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German Pages 77 [80] Year 1874
Lothar III und
das Wormser Concordat von
Dr. Ernst Bernheim aus Hamburg.
STR ASSBURG.
KARL J. TRÜBNER.
LONDON. T R Ü B N E R & COMP. 1874.
Buchdruckerei von G e o r g
O t t o in Darmstadt.
Einleitung. Wenn wir die Geschichte des grossen Kampfes zwischen Kirche und Reich betrachten, welchem man den Namen des Investiturstreites gegeben hat, so tritt uns eine eigenthümliche Erscheinung entgegen. Während zuerst bei der tiefgehenden Erregung dieses Streites alle geistigen Kräfte des Reiches zu neuem Leben zu erwachen scheinen, während jedes Interesse sich nur um den einen grossen Punkt zu drehen scheint, so erstirbt auffallender Weise diese lebensvolle Theilnahme mit dem Augenblick, da das Wormser Concordat geschlossen wird. Es ist, als ob man nun nichts mehr von den hochwichtigen Fragen wisse oder wissen wolle, welche die Welt über ein Menschenalter beschäftigt hatten. Eine Abspannung tritt ein, welche deutlicher als alles Andere zeigt, wie gewaltig vorher die Erregung gewesen sein njuss, und vollständige Gleichgültigkeit gegen das Schicksal des Wormser Concordâtes erscheint in allen literarischen Kreisen, welche bis dahin erfüllt gewesen waren von dem grossen Kampfe der Zeit. Und doch war dieser Kampf mit dem Wormser Concordat keineswegs abgeschlossen, keineswegs waren die Fragen, um die es sich handelte, im Einzelnen endgültig erledigt. Es ist schon öfter bemerkt worden, dass das Wormser Concordat ein Waffenstillstand, kein Friedensschluss zwischen Kaiser und Papst gewesen sei: in der That, noch war der Kaiser nicht von der Höhe seiner Macht herabgestiegen, aber der Papst hatte sich mittels jenes Vertrages zu ihm hinaufgeschwungen. Auf schmaler Höhe standen nun die beiden Herrscher mit gleichen Machtansprüchen neben einander — konnte diese Stellung Dauer haben? war der Nachfolger Heinrichs, war Lothar im Stande, dieselbe zu behaupten? B e r n h e i m , Lothar III u. das Wormser Concordat.
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wie kam es, dass der Vertrag von Worms seiner Aufgabe, den Frieden zwischen Reich und Kurie zu erhalten, durchaus nicht genügen konnte, während die rechtlichen Bestimmungen, die derselbe aufstellte, von Jahrhundert zu Jahrhundert die Norm des deutschen Staats-Kirchenrechtes geblieben sind ? Alle diese Fragen scheinen für die Geschichtsschreiber jener Zeit gar nicht vorhanden gewesen zu sein. Und eine analoge Erscheinung bietet die neuere Geschichtsschreibung in dieser Periode dar. Alles Interesse der Forscher wie der Darsteller drängt sich um die Zeit vor 1122 zusammen; die darauf folgende Periode ist bis in unsere Tage hinein meist vernachlässigt worden. 1 Erst vor wenigen Jahren hat die Forschung festgestellt, dass Lothar überhaupt au dem "Wormser Concordat festgehalten habe, so dass die beiden jüngsten Darsteller der Geschichte dieses Königs, Gervais und Giesebrecht, in diesem Punkte noch ganz entgegengesetzte Meinungen vertreten. Aber wie ihm, der doch von der extremsten Kirchenpartei auf den Thron gehoben war, dieses Festhalten möglich gewesen, ist noch nicht dargelegt worden. Ebenso wenig hat man untersucht, wie Lothar die verschiedenen Rechtsfragen, welche das Wormser Concordat nur andeutungsweise behandelt hatte, aufgefasst und praktisch durchgeführt habe. Es wird in Folgendem meine Aufgabe sein, diese Punkte zu untersuchen.
1 cf. die Abhandlung von R. R ö p k e wissenschaft. Berlin 1844. I, 220.
in der Zeitschrift für Geschichts-
la. Die Zurückweisung
der Forderungen von 1125.
Lothar's Stellung zum deutschen Klerus und zu HonoriusII. Die Frage, ob Lothar das "Wormser Concordat aufrecht erhalten habe, tritt uns sofort beim Eingange seiner Regierung, bei seiner Wahl, entgegen. Denn es wird uns da Nachricht von einem "Wahlpakte, der, wenn Lothar ihn eingegangen ist, die Frage kurzweg in negativem Sinne entscheiden würde. "Wir müssen daher den Yerlauf der "Wahl und besonders die Einflüsse, unter deren Herrschaft dieselbe zu Stande kam, zunächst in's Auge fassen. Als durch den Tod Ileinrich's Y. der deutsche Königsthron erledigt war und die Grossen des Reiches sich im August 1125 zur Kur in Mainz zusammenfanden, da waren es vor Allen drei geistliche Fürsten, welche nach dem Zeugnisse der Quellen Lothar's Erhebung zum Throne herbeiführten: Erzbischof Adelbert v.on Mainz, 1 Conrad von Salzburg 2 und Friedrich von Cöln.3 Dieselben drei Erzbischöfe waren es, welche 1119 den Papst Calixt zum Banne gegen Heinrich Y getrieben hatten, 4 die Vorkämpfer
1 cf. J a f f é , Geschichte des deutschen Reiches unter Sachsen p. 24. W i e h e r t , „Die Wahl Lothar's III zum deutschen König" schungen zur deutsch. Gesch. X I I p. 66. — Ausser den dort Stellen cf. noch chron. Casinens. M. G. SS. VII p. 805, 43. 2 Gesta archiepiscop. Salisburgens. M. G. S.S. XI p. 76. de elect Loth. M. G. SS. XII p. 510. 3 Annalista Saxo. M. G. SS. VI ad. ann. 1125. Otto Frising. Chron. M. G. SS. X X p. 255, 45.
Lothar
dem
in den Forangeführten — Xarrafio
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für die Freiheit der Kirche. Den K ö l n e r kennen wir als den streitbaren Widersacher Heinrich's im Lütticher Sprengel, welcher es nicht duldete, dass dort ein Bischof sässe, der die Investitur von Königshand genommen hatte. 5 Von dem S a l z b u r g e r erzählt uns ausführlich die Yita Chunradi: sie schildert ihn uns, wie er aus innerster, religiöser Ueberzeugung für die Lostrennung der Kirche von allen weltlichen, unheiligen Banden kämpfte, Gefahr und Exil nicht scheuend, um sein Gewissen von der Berührung mit Ketzern frei zu erhalten; weniger geeignet oder gewillt, in dem Gange der grossen Politik eine Rolle zu spielen, aber von nachhaltiger Bedeutung durch die unermüdliche Energie, mit der er es verstand, das Gebiet seiner Diöcese zu einer hohen Burg streng kirchlicher Gesinnung zu gestalten. Dort führte er überall die strenge Regel der Chorlierrenstifte ein, sorgte unnachsichtig für die fast ausser Uebung gekommene Entrichtung der Zehnten und bemühte sich, dieselben aus der Yerlehnung an Laien zu lösen. Die Lehnsabhängigkeit der Geistlichen von König und Reich war ihm vor Allem ein Gräuel und diese, wie alle seine Ansichten, vertrat er stets mit jener unwandelbaren, rücksichtslosen Kühnheit und Starrheit, welche nur aufrichtige Ueberzeugung einzugeben vermag. Ein ganz anderer Mann war der E r z b i s c h o f v o n M a i n z , welchem fast alle Quellen die Hauptrolle bei der Wahl Lothars zuschreiben. Wir müssen etwas eingehender bei ihm verweilen, da in den modernen Darstellungen dieser Yorgänge sein Antheil daran meist etwas in den Hintergrund gedrängt und der Zusammenhang seines früheren Auftretens mit dem Auftreten bei dieser Gelegenheit nicht scharf genug dargestellt zu sein scheint. 6 Seine Briefe lehren ihn uns auf's Genaueste kennen. Erfüllt von ungezügeltem Ehrgeiz, war er gewohnt, dieser Leidenschaft Alles unterzuordnen, Alles aufzuopfern. Da er noch Kanzler und Vertrauter Heinrichs's V war, hatte er dem Papst und der Kirche jene schmachvolle Demüthigung vom Februar 1111 bereitet, um vom Könige die langversprochene Investitur mit dem erzbischöflichen Amt zu Mainz endlich zu erhalten. Kaum war er auf den 5
Chron. Abbatiao Scti Trudonis bei d'Achery Spicileg. II p. 697 ff. Auch Wiehert, obgleich er a. a. 0 . p. 69 Adolbert als Leiter der antistaufischen Partei hinstellt, führt diese Auffassung nicht consequent durch: s. unten p. 7 und p. 11 Note 30. 6
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Mainzer Stuhl gelangt, so genügte es ihm nicht, Freund des Königs, erster Beamter des Reiches und der Kirche von Deutschland zu sein — blieb er doch immer ein B e a m t e r , solange dieser König im Vollbesitz seiner Macht war. Darum erneuerte er den Bund zwischen Fürsten und Geistlichkeit gegen das Königthum und warf sich zum Yorfechter für die Freiheit der Kirche auf; nicht aus Reue über seine früheren Thaten, nicht aus innerem religiösen Triebe — : die Freiheit der Kirche bedeutete i h m Unabhängigkeit der Bischöfe; siegte dieses Princip, so stand Adelbert als erster Erzbischof das Reiches und Legat des apostolischen Stuhles an der Spitze dieser, dann nächst dem Papste von ihm abhängigen Bischöfe da, als Herrscher in Deutschland neben, ja über dem Könige. Dass dieses Motiv Adelbert durchaus bestimmte, zeigt, ausser dem entschiedenen Urtheile seiner Zeit,7 besonders sein Verhalten zu dem Wormser Concordat. Er war der Letzte, der vom Kampfplatze wich, als der Befehl des Papstes und die Stimme des ganzen Landes endlich das Ende des Streites verlangte. Und als es sich bei den Verhandlungen um den Punkt drehte, welcher für ihn recht eigentlich der Preis des ganzen Kampfes schien, die Investitur des Reichsklerus, da trat er keck mit der Forderung hervor, dass der König ein für allemal auf jede Investitur verzichten solle. Ob er wirklich auf Annahme dieses Vorschlages rechnete, ob er nur Stimmenzersplitterung und dadurch Zwietracht hervorrufen wollte — jedenfalls hatte er sich hier verrechnet. Aus Einem Munde riefen ihm die Fürsten zu, er sei ein Reichsverräther! Wir besitzen den Brief, 8 welchen er nach diesem Ereignisse an den Papst schrieb, und erfahren dies Alles so in unzweifelhafter Weise. In jenem Augenblick war der Bund zwischen den Fürsten und Adelbert zerrissen — er selbst stand isolirt da.
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Casus Monasterii Petrishus. M. Cr. SS. VII p. 659: His temporibus rebollabat regi Moguntinensis eleetus Adilbertus, cujus consilio et auxilio, ut tunc ferobatur, omnia illa mala egerat, quae Romae perpotraverat. Sed nunc eum regno privarc conabatur, quasi pro vindicta apostolici, sod verius pro ambitione magis quam pro justitia. — Soweit ich sehe, hat man bisher dieses Urtheil eines durchaus kirchlich gesinnten, nahezu gleichzeitigen Schriftstellers über Adelbert's Charakter nicht genug betont. Auch Kolbe, in seiner Monographie: „Erzbischof Adelbert I von Mainz und Heinrich V" Heidclbg. 1872 hat es nicht gethan. s Bei Jaffe bibl. rer. Germ. V p. 518.
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Man inuss in der That die Genialität dieses Mannes auf's Höchste bewundern, wenn man sieht, wie er sich unmittelbar nach dieser grossen Niederlage wieder zum Beherrscher der Situation aufzuschwingen weiss. Er bringt nun den einzigen P u n k t , von dem aus eine Lösung des Conflictes möglich ist, zur Geltung und wird so der eigentliche Schöpfer des "Wormser Concordates; sein gefährdeter Einfluss ist. aufs Glänzendste gesichert. Und doch hätte Adelbert sein Werk am Liebsten sofort selbst wieder vernichtet: er erkannte nur zu gut, dass dieser momentane, scheinbare Sieg für ihn eine neue, grössere Niederlage sei. Denn durch das Wormser Concordat waren ihm für alle seine Pläne vollständig die Hände gebunden. Vergebens hoffte er noch, der Papst werde dem Vertrage nicht die Bestätigung geben 9 — bald musste er gelegentlich der Entsetzung des Strassburger Bischofs durch König Heinrich bitter klagen: 1 0 „ Quod totum assecutus est imperator compositione hujus pacis si tarn absoluta potestas imporatori conceditur saeviendi in qualemcunque istum episcopum, reliquis fidelibus qui cum ecclesia Dei permanserunt, scandalum et intolerabilis persecutio generabitur." Hier hat der Schlaue im Unmuthe den innersten Grund seiner Politik verrathen, hier sehen wir, warum ihm das Wormser Concordat so tief verhasst sein muaste. Trotzdem blieb ihm nach seinem Zerwürfniss mit den Fürsten nichts übrig, als sich Heinrich wieder zu nähern, wenn er nicht jeden Einfluss verlieren wollte. Erst mit Heinrich's Tode war der Moment gekommen, wo er wieder frei handeln konnte. Als Erzbischof von Mainz hatte er nun die Geschäfte des Reichs zu leiten, und er war der Mann, alle Macht, welche in dieser Stellung lag, auszubeuten. Unter
9 s. den erwähnten Brief Adelbert's bei Jaffé bibl. rer. Germ. Y p. 519: tiil in hoc statuentes nec per hoc (d. h. die Abschliessung der Wormser Bedingungen) in aliquo — quod absit! -- apostolicis institutis et canonicis traditionibus praejudicantes Immobilia enim per omnem modum et fixa esse praeeepta non dubitamus, quae ad tuendam et corroborandam libertatem Christi et ecclesiae aeterna lege sancita sunt. Irrig bezieht Kolbe in der erwähnten Schrift p. 117 diesen letzten Satz auf die Bestimmungen des Wormser Concordates, g e g e n dessen bindende Bestimmungen Adelbort hier gerade die ewige Freiheit der Kirche betont. Er wollte in der That nie „dem geschaffenen Werke Sicherheit und festes Bestehen gewahrt wissen," wie Kolbe a. a. O. sagt. 10 Jaffé bibl. rer. Germ. III p. 394.
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seinem Yorsitz erliessen die an der Leiche Heinrich's versammelten Fürsten gleich einen Aufruf zur neuen W a h l , und es ist, als ob wir Adelbert selbst reden hören, wenn wir dieses Schriftstück lesen: 1 1 „discretioni vestrae," so werden die Wähler ermahnt, „hoc adprime intimatum esse cupimus, quatenus . . . . Providentiam invocetis, ut in substitutione alterius personae sie ecclesiae suae et regno provideat (sc. Providentia), quod t a n t o s e r v i t u t i s j u g o amodo careat et s u i s l e g i b u s u t i l i c e a t . " 1 2 Damit wird der bisher herrschende Zustand als ein geknechteter bezeichnet, die Aufhebung des Wormser Concordâtes gewissermassen als eine Vorbedingung der neuen Wahl hingestellt, die volle Unabhängigkeit des Klerus vom Reich gefordert. Das waren die Principien, welche Adelbert von Mainz in diesem wichtigen Momente zur Geltung bringen wollte, das war der Mann, welcher berufen war, bei der Wahl Lothars die Hauptrolle zu spielen. Wir haben bekanntlich ausser den in verschiedenen Quellen zerstreuten Notizen 13 über die Wahl Lothars nur einen ausführlicheren Bericht, welcher bestimmte Nachrichten über Lothar's Verhältniss zur Geistlichkeit überliefert, die Narratio de electione Lotharii in regem Romanorum, 14 unmittelbar nach der Wahl von einem Augenzeugen, wahrscheinlich einem bairischen Kleriker, verfasst. 15 Wir müssen etwas näher auf den Charakter dieses Schriftstückes eingehen, um die Nachrichten, welche es enthält, besonders den vielbesprochenen W a h l p a k t , richtig beurtheilen zu können. Die bereits erwähnten Abhandlungen von Friedberg 1 6 und Wiehert 1 7 und eine Nachschrift von Waitz zu ersterer vertreten die Ansicht, die Narratio sei verfasst, „um das Verhalten und den Standpunkt des Salzburger Erzbischofs zu rechtfertigen," und
" s. M. a . LL. II p. 79, 34. 12 Sehr charakteristisch ist es, dass zwar im Vordersatz ecclesia u n d regnum genannt sind, dass aber im Nachsatz offenbar nur von der Kirche gesprochen, das Reich ganz vergossen wird. F r i e d b o r g (in d. Forschungen z. deutsch. Gesch. VIII p. 87 Note 5)> übersieht diesen Umstand, wenn er sagt, „gleichzeitig mit der Kirche werde parallel auch des Staates gedacht." 13 cf. die Zusammenstellung derselben bei Wiehert in den Forschungen z. deutsch. Geschichte XII p. 108 Note 1. »• M G. SS. XII p. 509. — Böhmer: fontes rer. Germ. III p. 570. 15 cf. Wiehert a. a. 0 . p. 58. 16 Forschungen zur deutsch. Gesch. VIII p. 77 ff. » ibidem XII p. 57 ff.
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drücken dadurch diese Quelle zu einer lokalen Parteischrift herab. Mir scheint, ohne ausreichenden Grund. Die Einleitung der Schrift selbst spricht die ganz objektive Absicht aus, zu berichten „qualiter electio regis processerit," und ihr Inhalt ist dieser Absicht vollkommen entsprechend. Allerdings wird der Erzbischof von Salzburg an seiner Stelle mit achtungsvollen "Worten bedacht, wie sie öinem Geistlichen seines Sprengeis — denn das ist wahrscheinlich der Verfasser der Narratio —• geziemen, keineswegs jedoch bildet das Eingreifen desselben den „Kernpunkt der Erzählung", wie "Wiehert 18 sagt. Vielmehr nimmt Conrad von Salzburg erst das "Wort, nachdem der anwesende K a r d i n a l die Bischöfe bei Seite gezogen und sie dringend ermahnt hat, die gestörte Eintracht wieder herzustellen. Somit fiele „das Verdienst um eine ordnungsmässige "Wahl" vielmehr dem Kardinal als dem Erzbischofe zu — fürwahr, ein ungeschickter Schriftsteller, welcher mit dieser Darstellung den Letzteren hätte verherrlichen wollen! Dessen Antheil an der Wahl erscheint gerade in der Narratio so unbedeutend, wir erfahren so gar keinen Umstand, der einer Rechtfertigung bedürfte, dass in der That der Verfasser seinen Zweck gänzlich verfehlt haben müsste, wenn es sein Zweck war, den Standpunkt des Erzbischofs von Salzburg zu rechtfertigen. So weit ich sehe, ist die Narratio ohne eine persönliche Tendenz geschrieben: sie stellt die Vorgänge so dar, wie sie einem nicht besonders eingeweihten, den Interessen der Kirche innig ergebenen Augenzeugen von aussen sich darstellen musten. Adelbert von Mainz ist es, der übereinstimmend mit der Angabe der annalistischen Quellen, auch hier durchaus als Hauptleiter der Wahl hervortritt, und dieses Sachverhältniss darf nicht durch einseitige Hervorhebung des Salzburger Erzbischofs verdunkelt werden. Wiehert hat in seiner öfter erwähnten Abhandlung 19 das meisterhafte Intriguenspiel bis in's Feinste dargelegt, mittelst dessen es Adelbert gelang, die Stimmen der Fürsten auf Lothar zu vereinigen. Ich verweise im Uebrigen auf diese Darstellung und hebe nur die für unseren Zweck wichtigen Punkte hervor. Adelbert hatte Wieder mit schlauester Berechnung den brennenden Punkt aufzufinden gewusst, in dem sein und der Fürsten Interesse sich berührte. Er stellte nämlich an Friedrich von Schwaben, den meist berechtigten der drei Throncandidaten, die verfängliche Frage: 19 19
a. a. 0 . p. 60. Forschungen zur deutsch. Gesch. XII.
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„utrum ipse quoquo ad totius ecclesiae regnique lionoj'cm et liborac electionis commendationem perpetuam, idem quod ceteri fecerant, 20 faccre vellet (sc. singuli quoquo tertio communiter a prineipibus electo vellent obedire)." Das heisst mit anderen Worten, ob Friedrich auf sein Erbrecht an die Krone verzichten und durch solchen bedeutenden Präcedenzfall die Wahl 'nach Erbrecht auf alle Zeit für antiquirt erklären wolle. Natürlich lag freie Verfügung über die Krone ebensosehr im Interesse der Fürsten, wie es Adelbert's ganzer Wunsch sein musste, einen König gewählt zu sehen, der den Thron nicht dem Erbrechte, sondern seinem, des Erzbischofs, Einfluss verdankte und dadurch von vornherein seinen Ansprüchen gefügig sein müsste. Es scheint nach der Narratio fast, als ob Conrad von Salzburg den Umtrieben Adelbert's fern gestanden hätte; vielleicht hielt dieser es für gerathen, den durch und durch redlichen Mann nicht in seine hinterlistigen Pläne einzuweihen, da er dessen Unterstützung für Lothar doch gewiss sein konnte. Conrad scheint erst nach der Beseitigung Friedrichs von Schwaben activ eingegriffen zu haben, 21 als es sich darum handelte, für den bereits in den Vordergrund getretenen Lothar zu wirken. Ob L o t h a r s e l b s t von Anfang an mit Adelbert unter einer Decke spielte, lässt sich nicht, entscheiden. Die geistliche, ihm günstige Partei fasste sein zweimaliges Ablehnen als humilitas 22 auf, die hohenstaufische, entgegenstehende als verabredetes Spiel. 23 Soviel ist gewiss: von dem Moment an, da die Unterhandlungen mit dem Herzog von Baiern begannen, 24 musste Lothar mit seiner eigenen Ernennung einverstanden sein, denn Heinrich von Baiern konnte nur durch die sichere Aussicht — und um sicher zu sein, musste dieselbe doch von Lothar selbst garantirt werden —• auf eine Vermählung seines Sohnes mit der zukürtftigen
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Die beiden anderen K r o n c a n d i d a t e n : Lothar u n d Leopold von Oestreich. c.f. die Narratio M. G. SS. X I I p. 511, 33: „sine d u c e Bavarico, qui aberat, nihil de r e g e se diffinire dicebant (sc. Salzburgensis archiepiscopus cum episcopo Ratisponensi). 21
« cf. die Narratio a. a. 0 . p. 510, 33 u n d 511, 10. 23 cf. Annales Stadenses M. Gr SS. X V I p. 3 2 2 : e x condicto perii suis viribus impar certatim abnuerunt. cf. "Wiehert a. a. O. p. 105 ff. und p. 70 unten.
onus im-
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Königstochter, seinem Schwiegersohne Friedrich abtrünnig gemacht worden sein. Der Uebertritt Heinrich's gab den Ausschlag. Die Stimmen aller Fürsten vereinigten sich auf Lothar, und hier ist es nun, wo uns die Narratio jene wichtige Nachricht gicbt, mit deren Prüfung wir uns zunächst beschäftigen müssen. „Concordantibus itaque in electiono regis universis regni principibus, — quid juris regiae dignitatis imperium, quid libertatis reginae caelestis, id est ecclesiae, sacerdotium habere deberet, stabili ratione praescribitur et ceptus utrique honoris modus, Spiritu sancto dictante praefigitur: Habeat ecclosia libertatem, quam semper optaverat; habeat et regnum justam in omnibus potentiam qua sibi per caritatem quaecumque sunt Caesaris sine caede subjiciat! Habeat ecclesia liberam in spiritualibus electionem nee regio metu extortam nec praesentia prineipis ut ante coartatam vol ulla petitiono restrictain; habeat imporatoria dignitas electum libere, consecratum canonice regalibus per seeptrum sine pretio tarnen invostire sollemniter et in fidei suae ac justi favoris obsequium, salvo quidem ordinis sui proposito, sacramentis obligare stabiliter!" Was erstens die F o r m dieser Nachricht betrifft, so lässt sich nicht bezweifeln, dass hier von „urkundlich aufgesetzten Forderungen" die Rede ist, wie dies bereits Jaffe 2 5 hervorgehoben hat. Die Ausdrücke „stabili ratione praescribitur" und „modus praefigitur" sind in d i e s e r Richtung bestimmt genug, wenngleich sie andererseits unbestimmt lassen, 26 ob das Aktenstück vom Könige r a t i f i z i r t worden ist. Das ist eine zweite unten zu erörternde Frage. Unzweifelhaft ist es auch, dass in den Worten habeat — obligare stabiliter nicht die Urkunde in ihrer eigentlichen Form wiedergegeben ist,27 sondern dass wir es mit einer P a r a p h r a s e derselben seitens des Yerfassers der Narratio zu thun haben, welche die wesentlichen Bestimmungen in knapper Weise zusammenfasst.
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G e s c h i c h t e d o s d e u t s c h e n R e i c h e s u. L o t h a r , p. 3 5 N o t e 3 6 .
'•'6 D a r i n
stimme
ich
Waitz
von
Waitz
in
der
„Nachschrift"
Forschungen
z.
d.
G e s c h . V I I I p. 9 0 b e i . 21
Der Annahme
die Entwickig',
der L a n d e s h o h e i t
hier ganz subjektive Kirche
und
Staat
(a. a. 0 . p.
Aeussenmgen
vorliegen,
90,
in D e u t s c h l a n d des Yerfassers
widerspricht
Bestimmtheit der A u s d r ü c k e praescribitur
die und
ähnlich
auch
Berohtold,
1 8 6 3 p. 6 2 N o t e 5 6 ) , über das Yerliältniss
von Waitz selbst
dass von
anerkannte
p r a e f i g i t u r (s. o b e n im T e x t ) .
