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German Pages 527 [528] Year 1992
Series Maior
LEXICOGRAPHICA Series Maior Supplementary Volumes to the International Annual for Lexicography Supplements ä la Revue Internationale de Lexicographie Supplementbände zum Internationalen Jahrbuch für Lexikographie
Edited by Sture Allen, Pierre Corbin, Reinhard R. K. Hartmann, Franz Josef Hausmann, Hans-Peder Kromann, Oskar Reichmann, Ladislav Zgusta
44
Published in cooperation with the Dictionary Society of North America (DSNA) and the European Association for Lexicography (EURALEX)
Lexikontheorie und Wörterbuch Wege der Verbindung von lexikologischer Forschung und lexikographischer Praxis herausgegeben von Ursula Brauße und Dieter Viehweger (t)
Max Niemeyer Verlag Tübingen 1992
Die Deutsche Bibliothek - CiP-Einheitsaufnahme Lexikontheorie und Wörterbuch : Wege der Verbindung von lexikologischer Forschung und lexikographischer Praxis / hrsg. von Ursula Brausse und Dieter Viehweger. - Tübingen : Niemeyer, 1992 (Lexicographica : Series maior ; 44) NE: Brausse, Ursula [Hrsg.]; Lexicographica / Series maior ISBN 3-484-30944-X
ISSN 0175-9264
© Max Niemeyer Verlag GmbH & Co. KG, Tübingen 1992 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany. Druck: Weihert-Druck GmbH, Darmstadt Einband: Hugo Nadele, Nehren
Inhalt
Vorwort
VII
Ursula Brauße Funktionswörter im Wörterbuch
1
Dieter Herberg Makrostrukturelle Beziehungen im Wortschatz und in Wörterbucheinträgen. Möglichkeiten und Grenzen des allgemeinen einsprachigen Wörterbuchs
89
Günter Kempcke Organisationsprinzipien und Informationsangebote in einem Lernerwörterbuch
165
Renate Pasch Es lebe das lexikographische Beispiel! (Probleme der lexikographischen Beschreibung wahrheitsfunktionaler Satzverknüpfer mit Kontextbeschränkungen)
245
Birgit Wolf Wörterbuch und Benutzer - Versuch einer empirischen Untersuchung
295
Erhard Agricola Ermittlung und Darstellung der lexikalischen Makrostruktur des Wortschatzes
390
Abstracts
504
Resumes
508
Vorwort
Innerhalb der Linguistik, kognitiven Psychologie sowie interdisziplinärer
Wissenschaftsbereiche
anderer
sind in den letzten
Jahren zahlreiche Vorschläge zu einer Modellierung der und Funktionsprinzipien
Struktur-
des Lexikons entwickelt worden, die un-
sere bisherigen Vorstellungen vom Lexikon ganz entscheidend ändert haben. Das Lexikon, das bisher innerhalb der
ver-
Linguistik
vorwiegend als ein isolierter Faktenbereich beschrieben
oder
aber auch gänzlich vernachlässigt wurde, rückte in letzter
Zeit
wieder stärker in den Mittelpunkt des Interesses und wird seit dieser Zeit in einen systematischen Zusammenhang mit der tik gestellt. Das hatte zur Folge, daß die bisherigen
Gramma-
Annahmen
über die Architektur des Lexikons, über die semantische
Repräsen-
tation der Lexikoneinträge sowie über die semantischen mikro- und m a k c o s t r u k t u r e l l e n Zusammenhänge
im Lexikon überprüft und - wo
dies erforderlich - auch einer Revision unterzogen wurden. Auf diese Weise entstand in den letzten Jahren ein völlig neues vom Lexikon, von dessen Struktur- und F u n k t i o n s p r i n z i p i e n den unterschiedlichen
W i s s e n s b e r e i c h e n , die im Lexikon
Bild
sowie
zusammen-
fließen . Die praktische Lexikographie, die den Wortschatz in toto in einsprachigen
Bedeutungswörterbüchern
in Spezialwörterbüchern
bzw.
Wortschatzausschnitte
darstellt, ist demgegenüber einer
langen
Tradition varpf1ichtet, in der sich die Vorstellungen des Lexikographen von den D a r s t e l l u n g s p r i n z i p i e n des Wortschatzes in einsprachigen Wörterbüchern, von den Z i e l s t e l l u n g e n sowie dem
Infor-
mationsangebot dieser Wörterbücher bisher nicht oder aber nur unwesentlich verändert haben. Seit mehr als zwei Jahrzehnten
ist
das einsprachige Wörterbuch immer stärker in den Mittelpunkt
des
linguistischen
Interesses gerückt, nachdem vor allem
orientierte Linguisten existierende Wörterbücher
theoretisch
einer
kritischen
Analyse unterzogen und damit der theoretischen Forschung
einen
VIII neuen Praxisbereich eröffneten. Mit der in den 60er Jahren zenden Diskussion um die Qualifizierung einsprachiger
einset-
Wörterbücher
sowie um die Entwicklung neuer Wörterbuchtypen wurde nicht nur die Metalexikographie
als neuer Wissenschaftszweig
begründet,
Diskussion beendete zugleich die jahrhundertewährende Entwicklung von Lexikologie Lexikographie
bzw. Lexikontheorie
isolative
und praktischer
und verwirklichte somit die Forderung Siierbas, daß
Lexikologie bzw. Semantiktheorie eine Grundlagenwissenschaft
für die praktische
darstellt, an der sich
stellungen in einsprachigen Wörterbüchern sowie chern grundsätzlich zu orientieren Wenn die Semantiktheorie Grundlagenwissenschaft
Lexikographie Wortschatzdar-
Spezialwörterbü-
haben.
für die praktische Lexikographie
eine
darstellt, wenn - wie vielfach auch behaup-
tet wird - praktische Lexikographie angewandte Lexikologie dann ist es überflüssig, darauf hinzuweisen, daß die Lexikographie
die
ist,
praktische
an dieser linguistischen Neuorientierung nicht
beigehen kann, daß Lexikographen ohne grundlegende
vor-
Hypothesenbil-
dungen über die Struktur und Organisation des lexikalischen
Wis-
sens, über dessen Einheiten und Organisationsformen sowie über die Prinzipien, nach denen dieses lexikalische Wissen für produktion und Textinterpretation
Text-
instrumentalisiert wird, zu k e i -
ner angemessenen Abbildung des Lexikons im Wörterbuch
gelangen.
Es bedarf sicherlich keiner besonderen Hervorhebung, daß die Nutzbarmachung dieser Erkenntnisse für die praktische
Lexikogra-
phie nur auf einem langen und komplizierten Weg möglich ist, daß es illusionär
ist zu erwarten, daß in den nächsten Jahren bereits
Wörterbücher vorgelegt werden, die diese neuen
Erkenntnisse
re-
flektieren .Der Weg wird jedoch wesentlich einfacher zu b e s c h r e i ten sein, wenn sich die praktische Lexikographie
für
Innovationen
prinzipiell öffnet, wenn sie selbst dazu beiträgt, die Wege der zukünftigen Lexikographie
abzustecken und zu markieren, wenn sie
sich auf die positiven Traditionen stützt, die sie in ihrer schichte entwickelt hat. Benutzerbedürfnisse
Fundierte Kenntnisse über
sind die Grundlage für die
Katalogs der erwarteten Informationsangebote Wörterbuchtypen.
in
Ge-
tatsächliche
Erarbeitung
eines
unterschiedlichen
IX Die Beiträge dieses Bandes sind das Ergebnis der Arbeiten an einem mehrjährigen Forschungsobjekt des Zentralinstituts Sprachwissenschaft
Berlin zu "Problemen der modernen
für
Lexikogra-
phie". Diese Arbeiten greifen einige zentrale Fragen der wärtigen metalexikographischen
Diskussion auf. Das Projekt
unmittelbar an bisherige metalexikographische die in den Sammelbänden "Wortschatzforschung kographie
knüpft
Diskussionen
an,
heute"^ und "Die
Lexi-
2
von heute und das Wörterbuch von morgen"
in der "Zeitschrift für Germanistik" netik, Sprachwissenschaft
gegen-
begonnen und
sowie "Zeitschrift für Pho-
und Kommunikationsforschung"^
fortge-
führt wurden. Sie knüpfen ferner an die "Studien zu einem
Komplex-
wörterbuch der Mikro-, Medio- und Makrostrukturen""' an und beziehen sich in systematischer Weise auf die Ergebnisse, die die ternationale
Forschung zu dieser Thematik vorgelegt
in-
hat.
Mit diesem Forschungsprojekt werden im wesentlichen drei Ziele verfolgt: - Diskussion und Klärung theoretischer
Fundierungsfragen
der
Metalexikographie, - konzeptionelle Überlegungen zu neuen Wörterbüchern bzw.
Wörter-
buchtypen einschließlich der Erarbeitung exemplarischer
Wörter-
bucheinträge , - Ermittlung von
Daten sowie Untersuchungen über Bedürfnisse
Wörterbuchbenutzern
in u n t e r s c h i e d l i c h e n
von
Benutzungssituationen.
Die Autoren waren an diesen Diskussionen wesentlich
beteiligt.
Ihre gelegentlich auch kontroversen Standpunkte sind bereits in den genannten Veröffentlichungen zum Ausdruck gekommen. Sie weisen aus, daO die Verfasser
in ihren Argumentationen von
unterschied-
lichen Ausgangspositionen bestimmt sind. Während die
Überlegungen
von Herberg und Kempcke auf langjährigen Erfahrungen mit scher Arbeit an einsprachigen B e d e u t u n g s w ö r t e r b ü c h e r n
basieren,
werden in den Beiträgen von Brauße und Pasch vorrangig erörtert, die sich aus der Adaptation von Ergebnissen theoretischer Diese
Forschung für die lexikographische
prakti-
Probleme semantik-
Praxis
ergeben.
entstanden aus der Sicht von Fragestellungen aus dem
Bereich der lexikalischen Semantik, den die Autoren seit
ihrer
Arbeit an "Problemen der semantischen Analyse"^ verfolgt
haben
und die auch die in dem Projekt zum "Komplexwörterbuch" ten Überlegungen
bestimmten.
angestell-
χ Die Beiträge des vorliegenden Bandes zeigen ebenfalls schiedliche Herangehensweisen,
für die bewuGt keine
unter-
Vereinheit-
lichung angestrebt wurde. Es erübrigt sich ferner darauf
hinzu-
weisen, daG mit dieser Publikation kein abschließendes Wort zu den aufgeworfenen Fragen der Lexikographie
gesprochen werden
te, zumal in der Mehrzahl der Beiträge neue Projekte bzw. zur Diskussion gestellt
Probleme
werden.
Das trifft sowohl für die von Herberg und Kempcke ten Wörterbuchprobleme
soll-
dargestell-
zu als auch ganz besonders für die
suchungen von Wolf zu W ö r t e r b u c h b e n u t z u n g s s i t u a t i o n e n ,
Unter-
deren Be-
deutung von Wiegand mehrfach hervorgehoben wurde, die jedoch von der Forschung weitgehend v e r n a c h l ä s s i g t worden sind. Der Bezug auf die gesellschaftlichen Tatbestände in der ehemaligen DDR ist inzwischen als ein historischer Befund zu interpretieren. Die in diesem Band versammelten Autoren verdanken Anregungen Erhard Agricola, der ihnen stets als Diskussionspartner
zur Seite stand.
zahlreiche
sachkundiger
Erhard Agricola
(1987) hat
einen Vorschlag zur Qualifizierung allgemeiner einsprachiger terbücher unterbreitet, der aufgrund der begrenzten
Auflagenhöhe
der Linguistischen Studien nur wenige Fachkollegen erreicht Die Autoren möchten durch die Aufnahme von
Im Folgenden sollen die Beiträge in der Reihenfolge,
Im
ersten
tionswörter
machen.
in der sie
werden.
Beitrag von Ursula Brauße mit dem Titel
im Wörterbuch"
hat.
in diesem Band den Beitrag
Erhard Agricola einem größeren Leserkeis zugänglich
abgedruckt sind, kurz skizziert
Wör-
"Funk-
(S. 1 - 88) wird die Problematik
Darstellung dieser Wortarten in Wörterbüchern behandelt.
der
Ausgangs-
punkt einer Beurteilung der semantischen Eigenschaften der Funktionswortarten ist die Frage, ob diese eine Abgrenzung von
anderen
W o r t a r t e n t y p e n , sogenannten BegriffWörtern, gerechtfertigt
er-
scheinen lassen. Obwohl eine scharfe Grenze zwischen beiden Wortartentypen schwer zu ziehen ist, ist diese Klassifikation
in der
XI Linguistik ganz geläufig. Der Überblick über den Stand der Funktionswortlexikographie
ist v e r b u n d e n mit dem Bemühen, die
anstehenden Aufgaben in diesem Bereich deutlich zu machen. noch weitgehend offenes Problem wird die Bedeutung der Modalpartikel
z.Z.
Als
Wortart
gesehen, für deren Beschreibung spezielle
Inven-
tare erläutert und in einem M u s t e r a r t i k e l zur Diskussion
gestellt
werden. Der
zweite
Beitrag stammt von Dieter Herberg. Er trägt
den Titel "Makrostrukturelle Wörterbucheinträgen.
Beziehungen im Wortschatz und in
Möglichkeiten und Grenzen des
einsprachigen Wörterbuchs"
(S. 89 - 164). Der
allgemeinen
Autor geht von
der theoretischen Einsicht aus, daß die Wortschatzelemente
im
Lexikon in vielfältiger Weise miteinander verbunden sind und daß im einzelnen Lexikonzeichen die Gesamtheit seiner len Beziehungen in nuce enthalten ist. Diese
makrostrukturel-
Einsicht
verlangt
auch eine kritische Überprüfung der bisherigen
lexikographischen
Praxis in bezug auf die Bedeutungsbeschreibung
lexikalischer
Einheiten. Der Beitrag stellt sich das Ziel, ausgehend von Ergebnissen der m e t a l e x i k o g r a p h i s c h e n
Diskussion und von der
in 10 verbreiteten Wörterbüchern der deutschen
theoretisch begründete, l e x i k o g r a p h i s c h praktikable und
benutzer-
freundliche Vorschläge für die systematischere Einbeziehung struktureller
Informationen
Praxis
Gegenwartssprache,
in W ö r t e r b u c h e i n t r ä g e n
Er konzentriert sich auf die drei w e s e n t l i c h s t e n
zu
makro-
unterbreiten.
lexikalisch-
p a r a d i g m a t i s c h e n Relationen: die Synonymie, die Antonymie und die Hyperonymie/Hyponymie. Der
dritte
Titel "Organisationsprinzipien
angebote in einem Lernerwörterbuch"
Wörterbücher
Informations-
(S. 165 - 244) von Günter
ist ein Beitrag zur Diskussion über die für notwendigen Informationstypen.
und
Kempcke
Lernerwörterbücher
Die Erarbeitung
benutzerspezifischer
ist unter Fachleuten der Lexikographie
unabdingbare Forderung akzeptiert und damit auch der
längst als Grundsatz,
daß die Auswahl und Organisation der Datentypen von der
jeweiligen
XII Benutzerspezifik
abhängig gemacht werden muß. Der Beitrag
sucht daher, welche Datentypen für ausländische Lerner
unter-
der
deutschen Sprache zu berücksichtigen sind und wie sie benutzergerecht
im Wörterbuch dargestellt werden
Die Auswahl der Datentypen sieht
eine verstärkte
gung grammatischer, semantischer hilfe) und stilistischer
sollten.
(visuelle
Berücksichti-
Semantisierungs-
Informationen vor, eine
ausführliche
Darstellung der Idiomatik und der K o n t e x t v e r b i n d u n g e n . terbuch dieser Spezifik soll dem Benutzer bei der seiner Norm- und Systemunsicherheit seine Zweitsprachenkompetenz Den
vierten
Beitrag
Ein Wör-
Überwindung
helfen und soll dazu
dienen,
aufzubauen. "Es lebe das lexikographische
(Probleme der lexikographischen
Beschreibung
Satz verknüpfer mit K o n t e x t b e s c h r ä n k u n g e n ) "
Beispiel!
wahrheitsfunktionaler
(S. 245 - 294)
schrieb
Renate Pasch. Sie versucht, die Probleme aufzuzeigen, die sich für die Praxis einsprachiger
Bedeutungswörterbücher
bung der G e b r a u c h s b e d i n g u n g e n
bei der
Beschrei-
von Konnektiven ergeben, die auf
die Kombinationen von W a h r h e i t s f u n k t i o n e n
der Aussagenlogik
zurück-
zuführen sind. Die Probleme werden an den
Gebrauchsbedingungen
der deutschen komplexen Konjunktionen ohne daß und statt daß illustriert. Nach einer kurzen Darstellung der Ergebnisse
der
Analyse der G e b r a u c h s b e d i n g u n g e n dieser Konjunktionen als
Einheiten
aus einem K o n t e x t b e s c h r ä n k u n g s -
("Erwartungs-) Teil und einem Be-
deutungsteil werden Formen der Umsetzung der Analyseergebnisse Beschreibungen formuliert, die sich einer
lexikographischen Metasprache bedienen. Des weiteren werden
Er-
gebnisse von Tests vorgestellt, die mit potentiellen Nutzern cher lexikographischen
in
allgemeinverständlichen sol-
Beschreibungen durchgeführt wurden. In die-
sen Tests sollten die Formative gefunden werden, deren
Gebrauchs-
bedingungen beschrieben wurden. Die Tests dienten dem Ziel, die benutzerfreundlichste
Art der Beschreibung der
gen zu ermitteln. Es erwies sich, daO für die der Gebrauchsbedingungen
GebrauchsbedingunVeranschaulichung
von F u n k t i o n s w ö r t e r n wie den oben
genann-
ten eine Illustration durch systematisch ausgewählte Beispiele Verwendung der Wörter unabdingbar
ist.
der
XIII Die bisher wenig untersuchte Problematik der interessen behandelt Birgit Wolf in dem
Wörterbuchbenutzer-
fünften
Beitrag
"Wörterbuch und Benutzer - Versuch einer empirischen
Untersuchung"
(S. 295 - 389). Es wird über die Ergebnisse einer Erhebung zu Fragen der Wörterbuchbenutzung und der Beurteilung von Wörterbüchern im Jahre 1988 in der DDR berichtet.
In einigen
Fragen,
ζ. B. nach dem Angebot im Buchhandel spiegelt sich die nun historisch gewordene Situation wider, die meisten aber haben nichts ihrer Aktualtität verloren. Es wird der Fragenkatalog
vorgestellt,
der einer größeren Anzahl von Probanden unterschiedlichen und aus verschiedenen B e r u f s g r u p p e n vorgelegt wurde. Die teten Antworten können präzisere Hinweise auf reale s i t u a t i o n e n und Informationsbedürfnisse
von
Alters ausgewer-
Bedarfs-
geben und nützlich für
günstigere Darstellung der Informationsangebote
eine
in Wörterbüchern
u n t e r s c h i e d l i c h e n Typs sein. Erhard Agricola der Lexikonstruktur
stellt im
sechsten
vor mit dem Titel
Beitrag sein Modell
"Ermittlung und
der lexikalischen Makrostruktur des Wortschatzes" Im Rahmen einer umfassenden Untersuchung mit der
(S. 390 - 503). Bezeichnung
"Studien zu einem K o m p l e x w ö r t e r b u c h der lexikalischen M e d i o - und Makrostrukturen"
Darstellung
Mikro-,
ist ermittelt worden, ob und wie weit
es möglich ist, die von der m o d e r n e n t h e o r e t i s c h e n Forschung kannte Komplexität
lexikalisch-semantischer
mit den Mitteln der üblichen Lexikographie
Systembeziehungen
"Lexikalische
Makrostruktur des Wortschatzes", d. h. die p a r a d i g m a t i s c h e n Beziehungen von
bezeichneten G e s a m t o r d n u n g des
Besondere Aufmerksamkeit
wird dem Problem der häufigen
keit mehrfacher semantischer
Klassifizierung
heiten ( " M u l t i d i m e n s i o n a l i t ä t " )
und
lexikalischen
Einheiten innerhalb von und zwischen W o r t f e l d e r n , sowie der als "Megastruktur"
auch
darzustellen. Der vor-
liegende Aufsatz behandelt daraus den Teilbereich die s y n t a g m a t i s c h - k o l l o k a t i o n e l l e n
er-
Fragen
Lexikons. Notwendig-
lexikalischer
Ein-
geschenkt.
Alle Autoren würden es a u ß e r o r d e n t l i c h begrüßen, wenn das diesem Band vorgelegte Angebot zur Fortführung
der Diskussion
in von
XIV vielen Fachkollegen aufgegriffen würde und wenn die Veröffentlichung mit dazu beitragen könnte, das nach wie vor noch bestehende Nebeneinander von Semantiktheorie und Lexikographie durch ein Miteinander zu ersetzen.
Berlin, im Januar 1992
Die Herausgeber: Ursula Brauße Dieter Viehweger t
XV Anmerkungen 1
Wortschatzforschung heute: Aktuelle Probleme der Lexikologie und Lexikographie. 1982. Hrsg. von Erhard Agricola, Joachim Schildt, Dieter Viehweger. Leipzig.
2
Die Lexikographie von heute und das Wörterbuch von morgen. Analysen - Probleme - Vorschläge. 1983. Vorträge der Arbeitstagung über moderne Aspekte der W o r t s c h a t z f o r s c h u n g . Linguistische Studien/ZISW, Reihe A 109. Berlin.
3
Kempcke, Günter. 1980. H a n d w ö r t e r b u c h der deutschen Gegenwartssprache. Ein Arbeitsbericht. In: Zeitschrift für Germanistik 3. 347-356. Viehweger, Dieter. 1982. Semantiktheorie und praktische kographie. In: Zeitschrift für Germanistik 2. 143-155.
Lexi-
- 1983. Wege zu einem neuen Typ von Bedeutungswörterbüchern. In: Zeitschrift für Germanistik 4. 261-270. - 1985. Das B e d e u t u n g s w ö r t e r b u c h als Sprachnachschlagewerk. In: Zeitschrift für Germanistik 6. 458-463. Herberg, Dieter. 1983. Aspekte gegenwärtiger und künftiger Lexikographie. In: Zeitschrift für Germanistik 4. 81-85. Pasch, Renate. 1987. Ja, Lexikographie kann angewandte Semasiologie sein und muß es auch. In: Zeitschrift für Germanistik 5. 577-582. Brauße, Ursula. 1988. Ist die lexikalische Semantik eine Theorie der Autosemantika? In: Zeitschrift für Germanistik 595-602. 4
Herberg, Dieter. 1986. Zur Einleitung des Handwörterbuchs deutschen Gegenwartssprache (HDG). In: ZPSK 2. 195-205. Viehweger, Dieter. 1986. Grammatik 161-168.
im Wörterbuch.
Brauße, Ursula. 1988. Partikelforschung und graphie. In: ZPSK 6. 383-387.
5. der
In: ZPSK 2.
Partikellexiko-
5
Agricola, Erhard, Ursula Brauße, Ilse Karl, Klaus-Dieter Ludwig. 1987. Studien zu einem Komplexwörterbuch der lexikalischen Mikro-, Medio- und M a k r o s t r u k t u r e n . Linguistische Studien/ZISW, Reihe A 169 I, II. Berlin.
6
Probleme der semantischen Analyse. 1977. Von einem Autorenkollektiv unter der Leitung von Dieter Viehwjger (= studia grammatica XV). Berlin.
URSULA
BRAUSSE
FUNKTIONSWÖRTER
1. 1.1. 1.2. 1.3.
IM WÖRTERBUCH
Zur 'Bedeutung' von Funktionswörtern im Rahmen neuer Lexikonkonzepte Einige Fragestellungen der lexikalischen Semantik heute Was ist lexikalisches Wissen? Ist Komponentialität ein generelles Organisationsprinzip des Lexikons?
2. 2.0. 2.1. 2.3. 2.4. 2.5. 2.6. 2.7.
Was sind Funktionswörter? Gibt es zwei Arten von Wortbedeutung? Auto-/Synsemantika Begriffs-/Beziehungsbedeutung Lexikalische Vollständigkeit Denotative / nicht denotative Bedeutung Deskriptive / logische Konstanten Eidetische / operative Bedeutung Schlußbemerkung
3.
Makrostrukturen und Wortfelder
4. 4.1.
Zum Stand der Funktionswortlexikographie Metalexikographische Untersuchungen zu einsprachigen Funktionswörterbüchern Zur zweisprachigen Funktionswortlexikographie Wörterbücher und Wörterbuchprojekte einzelner Funktionswortklassen
4.2. 4.3.
5. 5.1. 5.2. 5.3.
im
Funktionswortschatz?
Offene Fragen zu Modalpartikeln und ihrer Darstellung im Wörterbuch Zur Syntax der Modalpartikeln. Ihre Bestimmung als Wortklasse Zur Bedeutung der Modaipartikeln Die von einer Konjunktion abgeleitete Modalpartikel doch
6.
Fazit: Für Funktionswörter notwendige im Wörterbuch
7.
Vorschlag eines Wörterbuchartikels
Lexikoneinträge
für das Lexem doch
2
1.
Zur
'Bedeutung' von Funktionswörtern
im Rahmen
neuer
Lexikonkonzepte 1.1
Einige Fragestellungen zur lexikalischen Semantik
heute
Die Diskussionen zur lexikalischen Semantik haben in den 80er Jahren einen erneuten Aufschwung genommen. In den 60er und 70er Jahren galt die Merkmalsemantik oder Komponentenanalyse
relativ
unangefochten als adäquate Beschreibungsmethode
Wortbe-
deutung.
für die
In den letzten Jahren ist nun dieses Konzept
massiver
Kritik ausgesetzt gewesen. Die Kritik richtet sich vor allem gegen folgende Annahmen der
Merkmalsemantik:
(a) die Bedeutung eines Wortes sei
restlos
in Merkmale
zerlegbar; (b) die Bedeutung eines Wortes sei durch eine notwendige hinreichende Anzahl von Merkmalen (c) die Bedeutungsmerkmale (d) a l l e
Referenten,
zeichnet werden können, besitzen
,
seien
und
definierbar ;
hierarchisch
geordnet;
die mit einem bestimmten Wort bemüssen
genau
die
Merkmale
nach denen die mit dem Wort gekoppelte
bildung vorgenommen
Klassen-
wurde.
Diese Kritik an der Komponentenanalyse
geht von einem auf die Ar-
beiten von Putnam
(1975) und Rosch (1978) gegründeten
Bedeutungskonzept
aus. Nach diesem Konzept der Prototypen- oder
Stereotypensemantik
sind Wortbedeutungen nicht genau
holistischen bestimmbar
und infolge dessen auch nicht durch Komponenten analysierbar. sind vage und haben "unscharfe Ränder". Die
Sie
Referenzbeziehungen
seien geregelt nach dem Prinzip der Ähnlichkeit mit dem
Prototypen,
dem typischen Vertreter der Extension. Es wird angenommen, daß die Bedeutungen um ein Zentrum organisiert sind, das mit Hilfe von "Stereotypen"
(= typischen Eigenschaften eines Referenten,
die
als Merkmale benannt werden können) bestimmt wird. Es gibt dabei keine genau bestimmbaren Grenzen zur Nachbarkategorie,
sondern
es ist lediglich der Abstand der Randbereiche vom Zentrum stellbar. Die stereotypischen Eigenschaften sind
fest-
untereinander
nicht hierarchisch geordnet, und es gibt auch kein Kriterium ihre
für
Vollständigkeit.
Im Zusammenhang mit der Stereotypensemantik
wird auch die alte
Diskussion über das Verhältnis zwischen Sprach- und Sachwissen
3 bzw. lexikalischem vs. enzyklopädischem Wissen neu belebt. Man unterscheidet jetzt unter Bezugnahme auf Putnam zwischen
stereotypi-
schem oder mehrheitlichem Wissen, das die lexikalische
Bedeutung
ausmache und dem enzyklopädischen oder Expertenwissen, das nur Fachleute mit dem Begriff verbinden. Die Grenze zwischen den beiden angenommenen Wissensmengen ist natürlich schwierig
festzule-
gen, und sie kann sich verlagern. Beide Wissensmengen müssen als offen und ständig erweiterbar
gelten.
Die Konsequenz dieser Auffassung von lexikalischem vs. enzyklopädischem Wissen ist, daß lexikalisches Wissen über bekannte Dinge reichhaltiger
ist als das über weniger
allgemein bekannte.
So gibt es ζ. B. ein mehrheitliches Wissen, daß neben anderen Arten wie Roggen, Weizen und Hafer auch Hirse eine Getreideart
ist.
Über diese Art weiß der Laie aber weniger als über die heute noch in unserer Gegend kultivierten Arten, oft nicht mehr als die kategorielle Einordnung. Es gibt auch, besonders unter den Artefakten, allen Sprechern sehr bekannte Gegestände, über die das mehrheitliche Wissen minimal ist. Mit dem Wort Kupplung ζ. B. wird im Durchschnitt nicht mehr als das Wissen über die
generelle
Funktion des so bezeichneten Gegenstandes als Teil des Autos bunden. Jegliches Wissen über Aussehen und Wirkungsweise Autoteils muß danach als Fachwissen gewertet Wenn nun für allgemeinsprachliche
dieses
werden.
Bedeutungswörterbücher
fordert wird, daß diese nur lexikalisches, kein oder Fachwissen enthalten sollten, müssen die
ver-
ge-
enzyklopädisches
Bedeutungsangaben
für wenig bekannte natürliche Arten oder etwas komplexere
Arte-
fakte notgedrungen mager ausfallen. Kann es aber die Aufgabe Bedeutungswörterbüchern
sein, nur das der Mehrheit ohnehin
te aufzuzeichnen und das weniger Bekannte zu unterdrücken? Information könnte dann der unbekannte Benutzer in einem Wörterbuch suchen
von
BekannWelche
solchen
wollen?
An diesem Punkt der Diskussion wird schon sehr deutlich, sie auf ganz bestimmte Wortschatzbereiche
eingeschränkt
daß
ist, näm-
lich auf die natürlichen Arten und Artefakte oder, in älterer Terminologie, auf die Realia. Nur für diesen Wortschatz die oben beschriebenen Fragen in dieser Form auf. Daß
treten
bestimmte
Probleme auf einzelne Wortarten beschränkt sind, kommt aber in vielen Diskussionen zur lexikalischen Semantik nicht so vordergründig zur Geltung. Es entsteht der Eindruck einer
kompletten
4
Umorientierung der lexikalischen Semantik, obwohl doch die Daten, aus denen Konsequenzen für diese Neuorientierung
gezogen
werden,
aus einem schmalen Bereich der Autosemantika stammen, aus dem der Realia. Es scheint uns deshalb eine notwendige, wenn auch nicht che Aufgabe für weitere Untersuchungen zur lexikalischen
einfa-
Semantik
zu sein, systematisch zu prüfen, ob die ζ. Z. diskutierten
Bedeu-
tungskonzepte nur auf Autosemantika zugeschnitten sind oder für größere Teile des Wortschatzes unter Einbeziehung der wortklassen Gültigkeit
Funktions-
besitzen.
Die folgenden Diskussionspunkte
sind nur einige von denen, die
eine fundierte Prüfung daraufhin erfordern, ob sie nur
wortart-
spezifisch zu beantworten sind, oder ob es sich um Prinzipien handelt, die innerhalb des gesamten Lexikons wirksam
1.2
Was ist lexikalisches
sind.
Wissen?
Aus dieser Sicht erscheint uns die neuerliche Diskussion über das in einem Lexikonzeichen kodifizierte
"lexikalische Wissen"
etwas
einseitig darauf orientiert, wie dieses von dem ebenfalls im Gedächtnis gespeicherten enzyklopädischen Wissen über die gleiche Erscheinung zu trennen ist. Eine angenommene Unterscheidung lexikalischem und enzyklopädischem Wissen setzt u. E. ganz sichtlich voraus, daß es sich bei den ins Auge gefaßten
von offen-
Lexikon-
zeichen um solche aus dem Bereich der Autosemantika handelt. davon ausgegangen wird, daß Lexikonzeichen Wissen über
Wenn
bestimmte
Bereiche repräsentieren, und zwar mehrheitlich akzeptiertes
Wis-
sen, das innerhalb einer bestimmten menschlichen Gemeinschaft Erscheinungen und' Gegenstände der Wirklichkeit gewonnen dann ist zu fragen, wie sich die Bedeutung von in einen so gefaßten Bedeutungsbegriff
über
wurde,
Funktionswörtern
einordnen läßt. Im Zusam-
menhang mit Autosemantika stellt sich die Frage, wieviel von dem bei den verschiedenen Kommunikationsteilnehmern
möglicherweise
sehr unterschiedlichen Wissen über einen Gegenstand bzw. eine Erscheinung der Realität zum sprachlichen Wissen zu zählen ist. Diese Frage ist aber wohl nicht von der Problematik der
Wortklassen
zu trennen. Es ist m. E. nicht zulässig, diese Frage als generelles Problem der lexikalischen Semantik zu behandeln, aber nur den
5 Bereich der Realia zu berücksichtigen, wie es oft geschieht,
wenn
die Ergebnisse psychologischer Forschungen zur Begriffs- und Wortbedeutungsentwicklung
auf die lexikalische Semantik
übertragen
werden. Während in der Psychologie bisher das Stereotypenkonzept
fast
ausschließlich auf Objektbegriffe und Objektwörter angewandt de und manchmal auch ausdrücklich festgestellt wird
(Wannenmacher/
Seiler 1985, 26), daß sich erst noch erweisen muß, ob
prototypen-
orientierte Entwürfe auch f.ür die Erforschung der Bedeutung rer Wortarten heranziehbar sind, wird eine solche
ande-
Einschränkung
in den linguistischen Untersuchungen, die Probleme der schen Semantik unter Einbeziehung
wur-
von Konzepten der
lexikali-
Stereotypen-
semantik behandeln, meist nicht gemacht, so daß der Eindruck
ent-
steht, als sei dieses Konzept bereits für alle Klassen des Wortschatzes
erprobt.
Bereits für die Abstrakta (sowohl Nomina als auch Verben) erscheint die Einteilung in lexikalisches vs. enzyklopädisches
oder
mehrheitlich akzeptiertes vs. Expertenwissen nicht mehr so intuitiv einleuchtend wie bei der Bedeutungsbeschreibung
von Realia.
Wieder anders liegt der Fall, wenn wir die Bedeutung von Funktionswörtern betrachten. Nehmen wir als Beispiel die Bedeutung
von
Konjunktionen. Wenn wir selbst annehmen, daß für die von Konjunktionen ausgedrückte Bedeutung, bestimmte Denkoperationen zu bezeichnen, in einem solchen Bedeutungskonzept
Platz ist, das die
Bedeutung von lexikalischen Einheiten insgesamt als die Fixierung bestimmten von Menschen über Erscheinungen und Gegenstände
der
Realität gewonnenen Wissens betrachtet, d. h. wenn wir die
Exten-
sion des Ausdrucks "Realität" oder "Wirklichkeit" so fassen, daß auch die Denkoperationen darin Platz haben, dann muß man
immer
noch fragen, in welcher Weise der Ausdruck
Verständ-
nis konjunktionaler Bedeutung angebracht
"Wissen" beim
ist.
Das Wissen, das in der Bedeutung von Ausdrücken für Realia repräsentiert ist, ist ein mehr oder weniger umfangreiches von den bezeichneten "Sachen". Was in der lexikologischen sion als "sprachliches" oder "lexikalisches" Wissen
Wissen Diskus-
betrachtet
wird, ist das Wissen von den Sachen, das als allgemein
verbreitet
gilt. Dem Wesen nach ist es aber genauso Sachwissen wie das weitergehende Wissen von den Sachen, das als Expertenwissen oder en-
6
zyklopädisches Wissen bezeichnet wird. Da die Wörter aus dem Bereich der Realia nun einmal "Sachen" bezeichnen, oder
anders
gesagt; natürliche Arten und Artefakte, oder, noch anders: jektbegriffe, ist es auch nicht verwunderlich, daß ihre aus Wissen über die betreffenden Gegenstände und
Ob-
Bedeutung
Erscheinungen
besteht. Die Bedeutung eines solchen Wortes kann erläutert den, indem die entsprechende Sache oder Erscheinung
wer-
beschrieben
wird. Gegen eine strikte Trennung von stereotypischem und enzyklopädischem Wissen spricht sich auch Wiegand (1987) aus. Das "Wissen" dagegen, das die Bedeutung von Konjunktionen
aus-
macht, muß anderer Art sein. Es unterscheidet sich schon darin von dem in Realia kodifizierten Wissen, daß es den
Sprachteilneh-
mern nicht in gleichem Maße präsent ist. Man mag es als paradox ansehen, daß zwar einerseits den Sprechern einer Sprache die Bedeutung der Konjunktionen bekannt sein muß, da sie sie
angemessen
verwenden in einem gemeinsamen Sinne, der die Kommunikation
mög-
lich macht, andererseits die gleichen Sprecher aber oft Schwierigkeiten haben, die konjunktionale Bedeutung in Worten zu beschreiben. Dabei kann wahrscheinlich die Mehrzahl in allgemeinere Bedeutungskomplexe daß Muttersprachler
Einordnungen
vornehmen. So ist
anzunehmen,
auf die Frage nach der Bedeutung von aber an-
geben könnten: "drückt einen Widerspruch aus", oder von weil: "gibt den Grund an". Dagegen ist es sehr unwahrscheinlich, ein durchschnittlicher Sprecher, der sehr richtig die
daß
bedeutungs-
verwandten Konjunktionen denn, da und weil zu verwenden
weiß,
auch angeben könnte, worin die sehr subtilen Unterschiede
zwischen
ihren Bedeutungen bestehen, die Pasch (1983) beschrieben hat, oder daß dieser auf Anhieb die Unterschiede in den Verwendungen aber und sondern aufzählen kann. Ein deutscher muß sich diese Bedeutungsunterschiede
von
Muttersprachler
auch nicht so klar
machen,
denn er hat die richtige Verwendung dieser Konjunktionen
(offen-
bar unbewußt) gelernt. Für den Ausländer, der Deutsch lernt, ζ. B. einen Franzosen, in dessen Muttersprache diese
Unterscheidung
nicht gemacht wird, ist eine präzise Beschreibung des
Bedeutungs-
unterschiedes aber notwendig. Ein Deutschlehrer, dessen Muttersprache Deutsch ist, muß sich (mit Hilfe von Wörterbüchern anders) für den Unterricht bei Ausländern diesen
oder
Bedeutungsunter-
7 schied erst bewußt machen, um ihn beschreiben zu können. In noch geringerem Maße sind die komplexeren Bedeutungen der
negations-
haltigen Konjunktionen statt daß und ohne daß, wie Pasch in diesem Band getestet hat, Personen präsent, die keine Ausbildung semantischer Analyse haben, und selbst Linguisten mit
gen Kenntnissen nur bedingt. In ähnlicher Weise äußerten auch Weydt/Hentschel
(1983) und Wolski
in
einschlägisich
(1986: 328) im Hinblick
auf die Schwierigkeiten bei der Analyse von
Partikeln.
Welche Schlüsse muß man aus diesen Fakten ziehen?
Offensicht-
lich liegt eine andere Art von "Wissensrepräsentationen" Bedeutung von Konjunktionen vor. Was weiß der
bei der
durchschnittliche
Sprecher über die Denkoperation, die er mit der Konjunktion drückt? Führt er mit der Verwendung der betreffenden
aus-
Konjunktion
zwar eine bestimmte Denkoperation aus, kann sie aber nicht beschreiben? Ist, da das mehrheitliche Wissen über die
Bedeutung
der Konjunktionen sehr dürftig ist, ihre lexikalische
Bedeutung
vage und nur in groben Zügen angebbar? Ist der größere Teil des Wissens über die Bedeutung von Konjunktionen dann Experten wären in diesem Fall Linguisten ter: Spezialisten auf dem Gebiet der
Expertenwissen?
(oder noch
eingeschränk-
Funktionswörter).
Das Expertenwissen gehört aber, wie oft betont wird, nicht zum lexikalischen Wissen. Wenn nun die Bedeutung der
Konjunktion
nur das ist, was mehrheitlich über den Inhalt dieses
Lexikon-
zeichens gewußt wird, dann ist das nicht viel. Außer, man würde den Ausdruck
"Wissen" so weit fassen, daß er auch solche im Ge-
dächtnis gespeicherten Distinktionen zwischen möglichen
Relationen
oder Operationen einbezieht, die der Sprecher zwar mit Hilfe der zur Verfügung stehenden Ausdrücke machen kann, die ihm aber nicht in dem Maße bewußt sind, daß er sie mit Worten benennen
könnte.
Ein solches Verständnis von "Wissen" würde jedoch allen
Gepflogen-
heiten in Logik und Semantik
widersprechen.
Diese Fragen zu "mehrheitlich", zu "Wissen" und zu der Unterscheidung von lexikalischem und enzyklopädischem Wissen sich u. a. bei dem Versuch, Funktionswörter
in
Bedeutungskonzepte
einzubeziehen, die lexikalische Bedeutung mit Blick auf tika definiert
haben.
stellen Autoseman-
8
1.3
Ist Komponentialität ein generelles
Organisationsprin-
zip des Lexikons? Wir wollen einen zweiten Fragenkomplex
kurz umreißen, der in der
Diskussion zur lexikalischen Semantik eine Rolle spielt, wenn es darum geht, ob die Bedeutung von Funktionswörtern mit den vorhandenen Bedeutungstheorien vereinbar ist. Es ist die Frage, ob das Komponentialitätsprinzip Organisationsprinzip
als ein für das gesamte Lexikon
gültiges
angesehen werden kann. Eine solche Frage
wird von denen gestellt, die die Dekomponierbarkeit
lexikalischer
Bedeutung zwar generell nicht bezweifeln, aber im Unklaren ob eine solche Annahme für das gesamte Lexikon gemacht kann. Die Frage steht in engem Zusammenhang mit den
Auffassungen
dazu, welche Einheiten als semantische Merkmale anzusehen Es ist klar, daß die von Funktionswörtern wie den
sind,
werden sind.
Konjunktionen
ausgedrückte Bedeutung andere Einheiten zu ihrer Beschreibung
er-
fordert als die Bedeutung der Autosemantika. Das muß aber kein grundsätzliches Unterscheidungskriterium
zwischen
Autosemantika
und Synsemantika sein, denn auch jede autosemantische benötigt spezifische
Wortklasse
Beschreibungseinheiten.
Welches die adäquaten Beschreibungselemente
sind, ist noch
nicht für alle Funktionswortarten eindeutig geklärt. Während die Frage der wortartspezifischen Besonderheiten der
semantischen
Grundeinheiten für die bereits gründlicher untersuchten
Konjunk-
tionen im wesentlichen als geklärt zu betrachten ist, ist sie für die Bedeutung anderer Funktionswortarten wie ζ. B. der Modalpartikeln noch strittig. Es gibt hier kein Einverständnis
darüber,
worin die Eigenbedeutung dieser Wortart besteht, ob sie eine Sprechereinstellung
zu einem Sachverhalt ausdrückt oder ob sie die
mit anderen Mitteln ausgedrückte Einstellung des Sprechers zu anderen möglichen Einstellungen in Beziehung
setzt.
Ungeachtet der unterschiedlichen Auffassungen zur der Modalpartikeln sind aber auch die aufgrund
Bedeutung
vergleichender
Bedeutungsanalysen aus diesem Bereich erkennbaren
Strukturen
deutbar als komponentiell gegliedert. Die Komponentialität
ist
mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht das Prinzip, das ein Unterscheidungskriterium
zwischen Autosemantika und
Funktionswörtern
bildet. Für das Wirken dieses Prinzips in allen Bereichen
spricht
9 auch die Tatsache, daß Makrostrukturen oder semantische deren Struktur ja durch das Vorhandensein gemeinsamer komponenten charakterisiert
ist, auch im
Felder,
Bedeutungs-
Funktionswortbereich
festgestellt werden. Die traditionelle Kategorisierung
der Kon-
junktionen und Präpositionen beruht darauf. Konjunktionen ζ. B. werden nach Bedeutungseinheiten gruppiert als temporal,
kausal,
final, adversativ, konzessiv etc. Innerhalb dieser Gruppen sind weitere Differenzierungen nach bestimmten Merkmalen
möglich.
Ausführlicher dazu vgl. 3. Zweifel bei der Beurteilung der turprinzipien im Funktionswortbereich
treten in anderen
Struk-
Fragen
auf.
1.3.1
Das
Hierarchieprinzip
Die Merkmalsemantik der 60er und 70er Jahre basierte auf der Annahme, daß die einen Begriff konstituierenden
semantischen
Merkmale nach hierarchischen Prinzipien geordnet und in dieser Form auch im Gedächtnis gespeichert sind. Ein solches
Ordnungs-
prinzip wurde sowohl in Theorien aus der Psychologie als auch der Linguistik als Erklärungsbasis für Gedächtnisleistungen
ver-
wendet und unterstellte eine Ordnung der Begriffe bzw. der Wörter innerhalb der Felder. Auch dieses Prinzip wurde jetzt kritisch beleuchtet, vor allem aufgrund von Theorien, die von der Psychologie erarbeitet worden
sind.
Es wird nicht mehr angenommen, daß der Prozeß der bildung in einer vollständigen Systematik aller und einem umfassenden Klassifikationssystem kenntnistätigkeit
Begriffs-
Erscheinungen
als Ergebnis der Er-
des Menschen gipfelt. Vielmehr glaubt man, daß
die Klassifizierungsleistungen,
die dem Menschen zur
Erkenntnis
der Welt dienen, immer nur bestimmte Teilbereiche umfassen. griff shierarchien entstehen aufgrund einer wichtigen
Be-
Eigenschaft
von Begriffen: der Transitivität der Merkmale. Hierarchische
Be-
ziehungen zwischen Begriffen werden so verstanden, daß die Merkmale der Oberbegriffe auch den ihnen untergeordneten
Begriffen
zukommen. Diese Eigenschaft ist wesentlich für das Begreifen von Zusammenhängen zwischen Begriffen und für das Lernen und das Verständnis neuer
Begriffe.
10 In neueren psychologischen Untersuchungen wurde darauf merksam gemacht, daß das Hierarchieprinzip
natürlichen Begriffe oder der Objektbegriffe nicht wirkt, sondern daß es außer Mehrfach- oder
ausnahmslos
Kreuzklassifikationen,
die man schon seit langem kennt, gewisse Einschränkungen Transitivität gibt (Hoffmann 1986:
der
37).
Es wird auch die Frage diskutiert, ob unterschiedliche mationsverarbeitungsprozesse
auf-
auch im Bereich der
in unterschiedlichen
Infor-
Entwicklungs-
stadien des Menschen typisch sind. So vertreten einige
Psycholo-
gen den Standpunkt, daß jüngere Kinder in stärkerem Maße eine holistisch ausgerichtete Informationsverarbeitung
verfolgen,
daß die prototypischen Begriffe, über die diese Kinder
verfügen,
unanalysierte Ganzheiten sind und nicht über analytische beitungsprozesse zustande kommen. Erst die weitere
d.h.
Verar-
Erarbeitung
der Intension und Extension von Begriffen käme über
Vergleichs-
prozesse zustande, die analytischer Natur sind. So verfügen
erst
ältere Kinder und Erwachsene über hierarchisch koordinierte
Syste-
me von Begriffen, die auf Merkmalen verschiedenster Art (Seiler/Wannenmacher
aufbauen
1985:· 22).
Auch diese Theorien aber, die hierarchische Strukturen Begriffssystemen und Wortfeldern untersuchen, beschränken
von sich
auf Objektbegriffe bzw. auf die Wortbedeutung von
Substantiven.
So scheint in der Psychologie die Diskussion über
Komponentiali-
tät und Hierarchieprinzip
vs. holistisch orientierte
theorien auf Objektbegriffe bzw. Substantive
Prototypen-
eingeschränkt.
In der Linguistik war das Wirken der Hierarchien von der Komponentenanalyse
in allen autosemantischen Wortarten
untersucht
worden. Wenn es jetzt mehr oder weniger explizit in Frage wird, so ist es notwendig zu überprüfen, ob die
gestellt
Einschränkungen,
die aus der Psychologie in die Semantik übernommen worden
sind,
auch nur für die Substantive Gültigkeit besitzen oder auch für die anderen autosemantischen Wortarten, vor allem die Verben und die
Adjektive. Wieder eine andere Frage ist es, ob Hierarchien auch für den
Bereich der Synsemantika anzunehmen sind. Eine solche
Annahme
ist auch im Rahmen der Komponentenanalyse nie gemacht
worden,
da diese Wortarten dort wenig behandelt wurden. Die Frage
ist
11 also völlig offen. Die wenigen bisher vorhandenen
Felduntersuchun-
gen für den Bereich der Funktionswörter schließen zwar die keit der Beschreibung von Funktionswörtern mit Hilfe von
Möglich-
Komponen-
ten nicht aus, lassen aber nicht erkennen, ob hierarchische hungen zwischen den in semantischen Feldern gruppierten schen Einheiten
Bezie-
lexikali-
bestehen.
So ist eine Parallele zu den bei den Substantiven
erkennbaren
unterschiedlichen Ebenen der Begriffsbildung, von denen eine Ebene, die der Primärbegriffe oder basic-level-concepts Seiler/Wannenmacher
(Klix
1985: 24; Hoffmann 1986: 72) eine
1984,
hervorgeho-
bene Stellung einnimmt, nicht zu erkennen.
1.3.2
Vagheit der
Bedeutung
Dem Prinzip der klassischen Merkmalanalyse zufolge war die Wortbedeutung durch eine bestimmte Anzahl von Merkmalen Diese Merkmale stellten die Menge notwendiger und Bedingungen dar, die eine genaue Abgrenzung der
festgelegt.
hinreichender
Wortbedeutung
gegenüber anderen ähnlichen ermöglicht. Sie wurden als definierende Merkmale verstanden. Gegen diese Auffassung von Bedeutung wurde in den letzten Jahren zunehmend häufig Stellung
genommen.
Es wurde geltend gemacht, daß nur ein geringer Teil des Lexikons, nämlich der Fachwortschatz in dieser Weise adäquat
darstellbar
sei, der überwiegende Teil des Wortschatzes jedoch zeichne sich dadurch aus, daß er nicht klare, diskrete Einheiten
enthalte,
sondern vage Begriffe mit "unscharfen Rändern", "fuzzy
concepts".
Zur Beschreibung dieser Art von Bedeutung seien holistische rien geeigneter als Merkmalkonzepte. Diese Auffassung
Theo-
scheint
sich ζ. Z. weithin durchgesetzt zu haben, wenn man die
Erklärung
Fleischers (1986), mit der er 1985 die Meinung der Teilnehmer VII. Internationalen Germanisten-Kongresses
in Göttingen
faßte, verallgemeinern darf. Auch auf dem XIV. Linguisten-Kongreß
zusammen-
Internationalen
in Berlin 1987 wurde die Notwendigkeit
Ergebnisse der Stereotypensemantik
des
für die lexikalische
betont,
Semantik
zu nutzen. Nur selten gibt es Einspruch und prinzipielle wie die von Weigand (1987a und b) und Wolski' (1988) gegen
Einwände holisti-
sche Konzepte, in denen die Forderung aufgestellt wird, wegen der
12 Unscharfe der traditionellen Kategorien auf diese völlig zu verzichten. Weigand gibt zu bedenken, daß, wenn auch die
holisti-
schen Modelle als Versuch betrachtet werden dürfen, ein
adäqua-
teres Bild von der Komplexität der Realität zu erhalten, man auf der anderen Seite feststellen muß, daß es zumindest auf dem Gebiet der Sprachwissenschaft die Stereotypensemantik
bisher nicht gelungen ist, die durch
anvisierte holistische Sicht von Wortbe-
deutung anzuwenden. Vielmehr scheint es so, als ob die typischen Beschreibungen von Wortbedeutung
in ihrer
Kraft hinter solchen mit Bedeutungskomponenten
stereo-
erklärenden
zurückbleiben.
Nur
analytisch erfaßbare Kategorien ermöglichen es, Strukturen und Beziehungen zwischen Erscheinungen der Realität zu verstehen,
auch
wenn sie ihrer Natur gemäß unscharf sein müssen. Wolski, der bereits 1980 das Problem der Vagheit eingehend
be-
handelt hatte, kritisiert ebenfalls, daß diese Ansätze zur lexikalischen Semantik nicht an ausschließlich sprachbezogenen drücken entwickelt wurden, was vielfach zu falschen
Aus-
Generalisie-
rungen geführt habe. Er plädiert ebenfalls für eine bessere guistische Fundierung des Stereotypenkonzepts und seine
lin-
Verifika-
tion für weitere lexikalische Kategorien über die Substantive aus (Wolski 1988). Einen Versuch, das Stereotypenkonzept Funktionswörter anzuwenden, machte Heringer totypischen Beschreibung der Partikel
hin-
auf die
(1988) mit einer pro-
ja.
Die Ausdrucksweise von den "unscharfen Rändern" der bezieht sich darauf, daß die mit Merkmalen gewonnenen
Begriffe Kategorien
von Erscheinungen der Realität so gebildet sind, daß zwar die typischen Referenten, die dieser Kategorie zuzuordnen sind, über die Kategorienmerkmale
verfügen, daß es aufgrund der
Vielfältig-
keit der Erscheinungen der Realität aber andere Referenten
gibt,
die nicht alle geforderten Merkmale besitzen, so daß Zweifel treten können, ob sie auch zu der Kategorie zu zählen sind. es nun vergleichbare Erscheinungen auch bei den ζ. B. den
aufGibt
Funktionswörtern,
Konjunktionen?
Es war schon die Rede davon, daß die Hierarchieebenen,
die
wir für die natürlichen Begriffe annehmen, vermutlich bei den Funktionswörtern nicht in der gleichen Form anzutreffen Als gesichert können wir vorläufig nur zwei Ebenen
sind.
annehmen:
die Ebene der Oberbegriffe für semantische Felder wie
"temporale
13
Konjunktionen" und die Ebene der lexikalischen Einheiten, d. h. der einzelnen Konjunktionen. Da die Oberkategorie
"temporale
Kon-
junktion" aber nicht lexikalisiert, d. h. als Wort präsent ist (wie ζ. B. die Oberkategorie Gemüse für die Einheiten Erbse, ne, Mohre), muß sie auch nicht unter dem Aspekt der Vagheit
Bohvon
Wortbedeutungen geprüft werden. Es kann also nur darum gehen, zu untersuchen, ob die Bedeutungen der einzelnen Konjunktionen
vage
oder wohlbestimmt sind. Die Frage reduziert sich darauf, ob es möglich ist, die Bedeutung einzelner Konjunktionen mit Hilfe von Komponenten oder andere so eindeutig
zu bestimmen, daß diese von
der Bedeutung anderer Konjunktionen des gleichen Feldes klar abgrenzbar sind. Die Versuche, Bedeutungsbeschreibungen
für
Konjunk-
tionen zu erarbeiten, laufen in diese Richtung, man kann aber wohl bisher noch nicht absehen, ob die Beschreibungsmöglichkeiten Grenzen
an
stoßen.
Dagegen ist schon klar, daß im Bereich der Mediostruktur
(in
der Terminologie von Agricola 1988) der Begriff der Vagheit eine andere Dimension erlangt, wenn er auf Funktionswörter wird. Mediostrukturelle Unscharfen wurden in der Semantik der Autosemantika traditionell
angewendet
lexikalischen
im Zusammenhang mit
kalischer Mehrdeutigkeit bzw. Homonymie und Polysemie
lexi-
behandelt.
Bei der Untersuchung dieser Erscheinungen des Wortschatzes schon immer die Unscharfe der Grenzen zwischen mehreren
ist
Bedeutun-
gen des gleichen Wortes beklagt worden. Bei den Autosemantika
gab
es jedoch keine Zweifelsfälle in der Hinsicht, daß die
Wortart-
zugehörigkeit
Erscheinung
in Frage stand. Polysemie wurde als eine
behandelt, die im Rahmen einer Wortart auftrat. Zwar kannte man auch Fälle von lexikalischer Mehrdeutigkeit, wo wie im Falle sein die Wortartengrenze überschritten war. Bei den hier in Frage kommenden drei Wortbedeutungen als Possessivpronomen,
als Verb und
als Substantiv liegt zwar lexikalische Mehrdeutigkeit, aber ein Fall von unscharfer Grenze zwischen den
keineswegs
Wortbedeutungen
vor. Das ist bei den Funktionswörtern anders. Hier ist es eine sehr häufige Erscheinung, daß gleiche Wortformen in unterschiedlichen Funktionen auftreten, und es ist zwar nicht die Regel, aber auch keine Seltenheit, daß eine eindeutige Entscheidung über die Wort-
14
artzuweisung schwierig wird. Beispiele von lexikalischen ten mit mehreren Funktionen im Funktionswortbereich
Einhei-
sind:
bis, seit als Präpositionen und Konjunktionen aber als Konjunktion und
Modalpartikel
schon als Gradpartikel und als Modalpartikel doch als Konjunktion, als Satzäquivalent und als Partikel. Die Grenzen zwischen den verschiedenen Verwendungen sind in manchen Fällen entweder unscharf oder für uns heute noch nicht erkennbar . Das sind einige, vermutlich noch nicht alle Fragen, die im Zusammenhang mit der Bedeutung der Funktionswörter von einer Theorie der Wortbedeutung zu lösen sind.
2.
Was sind
Funktionswörter?
2.0
Gibt es zwei Arten von Wortbedeutung?
Auto-/Synsemantika
In den jüngsten Arbeiten zur lexikalischen Semantik gewinnt die seit den Ursprüngen des Nachdenkens über Sprache gestellte ge, ob man hinsichtlich der Bedeutung von Wörtern zwei sätzlich zu unterscheidende
Fra-
grund-
Typen anzunehmen habe, eine neue
Aktualität. Bekannt sind die
Begriffspaare
kategorematische
-
synkategorematische
Autosemantika
-
Synsemantika
Begriffswörter
-
Funktionswörter
Vollwörter
-
Strukturwörter
höhere Wortarten
-
Dienstwörter
Haupt-
-
Nebenwortarten
deskriptive
-
logische
offene
-
geschlossene
flektierbare
-
nicht flektierbare
Konstanten Klassen
Die diesen Einteilungen zugrunde liegenden prinzipien sind sehr unterschiedlich.
Wörter
Wortarten
Klassifizierungs-
Infolge dessen sind auch
die so gebildeten Oberbegriffe für Wortklassen nicht
gleichbe-
deutend, und die Grenzen zwischen den Wortarten sind bei den unterschiedlichen Oppositionen nicht an der gleichen Stelle
an-
15 zusetzen. Obwohl also nicht so klar ist, wo jeweils die Grenze zwischen den in Opposition stehenden zwei Typen von
Wortbedeutun-
gen anzusetzen wäre, wird eine solche Unterscheidung doch weithin für sinnvoll gehalten. Nur selten gibt es prinzipiellen spruch gegen diese Annahme wie ζ. B. von Lutzeier
(1981:
Ein-
54),
der meint: "Abgesehen von der formalen Auflistung ganzer Wortarten ist mir kein Kriterium bekannt, das eine auch nur einigermaßen
ein-
deutige Aufteilung des Grundwortschatzes einer Sprache in diejenigen Wörter, die eine sogenannte
"echte" lexikalische
aufweisen und diejenigen Wörter, die keine sogenannte
Bedeutung "echte"
lexikalische Bedeutung aufweisen, bewerkstelligen würde. sichtlich geht es hier um die sogenannten
Offen-
synkategorematischen
Wörter einer Sprache, für die viele Linguisten glauben,
eine
extra Art von Bedeutung reservieren zu müssen." Und auch (1985: 26) bleibt er dabei: "Es gibt also keine zwei klar voneinander
unterschiedene
Arten von Bedeutungen, die wir für bestimmte Wörter
reservieren
müssen; alle Wörter haben vielmehr mehr oder weniger Art von
dieselbe
Bedeutung."
Die unterschiedlichen Meinungen in dieser Frage basieren bar auf unterschiedlichen Bedeutungskonzepten, lichen Auffassungen darüber, welche Inhalte die
d. h.
offen-
unterschied-
Lexikonzeichen
repräsentieren. Die folgenden Ausführungen zeigen, daß es vielfältige Begründungen für Auffassungen gab, daß Wörter gen entweder in einer direkten, unmittelbaren Weise
Bedeutun-
ausdrücken
können, eine manchmal so genannte "Begriffsbedeutung"
(das sind
dann Autosemantika, Begriffs- oder Vollwörter) oder aber in einer indirekten, von anderen Wörtern abhängenden Weise, eine te "Beziehungsbedeutung",
(die in den Synsemantika,
oder Strukturwörtern zum Ausdruck
sogenann-
Funktions-
komme).
Unter den genannten Begriffspaaren finden sich aber auch solche, die nicht auf semantischen Kriterien basieren, sondern auf formalen. Diese Klassifikationen sind Ausdruck von
Überzeugungen,
daß semantische Kriterien nicht als Klassifikationsgrundlage eignet sind. Formale Kriterien werden als objektiver
wenn auch eingeräumt wird, daß sie ebenfalls nicht absolut ten .
ge-
eingeschätzt, gel-
16 Zu den offenen Wortklassen zählen Substantive, Verben,
Adjek-
tive und Adverbien. Der Wortschatz dieser Klassen ist ständig erweiterbar. Dagegen ist der Bestand der übrigen Klassen
ziem-
lich konstant und kann listenmäßig erfaßt werden. Allerdings
ist
die Geschlossenheit dieser Klassen auch nur relativ, wie an der "geschlossenen" Klasse der Präpositionen gezeigt werden kann, die auch in der Neuzeit noch um neue Elemente erweitert Eine Opposition nach offenen und geschlossenen
wurde.
Wortklassen
findet sich ζ. B. bei Fries (1952), Bergenholtz/Schaeder und Schachter
(1985). Bei Fries und Schachter wird die
Klassifizierung
(1977)
formale
auch inhaltlich interpretiert und deshalb
hier
berücksichtigt. Nicht in jeder Hinsicht befriedigend ist ebenfalls die nach eindeutig formalen morphologischen Kriterien in Grundzüge durchgeführte Einteilung
in flektierbare und nicht
(1981)
flektierbare
Wortklassen. Auch nach dieser Einteilung stehen wie bei der Klassifikation nach offenen/geschlossenen Wortklassen und Haupt-/ Nebenwortarten Substantiv, Verb und Adjektiv
(zusätzlich
noch
das Pronomen) gemeinsam den anderen Wortklassen gegenüber. fehlt aber als nicht-flektierbar
das Adverb, das zu den
Es
Vollwör-
tern zählt. Für syntaktische Zwecke ist diese Klassifikation niger gut geeignet. Deshalb verwenden die Grundzüge syntaktische Kriterien, nach denen das Adverb als zu den Hauptwortklassen gezählt und so von den fähigen Nebenwortklassen
satzgliedfähig
nicht-satzglied-
(Modalwort, Präposition,
Partikel, Interjektion) getrennt
Konjunktion,
wird.
Die Frage, ob aufgrund semantischer Kriterien zwei
verschie-
dene Typen von Wortbedeutungen anzunehmen sind, ist eng den mit dem schwierigen Problem der
beziehen
uns in dieser Frage auf die Arbeiten von Moskal'skaja (Hg.) (1977), Stepanowa/Helbig
Schaeder
verbun-
Wortartenklassifizierung,
das aber hier nicht weiter erörtert werden soll. Wir Heibig
we-
zusätzlich
(1978; 1981),
(1971),
Bergenholtz/
(1977).
Hier findet man einen Überblick über die traditionellen artenklassifizierungen nach morphologischen, syntaktischen
Wortund
semantischen Prinzipien, und es werden die Konsequenzen der unterschiedlichen Prinzipien beurteilt. Das für unser Problem
ein-
17
schlägige semantische Kriterium wird meistens als Grundlage für eindeutige Klassifikation verworfen, ohne daß der
Zusammenhang
der Wortarteneinteilung mit Bedeutungsfragen übersehen wird. Um eine homogene Klassifikation zu erreichen, wird das
Wortarten-
problem aufgrund morphologischer
Kriterien
oder syntaktischer
entschieden. Eine Unterscheidung zweier Gruppen von Wortarten
(offen/ge-
schlossen) aufgrund der gewählten syntaktischen Kriterien tion und Funktion treffen Bergenholtz/Schaeder Auch Moskal'skaja unterscheidet
(1977:
Posi-
72-73).
"eigentliche" Wortarten und Funk-
tionswörter, wobei sie das Unterscheidungskriterium
in der Auto-
semantizität und Satzgliedfähigkeit der "eigentlichen"
Wortarten
sieht, das diese von den synsemantischen und nicht
satzgliedfähi-
gen Funktionswörtern unterscheidet. Stepanowa/Helbig
(1981) unter-
scheiden 7 Wortklassen nach ihrer syntaktischen Funktion,
ohne
sie in zwei Gruppen zu unterteilen. Heibig
(1978; 1981: 22-23) weist auch darauf hin, daß das
Problem der "Auto- vs. Synsemantie" in unterschiedlichem
Licht
zu betrachten ist. Auf der einen Seite wird das Problem vom Standpunkt des Benennungs- und des Hilfscharakters der betrachtet, d. h. ihrer Autonomie/Nicht-Autonomie
Wortarten
als Wortarten
und Satzglieder. Autosemantische Wortarten in diesem Sinne sind Substantive, Verben und Adjektive, sie sind selbständig als Einheiten der Sprache und als Satzglieder. Synsemantische erfüllen eine Funktion in der Morphologie oder in der Syntax
(Artikel,
Wortarten
Hilfsverb)
(Präposition, Konjunktion, Partikel,
Kopula-
verb) . In einer anderen Betrachtungsweise
geht die Grenze
zwischen
autosemantischen und synsemantischen Wörtern nicht parallel zu den Wortartengrenzen, sondern verläuft durch die Wortarten
hin-
durch. Diese Verwendung von auto- vs. synsemantisch ist verbunden mit der lexikalischen Vollständigkeit/Unvollständigkeit
der
benen-
nenden Wortarten. So gibt es autosemantische Substantive wie der Gelehrte; das Substantiv das Mitglied ist dagegen
synsemantisch,
weil es ohne weitere Bestimmung wie ζ. B. der Partei, der
Familie
nicht genügend Information enthält. Auch Adjektive und Verben wie gut und schlafen sind in diesem Sinne autosemantisch,
dagegen
18 ähnlich und bekommen sind synsemantisch, weil sie
Ergänzungen
fordern. Neu in die Diskussion kam die alte Frage durch
Bedeutungs-
konzepte der Prototypen- oder Stereotypensemantik,
die in letz-
ter Zeit aus der kognitiven Psychologie in die Linguistik,
spe-
ziell die lexikalische Semantik übernommen wurden. In diesem sammenhang wurde das Problem aktuell, ob das aus
Zu-
psychologischen
Forschungen zu Begriffs- und Wortbedeutungserwerb
in die
lexika-
lische Semantik übertragene Bedeutungskonzept sich für den gesamten Wortschatz als einschlägig erweist oder nur für einige
Wort-
klassen . Ein in diesem Kontext viel behandelter Gegenstand ist die Unterscheidung zwischen "sprachlichem" oder "lexikalischem"
Wis-
sen, das in den Wortbedeutungen kodifiziert sei im Unterschied zu enzyklopädischem Wissen, das nicht in die Wortbedeutung geht. Die Verwendung dieses Begriffspaares lexikalisches
ein-
vs.
enzyklopädisches Wissen sowie die Behandlung lexikalischer
Bedeu-
tungen als Kodifizierung von Wissensmengen welcher Art auch immer führt zu ernsten Schwierigkeiten, wenn mit diesem Konzept die Erklärung der Bedeutungen von Funktionswörtern
auch
angestrebt
wird. Es scheint, daß die in der Grammatiktheorie diskutierte
Frage
nach dem Wesen grammatischen Wissens auch für die Bedeutung Funktionswörtern einschlägig
von
ist, da diese sich sozusagen an der
Grenze zwischen Lexik und Grammatik befinden und deshalb schaften beider Systeme in sich vereinigen. Das
Eigen-
Charakteristische
des sogenannten grammatischen Wissens besteht darin, daß es in der Regel dem Bewußtsein nicht zugänglich und deswegen von dem Einzelnen, der über dieses Wissen verfügt, nicht expliziert den kann. Dieser Typ von Wissen wird deshalb als
wer-
"intuitive
knowledge" oder "tacit knowledge" bezeichnet. Ein solcher
Wissens-
begriff steht aber im Widerspruch zu dem, was üblicherweise
unter
Wissen verstanden wird, nämlich daß es bewußt gemacht und von demjenigen, der über dieses Wissen verfügt, auch erklärt werden kann. Der Begriff
"tacit knowledge" ist also ein Widerspruch in sich.
Chomsky, auf den dieser Begriff zurückgeht, verwendet ihn deshalb
19
in neueren Arbeiten nicht mehr, sondern ersetzt ihn durch den Terminus "cognize/cognizance"
(s. Fanselow/Felix
1987:
28-40).
Ähnlich wie das grammatische Wissen ist auch das Wissen über Bedeutung und Funktion der Funktionswörter den
Muttersprachlern,
die es besitzen, zum Teil unbewußt, so daG es fraglich ist, ob der Wissensbegriff, der den Termini
"lexikalisches/enzyklopädi-
sches Wissen" zugrunde liegt, auf Funktionswörter
anwendbar
ist.
Es ist deshalb sicher kein Zufall, wenn Linguisten, die sich speziell mit Funktionswortbedeutungen
beschäftigen, die Frage
len, ob unterschiedliche Typen von Bedeutungen anzunehmen Als besonders explizit sei hier die Meinungsäußerung Burkhardt
stelsind.
von
(1979) angeführt, der in seiner Antwort auf die Frage
nach der Bedeutung der Wörter dafür plädiert, von einem für alle Wortklassen gültigen Bedeutungskonzept von Wortbedeutungen
abzusehen und drei
Typen
anzunehmen:
1. Namen 2. Vollwörter oder
Begriffswörter
3. Funktionswörter
(Synsemantika), die er weiter
(a) kommunikative (b) grammatische Adverbien und unterteilt.
(Gesprächswörter)
in
und
(Artikel, Präpositionen,
Konjunktionen,
Abtönungspartikeln)
In Anlehnung an Wittgensteins
Bedeutungstheorie
identifiziert er die Bedeutung der Funktionswörter mit ihrem Gebrauch. Die Funktionswörter hätten, so meint er, "keine liter zureichend explizierbare Bedeutung außer ihrem
verba-
Gebrauch.
Sie haben nur eine - kommunikative oder grammatische - Funktion, deshalb ist ihre Arbeits- und Verwendungsweise nur über die Beispiele der Sprachpraxis zu lernen. Hier sind Gebrauch und Bedeutung identisch"(Burkhardt
1979: 140). In der Identität von Ge-
brauch und Bedeutung besteht Burkhardt zufolge die Spezifik
der
Bedeutung der Funktionswörter. Darin, so Burkhardts von Wittgenstein abweichende Auffassung, unterscheidet sich deren
Bedeutung
von der Bedeutung der Eigennamen und der Vollwörter, die sich zwar in ihrem richtigen Gebrauch zeige, aber nicht mit diesem identisch sei. Wittgenstein hatte Identität von Bedeutung und Gebrauch für alle Typen von Wörtern
angenommen.
20
Neben der von Burkhardt vertretenen Auffassung, daß
verschie-
dene Typen von Wortbedeutungen zu unterscheiden seien, und der Meinung von Lutzeier, es gebe keine ausreichende Motivation die Annahme zweier Bedeutungstypen, wollen wir auf die
für
folgende,
auch heute noch häufig anzutreffende Ansicht hinweisen, die im Laufe der Geschichte der Sprachwissenschaft
vielfach
variiert
wurde: Lyons (1972: 445-448) weist sowohl auf die vorhandenen
Gründe
der Unterscheidung von "lexikalischer" und "grammatischer" tung hin als auch auf die Problematik
der
Bedeu-
Klassifizierungskrite-
rien. Aus seiner Darstellung geht besonders deutlich hervor, diese Grenze nicht klar definierbar
ist und daß sie
daß
nicht ein-
deutig zwischen Wortschatz und Grammatik verläuft, sondern daß die Funktionswörter
in einer solchen Einteilung eine
dene Position zwischen den "bedeutungshaften"
unentschie-
"Wortarten im eigent-
lichen Sinne", den "Hauptredeteilen" oder "Vollwörtern", die eine "lexikalische Bedeutung" haben und der "grammatischen" oder turellen Bedeutung", die sowohl grammatische Elemente wie
Tempus,
Genus, Modus u. a. als auch Funktionswörter wie Pronomina, sitionen, Konjunktionen, Hilfsverben u. a. haben. Dieser sung zufolge haben die "Vollwörter" sowohl
"lexikalische"
auch "grammatische Bedeutung", die Funktionswörter nur tische
"strukPräpo-
Auffasals
"gramma-
Bedeutung".
Der hier verwendete Begriff von "grammatischer
Bedeutung"
trägt der Erkenntnis Rechnung, daß es keine eindeutige
Zuordnung
gibt, welche Typen von Bedeutungen nur grammatisch oder nur
lexi-
kalisch ausdrückbar sind. Es ist nicht universell, sondern nur einzelsprachlich e n t s c h e i d b a r , wo die Grenze liegt zwischen dem sprachlichen Inhalt, der m o r p h o l o g i s c h - s y n t a k t i s c h
ausgedrückt
wird, und dem, der im lexikalischen Bestand repräsentiert
ist.
Angesichts der angedeuteten Schwierigkeiten stellt sich für jemanden, der sich mit der Bedeutung der Funktionswörter schäftigen will, zuerst die Frage, welche Fakten der
be-
Begriffs-
bildung Funktionswörtern zugrunde liegen. Wir verbinden mit der folgenden Übersicht über einige der uns bekannten
Klassifikatio-
nen nicht die Hoffnung, dadurch eine Klärung der Frage, ob die Unterscheidung zweier Typen von Wortbedeutung nun
tatsächlich
21 begründet ist, zu erreichen. Es ist auch nicht möglich, die jeweiligen Auffassungen zu diesem speziellen Problem in den vollständigen Kontext der betreffenden linguistischen Theorien ordnen, deren Teil sie sind, so daß viele Zusammenhänge bleiben
einzu-
ungenannt
werden.
Hit einer Übersicht über die Geschichte der
Begriffsbildungen,
die die Einteilung der Wörter in Autosemantika und
Synsemantika
reflektiert, kann u. U. ein besseres Verständnis der Spezifik der Funktionswörter erreicht werden. Denn auf diese Weise zeigt sich nicht nur, daß es bestimmte Perioden gab, in denen die Thematik ausführlicher behandelt wurde, so im 13. Jahrhundert, im IB. Jahrhundert in England und im 20. Jahrhundert bis in die neueste Zeit. Wesentlicher
ist, daß in den zahlreichen Abhandlungen,
die
sich im Laufe der Geschichte der Sprachwissenschaft mit dieser Problematik befaßten, einige wenige Unterscheidungskriterien die Annahme zweier Typen von Wortarten mit einer gewissen
für
Varia-
tion immer wieder aufgegriffen wurden. Manche der Kriterien
sind
in dieser Übersicht aus methodischen Gründen unterschieden,
sie
hängen aber inhaltlich eng miteinander zusammen. Nach wird auf diesen Zusammenhang hingewiesen. Durch die Übersicht festigt sich der Eindruck, daß diese
Möglichkeit
historische
Begriffsbildung
sich auf mehrere verschiedene, wenn auch zusammenhängende punkte gründet. Eine Sammlung der Kriterien, die als bestimmend für die Spezifik der Bedeutung von
Gesichts-
Sprachforscher Funktionswörtern
oder Synsemantika ansahen, kann für eine bessere Einsicht in das Wesen des von diesen Wortarten kodifizierten Inhalts nur
nützlich
sein. Nützlich wäre sie damit auch für das Verständnis des Teils der lexikalischen Semantik Wortartenbedeutung,
(der Wortbedeutung), der sich mit der
dem, was häufig
Wörter genannt wurde,
"strukturelle Bedeutung" der
befaßt.
Die Untersuchungen zum Thema bezeugen Auffassungen, daß bei den Wortarten vor allem zwischen folgenden Typen von tung zu unterscheiden
sei:
Wortbedeu-
22
2.1
Begriffs-/Beziehungsbedeutung
Am häufigsten wird unterschieden zwischen Wörtern, die bezeichnen, und anderen, die die Verbindung dieser
Begriffe
Begriffswör-
ter zu einem vollständigen Satz, dem Ausdruck eines
Gedankens,
ermöglichen. Eine solche Einteilung ist bereits aus dem Mittelalter bekannt. Das in dieser Periode verwendete paar "kategorematische/synkategorematische"
frühen
Begriffs-
Wörter wurde
von altgriechischen Grammatikern geprägt. Diese
bereits
Unterscheidung
entspricht im Wesentlichen der auch heute noch üblichen: auf der einen Seite Substantive, Verben, Adjektive und Adverbien, auf der anderen Seite die
Funktionswortklassen.
Man erkannte auch damals die Korrelation mit
morphologischen
Kriterien: einerseits die "declinabiles", davon zu trennen die "indeclinabiles". hungsbedeutung
Ebenso stehen die Kriterien
Begriffs-/Bezie-
im Zusammenhang mit der Bezugnahme der
Wortklassen
auf Kategorien der Realität. Die kategorematischen Wortklassen zeichnen im Einklang mit der Kategorienlehre des Aristoteles griffe. Diese bilden das Wesen der Erscheinungen der
be-
Be-
Realität
ab. Die synkategorematischen Wörter wie Quantoren,
Präpositionen
und Konjunktionen haben keine direkte Entsprechung
in der
tät und also keine eigene Bedeutung, sie haben nur eine
Reali-
"Mitbe-
deutung" (consignificatio), die sie dadurch erhalten, daG sie die bedeutsamen Wörter zu einem sinnvollen Satz verbinden. Diese Lehre ist auch der Ursprung der späteren Unterscheidung tern, die ein Denotat haben und Wörtern ohne
zwischen Wör-
Denotat.
Eine wesentlich andere Interpretation der Termini bedeutung/Beziehungsbedeutung
Begriffs-
erkennen wir in den Theorien eng-
lischer Sprachphilosophen des 18. Jahrhunderts. Harris
(1751),
Tooke (1798-1805) und am Anfang des 19. Jahrhunderts Fearn 1827) unterschieden prinzipiell zwischen Wörtern, die und anderen, die Relationen bezeichnen. Nach dieser
(1824-
Begriffe,
Unterschei-
dung stehen auf der einen Seite als Ausdrücke für Begriffe
Sub-
stantive, Adjektive und Adverbien, auf der anderen Seite die Zeichen für Relationen, als deren typischstes das Verb gilt.
Daneben
Präpositionen, Konjunktionen und nach einigen Autoren auch andere Funktionswörter.
Nur Harris macht eine Ausnahme. Er
unterscheidet
23 ebenfalls zwischen "absoluter" und "relativer" Bedeutung, net das Verb aber zu den Hauptwortarten mit "absoluter"
rech-
Bedeu-
tung . Bei den anderen genannten englischen Sprachtheoretikern läuft die Grenze zwischen Begriffswörtern und
ver-
Relationswörtern
nicht parallel zu der bekannten zwischen Begriffs- und Funktionswörtern, denn die Verben gelten ihnen ebenso wie
Präpositionen
und Konjunktionen als typische Relationswörter. Man erkennt
hier
den Einfluß der "Allgemeinen Grammatik", einer Richtung der
Sprach-
theorie, die die Sprache als Ausdruck allgemeiner menschlichen Denkens untersuchte.
Prinzipien
In der bekanntesten
dieser Richtung von Arnauld/Lancelot
(1660) wird
Grammatik
unterschieden
zwischen Wortarten, die die "Objekte des Denkens" bezeichnen, sind Substantive
(und Adjektive), Artikel, Pronomen,
das
Präpositio-
nen und Adverbien gegenüber Wortarten, die die "Art des Denkens" bezeichnen: Verben, Konjunktionen und Interjektionen. Grammatik erscheint die Gegenüberstellung
In dieser
von Wortarten,
die
"Objekte des Denkens" und anderen, die die "Art des Denkens" zeichnen, gleichzeitig als Gegenüberstellung
von Wortarten,
bedie
Begriffe für Objekte der äußeren Welt benennen, und Wortarten, die geistige Tätigkeiten bezeichnen. Die geistige Tätigkeit, die in der Wortart Verb zum Ausdruck kommt, ist die, die Begriffe zu einem Urteil zu verbinden. Dieses Urteil wird durch den Satz ausgedrückt. Konjunktionen verbinden zwei Urteile zu einer Aussage. Die Wortarten, die die "Art des Denkens" sind also gleichzeitig Ausdrücke: für
komplexen
bezeichnen,
Relationen.
Wenn auch die englische Sprachtheorie, vor allem unter dem sensualistischen Einfluß Lockes (1690), sich in ihrer
wesent-
lichen Orientierung von der Richtung der "Allgemeinen
Grammatik"
abwandte und als Untersuchungsgegenstand nicht mehr die in allen Sprachen repräsentierte apriorische Grammatik ansah, sondern die Sprache als beobachtbares Phänomen betrachtete, von dem aus allgemeine Gesetzmäßigkeiten der Sprache und des Denkens
abzulei-
ten sind, ist der Einfluß der Theorie der Universalgrammatik
in
der Frage der Unterscheidung von Wortarten, die Objekte und andere, die Relationen bezeichnen, doch deutlich zu erkennen.
24
Tooke
(1798-1805) unterscheidet zwischen Begriffswörtern
als
Ausdruck des Denkens und Wörtern für Relationen, die er, ebenso wie Locke (1690) es tut, als für die Kommunikation des Gedankens notwendig erachtet. Die Einbeziehung der Erfordernisse der nikation für die Einteilung der Wortarten ist ein Beitrag der englischen Sprachphilosophen
Kommu-
eigenständiger
im 18. Jahrhundert.
die eigentlichen Funktions- oder Nebenwortarten hat Tooke ganz persönliche Interpretation. Er erklärt sie als
Für
eine
Abkürzungen
für Inhalte von Hauptwortarten. Eine ähnliche Erklärung des Inhalts von Funktionswörtern als Abkürzungen finden wir auch bei Marty
(1928) wieder, der ζ. B. Konjunktionen als
Kürzel für ganze Aussagen
stenogrammartige
versteht.
In der Interpretation John Fearns (1824-1827) bekommt die Einteilung in Zeichen für Objekte und Zeichen für Relationen
einen
neuen Aspekt. Fearn stellt eine direkte Parallele zwischen licher Sprache und der Sprache der Mathematik her. Den
natür-
Zeichen
für mathematische Operationen entsprechen in der Sprache die Relationsausdrücke Verb und Präposition. Sie sind Zeichen für sche Verbindungen und eigentlicher Gegenstand der
logi-
Sprachforschung.
In diesen Zeichen käme die besondere Spezifik sprachlicher
Inhal-
te zum Ausdruck, während Substantive außersprachliche Objekte zeichnen und somit ihre Inhalte nicht in das Gebiet Bedeutungen
be-
sprachlicher
fallen.
Zur Frage der Begriffs- und Beziehungsbedeutung
hat
Humboldt
(1830-1835) die Auffassung vertreten, die dann häufig und auch von Ernst Otto (1954) noch einmal bekräftigt wurde, daß man wohl diese beiden Arten von Bedeutung im Wortbestand unterscheiden ne, daß jedoch in den meisten Wörtern beide Arten kombiniert und Wörter, die entweder durch Begriffs- oder nur tung ausdrücken,
2.2
in der Sprache nicht
Lexikalische/grammatische
könseien
Beziehungsbedeu-
vorkämen.
Bedeutung
Nicht ohne Zusammenhang damit, aber doch verschieden davon ist die Unterscheidung von lexikalischer und grammatischer
Bedeutung,
deren Ursprünge wir ebenfalls schon im Mittelalter erkennen nen. Die Modisten unterschieden bei der Untersuchung der
kön-
Wortbe-
25 deutung zwischen dem "modus significandi", das ist die die Wortarten konstituierende
Bedeutungsweise,
und der
"significatio",
der Bedeutung. Unter dem "modus significandi" verstanden sie den Teil der Wortbedeutung, in dem sich ζ. B. weiß, die Weiße und weißen unterscheiden, die Bedeutung
ist der andere Teil des Wort-
inhalts, den diese Wörter gemeinsam
haben.
Unter Verwendung von ganz ähnlichen Beispielreihen Coseriu
illustriert
(1964) die gleiche Unterscheidung, die auch er macht zwi-
schen "lexikalischer" und "kategorieller" Bedeutung. Die lische Bedeutung drücke das Was der Erfassung der
lexika-
außersprachli-
chen Welt aus, während die kategorielle Bedeutung dem Wie der Erfassung der außersprachlichen Welt entspräche. So hatten die Modisten ihre Einteilung auch
gemeint.
Auf dieser Einteilung begründet Coseriu (1964) die dung zweier semantischer Typen von Wörtern:
Unterschei-
lexematische/nicht
lexematische Wörter. Die lexematischen Wörter haben nach
Coseriu
sowohl lexikalische als auch kategorielle Bedeutung. Die nichtlexematischen Wörter haben nur kategorielle, keine
lexikalische
Bedeutung. Die lexikalische Bedeutung ist die "eigentliche", nur die lexematischen Wörter gehören zum "eigentlichen
und
Wortschatz".
Nur dieser sei auch strukturell gegliedert, ζ. B. in Wortfelder mit einem gemeinsamen Feldwert, der durch semantische oder "Seme" angebbar
Merkmale
sei.
Coseriu ist einer der prominentesten Begründer der len Semantik oder Merkmalsemantik.
strukturel-
Diese seine Auffassung
1964, daß nur die lexematischen Wörter der semantischen zugänglich seien, ist auch heute in der Diskussion zur schen Semantik noch nicht ganz
lexikali-
ausgeräumt.
Ein Vorgänger dieser Art von Unterscheidung zwischen scher und grammatischer
von
Analyse
Bedeutung ist Fries (1952). Er
in ähnlicher Weise lexikalische und strukturelle Die Grundlage seiner Einteilung sind aber formale
Bedeutungen. syntaktische
Kriterien. Aufgrund dieser Kriterien kommt er zu vier sen von Wörtern mit lexikalischer und struktureller Diese Formklassen entsprechen im wesentlichen den
lexikaliunterschied
Formklas-
Bedeutung.
traditionellen
Wortarten Substantiv, Adjektiv, Verb und Advferb. Außer diesen unterscheidet er 15 Funktionswortklassen.
Das sind Wörter, die nur
26
strukturelle, keine lexikalische Bedeutung haben. Als
Syntaktiker
wertet er die beiden Teile des Wortschatzes aber anders als Coseriu. Fries sieht nur den strukturellen Bedeutungsanteil
der Wör-
ter als sprachspezifisch, als systemhaft zur Sprache gehörig der lexikalische Bedeutungsanteil
bezieht sich auf
an,
Außersprach-
liches, er ist nicht eigentlich Gegenstand sprachlicher
Untersu-
chungen . Die neuere Unterscheidung von Schippan (1984) zwischen
auto-
semantischen und synsemantischen Wörtern paßt wohl am ehesten in den Zusammenhang der Unterscheidung lexikalischer und
grammati-
scher Bedeutung, sie weicht jedoch in der Zuordnung der nellen Wortarten zu diesen Kategorien von bekannten
traditio-
Vorbildern
ab. Autosemantische Wörter mit selbständiger begrifflicher
Bedeu-
tung sind nach Schippan (1984) außer Substantiven, Verben, tiven und Adverbien auch bestimmte Funktionswörter mit ter "lexisch-grammatischer"
Bedeutung, die nach ihrer
Adjek-
sogenannAuffassung
in der Lage sind, eine Beziehung begrifflich-verallgemeinernd
zu
benennen. Solche "autosemantischen" Funktionswörter seien ζ. B. die Präpositionen während, seit, entgegen und die
Konjunktionen
ohne und oder. Zu den Synsemantika rechnet sie nur solche Funktions- und Hilfswörter, die keine "lexisch-semantische"
Selbständigkeit
ben, die nur Beziehungen zwischen sprachlichen Einheiten
ha-
herstel-
len, so ζ. B. die Konjunktion daß und die Präpositionen auf in achten auf, für in sorgen für und über in sprechen über. ist sie bemüht, eine Trennung zwischen "bedeutsamen" chen oder begrifflich-relationalen
und "bedeutungsleeren"
matischen Hilfswörtern herzustellen. Diese Einteilung auch die Funktionswörter
2.3
Lexikalische
Damit
begriffli-
in bedeutsame und
gram-
trennt
bedeutungsleere.
Vollständigkeit
Einen weiteren Aspekt der Einteilung in autosemantische und synsemantische Wörter sah man auch in dem unterschiedlichen Wert der Wörter hinsichtlich dessen, ob sie in der Lage sind, einen ständigen" Begriff oder Gedanken auszudrücken, wobei der der Vollständigkeit noch verschieden interpretiert werden
"voll-
Begriff kann.
27 Hier ist vor allem Marty (1928) zu nennen, auf dessen suchungen die Termini Autosemantika und Synsemantika
Unter-
zurückgehen.
Diese beiden oft verwendeten Begriffe verstand er aber anders als wir es heute gewöhnt sind, ζ. B. von Heibig Autosemantika
(1978).
in Martys Sinn sind selbstbedeutsame
Ausdrücke,
Ausdrücke, die für sich allein eine begriffliche Vorstellung einen vollständigen Gedanken bezeichnen. Selbstbedeutsame drücke für begriffliche Vorstellungen sind Namen oder und Personalpronomen.
oder
Aus-
Substantive
Ausdrücke für vollständige Gedanken
sind
Sätze, genauer: Hauptsätze. Nur diese Kategorien sind nach Marty Autosemantika. Damit ist klar, daß seine Art semantischer rung night auf Wortartenklassifikationen
Typisie-
beschränkt ist, auch grö-
ßere sprachliche Einheiten (Sätze) sind in die
Kategorisierung
einbezogen. Ebenso versteht Marty Synsemantika als solche
Sprachmittel,
die allein weder eine begriffliche Vorstellung noch einen
voll-
ständigen Gedanken ausdrücken können, sondern nur zusammen mit autosemantischen Ausdrücken. Synsemantika in diesem Sinne subordinierende Konjunktionen, Präpositionen und
sind
Nebensätze,
ζ. B. daß-Sätze, aber auch Adjektive und Verbformen wie sitzt, geht. Diese Verbformen sind synsemantisch, weil sie erst
zusam-
men mit einem Namen (Substantiv oder Personalpronomen) zu einem vollständigen Ausdruck, einem Satz werden. Imperative sind in diesem Sinne autosemantisch. Auch Adjektive
dagegen
benötigen
ein Substantiv, um mit diesem zusammen einen bedeutsamen druck, in diesem Falle eine begriffliche Vorstellung,
Aus-
ausdrücken
zu können. Es zeigt sich, daß nach Marty nur Substantive und Personalpronomen autosemantische Wortarten sind. Dagegen versteht er verschiedene Kategorien wie Negationspartikel,
koordinierende
Konjunktionen und Satzadverbien, die heute als typische wörter und Synsemantika gelten, als dem Inhalt nach
Funktions-
autosemanti-
sche Wortarten. Marty spricht von "logisch nicht begründeten semantika", weil den Wörtern auf der Ausdrucksebene keine ge Gliederung auf der inhaltlichen Seite entspreche, er sie als stenogrammartig
Syn-
analo-
versteht
verkürzend für einen ganzen Satz, so
entspreche ζ. B. der koordinierenden Konjunktion aber
inhaltlich
ein Satz wie: "Die eine Tatsache ist das Gegenteil dessen, was die andere erwarten
ließe".
28 Heute werden die Termini Autosemantika und Synsemantika auf lexikalische Einheiten bezogen, komplexere Einheiten
nur
kommen
nicht in Betracht. Trotzdem werden die beiden Begriffe auch heute in mehr als einem Sinne gebraucht. Heibig
(1978)
die oben erwähnten zwei Verwendungsweisen dieser
2.4
Denotative/nicht denotative
unterscheidet
Termini.
Bedeutung
Viele Klassifikationen verwenden als Kriterium für die
Einteilung
in Begriffs- und Funktionswörter die Bezeichnungsfunktion
der Wör-
ter. Als begrifflich wird die Wortbedeutung verstanden, wenn mit den Wörtern Gegenstände, Erscheinungen, Prozesse, Merkmale etc. der Realität verallgemeinernd benannt werden können. In der Regel erkennt man diese Fähigkeit den Hauptwortarten Substantiv, Adjektiv und Adverb zu. Funktionswörter werden gewöhnlich
Verb, nicht
als Zeichen für Erscheinungen der äußeren Welt verstanden, schreibt ihnen häufig die Funktion zu, auf geistige
Tätigkeiten
des erkennenden Subjekts bzw. des Sprechers zu verweisen. Auffassungen kennen wir schon aus dem
Solche
Mittelalter.
Besonderen Schwerpunkt legten die Vertreter der "inhaltbezogenen Grammatik" auf diesen Aspekt der So unterscheidet Brinkmann
man
sogenannten Wortbedeutung.
(1950/51) zwischen den "höheren"
arten Substantiv, Verb, Adjektiv und Adverb, in denen eine
Wort"gei-
stige Prägung" der Außenwelt zum Ausdruck komme, und mit denen der Mensch in der Lage sei, die Welt auf eine besondere Weise abzubilden, während dies mit Wortarten wie Konjunktion oder
Präpo-
sition nicht möglich sei. Aus diesem Grunde bezeichnet er
letztere
als "niedere"
Wortarten.
Auch Hempel (1954) vertritt eine "inhaltbezogene" und unterscheidet wie Brinkmann Nennwörter
Grammatik
(Substantiv,
Adjektiv,
Verb und Adverb), mit denen Teile der Wirklichkeit benannt von den Fügwörtern
werden,
(ζ. B. Konjunktionen), die sich nicht auf Tei-
le der Wirklichkeit beziehen und daher oft als bedeutungsleer
ver-
standen werden. Hempel schließt sich jedoch nicht der damals geläufigen Ansicht an, daß ein Wort nur dann Bedeutung hat, wenn es auf ein Denotat, d. h. eine begriffliche Verallgemeinerung Ausschnitten der äußeren Welt verweist, und anderenfalls
von
bedeu-
29
tungsleer
ist. Er betrachtet die Bedeutung der Fügwörter zwar als
nicht-denotativ,
denn sie bezögen sich nicht auf Teile der Wirk-
lichkeit. Nichtsdestoweniger
käme in ihrer Aufgabe, dem
Ordnen der durch die Nennwörter benannten Teile der die höchste gestalterische Kraft der Sprache zum
geistigen
Wirklichkeit,
Ausdruck.
Der Bezug auf die Realität oder das Denotat ist zu allen ein häufiges Kriterium für die Ausgrenzung der
Zeiten
Funktionswörter
gewesen.
2.5
Deskriptive/logische
Konstanten
Dieses Kriterium liegt auch der Unterscheidung von
deskriptiven
und logischen Konstanten in satzsemantischen Modellen (Bäuerle 1985). Wörter mit deskriptivem
zugrunde
Inhalt beziehen ihre Be-
deutung nicht nur aus ihrer Funktion als Komponenten der deutung, sie verweisen gleichzeitig
auch auf empirische
SatzbeWissens-
bereiche, die im Rahmen der kompositionellen Satzsemantik als sprachliches Wissen gelten, welches den eigentlichen stand der Semantik bildet. Auch in diesem theoretischen gibt es nur eine Grobeinteilung
in Wörter, die neben
nicht Gegen-
Rahmen
kompositio-
neilen Eigenschaften auch einen deskriptiven Inhalt haben, d. h. die auf empirisches Wissen verweisen, und andere, als deren Inhalt allein Spezifikationen für die Komposition der zu komplexen Einheiten
Teilausdrücke
gilt.
Eine scharfe Trennung zwischen beiden Typen von Wörtern ist auch hiermit nicht zu erreichen, da bestimmte Wortklassen
nicht
so eindeutig dem einen oder dem anderen Typ zuzuordnen sind.
Er-
kennbar ist die Verwandtschaft zu den Klassifikationen von Fries (1952) u.a., die Wörter mit lexikalischer und struktureller Wörtern mit struktureller ohne lexikalische Bedeutung
von
unterschie-
den. Fries hatte aber die semantische Seite der Wörter mit nur struktureller Bedeutung nur sehr vage
gekennzeichnet.
Auch die häufig gemachte Einteilung in Begriffs- und
Beziehungs-
bedeutung von Wörtern ging schon in die Richtung auf eine
Unter-
scheidung zwischen deskriptiver und logischer Funktion. Der sche Sprachtheoretiker
Tooke (1798-1805) hatte dieses
engli-
Kriterium
als das wesentliche angesehen und eine Parallele zwischen
natür-
30 licher Sprache und der Sprache der Mathematik hergestellt.
Der
Fehler seiner Klassifikation und der aller seiner Vorgänger
und
Nachfolger, die ebenfalls zwischen Wörtern mit begrifflicher
und
anderen mit relationaler Bedeutung unterscheiden wollten, ist jedoch, daß sie übersehen, daß im Wortschatz natürlicher
Sprachen
diese beiden Bedeutungstypen in der Regel nicht in reiner getrennt nach Wortklassen vorkommen, sondern gemischt. Lutzeier
Form
Auch
(1985) wies erst kürzlich darauf hin, daß dieses
rium für eine Unterscheidung von Auto- und Synsemantika
Krite-
nicht
taugt. Besonders das Verb ist die typische Wortklasse, die liche und relationale Bedeutung
begriff-
verbindet.
Die in der kompositionellen Satzsemantik gemachte
Einteilung
beruht auf einem anderen Kriterium: Logische Wörter oder
Funk-
tionswörter sind in diesem Modell solche, die sprachliche
Äquiva-
lente für aussagenlogische Operatoren sind, das sind vor allem die logischen Junktoren /ν , /\ > V und die modal-logischen Operatoren
> —> φ
> die Quantoren und
0
,3
.
Sprachliche Äquivalente für diese logischen Ausdrücke sind vor allem Konjunktionen, Quantorenausdrücke wie auch Artikel
und
Satzadverbien. Diese Wortarten werden im Rahmen des Modells als typische Funktionswörter betrachtet, der Status anderer, ζ. B. der Präpositionen,
ist weniger
eindeutig.
Nach dem Modell der kompositionellen Satzsemantik nannte logische Wörter sprachliche Äquivalente für
sind soge-
aussagenlogi-
sche Funktoren. Diese spezifizieren Relationen zwischen Auch Prädikate, die Relationen innerhalb von Sätzen
werden im Rahmen des Modells als Funktoren dargestellt. liche Ausdrücke für Prädikate oder Funktoren mit
Sätzen.
spezifizieren, Sprach-
Individuenvariab-
len oder - k o n s t a n t e n als A r g u m e n t m sind typischerweise Verben und Präpositionen.
Sie sind durch das genannte Kriterium von den lo-
gischen oder Funktionswörtern
abgegrenzt.
Kriterium für logische oder Funktionswörter
ist also nicht die
relationale Bedeutung schlechthin, die auch Wortarten mit licher oder deskriptiver Bedeutung haben, ζ. B. Verben. ist ihr Status als Äquivalent für aussagenlogische für Funktoren mit Argumenten vom Typ Satz.
begriff-
Kriterium
Operatoren,
31 Sprachliche Äquivalente von Funktoren mit
Individuenkonstanten
oder -variablen zählen nicht zu den Funktionswörtern der kompositionellen
im Modell
Satzsemantik.
Dieses Einteilungskriterium, das auf dem Status der Funktoren im System der Logik basiert, hat noch eine zweite Seite: Funktorausdrücke mit Individuen als Argumenten werden lich durch deskriptive Konstanten ausgedrückt. Diese auf empirische
sprach-
verweisen
Wissensbereiche.
Funktorausdrücke mit Argumenten vom Typ Satz korrelieren sprachlich mit logischen oder Funktionswörtern. Als ihre Funktion werden rein mentale Operationen angesehen, die keinen direkten Bezug auf empirische Daten haben.
2.6
Eidetische/operative
Bedeutung
Als weiteres Beispiel einer Klassifikation der
Bedeutungsarten
sei die von Lang (1977) angeführt. Lang (1977: 63-73) den Terminus "operative Bedeutung" für die den eigene Bedeutungsart.
verwendet
Funktionswörtern
In der Sprachphilosophie wird ein
eidetischer
von einem operativen Sinn eines Zeichens unterschieden. Ein Zeichen hat innerhalb eines Systems von Zeichen einen eidetischen wenn seine Bedeutung oder sein Designat bekannt ist.
Sinn,
Zeichen,
die keinen eidetischen Sinn haben, sind deswegen keineswegs los. Sie können einen operativen Sinn haben. Einen
sinn-
operativen
Sinn hat ein Zeichen innerhalb eines Systems von Zeichen, wenn die syntaktischen Regeln für seinen Gebrauch bekannt sind (vgl.
Philo-
sophisches Wörterbuch 1976). Die Unterscheidung zwischen Sinn und Bedeutung, wonach mit einem Zeichen dessen Sinn ausgedrückt
und
dessen Bedeutung bezeichnet wird, geht auf Frege (1892) zurück. Lang definiert an obiger Stelle operative Bedeutung als solche Art der Bedeutung, der eine Anweisung entspricht, bestimmte rationen auszuführen über anderen, näher zu
charakterisierenden
Einheiten. Das ist die Art von Bedeutung, die die oft Ausdrücke"
Ope-
"logische
(vgl. auch Punkt 2.5) genannten Wortarten wie
Quanto-
ren, Artikel, Negationspartikeln und Konjunktionen gemeinsam ben. Jede dieser Wortarten unterscheidet sich von der
ha-
anderen
durch den Typ von Operationen. Die operative Bedeutung von Konjunktionen, mit denen sich Lang (1977) speziell befaßt,
besteht
32
darin, daß sie Anweisungen repräsentiert, über den
Konjunktbedeu-
tungen bestimmte Operationen auszuführen. Die Bedeutungen der einzelnen Konjunktionen unterscheiden sich in der Art des hangs zwischen den durch die Konjunktbedeutungen
Zusammen-
repräsentierten
Sachverhalten. So enthält die Bedeutung von und die
Anweisung:
"Betrachte die in SB^ und SB2 repräsentierten Sachverhalte ZUGLEICH GELTEND im Hinblick auf eine gemeinsame
als
Einordnungs-
instanz ! " Die Bedeutung von oder enthält die Anweisung:
"Betrachte
die
in SB^ und SB2 repräsentierten Sachverhalte als Alternativen nerhalb einer gemeinsamen Einordnungsinstanz und wähle, gelten
in-
welche
soll!"
Diese Betrachtungsweise der Bedeutung von
Funktionswörtern
wird in einigen neueren Arbeiten zu diesen Wortarten
aufgenommen,
wie in den folgenden Ausführungen zur Behandlung von
Funktions-
wörtern im Wörterbuch ersichtlich
wird.
Es ist vielleicht interessant, daß eine, allerdings nicht weiter ausgeführte Konzeption, Funktionswortbedeutungen
als Anwei-
sungen zu verstehen, bestimmte Operationen auszuführen,
auch
schon aus dem Mittelalter bekannt ist. In einem Traktat aus dem 13. Jahrhundert, das, möglicherweise
zu Unrecht, dem
Grammatiker
der modistischen Schule Roger Bacon zugeschrieben wird,
werden
die Wörter, die man heute zu den Funktionswörtern zählt,
aufgrund
ihrer speziellen Bedeutungsweise von den Begriffswörtern
unter-
schieden. Ihre Spezifik wird darin gesehen, daß sie nicht
etwas
bezeichnen, keinen Begriff wie die Begriffswörter, aber auch keine Funktion, sondern durch ihren Gebrauch werden
Funktionen
ausgeübt. Diese Bedeutungsweise wird später "significatio modum exercitus"
per
genannt.
Der unbekannte Autor argumentiert folgendermaßen: Es ist ein Fehler zu sagen, daß non die Negation bezeichne. Es bezeichnet nicht die Negation, sondern es ist ein sprachliches Mittel,
das
ein Sprecher als Instrument benutzt, um zu negieren oder zu verneinen, d. h. es ist die Funktion des Wortes non zu negieren. "Non significat negationem, sed negat".
(Nuchelmans 1983:
100-105)
Der Kern dieser Auffassung ist ebenfalls die Sicht, daß Funktionswörter dazu dienen, bestimmte mentale Operationen ren .
auszufüh-
33 2.7
Schlußbemerkung
Obwohl sich aus den in diesem Abschnitt ausführlich
dargestell-
ten Gründen eine homogene Klasse von Funktionswörtern, die aufgrund eindeutiger Kriterien den anderen Wortarten
gegenüberge-
stellt werden könnte, nicht bilden läßt, ist es auch aus praktischen Gründen sinnvoll, Funktionswörter von
"autosemantischen"
Wortarten zu unterscheiden. Besonders der Deutschunterricht Ausländer stellt hohe Anforderungen an die Vermittlung schen Wissens im Bereich der Funktionswörter. Diesem muß deshalb in Lernerwörterbüchern
für
lexikali-
Wortschatz
für Ausländer große
Aufmerk-
samkeit gewidmet werden, (s. dazu Kempcke, Abschn. 2.2.5.9 in diesem
Band)
Die Darstellung der Bedeutung von Funktionswörtern
bereitet
wegen ihres Mangels an Anschaulichkeit Schwierigkeiten.
Die von
diesen Wörtern ausgedrückten geistigen Tätigkeiten oder
Operatio-
nen bedürfen zu ihrer Beschreibung oft eines terminologischen ventars, das sich nur schwer in die Beschreibungssprache terbuchs integrieren
In-
des Wör-
läßt.
Eine Besonderheit der Funktionswörter besteht auch darin, daß ihre Bedeutung sich nicht von ihrer grammatischen Funktion
tren-
nen läßt. Gerade beim Spracherwerb kommt der von vielen der genannten Sprachforscher hervorgehobene Aspekt, daß
Funktionswör-
ter die innere Organisation einer Sprache zum Ausdruck
bringen
und das Gerüst der Sprache bilden, zum Tragen, weil damit halb des Wortschatzes einer Sprache diesem Bereich eine
tragende
Rolle zugewiesen wird. Eine ausführliche Beschreibung der tischen und semantischen Charakteristika Zwecke
innergramma-
ist daher für diese
angezeigt.
Andererseits gibt es andere Interessengruppen, führliche Darstellungen von Funktionswörtern notwendig sind. Der Informationsbedarf
für die so aus-
in Wörterbüchern
von Muttersprachlern
lexikalischem Wissen aus Wörterbüchern wird auf andere wie Neologismen, Fachwortschatz, stilistische gerichtet
nicht
an
Bereiche
Charakterisierungen
sein.
Die Unterscheidung des Funktionswortschatzes
von anderen
chen des Lexikons hat für die Zwecke der Darstellung
Berei-
in Wörter-
büchern daher ihre Bedeutung hinsichtlich des Stellenwertes, den beiden Bereichen für die anvisierten Nutzer zugemessen
der
wird.
34 3.
Makrostrukturen und Wortfelder
im
Neuere Arbeiten zu Bedeutungsrelationen
Funktionswortschatz? im Wortschatz
basieren
auf den Arbeiten Lyons' (1968; 1972: 439, 453-492 und 1980). Lyons verwendet die bekannte Einteilung in paradigmatische
und
syntagmatische Sinnrelationen für die Definition des Wortfeldbegriffes. Ein Wortfeld versteht er als eine syntagmatisch
und
paradigmatisch strukturierte Subklasse des Wortschatzes (1980 I: 279). Die von ihm beschriebene Methode in der lexikalischen
Seman-
tik sieht vor, den Sinn der lexikalischen Einheiten als Menge von Relationen zu definieren, die zwischen der betreffenden
Einheit
und Einheiten in demselben lexikalischen System bestehen. Zu den paradigmatischen Sinnrelationen
zählen
(a) Synonymie, die im strengeren und im weiteren
Sinne
verstanden werden kann. (b) Hyponymie. Mit Hilfe der Hyponymierelation können archische Strukturen im Wortschatz ausgedrückt wobei man sich diese Struktur nicht durchgängig systematisch wirksam vorzustellen
und
habe.
(c) Inkompatibilität besteht zwischen lexikalischen der gleichen hierarchischen Ebene
hier-
werden,
Elementen
(auch Kohyponyme
(d) Antonymie oder Bedeutungsgegensatz, wobei zu
genannt).
unterscheiden
ist zwischen Komplementarität, Antonymie im engeren zwischen graduierbaren Elementen und
Auf den Sinnrelationen Lyons' baut auch Lutzeiers definition auf. Nach Lutzeier
Sinne
Konversion. Wortfeld-
(1981) werden Wortfelder durch para-
digmatische Relationen zwischen Mengen von Wörtern bestimmt. Wort wird eine spezifische Position in der jeweiligen Menge wiesen. Die paradigmatischen Relationen eines Wortfeldes
Jedem zuge-
werden
zunächst durch Angabe einer syntaktischen Kategorie und eines "verbalen Kontextes" festgelegt. Die Sinnverwandtschaft mente eines Wortfeldes wird durch den gemeinsamen
der Ele-
"semantischen
Aspekt" aller in den "verbalen Kontext" einsetzbaren Wörter währleistet.
Die in den verbalen Kontext passenden Wörter
gemeinsamem semantischen Aspekt sind die Elemente des
ge-
mit
Wortfeldes.
Diese werden auf zweifache Weise weiter differenziert und in ihrer Position im Wortfeld festgelegt: einmal durch die
"seman-
35 tischen Relationen", das sind die Sinnrelationen Lyons' wie Synonymie, Antonymie, Hyponymie, zum anderen durch die
Dimensionen.
Die semantischen Relationen bestimmen die Beziehungen den Elementen des Wortfeldes, durch die verschiedenen
zwischen
Dimensionen
wird erreicht, die Menge der Elemente in kleinere Mengen bis zu Einermengen aufzuteilen. Mit Hilfe der Kriterien verbaler
Kontext
und syntaktische Kategorie werden die Wörter des Wortfeldes
in
satzsemantische Zusammenhänge eingeordnet, durch Angabe des semantischen Aspekts wird das durch den verbalen Kontext generell
er-
möglichte Paradigma eingeschränkt. Auf diese Weise ist das Wortfeld sowohl in satzsemantische als auch in wortsemantische ge
Zusammenhän-
eingeordnet. Als Beispiele solcher Wortfelder sollen hier I. das von Lutzeier
dargestellte Feld der Turngeräte aus dem Bereich der
Autosemantika
und II. das Feld der temporalen Konjunktionen aus dem Bereich der Synsemantika angeführt I. Bezeichnungen für
werden.
Turngeräte
(a) verbaler Kontext: man kann an (b) syntaktische Kategorie:
turnen
Substantive
(c) semantischer Aspekt: vom Deutschen Turnbund als
Turngerät
anerkannt (d) einige Wörter des Wortfeldes: Barren, Boden, Reck, Ringe
...
Das so definierte Feld wird durch die Dimensionen in sich differenziert. Dimensionen im Feld der Turngeräte D^: (a) ^Männern} (b) ^ F r a u e n J (c)
wären:
im Wettkampf
{pferd, Ringe, Barren, Reck J
vorbehalten
{stufenbarren,
Schwebebalken}
weder noch: ^Boden, Bock, Kasten, Leiter, Tau, stange,
Kletter-
Sprossenwand}
Grundlage von D^ ist die Tatsache, daß einige Geräte
Männern,
andere Frauen vorbehalten sind. D2 berücksichtigt, daß die Geräte unterschiedlichen
Zwecken und Übungen
$2'· (a) zum Darüberspringen:
Bock,
dienen:
Kasten
(b) zum Klettern: Leiter, Tau, Kletterstange,
Sprossenwand
(c) weder noch: Ringe, Barren, Reck, Stufenbarren Die Dimension D-, ist aufgrund des Aussehens der Geräte
etc. gebildet.
36 D-j: (a) Geturnt wird an einem Querträger: Schwebebalken, (b) an 2 oder mehreren Querträgern:
Barren,
Stufenbarren,
Sprossenwand, (c) an runden Griffen: Pferd,
Reck
Leiter
Ringe
(d) weder noch: Boden, Bock, Kasten, Tau,
Kletterstange.
Durch das Ansetzen mehrerer Dimensionen erreicht Lutzeier schiedliche Zerlegungsmengen, deren Schnittmengen eine Aufteilung der Grundmenge
unter-
feinere
erlaubt.
Nach dem gleichen Muster ist das Wortfeld der temporalen junktionen dargestellt, hier zum II. Einige temporale
Kon-
Vergleich:
Konjunktionen
(a) verbaler Kontext: Maria geht zu Bett Zähne (b) syntaktische Kategorie:
... Anton sich die
putzt Konjunktion
(c) semantischer Aspekt: temporale Beziehung zwischen
Vorgängen,
die entweder gleichzeitig oder in der Reihenfolge stattfinden, wie sie erwähnt
selbst
werden
(d) Wörter des Wortfeldes: ehe, bevor, während, als, wenn, bis,
sobald,
solange
Als differenzierende Dimensionen dieses Feldes werden D^: (a) Ein echter Zeitraum ist im Durchschnitt der
Zeitinter-
valle der beiden Vorgänge enthalten: solange, (b) Kein echter Zeitraum ist im Durchschnitt der valle der beiden Vorgänge enthalten: (c) neutral: ehe, bevor, als, wenn,
betrachtet:
während Zeitinter-
bis
sobald.
Lutzeier stellt fest, daß weitere Dimensionen für dieses Wortfeld aus einem Bereich, der nach traditioneller Auffassung für eine Wortfeldstruktur
nicht
in Frage kommt, schwer zu benennen
Für die bekannten semantischen Relationen wie Synonymie, und Hyponymie liegen besondere Bedingungen vor (1981: Sie ergeben sich daraus, daß nicht alle temporalen
sind.
Antonymie
199-200).
Konjunktionen
in den gleichen verbalen Kontext passen, es im Sinne von Lutzeier also kein gemeinsames Wortfeld für alle temporalen
Konjunktionen
geben kann. Der semantische Aspekt umfaßt daher nicht alle
tempo-
37 ralen Beziehungen insgesamt, sondern nur diejenigen, die
entweder
gleichzeitig oder in der Reihenfolge stattfinden, in der sie erwähnt werden. So gehört der Definition gemäß die Konjunktion dem nicht in das Wortfeld, denn obwohl sie zu bevor in der
nach-
seman-
tischen Relation der Konversion steht, paßt sie nicht in den verbalen Kontext. Der semantische Aspekt mußte deshalb so gewählt werden, daß Konjunktionen, die Nachzeitigkeit des bezeichnen, aus dem Wortfeld ausgeschlossen
Vordersatzes
werden.
Die semantische Relation, der Hyponymie dagegen stellt innerhalb des der Definition entsprechenden Wortfeldes ehe und bevor sowie zwischen wenn und als fest. wird zwischen bis und wenn
Lutzeier
zwischen
Inkompatibilität
festgestellt.
Die Einbeziehung von Synsemantika in eine Wortfeldtheorie, sonst nur auf Autosemantika ausgerichtet ist (eine
die allerdings von Lutzeier abgelehnt wird), ist in dieser quenz und als theoretische Annahme nur bei Lutzeier
Theorie
der semantischen Felder werden Feldbeziehungen unter den wörtern berücksichtigt. Diese ziehen Funktionswörter Miller, Johnson-Laird
Konse-
(1981) zu fin-
den. Aber auch in den Überlegungen anderer Autoren zur
bei bestimmten Feldtypen, nämlich Kontrastfeidern,
die
Unterscheidung,
Funktions-
jedoch nur
in Betracht.
(1976) unterscheiden zwischen
hierarchisch
geordneten Feldern (Kap. 4.2), für die nur Beispiele aus dem Bereich der Autosemantika angegeben werden, und Kontrastfeidern. ter stehen in einem Kontrastverhältnis, wenn sie den gleichen
WörTer-
mini oder Begriffen untergeordnet sind und auf der gleichen
Hier-
archiestufe stehen. Zwischen den in einem Kontrastverhältnis
zu-
einander stehenden Wörtern gibt es keine hierarchische Miller, Johnson-Laird
( 1 9 7 6 ) n e n n e n Beispiele für
Ordnung.
Kontrastfelder
aus dem Bereich der räumlichen und temporalen Relationen
(Kap.
6.1 und 6.2) Viele Ausdrücke für räumliche und temporale Information als Kontraste angelegt entlang den räumlichen und
sind
zeitlichen
Koordinaten, nach denen Wahrnehmungen geordnet sind. Der
Raum
hat eine vertikale und zwei horizontale Koordinaten, nach denen die räumliche Orientierung erfolgt. Die je zwei Richtungen der Koordinaten sind die Basis der sprachlichen Bezeichnungen, denen der Mensch seine Wahrnehmungen
ordnet:
mit
38 Adverbien: oben/unten; vorn/hinten;
rechts/links
Präpositionen: über/unter; vor/hinter;
rechts/links
Außer diesen Grundorientierungen kennt die Sprache noch eine Vielzahl weiterer Bezeichnungen für die Angabe von Entfernungen (weit von/nahe) und Wegen und Richtungen (von/nach; die oft auch als Kontraste angelegt
aus/in),
sind.
Die temporalen Relationen spielen in der Sprache eine noch größere Rolle als die räumlichen. Während der Ausdruck Gestalt und räumlicher Relationen in vielen Sprachen
räumlicher
fakultativ
ist, ist der Ausdruck temporaler Relationen obligatorisch, da der Verbgebrauch den grammatischen Ausdruck temporaler
Relationen
notwendig voraussetzt. Auch lexikalisch sind die Zeitbezüge ker vertreten als die räumlichen. So gibt es zwar
stär-
Präpositionen,
die räumliche und andere, die temporale Relationen
ausdrücken,
wobei die temporalen Präpositionen oft von lokalen
abgeleitet
sind, Konjunktionen dagegen bezeichnen nur temporale, keine lokalen Relationen, ebenso wie räumliche Relationen auch
gramma-
tisch nicht ausgedrückt sind. Temporale Relationen scheinen
kom-
plizierter zu sein als räumliche. Das ist vermutlich auch der Grund dafür, daß die Ausdrücke für temporale Relationen nicht so durchgängig als Kontraste geordnet
sind.
Zeitliche Bezüge werden sprachlich auf zweierlei Weise
ausge-
drückt: Einmal mit Hilfe der Relation früher als/später als, die eine gewisse kontrastive Ordnung ergibt, aber auch durch die Ordnung Vergangenheit/Gegenwart/Zukunft,
die nicht
ist. Die letztere ist in der Verbgrammatik
kontrastiv
verankert,
lexikalisch
treten Ausdrücke für beide Ordnungen auf (ausführlicher Miller, Johnson-Laird 1976, Kap. 6.2,
410-468).
früher als/später als drücken konverse Relationen Zeitpunkten
dazu
zwischen
aus
länger als/kürzer als: konverse Relationen zwischen
Zeiträumen
bevor/nachdem sind nicht in demselben Sinne konvers, denn bevor verbindet jeweils den Beginn zweier
Ereignisse,
während nachdem den Beginn des im Hauptsatz
ausge-
drückten Relatums mit dem Ende des Referens
verbin-
det, das in dem von nachdem eingeleiteten zum Ausdruck kommt (S. 425).
Nebensatz
39 Auch andere Feld- oder Teilfelduntersuchungen unterschiedlichen Funktionswortklassen auf Kontrastfeldbeziehungen
an Wörtern aus
lassen mit Sicherheit nur
schließen. Von Interesse ist dazu die
Diskussion zwischen Wiegand und Henne
(1982). Sie erörterten die
Frage, ob innerhalb der Gruppe von Satzadverbien, die einen Gewißheitsgrad ausdrücken
(sicher, bestimmt, gewiß,
höchstwahrscheinlich, möglicherweise,
eventuell,
wahrscheinlich, vielleicht,
schwerlich, kaum) auch Hyponymierelationen nachweisbar sind. Wiegand ist der Auffassung, da)3 zwischen den Satzadverbien lich und möglicherweise eine ähnliche Hyponymie- oder
wahrschein-
Implikations-
beziehung vorliegt wie zwischen den Substantiven Pferd und Rappe. Bei den substantivischen Begriffen impliziert der speziellere
den
allgemeineren: Wenn χ ein Rappe ist, ist dieses χ auch ein Pferd. Anders ausgedrückt: Der allgemeinere Begriff inkludiert den spezielleren . Bei den Satzadverbien sei es so, meint Wiegand, daß ein höherer Grad an Gewißheit einen niedrigeren Grad impliziere. Wenn also jemand durch wahrscheinlich einen relativ hohen Grad der heit oder der Überzeugung zum Ausdruck bringe wie in "Ute wahrscheinlich",
so seien damit implizit auch niedrigere
der Gewißheit ausgedrückt wie möglicherweise, eventuell (Wiegand 1982:
vielleicht
Gewißschläft Grade und
115-116).
Gegen diese Auffassung polemisiert Henne (1982: 133-137), der der Ansicht ist, in diesem Feld der Satzadverbier\, die Grade der Gewißheit ausdrücken, treten keine Hyponymierelationen auf, sondern bei den festgestellten Graduierungen handle es sich um nichtbinäre Kontraste, die Lyons als Sinnrelationen der tät bezeichnet
Inkompatibili-
hatte.
Diese Einschätzung paßt zu den Ergebnissen anderer
Feldunter-
suchungen im Bereich der Funktionswörter. Auch die von Pasch (1983 und 1986) untersuchten semantischen Relationen
zwischen
kausalen sowie zwischen negationshaltigen Konjunktionen,
ebenso
die Beziehungen zwischen adversativen Konjunktionen, die Brauße (1983) für das Deutsche und Kunzmann-Müller/Gehrmann slawische Sprachen untersuchten, wie auch ζ. B. die
(1988) für Relationen
zwischen den Temporalpartikeln schon, noch und erst geben nur Hinweise auf
Kohyponymiebeziehungen.
40 Die Wortfeldmethode wurde auch verschiedentlich auf die Analyse der Modal- oder Abtönungspartikeln
angewandt. Weydt (1979) er-
mittelt für das Feld der Partikeln doch, immerhin,
jedenfalls,
schließlich, wenigstens Oppositionen oder Kontraste aufgrund von "Merkmalen", die auf unterschiedlichen Relationen zwischen rungen basieren. Er stellt ebenfalls das Fehlen von d. h. hierarchischen Strukturen
Äuße-
Archilexemen,
fest.
Die umfangreicheren Analysen von Harden (1983) zu den überhaupt und eigentlich sowie die kontrastiv angelegte
Partikeln Studie
von Thun (1984) zu den deutschen und rumänischen Partikeln men in ihren Ergebnissen mit diesem Befund
stim-
überein.
Die bisherigen Felduntersuchungen bei Funktionswörtern vermuten, daß die Funktionswortfelder
wahrscheinlich nur
sional und nur in Kontrasten geordnet
sind.
Zur Übersicht seien noch einmal die in Kastovsky
lassen eindimen-
(1982)
darge-
stellten Typologien der Sinnrelationen von Lyons (1977) und der Wortfelder von Kastovsky
(1982) angegeben, in denen der
pielle Unterschied zwischen den vertikal-hierarchischen einerseits und den horizontalen Bedeutungsbeziehungen nymie andererseits deutlich
antonymy
Kohypo-
270ff.)
hyponymy incompatibility (non-binary) complemen tarity
strict hyponymy
converseness
quasihyponymy
directional opposition
direction relative to Ρ nondeictic
part^-wholerelation
serialcyclical oppos. opposition 3nKS
deictic
der
relations
contrast" opposition (binary)
Relationen
wird.
Klassifizierung der Sinnrelationen nach Lyons (1977: sense
prinzi-
scales vectorial direction
consequence positive
negative
orthogonal
antipodal
41
Wortfeldtypologie nach Kastovsky
(1982:
139)
Wortfeld mehrdimensional
eindimensional antonymisch ungeordnet
graduell geordnet
seriell
zweidimensional
korrelativ
nicht-korrelativ korrelativ
4.
Zum Stand der
multidimensional hierarchisch
nicht einkorre- fach lativ
zusammengesetzt
Funktionswort-Lexikographie
Im Laufe des letzten Jahrzehnts haben die früher wenig Funktionswörter
selektiv
beachteten
auch in der lexikographischen Diskussion
eine
zunehmend größere Rolle gespielt, s. u.a.: Weydt/Hentschel Wiegand/Henne
(1983),
(1982), Lang (1982), Pasch (1983, 1986 und in die-
sem Band), Bastert (1986), König/Stark
(1985), Schaeder (1987), Heibig
(1985), Schmidt (1986), Wolski (1988), Buscha (1988 und
Diese Erscheinung ist natürlich kein Zufall. Das
1989).
linguistische
Interesse für semantische Fragen an der Grenze zur Syntax und Logik, aber auch für pragmatische Gesichtspunkte der und der sprachlichen Interaktion,
Kommunikation
ist der Grund für das
der Literatur zur Bedeutungsanalyse der Funktionswörter,
Anwachsen deren
Spezifik nur durch die Anwendung von Instrumentarien aller Wissensgebiete erfaßbar
dieser
ist.
Wenn auch die so erreichten Ergebnisse bisher
unvollständig,
teilweise widersprüchlich sind und weder zu einer Klärung der für die Lexikographie grundlegenden Frage der
Wortklassenzugehörigkeit
einzelner Gruppen, besonders der Partikeln führten, noch die Frage der Korrelation von syntaktischen und semantischen Typen
lexi-
kalischer Einheiten in allen Fällen geklärt ist, gibt es doch die Forderung, diese Ergebnisse einem größeren Benutzerkreis in Form von Wörterbüchern bekannt zu machen. Zu den in Aussicht
genomme-
42
nen Benutzern von Funktionswörterbüchern sind wohl keine weiteren Erörterungen notwendig. Es scheint weithin Übereinstimmung zu geben dahingehend, daß Muttersprachler kaum, Ausländer dagegen ein großes Interesse daran haben, ausführliche Informationen über Bedeutung und Gebrauch dieser Wortklassen zu bekommen, da sie sie in herkömmlichen Wörterbüchern nicht in ausreichendem Maße finden (zuletzt König/Stark
1987).
Dieses Defizit der vorhandenen Wörterbücher bei Angaben zu Funktionswörtern ist schon häufig zur Sprache gekommen ohne die Absicht, ihnen diesen Mangel anlasten zu wollen. Vielmehr schließt sich die Erwartung daran, daß die Fortschritte in diesem Bereich der lexikalischen Semantik gerade in diesem Teilgebiet der Lexikographie sichtbare Ergebnisse und Verbesserungen möglich machen werden.
4.1
Metalexikographische Untersuchungen zu einsprachigen FunktionsWörterbüchern
Es wird oft geltend gemacht, daß die zur Bedeutungsbeschreibung von Funktionswörtern notwendigen Angaben zu kompliziert und zu wenig allgemeinverständlich seien, um dem Nicht-Spezialisten nutzen zu können. Deshalb wurde erwogen, auf Bedeutungsbeschreibungen überhaupt zu verzichten und dafür nur Beispielsätze mit typischen Gebrauchsbedingungen im Wörterbuch anzugeben, aus denen der Benutzer die für den Gebrauch notwendigen Regeln selbst ableiten kann. Ausführlicher dazu Pasch (in diesem Band). Es hat sich wohl jetzt die Auffassung durchgesetzt, daß Bedeutungsbeschreibungen plus Beispiele als optimal für die Darstellung
anzusehen
sind. Das ist auch die Auffassung Königs und Starks (1987), die den Aufwand eines Übersetzers geringer einschätzen, wenn dieser sich mit Hilfe der zugegebenermaßen schwierigen Bedeutungsbeschreibungen in dem Wörterbuchartikel orientieren kann, als wenn er gezwungen -wäre, sich die Gebrauchsbedingungen aus den Beispielen selbst abzuleiten. Es ist für Funktionswörter charakteristisch, daß die betreffenden lexikalischen Einheiten in ihren unterschiedlichen
Verwen-
dungen oft unterschiedlichen Wortklassen angehören. So tritt ζ. B.
