188 21 11MB
German Pages [144] Year 1971
BOSTON PUBLIC LIBRARY
Digitized by the Internet Archive in
2016 with funding from
Kahle/Austin Foundation
https://archive.org/details/lorinmaazelmonogOOgele
I
i
LORIN MAAZEL
k;
t Ä i,;
I
O'
Lorin Maazel Monographie eines Musikers von Ingvelde Geleng
Rembrandt Verlag
Berlin
mit 51 Abbildungen
Alle Rechte Vorbehalten (c)
1971 Rcmbrandt Verlag
GmbH
Klischees: Excelsior Berlin
Druck: Felgentreff Printed in
ISBN
&
Germany
3-7925-0175-9
Goebel Berlin (Berlin West)
Berl
STATT EINES VORWORTS: „IMAGES“
Hauptprobe
Deutschen Oper Berlin: Lorin Maazel
in der
tritt
mit angespannter
Aufmerksamkeit ohne Anzeichen von Nervosität vor das Orchester, dessen Flexibilität er
bewundern
während
gelernt hat.
seiner sechsjährigen Tätigkeit als Generalmusikdirektor
Der Dirigent und
erstmalig die originalnahe Instrumentation
Godunow von Modest Mussorgsky
Boris
Musiker haben
seine
gemeinsam
sich
von Dmitri Schostakowitsch zum
erarbeitet.
Die Musiker „kleben“ nicht mehr an den Noten, sondern schauen über ihre Pulte
hinweg auf den Mann, der
Bühne und
die Rolle des „Koordinators“ zwischen
Orchestergraben spielerisch und sdieinbar mühelos
Einsätze
erfüllt, präzise die
gibt,
exakt den Takt schlägt und gleichzeitig viel mehr
dem
vielstimmigen Ensemble aus Instrumentalisten, Solo- und Chorsängern jenen
das
als all
Klang, den er beim Studium der Partitur gehört hat. Das gelingt
indem
Spannung auf
er seine innere
die Partner der
Er entlockt
tut.
dem
Dirigenten,
Aufführung überträgt und
mit seinen Gesten agogische und dynamische Anweisungen ebenso wie Phrasie-
rungen konturenscharf
in die
Luft zeichnet.
Fast fünf Stunden lang wird
—
mit kurzer Pause
—
geprobt.
Und
es ist ver-
blüffend zu beobachten, wie die Konzentration der Musiker an diesem Morgen nicht nachläßt, auch
Passagen erhalten
wenn Perioden wiederholt und
'So
gefeilt
werden. Die einzelnen
ihren Feinschliff, ohne später „poliert“
zu wirken. Der
dramatische Impetus des düsteren musikalisdien Bilderbogens bleibt erhalten.
Zwei Tage später Generalprobe im Sendesaal mit dem Radio-SymphonieOrchester
Nervös
(RSO)
sitzt
Berlin,
das Lorin Maazel
die ungarische Pianistin
seit
1965
als
Chefdirigent
leitet.
Annie Fischer im Auditorium, während
Maazel mit gelassener Genauigkeit probiert und einzelne Stücke aus Chopins Klavierkonzert Nr. heraushebt.
1
Das durch
sein umfangreiches zeitgenössisches Repertoire
Schwierigkeitsgrade gewohnte Orchester jeder
Anregung mit
ergeben werde. Das
dem Werk
e-moll als Beispiele für seine Vorstellung von
interessierter ist
in
nimmt
die Korrekturen ernst
und
folgt
Neugier auf das, was ihre Verwirklichung
einem darauf folgenden, ungemein beschwingten
Zusammenspiel des Orchesters, dem Chopin doch einen zugeteilt hat, mit der Solistin
ganz andere
während
dieser
recht
undankbaren Part
Probe zu hören.
Im Konzert wird Chopin eingerahmt durch zwei Werke
des
sogenannten
musikalischen Impressionismus. Für deren französische Eleganz und „Latinität“
im Widerspiel von Form und Farbe scheint der aus romanischem Geiste
miislzle-
5
rende Dirigent mit einer unvergleichlichen Balance zwischen analytischem und emotionellem, sachlichem und expressivem Erschließen einer Komposition ein besonderes Gespür zu besitzen.
Auftakt erklingt Ravels Orchester-Suite Le tomheau de Couperin, eine
Zum
tönende Huldigung an den französischen Barockmusiker, die sein Nachfahre
während des
ersten
Weltkrieges komponiert und
dem Gedächtnis
Freunde gewidmet hat. Dieses „Grabmal“ verbindet die Renaissance und Barock entwickelten Suite
Tänze und der Lamenti, erschienen, mit
Opern
die zuerst in den
modernem
Inhalt.
als einer
alte
gefallener
Form
der
in
Folge aneinandergereihter
des frühen 17. Jahrhunderts
Die vergeistigte Interpretation, die technische
Brillanz als selbstverständlich voraussetzt, sprüht in schillernden
Farben und
gewinnt für die umrißscharf gezeichneten Sätze eine Transparenz des Klanges, der trotz der neuzeitlidien Instrumentation für großes Orchester sich wie ein
Konzertieren von Solostimmen ausnimmt. Zuletzt Debussys dreiteiliger Orchester-Zyklus Images, dessen Mittelstück, die zuerst entstandene Ihhia-Smte, der damals noch nicht dreißigjährige Dirigent bei seinen sensationellen Deutschland-Gastspielen
Ende der fünfziger Jahre ganz
auf eine äußerst bewegliche, vibrierende und zugleich messerscharfe Rhythmik stellte.
Dies die Erinnerung an ein Konzert Lorin Maazels 1959 mit den Berliner
Philharmonikern.
Das rhythmische Element, das dem Klangbild sogar
in der
traumhaften Nacht-
auch jetzt da. Doch das Spiel mit
dem
Reiz labiler Zeitmaße und gleitender Harmonien klingt nun gelöster. Nach
dem
Szene der Iberia-Suiie. Kontur verleiht,
ersten Konzert, das
Publikum printemps
bringt,
vom
ist
dem Image s-7.y)s\us
kommen
Schluß
Musiker und
die
in die
nicht
ganz das verdiente Echo beim
ihr Dirigent überein, die
Rondes de
Mitte der „Bilder“ und die effektvolle spanische
Suite an den Schluß zu rücken.
Der Eingriff
Aufführung durch-
ersdieint in der
aus nicht als Sakrileg, denn die durch Numerierung fixierte Reihenfolge der
Images
ist
weder chronologisch nach
Unter der Oberfläche
ihrer Entstehung noch
dieser farblich differenzierten, nie
durchgezeichneten „Bilder der Realität“, wie Debussy
formal zwingend.
verschwommenen, sie
linear
nannte, werden die
Visionen einer „inneren Landschaft“ musikalisch beschworen, von der Debussy
„mit der naiven Unbefangenheit des Kindes“ singen wollte. Also keine Illustration
im Sinne der vorangegangenen und noch zur Entstehungszeit der Images im
ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts
wird
und
in
der Aufführung durch Maazcl und sein Orchester das Atmosphärische
zugleich Mozartische dieser späten,
auflösenden Musik Debussys
6
wirksamen Programm-Musik. Vielmehr
zum
überkommene harmonische Hierarchien
Ereignis.
,
Musik, vergegenwärtigt von einem Künstler, der ihr dient und
Wer
ist
dieser Dirigent,
dem
die
Musik
Augenblick erfüllende Kunst bedeutet? sein
und Ausdrucksbesessenheit
eine lebendige
Wer
wo
New
Aus den Erzählungen
sorgfältig
dieser Musiker, der
Wer ist Lorin Berlin und London,
sidi
eines
und Zuhörer Musik
im
Formbewußt-
Maazel, der Paris
sich
und Rom,
York, Tokio und San Francisco überall dort zu Hause
schöpferische Interpreten
spricht, aus
beherrscht.
und spontane,
in sich vereinigt?
mit Geige, Bogen und Taktstock zwischen
Moskau und
ist
sie
fühlt,
und verstehen?
lieben
Menschen, der lieber von der Kunst
als
von
sich
Reportagen oder Kritiken auf vergilbten Blättern und aus anderen
von der Mutter gesammelten Dokumenten gewinnt der ungewöhnliche
Lebenslauf Lorin Maazels Gestalt.
Und
die künstlerische Persönlichkeit tut sich
— des
in
Gesprächen kund über einzelne Werke
in
Gesprächen über den Beruf und die Position der Musik
18., 19.
und
20. Jahrhunderts
in der
—
Gegenwart.
7
h t
i
•»
m..
I ,
1^
Xi
'S
t
\
4T
i
I
y'i itÄ,.-.'
r^t.
y-“
’i-.-
%
iF
:i-
.V
fl
«
ERSTER TEIL: UNGEWÖHNLICHER LEBENSLAUF
$
1.
Der Vater
studierte
Ein „Amerikaner aus Paris“
Gesang
in der französischen
—
Neuilly-sur-Seine bei Paris
Hauptstadt und dort
wurde Lorin Maazel am
6.
März 1930
als
—
in
Sohn
von Lincoln und Marie Maazel geboren. Die Eltern, beide „gebürtige Amerikaner“, scheinen ihre Zugehörigkeit zur „neuen Welt“ nicht ohne Stolz zu betonen,
obwohl
erst in der vorigen
Generation aus Europa eingewandert. Die väterlichen
Vorfahren stammten aus Rußland, dirigierte
und der Großvater
Kaiserlichen
Oper
in
Isaac
Moskau
dete er an der Metropolitan
wo
der Urgroßvater eine Militärkapelle
Maazel
als
Konzertmeister
angehörte. 1895 nach den
Opera
in
New York
York geboren, wurde Lincoln Maazel zum
USA
dem
Orchester der
emigriert, beklei-
die gleiche Position. In
Schauspieler
New
und Sänger (Tenor) aus-
gebildet.
1932 kehrt die Familie Maazel, deren
dem
mit
vom
z als
stimmhaftem
s
Name
in französischer
und dem Ton auf der
Aussprache
letzten Silbe
—
—
nicht erst
Frankreich-Aufenthalt herrührt, in die Heimat zurück. Nach der Betonung
seines
Namens
gefragt, verweist der Dirigent gern auf die ersten beiden
Takte
von Beethovens fünfter Symphonie für Rhythmus und Akzentuierung von Lo rin
Maa/z
Der
e
1.
kleine „Amerikaner aus Paris“ wächst in Los Angeles auf
und
zeigt schon
frühzeitig musikalische Neigungen, wie sich das für einen künftigen Dirigenten
und Geiger gehört. Das Wiegenlied von Brahms
soll er bereits
im Alter von acht
oder neun Monaten gesummt haben, weiß eine der mit Sinn für ausgefallene Lebensgeschichten geschriebenen Stories von
dem „Boy with
a baton“
(Knabe
mit Taktstock) zu berichten.
11
2.
Doch wie kam
zu
es
dem
Dirigierendes „Wunderkind“
plötzlichen Durchbruch Jener
Begabung
liebenden Knaben, die ihn auf den gewiß nicht ungefährlichen
dem musik-
bei
Weg
eines dirigie-
renden „Wunderkindes“ brachte? Eine rationale Erklärung dürfte schwierig
Der
erste
Konzertbesuch mit fünf Jahren
—
es spielte
übrigens das Los Angeles
Philharmonie Orchestra unter Leitung von Otto Klemperer,
beim
New
dem Maazel 1971
Philharmonia Orchestra London assoziiert wurde
ungewöhnlich früh
sein.
—
findet
zwar
Aber Musikhören provoziert noch kein Dirigieren. 1935
statt.
beginnt der Geigenunterricht bei einer Tante und dann bei Karl Moldrem, in dessen
Klein-Lorin aufgenommen wird,
„Baby-Orchester“
unterridit bei
1937 der Klavier-
Fanchon Armitage.
Auf dem Klavier
Lorin auch ein Arrangement des Andante-Satzes mit
spielt
dem
Paukenschlag von Haydns Symphonie Nr. 94 G-dur. Eines Tages überrascht ihn sein
Vater mit der Partitur der Symphonie, die das Kind
mühelos
liest.
Und
als
der Eltern
der Vater dann auch noch eine Schallplatten-Aufnahme
während
bis er sie
auswendig
schließlich seine ersten Dirigier-Versuche zur
Musik aus
mitbringt, da lernt Lorin,
kann und unternimmt
zum Staunen
dem Grammophon-Apparat.
er sie hört, die
Noten,
Hund und Möbel
Eltern,
verkörpern die verschie-
denen Instrumentengruppen, denen der Knabe mit einem Federhalter die Einsätze gibt.
Ein Lehrer wird aufgesucht. Der Dr. Vladimir Bakaleinikoff, der
in
als
theater nadi den
USA gekommen
nur Erwachsene.
Und
Hollywood
tätige Bratscher
Musikdirektor mit
und Dirigent
dem Moskauer
Künstler-
war, unterrichtet grundsätzlich keine Kinder,
doch nimmt er Lorin
als
Schüler an, der ein absolutes
Gehör, ein phänomenales auditives Gedächtnis und musikalischen Instinkt
als
Voraussetzungen für die Lehre mitbringt. Die
am
8.
Januar 1938
erste Unterrichtsstunde findet
statt.
Schon ein halbes Jahr später präsentiert Bakaleinikoff seinen Schüler
„Wunderkind“
rendes
Moscow
Kritische
Würdigungen
mit
achtjährige
dem
gleichen,
Kind den
Battista Viotti spielt.
12
gilt
sommerlichen
stellt sich
Symphonie
wird das Phänomen. Das 18. Juli
einem
(Idaho). Lorin Maazel
Schuberts Unvollendeter spielt.
auf
am
13. Juli
als dirigie-
Musikstudenten-Festival
1938 der Öffentlichkeit mit
vor, die das University of
fallen zunächst noch recht
Idaho Orchestra
mager
aus.
Bestaunt
gleichermaßen für das kindliche Geigerdebüt
von seinem Lehrer
in
dirigierten Orchester, bei
ersten Satz des Violinkonzertes Nr. 23
dem
am das
G-dur von Giovanni
Bei einer Probe des
WPA
Orchestra in Los Angeles darf Lorin
zum
ersten
Male
vor erwachsenen Musikern stehen, wobei er Tschaikowskys Slawischen Marsch dirigiert.
Auf das
Downes 1939
Camp
Music
kleine Dirigierwunder macht schließlich der Kritiker Olin
in der in
New York
Times aufmerksam, nachdem
(Michigan)
Interlochen
die
er
Sdiubert-Symphonie gehört und
dabei, zwischen den zweiten Violinen sitzend, den dirigierenden achtet hatte.
im National
Knaben beob-
Er erzählt auch die hübsche Geschichte von dem Fagottisten, dessen
Instrument verklemmt war und gelegentlich keinen Ton gab, während der
Musiker zu spielen vortäuschte. Lorin bemerkte das Fehlen seiner Stimme, obwohl das Instrument im Orchester doch keineswegs hervortritt. weist der kleine Dirigent einem Flötisten nach, bläst,
den
Solche
daß
er für richtig hielt, weil er einen Fleck als
Vorkommnisse
sind, auch
wenn
anderer Stelle
dieser einen falschen
Note
sie sidi nicht
An
Ton
gelesen hatte.
ganz so pointiert abgespielt
haben mögen, gewiß geeignet gewesen, das Ansehen des kleinen Musikers seinen Kollegen zu stärken.
hör und Gedächtnis? Der dirigierendes lischer
Aber beweisen
New
„Wunderkind“
sie
mehr
als
frappierend genaues Ge-
Yorker Kritiker fragt dann auch
nicht lediglidi Dressur sei oder
Genius frühzeitig sein Instrument
bei
skeptisch,
ob
ein
ob hier ein musika-
— das Orchester — gefunden habe.
13
Das
3.
—
„Mozart redivivus“
„Dressierter Seehund“ oder in
„erste Interview“
so lauten die Alternativen
der Beurteilung des Phänomens, die offensichtlich beide
nicht gerecht werden.
glauben
Denn wenn den
frühreifen Talent
Berichten über die ersten Konzerte zu
Begabung weit mehr
scheint sich die
ist,
dem
als in
— gewiß auch vor-
einem
— Nachahmungstrieb durch eigene musikalische Intuition und besesse-
handenen
nen Lerneifer beim Erfassen der Partituren geäußert zu haben. Andererseits, die Autorität eines Komponisten konnte das dirigierende „Wunderkind“ nicht be-
wenn
sitzen,
Dennoch
dem
auch von klein an im Komponieren versucht hat.
es sich
1939
seine Karriere nicht aufzuhalten.
ist
kommt
Lorin Maazel mit
Studenten-Orchester aus Interlochen zu Gastspielen während der Weltaus-
New
stellung nach
York. Er
schen Marsch, Schuberts
zwei Konzerten Tschaikowskys Slawi-
dirigiert in
Rosamunde-Owvenüre, Mendelssohns
Sym-
Italienische
phonie und das Wiegenlied einer blutjungen amerikanischen Komponistin.
Zuvor
steht
Der
Interview“.
dem Programm
auf
Journalist
von der
New
nach seinem Lieblingskomponisten. Der
angehende Dirigent. „Mozart
Besuchs
des
York Post
sei
das
„erste
fragt den Neunjährigen
schwierig zu benennen, meint der
im allgemeinen
ist
Metropole
der
leicht
und
graziös“, läßt sich
Lorin vernehmen, „Beethoven in seinen späteren Kompositionen dramatisch und philosophisch“.
Man könne
Blumen miteinander
meldet
Wortes
von
—
sich
ebensowenig wie die Schönheit verschiedenartiger
vergleichen.
oder eine Rose schöner
Da
sie
ist,
ich
„Wenn
Sie mich fragen
Lilie
könnte Ihre Frage nicht beantworten“.
schon der künftige Kosmopolit und
—
im besten Sinne des
„Eklektiker“ unter den Dirigenten der Gegenwart, der in den Stilen
vier Jahrhunderten
und Musikkulturen Frankreichs,
oder Rußlands gleidiermaßen beheimatet
Auf
würden, ob eine
zu, er
Deutschlands
ist.
die Frage des Interviewers nach eigenen
und grinsend
Italiens,
Kompositionen gibt Lorin errötend
habe einiges geschrieben, aber
es sei „entsetzlidi
amateurhaftes
Zeug“. Zwei Jahre später bekennt der dilettierende Komponist, er wisse noch nicht
genug von Theorie, Kontrapunkt und Instrumentation. Als Student
in
Komposition, Kontrapunkt und Harmonielehre an der Pittsburgher Musikhochschule hat er
dann
in
besessenem Lerneifer 40 Fugen komponiert,
um
ihrer
Schwierigkeiten Herr zu werden.
Zu einem Wohltätigkeitskonzert
ins
Hollywood Bowl mit dem Los Angeles
Philharmonie Orchestra lädt Leopold Stokowski seinen kleinen Kollegen für
November 1939 Marsch.
14
Auch
ein
und überläßt ihm den Taktstock erneut für den Slawischen
Arturo
Toscanini hat
Lorin
Maazel
in
New York
gehört
und engagiert ihn an das von ihm
Company) Orchestra Dort
Italienische
NBC
für einen Konzert-Zyklus, der
zum Auftakt
Lorin
soll
geleitete
(National Broadcasting
im Sommer 1941
noch einmal das Wiegenlied und Mendelssohns
Symphonie sowie erstmalig Wagners A/e«zi-Ouvertüre
Die Bläser und Streicher des
NBC
sie
vergessen,
richten die
daß
er
dirigieren.
Orchestra machen sich lustig über den Sdiul-
jungen und lutschen Bonbons bei der ersten Probe. Aber
haben
startet.
noch ein Kind
Sein Sdilag
ist.
nacli
sei
klar
fünf Minuten
und
fest,
be-
Musiker von dieser ersten Begegnung, das Tempo folgerichtig und die
Führung des Taktstocks graziös und spannungsreich. Mit diesem Debüt hat
sich
das dirigierende
nischen Kontinent durchgesetzt. Sein
Ruf
Wunderkind auf dem nordamerika-
dringt allerdings wegen des zweiten
Weltkrieges nidit mehr nach Europa wie der seines eine halbe Generation älteren
geigenden Kollegen Yehudi Menuhin. Bis
zum
Landes 15
Jahre 1945 dirigiert Lorin bis
Gast
fast aller
führenden Orchester des
20 Konzerte pro Saison. Die Familie, die ihren Standort in Pitts-
burgh hat, wohin koff gefolgt
als
ist,
sie
1939 dem dort
zum
Dirigenten berufenen Lehrer Bakaleini-
durchquert dazu etwa dreizehnmal die Vereinigten Staaten von
der Ost- zur Westküste und von Süden nach
Norden
bis
über die Grenze nach
Kanada.
Dann
ist
die fierrlichkeit vorbei. Ein sechzehnjähriger Dirigent, der soeben die
Schule mit gutem Zeugnis abgeschlossen hat,
kein aufgehender Stern
am
ist
kein
Wunderkind mehr und noch
Musiker-Flimmel.
15
4.
Lorin geht
erst
Student wird
Gelehrter oder Musiker?
einmal aufs College. Aber die Musik läßt ihn nicht Geiger Mitglied des Pittsburgh
als
Assistent des Dirigenten Bakaleinikoff,
Symphony
los.
Der
Orchestra und
außerdem Primarius des Fine Arts String
Quartet of Pittsburgh.
Das
Streichquartett gewinnt
lischer
Anerkennung mit der Aufführung kammermusika-
am
Zyklen. Der junge Geiger gibt seinen ersten Soloabend
30. April
1946
mit Werken von Händel, Bach, Beethoven und Tartini in Pittsburgh. Seine
Doppelbegabung
als Violinist
tierend zu bestätigen wird
und
auch in Zukunft konzer-
als Orchesterleiter
dem jungen Musiker empfohlen.
Aber während des Studiums der Philosophie, Sprach-, Literatur- und Musikwisscnsdiaft erwachen Neugier
Wie schön wäre ziehen
und
Interesse für die wissenschaftliche
zu forschen und
es,
zu können.
Da
gäbe
es
sich in die Stille einer
Laufbahn.
Studierstube zurück-
Angst vor dem Publikum, vielmehr
keine
Sammlung und Gespräch. Das Angebot
eines
Harvard-Stipendiums für ein
weiterbildendes Studium zieht Maazel ernsthaft in Erwägung.
Da kommt
Victor de Sabata aus Italien als Gastdirigent nach Pittsburgh. Er
hört den jungen Lorin dirigieren
— und
„verbietet“ ihm, die
Musik aufzugeben.
Er sdilägt Maazel vor, nach Europa zu gehen. Ein Fulbright-Stipendium wird
Washington beantragt und für 1952
in
bewilligt.
Vorher aber nimmt Lorin Maazel noch eine Einladung von Serge Kussewitzky
zum sommerlidien Tanglewood
Berkshire Music Festival und Dirigenten-Seminar 1951 nach
an. In dieser „Brutstätte“ musikalischer Talente, die
von Kusse-
witzky der amerikanischen Öffentlichkeit präsentiert werden, hat ein Jahrzehnt
zuvor der
erste
zu internationalem
Ruhm
gelangte Dirigent amerikanischer Her-
aufmerksam gemacht. Maazel
kunft, Leonard Bernstein, auf sich
dirigiert Stra-
winskys Psalmensymphonie für vierstimmigen Chor und Ordiester. Die Souveränität in der Beherrschung des Apparates
Bau
dieser archaisierenden ekstatischen
verblüffen
die
Zuhörer.
Damit
16
Kantate
verabschiedet
Musiker von Amerika und begibt Musik.
und der Sinn
sich
bei sich
für den symphonischen
einem so jungen Dirigenten der
nach Italien,
hoffnungsvolle junge
dem „Traumland“
der
Lorln Maazel, 1935, im Alter von
riinl'
Jahren
17
Links: mit Vladimir Bakalclnlkoff, Olln
1939
in
Interlochen (Michigan)
Downcs und Joseph Maddy
1V39 mit
dem Vater Lincoln Maa/el
Das neunjährige Wunderkind
dirigiert
1939 das Inierlochen Orchestra
21
Mir Pierre Monieux 1942
22
_
i \
m
'
i
^
Mit Vladimir Bakalcinikol
siLiirJiry:*-«
t
1947
23
I-'ine
24
Arts String Quarret of Pittsburgh, 1946
5.
Der Sprung nach Europa
Sprung nach Europa
gelingt 1952 mit Hilfe des Fulbright-Stipendiums, das
zum Studium der italienischen Musik des 16. bis Roms biblioteca musicale di Santa Cecilia vertieft sich
Lorin Maazel
18.
nutzt. In
der junge Musik-
wissenschaftler in Notenhandsdiriften
Partituren von Monteverdi, Marcello Eifer des Forschers verbirgt nur einer
Chance
sucht
zum
von
Palestrina,
in
Venedig studiert
mühsam
die
Ungeduld des Künstlers, der nach
Start in eine zweite, erwachsene Musiker-Karriere.
Dervaux
Konzert zu Weihnachten 1953 im Teatro Massimo
ein
Dezember morgens, gerade noch
gleichen
Abend
debütiert
Maazel für Europa
Gershwins Klavierkonzert kys
Neu
ist
einem Programm, für das
er
Am mit
nur die Ouvertüre zu Smetanas Die verkaufte Braut. Aber die
Rundfunk RAI
Daß Maazel
ein.
am
schon Konzert-Erfahrungen aus Amerika mit-
Rom
nach Catania auswendig. Der
verpflichtet ihn nach
dem Konzert zu Aufnahmen.
lernt der junge Dirigent auf der Fahrt italienische
in
zur Generalprobe,
trifft
Cesar Francks Symphonie d-moll und Strawins-
in F,
F euervogelSxxiiQ. wenigstens
bringt.
rechtzeitig
sympho-
Catania wegen
in
Erkrankung absagt. Zwei Tage vorher wird Lorin Maazel engagiert und 24.
er
und anderen Meistern des Barock. Doch der
Sie bietet sich, als der Pariser Opernkapellmeister Pierre nisches
Jahrhunderts
jetzt
ohne Taktstock
hervorgehoben oder gar
erörtert.
von
dirigiert,
wird bemerkt, aber nicht sonderlich
Es gibt bekannte Vorbilder. Die nächsten
Stationen sind italienische Provinzstädte von Cagliari auf Sardinien,
wo immer-
hin der Pianist Nikita Magaloff als Solist mitwirkt, über Bologna, Florenz,
Turin und Triest, bis
sich die
„jüngste Entdeckung des Maestro de Sabata“ in
einem Konzert an der Mailänder Scala
vorstellt.
Maazels „unorthodoxe“ Mo-
zart-Interpretation erregt Aufsehen. Die übrigen Säulen seiner
Programme
sind
Bach und Beethoven, Chopin, Tschaikowsky und Prokofieff, Strawinsky, Ravel, Bartok, von den Italienern Vivaldi oder Geminiani und die eine oder andere zeitgenössische Novität.