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Und was ist der I n Ii a l t dieser Bestimmungen? Sehr mit Unrecht hat Gervais- 8 die Tragweite derselben zu verwischen gesucht: es handelt sich hier um Preisgabe der wichtigsten königlichen Hoheitsrechte, um die Aufhebung des Wormser Concordâtes, um die vollständige Lostrennnng der geistlichen Fürsten von Könjg und Reich. War es denn etwa nur eine leere Form, wenn in dem Wormser Concordate festgesetzt war, dass in Deutschland der geistlichen Weihe von Bischöfen und Achten die Belehnung mit den Regalien vorangehen sollte, nachdem die Wahl in Gegenwart des Königs erfolgt war? Nein, diese Rechte sicherten die Abhängigkeit des hohen Klerus von dem Willen des Königs und gaben den geistlichen Fürsten klar und bestimmt die Stellung von Reichsbeamten. V e r w e i g e r t e der König die Investitur, so konnte der Gewählte auf rechtmässigem Wege nicht zu seinem Amte gelangen, und desshalb mussten schon die Wähler ganz wesentlicli darauf sehen, eine Person zu ernennen, welche der König nicht zurückweisen würde. Die Bestimmungen des in der Narratio berichteten Wahlpaktes ändern das Alles: „habeat imperatoria dignitas elcctum libere, consecratum canonice regalibus per seeptrum . . . investire sollemniter.1' Dadurch sinkt die Investitur zu einer unwichtigen Formalität herab, denn der bereits Geweihte ist Abt, ist Bischof und kein König kann ihm die Ausübung seines Amtes wehren. Dazu die Wahl ohne jeglichen Einfluss des Königs, ja noch mehr: eine höchst bedenkliche Abschwächung des Treueides der Geistlichen durch die jeder Auslegung fähige Klausel: „salvo quidem ordinis sui proposito" — es sind die Forderungen der extremsten kirchlichen Partei, welche uns in diesen Sätzen entgegentreten. Befremdlicher Weise sieht Friedberg 2 9 — und Wiehert ist ihm darin gefolgt 30 — in Conrad von Salzburg „den Einzigen, welcher diese
23 Politische G e s c h i c h t e Deutschlands unter Heinrieh Y und Lothar III Lpz. 1811. Theil II p. 2 5 ; er nennt sie dort „Erweiterungen des Wormser Concordâtes, mehr wie eine V e r v o l l s t ä n d i g u n g desselben zu betrachten." 29 a. a. 0 . p. 87. 30 a a. 0 . p. 60. Diese A n s i c h t hängt vielleicht mit der oben von inir a n g e f o c h t e n e n e i n s e i t i g e n Hervorhebung vun Conrad's Antheil an der W a h l zusammen, welche F r i e d b e r g durchführt. W e n n Wiehert später (p. 110 N o t e 2) zugiebt, „dass ausser dem Salzburger auch der Mainzer Bischof m i t t h ä t i g g e w e s e n sein mag," so trifft dies das wahre Verhältniss auch nicht g e n ü g e n d .
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Concessionen verlangt haben könne". Allerdings, sie mussten ganz nach dem Herzen dieses eifrigen Kämpfers für kirchliche Freiheit sein, wie ich ihn oben zu schildern versuchte; aber ganz ebenso sind sie der treueste Ausdruck aller Wünsche nnd Hoffnungen jenes Adelbert, dessen Streben nach voller Unabhängigkeit vom Reich ich ebenfalls früher skizzirt habe. Ihm gerade war ja die neue Wahl nur die ersehnte Gelegenheit, sich von den drückenden Fesseln des Wormser Concordates zu befreien, 31 er als Reichsverweser hatte ja vorzugsweise in seinem Wahlaufruf die Befreiung der Kirche als Aufgabe des neuen Herrschers hingestellt, er war es, welchem in der That Lothar die Krone fast allein verdankte — und nun, auf der Höhe seines Einflusses hätte er nicht versuchen sollen, die Ansprüche durchzusetzen, für welche er seit seiner Erhebung zum Erzbischof in rastlosem Ehrgeiz gerungen? Ich sehe in dem Berichte der Narratio die Summe der Forderungen, welche die ganze unter Adelbert's Leitung stehende kirchliche Partei unter vorzüglicher Mitwirkung der Erzbischöfe von Salzburg und Cöln an den Nachfolger Heinrich's V gestellt hat, j a , wenn es nicht zu kühn erscheint, möchte ich in der vieldeutigen Wendung „in fidei suäe ac justae favoris obsequium, salvo quidem ordinis sui proposito, sacramentis obligare" speciell die Redaktion des hinterlistigen Mainzer Erzbischofes erkennen, welchem die Lehnsabhängigkeit seines Standes als hemmende Fessel erschien 32 und darum ebenso verhasst war wie dem frommen Conrad von Salzburg 33 aus religiösen Gründen. Ich halte diese Concessionen für den Preis, um welchen diese Partei die Erhebung Lothars beförderte. Dass Lothar sich bereits vor seiner Wahl zu solchen Concessionen bereit gefunden habe, ist nicht zu bezweifeln. Adelbert von Mainz war nicht der Mann, auf die freiwillige Dankbarkeit der Menschen zu rechnen, und da wir gesehen haben, dass die letzten Akte des Wahldramas jedenfalls von dem Sachsenherzog wissentlich mitgespielt sind, so müssen wir es an und für sich als das Wahrscheinlichste gelten lassen, dass Adelbert diese letzten gemeinsamen Schritte nicht ohne bindende Zusagen von jenem gethan habe. Zur Gewissheit wird diese Annahme aber durch das 31 32 33
of. oben p. 4. cf. den Brief Adelbert's bei Jaffe bibl. rer. Germ. III p. 394. cf. Vita Chunradi M. G. SS. X I p. 66, 1.
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Zeugniss der Annales Stadenses. 34 Der Bericht, welchen diese zum Jahre 1126 (rectius 1125) geben, stellt die durch den Verlauf eines Jahrhunderts im D e t a i l ungenau gewordene, in den H a u p t z ü g e n aber scharf ausgeprägte Tradition der h o h e n s t a u f i s c h e n Partei von jenen Yorgängen dar 3 5 und ist daher völlig unabhängig von der Narratio. Wenn es nun dort heisst: „dicunt etiam quod promisisset plura quae non persolvit (sc. Lotharius)," ehe die feierliche Wahl Statt findet , so kann damit nichts Anderes gemeint sein als Zusagen Lothars an die Geistlichkeit vor der Wahl. Yon anderweitigen, später nicht gehaltenen Versprechungen wissen wir nichts, ja wir können nicht einmal ausfindig machen, nach welcher Richtung solche möglich gewesen sein sollten. Es steht somit fest: auf der einen Seite eine bis in's Einzelne formulirte Urkunde, auf der anderen bindende Zusage zur Einräumung der darin enthaltenen Forderungen. Nun entsteht die Frage: hat Lothar diese Urkunde nach erfolgter Wahl ratifizirt, sie zum Gesetze erhoben? Nach Jaffe, 30 Gervais, 37 Luden 3 8 wäre diese Frage zu bejahen, nach Friedberg 3 9 und Giesetrecht 4 0 zu verneinen. Die Quellen, auch die Narratio, geben uns keinen direkten Anhaltspunkt, nur aus Gründen innerer Wahrscheinlichkeit lässt sich hier entscheiden. Diese sprechen aber sainmt und sonders für die Meinung der letztgenannten Schriftsteller, zu deren Erwägungen 4 1 ich noch einige hinzufügen möchte. Lothar hatte allerdings Jahre lang an der Seite Adelbert's von Mainz gegen eine starke Königsgewalt gestritten, aber nie hat er sich zum Werkzeug von dessen ehrgeizigen Plänen gemacht. Als Adelbert sich auf dem Concil zu Worms mit seinen reichsfeindlichen Ansprüchen hervorwagte, da trat ihm ohne Zweifel 34
M. G. SS. X V I p. 322. cf Wiehert a. a O. p. 62. Friedberg, der diese Beschaffenheit dis Berichtes nicht scharf in's Aug" fasst, verlangt an dieser Stolle zu viel im Detail von den Ann. Stad. und schätzt sie zu wenig im Ganzen, cf. a. a. 0 . p. 78. 36 Gesch. d deutsch. R. u. Lotli. p. 35. 31 Gervais: polit Gesch. Deutschlds. unter Heinrich Y und Lothar Theil II p 23 3 ® Gesch. d. deutsch. Volkes Band 10. p. 19. m a. a. O. p. 8ß. 40 Gesch. d. deutsch. Kaiserzeit Bd. IV I p. 11. 41 s. diese an den angegebenen Orten. 35
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mit den übrigen Fürsten auch Lothar entgegen — kaum liesse es sich sonst erklären, dass wir die beiden alten Bundesgenossen im folgenden Jahre (1123) miteinander in Fehde sehen, wenn auch nur für kurze Zeit. Eine tiefe Einsicht in die Grundlagen der königlichen Macht hatte Lothar sich gerade in den Kämpfen gegen das Königthum erworben, wo es gegolten, dessen geheimste Schwächen zu erspähen; wir werden später sehen, dass er trotz einer innigen Verehrung für die heilige Kirche, ein lebhaftes Gefühl für das Recht der königlichen Macht besass, solange er auf dem Throne sass. Er kannte daher genau die Tragweite jener von Adelbert geforderten Concessioncn, er kannte aber nicht minder die rücksichtslose Politik seines alten Verbündeten, den er mit dessen eigenen Waffen schlagen musste, wenn er König werden wollte. Er vorstand es, List mit List zu vergelten, 42 daher Hess er sich zu jenen Yersprechungen herbei, während ihm von vornherein die Unmöglichkeit ihrer Erfüllung klar sein musste. Gesetzt, er selbst hätte sich zu der ungeheuren Erniedrigung der königlichen Iloheitsrechte bequemen können, — würden die weltlichen Fürsten einem solchen Vertrage beigestimmt haben, der Alles in reichem Masse enthielt, was sie vor zwei Jahren entrüstet als Reichsverrath von der Iland gewiesen hatten? Musste also Lothar die gemachten Versprechungen docli einmal brechen — und er hat sie gebrochen — so war es jedenfalls günstiger für ihn, nicht einen aller Welt offenen Vertragsbruch zu begehen, sondern sich der Unterzeichnung und Sanctionirung jener Concessioncn gleich bei der Krönung zu entziehen. Wie ihm das gelang, ob er auf den Widerspruch der Fürsten hinwies, ob er einzelne Prälaten, wie etwa den Erzbischof von Salzburg, durch persönliche Begünstigungen zum Verzicht auf die Forderungen bewogen hat, lässt sich nicht ermitteln. Nur das steht unerschütterlich fest: Den Bedingungen dieses Wahlpaktes ist Lothar niemals, auch unmittelbar uach seiner Thronbesteigung nicht, gerecht geworden. Das hat Friedberg, 43 gestützt zum Theil auf die vorzüglichen Materialien, welche Jaffe in seiner „Geschichte des deutschen Reiches unter Lothar" geliefert hat, an den Bischofswahlen und -Investituren unwiderleglich nach-
+a 43
cf. Cosmas chron. Boemiorum M. GL SS. IX, p. 120. in den Forschungen zur deutsch Gesell, p. 79 ff.
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gewiesen.44 Ich kann auch von Abtswahlen wenigstens zwei Beispiele hinzufügen. 1. Stablo 1130/31. Die Notae Stabulenses de Wibaldo 4 5 haben folgende Daten überliefert: — 16 Kai. Decembr. Hic electus 4C est dominus Wibaldus in Stabulensem abbatem anno Dom. 1130. — Idus April. Hic dominus Wibaldus investitus est de abbatia Stabulensi Stabulaus ab imperatore Lothario III 4 7 anno infra scripto. — 12 Kai. Maii. Hic dominus Wibaldus consecratus est in abbatem Stabulensem Stabulaus ab Alexandra Leodiensi episcopo. anno Dom. 1131. 2. Fulda. 48 Die Annales Magdeburgenses berichten: „Berthou Fuldensis abbas veneno vitam finivit eique Cunradus . . . . p e r c o n c e s s i o n e m i m p e r a t o r i s succedit. — Die Wahl Wibalds zum Abte von Monte Casino 49 beruht auf speciellem Vertrage 5 0 mit dem Papste. So bestätigen also die Thatsachen die Worte der Annales Stadenses: Lothar hat Yieles bei seiner Wahl versprochen, was er nicht gehalten hat. Er hat den von Adelbort von Mainz und dessen Partei aufgestellten Forderungen v o r der Wahl zugestimmt und n a c h derselben der Eatifizirung sich entzogen. So ist der Bericht der Narratio in Uebereinstimmung mit dem der Annales Stadenses gebracht und der Anstoss, welchen man meist an dem letzteren nahm, beseitigt. Es bleibt nur noch eine Frage zu erledigen. Wie ist es zu erklären, dass die enttäuschte kirchliche Partei, besonders die drei mächtigen Erzbischöfe an ihrer Spitze, nicht von dem wortbrüchigen König abfielen, dass wir die Mehrzahl des Klerus und vor Allem den Papst von Anfang an in bestem Einvernehmen mit Lothar 44
s. die ausführliche Untersuchung derselben unter I b. bei Jaffe bibl. rer Gorm. I p. 74. 46 Ueber die Anwesenheit des Königs bei der Wahl s. unten Theil II. 47 Lothar war am 13. April in Stablo cf. Stumpf, Reichskanzler II, 3 p. 279. Nr. 3261. 4 ® M. Gr. SS. X V I p. 184. « Chron. Mon. Casincnsis M. G. SS. VII p. 839. 50 a. a 0 . p. 837, 41 ff. 45
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erblicken? 5 1 Zwar einen Mann wie Conrad von Salzburg zu gewinnen, dem Lothar innerlich so nahe stand, der, ein grundsätzlicher Gegner des weltlichen Treibens der Geistlichkeit, zufrieden war, wenn er in s e i n e m Kreise nach seiner Ueberzeugung wirken konnte, den für sich zu gewinnen, konnte Lothar nicht schwer werden. 52 Allein Friedrich von Cöln, Adelbert von Mainz? Wie fand er sich mit diesen ab? Lothar schlug in kluger Berechnung den einzigen W e g zur Sicherung seiner Stellung ihnen gegenüber ein: er setzte sich über sie hinweg mit dem Oberhaupte der Kirche selbst in Verbindung. Hon onus I I , der als Kardinal von Ostia einst das Friedenswerk zu Worms verkündet hatte, war nicht zu extremen Massregeln geneigt: ihn zu gewinnen, tliat Lothar — und er musste so thun — einen aussergewöhnlichen für die deutsche Geschichte folgenreichen Schritt: er sandte gleich nach der Wahl den Kardinal-Legaten Gerhard nebst den Bischöfen von Cambrey und Yerdun nach Rom und erbat sich die Bestätigung seiner Erhebung von dem Papste. 53 Es ist uns von besonderen Yerabredungen bei dieser Gelegenheit keine Nachricht überliefert, auch keine Spur von der Abschliessung irgend welchen Vertrages aufzufinden, 54 aber ebensowenig war ohne Zweifel die Rede von der Anerkennung jenes Wahlpaktes, der vorzugsweise den Interessen Adelberts dienen sollte. Es musste dem Papste ohne Zweifel höchst willkommen sein, diesem herrschsüchtigen Prälaten gegenüber, der seit 1118 55 als Legat des päpstlichen Stuhles in Deutschland fast allen unmittelbaren Einfluss der Curie absorbirte, die volle Oberherrlichkeit Roms wiederherzustellen und zugleich die Freundschaft eines Fürsten zu erwerben, von dessen frommer Gesinnung er keine TTebergriffe in sein Machtgebiet zu fürchten hatte. Durch diese glückliche Ver-
51 Diese Frage wirft bereits Souchay in seiner Geschichte der deutschen Monarchie Band II p. 304 Note 1 auf, ohne sie indess zu beantworten. 52 Die Erlassung des Hominiums der geweihten Prälaten, welche die Narratio berichtet, dürfte speziell mit Rücksieht auf Conrad erfolgt sein, (s. unten Theil II Note 89.) 53 Annales Disibodenbergenses M. G. SS. X V I I p. 23. — Gesta Trevir. M. G. SS. YIII 199, 20. Es ist vielleicht ein Zeichen der Situation, dass keiner der drei genannten Erzbischöfe zu dieser wichtigen Gesandtschaft gewählt wurde. 54 s. unten I b p. 34. 35. 15 cf Kolbe: D. Erzbischof A. v. Mainz u. Heinrich V. p. 80.
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bindung Lothar's mit dem Papste wurde in der That die gefährliche Macht Adelbert's auf's Empfindlichste getroffen: Honorius verstand es, dessen Stellung als Legat vollständig illusorisch, zu einem blossen Titel zu machcn, indem er fast ununterbrochen den Cardinal Gerhard als legatus a latere im deutschen Reiche erhielt. Wir finden denselben bereits im April 1126 bei der Wahl Norbert's von Magdeburg wieder am Hofe Lothar's, 56 1126 im Juli in Strassburg, 57 1127 wieder mit unmittelbaren Aufträgen vom Papst in Deutschland, während seiner kurzen Abwesenheit in Italien sogar einen anderen legatus a latere, den Kardinal Peter in Worms thätig, 58 1129 abermals Gebhard in Strassburg anwesend, 59 und er ist jedenfalls bis zum Tode dos Honorius meistentheils diesseits7 der Alpen geblieben, denn Innocenz schreibt bei seiner Erhebung auf den päpstlichen Stuhl universis archiepiscopis, abbatibus, clero etc. . . .: „Carissimus pater noster felicis memoriae papa Honorius vices suas dilecto filio suo Gerhardo cardinali presbitero . . . . in Teutonico regno commisit . . . . Nos autem . . . . ut opus sibi injunctum . . . . perficiat mandavimus." Dass in der That ein gespanntes Verhältniss zwischen Adelbert und dem Papste herrschte, tritt am deutlichsten in dem Streit über die Würzburger Bischofswahl zu Tage. Adelbert hat sich beim Papste für den einen der beiden Candidaten, für Gebhard von Henneberg verwandt. Honorius antwortet ihm in einem Tone kategorischen Befehles, Gebhard dürfe nicht Bischof sein, und lässt die Würzburger durch den L e g a t e n G e r h a r d energisch zur Neuwahl auffordern.''" Adelbert sucht die Würzburger in einem gleichzeitigen Schreiben zu H i n z ö g e r u n g der Wahl zu überreden; 1 ' 1 bald nachher lässt er jedoch Gebhard fallen und spricht den Bann
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cf. Jaffé, Gesch. d. deutsch. R. u. Lotli. p. f>5. cf. Ep. Gebhard] bei Jaffé bibl. rer. Germ. Y p. 409. 58 cf. Jaffé, Gösch d. deutsch R . u. Loth. p. 2f>0. 59 cf. Jaffé, bibl. rer. Germ. V p 401 Dieser Brief ist nicht mit Jaffé in das J a h r 1127, sonderu 1129 zu setzen. Die V e r s a m m l u n g in Strassburg, die darin erwähnt wird, kann nämlich nicht die vom J a h r e 1126 sein, sondern ist die vom J a h r e 1129 (s. unten Note 65). «> s die Briefe bei Jaffé, bibl. V p. Ö99. 51
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Jaffé a. a. 0 . p. 4 0 1 : quia consulta et considerata d i l a t i o , licet gravis et onerosa sit laborantibus, plus tarnen utilitatis solet afferre quam festinatio et indiscreta rei praecipitatio. lì n r n h e i m , L o t h a r I I I u. das W o r m s e r Concordai.
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über ihn aus.62 Darüber beschwert sich Gebhard eingehend beim Papste, 63 und dieser ertheilt Adelbert einen Verweis, der an Schärfe das Aeusserste bietet. 64 Der Getadelte rechtfertigt sich in ehrerbietiger Weise, und nun erfolgt von Seiten des Papstes der Bann gegen Gebhard, aber nicht durch Yermittelung Adelberts, sondern durch den Legaten Gerhard, 65 eine neue Demüthigung des stolzen Erzbischofs. Dieser hatte seinerseits Scharfblick genug, um zu erkennen, dass Lothar ihn durch das Bündniss mit dem Papste entwaffnet habe. So blieb ihm für den Augenblick nichts übrig als sich zu fügen und, um nicht ganz den Einfluss auf die Leitung der Geschäfte zu verlieren, sich dem Könige möglichst unentbehrlich zu machen. Kaum mag ihm die Versuchung nahe getreten sein, die Empörung Friedricli's von Schwaben zu begünstigen, denn er musste wissen, dass er von diesem noch weniger zu erwarten haben würde, nachdem er ihn eben schnöde um Thron und Macht betrogen. Er zog es vor, sich durch eifrige Dienste g e g e n die Rebellen der Gunst Lothar's zu vergewissern, und dieser wusste klug dem Ehr62
cf. den Brief des "Würzburger Klerus bei Jaffe a. a. 0 . p. 402, Zeile 3 von oben. 63 Jaffe a. a. 0 . p. 405 ff. 64 Jaffe a. a. 0 . p. 412: Quod si ita est, fraternitatem vestram a canoniois regulis divinitus inspiratis liquido constat deviasse. 65 Brief des "Würzburger Klerus bei Jaffe a. a. 0 . p. 402: domnus archiepiscopus publicfe in pulpito nostro nuntiavit . . . . quomodo postmodum domnus Gerhardus cardinälis una cum ipso et cum tota eeclesia ibidem congregata in Argentinensi ecclesia praesente domno rege, sententiam excommunicationis in eum promulgasset. — Diese "Versammlung in Strassburg k a n n nicht die in Gebhard's Brief (Jaffe a. a. O. p. 410) erwähnte vom J a h r e 1126 sein: 1. "Wird dort Gebhard angewiesen, nach Rom zu g e h e n , und er selbst berichtet p. 410 u n t e n , dass Adelbert erst in W ü r z b u r g n a c h der "Versammlung von Bann redet. 2. W e n n der Bann schon 1126 in Strassburg unter A u t o r i t ä t des L e g a t e n Gerhard erfolgt wäre, würde Gebhard sich nicht mit Erfolg an den P a p s t haben wenden, noch dieser den Erzbischof d a f ü r verantwortlich machen k ö n n e n , noch würde Adelbert versäumt h a b e n , in seinem Rechtfertigungsbrief auf die Mitwirkung des L e g a t e n sich zu berufen. Der Bann unter Mitwirkung des Legaten auf dem Reichstag in Strassburg muss d a h e r n a c h dorn Briefe Gebhard's erfolgt sein, d. h. nach 1126. Dann k a n n er nur auf dem Tage in Strassburg im J a h r e 1129 erfolgt sein, und aus diesem Grunde i s t , wie ich oben e r w ä h n t e , der Brief des "Würzburger Klerus (Jaffe p. 401) nach diesem z w e i t e n Strassburger Tag in das J a h r 1129 zu setzen. — Auch die neueste Darstellung dieser Dinge bei Gicsobroclit IV, 1. p. 26 ist in diesem P u n k t e nicht genau.