43 doch als Konjunktion, als Antwortpartikel sowie als betonte und als unbetonte Modalpartikel
auf, aber als Konjunktion und als
Modalpartikel, schon als Adverb, Gradpartikel und Modalpartikel etc. Es ist deshalb die Entscheidung zu treffen, ob diese
lexika-
lischen Einheiten in ihrem oft nachweisbaren Zusammenhang von adund Partikelverwendung
dargestellt
werden sollen, wie es das Vorhaben von König/Stark
verbieller, konjunktionaler
(1987) vor-
sieht. Anders wurde verfahren bei wortartenspezifischen büchern wie denen der Präpositionen 1986) und der Konjunktionen tikeln (Weydt/Hentschel
(Schaeder 1985),
Wörter-
(Schröder
(Buscha 1989). Wörterbücher der
Par-
1983) und (Wolski 1986) ziehen meistens
einen Vergleich zur Bedeutung des Wortes gleicher Form in anderen Wortklassen und versuchen, eine Art Grundbedeutung aller men
Vorkom-
anzugeben. Das Lexikon der deutschen Partikeln von Heibig (1988) umfaßt
eine größere Klasse von Partikeln als die beiden oben die sich auf die Abtönungs- oder Modalpartikeln
Genannten,
beschränken.
Diese stellen nur eine der sechs von Heibig behandelten
Gruppen
von Partikeln dar. Der gleiche Eintrag kommt oft auch in unterschiedlichen Partikelverwendungen Temporalpartikel
und als
vor, ζ. B. schon als Grad- oder
Modalpartikel.
Da gerade Abtönungs- oder Modalpartikeln in ihrer
Verwendung
und Funktion oft von anderen Funktionswortarten abgeleitet ζ. B. von Konjunktionen wie aber, ist der Hinweis auf tende Vorkommen in anderen Wortarten und die Angabe Bedeutungsverwandtschaften tikeln, wie Weydt/Hentschel
in einem Wörterbuch der
sind,
gleichlau-
eventueller Abtönungspar-
(1983) es ins Auge faßten,
besonders
nützlich. Die Möglichkeiten für eine ausführliche Darstellung der Gebrauchsbedingungen von Funktionswörtern sind abhängig davon, ob ein Spezialwörterbuch einer einzelnen Wortklasse vorgesehen wie es die Lexika der vom Enzyklopädie-Verlag
ist,
herausgegebenen
Reihe vorsehen. In den Spezialwörterbüchern können die digen Angaben ausführlich sein, und es kann eine
notwen-
ausreichende
Zahl von Beispielen für den Gebrauch angegeben werden. Man ist sich darüber einig, daß die Angaben zu Funkt'ionswörtern
nicht
nur sehr präzise, sondern auch umfangreicher sein müssen als bis-
44 her, wenn sie Ausländern oder Übersetzern eine wirkliche sein sollen. Deshalb werden in jüngster Zeit vorwiegend
Hilfe Spezial-
wörterbücher vorgeschlagen und auch hergestellt, um den neuen Anforderungen gerecht zu werden. Lexikographen machen oft geltend, daß in
Gesamtwörterbüchern
ein solcher Aufwand nicht getrieben werden kann. Es gibt aber auch Beispiele für Versuche, neuere Erkenntnisse in gedrängter Form auch in Gesamtwörterbüchern unterzubringen.
So beruht die
Darstellung der Konjunktionen im "Handwörterbuch der
deutschen
Gegenwartssprache" auf einer in Zusammenarbeit mit E. Lang gearbeiteten modernen Konzeption syntaktischer und
aus-
semantischer
Angaben für diese Wortart. Für die Darstellung der Partikeln im Wörterbuch hat Wolski
(1986) anhand der Partikeln aber, ja, doch
und schon Musterartikel erarbeitet in je drei Varianten für ein Partikelwörterbuch,
für ein großes gemeinsprachliches
und ein einbändiges gemeinsprachliches
Wörterbuch
Wörterbuch.
Die Funktionswortklassen werden nach grammatischen, in erster Linie syntaktischen und distributionellen Gesichtspunkten, einigen Fällen auch nach Akzentplazierung
subklassifiziert.
in Be-
stimmte syntaktische und distributionelle Eigenschaften sind so durch die Angabe der Wortklasse
im Wörterbuch schon bestimmt.
junktionen und Präpositionen lassen sich aufgrund der
Kon-
wortklassen-
spezifischen syntaktischen Eigenschaften relativ problemlos
aus-
grenzen . Anders ist das Bild bei den Partikeln, sowohl den Grad- als auch den Abtönungs- oder Modalpartikeln.
Ihre
Gebrauchsbedingungen
sind stark idiosynkratisch und erfordern deshalb mehr Angaben von Verwendungsbedingungen bei jedem einzelnen Eintrag. Sie sind auch nach syntaktischen Kriterien oft nicht von den
gleichlautenden
Formen aus anderen Wortklassen abgrenzbar, s. Beispiele Heibig
aus
(1988).
Er wird die Aufgabe schon gelöst haben. (= temp. Adv. oder MP) Er ist eben abgereist.
(= temp. Adv. oder MP)
Sie hat selbst an das Buch gedacht.
(Adv. oder
Gradpartikel)
Solche mehrdeutigen Verwendungen sind nur durch spezifische tive Kontexte unterscheidbar, deren Benennung den
situa-
Lexikographen
vor eine schwierige Aufgabe stellt. Wegen der besonderen
Heraus-
45
forderung bei der lexikographischen
Erfassung der Partikeln
wohl auf diesem Gebiet in den letzten Jahren die meisten tischen Vorarbeiten geleistet
4.2
Zur zweisprachigen
sind
theore-
worden.
Funktionswortlexikographie
Wegen der genannten Beschreibungsschwierigkeiten
bei
Funktions-
wörtern wird die Erarbeitung zweisprachiger Wörterbücher als noch komplizierter angesehen, denn es ist dazu erforderlich, die in den einzelnen Sprachen sehr unterschiedlichen der Funktionswörter
Gebrauchsbedingungen
zu vergleichen, um die gesuchten
Äquivalente
zu bestimmen. Für die Wortklasse Modalpartikeln im Deutschen gibt es in manchen Sprachen wie dem Englischen und den
romanischen
Sprachen kaum Äquivalente, das Gemeinte muß hier mit anderen Mitteln, ζ. B. Betonung oder Wortstellung, ausgedrückt werden. sen Schwierigkeiten sehen sich König/Stark
(1987) gegenüber, die
ein zweisprachiges deutsch-englisches Wörterbuch der wörter erarbeiten.
Die-
In dem geplanten Wörterbuch
Requardt 1988) werden die wichtigsten bzw. die
Funktions-
(vgl. dazu auch unstrittigsten
Funktionswortklassen behandelt: Fokus- (oder Gradpartikeln), ioder Abtönungspartikeln), und Gradadverbien.
Konjunktionen,
Modal-
Konjunktionaladverbien
Ein Funktionswort der einen Sprache hat in der
Regel mehrere Äquivalente in einer anderen. Als Bedingungen
für
die Unterscheidung der verschiedenen Äquivalente bei
Funktions-
wörtern haben die Autoren folgende Kontextbedingungen
erkannt:
Negation, Betonungsverhältnisse,
Tempusfragen, Satzmodus,
Skopus
von Fokus- oder Gradpartikeln, Zeitpunkt oder Zeitraum als Fokus von
Partikeln. König/Stark
(1987: 166-170) halten die Berücksichtigung
destens dieser Kontextbedingungen
für unbedingt notwendig,
minver-
mutlich aber kämen noch weitere in Frage. Für die Beschreibung einzelnen Subklassen von Funktionswörtern sind dabei
der
unterschied-
liche Kontexttypen wichtig, für Fokus- oder Gradpartikeln ζ. B. Wortstellung und Betonung im Satz. Modalpartikeln dagegen
sind
in ihrer Wortstellung ziemlich festgelegt, diese muß daher nicht bei jedem Eintrag angegeben werden. Sie sind auch in der Regel unbetont. Wie die vorhandenen betonten Varianten zu klassifizie-
46 ren sind, ist noch nicht ganz geklärt. Vgl. dazu Weydt
(1986).
Der Kontext von Modalpartikeln ist dagegen wesentlich durch den Satzmodus
bestimmt.
Für jeden Wörterbuchartikel
sehen sie die Angabe einer
samen Grundbedeutung aller Vorkommen vor, in denen die
gemein-
Lexikon-
einheit auftreten kann. Für die einzelnen Vorkommen wird die Wortklasse angegeben. Eine Einheit kann ζ. Β. 1. als Adverb, 2. als Gradadverb, 3. als Gradpartikel vorkommen. Für die
Vorkom-
men in den verschiedenen Wortklassen werden spezifischere
Bedeu-
tungen und die spezifischen Kontextbedingungen angegeben. Es gibt auch Fälle mehrerer Bedeutungen des gleichen Eintrags einer Wortklasse.
innerhalb
Jede Bedeutungsvariante wird in einem
ren Abschnitt behandelt, in dem die spezifischen
besonde-
Kontextbedingun-
gen angegeben sind, unter denen das Funktionswort
in dieser
tung vorkommt. Die Unterscheidung der Kontextbedingungen Notwendigkeit für die Übersetzung, denn je nach Kontext scheiden sich die Übersetzungsäquivalente.
Bedeu-
ist eine unter-
Man kann auch umgekehrt
sagen: Ein zweisprachiges Funktionswörterbuch muG so viele
Kontext-
bedingungen und so viele Bedeutungsvarianten unterscheiden wie es verschiedene Übersetzungsäquivalente
in der Zielsprache
gibt.
Es gibt noch das Projekt eines zweisprachigen Wörterbuchs einzelnen Funktionswortklasse:
das deutsch-dänische,
sche Partikelwörterbuch von Baunebjerg/Wesemann
einer
dänisch-deut-
(1983).
Dänisch
ist wie das Deutsche eine Partikelsprache, d. h. es gibt
Äquiva-
lente der gleichen Wortart. Die Gebrauchsbedingungen
Partikeln
der
sind in den beiden Sprachen aber verschieden, so daß es nur Teiläquivalente gibt. Die deutsche Partikel schon ζ. B. hat im Dänischen außer nok mindestens noch sechs weitere Äquivalente
in unter-
schiedlichen Kontexten, während dän. nok außer dt. schon in anderen Kontexten mit doch oder denen Gebrauchsbedingungen das Wörterbuch
übersetzt werden kann. Die
verschie-
hinsichtlich Bedeutung und Kontext muG
herausarbeiten.
47 4.3
Wörterbücher und Wörterbuchprojekte
einzelner
Funktions-
wortklassen Wir gehen in diesem Abschnitt nicht noch einmal auf die Geschichte der Funktionswortlexikographie
ein, sondern weisen auf
einige
der neuesten Arbeiten auf diesem Gebiet hin, vor allem zur Lexikographie der Partikeln und Konjunktionen.
In diesem
ist in erster Linie die Reihe kleiner Lexika zu den
Zusammenhang Funktionswör-
tern zu nennen, die das Ziel hat, den Ertrag der zahlreichen wissenschaftlichen Einzeluntersuchungen
für Spezialwörterbücher
der
einzelnen Funktionswortarten des Deutschen nutzbar zu machen. schienen sind bereits ein "Lexikon deutscher Präpositionen" Schröder
Er-
von
(1986), ein "Lexikon zum Artikelgebrauch" von Grimm
das "Lexikon deutscher Partikeln" von Heibig (1988) und das
(1987), "Lexi-
kon deutscher Konjunktionen" von Buscha (1989). In Vorbereitung ist ein "Lexikon deutscher Modalwörter" von Heibig. Damit sind die wichtigsten Funktionswortarten erfaßt, für die von Lehrern und Lernern weitere über die Angaben in Grammatiken und Wörterbüchern hinausgehende Beschreibungen von Bedeutung Gebrauch gefordert
und
werden.
Die Frage der Zuordnung zu den Funktionswörtern
ist für einige
Wortklassen strittig. Die Zugehörigkeit der Partikeln und Konjunktionen ist unbestritten, Präpositionen dagegen werden oft nicht zu den Funktionswörtern gerechnet. Zu Klassifikationskriterien Wortklassen zu Auto-/Synsemantika bzw. Voll-/Funktionswörtern Abschnitt 1. dieses Beitrags. Daß aber unabhängig von der
der vgl.
Zugehö-
rigkeit dieser Wortklasse zu den Funktionswörtern eine
ausführli-
chere Beschreibung
Lehrzwecke
des Gebrauchs der Präpositionen für
von großem Wert ist, steht außer Frage, und vom Anliegen der
Lexi-
kon-Reihe her ist die Einbeziehung der Präpositionen deshalb
wich-
tig .
4.3.1
Partikellexikographie
Möglichkeiten der Darstellung von Modal- oder
Abtönungspartikeln
im Wörterbuch sind in den letzten Jahren am ausführlichsten tert worden. Wolski (1986) hat eine umfangreiche Übersicht
erörüber
die Behandlung der Partikeln in älteren Wörterbüchern sowie über
48
neuere theoretische und praktische Beiträge zur
Partikellexiko-
graphie gegeben, die an den aktuellen Anforderungen, die heute an diesen Typ von Wörterbüchern zu stellen sind, gemessen
werden.
Dank dieser Arbeit erübrigt sich hier ein Eingehen auf die sehr umfangreiche Literatur zu diesem Gebiet. Wir wollen daher an dieser Stelle nur die wenigen Beiträge erwähnen, die bis zu praktischen Vorschlägen für Wörterbuchartikel gediehen
sind.
Das ist zuerst Wolski selbst, der 1983 Probeartikel für die Partikel schon und 1986 in der erwähnten Arbeit für aber, ja und schon Wörterbuchartikel
in drei Varianten für ein
wörterbuch, ein mehrbändiges und ein einbändiges liches Wörterbuch zur Diskussion
doch, Partikel-
allgemeinsprach-
stellte.
Bereits 1983 war das "Kleine Abtönungswörterbuch"
von Weydt/
Hentschel erschienen, das eine kurze Darstellung aller
Abtönungs-
partikeln in ihren wichtigsten Kontexten samt denen mit homonymen Formen anderer Wortklassen umfaßt. Für jeden
ihnen Eintrag
findet sich eine Beschreibung der "übergreifenden Bedeutung" ler Vorkommen des Lemmas, die für die einzelnen Vorkommen fiziert
al-
spezi-
wird.
Die Wörterbuchartikel
zu doch und ja^ von Bastert
(1985) sind
Vorschläge für ein einsprachiges allgemeines Wörterbuch. setzt sich in dieser Arbeit ausführlich mit den
Anforderungen
der anvisierten Benutzer an ein solches Wörterbuch Ihre Hypothese ist ebenfalls, daß Ausländer
Bastert
auseinander.
im Wörterbuch
künfte über Modalpartikeln suchen. Sie hat deshalb ihre
Aus-
Probe-
artikel von deutschlernenden Ausländern auf ihre Effizienz
prü-
fen lassen. Charakteristisch für die in allen diesen Arbeiten
verwendeten
neuen Ansätze ist zweierlei: einmal die Tendenz, für alle men der Partikeln Gemeinsamkeiten der Bedeutung
herauszuarbeiten
und zweitens, die Bedingungen für die unterschiedlichen genauer zu kennzeichnen, wobei die Satzarten die Rolle
Vorkom-
Vorkommen
entscheidende
spielen.
Eine ausführliche und umfassende Darstellung des
Partikel-
bestandes enthält das "Lexikon der deutschen Partikeln"
(Heibig
1988). Der Wortbestand dieses Wörterbuchs ist nicht wie bei den vorher erwähnten auf die Modal- oder Abtönungspartikeln
begrenzt,
49
sondern er umfaßt außer diesen noch fünf weitere Gruppen: partikeln, Steigerungspartikeln, die Infinitivpartikel
Grad-
Antwort-, Negationspartikeln
und
zu.
Da die Klassifizierung sowie die Bedeutung und Funktion
gerade
dieser Funktionswortarten größere Probleme aufwerfen als andere, hat Heibig seinem Wörterbuch eine ausführliche Einleitung gestellt, in der allgemeine Eigenschaften der Partikeln
voran-
behandelt
und bestimmte Besonderheiten dieser Wortklasse vermittelt sollen. Problematisch sind u. a. die Abgrenzung der
werden
Partikeln
gegenüber anderen Wortklassen sowie die Subklassifizierung ihre Bedeutung oder
und
Funktion.
Der Partikelliteratur
zufolge haben sie nicht nur eine
sondern sie wirken, vielfach gleichzeitig, oder - m o d i f i z i e r e n d , konversationssteuernd,
Funktion,
illokutionsindizierend textverknüpfend
Die Darstellung dieser Funktionen im Wörterbuch ist
schwierig.
Die Eintragungen in (Heibig 1988) zu den einzelnen bzw. ihren Funktionsvarianten enthalten folgende
usw.
Partikeln
Informationen:
Unter 1. werden syntaktische Angaben gemacht, ζ. B. Hinweise auf Betonbarkeit, Stellung und Erststellenfähigkeit
und die für die
einzelnen Subklassen unterschiedlichen Restriktionen: bei
Abtö-
nungspartikeln nach Satzarten, bei Gradpartikeln nach dem
Bezugs-
glied etc. Unter 2. wird die Funktion der Partikelvariante
ange-
geben, unter 3. werden Beispiele dafür genannt und unter 4. erfolgen Hinweise auf homonyme Lexeme außerhalb der Wortklasse der Partikeln. Unter 5. schließlich werden Bemerkungen zu einer Gesamtbedeutung
der Partikel gemacht. Mit diesem Lexikon sind die
für die Partikelbedeutung als wichtig erachteten
Gesichtspunkte
nicht nur an wenigen Beispielen für Wörterbuchzwecke sondern die Partikeln werden in ihrer Gesamtheit nach bedingungen und Funktion
4.3.2
möglichen
illustriert, Gebrauchs-
beschrieben.
Konjunktionen im Wörterbuch
Die Vorarbeiten für ein Wörterbuch der Konjunktionen sind nicht so zahlreich. Buscha (1988) nennt eine Reihe von
Veröffentlichun-
gen der letzten Jahre zur Bedeutung der Konjunktionen, so in den von Weydt (1979) und Fritsche
(1981) herausgegebenen
Sammelbän-
50
den. Außerdem Einzeluntersuchungen u. a. von Lang (1977, Posner
(1979), BrauGe (1983), Pasch (1983, 1986),
Miltschewa
(1986) und Redder
1982),
Primatarowa-
(1987).
Auch in einigen Grammatiken werden die Konjunktionen ausführlich behandelt, ζ. B. von Schulz/Griesbach
besonders
(1970),
Buscha (19B4) und Engel (1988). Unter den einsprachigen büchern ist das HDG (1984) hervorzuheben,
in dem die
Heibig/
Wörter-
Konjunktio-
nen im Verhältnis zum Gesamtwortschatz besonders ausführlich schrieben
be-
werden.
Buscha (1988) ordnet das gewachsene Interesse an dieser art ein in den Zusammenhang
linguistischer
Beschäftigung
Phänomenen der Textkohärenz einerseits und in den Kontext lexikographischer
und praxisorientierter
eine eingehendere systematischere ter gefordert
Wort-
mit meta-
Diskussionen, in denen
Beschreibung der
Funktionswör-
wird.
Er selbst hat auch im Rahmen der Reihe von Wörterbüchern zu den Funktionswörtern das erste und bisher einzige "Lexikon scher Konjunktionen"
(Buscha 1989) erarbeitet, in dem
vorschläge für die folgenden Hauptprobleme angeboten
deut-
Lösungswerden:
1. Die Definition der Konjunktionen als Wortart. Die Abgrenzung der Wortart Konjunktion ist schwierig, da die Konjunktionen in der Fachliteratur und in den Grammatiken
unter-
schiedlich weit gefaßt werden. Für Buschas Verständnis der Wortart Konjunktion ist der Gedanke grundlegend, daß die Wortart nur durch einen Komplex von Kriterien bestimmbar ist. Das Problem des sich daraus ergebenden N e b e n e i n a n d e r
von formalen und
inhaltli-
chen Kriterien sucht er durch eine Hierarchie der Kriterien zu vermeiden. Die Konjunktionen werden primär als morphologisch veränderliche Wortart mit einer bestimmten operativen
Bedeutung
definiert, die Sätze miteinander verbinden. Von den anderen tionswortarten unterscheiden sie sich jeweils durch andere däre
unFunk-
sekun-
Merkmale.
2. Die Subklassifizierung der
Konjunktionen.
Neben den bekannten formalen Klassifikationskriterien fachen/nicht einfachen, kontinuierlichen/nicht
nach ein-
kontinuierlichen
Konjunktionen gibt es die syntaktische Klassifikation nach koor-
51 dinierenden und subordinierenden Konjunktionen, die Engel als zwei verschiedene Wortarten
(1988)
unterscheidet.
Außerdem werden die Konjunktionen auch nach semantischen terien subklassifiziert, die für ihre Beschreibung
im Wörterbuch
die entscheidenden und auch die schwierigsten sind. Buscha 57) führt auch an, daß die semantisch begründete
Kri(1988:
Subklassifizie-
rung sowie die Bezeichnungen für die so gebildeten Subklassen
nicht
eindeutig definierbar sind. Die Klassen sind recht heterogen,
und
es sind auch nur Teilklassifizierungen
zu erreichen. Die Klasse
der temporalen Konjunktionen erscheint noch am besten (weswegen sie sicher auch am meisten für
abgegrenzt
Systematisierungsversuche
verwendet wurde). Völlig unsystematisch erscheinen die nen, die Modalverhältnisse
Konjunktio-
ausdrücken.
Angesichts der Probleme bei der Bildung semantischer
Klassen
gibt Buscha nur einleitend eine solche Ordnung an, im Wörterbuchteil dagegen ordnet er die Konjunktionen
alphabetisch.
Das Wörterbuch von Buscha enthält auch die für den Gebrauch der Konjunktionen notwendigen syntaktischen
richtigen Angaben,
die in den Wörterbüchern, aber auch in den Grammatiken in der Regel nicht oder nicht mit der notwendigen Ausführlichkeit kommen. Das sind vor allem Stellungsregeln, Zeitenfolge, und Modusrestriktionen sowie Identität/Nicht-Identität
vor-
Tempus-
der Sub-
jekte von Haupt- und Nebensatz. Besondere Probleme bieten Synonymiebeziehungen
zwischen Kon-
junktionen, die manchmal aufgrund semantisch-pragmatischer brauchsbedingungen differenzierbar
5.
Ge-
sind.
Offene Fragen zu Modalpartikeln und ihrer
Darstellung
im Wörterbuch Die oft konstatierten besonderen Schwierigkeiten der
Darstellung
von Partikeln im Wörterbuch betreffen hauptsächlich zwei für die Lexikographie entscheidende
Punkte:
Erstens die Bestimmung der Wortklasse. Die Kriterien für die Wortklassenzugehörigkeit
sind nicht leicht festzulegen, und da-
mit ist auch die Zugehörigkeit einiger lexikalischer zu dieser Klasse nicht
eindeutig.
Einheiten
52 Schwer bestimmbar zur Satzbedeutung,
ist zweitens der Beitrag der
Modalpartikeln
ihre Bedeutung oder Funktion als Wortklasse.
Es wird meistens eine Liste verschiedener, wenn auch im Zusammenhang stehender Funktionen
miteinander
angegeben.
Die Gründe für den Mangel eindeutiger Kriterien der sen- sowie der Funktionsbestimmung
werden heute darin
daG die im Deutschen und einigen anderen Sprachen
Wortklasgesehen,
vorkommenden
Modalpartikeln in ihrer Syntax und Semantik Zeugen eines
Übergangs-
stadiums in ihrer Entwicklung sind. Die Modalpartikeln haben alle homonyme Formen in anderen Wortarten, vor allem bei Konjunktionen und Gradpartikeln,
Adverbien,
aus denen sie entstanden
In den ursprünglichen Kategorien, aus denen sie
hervorgegangen
sind, sind diese Lexeme sowohl syntaktisch als auch besser bestimmbar.
semantisch
Es bestehen auch in den meisten Fällen noch
semantische Verbindungen zwischen den heute getrennten gen, die sich manchmal noch verfolgen lassen (vgl. 1987 und Abraham
Verwendun-
König/Stark
1988).
Abraham ist der Auffassung, daß die deutschen
Modalpartikeln
sich auf dem Wege der Entwicklung von lexikalischen zu schen Elementen befinden. Inhaltlich sei die bekannte "Ausbleichung"
sind.
grammatisemantische
(bleaching) eine Folge dieses Prozesses, der syn-
taktisch durch die jetzt feste, obligatorische Position der Modalpartikel im Mittelfeld des Satzes begründet sei. Die Festlegung der Distribution dieser Wörter auf das Mittelfeld sei bar die Bedingung
offen-
für ihre spezifische Funktion, die in den Modal-
partikeln zum Ausdruck komme. Modalpartikeln gebe es deshalb
auch
nur in Sprachen wie ζ. B. dem Deutschen und Niederländischen,
die
infolge ihrer Wortstellungsregeln ein Mittelfeld aufbauen
sowie
in einigen skandinavischen Sprachen, die zwar kein Mittelfeld, aber eine ähnliche Wortfolge haben. Im Englischen und den
romani-
schen Sprachen, die eine Wortfolge mit "offenem Ende" haben, gibt es keine
Modalpartikeln.
Charakteristisch und Niederländischen
für das topologische Mittelfeld des ist eine Satzstruktur mit einem
Deutschen
strukturel-
len Verbknoten in der zweiten Abfolgeposition
(die "linke
klammer") und einem anderen Verbknoten in der
Satzendposition
("rechte Verbklammer"). Das Feld zwischen diesen beiden
Verb-
Verbpolen
53 heißt Mittelfeld.
Das Englische und die romanischen Sprachen
ken-
nen diese polaren strukturellen Verbpositionen nicht, und in diesen Sprachen treten auch keine Modalpartikeln mit ihrer grammatisch und semantisch
"ausgebleichten" Funktion
typischen
auf.
Lexeme, die auch im Vorfeld oder Nachfeld auftreten
können,
allerdings, schließlich, jedenfalls, ohnehin, ohnedies, eigentlich, überhaupt, zählen danach nicht zu den
immerhin,
eigentlichen
Modalpartikeln. Ebensowenig die betonten Formen, die ebenfalls im Vorfeld vorkommen
können.
In dieser typischen Position hat sich, so lautet die von Abraham (1988), die spezielle M o d a l p a r t i k e l f u n k t i o n Homonymen anderer Wortklassen, die daneben weiterhin
Hypothese aus den
existieren,
entwickelt. Er verfolgt deswegen die Strategie, aus den
spezifi-
schen Kollokationen zwischen Satzartbeschränkungen und der tung des ursprünglichen Homonyms zum Modalpartikellexem, zifische Modalpartikelfunktion
abzuleiten
Bedeu-
die spe-
(Abraham 1986 und 1989).
Die Versuche, diese Funktion mit Hilfe der Diskurskategorien ma und Rhema zu bestimmen, hält er für nicht Charakteristisch
erfolgversprechend.
für das Mittelfeld sei in dieser Hinsicht,
es im akzentneutralen Falle weder thema- noch
Thedaß
rhemaorientiert
sei. Diese Charakteristik passe "zu dem allgemeinen Befund, daß die Modalpartikel
Information einer Art vermittelt, die über die
Satzstruktur hinausreicht und sich u. a. sogar auf der Sprecher- und Hörervoraussetzungen Konversationsbewältigung,
Modalitäten
zum Weltwissen und der
nicht jedoch direkt auf die
semantische Entscheidbarkeit des Satzes bezieht"
wahrheits-
(Abraham
1988:
456).
5.1
Zur Bestimmung der Wortklasse
Modalpartikel
Die Schwierigkeiten der syntaktischen Klassifikation der Modalpartikeln
(im folgenden MP) resultieren vielleicht daraus, daß
aus unterschiedlichen Wortarten
(Adverbien, Konjunktionen,
Grad-
partikeln) spezifische Verwendungen als MP-Verwendungen zu einer gemeinsamen Wortklasse zusammengefaßt wurden. Die
syntaktischen
Kriterien dieser Wortklasse sind daher auch nicht völlig Es gibt zahlreiche
Idiosynkrasien.
homogen.
Und je nach Strenge der syn-
54 taktischen Kriterien gibt es unterschiedlich umfangreiche von Elementen dieser Heibig
Listen
Wortklasse.
(1988) sichtet in der Einleitung zum "Lexikon
deutscher
Partikeln" die in der Literatur am häufigsten verwendeten rien zur Bestimmung der Subklasse der Abtönungs- oder keln. Es handelt sich dabei um morphologische Einsilbigkeit), syntaktische
Krite-
Modalparti-
(Unflektierbarkeit,
(sind nicht erststellenfähig
negierbar, sind keine selbständigen Satzglieder, können
und nicht
allein
nicht Antworten auf Fragen sein, sind fakultativ und haben
Restrik-
tionsbeschränkungen hinsichtlich ihres Vorkommens in bestimmten Satzarten) und funktionale Kriterien
(sie dienen dazu, die Stel-
lung des Sprechers zum Gesagten auszudrücken, sie tragen
nichts
zum Wahrheitswert des Satzes bei, sie haben keine selbständige xikalische
le-
Bedeutung).
Diese Kriterien grenzen jedoch die MP nicht eindeutig
gegen
andere Partikelgruppen und gegen Adverbien ab, einige von ihnen treffen auch auf andere Funktionswortklassen
zu. Heibig
terisiert die Subklasse der MPn durch folgende fünf
Kriterien, in denen sie sich von anderen Subklassen der unterscheiden
(im folgenden
charak-
spezifische Partikeln
verkürzt):
(a) Abtönungspartikeln beziehen sich auf den ganzen Satz, sie können nicht einer spezifischen Konstituente des Satzes zugeordnet
werden.
(b) Ihre Funktion liegt nicht auf semantischer, sondern auf kommunikativer
Ebene, sie drücken Einstellungen des Spre-
chers ζυτ Proposition aus, ordnen die Äußerung in den Text, die Gesprächssituation,
den Handlungskontext ein,
ren bzw. modifizieren die
indizie-
Sprechhandlung.
(c) Abtönungspartikeln zeigen bestimmte Restriktionen lich der Sprechhandlung und der
hinsicht-
Satzarten.
(d) Abtönungspartikeln sind in der Regel nicht
negierbar.
(e) Sie zeigen Beschränkungen im Hinblick auf ihre Position. Sie stehen nach dem finiten Verb im Hauptsatz, wobei diesem und der Abtönungspartikel
noch andere
zwischen
Satzglieder
stehen können. Ihre Stellung im Satz ist somit nur in diesem Rahmen
variierbar.
55 Nach dem Kriterium der Erststellenfähigkeit (1988) zwei Gruppen von
unterscheidet
Heibig
Abtönungspartikeln:
(a) eine zentrale Gruppe, die nicht erststellenfähig
ist. Dazu
zählen: aber , auch , bloQ , denn , doch , eben , einfach , etwa , halt, ja, mal, nur, schon, vielleicht. Sie haben Homonyme in anderen Wortklassen und werden "echte
Abtönungspartikeln"
genannt. (b) An der Peripherie dieser Wortklasse stehen
"Abtönungspartikeln
im weiteren Sinne". Sie sind erststellenfähig, ohne dabei in eine andere Wortklasse überzutreten, sie haben keine in anderen Wortklassen. Zu dieser Gruppe zählen:
Homonyme
schließlich,
immerhin, jedenfalls, überhaupt, allerdings , eigentlich. Wie Heibig beziehen sich auch König/Stark
(1987) auf die von
Weydt (1969, 1977 und 1983) und anderen genannten
Klassifikations-
kriterien für MP: (a) Sie sind nicht (b) nicht
betonbar
erststellenfähig
(c) sie können nicht Antworten auf Fragen sein (d) sie sind
unveränderlich
(e) sie beziehen sich auf den ganzen Satz. König/Stark
(1987) weisen aber auch darauf hin, daß vor
allem
die funktionalen Kriterien nicht ausreichend sind, um die Klasse eindeutig zu bestimmen. Auch hinsichtlich ihres Beitrages Satzbedeutung gebe es keine für die ganze Klasse Definition. Gegen die negative Charakterisierung, zu den Wahrheitsbedingungen
zur
zutreffende daß MP nichts
des Satzes beitragen, kann die Par-
tikel wohl sprechen, und vor allem die positiven
Charakterisie-
rungen treffen jeweils nicht auf alle Elemente der Klasse zu. Nicht alle MP drücken eine Sprechereinstellung
zu einer
Propo-
sition aus, nicht alle stellen Textkohärenz her und nicht wirken illokutionsmodifizierend.
Die Autoren sprechen
alle
deshalb
für eine extensionale Bestimmung der Klasse durch
Auflistung.
Sie verstehen MPn als Resultat eines semantischen
"Ausbleichens-
prozesses", der einige Elemente anderer Wortklassen erfaßt hat. Aus Grad- oder, wie die Autoren sagen, Fokuspartikeln sind die MPn auch, schon, eben, nur, bloß entstanden, aus
Konjuktionen
56
aber, denn, doch, aus Adverbien vielleicht, wohl. Die Autoren sind im Unterschied zu anderen der Auffassung, daß ein solcher semantischer
"AusbleichensprozeG",
der zur Entstehung der MPn
führt, auch in anderen Sprachen, ζ. B. dem Englischen de, so daß auch englische Adverbverwendungen
stattfin-
anzutreffen
seien,
für die die Bezeichnung MP angemessen erscheine. Jedenfalls
sind
die unterschiedlichen Verwendungsweisen eines lexikalischen
Ele-
ments im Deutschen als Adverb, Gradpartikel und MP auch an den unterschiedlichen
Übersetzungsäquivalenten
im Englischen
erkenn-
bar . Wolski (1986: 391) grenzt die Klasse der MPn gegenüber Satzadverbien, Konjunktionen,
"abtönungsfähigen
den
Partikeln"
sind die "Abtönungspartikeln an der Peripherie der Klasse
(das nach
Heibig 1988) und den Gradpartikeln nach folgenden Kriterien (a) morphologische
Unveränderlichkeit
(b) morphologische
Kürze
aus:
(c) Unbetontheit (d)
Nicht-Erststellenfähigkeit
(e)
Nicht-Negierbarkeit
(f) Nicht-Verwendbarkeit (g)
als Antwort auf
Entscheidungsfragen
Satzartenspezifiziertheit
(h) Vorhandensein von "Homonymen" in anderen (i) häufige Kombination
Wortarten
untereinander
Danach umfaßt die von Wolski nicht explizit aufgeführte
Liste
der MPn vermutlich alle diejenigen Elemente, die Heibig
(1988)
zu den echten Abtönungspartikeln oder Abtönungspartikeln
im enge-
ren Sinne zählt. Da Unbetontheit als Kriterium genannt ist, scheinen die betonten Formen, die von vielen zur Klasse der MPn gerechnet werden, auch nicht enthalten zu sein. In der "Deutschen Grammatik" von Engel (1988: 774-775) man eine etwas erweiterte Liste der Abtönungspartikeln Modalpartikeln
ist bei Engel für eine andere Gruppe
Als Abtönungspartikeln
findet
(der Name
reserviert).
zählen hier: aber, also, auch, bitte, bloß,
denn, doch, durchaus, eben, eigentlich, einfach, etwa, halt, ja, mal, nicht, noch, nun mal, nur, ruhig, schon, wohl. (Auf S. 231 zusätzlich: lediglich und schnell)
gleich, vielleicht,
57
Die syntaktischen Kriterien dieser Klassifikation (a)
sind:
Unveränderlichkeit
(b) können nicht allein im Vorfeld des Aussagesatzes (c) können nicht als Antworten auf Fragen (d) können nicht negiert werden.·
stehen
fungieren
Als ihre Funktionen werden genannt: Sie geben entweder die Einstellung des Sprechers wieder, oder sie modifizieren die kution. D. h. sie verändern die Redeabsicht nicht
Illo-
grundlegend,
sind aber doch in der Lage, sie mehr oder weniger zu modifizieren, zu verstärken, abzumildern o. ä. Speziell unter dem Gesichtspunkt ihrer Funktion als charakterisierende
satzmodus-
Elemente klassifiziert Altmann (1987:
40-41)
die MPn. Er versteht als MPn (a) nicht
flektierbare
(b) in der Regel nicht akzentuierbare
(außer bloß und ja[ in
Imperativsätzen) (c) meist fakultative lexikalische Elemente doch, nur in
(außer evtl.
bloß,
V-l-Wunschsätzen)
(d) die nur im Mittelfeld auftreten. Für ihre Stellung im Mittelfeld gibt es relativ komplizierte Gesetzmäßigkeiten. (e) und es gibt ebenfalls komplizierte Gesetzmäßigkeiten, denen sie miteinander kombiniert werden können.
nach
Zu dieser Klasse rechnet Altmann die Elemente: aber, auch, denn, doch, eben, eigentlich, einfach, erst (?), etwa, halt, j a , mal, noch, nun (?), nur, ruhig, schon,
bloß,
gerade,
vielleicht,
wohl. Wie schon Helbig/Kötz
(1981) subklassifiziert er diese
den für die einzelnen Satztypen typischen Teilmengen, die dings nicht-disjunkt sind. Im Rahmen der
nach aller-
Satzmodusproblematik
wird diskutiert, ob das Auftreten der MPn satztypgesteuert oder ob die Verträglichkeit der MPn mit unterschiedlichen arten von dem intendierten Handlungstyp abhängig
5.2
Zur Bedeutung von
ist Satz-
ist.
Modalpartikeln
Es ist oft darauf hingewiesen worden (s. ο. ),, daß auch im Hinblick auf ihre Funktion oder Bedeutung die MPn keine einheitliche se bilden. So werden ihnen meistens mehrere Funktionen
Klas-
zugeordnet,
58 die einander nicht ausschließen müssen, sondern sich oft ergänzen und überlagern. Es ist jedoch wahrscheinlich nicht so, daß alle diese sechs von Heibig
(1988: 56-63) genannten
Eigenschaften auf alle Elemente der Wortklasse
zutreffen:
1. Abtönungspartikeln sind Einstellungsausdrücke Bublitz (1978), Franck
(1980) und Doherty
semantischen
im Sinne von
(1985), die etwas
aussagen über Einstellungen, Voraussetzungen und
Erwartungen
von Sprecher und Hörer zum Inhalt der Äußerung, in dem die Partikel
auftritt.
2. Abtönungspartikeln sind situationsdefinierend,
indem sie die
Rolle der Äußerung in der betreffenden Sprechsituation teilen (Franck 3. Nach Wunderlich
beur-
1980). (1972), Heibig
(1977) und Helbig/Kötz
(1981)
sind sie vor allein illokutionsindizierend und - m o d i f i z i e r e n d , indem sie die mit der Äußerung gemeinte Sprechhandlung, d. h. ζ. B. eine Warnung, eine Frage, eine Aufforderung, einen Ratschlag, eine Drohung verdeutlichen. Diese Rolle ist, wie
Heibig
(1988) bemerkt, wahrscheinlich etwas zu relativieren. Vielleicht in dem Sinne, daß einige, aber nicht alle MP diese Rolle spielen. So ist mindestens eine der MPn doch, nur, bloß für die Interpretation von Sätzen wie: "Wenn er doch / nur / bloß käme!" als Wunschsatz obligatorisch. Auch für die fakultativen MPn bloß, mal, schon in Imperativen ist die Annahme plausibel, daß diese die Illokution der
Aufforderung
modifizieren zwischen schwacher Aufforderung und Drohung. Nicht illokutionsindizierend scheinen dagegen ζ. B. denn und etwa in Fragen zu sein. Die Fragetypen,
in denen diese
MPn vorkommen, gelten auch bei Weglassung dieser
Partikeln
als Fragen. Dagegen gibt es Fragesatztypen, die sog.
asserti-
ven Fragen, die die Verwendung der beiden Partikeln nicht zulassen. Der Fragecharakter dieser Sätze wird durch das nationsmus.ter bestimmt, eine zusätzliche
Into-
Charakterisierung
der Illokution durch die für bestimmte Fragesätze
typischen
MPn ist bei denn gar nicht möglich, bei etwa nur mit der zusätzlichen Bedingung, daß eine Negationspartikel kommt : Du willst
(doch) nicht etwa noch
weggehen?
im Satz vor-
59 Dagegen treten in assertiven Fragen die für den
Deklarativ-
satz typischen MPn doch und wohl auf. Diese Tatsachen
deuten
eher darauf hin, daß diese Partikeln nicht illokutions-, sondern satztypabhängig 4. Nach Franck
sind.
(1980 u. a.) haben die MPn auch
konversationssteuern-
de Funktion. Sie zeigen an, ob sich der Gesprächspartner fang, in der Mitte oder am Ende des Gesprächs befindet, sie nehmen Einfluß auf die Weiterentwicklung
des
am Anund
Gesprächs-
ablaufes . 5. Außerdem wurden bei MPn auch interaktionsstrategische
Funktio-
nen festgestellt. MPn dienen oft dazu, die Funktion des Sprechaktes unter den gegebenen Bedingungen der Interaktion zu verdeutlichen. Gleichzeitig macht der Sprecher auch seine
eigenen
Vorstellungen von epistemischen und anderen Einstellungen Gesprächspartners
des
deutlich.
6. Schließlich weist Heibig auf die konnektierende,
textverknüp-
fende Funktion der MPn hin. Sie verbinden entweder
aufeinander-
folgende Äußerungen, auch über einen Sprecherwechsel
hinweg,
oder sie verbinden den Inhalt des Satzes, in dem sie stehen, mit einem anderen, der nicht geäußert wurde, aber in der Gesprächssituation eine Rolle
spielt.
Wie kommt es nun dazu, daß MPn so eine Vielzahl von
Funktionen
ausüben können, die zwar in einem Zusammenhang untereinander hen, aber doch keineswegs identisch sind? Die Funktionen Funktionswörter
ste-
anderer
sind eindeutiger beschreibbar. So kann die Funk-
tion von Konjunktionen, von denen viele MPn abgeleitet sind, so bestimmt werden, daß sie spezifische,
in der jeweiligen
Eigen-
bedeutung der Konjunktionen festgelegte Relationen zwischen Sätzen bzw. Teilsätzen anzeigen. Damit sind für die Bestimmung Bedeutung von Konjunktionen zwei Teilstücke notwendig: Die mung der spezifischen Relation zwischen den Sätzen, oder,
der Bestim-
gesehen
als operative Bedeutung, die Bestimmung des Operators, der die Eigenbedeutung der Konjunktion ausmacht, plus die rung der Relate bzw. Operanden, die im Falle, der stets Sätze bzw. reduzierte Sätze
sind.
CharakterisieKonjunktionen
60 Kann man nun sagen, daß die Modalpartikeln ebenfalls Eigenbedeutung
eine
in diesem Sinne haben? Oder ist diese im Verlauf
des "Ausbleichensprozesses",
den ihre Bedeutung seit ihrer
Ab-
spaltung von der Bedeutung der entsprechenden Konjunktion
bzw.
des Adverbs erfahren hat, so verblaßt, daß sie nicht mehr
fest-
stellbar ist? Diese Frage wird jetzt meistens so entschieden, zwischen den heute homonymen Formen noch Gemeinsamkeiten stellbar sind, die gewöhnlich als "gemeinsame o.ä. erfaßt
daß
fest-
Grundbedeutung"
werden.
Eine weitere Frage ist folgende: Ist es vielleicht so, daß die einzelnen Elemente der ihrer Herkunft nach so heterogenen der MPn auch etwas von den syntaktischen Eigenschaften
Klasse
ihrer Ahnen
aus anderen Wortklassen geerbt haben? Erklären sich so manche der zahlreichen funktionalen und syntaktischen
Idiosynkrasien, die den
MPn eigen sind? Haben also MPn, die aus Konjunktionen
gebildet
sind, aufgrund der anderen syntaktischen Bedingungen auch andere semantische und funktionale Eigenschaften als diejenigen, die von Adverbien oder Gradpartikeln
abstammen?
D. h. haben die von Konjunktionen abgeleiteten MPn die
konnek-
tive Funktion der Konjunktionen geerbt, und welche Einheiten binden sie dann im Unterschied zu den
ver-
Konjunktionen?
Ist die Funktion der von Adverbien und Gradpartik'eln
abgelei-
teten MPn eine andere (evtl. die mehr illokutive?) und was det sie trotzdem alle zu einer gemeinsamen
verbin-
Wortklasse?
Zur Klärung dieser Fragen ist es m. E. erforderlich, die in ihrem Zusammenwirken noch nicht genügend erforschten
Zusammenhän-
ge zwischen lexikalischer Bedeutung und syntaktischem Typ der Wortklasse MP sowie ihren Funktionen als verknüpfende zwischen Ausdrücken epistemischer
Einstellungen, evtl. auch ande-
rer Einstellungen, im einzelnen zu untersuchen. Das ken mehrerer Kenntnissysteme
Elemente
Zusammenwir-
ist auch in anderen Arbeiten zur Be-
deutung der MPn, ζ. B. in Franck
(1980) bereits im Blickpunkt
ge-
wesen. Neuere Arbeiten der 80er Jahre, u. a. zu Fokus und Skopus in der Grammatiktheorie, zu Wissensrepräsentationen linguistik und zu sprachlicher Interaktion
in der
Psycho-
in der Pragmatik
jetzt vielleicht die Möglichkeit, solche Ansätze weiter
geben
voranzu-
treiben . Ich möchte an einem konkreten Beispiel zeigen, wie
Interdepen-
denzen zwischen den genannten sprachlichen Ebenen vorstellbar
wä-
61
ren. Vom Ergebnis solcher Untersuchungen ist auch abhängig, che Beschreibungseinheiten
für die Darstellung der
Lexikoneinträge vorzusehen
sind.
5.3
Der Lexikoneintrag
wel-
betreffenden
doch
Als Untersuchungsgegenstand will auch ich das Lexem doch wählen, obwohl dieses schon so häufig behandelt wurde. Die von doch ist zweifellos kein Zufall. Doch ist für Untersuchungen verschiedener
Beliebtheit vergleichende
Funktionen besonders geeignet, da
seine Distribution so breit gestreut ist. Darin
unterscheidet
es sich ζ. B. von aber, das ebenfalls als Konjunktion und MP vorkommt, in seiner Funktion als Modalpartikel
aber auf einen engen
Funktionsbereich beschränkt ist (in Aussagesätzen mit
graduier-
baren Adjektiven und Substantiven im Fokus), obwohl die tionale Ausgangsbedeutung des Lexems ganz ähnlich Neben der konjunktionalen Bedeutung
konjunk-
ist.
(a) von doch, die der
von aber gleicht wie in Maria ist krank, doch (= aber) sie kommt werden weitere Vorkommen in drei anderen Wortarten (b) als
unterschieden:
Satzäquivalent
A: Kommt Maria
nicht?
B: Doch. (c) als Adverb oder betonte
Modalpartikel
Maria kommt doch. (d) als unbetonte
Modalpartikel
Maria kömmt doch. Nur in der Vorkommensweise unter weiter subklassifiziert.
(d) als MP (unbet.) wird noch
Es werden etwa 5-8 MP-Bedeutungen
von
doch unterschieden in Abhängigkeit von seiner Verwendung in unterschiedlichen Kontexten. Die für die Unterscheidungen Kontexte sind hier wie bei anderen MPn die
relevanten
Satzarten.
Sowohl doch als auch andere Funktionswörter haben
Gebrauchs-
beschränkungen auch in anderen Vorkommen. Als betonte Partikel
(c)
kann doch in fast allen Satzarten vorkommen, nur bei W-Fragen gibt
62
es E i n s c h r ä n k u n g e n .
Diese sind mit doch nur unter s p e z i e l l e n
d i n g u n g e n als E c h o f r a g e zulässig, mit Ausnahme von
Be-
Warum-Fragen,
die mit doch v e r t r ä g l i c h sind. Auch für K o n j u n k t i o n e n gibt es Gebrauchsbeschränkungen
(s. dazu Pasch 1983 und in diesem
Band),
aber weder bei K o n j u n k t i o n e n noch bei betonten P a r t i k e l n gibt es Bedeutungsvarianten unterschiedlichen
innerhalb einer Wortart je nach V o r k o m m e n
Kontexten
(Satzarten).
Das ist nur bei
unbe-
tonten MPn der Fall. Was ist der G r u n d ? Hat die Satzart lich A u s w i r k u n g e n
auf die Bedeutung
in
tatsäch-
von u n b e t o n t e n MPn? Und wenn
ja, wie ist das zu e r k l ä r e n ? Es muG erklärt werden, da dieser einmalig
Fall
ist.
Ich will für doch eine Erklärung
v e r s u c h e n , die
auch für einige ähnlich g e l a g e r t e Fälle
wahrscheinlich
zutrifft.
Ich nehme für die V o r k o m m e n von doch in den g e n a n n t e n eine g e m e i n s a m e G r u n d b e d e u t u n g
Wortarten
an, die, wie mir scheint,
in die-
sem Fall b e s o n d e r s deutlich zutage tritt. Das Lexem doch
drückt
in allen V o r k o m m e n , unabhängig von der Wortart eine s p e z i e l l e
Re-
lation zwischen zwei Sätzen aus, die zu c h a r a k t e r i s i e r e n wäre
als
N e g a t i o n einer N e g a t i o n , bzw. als doppelte N e g a t i o n , die eine A s s e r t i o n
5.3.1
wieder
ist.
Zur Bedeutung der K o n j u n k t i o n
doch
Die von der K o n j u n k t i o n doch a n g e z e i g t e d o p p e l t e Negation
verbin-
det zwei T e i l s ä t z e , die beide H a u p t s ä t z e sind. Zur Bedeutung
von
doch bzw. aber als K o n j u n k t i o n gibt es eine ganze Anzahl von
seman-
tischen Analysen.
Diese besagen, daß "p aber q" zu
interpretieren
ist als Relation zwischen zwei Sätzen ρ und q, von denen q die Korrektur ist.
einer aus ρ a b g e l e i t e t e n
impliziten SchluGfolgerung
λ/ q wird im zweiten Teilsatz z u / v / v q ,
also q k o o r i g i e r t .
Der durch den von aber angezeigte m e n t a l e Prozeß verläuft anzunehmenden
auf
in zwei
Schritten:
(a) ρ ist der Satz, von dem der Sprecher
annimmt, daG von
/v q g e s c h l o s s e n w e r d e n kann, ζ. B.: Wenn Maria
ist, kommt sie nicht
(p — >
q)
-v q
ihm
krank
63 (b) Durch Verwendung von aber und doch als Konjunktion
zwischen
beiden Sätzen gibt der Sprecher zu erkennen, daß der zweite Teilsatz als Korrektur dieser angenommenen zu verstehen ist: aber
Schlußfolgerung
q, d. h. q
Die Interpretation der Konjunktionen aber und doch erfordert die Annahme einer impliziten Schlußfolgerung
im ersten Schritt.
zit heißt, daß dieser Schluß nicht verbal ausgedrückt notwendigerweise
Impli-
ist, aber
angenommen werden muß, um die inhaltliche
Bezie-
hung zwischen den beiden Teilsätzen zu erklären. In der Erkenntnis, daß für das Verständnis sprachlicher
Äuße-
rungen mehr erforderlich ist als das Erfassen der expliziten
In-
formation versucht man jetzt, die mentalen Prozesse zu verstehen, die auch ganz gewöhnlichen alltäglichen Äußerungen zugrunde
lie-
gen, von denen aber nur einzelne Schritte explizit geäußert
wer-
den, während andere aus dem Gesagten nur zu erschließen d. h. die implizit
sind,
sind.
Es scheint erwiesen zu sein, daß dieses alltägliche
Schließen
("ordinary reasoning"), wie es in jedem Text und jedem
Gespräch
vorkommt, nicht in allen Punkten entsprechend den aus der Logik bekannten Schlußregeln
(Syllogismen) erfolgt. Für das
von Sätzen, in denen Funktionswörter
Verständnis
vorkommen, die keine
direkten
sprachlichen Äquivalente logischer Junktoren sind, ist die Kenntnis der Regeln "gewöhnlichen" oder impliziten Schließens eine Bedingung . Johnson-Laird
(1983: 127-145) erläutert wesentliche
de zwischen expliziten und impliziten Schlüssen. Die
Unterschei-
dung zwischen expliziten und impliziten Schlüssen sei für das Verständnis von Äußerungen in gewöhnlichen
Unterschiegrundlegend
Gesprächen.
Während explizite Schlüsse von dem Schließenden bewußt werden und ihn Zeit und Überlegung kosten, erfolgen
gemacht
implizite
Schlüsse schnell und unbewußt, ohne besondere Anstrengung.
Solche
Schlüsse werden automatisch, fast unabsichtlich und oft
unbemerkt
von dem Schließenden gemacht. Während in einem gültigen
Schlußver-
fahren die Konklusionen wahr sind, wenn die Prämissen wahr
sind,
ist es ein wichtiges Merkmal impliziter Schlüsse, daß sie nicht gültig sein müssen. Implizite Schlüsse sind eher plausible
Mut-
maßungen als gültige Deduktionen. Sie sind nicht das Ergebnis der
64
Berechnung aller Möglichkeiten. Es ist wahrscheinlicher
anzuneh-
men, daß der Mechanismus impliziten Schließens aus einem Plan besteht, der ein einziges mentales Modell aus dem Text oder seinem Kontext und dem Hintergrundwissen aufbaut. Dieses
Gespräch, Wissen
ist per Default in das Modell integriert, d. h. es wird so lange Eviden-
Teil des Modells sein, bis es durch eventuell auftretende zen falsifiziert
wird.
Solange so eine Evidenz nicht auftritt, wird kein Versuch gemacht, nach einem alternativen Modell zu suchen. Aus diesem
Grun-
de kann der Prozeß so schnell vor sich gehen, wie es im Gespräch erforderlich ist. Er wird so automatisch wie jedes andere
kogniti-
ve Verfahren, das nur eine einzige mentale Repräsentation zu einer gegebenen Zeit benötigt. Und aus diesem Grunde fehlt den ten Inferenzen auch die Garantie, die die expliziten haben. Die grundlegende Unterscheidung
implizi-
Deduktionen
zwischen den zwei
Arten
von Inferenzen besteht also darin, ob es eine ausdrückliche nach alternativen Modellen gibt oder
Suche
nicht.
Dieser Art sind die impliziten Schlüsse, die bei
Verwendung
der Konjunktion aber angezeigt sind. Schon Wunderlich hatte
1980
aber als Ausdruck eines Widerspruchs interpretiert, der sich aus einer nicht erfüllten Erwartung ergibt. Eine Erwartung
versteht
er in diesem Zusammenhang als mögliche Folgerung aus vorher sagtem, wobei eine solche mögliche Folgerung von einer gen oder zwingenden Folgerung
Ge-
notwendi-
(entailment) zu unterscheiden
sei.
In einem Satz des Typs "p aber q" kann q nicht die Negation eines entailments aus ρ sein, ohne daß ein Widerspruch entsteht.
Ein
Beispiel für einen solchen widersprüchlichen Satz wäre ζ. B. Max ist Junggeselle, aber er ist
verheiratet.
Die im Beispiel erscheinende Opposition ist nur denkbar, das Wort Junggeselle metaphorisch verwendet
wenn
wird:
Max ist verheiratet, aber er ist ein richtiger
Junggeselle,
was zu interpretieren wäre: er hat die Eigenschaften, die lich einem Junggesellen zugeschrieben werden. Nur unter
gewöhn-
dieser
Bedingung ist der von aber eingeleitete zweite Teilsatz wie gefordert keine Korrektur notwendiger Folgerungen, die ein aus der bisherigen Information
Rezipient
(dem ersten Teilsatz p) ziehen muß,
65 sondern eine Korrektur möglicher Erwartungen bzw. aus der bisherigen
Nahelegungen
Äußerung.
Ähnlich erklärten auch Ducrot (1973, 1979, 1880) und
Anscombre/
Ducrot (1976, 1978) die Bedeutung von frz. mais auf der impliziter
Grundlage
Schlußfolgerungen.
In diesem Zusammenhang
ist herauszustellen, daß eine
tion wie aber die speziellen Beziehungen zwischen zwei
Konjunkexplizit
geäußerten Teilsätzen deutlich macht, wobei beide Teilsätze gleichen Sprecher geäußert werden können. Es ist aber auch
vom Sprecher-
wechsel möglich, d. h. Sprecher Α äußert ρ und Sprecher Β fügt die Korrektur möglicher sich daraus ergebender Annahmen hinzu: aber q. Es gibt auch Fälle, in denen der erste Teilsatz nicht ist, sondern nur aus der Situation
explizit
erschließbar.
Bei explizitem ρ wird oft erst durch die Äußerung des zweiten Teilsatzes q klar, welche Implikaturen aus dem ersten
Teilsatz
der Sprecher im Auge hatte, denn es gibt ja in der Regel
mehrere
Möglichkeiten. Welcher Art die der Äußerung zugrunde liegende
Im-
plikatur aus ρ ist, ist erst rückwirkend aus der Äußerung
"aber q"
erschließbar. Es ist offensichtlich,
Impli-
daß unterschiedliche
katuren vorliegen müssen, wenn auf denselben Satz ρ verschiedene Anschlüsse mit "aber q" folgen können, wobei den Inhalte von q sich sogar widersprechen
dürfen:
(a) Das Essen ist teuer, aber es schmeckt
nicht.
(b) Das Essen ist teuer, aber es schmeckt. Beide Oppositionen sind möglich, obwohl der zweite Teilsatz in Beispiel
(b) das Gegenteil vom zweiten Teilsatz im Beispiel
ausdrückt. Im Beispiel
(a) beruht die Opposition auf der Negierung
der impliziten Schlußfolgerung oder Erwartung aus p, daß zutrifft
(= Wenn das Essen teuer ist, sollte es auch
vq
schmecken).
Die Gültigkeit dieser Implikatur wird für den vorliegenden (a) nicht
(a)
Fall
bestätigt.
Mit der gleichen Implikatur aus ρ ist Fall (b) nicht Er ergibt dann einen Sinn, wenn folgende Art der
erklärbar.
Schlußfolgerung
unterstellt wird: Das Essen ist teuer, das ist ein Nachteil. Es ist aber nicht insgesamt abzulehnen, denn es hat die
positive
Eigenschaft, daß es gut schmeckt. Ausführlich zu den zur tation von aber-Sätzen notwendigen Implikaturen s. Brauße
Interpre(1983).
66 Welche Rückschlüsse aus expliziten Äußerungen auf die zugrunde liegenden Inferenzen zu ziehen sind, ist auch der Untersuchungen von Sperber/Wilson
ihnen
Gegenstand
(1986). Blakemore
(1987)
baut auf deren Erkenntnissen auf, sie untersucht insbesondere
die
Rolle von textverknüpfenden
auch
lexikalischen Elementen, darunter
von but. Auch in ihrer Sicht ist der erste Teil der Äußerung ρ der Kontext für die Interpretation des but-Satzes: but q. But zeigt an, in welcher Weise der auf die Konjunktion folgende
Satz
in dem gegebenen Kontext relevant ist. Die Relevanz des auf but folgenden Teilsatzes liegt in der Tatsache, daß es die
Konsequen-
zen aus dem ersten Teilsatz negiert. Alle Verwendungen der tion but können so in gleicher Weise als
Relevanzbeschränkungen
interpretiert werden, die frühere Annahmen mehrerer der aber/but-Bedeutung überflüssig
Konjunk-
Varianten
machen.
Zusammenfassend sei noch einmal gesagt: Die Relation
zwischen
ρ und q in einem Satz "p aber q" und damit die Bedeutung von aber ist derart, daß q die Negation einer impliziten
Schlußfolgerung
aus ρ ist. Bei der Interpretation der Konjunktion aber, die zwei Teilsätze verbindet, haben wir es demnach eigentlich mit drei
Sät-
zen zu tun, den beiden expliziten Teilsätzen ρ und q und der impliziten Inferenz
>vq aus p. Die implizite Inferenz ρ — >
haben wir nach Johnson-Laird
*»/q
(1983) als ein mentales Modell zu
erklären, das nicht aufgrund eines gültigen Schlusses,
sondern
aufgrund plausibler Mutmaßungen entstanden ist. Ein solcher ziter Schluß hat als eine seiner Prämissen ein allgemeines
impliHinter-
grundswissen, das unter gewöhnlichen Bedingungen, d. h. per gültig ist. Es kann jedoch, wenn nicht die gewöhnlichen, spezielle Bedingungen wirksam sind, auch falsifiziert Das ist der Fall bei Verwendung von aber. Mit dieser "p —
i
n
sondern
werden. Konjunktion
wird angezeigt, daß die unter gewöhnlichen Bedingungen Defaultregel
Default,
gültige
diesem Fall keine Anwendung
findet,
sondern daß hier ein spezieller Fall vorliegt, in dem die Negation von
'v/q, also q gilt. Darin besteht die Bedeutung der Kon-
junktion aber. Sie zeigt an, daß ρ und q gleichzeitig gelten verbindet sie mit der Bedeutung von und). Darüber hinaus sie darauf hin, (a) daß von ρ im Normalfall auf wird und (b) daß für den vorliegenden Fall soll, sondern q, die Negation von
^ q
* v q nicht
(das
weist
geschlossen gelten
67
Semantische Information für aber/doch eintragungen noch nicht
(Konj.): (Für
Wörterbuch-
umgesetzt)
ρ gilt, und obwohl normalerweise von ρ — ^ /^q geschlossen wird, wird bei Verwendung von aber behauptet, daß in diesem Falle nicht q gilt, sondern dessen Gegenteil:
q.
Soweit zur Bedeutung der Konjunktion aber, die mit der der Konjunktion doch übereinstimmt. Unterschiede gibt es nur auf stischer Ebene. Für die Konjunktionsbedeutung
ist
stili-
charakterstisch,
daß die von aber oder doch ausgedrückte Opposition oder
Negation
nicht immer die Relation anzeigt, die zwischen den beiden
expli-
ziten Sätzen ρ und q besteht, sondern q ist oft die Negation
eines
nicht expliziten Satzes, einer Erwartung, die das Gegenteil von q, also
/ ^ q ausdrückt. Wenn wir also als Eigenbedeutung
von doch/aber
die Negation einer Negation feststellen, dann besteht diese tion nicht nur zwischen ρ und q, sondern auch zwischen q, wobei
/ ^ q und
/ ^ q mit ρ durch eine Inferenz verbunden ist. Die
tion Negation einer Negation besteht also im Falle der
RelaRela-
Konjunk-
tion zwischen einem impliziten Satz (einer Erwartung) und dem zweiten expliziten
Teilsatz.
Wir wollen jetzt den Versuch unternehmen, die vermutete meine abstrakte Grundbedeutung Negation einer Negation bei Vorkommen von doch in den genannten Wortarten als einen
Operator
zu interpretieren, der bei den verschiedenen Wortarten auf schiedene Bezugseinheiten wirkt. Daß bei konjunktionaler
allgeallen ver-
Verwen-
dung das negierte Element, auf das sich die zweite Negation bezieht, ein nur impliziter, aber aus q eindeutig
erschließbarer
Satz ist, wurde gerade beschrieben. Wie sind nun die anderen Vorkommen
interpretierbar?
5.3.2
Doch als MP
(betont)
Einige MPn, zu denen auch doch gehört, treten in unbetonter in betonter Form auf. Es ist daher die Entscheidung ob auch die betonte Variante wie in Maria ist döch gekommen
(bet.)
oder nur die unbetonte Form wie in
und
zu treffen,
68 Maria ist doch gekommen (doch unbet.) zur Klasse der MPn zu rechnen Einige Partikelforscher
ist.
wie Weydt (1986) und Heibig
(1988) ver-
stehen beide Varianten als Modal- bzw. Abtönungspartikel, zählen nur die unbetonte Form zu den MPn, die betonte
andere
verstehen
sie als Adverb. Es schließt sich die Frage an, wie die
anderen
Elemente, die ebenfalls solche Dubletten aufweisen, wie denn, nicht, eigentlich, schon, wohl zu behandeln
sind.
Weydt (1986: 393-403) geht der Frage nach, ob es sich bei den Dubletten um Erscheinungen handelt, die Ergebnisse des im Deutschen generell wirkenden Kontrastakzents sind. Eine solche
Erklä-
rung liegt nahe, ihr widerspricht nur die Tatsache, daß allein im Falle der MPn dem Kontrastakzent eine
zeichenunterscheidende
Funktion zugeschrieben wird. Dies muß erklärt werden. Weydt erklärt die Betonungsdubletten auf der Grundlage Thema-Rhema-Struktur.
unterschiedlicher
Durch den Kontrastakzent wird ein Element
als rhematisch hervorgehoben und von denkbaren Alternativen gehoben. Durch den Satzakzent gerät nun das bisher
ab-
thematisch,
also unauffällig gegebene Metaurteil ins Zentrum und wird mit Nachdruck als das Wesentliche des Satzes
geäußert.
Der Skopus von bet. döch gleicht dem der Negation. Die bution ist unabhängig vom Satzmodus,
im Unterschied zum
ten MP-doch. Wenn doch in einem eingebetteten Satz steht, sich seine Bedeutung nur auf den eingebetteten Die Ähnlichkeit der Skopusverhältnisse
Distri-
unbetonbezieht
Satzteil.
von doch mit der Nega-
tion nicht und mit anderen betonten Formen von MPn legt die Vermutung nahe, daß es sich hierbei nicht um eine lexikalische scheinung handelt", sondern um eine, die sich in einen ren Zusammenhang
Er-
generelle-
zwischen Skopus- und Betonungsverhältnissen
ein-
fügt . Wenn die Bedeutung der Funktionswörter, so wie es hier sucht wird, nicht wie die der Autosemantika als
ver-
Kodifizierung
einer bestimmten Wissensmenge erklärt wird, sondern als Kodifizierung von bestimmten regulären Operationen mit unterschiedlicher
Wissensmengen
Art, dann ist es die von den betonten
der MPn ausgedrückte Operation, eine Beziehung
Formen
(für doch im Sinne
einer Negation der Negation) zwischen dem ausgedrückten Satz und
69
anderen herzustellen, in denen über denselben Sachverhalt und mit Negation schon debattiert
ohne
wurde.
Durch Akzent auf einer lexikalischen Einheit wird diese in Kontrast gesetzt zu anderen Elementen derselben Ebene. In der Mehrzahl der Fälle liegt der Akzent auf einer nominalen oder verbalen Einheit, die damit als rhematisch (als Träger der neuen Information) gekennzeichnet ist. Liegt der Akzent dagegen auf dem Funktionswort, wie es bei den betonten MPn der Fall ist, dann ist damit angezeigt, daß nicht der ausgedrückte Sachverhalt die neue Information enthält. Diese ist als gegeben gekennzeichnet,
wenn
der Akzent auf dem doch liegt. Die durch doch ausgedrückte
episte-
mische Einstellung des Sprechers vor dem Hintergrund, daß auch alternative Einstellungen zur Diskussion standen, ist in dem Satz mit betontem doch die neue, wesentliche Information. Die durch döch ausgedrückte Negation der Negation hat in dieser
Variante
den Hintergrund, daß die Negation des Satzes bereits Thema war. So ist auch diese Verwendung von doch inhaltlich mit den schon genannten Vorkommen verbunden. Sowohl die betonten als auch die unbetonten Formen drücken eine Korrektur der Meinung, daß
/^q
gilt, aus, also wieder eine doppelte Verneinung und damit eine Bejahung. Der Kontext beider Varianten ist jedoch
5.3.3
doch als
verschieden.
Satzäquivalent
Diese Verwendung von doch ist inhaltlich ganz eng mit der von 5.3.2 verbunden. Sie stellt die Möglichkeit dar, das Element, das in 5.3.2 den Widerspruch
im Satzrahmen
fokussierte ausdrückte,
ohne Satzkontext zu verwenden, aber mit Bezug auf eine gangene
vorange-
Äußerung.
Doch ist entweder Antwort auf eine Entscheidungsfrage, eine Negationspartikel
enthält
A: Ist Maria nicht krank? oder Widerspruch auf eine
B: Doch,
Behauptung
A: Maria ist nicht krank.
B: Doch.
Es kann auch Antwort auf eine assertive Frage A: Maria ist nicht krank?
B: Doch.
sein
die
70
und Widerspruch gegenüber einer Aufforderung, die eine
Negation
enthält A: Geh nicht weg!
B: Doch.
Es ist für dieses Vorkommen charakteristisch, daß doch auch hier Widerspruch gegen einen negierten Satz ausdrückt. Dieser der doch-Äußerung vorausgehende Satz muß eine Negation
enthalten,
die Satzart (Satzmodus) ist aber unbeschränkt. Der negierte
Satz
ist in dieser Verwendung explizit und einem anderen Sprecher
zu-
zuweisen. Doch in diesem Vorkommen ist stets Zurückweisung
einer
Annahme, Behauptung oder Forderung, daß ein zur Diskussion
stehen-
der Sachverhalt nicht zutrifft oder nicht zutreffen soll. Es wird mit doch der Annahme, Behauptung oder Forderung eines Sprechers widersprochen und die Meinung vertreten, die daß
anderen Annahme,
ρ zuträfe oder zutreffen soll, sei falsch, dessen Gegen-
teil, also /ν*** ρ oder ρ sei richtig. Wenn dies auch nicht die normale Verwendung ist, so ist doch auch manchmal als Entgegnung auf Sätze ohne
Negationspartikel
möglich: In Aussagesätzen: A: Das ist eine große Überraschung. In
B: Doch.
Entscheidungsfragen: A: Kommst du mit?
und assertiven
B: Doch,
Fragen
A: Du kommst mit?
B: Doch.
Als Antwort auf nicht negierte Sätze ist doch, wie in den Wörterbüchern meist erläutert, eine stärkere Bejahung als das gewöhnliche ja^. Das Moment der Verstärkung, das im übrigen oft als Bedeutungselement von doch angesehen wird, ist in diesem Fall so zu erklären, daß in der Erwiderung auf nicht negierte Fragen oder Behauptungen der Sprecher B, der doch sagt, andere implizite
Mei-
nungen oder Erwartungen anderer Personen zurückweist, die er in der Situation für möglich hält. Franck sich die fehlende Negation in
(1980: 174) nimmt an, daß
71 Α: Das war doch anständig von ihm, daß er die
Entschädigung
gezahlt hat. B: Doch, doch. Das muß ich zugeben. rekonstruieren läßt, wenn man den Satz von Α sinngemäß durch eine rhetorische Frage mit nicht
ersetzt:
A: War das nicht anständig von ihm
...?
Zusammenfassung: doch ist eine Erwiderung auf Behauptungen, ' ρ gilt, auf Forderungen,' daß mit Negationspartikel des Typs daß
daß
Λ/ ρ gelten soll oder auf Fragen /vp? Mit doch wird
Λ ^ ρ gilt und behauptet, daß
bestritten,
p, also ρ gilt.
Anmerkung: Doch ist mit aber gewöhnlich nur in der als Konjunktion synonym. Die unterschiedlichen gungen sind stilistischer Natur: aber ist
Verwendung
Verwendungsbedin-
umgangssprachlich,
doch ist gehobener Stil. In der Verwendung als
Antwortpartikel
ist doch meist nicht durch aber ersetzbar. Aber ist dennoch auch in dieser Position verwendbar als Antwort auf
Entscheidungs-
fragen und Behauptungen mit und ohne Negationspartikel.
Aber ist
verwendbar in etwas salopper Umgangssprache und drückt dann eine starke Bejahung aus, etwa im Sinne von und ob! In der
Verwendung
als MP ist jedoch aber gar nicht mit doch austauschbar. Die MPFunktion von aber unterscheidet sich von der von doch. Auch die Gebrauchsbedingungen
5.3.4
sind andere.
Doch als Modalpartikel
(unbetont)
Die unbetonte Form von doch drückt die gleiche Operation wie die homonymen Formen aus, nämlich wieder eine Negation der
Negation.
Die Operanden, auf die die MP einwirkt, sind jedoch andere. Die Betonungsverhältnisse
weisen darauf hin, welche es sind:
die Partikel unbetont ist, liegt der Hauptton auf einem
Wenn anderen
Element des Satzes. Es kommen sowohl nominale, verbale als auch adverbiale in Frage (vgl. Hentschel 1983 und 1986). Die neue Information ist jedenfalls nicht durch das Funktionswort,
sondern
in dem Satz bzw. in Teilen von ihm ausgedrückt. Das bedeutet, bei Verwendung der unbetonten MP war der vom Satz
ausgedrückte
72
Sachverhalt noch nicht Gegenstand des Gesprächs. Die von doch auch hier angezeigte Negation der Negation ist in diesem
Falle
keine Erwiderung auf alternative Einstellungen zur Wahrheit betreffenden
des
Satzes.
Vielmehr verweist unbetontes MP-doch auf einen
nicht-explizi-
ten, nur aus bestimmten für die Gesprächssituation Handlungen oder Äußerungen des Gesprächspartners
relevanten
erschließbaren
Widerspruch zwischen dessen vermutlicher Auffassung und der vom Sprecher im doch-Satz geäußerten Auffassung. Der durch MP-doch ausgedrückte Widerspruch, die Negation einer Negation sich in dieser Verwendung auf die Meinung eines
bezieht
Gesprächspartners,
die nicht wie bei betontem doch die Negation des im doch-Satz behaupteten Sachverhalts ist. Bei unbetontem doch darf sie nicht die direkte Negation des behaupteten Satzes sein, hier ist mit doch auf eine Meinung oder ein Verhalten des Dialogpartners
ver-
wiesen, das nach Auffassung des Sprechers im Widerspruch zu der von diesem im doch-Satz als auch dem Partner als wahr
bekannter
Sachverhalt unterstellt wird. Wenn nun damit der Beitrag der MP doch zur Satzbedeutung umschrieben ist, schließt sich die Frage an, wie die lexikalische Einheit diese Funktion erhalten
kann,
die sich ja sehr wesentlich von der der gleichen Form in konjunktionaler oder adverbialer Bedeutung bzw. in der Funktion als betonte MP unterscheidet. Hier zeigt sich wieder, wie im Bereich der Funktionswortlexik
semantische und
Regularitäten verbunden sind. Das ungelöste
untrennbar
syntaktische
Bedeutungsproblem
der MPn resultiert aus noch bestehenden Unklarheiten über den kategorialen Typ der MPn. Diese Frage wird ζ. Z. im Zusammenhang mit der Diskussion über andere Operatortypen kontrovers Insbesondere gibt es Unklarheiten über
behandelt.
Unterscheidungskriterien,
die MP von Satzadverbien trennen, zwei Operatorentypen, die sich funktional sehr nahestehen. Zu ihrer Unterscheidung werden
Reihen-
folgekriterien verwendet, da diese für den Typ des Operators sagekräftig sind. MP stehen in der Regel vor
aus-
Satzadverbien.
Mit inhaltlichen Konsequenzen von Reihenfolgeerscheinungen sich die unterdessen umfangreiche Literatur zu Skopusfragen
hat
seit
den 70er Jahren beschäftigt. Was die Satzadverbien betrifft, weise ich auf Lang (1979) und Hetland (1989). Zu den gleichen
ver-
73 Problemen bei Negationspartikeln haben u. a. Jacobs (1983) und Dölling
(1988) gearbeitet, zu Modalpartikeln Doherty
(1987).
Allen diesen Ansätzen ist die Auffassung gemeinsam, daß sowohl Satzadverbien
(= Sadv) als auch NP und MP als
Satzoperatoren,
allerdings verschiedenen Typs, aufzufassen sind.
Satzoperatoren
sind Einheiten, die, angewandt auf eine Einheit s der
Kategorie
Satz eine strukturell modifizierte Einheit s' der Kategorie ergeben (Lang 1979: 201). Die einzelnen Typen von
Satz
Satzoperatoren
unterscheiden sich in ihren Anwendungsbedingungen,
sie können je-
weils nur auf eine bestimmte Teilmenge aller Einheiten der Kategorie Satz angewendet
werden.
Sadv, NP, GP (= Gradpartikeln) und MP sind verschiedene
Typen
von Satzoperatoren mit verschiedenen Typen von Operatoren. dem müssen weitere Typen von Satzoperatoren angenommen die nicht lexikalisiert sind. Das sind die
Außer-
werden,
Einstellungsoperato-
ren, die die Satztyp- oder Satzmodusbedeutungen
spezifizieren:
Es werden mindestens drei Einstellungsoperatoren
unterschieden,
die jeweils für die Spezifik der Modalität von Deklarativ-, rogativ- und Imperativsätzen verantwortlich sind (so Pasch Anders sehen es Brandt/Rosengren/Zimmermann Deklarativsatz keinen Satzmodusoperator
1990).
(1989), die für den
annehmen.
Sadv, NP und GP werden als propositionale Operatoren den. Sie werden auf eine Proposition angewendet, woraus eine Proposition resultiert, die um das Sadv bzw. die erweitert
Inter-
verstanwieder
Partikel
ist.
Die Skopusverhältnisse zwischen den verschiedenen
Operator-
typen sind kompliziert. Man geht jedoch meistens davon aus, daß alle Typen von Adverbien im Skopus der Satzmodusoperatoren (vgl. Brandt/Rosengren/Zimmermann
1989: 18). Die
stehen
Reihenfolgeregu-
laritäten weisen außerdem darauf hin, daß Sadv Skopus über
andere
Adverbien haben. Über den Operatortyp von MP gibt es bisher Klarheit. Insbesondere gibt es Meinungsverschiedenheiten
in der
Frage, wie sich die beiden Einstellungstypen zu einander die durch Sadv und durch MP ausgedrückt werden. Doherty
verhalten, (1987)
betrachtet wie Lang (1979) Sadv als Einstellungsoperatoren Propositionen als Operanden. Als Resultat der Anwendung
keine
mit
eines
Sadv-Operators auf eine Proposition entsteht nach Doherty
(1987)
74
eine halbbewertete Proposition. Halbbewertete Propositionen in diesem Sinne sind solche, denen eine volle Bewertung durch einen Satzmodusoperator
fehlt. Vollbewertete Sätze sind entweder
rativ-, Interrogativ- oder
Dekla-
Imperativsätze.
Modalpartikeln oder in der Terminologie Dohertys
Einstellungs-
partikeln haben nach ihrer Auffassung keine Propositionen,
son-
dern halbbewertete propositionale Bedeutungen als Operanden, d. h. die MP haben die Sadv in ihrem Skopus und nicht umgekehrt. Skopusverhältnisse
zwischen Funktionswörtern mit
sehen nach dieser Auffassung etwa folgendermaßen MP (Sadv (GP
Die
Operatorstatus aus:
(p)))
Die Grundlage dieser Annahme sind Beobachtungen der
Reihenfol-
geverhältnisse bei Sätzen mit Operatoren unterschiedlichen
Typs.
Der Operator, der im Skopus eines anderen steht, erscheint
im
Satz rechts von diesem. Die normale Reihenfolge solcher toren im Satz rechtfertigt also die Annahme obiger
Opera-
Skopusverhält-
nisse. Während wechselnde Reihenfolge von GP und NP im Satz Auswirkungen auf die Bereiche der Operatoren und infolge dessen auf die Satzbedeutung hat, scheint die Reihenfolge von MP und Sadv solche Konsequenzen nicht immer zu haben. Pasch (1989 Vorstellungen zur künftigen Arbeit der
Forschungs-
gruppe Satzmodus) erwägt deshalb die Möglichkeit einer anwendung der MP- und Sadv-Operatoren auf den Gehalt von Sätzen etwa in folgender (SM ( s ; j v (GP
Parallel-
propositionalen
Weise:
(p)))
Mit dieser Auffassung unterscheidet sie sich von der von Doherty (1987) und der von Brandt/Rosengren/Zimmermann
(1989: 20), wonach
Satzadverbiale generell im Skopus von MP liegen. Die
unterschied-
lichen Vorstellungen haben Konsequenzen für die syntaktische gorisierung von MP und Sadv sowie für die Typisierung
ihrer
KateBedeu-
tungen . Ein weiteres Problem stellen die Skopusverhältnisse
von Satz-
modusoperator und dem durch MP ausgedrückten Operator dar. Rosengren/Zimmermann
Brandt/
(1989: 20-28) vertreten die Meinung der Mehr-
heit der Autoren in dieser Frage, daß die von den MP
ausgedrückten
75
modalen Operatoren im Skopus des Satzmodusoperators stehen. Sie nehmen an, daß die MP Operatoren sind, die dem
Satzmodusoperator
funktional am nächsten stehen, da sie selbst keine
Sprecherein-
stellung ausdrücken, sondern eine Äußerung in bestimmte menhänge
Textzusam-
einordnen.
Jacobs (1989) geht davon aus, daß die MP den
Illokutionstyp,
in dem sie vorkommen, modifizieren und Skopus über ihn haben. Nach dieser Auffassung können die MP einen Illokutionstyp ASSERT
(Assertion) oder DIR (Directive, Imperativ)
wie
modifizieren,
indem sie zusätzliche, kontextuelle Bedingungen, ζ. B. die Einstellung des Adressaten zum propositionalen Gehalt für den Gebrauch der Äußerung im Kontext
hinzufügen.
Die Tatsache jedoch, daß die MPn in aller Regel den Konstituenten vorangehen, die im Skopus des
Illokutionstyp-Operators
stehen, kann wohl die Annahme begründen, daß die MPn Skopus über alle anderen Adverbiale haben. Eine syntaktisch begründete fertigung der Annahme, daß sie auch Skopus über den operator Satzmodus (den Illokutionstyp-Operator
Recht-
Einstellungs-
in Jacobs'
Termi-
nologie) haben, steht jedoch noch aus. Wie sind die im Skopus der MP stehenden epistemischen
Einstel-
lungen (des Sprechers) sprachlich ausgedrückt? Auskunft über die epistemische Einstellung des Sprechers gibt der Satzmodus der Äußerung. Es werden 3 bis 5 Satzmodi unterschieden:
Deklarativ-
satz, Interrogativsatz und Imperativsatz, strittig ist der
Status
der Exklamative und Optative. Pasch (1990) behandelt die Frage, welche Einstellungen durch die drei Grundmodi zum Ausdruck
kom-
men. Zu prüfen ist noch, ob tatsächlich die Satzmodi die
Kontexte
sind, die die Distribution der MPn beschränken, oder ob es nicht vielmehr Subklassen der durch die Satzmodi zusammengefaßten
ge-
nerellen Einstellungsklassen sind, die die Verwendung der MPn beschränken. Ein Argument für die letztere Möglichkeit sind die in Fragen vorkommenden MPn, ζ. B. etwa, die nur in Entscheidungsfragen, nicht in W-Fragen vorkommen kann. Andere wie denn sind sowohl in Entscheidungsfragen als auch in W-Fragen möglich. In semantischen Analysen und Wörterbüchern werden in der Regel 5 bis Β Varianten von doch in der Funktion als unbetonte MP
76
unterschieden, in erster Linie abhängig von Satzmodus oder Satzart. Franck (1980: 175-193) unterscheidet: doch^
in Behauptungssätzen innerhalb eines Dialogs, in dem doch im zweiten Zug steht und sich direkt auf den Vorgängerzug bezieht: A: Kaum bist du zuhause, gehst du schon wieder weg. B: Ich will doch nur schnell Zigaretten holen.
doch,,
= erinnerndes doch, ζ. B.: A: Wo wollen wir essen gehen? B: Du kennst doch das Restaurant am Markt.
doch^
in assertiven Fragen: Ihr trinkt doch auch noch ein Täßchen?
doch^
emphatisch: Das ist doch das Letzte!
doch^
in Aufforderungen: Hör doch endlich auf!
Wolski (1986 a und b) hat ältere und neuere Wörterbücher auch daraufhin untersucht, nach welchen Einteilungsprinzipien die Verwendungen von doch unterschieden werden. Als MP werden bis zu zehn Varianten unterschieden. Die Unterscheidungskriterien sowohl Kontexte (= Satzarten) als auch semantische
sind
Unterscheidun-
gen (in Aussagesätzen Verstärkung, erinnert an Bekanntes, in Imperativ· und Wunschsätzen Ungeduld, in Ausrufesätzen Verwunderung, in assertiven Fragen Hoffnung).
Entrüstung,
Bedeutungsangaben
dieser Art beschreiben die Illokution oder den kommunikativen Sinn (Bierwisch 1983) einzelner Äußerungen dieses Typs in spezifischen, aber nicht notwendigen und typischen Kontexten. Im Unterschied zu den Kontextangaben hinsichtlich Satzarten handelt es sich bei den letzteren Funktionsangaben um Interpretationen, die in bestimmten, aber nicht allen Äußerungssituationen zutreffend sind. In diesem Beitrag wird dagegen versucht nachzuweisen, daß zumindest bei der Gruppe von MPn, die als Konversationskonnektive fungieren und zu denen doch zählt, der relevante Kontext nicht die Illokuti&n ist, sondern die von Satzmodus oder Satzart angezeigte epistemische Einstellung zum Sachverhalt. Zu den Beziehungen zwischen Satzmodus und Illokution vgl. Motsch/Pasch (1987). Wir folgen deshalb auch nicht in allen Punkten der Einteilung von Heibig (1988), der sieben Verwendungstypen
unterscheidet.
Wir würden doch, und doch 0 seiner Einteilung in Aussagesätzen zu
77
einer Verwendungsweise vereinigen, unabhängig davon, ob eine Komponente des Vorwurfs oder der Rechtfertigung enthalten ist oder nicht. Wir fassen beide zusammen unter dem gemeinsamen Gesichtspunkt, daß doch in Aussagesätzen die Einstellung des Sprechers zum Ausdruck bringt vor dem Hintergrund, daß diese einen Widerspruch oder einen Gegensatz zu anderen in der Situation erkennbaren Einstellungen ausdrückt. Alle anderen Unterscheidungen sind notwendig: jjochj
in Aufforderungssätzen
doch^
in Ergänzungsfragen
doch^
in assertiven Fragen
doch^.
in Ausrufesätzen
doch^,
in Wunschsätzen
6.
Fazit: Für Funktionswörter notwendige
Lexikoneinträge
in Wörterbüchern 6.1
Im Sinne des oben Erläuterten verstehen wir die Bedeutungs-
struktur der Funktionswörter einschließlich der Modalpartikeln als Operator-Operand-Strukturen in Analogie zu Bedeutungsangaben für Autosemantika (speziell Verben und Adjektive) in Form von Funktor-Argument-Strukturen. Die Bedeutungen der Funktionswörter entsprechen denen logischer und quasilogischer Operatoren (nur wenige dieser Operatoren haben ein Pendant in der klassischen Logik). Diese Bedeutung ist den Wörterbuchzwecken
entsprechend
verständlich zu beschreiben: ζ. B.: Doch drückt einen Widerspruch zu einem vorher verneinten Sachverhalt und somit eine Bejahung aus. Über die Einheiten, zwischen denen der Widerspruch bestehen soll, kann weiter nichts gesagt werden, als daß es sich um satzartige handelt, und daß die eine satzartige Einheit die Negation der anderen sein soll.
6.2
Es ist die Eigenschaft aller Funktionswörter in dem so
verstandenen Sinne, daß ihre Operanden satzartige Einheiten sind, zwischen denen sie eine bestimmte Relation anzeigen. Die Funk-
78
tionswörter unterscheiden sich hinsichtlich der Quantität und Qualität ihrer Operanden, auch ähnlich wie die Verben ζ. B., die sich hinsichtlich der Zahl und Art ihrer Argumente unterscheiden .
6.3
Die "homonymen" Elemente verschiedener
Funktionswortklas-
sen unterscheiden sich in der Art ihrer Operanden, nicht ihrer Operatoren. Daher wird auch die Bezeichnung Homonymie für die gleichlautenden Formen in unterschiedlichen Wortklassen, ζ. B. bei doch, oft als nicht zutreffend kritisiert. Die relativ abstrakte Operatorbedeutung ist in allen Wortklassen wiederzufinden. Die Wortklassen werden aufgrund unterschiedlicher
syntaktischer
und semantischer Operandeneigenschaften klassifiziert. Was sind die wortklassenbildenden Unterschiede zwischen den Typen von Sätzen, die durch Funktionswörter zu einander in Relation gesetzt werden? Diese Typen von Sätzen unterscheiden sich nicht darin, daß sie unterschiedliche Wissensbereiche abbilden, sondern sie stellen unterschiedliche Wissenstypen dar. Die Wortarten sind klassifiziert danach, ob die Operanden Propositionen oder einstellungsbewertete Sätze sind und weiter danach, ob die Operationen explizit oder implizit, d. h. nur erschließbar sind und wie sie Zustandekommen.
6.4
Von den hier behandelten Wortklassen sind koordinierende
Konjunktionen Operatoren mit zwei expliziten Operanden. Die expliziten Operanden sind der Bezugsrahmen oder Skopus des Operators .
6.5
Die Skopusfragen bei Modalpartikeln sind nicht ganz ge-
klärt. Wenn, wie hier vorgeschlagen wird, MPn als Operatoren angesehen werden, die die Beziehungen zwischen alternativen Einstellungen ausdrücken (so versteht sie wohl auch Wolski 1986: 383), dann ist der Skopus der MP der explizite Satz, in dem diese vorkommt. Es spricht einiges dafür anzunehmen, daß der Skopus der unbetonten MPn einstellungsbewertete selbständige Sätze sind. Doherty (1987: 98) nimmt allerdings an, daß die von ihr epistemi-
79
sehe Partikeln Genannten halbbewertete propositionale
Bedeutungen
als Argumente haben und sich so im Skopus der von den Satzmodi ausgedrückten Einstellungen befinden. Halbbewertet nennt sie diejenigen Propositionen, die durch Satzadverbien eine Teilbewertung erfahren haben, ohne durch einen Satzmodus vollbewertet zu sein. Das Vorkommen von MPn in Nebensätzen ist zu dieser Frage noch eingehender zu untersuchen. Möglicherweise können alle von Funktionswörtern ausgedrückten Operatortypen sowohl propositionale als auch einstellungsbewertete Operanden haben. Die Diskussion über den grammatischen und semantischen Typ der anderen Bezugseinheit, auf die MPn verweisen, ist ebenfalls ζ. Z. noch nicht abgeschlossen. Die alternativen Einstellungen, auf die sie verweisen, sind oft nur erschließbar. Ihre Äußerungsform ist situations- und kontextabhängig und nicht Teil der lexikalischen
Beschreibung.
Der Wörterbucheintrag für die lexikalische Einheit hat die Operator-Bedeutung als eigentliche Bedeutung der MP, die die spezifische Relation anzeigt, anzugeben und die relevanten Eigenschaften des expliziten Operanden, d. h. den Satzmodus. Die für die andere Bezugseinheit anzunehmende Einstellung ist von der Bedeutung des Operators abhängig.
6.6
Ein weiteres, noch ungeklärtes Problem stellt das Verhält-
nis zwischen unbetonten und betonten MP-Varianten dar. Scheint es einerseits, als seien beide Varianten von gleicher Wortartzugehörigkeit und gleicher Bedeutung (s. Weydt 1986 u. a.), deren unterschiedliche Betonbarkeit mit Kontrastakzent und somit grammatisch regelhaften Intonationsprinzipien erklärbar ist, sprechen unterschiedliche Skopuseigenschaften für unterschiedliche Wortarten. Die betonten Formen, von Doherty (1987: 127-138) Kontrastpartikeln genannt, haben in ihrem Skopus unbewertete
Propositio-
nen. Dafür spricht ihre breitere Distribution. Sie sind weitgehend unabhängig vom Satzmodus und kommen ohne Beschränkungen auch in Nebensätzen vor.
80
7.
Vorschlag eines Wörterbuchartikels für das Lexem doch
Doch Grundbedeutung: drückt einen Widerspruch zu einem vorher
vernein-
ten Sachverhalt und somit eine Bejahung aus. Die im Widerspruch zu dem doch-Satz stehende und ihn negierende gegensätzliche stellung, daß der vom doch-Satz ausgedrückte Sachverhalt zutrifft, kommt in den verschiedenen Wortarten
Ein-
nicht
unterschiedlich
zum Ausdruck. I. als nebenordnende Konjunktion verbindet d. zwei
satzwertige
Glieder; adversativ; d. gibt einen Gegensatz an, der sich auf die Bedeutung der Glieder selbst oder auf die Bewertung der Folgerungen aus dem im ersten Glied Gesagten beziehen kann. Ich wollte mit ihm reden, doch er ließ sich
entschuldigen.
Das Buch ist nicht umfangreich, doch unerläßlich für diese
gerade
Problematik.
II. d. als Modalpartikel
(betont) drückt die Einstellung
Sprechers aus, die im Gegensatz zu alternativen
eines
Einstellungen
steht. Der alternativen Einstellung zufolge, auf die der dochSatz Bezug nimmt, gilt der Sachverhalt als nicht zutreffend.
Im
doch-Satz wird das Gegenteil zum Ausdruck gebracht, nämlich, daß der Sachverhalt zutrifft. Kommt in allen Satzarten Und sie bewegt sich döch. (= Widerspruch auf
vor.
Annahme:
Sie bewegt sich nicht) Ist sie döch noch gekommen? (= Zweifel Sie ist nicht mehr
gegenüber:
gekommen)
Frag besser döch noch einmal nach! (= Revision der Frag nicht wieder
Forderung:
nach)
Wenn düch noch jemand kommt,
... (= Alternative zu der Prä-
misse: Wenn keiner mehr kommt,
...)
III. Als Satzäquivalent drückt d. ähnlich wie in II., aber ohne den Kontext eines Satzes, die gegensätzliche Einstellung
eines
Sprechers zu der Äußerung eines Dialogpartners aus, die meist
81 eine Negationspartikel
enthält. Der Vorgängersatz kann ein Aus-
sagesatz, ein Entscheidungsfragesatz
oder ein
Imperativsatz
sein. A: Das kannst du noch nicht. A: Kommst du nicht mit? A: Geh nicht weg! IV. Die Modalpartikel
B: Doch!
B: Doch!
B: Doch! (unbetont) setzt die Einstellung des Spre-
chers im Satz in Beziehung zu anderen, im Widerspruch zu dieser stehenden Einstellungen. Nur in folgenden Satzarten
erlaubt:
1. in Aussagesätzen: Max ist doch im Urlaub. (in Situationen, in denen das Verhalten anderer
Personen
auf Unkenntnis des Sachverhalts schließen läflt) 2. in Aufforderungssätzen:
Bleib doch hier! Setzen Sie sich doch!
(in Situationen, in denen das Verhalten anderer Personen auf gegenteilige Absichten schließen
läßt)
3. in Wunschsätzen: Käme er doch (nur/bloß)! Wenn er doch
(nur/bloß)
käme! (in Situationen, in denen die Erfüllung des Wunsches nicht absehbar
ist)
4. in Bestätigungsfragen:
Du kommst doch mit?
(in Situationen, in denen die Gültigkeit des erneut in Frage gestellt
Sachverhalts
ist)
5. in Ergänzungsfragen: Wie hieß sie doch gleich? (in Situationen, in denen die Kenntnis der erfragten mation wieder in Vergessenheit geraten
Infor-
ist)
6. in Nebensätzen mit Inversion zur Begründung des
Hauptsatzes:
Er ging weg, sah er doch, daß sie beschäftigt war. (d. setzt im Nebensatz wie im selbständigen Hauptsatz
(IV.1.)
Unkenntnis
des Sachverhalts bei anderen Personen voraus, d. ist hier Antwort auf eine dem Adressaten unterstellte Frage nach dem Grund) 7. in Nebensätzen nur, wenn diese durch bestimmte Konnektoren geleitet sind. Nicht nach £ b , warum, temporalen
ein-
Konjunktionen
u. a. Max macht das, weil er doch die meiste Ahnung hat. Wenn sie doch keine Zeit hat. aber: ?Ich weiß nicht, ob er doch zurückkommt. ?Ich kenne sie, seitdem sie doch hier arbeitet.
82
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88 Wiegand, Herbert Ernst. 1982. Zur Bedeutungserläuterung von Satzadverbien in einsprachigen Wörterbüchern. Ein Beitrag zur praktischen Lexikologie. Konzepte zur Lexikographie. Studien zur Bedeutungserklärung in einsprachigen Wörterbüchern, hg. von Wolfgang Mentrup. 103-132. Tübingen. 1988. Was ist eigentlich Fachlexikographie? Mit Hinweisen zum Verhältnis von sprachlichem und enzyklopädischem Wissen. Deutscher Wortschatz. Lexikologische Studien. Ludwig Erich Schmitt zum 80. Geburtstag von seinen Marburger Schülern, hg. von Horst H. Munske u. a. 729-790. Berlin, New York. Wolski, Werner. 1980. Schlechtbestimmtheit und Vagheit - Tendenzen und Perspektiven. Methodologische Untersuchungen zur Semantik. Tübingen. 1986a. Partikellexikographie. Ein Beitrag zur praktischen Lexikologie (= Lexicographica, Series Maior 14.). Tübingen. 1986b. Partikeln im Wörterbuch. Eine Fallstudie am Beispiel von doch. In: Lexicographica, Series Minor 2. 244-270. Tübingen . 1988. Zu Problemen und Perspektiven des Prototypen- und Stereotypenansatzes in der lexikalischen Semantik. Understanding the Lexicon. Meaning, Sense and World Knowledge in Lexical Semantics, hg. von Werner Hüllen, Rainer Schulze. 415-425. Tübingen. Wunderlich, Dieter. 1972. Zur Konventionalität von Sprechhandlungen. Linguistische Pragmatik, hg. von Dieter Wunderlich. 11-58. Frankfurt/M. 1980. Arbeitsbuch Semantik.
Königstein/Ts.
DIETER
HERBERG
MAKROSTRUKTURELLE BEZIEHUNGEN IM WORTSCHATZ UND IN WÖRTERBUCHEINTRÄGEN. MÖGLICHKEITEN UND GRENZEN DES ALLGEMEINEN EINSPRACHIGEN
WÖRTERBUCHS
1.
Einführung
2. 2.1. 2.2.
Synonymie Skizze der Problemlage und des Forschungsstandes Zur Funktion und zur Darstellung von Synonymen im allgemeinen einsprachigen Wörterbuch Möglichkeiten und Grenzen der lexikographischen Beschreibung synonymischer Relationen im allgemeinen einsprachigen Wörterbuch Hilfsmittel und Datenquellen
2.3. 2.4. 3. 3.1. 3.2. 3.3. 3.4. 4. 4.1. 4.2.
Antonymie Skizze der Problemlage und des Forschungsstandes Zur Funktion und zur Darstellung von Antonymen im allgemeinen einsprachigen Wörterbuch Möglichkeiten und Grenzen der lexikographischen Beschreibung antonymischer Relationen im allgemeinen einsprachigen Wörterbuch Hilfsmittel und Datenquellen
4.4.
Hyperonymie - Hyponymie Skizze der Problemlage und des Forschungsstandes Zur Funktion und zur Darstellung von Angaben zur Hyperonymie-Hyponymie-Relation im allgemeinen einsprachigen Wörterbuch Möglichkeiten und Grenzen der lexikographischen Beschreibung der Hyperonymie-Hyponymie-Relation im allgemeinen einsprachigen Wörterbuch Hilfsmittel und Datenquellen
5.
Fazit
6.
Anmerkungen
7.
Literatur
4.3.
90 1.
Einführung
Die seit eineinhalb Jahrzehnten intensiv geführte metalexikographische Fachdiskussion hatte von Anfang an als eines ihrer zentralen Themen die Suche nach Wegen zur Überwindung der von Wiegand so genannten "onomasiologischen Blindheit" semasiologischer Wörterbücher zum Gegenstand. Wiegand selbst und zahlreiche andere haben Vorschläge zur Integration von semasiologischen und onomasiologischen Prinzipien unterbreitet^, um zum einen die theoretischen Einsichten in die Funktions- und Ordnungsprinzipien des Wortschatzes angemessener als bisher widerzuspiegeln und um zum anderen alphabetische Bedeutungswörterbücher in Situationen der Textproduktion und der Textrezeption gleichermaßen
leistungsfähig
zu machen. Für unser Thema von besonderer Bedeutung ist die Erkenntnis, daß in "einem Lexikonzeichen
... in nuce die Gesamtheit
jener semantischen Relationen enthalten [ist] , durch die ein Lexikonzeichen in der mehrdimensionalen semantischen Struktur mit anderen Lexikoneinträgen verbunden ist. Mit anderen Worten: in der semantischen Mikrostruktur eines Lexikonzeichens ist in nuce die semantische Makrostruktur bereits enthalten" (Viehweger 1988: 122). Welche Konsequenzen sind daraus für die Hauptaufgabe
allgemeiner
einsprachiger Wörterbücher - die Bedeutungsbeschreibung
ihrer
Einheiten - abzuleiten? Vor allem geht es darum, systematischer als bisher zu berücksichtigen, daß sich die Bedeutung und die Anwendungsbedingungen für das Einzelelement vollständig erst aus zwei Arten von Informationen ergeben, nämlich aus dem tiv-referentiellen
denota-
Anteil, wie er sich als semantische
Mikrostruktur in der sog. lexikographischen Definition niederschlägt, und aus der zweifachen Einbettung in das Gesamtnetz, d. h. aus seiner Position im seiner regulären
Paradigma
Kollokationspartner
und aus dem Umfang .
Anders gesagt:
Es gilt, "den dialektischen Zusammenhang und die wechselseitige Abhängigkeit und Beeinflussung zwischen den semantischen Mikrostrukturen der Elemente und den paradigmatischen und syntagmatischen Makrostrukturen zu belegen und sie einem allgemeinen Benutzerkreis bewußt zu machen" (Agricola 1983: 5). Nicht immer sind in der Vergangenheit diese berechtigten Forderungen in bezug auf die Möglichkeiten und spezifischen Aufgaben des allgemeinen Ge-
91
brauchswörterbuches mit dem nötigen Realismus gesehen worden, so daß Enttäuschungen nicht ausbleiben konnten. Es scheint, daß die anfänglich zum Teil herrschende Euphorie in Hinblick auf die Veränderungs- und Verbesserungsmöglichkeiten des hier betrachteten Wörterbuchtyps mittlerweile generell und besonders auch in Hinblick auf unser Problem einer relativ nüchternen und wesentlich realistischeren Betrachtungsweise gewichen ist, da sich die praktischen Ergebnisse im Gefolge der theoretischen Höhenflüge 2
nicht im erwarteten Maße eingestellt haben.
Vor allem gilt es
Abschied zu nehmen von der mitunter erhobenen Forderung
"alles
oder nichts", wie sie ζ. B. auch bei Agricola (1983: 2) anklingt: "Keineswegs aber kann ein derartiger Neubeginn
[Ί,η der Wörterbuch-
arbeit. D.H.3 dadurch geschehen ..., daß man stückwerkhaft renoviert, in einem umfangreichen Wörterbuch nur Teile oder Klassen des Lemmabestandes oder nur gewisse Arten von Informationen nach neuem theoretischen Wissen bearbeitet." Nein, aus der Sicht von heute sind nach unserer Auffassung - neben völlig neu zu projektierenden Unternehmen - auch Aktivitäten solcherart ein möglicher und legitimer Weg, zur Qualifizierung insbesondere bestehender, neuzubearbeitender Wörterbücher beizutragen, den man nicht geringachten sollte. Für den Typ des einsprachigen
Bedeutungswörter-
buches ist dies derzeit vielleicht sogar der erfolgversprechendste und realistischste Weg, weil ihn nämlich die Lexikographen ein gutes Stück aus eigener Kraft gehen können. Folgender Grundsatz sollte dabei in bezug auf die Berücksichtigung makrostruktureller paradigmatischer
Wortschatzbeziehungen,
auf die wir im folgenden ausschließlich unser Augenmerk richten, gelten: Die Angabe von makrostrukturellen Relationen ist kein Selbstzweck, sie kann und muß daher nicht erschöpfend sein. An einer exhaustiven Art der Darstellung, die auch unüberwindbare praktische Probleme mit sich bringen würde, sind - wie Wiegand (1984: 78) betont - "vor allem Sprachwissenschaftler wissenschaftlichen Wörterbuchbenutzungssituationen
in sprach-
interessiert".
Wir halten es für abwegig, solche hier und da anzutreffenden Maximalforderungen von Spezialisten zum Maßstab für sog. Gebrauchswörterbücher zu machen und mit Benutzerinteressen im weitesten Sinne gleichzusetzen (vgl. Herberg 1983: 83). Vielmehr schließen
92
wir uns der Auffassung Wiegands an, daß die Angaben von Hyponymen, Synonymen, Antonymen u. a. die Aufgaben der lexikographischen Definition als quasi "flankierende Maßnahmen"
unterstützen ,
d. h. mit der Definition zusammen der Erfassung der Bedeutung des Lemmas dienen sollen. Dahinter steht die Abkehr von der isolierten Betrachtung der sog. lexikographischen Definition in einsprachigen Bedeutungswörterbüchern und die Überzeugung, "daß die sog. lexikographische Definition meistens nur ein Textbaustein unter anderen innerhalb eines Wörterbuchartikels ist, der im Bedeutungswörterbuch insgesamt dazu dient, dem Wörterbuchbenutzer vor allem die Bedeutung des Lemmazeichens zu erläutern" (Wiegand 1984: 80). Die Wörterbucharbeit in bezug auf makrostrukturelle
Informatio-
nen könnte sich beim Stand der Dinge in folgender Weise gestalten: - Erstens
und auf jeden Fall sollten Lexikographen so weit
wie irgend möglich solche lexikontheoretischen und metalexikographischen Arbeiten zur Kenntnis nehmen, die neue Erkenntnisse über die Organisation bzw. Funktion des Lexikons vermitteln und zugleich Gedanken zu deren Berücksichtigung bei der Wörterbuchgestaltung enthalten, um den Bezug zur linguistischen Theoriebildung nicht zu verlieren. - Zweitens
haben sie - unter Nutzung
metalexikographischer
Aussagen - zu entscheiden, welche Arten von makrostrukturellen Informationen für das jeweils abzufassende Wörterbuch relativ zum spezifischen Adressatenkreis vorzusehen sind, das unerläßliche Minimum festzulegen und nach Möglichkeiten zu suchen, das Minimum bis zur Stufe des Wünschenswerten - Drittens
aufzustocken.
müssen sie sich die Quellen erschließen, aus denen
sie die notwendigen Fakten auf rationelle Weise gewinnen können, um die Effektivität der Wörterbucharbeit nicht in Frage zu stellen. Das können in Einzelfällen vorgängige Analysen einzelner Beispiele, Wortgruppen, Teilfelder o. ä. sein, wie sie in lexi'kontheoretischen und metalexikographischen
Arbeiten
demonstriert, jedoch zumeist nicht bis zur Stufe von Wörterbuchartikeln geführt werden, so daß häufig Unklarheiten über ihre Nutzbarmachung bestehen. Der Lexikograph ist also gut beraten, wenn er andere vorhandene Hilfsmittel ausschöpft, die ihm
93
jederzeit zur Hand sind und deren Auswertung ihm keine übermäßigen Schwierigkeiten bereiten. Gemeint sind alle die Nachschlagewerke, die jeweils bestimmte makrostrukturelle
Beziehun-
gen erfassen wie ζ. B. Synonym-, Antonym-, Sachgruppen-, Begriffswörterbücher. - Viertens
und endlich ist die im gegebenen Fall günstigste
Form der lexikographischen Integration in den Wörterbuchartikel zu finden, die sowohl theoretisch begründbar als auch benutzerfreundlich sein muß. Unter Beachtung des Vorangehenden wollen wir im folgenden die semantisch-lexikalischen Relationen der Synonymie (2.), der Antonymie (3.) und der Hyperonymie-Hyponymie
(4.) auf die Notwendig-
keit und auf die Möglichkeiten ihrer systematischen Einbeziehung in den semantischen Kommentar von Wörterbuchartikeln hin untersuchen und jeweils praxisnahe Vorschläge zur Diskussion stellen. Als Grundlage dafür dienen uns die zehn folgenden gegenwartssprachlichen allgemeinen Wörterbücher des Deutschen, die wir hier in der alphabetischen Reihenfolge ihrer Zitierform nennen: BW, dtv-Wahrig, Duden-Bedeutungswörterbuch, Duden-DUW, Duden-GWDS, HDG, Knaur, Mackensen, Wahrig, WDG.
2.
Synonymie
2.1
Skizze der Problemlage und des Forschungsstandes
Von den paradigmatischen Relationen ist die der semantischen Identität oder Ähnlichkeit am häufigsten und ausführlichsten untersucht worden. Es ist hier weder der Ort noch der Raum dafür, die unterschiedlichen Auffassungen zur Synonymie darzustellen (vgl. dazu neuerdings Wolski 1989 und die dort genannte Literatur). Für die Belange der lexikographischen Darstellung im allgemeinen Wörterbuch sollte von einem strikt semantischen
Synonymie-Begriff
ausgegangen werden, wie er beispielsweise von Filipec (1968: 196) vertreten wird und wonach Synonymie "formal nicht gleiche ... LE ^lexikalische Einheiten. D.H.J gleicher Wortart oder mit gleicher syntaktischer Funktion [sind^ , die gemeinsame relevante Bedeutungs-
94 elemente
(die gleiche begriffliche Bedeutungskomponente) und die
Mehrheit gemeinsamer Kontextverbindungen
(synonymischer
Kontexte)
haben und in einer homogenen Sprachgemeinschaft verwendet Wesentlich ist, daß wir Synonymie als eine Beziehung die zwischen
Sememen
werden".
betrachten,
besteht, und daß wir also als Synonyme
solche Sememe betrachten, mit denen man sich im normalen
Sprach-
gebrauch auf dasselbe Denotat beziehen kann, weil sie - merkmalsemantisch gesprochen - über einen Kern gleicher denotativ
beding-
ter Seme verfügen, sich aber durch periphere denotative Seme oder/ und durch konnotative Seme unterscheiden
können.
Diese Eigenschaft ist der Grund dafür, daß Synonyme sich zwar als eine beliebte
"Form der Bedeutungsdefinition,
die für
viele Wortarten anwendbar ist" (Schmidt 1986: 64), seit
relativ
langem
in der Lexikographie behaupten, ohne daß jedoch die Synonymie systematisch als paradigmatische Relation sui generis in die semantischen Kommentare Eingang gefunden hätte. Auf die mit dieser Doppelfunktion verbundenen Probleme gehen wir in 2.2 ein. Über den Status, den Synonyme als Definiens einnehmen, gibt es neuerdings u. a. die ausführliche Erörterung von Wiegand zur
"Rolle
der Synonymierelation bei der semantischen Erklärung der
Lemmata
im einsprachigen Wörterbuch durch die Lexikographen und beim Verstehen der lexikalischen Paraphrasen innerhalb von
Wörterbuchein-
trägen durch den Wörterbuchbenutzer"
(1976: 118), deren Ergebnis4 se wir hier nicht nachzeichnen können. Relativ selten ist bislang dem uns interessierenden Aspekt - Synonyme als onomasiologische
ergänzende
Informationen innerhalb des semantischen
tars - Aufmerksamkeit geschenkt worden. Agricola (1987)
Kommen-
behandelt
u. a. Probleme der Synonymie im Rahmen seiner Studie zu einem sog. "Komplexwörterbuch"; konkrete Vorschläge zu ihrer Integration ein allgemeines Wörterbuch sind nicht beabsichtigt.
in
Praxisnäher
sind die Vorstellungen, die Wiegand (1977 und 1977a) im Zusammenhang mit dem Nachdenken über Typen von Wörterbucheinträgen, tisch bestimmte Typen von Benutzungssituationen der kommentierten Bedeutungserläuterung
seman-
und das Verfahren
entwickelt. Unter den
Schwierigkeiten, die bei der Produktion schriftlicher
Texte
auf-
treten können, sieht er u. a. die Wortfindungsschwierigkeit
hin-
sichtlich der lexikalisch-semantischen
Nuancierung :
95 "Der Schreiber will
sich auf einen Sachverhalt, auf den er im
formulierten Text bereits Bezug genommen hat - ζ. B. um Wiederholungen zu vermeiden oder um feine Nuancierungen
auszudrücken
mit einem anderen Wort beziehen. Dann kann er ζ. B. in einem Wörterbuch nach einem lexikalischen Synonym suchen, wobei er unter Umständen zwischen mehreren angebotenen auswählen muß" (1977a: Wiegand schlägt vor, dafür das Kommentarsymbol
79).
"·*" zu verwenden
und gibt für die fiktiven Hinweise zur Benutzung folgende
Erläu-
terung: "Das Zeichen
sagt Ihnen, daß diejenigen Wörter, auf
die es sich bezieht, in
sehr
wandtschaft
enger
Bedeutungsver-
zueinander stehen. Die Wörter sind in ihrer
Bedeutung so ähnlich
[[sind lexikalische Synonyme]
daß sie häu-
fig (nicht immer) das gleiche bedeuten." (1977a: 92)
Daraufhin
werden noch einzelne Positionen dieses Kommentarsymbols
unter-
schieden, wodurch synonymische Beziehungen von dem Status
nach
unterschiedlichen Bestandteilen des semantischen Kommentars
aus-
gedrückt werden können, was allerdings der Übersichtlichkeit förderlich
ist.
Anhand eigener Erfahrungen aus der Arbeit an einem -dem
nicht
Wörterbuch
HDG - reflektiert de Ruiter (1985) sehr praxisnah
der lexikographischen Beschreibung synonymischer
Probleme
Relationen im
einsprachigen synchronischen Bedeutungswörterbuch.
Die
schen Vorschläge von de Ruiter stehen unseren eigenen nen sehr nahe, so daß wir auf diesen Beitrag in 2.3
realistiIntentio-
zurückkom-
men . Da eine befriedigende Umsetzung dieser theoretischen ten und praktischen Vorschläge in der deutschsprachigen graphie nach wie vor aussteht, ist es durchaus nicht einige der wesentlichen Gesichtspunkte, die die Praxis beachten sollte, nochmals zu akzentuieren verfolgt Wolski 2.2
EinsichLexiko-
überflüssig,
lexikographische (ähnliche
Ziele
1989).
Zur Funktion und zur Darstellung von Synonymen im allgemeinen einsprachigen
Wörterbuch
Kurz gesagt, besteht die Problematik darin, daß die in den allgemeinen Wörterbüchern vorherrschende Art der Einbeziehung
von
Synonymen nicht der Tatsache gerecht wird, daß es sich bei der
96 lexikalischen Synonymie um eine onomasiologische
lexikalisch-
semantische Relation sui generis handelt, die entsprechende
Dar-
stellungsmittel erfordert. Vielmehr werden Synonyme "in großer Zahl zur Erläuterung der Wortbedeutungen mitverwendet, je nach Notwendigkeit und Möglichkeit allein oder in Verbindung mit weiteren Synonymen oder in Kombination mit Paraphrasierungen, sie werden weder systematisch oder vollständig gegeben, ist beabsichtigt,
aber
noch
ihre Einordnung in ein Synonymenfeld zu zeigen.
Hinter Fällen, in denen auf Synonyme explizit durch
Verweisungen
Bezug genommen wird, ist gleichfalls kein System zu erkennen" (Agricola 1986: 281). Natürlich sollen Synonyme dazu
verwendet
werden, dem Benutzer die Bedeutung des Lemmas zu erklären, mit Wiegand/Ku2era
aber
(1981: 179) sind wir der Ansicht, daß sie
nicht in der Bedeutungserklärung
versteckt werden sollten,
dern sie gehören "in den onomasiologischen Teil des
son-
semantischen
Kommentars, und zwar so, daß hier mittels einer semantischen mentarsprache
Kom-
... auf Ausdrücke verwiesen wird." Anders gesagt:
Mit der bisherigen Praxis machen die Lexikographen das semantische Wissen, das sie über Synonyme haben, für den Benutzer explizit und somit nicht vollständig
nutzbar.
Das hängt damit zusammen, daß Synonyme in ganz direkter als eine andere Möglichkeit,
nicht Weise
"das Stichwort semantisch zu erklä-
ren" (WDG: 08), als "Definitionsart" "umschreibende Deutung oder Erklärung
(HDG: XII), also wie die (Definition)"
(WDG: 08)
genutzt werden. Das WDG-Vorwort nennt die praktischen
Vorteile:
"Es ist kurz und ist dadurch überall gut einsetzbar." Wie auch andere Wörterbücher
versucht das WDG andererseits, den Nachteil
mangelnder Präzision dadurch auszugleichen, daß viele
Stichwörter
eine Kombination von umschreibender Erklärung mit ein oder zwei Synonymen erhalten, wobei "sich die verschiedenartigen
Bedeutungs-
angaben, besonders die Synonyme, gegenseitig ergänzen" (WDG: 08) sollen. Es ergeben sich unterschiedliche Typen der
Gesamtbedeu-
tungserläuterung, von denen am häufigsten folgende 7 vorkommen: (1) uBE
(4) Syn^, S y n 2 ,
(2) Syn
(5) uBE, Syn
(3) Syn^, S y n 2
(6) uBE, Synj , S y n 2
(uBE = umschreibende
Syn3
(7) Syn, uBE Bedeutungserklärung)
97 Zur Illustration soll im folgenden eine Gruppe von
Substantiven
dienen, deren Glieder in synonymischen Beziehungen zu den Grundsynonymen Weltall, Weltraum
stehen.
Beispiele für die genannten 7 unterschiedlichen typen von semantischen Kommentaren
Architektur-
wären:
(1) Weltraum: der gesamte Raum des Weltalls der Erdatmosphäre
außerhalb
(HDG)
(2) All:
Weltraum
(HDG)
(3) All:
Weltraum, Universum
(4) All:
Weltall, Weltraum, Kosmos
(5) Weltall:
die Gesamtheit der Weltraum (Wahrig)
(6) Weltall:
Gesamtheit aller in Raum und Zeit
(WDG) (Knaur)
Himmelskörper, existie-
renden materiellen Systeme, Kosmos, sum
Univer-
(WDG)
(7) Weltraum: das Weltall, der unendl. Raum, in dem sich alle Himmelskörper befinden
(Wahrig)
Dabei wird die Bedeutung einzelner Lemmata in verschiedenen
Wör-
terbüchern durchaus nach verschiedenen Typen erläutert, ζ. B. das Lemma Welt (im Sinne von Typ (2)
Typ (3)
Typ (5)
'Weltall',
WDG:
Universum
BW:
Weltall
HDG:
Universum,
'Universum'):
Weltall
Duden-GWDS: Weltall,
Universum
Duden-DUW:
Weltall,
Universum
Mackensen:
Gesamtnatur,
Wahrig:
die Gesamtheit der
Himmelskörper,
Weltall dtv-Wahrig: die Gesamtheit der
Himmelskörper,
Weltall
Weltall Typ (7)
Knaur:
Weltall, Gesamtheit der
Himmelskörper
Auch das ist ein Indiz dafür, wie wenig die Praxis der Synonymi von Synonymen in Bedeutungserläuterungen worden ist.
16
theoretisch
Verwendung
reflektiert
98
Neben der eben illustrierten und weitaus am häufigsten treffenden Verfahrensweise
anzu-
(auf deren Kritik im Detail hier
zichtet werden muß) gibt es in der deutschsprachigen
ver-
allgemeinen
Lexikographie wenigstens zwei weitere Arten des Umgangs mit der lexikalischen Synonymie, die im folgenden ebenfalls kurz
charak-
terisiert werden sollen, zumal sie - bei aller Unzulänglichkeit ein Schritt in die angesteuerte Richtung sind, nämlich als lexikalisch-semantische
Wortschatzrelation
Synonymie
auch im Wörterbuch-
artikel wie im Wörterverzeichnis von allgemeinen Wörterbüchern insgesamt
-
einsprachigen
auszuweisen.
Der erste dieser Versuche macht deutlich, wie wichtig es ist, ein diesem Wörterbuchtyp angemessenes Konzept zu entwickeln,
weil
man andernfalls der Versuchung erliegen kann, die Grenzen zu überschreiten und mit dem Bedeutungswörterbuch
quasi ein
buch mitliefern zu wollen. Ein solcher nach unserer überzogener Versuch ist im einbändigen
SynonymwörterEinschätzung
Duden-Bedeutungswörterbuch
gemacht worden. Die Absicht ist, "die durch das Alphabet
aufge-
lösten sprachlichen Zusammenhänge durch einen Ergänzungs- und Erweiterungswortschatz"
(7) wieder herzustellen.
"Dieser
Ergänzungs-
wortschatz besteht einerseits aus sinn- und sachverwandten (bei Haar ζ. B.: sinnν. : Locken, Loden, Mähne, Schöpf;
Wörtern
Borste,
Flaum, Locke) und andererseits aus Wörtern, die das Stichwort Grundwort enthalten
(bei Haar ζ. B.: Zus. : Achsel-, Bart-,
Frauen-, Roßhaar)."
(7) Bewußt wird auf den Terminus
als
Dachs-,
"Synonym"
verzichtet, denn es handelt sich um eine unkommentierte und unmarkierte Auflistung von Ausdrücken hinter der Abkürzung sinnv. , die wie folgt erläutert wird: "Unter sinnv. werden sowohl
sinnähnliche
als auch sachverwandte Wörter - gelegentlich auch anderer Wortart genannt. Dabei handelt es sich um Wörter, die begrifflich assoziativ mit dem Stichwort in Verbindung gebracht werden nen; es sind also nicht nur synonyme Wörter im strengen (12). Da ein beträchtlicher Teil dieser sinnverwandten
oder kön-
Sinn" Wörter
nicht selbst Lemmata in diesem Wörterbuch sind, kann nur ein Benutzer mit vollentwickelter
Sprachkompetenz einen gewissen
Nutzen
aus dieser Kumulierung ziehen. Daß ein solcher Benutzer bei einem "Lernwörterbuch", als das sich dieses Bedeutungswörterbuch riert, gerade
nicht
dekla-
vorausgesetzt werden kann, macht das
99 Verfahren besonders fragwürdig und verdient in dieser Form keine Nachahmung. In bezug auf unsere Beispielgruppe sieht das Ergebnis so aus: W e l t all, das: -s: der unendlicne Raum, der alle Himmelskörper umschließt: die Menschen beginnen das W. zu erobern s i · » . : All. Galans, Kosmos. Raum, Universum, Welt, Welter.raom, Weltraum
Dazu ist anzumerken, daß von den 8 aufgezählten Ausdrücken 2 nicht als Lemmata im Wörterbuch vorkommen: Galaxis, Weltenraum. Das ist um so bedauerlicher, da sie als konnotierte bzw. markierte
Lexeme
für einen Lernenden ohne Hilfestellung besonders schwierig
in
ihrer Bedeutung und in ihrem Gebrauch zu erfassen sind: ist Fachwort der Wörterbüchern als
Astronomie
,
poetischer
Galaxis
Weltenraum wird von
anderen
Ausdruck eingestuft. Für we-
nig benutzerfreundlich halten wir es darüber hinaus, daß bei den übrigen 6 Ausdrücken erst ein Nachschlagen an der
alphabetischen
Stelle zu der Erkenntnis verhilft, ob es sich um einen
irgendwie
markierten Ausdruck handelt wie im Falle von All, das unter sem Lemma als stilistisch
gehoben
die-
eingeordnet wird, was
aber in der Reihung unter Weltall unerwähnt bleibt. Zu lernen ist aus diesem Versuch vor allem zweierlei: erstens auf keinen Fall sinn- oder sachverwandte Ausdrücke anzuhäufen, die nicht auch Lemmata im selben Wörterbuch sind; zweitens markierte
Ausdrücke
auch als solche erkennbar in eine Reihe sinnverwandter
Ausdrücke
einzufügen. Vorzuziehen ist daher - nach dem gegenwärtigen Stand der metalexikographischen Einsichten - ein Verfahren, das die im Stichwortnetz des betreffenden Wörterbuches vorhandenen
synonymischen
Beziehungen durch ein möglichst unaufwendiges Verweissystem parent macht. Vorschläge dazu sind mehrfach unterbreitet
trans-
worden,
so von Wiegand (1977 und 1977a) und von de Ruiter (1985). In der lexikographischen Praxis deutschsprachiger
Wörterbücher sind Ver-
suche im dtv-Wahrig, im BW und im Knaur anzutreffen, freilich in allen Fällen noch nicht systematisch und konsequent genug geführt. Auf die Inkonsequenzen im BW, die durch das
durch-
Nebeneinander
zweier lexikographischer Verfahrensweisen - nämlich der aus den früheren Wahrig-Ausgaben bekannten traditionellen der
Mitverwen-
100 dung von Synonymen innerhalb der Bedeutungserklärung mals im dtv-Wahrig praktizierten Verweismethode
und der erst-
- entstehen,
u. a. Wiegand/KuüSera (1981) und Agricola (1982) in ihren
haben
Rezensio-
nen im Detail hingewiesen. Nehmen wir also kurz die
Verfahrenswei-
se des dtv-Wahrig und des Knaur unter die Lupe. Der
dtv-Wahrig
"enthält ein umfangreiches System von Verweisen, die es dem Benutzer ermöglichen, sich im Wörterbuch zu orientieren. Die
Verweise
(orthographische Variante, Synonym und Gegensatz) werden im allgemeinen an die Bedeutungserklärung
angehängt"
(12). In bezug auf
die Synonymie heißt es: " Das Synonym Verweise auf bedeutungsgleiche Wörter sind durch "Sy" gekennzeichnet; ζ. Β . : Astrcrio' gie
^ f . ; -; unz.>
...; Sy
Sterndeutung
Außerdem sind noch die folgenden Verweissymbole
einschlägig:
" Siehe auch! (-»
a.)
Dieses Zeichen verweist neben "Sy" und "Ggs" auf ein Wort, das einen Begriffsbereich vervollständigt " und " Ist bedeutungsgleich
mit
( = ) Dieses Zeichen ist der Ruckverweis auf ein "oV" oder "Sy". " (12) Wie sieht nun die praktische Anwendung der Symbole auf die im dtv-Wahrig enthaltenen Synonyme unserer Beispielgruppe All
Kosmos
.
=
Raum
Q. . .}
Welt
. .3
Weltall
1
Weltraum
Weltall
5
Weltall,
Weltraum
1.1. die Gesamtheit der Himmelskörper,
. .J
die Gesamtheit der @
Weltraum
Weltall,
aus?
.J
Himmelskörper;
Kosmos (1); ( ^ p — » a
Weltraum
der unendl. Raum, in dem sich alle körper befinden; C
Weltall
*» a Γ)
Weltall
Himmels-
101 Es sind vor allem folgende Punkte, die Kritik herausfordern: (i)
Auch im dtv-Wahrig gibt es ein Nebeneinander von mehreren Arten des Umgangs mit Synonymen (Synonyme in der Rolle von Bedeutungsangaben wie bei den Lemmata All, Raum, Welt; Synonyme als solche gekennzeichnet mit Gleichheitszeichen bei Kosmos, mit dem Zeichen Sy bei Weltall und mit dem Verweis — > a. bei Weltall und Weltraum), ohne daß einsichtig (gemacht) würde, in welchem Fall welche Art zur Anwendung kommt.
(ii)
Durch den ausdrücklich für Synonyme vorgesehenen Hinweis Sy und das entsprechende Rück verweiszeichen (=) werden nur Weltall und Kosmos miteinander verzahnt (allerdings gibt es ein Kosmos Q ) nicht!). Weltall und Weltraum sind durch den — 5 ^ a . - V e r w e i s aufeinander bezogen und von All, Raum und Welt kommt man zu Weltall bzw. Weltraum, die beide eine umschreibende Bedeutungserklärung haben, weil diese Ausdrücke - zum Teil gemeinsam - als Bedeutungsäquivalente
eingesetzt
sind. (iii) Trotz dieser mehrfachen Bezugnahme ist die Vernetzung unvollständig, denn es gibt keinen Weg von Kosmos, Weltall und Weltraum zu den Lemmata All, Raum und Welt, und ebensowenig sind All, Raum und Welt untereinander vernetzt, obwohl das aufgrund ihrer nahezu identischen
Bedeutungsanga-
ben zu erwarten gewesen wäre. (iv)
Die Bedeutungserklärung von Welt ist nach dem Typ (5) (uBE, Syn) erfolgt, wobei die uBE deckungsgleich mit der beim zusätzlich angegebenen Synonym Weltall ist, wodurch eine Doppelung der Information in Richtung Welt — *
Weltall
entsteht, ohne daß umgekehrt etwas für den Rückverweis Weltall — » » W e l t gewonnen wird (vgl. (iii)). Man erkennt, daß de facto sämtliche Ausdrücke der betrachteten Gruppe als Synonyme angesehen, jedoch auf unterschiedliche und unvollständige Weise miteinander verzahnt werden und daß nur in einem einzigen Fall (Kosmos / Weltall) die dafür im Wörterbuch vorgesehene Kennzeichnung benutzt wird, um die Wortschatzrelation der Synonymie explizit zu machen.