Rom
In
debütiert Maazel
der Phantastischen nes
Poeme de
dem
im Frühjahr 1955 mit Beethovens Weihe des Hauses,
Symphonie von
Berlioz,
Honeggers Pacific 231 und Skriabi-
Pextase. Bald darauf macht er das
Publikum mit
einer Ausgrabung,
über vierstündigen Christ us-Or:aonum von Liszt, in einer behutsam gekürz-
ten Version auf der „Sagra musicale
umbra“
in
Perugia bekannt.
25
Reisedirigent in vier Erdteilen
6.
Die internationale Karriere beginnt mit dem sensationellen, eines Dirigenten“ gefeierten
Debüt im Dezember 1955
als
„Entdeckung
Wien. Eine „Liebe auf
in
den ersten Blick“ wird dem nach Karajan, Kubelik, Celibidache und Argenta neuen „Pultliebling“ Maazel bescheinigt. Das Motto der Berichte lautet: „Er
kam,
dirigierte
Nun
und
verläuft der
Dem
Bahnen.
siegte“.
Lebenslauf eher in
traditionellen
als
ungewöhnlichen
in
am 15. Januar 1956 mit dem Südwestfunkam 1. März das Berliner Debüt mit dem Radio-
Deutschland-Debüt
Orchester in Baden-Baden folgt
Symphonie-Orchester (RSO) Berlin, das wieder einmal
als
Talent-Entdecker
fungiert hat.
Zwei
kritische
Würdigungen des
ersten
Berliner
extremen Beurteilungen, denen dieser Dirigent
Da werden ihm
erscheint.
äußerster Straffheit
und
in
Konzerts
Deutschland
bezeichnen
die
stets ausgesetzt
„eine gleichsam sportliche Sachlichkeit, der Wille zu
geistiger Konzentration, zur scharfen harten Belichtung“
(Karl Rehberg im Telegraf) nachgesagt. Demgegenüber verzeichnet ein anderer
Chronist eine „Interpretationsleistung, die peinliche Genauigkeit und Klarheit
mit subtilem Klangsinn und stürmischem Furor des Gefühls verband und
macht
kommen
scheint, das in der
jungen Musikergeneration selten
nicht eine Virtuosenpersönlichkeit, ein neuer
scher*?
das
besonders wertvoll, aus einem Glauben an die große Musik, aus einem
sie
geistigen Feuer zu ist;
die,
—
—
sollen wir sagen
Interpretentypus kündigt sich hier an“ (Werner
,
romanti-
Oehlmann im Tages-
spiegel).
Reisen führen nach Belgien, Argentinien, Schweden, Spanien, Portugal, Mexiko,
dazwischen immer wieder nach
Wien, Berlin und
Italien,
Städte, zu den Luzerner Musikfestwochen,
dem
in
andere deutsche
Musikfestival von Besan^on, den
Gulbenkian-Festspielen und nach Paris. Hier, in der französischen Hauptstadt, prophezeit 1959 ein Kritiker
dem
jugendlichen Klangzauberer, er werde
Taktstock zurückkehren. Der Prophet behält
Maazel den Stab wieder
in die
nächsten Jahr
nimmt
er schon als dirigierendes
„Wun-
recht.
Hand, mit dem
Im
zum
derkind“ umzugehen wußte.
1960
ist
Lorin Maazel
in
Bayreuth
— der
Grünen Hügel. Nach besessenen Proben
erste amerikanische Dirigent auf
leitet
dem
der gerade dreißigjährige und da-
mit jüngste international bekannte Dirigent im verdeckten Orchestergraben des
Bayreuther Festspielhauses eine Wiederaufnahme des Lohengrin^ den er noch nie
zuvor interpretiert
hat.
Wieland Wagners Wagnis, diesem nahezu opernunerfah-
renen Orchesterleiter den Lohengrin anzuvertrauen, beschert den Festspielen eine
26
durch keine Konventionen belastete, musikalisch inspirierte Aufführung. Maazel
damit die Oper.
erschließt sich
Doch
erst
einmal gibt
es eine
Atempause. Monatelang erscheint Maazel nidit auf
den Podien der Konzertsäle. Er nimmt Musik
in sich auf,
zu musizieren. Nie habe er mehr gelernt
lichkeit
ohne vor der Öffentder Muße, be-
als in jener Zeit
kennt der Musiker in der Rückschau.
Die Rückkehr tät.
in
Am
30.
ins
Konzertleben steht im Zeichen einer nodi gesteigerten Aktivi-
November 1960
London und wird
grüßt.
der bereits zur Legende“ geworden
als „Dirigent,
Im Dezember
dirigiert
er
Moskau, Leningrad, Prag, Budapest schließen Entscheidend für das Jahrzehnt 1955
Wenn
sein
be-
— 65
Israel, später Gastspiele in
sich an.
ist
dem
der besessene Fleiß, mit
Maazel das gesamte sogenannte Standard-Repertoire von Bach matisch erarbeitet.
ist,
Konzerte des Bostoner Symphonie-
sieben
Tourneen nach Australien, Südamerika,
Orchesters.
Symphonie
debütiert Maazel mit Mahlers zweiter
sich
Bartok syste-
bis
Konzert-Repertoire heute etwa 650 Partituren
umfaßt, so hat Maazel den Grundstein dazu
dem Jahrzehnt
in
seiner Tätigkeit
als Reisedirigent gelegt.
1962
leitet
Maazel eine Konzertreise des Orchestre national de
(ORTF)
sion-Televlsion Frangalse Pariser Theatre des plant.
weiß
USA. Beim Abschiedskonzert im
nach den
Elysees wird Maazel gefragt,
von „geheimnisvollem Lächeln“, kommt
Begleitet
Am
nicht“.
es
Champs
Ouvertüre Römischer Karneval von Berlloz zu
die
das
spielen es „mit
was
er als
Zugabe
Antwort: „Ich
die
Schluß des Konzertes bittet der Dirigent das Orchester,
die
genau
Stück
Radiodiffu-
la
kennen,
haben
Warum
überwältigendem Brio“.
mit ihm
nicht
es
Die Musiker,
spielen.
Doch
geprobt.
dieses Risiko? „Ich wollte
sie
dem
Orchester zeigen, daß ich ihm vertraue“, erklärt der junge Dirigent. Anek-
dote oder nicht,
ment“ denen der
und er
erklärt
kindliche
zum
Dirigent
ließ,
New York
Musikern
beleuchtet Teil
Maazels zu seinem
das Verhältnis
wenigstens
seinen
Erfolg
das
um
verstanden
die erwachsenen
eröffnet
reguläre
das
haben,
der
auch
„Instru-
den Musikern,
bei
mit psychologischer Einfühlung zu begegnen weiß. Das
durdigehen In
sie
einmal
muß
schon
Fehler
einen
Musiker nicht zu verärgern.
einstige
Wunderkind mit den
Programm der neu
errichteten
Vor allem Strawinskys Petruschka-Smle habe
er,
französischen
Philharmonie
so bescheinigt
ihm
Hall.
die auf
einheimische Orchesterleiter mit Vorbehalten reagierende amerikanische Kritik,
erregend und brillant dirigiert. In der Metropolitan
Übernahme
des
Opera
stellt sich
Don Giovanni
Maazel am
vor und
leitet
1.
November 1962 mit
eine spätere
einer
Aufführung mit
27
Gästen, in der George London, Leontyne Price und Nicolai
einen musi-
und dramatischen Mozart-Stil par excellence verwirklichen. Die
kalisdien stige
Gedda
Marschallin Lotte
Lehmann
(75)
führt Regie beim Rosenkavalier
ein-
von
Richard Strauss, den Maazel für die Met musikalisch einstudiert mit einer neuen Marschallin aus Frankreich, Regine Crespin, Die Beurteilung dieser Aufführung ist
unterschiedlich. Kritiker werfen
„Gefühlsregionen der Partitur“
dem
ein,
Dirigenten vor, er dringe nicht in die
andere finden
es erfrischend,
daß
er Senti-
mentalität vermeidet.
„Das Fest begann
mit
erst
dem
Figaro‘\ heißt es nach Maazels Debüt bei den
Salzburger Festspielen 1963 mit der Reprise von Mozarts Die Hochzeit des Figaro in der Inszenierung Gustav Rudolf Sellners. Der Intendant der Deutschen
Oper
Berlin
lädt
gleichen Jahres mit
Oper vor
seinen
Partner
ein,
Wagners Tristan und Isolde
ihrer Japan-Reise zu dirigieren. Es
der Abschied,
dem
in
ein
den Berliner Festwodien des die Abschiedsvorstellung der
wird ein musikalisch atemberauben-
„denkwürdiger Tristan“
in
Tokio, wieder unter Maazels
Leitung, folgt.
Die setzt
in
Salzburg begonnene „vergnügte Zusammenarbeit“
werden.
Im Januar 1964 geben
die Deutsdie
Oper
soll in
Berlin
Berlin fortge-
und das Berliner
Radio-Symphonie-Orchester (RSO) die Verpflichtung Lorin Maazels tember 1965 auf die beiden
seit
des Generalmusikdirektors der
Ferenc Fricsays
Oper und
tion für
des Chefdirigenten der
großgewordene Musiker übernimmt. Wird
Oper und Konzert
so erfüllen,
Radio-Sym-
als vielbesdiäftig-
er diese
dem
Doppelfunk-
von Karajans
bisher Herbert
Philharmoniker die gewichtigsten Akzente setzten? Doch das
28
Sep-
daß neue Impulse davon ausgehen zur
Bereicherung des Berliner Musiklebens, in
Kapitel.
1.
Tod 1963 verwaisten Posten
phoniker bekannt. Es sind die ersten festen Positionen, die der ter Reisedirigent
zum
ist
ein
anderes
7.
Laufbahn des Geigers
Ein geigender Hexenmeister betritt im Frühling 1959 das Podium des Konzertsaales der Berliner
Hochschule für Musik. Es
auch in Deutschland ein aufsteigender Stern
ist
am
Lorin Maazel,
seit drei
Dirigenten-Himmel. Er
Jahren
den
spielt
Violinpart in einer Konzertfassung der Geschichte 'Oom Soldaten von Strawinsky.
Der Gast und
in
einem
temperamentvoll ausgewogenen Zusammenspiel ein Stück hochvirtuoser
Kam-
mermusik vor,
sechs Solisten des
Radio-Symphonie-Orchesters führen
die seit ihrer Entstehung 1918 nichts
von der atemberaubenden
Modernität einer scheinbar primitiven, geistvoll ironisierten Moritat eingebüßt hat.
Der „Teufelsgeiger“ führt
Violin-Virtuose an,
er
seine Mitspieler nicht als
realisiert
vielmehr die Idee zeitgemäßen
Musizierens, das technische Brillanz eines transparenten geistigen
Eingeleitet wird das
Maazel
„nur musikantischer“
und
feuriges
Temperament
Konzeptes der Aufführung
Concertino-
in
den Dienst
1
a-moll, das
stellt.
Programm von Bachs Violinkonzert Nr.
Dirigent und sein eigener Solist durch ein lebendiges Miteinander-
als
Musizieren der Solostimme und des Orchesters interpretiert. Diese
Wiedergabe
halten hat. So wie aus ersten,
vielleicht schon für historisch
dem Cembalisten
und vergangen
ge-
der Kapellmeister erwuchs, so steckt im
den Ton angebenden Geiger der Konzertmeister in des Wortes ursprüng-
Bedeutung. Dieses Musikmachen
licher
der
Vergegenwärtigung einer Musik-
besticht gerade durch ihre vitale
Ausübung, die der Konzertbesucher
Form
prlmus inter pares kennzeichnet auch
als
den Solisten Maazel.
Die Violine war das als
Geiger
stellte sich
Europa wurde der
Und
erst als
erste
Instrument des Kindes im Alter von fünf Jahren.
der Sechzehnjährige erstmalig mit einem Soloabend vor. In
Violinist zunächst scheinbar
sondern
ganz
vom
Dirigenten abgelöst.
der Dirigent sich durchgesetzt hatte, trat auch der Geiger wieder an
die Öffentlichkeit, aber nicht als Solist in ten,
Und
von fremder Hand
geleiteten
Konzer-
geigender Dirigent. Sein Repertoire umfaßt vor allem
als
von Bach und Mozart,
Werke
denen der Dirigent ein Ensemble von Solisten zu
ln
koordinieren hat und seine ungewöhnliche Doppelbegabung gleichzeitig oder
vielmehr nebeneinander ausüben kann. Dirigenten charakterisiert ein Bericht von den Salzburger Fest-
Den geigenden spielen 1963, bei
denen
sich
Maazel mit Figaro und einem Programm mit der
Tschechischen Philharmonie zur Eröffnung des Kleinen Festspielhauses als zertsaal vorstellt.
G-dur
KV 216,
Über
die
Aufführung
in
Kon-
Salzburg von Mozarts Violinkonzert
das Maazel als Dirigent und Solist zuvor aucli in Berlin inter-
pretiert hatte, schreibt der Chronist: „Schon ln
den ersten Takten des Soloparts
29
zeichnete sich der Stil der Wiedergabe überraschend ab: lich
schwereloses,
apollinisch
von winzigen
Crescendi
von der Erde abgehobenes, nur
Man
elektrisiertes
erlebte ein unglaub-
Dahinhuschen;
ein
’auf der Spitze’ sidi abspielendes,
durchwegs tänzerisdi empfundenes musikalisches Geschehen (die Kadenzen von eigener
Hand, insbesondere
die zweite, bewiesen es Jedesmal überdeutlich).
Kleinsten gelang alles geschliffen
Adagios erschien rung
kaum
und
brillant,
die große kantable Linie des
flirrend, fast impressionistisch aufgelöst,
merklich darauf abzielte. Es
war
Im
obzwar
ein Mozart-Spiel
die Phrasie-
von superfeinen
Nuancen, im ganzen Zuge der Deutung gleichsam ’über den Wolken’ angelegt, wobei die ein Mezzoforte nie übersteigende dynamische Skala und die Abschattierung des Orchesterklangs
manchmal ans
Artifizielle grenzten.“
(Max Kaindl-
Hönig, Salzburger Nachrichten^ August 1963).
Durch den „Reiz des Spontanen“ zeichnen Violinsolist aus.
Doch
sie
bewegen
sich
sich die
Auftritte Lorin Maazels als
im Schatten des Dirigenten, der dem
hundertköpfigen Instrument des Orchesters mehr Zeit zur Vorbereitung einer
Aufführung
als
der Geige
zum Üben widmet.
Sein Solo-Instrument
stammt aus
der vorwiegend im 18. Jahrhundert tätigen italienischen Geigenbauer-Familie
Guadagnini, von der zwei Mitglieder
30
als Stradivari-Schüler gelten.
Berliner Generalmusikdirektor
8.
Ein „Opern-Neuling“ auf
dem
Posten des Berliner Generalmusikdirektors?
Mit deutscher Gründlichkeit wird von dem musikalischen Opern-Chef Metropole verlangt, daß
an Häusern
in der
er jahrelange
Erfahrungen und Repertoire-Kenntnisse
Provinz gesammelt hat. Routine 'und handwerkliche Fertigkeit
im Umgang mit Bühne und Orchester mag Talent,
das
stecken,
wenn
vielleicht
sich
Und
zu werden.
er dabei
Korrepetitor begann, blieb
als
einer
ihm keine Chance der
gewinnen. Aber manch ein
Kapellmeister im Repertoire
als
bot, mit eigenen Neueinstudierungen gehört
Oper kann Hilfe gegen
Konventionen
die Erstarrung in
nur von Außenseitern kommen.
Lorin Maazel wußte wohl, binden. Er habe Angst vor
warum er zögerte, dem Opern-Alltag,
Aufführung, sagte er bei einem Gespräch 1963
Oper
Berlin mit ihren 320 Vorstellungen
tag“.
So nahm
er
sich fest
an ein Opernhaus zu
vor der ungeprobten Routinein Salzburg.
Ruf an und
der Deutschen
im Jahr fand der Dirigent „wenig Ajl-
nach zwölfjähriger Konzert-Erfahrung
Reisedirigent den Berliner
An
stellte sich selbst die
unermüdlicher
als
Aufgabe, jeder Abend
„wie eine Premiere“ werden. Für seine eigenen 60 Vorstellungen pro Saison
solle
im Laufe von 6 Jahren hat
Den genuinen Opern-Musiker Wieland Wagner entdeckt,
Aber
Versprechen im wesentlichen eingelöst.
er das
hatte bereits 1960 mit unglaublichem Spürsinn
Maazel zum Lohengrin nach Bayreuth einlud.
als er
die „Ausflüge“ des Konzertdirigenten in die
Tosca in Florenz,
disch:
Met, Figaro
in
Don Giovanni und
Oper
blieben vorerst spora-
Rosenkavalier an der
zwei Salzburger Festspielzeiten, Tristan und Isolde
New
Yorker
in Berlin
und
Tokio.
1964 studiert Maazel an der Römischen Oper im deutschen Original den Fidelio ein,
mit
dem
er
am
26.
November auch an
Im
der Wiener Staatsoper debütiert.
Dezember
des gleidien Jahres folgt der Tristan
Scala, bei
dem Wieland Wagner
zum Debüt an
der Mailänder
seine grandiose Bayreuther Inszenierung
von
1962 nach Italien überträgt. Die archetypische Deutung und die Aufführung deutscher Sprache verwirren einen Teil des Publikums
und der
in
Kritik, die der
musikalischen Wiedergabe durch Maazel und die Sänger, vor allem Birgit Nilsson
und Wolfgang Windgassen,
Bewunderung
ihre
nicht versagen.
Tschaikowskys Eugen Onegin widmet Maazel im Jahre 1965 an der Römischen
Oper
seinen bisher einzigen
und
rungs-Versuch. „Ich wollte die
—
laut Presse-Echo
—
mißlungenen Inszenie-
Oper von der romantischen Sdiwere,
in
der
sie
üblicherweise dargeboten wird, befreien“, erläutert der Regie-Amateur, „und die
Sänger verstanden sogleich, was mir vorsdiwebte“.
31
Seinen Einstand in Berlin gibt der neue Generalmusikdirektor mit Verdis La
Das
Traviata.
—
ist
und Ridiard Strauss sogleich einen
nach Mozart, Beethoven, Wagner, Tschaikowsky, Puccini
—
der erste Verdi in Maazels Opern-Repertoire. Er setzt
Maßstab für den modernen Verdi-Interpreten, der
hier nicht das
„Rührstück“ mit „schönen Stellen“, sondern ein expressives musikalisches hören läßt. „Was wir italienische
Oper
—
hat“, resümiert K.
in
München entbehren: den
autoritativen Dirigenten für die
kein Zweifel, daß Berlin ihn mit Lorin Maazel
H. Ruppel
in der
Oper
gewonnen
Süddeutschen Zeitung.
Maazels Aufmerksamkeit in den 7 Monaten pro Berliner
Drama
bindet, gilt vor allem
dem
Spielzeit, die er sich
an die
Orchester, das in den letzten Jahren
nur bei den Gastspielen Karl Böhms seine Hochform erreicht hat. Der 1963 ge-
war bald nach der Premiere
storbene Ference Fricsay
des
Don Giovanni
1961
zur Eröffnung des neuen Hauses aus Krankheitsgründen abgetreten.
Den Musikern
begegnet mit Maazel ein Dirigent, der ihnen trotz seiner erst 35
Jahre Anerkennung abringt. Natürlich
ist es
unbequem, die von Maazel angege-
benen Stricharten zu befolgen. Aber die Streicher hören, was
Und
ein so blendender Geiger, der auch
sich leichter als ein klavierspielender
und Spannung Maazels
dirigenten orientieren. sich
An
damit erreichen.
mehrere Blasinstrumente beherrscht, kann
Dirigent verständlich machen. Die Intensität
Proben und Aufführungen überträgt
in
und mühelos kann
Orchester,
sie
sich
an der deutlichen Zeichengebung
es sich
Auf jeden Wink
seines
Chef-
reagiert ein flexibler Klangkörper, der
heute zu den führenden Opern-Orcliestern der Welt rechnen darf. der ersten musikalischen Einstudierung wird nächst
dem
Orchesterklang die
Begleitung der Singstimmen bewundert. Bei deren Auswahl zeigt der in
auf das
Zukunft
eine glückliche
Hand. Nie vorher
GMD
vereinigte die Berliner
auch
Oper
in
ihrem Ensemble von festen Mitgliedern und ständigen Gästen eine solche interSänger-Elite,
nationale
Stimmen
Streich“ gilt
Fach überwiegt.
An Wagner-
Domenico Cimarosas Opera buffa Die heimliche Ehe,
Maazel zu Gustav Rudolf
die Grazie
und Eleganz
dieser
setzung des Dirigenten mit
Der
italienische
herrscht auch in Berlin wie andernorts Mangel.
Der „zweite in der
wobei das
Sellners turbulent parodistischer Inszenierung
Rokoko-Musik erklingen
Wagner an der
fliegende Holländer ein.
Nach
Berliner
läßt.
Oper
Die Auseinander-
setzt
mit der Ballade
dieser dritten Premiere innerhalb eines Vier-
teljahres behauptet ein anfangs skeptischer Rezensent,
atur des Musiktheaters ganz beherrschen gelernt“,
Maazel habe
und
die „Klavi-
ein anderer stellt fest:
„Der junge Wagner fand einen jungen Interpreten“. 1966
ist
Tetralogie
32
das Jahr der Vorbereitung auf die erste zyklische Einstudierung der
Der Ring des Nibelungen an der Deutschen Oper
Berlin, die einen
S.
33
— 35:
Aufnahmen
aus
Rom,
New
York, Berlin, 1955
— 1959
33
f*
*‘.J
SS
m
Wt
36
1964 mit Svjatoslav Richter
in Sal7A‘)urg
1964 mit Ycliudi Mcnuliin uiui dem Radio-Symphonic-Ordiester ßcrlin S. 38: mit Wieland Vi'agncr 1964 in der Mailander Scala
37
'
ilr»*
40
S.
C.
M
Mw-
39 und 40: Konzert
in
der Mailänder Scala
Weg
neuen
nach und ohne Wieland Wagner einschlagen
GMD
der Berliner in der
von ihm
mit Otto Schenk
als entstellend
als
will. In
Regisseur eine französische
verschmähten Rezitativ-Fassung
Wien
Carmen nodb
ein, die lebhaft
Mailänder Scala einen hinreißend besetzten
diskutiert wird, an der
studiert
Don
Gio-
vanni. In Berlin übernimmt Maazel beim Gastspiel von Birgit Nilsson erneut
den Tristan und erstmalig den Fidelio. Als zweiten Verdi in Berlin dirigiert Maazel den Falstaff im italienischen Fischer-Dieskau in der Titelpartie. Dabei läßt er die
Original mit Dietrich
Komödie
musikalisch transparent werden
und
der heiteren Weisheit der
in
Schlußfuge gipfeln. Eine bewegende und architektonisch präzise Festwochen-
Aufführung von Beethovens Missa solemnis mit Chor, Orchester und Solisten der
Oper
Auftakt für das zweite Japan-Gastspiel, bei dem Maazel Holländer,
ist
Traviata und die Missa dirigiert.
Von Januar bracht, bei
bis
September 1967 werden die vier Werke des Ring herausge-
Weg
denen Berlin zwischen Bayreuth und Salzburg einen eigenen
Man könne Maazel „nicht gerade als Wagner-Spezialisten bezeichnen“, wird ihm vorgehalten. Umso erstaunlicher sei der große symphonische Bogen, den er vom Rheingold zur Götterdämmerung spanne. Während Böhm einen
sucht.
„durch Mozart geläuterten Wagner“ im Ring Klang werden läßt, versetzt zels
Wagners
7^/>7g-Interpretation
analytisches Klangbild mit Verdischem Brio
und Debussyschem Farbenspiel. Diese Vorstellung 1969 bei seiner Rückkehr auf den Grünen Hügel bei der Deckel über
mal sogar
dem
Maa-
sucht der Dirigent 1968
in
Bayreuth zu
realisieren,
und
wo-
versenkten Orchester die Intentionen bremst und manch-
verfälscht.
Einmalig klingen aus dem „mystischen Abgrund“ nach Ansicht des Dirigenten der noch vor Errichtung des Bayreuther Festspielhauses entstandene Tristan
der für das
Haus komponierte
Parsifal.
Daß
im Bayreuther Orchestergraben kaum möglich bemerkbar.
störend
Piano-Stellen
müßten
und
eine dynamische Differenzierung sei,
forte
mache
sich
gespielt
im Ring besonders werden,
damit
sie
„draußen“ beim Publikum „richtig“ ankommen, aber ihr Charakter werde dadurch
An
in ein
Forte verändert und die Skala
der Deutschen
Werke
einstudiert
Oper
und
des Verdi-Repertoires fort,
der
zum
zum
Fortissimo bleibe zu gering.
Berlin setzt der Dirigent,
Bizets
Carmen
in
Drama
aus
dem
er fünf
Wagner-
Deutsch übernommen hat, den Ausbau
im Dezember 1967 mit Otello
erregenden
nadidem
Geiste der
— wieder
in italienisch
Musik wird. Verdi
—
erklingt
auch zu den Berliner Festwochen 1968 mit seinem Requiem, das Maazel auf der
Opern-Bühne zu einem dynamisch werden
reich
abgestuften,
klangschönen
Ereignis
läßt.
41
Zuvor
Lorin Maazel die Uraufführung von Luigi Dallapiccolas lyri-
dirigiert
schem Epos Odysseus, der in deutscher Sprache an der Berliner Oper vorgestellt
Der Dirigent
wird.
entlockt
Zwölfton-Partitur
der
differenziert
abgestufte
Valeurs und gibt ihr mediterrane Helligkeit.
dem
Verdis Simon Boccanegra,
Sellner dramatische Weiträumigkeit auf der
Szene verleiht, und Puccinis Tosca in Boleslaw Barlogs realistischer und dadurdi ihre politischen Berlin, beide
Bezüge offenbarender Inszenierung werden 1969 von Maazel
im
italienischen Original, einstudiert. Disziplinierte Leidenschaft in
der musikalischen Verdi-Deutung
stimmen
vom
und unsentimentale Kontraste
bei Puccini be-
Orchester aus die Bühne.
„Musik und Szene im Widerstreit“
in Berlin.
Während
—
so kennzeichnet die Kritik die
dem verwirrenden
aufführung des Dramas mit 1970
die Regie
tradition bietet, interpretiert
Libretto Die
Macht des
Neu-
Schicksals
von Margherita Wallmann museale Opern-
Maazel die Musik Verdis im Sinne des 20. Jahr-
hunderts. Lür das dritte Japan-Gastspiel der Berliner Oper,
im Lrühjahr 1970,
Maazel die Wiederaufnahme des Lohengrin, den Wieland Wagner 1961
leitet
Berlin inszeniert hatte,
und
Harmonie mit dem
trifft in
März 1970 mit „triumphalem“ Erfolg das Kulturprogramm auf
ausstellung in Osaka. eine
Das Opern-Gastspiel
enthält
am
der Welt-
außerdem mit Maazel am Pult
Aufführung des Deutschen Requiems von Brahms und
Die Spannweite
in
szenischen Bild den
„blausilbernen“ Klang der romantischen Oper. Ihre Aufführung eröffnet 16.
in
in
Tokio den
Falstaff.
seinem vergleichsweise noch schmalen Opern-Repertoire
in
(Sommer 1971: 28 Werke) hat Maazel erneut mit den beiden Einstudierungen 1971
zum
Oper
Berlin erwiesen.