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geize des immer gefährlichen Intriguanten zu schmeicheln, indem er die Stelle des Erzkanzlers, in welcher er ihn beliess, noch bedeutend an Einfluss erhöhte. 66 Trotzdem scheint Adelbert bei der ersten Gelegenheit, die sicli ihm bot, auf Abfall gesonnen zu haben. Als der Tod des Papstes Honorius (1130) die bekannte Doppelwahl hervorrief, stellte Adelbert sich sofort auf die Seite Anaklet's, der ihn zum Legaten ernannte, 67 während Innocenz, ganz in die Politik des Honorius eintretend, dessen Geschäftsträger Gerhard zu seinem Legaten machte. 68 Wenn es Adelbert gelang, diesem Anaklet Anerkennung zu erringen, war sein alter Einfluss wiedergewonnen. Er suchte also Lothar für Anaklet einzunehmen, aber dieser durchschaute wohl die innere Absicht Adelbert's und wies ihn zurück; 6 9 da wandte sich der Enttäuschte an Otto von Bamberg und andere Freunde im Klerus, — und was er im Schilde führte, zeigen ziemlich deutlich die drohenden Worte in dem Briefe an Otto: 6 9 „Si placeret. adhuc principi sanius consilium admittere, nos una tecum . . . laboraremus, ut haec omnia ad communem patriae salutem et regni honorem componerentur. S i n a u t e m , q u o d s o l u m r e s t a t , faciemus." Wenn man damit die energische Aufforderung des Papstes Innocenz an Otto von Bamberg „ut omni occasione et excusatione remota quantocius ad nos veniatis" 70 zusammenhält, so wird man kaum zweifeln, dass es sich hier um ein Complott Adelbert's und seiner Freunde gegen Lothar zu Gunsten Anaklet's handelt, welches zum Glück durch die schnellen Fortschritte der Partei des Innocenz, an ihrer Spitze Norbert von Magdeburg und Conrad von Salzburg, vereitelt wurde. Doch macht sich noch 1134 der Groll des immer mehr in den Hintergrund gedrängten Erzbischofs in bitteren Ausbrüchen gegen Lothar Luft. 71 Ich glaube, das Be66
cf. Giesebrecht, Gesch. d. deutsch. Käiserz. IY 1. p. 50. Jaffe bibl. rer. Germ. T p. 423. — cf. Epistolao Bernardi oper. ed. Mabillon T. I p 135, wo bei der Aufzählung der bedeutendsten Anhänger Innocenz's Ailelbert fehlt. 68 Jaffe a. a. 0 . p. 420 69 Jaffe a. a. 0 . p. 435: non placuit principi in aliquo nos audire vel exaudire. Dass das generale malum, von •welchem hier die Rede ist, das Schisma sei, ergiebt sich aus dem Briefe Adelbert's a. a. 0 . p 451 Zeile 5 v. o., wo es heisst: generale malum e c c l e s i a e . '« Julie a. a. 0 . p. 432. 11 s. Jaffe a a. O. p. 451. 61
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nehmen und die Stellung Adelbert's, wie ich sie eben zu schildern versucht habe, entsprechen vollständig der Annahme, dass Adelbert um den Preis seiner Anstrengungen für Lothar, um die Erfüllung seines "Wahlpaktes betrogen worden sei. Ein Mann von offenerem Charakter als Adelbert würde anders gehandelt haben. Und das war der dritte Kirchenfürst, welcher hauptsächlich zur Wahl des Sachsen mitgewirkt hatte, Friedrich von Cöln. Wir sehen ihn bereits um Weihnacht 1126 in offenem Abfall von Lothar, ohne dass sich irgend ein Grund anderer Art als der gedachte auffinden liesse,72 und erst 1129 versöhnte er sich mit dem Könige, 73 der sich darauf beim Papste für den vom Amte Suspendirten verwandte. 74 So wurde selbst die Opposition dieses mächtigen Friedrich von Cöln Lothar nicht gefährlich, und in dem bedenklichen Kampfe um die Krone mit Friedrich und Conrad, den Hohenstaufen, stand die Kirche, trotz des gebrochenen Wahlpaktes, treu auf Lothar's Seite. Aber es war nicht nur das Machtwort des Papstes, welches das bewirkte — eine eigenmächtige und daher kräftigere Stütze fand der neue Herrscher in dem ganzen, grossen Theile des Klerus, welcher mit einem modernen, aber doch zutreffenden Ausdruck als die pietistische Partei bezeichnet werden kann. Auch in der geistlichen Welt war über dem endlosen Streite gegen die Könige, welcher die Leidenschaften auf's Schlimmste entfacht, die religiösen Pflichten des Priesters vor den Interessen der Partei fast vergessen gemacht hatte, eine lebhafte Sehnsucht nach Frieden, 75 nach Vertiefung der religiösen Anschauung eingezogen, und die bedeutenderen Gemüther ergriff ein fast leidenschaftlicher Ueberdruss an dem weltlichen, verflachenden Treiben der letzten Jahrzehnte, welches die Kirche fast zu Grunde zu richten drohte. Yon Frankreich her, verkörpert durch Männer von gewaltigem Geistesschwunge, wie Bernhard v. Clairveaux und Norbert von Premontre, brach sich diese Stimmung damals auch in Deutschland Bahn: sie 72
cf. Giesebrecht Gesch. d. deutsch. Kaiserzeit IV 1. p. 50. cf. Jaffe Gesch. d. deutsch. R. u. Loth. p. '248. Diese Suspension ist zum Theil wohl im Interesse des Königs, hauptsächlich aber wegen der Anklage auf Simonie verfügt worden, welche bei der "Weihe Alexander's von Lüttich 1128 den Erzbischof sammt dem Geweihten traf. (s. Chronic. Abbatiae St. Trudonis bei d'Achery, Spicil. II p 702 Col. 2 unten.) 15 cf. besonders Epist. Scti. Bernardi (opp. ed. Mabillon T. I). 73
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erfüllte Conrad von Salzburg und Adelbert von Bremen, sie herrschte auf den Bischofsstühlen, sie herrschte in den Klöstern. An ihr fand Lothar einen mächtigen Rückhalt gegen die weltlich gesinnte Partei Adelbort's von Mainz und seines Gleichen,76 denn er kam dieser Richtung seiner Zeit mit voller innerlicher Ueberzeugung entgegen. Wir können zwar nicht in die Herzen längst vergangener Geschlechter sehen, aber aus allen Thaten und "Worten Lothar's, die uns vorliegen, spricht gleichmässig eine aufrichtige Religiosität im Geiste der genannten Männer. Mit Norbert verband ihn innige Freundschaft: 7 7 er bediente sich fortdauernd seines Rat lies, er erhob ihn zum Erzkanzler von Italien, 78 er unterstützte seine Bemühungen um die nordische Mission ebenso eifrig, wie die des Erzbischofs von Bremen. Eifrig förderte er die Bestrebungen zur strengen Reformation der Klöster 79 und verwandelte selbst einige Nonnenstifte in Mönchsklöster mit strenger Regel. 80 In fast allen seinen Urkunden finden wir Einleitungen, welche hinausgehend über den herkömmlichen Ausdruck kirchlicher Ergebenheit, Lothar's fromme Gesinnung und seinen Eifer für das Gedeihen der religiösen Zucht in schlichten, aufrichtig klingenden Worten darlegen, 81 und der Diakon Petrus von Monte Casino hat uns eine lebendige Schilderung von der frommen Lebensweise des Kaisers überliefert, die wir durchaus nicht übertrieben finden werden, 76
Einen hübschen Beleg für diese Parteistellung bietet der u n ä c h t e Brief Heinrich's des Stolzen an Lothar in Schlosser und Bercht's Archiv für Gesell, u. Lit. Bd. I p. 369. cf. Archiv für Kunde österr. Geschichtsquellen Band 14 in dem Anhang zu Iter Austriacum von Wattenbach p. 50. " cf. Tita Norberti M. G. SP. XII p. 702, 25: diligebat autem et ipse (sc imperator) virum Doi Norbertum eo quod con^iliis ejus plerumque regeretur et per eum refectione verbi Dei quotidie pasceretur. 58 anno 1133. — Annalista Saxo. M. G. SS. VI p. 768 u. Jaffé Gesch. d. deutsch. R. u. Loth, p 127 not. 23 1,9 Monnm. Boica 29 a p. 273: Quem locum (Mönehsmünster) divae memoriae Lothariiis imperator interventu beatae memoriae Babenbergensis episc idem monasterium et. ordinem monastieum . . . . conflrmavit. 80 Annalista Sax. M. G. SS. VI 769, 39: Congregatio sanetimonalium canonicarum in Luttera commutatur ab imperatore in regulärem vitam Seti. Benedicti. cf. die Urkunde Lothar's in Origines Guelf. II p. 524: eas (sc. sanctimonales) aliorsum transferri (visum est), quia ex levitate earum non parum religio et res ecelesiae illius dilapsae et minutae erant. Ebenso Ueltzen s Wigand, Gesch. v. Corvey p. 175. 81 z. B in der Urkunde von 1127 Monum. Boica 29 a p. 250 und in der von 1130 Mon. Boica 13 p 151.
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wenn wir damit die Werkheiligkeit eines Ludwig I X und anderer mächtiger Fürsten des Mittelalters vergleichen.82 Lothar stand in der That auf der Höhe der idealen Bestrebungen seiner Zeitgenossen — das ist die Stärke seiner Kegierung und der tiefere Grund, warum es trotz gelegentlich günstiger Umstände den Vertretern einer für den Augenblick überwundenen Partei nicht gelingen konnte, ihre Pläne durchzusetzen, weshalb der Wahlpakt vereitelt und die Ausübung der Hoheitsrechte gegenüber der Geistlichkeit der Mässigung und dem frommen Sinne Lothar's von Seiten des Papstes anvertraut wurde. « Chron. Mon. Caainensis M. G SS. VI p. 838/39.
Ib. Lothar's Festhalten am Wormser Concordat. Seine Stellung zu Innocenz II. Es ist von verschiedenen Geschichtsforschern behauptet und von Friedberg in dem schon öfter genannten Aufsatz 1 zum ersten Male unwiderleglich nachgewiesen worden, dass Lothar vom ersten Jahre seiner Regierung an nach den Bestimmungen des Wormser Concordâtes gehandelt hat. ' Sämmtliche Bischofs- und Abtswahlen unter ihm, deren Verlauf sich im Einzelnen verfolgen lässt, erhärten dies. Aber es ist noch nicht untersucht worden, auf welcher Basis diese Uebung Lothar's beruhte. Yor Allem ist die Bedeutung der ihm 1133 von Innocenz ausgestellten Urkunde noch nicht von diesem Gesichtspunkt aus im Zusammenhang erläutert worden. Ehe ich jedoch zur Darlegung dieser für die späteren Kämpfe zwischen Kaiser und Papst so wichtigen Verhältnisse übergehe, scheint es nöthig, den Verlauf der einzelnen Bischofswahlen, die uns bekannt sind, nochmals in's Auge zu fassen. Einige sind von Friedberg in seiner Untersuchung übergangen, andere nicht in richtigem Lichte dargestellt worden, und es ist für diesen wie für den letzten Theil der vorliegenden Abhandlung wichtig, hier ganz genau zu sein. Eine allgemeine Bemerkung über den Wahlmodus muss ich vorausschicken. Das Wormser Concordat bestimmte: freie Wahl der Bischöfe und Aebte Deutschlands in Gegenwart des Königs. Wie ist diese Bestimmung zu verstehen? 1
in den Forschungen zur deutsch. Geschichte VIII p. 77 ff.
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Bekanntlich ist die Hauptstelle über den Wahlmodus, wie er bis zur Zeit des Investiturstreites herrschte, der Bericht in der „Vita Chunradi Episcopi Salisburgensis". 2 Diesem zur Seite steht der weniger bekannte Ausspruch des Erzbischofs von Trier in der Zusammenkunft mit Paschalis II. anno 1117, welchen uns der Abt Suger von St. Denys überliefert hat. 3 In diesen beiden Stellen sind uns betreffs der eigentlichen Wahl in Gegenwart des Königs, welche ja durch das Wormser Concordat nicht verändert wurde, zwei wesentlich verschiedene Modi angegeben. Und in der That kommt neben dem jedenfalls ursprünglichen, bekannten Yerfahren, wie es die Lebensbeschreibung Conrads schildert, seit ältester Zeit auch jenes andere vor, welches sich aus dem Gebrauche entwickelt zu haben scheint, dass man die w ü n s c h e n s w e r t h e Person dem Könige präsentirte. 4 Auch n a c h dem Wormser Concordat präsentiren sich die b e r e i t s g e w ä h l t e n Gegencandidaten von St. Gallen Heinrich dem Fünften, 5 und unter Lothar finden wir sogar gegenüber demselben Bischofsstuhl beide Wahlmodi ganz unterschiedslos neben einander angewandt. Wir müssen bei dem zweiten ausführ-
2 M. G. SS. XI p 65, 44: Defuncto ecclesiae cujuslibet episcopo vel monastorii abbate, mox ad palatium proficisci non differunt praepositus, decanus, magister scolarium et prior monasterii et cum eis majores et sanioris eonsilii personae de civitate, anulnm episoopalem secum portantes et baculum ; communicatoque Consilio cum his quos in palatio circa imperatorem invonerint episcopis, cancellano et capellanis secundum beneplacitum et favorem imperatoris, qui sustinendus erat, eligebatur. 3 Tita Ludovici bei Bouquet Rccueil des liistoriens de la France etc. XII p. 20: Temporibus autecessorum nostrorum hoc ad jus imperii pertinere dinoscitur, ut in omni clectione hic ordo sorvetur: antequam electio in palam proferatur, ad aures domini Imperatoris perforre, . . . . deinde in conventu secundum Canones petitione populi, eloctione cleri, asscnsu lionoratoris proferre etc. 4 cf. die ausführliche Schilderung der Wahl des Abtes Notker von St. Gallen in den Casus Seti. Galli M. G. SS. II p. 138 ff anno 971. Er kommt a l s electns mit 9 Mönchen an den Hof und wird dann in Gegenwart des Königs gewählt: p. 141 Tandem ferula reeepta abbate corani se, ut m o r i s est, electo 5 Casuum St. Galli Continuatio M. G. SS. II p. 160. Dieser Theil der Continuatio ist nach einer, demnächst in den „Forschungen zur deutsch. Gesch." erscheinenden Untersuchung von Max Bernheim, deren Mittheilung ich dem Verfasser verdanke, ca. 1150 geschrieben; d i e s e N a c h r i c h t h a t d a h e r den W e r t h einer fast g l e i c h z e i t i g e n .
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licheren Modus dann also drei "Wahlakte unterscheiden: t ) die im engeren Kreise des Kapitels oder der Klostergeistlichkeit stattfindende V o r w a h l . 2) Die Präsentation und Wahl bei Hofe, in Gegenwart des Königs. 3) Die feierliche, formelle Nachwahl in der Bischofsstadt oder Abtei durch Yolk und Klerus. Bei dem kürzeren Modus fiel die Yorwahl weg, es fand die W a h l wirklich erst am Hofe Statt, a b e r n i e f e h l t e d i e N a c h w a h l . 6 Worauf es uns hier ankommt, ist, festgestellt zu haben, dass jene Vorwahl, welche nicht in Gegenwart des Königs Statt findet, k o i l i e n V e r stoss gegen die Bestimmungen d e s W o r m s e r C o n c o r d a t e s in sich schliesst! Ich lasse nun die uns zugänglichen Bischofswahlen in chronologischer Ordnung folgen.
A. Die Wahlen bis 1133 Sept, Magdeburg 1126. cf. Jaffe p. 245, 7 Friedberg 8 p. 79. Zwistige W a h l in Magdeburg. Lothar setzt nicht den Einen der beiden Candidatcn, der ein Vetter seines Vaters ist, 9 durch, sondern lässt d u r c h d e n p ä p s t l i c h e n L e g a t e n zu einer neuen W a h l die majores ecclesiae nach Speyer bescheiden. 10 Dort 6
cf. die W a h l Albero's von Verdun in Laurentii gesta episc Virdun. M. G. SS. X 508, 10: Apostolici^ et ipse approbavit, u t q n e o m n i a c a n o n i c e p r o c e d e r e n t , e l e c t a m personam ad Virdunensem ecelesiam mox remisit, ut. cum ipsius ecclesiae et potissimum venerabilis abbatis Laurentii assonsu et testimonio sibi Parisius occurreret, imperavit, ut sic eidem sibi visa suorum p u b l i c a e l e c t i o n e , confirmaret spiritualia pontificii etc. 1 8
In d. Gesch. d. deutsch R. u. Loth. In den F o r s c h u n g e n z. d. Geseb. V I I I .
9 Conrad v. Querfurt, ef. Chron. Magdb. bei Meibohm rer. Germ. T II p 328. — Chron. Montis Sereni ed. E c k s t e i n p. 12 letzte Zeile. 10 G Torquati Series pontif. eccl Magdb. bei M e n c k e n , Script, rer. Germ. III p. 380. — Chron. Magdb. a a. 0 . p. 326. Der Bericht des Torquatos scheint hier aus flüchtiger B e n ü t z u n g derselben Quelle entstanden zu sein, w e l c h e der Verfasser des Clironicon benutzt hat.
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1. "Wahl Norbert's in Gegenwart und mit Zustimmung Lothar's. 1 1 A n f a n g s Juli. 2. B e l e h n u n g mit am 18. Juli 1 1 2 6 .
den Regalien. 1 2
N a c h w a h l in M a g d e b u r g
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3. W e i h e in M a g d e b u r g am 25. Juli. 1 2 ' N a c h w e i s l i c h e U e b u n g des W o r m s e r Concordâtes. — Kurzer Wahlmodus.
Merseburg 1126. cf. Jaffé p. 2 6 0 , F r i e d b e r g p. 80. 1. W a h l Meingot's in Merseburg am 14. Juni 1126. 1 8 2. P r ä s e n t a t i o n bei H o f e und B e l e h n u n g mit den Regalien. 1 4 « Annal. Saxo M. G. SS. YI p. 763. — Vita Norb. M. G. SS. XII p. 694. — Chron. Magd. a a. 0 . p 326. 12 Chron. Magdb. p. 326 : qui mox cum sacramento régi debito regalibus ab eo per sceptrum investitus ac missione ejus Magdeburg . . deductus ibidem X Kai. Augusti (rectius XV Kal. cf. Jaffé a. a. O.) . . . a clero et populo cum ingenti gloria suscipitur, ab o m n i b u s e l i g i t n r . - Mit. den letzten Worten ist der von mir oben als Nachwahl bezeichnete Wahlakt berichtet, der, wie wir sahen, zur endgültigen Ratifizirung erfordert wurde. Friedberg irrt daher, wenn er (a. a. 0 . p. 80) darin eine Unregelmässigkeit erblickt. Auch ist es natürlich, daBS Norbert von da an seine Regierungsjahre zählte. 12 a Chron. Magdb. a. a. 0 . p. 326: in festo Jaeobi Apostolici ab Udone Olensi episcopo . . . . ungitur. Auch die Yita Norberti a. a. O. lässt die Weihe erst nach der Rückkehr von Speyer Statt finden. Bei den dort erwähnten Speyrer Ceremonien — (die Belehnung ist in den Worten ad imperatoris genua humiliatus angedeutet) — ist ungenau der Ausdruck : virgam pastoralem, quae quasi in manus ejus inserebatur, aeeipere coactus est. Doch zeigt die darauf folgende Anrede des Kardinallegaten, dass dieser Akt nicht von Lothar, sondern von jenem vollzogen ward. 13 Chron. Episcop. Merseb. M G. SS. X p. 188 : Meingotus . . . . tarn unanimi quam concordi electione XVIII Kai. Jul. nobi3 verus pater eligitur. In hac electione erat Udo Cycensis episcopus, Heinricus marchio et t a r n l a i c o r u m q u a m c l e r i c o r u m d e b i t . u s c o n v e n t u s . Electione facta cum electo Lotharii regis praesentia expetitur, sed n i h i l o m i n u s electus régi et a melioribus regni ob personalem aeeeptionem commendatur. — Es liegt hier in der That eine kleine Unregelmässigkeit vor: es hat nicht eine Vorwahl im engeren Kreise, sondern gleich die publica electio, welche sonst erst in der Nachwahl geschah, Statt gefunden. Daher das nihilominus aus dem Munde des Verfassers. 14 Chron. Episc. Merseb a. a. 0 . : Ergo regis dono laudabiliter sublimatur et honoratur.
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3. Weihe in Magdeburg am 20. März 1127.15 Nachweisliche Hebung des Wormser Concordâtes. deutende Unregelmässigkeit bei der Yorwahl.
Unbe-
Lüttich 1128. cf. Jaffé p. 263. 1. Wahl Alexander's. 16 2. Belehnung mit den Regalien in Mainz 17 vor dem 10. März 1128.
3. Weihe durch Friedrich v. Köln in Gladbach am 10. März.18 In der Hauptsache nachweisliche Uebung des Wormser Concordâtes.
Verdun 1129. 1. Yorwahl Ursio's nach dem zweiten Februar 1129.19 2. Präsentation bei Hofe und Bestätigung durch den König.20 3. Die Weihe ist nicht erfolgt, denn als Ursio 1131 in Lüttich abdankt, heisst er noch electus.21 Uebung des Wormser Concordâtes höchst wahrscheinlich, ein Verstoss unmöglich. 15
Chron Episc. Merseb. a. a. 0 . : Ordinatio autem differtur, quod Norpertus Magdeburgensis archiepiscopus pallii honore nondum sublimatila erat. X I I I vero Kai. Ap. . . . etc. « of. Chron. Abbat. Seti. Trudonis bei d'Achéry Spici]. I I p. 702: Alexandri cicatrix veteris morbi bis prius effracta, tertio j a m erupit et ad Episcopatum anhelans . . . . assecutus est quod v o l u i t ; und vorher p. 698: Alexander war eifriger Anhänger Heinrich's Y. 11 Annales Disibodenbergenses M. G. SS. X V I I 24, 4 : Leodiensis electus Alexander Moguntiae investituram suseepit a rege. 18 Chron. Abbat. Seti. Trud. a. a. 0 p. 702: Alexander mnss, der Simonie a n g e k l a g t , nach Rom g e h e n , um sich zu r e i n i g e n ; wird aber 1135 wegen wiederholter ähnlicher Anklagen abgesetzt. > 19 Laurentii gesta episc. Yirdun. M ö . SS. X p. 507: Virdunensis ecclesia ab ipso concilio (sci. Catalaunensi) commonefacta . . . . sibi Ursionem . . . in episcopum elig t. Das Concil zu Chàlons fand am 2. Febr. Statt s. Mansi Concil. X X I p. 377. 20 Laurentii gesta episc. Virdun. a a. O. : J e r a t siquidem ad curiam regis gratia suae conflrmationis. 21 ibid. p. ,508, 3: Eo (sc. Leodium) et Ursio Verdunensis e l e c t u s advenit . . . . episcopale reddidit.
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Halberstadt
1129.
cf. Jaffe p. 258, Friodberg p. 80. Nach der Absetzung Otto's von Halberstadt findet eine zwiespältige Vorwahl zu IIa,Iberstadt Statt. 2 2 Der König, sowie der Metropolitan von Mainz, Adelbert, weisen beide Candidaten zurück, 2!i da ersterer sich bereits für Otto's Wiedereinsetzung bei Honorius verwandt hat. 24 1131 wird Otto von Innocenz wieder eingesetzt.2"' 1135 endgültig von demselben wegen Anklage auf Simonie verworfen. 26 Strassburg
1129.
cf. Jaffe p. 253. Der 1126 vertriebene Bischof Bruno wird nach dem 1127 erfolgten Tode des Gegenbischofs Ebhai'd 1129 im October von Lothar auf Fürbitte der Königin und einiger Bischöfe wieder eingesetzt, 27 jedoch 1131 wird er zu Mainz w e g e n U n r e g e l m ä s s i g k e i t s e i n e r E i n s e t z u n g des Amtes enthoben. 28 Verdun
1131.
cf. Friedberg p. 81. 1. Wahl Albero's in Gegenwart Lothar's zu Lüttich. 1131. 2 9 2 2 Gesta Alberonis a. Baldcrico. Erphcsfurd. M. G. S S . V I p. 537, 33.
März
M. G. SS. V I I I p. 248, 9. — Annalos
Annalos Erphcsfurd. a. a. O. Epist. 241 u. 244 bei J a f f é bibl. rer. Germ. V. 2 5 Chron. montis Sereni ed. Eckstein p. 11 : Otto etiam Ilalverstadensis episcopus ibidem (Leodii) petitione regis et t o t i u s e c c l e s i a e restitutus est. 2«' Annal. Saxo. M. G. S S . V I p. 770, 18. 23 24
2 1 Annalos Disibodenberg. MG. X V I I 2 4 . Jaffé bibl. rer. Germ. V p. 432.
16 — Epistola No. 250 bei
2 8 Ibid. Zeile 4 3 : Ubi (se in concilio Moguntino) Bruno Argcntinensis episcopus . . . . a clero et populo super violontia, intrusione et c o n s é c r a t i o n e inipetitus . . . . cf. Jaffé a. a. 0 . p. 103 Note 82. Ein gespanntes Verhältniss zu Lothar ist nach Obigem also nicht der Grund seiner E n t setzung, wie J a f f é a. a. 0 . Note 85 andeutet. ï 9 Laurentii gesta episc. Viril. M. G. SS. X p. 508, 5 : hi qui c a p i t a Virdunensis ecclesiae et populi ibi reperti sunt, inox ab imperatore jussi • . . Alberonem . . in praesulem elegerunt.
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2. Belehnung mit den Regalien, 30 Nachwahl in Verdun.'11 3. Weihe am 19. April 1131.32 Nachweisliche Uebung des Wormser Concordâtes. — Kurzer Wahlmodus. Cambray
1131.
cf. Friedberg p. 81. 1. Wahl Lietard's in Gegenwart und auf Wunsch Lothar's zu Lüttich. März 1131.33 2. Belehnung nicht ausdrücklich erwähnt, s. unten Note 95. 3. Weihe den 26. April 34 in Reims. Höchst wahrscheinlich Uebung des Wormser Concordâtes. — Kurzer Wahlmodus. Trier
1131.
cf. Jaffé p. 102, Friedberg p. 80. Zwiespältige Wahl, der Klerus erbittet den Rath dos Königs, um dessen Beistand gegen die feindliche Laienpartei zu gewinnen.'15 Lothar bestimmt einen Tag in Mainz zur Erledigung der Sache. Darauf wählt ein Theil des Kapitels — die Verfasser des Briefes an Innocenz geben selbst, zu, dass sie nicht alle stimmberechtigten fratres herbeigezogen haben 36 — Albero von Metz und präsentirt diesen zu Mainz dem Könige, welcher mit vollem Rocht die ungesetzlich vollzogene Vorwahl nicht bestätigen will; Innocenz aber, 30
Ibid.: F.lectionem ejus curia laudavit, imperatoria majestas confirm a i t , d a t i s ei per s e e p t r u m t e m p o r a l i b u s episcopii. 3 Ibid : Virdunensis civitas et occlesia . . . . venientem cum gaudio suseepit, eum cum testimonio publici asaensus ad Pupam Parisius Franciac transmisit. 32 Ibid : A quo (sc. Papa) in saneto Paschali sabbato in presbiterium, die autem feato in episcopum est consecratus. 33 Gesta Episc. Cameracens. M. G. SS. VII p. 506, 40: In qua collooutione (Leodiensi) obtentu regis Lietardus Cameraoensium episcopus efficitur. 3 + ö e s t a Episc. Cam. Continuatio M. G. SS. VII p. 524, 7. 35 Brief des Trierer. Klerus an Innocenz in den Gesta Alberonis a. Balderico M. G. SS. VIII p. 249, (i: sciebamus enim et adhue vero soimus, iram et furorem laicorum nullo m o d o . n i s i r e g i a p o t e s t a t e et, g r a t i a posse sodari. 36 a. a. 0. p. 249 Zeile 8.
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dem die Person Albero's sehr erwünscht ist, weiht demungeachtet Albero, und als derselbe denn die Regalien von Lothar verlangt, weigert dieser sich, die Investitur zu'ertheilen, weil der Trierer vorher geweiht worden sei. Erst nachdem der Erzbischof sich hinreichend gerechtfertigt hat, lässt sich Lothar herbei, ihn zu investiren. Demnach bietet diese Wahl folgende Momente: 1. Vorwahl in nicht ganz correcter Form nach dem 24. April 1131. 3s 2. Verweigerung der königlichen Bestätigung zu Mainz.39 3. Weihe durch den Papst zu Vienne. October 1131. 40 4. Belehnung mit den Regalien zu Aachen. April 1132. 41 Verletzung des Wormser Concordâtes seitens des Papstes. Festhalten an demselben seitens Lothars.