102
Zum Abschluß sei ein kurzer Blick auf die etwas andere in Knaur geworfen.
In der Einführung
(10) heißt es dazu:
weise von einem weniger gebräuchlichen Wort auf das
"Ver-
gleichbedeu-
tende, gebräuchliche Wort sind durch einen Pfeil ( — > )
gekenn-
zeichnet, der dazu auffordert, bei dem betreffenden Wort schlagen, ζ. B. Blaubeere — ^ H e i d e l b e e r e ;
Praxis
nachzu-
oder: Bickbeere
Heidelbeere; oder: Schwarzbeere — » H e i d e l b e e r e . beere" findet sich die Bedeutungserklärung.
Bei
— *
"Heidel-
Das Wort, von dem aus
verwiesen wird, erscheint an der angegebenen Stelle wieder, und zwar als Synonym (abgekürzt: Syn.), ζ. B. Heidelbeere 1. ... 2. ...; Syn. Bickbeere, Blaubeere,
^f.
Schwarzbeere."
11>
Q
Unsere Beispielgruppe sieht im Knaur wie folgt aus: All
Q. . ._]
Kosmos
Weltall, Weltraum,
[. .
j —;>J
Makrokosmos
£· ·-3
Raum
3
Universum Weltall
Weltall Weltall; Ggs.
Weltall,
. .]] C — »
Welt
6 .
Mikrokosmos
Weltraum ^Weltall
Weltall, Gesamtheit der
Himmelskörper
die Gesamtheit der Sternsysteme tender Raum;
Weltenraum
Weltraum
Kosmos
.Q
C Syn. j
Kosmos,
enthal-
Universum
Weltraum
Raum außerhalb der Erdatmosphäre äußerst geringer
mit
Gasdichte
Auch hier sind ähnliche Beobachtungen zu machen wie beim dtvWahrig, so daß wir die Einwände kurz zusammenfassen Synonymie wird teils explizit als Systemrelation
können:
dargestellt
(Kosmos, Universum, Weltall), teils tritt sie "verdeckt" als Bedeutungsangabe
in Form eines oder mehrerer synonymischer
drücke in Erscheinung (All, Makrokosmos, Raum, Welt,
Aus-
Weltenraum).
Das Mischverfahren bringt es auch hier mit sich, daß die Vernetzung unvollständig
ist, daß man insbesondere auf
Einwegverweise
stößt; so kommt man ζ. B. nicht von Weltall, Weltraum,
Kosmos
und Universum auf die Ausdrücke All, Makrokosmos, Raum, Welt, Weltenraum, die auch untereinander nicht vernetzt sind.
Über-
flüssig ist die Angabe des dritten Synonyms Kosmos in der Bedeutungserklärung
von All, weil man von dort nur auf
gewiesen wird, das ohnehin schon mit in der steht.
Weltall
Bedeutungserklärung
103
Bei aller Inkonsequenz in der Anwendung haben Wörterbücher wie dtv-Wahrig und Knaur in der deutschen
gegenwartssprachlichen
Lexikographie ein Instrumentarium etabliert, das bei konsequenterer Handhabung u. E. zu einer befriedigenden Darstellung synonymischer Relationen in allgemeinen einsprachigen Wörterbüchern führen kann. Im folgenden Abschnitt 2.3 wollen wir nun Vorschläge machen, wie auf diesem Wege im Interesse der Benutzer weitergegangen werden könnte, ohne die Möglichkeiten des Lexikographen und dieses Wörterbuchtyps z.u überfordern.
2.3
Möglichkeiten und Grenzen der lexikographischen
Beschrei-
bung synonymischer Relationen im allgemeinen einsprachigen Wörterbuch Die zentrale Frage lautet: Was ist an welcher Stelle auf welche Weise darzustellen? Dazu wollen wir im folgenden Lösungen vorschlagen, für die wir wertvolle Anregungen aus den kritischen Überlegungen bezogen haben, die de Ruiter (19Θ5) zur HDG-Praxis angestellt hat und die u. E. zum großen Teil
verallgemeinerungs-
fähig sind. Unser Grundsatz ist: Synonymische Beziehungen, die zwischen Sememen im Wortbestand eines Wörterbuches bestehen - und nur diese -, sollen vollständig, konsequent und auf einheitliche Weise angegeben werden. Wir wenden uns sowohl gegen die ausschließliche und beliebige Verwendung von Synonymen als (Teile der) Bedeutungserklärung als auch gegen die Vermischung dieser Verfahrensweise mit Versuchen partieller Darstellung der Synonymie als Relation im lexikalischen System in der Art von dtv-Wahrig oder Knaur. Synonyme sollen ihren Platz ausschließlich im "onomasiologischen Teil des semantischen Kommentars" (Wiegand/Kuöera 1981: 179) mit einer besonderen Kennzeichnung haben. Auf diese Weise bleibt ihr Beitrag, den sie zur Erklärung der Bedeutung eines Lemmas leisten, erhalten, wobei die Spezifik ihres Anteils zugleich deutlicher hervortritt. Hinzugewonnen werden vor allem zwei Arten systematischer Informationen: die vorzugsweise dem Fachmann erwünschte Transparenz der synonymischen Vernetzung des Lemmabestandes und das geordnete Angebot alternativer Ausdrucks-
104
möglichkeiten als Antwort auf sprachliche Suchfragen, die
Benutzer
im Zusammenhang mit der Produktion sprachlicher Äußerungen können. Diese nach unserer Überzeugung ohne großen
stellen
Zusatzaufwand
vom Lexikographen zu leistende Aufgabe könnte in folgender angegangen
Weise
werden:
Die Glieder einer Synonymengruppe
sind an einer Stelle
sämtlich
aufzuführen, und zwar bei demjenigen Lemma, das als sog. wort
oder
Grundsynonym
Leit-
fungiert. Diese "einen' Begriffs-
inhalt am umfassendsten ausdrückenden"
(Görner/Kempcke
1987: 7)
Leitwörter festzulegen, ist eine freilich vorgängig zu lösende Aufgabe, vor der auch Autoren von Synonymwörterbüchern
stehen.
her sollte man auf jeden Fall deren Lösungen berücksichtigen, aber ggf. aufgrund begründeter besserer Einsicht
Dasie
modifizieren.
In der Regel wird das Grundsynonym das unmarkierte bzw. ein unmarkiertes Glied der betreffenden Synonymenreihe sein, und es erhält in jedem Fall eine umschreibende Bedeutungsexplikation. ter der Bedeutungserklärung
Hin-
und von dieser deutlich durch ein Kom-
mentarsymbol abgesetzt - wir schlagen die Sigle Syn vor - werden in
alphabetischer
Reihenfolge die markierten oder
unmarkierten
Synonyme aufgeführt. Dabei ist es wichtig, die Markierungen
auch
an dieser Stelle hinzuzusetzen, um einem Benutzer mit (noch) nicht voll vorhandener Sprachkompetenz Präferenzen bzw.
Restriktionen
der Verwendung zu signalisieren, über die er sich im Bedarfsfall beim entsprechenden Lemma noch genauere Aufschlüsse durch die dort ggf. vorhandene Bedeutungserklärung
oder durch
Anwendungs-
beispiele holen kann. Zur Demonstration der vorgeschlagenen Praxis legen wir die Stichwortauswahl und die lexikographische Behandlung unserer spielgruppe im HDG als Ausgangspunkt und Gerüst All Kosmos Raum
.
C· ·-3
4. Weltraum .
(", .
Weltall
Weltall 6.1. Universum,
.Γ]
Weltall
Gesamtheit aller Materie und der von ihr eingenommene Raum, Kosmos,
Weltraum
zugrunde:
Weltraum [.. . .J Weltall
Universum Welt
Bei-
. /]
Universum
der gesamte Raum des Weltalls der
Erdatmosphäre
außerhalb
105 Entsprechend der strengen, auf enger begrifflicher
Bedeutungsver-
wandtschaft beruhenden Synonymauffassung der Wörterbuchautoren werden offensichtlich zwei Grundsynonyme angenommen: Weltall und Weltraum. Nach unseren Vorstellungen sollten die Wörterbucheinträge der Grundsynonyme in bezug auf die semantischen Kommentare folgendermaßen umgestaltet werden (wobei es uns hier nur auf deren Architektur, nicht aber auf die konkreten Formulierungen der lexikographischen Definition ankommt): Weltall
.
Gesamtheit aller Materie und der von ihr eingenommene Raum; Syn All, Kosmos, Universum, Welt
Weltraum
[\. .J der gesamte Raum des Weltalls außerhalb der Erdatmosphäre; Syn Raum
Das ist allerdings erst der Rahmen, der noch durch wenigstens drei Arten von Angaben aufzufüllen ist: durch ggf. bei einzelnen Synonymen vorhandene Markierungen, durch die monosemierende Gliederungsziffer in den Fällen, in denen nur
ein
Semem eines poly-
semen Stichwortes im synonymischen Verhältnis zum Grundsynonym steht und schließlich durch einen Verweis auf eine bzw. mehrere so eng bedeutungsverwandte Synonymgruppen, wie das hier der Fall ist. 9 Machen wir uns - abweichend vom HDG - zu Demonstrationszwecken die stilistische Einstufung von All als "gehoben" (wie in WDG, Duden-Bedeutungswörterbuch, dtv-Wahrig) zu eigen und halten wir uns im übrigen an die Gliederungsziffern des HDG, so müßten die semantischen Kommentare der beiden Grundsynonyme in folgender Weise ergänzt werden: Weltall [". .
Gesamtheit aller Materie und der von ihr eingenommene Raum; Syn
geh .
All, Kosmos,
Universum, Welt (6.1.) Weltraum
. .J der gesamte Raum des Weltalls außerhalb der Erdatmosphäre; Syn Raum (4.)
Durch diese Konzeption erhält der Benutzer bei einem durch die umschreibende Bedeutungserklärung als Grundsynonym erkennbaren Lemma mit den dahinter folgenden und mit Syn angeschlossenen Ausdrücken "nicht zusätzliche Bedeutungsangaben, sondern Verweise
106
auf die übrigen Glieder der Synonymgruppe
..., für die zwar die
Bedeutungsexplikation des Grundsynonyms zutrifft, deren vorhandene. D.H.J unterscheidende Merkmale er jedoch an alphabetischer Stelle nachschlagen muß, um den vollen Bedeutungsgehalt des einzelnen Synonyms zu erfassen und dieses Synonym richtig gebrauchen zu können" (de Ruiter 1985: 11). Damit ist der Zugriff vom Grundsynonym auf die Glieder der Synonymenreihe gewährleistet. Nunmehr ist festzulegen, wie die Darstellung bei jedem Glied der Reihe an alphabetischer Stelle auszusehen hat, so daß der Weg umgekehrt von jedem Synonym reibungslos und ohne Umwege zum Grundsynonym führt. Dieses ist dann seinerseits - quasi als semantischer Schnitt- und Bezugspunkt für die Vernetzung aller Glieder der Reihe untereinander
zustän-
dig. Sind keine unterscheidenden begrifflichen Merkmale festzuhalten, so sind die Einträge - unabhängig davon, ob Markierungen stilistischer oder anderer Art dazutreten oder nicht - in folgender Weise zu fassen: All
[. . .]
Kosmos Raum
f. . .3
Universum Welt
geh.
[. . >3
[. . .]
Syn Weltall Syn Weltall
4. . .]] 6.1.
Syn Weltraum Syn Weltall Syn Weltall
Damit kommt der Benutzer von jedem Ausdruck auf das "zuständige" Grundsynonym und findet ihn dort selbst als Synonym verzeichnet (ggf. neben weiteren Synonymen wie bei Weltall). Ist er an einem anderen Synonym dieser Reihe interessiert, findet er von hier aus leichten Zugang dahin. Auch bei jedem einzelnen Synonym gilt: Der Verweis auf das Grundsynonym markiert eine makrostrukturelle Beziehung, die die Bedeutung des Lemmas erklären hilft, ohne aber als Bedeutungsangabe aufzutreten. Mit der vorgeschlagenen Verfahrensweise der strikten Wechselseitigkeit der Synonymverweise wird die paradigmatische semantische Relation der Synonymie auf effektive Weise transparent gemacht, und außerdem können einige der Untugenden allgemeiner einsprachiger Wörterbücher wie die Benutzung von gar nicht zum Lemmabestand des Wörterbuches gehörenden Synonymen als Bedeutungsangaben oder synonymische Zirkel vermieden werden.
107
Wir haben bereits darauf hingewiesen, daß bei Synonymen mit graduellen begrifflichen Unterschieden gegenüber dem
Grundsynonym
der einfache Verweis auf dieses nicht ausreicht, sondern daß eine umschreibende Bedeutungsexplikation hinzutreten muß. Dadurch entsteht aber äußerlich bei solchen Lemmata das gleiche Bild wie bei einem Grundsynonym mit nur einem Lemma X
. .J
uBE
;
Synonym:
Syn Y,
so daß der Benutzer nicht ablesen kann, ob er im gegebenen das Lemma eines Grundsynonyms oder das Lemma eines
Fall
begrifflich
leicht unterschiedenen Synonyms vor sich hat. Es könnte
erwogen
werden, im letztgenannten Fall als "Service" für den Benutzer statt der Sigle Syn, die in allen anderen Fällen ausreichend und eindeutig ist, eine Sigle GSyn (= Grundsynonym) o. ä. zu verwenden . Schließlich bietet die diskutierte Gruppe von Ausdrücken
Gele-
genheit, die wünschenswerte Verzahnung von semantisch sehr eng benachbarten Synonymgruppen zu erwähnen. Die dazu in verschiedenen allgemeinen und auch Synonymwörterbüchern vorgeführten tiken sind durchaus geeignet. Verwiesen werden sollte
Prak-
grundsätz-
lich nur unter den Grundsynonymen auf die jeweils andere(n)
Grup-
pe(n), nicht aber bei jedem einzelnen Synonym. Wir schlagen
vor,
mit einem Verweispfeil f zu arbeiten, sofern er im gegebenen
Wör-
terbuch nicht bereits anders belegt ist. Seine Position sollte am Ende der aufgezählten Synonyme sein, so daß sich für unsere
Bei-
spiele folgendes Bild ergibt: Weltall
Q. . J
Gesamtheit aller Materie und der von ihr eingenommene Raum; Syn
geh.
mos, Universum, Welt (6.1.) - f Weltraum
.
All, KosWeltraum
der gesamte Raum des Weltalls außerhalb der Erdatmosphäre; Syn Raum (4.) - f
Weltall
Damit schließen wir diese Erörterungen ab, in denen wir wollten, daß der Darstellung synonymischer
zeigen
Beziehungen des Wort-
schatzes in einem allgemeinen Wörterbuch zwar gewisse
Grenzen
gezogen sind, daß deswegen aber nicht auf den Versuch ihrer in diesem Rahmen durchaus möglichen systematischen verzichtet zu werden
braucht.
Berücksichtigung
108 Mit dem auf konsequenten Synonymverweisen beruhenden und auf alle Wortarten anwendbaren Vorschlag scheint uns ein gangbarer Weg gewiesen zu sein, wie mit vertretbarem Aufwand und auf benutzerorientierte Weise die durch die alphabetische
Lemmaanordnung
verdeckten semantischen Synonymbeziehungen durchsichtig und damit der Nutzung zugänglich gemacht werden können. Da ein allgemeines Wörterbuch ein Synonymwörterbuch weder ersetzen kann noch soll, halten wir das vorgeschlagene Informationsangebot im gegebenen Rahmen für ausreichend.
2.4
Hilfsmittel und Datenquellen
Wir hatten bereits oben (1.) angedeutet, daß vom Lexikographen nicht verlangt werden kann, zu jedem Datentyp, den sein Wörterbuch enthält, durchgängig eigene Spezialuntersuchungen
anzustel-
len. Nein, er ist - und das nicht nur in bezug auf Informationen zur Rechtschreibung, Aussprache oder Herkunft, sondern auch in bezug auf den semantischen Kommentar - auf die Nutzung und Auswertung von Quellen angewiesen, die ihm die erforderlichen Fakten - wenn auch meist noch nicht für seine Zwecke aufbereitet auf rationelle Weise liefern, so daß er sie aufgrund seiner lexikographischen Kompetenz verwerten kann. Im Hinblick auf die paradigmatische semantische Wortschatzrelation der Synonymie werden ihm die vorliegenden allgemeinen einsprachigen Wörterbücher wegen ihres inkonsequenten und unsystematischen Umgangs damit nur bedingt nützlich sein. Also wird er sich an solche Wortschatzdarstellungen halten, die onomasiologisch vorgehen und versuchen, inhaltliche Organisationsprinzipien des Wortschatzes
aufzudecken.
Das sind vor allem die Wörterbücher, die den Wortschatz nach Sinnund Begriffsgruppen bzw. Sachgruppen anordnen, sowie die eigentlichen Synonymwörterbücher. Die sog. Begriffswörterbücher wie die von Dornseiff oder Wehrle-Eggers können aufgrund ihrer Konzeption nur eine erste, grobe Orientierung bieten, denn sie bilden nicht semantische Strukturen des Lexikons ab, sondern folgen "einem apriorischen Klassifikationssystem
..., das sie in den WS Q= Wort-
schatz. D.H.3 hineinlegen, um es darin wieder zu entdecken", d. h., "das Gliederungsprinzip orientiert sich ausschließlich an außersprachlichen Kriterien, denen WS-elemente zugeordnet werden"
109 (Viehweger 1986/87: 211). Neuerdings hat sich Agricola (1987) kritisch mit diesem Konzept auseinandergesetzt und die nur sehr bedingte Brauchbarkeit solcher Wortschatzsammlungen
für die
lung semantischer Strukturen im Wortschatz nachgewiesen. wir die Probe aufs Exempel und greifen wir auf unser tionsbeispiel
ErmittMachen
Demonstra-
zurück.
Im "Deutschen Wortschatz" von Wehrle-Eggers werden wir im alphabetischen Teil bei Weltall auf die drei Begriffsgruppen und bei Weltraum auf die beiden Begriffsgruppen
50.180.318
180. 318 im syste-
matischen Teil verwiesen. Dort finden wir unsere Leitwörter folgende Rahmen und Reihen Α
Begriffliche
[• · Ο
in
eingebettet:
Beziehungen
III. Meßbare Größe [.··]
(Quantität)
d) Bestimmte Quantität
(Einzelgröße)
50. Ganzes a) Ganzes. Alles, das Ganze. Ganzheit
. ·3
Individuum.
(unteilbare) Persönlichkeit. Orga'nismus. G. Weltall. Kosmos 318
£...]
Β
Raum
I.
Raumvorstellungen 180 (Der nichtumschriebene) a)
. .J
unendlicher Raum.
Unermeßlichkeit.
Raum Unendlichkeit.
Weltraum. All. Weltall.
'Kosmos G. Makrokosmos G. Schöpfung
Unbegrenztheit. Uni versum L.
Himmel,
Firma'ment L. leerer Raum. I n t e r s t e l l 1 a r r a u m
'Äther G. L.
110
c
Stoff
I. Grundbegriffe 318 Welt a) Welt. Weltall. Weltgebäude. Schöpfung. Uni'versum
L.
'Kosmos G. Makro'kosmos G.
Γ...1 Himmel. Himmelsraum. Weltraum 180. Firma'ment L. Himmelsgewölbe. Himmelszelt. Himmelsdom.
Luft.
'Äther G. 338. E m p y 1 r e u m G. Himmelreich 981 Die jeweils eingerahmten Reihen stehen zwischen auf mittlere Zeilenhöhe gestellten Punkten, d. h., es handelt sich laut "Einführung" (XIV) innerhalb der größeren Abschnitte um "dasjenige Wortgut
..., das die engste Sinnverwandtschaft hat". Und
da ergeben sich, wie man sieht, ganz unterschiedliche
Sinn-
Verbindungen, je nachdem, ob man ein Lexem wie Weltall unter dem begrifflichen Dach der meßbaren Quantität des Ganzen, des
(nicht-
umschriebenen) Raumes oder des stofflichen Grundbegriffes
Welt
einordnet. Als grob vorsortierter Materialfundus ist das Buch verwendbar, jedoch muß der Lexikograph das Angebot auf lisch-semantische Bezüge hin sehr kritisch
lexika-
sichten.
Ähnliches gilt auch für das Wörterbuch sinnverwandter
Aus-
drücke "Das treffende Wort" von K. Peltzer, das zwar die für die Benutzer nachteilige Struktur des (alphabetischer Teil, systematischer
Begriffswörterbuches Teil) durch
eine
alphabetische Gliederung ersetzt, jedoch bei den einzelnen mata ebenfalls eine Fülle nicht weiter geordneten oder
tierten Wortgutes bringt, aus dem man sich je nach Bedarf dienen soll. Unsere HDG-Lexeme tauchen unter drei in folgender Umgebung All
Stichwörtern
|Universum,
, Weltenraum, Weltgebäude, Sternenhimmel,
das Weltganze.
be-
auf:
|Kosmos |Kosmos|, I, Makrokosmos, Natur, Schöpfung, Weltall
Lem-
kommen-
Welt|
Himmel,
Ill Kosmos
All, Weltall, Welt
, Weltenraum,
Universum
Schöpfung, Weltgebäude, Unendlichkeit,
, Natur,
Makrokosmos,
Weltkreis, weltball, Weltkörper, Weltkugel.
—»All,
Welt Welt
Globus,
Kosmos , Makrokosmos, Mitwelt,
Schöpfung, Universum,
Weltall ; Himmelsraum,
Erde, Sphäre, Weltgebäude, Weltkugel, Himmel, Leben
. J
Natur,
— >
Weltkörper,
All
Auch hier bedarf es der gründlichen Sichtung des
präsentierten
Materials, um wirkliche Synonyme von Hyperonymen, Hyponymen und sachverwandten Ausdrücken sowie Peripheres von Zentralem zu scheiden. Der zentrale Begriff Weltraum kommt ζ. B. bei
Peltzer
überhaupt nicht vor! Wesentlich besser als Informations- und Materialquelle
geeig-
net sind neuere, mit einem strengeren Synonymbegriff
arbeitende
Synonymwörterbücher wie ζ. B. die von Görner/Kempcke
(1973 und
1987). Das erste, umfangreichere verfährt dabei großzügiger das neuere, noch strenger auswählende und zuordnende
als
"Kleine
Synonymwörterbuch". In der groGen Ausgabe von 1973 wird die gesamte Gruppe dem Grundsynonym Weltall
unter
abgehandelt:
Weltall, das: All · Kosmos • Universum • Makrokosmos · [kosmischer] R a u m · Weltraum · Himmelsraum 4- Unendlichkeit · dicht: Weltenall; f auch Himmel (I)
In der kürzeren Fassung von 1987 sind zwei Grundsynonyme setzt : Weltall: All • K o s m o s • Universum Makrokosmos ο Weltraum • W e l t r a u m : [kosmischer] R a u m · Unendlichkeit ο Weltall
ange-
112 Das Ergebnis ist hinsichtlich der Differenzierung und der
berück-
sichtigten Glieder der Reihe fast identisch mit der vom HDG vorgenommenen Auswahl und den von uns vorgeschlagenen
Zuordnungen.
Dieser kurze Überblick über wesentliche Typen von phischen Hilfsmitteln, die dem an einem allgemeinen wörterbuch arbeitenden Lexikographen in bezug auf
lexikograBedeutungs-
Informationen
zur paradigmatischen Relation Synonymie zur Verfügung
stehen,
legt die Empfehlung nahe, ein oder mehrere moderne, nach einer relativ strengen Synonymauffassung erarbeitete
Synonymwörterbü-
cher zu Rate zu ziehen, damit die notwendigen Zuordnungen
und
Verzahnungen mit einem vertretbaren Zeitaufwand auf dennoch läßliche Weise vorgenommen werden
ver-
können.
3.
Antonymie
3.1
Skizze der Problemlage und des
Forschungsstandes
Eine andere paradigmatische Relation im Wortschatz, die graphisch zur Vervollständigung und Abrundung der
lexiko-
Bedeutungs-
beschreibung genutzt wird, ist die des Gegensatzes oder der Opposition, die auf den Begriff der
Antonymie
gebracht
kann. Mit der Aufnahme von Antonymen in den semantischen tar von Wörterbuchartikeln
werden Kommen-
im allgemeinen Wörterbuch wird auf
andere Weise dasselbe Ziel wie mit der Angabe synonymischer drücke verfolgt: lexikalisch-semantische
Aus-
Beziehungen im Wort-
schatz aufzudecken, für die Erläuterung des Lemmas (bzw. eines seiner Sememe) heranzuziehen und für den Benutzer verfügbar zu machen. Trotz dieser Übereinstimmung
in der Grundfunktion
der
Verwendung von Synonymen und von Antonymen im Wörterbuchartikel bringt der unterschiedliche Status der jeweils
repräsentierten
semantischen Beziehungen unterschiedliche Anforderungen an ihre Einbeziehung ins Wörterbuch mit sich. Auf einige wesentliche sichtspunkte der Berücksichtigung
von antonymischen
im semantischen Kommentar allgemeiner einsprachiger soll im folgenden eingegangen
Ge-
Ausdrücken Wörterbücher
werden.
Es ist eine seit längerem bekannte und besonders von der turellen Linguistik betonte Tatsache,
"daß binäre Opposition
strukeines
der wichtigsten Prinzipien ist, die die Struktur der Sprachen re-
113 ge1η; der offensichtlichste Ausdruck dieses Prinzips ist - was den Wortschatz angeht - die Antonymie" (Lyons 1977; 1980:
282).
Jenseits dieser allgemein akzeptierten Feststellung beginnen aber sofort die Probleme, denn es ist "schwierig oder sogar
unmöglich,
allgemeingültige innersprachliche Kriterien zur Bestimmung
von
Antonymiepartnern zu finden" (Agricola 1969; 1972: 81), und es besteht keine einheitliche Auffassung darüber, ob mit dem der
Begriff
'Antonymie' alle Arten des lexikalischen Gegensatzes oder nur
bestimmte gefaßt werden sollen und welche anderen Typen von Oppositionen ggf. außerdem anzunehmen und wie sie zu bezeichnen Daraus ergeben sich zwangsläufig Unklarheiten darüber,
sind.
welche
Arten von Gegensatzpaaren im allgemeinen Wörterbuch zur
Erfüllung
der o. g. Funktion zu berücksichtigen und welche entbehrlich Unsicherheiten bei der Bestimmung des Status dieser
sind.
paradigmati-
schen Wortschatzrelation sind wohl auch mitverantwortlich
dafür,
daß es bis 1977 gedauert hat, ehe ein Antonymwörterbuch der deutschen Sprache (Agricola/Agricola
1977) erschienen ist, und daß
einige neuere allgemeine Wörterbücher
auf die Angabe von
Antonymen
im semantischen Kommentar ihrer Artikel völlig verzichten
(vgl.
з.2). Es ist hier nicht der Ort, in die linguistische Diskussion um die Begriffsbestimmung
der Antonymie einzugreifen
(vgl. dazu
и. a. Müller 1963, Böhnke 1972, Agricola 1969; 1972,
Agricola/
Agricola 1977, Probleme 1977, Lyons 1977; 1980, Geckeier
1980,
Schmidt 1986). Für unsere Untersuchungen legen wir die von Agricola/Agricola
(1977) und in Probleme (1977) getroffenen
teilungen zugrunde, nach denen die einschlägigen entweder Ausdruck einer semantischen semantischen
Opposition
Polarität
oder einer
(Kontrast) sind. Das engere,
gere Verhältnis ist das der Polarität:
Ein-
Relationstypen
"Paradigmatische
stren-
Polarität
erweist sich als symmetrische Relation zweier Sememe, die sich gegenseitig widersprechen im Sinne von alternativen Aussagen, die sich gegenseitig als Gegensätze bedingen" (Probleme 1977:
336),
während der Begriff der semantischen Opposition allgemeiner, ter ist. In Anlehnung an Agricola/Agricola kann man die
wei-
folgenden
vier Gruppen von Gegenwortpaaren bilden, "die sich im Grad der Exaktheit der Gegensatzrelation unterscheiden, d. h. nach der Strenge der Polarität, der wechselseitigen Bedingtheit und Aus-
114 schließlichkeit, der gegenseitigen Erschließbarkeit (1977:
usw."
18):
(1) Konversivität, d. h. die "Beziehung zwischen zwei
Bedeutungs-
einheiten (der Wortart Verb), von denen die eine die
semanti-
sche Umkehrung der anderen darstellt; ein und dieselbe lung wird unter Beibehaltung derselben Beteiligten
Hand-
(Aktan-
ten) von verschiedenen Standpunkten aus gesehen und
bezeich-
net; beides kann sich nur zugleich ereignen oder nicht ereignen
. . .
mieten
: vermieten; geben
: erhalten; gewinnen
Hierzu sind auch bestimmte Verbalsubstantive die genannten Bedingungen Steigung
: Gefalle
: verlieren
...
zu rechnen, die
erfüllen
(ein und dieselbe Straße)
..."
(18).
(2) Komplementarität, d. h. die "Beziehung zwischen zwei
gegen-
sätzlichen Bedeutungseinheiten, die sich wechselseitig
zwin-
gend bedingen und ergänzen, die in der Relation des ausschließenden "Entweder - oder" zueinander stehen; der Gegensatz ist (bei Adjektiven) nicht graduierbar, und es gibt im Regelfall keine Zwischenstufen oder sie werden nicht in Betracht gezogen Ebbe
: Flut; Inland
verdampfen (3) Antonymie
: Ausland;
: kondensieren"
. . . männlich
: weiblich;
...
(18/19)
(im eigentlichen Sinne): d. h. die "Beziehung
schen zwei Bedeutungseinheiten, die in betontem
semantischem
Gegensatz zueinander stehen, die das Gegenteil ihrer tungen voneinander bilden, ohne daß sie sich
zwi-
Bedeu-
wechselseitig
notwendig bedingen und ohne daß von der einen in jedem Fall eindeutig auf die andere geschlossen werden kann Gegensatz ist (bei Adjektiven) graduierbar;
...; der
Zwischenstufen
oder zumindest eine "neutrale" Bedeutungseinheit
zwischen den
gegensätzlichen Polen sind meist vorhanden oder können umschrieben werden . . . bevorzugen : [gerecht behandeln] heiß
: [warm
: lau]
: kalt
: benachteiligen;
...
längs
: [schräg, diagonal]
: quer
Krieg
: [Waffenstillstand]
: Frieden
115 In manchen Fällen, besonders bei den Beziehungen
zwischen
qualitativen Adjektiven, liegen die beiden Pole nicht tig fest, d. h., aus der geordneten Reihung von
eindeu-
Bedeutungs-
einheiten, die eine Art von Skala darstellt, lassen sich unterschiedliche, genügend weit voneinander und vom
"Nullpunkt"
entfernte Einheiten als Gegensatzpaare konstituieren oder sequentielle Antonyme) glühend
: kochend
: heiß
(skalare
. . .
: warm
: lau
: kalt
: eiskalt
Über die Zugehörigkeit bestimmter Paare von Verben (und ihrer Substantivierungen),
die das Merkmal "Schaffung
ter Zustände" haben, zur Gruppe 3 besteht kein öffnen
: schließen; heben
: senken;
entgegengesetzZweifel
... Verbreiterung
: Ver-
engung Dagegen wird die Zuordnung einer anderen, nicht geringen Anzahl von Wortpaaren zur Antonymie i. e. S. nicht beurteilt
einhellig
... Es handelt sich um solche, deren Merkmal mit
"Beendigung eines Zustands (oder Prozesses) und Beginn neuen, qualitativ anderen" beschrieben werden kann produzieren Wunsch
: verbrauchen; verlieren
: Erfüllung
: finden;
...
" (19/20)
Die Typen (1) bis (3) repräsentieren konventionell polare Wortpaare;
eines
...
gewordene
"sie werden im Sprachgebrauch im allgemei-
nen so empfunden und verwendet"
(20). Das, was man als Oppo-
sition im allgemeineren betrachten kann, stellen Agricola in einer vierten Gruppe (4) Fakultative Gegenwortpaare "Bedeutungseinheiten
Agricola/
zusammen:
(Kontrast im allgemeinen), d. h.
..., die an sich weder rein polar noch
skalar miteinander verbunden sind, also nicht eigentliche deutungsumkehrungen oder - g e g e n t e i l e voneinander
darstellen.
Wenn der Bedeutungsabstand genügend groß und eine übergeordnete Bedeutung erkennbar
gemeinsame
ist, können sie als Gegen-
wörter beurteilt, unter Umständen als fester Bestandteil Wortschatzes aufgenommen zweihändig
: vierhändig
(Ziffern)
... Triebwagen
messen
Be-
des
werden (Klavierspiel); römisch : Anhänger
: arabisch
(Straßenbahnzug);
: [ablschätzen (Größenermittlung)
" (20).
116 Bevor wir auf dem Hintergrund dieser Klassifizierung und im Anschluß an eine Analyse der gegenwärtig herrschenden
lexikographi-
schen Praxis Möglichkeiten und Grenzen der Einbeziehung der Antonymie-Relation in diesen Wörterbuchtyp diskutieren (vgl. 3.3), ist ein kurzer Blick auf die Erörterung dieses Problems in der Fachliteratur zu werfen. Die semantische Wortschatzrelation der Antonymie hat die Linguisten deutlich weniger beschäftigt als die der Synonymie, und die zahlreichen offenen Fragen in bezug auf diese Erscheinung sind zweifellos mitverantwortlich dafür, "daß die fundamentale Wichtigkeit der Antonymie für die Wörterbucharbeit nur zum Teil erkannt wurde" (Geckeier 1980: 64). Außer in Handbüchern zur Lexikologie wird darauf nur in relativ wenigen Untersuchungen eingegangen. Zumeist wird die Antonymie als eine unter mehreren semantischen Relationen behandelt (ζ. B. Agricola 1969; 1972 und 1983, Probleme 1977, Lyons 1977; 1980), selten ist sie alleiniger Gegenstand der Untersuchung wie bei Böhnke (1972) oder Geckeier (1980). Entsprechend rar sind Äußerungen über das Spezialproblem der Behandlung von Antonymen in allgemeinen Wörterbüchern; aus neuerer Zeit und in bezug auf unseren Gegenstand - allgemeine einsprachige Wörterbücher des Deutschen - sind die wörterbuchkritischen Beiträge zum BW von Wiegand/KuCera (1981), von Agricola (1982a) und von Agricola u. a. (1983), die diesbezüglichen Bemerkungen bei Schmidt (1986) und in Studien (1987) sowie neuestens der Artikel "Die Antonyme im allgemeinen
einsprachigen
Wörterbuch" im internationalen Handbuch "Wörterbücher"
(Müller
1989) zu nennen. Müller (1989: 633) benennt das bestehende Manko: "überall Lücken, undifferenzierte Bedeutungsgliederung,
Inkonse-
quenzen und Fehlentscheidungen, weil der theoretische Vorlauf und die Aufstellung einer Typologie der Antonyme fehlen." Diese Forschungslage und die daraus folgende Unsicherheit in der Wörterbuchpraxis sind nicht nur für die besondere Ausdehnung des Antonymieabschnittes in unserer Studie ausschlaggebend, sondern sie waren auch der Grund für Schmidt (1986), sich dieser Problematik im Abschnitt "Definition durch Antonyme" (65-71) relativ ausführlich zu widmen. Schmidt wählt im Unterschied zu Agricola/ Agricola "eine Einteilung, die Wortbildungskriterien mit semantischen Kriterien verknüpft und der unterschiedlichen
allgemein-
117
sprachlichen Funktion der lexikalischen Antonyme
. . . besser ge-
recht wird als die nach primär logischen Gesichtspunkten differenzierenden Einteilungen" (1986: 66). Sie umfaßt 3 Gruppen: (1) Gegensatzwörter ohne gesonderte lexikalische Anzeige der Polarität (ζ. B. dick : dünn; groß : klein; Leben : Tod; lieben : hassen), (2) Gegensatzwörter mit gesonderter lexikalisierter Anzeige der Polarität bei beiden Partnern (ζ. B. abwesend : anwesend ; Ausland : Inland; erdnah : erdfern) und (3) Gegensatzwörter mit gesonderter lexikalisierter Anzeige der Polarität bei nur einem Partner (ζ. B. anständig
: unanständig; Schuld : Un-
schuld) . In bezug auf die Einbeziehung ins allgemeine Wörterbuch plädiert Schmidt dafür, die Partnerwörter des Kernbestandes seiner Gruppe (1) "ohne Bedenken wechselseitig" (66) zu nennen. "Die Nennung der antonymischen Partnerwörter trägt in diesen Fällen nicht nur zur gegenseitigen Bestimmung der Bedeutungen bei, sondern sie dient auch der lexikographischen
Dokumentation
wesentlicher systematischer Bedeutungsrelationen, die ohne die gezielte Nennung lexikographisch nicht repräsentiert wären, da ihnen ein gesonderter lexikalisierter Ausdruck - wie er in den folgenden Gruppen gegeben ist - fehlt" (66/67). Die "gesonderte Lexikalisierung der Polarität" in den Gruppen (2) und (3) macht nach Meinung Schmidts "die lexikographische Nennung der Antonyme beim jeweiligen Partnerwort für diese Gruppe[n] in der Regel weniger wichtig oder sogar überflüssig, weil die Behandlung der polarisierenden Funktion der Grund- und Bestimmungswörter
(auch
der Präfixe) ohnehin an der Stelle der Simplicia erfolgen muß und die ausdrückliche Nennung derartiger Gegensatzwörter
. . . ge-
wöhnlich keine bedeutungserhellende Funktion für das zugehörige Partnerwort im Lexikon hat" (67). Hier erscheint uns aus dem im Prinzip richtigen Bestreben, "eine lexikographische Behandlung nach leicht praktizierbaren Gesichtspunkten" zu empfehlen (71), der Wert antonymischer Angaben ζ. B. für Nichtmuttersprachler auch aus den Gruppen (2) und (3) zu gering veranschlagt. Einem so rigorosen Ausschluß einzig aufgrund des Wortbildungskriteriums möchten wir jedenfalls nicht zustimmen, sofern es sich um usualisierte Gegensatzpaarungen vom Schlage Export : Import, Mikrokosmos : Makrokosmos, abwesend : anwesend usw. handelt.
118 Die Wörterbuchautoren erlegen sich in den
Wörterbucheinleitun-
gen allergrößte Zurückhaltung auf, und lediglich zur Praxis im WDG gibt es etwas ausführlichere Stellungnahmen Klappenbach/Malige-Klappenbach
(WDG-Vorwort
und
1978).
Seit 1977 existiert - wie oben erwähnt - das erste und bisher einzige Antonymwörterbuch für das Deutsche, dem die Autoren cola/Agricola eine "Einführung
Agri-
in Probleme der Definition und der
Auswahl von Gegenwörtern" vorangestellt haben. Aber auch diese verbesserte Situation der Aufbereitung
von Wortmaterial hat sich
bislang nicht auf die Qualität der Antonymdarstellung
in allge-
meinen Wörterbüchern ausgewirkt. Dazu kommt, daß zwei der allgemeinen Wörterbücher - DUW und HDG - derartige
neueren
Informationen
von vornherein nicht vorsehen. Das folgende Kapitel wird
versu-
chen, die Funktion von Antonymen im allgemeinen Wörterbuch zu bestimmen und die bisherige Praxis in den 10 untersuchten
Wörter-
büchern dazu in Beziehung zu setzen.
3.2
Zur Funktion und zur Darstellung von Antonymen im allgemeinen einsprachigen
Wörterbuch
Während die Angabe von Synonymen die Bedeutungserklärung
eines
Lexems/Semems in direkter Weise stützt - handelt es sich doch um bedeutungsgleiche oder zumindest bedeutungsähnliche Ausdrücke -, vermag das die Anführung von Gegenwörtern nur auf indirekte
Weise,
denn sie sind nicht andere Ausdrücke für die Bedeutung des Lemmas, sondern Ausdrücke für eine andere Bedeutung. Freilich handelt es sich nicht um eine irgendwie, beliebig kontrastierende sondern Antonyme "müssen trotz ihrer markanten denheit gemeinsame Bedeutungsmerkmale
Bedeutung,
Bedeutungsverschie-
haben, um überhaupt
ander in Beziehung gesetzt zu werden" (Agricola/Agricola d. h., es ist notwendig, "daß die jeweiligen
mitein1977: 6),
differenzierenden
Komponenten von gleicher Qualität sind und auch im gleichen hältnis zur gemeinsamen Invariante stehen" (Probleme 1977:
Ver337).
Die Angabe von antonymen Ausdrücken kann mithin durchaus zur genaueren Erfassung von Bedeutungen beitragen, indem sie - über die Vermittlung von Erkenntnissen zur Struktur des Wortschatzes hinaus - der Präzisierung einer umschreibenden
Bedeutungsexplika-
119 tion besonders dadurch dient, daß sie "das Erkennen von
feineren
Bedeutungsnuancen eines Wortes anhand der unterschiedlichen deutungen seiner Gegenwörter"
(Agricola/Agricola
Be-
1977: 6) ermög-
licht. Anders gesagt: Das angeführte Antonym zu einem Lemma bzw. zu einem seiner Sememe kann - sofern es dem Benutzer bekannt ist semantisches Wissen aktivieren, das die zuverlässige
Bedeutungs-
erfassung des Lemmas zu unterstützen vermag, indem sich der Benutzer über den Umweg des Gegensinns seines richtigen
Bedeutungsver-
ständnisses versichern kann.. Diese Funktion legt die von Antonymen in den semantischen Kommentar
Einbeziehung
insbesondere von Ler-
nerwörterbüchern'''^ nahe, zumal zusätzlich - und das gilt für alle allgemeinen Wörterbücher - in gewissem Umfang
Hilfestellungen
für die Textproduktion gegeben werden. Nicht immer ist das Antonymwörterbuch zur Hand, so daß ein diesbezügliches
Informationsange-
bot im allgemeinen Wörterbuch dem Benutzer dort willkommen wird, "wo die Wortform zur genauen Darstellung eines gegensatzes
sein
Bedeutungs-
... nicht bekannt ist, wo ihre Wahl problematisch
oder
zweifelhaft ist, wo schwankender Gebrauch vorliegt oder wo dem formalen Gegensatz der Wortbildungsmittel nicht die antonymische Bedeutung entspricht", um die bei
(1977: 7) formulierte Beschreibung von denkbaren sen
gemeinte
Agricola/Agricola Benutzungsanläs-
aufzugreifen. Mindestens drei Gründe sprechen demzufolge dafür, Antonyme im
allgemeinen einsprachigen Wörterbuch zu berücksichtigen: lichmachung und Vermittlung einer grundlegenden Beziehung im Wortschatz; die Ausnutzung der
die Kennt-
makrostrukturellen
bedeutungserhellenden
Potenz des gegensätzlichen Ausdrucks zu einem Lexem/Semem; Angebot von Gegenwörtern für bestimmte sprachpraktische
das
Benutzungs-
situationen, wie sie ähnlich auch für Antonymwörterbücher
angenom-
men werden. Es dürfte einleuchten, daß die Darstellung von Antonymen im allgemeinen Wörterbuch diesen Aufgaben nur dann gerecht
werden
kann, wenn sie möglichst systematisch, vollständig und nach überprüfbaren Kriterien vorgenommen sowie in der
Wörterbucheinleitung
verständlich eingeführt wird. Eine - wenn auch knappe - kritischvergleichende Analyse der Praxis in den 10 geprüften
Wörterbüchern
soll den erreichten Stand erhellen und zugleich Ausgangspunkt für Verbesserungsvorschläge
sein.
120
Zur Prüfung der Wörterbuchpraxis wurde die folgende
Methode
angewandt: Ausgehend von der Annahme, daß in der "Einführung Probleme der Definition und der Auswahl von Gegenwörtern" Agricola/Agricola
(1977: 14-25) zur Illustration
in
von
insbesondere
der vier angenommenen Typen von Bedeutungsgegensätzen
jeweils
typische Wortpaare gewählt worden sind, haben wir dieser
Einfüh-
rung insgesamt 60 Beispielpaare entnommen und untersucht, ob und ggf. auf welche Weise sie in den 10 allgemeinen
Wörterbüchern
berücksichtigt worden sind. Im Mittelpunkt stand naturgemäß Frage: Welche der vier Typen von Gegensatzwörtern werden
die
bevor-
zugt berücksichtigt und welche werden in Wörterbüchern kaum oder gar nicht widergespiegelt? In die Prüfung einbezogen waren verständlich die Wörterbucheinleitungen,
den, ob sie dem Benutzer die jeweils angewandte Praxis erläutern. Die Erhebungen lassen - bei entsprechender hung von vorliegenden wörterbuchkritischen Wiegand/Kuöera
ausreichend Einbezie-
Veröffentlichungen
wie
(1981), Agricola (1982a) und Agricola u. a. (1983) -
eine Reihe von Verallgemeinerungen
3.2.1
selbst-
die darauf befragt wur-
zu.
Im Unterschied zu den Synonymen (vgl. 2.2) haben Antonyme
- sofern sie verzeichnet wurden - schon immer formal ihren von der umschreibenden Bedeutungserklärung
deutlich gesonderten
Platz
innerhalb des semantischen Kommentars erhalten. Das ergibt sich zwangsläufig daraus, daß Antonyme nicht wie Synonyme als etwas Gleichbedeutendes entweder zur Explikation hinzugesetzt oder wie eine Explikation verwendet werden können, sondern daß sie als Ausdrücke mit einer der Lemmabedeutung entgegengesetzten
Bedeu-
tung mit jener zwar semantisch in Beziehung stehen, aber eben eine andersgeartete
Information liefern - die des
Bedeutungsgegen-
satzes. Eine sogeartete Information ist aber nicht anders als deutlich durch ein Kommentarsymbol abgesetzt - und somit als makrostrukturelle Relation besonderer Art kenntlich gemacht in den semantischen Kommentar
einzubringen.
Als Kommentarsymbol wird übereinstimmend die Abkürzung
für
"Gegensatz" verwendet, jedoch graphisch leicht variierend. einstimmend ist auch die Position unmittelbar hinter der tungserklärung eines Semems:
Über-
Bedeu-
121 (1) Minimum (2) Minimum
[...] [···]
Mindestmaß, Ggs. Maximum:
£···]]
(WDG)
kleinster Wert, kleinste Menge,
Größe;
Ggs. Maximum; (3) Minimum
. .J
£...]]
(Knaur)
kleinster Wert, kleinste Größe, Stand (ζ. B. des Luftdrucks);
niedrigster
Mindestmaß;
Geringfügigkeit; Ggs.: Maximum;
..J (Wahrig)
(4) Minimum
Ε···3
1 kleinster, niedrigster Wert; Ggs. Maximum (dtv-Wahrig) geringstes, niedrigstes Maß /Ggs.
(5) Minimum
. .J (6) Minorität
[. .
Maximum/:
(Duden-Bedeutungswörterbuch)
Minderheit, Minderzahl, die sich für od. gegen etw. entscheidet
(Ggs.:
Majorität):
[•...]
(Duden-GWDS)
Davon wird nur bei untergliederten Artikeln abgewichen,
sofern
ein und dasselbe Antonym für alle Sememe gültig ist; dann tritt die Angabe des Gegensatzes ζ.
vor
sämtliche
Bedeutungserklärungen,
B.
(7) Minimum
[. . J
(8) Minimum
[•••3
Ggs. Maximum 1
. J
2
(Ggs.: Maximum): 1. [. .
.
3
2.
[...]
[··.] (BW)
(Duden-GWDS). Im Rahmen dieser positionellen Übereinstimmung bis (6) belegen - einige Unterschiede
fallen - wie (1)
in der Ausführung
dieses
Textbausteins im einzelnen auf. Sie beziehen sich auf die Art der Abkürzung
(Ggs., Ggs, auch mit folgendem Doppelpunkt:
Ggs.:),
des Anschlusses an die uBE (mit Komma, mit Semikolon oder ohne abgrenzendes Satzzeichen), der Schriftart (dieselbe wie die uBE, eine andere Schriftart als die uBE,
Schriftart
gemischte
Schriftart) und der Abhebung durch andere graphische
Mittel
(Einschluß in Schrägstriche oder in runde Klammern). Die Extreme in der Gestaltung dieses Bausteins liegen einerseits beim WDG, andererseits bei Duden-GWDS und Duden-Bedeutungswörterbuch.
Wäh-
rend die beiden letztgenannten Wörterbücher durch die Art des An-
122
schlusses, die Schriftart und die besondere graphische Abhebung durch den Einschluß in Schrägstriche bzw. runde Klammern den andersgearteten Status dieser Information gegenüber der uBE auch optisch unterstreichen, verfährt das WDG in entgegengesetzter
Weise.
Durch das mit Komma unmittelbar und in ein und derselben Schriftart (für Abkürzung und gegensätzlichen Ausdruck!) an die uBE angeschlossene Antonym wird diese Angabe gleichsam direkter Bestandteil der uBE und unterscheidet sich von der Angabe von Synonymen lediglich durch das davorgesetzte Ggs. Das entspricht der Konzeption des WDG, nach der "das gegensätzliche Wort" als eine - nach der umschreibenden Deutung oder Erklärung und dem sinnverwandten Wort oder Synonym - "dritte Möglichkeit, das Stichwort semantisch zu charakterisieren" betrachtet wird; daher "erscheinen nur solche, die zur weiteren Klärung der Bedeutung dienen" (WDG: 09). Der Status der Antonymie als einer makrostrukturellen tion geht hier, da sie
ausschließlich
Systemrela-
in ihrer Hilfs-
funktion für die Bedeutungserläuterung gesehen wird, auch optisch unter. Nach der Erörterung von formalen Fragen der Stellung antonymischer Angaben innerhalb der Artikelarchitektur, gehen wir im folgenden (3.2.3 und 3.2.4) auf die inhaltliche Füllung dieses Textbausteins ein. Zuvor in 3.2.2 aber einige quantitative Feststellungen .
3.2.2
Von den 10 untersuchten Wörterbüchern sehen 8 die Angabe
von Antonymen vor. Die Tatsache, daß Duden-DUW und HDG im Unterschied zu ihren sechsbändigen Vorläufern (Duden-GWDS, WDG) ohne die Angabe von Begründungen darauf verzichten, stimmt nachdenklich. Offensichtlich waren die bisherigen, aufgrund des unzureichenden theoretischen und praktischen Aufbereitungsstandes der Antonymenproblematik unbefriedigenden lexikographischen se der Grund für diese völlige Enthaltsamkeit. 1
Ergebnis-
Dennoch haben
sich andere Wörterbücher nicht davon abhalten lassen, die lexikalisch-semantische Relation der Antonymie als onomasiologischen Bestandteil des semantischen Kommentars einzubeziehen. Dies geschieht freilich in unterschiedlichem Umfang und mit unterschiedlicher Präzision. Legt man die Berücksichtigung der 60 Antonym-
123 paare aus der Agricola/Agricola-Einleitung
für eine
allgemeine
quantitative Aussage zugrunde, so ergibt sich folgendes
Bild:
Von den 60 Wortpaaren werden nur 30 (also 50 %) mindestens
ein-
mal in den 8 in Frage kommenden Wörterbüchern als Antonyme
ge-
kennzeichnet. Nach der absoluten Vorkommenshäufigkeit
liegen
die sechsbändigen Duden-GWDS (20) und BW (19) an der Spitze; es folgen Wahrig, WDG (je 16), Knaur, (je 14) und dtv-Wahrig
Duden-Bedeutungswörterbuch
(13). Das Schlußlicht bildet Mackensen
mit deutlicher Distanz: Er verzeichnet lediglich einen (!) der 60 gegensätzlichen Ausdrücke, und selbst diesen nur bei einem der beiden Stichwörter. Korreliert man jedoch die Zahl der
gebuchten
Antonympaare mit der Gesamtstichwortzahl des betreffenden
Wörter-
buchs, so ergibt sich eine ganz andere Reihenfolge - und sie ist das eigentliche Vergleichsmaß zur Beurteilung der
Antonymie-Berück-
sichtigung. Unter Zugrundelegung der Lemmabestandsangaben Schaeder
(1987: 87) - für Knaur gilt die auf dem Einband
bei angege-
bene Zahl - ergibt sich die folgende Reihe mit abnehmendem mie-Anteil: dtv-Wahrig
(13 : 16 000),
(14
: 24 000), WDG (16
: 85 000), Wahrig
(14
: 85 000), Duden-GWDS (20
Antony-
Duden-Bedeutungswörterbuch (16
: 100 000), Knaur
: 160 000), BW (19 : 220
000),
Mackensen (1 : 150 000). Selbst diese nichtrepräsentative
Stich-
probe läßt auf den ersten Blick erkennen, daß relativ zum Lemmabestand die kleineren einbändigen Wörterbücher mehr Antonyme
ver-
zeichnen als die umfangreicheren; und BW bildet - sieht man von dem undiskutablen Fall Mackensen ab - trotz des absoluten wertes unter diesem Gesichtswinkel den Schluß. Der relativ
Höchsthohe
Anteil von Antonymen in den kleineren Wörterbüchern ist um so höher zu bewerten, als in ihnen eine Reihe der überprüften wörter gar nicht enthalten ist; anderenfalls hätte der tuale Anteil sogar noch höher ausfallen
3.2.3
Stich-
prozen-
können.
Auf die Frage, welche Typen von Gegenwörtern die einzel-
nen Wörterbücher berücksichtigt haben, erwartet man weise Aufschluß aus den Wörterbucheinleitungen
natürlicher-
(WE). Aber - wie
in bezug auf zahlreiche andere lexikographische Datentypen ist das
Ergebnis auch in diesem Fall überwiegend
Die meisten der WE geben keine Erläuterung
ihrer
enttäuschend. Verfahrensweise,
124
so daß man die jeweils geübte Praxis nur aus der Untersuchung des Wörterverzeichnisses selbst entnehmen und daraus Rückschlüsse auf eventuell zugrunde gelegte Auswahlkriterien ziehen kann. Einen - wenn auch knappen - qualifizierenden Hinweis geben nur WDG und - in unterschiedlicher Weise - die Wahrig-Wörterbücher. Die bereits in 3.2.1 zitierte vage Aussage des WDG-Vorwortes, daß nur solche Gegenwörter gebracht würden, "die zur weiteren Klärung der Bedeutung dienen" (09), bekommt kaum deutlichere Kontur durch die etwas ausführlicheren Äußerungen dazu in Klappenbach/Malige-Klappenbach (1978: 22f.), wo es heißt: "Es ist unbezweifelbar, daß es Wortgegensätze gibt (anwesend - abwesend) und Sinngegensätze (Freund - Feind; Berg - Tal; einschlafen - aufwachen) ... Ruth Klappenbach hat sich sehr bald dazu entschieden, in wohlabgewogenem Umfang und keineswegs sklavisch
Wort-
gegensätze auswahlweise zu bringen. Also erscheint im Ζ bei zuknoten, Gegensatz aufknoten, und ganz ähnlich bei zuknöpfen, zukorken , zumachen". Hier kann der Eindruck entstehen, daß im WDG vorzugsweise sog. " W ο r t g e g e n s ä t z e " , nicht aber
"Sinngegensätze"
angeführt würden. Dieser Eindruck ist falsch, denn die als Beispiel gebrachten Wortpaare Freund - Feind und Berg - Tal sowie zahlreiche ähnliche Fälle sind durchaus als Gegensätze verzeichnet (einschlafen - aufwachen jedoch nicht). Tatsache ist also, daß das WDG sowohl sog. Sinngegensätze als auch sog. Wortgegensätze dann anführt, wenn sie nach Ansicht der Autoren dem o. g. Ziel dienen können. Ganz ähnlich - "wenn das als Ergänzung zur Bedeutungserklärung sinnvoll erschien" - begründet Wahrig seine Auswahl und präzisiert sein Antonym-Verständnis durch den Zusatz: "Das Wort
'Gegensatz'
ist dabei nicht im Sinne von 'logischer Gegenpol' zu verstehen, sondern mehr im weiteren Sinne einer sehr stark
unterschiedenen
Bedeutung bei ähnlicher sprachlicher Situation" (Sp. 26). Besonders enttäuschend ist, daß der sechsbändige BW, der 1980 zu erscheinen begann, nicht über die bei einem kleinen Wörterbuch allenfalls hinzunehmende Kurzformulierung in dtv-Wahrig von 1978 hinausgekommen ist, zumal mittlerweile mit Agricola/Agricola
(1977)
eine verwertbare Grundlage zur Verfügung stand. In der WE beider Wörterbücher heißt es übereinstimmend:
125
" Der Gegensatz Verweise auf Wörter, die einen dem Stichwort
entgegengesetzten
Inhalt haben , ζ . Β . : Tag ... 4 ...; Ggs Nacht oder sich in einem Merkmal deutlich vom Stichwort unterscheiden, z.
B. :
Ast
1...; Ggs Zweig
werden durch 'Ggs' gekennzeichnet." Dieserart "kurz und verschwommen deklariert" werden im BW die Antonyme, und der Benutzer "erfährt also nichts und kann es auch nicht ergründen, welche Typen von Bedeutungsbezieh.ungen zu den Antonymen gerechnet werden, wann und nach welchem System bei welchem Stichwort und an welcher Informationsstelle des Stichwortartikels gegebenenfalls die entsprechenden Angaben auftauchen" (Agricola 1982a: 370). Diesen Vorwurf muß sich in ähnlicher Weise auch Duden-GWDS gefallen lassen, denn dieses Wörterbuch verspricht mehr als es gibt ohne zu sagen, was es tatsächlich gibt: "Hinter der Bedeutungsangabe wird, wenn es einen Gegensatz gibt, das Gegensatzwort (Antonym) genannt, ζ. B. anwesend nicht a d v . ^
[janve:znt3
< Adj.; o. Steig.;
: aus einem bestimmten Anlaß an einem Ort befindlich,
zugegen (Ggs.: abwesend):
[·..]". (18) Wiegand/KuCera (1981: 184)
äußern daher zu Recht die Kritik: "Der Duden-Text suggeriert, daß zu jedem Lemma (in jeder erläuterten Bedeutung) das Gegensatzwort angegeben wird, oder anders ausgedrückt: daß im Duden-GWB ein Antonymenwörterbuch enthalten ist. Dies ist allerdings nicht der Fall, und zwar auch dann nicht, wenn man den Terminus Antonym im engeren Sinne auffaßt". Ebenfalls keinerlei genauere Auskunft erhält der Benutzer des Duden-Bedeutungswörterbuches, wo es im Teil "Die Behandlung der Stichwörter" an versteckter Stelle unter "A. Allgemeines" unspezifisch und lakonisch heißt "3. Zwischen schrägen Strichen // stehen allgemeinere Angaben, Bedeutungserläuterungen,
Gegensatz-
wörter u. ä.: abmelden ... /Ggs. anmelden/ ..." (11). Und zwei Wörterbücher erwähnen in der WE überhaupt nicht, daß sie Antonyme angeben, geschweige denn um welcherart Antonyme es
126
sich handelt. Bei Knaur liest man auf der Rückseite:
"verweist
auf Synonyme und Gegensatzwörter", und auf Mackensens Schutzumschlagklappe heißt es wortgleich: ge Nachschlagewerk
. . . verweist auf Synonyme und
Die Abkürzungsverzeichnisse
vorderer
"Das kompakte
einbändi-
Gegensatzwörter"
verraten noch, daß für Gegensatz
Ggs.
steht.
3.2.4
Um zu präziseren Aussagen darüber zu kommen, welche
wahl die einzelnen Wörterbücher tatsächlich getroffen bleibt also nur die stichprobenhafte Überprüfung
haben,
ihrer
Die 60 geprüften und die 30 tatsächlich enthaltenen
Aus-
Praxis.
Wortpaare
verteilen sich quantitativ wie folgt auf die vier Typen von Gegenwörtern: überprüft (1) Konversivität: (2)
Komplementarität:
(3) Antonymie (im Sinne) :
eigentlichen
(4) Fakultative Gegenwortpaare (Kontrast im allgemeinen):
enthalten
11
3
(27,3 %)
20
13
(65,0 %)
21
12
(57,1 %)
8 60
2 30
(25,0 %)
Es zeigt sich, daß die mit Typ (2) und (3) erfaßten
komplementä-
ren bzw. im eigentlichen Sinne antonymen Ausdrücke jeweils zu über 50 % erfaßt und mehr als doppelt so stark worden sind wie die Wortpaare der Typen (1) mit
berücksichtigt konversiven
bzw. (4) mit allgemein kontrastierenden Ausdrücken. Aus Typ (2) und Typ (3) rekrutiert sich also die überwiegende Mehrheit der in den Wörterbüchern ausgewiesenen Antonyme. Diese
allgemeine
Feststellung kann und muß präzisiert werden durch Angaben
darüber,
wie sich dieses Verhältnis im einzelnen Wörterbuch darstellt und welche konkreten Vorkommenshäufigkeiten
schließlich auf
Wortpaare entfallen. Die Informationen zum erstgenannten sind der folgenden Übersicht zu entnehmen:
einzelne Aspekt
127
Wörterbuch
Gesamtzahl der im Wb. enthaltenen Antonympaare
davon entfallen auf Typ (1)
Typ (2)
Typ (3)
Typ (4)
WDG
16
1( 6,25%)
6(37,5%)
Duden-GWDS
20
1( 5,0%)
8(40,0%)
Wahrig
16
1( 6,25%)
9(56,25%)
5(31,25%)
dtv-Wahrig
13
-
5(38,5%)
8(61,5%)
BW
19
-
8(42,1%)
10(52,6%)
1(5,3%)
1
-
1(100%)
-
-
Mackensen
-
9(56,25%) 10(50,0%)
Knaur
14
1( 7,1%)
7(50,0%)
6(42,9%)
Duden-Bedeutungswörterbuch
14
3(21,4%)
4(28,6%)
7(50,0%)
-
l(5,o%) 1(6,25%) -
_
Bei aller gebotenen Vorsicht in der Interpretation dieser auf relativ schmaler Basis erhobenen Werte ist unübersehbar, daß Typ (3), der die Antonyme im eigentlichen Sinne umfaßt, den Spitzenplatz in 6 der 8 Wörterbücher einnimmt (zwischen 50 und 100 %). Deutlich weichen von diesem Befund Wahrig und Knaur ab, bei denen der höchste Anteil der gekennzeichneten Antonymenpaare aus Typ (2) mit den komplementären Ausdrücken stammt. Bemerkenswert ist außerdem, daß das Duden-Bedeutungswörterbuch insofern aus dem Rahmen fällt, als es als einziges Wörterbuch alle drei der überhaupt in diesen Wörterbüchern gekennzeichneten Paare des Typs (1) mit konversiven Ausdrücken enthält. In der folgenden Übersicht
(S. 128) werden die 30
vorkommenden
Wortpaare - geordnet nach Typen und innerhalb jedes Typs nach abnehmender absoluter Vorkommenshäufigkeit
- aufgeführt und es wird
markiert, in welchen Wörterbüchern sie vorkommen. Dabei bedeutet +, daß beide Pole des Gegensatzpaares verzeichnet sind, während die unvollständige einpolige Darstellung durch
| angezeigt wird. Es
wird sichtbar, daß nur ein einziges Wörterbuch wörterbuch) sämtliche Gegensatzpaare
(Duden-Bedeutungs-
systematisch symmetrisch
be-
arbeitet hat, daß WOG und Duden-GWDS immerhin in der Regel um symmetrische Darstellung bemüht sind und daß sich Wahrig
durch
mehrheitlich unsymmetrische Angaben zur Antonymie unrühmlich vortut. Auf einige Besonderheiten gehen wir in 3.2.5 ein.
her-
128
Wortpaar
Vorkommen absolut
WOG
DudendtvGWD5 Wahrig Wahrig BW
Einfahrt:Ausfahrt
4
gewinnen:verlieren
2
mieten:vermieten
1
Inland:Ausland
7
materiell:immateriell
6
Ebbe:Flut
5
männlich:weiblich
5
Linkshänder:Rechtshänder
4
nützlich:nutzlos
4
reparabel:irreparabel
4
+
+
zuschließen:aufschlieDen
3
+
+
+
DudenBedeutungsMackensen Knaur wörterbuch +
+
+ +
1
+ +
+
1
+ +
+
+
1
+
+
1
1
+
+
•
+
+
+ +
1 1
1
I
1
+
+ +
Raucher:Nichtraucher
2
Präfix:Suffix
2
1
Sitzplatz:Stehplatz
2
1
Großbuchstabe:Kleinbuchstabe
2
ehrlich:unehrlich
1
1
Maximum:Minimum
7
+
+
heiß:kalt
6
+
+
kurz:lang
6
+
+
I
+
+
+ +
+
1
1
1
•
+
+
-
+
+
1
+
+
1
I
•
+
+
+
+
längs:quer
6
+
+
+
+
arm:reich
6
+
+
+
+
+
+
weit:nah
6
+
1
1
-
-
+
hell:dunkel
5
+
+
+
+
+
Krieg:Frieden
5
+
+
1
1
+
bevorzugen:benachteiligen
3
+
mit:ohne öffnen:schließen
3 2
+
verlieren:finden
1
römisch:arabisch
2
Triebwagen:Anhänger
1
1
• +
+
+
+
1 1
(+) 1
129
Hinsichtlich der berücksichtigten Wortarten liegen und Adjektiv-Antonyme an der Spitze, während verbale paare erst auf unteren Vorkommensrängen
3.2.5
Gegenwort-
in Erscheinung
Zum Abschluß der kritischen Bestandsaufnahme
Antonymbehandlung
Substantiv-
in allgemeinen deutschsprachigen
treten.
herkömmlicher Wörterbüchern
sind einige Bemerkungen zum lexikographischen Know-how
nötig,
denn a l l z u o f t geht die theoretische Unklarheit einher mit einer oberflächlichen Art der
Darstellung.
Die Lexikographie hat vor allem zu beachten, daß es sich - wie bei der Synonymie - auch bei der makrostrukturellen
paradigmatischen
Beziehung der Antonymie um eine Relation zwischen
Sememen
handelt, daß "immer nur lexisch-semantische
Varianten von Lexemen
ein bestimmtes Gegenwort haben, daß ein polysemes Lexem mehrere Gegenwörter haben kann: a/lter Mensch - junger Mensch; altes Buch - neues alte Lebensmittel
- frische Lebensmittel."
Sieben der acht Wörterbücher
Buch;
(Schippan 1984:
(Mackensen entzieht sich der
229). diesbe-
züglichen Beurteilung) tragen dem Rechnung. Greifen wir das von Schippan verwendete Beispiel des Adjektivs alt auf, so gibt ζ. B. das WDG die folgenden semembezogenen Antonyme an: alt
[...]
2. bejahrt, reich an Jahren, Ggs. jung
.
3. gebraucht, Ggs. neu [\ . .J 5. Ggs. modern a) antik, klassisch [\ . b) weit [. . .] c) (durch sein Alter) wertvoll, kostbar 6. /ohne Steigerung/ früher, Ggs. jetzig .-3
zurückliegend .J
Allerdings bleibt diese Art der Darstellung, wie sie
entsprechend
auch im Duden-GWDS, Wahrig, Duden-Bedeutungswörterbuch
gehandhabt
wird, die letzte Konsequenz des Semembezuges schuldig, indem versäumt wird, die angeführten Antonyme ihrerseits zu monosemieren, was - ähnlich der Praxis bei der Synonymbuchung
- mit der
ten Ziffer des betreffenden Semems unaufwendig zu
angefüg-
bewerkstelligen
ist. Immerhin wird diese Art der Monosemierung von dtv-Wahrig, BW und Knaur bereits vorgenommen, wenn auch die Systematik zu wünschen übrig läßt. Als Beispiel sollen die Artikel alt, jung, neu, frisch und ihre Verflechtung bei Knaur
dienen:
130 alt
C· · ·3
* Ggs. .jung; in vorgerücktem Lebensalter, lange bestehend
schon
f. . .J
2 Ggs. njnj (I); a [. . .]
b [. . .]
3 Ggs. frisch (1); vor längerer Zeit
hergestellt
[...] jung
£·.·3
1 jugendlich, noch in der Entwicklung Ggs. alt (1)
neu I frisch
[. . .] [". . .J
stehend;
[. . .]
Ggs. alt 1 [. .
2 [...]
1 eben vom Erzeuger, Hersteller gekommen,
nicht
gelagert, nicht konserviert; Ggs. alt (3)
[..Q
Der korrekte Bezug zwischen den antonymischen Sememen ist nur bei alt 3: Ggs. frisch (1) vs. frisch 1: Ggs. alt (3) hergestellt.
In
bezug auf alt 2: Ggs. neu (I) fehlt bei neu I der Hinweis, daß es sich konkret um Antonymie zu alt (2) handelt und bei alt 1: Ggs. jung fehlt die Monosemierung
auf jung (1), während sie bei jung 1:
Ggs. alt (1) präzis angegeben ist. Daneben fällt eine
weitere
Inkonsequenz der Darstellung auf: Im Unterschied zur Praxis der anderen Wörterbücher, die Angaben des Gegensatzes dann
voranzustel-
len, wenn sie für alle Sememe eines Artikels gelten, wird bei Knaur ohne erkennbaren Grund der Gegensatz zum Teil auch dann Bedeutungserklärung
vor
gestellt, wenn er sich nur auf dieses
die
eine
Semem bezieht wie ζ. B. bei alt 1 oder 3, während bei den Gegenwörtern jung und frisch anders verfahren wird. Neben dem Semembezug der Antonymierelation ist eines
ihrer
weiteren Charakteristika, daß sie eine reziproke Beziehung
ist:
Ist ein Semem Α Antonym zu einem Semem B, so ist auch Semem Β Antonym zu Semem A. Diese Reziprozität der Beziehung findet - aus verschiedenen Gründen - nicht immer konsequenten
lexikographischen
Ausdruck. Das WDG schreibt in seinem Vorwort (09) die
Uneinheit-
lichkeit der Behandlung sogar fest: "Bei der Abhandlung des Gegenwortes
[. . .J muß der entsprechende Gegensatz nicht wieder
nen, da die Verwendungsmöglichkeiten
erschei-
des Gegenwortes anders
gela-
gert, umfassender in der Anwendung sein können", wobei ein Hinweis bei Klappenbach/Malige-Klappenbach
(1978: 23) allerdings
macht, daß von dieser selbsterteilten Lizenz wohl relativ
deutlich selten
131 Gebrauch gemacht worden ist: "wir haben uns aber dennoch nach Möglichkeit bemüht, den Gegensatz, besonders den Wortgegensatz, lig zu sehen
... Zu dem Zwecke haben wir speziell eine
Kartei" mit ca. 1000 Stellennachweisen
angelegt, damit kein an
einer Stelle genannter Gegensatz im Alphabet vergessen, wird". Das im WDG-Vorwort
(09) angeführte Beispiel für
übersehen asymmetri-
sche Behandlung ist abrollen 2 : anrollen, das wie folgt stellt
2po-
"Gegensatz-
darge-
ist:
abrollen
£"../]
anrollen
. J
2. rollend davonfahren, Ggs. anrollen (ist): 1. rollend herankommen
(ist):
f..·]
...
Der Grund ist offensichtlich, daß es bei anrollen 1 metaphorische Verwendungsbeispiele
gibt, bei denen der Gegensatz abrollen nicht
ohne weiteres sprachüblich und damit einsetzbar Gegenteil ausgedrückt werden soll. U. E. muG die
ist, sofern das Antonymiebeziehung
aber auf die sog. "eigentliche" Bedeutung, wie sie in normalsprachlichen Kontexten gebraucht wird, bezogen werden, so daß ohne weiteres die Angabe des Gegensatzes auch bei anrollen 1 zu rechtfertigen ist. Daß nicht in jedem lexikographischen Beispiel die Einsetzprobe zu völlig korrekten Sätzen führt, ist eine auch von den Synonymen her bekannte Tatsache und darf nicht dazu
verführen,
systemhafte Relationen lediglich aus diesem Grunde zu
unterdrücken.
Zu asymmetrischer Darstellung kann es aber nicht nur durch bewußte Unterlassung
(wie fallweise im WDG), sondern vor allem durch
schlichtes Vergessen kommen; im Einzelfall kann sie auch durch das Fehlen des entsprechenden Lemmas in der Stichwortliste
verursacht
sein , ζ. Β. Duden-GWDS: römisch f. ·-J
-e Zahlen, Ziffern (Ggs.: arabische
Zahlen,
Ziffern) arabisch:
Dieses Lemma ist im betreffenden buch gar nicht
Wörter-
vorhanden.
Es liegt in der Natur der Sache, daß sich nicht in jedem Fall - insbesondere von Antonymie (im eigentlichen Sinne) des Typs (3) sowie bei den fakultativen Paarungen (4) - genau zwei und nur diese zwei Ausdrücke
(Sememe) antonymisch gegenüberstehen.
Vielmehr
132
liegen in "manchen Fällen, besonders bei den Beziehungen
zwischen
qualitativen Adjektiven, die beiden Pole nicht eindeutig
fest,
d. h., aus der geordneten Reihung von Bedeutungseinheiten, eine Art Skala darstellt, lassen sich unterschiedliche, weit voneinander und vom satzpaare konstituieren bettelarm glühend
: arm
: kochend
: heiß
genügend
'Nullpunkt' entfernte Einheiten als Gegen(skalare oder sequentielle
: bedürftig
(Agricola/Agricola
die
: wohlhabend
; warm
: lau
: reich
: kalt
Antonyme)
: steinreich;
: eiskalt "
1977: 19).
So kommt es, daG in einigen Fällen im Unterschied zu den bei Agricola/Agricola oder daß Ein ehrlich
gesetzten Paaren ein
mehrere anderes
anderes
Gegenwort
Antonyme zu einem Semem angegeben
werden.
Antonym stellt z. B. WDG dem Adjektiv
gegenüber:
Agricola/Agricola
(1977: 23): ehrlich WDG: ehrlich
: unehrlich /Adj./
1. absolut zuverlässig in Geldangelegenheiten, Ggs.
Im Wörterverzeichnis von Agricola/Agricola
betrügerisch
(1977: 83) werden so-
gar insgesamt vier auf dieses Semem von ehrlich bezügliche che antonymische Ausdrücke genannt: unehrlich, unreell, betrügerisch. Oder: Bei Agricola/Agricola überstellung Triebwagen Triebwagen
findet sich die Gegen-
: Anhänger bzw. - im Wörterverzeichnis
.
dazu:
fit eigenem Motor ausgerüstetes, zur Aufnahme von Fahrgästen od. Gütern bestimmtes fahrzeug; Ggs Beiwagen
und
-
: Anhänger/Hänger.
Im BW heißt es im Unterschied Triebwagen
mögli-
unlauter,
Schienen-
(2)
entsprechend
Beiwagen
. .J 2 Anhänger der Straßenbahn od. U-Bahn ohne Antrieb; Ggs
eigenen
Triebwagen
Ein Beispiel dafür, daß bei einem Semem
mehrere
angeführt werden, bietet die folgende Gruppe bei Knaur:
Antonyme
133
Großbuchstabe
f. . .J
durch Form und Größe hervorgehobener stabe; Ggs. Kleinbuchstabe,
Gemelne(r)
. .]]
2
Buch-
Gemeine(r)
kleiner Druckbuchstabe; Ggs. Großbuchstabe, Versal
Kleinbuchstabe £· ·-3 kleiner Buchstabe des Alphabets, ζ. B. a, f, g; Ggs. Großbuchstabe Versal
. .J , Versalbuchstabe
Q. ..J Großbuchstabe; Ggs. Gemeine(r) (
Es bleibt zu fragen, warum bei Kleinbuchstabe und Versal jeweils nur ein Antonym angegeben wurde; auch die Monosemierung ist unvollständig, denn bei Großbuchstabe müßte - wie bei Versal - Gemeine(r) (2) stehen.
3.3
Möglichkeiten und Grenzen der lexikographischen
Beschreibung
antonymischer Relationen im allgemeinen einsprachigen Wörterbuch In diesem Teil tragen wir - unter Berücksichtigung der Prüfungsergebnisse gegenwärtiger lexikographischer Praxis - unsere Vorstellungen vor, wie die Darstellung der Antonymie-Relation entsprechend der ihr zugewiesenen Funktion im allgemeinen Wörterbuch (vgl. 3.2) gestaltet werden sollte. Wieder geht es um die Hauptfragen: Was - wie - wo? So wie wir im vollen Bewußtsein der Schwierigkeiten seiner begrifflichen Fassung den Terminus Synonym verwenden, so sehen wir keine Veranlassung, zugunsten von Ersatzbezeichnungen wie Gegenwort , Gegensatzwort o. ä. auf die linguistisch eingeführte Benennungsreihe Antonym, Antonymie, antonym(isch) zu verzichten. Als Abkürzung möge - auch formal auf die Synonymie-Behandlung
abge-
stimmt - Ant dienen. Die allgemeine Lexikographie ist gut beraten, ihren Antonymie-Begriff weder zu weit noch zu eng zu fassen. Bezogen auf die vier oben (3.1) unterschiedenen Typen plädieren wir dafür, Sememe, die den Typen (2) und (3) zuzuordnen sind, die also zueinander komplementär oder antonym (im eigentlichen Sinne) sind, d. h. in betontem und konventionell so empfundenem Gegensatz zueinander stehen, zu erfassen und zu kennzeichnen. Sie bilden auch bisher den Kern der Antonymie-Kennzeichnung, wenn auch
134
noch wenig systematisch im Sinne ihrer möglichst
erschöpfenden
Einbeziehung. Konverse Wortpaare des Typs (1) werden - wie bisher - nur ausnahmsweise, in stark konventionalisierten bezogen werden können. Fakultative
"Gegen"wortpaare
Fällen ein-
- der
Begriff
Antonyme trifft auf sie nicht zu - sollten unberücksichtigt ben, denn sie drücken eher einen Unterschied als einen
Gegensatz aus. Wesentlich ist, daß sich die in Beziehung ten Bedeutungen "in mindestens
einem
blei-
wirklichen
wesentlichen
gesetzBedeutungs-
element unterscheiden, das den Charakter der Gegensätzlichkeit nereller Art hat; sie können meist in der gleichen
füreinander eingesetzt werden, verkehren aber dadurch die bedeutung in ihr Gegenteil oder erzeugen eine Äußerung"
(Agricola/Agricola
ge-
Textumgebung Gesamt-
widersprüchliche
1977: 16). Nur Sememe, die diese Be-
dingungen erfüllen, können als Antonyme über die Dokumentation mantischer Systemrelationen hinaus
auch
zum Verständnis der
Bedeutung des zu erklärenden Semems ihren spezifischen leisten und anwendbares Sprachwissen
se-
Beitrag
vermitteln.
Eine hin und wieder auftretende Frage ist die, wie die Auswahl in bezug auf morphologisch verwandte
(verheiratet - unverheiratet)
und morphologisch nicht verwandte Antonyme
(gut
: schlecht)
gen soll (vgl. ζ. B. Böhnke 1972: 196ff., Schmidt 1986:
erfol-
66ff.).
Wir vertreten die Meinung, daß "morphologisch negative" und "morphologisch positive" Ausdrücke (vgl. Lyons 1977; 1980: 286) ebenso zu kennzeichnen sind wie morphologisch nicht verwandte sofern sie konventionalisierte
Bedeutungsgegensätze
gemäß dem oben
gekennzeichneten Verständnis von Antonymie ausdrücken rein formale Negationen ohne semantische Adäquatheit wie ζ. B. bekümmert
: unbekümmert, christlich
Ausdrücke, (und nicht
darstellen
: unchristlich).
Darüber hinaus sollten die Wortbildungsmittel, mit denen erreicht wird, auch in separaten Wörterbuchartikeln werden, wie es erst zum Teil getan wird (ζ. B. im
Antonymie
dargestellt
Duden-Bedeutungs-
wörterbuch) . Nachdem der Kreis der zu berücksichtigenden Kandidaten grenzt und annähernd bestimmt worden ist, gilt die nächste
eingeFrage
dem Wie der Darstellung. Die wichtigste Forderung ist die nach der konsequent semembezogenen Anordnung der Antonyme. Gilt ein Antonym für das Semem eines monosemen Stichwortes oder für eins
135
von mehreren Sememen eines polysemen Stichwortes, so wird es hinter der umschreibenden Bedeutungsexplikation
im
onomasiologischen
Teil des semantischen Kommentars nach einem Semikolon mit dem Kommentarsymbol Ant in einer von der der Bedeutungsexplikation schiedenen Schriftart
unter-
angeschlossen.
Die folgenden Beispiele sind dem HDG entnommen und werden zur Illustration nach den hier entwickelten Vorstellungen
umgeformt:
Minorität, die; -, - e n /vorw. Sg./ Minderheit; Ant Majorität: die Rechte der M. wahren Ist die Angabe eines Antonyms für alle Sememe eines
polysemen
Stichworts oder für alle Teilbedeutungen eines Semems gültig, so wird das Antonym an die Spitze des semantischen Kommentars, vor
die erste Bedeutungsexplikation
also
gestellt:
Minimum, Minimum, das; -s, Minima Ant Maximum 1.1. /vorw. mit unbest. Art.; o.Pl./ geringstes Maß
(1.2.2):
schwere, physische Arbeiten auf ein M. begrenzen 1.2. kleinster Wert (4): die Maxima und Minima der
Temperatur,
Luftfeuchtigkeit Ferner sollte unbedingt gelten, daß nur Antonyme angegeben die ihrerseits selbst durch Lemmata im betreffenden
werden,
Wörterbuch
vertreten sind; diese sind dann konsequent - dem reziproken
Cha-
rakter der Antonymie entsprechend - wechselseitig bei jedem der beiden Pole anzuführen. In bezug auf die o.a. Beispiele sich die folgenden
ergeben
"Gegenstücke":
Majorität, die; -, - e n /vorw..Sg./ Mehrheit, Mehrzahl; Ant Minorität: in der M. sein; die Partei hatte im Parlament die M.
(Stimmenmehrheit)
Maximum, das; - s , Maxima Ant Minimum 1.1. /o.Pl./ größtes Maß (1.2.2): ein M. an Leistung vollbringen; etw. erreicht ein Μ. , bleibt unter dem M. 1.2. größter Wert (4): die Maxima und Minima der Temperaturen,
Luftfeuchtigkeit
Da, wo ein angeführtes Antonym ein bestimmtes Semem eines
polyse-
men Lemmas repräsentiert, ist die Angabe der monosemierenden memziffer in runden Klammern eine wichtige und ohne großen
Se-
Aufwand
136
zu gebende Orientierung
für den Wörterbüchbenutzer.
Zur
Demonstra-
tion dessen gehen wir von der semantischen Gliederung des Lemmas alt im HDG aus und nehmen die entsprechenden Ergänzungen alt
vor:
[...]
1. Ant jung (1. ) 1.1. /nicht adv./ in vorgerücktem Alter (1.1), schon sehr viele Jahre lebend, bejahrt weisend
Q .-3
1.2. Merkmale des Alters auf-
. .]
2.1. ein bestimmtes Alter habend /einer Zahlenangabe [···]
nachgestellt/
2.2. /drückt in Relationen ein Mehr an Alter 1.1 aus/ 3. lange benutzt, getragen, abgenutzt; Ant neu
. >3
(3.)
. .]]
4. /nicht adv./ seit langer, längerer Zeit (unverändert)
vorhan-
den, bestehend, vor langer, längerer Zeit entstanden; Ant neu (1.1), jung (3.1) [. . .] 5. /nur attr./ 5.1. einer früheren Zeit, Epoche 5.2. die alten Griechen, Römer 6.
entstammend
. .]]
/nur attr./ von früher her bekannt, gewohnt, unverändert
7. /nur attr./ ehemalig, früher; Ant jetzig
. /]
C-·-3
Θ. /nur attr./ umg. 8.1. /verleiht der Anrede Vertraulichkeit/ 8.2. /verstärkt die negative Charakterisierung bezeichnungen, Schimpfwörtern/
von
.
Personen-
C··-3
Den Sememen 1, 3 und 7 kann jeweils ein Antonym zugeordnet
werden,
dem Semem 4 zwei. Bei antonymen Ausdrücken polysemer Lemmata ist die Monosemierung vorgenommen worden, die auf die Stelle an der der Benutzer das Stichwort alt als monosemiertes
verweist, Antonym
angegeben findet, ζ. B. jung
Q. . ·3
1· Ant alt (1.)
1.1. noch nicht viele Jahre
im Alter der Jugend (1) und etwa noch bis in die Lebensjahre usw.
·-3
1.2. jugendlich (2)
£· •-3
lebend,
zwanziger
137
3.4
Hilfsmittel und Datenquellen
Der unbefriedigende Zustand der unsystematischen und lückenhaften Behandlung der Antonyme in allgemeinen Wörterbüchern ist zweifellos auch darauf zurückzuführen, daß die Lexikographen weitestgehend auf ihre Sprachkompetenz und Intuition bei der Ermittlung von Antonymen angewiesen waren. Seit Ende der 70er Jahre liegt das erste Wörterbuch der Antonyme der deutschen Allgemeinsprache
(Agricola/
Agricola 1977) vor, so daß für den Lexikographen nun auch für diesen Typ lexikographischer Information ein Materialfundus bereitsteht, der der gezielten Auswertung harrt. Freilich sind die Angaben nicht pur zu übernehmen, denn der Inhalt des Buches "beschränkt sich nicht nur auf die sogenannten Antonyme im strengen Sinne, auf die paarigen, eindeutig auseinander erschließbaren und einander ausschließenden, extrem gegensätzlichen Bedeutungen, sondern der Begriff des Gegenwortes wird sehr weit gefaßt und enthält alle Arten der Bedeutungsbeziehungen, die im gesellschaftlichen Sprachbewußtsein als Ausdruck irgendeines betonten, aufeinander bezogenen Kontrastes gelten" (6). Aus dem breiten Angebot ist also auszuwählen. Geeignet für die Zuordnung zu einem Semem im allgemeinen Wörterbuch sind - wie oben bereits betont - nur solche Antonyme, die konventionell gewordenen Paarungen zugehören und die in der Mehrheit der Kontexte, in denen das Stichwort usuell verwendet wird, dazu dienen können, deren Aussage in ihr Gegenteil zu verkehren. Für diese vom Lexikographen aufgrund seiner Sprachkompetenz vorzunehmende Auswahl gibt das Antonymwörterbuch mehrere Hilfen. Zunächst einmal werden durch die knappe, aber ausreichende "Einführung in Probleme der Definition und der Auswahl von Gegenwörtern" (14-25) die notwendigen theoretischen
Verständnisvoraus-
setzungen geschaffen, was zu einer besser begründeten praktischen Auswahl für die Zwecke des betreffenden Wörterbuches beiträgt. Aber auch die Anlage des Wörterverzeichnisses selbst bietet nützliche Unterstützung: durch die graphisch kenntlich gemachte semembezogene Zuordnung der Antonyme, durch die Aufnahme nahezu aller angeführten Antonyme auch als Stichwort, durch die Vorauswahl der "sinnfälligsten, bezeichnendsten, allgemeinstgültigen
Gegenwörter"
(9), durch die Anordnung der Sememe vom Konkreteren zum Abstrakten hin und schließlich mit der Charakterisierung der Partner unter-
138
schiedlicher Sememe eines Stichworts zur
Bedeutungsunterscheidung
bei unklaren Fällen durch "Hinweise auf korrekte Wortbedeutungen in der Textumgebung, meist in Form eines Wortes" (10). Das alles kommt den Bedürfnissen des Lexikographen entgegen. Auch hier möge der Artikel alt als Beispiel dienen: alt : jung (Lebewesen) + jugendlich, frisch, jung (Mensch) + unerfahren, grün (Mensch) + angehend (Künstler) + neu, jetzig, derzeitig (Schüler; Generation) + neu, ungebraucht (Gegenstand) + frisch, neubacken (Brot) + jung (Wein) + neu, frisch (Wunde; Schnee). Als weitere - freilich unzulängliche - Quellen können diejenigen Bedeutungswörterbücher dienen, die die Erscheinung der Antonymie in ihr Datenängebot aufgenommen haben (vgl. 3.2); und auch manche Synonymwörterbücher erfassen Antonyme in einem gewissen Umfang mit, so ζ. B. Peltzer ab der 6. Auflage: "Der Wert des Buches wurde ... vor allem dadurch gesteigert, daß zu vielen Stichwörtern die Gegenbegriffe (gekennzeichnet durch
^
) aufgenommen wurden,
so daß es nun dem Benutzer leicht gemacht ist, auch mit der Ne·gation dieser Gegenbegriffe zu arbeiten, was im allgemeinen zu einer Milderung der positiven Begriffe führt (zum Beispiel schön - nicht häßlich)" (7). Das spezifische, von der Synonymie ausgehende Interesse an der Einbeziehung bestimmter Antonyme führt natürlich nur zu einer rudimentären Integration von Antonymen, die zudem am Ende des Artikels kumuliert und nicht semembezogen angeordnet werden. Vergleichswort alt: alt ^
[...] jung, neu, ungewohnt
Auch von einer verläßlichen reziproken Darstellung kann keine Rede sein (nur bei jung und neu findet sich der Hinweis auf das Antonym alt, nicht aber bei ungewohnt), so daß insgesamt dieses Hilfsmittel nur bedingt von Nutzen ist.
139 4.
Hyperonymie - Hyponymie
Als dritte wesentliche paradigmatische semantische Relation im Wortschatz besteht neben der Relation der Identität
(Synonymie)
und der Relation der Polarität (Antonymie) diejenige der
Subordi-
nation (Hyponymie - Hyperonymie).
Relation,
Es handelt sich um die
die zwischen einem spezifischeren, untergeordneten Semem und einem allgemeineren, übergeordneten Semem besteht. Kenntnisse
über
solcherart hierarchische Verbindungen zwischen Sememen können auf spezifische Weise ebenfalls einen Beitrag zum
Bedeutungsverständ-
nis einer lexikalischen Einheit bzw. ihrer Sememe leisten und sind demzufolge auf ihre Eignung als Wörterbuchinformation
im Rahmen
des semantischen Kommentars hin zu befragen.
4.1
Skizze der Problemlage und des
4.1.1
Nach Ansicht von Probleme (1977: 327) scheint die
ste paradigmatische Relation
Forschungsstandes "wichtig-
... die abstraktive Hierarchie zu
sein. Sie weist die Beziehung zwischen Sememen aus, die im Verhältnis Gattung - Art zueinander stehen." Terminologisch
schließen
wir uns dieser Publikation an: "Wir nennen eine Semstruktur, in einer Gattung-Art-Hierarchie Semstruktur vorliegt,
(Subordination) als
Hyperonym
ist. In der Gattung-Art-Hierarchie xierte Semstrukturen nennen wir
die
übergeordnete
, wenn sie als Semem
fixiert
als untergeordnete Sememe fi12 Hyponyme" (327). Diese
Relation ist ein Spiegelbild dessen, "wie sich die nerungen und Zusammenfassungen, zu denen die
Verallgemei-
Erkenntnistätigkeit
des Menschen in der Auseinandersetzung mit der objektiven
Reali-
tät gelangt, in der Sprache niederschlagen" und "bedeutet, daß ein·Sachverhalt sprachlich mit unterschiedlich großem grad erfaßt werden kann
Abstraktions-
... Im allgemeinen entstehen auf diese
Weise mehr oder weniger scharf abgegrenzte Klassen, die von den entsprechend spezifizierten Hyponymen repräsentiert Künstler
(s) Musiker (s, a)
werden:
Pianist (s, a, o) Dirigent (s, a, p) Sänger
(s, a, qV'
(Probleme 1973: 327)
140
Lyons (1977; 1980: 303) weist auf die Wichtigkeit der Erkennung solcher Relationen beim Spracherwerb hin und meint, daß ein "Großteil unseres Wissens über die Bedeutung von Wörtern unserer Muttersprache ... in der Tat von dieser Art sein [kann]. Wir könnten ζ. B. wissen, daß 'Banyan' ein Hyponym von 'Baum' ist oder
'Fisch-
adler' von 'Vogel' und dennoch nicht in der Lage sein, zu sagen, wie sich Banyans von anderen Bäumen unterscheiden oder Fischadler von anderen Vögeln". Was liegt näher, als sich diese Hierarchierelation in der Lexikographie bei der Erklärung von Bedeutungen zunutze zu machen? Von jeher ist das dadurch geschehen, daß man bei den dafür zugänglichen Wortarten in den sog. lexikographischen Definitionen das klassische Definitionsverfahren zugrunde gelegt hat. "Beim klassischen Definitionsverfahren wird das zu definierende Wort als Artgegenstand aufgefaßt. Zu dessen Charakterisierung ist es erforderlich , 1. die nächsthöhere Gattung (genus proximum) zum Definiendum zu suchen 2. das invariante Merkmal bzw. die invarianten Merkmale
(differen-
tia specifica) anzugeben, durch die sich die betreffende Art von anderen Arten der gleichen Gattung unterscheidet." (Probleme 1977: 292). 1 3 Dank dieser Verfahrensweise wird vom Netz semantischer bisher "die sogenannte Hyperonym- bzw. Hyponym-Relation
Relationen (Über-
Unter-Ordnung) am vollständigsten wiedergegeben" (Viehweger 1986/87: 215), ohne daß sie im onomasiologischen Teil des semantischen Kommentars explizit ausgewiesen würde. Vielmehr hat sie sich der Benutzer aus der Definition zu erschließen. Kaum je wird in den Wörterbucheinleitungen auf diesen Aufbau des Definiens hingewiesen; eine erfreuliche Ausnahme bildet das HDG, das dem Benutzer erklärt: "Die umschreibende Wörterbuchdefinition ist, der logischen Definition ähnlich, nach dem Prinzip von genus proximum
(Oberbegriff)
und differentia specifica (unterscheidendes Merkmal) angelegt. Dadurch wird das definierte Lexem dem übergeordneten Begriff untergeordnet und in die Nachbarschaft der Lexeme gerückt, die unter denselben Oberbegriff fallen." (XII). Letztere wären sog. hyponyme
Ko-
des Stichwortes zum selben Hyperonym. Weder sie
141
noch die dem Stichwort untergeordneten Hyponyme sind bislang im onomasiologischen Teil des semantischen Kommentars allgemeiner Wörterbücher als Elemente einer Relation sui generis systematisch verzeichnet worden. Immerhin hält Wiegand (1977) unter den von ihm zusammengestellten Typen von Benutzungssituationen für einsprachige Wörterbücher bei wortsemantisch bedingten Textproduktionsschwierigkeiten auch die folgenden beiden Untertypen für möglich: "Lexikalisch-semantische
Generalisierung
Der Schreiber will eine geplante oder bereits hingeschriebene sprachliche Formulierung verallgemeinern. Dann kann er ζ. B. in einem Wörterbuch nach einem lexikalischen Superonym £= Hyperonym, D. H.J suchen." (69)
und
"Lexikalisch-semantische
Spezifizierung
Der Schreiber will eine geplante oder bereits hingeschriebene sprachliche Formulierung spezieller gestalten. Dann kann er ζ. B. in einem Wörterbuch nach einem lexikalischen Hyponym suchen." (70) Es wird im folgenden abzuwägen sein, ob bzw. in welchem Maße die explizite Darstellung von Informationen dieser Art möglich und nötig ist. 4.1.2
Es ist des öfteren kritisch dargelegt worden, daß und warum
die nach hierarchischem Prinzip aufgebauten
Wortschatzdarstellun-
gen in sog. Sachgruppen- oder Begriffswörterbüchern keine zuverlässigen Einsichten in die semantische Struktur des Lexikons vermitteln können. Die u.a. bei Agricola (19B6 und 19B7) und Viehweger (1986/87) gegebenen Beispiele aus den beiden für die deutsche Sprache bekanntesten dieser Wörterbücher - Dornseiff und Wehrle-Eggers belegen, daß Wörterbücher, die von der Sache bzw. vom Begriff ausgehen, "nicht sprachlichen Strukturierungsprinzipien
£folgen^,
sondern außersprachlichen Klassifikationen, denen Zufälligkeit ebenso eigen zu sein scheint wie Willkürlichkeit und vielfach sogar Absurdität" (Viehweger 1986/87: 211). Daher bekommt man auf die Frage nach der Hyperonym-Hyponym-Relation der verzeichneten Wortschatzelemente keine für die onomasiologische
Bereicherung
alphabetischer allgemeiner Wörterbücher übernehmbaren
Informatio-
142
nen; eher gleichen diese Wortschatzsammlungen Steinbrüchen, in denen man sich bei Bedarf bedienen und hier oder da durchaus mit Gewinn einen Brocken herausbrechen kann, ohne jedoch verwertbare Erkenntnisse über die semantische Struktur des Ganzen zu gewinnen. Es gilt nach wie vor und auch für das Deutsche, daß bisher "wenig über die lexikalische Struktur der meisten Sprachen der Welt bekannt [[ist^]", so daß es bislang unmöglich war, "selbst für gut untersuchte und leicht zugängliche europäische Sprachen, die Hypothese, daß der Wortschatz als Ganzes aufgrund von Hyponymie und Quasi-Hyponymie hierarchisch geordnet sei, zu bewerten" (Lyons 1977; 1980: 310). Demzufolge existieren keine umfassenden semantischen Gliederungen, auf die die allgemeine
Lexikographie
- sei es, um das genus proximum für die Definitionen
angemessen
zu wählen, sei es, um den semantischen Kommentar zu vervollständigen - zurückgreifen könnte. Die praktische Lexikographie hat deshalb - von verschwindenden Ausnahmen abgesehen (vgl. 4.2) auf explizite Hinweise auf die Wortschatzrelation der Über- und Unterordnung verzichtet, ja verzichten müssen. Daran können auch die wenigen neueren Vorstöße und Vorschläge der metalexikographischen Forschung nichts Grundsätzliches verändern, weil sie naturgemäß nur punktuell und am Einzelfall bestimmte
Darstellungsmög-
lichkeiten durchspielen und diskutieren, ohne in bezug auf den Zeitaufwand und die Darstellungsökonomie auf ein konkretes laufendes Wörterbuchprojekt als Ganzes Rücksicht nehmen zu müssen. Wir haben dabei vor allem Überlegungen von Wiegand und Agricola im Auge. Wiegand entwickelt relativ wörterbuchnah und ausgehend von Wörterbucheinträgen bei Wahrig im Zusammenhang mit der Behandlung typischer Wörterbuchbenutzungssituationen am Beispiel eines Strukturausschnittes im Bereich der Lexeme Lohn, Gehalt, Einkommen, Honorar, Bezüge, Heuer u. a. (1977a: 82ff.) und einiger Hierarchiestufen im Bereich des Hyperonyms Waffe (1977: 70ff.) seine Vorstellungen davon, "wie die dort auftretenden ein- und mehrstufigen Relationen in der lexikalisch-semantischen Struktur zwischen einem Stichwort und seinen Partnern im jeweiligen Lexemfeld mit Hilfe von rund zwanzig Kommentarsymbolen wiedergegeben werden können" (Agricola u. a. 1983: 77). Wiegand meint, damit sei "im Prinzip ein Weg gezeigt, wie ein integriertes
Gebrauchswörterbuch
143
gemacht werden kann, ein Wörterbuch, das onomasiologische
und
semasiologische Strukturen integriert und damit in Situationen der Textproduktion und der Textlektüre gleichermaßen tionen erfüllen kann" (1977a: 99). Ob es sich beim
Hilfsfunk-
vorgeschlagenen
Verfahren um einen realistischen, praktisch gangbaren Weg handelt, der zum tragenden Prinzip für ein komplettes Wörterbuch
gemacht
werden kann, ist noch nicht erwiesen; die Schwierigkeiten
sollte
man nicht unterschätzen. Zum einen setzt ein solcher Ansatz voraus, "daß wenigstens der Kernwortschatz vor der Bearbeitung
aufgeschlüs-
selt vorliegt" (Drosdowski 1977: 130), was nicht der Fall ist. Zum anderen gibt es "nicht allzu viele Bereiche des Wortschatzes, die gut und leicht überschaubar strukturiert sind", und selbst ein auf den ersten Blick klar abgegrenztes und gut strukturiertes Feld wie das von Waffe stellt den Lexikographen vor zahlreiche
Probleme
(vgl. Drosdowski 1977: 129f.). Zum dritten erscheint es zumindest riskant, den Gewinn an Systemeinsicht zu erkaufen mit der Durchbrechung der Definition durch unterschiedliche
Kommentarsymbole,
deren Bedeutung der Laienbenutzer trotz ihrer ausführlichen terung in der Wörterbucheinleitung
bei nur gelegentlicher
Erläu-
Benutzung
des Wörterbuches natürlich vergißt, so daß am Ende die Konfusion größer sein könnte als der Erkenntnisgewinn, ζ. B. Vergütung
. /]
t
>
Geldbetrag
[Honorar, Gage, VERDIENST)
.
..
Q3eldsumme3 , der bezahlt wird; (sn! BEZAHLUNG, ZAHLUNG,
BEZUGE,
(Wiegand 1977a: 92).
Wie aufwendig die von Drosdowski angemahnte und zuvor zu leistende Gliederung auch nur eines Systemausschnitts des Wortschatzes
ist,
vermittelt Agricola (1987). Das Projekt ist angelegt "als generelle lexikologische Vorstufe für künftige praktische
Wörterbücher
verschiedenen Typs" (Agricola u.a. 1983: 78), ohne jedoch - im Unterschied zu Wiegands Vorschlägen - selbst bis zur Stufe der wörterbuchgerechten Umsetzung vorzustoßen. Es versteht sich - sehr vermittelt zur Praxis - "als Ausgangsposition für die praktische Umsetzung in die Vorstufe eines größeren Die Darbietung des Analysebeispiels
Wörterbuch-Finalprodukts".
(Wortfeld NAHRUNG
ZUFÜHREN)
(Studien II 1987: 436ff.) läßt erkennen, daß die Verfügbarkeit so aufbereiteter Ergebnisse für die lexikographische Arbeit drin-
144
gend notwendig wäre, aber eben für den gesamten Wortschatz
und
nicht nur für ein Wortfeld. Andererseits wird klar, daß die nötige Forschungsarbeit
(das Projekt lief über mehrere Jahre)
neben der Arbeit an lexikographischen
keinesfalls
Projekten von den
Lexikogra-
phen miterledigt werden kann, und das selbst dann nicht, wenn man den Umfang des Analyseprogramms für das Einzelfeld
reduzieren
würde. Beim derzeitigen Stand der Dinge ist die Wahl des
zutreffenden
Genus proximum als Hyperonym in der Definition eines
Lemmas/Semems
häufig von Unsicherheit und Inkonsequenz begleitet. Wunsch
(1985)
zeigt anhand der Beispiele Hund und Gegenstand im HDG, wieviel systematisierender
Abstimmung im nachhinein zu investieren
wenn im Prozeß der Artikelproduktion nicht auf ein
ist,
ausgearbeitetes
System der paradigmatischen Beziehungen im Wortschatz
zurückgegrif-
fen werden kann. Er plädiert zu Recht dafür, dies zu einem thema lexikographischer Wortschatzuntersuchung
an
Haupt-
zu machen und schlägt
folgendes methodisches Vorgehen vor: "Da der Lexikograph sich nicht auf einen ausgewählten Wortschatzbereich oder gar nur ein Paradigma beschränken kann, die Vielzahl der nahezu über die ganze Lexik bestehenden semantischen Relationen zwischen den einzelnen
Sememen
eine wirklich gründliche und überzeugende Bearbeitung dieser gabe auch nur unter dem Aspekt des Gesamtwortschatzes scheint die Methode, vom ausgearbeitet vorliegenden mit seinen vierzig- bis zweihunderttausend
hin
Auf-
zuläßt, er-
Wörterbuch
Bedeutungserklärungen
auszugehen, auch mit Blick darauf, es immer wieder zu überarbeiten und zu verbessern, die beste Gewähr für eine erfolgreiche gung dieser Aufgabe zu bieten." (B9) Das scheint uns
Bewälti-
überlegens-
wert und realistisch zu sein. Denn es steht außer Frage: Es wird so lange kein explizites System der paradigmatischen
Beziehungen
im Wortschatz geben, so lange das nächste Wörterbuch in Angriff genommen wird anstatt die Schaffung eines solchen expliziten
Systems
zur eigenständigen Forschungsaufgabe zu erheben, auf deren
Ergeb-
nis sich dann die folgenden Wörterbuchgenerationen gründen
können.
Dabei empfiehlt es sich, zunächst von einem relativ kleinen Wörterbuch mit beschränkter Lemmazahl auszugehen, um das Gerüst zu schaffen, sich der Rechnerunterstützung
zu versichern und erst
nach und nach die Erweiterung auf den gesamten 14 vorzunehmen.
Allgemeinwortschatz
145
4.2
Zur Funktion und zur Darstellung von Angaben zur Hyponymie-Relation im allgemeinen einsprachigen
HyperonymieWörterbuch
Die mitunter zu hörende Forderung, explizite Angaben auch zur semantischen Relation der Über- und Unterordnung von Sememen in allgemeine Gebrauchswörterbücher
aufzunehmen, halten wir in so glo-
baler Form für überzogen. Ihre Realisierung scheitert nicht nur am unzureichenden Aufbereitungsstand dieser
Wortschatzrelationen
(vgl. 4.1), sondern sie ist aus prinzipiellen Erwägungen
heraus,
die diesen Wörterbuchtyp betreffen, nicht uneingeschränkt zu befürworten. Anders und stärker als bei den Informationen zur Synonymie- und Antonymierelation
ist hier die Gefahr gegeben, daß der
Rahmen des Vertretbaren gesprengt wird: "Ein allgemeines
Wörter-
buch ist keineswegs nur als eine objektive Beschreibung des Wortschatzes anzusehen, sein Wert ist nicht allein daran zu messen, ob seine Wortschatzanalysen und Informationen auch den
Anforderun-
gen von Linguisten genügen. Es hat vor allem praktischen zu dienen und in erster Linie den Anforderungen nicht geschulter Benutzer gerecht zu werden
linguistisch
... Dieses Wörterbuch
te man nicht mit Informationen für den Linguisten und damit entstellen" (Drosdowski
Zwecken
1985: 66). Mit
soll-
überfrachten Drosdowski,
Wiegand (1984), Wunsch (1985) u.a. sind wir der Meinung, daß die Angabe von lexikalisch-semantischen
Relationen allgemein und die-
ser Relation im besonderen nicht Selbstzweck
in diesem
Wörterbuch
sein kann, sondern daß sie der übergeordneten Aufgabe der tungsbeschreibung
Bedeu-
unterzuordnen ist und von Relation zu Relation
im einzelnen auf ihren spezifischen Beitrag dazu abgeklopft
wer-
den muß. Danach allein bemessen sich theoretisch die Art und der Umfang ihrer Berücksichtigung
im allgemeinen Wörterbuch,
wobei
allerdings praktisch weitere Einschränkungen u.U. aufgrund des unzureichenden Forschungsstandes notwendig sind. In bezug auf das Problem der Hierarchiebeziehung
ist eine differenzierende
Betrach-
tung am Platze, die zwischen dem Wert der Hyperonymkenntnis dem der Informationen über Hyponyme zum Lemma
und
unterscheidet.
Ganz außer Frage steht der Erkenntniswert, den die Angabe des entsprechenden Oberbegriffs (Hyperonyms) für die
Bedeutungser-
schließung des Lemmas hat; schließlich macht sich das klassische Definitionsverfahren
(vgl. 4.1), das der AufSchließung und Ver-
146
mittlung von Begriffsinhalten dient, eben die Tatsache daß ein neuer Begriff bliert werden
zunutze,
"durch zwei Informationen vollständig
eta-
[kanrQ : durch seine Zuordnung zu einem bereits ge-
bildeten Oberbegriff und durch die Angabe weiterer render Merkmale"
differenzie-
(Hoffmann 1986: 37). Daß dieses für
Lernvorgänge sehr wesentliche Charakteristikum der menschlichen Wissens für die Beschreibung von
kognitive
Organisation
Sememinhalten
- mutatis mutandis - ebenfalls eine hervorragende Rolle wird durch die tradierte Praxis "lexikographischer
spielt,
Definitionen"
aus genus proximum und differentia specifica belegt. Die Angabe des Hyperonyms ist mithin wesensmäßiger
Bestandteil
Definition, der umschreibenden Bedeutungsexplikation, ihrem Status nach grundsätzlich von den Angaben zur
der
was sie
Synonymie
oder zur Antonymie unterscheidet. Eine gesonderte Nennung Hyperonyms im onomasiologischen Teil des semantischen
des
Kommentars
ist nicht sinnvoll, weil sie keinerlei neue Information
bringen,
sondern lediglich eine ohnehin bereits vorhandene Information
ver-
doppeln würde. ^ Neben der Funktion, die das Hyperonym innerhalb der für die Bedeutungserschließung
Definition
des Lemmas hat, kann seine
nis auch für Belange der Textproduktion hilfreich sein.
Kennt-
Wiegand
beschreibt als eine denkbare, "die Wortsemantik betreffende rigkeit bei der Produktion schriftlicher
Texte" die
Schwie-
"Wortfindungs-
schwierigkeit" in bezug auf die "lexikalisch-semantische
Generali-
sierung":
hinge-
"Der Schreiber will eine geplante oder bereits
schriebene sprachliche Formulierung
verallgemeinern.
er ζ. B. in einem Wörterbuch nach einem lexikalischen
Dann kann Superonym
[= Hyperonym, D.H..]] suchen." (1977a: 78/79). Das Hyperonym
kann
er in der Regel tatsächlich verwenden, um den untergeordneten druck, unter dem er nachgeschlagen hat, im Text
Aus-
verallgemeinernd
zu ersetzen, "während umgekehrt ein Hyponym für das Hyperonym nur dann einsetzbar ist, wenn das entsprechende differenzierende
Merk-
mal im Kontext ausgedrückt oder durch spezifische Kenntnisse
vor-
ausgesetzt werden kann." (Probleme 1977: 328). Die
Subordinations-
beziehung zwischen zwei Sememen beruht also auf einer Implikation. Es gilt zwar: jede Nelke ist eine
Blume,
es gilt aber nicht: jede Blume ist eine
Nelke.
einseitigen
147
Auf Grund dessen macht es wenig Sinn, auf der Nennung der
Hyponyme
(in der Regel sind es mehrere) zu einem Lemmazeichen zu bestehen, denn der praktische Wert ihrer Kumulation im
onomasiologischen
Teil des semantischen Kommentars ist fragwürdig
(vgl.
Herberg
1983: 82). Die von Wiegand im oben angeführten Zusammenhang stellte Wortfindungsschwierigkeit Ausdruck
in bezug auf einen
("lexikalisch-semantische
unter-
spezielleren
Spezifizierung") scheint
uns
hypothetisch zu sein: "Der Schreiber will eine geplante oder bereits hingeschriebene sprachliche Formulierung spezieller ten. Dann kann er ζ. B. in einem Wörterbuch nach einem
gestal-
lexikali-
schen Hyponym suchen" (Wiegand 1977a: 79). Selbst wenn der
Suchen-
de unter dem Stichwort Blume eine Reihe von Ausdrücken für
Blumen-
arten vorfinden würde, könnte ihm damit nicht geholfen da er zum einen den allgemeineren Ausdruck nicht ohne
werden, weiteres
gegen den spezielleren austauschen kann und da er zum anderen ohnehin
vorher
wissen muG,
welche
speziellere
Benen-
nung er benötigt; denn es ist schwer vorstellbar, daß es beim Verfassen eines Textes gleichgültig
sein sollte, ob der
allgemeinere
Ausdruck Blume durch Schneeglöckchen, Nelke oder Hyazinthe
ersetzt
wird. Damit ist es aber unwahrscheinlich, daß sich ein Schreiber mit der von Wiegand unterstellten Frage nach einem Hyponym
(das
ja ein bestimmtes sein müGte und keine Kollektion!) an den Wörterbucheintrag
für dessen Hyperonym
wendet.
Anders zu beantworten ist die Frage nach dem Sinn der Angabe von Ausdrücken, die ein und dasselbe Hyperonym wie das Lemma haben und also - unter diesem Gesichtspunkt
- dessen
sind (vgl. Probleme 1977: 330ff.). Man hat hier
Kohyponyme
verschiedenartige
Relationen zwischen den Kohyponymen zu beachten; vor allem zwischen semantisch identischen und semantisch nicht
Kohyponymen zu unterscheiden. Die Angabe von semantisch
minimal
oder gar nicht unterschiedenen, also semantisch weitgehend schen Kohyponymen ist für den Benutzer von groGem
Kohyponyme hat man von
Similarität
identi-
praktischen
Wert, wenn es ihm um lexikalisch-semantische Nuancierung Äußerungen geht. In bezug auf semantisch minimal
ist
identischen
seiner
unterschiedliche
gesprochen (vgl. Pro-
bleme 1977: 333). Unter dem Aspekt ihrer lexikographischen sung sollte man sie wegen der damit verbundenen
Erfas-
Schwierigkeiten
nicht als gesonderten Informationstyp behandeln, sondern als
148
Synonyme
buchen, weil sie vor allem in dieser Funktion für
den Benutzer von Belang sind (ζ. B. Knabe, Bub beim Lemma
Junge
in Hinblick auf das gemeinsame Hyperonym Kind). Wie sollte mit Kohyponymen verfahren werden, die semantisch nicht identisch mit dem Lemmazeichen sind, jedoch demselben Hyperonym
untergeordnet
sind (ζ. B. Mädchen, Baby beim Lemma Junge im Hinblick auf das gemeinsame Hyperonym Kind)? Diese dem Lemmazeichen
nebengeordneten
Ausdrücke geben dem Benutzer zwar keine unmittelbare Hilfe bei der Textproduktion,
ihre Kenntnis leistet aber insofern einen Bei-
trag zur Vervollständigung der semantischen Beschreibung, als sie das Bedeutungsfeld des Lemmas um Feldpartner ergänzt, die
dersel-
ben Hierarchiestufe und Wortart angehören, ohne im Verhältnis der Synonymie, der Antonymie, der Hyperonymie oder der Hyponymie
zum
Lemma zu stehen. Auf sie kann im onomasiologischen Teil des semantischen Kommentars durch ein semantisches Kommentarsymbol
wechsel-
seitig hingewiesen werden, sofern sie selbst als Lemma im betreffenden Wörterbuch enthalten sind, so daß auf diese Weise ein weiterer Schritt in Richtung auf die Transparenz
makrostruktureller
Relationen getan würde. Das so begrenzte Datenangebot daß der onomasiologische Kommentarteil
verhindert,
ausufert und zwei
Drittel
des Gesamtartikels einnimmt wie ζ. B. beim Lemma Kind im DudenBedeutungswörterbuch. Damit sind wir bereits bei den bisher in der
lexikographischen
Praxis erprobten Mitteln, die besprochene Relation im W ö r t e r b u c h artikel zu berücksichtigen.
Es ist dies explizit auf
zweierlei
Weise versucht worden: mit Hilfe eines Verweissystems bzw. BW) und mit Hilfe eines Ergänzungswortschatzes
(dtv-Wahrig
(Duden-Bedeu-
tungswörterbuch).. Was bereits unter dem Aspekt der Synonymierelation kritisch zum Verfahren des kumulativen Anschlusses von
(vgl.
2.2)
Wörtern,
"die begrifflich oder assoziativ mit dem Stichwort in Verbindung gebracht werden können" (12), im D u d e n - B e d e u t u n g s w ö r t e r b u c h
ange-
merkt wurde, wäre hier mutatis mutandis zu wiederholen: Die unter den Hinweisen sinnv. bzw. Zus. angebotenen Lexemkollektionen
ent-
halten ungeordnet sowohl similare Kohyponyme zum Lemma als auch fallweise Hyperonyme und Hyponyme, ohne daß dem Benutzer aber
ihr
Stellenwert in der semantischen Hierarchie vermittelt würde. Auch Wortartgrenzen werden überschritten, sofern nur die Lexeme
assozia-
149
tiv aufeinander zu beziehen sind. Schon das wenig umfangreiche Beispiel bierernst aus der Einleitung kann das Problem verdeutlichen : "bierernst ... sinnv.: ernst, humorlos . Trauerkloß" (12) Abgesehen vom wortartfremden Trauerkloß gehören die beiden angeführten Adjektive unterschiedlichen Hierarchiestufen an: ernst ist Hyperonym zu bierernst'''^, während humorlos Kohyponym zu bierernst in bezug auf das gemeinsame Hyperonym ernst ist. Dem Anliegen besser gerecht zu werden vermag aus unserer Sicht eine Verfahrensweise, die dtv-Wahrig "in der germanistischen Lexikographie ... zum ersten Mal erprobt" hat (Wiegand/KuCera 1981: 187) Und die von BW übernommen worden ist. Es handelt sich um den "Siehe auch!" zu lesenden Verweis " — > a . " , der in den Einleitungen beider Wörterbücher übereinstimmend so eingeführt wird: "Dieses Zeichen verweist neben "Sy" und "Ggs" auf ein Wort, das einen Begriffsbereich vervollständigt; ζ. B.: labil ...; Ggs stabil; — > · a. indifferent" (dtv-Wahrig: 12). Im vorliegenden Beispiel wird mit einem semantischen Kommentarsymbol auf den sprachlichen Ausdruck verwiesen, der zum Lemmazeichen weder Synonym noch Antonym noch Hyperonym oder Hyponym ist, sondern der auf einer angenommenen Achse quasi als Nullpunkt zwischen labil und seinem Gegenwort stabil und also auf derselben Hierarchiestufe steht und als Feldpartner zum vollen Verständnis des Bedeutungsfeldes dazugedacht werden muß. Wiegand/Kußera (1981: 187ff.) haben die Ausnutzung dieses Verweisverfahrens im BW analysiert und kommen zu der Ansicht, daß es sich dabei um eine nützliche Praxis handelt, deren Nutzen im BW allerdings durch zu geringe Konsequenz und Systematik bei der Anwendung eingeschränkt wird. Besonders irritierend ist, daß dieses Kommentarsymbol mit einer Reihe unterschiedlicher Funktionen bedacht wird, von denen nur einige der "Vervollständigung des Begriffsbereichs" dienen. Abgesehen davon, daß in zahlreichen Fällen statt " — ^ a . " die präziseren Symbole "Sy" oder "Ggs"am Platze gewesen wären und daß oft in analogen Fällen unterschiedlich verfahren wurde, weist das Symbol sowohl auf Hyponyme zum Lemma ζ. B. "Ableitungssilbe £. .
— > • a.
Präfix, Suffix, Infix"
150
als auch auf Kohyponyme zum Lemma relativ zu einem
gemeinsamen
Hyperonym ζ. B. "Erbwort
.
— > 3 .
Lehnwort,
Fremdwort".
Das ist für den Benutzer unvorteilhaft, weil er nicht mit einer eindeutigen Sofortinformation zum Stellenwert der
betreffenden
Wörter im semantischen Netz bedient wird, sondern zum weiteren Nachschlagen gezwungen ist, wenn er sich für diese
Information
interessiert. Hier scheint uns die Grenze überschritten zu sein, jenseits derer die Systemdarstellung
zum Selbstzweck
wird.
Im folgenden Abschnitt wollen wir den Versuch eines
realisti-
schen Vorschlags machen, der sowohl den Nachteil von Wiegands Modell, zu
viele
Kommentarsymbole zu benutzen, als auch den
der Wahrig-Wörterbücher, einem
4.3
zu heterogene Informationen
Kommentarsymbol zu bieten, zu vermeiden
unter
trachtet.
Möglichkeiten und Grenzen der lexikographischen bung der Hyperonymie-Hyponymie-Relation einsprachigen
Beschrei-
im allgemeinen
Wörterbuch
Gerade für diese semantisch-lexikalische
Systembeziehung gilt es
zu beherzigen, daß der Lexikograph nicht alles, was er über Systemrelationen weiß, auch im Bedeutungswörterbuch
unterbringen
wollen soll. Die primäre Aufgabe dieses Wörterbuchtyps in der Bedeutungsbeschreibung
besteht
lexikalischer Einheiten, und dieses
primäre Ziel hat die Auswahl der aufzunehmenden Typen von
Infor-
mationen sowie den Grad ihrer Explizitheit zu steuern: Es muß sich um Angaben handeln, die einerseits zumindest mittelbar einen spezifischen Beitrag zur genaueren Bedeutungserfassung
bei der Text-
erschließung leisten und die andererseits Antworten auf liche Suchfragen bei der Textproduktion darstellen.
wahrschein-
Exhaustivität
verbietet sich nicht nur wegen der oft schwierigen Erhebung Fakten, sondern auch aus darstellungsökonomischen
der
Gründen in Hin-
blick auf die Handhabbarkeit durch Nichtfachleute. Die
ausgewählten
Informationstypen sollten nur durch die im betreffenden enthaltenen Lemmata ausgefüllt werden, das allerdings
Wörterbuch
konsequent
und ausnahmslos. Die entsprechenden Angaben und Zuordnungen ten stets eindeutig semembezogen sein, wozu monosemierende
sollZiffern
151 hinter dem betreffenden Formativ ein geeignetes ökonomische Mittel sind. Zugleich ist darauf zu achten, daß die primäre Aufgabe, mit Hilfe einer lexikographischen Definition die Bedeutung eines Semems zu explizieren, nicht dadurch beeinträchtigt wird, daß dieser Textbaustein durch Kommentarsymbole unnötigerweise
durchbrochen
und dadurch schwer lesbar wird (vgl. Wiegands Vorschlag). Für die Hyperonymie-Hyponymie-Relation scheint uns - unter Einbeziehung der Erfahrungen mit bereits praktizierten Versuchen (vgl. 4.2) - folgendes Darstellungsverfahren für ein allgemeines einsprachiges Wörterbuch durchführbar zu sein: Bei den Wortarten, bei denen hierarchische semantische Strukturen vorliegen - besonders bei Substantiven, aber auch bei Verben und Adjektiven -, sollte konsequent von der Möglichkeit der Definition mit genus proximum und differentia specifica Gebrauch gemacht werden. Dadurch ist das
Hyperonym
automatisch Bestandteil
des semasiologischen Teils des semantischen Kommentars, so daß sich eine Wiederholung im onomasiologischen Teil erübrigt. Allerdings genügt es u. E. nicht, das Hyperonym in der Definition zu verstecken, sondern wir plädieren dafür, es von der Schriftart der Definition abzusetzen und diesbezüglich den anderen onomasiologischen Informationen anzupassen. Die Definitionen zu den Lemmata Gehalt und Honorar im HDG müßten also in folgender Weise umgestaltet werden: Gehalt, das
./] monatlich ausgezahlte Vergütung der Angestellten
[...] Honorar, das £. . Tätigkeit
Vergütung bes. für freiberuflich ausgeübte . .J
Damit ist das Lexem Vergütung als unmittelbar oder mittelbar übergeordneter Ausdruck, also als
Hyperonym
ausreichend ge-
kennzeichnet . Die Information, daß es sich bei Gehalt bzw. Honorar um Art
der
Vergütung
eine
handelt, ist damit auch optisch sinn-
fällig gemacht. Wieviel Systematisierungsarbeit der Lexikograph in diese leicht gestellte und scheinbar ohne größere Mühe zu lösende Aufgabe investieren muß, weist Wunsch (1985) anhand von Beispielen aus dem HDG nach.
152
Wir hatten bereits oben gesagt, daß Benutzerfragen der Art: "Welche Arten von Vergütungen bzw. von Gehältern, Honoraren gibt es?" im Zusammenhang mit der Textproduktion und gestellt an die betreffenden Lemmata schwerlich vorstellbar sind. Eine tisch-helfende
prak-
Funktion ist einer Auflistung von Hypony-
men zum Lemma also kaum zuzuschreiben. Daher halten wir sie im Gebrauchswörterbuch für entbehrlich, zumal sie eine
Aufblähung
zahlreicher Artikel mit sich bringen würde. Daß ein Überblick über die im betreffenden Wörterbuch enthaltenen Hyponyme zu einem Stichwort
linguistisch
von Interesse ist, steht außer
Frage. Daher ist es Wörterbüchern, deren
Herstellungsbedingungen
und deren Umfang das gestatten, natürlich unbenommen, im onomasiologischen Teil des semantischen Kommentars Platz für die Aufzählung der zum Lemma gehörenden Hyponyme vorzusehen und diese etwa hinter dem Kommentarsymbol Hyp in alphabetischer Reihenfolge Wenn das geschieht, sollten allerdings
aufzuführen.
sämtliche
im jewei-
ligen Wörterbuch in Frage kommenden Ausdrücke erfaßt werden. Für unerläßlich halten wir die Hyponymenbuchung
aus der Sicht der In-
teressenlage des Benutzers, der sprachliche Suchfragen zu einem bestimmten Wort beantwortet haben will, jedoch Kohyponyme
nicht.
zum Lemma sind für den Benutzer dann von Inter-
esse, wenn er sie aufgrund ihrer semantischen Similarität
bzw.
Identität mit der Bedeutung des Lemmas bzw. eines seiner
Sememe
an dessen Stelle bei der Textproduktion verwenden kann, d. h. wenn sie zum Lemma im
synonymischen
Verhältnis
stehen.
Diese Kohyponyme werden hinter dem Kommentarsymbol Syn im onomasiologischen Teil des semantischen Kommentars angeführt (vgl. dazu 2.3), weil sie unter sprachpraktischem Aspekt primär als Synonyme, weniger aufgrund ihres Status als Kohyponyme von Belang
sind.
Auf Kohyponyme, die diese Bedingungen nicht erfüllen, kann entweder verzichtet werden oder sie können hinter einem
besonderen
Kommentarsymbol aufgeführt werden. Das Symbol Kohyp ist aus wenigstens zwei Gründen nicht empfehlenswert: einmal würden
darunter
nicht sämtliche Kohyponyme erfaßt, da die Teilmenge mit scher Identität/Similarität
erfaßt wurde und zum anderen ist ihre Buchung unter dem schen Spezialausdruck
semanti-
relativ zum Lemma bereits unter Syn linguisti-
Kohyponym für den Nichtfachmann wenig
sagekräftig. Dagegen würde ein Verweissymbol
"—^a."
aus-
ä la dtv-
153
Wahrig/BW dem Anliegen solcher Angaben viel besser gerecht, den Benutzer auf Feldpartner gleicher Hierarchiestufe zu sen,
aus deren Artikel(n) er ggf. bei Bedarf
verwei-
Informationen
über die Spannweite des betreffenden Wortfeldes über die synonymische und antonymische Relation hinaus beziehen kann. Auch kann - ähnlich wie bei der Nennung von Antonymen - das einfache Erscheinen eines oder mehrerer dem Benutzer bekannter Lexeme hinter dem Symbol " — > a . "
als Vergewisserung und Korrektiv bei der se-
mantischen Einordnung des Lemmas dienen. Der semantische Kommentar zum Lemma Vergütung würde diesen Prinzipien entsprechend etwa folgende Architektur haben, ohne erschöpfend in der lexikalischen Füllung zu sein und ohne den Versuch der Monosemierung: Vergütung, die
. .J Geldbetrag, der bezahlt wird; Syn Bezahlung -
f a. Verdienst, Zahlung
Hyp Gage, Gehalt, Honorar, LohnJ
Damit scheint uns die Leistungsgrenze des allgemeinen einsprachigen Wörterbuchs erreicht zu sein. Alles, was an makrostruktureller expliziter Information darüber hinausgeht, verlangt einen speziell dafür eingerichteten Typ von Wörterbuch.
