdringung bei ihr, wie immer und überall in unserem Volkstum und in unserer Geschichte, fruchtbar und segensreich gewirkt hat."31 Körperliche Stärken ließen wie immer moralische folgen, und so hatte Luise nicht von ungefähr auch „den geistig sittlichen Umschwung in Preußen und in der ganzen deutschen Nation" verkörpert, schenkten ihr Geist und Gene doch höhere Einsichten und gewaltige Kräfte: „Aufklärung, Klassik und Romantik lebten und webten in ihr gleichermaßen", schrieb Hermann Haß. „Von den Aufklärern behielt sie das Streben nach .Tugend', nach allem Edlen, sie ließ ihnen aber das Verstandesmäßige, die Sucht nach eigener Einsicht und der Eigengesetzlichkeit aller Begriffe. Die Klassiker begeisterten sie zu Schönheit, Heldentum und Harmonie, ohne daß sie je unechtes Pathos angenommen hätte. Und alle Schwächen der Romantik hinderten Luise nicht, das Schönste der Romantik, den Sinn und die Verehrung für Tradition und Geschichte, das Erleben von Gemeinschaft in Familie und Staat und die Sehnsucht nach unendlichen Welten für sich zu behalten."32 Einige Historiker haben Luises vermeintliche Erkenntnis der deutschen Nation anhand ihrer Lektüre von Herder, Goethe und zuletzt Schiller erklärt und damit die Theorie, wonach die deutsche Klassik und die Liebe zum Vaterland untrennbar voneinander waren, mit Hilfe des Luisenmythos untermauert, der mit dem einen wie mit dem anderen verbunden war und deshalb zum Symbol fiir beider Einheit werden konnte.33 Karoline von Berg bereits hatte die patriotischen Einsichten der Königin mit deren Lektüre in Verbindung gebracht, entsprechend dem klassischen Bildungsideal aber keineswegs nur Deutsche unter Luises Lieblingsautoren aufgeführt; erst Heinrich von Treitschke ordnete die Bibliothek der Königin nach den Forderungen seiner Gegenwart. Eine Deutschnationale, wie jedermann bekannt, war Luise im Unglück geworden, doch hatte das Leid nicht nur ihr „ganzes Wesen freier und größer" gemacht, sondern auch ihren „Geschmack edler und reiner: wenn sie vordem an den thränenseligen Romanen des Modedichters Lafontaine sich gern erbaute, so läßt sie jetzt nur noch das Echte und Tiefe gelten und erhebt sich das Herz an Herder und Goethe, wie an Schillers mächtigem Pathos".34 Kurios wie populär war auch die Ansicht Treitschkes, daß der preußische Staat als Werk der Hohenzollern der Vater des Deutschen Reiches sei, dessen Mutter aber die klassische Literatur und Philosophie. Und auch diese Einheitslegende wurde vom Mythos der Kaisermutter verdichtet und sinnfällig gemacht, da doch Luise, wie es

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hieß, schon früh die Bedeutung der Klassiker für das Zusammenwachsen der Nation erkannt hatte: „Auf der Verbindung zwischen dem harten preußischen Staatsgeist und der neuerblühten deutschen Bildung beruhte ja damals die ganze Zukunft unserer nationalen Entwicklung", erklärte Otto Hintze, „und wie Königin Luise durch Abstammung und Erziehung in gewissem Sinne eine Vermittlerin zwischen dem Süden und Norden war, so hat sie auch hier ein geistiges Mittleramt übernommen; und man kann sagen, daß sie am preußischen Hofe die einzige Persönlichkeit gewesen ist, durch die - was doch auch politisch nicht unwichtig war - die Stimme des neuen in der Bildung begriffenen Nationalgeistes das Ohr des Königs erreichen konnte."35 Königin Luise, zu deren Zeit der „Geist von Weimar mit dem Geist von Potsdam eins geworden", hatte die Reichsgründung vollständig antizipiert; ihr Mythos brillierte in ebensolcher Vollständigkeit.36 Enthoben der bloßen Menschlichkeit, wurde die tote Königin zur lebenden Germania, die auch dann noch Gültigkeit besaß, als das Reich des zweiten Wilhelm unter den Symbolen seiner nationalen Größe gleichsam zu ersticken drohte. „Wenn man den verschiedenen idealen Weibern [...] die erklärenden Geräte nimmt", spottete der Kunsthistoriker Cornelius Gurlitt, „so soll der erst gefunden werden, der eine Borussia von einer Austria, eine Bavaria von einer Württembergia oder eine Germania von einer Lippe-Bückeburgia unterscheidet." 37 Kritik wie diese traf keine Luise, die höchste Variabilität mit maximaler Verbindlichkeit vereinte und Allgemeingültigkeit mit Individualität. Einer Flut von Allegorien und Symbolen, deren Beliebigkeit das Fehlen eines geistigen Bandes innerhalb der Nation eher offenbarte als verbarg, begegnete sie mit Vorzügen, die keine Allegorie besaß: mit einem Leben und einem Tod, mit Kindern, Erben und einer Erbschaft und nicht zuletzt mit einer unvergänglichen, wahrhaftigen Gestalt in Form einer Sarkophagstatue. Vaterländische Historiker segneten den Mythos mit den Erkenntnissen der Wissenschaft und sahen sich trotz dessen nur als objektive Schilderer, die all dies gleichwohl tief berührte. Ein Feuerwerk der Demagogie hatte Heinrich von Treitschke zu Luises einhundertstem Geburtstag losgelassen, enden sollte seine Anrufung der Kaisermutter mit deren Erscheinen vor der Zuhörerschaft: „Wenn ich die Stimmung im Saal recht verstehe, welche an dem Gedenktag der Königin über unserer Stadt und über diesem Saale liegt", sprach der Redner, der eben diese Stimmung selbst erzeugt hatte, „so ist uns allen zu Muthe, als ob wir heute die ruhevolle Hoheit der lieblichen Gestalt mit eigenen Augen erblickt hätten. Zeiten des Glückes sind stark im Vergessen; diese Tote aber ward ihrem Volke nach jedem Siege lieber und vertrauter. Die Mutter schrieb ihr klagendes: Ade Germania! Ihrem Sohne beschied ein wundervolles Geschick, den Morgen eines langersehnten neuen Tages über sein Volk heraufzuführen, mit seinem guten Schwerte die Herrlichkeit des deutschen Reiches wieder aufzurichten."38 Eine „echte deutsche Frau" hatte man Luise oft genannt, doch der meistreproduzierten und meistretuschierten Frau der preußischen Geschichte tat dieser Titel nicht

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Genüge. Die Mutter der Nation verlangte nach dem Superlativ, dem Reich gemäß, das sie verkörperte. Einhundert Jahre nach ihrem Tod war sie die „Deutscheste der Deutschen".39

37 Nationaldenkmal „ O Pantheon der Grabkapelle, Der Deutschen Wallfahrt wirst Du sein! Derfernsten Zukunfl Sonnenhelle Sei Deines Friedens JV;ederschein!"1 Emil Taubert 1888

Der Sohn der Königin Luise stieg auf zum Kaiser und machte ihr Mausoleum zum „Nationalheiligtum", zum „Wallfahrtsort für Tausende".2 Zwangsläufig mußte das Luisengrab zum Denkmal einer Nation avancieren, die im Sterben der Kaisermutter die Stunde der eigenen Geburt erkannte und dies gewaltige Ereignis in einer Sarkophagstatue erhalten glaubte. Entscheidende Aspekte schon der frühsten Inszenierung bereiteten dieser Entwicklung das Fundament. König, Architekt und Bildhauer hatten einen Raum erschaffen, in dem sich die zu Stationen auf dem Weg in das Reich gewordenen Kriege sichtbar an die Monarchin binden ließen, an deren Leben, Tod und Grabstatue. Die Erweiterung zum Totentempel der Hohenzollern schließlich vollendete das Luisenmausoleum als kleindeutsches Nationaldenkmal, das Anfang und Ende einer einhundertjährigen Nationalgeschichte unter Führung der Hohenzollern zeigte. „Nationaldenkmal ist, was als Nationaldenkmal gilt."3 Das Erkennen der Nation als Ganzes in einem Monument, das eine Vergangenheit vergegenwärtigt, eine Gegenwart verewigt oder eine Idee sichtbar macht, begründet das nationale Monument. Die Nation kann Stifter oder Adressat des Denkmals sein, es kann ihr gewidmet oder sie im Denkmal dargestellt sein, die Person oder die Personen, das Ereignis oder die Idee, denen das Denkmal geweiht ist, können eine repräsentative Bedeutung für die Nation haben, doch erst wenn die Nation im Bekenntnis zum Dargestellten ihre Identität erblickt, wird das Monument zum Nationaldenkmal und erfüllt seinen integrierenden Zweck. Die Grablege der Königin Luise hat diese Aufgabe erfüllt, nicht nur des Mythos wegen, sondern auch durch die formale Eigenart. Das Nationaldenkmal als Versuch, der nationalen Identität in einem anschaulichen und bleibenden Symbol gewiß zu werden, fand im Mausoleum zu Charlottenburg den rechten Ort und die rechte Gestalt. Die Aufklärung, die französische Revolution und das erstarkende Bürgertum hatten seit dem späten 18. Jahrhundert am Bild des Fürsten gerüttelt, der als überindividuelle Verkörperung des Staates auf dem Sockel prangte. Kaum noch kaschierbare Klüfte zwischen Schein und Sein, die an vielen Höfen zu Tage traten, beförderten die Einsicht, daß der große Mensch nicht seinem Stand erwuchs, sondern der vorbildlichen Lebensweise. Ehrte der Bürger fortan seinen Fürsten, so galt dies weniger dem

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Rang als dem Verdienst. Und ehrte der Fürst den Vorgänger, so betonte auch das Denkmal fiir die Dynastie das Wirken für die Nationalgemeinschaft; erst nach dem Tod des Helden aufgestellt, war es Lohn für eine tugendhafte Existenz. Ein herausragender Einzelner konnte dabei wiederum zum Symbol überindividueller Kräfte werden und sein Denkmal, als bildliches Manifest des in ihm repräsentierten überindividuellen Zusammenhanges, zum nationalen Monument.4 Erstmals evident wurde alles dies in Preußen in der Denkmaldebatte, die dem Tod Friedrichs des Großen folgte. Die Idee eines preußischen Nationaldenkmales war über den Plänen zur Errichtung seines Denkmals entstanden; sie gipfelte 1797 in dem Entwurf von Friedrich Gilly (Abb. 79), der unter dem Einfluß der französischen Revolutionsarchitektur einen riesigen Tempel auf bollwerkartigem Unterbau präsentierte. Entstehen sollte ein Monument und Mausoleum fern der lärmenden Stadt mit ihren „profanen und skandalösen Auftritten", ein „Nationalheiligtum" und „Beförderungsmittel großer moralischer und patriotischer Zwecke".5

Abb. 79 Friedrich Gilly: Entwurf eines Denkmals für Friedrich den Großen, 1797

„Entkleidet von allen Zufälligkeiten des Lebens", sollte die Gestalt des großen Friedrich als „Heros der Menschheit" und „Schutzgeist seines Volkes" in dem Tempel von dorischer Form thronen, dem einzig gemäßen Stil für die Zurschaustellung von Geist und Größe. Kultische Feiern sollten in der Halle abgehalten werden, und der Pfad dorthin war als Wallfahrtsweg gedacht, auf dem ein „ehrfurchtsvoller Schauder" den Nahenden schon aus der Ferne packte.6 Eine Utopie wie Gillys Plan blieb auch der Entwurf seines Eleven Schinkel für einen Dom als Denkmal der Befreiungskriege. Entfernt „vom alltäglichen Gewühl" der Stadt, sollte eine riesenhafte gotische Kathedrale entstehen als Ort der Wallfahrt und der religiösen Feste.7 Statuen von Königen, Kriegshelden und Staatsmännern wollte der Architekt am Bauwerk anbringen, in dem auch die Asche großer Männer beigesetzt werden konnte. Die Nation, die sich in jenem Monument erkennen sollte, war wie bei Gilly die preußische Staatsnation, aus einer gemeinsamen Geschichte

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entstanden, von den Hohenzollern geeint und ins Sakrale überhöht - doch verlief das Vorhaben im Sande. Zum Nationaldenkmal indessen wurde das Luisenmausoleum, das zeitlich zwischen Gillys und Schinkels Plänen lag und im Kleinen viel von dem verwirklichte, was man sich andernorts in ungeheurer Größe ausgedacht hatte. Eingebettet in die Stille der Natur, am Ende eines stimmungsvollen Weges, stand ein dorischer Tempel, der das antikisch überhöhte und aller Last entledigte Bildnis einer großen Frau bewahrte. Die Inszenierung bewegte sich zwischen Griechischem und Christlichem, und .schaudernde Wallfahrer' waren schon angekündigt worden, bevor man das Bauwerk vollendet hatte. Die Nation war seit der französischen Revolution in die Reihe höchster Werte eingerückt und galt mitunter als der höchste aller Werte, ja das höchste aller ,Wesen' überhaupt; mit der Idee des Nationaldenkmals ging darum oft; die eines nationalen Kults einher, der sich mehr oder weniger in der Form des Monumentes wiederfand und die Nation als Wert wie Wesen fortwährend bekräftigte. Einen Tempel, Kultraum der Griechen, hatte Friedrich Wilhelm III. seiner Frau erbaut und sein ältester Sohn dann eine Kirche, Kultraum der Christen, daraus gemacht. Die Hohenzollern gingen im Kult voran, der als ritualisiertes Gedenken begann, zum politischen Totenkult anschwoll, um schließlich als Kult ums Kaiserreich zu enden, das Weltmacht sein und bleiben wollte. Einst von den antiurbanen Empfindungswelten der Romantik geprägt, später von der Flucht in die Natur, die Antwort auf die Wirklichkeit des Industriezeitalters war, entstanden Nationaldenkmäler oft in Wäldern und auf Bergen fern der Stadt. Eingebunden in eine religiös und vaterländisch verklärte Natur, die Unendlichkeit repräsentierte und als Hort der deutschen Seele galt, wurzelten Nation und Geschichte eines mittelpunktlosen Landes in einem übergeschichtlichen Grund jenseits der zivilisierten Welt. Luises Grabdenkmal war in die Natur gestellt worden, lange bevor man Nationaldenkmäler dort erbaute. Kämpfende Dichter besangen die „echt deutsche Frau" auf Preußens Thron und machten deren Statue zum Symbol der preußischen Staatsnation wie zum Symbol des deutschen Vaterlands; sechs Jahrzehnte bevor die Kluft zwischen dem einen und dem anderen geschlossen wurde, war das Mausoleum schon zum Nationaldenkmal geworden, das für Preußen wie für Deutschland stehen konnte und später sinnreich für das unter Preußens Führung geeinte Reich stehen sollte. „Denn in dem Freiheitskriege, als dessen Vorkämpfer das von seinem König aufgerufene preußische Volk allen deutschen Stämmen voranschritt, in dem Freiheitskriege war Preußen - Deutschland! Und das ihrem Volke heilige Andenken der verklärten Königin hat mächtig dazu mitgewirkt, die Glut der Begeisterung jener großen Tage zu schüren."8 König Friedrich Wilhelm III. sei der inszenierte Rummel um Luise „ärgerlich" gewesen, wie Bildhauer Schadow erzählte9; dennoch führte der „unbewußte Meister der Stimmungen" beim Erinnerungstheater um die Königin Regie.10 Könnerschaft in dieser Hinsicht bewies der Witwer schon beim Bau des Mausoleums, denn gleichwie

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aus der Landesmutter ein Symbol und mit diesem eine Nationalgeschichte konstruiert wurde, stand der Tempel nach den Freiheitskriegen nicht mehr nur für sich allein, da das Repräsentierende nun mehr sein sollte als das Repräsentierte. Das Begrenzte wies jetzt auf das Unbegrenzte wie das Sichtbare auf das Unsichtbare und das Bedingte auf das Unbedingte. Keineswegs auf Überwältigung durch Monumentalität angelegt, hielt die Form des Grabmals mit dessen ideeller Erfüllung durch den patriotischen Betrachter nicht mehr Schritt. Die Diskrepanz zwischen der Größe der Toten und der Intimität ihres Grabmals steigerte den Verweis auf eine umfassende Bedeutung an einem anderen Ort. Das Luisengrabmal erhielt einen Verweisungscharakter, der seinen Anspruch als Nationaldenkmal beziehungsreich untermauern konnte. Und diesen Anspruch wie Verweis bestärkte die marmorne Grabstatue. Königin Luise, in der Blüte ihrer Jahre, lag da wie eine Frau, die das Leben noch vor sich hatte. Das Nationaldenkmal im Deutschland des 19. Jahrhunderts änderte seine Gestalt mit dem Lauf der Zeit. Die symbolträchtigen Architekturen des Klassizismus und der Romantik wichen der historisch individuellen Porträtplastik und der plastischen Allegorie und wurden schließlich wieder von symbolistischer Architektur und der architektonischen Stilisierung des Porträts abgelöst, während sich zugleich der Adressat des Denkmals änderte: An die Stelle des Individuums trat die Masse der Gesellschaft, an die Stelle des Gebildeten das politisierte Volk, zunächst das Volk der liberalen bürgerlichen Gesellschaft, dann das Volk der nationalen und antisozialistischen Gemeinschaft. Einiges von dieser Entwicklung hat das Mausoleum vorweggenommen, anderes nachvollzogen: Einfache, profane Architektur von symbolischem Wert und Anspruch umgab eine Porträtskulptur von ähnlichem Gepräge. Der Umbau zur Kapelle drängte die sublime Atmosphäre zugunsten einer eindeutigen, religiösen Sendung aus dem Haus und wandelte die Ansprache des Einzelnen in einen kollektiven Appell zu frommer Ergebenheit. Die Umgestaltung der Vorhalle zur vaterländischen Stimmungsschleuse mit bläulichem Licht und Erzengelwacht stellte das Religiöse des Raumes in einen deutschnationalen Kontext. Erdmann Enckes pathetisches Sarkophagdenkmal für Kaiser Wilhelm I. schließlich vollendete das Mausoleum als Triumphdenkmal für die nationalistisch gesinnte Masse. Die Luisenstatue war auch auf öffentliche Wirkung hin geschaffen worden, und jedes öffentliche Denkmal verfolgt einen Zweck. Eine mißliche Situation kann es erträglich machen oder eine erhebende Stimmung provozieren, es kann eine Doktrin verkünden, ein Ideal oder einen Wert. Der Kunstschaffende vermag die Überzeugungskraft dieses Zeichens zu verstärken, indem er einzelne Züge seines Modells herausstellt, seine Männlichkeit und seine Stärke, aber auch seine Schönheit, Zartheit und Zerbrechlichkeit. Ein solches Bildnis kann Schutz bieten und zugleich verlangen, es kann Verheißung und Mahnung in einem sein - nicht grundlos suchten viele Nationen Verkörperung in einer weiblichen Gestalt. Einmalig und einzigartig, mütterlich und kraftspendend wie Luise, die für sie stand und starb, verlangte die Nation, was sie zugleich versprach: Liebe, Schutz und Ewigkeit.

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„Ehe Sie geboren wurde", schrieb Jean Paul auf ihren Tod, „trat Ihr Genius vor das Schicksal und sagte: ,Ich habe vielerlei Kränze fiir das Kind, den Blumenkranz der Schönheit, den Myrthenkranz der Ehe, die Krone eines Königs, den Lorbeer- und Eichenkranz deutscher Vaterlandsliebe, auch eine Dornenkrone: welche von allen darf ich dem Kinde geben?' ,Gieb sie ihm alle, deine Kränze und Kronen', sagte das Schicksal."11 Krieg, Opfer und Erlösung, wie Luise sie erlebt, spiegelten die Extreme im Schicksal des Staatsbürgers wie die Stationen der Entwicklung nationaler Identität. Entworfen vor, entstanden während und vollendet nach der deutschen Erhebung, galt die Statue als „Bild des darniedergesunkenen und wiederauferstandenen Vaterlandes"12, erinnerte sie doch an die „trübsten und an die herrlichsten Tage der neueren deutschen Geschichte".13 Königin Luise repräsentierte das unter preußischer Krone geeinte Reich und seine Bürgergesellschaft, die borussianische Legende, die Größe der deutschen Frau und der Deutschen an sich, den deutschen Opfergeist und Durchhaltewillen, die Erbfeindschaft mit Frankreich, Begeisterung und Tragik, Niedergang und Aufstieg, kurzum die geschichtlichen wie emotionalen, die inneren wie äußeren Elemente in der Konstruktion von Nationalgemeinschaft. Zeitgenössische wie auch postume Darstellungen Luises wurden nach der Reichsgründung als deutsche Nationaldenkmäler aufgefaßt oder zu solchen umgeformt: Kellers Kaiser Wilhelm der Siegreiche wurde zur Apotheose Kaiser Wilhelms des Siegreichen und Schadows Prinzessinnengruppe in Hannover zu einer Königinnengruppe in Uberlebensgröße. Die Gattungen von Porträt und Denkmal, privatem Erinnerungsbild und öffentlichem Monument, Mahnmal und Kultbild verschmolzen; gleichzeitig machte die Spannung zwischen privatem Bildnis und bedeutungsschwerem Denkmalsanspruch viele Kunstwerke besonders anziehend und dadurch wirksam für Mythos und Kult. Erinnerungsorte waren die Denkmäler der Königin geworden, konstitutive Zeichen der national gesinnten Gesellschaft, die sich in ihnen ehrte und feierte, bekannte und ermahnte. Konkrete Rituale waren Ausdruck nationaler Ideale, so unterstrichen das Schmücken der Monumente mit Blumen und ihre Pflege durch weibliche Hand das Bild der treusorgenden, häuslichen Frau, während Kriegervereine vor Ort den Wert des Opfers für die Zukunft der Nation beschworen und es schließlich um die Monumente zu „Familienfesten fiir Millionen"14 kam - mit Kranzniederlegungen vom Gardekorps bis zum Frauenschwimm verein „Nixe".15 Und was bleibt? Ungeachtet aller Kräfte der totalen Projektion, setzt jede Selbstaussage eines Denkmals Grenzen, innerhalb derer seine Rezeption freigegeben wird, und diese Grenzen sind nicht beliebig ausdehnbar, wenn auch mitunter weit gesteckt. Entweder kann die Botschaft eines Monuments rituell wiederholt werden, oder das Denkmal wird umgewidmet oder vergessen, bis es stürzt. Eines Tages sind die Spuren der Erinnerung verwischt, und die Rezeption des Denkmals geht andere Wege. Erlischt die Empfangsbereitschaft des Betrachters, verliert das Denkmal seine

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Emphase. Empfangsbereitschaft, Erinnerung und Emphase aber können überdauern durch ästhetische Qualität. Eher noch als die preußische Legende, meinte Thomas Nipperdey, habe das Rauchsche Meisterwerk jene „bedeutende und tatkräftige" Frau „unsterblich" gemacht.16 Und hatte nicht Rauch die Königin auch bedeutend und tatkräftig gemacht? Zwar rümpften manche die Nase zum Beweise ihres „individuellen Selbstbewußtseins", als zweihundert Jahre nach Luises Tod der Ururenkel Louis Ferdinand an ihre Grabstatue trat, doch stimmte eben diese auch die mißtrauischsten Zeitgenossen milde. „Die ruhende Königin, das preußisch-griechische Kunstwerk auf dem Sarkophag, war über jeden Zweifel erhaben: die marmorne Luise blühte in ihrer entrückten Lebendigkeit, während man dem Kult um die beseelte Entschlafene seine bedeutende Herkunft und stolze Vergangenheit nicht mehr so recht glauben wollte."17 Das Sarkophagdenkmal der Königin Luise rettete sich und sein Modell durch die unglückliche Erweiterungsgeschichte des Mausoleums wie durch die Bombennächte des Zweiten Weltkriegs, hinweg über das Ende von Preußen, den Wandel der Werte wie die Vorbehalte der Moderne gegenüber politischem Personenkult. Kunst hat zur Erinnerung an Luises Leben angeregt und tut dies immerfort. Die Kenntnis des Mythos schwindet, doch die Emphase der Schlafenden bleibt; sie bleibt ob der Faszination des Todes als Bestandteil der menschlichen Kultur und ob der Faszination der Schönheit als Bestandteil der menschlichen Natur; sie bleibt ob der Faszination von Reliquie und Ikone als Bestandteil der christlichen Religion und ob der Faszination der sterbenden Schönen als dem .poetischsten Thema' der Welt.

38 Der Urenkel „Sie verkörperte alle Tugenden der echten deutschen Frau, die sie mit den Eigenschaften der deutschen Fürstin zu verbinden verstand. Ihre tiefl>egründete Religion verlieh ihr eine Tiefe und Festigkeit des Charakters, der in der schlimmen Zeit des Zusammenbruchs zu dem Felsen wurde, an den sich ihr Gatte und ihr Volk anklammerten, als die Wogen des Unglücks über alle dahinbrausten. Kaiser Wilhelm II. 1929

Die Nachkommen der Königin Luise empfanden eine besondere Faszination für die Herkunft der eigenen Sippe. Spurensuche nach seiner verklärten Großmutter betrieb vor allem der leidenschaftlich an Geschichte interessierte deutsche Kronprinz. „Er ist oft in unserem Hausarchiv gewesen", erinnerte sich sein Sohn, Wilhelm II., „und hat dort [...] die Briefe der Königin Luise studiert und viele Aufzeichnungen von der mündlichen Tradition über die Königin gemacht."2 Und der Kaiser selbst spürte schon als Kind das Fluidum ihrer Nähe unter den Bäumen der Berliner Pfaueninsel. „Auf dieser lieblichen, von Erinnerungen an meine Urgroßmutter, die Königin Luise, erfüllten Insel weilten wir besonders gern."3 Luises „Geist herrscht in den Besten unseres Volkes", sprach Hans Vaihinger im Verein Deutscher Studenten, „er herrscht in unserem Königshause, vor Allem in unserem erhabenen Kaiser, ihrem Urenkel, dessen hohe Auffassung seines Berufes ganz in ihrem Sinne ist."4 Und als Stätte von Luises Geist und Sinn wirkte auch das Mausoleum auf den Kaiser, der dort bereits als Knabe tiefe Eindrücke gesammelt hatte: „An Gedenktagen wanderte die Familie wohl hinüber nach Charlottenburg", schrieb Paul Meinhold 1912, „wo der ernste Tannenweg hinführt zu dem Grab der schönen Königin, welcher der Gram um ihres Landes Unglück das junge Herz gebrochen." Ergriffen von der Vorstellung des am Luisengrabmal stehenden Buben, deuten die rückwärtsgewandten Auguren der Hohenzollern auch dem letzten Kaiser eine große Zukunft: „Wie mußte da das Herz des leicht erregbaren Knaben, - es ist ja das schöne Vorrecht der Jugend, daß es freudig und feurig allem Großen entgegenschlägt - sich begeistern an seines Staates, seines Hauses Ruhm und Größe! ,Nie ist eine menschliche Seele stärker ergriffen gewesen von Ehrfurcht, Verehrung und Dankbarkeit'. Wie mußte freudiges, stolzes Selbstbewußtsein sein Herz erfüllen mit dem Ehrgeiz, sich den großen Ahnen würdig zu zeigen."5 Und daß Wilhelm II. den Familienauftrag ruhmreich erfüllte, dessen waren sich seine Verehrer fast so sicher wie er selbst. „Es liegt Mir am Herzen", sprach Wilhelm II. bei einem Abendessen am 25. August 1910 im Königsberger Schloß, „den Herren der Provinz der Freude Ihrer Majestät und

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Meiner Ausdruck zu geben, daß Wir wiederum in den Grenzen dieses schönen Landes Uns befinden und daß Wir von Seiten der Bürgerschaft Unserer treuen Königsstadt und der Provinz in so begeisterter Weise empfangen worden sind. Die Stimmung, die in diesen Tagen in Königsberg zum Ausdruck kommt, ist der beste Beweis dafür, daß ganz besonders innige Bande Stadt und Provinz mit Unserem Hause verbinden. Und in der Tat, wenn man zurückblickt auf die Geschichte des Landes und des Hauses, so ergibt sich daraus, daß große und bedeutende Abschnitte beiden gemeinsam sind. Hier war es, wo der Große Kurfürst aus eigenem Recht zum souveränen Herzog in Preußen sich machte, hier setzte sich sein Sohn die Königskrone auf das Haupt und das souveräne Haus Brandenburg trat damit in die Reihe der europäischen Mächte ein. Friedrich Wilhelm I. stabilisierte hier seine Autorität ,wie einen rocher de bronze'. Unter Friedrich dem Großen hat die Provinz Freud und Leid seiner Regierung geteilt. Dann kam die schwere Zeit der Prüfung. Der große Soldatenkaiser der Franzosen residierte hier im Schloß und ließ, nachdem Preußens Macht zusammengebrochen war, seine erbarmungslose Hand Stadt und Land fühlen. Hier wurde aber auch der Gedanke der Erhebung und der Befreiung des Vaterlandes am ersten zur Tat. Auf Tauroggen folgte der begeisterte Schluß des preußischen Provinziallandtages, als der alte eiserne Yorck die Herren mit flammender Rede begeisterte, das Werk der Befreiung zu beginnen. Und hier setzte sich Mein Großvater wiederum aus eigenem Recht die preußische Königskrone aufs Haupt, noch einmal bestimmt hervorhebend, daß sie von Gottes Gnaden allein ihm verliehen sei, und nicht von Parlamenten, Volksversammlungen und Volksbeschlüssen und daß er sich so als auserwähltes Instrument des Himmels ansehe und als solches seine Regenten- und Herrscherpflichten versehe. Und mit dieser Krone geschmückt, zog er, vor vierzigJahren, ins Feld, um zu ihr noch die Kaiserkrone zu erringen. Fürwahr, was für ein Weg bis zu dem berühmten Telegramm des Kaisers an Meine selige Großmutter: ,Welch eine Wendung durch Gottes Führung!' Dieses Bild würde jedoch unvollkommen sein, wenn ich nicht einer Figur gedächte, welche besonders in diesem Jahre das preußische, und Ich kann wohl sagen, das deutsche Volk beschäftigt und von neuem gepackt hat, es ist die Zeit unseres Zusammenbruchs und unsere Erhebung gar nicht denkbar ohne die Gestalt der Königin Luise! Auch die Stadt Königsberg und die Provinz Ostpreußen hat diesen Engel in Menschengestalt unter sich wandeln gesehen, ist von ihr beeinflußt worden und hat auch mit ihr so schweres Leid getragen. Die hohe Königin ist von vielen Seiten eingehend geschildert worden und Unser Volk hat sich in dankbarer Erinnerung mit ihr beschäftigt. Aber Ich meine, das eine kann nicht genug hervorgehoben werden, daß in dem allgemeinen Zusammenbruch Unseres Vaterlandes, wo selbst Staatsmänner und Heerführer alles für verloren gaben, die Königin die einzige gewesen ist, die nie einen Augenblick an der Zukunft des Vaterlandes gezweifelt hat. Sie hat durch ihr Beispiel, ihre Briefe, durch ihr Zureden und die Erziehung ihrer Kinder dem Volke den Weg gewiesen, auf dem es sich wiederfinden konnte. Sie hat die Umkehr zur Religion und damit die Umkehr zur Selbsterkenntnis und zum Selbstvertrauen bewie-

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sen. Sie hat unser Volk angefeuert zu dem Gedanken, sich wieder um den König zu scharen und die Freiheit zurückzugewinnen. Und als sie - eine hohe Märtyrerin verblichen war, und die Begeisterung im Lande aufflammte und Jung und Alt zu den Waffen griff, um die Unterdrücker aus dem Lande zu treiben, da ist sie im Geiste vor den Fahnen hergeschritten und hat den Mut der Krieger belebt, daß das große Werk vollbracht werden konnte. [...] Ich hege die feste Hoffnung, daß alle hier versammelten Ostpreußen Mich verstehen, und daß, wenn sie wieder heimgehen zu Ihrem Werk und Ihrer Hantierung, Sie sich von diesem Gedanken erfüllen lassen. Alles soll mitarbeiten am Wohle des Vaterlandes, gleichgültig wer und wo er sei. Und ebenso wird für mich der Weg der hohen Verblichenen vorbildlich sein, wie er Meinem Großvater vorbildlich war. Als Instrument des Herrn Mich betrachtend, ohne Rücksicht auf Tagesansichten und -Meinungen, gehe ich meinen Weg, der einzig und allein der Wohlfahrt und friedlichen Entwickelung unseres Vaterlandes gewidmet ist. Aber Ich bedarf hierbei der Mitarbeit eines jeden im Lande, und zu dieser Mitarbeit möchte Ich auch Sie jetzt aufgefordert haben, daß diese Gesinnung in der Provinz Ostpreußen stets herrsche und Mir Ihre Hilfe in Meinem Streben zuteil werden möge, darauf leere ich Mein Glas. Es lebe die Provinz Ostpreußen! Hoch! Hoch! Hoch!" 6 Einzig durch ihre Kinder habe Luise im Gedächtnis der Nachwelt fortleben wollen, schrieb Otto Hintze; und der großen Ahnfrau diesen Wunsch erfüllt zu haben, hat ganz besonders deren Urenkel geglaubt, mit dessen Regierungsantritt der Kult um Preußens Königin zu einem von höchster Stelle sanktionierten wie strapazierten Kult um Wilhelms Vorfahrin avancierte.7 Nie ist die antiparlamentarische, antidemokratische und chauvinistische Tendenz des Luisenmythos unverhohlener artikuliert und ausgeschlachtet worden als von Wilhelm II., dem „militantesten unter den militanten Deutschen", der mit all dem schließlich so weit über das Ziel hinausschießen sollte, daß er mitunter gar das Gegenteil von dem erreichte, was er eigentlich erreichen wollte.8 „Er ist so eitel", klagte seine Mutter, „und all die Schmeichelei hat ihn so eingebildet gemacht, daß er mit Vorliebe bei jeder Gelegenheit redet. Gewöhnlich sind diese Ansprachen unangebracht und müssen später verbessert und verändert werden, damit sie keinen zu erschreckenden Eindruck hervorrufen." 9 Zeitgenossen aber waren selbst vom Redigierten noch entsetzt: „Ich bin geradezu alteriert von des Kaisers Rede in Königsberg", schrieb die Baronin Hildegard von Spitzemberg in ihr Tagebuch, „der erste Rückfall in die Rederitis seit November 1908! Besonders aber bin ich Bethmanns wegen besorgt: daß er sie gekannt und gebilligt haben sollte, ist nicht glaublich, und ist sie gehalten worden trotz seines Widerspruchs oder ohne ihn zu befragen, was dann?"10 Die vaterländische Geschichtsschreibung hat Volk, Nation und Staat in Analogie des Individuums aufgefaßt, wozu der Mythos die Biographie des deutschen Volkes lieferte. Entstehen sollte eine einheitliche, personalisierte und zielgerichtete Nationalgeschichte, eine Abfolge von bedeutenden und vorbildlichen Gestalten auf einem

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von Glück und Leid gepflasterten Weg in die Vollendung, die es fortan zu verteidigen galt. Einzelschicksale wurden Volksschicksal, nicht zwingend aber waren Helden königlichen Bluts, erbaute sich das deutsche Bürgertum doch demonstrativ an Körner wie an Blücher und entfaltete um Bismarck einen veritablen Kult. Königin Luise war die einzige Hohenzollernfigur mit festem, unangezweifeltem Platz in der nationalen Mythologie. Der Alte Fritz ließ sich trotz seines großen Ruhmes nur mit Verrenkungen in eine deutsche Nationalgeschichte integrieren, und Kaiser Wilhelm, obgleich frenetisch gefeiert, fiel hinter die Gestalt seines mächtigen Kanzlers zurück. Kaiser Wilhelm II. fand dies ungerecht; die Gegenwart seines Geschlechtes verlangte Ahnen, die seiner würdig waren, weshalb er sich noch nachdrücklicher als um die mythenstabilisierende Verbindung einzelner Hohenzollernfursten mit bedeutsamen Zeitgenossen um die Aufwertung der individuellen Herrschergestalten selbst bemühte. Luise, des Kaisers Urgroßmutter, war im Reich auch ohne Zutun des Monarchen schon von unangefochtener Popularität. Der überwiegende Teil der Literatur zur Königin sollte unter der Regierung ihres Urenkels erscheinen, und auch diesem war die öffentliche Erinnerung an seine ruhmreiche Ahnfrau von großem persönlichen Wert. Die Begeisterung Wilhelms II. für Königin Luise lag dabei wesentlich in deren Rolle als Mutter seines verehrten Großvaters begründet; der deklamatorische Reichsgründerkult, den er Zeit seines Lebens um Wilhelm I. zu etablieren suchte, sicherte auch dem Luisenmythos allerhöchste Priorität. Die späte Geburt aber versperrte dem Urenkel jene direkte Brücke zur Nationalheiligen, die sein Großvater noch beschreiten konnte; um so lauter rief er daher nach der Urgroßmutter, ging es um die Zurückfuhrung der Familie auf das Urbild jeder Idealität. Und in den neuen Tonfall im Hohenzollernhaus stimmten Dichter, Historiker und Künstler ein und kredenzten dem Luisenkult Poeme, Schriften, Statuen und Gemälde. „Ich trinke diesen Pokal auf das Wohl der Stadt Tilsit und ihre Bürgerschaft", sprach der Kaiser zur Einweihung des Luisendenkmals im September 1900. „Ich trinke ihn dankend, zunächst als Landesherr und König, für den warmen, zu Herzen gehenden Empfang der treuen Stadt Tilsit. Ich trinke ihn zum andern als Urenkel der hohen Frau, deren Standbild Sie heute enthüllt haben." Und nachdem er auch die Stätte der denkwürdigen Unterredung seiner Urgroßmutter mit Napoleon besucht und wieder aufgesattelt hatte, verabschiedete er sich vom Besitzer des ,KöniginLuise-Hauses' mit dem lobenden Satz: „Sie sind eine brave deutsche Seele, ich freue mich, daß Sie die Traditionen Meines Hauses hochhalten."11 Die Inszenierung von Traditionen verstand niemand besser als der Kaiser selbst: „Ein Gefühl für das, was häßlich oder schön ist, hat jeder Mensch, mag er noch so einfach sein", erklärte er der versammelten Künstlerschaft in seiner berüchtigten Rede zur Einweihung der Berliner Siegesallee, „und dieses Gefühl weiter im Volke zu pflegen, dazu brauche Ich Sie alle, und daß Sie in der Siegesallee ein Stück solcher Arbeit geleistet haben, dafür danke Ich Ihnen ganz besonders."12 Erdacht zu seinem

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sechsunddreißigsten Geburtstag und binnen sechs Jahren aus dem Boden gestampft, war jene kolossale Ahnenreihe aus zweiunddreißig Denkmalgruppen brandenburgpreußischer Herrscherfiguren das Geschenk des Kaisers an sich und seine Hauptstadt gewesen, wo es dem Volk das kaiserliche Gefühl für die Schönheit der eigenen Geschichte in Marmor kund tat. Nichts anderes aber war dieser Höhepunkt borussozentrischer Kulturpropaganda als das weithin sichtbare Zeugnis einer blinden Selbstüberschätzung, die noch den unbedeutendsten Vertretern des Hohenzollernhauses die bedeutendsten Geister ihrer Zeit als bloße Assistenzfiguren unterordnen sollte. „Die Pflege der Ideale ist zugleich die größte Kulturarbeit", sprach der Kaiser, „und wenn wir hierin den anderen Völkern ein Muster sein und bleiben wollen, so muß das ganze Volk daran mitarbeiten, und soll die Kultur ihre Aufgabe voll erfüllen, dann muß sie bis in die untersten Schichten des Volkes hindurchgedrungen sein. Das kann sie nur, wenn die Kunst die Hand dazu bietet, wenn sie erhebt, statt daß sie in den Rinnstein niedersteigt." Die Hohenzollern waren höchste Ideale; die Maler und Bildhauer, die sich in den Dienst des kaiserlichen Ahnenkults gestellt hatten, erlangten darum selbst Unsterblichkeit. „Was in Sonderheit Ihr Vater für das Gedächtnis meiner Ahnen getan hat, wird ihm unvergessen bleiben", schrieb Wilhelm 1926 an die Tochter des verstorbenen Gustav Eberlein - der heute nahezu vergessen ist.13 König Friedrich II. und Kaiser Wilhelm I. markierten als .Friedrich der Große' und .Wilhelm der Große' die männlichen Höhepunkte in des Kaisers Gefühl für Kontinuität. Die Lücke vom Tod des ersten 1786 bis zur Geburt des zweiten 1797 überbrückte Königin Luise, deren Mann und erster Sohn dagegen kaum für die Erfolgsgeschichte einer Nation genügten, die menschliche Schwächen und Niederlagen verachtete. Das „edle Feuer" des großen Friedrich suchte der letzte Kaiser vergeblich bei seinem Urgroßvater, fand es aber in „Luisens feuriger Seele".14 Kaiser Wilhelm II. und die Seinen zelebrierten auch mit Hilfe von Kostümen und Perücken Kontinuität. Ein prächtiger Kostümball zum sechzehnten Hochzeitstag des Herrscherpaares am 27. Februar 1897, den man im einhundertsten Geburtsjahr des Reichsgründers im ,friderizianischen Stil' abhielt, sah Kaiserin Auguste Viktoria in einem Kleid, „wie es Königin Luise getragen haben mochte".15 Die pauschale Vereinnahmung der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts als „friderizianisches Zeitalter" tauchte die frühen Kindeijahre Wilhelms I. in das Licht des großen Friedrich, ohne Luise außer acht zu lassen, deren „Lieblingswalzer" man als ersten Rundtanz im Weißen Saal des Berliner Schlosses tanzte. Entworfen von „hervorragenden Künstlern und Trachtenkennern" wie Menzel, Skarbina und Knötel, brachten die aufwendigen Dekorationen und Kostüme den Hof für einen Abend in eine längst vergangene Zeit zurück. „Gegenüber der heutigen nervösen und hastigen Zeit, gegenüber dem heutigen Bestreben, alles nur rasch vorüberziehen zu sehen", hieß es im Hofbericht des Kaisers, der eben dieser Entwicklung mit rastloser Hast voranschritt, galt es „aus der Epoche des vorigen Jahrhunderts, in der Kaiser Wilhelm I. das Licht der Welt erblickte, ein Zeitbild, ein Hoffest vorzuführen, das Zeugnis von der damals vorherrschenden Ruhe und Grazie ablegt."16

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Auguste Viktoria soll in ihrem Luisenkostüm zwar „ganz entzückend" ausgesehen haben, der sinnlichen Ahnin aber war sie keine Konkurrenz. Das unvergessene Martyrium Luises bot dagegen bessere Gelegenheit zu sinnstiftenden Vergleichen mit den menschlichen Tragödien sowie dem Ende der Hohenzollernmonarchie. Kreise schloß der Mythos nun im Schmerz. Das Leben Friedrichs III., der einhundert Tage nach Beginn seiner Regentschaft starb, wurde mit Motiven des Luisenmythos überhöht, allem Unglück nämlich hatten er und seine Frau Viktoria bereits die Tür geöffnet, als sie das Kronprinzenpalais bezogen, waltete doch dort „der Geist Luisens, der durch Schmerz und Leid verklärten Dulderin auf Preußens Thron. Wer ahnte es wohl, als diese beiden glücklichen Menschen jetzt hier einzogen, welche furchtbaren, qualvollen Leiden ein dunkles Geschick auch ihnen zugedacht? Das ist die tiefe Tragik des Menschenschicksals!"17 Erfolgreicher duldete die letzte deutsche Kaiserin: Auguste Viktoria, tiefgläubig, hatte sich vor allem im Spendensammeln für Kirchenbauten hervorgetan, wurde aber nicht nur deshalb vom Gatten an die Seite der „ersten preußischen Königin" gestellt: „Der Königin Luise gleich an Volkstümlichkeit", pries sie der Kaiser im September 1904 vor der Öffentlichkeit, „gewonnen durch Werke der Liebe an Arme und Leidende, durch Stärkung und Pflege des Hortes unseres Volkes, des Familiensinnes, steht Ihrer Majestät Bildnis in den Herzen aller Untertanen unauslöschlich eingeprägt." Ein halbes Dutzend Söhne zu „ernsten, tatkräftigen Männern herangezogen" und „dem Hohenzollernhause ein Familienleben beschert" zu haben, „wie vielleicht nur die Königin Luise es vor ihr getan", rechtfertigten derart hochfliegende Vergleiche.18 Und als Auguste Viktoria drei Jahre nach dem Zusammenbruch des Deutschen Reiches im holländischen Exil verstarb, legte sie der Kaiser auf den Opferaltar des Vaterlandes neben Königin Luise: „Sie hat wahrlich nach dem Bibelwort getan, was sie konnte, und am Ende ihr Leben dahingegeben um meinetwillen. In der Erinnerung des deutschen Volkes wird ihrem Bilde ein Ehrenplatz geweiht sein neben jener anderen Fürstin meines Hauses, der auch das Unglück ihres Vaterlandes das Herz gebrochen hat."19 Auguste Viktoria war noch am Leben gewesen, wenngleich von Krankheit schon gezeichnet, da hatte mancher Royalist bereits gehofft, ihr Tod könne auf die monarchistische Bewegung in der jungen Republik ähnlich erhebende Wirkung machen wie einst der Tod Luises auf das geschundene preußische Volk. „Wenn es zu einer Überführung ihrer Leiche nach Charlottenburg käme, so könnte das große Folgen haben", schrieb der Tübinger Geschichtsprofessor Johannes Haller an Philipp Eulenburg. „Im allgemeinen bin ich überzeugt, daß sie einmal in der Volksvorstellung eine ähnliche Rolle spielen wird wie die Königin Luise." 20 Das Sterben einer im Schatten ihres schillernden Ehemannes wenig glamourösen Frau jenseits der sechzig aber nahm sich gegenüber dem Luisentod als trübes Geschehen aus, das nicht auf Dauer zu metaphorischer Erhabenheit taugte. Zwar wurde auch Auguste zur „Heiligen" erklärt, doch besaß der Vergleich zwischen der von Krankheit, Hast und Ungewißheit verdunkelten Vertreibung Königin Luises und dem Exil im Lustschloß weder Sinn