Cöln 1131. cf. Jaffé 248, Friedberg p. 82. Zwiespältige Wahl. Mit Begünstigung Lothar's wird Gottfried von Xanten beseitigt, darauf findet Statt 1. Die Wahl Bruno's in Gegenwart des Königs und dreier päpstlicher Legaten 4 2 zu Cöln. Weihnacht 1131. 37
Gesta Alberonis a. a. 0 . p. 550; dem entgegen steht die Nachricht der Annales Disibodenbg. M. G. SS. X V I I 24, 49: ubi (sei. Coloniae) constituti sunt arohiepiscopi Brun Colon, et Albero Trevirensis, qui mox consecrati sunt a Wilhelmo Praencstino apostolici legato. Doch ist Baldericus in diesem P u n k t e um so glaubwürdiger, als e r , der Zeit- und Meinungsgenosse Albero's, bemüht ist, seinen Helden als Vorkämpfer der kirchlichen Freiheit hinzustellen, und offenbar nur u n g e r n diese Demüthigung desselben e r z ä h l t : „Praetereundum non est" beginnt er seinen Bericht. M cf. J a f f é a. a. 0 . p. 102 Note 79. M cf. Jaffé a. a. O. p. 103 Note 82. « Gesta Alberonis a. a. 0 . p. 250, 10. « Ibid. p. 251, 2. 42 s. J a f f é a. a. 0 . p. 111 mit den in Note 28 angegebenen Stellen. Die Wahl findet wohl unter dem Einflüsse L o t h a r ' s , doch nicht unkanonisch S t a t t , wie im Catalogus Episcop. Colon, von Caesarius Heisterbacenais (Böhmer fontes I I p. 275) behauptet wird. Es musste L o t h a r von besonderer Wichtigkeit sein, gerade in dem unzuverlässigen Cöln einen Erzbischof zu haben, auf den er rechnen zu können glaubte, cf. auch den Brief B e r n h a r d ' s von Clairveaux (epist. ed Mabillon T i p . 2(5) an Bruno, der ihn gefragt, ob er den Bischofsstuhl annehmen solle. Bernhard sagt kein W o r t von unkanonischer Wahl.
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2. Belehnung nicht ausdrücklich erwähnt s. unten Note 95. 3. Weihe wahrscheinlich nach der Belehnung bald nach der Wahl in Coln.43 Wahrscheinlich TJebung des Wormser Concordâtes.
Regensburg 1132. cf. Jaffé p. 267 u. 139. 1. Vorwahl Heinrich'» unter Einfluss des Yogtes Friedrich gegen den Wunsch Herzog Heinrich's im August 1132.43" 2. Weihe durch Conrad von Salzburg nach dem 19. August 4 4 1132. 3. Bestätigung durch den Kaiser in Würz bürg Sept. 1133. 45 Verletzung des Wormser Concordâtes seitens des Erzbischofs von Salzburg.
Augsburg 1133. cf. Jaffé p. 255. 1. Wahl in Abwesenheit des Kaisers, der jedoch in Italien ist,4(i am 19. März 1133. 2. Bestätigung durch den Kaiser in Würzburg, Sept. 1133. 47 3. Weihe am 9. Sept. 1135 in Seligenstadt. 48 Der Hauptsache nach Uebung des Wormser Concordâtes.
43 Annales Disibodonberg. M. G. SS. X V I I 24, 48: Rex n a t a l e Domini Coloniae celebravit, ubi eonstituti sunt archiepiscopi Brun Colonieusis et Adalbero Trevirensis, qui mox consecrati sunt a Willielnio Praenostino. Dieser war mit in Cöln zugegen. 43 a Leibnitz Script, rer. Bruns vie. I p. 787. 44 In der U r k u n d e Nr. L X I I in Orig. Guelf. I I 509 heisst Heinrich noch nondum ordinatus. Diese ist vom 19. August ilatirt (XIV Kai. Sept.) nicht vom 17., wie Jaffé a. a. O. p. 140 Note 11 angiebt. « Annal. Magdeburg. M. G. SS. X V I p. 184, 36 und Annal. Saxo. M. G. SS. V I 768, 37. 46 Chronographia Heinonis ad an. 1133 M. G. SS. X 3 : Waltherus eligitur X I V Kal. Aprilis « Annal. Magdeb. M. G. SS. X V I u. Annal. Saxo. M G. SS. V I ad. an. 1133 : imperator . . . célébrât nativitatem sanctae Mariae in W i r z b u r c l i . . . Ibi confirmantur electiones episcoporum Heinrici Radisponensis et Waltheri Augustensis. 48 Chronogr. Heinonis a. a, O. ad an. 1134. W a l t h e r u s in Seligenstat ordinatur episcopus V Idus Sept.
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B. Die Wahlen nach 1133 Sept. Basel 1133. cf. Jaffé p. 270.
Friedberg p. 82.
1. Wahl Adalbero's in Gegenwart und mit Zustimmung Lothar's in Basel. Novbr. 1133.49 2. Belehnung nicht ausdrücklich erwähnt. 3. Weihe durch den Erzbischof von Besançon am 11. F e b r . 1 1 3 4.50 Höchst wahrscheinlich Uebung des Wormser Concordâtes. — Kurzer Wahlmodus.
Magdeburg 1134. cf. Jaffé 247, Friedberg p. 83. 1. Wahl Conrad's von Querfurt in Gegenwart und mit Zustimmung Lothar's in Magdeburg 29. Juni 1134.51 2. Belehnung nicht ausdrücklich erwähnt. 3. Weihe nicht .ausdrücklich erwähnt. Wahrscheinlich Uebung dos Worrnser Concordâtes. — Kurzer Wahlmodus.
M Lothar am 8. Nov. in Basel, s. Stumpf Reichskanzler I I 3 Nr. 3287. Heinrich, der nach Berthold's Tod gewählt w o r d e n , war v o m P a p s t aui Wunsch Lothar's verworfen, cf. Annal. Saxo M G. SS. VI 768, 3 8 : quia Heinricus Basiliensis opiscopus a. p a p a omnino degradatus f u i t , Adalbero Nienburgensis a b b a s , eidem canonica electione cleri et populi p e r c o n s i l i u m imperatoris successit. W e n n Adelbert von Mainz in seinem Briefe an Otto von Bamberg (bei Jaffé bibl. rer. Germ. V p. 451) s a g t : videimis canónicas episcoporiim electiones ad nutum principis cassari ut pro beneplacito suo ipse substituât, quos voluerit, so d r ü c k t sich darin nur der Groll über das Einvernehmen zwischen L o t h a r und dem P a p s t und über des ersteren Einfluss übertreibend aus. „Eine Unterdrückung der Walilfreiheit" ist hier nicht nachzuweisen, (cf. F r i e d b e r g p. 83 oben). 50 s. Monuments de l'histoire de l'ancien évêché de B à i e , Trouillat I p. 261 Note 3. 51 Annal. Saxo M. G. SS. V I 769, 3. Festivitatem apostolorum Pétri et Pauli imperator Magdeburclt celebravit, et C o n r a d u s , ejusdem ccclesiae canonicus, imperatore consentiente generali electione cleri et populi archiepiseopus constituitur.
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Prag
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1135.
cf. Friedberg p. 83. 1. Vorwahl "'2 des Johannes. 2. Bestätigung durch Lothar. 52 3. Weihe durch Adelbert von Mainz am 18 April 1135.'' 3 Sichere Uebung des Wormser Concordâtes. Halberstadt
1136.
cf. Jaffé p. 259, Friedb. p. 83. Zwistige Wahl. Lothar bittet Innocenz um endliche Entscheidung : „Quia vero in partibus Saxonia«, maxime in praefata ecclesia (sei. Halberstadensi) imperialis dignitas consistit, s a l t e m a d h u c p a t e r n i t a s t u a nobis acquiescat, et audita utraque parte ita nobis eos remittas, ut s a l v a ü b e r t ä t e e l e c t i o n i s nos pro consilio archiepiscopi et suffraganeorum, adhibitis religiosis personis talem provideamus, qui ecclesiae et imperio expediat." 5 4 Nachdem hierauf die Entscheidung des Papstes ohne Zweifel durch den Legaten Gerhard erfolgt ist, 55 findet Statt 52 Canonici Wissegrad. Cont. Cosmae M. G. S S . I X p. 141, 11: electus sanetae P r a t e n s i s eeelesiae ad imperatorem profectus e s t , quatenus electio sua imperiali assensu et a p p r o b a t i o n e corroboraretur. Quo postquam ventus est tanto eulmine honoris honoratus est, ut imperator . . . ei obviam exierit. Postquam vero pontificales dignitates, id est baculum et annulum s i b i tradidit, ad a r e h i e p i s c o p u m M o g u n t i n u m m i s i t i l l u m , ut Deo dignum praesulem ordinaret. Friedb. a. a. 0 . und F i c k e r (vom Reiehsfürstenstand p. 252) sehen hierin eine Investitur mit Ring und Stab seitens dos Kaisers, indem sie sibi auf den electus Pragensis beziehen. Offenbar ist das S u b j e k t zu tradidit jedoch der Bischof, und sibi auf den Kaiser zu beziehen. Demnach handelt es sich hier nicht um e i n e V e r l e t z u n g d e s " W o r m s e r C o n c o r d a t e s s e i t e n s L o t h a r ' s , sondern höchstens um eine zu weit gehende Devotion des P r a g e r Bischofs, welche Lothar zurückweist, Indem er ihn an den Erzbischof von Mainz weist. 53 Canonici "Wissegsad. Cont. Cosmae a. a. 0 . : Itaque praesul Johannes X I I I K a i . Martii ab archiepiscopo suo onlinatus . . . remeavit. 54 B r i e f Lothar's a u s d e m A n n a l . S a x o bei J a i f e bibl. rer. Germ.
Y 524. 55 "Wenn Friedberg a. a. O. bei dieser Gelegenheit von „"Verwerfung zwiespältig gewählter Cundidaten" seitens Lothar's spricht, so ist dies im Hinblick auf den eben erwähnten B r i e f nur durch das Bestreben Friedberg's,
B e r n h e i m , Lothar I I I u. das Wormser Conc.ordftt..
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1. Wahl Rudolfs in Gegenwart des Kaisers und des Legaten in Goslar. März 1136. 56 2. Belehnung nicht ausdrücklich erwähnt. 3. Weihe in Erfurt am 12. April 1136. M Höchst wahrscheinlich Uebung des Wormser Concordâtes. Lüttich
1136.
cf. Jaffé p. 263. 1. Wahl Albero's II nicht erwähnt. 2. Präsentation bei Hofe. 57 Belehnung nicht erwähnt. 3. Weihe in Aachen vor dem 22. März.57 Wahrscheinlich Uebung des Wormser Concordâtes. Cambray
1136.
cf. Friedberg p. 89. Vorwahl Otto's. Lothar versagt seine Zustimmung. 58 Hierauf werden zwei Aebte an den Hof gesandt, „ut per gratiam imperatoris idoneum ecclesiae Cameracensis episcopum providerent",59 und es findet Statt 1. Wahl Nicolaus' in Gegenwart Lothar's in nicht correcter Form, weil die wahlberechtigten Geistlichen aus Cambray nur durch zwei Aebte vertreten sind, zu Aachen, Ostern/' 0 Lothar's lich, ein treibung se
Stellung zur Kirche als eine nicht unterwürfige darzustellen, erklärBestreben, welches ihn hier, und -wie gezeigt, auch sonst zur Ueberführt. Annal. Saxo M. G. SS. VI p. 770, 23. 57 In einer U r k u n d e , zu Aachen im März von Lothar ausgestellt, kommt Adalberus noch als electus vor. s. Stumpf, Reichskanzler I I 3 Nr. 3315 In einer Urkunde vom 22. März wird er bereits episcopus genannt, s. Stumpf a. a. 0 . Nr. 3316. 58 Gesta episcop. Cameracens. M G. SS. Y I I p. 507, 16. 59 Ibidem. 60 Annal. Camerac. M. G. SS X V I p. 514, 29 (Verfasser: ein Zeitgenosse, der 1139 von Nicolaus selbst zum Sacerdos gesalbt wird) ad annum 1136: Dominus Nicolaus prepositus i n f r a ordines et sine assensu civium in praesentia Lotharii regis Aquisgrani . . . . in pascha Domini eligitur. I g i t u r a curia rediens cum gratia . • . X I I Kai. J a n . Remis episcopus consecratur. Friedbg., der diese Stelle übersehen hat, setzt die Wahl irrthümlich in's J a h r 1137 u n t e r K ö n i g K o n r a d . Irrthümlich steht auch in den Mon. Germ. V I I p. 507, 12 bei der Entsetzung Lictard's die J a h r e s z a h l 1137 am Rande.
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"2. Belehnung nicht erwähnt. 3. Weihe in Reims am 21. Dec. 1136.60 Incorrecte Wahl. Uebergriff seitens Lothar's auf Veranlassung des betreffenden Klerus. Was wird sich aus der Betrachtung dieser Wahlen für die oben aufgestellte Frage ergeben? Ich habe im ersten Abschnitte auf Seite 16 schon erwähnt, dass uns keine Spur auf einen Yertrag mit Lothar oder auf eine Bestätigung des Wormser Concordâtes seitens Honorius' hinweist. Doch zeigen die bis zu Honorius' Tode stattfindenden Wahlen — Magdeburg, Merseburg, Lüttich, "Verdun — sämmtlich conséquente Handhabung des Wormser Concordâtes von Seiten Lothar's in voller Uebereinstimmung mit der Geistlichkeit, nicht etwa nur bei einer zwiespältigen Wahl wie die Magdeburger, wo Eifersucht der Parteien den königlichen Einfluss heranziehen mochte, sondern durchgehends und in einer Weise, welche dem Yerhältnisse stillschweigender Uebereinkunft zwischen Honorius und Lothar über diesen Punkt, wie ich es früher annahm, vollkommen entspricht. Es kommt hinzu, dass weder Innocenz noch Anaklet 6 1 in ihren ersten Briefen an Lothar Etwas von einer Bestätigung des Concordâtes sagen. Hätte eine gesetzliche oder irgendwie formelle Abmachung zwischen Lothar und Papst Honorius II. bereits bestanden, so wäre eine zustimmende Erklärung in jenen Briefen unmöglich unterblieben, da es beiden Päpsten so wesentlich darauf ankommen musste, dem Könige Vertrauen einzuflössen.62 Nur, wenn man annimmt, dass diese Yerhältnisse ungeregelt der Praxis überlassen waren, lässt sich erklären, warum die beiden Päpste einen so häklichen Punkt für's Erste unberührt Hessen. Wje aber gestalteten sich die Dinge unter dem Schisma, wie stellte sich Innocenz zu Lothar? Wir haben bereits im ersten Abschnitt gesehen, dass Anaklet sich an Adelbert von Mainz und dessen Partei anschloss, während
" bei Jaffe bibl. rer Germ. V p. 419 u. 42i. 62 So bieten sie Lothar wetteifernd die Aufhebung der Suspension Friedrich's von Köln, die Beilegung des Halbcrstädter Streites, die Unterstützung gegen Conrad von Hohenstaufen an. s. a. a. 0., letzteres in Anaklct's Brief mehr allgemein gehalten: vestros amicos, seu inimicos nostros pariter deputare (volumus).
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Innocenz keinen Augenblick versäumte, Conrad von Salzburg und Norbert von Magdeburg für sich zu gewinnen, indem er als der zuerst Gewählte das Vorrecht kanonischer Wahl in Anspruch nahm."3 So bestand in Deutschland dasselbe Verhältniss der Parteien wie gleichzeitig in Frankreich: 6 4 wie in Frankreich stützte sich Anaklet auf die Partei der Ehrgeizigen, nach weltlicher Macht Strebenden; Innocenz auf die der streng religiös Gesinnten, Ueberzeugungstreuen. "Wir sahen, welcher von beiden Richtungen die Zeit huldigte. Innocenz verräth ohne Frage die tiefere Einsicht in die Lage der Dinge, wenn er sicli derjenigen zuwandte, welche die Yölker und Fürsten und besonders auch Lothar beherrschte. Denn bei Lothar stand die Entscheidung des Kirchenschismas. Anaklet hatte zwar den Gegner schnell aus Rom verdrängt und gebot dort, allein die mächtigen Adelsgeschlechter der Frangipani und Corsi waren nur für den Augenblick unterworfene, stets drohende Feinde. 05 Innocenz, flüchtig,- musste sich im Auslande Anerkennung und Hülfe suchen, um den päpstlichen Sitz wieder erringen zu können. Frankreich war ihm wohl schon durch die Energie Bernhard's gewonnen, allein e i n g r e i f e n d e Hülfe konnte er do.ch nur vom römischen Könige erwarten. Ein besonderes Glück für Lothar war es zudem, dass Conrad's Macht in Italien um diese Zeit bereits aufs Aeusserste gesunken war, so dass eine Verbindung mit demselben Anaklet nicht thunlich erschien und derselbe es vorzog, wie es Innocenz bereits gethan,HB den von Ilonorius über Conrad ausgesprochenen Bann zu erneuern. 67 Dadurch war Lothar an keinen der beiden Päpste gebunden, war absoluter Schiedsrichter über die Besetzung des päpstlichen Stahles. Auf wessen Seite er sich stellen würde, war innerlich entschieden, nachdem sich die Männer seines Vertrauens, Norbert und Konrad von Salzburg, für Innocenz erklärt hatten. Wenn er zögerte, mit seiner Ansicht hervorzutreten, so geschah dies jedenfalls nur, um auch äusserlich die Frage mit aller Wahrung des Rechtes zum
63
cf. die Briefe bei Jaffe bibl. rer. Germ. V 245, 246, 247, 248. Hier vertrat der ehrgeizige Gerard von Angouleme im Bunde mit dem Grafen von Aquitanien Anaklet's Partei; der fanatische Bernhard von Clairveaux die des Innocenz. cf. die Briefe des Letzteren b. Mabillon opp. Bernardi T. I. 65 s. Giesebreclit: Gesch. d. deutsch. Kaiserzeit IV, 1 p. 54 ff. 66 s. den Brief bei Jaffe bibl. rer. Germ. p. 419, vor dem 18 Febr. 1130. 61 am 27. März 1130. 64
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Austrage zu bringen. 68 Noch hatte er das entscheidende Wort nicht gesprochen, als er im März 1131 zur Zusammenkunft mit Innocenz nach Lüttich zog.69 Und hier war es, wo zuerst von einer Bestimmung über die Verhältnisse zwischen Staat und Kirche die Rede war. Die uns hierüber erhaltenen Nachrichten sind folgende: 70 1. Otto Frising Chron. M. G. SS. X X p. 257, 17: „regem Lotharium ad defensionem sanetae Romanae ecclesiae invitavit (sc. Innocentius Leodii). Qui nil cunctatus, exposito tarnen prius modeste in quantum regnum amore ecclesiarum attenuatum, investituram ecclesiarum quanto sui dispendio remiserit, auxilium Romanae ecclesiae promittit". Wenn man Otto von Freising im Zusammenhang liest, so ist es nur möglich, hier unter der remissio investiturae die Aufgabe der Investitur mit Ring und Stab seitens Heinrich's Y. zu verstehen, denn nur von dieser hat Otto vorher gesprochen. 2. Chron. Urspergense beruht auf der Tita Bernhardi. 71 cf. diese unten. 3. Chron. Mon. Casin. M. G. SS. YII p. 811, 29: „Innocentius juxta Leodium a Lothario rege excipitur, virgam et anulum ei juxta morem antiquum confirmans, nec non et terram comitissae Mathildae ei contradens tt . 72 . 4. Yita Scti. Bernhardi C. I § 5:
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Wie sehr Lothar in diesem Punkte mit Norbert und dessen Freunden eines Sinnes ist, sehen wir aus der energischen Betonung der rechtlichen Seite des Streites, welche aus dem Antwortsehreiben "Walter's von Ravenna an Norbert als des Magdeburgers Hauptfrage hervortritt, s. Jaffé bibl. rer. Germ. Y p. 423. 69 Das zeigt der Brief Bernhard's von Clairveaux (opp. ed Mab. T I p. 138): Domini Papae Innocentii et innocens vita et intégra fama et e l e c t i o c a n o n i c a praedicatur; tertium (i. e. electio) calumniam habuit, sed per christianissimum Lotharium n u p e r falsi calumniatores in suo sunt mendacio deprehensi. — Der Brief ist 1132 geschrieben. '0 cf. Jaffé Gesch. d. deutsch. R. u. Loth. p. 98/99. -- Gervais, p. Gesch. Deutschl. p. 172 ff. — Friedberg, Forsch, z. deutsch. Gesch. T i l l p. 83. 71 s. Jaffé Gesch. d. deutsch. R. unter Loth. p. 242. 72 Es wird'nicht zu sehr befremden, wenn d e r I t a l i e n e r einen so grossen Irrthum begeht, in Lüttich die Aufhebung des Wormser Concordâtes Statt finden zu lassen. Doch spricht die noch so irrige Nachricht immer auch dafür, dass in Lüttich von einer solchen Aufhebung d i e R e d e w a r , indem der Chronist diesen Umstand mit den Vorgängen von 1133 vermengt.
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„Siquid em iinportuno idem Rex institit, tempus habere se reputans opportunum, Episcoporum sibi restitui investituras, quas ab ejus praedecessore Imperatore Henrico per maximos quidem labores et multa pericula Romana ecclesia vindicarat. Ad quod verbum expavere et expalluere Romani et gravius sese apud Leodiuin arbitrati periculum offendisse, quam declinaverint Romae, nec consilium suppetebat, donec murum se opposuit Abbas sanctus (sei. Bernardus). Audacter enim resistens regi verbum malignum mira liberalitate redarguit, mira auetoritate composuit". Diese Nachricht, wenn sie auch die That des Bernhard in allzu helles Licht setzen mag. ist doch um so glaubwürdiger, weil sie sich nicht g a n z mit der gleich folgenden Stelle in Bernhard's Brief über diesen Vorfall deckt; man sieht daraus wenigstens, dass der Biograph nicht nach diesem Briefe gearbeitet hat. 5. Epist. Scti. Bernhardi (opp. ed. Mabillon T. I p. 154), geschrieben 1133 an Innocenz: „Sed nec Leodii cervicibus imminens mucro barbaricus compulit acquiescere importunis improbisque postulationibus iracundi atque irascentis regia". Wenn man diese verschiedenen Nachrichten kritisch mit einander vergleicht und ü b e r h a u p t die Beglaubigung geschichtlicher Thatsachen durch überliefertes Wort gelten lässt, so kann kein Zweifel sein, dass Lothar in Lüttich die Aufhebung des Wormser Concordates von Innocenz gefordert hat. 73 Dass es sich hier nicht um eine B e s t ä t i g u n g des Wormser Concordates handelte, wie man früher meist annehmen wollte, ergiebt sich besonders ganz evident aus der authentischen Stelle in Bernhard's angeführtem Briefe: unmöglich konnte Bernhard 73
Selbst Gervais giebt das zu (pol. Gesch. Deutschi. u. Heinrich V u. Lothar Theil II p. 171), bemüht sich freilich, diese F o r d e r u n g als ebenso unschuldig und harmlos d a r z u s t e l l e n , wie früher die e n t g e g e n g e s e t z t e n B e d i n g u n g e n des W a h l p a k t e s . Eine solche Darstellung heisst weder Schwarz noch W e i s s , sondern nur Grau kennen. U n d doch erhebt sie Köpke auf's Rühmendste g e g e n ü b e r einem W e r k e , wie das von Jaffe es i s t ! (s. den Aufsatz von Köpke in d Zeitschr. f. Geschichtswi sensch. von Dr. W . A Schmidt, Berlin 1844. I p. 220.) Aus dieser Forderung Lothar's ergiebt sich, so weit ich sehe, übrigens einleuchtend auch von dieser Seite her, dass er früher k e i n e "Verpflichtung nach Art des W a h l p a k t e s e i n g e g a n g e n sein kann. D e n n er würde dann nicht plötzlich zur extremsten F o r d e r u n g ü b e r g e s p r u n g e n sein, sondern wohl zunächst die Wiederherstellung des Wormser Concordats gefordert haben.