4.4
Hilfsmittel und Datenquellen
Solange es kein aus sprachlichen Gegebenheiten hergeleitetes hierarchisches Ordnungsgerüst des deutschen Wortschatzes gibt, ist der Lexikograph darauf angewiesen, sich von Feld zu Feld ein eigenes Strukturbild zu entwerfen, das ihm "als onomasiologische
Orientie-
rungshilfe bei der lexikalischen Paraphrasierung" (Wiegand 1977a: 86) dienen kann. Als Materialfundus und grobe Orientierung können ihm die nach außersprachlichen, fach- oder
allgemeinwissenschaftli-
chen Klassifikationssystemen des Weltwissens erarbeiteten onomasiologischen Sach- oder Begriffswörterbücher von Nutzen sein, ohne daß er sich aber deren Zuordnungen unkritisch anvertrauen dürfte. Da eine natürliche Sprache kein Terminologiesystem ist, können im Einzelfall durchaus unterschiedliche Hierarchisierungen möglich und berechtigt sein; die letztendliche Entscheidung können die Wörterbücher von Dornseiff oder Wehrle-Eggers, die sich untereinander in den Zuordnungsergebnissen ihrerseits beträchtlich unter-
154
scheiden (vgl. Agricola 1986: 285ff.), dem Lexikographen nicht abnehmen. Zur Stützung seiner Sprachkompetenz kann er selbstverständlich auch die vorliegenden Synonymwörterbücher unter diesem speziellen Aspekt auswerten, die zum Teil mit der Markierung von Bedeutungsnähe und Bedeutungsferne bestimmter Einheiten zum Lemma indirekte Hinweise auf Hyperonymie- bzw. Hyponymie- oder KohyponymieVerhältnisse geben können. Schließlich kann auch die kritische Betrachtung der Behandlung lexikalisch-semantischer Strukturen in den Vorläuferwörterbüchern desselben Typs im Einzelfall zu neuen und besseren Resultaten führen. Eine systematische Lösung allerdings ist damit nicht zu gewinnen; sie kann nur das Ergebnis einer gezielt dazu betriebenen wissenschaftlichen Untersuchung - losgelöst von den Zwängen eines im Entstehen begriffenen Wörterbuchprojektes - sein.
5.
Fazit
Dieser Beitrag soll nicht abgeschlossen werden, ohne an einem Beispiel zu demonstrieren, wie sich die behandelten drei Typen makrostruktureller Relationen im semantischen Kommentar eines Lemmas zum onomasiologischen Informationskomplex
verdichten,
anders gesagt: wie die Architektur des onomasiologischen Teils des semantischen Kommentars beschaffen sein könnte. Das Beispiel ist bewußt einfach gewählt und an die Lemmabehandlung im HDG angelehnt, um Lexikographen davon zu überzeugen, daß das aufgestellte Programm zur Einbeziehung expliziter makrostruktureller
Infor-
mationen sowohl vom Arbeits- als auch vom Platzaufwand her realistisch und durchführbar ist, sofern man nicht Perfektionismus und Exhaustivität ansteuert, sondern sich ausschließlich an dem Ausschnitt der Lexik orientiert, der im gegebenen Wörterbuch erfaßt ist:
155 Unserem Minifeld liegt folgendes Strukturschema
zugrunde:
f
Sitz Hyper/Hyp
Hyper/Hyp
& Vordersitz < —
Kohyp
Sitzplatz
Ant — ^
'Rücksitz Hintersitz ^
Kohyp
Syn f Fond
(1.)
Hyper/Hyp
Soziussitz Sozius
Daraus ergeben sich im einzelnen folgende Einträge für die tischen
seman-
Kommentare:
Sitz, der
1.1. Möbelstück od. Vorrichtung zum Sitzen; f Sitzplatz
Vordersitz, der
vorderer Sitz in einem Fahrzeug - Ant
Hintersitz,
Rücksitz Rücksitz, der
hinterer Sitz in einem Fahrzeug; Syn Hintersitz -
/ Fond (1.) - Hyp Sozius (2.), Soziussitz - Ant Hintersitz, der
Syn
Vordersitz
Rücksitz
Fond, der
1. hinterer Teil des Wagens, in dem sich die 14 λ befinden - f Rücksitz
Soziussitz, der
Rücksitz für den Beifahrer auf dem Motorrad,
-roller - Syn Sozius Sozius, der
Rücksitze
(2.)
2. Syn Soziussitz
Diese Vorgehensweise erhebt keinen Anspruch auf allgemeine
Verbind-
lichkeit, sondern sie versteht sich als Vorschlag, der unter rücksichtigung bisheriger Praktiken und anderweitig
Be-
unterbreiteter
Vorschläge einen möglichen Weg weist, wie den vorhandenen
theore-
tischen Einsichten in die Strukturiertheit des Wortschatzes
unter
strikter Berücksichtigung der Eigenheit und Aufgabe des einsprachigen Bedeutungswörterbuches
auf systematische Weise größere Ge-
rechtigkeit als bisher üblich zuteil werden könnte. Dabei
hatten
156
wir stets die schwierige Situation des Lexikographen vor Augen, der sich im Arbeitsprozeß selbst die nötigen Fakten verschaffen und sie in eine dem Benutzer nicht nur zumutbare, sondern nützliche Form bringen muß. Das Ergebnis ist eine Lösungsvariante, die sich um Realismus bemüht, ohne die theoretische Begründung zu vernachlässigen, und die durch Modifikationen an die Bedürfnisse des je besonderen Wörterbuches angepaßt werden kann.
157
Anmerkungen 1
Zu einschlägigen Anforderungen in bezug auf die historische Lexikographie vgl. ζ. B. Anderson/Goebel/Reichmann (1983), in bezug auf die Dialektlexikographie ζ. B. Reichmann (1986).
2
Reichmann (1988: 404) beschrieb kürzlich das dahinterstehende und von vielen ähnlich empfundene Dilemma: "Ich muß offen gestehen, nicht zu wissen, wie die ... Spannung zwischen Theorie und Praxis überwunden werden kann. Die naheliegende Forderung, der Praktiker habe immer ein Auge auf die Theoriebildung zu werfen und der Theoretiker möge sich gefälligst um dauernde Rückbindung seines Tuns an die Praxis bemühen, ist ebenso richtig, wie sie eine Binsenweisheit und außerdem eine Illusion ist: Die Aufgaben der Praxis lassen es schlicht und einfach nicht zu, daß der Lexikograph gleichzeitig Theoretiker ist, und die Theorie ist so differenziert, daß man oft gar nicht mal alle ihre Teilgebiete kennt, geschweige denn außerdem noch das praktische Handwerk beherrscht."
3
Berechtigterweise wird in Agricola u. a. (1983: 76f.) mit Verwunderung festgestellt, daß eine "Übernahme dieser Fonds an Materialien, Einsichten und Erfahrungen in die lexikographische Praxis von Bedeutungswörterbüchern ... nirgends in größerem Maßstab vollzogen worden" ist.
4
Vgl. auch die Äußerungen zu dieser Definitionsart in Probleme (1977: 272) und bei Schmidt (1986: 64f.).
5
"Die Ergänzungen zu diesen Erläuterungen in eckigen Klammern dienen lediglich der Verständigung mit dem Leser dieses Beitrages. Sie sind nicht für den gedachten Wörterbuchbenutzer bestimmt" (Wiegand 1977a: 88).
6
Daß ihre Einbeziehung beliebig und keinesfalls systematisch, durch das Streben nach Erhellung von Systemrelationen bestimmt ist, geht auch aus der Aussage hervor, daß sich das WDG "im Laufe der Arbeit und durch Erfahrungen der ersten Lieferungen stärker als zu Beginn der umschreibenden Deutung oder Definition zugewandt" hat (WDG: 08), d. h. daß die Verwendung von Synonymen bei laufender Arbeit eingeschränkt worden ist.
7
Am Rande sei darauf hingewiesen, daß wir hier einen der in Wörterbüchern nicht ganz seltenen Fälle vor uns haben, in denen die im Vorwort beschriebene nicht mit der tatsächlich geübten Praxis übereinstimmt bzw. in denen falsche Beispiele gewählt werden: Beim Lemma Astrologie ist kein Synonym angegeben!
8
Auch hier stimmt das Beispiel des Vorwortes nicht völlig überein mit der Realisierung des Artikels im Wörterverzeichnis; dort lautet die Reihenfolge der Synonyme: Blaubeere, Bickbeere, Schwarzbeere.
9
Görner/Kempcke (1973) und einige allgemeine Wörterbücher differenzieren nicht so fein und nehmen nur ein Grundsynonym - nämlich Weltall - an.
158 10
So führt ζ. Β. das einsprachige Lernwörterbuch "Grundwortschatz der deutschen Sprache" von Kosaras trotz seines relativ geringen Umfangs typische Antonyme an, indem sie an die Definition durch das Kommentarsymbol < — Μ angeschlossen werden, ζ. B. abends: jeden Abend; am Abend < — > morgens.
11
Klappenbach/Malige-Klappenbach (1978: 22) ζ. B. beklagen in bezug auf das WOG "Schwierigkeiten über Schwierigkeiten, die erst durch weitgehende linguistische Forschungen, wenn überhaupt, ganz zu klären sind", und Knobloch (1984: 103) ist der Meinung, das Duden-DUW habe "gut daran getan, von dieser Sache die Finger zu lassen, denn ohne schwierige lexikographische Knochenarbeit (ζ. B. Auf- und Einarbeiten von Agricola/ Agricola 1979) war hier kein Blumentopf zu gewinnen".
12
Zur Diskussion alternativer Begriffe: 'Inklusion', 'Subordination' (für 'Hyponymie') und 'Superordination' (für 'Hyperonymie') vgl. Lyons (1977; 1980: 301); 'Supernym' bzw. 'Superonym' (für 'Hyperonym') vgl. Wiegand (1977: 136f.).
13
Zu Problemen dieses Definitionsverfahrens in Wörterbüchern vgl. ζ. B. Probleme (1977: 257ff.), Wunsch (1985), Schmidt (1986: 41ff . ) .
14
Ein Buch, das als Basis der ersten Etappe dieser Aufgabe in Betracht kommen könnte, ist ζ. B. das einsprachige Wörterbuch "Grundwortschatz der deutschen Sprache" von Kosaras (1980) mit seinen ca. 3000 Stichwörtern.
15
Für Lemmata, die nicht nach dem Prinzip genus proximum + differentia specifica definiert werden können, weil sie sich nicht in eine Hierarchie einordnen lassen, entfällt dieses Problem automatisch.
16
Man vgl. seine Verwendung als genus in der Definition bierernst: ernst (wo man eigentlich ein bißchen Humor Lockerheit erwarten könnte).
17
Bei Fond haben wir ein Beispiel für die von uns. nicht behandelte Teil-Ganzes-Beziehung, die eine andere Art hierarchischer Beziehung konstituiert als die Gattung-Art-Beziehung (vgl. Probleme 1977: 327). Auch hier könnte man die in der Definition ausgedrückte Beziehung ("Teil des Wagens") in der Schriftart den onomasiologischen Angaben gleichstellen.
von oder
159 Literatur Wörterbücher Agricola/Agricola = Agricola, Christiane, Erhard Agricola. Wörter und Gegenwörter. Antonyme der deutschen Sprache. zig, VEB Bibliographisches Institut.
1977. Leip-
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GÜNTER
KEMPCKE
ORGANISATIONSPRINZIPIEN
UND INFORMATIONSANGEBOTE
IN EINEM
LERNERWÖRTERBÜCH
0.
Was ist ein
1.
Adressat und Wörterbuchfunktion. auswahl
2.0. 2.1. 2.2. 2.2.1. 2.2.2. 2.2.3. 2.2.4. 2.2.5. 2.2.6. 2.2.7. 2.3. 2.3.1. 2.3.2. 2.3.3. 2.4. 2.5.
Das Lernerwörterbuch und seine Datentypen Ausspracheangaben Grammatische Angaben Das Substantiv Das Adjektiv Das Adverb Das Verb Das Pronomen Das Zahladjektiv Die Funktionswörter Die Bedeutungsexplikation Arten der Bedeutungsexplikation Zur Sememgliederung Visuelle Semantisierungshilfe Stilistische Markierungen, Gebrauchsnormen Die syntagmatischen Relationen. Kontextbeispiele
3.0. 3.1. 3.2. 3.3. 3.4.
Die Darstellung von Systemzusammenhängen Der MERKE-Kommentar Tafel-Hinweise Die Darstellung produktiver Wortbildungsmittel Die Darstellung von Wortbildungsnestern
4.0.
Zusammenfassung
5.0.
Wörterbuchtheorie und Wörterbuchpraxis: Der Wörterbuchartikel im Lernerwörterbuch (Musterartikel)
Anmerkungen Literatur
Lernerwörterbuch? Die
Stichwort-
166
0.
Was ist ein
Lernerwörterbuch?
Nach dem Erscheinen der beiden großen Gesamtwörterbücher deutschen Gegenwartssprache
(Wörterbuch der deutschen
der
Gegenwarts-
sprache (1964-1977) (WDG) und Duden. Das große Wörterbuch deutschen Sprache
(1976-1981) (Duden-GWB)) begann in den
Jahren eine Phase der Aufarbeitung
linguistischer
der
siebziger
Forschungsergeb-
nisse in Verbindung mit einer Standortbestimmung moderner
Lexiko-
graphie, die - wenn auch thematisch differenziert - bis heute kontinuierlich fortgewirkt hat und gemeinhin mit dem Begriff lexikographie gefaßt wird. Nachdenken über Wörterbücher ki u. a. 1977) und Wortschatzforschung der Lexikologie und Lexikographie deutlichsten.
heute. Aktuelle
Meta-
(DrosdowsProbleme
(1982) markieren den Beginn am
Ihre Kritik richtete sich nicht nur gegen den Rück-
stand der synchronischen Lexikographie gegenüber der schen Theorie, im besonderen gegen die Darstellung
linguisti-
bestimmter
Datentypen (lexikographische Definition, Grammatik im Wörterbuch, stilistische Markierungen, Funktionswörter, Kollokationen sondern auch gegen die diffuse Adressatenspezifik wörterbücher und die damit verbundene unscharfe nutzerspezifischer Nachschlagebedürfnisse
und
dieser
Differenzierung
Nachschlagesitua-
tionen. Sowohl das WDG als auch Duden-GWB setzten als den Muttersprachler
etc.), Gesamt-
Benutzer
voraus, rechneten aber auch mit dem
ausländi-
schen Nutzer: "Die Wortwahl im Wörterbuch ist in starkem Maße von dem weitgesteckten Kreis seiner Benutzer bestimmt, ein Kreis, zu dem nicht zuletzt auch der Ausländer gehört" (WDG, Vorwort:
03)
und "der wachsenden Zahl von Ausländern, die Deutsch lernen, soll es als grundlegendes Nachschlagewerk
über die deutsche
Sprache
dienen" (Duden-GWB, Vorwort: 2). Gegen diese Annahme einer
unge-
teilten Benutzermasse wandten sich vor allem diejenigen, die in Lehre und Forschung auf dem Gebiet der Fremdsprachendidaktik fahrungen gesammelt hatten und auf die jahrzehntelange
Er-
Tradition
lernerspezifischer Nachschlagewerke des Englischen·'· und Franzö2 3 sischen verweisen konnten . 1974 erschien F. J. Hausmanns programmatischer Aufsatz ist und was soll ein Lernwörterbuch"^,
in dem erstmals
chige Wörterbuchtypen in ihrem Verhältnis zu
"Was
einspra-
muttersprachlichen
und ausländischen Adressaten bewertet wurden*'. In
"Lexeter
167
Proceedings" (1984), den Proceedings des Lexikographie-Kongresses in Exeter 1983, bildet die Lernerlexikographie bereits eines der vier Hauptthemen mit Beiträgen aus vielen, auch außereuropäischen Ländern. Doch der Begriff des Lerners und des Lern- oder Lernerwörterbuchs war noch zu facettenreich, er diente als Bezugsgröße einerseits für den muttersprachlichen, andererseits für den fortgeschrittenen ausländischen Benutzer und schließlich auch für den Schüler, den muttersprachlichen und den ausländischen, wofür sich in jüngster Zeit der Begriff des Schulwörterbuchs^
herausgebildet
hat. Dabei zeigte sich zunächst noch ein Nebeneinander von 'Lernwörterbuch 1
und 'Lernerwörterbuch' ohne
Adressatendifferenzierung.
Offenbar schien für den Muttersprachler das 'Lernwörterbuch' bevorzugt verwendet zu werden, das Bedeutungswörterbuch (Duden 10, 1985) des BI Mannheim führte in seiner 2., völlig neu bearbeiteten und erweiterten Auflage den Untertitel "Ein Lernwörterbuch mit Bedeutungsangaben, Anwendungsbeispielen und Abbildungen, mit sinnund sachverwandten Wörtern und den Bausteinen des Wortschatzes" und war ganz offensichtlich für die sprachliche
Kompetenzerweite-
rung des Muttersprachlers gedacht, da es Wortbildung und Synonymie als dominierende Datentypen gewählt hatte. Vernünftiger schien daher eine Unterteilung in L^ und L2, wie sie Zöfgen 1985^ vorschlägt: L^ als Lernwörterbuchvariante für den Muttersprachler und
als Lernwörterbuchvariante für den Ausländer, der das Nach-
schlagewerk für die Erweiterung seiner fremdsprachlichen Kompetenz benutzen soll. Doch die Wörterbuchwirklichkeit ist nicht identisch mit dieser theoretischen Differenzierung. Auf diese Schwierigkeip ten weist Zöfgen (1985b) hin ; es gibt im In- und Ausland kaum Wörterbücher, die dem Ideal eines L^- oder L2~Wörterbuches gerecht werden, meistens bilden sie Mischformen. Es finden sich Gesamtwörterbücher wie das WDG und das Duden-GWB, die exhaustiv angelegt sind, in erster Linie der Sprachrezeption dienen und als Adressaten sowohl den Muttersprachler als auch den Ausländer vorsehen. Auch die ein- oder zweibändigen Wörterbücher der deutschen Gegenwartssprache wie Duden. Deutsches Universalwörterbuch
(1984)
und das Handwörterbuch der deutschen Gegenwartssprache (1984) dienen eigentlich nur diesem Zweck, nämlich den sprachrezeptiven Nachschlagebedürfnissen des Muttersprachlers, gehen aber in der
168
Darstellung grammatisch relevanter Wortschatzausschnitte
(ζ. B.
Präpositionen, Konjunktionen) über dieses Anliegen hinaus tangieren bereits das Nachschlagebedürfnis ausländischer
und Nutzer,
denn bei der Darstellung dieser Wortkategorien überwiegen Kriterien der Sprachproduktion.
Neben der
die
Adressatenzuweisung
gibt es folglich auch eine Funktionszuweisung
(selektiv
Sprachproduktion, exhaustiv und Sprachrezeption), aber ten- und Funktionszuweisung müssen durchaus nicht
und Adressa-
deckungsgleich
sein. Wären sie es, so würde dies bedeuten, daß der
ausländische
Nutzer nur an Sprachproduktion, nicht an Sprachrezeption und der Muttersprachler nur an Sprachrezeption und nicht an
Sprachproduk-
tion interessiert wäre. Wer aber als Nutzer Umgang mit
fremd-
sprachigen monolingualen Wörterbüchern gehabt hat, weiß aus Erfahrung, daß sowohl Rezeptionsschwierigkeiten keiten bei der Produktion von Texten seine
als auch
Schwierig-
Nachschlagesituation
bestimmen. Auch die in der fremdsprachendidaktischen
Literatur
anzutreffende Unterscheidung
(Rezeptions-)
zwischen einem passiven
und aktiven (Produktions-)Wörterbuch
geht von einer scharfen
Prin-
zipientrennung aus, die in der Lernerlexikographie kaum zu verwirklichen, aber in dieser apodiktischen Trennung auch kaum als wünschenswert anzusehen ist. So werden als Kriterien des passivischen Wörterbuchs angesehen: detaillierte Explikation, Makrostruktur, Wortbildungsmorpheme,
Registermarkierung
extensive (Stil-
ebenen), Kollokationen und feste Verbindungen - als Kriterien des aktiven Wörterbuchs: Valenz, begrenzte Makrostruktur,
morpho-
syntaktische Lemmaangaben, höchste Ansprüche an Mikrostruktur, umfangreiche Beschreibung der syntagmatischen Ebene. Dabei kaum einzusehen, weshalb beispielsweise die
ist
Registermarkierung
ausschließlich dem passiven Wörterbuch vorbehalten bleiben
soll,
die morphosyntaktischen Lemmaangaben wiederum nur dem aktiven Wörterbuch, und wenig überzeugend scheint die Einschränkung Makrostruktur
der
für das aktive Wörterbuch, wo doch gerade die man-
gelnde Systemsicherheit für den nichtmuttersprachlichen charakteristisch
Lerner
ist.
Wir nehmen daher an, daß eine strenge Trennung zwischen rezeptiver und sprachproduktiver
sprach-
Zielstellung kaum möglich und
auch gar nicht wünschenswert ist. Auch für den
muttersprachli-
169
chen Nutzer eines muttersprachlichen Wörterbuches dürfte eine klare Trennung hinsichtlich der Nutzungserwartungen zu ziehen sein. Mit Sicherheit sucht der Muttersprachler eher am Randes des Alltagswortschatzes als im Zentrum, wenn es sich um Rezeptionsschwierigkeiten handelt, seine Fragen hinsichtlich der Sprachproduktion aber können sich auf den gesamten im Wörterbuch abgebildeten Wortschatz richten mit seiner Mikrostruktur. Es scheint daher wenig sinnvoll, ein Bedeutungswörterbuch für den Muttersprachler zu konzipieren, das in seiner Stichwortauswahl nur in begrenztem Rahmen über den Grundwortschatz
hinausgeht;
für ihn sind Gesamtwörterbücher mit einer Stichwortanzahl von 60-100.000 eher geeignet, doch sehen die Relationen für Schulwörterbücher wieder ganz anders aus, da Schulwörterbücher für den muttersprachlichen Unterricht sich naturgemäß zunächst einmal am Grundwortschatz orientieren, d. h., in gewisser Weise berühren sich Schulwörterbücher für den Muttersprachler mit Lernerwörterbüchern für den Ausländer, beide sind selektiv. Für den ausländischen Nutzer sind durchaus einsprachige fremdsprachige Wörterbücher von einem Umfang bis zu 25.000 Stichwörtern geeignet, sowohl für die Sprachrezeption als auch für die Sprachproduktion, da dieser Umfang etwa der Durchschnittskompetenz des Muttersprachlers entspricht. Gesamtwörterbücher bis zu 60.000 Stichwörtern, die dem ausländischen Benutzer zugedacht sind, dürften hinsichtlich der Sprachproduktion und aller damit verbundenen sprachdidaktischen Repräsentation unter den Erwartungen eines ausländischen Lerners bleiben, was nicht bedeuten muß, daß diese Wörterbücher gänzlich ohne Nutzen für ihn sind, zumal dann, wenn sie dem Benutzer in Übersichten Informationen anbieten, die das alphabetische Prinzip durchbrechen. Zu fragen ist zunächst einmal nach den Nachschlagebedürfnissen eines ausländischen und eines muttersprachlichen Benutzers, ob sie sich unterscheiden und wenn ja, worin. Unter dem Gesichtspunkt der für beide lernspezifischen
Informations-
datentypen ließen sich für den Ausländer bei aller gebotenen Vorsicht - denn eine fundierte Analyse lernerspezifischer Nachschlage9 bedürfnisse scheint immer noch auszustehen - etwa die folgenden zentralen Unterschiede zum muttersprachlichen Benutzer auflisten: der ausländische Benutzer nutzt in erster Linie für den Erwerb einer Zweitsprache, d. h. einer Fremdsprache, ein zweisprachiges
170
Wörterbuch, und dieses sichert ihm die punktuelle Abklärung
seiner
aus der Textrezeption oder der Textproduktion sich ergebenden
Fra-
gen. Da zweisprachige Wörterbücher aber nicht in dem Maße den Zugang zum System eröffnen können wie einsprachige
Wörterbücher,
dürften diese auch für den fremdsprachigen Nutzer von sein, da ihre Systemtransparenz lich integrierender
Interesse
(vorausgesetzt, sie ist
tatsäch-
Bestandteil der Konzeption) für seine
Kompetenz-
erweiterung von hohem Nutzen ist. Das Lernerwörterbuch - und im folgenden beziehen wir das Lernerwörterbuch auf den
fremdsprachi-
gen Nutzer - geht davon aus, daß es als einsprachiges
Wörterbuch
zur Ergänzung des zweisprachigen Wörterbuchs genutzt wird, und es wählt seine Informationsdaten für den fremdsprachigen Nutzer lernspezifischen Gesichtspunkten aus, die sowohl der
Sprachrezep-
tion als auch der Sprachproduktion dienen; für ihn können typen Bedeutung haben, die dem muttersprachlichen Nutzer
Datenunwichtig
sind, ζ. B. Ausspracheangaben, Kollokationsregularitäten, logismen, morphologische und syntaktische Restriktionen, sche Restriktionen und Landeskundliches.
Phraseostilisti-
Im Wortartenbereich
beispielsweise Präpositionen, Konjunktionen, Partikeln und jektionen für den Ausländer wichtiger als für den
nach
sind
Inter-
Muttersprachler,
weil dieser ihre syntaktischen Verwendungsbedingungen
interiori-
siert hat. Daneben haben für ihn semantische Informationen
natür-
lich den gleichen Stellenwert wie für den Muttersprachler,
kurz:
Systemunsicherheit und Normunsicherheit
sind für seine
Nutzungs-
motivation genauso dominant wie für den Muttersprachler, wenn nicht gar noch stärker, jedoch ist seine Wichtung der Datentypen von der des Muttersprachlers zu unterscheiden. Als datenübergreifendes zeptionelles Merkmal für das Lernerwörterbuch ist die der Makrostruktur
zu nennen; sie umfaßt den für die
kon-
Darstellung
Paraphrasie-
rung verwendeten Wortschatz, die Synonymie, Antonymie, das Wortfeld, die Wortbildungsnester
(Wortfamilien),
Wortbildungsmittel
und Kollokationen. Jeder dieser Datentypen stellt, für sich genommen, keine absolute Neuerung dar, kann aber in seiner mit allen anderen Komponenten der Makrostruktur kum dieses Wörterbuchtyps werden, da die für den
zum
'Kombination'
Charakteristi-
Muttersprachler
konzipierten Wörterbücher das eine oder andere Detail dieser malkombination vernachlässigen
(ζ. B. Darstellung der
nester, Antonymie, kontrolliertes
Merk-
Wortbildungs-
Definitionsvokabular).
171 In der französischen und englischen Lernerlexikographie
beste-
hen offenbar auch unterschiedliche Wichtungen hinsichtlich der Makrostruktur, so favorisiert Longman (1987) ζ. Β. das defining vocabulary, seperately listed for ease of
controlled
reference
(Preface), die Darstellung des usage und die Anwendung von crossreferences
(Querverweisen), Dubois (1966) dagegen die
Darstellung
der Wortfamilie, der Homonymie, Satzsynonymie und der grammatischen Gliederung der Mikrostruktur
syntaktisch-
(Hausmann 1974). Auf
einige dieser Darstellungsverfahren gehen wir weiter unten noch näher ein. Das Datenspektrum eines Lernerwörterbuchs
ist wohl ohne
bildliche Darstellungen, Flexionstafeln, Übersichten der
verschie-
densten Arten heute nicht mehr als vollständig anzusehen; sie erhält es zwar enzyklopädische Züge, doch ist eine
durch
scharfe
Trennung zwischen sprachlichem Wissen und enzyklopädischem
Wissen
ohnehin nicht zu ziehen, und sie helfen zumindest, die durch das Alphabet bewirkte Atomisierung der Wortschatzdarstellungen
zu über-
winden . Alles in allem kann man nicht sagen, daß in der
Wörterbuch-
landschaft bereits der Standardtyp eines Lernerwörterbuchs stiert, es gibt zu viele Spielarten, und in den
exi-
deutschsprachigen
Ländern ist er überhaupt nicht vertreten, der Typ
1
Lernerwörter-
buch der deutschen Sprache für den Ausländer'. Zöfgen wies bereits 19B5 (1985b: 11) darauf hin: "Und fest steht auch, daß die monolinguale Fremdsprachenlexikographie, sie in Frankreich u. a. durch den DFC sowie den beiden
einzig-
artigen DFLE und wie sie in England durch eine inzwischen eindrucksvolle Zahl von "learner's dictionaries" LASDE, MLD)
wie
recht
(ALD, CULD, LDOCE,
... repräsentiert wird, im Grunde genommen ohne deut-
sches Pendant ist" (vgl. Anmerkung
1).
Seit 1987 wird an der Akademie der Wissenschaften in Berlin an der Konzeption eines
'Lernerwörterbuchs der deutschen
Sprache'
gearbeitet. Hier wird eine optimale Umsetzung des inzwischen ansehnlichen Ideenspektrums
'Lernerlexikographie
1
recht
versucht, und
dabei gilt es, die Parameter Adressat, Wortschatzausschnitt, tenauswahl und die didaktisch wirksame Repräsentation der
Da-
Daten-
typen in ein ausgewogenes Verhältnis zu bringen. Wenn im folgenden die Parameter einer
Lernerwörterbuchkonzep-
tion und die Probleme einer Lernerdatentypologie
analysiert
wer-
172
den, so werden dabei die Spezifica eines Schulwörterbuchs oder eines Lernwörterbuchs für Muttersprachler
1.
ausgeklammert.
Adressat und Wörterbuchfunktion. Die Stichwortauswahl
Als Adressat wird in diesem zu erarbeitenden
Lernerwörterbuch
der fremdsprachige fortgeschrittene Benutzer vorausgesetzt, der bestimmte Grundregeln der Fremdsprache Deutsch beherrscht. Daß dieser fremdsprachige Benutzer eine ideale Größe darstellt, da seine muttersprachliche Kompetenz in der Ausgangssprache in der konkreten Benutzungssituation nicht ohne Einfluß auf die lernspezifischen Nachschlagebedürfnisse hinsichtlich der Zielsprache ist, muß als- gegeben vorausgesetzt werden, denn natürlich kann ein deutsches Lernerwörterbuch für einen Polen andere Schwerpunkte als für einen Franzosen setzen. Dieses Lernerwörterbuch muß also Deutsch als Fremdsprache so aufbereiten, daß es die für einen Ausländer generalisierbaren schwierigen, lernpsychologisch wichtigen Daten für den Erwerb der Zweitsprachenkompetenz
zusammenstellt;
es darf keine aus der muttersprachlichen Sicht geprägten Daten einbringen und muß ihm doch helfen, die native competence zu erreichen. Dies bedeutet, daß es sich nicht in der Erläuterung von Bedeutungen erschöpfen darf, sondern auch ζ. B. Informationen zu den Konstruktionseigenschaften von Verben und Adjektiven geben (Zöfgen 1985b), daß es schließlich alle Arten von Restriktionen zu den lernerspezifischen Datentypen rechnen muß. Seine Funktion ist die Hilfestellung bei der Rezeption und Produktion von Texten und der systematischen, schrittweisen Erweiterung des Wortschatzes, die von einer punktuellen Nachschlagesituation zur Kenntnis von Systemzusammenhängen führt. Damit übernimmt das Wörterbuch eine Art Lehrerfunktion, ohne den damit verbundenen Lernprozeß diskursiv austragen zu können. Dies wiederum hat für die Auswahl und die Darstellung der Datentypen bestimmte Konsequenzen: Das Lernerwörterbuch muß dem Lerner das Auffinden der benötigten Informationen erleichtern - immer eingedenk, daß ihm die muttersprachliche Kompetenz fehlt, d. h., es muß in seiner Metasprache verständlich sein, es muß leicht lesbar sein und muß die strukturellen Zusammenhänge, semantische und grammatische,
transparent
machen. Dies macht neue und andere Organisationsformen
notwendig,
173
als sie traditionell in synchronischen Gesamtwärterbüchern verwendet werden. Dazu Hausmann (1974: 99) "Für das Lernwörterbuch scheinen uns folgende Prinzipien wichtig: Synchronie, Homonymie, syntaktisch-grammatische Gliederung der Mikrostruktur,
Satzsynonymie,
Wortfamiliengliederung und Wortschatzselektion." Dem ist, bezieht man die oben angeführten Voraussetzungen mit ein, nicht viel hinzuzufügen, doch scheint die vielerorts geforderte Homonymisierung (vgl. auch Zöfgen 1985b) eine gesonderte Betrachtung wert (vgl. dazu 2.3.2, Sememgliederung). Neben den genannten Grundpositionen darf die folgende nicht ungenannt bleiben: für den ausländischen Benutzer, der von der Arbeit am lebendigen Text ausgeht, scheint uns die alphabetische Anordnung der Stichwörter unabdingbar. Sie erleichtert ihm das Nachschlagen, sie ist die einfachste Orientierung.
Onomasiologi-
sche Gliederungen ermöglichen zwar die Systemtransparenz, erfordern aber ihrerseits eine nach lernspezifischen
Gesichtspunkten
aufbereitete Gliederung, die sich thematisch nicht ohne weiteres nach einheitlichen Kriterien herstellen ließe. Die alphabetische Ordnung verpflichtet jedoch den Lexikographen, alle Möglichkeiten zu nutzen, die eine Atomisierung der Wortschatzzusammenhänge
über-
winden helfen, und dies beginnt bereits bei der Stichwortauswahl. Für unser Lernerwörterbuch, das den fortgeschrittenen ausländischen Nutzer als Adressaten zum Ziel hat, ist eine Stichwortanzahl von 15.000 vorgesehen, die Sememe dieser Lemmata nicht mitgerechnet. Wir gehen davon aus, daß das Wörterbuch als selektives Wörterbuch sich im weiteren Umfeld des Grundwortschatzes bewegen muß, daß es, wenn es die ganze Palette lernspezifischer
Datentypen
bieten will, auf Peripheres verzichten muß, doch gibt es darüber, wie Grundwortschatz zu definieren und was dazuzurechnen ist, unterschiedliche Auffassungen. Die Zahlen schwanken zwischen 3.000 und 25.000 je nach Interpretation. Wir nehmen an, daß wir mit 15.000 Stichwörtern dem Lerner einen Wortschatzausschnitt
anbie-
ten, der im Zentrum liegt, aber darüber hinaus so viel an Ergänzungswortschatz einschließt, daß er seiner Funktion der Kompetenzerweiterung vollauf gerecht wird. H. Schmidt (1985: 98ff.) nimmt an, daß mit 9.000 Stichwörtern der Bestand der heutigen Allgemeinsprache an etymologisch zu unterscheidenden Grundwörtern mit Si-
174
cherheit abgedeckt ist. "Eine repräsentative Auswahl der wichtigsten Komposita und Ableitungen ist bereits bei einer Stichwortanzahl von 12.000 Einheiten berücksichtigt. Bei 25.000 Einheiten sind für die Allgemeinsprache besonders wichtige Teile des fachsprachlichen Wortschatzes einbezogen" (H. Schmidt 1985: 99). Bei unserer Auswahl von 15.000 sehen wir uns in Übereinstimmung mit Zöfgen (1985b: 26): "Wichtiger scheint mir im übrigen eine ganz andere Vermutung, nämlich die, wonach man mit etwa 15.000 passiv beherrschten Wörtern ein annähernd muttersprachliches Verständnis authentischer Texte erreicht." Diese Größenordnung entspricht in der Wörterbuchpraxis etwa dem dtv-Wahrig (16.000), dem DFLE (etwa 18.000), dem MLD (18.000) (vgl. Anmerkung 1 und 2) und Duden 10 (17.000), das jedoch nach anderen Kriterien aufgebaut ist und daneben einen Ausbauwortschatz von 75.000 (Synonymreihen und Komposita, die größtenteils nicht im Wörterbuch erklärt sind) enthält. Gegenüber früheren Auffassungen, die von einer Objektivierbarkeit von Grundwortschatz ausgehen und Maßstäbe wie Frequenz, Kriterien des Spracherwerbs u. a. favorisieren, setzt sich neuerdings, seit den 70er Jahren, mehr und mehr die Erkenntnis durch, daß eine Grundwortschatzbestimmung nach objektiven Kriterien nicht möglich ist, daß es den Grundwortschatz nicht gibt (Kühn 1984). Versucht man ihn statt dessen nach sozialen Normkriterien einzugrenzen, gelangt man bald in eine Vagheit, durch die nichts gebessert wird, ζ. B. wenn man den Grundwortschatz als das Zentrum des durchschnittlich gebildeten Muttersprachlers interpretiert. Peter Kühn kommt u. E. zu einer vernünftigen Lösung, wenn er der Grundwortschatzbestimmung pragmatische Kriterien zugrunde legt, indem er sie in Relation zum Adressaten und zur Funktion des Wörterbuchs setzt: "Die pragmatisch orientierte Grundwortschatzbestimmung
setzt
sich dabei scheinbar dem Vorwurf der Subjektivität aus. In Wirklichkeit ist diese Art der Grundwortschatzbestimmung jedoch relativ, d. h. ob ein Wort zum Grundwortschatz gehört oder nicht, ist abhängig von den zugrunde gelegten Kriterien. In der Praxis zeigt sich auf der anderen Seite jedoch sehr schnell, daß der Interpretationsspielraum bei der Zuordnung in den Grundwortschatz äußerst groß wird" (Kühn 1984: 252). Um dies zu vermeiden, müßte für das Lernerwörterbuch nach Kriterien gesucht werden, die eine Einengung
175
auf das Zentrum ermöglichen und gleichzeitig den Adressaten
berück-
sichtigen. Ausgehend von der Alltagskommunikation wurde die Auswahl in verschiedene Richtungen
vorgetrieben:
- selektive oder exhaustive Berücksichtigung
von Wortarten
- Basiswörter und ihre wichtigsten Ableitungen vor
dominieren
Komposita
- allgemeinsprachlicher
Wortschatz rangiert vor
Fachwort-
schatz - stilistisch Neutrales rangiert vor stilistisch
Markier-
tem - Überregionales rangiert vor
Regionalem
- heute Gebräuchliches, Allgemeingültiges,
für die Kommu-
nikation Unentbehrliches rangiert vor Veraltendem,
Ver-
altetem und Seltenem - grammatische, semantische, stilistische rangieren vor
Schwierigkeiten
Regulärem
- wortbildungsträchtige
und polyseme Stichwörter
rangieren
vor isolierten und monosemen Für die exhaustive Berücksichtigung bestimmter Wortarten in einem Lernerwörterbuch spricht, daß die Schwierigkeiten für den Lerner weniger in dem Lexikbereich zu suchen sind, der vorwiegend sprachliches abbildet, als in solchen Lexemen, die eher
Außer-
inner-
sprachliche Funktionen erfüllen. Dazu rechnen wir vor allem die Funktionswörter
(Konjunktionen, Präpositionen, Partikeln,
kel), aber im weiteren auch die Pronomina (Personal-, t i v · und Indefinitpronomina).
Arti-
Demonstra-
Für den Muttersprachler bildet
ser Wortschatzbereich dagegen weniger Schwierigkeiten, von Fragen, die ζ. B. mit Rektionsvarianten
abgesehen
(Präpositionen)
bunden sind oder die die Weglaßbarkeit des Artikels
diever-
betreffen.
Bei diesen Wortkategorien könnte ein Lernerwörterbuch für den Muttersprachler selektiv verfahren. Ein Lernwörterbuch für den Ausländer muß dagegen bei Substantiven, Adjektiven, Verben und Adverbien - wenn es einen Umfang von 15.000 Stichwörtern
voraus-
setzt - selektiv verfahren, und zwar nach den oben genannten rametern, sowohl monoseme als auch polyseme Stichwörter
Pa-
betreffend.
176 Für die Stichwortauswahl
bot sich als Materialgrundlage
der
Typ des Gesamtwörterbuchs von mittlerem Umfang, das 'Handwörterbuch der deutschen Gegenwartssprache den herangezogen
(1984)'; zum Vergleich
'Wörter und Wendungen'
Duden 10 (17.000), dtv-Wahrig deutschen Sprache' (Kosaras Dabei zeigte sich, daß
(16.000),
(8.000
wur-
Stichwörter),
'Grundwortschatz
der
1983).
'dtv-Wahrig' und
'Duden 10' mit der
getroffenen Auswahl für das Lernerwörterbuch ein überraschend hes Maß an Übereinstimmung
ho-
aufwiesen und somit die These vom Zen-
trum des Alltagswortschatzes stützten. Daß allein der vergleich jedoch keine ausreichende Garantie für die
Wörterbuchgleichmäßige
Repräsentanz von Sachbereichen und semantischen Relationen
bieten
würde, war von vornherein anzunehmen, deshalb wurden als Ergänzung für die Auswahl auf alphabetischer Strecke etwa 60 Sachgebiete ausgewählt, ζ. B. Körper, Sport, Kleidung, Krankenhaus,
Garten,
Haus, Wohnung, Blumen, Bauplatz, Kirche, Straße, Stadt,
Kaufhaus,
Marktplatz, Werkzeuge, Betrieb, Büro, Werkhalle, Schule,
Schnei-
derei, Bauernhof, Nutztiere, Landwirtschaft, Zoo, Freizeit,
Musik,
Theater, Auto, Eisenbahn, Hafen, Flugplatz, Gebirge, Meer, Wald, Armee, Polizei, Feuerwehr, Post, Bank etc. Sie betrafen den Substantivbereich und hier wiederum den Bereich der Realien. kamen Verb und Adjektivwortfelder ben, Zustandsverben,
(Tätigkeitsverben,
Hinzu
Vorgangsver-
Temperaturadjektive, Dimensionsadjektive
etc.).
Sie alle bildeten - wenn auch in bescheidendem Maße - ein onomasiologisches Gegengewicht. Des weiteren bot sich an, die sche Typologie von Wortbildungsmitteln
für eine gleichmäßige
präsentanz von Ableitungen zu nutzen. Mit der separaten lung von Wortbildungsmitteln,
semanti-
insbesondere von heute
Re-
Darstel-
produktiven
Affixen, sollten dem Benutzer Hinweise für die inhaltliche
Er-
schließung von Lexemen verifiittelt werden, die im Wörterbuch
nicht
verzeichnet sind. Daß dieses Verfahren für den ausländischen nutzer risikoreicher als für den muttersprachlichen
Be-
ist, dürfte
kaum widerlegbar sein. Duden 10, der seine Vermittlung von Kompetenzerweiterung
vor allem auf Wortbildungstransparenz
mie beschränkt, führt mehr als 290 Wortbildungsmittel
und Synonyals selb-
ständige Wörterbuchartikel auf und füllt diese Artikel häufig mit Beispielen des Reservewortschatzes, die ziemlich singulär
und
selbst nicht als Stichwörter verzeichnet sind. Sie vermitteln
da-
177
mit eine Vorstellung vom Sprachusus, die nur durch die muttersprachliche Kompetenz korrigiert werden kann, und Duden 10 will ja den muttersprachlichen Nutzer erreichen. Für den
ausländischen
Benutzer muß diese Darstellungsform auf der Basis des verzeichnisses angelegt werden, d. h., der
Stichwort-
Wortbildungsartikel
sollte mit Wörterbuchartikeln dieses Bildungstyps
korrespondieren,
und die Beispiele dürften nicht im luftleeren Raum sein. Dieses Verfahren dient vor allem der
angesiedelt
Sprachrezeption,
aber indem es sowohl die semantische Bildungspotenz als auch das regulär damit verbundene Wortbildungsmittel
verzeichnet, kann es
auch für die Sprachproduktion wichtige Dienste leisten. Darstellungsverfahren
Dieses
ist schließlich bestens dafür geeignet, das
notwendige selektive Verfahren dieses Wörterbuchtyps zu stützen. Die ausgewogene Repräsentanz von Sachfeldern und
Wortbildungsmit-
teln böte allein jedoch noch keine Gewähr für die der durch das Alphabet bestimmten Anteile am
Ausgewogenheit
Stichwortverzeichnis.
Mit Recht hat H. Schmidt (1985) auf dieses Manko vieler
Wörter-
bücher hingewiesen. Aufgrund eines Vergleiches verschiedener terbuchtypen (Häufigkeits-, etymologische, orthographische, gemeinsprachige Wörterbücher) errechnete er
all-
Durchschnittswerte
der alphabetischen Relationen einer allgemeinsprachlichen wortliste der deutschen Gegenwartssprache
Wör-
Stich-
(S. 49). Danach macht
der Buchstabe A 7,1 % des jeweils dargestellten
Wortschatzaus-
schnitts aus, Β = 6,7, C = 0,5, D = 3,5 % etc. Wir haben diese Relationen für das Lernerwörterbuch berücksichtigt und auf der Grundlage des
'Handwörterbuchs' Richtwerte für jeden
Buchstaben
des Alphabets festgelegt, um eine angemessene Repräsentation der einzelnen alphabetischen Wörterbuchabschnitte
2.0
Das Lernerwörterbuch und seine
zu erreichen.
Datentypen
Obwohl es gegenwärtig noch keine allgemein akzeptierte
Lexikon-
theorie gibt und über die Menge der Regelkomponenten eines Lexikons und die Darstellung des Lexikons im Wörterbuch
unterschied-
liche Auffassungen bestehen, darf man doch davon ausgehen, daß das Wörterbuch einerseits und Lexikon und Grammatik in enger Beziehung zueinander stehen, ohne daß das
andererseits Verhältnis
178
ihrer Teile zueinander sich als kongruent bezeichnen ließe. Die Kenntnisse über die semantischen Strukturen des Lexikons sind gegenwärtig noch unzureichend. Das Wörterbuch hat die Aufgabe, das lexikalische
Sprachwissen
so differenziert wie möglich beim Einzellexem darzustellen, und es wird dieser Aufgabe um so eher gerecht, je mehr es bei seiner wissenschaftlichen Beschreibung der Lexeme zu den Regularitäten und Spezifika seiner Verwendung vordringt, diese für den Nutzer als Sprachwissen aufbereitet und sie ihm in ihren Zusammenhängen vermittelt. Zu den traditionellen Datentypen eines einsprachigen Bedeutungswörterbuchs, auch eines Gesamtwörterbuchs, zählen Angaben zur graphischen Norm, zur Aussprachenorm, Angaben zur morphologischen und syntaktischen Gebrauchsnorm, Ahgaben zur Semantik und zum stilistisch bevorzugten oder restriktiven Wortgebrauch. Sie sind - je nach Benutzerspezifik - in ihren Teilen unterschiedlich dominant und werden im folgenden für das Lernerwörterbuch hinsichtlich ihrer Dominanz festgelegt.
2.1
Ausspracheangaben
Es scheint, daß Bedeutungswörterbücher für den Muttersprachler den Ausspracheangaben und der grammatischen
Charakterisierung,
sieht man von der Darstellung des grammatisch relevanten Wortschatzteils ab, weniger Bedeutung beimessen, so ζ. B. das WDG, das HDG und Duden-Universalwörterbuch. Da die Fixierung der Aussprachenorm auch in Aussprachewörterbüchern erfolgt, wäre die Außerachtlassung der phonematischen Ebene bei einem Bedeutungswörterbuch für den Muttersprachler zu tolerieren. Im Gegensatz zum WDG hat Duden-GWB die Lautumschrift weitgehend als Datentyp durchgesetzt. Das WDG denkt offenbar an den muttersprachlichen Nutzer, wenn es nur die Formative berücksichtigt, die von "den allgemeinen Ausspracheregeln abweichen", also vor allem Fremdwörter (Vorwort, S. 026); das HDG geht zwar über die Richtlinien des WDG hinaus, indem es verstärkt die Aussprachezeichen der Internationalen Lautumschrift berücksichtigt (das WDG hatte sich bei der Lautumschrift vorwiegend des lateinischen Alphabets bedient, um
179 dem phonetisch ungeschulten Benutzer entgegenzukommen, hatte dabei aber nicht bedacht, daß es ja auch den ausländischen Nutzer
errei-
chen will), doch gibt auch dieses Wörterbuch nicht generell
die
Aussprachenorm
an.
Ein Wörterbuch für den foreign learner kommt u. E. nicht ohne die generelle Angabe der Aussprachenorm aus, da es seine beim Nutzer nicht voraussetzen kann; da die fixierte norm von Benutzern unterschiedlicher
Kenntnis
Aussprache-
Provenienz rezipiert
wird,
kann ihre Darstellungsform nur die der API sein oder der API angenähert. Als Grundlage dafür kann das in der DDR erschienene Aussprachewörterbuch^
neue
dienen. Der Lexikograph, der sich zu einer
durch den Wörterbuchumfang
bedingten ökonomisch vertretbaren
stellung bequemen muß, sucht nach Lösungen, die eine unnötige dundanz ersparen. Dafür bieten sich regelhafte
DarRe-
Lauterscheinungen
an, wie ζ. B. das schwachtonige Endungs-e des Plurals von Substantiven ( f i J ,
f 1J9
) oder des Präteritums regelmäßiger
Verben
(le:pt*). Auch die Suffixe -lieh, - i s c h , - h e i t , -keit, - u n g , -er etc. bieten die Möglichkeit des Verzichts auf da sie als Aussprachestereotype
Ausspracheangaben,
im Vorwort des Wörterbuchs
terisiert werden können. Übermäßige Redundanz ergeben
charak-
Kompositions-
reihen, bei denen Basis und Determinativum jeweils selbst als Stichwörter verzeichnet und hinsichtlich ihrer lautlichen Norm chend charakterisiert sind; ein Verweis auf diese erübrigte jede weitere
ausrei-
Kompositionsteile
Darstellung.
Andererseits kann, selbst wenn das Basislexem als Stichwort berücksichtigt und an alphabetischer
Stelle phonetisch
ausreichend
charakterisiert ist (diese Information also dem Kompositum
"ver-
erbt" wird), nicht auf die Akzentangabe verzichtet werden, wenn Anfangs- und Stammbetonung seln, ζ. B. umstellen ('
in ein und demselben Präfixverb
wech-
'f. .), und wichtig ist für den Aus-
länder, zu wissen, welcher von zwei Akzenten eines Lexems den Haupt- und welcher den Nebenakzent bildet, denn häufig Nebenakzentangaben vernachlässigt
werden
in allgemeinsprachlichen Wörterbüchern
völlig
f£stkoerp8f y,zi:kj. Der Nebenakzent wird selbst
in Aussprachewörterbüchern nicht einheitlich und durchgängig rücksichtigt, so daß diese für diesen Datentyp keine
Grundlage bilden. Im Lernerwörterbuch findet der Nebenakzent bei Lexemen mit vier und mehr Silben
be-
verläßliche
Berücksichtigung.
erst
180 Die g r ö ß t e n V e r ä n d e r u n g e n sprache
in der V a r i a b i l i t ä t
zeigt die E n d s i l b e n a u s s p r a c h e ,
stark vom S c h r i f t b i l d
Standardaus-
b e s o n d e r s die der
D i e s e V e r ä n d e r u n g e n und V a r i a n t e n sind für den richt im Fach D e u t s c h von g r o ß e r
der
Verben.
Ausländerunter-
B e d e u t u n g , weil die L a u t f o r m
a b w e i c h t und der L e r n e n d e
die in der
hier
Alltags-
s p r a c h e g e h ö r t e V a r i a n t e nicht mit der g e l e r n t e n S t a n d a r d f o r m Verbindung
b r i n g e n kann. Daher w i r d im L e r n e r w ö r t e r b u c h
Alltag dominierende Variante
Form der E n d s i l b e n a u s s p r a c h e
als
die
in
im
wichtigste
angesetzt. Diese Normänderungen betreffen Endsilben
wie
-ngen
(hin), - b e n (bm), - p e n (pm), - m e n (m»n od. m), - n e n (n, n » n ) ,
-chen
(cn) e t c . , d. h. vor allem b, ρ, d, t, g, k + - e n , die
1
in der b ü h n e n s p r a c h l i c h e n
I
t
t
Norm als - n » n k o d i f i z i e r t
Für den A u s l ä n d e r k ö n n e n sich b e i s p i e l s w e i s e
wurden.
für ein Lexem
'haben' drei V a r i a n t e n e r g e b e n : h a : mI , ha:bmI und h a : b e n . Sie unterschiedlich
zu b e w e r t e n , das b ü h n e n s p r a c h l i c h e
eine heute kaum n o c h r e a l i s i e r t e rücksichtigt
ha:ban
stellt
besonders hinsichtlich
[grafi:t, grafit]
L e x e m e , vgl. Physik
regionaler
der L ä n g e und K ü r z e der [fyzi:k, f y z i k 3 ,
Vo-
Graphit
u. a., vgl. auch die V o k a l l ä n g e e i n s i l b i g e r
ter wie Gras, Gas, G l a s , die im N o r d d e u t s c h e n ohne L ä n g e im ü b r i g e n S p r a c h r a u m d a g e g e n mit Länge.
schiede
z e i g e n sich im A n l a u t bei V o k a l e n + r - L a u t , ζ. B.
Regionale
UnterArzt,
Erde ( a r t s t , a : r t s t ; erda, e : * d » ) . Das L e r n e r w ö r t e r b u c h m u ß Varianten berücksichtigen,
da es n i c h t eine von ihnen als
tive Norm f e s t l e g e n kann und nicht den a u s l ä n d i s c h e n
Wör-
gesprochen
werden,
2.2
be-
werden.
kale e n d b e t o n t e r
unsichern
wie
sind
Norm dar und muß daher nicht
N o r m v a r i a n t e n d i e s e r Art e r g e b e n s i c h auch a u f g r u n d Unterschiede,
früher
diese
präskrip-
Benutzer
ver-
will.
Grammatische
In s e i n e m A u f s a t z protokollen"
Angaben
"Fragen zur G r a m m a t i k
f o r d e r t Η. E. W i e g a n d
P l a n u n g neuer W ö r t e r b ü c h e r
in
Wörterbuchbenutzungs-
(1985: 35) "Daß m a n bei
nicht mehr vom p o t e n t i e l l e n
s o n d e r n von d e n k b a r e n B e n u t z u n g s s i t u a t i o n e n
a u s g e h t " , da zu
D a t e n t y p F r a g e t y p e n und W ö r t e r b u c h b e n u t z u n g s s i t u a t i o n e n Benutzer
in
jedem
existieren.
Für den L e x i k o g r a p h e n setzt dies n a t ü r l i c h v o r a u s , daß er nisse darüber besitzt, welche Fragen welcher
der
Benutzer,
Kenntwelcher
181
Situation stellt. Bedauerlicherweise ist die Erforschung dieser Voraussetzungen für die Wörterbuchproduktion erst in Ansätzen vorhanden. In den von Η. E. Wiegand veranlaßten
Wörterbuchbenutzungs-
protokollen gaben ausländische Studenten Auskunft darüber, welche Fragen für sie im Vordergrund bei der Benutzung eines einsprachigen Wörterbuchs standen und ob ihre Wörterbuchbenutzung
erfolg-
reich war. Das Ergebnis dieser Untersuchung zeigte folgende Verteilung der Datentypen in Wörterbuchbenutzungssituationen
: 55 %
der Fragen richteten sich an die Syntax, Morphologie, Wortbildung und Orthographie und nur 45 % an die Semantik, Pragmatik und Textkonstitution. Man muß also davon ausgehen, daß der ausländische Benutzer mehr an grammatischen, als an semantischen Fragen interessiert ist oder besser: daß seine
Wörterbuchbenutzungssituationen
vor allem durch grammatische Wissenslücken bestimmt werden. Bei der Aufzählung der für den Ausländer wichtigen Datentypen nennt Η. E. Wiegand folgende: Genus, Plural, Präteritum, Komparativ, Superlativ, Verbrektion, Adjektivrektion,
Präpositionsschwierig-
keiten, Kongruenz, Adjektivflexion, Verbflexion etc. Diese Angaben decken sich ζ. T. mit denen von Heath (1985), Bergenholtz und auch Böjoint (1981). Heath nennt als Minimalkatalog
(1985)
grammati-
scher Datentypen folgende, für jedes Lernerwörterbuch unverzichtbare grammatische Angaben: unregelmäßiges Verb, Passivbeschränkung, Partizip in Adjektivfunktion, Valenz, Pluralangaben, Valenzen von Substantiven als Attribut, präpositionaler Anschluß bei Substantiven, Steigerung bei Adjektiven, ihre prädikative, attributive Verwendung, und auch Bergenholtz fordert explizite Angaben für Adjektive. Durchgehende Übereinstimmung findet sich bei al-len hinsichtlich der Forderung nach Verbvalenzdarstellung, nach Darstellung der syntaktischen Gebrauchsmuster, vgl. Kromann (1985), Ickler (1985), Zöfgen (1985a), aber auch hinsichtlich der Ablehnung von verb patterns, den verschlüsselten Kodierungsformen von Verbvalenzen und Substantiven, wie sie sich in ALD, im Longman und auch im Wahrig (dtv) finden. Bäjoint (1981) weist darauf hin, daß 10 % der von ihm befragten Studenten die Kodes nicht verstanden und 55 % sie überhaupt nicht benutzt hätten, weil sie für sie vermutlich zu schwierig waren und sie sie wegen des ständigen Nachschlagens als lästig empfunden hätten. Zöfgens (1985a) Einwand gegen verb patterns gründet sich vor allem darauf, daß mit ihrer
182
Angabe noch keine Beschreibung des semantisch-relevanten
Kontextes
gegeben ist (S. 148). Wir teilen diese Bedenken: zwar sollte man das syntaktische Gebrauchsmuster
für jedes Verb erwarten
dürfen,
doch sollten diese Einträge, wenn das Wörterbuch für den Lerner bestimmt ist, benutzerfreundlich
sein, d. h., daß alle
Informatio-
nen möglichst im Klartext und ohne viele Kürzel angeboten (vgl. auch Ickler 1985:
werden
376).
Für die Darstellung grammatischer Datentypen sind vorerst wichtige Fragen zu klären: sind die Datentypen nach einem
einheitli-
chen Grammatikkonzept darzustellen und wenn ja, nach welchem, welche Kenntnisse sind beim ausländischen Benutzer Wenn das Lernerwörterbuch dazu dienen soll, die
und
vorauszusetzen.
Zweitsprachenkom-
petenz des Benutzers aufzubauen, braucht es als Pendant, da Wörterbücher auch als "Inhaltsangabe" der Grammatik fungieren,
eine
Grammatik mit anderen Spezifika als denen, die für m u t t e r s p r a c h liche Nutzer ausreichend sind. Die zugrunde gelegte Grammatik umso geeigneter, je mehr auch sie bemüht ist, die
ist
muttersprachli-
che Kompetenz für den ausländischen Benutzer aufzubauen, und am besten geeignet für diese Spezifik scheint uns die Grammatik Helbig/Buscha
(1984). Sie ist eine Resultatsgrammatik,
von
keine
Problemgrammatik, d. h., sie zielt auf Gebrauchsregeln in der Oberflächenstruktur ab (Vorwort: 17), und die für den Ausländer besonders wichtigen Kapitel der Funktionswörter Präposition, junktion und Partikel finden hier eine den modernen
Kon-
Erkenntnissen
folgende und den Bedürfnissen des Ausländers angemessene
Darstel-
lung. Natürlich kann ein Wörterbuch keine Grammatik ersetzen
(der
Benutzer wird im Wörterbuch ζ. B. nichts über Satzgruppen oder Kommunikationsverfahren dargestellt finden - dies würde den Rahmen eines Wörterbuchs sprengen), und es kann auch nicht zu seinen Aufgaben gehören, alle Regeln und Regularitäten beim
Einzelstich-
wort aufzuführen; das Einzelstichwort kann immer nur den Reflex, die Einzelrealisierung
der grammatischen Regeln und
Regularitäten
bilden, aber das Lernerwörterbuch wird umso lernerspezifischer
und
informativer sein, je mehr es den Benutzer vom Einzelstichwort
zu
den Regeln und Regularitäten zurückführt. Das muß sich in der Weise von einem Wörterbuch für
Lernerwörterbuch Muttersprachler
unterscheiden wie eine Grammatik für Ausländer von einer
Gramma-
tik für den muttersprachlichen Unterricht. Dazu Heibig (1976:
7):
183
"Es versteht sich von selbst, daß zwischen einer Grammatik für Muttersprachler und für Ausländer ein wesentlicher Unterschied besteht. Dieser Unterschied ergibt sich schon daraus, daß die Grammatik im muttersprachlichen Unterricht im wesentlichen nur dazu dient, etwas schon Beherrschtes bewußt zu machen. Die Grammatik für den Fremdsprachenunterricht dagegen muß mehr leisten. Sie muß einen Regelmechanismus für die Bildung und Interpretation von richtigen Sätzen liefern." Man darf davon ausgehen, daß der ausländische, in der Beherrschung der deutschen Sprache
fortgeschrit-
tene Benutzer die Flexionssysteme gelernt hat, daß er ein Grundwissen über die Wortarten und ihre Funktionen besitzt und daß er über die für die Textproduktion notwendigen
Kompetenz-Vorausset-
zungen hinsichtlich der syntaktischen Regeln und Regularitäten verfügt, daß er diese Kenntnisse aber nicht jeweils in ihrer Gänze verfügbar hat. Daher dürfte es aus lernpädagogischen Gründen empfehlenswert sein, im Wörterbuch ständig reflektierte Teile der Morphologie in Form von Übersichtstafeln in das Wörterbuch zu integrieren, ζ.. B. die Flexion unregelmäßiger und regelmäßiger Verben, die Klassen unregelmäßiger Verben, die Nominalflexion, die Flexionsparadigmen von Personal-, Possessiv-, Determinativ- und Interrogativpronomen, Artikel und das System der Zahlwörter. Sie können dazu dienen, seine Systemkompetenz immer wieder aufzubauen oder zu ergänzen. Da der Benutzer bei der Wörterbuchbenutzung in der Regel vom Einzelwort ausgeht, sind die für das einzelne Lexem wichtigen Gebrauchsrestriktionen vollständig anzugeben, und dies in einer Kommentarsprache, die ihm ein unnötiges Nachschlagen erspart. Wichtig scheint uns auch, daß die im Wörterbuch verwendeten sprachwissenschaftlichen Termini der international gebräuchlichsten Terminologie entstammen und dem mit den Mitteln der deutschen Sprache geprägten Terminus vorzuziehen sind. Aus
Gründen
einer effektiveren Wörterbuchnutzung werden daher alle im Wörterbuch verwendeten sprachwissenschaftlichen Termini im Anhang erklärt. Dies erleichtert dem Lerner auch die Benutzbarkeit des Wörterbuchs im Bereich der Wortarten. Man muß davon ausgehen, daß er ein vages Wissen über Definition und Funktion von Wortarten mitbringt, daß dieses Wissen ihn allenfalls zu zwei allgemeinen Aussagen befähigt (Bergenholtz 1983: 24): "a) Wörter der Kategorien Substantiv, Verb und Adjektiv haben (meistens) verschiedene Fle-
184
xionsmuster; b) Wörter der Kategorien Präposition werden stens) mit anderen Wörtern zu einem obliquen Kasus Da auch die Wortartensysteme
(mei-
verbunden."
in Wörterbüchern voneinander
chen, scheint es angemessen, das Wortartensystem einer
abwei-
angegebe-
nen Grammatik zugrunde zu legen. Das Lernerwörterbuch folgt in dieser Hinsicht der Ausländergrammatik
von Helbig/Buscha
Das dort verwendete Wortartensystem wird bis auf die 'Modalwort' und
'Zahladjektiv' übernommen. Statt
der in der Fachliteratur verwendete Terminus
(1984).
Wortarten
'Modalwört'
'Satzadverb'
verwen-
det, weil er für die entsprechende Wortklasse transparenter Für ein Lernerwörterbuch sind Wortartangaben
wird ist.
unverzichtbar.
Durch sie erhält der Nutzer mit dem hinterfragten Lemma erste grobe syntaktische Angaben für die Textproduktion. Verwendet den die folgenden Wortarten: Substantiv, Adjektiv, Verb,
wer-
Hilfs-
verb, Modalverb, Adjektiv, Adverb, Possessivpronomen,
Personal-
pronomen, Determinativpronomen,
Relativpro-
Interrogativpronomen,
nomen, Indefinitpronomen, Satzadverb,
Interjektion,
Präposition,
Konjunktion, Artikel, Partikel (Gradpartikel, Modalpartikel),
Kar-
dinalzahl, Ordinalzahl, Bruchzahl. In wenigen Fällen wird auf eine Wortartangabe
verzichtet.
Im folgenden werden die grammatischen Informationsdaten,
bezo-
gen auf die einzelnen Wortarten, in ihren Organisations- und Darstellungsformen
2.2.1
erläutert.
Das Substantiv
Das Substantiv wird als Wortart durch die Angabe des Genus kenntlich gemacht, auf den Nullartikel wird durch den Kommentar Artikel^
^ohne
hingewiesen; damit entfallen Verschlüsselungen, wie sie
in anderen einsprachigen Wörterbüchern verwendet werden (m, f, η, engl./franz.
= rO. Als Grundform - wie in lexikographischen
Werken
generell angelegt - dient der Nominativ Singular bzw. Plural.
Genus-
varianten werden durch Schrägstriche voneinander abgehoben; ist bei einem polysemen Lexem eine dieser Varianten auf ein Semem beschränkt und ist dieser Gebrauch außerdem stilistisch
restriktiv
gebraucht, so wird diese Restriktion angegeben (Bereich, der / fachspr.
das).
185
Für die Charakterisierung des Flexionstyps wird in Wörterbüchern allgemein der Genitiv Singular und der Nominativ Plural genutzt. Auch der ausländische Nutzer dürfte mit diesen Hinweisen in die Lage versetzt sein, von den Paradigmen auf den entsprechenden Flexionstyp zu schließen; den die Flexionstafel im Wörterbuchanhang aufführt. Schwierigkeiten bieten die aus dem Partizip Präteritum entwickelten Substantive (der Abgeordnete, Abgesandte , Beauftragte etc.), die wie Adjektive je nach dem Artikel stark oder schwach flektiert werden. Diese Eigenheit kann der Ausländer nicht ohne weiteres aus der Angabe der Flexionsparadigmen ablesen, da es auch schwach flektierte Substantive ohne diese Eigenart gibt und generalisierende Hinweise im Vorwort vermutlich nicht von allen Wörterbuchbenutzern nachgeschlagen werden. Daher wäre dieser Datentyp im Lernerwörterbuch deutlicher abzuheben (Abgeordnete, der; -n, -n, aber: ein Abgeordneter, eines Abgeordneten ...). Auch der Genitiv Singular starker Maskulina und Neutra weist hinsichtlich der Weglaßbarkeit des -e- gewisse Regularitäten auf, und alle Vertreter eines Paradigmas sind einheitlich zu charakterisieren; so steht die volle Form -es immer bei Lexemen, die auf einen Zischlaut enden (s, ß, tz, χ, ζ, häufig auch sch, st): Straußes, Fasses, Glases, Gewürzes, die kurze -s-Form dagegen bei solchen Substantiven, die auf -el, -em, -en, -er enden: Lehrers, Karrens. Daneben besteht bei vielen Lexemen schwankender Gebrauch, wobei dem Benutzer der dominierende Gebrauch signalisiert werden sollte durch die Voranstellung der üblicheren Form. Schwierigkeiten ergeben sich für den ausländischen Benutzer auch aus der Flexionsvarianz von Substantiven, die stark oder schwach (meist stark oder meist schwach) flektieren, und häufig ist ein Hinüberwechseln vom schwachen zum starken Paradigma festzustellen; mitunter betrifft dies ganze Felder wie ζ. B. Horizontale Vertikale
Gerade (*wn), Konstante ( ^ η / ^ ) ,
(~Λ*·*η), Senkrechte
(.»/η), Waagerechte (/*>n). Der Lexikograph hat die Aufgabe, die Gebrauchsnorm zu ermitteln, und er muß dem Benutzer diesen Entwicklungsprozeß kenntlich machen. Nur so werden subjektive Entscheidungen vermieden. Auch die Restriktionen im Numerus bilden einen wichtigen Datentyp, zumal wenn sie an stilistische Bedingungen gebunden sind (fachsprachliche, regionale, temporale, soziale Kriterien), und sie befähigen den Benutzer zum grammatisch korrek-
186 ten Gebrauch des Lexems im Satz. Die Restriktionen betreffen den Plural: der Plural ist nicht möglich (Obst, ohne Plural), oder er ist unüblich (Schmuck, vorwiegend Singular); zu bedenken ist auch, daß die Pluralformen von Substantiven, die Materialien, Stoffe bezeichnen, häufig auf fachsprachlichen Gebrauch beschränkt bleiben (Mehl, ohne Plural, fachsprachlich
dgl. Sand, Spiel-
zeug etc.); auch der Singular unterliegt diesen Restriktionen (Kosten, ohne Singular). Kann ein Substantiv nicht flektiert werden, erhält es den Kommentar
. Diese Datentypen wer-
den bei Grundwörtern generell berücksichtigt, da sie sich aber häufig auf die Komposita mit diesen Basislexemen übertragen, muß diese Information nicht beim Kompositum wiederholt werden, sondern es genügt, den Benutzer durch einen Verweis auf das Grundwort darüber zu informieren, wo er weitere Daten über den Wortgebrauch findet. Ist das Basislexem jedoch nicht als Stichwort im Wörterbuch verzeichnet, muß das Kompositum ausreichend charakterisiert werden. Die Charakterisierung geht aber auch über das Morphologische hinaus: Als syntaktische Datentypen werden ζ. B. der präpositionale Anschluß, die Verknüpfung mit bestimmten Adjektiven oder Verben, die enge Bindung an ein Genitivattribut o. ä. berücksichtigt (vgl. dazu 2.5, Syntagmatische
2.2.2
Relationen).
Das Adjektiv
Das Adjektiv wird durch die Markierung ^ A d j . ^
gekennzeichnet.
Der Stichwortansatz weist das Adjektiv in einer flexionslosen Form aus, die dem prädikativen und adverbialen Gebrauch entspricht (blind, nicht: blinder o. ä.). Man darf auch hier wie beim Substantiv voraussetzen, daß der Ausländer gewisse Regularitäten beherrscht wie die der drei Grundfunktionen attributiv, prädikativ, adverbial und daß die attributive Verwendung zwei Flexionsarten einschließt. Wie beim Substantiv sollten diese zwei Flexionsarten im Anhang des Wörterbuchs auf einer Flexionstafel überschaubar
angeboten
werden. Alle weiteren Schwierigkeiten, die sich aus der Kombination mit den Artikeln, Pronomina und weiteren Adjektiven ergeben, können nicht ständig als Muster auf der Kontextebene vorgeführt werden; es empfiehlt sich daher, diese
Verknüpfungsparadigmen
mit in die Tafeln einzubeziehen (der große Bruder, ein großer
187
Bruder, mein großer Bruder, dieser große Bruder, welcher
große
Bruder etc.) oder sie unter MERKE abzuhandeln (vgl. dazu 3.1). Restriktionen betreffen den attributiven, prädikativen und adverbialen Gebrauch (nicht attributiv, nur attributiv, nicht
prädika-
tiv, nur prädikativ, nicht adverbial); sie müssen dem Benutzer durch knappe Markierungen genannt werden, da sie nicht sierbar sind und immer auf das Einzellexem beschränkt Der Umgang mit dem deutschen Adjektiv englisch- oder französischsprachige
bleiben.
ist beispielsweise
für
Benutzer von besonderer
Schwierigkeit, da in ihrer Ausgangssprache der durch ein Suffix
generali-
Adverbgebrauch
(-ly, -ment) vom Adjektiv abgehoben wird, das
Deutsche diesen Gebrauch durch das Morphem jedoch meist nicht deutlich macht (Ausnahmen ζ. B. lang, lange). Das
adjektivische
Adverb ist überdies vom prädikativen Attribut zum Subjekt und Objekt abzuheben (er kam krank nach Hause = er kam als Kranker Hause; er traf sie vergnügt an = er traf sie als Vergnügte Die Charakterisierung
dieser Adjektivfunktion
an).
ist bisher in ein-
sprachigen deutschen Bedeutungswörterbüchern weitgehend
unter-
blieben und meist in die Adverbfunktion einbezogen worden. Lernerwörterbuch
nach
Ein
für den Ausländer muß dem Benutzer mit Hilfe
der Kommentierung die Adverbzuordnung ermöglichen oder Ist beispielsweise ein Adjektiv-Lexem
verbieten.
attributiv, prädikativ
ver-
wendbar, nicht aber adverbial und als prädikatives Attribut, so muß die Kommentierung < nicht bei V e r b >
erfolgen, ist dagegen
die adverbiale Funktion neben der Funktion als prädikatives tribut möglich, so braucht keine Restriktionsangabe und beide Verwendungen können auf der Kontextebene
At-
zu erfolgen dargestellt
werden. Wichtig ist für den Ausländer auch die Unterscheidung Partikel und Adverb (vgl. dazu
2.2.7.3).
Normunsicherheit bereitet die Steigerung der Adjektive, halb dieser Wörterbucheintrag
von
als regulärer Datentyp
wes-
gewertet
werden muß; sowohl die unregelmäßige Steigerung als auch die Konkurrenz regelmäßiger und unregelmäßiger Graduierung wird daher berücksichtigt
(hart; STEIG.: härter, härteste; rot;
STEIG.:
röter/roter, röteste/roteste). Die Wörterbücher verfahren bei der Angabe der Steigerung recht unterschiedlich: Wahrig sches Wörterbuch'
(1968) verzichtet
gänzlich auf diesen
typ, das WDG schwankt bei der Angabe der Paradigmen
'DeutDaten-
zwischen
188
attributiver Verwendung beim Komparativ und adverbialer Verwendung im Superlativ; hier wäre also eine einheitliche Form der Paradigmen vorzuziehen, und am geeignetsten scheint uns die attributive Form. Bei Adjektiven, die regelmäßig gesteigert werden, kann auf die Graduierungsformen verzichtet werden, wenn der Benutzer erfährt, daß in allen Fällen, in denen keine Graduierungsformen geboten werden, die regelmäßige Steigerung angewandt wird. Diese darf zwar als Regelkenntnis vorausgesetzt werden, doch sollte man sie in die Flexionstafeln mit einbeziehen. Nicht alle Adjektive können gesteigert werden, doch finden sich in den synchronischen Wörterbüchern der deutschen Sprache - DudenGWB und dtv-Wahrig ausgenommen - kaum Hinweise auf Restriktionen dieser Art. "Auf das Fehlen der Steigerung wird nur in besonderen Fällen hingewiesen (ζ. B. alt 6,7), während alle die Adjektive, die aufgrund ihrer Bedeutung nicht gesteigert werden können (ζ. B. abspenstig, achtbässig) nicht besonders gekennzeichnet werden" (WDG. Vorwort: 022). Auf die Bedeutung beruft sich auch die Grammatik von Jung (1966: 325): "Nicht gesteigert werden ... Adjektive, deren Bedeutung die Vorstellung eines Mehr oder Minder ausschließt: dreieckig, rund, halb, jährlich, mündlich, tot, stumm, leer ... lebendig
...". Die genannten Beispiele zeigen, daß die
Gruppe nicht einheitlich einzustufen ist und der Usus mehr zuläßt, als allgemein eingeschätzt wird, weshalb präskriptive Hinweise auf die Nichtgraduierbarkeit mit großer Vorsicht gegeben werden sollten. Für den ausländischen Benutzer sind diese Hinweise natürlich wichtig, da die Normunsicherheit auf diesem Terrain besonders groß ist. Erwarten dürfte man von einem Lernerwörterbuch dieses Typs, daß zumindest die Lexeme, die logisch eine Graduierung, sie aber usuell nicht zulassen, mit dem Hinweis < o . Steig. >
ver-
sehen werden. Und Schwierigkeiten ergeben sich selbst für den Muttersprachler bei der Graduierung von Adjektivkomposita mit dem Adjektiv als erstem Glied, da in einigen Fällen sowohl der erste als auch der -zweite Teil die Steigerungsendungen annehmen kann: naheliegendste oder nächstliegende. Überdies sollten generell für Adjektivkomposita grammatische Darstellungsformen gewählt werden, wie sie für Substantivkomposita angewandt werden, d. h., bestehen Unterschiede hinsichtlich der Restriktion zwischen Basislexem und dem selbständigen Lexem, so sind diese (beim Kompositum) anzugeben,
189 sind Basislexem und Lexem identisch, kann vom Kompositum auf das Grundwort verwiesen werden. Diese Form ist ökonomisch und spart doch keine für den ausländischen Benutzer wichtige
Information
aus.
2.2.3
Das Adverb
Auch das Adverb, das nichtadjektivische
Adverb, kann - wenn
nicht generell - verschiedene Funktionen haben, die
adverbiale,
seltener die prädikative und attributive. Es ist nicht bar, jedoch beschränkt graduierbar
auch
flektier-
(viel, mehr, am meisten).
che dieser Informationen sind dem Benutzer zu signalisieren,
Welund
was ist als Regelkenntnis bei ihm vorauszusetzen? Wir setzen das Wissen um die Nichtflektierbarkeit
voraus. Alle anderen
tionen (Graduierbarkeit und Nichtgraduierbarkeit,
Informa-
attributiver,
prädikativer und adverbialer Gebrauch) werden soweit als möglich in den Wörterbuchartikel eingearbeitet. So ist das lokale hier nicht graduierbar
Adverb
(doch gilt dies für lokale Adverbien
gene-
rell und braucht m. E. nicht gesondert hervorgehoben zu werden), aber adverbial, prädikativ und attributiv
in Postposition - je
nach Gebrauch - verwendbar, vgl. er ist hier, arbeitet hier, der Mann hier, dieses Buch hier. Die Restriktionen verteilen sich in unterschiedlicher
Kombination auf die einzelnen Bedeutungen,
und
sie bilden wichtige Informationen für den Nutzer. Für den Ausländer bilden auch die Alternativformen einiger Adverbien
(gern/gerne,
lang/lange) besondere Schwierigkeiten hinsichtlich ihrer
Distribu-
tion. Das Lernerwörterbuch sollte daher in der Kontextsphäre
die
ausschließliche Verwendung der - e - F o r m kenntlich machen (vgl. den Musterartikel
gern).
Die Superlativformen auf -st (möglichst) und - e n s
(schnellstens)
werden als selbständige Stichwörter angesetzt und durch mit dem Basislexem Satzadverb:
Verweise
verbunden.
In der Beschreibung der Satzadverbien geht das Lerner-
wörterbuch neue Wege, denn obwohl sie morphologisch und in ihren Stellungseigenschaften
an der Oberfläche nicht vom Adverb zu unter-
scheiden sind (Helbig/Buscha
1984: 501), drücken sie nicht wie die
Adverbien das objektive Merkmal des Geschehens aus, sondern die
190 subjektive Einschätzung des Sachverhalts durch den Sprecher. Satzadverb ist ein Einstellungsoperator,
ist Ausdruck der
lung des Sprechers zu dem mit dem Satz ausgedrückten
Das
Einstel-
Sachverhalt
(Döpke 1988). Es bezieht sich nicht auf das Verb, sondern auf den es für wahrscheinlich, daß er schon geschlafen hat.
Semantisch
handelt es sich dabei meist um unterschiedliche Grade der
Gewiß-
heit, mit denen der Sprecher die Geltung des Sachverhaltes tet. Bislang wurde diese Wortkategorie
in den
bewer-
Bedeutungswörterbü-
chern nicht gesondert dargestellt, sondern einfach zu den gerechnet; damit wurde es nolens volens semantisch und
Adverbien
funktional
dem Geschehen des Verbs zugerechnet, was in einem Wörterbuch für den ausländischen Nutzer dazu führen kann, daß das Satzadverb die Textproduktion adverbial verwendet wird. Satzadverbien ten daher die Kennzeichnung
^Satzadv.>
ihrer Funktion als Einstellungsoperatoren klärung näher
und werden durch die
für
erhal-
hinsichtlich Bedeutungser-
charakterisiert.11
Zur Abgrenzung von Adverb und Partikel vgl. Partikel zum Adjektivadverb und zum prädikativen Attribut vgl.
(2.2.7.3),
Adjektiv
(2.2.2).
Für den Muttersprachler sind diese Angaben der tionen vermutlich weniger notwendig, weshalb ein für den Muttersprachler darauf verzichten
2.2.4
FunktionsrestrikLernerwörterbuch
könnte.
Das Verb
Die Flexionsparadigmen des Verbs zählen in Wörterbüchern und also auch im Lernerwörterbuch zu den Standardinformationen,
dabei wer-
den die Formen des unregelmäßigen Verbs verschlüsselt oder
unver-
schlüsselt angegeben, die des regelmäßigen Verbs nicht (weil als reguläre Form vorausgesetzt, vgl. WOG: sagen /Vb./; hier wurde sogar auf die Perfektangabe verzichtet, weil das Perfekt mit haben
als Standardform vorausgesetzt wird) oder als solche ge-
kennzeichnet
(ζ. B. HDG: sagen sw. Vb. ; hat), d. h., in Verbin-
dung mit der Flexionsangabe erfolgt zumeist auch die
Perfektanga-
be mit haben/sein. Der Versuch, den Perfektgebrauch indirekt die Angaben intransitiv/transitiv
auszudrücken
(vgl. Wahrig
durch 1968),
scheint u. E. nicht geeignet, da gewisse transitive Verben kein
191 Passiv bilden und intransitive Verben auch das Perfekt mit haben zulassen, so daG in jedem Fall dem ausländischen Benutzer alle Besonderheiten dieser Art vermittelt werden müßten. Unser
Lerner-
wörterbuch verfährt in der Weise, daß es die Stammformen des unregelmäßigen Verbs unverschlüsselt anführt, die des Verbs mit dem Kommentar
im P r ä t . ^ ^nur
,
^ nicht im P e r f . ^
im I n f . ^
, ^ nur im A k t . ^ ,
^ nicht
^ Prät. nur im Nebensatz ^ ,
etc., doch wird auf Futur- und
restriktionen nicht näher
,
Plusquamperfekt-
eingegangen.
Als besondere Schwierigkeit für den ausländischen
Wörterbuch-
benutzer darf man wohl die Zuordnung der Flexionsparadigmen regelmäßiger Verben zum entsprechenden
un-
Infinitiv ansehen. Da er
vom Text ausgeht und sich zunächst mit einer unregelmäßigen
Verb-
form konfrontiert sieht, ist nicht auszuschließen, daß er nicht an die weiteren Informationen gelangt, weil ihm der Zugang zum Infinitiv verwehrt ist. Deshalb ist es zu empfehlen, die
Präteri-
tum- und Partizip-II-Paradigmen zusätzlich als Stichwörter nehmen und von ihnen auf den Infinitiv zu verweisen. Eine
aufzuFlexions-
tafel mit den unregelmäßigen Verben kann zu weitergehenden
Infor-
mationen führen. Auch sollte vom Infinitiv jedes einzelnen
unre-
gelmäßigen Verbs auf die Flexionstafel verwiesen werden. Auf diese Weise wird die Systemkompetenz des Nutzers erweitert und gefestigt. Entscheidend für die Qualität eines Lernerwörterbuchs aber
scheint
uns die Einführung des syntaktischen Gebrauchsmusters in unverschlüsselter Form. Dabei ist möglichst viel an Informationen dem Valenzwörterbuch
in das Lernerwörterbuch zu übernehmen.
setzt jedoch voraus, daß in der Praxis eine Abgrenzung freien, obligatorischen und
aus Dies
zwischen
fakultativen Verbergänzungen
durch-
gängig machbar ist. In ihren überarbeiteten Auflagen haben Heibig/ Schenkel (1982) diesbezüglich anstelle einer Dreiteilung eine Zweiteilung vorgenommen; letztere unterscheidet lediglich die enge Verbergänzung von der freien, und die enge Verbergänzung
umschließt
obligatorische und fakultative Aktanten. Dies erweist sich in der lexikographischen Praxis als umsetzbar und enthebt den
Wörterbuch-
autor der Schwierigkeiten, obligatorische von fakultativen
Aktan-
ten abzugrenzen, was beim objektlosen Gebrauch transitiver
Verben
192
(er ißt Brot, er iGt) in der Wörterbuchpraxis
immer
Schwierigkei-
ten bereitet hat und durch Benutzung von Klammern zu lösen versucht wurde, aber dadurch häufig in der Darstellung zu einer
Über-
lappung von fakultativen und freien Aktanten geführt hat. In der Regel wird das syntaktische Gebrauchsmuster mit der
infinitivischen
Form des Verbs dargestellt. Die Rektion wird durch jmdm. (= Person, Dativ), jmdn. (Person, Akkusativ), etw.
^Dat.^
(Sache,
Dativ),
etw. (Sache, Akkusativ) verdeutlicht, wobei gleichzeitig das belebte und unbelebte Objekt semantisch grob charakterisiert Auch das pluralische Objekt wird im Gebrauchsmuster (zwei od. mehrere Betriebe zusammenfassen).
werden.
ausgedrückt
Da aus dieser
tivischen Darstellung nichts über den Subjektaktanten
infini-
hervorgeht,
wird in diesem Lernerwörterbuch erstmals bei infinitivischer stellung des Gebrauchsmusters der Subjektaktant gesondert stellt
(vgl. Musterartikel gehen, herstellen, anfangen,
Dafür dienen die folgenden Kennzeichnungen:
Dar-
darge-
dürfen).
/jmd./, /etw./,
/Insti-
tut/, /Betrieb/, /Organisation/ (= hum abstr.), /Tier/; /zwei od. mehrere
(jmd.)/, /zwei od. mehrere
(etw.)/, /zwei od. mehrere
(Tier)/, /Pflanze/ u. a. Sie stehen vor dem
Konstruktionsmuster.
Ist das Subjekt jedoch auf die Spezies eingeschränkt
(ζ. B.
bellen: der Hund, Fuchs bellt), ist die finite Form mit der präzisen Angabe des Subjekts vorzuziehen.
Ist der Kommentar so ge-
nerell nicht möglich, ist die Verbindbarkeit eingeschränkt,
so
kann dies durch ζ. Β. angedeutet werden: etw., ζ. B. ein Fenster, liegt nach Süden (vgl. Musterartikel
gehen).
Mit diesen restriktiven Kommentaren werden dem
ausländischen
Benutzer, dessen Kompetenz ja gerade bei der Beurteilung cher Verknüpfungen versagt, für die Sprachproduktion Hinweise
mögli-
wichtige
gegeben.
Bei der Darstellung des reflexiv gebrauchten Verbs hat der Lexikograph den Lerner vor allem auf folgende Kriterien für die Textproduktion hinzuweisen: - das Verb wird nur reflexiv verwendet - das Verb wird auch reflexiv - das Verb wird nur reziprok - das Verb wird auch reziprok
(Dat. od. Akk.)
verwendet verwendet verwendet.
193
Daher wird im Lernerwörterbuch nur das ausschließlich
reflexiv,
reziprok gebrauchte Verb als Stichwort mit dem Reflexivum
ange-
setzt. Die reflexiven Verbvarianten werden dagegen als Teil des syntaktischen Gebrauchsmusters dargestellt. Für den Benutzer bei bloßer Angabe des Reflexivums weder aus dem
ist
Stichwortansatz
noch aus dem Konstruktionsansatz ohne weiteres ersichtlich, ob es sich um einen Akkusativ oder um einen Dativ handelt, für den Muttersprachler ist diese Kenntnis auch vorauszusetzen. bei der Charakterisierung
Das WDG geht
des Reflexivgebrauchs vom Akkusativ
als
dem regulären Datentyp aus und kommentiert ihn nicht, dagegen aber den Dativ (sich /Dat./ die Hände waschen) und umgeht
weitgehend
die Kommentierung des reziproken Gebrauchs. Duden-GWB stellt die Rektion im Kontext dar und verzichtet beim Stichwortansatz jede Kommentierung. Es empfiehlt sich daher, das Reflexivum
auf näher
zu charakterisieren, sei es durch Kürzel oder durch Kommentierung.· sich
^Dat.^
etw. kaufen. Entsprechend sollten auch
reziproke
Verben deutlicher kenntlich gemacht werden: /zwei od. mehrere/ sich ^ r e z . ^
streiten oder ähneln:
ist auch auf die Form des
Partizips nach vorangehendem Infinitiv hinzuweisen, zum
Beispiel
hat gedurft/nach vorangehendem Inf.: hat . .. dürfen. Entgegen den linguistischen Darstellungen 1963, Grundzüge 1981 u. Helbig/Buscha
(vgl. v. Polenz
1984) wird im Lernerwörter-
buch auf die Darstellung des Funktionsverbs verzichtet.
Gegenwär-
tig bereitet die exakte Abgrenzung des Funktionsverbs von semantisch voll funktionsfähigen Verben sowie die Beschreibung Kriterien noch erhebliche Schwierigkeiten. zahl in den Grammatiken
(vgl. Helbig/Buscha
1981), und ihre Charakterisierung des Deutschen ist uneinheitlich
1984 und
in synchronischen
(vgl. die
die semantische
Grundzüge Wörterbüchern
Gesamtwörterbücher
Duden-GWB und WDG, in denen die Darstellungsskala tigen Charakterisierung
der
Es schwankt ihre An-
von der
eindeu-
als Wortkategorie bis zu Hinweisen auf
"Entleerung", bis zur Angabe des
Strukturtyps
und seiner Substituierbarkeit durch ein Vollverb reicht. Im Aufbau eines Wörterbuchartikels müßte die Charakterisierung
eines
Semems als Funktionsverb eine einheitliche Interpretation
aller
damit verbundenen. Gefüge voraussetzen. Da als Kriterien des Funktionsverbgefüges die Substituierbarkeit durch ein Vollverb das Vorhandensein eines Verbalabstraktums genannt werden, viele Gefüge aus. Es zeigt sich, daß zwar ein Kern von verben existiert, daß aber daneben viele Verben diese nur bis zu einem gewissen Grade Funktionsverbgefüge
und scheiden
FunktionsMerkmale
ausweisen.
stehen im Spannungsfeld zwischen
Wortverbindungen und Phraseologismen.
freien
Ihre Semantik ist nicht völ-
lig umgedeutet, und ihre Verben sind zwar semantisch
entleert,
aber doch noch als eigenständige Lexeme zu werten; das Substan-
195
tiv ist der eigentliche Träger der Verbbedeutung. Unter des Funktionsverbbegriffes
Umgehung
werden daher im Lernerwörterbuch
diese
Fügungen durch den Kommentar /in der verbalen Wendung/, /in den verbalen Wendungen/ kenntlich gemacht, und es wird vom Verb auf das Substantiv verwiesen, wo ihre Bedeutungserklärung
erfolgt. Sie wer-
den in ihrer Darstellung wie Verben behandelt, d. h., sie erhalten Hinweise auf die semantische Ausfüllung der Subjekt- und Objektaktanten . Verbkomposita,
Präfixverben
Präfixverben und Verbkomposita werden wie Grundverben
dargestellt,
dies im Gegensatz zu den Substantiv- und Adjektivkomposita, Benutzer wird überdies über die Trennbarkeit und der Verben
2.2.5
informiert.
Das Pronomen
Grundsätzlich gilt für alle Pronomina, außer für die pronomina, da sie hinsichtlich der Flexion keine Gruppe bilden, daß ihre Flexionsparadigmen
Indefinit-
einheitliche
im Wörterbuchanhang
überschaubar dargestellt werden. Ihre Wortartzuweisungen ^ und
Der
Untrennbarkeit
Personalpron.>
, ^Possessivpron.>
^Indefinitpron,
,
^Interrogativpron.>
,
K. Relativ-
pron.^ .
2.2.5.1
Das
Personalpronomen
Für die Charakterisierung des Personalpronomens und seine
diffe-
renzierende Einordnung in das System der Personalpronomina
dient
die Angabe des Numerus und des Genus (außer bei der 1. und 2. Person), ζ. B. für sie:
^3.
Pers. Sing. Fem. im Nom. u. Akk. und
3. Pers. Plur. im Nom. u. A k k . ^
und der Hinweis darauf, daß sie
ausschließlich substantivisch verwendet werden (vgl.
Musterarti-
kel sie). Damit wird deutlich, daß das Formativ zwei Kasus entspricht. Da die übrigen Kasus nicht mit dem Formativ
übereinstim-
men, empfiehlt es sich, für den ausländischen Benutzer
diese
Flexionsformen als Stichwörter aufzunehmen und sie auf die Grundform zu verweisen
(ihr, ihren, ihrer). Durch den Verweis auf die
196 Flexionstafel wird der Benutzer zum System der
Personalpronomina
geführt. Hier erhält er einen Überblick und wird befähigt, Systemkompetenz zu erweitern. Besonderheiten bilden die formen dij, Sie, auf die in der Kontextebene der Artikel, auch im Merke-Kommentar
seine
Anredeaber
in narrativer Form näher eingegangen
wer-
den kann.
2.2.5.2
Das
Possessivpronomen
Im Unterschied zum Personalpronomen ist das Possessivpronomen ein Adjektiv adjektivisch und substantivisch verwendbar,
wie
weshalb
bei seiner Darstellung diese Funktion für den Artikelaufbau mit bestimmend 1.1.
ist:
^adj.^
1.2.
^subst.^
(vgl. Musterartikel
unser);
da es adjektivisch wie ein starkes Adjektiv flektiert, tivisch mit Artikel wie ein schwaches Substantiv ohne Artikel wie ein starkes Substantiv
(die
substanunseren),
(unserer), dürften diese
Eigenheiten dem Benutzer Schwierigkeiten bereiten und müßten in die Darstellung einbezogen werden, dgl., daß das mit dem
Posses-
sivpronomen verbundene Adjektiv schwach flektiert wird außer im Nominativ und Akkusativ. Auch das Possessivpronomen erhält eine Genuszuweisung
(unser: Mask. u. Neutr., Fem. unsere) und wird
durch Tafelverweise mit den übrigen (dein, euer, ihr, mein,
sein)
verknüpft. Für den Benutzer nützlich scheint überdies die Darstellung des Zusammenhangs zwischen Possessivpronomen und Personalpronomen (ζ. B. unser
^Possessivpron.
zum Personaipron. wir
und umgekehrt. Auf diese Weise sieht er beide Wortarten im Zusammenhang.
2.2.5.3
Das
Demonstrativpronomen
Das differenzierte Feld der Demonstrativpronomina sche Demonstrativpronomina
(substantivi-
und demonstrative Artikelwörter)
hält sich morphologisch wie Artikelwörter.
Ihre
men werden wie die der anderen Pronomina auf einer dargestellt. Die grammatische Charakterisierung
ver-
FlexionsparadigFlexionstafel
umschließt
Genusangabe für das betreffende Lexem, den Hinweis auf die
die Formen
)
197
der anderen Genera und des Plurals sowie ihre Gliederung 2.2.5.2) nach adjektivischer und substantivischer tig sind auch syntaktische Verknüpfungshinweise ^subst.
(+ lok. A d v . ) >
ralen Adv. best. ^
(vgl.
Funktion.
Wich-
(ζ. B. dieser
= dieser da, dort oder < a d j .
in tempo-
: in diesem Monat; Ende dieses Jahres etc.)
und der Hinweis für den Benutzer, daß das nachfolgende immer schwach flektiert wird. Zur grammatischen
Adjektiv
Information
rech-
nen wir auch die nähere Charakterisierung der Verweisfunktion Satz (zurückweisend,
2.2.5.4
Das
im
vorausweisend).
Indefinitpronomen
Indefinitpronomina bilden eine umfangreiche und recht
unterschied-
liche Gruppe, sowohl hinsichtlich ihrer morphologischen als auch ihrer syntaktischen Eigenheiten. Einige von ihnen (ζ. B. man) werden nur substantivisch verwendet, andere sowohl als auch adjektivisch gebräuchlich
substantivisch
(ζ. B. einige), einige sind nur im Singular
(man), einige vorwiegend im Plural (ζ. B. einige,
substantivisch vorwiegend im Plural, adjektivisch, wenn auch seltener, jedoch auch im Singular). Für den ausländischen
Benutzer
ist wieder der Hinweis auf morphologische und syntaktische
Restrik-
tionen angezeigt, ζ. B. ist man nur substantivisch und im Nominativ Singular gebräuchlich, es ist unflektierbar, und für den Dativ und Akkusativ
treten einem und einen ein. Daher müssen man
und einer wechselweise durch Verweise aufeinander bezogen
werden,
vgl. Musterartikel man. Adjektivische und substantivische
Verwen-
dung sind häufig auch in ihren semantischen Bezügen zu unterscheiden, ζ. B. ist das substantivische Pluraletantum einige
vorwiegend
auf Lebewesen bezogen, während der adjektivische Gebrauch im Singular nicht auf Lebewesen
(Menschen, Tiere) bezogen werden kann.
Die Gliederung erfolgt wie beim Possessivpronomen und Demonstrativpronomen nach syntaktischen Kriterien, und auch hier ist der Hinweis zu berücksichtigen, daß das folgende Adjektiv stark tiert wird.
flek-
198 2.2.5.5
Das
Interrogativpronomen
Da die Interrogativpronomina morphologisch und syntaktisch
keine
einheitliche Gruppe bilden und entweder nur substantivisch
(wer,
was) oder substantivisch und adjektivisch fungieren (welcher, für einer, was für welche), ζ. T. kein vollständig Deklinationssystem
was
ausgebildetes
aufweisen (wer, was) und auch hinsichtlich
Genus Unterschiede zeigen, sind für den Benutzer folgende typen sichtbar zu machen: Das Interrogativpronomen
des
Daten-
ist nur sub-
stantivisch oder substantivisch und adjektivisch gebraucht. Der Formenbestand wird auf Übersichtstafeln dargestellt, darauf
wird
vom Einzelwort verwiesen. Restriktionen hinsichtlich des Genus und des Numerus: ζ. B. wer
,
^ Gattungszahl>
...).
Kardinalzahl: Vom Lerner darf man erwarten, daß er weiß, daß Kardinalzahlen in der Regel nicht flektierbar sind. Die Ausnahmen müssen ihm genannt werden: nur die Zahl eins (ein) wird vollständig flektiert, zwei und drei im Genitiv bei Nullartikel, zwei bis zwölf (mit Ausnahmen) substantivisch im Dativ. So erhält beispielsweise die Zahl drei folgende Kommentierung: ^ K a r d i n a l z a h l 3; adj. ο. Art. im Gen. PI. dreier; subst. mit best. Art. im Dat. PI. dreien ^ . Da nur die wichtigsten Karinalzahlen (1-13, 20, 40 ... 100, 1000, 1000000) dargestellt werden, kann eine Liste der Kardinalzahlen im Wörterbuchanhang einen Überblick über das Zahlensystem
vermitteln.
Dem Ausländer macht die Abweichung der sprachlichen Abfolge gegenüber der Ziffernabfolge Schwierigkeiten (ab 13, ζ. B. 21 = einundzwanzig, 22 = zweiundzwanzig); sie unterscheidet sich ζ. B. vom
200
Englischen, Französischen und Russischen (twenty-one, vingt et un, dvazatj odin). darauf wäre, da ja von den Zahlen von 13 bis 99 nur Prototypisches berücksichtigt werden kann, in der Liste hinzuweisen
gesondert
(vgl. Helbig/Buscha 1984: 322). Auch der Gebrauch von
ein und eins bei 1 ist nicht als reguläre Information
vorauszuset-
zen, überdies ist ein (1) mit dem unbestimmten Artikel ein formal identisch, und auf diese Nachbarschaft muG der Benutzer
hingewie-
sen werden. Auch müssen nicht alle berücksichtigten Zahlen im Wörterbuchteil eine explizite Darstellung aufweisen; es genügt, wenn Prototypisches ausführlich dargestellt und anderes darauf sen wird. Für eine Übersichtstafel eignen sich auch die angaben
verwie-
Uhrzeit-
(11.45 Uhr = elf Uhr fünfundvierzig oder: dreiviertel
es ist halb eins oder halb ein Uhr etc.). Zur Datumsangabe
zwölf,
vgl.
Ordinalzahlen. Ordinalzahlen flektieren wie Adjektive mit bestimmtem
Artikel
schwach, mit unbestimmtem stark. Diese Regel könnte beim
Benutzer
vorausgesetzt werden, doch dürfte der Stichwortansatz auf -(s)te eher irritieren, vgl. dagegen den Adjektivansatz lang, kurz etc. Wahrscheinlich genügt es aber, diese Regel bei einer
Ordinalzahl
zu exemplifizieren und alle anderen Ordinalzahlen auf diese form zu verweisen
(achte vgl. dritte), wobei die Spezifika
Grundin
der Verwendung einzelner Ordinalzahlen bei jeder Ordinalzahl sondert dargestellt werden
ge-
sollten.
Zu unterscheiden sind bei den Ordinalzahlen der
adjektivische
und substantivische Gebrauch, wobei letzteres im Zusammenhang Herrschernamen
mit
(Heinrich VIII. = Heinrich der Achte) und mit Da-
tumsangaben eine besondere Darstellung verlangt
(am 01.05. = am
ersten fünften; Berlin, den 1.5. = den ersten fünften); hier ist ein Verweis auf die Tafel
'Datumsangabe'
angebracht.
Gattungszahlen sind im WDG und HDG bisher ohne
Wortartzuweisung
aufgeführt, sie werden erstmals im Duden-GWB entsprechend
gekenn-
zeichnet. Für den Benutzer sind dabei folgende Daten wichtig: sie sind unflektierbar und stehen in der Regel mit
Nullartikel;
hunderterlei und tausenderlei bezeichnen im Unterschied zu den anderen, die immer eine bestimmte Anzahl verschiedener Arten von Personen und Nichtpersonen bezeichnen und meist von niederen Kar-
201 dinalzahlen gebildet sind (zweierlei
... neunerlei,
zehnerlei),
keine bestimmte Anzahl, sondern eine unbestimmte sehr große (vgl. Helbig/Buscha
1984:
Zahl
331).
Wiederholungs- und Vervielfältigungszahlen
basieren auf -malig
(Wiederholung) und -fach (Vervielfältigung). Da das Wörterbuch die Möglichkeit bietet, produktive Wortbildungsmittel ständige Stichwörter anzusetzen, können in einem
als selb-
Lernerwörterbuch
die Darstellung einzelner Prototypen und das generelle dungsmuster kombiniert werden, d. h. von einzelnen
Wortbil-
Stichwörtern
kann auf -malig, - f a c h verwiesen werden, ohne daß eine
explizite
Darstellung erfolgen muß, von -malig, -fach kann auf einige ge Komposita mit dieser Basis verwiesen werden, um dem
weni-
Benutzer
über das einzelne Stichwort hinaus das System transparent zu machen. In diesem Zusammenhang
ist auch im MERKE-Kommentar auf das
Nebeneinander von doppelt und zweifach und -malig und -mal einzugehen; von -malifl kann auf -mal und umgekehrt verwiesen
werden,
um dem Benutzer zu zeigen, daß -malig (adj.) im Gegensatz zu -mal (adv.) flektierbar
ist.
Bruchzahlen finden im Lernerwörterbuch - wie in Wörterbüchern überhaupt - nur beschränkt Aufnahme. Die bisherige sche Darstellung hat überdies ihre überwiegende
lexikographi-
Unflektierbarkeit
(Ausnahmen: ein, auch zwei als Zähler, halb als Nenner) und ihre restriktive Verwendung
(nur attributiv) als Datentyp
unberück-
sichtigt gelassen. Da auch die Bruchzahlen nicht in ihrer
Gänze
dargestellt werden können, wäre zu empfehlen, auf die Zahlen von 1 bis 10 als Nenner hinzuweisen
(1 = ganz, 2 = halb), aber die
Nenner von 4 bis 10 auf drittel zu verweisen und dort Bedeutung und Funktion und Gebrauch des Prototyps
explizit
darzustellen,
das gleiche gilt für die substantivierten Formen, bei denen zusätzliche Informationen wie Zusammenschreibung Zehntelsekunde) und die Varianz (viertel zu berücksichtigen
sind.
(Viertelstunde,
Sekunde/Viertelsekunde)
202
2.2.7
Die Funktionswörter
Nach Helbig/Buscha (1984: 21) fassen wir unter dem Begriff Funktionswort die Fügewörter (Präposition und Konjunktion), die Partikel und den bestimmten und unbestimmten Artikel zusammen. Sie üben im wesentlichen grammatische Funktionen aus (vgl. aber die Partikel 2.2.7.3). Da von ihrer grammatischen Funktion nicht immer eine spezifische lexikalische Bedeutung getrennt werden kann - Funktionswörter haben keine anschaulichen
(außersprachlichen)
Denotate, ihre Denotate sind im wesentlichen innersprachlich stellt die Beschreibung ihrer Bedeutung zugleich auch die Beschreibung ihrer grammatischen Funktion dar. Sie sind in der Regel (abgesehen vom Artikel) morphologisch unveränderlich, dies wird als Grundkenntnis beim ausländischen Benutzer vorausgesetzt, aber auch im Verzeichnis der verwendeten sprachwissenschaftlichen Termini in der Worterklärung berücksichtigt. Im übrigen aber bilden diese in der Kommunikation sehr häufig vorkommenden Wortkategorien wegen ihrer innersprachlichen Funktionen für den Nichtmuttersprachler beim Erwerb der Zweitsprachenkompetenz die größte Hürde, weshalb ihrer Darstellung im Lernerwörterbuch eine besondere Bedeutung zukommt. Ihre lexikographische Darstellung umfaßt daher die Beschreibung ihrer semantischen Komponente und die Beschreibung der grammatischen Funktionen. Da die reine Beschreibung der Gebrauchsbedingungen beim Nutzer ein hohes Maß an Kenntnissen und Rezeptionsfähigkeit voraussetzt, sind viele treffende Beispiele, die die Verwendung der Funktionswörter transparent machen, für den Lerner besonders hilfreich. Das Lernerwörterbuch wird seinem Zweck, dem Benutzer bei der Überwindung seiner
Systemunsicherheit
behilflich zu sein, um so eher gerecht, je mehr es die Wörterbuchartikel von Stichwörtern dieser Wortkategorien nicht isoliert anlegt, sondern zu den ähnlichen und vergleichbaren,
insbesondere
aber zu den Dominanten in Beziehung setzt, ihre Gemeinsamkeiten, aber auch ihre Unterschiede beschreibt. Die lexikographische Darstellung der Konjunktionen und Partikeln hat erst in der jüngsten Zeit die Aufmerksamkeit der linguistischen Forschung auf sich gelenkt. Bis dahin waren Konjunktionen in Wörterbüchern weitgehend nach semantischen Kriterien beschrieben, und ihre syntaktischen Gebrauchsbedingungen blieben am Rande. Die Partikeln waren nur in
203 Ansätzen als selbständige Wortkategorie erfaßt und unter dem Adverb mit abgehandelt, wobei ihre kommunikative Funktion meist keine Berücksichtigung fand. Dies aber entsprach auch dem linguistischen Erkenntnisstand (vgl. Grundzüge einer deutschen Grammatik)12.
2.2.7.1
Die Präposition
In den synchronischen Gesamtwörterbüchern, die vor allem für Muttersprachler konzipiert sind, beschränkt sich die Darstellung der Präpositionsfunktionen vor allem auf die Angabe der Rektion und die allgemeine Charakterisierung ihrer semantischen Eigenschaften. Zur Angabe der syntaktischen Regularitäten gehört aber auch die Stellung der Präposition. Auf sie wurde in diesen Wörterbüchern nur dann Bezug genommen, wenn Alternanz im Spiel war, nämlich Präund Poststellung (gemäß, nach: gemäß seiner Anweisung/seiner Anweisung gemäß; nach seiner Meinung/seiner Meinung nach). Von einer Kommentierung dieser Alternanz wurde allerdings abgesehen; es wurde dem Benutzer überlassen, sie aus der Konstellation der Kontextbeispiele abzulesen. Die überwiegende Stellung der Präpositionen, die Prästellung, wurde als Regelkenntnis vorausgesetzt und nicht gekennzeichnet. Ein Lernerwörterbuch darf auf diese Information nicht verzichten, da Prästellung, Poststellung und Circumstellung als Positionen möglich sind und die jeweilige obligatorische Position einer Präposition als interiorisierte Kenntnis beim ausländischen Nutzer nicht vorausgesetzt werden kann. Bei der Charakterisierung
ihrer
semantischen Eigenschaften deutet sich in den Gesamtwörterbüchern eine gewisse Unsicherheit hinsichtlich der Bewertung der semantischen Kriterien an. Das WDG und Duden-DWB betonen den Bezeichnungscharakter der Präposition, wenn sie als stereotype Definitionsmarke "bezeichnet" verwenden. Haben Präpositionen eine Bedeutung oder nicht? "Einhelligkeit herrscht ... darüber, daß Präpositionen
die spezifische semanti-
sche Funktion haben, die in einem Satz bezeichneten Personen, Gegenstände, Sachverhalte in eine inhaltliche Relation zueinander zu setzen, bzw. die Relation, in der sie zueinander stehen, inhaltlich zu charakterisieren" (Schaeder 1985: 282). Diese semantische
204
Funktion wird im Lernerwörterbuch kierung
in Form einer semantischen
(temporal, lokal) im Rahmen einer Kommentierung,
in Form einer einsetzbaren Paraphrasierung
geboten, für die Kom-
mentierung werden, sofern dies möglich ist, international liche Zeichen verwendet
Mar-
nicht gebräuch-
(lokal, temporal, kausal), um dem Nutzer
die Rezeption zu erleichtern. Geht man davon aus, daß
Präposi-
tionen für sich allein kein Satzglied darstellen können und nur als Bestandteil von Wortgruppen an der Bildung von
bestimmten
Satzgliedern beteiligt sind (Schröder 1986), so wären sie als separate lexikalische Einheiten nur im Hinblick auf die
Präpositio-
nalphrase, in der sie fungieren, darstellbar. Dem entsprechen auch die neuesten Darstellungen im Lexikon deutscher
Präpositio-
nen (Schröder 1986), die die syntaktische Umgebung bei der bung der Gebrauchsbedingungen mit berücksichtigen.
dann
Dem
Beschrei-
ausländi-
schen Nutzer kommt diese Darstellung entgegen. Sie zeigt ihm die syntaktischen und inhaltlichen Relationen, d. h. ihre
semantische
Funktion (vgl. Musterartikel diesseits). Die Angabe der erfolgt durch die Zusätze
'Genitiv, Dativ, Akkusativ'.
Rektion Ist die
Kasusforderung nicht erkennbar, so wird dies kommentiert: K. ohne erkennbare Rektion >
. Ob das mit der Präposition verbundene
stantiv in der Präpositionalphrase mit oder ohne Artikel
gebraucht
wird, stellt für den ausländischen Nutzer einen wichtigen tionsdatentyp dar. Deshalb wird der artikellose Gebrauch tiert, wenn der Nullartikel absolut ist. Soweit die
Sub-
Informakommen-
Präpositionen
mit dem folgenden Artikel eine feste Verbindung eingehen
(enkli-
tischer Artikel) und in dieser Verschmelzung häufig verwendet den (am, ans), wird auf diesen Gebrauch verwiesen. Überwiegt se Verbindung im Gebrauch gegenüber dem nichtenklitisch
gebrauch-
ten Artikel + Präposition, so wird dies dem Nutzer durch deutlich gemacht, da er. mit seiner Kompetenz nicht das des enklitischen oder nichtenklitischen Usus beurteilen
2.2.7.2
Die
werdie-
Beispiele
Überwiegen kann.
Konjunktion
Bei der Beschreibung der Konjunktionen setzen wir beim Lerner gewisse syntaktische Grundkenntnisse voraus, sie betreffen die Satzstruktur des Haupt- und Nebensatzes, das Verhältnis
beider
205
zueinander,
insbesondere die Stellung des finiten Verbs in beiden,
so daß mit der Zuordnung der darzustellenden Konjunktion zu den koordinierenden oder subordinierenden Konjunktionen auch spezifische syntaktische Informationen impliziert sind. Da Konjunktionen Satzglieder, Hauptsätze, Haupt- und Nebensätze und
Nebensätze
verbinden können, muß jede Konjunktion entsprechend ihren möglichen syntaktischen Funktionen charakterisiert werden (und verbindet ζ. B. Satzglieder, Hauptsätze und Nebensätze gleichen
Grades,
weil Haupt- und Nebensätze und untergeordnete Nebensätze mit übergeordneten). Die Konjunktionen werden daher zunächst als nierend oder koordinierend charakterisiert
subordi-
(die verwendeten
matischen Termini werden in einem Anhang des Wörterbuchs in Verbindung damit werden die syntaktischen Funktionen det Hauptsätze, Satzglieder bzw. verbindet Haupt- und aber auch die inhaltlichen Beziehungen der durch die verbundenen Glieder erläutert
gram-
erklärt), (verbin-
Nebensätze), Konjunktion
(ζ. B. temporale Bedeutung im Sinne
der Vorzeitigkeit, der Nachzeitigkeit, vgl. Musterartikel
bevor).
Auch die Stellung des Nebensatzes - sofern er als Vordersatz oder Nachsatz dominiert - darf beim Muster nicht als Kenntnis gesetzt werden. Dominiert deutlich eine der beiden so wird dies kommentiert
voraus-
Positionen,
(ζ. B. der Nebensatz ist vorwiegend Vor-
dersatz) . Zusammengesetzte Konjunktionen Konjunktionen
(Typ: nicht nur
chend charakterisiert
(Typ: als ob) und mehrteilige
... sondern auch) werden
entspre-
(zusammengesetzte Konj., mehrteilige
und als selbständige mehrgliedrige Stichwörter angesetzt;
Konj.) von
den Gliedern wird auf das Mehrwortlexem verwiesen, um seine Auffindbarkeit zu erleichtern.
Für den ausländischen Nutzer
die Unterscheidung zwischen Konjunktion und
stellt
Konjunktionaladverb
eine besondere Schwierigkeit dar, da sie in ihrer Stellung
und
Funktion einander ähnlich sind und nur die Inversion des Subjekts als Linterscheidungskriterium herangezogen werden kann. Sie erhalten daher nicht die Wortartzuweisung
'Konjunktion', sondern wer-
den unter dem Adverb abgehandelt, wobei ihre konjunktionale
Funk-
tion, die Inversion des Subjekts und der Charakter von Vor- und Nachsatz in die Beschreibung einbezogen werden. Auf diese
Weise
wird ihre Zwitterstellung
dem
Benutzer angemessen
zwischen Adverb und Konjunktion
verdeutlicht.
206 2.2.7.3
Die
Partikel
Die Partikeln sind in einsprachigen deutschen Wörterbüchern bis12 her weitgehend unzulänglich dargestellt worden . Der Grund dafür ist vor allem im Forschungsstand der fünfziger und sechziger Jahre zu suchen. Die in den sechziger Jahren einsetzende kelforschung
(Krivonosov
Parti-
1963; Weydt 1969) hat zwar in den sieb-
ziger Jahren (Heibig 1977; Altmann 1976, 1978, Weydt 1977) und achtziger Jahren (Doherty 1981, Bastert 1985, Wolski 1986) Erkenntnisse über die syntaktischen, semantischen und Kriterien der Partikeln gewonnen, doch erfolgt die
pragmatischen Grenzziehung
der Wortart und die Typisierung der unter diesem Begriff
zusammen-
gefaßten Lexeme, d. h. die Aufstellung von Untergruppen, noch uneinheitlich. Helbig/Buscha
(1984: 477) unterscheiden zwei
von Partikeln, "(a) solche Partikeln, bei denen die Funktion dominiert,
Gruppen
kommunikative
... (b) solche Partikeln, bei denen die seman-
tische Funktion dominiert"(S. 477). Diese Trennung wird von Wolski (1986) u. a. angefochten. Partikeln sind zwar "ganz besonders an pragmatische Bedingungen der Konversation, des Dialogs, der Konund Kotexteinbindung
geknüpfte, sprachliche Elemente"
1981: 170), sie tragen nicht zur propositionalen
(Abraham
Satzbedeutung
bei (Bastert 1985: 5), aber "für Partikeln lassen sich wie für alle anderen Ausdrücke, denen ein Zeichencharakter
zugesprochen
werden kann, Bedeutungen rekonstruieren; als Bedeutung
eines
sprachlichen Ausdrucks werden die Regeln für seinen Gebrauch, ne semantischen Gebrauchsregeln, aufgefaßt"
(Wolski 1986:
sei-
351).
Im Vordergrund der Untersuchungen stehen vor allem die Modalund Gradpartikeln, Wolski beschränkt sich auf die
Funktionstypen
Modal-, Gradpartikel, Gesprächspartikel und Satzäquivalent
(letz-
teres rechnen Helbig/Buscha zu den Modalwörtern, da Partikeln nicht als selbständige Antworten möglich sind
(Helbig/Buscha
1984: 475). Allein schon die Ausgrenzung der Modalpartikeln reitet Schwierigkeiten.
"Es muß als gänzlich unerträglich
ange-
sehen werden, daß nach mehr als fünfzehn Jahren intensiver, allem modalpartikelzentrierter
Partikelforschung
bevor
... nicht ein-
mal sichergestellt ist, welche lexikalischen Einheiten denn nun eigentlich zu der Kerngruppe der Modalpartikel zu rechnen sind" (Wolski 1986: 351).
207
Ungeklärt scheint immer noch die spezielle Funktion dieser Wortart (vgl. Brauße 1986, 1988): drücken die Partikeln selbst Einstellungen zu dem im Satz beschriebenen Sachverhalt aus oder stellen sie lediglich den Bezug zwischen im Satz geäußerten Einstellungen her. Entsprechend unterschiedlich ist auch ihr semantischer Darstellungsansatz: repräsentieren die Kontextvorkommen (Satzvorkommen) Varianten der Bedeutung oder sind sie nur Repräsentationen unterschiedlicher Einstellungsträger
(Brauße 1988:
386) und damit unterschiedliche Kontextrealisierungen einer gemeinsamen Grundbedeutung. Wir schließen uns U. Braußes Auffassung von einer allen Vorkommen gemeinsamen Grundbedeutung einer Partikel an. Als übergreifendes Bedeutungselement sieht sie die Bezugnahme auf vorausgehende Annahmen. Diese Annahmen sind entwederaus vorausgehenden Äußerungen oder oft auch nur aus der Gesprächssituation abgeleitet. Die Bedeutungen der einzelnen Modalpartikeln unterscheiden sich aber darin, wie die Beziehung zwischen der vorausgehenden Annahme und dem im Modalpartikelsatz ausgedrückte Sachverhalt gesehen wird (Brauße 1986). Wenn auch der Forschungsstand letztlich noch unbefriedigend ist, so enthebt diese Sachlage den Lexikographen nicht seiner Verpflichtung, in einem Lernerwörterbuch den theoretischen Kenntnisstand für die lexikographische Darstellung der Partikeln zu nutzen. Dies umso mehr, als neuerdings von Vertretern der theoretischen Partikelforschung Vorschläge für die lexikographische Darstellung der Partikel unterbreitet worden sind (Bastert 1985: Modalpartikel doch; Wolski 1986: aber, doch, ja, schon). Für den Lerner bildet diese Wortkategorie im Lernprozeß die größten Schwierigkeiten, aber auch für den Lexikographen, der ihren Gebrauch darzustellen hat, da die
Bedeutungsbeschreibung
wegen der meist fehlenden denotativen Bedeutung nicht ohne die Beschreibung des kommunikativen Aspekts auskommt. "Gerade in dieser kommunikativen Funktion sind die Partikeln gleichermaßen schwer beschreib- und (zumal für den Ausländer) erlernbar"
(Helbig/Buscha
1984: 477). Ihre Beschreibung im Lernerwörterbuch unterscheidet sich daher von der der anderen Funktionswörter, die durch syntaktische und semantische Angaben ausreichend beschrieben werden können (meist lassen sich keine Äquivalente in der Muttersprache des Lernenden angeben). Da Partikeln keine selbständigen Satzglieder
208
sind, werden sie im Lernerwörterbuch beschrieben nach ihrer taktischen Umgebung, nach ihrem Satztypvorkommen Fragesatz, Wunschsatz, Aufforderungssatz),
syn-
(Aussagesatz,
nach ihren
Bezügen,
die sie im Text herstellen, nicht zuletzt danach, ob sie betont oder unbetont sind. Auf diese Weise wird der Benutzer in die Lage versetzt, die Partikel aktiv zu verwenden, wozu ihn die früher praktizierte Darstellung nen Hinweisen wie
'verstärkend',
gnügte, nicht befähigt
2.2.7.4
in Wörterbüchern, die sich mit
allgemei-
'mildert eine Aussage' o. ä. be-
hätte.
Der bestimmte und der unbestimmte
Artikel
Im Vorwort zu seinem Lexikon zum Artikelgebrauch schreibt
Grimm:
"Wohl jeder Lehrer des Deutschen als Fremdsprache weiß, welche Schwierigkeiten seine Schüler oder Studenten gerade mit
dieser
scheinbar so nebensächlichen Wortart Artikel haben" (Grimm
1987:
10). Für Deutsch Lernende mit einer Ausgangssprache ohne die Wortart Artikel
(ζ. B. Russisch) ist die Erlernung des
Artikel-
gebrauchs besonders schwierig. Dem ausländischen Nutzer
sind
daher die Regularitäten des Artikelgebrauchs darzustellen, d. h., die Gliederung des Wörterbuchartikels der und ein folgt den Grundregeln des Artikelgebrauchs vom Zentrum bis zur Peripherie; Bedeutungen des Artikels sind seine Funktionen, seine
die
Gebrauchs-
weisen, die als Grundregeln formuliert werden können. In diesem Falle entfällt die Regelangabe unter MERKE (vgl. Kap. 3.1), da die Regeln im Artikel selbst dargestellt sind. Der Gebrauch wird mit anschaulichen Beispielen belegt. Das Femininum und Neutrum des bestimmten Artikels werden in den Artikel der
integriert,
d. h., vom Femininum und Neutrum wird auf der verwiesen. unbestimmten Artikel wird von eine auf ein verwiesen. Die paradigmen lassen sich auf einer Flexionstafel im Anhang
Beim Flexionsdarstel-
len, so daß vom Artikel der, ein auf diese Tafel zusätzlich wiesen werden
ver-
kann.
Da die Verschmelzung von Präposition und bestimmtem
Artikel
bereits bei der Darstellung der Präpositionen berücksichtigt
ist,
kann beim Artikel auf diesen Datentyp verzichtet werden. Für die lexikographische Darstellung des Nullartikels ist unter der, ein im Grunde kein Platz, da seine Darstellung das Nichtsein von der,
209
ein voraussetzt. Der Nullartikel muß daher unter MERKE als Besonderheit abgehandelt
2.3
Die
werden.
Bedeutungsexplikation
Wenn man davon ausgeht, daß der Deutsch lernende Ausländer dann erst zu einem einsprachigen Bedeutungswörterbuch
meist
greift, wenn
die Benutzung eines zweisprachigen Wörterbuchs erfolglos war, so kommt der Bedeutungsexplikation
im Lernerwörterbuch eine
schwierige Aufgabe zu. Einerseits sind die
besonders
Bedeutungserklärungen
für den fremdsprachigen Benutzer am schwersten zu verstehen, da ihm für die Rezeption oft Teile des Vokabulars fehlen, muß die Bedeutungsbeschreibung
andererseits
genau sein, da der Benutzer ja er-
fahren soll, wie mit dem Lexem kommuniziert wird, welchen
inhalt-
lichen Verwendungsbedingungen es unterliegt. Daraus ist zu folgern, daß die Bedeutungsexplikation
zwar genau, aber auch
verständlich
und übersichtlich sein muß. Als erschwerend erweist sich weiterhin, daß die Bedeutungserklärung
ja mit Hilfe von Zeichen
die selbst Teile des im Wörterbuch dargestellten
erfolgt,
Wortschatzaus-
schnitts darstellen und mit denselben Mitteln erklärt werden müssen, daß man also bei der Beschreibung
in der Hierarchie
Semembeziehungen an Grenzen gelangt, jenseits deren dungen kaum ausbleiben. Der Lexikograph des
der
Überschnei-
Lernerwörterbuchs
muß zunächst einmal ein durchgängig handhabbares
Bedeutungskon-
zept zugrunde legen, ein Konzept, unter das nicht alle nur
denk-
baren sprachlichen Eigenschaften subsumiert werden sollen, da sonst der Bedeutungsbegriff
überladen und überfrachtet würde. Das
von D. Viehweger entwickelte alternative Bedeutungskonzept nach unserem Dafürhalten für dieses Lernerwörterbuch
ist
am ehesten
geeignet. "Bezüglich der semantischen Repräsentation eines Lexikoneintrages wollen wir von einem Bedeutungskonzept
ausgehen,
das in der semantischen Repräsentation unterschiedliche bereiche annimmt, die sich zwar als separate
Wissens-
Kenntnisbereiche
beschreiben lassen, für die Prozesse der Sprachproduktion auch für das Sprachverstehen jedoch eng zusammenwirken.
wie
Bedeutun-
gen von Lexikonzeichen repräsentieren Wissen, das Mitglieder bestimmten menschlichen Gemeinschaft in ihrer tätigen
Auseinander-
setzung mit der natürlichen und sozialen Umwelt gesammelt weitergegeben haben." (Viehweger
1986: 41).
einer
und
210 Die Bedeutung ist daher als eine flexible Struktur zu fassen, die immanente Bereiche ausweist und aufgrund dieser
immanenten
Bereiche auch die Kommunikation in einer Gesellschaft
ermöglicht.
Individuelles Wissen und enzyklopädisches Wissen werden bei der Bedeutungsbeschreibung
daher
in der Regel ausgegliedert,
gleich eine klare Trennlinie zwischen sprachlichem
wenn-
Bedeutungswis-
sen und enzyklopädischem Wissen oft nur schwer zu ziehen ist. Mit der Beschreibung der Bedeutung muß dem Benutzer die liche semantische Wissensrepräsentation
durchschnitt-
vermittelt werden;
diese
wiederum wird durch die Ermittlung der Wortverwendung am ehesten gefunden. Bedeutungen sind analysierbar, sie setzen sich aus Merkmalen verschiedener Art zusammen, und mit der
Bedeutungsbeschrei-
bung müssen die relevanten semantischen Merkmale erfaßt
werden,
so daß dem Benutzer die Identifikation des Lexems ermöglicht daß er das Lexem inhaltlich korrekt verwenden kann. Die
wird,
Bedeutungs-
explikation ist lexemspezifisch und zugleich wortartspezifisch gelegt. Sie reicht bei den Autosemantika von der
bis zur Begriffsdefinition oder Sachverhaltsbeschreibung lien (Zur Bedeutungsbeschreibung
bei Funktionswörtern
bei Rea-
vgl.
2.2.5.9).
Sind die Realien neben ihrer alltagssprachlichen Verwendung fachsprachliche Systeme eingebunden
(vgl. Tier-,
2.3.1
Arten der
in
Pflanzennamen,
chemische Elemente), so ist der Leser über den im Alltag lich praktizierten Sprachgebrauch zu
an-
Bedeutungsanalyse
tatsäch-
informieren.
Bedeutungsexplikation
Als traditionelle und wichtigste Bedeutungsbeschreibung Lernerwörterbuch die Bedeutungsparaphrasierung
mit Hilfe des genus
proximum und der differentia specifica angewandt. Sie es, das Semem in den Systemzusammenhang
wird im
ermöglicht
zu integrieren: mit dem
genus proximum wird es dem übergeordneten Begriff
untergeordnet,
durch die differentia specifica von den Sememen derselben
Ebene
abgehoben. Für den ausländischen Nutzer sind Paraphrasierungen
mit
einem kontrollierten Vokabular zwar notwendiger, als dies für einen muttersprachlichen Nutzer erforderlich wäre, doch ist dieses Prinzip umso schwerer zu verwirklichen, je kleiner der stellte Wortschatzausschnitt
darge-
ist. Semantisch isolierte und poly-
seme Interpretamenta müssen vom Benutzer auf jeden Fall
nachge-
211 schlagen werden können (polyseme Interpretamenta, die
Mißverständ-
nisse erzeugen, erhalten daher ihre Gliederungsziffer); man darf aber erwarten, daß er semantisch transparente Komposita mit Hilfe der in die Stichwortreihe einbezogenen Artikel produktiver bildungsmittel sich selbst interpretieren
Wort-
kann.