Abschied von seinem Posten
sky, das Gustav
als
Das Volksdrama
Rudolf Sellner
Volkes inszeniert hat, wird
als eine
in der
Generalmusikdirektor der Deutschen
Boris
Godunow von Modest Mussorg-
aufgeschlagene Chronik des russischen
klangschärfenden Instrumentation von Dmitri
Schostakowitsch durch die Wiedergabe unter Maazels Leitung zu einem expressiven, russisch timbrierten musikalischen Bilderbogen
kraft
und immanenter Logik. Puccinis
frühe,
Arturo Toscanini 1893 uraufgeführte Oper
von
geistiger Suggestions-
von dem damals noch unbekannten
Manon
Lescaut gewinnt in Maazels
Interpretation, der sich Boleslaw Barlogs schauspielerisdi differenzierende Insze-
nierung einfügt, mit
dem noch behutsamen
Einsatz des Beicanto zur musikali-
schen Charakterisierung klangsensible, lyrische Intensität.
Fazit
zum
Abschied: Aus
dem „Neuling“
ist
ein
„geborener“ oder vielmehr
„gewachsener“ Opern-Dirigent geworden, der Musik in ihrem gestisch-mimischen Stellenwert
werden
42
und im Spannungsverhältnis mit der Szene zum lebendigen Ereignis
läßt.
9.
Chefdirigent in Berlin und London
Mit Mussorgsky und Prokofieff gibt Lorin Maazel
Neuen Philharmonie
Konzert mit dem Berliner Philharmonischen Orchester im
sein vorerst letztes
Sommer
in der
1964, nachdem wenige
Monate zuvor
seine
Berufung
als
Chefdirigent
des Radio-Symphonie-Orchesters Berlin
(RSO) bekannt gegeben worden war.
Dann
RSO zum
dirigiert er das
Gedenkkonzert des
Tondichtung
Strauss, das in der
Ovationen klingen demonstrativ
100. Geburtstag
von Richard
Till Eulenspiegels lustige Streiche gipfelt. als
Zustimmung
Die
des Publikums für das Engage-
ment.
Hohe Messe
Badis
RSO
in Berlin.
durchlichteten
Es
ist
Die Aufführung steht
Klang im Zeichen
„eine Auffassung
Maazel
im Herbst 1965
in h-moll eröffnet
in
die
ihrem fließend-kantablen Ablauf und
einer historisch unbelasteten Bach-Auffassung.
und
des Interpreten
zugleich des Hörers“, bemerkt
einem Gespräch nach der Schallplatten-Aufnahme der Messe
in
Besetzung des Berliner Konzerts. Wie Bach aufzuführen Dirigent:
„Wenn man
seine
Musik
steht sich auf ein
Grund
ihrer
sei?
Dazu
muß
wunderbar spontanen Logik
absolut stimmen, alles fast
Jahrzehnt kennt das Orchester seinen neuen Chef
von
sagt der
dann ver-
selbst.“
Gastdirigenten,
als
der schon eine Spielzeit vor seinem Amtsantritt acht Konzerte des
RSO
in Berlin
1957 mehrfach auf Reisen begleitet hat. Von nun
dirigiert
und das Ensemble
seit
an sind
es durchschnittlich
zwanzig Veranstaltungen
ments-, der Festwodien-
in der
besteht die größte Schwierigkeit
dirigiert,
darin, sie richtig anfangen zu lassen, der Einsatz
Nahezu
Ära Maazel beim
und Jugend-Konzerte,
die
einschließlich der
Abonne-
Maazel pro Saison
in Berlin
übernimmt, dazu Tourneen und Aufnahmen. Zwischen seinen Berliner Verpflichtungen gastiert Maazel bei den Philharmonischen oder Symphonischen Orchestern in
London und Philadelphia
Zyklen, dirigiert
u. a. die
alljährlich
Orchester in Wien,
Saison bei einem größeren Gastspiel die
New
Rom,
russischer,
Paris,
Tokio und jede zweite
Yorker Philharmoniker.
Attraktive Akzente im Berliner Musikleben
gramme
mit umfangreichen Konzert-
französischer, italienischer
setzen
Maazels zyklische Pro-
Musik des
18.
— 20. Jahrhunderts
oder Konzerte ausschließlich mit Werken eines einzigen Komponisten, wobei
Bach häufig der Saison-Auftakt gewidmet
ist.
Eine Besonderheit sind die Aus-
grabungen nahezu unbekannter Kompositionen aus früheren Jahrhunderten. So entreißt Maazel, der
es für seine Pflicht hält,
das übliche Repertoire durch
Wiederentdeckungen zu bereichern, auf der Suche nach „poetischer Musik“ Robert
Schumanns Oratorium Das Paradies und
die Peri in einer
romantischer Prägung der Vergessenheit.
Oder
Aufführung modern
er erinnert mit
einem virtuosen
43
Orchester-
und Sänger-Einsatz an
für großes Orchester, Soli
Die von Maazel
und Chöre Romeo und
in seinen
Symphonie“
die Tonmalerei der „dramatischen
Julia
von Hector
Konzerten bevorzugte Moderne
Berlioz.
reicht
nur
zu
bis
Schönberg, Webern, Berg, Strawinsky und Schostakowitsch unter behutsamer Berücksichtigung weniger bekannter oder Jüngerer Zeitgenossen mit seltenen Ur-
oder Erstaufführungen. Die Jagd nach Novitäten birgt das Risiko in für ihre Erarbeitung
und
ausgereifte
Wiedergabe die Zeit nidit
daß
sich,
ausreicht.
Es
bedarf „begabter Routiniers“, die immer wieder neue Versuche unternehmen.
Maazel nennt
die „Ingenieur-Dirigenten“,
sie
denen die Aufgabe
wicklung der Musik voranzutreiben, deren neue Sprache er
Aber
erst,
wenn Werke von heute auch morgen
als
zufällt, die
Zuhörer
Ent-
studiert.
Gültigkeit haben, führt er
sie
auf.
Wie
läuft die Arbeit mit
dem
Orchester? Die Musiker berichten von einem
„ökonomischen“ Dirigenten, der keine Proben für lich für
sich selbst,
das gemeinsame Musizieren benötigt. Selten
kommt
sondern ausschließ-
ein Kapellmeister so
vorbereitet auf die erste Probe wie Maazel, der redselige Erläuterungen ver-
meidet und nur an bedeutenden Stellen Akzente
ganze
wie
Werk
es in
Musiker.
stehen.
Mit einer klaren Vorstellung, wie
der Gegenwart interpretiert werden
Da
setzt, die
Meinung. Der
erste
ein Stück gebaut ist
sollte, tritt
vom
und
der Dirigent vor die
Nadiahmens wie
fehlt ebensosehr die Unsicherheit des
keit einer vorgefaßten
exemplarisch für das
die Einseitig-
Dirigenten ausgehende Impuls
bestimmt den weiteren Verlauf, der durch klare Zeichengebung variiert wird.
Das Konzert hat dann der präzisen Probe noch
ein spontanes
Moment gemein-
samen Musizierens beim Aufeinanderhören voraus.
Zur Leitung
dieses Klangkörpers,
mit
dem Maazel
in elektrisierender
Spannung,
aber ohne Über-Spannung und viel gelöster als bei seinem Deutschland-Start vor eineinhalb Jahrzehnten konzertiert, hat er von Januar 1971 an noch die Position eines assoziierten Chefdirigenten des
von Otto Klemperer
geleiteten
New Philhar-
monia Orchestra London (NPO) übernommen. Zehn Programme im Jahr wird Maazel mit dem
NPO
erarbeiten, die je einmal in der
3300 Plätze fassenden
Londoner Royal Festival Hall und außerdem auf Konzertreisen aufgeführt werden. Auftakt
ist
im Spätherbst 1971 eine USA-Tournee mit Werken von Brahms,
Mahler, Sibelius, Richard Strauss, Schönberg und Bartok.
44
Mit
dem Philharmunia
Orclicsira l.ondon 1963
m
I.u/.ern
45
Mit
4r,
dem
Orchester der Deutschen
mit Herbert Vocks (am Mügel) und Helge Brilioth
Oper
in
Berlin
Bayreuth
Mit Israeli Margalit
Mit
Willieliii Pitz in liavreiith
47
Konzert für Papst Paul VI. mit
dem
Orchester des
Römischen Rundfunks im Teatro della Conciliazione 968 1
^rp
B
wV 'tr r
48
Bl
%.
49
SHä
50
Probe
Don ijiovunm
in
der MaiKindcr Scala
nm
Jüan Sutherland und Luigi Alva
lVi)l)f
Odyssais
in
der Dcuischcn C')pcr Berlin 1‘>6S
inii
1
ui^i
1
)allapica)l.i
31
*
f
t -I
ZWEITER -TEIL: GESPRÄCHE MIT LORIN MAAZEL
j
,
^* >1
-
*
T9
r
.
,
V
.
’•
,/w
i
'
i »
I
' .
' ,
4
V
•
,
i
ß
»»
4
* .f
»
^.1 4 .
.
m*
t
\
t. ,
P
1
.
4.
»
I
ti
k
Gespräch über Carmen
G:
haben Bizets Carmen schon mehrfach im Opernhaus
Sie in
Wien und 1967
in Berlin.
Dabei wurde
dirigiert, z. B.
stets die bearbeitete
1966
Version mit
den von Bizets Studienfreund Ernest Guiraud nachkomponierten Rezitativen
Warum
aufgeführt.
Carmen
wählten
Sdiallplatten-Aufnahme
Ihre
für
Sie
der
den gesprochenen Dialogen?
die Urfassung mit
M: Die Bühnenbedingungen zwangen mich zu einem Kompromiß. Aber glaube nicht an die Rezitativ-Fassung. Sie verändert das Werk,
pompös und
Man
grob.
sagt,
Carmen
sei
wußte genau, was
falsch. Bizet
wird
die bedeutendste Repertoire-Oper,
nur habe Bizet leider keinen geschlossenen ganz
es
ich
Stil
er machte.
gefunden. Das halte ich für
Er wollte die verschiedenen
Stationen einer tödlichen Liebe erzählen und fand für jede den „passenden“ Stil.
Aber über
heit
von der ersten
G: Und sie
Verschiedenheiten hinweg gibt
alle
bis
es
doch eine gloriose Ein-
zur letzten Note.
Sie meinen, die Rezitative stören ebenso sehr diese Bizetsche Einheit
die Verschiedenheit der 26 geschlossenen musikalischen
Nummern
wie ein-
ebnen?
M: Mehr men
noch. Sie täuschen eine durchkomponierte
ist alles
andere
G: In deren Haus
als das. Sie entspricht
sie ja
Große Oper
dem Typus
vor.
Aber Car-
der Opera comique.
auch 1875 in Paris uraufgeführt wurde. Eine Spieloper
mit tragischem Ausgang mußte befremden. Die gesungenen Dialoge sollten der Großen
Oper annähern, wie
führung
Wien
in
Gestalt zog
sieben
Carmen
M\ Damit begann
dies schon bei der deutschsprachigen Erstauf-
Monate nach der
in die
Pariser Premiere geschah. In dieser
Welt.
das Mißverständnis
um
das Werk.
kennen, sollten wir auf diese zurückgreifen. leicht
und durchsichtig
sie
diese
Da
wir heute die Urfassung
Dann werden wir
Carmen daherkommt
hören, wie
— nicht fortissimo und auf
schweren Füßen. Die einzelnen Stücke sind intime Lieder. Die Habanera erklingt nicht als
„Arie“ zwischen den Rezitativen, sondern
Chanson. Die Seguidilla
muß
die Titelpartie
Mezzosopran gesungen.
pointiertes
beinahe geflüstert werden. Alle diese Lieder
entsprechen präzise der Situation, in der
G; Meistens wird
als
von
sie
gesungen werden.
einer Altistin oder einem dramatischen
Sie wählten für die Schallplatte einen Charakter-
Sopran.
M: Die
Partie verlangt
Höhe und
eine auch
im Ausdruck der Leidensdiaft eher
schlanke Stimme. Ich meine, Dramatik sollte nicht schwülstig, vielmehr trans-
parent
sein.
Vor allem müssen auf der
Schallplatte die Solisten die viel-
55
zum Ausdruck
faltigen
Aspekte einer Persönlichkeit ganz
allein stimmlich
bringen.
Carmen
— eine Konzeption der Freiheit
und der Amoral keit,
ist
—
,
eigentlich
während
nur eine Idee sich in
das Leben zu begreifen, wie es
Sentimentalität.
Don
verkörpert.
ist,
Auch Micaela darf
Jose ein Mensch in seiner Unfähig-
nicht
Das hat Gefühl, aber keine
larmoyant
sein, sie ist ein
mutiges
liebendes Mädchen.
G: Haben
um
Sie deshalb auf die Urfassung zurückgegriffen,
der Sentimentali-
sierung entgegenzuwirken? AI: Ja,
denn die Geschichte, die Bizets Musik und der gesprochene Text ohne die
späteren Zutaten erzählen,
G:
Und
wie halten Sie
es
herb und
ist
schlicht.
mit den Strichen, die Bizet oder seine Mitarbeiter
Teil noch vor der Premiere oder gleich danach AI:
Wir
vorgenommen haben?
sind auf die ursprünglichen Intentionen des
aber haben uns
gen,
„Tradition“ recht. So haben wir einige Striche seiten des „Streitchores“
—
— wie
z.
nicht wieder aufgemacht.
die Überlieferung der besseren
Wenn
Komponisten zurückgegan-
daran gehalten. Manchmal hat die
sklavisch
nicht
zum
Wirkung
dessen,
was
B. die der 20 Partitur-
Da, scheint mir, dient
sich Bizet vorgestellt hat.
Spannung
eine Situation zu ausführlich dargestellt wird, geht die
ver-
loren.
G: Kennen der
Sie die „Randglossen“, die Nietzsche 1881/2 in einen Klavierauszug
Carmen
Da
geschrieben hat?
biegsam, mit Höflichkeit daher. Sie
heißt ist
liebenswürdig,
der deutsche Philosoph fragt rhetorisch, zielt:
„Hat man
den dieselben
Und
das
je tragischere
erreicht!
Ohne
„Diese Musik
es:
womit
sie
.
.
kommt
.
schwitzt nicht.“
er contra
sogenannte Schicksalsthema
Ohne
die
Und
Lüge des großen
nennt er ein
Und
Richard Wagner
Accente auf der Bühne gehört?
Grimasse!
leicht,
wie wer.“
Stils
„Epigramm auf
.
.
die
Leidenschaft“.
M: Das
ist
das,
was
ich
an der Garmen
möchte. Die kürzeste Version
ist
als durchsichtig, direkt
hier
immer
und
echt bezeichnen
die beste, weil sie
am
genauesten
der ursprünglichen Idee in einer knappen und eleganten Formulierung entspricht.
Das
gilt
auch für die französisch gesprochenen Dialoge, die wir für die
Schallplatten-Aufnahme auf die zur Erklärung der Situation unerläßlichen Mitteilungen reduziert haben. Das läßt radikal machen. Entscheidend für eine
sich
auf der Bühne natürlich nicht so
dem
Original nahe
Garmen
scheint
mir, sie sollte statt „Gefühligkeit“ ein „lateinisches Sentiment“ vermitteln, die Formstrukturen dieser mit
dem Sinn
für „Clarte“ gebauten
hörbar machen wie ihre sehr französische Expressivität.
56
Musik ebenso
Händels
Gittlio
Cesare konzertant
G; Nur knapp zwei Jahrhunderte berücksichtigen im allgemeinen
die gegen-
wärtigen Spielpläne unserer Opernhäuser, Das 17. Jahrhundert mit Monteverdi
und
werken Händels bleiben weitgehend
dem
Bühnen-
die erste Hälfte des 18. Jahrhunderts mit 44 musikalischen
ersten
und zweiten Weltkrieg
Die Händel-Festspiele nach
unbeachtet'.
in
Göttingen und Halle haben die Werke
des Komponisten erneut vorgestellt, aber nicht auf der regulären Opern-
bühne heimisch machen können. Liegt das Ihrer Ansicht nach an den ihren mythologischen
Libretti,
und exotischen Stoffen oder am ständigen, monoton
wirkenden Wechsel von Secco-Rezitativ und Arie, der den Hörer von heute ermüdet?
M:
Beide Gründe stimmen nur fremdet. Aber lohnt die
Mühe
man kann textlicher
zum
sie
Teil.
Der unlogische Aufbau der Texte Musik Händels
bearbeiten. Die
Neufassung, denn
sie
herrlich, sie
ist
durchbricht die Monotonie des
zum Schema
erstarrten neapolitanischen Opern-Stils durch Beseelung
lebendigung.
Nur haben
keit.
Damals
aus. Sie
wir nicht mehr die
füllte das Erlebnis einer
be-
Muße
und Ver-
für die barocke Ausführlidi-
Opern-Vorstellung einen ganzen Tag
konnte gar nicht lange genug dauern.
Man
hatte Zeit. Zwischen den
Akten wurde gegessen und getrunken. Von diesem nur kulinarischen Operntheater haben wir uns doch weit entfernt. Die Kunst
wonnen haben;
die Zeit, die wir ihr
widmen,
Eine vierstündige Aufführung wird schon
G: Händels Giulio Gesare, 1724
in
als
ist
knapper
eine
M:
Sie
eine
Bühne
muß
erfüllen,
früher bemessen.
London uraufgeführt, hat nach der
am
deutsdi-
ehesten Eingang
Musiktheater gefunden. Welche Voraussetzungen
um
diese Barockoper aufführen zu
muß
können?
vor allem eine virtuose Besetzung zur Verfügung haben. Ich halte
Aufführung im Opernhaus, die keine Langeweile
möglich.
als
ge-
zu lang empfunden.
sprachigen Wiederaufführung 1922 in Göttingen nodi in das zeitgenössische
mag an Ansehen
Der Stoff
ist
gut, die
ohne Ghöre etwas effektarm
verbreitet, für sehr gut
Musik großartig, wenn auch
erscheint.
Man
straffte Einrichtung, einen Dirigenten mit
die
Oper
fast
braucht eine dramaturgisch ge-
dem
Verständnis ebenso für den
„Formalismus“ dieser Musik wie für Händels Leichtigkeit
in der
Textbehand-
lung und eine Inszenierung, die einen neuen Aufführungsstil findet. Nicht einen von heute, sondern einen von morgen. Bei äußerer
Bewegungsarmut
für die Sänger, die durch viel Ballett kontrapunktiert werden könnte,
müßten
die statischen Gefühle in emotionelle Beweglichkeit übersetzt werden. Hinter Schleiern könnten Bilder erscheinen, die den
Ausdruck einer Arie beleuditen.
57
bekommt zu
Das
Licht
mus
durchgezeichnet. Sie bewegen sich schwerelos durdi eine Welt symbolisdher
muß
Konflikte. Dies
G:
Und
Die Figuren sind nicht mit psychologischem Realis-
die Regie sinnfällig
machen und dabei
deutlich den
zur gegenwärtig üblichen Oper hervorheben. Es gibt gewiß
Unterschied szenische
tun.
Lösungen für eine Aufführung des Giulio Cesare im Opernhaus.
dennoch gehen Sie mit dieser Oper
in
den Konzertsaal. Umgekehrt
scheinen Oratorien wie Händels Belsazar oder Jephta als
Szene.
Warum
maßen
als
also
nicht
musikalische
er-
Chordramen auf der
Händel-Opern konzertant aufführen, gewisser-
Dramen auf imaginärer Bühne? Ob
szenisch oder
konzertant, für das Publikum wird die starre Zweiteilung zwischen rezitati-
M:
vischen
und
Partien
immer problematisch
ariosen
sein.
Sie läßt sich nicht aufheben. Sie
einen
Handlung vorantreibenden und
reflektierenden, also
dem Werk immanent. Aber
ist
Ausweg gefunden zu haben, der auch den
ich glaube,
Vorteil hat, den Ablauf zu
verkürzen.
G: Ohne
szenische Anschaulichkeit fehlt den nur
vom
Basso continuo gestützten
Secco-Rezitativen die Spannung, obwohl in ihnen die eigentliche
vor mit.
M: Für
Kann man
sie
Aufführung
Sprecher, der die
Vorgänge
während
im
In der vor,
die Arien
in
Deutschland ersetze
in einer deutschen
daß
nur Inhalte
teilen
ich sie
durch einen
Zusammenfassung
italienischen Original gesungen
diese Zweisprachigkeit nicht die künstlerische
Oper
und
überhaupt konzertant zur Wirkung bringen?
eine konzertante
G; Zerstört
M:
tragen keinen dramatischen Ausdruck
sich geht. Sie
Handlung
mitteilt,
werden.
Wirkung?
bin ich grundsätzlidi gegen Zweispradiigkeit.
Aber
es
eine Repertoire-Vorstellung nur durch einen Gast über die
kommt Runden
gebracht werden kann, der seine Partie nicht in der einstudierten Sprache beherrscht. In einem solchen Falle erfreulicher
G;
Warum
ist
Zweisprachigkeit ein
—
zugegeben un-
— Notbehelf.
bedienen Sie
sich
in
Ihrer Konzertfassung des Giulio Cesare frei-
willig eines solchen Notbehelfs?
M: Händels Arien
sind geschlossene Kunstformen.
Der Sprecher
Museumsführer die kostbaren Kunstwerke zeigen. Er
im Sinne des Textes klarmachen. So damit dieser versteht, ob
G; Der Erklärer behebt
es sich
um
gibt er Liebes-,
muß
dem Zuhörer
soll
wie ein
die Situationen
eine Hilfestellung,
Haß- oder Rache-Arien
handelt.
also vor allem die Schwierigkeiten des Publikums, den
Text zu verstehen.
M: 58
Ja,
und
so
kann
für den
Gesang
die Originalsprache erhalten bleiben.
Das
mir bei Werken, deren sprachlicher und melodischer Duktus eng
erscheint
aufeinander bezogen sind, unerläßlich.
G; Hat
die Rolle des Sprechers als Dolmetscher der in
fremdem Idiom ablaufen-
den Vorgänge nicht eine ähnliche Funktion wie der im voraus die Geschichte erläuternde Sprecher in Strawinskys lateinischem Oedipus Rex?
Oratorium“ wurde 1927
in Paris zuerst
ein Jahr später in Berlin auf die
M: Diese
Bühne
konzertant
Das „Opern-
uraufgeführt, ehe es
gelangte.
Parallele soll die Konzertfassung des Giulio Cesare durchaus
machen. Sie bietet so ein zweieinhalb Jahrhunderte
altes
Werk
bewußt
einem für
in
den unkonventionellen Oedipus Rex vergleichbaren Aufführungsstil.
G; So wird aus dem Cesare
M: Ein Musikdrama
aus
ein „Hör-Spiel“ nach
dem
Art des barocken Oratoriums.
Geiste des Barock.
G: Die unbegleiteten Rezitative
lassen Sie weg.
Und was machen
Accompagnati, von denen einige kaum ausdrucksvoller
sind,
Sie mit
den
andere aber den
Arien nicht nachstehen? Sie verbinden ariose Linie mit dramatischem Impetus
wie Cleopatras Wandlung von der Verführerin zur Liebenden, die
vom
Orchester begleiteten Rezitativ
von Cäsar ankündigt und
M: Die Accompagnati haben Funktion
liche
in der
vollständigen ten Cäsars
me non
Trennung
senti“ vollzieht.
und auch
eine inhalt-
Vorbereitung auf die Arien. Sie gehören nach Möglichkeit
als
Oper
in Ihrer
Version die beiden kleinen, in der
lediglich rezitativisch auftretenden Rollen der
und Cleopatras. Ursprünglich hatte Händel den
endgültigen Fassung einem
ihm
Arie „Se pietä di
eine wesentliche musikalische
G; Von den acht Solo-Partien fehlen
ist,
sento? oh Dio!“ nach der
dem
Konzertfassung.
alle in die
traut
„Che
sich in
Mann im
Vertrau-
Part, der in der
Dienste der ägyptischen Königin anver-
einer Frauenstimme, Cleopatras Cousine Berenice, zugedacht. Als
verwarf der pragmatisch mit Rücksicht auf
die Sängerin dafür fehlte,
das engagierte Personal komponierende Opern-Chef den Entwurf.
M: Die Grenzen bei
des Möglichen
den Musikern
.
.
.
Sie
muß
der Dirigent
— bei den Sängern und
— ebenso berücksichtigen wie der Komponist.
G; Für Sextus, den Sohn des ermordeten Pompejus, hat Händel Partie geschrieben. ein Jahr später ein
Und
als
ihm
bei der
eine Sopran-
Wiederaufführung des Giulio Cesare
Tenor zur Verfügung stand, blieben aus der Urauffüh-
rungs-Fassung nur die beiden Rache-Arien des Sextus in c-moll erhalten, eine
Oktave nierte
tiefer transponiert.
Arien
ersetzt.
Denn
Die übrigen Stücke wurden durdi neu kompodie bestimmte
Stimmlage dient der jeweiligen
musikalischen Charakterisierung.
M: Wir haben
die Zweitfassung der Tenor-Version gewählt.
59
G: Wenn heute Männerstimmen auch
die drei
von Händel Altkastraten zuge-
daditen Rollen des Cäsar, Ptolemäus und Nirenus bei gleichbleibendem Orchester-Satz eine
verdüstert?
Oktave
Und
wird dann nicht der originale Klang
tiefer singen,
wie wird ein Bariton oder ein Baß mit den Koloraturen
fertig?
M:
Musikalisch wäre es natürlich besser,
nähmen. Aber
führung, wie Händel
sie
rung von Bellinis Oper
und
die Partien über-
so beweglicher
Stimm-
erfordert. Ich habe einmal eine konzertante
Auffüh-
Altistinnen
gibt nicht viele
es
wenn Frauenstimmen
I
Capuleti ed
von
Montecchi nach Shakespeares
i
Romeo
Die Giulietta singt ein Sopran, den Romeo im Opernhaus
Julia geleitet.
üblicherweise ein Tenor.
Mir stand
eine Altistin für den
Romeo
zur Ver-
fügung, deren Stimme der in der Partitur fixierten Vorstellung des italienischen Romantikers, vor allem auch
im Zusammenklang mit dem Sopran,
vollendet entsprach.
G; Die
orchestrale
Schlichtheit
der
Händelschen Partitur hat immer wieder
Bearbeitungen provoziert.
M:
Bei
Händel möchte
vor
ich
dem Umschreiben warnen.