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mit „importunis improbisque postulationibus" das Wormser Concordat meinen, welches Lothar, wie wir sahen, stets in vollem Maasse übte und welches Innocenz selbst ihm später materiell bestätigte, ohne dass Bernhard ein "Wort des Tadels darüber fallen liesse.74 Der Grund dieser Annahme liegt zum Theil wohl in der früher gehegten Meinung der Historiker, Lothar habe den Wahlpakt geschlossen und gehalten, zum Theil aber in der richtigen Einsicht, dass jene offensive Forderung um Aufhebung des Concordâtes nicht recht zur ganzen Stellung und Anschauungsweise Lothar's zu passen scheint. Wir sahen, er lebte recht in dem Gedankenkreise der Männer, welche die Yermengung der geistlichen und weltlichen Dinge innigst verabscheuten. Er hatte bisher, das sahen wir, conséquent an der Uebung des Wormser Concordâtes festgehalten, somit dieses als maassgebendes Rechtsprincip für sich hingestellt. Auch hatte er bis zu dem Tage von Lüttich durchaus keine Erfahrungen gemacht, welche ihn auf die Unzulänglichkeit der Wormser Bestimmungen hingeführt haben könnten oder dieselben als eine Beschränkung seiner Macht ihn hätten empfinden lassen. Die meisten Wahlen waren — nachweislich — unter seinem Einflüsse vor sich gegangen, 75 er sah fast überall zuverlässige, ihm geneigte Männer auf den Bischofsstühlen — wie kam Lothar dazu, jene Forderung in Lüttich zu stellen? Ich glaube, hier hat der Einfluss Heinrich des Stolzen eine Rolle gespielt. Wir wissen nur wenig von diesem bedeutenden Manne, aber wir wissen, dass er dem Papste gegenüber ebenso hochfahrend auftrat, wie er es sonst gewohnt war, 76 und wissen, dass er eine hohe Stufe in Lothar's Vertrauen und Zuneigung einnahm. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass e r besonders den König zu diesen extremen Forderungen angestachelt habe. Doch wie dem auch sei — es ist klar, dass Lothar jene Forderungen z u r ü c k z i e h e n musste, sowie Bernhard sich energisch gegen dieselben erklärte. Denn mit diesem erklärte sich' die ganze Partei, welche ich oben die pietistische nannte, dagegen — die Partei, auf deren inniger Unterstützung Lothar's ganze Macht im Inneren begründet war, wie wir oben sahen. So 14
cf. denselben Brief, der nach der Krönung Lothar's gesehrieben ist. Ausser den oben angegebenen Wahlen vor 1131, deren Verlauf dies zeigt, führe ich hier noch die von Münster und Würzburg an, wo intimste Anhänger des Königs gewählt wurden, (cf. Giesebrecht, Gesch. d deutsch. Kaiserzeit IV 1 p. 46.) cf. Annal. Saxo M. G. öS. VI p. 773, 39. 75
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niusste Lothar, auch ohne den Abschluss eines Vertrages erreicht zu haben, das Versprechen geben, Innocenz nach Rom leiten zu wollen; wie es sich mit sonstigen Gegenleistungen des Papstes verhält, wissen wir nicht. Yon einer Bestätigung des Wormser Concordâtes schweigen alle Quellen, die ausführlicher von jenen Vorgängen berichten. 77 Nur die Angabe des Petrus Diaconus 78 lässt sich vielleicht dahin deuten, dass Innocenz Versprechungen gemacht habe, welche ihre Erfüllung nach vollbrachtem Romzug finden sollten. Keinesfalls hat Lothar, die beherrschende Situation, welche er gegen den Papst einnahm, ausgebeutet, und es ist keine Frage, dass sich Innocenz ihm hier diplomatisch überlegen gezeigt hat. Nicht einmal eine Bestätigung des Concordâtes erlangt zu haben, war für Lothar um so bedenklicher, weil er durch die Stellung darüber hinausgehender Forderungen das Zutrauen des Papstes zu seiner Loyalität erschüttert hatte und bei demselben die Befürchtung erweckt haben musste, dass er die Grenzen des Wormser Vertrages überschreiten möchte. Und die Folge davon zeigte sich sofort in höchst eingreifender Weise. Innocenz weihte Albero zum Erzbischof von Trier, ohne Rücksicht auf die mangelnde Bestätigung des Königs, die fehlende Belehnung mit den Regalien. 79 Diese Thatsache stellt die Lütticher Vorgänge in's klarste Licht: so unabhängig war der Papst doch noch keineswegs von Lothar, dass er es hätte wagen können, einem jüngst von ihm bestätigten Vertrage so rücksichtslos zuwider zu handeln. Von einer Bestätigung des Wormser Concordâtes in Lüttich kann somit sicher keine Rede sein. Im Gegentheil, da durch Lothar's Forderung und deren Zurückweisung das gegenseitige Vertrauen erschüttert war, suchte der Papst etwa voraussichtlichen Uebergriffen des Königs zuvor zu kommen und demselben dadurch von vornherein die Spitze zfu bieten. Ganz dem entspricht es auch, dass Lothar nur von dem E r z b i s c h o f , als seinem Unterthanen, n i c h t v o n d e m P a p s t e Rechenschaft forderte. 80 Nur unter derselben Voraussetzung ist es ferner begreiflich, dass Erzbischof Conrad von Salzburg die Weihe
" Und die gleich zu erörternden Thatsaclien erheben dieses Schweigen zum Beweis. 58 s. oben p. 37. 79 Zu Yienne im October 1131 , also kurze Zeit nach dem Concil zu Lüttich. s. oben die "Wahl p. 29. 8" cf. Gesta Alberonis M. G. SS. YIII 250, 52.
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Heinrich'« von Regensburg gegen die Bestimmungen des "Wormser Concordâtes vornehmen konnte, 8 1 ohne wegen der Yerletzung eines zwischen König und Papst bestehenden Vertrages zur Verantwortunggezogen zu werden. Und endlich lässt sich nur so jene Urkunde verstehen, welche der Papst am 8. Juni 1133 zu Rom Lothar nach erfolgter Krönung ausstellte. Es ist dies das einzige urkundliche Material, welches uns über Lothar's Beziehungen zur Kirche überliefert ist, und deshalb von ausserordentlicher Bedeutung. Jaffé hat das Schriftstück in der bibl. rer. Germ. 82 zuerst aus einer Mainzer Membran herausgegeben, W i e h e r t 8 3 zuerst auf die historische Bedeutung desselben aufmerksam gemacht, und Giesebrecht hat es zuerst in seiner Darstellung Lothar's verwerthet. Doch wird uns dasselbe nach dem vorhin Auseinandergesetzten in etwas anderem, präciserem Lichte erscheinen. Lothar war am 4. Juni 1133 zu Rom von Innocenz gekrönt worden, am 8. übergab ihm derselbe die Mathildische Erbschaft, 8 4 und von demselben Tage ist auch unsere Urkunde datirt. Wenn wir mit diesem Umstände die Nachricht der Chronica Monasterii Casinensis zusammenhalten, 85 so dürfen wir kaum zweifeln, dass hiermit Versprechungen^ welche der Papst zu Lüttich als Lohn der Romfahrt verheissen hatte, zur Erfüllung gekommen sind. Ob Lothar bei dieser Gelegenheit abermals die Aufhebung des Wormser Concordâtes verlangt habe, wie die Vita Norberti 8 6 berichtet, lässt sich quellenmässig nicht entscheiden. Innere Gründe sprechen dagegen. E s ist nicht gerade wahrscheinlich, dass Lothar in einer weit weniger überlegenen Position — nach der Einführung des Papstes in seine Hauptstadt — eine Forderung wiederholt habe, deren Verweigerung er hingenommen hatte, als sich der Papst zu Lüttich ganz in seiner Macht befand. Auch bemerkt Friedberg mit Recht, 8 7 dass die Erzählung in der Vita ganz den Eindruck theatralischer Uebertreibung zur Verherrlichung Norbert's mache s. oben die Regensburger Wahl p. 31. 82 V p. 522. 8 3 in dem oft citirten Aufsatz in. den Forsch, zur d. Gesch. X I I p. 110. s i Ich übergehe die an diesen Vorgang sich knüpfenden Fragen, welche Ficker (vom Heerschilde p. 33) abschliessend beantwortet hat, weil sie diesem Thema fern liegen. 9 5 s. oben p. 37. 86 M. G. SS. X I I p. 702, 12. 81 Forsch, z. deutsch. Gesch. Y I I I p 85. 81
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und daher nicht u n b e d i n g t e n Glauben verdiene. Doch Eins folgt mit Sicherheit aus dieser Erzählung — denn absolut unwahre Nachrichten enthält, so weit ich sehe, die Yita Norberti nirgends — : nämlich, dass in Rom die Regelung der Verhältnisse zwischen Reich und Kirche überhaupt zur Verhandlung gekommen ist. Und zwar v e r l e g t die V i t a d i e s e V e r h a n d l u n g e n ganz r i c h t i g a u f d e n Z e i t p u n k t , wo sie nach unserer Urkunde Statt gefunden haben: unmittelbar nach der Krönung. Dass keine der übrigen Quellen von diesem in unseren Augen so wichtigen Ereignisse Notiz genommen hat, erklärt sich wohl aus der Thatsache, die ich in der Einleitung erwähnte, nämlich aus der Gleichgültigkeit der literarischen Kreise gegen die Fortentwickelung der kirchlichpolitischen Verhältnisse nach Abschluss "des Wormser Concordâtes, und wir werden uns daher durch dieses Schweigen nicht beirren lassen dürfen. Lothar musste in Rom 1133 unter allen Umständen auf eine gesetzliche Regelung des Verhältnisses zwischen Reich und Kurie dringen. Wir haben gesehen, dass er durch seine Forderungen — sei es nur in Lüttich oder auch in Rom — die Rechtskräftigkeit des Wormser Concordâtes erschüttert und die Unsicherheit des nun herrschenden Zustandes in zwei eclatanten Fällen auf das Empfindlichste erfahren hatte. D i e s e r U n s i c h e r h e i t e i n E n d e zu m a c h e n , s o l l t e d i e B e s t i m m u n g d e r U r k u n d e v o m 8. J u n i 1 1 3 3 s e i n . Nachdem dieselbe in anerkennenden Worten der treuen Dienste des Kaisers gegen die Kirche gedacht und deren Dankbarkeit dafür hervorgehoben hat, heisst es am Schlüsse: „Nos igitur majestatem imperii nolentes ininuere sed augere, imperatoriae dignitates [plenitu] dinem tibi concedimus et debitas et canónicas consuetudines praesentis scripti pagina confirmamus. I n t e r d i c i m u s autem, ne quisquam eorum, quos in Teut [onico] regno ad pontificatus honorem vel abbatiae regimen evocari contigerit, regalía usurpare vel invadere audeat, nisi eadem prius a tua [potes] täte deposcat, atque ex his que jure debet tibi, tuae magnificentiae faciat". In der That ist dieser letzte Theil der Urkunde ein Meisterstück päpstlicher Diplomatie : sie gewährt dem Kaiser nur das denkbar geringste Maass seiner dringenden Forderungen, und zwar in einer Form, welche die ganze Bestimmung als einen einseitigen Willensakt des Papstes erscheinen lässt. Man kann das kaum eine Bestätigung des Wormser Concordâtes nennen. Allerdings ertlieilt
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die Urkunde in den Worten: „canónicas consuetudines confirmamus" f a c t i s c h dem Kaiser die Rechte des Wormser Concordâtes, welche er ja bisher als sein Gewohnheitsrecht geübt hatte, aber dieselbe greift nicht f o r m e l l und ausdrücklich auf das Concordat zurück und eröffnet willkürlicher, böswilliger Interpretation jedweden Spielraum, indem eine der Hauptbestimmungen des Concordâtes, nämlich diejenige über die Folge von Investitur und Weihe 8 8 in Deutschland, als eine ganz neue und in dem obigen Satze canónicas — confirmamus nicht einbegriffene Bestimmung hingestellt erscheint. Es war damit die Handhabe gegeben, die n i c h t ausdrücklich genannten Bestimmungen des Wormser Concordâtes — und das sind vor Allem : die Wahl in Gegenwart des Königs und die Investitur der italienischen Bischöfe 89 — als dem Könige n i c h t z u g e s t a n d e n zu erklären, und wenn auch Innocenz die Gelegenheit, und Möglichkeit fehlte, dergleichen geltend zu machen, so hat es doch später die Kurie verstanden, aus diesem Umstände Nutzen zu ziehen, als sie den Kampf gegen Friedrich I. aufnahm und das Wormser Concordat nicht mehr als zu Recht bestehend gelten lassen wollte.00 Ob Lothar seinerseits dem Papste eine Gegenurkunde ausgestellt habe und somit ein formeller Yertrag zu Stande gekommen sei, lässt sich nicht entscheiden. Dagegen spricht, dass Lothar bei seiner Thronbesteigung dem Papste schwört: ,,regalia sanctiPetri quae habes manu tenere, jux ta meum posse recuperare", eine Zusage, welche zum Theil mit denselben Worten im Wormser Concordat enthalten ist und wohl nicht in den Schwur aufgenommen wäre, wenn sie in einer von Lothar auszustellenden Gegenurkunde Raum gefunden hätte. Jedenfalls hat Lothar sich vom Juni 1133 an im Vollbesitze der Wormser Concordatsrechte gefühlt und energisch danach gehandelt. Mochte auch Adelbert von Mainz in heftigem Groll über „die Zerstörung der kirchlichen Freiheit" klagen und
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Und dies war gerade die B e s t i m m u n g , welche bei Gelegenheit der W a h l e n zu Trier und R e g e n s b u r g von Seiten der Kirche eclatant verletzt worden w a r , und daher eine ausdrückliche B e s t ä t i g u n g im Interesse des K ö n i g s am dringendsten zu erfordern schien. 89
cf. Concord. "Worin. M. G. LL. p. 7 5 ; besser bei Jaffe bibl. V p. 387. cf. Otton. F r i s i n g . Chron. M. G. SS. X X 256, 18: Hoc (seil, pactum Wormat.) pro bono pacis sibi (seil. Heinrico V) soli et non successoribus datum dicunt Romani. Diese berühmte B e h a u p t u n g der Kirchenpartei ist ermöglicht durch die eben geschilderte Z w e i d e u t i g k e i t der Urkunde von 1133. 90
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seine Freunde zu offener Empörung auffordern 91 — wenn ihm schon früher das alte Spiel nicht gelungen war, so mussten jetzt seine Bemühungen um so fruchtloser sein, da Lothar siegreich aus Italien zurückgekehrt und die Macht der Hohenstaufen bereits gebrochen war. Bald muss er sich auch gefügt und seinen Frieden mit Innocenz geschlossen haben, denn er wird in einem Briefe desselben vom 26. März 1137 „apostolicae sedis legatus" angeredet. 92 Ein Blick auf die Bischofswahlen seit Lothar's Rückkehr aus Italien 93 zeigt uns auch in der That das Bild einer gesetzmässig geregelten Institution. Keine wesentliche Abweichung von der Norm des Wormser Concordâtes lässt sich nachweisen : die Wahlen finden in Gegenwart des Kaisers 94 oder mit Zustimmung desselben Statt. Die Ertheilung der Investitur vor der Weihe lässt sich zwar nicht bei allen d i r e k t n a c h w e i s e n , aber doch überall als sicher a n n e h m e n , auch wenn sie bei der Bestätigung' der Wahl nicht ausdrücklich erwähnt ist,95 weil die Wahl stets vom Kaiser in Person bestätigt wird, und wir dann erst, zum Theil beträchtlich viel später, die Weihe erfolgen sehen. Ueber die maassvolle Art, in welcher Lothar von den ihm zustehenden Rechten Gebrauch machte, werde ich unten im folgenden Theil zu reden haben. Nur dadurch ist das ungetrübte Verhältniss zu erklären, welches fortdauernd zwischen Lothar und dem deutschen Klerus obwaltete. Doch war es vielleicht ein Glück, dass Innocenz selbst fortwährend zu sehr in seinem Hause bedrängt war, zu sehr von abermaliger Hülfe Lothar's abhing, um diesem in seinem Walten dem Klerus gegenüber in den Weg treten zu können. Denn Innocenz war ein anderer Mann, als der friedliebende Honorius. Gervais bemüht sich freilich in seinem Buche, 96 das freundliche Einvernehmen zwischen Lothar und Honorius auf Innocenz zu übertragen und bis zu einem Grade von rührender Freundschaft zu steigern, indem er-die verschiedene Individualität 91 cf. den Brief an Otto von Bamberg, anno 1134 ¡neunte b. Jaffe bibl. Y p. 451. « Jaffe bibl. III p. 398 93 s. oben p. 32 bis 35. 94 Die "Wahlen zu Basel, Magdeburg-, Halberstadt, Cambray. 95 Es wird wohl nur deshalb in den Quellen meist nur die persönliche B e s t ä t i g u n g seitens des Königs erwähnt, weil sich die I n v e s t i t u r mit den Regalien in diesem Falle von selbst verstand. 96 polit. Gesch. Deutschi. u. Heinr. V u. Lothar III.
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Innocenz's und Honorius' unter dem gemeinsamen Namen „Papst" vollständig verschwinden lässt. Aber wir kennen Innocenz aus den Yorgängen im Jahre 1137, die uns Petrus Diaconus im ausführlichsten Detail mittheilt, 97 ganz anders. Dort zeigt er sich so kleinlich hartnäckig, gegründeten Rechten und billigen Vergleichsvorschlägen gegenüber so unzugänglich, dass wir unmittelbar den Eindruck bekommen, es habe ihm nur an der Freiheit der Aktion gefehlt, um dem Kaiser bei anderen Gelegenheiten ernste Schwierigkeiten zu bereiten. In seinem Benehmen nach der'Lütticher Conferenz und in der Urkunde von 1133 lässt sich derselbe Geist von mala fides erkennen, welcher uns in dem Benehmen des Papstes im Jahre 1137 entgegentritt. Offenbar verstand Innocenz die tiefe, religiöse Innerlichkeit des deutschen Königs nicht: jene Demuth, die ihm Lothar in Lüttich erzeigt, 98 das Zurückziehen seiner Forderungen dort, welche, mit Rücksichtslosigkeit festgehalten, nicht hätten verweigert werden können, das Genügen an jener zweideutigen Urkunde von 1133, das maassvolle Auftreten Lothar's, wo immer es sich um kirchliche Fragen handelte, 99 — das Alles schien dem eigensüchtigen Italiener nichts Anderes als Schwäche. Er meinte wohl, diesem Fürsten gegenüber könne man Alles durchsetzen, wenn man es nur mit Energie festhielte; sonst wäre es unbegreiflich, dass er es bei der Zusammenkunft in Unteritalien über verhältnissmässig so geringem Anlasse bis hart an die Grenzen eines Bruches treiben konnte. 100 Der Kaiser aber steht ihm gegenüber mit der ernsten Ehrerbietung, welche er dem irdischen Vertreter alles Heiligen zollen zu müssen glaubt, mit der festen Gerechtigkeit und wohlwollenden Mässigung des mächtigen Herrschers, bis er endlich sieht, dass hier böser Wille im Spiele ist. D a wirft er dem nörgelnden Papste die energische Frage entgegen: „ob er sich dem Rechte beugen oder eine unheilbare Trennung zwischen der Römischen Kirche und dem Reiche hervorrufen wolle ? " 1 0 1 — es war kein Wunder, dass dieser Innocenz beim ganzen Heere verhasst und mit Lothar nicht innerlich befreundet war. Der Zwang seiner L a g e knüpfte ihn an den Kaiser, nicht aufrichtige Ueber-
' Chron. Mon. Casin. M. G. S S . V I I p. 821 ff. cf. S u g e r i u s , vita L u d o v i e i bei B o u q u e t , R e c u e i l des hist. X I I p. 58. 9 9 s. die A u a f ü h r u n g im f o l g . Abschnitte. >»» cf. Chron. Mon. Casin. M. Cr. S S . V I I p. 827, 27. 1 0 1 cf. Chron. Mon. C a s i n . a. a. 0.
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einstimmung der Interessen, wie es zwischen Honorius und dem Könige der Fall gewesen war. So konnte es dazu kommen, — denn auch die Lehnsherrlichkeit über Apulien war eine offene Streitfrage peinlichster Art geblieben 1 0 2 — dass selbst ein Kaiser von der Pietät, wie Lothar sie besass, mit dem Oberhaupte der Christenheit in Conflikte gerieth, welche vielleicht nur durch seinen Tod nicht zum offenen Streite gediehen. Und es zeigt sich schon hier, dass der Wiederausbruch des Kampfes zwischen den beiden Weltmächten nicht von der zufälligen Anlage eines Lothar oder Friedrich Barbarossa, sondern vielmehr von der nothwendigen Anlage der Verhältnisse abhängig war. W i r haben gesehen, dass Lothar dem vorwiegenden Friedensbedürfnisse seiner Zeit entgegenkam, indem er sich auf die Friedenspartei unter der Geistlichkeit stützte, und dass es ihm dadurch gelang, die übertriebenen Forderungen bei seiner W a h l zurückzuweisen. W i r haben dann gesehen, dass er, immer auf diese Partei gestützt, im Stande war, das Wormser Concordat inne zu halten, dass Honorius ihm dies stillschweigend als Recht zuerkannte, während Innocenz, da die Yerhältnisse eine gesetzliche Regelung nothwendig machten, sich einer formellen Bestätigung des Concordâtes zu entziehen wusste, und in der Urkunde von 1133 nur eine materielle, formell höchst ungenügende Bestätigung der bisher von Lothar geübten Concordatsrechte gegeben hat.
10a
Die
gemeinsame
ein momentanes
Belehnung
Auskunftsmittel,
loci et temporis utriusque partis SS. I X X p. 4 2 2 , 3 5 .
postmodum
allegationibus
haec c o n t r o v e r s i a m e d i a n t e justitia M. G
seitens Kaisers
„ut . . . .
finiretur."
und
P a p s t e s w a r nur
habita
opportunitate
plenius exhibitis
et
ostensis
R o m o a l d i Annales S a l e r n i t a n i
Dieso Stelle wird öfter übersehen, wie es scheint.
IT.
Die Rechtsfragen des Wormser Concordâtes und Lothar's Stellung zu denselben. Ich wende mich jetzt zu der Untersuchung, wie Lothar die einzelnen Punkte des Wormser Yertrages aufgefasst und zur Ausübung gebracht hat. Jene grossen Fragen nämlich, welche die Machtscheide zwischen Kaiser- und Papstthum bildeten und den bedeutenden Kampf hervorgerufen hatten, waren im "Wormser Concordat nur im P r i n c i p e zur Erledigung gekommen. Es waren dort meist allgemeine, unbestimmte Ausdrücke gewählt, welche der Interpretation den freiesten Spielraum gewährten. Und zwar liegt dabei wohl tlieils die Absicht zu Grunde, sich allerdings innerhalb gewisser Grenzen zu verständigen, aber sich nicht zu eng zu binden; theils waren die in Frage kommenden concreten Verhältnisse so schwieriger, verwickelter Natur, dass eine specialisirende Gesetzgebung unmöglich schien. Auch wissen wir, mit welcher Noth die Einigung der Parteien in Worms zu Stande kam; wenn man sich in die Details all' der häklichen Fragen eingelassen hätte, wäre sicher niemals eine Verständigung erzielt worden. So waren die wichtigsten Einzelfragen der subjektiven Auffassung der Paciscenten anheim gestellt. Wenn der Wormser Vertrag bestimmte: 1 „electiones episcoporum et abbatum Teutonici regni qui ad regnum pertinent, in praesentia tua fieri ut si qua inter partes discordia emerserit, metropolitani et comprovincialium consilio vel v iudicio saniori parti assensum et auxilium praebeas", 1
p. 387.
s. Pactum "Wormatiense LL. II p. 75. — Jaffé, bibl. rer. Germ V
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so musste sich erst auf dem W e g e gewohnheitsmässiger Uebung herausstellen, worin dieses „assensum et auxilium praebeas" eigentlich bestehen sollte und wie die praesentia des Königs zu fassen sei. 2 Wenn es dort ferner heisst: „electus autem regalia per sceptrum a te recipiat, . . so war es fraglich, was denn unter diesen regalia einbegriffen sei; und wenn das Gesetz fortfährt „et quae ex bis (seil, regalibus) iure tibi debet, faciat," so konnte daraus Jeder so viel oder so wenig er wollte für die Pflichten des Klerus ableiten, welche durch die Entgegennahme der Regalien entständen. Denn über alle diese Punkte herrschte ja keineswegs stillschweigendes Einverständniss, sondern offener, zum Theil hartnäckiger Streit. Somit war das Wichtigste künftiger Praxis überlassen, und da Heinrich V. zu bald nach dem Abschluss des Concordâtes starb, als dass er in allen Punkten seine Auffassung hätte zur Geltung bringen, geschweige denn ein Gewohnheitsrecht hätte schaffen können, so war die Interpretation und Vollstreckung des Wormser Concordâtes recht eigentlich auf die Schultern L o t h a r s gelegt. Dieser Umstand ist bisher kaum in's Auge gefasst, noch weniger untersucht worden, obgleich es doch auf der Hand liegt, wie bedeutungsvoll derselbe für die Geschichte des Kirchenstreites zur Zeit seines Wiederbeginns unter Friedrich I. sein muss. Ich werde daher in Folgendem versuchen zu zeigen, wie Lothar die erwähnten, wichtigsten Rechtsfragen des Wormser Concordâtes erledigt hat, und zwar werde ich das thun mit stetem Hinblick auf Heinrich V. und Friedrich I., denen gegenüber sich die eigenartige Auffassung Lothar's am deutlichsten hervorheben lässt. 3 In dieser Weise werde ich folgende 3 Punkte behandeln: a. die Bischofswahlen, b. Regalien und Kirchengut, c. die Lehnspflicht des Klerus. Vorher noch eine Bemerkung allgemeiner Natur. E s war eine geschichtliche Notwendigkeit, dass in dem Augenblicke nach s. unten. Ich berücksichtige Konrad I I I deshalb nicht, weil mir eine selbstständige Haltung desselben gegeniibor den fraglichen Gegenständen nicht bemerklich geworden ist. 2
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Heinrich's Tod, als das erschöpfte Deutschland des kaum errungenen Waffenstillstandes dringend bedurfte, eine Persönlichkeit auf den Thron kam, welche einen hohen Grad von Rechtstakt und Mässigung besass. Wir sahen früher schon, dass Lothar in Hinsicht seiner aufrichtigen Frömmigkeit mit Ludwig dem Heiligen auf eine Linie zu stellen sei, — auch in den genannten Herrschertugenden ist er dem französischen Fürsten gleich zu achten. Petrus Diaconus hat uns einen Ausspruch überliefert, 4 welchen Lothar gelegentlich der Streitfragen um Monte Casino that, ein echtes Herrscherwort: „Lex ergo imperatorum non plus aliis, quam imperatoribus constituitur, immo magis hanc illis conservare condecet, qui eorum originem possident generositatis". Die hohe Ansicht von der Pflicht seines Amtes, welche sich in diesen Worten äussert, hat Lothar in der That durch alle seine Handlungen bewährt, so lange er König war. 5 Er war es, der zuerst wieder mit initiativer Gesetzgebung in den Gang der deutschen und italienischen Lehnsverhältnisse eingriff,6 der durch Errichtung eines allgemeinen Landfriedens Rechtes und Gesetzes Uebung im ganzen Reiche ermöglichte, der bei allen streitigen Fragen nicht mit Willkür, sondern nach strenger Prüfung des vorhandenen Rechtsmaterials verfuhr. 7 Mit diesem Sinn für Recht und Gesetz ging Lothar an die grossen Fragen, welche die Ausübung des Wormser Concordates ihm darbot. a. Die Leitung der Bischofswahlen war die erste dieser Fragen. Unbestimmt, wie überhaupt, spricht das Concordat auch hier. Ich zeigte im 2. Abschnitte auf Seite 25, dass unter der Bezeichnung electio sowohl die formelle Wahl bei Hofe wie die Vorwahl am Orte der Sedisvacanz einbegriffen sei. Wenn der • Chron. Casin. M. G. SS. VII p. 826, 41. Mit Recht rühmen dalier zahlreiche Annalisten von ihm die Eigenschaft dor Justitia. 6 cf. die Gesetze in M. G. LL. II p. 82 u. 83. 1 cf. die Vorgänge bei der Belehnung von Apulien R o m o a l d i Annales Salernitani M. G. SS. X I X p. 422, das Verhalten bei der Abtswahl in M. Casino M G. SS. VII p. 820 ff. und später p. 837. Ferner cf. das Privilegium au Stablo bei Lünig dtsches. Reichsarchiv Spicilegii eccl. III p 789: ubi ft fratribus ejusdem loci, ejusdem occlesiac iura et privilegia diligenter audivimus et relegimus. 5
B e r n h e i m , L o t h a r I I I u . das W o r m a e r Concordat.