Neben der Paraphrasierung werden Synonyme und Antonyme für die Bedeutungsbeschreibung
mit herangezogen. Wird ausschließlich mit
einem Synonym definiert, so kann der Benutzer an Stelle die Bedeutungserklärung
alphabetischer
des Synonyms nachschlagen.
Dieses
Verfahren wird besonders bei stilistisch markierten Lexemen wandt (Fresse
[derb}
ange-
» Gesicht), da die denotative Bedeutung
bei
beiden identisch ist und nur die soziale Textkomponente das Unterscheidungskriterium
bildet. Wird bei stilistisch merkmallosen
men aus ökonomischen Gründen und aus Gründen der
Lexe-
Systemtransparenz
mit Hilfe eines Synonyms definiert, so können die synonymischen
Be-
ziehungen dem Nutzer dadurch überschaubar gemacht werden, daß die Synonyme, von denen auf das Leitsynonym verwiesen wurde, beim Leitsynonym als begleitende Synonyme mit aufgeführt werden
(Definition:
...; Syn. X). Listen von Synonymen ersetzen dem Benutzer nicht die Definition, da er ihre Substituierbarkeit
und damit ihre
Kolloka-
bilität nicht beurteilen kann. Die Verwendung von Synonymen deshalb auch dort am günstigsten, wo diese als Definition
ist
direkt
in den Kontext eingesetzt sind. Auch für die Synonyme gilt, was für polyseme Interpretamenta gilt: sie werden monosemiert, um ihre Auffindbarkeit zu erleichtern, aber auch um die durch sie repräsentierten semantischen Beziehungen deutlich zu machen. Die paradigmatische Seite der Systembeziehungen umfaßt neben synonymischen Beziehungen auch antonymische. Auch sie
vermitteln
Systemtransparenz. Doch sind in einem Lernerwörterbuch nur die Antonyme von Nutzen, die in der gegebenen Kontextumgebung
mit
dem Semem als Gegensatz-Wortpaar
und
Gegenwörter
fungieren. Die in Wörter
(Agricola) angewandte sehr weite
Antonymauffassung
setzt die Kompetenz des Muttersprachlers voraus. Das
Lernerwörter-
buch will sich daher auf Antonyme im strengen Sinne, "auf die paarigen, eindeutig auseinander erschließbaren und einander
aus-
schließenden, extrem gegensätzlichen Bedeutungen"
1977:
6) beschränken.
(Agricola
Im Unterschied zu den Synonymen werden die Ant-
onyme jedoch nicht als bloßes Interpretament, sondern nur in Ver-
212
bindung mit einer Paraphrasierung
verwendet
(Definition:
Ant. X), da der Benutzer mit Hilfe des Antonyms die
...;
Bedeutung
nicht wie beim Synonym durch einfache Substituierung
erreicht,
sondern erst auf Umwegen über den Gegensatz, wobei nur wenige gemeinsame semantische Merkmale übereinstimmen.
Da bei
Antonymie auf einer Skala verschiedene gegensätzliche
gradueller Bedeutungs-
beziehungen möglich sind, ist die Festlegung ihrer Pole recht schwierig
(heiß, warm, lauwarm, kalt, eiskalt). Man entgeht
sem Irrgarten nur dadurch, daß man sich auf die sprachlich mein gebrauchten Gegensatzpaare zurückzieht
dieallge-
(arm - reich; alt -
jung; alt - neu etc.). Neben den Explikationsarten Paraphrase Synonym wird im Lernerwörterbuch
auch eine dritte Form
die des Kommentars. Der Kommentar klärungsform, da sie etwas
den inhaltlichen
aussagt. Sie wird immer dann angewandt, wenn eine Sachbeschreibung
verwendet,
ist keine substituierbare
über
umständliche
stimmten Wendungen existent ist und eine übergreifende tischer Komponenten
Zur
Er-
Gebrauch
vermieden werden soll oder ein Lexem nur in be-
nicht paraphrasierbar
2.3.2
und
Bedeutung
ist. Sie dient auch zur Beschreibung
pragma-
(vgl. Musterartikel Haus 4).
Sememgliederung
Hinsichtlich der Sememgliederungsprinzipien gehen die Ansichten weit auseinander.
In der
unter einem
Formativ
englischsprachigen
Lernerliteratur dominiert das Prinzip der Homonymisierung. deutschsprachigen Wörterbüchern wird die Gliederung mit
In den
arabischen
und römischen Ziffern (und nach Buchstaben) vorgezogen und damit die Einheit des Wortes betont. Die Begründung für die rung, sie mache die Sememgliederung
Homonymisie-
überschaubar, halten wir für
nicht stichhaltig, da auf diese Weise die Möglichkeit,
wirkliche
Homonymie differenzierter darzustellen, verlorengeht. Wie aber die Bedeutungen unter einem Formativ zu gliedern sind, dies ist in einem synchronischen Wörterbuch schwerer lösbar als in einem diachronischen Wörterbuch, und die Frage nach der
Grundbedeutung
und den damit verbundenen sekundären Bedeutungen ist im Grunde nicht exakt zu beantworten. An erster Stelle sollte daher die häufigste und merkmallose Verwendung stehen. Fachsprachliche,
regio-
nale und stilistisch restriktiv gebrauchte Sememe stehen in der
213
Abfolge am Ende. Zwischen Zentrum und Peripherie sind die Sememe nach ihrer semantischen Nähe (bzw. Entfernung) anzuordnen. Ein verläßlicheres, der Sprache innewohnendes Prinzip gibt es nicht. Im Lernerwörterbuch werden grammatische
(wortartenspezifische)
und semantische Divergenzen (Homonymie) durch römische Ziffern gegliedert, im Fall einer grammatischen Differenzierung (ζ. B. unterschiedliches Genus) werden Indizes verwendet. Alle anderen Gliederungen werden durch arabische Ziffern gekennzeichnet. Auf diese Weise können dem ausländischen Benutzer semantische oder grammatische (oder semantische und grammatische) Unterschiede deutlicher gemacht werden, als dies mit bloßer Homonymisierung möglich wäre.
2.3.3
Visuelle
Semantisierungshilfe
Lernerwörterbücher sind in der Regel illustriert. Die Illustrierung hat nicht nur in enzyklopädischen, sondern auch in sprachlichen Wörterbüchern eine lange T r a d i t i o n ^ . Die Vorteile liegen bei einem Lernerwörterbuch für den ausländischen Nutzer auf der Hand; er rezipiert oft nicht das Definitionsvokabular, das die meist umständlichen Sachbeschreibungen bei Konkreta nun einmal benötigen. Durch die Abbildung wird das Lemma ohne den Umweg über die sprachliche Beschreibung erläutert, und der Betrachter identifiziert mit Hilfe seiner Erinnerung das Denotat, auf das sich das Wort bezieht; dies ist zugleich seine Eigenleistung. Als Vorteile der Illustrierung nennt Werner (1982) folgende Kriterien: 1. Ostensive Erklärung zur Vermeidung zirkulärer
Bedeutungs-
explikationen . 2. Visuelle Identifikation von Begriffen als Ersatz für die Beschreibung analytisch nicht darstellbarer
Bedeutungen.
3. Informationsredundanz zur Informationsbeschleunigung
und
-absicherung. 4. Vermittlung notwendiger enzyklopädischer
Informationen.
5. Veranschaulichung paradigmatischer und assoziativer Beziehungen zwischen lexikalischen Einheiten. 6. Allgemeine lernpsychologische
Effekte.
214 Für die Illustrierung eignen sich in erster Linie Konkreta, die auch in ihrer äußeren Form als prototypisches
Erscheinungsbild
im Bewußtsein gespeichert sind, ζ. B. Kopfbedeckungen, te, Gefäße, Behälter, Fahrzeuge, Kleidungsstücke,
Sportgerä-
Feuerwaffen,
Hieb- und Stichwaffen, Möbel, Werkzeuge, Musikinstrumente, teile, Pflanzen, Tiere etc. Nicht geeignet sind meistens
Körper-
Adjekti-
ve, Verben, Adverbien und Abstrakta. Die Darstellung dieser Konkreta kann das einzelne Objekt abbilden, aber auch verschiedene Erscheinungsformen eines wenn das Erscheinungsbild schwankt
Objekts,
(ζ. B. das Auto), des weiteren
verschiedene Gegenstände eines Feldes (Fahrzeuge, Gefäße),
wobei
die Vertreter eines Feldes auf einem Tableau zusammengefaßt und so den Benutzer in die Lage versetzen, sich über
sind
paradigmati-
sche Beziehungen zu informieren und seine Systemkenntnisse zu erweitern. Die Darstellung kann aber auch den zu definierenden
Gegen-
stand im Zusammenhang mit seinem Ganzen zeigen, in einer Art Teilvon-Relation, ζ. B. Körperteile als Teile des ganzen Körpers. (1984) nennt in seiner Analyse der Wort-Bild-Verwendung
Hupka
in ein-
sprachigen französischen Wörterbüchern darüber hinaus noch weitere Möglichkeiten, ζ. B. das Funktionsschema plexe Illustration des Bildwörterbuchs
(Stoßdämpfer), die kom-
(33 Teile eines Autos) und
andere willkürlich ausgewählte Teilaspekte wie Schaubilder Lagerstätten und
über
Verarbeitungsabläufe.
Die Verwendung von Illustrationen
in sprachlichen
werken bedeutet aber nicht den Verzicht auf eine Bedeutungsbeschreibung,
Nachschlage-
verbalisierte
wenn diese auch nur knapp zu sein
Zwischen Bild und Bedeutungserklärung
braucht.
müssen daher reziproke
Be-
ziehungen aufgebaut werden. Die kurze Erklärung muß mit einem Hinweis auf die Bildtafel versehen werden (f BILD, 5. ...), und die Bildtafel muß die sprachliche Benennung des abgebildeten
Objekts
ausweisen. Auf die spezifischen äußeren Eigenheiten des Bildes kann in der Explikation verzichtet werden, umgekehrt muß das Bild das Objekt allgemein in seinem äußeren Erscheinungsbild
erfassen,
nämlich das, was als relevant angesehen werden kann, das Da Fotos oft das Spezifische, das Individuelle ausweisen, Strichzeichnungen
für das Wörterbuch am besten
geeignet.
Typische sind
14
215
2.4
Stilistische Markierungen,
Gebrauchsnormen
Neben den graphematischen, phonematischen, grammatischen und semantischen Datentypen enthält das Lernerwörterbuch auch Informationen über die gebrauchsspezifischen Besonderheiten des Lexems, die keinen semantischen Status haben und entweder die emotionale Einstellung zum Objekt, den bevorzugten stilistischen
Anwendungsbereich
eines Lexems, Informationen über seinen präferenten oder restriktiven Gebrauch hinsichtlich der Kommunikation betreffen. Die Aufbereitung dieser Informationen gehört zu den wichtigen Aufgaben der Sprachbeschreibung (Ludwig 1982). Die sogenannten stilistischen Markierungen (Ludwig faßt diese stilistischen Kennzeichnungen, die diachronischen und diatypischen Angaben neuerdings unter dem Begriff der kommunikativen Prädisposition zusammen) signalisieren dem Benutzer die bevorzugten stilistischen
Anwendungsbedingungen
eines Lexems. Sie erleichtern es ihm, die Lexeme richtig anzuwenden, d. h., sie entsprechend der jeweiligen
Kommunikationsabsicht
und Kommunikationssituation, entsprechend dem Gegenstand der Kommunikation und dem Adressaten auszuwählen (HDG, Vorwort: XXII). Da es immer noch schwierig ist, das durchschnittliche
Textvorkom-
men, die typische kommunikative Rolle von Lexemen zu ermitteln, werden die Markierungen eines Lexems überwiegend auf dem Hintergrund der Sprachkompetenz ermittelt und stellen daher nur grobe Schätzungen dar. Auf sie deshalb zu verzichten, würde bedeuten, auf einen Aspekt der synchronischen Sprachbeschreibung zu verzichten und den Ausländer, der über diese Kompetenz nicht verfügt, im unklaren darüber zu lassen, in welchen Situationen und wem gegenüber er beispielsweise die Lexeme Antlitz und Fresse verwenden darf. Seit dem Erscheinen des WDG, das erstmals in der neueren synchronischen Lexikographie ein geschlossenes Markierungssystem verwendete, sind kleinere und größere einsprachige synchronische Wörterbücher mit diesen Markierungen ausgestattet. Das für das WDG erarbeitete Markierungsschema wurde dabei mit geringfügigen Abwandlungen übernommen und auch weiterentwickelt. Für das Lernerwörterbuch scheint ein einfaches diaphasisches
Typisierungsschema
eher geeignet, als ein stark differenziertes, das den Benutzer bei der tatsächlichen situativen Verwendung vor neue Barrieren stellt.
216 Zu den stilistischen Markierungen werden folgende Bereiche
gerech-
net: Stilebenen, Stilfärbungen, zeitliche Kennzeichnungen,
regio-
nale Zuweisungen und Fachgebietszuweisungen.
Stilebenen
bevorzugte Möglichkeiten der Sprachverwendung
stellen
innerhalb eines Kom-
munikationsbereiches dar und repräsentieren soziale Faktoren. färbungen kennzeichnen in Verbindung mit der Stilebene Nuancen der Sprachverwendung
Stil-
spezielle
und Sprecher intention. Die
Stilebenen
werden für das Lernerwörterbuch wie folgt festgelegt: Über dem Neutralen, der nicht gekennzeichneten Ebene, liegt die Ebene gehoben. Lexeme dieser Ebene werden vorwiegend in gewählter,
feier-
licher Atmosphäre verwendet. Unter der neutralen Ebene liegt die Ebene umgangssprachlich, deren Lexeme zur zwanglosen legeren Sprache des alltäglichen mündlichen und nichtöffentlichen
schriftlichen
Gebrauchs gehören. Darunter, als Ebene derb bezeichnet,
werden
Lexeme angesiedelt, die meist als drastisch, verletzend oder als anstößig empfunden
werden.
Als Stilfärbungen fungieren Bezeichnungen wie scherzhaft, tisch , ironisch, verhüllend, übertrieben u. a.
Fachgebietszuwei-
sungen erhalten Lexeme im Grenzgebiet zwischen Alltagslexik Fachlexik, Termini, die auch in der Alltagskommunikation det werden, aber bei den Kommunikationspartnern
spötund
verwen-
Fachkenntnisse
vor-
aussetzen. In allgemeinen einsprachigen Wörterbüchern werden diese Lexeme allgemeinverständlich
erklärt und damit aus dem
terminolo-
gischen System der jeweiligen Fachsprache ausgegliedert, bleiben sie neben ihrer Verwendung in der
doch
Alltagskommunikation
weiterhin als Termini im jeweiligen Fachbereich existent.
Lexeme,
die gänzlich ihre terminologische Spezifik verloren haben und bereits ausschließlich der Alltagslexik
angehören (ζ. B. Radio,
Telefon), erhalten keine Fachgebietszuweisung.
Die
Abgrenzung
ist häufig recht schwierig, und die Wörterbuchpraktiken völlig verschieden und deuten damit auf die unsichere lage: Brockhaus-Wahrig
sind
Forschungs-
(1980) wendet Fachgebietszuweisungen
bei inzwischen in der Alltagskommunikation
eingebürgerten
selbst
Lexemen
an (ζ. B. Röntgenapparat), dieser Praxis steht auch das WDG noch nahe, andere Wörterbücher zurückhaltend.
(ζ. B. Duden-GWB) sind dagegen sehr
217 2.5
Die syntagmatischen Relationen.
Kontextbeispiele
Es ist eine alte lexikographische Weisheit, daß ein gut
gewähltes
Beispiel mitunter mehr als eine überfrachtete oder partielle deutungsexplikation über das Semem aussagt. Darauf verweist
Beauch
Ickler (1984: 376): "Zu den besten Informationsweisen gehört die Angabe gut gewählter Beispiele." "Untypische oder zufällige textualisierungen können durch keine noch so griffige
lexikogra-
phische Bedeutungsangabe wettgemacht werden" (Zöfgen 1985b: Ziel des Wortschatzlernens
ist und bleibt nun einmal die
te Verwendung der Wörter. Bedeutungserklärung
und
Kon44).
normgerech-
Kontextrealisie-
rung des Semems stehen in einem engen Zusammenhang, sie
bedingen
sich im Wörterbuchartikel gegenseitig, und so wie das Seinem im System durch Synonymie, Antonymie und Wortfelder in paradigmatische Relationen eingebettet ist, geht das Lexem mit
Verknüpfungs-
partnern syntagmatische Relationen ein. Die Kombinatorik der Lexeme ist jedoch ζ. Z. noch weitgehend experimentelles Neuland. halb ist es auch nicht verwunderlich, daß es für die noch keine allgemein akzeptierte Theorie des
Des-
Lexikographie
Kontextbeispiels
gibt. Hausmann (1985) hat für die Lexikographie ein
Darstellungs-
konzept entwickelt, dem man in vielem zustimmen kann. Er unterscheidet spezifische und unspezifische Zweierkombinationen,
die
spezifischen gehören zur langue, die unspezifischen zur parole, doch sind die Übergänge fließend. So ist ζ. B. ein Buch gen eine spezifische Zweierkombination
aufschla-
(da aufschlagen an Lexeme
wie Buch, Bett gebunden ist), ein Buch kaufen eine
unspezifische,
weil kaufen auf Waren unterschiedlichster Spezies zu beziehen ist. Zwischen diesen Polen stehen Verbindungen wie ein
fesselndes,
spannendes, interessantes, langweiliges Buch, sie sind aber nicht spezifisch, da sie auch für Erzählung,
typisch,
Geschichte,
Bericht etc. zutreffen. Hausmann empfiehlt zu Recht,
trotzdem
möglichst viele dieser Verbindungen in der Kontextsphäre des Wörterbuchs zu berücksichtigen. Er schlägt weiterhin vor, Verbindungen nur unter dem Kollokator einzutragen,
unspezifische
unter der Basis und differenziert zwischen Rezeptions Lese-)wörterbuch und Textproduktionswörterbuch.
spezifische (Verstehens-,
Da diese
Funktio-
nen bei einem Wörterbuch meist nicht so klar geschieden sind - in der Regel möchten die Lexikographen, daß ihre Werke für beide
218
Zwecke verwendet werden - läßt er den Eintrag einer Kollokation sowohl für das Kollokator-Stichwort als auch für das Basis-Stichwort zu: "Wenn hingegen das Wörterbuch beide Funktionen erfüllen will, was sehr wohl sinnvoll sein kann, so muß es die Kollokation logischerweise zweimal eintragen" (Hausmann 1985: 122). Unser zu erarbeitendes Lernerwörterbuch, das in erster Linie für die Textproduktion, aber auch für die Textrezeption gedacht ist, führt die spezifischen Verbindungen unter beiden Stichwörtern auf, weniger spezifische aber mitunter auch, da eine klare Trennlinie nur schwer zu ziehen ist. Wir unterscheiden nach Wolf (1988) banale (langes Grundstück), typische (runzlige Haut), feste Wendungen (Ersatz leisten) und Phraseologismen (jmdm. aufs Dach steigen). Aber auch für dieses Konzept gilt, was für Hausmanns Unterscheidung zwischen spezifischen und unspezifischen Verbindungen zutrifft: in der Wörterbuchpraxis, d. h. auf die Gesamtmasse der darzustellenden Kontextsphären bezogen, sind die Unterschiede zwischen typischen und banalen und spezifischen und unspezifischen Verbindungen sehr oft nur schwer bestimmbar. Das Lernerwörterbuch hat in erster Linie typische Verbindungen
zu berück-
sichtigen - dabei sollten die Grenzen des Typischen nicht allzu eng gefaßt werden. Die Verbindungen überwiegend restriktiv verwendeter Lexeme sollten aber auf jeden Fall unter beiden Stichwörtern erscheinen. Banale Verbindungen sollten vermieden werden. Eine Auflistung aller relevanten Kollokationen kann man von einem kombinatorischen Wörterbuch erwarten, nicht aber von einem Bedeutungswörterbuch. Dieses Problem ist für ein produktives Wörterbuch nur dadurch lösbar, daß die Verknüpfungspartnerklasse
grobseman-
tisch charakterisiert wird. Diese Charakterisierung wird im Lernerwörterbuch immer dann angewandt, wenn die Verknüpfungspartnerklasse überschaubar und spezifisch und damit benennbar ist. Verknüpfungspartnern mit der weitesten Distribution, die als Ganzes diffus und nicht als Klasse bestimmbar ist, erhalten nicht diese Charakterisierung. Auf die Nennung der
Verknüpfungspartnerklasse
wird auch verzichtet, wenn das Lexem unterschiedslos auf Lebewesen und Sachen bezogen werden kann. Die Charakterisierung erfolgt in der Weise, daß die Gruppe der Mitspieler qualitativ definiert wird: /auf Kleidung o. ä. bezogen/: warme Strümpfe, Wäsche.
219
Daneben wird von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, einen Vertreter der Klasse als typischen Vertreter herauszustellen: etw., z.B. eine Straße, mündet in einen Platz. Eingeschränkte
Kollokabilität
wird durch den Kommentar /beschränkt verbindbar/ angezeigt. diese Weise erfährt der Lerner, daß er ein Lexem nicht
Auf
extensional
verwenden kann. Wir halten es für verfänglich, knüpfungsverbote
in einem Lernerwörterbuch
anzugeben (Wolf 1988); man sollte besser
Ver-
nicht
zeigen, was nicht verbindbar ist. Die Kontextbeispiele können die Form ganzer Sätze (bei Funktionswörtern wie Konjunktionen und Partikeln auch die Form von Dialogen und Textsegmenten) oder die Form von Syntagmen haben. Ihre Aufgabe ist es, nicht nur die sche Verknüpfbarkeit, sondern auch syntaktische
semanti-
Gebrauchsbedingun-
gen und - V a r i a n t e n zu zeigen. Die separate Darstellung der Phraseologismen
ist eine der zen-
tralen lernerspezifischen Aufgaben dieses Wörterbuchtyps, da der Lerner die Bedeutung der Mehrwortlexeme nicht aus der Summe Glieder erschließen kann. Unter dem Begriff des werden nach Fleischer
ihrer
Phraseologismus
(1982) mehrgliedrige Ausdrücke
verstanden,
die sich von freien Wortverbindungen und Metaphorik durch
Idioma-
tizität, semantisch-syntaktische
Stabilität, Lexikalisierung
Reproduzierbarkeit unterscheiden
(Fleischer
1982: 35).
und
Ausgenom-
men sind die verbalen Wendungen (ζ. B. zur Durchführung
bringen).
Sie werden, da sie nicht den Grad der Idiomatizität aufweisen und die Verbbedeutung noch in die polyseme Struktur des
Verbartikels
eingepaßt werden kann, als eine Bedeutung des Verbs
abgehandelt
(das Verb kann auch Funktionsverb sein). Da aber das
semantische
Hauptgewicht beim Substantiv der Verbindungen liegt, werden die verbalen Wendungen beim Substantiv definiert, und vom Verb wird auf das Substantiv verwiesen. Die Phraseologismen werden nicht im Rahmen der Kontextsphäre, sondern als selbständige
lexikalische
Einheiten unter einem Stichwort dieses mehrgliedrigen
Ausdrucks
abgehandelt, und zwar am Ende des Wörterbuchartikels.
Dieses Stich-
wort ist in der Mehrzahl der Fälle das Substantiv; enthält der Phraseologismus jedoch kein Substantiv, so wird er entweder Adjektiv, Adverb oder Verb abgehandelt. Da die Darstellung Phraseologismen nicht ausschließlich für die Rezeption ist, müssen auch die grammatischen und semantischen der Phraseologismen berücksichtigt
werden.
beim der
angelegt
Restriktionen
220
3.0
Die Darstellung von Systemzusammenhängen
Gegenstand des Erfassens von lexikalischem Stoff ist vor allem das Wort, Gegenstand des Einprägens von lexikalischem Stoff müssen vor allem das Wort und die Wortverbindung sein. Grundlage des Anwendens von lexikalischem Stoff aber müssen Texte sein (Brandt 1988). So gesehen ist ein allgemeinsprachliches Wörterbuch, wenn es die atomisierende Wirkung des Alphabets nicht überwinden kann, auf das Einzelwort beschränkt und damit eher für die Erfassung von lexikalischem Stoff geeignet. In einem allgemeinen einsprachigen Wörterbuch werden nicht Artikel über Satztypen oder Kommunikationsverfahren zu finden sein - dies darzustellen ist Aufgabe der Grammatik und der Sprechakttheorie, doch darf man von einem Lernerwörterbuch erwarten, daß es die besondere Eignung eines Lexems für spezifische Kommunikationssituationen
(ζ. B. Phraseologismen
oder Partikeln) und die ausschließliche Bindung eines Lexems an einen bestimmten Satztyp beim Einzelstichwort darstellt (ζ. B. bei Fragepronomen, Partikeln). Aufgabe des Fremdsprachenunterrichts ist aber auch die Herausbildung von Systembewußtsein, da der Lerner mit seiner Hilfe vom Einzelnen zum Ganzen und vom Besonderen zum Allgemeinen gelangen kann. Dem kann das Lernerwörterbuch nur genügen, wenn es alle Arten von Systemhaftigkeit und Regularitäten für die Wortschatzdarstellung ausnutzt. Auf Aspekte der Systemhaftigkeit haben wir bereits unter 2.3 und 2.5 hingewiesen, nämlich auf die lexikalisch-semantischen
Zusammenhänge
(2.3), die sich durch die Darstellung von Synonymie und Antonymie, durch visuelle Semantisierung (2.3.3) und die generischen Merkmale der Bedeutungserklärung transparent machen lassen und die syntagmatischen Beziehungen (2.5), die sich in der Kontextsphäre eines Lernerwörterbuchs darstellen lassen. Damit sind jedoch bei weitem nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft. Systemhaftigkeit ist auch dem Grammatischen eigen, doch kann die Hinführung der Lerners zur Regularität, der Weg vom Besonderen zum Allgemeinen, nur dadurch erfolgen, daß man die herkömmliche Struktur des Wörterbuchartikels um Teile erweitert, die grammatische Regularitäten in narrativer Form erläutern oder Flexionsparadigmen im Überblick darstellen. Ersteres wird in diesem Wörterbuch besonders durch einen MERKE-Kommentar geleistet, letzteres durch einen Verweis auf Flexionstafeln, die im Wörterbuchanhang zu finden sind.
221 3.1
Der
MERKE-Kommentar
Der MERKE-Kommentar
(MERKE:) bildet den Schluß des
artikels. Er kann Daten unterschiedlicher
Wörterbuch-
Bezüge erfassen.
Die
grammatischen Daten können sich auf das Einzelstichwort, u. U. auf mehrere Glieder der Sememstruktur
beziehen und können
morpho-
logische und syntaktische Regularitäten betreffen, aber auch Restriktionen des einzelnen Lexems, wenn der
Darstellungsrahmen
im Kopf des Artikels, in dem gewöhnlich die Informationen
zur
Wortart, zum Genus und zur Flexion geboten werden, gesprengt würde. Sie können aber auch semantische Informationen darstellen und beispielsweise auf Unterschiede synonymischer auf ihre syntaktischen Gebrauchsunterschiede schiede hinsichtlich ihrer Verknüpfbarkeit.
Lexeme
hinweisen,
oder ihre UnterDie wichtigste
formation des MERKE-Kommentars aber bildet die
In-
'grenzüberschrei-
tende' Information, die die spezifischen einheitlichen
grammati-
schen Gebrauchsregeln bestimmter Lexemgruppen zusammenfaßt.
Diese
Information braucht dann nur bei einem Stichwort gegeben zu werden, so daß von den anderen Lexemen dieser Gruppe unter MERKE auf dieses Stichwort verwiesen werden kann, ζ. B. laufen Zu laufen/gehen: f gehen
3.2
... MERKE:
(MERKE).
Tafel-Hinweise
Die Flexionstafein sollen dem Benutzer Einblicke in die
Flexions-
struktur vermitteln, die er - von finiten Formen in Texten ausgehend (besonders für die Produktion von Texten) - nur von den Flexionsparadigmen im Wörterbuchartikel
bedingt
ableiten
kann.
Selbst für die Wortrezeption bilden die unregelmäßigen Verben genügend Schwierigkeiten, weshalb zusätzlich zur Tafel der
unregel-
mäßigen Verben die Paradigmen für das Präteritum und das Partizip II in die Stichwortauswahl einbezogen werden (ging f gehen, d. h. Verweis auf die
Infinitivform).
Die Flexionstafeln umfassen die Datentypen
Substantivflexion,
Adjektivflexion, Verbflexion, Flexion des Personal-, Interrogativ- und Demonstrativpronomens
Possessiv-,
und die Flexion
Kardinalia sowie die des bestimmten und unbestimmten Auf diese Tafeln wird von bestimmten Einzellexemen
einiger
Artikels.
verwiesen
222
TAFEL X). Die Verweise werden regelmäßig und konsequent bei den Pronomina, beim Artikel und einigen Kardinalia eingesetzt.
Substan-
tive werden durch die Angabe des Genus, der Genitiv- und Pluralendung einem Paradigma zugeordnet, das der Benutzer bei mit der Flexionstafel
Bedarf
im Anhang identifizieren kann. Auch bei Ver-
ben wird auf einen generellen Tafel-Verweis verzichtet, da regelmäßige Verben mit dem Kommentar
4 reg. Vb.>
versehen sind, die
Paradigmen für die regelmäßige Flexion mit Hilfe der Tafel erschlossen werden können. Unregelmäßige Verben werden dagegen zusätzlich verlistet und in Flexionsklassen
dargestellt.
Mit Hilfe von Tafeln lassen sich auch thematische
sprachliche
Bereiche zusammenstellen, deren Besonderheiten sich beim nen Stichwort nur unzureichend darstellen lassen, oder disch geprägte Systembereiche, ζ. B. Maßangaben, Zahlensystem, Uhrzeitangaben, Dienstränge und
3.3
Die Darstellung produktiver
einzel-
enzyklopä-
Datumsangaben,
Ländernamen.
Wortbildungsmittel
Sowohl für die Rezeption im Wörterbuch nicht verzeichneter als auch generell für die Wortschatzerweiterung
Lexeme
im Lernprozeß
kann die Darstellung heute produktiver Wortbildungsmittel (Präfixe, Suffixe), die in die alphabetische Abfolge der
dienen Stich-
wörter integriert werden. Die aktive Anwendung produktiver
Wort-
bildungsmuster setzt jedoch einen fortgeschrittenen Lerner
voraus;
produktive Wortbildung sinnvoll
(Löschmann
ist erst im
Fortgeschrittenenunterricht
1988).
Bei der Beschreibung dieser Wortbildungsmittel
ist zu beach-
ten, daß der Lerner sowohl über die semantischen, als auch über die morphologischen Voraussetzungen der mit diesen Mitteln prägten Wortbildungsmodelle
ge-
informiert wird (ζ. B. Präfix + Verb;
drückt ein Öffnen aus (auf -): aufmachen, aufschneiden etc.). Das Verfahren ist nicht neu, denn bereits das WDG, später auch das HDG und andere allgemeinsprachige
Wörterbücher
denen an der Transparenz wortbildnerischer
(vgl. Duden 10),
Zusammenhänge
gelegen
war, haben, mitunter stark voneinander abweichend, von dieser Möglichkeit Gebrauch
gemacht.
223 3.4
Die Darstellung von
Wortbildungsnestern
Im Unterschied zu 3.3, der Darstellung produktiver
Wortbildungs-
mittel, durch die die Lexeme eines Wortbildungsmusters
zueinander
in Beziehung gesetzt werden, bildet die Darstellung von Wortbildungsnestern die Vernetzung der Ableitungen und Komposita Kernwortes (trinken: Trank, Trunk, Getränk, austrinken;
eines
lang:
lange, Länge, längen) mit ihrem Kernwort. Diese Beziehungen schen Wortbildungskonstruktionen als Stammverwandtschaft
mit gleichem Grundmorphem
(Schippan 1984: 133) und die
der Glieder dieser Beziehungsstrukturen
zwiwerden
Gesamtheit
traditionell als Wortfami-
lie bezeichnet. Da die Grundmorpheme vieler lexikalischer
Einhei-
ten infolge formaler und semantischer Entwicklungsprozesse
nur
durch eine diachrone Untersuchung dieser Prozesse als gleich erkennbar werden, gilt die Erforschung von Wortfamilien als Gegenstand der Etymologie (Barz 1988). Die synchronische
Beschreibung
muQ aber auf etymologische Zusammenhänge verzichten. Sie sind für den Lerner ohnehin nicht durchschaubar und für die Aufgabe der progressiven Wortschatzerweiterung
dem Lerner kaum nützlich.
Barz
(1988) schlägt daher vor, den diachronisch belasteten Begriff Wortfamilie durch den Begriff Wortbildungsnest zu ersetzen. Nest umfaßt die W o r t b i l d u n g s k o n s t r u k t i o n e n mit jeweils einem
der
Ein iden-
tischen Grundmorphem, das das Kernwort darstellt. Mit Hilfe der muttersprachlichen Kompetenz muß das Grundmorphem auf scher Ebene in den Nestgliedern identifizierbar
sein. Es konkur-
rieren weite und enge Nest-Auffassungen miteinander. sprachlichen Wörterbüchern sind diese
synchroniIn allgemein-
Verwandtschaftsbeziehungen
bisher nicht konsequent verdeutlicht worden, da nur die
unmittel-
bar dem Kernwort folgende Ableitung dargestellt und dabei nie das alphabetische Prinzip durchbrochen wurde. Allenfalls konnten mit Hilfe der Bedeutungserklärung
Beziehungen unter den
hergestellt werden. Diese Darstellungsform
Nestgliedern
ist für den Mutter-
sprachler, nicht aber für den Ausländer transparent. Mit der Darstellung der Kompositionsmöglichkeiten
von Basislexemen
hingegen
hat das WDG bereits einen Teilaspekt des Wortbildungsnestes
in um-
fassender Weise realisiert. Das Lernerwörterbuch geht einen Schritt weiter, indem es auch die Ableitungen durch Verweise auf das Kernwort zu diesen in Beziehung setzt und beim Kernwort alle auch al-
224 phabetisch weiter auseinanderliegenden
Stichwörter aufführt.
die Darstellung dieser Systemzusammenhänge
plädiert auch
(1974: 120). "Wir kommen zu dem Ergebnis, daß die
Für
Hausmann
Zusammenstel-
lung von durchsichtigen, partiell durchsichtigen und
undurchsich-
tigen Ableitungen, von uns synchronische Wortfamilien
genannt
(sind sie denn noch synchronisch?), die für die systematische kennung des Wortschatzes günstigste paradigmatische
Er-
Feldgruppie-
rung darstellt." Sein Konflikt mit der traditionellen
Wortfamilien-
auffassung wird deutlich, wenn er von "synchronischen
Wortfamilien"
spricht und vorschlägt, wenigstens durchsichtige
morphologisch-
semantische Zusammenhänge darzustellen, etwa die zwischen tiv — *
Substantiv, Substantiv — m
Adjektiv, Verb — »
tiv, Verb — » » A d j e k t i v ,
Adjektiv — · »
Wortfamilien-Auffassung
sollte man in einem
Adjek-
Substan-
Adverb etc. Dieser
engeren
synchronischen
Wör-
terbuch den Vorzug geben. Im Lernerwörterbuch werden daher nur die Wortnestbeziehungen berücksichtigt, die auch zugleich tisch transparent sind (gehen - Gang). Die
nestkonstituierende
Relation wird durch die morphologisch-semantische stimmt, und als Indiz für die Nestzugehörigkeit
Motivation
eine Bedeutung der Kernwortes nachweisbar gehen die Meinungen jedoch auseinander
be-
gilt, daß an der
lexikalischen Bedeutung der Wortbildungskonstruktion gen Umfang eines so semantisch motivierten
seman-
noch die
ist. Über den
zulässi-
Wortbildungsnestes
(Barz 1988). Bis zu wel-
cher Ableitungsstufe sollen die W o r t b i l d u n g s k o n s t r u k t i o n e n
be-
rücksichtigt werden? Das Lernerwörterbuch beschränkt sich aus Raumgründen auf die Ableitungen und Komposita, die vom
Grundmor-
phem gleichermaßen eine Stufe entfernt sind (d. h., es berücksichtigt für trinken: Trinker, Trinkgewohnheit, Trank, Trunk,
austrin-
ken, Getränk, nicht aber Trinkerheilanstalt, Kakaotrunk). Die Glieder des Wortnestes stehen am Ende des Wörterbuchartikels betischer Reihenfolge
in alpha-
(nicht in hierarchischer Gliederung).
den Gliedern des Wortnestes wird auf das Kernwort
Von
verwiesen.
4.0
Zusammenfassung
4.1
Was für allgemeine einsprachige Wörterbücher generell
tigkeit haben sollte, nämlich daß bei ihrer Planung die
Gül-
Parameter
des Wörterbuchs nach dem vorausgesetzten Benutzer bestimmt
wer-
225
den, ist für ein Lernerwörterbuch unabdingbar. Dabei ist zu unterscheiden zwischen einem Lernerwörterbuch für den Muttersprachler - denn auch solche Wörterbuchspezifik
ist denkbar - und einem
Lernerwörterbuch für den Nichtmuttersprachler, schen Nutzer, wobei wiederum zwischen einem
für den
ausländi-
Fremdsprachenlerner,
der als Anfänger ein Wörterbuch benutzt,und einem
fortgeschritte-
nen Lerner einer Fremdsprache zu unterscheiden ist. Unser stelltes Wörterbuchmodell
für einen Deutsch lernenden
vorge-
Ausländer
wendet sich an den fortgeschrittenen Lerner. Es soll ihm bei der Entwicklung seiner Zweitsprachenkompetenz
4.2
dienlich
sein.
Wir setzen beim fortgeschrittenen Lerner voraus, daß er
gewisse grammatische Grundkenntnisse besitzt, ζ. B. Kenntnisse über das Tempussystem, über reguläre Flexionstypen, über über die Funktionen von Wortarten und legen als Grammatik Ausländergrammatik
von Helbig/Buscha zugrunde. Seine
Satztypen, die
Nachschlage-
bedürfnisse siedeln wir im Bereich der Normunsicherheit und Systemunsicherheit an; dies beziehen wir auf alle Wortebenen, das grammatische, semantische und pragmatische Wissen
auf
insgesamt.
Wir gehen davon aus, daß ein einsprachiges Lernerwörterbuch
mit
einer differenzierten Auswahl der Informationsdaten den ausländischen Deutschlerner besser in das System von Lexik und Grammatik einführt, als ein zweisprachiges, das immer punktuell
infor-
miert. Das Lernerwörterbuch soll nicht ein zweisprachiges
Wörter-
buch ersetzen, sondern es ergänzen. Es soll neben der
Information
über das Einzelwort, das einzelne Semem, immer auch Überblicke bieten über die Zusammenhänge und Unterschiede, über ten und Besonderheiten, an die es gebunden
4.3
Regularitä-
ist.
Da ein Lernerwörterbuch für den ausländischen Nutzer
nicht
die muttersprachliche Kompetenz bei der Benutzung des Wörterbuchs voraussetzen kann, ist auf die Verständlichkeit der
gebote-
nen Informationen und ihre Anschaulichkeit besonderes Gewicht zu legen. Daher muß es jede unnötige Verschlüsselung der
Informations-
daten von vornherein ausschließen und alle Informationen nach Möglichkeit beim Einzelwort bieten, von diesem aber zu weiteren Zusammenhängen vordringen. Die Verständlichkeit wird gefördert
durch
226
narrative Formen der Informationsdarstellung
(MERKE-Kommentar),
durch Übersichtstafeln, durch visuelle Semantisierungshilfe und einfache Bedeutungserklärungen mit einem kontrollierten Vokabular, nicht zuletzt durch die Erklärung der im Wörterbuch verwendeten sprachwissenschaftlichen Termini (Definition der verwendeten sprachwissenschaftlichen Termini im Anhang).
4.4
Trotz der angestrebten Verständlichkeit und der damit ver-
bundenen Einfachheit der Informationsdarstellung hat das Wörterbuch eine wissenschaftliche Beschreibung aller mit dem einzelnen Stichwort verbundenen Regularitäten und Restriktionen zu leisten. Dabei hat es auf folgende Datentypen besonderes Gewicht zu legen und sie nach den neuesten linguistischen Erkenntnissen darzustellen: Allgemeine und besondere grammatische Informationen zum Einzelwort, Darstellung der Valenz beim Verb, grammatische des Adjektivs, Funktionswörter, Phraseologismen,
Funktionen
Kollokationen,
stilistische Restriktionsangaben, Landeskundliches,
Bedeutungs-
beschreibung und Ausspracheangaben.
4.5
Zur Erweiterung seiner Systemkompetenz sind dem Benutzer
mögichst viele paradigmatische und syntagmatische Relationen in verständlicher Form anzubieten. Das Lernerwörterbuch
berücksich-
tigt daher zusätzlich zur Bedeutungserklärung die synonymischen und antonymischen Beziehungen des Semems, und es bietet dem Benutzer eine Vielzahl typischer Zweierkombinationen - von freien Verbindungen bis zu festen und zu semantisch isolierten Kombinationen. Berücksichtigt werden schließlich auch die durch die Wortbildung bedingten Zusammenhänge unter den Lexemen.
5.0
Wörterbuchtheorie und Wörterbuchpraxis: Der Wörterbuchartikel im Lernerwörterbuch
Nach der Erörterung fremdsprachendidaktischer
Voraussetzungen
und wörterbuchtheoretischer Grundlagen stellen wir im folgenden eine Auswahl von Probeartikeln vor, die die Realisierung der lexikographietheoretischen Parameter, die Auswahl und Organisation der Informationsdaten am Einzelstichwort anschaulich ver-
227 deutlichen sollen. Die Auswahl der Artikel geschieht nach
Krite-
rien wie: Repräsentation der Wortarten und Repräsentation
der
Datentypen im Wörterbuchartikel. Zur Erklärung der
Zeichen:
1. Ein großer Punkt grenzt die Phraseologismen vom übrigen Wortartikel
ab.
2. Ein senkrecht stehendes Rechteck kennzeichnet die Glieder eines
gfbfD
Wortnestes.
[' ge :*n/umg. ge:n], ging
/jmd./
[gig], ist gegangen
[gS'garjenQ
'sich so fortbewegen, daß nie beide Füße
zugleich
ohne Berührung mit dem Boden sind'; SYN laufen: willst du ~
oder
fahren?; barfuß, langsam, r ü c k w ä r t s 1 ^ . 2 ^ .
'sich
irgendwohin
durch Gehen (1.1) irgendwohin begeben': jmd. geht
geradeaus,
durch das Tor, zum Bahnhof, über die Straße, um die Ecke 2. /jmd./ 'weggehen': er drehte sich um und ging; er ging wortlos, mit einem Gruß
/jmd./ an, auf, in etw./%/ 'mit etw. beginnen': er ging
sofort an die Arbeit; jmd. geht auf die Suche nach etw.; er geht heute in Urlaub
/etw., ζ. B. Fenster/ nach etw.
'die Rich-
tung nach etw. haben': das Fenster geht nach Süden, nach der Straße
die Uhr geht ('funktioniert'); die Uhr geht falsch
nicht die richtige Zeit an') 6 ± etw. geht
('zeigt
'etw. kann so akzeptiert
werden': der Mantel geht; das geht so nicht
jmdm. geht es gut,
schlecht ('jmd. ist in guter, schlechter Verfassung II') geht bei etw. um etw., jmdn.
es
'etw. bezieht sich auf etw.,
jmdn.':
es geht (bei diesem Streit) um die Erbschaft, um das Kind, ums Geld, um verschiedene Auffassungen
was geht da vor sich
schieht da gerade')? iQ^. < in verbalen Wendungen > in f
Erfüllung
; Β
^ ^ /jmd./ in s i c h « ^
be-, ergehen, Gang,
zu f
('ge-
Bruch t+s ;
vergehen
('über etw., was einem anzulasten ist, mit
Bedauern nachdenken'); /etw./ jmdm. über alles /%/ ('jmdm. mehr wert als alles andere
sein')
Zu gehen (1), laufen (2): nur mit gehen üblich: Arm in Arm gehen; nur mit laufen üblich: er konnte schon mit einem Jahr laufen . Nicht mit gehen synonym ist laufen in der Bedeutung dern '
'wan-
228
g|gg [gag] , d e r ; 'Art
Λ/es/auch
/vs,
Gänge [ ' g £ { 7 » H
und Weise des Gehens ( 1 . 1 ) ' :
er hat einen schleppenden, 'das Gehen ( 1 . 2 ) ' : Schule 2 ±
den >v
den e r s t e n ,
im v i e r t e n υ
einlegen;
Höhle;
der ^
der e r s t e ,
Gänge J^
verbalen Wendungen
/jmd./
f^y und Hof verlieren ('den gesamten Besitz an Immobilien verlieren'); /jmd./ jmdm. ins
platzen ('jmdn. überraschend besuchen');
/etw./ ins
stehen 'bevorstehen' ( ): eine Familienfeier steht
ins
aus 'der Ausbildung nach': von
von
aus ist er Mathe-
matiker
Lfhrer
[ j l e i r t j , der;
s,
'männliche Person, die beruflich
an einer Schule o. ä. Unterricht erteilt'; /auch für SVN Pädagoge: er ist ein guter, erfahrener«»/
'Lehrerin'/;
; er, sie ist
an einer Oberschule, Berufsschule; dazu weibl.: LehrfEjn die ;
£'le:rprirQ
, ^Mien
lQf|Dg|D, fängt an, fing an, hat angefangen SYN beginnen etw. S+J
/jmd./
'seine Tätigkeit in bezug auf etw., bes. etw. Abstraktes,
von einem bestimmten Zeitpunkt an verrichten'; ANT aufhören, beenden: einen Streit, ein Gespräch, einen B r i e f e ; mit etw.
^»^es Brot,
und
Trockenwerden,
r ^ e Eier 2^ ^ nicht
'physisch und psychisch stark belastbar'; ANT weich: A / e r Bursche 3^
'streng( )'; ANT mild(e): eine
Strafe; jmdn. ~
bestrafen, kritisieren;
sein, bleiben
< nur a t t r . >
r^e
('unerbittlich')
Heroin ist eine ^-e Droge
('eine
Droge, die den, der sie nimmt, völlig abhängig macht'); ein / ^ e r ('hochprozentiger') Drink \. ein
'mit großer Wucht'; ANT weich,
Aufprall, Schlag; er schlug r·**
zu
sanft:
'den Einsatz der
231
ganzen physischen und psychischen Kraft erfordernd'; ANT leicht: ein ^N>er Kampf; das ist
r^ e Arbeit;
arbeiten; es war ziem-
lich /s/ , das mit ansehen zu müssen 7. Z. nicht bei Vb.> rigkeiten, Entbehrungen reich'; ANT leicht
'an Schwie-
/auf einen Zeitraum,
bes. einen Lebensabschnitt, bez./: er hatte eine /%^er Ofen; der Kaffee ist rv Sonne scheint
; die
; die Suppe /v^ machen ('aufwärmen'); sich r^f
('mit warmem Wasser') waschen 2. zu sein'; ANT kalt
'das Gefühl vermittelnd, warm (1)
/auf den menschlichen Körper bez./: er hat
Hände; seine Füße sind r*~> ; bei dieser Arbeit wird e i n e m ^ < nicht p r ä d . ^
ANT kalt:
Speisen ('Speisen, die durch
Kochen, Braten o. ä. zubereitet sind und warm (1) gegessen werden');
Getränke; heute abend essen wir
'herzlich': .jmdm.
mit -/en Worten danken; jmdn: aufs wärmste ('sehr herzlich') begrüßen; φ
I
erwärmen
/jmd./ mit jmdm.
, nicht υ
werden ('zu jmdm. ein, kein
herzliches Verhältnis finden können')
rgi [ro:t] ^ A d j . ; STEIG röter Q rrf: t*Tß] /roter, röteste roteste> r»e Rosen;
'von der Farbe des Blutes':
r ^ e Lippen; etw. leuchtet, glüht
chen ; sie wurde
('errötete'); er hat
rd : t»sta[J /
r^e Tomaten, Erdbeeren; ; etw. r*s anstrei-
^ • e ('rötliche') Haare
232
< nicht bei V b . ^
/bürgerl. oft emot. neg./
'der
Arbeiterbewe-
gung, dem Sozialismus zugehörig, sich zu ihr, ihm bekennend': er galt als
; die Rote Armee /frühere Bez. für die
Streitkräfte/; Η φ
/jmd./
lÖfQbfyligb
sowjetischen
erröten sehen ('wütend sein,
[ap'Jöyli?]
emot.
werden')
^Adj.^
1.
'physischen
willen hervorrufen'; SYN widerlich: ein
A / e : Geruch,
etw. riecht, klingt 's-/, sieht ^
'moralischen
aus 2^
hervorrufend'; SYN verwerflich: eine Λ/
- 11^.
^Adv.;
vor Adj., A d v . >
zugswort Ausgedrückte negativ/ das tut
bifε
Wider-
Geschmack; Widerwillen
Tat; dieser Gedanke ist /bewertet das durch das Be-
'außerordentlich': es ist ^v kalt;
weh
[hi^l
lA^
/bezeichnet den Standort des
Sprechers/
'an dieser Stelle, diesem Ort'; ANT dort, da: < o f t mit ich stehe
/
stehe ich; er sitzt, ist ~
auf dem Tisch; der Bus hält gleich
; das Buch
an der Ecke;
drinnen, hinten, vorn, oben, unten;
Präp. von >
nicht von r-j weg 1^.2^ < vorw. am Satzanfang ^
r^j
Adv.best.>
liegt draußen, ich gehe
('an dieser
Stelle im Text') steht folgendes geschrieben, ist folgendes zu lesen
... 1^3^ < vor Imperativischen Sätzen >
auf eine bei ihm befindliche Sache hin/: halt mal! ;
, lies mal!
/der Sprecher , nimm es!;
^
^ nur attr.; einem Subst.,
nalpron., Demonstrativpron. nachgestellt >
/weist
weist , Perso-
nachdrücklich
auf eine Person, Sache hin, die in unmittelbarer Nähe des Sprechers ist/: unser Gast darauf will ich /v
; dieses Buch /N/ ; dies /N/ ; ich meine ('in diesem Zusammenhang') nicht
eingehen 2± 'zu diesem Zeitpunkt': A /
beginnt ein neuer
in deinem Leben; von λ / an, von /s/ ab beginnt eine neue φ
und da
Steinpilze 2±
1Λ
'an manchen S t e l l e n ' : , / ^
ihn^
näher Abschnitt
Epoche
und da fanden sich
'manchmal': er besuchte uns r J und da
MERKE Zur Getrennt-, Zusammenschreibung mit sein: f sein
(MERKE)
233 9fEQ
[ g e r n ] , auch g § r g f
sten; ißt
f
liebst > I i
^
; das t u t
hener Gast
Γ' g € r n « ]
'mit
Vergnügen,
er /-s ; i c h h e l f e
('man f r e u t
w i d e r u n g auf
jmds.
sich,
Dank/:
gefällig
zu s e i n ' ) ! "
^in
freundliche
Bitte
nüsse ; i c h wüQte r^/ , ob e r Zustimmung des S p r e c h e r s aus/: φ
das k a n n s t
gestern
^
£'g£stifn3
2ά
'in
früh,
haben
aus/:
('jmdn.
ich hätte
/als
Er('Sie
Ihnen
Zustimmung II
ein Kilo
aus/ >
Hasel-
/drückt
des g e n a n n t e n
die
Sachverhalts
mögen')
mittag,
der dem h e u t i g e n
gesehen;
morgen,
war e r an;
Adv.best.>
nachmittag;
vor
was / noch g ü l t i g
vor-
noch geacht
n a c h g e s t e l l t > der V o r t r a g
indekl.;
eine nicht
/der
Sprecher
bezieht
mir,
i c h könnte b e r u h i g t
sen
/der
Sprecher
je ja
älter sonst
allgemein
wird, nichts
nicht
als
nur
war,
Tagen; war
ist
im Nom. S g . ;
näher b e z e i c h n e t e
sicherte
nicht
freundliche
s e i t /v/ ; b i s />s ; von
4Indef.pron.;
gruppe/ 1 4 ,
sich
eine
gese-
"Gern geschehen
F r e u d e gemacht,
' a n dem Tag,
einem S u b s t .
/bezeichnet
kann;
e i n gern
gut
heute
veraltet
[manj Ii
mir
hinsichtlich
der V e r g a n g e n h e i t ' :
schon
ist
bastelt,
einem W u n s c h s a t z + K o n j .
i c h habe i h n
sund ; < + P r ä p . > abend,
Dank!"
kommt - 11^
ist':
^ auch a t t r . ;
! ; er
liest,
am l i e b -
du /v/ mitnehmen
/ j m d . / jmdn.
ausgegangen
er
zu B e s u c h k o m m t ' ) ;
es h a t
2^1- / d r ü c k t
ich d i r
eine
dir
wenn e r
k e i n e n Dank s c h u l d i g ,
/drückt
Freude':
"Herzlichen
s i n d mir
das g l a u b e
STEIG l i e b e r ,
bezieht desto
sich
vergeßlicher
angesehen,
Personen-
mit e i n / :
ver-
gab uns e t w a s zu e s -
s i c h mit e i n / :
2 ± so e t w a s t u t ^ korrekt
nicht
sein;
subst. >
Person,
r^f
tut,
wird r^J;
nicht
('so
was man
r^j etwas
und du s o l l s t
es
gönnt wird auch
tun')!
MERKE F ü r
den D a t .
und Akk.
treten
einem,
einen ein:
feiner
(
)
234
ygifr [ vnztJi I* ^ Possessi vpron. zu wir; Mask. u. Neutr. Sg.; Fem. Sg. u. PI. uns(e)re; f TAFEL ... > lil^
^adj.>
~
in /v>em Garten; wir ziehen in ^ neuen Haus;
Sohnes;
neues Haus; wir wohnen in ^-^-em
Tochter, Wohnung; r ^ B neue Wohnungseinrichtung;
^ ^ e Kinder; ^ w e neuen Bekannten Art.>
'(zu) uns gehörend'
Sohn, Kind, Hund, Haus; das Buch
< subst.; auch mit best.
laß deinen Wagen zu Hause, wir nehmen
ren/neben dem unser(e)n -
sie £zi:]
< Personalpron. ; subst.; f TAFEL . . . >
Sg. Fem.; Nom. u. Akk. > »N/ ;
/für ein Subst. mit fem. Genus/: er und
will morgen verreisen; ich habe ^
sehen; wer hat die Tür geschlossen, 2±
O -
Pers. PI.; Nom. u. A k k . >
heute noch nicht ge-
war doch eben noch offen
/für ein Subst. im PI. od.
mehrere Subst./ es kamen mehrere Vorschläge, man hat berücksichtigt;
: eins, zwei, /v ; ^ Äpfel, Bonbons, Kinder; ^ Stück Zucker, Glas Bier; siehe Seite ^ ; bis / v zählen; er ist ^ Jahre (alt); vor Jahren, Monaten, Wochen; es ist (Uhr); das Fehlen dieser Schüler, />^er Schüler, von Schülern; die Leistungen /^-er guter Schüler; die r u fehlten unentschuldigt; er schenkte es den o-/ Mädchen, den ^-»en; eine arabische Drei /3/; eine römische Drei /III/; er hat eine Drei ('das Prädikat "befriedigend"') bekommen; mit der Drei ('einer Straßenbahn der Linie 3') fahren; Β d r i t t e , drittel, drittens φ
umg. /jmd./ nicht bis
zählen können ('dumm sein')
MERKE Das Subst. steht im Sg., wenn die Kardinalzahl ist (Seite ^
, Lektion
angabe darstellt ( S t ü c k
nachgestellt
wenn das Subst. eine Maß-, MengenZucker). Besonders die Zahlen zwei
bis sechs werden im Dat. flektiert, wenn sie substantivisch gebraucht sind und sich auf Personen beziehen. Das mit einer Kardinalzahl verbundene Adj. wird stark flektiert.
235 yIgg
^ Adv.; steht am Anfang eines (in)direkten Fragesatzes >
'zu welcher Zeit?':
^
kommst du?;
lebte Napoleon?; ich weiß nicht, ^ von /v/ bis
/v
ist das passiert?;
das passiert ist;
dauert die Vorstellung?; von
Präp.>
an gilt diese Rege-
lung? ; seit , bis />-/ bist du hier?
diesseits
di: sza^tsj
Präp. mit Gen.; einem Subst.
vorange-
stellt > /lokal; vom Sprecher aus gesehen auf der Seite von einer Linie, auf der er sich selbst befindet/; ANT jenseits: Elbe, des Rheins;
bfVQE £be'fo:'tf3 mit Hauptsatz >
~
der
der Grenze
^ Konj.; subordinierend; verbindet
Nebensatz
/temporal; die Handlung des Nebensatzes ist
der des Hauptsatzes zeitlich unmittelbar nachgeordnet/; SYN ehe (1): r^j er fortgeht, schließt er die Tür ab / er schließt die Tür ab, r^y er fortgeht; < m i t Negation im Hauptsatz und fakult. Negation im Nebensatz >
er darf die Wohnung nicht verlassen,
er (nicht) aufgeräumt hat Zi. ^ m i t Negation im Hauptsatz und fakult. Negation im Nebensatz > /konditional/ er bezahlt die Rechnung nicht, men hat
er (nicht) ('nur dann, wenn er') Gehalt bekom-
236 Anmerkungen 1
Bereits 1948 erschienen war das ALD (Oxford Advanced Learner's Dictionary of Current English. Ed. A. S. Hornby with A. P. Cowie and A. C. Gimson). Ihm folgte in den 70er und 80er Jahren eine erstaunlich große Anzahl weiterer Lernerwörterbücher, ζ. B. LDOCE (Longman Dictionary of Contemporary English. Ed. R. Procter. London 1978), CULD (Chambers Universal Learner's Dictionary. Ed. Ε. M. Kirkpatrick. Edinburgh 1980), OELDE (Oxford Elementary Learner's Dictionary of English. Ed. 5. Burridge. Oxford 1981), MLD (Macmillan Learner's Dictionary. Ed. Μ. H. Manser. London/ Basingstoke 1983). Das neueste in dieser Reihe ist Collins Cobuild English Language Dictionary. Ed. J. Sinclair. London/ Glasgow 1987.
2
DFLE (Dubois, J. £u. a.]: Dictionnaire du frangais langue ötrangäre. Niveau 1. Paris 1978. Niveau 2. Paris 1979). Daneben aber auch andere, die nicht so eindeutig auf den ausländischen Nutzer zugeschnitten sind: Davau, M./M. Cohen/M. Lallemand: Dictionnaire du frangais vivant. Paris 1972; Lagane, R. Qu. a ·3 : Nouveau Larousse des debutants. Paris 1977.
3
Etwa zum gleichen Zeitpunkt beginnt die Theoretisierung der Lexikographie für Lehrzwecke; vgl. den Sammelband "Aktual'nye problemy uöebnoj leksikografii" (Aktuelle Probleme einer Lexikographie für Lehrzwecke). Hrsg. V. A. Redkin. Moskva 1977. Er enthält Beiträge zu den Themen Pädagogische Lexikographie, Lexikalisches Minimum, Kollokation etc.
4
Hausmann
5
Hausmann unterscheidet drei Grundfunktionen des einsprachigen Wörterbuchs: 1. Rezeption von Texten. Dieser Funktion entspräche ein Lesewörterbuch mit der Funktion der döcodage. 2. Produktion von Texten. Ihr entspräche ein Schreibwörterbuch mit der Funktion der d'encodage. 3. Systematische Erlernung des Wortschatzes. Dies entspräche der Funktion eines Lernerwörterbuchs, eines dictionnaire d'apprentissage.
6
vgl. Hausmann, Franz Josef 1979. Neue Wörterbücher für den Französischunterricht oder: Was ist ein Schulwörterbuch. Die Neueren Sprachen 78. 331-351.
7
vgl. Ekkehard Zöfgeri. 1985b: Lernerwörterbücher Prüfstand oder: Was ist ein Lernwörterbuch?
8
vgl. Zöfgen. 1985:
9
Seine Erfahrungen im Umgang mit Deutsch lernenden Ausländern und ihren grammatischen N a c h s c h l a g e b e d ü r f n i s s e n erläutert Η. E. Wiegand (1984) in seinem Aufsatz "Fragen zur Grammatik in Wörterbuchbenutzungsprotokollen. Ein Beitrag zur empirischen Erforschung der Benutzung einsprachiger Wörterbücher". Er kommt zu dem Schluß, daß die grammatischen Informationsdaten für den Ausländer überwiegen, und daß für ihn die Kombination einer Grammatik mit einem Wörterbuch anzustreben sei.
1974.
auf dem
12-15.
237
10
Großes Wörterbuch der deutschen Aussprache. Hg. Krech, Stötzer u. a. Leipzig. 1982.
Kurka,
11
vgl. dazu Helbig/Buscha (1984: 500ff.). Diese Wortartzuweisung wäre in der Lexikographie eine Neuerung, da Adverbien in dieser Funktion bisher einfach allgemein zu den Adverbien gerechnet wurden, ohne sie näher zu beschreiben.
12
In den Grundzügen (1981) wird die Partikel nur am Rande und vor allem unter dem Adverb abgehandelt. Charakterisiert wird weder ihre Eigenschaft, als Satzglied noch als Satzäquivalent fungieren zu können. Die Hinweise beziehen sich ausschließlich auf die Modalpartikel.
13
Der Petit Larousse kann als der Prototyp angesehen werden. Das Nouveau dictionnaire du frangais contemporain illuströ (1980) enthält 1062 Illustrationen. Auch die englischen Lernerwörterbücher, insbesondere das Oxford Advanced Learner's Dictionary of Current English (A. S. Hornby), sind reichlich mit Illustrationen ausgestattet. Für die^deutsche Lexikographie ist Der Sprach-Brockhaus. Wiesbaden 1958 zu nennen.
14
Das Typische ist bei vielen Objekten durch die Darstellung im Profil erreichbar, bei anderen durch die Aufsicht (ζ. B. beim Schmetterling). Bäume werden durch die Verbindung Baum Frucht (evtl. auch Zweig) leichter von anderen abgegrenzt.
15
Typische Verbindungen möchten wir als häufig verwendete, als die Zweierverbindungen interpretiert wissen, die bei der Nennung eines Wortes dem Hörer sofort als Verknüpfung einfallen.
238
Literatur Wörterbücher Agricola, Christiane u. Erhard Agricola. 1977. Wörter und Gegenwörter. Antonyme der deutschen Sprache. Leipzig VEB Bibliographisches Institut. Brockhaus Wahrig. Deutsches Wörterbuch in sechs Bänden. 1980-1984. Hrsg. von Gerhard Wahrig, Hildegard Krämer, Harald Zimmermann. Wiesbaden, Stuttgart, F. A. Brockhaus, Deutsche Verlagsanstalt. dtv-Wörterbuch der deutschen Sprache. 1979. Hg. voncGerhard Wahrig. München, Deutscher Taschenbuch Verlag. 1982. Dubois, Jean (u. a.). 1966. Dictionnaire du frangais contemporain. Paris. Duden 10. Das Bedeutungswörterbuch. 1985. Hg. und bearbeitet von Wolfgang Müller. Mannheim/Wien/Zürich, Dudenverlag. Duden. Das große Wörterbuch der deutschen Sprache in sechs Bänden. 1976-1981. Hg. und bearbeitet vom Wissenschaftlichen Rat und den Mitarbeitern der Dudenredaktion unter der Leitung von Günther Drosdowski. Mannheim/Wien/Zürich, Dudenverlag. Duden. Deutsches Universalwörterbuch. 1983. Hg. und bearbeitet vom Wissenschaftlichen Rat und den Mitarbeitern der Dudenredaktion unter der Leitung von Günther Drosdowski. Mannheim/ Wien/Zürich, Dudenverlag. Grimm, Hans-Jürgen. 1987. Lexikon zum Artikelgebrauch. Leipzig, VEB Verlag Enzyklopädie. Großes Wörterbuch der deutschen Aussprache. 1982. Hg. von dem Kollektiv Eva-Maria Krech u. a. Leipzig, VEB Bibliographisches Institut. Handwörterbuch der deutschen Gegenwartssprache in zwei Bänden. 1984. Von einem Autorenkollektiv unter der Leitung von Günter Kempcke. Berlin, Akademie-Verlag. Heibig, Gerhard u. Wolfgang Schenkel. 1982. Wörterbuch zur Valenz und Distribution deutscher Verben. Leipzig, VEB Bibliographisches Institut. Heibig, Gerhard. 1988. Lexikon deutscher Partikeln. Leipzig, VEB Verlag Enzyklopädie. Kosaras, Istvän. 1983. Grundwortschatz der deutschen Sprache. Budapest/Berlin, Volk und Wissen. Longman Dictionary of Contemporary English. 1987. New Edition. Essex, Longman.
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Sprachpflege
243
Wolski, Werner. 1986. Partikellexikographie Series Maior 14). Tübingen, Niemeyer.
(Lexicographica.
Wortschatzforschung heute. Aktuelle Probleme der Lexikologie und Lexikographie. 1982. Hg. von Erhard Agricola, Joachim Schildt, Dieter Viehweger. Leipzig. Zöfgen, Ekkehard. 1985a. Definitionswörterbuch kontra Valenzwörterbuch. Zur lexikographischen Darstellung der Verbsyntax aus pragmatischer Sicht: Lexikographie und Grammatik. Akten des Essener Kolloquiums zur Grammatik im Wörterbuch 28.-30.6.1984. Hg. von Henning Bergenholtz und Joachim Mugdan. Tübingen (Lexicographica. Series Maior 3). 130-158. 1985b. Lernerwörterbücher auf dem Prüfstand oder: Was ist ein Lernwörterbuch?: Wörterbücher und ihre Didaktik ^Themenheft der Bielefelder Beiträge zur Sprachlehrforschung 14. Η. 1 u. 2]. Hg. von Ekkehard Zöfgen. Bad Honnef. Zürich. 10-89.
RENATE PASCH ES LEBE DAS LEXIKOGRAPHISCHE BEISPIEL! (PROBLEME DER LEXIKOGRAPHISCHEN BESCHREIBUNG WAHRHEITSFUNKTIONALER SATZVERKNÜPFER MIT KONTEXTBESCHRÄNKUNGEN)
1. 1.1. 1.2. 1.3.
2. 2.1. 2.2. 2.3.
Illustration der linguistischen Fakten: die wesentlichsten Gebrauchsbedingungen von ohne daß und statt daß Die aussagenlogische Konjunktion und Negation als Bedeutung von ohne daß und statt daß Die aussagenlogische Konjunktion als Aspekt von Kontextbeschränkungen von ohne daß und statt daß Der Zusammenhang von Bedeutung und Kontextbeschränkung als Definiens der Gebrauchsbedingungen von ohne daß und statt daß Versuch einer alltagssprachlichen Formulierung (AF) der Gebrauchsbedingungen von ohne daß und statt daß zum Zwecke ihrer Beschreibung Zur Frage der Adressaten einer lexikographischen Veranschaulichung der Gebrauchsbedingungen von Funktionswörtern Die Behandlung der Gebrauchsbedingungen von ohne daß und statt daß in zeitgenössischen einsprachigen semasiologischen Wörterbüchern Alternativen zu den Beschreibungen der Gebrauchsbedingungen von ohne daß und statt daß in Wörterbüchern: AF
3.
Erfahrungen mit Benutzern der AF in Wortfindungstests
4.
Schlußfolgerungen aus den Wortfindungstests
5.
Zum Beispielteil in den lexikographischen Beschreibungen wahrheitsfunktionaler Konnektive
6.
Exemplarischer Vorschlag zur lexikographischen Veranschaulichung der Gebrauchsbedingungen von Konnektiven mit Kontextbeschränkungen, illustriert an der Behandlung von ohne daß und statt daß
7.
Schlußbemerkung
Anmerkungen Literatur
246
Es gibt eine ganze Reihe von Sätze verknüpfenden
lexikalischen
Einheiten - im folgenden "Konnektive" genannt
die sich
(teil-
weise sogar ausschließlich) durch spezifische Bedingungen
unter-
scheiden, die sie an die inhaltliche Beschaffenheit der Sätze stellen, die sie verknüpfen. Die Wahl der für die nutzer optimalen lexikographischen
Beschreibung
für den korrekten Gebrauch solcher Konnektive -
Wörterbuchbe-
der
Bedingungen
"Gebrauchsbedin-
gungen" - bereitet für das einsprachige Bedeutungswörterbuch, im folgenden zu zeigen Sein wird, prinzipielle und nicht
wie
unerheb-
liche Schwierigkeiten. Die Schwierigkeiten sind um so größer, je abstrakter bei diesen Konnektiven derjenige Aspekt ihrer
Gebrauchs-
bedingungen ist, der in der Linguistik als "Bedeutung" der Konnektive bezeichnet wird, und je weniger sich die jeweils in ihren Gebrauchsbedingungen zu beschreibenden Konnektive in ihrer tung von anderen Konnektiven
Bedeu-
unterscheiden.
Beispiele für derartige Schwierigkeiten bereitende
Konnektive
sind die deutschen Konjunktionen ohne daß und statt daß. Die genannten Schwierigkeiten sollen hier an der Erörterung der Frage veranschaulicht werden, wie die wesentlichen
Gebrauchsbedingungen
dieser beiden Konnektive in einem einsprachigen
semasiologischen
Wörterbuch dargestellt werden können. Anschließend wird ein Vorschlag zur Lösung der bei der Beschreibung von ohne daß und statt daG auftretenden Probleme entwickelt, der sich in seinen
Prinzi-
pien auf die lexikographische Behandlung anderer Konnektive
über-
tragen läßt, die die gleichen Schwierigkeiten bereiten. Es wird zu zeigen sein, daß besonders bei der Veranschaulichung brauchsbedingungen derartiger lexikalischer Einheiten Sorgfalt auf die Wahl prägnanter Anwendungsbeispiele
der Ge-
äußerste verwendet
werden muß. In den folgenden Ausführungen wird es nicht darum gehen, eine kritische Bilanz des Standes der Entwicklung in der
Behandlung
solcher "Funktionswörter" in Wörterbüchern zu ziehen. (Eine solche Bilanz zieht schon Brauße (in diesem Band).) Es wird hier auch nicht darum gehen, umfassend Anforderungen an die
lexikogra-
phische Beschreibung
von Konjunktionen, geschweige denn Funktions2 Wörtern überhaupt abzuleiten . Vielmehr sollen hier einige Vorschläge für die lexikographische
Behandlung von Konnektiven
einer
247
bestimmten Art entwickelt werden, die unter Umständen für die lexikographische Beschreibung anderer Arten von Funktionswörtern genutzt werden können.
1.
Illustration der linguistischen Fakten: die wesentlichsten Gebrauchsbedingungen von ohne daß und statt daO
1.1
Die aussagenlogische Konjunktion und Negation als Bedeutung von ohne daO un.d statt daß
Wie linguistische Analysen ergeben haben, reduzieren sich die Bedeutungen von ohne daß und statt daß auf eine Kombination der Wahrheitsfunktionen der aussagenlogischen Konjunktion und der aussagenlogischen Negation"'. Unter der Bedeutung einer lexikalischen Einheit sollen hier, wie allgemein üblich, Wahrheitsbedingungen verstanden werden. Das sind diejenigen von der lexikalischen Einheit in einen sie enthaltenden Deklarativsatz eingebrachten Be4 dingungen, unter denen der Deklarativsatz wahr ist. Bei ohne daß und statt daß verknüpft die aussagenlogische Konjunktion die Bedeutung des Hauptsatzes mit der Negation der Bedeutung des Nebensatzes. Im Deutschen wird die aussagenlogische Konjunktion am reinsten durch die Bedeutung der Konjunktion und und die aussagenlogische Negation durch die Bedeutung der Partikel nicht verkörpert. ("am reinsten"soll heißen, daß die genannten Ausdrücke von allen Ausdrücken, die diese Bedeutung haben, die wenigsten zusätzlichen Gebrauchsbedingungen aufweisen.) Daß sich die Bedeutung von ohne daß und statt daß auf die genannte Weise analysieren läßt, zeigt sich darin, daß Satzgefüge mit ohne daß und statt daß in bestimmten Fällen bei Wahrung ihrer Denotate durch Satzverbindungen mit und nicht (im folgenden siehe jeweils b)) ersetzt werden können. Vgl. (1) (a) Hans sitzt im Garten, ohne daß er seine Schularbeiten macht. (b) Hans sitzt im Garten und macht nicht seine Schularbeiten. (2) (a) Hans sitzt im Garten, statt daß er seine Schularbeiten macht. (b) Hans sitzt im Garten und macht nicht seine Schularbeiten.
248
Aus all diesen Satzverknüpfungen
folgt deren Interpretation,
daß
die mit Hans bezeichnete Person im Garten sitzt und daß sie nicht ihre Schularbeiten
macht.
Wenn die Bedeutung des Hauptsatzes mit £ und die des
Nebensat-
zes mit £ bezeichnet wird, dann läßt sich die Bedeutung des Satzgefüges formal so darstellen: q5
(3) ρ A wobei Α
wie üblich für die aussagenlogische Konjunktion
und
für die aussagenlogische Negation steht. Die Bedeutung von ohne daß und statt daß ist dann logisch gesehen eine komplexe durch deren Anwendung auf ihre Argumente (p und q) die
Funktion,
Bedeutung
des Satzgefüges entsteht. Man kann sie wie folgt formal
darstel-
len : (4)
χ
q λ
Ρ
(ET(NON(q)Hp))6
Der Funktor ET steht anstelle des Funktors Α
und der
Funktor
NON anstelle des Funktors "V . Dabei wurde die in (3) verwendete Notation für die Funktor-Argument-Struktur
in eine
umgewandelt, die in der Logik als "polnische"
(oder
Darstellung "Lukasiewicz"-)
Schreibweise bezeichnet wird, wobei außerdem noch eine
Reihenfolge
der Anwendung der elementaren Funktionen auf die Argumente
darge-
stellt wird. Das heißt, zuerst wird die Negation (NON) auf q angewandt, dann wird auf das Ergebnis dieser Anwendung die Konjunktion
(ET) angewandt und das Ergebnis dieser
logische
Anwendung
schließlich auf p. Konnektive mit aussagenlogischen Bedeutung nenne ich im folgenden
1.2
(Wahrheits-)Funktionen
als
"wahrheitsfunktional".
Die aussagenlogische Konjunktion als Aspekt von Kontextbeschränkungen von ohne daß und statt daß
Obwohl ohne daß und statt daß identische Bedeutungen haben, nen sie nicht in allen Kontexten durcheinander ersetzt
kön-
werden.
Vgl. (5) (a) Ohne (/*statt) daß du bezahlst, kann ich dir keine Karten geben. (b) Statt (/*ohne) daß du dich freust, ärgerst du dich. (Warum nur?)
249 Da die Satzgefüge, wie (1) und (2) zeigen, identische haben können (was auf ihre Bedeutungsidentität Wahrheitsbedingungen
Paraphrasen
- Identität
der
- schließen läßt) und da ohne daß und statt
daß aus syntaktischen Gründen in (5) nicht ausgeschlossen müssen die in (5) sichtbaren Unterschiede in den keiten der beiden Konnektive aus zusätzlichen
sind,
Gebrauchsmöglich-
Gebrauchsbeschränkun-
gen dieser Konnektive herrühren. Ihr wesentlichster
Unterschied
besteht darin, daß ohne daß und statt daß Unterschiedliches weisen. Das, was sie zurückweisen, wird in manchen
zurück-
Wörterbüchern
und von manchen Autoren als "Erwartung" bezeichnet. Diesen
Termi-
nus will ich hier aufgreifen.^ Für ohne daß kann man Argumente
da-
für beibringen, daß die zurückgewiesene Erwartung darin liegt, daß der vom Hauptsatz und der vom Nebensatz bezeichnete Sachverhalt • zusammen bestehen. Für statt daß läßt sich nachweisen, daß die zurückgewiesene Erwartung die ist, daß der vom Hauptsatz
bezeich-
nete Sachverhalt nicht besteht, wohl aber der vom Nebensatz be9 zeichnete . So drückt (5)(a) die durch das Satzgefüge als nicht verwirklicht gekennzeichnete Erwartung aus, daß der Adressat bezahlt und der Sprecher ihm (dann) Karten geben kann. (5)(b) drückt aus, daß erwartet wurde, daß der Adressat sich nicht ärgert, sondern sich freut und daß diese Erwartung durch das Satzgefüge zurückgewiesen
wird.
Die Erwartung, die von ohne daß-Satzgefügen zurückgewiesen
wird,
ist formal darzustellen als die aussagenlogische Konjunktion der Haupt- und der
Nebensatzbedeutung:
(6) ρ A q Die Erwartung, die von statt daß-Satzgefügen zurückgewiesen
wird,
ist formal darzustellen als die aussagenlogische Konjunktion der Nebensatz- und der Negation der
(7) ~
Hauptsatzbedeutung:
ρ A q
Die Erwartungskomponente der Gebrauchsbedingungen des
jeweiligen
Konnektivs stellt eine Bedingung an die Beschaffenheit der tungen der durch die Konnektivbedeutung zu verknüpfenden
Bedeu-
Teilsät-
ze des Satzgefüges dar, an die Möglichkeiten ihrer logischen Beziehungen^.
Sie ist also eine Beschränkung bezüglich des Kontex-
tes des Konnektivs - eine
"Kontextbeschränkung".
250
1.3
Der Zusammenhang von Bedeutung und Kontextbeschränkung als Definiens der Gebrauchsbedingungen von ohne daß und statt daß
Bedeutung und Kontextbeschränkung - hier eingeschränkt auf die Erwartung - bilden zusammen einen wichtigen Teil dessen, was hier mit dem Terminus "Gebrauchsbedingungen" bezeichnet wird. Ich will darunter ganz allgemein die Bedingungen für den korrekten Gebrauch des Formativs einer lexikalischen Einheit verstehen. Neben weiteren inhaltlichen Anforderungen an die zu verknüpfenden Sätze, die ich ebenfalls als "Kontextbeschränkungen" verstehen will (zum Beispiel, ob der Hauptsatz allen Satzarten angehören kann oder nicht), gehören zu den Gebrauchsbedingungen für mich auch die syntaktischen Eigenschafteh der Konnektive (ob das Konnektiv eine koordinierende oder eine subordinierende Konjunktion ist). In vielen Fällen ergibt sich die als Kontextbeschränkung fungierende Erwartung noch nicht aus der Natur der Bedeutungen der Teilsätze des wohlgeformten Satzgefüges. Das Satzgefüge verletzt dann die Beschränkung zwar nicht, erfüllt sie aber nicht eigentlich. Dies ist ζ. B. bei (2)(a) der Fall. In solchen Situationen wird die Erwartung durch die Verwendung des Konnektivs "gesetzt". Deshalb ist es gerechtfertigt zu sagen, daß das Konnektiv neben der Bedeutung auch die Erwartung "ausdrückt". Da von den mit ohne daß und statt daß gebildeten Satzgefügen sowohl die jeweilige Erwartung als auch die unter (3) genannte Bedeutung ausgedrückt wird, müßte man nun die aussagenlogischen Beschreibungen der von den ohne daß- und statt daß-Satzgefügen ausgedrückten Erwartungen jeweils mit der Bedeutung dieser Satzgefüge durch die aussagenlogische Konjunktion verknüpfen können. Vgl. (8·) (a) ( p A ~ q ) Α (ρ Λ q) (für das, was ohne daß-Satzgefüge ausdrücken) (b). ( p / W q ) A ρ A q) (für das, was statt daß-Satzgefüge ausdrücken) Für einen Logiker ist sofort ersichtlich, daß diese Verknüpfungen Kontradiktionen ausdrücken. Dies tun die ohne daß- und statt daßSatzgefüge jedoch nicht. Die Bedeutung und die Erwartung, die von den Konnektiven jeweils ausgedrückt werden, können also nicht in
251 einer Beziehung zueinander stehen, die durch die
aussagenlogische
Konjunktion repräsentiert sein kann. Beide Aspekte machen
jedoch
das, was jeweils durch das lexikographische Definiens der Gebrauchsbedingungen der beiden Konnektive wiedergegeben
werden
muß, gemeinsam aus. Die Beziehung zwischen ihnen muß also in das Definiens mit eingehen. Wie dies zu geschehen hat, ist nicht nur ein lexikographisches, sondern auch ein
theoretisch-linguistisches
Problem. Bevor man sich der Lösung des Problems, wie die Verbindung schen Erwartungskomponente
und Bedeutung in den
zwi-
Beschreibungen
der Gebrauchsbedingungen der Konnektive dargestellt werden kann, zuwenden kann, muß man sich allerdings über die Natur des Verhältnisses zwischen Bedeutung und Erwartungskomponente
Klarheit
ver-
schaffen. Während nun, wenn der Hauptsatz in Satzgefügen mit ohne daß bzw. statt daß ein affirmativer Deklarativsatz ist, bei der Verwendung solcher Satzgefüge von ihren Adressaten darauf
geschlos-
sen werden darf (und sich diese darauf berufen dürfen), daß das gilt, was die Bedeutung des Satzgefüges ausmacht, darf man als Adressat nicht schließen, daß das gilt, was die Erwartung
aus-
macht. Obgleich sich Bedeutung und Erwartung logisch gesehen
gegen-
seitig negieren (d. h. wechselseitig ausschließen), ist die Erwartung im Unterschied zur Bedeutung durch die
Gebrauchsbedingungen
des Konnektivs als Inhalt einer möglichen Folgerung des Adressaten der Verwendung des Satzgefüges für den Zeitpunkt
unmittelbar
nach der Verwendung des Satzgefüges ausgeschlossen. Das heißt, sprachlich schließt die Bedeutung die Erwartung aus, aber nicht umgekehrt. Der erwartete
ihrem Inhalt nach
Sachverhalt(s-konnex)
ist im Unterschied zu dem von der Bedeutung identifizierten
Sach-
verhalt ein "überholter" Sachverhalt, ein Sachverhalt, der eine kalkulierte, aber nicht bestätigte Möglichkeit darstellt. Da die von den Teilsätzen des Satzgefüges bezeichneten Sachverhalte nicht aus eigener Kraft gegenseitig
sich
"ungültig" machen können, muß
es die Beziehung zwischen Erwartungskomponente und Bedeutung
sein,
die der Bedeutung Gewicht über die Erwartung verleiht, derart daß sie dem logisch mit ihr unverträglichen Erwartungssachverhalt
die
Geltung abspricht. Ich nehme an, daß diese Beziehung die der zeitlichen Vorordnung der Erwartung vor die Bedeutung ist. Dabei die Bedeutung auf den Augenblick unmittelbar nach der
ist
Vollendung
252
der Verwendung des Ausdrucks, dessen Bedeutung sie ist, bezogen. Diese Beziehung gehört weder zur Bedeutung selbst noch zur Erwartung (d. h. zu dem als Erwartetes Ausgedrückten). Auf die Problerne, die dies für eine semantiktheoretische
Beschreibung der Konnektive
und der mit ihnen zu bildenden Satzgefüge mit sich bringt, kann und muß ich hier nicht e i n g e h e n ^ , auch auf Vorschläge zu ihrer Lösung nicht. Für den Zweck der hier zu behandelnden
lexikographi-
schen Probleme repräsentiere ich diesen Zusammenhang von Bedeutung und Erwartungskomponente in den Satzgefügen mit ohne daß und statt daß formal so: (0)
(a)
[(b
ρ A~q)(
e
Ρ A
q)J
(für das, was ohne daß-Satzgefüge (b)· [( b ΡΛ ~ q ) ( e ~ p A q)] (für das, was statt daß-Satzgefüge ]d steht für die Bedeutung, j3 für die Erwartung
ausdrücken) ausdrücken) (das Erwartete).
Die eckigen Klammern fassen die zwei aussagenlogisch
unverbunde-
nen aussagenlogischen Ausdrücke zu einem einzigen Ausdruck der formalen Beschreibung der Gebrauchsbedingungen eines 12 Ausdrucks (hier: eines Satzgefüges) zusammen.
sprachlichen
Die Gebrauchsbedingungen der lexikalischen Einheiten ohne daß und statt daß stelle ich dann wie folgt formal dar: (9) (a)
[( b ET(N0N(q))(p))( e
ET(q)(p))]
(für die Gebrauchsbedingungen von ohne daß) (b) * q
[( b ET(N0N(q))(p))( e ET(q) (NON(p)))]
(für die Gebrauchsbedingungen von statt daß)
253
2.
Versuch einer alltagssprachlichen Formulierung (AF) der Gebrauchsbedingungen von ohne daß und statt daß zum Zwecke ihrer Beschreibung
2.1
Zur Frage der Adressaten einer lexikographischen Veranschaulichung der Gebrauchsbedingungen von Funktionswörtern
Man könnte sich nun fragen, ob Gebrauchsbedingungen von Konnektiven, die so abstrakt sind wie die in Abschnitt 1. dargestellten, überhaupt beschrieben werden müssen, kann doch von Muttersprachlern, die Wörterbücher zu konsultieren intellektuell in der Lage sind, erwartet werden, daß sie Konnektive wie ohne daß und statt daß korrekt verwenden. Einsprachige semasiologische Wörterbücher werden denn auch im Hinblick auf Funktionswörter - wie sie die gewählten lexikalischen Einheiten darstellen - kaum von Muttersprachlern konsultiert. Dies ergab u. a. eine Umfrage unter Übersetzern und Verlagslektoren, die ich angestellt habe.''''' Das Ergebnis stimmt mit meiner eigenen Praxis überein. Aus den Bedürfnissen meiner eigenen Übersetzungspraxis weiß ich, daß sich über die Gebrauchsbedingungen von Funktionswörtern in einem einsprachigen semasiologischen Wörterbuch vorwiegend Nichtmuttersprachler
informieren.
An sie müssen also die Beschreibungen der Gebrauchsbedingungen von Funktionswörtern in solchen Wörterbüchern vornehmlich gerichtet sein. Damit müssen die lexikographischen Beschreibungen so gestaltet werden, daß durch sie ein Nichtmuttersprachler in die Lage versetzt wird, (A) die Äquivalente des in seinen Gebrauchsbedingungen beschriebenen Formativs, die dieses in der Muttersprache des Nichtmuttersprachlers hat, aufzufinden und (B) das beschriebene Formativ korrekt zu verwenden. Ein Problem der Lexikographen ist nun, wie dies am besten gesichert werden kann. Üblich ist in der Lexikographie, die oben genannten Gebrauchsbedingungsbeschreibungen durch Beispiele, in denen das beschriebene Formativ Verwendung findet, zu ergänzen. Dieses Verfahren kann die Auffindung der Äquivalente wesentlich erleichtern und unangemessene Verwendungen auf einfachere Weise
254 ausschließen helfen, als dies über die Beschreibung der Gebrauchsbedingungen geschehen kann - vorausgesetzt, die illustrierenden Beispiele werden systematisch gewählt und treffen genau die Verwendungsmöglichkeiten und schließen die
Verwendungsunmöglichkeiten
aus. Wie letzteres zu garantieren ist, wird weiter unten zu behandeln sein. Zunächst möchte ich beleuchten, wie zeitgenössische deutsche einsprachige semasiologische Wörterbücher die zur Illustration der hier interessierenden Probleme benutzten Konjunktionen ohne daß und statt daß behandeln. Anschließend werde ich eine alternative alltagssprachliche Beschreibung der
Gebrauchsbedingun-
gen dieser Konjunktionen vorstellen, um dann in Abschnitt 3. über einen Versuch zu berichten, der die Rolle der Illustration der Gebrauchsbedingungen durch Verwendungsbeispiele augenfällig macht. Man könnte nun einwenden, daß man davon ausgehen kann, daß ohne daß und statt daß auch für Nichtmuttersprachler
unproblema-
tisch sind, insofern als diese sich wegen ihrer allgemeinen Gebräuchlichkeit über ihre fremdsprachlichen Äquivalente bereits in einem zweisprachigen Wörterbuch informiert haben dürften und diese Konjunktionen deswegen in einem einsprachigen Wörterbuch nicht beschrieben werden müssen. Nun kann aber die Art und Weise, wie Nichtmuttersprachler ihre Fremdsprachenkompetenz erwerben, nicht für jede einzelne lexikalische Einheit präjudiziert werden. Deshalb sollten
in einem einsprachigen semasiologischen Wörterbuch
m. E. zwischen den einzelnen zu beschreibenden lexikalischen Einheiten keine Unterschiede in der Genauigkeit ihrer Beschreibungen oder gar, wenn es sich um ein Spezialwörterbuch (etwa der Funktionswörter oder Konjunktionen) handelt, in der Frage ihrer Aufnahme in das Wörterbuch gemacht werden.
2.2
Die Behandlung der Gebrauchsbedingungen von ohne daß und statt daß in zeitgenössischen einsprachigen
semasiologi-
schen Wörterbüchern Wie müssen nun die lexikographischen alltagssprachlichen Varianten der in Abschnitt 1.3 angeführten theoretisch-formalen Beschreibungen der Gebrauchsbedingungen von ohne daß und statt daß formuliert werden, damit sie dem Wörterbuchbenutzer bei der Wortfindung die optimale Hilfe sind?
255 Betrachten wir zunächst einige repräsentative einsprachige deutungswörterbücher
Be-
des Deutschen!
Das DWB (1956) von Hermann Paul gibt bei statt daß und ohne daß überhaupt keine Information zur Bedeutung dieser Einheiten in der deutschen Sprache der Gegenwart. Ähnlich wie das WDG
charakterisie-
ren auch Brockhaus Wahrig (1982) und Duden, Deutsches
Universal-
Wörterbuch (1983) (an)statt daß zirkulär. Ersterer verweist bei statt daß auf anstelle und bei diesem auf statt. Letzterer
macht
einen etwas größeren Umweg zu statt zurück. Bei statt wird der Benutzer auf anstelle verwiesen. Bei diesem dann zwar wieder zurück auf statt, aber außerdem noch auf stellvertretend dort wird er an Stellvertreter
gleich
für. Von
verwiesen, von dort weiter
nach
vertreten, wo er dann schließlich in der Beschreibung wieder bei Stelle landet. Bei ohne daß sind die Angaben im Duden,
Deutsches
(1983) ähnlich mager wie im W D G 1 4 :
"gibt an,
Universalwörterbuch
daß etw. nicht eintritt od. eingetreten ist od. daß jmd. etw. unterläßt, nicht
tut".
Im Brockhaus Wahrig (1982f.) allerdings findet sich zu ohne daß eine genauere Angabe:
"kennzeichnend, daß etwas Erwartetes
eintritt od. daß etwas fehlt, nicht getan wird".
2.3
Alternativen zu den Beschreibungen der
nicht
(1982)
Gebrauchsbedin-
gungen von ohne daß und statt daß in Wörterbüchern: Bezüglich statt daß bleibt der Wörterbuchbenutzer
also
AF
unberaten,
über ohne daß erfährt er allerdings etwas mehr. Doch die
Infor-
mation, die er erhält, läßt auch die Einsetzung von statt daß für ohne daß und umgekehrt zu. Sie ist also zu dürftig. Ich habe deshalb folgende alltagssprachliche bungsalternativen
lexikographische
Beschrei-
- AF - (10)(a) und (b) entwickelt, die aus den
in Abschnitt 1.3 angeführten, auf semantischen Analysen den formalen Beschreibungen der Gebrauchsbedingungen und statt daß abgeleitet
beruhen-
von ohne daß
sind:
(10)(a) ohne daß gibt an, daß der vom Hauptsatz
bezeichnete
Sachverhalt besteht und der vom Nebensatz nete nicht, aber erwartet wurde, daß beide halte zusammen
gelten.
bezeichSachver-
256 (b) statt daG gibt an, daß der vom Hauptsatz
bezeichnete
Sachverhalt besteht und der vom Nebensatz
bezeichne-
te nicht, aber erwartet wurde, daß der vom Hauptsatz bezeichnete Sachverhalt nicht besteht, wohl aber der vom Nebensatz
bezeichnete.
In diesen Beschreibungen erscheinen durch die syntaktische
Koordi-
nation (durch aber) die Bedeutung und die Erwartung als gleichberechtigt,
3.
gleichgewichtig.
Erfahrungen mit Benutzern der AF in
Wortfindungstests
Dadurch, daß Beschreibungen von Gebrauchsbedingungen
(vor allem
Bedeutungen) lexikalischer Einheiten als Definiens für etwas stehen, das vom Formativ
(Zeichenkörper) der lexikalischen
ausgedrückt wird, kann man davon ausgehen, daß die
Einheit
Beschreibung
der Gebrauchsbedingungen eines Wortes die Auffindung des Wortes selbst - genauer: seines Formativs - ermöglicht. Dies ist es, was sich Wortsuchspiele wie das bekannte "Teekesselchen"-Spiel
zunut-
ze machen, und es ist die Situation, in die ein einsprachiges masiologisches Wörterbuch einen nichtmuttersprachlichen
se-
Nutzer
versetzt.
3.1
Test 1
Um zu ermitteln, ob die von mir vorgeschlagenen
alltagssprach-
lichen Formulierungen AF ((10)(a) und (b)) der theoretischen schreibungen der Gebrauchsbedingungen
Be-
von ohne daß und statt daß
lexikographisch mit der Aussicht genutzt werden können, dem Nutzer eine Wortfindung zu ermöglichen, habe ich folgenden
Versuch
unternommen: ich habe 5 Personen (und zwar 4 Linguisten und einem linguistisch gebildeten Physiker) die Beschreibungen AF mit einer Reihe von Beschreibungen von Gebrauchsbedingungen weiterer tionshaltiger Konnektive vorgelegt und sie aufgefordert, zu suchen, denen die beschriebenen Gebrauchsbedingungen
nega-
Wörter eigen
sein könnten. Die Ergebnisse dieses Versuchs fasse ich hier kurz zusammen.
257
Den betreffenden Personen wurden neben den AF von ohne daß und statt daß noch die deutschsprachigen Beschreibungen der bedingungen von weder
... noch, "Negation
Gebrauchs-
... sondern" und aber
vorgelegt, die ebenfalls jeweils alltagssprachliche
Umsetzungen
einer theoretischen Beschreibung der Gebrauchsbedingungen treffenden Konnektive waren. Die Befragten wurden
der be-
aufgefordert,
deutsche Konjunktionen zu benennen, die die beschriebenen bedingungen aufweisen. Den Probanden
Gebrauchs-
(wie auch denen in allen wei-
ter unten zu behandelnden Tests) wurde pro lexikalische
Einheit
eine maximale Suchzeit von 15 Minuten eingeräumt. Von den 5 befragten Personen waren 2 in semantischen Analysen geübt. Nach Ablauf der Suchzeit (oder, falls die jeweilige Versuchsperson te, ein
richtiges Ergebnis gefunden zu haben, auch schon
durften die Probanden zur Überprüfung
glaub-
früher)
ihrer Ergebnisse oder zur
Unterstützung der Suche eine Liste mit jeweils drei für die Verwendung der zu suchenden Formative
Beispielen
konsultieren.
Hier die Beschreibungen der Gebrauchsbedingungen der Konnektive, die allerdings mit syntaktischen
genannten
Gebrauchsbedingungen
verquickt sind und im Falle der Gebrauchsbedingungen um zwei oben nicht genannte Gebrauchsbedingungen
von statt daß
erweitert
wurden
(siehe zu letzteren Pasch 1986). Lexem a verbindet syntaktisch zwei Sätze S^ und S£ in der Weise, daß es S£ ummittelbar voraufgeht und mit ihm in dieser Reihenfolge auch vor Sj treten kann. a gibt an, daß der von S^ bezeichnete
Lexem
Sachverhalt
besteht und der von S2 bezeichnete nicht, aber erwartet wurde, daß beide Sachverhalte zusammen
gelten.
Lexem b verbindet syntaktisch zwei Sätze S^ und S2 in der Weise, daß es S2 unmittelbar voraufgeht und mit ihm in dieser Reihenfolge auch vor S^ treten kann.
Lexem
b gibt an, daß der von S^ bezeichnete Sachverhalt steht und der von S2 bezeichnete nicht, aber wurde, daß der von S^ bezeichnete Sachverhalt
be-
erwartet nicht
besteht, wohl aber der von S2 bezeichnete und daß dieser erwünscht ist, jener aber nicht. Dabei gibt b an, daß das Nichtbestehen des von S2 bezeichneten verhalts evident
ist.
Sach-
258 Lexem c verbindet syntaktisch zwei syntaktisch
gleichartige
Einheiten E^ und E2 in der Weise, daß ein Teil cj von c in E^ auftritt oder E^ unmittelbar vorangeht der andere Teil
und
von c unmittelbar vor E£ steht;
dabei ist die Reihenfolge
immer CJEJC2E2. Lexem c
gibt an, daß das von E^ Benannte und das von E2 Benannte nicht gelten, aber erwartet wurde, daß das von E^ oder das von E2 oder das von beiden Benannte
gel-
ten . Lexem d verbindet syntaktisch zwei syntaktisch
gleichartige
Einheiten E^ und E2 in der Weise, daß ein Teil dj^ von d in E^ auftritt und der andere Teil dj, von d unmittelbar vor E2 steht; dabei ist die immer d^E^d2E2-
Reihenfolge
Lexem d gibt an, daß das von E^ Be-
nannte nicht gilt, wohl aber das von E2 Benannte, daß aber erwartet wurde, daß das von E^
Benannte
gilt, nicht jedoch das von E2 Benannte. Lexem e verbindet syntaktisch zwei syntaktisch
gleichartige
Einheiten E^ und E2 in der Weise, daß e unmittelbar vor E2 steht; dabei ist die Reihenfolge immer
E^eE2·
Lexem e gibt an, daß das von E^ Benannte und das von E2 Benannte zusammen gelten, aber erwartet wurde, daß das von E2 Benannte nicht
gilt.
Die zur Unterstützung gegebenen Beispiele waren folgende (an den dort von a bis e eingenommenen Stellen waren die jeweils ten Formative einzusetzen, wobei auf semantische
gesuch-
Verträglichkeit
der vorher gegebenen G e b r a u c h s b e d i n g u n g s b e s c h r e i b u n g e n
mit den
Kontexten, die die Beispiele ja darstellten, zu achten war und gegebenenfalls entsprechende Korrekturen an den Ergebnissen der oben beschriebenen Ratetests vorzunehmen Zu Lexem a: 1.
a^
waren):
er sich verteidigen durfte,
man ihn zu einer hohen
Freiheitsstrafe.
2. Sie haben ihr Ziel erreicht, besonders anstrengen
jä
sie sich
mußten.
3. Sie gehen über die Straße, grün ist.
verurteilte
a^
die Ampel
259 Zu Lexem b:
JD
du mal zu Hause bleibst, fährst du schon
wieder zu deiner JD
Mutter.
du dich etwas beeilst, trödelst du noch
herum. Sie sehen fern,
JD
sie ihre
Hausaufgaben
machen. Zu Lexem c: 1
Sie ist
rastlos,
cl
(ist sie) be-
dächtig. hat sie eine Bank sie in den Mordfall 3.
Ungarn,
Zu Lexem d: 1, Die Tanne ist ein
die CSSR grenzen an ein
Laubbaum,
Jü
Nadelbaum.
Ζ. Z. ist er
in der
d^
schlank,
Zu Lexem e:
Ich hätte das gerne gekauft, nicht so viel
—2
(er ist) ziemlich
—2
dick.
(sie ist)
Antarktis,
(er ist) wieder mal in der DDR. Er ist
ist
—2
verwickelt.
^2
Meer.
ausgeraubt,
ich habe
e
Geld.
2. Die Möbel sind preiswert, schlecht gearbeitet. 3. Die Lage ist ernst,
e
£
(sie sind)
(sie ist) nicht hoff-
nungslos . Hier die Auflösung des Rätsels: £ entspricht ohne daß, t> entspricht statt daß, £ entspricht weder "Negation
. . . noch, id entspricht
... sondern", und £ entspricht
Während ohne Hilfe der Beispiele weder fünf Probanden ermittelt wurde und einer Versuchsperson
aber. ... noch von drei der
"Negation
sondern" von
(immer waren die in semantischen
Versierten unter den Erfolgreichen), wurde ohne
Analysen
Beispielhilfe
statt daß überhaupt nicht gefunden und ohne daß nur von einer
Ver-
suchsperson. Bei letzterem handelte es sich jedoch nur um einen Zufall. Die betreffende Person hatte gerade eine nicht für sie bestimmte Übersicht über Beispiele mit ohne daß und statt daß gesehen (in der die Hilfsbeispiele des Wortfindungstests
allerdings
260
nicht vorkamen). Dieselbe Person fand jedoch seltsamerweise ohne Beispielhilfe nicht statt daO. Allerdings hatte sie anhand der Gebrauchsbedingungsbeschreibungen
für statt daß die Formative
lieber, besser, eher ins Auge gefaßt, diese dann aber anhand der Beispiele zugunsten von statt daß verworfen. Mit Hilfe der Beispiele fanden statt daß weitere drei Personen (eine von diesen eine der in Analysen geübten), ohne daß wurde von vier der Probanden überhaupt nicht gefunden. Allerdings hatte eine von ihnen nach eigenen Aussagen zwar aus inhaltlichen Gründen ohne daß als in die Beispiele passende Konjunktion in Erwägung gezogen, es aber aufgrund
seiner Zweigliedrigkeit nicht in die Beispiele einzusetzen
gewagt, weil sie mit der Zweigliedrigkeit den Inhalt des Terminus "Lexem" nicht erfüllt sah. (Bei statt daß hatte sie dann konsequenterweise dessen Variante anstatt gewählt.) Ohne Beispielhilfe wurde übrigens aber von keiner der Versuchspersonen ermittelt (allerdings von einer Versuchsperson statt dessen und doch, das dann aber anhand der Sätze leider nicht durch aber ersetzt wurde). Mit Hilfe der Beispiele wurde aber von vier der Probanden gefunden. Dies und das Beispiel von statt daß, das mit Hilfe der Beispiele von vier der befragten Personen gefunden wurde, zeigen wohl schon recht deutlich den Wert der Beispiele auch für die Auffindung fremdsprachlicher Äquivalente durch Nichtmuttersprachler vorausgesetzt, die Beispiele sind suggestiv genug. Dies sind sie, wenn die Teilsätze des Satzgefüges, das durch das jeweilige Konnektiv konstituiert wird, typische Verwendungskontexte der lexikalischen Einheit, die beschrieben und in ihrem Gebrauch illustriert werden soll, ausdrücken. Für Konnektive wie die hier behandelten (und wahrscheinlich für Funktionswörter ganz allgemein) sollte wegen der offensichtlichen Schwierigkeiten, die die Rezeption der Beschreibungen ihrer Gebrauchsbedingungen bereitet, die Suggestivität der Beispiele ihrer korrekten Verwendung gegenüber ihrer Belegtheit in der Literatur im Vordergrund stehen. Letztere sollte ohnehin nicht als Kriterium für die Güte eines semasiologischen Wörterbuches veranschlagt werden, kann man doch davon ausgehen, daß der Lexikograph die Sprache, deren Wortschatz er beschreibt und die in den Illustrationen der Einheiten des Wortschatzes im Wörterbuch verwendet wird, beherrscht.
261
Problematisch ist die Tatsache, daß, während statt daß mit Beispielhilfe von vier der Probanden gefunden wurde, ohne daß mit dieser Hilfe nur von einer der Versuchspersonen ermittelt wurde. Da einige der Konnektive durchaus mit Hilfe der Beispiele ermittelt wurden, könnte bei ohne daß ein Mangel in der Beschreibung und der Wahl der Beispiele vorgelegen haben, den die Charakterisierungen der anderen Konnektive nicht aufweisen. Interessant ist aber, daß drei der Versuchspersonen statt ohne daß obwohl vorgeschlagen haben. Dieses erfüllt weder die für jä (das ja für ohne daß stehen sollte) gegebene Beschreibung der Gebrauchsbedingungen des Konnektivs, noch ist es im Rahmen des Wissens über Zusammenhänge in unserer Welt in die Beispiele 2. und 3. zu jä einsetzbar. Es könnte sein, daß die Tatsache, daß ein und dieselbe untaugliche Konjunktion von drei der fünf Versuchspersonen gewählt wurde, ein Zufall ist. Das Ergebnis könnte jedoch auch durch die Art bedingt sein, wie die Beschreibung der Gebrauchsbedingungen von ohne daß angelegt ist. Diese ist im Gegensatz zu der von statt daß wenig spezifisch. Es kommt hier nur eine Negation vor, bei statt daß dagegen kommen im Grunde genommen vier Negationen vor (die Negation der Negation der Bedeutung des Nebensatzes durch die Erwartung mitgerechnet). Es kann also nicht die sprachliche Komplexität der Beschreibung allein sein, die die Suche nach dem Zielformativ erschwert. Da auch statt daß ohne Beispielhilfe nicht gefunden wurde, kann diese aber natürlich als mitverantwortlich für die Schwierigkeiten angesehen werden.
3.2
Test 2
Um die Hypothese vom Zufall auszuschließen, habe ich den Test für ohne daß und statt daß mit 6 anderen Probanden wiederholt. Dabei habe ich die Formulierungen der syntaktischen
Gebrauchsbedingun-
gen in der Weise vereinfacht, daß ich ihren Gehalt durch die gemeinhin als bekannt geltenden grammatischen Termini
"Hauptsatz"
und "Nebensatz" abgedeckt habe. Ferner habe ich bei ohne daß die Beispiele 1. und 3. vertauscht, weil 1. im Gegensatz zu 3. obwohl, das ja im Test 1 statt ohne daß angegeben wurde, nicht ausschließt. So sollte die Auffindung von ohne daß besser gesteuert werden.
262
Da beim ersten Test zwei der Versuchspersonen die Art der Formulierung der jeweiligen Erwartungskomponente nach eigenen
Aus-
sagen anfangs befremdlich fanden, änderte ich im Test 2 auch den Modus der Gestaltung der Gebrauchsbedingungsbeschreibung
gegen-
über Test 1. Außerdem habe ich für den Test 2 bei statt daß diejenigen Komponenten der Beschreibung der Gebrauchsbedingungen, nicht zur Bedeutung des Konnektivs gehören und keine in den Gebrauchsbedingungen
die
Parallele
von ohne daß haben (nämlich die Er-
wünschtheit des vom Nebensatz bezeichneten Sachverhalts und die Evidenz seines Nichtbestehens), aus der Beschreibung Durch diese Beschränkung der Beschreibung brauchsbedingungen,
fortgelassen.
auf den Kern der Ge-
die über die Bedeutung von statt daß
hinaus-
gehen, wollte ich prüfen, ob sich so die Formativfindung hilfenahme von Verwendungsbeispielen
erleichtern
Um die Rolle der Erwartungskomponente bei der
ohne Zu-
läßt. Formativfindung
ohne Beispielhilfe besser beurteilen zu können, habe ich eine weitere Konjunktion suchen lassen, die keine Erwartungskomponente
auf-
weist. Es handelt sich um oder (siehe unten £ ) , das ebenfalls in seiner Bedeutung einer aussagenlogischen Wahrheitsfunktion spricht, also unanschaulich
ent-
ist.
Des weiteren habe ich die Formulierung
"gibt an" in der Be-
schreibung der Gebrauchsbedingungen durch "ist Ausdruck für" ersetzt, um die Beschreibung weniger der Gefahr auszusetzen, sie als eine Beschreibung von Tatsacheneinstellungen
daß
(faktiven
Bedeutungen) interpretiert wird. Um auszuschließen, daß die Wortfindung durch Unsicherheiten im Verständnis der verwendeten matischen Termini behindert wird, bekamen dieses Mal die
gram-
Versuchs-
personen den Hinweis, daß die gesuchten Konjunktionen auch aus zwei Wörtern bestehen können. Wie die erste Probandengruppe hielt auch dieser Personenkreis als Ergänzung zu den
er-
Beschreibun-
gen eine Liste von Beispielen der Anwendung der gesuchten
Konnek-
tive. Hier die Beschreibungen und Beispiele von Test 2, wobei die sonstigen Testbedingungen mit denen von Test 1 übereinstimmen: (i)
a
bezieht einen Hauptsatz auf einen Nebensatz,
es Ausdruck dafür ist, daß der vom Hauptsatz
bezeich-
nete Sachverhalt besteht und der vom Nebensatz nete nicht. Dabei bestreitet es, was erwartet nämlich daß beide Sachverhalte zusammen
wobei bezeich-
wurde,
bestehen.
263
(ii)
b^ bezieht einen Hauptsatz auf einen Nebensatz, wobei es Ausdruck dafür ist, daß der vom Hauptsatz bezeichnete Sachverhalt besteht und der vom Nebensatz bezeichnete nicht. Dabei bestreitet es, was erwartet wurde, nämlich daß der vom Hauptsatz bezeichnete Sachverhalt nicht besteht, wohl aber der vom Nebensatz bezeichnete.
(iii) c
bezieht einen Hauptsatz - S^ - auf einen weiteren
Hauptsatz - S2
wobei es Ausdruck dafür ist, daß
unklar ist, welcher der beiden von S^ und S2 bezeichneten Sachverhalte besteht. Die zur Unterstützung bei der Wortfindung gegebenen Beispiele waren folgende: Zu ja: 1. Sie gehen über die Straße,
£
die Ampel grün ist.
2. Sie haben ihr Ziel erreicht,
£
sie sich beson-
ders anstrengen mußten. 3. a
er sich verteidigen durfte, verurteilte man ihn
zu einer hohen Freiheitsstrafe. Zu b^: 1. b^
du mal zu Hause bleibst, fährst du schon wieder
zu deiner Mutter. 2. ID
du dich etwas beeilst, trödelst du noch herum.
3. Sie sehen fern, Zu £: 1. Sei artig,
£
b^
sie ihre Hausaufgaben machen.
es setzt was!
2. Sag das den Verantwortlichen,
£
halte den Mund!
3. Hin und wieder fiel ein Blatt ins Wasser,
£
ein
Vogel kam trinken. Die Aufgabe wurde 5 in Übersetzungen geübten Diplom-Romanisten, von denen zwei Fremdsprachenlektoren an einer Hochschule sind, und einer 17jährigen an Fremdsprachen interessierten Schülerin vorgelegt. Ohne Zuhilfenahme der Beispiele wurde von diesem Personenkreis nur oder gefunden, und zwar von der Hälfte der Probanden (den Hochschullektoren und der Schülerin). Mit Beispielhilfe wurde wiederum nur oder von
allen
Befragten angegeben.
ohne daß und statt daß fanden mit Beispielen fünf der Befragten, wobei es unterschiedliche Personen waren, die sie nicht fanden. Die Reduktion der Anzahl der beschriebenen
Gebrauchsbedingungen
von statt daß, die nicht zur Bedeutung dieses Konnektivs gehören,
264 führte also in bezug auf die allein auf die Beschreibung
gestütz-
te Wortfindung nicht zu einem besseren Ergebnis als Test 1. Die Schwierigkeiten mit dieser Art von Wortsuche dürften also für statt daß wie für ohne daß prinzipieller Natur
sein.
Auffällig ist, daß sich wie beim ersten Test wieder jemand grund der Beschreibung der Gebrauchsbedingungen
auf-
von ohne daß für
obwohl entschied, obwohl Beispiel 1. deutlich gegen diese tion spricht. Daß die Hypothese obwohl nicht anhand des
Konjunk-
Beispiels
1. korrigiert wurde, mag daran liegen, daß sie so stark war, daß die betreffende Versuchsperson in 1. stillschweigend
"grün" zu
"rot" korrigierte. Daß obwohl von mehreren Probanden statt ohne daß angegeben wurde, mag daran liegen, daß es die gleichen mentaren Wahrheitsfunktionen als Komponenten seiner
ele-
Gebrauchs-
bedingungen aufweist, nur daß das, was bei ohne daß die
Erwartung
ist, bei obwohl die Bedeutung ist und daß in der Erwartung obwohl nicht die Bedeutung des Nebensatzes negiert ist,
sondern,
wie in der Erwartung von statt daß, die des Hauptsatzes. (11)
Aq
λρ
[( b E T ( q ) ( p ) ( e
von
Vgl.
ET (q ) (N0N( ρ ) ) )]
(für die Gebrauchsbedingungen
von obwohl)
Daß wiederholt obwohl für ohne daß angegeben wurde, könnte
auch
dadurch begünstigt worden sein, daß die Erwartung von ohne daß, die ja der Bedeutung von obwohl entspricht, als letzte der Gebrauchsbedingungen
Komponente
von ohne daß formuliert worden ist und
damit für den Rezipienten der Beschreibung ein höheres erhalten hat als die Bedeutung dieses
Gewicht
Konnektivs.
Alle an diesem Test Beteiligten gaben die Wortsuche ohne
Bei-
spielhilfe als schwierig an. Die Beschreibungen seien viel zu abstrakt. Die Versuchspersonen, die keines der drei
Konnektive
ohne Beispielhilfe gefunden hatten, gaben an, sich geistig
über-
fordert gefühlt zu haben. Sie drückten Zweifel aus, daß Nichtmuttersprachler diese Beschreibungen verstehen würden. kann man allerdings folgendes entgegenhalten: Ein
Letzterem
Nichtmutter-
sprachler dürfte vom Gesichtspunkt der Sprachbeherrschung
nicht
mehr Schwierigkeiten haben als bei der Interpretation der Beschreibungen der Gebrauchsbedingungen
anderer Lexeme - auch sol-
cher mit anschaulicheren Gebrauchsbedingungen.
Für die
Benutzung
265 eines einsprachigen Wörterbuches einer Fremdsprache benötigt er ohnehin - wie der Muttersprachler auch - Kenntnisse vom Wortschatz und von der Grammatik der betreffenden Sprache, die im Wörterbuch beschrieben wird. Da der für die oben angeführten
Beschreibungen
der Gebrauchsbedingungen von ohn6 daß und statt daß verwendete Wortschatz nicht besonders ausgefallen ist und der Benutzer ohnehin in der Lage sein müßte, die grammatische Struktur der Beschreibungen zu erkennen, dürften für ihn die Schwierigkeiten bei der allein auf der jeweiligen Beschreibung fußenden Wortfindung die gleichen sein wie die des Muttersprachlers. Diese liegen m. E. zum einen in der Abstraktheit der Gebrauchsbedingungen und damit in der Unanschaulichkeit der für sie verwendbaren
Beschreibungs-
einheiten, zum anderen sicher in der Komplexität der grammatischen Struktur der Beschreibung. Daß diese Faktoren jedoch keine grundsätzliche Verständnisbarriere sind, kann man daraus folgern, daß einige der befragten Personen die gesuchten Konnektive ja auch ohne Zuhilfenahme der Beispielsätze gefunden haben. Auffällig ist dabei allerdings, daß es sich - außer bei der 17jährigen Schülerin - bei diesen Personen um solche handelt, die im analytischen Herangehen an Sprache geübt sein dürften. Was sich allerdings abzeichnet, ist, daß man bei Konnektiven im einsprachigen Wörterbuch nicht auf Beispiele für ihre korrekte Verwendung verzichten kann, vor allem nicht bei solchen Konnektiven, die bedeutungsgleich, aber in anderen Gebrauchsbedingungen als der Bedeutung verschieden sind. Die Tatsache, daß oder ohne Beispielhilfe besser gefunden wurde als ohne daß und statt daß, obwohl es eine genauso unanschauliche Bedeutung hat wie diese und die
lexikalisch-grammatische
Struktur der Beschreibung seiner Gebrauchsbedingungen nicht weniger kompliziert sein dürfte als die der Beschreibungen der Gebrauchsbedingungen von ohne daß und statt daß (wenngleich etwas weniger komplex), bestärkte mich in der Annahme, daß die Wortfindung bei ohne daß und statt daß besonders komplizierten Bedingungen unterworfen ist, die mit der Gliederung der Gebrauchsbedingungen dieser Konnektive in Bedeutung und Erwartungskomponente zusammenhängen.
266
3.3
Test 3
Um auszuschließen, daß oder sehr viel leichter zu finden ist als ohne daß und statt daß und die Tatsache, daß es nur von der Hälfte der Befragten gefunden wurde, nur darauf zurückzuführen ist, daß seine Beschreibung zeitlich nach den sehr komplizierten Beschreibungen von ohne daß und statt daß geboten wurde und die Probanden bei oder schließlich der Anstrengungen müde waren, habe ich den Test 2 mit 6 weiteren Personen mit einer Veränderung wiederholt. Diese bestand darin, daß die Reihenfolge der gebotenen Beschreibungen und dazugehörigen Beispiele umgekehrt wurde. Bei den Befragten handelte es sich um 4 als Linguisten und Übersetzer tätige Diplom-Philologen, eine Dolmetscherstudentin und einen Mathematikstudenten. Auch in diesem Test wurde wieder oder von drei der Befragten ohne Beispielhilfe gefunden. Eine der Befragten fand sogar statt daß ohne Beispielhilfe, ohne daß wurde von einer Probandin, statt daß von zwei Probanden auch mit Beispielhilfe nicht gefunden. Obwohl niemand aus dieser Gruppe ohne daß ohne Beispielhilfe gefunden hatte, fanden zwei der Probanden die Beschreibung der Gebrauchsbedingungen dieses Konnektivs am treffendsten. Eine Versuchsperson führte die
"Unverständlichkeit"
von (ii) und in gewissem Maße "relative Unverständlichkeit" von (iii) darauf zurück, daß im ersten Teil der Beschreibung eine Eigenschaft erläutert wird, die im zweiten Teil "quasi revidiert wird". Diese Versuchsperson empfahl eine Umkehrung der Formulierung. Als erstes sollte die Erwartung genannt werden. Eine andere Versuchsperson fand dagegen die Beschreibungen der Gebrauchsbedingungen von ohne daß und statt daß gut verständlich. Der Test zeigt, daß die Reihenfolge der Präsentation der Beschreibungen der Gebrauchsbedingungen der drei Konnektive keine Rolle für die Schwierigkeiten bei der Auffindung von oder spielt. oder wurde auch hier nur von der Hälfte der Versuchspersonen ohne Beispielhilfe gefunden, obwohl es als erstes Konnektiv gesucht wurde. Der Eindruck, den dieser und die vorigen Tests hinterlassen, ist, daß es allen Versuchspersonen schwerfällt, die Beschreibungen der Gebrauchsbedingungen der genannten Konnektive auf bestimmte Formative zu beziehen. Die Formative "drängen sich nicht
267 auf". Test 2 und 3 gestatten die Vermutung, daß oder eher ohne Beispielhilfe gefunden wird als ohne daß und statt daß. Daß aber auch letztere prinzipiell ohne Beispielhilfe, nur aufgrund der Beschreibungen ihrer Gebrauchsbedingungen, auffindbar sind, zeigt Test 3, in dem eine Versuchsperson statt daß ohne Beispielhilfe fand. Diese Person war es auch, die die Beschreibung der Gebrauchsbedingungen von ohne daß als besonders gelungen bezeichnet hatte.
3.4
Test 4
Um auszuschließen, daß a) die besonders schlechten Suchergebnisse bei statt daß und ohne daß der Negation in der Bedeutung dieser Konnektive geschuldet sind, b) die Wortfindungsschwierigkeiten bei allen getesteten Beschreibungen auf meiner Art, sie zu formulieren, beruhen und c) - schließlich, aber vor allem - die befragten am Beschreibungstest gescheiterten Personen generell nicht dazu in der Lage sind, Wörter aufgrund der Beschreibungen ihrer Gebrauchsbedingungen zu finden, habe ich den Probanden von Test 2 die Aufgabe gestellt, Wörter zu suchen, für die die nachstehend aufgeführten Beschreibungen zutreffen: (i)
£ bezeichnet ein Möbelstück aus einer waagerechten Platte, die auf einem oder mehreren Beinen ruht.
(ii)
Ja ist eine nebenordnende Konjunktion, die eine Verbindung zweier oder mehrerer Glieder herstellt, die meist direkt aufeinander folgen, und die angibt, daß das durch die Glieder Benannte zugleich in bezug auf den jeweiligen Kontext gilt.
(iii) £ ist eine zweigliedrige Konjunktion, die einen Hauptsatz - S^ - auf einen weiteren Hauptsatz ~ ^
- be-
zieht, wobei das erste Glied der Konjunktion vor S^ und das zweite Glied der Konjunktion vor S£ steht und die Konjunktion Ausdruck dafür ist, daß der von S^ bezeichnete Sachverhalt nicht besteht und der von S£ bezeichnete ebenfalls nicht. £ soll für Tisch, b^ für und und £ für weder
... noch stehen. Die
Beschreibung der Gebrauchsbedingungen von Tisch stammt aus Brock-
268
haus Wahrig (1982f.), die von und aus dem HDG, und die von weder . . . noch stammt von mir. Tisch wurde von allen 6 Versuchspersonen gefunden, und und weder ... noch wurden von denselben drei Versuchspersonen gefunden, die auch in Test 2 oder ohne Beispielhilfe gefunden hatten. (Anwendungsbeispiele wurden in Test 4 nicht gegeben.) Das Ergebnis von Test 4 stützt die naheliegende Annahme, daß Bezeichnungen für Realia (anschauliche Begriffe) besser gefunden werden als Ausdrücke für sehr abstrakte Begriffe, denn um solche handelt es sich ja bei den aussagenlogischen Funktionen, und daß die betreffenden Probanden zur Wortfindung allein auf der Grundlage von Beschreibungen der Gebrauchsbedingungen von Wörtern durchaus in der Lage sind. Es zeigt aber auch, daß die Negation nicht als Wortfindungsblockierer angesehen werden kann und daß meine Art der Formulierung nicht größere
Verständnisschwierigkei-
ten bereitet als die, die für die Beschreibung von Gebrauchsbedingungen von Konnektiven in existierenden Wörterbüchern bereits praktiziert wird.
3.5
Test 5
Um auszuschließen, daß die Art der Formulierung der Erwartungskomponente von ohne daß und statt daß im Zusammenhang mit deren Bedeutung den oben genannten funktionalen Unterschied zwischen beiden Arten von Gebrauchsbedingungen verwischt und so die Konnektivfindung b e h i n d e r t ^ , habe ich einen weiteren Test durchgeführt. In diesem Test habe ich die Beschreibung der Erwartungskomponente in Form eines subordinierten Satzes ausgedrückt, weil man davon ausgehen kann, daß die Subordination grundsätzlich etwas leisten kann, wozu die Formulierung als Hauptsatz nicht in der Lage ist, nämlich auszudrücken, daß die zu vermittelnde Information im Verhältnis zu der in einem Hauptsatz ausgedrückten Information in den Hintergrund t r i t t ^ . Der Test beschränkte sich auf die Suche- von ohne daß und statt daß. Ihn absolvierten 5 bislang nicht befragte Personen. Vier von ihnen waren ausgebildete Sprachmittler (eine unter ihnen linguistisch geschult), einer der Probanden war Literaturwissenschaftler. Die Testbedingungen waren die gleichen wie die von Test 2. Hier die Beschreibungen
269
und die sie ergänzenden Beispiele (die mit den für ohne daß und statt daß in Test 3 gegebenen identisch sind): (i)
£ drückt aus, daß entgegen einer Erwartung, nach der der vom Nebensatz bezeichnete Sachverhalt besteht und der vom Hauptsatz bezeichnete nicht, der vom Nebensatz bezeichnete Sachverhalt nicht besteht und der vom Hauptsatz bezeichnete Sachverhalt besteht.
(ii) JD drückt aus, daß entgegen einer Erwartung, nach der der vom Hauptsatz und der vom Nebensatz bezeichnete Sachverhalt zusammen bestehen, nur der vom Hauptsatz bezeichnete Sachverhalt besteht und nicht der vom Nebensatz bezeichnete . (a^ steht für statt daß, ^ für ohne daß.) Beispiele: Zu jä: 1. a du mal zu Hause bleibst, fährst du schon wieder zu deiner Mutter. 2. £ du dich etwas beeilst, trödelst du noch herum. 3. Sie sehen fern, ja sie ihre Hausaufgaben machen. Zu JD: 1. Sie gehen über die Straße, t) 2. Sie haben ihr Ziel erreicht, JD anstrengen mußten.
die Ampel grün ist. sie sich besonders
3. ^ er sich verteidigen durfte, verurteilte man ihn zu einer hohen Freiheitsstrafe. Keine der befragten Personen fand die Konnektive ohne Beispielhilfe (natürlich auch kein Äquivalent, da für sie im Deutschen keine Äquivalente existieren). Wieder wurde statt ohne daß obwohl genannt (von zwei der Probanden)! Dies, obwohl in diesem Test die Erwartungskomponente von ohne daß nicht als letzte Gebrauchsbedingungen genannt worden war. (Erinnern wir uns, sie ist identisch mit der Bedeutungskomponente von obwohl, und ich hatte die Möglichkeit erwogen, daß die Wahl von obwohl durch den Umstand bedingt ist, daß sie in den früheren Tests als letzte genannt worden war.) obwohl wurde dann bei der Überprüfung der Wortfindungshypothesen an den Beispielen durch die betreffenden Versuchspersonen selbst wieder verworfen, statt daß wurde mit Beispielen von drei Personen, ohne daß nur von einer Person gefunden.
270
Da die befragten Personen in den Tests 2, 3 und 5 nicht identisch waren (aber natürlich auch nicht identisch sein durften), läGt sich natürlich keine Hypothese aus der Tatsache ableiten, daß die von mir angenommene Idealform der Beschreibung der Erwartungskomponente - die Subordination - zu einem noch schlechteren Konnektivfindungsergebnis geführt hat als Test 3. Was unübersehbar bleibt, ist, daß trotz großem Bemühen meinerseits, die Beschreibung der Gebrauchsbedingungen der erwartungshaltigen Konnektive auch formal hinsichtlich ihrer funktionalen Aufspaltung in Bedeutung und Erwartung zu gliedern, die Auffindung von Konnektiven mit hochgradig abstrakten Gebrauchsbedingungen und einer Erwartungskomponente ohne Beispielhilfe extrem schwierig ist. Dies dürfte für viele nichtmuttersprachliche Wörterbuchbenutzer ein einsprachiges semasiologisches Wörterbuch, das sich im wesentlichen auf die Darbietung der Beschreibung der Gebrauchsbedingungen der lexikalischen Einheiten beschränkt und Beispiele nicht syste18 matisch nutzt, zu einem Buch mit sieben Siegeln machen.
4.
Schlußfolgerungen aus den Wortfindungstests
Die Tests 1 bis 5 legen folgende Hypothese - Hl - nahe: (Hl) Die Formative wahrheitsfunktionaler Konnektive sind nur aufgrund der Beschreibung ihrer Gebrauchsbedingungen als semantische Komponentenstruktur, d. h. ohne Anwendungsbeispiele, für einen Nutzer der Beschreibung nur schwer zu finden. Wenn Hl wahr ist, dürfte es einem nichtmuttersprachlichen Benutzer eines semasiologischen einsprachigen Wörterbuches schwerfallen, anhand einer Beschreibung der Gebrauchsbedingungen eines solchen Konnektivs ein Formativ in seiner Muttersprache zu finden, das dieselben oder wenigstens die dem beschriebenen Konnektiv ähnlichsten Gebrauchsbedingungen in dieser Sprache hat. (H2) Die Formative wahrheits'funktionaler Konnektive mit einer Erwartungskomponente, die in der Beschreibung der Gebrauchsbedingungen dieser Konnektive wiedergegeben werden muß, damit die Gebrauchsmöglichkeiten des
271
jeweiligen Konnektivs k^ hinreichend genau von den Gebrauchsmöglichkeiten eines anderen Konnektivs k. a J abgegrenzt werden können, das die gleiche Bedeutung wie k^ hat, sind schwerer zu finden als Formative von Konnektiven ohne solche Erwartungskomponente. Dies legen die Ergebnisse der Tests 2 und 3 bezüglich oder (das ohne Erwartungskomponente, die oder von anderen wahrheitsfunktionalen Konnektiven abgrenzt, ist) im Unterschied zu ohne daß und statt daß nahe, deren Gebrauchsmöglichkeiten vor allem durch eine bestimmte Erwartungskomponente
differieren.