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noch Schlüssigkeit.21 Eine Urmutter wurde nur einmal gebraucht, und so entstand um Auguste Viktoria ebensowenig ein Mythos wie um ihren Gemahl - allzu oft war die anmaßende Ahnenverehrung des letzten Kaisers „wie eine Bombe in das deutsche Haus" geplatzt.22 Der Mythos der bedeutenden Vorfahren, von dem der Großvater gezügelten Gebrauch gemacht hatte, wurde vom Enkel zuschanden geritten. „Meine Herren", sprach Wilhelm zum bevorstehenden einhundertsten Geburtstag seines Großvaters auf dem Festmahl des brandenburgischen Provinziallandtages am 26. Februar 1897, „wenn der hohe Herr im Mittelalter gelebt hätte, er wäre heilig gesprochen, und Pilgerzüge aus allen Ländern wären hingezogen, um an seinen Gebeinen Gebete zu verrichten." Kult war der Gang zum Grab der Urgroßmutter seit geraumer Zeit, auch dem Grab des Mannes, „dem wir unser Vaterland, das Deutsche Reich verdanken", wünschte nun der Kaiser Kult.23 Die Herabsetzung der reichsgründenden Staatsmänner setzte Wilhelms dynastischem Verständnis schlußendlich die Krone auf, da doch vor allem Bismarck, unlängst entlassen, als Symbolgestalt des Reiches galt, als Mittelpunkt des .Dreigestirns' von Kanzler, Roon und Moltke. Kurz und bündig verwies der Kaiser die Störenfriede im Reichsgründermythos auf ihre Plätze in der zweiten Reihe: „Handlanger" nannte er sie in seiner berüchtigten Rede; als „Werkzeuge" Wilhelms I. sei es ihnen gestattet gewesen, seine „Gedanken ausfuhren zu dürfen", weil „Gottes Führung" ihnen diese „Ehre" zugedacht hatte.24 „Der alte Herr in seiner Bescheidenheit würde sich im Grabe umdrehen, daß sein Enkel Bismarck, Roon und Moltke nicht etwa bloß .Handlanger', sondern .Pygmäen' nennt!!", schrieb die Baronin Spitzemberg in ihr Tagebuch. „Auch der Beiname ,der Große', den ihm der Kaiser aufgebracht hat, stimmt nicht; nie wird ihn das Volk so nennen, für dieses heißt er der ,alte Kaiser', allenfalls ,Wilhelm der Siegreiche'; seine Größe lag in etwas anderem als dem, was in der Geschichte dieses Epitheton erhält, speziell aber darin, daß er seine großen Diener eben nicht für .Pygmäen' hielt und sich deshalb ihrem Rate fugte und mit seiner königlichen Machtfulle ihre Ideen in Tat und Leben umsetzte." 25 „Nicht mehr zurechnungsfähig", urteilte der preußische Gesandte in München und berichtete von „heller Freude" bei den Feinden des Kaisers über den „von oben künstlich bewirkten Umsturz aller monarchischen Gesinnung", während das Vaterland mit Blick auf die verlangte Heiligsprechung Wilhelms I. bemerkte, daß dem Volke „wohler" sei, wenn es „nur erst zu allen Gebeinen deutscher Kaiser wallfahren" könne.26 Einige Jahre zuvor hatte Wilhelm II. bei einem Besuch in München in das Buch der Stadt geschrieben: „Suprema lex regis voluntas" - des Königs Wille ist höchstes Gesetz - und damit einen Sturm der Entrüstung ausgelöst. Die Mutter des Kaisers schrieb daraufhin nach England: „Wenn ich den Schatten eines Einflusses hätte, würde ich Wilhelm anflehen, keine öffentlichen Reden mehr zu halten, denn sie sind zu schrecklich, und nichts mehr in Bücher und unter Photographien zu schreiben es läßt einem das Haar zu Berge stehen." 27 Der Sohn jedoch posierte derweil mit

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Allongeperücke als .Großer Kurfürst' und feierte mit seinem Operettentheater seine von Zweifeln an eine Herrschaft von Gottes Gnaden erschütterte Monarchie. Die Schreiber der borussianischen Legende hatten den Hohenzollern eine Folge von schicksalhaften Prüfungen auf den Leib geschneidert, und auch die Feuertaufe des letzten Kaisers sollte sich an den militärischen Erfolgen der Vorfahren messen lassen, als Deutschland die Welt in den Ersten Weltkrieg stürzte. „Es ist die denkbar schwerste Probe für den Staat der Hohenzollern und das Deutsche Reich", schrieb Otto Hintze. „In diesem Krieg werden die eisernen Würfel geworfen um Sein oder Nichtsein einer deutschen Weltmacht; wie einst das Preußen Friedrichs des Großen im Siebenjährigen Krieg, so kämpft in diesen Tagen das deutsche Reich unter seinem Hohenzollernkaiser um seine Existenz gegen eine Welt von Feinden. Wir hoffen und glauben, daß wir mit Gottes Hilfe durchhalten und einen Frieden erkämpfen werden, der den eisernen Druck von unseren Grenzen nehmen und uns mit einem freien gesunden Volks- und Staatsleben im Inneren zugleich auch eine ungehemmte Entfaltung unserer Kräfte nach außen bringen wird. [...] Möge das erlauchte Haus auch in Zukunft unserm Vaterlande Fürsten geben, die es zu Macht und Wohlfahrt fuhren! Denn eine starke monarchische Führung wird unsere Zukunft ebensowenig entbehren können, wie die vom Lärm der Waffen erfüllte Gegenwart." 28

39 Die Königin der Weimarer Republik „Diese zweite Auflage der .Königin Luise' erscheint in einer Zeit tiefsten Niederganges unseres deutschen Volkes. Wenn sie auch zum wesentlichen Teil ein gleiches Thema behandelt, so kann doch aus ihr, besonders aus der Seelengröße der Heldin, viel Kraft und Glaube auf eine bessere Zukunft gewonnen werden. Möge mancher beides in reichem Maße finden!"1 Hermann Dreyhaus 1923

„Nur Standhaftigkeit. Keine Nachgiebigkeit!" forderte die monarchistische Deutschnationale Volkspartei zwei Jahre nach dem ersten verlorenen Weltkrieg auf einem Wahlplakat (Abb. 80), das Gustav Richters anrührendes Porträt der Königin Luise zeigte. „Tilsit - Versailles. Vertraut - Hofft!", mahnte die Deutsche Volkspartei zur selben Zeit und nahm dafür ebenfalls ein Bild der Königin in Dienst. Luise sollte Hoffnung machen, daß sich das Rad der Geschichte noch einmal drehte. Die Niederlage im Ersten Weltkrieg, der Sturz der Monarchie und der Vertrag von Versailles, der Deutschland die wirtschaftliche Kraft für Jahre nahm, immense Reparationen verlangte, Territorium abspaltete, die Rüstung unterdrückte und als Höhepunkt der Schmach die alleinige Kriegsschuld der Deutschen festschrieb - all dies hatte eine Verwirrung von Normen, Werten und Zielen, vor allem aber das kollektive Gefühl von Demütigung hervorgerufen, wie es das deutsche Volk nie zuvor erlebt hatte. Emotionsgeladen und .bürgerlich', wie er war, überdauerte der Luisenmythos das Ende der Monarchie. Und als Mythos voll institutionalisiert und darum jederzeit wieder abrufbar, wurde die Königin nach dem Ersten Weltkrieg zu neuem Leben mit neuen Botschaften auferweckt; konfus jedoch wie jene Zwischenzeit war auch die Vorstellung von ihrer Idealgestalt. Ein Jahr nach dem Weltkrieg war der zweite Teil von Walter von Molos Romantrilogie Ein Volk wacht auf erschienen, der Luise hieß und aus der Titelheldin eine politisch aufbegehrende und republikanisch denkende Deutschnationale machte.2 „Wir müssen durch: sorgen wir nur dafür, daß wir mit jedem Tag reifer und besser werden" - diese Worte der Königin dienten in ihrer beliebigen Erbaulichkeit dem Buch als Motto wie dem Autor zur Erfindung einer personifizierten Hoffnung für Deutschlands monarchielose Zukunft. Einen Spagat zwischen „sehr viel Militarismus" und ein „bißchen Pazifismus" hatte Henny Porten als Königin Luise nach Molos Vorlage auf der Kinoleinwand hingelegt und sich damit Arger von allen Seiten eingehandelt.3 „Kläglich" nannte der Kritiker der Volksbühne den „Kompromiß zwischen Radaupatriotismus und demokratischer Friedensliebe", der eine „doppelte Lüge"

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ergeben habe: „eine großdeutsche Pazifistin und eine tragische Walküre".4 Die konservative Deutsche Allgemeine Zeitung beschwerte sich dagegen über „diese sentimentale Verschiefiing der deutschen Frau, diese aufgetragene Süße, diese volkstümlich zurechtgestutzte Innigkeit, die gerade das kompromittiert, was verherrlicht werden soll". Die Schauspielerin und Produzentin „hätte mehr für das Andenken der Königin getan, wenn sie sie in ihrem früheren Grabe hätte ruhen lassen".5 „Es ist sicher, daß Henny Porten und ihre Helfer ein gutes Geschäft machen wollten", schrieb der Vorstoss. „Hätten sie einen schneidend pazifistischen Abb. 80 Wahlplakat der Deutschnationalen Volkspartei, Film, ja eine deutschfeindliche 1920 Verherrlichung Napoleons gemacht, dann hätten ihnen die Vorwärts- und die Mosse-Leser die Kassen gefüllt. Hätten sie einen patriotischen Festfilm daraus gemacht: auch dafür ist Konjunktur. Aber sie haben sich an die mittlere Linie gehalten, im Herzen für Pazifismus und Geschäftsgedeihen, nach außen hin ein wackeres Wort. Dafür aber ist in Deutschland wohl auf dem Wählermarkt wie auf dem Kinomarkt keine Konjunktur mehr."6 Die Konjunktur für die Demokratie sank. Die Republik, durch das parlamentarische Chaos und die ideologische Radikalisierung zunehmend erschüttert, taugte für viele Bürger nicht als Wert, und so holte man die Leitbilder zu Ordnung und Ehre bald wieder aus der vergangenen Hohenzollernmonarchie. Höhepunkt des Luisenkultes in der Weimarer Republik war 1923 die Gründung des Bundes Königin Luise, einer nationalistischen und monarchistischen Frauenorganisation, die auch von den Hohenzollern unterstützt wurde. Luisenverehrung war das Programm, und weil „verehren" auch „nachfolgen" hieß, hatte man das Leitbild seinen Nachfolgerinnen angepaßt. Entwickelt wurde eine rückwärtsgewandte, dabei gänzlich geschichtslose Vision der Gegenwart, die den Menschen wieder die Nation als höchsten Wert vor Augen führen sollte. Die Ziele der Organisation waren in einem ABCfiir unsere Arbeit zusammengefaßt worden, das jedes Ortsgruppenmitglied parat haben mußte.7

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Kampf um die innere und äußere Befreiung stand auf der Fahne des Bundes Königin Luise-, Die „Wiederherstellung der natürlichen Grenzen", die „Rückgabe unserer Kolonien" und die „Befreiung" von der Last der Kontributionen wurden ebenso gefordert wie das „Recht unseres Volkes auf Selbstverteidigung" und die „Befreiung" vom Internationalismus, Materialismus und Parlamentarismus sowie der „Kriegsschuldlüge". Zentrales Feindbild war der Marxismus in jeder Gestalt, weil er die „natürlichen" Unterschiede der Menschen wie der Nationen leugnete und Autoritäten unterhöhlte. Klassenkampf Sozialismus und Kommunismus trugen die Hauptschuld an der inneren Zerrissenheit wie äußeren Schwäche der Deutschen und wurden für die Niederlage im Weltkrieg verantwortlich gemacht; nicht besser waren die politischen Parteien, die kleinlicher Interessen wegen die Belange der Nation vergaßen, „starre Gebilde" geworden waren und die Führung des Staates ebenso vernachlässigten wie die Stärkung der Volksgemeinschaft. „Am besten vermeidet man das Wort Demokratie vollkommen, da es nur zu Unklarheiten fuhrt." Andersdenkende, die die Nation als höchstes Ideal ablehnten, waren Feinde. Kapitalistisch und imperialistisch durch und durch, verachtete der Bund Königin Luise zugleich das übertriebene Streben nach Profit und besonders die internationale Geldwirtschaft. Eigennutz, Individualismus und das „verwerfliche Sich-Ausleben-Wollen" standen am Pranger; man beklagte einen schlimmen Sittenverfall und erklärte die Verbreitung von Geschlechtskrankheiten schon bei „schulpflichtigen Mädchen" zum Grundübel im deutschen Volk. Die Juden standen hinter der Misere. Karl Marx hieß im Vereinsprogramm der „Jude Marx"; man hetzte gegen alle „Juden und Judengenossen", die als heimatlos und asozial, geldgierig und rassisch minderwertig gebrandmarkt wurden, als gefahrlich für das nationale Gemeinwesen und das reine deutsche Blut. Einem allgemeinen Teil, in dem die Forderungen des Bundes formuliert worden waren, folgte im ABCfiir unsere Arbeit ein Glossar politischer Ausdrücke, das den Frauen ihren Weg durch das Gestrüpp der Ideologien weisen und sie für alle Fragen wappnen sollte. Erläutert wurde auch, was .Antisemitismus' war und die deutsche Frau darüber dachte: „Aus gleichem Blut und Boden wachsen ähnliche Menschen empor und werden eine einheitliche Rasse. Der Antisemitismus (d. i. Judenfeindlichkeit) wehrt sich dagegen, daß Menschen, die ihrem Blut nach für südlichere Landstriche bestimmt sind, in unser Volk eindringen und einen rassefremden Geist in dieses hineintragen. Auch wir kämpfen für die Einheit unserer Nation, auch wir müssen das Eindringen fremder Bestandteile und deren Betätigung in unserem Volke ablehnen. Mit Gummiknüppel und Ochsenziemer ist die Judenfrage aber nicht zu lösen."8 Der Bund Königin Luise vertrat eine völkische, religiös überhöhte Blut-und-BodenIdeologie, die vom Einzelnen bedingungslose Unterwerfung unter die Belange der Nation verlangte. Kinderkriegen galt als höchste Pflichterfüllung, Abtreibung deshalb als Vergehen an der Nationalgemeinschaft. Einsatz für Ehe und Familie wurde bei den Frauen eingeklagt, Rüstung zum Kampf dagegen bei den Männern, während

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man von beiden Geschlechtern eheliche Treue sowie Reinhaltung der Rasse forderte. Entworfen wurde eine reaktionäre Utopie, die gänzlich überpolitisch erscheinen und sich allein aus der „Natur" begründen sollte. Kolonien zu besitzen wurde zum „natürlichen Anrecht" der Nation, die sich anderweitig nicht ernähren konnte. „Gegen einen vernünftigen Kolonialbesitz wird niemand etwas einzuwenden haben, denn es wäre sinnlos, wenigen halbwilden Negern riesige Landstrecken zur Verfügung zu stellen, deren Rohstoffe von europäischen Völkern ohne genügenden Lebensraum bitter gebraucht werden."9 Die Nationalistinnen des Bundes Königin Luise entwickelten das wilhelminische Bild der Monarchin weiter und nutzten die Eigenart des Mythos, alles .natürlich' zu machen, fiir ihre Zwecke. Was aber die vergewaltigte Figur der historischen Luise mit dem Verein gemeinsam hatte, darüber gab man keine Auskunft. Ein einziges Mal nur wurde sie im ABCfiir unsere Arbeit zitiert, und was man von ihr wiedergab, war so nichtssagend und alles verlangend wie ihre mythische Gestalt: „Es kann in der Welt nur gut werden durch die Guten."10 Jede Führerschicht bedurfte „von Zeit zu Zeit der Blutauffrischung", weshalb der Bund trotz seines Namens keinesfalls nur die Hohenzollernmonarchie zurückersehnte: „Die Frage, ob Republik oder Monarchie, ist im Augenblick ohne praktische Bedeutung. Die Hauptsorge für uns muß sein, einen wirklichen F ü h r e r fiir die Nation zu finden."11 Und diese Suche hatte 1933 ein Ende, als zwanzigtausend Frauen zur Zehn-Jahres-Feier ihres Bundes in Berlin zusammentrafen und, nachdem sie eine Hohenzollernprinzessin als .Königin Luise zu Pferde' bewundert hatten, im Sportpalast die „bedingungslose Unterordnung" unter Adolf Hitler feierlich verkündeten, der im Jahr darauf dem Bund ein Ende machte.

40 Luise unterm Hakenkreuz „ Und als dann diefeine, stille Frau sorgend und planend wie hundert harte Männer am Neubau des Staates mitdiente, wurde ihr Tun dem Volke zur Verheißung und zum fordernden Beispiel. Karl Richard Ganzer 1937

Emanuel Bardou, der durch Darstellungen des Alten Fritz zu Pferde bekannt gewordene Bildhauer, schuf auch ein kleines Reiterstandbild von Luise. Zeitgenossen fanden das Sujet zwar wenig glücklich für die Ehrung dieser Frau, doch hatte man ihr Bildnis früher schon mit der antiken Reiterstatue Marc Aurels verglichen und sie damit auf den Sockel des würdevollsten aller Herrscherbilder gehoben, wo sie aus vollem Recht nun stand - fiir anderthalb Jahrhunderte.2 Aus Anlaß der Olympischen Spiele von 1936 zeigte die Berliner Nationalgalerie im Kronprinzenpalais Unter den Linden die Ausstellung „Große Deutsche in Bildnissen ihrer Zeit".3 Koryphäen verschiedener Universitäten und Institutionen hatten die Staatlichen Museen bei der Auswahl der deutschen Helden unterstützt, die man in der Schau nach Ständen und Berufen geordnet präsentierte. Kaum eine Hand voll Frauen hatte den Sprung in die historische Gesellschaft von mehr als vierhundert Männern geschafft, doch Luise, Königin von Preußen, war in die erste und wichtigste aller Kategorien, die der „Herrscher, Staatsmänner und Heerführer", aufgenommen worden, denn auch im Dritten Reich galt ihr Leben wie ihr Sterben als Ideal fürs deutsche Volk. Ein Jahr später, 1937, war Luise eine von drei Frauen unter „200 Bildnissen deutscher Kämpfer und Wegsucher aus zwei Jahrtausenden", die Karl Richard Ganzer fiir seine zehntausendfach reproduzierte Galerie der deutschen Herrenrasse zusammengetragen hatte; Hermann der Cherusker stand am Anfang dieses Buches, Adolf Hitler an seinem Ende. Königin Luise, die man schon 1815 mit Hermann verglichen hatte4, zählte zu des Führers Ahnen, denn Geschichte war „Führergeschichte".5 Eine unangenehme Süße, wie Moeller van den Bruck beklagte, habe sich im Lauf der Zeit ihrer Gestalt bemächtigt und den Blick auf eine Frau verstellt, die der ,Künder des Dritten Reiches' „in Wahrheit heldisch" nannte.6 „Nationalsozialismus ist Preußentum", erklärte Joseph Goebbels im Jahr der Machtergreifung, „und Preußentum ist Nationalsozialismus."7 Kronzeugen der Nazis wurden vor allem aus der preußischen Geschichte präpariert, und die Zeit der „nationalen Wiedergeburt des deutschen Volkes, da das Frührot einer lichteren Zukunft am Horizont heraufdämmert und seine Strahlen belebend in die bangen, zagen Herzen der schwergeprüften deutschen Menschen senkt", erweckte auch die Königin Luise.8

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Die preußischen Mythen waren den Menschen noch präsent, der Mythos von der .bürgerlichen' Königin zumal; und hatte doch das Bürgertum den Nationalsozialisten zur Macht verholfen, so zeigten diese an Luise, wie sich das Volk im Kampf um die Nation verhalten sollte. Luise, souveräne Herrscherin nach außen und fruchtbare Mutter wie besorgte Gattin nach innen, kündete von den ambivalenten Erwartungen des Dritten Reichs an seine Frauen, wurde aber nicht nur dem Bund Deutscher Mädel als Paradigma vorangestellt, sondern galt ob ihres Heldenmutes auch als Ideal der nationalsozialistischen Männerwelt. Zu der Zeit, als Hitler in Polen einmarschierte, erzählten Lesebücher für Jungen von einer Frau von eisernem Willen und edlem Opfergeist; einige Jahre und etliche Millionen Tote später verschenkte das Winterhilfswerk illustrierte Büchlein gegen eine Spende: Deutschland!, Durchhalteparolen aus dem Mund der Königin Luise. Kurz vor dem .Endsieg' malte sich das Reich die heile Welt in netten Bildchen; fiktive Worte von berechnender Sentimentalität wiesen den Deutschen den Weg zu Heil und Seligkeit. Das Volk sollte gehorchen, arbeiten und dienen, glauben und nicht denken, Zwang als Tugend verinnerlichen und Leid als Prüfung, kämpfen, töten und sich töten lassen, kurzum der Königin Luise folgen, die Ernst Heilborn 1927 schon die „Führerin ins Reich der Abgeschiedenen" genannt hatte.9 „Deutschland ist mir das Heiligste, das ich kenne! Deutschland ist meine Seele! Mein Halt! Mein Alles ist Deutschland! Es ist, was ich bin und haben muß, um glücklich zu sein! Das Schöne in den Augen der Kinder ist doch Deutschland, es ist die Treue, die Ehrlichkeit, der Fleiß der stillen Tat. Die Anständigkeit, der Ruhepunkt im ziellosen Herumsuchen. Deutschland ist das was mich gut macht! Die alten verträumten Schlösser, die lieben windschiefen Häuser, die hochgiebeligen Städte, unser Hausrat, die Spinnwinkel, die moosigen, klappernden Mühlen, die Sägen, der Christbaum, der Pfefferkuchen, das Fest, der Winter da draußen, die Schlittenschellen, die so segnend hereinklingen, dies alles ist Deutschland! Unsere Liebe ist deutsch, unser Zusammenhaltenmüssen, unser Aneinandergebundensein! Wenn Deutschland stirbt, so sterbe auch ich!"10 Und dieses Deutschland war schon tot, als Luise ihren letzten Auftritt im Dienste des Faschismus hatte, in der Atlantikfestung La Rochelle am 30. Januar 1945, dem Tag der Uraufführung von Veit Harlans Kolberg, dem letzten Film der Nazizeit.11 Eindringliche Worte von Propagandaminister Goebbels begleiteten den Abwurf der Kopie über der französischen Küste: „Möge der Film Ihnen und Ihren tapferen Soldaten als ein Dokument der unerschütterlichen Standhaftigkeit eines Volkes erscheinen, das in diesen Tagen eines weltumspannenden Ringens eins geworden ist mit der kämpfenden Front, gewillt ist, es den großen Vorbildern seiner ruhmvollen Geschichte gleichzutun."12 Kolberg hatte schon im 19. Jahrhundert als Sinnbild des deutschen Durchhaltewillens gegolten, war die mythenumwobene Verteidigung der pommerschen Festung gegen Napoleon doch ein Licht in einer von Feigheit verdunkelten Vergangenheit. Kampf bis zum letzten Mann lautete die Lehre; die Politik der verbrannten Erde ließ

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daher den letzten ihrer Mannen Kolberg als „ein Beispiel für uns selber" angedeihen, als ein Gleichnis der eigenen Zeit.13 „Wenn sich die Ereignisse in dramatischer Wucht überstürzen, wenn Energie und Opfermut der Verteidiger stärker sind als das Feuer der französischen Batterien, dann versinkt die Historie und die gleichgeartete Gegenwart wird lebendig."14 Das von Anekdoten umrankte Schicksal Kolbergs war von drei heroischen Mannsbildern bestimmt: dem draufgängerischen Rittmeister Schill, dem besonnenen Kommandanten Gneisenau und dem alten Bürgermeister Nettelbeck, der als einfacher, geradeheraus denkender und sprechender Mann den gesunden deutschen Menschenverstand verkörperte; Heinrich George, der größte Schauspieler seiner Zeit, gab ihm in Kolberg Gestalt. Der Film jedoch, der die Mythen der Vergangenheit mit aller Macht auf die Gegenwart zu projizieren suchte, beschränkte sich nicht auf den Mythos Kolberg allein, sondern langte in seiner zweifelsohne merkwürdigsten Szene auch nach Königin Luise. Eines nämlich fehlte Kolberg, eine übergroße Führergestalt. Einst hatte Luise den „letzten Blutstropfen" im Kampf für Volk und Vaterland gefordert, wie man schon 1937 lesen konnte. 15 „Notgedrungen schließt nach ihrer Ansicht kein Land Frieden, das erstens kein Land verloren hat, zweitens noch über Geld zum Kriegführen verfugt, drittens noch große Mengen Truppen in Bewegung setzen kann, viertens genügend Nahrungsmittel herbeizuschaffen vermag", schrieb Tessa Klatt. „,Laß alle Minen sprengen!' Diese kurzen Worte drücken am besten ihren leidenschaftlichen Willen zum Widerstand bis zum Äußersten aus."16 Und eben diese Losung tat Goebbels mit Luises Hilfe nun dem Publikum von Kolberg kund, dem Höhepunkt wie Endpunkt im faschistischen Luisenkult. Kolberg ist belagert und vom Kampf umtost, da erwägt der feige und von einem Juden beratene Stadtkommandant die Ubergabe der Festung an die übermächtig scheinende französische Armee. Empörung über diesen Frevel zeigt allein der Bürgermeister Nettelbeck, und als dieser wegen seines Widerstands verhaftet wird, schmuggelt seine Nichte Maria einen Brief des Onkels mit der Nachricht von Kolbergs innerer Lage aus der Stadt. Kristina Söderbaum - sie spielt das Mädchen kämpft sich durch bis in das Königsberger Schloß, wird aber nicht zum König vorgelassen, in Kolberg eine blutleere, apathische Gestalt. Die Nettelbecksche Nichte ist der Verzweiflung nahe, da macht ihr eine patriotische Hofdame plötzlich Hoffnung auf Audienz bei Königin Luise. Angst steigt in Maria auf, vor allem, daß sie ihren Text vergessen könnte: „Euer Majestät", läuft sie im Vorzimmer zitternd hin und her, „die Bürger von Kolberg wollen sich eher unter den Trümmern begraben lassen, als ihrem König und ihrem Lande untreu werden!" Die Zuschauer im Kinosaal hatten es gehört, zum Glück, denn schon im nächsten Augenblick hat das Mädchen seinen Text vergessen, vergessen wie alles andere auf der Welt. Eine Tür öffnet sich; und leise von der Hofdame herangewunken, betritt die Kolbergerin eine prachtvolle Halle. Klänge eines sphärischen Chores durchdringen den lichtdurchfluteten Saal; wie auf geweihten Boden sinkt Maria auf die Knie. Kerzen-

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Abb. 81 Irene von Meyendorff (Königin Luise) in: Kolberg, 1945

gerade steht indes der Grund all dieses Zaubers, und unter anschwellendem Engelsgesang geht der Blick des Mädchens nach der Flucht des kirchengleichen Raumes, wo sie steht, die vom Himmel ihres Thrones einem Kultbild gleich umrahmte Königin Luise (Abb. 81): „Guten Tag, mein Kind. Was bringst Du uns aus Kolberg?" Das Kind jedoch, vom Anblick überwältigt, ist wie gelähmt (Abb. 82); kein Wort dringt aus dem offenen Mund, Tränen sammeln sich in den ungläubig aufgerissenen Augen und verschleiern ihren Blick. „Nun sag doch, was Du auf dem Herzen hast, ich hab doch keine Zeit." Das Mädchen nun nimmt alle seine Kraft zusammen und stammelt einen einzigen vollständigen Satz: „Ich kann nicht." Luise aber, wie es scheint, kennt ihre Wirkung, denn mit halb verständnisvollem, halb entschuldigendem Gestus nimmt sie Maria den Brief aus der Hand: „Du willst mir etwas für den König geben, nicht? Na gib. Ich werde den Brief dem König geben, heute noch. Das verspreche ich Dir." Eine „Puppe" ist Veit Harlans Luise genannt und mit einer Untoten verglichen worden, einem „Zombie".17 Und in Anbetracht von Temperament und Wirkung ist der Vergleich gerechtfertigt, denn leblos und befremdlich unbewegt steht die Figur im Raum, monoton klingt ihre Stimme, gebrochen und entrückt wirkt ihr verhangener Blick. Eingetaucht in gleißendes Licht, bannt die im Endstadium totaler Verklärung begriffene Gestalt ihr versteinertes Gegenüber mit schier übermenschlicher

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Kraft: Maria trifft Madonna und Medusa - die eine ist Offenbarung, die andere der Tod. Zeigt sich die Nichte Nettelbecks, die im Film den heimatlichen Hof, den Vater, den Bruder und schlußendlich auch den Geliebten verliert, als naives Sinnbild der todesverachtenden Vaterlandsliebe, so ist ihr die allwissende Königin als deren geistige Verinnerlichung gegenübergestellt. „Ich lasse mir täglich von Kolberg berichten. Du kannst sehr stolz sein auf Deine Vaterstadt." Der Durchhaltewille der Königin Luise empfahl sie der kriegerischen Gegenwart, ihre Klaglosigkeit im Untergang indes der nahen Zukunft. „War die Ehre und die Freiheit der Nation bedroht, so entschied sie sich ohne Zögern fur den Kampf um diese lebenswichtigen Güter", hatte Tessa Klatt ihre Dissertation von 1937 beendet. „Noch bedeutsamer war es, daß sie in diesem Kampf nicht nachließ, sondern die Kraft besaß, den Kampfeswillen über Niederlagen hinaus aufrechtzuerhalten. Diese Beharrlichkeit einer Frau verdeutlicht die Kraft ihres Volkes und wirkte über die Erfolge ihres eigenen beschränkten Handelns hinaus, wie es jede große Kraft tut, die sich als dauerhaft bewährt."18 Erhaben über alle Zweifel der Geschichte, spiegelte die auch filmisch aufbereitete Figur des großen Friedrich den nationalsozialistischen Führerkult. „Friedrich der Große war der erste Nationalsozialist", erklärte Goebbels; zehn Jahre später, 1942, trat Der große König vor das Reich, Veit Harlan hatte die Regie.19 „Wir können das

Abb. 82 Kristina Söderbaum (Maria) in: Kolberg, 1945

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heute gebrauchen", schrieb der Propagandaminister in sein Tagebuch. „Wir leben in einer Zeit, in der wir friderizianischen Geist nötig haben."20 Wenige Wochen vor der Kapitulation, als die Hauptstadt brannte, schenkte der Minister seinem Führer im Bunker ein Buch über den Preußenkönig, „das ihm große Freude" bereitete. „Er betont dabei, dass es die grossen Vorbilder sind, an denen wir uns heute aufrichten müssen, und dass Friedrich der Grosse darunter die exzeptionellste Persönlichkeit darstellt."21 Ein Bild des Vorbilds hing über Hitlers Schreibtisch im Führerbunker und diente dem Führer zur Zwiesprache. Das Reich im Endkampf aber brauchte Härteres als den besonnenen Alten Fritz. Einen „totalen Krieg" und die Entfesselung des Volkssturms hatte Gneisenau gegen Napoleon einst gefordert22, „müde" und „geradezu deprimierend" dagegen fand Goebbels die Generäle im Vorzimmer des Führers und fragte sein Tagebuch, warum sich um Hitler „kein Kreis von Gneisenaus und Scharnhorsts gebildet" habe. „Ich würde es für meine schönste Aufgabe halten, dem Führer einen solchen Kreis zu suchen."23 Zumindest auf der Leinwand hat er sie erfüllt. Kolberg wie. einem irren Spiegelbild verfallen, hatte Goebbels für sein Meisterwerk noch Hunderte Soldaten zum Komparsendienst von der bröckelnden Front geholt. Euphorisiert von dem Ergebnis, berauschte er sich noch wenige Tage vor seinem Selbstmord an dem narzißtischen Wahn, auch er und die Seinen schenkten der Nachwelt Stoff für große Filme. Kurz vor dem eigenen Untergang hat er in Kolberg den Geist der Königin Luise angerufen, deren großes Leben auch erst mit dem Tod begonnen hatte. „Das Größte wird immer nur in Schmerzen geboren", erinnert der alte Nettelbeck in seiner letzten Szene die nicht von ungefähr,Maria' genannte Nichte. „Und wenn einer die Schmerzen für uns alle auf sich nimmt, dann wird er groß." „Staatspolitisch und künstlerisch besonders wertvoll, kulturell wertvoll, volkstümlich wertvoll, anerkennenswert, volksbildend und jugendwert" war der Film laut seiner Prädikate, weshalb die Alliierte Militärregierung nach dem Krieg jede Aufführung untersagte. Nicht viele werden den Film noch gesehen haben, und jene, die ihn sahen, in Gratisvorstellungen für Wehrmacht und Volkssturm, gaben sich keiner Täuschung hin: „So wollen sie uns schmackhaft machen, daß wir hier verheizt werden!"24 Wie ein blutleeres Gespenst war die Königin vor Kolbergs Publikum erschienen - wie glich sie dem Reich, das sie verkörperte.

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Erinnerung und ihre Kehrseite, das Vergessen, sind grundlegende menschliche Leistungen und Bedürfnisse. Die Entwicklung von Gruppen und Gesellschaften ist wie die von Individuen an das Vermögen der Erinnerung gebunden; die gemeinsame Vergegenwärtigung einer gemeinsamen oder vermeintlich gemeinsamen Vergangenheit ist ein Fundament jeder politischen Gemeinschaft. Geschichte ist ein wichtiges Mittel, sich seiner Herkunft und Zugehörigkeit bewußt zu werden, seiner individuellen wie kollektiven Identität. Geschichte aber ist auch Macht, denn wer die Kraft hat, Geschichte festzulegen und Erinnerung zu strukturieren, indem er seine Sicht auf das Gewesene durchsetzt, der besitzt ein Instrument zur Legitimation in der Gegenwart wie zur Orientierung in die Zukunft. Geschichtspolitik ist ein Mittel der Gestaltung und Mobilisierung, weshalb der Streit um die Deutung der Vergangenheit, der Kampf um die Erinnerung, oft ein Ringen um Herrschaft und politische Konzepte ist. Ermöglicht durch die Entwicklung der Massenmedien im 19. Jahrhundert, wurde die Geschichte zu einem Schlachtfeld um die Gegenwart. Konkurrierende Ideologien, die im Zuge von Nationalisierung und Industrialisierung entstanden, machten Kämpfe um Weltanschauungen auch zu Kämpfen um Geschichtsbilder und deren Durchsetzung in der Gesellschaft. Geschichte, die zu Mythen gerinnt, dient besonders dem, der vergessen muß und gleichzeitig Gemeinschaft stiften will, denn Mythen überbrücken Brüche in der Vergangenheit, tilgen Widersprüche und wenden historische wie gegenwärtige Verhältnisse um in gewachsene, gleichsam organische Zustände. Kräfte, Gruppen und Parteien, die Bestehendes verändern wollen, attackieren darum auch die Mythen ihrer Gegner in der Gegenwart. Luisenkult und Hohenzollernkult untermauerten Nationalismus und Machtstaat im 19. Jahrhundert und hemmten Parlamentarismus und demokratischen Fortschritt. Eine idealistische Konzeption des Reiches als über den Parteien und Klassen stehende Institution mit ebensolcher Geschichte ließ im Bunde mit der borussianischen Legende die überkommenen Machtverhältnisse versteinern, die den vollen Durchbruch der Industriegesellschaft und ihrer Klassen in die Politik verhinderte und zu unerträglichen Spannungen im Gefuge von Staat und Gesellschaft führte. Zwar ging die Industrialisierung in Siebenmeilenschritten voran, doch hielt die vaterländische

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Geschichtsschreibung am Bild einer harmonischen Bürgergesellschaft fest, behütet von der großen Mutter Königin Luise. Konservative und nationalliberale Historiker, allen voran der „Bismarck unter den redenden und schreibenden Staatsmännern", Heinrich von Treitschke, verklärten die Königin und Kaisermutter zur Reichsgründerin von sakrosankter Unberührbarkeit.2 Und doch konnte auch die Nationalheilige nicht verbergen, daß Deutschland sozial, territorial und konfessionell zersplittert war und die innere Reichsgründung erlahmte. Klüfte blieben, und je weiter diese wuchsen, desto lauter wurden die Verherrlicher der Königin Luise. Ende des 19. Jahrhunderts aber begannen Menschen, am Mythos der Nation zu zweifeln, doch wurden sie, wenn die Kritik politisch war, verfolgt und manchmal gar mit Haft bestraft - sie waren Verräter, Ketzer, Sittenlose. Das Schicksal der Königin Luise war von einem partikularstaatlichen Geschehen zu einem deutschnationalen verallgemeinert worden, damit es dem kleindeutschen Reich als Nationalgeschichte dienen konnte. Einigungsfigur jenseits von Preußen aber war Luise kaum; zu borussisch und zu protestantisch war ihre Legende. Karoline von Berg hatte bereits den unter Luises Führung siegreichen Preußen beschieden, „daß sie in der Geschichte als ein leuchtendes Beispiel den kommenden Geschlechtern hervorragen werden", und nach der Reichsgründung verstärkte sich diese Sicht.3 „Preußens Erde, Preußens Volk hegt heute die Heißgeliebte, Vielgeliebte wie einen Schatz", sprach Schloßprediger Kögel am 10. März 1876 zu der königlichen Familie, die sich im Mausoleum um den Schatz aus Stein versammelt hatte.4 Einlaß in die Riege nationaler Gralshüter aber erhielten nur wenige durch die Geschichte Ausgewiesene: Luisenverehrung, wie Mommsen sie erklärte, war ein „Vorrecht deijenigen preußischen Landestheile, welche den schwarzen Adler auch flügellahm gekannt, welche die schwere Schule des Leidens, das stolze Bewußtsein der Selbsthülfe mit durchgemacht haben".5 Kein Wort des Mitleids, so Heinrich von Treitschke, habe die deutsche Nation für das niedergeworfene Preußen gefunden, „nur Hohn und Schadenfreude".6 Und schon Luise habe am Ende ihres Lebens nicht mehr auf Hilfe von außen gehofft, schrieb Bernhard Rogge: „Das Ziel, das sie unablässig im Auge behält, ist ihr die Errettung der preußischen Nationalität."7 Erreichen sollte sie dies Ziel durch ihren Tod; die weiteren Ziele, die sie gehabt, erläuterte nach 1871 die historische Wissenschaft. Zahllose Geschichtsschreiber aber huldigten so unverblümt dem Machtstaat und der Monarchie, daß sogar jene sich empörten, die eigentlich konform gingen mit der Nation und ihrer Herrscherfamilie. Kritik an der Historiographie der kleindeutschen Schule hatte sich schon in akademischen Kreisen geregt, wo man die allzu harschen Korrekturen an der Vergangenheit im Dienst der Gegenwart beklagte. Die übertriebene Hervorhebung Preußens gegenüber den anderen Landesteilen bemängelte Herrmann Baumgarten als „politisch so unverantwortlich wie historisch falsch" und nannte sie „gefahrlich für unsere gesunde nationale Entwicklung", da sie den Nichtpreußen „Geringschätzung" vermittele. „Entstellungen der historischen Wahrheit", fürchtete Baumgarten, nährten

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nur die „antipreußischen Stimmungen", die er aus seiner Zeit als Professor in Karlsruhe und Straßburg kannte.8 Zweifel äußerte auch Max Lehmann am Preußenbild seiner Lehrer Droysen und Sybel, nachdem die Arbeit im Preußischen Staatsarchiv von 1875 bis 1888 sein Mißtrauen geweckt hatte. Enorm schien ihm die Diskrepanz zwischen der offiziellen Geschichtsschreibung und dem Quellenmaterial zu sein; er entlarvte darum später Friedrich Wilhelm III. als reaktionäre Kraft und verneinte auch die deutschnationalen Ziele Friedrichs des Großen und seiner Dynastie.9 Nichts vom nationalen Beruf der Hohenzollern wollte auch Bernhard ErdmannsdörfFer in seiner Deutschen Geschichte vom Westfälischen Frieden bis zum Regierungsantritt Friedrichs des Großen wissen, wenngleich er den preußischen Staat als den „eigentlichen positiven Pol unserer nationalpolitischen Entwicklung" betrachtete.10 Königin Luise traf indessen keinerlei Kritik. Einerseits bot ihre realpolitische Bedeutungslosigkeit kaum Angriffsfläche, andererseits rührte niemand gern am Bilde einer Heiligen, als welche Luise nach der Reichsgründung stärker verehrt wurde denn je. Die Geisteswissenschaft machte dabei keinen Hehl daraus, daß Luise zum Mythos geworden war und ihr Andenken zum Kult. Einen Gegenstand „poetischer Verklärung" und eines „nationalen Kultus" nannte Otto Hintze die Königin, daß jedoch auch er an beidem kräftig wirkte, wurde keineswegs als anstößig empfunden, war „der Schleier der Dichtung, der diese edle Gestalt umgab", doch „von der Hand der Wahrheit gewebt".11 Entmythisierung des Luisenmythos hatte sich die vaterländische Historiographie auf die Fahne geschrieben, zum Zweck der Remythisierung des Luisenlebens und seiner Bestandteile.12 Kritischste Herangehensweisen reklamierten ausgerechnet diejenigen für sich, die am skrupellosesten vorgingen bei ihrer Idealisierungsarbeit. Eylert etwa fand seine Sprache „von jeder gehaltlosen Schmeichelei durchaus entfernt"13, und Peter Thiel entblödete sich nicht, seine dem Schwachsinn nahe Luisenbiographie als so realistisch zu bezeichnen, daß einer „der höchsten preußischen Schulbeamten in seinem sehr wohlwollenden Urteile über dieses Werk auch das ernste Bedenken geäußert" habe, daß durch eine solch „lebenswahre Schilderung das im Volksgeiste lebende Idealbild der Königin Luise verletzt werden könnte".14 Idealität und Sinn der Königin standen offiziell nicht zur Debatte, anders verhielt es sich mit ihren Anwendungen auf die Gegenwart. Huldigte Treitschke noch der Königin im Dienst von Monarchie und Machterhalt, so verweigerte Kollege Mommsen allzu eindeutige Aussagen über die eigene Zeit: „Wir werden uns erinnern, daß die Ausfuhrung des Satzes ,wie die Mutter, so der Sohn' sich nicht mit der Stelle, an der ich spreche, nicht mit den guten Traditionen unserer Körperschaft verträgt. Wir feiern unsere Todten mit strenger Auswahl und den Lebenden ins Gesicht zu loben ist nicht Herkommen der Akademie. Wir haben uns glücklicher Weise frei gehalten von jener gleißnerischen Form der obligaten Redeacte, in denen die nothwendige Höflichkeit und die aufrichtige Verehrung unter dem Firniß der alles zudeckenden Phrase in einander verschwimmen."15 Klischees aber schimmerten auch durch Momm-

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sens Text, war doch der Mythos von der Schönsten, Besten, Traurigsten auch in das Bewußtsein kritischer Historiker eingedrungen und lenkte wiederum den Blick auf die Geschichte. Die Königin war zum variablen Werkzeug geworden - und damit auch zum Mittel der Kritik an den Konzepten ihrer Profiteure. Einhundert Jahre nach der Geburt der Kaisermutter, inmitten des .Kulturkampfs' zwischen Bismarck und dem Katholizismus um den Einfluß der Kirche, nannte die katholische Zeitung Germania den 10. März ein Fest auch für die „ungeliebten, kaum geduldeten Stiefkinder im preußischen Hause". Eine „andauernde, bittere, systematische Verfolgung der heiligsten Interessen" habe zwar jede Begeisterung für das Reich gen Null gebracht, „dennoch können und wollen wir mit warmem Herzen den Tag einer Königin feiern, welche auch vom allgemeinen menschlichen Standpuncte aus erhaben und verehrungswürdig dasteht". Königin Luise und das Zentrum, die Partei des politischen Katholizismus, erinnerten auf der Titelseite daran, daß die Zukunft des Reiches nicht auf Bismarck ruhte, sondern bei Gott, hielt doch schon die Kaisermutter, „die in seltener Reinheit" das „gute Princip" verkörpert hatte, „in den Tagen des grausamsten Unglücks und der anscheinenden Hoffnungslosigkeit unentwegt an dem Satze fest, [...] daß nicht Menschenwerk und Menschenkunst, sondern die göttliche Vorsehung die Geschicke der Menschen lenkt". Eine protestantische Königin entpuppte sich als Vorkämpferin für die katholische Sache; und da der preußische Kult sie ohnehin schon über Politik und Parteienstreit gehoben hatte, vergaß der Katholizismus auch die konfessionellen Unterschiede. Luise nachzufolgen hieß, ihr spirituell zu folgen, wobei es nicht „schwer fallen dürfte, zu entscheiden, welche Partei in Preußen diese Grundsätze der hochseligen Königin aufrecht erhalten hat". Das Zentrum glich der seherischen Königin, die gleichfalls unter Blinden dagestanden hatte: „Königin Luise zeichnete sich auch aus durch Schärfe und Festigkeit ihres Urtheils in politischen Angelegenheiten, f...] Ihre politischen Grundsätze sind so klar, so entschieden und so richtig, daß die preußischen Staatsmänner aller Zeiten - und besonders der Jetztzeit - von ihr lernen sollten, was das Fundament einer segensvollen Staatskunst ist."16 Einigen Luisenverehrern ging die Idealisierung aber doch zu weit; so hatte Sophie von Schwerin schon die Verklärung der Königin getadelt, deutlichere Worte las man später bei Fontane: „Mehr als von der Verleumdung ihrer Feinde hat sie von der Phrasenhaftigkeit ihrer Verherrlicher zu leiden gehabt."17 Kopfschüttelnd hatte der Schriftsteller schon die Himmelfahrt Luises von Schadows Hand betrachtet, eine berühmte Aquatinta nach Johann Jakob Kirchhoff aus der Zeit um 1819 aber, die Blüchers Ankunft im Elysium zeigte, nannte er „die Krone der Geschmacklosigkeit". Königin Luise und der Alte Fritz empfingen dort den Marschall Vorwärts in der preußischen Heldenriege. „O Himmel, da hing die Loyalität, und vor allem der Patriotismus in ganzen Schubkarren-Ladungen an der Wand. Da breitete die Königin Luise ihren Reifrock segnend über alle Hohenzollern aus, da drohte der alte Fritz mit dem Krückstock."18

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Das Zerrbild der historischen Luise stieß auch bei einer Hohenzollernfiirstin auf Kritik. Einige Jahre nach der Reichsgründung beklagte die aus England stammende Kronprinzessin Viktoria die kultische Verehrung der zu Lebzeiten „leichtsinnig, coquette und vergnügungssüchtig" gescholtenen Luise. Enttäuscht, ja verbittert mußte sie feststellen, daß eine angeheiratete Frau im Hohenzollernhaus nur dann auf die Liebe und Loyalität des preußischen Volkes zählen konnte, wenn sie deutsch, protestantisch und hübsch war, aus kleineren Verhältnissen stammte, freundlich lächelte und nie etwas sagte.19 Zwar korrigierte die Kaiserin Friedrich im Alter ihre Sicht auf Luise, doch blieb sie bei ihrer Ablehnung der Legende: „Die legendarische Heilige war sie nicht, aber nach allem, was ich über sie ermitteln konnte, eine sehr vortreffliche, eine überaus liebenswürdige, edle und reine Frau. Man dürfte sie genau historisch schildern, sie würde dadurch nur gewinnen." Eine „Hohenzollern-Geschichtsschreibung" aber, wie sie dem Kaiserhaus zu Füßen gelegt werde, erreiche nur das Gegenteil: „Es ist Schuld solcher Schriften, wenn das Wort Hohenzollern einem ein Greuel wird!"20 Wie die Übertreibungen der schreibenden Traditionserfinder wurden auch die der bildenden beanstandet, erfuhr doch mancher Künstler, der sich allzu unverhohlen in den Dienst des nationalen Mythos gestellt hatte, selbst von offizieller Seite Ablehnung, mitunter gar von Angehörigen der Hohenzollernfamilie. Anton von Werner mit seinem Gemälde zum 19. Juli 1870 und Ferdinand Keller mit seinem Bild zur Apotheose Wilhelms I., Hermann Wislicenus in der Goslarer Kaiserpfalz und Erdmann Encke mit seinen Entwürfen für die Grablegen des Kaiserpaares, sie alle waren auf ihre Weise über das Ziel hinausgeschossen und hatten den propagandistischen Wert ihrer Werke über den Kunstwert gestellt, über die Bedürfnisse der Auftraggeber oder die Wünsche der Modelle. Etwas Anmaßendes oder Bevormundendes, Unzeitgemäßes oder Übertriebenes empfanden schon die Zeitgenossen in Betrachtung jener Werke, deren Protz und Pathos offenbarten, was es zu verbergen galt: Klüfte und Brüche in Vergangenheit und Gegenwart. Auf der Schwelle zum 19. Jahrhundert war die bürgerliche und nationalistische Mythisierung der Königin mit gesellschaftlichem Fortschritt und Wandel auf nichtrevolutionärem Wege assoziiert gewesen, doch wurde der Luisenmythos im Lauf der Zeit mit konservativen Werten verknüpft und geriet nach 1871 zum Inbegriff der Bewahrung überkommener Herrschaftsstrukturen in Reich und Staat. Ende des 19. Jahrhunderts besaß der Mythos damit eine entgegengesetzte Funktion als zu seiner Entstehungszeit. Kritik am offiziellen Geschichtsbild wuchs zu dieser Zeit bei jenen, denen das Reich vor allem seine Schattenseite zeigte. Anhänglichkeit ans Herrscherhaus wurde den von Besitz, Bildung und vollwertigen politischen Rechten Ausgeschlossenen als Ausgleich angeboten, doch konnten weder die Hohenzollern noch die Legenden ihrer nationalen und sozialen Mission jene wachsende Schicht von Arbeitern erbauen, die seit der Mitte des Jahrhunderts unter erbärmlichen Verhältnissen arbeiten und leben mußte. Die Wortführer der Arbeiterklasse hatten früh erkannt, wie sehr die