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König den "Wortlaut des Worjnser Vertrages urgiren wollte, so konnte er aus demselben die Abschaffung jener, immerhin die formelle Wahl nicht unwesentlich präjudizirenden Yorwahl ableiten. Allein schon Heinrich V. war billig genug, dies nicht so aufzufassen,8 Friedrich I. später ebenfalls,9 und wir haben schon oben erwähnt, dass Lothar diese Auffassung theilte. Bald fanden die "Wahlen erst in seiner Gegenwart Statt, ohne vorhergegangene Designation, bald präsentirten sich ihm die vorläufig Gewählten und suchten seine Bestätigung nach. Besonders vorhergesehen war in dem "Wormser Concordat der Fall einer zwiespältigen "Wahl — auch dies konnte sich auf die Vorwahl wie auf die "Wahl bei Hofe beziehen —, weil dabei der weltlichen Macht am Leichtesten Gelegenheit zu Uebergriffen geboten war. Und in diesem Punkte zeigt sich die Auffassung Lothar's wesentlich von der Heinrich's V. und Friedrich's I. verschieden. Der Vertrag bestimmte: „ut si qua inter partes discordia emerserit, metropolitani et comprovincialium consilio vel iudicio, saniori parti assensum et auxilium praebeas . . . . " Diese Bestimmung fasste Heinrich V. mit Billigung des ganzen Hofes bei der streitigen Abtswahl von St. Gallen 10 so auf, dass es ihm freistehe, ohne Widerspruch der beiden Parteien die Amtsgewalt auf wen immer er wolle, rechtsgemäss zu übertragen. Noch entschiedener behauptete Friedrich I. bei der streitigen Bischofswahl zu Magdeburg, wie uns Otto von Freising 11 erzählt, dass es ihm zustehe, — und zwar in Gemässheit des Wormser Concordates zustehe —, in solchem Falle zum Bischof zu ernennen, wen er wolle, und er setzt in der That aus eigener Machtvollkommenheit Wichmann zum Erzbischof ein. Von einer so willkürlichen Inter-
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cf die Abtswahl von St. Gallen, die ich oben I b p. 24 Note 5 erwähnt. cf. die Wahl des Abtes Bernold von Ottenbeuren in Annales Ottenbeurani Minores. M. G. SS. XVII p. 316. 10 cf. Casuum Seti Galli Contin. II M. G. SS. II p. 160 (geschrieben ca. 1150 s. oben I b p 24 Note 5)- Audiens rex hujusmodi allegationes et dissensiunes inter se concordantium partium ex sententia ouriae obtinuit, neutram istarum partium i u r i s u o resistere, quin libere hanc potestatem posset in quemeunque vellet e x i u r e transferre. „potestas" in der That, weil dann ja keine vorgängige "Wahl seitens der Geistlichkeit stattgefunden hatte. u Otto Frising Gesta Friderici M. G. SS. X X p 393, 2. 9
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pretation, denn so muss man dieses Yerfahren gegenüber dem Wortlaut des Gesetzes bezeichnen, hat sich Lothar ganz fern gehalten. Wir werden hier nicht die übertreibende Bitterkeit des Erzbischofs von Mainz 12 zum Urtheil aufrufen, wie Friedberg es in seiner Abhandlung 13 zu thun scheint, sondern das thatsächliche Verhalten Lothar's wie es uns vorliegt. Ich brauche hier nur auf die im 2. Abschnitt geschilderten Bischofswahlen hinzuweisen: wenn man den Verlauf der zwiespältigen unter denselben verfolgt, so wird man regelmässig das eifrigste Bemühen des Königs zu wirklicher Einigung der Wähler finden, immer finden, dass er im Einverständniss und unter Mitwirkung der Bischöfe die Sache auszugleichen und zu beenden sucht, wie das Wormser Concordat vorschreibt. Besonders erwähne ich hier Lothar's Verfahren bei dem langen Zwiespalt in Halberstadt, 14 weil es dem Verfahren eines Heinrich V. oder Friedrich I. so charakteristisch gegenübersteht. Nach der Absetzung Otto's werden dort zwei Candidaten aufgestellt, Martin und Gerhard, ohne dass sich trotz aller Bemühungen ein Ausgleich zu Wege bringen liesse. Es ist im Jahr 1135. Lothar steht nach Unterwerfung der Hohenstaufen auf dem Höhepunkt seiner Macht, auch der Kirche gegenüber, denn der bedrängte Papst erwartet sehnlichst seine Hülfe. Es handelt sich zudem um die Besetzung des Halberstädter Stuhles, über welchen Lothar als Landesherr noch einen besonderen Einfluss beansprucht und zu üben gewohnt ist.15 Verwirft Lothar nun die beiden Candidaten, um einen Mann seines Sinnes durchzubringen, wie Friedrich I. es that, oder bestimmte er willkürlich einen der beiden, wie Heinrich V. verfuhr?. Wir besitzen den Brief, welchen er über diese Sache an Innocenz schrieb: 16 „ — Saltem adhuc paternitas tua nobis acquiescat, ut audita utraque parte ita nobis eos remittas, ut s a l v a l i b e r t a t e
e l e c t i o n i s nos pro consilio archiepiscopi et suft'rag a n e o r n m adhibitis religiosis personis talem provideamus, qui ecclesiae et imperio expediat".
n 13
15 16
In dem Briefe an Otto v. Bamberg bei Jaffe bibl. V 451. Forschungen zur deutseh. Gesch. VIII p. 83. cf. oben I b p. 33 Halberstadt. cf. die Verwendung fi^r Otto von Halberstadt oben Abschn. I b p 28. aus dem Annal. Saxo bei Jaffe bibl. Y p 524. cf. oben a. a. O. 4*
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Hier haben wir das augenfälligste Beispiel, wie streng Lothar sich an die Bestimmungen des Wormser Concordâtes hielt und wie er es zugleich verstand, den Forderungen der Kirchlichen um Fernhalten des unmittelbaren weltlichen Einflusses auf die "Wahl gerecht zu werden, indem er dem Papst den letzten Ausgleichsversuch übertrug, und doch seinen königlichen Rechten nichts zu vergeben, indem er s i c h die letzte E n t s c h e i d u n g auf Grund des "Wormser Gesetzes vorbehielt. Mit derselben Mässigung handelte Lothar — das dürfen wir nach diesem Beispiel unbedingt annehmen — auch in den Fällen zwiespältiger "Wahlen, welche .uns nicht näher bekannt sind, so dass diese schwierigen Verhältnisse, welche so leicht zu ernsteren Conflikten zwischen Reichsgewalt und Kirchenrecht führen konnten, unter ihm auf's Glücklichste abgewickelt wurden. — b. "Wie stellte sich Lothar zu der zweiten der von mir erwähnten Fragen? "Wie stellte er sich zu der Frage, was Kirchengut, was Regal sei, diesem wichtigen Punkte, welchen das "Wormser Concordat a u c h nur andeutungsweise erledigt hatte? Calixt erklärte in dem Yertrage: „electus vero regalia a te recipiat". Heinrich versprach : „ p o s s e s s i o n e s etiam omnium aliarum e c c l e s i a r u m consilio principum quae habeo restituo, quae non habeo, ut restituantur fideliter juvabo" Selten ist wohl mit kürzeren "Worten eine Rechtsfrage von solcher Bedeutung und so verwickelter Natur entschieden worden; denn das, worum es sich hier handelte, war eine Trennung zwischen Reichs- und Kirchengewalt in grossem Stile, war zugleich eine Maassregel, welche bis in die kleinsten Kreise der Staats- und Kirchenverfassung eingreifende "Wirkungen hervorrufen konnte. Um so unbegreiflicher muss uns die Flüchtigkeit und unbestimmte Kürze des Gesetzes erscheinen, wenn wir uns nicht immer wieder daran erinnern, dass es seine Entstehung nur der dringenden Friedensnoth des Augenblicks verdankte und erst durch die ausbauende Uebung der Nachfolger zu einem Grundgesetze des Staates geworden ist. Denn nur aus der momentanen Entstehung ist es zu erklären, dass man so an und für sich vage Begriffe, wie regalia und possessiones ecclesiae nicht näher begrenzte, sondern an Stelle
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authentischer Definition die augenblicklich herrschende Auffassung stillschweigend unterschob. Wir müssen auf die Vorgänge in Rom im Jahr 1111 zurückgreifen, um von da aus weitergehend zu sehen, was man 1122 in den maasgebenden Kreisen unter regalia, was unter possessiones ecclesiae verstand. Als in der äussersten Bedrängniss des "Winters 1111 Paschalis II. den abenteuerlichen Vorschlag gemacht hatte, dass der König alle Reichslehen des Klerus einziehen und dafür die Investitur mit Ring und Stab aufgeben sollte, da war der Umfang des Reichsund Kirchengutes beiderseits authentisch in folgender Weise festgestellt worden. In der Versprechungsformel 17 sagt Heinrich V. Namens des Königs : „dimittet ecclesias liberas cum oblationibus et possessionibus, quae ad regnum manifeste non pertinebant" und Paschalis erklärt in der Gegenurkunde 18 „domnus papa praecipiet episcopis praesentibus in die coronationis regis, ut dimittant regalia regi et regno, q u a e ad r e g n u m p e r t i n e b a n t t e m p o r e , K a r o l i , L u d o w i c i , O t t o n i s , H e i n r i c i et a l i o r u m p r a e d e c e s s o r u m e j u s . Et scripto firmabit ne quis eorum intromittant se ullo modo vel invadant eadem regalia, i. e. c i v i t a t e s , d u c a t u s , m a r c h i a s , c o m i tatus, monetas, thelqneum, mercatum, advoc a t i a s , o m n i a j u r a c e n t u r i o n u m et v i l l i c o r u m , c u r t e s et villas, q u a e m a n i f e s t e r e g n i e r a n t , cum p e r t i n e n t i i s s u i s , m i l i t i a et c a s t r a regni." Also werden hier der Kirche nur die eigentlichen, formellen Schenkungen und die vor Karl dem Grossen in irgend welchen anderen Formen erfolgten Uebertragungen belassen 19 — alles Andere, was ausserdem der Kirche seit Karl dem Grossen zugekommen ist, fällt unter den Begriff der regalia.
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Henrici regis promissionia formula. M. G. LL. II p. 66. " M. a . LL. II p. 67. 19 cf. den Ausspruch des Papstes, den Heinrich in seinem Briefe an die Parmenser Jaffe bibl. V p. 270 erzählt: „eoclesiae decimis et oblationibus suis contentae sint; rex vero omnia regalia et praedia, quae a Carolo et Ludowico, Ottone et Henrico aliisque suis praedecessoribus ecclesiis collata sunt, sibi et suis successoribus recipiat et detineat.
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Die Unmöglichkeit, eine solche Maassregel, eine Divisio viel grösseren Stiles als die im achten Jahrhundert, durchzuführen, war beiden Paciscenten wohl gleich klar, 20 und Fürsten und Klerus wiesen diese Ungeheuerlichkeit auf's Entschiedenste zurück; aber ein bleibender Nutzen dieser Vorgänge war der Gedanke einer Scheidung zwischen Reichs- und Kirchengut geworden, welcher sich nun nicht mehr verdrängen liess. In den wiederholten Verhandlungen Calixt's mit Heinrich im Oktober 1119 trat derselbe in, neuer Bedeutung hervor. Heinrich hatte vorläufig versprochen: 21 „dimitto omnem investituram omnium ecclesiarum".... Dieser unbestimmte Ausdruck erregte den Argwohn der päpstlichen Versammlung in Reims, welche angesichts der früheren Auffassung des Königs gegenüber Paschalis fürchtete: „ne forte aut possessiones antiquas ecclesiarum sibi conetur vindicare, aut iterum de eisdem episcopos investire" 2 2 .... Diese „antiquae possessiones" sind identisch mit den in der Versprechungsformel Paschalis' genannten Uebertragungen seit Karl dem Grossen,23 und indem diese nun von Calixt und seiner Partei in den Begriff des Kirchengutes eingeschlossen wurden, haben wir hier einen viel weiteren Umfang des fraglichen Begriifs „possessiones ecclesiae" als vorhin vor uns. Natürlich mussten die Verhandlungen sich zerschlagen, als die Gesandten Calixt's mit dieser Interpretation zu Heinrich zurückkehrten, 24 denn unmöglich konnte dieser das als Kirchengut anerkennen, was der Papst darunter verstanden wissen wollte, 25 und das Alles mit der Aufgabe der Investitur aus dem Bereich seiner Hoheitsrechte entlassen. Es wäre dann nämlich für den Begriff der Regalia nichts Anderes übrig geblieben, als die Verleihungen, welche von nun an seitens der Könige etwa 20
cf. ibidem weiter unten. « cf. Jaffé bibl. V p. 356. 22 Jaffé bibl. V p. 358. 23 8. oben p. 53: „quae ad regnrnn pertinebant tempore Karoli, Ludovici etc." " 2+ cf Jaffé bibl. V 359 ff. 25 Der Bevollmächtigte des Papstes, der Bischof von Chàlons, hatte dasselbe in einem früheren Gespräch mit Heinrich noch schärfer definirt, indem er sagte: „dass er seinem Könige, ohne investirt zu sein, doch de tributo, de militia, de theloneo et d e o m n i b u s , quae a d r e m p u b l i c a m pertinebant antiquitus, sed a regibus christianis ecclesiae Dei d o n a t a sunt ita fideliter deservio, sicut in regno tuo tibi episcopi deserviunt. Jaffé bibl. Y p. 354.
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an Bischöfe und Aebte unter ausdrücklichem Vorbehalt der Hoheitsrechte gemacht werden würden. Mit anderen Worten: wir stossen hier auf denselben Versuch der Geistlichkeit, welchen sie in Frankreich bereits mit Erfolg durchgesetzt hatte, 2 6 die sämmtliehen Güter der Kirchen ohne R ü c k s i c h t a u f d e r e n E r w e r b s a r t u n d - t i t e l als eine einheitliche, der Oberlehnsgewalt des Königs entzogene Masse hinzustellen. W i r sahen, wie Heinrich ganz im Gegentheil diese Masse als eine vom Reiche lehnrührige ansah und nur die oblationes und decimae von der Oberlehnsgewalt des Königs ausgenommen wissen wollte. Auf so entgegengesetzter Basis war keine Einigung möglich. Ohne Zweifel dachte bei der Bestimmung des Wormser Concordâtes jede der beiden Parteien das Ihre bei den Worten regalia und possessiones ecclesiae, denn eine authentische Definition derselben würde den Streit, welchen man bescliliessen wollte, zu hellsten Flammen entzündet haben. Allerdings hatte die Frage ihre schärfste Spitze verloren, weil dem Könige j a die w e l t l i c h e Investitur blieb, und weil es gleichgültig sein konnte, auf welche Güter im Einzelnen sich die Belehnungsceremonie erstreckte; der Ausdruck regalia d e c k t e d e n Z w i e s p a l t b e i d i e s e r G e l e g e n h e i t zu. Aber es gab zahlreiche a n d e r e Gelegenheiten, wo die Frage noch scharf genug hervortreten musste. Und auch die Lösung dieser immer noch hochwichtigen Principienfrage war der Praxis der kommenden Zeiten, war wesentlich Lothar überlassen. E r sollte durch seine Uebung entscheiden und zu Rechte schaffen, über welche Theile des gewaltigen Kirchenvermögens dem Reiche jede Controle entzogen, über welche noch eine Verfügung zustehen sollte. Der Standpunkt, welchen Lothar in der Frage der D e c i m a e einnahm, ist hier entscheidend. Heinrich hatte, wie wir sahen, die oblationes u n d d e c i m a e als eigentliches Kirchengut hingestellt, aber schwerlich würde er im Stande gewesen sein, diese principielle Aufstellung praktisch durchzuführen. So wie ein grosser Theil eigentlicher Regalien allmählich in den Besitz der Kirchen, so waren die Decimae zum grössten Theil in den Besitz von Laien übergegangen, welche die-
26 Diese Auffassung, welche der von Ficker (vom Heerschild p 51 ff. speziell p. 66) geäusserten entgegen ist, werde ich später bei der F r a g e vom Lehnsverbande der Geistlichen unter Lothar zu 'begründen suchen; s. unten.
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selben als erbliche Lehen seit ältesten Zeiten besassen und zum Theil wieder verliehen hatten. 27 Daher erhob sich auf dem Concil zu Reims 1119 auch gegen die Bestimmung: „investituras omnium ecclesiarum et ecclesiasticarum possessionum per manum laicam fieri, omnibus modis perhibemus" ein gewaltiger Lärm der Laien, welchen es vorkam, als ob „sub hoc capitulo domnus papa d e c i m a s et cetera ecclesiastica beneficia, quae antiquitus laici tenuerant, conaretur minuere vel auferre" 2 8 Diese Befürchtung konnte sich desshalb mit dem vorgenannten Decret verbinden, weil in der That ein grosser Theil der decimae von Laienhand wieder an Geistliche als Afterlehen übertragen worden sein muss. Das zeigen die wiederholten Decrete verschiedenster Concilien um diese Zeit, welche den Zweck haben, die Oberlehnsgewalt der Kirche in voller Kraft wieder herzustellen und das gehässige Zwischenglied weltlicher Lehnsleute zu eliminiren.29 Wenn es den energischen Maassregeln der Kirche auch gelungen sein mag, dieses d o p p e l t e Aergerniss zu beseitigen, — die einfache Verlehnung der Zehnten an Laien war zu lange eingewurzelt, als dass sie ausgemerzt werden konnte. Wohl taucht gelegentlich einmal das Gebot auf: „decimas sicut Dei summi dominicas ex integro reddi praecipimus" 30 , 21
Der Anfang des Missbrauches zeigt und erklärt sich bereits in dem Capitulare anni 8*29 bei "Walter corpus iuris Germ. ant. II p. 380: Ut qui ecclesiarum beneficia babent, nonam et decimas ex iis ecclesiae, cujus res sunt donent. Denn es lag für diese Vasallen sehr nahe, solche auf Kirchenlehen lastende Zehnten als Einkünfte ihres Lehens zu betrachten und zurückzuhalten. 28 cf. Jaffé bibl. V p 363 29 Concil. Rotomagense Titiii III bei Mansi Concil X X I p. 376: ut monachi vel abbates ecclesias seu decimas de m a n u laicorum non recipiant, sed Laici, quae usurpaverant, Episcopo reddant et a b e p i s c o p o pro voto possessorum oblata recipiant. Ea tarnen, quae antea quoquomodo obtinuerant, quiete per indulgentiam Papae possideant, sed vel ulterius aliquid liujusmodi sine Praesulis . . . . licentia usurpare non praesumant. anno 1128 Ebenso Concil. Londonienso Tit. XI bei Mansi X X I p. 358. anno 1127. Conci], Palentinum Tit. XYI bei Mansi X X I p. 387. anno 1129. Concil. Remense Tit. VII bei Mansi X X I p. 459. anno 1131. 30 Concil. Londoniense Tit. X bei Mansi Conc X X I p. 357. anno 1127.
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wohl richten sich die vielen Decrete gegen Erblichkeit geistlicher Güter 31 indirect auch gegen die lehnweise Yererbung der decimae, wohl schafft Innocenz auf dem Concil zu Piza die Zehnten der Mönche und Stiftsgeistlichen an die Bischöfe, welche diese meist wieder und zwar wohl an Laien verlehnten, ab, und beseitigt 32 dadurch wenigstens diesen vielgeübten Zweig des Missbrauches — allein das Uebel dauerte im grossen Ganzen fort. Aus dem Yerstummen direkter Yerbote geht genügend hervor, dass der Papst selbst auf die Ausrottung desselben verzichtete, und sogar einer der kircheneifrigsten Schriftsteller aus dieser Zeit, der Biograph und Gesinnungsgenosse Conrad's von Salzburg muss einräumen, dass es dem energischen Erzbischof unmöglich, gewesen sei, die Zehnten in seinem Sprengel aus Laienhand zu befreien. 33 Wenn das einem Conrad von Salzburg nicht einmal in seinem eigenen Sprengel gelang, dann war in der That die Sache ein Ding der Unmöglichkeit. Somit konnte es Lothar gar nicht in den Sinn kommen, dem von Heinrich V. aufgestellten, wenn auch nicht mit der Absicht der Durchführung aufgestellten Princip zu folgen und die Decimae aus weltlichen Händen zu lösen. So eifrig er sonst bemüht ist, entfremdete Kirchengüter an die rechtmässigen Besitzer zurückzubringen, 34 — in der Urkunde für Prüfning 3 5 bestätigt er die von Otto dem Grossen als Ersatz für die Immunität angeordnete Lehnsübertragung eines Theiles der Klostergüter an den Herzog von Schwaben, obgleich darunter „decimae in Hilargewe" befindlich sind. Er theilt darin offenbar die Ansicht Friedrich's I., welcher auf dem Reichstag zu Gelnhausen 1186 sagt: „dass freilich die decimae und oblationes eigentlich den Priestern von Gott bestimmt seien, „sed cum tempore christianitatis ab adversariis infestarentur ecclesiae, easdem deeimas praepotentes et nobiles viri ab ecclesiis in b e n e f i c i o stabili aeeeperunt, ut ipsi defen31
S. unten Note 76. cf. Brief Innocenz' an Heinrich von Regensburg kurz nach 1134 in Monumenta Boica XIII p. 152. 33 cf. Vita Conradi Salisb. M. G. SS. XI p. 75, 25. 34 cf. Urkunde für Stablo in Lünig's Reichsarchiv, Spicileg. eccles. Thl 3 , p. 789 — ebenso für Corvey ibidem p. 89, in einer Urkunde Conrad's III inserirt. 35 Monumenta Boica 29 a, p. 400. 32
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sores ecclesiarum fierent, quae per se sua obtinere non valerent" 36 Und es ist ganz consequent, wenn Lothar in derselben Prüfninger Urkunde verbietet: „ne quis abbatum de praediis sive de reditibus ecclesiae, quae in praesentiarum possidere cernitur seu in futurum possidere acquisierit, aliquam inbeneficiare praesumat personam, sed omnia integre ad usus fratrum conserventur".... Er zeigte damit, dass er principiell die Yerleihung der speciellen Kirchengüter (oblationes et decimae) für einen Missbrauch ansah, welcher einmal eingerissen und somit zu dulden sei, der aber nicht weiter greifen sollte, und musste damit den ganzen Beifall der eifrigsten Kirchenfreunde verdienen, während er zugleich deren Theorien zu Liebe sich nicht verleiten liess, in die durch die Uebung vieler Jahrhunderte gefestigten Rechtsverhältnisse ummodelnd einzugreifen. So beweist auch hier Lothar in erstaunlichem Grade jenes taktvolle Rechtsgefühl, von welchem ich oben sprach, und versteht die gefährliche Scheide zwischen kirchlicher Gesinnung und königlicher Hoheit staatsklug inne zu halten. Es ist zweifellos, dass Lothar, wenn er sogar auf dem Gebiet des speciellsten Kirchengutes, der decimae, das altkaiserliche Recht in Geltung erhielt, auf dem Gebiete des Reichsgutes gewiss kein Recht des Reiches aufgegeben hat, obgleich urkundliche Beweise mir hier nicht zu Gebote stehen. Er wird in streitigen Fällen, wie es sonst seine Art war, auf das vorhandene urkundliche Material zurückgegangen sein und darnach entschieden haben, was durch die ursprüngliche Erwerbsart den Titel des Kirchengutes, was den des Reichsgutes an sich trug, denn principiell gab es hier nichts zu entscheiden, nachdem Lothar in der Frage der decimae so entschiedenen Standpunkt eingenommen. c. Ich komme nun zu dem dritten der angegebenen Rechtspunkte, dem wichtigsten, nämlich zu dem Lehnsverhältniss der Geistlichkeit. Ganz unbestimmt lässt das Wormser Concordat abermals dieses so unendlich wichtige Yerhältniss. Alles, was über die Reichspflicht des Klerus gesagt wird, ist in den Worten gesagt: 36 Arnoldi Chron. Slav. M. G SS. X X I p. 160, 39 ff.