Daß oder gegenüber ohne daß und statt daß nicht aus dem Grunde leichter gefunden wird, daß es eine koordinierende Konjunktion ist, kann man daraus schließen, daß andere koordinierende Konjunktionen bei Wortfindungstests nicht besser abschneiden als subordinierende, wenn ihre Gebrauchsbedingungen sich von denen anderer, bedeutungsgleicher Konnektive durch eine Erwartungskomponente unterscheiden. Dies war der Fall bei aber in Test 1. Wenn H2 wahr ist, dann dürften sich die Schwierigkeiten, die Nichtmuttersprachler mit der Rezeption der Beschreibung der Gebrauchsbedingungen eines wahrheitsfunktionalen Konnektivs ohnehin haben dürften (siehe Hl), im Falle der Konnektive mit Erwartungskomponente noch vergrößern. Alle Tests 1 bis 5 legen folgendes - H3 - nahe: (H3) Die Formative von in ihren Gebrauchsbedingungen beschriebenen wahrheitsfunktionalen Konnektiven sind leichter zu finden, wenn die Beschreibungen der Gebrauchsbedingungen von Beispielen der Anwendbarkeit der Konnektive begleitet werden. Wenn H3 wahr ist, dann dürfte auch nichtmuttersprachlichen
Benut-
zern von Beschreibungen der Gebrauchsbedingungen solcher Konnektive im Wörterbuch der Zugang zum muttersprachlichen Äquivalent des jeweils beschriebenen Konnektivs bzw. der Satzverknüpfung, die es .herstellt, spürbar erleichtert werden, wenn die Beschreibung von Beispielen der Anwendbarkeit der Konnektive begleitet wird. Wenn Hl bis H3 wahr sind, dann dürften für nichtmuttersprachliche Benutzer einsprachiger semasiologischer Wörterbücher
lexi-
272 kographische Beispiele bei der Auffindung muttersprachlicher
Äqui-
valente für wahrheitsfunktionale Konnektive mit Erwartungskompo19 nente besonders hilfreich sein. Diesen Annahmen, die hier aus Tests mit potentiellen Wörterbuchbenutzern abgeleitet wurden, entspricht durchaus die Praxis der existierenden Lexikographie. Allerdings lassen die Wörterbücher im allgemeinen eine Durchsichtigkeit hinsichtlich der zu20 gründe gelegten Illustrationsprinzipien vermissen. Sollen die lexikographischen Beispiele eine tragende Rolle in der Veranschaulichung der Gebrauchsbedingungen der lexikalischen Einheiten erhalten, muß diesem Mangel unbedingt abgeholfen werden.
(Genaueres
siehe weiter unten in Abschnitt 6.) Die in Abschnitt 3 behandelten Tests geben nun freilich keine völlige Gewißheit, daß die Hypothesen Hl bis H2 wahr sind. Dazu müßten zum einen viel mehr Versuchspersonen befragt werden, und zum anderen müßte die Auffindbarkeit der Formative wahrheitsfunktionaler koordinierender und subordinierender Konnektive mit und ohne Erwartungskomponente noch unter anderen Vergleichsaspekten geprüft werden. (Ζ. B. müßten koordinierende Konjunktionen mit Erwartungskomponente - wie aber - noch in Gegenüberstellung mit koordinierenden Konjunktionen ohne solche Komponente - wie und, oder - getestet werden.) Die Ergebnisse des Tests 4 zeigen aber deutlich, daß auch in der Wortfindung weniger erfolgreiche Personen mit den Schwierigkeiten der Wortfindung anhand von Beschreibungen der Gebrauchsbedingungen bei lexikalischen Einheiten mit anschaulicher Bedeutung fertig werden, ohne auf Anwendungsbeispiele zurückgreifen zu müssen. Da aber bei den meisten der insgesamt 22 Befragungen aus den vorgestellten Tests, in denen zur Beschreibung auch eine Beispielliste konsultiert werden durfte, nach der Konsultation der Beispielliste durch die Befragten das Ergebnis der Formativsuche gegenüber dem der ausschließlichen Suche anhand der Beschreibung der Gebrauchsbedingungen verbessert wurde, darf man wohl auf die Notwendigkeit der Präsentation von Anwendungsbeispielen bei wahrheitsfunktionalen Konnektiven schließen. Wenn dem Lexikographen daran liegt, sich so vielen Wörterbuchbenutzern wie möglich verständlich zu machen, wird er also nicht umhin können, auf die Wahl von Anwendungsbeispielen größtmögliche Sorgfalt zu verwenden.
273
5.
Zum Beispielteil
in den lexikographischen
wahrheitsfunktionaler
Beschreibungen
Konnektive
Daraus, daß die Auffindung von Formativen
wahrheitsfunktionaler
Konnektive allein auf der Grundlage der Beschreibung brauchsbedingungen sehr schwierig, ja für manche
ihrer Ge-
Wörterbuchbenut-
zer fast unmöglich scheint, dagegen durch die Zuhilfenahme Anwendungsbeispielen
spürbar erleichtert wird, könnte man
daß man auf die Beschreibung der Gebrauchsbedingungen
von folgern,
ganz ver-
zichten kann und nur Anwendungsbeispiele anführen muß. Die kographische Veranschaulichung der Gebrauchsbedingungen
lexi-
einer
le-
xikalischen Einheit auf die Darbietung von Beispielen für die Verwendbarkeit dieser Einheit zu reduzieren, dürfte aber ganz allge21 mein sehr schwierig sein , für die wahrheitsfunktionalen Konnektive gar ist dies unmöglich. Ich will dies im folgenden an ohne daß belegen. Vgl. folgende Beispiele,
in denen die Stelle für das
jeweilige Konnektiv leer gelassen wurde ( tuation entsprechen,
). Dies soll der Si-
in der sich ein nichtmuttersprachlicher
zer eines lexikographischen Beispiels in einem einsprachigen siologischen Wörterbuch bezüglich der Gebrauchsbedingungen weiligen Konnektivs (12) (a)
Benutsema-
des je-
befindet.
die Ampel "grün" zeigte, überquerten sie die Straße.
(b)
er Eintritt zahlt, wird man ihn nicht
herein-
lassen . (c) Seine Frau hat das Auto verkauft,
er davon
wußte. (d) Hat sie das gemacht,
du ihr gezeigt hast, wie
man es macht? (e) Mach das,
es jemand
sieht!
In die Leerstellen könnten auch statt ohne daß andere
Konjunktio-
nen eingesetzt werden. So in (a) während, nachdem, bevor, in (b) auch wenn, obwohl, in (c) obwohl, weil, nachdem, bevor, in (d) weil, nachdem, bevor und in (e) wenn oder auch wenn. Es ist also damit zu rechnen, daß ein Nichtmuttersprachler
allein anhand der
Beispiele noch nicht die Äquivalente von ohne daß in seiner
Mut-
tersprache findet. Für statt daß gilt Ähnliches, wenngleich hier
274
durch die Beispielwahl (indem inhaltlich miteinander
unverträgli-
che Teilsätze für das Satzgefüge gewählt werden) die Ermittlung eines Übersetzungsäquivalents für das beschriebene Konnektiv oder das mit seiner Hilfe gebildete Satzgefüge besser gesteuert werden kann. Dennoch läßt sich auch für statt daß die Möglichkeit der Einsetzung anderer Konnektive anstelle von statt daß nicht völlig ausschließen. Vgl. (13)(a)
sie sich seriös gibt, gibt sie sich unseriös.
(b)
sie sich seriös geben wird, wird sie sich unseriös geben.
(c)
sie sich seriös gab, gab sie sich unseriös.
Hier ist außer statt daß noch (mindestens?) bevor möglich. Selbst wenn man für ohne daß eine ganze Beispielbatterie wie die unter (12) angeführte als obligatorisch annimmt, ist in all den angeführten Beispielen auch anstelle von ohne daß immer noch (mindestens?) bevor möglich. Aber nicht nur die Bedeutung der Konnektive kann allein durch die Angabe von Anwendungsbeispielen nicht hinreichend veranschaulicht werden. Auch die Beschränkungen ihres Gebrauchs werden so nicht deutlich. So wird ζ. B. nicht deutlich, warum statt daß nicht in Beispielen wie (12) auftreten kann und ohne daß nicht in solchen wie (13). Wenn man auf die Beschreibung der Gebrauchsbedingungen der wahrheitsfunktionalen Konnektive ganz verzichten wollte, müßte man im Stichwort abweichende (inakzeptable) Anwendungsbeispiele
anführen.
Man kann nun wiederum die Frage stellen, ob, wenn man neben akzeptablen auch inakzeptable Anwendungsbeispiele anführt, die Charakterisierung der Gebrauchsbedingungen einer lexikalischen Einheit durch Beispiele nicht doch ausreicht, um den Wörterbuchbenutzer zum korrekten Gebrauch dieser Einheit zu befähigen. Mit anderen Worten, wird unter der genannten Bedingung die Beschreibung der Gebrauchsbedingungen überflüssig und damit entbehrlich? Es ist unschwer zu erkennen, daß sie es nicht wird, lassen doch die inakzeptablen Beispiele nur Rückschlüsse auf die Art der Kontextbeschränkungen zu, die durch die Erwartungskomponente
gesetzt
werden. Wie die Beispiele (12) für ohne daß und (13) für statt daß und die Möglichkeit, andere Konnektive mit anderen Bedeutungen statt dieser Konnektive in ihre jeweils möglichen Kontexte einzu-
275
setzen, zeigen, wird die Konnektivbedeutung
selbst damit noch
nicht deutlich. Sie könnte u. U. höchstens deutlich werden, wenn man an die Aussagesatzbeispiele
Kontexte als Äußerungen
Sprechers anfügte, die die Bedeutungskomponenten
des
desselben
Konnektivs
negieren oder behaupten (affirmieren). Bei der Negation der Bedeutung entsteht ein inakzeptabler, weil widersprüchlicher ser müßte als solcher natürlich gekennzeichnet
Text.
werden.
Für die Verdeutlichung der semantischen Binnenstruktur heitsfunktionaler
Die-
Konnektive gibt das Negationsverfahren
wahrjedoch
unter bestimmten Bedingungen nichts her. Während es in Fällen wie (12)(a) und (c) und (13)(a) bis (c) das gewünschte Resultat
zei-
tigt, versagt es in Fällen wie (12)(b). Der Text wird nicht
wider-
sprüchlich, ja nicht einmal nicht folgerichtig. Vgl. (12)(a') vs. (12) (b ' ): (12)(a') *0hne daß die Ampel "grün" zeigte, überquerten die Straße, d. h. (/aber) die Ampel zeigte und sie überquerten die Straße
sie
"grün",
nicht.
Cb') Ohne daß er Eintritt zahlt, wird man ihn nicht hereinlassen, d. h. er zahlt Eintritt,und
man
wird ihn hereinlassen. Daß bei (12)(b') das Negationsverfahren nicht das gewünschte gebnis zeitigt, liegt an den Tempusverhältnissen gefüge. Vgl.
in diesem
Er-
Satz-
dagegen
(14) *Man läßt ihn gerade hinein, ohne daß er Eintritt
zahlt,
d. h. (/aber) man läßt ihn nicht hinein, und er zahlt Eintritt. In als hypothetisch interpretierbaren Satzgefügen wie bei denen das durch ohne daß gestiftete Satzgefüge mit einem Konditionalsatzgefüge
(12)(b),
äquivalent
ist, in dem der Nebensatz eine
notwendige Bedingung für den vom Hauptsatz bezeichneten
Sachver-
halt ausdrückt, ergibt sich also bei einer Negation aller tungskomponenten von ohne daß ein mit dem Satzgefüge
Bedeu-
verträglicher
Kontext. Außerdem gibt das Negationsverfahren ohnehin noch keine
end-
gültige Gewißheit über die Art der Bedeutung des Konnektivs. Vgl.
276
(15) *
er arbeitete, schlief er, d. h. (/doch) er arbei-
tete, schlief aber
nicht.
In die Leerstelle, der ja die Situation eines
Wörterbuchbenutzers
entspricht, der die Bedeutung des dort stehenden Formativs ren möchte, paßt zwar statt daß, aber außer diesem passen
erfahdorthin
auch mit dem Resultat der Kontradiktion bevor, als, während. Das Negationsverfahren kann also keinen sicheren Aufschluß über die Spezifik der Bedeutung des gesuchten Konnektivs
geben.
Anders liegen die Dinge beim Affirmationsverfahren.
Dieses
stellt eine wirkliche Explizierung der Bedeutung der in ihren Gebrauchsbedingungen zu charakterisierenden lexikalischen
Einheiten
dar. Vgl. (16)
er arbeitete, schlief er, d. h. er
arbeitete
nicht, (sondern) er schlief. Dieses Verfahren wird von Krejdlin/Polivanova
(1987) für die lexi-
kographische Beschreibung von Funktionswörtern vorgeschlagen.
Fak-
tisch wird hier die Beschreibung der Bedeutung, die in den traditionellen Wörterbüchern immer eine Generalisierung aus allen möglichen Verwendungen des Bedeutungsträgers
ist, gleichzeitig
der Exemplifizierung der korrekten Verwendung des
mit
Bedeutungsträgers
geboten. Die Beschreibung fällt also nicht fort, wenn auf die Darbietung der generalisierten Bedeutungsbeschreibung
auf diese Weise
verzichtet wird. Der Wörterbuchbenutzer kann sich hier die lisierung selbst
Genera-
erschließen.
Das von Krejdlin/Polivanova
(1987) vorgeschlagene
Verfahren
macht Schluß mit dem, was Wiegand (1977, 101) die in Wörterbüchern praktizierte "Schema-F-Kodifikation" nennt: "Diese
Schema-F-Kodi-
fikation sieht seit Jahrhunderten auf der semantischen Ebene mit unbedeutenden Varianten so aus: eventuell ein Beispiel
Lemma,
Bedeutungserläuterung,
(sie!) eventuell Redewendungen^.
Dieses
Schema F ist der Nürnberger Trichter der Lexikographie zum Erlernen von Wortbedeutungen! Dieses langweilige
Kodifikationsmuster
aber kann den semantischen Eigenschaften vieler Wörter
unserer
Sprache nicht gerecht werden, wenn die Gebrauchswörterbücher in vielen Wörterbuchartikeln seelen- und sprachlose maschinen sein sollen."
nicht
Definitions-
(ibid.).
In einem weiteren Test - Test 6 - habe ich versucht, die Leistungsfähigkeit des von Krejdlin/Polivanova
(1987)
vorgeschlagenen
277
Verfahrens zur Veranschaulichung der Gebrauchsbedingungen von Funktionswörtern festzustellen. Dazu habe ich das Verfahren auf die hier behandelten Konnektive ohne daß und statt daß angewandt. Ich bat 7 Versuchspersonen (2 Sekretärinnen, 3 Fremdsprachenphilologen, 1 Sprachmittlerin und 1 Germanistin), in die Leerstellen der folgenden Texte (a) und (b) eine lexikalische Einheit einzusetzen, die inhaltlich zu dem auf d. h. folgenden Text paßt. Dazu gab ich den Hinweis, daß die jeweilige Einheit auch formal komplex sein könnte. Als maximale Suchzeit gab ich pro Einheit 10 Minuten an. (a) Die Wohnung ist ausgeräumt worden,
es jemand be-
merkt hat, d. h. die Wohnung ist ausgeräumt worden, und niemand hat es bemerkt, wobei erwartet wurde, daß es jemand bemerkt. (b)
sie sich freuten, ärgerten sie sich, d. h. sie freuten sich nicht, sondern ärgerten sich, wobei erwartet wurde, daß sie sich freuten und nicht ärgerten.
Zwei der Probandinnen ermittelten korrekt für (a) ohne daß und für (b) statt daß. Eine von ihnen gab als Grund für ihre Wahl jeweils noch an: "einzige Möglichkeit bei der gegebenen semantischen Beschreibung". Eine Probandin führte für (a) ehe, bevor an, eine andere ehe, eine dritte bevor. Für (b) gab eine Probandin obschon, eine andere während und obgleich an. Eine weitere Probandin gab für (b) neben anstatt daß noch obwohl an. Jede der Probandinnen erzielte mindestens ein korrektes Ergebnis. statt daß fanden 5, ohne daß 4 der Versuchspersonen.
Inter-
essant ist hier am Rande, daß die Versuchspersonen wieder eine konzessive Konjunktion (obgleich, obschon, obwohl) angaben, dieses Mal jedoch nicht anstelle von ohne daß, sondern anstelle von statt daß. Dies ist erstaunlich, weil diese Konjunktionen weder gut in das Beispiel (b) vor d. h. passen, noch die mit d. h. angeschlossene Beschreibung erfüllen. Man wird also auch bei der größtmöglichen Benutzerfreundlichkeit in der Art, wie die Gebrauchsbedingungen wahrheitsfunktionaler Konnektive im einsprachigen semasiologischen Wörterbuch veranschaulicht werden, damit zu rechnen haben, daß manche Benutzer Schwierigkeiten haben, ein entsprechendes Formativ anzugeben. Manche der Versuchspersonen, die eines der gesuchten Konnektive nicht gefunden hatten, sagten, als ich
278
ihnen die gesuchte Einheit genannt hatte, daß nun, da sie das korrekte Ergebnis kannten, ihnen die Veranschaulichung
seiner Ge-
brauchsbedingungen durch die jeweilige gebotene Beschreibung aus zutreffend erschien. Sie hätten aber, wie in einer tion, eine Wortfindungsstörung
Quiz-Situa-
gehabt. Ob nun die Situation der
Benutzung eines einsprachigen semasiologischen Wörterbuchs einen Nichtmuttersprachler
durch-
für diesen mit weniger
Spannung verbunden ist als die Testsituation für
durch
psychischer Versuchspersonen,
vermag ich nicht zu klären. Was Test 6 gezeigt haben dürfte, ist aber, daß dem Wörterbuchbenutzer
der Zugang zum zu
Begriff und für den Nichtmuttersprachler
vermittelnden
damit auch zu einem mut-
tersprachlichen Formativ mit dieser Art der Veranschaulichung Gebrauchsbedingungen wahrheitsfunktionaler
Konnektive
gemacht wird als mit der generalisierten Beschreibung dieser brauchsbedingungen und deren von der Beschreibung
der
leichter Ge-
unabhängiger
Illustration durch Anwendungsbeispiele, da ja erstmalig in der Reihe aller bis hierher behandelten Tests mindestens eines der Konnektive ohne daß und statt daß von beteiligten Personen gefunden
jeder
der am Test
wurde.
Daß statt ohne daß in Test 6 bevor bzw. ehe angegeben
wurde,
könnte daran liegen, daß im gegebenen Kontext ehe bzw. bevor nicht ausgeschlossen ist, wenn man nur die Bedeutungskomponente
betrach-
tet und vernachlässigt, daß bei ehe und bevor als wesentliche ponente
Kom-
ihrer Gebrauchsbedingungen die Vorzeitigkeit des vom
Hauptsatz bezeichneten Sachverhalts gegenüber dem vom
Nebensatz
bezeichneten Sachverhalt angegeben sein müßte. Aus diesem
Ergeb-
nis ist die Lehre zu ziehen, daß für das Illustration und
Beschrei-
bung kombinierende Verfahren der lexikographischen der Gebrauchsbedingungen
Veranschaulichung
lexikalischer Einheiten ein Beispiel
wählt werden sollte, das vom Standpunkt der
ge-
Bedeutungskomponente
der beschriebenen lexikalischen Einheit nur die betreffende
Ein-
heit zuläßt. Unter dieser Voraussetzung dürfte das von
Ktejdlin/Polivanova
(1987) vorgeschlagene Verfahren die nutzerfreundlichste, weil bei der Begriffs- und Formativfindung hilfreichste aller bislang tizierten Methoden der Veranschaulichung
der
prak-
Gebrauchsbedingungen
von Funktionswörtern sein. Deshalb empfehle ich es nachdrücklich.
279
Test 6 bestätigt in der Reihe der Tests 1 bis 3 und 5 und 6 in ganz besonderem Maße die Wichtigkeit des lexikographischen Beispiels, auf die in Diskussionen zur lexikographischen Methodik 22
in jüngster Zeit wiederholt hingewiesen worden ist. Daß die Wörterbuchbenutzer sich die Gebrauchsbedingungen der in ihrem Gebrauch exemplifizierten lexikalischen Einheiten als Generalisierungen so offensichtlich vollständig selbst erschließen müssen, ist nun jedoch für semasiologische Wörterbücher
ungewöhn-
lich. Die Wörterbuchbenutzer werden dies kaum erwarten, da ein Wörterbuch ja nicht ein Verzeichnis von Verwendungen der in ihm verzeichneten lexikalischen Einheiten ist, sondern ein Verzeichnis dessen, was die einzelnen erfaßten Einheiten in die Interpretation komplexer sprachlicher Ausdrücke jeweils einbringen bzw. an Anforderungen an die Beschaffenheit anderer sprachlicher Einheiten stellen, mit denen zusammen sie komplexere sprachliche Ausdrücke bilden sollen. Es wäre also eine Erläuterung zum theoretischen Wert des genannten Verfahrens im Wörterbuchvorwort
erfor-
derlich. Wie Untersuchungen ergeben haben, werden aber Wörterbuchvorworte kaum gelesen (siehe Wolf in diesem Band). Aus diesem Grunde plädiere ich dafür, die Generalisierung, wie bislang üblich, als (abstrakte) Beschreibung der Gebrauchsbedingungen der lexikographisch zu beschreibenden Einheit zu formulieren und sie anschließend auf die in Test 2 6 3vorgeführte Weise in einem Deklarativsatz zu exemplifizieren. Als lexikographischen Operator, der die Verbindung zwischen der abstrakten Beschreibung der Gebrauchsbedingungen und ihrer Konkretisierung an einem Beispiel, d. h. einer Instanz des Gebrauchs, herstellt, benutze ich w. u. in Abschnitt 6. "ζ. B. heißt A, daß B", wobei A^ für einen konkreten Deklarativsatz (bzw. bei den hier behandelten lexikalischen Einheiten für ein Satzgefüge mit einem Deklarativsatz als Hauptsatz) steht und iB für die lexikographische Beschreibung der Bedeutung der lexikalischen Einheit, angewandt auf den Inhalt des Kontextes der lexikalischen Einheit, im vorliegenden Fall auf die Bedeutungen von Haupt- und Nebensatz des konkreten Beispiels, das durch A^ repräsentiert wird, und die Beschreibung der Erwartung .
280
6.
Exemplarischer Vorschlag zur lexikographischen lichung der Gebrauchsbedingungen textbeschränkungen,
Veranschau-
von Konnektiven mit Kon-
illustriert an der Behandlung
von
ohne daG und statt daß Auf der Grundlage des in Abschnitt 5. Gesagten möchte ich einen auf die Veranschaulichung der Bedeutung und der nente wahrheitsfunktionaler
Erwartungskompo-
Konnektive beschränkten
Vorschlag
für die Behandlung solcher Konnektive im einsprachigen
semasio-
logischen Wörterbuch machen. Anschließend werde ich diesen der Beschreibung von ohne daß und statt daß
6.1
Die Veranschaulichung heitsfunktionalen
anhand
konkretisieren.
der Gebrauchsbedingungen
eines wahr-
Konnektivs
sollte sich aus folgenden Teilkomponenten
aufbauen:
a) einer Be_schrei_buncj_s_ein_er Bed_eut_ung_ durch eine
Darstellung
von deren Komponentenstruktur, wenn sich diese auf eine Kombination elementarer Wahrheitsfunktionen zurückführen 24 läßt, bzw. durch die Angabe von Synonymen ; wenn das Konnektiv eine Erwartungskomponente enthält, sollte deren Beschreibung
in der Formulierung
der Gebrauchsbedingungen
bezüglich der Bedeutung des Konnektivs im Hintergrund
als
ste-
hende Information kenntlich gemacht werden - durch
Formu-
lierung als Präpositionalgruppe oder Adverbialsatz 25 durch Einschluß derselben durch Gedankenstriche
und
b) einem nachfolgenden Anwendungsbeispiel
folgender
Art:
einem grammatisch und semantisch wohlgeforrnten
komplexen
Satz mit einem Hauptsatz in Deklarativsatzform,
der das
Konnektiv enthält und der die Verwendung möglichst
vieler
Konnektive mit divergierenden Gebrauchsbedingungen
verbie-
tet, und einer anschließenden Beschreibung der
Gebrauchs-
bedingungen des betreffenden Konnektivs im Zusammenhang mit den Teilsätzen, die durch das Konnektiv verknüpft werden; für koordinierte Sätze soll Entsprechendes
gelten
281
c) bei subordinierenden Konjunktionen Angaben dazu 1. welchen Satzarten der Hauptsatz angehören darf 2. ob die Konjunktion unmittelbar nach einer
Negation
oder einem anderen Adverbial auftreten darf und ob sie allein den Hauptakzent im Satzgefüge tragen darf 3. in welcher Reihenfolge Haupt- und Nebensatz im Falle von Deklarativ- und Imperativsatzgefügen stehen
dürfen
4. ob der Hauptakzent des Satzgefüges im Nebensatz
liegen
darf 5. ob die Tempusverhältnisse sind
in den Teilsätzen
beschränkt
Die unter 1. bis 5. genannten Gesichtspunkte konstituieren taktische Gruppen subordinierender
Konnektive. Sie können, müssen
aber nicht durch Beispiele unterlegt werden.
Gebrauchsbeschrän-
kungen der Konnektive, die sich auf diese Gesichtspunkte sind Kontextbeschränkungen zur Erwartungskomponente
syn-
beziehen,
der Konnektive, die im Unterschied
von den durch das Konnektiv zu verknüp-
fenden Teilsätzen wirklich erfüllt werden müssen. Sie können nicht wie diese in den Teilsätzen selbst fehlen und dann, wenn die Teilsätze die Beschränkung nicht verletzen, durch das Konnektiv
"ge-
setzt" werden. Die bislang existierenden Wörterbücher weisen solche Gebrauchsbedingungen, wenn überhaupt, nur unsystematisch Dies betrifft vor allem die Frage der
aus.
Akzentuierungsmöglichkeiten
in den Satzgefügen. Der Beschreibungsteil a) sollte nach folgenden Prinzipien staltet (i)
ge-
werden: die Bedeutungen der Beschreibungseinheiten,
mit denen
die Bedeutungen der Teilsätze bezeichnet werden, die durch das jeweilige Konnektiv verknüpft werden,
sollen
nicht allgemeiner und nicht spezieller sein, als die Gebrauchsbedingungen des zu beschreibenden es
Konnektivs
erfordern^
(ii) die Bedeutungen und Erwartungskomponenten der tive sollen nicht durch abstrakte Substantive, 27 durch daß-Sätze beschrieben werden .
Konneksondern
Es versteht sich, daß die syntaktische Kategorie, der das lige Konnektiv angehört, angegeben werden muß.
jewei-
282
6.2
Veranschaulichung der Gebrauchsbedingungen von ohne daß und statt daB im Rahmen von 6.1:
I. ohne daß a) ohne daß drückt aus, daß - entgegen der Erwartung, daß der vom Hauptsatz und der vom Nebensatz bezeichnete Sachverhalt zusammen bestehen - zwar der vom Hauptsatz bezeichnete Sachoρ verhalt besteht, aber nicht der vom Nebensatz bezeichnete. b) Ζ. B. heißt Das Pflaster ist naß, ohne daß es geregnet hat., daß das Pflaster naß ist und es nicht geregnet hat, wobei erwartet wurde, daß es regnen würde. ohne daß darf mit Deklarativ-, Interrogativ- und Imperativsätzen als Hauptsatz verwendet werden. Ein durch ohne daß eingeleiteter Nebensatz darf nur dann vor einem Imperativhauptsatz stehen, wenn dieser einen negierten Imperativ aufweist; vgl. Ohne daß dich jemand sehen kann, geh niemals da durch! , Geh da durch, ohne daß dich jemand sehen kann!, aber nicht *0hne daß dich jemand sehen kann, geh da durch! Mit einem Deklarativhauptsatz darf der durch ohne daß eingeleitete Nebensatz vor und nach dem Hauptsatz stehen. ohne daß darf unmittelbar nach nicht und anderen Adverbien stehen und den Hauptakzent im Satzgefüge tragen. Der Hauptakzent im Satzgefüge mit ohne daß darf im Nebensatz liegen. Ohne daß die Ampel "grün" zeigte, überquerten sie die Straße. Man wird ihn nicht hereinlassen, ohne daß er Eintritt zahlt. Seine Frau hat das Auto verkauft, ohne daß er davon wußte· Hat sie das gemacht, ohne daß du ihr gezeigt hast, wie man es macht?, Mach das, ohne daß es jemand sieht!, Diese Samen kann man 50 Jahre halten, ohne daß sie nicht mehr keimungsfähig werden. ohne daß darf nicht verwendet werden, wenn die Sachverhalte, die der Haupt- und der Nebensatz bezeichnen, die Gegebenheit einer inhärenten Eigenschaft bei einer Person oder Sache sind. Damit sind Satzgefüge wie *Das ist ein Nadelbaum, ohne daß das eine Fichte ist, nicht sprachgerecht gebildet. Das, was dieser Satz ausdrücken soll, kann so wiedergegeben werden: Das ist zwar ein Nadelbaum, aber keine Fichte.
283
II. statt daß a) statt daß drückt aus, daß - entgegen der Erwartung, daß der vom Nebensatz bezeichnete Sachverhalt und nicht der vom
Haupt-
satz bezeichnete Sachverhalt besteht - der vom Hauptsatz bezeichnete Sachverhalt besteht und nicht der vom Nebensatz bezeichnete.
29
b) Ζ. B. heißt Statt daß sie sich freuten, ärgerten sie
sich.,
daß sie sich nicht freuten, sondern sich ärgerten, wobei wartet wurde, daß sie sich freuten und nicht
ärgerten.
statt daß darf nur mit Deklarativ- und Imperativsätzen Hauptsatz verwendet werden. Der durch statt daß Nebensatz darf vor und nach dem Hauptsatz
er-
als
eingeleitete
stehen.
statt daß darf nicht unmittelbar nach nicht oder anderen Adverbien stehen, und es darf nicht den Hauptakzent im Satzgefüge
tragen.
Der Hauptakzent im Satzgefüge darf nur dann im Hauptsatz
lie-
gen, wenn dieser auf den Nebensatz folgt, und nur dann im Nebensatz, wenn dieser auf den Hauptsatz
folgt.
Statt daß sie sich seriös gibt, gibt sie sich
unseriös.,
Er wird sich ärgern, statt daß er sich freuen wird. Statt daß du hier herumstehst, faß lieber mit an! Weder Haupt- noch Nebensatz dürfen im Satzgefüge mit statt daß im Perfekt oder Plusquamperfekt
stehen.
statt daß darf nicht verwendet werden, wenn die die der Haupt- und der Nebensatz bezeichnen, die
Sachverhalte, Gegebenheit
einer inhärenten Eigenschaft bei einer Person oder Sache
sind.
Damit sind Satzgefüge wie »Das ist eine Tanne, statt daß das eine Fichte ist, nicht sprachgerecht gebildet. Das, was dieser Satz ausdrücken soll, kann so wiedergegeben werden: Das ist eine Tanne, aber (/und) keine
Fichte.
284
7.
Schlußbemerkung
Funktionswörter wie die hier behandelten
wahrheitsfunktionalen
Konnektive weisen neben ihrem außereinzelsprachlichen kern zahlreiche einzelsprachabhängige unanschauliche
BedeutungsKontextbe-
schränkungen auf. Ihr Erwerb stellt deshalb an einen Nichtmuttersprachler hohe Lernanforderungen. Um Nichtmuttersprachlern dabei so gut wie möglich zu helfen, müssen einsprachige Wörterbücher für die Veranschaulichung der
semasiologische
Gebrauchsbedingungen
dieser Funktionswörter neben deren Beschreibungen einen recht umfangreichen Beispielapparat bieten. Dabei dürfen die lexikographischen Beispiele nicht nur Garnierung oder
Authentizitätsnachweis
für existierende Verwendungen der jeweiligen lexikographisch zu charakterisierenden lexikalischen Einheit sein."5^1 Vielmehr muß der Lexikograph die Beispiele für die korrekte Verwendung dieser Einheit ganz systematisch bilden, um die Möglichkeiten und Beschränkungen der Verwendung der Einheit umfassend zu veranschaulichen. In Wörterbüchern, die den gesamten Wortschatz einer Sprache darstellen, ist der Raum für solche teilweise sehr umfangreichen Informationen (von denen in Abschnitt 6.2 für ohne daß und statt daß nur ein Teil gegeben wurde!) nicht immer verfügbar. Die umfassende Darstellung der Funktionswörter sollte deshalb, wie wiederholt vorgeschlagen und teilweise auch schon in die Tat umgesetzt worden ist, Spezialwörterbüchern vorbehalten sein (siehe Viehweger 1985: 463, Buscha 1989, Heibig 1988). Gesamtwörterbücher sollten eine Auswahl aus den Beispielen solcher Spezialwörterbücher treffen, sofern letztere bereits existieren. Auf jeden Fall aber sollten sie die Beschreibung der Gebrauchsbedingungen bieten nebst der oben vorgeführten von Krejdlin/Polivanova
(1987)
vorgeschlagenen Kombination von Beschreibung und Exemplifizierung in einem spezifischen Teiltext des Wörterbuchartikels.
285 Anmerkungen 1
Der vorliegende Beitrag versteht sich als eine empirische Rechtfertigung folgender Aussage: "Die Lexikographie benötigt eine Theorie des lexikographischen Beispiels. Diese muG zeigen, wie die bedeutungserläuternde, insbesondere die kontrakonfliktäre Funktion lexikalischer Paraphrasen systematisch durch Beispieltypen unterstützt werden kann. Dabei muß insbesondere die Symptomfunktion und die bewertende Kraft der Lemmata berücksichtigt werden." (Wiegand 1977: 102).
2
Zu Anforderungen an die lexikographische Behandlung von Funktionswörtern siehe Lang (1982), der sich speziell mit den Konjunktionen befaßt.
3
Siehe hierzu im Detail Pasch
4
Ausnahmen sind die Bedeutungen bestimmter (siehe Lang 1979).
5
Deklarativsatzgefüge, die eine als "pA *** q" dargestellte Bedeutung haben, sind wahr, wenn der Hauptsatz, dessen Denotat durch £ identifiziert wird, wahr ist und die Negation des Nebensatzes, deren Denotat durch f*·* £ identifiziert wird, wahr ist (bzw. der Nebensatz, dessen Denotat durch £ identifiziert wird, falsch ist).
6
Die schrittweise Anwendung dieser komplexen Funktion auf ihre Argumente - erst wird die Negation auf q angewandt und dann die Konjunktion auf das negierte q und schließlich die dadurch entstandene Funktion auf ρ - soll der Tatsache Rechnung tragen, daß das Konnektiv fester mit dem Nebensatz verbunden ist als mit dem Hauptsatz. Dieser Bindungsunterschied wird daran deutlich, daß man nur den Nebensatz zusammen mit dem Konnektiv in ein anderes Verhältnis zum Hauptsatz in der Reihenfolge der Teilsätze bringen kann. Daß es sich bei den Bedeutungen der Konnektive um spezifische Arten der Beziehung zwischen Hauptsatz- und Nebensatz-Bedeutung handelt und nicht nur um die Negation der Nebensatzbedeutung, wird in vielen Wörterbüchern nicht deutlich. So finden sich ζ. B. für ohne daß folgende Bedeutungsbeschreibungen: "weist auf einen nicht eingetretenen oder nicht eintretenden Sachverhalt" (WDG), "kennzeichnend, daß etwas Erwartetes nicht eintritt od. daß etwas fehlt, nicht getan wird" (Brockhaus Wahrig), "gibt an, daß etw. nicht eintritt od. eingetreten ist od. daß jmd. etw. unterläßt, nicht tut" (Duden, Deutsches Universalwörterbuch). Zum Fehlen des Hinweises auf die Art der Beziehung zwischen Haupt- und Nebensatzbedeutung kommt in diesen Formulierungen noch der Mangel, daß die Formulierung etwas als Ausdruck für das Denotat des Nebensatzes nicht angemessen ist (weil dieses ja durch die Bedeutung des Nebensatzes spezifiziert wird, also näher bestimmt ist, was den Ausdruck etwas verbietet), bzw. daß gar kein Ausdruck für dieses Denotat erscheint (wie ζ. B. bei der Angabe des WDG). Der Wörterbuchbenutzer ist also in der Rekonstruktion der Zuordnung der Bedeu-
(1986). Satzadverbiale
286
tung der Konnektive zu ihren syntaktischen Eigenschaften ganz auf seine eigenen Intuitionen allein gestellt. Es fragt sich, ob man dies einem nichtmuttersprachlichen Wörterbuchbenutzer zumuten darf. Besser werden der Bedeutung der Konjunktion ohne daß die Beschreibungen im HDG und in Buscha (1989) gerecht. Vgl. "kennzeichnet den Gliedsatz im Sinne eines nicht eingetretenen od. nicht eintretenden Begleitumstandes" (HDG); "Die subordinierende zusammengesetzte Konjunktion ohne daß und die mit ihr alternierende Infinitivkonjunktion ohne . . . z_u haben privative Bedeutung. Mit ihnen wird ausgedrückt, daß der zum HS-Sachverhalt im Verhältnis eines Begleitumstandes stehende NS/Inf.-Sachverhalt wider Erwarten nicht realisiert wird." (Buscha 1989). Hier wird dem beanstandeten Mangel abgeholfen. Die Beschreibungen erscheinen mir dennoch nicht optimal, weil die Beschreibungseinheit Begleitumstand ihrerseits hochgradig begrifflich komplex ist und ihrer Bedeutung nach wie ohne daß mithilfe von und und nicht bzw. kein (also der Negation) beschrieben werden kann (während weder und noch die Negationsausdrücke nicht und kein eine verständliche Beschreibung mithilfe von ohne daß oder Begleitumstand zugewiesen bekommen können). 7
Siehe die Formulierung im Brockhaus Wahrig zu ohne daß: "kennzeichnend, daß etwas Erwartetes nicht eintritt od. daß etwas fehlt, nicht getan wird". Den Terminus "Erwartung" verwenden ζ. B. Sommerfeldt (1982) - allerdings für Infinitivgruppen mit ohne oder statt -, die Grundzüge (1981: 783 und 807) und Oetke (1981: 50f.). Diesen Terminus habe ich in Pasch (1986) aufgegriffen. In Pasch (1988) versuche ich zu zeigen, daß solche Erwartungen, wie sie in den Gebrauchsbedingungen von ohne daß und statt daß eine Rolle spielen, nur ein Spezialfall eines allgemeineren Phänomens sind, das ich in den genannten Arbeiten "Präsuppositionen" nenne. Das, was im allgemeinen in der Logik und in der Linguistik als Präsuppositionen bezeichnet wird, ist ebenfalls nur ein Spezialfall des von mir anvisierten allgemeineren Präsuppositionsbegriffes . Letztere nenne ich dort "logische Präsuppositionen". Erwartungen wie die durch ohne daß, statt daß oder die Negation (siehe hierzu Givön 1978) ausgedrückten nenne ich dort "nichtlogische Präsuppositionen".
8
Siehe Pasch (1986: 147ff.). Testen kann man dies an Satzgefügen mit Teilsätzen, deren Bedeutungen sich gegenseitig ausschließen - wie in (5)(b). ohne daß ist dort unmöglich, weil der vom Hauptsatz und der vom NeDensatz bezeichnete Sachverhalt nicht zusammen bestehen können.
9
Siehe Pasch (1986: 155ff.).
10
Siehe hierzu Lang (1984: 98ff.). Mit Teilsätzen im Satzgefüge, deren Bedeutungen sich gegenseitig ausschließen, d. h. die miteinander logisch unverträglich sind, ist ζ. B. die Konjunktion ohne daß nicht verwendbar (weil die mit ihr gebildeten Satzgefüge unverständlich werden). Vgl. »Sie ist seriös, ohne daß sie unseriös ist, statt daß wiederum ist nicht mit Teilsätzen in Satzgefügen zu verwenden, deren Bedeutungen in einer Bedingung-Folge-Beziehung stehen. Vgl. *Er geht zur Bahn, statt daß er sich zur Bahn begibt., »Er begibt sich zur Bahn, statt daß er zur Bahn geht.
287
11
Siehe hierzu ausführlich Pasch (1986: 84ff.).
12
Dadurch soll die Identität der Belegung gleicher Variablen in den Teilausdrücken b und e garantiert werden.
13
Das gleiche Ergebnis zeitigte eine Umfrage von Birgit Wolf unter 17 deutschen Germanistikstudenten. Diese verneinten die Frage, ob sie sich in Wörterbüchern über die Bedeutung deutscher Konjunktionen informierten, bejahten aber die Frage für englische Konjunktionen. Man kann also skeptisch sein, ob die von Heibig (1988) gehegte Erwartung, daß nicht nur Nichtmuttersprachler einsprachige semasiologische Wörterbücher zu Funktionswörtern konsultieren, realistisch ist, denn auf die von ihm beschriebenen Partikeln dürfte das gleiche zutreffen, was Wolf für Konjunktionen ermittelte.
14
Wenig genau ist auch die Beschreibung von ohne daß im HDG: "kennzeichnet den Gliedsatz im Sinne eines nicht eingetretenen od.nicht eintretenden Begleitumstandes". Dafür ist jedoch die Angabe zu den Gebrauchsbedingungen von statt daß hier genauer: "leitet einen Gliedsatz ein, der eine nicht realisierte Möglichkeit kennzeichnet, für die im Hauptsatz der Ersatz angegeben wird". Allerdings wird, wie gesagt, durch die Art der Formulierung die Art der semantischen Beziehung zwischen Haupt- und Nebensatz-Bedeutung nicht deutlich. Außerdem wird nicht deutlich, daß der Hauptsatzbedeutung das Hauptgewicht im Satzgefüge zukommt und die Nebensatzbedeutung Hintergrundfunktion bezüglich der Hauptsatzbedeutung hat. Diese Art der Gewichtung wird durch die Charakterisierung der Hauptsatzbedeutung mittels eines Relativsatzes (vgl. "für die im Hauptsatz der Ersatz angegeben wird") verschleiert.
15
Diese Formulierungen entwickelte ich 1985. Zu diesem Zeitpunkt war das "Lexikon deutscher Konjunktionen" von Buscha (1989) noch nicht im Entstehen. Ich konnte deshalb nicht auf die dort gegebenen, bislang genauesten mir bekannten lexikographischen Beschreibungen der Bedeutungen und Erwartungskomponenten von ohne daß und statt daß zurückgreifen. Zur Beschreibung von ohne daß bei Buscha (1989) siehe Anmerkung 6; die Beschreibung von statt daß bzw. anstatt daß lautet dort so: "Die subordinierende zusammengesetzte Konjunktion anstatt daß und die mit ihr alternierende Infinitivkonjunktion anstatt . . . ^u haben substitutive Bedeutung (ohne Bedeutungsunterschied auch statt daß/statt ... zu). Sie drücken aus, daß das - in HS und NS/Inf. Identische - Subjekt wider Erwarten nicht das vom NS-Prädikat Bezeichnete, sondern als Alternative das vom HS-Prädikat Bezeichnete realisiert." Zu meinen Bedenken gegen ein Detail in der Beschreibung von ohne daß siehe Anmerkung 6.
16
Daß bei ohne daß und statt daß die Wortfindung nicht vornehmlich durch die Tatsache erschwert wird, daß diese Konjunktionen subordinierend sind, zeigt Test 1. Hier wurden "Negation . . . sondern" und aber, die ja koordinierende Konjunktionen sind, auch nur jeweils von einer Versuchsperson gefunden. Auch sie wurden mit ihren Erwartungskomponenten beschrieben.
288
17
Der funktionale Unterschied zwischen Haupt- und Nebensatzformulierungen zeigt sich besonders deutlich darin, daß syntaktisch subordinierte Sätze - darunter verstehe ich für das Deutsche Sätze, die Endstellung des finiten Verbs aufweisen und als Kokonstituente eine Konjunktion haben - als Ausdruck des Themas in einem komplexen Satz fungieren können. Sätze mit der Struktur eines Hauptsatzes sind dazu nicht in der Lage, selbst wenn sie eingebettet sind. Vgl. A.: Es regnet. Β.: Ich sähe, daß es regnet. (/Daß es regnet, sähe ich./ *Es regnet, sähe ich./ *Ich sähe, es regnet.) neben wohlgeformten Ich sehe, es rägnet., Es rägnet, sehe ich., die zwar nicht im vorliegenden Kontext, wohl aber in anderen Kontexten möglich sind. (Die als Äußerungen von B. ins Auge gefaßten Satzverwendungen mit Asteriskus sind in keinem Kontext wohlgeformt.) (Der Akut gibt die Stelle des Hauptakzents im Satzgefüge an.) Zur Rolle der Subordination siehe auch Lehmann (1984: 146ff. und 262ff.), der sich allerdings auf die Funktion von Relativsätzen beschränkt. Das dort Gesagte gilt aber m. E. mutatis mutandis auch für andere Arten von Neben- (subordinierten) Sätzen.
18
Die Testergebnisse bestätigen, was - ohne daß sie auf solche Experimente zurückgreifen konnten - schon mehrere Autoren, die sich kritisch mit einsprachigen semasiologischen Wörterbüchern befaßt haben, konstatieren, nämlich, daß Anwendungsbeispiele eine tragende Rolle bei der lexikographischen Veranschaulichung der Gebrauchsbedingungen lexikalischer Einheiten spielen; vgl. Nikula (1986: 188), Wiegand (1985: 90), Wolf (1986: 146).
19
Eine in der theoretischen Linguistik (Semantik) und Psycholinguistik diskutierte Möglichkeit der Repräsentation von Wortbedeutungen ist ihre Wiedergabe als Einheiten in Bedeutungspostulaten (siehe hierzu Katz/Nagel 1974, Fodor/Fodor/ Garrett 1975 und Katz 1977). Für Wörterbücher ist diese Form der Darstellung von Wortbedeutungen als einzige Repräsentationsform indiskutabel, wenngleich sie partiell faktisch dort vorkommt, nämlich indem für lexikalische Einheiten sog. Synonymdefinitionen erscheinen und Antonyme und Hyperonyme angegeben werden. Für wahrheitsfunktionale Konnektive verbietet sie sich in der Regel, da die meisten weder Synonyme noch Antonyme in Simplexform haben, noch es Hyperonyme zu ihnen gibt.
20
Dies gilt für alle oben genannten Wörterbücher. Zum unsystematischen Charakter der Exemplifizierung in Wörterbüchern siehe auch Wolf (1986: 146).
21
Der Vorschlag, den Krejdlin/Polivanova (1987) machen, die die Gebrauchsbedingungen von Funktionswörtern mittels Beispielen veranschaulichen, ist nicht mit einer Reduktion auf die Veranschaulichung durch Beispiele identisch, denn es wird im Anschluß an das Anwendungsbeispiel die Bedeutung des Funktionswortes im Zusammenhang mit seinem durch das Beispiel gesetzten
289
Kontext noch einmal umschrieben. Auf den Vorschlag von Krejdlin/Polivanova (1987) gehe ich weiter unten genauer ein. 22
Siehe Ilson (1986), Nikula (1986: 188). Wie Wolf (in diesem Band) zeigt, fordern 50 % aller von ihr über Wörterbücher befragten Personen mehr Beispiele. Bei diesem Personenkreis handelt es sich vornehmlich um Übersetzer und Verlagslektoren.
23
Dafür, daß die Bedeutung, auch wenn sie sehr abstrakt und nur umständlich zu formulieren ist, im Wörterbuch dargestellt wird, plädieren auch Weydt/Hentschel (1983: 4) - allerdings für Partikeln. Bei diesen ist das Problem der Abstraktheit noch größer, da diese in der Regel die Wahrheitsbedingungen des Ausdrucks, in den sie eingehen, nicht verändern.
24
Wahrscheinlich können die Bedeutungen von und, (sowohl als) auch, außerdem einerseits und wenn, sofern andererseits nur je durcheinander, d. h. in einem zu kurzen Zirkel repräsentiert werden. Die Bedeutung von nicht oder die von oder kann überhaupt nicht durch andere Partikeln bzw. Konnektive beschrieben werden, höchstens durch Substantive wie Negation, Verneinung, Fehlen, Mangel, Abwesenheit (für nicht) bzw. Alternative oder unklar, ob (für oder). Diese wiederum können nur mittels der Bedeutung von oder bzw. nicht in ihrer Bedeutung beschrieben werden, also wiederum in einem zu kurzen Zirkel. Solche zu kurzen Zirkel sind unvermeidlich, wenn die Beschreibungssprache mit der Objektsprache identisch ist. Man muß aber nicht befürchten, daß hierin eine grundsätzliche Barriere für eine restfreie Rezeption der Bedeutung der Lemmazeichen durch Nichtmuttersprachler liegt. Ein Nichtmuttersprachler, der nicht über ein zweisprachiges Wörterbuch die muttersprachlichen Äquivalente der "reinsten" Ausdrücke für die elementaren Wahrheitsfunktionen erworben hat, kann ein einsprachiges semasiologisches Wörterbuch ohnehin nicht konsultieren. Die Bedeutung dieser Äquivalente hat er in praxi erlernt, für ihren Erwerb benötigt er nicht außerdem noch ein einsprachiges Wörterbuch seiner Muttersprache. Synonyme können - wenn sich als Bedeutungsangabe keine Beschreibung (Paraphrase) formulieren läßt - die gleiche Rolle spielen wie Beschreibungen. Sie helfen dem Wörterbuchbenutzer, die ihm nicht geläufigen Gebrauchsbedingungen eines Formativs (des Lemmazeichens) auf Bedeutungen ihm bekannter lexikalischer Einheiten bzw. Syntagmen aus solchen zurückzuführen und auf dieser Grundlage für sich zu rekonstruieren. Als Bedeutungsangabe sollte dem Lexikographen all das recht sein, was den sichersten Weg darstellt, so vielen Benutzern wie möglich die Rekonstruktion der Gebrauchsbedingungen der im Wörterbuch aufgeführten lexikalischen Einheiten zu ermöglichen. Bietet er eine ganze Reihe von Synonymen bei einer Einheit an, kann er hoffen, daß ein beliebiger Benutzer darin mindestens ein ihm bekanntes Synonym findet, das ihm den Zugang zu diesen Gebrauchsbedingungen eröffnet. Hierin liegt m. E. eine Möglichkeit, den von Hausmann (1985: 373) geforderten "didaktischen" Charakter der Wörterbücher zu gewährleisten. (Siehe auch Bolinger 1965. )
290
Bei den hier behandelten Konnektiven ohne daß und statt daß freilich sollten sog. Synonyme wie Fehlen (WPG, Brockhaus Wahrig), Nichtvorhandensein (WDG), Vermeidung , vemeidend (Knaurs großes Wörterbuch 1985) nicht gegeben werden, weil sie in ihren Gebrauchsbedingungen spezieller sind als nicht, selbst aber wieder mittels nicht in ihren G e b r a u c h s b e d i n g u n gen beschrieben werden können, wie auch die Gebrauchsbedingungen von ohne daß und statt daß mittels nicht beschrieben werden können. Was unvermeidbar sein wird, ist, daß einige der wahrheitsfunktionalen Konnektive (wie und und wenn) und Partikeln (wie nicht) lexikographisch letztlich Undefiniert bleiben müssen (da alle ihre möglichen Synonyme speziellere Gebrauchsbedingungen haben als sie selbst und in deren Beschreibung wieder nur auf sie zurückgegriffen wird). Mit anderen Worten, einige der in ihren Gebrauchsbedingungen lexikographisch zu beschreibenden lexikalischen Einheiten müssen als Primitivbegriffe der lexikographischen Beschreibung fungieren, die unanalysierbar sind. (Zur "inevitable 'circularity' of semantics" siehe Lyons 1968; 1969: 410, 434.) Im Wörterbuch sollten dies diejenigen Einheiten sein, die ontogenetisch früh erworben werden und die die wenigsten Kontextbeschränkungen aufweisen. Nur in dieser Hinsicht ist also die in Abschnitt 2.2 erwähnte Zirkelhaftigkeit der Angaben gängiger deutschsprachiger semasiologischer Wörterbücher kritikwürdig. Dort werden für die Beschreibungen der Gebrauchsbedingungen von ohne daß und statt daß nicht Einheiten mit allgemeineren Gebrauchsbedingungen als denen der für die Beschreibungen verwandten Einheiten benutzt. 25
Wenngleich, wie die Tests 1, 2, 3 und 5 schließen lasssen, die Art der Formulierung der Erwartungskomponente offenbar keinen Einfluß auf die Konnektivfindung hat, sollte sie jedoch linguistisch-theoretischen Erkenntnissen Rechnung tragen.
26
So findet sich, wie in Anmerkung 6 gesagt, im Duden, Deutsches Universalwörterbuch folgende Angabe zu ohne daß: "gibt an, daß etw. nicht eintritt od. eingetreten ist od. daß jmd. etw. unterläßt, nicht tut". Diese Formulierung trä'gt Verwendungen von ohne daß wie der folgenden nicht Rechnung: Die Blätter bewegen sich, ohne daß der Wind weht.
27
Oft werden, wie gesagt, die Gebrauchsbedingungen von Konjunktionen in den lexikographischen Beschreibungen durch abstrakte Substantive bezeichnet; vgl. auch HDG und Buscha (1989): Begleitumstand als Charakterisierung der Nebensatzbedeutung in der Erwartungskomponentenbeschreibung von ohne daß.
28
Weitere Gebrauchsbedingungen siehe in Pasch (1986:
147ff.).
29
Weitere Gebrauchsbedingungen
155ff.).
30
Gegen ein Vorherrschen des Belegprinzips und für eine systematische Bildung lexikographischer Beispiele durch den oder die Lexikographen selbst tritt auch u. a. Nikula (1986: 188) ein. Die oben genannten Wörterbücher folgen diesem Prinzip, allerdings ist, wie gesagt, die Wahl der Beispiele noch nicht systematisch genug.
siehe in Pasch (1986:
291
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41.
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292
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BIRGIT WOLF WÖRTERBUCH UND BENUTZER - VERSUCH EINER EMPIRISCHEN UNTERSUCHUNG
1.
Vorbemerkung
2. 2.1. 2.2. 2.2.1.
Auswertung der Befragung Befragungsergebnisse Schlußfolgerungen Zur Organisation und Durchführung empirischer Wörterbuchbenutzungsuntersuchungen Zum Stand der Wörterbuchbenutzung Benutzungsfähiakeiten urid Anforderungen an Wörterbuchdidaktik und Öffentlichkeitsarbeit
2.2.2. 2.2.3.
Anmerkungen Literatur
1.
Vorbemerkung
Die Benutzung von Wörterbüchern gehört noch nicht lange zu den Objekten wissenschaftlicher Forschung, obwohl Wörterbücher und ihre Benutzung über eine lange Tradition verfügen. Erst in der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts wurden systematische Überlegungen angestellt, wer wohl welche Wörterbücher zu welchem Zweck und mit welchem Erfolg benutzen würde, wie diese Fragen zu klären wären und welchen Wert die Antworten hätten. Die hinter diesen Fragen stehenden theoretisch-methodischen Fragen sind noch längst nicht befriedigend geklärt, und auch praktische Untersuchungen zu diesen Problemen hat es bisher nur wenige gegeben. Dieser Forschungsstand war es, der im Jahr 1988 zum Ausgangspunkt einer praktischen Untersuchung zur Wörterbuchbenutzung in der DDR genommen wurde, deren Ergebnisse im folgenden hier dargestellt werden sollen. Wegen der vielen offenen theoretischen Fragen war der Untersuchung eine Einschätzung des gegebenen Stan-
296 des der Worterbuchbenutzung
und der dem Untersuchungszweck
ange-
messenen methodischen Konzeption vorangestellt worden, die an anderer Stelle veröffentlicht werden
sollen.
Die praktische Untersuchung selbst sah sich mit dem des faktischen Verbotes von Erhebungen soziologischen
Problem Inhalts
konfrontiert. Dennoch konnten 288 Fragebögen (500 waren worden) ausgewertet werden, in denen Probanden
verteilt
unterschiedlichen
Alters und beruflicher Ausbildung und Tätigkeit Auskünfte zu vielen Fragen der Wörterbuchbenutzung
erteilten. Diese
Auskünfte,
wenn sie auch nicht strengen Anforderungen statistischer
Ausgewo-
genheit entsprechen, lassen eine Vielzahl von Aussagen zu praktischen und theoretischen Problemen der Lexikographie, aber der Sprachkultur und nicht zuletzt zur Effizienz der
auch
Untersuchungs-
methode zu. Die im folgenden darzustellenden Ergebnisse der
Untersuchung
sollen deshalb nicht nur Lexikologen und Lexikographen, Linguisten und Verleger, aber auch Wörterbuchnutzer
sondern
anregen,
die-
sem Thema mehr Aufmerksamkeit zu widmen.
2.
Auswertung der
Befragung
Die nachfolgend genannten Befragungsergebnisse
stellen den we-
sentlichen Inhalt der Auskünfte zu den Fragen dar, die auf anhängendem Fragebogen ca. 500 Personen gestellt worden waren.
2.1
Befragungsergebnisse
Frage 1: Bekannte
Wörterbücher
Der Fragebogen (vgl. Anhang) präsentierte eine Aufstellung
von
22 einsprachigen deutschen Wörterbüchern, die in der DDR käuflich oder zumindest in öffentlichen Bibliotheken verfügbar''' waren. Ausnahmslos alle Probanden kannten den Duden, dessen Ruf als das klassische Volkswörterbuch der Rechtschreibung sich damit bestätigt hat. Daran ändert auch nichts, daß der Duden quasi
außer
Konkurrenz läuft, da er das einzige Wörterbuch ist, mit dessen
297
Existenz und Anwendung seit Generationen jeder Schüler im muttersprachlichen Unterricht vertraut gemacht wird. Einen hohen Bekanntheitsgrad besitzen Fremdwörterbücher. 67 X der Probanden kannten das im Fragebogen angegebene Fremdwörterbuch. Dies ist u. a. deshalb ein hohes Ergebnis, weil anzunehmen ist, daß einige Probanden auch andere Fremdwörterbücher
kennen,
so daß der tatsächliche Bekanntheitsgrad von Fremdwörterbüchern noch bedeutend höher eingeschätzt werden kann und dem des Duden kaum nachsteht. Eine Reihe von Probanden hat im Fragebogen auf andere Fremdwörterbücher hingewiesen, vor allem auf das "Große Fremdwörterbuch" sowie Liebknechts "Volksfremdwörterbuch". Bekanntheitsquote des im Fragebogen angegebenen
Die
Fremdwörterbuchs
ist in allen drei Qualifikationsgruppen (HS/FS/FA)
annähernd
gleich. Bekanntheit und die daraus abzuleitende Benutzung von Fremdwörterbüchern kann deshalb im wesentlichen als qualifikationsunabhängig angesehen werden. Einen sehr hohen Bekanntheitsgrad besitzt auch das Synonymwörterbuch. 58 % der Befragten kannten dieses Wörterbuch, wobei die Verteilung in den Qualifikationsgruppen nicht gleichermaßen einheitlich war. Einem relativ hohen Anteil der Probanden mit Hochschulabschluß (73 %), denen dieses Wörterbuch bekannt ist, steht ein bedeutend niedrigerer Anteil der Facharbeiter gegenüber, von denen nur 25 % dieses Wörterbuch kannten. Eine Zwischenstellung nehmen hier die Probanden mit Fachschulabschluß ein, 38 % dieser Probanden kannten das Synonymwörterbuch. Aus diesen Quoten ist ohne weiteres erkennbar, daß mit wachsendem
Qualifikationsgrad
auch der Bekanntheitsgrad dieses durchaus als populär zu betrachtenden Spezialwörterbuches ansteigt. Da nach diesen Zahlenangaben von einem relativ niedrigen Bekanntheitsgrad bei den Facharbeitern, der stärksten Bevölkerungsgruppe, auszugehen ist, kann die Bekanntheit dieses Wörterbuchs nicht auf Einflüssen aus dem obligatorischen Schulunterricht beruhen. Es entsteht der Eindruck, daß in Abhängigkeit vom Niveau der Ausbildung und von dem dabei entwickelten Grad des Interesses an einem lebendigen und vielfältigen Ausdruck das Interesse gerade am Synonymwörterbuch steigt. Den vierten Rang im Bekanntheitsgrad der den Probanden angebotenen Wörterbücher nimmt das Grimm'sche Wörterbuch ein. Da es sich hier nicht um ein für den täglichen Gebrauch geeignetes und
298
in großen Auflagen verbreitetes Wörterbuch handelt, kann dies als Hinweis auf ein Allgemeinwissen verstanden werden, das einen bestimmten kulturellen Standard ausdrückt. Auch hier ist eine abnehmende Bekanntheit des Grimm'schen Wörterbuchs bei Probandengruppen mit jeweils niedrigerem Qualifikationsgrad festzustellen. Während noch 56 % der Probanden mit Hochschulabschluß und 30 % der Fachschulabsolventen die Kenntnis dieses Wörterbuchs angaben, war das Grimm'sche Wörterbuch nur 22 % der Facharbeiter bekannt. Wenngleich dieses Ergebnis einerseits für ein Wörterbuch, das von vielen Probanden, vor allem von Facharbeitern, kaum jemals benutzt werden wird, relativ hoch ist, muß andererseits angemerkt werden, daß insgesamt der Bekanntheitsgrad von 48 % bei einem Wörterbuch vom historischen Rang des Grimm der Qualität des muttersprachlichen Unterrichts kein positives Zeugnis ausstellt. Auf den nächstfolgenden Plätzen im Bekanntheitsgrad stehen mit "Wörter und Wendungen" (35 %) und der kleinen Idiomatik
"Redens-
arten" syntagmatische Wörterbücher vergleichbaren Typs. Offenbar besteht in breiten Bevölkerungsschichten ein Interesse an der Auflistung und Erläuterung gebräuchlicher syntaktischer
Einheiten,
denn das Gefälle des Bekanntheitsgrades zwischen den Qualifikationsgruppen ist zwar vorhanden, jedoch weniger stark als bei anderen speziellen Wörterbüchern. Ca. 40 % der HS, 23 % der FS und fast 20 % der FA kannten "Wörter und Wendungen", ähnlich verhält es sich mit den "Redensarten", die jedoch allein bei den Hochschulabsolventen mit 34 % einen etwas geringeren Bekanntheitsgrad aufweisen. Da solche Wörterbücher anscheinend ohne besondere Mühe für jedermann verständlich sind, können aus diesem Bekanntheitsgrad durchaus Folgerungen für die Gestaltung von Wörterbuchprinzipien abgeleitet werden. Nun folgt eine Gruppe unterschiedlicher Wörterbücher, mit einem Bekanntheitsgrad um 25 % (mit geringfügigen Abweichungen). Hierzu gehören das "Kleine Wörterbuch der Stilkunde" (26 %), das HDG (26 %), das "Wörterbuch der Aussprache" (26 %), das "Antonymwörterbuch" (26 %), das WDG (25 %), das etymologische Wörterbuch von Kluge (25 %) sowie das etymologische Wörterbuch von Wasserzieher (22 %). Bereits die Aufzählung verdeutlicht, daß hier keine einheitlichen linguistischen Voraussetzungen für den etwa gleichen Bekanntheitsgrad bestehen, denn die Wörterbücher sind in Umfang,
299
Konzeption und Informationsabsicht zu unterschiedlich. Es kann aber festgestellt werden, daß das HDG in der kurzen Zeit seit Erscheinen der Erstauflage bereits einen ähnlichen Bekanntheitsgrad wie das viel früher herausgegebene, in der Presse breit gewürdigte WDG gefunden hat. Festzustellen ist auch, daß die etymologischen Wörterbücher einen in etwa gleichen Bekanntheitsgrad besitzen, was für die relative Zuverlässigkeit der ermittelten Ergebnisse spricht. Anzumerken ist, daß die vorwiegend für den Lehrerberuf geeigneten Wörterbücher "Kleines Wörterbuch der Stilkunde" und "Wörterbuch der Aussprache" wohl aus diesem Grunde auch einen annähernd gleichen Bekanntheitsgrad besitzen. Schließlich fällt auf, daß das "Antonymwörterbuch" bedeutend weniger bekannt ist als das ebenfalls paradigmatisch geprägte
Synonymwörter-
buch . Bemerkenswert sind die Unterschiede im Bekanntheitsgrad von Wörterbüchern zwischen den einzelnen Qualifikationsgruppen.
Fast
alle genannten Wörterbücher haben im HS-Bereich einen Bekanntheitsgrad um die 30 % und im FS-Bereich um 15 %. Bedeutende Unterschiede hingegen werden bei den Facharbeitern sichtbar. Hier stehen den bei FA relativ bekannten Wörterbüchern wie dem "Wörterbuch der Aussprache" und dem "Wörterbuch der Stilkunde" mit einem Bekanntheitsgrad von ca. 13 % weniger bekannte Wörterbücher wie das HDG und das Synonymwörterbuch (7 %) sowie eine Gruppe kaum bekannter Wörterbücher (Bekanntheitsgrad unter 5 %) gegenüber. Zu den letzten gehören auch die beiden etymologischen Wörterbücher und das WDG, die nur von zwei bzw. einem der befragten Facharbeiter gekannt wurden. Berücksichtigt man, daß unter den befragten Facharbeitern auch die Berufe Buchhändler und Bibliotheksfacharbeiter vertreten sind, bei denen die Kenntnis dieser Wörterbücher aus beruflichen Gründen wahrscheinlich ist, dann erklären sich die wenigen Nennungen der drei Wörterbücher und zugleich ergibt sich die Schlußfolgerung, daß diese Wörterbücher bei den Facharbeitern im wesentlichen unbekannt sind. Eine weitere Gruppe der zur Auswahl gestellten Wörterbücher ist nur einem begrenzten Kreis von Nutzern bekannt. Hierzu gehören das "Rückläufige Wörterbuch" (20 %), "Wörterbuch der Sprachschwierigkeiten" (19 %), das onomasiologische Wörterbuch von Dornseiff
300
(14 %), das Verbvalenzwörterbuch (13 %) sowie die Valenzwörterbücher deutscher Adjektive und Substantive (jeweils 12 %). Der Bekanntheitsgrad aller dieser Wörterbücher resultiert fast ausschließlich aus der Bekanntheit unter den HS (zwischen 15 und 25 %), während die Bekanntheit unter den FS und den FA relativ (zwischen 3 und 7 % der Probanden mit entsprechender
Qualifika-
tion kannten diese Wörterbücher) als auch absolut (2 bis 5 Probanden) sehr gering ist. Stellt man auch hier die FA und FS aus den Bereichen des Bibliothekswesens und des Buchhandels in Rechnung, kann außerhalb dieser Bereiche im wesentlichen von einer fehlenden Bekanntheit dieser Wörterbücher in den Qualifikationsgruppen FA und FS ausgegangen werden. Die Ergebnisse hinsichtlich der Wörterbücher von Adelung und Campe (jeweils 8 %), die ausschließlich aus Notierungen im Bereich der HS mit sprachwissenschaftlicher Ausbildung resultieren, sprechen ebenfalls für die relative Zuverlässigkeit der gesammelten Informationen, denn diese wurden in keinem Fall durch andere Probanden in offensichtlicher Verkennung des Frageinhalts als bekannt angegeben, was bei den für die Kenntnis dieser Wörterbücher anzunehmenden sehr speziellen Wissensvoraussetzungen zumindest Zweifel verursacht hätte. Zum Kreis der Wörterbücher, für deren Kenntnis und Benutzung ein bestimmtes Wissen und vermutlich auch eine zumeist beruflich begründete, spezielle Veranlassung erforderlich ist, gehört auch das "Kleine Wörterbuch linguistischer Termini" mit einem Bekanntheitsgrad von 11 %. Dazu haben neben den wenigen linguistisch ausgebildeten HS noch jeweils 1 Student und ein FS beigetragen. Auch hier kann davon ausgegangen werden, daß ein fachlich begrenzter Adressatenkreis im Ergebnis der Befragung sich als tatsächlich über die Existenz dieses Wörterbuchs informiert erwiesen hat. Obwohl für eine generelle Bewertung allein aus dem Bekanntheitsgrad der Wörterbücher noch keine Schlüsse gezogen werden können, ist doch erkennbar, daß bei den einzelnen Wörterbuchtypen die Bekanntheit in Abhängigkeit vom Qualifikationsgrad und der Fachrichtung der ausgebildeten und ausgeübten Tätigkeit der Nutzer sehr unterschiedlich ist. Neben den schon seit langem als verbreitet angesehenen Wörterbüchern Duden und Fremdwörterbuch sind es vor allem syntagmatische und idiomatische Wörterbücher sowie paradigmatische Wörterbücher, die einer größeren Anzahl potentieller
301
Nutzer bekannt sind und bei denen Differenzierungen zwischen den Qualifikationsgruppen in relativ geringem Umfang auftreten. Generell gilt aber die Aussage, daß mit wachsendem Qualifikationsniveau oder mit einer auf den Umgang mit der Wortinformation ausgerichteten Fachschul- und Facharbeiterausbildung auch der Bekanntheitsgrad von Wörterbüchern zunimmt. Dies ist bemerkenswert, weil gerade in diesen Personengruppen eine bessere, durch Gewohnheit stärker gesicherte Kenntnis der Sprache und ihrer Regeln vorhanden sein müßte und deshalb das Bedürfnis nach Information mit Hilfe von Wörterbüchern eher als gering anzunehmen wäre. Diese Annahme wird auf der Basis der nachfolgenden Überlegungen zu prüfen sein. Eindeutig ist der Befund, daß mit zunehmender
sprachwissenschaft-
licher Spezialisierung der angebotenen Informationen der Bekanntheitsgrad vieler Spezialwörterbücher vor allem bei Facharbeitern und Fachschulabsolventen stark zurückgeht, daß einige Wörterbücher in diesen Gruppen nicht mehr bekannt sind. Auffällig ist auch der geringe Bekanntheitsgrad der viele Informationen anbietenden allgemeinsprachlichen Wörterbücher. Zu bedenken ist hier allerdings, daß dafür auch nicht im Wörterbuch selbst liegende Umstände, wie fehlende Berücksichtigung im Schulunterricht, geringe Werbung oder kleine Auflagen, wesentliche Einflüsse ausüben können. Das soll weiter geprüft werden.
Frage 2: Besitz von Wörterbüchern
Wörterbücher 1
2
3
FS
HS
FA
Der deutsche Wortschatz nach Sachgruppen (Dornseiff)
2,6
%
0
%
0
%
Deutsches Wörterbuch (Gebrüder Grimm)
1,7
%
0
%
0
%
Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache (Kluge)
5,2 %
2,6 %
0
%
302
Wörterbücher 4 Fremdwörterbuch (Klien) 5 Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart ... (Adelung) 6 Der große Duden. Rechtschreibung
HS
FS
FA
63
X
51
X
44
X
0
X
0
X
0
X
99
X
97
X
85
X
2,6 X
0
X
7 Großes Wörterbuch der deutschen Aussprache
5,2
θ Handwörterbuch der deutschen Gegenwartssprache
5,2 X
0
X
0
X
9 Kleines etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache (Wasserzieher)
9,6 X
2,6 X
0
X
6,1 X
0
X
0
X
X
%
10
Kleines Wörterbuch linguistischer Termini (Heibig)
11
Kleines Wörterbuch der Stilkunde (Krahl/Kurz)
13
X
10,2 X
0
12
Redensarten (Görner)
12
X
10,2 X
7,4 X
13 Rückläufiges Wörterbuch der deutschen Gegenwartssprache (Mater) 14
Synonymwörterbuch (Görner/Kempcke)
15
Wörter und Gegenwörter (Agricola)
16
Wörter und Wendungen
17 Wörterbuch der deutschen Sprache (Campe)
2,6 X 37
X
8,7 X
0
X
0
X
26
X
19
X
2,6 X
3,7 X
X
13
X
3,7 X
1,7 %
0
X
0
17
X
303
HS
Wörterbücher 18
19
20
21
22
Wörterbuch der Sprachschwierigkeiten
FS
FA
15
%
2,6
%
0
%
Wörterbuch zur Valenz und D i s t r i bution deutscher Adjektive (Sommerfeldt/Schreiber)
0
%
0
%
0
%
Wörterbuch zur Valenz und D i s t r i bution deutscher Substantive (Sommerfeldt/Schreiber)
0
%
0
X
0
%
Wörterbuch zur Valenz und D i s t r i bution deutscher Verben (Helbig/Schenkel)
0
%
0
%
0
%
Wörterbuch der deutschen Gegenwartssprache (Klappenbach/ Steinitz)
1,7
0
%
0
%
Massenhafte und b e r u f l i c h e r wörterbuch.
V e r b r e i t u n g haben, Tätigkeit,
Mehr a l s
unabhängig
derzeit
von
Qualifikation
der Duden und
90 % der b e f r a g t e n
Duden, wobei d i e U n t e r s c h i e d e
%
ein
der q u o t e n z w i s c h e n den
tionsgruppen
sehr
eine geringe
Z a h l der b e f r a g t e n S t u d e n t e n e i n e n Duden
Das
auf e i n e r e c h t
deutet
und B e s i t z
gering sind.
bar
ist
Duden
daß n u r
besitzt.
von e i g e n e r
Wohnung
hin.
von F r e m d w ö r t e r b ü c h e r n
die D i f f e r e n z i e r u n g
einen
Qualifika-
allerdings,
Verbindung
des R e c h t s c h r e i b w ö r t e r b u c h s
Auch d i e V e r b r e i t u n g hier
Auffällig
stabile
Fremd-
Probanden b e s i t z t
ist
groß,
wobei
z w i s c h e n den Q u a l i f i k a t i o n s g r u p p e n
spür-
zunimmt. Zu den W ö r t e r b ü c h e r n mit g r o ß e r
halten gehört a l s Befragten
in
drittes
in privaten
das Synonymwörterbuch,
ihrem p e r s ö n l i c h e n
der B e t r a c h t u n g
Verbreitung
Besitz
hatten.
der Q u a l i f i k a t i o n s g r u p p e n
d a s 32 % der
Während s i c h
zum A n t e i l
den j e G r u p p e , d i e d i e s e s W ö r t e r b u c h b e s i t z e n , wie beim F r e m d w ö r t e r b u c h z e i g t ,
Haus-
der
bei
Proban-
ein ähnliches
Bild
daß s i c h n ä m l i c h d i e Quote mit
304 zunehmendem Qualifikationsgrad verringert, zeigt der Vergleich der Verbreitung mit dem Bekanntheitsgrad dieses Wörterbuchs ein völlig anderes Ergebnis. Während nur 51 % der HS, denen die Existenz eines Synonymwörterbuchs bekannt ist, dieses Wörterbuch auch im persönlichen Besitz haben, sind dies bei den FS 67 % und bei den FA 71 %. Hier zeigt sich, daß Bekanntheitsgrad und absolute Verbreitung in einem engen Verhältnis stehen, aus beiden jedoch kein Urteil über die Resonanz eines Wörterbuchs bei den Nutzern abgeleitet werden kann. Die ermittelten Werte weisen darauf hin, daß mit der Kenntnis des Synonymwörterbuchs offenbar gerade bei Menschen mit niedrigerem Qualifikationsniveau der Wunsch, dieses Wörterbuch zu besitzen, stark zunimmt, daß also gerade in dieser Personengruppe ein großer und nicht immer bewußter Bedarf an dieser Art Information besteht. Führt man diesen Gedanken weiter, so ist es vermutlich die ungenügende Propagierung
solcher
Wörterbucheditionen, die eine unter dem Bedürfnis liegende Verbreitung fördern. Die Wörterbücher "Wörter und Wendungen", "Wörterbuch der Sprachschwierigkeiten", "Redensarten", "Wörterbuch der Stilkunde" und "Kleines etymologisches Wörterbuch" von Wasserzieher besitzen jeweils ca. 10 % der Befragten, wobei die Verbreitung
innerhalb
der Qualifikationsgruppen bedeutend differiert. Das verbreitetste Wörterbuch dieser Gruppe, "Wörter und Wendungen" (16 %), befindet sich im Besitz eines erheblichen Teils der befragten HS und FS, währenddessen nur einer der befragten FA dieses Wörterbuch besitzt. Noch stärker ausgeprägt ist dieses Verhältnis beim "Wörterbuch der Sprachschwierigkeiten". 11 % der Probanden besitzen dieses Wörterbuch, wobei es sich hierbei um einen Fachschüler, einem Lehrling, einem Studenten und im übrigen ausschließlich um HS handelt. Bei der populär orientierten Anlage und dem hohen Informationswert dieses Wörterbuchs werden hier folgenschwere Mängel in der Öffentlichkeitsarbeit besonders deutlich, denn es kann nach den genannten Ergebnissen als sicher gelten, daß mehr Menschen dieses Wörterbuch besitzen würden, wenn sie es kennen würden . Ähnlich liegen die zahlenmäßigen Verhältnisse beim "Kleinen Wörterbuch der Stilkunde", das kein FA im Besitz hat
und dessen
Verbreitungsquote von 11 % allein aus den Gruppen HS und FS re-
305
sultiert. Auffällig ist hier, daß nur ein Drittel der HS, denen dieses Wörterbuch bekannt ist, dasselbe auch besitzt, währenddessen 80 X der FS, die Kenntnis davon haben, auch Besitzer eines solchen Wörterbuches sind. Bei den "Redensarten" sind die Verbreitungsquoten zwischen den Qualifikationsgruppen ausgeglichener, sie liegen bei HS um 12 X, bei FS um 10 X, auch einige FA besitzen dieses Wörterbuch. Etwa 40 X der Probanden aller Qualifikationsgruppen, denen das Wörterbuch "Redensarten" bekannt ist, haben es auch in ihrem persönlichen Besitz. Diese Ergebnisse sprechen dafür, daß dieses Wörterbuch unabhängig vom Bildungsniveau der Nutzer ihren Ansprüchen gerecht wird. Das "Kleine etymologische Wörterbuch" von Wasserzieher weist zwar gegenüber dem größeren etymologischen Wörterbuch von Kluge einen geringeren
Bekanntheitsgrad
auf, jedoch besitzen es doppelt so viele Probanden wie das Wörterbuch von Kluge. Die bei Wasserzieher gegebenen
Verbreitungsquoten
sprechen im übrigen dafür, daß an etyomologischen Auskünften auch Interesse bei Nichtsprachwissenschaftlern besteht. Das etymologische Wörterbuch von Kluge steht für eine dritte Gruppe von Wörterbüchern, die weder massenhaft verbreitet sind wie der Duden noch zumindest eine etwas weitere Verbreitung wie "Wörter und Wendungen" oder "Redensarten" gefunden haben, sondern die eine begrenzte Verbreitung insbesondere unter Fachleuten erkennen lassen. Zu dieser Gruppe gehört neben dem etymologischen Wörterbuch von Kluge auch das "Wörterbuch der Aussprache" (im Besitz von 6 % der Probanden), das HDG (im Besitz von 5 X der Probanden), das "Kleine Wörterbuch der linguistischen Termini" (6 X) sowie das "Antonymwörterbuch" (7 X). Alle diese Wörterbücher befinden sich ausschließlich im Besitz von HS (hinzu kommt teilweise ein FS), und die Besitzer dieser Wörterbücher sind in der Regel Linguisten oder beschäftigen sich in anderer Weise beruflich mit der Sprache. Unterschiede zeigen sich allein in der Verbreitung unter den Probanden, denen die jeweiligen Wörterbücher bekannt sind. Hier reicht die Spanne von 35 X beim "Kleinen etymologischen Wörterbuch" von Wasserzieher über 27 X beim "Antonymwörterbuch" und 22 X beim "Wörterbuch der Aussprache" bis zu 18 X beim HDG. Wertet man diese Quoten der relativen Verbreitung, so geben sie Hinweise, in welchem Grade Probanden, die ein bestimmtes Wörterbuch kennen, dieses
306 für nützlich genug halten, um es selbst besitzen und sicherlich auch nutzen zu wollen. Unter diesem Aspekt sprechen die Befragungsergebnisse dafür, daß die relativ große Gruppe der HS, denen diese Wörterbücher bekannt sind, sich offensichtlich vom Besitz des "Kleinen etymologischen Wörterbuches" oder des "Antonymwörterbuches" mehr konkreten Nutzen versprachen als vom HDG. Auch hier sind allerdings bei der Benutzung des Befragungsergebnisses solche Gesichtspunkte wie unterschiedliche Größe, Aufmachung und Preise der einzelnen Wörterbücher zu beachten. Sowohl das "Kleine etymologische Wörterbuch" als auch das "Antonymwörterbuch"
gehören
zu der preisgünstigen, in großen Auflagen angebotenen Reihe "Kleiner Wörterbücher", für die ein Kaufentschluß im Verhältnis zu dem wesentlich teueren, umfänglicheren und zudem vergriffenen HDG wesentlich leichter fällt. Eine vierte Gruppe bilden die drei Valenzwörterbücher
sowie
das WDG mit einer Verbreitung unter 2 %. Dies bedeutet in absoluten Zahlen, daß sich die drei Valenzwörterbücher bei 21B befragten Probanden nur im Besitz von 2 promovierten Linguisten befinden, während das WDG im Besitz von 3 HS und einem Studenten ist. Dieses Ergebnis muß als Ausweis einer fehlenden Verbreitung dieser Wörterbücher im persönlichen Besitz gewertet werden. Dies ist hinsichtlich des WDG insoweit verständlich, als es nach seiner Konzeption als wissenschaftliches Wörterbuch großen Umfangs in erster Linie für wissenschaftliche Zwecke bestimmt und deshalb auch nur ausnahmsweise in persönlichem Besitz (und zwar vorwiegend bei Fachleuten) zu erwarten ist. Demgegenüber ist für die bis heute im Buchhandel der DDR angebotenen
Valenzwörterbücher
das weitgehende Fehlen einer durch praktische Interessen bei den deutschsprachigen Nutzern begründeten Verbreitung
festzustellen.
Die größere oder geringere Verbreitung bestimmter
Wörterbücher
zwischen den Qualifikationsgruppen bzw. in bestimmten Berufsgruppen erlaubt einige ergänzende Aussagen. In der Gruppe der FA und der FS sind außer Duden und Fremdwörterbuch nur noch in einigen Fällen das "Synonymwörterbuch" sowie die syntaktischen Wörterbücher "Wörter und Wendungen" und "Redensarten" verbreitet. Dies erlaubt Rückschlüsse auf Informationsbedürfnisse dieser Nutzergruppen im privaten Bereich, die sich offenbar auf die richtige
307
Orthographie, das Verständnis bzw. die richtige Verwendung von Fremdwörtern und konventionalisierten syntaktischen Einheiten, sowie auf Hilfe beim Auffinden von Synonymen beziehen. Es muß auch angenommen werden, daß der Duden die von anderen verbreiteten Wörterbüchern abzudeckenden speziellen
Informationsbedürfnis-
se nicht ausreichend behandelt. Dies steht zwar mit der Konzeption des Dudens als orthographischem Wörterbuch in Übereinstimmung, jedoch zeigt sich, daß das Interesse größerer
Bevölkerungs-
kreise ungeachtet der Etablierung des Dudens über die dort bestehenden Informationsangebote
hinausreicht.
Weiterhin ist feststellbar, daß entgegen ihren erklärten Zielen einige Wörterbücher, ζ. B. das HDG, bestimmte Adressatengruppen wie Studenten und auch Deutschlehrer kaum erreichen. Viele Deutschlehrer nennen dagegen das pädagogische Arbeitsmittel
"Deut-
sche Rechtschreibung" als ein Wörterbuch, das sie in persönlichem Besitz haben. Auch in dieser Probandengruppe sind neben Duden und Fremdwörterbuch weitere Wörterbücher kaum verbreitet.
Schließlich
hat sich auch gezeigt, daß Probanden aus unterschiedlichen Berufen, aber zumeist mit Hochschulqualifikation, im Besitz weiterer spezieller Wörterbücher, wie ζ. B. des "Kleinen plattdeutschen Lexikons", älterer Wörterbücher sowie von Wörterbüchern aus dem deutschsprachigen Ausland sind. Die von Probanden vor allem mit technischen und naturwissenschaftlichen Hochschulberufen menen Ergänzungen der Frage durch enzyklopädische
vorgenom-
Nachschlagewer-
ke, die sich im Titel selbst als "Wörterbuch" eines Fachgebietes bezeichnen, läßt erkennen, daß in dieser Probandengruppe oftmals keine Unterscheidung der Sprachwörterbücher von anderen Nachschlagewerken mit alphabetisch geordneter Präsentation der Informationen erfolgt. Dies ist ein erster Hinweis auf die im Zusammenhang mit späteren Fragen zu erörternde gesellschaftliche
Akzeptanz
der unterschiedlichen Gegenstandsbereiche von Sprachwörterbüchern und anderen Nachschlagewerken. Die Verfügbarkeit von Wörterbüchern am Arbeitsplatz soll aus den Antworten zum zweiten Teil der Frage 2 als Kontrapunkt zum persönlichen Besitz von Wörterbüchern erkennbar werden. Bei der Bewertung der Antworten sind einige Besonderheiten zu berücksichtigen. Dazu gehört, daß die Mitarbeiter in wissenschaftlichen Bibliotheken oder in sprachwissenschaftlichen
Forschungseinrich-
308 tungen zwangsläufig alle genannten und dazu noch weitere Wörterbücher an ihrer Arbeitsstelle zur Verfügung haben. Diese Probanden waren bei der Auswertung der Antworten zu der Frage nicht zu berücksichtigen. Eine beachtliche Zahl von Probanden (28 %) machte keine Angabe zur Verfügbarkeit von Wörterbüchern an der Arbeitsstelle, so daß deshalb angenommen werden kann, daß normalerweise durch den Betrieb diesen Mitarbeitern keine Wörterbücher zur Verfügung gestellt werden. 5 Probanden gaben an, daß sie keine Wörterbücher zur Verfügung haben. Für beide Personengruppen ist das Befragungsergebnis insoweit plausibel, als es sich überwiegend um körperliche bzw. technisch organisatorische Tätigkeiten ausführende Werktätige handelt. Das gleiche gilt für 2 weitere Probanden, die als Hausfrau bzw. Rentner verständlicherweise zu der gestellten Frage keine Angabe machen konnten. Damit reduziert sich für diesen Fragenteil der Kreis der Probanden entsprechend. Von den verbleibenden Probanden sind Angaben zur Verfügbarkeit von Wörterbüchern am Arbeitsplatz gemacht worden. Wenngleich die Rangfolge der Verbreitung der Wörterbücher in der beruflichen Sphäre in etwa dem Ergebnis im persönlichen Bereich entspricht, zeigen sich bei einem Vergleich der absoluten und relativen Verbreitungshäufigkeit erhebliche Unterschiede. Das am häufigsten am Arbeitsplatz verfügbare Wörterbuch ist der Duden, der jedoch mit 53 % der Befragten nur eine halb so große Verbreitungsquote wie im persönlichen Bereich erreicht. Dies gilt entsprechend auch für die beiden anderen in größerem Umfang an Arbeitsplätzen verfügbaren Wörterbücher, die mit 20 % beim Fremdwörterbuch und 11.% beim Synonymwörterbuch ebenfalls bedeutend seltener am Arbeitsplatz zur Verfügung stehen als in privaten Haushalten. Der bereits hier entstehende Eindruck, daß Wörterbuchbenutzung bei der Lösung beruflicher Aufgaben bedeutend seltener ist, als dies bei der Häufigkeit der Erfüllung dienstlicher Aufgaben mit Mitteln der Sprache anzunehmen wäre, verdichtet sich bei der Betrachtung der Verfügbarkeit der übrigen Wörterbücher am Arbeitsplatz. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, daß einzig das WDG mit einer Verbreitungsquote von 6 % wesentlich häufiger am
309
Arbeitsplatz als im persönlichen Bereich vorhanden ist und damit nach den drei genannten weitverbreiteten Wörterbüchern den vierten Rang einnimmt. Welche Gründe eine größere Anzahl von Betrieben und Einrichtungen veranlaßt haben, in der Mitte der 60er Jahre diese umfangreiche Wörterbuchedition zu erwerben und seither großenteils auf den Erwerb neuerer Wörterbücher weitgehend zu verzichten, ist aus den Antworten nicht erkennbar. Für eine ganze Gruppe von Wörterbüchern wird eine Verbreitungsquote von 3 bis 5 % festgestellt. Zu dieser Gruppe gehören "Wörter und Wendungen" (5 %), das "Antonymwörterbuch" (4 %), "Das große etymologische Wörterbuch" von Kluge (3 %), das HDG ( 3 %), "Das kleine etymologische Wörterbuch" von Wasserzieher (3 %), das "Wörterbuch der Sprachschwierigkeiten" (3 %) und das "Wörterbuch der Aussprache" (2 %). Die niedrigen Verfügbarkeitsquoten sind Ausdruck der Tatsache, daß die Benutzung solcher für die Erfüllung von Aufgaben mit Mitteln der Sprache sicherlich zweckmäßig verwendbarer Hilfsmittel in der beruflichen Praxis eine seltene Ausnahme darstellt. Eine weitere Gruppe von Wörterbüchern ist so wenig verbreitet (unter 2 %), daß das Befragungsergebnis als Beleg gewertet werden kann, daß diese Wörterbücher in der betrieblichen Praxis keine Rolle spielen. Dazu gehören "Redensarten" und "Rückläufiges Wörterbuch" (unter 2 %) sowie alle Valenzwörterbücher (unter 1 %). Betrachtet man die Informationsangebote dieser Wörterbücher, liegt die Annahme nahe, daß die angebotenen Informationen für die Unterstützung der zweckmäßigen Verwendung der Sprache in der beruflichen Kommunikation kaum geeignet sind. Die erzielten Befragungsergebnisse und die daraus ableitbaren Erkenntnisse lassen insgesamt den Eindruck entstehen, daß in einem wesentlichen Bereich der sprachlichen Kommunikation die Praxis der Unterstützung einer richtigen und den Anforderungen angemessenen Benutzung der Sprache mit Hilfe des Informationsmittels Wörterbuch wenig entwickelt ist. Das oftmals fehlende Angebot an Wörterbüchern und damit an Wörterbuchinformationen durch die Betriebe gegenüber ihren Mitarbeitern ist ein wichtiger Grund für diese Situation. Einige ergänzende Äußerungen der Probanden geben den Hinweis, daß durch die betrieblichen Informationsstellen vorwiegend tech-
310
nisch-ökonomische Nachschlagewerke zur Verfügung gestellt
werden.
Demnach ist der Einfluß dieser Informationsstellen auf die zung von Wörterbüchern zur Erfüllung beruflicher Aufgaben
Benutgroß,
der Kenntnisstand der Mitarbeiter dieser Einrichtungen über die Zweckmäßigkeit der Bereitstellung und Benutzung
sprachbezogener
Nachschlagewerke hingegen vermutlich nicht in gleichem Maße entwickelt. Dafür spricht auch, daß in der Bereitstellung licher Wörterbücher in verschiedenen Betrieben und keine durch den Inhalt dieser Wörterbücher
unterschied-
Einrichtungen
zu begründende
Konzep-
tion erkennbar wird. Es handelt sich hier augenscheinlich um ein vernachlässigtes Gebiet betrieblicher
Frage 3: Ausleihe von
Informationsarbeit.
Wörterbüchern
Die Auskünfte zu den Fragen nach dem persönlichen Besitz und nach der Verfügbarkeit von Wörterbüchern am Arbeitsplatz haben
gezeigt,
daß eine Reihe von Wörterbüchern zwar bekannt, aber für eine größere Anzahl von Nutzern vor allem am Arbeitsplatz nicht verfügbar sind. Wird das Bestehen eines mit Hilfe von chern abzudeckenden Informationsbedürfnisses
sofort
Wörterbü-
vorausgesetzt,
dann
stellt sich die Frage nach anderen Zugriffsmöglichkeiten.
Eine
dieser Möglichkeiten, die auf dem in der DDR bestehenden
System
von Allgemein- und wissenschaftlichen Bibliotheken beruht,
ist
die Ausleihe in einer Bibliothek bzw. die Einsichtnahme in einem Lesesaal. Nur eine Minderheit der Befragten gab an, in einer thek Wörterbücher zur Klärung eines sprachlichen Problems
Biblio-
einmal
ausgeliehen zu haben: Gesamtheit der Befragten Wörterbücher ausgeliehen
werden
Wörterbücher werden nicht ausgeliehen
davon e•ntfallen auf HS FS FA
21 %
26 %
15 %
11
79 %
74 %
85 %
89 %
%
Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, daß ein relativ großer Anteil der kleinen Gruppe befragter Studenten von der Ausleih-
311
möglichkeit Gebrauch macht. Auch die Betrachtung des Anteils der Ausleihenden an der Gesamtzahl der Probanden der jeweiligen Qualifikationsgruppe zeigt, wenn auch in weniger zugespitzter Form, daß die Ausleihe von Wörterbüchern bei HS verbreiteter ist als bei den FS und den FA. Dieses Ergebnis ist schon deshalb bemerkenswert, weil es zeigt, daß trotz des weitaus größeren Anteils von Wörterbüchern im persönlichen Besitz und der leichteren Verfügbarkeit am Arbeitsplatz, dennoch vor allem Nutzer mit Hochschulqualifikation die Möglichkeit der Ergänzung durch Wörterbücher aus Bibliotheken benötigen und nutzen. Umgedreht läßt sich sagen, daß allein die geringe Verfügbarkeit von Wörterbüchern für Probanden mit niedrigerer Qualifikation diese nicht veranlaßt, sich Wörterbücher auf anderem Wege zu beschaffen. Eine geringere Benutzungsquote kann in diesen Bevölkerungsgruppen deshalb nicht in erster Linie auf die Verfügbarkeit von Wörterbüchern zurückgeführt werden, hierfür sind vermutlich noch zu erörternde Probleme wie Informationsbedürfnis und Benutzungsmotivation in Betracht zu ziehen. Immerhin gibt die verbale Ergänzung eines Probanden einen wichtigen Hinweis. Wenn Fragen mit den sofort verfügbaren Wörterbüchern nicht geklärt werden können, so bemerkt der Proband, dann ist es leichter und zweckmäßiger, bei einem Fachmann nachzufragen und damit ohne den Aufwand, den der Gang zur Bibliothek erfordern würde, eine dem konkreten Frageanlaß
entsprechende
differenzierte Antwort zu erhalten. Daraus kann einerseits geschlossen werden, daß es zu einer Wörterbuchbenutzung in Fragesituationen des täglichen Lebens in der Regel dann nicht kommt, wenn das Wörterbuch nicht sofort verfügbar ist. Es kann andererseits geschlußfolgert werden, daß sich die Benutzung von Wörterbüchern in Bibliotheken zumeist nicht auf Antworten zu Fragen der Verwendung der Sprache im täglichen Leben des jeweiligen Benutzers richtet. Unter diesem Gesichtspunkt wird der hohe Anteil der Wörterbuchausleihe in der Qualifikationsgruppe HS verständlich, weil sich vor allem in diesem Nutzerkreis Erfordernisse zur Information über sprachliche Fakten und Regeln zur Lösung langfristiger oder grundsätzlicher Aufgaben ergeben. Die Ausleihfrequenz zeigt, daß von 47 der Probanden in 78 Fällen verschiedene Wörterbücher (davon in 70 Fällen Wörterbücher
312
aus der Auflistung zu Frage 1) ausgeliehen worden sind.
Mehrere
unterschiedliche Wörterbücher wurden wiederum vor allem von Probanden mit HS ausgeliehen. Die höchsten Ausleihquoten Fremdwörterbücher
erreichen
(17 % der Ausleihen), dann folgt das
"Synonym-
wörterbuch" mit 12 % und darauf das "Deutsche Wörterbuch" der Gebrüder Grimm mit 10 %. Im Zusammenhang mit den Erörterungen in den vorangegangenen Fragen werden hier differenzierte Motive für die Ausleihe erkennbar. Fremdwörterbuch und Synonymwörtefbuch den von relativ breiten Kreisen der Bevölkerung zur
wer-
Erleichterung
des Umgangs mit der Sprache genutzt, dennoch ist ihre hinter dem Duden zurückbleibende Verbreitung vor allem im persönlichen reich nicht ausreichend, um alle bewußt wahrgenommenen
Be-
Nutzerbe-
dürfnisse abzudecken. Große Popularität des Wörterbuchs und nicht vollständig ausreichende Verbreitung werden damit erkennbar
zu
Gründen auch für eine hohe Ausleihfrequenz. Anders liegen die Bedingungen beim "Deutschen Wörterbuch" der Gebrüder Grimm,
dessen
Anlage und Herausgabekonzeption einer größeren Verbreitung
im pri-
vaten Bereich entgegensteht. Bedenkt man den Umfang, Preis und Herausgabezeitraum
dieses Werkes sowie die Tatsache, daß selbst
publizistisch Tätige nur gelegentlich Informationen aus diesem Wörterbuch benötigen werden, so drängt sich hier die
Benutzung
in Bibliotheken als zweckmäßigste Form geradezu auf. Die quote von 10 %, an der neben HS auch FS und Studenten sind, verdeutlicht, daß dieses Wörterbuch seinen
Ausleih-
beteiligt
Informationsauf-
trag realisiert, obwohl es zumeist nicht sofort verfügbar
ist.
Ähnliches gilt für das WDG mit einer Ausleihquote von 7 %, dessen Umfang wohl ebenfalls einer Verbreitung im persönlichen Bereich entgegenwirkt, dessen Informationswert sich aber großenteils bei der Benutzung an den Arbeitsplätzen
ebenfalls
(insbes. bei
Wissenschaftlern) und in den Bibliotheken realisiert. Beide nisse sprechen gegen einen undifferenzierten Vergleich der
Ergebgroßen
mehrbändigen wissenschaftlich geprägten Wörterbucheditionen
mit
handlicheren Wörterbüchern für den täglichen Gebrauch oder für spezielle Zwecke. Dies zeigt sich auch bei der Bewertung der großen Ausleihquote für das WDG und das "Antonymwörterbuch" weils 7 %). Nach Informationswert und Adressatengruppe kleine spezielle Antonymwörterbuch mit dem WDG nicht
gleich (je-
ist das
vergleichbar.
313 Die relativ hohe Ausleihquote auch bei einem so handlich gestalteten preisgünstigen Wörterbuch beruht im Unterschied zum WOG darauf, daß ein Informationsbedürfnis hinsichtlich der paradigmatischen Relationen zwar besteht, dieses Bedürfnis jedoch nicht stark und häufig genug ist, um einen privaten Erwerb oder die Bereitstellung am Arbeitsplatz zu rechtfertigen. Ähnliches gilt für die Ausleihquoten einer ganzen Gruppe anderer Wörterbücher, die im Bereich von 4 bis 6 % liegt. Hierzu gehören das "Kleine Wörterbuch der Stilkunde", "Redensarten", "Wörter und Wendungen" und ein etymologisches Wörterbuch. Für Spezialwörterbücher gilt demnach, daß die Nutzung in Bibliotheken eine zweckmäßige Form des Ausgleiches zwischen relativ geringer Verbreitung und einem latent bestehenden, wenn auch nicht sehr häufigen Informationsbedürfnisses ist, insbesondere bei Nutzern mit Hochschulqualifikation.
Überraschend
ist hingegen, daß auch der Duden mit einer Ausleihquote von 7 % notiert ist. Über die Ursachen können bestenfalls Mutmaßungen angestellt werden, da die hohe Verbreitungsquote vor allem im persönlichen Bereich eine Nutzung in Bibliotheken kaum motiviert. Denkbar wäre u. U. der Rückgriff auf die neueste Ausgabe des Dudens, ζ. B. im Zusammenhang mit der richtigen Schreibung von Neologismen oder der Veränderung der im Duden ausgewiesenen Normen für Maschinenschrift und Korrektur. Schließlich bestätigt das Ergebnis der Befragung zur Wörterbuchausleihe den bereits erzielten Befund, daß an dem Informationsangebot einiger Wörterbücher, ζ. B. der Valenzwörterbücher, kein zählbarer Bedarf bei den Befragten besteht. Keine Erklärung hingegen ist dafür erkennbar, daß das "Wörterbuch der Sprachschwierigkeiten" nur in 2 Fällen und das HDG nur in einem Falle als ausgeliehen angegeben wird. Frage 4: Kauf von Wörterbüchern im Buchhandel Trotz der von einigen Probanden beklagten Tatsache, nicht alle von ihnen gewünschten Wörterbücher ständig als Kaufangebot im Buchhandel vorzufinden, zeigt ein Blick in die Buchhandlungen, daß stets einige Wörterbücher vorhanden sind und dieses Angebot von verschiedenen Käufergruppen in unterschiedlichem Grade angenommen wird. Eine positive Kaufentscheidung zeigt sich letztlich im persönlichen Besitz eines Wörterbuches, die negative Kaufent-
314 Scheidung beruht auf einer konkreten Wertung durch den potentiellen Nutzer und ist damit ein Hinweis auf Bewertungsmaßstäbe Bewertungsergebnisse
und
der jeweiligen Nutzergruppe. Die Frage, ob
und weshalb Wörterbücher angesehen und dann doch nicht
gekauft
wurden, ist deshalb für die vorliegende Untersuchung von großem Interesse.
Antwort verhalten aller Probanden (in %) Kauf von Wörterbüchern nach Einsicht im Buchhandel
24
Kein Kauf von Wörterbüchern nach Einsicht im Buchhandel
2
keine
Antwort
befragten
74
Bei der Auswertung der Fragebögen wurde zu dieser Frage ein weitgehendes Ausweichen der Probanden sichtbar, nur ein kleiner Teil der Probanden gaben zu der mit einer
ja/nein-Entscheidung
zu beantwortenden Einleitungsfrage überhaupt ein Votum ab., nur wenige Probanden entschieden sich für "nein". Mutmaßungen
über
dieses Verhalten, die ζ. B. Desinteresse oder eine zu große Annäherung an sehr persönliche Entscheidungsräume
unterstellen
könnten, finden weder in dieser noch in anderen Fragen und auch nicht in den im Zusammenhang mit der Befragung geführten chen eine Grundlage. Der hohe Anteil der ja-Antworten
Gesprä-
bestätigt
die der Frage zugrunde liegende Annahme, daß der Kauf eines Wörterbuches (abgesehen vom etablierten Duden) durch
potentielle
Nutzer aller Schichten gründlich erwogen wird. Bei der Auswertung der auf bestimmte Wörterbücher
bezogenen
Auskünfte sind zunächst die nicht im Handel befindlichen bücher aus der Liste aus Frage 1 (Wörterbücher
Wörter-
von Adelung,
Campe
und Dornseiff) auszuklammern. Nach Angabe der Probanden sind es die Valenzwörterbücher deutscher Adjektive und Substantive, insgesamt am häufigsten (7mal) angesehen und dann nicht
die
gekauft
315
wurden. Die Hauptgründe hierfür sehen die Probanden in einer zu speziell linguistischen Information dieser Wörterbücher, für die sie selbst keine Verwendung hätten. Ebenfalls wurde von 7 Probanden der Nichtkauf des "Wörterbuchs der deutschen Gegenwartssprache" angegeben. Die Gründe hierzu unterscheiden sich erheblich von denen der Valenzwörterbücher. Als Haupthinderungsgründe werden, neben nicht ausreichendem persönlichen Bedarf und dem zu hohen Preis, Mängel in Ausstattung, Übersichtlichkeit und Papierqualität angegeben. Es scheint ein Problem des WDG als eines großen nationalsprachlichen Wörterbuches zu sein, daß seine Aufmachung und optische Darstellung der ebenfalls bestehenden Repräsentationsaufgabe eines solchen Wörterbuches nicht gerecht werden und deshalb der hohe Preis, der dem beträchtlichen wissenschaftlichen Aufwand für die Erarbeitung geschuldet ist, für den Käufer und damit späteren Nutzer keine augenfällige Rechtfertigung findet. Häufig genannt werden auch das "Verbvalenzwörterbuch",
das
"Antonymwörterbuch", das "Wörterbuch der Sprachschwierigkeiten" sowie die "Redensarten" (jeweils 5mal). Die hierfür gegebenen Begründungen unterscheiden sich von Wörterbuch zu Wörterbuch entsprechend dem unterschiedlichen Informationsanliegen und Adressatenkreis. Viermal als nicht gekauft wurden
"Synonymwörterbuch"
und "Wörter und Wendungen" genannt, doch werden auch hier keine verallgemeinerbaren Begründungen, mit Ausnahme des übereinstimmend genannten zu hohen Preises, angegeben. Drei und weniger Nennungen liegen bei den übrigen Wörterbüchern vor. Diese geringe Anzahl läßt Schlußfolgerungen nicht zu, sondern legt vielmehr die Annahme nahe, daß es sich um rein individuelle
Einschätzungen
der jeweiligen Probanden handelt. Durch die Probanden wurden als weitere Wörterbücher, für deren Kauf sie sich nicht entscheiden konnten, das "Wörterbuch der neuhochdeutschen Sprache", das "Sprichwortwörterbuch", das "Stenographische Wörterbuch" sowie das "Kleine Wörterbuch der deutschen Sprache" mit jeweils unterschiedlichen Begründungen genannt. Die Probanden waren aufgefordert, alle dem Kauf eines Wörterbuchs entgegenwirkenden Gründe zu nennen. Faßt man die in größerer Anzahl genannten Argumente zusammen, so zeigt sich, daß am
316
häufigsten ein zu hoher Preis dem Kauf entgegenstand. Die Probanden gehen offensichtlich davon aus, und dies wird auch in anderen Begründungen deutlich, daß ein nicht allzu häufig genutztes Nachschlagewerk wie ein Sprachwörterbuch wegen des damit für sie gegebenen begrenzten Gebrauchswertes (sieht man einmal vom Duden ab) nicht allzu hoch sein kann, um dem zu erzielenden Nutzen angemessen zu sein. Dieses für 21 % der negativen Kaufentschlüsse entscheidende Argument wird ergänzt durch die in 10 % der Fälle genannte Begründung, das Wörterbuch werde nur selten benötigt, bzw. durch den Hinweis auf einen fehlenden Gebrauchswert (20 %). Ein anderes wichtiges Kriterium für die Entscheidung über einen Kauf von Wörterbüchern ist der Vergleich mit anderen bereits vorhandenen Wörterbüchern. In 10 % der Fälle entschieden sich die Probanden gegen einen Kauf, weil das angebotene Wörterbuch im Verhältnis zu bereits vorhandenen in Inhalt, Übersichtlichkeit, Aufmachung oder Papier keine höhere Qualität aufwies. 9 % der Hinderungsgründe bestanden darin, daß der Informationsbedarf des Probanden bereits durch andere Wörterbücher abgedeckt war. Eine nicht unerhebliche Zahl der sich zu dieser Frage äußernden Probanden ist also zu der Auffassung gelangt, daß neue Wörterbucheditionen in manchen Fällen keine höhere Qualität und damit auch keinen für ihren Kaufentschluß entscheidenden höheren Gebrauchswert bieten. Zusammen mit dem bereits genannten Argument der mangelhaften Bedarfsorientierung einiger Wörterbücher sprechen diese Ergebnisse deutlich dafür, daß von Autoren und Verlagen die Bedürfnisse der Adressaten nicht ausreichend erkannt und abgedeckt wurden. Dies ist ein Plädoyer für eine auf den Nutzer und seine Bedürfnisse orientierte Untersuchung des Bedarfs als Ausgangspunkt für jedes Wörterbuchprojekt. Daß damit Fehlorientierungen
oftmals
aufwendiger lexikographischer Arbeit vermeidbarer werden und Sparsamkeit nicht gerade an den für die Vorbereitung des Wörterbuchs entscheidenden Stellen geübt werden muß, ergibt sich aus der Logik des Sachverhalts. 11 % der angegebenen Gründe gegen einen Kauf stützen sich darauf, daß das angebotene Wörterbuch wegen zu spezieller oder zu umfangreicher Informationen den konkreten Bedarf des Probanden nicht gerecht geworden wäre. Dies ist ein für ein vielfältiges Angebot an Wörterbüchern im Buchhandel (zu) selten angegebenes
317
Argument, denn es widerspiegelt eine normale Auswahlsituation, in der ein potentieller Nutzer unter einer Anzahl vorhandener, für unterschiedliche Bedürfnisse vorgesehener Wörterbücher dasjenige auswählt, das seinem konkreten Bedarf am besten gerecht wird. Mit der Stabilisierung eines vielfältigen und auf qualitativ hohem Niveau stehenden Wörterbuchangebots ist zu hoffen, daß dieses Argument zugunsten einer besseren Qualität von Aufmachung, Präsentation, Übersichtlichkeit und Papier an Raum gewinnt. Insbesondere die gegen einen Kauf sprechenden Argumente verdeutlichen die bewußt kritische Haltung der Probanden und damit eines wichtigen Nutzer- bzw. Käuferkreises vor allem zur Qualität von Wörterbüchern. Es wird dabei klar, daß der Qualitätsbegriff nicht ausschließlich oder vorwiegend auf die Qualität der linguistischen Information ausgerichtet sein kann, denn eine große Anzahl der Käufer und Nutzer erwartet von jedem Wörterbuch normgebende linguistische Informationen. Der Nutzer eines Wörterbuches schlägt eben in der Regel nicht nach, um die vom Wörterbuch gegebene Information dann kritisch zu prüfen, sondern um eine zuverlässige Information zu erhalten. Er wird sein Augenmerk deshalb in bedeutendem Maße auf solche Aspekte wie Übersichtlichkeit, Vollständigkeit der angekündigten Informationsangebote oder optische Gefälligkeit richten. Hier scheinen einige neuere Wörterbucheditionen nicht den Wünschen der potentiellen Käufer zu entsprechen und dies führt neben der negativen Kaufentscheidung und der Kritik an der Wörterbuchqualität auch zur negativen Bewertung der Preise von Wörterbüchern. Die erörterten kritischen Bewertungen von Wörterbuchangeboten im Handel sind trotz der hohen Quote von Probanden, die diese Frage nicht beantwortet haben, durchaus als aussagekräftig zu betrachten. Die Frage wurde von annähernd der Hälfte der Probanden mit HS-qualifikation und einigen wenigen Probanden mit FS-qualifikation beantwortet. Diese Probanden, die überwiegend nicht auf linguistischem Gebiet tätig sind, haben aufgrund ihres Qualifikationsgrades ein zuverlässiges Urteilsvermögen zur Qualität wissenschaftlicher Nachschlagewerke, dem Sprachwörterbücher, wie andere Informationsmittel auch, unterliegen.
318
Frage 5: Wörterbuchkaufwünsche Die Wünsche nach dem Kauf eines Wörterbuchs (entsprechendes Angebot im Buchhandel vorausgesetzt) spiegeln Bedürfnisse wider, aber eben nur solche Bedürfnisse, die stark genug sind, auch als Kaufabsicht bewußt zu werden.
Wörterbuch Synonymwörterbuch
Anzahl der Kaufwünsche 12
Fremdwörterbuch
6
Redensarten
5
Wörterbuch der Sprachschwierigkeiten
4
Etymologisches Wörterbuch (möglichst umfangreich)
4
Antonymwörterbuch
3
Wörterbuch der deutschen Gegenwartssprache
3
Deutsches Wörterbuch der Gebrüder Grimm
3
Wörter und Wendungen
2
Duden
2
Etymologisches Wörterbuch (Kluge)
1
Etymologisches Wörterbuch (Wasserzieher)
1
319
Ein Viertel der Probanden, überwiegend mit HS-qualifikation, haben konkrete Kaufwünsche geäußert. Sie haben sich dabei fast ausschließlich (obwohl dies von der Frage so nicht vorgegeben war) an der in Frage 1 erfolgten Auflistung orientiert. Dies bestätigt die eingangs geäußerte Einschränkung, daß von potentiellen Nutzern ein Bedarf artikulierbar wird, wenn sie in der konkreten Form eines Wörterbuchs eine Beispiellösung benennen können. Hier deutet sich bereits die Wichtigkeit des Weckens und Orientierens der Bedürfnisse auch auf diesem Gebiet an. Am häufigsten genannt wird mit großem Abstand das Synonymwörterbuch, das demnach zur Zeit der Befragung im Handel offensichtlich nicht in der gewünschten Menge zur Verfügung stand.. Im Zusammenhang mit der Begründung des Kaufwunsches werden von den Probanden die nach ihrer Erfahrung häufigsten Verwendungszwecke und damit Benutzungssituationen angegeben. Gegenüber dem rein sprachlichen Interesse dominiert klar die Absicht, für unterschiedlichste berufliche und persönliche Zwecke mit Hilfe des Synonymwörterbuchs Texte abwechslungsreicher abzufassen und den persönlichen Sprachgebrauch zu verbessern, indem für häufig auftretende
Sachverhalte
unterschiedliche Bezeichnungen verwendet werden sollen. Lebendigkeit und Vielfältigkeit bei der Textproduktion lassen demnach das Bedürfnis an schnellem Zugang zu Synonymen große Verbreitung finden. Häufig genannt wird auch das Fremdwörterbuch. Das muß deshalb überraschen, weil Fremdwörterbücher bereits sehr verbreitet sind (vgl. Auswertung zu Frage 1). Die Vermutung, daß ein solcher Bedarf vor allem dann entsteht, wenn im Wortschatz
Erneuerungspro-
zesse sehr schnell vor sich gehen und damit auch ein Erfordernis nach Aktualisierung vorhandener Fremdwörterbücher besteht, liegt nahe. Häufiger genannt werden auch das Wörterbuch "Redensarten", das "Wörterbuch der Sprachschwierigkeiten" sowie ein etymologisches Wörterbuch. Alle diese Wörterbücher werden mit ihrem Informationsangebot unterschiedlichen, aber relativ speziellen Bedürfnissen gerecht, so daß hier kaum von übergreifenden Gründen für das jeweilige Kaufinteresse auszugehen ist. Zumindest zeigt sich jedoch an der Tatsache, daß die o.g. Wörterbücher als wünschenswert ge-
320 nannt und eine Reihe andere Wörterbücher kaum oder gar nicht erwähnt werden, daß bisher Wörterbucheditionen nur selten, ausgehend von einem bewuGten Bedürfnis der Adressaten, geplant und hergestellt wurden. Die von den Probanden genannten Argumente für einen bestehenden Kaufwunsch geben wertvolle Anregungen für die Bewertung der Entwicklung der Sprach- und Wörterbuchkultur in der Bevölkerung. 27 % der abgegebenen Begründungen berufen sich auf Notwendigkeiten, die aus der wissenschaftlichen bzw. beruflichen Tätigkeit des Probanden entstehen. Hier widerspiegelt sich der sehr hohe Anteil von Äußerungen von HS zu dieser Frage. Jeweils 20 % der Argumente beziehen sich auf den Wunsch nach Verbesserung des individuellen Sprachgebrauchs sowie nach besserer und korrekterer Anwendung der Sprache durch Vertiefung sprachlicher Kenntnisse. 14 % der Begründungen stellen das persönliche Interesse an der Herkunft von Wörtern heraus. Dieses sehr hohe Traditionsbewußtsein verdient in jedem Falle Beachtung. 1B % der gegebenen Begründungen schließlich weisen darauf hin, daß das gewünschte Wörterbuch zur Klärung von Zweifelsfällen der Wortbedeutung (10 %) bzw. der Rechtschrift (8 %) benötigt wird. Die hier angegebenen Motivationen unterscheiden sich deutlich von der allgemein angenommenen Dominanz der auf die Klärung von Zweifelsfällen gerichteten
Benutzerinteressen.
Nach diesem Ergebnis ist vielmehr anzunehmen, daß der bewußt ein Wörterbuch kaufende und dann auch benutzende Nutzer zu einem bedeutenden Teil durch ein lebendiges Interesse an Herkunft und Entwicklung der Sprache, an ihrer kulturvollen Verwendung sowie an der Produktion aussagekräftig und abwechslungsreich
formulierter
Texte motiviert ist. Insoweit sind die Benutzungssituationen
stär-
ker als bisher üblich auch in den Bereichen Freizeit bzw. Sprache als Hobby zu sehen.
321
Frage 6: Information über das Erscheinen neuer Wie erfahre ich vom Erscheinen neuer
Wörterbücher
Wörterbücher?
HS
FS
FA
40 %
49 %
33 %
48 %
46 %
40 %
51 %
70 %
56 %
3 %
1 %
7 %
bei Weiterbildungsveranstaltungen
24 %
25 %
4 %
aus
40 %
25 %
22 %
durch im
Kollegen
Vorankündigungsdienst
aus der durch
Presse
Plakate
Quellenangaben
90 % der Probanden beantworteten die Frage, wie sie vom
Erscheinen
neuer Wörterbücher erfahren, durch Kennzeichnung einer der 6 angebotenen Alternativen, 17 % der Probanden nannten
selbständig
weitere Informationsquellen und dokumentierten damit die auch zu dieser Frage bestehende Auskunftsbereitschaft.
Interessant
ist,
daß bei der Beantwortung dieser Frage Unterschiede zwischen den Qualifikationsgruppen
zumindest bei einigen der angebotenen
Beant-
wortungsvarianten kaum vorhanden sind. Dies betrifft den relativ hohen Anteil der Probanden, der aus der Tagespresse und über ankündigungsdienste des Buchhandels vom Erscheinen neuer
Vor-
Wörter-
bücher erfährt. Diese beiden wirksamsten Publizierungswege
bele-
gen die hohe Effektivität dieser Medien trotz der nach wie vor relativ geringen Aktivität gerade der Verlage in der
Tagespresse.
Vergleichbare Bedeutung hat auch die Mundpropaganda.
Eine bei Pro-
banden aller Qualifikationsgruppen niedrige Wirksamkeit hat dagegen die Publizierung durch Plakate, wobei wohl der hier am deutlichsten spürbare sparsame Einsatz von Mitteln eine
abschließende
Beurteilung der Zweckmäßigkeit dieser Propagierungsform
nicht
zuläßt. Unmittelbar aus der beruflichen Tätigkeit zu erklärende schiede weisen die Auskünfte zu den angebotenen
Unter-
Antwortvarianten
322 über Informationen bei Weiterbildungsveranstaltungen
und aus
Quellenangaben auf. Hier dominieren naturgemäß Antworten aus dem Kreis der HS und FS eindeutig. Der hohe Anteil der
Nennung
von Quellenangaben weist darauf hin, daß gerade im Bereich der geistigen Arbeit auch den sogenannten kleingedruckten
Informa-
tionen große Aufmerksamkeit gewidmet wird. Bedenkt man aber, daß beim Bekanntwerden über Quellenangaben in der Regel bereits ge Zeit seit dem Erscheinen eines neuen Wörterbuchs
eini-
vergangen
sein wird, dann ist dies ein deutliches Votum zugunsten
schnel-
lerer und damit aktuellerer
Propagie-
Informationsmittel.
Da eine
rung durch betriebliche Informationsstellen nur von einem
einzi-
gen Probanden genannt wird, verdeutlicht sich hier wiederum fehlende Wirksamkeit auf diesem
deren
Gebiet.
Als häufigste aktive Informationsmöglichkeit
über das
Erschei-
nen neuer Wörterbücher nennen die Probanden den Besuch in Buchhandlungen und Bibliotheken
(11 %). Hier wird die große
einer aktiven Angebotspolitik
erkennbar. Neben einigen
Bedeutung individuel-
len Informationsquellen sind weiterhin die aus dem Studium
von
Fachzeitschriften und Rezensionen gewonnenen Hinweise auf neue Wörterbücher
(3 %)
erwähnenswert.
Gemeinsam mit vereinzelten Hinweisen auf neue Wörterbücher
in
Sendungen des Rundfunks und Fernsehens ergeben die Auskünfte der Probanden ein Bild, das die große Verantwortung der
Massenmedien
für eine schnelle und vollständige Information breiter
potentiel-
ler Nutzerkreise über das Erscheinen neuer Wörterbücher
wider-
spiegelt. Gemeinsam mit einer qualifizierteren Arbeit der mationsstellen in Betrieben und Einrichtungen bei der rung und Bereitstellung praktisch verwendbarer
Infor-
Propagie-
lexikographischer
Produkte liegen hier noch große Reserven für die
zweckentsprechen-
de Nutzung von Wörterbüchern im praktischen wie im w i s s e n s c h a f t lichen
Leben.
323
Frage 7: Schriftliche Kommunikation im persönlichen
Leben
Zu der Frage nach der Häufigkeit und Art schriftlicher tion im persönlichen Leben und der Benutzung von dabei zeigte sich eine außerordentlich große schaft mit einer Beantwortungsquote Häufige private schriftliche
Wörterbüchern
Auskunftsbereit-
von 97 %.
Arbeiten: Anteil der befragten
Briefe
80 %
Eingaben/Beschwerden
12 %
Artikel
18 %
Stellungnahmen für de u. ä.
Kommunika-
Verbän-
weitere
Probanden
10 % 11 %
Die Einschätzung der Probanden, oft oder selten im persönlichen Leben schriftliche Äußerungen abzufassen, ist im wesentlichen allen Qualifikationsgruppen
in
gleich. Etwa die Hälfte der HS ist oft
und die andere Hälfte selten mit schriftlichen Arbeiten
befaßt,
das gleiche gilt ähnlich für die FS (mit einem leichten Plus von 8 % zugunsten häufiger Schreibarbeiten) und für FA minus 15 % zu Lasten häufiger Schreibarbeiten).
(allerdings
Daraus
ergibt
sich die nicht erwartete Feststellung, daß die Aktivität bei schriftlichen Äußerungen im privaten Bereich in der
Häufigkeit
kaum von Qualifikation und Beruf bestimmt wird. Eine
erhebliche
Anzahl von HS, zu deren beruflicher Tätigkeit ständig
schriftli-
che Äußerungen gehören, gibt an, außerhalb des Berufes selten zu schreiben, und eine ebenfalls erhebliche Zahl von schreibt oft im persönlichen
Facharbeitern
Leben.
Die große Masse der Probanden gibt als häufigste
schriftliche
Äußerung im privaten Bereich den persönlichen Brief an.
Bedeutend
geringer sind die Äußerungen zu den drei anderen angebotenen
Alter-
324
nativen. In den erbetenen zusätzlichen Äußerungen zu weiteren schriftlichen Arbeiten außerhalb des Berufes zeichnen sich keine hervorstechenden Schwerpunkte ab. In Abhängigkeit von gesellschaftlichen Funktionen oder auch angeregt durch berufliche Aufgaben und Kenntnisse sowie persönliche Interessen werden recht unterschiedliche schriftliche Äußerungen genannt. So fertigen 2,5 % der Probanden außerhalb des Berufs Übersetzungen an, was wohl als ein Hinweis auf vereinzelte Aktivitäten zur geforderten ständigen Qualifizierung für berufliche Aufgaben außerhalb der Arbeitszeit gedeutet werden kann. Schriftverkehr für gesellschaftliche
Organisa-
tionen erledigen 2 % der Probanden im Zusammenhang mit einer Funktion, ebenfalls 2 % der Probanden fertigen private Aufzeichnungen über Reiseerlebnisse und Begebenheiten im familiären Leben an, auch Tagebuchaufzeichnungen und Gedichte zu famililären Anlässen werden genannt. Außerberuflicher Schriftverkehr mit Behörden oder Betrieben (ζ. B. Reklamationen, Beschwerden) nimmt nur geringen Raum ein (1,5 %). Ein gleich großer Teil der Probanden schließlich fertigt für persönliche Zwecke Notizen und Auszüge aus Büchern an. Die Vielfalt und Unterschiedlichkeit gerade dieser in der Summe durchaus beachtenswerten schriftlichen Äußerungen im persönlichen Leben spricht gegen eine übermäßige Standardisierung der für solche Zwecke zur Verfügung zu stellenden Hilfsmittel und damit für ein breites, in sich differenziertes Angebot an Wörterbüchern und Wörterbuchinformationen. Die Benutzung von Wörterbüchern bei der Abfassung
schriftlicher
Äußerungen außerhalb beruflicher Tätigkeit weist demgemäß durchaus Differenzierungen auf, wenngleich sie insgesamt auf niedrigerem Niveau steht,, als nach den genannten Auskünften zum ersten Teil der Frage zu erwarten war. 36 % der Probanden benutzen im persönlichen Leben überhaupt keine Wörterbücher. Dabei sind zwischen den Qualifikationsgruppen keine bedeutenden Unterschiede erkennbar. 47 % der Probanden geben an, den Duden für schriftliche Arbeiten im persönlichen Bereich zu benutzen, weitere 5 % benutzen nach eigenen Angaben den Duden selten. Diese Quoten sind bemerkenswert, weil sie sehr deutlich unter der fast vollständigen Ausstattung der Haushalte mit diesem Rechtschreibwörterbuch liegen und auf eine erstaunliche Selbstsicherheit der Probanden, die selten oder nie-
325
mals Wörterbücher benutzen, allein schon zu Fragen der Orthographie, schließen lassen. Die Verwendung von Fremdwörterbüchern (14 % der Probanden) und des "Synonymwörterbuchs" (10 %) für die Erledigung
außerberufli-
chen Schriftverkehrs liegt ebenfalls im Verhältnis zu anderen Wörterbüchern hoch, dennoch ist sie im Vergleich zur Ausstattung der Haushalte mit diesen Wörterbüchern niedrig. Alle übrigen Wörterbücher werden nur von jeweils weniger als 3 % der Probanden angegeben. Für die Erledigung schriftlicher Arbeiten im persönlichen Leben wurde von keinem der befragten Probanden die Verwendung eines der drei Valenzwörterbücher, die Benutzung des "Deutschen Wörterbuchs" der Gebrüder Grimm sowie der Wörterbücher von Dornseiff, Campe und Adelung angegeben. Während dies für die Wörterbücher von Campe, Adelung und auch der Gebrüder Grimm wegen ihres historischen Charakters, für das Wörterbuch von Dornseiff wegen seiner Konzeption als rein linguistischem Nachschlagewerk
folge-
richtig ist, muß für die Valenzwörterbücher fehlendes Interesse bei allen befragten Nutzergruppen im Hinblick auf eine Verwendung außerhalb des sprachwissenschaftlichen Bereichs festgestellt werden .
Frage 8: Wörterbuchbenutzung im Beruf Wörterbuchbenutzung für den beruflichen Schriftverkehr: Anteil der befragten Probanden Berichte
60
%
arbeitsvorbereitende Materialien
43
%
Beurteilungen
40
%
3
%
51
%
7
%
Neuerervorschläge andere, darunter Geschäftspost Korrekturen/Redaktionsarbeit
8 %
Rededispositionen
8 %
Protokolle/Anträge
4
%
326
Die Auskunftsbereitschaft
zu dieser Frage lag deutlich
niedri-
ger als bei der vorangegangenen Frage, sie wurde von 83 X der Probanden
beantwortet.
22 % der Probanden gaben an, im beruflichen Bereich keine Wörterbücher zu benutzen. Dabei handelte es sich nicht nur um Facharbeiter aus der materiellen Produktion, sondern auch um Probanden mit Hoch- und
Fachschulqualifikation.
Die in der Frage angebotenen Verwendungsmöglichkeiten
wurden
in sehr unterschiedlichem Maße von den Probanden genutzt und in größerem Umfang ergänzt. Die meisten Probanden
(60 %) gaben an,
Wörterbücher für die Erarbeitung von Berichten zu benutzen. für die Abfassung arbeitsvorbereitender für Unterrichtszwecke,
Materialien,
Auch
insbesondere
sowie für Beurteilungen gaben mit 43 % bzw.
40 % jeweils größere Gruppen von Probanden die Benutzung von Wörterbüchern an. Ein völlig anderes Bild ergibt sich bei der ebenfalls angebotenen Antwortvariante
"Neuerervorschläge",
Abfassung nur 3 % der Probanden Wörterbücher
für
deren
als Hilfsmittel
zen. Diese Quote ist auch ein Beleg dafür, daß die Antworten legt und dem tatsächlichen Verhalten entsprechend gegeben Durch die Probanden selbständig genannte weitere
nutüber-
wurden.