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Mythen der Vergangenheit zum Erhalt der erstarrten Gegenwart beitrugen; die „Desillusionierung über die Hohenzollernmonarchie und die Brechung ihres Kultes" wurde darum zur „wichtigen Voraussetzung für die Einbeziehung der Massen in den demokratischen Kampf".21 Karl Marx und Friedrich Engels hatten bereits Kritik an der Geschichtsschreibung für die Hohenzollern geübt; ersterer bezeichnete Leopold von Ranke als „einen geborenen Kammerdiener der Geschichte", letzterer nannte „die Auflösung der monarchisch-patriotischen Legenden" einen der „wirksamsten Hebel" zur „Beseitigung der die Klassenherrschaft deckenden Monarchie".22 Entschlossen hatte sich Franz Mehring darum der Demontage nationaler Mythen zugewandt, indem er das Rezept, „alles Schlechte zu verheimlichen, das die Hohenzollern getan haben, und ihnen alle möglichen Großtaten nachzurühmen, die sie nie vollbracht haben", aufdeckte und historisch belegte.23 Eine „unermeßliche Gnadenwirkung", so der Geschichtsschreiber der deutschen Sozialdemokratie, habe man „der preußischen Krone angedichtet, mit einer Fixigkeit und Unbedenklichkeit, die den knechtseligen Theologen des siebzehnten und achtzehnten Jahrhunderts noch im Grabe ein Gefühl von Scham darüber einflößen könnte, was fiir armselige Stümper sie doch gewesen sind, verglichen mit den heutigen patriotischen Historikern".24 „Die dümmste und unehrlichste Methode, Geschichte zu treiben, ist die, das Bestehende zu rechtfertigen", schrieb Kurt Eisner 1907 gegen die „Treitschke'sche Preußennarretei" und die „Ranke'sche Hohenzollerntheologie" - wobei er selbst Geschichte trieb, um das Bestehende zu ändern, zumal er sein Buch über Das Ende des Reichs im Auftrag der sozialdemokratischen Partei verfaßt hatte.25 Die Geschichtsschreiber der Arbeiterklasse kannten auch für Königin Luise keine Gnade. Ein Jahr nachdem Max Maurenbrecher in seiner Hohenzollernlegende den Mythos der Königin als Haupt der preußischen Reformpartei angegriffen hatte26, widmete sich Eisner einer neueren Betrachtung des Luisenmartyriums, bei ihm die „höfische Possenszene" von Tilsit.27 König Friedrich Wilhelm habe einst das „gällende Gelächter" der Franzosen über sich ergehen lassen, um sein „Gottesgnadentum zu retten, und wenn er sich die Stücke der zerbrochenen Krone im Kot zusammensuchen mußte". Einzig zu diesem Behufe sei auch Luise in Tilsit erschienen, wo sie, „durch die zahllosen Würdigungen für ihre Weiblichkeit ihre Wirkung überschätzend", eine einstudierte „Romanrolle" zum Besten gegeben, dem „harten Gläubiger für ihren bankrotten Gemahl" aber keine günstigeren Bedingungen abzuschmeicheln vermocht habe. „Der Mann, der seine Frau schickt - nichts weiter als dieser im bürgerlichen Leben sich so unzählige Male ereignende Geschäftskniffwar die Hauptund Staatsaktion in Tilsit." Ein Opfergang, so Eisner, sei der Weg zu Napoleon nie gewesen, im Gegenteil, gefallen habe sich die Königin in ihrer „Heldenrolle".28 Zweifel äußerte Franz Mehring in seinem 1906 erschienen Buch Jena und Tilsit auch an Luises Tugendhaftigkeit. Einige „urteilsfähige Personen" wie Alexander von Humboldt oder Stein hätten die Königin als „äußerst selbstsüchtig, verschlagen und versteckt" bezeichnet und ihre Eignung als Regentin wie als Mutter in Frage gestellt;

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zudem habe sie im größten Elend das Vaterland verraten, als sie gemeinsam mit dem „verächtlichsten Junkerpack" die Entlassung des Reformers Stein betrieb, nur um eine Lustfahrt nach Sankt Petersburg zu unternehmen, wofür Geld ausgegeben wurde, das anderweitig fehlte. Und schließlich, so Mehring, war es „natürlich auch byzantinischer Schwindel, daß die Königin Luise an gebrochenem Herzen gestorben sein soll, am patriotischen Kummer über die fremde Tyrannei. Sie starb an einem körperlichen Leiden, wieder auf einer Vergnügungsfahrt, die sie in heiterster Stimmung angetreten hatte."29 Einfach nur blasphemisch mußten solche Sätze einer Zeit anmuten, die zu wissen glaubte, daß die Königin Luise ihren Schmuck wie Leib dem Vaterland geopfert hatte und ihre berühmten Perlen nur deshalb zurückhielt, weil sie ihr jene Tränen bedeuteten, deren sie so viele vergossen hatte.30 Einen „nationalen Schatz" hatte man diese Tränen genannt, was die Leipziger Volkszeitung zu der Bemerkung reizte, daß „der sehr unwirkliche .nationale Schatz' dieser Tränen nicht dafür entschädigen" könne, „daß die gefeierte Landesmutter einen sehr wirklichen .nationalen Schatz' anzugreifen sich nicht scheute, nämlich öffentliche Gelder".31 Kulminiert war die Kritik an der Königin in einem Artikel, der 1885 im Züricher Sozialdemokrat erschien und jeden Deutschen ins Zuchthaus gebracht hätte.32 Anlaß jener Schmähschrift war die Wahl des preußischen Prinzen Albrecht zum Regenten von Braunschweig, wobei der Umstand, daß der Prinz als Sohn seines gleichnamigen Vaters ein Enkel der Königin Luise war, dem Blatt Gelegenheit bot zum Schlag gegen die preußische Nationalheilige: „Kein Tröpfchen Hohenzollerisches Blut", so hieß es, fließe in Albrechts Adern, wie schon sein verschwenderischer Vater „schwarzhäutig wie ein Zigeuner" gewesen sei und keinerlei Gemeinsamkeit mit seinen Geschwistern besessen habe. „Ältere Berliner haben eine auffallende Ähnlichkeit zwischen ihm und dem als Reiter berühmten Kürassier-Leutnant Grafen Schmettau beobachtet, der ein Sohn war des Adjutanten der von den Geschichtsschreibern als .engelschön' geschilderten Königin Luise. Diese gute Luise tröstete sich über den Verlust des bei Saalfeld gefallenen Schwagers Louis Ferdinand von Preußen mit dem schönen brünetten Grafen Schmettau auf Brauersdorf in Schlesien. Daher die Ähnlichkeit ihres 1809 geborenen jüngsten Sohnes Albrecht mit dem Grafen Schmettau leicht erklärlich ist." Keineswegs aber blieb es bei dem später auch von Mehring wiederholten Vorwurf der ehelichen Untreue: „Sehr schlau und verschlagen" sei Luise gewesen, dabei „putzsüchtig und namentlich wie alle mecklenburgischen Prinzessinnen äußerst vergnügungssüchtig und zu Liebschaften geneigt". Kronzeugin war dem Blatt die Gräfin Voß, die in ihrem Tagebuch berichte, wie Luise mit ihrem „stupiden, langweiligen Gatten, dem späteren Friedrich Wilhelm III., täglich Bälle, Theater und Konzerte" besucht habe, während der Schwiegervater mit dem Tode kämpfte. „Dies zeugt zum mindesten von großer Gemütsroheit." Eine von deutschen Arbeitern vielgelesene Zeitschrift habe die Königin unlängst als „echt deutsche Frau" bezeichnet, entsetzte sich der Sozialdemokrat. „Die deutschen Frauen haben alle Ursache, diesen Vergleich

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mit höflichstem Dank abzulehnen." Öl gössen die Schweizer damit in das Feuer des Bismarckschen Kampfes gegen die Sozialdemokratie. Entrüstet wie die bürgerliche Öffentlichkeit reagierte auch die konservative und nationalliberale Politik; und als am 19. Februar 1886 im Reichstag über die Verlängerung des Sozialistengesetzes beraten wurde, zog der Staatsminister und Minister des Inneren, Robert von Puttkamer, während seiner Rede den Züricher Sozialdemokrat hervor und sagte mit Blick auf den von Pfui-Rufen überschütteten August Bebel: „Dieses Blatt befleißigt sich, [...] alle die edlen Gefühle, die doch, Gott sei Dank, in der deutschen Nation noch überwiegend sind, in einer Weise zu verhöhnen, die geradezu unbeschreiblich ist. Meine Herren, ich kann den Artikel und die Äußerung, die ich hier im Auge habe, nicht vorlesen; aber ich will eine Skizze davon geben oder nur daran erinnern, daß dieses Parteiblatt des Herrn Abgeordneten Bebel sich nicht entblödet hat, noch in den letzten Monaten die Königin Luise von Preußen, meine Herren, den guten Genius der preußischen Nation, in einer Weise mit Kot zu bewerfen, die jeder Beschreibung spottet und auch jede Andeutung des Inhalts für jeden gesitteten Menschen unmöglich macht."33 Zwei Jahrzehnte später wurden auch die Attacken der Leipziger Volkszeitung mi die Mythen der Nation im Reichstag debattiert; die von Franz Mehring geleitete Zeitung hatte viele seiner Studien vorab veröffentlicht und auch die Königin Luise nicht geschont, was den konservativen Abgeordneten Kreth am 23. April 1907 vor dem hohen Haus in Rage brachte: „Eine Zeitung, die .Leipziger Volkszeitung', von der man auf diesem Gebiete gar manches liest, hat es über sich gebracht, die Königin Luise, die eine Heilige für jeden ehrlichen, aufrichtigen Preußen ist, als eine höchst intrigante Person zu bezeichnen, die ,vor wie nach Jena die Interessen des preußischen Staates aufs schwerste geschädigt habe und an allem anderen eher gestorben sei als - wie bis zur Bewußtlosigkeit gelogen worden ist - am Gram über das zertretene Vaterland'. Ich erkläre es vor diesem hohen Hause als eine Infamie, von dieser edlen Königin Preußens derartige Redensarten zu gebrauchen." Kreth forderte neue Gesetze gegen Vaterlandsverräter sowie die namentliche Nennung aller Abgeordneten, die dagegen waren, in der Presse. „Es wird sich dabei herausstellen, daß diese Herren meistens mit uns eine Rassengemeinschaft nicht haben." Die Leipziger Volkszeitung retournierte umgehend, dankte für die „Züchtigung" und druckte am 24. April 1907 Mehrings Auslassungen über die Königin Luise in voller Länge. Die Königsberger Volkszeitung ging im selben Jahr dann aber doch zu weit. Die Enthüllung des pompösen Nationaldenkmals in Memel, das an das dortige Exil des preußischen Königspaars erinnerte, hatte das Blatt am 21. September 1907 zu einem Artikel über die „Schandsäule von Memel" gereizt, in dem es Luises Wesen, Leben und Sterben in Mehrings Sinne nacherzählte.34 Ein Gericht verurteilte daraufhin den Verfasser, einen Mann namens Marckwald, zu fünfzehn Monaten Haft. Zwei Jahre später veranlaßten diese Vorkommnisse einen Verehrer der Königin Luise zur Veröffentlichung eines Buches mit dem Titel Königin Luise von Preußen und die deutsche Sozialdemokratie. Zeit ihres Lebens wie danach habe die Landesmutter

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über „Verleumdung" und „Parteihaß" gestanden und daher „keiner Verteidigung" bedurft, schrieb Friedrich Arnold unter Berufung auf Treitschke, die „Maßlosigkeit der sozialdemokratischen Angriffe" aber zwinge ihn zu seiner Niederschrift. „Der Partei des Umsturzes, der Sozialdemokratie, blieb der unwürdige Versuch aufgespart, auch diese leuchtendste Frauenerscheinung der preußischen Geschichte von ihrem Altar in den Herzen des Volkes herabstürzen zu wollen und in den Staub der Gasse zu ziehen" - von dem Luise jetzt gesäubert werden mußte.35 En détail widmete sich Arnold den Attacken gegen die Königin und widerlegte oder relativierte sie Schritt fur Schritt. Einerseits zog er dafür die historischen Quellen heran, andererseits diffamierte er nicht nur die Sozialdemokratie nach Kräften, auch mit antisemitischen Ressentiments, sondern diskreditierte auch manchen Zeitgenossen der Königin, der gegen sie gesprochen hatte. Stein, Humboldt, Varnhagen von Ense und andere, so hieß es, seien von ihren perfiden Deutern entweder falsch zitiert worden oder wurden, wo dieser Nachweis fehlte, von Arnold selbst als Schwätzer abgetan, die niedere Beweggründe umgetrieben hätten: Neid, Eifersucht und Engstirnigkeit. Die Logik, mit welcher Arnold sein Werk dem Mythos, der Monarchie und der Nation untergeordnet hatte, war so stupend wie konsequent. Eine Unberührbare sah er als berührt an und stöberte als Verteidiger eines Lebens, das keiner Verteidigung bedurfte, in den historischen Akten, um am Schluß seiner Suche, bei der er Wahrheit in Hülle und Fülle gefunden zu haben glaubte, nicht nur zu erklären, daß die Sage schöner und besser sei als die schöne und gute Wahrheit, sondern auch, daß man stolz auf die Legende blicken müsse, stolzer noch als auf die wirkliche Geschichte. Kein geringerer sollte dafür sprechen als der große Goethe: „Bisher glaubte die Welt an den Heldensinn einer Lukretia, eines Mucius Scävola, und ließ sich dadurch erwärmen und begeistern. Jetzt aber kommt die historische Kritik und sagt, daß jene Menschen nie gelebt haben, sondern als Fiktionen und Fabeln anzusehen sind, die der große Sinn der Römer erdichtete. Was wollen wir aber mit einer so ärmlichen Wahrheit! Und wenn die Römer groß genug waren, so etwas zu erdichten, so sollten wir wenigstens groß genug sein, daran zu glauben." Ebenso wie moderne Historiker vergangene Helden vom Sockel stießen, klagte der Dichter weiter, werde nun auch manch „großes vaterländisches Faktum gelähmt und zernichtet, und es wird einem ganz abscheulich zu Mute".36 Enden sollte Arnolds Werk mit der Anrufung der himmlischen Luise, die „einst die Rächer von Jena und Tilsit zur befreienden Tat gegen den fremden Eroberer aufgerufen" habe und darum „auch im Kampfe gegen den inneren Feind" den Sieg erringen helfe, gegen die „vaterlandsfeindliche Sozialdemokratie".

42 Luise in West und Ost „Sie sollen nicht weinen, sie sollen lernen." Ruth Leuwerik 1957

Ein Scherbenhaufen wie Preußen war auch der Kult um Königin Luise nach der Hitlerzeit. Zwar besaß ihre Gestalt nichts Hassenswertes, doch war sie zu sehr mit ihrer monströsen Nutzungsgeschichte verbunden, als daß man sich auch weiterhin an ihr erfreuen konnte. Einer der ersten Filme aber, der sich nach zwölfjähriger Pause wieder der preußischen Geschichte zuwandte, widmete sich ihrer Figur - mit zeitgemäßer Botschaft: Das Volk solle lernen, mahnte die sterbende Luise in Gestalt der Ruth Leuwerik das deutsche Kinopublikum der fünfziger Jahre, denn Regisseur Wolfgang Liebeneiner, unter Goebbels schon in der Inszenierung der preußischen Vergangenheit bewährt, hatte das bekannte Ende der Geschichte zugunsten einer Botschaft an die neue Zeit vergessen, die leidvoll erfahren hatte, wohin der Krieg die Menschen fuhrt, und die vom Nationalismus nichts mehr wissen wollte. Aufs neue schlug die Stunde der Wahrheit am Totenbett; nun aber, bevor sich Luise ihrem Grabbild annäherte, gab sie sich zur Pazifistin geläutert, ließ der Regisseur die Heldin doch auch deshalb sterben, weil sie so leidenschaftlich für den Krieg gesprochen hatte. Zwar sparte sich der Film den „knarrenden Protz der preußischen Legende", doch hatte er mit seiner „Gutartigkeit gegen jedermann nichts anderes dafür zu bieten", wie der Tagesspiegel bemängelte.1 Eine umgedrehte Königin war wenig glaubhaft und der Film zudem so kitschig und klischeebeladen, daß die Wiedererweckung der Monarchin auch kommerziell enttäuschte. Königin Luise war im Wirtschaftswunderdeutschland fehl am Platz. Die Freude am nationalistischen Personenkult hatte sich mit den Erfahrungen des Dritten Reiches weitgehend erledigt, und so verzichtete man im Wissen um die einstigen Auswüchse des Luisenkultes bis in die achtziger Jahre des 20. Jahrhunderts aufjede besondere Würdigung der historischen Gestalt. Ein „notwendiges Nachwort" wurde 1981 der Neuauflage des berühmten Kinderbuches von Röchling, Knötel und Friedrich angefügt, in dem man die Verehrung jener Frau mit Argwohn betrachtete; übergangen wurde Luise auch in vielen Büchern und Ausstellungen zur preußischen Geschichte. Die verbliebenen Freunde der Königin kämpften vor diesem Hintergrund um ihr Idol; so rügte ihr Biograph Heinrich Hartmann 1988 die mangelnde Ehrfurcht vor Luise, die „gerade heutzutage" unter „vermehrter übler Nachrede" zu leiden habe. Kaum einer unter den Zeitungsschreibern, die ihres zweihundertsten Geburtstages im März 1976 gedachten, hätte „die Wahrheit" gesucht und ihr „ein bleibendes Denkmal" gesetzt. „Die übrigen entledigten sich dieses Termins dadurch, ihr Andenken zeitgeistmäßig in eine nationale Legende einzubetten, um sich damit zugleich von einer natio-

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nalistischen Geschichtsschreibung zu distanzieren und sich neuzeitlich zu beweisen. [...] Dennoch gelang solchen Skribenten eines nicht: die Verehrung auszulöschen, die dieser Frau auf königlichem Thron uneingeschränkt entgegengebracht worden ist, und das Andenken an sie verblassen zu lassen. Mag es auch gelten, zeitgeschichtliches Denken zu entmythologisieren, so bedeutet eine solche Denkweise doch nicht, Abstand zu nehmen von ehrfurchtsvoller Verehrung fiir jemand, dem solche Verehrung gebührt."2 Eine Demontage der geliebten Königin fand auch Hartmut Boockmann unangemessen, als er die Einleitung zu Malve Gräfin Rothkirchs Edition der Luisenbriefe von 1985 verfaßte. Zwar offenbarte manche Hinterlassenschaft auch Schwächen, Korrekturen am Bild der Einigungsfigur jedoch waren „trivial", und auch ein kritischer Blick auf die Legendenmacher kam fiir den Historiker nicht in Frage: „Sich heute gegen Sätze wie die von Otto Hintze zu wenden, wäre überflüssig, billig und überdies auch deshalb unangebracht, weil ja nicht abzusehen ist, wie sich in einem dreiviertel Jahrhundert die Reden der Historiker ausnehmen werden, die sich heute anläßlich von Gedenktagen in der öffentlichen sinnstiftenden Rede versuchen."3 Das sozialistische Deutschland dämonisierte anfangs alles, was an Preußen erinnerte; lange aber konnte man sich dem Charme der preußischen Idealgestalten nicht entziehen, zu zahlreich waren in der DDR die sichtbaren Zeichen der Vergangenheit. Das Feindbild jedoch, das es zu erhalten galt, wurde zunehmend auf die Rezipienten der preußischen Geschichte projiziert, und im übrigen handhabte man die preußische Vergangenheit, wie man dies auch mit der deutschen tat: im Osten das Gute, im Westen das Schlechte. Schlecht an Preußen waren vor allem die Legenden seiner Monarchie. Eben diese aber, so hieß es in einer 1980 erschienenen Biographie Friedrichs des Großen, „feiern heute in der BRD fröhliche Urständ"; und solange dort Preußen für den „allgemein zu beobachtenden Rechtsruck" aufbereitet werde, dürfe es auch in der DDR nicht zur Vergangenheit gehören, sondern müsse neu betrachtet werden im Hinblick auf „die Aufgaben der Gegenwart".4 Der westdeutsche „Kult um die sogenannten Großen der alten Welt und ihrer Nachkommenschaft", wie Heinz Käthe 1973 erkannte, „dient der ideologischen Manipulation der Menschen im Interesse des Imperialismus. Reaktionäre Historiker verknüpfen die erstrebte Annexion der Deutschen Demokratischen Republik mit der Wiederherstellung des preußischen Staates."5 Und in der Tat erklärte Heinrich Hartmann ein Jahr vor dem Mauerfall das Andenken der Königin als Weg zum deutschen Glück: „Ihre nach dem Tilsiter Frieden niedergeschriebenen Worte ,Ist doch alles in der Welt nur Ubergang! Wir müssen durch. Sorgen wir nur dafür, daß wir mit jedem Tage reifer und besser werden!' sind auch eine vorausschauende Mahnung für uns alle heutzutage auf dem Wege zu einem wiedervereinten Deutschland. Schließlich muß es das Anliegen einer jeden Zeit sein, sich der Wirkkräfte früherer Epochen nicht nur zu erinnern, sondern diese nutzbar zu machen fiir die Aufgaben der Gegenwart und der Zukunft."6 Das wiedervereinte Deutschland kam und mit ihm die Suche nach neuer Identität. Das gute Preußen trat ein manches Mal an die Stelle des bösen Sozialismus, zumal

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gerade in der ehemaligen DDR die Luisenverehrung .fröhliche Urständ' feierte. Karl Gass, der ,Nestor des DDR-Dokumentarfilms', schrieb sich seine Wut darüber 1999 von der Seele: „Wer an einem .Luisenplatz' oder in einer .Luisen-Straße' wohnt, wer eine .Luisen-Schule' oder ein .Luisen-Institut' besucht, wer einem ,Luisen-Verein' oder einem .Luisen-Regiment' angehört, wer Luisen-Reden oder Luisen-Predigten hört, der sollte wissen, daß es nicht den geringsten Anlaß gibt, auch nur einen schäbigen Dorfplatz nach dieser angeblich so mütterlichen .Märtyrerin' zu benennen." 7 Das Ende des Zweiten Weltkriegs hatte eine Zäsur im Luisenkult markiert. Die Königin wurde aus Schulplänen und Geschichtsbüchern verbannt; wichtige Wallfahrtsorte ihres Kults verschwanden; das Schloß zu Hohenzieritz und das Landhaus zu Paretz wurden verstümmelt, verschandelt und von Plattenbauten verstellt, doch wendete sich mit dem Ende der DDR das Blatt. Erhaltenes wurde renoviert, Geschichtsvereine leisteten ganze Arbeit. Das Landhaus in Paretz, in der DDR erst eine .Bauernhochschule', dann der ,VEB Tierzucht', wurde zu alter Gestalt zurückgebaut, während Luises Sterbezimmer in Hohenzieritz, wo - wie in Paretz - kaum Historisches erhalten war, mit weiteren Räumen zur Luisengedenkstätte geriet, die schon wenige Monate nach ihrer Eröffnung im Januar 2001 den zehntausendsten Besucher zählte. Ein Mann schildert dort die letzten Stunden der Königin, als ob er dabei gewesen wäre. Und Luise, so hat man sich im Schloß geeinigt, heißt fortan, von Verklärung umduftet, nur noch .Louise'. Königin Luise ist noch immer ideal, konsensträchtig und immun wie keine zweite preußische Figur - sie ist nicht das militaristische Preußen des Soldatenkönigs, nicht das kriegerische, zynische und antideutsche Preußen des Alten Fritz, nicht das verschwenderische und sittenlose Preußen des dicken Lüderjahn, nicht das reaktionäre Preußen Friedrich Wilhelms III. und Friedrich Wilhelms IV., nicht das imperialistische Preußen der Hohenzollernkaiser, nicht „die Wurzel allen Übels", wie Winston Churchill Preußen einst genannt hat, sie ist das geschichtslose und unschuldige, das schöne und sentimentale Preußen, das Preußen der Kunst, des Mythos und der Melancholie, abgehoben von jeder historischen Gestalt, entzogen dem Zweifel und der Zwiespältigkeit. Ein neues Bedürfnis nach deutscher Geschichte, so lange von der Nazizeit verdunkelt, hat die schöne Luise im Triumphzug wiederentdeckt, war diese doch eine Heldin, die so vorbehaltlos geliebt werden durfte wie kaum eine zweite deutsche Herrschergestalt. Neustrelitz und Bad Pyrmont standen im .Preußenjahr' 2001 im Zeichen ihrer von Marketing-Agenturen betreuten Figur; Luisenreisen und ein Luisenmusical, Luisenwochenenden in Luisenhotels, Luisengeschenkartikel, eine Luisenmodenschau und ein Luisenmenü komplettierten das Spektakel (Abb. 83). Alle Frauen, die ,Luise' hießen, erhielten gegen Vorlage des Personalausweises im Schloß von Bad Pyrmont ermäßigten Eintritt zu einer Ausstellung, in der „noch nie in der Öffentlichkeit gezeigte Exponate" wie Täschchen und Toilettenartikel der Königin präsentiert wurden und als „Höhepunkt" der Morgenmantel, „den Luise auf ihrer Flucht vor Napoleon getragen hat".8

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Abb. 83 Königin Luise, Königin der Herzen. Eine Operette mit Musik von Johann Strauß u. a., Neustrelitz 2001

Kunst und Literatur haben die zum Mythos geronnene Geschichte verbreitet, in Anekdoten bewahrt, in Bilder gefaßt, wohlpräparierte Ausschnitte, oft pure Erfindung, und all das tausende Male wiederholt und abgewandelt, auf Sinn und Moral hin stilisiert, verselbständigt, emotionalisiert und mit eigenem Leben erfüllt; und so schafft sich jede Zeit aus Historischem und Mythischem, Ergreifendem und Abstoßendem, Schönem und Monströsem das fiir sie emotional, ideologisch und kommerziell maßgebliche Bild der Königin Luise. Entmachtet ist der Mythos heute, aber nicht zerstört, da der einzige Weg, einen Mythos zu zerstören, ihn zu vergessen ist. Und weil der Mythos nicht nur das Historische wie Unhistorische in sich trägt, sondern auch das Überhistorische, das zeitlos Gültige, bleibt die Königin das schönste Kunstwerk und ihr Leben das schönstes Drama der preußischen Geschichte.

Epilog „In dieser weihevollen Stunde, die dem Gedächtnis der unvergeßlichen Königin Luise gewidmet ist, [...] fiihlen wir unsere Herzen erschüttert von einem gedämpften Nachklang der Trauerjener Tage und von dem heiligen Ernst einer Totenfeier. Aber zugleich regt sich in uns doch auch ein freudiges und erhebendes Gefühl von Stolz und Glück in dem Bewußtsein, daß die Verklärte, der diese Feier gilt, uns angehörte in einem engeren oder weiteren Lebenskreise, und daß sie unser geblieben ist weit über Tod und Grab hinaus, daß ihr Bild und ihr Gedächtnis zu den schönsten und unverlierbarsten Schätzen unserer nationalen Erinnerung gehört. Otto Hintze 1910

Der Luisenkult war der Kult um eine tote Frau, deren Mythos alles Unstimmige aufgelöst und seine Protagonistin zur Projektionsfläche gemacht hatte. Zwar war der Mythos keine frei fabulierte, sondern eine arrangierte Geschichte, viel jedoch von dem, was Luise auf den Leib geschrieben wurde, war Erfindung, Wunschdenken oder Lüge. Die historische Luise verschwand im Schatten ihrer mythischen Lichtgestalt. Etappen und Ereignisse in Luises Leben waren Stationen ihres Mythos geworden und Züge ihres Wesens Facetten ihrer mythischen Figur und deren Ikonographie. Einfachheit wurde zu Bürgerlichkeit und Frömmigkeit zu Heiligkeit, Handlungswille wurde zu Todesverachtung und Entschiedenheit zu Opfergeist, Patriotismus wurde zu Nationalismus und Schönheit zu Tugend, verschmolzen in einer Statue. Eine Frage bleibt: die Frage nach dem Anteil der historische Luise an der Entstehung von Mythos und Kult. Ein Feuerwerk von Spiegelungen war über dem Luisengrab entzündet worden, und die Bindung des Mythos an die Monarchin war dessen Stütze für mehr als ein Jahrhundert, doch welchen Einfluß auf den Mythos hatte Luise selbst? Und hatte sie ihren Mythos nicht nur inspiriert, sondern auch intendiert? Die Briefe der Königin aus jenen Tagen, die als ihre Schmerzenszeit bekannt geworden sind, erwecken den Eindruck, als habe niemand eifriger am Mythos geschrieben als Luise selbst. Zweifelsohne stammen Sätze wie „mein Reich ist nicht von dieser Welt" oder „Opfer sind mein Leben" aus ihrer Feder, doch nur die Auswahl untermauert ihren Leidensmythos, denn Briefe aus den letzten Jahren zeigen auch und immer wieder Lebensfreude, Mut und gute Laune. Eine besondere Impul-

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sivität war der Schreiberin wohl eigen, doch spricht aus deren Traurigkeit wie Fröhlichkeit nur allzu oft die konventionelle Exaltiertheit der zeitgenössischen Empfindsamkeit. Entscheidend für die Frage nach dem willentlichen Einfluß auf den Mythos aber ist, daß die Königin nicht wissen konnte, daß man ihre Briefe postum veröffentlichen würde. Kurz nach ihrem Tod war Luise ins Rampenlicht getreten; Ende des 19. Jahrhunderts kam ihr Leben als Schauspiel auf die Bühne, Anfang des 20. auf die Leinwand und in der Weimarer Republik in die Manege des Zirkus Busch, der ihre Begegnung mit Napoleon in Tilsit nachstellte. Luise hatte selbst Talent als Schauspielerin besessen und war in Tilsit wie auf einer Bühne aufgetreten, wie Napoleon bemerkte hatte. Und wenngleich sie damit rechnen konnte, daß ihr Auftritt, seinerzeit nicht öffentlich angezeigt, bekannt werden würde, so konnte sie doch nicht ahnen, daß der 6. Juli 1807 zum Staatsmythos, zu einer Schlüsselszene in der preußischen Geschichte werden sollte. Königin Luise aber hat im Leben die Rolle und in ihren Briefen die Rhetorik des Opfers angenommen, obwohl sie sich als Opfer keineswegs empfand und in Tilsit weniger verängstigt als beeindruckt war von ihrem großen Gegner, seiner Gestalt und seinem Genie. Zwar mußte sie sich zweifelsohne zum Gang nach Tilsit überwinden, doch war ihr Wunsch zu helfen größer als der Groll über die Beleidigungen, die man ihr zugefugt hatte. Und wenn auch mit zynischem Unterton, so hatte sie doch den Willen, vor Napoleon zu treten, selbst als erste kund getan in einem Brief an ihren Ehemann wenige Tage vor der Zusammenkunft. Die Königin führte ein Leben ihrem Rang gemäß, mit Dienstboten und Schlössern, kostbarem Schmuck, teurer Garderobe und einer beständigen Schuldenlast. Eine heftige Zuneigung empfand sie für einen anderen Mann; um die Erziehung ihrer Kinder, wie manche meinten, scherte sie sich wenig; sie neigte zu leichter Entflammbarkeit wie zu Unbeständigkeit und Trägheit. Ende des 19. Jahrhunderts aber hatte sich ein Bild von der Monarchin etabliert, das sich schon zu ihren Lebzeiten entwickelt hatte und die Züge einer fürsorglichen, sparsamen und nur maßvoll begüterten Frau und Mutter trug, deren häusliches Leben fast bescheiden wirkte. Entstand aber dieses Bild, so wichtig für die Propaganda, mit Luises Absicht? König und Königin lebten im Vergleich zu anderen europäischen Fürstenfamilien am unteren Ende von Prunk und Pracht. Empfindsamkeit, romantische Naturverbundenheit, zärtliche Familienbande und übersteigerter Freundschaftskult aber waren auf der Schwelle zum 19. Jahrhundert auch Bewegungen des Adels geworden, widersprachen weder dem monarchischen noch dem absolutistischen Selbstverständnis und waren keine Trugbilder zum Zweck des Machterhalts in postrevolutionärer Zeit. Die Königin hatte stets das Bild einer glücklichen Ehefrau und Mutter abgegeben, und mußte auch Friedrich August Ludwig von der Marwitz lästern, daß „alles, was in die Welt hinein geschrieben ist von dieser so glücklichen und musterhaften Ehe, auf weiter nichts gegründet ist, als auf den bloßen äußern Schein, daß man König und Königin beständig zusammen sah", so war das Miteinander auf dem Königsthron

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doch keineswegs nur ein verabredetes Schauspiel zur Legitimation der Hohenzollernherrschaft.2 Das Bild der lebensfrohen Königin war ein historisches, das der bürgerlichen ein mythisches, entstanden durch den selektiven Blick und Rückblick. König Friedrich Wilhelm III., dessen verschwenderischer Vater einen Berg von Schulden hinterlassen hatte, wurde vor allem wegen seiner Sparsamkeit geliebt, wohingegen Luise immer wieder durch aufwendige, hochmoderne Toiletten die Aufmerksamkeit des Hofes und des diplomatischen Korps erregte. Eher noch als die Königin hätte sich der König darum seinen Bürgern zur Identifikation angeboten, doch projizierte der werbende Nationalmythos die bürgerliche Bescheidenheit auch und vor allem auf Luises weitaus reizendere Gestalt. Königin Luise aber hat die Exklusivität ihres Standes und die Impulsivität ihrer Natur nach außen hin heruntergespielt - in Tilsit. Kanzler Hardenberg hatte die bekannte Abneigung Napoleons gegenüber Frauen in der Politik bedacht und der Königin vor dem Gespräch die Rolle als Ehefrau und Mutter nahegelegt3; sie „ließ sich wie ein folgsames Kind von ihm erklären, vorsagen, was sie fordern, weshalb sie es fordern sollte" und appellierte, um jeden Eindruck einer Einmischung zu vermeiden, vor allem an Napoleons Ritterlichkeit.4 „Ich lerne Euer Majestät in einem für mich höchst peinlichen Augenblick kennen", begann sie das Gespräch in Tilsit. „Ich sollte vielleicht Bedenken tragen, zu Ihnen über die Interessen meines Landes zu sprechen. Sie haben mich einst angeklagt, mich zuviel in Politik zu mischen, obgleich ich wirklich nicht glaube, diesen Vorwurf verdient zu haben." „Seien Sie ganz überzeugt, Majestät", erwiderte Napoleon, „daß ich niemals das alles geglaubt habe, was man während unserer politischen Zwistigkeiten so indiskret verbreitet hat." „Sei dem, wie ihm wolle, ich würde es mir nie verzeihen, wenn ich diesen Augenblick nicht benutzte, freimütig mit Ihnen zu sprechen, als Gattin und als Mutter."5 Und doch gab Napoleons Frage, wie Luise es habe wagen können, mit ihm Krieg anzufangen, dem Gespräch eine andere Note. Entschlossen beharrte zwar die Königin auf ihrer unpolitischen Mutterrolle, in einem zweiten Gespräch mit dem Korsen aber gab sie das geprobte Schauspiel auf und nannte unverblümt all die Provinzen, die sie Preußen zu erhalten wünschte. Das zweideutige Kompliment Napoleons, er bedaure nun, daß sie sich nicht tatsächlich so in die Politik einmische, wie man ihm dies berichtet habe, war Luises ganze Ernte.6 Einer Zeit der wachsenden Geschlechtertrennung zugehörig, besann sich die Monarchin bereits selbst der Ambivalenz von Frauen in der Politik. Einerseits zog sie sich auf weibliche Positionen zurück, andererseits gab sie diese wieder auf, wenn es ihr nutzte, eine Taktik, deren sich auch Preußens Führung mit der Königin bediente. Der Soldatenstaat, wie man nicht zu Unrecht spottete, versteckte sich „hinter den Rockzipfeln" der tapferen Luise.7 „Eine Frau kann vieles sagen, was ein Mann nicht sagen mag und darf", schrieb die Königin im Sommer 1808 vor einem Treffen mit dem Zaren, auf welches Stein sie

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vorbereitet hatte.8 Kalckreuth und der König hatten sie zuvor nach Tilsit gebeten, Hardenberg ihre Rolle fiir Napoleon entworfen, Stein später an ihrem Bittbrief nach Paris mitgearbeitet und Eylert schließlich ihr politisches Glaubensbekenntnis' zu „dem Besten" redigiert, was Luise jemals zu Papier gebracht hatte.9 Komplexität und Verworrenheit des menschlichen Handelns sind im Mythos abgeschafft und Welten ohne Widersprüche, von glücklicher Klarheit, organisiert. Etliche Beweise hatte die Geschichtsschreibung fiir den Kampfesmut der Königin gefunden und fand doch auch, wenn nötig, etliche Beweise für Luises Häuslichkeit und Sanftmut. Einhundert Jahre waren seit ihrem Tod ins Land gegangen, und in diesen „hat es nicht an Versuchen gefehlt, die Königin zu einer Idealfigur zu stempeln", schrieb die Berliner Ulustrirte Zeitung, gab sich kritisch und empfahl Luises Briefe zur Lektüre. „Ein Bild von ihrer Persönlichkeit" trete da zutage, „das der Wirklichkeit gleichkommt"; und ausgewählte Wirklichkeiten des Luisenlebens offenbarte man der Leserschaft: „Welche bescheidenen Ansprüche an das Leben die Königin stellte, wie sie über ihren Hausstand dachte und urteilte, erfahrt man aus einem ihrer Briefe, den sie in der Unglückszeit schrieb. [...] ,Um glücklich und zufrieden zu sein' - heißt es in jenem Brief - .bedarf man nicht vieles Aeußeren: Stille, einige Schatten gebende Bäume, ein paar Blumenbeete, eine Laube reichen hin. Mein Mann und ich, wir sind uns mit den Kindern selbst genug'."10 Die bescheidene Luise aber war die ideale Luise und die vermeintliche Korrektur am verklärten Bild nichts anderes als dessen Neuverklärung für die Gegenwart. Ambivalenz, so ist geschrieben worden, sei in weiblichen Mythen die einzige Stabilität; und auch die mythische Luise - wie deren Sarkophagskulptur - blieb gültig über anderthalb Jahrhunderte, weil sie, mit der Nation als Rahmen, eine Fülle von Deutungen ermöglichte.11 Alle Gegensätzlichkeiten, die das Bild der Königin zwischen stummer Dulderin und wutentbrannter Amazone in sich trug, wurden vom Mythos ausgemerzt, da er Unvereinbarkeiten nahezu negierte. Eine fügsame Frau und Mutter sein zu wollen, hat Luise selbst in manchem Brief beteuert, doch klingen ihre Floskeln, daß nur das Glück des Ehemanns das Glück seiner Gemahlin sei, weniger wie Grundsätze als wie Ironie. Die Königin hat versucht, eine moderne Frau zu sein und das damalige Bild von einer solchen vorzustellen geglückt war ihr vor allem das letztere. Eine mediale Inszenierung der Königin durch das preußische Herrscherhaus erfolgte über Verlautbarungen in der Presse, Produkte der Porzellanmanufaktur oder Aufgaben der königlichen Akademie. Die eigene öffentliche Inszenierung aber hat Luise nur in begrenztem, ihrer monarchischen Rolle entsprechendem Maß betrieben und betreiben können und sich nicht - wie später Evita Perón oder die Prinzessin von Wales - als „Königin der Herzen" in Szene gesetzt, zumal die dafür notwendigen Massenmedien ebenso fehlten wie die nationalistisch aufgeheizten Gemüter der wilhelminischen Epoche. Und auch Wege, ihr Bild zu verbreiten, gab es um 1800 nur wenige, denn erst in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts entstanden mit Museen und Denkmälern, fotografischen Reproduktionen und illustrierten Zei-

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tungen die effektiven Mittel einer Imagekonstruktion für die nunmehr politisierte Masse. Eine mythische Sphäre betritt, wer das Kunstschaffen nach dem Tod der Königin explizit an deren historische Gestalt zurückbinden möchte. Kriegerische und moralische Kräfte, so hatte es geheißen, waren einst dem Tod der Königin erwachsen; und 1977 nannte Helmut Börsch-Supan die Tragödie von Hohenzieritz einen „eindrucksvollen" Moment der Freisetzung auch „künstlerischer Kräfte".12 Zwei Hauptwerke der beiden bedeutendsten deutschen Bildhauer ihres Jahrhunderts, Schadow und Rauch, verewigen, jedes auf seine Art, Luise. Die „faszinierende historische Gestalt der Königin", schrieb Börsch-Supan, „ist aus diesem kunstgeschichtlichen Entwicklungsprozeß nicht wegzudenken".13 Wäre die preußische Kunstgeschichte ohne das Leben und Sterben der Königin Luise anders verlaufen? Zeitgenossen hatten bemerkt, daß der Tod Luises von belebender Wirkung auf den melancholischen König gewesen war, doch wurde „dieser prosaische Mensch" deswegen wie kein anderer Hohenzoller „der Mäcenas seines Hauses, ein Beschützer der Künste und Wissenschaften", wie Merete van Taack behauptete, bezugnehmend auf Heinrich von Treitschke?14 Und wurde Rauch mit Aufträgen überhäuft, weil er mit seinem Luisendenkmal „die Herzen im Sturm" mit sich fortgerissen hatte? Erhob sich Schinkel zum Jahrhundertarchitekten, weil sein Mobiliar für die Königin nach deren Tod einen „überirdischen Glanz" erhalten hatte? Der schöne Tod der schönen Luise war das „schönste Thema" flir Literatur und Kunst. Kein Zweifel kann daran bestehen, daß dies traurige Ereignis Künstler tief bewegte und auch inspirierte. Kein Zweifel, daß es Luises Grabmal war, das Rauch den Weg zu seiner epochalen Karriere ebnen sollte. Kein Zweifel, daß Schinkels großartiger Aufstieg gleichfalls in den Tagen um den Tod der Königin begonnen hatte. Erschuf aber Betroffenheit, dem Wesen jener Frau geschuldet, die Werke beider, lenkte sie des einen Meißel wie des anderen Stift? Entwarfen Rauch und Schinkel Werke, die unmittelbar Gestalt annahmen durch Luises individuelle, realhistorische Persönlichkeit? Kann man ihr Sein und Dasein in den Totenmalen spüren, in dem „dichterischen Schwung" des Monuments zu Gransee, das der „tief ergriffene" Schinkel „unter dem Eindruck der gesamten Persönlichkeit der edlen Frau" geschaffen hatte?15 Kommt man dem Geist Luises nah in der Betrachtung jener „wahren" Sarkophagstatue, die Kammerdiener Rauch „in hingebender Liebe" gemeißelt hatte? Erweckte nicht nur Luises Sterben, sondern auch ihr Charisma die Kräfte jener begnadeten Künstlerschaft? Einige Fragen bleiben ohne Antwort. „Ein historisches Phänomen", schreibt Nietzsche, „rein und vollständig erkannt und in ein Erkenntnisphänomen aufgelöst, ist für den, der es erkannt hat, tot." Und ganz tot ist sie ja nicht, die Königin Luise.

Anmerkungen Einleitung 1 Johann Gottfried Schadow: Kunstwerke und Kunstansichten. Kommentierte Neuausgabe der Veröffentlichung von 1849, hrsgg. v. Götz Eckardt, 3 Bände, Berlin 1987, Band 1, S. 87. 2 Max Frisch: Mein Name sei Gantenbein, Frankfurt am Main 1974, S. 74. 3 Eric Hobsbawm und Terence Ranger (Hrsg.): The Invention ofTradition, Cambridge 1983. 4 Vgl. Peter Burke: Ludwig XIV. Die Inszenierung des Sonnenkönigs, Frankfurt am Main 1995, S. 23f. 5 Günter de Bruyn: Preußens Luise. Vom Entstehen und Vergehen einer Legende, Berlin 2001, S. 128. 6 Herman Dreyhaus: Die Königin Luise in der Dichtung ihrer Zeit, Berlin 1926, S. 11.

Quellen- und Forschungstand 1 Heinrich von Treitschke: Königin Luise, in: Theodor Mommsen und Heinrich von Treitschke: Königin Luise. Zwei Festreden, Berlin 1876, S. 20. 2 Wulf Wülfing, Karin Bruns und Rolf Parr: Historische Mythologie der Deutschen, München 1991, S. 59ff. 3 Holger Simon: Die Bildpolitik des preußischen Königshauses im 19. Jahrhundert. Zur Ikonographie der preußischen Königin Luise (1776-1810), in: Wallraf-Richartz-Jahrbuch 60, Köln 1999, S. 231-262.

1 Luises schlimmer Tod 1 Friedrich Adami: Luise, Königin von Preußen, 4. Auflage, Berlin 1868, S. 381. 2 Zum Angedenken der Königin Luise von Preußen. Sammlung der vollständigsten und zuverläßigsten Nachrichten von allen das Absterben und die Trauerfeierlichkeiten dieser unvergeßlichen Fürstin betreffenden Umständen. Nebst einer Auswahl der bei diesem Anlaß erschienenen Gedichte und Gedächtnißpredigten, Berlin 1810, S. 3ff. 3 Friedrich Wilhelm III.: Vom Leben und Sterben der Königin Luise, hrsgg. v. Otto Meisner, Berlin und Leipzig 1926, S. 6f. 4 Zum Angedenken der Königin Luise von Preußen, S. 6. 5 Haude-Spenersche Zeitung Nr. 87 vom 21.7.1810. 6 Zit. n. Bernhard Rogge: Königin Luise. Zur hundertjährigen Wiederkehr ihres Todestages der deutschen Jugend erzählt, hrsgg. v. der Vereinigung der deutschen Pestalozzi-Vereine, Liegnitz 1910, S. 112. 7 Wilhelm v. Humboldt an Caroline am 31.7.1810; Anna von Sydow (Hrsg.): Wilhelm und Caroline von Humboldt in ihren Briefen, 7 Bände, Berlin 1907-1916, Brief 215. 8 Erinnerungen eines Preußen aus der Napoleonischen Zeit. 1805-1815, Grimma 1840, S. 88; desw. Georg Horn: Das Buch von der Königin Luise, Berlin 1883, S. 202. 9 Sophie Marie Gräfin von Voß: Neunundsechzigjahre am Preußischen Hofe, 11. Auflage, Berlin 1935, S. 171, Eintrag vom 20.7.1810. 10 Wilhelm v. Humboldt an Caroline am 31.7.1810; Sydow, Brief 215.