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„electus vero a te regalia recipiat et q u a e ex h i s j u r e tibi debet, faciat" So heisst es von dem deutschen und ebenso nachher von dem italienischen Klerus. Hier wird ausdrücklich für die Ausführung des Gesetzes auf das jus, d. i. hier das Gewohnheitsrecht, verwiesen und damit dem Historiker die Frage auferlegt, was galt damals als Gewohnheitsrecht in Deutschland und in Italien betreffs der Lehnspflicht des Klerus? Welches waren die Pflichten, die demselben aus der Belehnung mit den Regalien erwuchsen? Keine Quelle, urkundliche noch annalistische gibt uns direkte Antwort auf diese Frage, und es bleibt uns nichts übrig als die Untersuchung der Thatsachen, um daraus die herrschenden Rechtsüberzeugungen aufzubauen, in welche Lothar eintrat, welche er aufnahm oder verwarf. Ich gehe dabei von einer Notiz der Narratio de electione Lotharii aus, der einzigen bestimmten Nachricht über Lothar's Stellung zur Lehnspflicht des Klerus, die wir besitzen. Nach vollzogener Krönung, erzählt die Narratio nämlich: „et primo ab episcopis universis, scilicet 24, qui tunc aderant, et abbatibus quam plurimis pro imperii reverentia pro confirmanda regni ac sacerdotii unanimi concordia et pace perpetua, f i d e l i t a t e m non indebitam de more suscepit; a n u l l o t a r n e n s p i r i t u a l i u m , u t m o r i s e r a t , hominium v e l a c c e p i t v e l c o e g i t " Diese Nachricht der Narratio, wegen des Charakters dieser Schrift, wie wir ihn oben 37 darstellten, an und für sich absolut glaubwürdig, wird bestätigt durch die bekannte Stelle in der Biographie Conrad's von Salzburg. 38 „abhorrebat enim et medullitus detestabatur hominii et juramenti praestationem, quam regibus exhibebant episcopi et abbates vel quisquam ex clero pro ecclesiasticis dignitatibus eo, quod nefas et instar sacrilegii reputaret ac praedicaret occulte et publice, manus chrismatis unctione 31
cf. Abschnitt I a p. 7 ff. vita Conradi Salisb. M; G SS. XI p 1. Dass diese Stelle in voller Uebereinstimmung mit der Narratio steht, hat Waitz in den deutsch. Forschungen VIII p. 90 hervorgehoben: „die Vita hat keinen Grund von den ü b r i g e n Bischöfen zu sprechen". Auch werden wir zu zeigen suchen, dass Conrad in der That „weiter ging, als die anderen Bischöfe", indem er auch die fidelitas nicht leistete. 39
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consecratas sanguineis manibus, ut ipse solebat dicere, subiici et h o m i n i i exhibitione pollui. Inde est, quod mortuo imperatore Heinrico, cum ei successisset Lotharius, nunquam ei consensit hominium facere vel sacramentum fidelitatis offerre" Auch die Angabe der Annales Stadenses widerspricht in keiner "Weise derjenigen der Narratio, denn es heisst dort: 3 9 „principes tarn sacramentis quam hominiis se ei adstrinxerunt" analog mit den "Worten der Narratio: „Deinde confluebant hinc inde regni principes, fidelitatom suam tam in hominio quam sacramento regi domino firmaverunt" Dass die weit weniger ausführlichen und den Ereignissen so viel ferner stehenden Annales Stadenses der Ausnahme der geistlichen Pürsten n i c h t g e d e n k e n , kann man doch unmöglich einen W i d e r s p r u c h nennen, wie Friedberg es thut. 40 Ebenso verhält es sich mit der Angabe des Ordericus Vitalis.41 „Qui (seil. Adelbertus Moguntinus) mox jussit, ut omnes summi proceres . . . . in conspectu omnium Lothario mox hominium facerent" Was bedeutet diese somit unzweifelhaft glaubwürdig überlieferte Nachricht, dass dem Keichsklerus das Hominium erlassen sei? wie verhält sie sich zu der späteren Uebung Lothars? Tim diese Fragen zu beantworten, müssen wir etwas weiter ausholen. Es ist nämlich von Ficker 4 2 behauptet worden, dass erst u n t e r F r i e d r i c h I. die Stellung der geistlichen Fürsten zum Könige als Lehnsverhältniss aufgefasst worden sei. Diese Ansicht hat bereits Waitz 4 3 unter Hindeutung auf die schon zur Zeit der Karolinger übliche Commendation der Geistlichen und speciell auch auf die vorliegende Nachricht der Narratio zurückgewiesen; doch M M. G. SS. XVI p. 322, 31. 40 in der oft erwähnten Abhandlung in den Forschungen z. deutsch. Gesch. VIII p. 78. « M. G. SS. X X p. 77, 12. 4! Vom Heerschilde p. 64. 43 Gotting, gelehrt. Anzeigen 1862 p. 1467. cf. Scheffer-Boichorst, Kaiser Friedrich I letzter Streit mit der Kurie p 12 Note 2.
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wird es für unseren Zweck nöthig sein, einige Punkte in der Entw i c k l u n g der geistlichen Lehnsverhältnisse hervorzuheben, welche in diesem Zusammenhange noch nicht berücksichtigt worden sind. Seit dem 8. Jahrhundert erscheinen die Geistlichen der fränkischen Monarchie, trotz vielfachen Widerstrebens aus ihrer Mitte, zur Kriegsfolge, der Hauptpflicht der Yasallen durchaus verpflichtet. 44 Die Formen, unter denen sie bei Empfang der Investitur den Königen entgegentreten, sind den Formen analog, unter welchen die Vasallen sich in die Lehnspflicht derselben begeben,. Ausser den von Waitz 4 5 angeführten Stellen, führe ich hier folgende an: Annales Bertiniani anno 837: „Episcopi, abbates, comités, vassalli dominici Carolo se commendaverunt et fidelitatem sacramento firmaverunt 4 6 Ratperti Casus Scti. Galli 47 anno 843: „Qui (seil. Hartmut) cum manibus régis a Grimaldo fuisset contraditus protinus a regia potestate ipsum Scti Galli locum cum omnibus ad illum pertinentibus suseepit regendum" Ekkehardi Casus Scti Galli anno 971.48 Bei der Wahl Notker's nach Uebèrreichung der Ferula sagt der König: „Meus tandem eris, ait, manibusque reeeptum osculatus est. Moxque ille evangelio allato fidem juravit" Ob nun das Yasallenverhältniss überhaupt sich aus dem Schutzverhältniss entwickelt haben mag oder ob es als eine auf einer Verfassungsänderung beruhende Neuerung anzusehen ist — jedenfalls zeigt der dasselbe begründende Akt von vornherein zwei von einander verschiedene Momente: 1. das se commendare, wofür auch der Ausdruck se tradere gebräuchlich ist 49 und 2. das fideli-
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cf. R o t h Benefizialwesen p. 398 Note 39 u. 40: p. 404. R o t h , Feudalität und Unterthanenverband p. 317 ff. W a i t z , Yerfassungsgeschichte IY p. 500 ff. P h i l l i p s deutsche Geschichte II p. 314 ff. 45 in den Gotting, gel. Anz. a. a. 0 . M. G. SS. I 431, 20. Damit vergl. Annales Bertin. ad ann. 883 M. G. SS. I 459, 28: Salomo dtix Britonum se illi commendat et fidelitatem jurat. « M. G. SS. II p. 67, 45. « M. G. SS. II p. 141, 18. « cf. Roth a. a. 0 . p. 208/209.
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tatem jurare. Das erstere besteht in der Handeinlegung des Vasallen in die Hand des Herrn,50 das letztere in dem Schwur der Treue auf die heilige Schrift,51 und zwar geht die Handlupg der Commendation dem Treueid, in welchem wir wohl den Rest des früheren allgemeinen Unterthaneneids erkennen dürfen, voran. Indem nun das Lehnswesen sich weiter entwickelt, tritt f ü r d i e H a n d l u n g
der Commendatio
die eigene Bezeichnung Homagium,
Hominium, ein und zwar — der Zeitpunkt, wann dieser Ausdruck entstanden, ist noch nicht genau festgestellt 52 — zuerst wahrscheinlich in F r a n k r e i c h , dem Lande, wo sich der Lehnsverband am Frühsten zu festen Formen entwickelte, fast zugleich in E n g l a n d , wohin das normannische Ritterthum französische Formen brachte. Bereits 1119 begegnen wir dem Ausdruck hominium auch in D e u t s c h l a n d : in einem Briefe Adelbert's von Mainz an den Hildesheimer Klerus; 53 bei Lothar's Wahl ist er zum ersten Male technisch und officiell gebraucht worden, wie es scheint, da gerade bei dieser Gelegenheit mehrere Quellen ausdrücklich die Ableistung des Hominiums seitens der Fürsten erwähnen.54 In I t a l i e n ist das Wort nicht durchgedrungen, und das ist in hohem Grade charakteristisch für die Ausbildung des dortigen Lehnswesens, wie 50 cf. die im Text eitirten Stellen aus den Casus Seti Galli, und die stehenden Ausdrücke manus commendare etc. s. bei R o t h Feudalität p. 276. 51 cf. die Stelle a. d. Cas. Seti. Galli und den stehenden Ausdruck s a c r a m e n t o f i d e m j u r a r e , sowie den Brief der Bischöfe von Reims und Rouen an Ludwig bei Walter corpus iuris Germ ant. III p. 94 — von Waitz Yerfassungsgesch. IV p. 209 zu anderem Zwecke citirt — anno 8 5 8 : nos Episcopi domino consècrati uon sumus hujusmodi homines, ut in vassallatico debeamus nos cuilibet commendare aut jurationis sacramentum debeamus quoquomodo facere . . . . Manus enim chrismate sacro peruneta abominabile est ut . . . . saeculare tangat ullo modo nefarium est, ut sicut saecularis sacramentum. Et l i n g u a Episcopi quilibet s u p e r sacra juret 52 Er s c h e i n t gegen Ende des 11. Jahrh. aufgekommen zu sein, denn in den Canones des Coneils zu Rouen 1096 heisst es noch nullus presbyter e f f i c i a t u r h o m o laici, während im Gegensatz zu dem folgenden fidelitatem ein Wort wie hominium erwünscht sein musste. Auch in den Canones des Coneils zu Clermont 1095 wird das anscheinend fehlende Wort durch (ligiam) fidelitatem facere ersetzt. — Paschalis I I gebraucht es dann in seinen Briefen öfter: a. Mansi XX p. 1045 u. ibid. 1021. 53 bei Jaffé bibl. I I I 391 Zeile 7 v o., bis jetzt ist diese Stelle nicht beachtet worden. 54 s. o.ben p. 59/60.
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die Bedeutung des Hominiums in den verschiedenen Ländern überhaupt. Am Schärfsten ist die Seite des Lehnsverhältnisses', welche auf dem Homagium begründet ist, im englischen Rechte ausgeprägt, wie es uns in dem Tractatus de legibus et consuetudinibus Angliae 5 5 aus der Zeit Heinrich's II. vorliegt. Hier lautet die Formel des Homagiums so: 5 6 „Fieri autem debet homagium sub hac forma, scilicet ut is, qui homagium facere debet, ita fiat homo domini sui, quod fidem illi portet d e i l l o t e n e m e n t o u n d e h o m a g i u m suum praestat et quod ejus in omnibus terrenum honorem servet, salva fide debita domino Regi etc." 57 . . Die Formel der Fidelitas ist uns vom Jahre ca 1200 überliefert. 58 „Hoc audis Domine NN. quod fidem vobis portabo de vita et membris corpore et catallis et terreno honore, sie me Deus adjuvet e t h a e c s a n e t a E v a n g e l i a ! ' ' 5 9 Man sieht, hominium und fidelitas verhalten sich hier so zu einander, wie das alte se commendare zu dem fidelitatem jurare, nur dass das Homagium sich zu entschiedenerer Bedeutung entwickelt hat. 60 Es wird ganz speciell mit Bezug auf das verliehene Grundstück und für jedes neu hinzukommende auch demselben Herrn von neuem geleistet, während die Fidelitas demselben Herrn nur einmal geleistet wird, weil sie nur ein allgemeines Treuversprechen ist. 61 Das Homagium ist wesentliches Erforderniss 55 bei Phillips Englische Reichs- u. Rechtsgeschichte Bd. II p. 416 ff. =•6 a. a. 0 . Ib. IX cap. 1, § 4. 51 cf. die Formel bei Phillips engl. Reichs- u. Rechtsgesch. II p. 212 vom J. ca 1200. Devenio homo vester de tenemento et fidem portabo de vita et membris et terreno honore contra omnes gentes salva fide debita domino Regi etc Aus Bracton de legibus lb. II c. 35 § 8/9. 58 bei Phillips a. a. O. aus Bracton de legibus et consuetud. Angliae. 59 Wir können sehr gut diese Formel von 1200 der Hominiumsformel von 1150 gegenüber stellen, weil man an der eben Note 57 erwähnten Hominiumsformel von 1200 und später in anderen Beispielen noch sehen wird, dass dieBe Formeln sich in Jahrzehnten kaum ändern. 60 Dass auch in England die Handeinfügung damit verbunden war, erwähnt Phillips a. a. 0 p 212. 61 cf. Phillips a. a. 0 . II p. 92 und desselben „Grundsätze des deutschen Privatrechtes" 3 Aufl. II p. 350.
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eines rechten Mannlehns, die Fidelitas ohne Homagium findet sich nur bei Belehnung von Weibern und geweihten Bischöfen. 62 Dieser überwiegenden Bedeutung des Homagiums entspricht die straffe Organisation des englischen Lehnsverbandes. Die ganz entgegengesetzte Entwickelung hat das immer mehr gelockerte italienische Lehnswesen genommen. In Italien bildet die Fidelitas allein das Band zwischen Lehnsherrn und Yasallen, das se commendare ist allmählich in Abnahme gekommen und daher auch das neue Wort Hominium dafür nicht eingedrungen. Dass aber in der That der A k t , welcher in dem italienischen Lehnsrechte, das ungefähr um dieselbe Zeit codificirt ist, 63 wie das englische, als Fidelitas auftritt, nichts von der Form oder dem Inhalt des Hominiums in sich begreift und sich wenig von dem allgemeinen Unterthaneneide unterscheidet, zeigt ein Yergleich der folgenden Formeln: Der liber feudorum sagt: 6 4 „qualiter autem debeat jurare vasallus fidelitatem vid^amus: „Ego j u r o a d h a e c s a n c t a D e i e v a n g e l i a quod amodo in antea ero fidelis huic, sicut debet esse vasallus domino: nec id, quod mihi sub nomine fidelitatis commiserit dominus panda malii ad ejus detrimentum me sciente." „Si vero domesticus, i. e. familiaris ejus sit cui jurat, aut si ideo jurat fidelitatem, n o n q u o d h a b e a t f e u d u m sed quia sub jurisdictione sit ejus, cui jurat, nominatim vita, membrum, mentem et ejus rectum honorem custodire jurabit" Man vergleiche damit die allgemeine Schwurformel, welche Friedrich I. im Jahre 1159 in Verona und anderen Städten als U n t e r t h a n e n e i d schwören liess, wie Ragewin in den gesta Friderici berichtet. 65 „Sane haec est formula sacramenti, in qua omnes juraverunt. „Ego juro, quod amodo in antea ero fidelis domino meo Friderico Romanorum imperatori contra omnes homines, sicut jure debeo domino et imperatori, et adjuvabo eum, 61
cf. im M lb «s M 63
Phillips engl. Reichs- u. Rechtsgeschichte. Bil II p. 208. liber feudorum ca. 1150. II Tit. 5 G. SS. X X p. 427, 42.
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retinere coronam imperii et omnem honorem ejus in Italia Regalia sua ei non auferam et si fuerint ablata, recuperare adjuvabo. Neque in C o n s i l i o e r o , n e q u e i n f a c t o , quod v i t a m v e l m e m b r u m vel honorem suum p e r d a t , vel mala captione teneatur Sic me Deus 66 adjuvet et haec sancta quatuor Evangelia." Diesem Verhältnisse entspricht der Umstand, dass, wenn es sich einmal in Italien um Ablegung des Hominiums handelt, dies jedesmal als eine besondere und ausnahmsweise verbindliche Form erscheint. So in dem Briefe Innoeenz's an Roger von Sicilien.fi7 „Et ut ad amorem atque obsequium Beati Petri apostolorum principis et nostrum ac nostrorum successorum v e h e m e n t i u s a s t r i n g a r i s , haec ipsa (seil. Siciliani, Apuliam, Capuam) heredibus tuis, qui nobis et successoribus nostris . . . ligium h o m a g i u m fecerint et f i d e l i t a t e m , quam tu jurasti juraverint . . . duximus concedenda. In der Uebertragung der terra Mathildis an Heinrich den Stolzen 1133: „ i t a t a r n e n ut dux hominium faciat et fidelitatem beato Petro" 6 8 Ausserdem ist mir nur noch bei der Belehnung Friedrich's I I 6 9 mit Sicilien von einer Ableistung des Hominiums in italienischen Kreisen bekannt, und somit scheint für Italien die Forderung des Hominiums ein Privileg des Papstes geblieben zu sein.70 — 66
cf. damit die Schwurformel, welche Heinrich Y die Italiener, auch wenn sie „beneficium de regno aut de ecclesiis'' nicht innehaben, im J 1111 (oder 1123) schwören lässt bei Jaffé bibl. Y p. 284: „Ab hac hora in antea fidelis ero NN. imperatori per rectam fidem secundum meum scire et posse. N o n e r o i n ' C o n s i l i o , ut v i t a m aut membra perdat. Italicum regnum et suam rectam potestatem i n f r a r e g n u m adjutor ero ei secundum meum scire et posse ad tenendum et defendendum contra omnes homines, qui sibi tollere voluerint." Wir sehen, wie unwesentlich sich diese Formeln im Laufe dreier Jahrzehnte geändert haben. 6' bei Mansi Conc. X X I p. 397 anno 1139. e» Orig. Guelf. II p. 514. 69 cf. "Winkelmann in den deutsch. Forschungen I p. 14. Ficker von Heerschilde p. 36. 10 Der einzige sonstige F a l l , den Ficker (vom Heerschild p. 63) anführt, ist zweifelhaft und wohl nur ein Versuch seitens Friedrich's I. Das fidelitatem facere des Abtes von Monte Casino beruht auf SpezialVerträgen. (s. oben I a p. 15 Note 50.) B e r n h e i m , Lothar III u. das Wormser Concordat.
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Italien und England repräsentiren die beiden Extreme der lehnsrechtlichen E n t w i c k l u n g : d o r t Verschwinden des Hominiums, h i e r stärkste Betonung desselben; dem analog d o r t grösste Lockerung, h i e r schärfste Anspannung des Lehnsverbandes. "Wie steht das Yerhältniss nun in Deutschland ? W i r könnten schon a priori annehmen, dass dem strengen deutschen Lehnsverbande gemäss das Hominium auch hier in seiner eigentlichen Bedeutung aufträte. Und das bestätigt sich durchaus. Ficker hat in seinem Buche vom Heerschilde nachgewiesen, dass das Hominium in Deutschland auch im 12. Jahrhundert als unumgänglich für die eigentliche Lehnsverbindung betrachtet wird, 71 dass sich in ihm die s t r e n g e r e Seite der durch die Belehnung begründeten p e r s ö n l i c h e n Verpflichtung darstellt. Und zwar selbst noch in den Codificationen des deutschen Lehnsrechtes, im Sachsenspiegel, Schwabenspiegel, Spiegel deutscher Leute, welche erst gegen die Mitte des 13. Jahrhunderts fallen, da doch der deutsche Lehnsverband bereits arg gelockert war, tritt das Hominium unter dem Namen manscap oder hulde dun der Fidelitas, dem hulde s w e r n , als selbständiger Akt mit wesentlich derselben Form und Bedeutung gegenüber, 72 welche wir im karolingischen Zeitalter dem se commendare beilegten. Es besteht noch immer in der Ceremonie des Handeinlegens, geht wie früher dem Treuschwur voraus und begründet das eigentliche Lehnsverhältniss, welches in der Zeit, von welcher wir reden, auf der dinglichen Grundlage der possessio, d. i. dem übertragenen
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Ficker a. a. 0 . p 57. Sachsenspiegel ed. Homeyr. II Art, 22 § 1. 2. Schwabenspiegel § 42. Spiegel deutscher Leute § 59. Besonders Sachsenspiegel Art. 63 § 1: Svelk gut deme manne ane manschap gelegen wert, dat ne het n e n r e c h t l e n etc. Und Art. 64 § 1: die man sal j e w e l k e s gudes mit manscap sinnen, al si he d o c h d e s h e r r e n man. ' Dies ist ganz analog dem englischen Lehnrecht s. oben p. 63. — Es ist bezeichnend, dass die etwas späteren Lehnrechtsbücher (Schwabenspiegel und Spiegel deutscher Leute) diesen § fortlassen. Auch zeigt folgender Umstand wohl, dass gerade um die Mitte des 13. Jahrhunderts der Unterschied zwischen hominium und fidelitas zu verschwimmen begann: der Sachsenspiegel sagt Art. 3 : die man sal sime herren bi plicht hulde dun u n d e sveren, dat he ime so trüwe unde also holt si, alse durch recht die man sime herren sole. Der Schwabenspiegel trennt nicht mehr genau das hulde t u n von der fidelitas, denn er sagt § 5 der man sol sinem herren hulde tun m i t einem cide etc 12
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Besitz von Grundstücken oder Nutzniessungen oder Aemtern beruht, und verpflichtet speciell den Vasallen zur Heeresfolge, wie das die Abhängigkeit der Heerschildniederung von der Leistung des Hominiums deutlich zeigt. Man hat die Bedeutung und Eigenart des Hominiums als wesentlichen Theil des das Lehnsverhältniss begründenden Ceremoniells wohl desshalb oft verkannt, weil mit dem Worte Fidelitas häufig der g a n z e Akt bezeichnet wird. Man hat eben keinen Ausdruck im Lateinischen, der wie das deutsche „Hulde" beide Theile des Yasallitätsaktes in sich schliesst, greift daher zu dem Aushülfsmittel, pars pro toto zu setzen und nennt den ganzen Akt bald hominium, bald fidelitas.73 Wo Einem • das Wort fidelitas oder hominium begegnet, w i r d m a n d e m n a c h s t e t s z u u n t e r s u c h e n haben, ob es im e n g e r e n oder w e i t e r e n Sinne gemeint ist. Wir sahen also, dass zur karolingischen Zeit der Klerus ohne Unterschied von den weltlichen Fürsten se commendat und fidelitatem jurat regi; für das erstere ist am Anfange des 12. Jahrhunderts die Bezeichnung hominium eingetreten, und ohne Unterschied von den weltlichen Fürsten finden wir auch jetzt den Klerus diesem Akte, welcher die strenge Seite des Lehnsverhältnisses bedingt, unterworfen. 74 Gegen diese Lehnsabhängigkeit des Klerus richtet sich nun seit Anfang des karolingischen Reiches ein mächtiger, unablässiger Kampf der Kirche. 13 Ein p r ä g n a n t e s B e i s p i e l für den ersten frall ist f o l g e n d e s : „ I n einer U r k u n d e F r i e d r i c h ' s I (anno 1174) bei R e i f f e n b e r g Collection des Chroniques B e l g e s inédites T 8 p. 385 A n n a l e s Scti Gislerii lieisst e s : Statuimus ut f r a t r e a ejusdem monasterii rectorem utilem libéré sibi elig e r e n t , qui f a c t o r e g i a e m a j e s t a t i h o m i n i o , investituram a b b a t i a e
de m a n u r e g i a s u s c i p i a t . " N a c h d e m dies in mehreren U r k u n d e n der N a c h f o l g e r wiederholt i s t , heisst es dann in der entsprechenden B e s t ä t i g u n g R i c h a r d i s von C o r n w a l l i s anno 1 2 6 8 : recepto a p r a e d i e t o a b b a t e h o m a g i o et f i d e l i t a t i s debito j u r a m e n t o e t c . , so d a s s das o b i g e hominium sowohl homagium wie fidelitas in sich b e g r e i f t . B e i s p i e l e für den zweiten F a l l sind häufig. ' 4 Der Beweis liegt in den f o l g e n d e n A u s f ü h r u n g e n von der Opposition g e g e n die L e h n s a b h ä n g i g k e i t des Klerus, cf. -auch die Stelle aus S u g e r i V ta L u d o v . in B o u q u e t X I I p. 20 (pitirt von F r i e d b e r g in d F o r s c h , z dtschen Gesch. V I I I p. 77). cf. G i e s e l e r , Lehrbuch der Kirchengesch. 1831 B a n d I I Abschnitt I § 24 Note e p. 211/12, der bereits d a r a u f hinweis't.