Vorsicht, damit es nicht
wie Badis Kunst der Fuge klingt.
G; Entfernt
M:
sich Ihre
Ich halte
Orchester-Besetzung wesentlich
vom
Original?
mich daran, also Oboen und Fagotte, vier Hörner, eine Trompete,
Harfe, Viola da Gamba, normale Streicherbesetzung und ein Cembalo. Leider spielen die zweiten Violinen meistens gemeinsam mit den ersten, so
daß der Satz nur mit Cembalo ausgefüllt wird. Die normale zung nehme leitung
ich
Streicherbeset-
zur Ouvertüre, für die Zwischenspiele und manchmal zu Ein-
und Nachspiel der Arien. Sonst
spiele ich die
Oper mit
reduzierter
Streicherbesetzung.
G: Die
oft spannungslose
und trockene Wiedergabe barocker Musik
einer wissenschaftlichen „Werktreue“, die unsere größeren Säle
ten
Hörgewohnheiten
daß
nicht berücksichtigt. Bei
M: Bach war
Badi haben Sie hervorgehoben,
Wie
interpretieren Sie
Händels musikalische Substanz
tischen Material, das äußerst formalistisch bearbeitet
halten.
Aber das
soll
heute.
und
stedct in
ist.
schrieb doch
einem thema-
Daran muß man
sich
natürlich nicht heißen,
daß wir einen Händel von
dem Barock
aufführen. In der Ausdrucks-
gestern als ein lebloses Relikt aus
kraft
Hörer des
Händel?
scheinbar konservativ. Er hielt sich an die Regeln
eine lebendige Musik.
60
und veränder-
Sie ihn nicht nach musikhistorischen Kriterien, sondern als
20. Jahrhunderts interpretieren.
entspricht
und dem dramatischen Impetus
seiner
Musik
steckt ein
Händel von
Bartok
— Exempel einer Werkerarbeitung
G: Wer 130 Konzerte und Opern-Aufführungen im Jahr Zeit haben, sein Repertoire zu erweitern. gestellte
M:
dirigiert, dürfte
Wie bewältigen
wenig
Sie das sich selbst
Pensum an Novitäten?
In fast 20 Jahren meiner „erwachsenen“ Dirigenten-Tätigkeit konnte ich mir ein sogenanntes Standard-Repertoire
wobei
keine Komposition
ich
—
von Mozart
bis
Strawinsky erarbeiten,
mit Ausnahme einiger Opern
zwanzigmal, die meisten nur durchschnittlidi zehnmal
nehme
mir Zeit und Ruhe,
ich
und dafür
einzustudieren
um
—
mehr
als
dirigiert habe. Jetzt
nur einige Werke erstmalig
in jeder Saison
—
eine langjährige Erfahrung
und
vielleicht
auch
von Ihnen noch
nicht
Reife einzubringen.
G: Woher kommt der Anstoß zur Erarbeitung dirigierten
Werkes? Schlagen Ihnen die Orchester, die
und London
—
leiten
Ich schlage
— zur Zeit
in Berlin
Auswahl an?
meine eigenen Programme vor. Manchmal sind Werke darunter,
während der
die schon zu oft in derselben Stadt
den oder die bei anderen Dirigenten
grammen
Sie
oder bei denen Sie gastieren, Programme vor? Oder
bieten Sie den Orchestern Ihre eigene
M:
eines bisher
standen. Darauf
auch Listen von
Werken
muß
wurden und wähle davon
in der gleichen Saison
die eine oder andere
Komposition
nicht gespielt
aus.
in Ihrer
Sie
instrumente, Schlagzeug
auf deren Pro-
im Laufe von zehn Jahren
— neben anderen „Novitäten“ Praxis im gleichen Jahr — zum ersten Male Bela Bartoks
G; Im Herbst 1970 haben
und Celesta
Symphonie-Orchester Berlin (RSO)
in
wur-
Rücksicht nehmen. Ich lasse mir
ich natürlich
schicken, die
letzten Zeit aufgeführt
Dirigenten-
Musik für Saiten-
einem Konzert mit dem Radio-
Warum
dirigiert.
haben Sie
dieses
Werk
gewählt?
M: Es
gibt
Werke, die
aufspare.
idi lange
kenne, aber mir für einen bestimmten Zeitpunkt
Vor fünfzehn Jahren
mals war
zu sehr mit
ich
nicht.
Da-
expressionistischen Bartok beschäftigt
und
gefiel
dem
mir der
Stil dieser
Musik noch
konnte die Reinheit und Klarheit dieses reifen Meisterwerks einfach noch nicht verstehen.
Von
vielen „Ingenieur-Dirigenten“
„Zifferspiel“ mißbraucht worden.
ist
diese
Heute erkenne
Komposition zu einem
ich ihre Tiefsinnigkeit
und
ihren starken Ausdruck.
G;
Ist es für Sie
S
i
e
erleichternd oder belastend,
wenn
ein Orchester ein
Werk, das
neu einstudieren, schon gespielt hat?
M: Grundsätzlich
eine Erleichterung. Die technischen
rung dieser Musik sind dann schon
gelöst,
Probleme
bei der
Auffüh-
und wir können nach diesen Vor-
61
aussetzungen mit der Interpretation beginnen. Etwaige „alte Gewohnheiten“ in
der musikalischen Wiedergabe lassen sich
leichter
überwinden
der
als
Außenstehende meint.
G: Ihr Vorgänger
Landsmannes Bela Bartok
seines
RSO, Ferenc
Chefdirigent des
als
Allerdings diese bläserlose,
Fricsay, hat häufig
in seinen Berliner
Werke
Konzerten dargeboten.
ungemein differenzierte und zugleich konzen-
Musik für Saiteninstrumente Schlagzeug und Celesta erklang nur
trierte
y
in
einem einzigen Programm Fricsays im Jahre 1954. Kurz zuvor war eine
RSO
1953 entstandene Mono- Aufnahme unter Fricsay mit dem
erschienen.
Hatten die Musiker noch eine Erinnerung an Jene Aufführung?
M: Kaum. mehr
Sie
müssen bedenken,
Jahren hat
60 Vo erneuert. In einem Gedenkkonzert
als
im Februar 1968 hat das Orchester
Fricsays
Aber auch das Musikers.
G: Kennen
in sechzehn
dieses
eine ziemlich lange Zeit her
ist
—
sich
das Orchester zu
zum fünften Todestag Werk wieder gespielt.
für das Gedächtnis eines
Wir haben noch einmal begonnen.
Sie andere zeitgenössische Interpretationen dieser
Herbert von Karajans, der die vier Sätze
als
Musik, etwa die
tönende Antinomie inszeniert,
oder die von Pierre Boulez, der den konstruktiven Zug der halbstündigen
Komposition
in
Diatonik sowie
M:
Beide habe
ihrem strengen Aufbau, im Dualismus von Chromatik und in ihren motivischen
ich gehört.
Aber fremde Interpretationen
Von einem bestimmten Musiker von Traditionen,
Bezügen enthüllt? irritieren
mich
nicht.
bin ich fast nie beeinflußt worden, viel eher
die eine Generation verschiedenartiger Interpreten gemein-
sam, wahrscheinlich unbewußt, geschaffen hat. Das die romantische Beethoven-Vorstellung,
gilt
beispielsweise für
die zu ihrer Zeit so gegensätzlich
wirkende Dirigenten wie Furtwängler, Erich Kleiber und Klemperer
in
geheimer Übereinstimmung einer Epoche geprägt haben. Aber auch Einfluß bedeutet nicht Imitation. Jede neue Interpretation verlangt eine eigene schöpferische
G: Hören
Auseinandersetzung mit Sie sich
Sie allein
falls es sie gibt
—
Schallplattenaufnahmen an oder gehen
von der Partitur aus?
M: Das Studium
der Partitur
ist
selbstverständlich der Ausgangspunkt.
als
früher Schallplatten an von Interpreten, die nicht
sind oder von ganz Jungen Künstlern, denen die
gen Musiker halte liebsten in der
62
Aber
mit den Jahren sehr neugierig geworden und höre mir deshalb auch
ich bin
mehr
—
dem Werk.
ich für
„wissenschaftlich“
begabter
als
mehr am Leben
Zukunft gehört. Die 20-Jähri-
meine Generation, die der Musik
am
und „antiromantisch“ begegnet. Die Jugend hat
Kunst das Gefühl wieder entdeckt.
G; Glauben
daß
Sie,
es
einen
nur
„authentischen Klang“ gibt, der absolut
beweisbar und nachprüfbar in der Partitur niedergelegt Ihre Klangvorstellung
Oder kann
sich
von der angenommenen Klangvorstellung des Kompo-
und doch
nisten unterscheiden
ist?
Ihrer
Meinung nach der Komposition
geredit
werden?
M: Was
ist
bringen.
dem
um
Klang? Doch nur eine Methode,
Das
dem
erreiche idi mit
einen Orchester auf anderem
nächsten. Ich bin glücklich, dasselbe
Da
aufführen zu können.
Ausdruck zu
Werk mit
sich
Wege
mit
als
verschiedenen Orchestern
erhält es verschiedene Farben.
müssen
erzielen,
den Ausdruck ans Licht zu
Um
den gleichen
Tempo und Dynamik von Aufführung
zu
Aufführung ändern.
G: Bartok hat
sehr präzise
Anweisungen für
die Aufstellung des Orchesters bei
der Aufführung der Musik für Saiteninstrumente , Schlagzeug und Celesta gegeben. Meinen Sie,
M:
Sie geben
man müsse
sich
daran halten?
Hinweise auf die Intentionen des Komponisten. Dafür
ihm dankbar
sein.
sollte
man
Bartok wollte mit seiner Aufstellung einen hellen und
transparenten Klang erreichen. Doch seine Vorschläge bezogen sich auf den Baseler Konzertsaal der Uraufführung. Schon bei der ersten Probe in Berlin
mußte sind.
ich die
Sitzordnung ändern, da die akustischen Bedingungen andere
Das geschah im Sinne des Komponisten.
G: In der gedruckten Partitur hat Bartok auch die
M:
Ausführung
z. B.
muß man
Ja, sie
von
Pizzicato-Stellen. Halten Sie diese für verbindlich?
buchstäblich nehmen.
G: Bartoks Musik gewinnt
erst in ihrer
dynamischen Entfaltung ihren eigen-
und unverwechselbaren Charakter. Das
artigen
Angaben gemacht über
detaillierte
gilt
wohl insbesondere für
den ersten Satz, der seine suggestive Wirkung aus der Kraft seiner Dynamik bezieht,
wenn
er sich aus leisem
Beginn in einer erregenden Entwicklung zu
— analog zu den im Quinten— und dann — absteigend —
stärkster Kraftentfaltung aller Streicher erhebt zirkel aufsteigenden Einsätzen der
allmählich wieder bis
Haben dieser
Sie vor
zum
Stimmen
hauchzarten Pianissimo des Ausklangs verebbt.
Beginn der Proben eine unabänderliche akustische Vorstellung
dynamischen Entwicklung oder lassen Sie
sidi
darin auch von
dem
anregen, was das Orchester Ihnen anbietet?
M: Das Klangbild
entsteht vorher aus der Partitur auch in seinen dynamisdien
Werten. Aber beim gemeinsamen Musizieren habe
Probe ten.
vieles
ändern müssen. Das Thema findet
idi
dann doch
sidi bei
in der ersten
den tiefen Instrumen-
Die kontrapunktisdien Stimmen liegen oben. Die Einsätze der Stimmen
63
Anwendung
sind bei
Dynamik
der vorgeschriebenen
das der Komponist? Die sogenannte Werktreue
ist
nicht
zu hören. Wollte
ein unlebendiger Begriff,
der gegenüber der Beweglichkeit und unfaßbaren „Ungenauigkeit“ der sich im
Augenblick während des Spiels ereignenden Musik versagt. Jede Aufführung gibt uns die Möglichkeit, unsere eigene Phantasie mitspielen zu lassen. Diese
Phantasie aber
ist
jedes
Mal
eine andere.
Das macht das Erlebnis von Musik
Epochen zu einem zeitgenössischen und gegenwärtigen Phänomen.
aller
G: Dann erscheinen Ihnen auch
und
änderlich? Bartok pflegte bei jedem Satz
dauer in Sekunden anzugeben. Paul Sacher, der das
Werk
Zum
als in
M: Auch
vollem
selbst bei Teilstücken die Spiel-
ist es
letzte Satz
besser,
wohl etwas langsamer
etwas langsamer und klar,
unklar zu spielen.“
Bartok, der ein bedeutender Interpret war, hat nie ein
Er
schrieb in die Partitur: „c
i
a 57 Sekunden“.
r c
lassen sich nicht verabsolutieren, ihre Erfüllung hängt
Raumes
Werk zweimal
Weise dargeboten. So genau sind seine Angaben übrigens doch
in gleicher nicht.
Tempo und
unab-
und 1937 mit dem Baseler Kammer-
daß der
Jedenfalls
nicht
Allegro molto schrieb er allerdings an
bestellt hatte
orchester urauf führte: „Ich glaube,
genommen werden kann.
Zeitmaß
die Vorschriften für das
ab.
Tempo-Anweisungen von der Akustik des
In einem trockenen Studio ohne Nachhall
hätte auch Furt-
wängler eine Brahms-Symphonie schneller genommen.
G: Haben
Sie jeden einzelnen Satz als in sich geschlossenes Gebilde oder die
vier Sätze als
M: Die Art ich nicht
Ganzes
studiert, dessen Teile stets aufeinander
bezogen sind?
des Studiums hängt von der Schreibart ab. Diese Partitur brauchte
satzweise auswendig zu lernen. Sie
geschrieben
und daher
Ausdruck,
um
Hätte
es
icli
ist
so
genau und „formalistisch“
sehr leicht zu behalten. Ich spreche jetzt nicht
von ihrem
dessentwillen ich das Stück als junger Dirigent gemieden habe.
damals aufgeführt, wäre
Interpretation fähig gewesen
wohl nur zu einer strukturellen
ich
und hätte den Ausdruck der Komposition
nie
gefunden.
G: Ihre gegenwärtige Interpretation offenbart
die Strukturen dieser
Musik
in
der sechsstimmigen Fächerfuge des Andante tranquillo, in der Sonatenform des scherzohaften Allegro, ja sogar in
dem
fünfgliederlgen Adagio mit seinen Bezügen
im Allegro molto des
frei
ersten Satz
Thema
ausschwingenden,
und
nicht zuletzt
des Anfangs auf-
jetzt diatonisch erklingt. Sie
heben
Entsprechungen und Kontraste des ersten und dritten, zweiten und
vierten Satzes
64
zum
Finale, das noch einmal das
nimmt, das dort chromatisch erscheint und die
rhapsodisch
dem Hörer
ins
Bewußtsein.
Gleidizeitig
aber entdeckt Ihre Interpretation die Valeurs, die Debussy-
Reminiszenzen dieser Komposition, ihr „motorisches“ Element und ihre expressive Melodik.
M:
Sie diese
Ambivalenz
Diese Synthese konnte ich erst finden, nachdem
und
viel dirigiert
G:
Wie haben
Sie
erst allmählich diese reife
ich
den „anderen“ Bartok
Komposition lieben gelernt habe.
werden Bartoks Musik für Saiteninstrumente Schlagzeug und Celesta auf ,
USA-Tournee 1971/72 mit dem
einer
mehrfach aufführen und haben mit
erreicht?
dem Ungarischen
dirigiert.
Hat
sie
New
Philharmonia Orchestra London
gerade in einem Budapester Gedenkkonzert
Staatsorchester
zum
25. Todestag
Komponisten
des
der genius loci der ungarischen Hauptstadt Ihre Interpretation
der Bartok-Musik beeinflußt?
M:
Ja,
zu
allererst
einmal darum, weil das Orchester das Stück nahezu aus-
wendig konnte. Dadurch gab
es
keine technischen Probleme. Aber ich machte
noch eine andere Erfahrung.
G:
Sie
haben einmal geäußert, daß Sie
ponisten dessen
Werke aufführen,
am
liebsten
d. h.
im Herkunftsland
Debussy oder Ravel
eines
Kom-
in Frankreich,
Verdi in Italien, Tschaikowsky oder Prokofieff in Rußland, Bach oder
Wag-
ner in Deutschland. Also auch Bartdk in Ungarn?
M:
Ja,
und
es
war eigentümlich zu beobachten, wie
die ungarischen
vor den Elementen der Folklore in Bartoks Partitur fürchteten,
den
sie in ihr
bar spürten hatte,
eine
sie,
Musiker als
sich
empfän-
Begrenzung und nationale Verengung dieser Musik. Dank-
daß
ich als
und dann haben
sie
Außenstehender „keine Angst vor der Folklore“
„ohne Hemmungen“ ganz gelöst
gespielt.
65
Gedanken über
Einige
Oper
Ist die
die
Zukunft der Oper
Mit nachsichtigem Lächeln hört
tot?
sich
Lorin Maazel diese Frage
an. Statt direkt zu antworten, gerät er selbst ins Fragen. Ist der Figaro nidit
und höchste Oper“? Eine Komödie,
die „reinste
ganz aus Musik gemacht. Aber was kavalier, der letzten Oper, die das
kam
die zugleich Tragödie
nach Falstaff} Oder nach
Publikum noch akzeptiert hat?
Sie
ist
und
dem Rosenist
60 Jahre
alt.
Die bedeutendste moderne Oper, Alban Bergs Wozzeck, wurde schon 1925 uraufgeführt. Ja, gewiß, auch danach hat es noch wichtige theaters gegeben.
Und
Don Giovanni
ein
des Musik-
oder Fidelio waren nicht darunter.
welchen Stellenwert in der zeitgenössischen Oper nimmt Luigi Dallapicco-
Odysseus
las
Aber
Werke
dessen Uraufführung Maazel
ein,
Berlin geleitet hat? „Die
worden
geschrieben
ist“,
Musik
ist
1968 an der Deutschen Oper
das beste, was nach Wozzeck für die Bühne
sagt der Dirigent.
Ausdruck und Form bedingten
ein-
ander.
Ende der
Seit
sechziger Jahre
Opern komponieren, bereits ein
stellt
melden
Maazel
sich
junge Talente zu Wort, die wieder
Die neue musikalisdie Sprache
fest.
nidit
sei
Kriterium für die Qualität einer Oper der Gegenwart. In dieser neuen
Sprache müsse auch etwas gesagt werden, das uns angehe. Vielleicht habe die künstlerische
Kluft zwischen ihr und
feierlich die
die
Trennung der Oper
Oper mehr
Ohne
sich
als ein
in
populär und anspruchsvoll, komisch und
dem Publikum
man
schielen.
dige
Was
aber braucht
aufnahmebereites Publikum?
auf primitive Weise anzubiedern, müsse die Oper,
den werden wolle, eine Geschichte erzählen, der die
aufgerissen.
man
wenn
sie
verstan-
folgen könne, in einer Musik,
zu hören vermöge. Aber die Oper dürfe nicht nach der Vergangenheit
Der Komponist müsse seinem eigenen Ausdruck Form geben und
Musik zu
einer Aktion oder einem
leben-
Vorgang aus dem Geiste unserer Zeit
schreiben.
Kann man eines
das dann noch
Oper nennen? Das
Rahmen
lediglich
Das Musiktheater fähig,
unwichtig. Vielleicht werde
Tages auch das musikalische Happening „Bühnenkarriere“ machen. Aller-
dings könne die Musik nicht
deren
sei
wenn
musikalisch
die
und
Opern-Kreatoren
vom
Zufall abhängen. Sie brauche eine Form, in
Improvisationen möglich
lebt weiter, aber es
ist
seien.
— nach Ansicht Maazels — nur lebens-
Opernhäuser Aufträge für Werke
erteilen, die
auf der Bühne
Themen behandeln. Den
inhaltlich
zeitgenössische
stelle sich
die doppelte Aufgabe, Stoffe
heutigen
von heute und eine
musikalische Auseinandersetzung mit den Problemen unserer Zeit zu suchen.
66
Die modernen Opern sollten „akzeptabel“
angenehm
Rampe die
in der
etwa bequem und
sein, d. h. nicht
Rezeption, doch annehmbar und ein Brückenschlag über die
hinweg. Für diesen
Don Giovanni
oder Fidelio der Zukunft müßten
sidi
Muß
ein
Opernhäuser bereit halten. die
Ist
Oper
Institution ein
als
„Museum“ etwas Unlebendiges auch
wenn
Museum? Und wenn
sein?
Macht
Nur rund
wäre?
es
Kunst gegenwärtig wirksam,
kommt? Und
diese aus der Vergangenheit
Vergangenheit zu entdecken!
es nicht
sie
wieviel gibt es noch in der
70 Opern haben wir
unserem Standard-
in
Repertoire von etwa 12 000, die nach Maazels Schätzung geschrieben wurden
und von denen die
einige sich als höchst
Neugier besitzen,
sie
modern erweisen könnten. Wir müßten nur
wieder zu entdecken und den Mut,
sie
erneut aufzu-
führen.
Die Werke von vorgestern und gestern können, betont Maazel, nur dann eine
Bedeutung für uns gewinnen, wenn Regisseur und Dirigent
und Ohren von heute künstlerische
interpretieren. Also: Modernisierung der
Übereinstimmung
ihrer Vorbereiter sind
sie
mit den Augen
Aufführungen und
notwendige Voraussetzun-
gen für ein „lebendes Museum“.
Experimente gelten Maazel sation willen
als wichtig
nur dann, wenn
unternommen werden. Wenn
sie
sie nicht
um
der Sen-
aber aufrichtige Versuche, Neues
zu madien, darstellen, können diese Experimente Wegzeichen zu einem noch
unbekannten Ziel
Wie
ist
sein.
das Publikum für diese Versuche zu gewinnen?
Medien wie
Presse,
Funk und Fernsehen
Da müssen
die anderen
helfen. Ihnen stelle sich die Aufgabe, das
Publikum mit der neuen Sprache der Oper vertraut zu madien. Die Organisation innerhalb des Opernbetriebs dürfe nicht diktatorisch
sein, sie
müsse auf der Zusammenarbeit eines Teams gleichgesinnter Künstler basieren. Die Zukunft der Oper hänge Sondervorstellungen,
vom Nachwuchs im Publikum
Fernsehsendungen,
Schulen vorbereitet werden
sollte.
zum Publikum von morgen
Wer
Sänger-
und
ab,
das durch
Dirigenten-Besuche
in
Jugend gewinnt, der kann eine Brücke
die
schlagen.
Die Zukunft der Oper hänge ebenso sehr
vom Nachwuchs
auf der Bühne und im
Orchestergraben ab. Maazel, der keine nationalen Gesichtspunkte bei der Suche nach den bestmöglichen Sängern walten läßt, sieht in der nicht mehr kriegsbelasteten Generation einen
Nachwuchs heranreifen, den
und praktische Lehrzeit am Theater zu fördern häuser seien notwendig als Ort,
haupt
erst
wo
sich
gilt.
es
Und
durch Opernschulen die kleinen
Opern-
künftige „Riesen“ bewähren und über-
zu „Riesen“ entwickeln können.
67
„Wenn wir wird
man
die
sie
Erneuerung der Oper nicht innerhalb der Institution anpacken,
außerhalb versuchen“, warnt Maazel seine Opern-Kollegen. Es
ließen sich Elemente der „Straßenoper“, die auf Boulevards, in
Supermärkten
oder Fabrikhallen schon ausprobiert werde, durchaus auf die Bühne übertragen.
Die Oper
68
tot? Sie sdieint lebendiger
denn
je
zu
sein.
Musik und Publikum „Musik Maazel stiert.
—
Klang, nicht Aneinanderreihung von Noten“
ist
Antwort auf
seine
Musik ohne Kommunikation
exi-
Kreis von Komponist, Interpret
und
die Frage, wieweit
Leben gewinne Musik nur
dem
in
so beginnt Lorin
Hörer.
Ein Bild
weder
die
Dimensionen von
Kunstwerk erst in
vorhanden, auch wenn
ist
Raum und
Zeit noch das
Musik
integrierten Bestandteil.
wird, d.
es nicht betrachtet
der Aufführung, die Bewegung im
Publikum
erfüllt sich,
Raum
ist
h.
als
braucht
es
einen in das
wie Maazel hervorhebt,
und
die der Partitur, der
Wiedergabe und der Aufnahme bedarf. Schließt
Definition
diese
Aber
elektronisch
Klänge von der Musik aus?
fixierte
Maazel meint:
Ja.
gelten,
etwa den amerikanischen Komponisten
zitiert
er läßt auch andere Erläuterungen dieses Kunstbegriffs
Herkunft Edgar Varese (1885
Demnach wäre
zeichnet hat.
— 1966),
der Musik als „Klangorganisation“ be-
„musique concrete“, die im wesentlichen aus
die
Tonbandaufnahmen von Geräuschen und Musik“. Aber
sie
ist
statisch
französisch-italienischer
ihrer
Verarbeitung besteht,
wie ein Gemälde, einmal „für
„auch
und
alle Zeiten“
unveränderlich festgelegt, gibt Maazel zu bedenken und bekennt: „Für mich
Musik
ist
und
nichts mechanisch Gleichbleibendes, sie existiert in der Lebendigkeit
Ungenauigkeit eines Augenblicks.“
Die Einschätzung des Publikums die Frage nach
dem
lautet:
Im
preten,
wenn
wenn
das
Werk etwas zu
„richtige Balance zwischen
sei
kein
soll
Teil der
Zu-
zwar nur
ein
Aufgabe des es eines
Tages,
Inter-
wenn
anerkannt. Für die Konzert-Programme verlangt eines Opernhauses, die
Musiker müßten die
Werken der Vergangenheit und Gegenwart“
Bindeglied zwischen alter und neuer Musik bis
Dann werde
sagen habe.
Maazel ebenso wie für den Spielplan
von Alban Berg
Aber das
besteht.
der Komponist damit nichts ausdrücken
diese Sprache verständlich zu machen, sei die
vielleicht auch erst allmählich,
um
recht.“
Gegenteil! Eine „neue Sprache der Musik“
Mittel, das keinen Sinn habe,
Aber
„Das Publikum hat
und Publikum
Ablehnung der Moderne durch den konservativen
Freibrief für die
wolle.
Bestandteil der Aufführung provoziert
Zwiespalt, der zwischen neuer Musik
Die provokante Antwort
hörer bedeuten.
als
sei
Strawinsky und Bartok
finden.
die sogenannte klassische
bis Prokofieff. Sie
Moderne
müsse nicht nur
ihrer selbst willen, sondern auch zur Erleichterung des Verständnisses der
Musik der Gegenwart mehr durch Aufführungen In der Beziehung zwischen Jugend lichen Teilaspekt der Relation
berücksiditigt werden.
und Musik erkennt Maazel einen wesent-
von Musik und Publikum zueinander. Schon der
69
kaum
über dreißig Jahre alte Dirigent
auf einer mehrwöchigen Tournee
leitete
durch Australien Konzerte für die Jugend und Konzerte mit Jugendorchestern.