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Anmerkungen zu Kapitel 2, 3

2 Ein Mythos entsteht 1 Friedrich Duncker in der Haude-Spenerschen Zeitung Nr. 88 vom 24.7.1810. 2 Predigt bei der Trauerfeier wegen des am 19. Julius 1810 zu Hohenzieritz erfolgten Absterbens Ihrer Majestät der regierenden Königinn von Preußen, Luise, in der St. Nicolai-Kirche gehalten von D. C. G. Ribbeck, Berlin 1810, in: Zum Angedenken der Königin Luise von Preußen, S. 34. 3 Predigt bei der Trauerfeier wegen des am 19. Julius 1810 zu Hohenzieritz erfolgten Absterbens Ihrer Majestät der regierenden Königinn von Preußen, Luise, vor der Petri-Gemeinde gehalten von D. G. A. L. Hanstein, Berlin 1810, in: Zum Angedenken der Königin Luise von Preußen, S. 61. 4 Friedrich Wühelm III., S. 70. 5 Wilhelm v. Humboldt an Caroline am 31.7.1810; Sydow, Brief 215. 6 Friedrich Wilhelm III., S. 74. 7 Blücher an Rittmeister v. Eisenhart am 22.7.1810; Edmund Th. Kauer (Hrsg.): Blücher, Yorck, Gneisenau. Gesammelte Schriften und Briefe, Berlin 1932, S. 197. 8 Caroline an Wilhelm v. Humboldt am 1.8.1810; Sydow, Brief 213. 9 C. G. Ribbeck, in: Zum Angedenken der Königin Luise von Preußen, S. 34. 10 C. G. Ribbeck, in: Zum Angedenken der Königin Luise von Preußen, S. 34. 11 Vossische Zeitung Nr. 89 vom 26.7.1810; Zum Angedenken der Königin Luise von Preußen, S. 31. 12 Zit. n. Adami, S. 368. 13 Zit. n. Dreyhaus 1926, S. 66. 14 Dreyhaus 1926, S. 48 und S. 67. 15 Friedrich Duncker in der Vossischen Zeitung Nr. 89 vom 26.7.1810. 16 F. S. G. Sack, in: Zum Angedenken der Königin Luise von Preußen, S. 66. 17 Zum Angedenken der Königin Luise von Preußen, S. 7; Haude-Spenersche Zeitung Nr. 88 vom 24.7.1810. 18 F. S. G. Sack, in: Zum Angedenken der Königin Luise von Preußen, S. 75. 19 Friedrich Ehrenberg: Gedächtnißpredigt auf Ihro Majestät die Königinn von Preußen, Luise, Auguste, Wilhelmine, Amalie, geborne Prinzessin von Mecklenburg-Strelitz, in Gegenwart Sr. Majestät des Königes und des Königlichen Hauses in der Hof- und Dom-Kirche gehalten den 5ten August 1810, Berlin 1810, S. 24. 20 Gneisenau an Friedrich Wilhelm III. am 20.8.1811; Karl Griewank (Hrsg.): Gneisenau. Ein Leben in Briefen, Leipzig 1939, Brief 80. 21 Edgar Allan Poe: The Philosophy of Composition [1846]. Essays and Reviews. Literary Classics of the United States, New York 1984, S. 19. 22 Friedrich Christian Wigand, in: Zum Angedenken der Königin Luise von Preußen, S. 80. 23 Vossische Zeitung Nr. 88 vom 24.7.1810 und Nr. 90 vom 28.7.1810. 24 Zum Angedenken der Königin Luise von Preußen, S. 86f. und S. 90. 25 Eylert 1845 Band 2. 2, S. 115. 26 Eylert 1845 Band 2. 2, S. 114. 27 Wilhelm v. Humboldt an Caroline am 31.7.1810; Sydow, Brief 215.

3 Luises schöner Tod 1

F. S. G. Sack, in: Zum Angedenken der Königin Luise von Preußen, S. 66f.

Anmerkungen zu Kapitel 3, 4

471

2 Morgenblatt für gebildete Stände (Tübingen) vom 2. und 3.5.1811; im folgenden zitiert nach Berg, S. 85ff. Die Autorschaft dieses Berichtes ist nicht eindeutig geklärt. Kriegsrat Johann George Scheffner, ein Mentor der Königin, hat sie laut Adami (S. 347) dem Luisenbruder Georg zugeschrieben, wohingegen der Redakteur des Morgenblattes von einer weiblichen Autorin spricht. Ein handschriftlicher Vermerk auf dem in der Bibliothek der Freien Universität Berlin aufbewahrten Exemplar der Zeitung nennt als Autorin Charlotte von Oertzen, geb. v. Jasmund, die Gattin des Staatsministers und Regierungspräsidenten von Mecklenburg-Strelitz, August Otto Ernst von Oertzen. Der Herausgeber des Hohenzollern-Jahrbuchs jedoch, wo der Bericht 1910 wiederabgedruckt wurde, bezeichnet die Abschrift des Zeitungsberichts von der Hand der Frau v. Oertzen, geb. v. Dewitz, als Vorlage des Abdrucks, ohne daß die Autorschaft des ursprünglichen Berichtes damit eindeutig erklärt wäre. (Hohenzollem-Jahrbuch, 14. Jahrgang, 1910, S. 10). Die Abschrift war der Kaiserin vom Enkel der Schreiberin, dem Grafen Schwerin-Chojow, zum einhundertsten Todestag der Königin Luise geschenkt worden. 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14

Grafjoseph von Hohenzollern an Karoline v. Berg; zit. n. Vossische Zeitung Nr. 167 vom 19.7.1860 Friedrich Wilhelm III., S. 72. Philippe Aries: Geschichte des Todes, München und Wien 1980, S. 521ff. Aries 1980, S. 687; Bronfen, S. 117. Berg, S. 81. Aries 1980, S. 30. Ernst Heilborn: Zwischen zwei Revolutionen; Der Geist der Schinkelzeit (1789-1848), Berlin 1927, S. 258. Zum Angedenken der Königin Luise von Preußen, S. 22. Abgebildet im Hohenzollern-Jahrbuch, 6. Jahrgang, 1902, S. 52. Wilhelm v. Humboldt an Caroline am 24.7.1810; Sydow, Brief 212. Philippe Aries: Bilder zur Geschichte des Todes, München und Wien 1984, S. 258ff. Wilhelm v. Humboldt an Caroline am 31.7.1810; Sydow, Brief215.

4 Das Mausoleum zu Charlottenburg 1 Achim v. Arnim: „Nachtfeier - Die Einholung der hohen Leiche Ihrer Majestät der Königin"; zit. n.: Dreyhaus 1926, S. 56f 2 Achim v. Arnim: „Nachtfeier - Die Einholung der hohen Leiche Ihrer Majestät der Königin"; zit. n.: Zum Angedenken der Königin Luise von Preußen, S. 51. 3 Zur Baugeschichte siehe: Helmut Börsch-Supan: Das Mausoleum im Charlottenburger Schloßgarten, 3. Auflage, Berlin 1991; und: Michael Bolle: Heinrich Gentz (1766-1811). Eine Untersuchung zur Architekturdiskussion in Berlin um 1800, Diss. Berlin 1988, S. 244ff 4 Anfang August bereits zeigte der König seinem Bruder den Entwurf. Prinz Wilhelm an seine Gemahlin am 4.8.1810; KurtJagow (Hrsg.): Königin Luise. Briefe der Freundschaft, Leipzig 1940, S. 136. 5 Fürstin Anton Radziwill (Luise von Preußen): FunfündvierzigJahre aus meinem Leben (1770-1815), hrsgg. v. Fürstin Radziwill geb. v. Castellane, Braunschweig 1912, S. 253. 6 Prinzessin Marianne an ihren Bruder am 17.10.1810; Emilie Dröscher (Hrsg.): Briefe der Prinzessin Wilhelm von Preußen an ihren Bruder Ludwig, Homburg v. d. Höhe 1894, S. 92. 7 Kaiser Wilhelm ü.: Meine Vorfahren, Berlin 1929, S. 144. 8 Aufzeichnung Friedrich Wilhelms III. vom 18.7.1810; Friedrich Wilhelm III., S. 2. 9 Aufzeichnung Friedrich Wilhelms III. vom 8.10.1810; Friedrich Wilhelm III., S. 9. 10 Aufzeichnung Friedrich Wilhelms III. vom 18.8.1810; Friedrich Wilhelm III., S. 8.

472 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25

26 27 28 29 30 31 32 33 34

Anmerkungen zu Kapitel 4, 5

Wilhelm v. Humboldt an Caroline am 7.8.1810; Sydow, Brief 217. Christian Cay Lorenz Hirschfeld: Theorie der Gartenkunst, 5 Bände, Leipzig 1779-80, Band 3, S. 144f. Hirschfeld Band 5, S. 119. Hirschfeld Band 3, S. 56. Aufzeichnung Friedrich Wilhelms III. vom 8.10.1810; Friedrich Wilhelm III., S. 42. Tagebuchaufzeichnung der Prinzessin Marianne von Preußen; zit. n. Hohenzollern-Jahrbuch, 6. Jahrgang, 1902, S. 55. Aufzeichnung Friedrich Wilhelms III. vom 8.10.1810; Friedrich Wilhelm III., S. 52. Rauch an Caroline v. Humboldt am 19.7.1811; Simson 1999, Brief 13. Margarete Kühn: Schloß Charlottenburg, Berlin 1955, S. 97. Aufzeichnung Friedrich Wilhelms III. vom 23.6.1811; Friedrich Wilhelm III., S. 70ff. Vgl. Achim v. Arnim in den Berliner Abendblättern Nr. 38 vom 13.11.1810 über Schinkels Alternativentwurf. Wilhelm v. Humboldt an Caroline am 4.8.1810; Sydow, Brief 216. Aufzeichnung Friedrich Wilhelms III. vom 8.10.1810; Friedrich Wilhelm III., S. 9. Ausst. Kat. „Friedrich Gilly und die Privatgesellschaft junger Architekten", hrsgg. v. Hella Reelfs und Rolf Bothe, Berlin 1987, S. 161ff. Nach älteren Aufzeichnungen soll der Lübecker Architekt Christian Joseph Lilie der Urheber des Entwurfes gewesen sein. Neuere Forschungen aber weisen aufJoseph Jaques Ramé als Architekten hin; vgl. Volker Hoyer (Hrsg.): Schloßpark Ludwigslust, Ludwigslust 1997, S. 14. Rulemann Friedrich Eylert: Charakter-Züge und historische Fragmente aus dem Leben des Königs von Preußen Friedrich Wilhelm III., 3 Bände, Magdeburg 1842-1846. Band 1, 1842, S. 501. Journal für Kunst, Kunstsachen, Künsteleien und Mode 1810-11, S. 295. Voß, S. 173, Eintrag vom 23.12.1810. Journal für Kunst, Kunstsachen, Künsteleien und Mode 1810-11, S. 371; Haude-Spenersche Zeitung Nr. 154 vom 25.12.1810; Berliner Abendblätter Nr. 73 vom 24.12.1810. Journal für Kunst, Kunstsachen, Künsteleien und Mode 1810-11, S. 371. Vossische Zeitung Nr. 167 vom 19.7.1860. Paul Ortwin Rave: Das Mausoleum zu Charlottenburg, Berlin 1953, S. 6. Heilbom, S. 39. Berliner Abendblätter Nr. 12 vom 13.10.1810. Kleists Gedanken lag ein von Clemens Brentano und Achim von Arnim gemeinsam verfaßter Aufsatz zugrunde.

5 Die Geschichte der Sarkophagskulptur 1 2 3 4 5

Achim v. Arnim: „Nachtfeier"; zit. n.: Zum Angedenken der Königin Luise von Preußen, S. 47f. Zum Angedenken der Königin Luise von Preußen, S. 85. Zit. n. Götz Eckardt: Johann Gottfried Schadow, Leipzig 1990, S. 163. Wilhelm v. Humboldt an Caroline am 4.8.1810; Sydow, Brief216. Rauch an Thorvaldsen am 12.9.1810; Just Mathias Thiele: Thorvaldsen's Leben, 3 Bände, Leipzig 1852/1856, Band 1, S. 197f. 6 Rauch an Anton Alexander Graf Magni; zit. n. Jutta v. Simson: Die Büsten der Königin Luise von Christian Daniel Rauch, in: Festschrift für Peter Bloch zum 11. Juli 1990, hrsgg. v. Hartmut Krohm und Christian Theuerkauff, Mainz 1990, S. 272. 7 Friedrich Eggers Band 1, S. 95.

Anmerkungen zu Kapitel 5

473

8 Rauch an Caroline v. Humboldt am 27.4.1811; Simson 1999, Brief 7. 9 Wilhelm v. Humboldt an Rauch am 26.9.1810; Eggers Band 1, S. 92. 10 Nachsatz Wilhelm v. Humboldts in dem Brief Carolines an Rauch vom 2.1.1811; Simson 1999, Brief 1. 11 Friedrich Eggers Band 1, S. 93. 12 Morgenblatt fur gebildete Stände (Tübingen) vom 16.8.1810. 13 Wilhelm v. Humboldt an Hofmarschall v. Maitzahn am 1.12.1810; Gotthold Lessing (Hrsg.): Carl Robert Lessings Bücher- und Handschriftensammlung, Berlin 1915, Brief 3753. 14 Zit. n. Friedrich Eggers Band 1, S. 94. 15 Nachsatz Wilhelm v. Humboldts in dem Brief Carolines an Rauch vom 2.1.1811; Simson 1999, Brief 1. 16 Schadow 1987 Band 1, S. 49. 17 Voß, S. 81, Eintrag vom 30.9.1797. 18 Schadow 1987 Band 1, S. 49. 19 Wilhelm v. Humboldt an Rauch am 26.9.1810; Friedrich Eggers Band 1, S. 91. Eine Entwurfszeichnung Schinkels zu einem Luisensarkophag hat sich in Charlottenburg erhalten; sie wurde wie ihr Schöpfer in Verbindung mit den beiden unbekannten römischen Zeichnungen gebracht und sogar als eine von beiden angesehen (Börsch-Supan 1977, S. 13 und Simson 1996, S. 65). Zwar ist Schinkel als Zeichner der nach Rom geschickten Vorlagen durchaus vorstellbar, doch widerspricht die Darstellung der in vollem Gewand aufgebahrten Toten auf der Charlottenburger Zeichnung den schriftlich formulierten Vorgaben fur die Statue. Auf der Längsseite des Sarkophages zeigt Schinkel zwar den gewünschten „Adler auf einer Guirlande von Eichenlaub sitzend", doch steht auch dies der brieflichen Anweisung entgegen, in der es ausdrücklich heißt, das Wappentier solle am „Fußende des Sarkophages, als seiner vordem Seite" sitzen (Wilhelm v. Humboldt an Rauch am 26.9.1810; Friedrich Eggers Band 1, S. 91). 20 Wilhelm v. Humboldt an Rauch am 26.9.1810; Friedrich Eggers Band 1, S. 92. 21 Rauch an Johann Ludwig Gebhard Lund am 6.4.1811; Thiele Band 1, S. 202. In seiner schriftlichen Absage an Wilhelm v. Humboldt nennt auch Thorvaldsen seine Freundschaft zu Rauch als Grund für seinen Verzicht; Thorvaldsen an Wilhelm v. Humboldt am 12.11.1810; Thiele Band 1, S. 201. 22 Nachsatz Wilhelm v. Humboldts in dem Brief Carolines an Rauch vom 2.1.1811; Simson 1999, Brief 1. 23 Wilhelm v. Humboldt an Hofmarschall v. Maitzahn am 1.12.1810; Lessing, Brief 3753. 24 Wilhelm v. Humboldt an Hofmarschall v. Maitzahn am 1.12.1810; Lessing, Brief 3753. 25 Wilhelm v. Humboldt an Hofmarschall v. Maitzahn am 5.12.1810; Lessing, Brief 3754. 26 Caroline an Wilhelm v. Humboldt am 1.8.1810; Sydow, Brief 213. 27 Zit. n. Kühn, S. 98. 28 Wilhelm v. Humboldt an Hofmarschall v. Maitzahn am 2.1.1811; Lessing, Brief 3756. 29 Wilhelm v. Humboldt an Rauch am 26.9.1810; Friedrich Eggers Band 1, S. 92. 30 Wilhelm v. Humboldt an Hofmarschall v. Maitzahn am 5.12.1810; Lessing, Brief3754. 31 Friedrich Eggers Band 1, S. 99. 32 Wilhelm v. Humboldt an Caroline am 21.7.1810; Sydow, Brief 211. 33 Wilhelm v. Humboldt an Caroline am 31.7.1810; Sydow, Brief 215. 34 Friedrich Eggers Band 1, S. 95. 35 Nachsatz Wilhelm v. Humboldts in dem Brief Carolines an Rauch vom 2.1.1811; Simson 1999, Brief 1. 36 Friedrich Eggers Band 1, S. 95. 37 Caroline v. Humboldt an Rauch am 9.1.1811; Simson 1999, Brief 1. 38 Rauch an Johann Ludwig Gebhard Lund; zit. n. Simson 1996, S. 66. 39 Wilhelm v. Humboldt an Hofmarschall v. Maitzahn am 10.4.1811; Lessing, Brief3762. 40 Selbst nach der Auftragsvergabe an Rauch blieb Thorvaldsen für die (später verworfene) Gestaltung der Reliefs am Unterbau im Gespräch. Das freundschaftliche Angebot einer derartigen Beteiligung

474

Anmerkungen zu Kapitel 5

gefiel dem König „ungemein", wie Rauch schreibt, „er meinte es würde nur die Arbeit an dem Gegenstand noch mehr heben, daß ein so großer Künstler auch gleichsam seinen Namen auf seine Arbeit daran schreibe". Rauch an Caroline v. Humboldt am 11.5.1811; Simson 1999, Brief 9; vgl. dazu auch Rauch an Thorvaldsen am 12.5.1811; Thiele Band 1, S. 203. 41 Antwortbrief Canovas; zit. n. Simson 1996, S. 66. 42 Hofmarschall v. Maitzahn an Wilhelm v. Humboldt; zit. n. Friedrich Eggers Band 1, S. 96. 43 Friedrich Eggers Band 1, S. 95. 44 In seiner schriftlichen Absage an Humboldt moniert Thorvaldsen bereits die Vorgehensweise des Auftraggebers. „Dann hält mich ein zweiter Grund davon zurück, daß ich nie Zeichnungen gemacht habe, wenn die Arbeit nicht schon bestellt und angefangen war. Denn eine einmal eingereichte und gewählte Zeichnung würde mich, trotz meiner besseren Überzeugung, bei der Anlage im Großen immer hindern, das Schöne und Bessere vorzuziehen, um keinen Verstoß gegen die einmal als gut gefundene Zeichnung zu machen." Thorvaldsen an Wilhelm v. Humboldt am 12.11.1810; Thiele Band 1, S. 201. 45 Nachsatz Wilhelm v. Humboldts in dem Brief Carolines an Rauch vom 2.1.1811; Simson 1999, Brief 1. 46 Zit. n. Friedrich Eggers Band 1, S. 96. 47 Einige Ausfuhrungen Wilhelm v. Humboldts wurden von der Forschung mißinterpretiert. Im wesentlichen geht es um den vielzitierten Brief an Caroline vom 4.8.1810 (Sydow, Brief 216), der eine kurze Baubeschreibung des Mausoleums und eine Skizze des Grundrisses erhält: „Der Raum a ist wie eine Vorhalle", erläuterte Humboldt, „die Treppen b, d gehen aufwärts, c abwärts zum Gewölbe, wo der wirkliche Sarkophag steht; dies scheint mir eine unglückliche Idee." Ob Humboldt, der von den Negroni-Bagnarolen noch nichts wissen konnte, sein Urteil „unglücklich" auf den Grundriß oder aber auf die Trennung von Sarkophag und Kenotaph bezieht, wie Börsch-Supan meint, bleibt undeutlich (Börsch-Supan 1991, S. 7). Neben der Sache liegt hier Michael Bollé (S. 239), der meint, Inhalt des Briefes sei die Frage nach der Aufstellung eines „Sarkophags (Kenotaphs)". Davon ist jedoch nicht die Rede. Das Hauptaugenmerk des Briefes liegt auf der erwarteten Luisenbüste. 48 Caroline an Wilhelm v. Humboldt am 8.9.1810; Sydow, Brief225. 49 Wilhelm v. Humboldt an Caroline am 26.9.1810; Sydow, Brief 231. 50 Wilhelm v. Humboldt an Rauch am 26.9.1810; Friedrich Eggers Band 1, S. 93. 51 Rauch an Caroline v. Humboldt am 9.11.1811 (zu Reaktionen am Hof) und am 21.8.1812 (zur Ablehnung des Königs); Simson 1999, Briefe 24 und 40. 52 Johann Daniel Friedrich Rumpf: Berlin und Potsdam. Eine Beschreibung aller Merkwürdigkeiten dieser Städte und ihrer Umgebungen, 2 Bände, 4. Auflage, Berlin 1823, Band 2, S. 245. 53 Wilhelm v. Humboldt an Hofmarschall v. Maitzahn am 10.4.1811; Lessing, Brief3762. 54 Fragment eines selbstverfaßten Lebenslaufes; zit. n. Simson 1996, S. 14. 55 Fragment eines selbstverfaßten Lebenslaufes; zit. n. Simson 1996, S. 14. 56 Rauch an Caroline v. Humboldt am 12.3.1811; Simson 1999, Brief 3. 57 Rauch an Caroline v. Humboldt am 23.3.1811; Simson 1999, Brief 4. 58 Rauch an Caroline v. Humboldt am 23.3.1811; Simson 1999, Brief 4. 59 Rauch an Caroline v. Humboldt am 30.3.1811; Simson 1999, Brief 5. 60 Zu diesem Schluß kam schon Eggers; vgl. Friedrich Eggers Band 1, S. 101. 61 Rauch an Caroline v. Humboldt am 23.3.1811; Simson 1999, Brief 4. 62 Rauch an Thorvaldsen am 12.5.1811; Thiele Band 1, S. 203. 63 Rauch an Caroline v. Humboldt am 11.5.1811; Simson 1999, Brief 9. Zunächst hatte Rauch offenbar eine Darstellung der Fabel von Amor und Psyche erwogen; vgl. Börsch-Supan 1977, S. 17. 64 Rauch an Caroline v. Humboldt am 11.5.1811; Simson 1999, Brief 9. 65 Aufzeichnung Friedrich Wilhelms III. vom 8.10.1810; Friedrich Wilhelm III., S. 9.

Anmerkungen zu Kapitel 5, 6

475

66 Wilhelm v. Humboldt an Hofmarschall v. Maitzahn am 5.12.1810; Lessing, Brief3754. 67 Friedrich Eggers Band 1, S. 103. 68 Rauch an Caroline v. Humboldt am 1.6.1811; Simson 1999, Brief 10. 69 Rauch an Caroline v. Humboldt am 1.6.1811 und 18.6.1811; Simson 1999, Briefe 10 und 11. 70 Rauch an Caroline v. Humboldt am 1.6.1811; Simson 1999, Brief 10. 71 Friedrich Wilhelm III., zitiert von Rauch im Brief an Caroline v. Humboldt vom 12.9.1811; Simson, Brief 18. 72 Rauch an Caroline v. Humboldt am 12.9.1811; Simson 1999, Brief 18. 73 Wilhelm v. Humboldt an Hofmarschall v. Maitzahn am 2.1.1811; Lessing, Brief 3756. 74 Friedrich Eggers Band 1, S. 106. 75 Rauch an Caroline v. Humboldt am 1.10.1812; Simson 1999, Brief 41. Jutta v. Simson bezieht diesen Brief in ihrem CEuvrekatalog des Bildhauers auf die zweite Fassung des Luisensarkophages (Simson 1996, Kat. Nr. 38. 1-2, S. 81). Eine zweite Luisenstatue wird in dem Brief aber nicht erwähnt; zudem bezieht sich Rauch eindeutig auf den Gipsabguß des älteren Modells von 1811, der im Mausoleum stand. Die Idee, eine Zweitfassung der Statue zu schaffen, wurde von Rauch selbst erst auf den Winter 1812/13 datiert (Rauch an Caroline v. Humboldt am 10.1.1813 Simson 1999, Brief 44). Unterstützt wird diese Sicht durch Friedrich Eggers, der den Brief vom 1.10.1812 ebenfalls auf die Erstfassung des Luisensarkophages anwendet (Friedrich Eggers Band 1, S. 119f). 76 Rauch an Caroline v. Humboldt am 1.10.1812 und 29.10.1812; Simson 1999, Briefe 41 und 42. 77 Rauch an Caroline v. Humboldt am 10.1.1813; Simson 1999, Brief 44. 78 Rauch an Caroline v. Humboldt am 21.6.1813; Simson 1999, Brief 51. 79 Rauch an Caroline v. Humboldt am 21.6.1813; Simson 1999, Brief 51. 80 Rauch an Caroline v. Humboldt am 16.12.1811; Simson 1999, Brief 28. 81 Schadow an Carl August Böttiger; zit. n. Eckardt 1990, S. 166. 82 Rauch an Caroline v. Humboldt am 4.7.1813; Simson 1999, Brief 52. 83 Caroline v. Humboldt an Hofmarschall v. Maitzahn am 3.11.1813; Lessing, Brief 3614. 84 Fred Licht: Antonio Canova. Beginn der modernen Skulptur, München 1983, S. 20. 85 Friedrich Eggers Band 1, S. 132.

6 Das Bildnis und die Vorbilder 1 Eduard Dobbert: Chr. D. Rauch. Festrede zu des Künstlers Säkularfeier in der Gesammtsitzung der Königlichen Akademie der Künste zu Berlin am 3. Januar 1877 gehalten, Berlin 1877, S. 12. 2 Vgl. Schadow 1987 Band 2, S. 508. 3 Rauch an Caroline v. Humboldt am 23.3.1811; Simson 1999, Brief 4. 4 So schilderte die Malerin und Schriftstellerin Marie von Bunsen die Erscheinung der Kaiserin in ihren letzten Lebensjahren. Marie von Bunsen: Die Welt, in der ich lebte. Erinnerungen aus glücklichen Jahren. 1860-1912, 3. Auflage, Leipzig 1929, S. 41. 5 Friedrich Eggers Band 1, S. 91. 6 Aus einer Mitteilung Rauchs an Eylert; Eylert 1845 Band 2. 2, S. 141f. 7 Aufzeichnung Friedrich Wilhelms III. vom 8.10.1810; Friedrich Wilhelm III., S. 36. 8 Rauch an Hofmarschall v. Maitzahn am 16.3.1814; Lessing, Brief 3298. 9 Rauch an Caroline v. Humboldt am 29.10.1812; Simson 1999, Brief 42. 10 Paul Arthur Memmesheimer hat verschiedene Anregungen Rauchs in Florenz und Lucca ausgemacht, deren Plausibilität er aber selbst bereits in Zweifel zieht. Unverständlich bleibt daher das

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Anmerkungen zu Kapitel 6

Resümee des Autors, wonach das florentinische Quattrocento der entscheidende Impuls für den Luisensarkophag gewesen sei; Paul Arthur Memmesheimer: Das klassizistische Grabmal. Eine Typologie, Diss. Bonn 1969, S. 60f. Ebenso unverständlich ist der Hinweis von Bernhard Maaz auf Daniel Chodowieckis leicht ironische Radierung Die auf Rosen sanft schlummernde Unschuld von 1790 (von Maaz als „entschlummerte" Unschuld falsch betitelt), die er als „maßgebliche, für die Deutung der Statue als marianische Unschuldsverkörperung zentrale ikonographische Vorbereitung" betrachtet hat; Birgit Kümmel und Bernhard Maaz (Hrsg.): Christian Daniel Rauch-Museum Bad Arolsen, München und Berlin 2002, S. 14. 11 Eylert 1845 Band 2. 2, S. 141f. 12 Rauch an Caroline v. Humboldt am 1.10.1812; Simson 1999, Brief 41. 13 Rauch an Caroline v. Humboldt am 15.4.1813; Simson 1999, Brief 48. Entgegen der Anmerkung 5 im edierten Briefwechsel bezieht sich diese Äußerung nicht auf die zweite Fassung der Liegefigur, sondern auf die erste, denn aus dem schriftlichen Zusammenhang wie der zeitlichen Abfolge der Ausfuhrung wird deutlich, daß von zwei unterschiedlichen Werken die Rede ist. Der Bildhauer spricht von einer „beinah vollendeten" Statue [nicht „Modell"], die nun [in Marmor] etwas „imponirendes" offenbare, das in Ton so noch nicht zu sehen gewesen sei. Gleichwohl er mit der Arbeit doch zufrieden sei [er hatte latente Zweifel] und andere Künstler ihre Zustimmung äußerten, wolle er eine zweite Statue, „nur lebensgroß und ebenso gelegt" [wie die Vorgängerin] erschaffen, um dem König eine Freude zu bereiten. Auch Eggers (Band 1, S. 121) bezieht Rauchs Worte von der „beinah vollendeten" Statue auf die erste Fassung. 14 Rauch an Caroline v. Humboldt am 22.8.1811; Simson 1999, Brief 16. 15 Börsch-Supan 1977, S. 19. Es handelt sich um die römische Kopie aus späthadrianischer oder frühantoninischer Zeit nach einem hellenistischen Vorbild aus dem 2. vorchristlichen Jahrhundert. Zu Nachbildungen siehe: Ausst. Kat. „Berlin und die Antike", hrsgg. v. Willmuth Arenhövel, Berlin 1979, Kat. Nr. 450, S. 239f., dort mit weiterer Literatur. 16 Eine liegende „Hygieia" nach dem Vorbild der vatikanischen Ariadne ziert auf dem Friedhof am Halleschen Tor in Berlin das Grab des 1795 verstorbenen Leibarztes Friedrich des Großen, Johann Carl Friedrich Moehsen. Auch Schadow hat 1808 für den Töpfer und Ofenfabrikanten Tobias Feilner eine „schlafende Ariadne" gemacht; vgl. Ausst. Kat. „Abbilder - Leitbilder". Berliner Skulpturen von Schadow bis heute, Berlin 1978, Kat. Nr. 18. Die bedeutendste Replik der schlafenden Ariadne aus den Vatikanischen Museen hatte Napoleon 1797 nach Paris gebracht, wo sie bis 1815 blieb. In Form von Kopien und graphischen Reproduktionen ist Rauch das Werk aber zweifelsohne bekannt gewesen. Vgl. Francis Haskell und Nicholas Penny: Taste and the Antique. The Lure of Classical Sculpture 1500-1900, New Häven und London 1981, S. 184ff, dort als „Kleopatra". 17 Peter Bloch, Sibylle Einholz und Jutta v. Simson (Hrsg.): Ethos und Pathos. Die Berliner Bildhauerschule 1786-1914, Berlin 1990, S. 79 (mit Abbildung). 18 John Ruskin: The Diaries ofjohn Ruskin 1848-1873, hrsgg. v. Joan Evans und John Howard Whitehouse, Oxford 1958, S. 542f 19 Johann Joachim Winckelmann: Geschichte der Kunst des Altertums, Dresden 1764, S. 368. Winckelmann nennt noch das Kellergewölbe des Palazzo Borghese als Aufbewahrungsort der Figur; spätestens 1791 jedoch wurde sie in einen Raum der Schausammlung verbracht. 20 Vgl. Lexicon Iconographicum Mythologiae Classicae, Band 5.1, Zürich und München 1990, S. 277; desw. Wolfgang Heibig: Führer durch die öffentlichen Sammlungen der klassischen Altertümer in Rom, 4 Bände, Tübingen 1966, Band 2, S. 733; desw. Haskell/Penny, S. 235. Die Informationen zu diesem Werk sind spärlich, weil es im Gegensatz zu den anderen erhaltenen Repliken nur wenig antike Originalsubstanz besitzt und darum in archäologischen Abhandlungen meist unbeachtet bleibt. Eben-

Anmerkungen zu Kapitel 6, 7

21

22 23 24 25 26

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so schlecht ist es um Nachrichten von dem Bildhauer Bergondi bestellt. Fest steht, daß der ab der Mitte des 18. Jahrhunderts in Rom tätige, mehrheitlich in Stuck arbeitende Künstler in den Jahren 1767-1778 Principe der Akademie von S. Luca gewesen ist, der er seit 1760 angehörte. Identische Faltenmotive finden sich auch bei Pierre Legros berühmter Grabfigur des Heiligen Stanislas Kostka von 1702-03, (Rom, San Andrea al Quirinale), in Canovas Gemälde „Venus und Satyr" aus der Zeit um 1792, (Possagno, Gipsothek), sowie bei Schadows Grabdenkmal für den kleinen Ferdinand von Preußen, einen Sohn der Königin Luise. Ausst. Kat. „Abbilder - Leitbilder", Kat. Nr. 22. Das Werk hat sich möglicherweise in einer Kopie von Ludwig Wichmann erhalten. Eckardt 1990, S. 269, Anmerkung Nr. 102. Friedrich Eggers Band 1, S. 82. Lionel von Donop: Christian Daniel Rauch, in: Allgemeine Deutsche Biographie, Band 28, Leipzig 1889, S. 769. Rauch an den Grafen Anton Alexander Magni am 1.1.1806; zit. n. Günther Grundmann: Die Büste der Königin Luise im Schloß Eckersdorf in Schlesien. Ein Frühwerk Christian Daniel Rauchs, in: Zeitschrift für Kunstwissenschaft, Band 4, 1950, S. 81fF. Rauch an Caroline v. Humboldt am 1.10.1812; Simson, Brief 41.

7 Effigie, Fetisch und melancholisches Monument 1 2 3 4

5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18

Aufzeichnung Friedrich Wilhelms III. vom 8.10.1810; Friedrich Wilhelm III., S. 9. Zit. n. Adami, Anhang 12, S. 417. Streckfuß 1880 Band 2, S. 638f. Schadow zufolge hatte das Bild, das dem heutigen Betrachter steif und versatzstückartig erscheint, dem König „dermaßen genügt, daß es angenommen wurde"; Schadow 1987, S. 91. Das Bild hing im Königlichen Palais Unter den Linden und kam später nach Königsberg; Abbildung bei Irmgard Wirth: Berliner Malerei im 19. Jahrhundert, Berlin 1990, S. 150 (dort Ternite zugeschrieben). Zit. n. Adami, Anhang 12, S. 417. Voß, S. 171, Eintrag vom 28.7.1810. Agnes Keßler: Der alte Heim. Ein Familienbuch nach Briefen, Tagebuchaufzeichnungen, mündlicher und schriftlicher Uberlieferung, Berlin 1933, S. 137. Zit. n. Adami, Anhang 12, S. 417. Berg, S. 93; desw. Eylert 1845 Band 2. 2, S. 108. Thomas Stamm-Kuhlmann: König in Preußens großer Zeit. Friedrich Wilhelm III. Der Melancholiker auf dem Thron, Berlin 1992, S. 322. Eylert 1845 Band 2. 2, S. 109. Sigmund Freud: Trauer und Melancholie [1915], hrsgg. v. Franz Fuhmann und Dietrich Simon, Berlin 1982, S. 34. Aufzeichnung Friedrich Wilhelms III. vom 8.10.1810; Friedrich Wilhelm III., S. 9. Freud 1915, S. 35ff. Morgenblatt für gebildete Stände (Tübingen) vom 16.8.1810. Poe, S. 19. Rauch an Caroline v. Humboldt am 18.6.1811; Simson 1999, Brief 11. Eylert 1845 Band 2. 2, S. 135.

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Anmerkungen zu Kapitel 7

19 Caroline v. Humboldt an Friederike Brun am 26.6.1811; Ilse Foerst-Crato: Frauen zur Goethezeit. Ein Briefwechsel, Düsseldorf 1975, Brief 10. 20 Rauch an Caroline v. Humboldt am 18.6.1811; Simson 1999, Brief 11. 21 Johann Daniel Friedrich Rumpf 1823 Band 2, S. 246f. 22 Caroline v. Humboldt an Goethe am 22.1.1812; zit. n. Simson 1996, S. 70. 23 Sophie v. Schwerin: Ein Lebensbild. Aus ihren eigenen Papieren zusammengestellt von ihrer jüngsten Schwester Amalie v. Romberg, neu hrsgg. v. Eberhard König, 2 Bände, Leipzig 1909, Band 1, S. 258. Die erste Auflage erschien 1868 in Jena. 24 Rauch an Caroline v. Humboldt am 15.8.1811; Simson 1999, Brief 15. 25 Rauch an Caroline von Humboldt am 16.12.1811; Simson 1999, Brief 28. 26 „Der Tod der Königin konnte für den König einen wohltätigen Einfluß haben", schrieb Stein, „im Fall die Leerheit [...] ihn zur Äußerung mehrerer Tätigkeit reizte." Walther Hubatsch (Hrsg.): Freiherr vom Stein. Briefe und amtliche Schriften, 10 Bände, Stuttgart 1957-74, Band 9, S. 857. 27 Zit. n. Friedrich Eggers Band 1, S. 100. 28 Radziwill, S. 253. 29 Ernst Moritz Arndt: Erinnerungen 1769-1815, hrsgg. v. Rolf Weber, 2. Auflage, Berlin 1989. 30 Clemens Brentano an Joseph Görres am 26.6.1815; zit. n. Börsch-Supan 1977, S. 20. 31 Gräfin Elise von Bernstorff: Ein Bild aus der Zeit von 1789 bis 1835. Aus ihren Aufzeichnungen hrsgg. v. Elise von der Busche-Kessel, 2 Bände, Berlin 1895/96, Band 2, S. 193. 32 Carl Neumann: Christian Rauch. Betrachtungen über Ursprung und Anfange moderner deutscher Plastik. Sonderabdruck aus den Preußischen Jahrbüchern, hrsgg. von Hans Delbrück, Band 64, Heft 2, o.J. [1893], S. 175. 33 Clemens Brentano an Joseph Görres am 26.6.1815; zit. n. Börsch-Supan 1977, S. 20f 34 Rauch an Caroline v. Humboldt am 5.10.1811; Simson 1999, Brief 20. 35 Zit. n. Adami, Anhang 12, S. 417. 36 Streckfuß 1880 Band 2, S. 639. 37 Armin Stein (Hermann Otto Nietschmann): Die Königin Luise. In Bildern aus ihrem Erdenwallen. Ein Gedenkbüchlein zu ihrem einhundertsten Todestag. 19. Juli 1910, Konstanz 1910. 38 Vgl. Harald Keller: EfEgie, in: Reallexikon zur deutschen Kunstgeschichte, Band IV, S. 743ff. 39 Auf die genaue Funktion und Bedeutung der Effigies, die von der Wissenschaft kontrovers diskutiert wird, soll hier nicht näher eingegangen werden, zumal EfEgies in Deutschland kaum Tradition besitzen. Vgl. dazu: Wolfgang Brückner: Bildnis und Brauch. Studien zur Bildfünktion der Effigies, Berlin 1966. 40 Emst H. Kantorowicz: Die zwei Körper des Königs. Eine Studie zur politischen Theologie des Mittelalters, 2. Auflage, München 1994. 41 Berg, S. 34f. 42 Horn, S. 91. 43 Armin Stein (Hermann Otto Nietschmann): Königin Luise. Ein Lebensbild, 4. Auflage, Halle 1897, S. 390 und S. 397. 44 Morgenblatt für gebildete Stände (Tübingen) vom 16.8.1810. 45 Marie von Felseneck: Königin Luise. Ein Lebensbild. Der deutschen Jugend gewidmet, Berlin o.J. (um 1900), S. 159f. 46 Haack 1909, S. 60. In dieser Form noch in Meyer's Konversationslexikon, 7. Auflage, Leipzig 1928, Artikel „Luise": Der Sarkophag wurde „1815 in Charlottenburg in dem dazu errichteten Mausoleum aufgestellt". 47 Donop 1889 (a), S. 769.

Anmerkungen zu Kapitel 7, 8

479

48 49 50 51

Gartenlaube Nr. 36, 1870, S. 576. Kümmel/Maaz, S. 15. Eylert 1845 Band 2. 2, S. 140. Karl von Reinhard (Hrsg.): Die Kurmark Brandenburg im Zusammenhange mit den Schicksalen des Gesammtstaats Preußen während der Jahre 1809 und 1810. Aus dem Nachlasse des Wirklichen Geheimraths Magnus Friedrich von Bassewitz, Leipzig 1860, S. 99. 52 Charles de Brosses: De culte des dieux fétiches, Paris 1760. 53 Sigmund Freud: Drei Abhandlungen zur Sexualtheorie (1905). I. Die sexuellen Abirrungen, in: Sigmund Freud: Studienausgabe, hrsgg. v. Thure von Uexküll und Ilse Grubrich-Simitis, Frankfùrt/M. 1972, Band 5, Sexualleben, S. 63. 54 Hans Vaihingen Königin Luise als Erzieherin. Eine Gedächtnißrede, Halle 1894, S. 53f.

8 Klassische Ästhetik und klassizistische Kunst 1 Gotthold Ephraim Lessing: Laokoon, oder über die Grenzen der Malerei und Poesie, Stuttgart 1964, S. 15. 2 Königin Luise an Prinz Wilhelm am 20.5.1808; Jagow 1940, S. 85f. 3 Zit. n. Bailleu 1908, S. 5. 4 Zit. n. Bailleu 1908, S. 105. 5 Berg, S. lOff. 6 Berg, S. 7. 7 Berg, S. 7. 8 Johann Wolfgang von Goethe: Italienische Reise, 2. Römischer Aufenthalt, April 1788, Bericht. 9 Alfred Gotthold Meyer: Reinhold Begas, Bielefeld und Leipzig 1901, S. 7. 10 Vgl. Dobbert, S. 17. 11 Friedrich Schiller: Über Anmut und Würde; Schillers Werke, 9 Bände, Elberfeld o. J„ Band 9, S. 221ff. 12 Schiller an Christian Gottfried Körner am 9.8.1799; Schillers Werke. Nationalausgabe, hrsgg. v. Lieselotte Blumenthal und Benno von Wiese, 30. Band, Weimar 1961, Brief 86. Schiller war der Königin in Weimar nach einer Aufführung von .Wallensteins Tod' vorgestellt worden. 13 Vossische Zeitung Nr. 167 vom 19.7.1860. 14 Johann Wolfgang von Goethe: Italienische Reise, 2. Römischer Aufenthalt, April 1788, Bericht. 15 Horn, S. 162. 16 Friedrich Schiller: Uber die ästhetische Erziehung des Menschen, in einer Reihe von Briefen, 15. Brief; Schillers Werke (Elberfelder Ausgabe), S. 385f 17 Rauch an Schinkel; zit n. Friedrich Eggers Band 1, S. 121. Das Zitat bezieht sich auf die zweite Fassung der Statue, in welcher der Bildhauer die Anmut und Würde der ersten Fassung noch steigern wollte. 18 Johann Wolfgang von Goethe: Italienische Reise, 2. Römischer Aufenthalt, April 1788, Bericht. 19 Friedrich Eggers Band 1, S. 120. 20 Novalis: Glaube und Liebe oder Der König und die Königin, in: Novalis: Schriften, hrsgg. v.J. Minor, 2 Bände j e n a 1907, Band 2, S. 156f.

480

Anmerkungen zu Kapitel 9

9 Werkimmanenz und Wirkung 1 Heilborn, S. 266. 2 Eylert 1845 Band 2. 2, S. 143f 3 Franz Kugler: Christian Rauch [1851], in: Kleine Schriften und Studien zur Kunstgeschichte, 3. Teil, Stuttgart 1854, S. 706. 4 Besondere Beilage Nr. 11 zur Allgemeinen Preußischen Staats-Zeitung Nr. 61 vom 10.3.1876. 5 Vgl. Barthes, S. 115. 6 Friedrich Eggers Band 1, S. 149. 7 Vgl. Ausst. Kat. „The most beautifül Statues". The Taste for antique Sculpture 1500-1900, hrsgg. v. Francis Haskell und Nicholas Penny, Oxford 1981, S. 24. Desw. C. A. Böttiger und H. Meyer: Archaeologische Hefte oder Abbildungen zur Erläuterung des classischen Alterthums, aus alten zum Theil noch unbekannten Denkmählern, fiir Studirende und Kunstfreunde I [1801], Tafel II. 8 Friedrich Haack: Die Kunst des XIX. Jahrhunderts, 12. Auflage, Stuttgart 1905, S. 55. 9 Börsch-Supan 1977, S. 20. 10 Rauch an Ferdinand Ruscheweyh im Jahre 1833; Peschken-Eilsberger, S. 54. 11 Vgl. Andrea M. Kluxen: Transformierte Antike, in: Ausst. Kat. „Künstlerleben in Rom", S. 279fF; desw. Busch S. 206ff. 12 Eduard von Ambach: Deutschlands Erlösung oder der FQrstenbund, geschlossen über dem Grabe der Königin Louise von Preußen, Augsburg, 1845, S. 93. 13 Theodor Mommsen, in: Theodor Mommsen und Heinrich v. Treitschke: Königin Luise. Zwei Festreden, Berlin 1876, S. 26. 14 Friedrich Eggers Band 1, S. 151. 15 Gartenlaube Nr. 36, 1870, S. 578. 16 Paul Bellardi: Königin Luise, ihr Leben und ihr Andenken in Berlin, Berlin 1893, S. 5f. und S. 56f. 17 Friedrich Eggers Band 1, S. 149. 18 Friedrich Eggers Band 1, S. 148. 19 Treitschke 1876, S. 6. 20 Horn, S. 204. 21 Friedrich Eggers Band 1, S. 149. 22 Herman Grimm, S. 8f. 23 Dobbert, S. 3. 24 Julius Lange: Die Hand auf der Brust [1887], in: Ausgewählte Schriften (1886-1897), hrsgg. v. Georg Brandes und Peter Köbke, Band 2, Straßburg 1912, S. 66. 25 Lange, S. 68. 26 Bailleu 1908, S. 356. 27 Grafjoseph von Hohenzollern, Fürstbischof von Ermeland, an Karoline von Berg; zit. n. Adami, S. IX. 28 Friedrich Eggers Band 1, S. 143. 29 Lange, S. 64. 30 Feier der Akademie der Künste am 9.6.1851 für Rauch in Anwesenheit des Königs sowie der militärischen und zivilen Führung, in: Sommer, S. 135. 31 Illustrirte Zeitung Leipzig Nr. 1056 von 1863. 32 Theodor Körner: „Vor Rauch's Büste der Königin Louise", in: Theodor Körners sämmtliche Werke. Erste illustrirte Ausgabe, 2 Bände, 6. Auflage, Berlin 1890, Band 1, S. 3. 33 Memmesheimer, S. 62f. 34 Clemens Brentano an Joseph Görres am 26.6.1815; zit. n. Börsch-Supan 1977, S. 21.

Anmerkungen zu Kapitel 9, 10

481

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Gartenlaube Nr. 36, 1870, S. 578. Friedrich Eggers Band 1, S. 117. Friedrich Eggers Band 1, S. 105 und S. 132. Rudolf Löwenstein: Festrede am hundertsten Jahrestage des Geburtstages von Christian Daniel Rauch im Verein Berliner Künstler gehalten am 2. Januar 1877, Berlin 1877, S. 5. 39 Alwin Lonke: Königin Luise. Ein Lebensbild nach den Quellen, Leipzig 1904, S. 129.