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Solange Amt und Güterbesitz zugleich aus der Hand des Königs an Bischof und Abt verliehen wurden, konnte kein unterscheidendes Bewusstsein darüber entstehen, an welchem von beiden königlichen Verleihungen die Lehnspflicht haften möchte: Amt und Gut wurden insgesammt als munus regium betrachtet. Natürlich war diese Abhängigkeit der Kirchenbeamten vom königlichen Willen von je her den streng Gesinnten im Klerus aus allen Gründen, religiösen und politischen, ein Dorn im Auge. Schon 858 erklären sich die Bischöfe von Reims und Rouen in heftigsten Worten dagegen. 75 „Nos episcopi Domino consecrati non sumus hujusmodi homines, -ut . . . . in vassallatico debeamus nos cuilibet commendare . . . . aut jurationis sacramentum quod nos evangélica et apostólica atque canónica auctoritas vetat, debeamus quoquomodo facere. M a n u s enim chrismate s a c r o p e r u n c t a . . . . abominabile est, q u i d q u i d a n t e o r d i n a t i o n e m fecerit, ut p o s t ordinationem episcopatus saeculare tangat ullo modo sacramentum. Et lingua episcopi, quae facta est per Dei gratiam clavis coeli, nefarium est, ut sicut saecularis quilibet super sacra juret" Das se commendare und das sacramentum fidelitatis wollen diese Eiferer zugleich abgeschafft wissen. Vorzüglich kehrt sich indess ihr Groll gegen die erstere Ceremonie: dass die heilig gesalbte Hand des Geistlichen die unheilige Laienhand berühre, ist der Anstoss, den das se commendare ihnen nach ihrer Behauptung erregt; daher verdammen sie g a n z b e s o n d e r s diese Ceremonie, wenn sie n a c h e r f o l g t e r O r d i n a t i o n s t a t t f i n d e n soll. Und von hier an bis zu Gerhoh von Reichersperg lässt sich dieselbe erbitterte Opposition der Geistlichkeit mit denselben Argumenten in meist wörtlicher Wiederholung verfolgen. Freilich die Fidelitasleistung, obgleich p r i n c i p i e l l Allen ebenso verdammlich, wird in der P r a x i s doch nur von übereifrigen Fanatikern, wie den genannten Bischöfen, wie später von Conrad von Salzburg verurtheilt; denn dass der König einem so mächtigen Stande seines Reiches gegenüber doch mindestens die Sicherheit der Fidelitas, der einfachsten Unterthanentreue, haben musste, leuchtete mit zwingender Notwendigkeit ein. Aber die ganze Wucht des An75
cf. oben Note 51.
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griffes richtete sich um so energischer gegen das Hominium, das gleich verhasst sein musste seiner Form wie seines Inhaltes wegen. Und zwar begründet sich die Opposition geschickter, politischer Weise durchgehends auf dem Anstössigen der F o r m in der Absicht, den unendlich wichtigeren I n h a l t des Aktes mit jener zugleich zu eliminiren. Und dieser Kampf trat in das lebhafteste Stadium, seitdem gegen Ende des 11. Jahrhunderts die Rechtsbegriffe sich ail dem Streite über Reichs- und Kirchenrecht überall zu "verfeinern, zu stählen begannen. Während einerseits gegen die Lehnsverbindung zwischen Laien und Geistlichkeit stets erneute Concilbeschlüsse durch "Verbot der Vererbung von Kirchengut und direkte Yerbote im Allgemeinen eifern,76 richtet sich im Speciellen gegen die Ableistung des Hominiums der Eifer der kirchlich Gesinnten. Denn nachdem man begonnen hatte, in der Investitur mit dem g e i s t l i c h e n Amt vor allem eine gottlose Einrichtung zu bekämpfen, blieb naturgemäss die Lehnspflicht des Klerus dem Reiche gegenüber an dem Besitze und der Verleihung der Regalien haften. Schon 1103 spricht der scharfdenkende Siegebert von Gembloux das in dem berühmten Antwortschreiben aus, welches er im Namen der Lütticher Kirche an Paschalis erliess.77 Da heisst es: „Dominus noster episcopus communicat regi et imperatori suo, cui ex r e g a l i b u s e j u s a c c e p t i s j u r a v i t f i d e l i t a t e m . 7 8 Nimirum effluxit tempus, quo haec consuetudo incepit et s u b h a c c o n s u e t u d i n e migraverunt a saeculo sancti et reverentes episcopi, reddentes Caesari, quae erant Caesaris. Sed quid dicit Ambrosius super '6 Conc. Tolosanum Tit. VI Mansi X X I p. 227. anno 1119. Concil. Londoniense Tit. V u. VI. Mansi X X I p. 331. anno 1125. Concil. Itemense Mansi X X I p. 461. anno 1131 Concil. General. Roman. Mansi X X I p. 530. anno 1139 Concil. Rotomagen^e Tit. III Mansi X X I p 376. anno 1128. Es ist wohl begreiflich, dass so energischem Arbeiten der Kirche gegenüber nur die Könige im Stande waren, das alte Lehnsverhältniss a u f r e c h t z u h a l t e n , aber eine Einfügung des Klerus in n i e d e r e Heerschilde sich nicht n e u b i l d e n konnte. Damit scheint ein Haupteinwand Ficker's gegen die seit altersher bestehende Lehnsabhängigkeit des Klerus vom Reiche beseitigt. cf. Ficker vom Heerschilde p. 53 ff. " bei Mansi concil. X X p. 993. 18 Dies ist z. B. einer der Talle, wo fidelitatem jurare für den ganzen Vasallitätsakt in seinen 2 Theilen angewandt ist.
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Lucam? sed si habes divitias, obnoxius es Caesari Item Augustinus super Joannem Nolite dicere: Quid mihi et regi? Q u i d t i b i e r g o e t possessioni! per jura. regum possidentur possessiones . . . . Igitur ex verbis istorum et aliorum sanctorum patrum consulant sibi episcopi regibus et imperatoribus obnoxii et e o r u m regalibus a c c e p t i s ne proprio gladio id est eorum beneficiis eos interficiant. Noch schärfer drückt Paschalis selbst in einem Briefe an Anselm von Canterbury 79 auf dessen Anfrage die Ansicht aus, dass mit den Kegalien die Lehnspflicht des Klerus verknüpft sei: „indignum est igitur, ut clericus, qui jam in Dei sortem est assumptus et jam laicorum dignitatem excessit, pro t e r r e n i s lucris hominium faciat laico " Wir finden also von entgegengesetzten Seiten, von beiden Parteien die Ansicht als eine feste Rechtsüberzeugung ausgesprochen, dass g e r a d e d i e I n v e s t i t u r m i t d e n R e g a l i e n das Lehnsverhältniss des Klerus begründe 80 und das Hominium seitens desselben bedinge. In der That, wenn die Leistung des Hominiums mit der Investitur in das geistliche Amt verknüpft gewesen wäre, 81 so hätte, diese Leistung mit der Aufgabe der geistlichen Investitur seitens des Königs ja fortfallen müssen und es wäre nicht zu erklären, warum der Klerus, seitdem er die Abschaffung der Investitur auf seine Fahne geschrieben, doch noch speciell für die Abschaffung des Hominiums kämpft, ja diesen Kampf mit erneuter Anstrengung fortsetzt, nachdem es ihm 1122 gelungen ist, die Investitur mit dem geistlichen Amt zu beseitigen. In Frankreich g e l i n g t es nun wirklich Urban II. auf den Concilien zu Clermont 1095 und Rouen 1096 das Hominium abzuschaffen und somit den Zustand einzuführen, welchen wir oben p. 55. Calixt bemüht sahen, auch in Deutschland herbeizuführen, dass nämlich alles bisher den Kirchen Uebertragene dem Reichsverband entzogen und eine Lehnsabhängigkeit nur für neu hinzu-
™ Mansi Coneil. X X Ficker bestreitet darzulegen, mit Unrecht. 91 wie das Gervais, p. 26 Note I, unbegründet 80
p. 1021. dies (vom Heerachilde p. 59), wie ich versuchte Gesch. Deutschlands unter Lothar u. Heinrich V behauptet.
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kommende ausdrückliche Einzellehen statuirt würde. 82 In der That zeigen die in Frankreich bestehenden Verhältnisse bis in's späte 14. Jahrhundert den diesen Rouen'sehen Bestimmungen entsprechenden Zustand. 83 Die Fidelitas, welche die Bischöfe hier noch leisten, ist nichts Anderes, als ein allgemeiner Treuschwur, der keine persönliche Lehnspflicht involvirt, und die Erfüllung ihrer Reichspflichten ist ihrem subjectiven Belieben 84 und der zufälligen Autorität des jeweiligen Herrschers anheim gestellt. In England hat der Kampf einen ganz anderen, eigentümlichen Ausgang genommen. Wir erwähnten bereits, dass seit Alters her das Hauptargument der Kirchlichen gegen das Hominium, welches zum Theil aus wahrem religiösen Bedenken hervorgehen mochte, zum grösseren Theile jedoch nur als Maske diente,85 war : die Einfügung geweihter Hände in die ungeweihte Laienhand. Schon die Bischöfe von Reims und Rouen sagen in ihrem Briefe 858: 8 6 „abominabile est, q u i d q u i d a n t e ordinationem f e c e r i t , ut p o s t o r d i n a t i o n e m episcopatus saeculare tangat... sacramentum" Dieselbe Unterscheidung klingt durch in den Worten des Bischofs von Chälons in der Unterredung mit Heinrich Y. 87 „Scito: me in regno Francorum episcopum electum, nec a n t e c o n s e c r a t i o n e m nec p o s t consecrationem aliquid suscepisse de manu regis" Und das englische Lehnsrecht bringt nun diese Anschauung zu gesetzlicher Anerkennung, indem es bestimmt: 88 82 cf. Concil. Rotomag. bei Mansi ooncil. X X p. 925. Nullus presbyter efficiatur h o m o laici, qnia indignura est, ut m i n u s D e o c o n s e c r a t a e et per sacram unctionera sanctificatae m i t t a n t u r inter manus non consecratas sed si feudum a laico sacerdos tenuerit, quod ad ecclesiam non pertineat. talem faoiat ei f i d e l i t a t e m , qnod securus sit. 83 cf. Ficker vom Heerschild, p. 59/60. 84 cf. auch die Schilderung, welche der Bischof von Chälons Heinrich V 1119 von dem in Frankreich herrschenden Usus macht, bei Jaffe bibl. V p. 354. 85 Paschalis in dem schon erwähnten Briefe an Anselm von Canterbury (Mansi X X p. 1021) verräth sich einmal, indem er sagt: „Indignum est igitur ut clericus hominium faciat laico, ne forte d u m r e p e r i t u r s e r v i s a e c u l a r i s o b n o x i u s v a c e t aut g r a v e t u r e c c l e s i a . 86 s. oben p. 68. bei Jaffe bibl. V p 354. 88 Tractatus de legibus I X cap. 1 § 10 in Phillip's eng. Reichs- und Rechtsgesch. II p. 417.
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„Episcopi vero c o n s e c r a t i homagium facere non solent domino Regi etiam de b a r o n i i s s u i s , sed f i d e l i t a t e m cum juramentis interpositis ipsi praestare solent. Electi vero in episcopos ante c o n s e c r a t i o n e m s u a m h ö rn a g i a sua facere solent." Es ist ein Glück, dass wir dieses Gesetz überliefert erhalten haben, denn die ganze Sachlage wird hierdurch aufgehellt. Mit feiner Berechnung wird hier der Opposition des Klerus die Spitze abgebrochen, indem man ihm f o r m e l l das gewährt, was er dem "Wortlaut nach immer verlangte: „die Aufhebung der unreligiösen Ceremonie, dass ein G e w e i h t e r die Hand in ungeweihte Hand lege", während t h a t s ä c h l i c h Nichts gewährt wird, denn jeder Bischof muss einmal, vor seiner Weihe nämlich, das Hominium geleistet haben. Der Klerus bleibt also doch im strengsten Lehnsreichsverbande haften. Und diese meisterhafte Lösung der gefährlichen Frage — Lothar hat sie schon 1125 gefunden, als er den sämmtlich bei seiner Wahl versammelten hohen Geistlichen, a l s b e r e i t s G e w e i h t e n , das Hominium erliess! Keine andere Erklärung für jene Nachricht der Narratio scheint mir zulässig. Schliesst sich die Methode dieser Politik und Handlungsart nicht ganz analog derjenigen an, die wir Lothar in den anderen Rechtsfragen beobachten sahen? Ist es nicht dieselbe Rücksicht auf religiöse Bedenken, derselbe Takt gegenüber dem geistlichen Gewissen und zugleich dieselbe Wahrung des Reichsrechtes, die wir ihn stets üben sahen? Er erlässt die Ceremonie für einmal in ihrer verhässtesten Form nach vollzogener Weihe, gewissermaassen jedem Einzelnen als einen Beweis persönlichen Zutrauens, 89 vielleicht, ohne sich überhaupt über die principielle Tragweite der Sache zu äussern, um dann sofort durch die Praxis zu zeigen, dass er nicht gesonnen sei, mit diesem formellen Zugeständniss auch nur einen Deut von den ihm gebührenden Rechten aufzugeben. „Electus vero a te regälia recipiat et quae ex his jure tibi debet, faciat" 89 Als einen Akt persönlichen Vertrauens ohne jegliche politische Bedeutung müssen wir auch die Erla^sung der Fidelitasleistung ansehen, welche Conrad von Salzburg nach der Tita erlangt haben soll. Vielleicht gehört dies zu den Concessionen, mittels deren Lothar denselben an sich zog. cf. oben I a p. 1(5.
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so bestimmte das Wormser Concordat. "Wir haben vorhin gesehen, was das jus als Pflicht des Reichsklerus forderte — und gleich bei der Wahl Norbert's von Magdeburg wird uns ausdrücklich von dem Chronic. Magdeburg. 90 bestätigt, dass Lothar von dem alten Herkommen nicht abgewichen ist. „Qui (seil. Norbertus) mox cum s a c r a m e n t o r e g i d e b i t o regalibus ab eo per seeptrum investitur" Wenn uns sonst keine ausdrücklichen Zeugnisse ähnlicher Art vorliegen, so kommt das ohne Zweifel daher, weil die Ableistung der Mannschaft und des Treueides als selbstverständliches Correlat zur Verleihung der Regalien angesehen wurde. Doch haben wir noch ein authentisches Zeugniss, mit welcher Sorgfalt Lothar darüber wachte, dass auf diesem wichtigen Gebiete dem Reichsrechte nicht der geringste Abbruch geschähe. Als nämlich Wibald, der Abt von Stablo, 1137 zum Abt von Monte Casino gewählt und von Lothar belehnt wird, berichtet uns Petrus Diaconus 91 folgende Worte des Kaisers an den Erwählten: „Fidelitatem de Casinensi abbatia ideo non aeeipimus, quia du dum nobis de S t a b u l e n s i coenobio fidelitatem dedisti N o l o u t s u c c e s s o r e s t u i te t r a h a n t i n e x e m p l u m et dicant se successoribus meis de Casinensi coenobio ideo non facturos fidelitatem, quia a te nostri imperii majestas non exegit; sed consuetudinariam fidelitatem, quam a temporibus Caroli et deineeps abbates de abbatia Casinensi fecerunt, facere studeant" Ich erwähnte schon oben, dass die Gleichstellung der Abtei Monte Casino mit den deutschen Reichsabteien auf Sonderprivilegien beruht, 92 daher hier die Belehnung wie in Deutschland der Weihe vorausging und der Erwählte fidelitatem f a c i t , d.i. sowohl Mannschaft, wie Treueid leistet, indem hier der Ausdruck fidelitas für den ganzen Akt zu stehen scheint. Thatsächlich sehen wir nun auch den Reichsklerus während Lothar's ganzer Regierung allen Pflichten ächter Lehnsleute unbedingt und stetig nachkommen. Auf allen seinen Hoftagen erscheint derselbe zahlreich; 93 gleich bei dem ersten Feldzug gegen 90
Chron. Magdeburg, bei Meibohm II p. 326. Chron. Casin. M. G. SS VII p. 839, 23. »« ibidem p. 837, 41 ff. 93 cf. die einzelnen Reichstagsakten mit den Angaben der Zeugen in Jaffe's Darstellung in der Gresch. des deutschen Reiches u. Lothar, 91
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Sobieslaus von Böhmen werden zwei Bischöfe als Heeresfolge leistend erwähnt: Chron. Montis Sereni ed. Eckstein p. 5: „ubi Arnoldus Mershurgensis episcopus occisus est.94 In hoc casu episcopus Hildenesheimensis 50 milites dicitur perdidisse'" Dass es nur sächsische Bischöfe sind, wird uns nicht befremden, weil überhaupt zu dem Zuge nur sächsische Pürsten aufgefordert wurden, denn Lothar konnte nur dieses absolut ihm ergebene Gebiet bei der unsicheren Lage des Reiches von allen Freunden entblössen. 1133 folgen ihm nach Italien Norbert von Magdeburg, Bernhard von Paderborn, Adalbert von Bremen, Diethard von Osnabrück, Anselm von-Havelberg, die Aebte von Nienburg und Lüneburg und Fulda. 94 " 1137 ziehen mit ihm 3 Erzbischöfe, 8 Bischöfe und viele Aebte 9 5 gegen die Normannen. Und den bei dieser Gelegenheit säumigen Erzbischof von Arles, ruft er mit strengen Worten zur Pflicht, indem er ihm schreibt: „Saepenumero scripsimus vobis, requirentes fidelitatis e t s u b j e c t i o n i s tuae debitum Ea propter tibi tamquam fideli et principi nostro mandando praecipimus, quatenus in festo Scti Michaelis in Placentia cum militia tua nobis occurras, animatus tam ecclesiae quam imperio d e b i t u m c o n s i l i u m et auxilium exhibere". 96 94
Diese Nachricht ist ungenau. Nach Chron. M e r s e b . (gleichzeitig geschrieben) M G. SS. X p. 188, 1 ist Arnold am 12. J u n i , also Monate nach dem Böhmerzug, in Zwenkowa ermordet. Auch die Annales Stadenses M. G. SS. XVII ad ann. 1126 berichten aus Abschrift der Annales Rosenfeld, (ebenfalls contempor.): Arnoldus Merseb. occiditur, ohne Bezug auf die böhmische Affaire. Ebenso Annales Disibodenbergenses M. CK SS. XVII 23, 41 und Annalista Saxo M. G. SS. VI 763, 50 Arnoldus Merseb. episcop. occisus est in yigilia Pentecostes (21. Mai), also jedenfalls auch nach dem Böhmerzug. Auf dem Zuge ist also Arnold nicht gestorben; er mag aber daran Theil genommen haben, denn gerade er war in den Kämpfen gegen Heinrich V von der Lothar'schen Partei auf den Bischofsstuhl gebracht, s. Chron. Mers. a. a. O. p. 187. 94 b cf. den Brief Lothar's M. G. LL II 8 1 , 39. - Jaffe, Gesch. d. deutschen Reiches u. Lothar p. 122 f 95 cf. Jaffe a. a. 0 . p. 179 mit der Note 8. 96 M. G. LL II p. 83. vergleiche damit auch den Brief Lothar's an Innocenz anno 1136 bei Jaff6 bibl. V p. 525: Ad quam curiam (scilicet Spirensem) legatum et litteras tuas mitti desideramus, per quas archiepiscopos et abbates qualicumque comminatione ad tuum e t n o s t r u m s e r v i t i u m commonefacias
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Auch das Folgende bestätigt die aufgestellte Meinung. W i r sahen bereits, das Lothar zum Ersatz für die an Ottenbeuren ertheilte Immunität nach Otto des Grossen Yorgang einen Theil des Klostergutes an die Herzöge von Schwaben verleihen liess. 97 Ferner heisst es in der Freiheitsbestätigung für Stablo: 9 8 „Advocatum a nostra manu accipiat, qui nobis exercitum et expeditionem et quae ad ipsam pertinent pro summa et debito sui beneficii faciat, Abbate et suis omnibus super hoc quiescente et nullam pro hoc nobis aut ipsi Advocato redemptionem aut supplementum praestante", so dass in beiden Fällen die volle Erfüllung der Lehnspflichten als regelmässige Pflicht der Abtei erscheint, welche ausnahmsweise dem Abte erlassen wird, aber zugleich durch Ersatzmassregeln in ihrem materiellen Gehalte dem Reiche gesichert bleibt. Man wird solchen Erscheinungen gegenüber es für unmöglich erklären, dass Lothar mit dem Hominium auf Etwas verzichtet habe, „das nicht mehr in seiner Gewalt stand", das Heinrich Y . aufgegeben hätte, „weil er die Investitur mit Ring und Stab aufgegeben", wie Gervais behauptet. 99 W i r sahen, dass mit der weltlichen Yerleihung der Regalien die Leistung des Hominiums, dieser Grundlage der eigentlichen Lehnspflicht, verbunden war, dass somit Heinrich Y . keineswegs durch Aufgabe der geistlichen Investitur das Hominium eingebüsst hat; Lothar aber betrachtete sich von dem Augenblick an, da er die Regierung übernahm, als Rechtsnachfolger Heinrich's dem Wormser Concordate gegenüber, und wenn wir auch nicht die Auffassung Heinrich's Y . aus dessen Praxis nach 1122 erweisen können, so haben wir doch gesehen, dass die alte gewohnheitsrechtliche Auffassung, auf welche das Concordat mit den Worten „et quae ex his j u r e tibi debet faciat" . . . . verwies, die volle Lehnsabhängigkeit des Reichsklerus involvirte. Und diesem alten Herkommen hat sich Lothar unbedingt angeschlossen. Nur unter dieser Voraussetzung lässt es sich erklären, dass selbst nach einer so schlaffen, von Kirchenpolitik beherrschten Regierung, wie die Konrad's des Dritten es war, die deutschen 97 98 99
Monum Boica 29 a p. 400. Lünig Reichsarchiv Spicileg. ecclesiast. Th. I I I p. 792. Polit. Gesch. Deutschlands u. Heinrich Y u. Lothar I I I p. 26 Note 1.
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Prälaten sich durchaus als Fürsten und Getreue des Königs fühlten und wie Ein Mann zu Friedrich I. standen. Und wenn dieser, nicht zufrieden, den d e u t s c h e n Klerus in Lehnsabhängigkeit von sich' zu sehen, auch von den italienischen Bischöfen das Homagium forderte, 100 ja wenn ein deutscher Bischof diese Forderung gerechtfertigt fand, 101 so ist das ebenfalls ein indirekter Beweis dafür, dass in Deutschland das Hominium des Reichsklerus vollkommen zu Rechte bestand. 102 Wie wäre das möglich gewesen, wenn Lothar auf dieses Recht verzichtet hätte? Nein, wenn ich nicht irre, so war es auch hier Lothar, welcher mit starker und weiser Hand die unbestimmten Linien des Wormser Concordâtes zu den festen Grundlinien verband, innerhalb deren Kirche und Staat für Jahrhunderte hinaus ihre bestimmten Bahnen gehen konnten, und er hat es vermocht, den Deutschland und aller Welt so dringend nöthigen Frieden zu bewahren, ohne aus den Positionen zu weichen, welche seine Vorgänger ihm überlassen hatten. In all' den schwierigen Rechtsfragen, welche das Wormser Concordat mehr dahingestellt als erledigt hatte, sahen wir, ist es ihm gelungen, die Kirche nicht zu verletzen und das Reichsrecht zu wahren. Und wie ist ihm die Lösung so schwieriger Aufgaben möglich geworden? Als Lothar auf den Thron kam, war Frieden das vorwiegende Bedürfniss des Tages; diesem Bedürfniss kam er entgegen, indem er sich auf diejenige Partei stützte, wie wir im ersten Abschnitt sahen, welche den Frieden wollte. Diese Partei zu gewinnen, befähigten ihn, wie ich es in diesem 2. Theile meiner Abhandlung nachgewiesen habe, die aufrichtige Hingabe an die religiösen Ideen seiner Zeit und der geniale, staatsmännische Takt, welchen er besass. So wirkten "Verhältnisse und Persönlichkeit auf's Glücklichste zusammen. Und trotzdem sahen wir, dass es auf die Dauer nicht gelang, den Frieden mit der K u r i e zu er-
»00 Ragewin Gest. Frider. M. Q-. SS X X p. 461, 50. Diese Forderung Friedriche I mussto um so widerwärtiger erscheinen, weil ja die Bischöfe Italiens erst n a c h der "Weihe investirt wurden, und daher auch die Leistung des Hominiums nach der Weihe stattgefunden haben würde, wenn man dasselbe eingeführt hätte, s. oben p. 68 ff. 101 s. den Brief Eberhard's von Bamberg bei Ragewin a a. 0 . vom Jahre 1159. 102 Dies hebt schon Berchtold, Entwicklung der Landeshoheit in Deutschland, p. 58 hervor.
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halten. Die zunehmende Macht Lothar's erweckte bei ihm selbst den Anspruch auf Wiederherstellung der durch das "Wormser Concordat beeinträchtigten Kaisergewalt, und schon der vorübergehende Anspruch erweckte das Misstrauen des Papstes, rief Uebergriffe von dessen Seite hervor. W i e sorglich sich Lothar auch bemühte, in den häklichsten Fragen kein Recht der Kirche zu verletzen und so glücklich ihm das gelang, — sobald er auf das Hoheitsgebiet des Papstes kam und sobald dieser sich freier regen konnte, 1137 in Italien, hörte der Frieden auf, häufte sich Streit auf Streit. Es war eben nicht möglich, dass auf dem schmalen Gipfel der höchsten Macht zwei absolute Herrscher neben einander standen, ohne sich zu nahe zu treten, Einer von ihnen musste heruntersteigen; mit anderen Worten: das Wormser Concordat konnte wohl die Grundlage für die kirchenpolitische Verfassung des Reiches werden, aber nie ein Friedensvertrag zwischen Kaiser und Papst sein oder bleiben. Dies ist das Resultat, welches sich aus den Betrachtungen, die ich in dieser Untersuchung angestellt habe, ergiebt, und ich meine, dass von diesem Gesichtspunkte aus die Geschichte Friedrich's I. und seines Streites mit der Kurie vielfach in anderem Lichte erscheinen mag, als bisher. Aus der Yergleichung mit Lothar und seiner Stellung zum Wormser Concordat sieht man, dass Friedrich in mehreren Punkten das Concordat in einer Weise interpretirt und geübt hat, welche mit vollem Rechte den Widerspruch des Papstes hervorrief, aber man sieht auch, dass nicht vorwiegend d a r u m der Kampf zwischen Kaiser und Papst zu abermaligem Ausbruch kommen musste.