Verwendungs-
gebiete sind besonders der dienstliche Briefwechsel im Sinne von Geschäftspost
(7 %) sowie teilweise formalisierte
schriftliche
Arbeiten, ζ. B. Abfassung von Protokollen und Anträgen (4 Durch die Probanden wurde eine große Zahl schriftlicher
unterschiedlichster
Arbeiten im beruflichen Leben genannt, für die von
ihnen Wörterbücher benutzt werden. Bedeutsame, nach
allgemeineren
Themen zusammengefaßte Gruppen zeigen sich hier vor allem in schriftlichen Beiträgen, die für eine Veröffentlichung
bestimmt
sind (ζ. B. Referate, Rezensionen, Reportagen), die von samt 25 % der Probanden genannt werden, und auch Material für den mündlichen Vortrag
insge-
vorbereitendes
(ζ. B. in Weiterbildungsver-
anstaltungen oder Diskussionen), die ca. 8 % der Probanden
nennen.
Ebenfalls 8 % der Probanden geben an, Wörterbücher für die
redak-
tionelle Arbeit bzw. Korrektur bereits verfaßter Texte zu benutzen. Aus all dem läßt sich schlußfolgern, daß
beruflich Wörterbü-
cher im beruflichen Leben in größerem Umfang für drei recht unterschiedliche Verwendungsgebiete benutzt werden, wobei zu dem erwar-
327
teten und in der Frage angebotenen Zweck der Abfassung dienstlicher Schriftstücke als Anwendungsgebiet die Korrektur von Texten sowie die Erarbeitung von unterstützenden Materialien für den mündlichen Vortrag hinzukommen. Diese Verwendungsvarianten widerspiegeln sich nicht immer in den Quoten der Benutzung der einzelnen Wörterbücher. 50 % der Probanden gaben an, den Duden zu benutzen. Auch diese Quote ist niedriger als die Verfügbarkeit des Dudens im beruflichen Bereich. Jeweils 19 % der Antworten nannten das Fremdwörterbuch und das Synonymwörterbuch. Dieses Ergebnis ist vor allem im Hinblick auf das Synonymwörterbuch bemerkenswert, weil es für eine bedeutende Zahl von Probanden spricht, die sich zur Unterstützung der eigenen Textproduktion der Hilfe dieses Wörterbuchs bedienen. Das Ergebnis erfährt eine Bestätigung dadurch, daß an dritter Stelle das Wörterbuch "Wörter und Wendungen" sowie das "Wörterbuch der Sprachschwierigkeiten" mit jeweils 4 % genannt werden. Ungeachtet ihres unterschiedlichen Informationsangebotes sind beide Wörterbücher geeignet, zur Unterstützung bei der Abfassung von Texten sowie bei der Korrektur solcher Fehler, die nicht im Bereich der Orthographie liegen, zu Rate gezogen zu werden. Alle weiteren Wörterbücher werden von weniger als 2 % der Probanden genutzt, hier ist die in Frage 2 ermittelte geringe Verfügbarkeit am Arbeitsplatz sicherlich ein wichtiger mitwirkender Faktor . Frage 9: Nachdenken über Sprache Die Frage 9 hat, obwohl sie auf eine sehr persönliche Antwort zielt, bei den Probanden eine hohe Auskunftsbereitschaft gefunden (98 %). Noch überraschender ist es, daß nur einmal angegeben wurde, nicht über Sprache nachzudenken. Es kann daraus geschlossen werden, daß die bewußte Auseinandersetzung mit Problemen der Sprache Allgemeingut geworden ist und insoweit die Benutzung von leicht handhabbaren Informationsmitteln auch auf allgemeines Interesse stößt. Wenn dennoch Verbreitung und Gewohnheit der Benutzung von Wörterbüchern hinter diesem Allgemeininteresse
zurück-
328
bleiben,
so müssen h i e r f ü r
ermitteln
den
entsprechen
Interessen
Ursachen
einer
sehr
ausschlaggebend großen
Anzahl
sein,
von
die
zu
Menschen
würde.
A n t e i l an der Gesamtzahl der Probanden ( i n %)
Thema
A n t e i l bei den Probande η mit Hochschul- Fachschul- Fachq u a l i f i k a - q u a l i f i k a - arbeition tion ter ( i n %) ( i n X) ( i n X)
guter oder schlechter Ausdruck
95
98
94
74
f e h l e r h a f t e Wortwahl
80
84
79
63
unklare Formulierung
85
87
87
81
sinnverwandte Ausdrücke
56
62
51
22
Stil
69
72
64
56
Herkunft/Verwandtschaft von Wörtern
49
54
51
15
Bedeutung/Herkunft von Phraseologien/Redewendungen
42
45
38
15
Zeichensetzung
82
83
90
78
F remdwortgebrauch
79
82
79
63
Die
mit
der
für
die
Beantwortung
Fragen
des
Frage
angebotenen
"guten
das
Interesse
als
bei
FA
mulierung",
genutzt
oder
Ein
damit
findet
bei
85 X d e r
die
Qualifikationsgruppen
gegen
zwischen
HS,
hielten
sich
hier
80 X d e r
Das g r ö ß t e
Ausdrucks"
zumeist
Interesse
haben
gefunden,
wobei
hier
höher
ist
verwandtes
Problem,
Probanden
hinweg
Über
Probanden
gering
Deutliche
"fehlerhafte für
die
Interesse,
im w e s e n t l i c h e n
gefunden. ab:
sind
den HS (98 X) b e d e u t e n d
FS und den FA s e h r
"Zeichensetzung"
zeichneten
zudenken,
bei
(74 %).
Differenz
die
worden.
schlechten
insbesondere
die
se h a t
Auswahlmöglichkeiten
"unklare wobei ist.
hier Ein
gleiches
Wortwahl" wobei
über
Interes-
Unterschiede
sinnvoll,
For-
hin-
nach-
die
Quote
329
mit abnehmender Qualifikation kleiner wird. Ein ähnliches Bild zeigt sich auch beim "Fremdwortgebrauch". Eine erheblich geringere Zahl der Probanden (69 %) gab an, über "Fragen des Stils" nachzudenken. Auch bei dieser Frage gibt es eine leicht abnehmende Quote mit abnehmender Qualifikation. Deutliche Unterschiede und entsprechend geringere Quoten zeigen die Alternativen, die keinen direkten Bezug zur aktuellen Sprachbenutzung
besitzen.
Über "sinnverwandte Ausdrücke" nachzudenken, gaben zwar mehr als die Hälfte der Probanden mit HS-und FS-Abschluß, jedoch kaum ein Viertel der FA an. Eine vergleichbare starke Differenzierung zeigt sich auch beim "Nachdenken über Herkunft und Verwandtschaft von Wörtern" und beim "Problem der Bedeutung und Herkunft von Phraseologismen und Redewendungen". Es zeigt sich, daß das Interesse einer sehr großen Anzahl von Menschen darauf gerichtet ist, sich bessere
Ausdrucksmöglichkei-
ten in der persönlichen Kommunikation zu erschließen und über solche Fragen auch nachzudenken. Dies spricht dafür, daß die Benutzung der Muttersprache ganz allgemein nicht als ein willkürlicher Akt betrachtet wird, sondern als ein Prozeß, der durch eigene geistige Bemühung und damit auch durch Aufnahme von Wissen besser gestaltet werden kann. Für diese Annahmen spricht die große Quote der zu den eng verwandten Problemstellungen "schlechter Ausdruck", "unklare Formulierung", "fehlerhafte Wortwahl" und "Stil" abgegebenen Voten der Probanden. Großes Interesse besteht auch über die Qualifikationsgruppen hinweg an der für eine ordnungsgemäße schriftliche Kommunikation sehr wichtigen Zeichensetzung. Durchgängig hohes Interesse schließlich findet der Fremdwortgebrauch, für den offenbar in Ermangelung ausreichend sicheren Wissens ein erheblicher Informationsbedarf besteht. Dem stehen starke Differenzierungen bei solchen sprachlichen Problemen gegenüber, die für die Gestaltung sprachlicher Äußerungen oder für deren Verstehen nicht maßgeblich sind. Der hohe Anteil von Probanden mit höherer Qualifikation, die sich gerade mit solchen Fragen wie "Herkunft und Verwandtschaft von Wörtern" sowie mit "Bedeutungsbeziehungen" im Wortschatz auseinandersetzen, steht einem sehr niedrigen Interesse bei den Facharbeitern gegenüber, das dort zudem allein von den Facharbeitern aus dem kulturellen Bereich (ζ. B. Bibliotheks-
330
facharbeiter) getragen wird. Dies deutet einerseits darauf hin, daß solche Interessen insbesondere durch die allgemeinbildende Schule kaum geweckt werden, es zeigt andererseits wenig entwickeltes Verständnis dafür, daß Kenntnis von Zusammenhängen in der Sprache auch zu einer qualitativ besseren, sichereren Sprachbenutzung beiträgt. Das Interesse an sprachlichen Problemen ist bedeutend größer als die Benutzungsfrequenz der allgemeinen und der speziellen Wörterbücher. Offenbar ist es bisher nicht gelungen, allen Interessierten den Informationswert vor allem spezieller Wörterbücher zu vielen Fragen zu verdeutlichen, die Benutzung von Wörterbüchern ausreichend zu vereinfachen und einen generell schnellen Zugriff zum Wörterbuch zu ermöglichen.
Frage 10: Wörterbücher als Schiedsrichter Hauptform für Diskussionen zu Fragen der Sprache ist der Kollegenkreis, in dem 3/4 der Probanden nach ihren Angaben sprachliche Probleme besprechen. Hierbei sind die jeweiligen Anteile in allen Qualifikationsgruppen gleich, auch Facharbeiter finden vorwiegend im Gespräch mit Kollegen dazu einen Ansprechpartner. 2/3 der Probanden geben an, sprachliche Fragen in der Familie zu diskutieren. Hierbei ist die Aktivität der HS/FS etwas höher (70 %) als die der FA (50 %). Geringer ist das Gespräch zu sprachlichen Fragen im Freundeskreis entwickelt, 43 % der Probanden nutzen diese Möglichkeit zu einem Gedankenaustausch, wobei auch hier die Aktivität der FA etwas geringer ist (30 %). Da Diskussionen nicht selten unterschiedliche Auffassungen zutage treten lassen oder von ihnen ausgehen, liegt es nahe, in solchen Fällen das Wörterbuch als Entscheidungsinstanz zu benutzen. Die Auskünfte der Probanden nun machen zunächst darauf aufmerksam, daß ca. 30 % von ihnen zur Klärung strittiger Fragen keine Wörterbücher herangezogen haben.
331
Wörterbücher als Schiedsrichter: Benutztes Wörterbuch Duden
Anteil befragter Probanden (in %) 58
Synonymwörterbuch
6
Wörter und Wendungen
4
Etymologisches Wörterbuch (Kluge)
4
Fremdwörterbuch
27
HDG
3
Kleines Wörterbuch der Stilkunde
3
WDG
3
Wörterbuch der Sprachschwierigkeiten
2,5
Fast zwei Drittel der Probanden geben an, den Duden als Entscheidungsinstanz zu nutzen. Diese Antwort muß überraschen, weil nach dem bereits erörterten Ergebnis der Befragung zum sprachbezogenen Nachdenken die für den Duden charakteristischen
orthographischen
Informationen keine bedeutsame Rolle gespielt haben. Soweit sich also die Streitfragen nicht auf das häufiger genannte Problem der Zeichensetzung beziehen, sondern die sehr häufig genannten Themen der "zutreffenden Wortwahl" und des "angemessenen Ausdrucks" zum Gegenstand haben, oder wenn sie sich auf die ebenfalls als Interessengebiete genannten Probleme der "Herkunft von Wörtern und der Beziehungen zwischen ihnen" richten sollten, wird gerade aus dem Duden kaum eine befriedigende Antwort zu erwarten sein. Für die häufige Nennung des Dudens können nach dem bisherigen Befragungsergebnis drei Gründe als möglich und wahrscheinlich angesehen werden. Zum ersten ist der Duden sehr weit verbreitet und auch an vie-
332
len Arbeitsplätzen sofort verfügbar, andere Wörterbücher dagegen kaum. Zum zweiten verfügen sehr viele Probanden über ausreichende, ohnehin nicht allzu anspruchsvolle Fähigkeiten zur Benutzung des Dudens, so daß insoweit keine Hemmungen bei dessen Benutzung zu überwinden sind. Schließlich ist festgestellt worden, daß ein wichtiges Gebiet der Wörterbuchnutzung
in der Ausführung von Korrek-
turarbeiten liegt, und im Rahmen solcher Arbeiten sind Diskussionen am Arbeitsplatz mit Kollegen als wahrscheinlich anzusehen. Damit ergibt sich ein Bedarf an Wörterbuchinformation zu verschiedenen Aspekten der Sprache, der aus Gründen, die nicht in der Sprache oder im Wörterbuch selbst liegen, zur Zeit nur unvollkommen zumeist durch den Duden abgedeckt wird. Diesen Befund stützen auch die weiteren Angaben der Probanden zur Häufigkeit der Benutzung anderer Wörterbücher für Streitentscheidungen. Ein Viertel der Probanden hat in solchen Diskussionen ein Fremdwörterbuch zu Rate gezogen. Hier widerspiegelt sich das bereits festgestellte Bedürfnis nach Unterstützung bei der zutreffenden Auswahl und beim Verständnis schwerer Wörter. Alle übrigen Wörterbücher werden in geringerem Umfang für die Streitentscheidung herangezogen. Die erfolgten Nennungen des HDG und des WDG belegen die unabhängig von der begrenzten Verbreitung und Verfügbarkeit bestehende hohe normative Autorität dieser Wörterbücher. In der Benutzung des ebenfalls nur wenig verbreiteten
"Kleinen
Wörterbuchs der Stilkunde" verdeutlicht sich das bereits genannte Bedürfnis nach Informationen zu Fragen des guten Stils und des zutreffenden Ausdrucks. Auffällig ist schließlich, daß insgesamt eine bemerkenswerte Anzahl von Probanden die etymologischen Wörterbücher benutzt, womit sich Fragen der Etymologie wiederum als wichtiges Gebiet erweisen, weil ein nennenswerter Nutzerkreis ein Interesse an diesen Wörterbuchinformationen hat. Die von den Probanden gegebenen zusätzlichen Auskünfte zeigen, daß in Diskussionen zu Fragen der Sprache nicht selten auch Rat in einem enzyklopädischen Nachschlagewerk gesucht und gefunden wird. Das erscheint durchaus verständlich, weil oftmals Fragen ζ. B. an die zutreffende Verwendung oder das richtige Verständnis von solchen Fremdwörtern, die Fach- oder Sonderwortschätzen entnommen sind, anknüpfen. Wenngleich dies einerseits ein Beleg
333
dafür ist, daß in vielen Fällen ausreichend informative Sprachwörterbücher zu solchen Fragen beim Nutzer nicht zur Verfügung stehen, muG andererseits wohl künftig stärker akzeptiert werden, daß schon wegen der engen Verbindung von sprachlichem und sachbezogenem Wissen auch in Zukunft solche Informationen in enzyklopädischen Nachschlagewerken verfügbar sein sollten. Die Kooperation von Sprach- und Sachlexikographen mit dem Ziel, auch die enzyklopädischen Nachschlagewerke so zu gestalten, daß ihre Informationen sprachadäquat sind, scheint hier überlegenswert.
Frage 11: Häufigkeit der Wörterbuchbenutzung Benutzen Sie Wörterbücher? Anteil der Befragten in %
Benutzungsfrequenz HS
FS
FA
häufig
41
26
22
gelegentlich
59
69
74
nie
0
0
0
keine Antwort
0
5
4
Von drei Viertel der Probanden wurde der Duden als das am häufigsten benutzte Wörterbuch bezeichnet. Die übrigen Probanden nennen den Duden an zweiter oder an dritter Stelle und bestätigen damit den Duden als ein nicht nur verbreitetes, sondern auch generell häufig benutztes Sprachwörterbuch. Dieser Befund wird dadurch erhärtet, daß auch die Probanden, die nur
ein
Wörterbuch
benutzen und deshalb die zweite und dritte Stelle bzw. die nur die dritte Stelle nicht besetzen, den Duden als das am häufigsten genutzte Wörterbuch angeben. Die ebenfalls weit verbreiteten Fremdwörterbücher werden von 40 % der Probanden an zweiter Stelle der Benutzungshäufigkeit genannt. Eine jeweils kleinere Zahl von Probanden nennt ein Fremdwörterbuch an erster Stelle (6 %) bzw. an dritter Stelle (11 %).
334
Hier zeichnet sich bereits ab, daß das Fremdwörterbuch
in sehr
vielen Fällen als die zweckmäßige Ergänzung zu dem häufiger
ge-
nutzten Duden fungiert. Von den übrigen Wörterbüchern wird in nennenswerter Größenordnung nur noch das Synonymwörterbuch
als
das am häufigsten genutzte genannt
für
(3 %). Charakteristisch
die Angabe zur Häufigkeit der Benutzung des
"Synonymwörterbuches"
ist es, daß diese von der zweiten zur dritten Stelle von 8 % auf 13 % weiter ansteigt. Das "Synonymwörterbuch" zeigt sich damit als gelegentliche Ergänzung des Dudens und häufigere
Ergänzung
für Duden und Fremdwörterbuch. Die bei der Ermittlung der Verbreitung der Wörterbücher erzielten Angaben erweisen sich somit für diese drei häufigen Wörterbücher auch nach der te als zutreffend.
Benutzungsquo-
In der Häufigkeit der Benutzung wird an zwei-
ter Stelle noch das WDG in etwas größerem Umfang (4
genannt,
weitere 8 Wörterbücher erfahren nur einzelne Nennungen. An der dritten Stelle der häufigen Benutzung nimmt die Anzahl der ten Wörterbücher
(13 Wörterbücher) etwas zu. 3 % der
nennen die Wörterbücher
genann-
Probanden
"Wörter und Wendungen", HDG sowie das
"Kleine Wörterbuch der Stilkunde", 2 % der Probanden das terbuch der Sprachschwierigkeiten".
"Wör-
Diese dritte Stelle der
nutzungshäufigkeit kann in Vielfalt und Differenziertheit
Be-
der ge-
nannten Wörterbücher als Hinweis darauf gewertet werden, daß spezielle oder umfangreichere Sprachwörterbücher ergänzende Nachschlagewerke
in der Regel als
zu dem vorwiegend genutzten
und dem Fremdwörterbuch entsprechend unterschiedlichen
Duden persönli-
chen und beruflichen Bedürfnissen und Interessen verwendet
wer-
den . Die relativ hohe Zahl von Probanden, die nur den Duden und ein weiteres Wörterbuch benutzen, zeigt einerseits die
Auswirkungen
der relativ geringen Verbreitung der meisten Wörterbücher,
ande-
rerseits aber auch fehlendes Interesse oder ein nur gering
ausge-
prägtes Bewußtsein sprachbezogenen Informationsbedarfs.
Von einer
Anzahl von Probanden wurden zu dieser Frage an allen drei zweisprachige Wörterbücher und Fachwörterbücher
genannt.
Stellen Beide
wurden in der vorstehenden Erörterung nicht behandelt, weil nehmen ist, daß ein Teil der Probanden
Sprachnachschlagewerke,
ein anderer Teil aber jede Art eines alphabetisch geordneten schlagewerks als Wörterbücher
anzuNach-
im Sinne der Befragung betrachtet
hat.
335
Fragen 12 und 13: Aufbau von Wörterbuchartikeln Die Antworten zu beiden Fragen lassen erkennen, daß ca. 60 % der Probanden annehmen, ausreichende Kenntnisse über Aufbau und innere Struktur eines Wörterbuchartikels zu besitzen. Diese Quote wurde in allen drei Qualifikationsgruppen ermittelt, obwohl die Probanden mit Hoch- und mit Fachschulabschluß mehr große bzw. speziellere Wörterbücher besitzen und deshalb wahrscheinlich größere Erfahrung mit der Erkennung von Informationen aus Wörterbüchern haben. Die Unterschiedlichkeit im Artikelaufbau gerade spezieller Wörterbücher sowie die Differenziertheit des jeweiligen Informationsangebotes lassen Zweifel daran bestehen, ob tatsächlich in so breitem Umfang zur Frage der Anordnung der Informationen in einem Wörterbuchartikel exakte Kenntnisse vorhanden sind. Die zu hohe Einschätzung der speziellen eigenen Kenntnisse könnte die wirklich effektive Wörterbuchbenutzung eher behindern, weil sie der zielgerichteten Identifizierung der im Wörterbuch enthaltenen Informationen unter Rückgriff auf die Benutzungshinweise
entgegen-
steht . Aufschlußreich ist dagegen eine Differenz bei der Beantwortung der beiden Fragen. Zwei Drittel der Facharbeiter geben an, die Aufbauprinzipien eines Wörterbuchartikels nicht zu kennen. Zur darauf folgenden Frage aber glaubt die Hälfte der Facharbeiter zu wissen, wie die Informationen innerhalb eines Wörterbuchartikels angeordnet sind. Das soll, im Vorgriff auf nachfolgende Fragen, als Hinweis auf das Erfordernis einer wirksameren Wörterbuchdidaktik im Rahmen der allgemeinen Schulbildung angesehen werden. Frage 14: Lesen von Vorwörtern Anteil der befragten Probanden in % Lesen von Vorwörtern
HS
FS
FA
ja
66
74
55
nein
34
26
45
336 Die Vorwörter bzw. die Benutzungshinweise werden von zwei der Probanden gelesen. Mit dieser Feststellung ein Drittel der Wörterbuchbenutzer
Drittel
ist verbunden,
daß
diese orientierenden Teile des
Wörterbuches nicht zur Kenntnis nimmt. Selbst wenn man hofft, daß es sich dabei vorwiegend um Nutzer des durch seine
orthographische
Orientierung relativ leicht verständlichen Dudens handelt, dieser Anteil nicht zufriedenstellen.
Sowohl beim Duden als auch
in zunehmendem Grade bei spezielleren bzw. mit vielen
unterschied-
lichen Informationen aufwartenden Wörterbüchern ist die der verschiedenen
kann
Kenntnis
in einem Artikel angebotenen Informationen
aussetzung für eine optimale Nutzung. Wird das
Vor-
Informationsangebot
in einem Wörterbuch umfangreicher und damit schwerer
überschaubar,
so kann ein nicht ausreichend informierter Leser die
Informations-
fülle als Unübersichtlichkeit empfinden und eher abgeschreckt
wer-
den. Der Benutzungserfolg wird hier verfehlt, weil im Vorwort
an-
gebotene Benutzungshilfen nicht zur Kenntnis genommen Der Zeitpunkt, zu dem die Probanden üblicherweise
werden. (nach
ihren
Angaben) das Vorwort eines Wörterbuches lesen, ist wichtig um einzuschätzen, ob das Vorwort bei Benutzungsproblemen
konsultiert
wird und in welchem Grade die Vorwörter dann wirksam werden. Es zeigt sich, daß keine dominierende Verhaltensweise einer sehr großen Gruppe von Probanden auftritt, sondern daß alle
angebotenen
Varianten zum Zeitpunkt des Vorwortstudiums auch von einer
bestimm-
baren Gruppe als für sie zutreffend gekennzeichnet wurden.
Bereits
daraus kann man schließen, daß es eine Kultur der planmäßigen
vor-
bereiteten Wörterbuchnutzung, die sich in der systematischen
Vor-
bereitung der Benutzung durch Studium der Benutzungshinweise
doku-
mentiert, noch nicht gibt. Die zahlenmäßig stärkste Gruppe der Vorwortleser
(15 % der Pro-
banden) studiert das Vorwort vor der ersten Benutzung. Diese Größe weicht nicht erheblich von anderen Gruppen ab, die im Verhältnis zur Gesamtzahl der Benutzer relativ klein sind. Dies gilt selbst dann, wenn man berücksichtigt, daß einige Nutzer gemacht haben, nach denen sie Wörterbuchvorwörter
Angaben
sowohl vor der
ersten Benutzung als auch beim Suchen ganz bestimmter
Informatio-
nen (8 %) oder bei S c h w i e r i g k e i t e n mit der Benutzung des Wörterbuchs (6 %) bzw. bei beiden Anlässen
(4 %) zu Rate ziehen. Es be-
337
steht damit eine relativ starke Gruppe von Probanden
(annähernd
20 %), die zunächst anhand eines konkreten Wörterbuches
entschei-
den, ob sie das Vorwort vor der ersten Benutzung oder beim hen eines besonderen Anlasses studieren. Eine weitere
Beste-
größere
Gruppe der Probanden liest Vorwörter nur, wenn bestimmte
Informa-
tionen gesucht werden (12 %) bzw. Schwierigkeiten beim Suchen bestimmter Informationen auftreten (ebenfalls 12 %). Diese den besitzen ausreichendes Wissen oder zumindest Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten, um einen zur Wörterbuchbenutzung nur bei speziellen
Proban-
entsprechendes
Anleitungsbedarf
Informationswünschen
zu akzeptieren. Eine dritte größere Gruppe benutzt das Vorwort ausschließlich zur Behebung von Schwierigkeiten bei der
Wörter-
buchnutzung. Diese 8 % der Probanden werden in der Regel
Vorwör-
ter nicht zur Kenntnis nehmen, solange es ihnen gelingt, die benötigten Informationen auch ohne besondere Unterstützung oder Anleitung zu erhalten. Die Angaben der Probanden lassen keine
erheb-
lichen Abweichungen zwischen den nach Qualifikationsmerkmalen bildeten Gruppen erkennen. Es kann also davon ausgegangen daß derjenige Teil der Wörterbuchbenutzer, der dem
ge-
werden,
Wörterbuch-
vorwort eine aktive und unterstützende Rolle beimißt, dies entweder durch Benutzung vor dem ersten Nachschlagen im Wörterbuch oder beim Aufsuchen bestimmter Informationen oder beim
Auftreten
von Benutzungsproblemen realisiert. Für alle drei Fälle jeweils eine bedeutende Gruppe von Nutzern schnelle,
erwartet
eingängige
und erschöpfende Auskunft und Anleitung vom Vorwort. Diese vielfältigen Anforderungen lassen die inhaltliche Ausgestaltung Wörterbuchvorwörtern als bedeutsame und schwierige Aufgabe
von erschei-
nen, der im Interesse der Erhöhung des Nutzeffekts von Wörterbüchern große Aufmerksamkeit
zukommen muß.
Die Befragung hat bei der Frage nach den Gründen für das Nichtlesen von Wörterbuchvorwörtern keine ohne weiteres
generalisier-
baren Ergebnisse erbracht. Viele der Antworten sind
individuell
geprägt und stellen klar, daß es in den persönlichen
Bedingungen
des Probanden liegende Gründe gibt, das Vorwort eines als nicht erforderliche Information zu betrachten. nen sich drei unterschiedliche Argumentationslinien
Wörterbuchs
Immerhin
zeich-
ab. Eine grö-
ßere Anzahl von Probanden erklärt u. a., daß sie das Lesen eines
338 Vorwortes für nicht erforderlich hält, weil das Wörterbuch chend bekannt ist oder durch Lesen anderer
ausrei-
Wörterbucheinleitungen
schon ausreichende Kenntnisse über die Benutzung vorhanden
sind.
Solche Antworten kommen vor allem von den Probanden, denen ausschließlich der Duden bekannt ist. Bei diesen Probanden wird die genannte Auffassung zu einem erheblichen Teil ihren realen
Erfah-
rungen entsprechen. Eine weitere Gruppe der Probanden gibt an, das Lesen von Vorwörtern sei zu aufwendig. Hier trifft die generelle Forderung an alle Wörterbücher, die Informationen
möglichst
übersichtlich und leicht zugänglich darzubieten, auf die immer noch verbreitete Praxis, gerade bei den Benutzungshinweisen aus Platzgründen eine starke Konzentration der Aussagen bei
gleichzeitig
schlechter optischer Gestaltung vorzunehmen. Eine dritte
Argumen-
tation besagt, der Informationswert von Wörterbucheinleitungen gering, da sie aus einer wenig günstigen Mischung von über das Wörterbuch und
der Selbstdarstellung
der
sei
Information
Wörterbuch-
autoren bestünden. Allein die Tatsache, daß einige Probanden zu einer solchen Einschätzung gelangen, zeigt, daß das Ziel, mit der Wörterbucheinleitung
den Nutzer zu erreichen und damit den Nutz-
effekt der Wörterbuchbenutzung
zu erhöhen, teilweise verfehlt wur-
de. Auch hier bestätigt sich die Schlußfolgerung, daß es zu einem erheblichen Teil Aufgabe einer nutzerbezogenen Ausgestaltung Vorwörtern ist, diesen Teil des Wörterbuchs wirklich
von
funktions-
tüchtig zu machen.
Frage 15: Bevorzugung von
Nachschlagewerken
Der potentielle Nutzer von Wörterbüchern ist damit daß im Buchhandel,
konfrontiert,
in Bibliotheken und Informationsstellen
Reihe von Informationsmitteln
in Buchform zur Verfügung
eine
stehen,
die zwar die Bezeichnung Wörterbuch im Titel tragen, ihrem
Charak-
ter nach jedoch Nachschlagewerke ganz unterschiedlicher
Art und
Ausgestaltung sind. Es ist deshalb für jeden schwierig,
zwischen
sachbezogen und sprachbezogen orientierten Wörterbüchern zu unterscheiden. Vielmehr besteht die Gefahr, daß der Nutzer in dem einen Wörterbuch die erwünschten fachlichen, in dem anderen die benötigten sprachlichen Informationen nicht in dem erhofften Umfang hält.
er-
339
Das vorstehend beschriebene Problem widerspiegelt sich auch im Auskunftsverhalten der Probanden. Die drei zur Wahl Entscheidungsvarianten - fachorientiert,
für die Bevorzugung von
gestellten
Wörterbüchern
sprachorientiert, Duden - sind von einigen Pro-
banden nicht als Alternativen aufgefaßt worden, so daß
jeweils
nur die Verhältnisse zwischen den im einzelnen vorliegenden scheidungen, nicht aber absolute Zahlen zur Auswertung
Ent-
herangezo-
gen werden konnten. Danach ergibt sich, daß zwei Drittel der Probanden fachorientierte Nachschlagewerke bevorzugen und jeweils ein Achtel der Probanden einem sprachorientierten Wörterbuch den Vorzug gibt oder ausschließlich den Duden benutzt. Abweichungen diesem durchschnittlichen Ergebnis zeigen sich bei den tern. Auch hier benutzten zwei Drittel der Befragten
von
Facharbei-
vorwiegend
das fachorientierte Nachschlagewerk, das verbleibende Drittel der Facharbeiter entschied sich ausnahmslos für die Bevorzugung Dudens, also in keinem Falle für die Alternative tes
des
sprachorientier-
Wörterbuch. Stellt man die Antworten nach Gruppen anhand der
Entscheidungs-
varianten zusammen, dann bestätigt sich ebenfalls die der fachorientierten Nachschlagewerke
Dominanz
(56 % geben eine
an), ergänzt durch Kombination der Bevorzugung von
Bevorzugung
fachorientier-
tem Nachschlagewerk und dem Duden (13 %) sowie die Kombination fachorientiertem
Nachschlagewerk
und einem Sprachwörterbuch
ausschließlich HS/FS). Β % der Probanden bevorzugen
(11 %,
ausschließlich
den Duden, in dieser Gruppe überwiegt der Anteil von
Facharbeitern
und Probanden mit Fachschulqualifikation klar. Die Benutzer schließlich sprachorientierter
von
aus-
Wörterbücher besitzen hingegen
alle
Hochschulqualifikation bzw. sind Studenten (insgesamt 5 %). Es zeigt sich, daß mit wachsender Qualifikation das Verständnis die unterschiedlichen Arten und Zwecke von Informationen
für
zunimmt.
Bei den von den Probanden erbetenen Angaben über die Gründe für ihre Entscheidung
zeichnen sich vier unterschiedliche
Argumenta-
tionen ab. Sehr viele Probanden geben an, in fachorientierten
Wör-
terbüchern umfangreichere und präzisere Informationen der von ihnen gewünschten Art zu erhalten. Dies bedeutet, daß der Bedarf an sprachbezogenen Informationen fachorientierten
insgesamt geringer
ist als der an
Informationen. Bedenkt man, daß es die wesent-
340
liehe Aufgabe der Sprache ist, Kommunikation und kooperatives Handeln in bezug auf die materielle Welt zu vermitteln, daß also die Sprache nicht selbst ihr bevorzugter Gegenstand ist, so erscheint dieser Befund zwangsläufig und natürlich. Eine große Anzahl von Probanden unterscheidet auch aus diesem Grunde kaum zwischen Bedeutung eines Wortes und dem durch das Wort zu übermittelnden begrifflichen Inhalt. Das Fehlen einer solchen Unterscheidung gewinnt im praktischen Leben erst dann an Wert, wenn Kommunikationsprobleme entstehen. Da unterstellt werden kann, daß unter Muttersprachlern semantisch determinierte Kommunikationsprobleme
rela-
tiv selten sind, wird sich gerade in diesem Punkt mit hoher Wahrscheinlichkeit das Auskunftsverhalten von Muttersprachlern von dem der Fremdsprachler erheblich unterscheiden. Die Erfahrung vieler Probanden besagt, daß die Angaben im Duden sehr knapp sind. Hier überlagern sich unterschiedliche
Wirksamkei-
ten. Der Duden kann als orthographisches Wörterbuch Ansprüchen an eine fachorientierte Information zum begrifflichen Gehalt eines Wortes nicht gerecht werden, ohne daß die Grundkonzeption und die Dimensionierung der Wörterbuchartikel (und damit des ganzen Wörterbuches) prinzipiell verändert würden. Da der Duden aber das mit Abstand verbreitetste Sprachwörterbuch ist, bestimmt er in den Augen sehr vieler Menschen den Informationsstandard von Sprachwörterbüchern. Speziellere sprachorientierte Wörterbücher mit größerem, auch sachbezogenem Informationsgehalt sind nur begrenzt verbreitet und bekannt, sie hatten deshalb eben auch nur in begrenztem Rahmen Einfluß auf die von den Probanden zu treffende Entscheidung. Diese starke Einschränkung der Popularität spezieller Wörterbücher im deutschsprachigen Raum ist ein Faktor, der gemeinsam mit dem zunehmenden Einfluß der Technik auf das praktische Leben auch eine größere Wertschätzung des fachorientierten Nachschlagewerkes begünstigt. Der hohe Anteil des Dudens sowohl in Kombination mit anderen Nachschlagewerken als auch als ausschließliches Wörterbuch gerade bei den Facharbeitern steht im Zusammenhang mit seiner außerordentlich großen Verbreitung und dem dadurch möglichen schnellen Zugriff. Die erteilten Auskünfte bekräftigen die schon im Zusammenhang mit vorangegangenen Fragen getroffenen Feststellungen, daß
341
die Benutzung eines Wörterbuchs sehr häufig davon abhängt, ob es im Moment des unmittelbaren Bedarfs sofort verfügbar ist. Dies trifft für den Duden sicherlich zu, denn er ist ein Nachschlagewerk gerade für solcher Nutzer, die nur ausnahmsweise
nachschla-
gen und für die der Besuch von Informationsstellen oder größeren Bibliothekn nicht zur häufigen, durch den Beruf geförderten Praxis gehört. Schließlich merken einige Probanden an, daß das Informationsangebot in größeren Wörterbüchern oder auf spezielle Auskünfte orientierten Sprachwörterbüchern oftmals dem Wissensstandard des Nichtlinguisten kaum Rechnung trägt, daß also zu viel spezielles Wissen vorausgesetzt wird. Die Benutzung vieler Wörterbücher halten die meisten Probanden deshalb und wegen der ungenügenden Überschaubarkeit der auf engstem Raum gedrängt angebotenen Wörterbuchinformationen für zu kompliziert. Vergleicht man dies mit den zum Vorwort erteilten Auskünften, so drängt sich der Eindruck auf, daß ein auf einen breiten Nutzerkreis abzielendes Wörterbuch die Informationen optisch so zu präsentieren hat, daß sie für den mit durchschnittlichem Schulwissen ausgestatteten Nutzer in der Regel ohne Konsultation des Vorwortes sofort zu identifizieren und zu verwenden sind. Daß dies bei der derzeitigen, eher auf sparsame Raumverwendung orientierten Praxis der Wörterbuchgestaltung
eines
grundsätzlichen Umdenkens bedarf, und zwar insbesondere bei Herausgebern und Verlagen, liegt auf der Hand.
Frage 16: Nachzuschlagende
Informationen
Zur Frage 16 haben fast alle Probanden aus den angebotenen fünf Varianten sprachlichen Informationsbedarfs, der Wörterbuchbenutzung auslöst, eine Auswahl getroffen. Nur ganz wenige Probanden haben für die Antwort weitere benötigte Informationen hinzugefügt. Durch die Numerierung der Häufigkeit des Nachschlagens ist zugleich eine Wertung einzelner Informationstypen nach ihrer Wichtigkeit durch die Probanden erfolgt. 70 % der Probanden haben als die von ihnen am häufigsten nachgeschlagenen Informationen Fragen der Orthographie benannt. Weitere 12 % nennen orthographische Fragen in der Häufigkeit des Nachschlagens auf dem zweiten Rang und 4 % der Probanden auf dem drit-
342
ten Rang. Hier verdeutlicht sich wiederum eine
Wörterbuchbenutzungs-
praxis, die in breiten Bevölkerungskreisen von der Benutzung Dudens für die orthographisch fehlerfreie Verwendung der sprache bestimmt
des
Schrift-
wird.
Noch häufiger als Ziel des Nachschlagens in Wörterbüchern
wer-
den Fragen über die richtige Schreibweise und Aussprache von Fremdwörtern genannt
(95 % der Probanden). Allerdings sind hier die An-
gaben zur Häufigkeit des Nachschlagens dieser Informationen bei den einzelnen Probanden sehr unterschiedlich.
Nur 10 % der
den nennen solche Fragen als die häufigste von ihnen
Proban-
nachgeschla-
gene Information, von 38 % der Probanden wird sie auf den zweiten Platz, von 29 % der Probanden auf den dritten Platz und von 13 % der Probanden auf den vierten Platz in der
Nachschlagehäufigkeit
gesetzt. Interessant ist aber auch, daß Gegenstand des gens nach diesen Auskünften auch bei den Fremdwörtern
NachschlaSchreibwei-
se und Aussprache sind und nicht die Bedeutung bzw. der
"Inhalt".
Diese Auskünfte gewinnen an Wert, wenn sie im Zusammenhang
mit
Auskünften zu anderen Fragen betrachtet werden. Es ist zu den Fragen 1 und 2 festgestellt worden, daß Fremdwörterbücher tungswörterbücher
und Bedeu-
zwar einer Reihe von Probanden bekannt und zu-
gänglich sind, daß sie aber längst nicht die Verbreitung des orthographischen Wörterbuchs Duden erreichen. Wenn ein Anteil von 95 % der Probanden zu Fragen der Fremdwörter in Wörterbüchern
nach-
schlägt, ein bedeutender Teil der Probanden aber nur über den Duden verfügt, so ist eindeutig die im Duden primär
verfügbare
Information zur richtigen Schreibweise Ziel des Nachschlagens, Auskunft der Probanden bestätigt sich damit auch hinsichtlich konkreten Art der gewünschten
die der
Information.
Mit deutlichem Abstand in der Häufigkeit folgt mit 72 % der Nennungen das Nachschlagen zu grammatischen Problemen. In der Gesamtzahl wird noch nicht erkennbar, daß innerhalb der
Verteilung
nach der Häufigkeit des Nachschlagens die grammatischen
Angaben
von 30 % der Probanden auf den zweiten Platz genannt wurden und nur 24 % der Probanden grammatische Probleme an dritter bzw. 13 % der Probanden an vierter Stelle der
Stelle
Nachschlagehäufig-
keit nennen. Der fünfte und der erste Rang werden an die
gramma-
tischen Fragen nur in relativ geringem Umfang vergeben (4 % bzw.
343
1 %). Es zeigt sich, daß grammatische Informationen einen geringeren Stellenwert als orthographische besitzen, daG sie aber von solchen Probanden, die diese Informationen im Wörterbuch tatsächlich aufsuchen, dann auch mit relativ groGer Häufigkeit in Anspruch genommen werden. Das spricht dafür, daG die verfügbaren Wörterbücher relativ zuverlässig grammatische Fragen beantworten und damit häufig das Wörterbuch zu einem gewohnten Ratgeber auch zu solchen Problemen wird. Gleichzeitig weist dieses Ergebnis darauf hin, daß eine größere Anzahl von Nutzern im Wörterbuch grammatische Auskünfte nicht in dem vorhandenen Umfang vermutet oder daG diese Probanden keinen diesbezüglichen Informationsbedarf
haben
bzw. sich dieses Bedarfes nicht bewußt sind. Informationen zur Semantik werden in einsprachigen Wörterbüchern nur von 62 % der Probanden nachgeschlagen. Dieser Informationsbedarf wird zwar von einem Viertel der Probanden an vierter Stelle der Nachschlagehäufigkeit genannt, jedoch sind auch auf allen anderen Plätzen in der Nachschlagehäufigkeit eine kleinere Anzahl von Nennungen vorhanden. So geben 12 % der Probanden semantischen Informationsbedarf als häufigsten Grund des Nachschlagens an, und jeweils 11 % setzen semantische Fragen auf die Plätze 2 und 3 ihrer persönlichen Nachschlagehäufigkeit. Hierin zeigt sich, daß semantische Fragen zwar nicht für jeden Nutzer von Interesse sind, daß es aber auch bedeutende Nutzergruppen gibt, die an Informationen semantischen Charakters ein nachdrückliches
Interesse
haben. Nur 46 % der Probanden geben an, daß sie bei auftretenden etymologischen Fragen in Wörterbüchern Auskunft suchen. Die häufigsten Nennungen erfolgen auf dem fünften Rang der Nachschlagehäufigkeit (17 %), aber auch an vierter Stelle (8 %), an dritter (13 %) und an zweiter Stelle (6 %) wird das Nachschlagen zu etymologischen Fragen genannt. Selbst an erster Stelle nennen noch 2 % der Probanden etymologische Fragen und runden damit das Bild ab. Semantische Informationen besitzen zwar kein allgemeines Interesse, aber bedeutende Nutzergruppen haben ein spezielles Interesse gerade an solchen Informationen und sind bestrebt, dieses mit Hilfe von Wörterbüchern abzudecken. Bezieht man die Verbreitung etymologischer Wörterbücher in die Überlegungen ein, dann liegt
344 die Schlußfolgerung nahe, daß die für einen relativ Teil der Probanden verfügbaren Wörterbücher mit Angaben diesbezüglich relativ intensiv benutzt Die Reihung der Nachschlagehäufigkeit
begrenzten
etymologischen werden.
für die einzelnen
mationen gestattet einige weitere Aussagen zur Praxis der
InforWörter-
buchbenutzung. Ein Drittel der Probanden gibt an, alle fünf zur Auswahl gestellten Arten von Informationen linguistischen ters auch tatsächlich nachzuschlagen.
Charak-
Dabei zeichnen sich bei der
Reihenfolge der Häufigkeit nur zwei größere Gruppen ab: 6 % der Probanden schlagen in der Reihenfolge - Orthographie, Fremdwortschreibweise,
Grammatik,
Semantik, Etymologie - nach, 3 % der Pro-
banden geben die Reihenfolge - Orthographie,
Fremdwortschreibwei-
se, Grammatik, Semantik, Etymologie - an. Hier wiederholt sich der Befund einer engen Verbindung von orthographischem und grammatischem Auskunftsbedarf. Alle anderen Reihungen treten nur in kleinerem Umfang auf. Insgesamt sind keine Bevorzugungen in Abhängigkeit vom Qualifikationsgrad der Probanden
erkennbar.
Aus dem Kreis der Probanden, die nicht alle angebotenen mationen nachschlagen, ergeben sich ebenfalls nur wenige Gruppen mit gleicher Reihung der Nachschlagehäufigkeit. Probanden geben an, daß sie in Wörterbüchern in der - Orthographie, Fremdwortschreibweise,
Infor-
größere 8 % der
Reihenfolge
Grammatik - nachschlagen,
5 % der Probanden schlagen gleiche Informationen nach, aber in der Häufigkeit Fremdwortschreibweise weitere 5 % schlagen nur Orthographie und
wechseln
und Grammatik
aus,
Fremdwortschreibweise
nach. Auffällig ist, daß bei der Nennung der Orthographie als der wichtigsten und häufigsten Wörterbuchinformation
regelmäßig in
den nachfolgenden Angaben die Fremdwortschreibweise die Grammatik erscheint. Wird hingegen eine andere
sowie
häufig
Information
an vorderer Stelle der Nachschlagehäufigkeit genannt, ζ. B. die Semantik, so gibt es eine gleichartige regelmäßig Reihung der Nachschlagehäufigkeit
nachfolgende
anderer Informationen
nicht.
Neben dem bei dieser Frage erwarteten Befund der Dominanz graphischer und grammatischer
Informationen in der
ortho-
Benutzungs-
praxis großer Nutzergruppen zeigt sich auch, daß andere
sprach-
liche Informationen ebenfalls von bedeutenden Nutzergruppen
in
345 Wörterbüchern nachgeschlagen werden und daß bei der begrenzten Verbreitung von Wörterbüchern mit solchen Informationen die Nutzungsintensität zu diesen Fragen als groß einzuschätzen ist.
Frage 17: Anliegen des Nachschlagens in Wörterbüchern Obwohl die Frage 17 zu den Zielen und Anlässen der Benutzung von Wörterbüchern auch auf eine Einschätzung des persönlichen Verhaltens der Probanden abzielt, weisen die Antworten gerade hier eine sehr große Auskunftsbereitschaft
aus.
Mehr als 90 % der Probanden geben an, in Wörterbüchern zur Klärung von Zweifelsfällen nachzuschlagen. Das es sich dabei um eine typische Nachschlagesituation handelt, wird dadurch belegt, daß zwischen den nach Qualifikationsmerkmalen geordneten Probandengruppen keine erheblichen Abweichungen von diesem Wert auftreten. Die Orientierung auf die Benutzung von Wörterbüchern bei Zweifelsfällen ist ein Hinweis darauf, daß das Wörterbuch gerade in Situationen, die durch Schwierigkeiten im Umgang mit der Sprache charakterisiert sind, als sofort nutzbares Informationsmittel angesehen wird. Deutlich geringere Nachschlagequoten zeigt mit 75 % die Zielstellung - Beseitigung von Wissenslücken - und mit 78 % - Klärung von Fremdwortbedeutungen -. Die häufige Benutzung im Zusammenhang mit Fremdwörtern ist eine Bestätigung des bereits an verschiedenen Stellen ermittelten Bedürfnisses, auch die große Zahl der im täglichen Leben verwendeten Fremdwörter zu verstehen und zutreffend zu verwenden. Bei der Zielstellung - Wissenslücken schließen zeigt sich eine zweite typische Benutzungssituation. Sie besteht ihrem Charakter nach unabhängig vom Auftreten akuter Wortbenutzungsprobleme bzw. Kommunikationsschwierigkeiten. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, daß die Facharbeiter beim Nachschlagen zu diesem Zweck einen 10 % höheren Anteil als die anderen Probandengruppen ausweisen. Deutlich weniger Probanden haben die übrigen angebotenen Benutzungsfälle als für sie zutreffend gekennzeichnet. 57 % der Probanden geben an nachzuschlagen, wenn Wörter in für sie ungewohnten Verbindungen auftreten. Ein derart großes Interesse an der richtigen Verknüpfung von Wörtern, d. h. also an Informationen der seman-
346 tischen Fügbarkeit, war nach den bisher bekannten
Benutzungsunter-
suchungen keinesfalls zu erwarten. Es verdeutlicht das Anliegen vieler Nutzer, mit Hilfe des Wörterbuchs vor allem größere
Sicher-
heit in der sprachlichen Kommunikation, also beim norm- und regelgerechten Verknüpfen von Wörtern im Rahmen von Sätzen und Texten zu erhalten. Dies wird von der Tatsache, daß auch zu dieser
Frage
im Bereich der Facharbeiter ein 10 % größerer Anteil auftritt in den anderen Probandengruppen,
bekräftigt.
Ein grundsätzlich anderes Bild ergibt sich dagegen zur buchbenutzung bei - Ausdrucksschwierigkeiten mittelbaren Textproduktion.
als
Wörter-
-, also bei der un-
Die hier zu notierenden 43 % der Pro-
banden besitzen überwiegend Hochschulabschluß,
die
Nachschlagehäu-
figkeit bei FS und FA beträgt hier gerade die Hälfte dieser In vergleichbarer Größenordnung erfolgt auch die
von Wörterbüchern zur Klärung der Bedeutungen von polysemen tern. Hierzu äußerten sich 39 % der Probanden, zwischen den einzelnen Qualifikationsgruppen
Wör-
Differenzierungen
treten nicht auf.
Die zentrale Information der meisten Wörterbücher, der großen allgemeinsprachlichen
Quote.
Konsultation
insbesondere
Bedeutungswörterbücher,
demnach nur eine recht geringe Nutzungsfrequenz.
Künftig
besitzt vorzu-
nehmende weiterführende Untersuchungen über die Gründe dieses
Nut-
zerverhaltens scheinen deshalb von besonderer Wichtigkeit für Fortschritte in der Nutzerorientierung der Lexikographie zu sein. Relativ wenige Probanden benutzen das Wörterbuch, um Auskünfte
über
stilistische Fragen zu erhalten (23 %). Nur 12 % der Probanden schließlich geben an, Verbote oder
Regeln
für die Verwendung von bestimmten Wortfügungen erhalten zu wollen. Diese auf die Verwendbarkeit bereits bestehender syntaktischer heiten abzielende Fragestellung findet damit deutlich
Ein-
geringeres
Interesse als solche Informationen, die die Verknüpfbarkeit
von
Wörtern betreffen. Auch hier sind nur Vermutungen über die Gründe des Probandenverhaltens möglich. So wäre ζ. B. denkbar, daß bei Muttersprachlern zur Verwendung von festen Wendungen und
Phraseolo-
gismen aufgrund ihres häufigen Auftretens in der Kommunikation niger oft Fragen auftreten als gerade bei nicht so häufig sam verwendeten
we-
gemein-
Wörtern.
Von der Möglichkeit der Ergänzung der angebotenen
Nachschlage-
ziele haben nur sehr wenige Probanden Gebrauch gemacht. Diese
ver-
347 balen Ergänzungen lassen kaum verallgemeinernde
Feststellungen
Immerhin zeichnet sich als weiterer Anlaß für das Nachschlagen Wörterbüchern ein persönliches Interesse an der Sprache ab. ders Lehrer schlagen in Wörterbüchern nach, um auf
zu. in
Beson-
Schülerfragen
eine sachkundige und gesicherte Antwort geben zu können. Die mit der Frage angebotenen Motivationen für die
Wörterbuchbenutzung
sind in der Regel von den Probanden zutreffend nicht als Alternativen aufgefaGt worden. Die von ihnen angegebenen von Benutzungsanlässen
Kombinationen
lassen nur in wenigen Fällen größere
pen erkennen. Alle genannten Nachschlageanlässe,
Grup-
ausgenommen die
Verbote bzw. Regeln für die Wortgruppenverwendung, werden bei 8 % der Probanden wirksam, jeweils 7 % der Probanden schlagen nach, um Wissenslücken auszuräumen und Zweifelsfälle sowie
Bedeutungen
zu klären, ergänzt in einem Fall durch das Nachschlagen bei Ausdrucksschwierigkeiten,
im anderen Falle durch das Nachschlagen zu
stilistischen Fragen. Jeweils 6 % der Probanden geben eine weiter eingegrenzte Anzahl von Benutzungsanlässen an, die in einer
Gruppe
Wissenslücken und Zweifelsfälle umfassen, in einer weiteren die Klärung von Fremdwortbedeutungen
und wiederum in einer
Gruppe die Klärung von Wortverknüpfungsproblemen
anderen
bzw. von Proble-
men der Wortbedeutung. Generell kann festgestellt werden, daß sehr viele Probanden angeben, Wissenslücken schließen und
Zweifelsfälle
klären zu wollen. Bei der Schließung von Wissenslücken mit Hilfe des Wörterbuches besteht fast immer auch die Absicht,
Zweifelsfäl-
le zu klären. Die Klärung von Zweifelsfällen dagegen ist häufig mit recht unterschiedlichen
anderen Absichten der
winnung mittels Wörterbuchbenutzung
Informationsge-
verbunden. Die große
Varia-
tionsbreite der Nachschlagemotivationen macht deutlich, daß mit Hilfe von Wörterbüchern potentiell sehr viele differenzierte formationsbedürfnisse
zu unterschiedlichen Aspekten der
In-
Sprache
abzudecken sind. Dies spricht gegen eine Reduzierung der in Wörterbucheinträgen enthaltenen
Frage 18: Erfolgreiche
Informationen.
Wörterbuchbenutzung
Die Fragen 18 und 19 versuchen mit verschiedenen zu erfahren, ob die Probanden ihre
Fragestellungen
Wörterbuchbenutzungshandlungen
als erfolgreich einschätzen. Auch die hier zu gewinnenden
Informa-
348 tionen sind als Bestandteil eines Beziehungsgefüges zu werten, das nicht allein vom Wörterbuch bzw. den von ihm bereitgestellten Informationen und den konkreten Informationsbedürfnissen des Probanden bestimmt wird, sondern auch von dessen Erfahrungen im Umgang mit Wörterbüchern, seinen Gewohnheiten und in bedeutendem Maße von den durch Erziehung, Schule und Umgebung geprägten Erwartungen gegenüber dem sprachorientierten
Wörterbuch.
Drei Viertel der Probanden geben an, im Duden in der Regel Antworten auf ihre Fragen gefunden zu haben. Beim Duden stimmen offensichtlich die Erwartungen mit dem tatsächlichen
Informationsange-
bot überein. Dies ist bei einem derart verbreiteten und seit langem im Schulunterricht vielen Menschen nahegebrachten Wörterbuch ohne weiteres verständlich. Eine Bestätigung erfährt dies durch die übereinstimmenden Ergebnisse in allen Qualifikationsgruppen. Annähernd die Hälfte der Probanden nennt als regelmäßig erfolgreich benutztes Wörterbuch das Fremdwörterbuch. Auch hier korrespondieren Verbreitung des Wörterbuchs, Erfahrungen der Nutzer und daraus entwickelte Erwartungshaltung eindeutig. Nur ein Viertel der Probanden nennt als regelmäßig erfolgreich benutztes Wörterbuch das Synonymwörterbuch. Es besteht eine starke Differenzierung zwischen den Probanden unterschiedlichen Qualifikationsgrades, die sich in einer Nennung des Synonymwörterbuches durch 30 % der HS und nur 15 % der FS und 7 % der FA zeigt. Entsprechend der häufigen Verwendung des Synonymwörterbuchs als Hilfsinstrument für die Textproduktion und damit vorwiegenden Benutzung durch Probanden mit Hochschulqualifikation kann auch hier festgestellt werden, daß diejenigen Probanden, die solch ein Wörterbuch häufig benötigen und deshalb in persönlichem Besitz haben, zumeist auch erfolgreiche Nutzer sind. Für alle übrigen genannten Wörterbücher kann festgestellt werden, daß sie nur von relativ wenigen Probanden als erfolgreich benutztes Wörterbuch genannt werden (unter 10 %) und diese Nennungen fast ausschließlich von Probanden mit Hochschulabschluß erfolgen. 7 % der Probanden nennen das WDG und 5 % der Probanden das HDG als erfolgreich benutzte Wörterbücher. Vergleicht man dies mit der relativ geringen Verbreitung dieser Wörterbücher im persönlichen Besitz, dann kann eine sehr hohe Effektivität in der Benutzung und folglich eine relativ hohe Erfolgsquote konstatiert
349 werden. Eine ebenfalls nennenswerte Anzahl von Probanden (6 %) gibt an, "Wörter und Wendungen" erfolgreich benutzt zu haben. Neben der Übereinstimmung der erfolgreichen Benutzung dieses auf Textproduktion orientierten Wörterbuches mit der sich beim Synonymwörterbuch abzeichnenden Tendenz zeigt sich auch bei "Wörter und Wendungen" eine die Verbreitungsquote (vgl. Frage 1) deutlich übertreffende Quote der erfolgreichen Benutzung. Jeweils eine kleinere Anzahl von Probanden (zwischen 2 und 4 %) gab an, etymologische Wörterbücher, das "Antonymwörterbuch", das "Wörterbuch der Sprachschwierigkeiten", das "Kleine Wörterbuch der Stilkunde", "Redensarten", das "Deutsche Wörterbuch" der Gebrüder Grimm sowie das "Wörterbuch der Aussprache" erfolgreich benutzt zu haben. Hier entspricht in etwa die Quote der erfolgreichen Benutzung der Verbreitung in persönlichem Besitz und den differenzierten persönlichen Interessen der Nutzer. Alle anderen Wörterbücher wurden nicht bzw. nur einmal genannt. Trotz dieser zunächst sehr erfolgreich anmutenden Bilanz gaben 35 % der Probanden an, für die Klärung spezieller Fragen weitere Wörterbücher zu benötigen. Selbst wenn man unterstellt, daß solche Fragen zum Teil keinen sprachlichen Charakter besitzen, so ist dies doch bei der Variationsbreite der angebotenen Wörterbücher eine nachdenkenswerte Feststellung. Mögliche Gründe hierfür können sicherlich in der von vielen Probanden gewohnten
ausschließlichen
Benutzung von Duden und/oder Fremdwörterbuch bei der Klärung sprachlicher Probleme gesucht werden, denn diese beiden Wörterbücher können und sollen nach ihrer Konzeption über den jeweils begrenzten Informationsrahmen hinaus kaum Auskünfte liefern. Wenn also geringe Bekanntheit und Verbreitung anderer spezieller sowie der allgemeinsprachlichen Wörterbücher als Gründe für dieses Ergebnis anzusehen sind (die übrigens durch eine veränderte
Wörterbuchdidak-
tik zu beheben wären), so muß doch auch eingeräumt werden, daß das zu manchen Fragen bereits angemahnte Fehlen eines verbreiteten Universalwörterbuches hier wohl ebenfalls eine Rolle spielt. Eine solche Schlußfolgerung liegt vor allem deshalb nahe, weil die von den Probanden genannten weiteren Wörterbücher, die bei speziellen Fragen zu Rate gezogen wurden, eine große Bedürfnisvielfalt dokumentieren. Es handelt sich hierbei um sehr unterschiedliche Wörter-
350
bücher wie Namensbücher, mundartliche Wörterbücher und ältere Fremdwörterbücher, die sicherlich zum Teil wegen ihres
Vorhanden-
seins in der Familie und des damit möglichen schnelleren
Zugriffs,
zu einem anderen Teil aber auch wegen der durch sie möglichen Abdeckung sehr persönlichen Informationsbedarfes genutzt Das hier erkennbare Erfordernis bei der weiteren
werden.
Ausgestaltung
der vorhandenen Wörterbücher näher an die differenzierten
Bedürf-
nisse der Nutzer heranzurücken, verdeutlicht sich auch in einigen verbalen Äußerungen von Probanden. So erklärt ein Proband, daß er Wörterbücher
in Abhängigkeit von dem jeweils anstehenden
Problem
zum Teil erfolgreich, zum Teil aber auch eben ohne Erfolg
benutzt
habe. Ein anderer Proband reklamiert, er habe bei gezieltem schlagen zwar zuletzt immer die gewünschte Information
Nach-
gefunden,
doch sei ihm das wegen der ungenügenden Übersichtlichkeit
von In-
formationen außerhalb der Orthographie oftmals nicht eben
leicht
gefallen. Ein dritter schließlich macht darauf aufmerksam, daß für ihn ein Universalwörterbuch günstig wäre, und äußert damit tisch sein Bedauern über das Fehlen eines universellen
prak-
Wörterbuchs
im Wörterbuchangebot der DDR.
Frage 19: Nützlichkeit von
Wörterbuchinformationen
In dieser Frage wiederholt sich das Ergebnis von Frage 18, daß drei Viertel der Probanden sich durch die benutzten
Wörterbücher
ausreichend informiert sehen. Dieses Ergebnis ist in den Qualifikationsgruppen relativ einheitlich. Es zeigt im Unterschied zur distanzierten Einschätzung der Wörterbuchkritiker
zur
Qualität
von Wörterbüchern eine positive Grundhaltung bei den Nutzern, die wohl zu einem wesentlichen Teil von der hohen Autorität des Dudens geprägt wird. Bei dem begrenzten Informationsangebot
des Dudens
ist das auch ein Hinweis auf die begrenzten Erwartungen der Nutzer und die sich darin äußernde Genügsamkeit großer
Nutzergruppen.
Mehr Aufschlüsse sind aus den kleinen Gruppen der Probanden zu gewinnen, die sich nicht ausreichend informiert fühlen (6 %) bzw. die angaben, nur zu einem Teil ausreichend, zu einem anderen Teil aber nicht ausreichend informiert zu sein (12 % der
Probanden).
Bei den sich als nicht ausreichend informiert ansehenden fällt wiederum auf, daß nur drei Viertel dieser Probanden
Probanden einen
351
der in der Frage angebotenen Gründe für dieses negative
Ergebnis
verantwortlich macht. Jeweils ein Viertel dieser Probanden gab an, wegen der nicht ausreichenden Übung im Umgang mit
Wörterbü-
chern oder wegen der schlechten optischen Präsentation der Informationen keine ausreichenden Erfolge bei der Benutzung von Wörterbüchern erzielt zu haben. Nur zwei Probanden machten liche Aufbauprinzipien von Wörterbüchern für den erfolg verantwortlich und nur einer nannte die
unverständ-
Benutzungsmiß-
unübersichtliche
Gliederung des Wörterbuchartikels als Grund. Hieraus wird
erkenn-
bar, daß die richtige Benutzung eines Wörterbuchs und die Unterstützung eines schnellen Zugriffs zu Informationen durch übersichtliche Präsentation der Informationen von den Nutzern sehr wesentlich für den Benutzungserfolg
als
eingeschätzt wird, wäh-
rend Schwierigkeiten mit der Struktur des Wörterbuchs bzw. des Wörterbuchartikels
von interessierten Nutzern in der Regel durch
intensiveres Nachschlagen überwunden werden. Aufschlußreich
sind
auch die von den Probanden selbst genannten Gründe für Mißerfolge bei der Wörterbuchbenutzung.
25 % der erfolglos benutzenden
banden gaben mangelnde Aussagekraft bzw. Unvollständigkeit
Proder
zum jeweiligen Wort angebotenen Informationen als einen Grund an. Einzelne Probanden nannten darüber hinaus das Fehlen von von ihnen geauohten Wörtern, das Fehlen aktueller Bezüge sowie ten mit dem grammatischen Regelwerk losen
Schwierigkei-
(Duden) als Gründe der
erfolg-
Benutzung.
Differenzierter sind die Antworten derjenigen Probanden,
nach
deren Einschätzung unterschiedliche Wörterbücher zu unterschiedlichen Fragen mit teilweise negativem und teilweise positivem
Er-
gebnis benutzt werden. Diese Einschätzung wurde ausschließlich Probanden mit Hoch- und Fachschulabschluß bzw. von Studenten geben. Mehrere Probanden gaben an, daß Wörterbücher durch ständliche Aufbauprinzipien oftmals das Nachschlagen Ergänzend wurde von einzelnen Probanden angemerkt,
von
abge-
unver-
erschweren.
Wörterbücher
würden oft die schwierigen Fälle, die häufig das Nachschlagen
erst
veranlassen, nicht klären. Beim Synonymwörterbuch wurde zudem der geringe Informationsumfang
zum jeweiligen Wort kritisiert.
Ähnlich
ist die Kritik einzelner Probanden an den ihnen zur Verfügung
ste-
henden orthographischen Wörterbüchern zu verstehen, nach der das Fehlen weitergehender
Informationen im benutzten
orthographischen
352
Wörterbuch ein erfolgreiches Nachschlagen nicht immer ermöglicht hat. Auch hier wird die bereits mehrfach festgestellte Tendenz deutlich, daß eine größere Anzahl der Probanden in jedem Sprachwörterbuch Antwort auf
alle
auftretenden sprachlichen Fragen
sucht. Dabei wird das am weitesten verbreitete Wörterbuch, der Duden, ebensowenig wie die anderen beiden in größerem Rahmen verbreiteten Wörterbücher (Synonymwörterbuch, Fremdwörterbuch) diesem Anspruch gerecht werden können, da sie eben keine Universalwörterbücher sind. Hier zeigen sich deutlich die Grenzen einer zu einseitig orientierten Benutzungstradition und Wörterbuchdidaktik. Unter diesem Blickwinkel wird auch die Bemerkung eines Probanden verständlich, mit französischen Wörterbüchern in der Regel bessere Erfahrungen gemacht zu haben.
Frage 20: Wirkung des Unterrichts in Wörterbuchbenutzung Die einleitende Frage zum Komplex der von den Probanden gewünschten Verbesserungen bzw. Veränderungen in Wörterbuchschreibung bzw. -benutzung hat ein geringeres Interesse als die vorangegangenen Fragen bei den Probanden gefunden, was sich in einer Auskunftsquote von nur 86 % ausdrückt.
Wörterbuchbenutzungsricht
HS
FS
FA
fördert häufigere Wörterbuchnutzung
60 %
64 %
66 %
macht Wörterbuchinformationen schneller erkennbar
58 %
46 %
48 %
bewirkt bewußtere Sprachverwendung
48 %
22 %
48 %
ist ohne praktische Wirkung
9 %
2 5 %
0 %
Nur wenige Probanden, und zwar ausschließlich mit Hoch- oder Fachschulabschluß, gaben an, von einer Unterrichtung in Wörterbuchbenutzung keine positiven Wirkungen zu erwarten. Dieses Er-
353
gebnis ist ohne weitergehende Untersuchungen schwer zu bewerten. Denkbar könnte sein, daß von diesen Probanden der eigene hohe Kenntnisstand als (kaum generell übertragbarer) Maßstab für die Beurteilung der Fähigkeiten zur effektiven Wörterbuchbenutzung ohne fachkundige Unterweisung angesehen wurde. Denkbar ist aber auch, daß aus dem Erfordernis des schnellen Zugriffs und der damit notwendigen großen Übersichtlichkeit geschlußfolgert wurde, daß ein solchen Ansprüchen entsprechendes Wörterbuch auch ohne Unterrichtung für jedermann sofort nutzbar ist. In diese Richtung deutet auch die verbale Äußerung eines Probanden, daß es vom Interesse des Nutzers abhängt und kaum vom Unterricht, ob ein Wörterbuch benutzt wird und mit welchem Erfolg. Mehr als 90 % der Probanden rechnen bei Unterrichtung im Wörterbuchgebrauch mit positiven praktischen Wirkungen. 60 % der Probanden erwarten eine häufigere Nutzung von Wörterbüchern,
jeweils
50 % der Probanden sehen die schnellere Erkennbarkeit der gesuchten Informationen im Wörterbuch sowie eine bewußtere Verwendung der Sprache als zu erwartende Wirkung des Unterrichts an. Dabei fällt auf, daß diese Ergebnisse in allen Qualifikationsschichten im wesentlichen in gleicher Größenordnung auftreten. Die positive Wirkung einer Unterrichtung in Wörterbuchbenutzung ist also grundsätzlich in allen Nutzergruppen akzeptiert. Hinzuweisen ist auf eine mit der Entscheidung der Probanden implizierte Wirkung. Wenn annähernd zwei Drittel der Probanden vom Unterricht in der Wörterbuchbenutzung eine höhere Benutzungsfrequenz erwarten, so würde dies nicht ohne Folgen bleiben. Mit der häufigeren Benutzung von Wörterbüchern durch breitere
Bevölkerungs-
kreise wächst insgesamt die Normensicherheit bei der Benutzung des Wortschatzes und der Anwendung der damit verbundenen sprachlichen Regularitäten. Höhere Normensicherheit in der Sprachbenutzung bedeutet zugleich höhere Sprachkultur und geringere Differenzen in der Kommunikation. Schließlich sei noch die Äußerung eines Probanden zu dieser Frage erwähnt, der feststellt, daß Wirkung und
Erfolg des Unter-
richts in Wörterbuchbenutzung nicht zuletzt von der Konzeption und der Gestaltung dieses Unterrichts abhängen werden.
354
Frage 21: Wünsche an ein neues Wörterbuch Zur Frage 21 wurden den Probanden fünf Varianten möglicher Verbesserungen in einem neu zu konzipierenden Wörterbuch angeboten. HS Wünsche an ein neu zu schreibendes Wörterbuch
FS
FA
übersichtlichere Gliederung
17
%
25 %
7 %
verbessertes Vorwort
11
%
15 %
4 %
mehr Anwendungsbeispiele
48 %
28 %
mehr sachbezogene Angaben
29 %
28 %
4 %
andere Kennzeichnung der Angaben
17
8 %
7 %
%
37
%
Mit deutlichem Abstand verweist eine Mehrzahl der Auskünfte darauf, daß in einem neuen Wörterbuch vor allem mehr Beispiele für die Verwendung des Wortes gewünscht werden. Die Nutzer orientieren demnach die Lexikographie darauf, sich stärker an der Realität der Sprache zu orientieren und damit zugleich die Verständlichkeit und schnelle Erfaßbarkeit der angebotenen zu erhöhen. Dieser Wunsch wird in allen drei
Information
Qualifikationsschich-
ten am häufigsten genannt. Dies widerspricht Mutmaßungen, daß nur der weniger qualifizierte Nutzer eine solchermaßen
anwendungsberei-
te Information wünschen würde. In der Befragung wurde der höchste Anteil beim Wunsch nach häufigeren Verwendungsbeispielen bei den HS festgestellt (48 %), so daß auch bei wachsender Qualifikation ein zunehmendes Interesse an Verwendungsbeispielen zur Verdeutlichung der semantischen und grammatischen Informationen angenommen werden kann. Ein Viertel der Probanden äußerte den Wunsch, auch in Sprachwörterbüchern in größerem Umfang enzyklopädische Angaben zu erhalten. Dieser Wunsch trat konzentriert bei HS und FS auf (jeweils
355
annähernd 30 %), während er nur von
einem
Facharbeiter
ge-
äußert wurde. Dieses überraschende Ergebnis könnte vielleicht der bei den Facharbeitern wesentlich stärker vom Duden Benutzungsgewohnheit und Erwartungshaltung das Ergebnis davon allein nicht
resultieren, doch wird
erklärt.
Eine jeweils annähernd gleiche Anzahl von Probanden sich für die Forderung nach einer übersichtlicheren des Wörterbuchartikels
aus
bestimmten
entschied
Gliederung
(17 %), nach der Kennzeichnung des Charak-
ters jeder Angabe in jedem Wörterbuchartikel
(14 %) sowie einer
verständlicheren Beschreibung der Benutzung des Wörterbuches Vorwort (10 %). Die hier ausgewiesenen Probandenurteile
im
unterschei-
den sich für die drei Varianten insoweit, daß zwar in allen drei Fällen jeweils ein sehr geringer Facharbeiteranteil
auftritt
weils nur 1 oder 2 Facharbeiter) und ein relativ höherer
(je-
Anteil
an Probanden mit Hochschulqualifikation
(zwischen 11 und 17 %),
daß jedoch der Anteil von Probanden mit
Fachschulqualifikation
in den einzelnen Varianten sehr unterschiedlich
ist. Für eine
übersichtlichere Gliederung des Wörterbuchartikels
sprechen
25 % der befragten FS aus, die dem nahekommende Forderung Kennzeichnung des Charakters jeder Angabe in jedem
nach
Wörterbucharti-
kel wünschen 8 % der FS, und 15 % der Probanden aus dieser fikationsschicht wünschen ein verbessertes
sich
Quali-
Vorwort.
Bei aller Differenziertheit der Ergebnisse zeigte sich, daß alle vorgeschlagenen Verbesserungsmöglichkeiten
von einer
größeren Anzahl von Probanden für wünschenswert gehalten
jeweils wurden.
Dieses Ergebnis wird dadurch bekräftigt, daß nur 6 Probanden besondere Wünsche weitergehender Art äußerten. Auch diese sind vorwiegend auf die Anreicherung der bei den HS Wörterbücher mit zusätzlichen Informationen
Wünsche
vorhandenen
(ζ. B. Aufnahme
alteter Wörter) sowie auf editorische Verbesserungen
ver-
(Verwendung
dünneren Papiers, Einarbeiten des Alphabets am äußeren Rand) gerichtet. Insgesamt ergeben sich aus den geäußerten Wünschen einige Rückschlüsse auf das Anspruchsniveau der Probanden.
auch Häufig
wird die Verbesserung des Vorworts gerade von den HS gewünscht, die auch die Anreicherung des Sprachwörterbuchs mit
Sachinforma-
tionen befürworten. Hier wird der Wunsch dieser Probanden
erkenn-
bar, vorhandene begrenzt einsetzbare Nachschlagewerke durch uni-
356
versellere Informationsmittel zu ersetzen, d. h. das Wörterbuch insgesamt weiter zu verbessern. Demgegenüber konzentrieren sich die Wünsche gerade aus dem Bereich der FA auf solche Verbesserungen, die im Rahmen des in dieser Probandengruppe vorwiegend bekannten orthographischen oder Fremdwörterbuchs durchaus realisierbar erscheinen. Das zu geringe Wissen um andere Wörterbücher und Informationsmöglichkeiten begrenzt hier offenbar von vornherein die denkbaren
Verbesserungsmöglichkeiten.
Frage 22: Vorbehalt gegen mehrbändige
Wörterbücher
Die Anreicherung vorhandener Wörterbücher mit weiteren Informationen ist ebenso wie die Herstellung einer besseren optischen Übersichtlichkeit mit der Notwendigkeit verbunden, mehr Platz in Anspruch zu nehmen. Wörterbücher in der tradierten Form des Buches können solchen Wünschen zumeist nur folgen, indem sie in mehreren Bänden erscheinen. Die Frage 22 versucht zu ermitteln, ob bei Nutzern Vorbehalte gegen mehrbändige Wörterbücher
bestehen.
Stört es, wenn ein Wörterbuch zwei oder mehr Bände umfaßt? ja
20
nein
73 %
%
unentschieden
3
ohne Antwort
4 %
%
Annähernd drei Viertel der Probanden hätten nach eigenen Angaben keine Bedenken gegen mehrbändige Wörterbücher im Interesse ausführlicherer Informationen, ein Fünftel der Probanden hingegen hielten dies für störend. Im Ergebnis äußern sich diese, daß eine Vergrößerung der Anzahl der Bände besser vermieden werden sollte, um den Preis des Wörterbuchs und seine Handlichkeit im Interesse der Nutzer günstiger zu gestalten, daß jedoch eine qualitative Verbesserung der Wörterbücher wünschenswert wäre. Diese Meinungsäußerungen können als durchaus repräsentativ gelten, kommen sie doch aus allen Qualifikationsgruppen.
357 Frage 23: Wünsche nach zusätzlichen Informationen im Wörterbuch Die Frage 23 stellt insoweit eine Besonderheit dar, als sie für den Probanden keinerlei Entscheidungsangebote enthält, sondern die Auskunft auf die Frage, welche Informationen sich der Proband in einsprachigen Wörterbüchern zusätzlich wünschen würde, in jedem Falle eine selbständige verbale Äußerung erfordert. Die Antwortquote von 27 % der den Fragebogen ausfüllenden Probanden ist die mit Abstand niedrigste bei der vorgenommenen Befragung. Linter den Antwortenden befinden sich drei Probanden, die nach eigenen Angaben über dieses Problem noch nicht nachdachten bzw. keine Meinung äußern konnten. 6 % der Probanden geben an, keine Wünsche nach zusätzlichen Informationen zu haben. Unterstellt man, daß auch die diese Frage nicht beantwortenden Probanden keine Wünsche zur Anreicherung einsprachiger Wörterbücher mit zusätzlichen Informationen besitzen, dann ergibt sich insgesamt bei 80 % der Probanden eine Zufriedenheit mit dem potentiellen
Informationsangebot
der ihnen bekannten Wörterbücher. Erscheint auch auf den ersten Blick der Anteil von nur 20 % der Probanden mit zusätzlichem Informationsbedarf gering, so gibt es bei näherer Betrachtung doch Anlaß für eine differenziertere Einschätzung. 20 % der Probanden mit ausdrücklich geäußerten Wünschen stehen für eine Anzahl von Wörterbuchbenutzern, die sich aktiv gedanklich mit dem Informationsangebot der für sie verfügbaren Wörterbücher auseinandergesetzt haben und im Ergebnis einen eigenen Standpunkt zur inhaltlichen Gestaltung dieser Nachschlagewerke entwickelten. Bedenkt man dabei, daß es sich um Probanden aus allen Qualifikationsschichten handelt, so wird daraus, selbst bei Berücksichtigung eines etwas höheren Anteils der Probanden mit Hochschulqualifikation, deutlich, daß ein Bedürfnis nach zusätzlichen Informationen in Sprachwörterbüchern mit dem vorliegenden Ergebnis belegt ist. Die gewünschten zusätzlichen Informationen weisen eine relativ große Varianz auf. Es werden 22 unterschiedliche Arten von Informationen gewünscht. Häufigster Wunsch zur Ergänzung der den Probanden bekannten Wörterbücher ist die Angabe komplexerer sprachlicher Aussagen, d. h. mehr Angaben zu semantischen bzw. syntagma-
358 tischen Relationen im Wortschatz
(5 %) sowie komplexen
semantischen,
syntaktischen und orthographischen Angaben (6 %). Damit wird, unter Berücksichtigung der bestehenden Verbreitung Wörterbuchtypen,
unterschiedlicher
letztlich ein erneuter Beleg für das
Bedürfnis geliefert, über den eingeschränkten
vorhandene
Informationsgehalt
von Duden und Fremdwörterbuch hinaus Informationen über das Funktionieren der Sprache in der Kommunikation zu erhalten.
Ebenfalls
in diesem Sinne, wenn auch mit etwas anderer Motivation,
ist die
Forderung einiger Probanden zu verstehen, auch in Sprachwörterbüchern mehr Sach- bzw. enzyklopädische Angaben
anzubieten.
Eine bemerkenswerte Anzahl von Probanden wünscht mehr
Informa-
tionen zu etymologischen Fragen (5 %). Dieses Interesse, und hierzu ist sicherlich auch das ebenfalls bekundete Interesse an dialektbezogenen bzw. mundartlichen Informationen zu rechnen,
resul-
tiert wahrscheinlich aus dem ebenfalls bei früheren Fragen
bereits
deutlich gewordenen persönlichen Interesse einiger Probanden an der Entwicklung ihrer Sprache. Dies kann als Hinweis auf ein vorwiegend kulturell begründetes Interesse an sachgemäßer dung und einem bewußten Sprachverständnis
Sprachverwen-
in einer nicht zu über-
sehenden Nutzergruppe gewertet werden. Das Ergebnis gewinnt noch an Wert, bedenkt man die Tatsache, daß auch hier wieder aller Qualifikationsgruppen
Probanden
vertreten sind und damit aktives
teresse an der Sprache als Kulturgut
In-
bekunden.
Ebenfalls eine nennenswerte Anzahl von Probanden (3 %) spricht sich für die Anreicherung der Wörterbuchartikel
durch
stilisti-
sche Angaben aus. Die weiteren gewünschten Informationen können in zwei
Richtun-
gen zusammengefaßt werden. Eine Reihe von Probanden wünscht jeweils im Einzelfall zusätzliche Informationen über Fremdwortbedeutung
Synonymie,
sowie Sachverhalte. Diese Wünsche lassen erken-
nen, daß sie vorwiegend auf Erweiterung des in seiner anders (und zwar orthographisch) orientierten Dudens
Konzeption abzielen,
insoweit also eher als Plädoyer für die Schaffung eines
handlichen
Universalwörterbuches
Richtung
zu verstehen sind. In eine andere
weisen die Vorschläge vieler Probanden, die sich im Kern nicht auf Informationen zur Sprache, sondern auf editorische
Verbesse-
rungen richten. Solche Wünsche sind ζ. B. der Vorschlag nach mehr
359
bzw. leichter zu findenden Quellenangaben und ergänzender Literatur, aber auch Vorschläge zur Verwendung dünneren Papiers, größerer Schrift oder zur Alphabetkennzeichnung am Seitenrand. Wenn es sich hierbei auch um jeweils nur einzelne Meinungsäußerungen handelt, so werden aus ihnen doch wachsende Ansprüche der Nutzer deutlich, die von einem modernen Wörterbuch eben auch eine dem inhaltlichen Niveau entsprechende Ausgestaltung der Form und der Hilfsinstrumentarien erwarten.
Frage 24: Reicht der Duden im Beruf? Diese durch eine andere Untersuchung"' initiierte Frage richtet sich speziell auf die berufliche Tätigkeit, da zu anderen Fragen bereits Auskünfte über Probleme der Benutzung von Wörterbüchern im persönlichen Leben erteilt wurden. Im Unterschied zu der bereits genannten früheren Untersuchung von Kühn/Püschel
(1982)
spricht sich nur ein Viertel der Probanden dafür aus, daß der Duden für die berufliche Tätigkeit ausreicht. Hierbei kommt es im Bereich der Facharbeiter zu dem vorwiegend von den Anforderungen der Facharbeiterberufe bestimmten Ergebnis, daß annähernd der Hälfte der befragten FA (es handelt sich dabei um Facharbeiter im Bereich der materiellen Produktion) der Duden ausreicht. Das Ergebnis von 50 % Facharbeitern mit weitergehendem Bedarf zeigt auch, daß wohl für eine zunehmende Anzahl von Facharbeiterberufen, ζ. B. Facharbeiter im Bereich der Datenverarbeitung oder der Organisation, das Rechtschreibewörterbuch bereits jetzt als nicht ausreichend anzusehen ist. Mit wachsendem Anteil schriftlicher Arbeiten in der beruflichen Tätigkeit sinkt entsprechend die Quote der Zufriedenheit mit dem Duden, nur 2B % der FS und 21 % der HS (und hier wiederum vorwiegend technische Fachrichtungen) betrachten den Duden als ausreichend. Für viele berufliche Tätigkeiten kann somit ein großes Bedürfnis an Informationen über die Sprache festgestellt werden, das den Rahmen der erfahrungsgemäß aus dem Duden zu gewinnenden Auskünfte überschreitet. Hier offenbart sich ein grundlegendes Mißverhältnis zu der bei Frage 2 festgestellten Bereitstellung von Wörterbüchern am Arbeitsplatz, die an anderer Stelle bereits mehrfach kommentiert wurde.
360
Frage 25: Lehren und Erlernung von Wörterbuchbenutzung Die Frage 25 versucht mit Hilfe zweier unterschiedlicher
Frage-
stellungen, die Einstellung der Probanden zur Zweckmäßigkeit des Unterrichts in der Wörterbuchbenutzung zu erfahren. Dabei sind es im Ergebnis tatsächlich die Differenzen in der Beantwortung der beiden Fragevarianten, die neben den verbalen Äußerungen einiger Probanden die notwendigen Informationen für weiterführende Überlegungen erbringen. In allen Qualifikationsschichten spricht sich eine größere Zahl der Probanden dafür aus, daß die Wörterbuchbenutzung durch Übung erlernt werden kann (86 %), als für die Notwendigkeit, Wörterbuchbenutzung tatsächlich zu lehren (68 %). Überraschend ist, daß bei den FS der Anteil derjenigen, die für eine Wörterbuchlehre plädieren, in etwa der Anzahl der positiven Nennungen für die Möglichkeit des Erlernens entspricht (82 %/ 95 %). Die Ergebnisse lassen erkennen, daß die große Mehrheit der Probanden der Übung in der Benutzung von Wörterbüchern eine praktische Wirkung beimißt. Demgegenüber halten aber einige Probanden, und hieraus erklärt sich die Differenz in den Auskünften zu beiden Fragen, eine solche Übung für nicht notwendig. Hinter dieser Stellungnahme könnte die Auffassung stehen, ein Wörterbuch müßte zweckmäßigerweise auch ohne Übung benutzbar sein. Auch die Überlegung, daß praktische Übung der Wörterbuchbenutzung im Verhältnis zum Aufwand des Lehrens größeren Erfolg verspricht, ist möglich. Denkbar wäre schließlich auch die Befürchtung, daß ein vorwiegend theoretisch aufgefaßter Unterricht zuwenig praktischen Nutzen verspricht. Immerhin bleibt das Ergebnis, daß zwei Drittel der Probanden aller Qualifikationsgrade die Unterrichtung in der Wörterbuchbenutzung befürworten und somit als Lehrauftrag für die Sprachausbildung
bestätigen.
Fünf Probanden weisen darauf hin, daß es vorwiegend von der Art der Unterrichtsgestaltung abhängt, ob lehren und lernen zu nutzbringenden Ergebnissen führen. Der Unterricht in der Wörterbuchbenutzung muß praktisch gestaltet werden, um wirksam zu sein, er darf sich nicht allein auf die Nennung von Wörterbüchern und die Demonstration am Beispiel beschränken. Die Benutzung von Wörterbüchern durch Übung zu erlernen verlangt, daß die Wörterbücher
361
den Lernenden in die Hand gegeben werden. Solange Wörterbuchbenutzung allein anhand des Dudens oder der der Dudenkonzeption folgenden Wortlisten herkömmlicher Unterrichtsmittel für den Rechtschreibunterricht erfolgt, kann es zu einer entwickelteren und differenzierteren Kultur der Wörterbuchbenutzung in breiten Bevölkerungsschichten kaum kommen. Die hieraus erwachsenen Anforderungen an die Verfügbarkeit anderer bzw. weiterer Wörterbücher in den Schulen und Ausbildungseinrichtungen entsprechen in etwa den Anforderungen an die Verbesserung der betrieblichen
Informationsarbeit,
sie müssen im Komplex mit der Qualifizierung des Sprachunterrichts gelöst werden.
2.2
Schlußfolgerungen
2.2.1
Zur Organisation und Durchführung empirischer
Wörterbuch-
benutzungsuntersuchungen Die Befragung unter Verwendung eines Fragebogens hat sich bei der Untersuchungsdurchführung als eine praktikable Methode für die Benutzungsforschung bestätigt. Der große Vorteil der Beantwortung schriftlich vorliegender Fragen liegt neben der Möglichkeit, Fragestellungen systematisch vorzubereiten und später ebenso systematisch auszuwerten, in der Tatsache begründet, daß Wörterbuchbenutzung und Ausfüllen des Fragebogens Handlungen sind, die hinsichtlich der bewußten Auseinandersetzung mit der Sprache und dem Sprachwörterbuch eine Reihe gemeinsamer Anknüpfungspunkte
aufwei-
sen. Von besonderem Wert ist überdies die Eigenschaft der Fragebogenmethode, potentiell unendlich verbreitbar zu sein, und zwar was die Anzahl der Probanden als auch die Dauer der Untersuchung anbetrifft. Vor allem auf diesen Aspekt wird im Ergebnis der offenen Probleme und Schwierigkeiten der vorgelegten Untersuchung zurückzukommen sein. Die Hauptprobleme der Untersuchungsorganisation und Durchführung liegen in der noch nicht ausreichenden Absicherung der den Fragen zugrunde liegenden Arbeitshypothesen, der Begrenztheit der verfügbaren Mittel für die Durchführung und Auswertung solcher Untersuchungen sowie der ebenfalls noch nur in Ansätzen abgesicherten Auswertungs- und Bewertungssystematik. Die größten Fortschritte in Auswertung sowohl der vorliegenden als auch anderer
362
metalexikographischer Arbeiten sind demnächst bei der Absicherung und Vertiefung der Problemhypothesen und der darauf zu gründenden Fragestellungen zu erwarten. Die Untersuchungsergebnisse
zeigen,
daß die Annahmen zur Benutzungsmotivation und -situation im wesentlichen zutreffend sind. Es hat sich aber gezeigt, daß für die tiefergehende Erfassung der Einflußfaktoren auf die Wörterbuchbenutzung Wissen über die Verfügbarkeit von Wörterbüchern in Nachschlagesituationen ebenso wie über die Mechanismen der Verbreitung von Wörterbüchern und deren Publizierung eine wesentliche Voraussetzung ist. Erst dann können Ursachen vieler Erscheinungen bei der Benutzung, vor allem aber für die Nichtbenutzung von Wörterbüchern erfolgreich untersucht werden. Dieser
Problemkomplex
muß deshalb in eine auf gesellschaftliche Wirksamkeit orientierte Benutzungsforschung von Anfang an einbezogen und mit großer Intensität untersucht werden. Dies gilt ebenso für die Einbindung der Wörterbuchbenutzung in den Gesamtprozeß der sprachlichen Erziehung im Rahmen der Schulbildung und der beruflichen Aus- und Weiterbildung. Nur bei komplex angelegter Betrachtung wird es möglich sein, über die in der Benutzungshandlung als Oberflächenerscheinung
fest-
stellbaren Verhaltensweisen hinaus an die Ursachen des Verhaltens vieler Menschen gegenüber Wörterbüchern zu gelangen. Hier wird deutlich, daß solche Untersuchungen nicht allein Wörterbuchschreiber und Wörterbuchbenutzer betreffen und benötigen werden, sondern daß Pädagogen und Soziologen, Verleger, Buchhändler,
Bibliothekare
und Informatiker ebenfalls gefordert sind. Daraus ergibt sich als eines der Felder für Untersuchungen zur Wörterbuchbenutzung die pädagogisch gelenkte Vermittlung des Kontaktes zwischen Schüler und Wörterbuch im Hinblick auf den Effekt dieses Unterrichts für die reale Ausprägung von Benutzerfähigkeiten und vor allem -gewohnheiten. Ein anderes dieser Felder ist die Ermittlung des Bedarfs an wörterbuchvermitteltem Wissen (vor allem auch der Art und des Umfangs des Bedarfs) vor Beginn der Erarbeitung oder Überarbeitung eines jeden Wörterbuchs. Das ist nicht allein ein Gebot der Ökonomie, es ist auch ein Erfordernis der Erhaltung des Realitätsbezuges der Lexikographie. Wenn das Wörterbuch nicht Gefahr laufen soll, am Bedarf und an den Bedürfnissen
vorbeiprojektiert
363
und produziert zu werden, müssen jedem Projekt
Bedarfsuntersuchun-
gen vorangehen und Wirksamkeitsuntersuchungen zur Feststellung der Effektivität der gewählten Konzeption des Wörterbuchs nachfolgen . Schließlich kann in einer so angelegten
Benutzungsforschung
die Wörterbuchverfügbarkeit und -benutzung im Bereich der Bibliotheken und Informationsstellen nicht außer Betracht bleiben, soll das Bild umfassend werden. Um alle diese Benutzungsuntersuchungen rationell
vorzubereiten
und die Vergleichbarkeit bzw. Übertragbarkeit von Ergebnissen zu ermöglichen, scheint vor allem eine Standardisierung der Fragen und daran anschließend der Auswertungsprinzipien zweckmäßig. Mit dem Rückgriff auf standardisierte Instrumentarien könnte ein zweites Problem, das der Annäherung an statistische Repräsentanz und der Absenkung der Fehlerrisiken, mit Aussicht auf stetig verbesserte Ergebnisse anvisiert werden. Dieses Problem steht in unmittelbarem Zusammenhang mit der Begrenztheit der Mittel und Möglichkeiten für Wörterbuchbenutzungsuntersuchungen
jetzt und in abseh-
barer Zukunft. Die Frage der Repräsentanz und der Ausschaltung von Fehlerrisiken stellt sich überall dort, wo statt der zu aufwendigen Gesamterfassung eine Auswahl getroffen werden muß. Die Anwendung sozio-statistisch begründeter Auswahlverfahren ist mit vielen praktischen Problemen verbunden, die aus der Natur der Wörterbuchbenutzung als eines Prozesses resultieren, der außerordentlich breite Bevölkerungsschichten erfaßt, der in den an das Individuum gestellten Anforderungen, Motivationen und den zu erwartenden Effekten überaus differenziert ist und der zudem in der Regel kein selbständiger Vorgang ist, sondern Element anderer, komplexer Prozesse sprachlichen Handelns oder persönlicher sprachlicher kommnung. Um in diese Prozesse und ihre Bedingungsgefüge
Vervoll-
eindrin-
gen zu können, um aber auch begründet die notwendigen Vorgaben für Auswahlverfahren zu machen, ist ein bedeutend höherer Wissensstand erforderlich, als derzeit zur Verfügung steht. Die Wörterbuchbenutzungsforschung bewegt sich deshalb zwangsläufig im Vorfeld der statistischen Repräsentanz für den Gesamtprozeß der Wörterbuchbenutzung, und es ist eine Illusion anzunehmen, daß sie dieses Stadium verlassen könnte, bevor nicht genügend theoretisch
364
und empirisch fundiertes Wissen vorliegt, um wirklich sicher begründete Auswahl-, Untersuchungs- und Auswertungspläne zu erstellen. Um aber die Voraussetzungen dafür zu schaffen, müssen die mit den gegenwärtigen Kenntnissen und Mitteln erreichbaren Kenntnisse und Erfahrungen quantitativ angereichert werden, um als eine sich ständig stabilisierende und erweiternde Grundlage für die anzustrebende qualitative Weiterentwicklung der Untersuchungsmethoden und des daraus gewinnbaren Wissens zu fungieren. Geht man davon aus, daß die für die vorgelegte Untersuchung
gewählten
Schichtungsmerkmale ausreichend für eine sozial differenzierte Wörterbuchbenutzungsuntersuchung
sind, und stellt man damit zu-
gleich fest, daß eine ausreichende Probandenzahl bei der Verknüpfung dieser Schichtungsmerkmale je Probandengruppe nicht erreichbar war, so ergibt sich, daß selbst auf der mit derzeitigem Wissensstand erreichbaren Stufe die durchzuführenden
Untersuchungen
einen bedeutend größeren Probandenkreis umfassen müßten. Legt man eine Mindestzahl von 25 Probanden je Gruppe zugrunde, nimmt man dazu eine Einteilung der Schichtungsmerkmale in 105 Gruppen, bestehend aus 9 Qualifikationsschichten
(je 3 in HS, FS, FA, ζ. B.
bei HS technisch-naturwissenschaftliche,
gesellschaftswissenschaft-
liche und pädagogische Fachrichtung), 90 Berufsrichtungen (u. a. mit der Differenzierung der Lehrerberufe) und 6 Altersgruppen (15-25 Jahre usw.), so ergibt sich eine Mindestzahl von 21525 Probanden. Befragungen in solcher Dimension sind mit derart bedeutendem materiellen, finanziellen und personellen Aufwand verbunden, daß ihre Durchführung kaum realistisch erscheint. Damit steht die Frage nach einem anderen, einem realisierbaren rationellen Weg. Eine Lösung dieser Frage könnte ζ. B. zum Inhalt haben, daß jedem, der (aus verschiedenen Gründen) Daten zur Wörterbuchbenutzung zu erheben hat, ein Bestand an Fragen zur Verfügung steht, die zwischen den an solchen Erkenntnissen interessierten
Institutionen
abgestimmt sind. Die Sammlung der Befragungsergebnisse in einem Datenpool bei- einer wissenschaftlichen Einrichtung ist unter diesen Bedingungen möglich, da die Standardisierung der Fragen eine fortlaufende Einspeicherung von Auskünften und deren periodische oder bedarfsweise Auswertung zuläßt. Hierbei kommt es gar nicht darauf an, daß bei jeder Befragung alle oder möglichst viele Fra-
365 gen gestellt werden, sondern daß immer die standardisierte Frage gestellt und die Angaben zur Schichtenzuordnung des Auskunftsgebers mit der Auskunft erfaßt werden. Auch wenn auf diesem Wege wiederum keine Repräsentativergebnisse im statistischen Sinne erzielt werden, so erbringt doch die zunehmend umfangreichere Ansammlung von Auskünften ein Bild, das immer sicherer durch Bewertung der vorliegenden Auskünfte Schlußfolgerungen zu den Problemen der Wörterbuchbenutzung in verschiedenen sozialen Gruppen gestattet. Die Quellen dieses Wissens liegen dort, wo auch Interesse an solchen Erkenntnissen potentiell vorhanden sein muß: bei den Wörterbuchtheoretikern und den Wörterbuchautoren, bei den Verlegern und den Buchhändlern, bei den Lehrern und bei ihren Lehrern an den Hochschulen, bei den Bibliothekaren und den Informatikern. Sie alle sind, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen, daran interessiert, daß jedes neue und überarbeitete Wörterbuch den Interessen, Anforderungen und Möglichkeiten der Nutzer gerecht wird. Geht man allein von der Möglichkeit aus, daß unter Nutzung von standardisierten Fragestellungen Verlage und Buchhandel
Informa-
tionen zur Orientierung ihrer Editions- und Verkaufsstrategie sammeln könnten, daß Wörterbuchautoren vor Fertigstellung einer Wörterbuchkonzeption deren Tragfähigkeit auf eben diese Weise prüfen, Hochschullehrer sich mit Hilfe dieser Fragen einen Eindruck von den Vorkenntnissen und Fertigkeiten ihrer Studenten in diesen Fragen verschaffen, daß schließlich Sprachwissenschaftler sowohl bei der Untersuchung von Fragen der Nutzung bestimmter Wörterbücher bei sprachlichem Informationsbedarf in bestimmten sozialen Gruppen als auch Metalexikographen bei weitergefaßten Untersuchungen das vorhandene Fragesortiment entsprechend ihren konkreten Zielen nutzen und damit sich selbst die Arbeit erleichtern wie auch zur Anreicherung der Informationen im Datenpool beitragen, dann wird die praktische Realisierbarkeit einer solchen Organisation erkennbar.
2.2.2
Zum Stand der Wörterbuchbenutzung
Die Befragung und deren Auswertung hat eine Reihe metalexikographischer Annahmen bestätigt, die praktische Wirksamkeit mancher Wörterbuchkonzeption in Zweifel gestellt, vor allem aber den Blick
366
für die Probleme der bedürfnisgerechten Aufbereitung und Nutzung von Informationen über die Sprache geschärft und auf einige mögliche Ursachen für die bestehende, in vielen Punkten unbefriedigende Situation gelenkt. Von besonderem Wert für die Erzielung realitätsbezogener Erkenntnisse erwies es sich, die Untersuchung nicht primär auf die Benutzungssituation und die Benutzungshandlung zu orientieren, sondern zunächst die Voraussetzungen der Wörterbuchbenutzung und davon ausgehend dann erst die Benutzung und den Benutzungserfolg zum Gegenstand der Befragung zu machen. Verfügbarkeit und Bekanntheit von unterschiedlichen Wörterbüchern haben sich als aussagestarke Indikatoren für den Standard der Wörterbuchbenutzung
ins-
gesamt gezeigt, die für eine zutreffende Bewertung fast aller anschließenden Fragen zur Benutzung von Wörterbüchern notwendig sind und folglich bekannt sein müssen. Wenn einem bedeutenden Teil der Probanden nur der Duden und das Fremdwörterbuch bekannt und ohne weiteres zugänglich sind, dann können sich alle nachfolgenden Auskünfte zur Benutzung zwangsläufig nur auf diese Wörterbücher beziehen. Wird dieser Sachverhalt nicht beachtet, dann müssen Angaben zu anderen Fragen fehlinterpretiert werden. Die große Verbreitung des Dudens und des Fremdwörterbuchs dokumentiert im Verhältnis zu der sehr begrenzten Publizität anderer Wörterbücher ein mehrfaches Dilemma. Duden und Fremdwörterbuch sind, ihrer Konzeption folgend, spezielle Wörterbücher mit entsprechend speziellem, d. h. auch begrenztem Informationsgehalt. Betrachtet man den Umfang und die Art der Informationen, die zur sprach- und sachgerechten Verwendung des Wortschatzes einer Sprache erforderlich sind, dann sind MißerfOlgserlebnisse bei denjenigen vorbestimmt, die Auskunft auf zu viele Fragen zur Sprache in einem der verbreiteten Wörterbücher suchen. Überhaupt drängt sich der Eindruck einer zunehmenden Divergenz von Informationsangebot und Informationsbedarf bei den verbreiteten, schnell verfügbaren Wörterbüchern auf. Das Rechtschreibwörterbuch Duden ist in sehr vielen Haushalten vorhanden, es gilt in den Augen der Masse der Bevölkerung als
das
Sprachauskunftswerk schlechthin. Weil es aber keineswegs ein universelles Wörterbuch der deutschen Sprache ist, hat es einen weitgefaßten Informationsbedarf in diesem Sinne nie abdecken können.
367
Vielmehr ist eine Situation entstanden, in der das Informationsangebot des Dudens die Erwartungen einer sehr großen Zahl der Bevölkerung gegenüber Wörterbüchern prägt, und damit verbunden auch die Beurteilung der praktischen Verwendbarkeit von Wörterbüchern. Wenn auch die durchgeführte Untersuchung nicht darauf gerichtet war, für diese Situation Schuldige zu finden, so kann doch allein aus der Einheitlichkeit der Befragungsergebnisse über Altersgruppen und Qualifikationsgrade hinweg geschlußfolgert werden, daß Schul- und Berufsbildung bislang nicht in der Lage gewesen sind, in dieser paradoxen Lage Veränderungen zu bewirken. Nun wäre die allgemeine Publizität und Akzeptanz des Dudens als orthographisches Wörterbuch kein Problem, wenn über die. darin enthaltenen Informationen hinaus kein Bedarf bestünde. Doch gerade hier ergibt sich aus den Befragungsergebnissen bei zusammenfassender Bewertung ein anderes Bild. Da ist zunächst die große Verbreitung von Fremdwörterbüchern ein Beleg dafür, daß die sich unter dem Einfluß von internationaler Kommunikation und beschleunigter praktischer Wirksamkeit von Gesellschafts- wie Naturwissenschaften vollziehenden Entwicklungen im Wortschatz die Muttersprachler vieler sozialer Schichten veranlassen, Bedeutungen nachzuschlagen. Da sich diese Entwicklungen keineswegs auf die sogenannten Fremdwörter beschränken, und da ein Fremdwörterbuch herkömmlicher Art kaum Informationen über die sprachlich richtige Benutzung eines Wortes gibt, wird auch hier nur ein Teil der potentiellen Informationsbedürfnisse abgedeckt. In die gleiche Richtung, daß also ein offener Informationsbedarf für die aktive Sprachbenutzung besteht, weisen auch andere Ergebnisse der Befragung. Wenn eine größere Anzahl von Probanden zu verschiedenen Fragen äußert, daß die Präsentation von Wörterbuchinformationen häufiger am Wortgruppenbeispiel erfolgen sollte, ist dies u. a. Ausdruck des Wunsches, die lexikalische Information in einer komplexeren praktisch verwendbaren Form zu erhalten, als die sich das Wortgruppenbeispiel
darstellt.
Eine ähnliche Aussage enthält auch die Äußerung vieler Probanden zum Verhältnis von enzyklopädischem und sprachbezogenem Nachschlagewerk und zum Informationsgehalt von Wörterbuchartikeln. Hinter der Feststellung, enzyklopädische Nachschlagewerke
infor-
368 mierten umfassender zum Inhalt des Wortes, steht auch der unausgesprochene Vorwurf, daß die semantische Information des Sprachwörterbuches in der Aussagekraft hinter der
fachwissenschaftli-
chen Information der Enzyklopädie selbst dann zurückbleibt, wenn sie zur richtigen Verwendung des Wortes ausreicht. Doch nicht nur ungenügende Publizität und zu wenig bedürfnisgerechter Informationsgehalt stehen bei vielen Wörterbüchern einer umfassenderen Benutzung entgegen. Auch die Praxis der Präsentation muQ nach den Ergebnissen der Befragung als nicht ausreichend an den Bedürfnissen der Nutzer orientiert betrachtet werden. Hierbei spielt der Zeitfaktor für den Zugang zu der gewünschten Information eine ausschlaggebende Rolle. Der Griff zum Wörterbuch erfolgt, wenn eine Information sehr schnell und mit großer Zuverlässigkeit gefunden werden soll. Ist die Information im jeweiligen Wörterbuchartikel nicht sofort oder ohne besondere Kenntnisse erreichbar, verliert das Wörterbuch als Informationsmittel sofort seinen spezifischen Wert. Natürlich ist das bei den Nutzern vorauszusetzende Wissen und der als angemessen und zumutbar anzusehende Aufwand für die Identifizierung einer Information nicht für alle Wörterbuchtypen gleich. Aber es liegt in der Natur des Wörterbuchs, daß hier der Zugang so leicht wie möglich zu gestalten ist, daß die beim anvisierten Nutzerkreis vorauszusetzenden Anforderungen eher niedriger als höher angesetzt werden. Hinzu kommt das bereits genannte Problem des bedarfswidrig begrenzten Informationsgehalts der am meisten verbreiteten Wörterbücher. Daraus, und auch aus den Auskünften der Probanden zur Nutzung und zum Wert des Vorwortes, können einige prinzipielle Schlußfolgerungen für die konzeptionelle Arbeit der Lexikographie in der DDR gezogen werden. Dabei ist zuerst zu unterscheiden zwischen dem Allgemeinwörterbuch für jedermann, dem speziellen Wörterbuch für nichtspezialisierte Nutzer und dem speziellen Wörterbuch für spezialisierte Nutzer. Die Konzeption der Präsentation der Informationen in diesen Wörterbüchern ebenso wie die Präsentation der Wörterbücher insgesamt bedürfen einer bedeutend stärkeren Annäherung an die Bedürfnisse der jeweiligen Adressaten. Breiter Bedarf besteht an einem Allgemeinwörterbuch. Ein solches Allgemeinwörterbuch muß diejenigen sprachlichen Informationen zu einem Wort, für
369
die ein beliebiges Mitglied der Sprachgemeinschaft mit durchschnittlichen sprachlichen Fähigkeiten Verwendung haben kann, in übersichtlicher und sofort erkennbarer Form präsentieren. Ist für den Zugang zu einer Information, ζ. B. zu einer besonderen grammatischen Form oder einer semantischen Restriktion, der Rückgriff auf das Vorwort erforderlich, so wird der Benutzungserfolg des öfteren ausbleiben, die Akzeptanz des Wörterbuchs als eines schnellen, sofort verfügbaren Wissensspeichers wird darunter leiden. Der mit der Entwicklung strenger Darstellungssysteme erreichte Nutzen, daß sehr viele Informationen auf sehr engem Raum präsentiert werden können, zu dem die Nutzer nur über das Erlernen dieses Systems mit Hilfe des Vorwortes Zugang finden, bleibt bedeutend hinter dem damit für lange Zeit angerichteten Schaden zurück. Die Ablösung des Rechtschreibwörterbuches aus der Funktion des Volkswörterbuchs, in die es derzeit gedrängt ist, durch ein umfassender informierendes Allgemeinwörterbuch setzt voraus, daß weitestgehend autonom verwendbare und erkennbare Informationen durch geeignete Präsentation angeboten werden. Dies gilt gleichermaßen für die speziellen Wörterbücher, die sich an breite Nutzerkreise wenden, auch hier ist die Reduzierung des Zeitaufwandes durch Gewährleistung des sofortigen Zugangs zur Information die entscheidende Bedingung. Gerade dafür ist das spezielle orthographische Wörterbuch Duden ein markantes Vorbild. Auch der Wert des Vorwortes ist entsprechend den Erwartungen der Nutzer anders zu veranschlagen. Das Vorwort ist ein Teil des Wörterbuchs, auf den die Nutzer in besonderen Fällen zurückgreifen, weil sie Schwierigkeiten bei der Identifizierung der Wörterbuchinformation haben, oder weil sie um ergänzendes Wissen, um Hintergrundinformationen bemüht sind. Das Vorwort soll also nicht Voraussetzung für eine sachkundige Nutzung, sondern Ergänzung der zum Lemma gegebenen Information oder Notbehelf in den möglichst wenigen Problemsituationen sein. Anders stellt sich die Bedürfnissituation allerdings bei den speziellen Wörterbüchern für spezialisierte Nutzer dar. Die Befragung hat den Befund erbracht, daß es einen speziell
linguistischen
Informationsbedarf gibt, der durch Wörterbücher sehr konkret und schnell befriedigt werden kann. Dieser Bedarf an wissenschaftlich orientierter Information besteht nicht nur bei Linguisten und Fach-
370
Pädagogen, er besteht im Gefolge zunehmenden Interesses für die Sprache als eines wesentlichen Kulturgutes auch bei einer zwar kleinen, aber aktiven Anzahl von Nichtfachleuten. Gerade das in der Befragung an vielen Stellen offenbar werdende Bedürfnis nach etymologischen Informationen in Wörterbüchern spricht dafür. Bei diesem Nutzerkreis kann größeres Wissen um sprachliche Regeln und Normen, um Systemzusammenhänge und Begriffe vorausgesetzt werden, und hier ist es angemessen, wenn das Vorwort ein strenges Darstellungskonzept für den interessierten Nutzer verständlich macht. Auch für solche Wörterbücher sollen Möglichkeiten des erleichterten Zugangs zur sprachlichen Information gesucht werden, doch hat diese Frage keine Priorität, diese gebührt vielmehr der Wissenschaftlichkeit und Vollständigkeit des
Informationsgehaltes.
Versucht man, von diesen Sctilußf olgerungen ausgehend, den Stand und die Wirksamkeit der Wörterbuchbenutzung im gesellschaftlichen Leben zu beurteilen, so zeigt sich, daß die Konfrontation der Wörterbuchschreibung mit den Bedürfnissen der potentiellen Nutzer eine Reihe von Differenzen offenbart. Während die vorhandenen, dem Nutzer aber großenteils nicht bewußten Bedürfnisse an sprachbezogener Wörterbuchinformation durch die am meisten verbreiteten Wörterbücher nur zu einem Teil abgedeckt werden, gibt es andererseits eine Reihe von Wörterbüchern, die kaum bekannt und wenig verbreitet sind, und deren Informationsangebot bereits deshalb bisher kaum wirksam geworden ist. Die Benutzung von Wörterbüchern ist für viele Menschen eine gewohnte Handlung, und dennoch ist der damit erreichbare Nutzen bisher in sehr vielen Fällen nicht eingetreten. Die stärkere Orientierung der Darstellungskonzeption
unterschied-
licher Wörterbuchtypen an den Bedürfnissen und Kenntnissen der potentiellen Nutzer ist eine Möglichkeit, zur wirksameren Nutzung des in Wörterbüchern verarbeiteten Wissenspotentials
2.2.3
beizutragen.
Benutzungsfähigkeiten und Anforderungen an Wörterbuchdidaktik und Öffentlichkeitsarbeit
Stellt man die Ergebnisse der Befragung, soweit sie die Fähigkeiten der Probanden zur schnellen und effektiven Benutzung von Wörterbüchern einerseits und die den Probanden bewußten Wörterbuch-
371
bezogenen Informationsbedürfnisse tionsbedarf
sowie den tatsächlichen
Informa-
andererseits betreffen, gegeneinander, so ergibt sich
ein widersprüchliches Bild. Probanden mit relativ niedrigem
Quali-
fikationsgrad und Berufen, in denen kaum besondere sprachliche
Fer-
tigkeiten verlangt werden, geben an, die Aufbauprinzipien von Wörterbuchartikeln, d. h. also ein System der Präsentation
sprachli-
cher Informationen, zu kennen, sie besitzen und benutzen überwiegend nur den Duden - Rechtschreibung
-, andere
jedoch
Wörterbücher
sind ihnen kaum bekannt. Andere Probanden hingegen, die über hohen Grad an sprachlichem Wissen und aktiver
einen
Sprachbeherrschung
verfügen, geben an, daß sie oft unterschiedliche Wörterbücher
be-
nutzen, und daß sie eine Reihe zusätzlicher Informationen in den Wörterbüchern für wünschenswert ansehen. Wenn aber, und dies zeigt sich in dem geschilderten Sachverhalt, vor allem jene
potentiellen
Nutzer, denen sprachliches Wissen am meisten fehlt, aus dem Gesamtpotential der Informationsfähigkeiten mit Hilfe von
Wörterbüchern
nur einen sehr begrenzten Ausschnitt kennen und folglich auch nur diesen nutzen, wenn sehr viele Wörterbücher mit ihrem
Informations-
angebot nur einen kleinen Teil der Bedürftigen, aber einen
größe-
ren Teil der gut Informierten erreichen, so sind die Ursachen
da-
für sicherlich nicht nur in den Wörterbüchern selbst zu suchen. Unterstellt man ein nicht ausgeschöpftes Informationspotential bereits vorhandenen Wörterbücher
der
infolge fehlender Publizität, so
muß man die Verantwortung hierfür in der ungenügenden
Wirksamkeit
der Arbeit jener Bereiche des gesellschaftlichen Lebens suchen, zu deren Aufgaben die Propagierung lexikographischer
Informations-
mittel gehört. Eine solche Verantwortung tragen diejenigen, die Wörterbücher herstellen und vertreiben, die Wörterbücher
im Be-
darfsfall zur Verfügung stellen und die mit der Entwicklung Vertiefung sprachlicher Fähigkeiten als der entscheidenden setzung dafür, daß sprachliche Probleme überhaupt erkannt können, befaßt sind. Auch hier gibt die Sicht über mehrere
und Voraus-
werden Fragen
hinweg ein deutlicheres Bild als die einzelne Fragestellung.
Die
Auskünfte der Probanden zeigen, daß vor allem der Buchhandel
durch
das unmittelbare Angebot und das Verlagswesen durch die Art der Präsentation des Buches einen wichtigen Beitrag zur
Publizierung
leisten, der jedoch unter dem Aspekt der begrenzten realen Verbreitung sehr vieler Wörterbücher als nur wenig erfolgreich
anzusehen
372
ist. Die immer wieder geäußerten kritischen Anmerkungen der Probanden, das Wörterbuchangebot im Buchhandel sei weder stabil noch umfassend, der Gebrauchswert vieler Wörterbücher durch editorische Unzulänglichkeiten wie auch ungünstige Präsentation und durch ungenügend am Informationsbedarf orientiertes
Informationsangebot
nicht ausreichend und der Preis mancher Wörterbücher für viele Nutzergruppen zu hoch, sollten Denkanstöße vermitteln. Diese Kritiken also sprechen nur für den Teil der potentiellen Nutzer, der" solche Angebote im Buchhandel überhaupt zur Kenntnis und zum Anlaß nimmt, sich über dieses Angebot konkret zu informieren. Das ist aber, so muß man den Auskünften zum Bekanntheitsgrad
entnehmen,
nicht die Mehrheit der Bevölkerung, für die der Wörterbuchbegriff oftmals mit dem Rechtschreibduden verschmilzt. So kann aus den Ergebnissen der Befragung gesc'hluflfolgert werden, daß die bedürfnisgerechte Präsentation bedarfsgerechter Wörterbücher zu angemessenen, dem Gebrauchswert und den Finanzierungsmöglichkeiten sprechenden Preisen, eine wirksamere Öffentlichkeitsarbeit
entdurch
Verlage und Buchhandel und die Gewährleistung eines kontinuierlichen und vielseitigen Wörterbuchangebots im Handel, in Bibliotheken und Informationsstellen, Möglichkeiten für eine im Interesse der Sprachkultur wünschenswerte breitere Nutzung von Sprachwörterbüchern bieten. Dennoch trifft diese, sicherlich wichtige Schlußfolgerung nicht das Hauptproblem, das dem unbefriedigenden Standard der Wörterbuchbenutzung in unserem Lande, die Parallelen im gesamten deutschsprachigen Raum hat, zugrunde liegt. Dieses Hauptproblem resultiert, und auch darauf weisen die Ergebnisse der Befragung hin, aus dem gegebenen Niveau der sprachlichen Kenntnisse und der Fertigkeiten zur Nutzung lexikographischer
Informations-
mittel. Kennzeichnend dafür sind die Auskünfte zu den Informationswünschen. Eine große Anzahl auch gerade derjenigen Probanden, die nur Duden und Fremdwörterbuch kennen oder besitzen, wünscht vom Wörterbuch die Präsentation von mehr Beispielen zur Wortverwendung. Das hier deutlich werdende Informationsbedürfnis ist zwar latent, es wurde vielen Probanden als Informationsaufgabe des Wörterbuches aber offenbar erst durch die vorgeschlagene Antwortalternative bewußt. Ein solches unbewußtes Informationsbedürfnis kann aber nur dort bestehen, wo Wissen über die jeweiligen Erscheinungen fehlt.
373 Wenn sehr viele Menschen nicht über ausreichend
anwendungsberei-
tes Wissen zu den semantischen Bedingungen einer normgerechten Verwendung lexikalischer Einheiten verfügen, so werden sie hierzu auch nicht nachschlagen können, weil für sie das Erkennen der Ursachen ihres sprachlichen Problems, ζ. B. eines Ausdrucksproblems, nicht möglich ist. Diese Folgerung findet in den Ergebnissen zur Praxis der Wörterbuchbenutzung eine Stütze, wenn man sie mit den Schwerpunkten des muttersprachlichen Schulunterrichts vergleicht. Die Orthographie, die einen bedeutenden Teil des schulischen Sprachunterrichts einnimmt, steht auch in der Benutzungshäufigkeit der Wörterbücher an der Spitze. Der zweite Schwerpunkt muttersprachlichen
Unterrichts,
die Grammatik, tritt dahinter deutlich zurück. Neben dem bedeutenden Gewicht der Syntax in diesem Fach, für die Wörterbücher nicht unbedingt das günstigste
Informationsmittel
sind, ist es wohl auch die nicht besonders ausgeprägte Eingängigkeit traditioneller deutscher Schulgrammatik, die hier Wirkung zeigt. Semantische Probleme werden im Unterricht vorwiegend im Hinblick auf ausgewählte paradigmatische Relationen behandelt, und hier zeigt sich eine Äquivalenz bei den Bekanntheits- und Benutzungsquoten des Synonym- und Antonymwörterbuchs.
Wesentliche
Voraussetzungen für eine sachgerechte Wörterbuchbenutzung ist es also, daß der Charakter der sprachlichen Erscheinung, die den Anlaß des Nachschlagens im Wörterbuch gibt, dem Nutzer auch bekannt ist. Das Vorwort bzw. die Benutzungshinweise können hier fehlendes Wissen kaum ersetzen (dem müßte auch das Bedürfnis nach schneller Information mit Hilfe des Wörterbuchs entgegenstehen),
sondern
es aktualisieren und erweitern, wenn die Nutzer dies für erforderlich halten. Auch die Einschätzung vieler Probanden zum Wert enzyklopädischer Nachschlagewerke im Verhältnis zum Sprachwörterbuch kann als Bestätigung der Einschätzung angesehen werden, daß eine wesentliche Ursache für die Nichtnutzung der
Informationsangebote
vieler einsprachiger Wörterbücher im mangelnden Wissen der potentiellen Nutzer über den Charakter sprachlicher Erscheinungen liegt. Die Gesamtheit der Antworten sowohl zum Verhältnis von Sach- vs. Sprachinformation als auch zum Informationswert semantischer Informationen zeigt, daß die übergroße Mehrheit der Probanden keine
374 Unterscheidung zwischen Informationen zur Sprache und
Informatio-
nen zu Sachverhalten vornimmt, ausgenommen davon sind
Informatio-
nen zur Orthographie und einzelne grammatische Erscheinungen
wie
ζ. B. Flexion. Dies wäre für sich genommen nicht bedenklich,
wenn
eben nicht gleichzeitig
deutlich erkennbar geworden wäre, daß sehr
viele Nutzer das für sie nicht klar bestimmbare Bedürfnis
haben,
zur normgerechten und kulturvollen Verwendung der Sprache
Hilfe
zu erhalten, die sie aber nach ihren Erfahrungen im orthographischen Wörterbuch nicht finden und deshalb generell vom Wörterbuch auch nicht erwarten. Sicherlich wird dieser Zustand auch davon beeinflußt, daß im Sprachunterricht derzeit fast ausschließlich
die
orthographisch geprägten Nachschlagewerke vorgestellt und in deren Benutzung eingeführt werden. Viele potentielle Benutzer können bei einer (zumeist zufälligen) Begegnung mit anderen
Wörterbüchern,
wie ζ. B. dem HDG, kaum etwas mit den dort angebotenen
weiteren
Informationen anfangen, weil ihnen deren Informationswert
unbe-
kannt ist. Die Benutzung von Wörterbüchern stellt sich also als eine vom Niveau der sprachlichen Bildung abhängige
Verhaltenswei-
se dar, die zwar auch einige selbständige Komponenten wie die Fertigkeiten des Nachschlagens oder das Erkennen von in formalisierten
Informationskomplexen
(den
Informationen
Wörterbuchartikeln)
enthält, von diesen jedoch nicht in erster Linie geprägt Führt man diese Gedanken weiter, so stellt sich die der Fähigkeit zur effektiven Wörterbuchbenutzung
ist.
Entwicklung
nicht als selb-
ständiges Gebiet dar, sondern als Teil der sprachlichen. Bildung, die auch im Unterricht auf allen Ausbildungsstufen als
integrierte
Aufgabe zum jeweiligen Thema wahrzunehmen ist. Dies stellt lei Anforderungen. Einerseits muß die Vermittlung
sprachlichen
Wissens überall dort, wo das Wörterbuch ein zweckmäßiges
Informa-
tionsmittel sein kann, mit der Benutzung von Wörterbüchern telbar verbunden sein. Der Rechtschreibunterricht
zweier-
unmit-
ist bereits in
seiner derzeitigen Form ein Beispiel für diese unmittelbare
Einbe-
ziehung. Es steht fest, daß dafür geeignete, dem Stoff und den Bedingungen der Schüler angepaßte, d. h. auch nach Alters- und Ausbildungsstufe differenzierte Wörterbücher zur Verfügung müssen. Es wird aber auch unübersehbar, daß die zu anderen Wissensbereichen,
stehen
Unterrichtsinhalte
insbesondere den von der
lexikalischen
375
Semantik bearbeiteten, geeignet sein müssen, das Informationsangebot eines Bedeutungswörterbuchs für die Schüler und künftigen Wörterbuchbenutzer verständlich und verwendbar zu machen. Auch hierfür sind geeignete Unterrichtsmittel, d. h. Wörterbücher für Schüler und Auszubildende, erforderlich, vor allem aber ein diese Probleme in ausreichendem Umfang behandelnder Unterricht. Hier scheinen zu einigen Fragen der Lehrplangestaltung in allen Bildungseinrichtungen mit muttersprachlichem Unterricht weiterführende Überlegungen notwendig, man denke nur an die Abgrenzung der Fächer Grammatik und Ausdruck im Hinblick auf Informationen zur Bedeutung eines Wortes, zu Gebrauchsbedingungen, Stilebenen und syntagmatischen
Selektionsbeschränkungen.
Die Bemühungen der Wörterbuchbenutzer, die letztlich Bemühungen um die Verbesserung der Sprachkultur sind, werden in großem Maße von der Schule vorbestimmt, die dort vorgenommene
Grundlegung
sprachlichen Wissens, sprachkulturellen Interesses und gewohnheitsmäßiger Benutzung geeigneter Informationsmittel wird in späteren Jahren nur noch in wenigen Fällen wesentlich verändert werden. Integration des Wörterbuches in den muttersprachlichen Qualifizierung der Unterrichtsinhalte insbesondere
Unterricht,
lexikalisch-
semantischen Inhalts und Vermittlung von Grundkenntnissen über den verfügbaren Informationsfonds spezieller Wörterbücher sind Bedingungen für die Anhebung des allgemeinen Niveaus der Wörterbuchbenutzung, die noch viele weiterführende Überlegungen und Untersuchungen erfordern werden.
376
Anmerkungen 1
Zur Motivation der Fragestellung sowie zur Auswahl der Wörterbücher ausführlicher an anderer Stelle.
2
Die nachfolgenden Kurzzeichen stehen generell als FA für Facharbeiter, FS für Berufstätiger mit Fachschulabschluß und HS für Berufstätiger mit Hochschul-/Universitätsabschluß.
3
Bezieht sich auf eine 1982 von P. Kühn und U. Püschel vorgenommene Untersuchung, in der der Gebrauch allgemeiner einsprachiger und spezieller Wörterbücher des Deutschen ermittelt wurde.
377
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383
FRAGEBOGEN BERUF (bei Lehrern Fachrichtung): QUALIFIKATION: BERUFSJAHRE: ALTER: Obwohl einsprachige Wörterbücher seit Jahrhunderten geschrieben und auch verkauft werden, fehlt noch heute gesichertes Wissen darüber, wer diese Wörterbücher zu welchem Zweck und in welchen Situationen benutzt. Um neue Wörterbücher stärker den praktischen Bedürfnissen unterschiedlicher Nutzer anzupassen, führt das Zentralinstitut für Sprachwissenschaft der AdW entsprechende Untersuchungen durch. Hierzu bitten wir Sie, die nachfolgenden Fragen zu beantworten. 1. Bitte kreuzen Sie von den im folgenden aufgeführten Wörterbüchern diejenigen an, die Ihnen bekannt sind: - Der deutsche Wortschatz nach Sachgruppen. Von F. Dornseif f . - Deutsches Wörterbuch von J. und W. Grimm. - Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache. Von F. Kluge. - Fremdwörterbuch. Hrsg. von H. Klien. - Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, mit beständiger Vergleichung der übrigen Mundarten, bes. aber des Oberdeutschen. Von J. Ch. Adelung. - Der große Duden.
Rechtschreibung.
- Großes Wörterbuch der deutschen Aussprache. - Handwörterbuch der deutschen
Gegenwartssprache.
- Kleines etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache. Hrsg. von E. Wasserzieher. - Kleines Wörterbuch linguistischer Termini. Hrsg. von G. Heibig. - Kleines Wörterbuch der Stilkunde. Hrsg. von S. Krahl und J. Kurz. - Redensarten. Kleine Idiomatik der deutschen Sprache. Von H. Görner. - Rückläufiges Wörterbuch der deutschen Gegenwartssprache. Von E. Mater. - Synonymwörterbuch. Sinnverwandte Ausdrücke der deutschen Sprache. Hrsg. von H. Görner und G. Kempcke. - Wörter und Gegenwörter. Antonyme der deutschen Sprache. Von Chr. und E. Agricola.
384 - Wörter und Wendungen. Wörterbuch zum deutschen Sprachgebrauch. Von E. Agricola. - Wörterbuch der deutschen Gegenwartssprache. Hrsg. von R. Klappenbach und W. Steinitz. - Wörterbuch der deutschen Sprache. Von J. H. Campe. - Wörterbuch der Sprachschwierigkeiten. Hrsg. von J. Dückert und G. Kempcke. - Wörterbuch zur Valenz und Distribution deutscher Adjektive. Von Κ. E. Sommerfeldt und H. Schreiber. - Wörterbuch zur Valenz und Distribution deutscher Substantive. Von Κ. E. Sommerfeldt und H. Schreiber. - Wörterbuch zur Valenz und Distribution deutscher Verben. Von G. Heibig und W. Schenkel. 2. Sie konnten sich von der reichhaltigen Palette der uns zur Verfügung stehenden einsprachigen Wörterbücher überzeugen. Nicht jeder wird alle diese Wörterbücher kennen, benutzen oder sogar besitzen wollen. Bitte beantworten Sie folgende Fragen: a) Welche Wörterbücher besitzen Sie selbst? b) Welche Wörterbücher stehen Ihnen in Ihrem Betrieb, in Ihrer Dienststelle bzw. Schule zur Verfügung? 3. Mitunter treten Fragen auf, die mit den eigenen bzw. den am Arbeitsplatz verfügbaren Nachschlagewerken nicht gelöst werden können. Haben Sie in einem solchen Fall zur Klärung eines sprachbezogenen Problems Wörterbücher ausgeliehen? ja
nein
Welche Wörterbücher waren das? 4. Haben Sie Wörterbücher im Buchhandel angesehen und dann nicht gekauft? Welche Wörterbücher betraf dies? Warum entschieden Sie sich so? 5. Kennen Sie Wörterbücher, die Sie gerne kaufen würden, aber im Buchhandel nicht bekommen konnten? Welche betrifft dies? Warum haben Sie den Wunsch, das Wörterbuch/die zu besitzen?