10 Die Königin und der Kammerdiener 1 Löwenstein, S. 12. 2 Gedächtnisfeier des Königlichen Professors und Hofbildhauers Christian Daniel Rauch, veranstaltet von der Königlichen Akademie der Künste. Den 20. März 1858, Berlin 1858. 3 Dieser Zusammenhang wurde im Festprogramm ausdrücklich erwähnt. 4 Carl Neumann, S. 166. 5 Zit. n. Simson 1996, S. 452. 6 Friedrich Eggers Band 1, S. 89. 7 Dobbert, S. 12. 8 Löwenstein, S. 7. 9 Friedrich Eggers Band 1, S. 30. 10 Fragment eines selbstverfaßten Lebenslaufes; zit. n. Simson 1996, S. 14. 11 Eylert 1845 Band 2. 2, S. 140. 12 Ernst Wiehert: Die gnädige Frau von Paretz. Dramolet in einem Aufzuge, Leipzig 1877. 13 Gedächtnisfeier, S. 4. 14 Löwenstein, S. 7. 15 Eylert 1845 Band 2. 2, S. 140. 16 Vgl. Wilhelm v. Humboldt an Caroline am 25.4.1809; Sydow, Brief 67. 17 Löwenstein, S. 7. 18 Friedrich Eggers Band 1, S. 29. 19 Löwenstein, S. 8. 20 Carl Neumann, S. 173. 21 Herman Grimm: Rauchs hundertjähriger Geburtstag. Abdruck aus dem XXXIX. Bande der Preußischen Jahrbücher [1877], S. 9. 22 Löwenstein, S. 5. 23 Friedrich Eggers Band 1, S. 94f 24 Friedrich Eggers Band 1, S. 95. 25 Dobbert, S. 4. 26 Treitschke 1876, S. 20. 27 Löwenstein, S. 12. 28 Herman Grimm, S. 8. 29 Löwenstein, S. 6. 30 Friedrich Eggers Band 1, S. 99. 31 Donop 1889 (a), S. 777. 32 Carl Neumann, S. 190. 33 Löwenstein, S. 11.

482

Anmerkungen zu Kapitel 10,11

34 Julius Ziehen (Hrsg.): Die Dichtung der Befreiungskriege. Deutsche Schulausgaben Nr. 19,14. Auflage, Leipzig, Dresden und Berlin o. J., S. 9f. 35 Magdalene von Broeker: Kunstgeschichte im Grundriß, 6. Auflage, Göttingen 1905, S. 240. 36 Friedrich Eggers Band 1, S. 18. 37 Peter Bloch und Waldemar Grzimek: Das Klassische Berlin. Die Berliner Bildhauerschule im W.Jahrhundert, Berlin 1978, S. 68. 38 Friedrich Eggers Band 1, S. 94 und S. 90. 39 Friedrich Eggers Band 1, S. 148. 40 Donop 1889 (a), S. 769. 41 Löwenstein, S. 9. 42 Haack 1909, S. 59. 43 Donop 1889 (a), S. 769. 44 Donop 1889 (a), S. 769. 45 Löwenstein, S. 12. 46 Donop 1889 (a), S. 767. 47 Friedrich Eggers Band 1, S. 116. 48 Rauch an Caroline v. Humboldt am 17.12.1812; Simson 1999, Brief 43. 49 Rauch an Caroline v. Humboldt am 17.12.1812 und 5.4.1813; Simson 1999 Briefe 43 und 47. Das Urteil über Thorvaldsens Alexanderfries zit. n. Friedrich Eggers Band 1, S. 131. 50 Friedrich Eggers Band 1, S. 116f. 51 Friedrich Eggers Band 1, S. 124. 52 Vgl. Friedrich Eggers Band 1, S. 127ff; Dobbert, S. 13; Donop 1889 (a), S. 768. 53 Friedrich Eggers Band 1, S. 131. 54 Friedrich Eggers Band 1, S. 134. 55 Friedrich Eggers Band 1, S. 136. 56 Friedrich Eggers Band 1, S. 133. 57 Friedrich Eggers Band 1, S. 145. 58 Herman Grimm, S. 8. 59 Herman Grimm, S. 9. 60 Löwenstein, S. 12. 61 Dobbert, S. 3. 62 Löwenstein, S. 12ff 63 Dobbert, S. 5f. 64 Donop 1889 (a), S. 769. 65 Dobbert, S. 3. 66 Löwenstein, S. 15. 67 Am 4. Juni 1851 dem Meister Rauch, bei der Überreichung einer Medaille, Berlin 1851, S. 5.

11 Schinkels erste Gönnerin 1 2 3 4

Wilhelm v. Humboldt an Caroline am 4.8.1810; Sydow, Brief 216. Simson 1996, S. 19. Friedrich Eggers Band 1, S. 145f. Herman Grimm, S. 5.

Anmerkungen zu Kapitel 11

483

5 6 7 8

Paul Meinhold: Wilhelm II. 25 Jahre Kaiser und König, Berlin 1912, S. 170. Schadow 1987 Band 1, S. 84. Alfred von Wolzogen: Aus Schinkels Nachlaß, 3 Bände, Berlin 1862-63, Band 2. S. 345. Franz Kugler: Karl Friedrich Schinkel. Eine Charakteristik seiner künstlerischen Wirksamkeit, Berlin 1842, S. 146ÍF. 9 Karl Friedrich Schinkel: Selbstbiographie [1825], in: Hans Mackowsky: Karl Friedrich Schinkel. Briefe, Tagebücher, Gedanken, Berlin 1922, S. 27. 10 Schadow 1987 Band 1, S. 87. 11 Verzeichniß derjenigen Kunstwerke, welche von der Königlichen Akademie der Künste in den Sälen des Akademie-Gebäudes auf der Neustadt den 23sten September und folgende Tage täglich von 11 bis 5 Uhr ausgestellt sind, Berlin 1810, Kat. Nr. 189, S. 26ff. Eine ausführlichere Abhandlung Schinkels über den Gegenstand findet sich unter dem Titel „Entwurf zu einer Begräbnißkapelle für Ihre Majestät die Hochselige Königin Luise von Preußen" bei Wolzogen 1863 Band 3, S. 153ff. 12 Zit. n. Wolzogen Band 3, S. 154. 13 Zit. n. Wolzogen Band 3, S. 160. 14 Erläuterungsschreiben vom 26.2.1818; Rave 1981, S. 273. Schinkel begründete die Wahl der antiken Form vor allem mit der besseren Fernwirkung. 15 Michael Bollé zeichnet in seiner Dissertation über Heinrich Gentz vor dem Hintergrund des Mausoleumsbaus ein zwiespältiges Charakterbild des jungen Schinkel, den er als inkompetenten, undankbaren, profilierungssüchtigen und sich dubioser Methoden bedienenden Intriganten beschreibt. Diese Einschätzung ist wohl auch von dem verständlichen Wunsch nach einer neuen Würdigung des Architekten Gentz geleitet; vgl. Bollé, S. 59, S. 229 und S. 231. 16 Georg Friedrich Koch: Schinkels architektonische Entwürfe im gotischen Stil 1810-1815, in: Zeitschrift für Kunstgeschichte Nr. 32, 1969, S. 267. 17 Joachim Gaus: Schinkels Entwurf zum Luisenmausoleum, in: Aachener Kunstblätter 1971. Festschrift für Wolfgang Krönig, S. 261f. 18 Zit. n. Wolzogen Band 3, S. 158. 19 Zit. n. Wolzogen Band 3, S. 160. 20 Zit. n. Wolzogen Band 3, S. 159. 21 Berliner Abendblätter Nr. 38 vom 13.11.1810. 22 Berliner Abendblätter Nr. 38 vom 13.11.1810. 23 Stamm-Kuhlmann 1992, S. 496. 24 Karl Friedrich Schinkel: Gedanken zur Baukunst, in: Mackowsky 1922, S. 197. 25 Hans Kania und Hans-Herbert Möller: Mark Brandenburg. Schinkel Lebenswerk, hrsgg. v. Paul Ortwin Rave, Berlin 1960, S. 71f Nach einer Mitteilung Wolzogens, des Schwiegersohns des Architekten, soll der Entwurf des Mausoleums nach einem Auftrag Friedrich Wilhelms III. entstanden sein. Diese Ansicht ist von der Schinkelliteratur weder geteilt noch aufgegriffen worden; vgl. Wolzogen Band 3, S. 153. 26 Michael Nungesser: Das Denkmal auf dem Kreuzberg von Karl Friedrich Schinkel, Berlin 1987, S. 27. 27 Ausst. Kat. „Die Kunst hat nie ein Mensch allein besessen", Kat. Nr. II.2/111, S. 161. 28 Zit. n. Wolzogen Band 3, S. 159. 29 Zit. n. Wolzogen Band 3, S. 158. 30 Bellardi, S. 53; Horn, S. 203; Gartenlaube Nr. 36, 1870, S. 578. 31 Zum Angedenken der Königin Luise von Preußen, S. 86. 32 Theodor Fontane: Wanderungen durch die Mark Brandenburg, 4. Bände, Berlin 1892; Die Grafschaft Ruppin, S. 479.

484

Anmerkungen zu Kapitel 11, 12

33 Zum Angedenken der Königin Luise von Preußen, S. 11. 34 Heinz Ohff: Karl Friedrich Schinkel oder Die Schönheit in Preußen, München 1997, S. 86. 35 Rede, gehalten bei der Einweihung des auf dem Markte zu Gransee errichteten Denkmals zum Andenken der verewigten Königin Luise von Preußen; Den 19ten Oktober 1811; Rulemann Friedrich Eylert: Die Gedächtnisfeyer der verewigten Königinn Luise von Preußen. Berlin 1812, S. 227. 36 Zum Angedenken der Königin Luise von Preußen, S. 86. 37 Eylert 1812, S. 226. 38 Fontane 1892; Die Grafschaft Ruppin, S. 479. 39 Zit. n. Börsch-Supan 1991, S. 16. 40 Friedrich Eggers Band 1, S. 106. 41 Ohff 1997, S. 111. 42 Fontane 1892; Die Grafschaft Ruppin, S. 106f. 43 Der Architekturstreit um das Mausoleum findet sich bei Bollé, S. 235ff. 44 Einfluß auf den Mausoleumsbau hatte auch Rauch: vgl. dazu Simson 1999, Brief 10 („Bisher hat er [der König] alles befolgt wies ich ihm auch in Hinsicht des Innern des Mausoleums gerathen habe"), Brief 15 (zu Türen des Gebäudes), Brief 18 (zum Austausch der Pilaster aus Jaspis in solche aus Gipsmarmor) und Brief 28 (Treffen Rauchs mit dem König vor Ort, „um noch manches auf der Stelle besprechen zu können"). Desw. Rauch an Thorvaldsen am 12.5.1811; Thiele Band 1, S. 203 (zur Beleuchtung der Statue im Mausoleum). Daß die Gesamtverantwortung aber in anderen Händen gelegen haben muß, beweist Rauchs Urteil zum Resultat schon im November 1811: „Das ganze bis auf die Thüren ist nun fertig will mir aber garnicht behagen"; Simson 1999; Brief 23.

12 Die Schönste der Schönen 1 Elisabeth Vigee-Lebrun: Die Erinnerungen der Malerin Vigee-Lebrun, 2 Bände, Weimar 1912, Band 2, S. 152. Die französische Originalausgabe war 1835-37 erschienen. 2 B.Z. Nr. 279/48 vom 29.11.1999. 3 Stein 1897, S. 42. 4 Zit. n. Heilborn, S. 111. 5 Bailleu 1908, S. 302. 6 Bailleu 1908, S. 147. 7 Bailleu 1908, S. 131. 8 Bailleu 1908, S. 97ff 9 Vigee-Lebrun Band 2, S. 153. 10 Paul Seidel: Königin Luise im Bilde ihrer Zeit, in: Hohenzollern-Jahrbuch, 9. Jahrgang, Berlin und Leipzig 1905, S. 127. 11 Oscar Wilde: Das Bildnis des Dorian Gray, Frankfürt/M. 1985, S. 34f. 12 Vgl. George L. Hersey: Verfuhrung nach Maß. Ideal und Tyrannei des perfekten Körpers, Berlin 1998, S. 80ff. 13 Schwerin Band 1, S. 259. 14 Bailleu 1908, S. 130. 15 Stein 1897, S. 68. 16 Lonke, S. 235. 17 Voß, S. 132f., Eintrag vom 6.7.1807.

Anmerkungen zu Kapitel 12,13

485

18 Felseneck, S. 111. 19 Friedrich Wilhelm III. über Napoleon; zit. n. Friedrich Wencker-Wildberg (Hrsg.): Napoleon. Die Memoiren seines Lebens, 14 Bände, Wien, Hamburg und Zürich 1949/50, Band 10, S. 450 20 Armin Stein über Königin Luise, Stein 1897, S. 159. 21 Friedrich Wilhelm ID., S. 30. 22 Napoleon anjoséphine am 7.7.1807; zit. n. Mander, S. 101. 23 Wencker-Wildberg Band 10, S. 453. 24 Bailleu 1908, S. 243f. 25 Radziwill, S. 77. 26 Schwerin Band 1, S. 203. 27 Friedrich Wühelm III., S. 30 und S. 22. 28 Luise Radziwill; zit. n. Bailleu 1908, S. 327. 29 Schwerin Band 1, S. 255. 30 Berg, S. 93. 31 Eylert 1845 Band 2. 2, S. 144. 32 Schwerin Band 1, S. 258. 33 Schwerin Band 1, S. 257. 34 Theodor Körner: An die Königin Louise; Kömer Band 1, S. 17. 35 Hermann Müller-Bohn: Die Denkmäler Berlins, Berlin 1897, S. 30. 36 Zit. n. Georges Duby (Hrsg.): Geschichte der Frauen im Bild, Frankfurt am Main 1995, S. 100. 37 Georg Schorer: Deutsche Kunstbetrachtung, München 1942, S. 5f. und S. 121. 38 Adami, S. 362. 39 Friedrich WÜhelm III., S. 15. 40 Ariès 1980, S. 601. 41 Fedor von Koppen: Wilhelm der Große. Ein vaterländisches Heldengedicht, Leipzig o. J. [um 1897], S. 17. 42 Herman Grimm, S. 9.

13 Die Nymphe 1 Horn, S. 76. 2 Lady Jackson (Hrsg.): The Diaries and Letters of Sir George Jackson. From the Peace of Amiens to the Battle of Talavera, 2 Bände, London 1872, Band 1, S. 108. 3 Eigenhändige Aufzeichnung über die Zusammenkunft in Memel mit Zar Alexander I. im Juni 1802; Rothkirch, Nr. 148. 4 „Königin Luise mit dem Apfel", Gips, verschollen, zuletzt Marienburg, Hochmeisterpalast; vgl. Eckardt 1990, S. 95. 5 Jean Paul 1801; zit. n. Bailleu 1908, S. 116. 6 Johann Friedrich Abegg: Reisetagebuch von 1798, hrsgg. v. Walter und Jolanda Abegg, Frankfurt am Main 1987, S. 282. 7 Paul Seidel, S. 129. 8 Paul Seidel, S. 128. 9 Paul Seidel, S. 130. 10 Philippe-Paul Comte de Ségur; zit. n. Paul Seidel, S. 130.

486

Anmerkungen zu Kapitel 13

11 Zit. n. Paul Seidel, S. 130. 12 Sonntagsbeilage Nr. 15 der Vossischen Zeitung vom 9.4.1905; zit. n. Paul Seidel, S. 126f; vgl. auch Bailleu 1908, S. 106. 13 Paul Seidel, S. 126. 14 Cosima Wagner: Die Tagebücher, hrsgg. v. Martin Gregor-Dellin und Dietrich Mack, 2 Bände, München 1977, Band 2, S. 517, Eintrag vom 4.4.1880. 15 Friedrich August Ludwig von der Marwitz: Preußischer Adel. Aus den nachgelassenen Schriften Friedrich August Ludwigs von der Marwitz, hrsgg. v. Friedrich Schinkel, Breslau 1932, S. 87f. 16 Zit. n. Merete van Taack: Königin Luise, 2. Auflage, Tübingen 1978, S. 285. 17 Vgl. Friedrich Wilhelm III., S. 16. 18 Marie von Bunsen. Die Welt, in der ich lebte. Erinnerungen aus glücklichen Jahren, 1860-1912,3. Auflage, Leipzig 1929, S. 52. 19 Paul Seidel, S. 128. 20 Dreyhaus 1926, S. llff. 21 Dreyhaus 1926, S. 12. 22 Julius Disselhoff: Luise, Königin von Preußen, oder Eine Geschichte von großer Freud und tiefem Leid. Dem deutschen Volke erzählt. Kaiserswerth 1896, S. 42. 23 Thiel, S. 33f. 24 Karl Griewank (Hrsg): Königin Luise. Ein Leben in Briefen, Leipzig 1943, S. 9. 25 Paul Seidel, S. 131. 26 Hintze 1910, S. 2. 27 Dreyhaus 1926, S. 8f. 28 Paul Bailleu: Luise, Königin von Preußen, in: Allgemeine Deutsche Biographie, Band 19, Leipzig 1884, S. 819. 29 So soll Talleyrand gespottet haben; zit. n. Hans Erik Hausner (Hrsg.): Zeit-Bild. Das historische Nachrichtenmagazin. Napoleon. Bindlach 1988, S. 95. 30 Stein 1897, S. 288. 31 Napoleon an Joséphine; zit. n. Mander, S. 101. 32 Schwerin Band 1, S. 263. 33 1. Bulletin der großen Armee vom 8.10.1806; Landsberg, Nr. 192. 34 Napoleon an Joséphine im Oktober 1806; zit. n. André Maurois: Napoleon, Hamburg 1966, S. 74. 35 Bulletin vom 27.10.1806; zit. n. Wecker-Wildberg Band 10, S. 458f. 36 Bulletin vom 25.10.1806. 37 Bulletin vom 27.10.1806; zit. n. Wencker-Wildberg Band 10, S. 458. 38 Bulletin vom 26.10.1806; zit. n. Friedrich Förster: Geschichte der Befreiungskriege, 5.-7. Auflage, Berlin 1866, S. 864f. 39 Bericht des bayerischen Gesandten Graf von Bray vom 20.7.1807; zit. n. Wencker-Wildberg Band 10, S. 449. 40 Zit. n. Wencker-Wildberg Band 10, S. 456. 41 Aufzeichnungen Königin Luises über die Zusammenkunft in Memel von 1802; Rothkirch, Nr. 148. 42 Otto Hintze: Die Hohenzollern und ihr Werk. Fünfhundert Jahre vaterländischer Geschichte, 5. Auflage, Berlin 1915, S. 436. 43 Stein 1897, S. 281 u. S. 289. 44 Alexander Kielland: Rings um Napoleon, Leipzig 1905, S. 169. 45 Max Maurenbrecher: Die Hohenzollernlegende, 2 Bände, Berlin 1905/06, Band 2, S. 618. 46 Mosse, S. 15.

Anmerkungen zu Kapitel 13, 14

47 48 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65

487

Thiel, S.30ff. Thiel, S. 76. Thiel, S. 41. Bailleu 1908, S. 279. Friedrich Meinecke: Das Zeitalter der deutschen Erhebung (1795-1815), Bielefeld und Leipzig 1913, S. 46. Friedrich Eggers Band 1., S. 100. Vgl. Rauch an Caroline v. Humboldt am 1.10.1812; Simson 1999, Brief 12. Die Gartenlaube Nr. 36, 1870, S. 578. Friedrich Eggers Band 1, S. 101. Eylert 1844 Band 2. 1, S. 29. Donop 1889 (a), S. 769. Gerd Heinrich: Geschichte Preußens. Staat und Dynastie. Frankfurt am Main, Berlin und Wien 1981, S. 277. Paul Seidel, S. 147. Marc-André RafFalovich: Uranisme et Unisexualité, Lyon und Paris 1896, S. 184. Mosse, S. 24. Horn, S. 204. Mommsen, S. 30. Luise an ihren Bruder Georg am 4.4.1794; Rothkirch, Brief 49. Mander, S. 44.

14 Die zweite Luise 1 Karl August Vamhagen von Ense: In Rauch's Werkstatt. Auf die Bildsäule der Königin von Preußen, 1828, in: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften, Band 2, Mannheim 1837, S. 538. 2 Rauch an Caroline v. Humboldt am 1.6.1811; Simson 1999, Brief 10. 3 Rauch an Caroline v. Humboldt am 15.4.1813; Simson 1999, Brief 48. 4 Rauch an Schinkel; zit. n. Friedrich Eggers Band 1., S. 121f. 5 Rauch an Caroline v. Humboldt am 10.1.1813; Simson 1999, Brief 44. 6 Rauch an Caroline v. Humboldt am 10.1.1813; Simson 1999, Brief 44. 7 Rauch an Caroline v. Humboldt am 15.4.1813; Simson 1999, Brief 48. 8 Rauch an Friedrich Wilhelm III. am 1.10.1827; zit. n. Simson 1996, S. 83. 9 Rauch an Tieck, zit. n. Simson 1996, S. 83. 10 Paul Seidel, S. 154. 11 Donop 1889 (a), S. 771. 12 Mitgeteilt bei Eylert 1845 Band 2. 2, S. 146. 13 Rauch an Böttiger am 22.3.1828; Robert Boxberger: Briefe des Bildhauers Chr. Rauch meist an Hofrath Böttiger, aus dessen Nachlass auf der Bibliothek in Dresden. In: Jahrbuch der Königlich preußischen Akademie gemeinnütziger Wissenschaften zu Erfurt, N. F. 11, 1882, S. 154f. 14 Ernst Heinrich Toelken: Die hochselige Königin Louise von Preußen. Marmorbild in ruhender Stellung vom Bildhauer Rauch, in: Berliner Kunst-Blatt 1, 1828, S. 131. 15 Rauch an Friedrich Wilhelm III. am 1.12.1827; zit. n. Simson 1996, S. 83. 16 Rauch an Böttiger am 22.3.1828; Boxberger, S. 154f.

488

Anmerkungen zu Kapitel 14,15

17 Friedrich Tieck an Goethe am 12.4.1828; Bernhard Maaz (Hrsg.): Friedrich Tieck. Briefwechsel mit Goethe, Berlin 1996, Brief 22. 18 Mitgeteilt bei Eylert 1845 Band 2. 2, S. 145f. 19 Tagebucheintrag der Prinzessin Marianne von Preußen am 19.11.1824; zit. n. Stamm-Kuhlmann 1992, S. 520. 20 Stamm-Kuhlmann 1992, S. 519. 21 Friedrich WUhelm III., S. 11. 22 Rauch an Böttiger am 4.12.1824; Boxberger, S. 137. 23 Friedrich Samuel Gottfried Sack: Rath und Trost der Religion bei dem Tode unsrer verewigten Königin, in: Zum Angedenken der Königin Luise von Preußen, S. 69f. 24 Stamm-Kuhlmann 1992, S. 519. 25 Der Kronprinz an Prinzessin Charlotte am 10.3.1814; Granier, Brief 154. 26 Aufzeichnung des Prinzen Wilhelm über den 4.11.1824; Kurt Jagow (Hrsg.): Jugendbekenntnisse des Alten Kaisers. Briefe Kaiser Wilhelms I. an Fürstin Luise Radziwill, Prinzessin von Preußen, 1817-1829, Leipzig o. J„ S. 121. 27 Tagebucheintrag der Prinzessin Marianne von Preußen am 17.12.1824; zit. n. Stamm-Kuhlmann 1992, S. 520. 28 Prinz Wilhelm von Preußen an Charlotte am 9.10.1825; Karl-Heinz Börner (Hrsg.): Prinz Wilhelm von Preußen an Charlotte. Briefe 1817-1860, Berlin 1993, S. 164. 29 Hahn, S. 445. 30 Agnes Rauch an ihren Vater am 9.2.1828; Peschken-Eilsberger, Brief 81. 31 Karl August Varnhagen von Ense berichtet aus einem Gespräch mit Alexander von Humboldt: „Der König hat seit vielen Jahren dem Bildhauer Rauch keine Bestellung gegeben, weil er höchst aufgebracht ist, daß dieser eine zweite Bildsäule der Königin angefertigt, ohne daß es ihm aufgetragen war; auch mußte er sechs Jahre auf die Bezahlung warten, und diese fiel sehr karg aus, etwa 8000 Thlr., anstatt 15000, wie man dem König vorgeschlagen hatte." Karl August Varnhagen von Ense: Aus dem Nachlaß Varnhagens von Ense. Tagebücher von Karl August Varnhagen von Ense, hrsgg. v. Ludmilla Assing, Band 1, Leipzig 1861, S. 8. 32 Adami, S. 362. 33 Deutsches Kunstblatt, 6. Jahrgang, 1855, S. 251.

15 Die Suche nach dem wahren Luisenbild 1 Eylert 1842 Band 1, S. 490. 2 Johann Wolfgang von Goethe: Autobiographische Schriften. Belagerung von Mainz. 3 Stein 1897, S. 155f. 4 Schwerin Band 1, S. 259. 5 Nach dem Urteil des englischen Barons Percy vom 6.7.1807; Wencker-Wildberg Band 10, S. 446. 6 Eylert 1844 Band 2. 1, S. 27. 7 Vossische Zeitung Nr. 59 vom 10.3.1876. 8 Eylert 1844 Band 2. 1, S. 4. 9 Paul Seidel, S. 108. 10 Barthes, S. 99. 11 Vossische Zeitung Nr. 59 vom 10.3.1876.

Anmerkungen zu Kapitel 15

489

12 Stein 1897, S. 104. 13 Paul Seidel, S. 109. 14 Luise an Friedrich Wilhelm am 25.4.1797; Rothkirch, Brief 92. Laut Rothkirch handelt es sich um den Maler Henrik Ploetz. Ein Stich von Meno Haas nach seiner Zeichnung ist veröffentlicht bei Georg Schuster: Königin Luise. Historische Bilddokumente, Berlin 1934, S. 50. 15 Friedrich Wilhelm an Luise; zit. n. Bailleu 1908, S. 35. 16 Adolf Rosenberg: Das Denkmal der Königin Luise für Berlin, in: Gartenlaube 1880 17 Rosenberg 1880, S. 6. 18 Stein 1897, S. 92. 19 Paul Seidel, S. 128. 20 Berg, S. 86. 21 Besondere Beilage Nr. 11 zur Allgemeinen Preußischen Staats-Zeitung Nr. 61 vom 10.3.1876. 22 Zit. n. Eylert 1812, S. XIV. 23 Berliner Abendblätter Nr. 6 vom 6.10.1810. 24 Illustrirte Zeitung Leipzig Nr. 3045 vom 7.11.1901. 25 Horn, S. 200. 26 Christian Ferber: Die Seidels. Geschichte einer bürgerlichen Familie, 1811—1977, 3. Auflage, Stuttgart 1979, S. 133. 27 Paul Seidel, S. 108. 28 Das Hohenzollern-Museum im K. Schlosse Monbijou, Berlin 1878, S. 1. 29 Das Hohenzollem-Museum im K. Schlosse Monbijou, S. 1. 30 Bellardi, S. 112. 31 Georg Hiltl: Das Hohenzollem-Museum im Schlosse Monbijou zu Berlin, in: Daheim, 1877, Leipzig, S. 660ff. 32 Aries 1980, S. 335. 33 Paul Seidel, S. 139. 34 Ernst Benkard: Das ewige Antlitz. Eine Sammlung von Totenmasken. Mit einem Geleitwort von Georg Kolbe, Berlin 1926, S. IXff 35 Walter Benjamin: Kleine Geschichte der Photographie, in: Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit. Drei Studien zur Kunstsoziologie, Frankfurt am Main 1977, S. 49f. 36 Benkard, S. XLV. 37 Zit. n. Adami, S. 391f. 38 Paul Seidel, S. 141. 39 Gartenlaube 1886, S. 703. 40 Paul Seidel, S. 140. 41 Eylert 1845 Band 2. 2, S. 132. 42 Berliner Abendblätter Nr. 37 vom 12.11.1810. 43 Brief Luise Radziwills vom 26.9.1810; Jagow 1940, S. 142. 44 Berliner Abendblätter Nr. 6 vom 6.10.1810. 45 Berliner Abendblätter Nr. 37 vom 12.11.1810. 46 Paul Seidel, S. 142. 47 Heilborn, S. 68. 48 Gabriele Hoffmann: Frauen machen Geschichte, Bergisch Gladbach 1995, S. 221. 49 Paul Seidel, S. 142 und S. 127. 50 Paul Seidel, S. 110 u. S. 131. 51 Paul Seidel, S. 128.

490 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65

Anmerkungen zu Kapitel 15,16

Paul Seidel, S. 108. Lionel von Donop: Gustav Richter, in: Allgemeine Deutsche Biographie, Band 28, Leipzig 1889. Baffleu 1908, S. 356. Donop 1889 (b), S. 461. Heinrich von Kleist: An die Königin von Preußen, in: Ziehen, S. 102. Dreyhaus 1926, S. 39. Illustrirte Zeitung Leipzig Nr. 3020 vom 16.5.1901. Paul Seidel, S. 108. Vossische Zeitung Nr. 59 vom 10.3.1876. Bailleu 1908, S. 182. Schwerin Band 1, S. 258; zitiert auch in der Vossischen Zeitung Nr. 334 vom 19.7.1910. Paul Seidel, S. 108. Vgl. Prinz Wilhelm von Preußen an Charlotte am 24.3.1818; Börner, Brief 9. Zit. n. Adami, S. II.

16 Schadow und Rauch 1 Fontane 1892; Das Spreeland, S. 309f. Erstmalig war der vierte Band der .Wanderungen durch die Mark Brandenburg' 1882 erschienen. 2 „Die Zeit" vom 16.3.1990; zit. n. Wülfing/Bruns/Parr, Vorwort. 3 Zit. n. Adami, S. 93f. 4 Friedrich Wilhelms II. am 21. und 22.3.1793; zit. n. Bailleu 1884, S. 816. 5 Zit. n. Bailleu 1884, S. 817. 6 Friedrich Wilhelm II. zum Kronprinzen; Friedrich Wilhelm III., S. 58. 7 Horn, S. 73. 8 Schadow 1987 Band 1, Blatt X, S. 270; und Band 2, Anmerkung 49/28, S. 423f. 9 Voß, S. 67. 10 Friedrich Bury an Goethe am 16.8.1800; zit. n. W. Scheidig: Goethes Preisaufgaben für bildende Künstler 1799-1805. Schriften der Goethe-Gesellschaft 57, Weimar 1958, S. 133. 11 Morgenblatt fur gebildete Stände Nr. 232 vom 28.9.1807, S. 927. 12 Gottfried Schadow: Die bronzenen Arbeiten in Stockholm und St. Petersburg betreffend. Ein Vortrag, Ende des Jahres 1791 gehalten, in: Gottfried Schadow: Aufsätze und Briefe. Nebst einem Verzeichnis seiner Werke, hrsgg. von Julius Friedlaender, 2. Auflage, Stuttgart 1890, S. 32f. 13 Gottfried Schadow: Die Werkstätte des Bildhauers, in: Eunomia, 2. Jahrgang, Band 2, 1802, S. 346ff; zit. n. Schadow 1890, S. 62. 14 Schadow an Johann Georg von Dillis; zit. n. Eckardt 1990, S. 166. 15 Carl Neumann, S. 192f. 16 Per Daniel Atterbom: Ein Schwede reist nach Deutschland und Italien, Weimar 1967, S. 91. 17 Zit. n. Ausst. Kat. „In stiller Begeisterung". Johann Gottfried Schadow. Königin Luise in Zeichnungen und Bildwerken, hrsgg. vom Verein Historisches Paretz und der Stiftung Schlösser und Gärten Potsdam-Sanssouci, Berlin 1993 S. 19. 18 Eintrag in Schadows Schreibkalender vom 26.12.1809; zit. n. Ausst. Kat. „In stiller Begeisterung", S. 17. 19 Schadow 1987 Band 1, S. 92. 20 Schadow 1987 Band 1, S. 96.

Anmerkungen zu Kapitel 16

21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62

491

Paul Ortwin Rave: Das Rauch-Museum, Berlin 1930, S. 113. Fontane 1892; Das Spreeland, S. 309. Schadow 1987 Band 1, S. 87f Eylert 1845 Band 2. 2, S. 139. Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Werke in zwanzig Bänden, Vorlesungen über die Ästhetik I, Band 13, Frankfiirt/M. 1970, S. 37. Dobbert, S. 12. Dobbert, S. 8. Werner Busch: Das sentimentalische Bild. Die Krise der Kunst im 18. Jahrhundert und die Geburt der Moderne, München 1993, S. 24ff. Broecker, S. 232. Broecker, S. 232f. Broecker, S. 243. Sommer, S. 78. Haack 1905, S. 50. Carl Neumann, S. 195. Paul Seidel, S. 142. Haack 1909, S. 5 5 f . Donop 1889 (a), S. 765. Haack 1909, S. 59. Haack 1909, S. 60. Haack 1909, S. 58. Paul Seidel, S. 142f. Herman Grimm, S. 13. Carl Neumann, S. 166. Die Provinz Brandenburg in Wort und Bild, hrsgg. vom Pestalozzi-Verein der Provinz Brandenburg, Berlin 1900, S. 91f Hintze 1910, S. 9. Haack 1909, S. 60. Haack 1909, S. 59f. Benedict Read: Berlin Sculpture of the 19th century and Britain, in: Bloch/Einholz/Simson, S. 100. Ruskin, S. 542f. Meyer's Konversationslexikon, 3. Auflage, Leipzig 1874, Band 3, S. 217. Broecker, S. 240ff. Haack 1909, S. 59. Löwenstein 1897, S. 15. Haack 1909, S. 59. Adolf Rosenberg: Das Denkmal der Königin Luise für Berlin, in: Gartenlaube 1880, S. 6. Schadow 1987 Band 1, S. 38ff. Paul Seidel, S. 115. Rosenberg 1880, S. 6. Begutachtung der Prinzessinnengruppe im Modell durch Kanzler Hofimann und Erzbischof v. Gnesen; zit. n. Eckardt 1990, S. 68. Schadow 1987 Band 1, S. 38. Paul Seidel, S. 142. Schadow 1987 Band 1, S. 38.

492

Anmerkungen zu Kapitel 16,17,18

63 Jüngstes Beispiel dafür ist der Katalogartikel über einen Gipsabguß der kleinen Liegefigur im RauchMuseum Bad Arolsen, der das Charlottenburger Grabdenkmal bespricht; Kümmel/Maaz, Kat. Nr. 60, S. 182. 64 Mommsen, S. 28. 65 Carl August Böttiger; zit. n. Schadow 1987 Band 2, Anmerkung 40/8-32, S. 410. 66 Mirsch, S. 76. 67 Vossische Zeitung Nr. 335 vom 20.7.1910. 68 Lonke, S. 329. Letzter Satz. 69 Bailleu 1908, S. 118. 70 Ferber, S. 130. 71 Paul Seidel, S. 150.

17 Fünfzig Bilder für Jung und Alt 1 Wilhelm Baur: Lebensbilder, o. O., 1887, S. 195. 2 Vgl. Stefan Germer: Retrovision: Die rückblickende Erfindung der Nationen durch die Kunst, in: Ausst. Kat. „Mythen der Nationen", S. 33ff. 3 Ferdinand Stiehl: Aktenstücke zur Geschichte und zum Verständnis der drei Preußischen Regulative vom 1., 2. und 3. October 1854, Berlin 1855, S. 78f 4 Berliner-Börsen-Courier Nr. 41 vom 25.1.1913, Morgenausgabe. 5 Vorwärts Nr. 243 vom 17.10.1912, 2. Beilage. 6 Stich von F. W. Nettling nach Christian Hampe; Ausst. Kat. Königin Luise von Preußen (1776-1810) und ihre Zeit. Ausstellung des Stadtarchivs Mühlheim an der Ruhr, Mühlheim a. d. Ruhr 1976, Abb. 2. 7 Treitschke 1876, S. 5.

18 Die Reinste der Reinen 1 Ehrenberg, S. 24. 2 Stein, S. 7. 3 „In Paretz (1801-1803)", Gedicht von H. Süring, in: Die Provinz Brandenburg in Wort und Bild, S. 144. 4 Vgl. Patricia Drewes: Königin Luise von Preußen - Geschichte im Spiegel des Mythos, in: Peter Brandt (Hrsg.): An der Schwelle zur Moderne: Deutschland um 1800, Bonn 1999. 5 Im folgenden zitiert nach: Novalis, Band 2, S. 146ff. 6 Vgl. Barbara Vinken: Die deutsche Mutter. Der lange Schatten eines Mythos, München 2002, S. 184fF. 7 Nietzsche: Werke. Kritische Gesamtausgabe, hrsgg. v. Giorgio Colli und Mazzino Montinari, 5. Abteilung, Band 1, Berlin und New York 1971, S. 223. 8 Friedrich August Staegemann an Johann George Scheflner am 18.4.1816; Franz Rühl (Hrsg.): Briefe und Aktenstücke zur Geschichte Preußens unter Friedrich Wilhelm III., vorzugsweise aus dem Nachlaß von F. A. Stägemann, 3 Bände, Leipzig 1889-1902, Band 2, S. 78f. 9 Johann Erich Biesterjournalist und Vertreter der Berliner Aufklärung zu dem Heidelberger Theologenjohann Friedrich Abegg; Johann Friedrich Abegg: Reisetagebuch von 1798, hrsgg. v. Walter und Jolanda Abegg, Frankfurt am Main 1987, S. 282.

Anmerkungen zu Kapitel 18 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49

493

Bailleu 1908, S. 94. Novalis Band 2, S. 162. Boyen Band 2, S. 72. Eylert 1844 Band 2. 1, S. 1. Zit. n. Bailleu 1908, S. 107. Zit. n. Bailleu 1908, S. 115. Novalis Band 2, S. 155f. Briefjacksons vom 25.11.1802; Jackson, S. 109. Briefjacksons vom 24.2.1803; Jackson, S. 126. Vaihingen S. 12. Voß, S. 64ff. Bailleu 1908, S. 41. Thiel, S. 54. Bailleu 1884, S. 817 Varnhagen von Ense 1861, S. 334f., Eintrag vom 16.9.1841. Schwerin Band 1, S. 32. Bernstorff Band 2, S. 25. Bailleu 1884, S. 818. Thomas Stamm-Kuhlmann: Die Hohenzollem, Berlin 1995, S. 74. Arthur Moeller van den Bruck: Der Preußische Stil, 5. Auflage, Breslau 1931, S. 177f. Bailleu 1884, S. 820. Bilder deutscher Geschichte, Werk 12, hrsgg. v. Cigaretten-Bilderdienst, Hamburg 1936, VI. Gruppe, BUd Nr. 116. Bailleu 1884, S. 823. Zit. n. Dreyhaus 1926, S. 76. Bailleu 1908, S. 174. Hubatsch Band 3, S. 252 und Band 9, S. 735. Gneisenau an seine Ehefrau am 6.10.1810; Griewank 1939, Brief 68. Gneisenau spielt auf die schwärmerische Liebe der Königin zu Zar Alexander I. von Rußland an. Gneisenau an seine Ehefrau am 6.10.1810; Griewank 1939, Brief 68. Denis Diderot: Encyclopédie, Artikel Enciclopédie; Denis Diderot: Ästhetische Schriften, hrsgg. v. Friedrich Bassenge, 2. Bände, Berlin 1984. Prinzessin Marianne an den Freiherrn vom Stein am 14.12.1810; zit. n. Jagow 1940, S. 151. Blücher an Rittmeister v. Eisenhart am 22.7.1810; Kauer, S. 197. Ehrenberg, S. 23; Stein 1897, S. 134. Vossische Zeitung Nr. 334 vom 19.7.1910. Stein 1897, S. 230. Georg von Mecklenburg-Strelitz; zit. n. Bailleu 1908, S. 341. Eylert 1844 Band 2. 1, S. 7. Eylert 1844 Band 2. 1, S. 1. Eylert 1812, S. 201f. Stein 1897, S. 51. Mommsen, S. 26f.

494

Anmerkungen zu Kapitel 19

19 Der Tugend ein Denkmal 1 2 3 4 5 6 7 8 9

Novalis Band 2, S. 156. Eylert 1844 Band 2. 1, S. 3. Berg, S. 7. Eylert 1844 Band 2. 1, S. 3. Gartenlaube Nr. 36, 1870, S. 578. Eylert 1844 Band 2. 1, S. 6. Maria Mnioch: „Für Frauen und Jungfrauen eines edeln Sinnes"; zit. n. Adami, S. 72f. Vgl. Busch, S. 309ff. Der einzige bekannte Hinweis auf Luises Unterredung mit Napoleon findet sich indirekt in der Zeitung fiirdie elegante Welt vom 5.11.1808. Das Blatt berichtet von einem Gemälde mit dem Titel Der Kaiser empfängt die Königin von Preußen in Tilsit den 6. Juli 1807 von Tardieu. „Der Kaiser hält in der einen Hand den Hut und reicht die andre der Königin. Die Königin ist schön; aber man tadelt die Stellung, der Kopf ist zu weit vorgebeugt." 10 Stein 1897, S. 5. 11 Carl Röchling, Richard Knötel und Woldemar Friedrich: Die Königin Luise in 50 Bildern für Jung und Alt, Berlin 1896, Tafel 17. 12 Haude-Spenersche Zeitung Nr. 92 vom 2.8.1810. 13 Bellardi, S. 77. 14 Gedicht zur Eröffnung der ersten Luisenstiftung aus der Haude-Spenerschen Zeitung Nr. 87 vom 20.7.1811. 15 Haude-Spenersche Zeitung Nr. 87 vom 20.7.1811. 16 Thiel, S. 224. 17 Zum Angedenken der Königin Luise von Preußen, S. 97. 18 Marie Friese: Chronik der Luisenstiftung, Berlin 1890, S. 71. 19 Prediger Müllensiefen zum fünfzigsten Geburtstag der Luisenstiftung; zit. n. Friese, S. 31. 20 Friese, S. 2. 21 Friese, S. 13 u. S. 73. 22 Zum Angedenken der Königin Luise von Preußen, S. 97. 23 Friese, S. 47. 24 Bellardi, S. 77f. (bezugnehmend auf Friese, S. 8). 25 Eylert 1812, S. Vif 26 Novalis Band 2, S. 156. 27 Berliner Abendblätter Nr. 74 vom 27.12.1810. 28 Eylert 1812, S. 196f. 29 Haude-Spenersche Zeitung vom Nr. 88 am 23.7.1811. 30 Eylert 1812, S. 204. 31 Eylert 1812,, S. 206. 32 Eylert 1844 Band 2. 1, S. 32. 33 Eylert 1812, S. 200f. 34 Eylert 1845 Band 2. 2, S. 117. 35 Napoleon an Friedrich Wilhelm III. am 18.8.1810; Landsberg, Brief300. 36 Vossische Zeitung Nr. 334 vom 19.7.1910.

Anmerkungen zu Kapitel 20

495

20 Die Amazone 1 1. Bulletin der Großen Armee vom 8.10.1806; Napoleon. Briefe, hrsgg. v. Hans Landsberg, Berlin 1912, Nr. 192. 2 Otto Mielke: Seebäder- und Hilfsstreuminendampfer „Königin Luise". Minen vor der Themse. SOS Schicksale deutscher Schiffe Nr. 141, München 1958. 3 Mielke, S. 27. 4 Ruth Glatzer (Hrsg.): Das Wilhelminische Berlin. Panorama einer Metropole, 1890-1918, Berlin 1997, S. 381f. 5 Königin Luise an Friedrich Wilhelm III. am 22.6.1807; Rothkirch, Brief 266. 6 Gneisenau an seine Ehefrau am 5.11.1805; Griewank 1939, Brief 15. 7 Heinrich v. Kleist an Ulrike v. Kleist am 6.12.1806; Heinrich von Kleist: Sämtliche Werke. Brandenburger Ausgabe, hrsgg. v. Roland Reuß und Peter Staengle, Basel/Frankfürt am Main 1999, Band IV/2, S. 443. 8 Bailleu 1908, S. 164. 9 Gneisenau an seine Ehefrau am 5.11.1805; Griewank 1939, S. 15. 10 Königin Luise an Friedrich Wilhelm III. am 2.4.1806; Rothkirch, Brief 198. 11 Tessa Klatt: Königin Luise von Preußen in der Zeit der napoleonischen Kriege, Berlin 1937, S. 132. 12 Trinkspruch Wilhelms II. am 25.8.1910 in Königsberg; zit. n. Schulthess' Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge, 26. Jahrgang 1910, München 1911, S. 339. 13 Klatt, S. 142. 14 Richard Nordhausen: Königin Luise. Aus Preußens schwerer Zeit, Kino-Bibliothek Heft 25, Deutscher Biograph-Film, Berlin 1913, S. 4. 15 Thiel, S. 178f. 16 Thiel, S. 200. 17 Thiel, S. 208f. 18 Luise an ihren Bruder Georg am 4.4.1794; Rothkirch, Brief 56. 19 Klatt, S. 147. 20 Ina Seidel: Luise, Königin von Preußen, Königsstein im Taunus und Leipzig o. J. [1934], S. 22; Klatt, S. 134. 21 Königin Luise an ihren Bruder Georg am 28.5.1807; Rothkirch, Brief258. 22 8. Bulletin vom 16.10.1806; zit. n. Klatt, S. 138. 23 Marwitz, S. 124. 24 Marwitz, S. 157. 25 Abbildung in: Paul Seidel, S. 139. 26 Abbildung in: Günter de Bruyn: Preußens Luise.Vom Enstehen und Vergehen einer Legende, Berlin 2001, S. 45. 27 Adami, S. 142. 28 Schwerin Band 1, S. 157. 29 Adami, S. 175. 30 Schwerin Band 1, S. 156. 31 Berg, S. 34f. 32 Mommsen, S. 27. 33 Vigee-Lebrun Band 2, S. 157. 34 Klatt, S. 139. 35 Treitschke 1876, S. 14. 36 Friedrich Arnold: Königin Luise von Preußen und die deutsche Sozialdemokratie, Berlin 1909, S. 76.

496

Anmerkungen zu Kapitel 20, 21

37 Bailleu 1908, S. 250. 38 Hans von der Mark: Königin Luise oder Der Friede zu Tilsit. Ein dramatisches Geschichtsbild für die deutsche Jugend in drei Aufzügen, Nürnberg 1892, S. 16; Adami, S. 142. 39 Aus dem Gedicht „Eine Erinnerung an Bismarcks Kindheit", in: Rudolf Stegman: Fürst Bismarck und seine Zeit. Festgabe zum achtzigsten Geburtstage unseres eisernen Kanzlers. Wolfenbüttel 1895, S. 27. 40 Ina Seidel, S. 21. 41 Königin Luise an Friedrich Wilhelm III. am 29.6.1807; Rothkirch, Brief273. 42 Vgl. Hintze 1910, S. 6 und Treitschke 1876, S. 14. 43 Haude-Spenersche Zeitung Nr. 167 vom 19.7.1860. 44 Stein 1897, S. 403. 45 Adami, S. 142. 46 Luise an Friedrich Wilhelm am 21.7.1794; Rothkirch, Brief 61. 47 Karl August Varnhagen von Ense: Denkwürdigkeiten des eigenen Lebens, hrsgg. v.Joachim Kühn, 2 Bände, Berlin 1925, Band 2, S. 107. 48 Königin Luise an Friedrich Wilhelm III. am 1.7.1807; Rothkirch, Brief275. 49 Königin Luise an Friedrich Wilhelm III. am 29.6.1807; Rothkirch, Brief 273 50 Vgl. Voß, S. 110, S. 123 und S. 186. 51 Nach einer Schilderung des Oberhofmeisters v. Schilden; zit. n. Adami, S. 390. 52 Ernst Moritz Arndt: Uber den Volkshaß (1813); zit. n. Hannah Vogt: Nationalismus gestern und heute, Opladen 1967, S. 103f. 53 Klatt, S. 148. 54 Horn, S. 162. 55 Bailleu 1908, S. 328; vgl. Königin Luise an ihren Vater am 20.2.1810; Rothkirch, Brief379. 56 Klatt, S. 135. 57 Klatt, S. 148. 58 Zit. n. Wencker-WildbergBand 10, S. 457. 59 Klatt, S. 201. 60 Zit. n. Dreyhaus 1926, S. 38. 61 Klatt, S. 200. 62 Klatt, S. 130 u. S. 200. 63 Mommsen, S. 25.