Die Berliner Tätigkeit begann Maazel im Sommer 1965 mit einem Jugend-
Werke von de
konzert des Radio-Symphonie-Orchesters, das also ein Stück klassischer
musikinteressierten
Moderne,
Jugendlichen
und Ravel,
Gespräche und Diskussionen mit
vorstellte.
betrachtet
Falla
er
als
Ergänzung
seiner
Musik-
ausübung.
Auf
die skeptische Frage eines jungen Hörers,
ob
in
50 Jahren noch Konzerte der
heutigen Art stattfinden werden, antwortet Maazel zwar, er
sei
davon überzeugt. Aber irgendwelche Kommunikations-Medien, schen zu übermitteln,
Und was
für
meint Maazel
in
werde
es
Wesen
Musik wird das
sein?
Es
mag
„furchtbar altmodisch“ klingen,
Bezug auf die Überbewertung der
bestätige.
Das
rein formal-ästhetischen
werde eine Musik versteht
Musik“, die den Interpreten nicht nur
sein,
die den
Kate-
Menschen
als
Maazel unter einer „humanistischen als
„Musiker
ganzen Menschen mit einbeziehe und von ihm Besitz
70
um Musik Men-
auch dann bestimmt geben.
gorien der „Tonkunst“, aber es geistiges
nicht unbedingt
vom
ergreife.
Fach“, sondern als
Was „Das Dirigieren
existiert
ist
Dirigieren?
überhaupt nicht;
gibt
es
nur Musizieren“, erklärt
Lorin Maazel und behauptet, damit die Frage, was Dirigieren
sei,
schon beant-
wortet zu haben. Seinen Beruf hält Maazel nicht für erlernbar. Das Studium der Komposition,
Kontrapunktik und Harmonielehre verstehe
setzung von
selbst.
gent beherrschen,
sidi als theoretische
Voraus-
Möglichst mehrere Instrumente müsse der angehende Diri-
am
besten auch einige Zeit in einem Orchester unter guten,
mittelmäßigen und schlechten Dirigenten gespielt haben. So lerne er seinen künftigen Partner beim gemeinsamen Musizieren, das Orchester, „von innen“ her
kennen. Dieser lebendige Organismus, bestehend aus hundert Musiker-Individualitäten, sei
das „Instrument“, ohne das der Dirigent nicht musizieren könne. Ein
Musik „physisch näher“
Solist stehe der
der auf den ständigen
als ein Dirigent,
körperlichen Kontakt zur Musik verzichten müsse.
Ein
Werk
—
resultierende Gefühl
komplexer
und verstehen
studieren
in
seiner
das von Maazel bevorzugte englische
Bedeutung;
fühlung und Überzeugung
—
beinhaltet
Wort
„feeling“
dem Publikum
mitteilen
—
sie
oder
darin besteht, so
Kunst des Dirigierens.
Die Dirigier-Technik dürfe
man
nicht überbewerten. Sie sei das
zur Übermittlung von Informationen.
Und
Handwerkszeug
nur durch Erfahrung könne ein Diri-
dem
gent herausbekommen, welche seiner Konstitution entsprechenden Gesten
Orchester Bei der
am
ist
Gefühlszustand, Ein-
zugleich
auf die Musiker übertragen und durch
vielmehr zusammen mit ihnen sagt Maazel, die
es
und das daraus
lernen, diese Erkenntnis
eindeutigsten seine Intentionen vermitteln.
Aufführung im Konzertsaal oder Opernhaus
muß
ein guter Dirigent,
wie Maazel meint, für die technische Bewältigung „überflüssig“ geworden Diese Arbeit habe er vorher getan. Das
sei
der erklärbare, handwerkliche Teil
der Aufgaben des Dirigenten. Der andere erfülle
Opern-Vorstellung.
Und
darin
sei
sein.
sich erst
im Konzert oder
in der
der Dirigent gar nicht überflüssig, nämlich in
der schöpferischen Interpretation von Musik auf der Basis ihrer technischen Be-
wältigung. Die Vorbereitung beginne mit der Analyse einer Komposition.
Anfangsstadium
gelte es, Ideen, Strukturen,
zu machen. Aber
erst,
wenn
Werk überwunden, wenn
Konzeptionen aufzudecken, bewußt
diese analytische
Auseinandersetzung mit einem
das Konzept „verloren“, aufgegangen
dann gewinne eine Komposition klingende
sei
im Musizieren,
Gestalt.
daß
die Celli
in einer
Musizier-
In den Proben habe der Dirigent beispielsweise dafür zu sorgen, die Geigen hören,
Im
daß Übereinstimmung im inneren Rhythmus,
71
art entstehe, die
mehr
als bloßes
sei
Zusammenspiel. In der Aufführung aber
müsse der Dirigent das Orchester so spielen
Der von
stehe.
Von
lassen, als
ob
er nicht auf
Barbirolli überlieferte Ausspruch „Dirigenten sind
ihrer Arbeit sieht
man nur
dem
Pult
wie Eisberge:
einen Bruchteil“ kennzeidinet genau Maazels
Postulat einer sorgfältigen Vorbereitung. Es
die Vorbereitung nicht eines
sei
„Musikführers“, sondern eines Interpreten, der seine Mitarbeiter beim „Musik-
madien“ für
seine
Auffassung
erst
einmal gewinnen, also nach theoretischer Er-
kundung praktische Erprobung mit psychologischer Einfühlung Die Musiker der von Maazel
erreichen müsse.
in Berlin geleiteten Orchester bestätigen die ge-
naue Detailarbeit der auf Übereinstimmung zielenden Proben, die „Hilfestellung“, die Maazel ihnen bei „gefährlichen“ Passagen gebe, seine Sicherheit die Klarheit seiner
Bewegungen. Nicht meßbar aber und der glücklichen Erfül-
lung des Augenblicks überlassen der Aufführung
und
—
sei es
sei
die Inspiration, die
von dem Dirigenten
nun im Konzertsaal oder Opernhaus
—
in
ausgehe. Sie
befähige die Orchester, das in Arbeitsproben Erreichte an musikalischer Interpretation weit hinter sich zu lassen.
von Maazels Erfolg: Wer
die
Und
darin sehen seine Mitarbeiter die Ursache
Musiker überzeuge, der überzeuge auch das Publi-
kum.
Zum
Dirigieren gehören
müßige Frage, wenn
sie
Hände. Nur Hände oder auch
„grundsätzlich“ gestellt werde. Jeder Dirigent müsse
für sich selbst beantworten.
Das „Wunderkind“
hatte den Stab in der
ersten Jahre der zweiten Karriere wollte der junge Dirigent
Händen mittle
modellieren.
ein Taktstock? Eine
Dann habe
er eines
sie
Hand. Die
Musik nur mit den
Tages eingesehen, der Taktstock ver-
den Musikern die Anregungen des Dirigenten subtiler und präziser,
schneller
und
künstlerisch ökonomischer als die bloße
mehr mit weniger Mitteln
erreichen,
Hand. Man könne
den Musikern Tempo, Farbe und
viel alles
andere mit einer Bewegung mitteilen. Fünfzig Exemplare hat Maazel ständig „auf Vorrat“. Fall,
daß der
Auf jedem Pult erste zerbricht
liegt ein
zweiter Tatktstock in Reserve für den
oder durch die Luft
fliegt.
Maazel erinnert
sich
an
einen „Rekord“ von 30 zerbrochenen Stäben bei sechs Vorstellungen des Lohengrin
1960
in
Bayreuth. Heute passiere das nicht mehr. Aber den „Flug“ eines
zelschen Taktstocks konnte
man
jüngst bei einer
Maa-
Aufführung von Strawinskys
Petruschka wieder beobachten.
Einen Teil der Vorbereitung macht die Sitzordnung des Orchesters aus, die
Maazel sehr
flexibel
handhabt, werkgerecht und den räumlich-akustischen Gege-
benheiten entsprechend. Bei einigen Mozart-Symphonien etwa sind die zweiten
Geigen rechts vorn
placiert, die sonst links hinter
der Philharmonie,
wo
72
den ersten Geigen
sitzen. In
das Publikum das Orchesterpodium amphitheatralisch
Stimmen höher, damit
umschließt, setzt der Dirigent die tiefen
besser zu
sie
hören sind.
Was
ist
„richtig“ bei der
in der Partitur stehen
und
Wiedergabe von Musik? Gibt
es
die der Dirigent mit seinem Orchester nur auszuführen
Grunde nur Phantasie-
hat? Maazel spricht von „falscher Werktreue“, die im losigkeit entspringe.
Musik
sei nichts
Definitives. Es gebe keine absolut „richti-
gen“ Zeitmaße oder dynamischen Vorschriften. Sie seien
sung der Interpreten und der Zuhörer zu variieren. Ein jeder
ganz gewiß
nicht.
Werk verändere
Zu ihnen
sich in
wenn
ich nicht
mehr von
wenn das Wissen
gangen
ist,
gehört Lorin Maazel
Mangel an Differenzierung kann man ihm
eher eine allzu ausgeprägte Vorliebe
bin,
nach Raum, Verfas-
Je
Aufführung und müsse im Augenblick „stimmen“.
Es gibt Dirigenten, die „al fresco“ musizieren.
„Erst
„eherne Gesetze“, die
für
Nuance. Maazel
die
einer eigenen
nicht vorwerfen,
das so:
sieht
Nuance oder Phrasierung
begeistert
vergessen oder vielmehr in die musikalische Gestalt einge-
dann stimmt
sie.
Dann
musizieren wir wie unbewußt und frei“. Mit
unelastischer Entschiedenheit habe er früher ganz bestimmte Auffassungen bei
einem Orchester durchsetzen wollen. Darüber
Wie
um
ein
kann in
verhält sich Routine
Werk
sich
zum
technisch perfekt zu beherrschen.
Maazel überhaupt
er jetzt hinausgelangt.
Miterleben des Dirigenten? Routine müsse
Das Auswendig-Dirigieren, um das
schließlich
sei
Umweg
optischer
Ablenkung durch
akustisch, nicht optisch eingeprägt. liegt,
Musik
nicht
nur ein „Organisa-
so heftig gestritten werde, sei auch nur
ein Mittel, frei zu sein für die Interpretation aus
den
sein,
Aber Dirigieren ohne Beteiligung
nicht vorstellen. Ein Dirigent, der die
jedem Moment der Aufführung miterlebe,
tor“.
sei
dem
die Partitur.
Wenn
Erlebnis der
Musik ohne
Deren Inhalt habe
die Partitur dennoch auf
er sich
dem
Pult
bezwech:t der Dirigent damit den psychologischen Effekt, den Solisten oder
Chören das Gefühl von
Kann man den Auch im
Sicherheit zu vermitteln.
musikalischen Instinkt beschreiben? Maazel hält es für unmöglidi.
„Zeitalter der Entmystifizierungen“ bleibe hinter den rationalen Erklä-
rungen ein Geheimnis, das nicht enträtselt werden könne. In der Jugend Dirigent ein Musikverständnis wachsen, das sich nicht in seiner
Generation
—
allein
mehr
an formalen Maßstäben
—
sieht der
wie vorwiegend
orientiert,
sondern das
Gefühl wieder entdeckt. Dies gelte auch für die Musiker unter den Zwanzigjährigen, die auf der
Suche nach einer „neuen Romantik“
seien.
Müssen Gefühl oder Verstand im Musiker dominieren?
Man
hat von
dem
„kühlen Feuer“, der „kontrollierten Leidenschaft“ des Maazelschen Dirigierens gesprochen und damit die Polarität seines Musizierens angedeutet. Er sagt von sich selbst: „Ich
kann Musik nur machen, wenn
sie
mich ergreift, wenn
ich
mit
73
ganzer Seele dabei sein kann. Aber
ich
mag
kein falsches Pathos, keine falsche
Emotion. Ich bin für Gefühl, aber gegen Sentimentalität. Idi bemühe mich, einem
Werk daß
objektiv zu begegnen
ich
finden
den
eigenes
Temperament
der Komposition erfüllen kann. Ich
so weit
muß
zu zähmen,
deren Herzschlag
und ihn mit dem der Musizierenden und der Hörenden
bringen“.
74
Stil
und mein
in
Einklang
DRITTER
TEIL:
LORIN MAAZEL IM SPIEGEL DER KRITIK
k
%
I 1
Die kritischen Zitate sind aus einem umfangreichen, für die losen Archiv so ausgewählt worden,
der Welt
daß
„Wanderfahre"'
Musik-Metropolen
die meisten Debüts in den
und möglichst verschiedene Aspekte
nicht lücken-
doku-
hei der Beurteilung des Musikers
mentiert werden.
DIRIGENTEN-DEBÜT An
einem Tag dieser Woche
trat ein achtjähriger
Haar vor das Universitäts-Symphonie-Orchester und
beherrscht
originell die
und Zuhörer waren leinikoff, der
zutiefst
Junge mit dunklen Augen und lockigem
und
des Sommer-Semesters
dirigierte
Unvollendete Symphonie von Schubert. Orchestermitglieder
von
seiner Leistung beeindruckt, aber Dr. Vladimir
berühmte Dirigent und Lehrer des Jungen, sah mehr darin
Baka-
nur eine
als
eindrucksvolle jugendliche Leistung. Er sah in ihr dieselbe Originalität, die er bei Jascha
Heifetz bemerkte,
als er
den großen Geiger
als
Wunderkind
Maazel
spielen hörte. Lorin
war der Junge, der das große Orchester mit der Kraft und Interpretation
eines erfahrenen
Dirigenten durch die schwierige Symphonie führte, ein faszinierender Anfang seiner Karriere, die
ihm
jedes Jahr weitere Erfolge bringen wird.
(Besprechung nach Probe) The Daily Star Mirror,
Moscow
(Idaho), 25.
6.
1938
GEIGER-DEBÜT Michael Arenstein, der berühmte erste Cellospieler des Portland-Symphonie-Orchesters, teilte gestern
in
abend seinen Triumph mit dem achtjährigen Lorin Maazel,
als er
mit ihm
einem gemeinsamen Konzert auftrat, begleitet von dem Universitäts-Symphonie-
Der
Orchester, das der international bekannte Dirigent Vladimir Bakaleinikoff leitete. kleine Lorin
Maazel erwies schon
ren Konzert eine lange
abend wurde
er viele
seine musikalische Vielseitigkeit, als er in
Symphonie
dirigierte.
Male gerufen, was
Nach seinem
einem frühe-
Auftritt als Geiger gestern
er mit der Ernsthaftigkeit
und Ruhe
eines reifen
The Daily News Review, Moscow (Idaho),
Künstlers aufnahm.
19. 7.
1938
erneut zu berichten:
dem
DAS WUNDERKIND Vom
irritierendsten aller musikalischen
Wunderkind. In bald auf der
dieser
New
Gattung
Phänomene
gilt
es
gibt es jetzt einen besonderen Fall: Lorin Maazel, der
Yorker Weltausstellung auftreten wird. Er
Paganini redivivus noch ein Pianist oder ein Knabensopran willen, Dirigent!
Und
natürlich dirigiert er auswendig.
Lorin Maazel dirigierte in Interlochen
mit aller wünschenswerten
9 Jahre
ist .
.
.
Lorin
ist,
weder
um
ein
Gottes
—
Maddys zusammengestelltes
Ausgeglichenheit und
alt,
Autorität.
Seine
Oberschulorchester musikalisdie
Auf-
fassung der Unvollendeten von Schubert kann schwerlich in Frage gestellt werden. Er interpretierte
Schlag
und
die
Schubert-Symphonie mit klarem, festem, zugleich aber elastischem
einer Beständigkeit des
Tempos, das nur gelegentlich durdi eine
völlig gerecht-
77
und
fertigte
richtig
angewandte Nuance abgeändert wurde.
Eingang des zweiten Themas, das plötzlich
Änderung
kommt und
Da
fast
der Streldier
unmittelbar nach
Aber der Eingang
dieses
dem Horn-Ton und den beiden Modulationsakkorden
kommt, kann das Maß
und unnachgiebigen Schlag
den
völlig zu Recht nicht mit einer
des bestehenden AIlegro-Tempos angezeigt wird.
Themas, der
gibt es beispielsweise
Bedeutung durch einen absolut strengen
seiner
wäre einem Lehrer
des Dirigenten verlieren. Es
ein Leichtes
gewesen, Maazel auf diese Stelle aufmerksam zu machen, ihm ein hörbares RItardando
werden kann,
vorzuschreiben,
was einem Kind, das
und durch
übermäßiges Rallentando, welches ein gedankenloses Kind bereitwillig
ein
schnell imitiert, leicht belgebradit
wiederholen würde, den Satz zu verderben. Nun, dieser besonderen Gelegenheit eben
Passage erforderlich
ist,
darauf, was vorausging
es
war
Tempoabweichung,
die feine
genau erreicht wurde. Aber das
und
folgte.
Thema
der das neue
dem eröffnenden
Besten der
Augen-
Nuance, und dann
schien
Schlag des Taktes zu landen,
einführt.
Auch seinen Sinn für das Orchester-Gleichgewicht den Klang der einzelnen Orchestergruppen
Er gab mit dem Bruchteil
sprach.
zum
für den Bruchteil eines
blicks zurückgehalten, das Ordiester reagierte sofort auf diese
der Taktstock leicht wie eine Feder auf
die
unwahrschelnlldi Im Hinblick
ist
Der Taktschlag wurde
nur Glück, daß bei
vielleicht
ließ
Maazel erkennen. Er kontrollierte
genau dem Grad, der der Situation ent-
In
eines Augenblicks die Einsätze jener Instrumente
im
voraus, die Unterstützung durch eine vorweggreifende Geste des Dirigenten benötigen.
Kurz, er handelte wie ein junger Dirigent, der
Man muß
sich
natürlich vergegenwärtigen,
wurde, entweder die
leichteste
sich in
seinem Metier auskennt.
daß das Dirigieren, wie einmal bemerkt
oder die schwerste Aufgabe der Welt
Dirigent nur den Takt schlägt, ohne das Orchester zu kontrollieren. rig,
wenn
er
Leicht,
hundert Menschen eine musikalische Auffassung vermitteln und
inspirieren soll, die
sie
dazu
Musik mit der Glut der Emotion des Komponisten zu Interpretieren
und wiederzuerschaffen.
Werken
wenn der Ausnehmend schwieist.
Um
richtig eingeschätzt
zu werden,
verschiedener Komponisten gehört werden,
was
muß Maazel sein
sich
in
verschiedenen
rasch erweiterndes
Repertoire leicht möglich machen wird.
Olin Downes, The
New York
Times,
Sommer 1939
WELTAUSSTELLUNG Lorln Maazel dirigierte ein Orchester von 140 Jugendlichen. Dies war sein erstes Auftreten
Im Osten Amerikas.
Das Orchester war zusammengesetzt aus Studenten des „National Music Camp“ Interlochen (Michigan).
in
—
„Maestro“ Maazels Teil des Programms bestand aus Tschalkowskys Slawischem Marsch,
den
er
keiten
ohne Partitur
dirigierte.
Es war zwar schwierig, das wahre
Ausmaß
seiner Fähig-
wegen der herrschenden Umstände zu erkennen, aber der Junge hat zweifellos
ein außergewöhnliches Talent.
Der Knabe und
zeigte einen klaren, gebieterischen Schlag, akkuraten musikalischen Instinkt
eine richtige Einschätzung der
Dynamik. J. S.,
78
New
York Herald Tribüne,
19. 8.
1939
Viele Musikliebhaber müssen mit
gewesen
sein
dem Werk
von dem klaren Erfassen
Haar, der so
und
eifrig
und dementsprechend beeindruckt
vertraut
den Jungen mit dem lockigen
seines Inhalts durck
Aufgabe nachging und dabei keine Partitur
begeistert seiner
benutzte.
Lorins Dirigieren ließ ein überraschendes für
Pauken und
Maß
zum Ende
tiefe Streicher bis
an Autorität von den Eingangs-Takten
Werkes erkennen. Es
des
schwer, die Musiker seinen Intentionen folgen zu lassen,
darüber, was er von ihnen wollte. Sein Taktschlag
obwohl nur beschränkt
war
und
er ließ sie nicht
und bestimmt,
klar
waren sowohl energisch wie
variiert,
ihm
fiel
nicht
im Zweifel
seine Gesten,
aucli graziös.
Besonders
bewundernswert war die Wahl der Tempi und die unnachgiebige Strenge, mit der beibehalten wurden. Er gab wenige, aber sinnvolle linken
Hand, um
Details wie das klug erreichte
Crescendo der Übergangspassage, die
stürmischen, Teils der
zum Hauptthema
als in
nicht
ganz
realisiert
zurückführt, zustandezubringen.
Partitur
und
seine Fähigkeit, mit ihr
dem
der subtil erreichten Pianissimo-Stille vor
Wenn
zusammenfassenden Schluß.
Coda
und ausreichende Signale mit der
Diminuendo zum Trio und das große
Nirgendwo wurde jedoch Lorins Verständnis der umzugehen, deutlicher erkennbar
sie
Höhepunkt
der große
des
Andante-
wurde, so hatten doch die folgenden Vivace-Partien
des Schlusses die notwendige Lebhaftigkeit
und den dramatischen Impuls.
Erwiesenes wirkliches Talent: Infolge des benutzten Verstärkertyps kann nicht viel über die Tonausgeglichenheit gesagt werden, aber die Aufführung als Ganzes zeigte das tatsächliche Talent des Dirigenten
und
die lobenswerte Arbeit der gutgeschulten Spieler.
The
New
York Times,
19. 8.
1939
MILWAUKEE Was
er tat
und wie
er es tat
— das
ließ
den Abend zu einem überwältigenden Ereignis
werden. Er dirigierte oiicht nur einen Satz der Symphonie, die Barbirolli hier vor kurzer Zeit aufführte, sondern auch eine
Wagner-Ouvertüre und dazu 2 Sätze aus Tschaikow-
skys Nußknacker-Suite. Alles auswendig! Als ob das noch nicht der spielte er selbst ein
Wunder genug wäre,
Violinkonzert von Bach, natürlich auch auswendig.
Das war kein junges menschliches Metronom, das nur den Takt
schlug für ein erfahrenes
Orchester. Hier stand ein pausbäckiges, eifriges Kind, das sich der Botschaft der
und
ihrer
Bedeutung bewußt war, die Musiker so
dirigierte,
daß
sie alle
Musik
Nuancen und
erforderlichen Schattierungen herausbrachten, das zeitweise ungestüme Crescendi herausholte,
dem
Orchester „freien Lauf“ ließ und die Kontrolle erneut übernahm,
der Ausdruck der Musik änderte, geben. Es schien unglaublich,
um dem
Wem
es passiert
Ordnung und
BEI
Milwaukee
sidi
Gelassenheit zu
und der Gedanke daran, was für große Begabungen
Natur schaffen kann, machte uns demütig.
DEBÜT
Spiel wieder
wenn
die
Post, 7. 12. 1940
TOSCANINIS NBC ORCHESTRA
wäre, im Radio die Bemerkungen von Dr. Black und des Ansagers
zu verpassen, der hätte das Konzert sehr wahrscheinlich im Glauben gehört,
es sei
von
79
einem erfahrenen Musiker im normalen Dirigentenalter
geleitet
worden. Er hätte be-
merkt, daß das Orchester in guter Form, sein Spiel klar, gut proportioniert und koordi-
daß
niert war,
die
Symphonie (Mendelssohns
phrasiert interpretiert wurde,
wenn auch
Jahre alten Dika Newlin
lied der 17
dabei nicht sentimental dargeboten
nidit allzu variabel
—
zum Ausdruck
seine Technik, seinen
Das Konzert
nicht
zeigte auch,
Partituren gut kannte
Programm konnte zwar
umfassend erweisen, wohl aber seine Qualität als
und wußte, was
Tempoangaben waren
ausdrucksvoll,
und
gut ver-
in
bemerkenswerter Art
Musiker demonstrieren.
er wollte. Seine klaren
sicher
sich
die Fähigkeiten eines
daß ihm das Dirigieren Freude macht, daß
Gefühl von begründetem Vertrauen und Autorität, die Einsätze und
—
wurde und daß Dirigent und Orchester
Geschmack und
und gut
im Tempo, daß das Wiegen-
vor acht Jahren komponiert
standen bei der Wagner-Ouvertüre. Das Dirigenten
Italienische) geistvoll, geradlinig
sich
er Orchester
und
Gesten vermittelten das
im Konzert bestätigten;
seine
sinnvoll.
Francis D. Perkins,
New
York Heralä Tribüne,
1941
7. 7.
PITTSBURGH Lorin eröffnete das Konzert mit der
— lebendig
das Publikum einfiel. Es folgten Webers
dirigierten
— Nationalhymne,
F reischütz-OuveriÜTe. und
in die
Tanz
ein orientalischer
von Hall Mclntyre Maddin von der Musik-Fakultät der Universität von Idaho, Rlmsklj
Korsakows Capriccio Espagnol und
Liszts
Symphonische Dichtung Les Preluäes.
Es zählte nickt so sehr, was dieser fabelhafte Junge dirigierte, sondern wie er
und noch dazu auswendig. Einige mögen
sagen,
daß
man kann
nur durch bloße Übung so dirigieren wie Lorin. Nein, dieses Kind hat sehr
was
seine
—
Junge mit
dieser strubbelhaarlge
den braunen Augen einfach die Technik des Dirigierens gelernt hat. Aber
es tat
nickt
mehr,
viel
ungewöhnliche Fähigkeiten vergrößert.
Nennen wir
es
ruhig das brennende, unauslöschliche Feuer des Genies.
besitzt Lorin eine
Auf jeden
Fall
angeborene Liebe zur Musik und eine unbegreifbare emotionelle Glut.
Sie erscheint kontrolliert
beim Dirigieren und bewirkt Wunder
bei der
Hervorbringung
von Musik. Seine Gesten sind inspirierte Bewegungen, die unmittelbare Antworten beim Orchester
hervorrufen.
Man
spürt, er arbeitet unter
dem
leidenschaftlichen
Drang glühenden
Eifers.
In den Proben achtet er genauestens auf Details des Rhythmus’, der Tonqualität, der
Nuancen, der Dynamik, des einzelnen und gesamten instrumentalen Gleichgewichts. In Konzerten wie gestern abend werden
alle diese
Elemente sowie seine brillante Dirigier-
technik einer ausdrucksvollen Musik-Wiedergabe untergeordnet
und
einverleibt.
Ralph Lewando, The Pittsburgh
Press, 13.
1.