21 Die Führerin 1 Zit. n. Wencker-Wildberg Band 10, S. 456. 2 Klatt, S. 130. 3 Zu dem von Luise „mit aller Indignation" zurückgewiesenen Plan einer Abdankung ihres Ehemannes vgl. Königin Luise an ihren Bruder Georg am 15.8.1807; Rothkirch, Brief285. 4 Hintze 1910, S. 6. 5 Stein 1910, S. 27. 6 Vgl. Königin Luise an Napoleon am 20.2.1810; Rothkirch, Brief380. 7 Aufzeichnung für das Ministerium vom 17.3.1810; Rothkirch, Brief383. 8 Bailleu 1908, S. 227. 9 Königin Luise an ihren Vater im April 1808; Rothkirch, Brief 310.

Anmerkungen zu Kapitel 21

10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49

497

Erstmaliger Abdruck bei Eylert 1845 Band 2.2, S. 23; hiernach Berg, 2. Auflage und Adami, 1. Auflage; zahlreiche Nachdrucke. Die Vorlage in den Archiven ist nicht bekannt, mit Überarbeitungen des Textes muß gerechnet werden; vgl. Rothkirch, S. 426. Adami, S. 300. Friedrich Wilhelm III., S. 5. Bailleu 1908, S. 357. Schwerin Band 1, S. 259f. Horn, S. 117. Klatt, S. 7 und S. 130. Klatt, S. 8. Bailleu 1908, S. 160. Karl Richard Ganzer: Das deutsche Führergesicht. 200 Bildnisse deutscher Kämpfer und Wegsucher aus zwei Jahrtausenden, 2. Auflage, München 1937, S. 134. Treitschke 1876, S. 13. Hintze 1910, S. 4. Friedrich Wühelm III., S. 31f. Friedrich Wühelm III., S. 24. Bailleu 1908, S. 85 und S. 173. Bailleu 1908, S. 99 und S. 119f. Zit. n. Griewank 1943, S. 14. Marwitz, S. 87. Marwitz, S. 122f. Marwitz, S. 89. Zit. n. Bailleu 1908, S. 160. Ina Seidel, S. 17. Ina Seidel, S. 20f. Bailleu 1908, S. 123. Bailleu 1908, S. 241. Zit. n. Wencker-Wildberg Band 10, S. 448f Joachim Kühn: Ein Taschentuch der Königin Louise. Aus den Erinnerungen eines napoleonischen Ofliziers, in: Der Bär von Berlin jahrbuch 1974, S. 79-83. Zit. n. Wencker-Wildberg Band 10, S. 445. Zit. n. Förster, S. 759. Bailleu 1908, S. 197. Stein 1897, S. 230. Mark, S. 19. Thiel, S. 189. Klatt, S. 155. Nach dem Bericht des schwedischen Gesandten Brinckmann vom 10.7.1807; zit. n. Bailleu 1908, S. 241. Clemens Amelunxen: Der Clan Napoleons. Eine Familie im Schatten des Imperators, Berlin 1995, S. 224ff Zit. n. Bailleu 1908, S. 245. Zit. n. Wencker-Wildberg Band 10, S. 456. Stein 1897, S. 29. Hintze 1910, S. 7. Baur 1887, S. 204.

498

Anmerkungen zu Kapitel 21,22

50 André Fugier (Hrsg.): Emmanuel Comte de Las Cases. Mémorial de Sainte-Hélène, 2 Bände, Paris 1961, Band 1, S. 828; desw.: Bericht der Luise Radziwill an Fürst Anton Radziwill über die Zusammenkunft in Tilsit; Radziwill, S. 225. Mehrfach wiederholt, u.a. bei Lonke, S. 235, und so noch in: Hans Meinshausen und Friedrich Leip (Hrsg.): Deutsches Lesebuch für Jungen, erster Teil, Frankfiirt/M. 1939, S. 215. 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62

Zit. n. Radziwill, S. 225f; vgl. auch Wenker-Wildberg Band 10, S. 448. Brief vom 4.7.1807; Jagow 1940, S. 73. Schwerin Band 1, S. 261. Schwerin Band 1, S. 261. Zit. n. Wencker-WildbergBand 10, S. 448. Hintze 1910, S. 7. Jagow 1940, S. 75. Bailleu 1908, S. 227. Ina Seidel, S. 25. Ina Seidel, S. 21. Hintze 1910, S. 7. Stein 1897, S. 281.

22 Heldenmonumente 1 Kaiser Wilhelm II.: „Die wahre Kunst". Tafelrede zur Einweihung der Berliner Siegesallee am 18.12.1901, in: Ernst Johann (Hrsg.): Reden des Kaisers. Ansprachen, Predigten und Trinksprüche Wilhelms II., München 1966, S. 102. 2 Helga Skibba-Goerke: Die Einweihung des Königin-Luise-Denkmals im September 1900, in: 16. Tilsiter Rundbrief 1986/87, S. 14; Der Aufruf zur Errichtung ist abgedruckt in der Illustrirten Zeitung Leipzig Nr. 2829 vom 16.9.1897. 3 Gabriele Paetzold: Gustav Eberlein (1847-1926). Leben und Werk eines Bildhauers im Wilhelminischen Berlin unter Berücksichtigung seines öffentlichen Schaffens, Diss. Berlin 1995, S. 92. 4 Vgl. Bloch/Grzimek, S. 259. 5 Abbildungen in: Horn, zwischen S. 80 und S. 81 und Rogge, S. 36. 6 Skibba-Goerke, S. 18. 7 Philipp Eulenburg an Bernhard Grafv. Bülow am 24.9.1900; John C. G. Röhl (Hrsg.): Philipp Egenburgs politische Korrespondenz, 3 Bände, Boppard 1976-83, Brief 1428. 8 Wencker-Wildberg Band 10, S. 449. 9 Eylert 1845 Band 2. 2, S. 75. 10 Die Geschichte existiert in vielen Varianten, ihr Kern scheint echt zu sein. Napoleon erzählte sie sowohl Las Cases als auch Gourgaud (vgl. Wencker-Wildberg Band 10, S. 454). Sophie von Schwerin hingegen nennt die Begebenheit erfunden und verweigert ihre Nacherzählung, ein Versäumnis, das der Herausgeber ihrer Erinnerungen in einer Anmerkung gutmacht (vgl. Schwerin Band 1, S. 206). 11 Friedrich Rückert: Magdeburg, Strophen 6-11, in: Ziehen, S. 78f. 12 Illustrirte Zeitung Leipzig Nr. 3020 vom 16.5.1901. 13 Illustrirte Zeitung Leipzig Nr. 3020 vom 16.5.1901. 14 Mark, S. 51f.

Anmerkungen zu Kapitel 22,23

499

15 Die Gruppe befindet sich im Museum von Hannoversch Münden. Eberlein hatte seinen Nachlaß, darunter fast alle seine Gipsmodelle, der Stadt mit der Auflage vererbt, sie der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Die Hälfte der rund dreihundert Werke wurde 1968 bei Bauarbeiten auf eine Müllkippe geworfen, der andere Teil wurde größtenteils zerschlagen und in einen Zwischenboden eingebaut. Seit 1982 werden die Reste, soweit möglich, restauriert, darunter auch das oben genannte Werk. 16 17 18 19

Königin Luise an ihren Vater im April 1808; Rothkirch, Brief 310. Schwerin Band 1, S. 206. Treitschke 1876, S. 15. Mit diesem Einwand, von der Norddeutschen Allgemeinen Zeitung vorgebracht, waren die geplanten Darstellungen .Fußfall Barbarossas vor Heinrich dem Löwen' und .Heinrich IV. vor Canossa' aus dem Bildprogramm der Goslarer Kaiserpfalz gestrichen worden; vgl. Monika Arndt: Die Goslarer Kaiserpfalz als Nationaldenkmal. Eine ikonographische Untersuchung, Hildesheim 1976, S. 12f. 20 Wilhelm II. 1927, S. 85.

23 Deutschlands erste Berufsgattin 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26

Hintze 1910, S. 7. Goethe an Iffland am 24.5.1814; vgl. Dreyhaus 1926, S. 92. Eylert 1844 Band 2. 1, S. llf. Vgl. Michelle Perrot: Die Frauen, die Macht und die Geschichte, in: Michelle Perrot (Hrsg.): Geschlecht und Geschichte, Frankfurt am Main 1989, S. 232. Eylert 1844 Band 2. 1, S. 9. Hans Kraemer: Deutsche Helden aus der Zeit Kaiser Wilhelms des Großen, Berlin o. J. (um 1896), S. 140. Kraemer, S. 140f Ina Seidel, S. 5. Moeller van den Bruck, S. 178. Horn, S. 45. Treitschke 1876, S. 6. Zit. n. Förster, S. 760. Berg, S. 29. Eylert 1844 Band 2. 1, S. 102. Zit. n. Paul Kittel (Hrsg.) und Hermann Müller-Bohn (Text): Die deutschen Befreiungskriege. Deutschlands Geschichte von 1806-1815, 2 Bände, 2. Auflage, Berlin o. J. [um 1910], Band 1, S. 261. Bailleu 1908, S. 278. Baur 1887, S. 211f. Haude-Spenersche Zeitung Nr. 167 vom 19.7.1860. Mommsen, S. 29. Mommsen, S. 28. Germania Nr. 57 vom 10.3.1876. Zit. n. Everling, S. 86. E. Fr. Chr. Wigand, in: Zum Angedenken der Königin Luise von Preußen, S. 73. Adami, S. 134. Haß, S. 30ff. Kronprinzessin Luise an ihre Großmutter am 14.4.1795; Rothkirch, Brief 77.

500 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39

Anmerkungen zu Kapitel 23,24

Friedrich Wilhelm II. an den Kronprinzen im Jahre 1795; zit. n. Hofimann, S. 209. Schwerin Band 1, S. 258. Schwerin Band 1, S. Vif. Treitschke 1876, S. 8f. Vossische Zeitung Nr. 334 vom 19.7.1910. Schwerin Band 1, S. 260. Zit. n. Schulthess' Europäischer Geschichtskalender, S. 339. Kaiser Wilhelm II.: Aus meinem Leben, 1859-1888,4. Auflage, Berlin und Leipzig 1927, S. 9 und S. 13. Kronprinzessin Viktoria von Preußen an Kronprinz Friedrich Wilhelm am 19.5.1879; zit. n. John. C. G. Röhl: Wilhelm II. Die Jugend des Kaisers 1859-1888, München 1993, S. 104. Vgl. Wülfing/Bruns/Parr, S. 119fE Treitschke 1876, S. 19. Treitschke 1876, S. 6. Hofimann, S. 212ff

24 Natur, Nationalismus und bürgerliche Nonnen 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18

19 20 21 22 23 24 25 26

Sophie Hoechstetter: Königin Luise. Historischer Roman, Berlin 1926, S. 357. Max von Schenkendorf: „Auf den Tod der Königin"; zit. n. Dreyhaus 1926, S. 79. Bailleu 1908, S. 8. Thiel, S. 20; Stein 1897, S. 18. Stein 1897, S. 161. Schilderung des Erzbischofs Borowski in Königsberg; zit. n. Adami, S. 302. Stein 1897, S. 395 und S. 402. Stein 1897, Vorbemerkungen zur ersten, zweiten und dritten Auflage. Horn, S. 2. Barthes, S. 131. Zum Angedenken der Königin Luise von Preußen, S. 84. Haude-Spenersche Zeitung Nr. 86 vom 20.11.1811. Allgemeine Preußische Staats-Zeitung Nr. 62 vom 11.3.1876. Stein 1897, S. 81. Eylert 1812, S. 218. Eylert 1844 Band 2. 1, S. 6. Vossische Zeitung Nr. 334 vom 19.7.1910. Max Planck in: Arthur Kirchhoff (Hrsg.): Die Akademische Frau. Gutachten hervorragender Universitätsprofessoren, Frauenlehrer und Schriftsteller über die Befähigung der Frau zum wissenschaftlichen Studium, Berlin 1897. Friedrich Wilhelm III., S. 13 und S. 19f. Berg, S. 6. Vgl. Martin Klaus: Mädchen in der Hitleijugend, Köln 1980, S. 169. Horn, S. 64. Eylert 1812, S. 222. Bailleu 1908, S. 172f. Adami, S. 101. Adami, S. 349; ähnlich schon bei Karoline von Berg.

Anmerkungen zu Kapitel 24,25 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37

501

Thiel, S. 10 und S. 38. Adami, S. lOff. Vossische Zeitung Nr. 59 vom 10.3.1876. Klatt, S. 152. Haude-Spenersche Zeitung Nr. 167 vom 19.7.1860. Griewank 1943, S. 11. Adami, S. 12. Kittel/Müller-Bohn Band 1, S. 263C Thiel, S. 76. Thiel, S. Vff. Eylert 1812, S. 220.

25 Die Märtyrerin 1 Mommsen, S. 30. 2 Die Bunte Nr. 21 vom 14.5.1992. 3 Meinshausen/Leip, S. 213f. 4 Königin Luise an ihren Vater im April 1808; Rothkirch, Brief 310. 5 Vossische Zeitung Nr. 167 vom 19.7.1860. 6 Berg, S. 94. 7 Zit. n. Besondere Beilage Nr. 11 zur Allgemeinen Preußischen Staats-Zeitung Nr. 61 vom 10.3.1876. 8 Mommsen, S. 30. 9 Berg, S. 37. 10 Johann Wolfgang Goethe: Maximen und Reflexionen; in: Werke. Hamburger Ausgabe in 14 Bänden, Hamburg 1953, Band 12, S. 494f. 11 Förster, S. 886. 12 Adami, S. 214. 13 Bailleu 1908, S. 218f. 14 Zit. n. Taack, S. 381f. 15 Bailleu 1908, S. 219. 16 Voß, S. 140 und S. 118. 17 Voß, S. 197. 18 Germania Nr. 57 vom 10.3.1876. 19 Besondere Beilage Nr. 11 zur Allgemeinen Preußischen Staats-Zeitung Nr. 61 vom 10.3.1876. 20 Voß, S. 171, Eintrag vom 20.7.1810. 21 Heilborn, S. 266. 22 Horn, S. 162. 23 Lonke, S. 328f 24 So nannte August Wilhelm Schlegel die Königin in einem Gedicht, das 1798 im zweiten Band der Jahrbücher der preußischen Monarchie unter der Regierung Friedrich Wilhelms III. erschien (ohne Seitenzahlen). 25 Horn, S. 204. 26 Moeller van den Bruck, S. 178. 27 Griewank 1943, S. 13. 28 Wülfing/Bruns/Parr, S. 69.

502 29 30 31 32 33 34 35 36

Anmerkungen zu Kapitel 25, 26

Ambach, S. 18£ Dreyhaus 1926, S. 45. Dreyhaus 1926, S. 86. Thiel, S. 226. Meinecke, S. 46. Eylert 1812, S. 198. Zit. n. Haude-Spenersche Zeitung Nr. 88 vom 24.7.1810. Adami S. 380f.

26 Sancta Louisen 1 Zit. n. Eylert 1844 Band 2. 1, S. 190. 2 Zit. n. Wilhelm Baur: Geschichts- und Lebensbilder aus der Erneuerung des religiösen Lebens in den deutschen Befreiungskriegen, 2. Bände, 5. Auflage, Hamburg 1893, Band 1, S. 76. 3 Zit. n. Adami, S. 301. 4 Baur 1887, S. 213f. 5 Friedrich Delbrück: Die Jugend des Königs Friedrich Wilhelm IV. von Preußen und des Kaisers und Königs Wilhelm I.. Tagebuchblätter ihres Erziehers Friedrich Delbrück (1800-1809), hrsgg. v. Georg Schuster, 3 Bände, Berlin 1907, Band 3, S. 147. 6 Ludwig Emst Borowski an Friedrich Wilhelm III. am 19.11.1810; Karl Benrath: Aus dem Briefwechsel Friedrich Wilhelms III. mit dem Erzbischof Borowski, Altpreußische Monatsschrift 1907, S. 440. 7 Aufzeichnung Johann George Scheffners aus dem Nachlaß; Ferdinand Joseph Schneider: Hippel und seine Freunde, Euphorion 19,1912, S. 121f. 8 Zit. n. Stamm-Kuhlmann 1992, S. 356f. 9 Zit. n. Adami, S. 310. 10 Haude-Spenersche Zeitung Nr. 88 vom 24.7.1810. 11 Vamhagen von Ense 1925 Band 2, S. 329. 12 Zit. n. Bailleu 1908, S. 109. 13 Fontane 1892; Die Grafschaft Ruppin, S. 479. 14 Vossische Zeitung Nr. 167 vom 19.7.1860. 15 Eylert 1844 Band 2. 1, S. 14 und S. 28. 16 Zum Angedenken der Königin Luise von Preußen, S. 77. 17 Stein 1897, S. 25. 18 Christliches Kunstblatt für Kirche, Schule und Haus Nr. 5, S. 65, Stuttgart 1876. 19 Hermann Maertens: Die deutschen Bildsäulen-Denkmale des 19. Jahrhunderts, Stuttgart 1892, Tafel 13. 20 Königin Luise an Frau von Berg am 27.2.1809; Rothkirch, Brief342. 21 Rosenberg 1880, S. 7. 22 Berg, S. 4. 23 Ludwig Ernst Borowski; zit. n. Adami, S. 302. 24 Thiel, S. 219. 25 Ambach, S. 24. 26 Felseneck, S. 99. 27 Stein 1897, S. 277f.

Anmerkungen zu Kapitel 26,27

28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39

40 41 42 43 44 45

503

Stein 1897, S. 280f Felseneck, S. 106. Stein 1910, S. 25. Horn, S. 200. Armin Stein: Königin Luise. Ein Lebensbild, Halle a. d. Saale 1883, S. 396. Adami,S. 345. Thiel, S. 221. Rogge, S. 113f. Ambach, S. 92. Berg, S. 83. Kurt Eisner: Luise. Eine Heiligengeschichte aus dem 19. Jahrhundert, in: Gesammelte Schriften, Berlin 1919, Band 1, S. 412. Friedrich Nippold (Hrsg.): Erinnerungen aus dem Leben des Generalfeldmarschalls Hermann von Boyen. Aus seinem Nachlaß, 3 Bände, Leipzig 1889-90, Band 2, S. 72. Vgl. auch: Rulemann Friedrich Eylert: Charakter-Züge aus dem Leben des Königs von Preußen Friedrich Wilhelm III. Wohlfeile Ausgabe für das Volk, Magdeburg 1844, S. 288. Hohenzollern-Jahrbuch, 13. Jahrgang, 1909, S. 240. Keßler, S. 136. Gez. Karl H., Berlin, in: Deutsche Gärtnerzeitung, 11. Jahrgang, Berlin 1887. Hohenzollern-Jahrbuch, 14. Jahrgang, 1910, S. 16. Das Hohenzollem-Museum im K. Schlosse Monbijou, S. 2. Führer durch die Sammlung des Hohenzollern-Museums im Schlosse Monbijou, Berlin 1895, S. 87.

27 Ikonen 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18

Ambach, S. 25. Zum Angedenken der Königin Luise von Preußen, S. 49. Johann Gottfried Schadow: ,Der Königin letzter Traum', Federzeichnung, 1810, Hamburger Kunsthalle Zum Angedenken der Königin Luise von Preußen, S. 91. Eylert 1845 Band 2. 2, S. 114f. Schadow 1987 Band 1, Blatt XX. Vgl. Renate Liebenwein-Krämer: Säkularisierung und Sakralisierung. Studien zum Bedeutungswandel christlicher Bildformen in der Kunst des 19. Jahrhunderts, Diss. Frankfurt am Main 1977, S. IV. Schadow 1987 Band 2, Anmerkung 92/19-36, S. 523. Schadow 1987 Band 1, S. 92. Fontane 1892; Das Havelland, S. 325f. Berg, S. 81. Paul Seidel, S. 139. Berg, S. 93. Benkard, S. IX. Voß, S. 171, Eintrag vom 28.7.1810. Zum Angedenken der Königin Luise von Preußen, S. 28f. Friedrich Eggers Band 1, S. 148. Wilhelm II. 1929, S. 157f

504

Anmerkungen zu Kapitel 27,28

19 Carl Neumann, S. 175. 20 Vgl. Hans Belting: Bild und Kult. Eine Geschichte des Bildes vor dem Zeitalter der Kunst, 2. Auflage, München 1993, S. 92ff 21 Belting, S. 533ff. 22 Stein 1910, S. 31. 23 Dobbert, S. 4. 24 Vossische Zeitung Nr. 59 vom 10.3.1876. 25 Vossische Zeitung Nr. 59 vom 10.3.1876. 26 Kania/Möller, S. 157. Prinz Heinrich von Preußen, der Bruder des Königs, stiftete der Kirche im Jahre 1834 ein großes Altarbild des Malers Franz Catel, das Christi Auferstehung zeigte. 27 Berg, S. 8. 28 Robert Albinus: Lexikon der Stadt Königsberg, Leer 1985, S. 167. 29 Illustrirte Zeitung Leipzig Nr. 3038 vom 19.9.1901. 30 Anatolij Bachtin und Gerhard Doliesen: Vergessene Kultur. Kirchen in Nord-Ostpreußen, Husum 1998, S. 133.

28 Das Opfer 1 Friedrich Christian Wigand, in: Zum Angedenken der Königin Luise von Preußen, S. 80. 2 Thiel, S. 228f. 3 Zur Opferrolle Luises vgl. Rudolf Speth: Königin Luise von Preußen - deutscher Nationalmythos im 19. Jahrhundert, in: Sabine Berghahn und Sigrid Koch-Baumgarten (Hrsg.): Mythos Diana - von der Princess of Wales zur Queen of Hearts, Gießen 1999, S. 274ff. 4 Ehrenberg, S. 16; Friedrich Christian Wigand, in: Zum Angedenken der Königin Luise von Preußen, S. 77. 5 Friedrich Samuel Gottfried Sack, in: Zum Angedenken der Königin Luise von Preußen, S. 69. 6 Schwerin Band 1, S. 257. 7 Theodor Körner: „Joseph Heyderich oder Deutsche Treue". Eine wahre Anekdote, als Drama in einem Aufzuge, Körner Band 2, S. 114. 8 Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Uber die wissenschaftlichen Behandlungsarten des Naturrechts, seine Stelle in der praktischen Philosophie und sein Verhältnis zu den positiven Rechtswissenschaften, in: Werke, Band 2, Jenaer Schriften 1801-1807, Frankfort am Main 1970, S. 192fr 9 Körner Band 2, S. 114. 10 Rudolf Ibbeken: Preußen 1807-1813. Staat und Volk als Idee und Wirklichkeit, Köln und Berlin 1970, S. 75. 11 Bailleu 1908, S. 205. 12 Ernest Renan: Was ist eine Nation?, in: Michael Jeismann und Henning Ritter (Hrsg.): Grenzfalle. Über alten und neuen Nationalismus, Leipzig 1993, S. 308f. 13 Mommsen S. 31. 14 Vgl. Reinhart Koselleck und Michael Jeismann (Hrsg.): Der politische Totenkult. Kriegerdenkmäler in der Moderne, München 1994, S. 14. 15 Vgl. Koselleck/Jeismann, S. 43. 16 Kittel/Müller-Bohn Band 2, S. 847. 17 Horn, S. 166.

Anmerkungen zu Kapitel 28, 29

18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38

505

Adami, S. 3. Kittel/Müller-Bohn Band 2, S. 938; Erläuterung zum Bild. Mommsen, S. 31f. Schwerin Band 1, S. 261. Friedrich Christian Wigand, in: Zum Angedenken der Königin Luise von Preußen, S. 73. Germania Nr. 57 vom 10.3.1876. Felseneck, S. 108. Königin Luise an Friedrich Wilhelm III. am 1.7.1807 und an General v. Rüchel am 1. oder 2.7.1807; Rothkirch, Briefe 275 und 276. H. F. Rumpf: Lehrbuch der Brandenburg-Preußischen Geschichte. Zum Gebrauch in Gymnasien, Militair- und Bürgerschulen, Berlin 1831, S. 229. Ausst. Kat. „Fontane und die bildende Kunst", hrsgg. v. Claude Keisch, Peter-Klaus Schuster und Moritz Wullen, Berlin 1998, Kat. Nr. 128, S. 187. Heilborn, S. 33. H. Bohnenkamp und H. Wellenbrink: Geschichte für die Mittelstufe unter besonderer Berücksichtigung der Heimat. Breslau 1913, S. 35. Friedrich Christian Wigand, in: Zum Angedenken der Königin Luise von Preußen, S. 75. Vgl. Bronfen, S. 516ff. Heilborn, S. 263. Vgl. Susanne LedanfF: Charlotte Stieglitz. Geschichte eines Denkmals, Frankfurt am Main 1986. Königin Luise an den Bruder Georg am 18.2.1806; Rothkirch, Brief 196. Königin Luise an ihren Vater im Jahre 1810; zit. n. Rogge, S. 108. Haude-Spenersche Zeitung Nr. 167 vom 19.7.1860. Mommsen, S. 31. Mommsen, S. 32.

29 Das Eiserne Kreuz 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15

Prinz Louis Ferdinand an seiner Schwester Luise Radziwill; zit. n. Bailleu 1908, S. 168f. Theodor Körner: „Aufruf"; Körner Band 1, S. 15. Horn, S. 175. Felseneck, S. 122. Novalis Band 2, S. 153. Zit. n. Adami, S. 388. Der Staatsrat Hippel verfaßte den Aufruf „An mein Volk." Theodor Körner: „Aufruf"; Körner Band 1, S. 15. Urkunde über die Stiftung des eisernen Kreuzes, in: Kittel/Müller-Bohn Band 1, zwischen S. 400 und S. 401. Eylert 1845 Band 2. 2, S. 148f. Gartenlaube 1886, S. 703. Eylert 1845 Band 2. 2, S. 153f. Auszug aus der Rede Eylerts bei der feierlichen Aufstellung der Gedächtnistafeln des Eisernen Kreuzes in der Garnisonkirche zu Potsdam am 1.11.1816; Eylert 1845 Band 2. 2, S. 151. Eylert 1845 Band 2. 2, S. 153. Eylert 1845 Band 2. 2, S. 151. Eylert 1845 Band 2. 2, S. 149.

506

Anmerkungen zu Kapitel 29,30

16 Eylert 1845 Band 2. 2, S. 149f. 17 Eylert 1845 Band 2. 2, S. 152. 18 „An mein Volk", in: Kittel/Müller-Bohn Band 1, zwischen S. 400 und 401. 19 Michael Jeismann und Rolf Westheider: Wofür stirbt der Bürger? Nationaler Totenkult und Staatsbürgertum in Deutschland und Frankreich seit der Französischen Revolution; in: Koselleck/Jeismann, S. 25. 20 Eylert 1845 Band 2. 2, S. 152. 21 Eylert 1845 Band 2. 2, S. 160. 22 Friedrich Wilhelm III. zur Stiftung des Luisenordens; zit. n. Bellardi, S. 84; Abbildung in de Bruyn, S. 73. 23 Novalis Band 2, S. 153. 24 Eylert 1845 Band 2. 2, S. 161. 25 Bellardi, S. 86. 26 Schwerin Band 1, S. 260. 27 Berg, S. lf. 28 Eylert 1845 Band 2. 2, S. 155. 29 Stamm-Kuhlmann 1992, S. 356. 30 Bellardi, S. 84. 31 Eylert 1845 Band 2. 2, S. 156. 32 Zit. n. Wilhelm Oncken: Unser Heldenkaiser. Festschrift zum hundertsten Geburtstage Kaiser Wilhelms des Großen, Berlin 1897, S. 134. 33 „An meine lieben Berliner"; zit. n. Heinrich Lutz: Zwischen Habsburg und Preußen. Deutschland 1815-1866, Berlin 1994, S. 258. 34 „Urkunde, betreffend die Erweiterung des am 3. August 1814 gestifteten Luisen-Ordens" vom 18.4.1865; zit n. Bellardi, S. 87. 35 „Urkunde, betreffend die Erweiterung des am 3. August 1814 gestifteten Luisen-Ordens" vom 18.4.1865; zit. n. Bellardi, S. 89. 36 Barthes, S. 139. 37 Allgemeine Preußische Staats-Zeitung Nr. 62 vom 11.3.1876. 38 Zit. n. Vossische Zeitung Nr. 335 vom 20.7.1910. 39 Nungesser, S. 30. 40 Der Vorschlag ging auf den CDU-Verteidigungsexperten Martin Hohmann zurück; vgl. Die Tageszeitung (TAZ) Nr. 6629 vom 18.12.2001.

30 Das Kreuzbergdenkmal 1 Herman Grimm, S. 9. 2 Rauch an Schinkel am 19.12.1816; zit. n. Paul Ortwin Rave: Karl Friedrich Schinkel. Berlin, 3. Teile, 2. Auflage, Berlin 1981, 3.Teil, S. 270. 3 Vgl. Rave 1981, 3. Teil, S. 289. 4 Karl Friedrich Schinkel: Das Krieges-Denkmal in gegossenem Eisen auf dem Kreutzberg bei Berlin. Sammlung architektonischer Entwürfe 3, Berlin 1823, Blatt 23. 5 Peter Bloch: Das Kreuzbergdenkmal und die patriotische Kunst, in: Jahrbuch Preußischer Kulturbesitz Band XI., Berlin 1973, S. 151. 6 Zit. n. Friedrich Eggers Band 2, S. 170f.

Anmerkungen zu Kapitel 30

507

7 Magazin von Abbildungen der Gusswaaren der Königlichen Eisengiesserei, 7. Heft, 1828; zit n. Gerhard Petrick: Schinkels Denkmal der Befreiungs-Kriege auf dem Kreuzberg, Diss. T H Berlin 1925, S. 73f. 8 Rauch-Archiv, Akte AI5; zit. n. Ausst. Kat. „Ethos und Pathos", S. 216. 9 Andreas Sommer: Gedenkbuch, enthaltend die Geschichte und Beschreibung des Friedrich-Denkmals in Berlin. Berlin 1852, S. 76. 10 Bloch/Grzimek, S. 112. 11 Kaiser Wilhelm II. behauptete später, seine englische Mutter Viktoria habe das Vorbild für den Kopf dieser Statue abgegeben, das Werk aber sei im ganzen „nicht eben sehr geglückt". Wilhelm II. 1927, S. 69. 12 „Am 4. Juni 1851", S. 5. Beschreibung der dem Bildhauer überreichten Medaille. 13 Schwerin Band 1, S. 257. 14 Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, Abt. Merseburg, Historische Abt. 11, Rep. 93 B, Nr. 3024. Zentrales Finanzministerium Bauabteilung, Bericht III, 5. rep. Akten betreffend das Brandenburger Thor in Berlin Blatt 75, zit. n. Ulrike Krenzlin (Hrsg.): Die Quadriga auf dem Brandenburger Tor. Zwischen Raub, Revolution und Frieden, Berlin 1991, S. 23. 15 Erste überlieferte Beschreibung der Quadriga im Katalog der Akademieausstellung vom 27.5.1793; zit. n. Ernst von Siefart: Aus der Geschichte des Brandenburger Tores und der Quadriga, in: Schriften des Vereins für die Geschichte Berlins 1912, Heft 45, S. 9. 16 Rauch-Archiv, Akte AI5; zit. n. Ausst. Kat. „Ethos und Pathos", S. 216. 17 Michael S. Cullen und Uwe Kieling: Das Brandenbuger Tor. Ein deutsches Symbol, Berlin 1999, S. 46. 18 Vossische Zeitung Nr. 167 vom 19.7.1860. 19 Förster, S. 865. 20 Magazin von Abbildungen der Gusswaaren der Königlichen Eisengiesserei; zit. n. Petrick, S. 73ff. 21 Rauch an Caroline von Humboldt am 12.4.1814; Simson 1999, Brief 61. 22 Mommsen, S. 32. 23 Rave 1981, 3. Teil, S. 288. 24 Wilhelm II. 1929, S. 170. 25 Petrick, S. 73ff 26 Wilhelm II. 1929, S. 169ff. 27 Kai Kruse und Wolfgang Kruse: Kriegerdenkmäler in Bielefeld, in: Koselleck/Jeismann, S. 97. 28 Schinkel 1823, Blatt 23. 29 Stellungnahme Schinkels vom 25.1.1820; zit. n. Rave 1981, 3. Teil, S. 285. 30 Rauch an Schinkel am 19.12.1816; zit. n. Rave 1981, 3. Teil, S. 270. Rauch und Tieck schufen um jene Zeit in Italien die sogenannten ,Vendee-Kandelaber', ein Geschenk des Bülowschen Armee-Korps an die Familie der Marquise de La Rochejaquelein zu Ehren der im Kampf gegen die Revolutionstruppen in der Vendee gefallenen Franzosen. Der Initiator dieser Gabe, Major v. Royer, hatte sich an den zwei Leuchtern begeistert, die beide Bildhauer zuvor für das Mausoleum der Königin Luise gearbeitet hatten und die nun zu Vorbildern für die Vendee-Kandelaber wurden. Seit 1883 stehen die Leuchter im Mausoleum der Familie La Rochejaquelein in der Pfarrkirche von St. Aubin-de-Baubigne; vgl. Gisela Zick: Zwei wiederaufgefundene Werke von Rauch und Tieck. Die Vendee-Kandelaber, in: Jahrbuch der Berliner Museen 32, 1990, S. 237ff. 31 Ausst. Kat. „Ethos und Pathos", S. 216. 32 Gutachten Schinkels vom 29.10.1827; zit. n. Clemens Alexander Wimmer: Der Skulpturenschmuck im Charlottenburger Schloßgarten, Berlin 1992, S. 21. 33 Herman Grimm, S. 9.

508

Anmerkungen zu Kapitel 31

31 Schuld und Sühne 1 Stein 1897, S. 404. 2 Kittel/Müller-Bohn Band 2, S. 808. 3 Kittel/Müller-Bohn Band 2, S. 808. 4 Gneisenau an seine Ehefrau am 27.7.1810; G. H. Pertz: Das Leben des Feldmarschalls Grafen Neithardt von Gneisenau, 3 Bände, Berlin 1864-1869, Band 1, S. 619. 5 Gneisenau an seine Ehefrau am 21.7.1810; Griewank 1939, Brief 67. 6 Wilhelm v. Humboldt an Karoline v. Rudolstadt am 28.8.1810; zit. n. Klatt, S. 199. 7 Friedrich Gentz an Böttiger am 10.8.1810; zit. n. Hohenzollern-Jahrbuch, 6. Jahrgang, 1902, S. 56. 8 Varnhagen von Ense 1925 Band 2, S. 52. 9 Gneisenau an Hardenberg am 29.8.1812; Griewank 1939, Brief 91. 10 Griewank 1943, S. 9. 11 Marwitz, S. 175. 12 Leopold von Ranke: Hardenberg und die Geschichte des preußischen Staates von 1793-1813, 3 Bände, 2. Auflage, Leipzig 1881, Band 3, S. 37. 13 Mommsen, S. 27. 14 Treitschke 1876, S. 16. 15 Mommsen, S. 27. 16 Max Lenz: Napoleon, Bielefeld und Leipzig 1913, S. 142. 17 Stamm-Kuhlmann 1992, S. 120. 18 Ernst Moritz Arndt, S. 333. 19 Vossische Zeitung Nr. 69 vom 22.3.1876; Haude-Spenersche Zeitung Nr. 167 vom 19.7.1860. 20 E. Fr. Chr. Wigand, in: Zum Angedenken der Königin Luise von Preußen, S. 76. 21 Gneisenau an Hardenberg am 29.8.1812; Griewank 1939, Brief 91. 22 Mommsen, S. 30f. 23 Oncken, S. 4. 24 Wilhelm II. 1929, S. 150. 25 Gedicht Friedrich Dunckers in der Haude-Spenerschen Zeitung Nr. 88 vom 24.7.1810. 26 Zit. n. Besondere Beilage Nr. 11 zur Allgemeinen Preußischen Staats-Zeitung Nr. 61 vom 10.3.1876. 27 Vgl. C. G. Ribbeck, in: Zum Angedenken der Königin Luise von Preußen, S. 32. 28 Maertens, Tafel 13. 29 Victor Tissot: Reportagen aus Bismarcks Reich. Berichte eines reisenden Franzosen, 1874-1876, hrsgg. v. E. Pohl, Stuttgart und Wien 1989, S. 210. 30 Stein 1910, S. 31. 31 Vigee-Lebrun Band 2, S. 157. 32 Heinrich Conrad (Hrsg.): Napoleon: Ich, der Kaiser, 13 Bände, Stuttgart 1910-1913, Band 2, 1912, S. 81. 33 Varnhagen von Ense 1925 Band 2, S. 52. 34 Theodor Körner: „An die Königin Louise", Körner, Band 1, S. 17. 35 Stein 1897, S. 403. 36 Klatt, S. 144. 38 Blücher an Rittmeister v. Eisenhart am 22.7.1810; Kauer, S. 197. 39 Vossische Zeitung Nr. 167 vom 19.7.1860. 40 Haude-Spenersche Zeitung Nr. 167 vom 19.7.1860. 41 Vgl. Eylert 1844 Band 2. 1, S. 279.

Anmerkungen zu Kapitel 31, 32

509

42 „Weiherede" des Hofpredigers Bernhard Rogge im Spiegelsaal zu Versailles am 18.1.1871; zit. n. Karl Gass: Der Militärtempel der Hohenzollern. Aus der Geschichte „unserer lieben" Garnisonkirche zu Potsdam, Berlin 1999, S. 183. 43 Vossische Zeitung Nr. 167 vom 19.7.1860. 44 Treitschke 1876, S. 6. 45 Oncken, S. 119. 46 J. Scheiben: Der Krieg von 1870-71, Berlin 1904, S. 7. 47 Mommsen, S. 27. 48 Treitschke 1876, S. 21. 49 Erich Mareks: Wilhelm I., Deutscher Kaiser, König von Preußen, in: Allgemeine Deutsche Biographie, Band 42, Leipzig 1897, S. 521. 50 Vgl.: Wolfgang Hardtwig: Von Preußens Aufgabe in Deutschland zu Deutschlands Aufgabe in der Welt, in: Historische Zeitschrift, Band 231, 1980, S. 265ff. 51 Mommsen, S. 30f. 52 Germania Nr. 162 vom 19.7.1910. 53 Eduard Schmidt-Weißenfels: Das neunzehnte Jahrhundert. Geschichte seiner ideellen, nationalen und Kulturentwicklung, Berlin 1890, S. 453. 54 Motto des Buches von Timm Klein: Die Befreiung 1813, 1814, 1815. Urkunden, Berichte, Briefe, München 1913. 55 Zit. n. Meinhold, S. 5. 56 Zit. n. Gass, S. 183f. 57 Nachruf auf Bernhard Rogge aus dem Jahre 1932; zit. n. Gass, S. 210f. 58 Stein 1897, S. 404.

32 Ein Leben als Statue 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17

Treitschke 1876, S. 20. Adami, S. 360. Lonke, S. 328. Eylert 1845 Band 2. 2, S. 144. Koppen, S. 20f Adolf Rosenberg: Das Denkmal der Königin Luise für Berlin, in: Gartenlaube 1880, Nr. 1, S. 4f. Stein 1897, S. 402. Streckfüß 1880 Band 2, S. 640. Prinzessin Charlotte an den Kronprinzen am 23.3.1813 und 21.3.1814; Granier, Brief 3 und Brief 162. Ehrenberg, S. 25. Die Provinz Brandenburg in Wort und Bild, S. 92. Illustrine Zeitung Leipzig Nr. 2803 vom 18.3.1897. Friedrich Wilhelm III., S. 53. Hintze 1910, S. 9. Hans Blumenberg: Arbeit am Mythos, Sonderausgabe, Frankfurt am Main 1996, S. 80. Paul Seidel, S. 150. Der Kronprinz an Prinzessin Charlotte am 5.4.1813; Granier, Brief 6.

18 Kittel/Müller-Bohn Band 2, S. 742.

510

19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29

30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

45 46 47 48 49

Anmerkungen zu Kapitel 32, 33

Kittel/Müller-Bohn Band 2, S. 847. Berg, S. 2. Paul Seidel, S. 150f Kittel/Müller-Bohn Band 2, S. 847. Johann George Scheffner; zit. n. Adami, S. 390. Zit. n. Adami, S. 386 Kaiser Friedrich III.: Das Kriegstagebuch von 1870/71, hrsgg. v. Heinrich Otto Meisner, Berlin und Leipzig 1926, S. 7. Gartenlaube Nr. 36,1870, S. 578. Treitschke 1876, S. 21. Adolf Rosenberg: Anton von Werner, Bielefeld und Leipzig 1895, S. 71. Anton von Werner: Erlebnisse und Eindrücke 1870-1890, 2. Auflage, Berlin 1913, S. 324. König Wilhelm I. ging in der Tat erst am 31. Juli 1870 zur Armee. Die falsche Angabe bei Wemer unterstreicht den mythischen Gehalt seines Bildes. Rogge, S. 113. Heinrich Merz: Luise, Königin von Preußen, Stuttgart 1876, S. 3. Bellardi, S. 57. Landeszeitung Neustrelitz vom 19.7.1910. Scheiben, S. VIII. und S. 11. Wilhelm II. 1927, S. 101. Werner, S. 324. Rosenberg 1895, S. 72. Wemer, S. 324. Koppen, S. 157f. Werner, S. 324. Werner, S. 174. Merz, S. 105f. Wilhelm II. 1929, S. 226. Rede bei der Gedächtnisfeier im Berliner Dom am 16.3.1888; in: Rudolf Kögel: Am Sterbebette und Sarge Seiner Majestät des Kaisers Wilhelm, Ansprachen und Reden vom 8. bis zum 22. März 1888, 2. Auflage, Bremen und Leipzig 1888, S. 57. Rede bei der Gedächtnisfeier im Berliner Dom am 16.3.1888; Kögel, S. 57. Oncken, S. 261. Stein 1910, S. 32. 1. Mose 27. Lonke, S. 328.

33 Wie die Mutter, so der Sohn 1 Schreiben des Kaisers nach einem ihm überreichten Festgedicht zur Säkularfeier seiner Mutter am 10.3.1876, in: Heinrich Merkens (Hrsg.): Gedanken Kaiser Wilhelms des Großen, Jena 1898, S. 213. 2 Vossische Zeitung Nr. 167 vom 19.7.1860. 3 Vigee-Lebrun Band 2, S. 153f. 4 Zit. n. Paul Seidel, S. 128. 5 Vossische Zeitung Nr. 167 vom 19.7.1860.

Anmerkungen zu Kapitel 33, 34

6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45

511

Horn, S. 61. Hahn, S. 484. Thiel, S. 90. Königin Luise an ihren Vater im April 1808; Rothkirch, Brief 310. Mareks, S. 518. Oncken, S. 3. Vossische Zeitung Nr. 167 vom 19.7.1860; so auch bei Rogge, S. 100. Thiel, S.99ff Thiel, S. 130f. Thiel, S. 134ff. Thiel, S. 165. Felseneck, S. 79f. Kraemer, S. 9. Baur 1893 Band 1, S. 70. Zit. n. Röchling/Knötel/Friedrich, S. 29. Vossische Zeitung Nr. 167 vom 19.7.1860. Luise Radziwill an den Freiherm vom Stein am 14.8.1810; Jagow 1940, S. 146. Schwerin Band 1, S. 257. Schwerin Band 1, S. 259. Wilhelm v. Humboldt an Caroline am 15.8.1809; Sydow, Brief 105. Delbrück Band 3, S. 70 und S. 188. Prinz Wilhelm von Preußen an Charlotte am 30.10.1819 und 20.12.1825; Börner, Briefe 15 und 58. Der Kronprinz an Prinzessin Charlotte am 10.3.1814; Granier, Brief 154. Schwerin Band 1, S. 259. Ehrenberg, S. 25. Eylert 1845 Band 2. 2, S. 113. Ehrenberg, S. 27. Zum Angedenken der Königin Luise von Preußen, S. 75. Vgl. Wilhelm II. 1929, S. 211. Merkens, S. 92. Hahn, S. 487. Wilhelm II. 1929, S. 205f. Wilhelm II. 1929, S. 206. Baur 1887, S. 179ff. Vossische Zeitung Nr. 69 vom 22.3.1876. Besondere Beilage Nr. 11 zur Allgemeinen Preußischen Staats-Zeitung Nr. 61 vom 10.3.1876. Vossische Zeitung Nr. 69 vom 22.3.1876. Treitschke 1876, S. 20. Kögel, S. 74. Kögel, S.26f

34 Familiengrab 1 Friedrich Wilhelm III. am 19.7.1813; Friedrich Wilhelm III., S. 68. 2 Friedrich Wilhelm III. am 8.10.1810, Friedrich Wilhelm III., S. 42.

512 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17

18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33

Anmerkungen zu Kapitel 34, 35

Eylert 1844; Wohlfeile Ausgabe, S. 299. Schwerin Band 2, S. 63. Eylert 1844; Wohlfeile Ausgabe, S. 302. Hahn, S. 447. Zur Kritik am Umbau des Mausoleums vgl. Rosenberg 1895, S. 73 und Rave 1930, S. 84. Vgl. Simson 1996, S. 391ff. Rauch an Rietschel am 13.2.1843; Karl Eggers (Hrsg.): Briefwechsel zwischen Rauch und Rietschel, 2 Bände, Berlin 1890-91, Band 2, S. 87. Hans Mackowsky: Christian Daniel Rauch 1777-1857, in: Kunst und Künstler. Illustrierte Monatsschrift für Kunst und Kunstgewerbe, Band 14, Berlin 1916, S. 24. Hahn, S. 396. Mackowsky 1916, S. 24. Börsch-Supan 1977, S. 25. Börsch-Supan 1977, S. 28. Rauch an Rietschel am 18.7.1846; Karl Eggers, Band 2, S. 248. Zit. n. Friedrich Eggers Band 4, S. 15. Kaiser Friedrich III. und seine Gemahlin Viktoria erhielten ein eigenes Mausoleum neben der Potsdamer Friedenskirche, das ebenfalls mit zwei Sarkophagskulpturen ausgestattet wurde, die Reinhold Begas geschaffen hat. Königin Luise und Kaiser Wilhelm I. erscheinen auf dem Unterbau der Statue Friedrichs III., wo sie den Verstorbenen empfangen. Erich Brandenburg (Hrsg.): Briefe Kaiser Wilhelms des Ersten, Leipzig 1911, S. 13. Gräfin Elise Fersen an Prinz Wilhelm von Preußen am 15.11.1860; Börner, S. 426. Wilhelm II. 1927, S. 344. Kühn, S. 102. Börsch-Supan 1991, S. 24. Die Statue wurde nach dem zweiten Weltkrieg aus statischen, nach anderer Meinung aus stilistischen Gründen entfernt. Bunsen, S. 192. Börsch-Supan 1991, S. 26. Allgemeine Preußische Staats-Zeitung Nr. 62 vom 11.3.1876. Baur 1893 Band 1, S. 84. Wilhelm II. 1927, S. 113. Rosenberg 1895, S. 73. Müller-Bohn, S. 29. Paul Gärtner und Paul Samuleit (Hrsg.): Luise, Königin von Preußen. Ein Lebensbild in Briefen und Aufzeichnungen der Königin und ihrer Zeitgenossen, Berlin 1910, S. 329f. Rosenberg 1895, S. 73. Vgl. Etienne François und Hagen Schulze: Das emotionale Fundament der Nationen, in: Ausst. Kat. „Mythen der Nationen", S. 19f.

35 Luisenbilder im Reichsgründerkult 1 Merkens, S. 213. 2 Baur 1887, S. 206. 3 Illustrirte Zeitung Leipzig Nr. 1491 vom 27.1.1872. Der Verbleib dieses Werkes ist unbekannt.

Anmerkungen zu Kapitel 35

513

4 Baur 1887, S. 196. 5 Zit. n. Regina Müller: Das Berliner Zeughaus. Die Baugeschichte, Berlin 1994, S. 165. 6 Illustrirte Zeitung Leipzig Nr. 1918 vom 3.4.1880. 7 Beiblatt zur Zeitschrift für Bildende Kunst Nr. 27 vom 12.4.1877, S. 430; Müller-Bohn, S. 32. 8 Zit. n. Ausst. Kat. „Ethos und Pathos", S. 94. 9 Beiblatt zur Zeitschrift für Bildende Kunst Nr. 27 vom 12.4.1877, S. 430; Abbildung in: Bloch/Einholz/Simson, S. 95. 10 Baur 1887, S. 180. 11 Zit. n. Bellardi, S. 59. 12 Werner, S. 185; Bellardi, S. 59. 13 Illustrirte Zeitung Leipzig Nr. 1918 vom 3.4.1880. 14 Rosenberg 1880, S. 6. 15 Rosenberg 1880, S. 6. 16 Zit. n. Duby, S. 175. 17 Rosenberg 1880, S. 7. 18 Rosenberg 1880, S. 4. 19 Die Denkmäler des Königs und der Königin wurden 1978 aus konservatorischen Gründen von ihrem angestammten Platz entfernt und durch witterungsbeständige Zementabgüsse ersetzt. Die Marmororiginale befinden sich heute im Lapidarium. 20 Illustrirte Zeitung Leipzig Nr. 1805 vom 2.2.1878. 21 Zit. n. Bailleu 1908, S. 90. 22 Eylert 1845 Band 2. 2, S. 114. 23 Friedrich Wilhelm III., S. VIII. Vorwort von Otto Meisner. 24 Morgenblatt für gebildete Stände (Tübingen) vom 16.8.1810. 25 Moeller van den Bruck, S. 176. 26 Franz Kugler: Das Denkmal Friedrich Wilhelms III. im Thiergarten zu Berlin. Geschichte seiner Entstehung und Ausfuhrung, in den Grundstein eingelegt, in: Franz Kugler: Kleine Schriften und Studien zur Kunstgeschichte, Dritter Teil, Stuttgart 1854, S. 697. 27 Schadow 1987 Band 1, S. 248; Peter Bloch: Die Berliner Bildhauerei des 19. Jahrhunderts und die Antike, in: Ausst. Kat. „Berlin und die Antike", S. 191. 28 .Annalen' des Geheimrates Tzschoppe; zit. n. Stamm-Kuhlmann 1992, S. 570. 29 Werner, S. 185f. 30 Illustrirte Zeitung Leipzig Nr. 1805 vom 2.2.1878. 31 Bellardi, S. 62. 32 Werner, S. 185f. 33 Kugler 1854, S. 697. 34 Müller-Bohn, S. 34. 35 Max Schasler: Ausstellung der Konkurrenz-Skizzen zum Denkmal Friedrich Wilhelms III. in Berlin [1860], in: Ulrich Bischoff (Hrsg.): Kunsttheorie und Kunstgeschichte des 19. Jahrhunderts in Deutschland. Texte und Dokumente, Band 3, Skulptur und Plastik, Stuttgart 1985, S. 93. Schasler äußert sich zu einem Entwurf des Bildhauers Albert Wolff. 36 Ausst. Kat. „Ethos und Pathos", S. 95; Abbildung in: Bloch/Einholz/Simson, S. 288. 37 Aufruf des Denkmalkomitees; zit. n. Bellardi, S. 60. 38 Rosenberg 1880, S. 4. 39 Hermann Weger: Preußische Geschichte in Erz und Stein, in: Der Soldatenfreund, 61, 1893, S. 66. 40 Stamm-Kuhlmann 1995, S. 131,

514 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55

56 57 58

59 60 61 62 63 64 65 66 67 68 69 70 71 72 73

74

Anmerkungen zu Kapitel 35

Treitschke 1876, S. 5. Vgl. Allgemeine Preußische Staats-Zeitung Nr. 62 vom 11.3.1876. Friese, S. 43. Werner, S. 281. Illustrirte Zeitung Leipzig Nr. 1918 vom 3.4.1880. Bellardi, S. 63. Müller-Bohn, S. 32. Aufruf des Denkmalkomitees; zit. n. Bellardi, S. 60. Werner, S. 185. Gedenktafel am Zeughaus zum einhundertsten Todesstag Luises; zit. n. Vossische Zeitung Nr. 335 vom 20. Juli 1910. Mommsen, S. 26. Adelbert Hotzen: Das Kaiserhaus zu Goslar, Halle 1872, S. 26. Petition des Magistrats und des Bürgervorsteher-Kollegiums der Stadt Goslar an den Reichstag zu Berlin im Mai 1871; zit. n. Arndt, S. 96. Kreiszeitung (Goslar) Nr. 95 vom 15.8.1875 und Nr. 116 vom 1.10.1876; zit. n. Monika Arndt, S. 7 und S. 102. Beispiele für diese Form der „patriotischen Denkmalpflege" im 19. Jahrhundert sind auch die Vollendung des Kölner Doms, die Umgestaltung des Deutschordenschlosses Marienburg zum Nationaldenkmal sowie der Wiederaufbau der Hohenzollernburg bei Hechingen. Beiblatt zur Zeitschrift für Bildende Kunst Nr. 51,1877, Sp. 817. Vgl. Rolf Bothe: Burg Hohenzollern. Von der mittelalterlichen Burg zum national-dynastischen Denkmal im 19. Jahrhundert, Berlin 1979, S. 192. Wilhelm II. 1927, S. 6. In der Vorhalle der 1895 eingeweihten Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche in Berlin war Wilhelm I. auf einem Mosaik als Nachfolger von Karl dem Großen, Otto dem Großen, Heinrich I. und Rudolf von Habsburg dargestellt. Paul Lemcke: Der deutsche Kaisertraum und der Kyffhäuser, Magdeburg 1887, S. 88. Adolf Müller: Die Kyffhäuser-Sage, Berlin 1849, S. 18f. Wilhelm II. 1927, S. 61. Adolf Müller, S. 18f. Zit. n. Monika Arndt, S. 112. Heinrich v. Treitschke: Luther und die deutsche Nation. Vortrag, gehalten in Darmstadt am 7.11.1883, in: Ausgewählte Schriften, Leipzig 1907, Band 1, S. 136ff. Stein 1897, S. 285. Adami, S. 1. Georg Horn begann seine Luisengeschichte sogar in vorchristlicher Zeit. Carl Leimbach und Anton v. Behr: Das Kaiserhaus zu Goslar. Kurze Angaben über seine Geschichte, Wiederherstellung und Ausschmückung, 3. Auflage, o. O. 1901, S. 14. Erklärungsschrift von Hermann Wislicenus zum Bildprogramm; zit. n. Monika Arndt, S. 113. Erklärungsschrift von Hermann Wislicenus zum Bildprogramm; zit. n. Monika Arndt, S. 113. Illustrirte Zeitung Leipzig Nr. 2827 vom 2.9.1897. Felseneck, S. 3ff Adolf Rosenberg: Eberlein, Bielefeld und Leipzig 1903, S. 109. Die zeitgleich mit der Kaiserpfalz errichtete Ruhmeshalle im Berliner Zeughaus, die unter der Ägide Wilhelms I. als Denkmal der preußischen Militärgeschichte ausgestattet wurde, zeigte auf dem monumentalen Wandgemälde „Wiedererrichtung des Kaiserreiches 1871" von Friedrich Geselschap Barbarossa als zentrale Gestalt. Monika Arndt, S. 80ff.

Anmerkungen zu Kapitel 35, 36

515

75 Meyer's Konversationslexikon, 15. Band, Leipzig 1878, S. 785. 76 Wilhelm II. 1927, S. 56. 77 F. W. Gaertner: Ferdinand Keller, Karlsruhe 1912, S. 87f. Das dargestellte Profilrelief ist einem Werk Christian Friedrich Heinrich Bettkobers (1746-1809) aus dem Jahr 1798 entlehnt, welches in Marmor, Bronze und Porzellan verbreitet wurde. 78 Gaertner S. 86; desw. Michael Koch: Ferdinand Keller, Karlsruhe 1978, S. 29. 79 Werner, S. 555. 80 Werner, S. 557. 81 Wilhelm II. 1927, S. 57. 82 Wilhelm II. 1929, S. 228. 83 Wilhelm II. 1929, S. 229. 84 Rolf Grimm: Gustav Heinrich Eberlein. Werkverzeichnis, Hemmingen 1983, S. 71. Das Bildwerk ist zerstört. 85 Katalog des Eberlein- und Altertümermuseums Hannoversch Münden von 1931, Kat. Nr. A37. 86 Gustav Eberlein: Aus eines Bildhauers Seelenleben, Berlin 1890, S. 31. 87 Katalog des Eberlein- und Altertümermuseums Hannoversch Münden von 1931, Kat. Nr. A37. Freundliche Mitteilung von Rolf Grimm. 88 Deutsche Bauzeitung Nr. 25 vom 27.3.1897, S. 158ff. 89 Deutsche Bauzeitung Nr. 25 vom 27.3.1897, S. 158ffi Die Zeitschrift .Kunst fiir Alle', (Band 12, 1896/97, S. 218) nennt für die beiden Gemälde andere Inhalte. Das eine, so das Blatt, habe den Kaiser als „streitbaren Fürsten" und das andere „den erwachenden Barbarossa bei der Neugründung des Reiches" gezeigt; (so auch bei Jutta v. Simson: Fritz Schaper, München 1976, S. 84). Der Bericht der Deutschen Bauzeitung aber scheint glaubwürdiger zu sein, da er ausfuhrlicher ist, die Namen der einzelnen Künstler nennt und die Beschreibung der Berliner Festdekoration nachdrücklich als zuverlässig bezeichnet. 90 Ausst. Kat. „Ethos und Pathos", S. 285. 91 Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang auf ein Gemälde aus dem Nachlaß der Luisenschwester Friederike, das zu Lebzeiten der Königin geschaffen wurde und diese mit dem Kronprinzen Friedrich Wilhelm im Schöße zeigt, wobei der ungenannte Maler die berühmte,Madonna della seggiola' von Raffael aus dem Palazzo Pitti in Florenz als Vorbild genommen hatte. (Abgebildet im Hohenzollem-Jahrbuch 1905, S. 124.) 92 Wilhelm II. 1927, S. 105. 93 Simson 1976, S. 84. 94 Königin Luise an Karoline v. Berg im März 1809; Rothkirch, Brief342a. 95 Eylert 1845 Band 2. 2, S. 74. 96 Rogge, S. 8. 97 Rogge, S. 40. 98 Oncken, S. 261fF. Luise ist in der Kirche mehrfach abgebildet. Ein Marmorrelief von Adolf Brütt zeigt sie neben ihrem Gemahl bei der Säbelübergabe an den neunjährigen Prinzen Wilhelm. Die Königin fuhrt überdies den .Hohenzollenzug' auf einem Mosaik in der Gedenkhalle an. Ein früherer Entwurf Fritz Schapers stellte die Kaisermutter noch mit dem Palmenzweig der Märtyrerin dar, das ausgeführte Werk aber zeigte Luise mit betenden Händen.

36 Die Mutter der Nation 1 Stein 1897, S. 15. 2 Stein 1897, S. 14f.

516 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18

19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39

Anmerkungen zu Kapitel 36

Vgl. Wülfing/Bruns/Parr, S. 113ff. Vossische Zeitung Nr. 92 vom 2.8.1810. Horn, S. 72. Horn, S. 80. Horn, S. 80. Horn, S. 200. Adolf Streckfuß: Das deutsche Volk. Deutsche Geschichte in Wort und Bild. Ein illustrirtes Hausbuch für Leser aller Stände, Berlin 1863, S. 751. Griewank 1943, S. 14. Stein 1910, S. 14. Griewank 1943, S. 15. Carl von Mecklenburg-Strelitz an Friedrich Wilhelm III. am 29.7.1812; zit. n. Stamm-Kuhlmann 1992, S. 425. Bettina von Arnim: Dies Buch gehört dem König, 2 Teile in einem Band, Berlin 1843. Heinrich Hubert Houben: Verbotene Literatur von der klassischen Zeit bis zur Gegenwart, 2 Bände, Bremen 1924-28, Band 1, S. 33f. „An die Deutsche Nation", Aufruf vom 21.3.1848; zit. n. Lutz, S. 259. Friedrich Wilhelm IV. an den Großherzog von Hessen; zit. n. Schulze 1999, S. 87. Friedrich Wilhelm IV. an König Ernst August von Hannover am 5.4.1849; zit. n. Karl Haenchen (Hrsg.): Revolutionsbriefe 1848. Ungedrucktes aus dem Nachlaß König Friedrich Wilhelms IV. von Preußen, Leipzig 1930, S. 436. Adami, Titelseite. Rosenberg 1880, S. 7. Dreyhaus 1926, S. 27. Wilhelm II. 1929, S. 213. Heinrich, S. 277. Rudolf Schenda: Volk ohne Buch. Studien zur Sozialgeschichte der populären Lesestoffe 1770-1910, München 1977, S. 334f. Horn, S. 1. Julius Heyderhoff (Hrsg.): Deutscher Liberalismus im Zeitalter Bismarcks. Eine politische Briefsammlung, 2 Bände, Bonn und Leipzig 1925/26, Band 1, S. 71. Hintze 1915, S. 527ff Treitschke 1876, S. 15. Ina Seidel, S. 4. Hintze 1910, S. 2. Bailleu 1908, S. 55f. Haß, S. 32. Dreyhaus 1926, S. 87ff. Treitschke 1876, S. 13. Hintze 1910, S. 5. Otto Heuscheie: Deutsche Soldatenfrauen, 3. Auflage, Stuttgart 1943, S. 69. Zit. n. Hans-Ernst Mittig: Über Denkmalskritik, in: Hans-Ernst Mittig und Volker Plagemann (Hrsg.): Denkmäler im 19. Jahrhundert, München 1972, S. 287. Treitschke 1876, S. 20f. Stein 1897, S. 204.

Anmerkungen zu Kapitel 37, 38

517

37 Nationaldenkmal 1 Zit. n. Oncken, S. 261. 2 Hintze 1910, S. 9. 3 Thomas Nipperdey: Nationalidee und Nationaldenkmal in Deutschland im 19. Jahrhundert; in: Thomas Nipperdey: Gesellschaft, Kultur, Theorie. Gesammelte Aufsätze zur neueren Geschichte, Göttingen 1976, S. 135. 4 Nipperdey 1976, S. 136. 5 Zit. n. Nipperdey 1976, S. 137f. 6 Zit. n. Nipperdey 1976, S. 138. 7 Zit. n. Nipperdey 1976, S. 145. 8 Adami, S. XIII. 9 Karl August Varnhagen von Ense: Tagebücher, 2. Auflage, Leipzig 1863, Band 1, S. 335, Eintrag vom 16.9.1841. 10 Stamm-Kuhlmann 1992, S. 486. 11 Zit. n. Adami, S. 395. 12 Horn, S. 204. 13 Mustrirte Zeitung Leipzig Nr. 3020 vom 16.5.1901. 14 Vossische Zeitung Nr. 69 vom 22.3.1876. 15 Vossische Zeitung Nr. 334 vom 19.7.1910. 16 Thomas Nipperdey: Deutsche Geschichte 1800-1866,4. Auflage, München 1987, S. 23. 17 Nachwort und Rückentext von Sibylle Wirsing zur Neuauflage des illustrierten Kinderbuches „Die Königin Luise", Darmstadt 1981.

38 Der Urenkel 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16

Wilhelm II. 1929, S. 142f. Wilhelm II. 1927, S. 7. Wilhelm II. 1927, S. 34. Vaihinger, S. 53. Meinhold, S. 24. Zit. n. Schulthess' Europäischer Geschichtskalender, S. 338f. Hintze 1910, S. 9. Michael Stürmer: Das ruhelose Reich. Deutschland 1866-1918, Berlin 1994, S. 291. Sir Frederick Ponsonby (Hrsg.): Briefe der Kaiserin Friedrich, Berlin, o. J., S. 445. Hildegard von Spitzemberg: Das Tagebuch der Baronin Spitzemberg, hrsgg. v. Rudolf Vierhaus, Göttingen 1976, S. 523f., Eintrag vom 28.8.1910. Skibba-Goerke, S. 16. Kaiser Wilhelm II.: „Die wahre Kunst". Tafelrede zur Einweihung der Berliner Siegesallee am 18.12.1901, in: Johann, S. 99ff. Günther Kaerger: Der Bildhauer Gustav H. Eberlein, Hannoversch Münden 1983, S. 70. Wilhelm II. 1929, S. 141ff. Zit. n. Ausst. Kat. „Der letzte Kaiser", Wilhelm II. im Exil, hrsgg. v. Hans Wilderotter und Klaus-D. Pohl, Gütersloh und München 1991, S. 272. Illustrirte Zeitung Leipzig Nr. 2802 vom 11.3.1897.

518 17 18 19 20 21 22 23

24 25 26 27 28

Anmerkungen zu Kapitel 38, 39,40

Meinhold, S. 12. Wilhelm II. am 5.9.1904 und am 25.8.1911; zit. n. Meinhold, S. 48f. Wilhelm II. 1927, S. 226. Professor Johannes Haller an Philipp Eulenburg am 5.12.1920; Röhl 1976-83, Brief 1607. Prinz Louis Ferdinand: Die Geschichte meines Lebens, 2. Auflage, Hannover 1969. S. 32. Philipp Eulenburg an Bernhard v. Bülow am 8.3.1897; Röhl 1976-83, Brief 1303. Rede Wilhelms II. auf dem Festmahl des Brandenburgischen Provinziallandtag am 26.2.1897; Johannes Penzier und Bogdan Krieger (Hrsg.): Die Reden Kaiser Wilhelms II., 4 Bände, Leipzig o. J. [um 1905-1913], Band 2, S. 38ff. Penzler/Krieger Band 2, S. 38ff. Spitzemberg, S. 353, Eintrag vom 3.3.1897. Anton GrafMonts an Friedrich v. Holstein am 2.3.1897; Röhl 1976-83, Brief 1301. Kaiserin Friedrich an Queen Victoria am 12.12.1891; Ponsonby, S. 448f. Hintze 1915, S. 685.

39 Die Königin der Weimarer Republik 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11

Hermann Dreyhaus, in: Paul Bailleu: Königin Luise. Ein Lebensbild, 2. Auflage, Berlin 1923, Vorwort. Walter von Molo: Luise, München 1919. Vossische Zeitung Nr. 574 vom 5.12.1931, Abendausgabe. Die Volksbühne Nr. 10 vom 10.1.1932. Deutsche Allgemeine Zeitung Nr. 562 vom 5.12.1931, Sonnabend Abend. Der Vorstoss Nr. 50 vom 13.12.1931. Margarete Pohle: Bund Königin Luise. Das ABC für unsere Arbeit. Blaue Hefte Nr. 7, Halle 1929. Pohle, S. 46. Pohle, S. 44. Pohle, S. 3. Pohle, S. 42.

40 Luise unterm Hakenkreuz 1 2 3 4

Ganzer, S. 134. Zum Angedenken der Königin Luise von Preußen, S. 88. Ausst. Kat. „Große Deutsche in Bildnissen ihrer Zeit", Berlin 1936. In einem anonymen Gedicht der Zeitschrift „Hermann, Zeitschrift von und für Westfalen" von 1815, 32. Stück, S. 256. Die Zeitschrift rief zur Errichtung eines Luisendenkmals „in Hermanns alten Gauen" auf 5 Ganzer, S. 3. 6 Moeller van den Bruck, S. 178. 7 Zit. n. Manfred Schlenke: Vom Ende und Fortleben Preußens, in: Manfred Schlenke (Hrsg.): Preußische Geschichte. Eine Bilanz in Daten und Deutungen, 2. Auflage, Freiburg und Würzburg 1991, S. 264.

Anmerkungen zu Kapitel 40, 41

519

8 Anzeige des Richard Schröder Verlages zu Berlin im Anhang der Memoiren der Gräfin Voß in der Ausgabe von 1935. (Voß, S. 209.) Zur Rolle Luises in den Frauenorganisationen des Dritten Reiches siehe Mosse, S. 202 und S. 213. 9 Heilborn, S. 266. 10 Joachim Romann: Deutschland! Ein Ausspruch der Königin Luise, Offenbach 1944. 11 Die Uraufführung fand zeitgleich auch in Berlin statt. 12 Deutsche Allgemeine Zeitung Nr. 26 vom 31.1.1945, Berliner Ausgabe. 13 Völkischer Beobachter Nr. 26 vom 31.1.1945, Berliner Ausgabe. 14 Theo Fürstenau, in: Deutsche Allgemeine Zeitung Nr. 26 vom 31.1.1945, Berliner Ausgabe. 15 Klatt,S. 141. 16 Klatt, S. 150 und S. 154. 17 Jan-Christopher Horak: Liebe, Pflicht und die Erotik des Todes, in: Ausst. Kat. „Preußen - Versuch einer Bilanz", Berlin 1981, Band 5, (Preußen im Film. Eine Retrospektive der Stiftung Deutsche Kinemathek, hrsgg. von Axel Marquardt und Heinz Rathsack), S. 230. 18 Klatt, S. 202. 19 Zit. n. Kurt Kränzlein, in: Der AngriffNr. 56 vom 5.3.1942, Reichsausgabe. 20 Zit. n. Ausst. Kat. „Preußen - Versuch einer Bilanz", Band 5, S. 272. 21 Joseph Goebbels: Tagebücher 1945. Die letzten Aufzeichnungen, hrsgg. v. Peter Stadelmayer, Hamburg 1977, S. 195f., Eintrag vom 12.3.1945. 22 Griewank 1939, S. 11. 23 Goebbels, S. 206, Eintrag vom 12.3.1945. 24 K. L. Tank, in: Sonntagsblatt Nr. 46 vom 14.11.1965.

41 Kampf um die Geschichte 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17

Treitschke 1876, S. 21. Oncken, S. 158. Berg, S. 3. Allgemeine Preußische Staats-Zeitung Nr. 62 vom 11.3.1876. Mommsen, S. 26. Treitschke 1876, S. 17. Rogge, S. 106. Hermann Baumgarten: Treitschke's Deutsche Geschichte, Straßburg 1883, S. 40f. Max Lehmann: Friedrich der Große und der Ursprung des siebenjährigen Krieges, Leipzig 1894, S. 88. Bernhard Erdmannsdörffer: Deutsche Geschichte vom Westfälischen Frieden bis zum Regierungsantritt Friedrichs des Großen 1648-1740, 2 Bände, Berlin 1892/93, Band 1, S. 82. Hintze 1910, S. 2. Die Kritik etwa, die Gneisenau an der Königin geäußert hatte, wurde von Karl Griewank als dem Herausgeber seiner Briefe in entsprechenden Fußnoten relativiert; vgl. Griewank 1939, S. 153. Eylert 1844, S. III, Vorwort zur .Wohlfeilen Ausgabe für das Volk'. Thiel, S. VI. Mommsen, S. 33. Germania Nr. 57 vom 10.3.1876. Fontane 1892; Die Grafschaft Ruppin, S. 479.

520

Anmerkungen zu Kapitel 41, 42 und Epilog

18 Theodor Fontane: Zwei Poststationen (um 1845), Faksimilie der Handschrift, hrsgg. v.Jochen Meyer, Marbach am Neckar 1991, S. 33. 19 Zit. n. Röhl 1993, S. 102. 20 Bunsen, S. 175. 21 Heinz Käthe: Die Hohenzollernlegende, Berlin 1973, S. 31. 22 Zit. n. Käthe, S. 41 und S. 8. 23 Franz Mehring: Die Anfange des preußischen Staates, in: Gesammelte Schriften, Band 5, S. 231f. 24 Zit. n. Käthe, S. 91. 25 Kurt Eisner: Das Ende des Reichs, Berlin 1907, Vorrede. 26 Maurenbrecher Band 2, S. 636f. 27 Eisner 1907, S. 337ff. 28 Eisner nennt einen Brief als Beweis dafür, daß Luise selbst ihre Reise nach Tilsit angeregt habe: „Würde S. M. Napoleon, um das Fest in Tilsit vollzählig zu machen, nicht so aufmerksam sein, auch mich einzuladen, um an der intimen .Liaison' teilzunehmen? Da ich ihn so sehr liebe, wäre mir das äußerst angenehm." Königin Luise an Friedrich Wilhelm III. am 27.6.1807; Rothkirch Brief 271. 29 Franz Mehring: Jena und Tilsit, Leipzig 1906, S. 60. 30 Vielfach zitierter Ausspruch Luises gegenüber der Prinzessin Dorothea von Kurland 1807; vgl. Rogge, S. 95. 31 Leipziger Volkszeitung Nr. 222 vom 22.9.1907. 32 Der Sozialdemokrat, Zürich, Nr. 46 vom 12.11.1885. 33 Reichstagsberichte, 50. Sitzung, S. 1140; zit. n. Arnold, S. 6. 34 Vgl. Bloch/Einholz/Simson, S. 179. 35 Arnold, S. 4. 36 Arnold, S. 85f. Bezugnehmend auf ein Gespräch des Dichters mit Eckermann am 15.10.1825; (Gespräche mit Goethe, Reclam, Band 1, S. 164f).

42 Luise in West und Ost 1 2 3 4 5 6 7 8

Der Tagesspiegel Nr. 3523 vom 7.4.1957. Heinrich Hartmann, S. 7. Rothkirch, S. Vlllf. Ingrid Mittenzwei: Friedrich II. von Preußen, Berlin 1980, S. 211. Käthe, S. 161. Heinrich Hartmann, S. 10. Gass, S. 122. Pressemitteilung der Agentur für Marketing & Kommunikation Dr. Birgit Geißler, Hannover, zur Ausstellung „Königin Luise von Preußen" in Bad Pyrmont vom 17.6. bis 30.9.2001.

Epilog 1 Hintze 1910, S. 1. 2 Marwitz, S. 88f. 3 Vgl. Stamm-Kuhlmann 1992, S. 261.

Anmerkungen zu Epilog

521

4 Schwerin Band 1, S. 261. 5 Nach dem Bericht des schwedischen Gesandten Brinckmann über die Unterredung; zit. n. WenckerWildberg Band 10, S. 451. 6 Radziwill, S. 226. 7 Hoffinann, S. 230. 8 Zit. n. Taack, S. 425. 9 Taack, S. 416. 10 Berliner Illustrirte Zeitung Nr. 28 vom 10.7.1910. 11 Bronfen, S. 100. 12 Börsch-Supan 1977, S. 10. 13 Ausst. Kat. „Abbilder - Leitbilder", Historischer Überblick. 14 Taack, S. 289. 15 Kania/Möller, S. 77.

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Zum Angedenken der Königin Luise von Preußen

Zum Angedenken der Königin Luise von Preußen. Sammlung der vollständigsten und zuverläßigsten Nachrichten von allen das Absterben und die Trauerfeierlichkeiten dieser unvergeßlichen Fürstin betreffenden Umständen. Nebst einer Auswahl der bei diesem Anlaß erschienenen Gedichte und Gedächtnißpredigten, Berlin 1810.

Abbildungsverzeichnis Abb. I

Caspar David Friedrich: Der Mönch am Meer, Öl auf Leinwand, 1808-1810, Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie, Foto: Jörg P. Anders. Abb. II Gustav Graef: Ferdinande von Schmettau opfert ihr Haar auf dem Altar des Vaterlandes, Öl auf Leinwand, 1863, Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie, Foto: Karin März. Abb. III Christian Daniel Rauch: Sarkophagstatue der Königin Luise, Marmor, 1811-1814, Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg, Schloß Charlottenburg, Mausoleum, Foto: Jörg P. Anders. Abb. IV Damián Campeny y Estrany: Lucretia moribunda, Marmor, modelliert 1804, ausgeführt 1834, Barcelona, Palau de la Llotja. Abb. V Karl Friedrich Schinkel: Entwurf für ein Mausoleum der Königin Luise von Preußen, Innenansicht, Aquarell, 1810, Staadiche Museen zu Berlin, Kupferstichkabinett, Foto: Jörg P. Anders. Abb. VI Woldemar Friedrich: Unterredung der Königin Luise mit Kaiser Napoleon I. in Tilsit (6. Juli 1807), 1896, aus: Carl Röchling, Richard Knötel und Woldemar Friedrich: Die Königin Luise in 50 Bildern für Jung und Alt, Berlin 1896, Tafel 45. Abb. VII Anton von Werner: Am 19. Juli 1870, Öl auf Leinwand, 1881, Warschau, Muzeum Narodowe w Warszawie. Foto: Hans-Joachim Bartsch. Abb. VIII Wilhelm Wach: Königin Luise als Hebe vor dem Brandenburger Tor, Öl auf Kupfer, 1812, Stiftung Stadtmuseum Berlin. Abb. IX Joseph Grassi: Königin Luise, Öl auf Leinwand, 1802, Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg, Foto: Walter Steinkopf. Abb. X Gustav Richter: Königin Luise, Öl auf Leinwand, 1879, Köln, Wallraf-RichartzMuseum, Foto: Rheinisches Bildarchiv, Köln. Abb. 1 Abb. 2

Abb. 3 Abb. 4 Abb. 5

Abb. 6 Abb. 7

Abb. 8

Heinrich Anton Dähling: Königin Luise auf dem Sterbebett, Kupferstich von Daniel Berger, 1811, aus: Hohenzollern-Jahrbuch, 6. Jahrgang, 1902, zwischen S. 48 u. S. 49. Heinrich Gentz, Karl Friedrich Schinkel, Ludwig Ferdinand Hesse und Albert Geyer: Das Mausoleum im Charlottenburger Schloßpark, 1810-1890, Foto: Jörg P. Anders. Johann Erdmann Hummel: Innenansicht des Luisenmausoleums, Aquarell, 1811/1812, Staatliche Museen zu Berlin, Kupferstichkabinett, Foto: Jörg P. Anders. Christian Daniel Rauch: Königin Luise, Marmor, 1805-1810, Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg, Foto: Jörg P. Anders. Karl Friedrich Schinkel: Entwurf für eine Sarkophagstatue der Königin Luise, Federzeichnung, 1810, Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg, Foto: Jörg P. Anders. Johann Gottfried Schadow: Entwurf für eine Sarkophagstatue der Königin Luise, Bronze, 1810, Hamburger Kunsthalle, Foto: Hamburger Kunsthalle. Wilhelm Schadow: Königin Luise in der Verklärung, Öl auf Leinwand, 1810, Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg, aus: Hohenzollern-Jahrbuch, 9. Jahrgang, 1905, S. 148. Erdmann Encke: Sarkophagstatue der Kaiserin Augusta, Marmor, 1890-1894, Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg, Schloß Charlottenburg, Mausoleum.

546 Abb. 9

Abb. 10 Abb. 11

Abb. 12

Abb. 13 Abb. 14 Abb. 15 Abb. 16 Abb. 17

Abb. 18 Abb. 19

Abb. 20 Abb. 21 Abb. 22

Abb. 23

Abb. 24 Abb. 25 Abb. 26

Abb. 27

Abbildungsverzeichnis Christian Daniel Rauch: Sarkophagstatue der Königin Luise, Marmor, 1811-1814, Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg, Schloß Charlottenburg, Mausoleum, Foto: Jörg P. Anders. Juno Ludovisi, Marmor, 1 Jh. n. Chr., Rom, Thermenmuseum, historische Fotografie. Christian Daniel Rauch: Sarkophagstatue der Königin Luise, Marmor, 1811-1814, Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg, Schloß Charlottenburg, Mausoleum, Foto: Jörg P. Anders. Schlafende Ariadne, Kopie aus dem 2. Jh. n. Chr. nach einem Vorbild aus dem 2. Jh. v. Chr., Marmor, Vatikanische Museen. Zeichnung aus C. A. Böttiger und H. Meyer: Archaeologische Hefte oder Abbildungen zur Erläuterung des classischen Alterthums, aus alten zum Theil noch unbekannten Denkmählern, für Studirende und Kunstfreunde I [1801], Tafel II. Andrea Bergondi: Schlafender Hermaphrodit, antikes Fragment mit neuzeitlichen Ergänzungen, Marmor, um 1760, Rom, Galleria Borghese, Foto: SCALA, Florenz. Antonio Canova: Die Sanftmut am Grabmal fiir Papst Clemens XIV., Marmor, 17831787, Rom, SS. Apostoli, Foto: David Finn. Antonio Canova: Paolina Borghese als Venus Victrix, Marmor, 1804-1808, Rom, Galleria Borghese, Foto: SCALA, Florenz. Totenmaske der Königin Luise, abgenommen von Christian Philipp Wolff Wachs, Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg, Foto: Jörg P. Anders. Christian Daniel Rauch: Sarkophagstatue der Königin Luise, Detail, Marmor, 18111814, Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg, Schloß Charlottenburg, Mausoleum, Foto: Jörg P. Anders. Königin Luise auf dem Sterbebett, Schlußbild des Filmes Königin Luise. Liebe und Leid einer Königin, Regie: Wolfgang Liebeneiner, 1957. Karl Friedrich Schinkel: Entwurf fiir ein Mausoleum der Königin Luise, Außenansicht, Aquarell, 1810, Staatliche Museen zu Berlin, Kupferstichkabinett, Foto: Jörg P. Anders. Karl Friedrich Schinkel: Luisendenkmal in Gransee, Aquatintaradierung, 1811, aus: Hohenzollern-Jahrbuch, 6. Jahrgang, 1902, S. 56. Elisabeth Vigee-Lebrun: Königin Luise, Ol auf Leinwand, 1802, Hechingen, Burg Hohenzollern, aus: Hohenzollern-Jahrbuch, 9. Jahrgang, 1905. Christian Daniel Rauch: Königin Luise, Detail, Marmor, 1812-1827, Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg, historische Fotografie, aus: Ina Seidel: Luise, Königin von Preußen, Königstein im Taunus und Leipzig o. J. [1934], nach S. 32. Totenmaske der Königin Luise, Gips, ehemals Hohenzollern-Museum, Schloß Monbijou, historische Fotografie, aus: Hermann Haß (Hrsg.): Königin Luise in ihren Briefen und in Zeugnissen Mitlebender, Jena 1929, Frontispiz. Wilhelm Ternite: Königin Luise im Reitkostüm, Öl auf Leinwand, 1827, Staatliches Museum Schwerin, Foto: Elke Walford. Wilhelm Ternite: Königin Luise, Stich von Ludwig Buchhorn, 1811/12, aus: Hohenzollern-Jahrbuch, 9. Jahrgang, 1905, S. 145. Wilhelm Schadow: Königin Luise, Öl auf Leinwand, 1810, Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg, aus: Ina Seidel: Luise, Königin von Preußen, Königstein im Taunus und Leipzig o. J. [1934], zwischen S. 24 u. S. 25. Königin Luise von Preußen mit den beiden ältesten Prinzen im Park von Sanssouci, Postkarte, um 1900.

Abbildungsverzeichnis

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Abb. 28 Johann Gottfried Schadow: Die Prinzessinnen Luise und Friederike von Preußen, Die Prinzessinnengruppe, Marmor, 1795-1797, Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie, aus: Ina Seidel: Luise, Königin von Preußen, Königsstein im Taunus und Leipzig o. J. [1934], zwischen S. 8 und S. 9. Abb. 29 Johann Gottfried Schadow: Denkmal des Fürsten Leopold von Anhalt-Dessau, Marmor, 1798-1800, Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie, historische Fotografie. Abb. 30 Johann Gottfried Schadow: Königin Luise, Marmor, 1811, Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg, aus: Museumsjournal Nr. IV, 10. Jahrgang, Oktober 1996, S. 57. Abb. 31 Johann Gottfried Schadow: Apotheose der Königin Luise, gebrannter Ton, 1811/12, Paretz, Gutskirche, Foto: Brandenburgisches Landesamt für Denkmalpflege. Abb. 32 Woldemar Friedrich: Unter den Linden in Berlin, Ausschnitt, 1896, aus: Carl Röchling, Richard Knötel und Woldemar Friedrich: Die Königin Luise in 50 Bildern für Jung und Alt, Berlin 1896, Tafel 8. Abb. 33 Wilhelm Ternite: Koloriertes Kopfsegment des Luisensarkophages, Gips, 1812, ehemals Hohenzollern-Museum, Schloß Monbijou, historische Fotografie. Abb. 34 Richard Knötel: Heldentod des Prinzen Louis Ferdinand von Preußen bei Saalfeld am 10. Oktober 1806, 1896, aus: Carl Röchling, Richard Knötel und Woldemar Friedrich: Die Königin Luise in 50 Bildern für Jung und Alt, Berlin 1896, Tafel 26. Abb. 35 Erste Begegnung der Königin mit ihren Kindern nach der Schlacht bei Auerstedt im Schlosse zu Schwedt, Szenenbild aus Königin Luise. Aus Preußens schwerer Zeit, Regie: Franz Porten, 1913, aus: Kino-Bibliothek, Deutscher Biograph-Film, Heft 25, S. 11. Abb. 36 Woldemar Friedrich: Erste Begegnung der Königin mit ihren Kindern nach der Schlacht bei Jena im Schlosse zu Schwedt am Abend des 18. Oktober 1806, 1896, aus: Carl Röchling, Richard Knötel und Woldemar Friedrich: Die Königin Luise in 50 Bildern für Jung und Alt, Berlin 1896, Tafel 29. Abb. 37 Woldemar Friedrich: Die Königin in ihrem Heim. Als Mutter an der Wiege, 1896, aus: Carl Röchling, Richard Knötel und Woldemar Friedrich: Die Königin Luise in 50 Bildern für Jung und Alt, Berlin 1896, Tafel 14. Abb. 38 Ein Kurier überbringt dem Könige die Nachricht von dem Verlust der Schlacht bei Jena, Szenenbild aus Königin Luise. Aus Preußens schwerer Zeit, Regie: Franz Porten, 1913, aus: Kino-Bibliothek, Deutscher Biograph-Film, Heft 25, S. 9. Abb. 39 David Gilly: Schloß Paretz, 1796, Deckfarbenmalerei von Wilhelm Barth, um 1824, Staatliche Museen zu Berlin, Kupferstichkabinett. Abb. 40 Heinrich Anton Dähling: Die königliche Familie, Gouache, 1806, Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg, Foto: Roland Handrick. Abb. 41 Königin Luise unter ihrem Volke, nach einem Gemälde von Hugo Händler, nach 1888, aus: Bernhard Rogge: Königin Luise, Liegnitz 1910, S. 48. Abb. 42 Königin Luise und König Friedrich Wilhelm III. von Preußen, französisches Spottbild, kolorierter Kupferstich, nach 1806, aus: Hohenzollern-Jahrbuch, 9. Jahrgang, 1905, S. 140. Abb. 43 Gustav Eberlein: Denkmal der Königin Luise, Marmor, 1897-1900, Tilsit, Jakobsruhe-Stadtpark, zerstört, Foto: Eberlein-Archiv, Grimm. Abb. 44 Johannes Götz: Denkmal der Königin Luise in Magdeburg, Marmor, 1901, aus: Illustrirte Zeitung Leipzig Nr. 3020 vom 16.5.1901. Abb. 45 Gustav Eberlein: Königin Luise und Napoleon in Tilsit, Schonung Magdeburgs, Gips, 1899, Museum Münden, Foto: Eberlein-Archiv, Grimm.

548 Abb. 46

Abb. 47 Abb. 48 Abb. 49

Abb. 50 Abb. 51

Abb. 52

Abb. 53 Abb. 54 Abb. 55

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Abb. 58 Abb. 59 Abb. 60

Abb. 61

Abbildungsverzeichnis Franz Stassen: Königin Luise schreibt an ihren Vater, den Herzog Karl von Mekklenburg-Strelitz, 1901, aus: Paul Kittel (Hrsg.) und Hermann Müller-Bohn (Text): Die deutschen Befreiungskriege. Deutschlands Geschichte von 1806-1815, 2 Bände, 2. Auflage, Berlin o.J. [um 1910], Band 1, S. 138. Johannes Heydeck: Königin Luise auf der Flucht, um 1900, historische Postkarte. Ludwig Wolf: Die Verklärung der Königin Luise, Stich von J. J. Krethlow, 1810, aus: Hohenzollern-Jahrbuch, 6. Jahrgang, 1902, zwischen S. 44 u. S. 45. Nicolas François Gosse: Napoleon empfängt die Königin von Preußen in Tilsit, Ol auf Leinwand, 1836, Musée de Versailles, aus: Hermann Dreyhaus: Die Königin Luise in der Dichtung ihrer Zeit, Berlin 1926, zwischen S. 64 u. S. 65. Friedrich Heitmann: Die Königin-Luise-Gedächtnis-Kirche in Königsberg, 1901, anonymer Kupferstich, aus: Illustrirte Zeitung Leipzig Nr. 3038 vom 19.9.1901. Franz Stassen: Stein und Scharnhorst an der Leiche der königlichen Dulderin und am Altar des Vaterlandes verbinden sich zur Rettung Preußens, 1901, aus: Paul Kittel (Hrsg.) und Hermann Müller-Bohn (Text): Die deutschen Befreiungskriege. Deutschlands Geschichte von 1806-1815, 2 Bände, 2. Auflage, Berlin o.J. [um 1910], Band 1, S. 147. Richard Knötel: Annahme freiwilliger Gaben zum Wohle des Vaterlandes im Rathause zu Breslau, aus: H. Bohnenkamp und H. Wellenbrink: Geschichte für die Mittelstufe unter besonderer Berücksichtigung der Heimat, Breslau 1913, S. 35. Karl Friedrich Schinkel: Das Eiserne Kreuz, Entwurf: 1813, Foto: Jörg P. Anders. Christian Daniel Rauch: Der Genius von Paris, Eisenguß, 1824-1825, Kreuzbergdenkmal, Berlin, Foto: Hilda Deecke. Johann Gottfried Schadow (mit Ergänzungen von Karl Friedrich Schinkel): Quadriga auf dem Brandenburger Tor in Berlin, Kupfer, 1789-1793, Nachschöpfung von 19571958, Foto: privat. Franz Stassen: König Friedrich Wilhelm III. legt den Siegerpreis auf den Sarkophag der Königin, den stillen Anteil Luisens an den Erfolgen andeutend, die als Preußens Schutzgeist den Heeren in dem Kampf vorangezogen ist, 1901, aus: Paul Kittel (Hrsg.) und Hermann Müller-Bohn (Text): Die deutschen Befreiungskriege. Deutschlands Geschichte von 1806-1815, 2 Bände, 2. Auflage, Berlin o.J. [um 1910], Band 2, S. 742. Franz Stassen: König Friedrich Wilhelm III., Kronprinz Friedrich Wilhelm und Prinz Wilhelm am Sarkophag der Königin Luise im Mausoleum zu Charlottenburg, 1901, aus: Paul Kittel (Hrsg.) und Hermann Müller-Bohn (Text): Die deutschen Befreiungskriege. Deutschlands Geschichte von 1806-1815, 2 Bände, 2. Auflage, Berlin o. J. [um 1910], Band 2, S. 844. Sterbezimmer der Königin Luise im Schloß Hohenzieritz, Zustand um 1910, aus: Hohenzollern-Jahrbuch, 14. Jahrgang, 1910, S. 14. C. Schaal: König Wilhelm I. mit seinem Sohn und Bruder am Sarkophag der Königin Luise, aus: Gartenlaube, 1870, S. 577. Carl Röchling: Der König mit seinen beiden ältesten Söhnen am Sterbelager der Königin in Hohenzieritz am Morgen des 19. Juli 1810, 1896, aus: Carl Röchling, Richard Knötel und Woldemar Friedrich: Die Königin Luise in 50 Bildern fur Jung und Alt, Berlin 1896, Tafel 50. Christian Daniel Rauch: Sarkophagstatue König Friedrich Wilhelms III., Marmor, 1841-1846, Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg, Schloß Charlottenburg, Mausoleum, Foto: Jörg P. Anders.

Abbildungsverzeichnis Abb. 62

Abb. 63 Abb. 64

Abb. 65

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Abb. 68 Abb. 69 Abb. 70 Abb. 71

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Abb. 74 Abb. 75 Abb. 76

Abb. 77 Abb. 78 Abb. 79

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Apsis des Mausoleums zu Charlottenburg mit dem Fresko von Carl Gottfried Pfannschmidt und dem Kruzifix von Wilhelm Achtermann, 1841-1850, Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg, Schloß Charlottenburg, Mausoleum. Erdmann Encke: Erzengel Michael, Marmor, 1894, Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg, ehemals Charlottenburg, Mausoleum, Foto: Jörg P. Anders. Erdmann Encke: Sarkophagstatue Kaiser Wilhelms I., Marmor, 1890-1894, Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg, Schloß Charlottenburg, Mausoleum. Der Innenraum des Mausoleums zu Charlottenburg, Fotografie um 1896, aus: Berlin und seine Bauten, hrsgg. v. Architekten-Verein zu Berlin und der Vereinigung Berliner Architekten, Band 2, Berlin 1896, S. 43. Erdmann Encke: Denkmal der Königin Luise im Berliner Tiergarten, 1877-1880, Marmor, Berlin, Lapidarium, aus: Paul Bellardi: Königin Luise, ihr Leben und ihr Andenken in Berlin, Berlin, 1893, Frontispiz. A. von Roessler: Königin Luise von Preußen mit ihren ältesten Söhnen im Schloß zu Schwedt, Ausschnitt, 1897, aus: Wilhelm Oncken: Unser Heldenkaiser, Berlin 1897, zwischen S. 4 und S. 5. Johann Friedrich Drake: Denkmal König Friedrich Wilhelms III. im Berliner Tiergarten, Marmor, 1841-1849, Berlin, Lapidarium, Foto: Hans Gerhard Evers. Anton von Werner: Die Kaiserproklamation in Versailles, Ol auf Leinwand, 18711877, Berliner Schloß, zerstört, historische Fotografie. Wilhelm Camphausen: Vergeltung, nach 1871, ehemals Aquarellsammlung Kaiser Wilhelms I., aus: Hohenzollern-Jahrbuch, 14. Jahrgang, 1910, S. 101. Fritz Werner: Die Einweihung des Königin-Luise-Denkmals im Berliner Tiergarten am 10. März 1880, Ausschnitt, Öl auf Leinwand, 1890, Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie. Hermann Wislicenus: Erwachen Barbarossas und Die Freiwilligen und die Sieger von 1813 versammelt an der Bahre der Königin Luise, Fresko, um 1880, Goslarer Kaiserpfalz, aus: Max Jordan und Alwin Wode: Die Wandgemälde im Kaiserhaus zu Goslar, 2. Auflage, Goslar o. J., Tafel X. Hermann Wislicenus: Die Wiederentstehung des deutschen Reiches, Fresko, 18801882, Goslarer Kaiserpfalz, aus: Max Jordan und Alwin Wode: Die Wandgemälde im Kaiserhaus zu Goslar, 2. Auflage, Goslar o. J., Tafel XI. Ferdinand Keller: Kaiser Wilhelm der Siegreiche, Öl auf Leinwand, 1887-1888, Staadiche Museen zu Berlin, Nationalgalerie. Fr. Martin: Königin Luise mit Prinz Wilhelm, historische Postkarte, um 1900. Gustav Eberlein: Königin Luise mit ihrem Sohn Wilhelm, Gips, 1888, ehemals Museum Münden, zerstört, Stich, aus: Velhagen & Klasings Monatshefte, 1892/1893, Band 2, S. 235, Foto: Eberlein-Archiv, Grimm. Fritz Schaper: Königin Luise mit ihrem Sohn Wilhelm, Die preußische Madonna, Marmor, 1897-1901, Berlin, Pestalozzi-Fröbel-Haus, zerstört, historische Fotografie. Alexander von Liezen-Mayer: An der Wiege des Deutschen Kaiserreichs, 1897, aus: Illustrirte Zeitung Leipzig, 1897. Friedrich Gilly: Entwurf eines Denkmals für Friedrich den Großen, 1797, Aquarell, Staadiche Museen zu Berlin, Kupferstichkabinett, Foto: Bildarchiv Preußischer Kulturbesitz.