1942
DEBÜT BEIM NEW YORK PHILHARMONIC ORCHESTRA Ein 12jähriger Knabe aus Pittsburgh dirigierte gestern das ehrwürdige
New York
Philharmonie Orchestra vor 8500 begeisterten Zuhörern. Der Knabe war Lorin Maazel, er
80
gab sein Debüt vor einem Manhattan-Auditorium im Lewisohn-Stadion. Ungewöhn-
lidi
war daran, daß Lorin ebenso
sehr das Ordiester wie das
Publikum beeindrudkte. Die
Ordiester-Musiker spielten nidit nur willig und gut im Konzert,
sie
waren auch von
sei-
nen Proben angetan. „Er kannte die Partitur auswendig“, sagte Konzertmeister John Corigliano, „und er wußte, wie er das erreidien könnte, was er wollte.“ Seine Dirigier-Technik
war
Einsatz anzuzeigen, aber
war
exzellent
wenn
und geschmeidig. Er beging
er eine Passage
nicht
den Fehler, jeden
oder ein jSoloinstrument hervorhob, dann
es richtig.
Das Programm
enthielt äußerst bekannte
Werke wie
die Ouvertüre zu
Mozarts Die
Hochzeit des Figaro, die fünfte Symphonie Beethovens, die Nußknacker-Suite und den Slawischen Marsch von Tschaikowsky. Die Wiedergabe bestach durch jugendliche Frische. Associated Press,
6. 8.
1942
PHILADELPHIA Siebentausend Besucher hatten
sich gestern
Hood
im Rohin
Dell versammelt,
um
den
13jährigen Dirigenten Lorin Maazel und die 12jährige Pianistin Sondra Bianca zu hören.
Der junge Maazel
ist
und Rimskij-Korsakows Capriccio Espagnol ständnis, wie
man
Sinn, sein sicherer
sie
und
Wie
ein erstaunlicher Musiker.
einem Kind
musizierte, das zeugte
seines Alters nicht
—
kultivierter Stil
er Beethovens
alles
Egmont-Ouvenüre von Reife und Ver-
Zutrauen würde. Sein rhythmischer
stempelt ihn zu einem Höchstes verspre-
chenden jugendlichen Musiker und nicht bloß zu einem Wunderkind, das vor das Publi-
kum
gezerrt wird,
um
eine Sensation abzugeben.
Max
de Schauensee, Philadelphia Bulletin News,
Sommer 1943
KANADA Die Mauern des Theaters Saint-Denis vibrierten gestern abend von den Beifallsstürmen
und Ovationen,
die das
Debüt
in
Montreal eines musikalischen Genies
feierten, das sich
Lorin Maazel nennt.
Die glücklichen Hörer werden niemals die persönliche Art vergessen,
Knabe Tschaikowskys Slawischen Marsch hören zug mit intensivem Kolorit, einer
vom
ließ.
ersten bis
in
der dieser
Er machte daraus einen Triumph-
zum
letzten
Takt durchgehaltenen
Lebendigkeit, einer herrlichen und unfehlbaren Mannigfaltigkeit im Rhythmus.
kann
dies
Man
nur mit den Leistungen der besten nach Montreal gekommenen Dirigenten ver-
gleichen.
Nach der Glinka-Ouvertüre, werten ausgearbeitet erklang,
die mit allen Feinheiten
und vollkommen
nahm Lorin Maazel den Nachmittag
eines
den er ohne den geringsten Schatten eines Zögerns oder Schwankens Interpretation wird später dieses
es
Werkes offenbaren könnte. Aber
und strahlenden Musik, mit
kommen;
dem
wäre ungeheuerlich, wenn in der Italienischen
ln ihren Farb-
Fauns
dirigierte.
ein
in Angriff,
Die
tiefere
Kind das Wesen
Symphonie, einer melodiösen
zeigte der Kleine tatsächlich seine Souveränität.
Im
Schlußsatz
Saltarello gelang es ihm, Einzelheiten herauszustellen, die bei namhafteren
Dirigenten oft verloren gehen.
La
Presse, Montreal, 18. 3.
1944
81
GEIGER-DEBÜT MIT SOLOABEND Sein Spiel zeigt überragendes technisches Können, ein ungewöhnlidies Gedächtnis für
Noten und Anweisungen, umfassende Kenntnis der musikalischen Dynamik und gegenwärtigen Stadium seiner Entwicklung gegenüber, wie
es scheint, als
Bemühen um
—
—
im
noch mehr Gehorsam seinem Meister
eigene Interpretation.
habe plötzliche Nuancenänderungen und exzellente Kontraste gehört, die jedodi
Ich
mehr durch das Lockmittel
des Effekts als durch die Folgerichtigkeit der tatsächlichen
musikalischen Entwicklung der vorliegenden Partitur veranlaßt erscheinen.
Das
sind
Zeichen seiner Jugend. Wir werden sein Wachsen mit wirklichem Interesse verfolgen.
Fred
Pittsburgh
J. Lissfelt,
Sunday Telegraph,
1. 5.
1946
OFFIZIELLES DEBÜT DES QUARTETTS Es war das Eröffnungskonzert des „Fine Arts String Quartet of Pittsburgh“ mit Lorln
Maazel und
Max
Man
Haydns D-dur-Quartett, Mozarts C-dur-Quintett
spielte
Mandel, Violinen, Sidney Cohen, Viola, und Aldo Parisot, Cello. unter Mitwirkung von
Vladimir Bakaleinikoff, Viola, und Debussys Quartett.
Man muß Pittsburgh er spielt,
Es
Symphony
Arts String Quartet“ rechnen. Jeder Spieler
Orchestra, jeder ein hervorragender Musiker
ist
Mitglied des
und der Musik,
die
ganz ergeben.
eine
ist
dem „Fine
mit
Gruppe von jungen Menschen. Alle
sind mit Begeisterung dabei. Sie zeichnen
durch Ensemblegeist und Werktreue gegenüber den gespielten Kompositionen aus.
sich
Die Aufrichtigkeit, mit der
sie sich
die
Musik aneignen, und
die
haftigkeit, mit der sie deren Ziele erreichen, sind glückliche
Tätigkeit. Es
Und
hat.
sie
die beste
ist sicherlich
Gruppe
bewundernswerte Ernst-
Vorboten ihrer künftigen
ihrer Art, die dieser Bezirk hervorgebracht
verdient vollste Unterstützung wegen der Qualität ihrer Leistung.
Ralph Lewando, The Pittsburgh
Press,
Dezember 1949
ASSISTENZ-DIRIGENT Maazel
Mr.
Bach-Callliets
dirigierte
g-moll-Fuge
(„Kleine
Fuge“)
Symphonie von Schostakowitsch. Dieser junge Mann hat schon vor langem ten-Sporen verdient, das
New York
gierte.
Hier hat
als er
das
NBC
Symphony
er
und jeden neuen Einsatz
wird
82
je
sie
erste
seine Dirigen-
Orchestra, das San Francisco Orchestra, diri-
den Posten des Assistenz-Dirigenten inne, aber seine Kenntnisse und als dieser Titel
Das Bach-Werk wurde mit Kraft und
es,
die
Philharmonie Symphony und das Pittsburgh Symphony Orchestra
Fähigkeiten reidien weiter
und versteht
und
dirigiert.
vermuten
läßt.
detaillierter
Maazel hat
Aufmerksamkeit für jede Phase
ein feines
Gefühl für musikalische Werte
herauszubringen. Seine bewundernswerte technische Geschiddichkeit
nach den interpretatorischen Forderungen sublimiert.
Die Schostakowitsdi-Komposition Musiker. Aber
sie
den
zeigt
damals
nocli
hat sidi im Laufe der Jahre abgenutzt.
Mr. Maazel aufwühlend
und
dirigierte
die Orcbestermusiker
imaginativ-schöpferischen
Das
zu merken, obwohl
ist
ihm exzellent
Ralph Lewando, The Pittsburgh
folgten.
Press,
1. 4.
1930
BERKSHIRE MUSIC FESTIVAL IN 'TANGLEWOOD Den Abschluß
Psalmensymphonie. Ihre einzigartige Verbindung
bildete Strawinskys
einer gewissen harten ikonenhaften Unbeweglichkeit mit wilder Primitivität
des Gefühls
Musik
ein
wurde
und ganz von Maazel ausgedrückt. Er drang
voll
und formte
ihre
leitete eine
Ausmaß werden
das Wesen dieser
Aufführung mit Meisterhand. Olin Downes, The
Er
In
und Tiefe
Aufführung, die erkennen
daß
ließ,
New
York Times,
er ein Dirigent
29. 7. 1951
von beachtlichem
wird. Seine Interpretation zeigte Verständnis und ein Gefühl für die
Bedeutung dieser anspruchsvollen Musik. Die Ausgewogenheit zwischen vokalen und instrumentalen Partien, die Klarheit der Details und der dynamlsdien Schattierungen
waren bewundernswert. Francis D. Perkins,
New
York Herald Tribüne,
29. 7. 1951
START IN ITALIEN Wirklich außergewöhnlich dieser Mozart, den wir gestern abend im Auditorium gehört haben.
Und wenn wesen
ist,
der Mozart der /«pifer-Symphonie auch nicht der gewohnte Mozart ge-
von jahrhundertelangen Traditionen geweiht, so hatte
Kraft und Jugendlichkeit in
Menuett haben uns
in einer
sich.
Das
leidenschaftlidi sinnliche
er doch eine nie gehörte
Andante und das
füllige
allgemein bekannten Partitur unerwartete Möglichkeiten und
Tonarten von profunder Menschlichkeit offenbart. Es war ein Mozart voller Dramatik im Gegensatz
zum
sonst bekannten Mozart.
M.
Und
L., //
dafür danken wir
dem jungen
Quotidiano Sardo, Cagliari,
Maestro.
10. 6.
1954
BEETHOVEN Im Teatro Verdi ist,
die
stellte sich
der 25jährige Dirigent Lorin Maazel vor, der schon dabei
Grenze zur Berühmtheit zu überschreiten. In einem umfangreichen und bedeuten-
den Programm mit Werken von Mozart, Beethoven, Ravel und Bartök demonstrierte die Fähigkeit, sich mit
Komponisten der verschiedenartigsten
Die Probe aufs Exempel
stellte
seiner
bewußt
ist,
Von Anfang an Aufgabe dem Orchester und dem
hohen Qualitäten
bewies der wunderbare junge Mann, daß er voll
zu machen.
Beethovens fünfte Symphonie dar. Mit ihr gab Lorin
Maazel den überzeugenden Beweis
Publikum gegenüber
Stile vertraut
er
indem
sich seiner
als Dirigent.
er interpretatorische Freiheit
nur Innerhalb
der genau beachteten formalen Gesetze entfaltete.
83
Die Dramatik der Fünften hat Maazel ganz im Sinne Beethovens mit einem Feuer
kühn über
interpretiert, das sidi
die Traditionen der Darbietung dieses erhabenen
Werkes
hinwegsetzt, ohne auch nur im geringsten den tieferen Absichten einer Inspiration untreu
zu werden, die den Gedanken
zum
Weldie Schönheit
in Schönheit überführt.
letzten Taktschlag hatte das große
Werk Beethovens
in dieser
vom
ersten bis
Aufführung, die
außergewöhnlicher Weise die farblichen und rhythmisdien Einzelheiten genauestens II
spektierte!
Corriere di Trieste, 29.
5.
in re-
1955
DEBÜT IN MAILAND Gestern abend
stellte sich
dirigierte in der Scala ein
Lorin Maazel, das einstige Wunderkind, in Mailand vor. Er
symphonisches Konzert mit einem Erfolg, wie ihn wenige
seines Alters erzielen.
Lorin Maazel besitzt außergewöhnliche Musikalität, eine vollendete Dirigiertechnik, einen leidenschaftlichen künstlerischen Ernst
und
ein hervorragendes Stilgefühl
—
macht ihn zu einem Dirigenten mit sehr bemerkenswerter Gegenwart und R. M.,
Zukunft.
//
Popolo
all
das
sicherer
di Milano, 18. 6.
1955
DEBÜT IN ROM Das römisdie Publikum hat einen neuen Dirigenten, Lorin Maazel, kennengelernt. Die Begegnung
erste
ist
sehr glücklich verlaufen mit stürmischem
Applaus für einen Inter-
preten, zu dessen bemerkenswerten Qualitäten audi blendende Vorbereitung
zu einem ungewöhnlichen Programm gehören. des Hauses, der Phantastischen
Skrjabins
und Mut
— Das Programm mit Beethovens
Symphonie von
Poeme de VExtase zeugt vom Einsatz
Berlioz,
Weihe
Honeggers Pacific 231 und
des Interpreten, seiner
Ablehnung des
bloßen Effekts und leichter Erfolge. Dieses Repertoire gewann an Bedeutung durch den jugendlichen Enthusiasmus, mit
Mir hat besonders
Symphonie sdie
Traum
gefallen eines
die
dem
der Dirigent
es interpretierte.
Begegnung mit dem romantisdien Ideal
in
der Phantastischen
und das Poeme de VExtase von Skrjabin, der bewegende musikali-
anderen Sohnes der Romantik, der
ln seiner
extremen Sprache die un-
ausgeschöpfte Qual seiner Ambitionen als moderner Künstler auszudrücLen suchte.
R. R.,
//
Messaggero,
Rom,
14. 3.
1955
DEBÜT IN WIEN Der amerlkanisdie Dirigent Lorin Maazel wurde
gefeiert
wie sonst nur Karajan. Wiens
Musikfreunde haben gestern abend im Konzerthaus einen Dirigenten kennengelernt, dessen außergewöhnliche musikalische lers
und
technische
— Es war eine — Lorin Maazel
doppelt bewundernswert erscheinen mußten.
Blick,
und
sie hielt bis
zur letzten Minute an.
Gaben durch
die
Jugend des Künst-
Liebe auf den ersten ist
dieser Liebe wert.
Ein eminenter Künstler, der Musik im Blut, die Partituren im Kopf und das Orchester in der
84
Hand
hat. In der stablosen
Hand,
die dessenungeachtet mit beispielhafter rhyth-
misdier Präzision und Gewandheit taktiert, während die Linke alle Einsätze zuwirft,
Akzente
Phrasen und Schattierungen vorformt und nadizeichnet. Das
setzt,
schieht mit angeborener
kung.
Da
Hand
ging,
Eleganz der Bewegungen und geschultem Sinn für optische Wir-
damit aber auch eine faszinierende Realisierung der gespielten Werke
war gegen
ge-
alles
Hand
in
die grandiose Schau nichts einzuwenden.
Faszinierend gelang Maazel schon Strawinskys Petrußchka-Suhe, die in gedämpfter
Farbenpracht erglühte und
alle Schärfe
und Prägnanz
G
interpretierte der Dirigent Ravels Klavierkonzert in tischer Poesie
und
und harter
und
erstes
Konzert
ohne solche Überzeugungskraft) anzuwenden
und
siegte.
— einen Abend
Lorin Maazel hat
ist
und
sofort mit
dem
Großen Konzerthaussaal mit Enthusias-
noch sehr jung, etwas über Zwanzig, elegant, virtuos und mit Energie ge-
laden. Seine Überlegenheit über das Orchester dirigiert
ohne
viel
schen Schnörkeln der Finger
dem
in
eines
die,
geborenen Orchesterführers.
wahrer Dynamo, aus dem
Winken der Hände und in den malerirhythmische Festigkeit und große Deutlichkeit.
einfachen
Kraft,
ist
Seine Energie spüren das Publikum ein
ist
Theater mit einfachen Bewegungen, die nur auf Höhepunkten des
Klangs weiter ausfahren, aber
die
sein
in
füllte.
Maazel
ist
geleitet
1955
von Strawlnsky, einen glänzenden Sieg davongetragen,
der wie der Erfolg eines alten Stardirigenten den
Er
—
9. 12.
Wien
unbekannter Dirigent
als
man
pflegt.
Neuer Kurier^ Wien,
der Wiener Symphoniker
ersten Stück, der Petruschka-Suite
mus
Spannung
faszinierend, weil reich an innerer
-ibe-.
dirigierte
Mischung von roman-
Überakzente und einiger Tempomodifizierungen, wie
etlicher
allerdings auch hier (freilich
Er kam,
in seiner
einem großen Konzept gebaut, war auch die Wiedergabe von Beet-
folgerichtig nach
hovens Fünfter: trotz sie
Brillanz;
des Ausdrucks hatte; faszinierend
und das Orchester
ins
in gleicher Weise.
Der Künstler
Orchester Ströme von Elektrizität fließen
Zuhörer Ströme von größter Spannung.
Seit
und
den ersten Konzerten Karajans hat
jedenfalls ein solches Dirigententalent nicht ln einem
in
man
Wiener Konzertsaal gesehen. mg, Weltpresse, Wien,
9. 12.
1955
DEBÜT IN BERLIN Junger Dirigent schlug
ein:
Mit einem Riesenprogramm führte
gent Lorin Maazel in Berlin ein
—
und zwar höchst
den Taktstock, und was sofort für ihn einnimmt, das
sich
erfolgreich.
ist
seine
der blutjunge Diri-
Maazel verzichtet auf
überzeugend auf die Musik
zugeschnittene körperliche Wendigkeit. Alle Achtung vor diesem Fünfundzwanzigjährigen, der seine Partituren verblüffend sicher
modernen Werken
Mag
sein,
daß
im Kopf hat und
selbst bei anspruchsvollen
nicht einen Augenblick die Herrschaft über das Orchester verliert.
er
bei
Haydns
c-moll-Sinfonie von
Drang-Schöpfung, noch nicht ganz
in die Tiefen der
1791, einer echten Sturm-und-
Musik
lotet.
Strawinskys Gesang
der Nachtigall aber, entstanden aus des Komponisten Märchenoper nach Andersen und als dreiteiliger reiner
Instrumentalsatz nicht
frei
von Längen, kommt mit seinem exoti-
85
sehen Zauber
und mit den Melismen des kammermusikalisch aufgelockerten Orchesters
zu bester Wirkung. Hervorragend gelungen und eine Prachtleistung des Orchesters wie des Dirigenten
dann
Wiedergabe des Poeme de PExtase von Skrjabin,
die
eines
Mon-
strums von Klangschwelgerei, das, obschon Strawinskys kühler Musik zeitlidi benachbart,
den Tristan-Rausch übersteigert und
in
der
Harmonik
schon nach neuen Ufern
Erwin Kroll, Der Tag,
strebt.
Berlin, 3. 3.
1956
Ein Konzert des RIAS-Symphonie-Orchesters, das besondere Beachtung verdiente, denn es
brachte eine Entdeckung. Dirigent
—
war Lorin Maazel
ein Künstler, in
dem
sich
einmal wieder die Musikalität, das technische Können und die geistige Universalität zu vereinigen scheinen, die nötig sind, bleiben
soll.
wenn
unsere große symphonische Tradition
Ein zweieinhalbstündiges Programm, das von
reichte, eine Interpretationsleistung, die peinliche
Haydn
bis
am Leben
zu Strawinsky
Genauigkeit und Klarheit mit subtilem
Klangsinn und stürmischem Furor des Gefühles verband.
Werner Oehlmann, Der Tagesspiegel,
(Weitere Berliner Kritiken sind zu Beginn des
6.
Berlin, 3. 3. 1956
Kapitels des Lebenslaufes
zitiert.)
HAMBURG Abend mit Meisterwerken der Zwölftontechnik (Schönberg, Dallapiccola und Roger Sessions).
Den Färb- und Ausdrudcsreichtum, Effekte, die rhythmischen
und
die phantastischen
und dynamischen Spannungen
originellen Instrumentations-
interpretatorisch auszuwerten,
war
die
sich
das NDR-Sinfonieorchester bedingungslos anvertrauen durfte. Eine phänomenale
Aufgabe des jungen Gastdirigenten Lorin Maazel, dessen überlegener Führung
Begabung gehört dazu,
ein solches
Programm auswendig zu
Partitur förmlich vor sich zu sehen, so plastisch modellierte
sah
man
eine so präzise
und
detaillierte Schlagtechnik
dirigieren.
Maazel
Man
glaubte die
die Figuren. Selten
ohne Stab, eine
so formvollendete,
doch nie auf Wirkung bedachte Haltung. Sabine Tomzig, Hamburger Abendblatt,
2. 5.
1957
STOCKHOLM Mahler, interpretiert von einem 27jährigen.
Chor und
die Solisten?
War
es
dompteure unserer Tage? Nein,
es
war als
einer der
berühmten Orchester-
ein 27jähriger, ein junger
Mann,
dessen
Züge
mit Beethoven hatten. Er heißt Lorin Maazel.
ihn als eine Sensation bezeichnen.
Der Abend gehörte Symphonie) und
86
dirigerte das verstärkte Orchester, den
Bruno Walter? Oder
mehr Ähnlichkeit mit James Dean
Man kann
Wer
nicht
nicht
den beiden erstklassigen Sängerinnen
dem hervorragenden
Orchester
—
er gehörte
(in
Mahlers zweiter
Lorin Maazel.
Man
hat Ursache, daran zu glauben, daß er nach diesem ersten Besuch bei der Konzert-
vereinigung bald wieder
kommen
wird.
Per- Anders Hellquist, Svenska Daghladet, Stockholm, 14. 11. 1957
MAHLER Junge Dirigenten, die überzeugen: Als Lorin Maazel
man: das
ist
ein
Mann, der
Male
bei uns gewesen,
fanatischen Musiker
den besonderen
Stil
Ich bin gar nicht
und
und Gestalter zu geben, der
die
Nun
als
ist
Wirkung hat
vertieft.
sich
Nichts an diesem
Idee hinter ihr steht.
immer einverstanden. Es
—
gibt in
Maazels Zeichengebung
Momente
oft
Mozartdeutung Gewaltsamkeiten wie das
breite
trifft.
Andantezeitmaß, wie die allzu scharf
den höchsten Maßstab anlegen, denn das Gefühl für Mozart
ist
man muß
sie
da,
und
es
schon
wird phänome-
natürlich bleibt.
Dann, nach der Pause, das entscheidende Erlebnis: Mahlers hört
vielleicht,
Es gibt auch in seiner
glitzernden Triller im Finale der C-dur-Symphonie Kochel 200. Aber
es
—
der Überspannung, in denen der
Wille sich verkrampft und die ekstatische Energie ins Leere
wo immer
zum
der Siebenundzwanzigjährige
Durchschnitt; er hat die Fähigkeit, jeder Partitur
ist
weil er auf den Taktstock verzichtet
nal übertragen,
wußte
vorstellte,
eigene musikalische Konzeptionen mit außergewöhnlichen
technischen Mitteln zu übertragen versteht. dritten
sich in Berlin
erste
Symphonie. Maazel
dem Ohr des modern geschulten Musikers, er läßt die Kontraste aufeinanderdaß man erschrickt vor so viel Dramatik und Leidenschaft. Er überschärft die
mit
prallen,
Farben: jedes Trompetensolo, jede Oboenmelodie wirkt wie ein Inbegriff des Instruments. Das Blech wird mitunter zu jazzartigen Klangspitzen getrieben.
Wesentlich aber
ist
der Aufbau dieser riesigen Symphonie-Maße. Die 55 Minuten sind
randvoll mit geistigen Abenteuern der aufregendsten Art;
würdigen Rausch sprechen dafür.
da.^
Denn
Gehen wir diese
man
in
sitzt
einem merk-
einer Mahler-Renaissance entgegen? Viele Anzeichen
Musik
ist
frisch
wie
am
ersten Tag,
wenn
ein kongenialer
Kapellmeister wie Maazel ihren Geist zu beschwören weiß.
H. H. Stuckenschmidt, Die Welt,
Berlin, 9. 5. 1957
BESANgON Dompteur, Zauberer, Dichter dirigiert
ohne Taktstock, jede
—
Lorin Maazel versetzt das Publikum ins Delirium. Er
seiner Gesten,
auch
wenn
sie
exzessiv scheint,
ist
von
wunderbarer Wirksamkeit. Eine stählerne Energie, ein feuriges Temperament, eine Intelligenz, die analysiert und keine Konzession erlaubt, erzielen beim herrlichen Orchestre National einen klanglichen
Reichtum und eine suggestive Macht, die der immer ersehnten und heit sehr
nahe kommen. In Besan^on haben
bis
selten erreichten
Wahr-
heute nur ein Furtwängler, ein Schuricht,
Argenta oder Kubelik in ihren besten Momenten uns solche Augenblicke der Befreiung geschenkt.
Aber
die Spontaneität der
hörtes, Übermenschliches hinzu.
Jugend Maazels fügt dem noch etwas Neues, UnerJacques Kreisler, La Re publique, 13.
9.
1958
87
DEUTER DER UNDEUTBAREN MUSIK dem Philharmonisdien Orchester kormte keine Überwar Bestätigung der alarmierenden und in steigendem
Lorln Maazels erstes Konzert mit raschung mehr bringen, aber
Maße bannenden Symphoniker
der
vermittelte: hier
Mann,
am
Eindrücke, die der junge Dirigent nach und nach
unentwickelbar fertig ist
es
der,
seit
wird
dem
ist
eine Dirigierbegabung, wie wir sie so spontan
er seinen
Weg
den
so weitergehen,
Technik und Persönlichkeit bestimmen wird. Das
Summe
Gewinn
dieses
und
Auftreten des jungen Karajan nidit erlebt haben; hier Stil
der symphonischen Inter-
Argumente Talent,
pretation für die nächsten Jahrzehnte kraft der unwiderlegbaren
aber die
Pult der Radio-
mag
prätentiös klingen. Zieht
man
der früheren Konzerte mit Schubert, Mahler, Strawinsky und rechnet den
Abends mit Strauss und Brahms dazu,
so ergibt sich ein Bereidi, dessen
Beherrschung nicht durch Formeln wie Virtuosentum, Frühreife, Spezialbegabung abzutun
ist.
und wer Bei
Namen
Jene
bezeichnen einen beträchtlichen Teil der großen und größten Musik,
darin auskennt, verdient als universale Natur ernstgenommen zu werden.
sich
Brahms
ist
dann das Tragische, das Ungelöste und Unlösbare der romantischen
Lebensspannung, von vornherein Grundklang. Mit die in schmerzlicher
Symphonie
dem
Verkrampfung zum Hauptthema
Auftakt, den Bläserakkorden,
hinleiten,
ist
klar,
nicht als Idylle oder als rührende Elegie gedeutet wird.
daß
Auch
die f-moll-
hier Schärfe
der thematischen Formulierung, analysierendes Ausarbeiten des Details, aus
dem
überraschend das Erlebnis des Ganzen ergibt; das Klangbild wird unversehens Spiegelbild des psychischen Prozesses, den
und
bis
zum
Brahms
verhaltenen, nur gleichsam bis
Schlußsatzes steht der
in die
Form
zum Dämmerlicht
Hörer im Banne des Geheimnisses, das
sich
zum
der Symphonie faßte,
aufhellenden Epilog des
bei aller Klarheit der Mit-
teilung unenthüllt, unprofaniert bleibt. Dieser Sinn für das Essentielle, nicht zu Inter-
pretierende, seine
ist
aber die stärkste Kraft des Interpreten Lorin Maazel, die Gabe, die an
große Rolle
als
Deuter der großen, undeutbaren Musik glauben
Werner Oehlmann, Der Tagesspiegel,
GEIGER
läßt.
Berlin, 10.