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Abbildungsverzeichnis

Abb. 80 Wahlplakat der Deutschnationalen Volkspartei, 1920, aus: Ausst. Kat. „Preußen Versuch einer Bilanz", 5 Bände, Berlin und Hamburg 1981, Band 1, S. 598. Abb. 81 Irene von Meyendorff (Königin Luise) in: Kolberg, Regie: Veit Harlan, 1945. Abb. 82 Kristina Söderbaum (Maria) in: Kolberg, Regie: Veit Harlan, 1945. Abb. 83 Königin Luise, Königin der Herzen. Eine Operette mit Musik von Johann Strauß u. a., Neustrelitz 2001, Andreas Knoche & friends, Berlin.

Register Nicht aufgenommen sind Luise, Königin von Preußen, und Friedrich Wilhelm III., König von Preußen, sowie biblische und klassisch-mythologische Personen.

A Abramson, Abraham 26 Achtermann, Wilhelm 371, 372 Adami, Friedrich 12, 14, 17, 129, 189, 230, 231, 260, 269,276, 281, 317, 356, 395 Albedyll, Frau von 288 Albrecht, Prinz von Preußen, Enkel der Königin Luise 455 Albrecht, Prinz von Preußen, Sohn der Königin Luise 19, 39, 373, 455 Alexander I., Zar von Rußland 41, 137, 238, 240, 285, 465 Alexandrine, Großherzogin von Mecklenburg-Schwerin, geb. Prinzessin von Preußen, Tochter der Königin Luise 39, 390 Ambach, Eduard von 94, 291 Aries, Philippe 32,129 Aristoteles, griechischer Philosoph, 4. Jh. v. Chr. 335 Arndt, Ernst Moritz 76, 231, 283, 303, 331, 336 Arndt, Monika 15 Arnim, Achim von 35, 45, 117,158, 159, 208, 291 Arnim, Bettina von 418 Arnold, Friedrich 457 Arnstadt, Hansi 196 Augusta, Königin von Preußen, Deutsche Kaiserin 58-60, 260, 373, 396, 402, 432 Auguste, Kurfiirstin von Hessen-Kassel, geb. Prinzessin von Preußen, Schwester Friedrich Wilhelms III. 31 Auguste Viktoria, Königin von Preußen, Deutsche Kaiserin 300, 435-437

B Bailleu, Paul 13,124,127, 134,188,189,206, 208, 209,231,234-236, 265, 268,277, 302, 422

Bardou, Emanuel 443 Barth, Wilhelm 207 Barthes, Roland 151, 266, 317 Bartolini, Lorenzo 111 Baumgarten, Hermann 450 Baur, Wilhelm 191, 259, 283, 365 Bebel, August 456 Beckedorf^ Ludolf von 153, 159 Begas, Reinhold 180,243, 248,375,379,392, 400 Bellardi, Paul 14, 350 Benjamin, Walter 155 Benkard, Emst 155, 294 Berg, Karoline von 12, 29, 78, 81, 82, 152, 164,188,189, 213, 228, 258, 260, 261, 267, 275, 279, 287, 288, 294, 300, 315, 341, 346, 422, 450 Berger, Daniel 27 Bergondi, Andrea 65 Bernini, Gian Lorenzo 64, 65 Bethmann Hollweg, Theobald von 433 Bethmann-Metzler, Sophie von 169 Bismarck, Luise Wilhelmine von 414 Bismarck, Otto Fürst von 236, 348, 366, 379, 396, 400-402, 414, 421, 434, 437, 452 Bloch, Peter 322, 386 Blücher, Gebhardt Leberecht von 22, 181, 194, 210, 226, 232,287, 325, 326, 329, 334, 339, 398, 434, 452 Böcklin, Arnold 42, 400 Boockmann, Hartmut 460 Borghese, Paolina Prinzessin 62, 65-68 Borowski, Ludwig Emst 283, 284, 315 Börsch-Supan, Helmut 15, 467 Böttiger, Carl August 45, 55, 144, 146, 147 Boyen, Leopold Hermann von 389 Braun, Generalsuperintendent in Königsberg 300

552

Register

Braunschweig, Karl Wilhelm Ferdinand Herzog von 150 Bray, François Gabriel Graf von 238 Brentano, Clemens 76, 101 Brosses, Charles de 80 Brühl, Sophie Gräfin von 133 Brun, Friederike 85 Bruyn, Günter de 10 Buchhorn, Ludwig 158 Bülow von Dennewitz, Friedrich Wilhelm Graf 167 Bunsen, Marie von 16, 134, 375 Bury, Friedrich 171 Bussler, Ernst Friedrich 55 C Calvin, Johannes 72 Campeny y Estrany, Damián 68 Camphausen, Wilhelm 389 Canova, Antonio 47-51, 54, 55, 62, 63, 65-68,103,110,229 Cantian, Gottlieb Christian 327 Carl, Großherzog von Mecklenburg-Strelitz, Vater der Königin Luise 7, 30, 31, 71, 234, 274, 421 Carl, Herzog von Mecklenburg-Strelitz, Bruder der Königin Luise 418 Carl, Prinz von Preußen, Sohn der Königin Luise 17, 31, 39,121, 345, 348, 352, 364, 390 Carretto, Ilaria del 63 Casal, Valentino 186 Caulaincourt, Armand de 240 Charlotte, Herzogin von SachsenHildburghausen, geb. Prinzessin von Mecklenburg-Strelitz, Schwester der Königin Luise 81 Charlotte, Zarin Alexandra Feodorowna, geb. Prinzessin von Preußen, Tochter der Königin Luise 17, 31, 39, 40, 73,147,148,165, 219, 324, 326, 344, 373 Chodowiecki, Daniel 214 Christine, Königin von Schweden 255 Churchill, Sir Winston Leonard Spencer 461 Clemens XIV., Papst 66 Coignet, Jean-Roch 238

Cornelius, Peter von 371 Correggio, eigtl. Antonio Allegri, gen. il 297 D Dähling, Heinrich Anton 27,214,215, 341, 358 David, Jacques Louis 132 Delbrück, Johann Friedrich Gotdieb 217, 360, 364 Diana, Prinzessin von Wales 466 Diderot, Denis 209 Dietrich, Marlene 273 Dobbert, Eduard 57, 105, 111, 112 Donatello, eigtl. Donato di Niccolö di Betto Bardi 61, 62 Donop, Lionel von 79, 108, 109, 140, 144, 161 Drake, Friedrich 322, 384-386, 388 Dressel, Christian Gottlieb 298 Dreyhaus, Hermann 14, 134, 136, 163, 439 Droysen, Johann Gustav 337, 393, 451 Dubarry, Marie Jeanne 256 Duncker, Friedrich 21, 281 Duncker, Max 421 E Eberlein, Gustav 16,180,243-245, 250-253, 379, 404, 405, 409, 435 Eggers, Friedrich 15, 66, 97, 105-107, 109, 110, 113, 140 Ehrenberg, Friedrich 25, 201, 210, 342, 364 Eisner, Kurt 288, 454 Elisabeth, Königin von Preußen, Gemahlin Friedrich Wilhelms IV. 219, 316, 317, 373 Elisabeth Christine, Königin von Preußen, Gemahlin Friedrichs II. 416 Encke, Erdmann 16, 58, 60, 180, 373-375, 377,379, 381-384, 386, 387, 390, 428, 453 Engels, Friedrich 454 Enke, Wilhelmine, Gräfin von Lichtenau 48, 136 Erdmannsdörffer, Bernhard 451 Ernst August, König von Hannover 187 Eulenburg, Philipp Fürst zu 264, 436

Register Eylert, Rulemann Friedrich 12, 27, 41, 59, 63, 72, 73, 89,106,121, 128,140,149,150, 156,157,177,189, 210,213, 214, 219, 220, 234, 255, 257, 258, 267, 271, 274, 280, 286, 291, 312, 315, 316, 341, 364, 451, 466 F Felseneck, Marie von 79, 305, 362 Ferdinand, Prinz von Preußen, Sohn der Königin Luise 47, 173 Fichte,Johann Gottlieb 218, 283, 303 Ficker, Julius von 393 Fock, Gorch 224 Fontane, Theodor 119, 121, 122, 167, 176, 286, 293, 307,452 Förster, Friedrich 276, 324 Fouqué, Friedrich de la Motte 169, 347 Franz II., römisch-deutscher Kaiser, seit 1804 Franz I. Kaiser von Österreich 420 Freud, Sigmund 73 Friederike, Königin von Hannover, geb. Prinzessin von Mecklenburg-Strelitz, verw. Prinzessin von Preußen, verw. Prinzessin von Solms-Braunfels, Schwester der Königin Luise 7, 30, 48, 81,125,149,167-170,183, 184, 186,187 Friederike, Prinzessin von MecklenburgStrelitz, geb. Prinzessin von HessenDarmstadt, Mutter der Königin Luise 81, 360, 420 Friedrich I. Barbarossa, römisch-deutscher Kaiser 394, 395, 397, 398, 402, 413, 414 Friedrich I., König in Preußen 432 Friedrich II., König von Preußen 37, 40, 154,177,181,182, 221, 234, 293, 324, 337, 361, 363,388, 419,420,426, 432, 434, 435, 438, 443,447, 448, 451, 452, 460, 461 Friedrich III., König von Preußen, Deutscher Kaiser 289, 348, 352,373, 375, 382, 392, 394, 396, 400-402, 431, 436 Friedrich Karl, Prinz von Preußen, Neffe Wilhelms I. 401 Friedrich Ludwig, Erbprinz von Mecklenburg-Schwerin 41 Friedrich Wilhelm, Kurfürst von Brandenburg 361, 432

553

Friedrich Wilhelm I., König von Preußen 221, 432, 461 Friedrich Wilhelm II., König von Preußen 7, 37, 47, 48, 52,169,170,206,260, 287, 455, 461, 465 Friedrich Wilhelm IV., König von Preußen 12,17, 30, 39, 48, 51,162,316, 320, 326, 334, 341, 344, 346, 348, 358, 360-365, 369, 370, 373, 393, 394, 404, 418, 419, 427, 435, 461 Friedrich, Caspar David 43 Friedrich, Woldemar 187, 193, 197-199, 216, 459 Frisch, Max 8 G Ganzer, Karl Richard 443 Gass, Karl 461 Gentz, Friedrich von 239, 258, 330 Gentz, Heinrich 35, 36, 47,116, 118, 121, 122, 425 Georg, Großherzog von MecklenburgStrelitz, Bruder der Königin Luise 142, 148, 210, 244,285, 418 George, Heinrich 445 Gerlach, Philipp 298 Geyer, Albert 36 Gibbon, Edward 260 Giesebrecht, Benjamin von 393 Gilly, David 207 Gilly, Friedrich 41, 426, 427 Giordano da Pisa 129 Gneisenau, August Neithardt Graf von 14, 26, 209,224, 315, 329, 330, 332, 445, 448 Goebbels joseph 443-445, 447, 448, 459 Goethe j o h a n n Wolfgang von 11, 75, 81-83, 85, 146, 149,150,171,173,178,180, 204, 255, 275, 422,457 Goethe, Katharina Elisabeth 418 Göricke, eigtl. Görke Johann 30 Gosse, Nicolas Louis François 138, 297, 298 GötzJohannes 16, 248-250, 379 Gourgaud, Gaspard Baron de 231 Graef, Gustav 307 Grassi Joseph 123, 132, 160 Griewank, Karl 14, 186, 279, 417

554

Register

Grimm, Herman 98,111,129,181, 319, 327, 392 Gropius, Karl 114 Gropius, Wilhelm 114 Gros, Antoine-Jean 298 Großkopf; Louis 300 Gurlitt, Cornelius 423

H

Haack, Friedrich 79,180,181 Haake, Gra£ Rittmeister 315 Hagemann, Friedrich 66 Hahn, Ludwig 148, 360 Haller, Johannes 436 Hamilton, Lady Emma 137 Händler, Hugo 215, 216 Hardenberg, Friedrich von, gen. Novalis 87, 88,170,202-205, 213,217, 219,260, 307, 311, 314, 417 Hardenberg, Karl August Fürst von 7, 234, 236, 237, 240, 330, 332, 333, 417, 465 Harlan, Veit 444, 446, 447 Hartmann, Heinrich 459, 460 Haß, Hermann 260, 422 Hegel, Georg Wilhelm Friedrich 178,293, 302 Hegel, Regierungspräsident 244, 246 Heilborn, Ernst 89, 444 Heim, Ernst Ludwig 17, 30, 72, 288 Heinitz, Friedrich Anton Freiherr von 152, 169 Heinrich, Gerd 141 Heitmann, Friedrich 299 Helena Pawlowna, Großfürstin von Rußland, Gemahlin des Erbprinzen von Mecklenburg-Schwerin 41 Henckel von Donnersmarck, Wilhelm Ludwig Viktor Graf 155 Herder,Johann Gottfried 81,173,260,422 Hermann, eigtl. Armin, Cheruskerfurst, 1. Jh. n. Chr. 414, 443 Herz, Henriette 260 Hesse, Ludwig Ferdinand 36, 371 Heydeck, Johannes 275 Hieronymi, Leibarzt des Großherzogs Carl von Mecklenburg-Strelitz 30, 31 Hindenburg, Paul von Beneckendorff und 221

Hintze, Otto 13,136,137, 233, 240, 255, 337, 343, 421, 423, 433, 438, 451, 460, 463 Hippel, Gottlieb Theodor von 311 Hippel, Theodor Gottlieb von 265 Hirschfeld, Christian Cay Lorenz 38, 39 Hirt, Alois 47 Hitler, Adolf221,237, 267,274,317, 442-444, 448 Hobrecht, Arthur 381, 390 Hobsbawm, Eric 8 Hoechstetter, Sophie 265 Hohenzollern, Joseph Graf von, Fürstbischof von Ermeland 286 Holberg, Friederike 220 Horn, Georg 97,131, 153, 235, 266,268, 356, 360, 420 Hufeland, Christoph Wilhelm 268, 276, 277, 283 Humboldt, Alexander von 454, 457 Humboldt, Caroline von 16, 18, 22, 38, 45, 46, 49-51, 54, 55, 58, 63, 74, 75,110,143 Humboldt, Wilhelm von 18,21,22, 28, 33, 38, 40,45-53, 74,113,114,171,176, 265, 315,330, 363 Hummel, Johann Erdmann 37

I

Ihne, Enst von 375 Ingres, Jean-Auguste-Dominique 298

J

Jackson, Sir George 131,205 Jahn, Friedrich Ludwig 270, 303 Janke, Initiator der Luisenstiftung 217 Johanna von Orléans 257 Jordan, Max 335 Joséphine, Kaiserin von Frankreich 136, 228

K Kalckreuth, Friedrich Adolf Graf von 225, 333, 466 Kannengießer, Georg 244 Kantorowicz, Emst H. 78 Karl der Große, fränkischer König, römischdeutscher Kaiser 394, 396, 402 Katharina II, Zarin von Rußland 255 Käthe, Heinz 460

Register Keller, Ferdinand 16, 400-403, 453 Kircheisen, Friedrich M. 14 Kirchhof^ Johann Jakob 452 Klatt, Tessa 14, 225, 228, 231-233, 235, 237, 238, 270, 334, 445, 447 Kleist, Heinrich von 11, 43, 161, 163, 204, 224, 232, 260, 339, 354, 417 Kleist, Marie von 205 Kleopatra VII., Königin von Ägypten 136 Klewitz, Wilhelm Anton von 217 Knötel, Richard 193, 195, 197, 199, 216, 307, 308, 435, 459 Köckritz, Karl Leopold von 40 Kögel, Rudolf 356, 357,367, 376, 450 Kolbe, Georg 155 Konstantin, römischer Kaiser, 4. Jh. n. Chr. 313 Koppen, Fedor von 354 Körner, Theodor 100, 101, 129, 139, 192, 244, 284, 302-304, 311, 332, 334, 336, 339, 398, 417, 434 Kreth, Hermann 456 KrethlowJ.J. 292 Krüdener, Barbara Juliane Freifrau von 283, 285, 286 Krüger, Charlotte 257 Krüger, Frau Professor 243, 246 Kugler, Franz 89, 114 Kuschwalsky, Caroline Wilhelmine 220 L La Harpe, Jean François de 126 Lafontaine, August Heinrich 422 Lange, Julius 98 Lange, Julius, eigtl. Alexander Davison 227 Lehar, Franz 250 Lehmann, Max 451 Lenz, Max 331 Leopold, Fürst von Anhalt-Dessau 167, 171, 172 Lessing, Gotthold Ephraim 81, 100 Leuwerik, Ruth 79, 459 Levin, Rahel 260 Liebeneiner, Wolfgang 79, 459 Liegnitz, Auguste Fürstin von 146-148, 373 Liezen-Mayer, Alexander von 408, 409 Lonke, Alwin 13, 341

555

Louis Ferdinand, Prinz von Preußen, Enkel Wilhelms II. 430 Louis Ferdinand, Prinz von Preußen, Neffe Friedrichs des Großen 195, 311, 455 Louis Napoleon, König von Holland 238 Löwenstein, Rudolf 105-107, 111 Lüders, Hermann 354 Ludwig, Prinz von Baden, Sohn der Luise von Baden 374 Ludwig, Prinz von Preußen, Bruder Friedrich Wilhelms III. 7, 48 Ludwig I., König von Bayern 103 Luise, geb. Prinzessin von Preußen, Großherzogin von Baden, Tochter Wilhelms I. 311, 374 Luise, geb. Prinzessin von Preußen, Prinzessin der Niederlande, Tochter der Königin Luise 19, 39, 311 Luise Marie Albertine, Prinzessin von Hessen-Darmstadt, Großmutter der Königin Luise 72, 422 Lukas, Evangelist 295 Luther, Martin 395, 414 M Maertens, Hermann 333 Makart, Hans 400 Maitzahn, Burchard Friedrich Freiherr von 47, 51, 52,110,114 Maitzahn, Wilhelmine Gräfin 40 Marc Aurel, römischer Kaiser, 2. Jh. n. Chr. 169, 443 Mareks, Erich 336, 361 Marckwald, Schreiber bei der Königsberger Volkszeitung 456 Maria Christina, Erzherzogin von SachsenTeschen 66 Maria Theresia, Kaiserin von Osterreich 225 Marianne, geb. Landgräfin von HessenHomburg, Prinzessin von Preußen, Schwägerin Friedrich Wilhelms III. 36, 39, 147, 210, 315 Marie-Antoinette, Königin von Frankreich 126 Mark, Alexander Graf von der 47, 48, 167 Mark, Hans von der 250 Marnier, französischer Leutnant 238

556

Register

Martin, Fr. 403 Marwitz, Friedrich August Ludwig von der 14,16,133, 237, 330, 464 Marx, Karl 441, 454 Massow, Valentin von 42 Maurenbrecher, Max 139, 454 Mausolos, persischer Satrap, 4. Jh. v. Chr. 38 Mehring, Franz 454-456 Meinecke, Friedrich 13, 139 Meinhold, Paul 431 Mendelssohn Bartholdy, Felix 390 Menzel, Adolf von 154,163, 349, 435 Meyendorff, Irene von 446 Michelangelo Buonarotti 295 Mnioch, Maria 214 Moeller van den Bruck, Arthur 208, 258, 271,386, 443 Molo, Walter von 439 Moltke, Charlotte Gräfin von 237, 401 Moltke, Helmuth Graf von 389, 396, 400, 402, 437 Mommsen, Theodor 13, 94, 142, 185, 211, 228,232, 259,273, 275, 303,305, 309, 331, 332, 390, 450, 451 Müller-Bohn, Hermann 305, 329, 345, 377

O Offenbach, Jacques 250 Ohff, Heinz 119 Olfers, Ignaz von 372 Oncken, Wilhelm 361 P Paul j e a n 131, 153, 260, 429 Perón, Evita 466 Perugino, eigtl. Pietro Vannucci 320 Pestalozzi johann Heinrich 218, 409, 410 Petersen, Karl 257 Pfannschmidt, Carl Gottlieb 371, 372 Pilegaard, Salzinspektor 174, 175, 292, 293 Piloty, Karl Theodor von 408 Planck, Max 267 Poe, Edgar Allan 26, 73 Pompadour, Jeanne Antoinette Poisson Marquise de 136, 256 Porten, Henny 439, 440 Posch, Leonhard 26 Prévost, Abbé 257 Prohaska, Eleonore 257 Puttkamer, Robert von 456

6

Murat, Joachim 333

Quercia, Jacopo della 63

N

R

Napoleon I. Bonaparte 7, 8, 23, 24, 40, 65, 87, 90,109-111,123,124,127,136-138, 141,161,164, 197, 215, 220, 223-234, 237-240, 246, 247, 250-252, 256, 261, 267, 269, 270, 277, 278,281, 297, 302, 319, 324, 329-334, 336-339,344, 347, 361, 362, 389, 417-421,432, 434, 440, 444, 448, 461, 464-466 Napoleon III., Kaiser von Frankreich 229, 336, 338,357,389 Nelson, Horatio 137 Nettelbeck, Joachim 445, 448 Neumann, Carl 108, 173, 180, 181, 295 Neumann, Richard 388 Nietzsche, Friedrich 204, 467 Nikolaus I., Zar von Rußland 324 Nipperdey, Thomas 430 Nolte, Staatsrat 217

Radziwill, Luise Fürstin, geb. Prinzessin von Preußen 16, 21, 36, 71, 76, 127, 128, 283, 363 Raffael, eigtl. Raffaello Santi 110, 293, 295 Ranke, Leopold von 13, 331, 454 Rapp j e a n Graf 173 Rauch, Agnes 148, 218 Rauch, Christian Daniel 11, 15, 45-63, 65-67, 69, 73-79, 82, 84, 85, 92-94, 97, 98,101-103,105-114,122,123,129, 140,141, 143-148,156,163-165,167, 171,173-178,180-184,186,188,192, 197, 218, 293, 295, 296, 315, 319-322, 324-327,341, 343-354,350,354, 359, 370-372, 374, 381,390, 425, 430, 467 Rauch, Christian Friedrich 52 Rauch Johann Georg 52 Rauch, Maria Elisabeth 52

Register Rave, Paul Ortwin 43 Récamier, Jeanne Françoise Julie 132 Renan, Ernest 303 Ribbeck, Conrad Gottlieb 23, 24, 42 Richter, Gustav 16, 161, 163, 354, 439 Rietschel, Ernst 371 Röchling, Carl 193,195,197,199,216, 358, 459 Rogge, Bernhard 276, 288,336, 339, 410, 450 Romberg, Amalie von 207 Roon, Albrecht Graf von 396, 400-402, 437 Rosenberg, Adolf 16,152,183, 352, 354, 377, 382-384, 393,399, 419 Rosenstiel, Staatsrat 217 Rössler, A. von 383 Rothkirch, Malve Gräfin 460 Rückert, Friedrich 247,248, 354 Rumpf Johann Daniel Friedrich 75 Runge, Philipp Otto 116 Ruskin.John 64,182 S Sacher-Masoch, Leopold Ritter von 257 Sack, Friedrich Samuel Gottfried 24, 25, 29, 147, 217, 284,294, 302, 365 Scarbina, Franz 435 Schaal, C. 352 Schadow, Johann Gottfried 7, 15, 16, 45, 47, 48, 52, 54, 55, 57, 58, 66, 68, 87, 114,123, 124,131,140, 141,163,165, 167, 169,170-178,180-186, 192, 197, 206, 244, 250, 276, 291-293,320, 322, 323, 354, 381, 386, 404, 407,427, 429, 467 Schadow, Lotte 173 Schadow, Ridolfo 55, 173 Schadow, Wilhelm 55, 57-59, 158-160 Schaper, Fritz 16,180,248, 379,405-407, 409, 410 Scharnhorst, Gerhard Johann David von 167, 305, 306, 448 Scheffiier, Johann George 284, 347 Schenda, Rudolf 420 Schenkendorf, Max von 265 Schiavonetti, Johann Baptista 291 Schilden, Friedrich Freiherr von 52 Schill, Ferdinand Baptista von 303, 445

557

Schüler, Friedrich 82-87, 135, 141, 149, 150, 186, 205,260, 417, 422 Schinkel, Karl Friedrich 16, 35, 36, 47, 52, 57, 61, 85, 93,113-123, 143, 298, 312-314, 319,320, 323, 326, 327, 371, 372, 403, 426, 427, 452, 467 Schlegel, Caroline 260 Schlegel, Friedrich von 256 Schleiermacher, Friedrich Ernst Daniel 24, 259, 283, 303 Schmalz, Auguste 35 Schmettau, Ferdinande von 307 Schmettau, Graf von, Adjutant der Königin Luise 455 Schmettau, Graf von, Kürassier-Leutnant 455 Schnorr von Carolsfeld, Julius 392 Schubert, Franz 43 Schwerin, Sophie Gräfin von 16, 75, 128, 136,150,164,228, 234, 240, 241, 261, 305, 315, 322,363, 364, 452 Segur, Philippe-Paul Comte de 228 Seidel, Ina 14, 226, 229, 237, 238, 240, 241, 421 Seidel, Paul 14, 134, 141, 144, 150, 154, 156, 160,163,164, 181,183, 188-190, 237 Simon, Holger 15 Simson, Jutta von 15 Söderbaum, Kristina 445, 447 Solms-Braunfels, Friedrich Prinz von 48 Spitzemberg, Hildegard Freifrau Hugo von 16, 433, 437 Stael, Germaine Baronne de 124 Stassen, Franz 274, 305, 306, 345 Steffens, Heinrich 274, 332 Stein, Armin 13, 149, 152, 210, 229, 329, 334, 357, 413 Stein, Heinrich Friedrich Karl Reichsfreiherr vom und zum 7, 209,210,260, 305, 306, 363, 454, 455, 457, 465, 466 Stendhal, eigtl. Marie Henri Beyle 383 Stephanus, Hl. 24 Stieglitz, Charlotte 308 Stieglitz, Heinrich 308 Stillfried-Rattonitz, Rudolf Graf von 394 Strauß, Johann 250, 462 Strauss, Richard 257

558

Register

Streckfuß, Adolf 72, 416 Ströhling, Peter Eduard 141 Süvern, Johann Wilhelm 81 Sybel, Heinrich von 393, 451 T Taack, Merete van 467 Talleyrand-Perigord, Charles Maurice Herzog von 136, 138, 269,333 Tasso, Torquato 226 Taubert, Emil 425 Taubert, Wilhelm 105 Tauentzien, Lysinka Gräfin von 128 Ternite, Wilhelm 71, 72, 77,155-158, 189, 190 Therese, Fürstin von Thum und Taxis, geb. Prinzessin von Mecklenburg-Strelitz, Schwester der Königin Luise 81, 125, 205 Thiel, Peter Johannes 13,135,139, 226, 270, 271, 280, 301, 360-362, 451 Thorvaldsen, Bertel 45-49, 51, 54, 55, 63, 68, 100,110,171,172 Tieck, Friedrich 54,101,146,320, 326 Timm, Kammerdiener der Königin Luise 47 Tischbein, Johann Friedrich August 170 Treitschke, Heinrich von 13, 97, 199, 228, 235, 252,258, 261,263, 331, 337, 341, 349, 366,389, 395, 420-423,449-451, 454, 457, 467 U Ulbricht, Walter 221 V Vaihinger, Hans 431 Varnhagen von Ense, Karl August 143, 206, 230, 285, 330, 334, 457 Verdi, Giuseppe 250, 257 Viereck, Dorothee von 42 Viereck, Henriette von 42 Vigee-Lebrun, Elisabeth 123, 125, 126, 132, 153,160,188,228,333, 359 Viktoria, Königin von Preußen, Deutsche Kaiserin 219, 260, 262, 382, 400, 433, 436, 437, 453 Viktoria Luise, Prinzessin von Preußen, Tochter Wilhelms II. 311

Viktoria Margarethe, Prinzessin von Preußen 221 Voß, Sophie Marie Gräfin von 13,19, 42, 48, 72,127,152,170,206,224, 237, 277, 278,294, 334, 364, 455 W Wach, Karl Wilhelm 72,141,324 Wachtmeister, Hans Gabriel Graf 132 Wagner, Cosima 133 Wagner, Richard 133, 257 Werner, Anton von 16, 296, 349-356, 374, 375, 379, 381,386-388, 393, 402, 405, 408, 453 Werner, Fritz 390, 391 Werner, Zacharias 24, 285 Wiehert, Ernst 106 Wichmann, Ludwig 320 Wigand, Friedrich Christian 26, 266,301, 305, 307, 332 Wilde, Oscar 126,257 Wilhelm I., König von Preußen, Deutscher Kaiser 8,17,30, 39,147,154,155,161, 162,194, 231, 248,288, 289, 298, 300, 311, 316, 326, 336, 338, 339, 343, 346, 348-352,354, 356-363, 365-367, 369, 373-375, 377-380, 386,388-392, 394411, 413,414, 419,420, 425, 428,429, 432-435, 437, 453 Wilhelm II., König von Preußen, Deutscher Kaiser 14, 36,186,188,196, 225, 243, 244, 246, 253,260-262,300,311,317, 325, 332,351, 356, 365, 366, 373, 374, 394,396, 400, 402,403, 407, 409, 423, 431, 433-438 Wilhelm, Kronprinz des Deutschen Reiches und von Preußen, Sohn Wilhelms II. 187 Wilhelm Friedrich Karl, Prinz von Preußen, Bruder Friedrich Wilhelms III. 81 Wilhelmine, Erbprinzessin von Oranien, geb. Prinzessin von Preußen, Schwester Friedrich Wilhelms III. 31 Winckelmann, Johann Joachim 82, 83, 141 Wislicenus, Hermann 392,394-398,400, 453

Register Wladimir, Großfürst von Rußland 356 Wolf, Ludwig 292 Wölfl; Albert 186, 373 Wölfl; Christian Philipp 26, 156 Wölfl", Musikdirektor 246 Wülfing, Wulf 15

559

Y Yorck von Wartenburg, Johann David Ludwig Graf232, 432 Z Zeuxis, griechischer Maler um 400 v. Chr. 213 Zieten, Hans Joachim von 167, 194

Danksagung Luisenkult hätte ohne die Hilfe vieler Menschen nicht geschrieben werden können. Allen voran danke ich meinen Eltern Barbara und Alexander Demandt, die mir stets mit Rat und Tat zur Seite standen. Zu besonderem Dank verpflichtet bin ich Raik Dreher, der mir in seltener Freundschaft über Jahre hinweg den Rücken frei gehalten und eine wunderbare Schreibumgebung zur Verfügung gestellt hat, und Philipp Binder, dessen Kenntnis der deutschen Sprache mir ebenso von Nutzen war wie seine Versiertheit in allen Fragen der Computertechnik. Astrid Ule danke ich für ihren moralischen Beistand, Frank Trümper für seinen beherzten Einsatz in allen Verlagsangelegenheiten, Werner Busch und Hellmut Lorenz, meinen Doktorvätern, für ihr Vertrauen und ihre Toleranz, Johannes van Ooyen vom Böhlau-Verlag für seine in jeder Hinsicht außergewöhnliche Großzügigkeit, Petra Uertz für ihr gründliches Lektorat, Jutta von Simson und Rolf Grimm für ihre kollegiale Unterstützung, Bernd Löhberg für seine kritische Lektüre, Ulrich Brömmling für seine ideenreichen Werbeaktivitäten, Andreas Rupprecht für seine kreative Hand bei der Umschlaggestaltung, Cathleen Haff für ihre Hilfe beim Register, Kristin Lanzke für den Anstoß zu diesem Buch, Andreas Fecht für sein Geleit in die Kunstgeschichte und Günter de Bruyn für seine mutmachenden Worte.

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Beethoven Werk u n d Wirkung •f •

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2003. 278 Seiten. 39 s/w-Abb. Gebunden € 24,90/SFr 42,ISBN 3-412-04903-4

Beethoven galt lange Zeit entweder als ein nationaler Heros, ein menschheitliches Genie oder ein Meister höchster Formvollendung. Im Gegensatz zu einseitigen Projektionen dieser Art arbeitet Jost Hermand die komplexen, aber untrennbaren Zusammenhänge von formaler Gestalt und inhaltlicher Bedeutung in Beethovens Musik heraus. Hierbei interessieren ihn nicht allein die konkret zu entschlüsselnden inhaltlichen Aussagen, sondern auch der Ausdruck eines sozialen und politischen Empfindens. Er zeigt Beethoven als einen Künstler, der sich gegen die gesellschaftliche Realität seiner Zeit aufbäumt und auf größere Mitmenschlichkeit drängt. Statt die Musik Beethovens lediglich formalistisch zu analysieren oder als Produkt einer längst vergangenen Ära darzustellen, wird sie gerade wegen ihrer rebellischen Gestik, der eine Tendenz ins eindeutig Demokratisierende zugrunde liegt, als eine bis heute vorbildliche gewürdigt.

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# I L Michael North

Genuss und Glück des Lebens Kulturkonsum Im Zeitalter der Aufklärung 2003. VIII, 306 S. 22 s/w-Abb. Geb. mit Schutzumschlag. € 26,90/SFr 45,30 I S B N 3-412-11003-5

Bis heute prägt die Aufklärung unser Bild vom 18. Jahrhundert. Die Vernunft drang in die verschiedensten Lebensbereiche vor und bewirkte einen enormen Aufschwung von Bildung und Wissenschaft. Zugleich war diese Zeit aber auch ein Jahrhundert von Kriegen und Hungersnöten. Michael North entfaltet in anschaulicher Weise einen neuen Blick auf das 18. Jahrhun-

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dert: Er zeigt, daß sich Adelige und Bürger in dieser Zeit lei-

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sten konnten, nach Zerstreuung, Abwechslung und Glück zu

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suchen, welche sie in Kunst und Unterhaltung fanden. Dabei profitierten sie von einer Kommerzialisierung und breiten Vermarktung aller Kulturgüter. Für den Zahlenden entwickelte sich ein umfangreiches Angebot an Literatur, Theaterauffiihrungen, Kunstausstellungen, Musik und Konzerten. Das Buch stellt die Gegenstände des Konsums wie Bücher und Reisen, Kaffee und Tee ebenso vor wie Luxus und Mode, Wohnkultur, Gärten und Landhäuser. Der Autor bietet so ein faszinierendes Panorama der Kulturgeschichte im Deutschland des 18. Jahrhunderts. Durch die musische Betätigung, das unmittelbare Kunsterlebnis oder den virtuellen Kulturkonsum im »Journal des Luxus und der Moden« partizipierten kulturell Interessierte in allen deutschen Territorien an dem neuen europäischen Kulturangebot.

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Klaus Günzel

D a s Weimarer Fürstenhaus Eine Dynastie schreibt Kulturgeschichte

2001. 232 Selten. 32 Seiten mit 40 s/w-Abblldungen. Gebunden mit Schutzum-

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schlag. € 24,50/sFr 44,50 ISBN 3-412-03100-3

Kaum ein Fürstengeschlecht hat ein so herausragendes geistiges Zentrum geschaffen wie das weimarische Regentenhaus. Aus dem unbedeutenden Kleinstaat wird unter der Herzogin Anna Amalia innerhalb weniger Jahre ein Anziehungspunkt für Künstler, Philosophen, Theaterleute und Literaten. Spätestens als ihr Sohn Carl August den jungen Goethe an den Hof holt, steigt das Fürstenhaus zum strahlenden Mittelpunkt der deutschen Klassik auf. Es sind vor allem die Frauen, die das Gesicht des Hauses prägen. Nach Anna Amalia ist es Maria Pawlowna, eine Enkelin von Zarin Katharina II., die dem Großherzogtum zu neuem Ansehen verhilft. Mit dem Herrscherpaar Carl Alexander und Sophie betritt Weimar sein >Silbernes Zeitalter«. Musik, Literatur und bildende Künste, aber auch Architektur und Sozialfürsorge erleben eine neue Blüte. Unter Wilhelm Ernst findet die Regentengeschichte des Hauses Sachsen-Weimar 1918 ihr wenig rühmliches Ende. Klaus Günzel nimmt den Leser mit auf eine ebenso unterhaltsame wie interessante Reise durch eines der bedeutendsten Kapitel europäischer Kulturgeschichte. Mit leichter Feder porträtiert er die wichtigsten Persönlichkeiten des Fürstengeschlechts, er zeigt ihre kulturellen Verdienste ebenso wie ihre menschlichen Licht- und Schattenseiten. URSULAPLATZ I, D - 5 0 6 6 8 KÖLN, TELEFON ( 0 2 2 1 ) 9 1 3 9 0 0 , FAX 9 1 3 9 0 1 1

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Veröffentlichungen a u s d e n Archiven Preußischer Kulturbesitz H e r a u s g e g e b e n von Jürgen K l o o s t e r h u i s u n d Dieter H e c k m a n n — Eine Auswahl Band 32: Carl Wilhelm C o s mar: Die G e s c h i c h t e d e s Königlich-Preußischen Staats- u n d Kabinettsarchivs bis 1806. Hrsg. u. eingel. v. Meta Kohnke. 1993. VII, ISBN 3-412-06092-5. Band 33: Von K ö n i g s b e r g a n die Loire. Quellen zur Handelsreise d e s herzoglichpreußischen Faktors Antoine Maillet nach Frankreich in den Jahren 1562-1564. Bearb. v. Dieter Heckmann. 1993. VII, 162 S. 4 Abb., 3 Ktn. in Rückentasche. Gb. ISBN 3-412-06192-1.

B a n d 38: Wilhelm Erman: Eri n n e r u n g e n . Bearb. u. hrsg. v. Hartwig Lohse. 1994. VII, 321 S. Gb. ISBN 3-412-08493-X. B a n d 3g: Die H e r z ö g e Albrecht Friedrich u n d G e o r g Friedrich von P r e u ß e n und d a s Bistum Ermland (1568-1618). R e g e s t e n a u s d e m Herzoglichen Briefarchiv und den Ostpreußis c h e n Folianten mit ergänz e n d e n Schriftstücken bis 1699. Bearb. v. Stefan Hartmann. 1994. VII. 469 S. Gb. ISBN 3-412-06094-1. B a n d 40: Die L a g e b e r i c h t e der G e h e i m e n Staatspolizei ü b e r die Provinz B r a n d e n b u r g und die R e i c h s h a u p t s t a d t Berlin 1933 bis 1936. Hrsg. v. Wolfgang Ribbe. Tl. 1: Der R e g i e r u n g s b e z i r k P o t s d a m . Mit ergänzenden Materialien bearb., eingel. und erläutert v. Sybille Hinze. 1998. XX, 467 S. Gb. ISBN 3-412-12096-0.

Band 35: Die H e r z ö g e in P r e u ß e n u n d d a s Bistum Kulm (1525-1691). R e g e s t e n a u s d e m Herzoglichen Briefarchiv und den Ostpreußis c h e n Folianten. Hrsg. v. Ursula Benninghoven. 1993. VI, 218 S. Gb. ISBN 3-412-11392-1.

Band 41: H e r z o g Albrecht v o n P r e u ß e n und Livland (1525-1534). R e g e s t e n aus d e m Herzoglichen Briefarchiv und den Ostpreußis c h e n Folianten. Bearb. v. Ulrich Müller. 1996. VIII. 612 S. Gb. ISBN 3-412-13395-7.

B a n d 36: G a b y Huch: Die Teltowgraphie d e s Johann Christian Jeckel. 1993. VIII, 559 S. Gb. ISBN 3-412-01293-9.

B a n d 42: T h e o d o r von S c h ö n . Untersuchungen zu Biographie und Historiographie. Hrsg. v. Bernd Sösemann. 1996. X, 170 S. 12 s/w-Abb. Gb. ISBN 3-412-12295-5.

Band 37: H e r z o g Albrecht von P r e u ß e n und d a s Bistum Ermland (1550-1568). R e g e s t e n a u s d e m Herzoglic h e n Briefarchiv und d e n Ostpreußischen Folianten. Bearb. v. Stefan Hartmann. 1993. VI, 344 S. Gb. ISBN 3-412-04293-5.

Band 43: A l l g e m e i n e K a r t e n s a m m l u n g Provinz O s t p r e u ß e n . Spezialinventar. Bearb. v. Winfried Bliss. 1997. XI, 406 S. Gb. ISBN 3-412-08395-X.

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Veröffentlichungen a u s d e n Archiven Preußischer Kulturbesitz H e r a u s g e g e b e n von Jürgen Kloosterhuis u n d Dieter H e c k m a n n — Eine Auswahl B a n d 46: D a s Wittstocker H ä u s e r b u c h . Aus d e m Nachlaß von Wilhelm Polthier hrsg. v. Werner Vogel. 1998. XVIII, 576 S. 1 färb. Karte in Rückentasche. Gb. ISBN 3-412-07398-9. Band 47: D i e B e z i e h u n g e n d e r H e r z ö g e In P r e u ß e n z u West- und S ü d e u r o p a (1525-1688). Regesten aus d e m Herzoglichen Briefarchiv und d e n O s t p r e u ß i s c h e n Folianten. Bearb. von Dieter Heckmann. 1999. VIII, 606 S. Gb. ISBN 3-412-10498-1. B a n d 49: H e r z o g A l b r e c h t v o n P r e u ß e n u n d Livland (1534-1540). R e g e s t e n a u s d e m Herzoglic h e n Briefarchiv und d e n O s t p r e u ß i s c h e n Folianten. Bearb. von Stefan Hartmann. 1999. XIV, 513 S. Gb. ISBN 3-412-10598-8. B a n d 50: A l l g e m e i n e K a r t e n s a m m l u n g Provinz W e s t p r e u ß e n . Spezialinventar. Bearb. v. Winfried BII0. 2000. XIV, 715 S. Gb. ISBN 3-412-07799-2. B a n d 51: D a s K o n t e n führungsbuch der Elenden Bruderschaft von Königsb e r g - L ö b e n l c h t (14771523). Bearb. von Dieter Heckmann. 2000. VIII, 188 S. 7 s/w-Abb. Gb. ISBN 3-412-07900-6

B a n d 52: G e r h a r d v o n S c h a m h o r s t : Private u n d d i e n s t l i c h e Schriften. Band 1: Schüler, Lehrer, Kriegsteilnehmer (Kurhannover bis 1795). Hg. von Johannes Kunisch. Bearb. von Michael Slkora und Tilman Stieve. 2002. XL, 864 S. 1 Frontispiz auf Kunstdruck. Gb. mit SU. ISBN 3-412-14700-1 Band 2: Stabschef und Reformer (Kurhannover 1795-1801). Hg. von Johannes Kunisch. Bearb. von Michael Sikora und Tilman Stieve. 2003. Ca. 900 S. Gb. mit SU. ISNBN 3-412-16800-9 B a n d 53: in Vorbereitung. B a n d 54: H e r z o g A l b r e c h t v o n P r e u ß e n u n d Livland (1540-1551). Regesten aus d e m Herzoglichen Briefarchiv und d e n O s t p r e u ß i s c h e n Folianten. Bearb. von Stefan Hartmann. 2002. LIV, 570 S. Gb. ISBN 3-412-02902-5 Band 55: Friedrich Wilhelm vonRedern: U n t e r drei K ö n i g e n . Lebenserinnerungen eines preußischen Oberstkämmerers und Generalintendanten. B e a r b . u. eingel. v. S a b i n e G i e s b r e c h t . A u f g e z e i c h n e t v. G e o r g Horn 2003. X, 403 S. 5 s/w-Abb. Gb. ISBN 3-412-17402-5 Band 56: Karl Freiherr v o n M ü f f l l n g . Offizier - Kartog r a p h - Politiker (1775 1851). L e b e n s e r i n n e r u n g e n und kleinere Schriften. B e a r b . u. e r g ä n z t v. H a n s - J o achim Behr 2003. V. 498 S. Frontispiz. Gb. ISBN 3-412-02803-7

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Johannes Kunisch.(Hg.) Michael Sikora (Bearb.) Tilmann Stieve (Bearb.)

Gerhard v o n Scharnhorst Private und dienstliche Schriften Band 1: Schüler, Lehrer, Kriegsteilnehmer (Kurhannover bis 1795) Band 2: Stabschef und Reformer (Kurhannover 1795-1801)

(Veröffentlichungen aus den Archiven Preußischer Kulturbesitz) Bd 52.1. 2002. XXXIX, 864 S. Geb. mit Schutzumschlag. ISBN 3-412-14700-1 Bd 52.2, 2003. ca. XVI, 850 S. Geb. mit Schutzumschlag. ISBN 3-412-16800-9

Der Name des preußischen Heeresreformers Gerhard von Scharnhorst (1755-1813) ist fest mit der Einfuhrung der allgemeinen Wehrpflicht verbunden. Er stand damit am Anfang einer Epoche, deren mögliches Ende zu den vieldiskutierten politischen Themen der Gegenwart gehört. Scharnhorsts Konzepte reichen aber weiter und umfassten unter anderem die Neugestaltung der Offiziersbildung, die Uberwindung der Adelsprivilegien im Offizierskorps und die Professionalisierung des Generalstabes. In der Konfrontation mit dem revolutionären Frankreich verfolgte er im Einklang mit den SteinHardenbergschen Reformen und gegen viele Widerstände das Ziel, ein traditionelles System zu modernisieren. Die auf fünf Bände angelegte Edition will erstmals den gesamten handschriftlichen Nachlaß Scharnhorsts einer breiten Öffentlichkeit zugänglich machen. Der erste Band beginnt mit der wenig erforschten Zeit vor Scharnhorsts Eintritt in preußische Dienste. Er dokumentiert vor allem die frühe Grundlegung seines Bildungskonzepts und seine einschneidenden Erfahrungen im ersten Koalitionskrieg gegen Frankreich, die ihn zu einer Revision der militärischen Tradition führten.

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