1.
1959
UND DIRIGENT ZUGLEICH
Die eigentlichen Schwerpunkte des Abends lagen im ersten Teil des Programms. Als sein eigener Solist spielte der Dirigent Bachs a-moll-Violinkonzert, das er gleichzeitig,
wie sonst der Maestro
am Cembalo,
mit der Geige in der
Beweis einer Doppelbegabung, die heute Bis auf ein paar geringfügige risch
in dieser
Schwankungen im
Hand
leitete: erstaunlicher
Form ungewöhnlich ersten Satz
ist.
war das Ergebnis
künstle-
durchaus überzeugend: nicht nur deshalb, weil Maazel seinen Violinpart makellos
beherrschte
und überlegen
Star-Ehrgeiz
sich als
gestaltete,
sondern vor allem auch darum, weil er ohne jeden
primus inter pares in die Musiziergemeinschaft seines
zierten Ensembles einfügte
und mit ihm im Dienste
stilvoll
redu-
einer lebendig durchpulsten Wieder-
gabe zu echter Gemeinschaft verschmolz.
Heinz Joachim, Die Welt,
88
Berlin, 28. 4. 1959
Prol>L‘ in
ilt-r
DcliiscIkmi C'Jpcr Ik-rlin;
S. 90/^^l:
Proben im
I
laus des
Kimdiunks
Berlin
S9
92
zugunsten UNICKI- mit dem C^rdicstre de Monte C^arlo 1969 in Paris
Konzert
Mit dem Nippon Orchestra 1970 in Japan
S.
94:
Philharmonia
95: Verdis Requiem 1968 mit Chor und Orchester der Deutschen Oper Berlin und den Solisten Pilar Lorengar, Christa Ludwig, Carlo Bergonzi und Ezio Flagello S.
93
96
Mit
I’rau
Israda 1970
MOZART
IN PARIS
Der Erfolg von Lorin Maazel mit Brahms im fjew
und
war
Name
tatsächlich sensationell, sein
zeigte,
letzten Jahr
und noch mehr mit Proko-
den ganzen Winter über im Gespräch
blieb
welchen Eindrude er hinterlassen hatte.
Die Autorität von Lorin Maazel junge Dirigent ,der weniger
ist
ungeheuer eindrucksvoll,
30 Jahre
als
alt ist
um
und ohne Taktstock
so mehr, als dieser
dirigiert, seine
Gesten
weitgehend gemäßigt hat. Sie sind bisweilen von beispielhafter Zurückhaltung und immer
wirksam und glaubwürdig.
präzise,
Bei der 40.
Symphonie von Mozart zögert Maazel
Mensdi der zweiten Hälfte des
als
Tempi zu nehmen, aber das macht nichts, da es ihm da er das Fieber des Allegro am Anfang versteht und
20. Jahrhunderts nicht, schnelle gelingt, alles singen
zu
lassen,
ausdrückt, da er alle feinen Einzelheiten des langsamen Satzes kennt, das Finale leuchten läßt, ohne einen einzigen
Moment,
die sich daraus abzeichnen soll, aus als
Emotion,
ein Detail eines jeden Instruments, die
den Augen zu verlieren. Es macht
und uns von den
ausgezeichneter Mozartkenner zeigt
Takten an
ersten
da er
nichts,
alles
sich
fühlen
was den präromantischen Mozart der g-moll-Symphonie vom sublim ätherisdien
läßt,
Mozart des Konzerts für Klarinette
trennt. Dieses Konzert,
Ulysse Delecluse, dargebracht, wird
als
Kammermusik
von einem idealen
behandelt: keine
Solisten,
Wirkung wird
erzwungen, die Klarinette, deren delikater Klang an den einer Geige oder eines Alts innert,
wird perfekt herausgestellt
Ich Hebe keine Prophezeiungen.
—
Talente falsche
ich
in
einem subtilen Dialog mit dem Orchester.
Aber
ich frage mich,
zögere nicht zu sagen: Genies
Werte nur zu häufig
er-
—
dieser
ob das 20. Jahrhundert schon
Spannweite auf dem Pult,
wo
Illusion sind, erlebt hat oder noch erleben wird.
Jacques Kreisler, La Republique, 11.
9.
1959
r
4
DEBÜT IN BAYREUTH
'
Lorin Maazel, der erstmals
am
Bayreuther Dirigentenpult stand, gab der Aufführung
des Lohengrin nach etwas matterem Beginn ein
Höchstmaß an dramatischer Spannung,
formaler Ausgewogenheit und klanglicher Transparenz. Auch er
Gewinn
ist
zweifellos ein großer
für die Festspiele als einer der markantesten Vertreter der jungen Generation.
Heinz Joachim, Die Welt, Hamburg,
Das frappierendste Ereignis der Bayreuther
Festspiele
1960
ist
27. 7.
1960
der Auftritt des sehr
jungen Dirigenten Lorin Maazel.
Die absolute Musik scheint ihm gegenwärtig noch nidit so sehr zu
liegen, jedoch
ist
er
hervorragend in den romantischen Werken der Programm-Musik oder jenen, die poetische
und dramatische Bedeutung
besitzen.
Man
Oper zuwenden werde. Man erwartete hingegen ersten
Male
in seiner
nidit,
daß
dieser junge
daß
er sich der
Mann, der zum
noch nicht langen Karriere in den voller Fallen steckenden Orchester-
graben des Bayreuther Festspielhauses
und mit
hatte daher erwartet,
stieg, eine so erstaunliche
einer Autorität dirigieren würde, als sei er mit den
Meistersdiaft entfalten
Bedingungen des Hauses
seit
97
langem vertraut. Dieses Debüt von Lorin Maazel
den Wagner-Festspielen 1960 wird
bei
eine der größten Sensationen des Jahres bleiben.
Er hat
Wiederaufnahme des Lohengrin
sich in einer
Lorin Maazel gelang stilistischen Einheit
es,
den Lohengrin
wunderbarer Dirigent erwiesen.
als
unerwarteten Größe und ungewohnten
in einer
zu präsentieren. Er offenbarte Subllmität, Schönheit und ein
Gefühl, das für den oberflädilichen,
tiefes
gründlicher in die Partitur vertiefenden
sich nicht
Betrachter ein wenig zu fehlen scheint.
Das eben hat Lorin Maazel
erreicht, aber
wenn
um
er sich
die Partitur
bemüht
hat, so
doch mit der größten Einfachheit und Mäßigung, in einem äußerst reinen, uneigennützi-
gen Geist und ohne die Schauspielerei, die er sonst gelegentlich der Dirigent in Bayreuth nicht zu sehen
Ist:
zeigt.
ein unerbittlicher Test
Man
weiß, daß
für jene, deren
— wie häufig die Maazels — vor dem Publikum zur Schau zu die — wie Maazel — Musik machen. Seine Interpretaaber auch ein Test für
Schwäche
es ist
,
stel-
sich
jene,
len,
tion überzeugt durch die nicht nachlassende Intensität seines ausdrucksvollen Musizierens,
durch unwiderstehliche Gestaltung und die Richtigkeit seiner Akzente, den bewunderns-
wert dramatischen Charakter der Tempi, das wunderbare Gleichgewicht der Orchesterinstrumente, ein Gleichgewicht, in welchem die Dosierung der verschiedenen Klangfarben
und Tonkomplexe der Harmonie
volle
Bedeutung gibt und auch mit erstaunlicher Trans-
parenz Wirkungen herausstellt, auf die
man
bisher nicht
Immer genügend
Es war ein großer Abend für die Karriere von Lorin Maazel. schönste Interpretation
es die
von Lohengrin,
Was mich
Schlechtes Jahr in Salzburg, Sensation In Bayreuth:
als
Vom
Paris, 24. 8.
Sensation bezeichnet werden.
Zum
ersten
war mir
klar,
daß Lorin Maazel
Er hat das Versprechen
nicht
Male
am
mehr nur
bereits eingelöst
1960
Bayreuth
in der Geschichte dieses ältesten aller
Pult.
—
Am
Ende
Abends
des langen
ein „vielversprechender junger Dirigent“
und behauptet
sich
auf der internationalen
Everett Helm, San Francisco Sunday Chronicle, 11
Musik-Szene.
war
amerikanischen Standpunkt
die Einstudierung des Lohengrin bei den Richard-Wagner-Festsplelen In
europäischen Festspiele stand ein Amerikaner
sei.
betrifft,
die Ich je gehört habe.
Claude Rostand, Carrefour,
muß
geachtet hat.
.
9.
1960
PARIS
Man
„belauerte“ ein bißchen Lorin Maazel, der in diesem
hervorgetreten war.
Atmen
gelassen.
Damals
hatte er
dem
Solisten Christian
Nichts davon diesmal gegenüber
Quixote von Richard Strauss oder
in
Sommer
dem
In
Monte Carlo
zum beim Don
Ferras keine Zeit
Solisten
Torteller
den Werken von Brahms (oh die bezaubernde, allzu
lange Serenade!) und von Wagner. Die Präzision, das Gedächtnis, die Musikalität und die Kraft des jungen Dirigenten grenzen ans
nur, er
Denn
möge
sich ein
Wunderbare. Ich persönlldi wünsdie ihm
wenig mehr der Leitung durch Traum und Instinkt überlassen.
die Intelligenz hat ihre Grenzen, das Gefühl nicht.
Clarendon, Figaro, Paris, 26.
98
10.
1960
LONDON Was Maazels madite tigte
—
— ,
Leistung in der Symphonie Nr. 2 c-moll von Mahler so außerordentlidt
abgesehen davon, wie er diese riesige symphonische Struktur geistig bewäl-
war
Mahlers
die Sensibilität, mit der er
und Phrasierung
Anweisungen für Dynamik
detaillierte
beachtete.
Angesichts einiger beklagenswerter Mahler-Aufführungen des
unter seinem ständigen Dirigenten hatte virtuosen Wiedergabe wie in der letzten
man
BBC Symphony
eigentlich nicht geglaubt,
Woche
daß
Orchestra
es einer so
fähig wäre. Maazel befreite es von seinen
gewohnten Hemmungen. Die Musiker trafen akzentuierte Noten mit pointierter Schärfe, unterwarfen
den ausbrechenden Glissandi, und der Streicher-Ton war voll
sich völlig
und ausdrucksvoll: von seidigem Glanz im zweiten
Satz, hart
und
schroff
im
ersten.
Mit den beiden ausgezeichneten Solistinnen Josephine Veasey und Maureen Forrester
dem
sowie mit
und konzentriert singenden BBC-Chor wurde das Finale zu
lebhaft
einem überwältigenden Triumphlied ungestümen Jubels. Es war eine der erstaunlichsten Aufführungen, die
gehört habe.
ick je
Wie
typisck,
daß Maazel, der im Laufe der
sieben Jahre jedes führende europäische Orchester dirigiert hat, erst jetzt sein
Edmund
Debüt gab.
Tracey, The Observer, London,
letzten
Londoner 4.
12 1960
DEBÜT IN BOSTON Mr. Maazel gab
sein
Debüt
in
Boston, und das
war
jedem Sinne ein glückliches
in
Ereignis.
Die zweite Symphonie von Brahms war die haben, und wir haben
sie
lyrischste, die
wir
seit
vielen Jahren gehört
von ebensovielen Dirigenten innerhalb
oft gehört, fünfmal
von fünf Jahren. Sein Taktschlag
aufkommen über
ist
bemerkenswert
seiije
klar, seine
Gesten sparsam. Er läßt keinen Zweifel
dynamischen Vorstellungen, und seine Aufmerksamkeit gegenüber
Details enthüllt einen poetischen Ordnungssinn.
Er zeigte einige Besonderheiten
— welcher Dirigent hat
sie
nicht?
Weit auseinander ge-
spreizte Finger, Schnörkel in der Luft bei einem sonst klaren Schlag, eine
Tendenz zur
theatralischen Pause sind zu erkennen, aber sie wirken nicht ablenkend. Sie sind organischer Bestandteil eines ausgereiften persönlichen Dirigierstils.
Maazel gab der Brahms-Symphonie eine ganz eigene Beredsamkeit. Das Programm offenbarte interessanterweise die gleichen Zeitmaße (14V2,
Dr. Münch: Maazel
klang
als
nahm zwar den
8, 5
und 9 Minuten) wie
bei
Coda
er-
ersten Satz sehr viel schneller, aber die
ausdrucksvoll ausschwingende Melodie. Die rhapsodische Struktur des Werkes
erreichte eine Interpretation romantischer Freiheit, Phrasierungen, traste
wurden
subtil gesetzt.
Akzente und Kon-
Es war eine ausgezeichnete Aufführung.
Robert Taylor, The Boston Herald,
10. 12.
1960
AUSTRALIEN Gastspiel im Capitol als Dirigent des A.B.C. Orchestra: Keiner, der diesem Konzert
aufmerksam zugehört
hat,
wird überrascht
sein
von Maazels Erfolgen
ln
den Muslk-
99
Zentren der nördlichen Hemisphäre. Er
ist
dynamisch und
vom Kopf
Feuer und Leidenschaft des Herzens werden
Maazel zeigte zur Genüge
sein feines
kontrolliert.
Gefühl für Balance und Proportionen. Ich kann
mich an keine Aufführung dieser Beethoven-Ouvertüre (Leonore III) erinnern, die ruhige, zugleich majestätische
Aber
inspiriert das Orchester.
in
welcher
und umfangreiche Eröffnungspassage nach dem
ersten
schmetternden Akkord so bedeutungsvoll, so dramatisch und sensibel dargeboten wurde. Ebenfalls,
um
genau zu
sein,
auch an kein so wildes, bewegendes Finale, wie
Maazel gab.
Fidelio,
Lorin Maazels zweites Konzert beim Sydney
The West Australian,
Symphony
daran, daß er einer der sensationell begabtesten Dirigenten
haben. Sein
Programm
die andere zu
setzte sich aus
uns
es
11. 3.
1961
Orchestra ließ keinen Zweifel ist,
die je dieses
zwei Symphonien zusammen: eine
Land
fast
besucht
zu sehr und
wenig bekannt.
In Schuberts Unvollendeter Symphonie, die oft, aber selten wirklich gut gespielt wird, erreichte er jene sehnsuchtsvolle Poesie, die sonst
gewann dem Orchester einen wunderbaren Ton
Dazu
zu oft
in Sentimentalität abgleitet,
und
ab.
bewältigte er die ausladende neunte Symphonie Mahlers in einem kühnen, weit-
räumigen
Stil,
ohne jedoch Details zu vernachlässigen.
Es gab eine Intensität und einen Impetus in seiner Interpretation, die sogar die lang-
gezogenen und wiederholenden Passagen zu bannender Wirkung brachten.
M.
L.,
Daily Telegraph, Sydney, 10.
4.
1961
WIENER PHILHARMONIKER Karajans Absage führte Lorin Maazel an die Spitze unserer Philharmoniker, einen von jenen dirigiertechnischen nebst Fähigkeit
Wundermännern,
und Fertigkeit auch
die Notenschrift
dem
und
Orchester
ist
in ihrer
genau und gewissenhaft nach, und
wahres Vergnügen, ihm zuzusehen, wie er
wie
er
Art weiterzubilden.
äußerst präzise und unmißverständlich. Sie zeichnet
jedes Vortragsaviso
hauchdünnen Piano ausklingt, wie
und
die Entschlossenheit mitbringen, die Tradition der
großen Musikdarstellung fortzusetzen und Seine Aktion vor
die in den letzten Jahren angetreten sind
er das
es bewerkstelligt,
es ist ein
daß etwa eine Phrase im
Tempo zurücknlmmmt
oder beschleunigt und
den Gesamteinsatz der Kräfte vorbereitet und durchführt.
Nicht so
leicht ist die Persönlichkeit des
Fassade seiner brillanten Technik
liegt,
Künstlers zu erfassen und das, was hinter der
die sich wie ein attraktives
und
effektvolles Schau-
Was geht im Innern vor? Ist der Musiksinn, der seine Vor- und Darstellungen in Gang setzt, mehr im Kopf oder im Herzen verankert? Oder genügt er sich selbst und folgt einzig dem Antrieb, der von ihm selbst ausgeht, also einer absolut fenster ausnimmt.
musikalischen Kraft?
Diese Kraft verleiht
dem
Dirigenten jedenfalls eine erstaunliche Überlegenheit und was
das philharmonische Konzert davon an Proben bot, waren Beispiele vollendeten Musizierens.
Die g-moll-Symphonie von Mozart erklang
in
der Korrektheit einer Schall-
plattenaufnahme. Jede Nuance, jede Betonung, jeder Akzent hatte den richtigen Wert
100
und saß am die
richtigen Platz. Vielleicht
kann man
sagen,
daß der
erste Satz ein
in
Schumannsche Auffassung von der griechisch-schwebenden Grazie tendierte, aber aus
dem männlich und kraftvoll auftretenden Menuett und dem Finale war aus dem Bereich der Mozartschen g-moll-Taktik zu vernehmen. Unübertrefflicdi
Dirigenten wie
und
dem
und zu
auch ein Echo
gelangen die zwei Debussy-Tonbilder, sowohl
meisterlich
dem
hinreißend spielenden Orchester: Prelude ä Papres-miäi d'un Faune
und La mer. Alle Feinheiten, Kostbarkeiten und ten
wenig
locken, die Farbentupfer
und
Subtilitäten des Stils fingen an zu leuch-
Pinselstriche
wurden lebendig und
sdilossen sich
zusammen zu den bezaubernden und rauschhaften Musikvisionen. Kr., Die Presse, 21.
5.
1962
BACH Die deutsche Musikübung hat
mus zu
stellen;
sidi
gewöhnt, Bach unter den Gesichtspunkt des Historis-
barock oder romantisck, mit Cembalo, kleiner Besetzung und „objekti-
viertem“ Vortrag oder mit ungehemmt ausschweifender Klang- und Ausdrucksfülle das
ist
bei uns die Frage. Lorin
Maazel hat
—
allen durch diese Fragestellung vorbelasteten
Interpreten die Unbefangenheit voraus, die sich ausschließlich auf den Notentext als absoluten, abstrakten
Wert stützen kann. Er eröffnete
sein zweites diesjähriges
Konzert
mit den Philharmonikern mit Bachs vierter, verhältnismäßig selten aufgeführter Orchestersuite
die
und
suchte in ihr nichts als die drängende, „kinetische“ Energie der Linienzüge,
Kühnheit der kontrapunktischen Verschränkungen, die Urkraft des Rhythmus, die
sich in
der schreitenden Gravität der Ouvertüre ebenso wie in der spielerischen Diffe-
renzierung der Tanzformen bezeugt. Er gab, in der scharf konturierten, von Trompetenstößen durchschnittenen Klarheit des Satzbildes, das sich über
dem Granit
der Bässe auf-
baut (herrlich die melodische Intensität der Oboen und Fagotte in der zweiten Bourre),
den großen, überzeitlichen, absoluten Bach, wie wir ihn erlebt haben.
Daß
Jvlaazel
geben kann, daß wirklich
der einzige Dirigent alle
ist,
Klemperer kaum jemals
seit
der einen Sechzehntel-Auftakt so
Instrumente haargenau Zusammenkommen,
Werner Oehlmann, Der Tagesspiegel,
läufig zu bemerken.
ist
nur bei-
Berlin, 3. 6. 1962
ROSENKAVALIER AN DER MET Die feingesponnene musikalische Produktion unterlag der unmittelbaren Führung des jungen Lorin Maazel
— einer Führung, die
sich
durch absolute Beherrschung der Partitur
auszeichnete. Ich
die
war wieder einmal
zutiefst
von Maazel beeindruckt. Er
erzielte eine
Transparenz,
von Innerem Feuer und wachsamer Kontrolle des Details durdileuchtet war. Der
Dirigent schien ein herzliches Gespräch mit der Marschallin zu führen.
Louis Biancolll, World-T eie gram and Sun,
New
York, 20.
11.
1962
LENINGRAD Leonid Kogan, der berühmte sowjetische Geiger, sagte über Maazel: „Er ein Dirigent, sondern ein Musiker, der auf
dem
ist
nicht nur
Ordiester spielt“. Diese Fähigkeit, sldi
101
mit
Orchester zu identifizieren, rief ebenfalls hohes Lob bei den Mitgliedern des
dem
The
Leningrader Symphonie-Orchesters hervor.
New
York Times,
14. 5.
1963
MOSKAU kamen nach dem Konzert
Sowjetische Dirigenten
Maazel mit weit mehr sowjetischen Kritiker
als
in
um
Scharen hinter die Bühne,
den üblichen russischen Superlativen zu gratulieren. Die
waren verblüfft über das Auswendig-Dirigieren.
Nach dem zweiten Satz der Symphonie (Mahlers zweite) konnte das Publikum seine Begeisterung nicht länger zurückhalten, setzte sich über Traditionen hinweg und brach in
Applaus und Bravorufe
aus.
Einige der lautesten Rufe
kamen von Musikstudenten,
die in
den Gängen standen oder
über der Brüstung der Galerie hingen.
Ungefähr 200 Studenten versuchten heute im Laufe des Tages gelangen.
Im
in die
Handgemenge mit den Saalwächtern
entstehenden
keiten, sich zu identifizieren
und
hatte
Maazel Schwierig-
Gebäude zu
die Erlaubnis zu erlangen, das
The
Orchesterproben zu
New York
betreten.
Times, 22.
5.
1963
Die Kunst des Dirigierens erfordert nicht nur Talent. Eine nicht geringe Rolle spielen Reife und Erfahrung des Dirigenten.
Ohne
diese Qualitäten
ist
eine klare geistige Durch-
dringung der Komposition nicht möglich.
Die echte schöpferische Reife
erreicht der Dirigent wesentlich später als ein anderer
Künstler. Sehr wenige junge Dirigenten können genannt werden, die Talent
und Tempe-
rament mit Weisheit und Umsicht verbinden. Ungeachtet seiner Jugend überzeugte der amerlkanisdie Dirigent Lorin Maazel in seinen ersten
Moskauer Konzerten das
seltene
Zusammentreffen.
Publikum der Hauptstadt eben durch
kritische
dieses
Begeisternd erklangen unter seiner Leitung durch das Staatliche Symphonie-Orchester der
UdSSR
von Schubert und
die Unvollendete
die
monumentale zweite Symphonie von
Mahler. Schon mit den ersten Takten der Schubert-Symphonie vermochte der Dirigent das Publikum zu faszinieren. Selten kann
Prozeß der Ausführung
gung durch
die
turgischen
es
Man
fühlte die grandiose Bestäti-
langsamen und wahrhaft lyrischen Partien der Symphonie. Diese Hin-
einzufühlen, übertrug sich
Hier gelang
einen Interpreten erleben, der durdi den
selbst derart mitgerissen wird.
gabe, diese seltene Fähigkeit, sich
Den größten
man
vom
von den
ersten
Tönen an
völlig in den
Komponisten
Dirigenten auf die Musiker und Zuhörer.
Erfolg brachte die Aufführung der schwierigsten Symphonie Mahlers.
dem
Dirigenten vor allem, die Kontraste der Tondichtung in ihrer drama-
Verknüpfung zu
erhellen.
Das hervorragende Einfühlungsvermögen schön verfolgt werden,
wenn man
in
die
Form
des
Werkes konnte besonders
beobachtete, wie der Dirigent die Kulminationspunkte
zu den Pausen ordnete.
Manchmal
schien
es, als
verständige sich der Dirigent mit den Zuhörern in der Spradie
der Töne, so deutlich waren seine psychologisclien Zielsetzungen.
102
Eine wichtige Rolle für die Sklzzlerung des Dirigenten nicht
um
Bewegungen, sondern darum, daß der Zuhörer, dank der
die Schönheit seiner
„Spannung“ des Dirigenten,
Technik. Es geht
spielt seine
den schöpferischen Prozeß einbezogen wurde, also
selbst in
aktiv in die Welt der dargebotenen Musik eingriff. Mit Leichtigkeit, Genauigkeit
Nuancen wurde
vielfältigen
und
diese für alle Mitglieder des Orchesters „schwierigste“ Parti-
tur interpretiert.
Kyrill Kondraschln (Chefdirigent der
Moskauer Philharm.),
Iswestja,
Moskau, Mai 1963
FIGARO IN SALZBURG Amüsant
bis
zur letzten Note: Als Urheber der erfreulichen Verwandlung, die aus einer
matten Vorstellung eine brillante
schuf, ist In erster Linie der Dirigent
nennen; sein eminentes Talent zeigte
sich
Lorin Maazel zu
diesmal in bester, glücklichster Form. Er
ist
mit
Leib und Seele bei der Sache, mit Geist und Körper sichtbar eingespannt in den Prozeß der musikalischen Darstellung.
um
mit der Musik, wärtig zu
Bühne, kurz,
jede Phrase, jede
bei
sein,
um
fallen zu lassen.
Auf seinem Dirigentenposten
sie sich
fest
er förmlich
überall gegen-
auch nicht das kleinste Partikelchen des Ganzen unbeachtet zu Boden
Einem ruhigeren Gemüt mag
hier ein
und Genauigkeit
Tempo
verhetzt, dort ein
Diktion bilden keine Fehler,
in der
noch
als
wenn
er jung ist?
Zum
Fieinrich Kralik,
reichlich Zeit.
TRISTAN
UND
ist
Daß sein Wann denn
außerordentlich.
Wirkung, die
stört nicht die prächtige
Künstler übersprudeln,
es übt.
Abgeklärt- und Ausgeglichen-
Die Presse, Wien, 31.7. 1963
ISOLDE IN TOKIO
Das größte Lob gebührt dem jungen Dirigenten Lorin Maazel, der Wagners (auf die er
während
des langen
Abends
lebenden Tones übersetzte. Er drang
kommene
Akzent
wie In diesem Falle organisch in ein Konzept, in eine Auffassung elnordnen.
Temperament übersprudelt, sein hat er
um
im Griff zu halten,
Lorin Maazel hat ein Konzept, und seine Dirigentenleistung
soll ein
und hüpft
den Instrumentalisten im Orchester wie bei den Sängern auf der
überspitzt erscheinen, aber Schärfe
wenn
Note
tanzt
fast
tief in
kaum
sah)
wunderbar
den Geist der Musik
Partitur
In die Wirklichkeit des
ein; er behielt eine voll-
Kontrolle über das Orchester und die Bühne und hielt alle musikalischen Kräfte
überlegen in seiner Leitung zusammen.
Hans
E. Pringshelm, Asahi
Evening News, Tokio, 28.
10.
1963
Ein denkwürdiger Tristan: Die musikalische Aufführung unter Leitung des jungen amerikanischen Dirigenten Lorin Maazel war glänzend. Das Orchester beschwor die Tiefe
und Leldensdiaft der Musik. Maazel
dirigierte die beiden ersten
nur für den dritten Akt ließ er die Partitur aufgeschlagen vor voller
Wärme und
auf die Sänger
mit
sidi riß.
—
sich.
Akte auswendig,
Seine Leitung
war
glühender Vorstellungskraft. Er zeigte auch äußerste Rücksichtnahme
vor allem
in
jenen Momenten, in denen das
Marcel
Grilll,
wogende Ordiester
The Japan Times,
8.
11.
alles
1963
1C3
Maazel hat schon
Europa, sogar
in
In
man
Bayreuth, und in Amerika gezeigt, daß
um ihm
auf seine grauen Schläfen zu warten braucht,
nicht
Opern anvertrauen zu
schwierigste
können.
Er kennt diese Oper, und das beinhaltet mehr
als
musikalischen Anweisungen. Er fühlt Instinktiv, wie
nur das Kennen Ihrer Noten und
man den Sängern
The Yomicuri,
unterstützt verständnisvoll ihre Auftritte.
FIDELIO IM ORIGINAL IN
muß und
helfen
14. 11.
ROM
In Beethovens Fidelio überwindet Genie die Tradition: Lorln Maazel, dessen Internationalen
Ruhm
Die Partitur wurde keit
die
genießt,
ist
ein technisch einwandfreier
berühmte Ouvertüre Leonore
musiziert.
III mit der
Renzo
SCALA-DEBÜT MIT TRISTAN
Den
Part des
und hochbegabter Dirigent.
Löwen
spielte
Funktion eines Intermezzos
Rosselllnl, II Messaggero,
UND
Name
mit Instrumentaler Leichtig-
in Ihrer Tiefe ausgelotet, ausgeglichen,
und genau gesetzten Akzenten
1963
Maazel,
als er
dirigierte.
Rom,
14. 2.
1964
ISOLDE IM ORIGINAL
Es bleibt die hinreißende Musik, dirigiert von einem jungen Mann, der
Operndiri-
als
gent an der Scala debütiert und ein phantastisches Talent offenbart: Lorln Maazel.
Die Wahrheit
ist,
daß der junge Maazel von Musik durchdrungen
ist
Instrumente In seinen Fingern hat. Das Orchester wird eins mit Ihm,
und sozusagen
Ist
von ihm zu
nicht
Eugenio Montale, Corriere dTnformazione, Mailand, 22./23.
trennen.
alle
12.
1964
NEW YORK Kennzeichen früherer Konzerte sind wieder zu beobachten. Maazel fanatiker, wundervoller Techniker
und ernsthafter Musiker. Wie
auch diesmal den Eindruck, objektiv in seiner Arbeit zu stellt nicht
sein.
ist
ein Präzisions-
bisher hinterläßt er
Er vermeidet die Romantik,
nur die melodischen Elemente einer Partitur, sondern auch ihre Strukturen
heraus. Seine kühle, sparsame Arbeitsweise könnte den Eindruck erwecken, er schaftslos.
Das Gegenteil
ist
sei
leiden-
der Fall. Maazels Dirigieren hat Feuer, aber ein stets kon-
Harold C. Schonberg, The
trolliertes Feuer.
New
York Times,
26. 3. 1965
BERLINER GMD-AUFTAKT MIT TRAVIATA Gewissermaßen
als
Präludium zum Beginn seiner Tätigkeit
der West-Berliner Deutschen
Oper
hatte Lorln
Traviata eine Aufführung von Ravels
im Saal des Senders Freies Berlin.
—
104
Generalmusikdirektor
Maazel der von ihm neuelnstudierten
VHeure Espagnole vorangehen
lassen,
konzertant
Als das Finale verklungen war, wußte man, daß
musikalischer Esprit, geistreich-ironisches Klangspiel pikanterie Maazels Sache seien
als
und
karikaturistische Instrumental-
— so sehr wie wohl keines zweiten heute
in
Deutschland
wirkenden Dirigenten, und der Jubel darob war groß. Denn sdier
in
den Tiefen symphoni-
Metaphysik schürfende Pultkünstler haben wir hierzulande
viele,
Souveräne des
„Faire plaisir“ aber nur ganz wenige.
Um
so gespannter
wie
Verdis,
Schwermut,
war man daher, wie Lorin Maazel den Leidenschaften und Affekten
zumal der Mischung aus hektisdier Lebensgier und entsagungsvoller
er
als die sie sich in
La Traviata präsentieren,,begegnen würde. Und
er erwies sich auch auf diesem
von Ravels glossierender
siehe da,
Mokanterie
gallisch-spanischer
soweit abliegenden Feld italienischer, zwischen Romantik und Realismus angesiedelter
dramatischer Musik
souverän zuständig. Ich entsinne mich
als
nicht, seit
Toscanini und
Sabata noch einmal eine Traviata von solch verzehrender Intensität und Eindringlichkeit gehört zu haben wie die von Lorin Maazel.
Es versteht
sich bei
einem modernen jungen Dirigenten von
von Leidenschaften und Affekten
stellung
selbst,
daß
Dar-
er die
Emphatik und sentimentalischem
nicht mit
Pathos verwechselt. Die haargenaue Orchesterdeklamation, die scharfe Unterscheidung,
wo
ein
seine
Rubato und wo
ein
Tempo
giusto hingehört, die
Härtung
Aufweichung (ohne daß das von Toscanini immer
„Cantando“ der
so nachdrücklich
geforderte
Ge-
Streicher dabei verloren geht), die agogische Durchmodellierung der
Gespanntheit im Instrumentalen, auch da,
sangslinie, die nie aussetzende dramatische
—
das Orchester nur mit stereotypen Figuren begleitet Italien selbst keineswegs
immer bewahrte)
sublimierte Aussendung des
Menschlichen schledithin und
alles
Kehlkopfs
dessen,
ist
beste
(obwohl
was
Was
die Ausrichtung des gesamten
ist
Vox humana,
apparats auf die Stimme hin, auf die
das alles
italienische Kapellmeistertradition.
den geborenen Verdi-Dirigenten verrät, das
artistisch
des Klangs eher als
wo in
aber
Klang-
die ja bei Verdi keineswegs nur eine ist,
sondern die Verlautbarung des
seine „Wahrhaftigkeit“
im Guten und
Bösen ausmacht. Maazel gibt den Singstimmen, bei genauester Bindung an Verdis dynamische und das Espressivo betreffende Vorschriften, die Freiheit zu voller Belkanto-Ent-
und
faltung,
die Kunst, die großen melodischen
kommen
herrscht er vollendet. Vielleicht
die
berühmten „colpi
rissenen Tuttiakzente mit massiertem Blech, bei
wie
er in
den Vorspielen
zum
ersten
und
Bögen vom Atem her aufzubauen, besecchi“, die scharf abge-
ihm hin und wieder noch zu
vierten
Akt
heftig.
Aber
die instrumentale Kantilene zu
hödister Expressivität verdichtet (und dabei jeden sentimentalen Drüdcer vermeidet), das beweist, wie er den dramatischen
und wie
er die
(bei aller
Nerv auch
Musik der Gesellschaftsszenen
in Verdis lyrischster brillant, elastisch
Opernpartitur
und
trifft,
pointiert gegen die
Hingabe an den virtuosen Effekt) intimen Herzensbekenntnisse und Gefühls-
ausbrüdie in den Arien und Duetten Violettas und Alfredos absetzt, offenbart sein ge-
naues Wissen
um
die
Verbindung von
realistischen
und romantischen Elementen, die für
die zu ihrer Zeit (1853) in der
damals aktuellen Gegenwart spielende Traviata so charak-
teristisch ist.
K. H. Ruppel, Süddeutsche Zeitimg, München,
8. 10.
1965
WIEDERGUTMACHUNG AN TSCHAIKOWSKY Deutschlands einziger Stardirigent welcher Nationalität dieser junge
Maazel
ist
ist
Mann
kein Deutscher! ist.
Aber über
—
Kein Mensdi weiß genau,
eins gibt es keine Diskussion: Lorin
ein phantastischer Dirigent.
105
Das beweist
er
mit einer Kassette, deren sechs Platten Tschaikowskys sechs Sinfonien
enthalten. Gespielt mit einer nie zuvor gehörten Präzision
von den Wiener Philharmoni-
Musik vor ihnen gestanden. Dazu kommt
kern, als hätte der liebe Gott der
eine faszi-
nierende Klangschönheit, die auch im härtesten Fortissimo nichts an Klarheit verliert.
Diese Platten machen endlich Schluß mit der üblichen Tradition unserer Dirigenten,
Schminke und Puder über Tschaikowskys angebliche Einfallsarmut zu häufen. Endlich
im Auge des Dirigenten zerdrüchte Träne. Endlich wird Musik
fehlt die geschmäcklerisch
gemacht mit allem, dessen
sie
fähig
ist.
Athletische Brillanz, beherrschte Virtuosität, ehrliche Gefühlstiefe, zupackende
und Unerbittlichkeit des sinfonischen ten
Maazel
Fortschreitens: das sind die
Rhythmik
Tugenden des Dirigen-
— und des Komponisten Tschaikowsky.
Ich zögere keinen Augenblick, die
Neue
Zeit entsprechende zu bezeichnen.
nimmt: das kann man
nicht hoch
Tschaikowsky-Deutung Lorin Maazels Sachlichkeit, die der
als die
Musik kein Jota
unserer
ihrer Tiefe
genug rühmen. Ulrich Schreiber, Mittags Düsseldorf, 28. 12. 1965
WIENER CARMEN Ohne
Hilfe der aufgelegten Partitur dirigierte er einen Bizet, der so klang, wie
wenn
ihn Ravel komponiert hätte: nicht eine rauschende Opernmusik, sondern ein Spiel mit sich nicht
Starre
fand
mischenden Klängen, die einzelnen Stimmen und Akzente in überraschender
und Durchhörbarkeit voneinander
man
oft
abgesetzt.
genug neu, doch nicht verwirrt,
Tempi, Betonungen, Vortragsgestus einem Meisterwerk ein
stets interessierend,
ganz neues Profil abgewinnend. Bald klang diese Musik wie ein Chanson, frech oder todestrunken in frivoler Traurigkeit, bald wie ins Exil versetzte folkloristische Tanzform.
Daß
von der Theaterpraxis
solches bei diesem Stück, das
so festgelegt
Harald Kaufmann, Neue
Es war ein Ereignis.
ist,
Zeit^
möglich wird!
Graz,
16. 2.
1966
ZWEITES OPERN-GASTSPIEL IN JAPAN Lorin Maazel, der 36 Jahre alte Generalmusikdirektor der Oper, bildet eine gute Partnerschaft mit
dem Generalintendanten
Zeitalters“ für die Oper.
Er wird
Sellner bei der Vorbereitung des dritten „goldenen
oft als
Furtwängler
II in Deutscliland
und Toscanini
Asahi Evening News, Tokio,
in Italien hingestellt.
15. 10.
II
1966
RING DES NIBELUNGEN IN BERLIN Glänzend, von noch gesteigerter Qualität, wiederum Lorin Maazels musikalische Leitung. Seine genaue Diktion fordert
sam analytischen Klang steht.
Dabei
bleibt
ausgezeichnet disponierten Orchester einen gleich-
ab, der mit Sellners Regie in
Maazels Musizieren nicht kühl, wie
gement an die Partitur
106
dem
ist
derart,
vollkommener Wechselwirkung
man annehmen
daß Intelligenz und Gefühl
könnte. Sein Enga-
ein überzeugendes
Bündnis
eingehen. Transparenz
und
Gesang und Attacke, Zäsur und Kulmination sind bewundernswert ausge-
forte,
wogen
und Integration, durdibrochener und machtvoller Klang, piano
in einer vortrefflichen
Mixtur aus Kalkül und Spontaneität.
Hans Otto
Mai 1967
Spingel, Opernwelty
TOSCA IN BERLIN
Am
Pult
— mit Recht
Ihm verdankt
dieser
bei
Abend
jedem Aktbeginn wieder herzlich fast alles.
Maazel hat
gefeiert
nicht nur den
Nerv
—
Lorin Maazel.
für das italienisch
strömende, schmelzende Melos, für rasche Tempowechsel, für wechselnde musikalische Charaktere, sondern er besitzt das wichtigste: Er weiß in jedem Augenblick, wie weit er
zu weit gehen darf. Musikalisch talität
und hohlem Pathos
brillierte
als
hielt er eine faszinierende
Balance zwischen Sentimen-
den extremen Gefahren. Das Orchester der Deutschen Oper
mit Streicherwohllaut, mit präzisen Bledieinsätzen und Schlagzeugparaden
ohnegleichen. So
wurde der Abend vor allem
als
Akt
pretation, als artistische Leistung ein außerordentlicher
geistreicher musikalischer Inter-
Gewinn.
— Sängerische Leistun-
gen indes, die trotz allem von einem Dirigenten dominiert wurden, der mit vorzüglichem
Gesdimadc für
Genre und mit bewundernswertem Einfühlungsvermögen begabt
dieses
Wolfgang Bürde, Der Tagesspiegel,
ist.
Die Brisanz des Dramas garantiert Lorin Maazel es nicht,
am
1969
15. 4.
Pult. Puccini-Sentimentalltät gibt
auch kein gefälliges Herausheben der „schönen Stellen“, dagegen viel Härte,
Präzision, Schlagkraft, brillante Sachlichkeit
und
Dem
eine erstklassige Orchesterleistung.
reformierenden Ernst der musikalischen Leitung, die einen neuen, gar nicht so unmoder-
nen Dramatiker Puccini präsentiert, dienen drei Protagonisten von hohem Rang. Sybill
'
DIE Der Gegensatz zwischen Maazel
Mahlke, Opernwelt, Mai 1969
MACHT DES SCHICKSALS
szenischer
interpretiert Verdis Musik,
und musikalischer Interpretation
Musik des
19. Jahrhunderts,
ist
eklatant. Lorin
im Sinne des
20. Jahr-
dem
hunderts. Sein äußerster Einsatz verlangt das Äußerste an Präzision, er begegnet
romantischen
„Stimmungs“-Begriff mit fanatischer Korrektheit in Artikulation und
Phrasierung. Er tut also sein möglichstes,
Pathos der Tradition zu befreien.
Man
um
hört aus dieser Wiedergabe heraus, daß das
„Destlno“ eine wesentlich rationalere Sache bezeichnet Sybill
„Schicksal“.
Musikalisch
ist
die
als
die
eifert
am
Pult, er
Wort
deutsche Übersetzung
Mahlke, Der Tagesspiegel,
Aufführung makellos vorbereitet und überwiegend
Form. Lorin Maazel herrscht und
vom
die Partitur zu versachlichen, zu klären,
in
8. 2.
1970
glänzender
macht aus der großartigen Ouvertüre
ein Paradestück dramatischer Steigerung, gegen Schluß
mit Lohengrin-Akzenten, die
man 107
von Toscanini, Bruno Walter und Leo Blech
Umgang
Theaterpraxis den begleitenden tenter,
nicht kannte.
Er hat
in
mit Sängern erlernt und
fünf Jahren Berliner ist
heute ein kompe-
an einigen Höhepunkten mitreißender Opernmaestro. Das Orchester, von den
den Oboen- und Klarinettensoli des Vorspiels über die gelockerte
drei Blediakkorden,
Rhythmik der Dorfschänke
bis
zum
feierlidien
Pomp
der Klosterszenen,
Hochform.
ist in
Die Kontrolle und klare Unterscheidung von rezitativischem und melodischem Singen läßt keine Wünsche übrig.
H. H. Stuckenschmidt, Frankfurter Allgemeine Zeitungy
Das Ereignis der Aufführung
ist
jedoch, wie
nen Einstand mit der Traviata gegeben,
Simone Boccanegra
einstudiert
und
des Schicksals. Seine Verdi-Exegese
Verdis
Was
jetzt ist
Maazel
er hat
1970
Er hat vor Jahren
sie dirigiert.
sei-
den Falstaff übernommen, er hat den
— wieder
Sprache
in italienischer
darüber ständig
— die Macht
gereift, seine Affinität
zum Werk
offensichtlich.
ist
seine Interpretation faszinierend macht,
ist
Mischung aus klärender
die genaue
Distanz und Impulsivität, aus Kühle und Feuer. Sie verschweigt lichen
9. 2.
an den köst-
sich nicht
Augenblick der populären „schönen Stellen“. Maazel treibt das
Werk
mit nie er-
lahmender dramatischer Spannkraft voran, ohne darüber auf Finesse zu verzichten. Er kappt Sentimentalität, verknappt das Triviale, aber gibt der lethargischen Melancholie
im Vorspiel zum Kriegsbild ebenso beredten Ausdruck wie den Steigerungen der Ouvertüre oder seltenste
dem
burlesken Parlando. Unter seiner fordernden Leitung
Opernwunder
ein,
von tosendem
Beifall
stellt
begrüßt: Vollkommenheit, die im
Klaus Geitel, Die Welt, Hamburg,
Musikalischen wurzelt.
das
sidi
9. 2.
1970
NEW YORK Eine überraschend große Anzahl von Musikern und Kritikern sind in ihrer Meinung
um
Lorin Maazel gespalten. Einige betrachten ihn
Dirigenten, einen
Mann
als
den talentiertesten der jüngeren
mit einem bestechenden Gedächtnis, enormer Kontrolle, ange-
borener Musikalität und großer Macht. Andere betrachten ihn
„IBM
als
„kalten Fisch“, einen
Dirigenten“, einen Präzisionsfanatiker ohne Seele.
Gestern abend dirigierte Maazel das erste Konzert in einem fünfwöchigen Zyklus mit
den
New
Yorker Philharmonikern und
begabter Dirigent. Sein
bestätigte dabei das
Programm bestand war
dirigerte diese
Sicherheit.
hatte.
Er hält
ten Positionen auf
Er
Er scheint
es nicht
gereifter
phänomenal
Werke mit
Autorität, die
ein Dirigieren höchsten Niveaus.
In gewisser Weise unterschied sich dieser Maazel
York gesehen
als ein
aus Mahlers vierter Symphonie, Strawinskys
Gesang der Nachtigall und Ravels La Valse. Er niemals in Bombast degenerierte. Es
Image
von dem, den man
und abgeklärter,
er hat
zuletzt in
New
mehr Vertrauen und
länger für notwendig, in sorgsam choreographisch einstudier-
dem Podium herumzuhopsen.
scheint zu der
Art des Dirigierens zurückgekehrt zu
sein,
die er als sehr junger
Dirigent hatte: den größten Teil seiner Arbeit mit Handgelenk und Schultern und Körper zu verrichten. In Mahlers Vierter ließ er
—
fast
Arm
statt
bewegungslos
mit
—
große Tonkaskaden ertönen, wobei sein Taktstock kurze Bögen schlug. Er benutzte auch
108
eine Partitur für Mahlers Vierte. Früher tat Maazel, der sehr stolz auf sein Gedächtnis ist,
ob
so, als
Ehrensache
es
auswendig zu
sei,
Ganz
dirigieren.
sicher, er ist reifer ge-
worden. Sein Schlag
von George die für den
ist
sehr klar, beinahe buchstabengenau, er ähnelt in dieser Hinsicht fast
Szell. Bei
La Valse
erteilte er eine
ist
er
men,
Lektion in Orchesterrubato, gab der Musik
Wiener Walzer charakteristischen Verzögerungen auf dem zweiten Schlag,
und
perfekt kontrollierte Ritardandi
Wie
delikat markierte Akzente.
üblich verbindet sich in seiner Auffassung eine Konzentration auf Details (darin
übergenau) und ein rhythmischer Antrieb. Er ließ ihn sich logisch
Tempo
in
Durch
vorwärtsbewegen und
den Mahler wunderbar zusam-
hielt
Ende sogar
hielt das
bei sehr
langsamem
den letzten Takten zusammen.
diese
Betonung der Klarheit brachte Maazel
Mahlers Vierter Dinge heraus,
in
die normalerweise verdunkelt bleiben. Nicht ein
Punkt der Partitur wurde
Und dennoch war
Dafür hatte
ein
dem
dies kein exaltierter Vortrag.
er
ausgelassen.
zu große Vitalität und
warmes, jedoch nicht sentimentales Gefühl für den melodischen Zusammenhang.
Auch Strawinskys Nachtigall wurde genauestens unter
die
Lupe genommen. Wieder
konnte jedes Detail klar herausgehört werden, und die Interpretation vermied jede Kühle. Es tut gut, einen Dirigenten von Maazels Können in Hochform zu erleben. Er erscheint jetzt entspannter,
vorher nicht in
dem Maße
und
sein Dirigieren läßt eine Persönlichkeit erkennen, die er
besaß.
Harold C. Schonberg, The
Maazel führt Margalit
New
York Times,
New
Yorker Philharmonikern
d-moll von Richard Strauss, und bewies, daß Sie spielte
Haydn? Konzert
Vollendung des Esprits,
für Klavier
50. Lebensjahres des
all
Überschwangs und Genies von
ein „Wirbelwindstück“, die Burleske in
sie selbst ein „disziplinierter
und Orchester
Sturm“
Strauss, vollendet, als er 21 war.
Handgelenk. Das
ist
ein zuverlässiges
Tag
der Feuerwerkskünste des Strauss-Stückes an den sie bei
Sie
legte.
portionen blieb, niemals übertrieb und das Beste aus
in
und bewegsie
während
gab der Burleske
und Nuancen
jeder Gelegenheit durch Klangfarbe
erkennbar machte. Das Ergebnis war eine Aufführung, die immer
spielte
ist.
D-dur, geschrieben kurz vor
in
Sprungbrett zu ihrer außerordentlichen technischen Beherrschung, die
ebenso eine poetische Natur, die
USA-
abend bei ihrem
Komponisten, und die Verherrlichung jugendlichen
Sie hat ein phantastisch bewegliches liches
1970
bei Strauss
Israela Margalit, eine junge israelische Pianistin, spielte gestern
Debüt mit den
17. 4.
den richtigen Pro-
dem Werk zutage
förderte.
Hier
Jugend eine jugendliche Musik.
Lorin Maazel begleitete mit äußerst sensiblen
dem
Orchester Miss Margalit, die seine Frau
ist,
in
einem
und musikantischen Zusammenspiel. Harriett Johnson,
BORIS Mit Mussorgskys Boris
Godunow
einen durchweg beglückenden
Abend
New
York
Post, 15. 5. 1970
GODUNOW
hat die Deutsche herausgestellt.
Oper nach
längerer Zeit wieder
Die Aufführung hat eine Optimal-
109
besetzung, besser als irgendeine, Karajans Salzburger Aufführung nicht ausgenommen.
Lorin Maazel setzt seinen ganzen Klangsinn und rhythmischen Furor
um
ein,
diese
Premiere audi musikalisch zu einem Ereignis zu machen.
H. H. Studcenschmidt, RIAS
Es in
ist
die
Größe der Anschauung,
Lorin Maazel findet
langen
sie
1.
einnimmt
—
und
Das Orchesterspiel
ist
den
die für Schostakowitschs Fassung
einen spürsinnigen Interpreten.
Abend hindurch von außerordentlicher
Farbigkeit
1971
Berlin, 17.
und
Intensität.
Das Diskrete
wie das Brutale werden mit gleicher Sicherheit ausgebreitet; das Orgiastische und das
Dezente wachsen
in sorgfältiger
Stufung auf. Der Klang bleibt seidig und schimmernd,
Valeurs werden hauchartig zu prachtvoller Geltung gebracht. Selbst die schmetternden
Hand
Banalitäten des italianisierenden Polen-Bildes erhalten unter Maazels
Klaus Geitel, Die Welt,
großbögigen Schwung.
Der
opernhaft-
Duktus der Schostakowitsch-Mussorgskijschen Tonsprache
klare, schroffe
1971
18. 1.
ist
auf
Lorin Maazels Musizierstil so zugeschnitten wie Rimskijs Klanglichkeit auf die Karajansche
Manier.
Niveau
Und
Sängerensemble stand dem dirigentisdien (und orchestralen)
das
Joachim Matzner, Die
nicht nach.
Lorin Maazel
am
tige Eingriffe in
Zeit, 22. 1. 1971
Pult überzeugte eher durch kluge Disposition, durch geistesgegenwär-
schwankenden Augenblicken,
Wolfgang Bürde, Neue
zur Partitur.
als
insgesamt durch individuellen Zugang
Zeitschrift für
Musik, Mainz, März 1971
MANON LESCAUT Für den dramatischen Elan sorgt Lorin Maazel. Er läßt das Orchester brillieren. Gleich der
Anfang
blitzt in heller Schärfe des Klangs.
gesängen und den schmerzlichen Ausbrüchen öffnet er
Nur manchmal
reißt er das Orchester
Den
alle Schleusen
ekstatischen Liebes-
instrumentaler Glut.
zu schroff und zu plötzlich hoch.
Kurt Westphal, BZ,
Lorin Maazel dirigiert mit
dem
in allen Facetten
Berlin, 27. 2. 1971
passionierten Feuer, das schon seine Tosca in die
Nähe
der Puccini-Aufführungen unter Mitropoulos rückte. Er hat als intellektuell gebildeter
Musiker die symphonische Struktur dieser Musik so genau begriffen wie ihren dramatischen Pulsschlag.
Kundig
in
Fragen der Phrasierung und des Atems, paßt er
sicli
beglei-
tend den Stimmen an.
H. H. Stuckenschmidt, Frankfurter Allgemeine Zeitung,
3. 3.
1971
NPO IN LONDON Es
ist
faszinierend zu beobachten,
wie das
New
Philharmonia Orchestra eine neue
Generation seiner Mahler-Dirigenten herausstellt, da der Schatten der Klemperer-Auf-
110
führungen zu sdiwlnden beginnt. Giulini
Symphonie beim
New
leitete
Philharmonia Orchestra.
abend den ersten Mahler
in seiner
neuen Position
in
dieser Saison seine erste
Und
jetzt
dirigierte
als assoziierter
Mahler-
Maazel gestern
Chefdirigent des
NPO.
Er hatte die freundliche, sonnendurchflutete und sommerliche Vierte gewählt.
Man
sagt,
Maazel
sei
ein kühler Dirigent. Ich
mödite das Adjektiv nicht
und
klar,
als
kann mir
vorstellen
warum, aber
ich
Kritik verstehen. Alle _seine Interpretationen sind exakt
und Klarheit vor allem
besitzt seine Mahler-Auffassung.
Die Streicher klingen
transparent und nie verschwommen, ihre Phrasierungen zeichnen sich durch genaue Artikulation und Polntlerung aus.
Während
bei
die
beschloß der
zum
gekommen wäre, ließ Maazels Suche der individualisierten Töne nach Ruhe kein Ende finden. Ähnlich letzte Satz mit dem Sopran-Solo die Symphonie in einer Stimmung des
Satzes als ein wehender Schleier allmählich
Deutung
Klemperer die Schluß-Phase des langsamen
Erwachens anstatt
in der sonst üblichen des
Gillian
Die Musiker des
NPO
Stillstand
Verdämmerns.
Widdicombe, The Financial Times, London,
12. 2.
1971
12. 2.
1971
waren großartige Partner für Maazel. Alan Blyth, The Times, London,
N
111
I
•w
r.
r
^ 1
#
«
'
I
* » I:
\