Wörterbücher
6. Wie erfahren Sie vom Erscheinen neuer Wörterbücher? - Kollegen teilen es mir mit -
Vorankündigungsdienst
- Tagespresse
385 - Plakate - Quellenangaben in anderen Büchern -
Weiterbildungsveranstaltungen
- andere Möglichkeiten, welche? Kreuzen Sie bitte jede für Sie zutreffende Möglichkeit an. 7. a) Schreiben Sie außerhalb Ihrer beruflichen Tätigkeit oft
selten
b) Handelt es sich dabei vorwiegend um: - Briefe - Eingaben - Artikel - Stellungnahmen - anderes (was): c) Benutzen Sie dazu Wörterbücher als Hilfsmittel, welche? 8. Benutzen Sie für berufliche Arbeiten Wörterbücher, unter anderem bei der Abfassung von - Berichten - Neuerervorschlägen - Beurteilungen - arbeitsvorbereitenden
Materialien
- anderen schriftlichen Ausarbeitungen
(welchen):
Bitte kreuzen Sie alle für Sie zutreffenden Möglichkeiten an, ergänzen Sie den letzten Anstrich und nennen Sie die dabei verwendeten Wörterbücher. 9. Denken Sie über die Sprache nach? Ζ. B. über - guten oder schlechten Ausdruck - fehlerhafte Wortwahl - unklare Formulierungen - sinnverwandte Ausdrücke - Stil - Herkunft und Verwandtschaft von Wörtern - Bedeutung oder Herkunft von Phraseologismen,
Redewendungen
- Zeichensetzung - Fremdwortgebrauch Kreuzen Sie jede für Sie zutreffende Möglichkeit an.
386 Sie haben mit
geantwortet, diskutieren Sie dann darüber
in
- der Familie - im Kollegenkreis - im Freundeskreis Kreuzen Sie jede für Sie zutreffende Antwort an. Ergänzen Sie, wenn eine für Sie zutreffende Möglichkeit nicht genennt wurde. Haben Sie bei Streitfragen Wörterbücher als 'Schiedsrichter' zu Rate gezogen? Wenn ja, welche? 10. Benutzen Sie
Wörterbücher
- häufig -
gelegentlich
- nie 11. Bitte nennen Sie 3 Wörterbücher in der Reihenfolge der keit, in der Sie mit ihnen arbeiten
Häufig-
1. 2.
3. 12. Kennen Sie die Aufbauprinzipien eines ja nein
Wörterbuchartikels?
13. Wissen Sie, wie die verschiedenen Informationen eines Wörterbuchartikels angeordnet sind? ja
innerhalb
nein
14. Lesen Sie das Vorwort eines ja
Wörterbuches?
nein
Sie haben m i t ' g e a n t w o r t e t , - vor der ersten
lesen Sie das Vorwort
Benutzung
- wenn Sie eine bestimmte Information suchen - wenn Sie mit den Angaben im Wörterbuch Schwierigkeiten haben - andere
Möglichkeiten
Sie haben mit nein geantwortet, erklären Sie bitte
warum?
387
15. Bevorzugen Sie zur Klärung von Fragen über den Inhalt Bedeutung) eines Wortes
(die
- ein fachorientiertes Nachschlagewerk, wie ζ. B. Philosophisches WB, Meyers Lexikon, Brockhaus A B C - ein sprachorientiertes Nachschlagewerk, wie ζ. B. Wörterbuch der deutschen Gegenwartssprache, Handwörterbuch der deutschen Gegenwartssprache - ausschließlich den DUDEN? Begründen Sie Ihre
Antwort.
16. Benutzen Sie Wörterbücher um Informationen zu erhalten zu: - orthographischen Fragen, die die richtige des Wortes betreffen
Schreibweise
- grammatischen Problemen, wie ζ. B. Pluralbildung, setzung usw.
Artikel-
- semantischen Fragen, wie ζ. B. Bedeutungsähnlichkeit, Bedeutungsgleichheit von Wörtern, unterschiedliche Bedeutungen eines Wortes - etymologischen Fragen, wie ζ. B. die Herkunft und Verwandtschaft eines Wortes - Fragen über die richtige Schreibweise und bei Fremdwörtern - anderen Möglichkeiten,
Aussprache
welche?
Numerieren Sie bitte diese Angaben in der Reihenfolge der Häufigkeit des Nachschlagens. Falls Sie einige der genannten Angaben überhaupt nicht nachschlagen, kennzeichnen Sie diese bitte mit 0. 17. Schlagen Sie nach um - Wissenslücken zu schließen - Zweifelsfälle zu klären - bei Ausdrucksschwierigkeiten, d. h. bei der Suche nach einem sinnverwandten Ausdruck - Bedeutungen von Wörtern zu erschließen a) bei mehrdeutigen deutschen Wörtern b) bei Fremdwörtern c) bei Wörtern, die Sie in dieser Verbindung nicht gehört haben
noch
- Verbote oder Regeln für die Verwendung von bestimmten Wortfügungen zu erhalten - etwas über stilistische Aspekte zu erfahren - andere Fragen zu lösen, welche?
388 Bitte Zutreffendes ankreuzen. 18. In welchen Wörterbüchern haben Sie in der Regel Antworten auf Ihre Fragen gefunden? Benötigen Sie für spezielle Fragen weitere Wörterbücher? ja
nein
Welche Wörterbücher für welche Fragen waren das? 19. Waren die im Wörterbuch enthaltenen Informationen Ihnen von Nutzen, haben Sie ausreichende Antworten auf Ihre Fragen bekommen? ja
nein
Haben Sie mit nein geantwortet, dann überlegen Sie bitte, ob der Grund dafür in - noch nicht ausreichender. Übung im Umgang mit dem Wörterbuch - den unverständlichen Aufbauprinzipien der Wörterbücher - der unübersichtlichen Gliederung des Wörterbuchartikels - der schlechten optischen Darstellung der Informationen liegt. Zutreffendes bitte ankreuzen. 20. Sind Sie der Meinung, daß durch Unterricht in der Wörterbuchbenutzung erreicht werden kann, daß - das Wörterbuch häufiger benutzt wird - Informationen, die es enthält, leichter erkennbar sind - Sie die Sprache bewußter anwenden? Zutreffendes bitte ankreuzen. 21. Wünschen Sie .sich von einem neuen noch zu konzipierenden einsprachigen Wörterbuch - eine übersichtlichere Gliederung des Wörterbuchartikels - eine verständlichere Beschreibung zur Benutzung im Vorwort - mehr Beispiele für die Verwendung des Wortes - mehr enzyklopädische Angaben auch in Sprachwörterbüchern - die Kennzeichnung des Charakters jeder Angabe (ζ. B. als gramm., stilist., etymolog. etc.) in jedem einzelnen Wörterbuchartikel zur besseren Unterscheidung der Informationen
389
22. Würde es Sie stören, wenn das Wörterbuch aufgrund ausführlicherer Informationen zwei und mehr Bände umfassen müßte? ja
nein
23. Welche Informationen würden Sie sich in einem einsprachigen Wörterbuch zusätzlich wünschen? 24. Sind Sie der Meinung, daß für Ihre berufliche Tätigkeit der DUDEN ausreicht? ja
nein
25. Sind Sie der Meinung, daß man den Umgang mit Wörterbüchern - lehren sollte
ja/nein
- durch Übung erlernen kann
ja/nein
Nichtzutreffendes bitte streichen.
ERHARD
AGRICOLA
ERMITTLUNG UND DARSTELLUNG DER LEXIKALISCHEN DES
MAKROSTRUKTUR
WORTSCHATZES
0.
Vorbemerkung
1. 1.1. 1.2. 1.3.
Stand der Dinge, Kritik, neue Aufgaben Synonymie- und Antonymierelationen Kollokations- und komplexe Relationen Überlegungen zu neuen Methoden
2. 2.1. 2.2.
Kernkonzepte und lexikalisch-semantische Psycholinguistische Theorie Bisherige lexikographische Praxis
3. 3.1. 3.2. 3.3.
Feldkomplexe und ihre Relationen Handlungstheorie und Perionymie Feldkomplexe (Ordnungen und Strukturen) Feldkomplex und Geschehenstyp
4. 4.1. 4.2.
Ordnungen von lexikalisch-semantischen Feldern (Megastruktur des Wortschatzes) Klassifizierung nach valenzrelevanten Merkmalen Semantische Kategorisierung
5. 5.1. 5.2. 5.3.
Multidimensionalität "Normale" Mehrfachklassifizierung Konzeptuelle Verschiebung Sensorische und kategoriale Bedeutungen
6. 6.1. 6.2. 6.3.
Innere Struktur von lexikalisch-semantischen Feldern Feld-Begriffe und ihre Probleme Wortfelder nach LUTZEIER Gliederungsmethoden und ihre Schwierigkeiten
7.
Fazit
Literatur
Felder
391
0.
Vorbemerkung
Der vorliegende Aufsatz ist als Beitrag zur aktuellen Diskussion über Wege gedacht, auf denen man die Inhalte von einsprachigen Bedeutungswörterbüchern systematisch verbessern, verändern, vervollständigen und modernisieren könnte, sowohl im Hinblick auf die verschiedenen einzelnen Informationsarten, als auch auf die Typen von Wörterbüchern überhaupt. Es handelt sich um die überarbeitete Fassung eines Kapitels aus umfangreichen Studien zu einem neuartigen Wörterbuch der lexikalischen Mikro-, Medio- und Makrostrukturen (Komplexwörterbuch 1987). "Komplex" soll hier nicht einfach "universal" oder "additiv" heißen, sondern es ist gemeint als "kombinatorisch" in neuer Sicht und über die bisherigen Angaben hinausgehend. Das Vorhaben wird so bezeichnet, weil es sein wichtigstes Anliegen - neben den gewohnten Informationen eines Bedeutungswörterbuchs - ist, dem Benutzer die Komplexität aller Systembeziehungen, die ständigen wechselseitigen Relationen sinnfällig zu machen, in denen die Elemente des Wortschatzes miteinander stehen. Anders gesagt: Es sollen nicht nur die Erläuterungen des denotativ-referentiellen Anteils der Bedeutungen (nebst nicht-denotativen Informationen) gegeben werden, sondern regelmäßig auch ihr relationaler Anteil, d.h. paradigmatische und syntagmatisch-kollokationelle Beziehungen sowie die Position im Gesamtsystem des Lexikons. Es war nicht der Zweck der Untersuchungen, eine selbständige Theorie der Lexikographie zu begründen (vgl. dazu Wiegand 1983) oder einen Beitrag zur Theorie des Lexikons zu leisten; vielmehr ging es darum, aus der Fülle von neuen, richtungweisenden, aber sehr widersprüchlichen Trends diejenigen herauszufinden, deren Erkenntnisse so reif und umfassend sind, daß sie bald in die lexikographische Praxis übertragen werden könnten, wobei die Hauptschwierigkeit darin bestand, eine Modellform des Wortschatzsystems zu entwickeln, die weder dem Vorwurf bloßer sporadischer Verbesserungen noch dem des eklektizistischen Zusammenfügens bestehender Systembeschreibungen ausgesetzt ist.
392 1.
Stand der Dinge, Kritik, neue
1.1
Synonymie- und
Aufgaben
Antonymierelationen
Semantik- und Syntaxforschung haben uns im letzten
ViertelJahr-
hundert ein völlig neues Bild vom Wesen, von der Struktur
und
der Funktion des Wortschatzsystems und, unter anderem, auch bedeutsame neue Erkenntnisse über den Charakter der
verschiedenen
Typen semantischer Relationen zwischen seinen Elementen fert. Aus der umfangreichen Literatur können hier nur
gelie-
stellver-
tretend einige wenige Autoren genannt werden, um Wege und Richtung und die hier gemeinte Sicht anzudeuten: Leisi (1953),
Lyons
(1969), Chafe (1970), Greimas (1970), Weinreich (1970), Wotjak (1971), Klix (1971), Apresjan (1974), Probleme (1981), Hundsnurscher/Splett
(1977),
Lutzeier
(1982). Wenn im folgenden von der
Makrostruktur des Lexikons (im Gegensatz zur Mikrostruktur ner lexikalischen Grundeinheiten) die Rede ist, sollen vorerst grob gesprochen, verstanden
sei-
darunter,
werden:
(a) die Beziehungen zwischen Elementen innerhalb
komplexer
Paradigmen (Felder), d.h. Synonymie, Similarität, mie/Heteronymie, Hyponymie-Hyperonymie
Kohypony-
und Opposition
(Kon-
versivität, Komplementarität, Antonymie, Kontrast) und die daraus resultierenden inneren Feldstrukturen; (b) die Ordnung dieser Paradigmen als relativ Subsysteme des Wortschatzes untereinander; (c) die Beziehungen zwischen Elementen aus
Vereinbarkeit und der
geschlossene und
unterschiedlichen
Paradigmen als (potentiell) syntagmatische Kollokationsrelationen
sowie
freie und feste
aufgrund der Regeln der
semantischen
Valenzforderungen.
Die Auffassung der Relationstypen und ihrer
Zusammenhänge
folgt im wesentlichen den Definitionen in Agricola (1975 und 1979), Probleme
(1977) und Lutzeier
(1981); sie wird im Abs. 6.
dargelegt. Die generelle Aufgabe wäre es, Vorarbeiten dafür zu leisten, daß sämtliche genannten Beziehungen zwischen
lexikali-
schen Elementen systematisch als ebenbürtige Informationen ben den Bedeutungserläuterungen der üblichen (oder einer serten) Fassung in zukünftige Wörterbücher
aufgenommen
ne-
verbes-
werden
können. Denn wegen des dialektischen Wechselverhältnisses
zwi-
393
sehen den Mikrostrukturen der lexikalischen Einheiten und deren makrostrukturellen Relationen ergeben erst beide Arten von Angaben zusammen den völligen Umfang der Bedeutung und der Anwendungsbedingungen für das Einzelelement, nämlich der denotativ-referentielle Anteil (nebst der nicht-denotativen Information)
und
die zwiefache Einbettung in das Gesamtsystem, d.h. seine Position im Paradigma und die Interrelationen mit seinen potentiellen regulären
Kollokationspartnern.
Ein nicht sehr komplexes - und dennoch nicht einfach zu realisierendes - Beispiel möge illustrieren, in welche Richtung sich die Überlegungen bewegen. Als Ausgangsinventar für die Analyse seien folgende drei ungeordnete (bzw. rein alphabetisch geordnete) "rohe" Wortfelder gegeben, die vom Verfasser in seiner Eigenschaft als Lexikograph kraft seiner eigenen Sprachkompetenz und mit Hilfe von Wörterbüchern und Informantenbefragungen
zusammen-
gestellt worden sind: I. ANLEGEN: anbauen, anlegen, anpflanzen, aufforsten, einsetzen, pflanzen, setzen, ... II. BESEITIGEN: abhauen, abholzen, ausforsten, aushauen, ausholzen, ausreuten, ausroden, durchforsten, einschlagen, fällen, hauen, lichten, reuten, roden, schneiden, stutzen, urbar machen, ... III. WALDUNG: Aue, Auenwald, Baumgruppe, Baumschlag, Baumschule, Busch^, Buschland, Buschwerk, Dickicht, Dschungel, Forst, Gebüsch, Gehölz, Gesträuch, Gestrüpp, Hag, Hain, Hecke, Heide2, Hochwald, Holz, Holzung, Horst2, Knick2, Knieholz, Krüppelholz, Lustwäldchen, Pampa, Prärie, Savanne, Schonung2, Steppe, Taiga, Unterholz, Urwald, Wald, Wäldchen, Waldgebiet, Waldland, Waldung, ... (Anmerkung: Die Indizes sollen in Zweifelsfällen darauf aufmerksam machen, daß tatsächlich eine in das gegebene Feld gehörige Lexemvariante gemeint ist, z.B.: Buscha = 'kleiner Wald mit Buschwerk' bzw. 'tropische Waldform'; Knickp = 'Erdwall mit Heckenbepflanzung'.)
394
Auf der Grundlage der zu diskutierenden theoretischen Modellvorstellung gilt es, die Elemente jedes der drei Felder unter sich nach dem Grad der Bedeutungsnähe oder -ferne (durch Vergleich der Ergebnisse der Mikroanalysen) und danach unter dem Aspekt von Zentrum/Peripherie/Grenze im Hinblick auf die Bedeutung des jeweiligen Hyperonyms zu ordnen; es folgt die Aufdeckung der hierarchisch-paradigmatischen Strukturen innerhalb der Einzelfelder, und schließlich sind die zwischen den so analysierten Feldern allgemein und im konkreten Einzelfall bestehenden antonymischen Relationen und die korrekten
Kollokationsbeziehungen
zu bestimmen: eine weitere Aufgabe wäre die Einordnung der Gesamtfelder unter ihre jeweiligen umfassenderen
Bedeutungseinhei-
ten, z.B. WALDUNG (neben FELD, GARTEN, MOOR, WIESE, ÖDLAND, ...) unter LANDSCHAFTS-/VEGETATIONSFORM und BIOTOP. Es ist ebenso bedauerlich wie erstaunlich, daß die Darstellung makrostruktureller Relationen (auch in Bezug auf einzelne Typen) in Wörterbüchern so gut wie gar nicht mit der Entwicklung der theoretisch-linguistischen Einsichten Schritt gehalten hat, obwohl doch, zumindest auf dem Gebiet der Synonymik, eine sehr lange Tradition besteht, die sich bis auf Eberhard
(1775-1802)
zurückführen läßt - dort bereits mit einer Ordnung nach der Bedeutungsnähe
und
mit Angabe der Bedeutung selbst! Es sind
jedenfalls bisher keine größer angelegten Unternehmen bekannt, mit denen versucht wird, systematisch und homogen die verschiedenen Typen semantischer Relationen zwischen den aufgenommenen Lemmata mit modernen Methoden zu erfassen und darzustellen, die ja wegen der alphabetischen Ordnung der üblichen
(einsprachigen)
Bedeutungswörterbücher - um mit diesen zu beginnen - nicht sinnfällig werden. Der Benutzer wird also nach wie vor nur sporadisch, mit konventionellen Verweismitteln und vom isolierten Stichwort aus über einige paradigmatische Beziehungen
(meist
Synonymie, gelegentlich Antonymie) unterrichtet oder es werden ihm beide teilweise als Elemente der Bedeutungserklärung
vorge-
führt und nicht expressis verbis als semantische Relationen, so daß ihm prinzipiell und im Einzelfall die Existenz von makrostrukturellen Bedeutungsanteilen und ihr Zusammenhang mit den mikrostrukturellen kaum bewußt wird.
395
Die Kritik, die Wiegand/Kuöera an Brockhaus-Wahrig
(1981/1982) und Agricola
(1980/84) auch im Hinblick auf die
(1982b)
Informa-
tionen über die Synonyme (und Antonyme) der Stichwörter üben,
trifft
im Grunde auf fast alle derzeitigen Bedeutungswörterbücher
des
Deutschen und nicht nur auf die behandelten Beispiele zu: Synonyme werden in großer Zahl zur Erläuterung der
Wortbedeutungen
mit verwendet, je nach Notwendigkeit und Möglichkeit allein oder in Verbindung mit weiteren Synonymen oder in Kombination mit Paraphrasierungen,
aber sie werden weder systematisch oder
vollstän-
dig gegeben, noch ist beabsichtigt, ihre Einordnung in ein Synonymenfeld zu zeigen. Hinter Fällen, in denen auf Synonyme
expli-
zit durch Verweisungen Bezug genommen wird, ist gleichfalls System zu erkennen. Oft sind beide Verwendungsweisen würdige Art vermengt und/oder durch einen nicht näher
auf
frag-
erklärten
"Siehe auch"-Verweis ergänzt, der der unbewältigte Ansatz synonymische, kohyponymische oder hyperonymische
kein
ist,
lexikalische
Einheiten miteinander in Beziehung zu setzen: Blähung: f
...Darmgase; Sy
a. Flatulenz,
Darmwind,
Vapeur;
Meteorismus
Und wenn schon auf Meteorismus (als Parallelerscheinung Tieren) verwiesen wird, warum dann nicht auch auf Trommelsucht und
bei
Blähsucht,
Tympanie?
Die Behandlung der Informationen über Gegensatzwörter
(i.w.S.)
zum Lemma zeigt Mängel aus ähnlichen Ursachen wie bei der
Synony-
mik. Abgesehen von einer unzulänglichen Definition dieser
Rela-
tionen und einer fehlenden Typenunterteilung,
ist die Auswahl
der Stichwörter, zu denen entsprechende Angaben gemacht
werden,
weder erschöpfend noch erkennbar systematisch erfolgt. So werden zwar als Oppositionspaare z.B. Auspuffturbine
: Stauturbine
und
die "klassischen" Fälle wie alt : .jung / modern / neu / . . . aufeinander bezogen, doch bei bitter ist nur die
antonymische
Beziehung zu süß, nicht aber die von wenigstens fünf
weiteren
Lexemvarianten angegeben. Bei so deutlichen Vorkommen wie aufladen
: abladen / abnehmen / CßichJ entladen / ... fehlt
che Angabe, so ausgefallenen Paaren wie aufhauben
jegli-
: abhauben
hingegen wird sie zugebilligt. Auch das Problem der nicht rein
396
polaren, sondern skalaren Gegensätze bleibt unverarbeitet und wird durch gelegentliches Ausweichen auf den "Siehe auch"-Verweis abgetan: labil: ...: Ggs. stabil; f a. indifferent Wörterbücher, deren Hauptanliegen es ist, jeweils nur einen
bestimmten Typ von paradigmatischen Beziehungen zu
zeigen, werden der Aufgabe, die Strukturen von Subsystemen darzustellen, wohl gerechter, wenngleich die praktischen lexikographischen Erzeugnisse auch hier hinter dem Stand der heutigen semantiktheoretischen Erkenntnisse zurückgeblieben sind. Der Typ des reinen
Antonymen
-Wörterbuches ist, gemes-
sen an der über hundertfünfzigjährigen Geschichte der Kodifizierung der Synonyme, sehr jung; das ist umso verwunderlicher, als ihnen gegenüber die lexikographische Darstellung der Gegensatzwörter relativ leicht ist. Die erste umfangreiche Sammlung von Antonymenpaaren (Agricola 1977) beschränkt sich im wesentlichen auf rein paarige Lexempartnerschaften und löst die skalaren und in anderer Hinsicht nichtpolaren Gegensätze in bipolare auf. Wichtig und neu ist die systematische Differenzierung der Antonymiepartner nach den einzelnen Varianten polysemer Lexeme: finster^
: hell, licht
finste^
: heiter, freundlich, erfreulich
finster^
: sauber, redlich, lauter
finster^
: günstig, freundlich, hell
Auch die Tatsache, daß es sich bei der Mehrzahl der Fälle nicht um Polaritäten zwischen Einzellexemen, sondern jeweils zwischen Synonymengruppierungen handelt, wird beachtet und im Vorwort (S. 22) besonders hervorgehoben und exemplifiziert. Im Wörterbuch selbst ist diese Art der Vernetzung nur auf der "rechten" Seite, bei der Angabe der Antonymenpartner, erkenntlich; die entsprechenden Relationen zwischen den Lemmata sind durch die alphabetische Anordnung
verdunkelt.
Bei der Repräsentation von
Synonymen
-gruppierungen,
die in entsprechenden Wörterbüchern unter alphabetisch geordneten Stichwörtern als "Leitsynonymen" ("semantischen Dominanten") abgehandelt werden, verwehrt der Bearbeiter sich selbst und dem
397
Benutzer den Blick darauf, welche innere, semantisch bedingte Ordnung die Elemente untereinander haben und daß sie insgesamt einem mehr oder weniger kontinuierlichen
synonymisch-(ko)hyp-
onymischen System angehören. Die Schwierigkeiten, solche Zusammenhänge durch Verweisungen kenntlich zu machen, seien an drei Stichwörtern (Beisp. 1) aus einem Synonymenwörterbuch
(Görner/
Kempcke 1973) demonstriert, nämlich an der Aufteilung und Verstreuung nahe beieinanderliegender Bedeutungselemente aus dem Bereich LADEN 'zum Zwecke der Transporte auf ein Beförderungsmittel (fort)bewegen' über mehrere Lemmata und unter andere, semantisch ferne Lexemvarianten. Beispiel 1: aufladen: 1.
völlig, ganz gesund / kerngesund
^
fest, tief
schlafen Frost
heftiger Regen / Platzregen, Wolkenbruch
oder die Funktion "Caus (x)" (= 'bewirken,
daß'/'hervorbrin-
gen') bzw. ihre Kombinationen für Relationen wie
402
Caus
(schlafen)
einschläfern
(Krise)
eine Krise
(Institut)
ein Institut
(Rakete)
eine Rakete starten (Caus Func)
(Verzweiflung)
in die Verzweiflung (Caus Oper)
(schlecht)
korrumpieren
"
hervorrufen gründen treiben
(Caus Pred.)·
Die Funktion "Liqu (x)" bezeichnet das logische Gegenteil von (=
'bewirken, daß nicht
folgende Liqu
da-
[mehrj ' ) und bezieht sich ζ. B. auf
Relationen: (Fehler)
einen Fehler
(Panik)
eine Panik ersticken,
(Spur)
eine Spur
(schlafen)
wecken
verbessern dämpfen
verwischen
Diese Funktionen können auch mehrstufige Relationen angeben; so ζ. B. "Prepar (x)" (= 'zur Realisierung
vorbereiten'):
Prepar (Messer)
»
Messer schleifen;
I, Prepar '"'(Gewehr)
^
Gewehr
laden anlegen
Prepar
^(Gewehr)
Gewehr
Prepar
^'''(Gewehr)
zielen
aber:
Der Begriff der "Funktion" kann sogar die Relationen zu extralinguistischen landeskundlichen, sachlich-enzyklopädischen formationen mit Equip
einschließen:
(Geschütz)
Bedienungsmannschaft
Mult
(Blume)
Strauß
S
Real
Teestube
loc
In-
Was dieses Wörterbuch unter dem hier zur Diskussion
stehen-
den Gesichtspunkt der Makrostruktur besonders auszeichnet,
ist
die verhältnsmäßig große Zahl von Kollokationsangaben,
und zwar
sowohl dem Typ als auch den konkreten Beispielen nach.
Unter
den 77 (semantisch definierten) "Funktionen" gibt es 37, die in unserem Sinne zu den (potentiell) syntagmatischen
Kollokations-
relationen (einschließlich der aufgrund der spezielleren beziehungen) gehören. Die Bezeichnung
"kombinatorisch"
Valenz-
im Titel
ist berechtigt, denn das Werk erfüllt neben den Aufgaben
eines
403 Bedeutungswörterbuches
durchaus diejenigen eines speziellen
phra-
seologischen Wörterbuches mit; d.h. es geht weit über die in den üblichen Bedeutungswörterbüchern
als nötig und möglich
angesehene
Art und Menge von Informationen hinaus, die paradigmatische
und
syntagmatische Beziehungen des Lemmas nur mehr oder weniger
deut-
lich und systematisch durch Kontextbeispiele,
"Fügungen",
vante Umgebungen", lose oder feste Redewendungen u.a.
"rele-
andeuten.
Es übersteigt in dieser Hinsicht aber auch nicht die Grenzen von Wörterbüchern dieser Art oder von speziellen phraseologischen xika (ζ. B. Agricola 1962) durch irgendwelche prinzipiellen
Le-
Neue-
rungen. Fast alle jüngeren lexikographischen Produkte von einem gewissen Umfang an geben einhellig
(wenn nicht durch
bewirkt!) und etwa gleichlautend das überschaubare
Übernahme
Kollokations-
netz eines Stichwortes wie Ka_ffee (Beisp. 5) so relativ wieder, wie es die Aufgabe einer derartigen erfordern
komplett
Informationsquelle
kann.
Beispiel 5: Kaffee 1. (Kulturpflanze):
K. anbauen, anpflanzen, der K. wächst,
gedeiht 2. (Früchte und Halbfabrikat): K. ernten, pflücken, mahlen
rösten,
|| grüner, gerösteter, gemahlener K. -
3. (Getränk): Κ (auf)brühen, kochen, filtern, machen, bereiten, bestellen, eingießen, anbieten, trinken (1)
übergießen,
einschenken,
|| starker, kräftiger,
guter, duftender, aromatischer,
löslicher,
dünner, koffeinfreier,
schwarzer, weißer Κ., K. komplett, eine Tasse, ein Kännchen K. 4. (kleine Mahlzeit): zum Κ einladen, bitten, K. trinken (2), einen K. geben. Dieser günstige Eindruck der Vollständigkeit und
Abgeschlos-
senheit entsteht im Beispiel Kaffee dadurch, daß es sich um die Bedeutungsvarianten und Beziehungen eines substantivischen zur Bezeichnung eines sachlichen, konkreten Nutzobjekts den diesbezüglichen Zuständen, Vorgängen und Aktionen die feste, begrenzte Kollokationspartnerbereiche
Lexems
mitsamt
handelt,
bilden und ge-
404 meinsam sogar eine Art von einfachem Semantischem Rahmen scheinlich übereinzelsprachlich
(wahr-
gültig) darstellen. Solche
Fälle
gibt es viele, sie dürfen aber nicht darüber hinwegtäuschen, sie nicht nur dem Lexikographen die geringsten
daß
Schwierigkeiten
bereiten, sondern auch dem potentiellen Wörterbuchbenutzer. wirklicher Fortschritt auf dem Gebiet der Behandlung
Ein
syntagmati-
scher Zusammenhänge bestünde darin, die Voraussetzungen zu schaffen, auch bei weniger klaren Bedeutungseinheiten mit
umfangreiche-
ren, nicht deutlich begrenzten Partnerbereichen eine
objektive
Auswahl derjenigen Informationen aufzustellen, die so
allgemein
wie möglich und so detailliert wie nötig sind, daß sie um im Einzelfall zu entscheiden, ob eine
genügen,
Kollokationsrelation
"normalerweise" zulässig ist oder nicht. Diese Notwendigkeit sich überzeugend auch an einigen Beispielen demonstrieren, Müller
die
(1984) gibt, er allerdings, um für eine Präzisierung
Bedeutungsanalysen
läßt
(durch die "Umkehrprobe") zu plädieren,
der was
ja nur die eine Seite der Medaille ist. Ihm geht es darum zu zeigen, daß die sporadische Angabe einiger Kollokationspartner ausreicht, um Bedeutungsdifferenzen
nicht
und Gebrauchsunterschiede
schen eng verwandten Lexemen (auf der Grenze zwischen
zwi-
Kohyponymen
und Synonymen) festzustellen und wiederzugeben, und - so fügen wir hinzu -, um die üblichen, korrekten Partner außerhalb Beispielsvorkommen
sicher zu
der
erschließen.
Die Gruppe folgender Verben (hier beschränkt auf die lichen" Bedeutungsvarianten und die intransitive Form)
"eigentabrocknen,
austrocknen, eintrocknen, trocknen, vertrocknen wird in den gängigen, auch den großen, Wörterbüchern fast durchweg mit
einheitlich
'trocken werden' erläutert, in zwei Fällen (aus- und ver-
trocknen) mit dem Zusatz
'völlig'. Die Angaben unterscheiden
sich
nur durch die hinzugefügten Lexeme, die als Exempel für die jeweiligen Aktanten (Subjekte), teils auch als
Kontextelemente
stehen: abtrocknen
(Erdboden, Weg, Dach,
Wäsche)
austrocknen
(Graben, Teich, Bach, See, Erdboden, Holz, Brot, Haut,
eintrocknen
Flußbett, Kehle)
(Pfütze, Tinte, Farbe, Wunde, Tortenbelag)
Blut,
405
trocknen
(Wäsche, Schirm, Fischernetz, Pflanze)
vertrocknen
(Boden, Wiese, Blume, Beere, Ast, Quelle, Brot)
Ein Benutzer kann sich also nicht darüber informieren, daß ζ. B. Lippen trocken werden, aber nicht trocknen, nicht ein-, aus-, abtrocknen und nicht vertrocknen. Er erfährt zwar, daß Wäsche, Schirme, Netze trocknen, eventuell, daß sie trocken werden und abtrocknen können, und nicht, daß sie nicht ein- oder austrocknen und nicht vertrocknen. Er kann nicht den Unterschied ablesen zwischen Wiesen, die trocken werden und die vertrocknen, und auch nicht den zwischen Farbe, die an der Wand trocknet oder trocken wird, aber in der Büchse eintrocknet. Und er wird über Hunderte anderer Fälle nicht unterrichtet, die nicht aufgeführt und nicht durch Analogie oder anders erschließbar sind. Dies sei erst möglich, stellt Müller mit Recht fest, wenn für die einzelnen Lexembedeutungen auf Mikroanalysen (einschließlich seiner Umkehrprobe) beruhende Bedeutungsangaben zur Verfügung stehen, die wenigstens die folgende Präzision haben: austrocken 'dadurch völlig trocken werden, daß einer Sache die substantiell zugehörige
Feuchtigkeit/Flüssig-
keit entzogen wird'. (Zu ergänzen wäre:
"... oder daß sie aus ihr austritt', und
ferner 'zugehörige oder nicht zugehörige, d.h. unerwünschte Feuchtigkeit', wenn man feuchte Neubauten oder überschwemmt gewesene Keller als Aktanten mit einbezieht.) Bedeutungserläuterungen von (mindestens) dieser Fassung wären dann auch die Ausgangspunkte zur Erschließung und Festlegung des Umfangs der Kollokationspartnerbereiche und Grundlage für die systematische Darstellung der Relationen zwischen ihnen.
1.3
Überlegungen zu neuen Methoden
Wegen der skizzierten und anderer Schwächen in der bisherigen Praxis der Darstellung makrostruktureller Relationen sollte nach Meinung des Verfassers der Versuch unternommen werden, in künftigen Wörterbuchtypen dem Benutzer neben den Bedeutungserläute-
406
rungen der lexikalischen Elemente, die auf einheitlichen
Mikro-
strukturanalysen beruhen müßten, zunächst deren vielfältige flechtung
in die Gesamtheit des Netzes der "klassischen"
tischen Relationen
(einschließlich der potentiell
Ver-
seman-
syntagmatischen)
zu zeigen; als deren jetzige Obergrenze ist wohl der Übergang manchen bereits eindeutig erfaßbaren Grundformen von
zu
Semantischen
Rahmen (Frames) anzusehen. Die neue Hauptaufgabe wäre es, die Zusammenhänge und die wechselseitigen Abhängigkeiten zwischen den Mikrostrukturen der Lexeme und deren Positionen in der
paradigma-
tischen und syntagmatischen Makrostruktur
darzustel-
systematisch
len und bewußt zu machen, und zwar in zwei einander
ergänzenden
Formen: explizit als im Rahmen von paradigmatischen
Subsystemen
eingebettete Einheiten und andererseits als isolierte
Einheiten
unter einem Lemma mit Bezugnahme auf die Makrostruktur. Die Aufstellung und Repräsentation eines so hyperkomplexen Systems und die spätere Übertragung
in die lexikographische
Praxis
bedeutet,
grob gesprochen, die Objektivierung, Komplettierung und wechselseitige Annäherung der beiden Grundtypen von alphabetischen und systematischen Wörterbüchern auf dem Umweg über eine völlig
neue
theoretische Konzeption. Das besagt aber auch und vor allem, neuen "Einstiegspunkt" Makrostruktur
einen
für die Aufstellung eines Grundgerüsts der
zu finden, das in alle paradigmatischen
hin nach Bedarf und Möglichkeit weitergeführt werden An der Stelle soll und muß auf eine generelle
Dimensionen kann.
Schwierigkeit
hingewiesen werden, die jeglicher Systembeschreibung des Wortschatzes entgegensteht und die auch Begründung und
Entschuldigung
dafür ist, daß die lexikographische Praxis auf diesem Gebiet nur so zögernde Fortschritte macht. Je tiefer nämlich die schen und die psycholinguistischen
linguisti-
Forschungen in die Materie
eindringen, desto mehr verstärkt sich, nicht nur im Hinblick die mikro- und mediostrukturelle
Analyse der
auf
Bedeutungseinheiten,
sondern auch und besonders bei deren Klassifizierung,
Hierarchi-
sierung und Beschreibung der wechselseitigen Beziehungen in der Makrostruktur
des Lexikons, der Eindruck, daß es sich nicht durch-
weg um ein starres, wohldefinierbares
und festliegendes,
sondern
in vieler Hinsicht um ein elastisches, dynamisches, ja in sinnund zweckvoller Weise vages System handelt. Man hat für die
diver-
407 sen Ausprägungen von Undeutlichkeit die verschiedensten Anlässe und die Erklärungen gefunden sowie eine Reihe unterschiedlicher Termini geprägt, deren Verhältnis zueinander aber keineswegs selbst deutlich und eindeutig ist, so ζ. B.: "Ambiguität", "Fuzziness", "Schlechtbestimmtheit", "Unbestimmtheit",
Undiffe-
renziertheit", "Unschärfe", "Vagheit" (u.a. bei Eikmeyer/Rieser 1978; Wolski 1980; Jäger/Koenitz 1980),
"Multidimensionalität"
bzw. "Multiaspektivität" (Bauer 1983). Gemeinsam ist ihnen grundsätzlich eines, das die lex.ikographische Fixierung der mit diesen Eigenschaften ausgestatteten Einheiten und Relationen so erschwert, nämlich der Mangel an Spezifizierung (auf den unterschiedlichsten Ebenen) oder der Mangel an exakter Korrespondenz zwischen zwei Ebenen (Bierwisch 1983b: 89/90). Dazu gesellen sich noch die Abstufung nach dem Grad der Typikalität (Rosch 1977; Putnam 1978) und das allgemeine Prinzip einer
prozeduralen
Auffas-
sung von Konzepten und Bedeutungen und ihren Zusammenhängen (Miller/Johnson-Laird 1976). Mit diesem Trend zur Dynamik und Variabilität muß sich jede künftige Wörterbucharbeit setzen, so sehr er auch der lexikographischen
auseinander-
Darstellungsweise
widersprechen mag, die ja, wenigstens in ihrer Form als polygraphisches Endprodukt, doch nur distinkt, statisch, zweidimensional und festbegrenzt sein kann. Auf die Problematik dieses Zwiespalts und einige Vorschläge, mit ihm fertig zu werden, gehen wir in Abs. 5. ein. Zunächst soll hier der Gedanke weiterverfolgt werden, von welcher "Richtung" her oder auf welcher "Höhe" einer hypothetischen Hierarchie mit der Untersuchung makrostruktureller
Zusammenhänge
begonnen werden könnte. Diese Aufgabe ist nicht zu lösen, indem man (Blickrichtung vom Hyponym zum Hyperonym) von umfangreichen Sammlungen konkreter Lexeme oder engerer Synonymengruppen ausgeht und diese in eine hierarchisch-paradigmatische Ordnung zu bringen versucht, ohne daß vorher eine genaue Definition der Bedeutung der Einheiten, der Typen von Relationen und des Status der jeweils nächsthöheren hyperonymischen Einheit generell und im konkreten Fall vorliegt. So zeigt sich ζ. B. bei einem Wörterbuch "sinnverwandter Ausdrücke" (Peltzer 1980) trotz der Gliederung des Lemmas nach Lexemvarianten, daß die Darstellung weiterhin in
408 einer Zusammenstellung
von Wörtern steckenbleibt, deren unter-
schiedliche Bedeutungsbeziehungen
zueinander
(Synonyme,
me, Hyponyme/Hyperonyme) nicht gekennzeichnet und nur
Kohypony-
undeutlich
zu erkennen sind: Haus: Obdach, Asyl, Sitz, Villa,
... - Gut, Gutshof,
... - Bauwerk, Gebäude, ..., Bruchbude,
...,
...
Oder es kommt, unter einem sehr hohen, abstrakten Hyperonym Stichwort, gar zu einer.Sammlung von Termini, die
als
Handlungs-,
Sprachhandlungs- und Texttypen angeben, deren Ziel die vom Lemma bezeichnete Auswirkung
ist:
Bedrohung: Drohbrief, Erpressung, Streik, Terror,
...,
Faust ballen, Zeigefinger erheben, na warte! Auch die umgekehrte Verfahrensweise
(Blickrichtung vom Hyperonym
zum Hyponym) , nämlich eine mehrstufige
"Weltabbild"-Ordnung
zugeben und ihr den Lexembestand als Synonymen- und
Kohyponymen-
gruppierungen zuzuordnen (Hallig/von Wartburg 1963), ergibt ne befriedigenden Lösungen, denn die Verfeinerung eines gisch-wissenschaftlichen
Systems läßt sich nicht ohne
fachliche Klassifizierung Fremdkörper
kei-
quasilo-
Widersprü-
che beliebig nach "unten" hin fortsetzen. Wie jede andere archische oder lineare Nomenklatur, der eine
vor-
hier-
extralinguistisch-
zugrunde liegt, muß diese Ordnung ein
in der Struktur des Wortschatzes bleiben (es sei
denn, Elemente und Teilstrukturen der Nomenklatur gehen in die Allgemeinsprache über und werden nach den dort gültigen rien um- und eingeordnet). Der Versuch der Kombination
Kritescheitert
meist an der Nahtstelle zwischen solchen Ordnungsweisen und den innersprachlich begründeten Formen von Makrostrukturen. Ein markantes Beispiel für die Inhomogenität durch die
unvermittelte
Koppelung beider Systeme ist Dornseiff, Abteilung 2 "Pflanze, Tier, Mensch".
2.
Kernkonzepte und lexikalisch-semantische
2.1
Psycholinguistische
Felder
Theorie
Da die genannten Methoden zur Erfassung der Makrostruktur im größeren Maßstab aller Erfahrung nach in Sackgassen führen, muß ein
409
neuer Weg eingeschlagen werden. Der Grundgedanke besteht darin, sich weder im Gestrüpp von Massen konkreter Lexeme, noch in Spekulationen über die Struktur oberer Hierarchiestufen zu verlieren, sondern auf einer noch linguistisch-semantisch zu beschreibenden Ebene mittleren Abstraktionsgrades und mit einer überschaubaren Menge repräsentativer Einheiten zu beginnen, in der Annahme, daß es gelingt, von solchen Strukturkernen aus sowohl einen organischen, widerspruchsfreien Anschluß nach "unten" hin an die Feingliederung herzustellen, als auch nach "oben" hin Einsichten in die Ordnungsweisen zu gewinnen, die nicht postuliert, sondern aus den Bedeutungen der zu ordnenden Subsysteme selbst erschlossen werden. Ein in der Psychologie und der kognitiven Linguistik
entwickel-
tes Modell der Zusammenhänge zwischen perzeptuellen, konzeptuellen und sprachlichen Strukturen (Miller/Johnson-Laird 1976) arbeitet mit dem Begriff des "Kernkonzepts" oder
"Konzeptuellen
Kerns" (Conceptual Core), dem, linguistisch gesehen, ein Hyperonym bzw. Oberbegriff von mittlerem Abstraktions- und Allgemeinheitsgrad entspricht, und der unter anderem zur Erklärung der redundanzfreien Organisation von Gedächtnisinhalten dient. Zu einem solchen umfassenden, integrierenden Kernkonzept gehört als grundlegende Struktureinheit ein "Semantisches Feld", bestehend aus einer Menge von einander bedeutungsnahen "Lexikalischen Konzepten" (Lexembedeutungen), die sich durch ihre relative Positionen wechselseitig in der Abdeckung des Feldes ergänzen; die Formative, die den lexikalischen Konzepten zugeschrieben sind, bilden das "Lexikalische Feld" des betreffenden semantischen Feldes. Ein semantisches Feld als Ausprägung eines Kernkonzepts reflektiert die Art, wie bei einem Durchschnittssprecher das Wissen und Denken über den Weltausschnitt in Form von Objekten, Zuständen, Ereignissen, Aktionen, Kausalfolgen, Intentionen usw. organisiert ist, eine Art Common-sense-Theorie darüber, "wie die Welt funktioniert". Beispiele von Kernkonzepten wären: POSSES (χ, y):
für das semantische Feld des Besitzens und des Besitzwechsels im weiteren Sinne, mit einer Bedeutung, die auf Beziehungen der sozialen Konvention zurückzuführen ist;
410 SEE (χ, y):
für das semantische Feld der
optischen
Wahrnehmung, mit einer Bedeutung, auf Prozesse der Perzeption
die
rückführbar
ist. Als Muster für ein Kernkonzept und seinen Status sei hier jenige für das semantische Feld der Bewegungsaktionen und ge angeführt, mit einer Bedeutung, die auf die
augenscheinliche,
perzeptiv erfaßbare Eigenschaft der Ortsveränderung Das Prädikat TRAVEL
zurückgeht.
(x) besagt, daß ein Objekt χ von
jemandem
als innerhalb eines zeitlichen Intervalls die Position wahrgenommen wird; als formalisierter
R.
ι
und
dargestellt:
[fortj" vom Zeitpunkt t
zum Zeitpunkt t , wenn es für jedes t^ tQ co ι—I ω ο:
ω ω ι—I ·· Ζ 10 0~l Ζ3 ^ C • 0D •Η Ό Ι-Η I · I Ε ι—I UJ — Ο ω —ί Ζ Li- ^ S '
ω •Η ε c ο α. >. χ Ν. I (-J υ Q. χ
ω •Η Ε C ο ·
Λ
C ω .c ο 10 •Η 3 Ν ω •Η Ε C • +-> C C
Τ3 C D Ζ LÜ α ι—ι LÜ I ^ I— ζ LU
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427 Komplexe Subsysteme von diesem Umfang kann man als die Ausgangs· und Grundeinheiten zur Beschreibung der gesamten Makrostruktur ansehen. Sie sind inhaltlich in sich
Wortschatz-
abgeschlossene
Gebilde, weisen aber durch die Perionymie über die Isolation von paradigmatisch-kollokationell
gegliederten Subsystemen hinaus auf
semantische Zusammenhänge im Sinne von "Situationsrahmen"
(z.B.
Minsky 1975; Schänk 1975; Fillmore 1976 und 1977), im Gegensatz zur Auffassung von den bloßen "Wortrahmen"
(ζ. B. Winograd
Ballmer 1976; Metzing 1981). Auf der anderen Seite sie, was die Mengen an jeweils zu erfassenden und
darzustellenden
Elementen und Relationen betrifft, kaum das überschaubare sowohl für den Lexikographen als auch für den
1972;
übersteigen Maß,
Wörterbuchbenutzer.
Während es sich im vorgeführten Beispiel um vier perionymisch
ver-
bundene, Aktionsphasen bezeichnende Verbalfelder unter zwei verschiedenen Hyperonymen handelt, die Valenzrelationen zu zwei ihnen gemeinsamen Aktantenfeldern mit je mehreren
Teilfeldern
unter ihren jeweiligen Hyperonymen aufweisen, ist die
Obergrenze
des Umfangs abhängig von der höchstmöglichen Zahl von
Valenzpart-
nern (je nach Auslegung vier bis fünf) und von einer nicht genau fixierbaren Zahl an Stufen oder Phasen der
Perionymierelation,
die aber fast stets im praktikablen Rahmen bleibt. Da die Ordnung nach Bedeutungsnähe stets den Vorrang vor Gleichheit oder
Ähnlich-
keit des Valenzverhaltens hat, kann die Zahl der involvierten lenzpartnerschaften
in einzelnen Phasen der Verbalfelder
schiedlich sein. Einer der Aktanten aber, und zwar
unter-
gleichbleibend
derselbe, ist ständig mit einbezogen, weil auf dieser
gemeinsa-
men Relation die Durchgängigkeit der Perionymiebeziehung
beruht
(s. Abb. 2). Anmerkung: Im Beispiel ist SCHNEIEN die Bezeichnung für das Konzept des Gesamtvorgangs von der Bildung bis zum Vergehen des Schnees.
Va-
428 SCHNEIEN
f
sich bildend kristallisieren
ί
Tiegen
fallen
f
rieseln
J
wirbeln schneien
Schnee ( x )
J
gefrie-
bedecken (
ren
einhüllen
verhar-
verwehen
schen L
'tauen
,—*
")
schmelzen vergehen
y
Straße ( y )
1 fAG 1
NIEDERSCHLAG
WITTERUNGSERSCHEINUNG •
VERKEHRSWEG Λ ι t
Abbildung 2
Verallgemeinert Grundeinheit stens)
zwei
k a n n man d i e m i n i m a l e
(Abb. in
3)
perionymischer
einem gemeinsamen
Hyperonym
misch-kohyponymisch schen Elementen, gieren,
mit
definieren
die
als
einem w e i t e r e n
s y s t e m von v a l e n z a b h ä n g i g e n
(Verben,
(wenig-
und
stehenden
Subsystemen
Valenzträger
solchen
von
zueinander
Konzept)
strukturierten) als
Verknüpfung
Relation
(bzw.
Form e i n e r
von
unter (synony-
lexikali-
Adjektive)
(synonymisch-kohyponymischen) Elementen
(Substantiven).
funSub-
429
( 0 } = SS = Subsysteme (Felder) Ο
= HYO = Hyperonyme
.... = weitere Subsysteme (kohyponymisch) s s ^ «
« β — * = hyper/hyponymische Relationen
- > @ SS2
^ — p e r i o n y m i s c h e Relationen ===> = Valenzrelationen (vom Valenzträger ausgehend)
Abbildung 3
Als Bezeichnung für diese Art von
paradigmatisch-syntagmati-
scher Grundeinheit aus der Mindestzahl von lexikalischen Feldern und den nötigen Typen an Relationen soll provisorisch der Terminus "(minimaler) Feldkomplex" eingeführt werden. In Substrukturen dieser Form überlappen sich die makro- und die megastrukturellen Ordnungsweisen; in den feldgrenzenüberschreitenden
Beziehungen
der Valenz und der Perionymie besteht der Übergang von den Makrostrukturen zur Megastruktur des Wortschatzes. Hier ist auch die Nahtstelle, von der aus die Probleme der Erfassung und Darstellung der systemhaften Zusammenhänge im größeren Maßstab sowie der Kernkonzept-Suche mit einiger Aussicht auf Erfolg angegangen werden können. Die Bedingung von
einem
gemeinsamen Hyperonym für die
in Perionymierelation stehenden Felder trifft nur dann zu, wenn es sich dabei um die Relation zwischen den sprachlichen Ausdrücken für zwei (oder mehr) verschiedene Zustände handelt. Wechseln die Phasen zwischen Bezeichnungen für Zustände und Ereignisse/Handlungen (siehe das Beispiel ANZIEHEN - ANHABEN) oder geben sie nur Ereignisfolgen (Prozesse und/oder Handlungs-
430
folgen (Aktivitäten) an, ζ. B.: ANZÜNDEN (x, v) ANBRENNEN ENTZÜNDEN
(x)
*
BRENNEN
(x)
(x) VERBRENNEN
(x)
VERLÖSCHEN
(x)
LÖSCHEN
(x, y)
dann können zwei (oder mehr) Hyperonymrelationen
involviert
sein, hier nämlich zu IN BRAND SETZEN (x, y) und BRENNEN
(x),
die beide über mehrere Zwischenstufen auf ein gemeinsames konzept, etwa ZERSTÖREN,
Kern-
zurückgehen.
Die Beschreibung von Bedeutungszusammenhängen
im weiteren
Rahmen müßte, ausgehend von derartigen minimalen
Feldkomplex-
Einheiten, stufenweise zu verwickeiteren fortschreiten,
indem
jeweils benachbarte Subsysteme in das Netz der Relationen
ein-
bezogen werden. Denn jedes der Felder als Ganzheit und die ihnen übergeordneten Hyperonyme können wiederum ihrerseits in kohyponymische, synonymische und/oder perionymische nach außerhalb der engeren paradigmatischen und
Beziehungen
perionymischen
Umgebung als einem Kerngebiet eintreten. Ort und Richtung zeichnen sich häufig schon dadurch ab, daß es Vagheiten
(im
weiteren Sinne) bei der Entscheidung über die Korrektheit
oder
Zulässigkeit bestimmter Relationen gibt, also daß das bekannte Problem von Zentrum, Peripherie und Grenze auftritt. Das betrifft im Beispiel des Feldkomplexes KLEIDUNG/ANLEGEN u.a. den Übergang vom Feld mit dem Hyperonym KLEIDUNG zu den gen kleidungsähnlicher
Gegenstände mit spezieller
(Taucheranzug, Rüstung, Maske,
Bezeichnun-
Funktion
...) oder den Übergang von Be-
zeichnungen für Kleidung im engeren Sinne zu Accessoires Schmuck und zum Peripheriefall der Orden und Abzeichen Teil der Kleidung, aber mit hauptsächlicher
Informationsaufga-
be) bis zum Grenzfall von Brillen o. ä. und gelegentlich Hüllen benutzten Gegenständen ohne Kleidungscharakter Badetuch,
und
(als
. . .), was stufenweise einhergeht mit der
als
(Decke, Beschränkung
der Kollokationspartner und dem Übergreifen in andere
Partner-
bereiche; auch die generelle Gelegenheit, das Argument χ =
431
MENSCH durch die Bezeichnung für nichtmenschliche, aber anthropomorphisierte Wesen oder Gegenstände (Tiere, Puppen) zu realisieren, steht offen. Ferner gibt es die Möglichkeit, die Felder des perionymischen Zyklus ANZIEHEN ... AUSZIEHEN um das Feld UMZIEHEN zu ergänzen, dessen Elemente eine Kombination mehrerer Stufen der Aktionen in bestimmter Reihenfolge mit festliegenden Anfangs- und Endphasen sind. Und schließlich läßt sich das gesamte verbale Subsystem einem Hyperonym der nächsthöheren Stufe UMHÜLLEN - ENTHÜLLEN zuordnen. Ganz andere Konsequenzen können sich (aber müssen sich nicht) ergeben, wenn man zur Verknüpfung von Feldkomplexen durch die Ausweitung auf andere Kollokationsrelationen der Elemente der beteiligten Felder übergeht. Das Ausmaß ist vom Umfang der Kollokations-Partnerbereiche abhängig und dieser seinerseits vom Grad der Allgemeinheit oder Spezifizierung der Bedeutungen der Felder, die als Ausgangspunkt der Relationen angesehen werden. Im Falle des erörterten perionymischen Zyklus ANZIEHEN - ANHABEN - AUSZIEHEN gibt es nach außerhalb des Bereichs KLEIDUNG kaum eine Kollokations-(Valenz-)Relation; dagegen läßt eine Folge wie BEGINNEN ... BEENDEN Beziehungen zu fast allen Bereichen zu, die geistige und körperliche Aktionen bezeichnen, ζ. B.: Leben, Arbeit , Zeichnung, Studium, Werkstück, Symphonie,
... (Agricola
1975: 78/79). Die lexikalischen Elemente des Feldes KLEIDUNG als die abhängigen Valenzpartner sind unter den verschiedensten Aspekten (KLEIDUNG ALS PRODUKT - ALS WARE - ALS GEBRAUCHSGEGENSTAND - ...) ebenfalls potentielle Partner für eine größere Zahl (verbaler) Elemente anderer, ganz unterschiedlicher
Felder
(s. Abb. 4), die ihrerseits untereinander in perionymischen Beziehungen stehen können, wobei der Zyklus ANZIEHEN ... AUSZIEHEN selbst
eine
Phase einer umfassenderen Folge wäre.
432
HERSTELLEN
VERKAUFEN/
ANZIEHEN/
KAUFEN
ANHABEN
PFLEGEN
ÄNDERN
ABTRAGEN
AUSZIEHEN
Abbildung 4 Unter welchen Hyperonymen (bzw. Kernkonzepten) einer nächsthöheren Hierarchiestufe die Verbalfelder der einzelnen perionymischen Phasen stehen und welche Beziehungen diese untereinander haben, ist eine Problematik, die erst geklärt werden kann, wenn die Modellvorstellungen von der Gesamtstruktur des Wortschatzes weiterentwickelt worden sind. Auf alle Fälle kann man jetzt soviel sagen, daß die hier dargestellten sechs (und viele andere) globalen Kollokationsbeziehungen zwischen den verbalen Feldern und dem Feld KLEIDUNG nicht gleichwertig und nicht gleich wichtig sind und demzufolge nicht exhaustiv und im Detail aufgeführt werden müssen, weil sie ja zum größten Teil für alle Artefakte zutreffen können, die als Ware, Gebrauchsgegenstand usw. verwendet werden. Solche allgemeiner gültigen Relationen wären bereits auf einer höheren, dem Feld KLEIDUNG übergeordneten Stufe der Hierarchie anzusetzen. Dagegen ist die komplette Beschreibung der Kollokationsrelationen zwischen den Feldern ANZIEHEN - ANHABEN - AUSZIEHEN und dem Feld KLEIDUNG unumgänglich, denn sie sind für beide Partnerbereiche typisch und alleinzutreffend. Es ist der wirkliche Zweck von Kleidung, getragen zu werden und nicht, Handelsobjekt zu sein, und der Zweck des Tragens wiederum, den Körper zu bedecken bzw. zu schützen, ist notwendiges Element der Bedeutungsangabe. Dabei erweist sich zugleich das Feld ANHABEN gegenüber den anderen
433
Zyklusphasenbezeichnungen auf der verbalen Seite als der eigentliche Kernbereich der Partner. Im kausalen Zusammenhang damit steht die wesentliche Frage nach der
inneren
Struktur der beteiligten, als Valenz-
abhängige fungierenden nominalen Subsysteme, nämlich die, daß zwar das Inventar dieser Felder in gleichbleibendem Umfang als Argumente/Aktanten von den Elementen unterschiedlicher, aber perionymisch verbundener Verbalfelder gefordert wird, daß jedoch jeweils die Auswahl, die Klassifizierungsaspekte und die Feinheit der Gliederung anders sind. Beispielsweise gehört zu den Selektionsmerkmalen für ein Feld NAHRUNG/SPEISE im Hinblick auf die Valenzträger-Felder ZUBEREITEN und ESSEN beide Male als Klassifikationskriterium die Beschaffenheit (Härte vs. Weichheit) des zu Essenden. Dabei reicht für den Eßvorgang eine Unterteilung dieser Aktanten "y" nach den Zuständen 'fest, hart'/' halbfest, weich'/ ' löslich'/'flüssig' und in einigen Fällen nach der relativen Menge aus. Fungieren sie dagegen als Valenzpartner für Verben der Speisezubereitung (Sommerfeldt 1983; Bergmann 1985), d.h. der vorangehenden perionymischen Aktionsphase des Garens (in Flüssigkeit oder Dampf: kochen, dünsten, dämpfen; in Fett: backen^, backen^, schmoren, braten; in Heißluft: grillen, rösten, toasten), so erfordert die Selektionsspezifizierung zumindest Subklassen wie FLEISCH, FISCH, GEMÜSE, GEFLÜGEL, BACKWARE, HÜLSENFRÜCHTE, OBST, in einer Reihe von Fällen auch die Angabe von Einzellexemen, ζ. B. Pudding (kochen), Pastete (backen^), Eierkuchen
(backen2),
Ei (kochen oder braten). Das bedeutet, daß analog (was nicht parallel heißen muß) zur Feststellung von Partnerkernbereichen aufgrund des "Zwecks" und der Relevanz nach ähnlichen Prinzipien bei der Unterscheidung von primären ("festeren", allgemeiner gültigen) und sekundären paradigmatischen Feldstrukturen gesucht werden muß.
3.3
Feldkomplex und Geschehenstyp
Gestützt wird die Auffassung von Einheiten in der Art des Feldkomplexes durch Ergebnisse der Psychologie. Klix (1984, bes. S. 17-23) ζ. B. verwendet für eine Gruppierung von Begriffen,
434 die in bestimmter Weise durch "zwischenbegriffliche verbunden sind (das sind solche, die über die d.h. hier auch innerparadigmatischen den Terminus "Geschehenstyp".
Relationen"
innerbegrifflichen,
Beziehungen
hinausgehen),
Es handelt sich dabei um eine
tente Gedächtniskonstellation mit wohlbestimmten
"la-
Affinitäten",
bei der "die bloße Stelligkeit der Argumentgruppe zu einem tungshaltigen, raum-zeitlichen Geschehen" entfaltet wird,
bedeuindem
man die Spezifik der semantischen Elementarrelationen zur Argumentstelle hinzufügt. Eine solche Gruppierung von
semantischen
Relationen weist den Begriffen bestimmte Funktionen zu, durch die eine Art Ereignisbeschreibung eben dieser Geschehenstyp,
im typologischen Sinne
entsteht,
"der von einem semantischen Kern
NEN, SCHREIBEN, TANKEN, AUTOFAHREN,
(LER-
...) aufgespannt wird" und
der den Status einer erlebens- oder verhaltensrelevanten tionsklasse" hat. So besteht beispielsweise der
"Situa-
Geschehenstyp
mit dem semantischen Kern JAGEN aus den Begriffen und
Relationen,
wie sie Abbildung
Handlungs-
träger-Relation
5 zeigt. Im Exempel kommen vor: die
(HT), die Objekt- (OBJ), die Instrument-
und die Lokationsrelation
(LOC), sowie die Relation zum
gen (unterpunkteten) Oberbegriff, (Die Stufe JÄGER — *
"Konstruktion"
tem Agens und die Finalitätsrelation
jeweili-
(K) benannt.
Mensch fehlt im Original.) Darüber
kennt Klix wenigstens noch die Aktorrelation
(INSTR)
(ACT) mit
hinaus nichtbeleb-
(FIN) als Typen.
Man könnte einen "Geschehenstyp" interpretieren als das kognitive Korrelat einer prototypischen Struktur des engeren tes und damit als Element (von propositionaler eines semantischen Situationsrahmens, vernetzten oder durch Konnektiva
Kontex-
Grundstruktur)
der aus einer
geordneten,
(Konnektoren) verbundenen
Menge
solcher Einheiten besteht und die Organisationsform des konventionellen Wissens über allgemeine soziale Situationen
darstellt.
Versucht man, diese konzeptuellen Strukturen auf den Bereich linguistisch-semantischer
Entsprechungen zu übertragen, so liegen
zwei Vergleiche nahe: Man kann die "zwischenbegrifflichen tionen" einmal ansehen als die "Funktionen" zwischen einem lexem und den Elementen seiner semantischen Umgebung E r k l ä r e n d - k o m b i n a t o r i s c h e n Wörterbuchs (1974), so daß weise die Aktorrelation ACT der Funktion "Func n
(x)"
RelaKern-
im Sinne des beispielsentspräche,
435
INSTR 1 NSTR 2 INSTR 3
Abbildung 5
HUND
GEWEHR
WAFFE
436
ζ. Β. Motor - laufen, Wind - wehen, oder die Objektrelation OBJ der Funktion "Oper^ (χ)", ζ. B. Kleidung - tragen, Fisch - fangen. Andererseits könnte man, die K-Relationen
(Hyper-/Hyponymie)
beiseite gelassen, eine strengere, nämlich semantisch-syntaktische Parallele im System der Valenzrelationen und der semantischen Kasus sehen, müßte dabei allerdings eine weite Auffassung zulassen. Denn offenbar ist die Anzahl der Typen und der Vorkommen an Argumenten/Aktanten nicht durch bestimmte theoretische Bedingungen begrenzt, und eine Beziehung wie die Lokationsrelation LOC (mit Beispielen KARPFEN - TEICH, PILOT - FLUGZEUG), die anderweit in eine nie endende Diskussion um Aktanten vs. freie Angaben und obligatorische vs. fakultative Aktanten verwickelt ist (s. u.a. Heibig 1982) steht ganz gleichwertig neben den übrigen Typen. Was aber für den vorliegenden Zusammenhang
entscheidend
wichtig ist, ist die Tatsache, daß sich darunter auch die Finalitätsrelation FIN als einzige nicht einer Valenzabhängigkeit
ent-
sprechende, sondern zwischen Verbalbegriffen bestehende Beziehung befindet: (PUTZEN - GLÄNZEN, WETTEN - GEWINNEN), die auf der Lexemebene ihr Analogon in einer (und einer nur zweigliedrigen) der oben erörterten Perionymierelationen hat. Vermutlich aber steht FIN als allgemeine Mittel-Zweck- oder
Mittel-Ergebnis-Relation
nur für eine ganze Reihe hier noch nicht erkannter oder nicht differenzierter Folgen und Relationen ähnlicher Art. So führt ζ. B. Hoffmann (1982: 87) über die genannten hinaus noch die Qualitäts-, die Zeit- und die Teil-von-Relation im selben Zusammenhang an. Wenn ein solcher Relationstyp, wie alle anderen zwischenbegrifflichen auch, nach dem Befund der Psychologie explizit im Gedächtnis.gespeichert ist (im Gegensatz zu den innerbegrifflichen, die durch Merkmais-Vergleichsoperationen
ableit-
bar sind), besteht nach Meinung des Verfassers durchaus das Recht und die Notwendigkeit, sie und ihre Erweiterungen und Kombinationen als reguläre makrostrukturelle Beziehungen anzusehen und auch als Wörterbuchinformationen
aufzunehmen.
437
4.
Ordnungen von lexikalisch-semantischen
Feldern
(Megastruktur des Wortschatzes) 4.1
Klassifizierung nach valenzrelevanten Merkmalen
Des langen Umwegs kurzer Sinn ist der, daß es sowohl der Wirklichkeit konzeptueller Strukturen näherkommt, als auch die linguistische Untersuchung und die lexikographische Darstellung des Wortschatzsystems erleichtert, wenn man dessen Aufbau nicht nur als eine Ordnung von Einzelelementen und von paradigmatischen Feldern solcher Einheiten auffaßt, sondern bereits auf einer möglichst niedrigen Hierarchiestufe Einheiten annimmt, die komplex, d.h. paradigmatisch und syntagmatisch-kollokationell und perionymisch, verknüpft sind. Umgekehrt - und damit wird der Faden des Grundgedankens wieder aufgenommen - bedeutet das, daß man sich die Entfaltung von Kernkonzepten nicht als eine bloße Subklassifizierung und Spezifizierung über mehrere Stufen und/oder in verschiedene
"Richtungen"
hin zu Subkonzepten und schließlich zu benachbarten oder paradigmatisch einander zugeordneten semantischen bzw. lexikalischen Feldern vorzustellen habe, sondern daß diese Felder, zumindest von der linguistisch-semantischen Ebene an, in der besagten Weise als "Feldkomplexe" miteinander verwoben sind und dadurch in vielen Fällen die Ausprägungen von mehreren (gleichzeitig oder wechselnd) involvierten Kernkonzepten darstellen. Dies wiederum hätte seine Konsequenzen für die Frage nach einer Ordnungsstruktur der Kernkonzepte untereinander, eingeschlossen die Frage nach ihrer approximativen Anzahl, die an die Psycholinguistik zu stellen wäre. Denn auch auf dieser Ebene ist sicher kein bloßes Nebeneinander einer ungeordneten Menge von Kernen zu vermuten, sondern wenigstens die Existenz der beiden Grundprinzipien von stärkerer bzw. geringerer Ähnlichkeit und von umfassenderer und weniger umfassender Allgemeinheit. Die Antworten darauf lassen voraussichtlich noch geraume Zeit auf sich warten; dennoch sollte bis dahin die Weiterarbeit an der lexikographischen Darstellung des Wortschatzes in systematischer (nicht-alphabetischer) Ordnung nach plausiblen und nachvollziehbaren Bedeutungszusammenhängen auch im Bereich umfangreicherer
438 Subsysteme auf den höheren Klassifikationsebenen nicht brachliegen. Empirisch-induktive
("Megastruktur")
lexikographische
Versuche,
auf neuen Wegen in diesen Bereich vorzustoßen, gibt es in der Nachfolge von Dornseiff und Wehrle/Eggers kaum. Aber als Beispiele Neuansätze mit mehr oder weniger verwandter praktischer
für
Zielset-
zung sollen zwei Arten von Unternehmen vorgestellt werden,
von
denen die eine auf die Klassifizierung
ihrer
von Verben aufgrund
inhärenten valenzrelevanten Merkmalsanteile
(Funktoren)
hinaus-
läuft (Gerling/Orthen 1979; Heibig 1983), während die andere "semantische Kategorisierung
des Verbthesaurus aus der
selbst heraus" charakterisiert wird und mit den "Bedeutungsähnlichkeit",
als
Sprache
Grundrelationen
"Präsupposition" und "Aktionsphase"
riert (Ballmer/Brennenstuhl
1981a und
ope-
1981b).
Die erstgenannte Art der Ordnung des Verbalbestandes ist entwickelt worden als Voraussetzung für die Angabe der hungen der verbalen lexikalischen Einzelelemente schreibung ihrer Funktoren und zusätzlich der
Valenzbezie-
in Form der Be-
Selektionsbeschrän-
kungen für die abhängigen Valenzpartner. Eine provisorische
Grob-
klassifikation unterscheidet zunächst nach den Merkmalen tisch >
und
Aktivität>
die Klassen der Zustands-,
und Tätigkeitsverben; die weitere Feingliederung erfolgt inhärenter valenzrelevanter
Merkmale der zu ordnenden
Im Falle Gerling/Orthen wird die Klassifizierung
sta-
Vorgangsmittels
Verben.
auch noch mit
Hilfe von valenz-irrelevanten Merkmalen (Modifikatoren) bis hinab in detaillierte kohyponymische Teilfelder weitergeführt. Dort ergeben sich aufgrund der Ordnung nach dem Valenzverhalten,
dessen
Fixierung ja das Ziel ist, semantisch sehr unterschiedlich gene Gruppen. Beispielsweise trifft man unter den
homo-
prädikativen
Zustandsverben die ziemlich gleichmäßige Klasse der Verben des Leuchtens (glimmen, funkeln, strahlen,
...) an, die im Abs. 6.
bei der Feldgliederung zur Diskussion stehen wird.
Andererseits
aber befinden sich bedeutungsmäßig so verschiedene Lexeme in einer Klasse wie schlafen
... blühen, bluten
jeweils
... dürsten oder
brennen... schmecken. Auch in den mittleren und oberen
Rängen
der Hierarchie, die im Zusammenhang mit den hier erörterten
Pro-
blemen der makrostrukturellen Ordnung von Interesse sind, werden bereits Einheiten, die unter semantischem Aspekt und dem Blick-
439
Winkel der Ableitung von gemeinsamen Konzepten als eng benachbart anzusehen sind, getrennt und tauchen an entfernteren
Positionen
der Struktur auf; so gibt es etwa jeweils an zwei Stellen Teilfelder der Verben der Bewegung und der Wahrnehmung. Vor allem aber fällt die Tatsache auf, daG, abgesehen von terminologischen Unterschieden, auf Hierarchiestufen, die unterhalb derer von einem Abstraktionsgrad wie K - Zustand > — > Bewegung^
< - Aktivität>
— »
liegen, Heibig und Gerling/Orthen generell zu recht
unterschiedlichen Klassifikationsergebnissen kommen, wie ζ. B. der Vergleich der jeweiligen Subsysteme der Tätigkeitsverben zeigt (s. Abb. 6 und 7). Selbstverständlich können und müssen derartige Ordnungen je nach der zugrunde gelegten theoretischen Auffassung, nach Zweck und Ziel der Aufgabe differieren. Ein Teil der Diskrepanzen ist wohl auch auf die Tatsache zurückzuführen, die für jegliche Analyse- und
Differenzierungsoperationen
gilt, daß nämlich - einen Schwankungsbereich durch alle Typen sprachimmanenter Vagheit zugestanden - die Ergebnisse einer Klassifizierung nur nach
einer
Art von Kriterien (hier einem
mehr oder minder zweckgebunden aufgestellten Merkmalsinventar) und nur in
einer
Dimension
(hierarchisch-paradigmatisch)
allein keine über das betreffende Vorhaben hinausgehende
Gültig-
keit beanspruchen können. Als zusätzliche Schwierigkeit tritt die Kombination von zwei verschiedenen Zielen auf: Einmal handelt es sich um eine Kategorisierung von Lexemen nach semantischen Merkmalen, die aber von einer Ordnung überlagert wird, mit der das Valenzverhalten der Elemente der auf die erste Weise erreichten Subkategorien charakterisiert wird, d.h. die die Gleichheit oder die Differenzen in den (aus inhärenten semantischen Merkmalen abgeleiteten) Valenzmerkmalen und ihren Kombinationen
(Kasusrol-
len) zeigen soll. Weil aber semantisch sehr nahe benachbarte Elemente sehr unterschiedliches Valenzverhalten aufweisen können und umgekehrt, muß eines der beiden Klassifikationsprinzipien
darunter
leiden, es sei denn, man ordnet das eine dem anderen strikt unter; denn auf keine der beiden Sorten von Informationen kann verzichtet werden. Für die in unserem Zusammenhang angewandte Betrachtungsweise haben dabei semantische Relationen unbedingt die Präferenz. Ein Modell auf dieser Grundlage, das aber wiederum auf
440 Gerling/Orthen
Bewegung^
Bewegung> Kommunikation>
Sprache> Abbildung
Heibig
+ "Handlung
6
(19B3):
Aktivität>
^ - M o t i o n des < + W o t i o n ^+Relation> Subjekts> des O b j e k t s >
^-Relation >
Abbildung
7
441
die Behandlung syntagmatisch-valenzmäßiger Beziehungen ganz verzichtet, wird anschließend besprochen.
4.2
Semantische
Kategorisierung
Einen Großversuch, lexikalische Einheiten nach semantischen Kriterien mit Einbeziehung von neueren Erkenntnissen über kognitive Strukturen (Semantische Rahmen) und Strukturen der Handlungstheorie zu ordnen, haben Ballmer/Brennenstuhl (1981a und 1981b) unternommen. Es handelt sich um einen Verbthesaurus in Form einer strukturierten Hierarchie von lexikalischen Feldern, der auf empirischem Weg nach folgender Kategorisierungsmethode
in sechs Stufen entstan-
den ist: (a) Auswahl von etwa 8.000 einfachen Lexemen (mit rund 13.000 Lexemvarianten) des verbalen Allgemeinwortschatzes aus den 20.000 Lemmata von Mater (1966). (b) Aufstellung von 1.300 "Verbalkategorien"
(entsprechend
Synonymen- und/oder Kohyponymengruppen) auf der Grundlage der durch Paraphrasierung mit Basisverben verifizierten
"Bedeutungs-
nachbarschaft" (meaning adjacency) und Benennung der Kategorie mit dem "sprechendsten" Verb, das von allen übrigen Verben impliziert wird; ζ. Β.: TÄTIG SEIN: schaffen^
=
'pflichtgemäß tätig sein'
wirtschaften^
=
'organisatorisch tätig sein'
forschen
=
'zum Erkenntnisgewinn tätig sein'
basteln
=
'per Hand zum Vergnügen tätig sein'
dilettieren
=
'in nichtprofessioneller Weise tätig
sein'
(c) Zusammenfassung der Verbalkategorien zu 40 "Modellen" oder "Modellrahmen" (s. Beisp. 8); die Ordnung zwischen den Kategorien ist die Abfolge während des typischen Verlaufs einer Handlung (Ruhezustand, Beginn, Beschleunigung, Progression,
Verlangsamung,
Ende, Ruhezustand), eingeschlossen die Vorbereitungs- und die Bewertungsphase, und die Tatsache, daß zwischen den Kategorien eines
442
Modells Präsuppositionsrelationen bestehen, d.h., die der zweiten bis n-ten Phase setzen einige oder alle vorangegangenen voraus. Beispiel 8: "Aktionsmodell" 1. WÜNSCHEN wünschen
(Auszug): 5. TUN: tun
hoffen
durchführen
brennen auf
machen
sich sehnen nach
basteln
gerne haben (würden)
schaffen
2. WOLLEN: beabsichtigen intendieren sich vornehmen wollen 3. PLANEN: planen aushecken prädisponieren konzipieren 4. ANFANGEN: losschießen losarbeiten
tätig sein 6. ZUM ABSCHLUSS BRINGEN: zum Abschluß bringen beenden vollenden fertig machen abschließen 7. ERFOLG HABEN: arrivieren reüssieren Erfolg haben 8. MISSERFOLG HABEN:
sich dranmachen
versagen straucheln
in Angriff nehmen
scheitern
beginnen mit anfangen (d) Klassifizierung der Modelle, ebenfalls nach den Relationen der Bedeutungsnachbarschaft und der Präsupposition, im Rahmen eines übergreifenden Modellsystems zu 11 "Modellgruppen"; ζ. B. werden in der Modellgruppe Κ ("Vom Menschen gesteuerte
443 Produktion und Zerstörung von Objekten") die Modelle Konsum-, Regenerationsmodell"
(in dieser Abfolge)
"Produktions-,
zusammengefaßt.
(e) Ordnung der "Modellgruppen" insgesamt wiederum nach der Präsuppositionsordnung,
beginnend mit solchen, die sich auf
fache Zustände und zustandsartige Vorgänge beziehen, und
tend zu Gruppen mit komplexeren Prozessen, mit zunehmender von Argumenten/Aktanten und mit wachsender Steuerung der bzw. Handlungen im Hinblick auf den Einfluß und den grad des Agens-Aktanten. Die Gruppen und ihre (in Kurzfassung) sind A.
=
B.
ein-
fortschreiAnzahl
Prozesse
Aktivitäts-
Inhaltsbezeichnungen
folgende:
Zustände
G.
=
Einfluß und Bewirkung
Zustandsprozesse und Prozesse
H.
=
Eingriff
I.
=
Behandlung und Bearbeitung
K.
=
Produktion und
C.
=
Existenz
0.
=
Eigenschaften Relationen
E.
=
Bewegung
L.
=
Transaktion
F.
=
Erfahrung und Perzeption
M.
=
Sondermodelle
und
Destruktion
Im Rahmen dieser Abfolge von "Modellgruppen" besteht auf Grund der genannten Kriterien beispielsweise eine Sequenz von len", wie sie in Abbildung 8 dargestellt
ist.
(f) Mit einem letzten Schritt erfolgt die des Verbinventars
Totalklassifizierung
(Abb. 9), deren Ergebnis der von
bzw. Heibig gewonnenen Ordnung (Zustandsverben vs. verben, letztere gegliedert in Tätigkeits- und sehr ähnlich
ist.
"Model-
Gerling/Orthen Nicht-Zustands-
Vorgangsverben)
444 Modellgruppe Ε.
Modelle:
(Bewegung von beweglichen
(Modellsequenz)
Objekten im Raum), umfaßt unter anderem:
»
"Bewegungsmodell"
Modellgruppe H.l.
(Voraussetzung für:)
(Gesteuerte aktive Eigenbe-
I
wegung von Individuen), umfaßt unter anderem:
*·
"Aktivbewegungs-Modell" und "Ortswechselmodell"
I I
Modellgruppe I. (Gesteuerte Handhabung von Ob-
(Voraussetzung
jekten und Individuen), umfaßt unter anderem:
^
für:)
"Transportmodell" und "Fahrmodell":
"Transportmodell" : Transport vorbereiten - (be)lade - transportieren -
ab-, aus-, entladen - auspacken "Fahrmodell": starten - beschleunigen - fahren
- verlangsamen - (an)halten Abbildung Einfache Allgemeinverben rozeßverben
Abstrakte Verben (Modellgruppen Α., 0.) Zustands-Prozeß-
Aktionsverben
Verben (Modellgruppen B.,
(Modellgruppen
C., Ε., F., G.)
Η., I., Κ., L.)
Abbildung 9
445
Wie sich leicht erkennen läßt, wurde um der Anpassung an die konventionelle (konzeptuell begründete?) Dreiteilung des Verbalwortschatzes willen zumindest bei den Modellgruppen A. bis D. das Prinzip durchbrochen, d.h. es mußte von einer Folge zusammenhängender, einander präsupponierender Handlungsphasen
abgegangen
werden. Zu untersuchen wäre, ob diese Notwendigkeit ihren Grund in Schwächen der Klassifizierungs- und Zuordnungskriterien bzw. der Stufenfolge hat, oder ob es sich auch hier um ein Indiz für die zwei getrennt nebeneinander existierenden Systemaspekte und die entsprechenden Ordnungsweisen handelt, die nicht widerspruchsund komplikationslos aufeinander zu beziehen sind. Trotz dieses Handikaps und trotz möglicher Kritik an Details der Hierarchisierung (ζ. B. wegen der Klassifizierung der Sprachhandlungsverben; s. Meibauer 1982; Holly 1983), sowie trotz der nur Andeutung gebliebenen, den krönenden Abschluß oder eine Verlegenheitslösung bildenden Modellgruppe M. für sonst nicht klassifizierbare speziellere Aktivitäten, die jeweils komplexe, den semantischen Rahmen ähnliche Modelle aus Modellen anderer Modellgruppen darstellen (Modelle "Besuch", "Begräbnis", "Hausbau" usw.), darf man das Unternehmen insgesamt als den gelungenen Versuch bewerten, größere Lexemmengen, entsprechend modernen theoretischen Erkenntnissen und mit der "durchschnittlichen"
Sprachkompetenz
vollziehbar, nach durchgängigen, sprachimmanenten Kriterien zu ordnen. Es müßte also die Aufgabe in Angriff genommen werden, mit Hilfe einer solchen oder ähnlichen Modellvorstellung ein homogenes makro- und megastrukturelles Ordnungsprinzip zu finden und zu beschreiben, dessen oberste Kategorien sehr allgemeine, objektiv nachweisbare (den Kernkonzepten entsprechende)
Merkmalskomplexe
sind, die untereinander in einsichtigen linearen und/oder hierarchischen Beziehungen stehen und von denen aus die Bedeutungen sämtlicher Subsysteme, Feldkomplexe, Felder und Einheiten generell als Ableitungen oder Modifikationen, selbstverständlich auch als kombinierte Ergebnisse von verschiedenen Ableitungswegen mit "Querverbindungen", zu begreifen sind. Das geschilderte Unternehmen gibt aus folgendem Grund zu der Hoffnung Anlaß, daß bei der Suche nach derartigen Kernkonzepten zwar der Psycholinguistik
446 eine wesentliche Rolle zukommt, daß sie aber auch mit
"klassi-
schen" linguistischen Methoden vorangetrieben werden kann, wenigstens was die lexikographischen Bedürfnisse betrifft: Brennenstuhl haben ermittelt, indem sie die zentralen
Ballmer/
Begriffe
der Paraphrasierungen für die Lexeme der Verbkategorien
("Katego-
rienamen") ihrerseits paraphrasierten, daß die Menge von elf Basisverben dazu ausreicht und daß sogar nur fünf von ihnen für die Umschreibung der relevantesten verbalen Konzepte
notwendig
sind: ABLAUFEN, BENUTZEN, BERÜHREN, BESTEHEN AUS, GELTEN, GESCHEHEN, VERSUCHEN, VERURSACHEN,
EXISTIEREN, WAHRNEHMEN,
WOLLEN.
5.
Multidimensionalität
5.1
"Normale"
Mehrfachklassifizierung
Würde es somit gelingen, eine derartige oder ähnliche tisierung des verbalen Anteils (als "Gerüst") des
Systema-
Gesamtwort-
schatzes durchzuführen, stünde es als eine der nächsten bevor, generelle Gliederungsprinzipien der internen der
substantivischen
Felder und ihre
Aufgaben
Strukturen
makrostrukturel-
len Zusammenhänge zu erkunden, und zwar sowohl in deren Eigenschaft als "statische", autonome paradigmatische Subsysteme, auch in ihrer "dynamischen" Funktion, jeweils Mengen von
als
(poten-
tiellen) abhängigen Valenzpartnern für Verben zu sein, die in wechselnden Gruppierungen gefordert werden. Sofern sich dieser Wechsel nicht nur als unterschiedliche Auswahl, also
Umklassifi-
zierung, innerhalb ein und desselben Feldes auswirkt, taucht als generelles Problem bei einer nicht geringen Zahl
lexikalischer
Elemente und Felder verstärkt die Möglichkeit der variablen oder vielfachen Klassifizierung unter verschiedenen Aspekten auf, die sich als Mehrfachunterordnung
("Kreuzklassifikation":
1982; "Multidimensionalität"/"Multiaspektivitat": auswirkt. Die Erforschung der dahinterstehenden
Hoffmann
Bauer
19B3)
Regularitäten
und ihre Darstellung befindet sich noch relativ am Anfang. Hauptprobleme und die Aussichten für ihre Behandlung in der
Einige lexi-
447
kographischen Praxis werden im Zusammenhang mit den anschließenden Betrachtungen über die Arten von hierarchischen Ordnungsrelationen erörtert, die
zwischen
lexikalischen Feldern beste-
hen, deren Elemente die sprachlichen Ausprägungen nominaler Kernkonzepte sind; im Abs. 6. wird u.a. das Prinzip der Möglichkeit variabler paradigmatischer Gliederung
innerhalb
von lexi-
kalischen Feldern in Abhängigkeit von den wechselnden Partnerforderungen unterschiedlicher Valenzträger behandelt. Den derzeitigen, völlig unbefriedigenden Zustand bei der Darstellung von hierarchisch-systematischen Beziehungen zwischen Lexemen in einem jüngst erschienenen einsprachigen Bedeutungswörterbuch (bezogen auf die Bedeutungserläuterungen und die metasprachlichen Angaben) hat Wunsch (1985) an Lemmabeispielen wie Lebewesen, Stück, Hund, Gegenstand, Sache usw. festgestellt, wobei die Mehrfach-Klassifizierbarkeit eine wesentliche Rolle spielt, ohne daß sie als solche expressis verbis genannt würde. Um die prinzipiellen Ursachen für die strittigen Fälle der Kategorisierbarkeit und einen festen Bezugspunkt dafür, oder besser: ein mehr oder minder objektiv feststellbares,
invariables
strukturelles Grundgerüst abzugrenzen, seien zunächst einige Beispiele für die hier nicht gemeinten "normalen" Typen von Einfachvs. Mehrfachklassifizierung lexikalischer Einheiten (Lexeme/ Lexemvarianten oder ganze synonymisch-kohyponymische Felder) genannt. Dabei geht es um die Fragen, ob ein solches Element oder Subsystem, und wenn ja, wievielen und welchen Positionen im Gesamtsystem, d.h. welchem oder welchen Hyperonymen (bzw. Konzepten), es jeweils zuzuordnen sei. Die Antworten auf diese Fragen hängen theoretisch generell und im praktischen Einzelfall davon ab, für welche Auffassung man sich bei der mediostrukturellen Gliederung der Lexeme (unter Beachtung der Kriterien ihrer Synonymie- und Kollokationsrelationen) entscheidet; aber jedenfalls kann und muß eine Entscheidung gefällt werden, damit es zu einem fixierbaren, "statischen" lexikographischen Ergebnis kommt. Aus der Betrachtung ausgeklammert werden sollen hier die un1 2 strittigen Homonyme (Homographen/Homophone): Marsch - Marsch; 1 2 dichten - dichten. Desgleichen unproblematisch ist die differierende Kategorisierung der einzelnen Lexemvarianten polysemer
448
Einheiten, sofern diese wegen der deutlich unterscheidbaren Denotate bzw. Referents klar voneinander abzugrenzen sind: Becken^
'große Schüssel, Schale'
Becken^
'ausgekleideter Wasserbehälter zum Schwimmen
Becken^
'geschlossener Hohl- bzw. Sedimentations-
oder zur Haltung von Wassertieren' raum der Erdoberfläche' Becken^
'Musikinstrument aus zwei flachgewölbten Metallscheiben'
Becken^
'Knochenring im Unter-/Hinterleib des Menschen und höherer Wirbeltiere'
Becken^.
'Gewerbezeichen der Friseure'
Hingegen sind auf ein gemeinsames Konzept und eine entsprechende Grundbedeutung zurückzuführen und demzufolge ein und derselben Position im lexikalischen System zuzuweisen die mindestens vier Varianten des Lexems traurig (nach Neubert 1978), obwohl sie unterschiedliche Synonymie- und Valenzpartner haben: traurig^
'im Zustand χ sein'
v
bekümmert, betrübt,
niedergeschlagen , freudlos , . . . (Person, Witwe, Kind, ...) traurig^
'den Zustand χ ausdrückend' * deprimiert, bedrückend, beklemmend, trauervoll,
. . .
(Gespräch, Stimmung, Äußerung, Gesicht, traurig^
'den Zustand χ verursachend'
y
...)
betrüblich,
trauererregend, deprimierend, schmerzlich , . . . (Anblick, Erlebnis, Roman, traurig^
...)
'durch den Zustand χ zu charakterisieren' (a) ^ trostlos, freudlos, unerfreulich, (Lage, Zustände, Zeiten, Schicksal, (b)
... ...)
beschämend, kläglich , erbärmlich, jämmerlich,
...
(Rest, Berühmtheit, Erbe, Rolle, ...) Bei den beiden folgenden Lexemen Schnee und Leber würde man wiederum zu unterschiedlichen Entscheidungen gelangen, obwohl die Differenzierung in der Mediostruktur (jetzt nur in Bezug auf die "konkreten" Bedeutungsvarianten) nach dem gleichen Kri-
449
terium
'verschiedene Zustände ein und desselben Referents' jeweils
zwei Varianten ergibt, die sich auch im Wechsel der verbalen Valenzträger ausdrücken (Agricola 1975: 67 und 84). Während Schnee in beiden "Unterbedeutungen", nämlich
'Niederschlag in Form von
Flocken aus Eiskristallen, die aus der Atmosphäre fallen' und 'Niederschlag in Form der Anhäufung von Flocken aus Eiskristallen, die die (Erd)oberfläche bedeckt', dem Feld des Hyperonyms WITTERUNGSERSCHEINUNG zugehören würde, erfordert Leber als ORGAN und als SPEISE eine doppelte Unterordnung, da es sich im zweiten Fall um eine von der ursprünglichen Funktion weit entfernte, zweckgerichtete, beabsichtigte Veränderung des Zustands des Objekts handelt.
5.2
Konzeptuelle Verschiebung
Genau an diesem Punkt aber setzt die eigentliche Krux aller Kategorisierungen ein, nämlich der Streit um den MaGstab dafür, von welchem Grad der (wie immer begründeten und nach welchen Kriterien vorgenommenen) Abweichung an eine Trennungslinie zwischen zwei selbständigen und daher unterschiedlich zu klassifizierenden Einheiten gezogen werden kann, soll oder muß. So hat man schon seit längerem u.a. mit dem Begriff des
Hypersemems
ge-
arbeitet (Agricola 1975: 48/49), um bei der Analyse von Textvorkommen polysemer Lexeme die Fälle zu erfassen, daß zwar die Lexemvarianten theoretisch genügend exakt voneinander abzugrenzen sind, aber in vielen Kontexten nicht einzeln, sondern nur in bestimmten Kombinationen mehrerer von ihnen aktualisiert werden können oder sollen (ζ. B. zweit: 'Zählung, Gleichzeitigkeit' / 'zeitliches Nacheinander' / 'Wertung, Rang' / 'räumliches Neben- oder Nacheinander'). Außer daß andere Ziele auch andersartige
Auffassungen
erfordern, kommt eine Problematisierung durch neuere Erkenntnisse der Psycholinguistik hinzu, und zwar durch das Phänomen der "konzeptuellen Verschiebung" (Bierwisch 1983a, 1983b, 1983c). Es besagt, auf die vorliegende Aufgabe hin gerafft und zugespitzt, etwa folgendes: Ein Lexem, wie ζ. B. Schule, das konventionellerweise als in vier Lexemvarianten gliederbar angesehen wird: Schule^
'Institution'
Schule«
'Gebäude'
450
Schule^
'Ensemble von
Prozessen'
Schule^
'Institution als
Prinzip',
repräsentiert zwar vier verschiedene heiten, es ist aber
semantisch
blick auf diese Unterscheidung.
konzeptuelle unspezifiziert
Ein-
im Hin-
Es handelt sich nach dieser
Auf-
fassung also nicht um vier Intensionen, sondern um Unterschiede in den Extensionen von verschiedenen Vorkommen des Wortes. Die differierenden
Extensionen, d.h. konzeptuellen Strukturen,
geben sich als Spezifizierungen von neutralen,
er-
unspezifizierten
Merkmalen der Intension, die einem bestimmten Schema folgen. Die vier konzeptuellen Einheiten bilden eine einschlägige familie", zwischen denen Beziehungen der folgenden Art Prinzip (x, y)
'x ist das. Prinzip, auf dem y beruht'
Lokalität (x, y) 'x ist die Lokalität für y' Prozeß (x, y)
'x sind die durch y determinierten Prozesse'
Auf den konkreten Fall übertragen heißt
das:
Prinzip (Schule^ , Schule^) Lokalität
(Schule2,
Prozeß (Schule-^, und als Schema
Schule^)
Schule^)
zusammengefaßt: Schule
4
Prinzip Schule,
Prozeß
Lokalität
Schule^
Abbildung
10
Schule
3
"Konzeptbestehen:
451
Es ist also, vereinfacht gesagt, eine dreistufige schiebung zwischen
'Prinzip',
'Institution' und
Konzeptver-
'räumlichem
Ob-
jekt' zu konstatieren; ähnliche Beziehungen gibt es etwa für 'Gattung',
'Struktur',
'Ereignis' o.a. Die Variantenbildung
eng mit dem Charakter der betreffenden Konzepte verbunden; kann auch komplexere Formen annehmen und damit das hier essierende Problem der einfachen bzw. mehrfachen der Differenzierungsprodukte
ist sie
inter-
Kategorisierung
sowohl verschärfen als auch verklei-
nern. Das Schema der Varianten der Konzeptfamilie wisch 1983c: 84), die im Deutschen durch
Oper'
eine
(Bier-
lexikalische
Einheit erfaßt wird, stellt sich dar wie in Abbildung
11 ange-
geben . 0£er6
Abbildung 11
4
Oper^
Prinzip
Fixierung
Oper-y Oper^ Prinzip Realisierung Oper?
«· Element
Opern
0£er4
Prozeß
Lokalisation Oper^
'Informationsform'
Oper,,
1
Opernaufführung'
Oper^
1
Partitur '
°Per4 Oper^
'Institution' 1
Gebäude'
Oper5 °Per6 Oper^ °Per8
'Prinzip der
Informationsform '
'Prinzip der
Institution'
'Opernbetrieb'
Hier lassen sich zwei "Unterfamilien" erkennen, von denen eine um Oper^
('Institution'), die zweite um Oper^
('Informations-
struktur') konzentriert ist, wobei letztere über
Zwischenstufen
die Zweckbestimmung der ersteren gibt. Bierwisch schließt die Darstellung dieses Beispiels mit der Bemerkung:
"Es ist hier
452
nicht entscheidend, ob etwa ein Gebrauchswörterbuch für die verschiedenen Varianten Unterlemmata angeben würde. Wesentlich ist hier nur die Strukturierung einer Konzeptfamilie
..." Wenn, wie
in der vorliegenden Arbeit, unter anderem die Möglichkeit einer recht feinen mediostrukturellen Gliederung der Lexeme in Bedeutungsnuancen zur Benutzerinformation das Ziel ist, kann die Methode in doppelter Hinsicht hilfreich sein. Einmal trägt sie dazu bei, Lexemvarianten gegebenenfalls objektiv weiter zu differenzieren und diese spezifizierten Bedeutungen regel- und sinngemäß zu gruppieren, und ferner für den Wörterbuchartikel eine begründbare, wenn auch nicht (wenigstens bei den gegebenen Beispielen nicht) allein denkbare Reihenfolge zu liefern. Zum anderen wäre sie ein Weg, die Zahl der nötigen Varianten der makro- bzw. megastrukturellen Kategorisierung.auf ein überschaubares Maß, nämlich etwa die Zahl der jeweiligen "ünterfamilien" zu reduzieren. Dagegen sind die beiden anderen Fragenkreise, die im selben Zusammenhang behandelt werden, vorläufig wohl kaum in Überlegungen einzubeziehen, die sich mit der Verwertung
theoretischer
Forschungsergebnisse für die Lexikographie befassen, weil beide das Problem von Kontextinformationen und kontextueller
Varian-
tenbildung mit enthalten. Zum einen ist es das Phänomen, das Bierwisch provisorisch die "konzeptuelle Differenzierung" nennt und das inhaltlich auf ein Prinzip hinausläuft, das mit der "konzeptuellen Verschiebung" verwandt ist. Es handelt sich darum, daß ζ. B. die Lexemvarianten von verstehen differenziert sind, jedoch unter ein und denselben "Oberbegriff" fallen, daß aber die Erklärung durch syntaktische und semantische Mehrdeutigkeit (im Sinne von 'akustisch/intellektuell/moralisch
verstehen') von vornherein
ausgeschlossen wird. Eine Deutung als "unscharfer Begriff" wird gleichermaßen zurückgewiesen, da sich die verschiedenen, für die Varianten relevanten Bezüge beliebig scharf unterscheiden lassen und nicht allmählich ineinander übergehen. Statt dessen wird die Differenzierung auch dadurch erklärt, daß eine in der lexikalischen Systembedeutung nicht spezifizierte Variable im Äußerungskontext mit einem bestimmten Wert belegt wird. Und als Folgeproblem zur konzeptuellen Verschiebung und/oder Differenzierung, aus der Annahme, daß beide nicht zur semanti-
453 sehen Repräsentation gehören, ergibt sich, daß auch das Selektionsproblem nicht durch semantische Selektionsbeschränkungen
erfaßt
werden könne, sondern vielmehr auf der konzeptuellen Ebene als Folge der Interpretation der semantischen Repräsentation in bezug auf den jeweils unterschiedlichen Kontext erklärt werden muß; es erweist sich somit als exemplarische Domäne der Interaktion semantischer und konzeptueller Strukturen. "Ehe hier Vorschläge für generellere Prinzipien gemacht werden können, müssen jedoch zunächst die unzulänglich untersuchten und ziemlich verwickelten Fakten besser verstanden sein" (Bierwisch 1983c: 93).
5.3
Sensorische und kategoriale
Bedeutungen
Alle gezeigten Typen von Schwierigkeiten bei der Kategorisierung waren eingangs als "normale" Fälle bezeichnet worden, weil sie ihre Ursache in den natürlichen Mehrdeutigkeiten und Unscharfen sprachlicher Zeichen überhaupt und besonders in den Kombinationen solcher Unbestimmtheiten bei polysemen Lexemen haben. Sie sind vielfältig und widerspruchsvoll, aber sie sind lösbar, d.h. man kann sich für
ein
Auffassungsprinzip und danach bei jedem
Einzelvorkommen entscheiden. Ein Lexem hat im extremen Fall so viele verschiedene hyperonymische Beziehungen, wie die Mikround Medioanalyse diskrete Varianten ermittelt hat, nach welcher Methode auch immer. Das wirkliche Problem bei der Erkundung und Darstellung der hierarchischen Relationen zwischen lexikalischen Einheiten bzw. Feldern (als Gesamtheiten) und ihren Hyperonymen, die eigentliche Multidimensionalität, beruht aber auf dem generellen Phänomen des möglichen mehrfachen Blickwinkels: "X ALS Y ODER ALS Z", dabei steht "X" für ein lexikalisches Feld (und seine Einheiten) in der Position des Hyponyms relativ zu
zwei
oder mehr Einhei-
ten (oder Konzepten) "Υ, Z, ..." in der Position des Hyperonyms. "ALS" ist dabei sehr weit gefaßt und kann interpretiert werden u.a. als: 'in der Funktion von ...'; 'in der Eigenschaft von ...'; 'als eine Form von ...';
454
'als Symptom für
...';
'unter dem Aspekt des/der 'im Hinblick auf
...';
. . . '
Als Illustration soll hier vorläufig nur ein einfaches
Beispiel
(s. Abb. 12) gegeben werden (über die unterschiedliche
Relevanz
der Kategorisierungsmöglichkeiten
Felssturz
^
s. weiter
unten).
ALS
GEOTEKTONISCHE
ERSCHEINUNG
ALS
ELEMENTAREREIGNIS
ALS
VERKEHRSHINDERNIS
Abbildung 12 Umgekehrt sind unter dem Hyperonym ELEMENTAREREIGNIS
(s. Abb.
eine Reihe von Erscheinungen aus drei unterschiedlichen und Bedeutungsbereichen
(Hydrologie, Meteorologie,
Sach-
Geotektonik)
wegen ihrer gemeinsamen Funktion als juristisch relevante, tentielle Schadensverursacher auch Felssturz
zusammengefaßt, unter denen
befindet.
(Hydrologie:) Hochwasser Sturmflut Überschwemmung (Meteorologie: ) Hagel Schneedruck Blitzschlag
ALS
ELEMENTAREREIGNIS
Orkan (Geotektonik:) Bodensenkung Erdbeben Erdrutsch Felssturz Vulkanausbruch
Abbildung
13
13)
posich
455
Die Ursache für diese Art der mehrfach möglichen Kategorisierbarkeit liegt darin, daß es (nach den Forschungsergebnissen der Psychologie) zwei Typen oder Stufen von begrifflichen
Repräsenta-
tionen gibt (Hoffmann 1982; Hoffmann/Ziessler/Grosser
1984; Klix
1984), die man - unter Beachtung aller Unterschiede zwischen Begriff (Konzept) und Bedeutung (s. z.B. Probleme 1977) - auch auf den abgestuften Allgemeinheitsgrad von lexikalischen Bedeutungen übertragen darf: (a) Sensorische Begriffe': Begriffe wie 'Baum', 'Apfel' usw. fassen Objekte zu Klassen aufgrund von angebbaren anschaulichen Merkmalen zusammen. Ihre Repräsentation im Gedächtnis wird hauptsächlich durch diese Art von Merkmalen bestimmt, die obligatorisch und definierend in dem Sinne sind, daß sie allen Objekten der Klasse zukommen und mit anderen Merkmalen konjunktiv
verbunden
sind. (b) Kategoriale Begriffe: Begriffe wie 'Werkzeug',
'Tier',
'Nahrung', die Objekte unterschiedlicher Form, Gattung, Konstruktion usw. aufgrund gemeinsamer funktionaler Beziehungen als "Begriffskollektionen" zusammenfassen, sind im wesentlichen im Gedächtnis durch eine strukturierte Menge (disjunktive
Verknüpfung
von ihnen zugehörenden Unterbegriffen repräsentiert, d.h. durch Beispielbegriffe mit Merkmalsfunktion (= Komplexmerkmale). Hierher gehören ζ. B. Kategorialkonzepte wie 'Edelstein',
'Elementarereignis 1 ,
'Gift', 'Haustier',
'Maschine',
ment', 'Nahrung', O b s t ' , 'Ungeziefer',
'Fahrzeug',
'Möbel',
'Gemüse',
'Musikinstru-
'Schmuck', 'Spiel',
'Unkraut',
'Vieh', 'Werkzeug', 'Wild', ...
Zwischen beiden Begriffsformen gibt es kontinuierliche Übergänge. Die Unterscheidung hängt mit dem Abstraktionsgrad der Begriffe zusammen, wobei die speziellsten Begriffe durch anschauliche Merkmale gekennzeichnet sind, deren Anteil mit steigendem Abstraktionsgrad abnimmt und durch Komplexmerkmale ersetzt wird. Die relativ allgemeinsten noch sensorischen Begriffe in einer solchen Hierarchie heißen "Primärbegriffe"; sie fassen die relativ umfangreichsten Objektmengen auf einer gerade noch anschaulichen Generalisierungsstufe mittels der geringsten Anzahl anschaulicher
456 Merkmale zusammen. Primärbegriffe charakterisieren aber keine bestimmte Hierarchiestufe; die Ebene des Übergangs von der sensorischen zur kategorialen Repräsentation
(s. Abb. 14) liegt bei
den unterschiedlichen Begriffs- (bzw. Bedeutungs-)Bereichen verschiedener
I 1 I Τ
Nahrung lr
Gemüse iü
Möhre jh
Karotte
in
Höhe.
1 I 1
Fahrzeug ri
Lebewesen
1 1
Wasserfahrzeug fc
Tier
Schiff hi
. Vogel .....
Segelschiff sc
1
kategoriale Begriffe
=
Primärbegriffe
Raubvogel
I 1
Kogge
= sensorische Begriffe
Adler
Steinadler Abbildung
14
Diese generelle Möglichkeit nun, sensorische Begriffe aus eng benachbarten als auch aus entfernten Bereichen einem beliebigen Aspekt der gemeinsamen Funktionen,
sowohl
unter
Wirkungen,
Zwecke o.ä. zusammenzufassen und einem kategorialen Begriff liebigen Abstraktionsgrades unterzuordnen bzw. kategoriale fe unter denselben Bedingungen einem noch abstrakteren kategorialen, macht es notwendig, um überhaupt zu einer maßen stabilen und überschaubaren Ordnung zu gelangen, schiedlich relevante und usuelle Typen der
beBegrif-
anderen einigerunter-
Multidimensionalität
festzustellen, ähnlich wie bei der Auswahl der wesentlichen
Kol-
lokationsrelationen.
kann
Ausgerüstet mit einem solchen Maßstab,
man darangehen, für die Darstellung der makro- und megastrukturel-
457
len Relationen des Wortschatzsystems bei mehrfachen Kategorisierungsmöglichkeiten etwa nach Kriterien wie "normal/nötig/üblich" "möglich" - "ungewöhnlich" o.a. zu differenzieren, um danach über die Notwendigkeit der Aufnahme in die lexikographischen Produkte entscheiden zu können. Welche Formen dabei u.a. auftreten, soll anhand einiger Beispiele (auf der lexikalischen Ebene) demonstriert werden (GA = gemeinsamer Aspekt der Kriterien): Hirsch: 3 Unterordnungsmöglichkeiten 1. (GA [unterhalb von ' Lebewesen '3 : 'zoologische etwa unter die Folge von Hierarchiestufen:
Verwandtschaft')
'materielles Objekt' -
'Lebewesen' - 'Tier' - 'Säugetier' - 'Paarzeher' - "Wiederkäuer'; 2. (GA 'nach Konvention oder Gesetz jagdbar') unter die Folge: 'Wild' - 'Hochwild' - 'Haarwild' - 'Schalenwild' - 'Rot-/Edelwild'; die höchste Stufe ('Wild') ist eine Teilmenge als Auswahl aus einander entfernten Subkategorien ('Vögel' und der Kategorie
'Säugetiere')
'Tier', die unter dem genannten GA zusammengefaßt
werden (s. weiter unten). 3. (GA 'Nutzung als Nahrung') unter die Folge: 'Nahrung' 'Speise' - 'Fleischspeise' - 'Braten' - 'Wildbret', aus einem sehr weit entfernten
Bedeutungsbereich.
Alle drei Klassifizierungen sind durchaus üblich, und die Angabe der Einordnungen müßte in die Bedeutungserklärung oder in zusätzlichen Angaben über makrostrukturelle Relationen der lexikalischen Einheit Hirsch eingehen, unabhängig davon, ob man sie semantisch als ein, zwei oder drei Elemente auffaßt. Ahnlich verhält es sich mit der Multidimensionalität ζ. B. von Saphir, das eine Position im Teilsystem der chemischen Bezeichnungen ('Aluminiumoxid'), eine andere unter den mineralogischen ('Korund') einnimmt, in der Allgemeinsprache aber hauptsächlich unter der Kategorie
'Edelstein', wiederum als Teilmenge der
beiden anderen, unter dem GA 'große Härte, starker Glanz, hohe Lichtbrechung, Durchsichtigkeit, Polierfähigkeit, seltenes Vorkommen und daher von relativ hohem Wert', eingeordnet wird. Dazu kommt die fachlich-technische, aber schon fast allgemeinsprachliche Variante
'Tonabnehmerspitze'.
458
Einen Ermessensfall bilden Beispiele wie Birke oder
Tanne,
die außer ihrer konkreten Bedeutungen, denen zufolge sie unter 'Laub-' bzw. auch unter
'Nadelbaum' und
'Baum' und in dieser
Eigenschaft
'Holzart' (als Material, Rohstoff) klassifiziert
den, noch als Schmuck und Symbole im Brauchtum fungieren
wer-
(Pfing-
sten, Weihnachten). Hier ist die Grenze zur enzyklopädischen
In-
formation erreicht, und es muB entschieden werden, ob das Wissen um konventionelle Typen der Symbolik zur sprachlichen zu rechnen
Bedeutung
ist.
Eindeutiger verläuft die Trennungslinie bei der Auswahl den Kategorisierungsmöglichkeiten unter die Folge mengen
für Esel: neben der
unter
Unterordnung
'Einhufer' - 'Säugetier' - 'Tier', sowie die Unter-
'Haustier' und
'Transportmittel'
'Transporttier'
ist etwa
(Reit-, Trag-,
Zugtier)··
' Zirkustier' , O p f e r t i e r '
nicht mehr
zu erwägen und erst recht nicht ζ. B. die Fixierung einer chen, aber weder typischen noch nötigen Klassifizierung
mögli-
als
'Frachtgut'; hier handelt es sich um die außersprachliche
Kennt-
nis des Sachverhalts, daß alle materiellen Objekte bis zu bestimmter Größe und/oder bestimmten Gewicht transportabel sind, d.h. die Eigenschaft haben können, vorübergehend
Transportgegenstand
zu sein. Schwierigkeiten dieser Art im Prinzip und im Einzelfall der Aufstellung einer Ordnung im Bereich der
bei
substantivischen
Konzepte treten vor allem in der Zone des Übergangs von
sensori-
schen zu kategorialen Begriffen, also grob gesprochen, auf mittleren Hierarchiestufen, auf, und es muß der Versuch werden, ob sie mit den beiden erörterten Kriterien schiede in den K a t e g o r i s i e r u n g s m ö g l i c h k e i t e n
unternommen (Relevanzunter-
und in den
Relationen
zu den Valenzträgern) gemindert werden können oder ob noch weitere Parameter zu ihrer Reduktion gebraucht werden. Letzteres
gilt
auf alle Fälle bei kombinierter Multidimensionalität, d.h., wenn bei der Systematisierung
auf mehreren Hierarchiestufen
hinter-
einander die "Möglichkeit der mehrfachen Kategorisierbarkeit
be-
steht und/oder die Reihenfolge der Stufen nicht zwangsläufig jektiv festzulegen ist. So kann ζ. B. im Feld WILD, in dem der Kollektivbezeichnung
(unter
Wild als Hyperonym) die Benennungen
Auswahl von Säugetieren und Vögeln, also aus sehr weit
obeiner
voneinander
459 entfernten zoologischen Klassen und Ordnungen, unter dem Aspekt der gesetzlich oder historisch-konventionell
geregelten
Jagdbar-
keit zusammengefaßt sind, jedes lexikalische Element zwei klassen mit je zwei kohyponymischen oder antonymischen
Sub-
Gruppen
zugeordnet werden, nämlich Haarwild vs. Federwild, aber
gleich-
zeitig auch Hochwild vs. Niederwild. Beim Haarwild, aber nur unter dessen Anteil von Niederwild, wird noch das Raubwild klassifiziert, jedoch ohne Gegensatz zu »Friedwild
gesondert
(wie bei
Raub- vs. Friedfisch). Die Gruppe Federwild steht, häufiger ter der synonymischen Bezeichnung Wildgeflügel, derjenigen Hausgeflügel gegenüber, die beide dem gemeinsamen
unvon
Hyperonym
Geflügel unterzuordnen sind. Dies wiederum wird im Handels- und Alltagssprachgebrauch aber als Antonym zu Wild ("Wild- und Geflügelhandlung") benutzt (Agricola 1983: 21). In den oberen Rängen der Hierarchie spielt das Phänomen der Multidimensionalität
anscheinend keine so grundlegende,
"normale"
Rolle mehr; allerdings zeigt das erörterte Beispiel Esel
(u.a.
'Lasttier' - 'Transportmittel'), daß auch auf einer relativ Ebene, wie einer Subkategorie von TIER, die
hohen
Mehrfachkategorisie-
rung noch erforderlich sein kann (vergleiche auch Karl 1983: 31). Im übrigen scheint ein allgemeiner Konsens darüber zu bestehen, daß die ersten Stufen unterhalb eines obersten Knotens
MATERIEL-
LES etwa die in Abbildung 15 skizzierte Struktur haben
dürften;
• MATERIELLES
ORGANISCHES II
BESEELTES"II
MENSCH
It
ANORGANISCHES
"UNBESEELTES"/ PFLANZE
NATUROBJEKT
TIER Abbildung
15
ARTEFAKT
460 die Knoten tragen hier improvisierte Bezeichnungen und haben mehr den Charakter von Etiketten für elementare Konzepte bzw. Kernkonzepte als von lexikalisierten
Hyperonymen.
Über die Struktur der übrigen zwei (oder drei?) obersten Kategorien, die man als ZUSTAND/EREIGNIS und
IMMATERIELLES/MENTALES
deklarieren könnte, besteht weder Klarheit noch Einigkeit. Hier gibt es noch grundlegende (psycho)linguistische Forschung zu leisten, wie generelle Konzepte der Art 'Raum, Zeit, Dimension, Relation, Qualität, Bewegung' und solche aus dem Gebiet des Ideellen, der Moral, des Gefühls, des Willens usw. zu klassifizieren seien.
6.
Innere Struktur von lexikalisch-semantischen
6.1
Feld-Begriffe und ihre Probleme
Feldern
Seit der ersten anschaulichen Darlegung des Feld-Begriffes mittels eines größeren Beispiels durch Trier (1931) sind zahlreiche, immer präzisere theoretische Vorstellungen entwickelt, Dutzende zum Teil sehr widersprüchliche Definitionen
aufgestellt
und viele praktische Einzelanalysen durchgeführt worden, um Status, Form, Grenzen, Inhalte und Strukturen von lexikalischsemantischen Feldern als den kleinsten Subsystemen des Lexikons nachzuweisen, so daß es sich hier verbietet, auch nur andeutungsweise auf die vielfältige Entwicklung einzugehen. Aber außerdem trifft für diese Problematik naturgemäß verstärkt zu, was für die eingangs geäußerte Kritik an der Qualität der Angaben von makrostrukturellen Beziehungen sowohl in allgemeinen Bedeutungswörterbüchern, als auch in speziellen Verzeichnissen bestimmter einzelner paradigmatischer Relationen gilt: Es sind in jüngerer Zeit zwar eine Reihe von Feldern größeren Umfangs in ihrer ganzen Tiefe untergliedert und analysiert worden, beispielsweise die Verben de's Beförderns mit rund 200 Elementen durch B. Wotjak (19B1 und 1982a, b, c), aber es wurde bisher noch keine nennenswerte Anzahl von Feldern zusammenhängend und/oder nach ein und demselben theoretischen und methodischen Prinzip linguistisch aufgearbeitet und dargestellt, geschweige denn für die lexiko-
461
graphische Verwendung im Sinne eines systematischen Thesaurus zubereitet. Deshalb soll und darf für die vorliegenden Zwecke, nach der Klärung einiger allgemeiner Fragen, als Bezugspunkt und Diskussionsgrundlage für die Erörterung der Probleme eine bestimmte Untersuchung herausgegriffen werden, die sich durch theoretische Schärfe auszeichnet, aber dabei nicht die Bedürfnisse der Praxis aus dem Auge verliert, und die ein gut Teil des "Wortfeld-Erbes" aufgenommen und verarbeitet hat, nämlich Lutzeier (1981). Übereinstimmung besteht in neueren Arbeiten weithin darüber, daß ein Feld lexikalisch-semantischer Einheiten als primäres Kennzeichen die Eigenschaft haben muß, aus einer geordneten Menge von Lexemen zu bestehen, die zusammen und einander ergänzend die verschiedenen spezielleren Aspekte einer gemeinsamen übergeordneten Bedeutungs- bzw. Begriffseinheit abdecken. Zwei Auffassungen aus sehr unterschiedlichen Forschungsrichtungen mögen als Belege dafür genügen: Coseriu: Ein Wortfeld ist in struktureller Hinsicht ein lexikalisches Paradigma, das durch die Aufteilung eines lexikalischen Inhaltskontinuums unter verschiedene in der Sprache als Wörter gegebene Einheiten entsteht, die durch einfache
inhaltsunter-
scheidende Züge in unmittelbarer Opposition zueinander stehen (1967: 294). - Ein Wortfeld ist eine paradigmatische
Struktur,
die aus lexikalischen Einheiten besteht, die sich in eine gemeinsame Bedeutungszone teilen und in unmittelbarer Opposition zueinander stehen (1970a: 111). Miller/Johnson-Laird (1976: 279): Obwohl alle hyponymischen und "Teil-von"-Hierarchien einzeln als "ist ein"- und "hat ein"Relationen zwischen Paaren von Begriffen definiert werden können, scheint die hierarchische Struktur immer als ein Ganzes bewußt zu sein; es ist so, als ob jedes Wort in der Struktur Teil der Bedeutung jedes anderen Wortes sei, und das wird im allgemeinen unter "semantischem Feld" verstanden
... . Semantische Felder
sind Gruppen von lexikalischen Konzepten, die durch ihre relativen Positionen in ein umfassenderes, abstrakteres Konzept integriert sind (nämlich den konzeptuellen Kern eines semantischen Feldes) und die unterschiedliche Aspekte dieses Konzepts bezeichnen .
462 Die Zusammenstellung
des Inventars an Einheiten, die unter
einem gemeinsamen Hyperonym
(oder Konzept) zu einem Feld
gehören,
ist die eine Hälfte der Aufgabe, und sie ist je nach dem Umfang an Elementen, dem angestrebten Grad an Vollständigkeit und der Schärfe der Abgrenzbarkeit mehr oder weniger schwierig.
Ihr
zweiter Teil, eben die Gliederung des "Inhaltskontinuums" der "Bedeutungszone" und die Zuweisung der "relativen
oder
Positionen",
ist die weitaus unerquicklichere Arbeit, weil es dafür
offenbar
keine einfachen, durchgängigen, stets eindeutig handhabbaren
Kri-
terien gibt. Diese, jedem lexikographischen Praktiker nur zu gut bekannte Tatsache und eine Begründung dazu hat Wolski
beispielsweise
(1980: 233/234) auf folgende treffende Kurzformel
"Bei der theoretischen Rekonstruktion lexikalischer ... spiegelt sich je nach Wortschatzbereich in Maße die Schlechtbestimmtheit
Paradigmen
unterschiedlichem
von Inhaltsstrukturen wider,
es darum geht, Umfang und Art der zur Basis gewählten schen Einheiten
gebracht:
wenn
lexikali-
(Lexeme) vom Rang η zu erfassen, sowie die diffe-
renzierenden oppositiven Seme und die Archieinheiten auf
jewei-
ligen Rängen η + 1." Und er führt sie darauf zurück, "... daß Einheiten von Wortrang, die in einem graduell oppositiven
Ver-
hältnis zueinander stehen, gegenüber möglichen theoretisch baren Gliederungsprinzipien
- eben auch solchen
hierarchischer
Art - indifferent sind, d.h. sie geben eine, grundsätzlich die meisten Wortschatzbereiche
erfaßfür
anzunehmende, Offenheit in Hin-
blick auf mögliche Rekonstruktionsversuche
... in besonderem Maße
zu erkennen." Konkreter gesprochen heißt das, es sind bei der Analyse der Makrostruktur
lexikalisch-semantischer
kompletten Felder
der Darstellung ihrer Ergebnisse wenigstens die fünf
und
folgenden
grundsätzlichen Aufgaben durchzuführen, deren jede einzeln oder in Kombinationen aber mit dem Problem der
Vagheit
konfron-
tiert werden kann; es gilt also: (a) die Inventare derjenigen Mengen von lexikalischen
Elemen-
ten (Lexemen oder Lexemvarianten) zusammenzustellen und so klar wie möglich einzugrenzen, deren Bedeutungen gemäß einer rischen Analyse ihrer semantischen Mikro- bzw.
proviso-
Mediostrukturen
(auf der Grundlage der Sprachkompetenz der Bearbeiter)
jeweils
463
insofern miteinander verwandt sind, als sie einem generellen deutungsanteil, d.h. eines oder mehrere Kernseme und damit (oberstes) Hyperonym bzw. Konzept, gemeinsam
Be-
ein
haben;
(b) die Inventarmengen nach immer spezielleren
Gesichtspunk-
ten in Teilmengen zu zerlegen, die als Elemente jeweils nur noch untereinander synonyme oder quasisynonyme halten, falls sie nicht nur aus
einem
(c) die paradigmatischen Relationen
(similare) Lexeme Element
ent-
bestehen;
(der Elemente) der so ge-
fundenen Teilmengen untereinander aufzudecken, d.h.
einerseits
ihre Position in der "Horizontalen", je nach dem Grad der onymie als Kohyponyme mit unterschiedlich starken
Heter-
Bedeutungsdif-
ferenzen und/oder perionymischen Zusammenhängen, und
andererseits
ihre Stellung in der "vertikalen" Hierarchie, die direkte über mehrere Stufen vermittelte Relation zwischen den
oder
Teilmengen
(bzw. ihren Elementen) als den Hyponymen und dem Hyperonym des gesamten Feldes, zu eruieren; (d) die über die Feldgrenzen hinausreichenden
perionymischen
Beziehungen, einschließlich der Antonymie im engeren und im weiteren Sinne, und die K o l l o k a t i o n s - / V a l e n z - R e l a t i o n e n
festzustel-
len ; (e) die s y n o n y m i s c h - q u a s i s y n o n y m i s c h e n
Elemente der
Teilmengen
des Feldes soweit wie möglich nach dem Grad der Ähnlichkeit gegebenenfalls nach Kriterien ihrer nicht-denotativen
und
Informatio-
nen zu ordnen, was meist im Wechsel mit der Präzisierung und Abstimmung der mikrostrukturellen Analyseergebnisse
einhergeht.
Die Struktur von Wortfeldern in dieser Komplexität und Vollständigkeit ist bisher noch nicht beschrieben worden. Die meisten Untersuchungen begnügen sich mit Teilaufgaben daraus, sei es, was die Auswahl der Inventare von lexikalischen Einheiten sei es durch die Beschränkung auf einzelne Typen von und von Gesichtspunkten der Subklassifizierung.
Für
überschreitende Beziehungen liegen (außer mit der
betrifft,
Relationen feldgrenzen-
Antonymie
i.w.S.) noch gar keine Erfahrungen vor; und es fehlt bislang eine erprobte, präzise Methodik für die Feingliederung
onymischen Teilfeldern. Genaugenommen kann man sich nur auf nisse in bezug auf die "klassischen" paradigmatischen
auch
von synErgeb-
Verhältnis-
464 se von Hyperonymie/Hyponymie
(Allgemeines/Besonderes,
Genus/Spezies u.ä., d.h. "Generalisierung und Kohyponymie/Inkompatibilität
6.2
Wortfelder nach
—m·
Ganzes/Teil,
Spezialisierung")
stützen.
Lutzeier
Eine exaktere Definition des Wortfeld-Begriffes,
die auf
diesen
beiden Formen semantischer Relationen und einer Reihe von ebenso exakten Subkategorisierungskriterien
beruht, hat in jüngerer
Zeit,
wie erwähnt, Lutzeier (1981) gegeben. Die Synonymie, im Sinne einer Bedeutungsähnlichkeit
von ζ. B. ängstlich = bänglich oder
besonnen = bedacht, wird von ihm zwar konstatiert, aber weder als paradigmatische Relation behandelt oder definiert, noch als Definiens-Element für das Feld herangezogen, und zwar aus
folgendem
Grund: "Bei einem Verständnis von Synonymie als strikter
Bedeu-
tungsgleichheit gibt es kein Wortfeld, das nur aus untereinander synonymen Wörtern besteht. In diesem Fall gäbe es keine
Dimension,
die eine Zerlegung der Menge bewirken würde" (S. 146). Erst ter, in Lutzeier
(19B3), werden synonyme Wortmengen mit
doch ausdrücklich unter der Bezeichnung
spä-
behandelt,
"lexikalisches Netz" vom
Begriff des lexikalischen Feldes abgehoben. Er bezieht sich dabei auf die Ähnlichkeit mit "semantischen Netzen" in der Psychologie und der künstlichen Intelligenz
kognitiven
(ζ. B. Quillian
196Θ).
Man darf hoffen, wenn es gelingt, in dieses Wortfeldmodell fehlenden Relationstypen organisch zu integrieren, es mit Aussicht auf Erfolg bei der Übertragung
in die
die
einiger
lexikographische
Praxis als "Grundgerüst" eines lexikalisch-semantischen
Feldes
verwenden zu können, um für die üblichen empirischen oder rein intuitiven Methoden einen einheitlichen und objektiven
Bezugspunkt
zu haben. Lutzeier hebt allerdings hervor, man müsse es
illusions-
los sehen, daß der Maßstab auch der formalisierten Semantik sogenannte "natürliche" Semantik ist, die Sprachkenntnis
die
des
"normalen" Muttersprachlers also, deren letzte Instanz (neben dem Wörterbuch und Texten kompetenter Sprecher) die eigene darstellt (1983:
Intuition
153).
Lutzeiers Grundgedanken sind etwa folgende: Wortfelder lische Felder) sind geordnete Mengen von lexikalischen
(lexika-
Einheiten;
465
die Strukturen eines Feldes sind sowohl von den
semantischen
Eigenschaften des Feldes (als Ganzheit) als auch von denen Elemente bestimmt. Die hierarchische und die kontrastive
seiner
Ordnung
sind die beiden elementaren Prinzipien der Organisation. Die Bedeutung eines Wortes - was immer sie ist - wird auf die
Bedeutun-
gen der anderen Wörter in der paradigmatischen Menge mit Hilfe dieser beiden semantischen Relationen bezogen. Die Einheiten Wortfeldes gehören jeweils ein und derselben syntaktischen
eines
Kate-
gorie an, und sie sind die Menge der Repräsentanten von möglichen Ausdrucksintentionen
bezüglich eines gemeinsamen
(vorgegebenen)
"Aspektes". Der Aspekt ist die einheitliche semantische
Grund-
lage aller Wörter eines Feldes. Aspekte sind nichts anderes als Bedeutungen im Sinne der "natürlichen" Semantik, die als metasprachliche Ausdrücke verwendet werden; manchmal gibt es dafür nur die Möglichkeit der umschreibenden oder komplexen Form der Familie der Hahnenfußgewächse',
('Gattung
'temporale R e l a t i o n e n 1 ) .
lexikalische Einheit fällt unter den Aspekt A, wenn ihre
Eine
Bedeu-
tung eine Spezifizierung oder ein Teil der Bedeutung von Α ist (Tanne unter den Aspekt Aspekt
'Kieferngewächse'; kreischen unter den
'Bremsgeräusche'). Häufig kann ein Aspekt durch ein ob-
jektsprachliches Grundwort Wg (Archilexem) ausgedrückt
werden.
Unter den Aspekt Α zu fallen, heißt für ein lexikalisches
Element
dann, hyponym zum Grundwort Wg bezüglich des Aspekts Α zu sein. Jeder Menge lexikalischer Elemente unter einem Aspekt
sind
endlich viele "Dimensionen" zugeordnet, die eine Zerlegung
in
Untermengen bewirken, von denen jede einen "Namen" erhält.
Durch
die Namen der Zerlegungsmengen, denen ein Element angehört, und die semantischen Relationen zu anderen Elementen ist die Position jedes Elements im Hinblick auf die semantische Struktur des Feldes definiert. Ein Teil eines Wortfeldes, der selbst die gungen eines Wortfeldes erfüllt, und dessen semantische
BedinStruktur
in die semantische Struktur des Ausgangsfeldes eingebettet heißt "Teilfeld" des Ausgangsfeldes. So ist das Feld der
ist,
Bezeich-
nungen der männlichen Verwandten ein Teilfeld des Feldes der Verwandtschaftsbezeichnungen. Beispiel für die Zerlegungsstufen: Ein Wortfeld aus Elementen der syntaktischen Kategorie Substantive unter den Aspekt nahmen'; als eine der Dimensionen tritt
'Ein-
'Berufsgruppen' auf, deren
466 eine Zerlegungsmenge den Namen sierung
'Soldaten' hat (aus der
Paraphra-
'Einnahme für Soldaten'). Ein Substantiv Sold wäre
ein Element der Menge
damit
'Soldaten' in bezug auf die Dimension
ruf sgruppen ' . Der Name
'Soldaten' stellt einen notwendigen
an der Bedeutung von Sold unter dem Aspekt
Anteil
'Einnahmen' dar. Die
in der Komponentenanalyse gewonnenen Merkmale sind auch die zur Paraphrasierung
'Be-
"Namen",
herangezogen werden können (trippeln =
'schnell' & 'mit kurzen Schritten' laufen), aber die Namen der Zerlegungsmengen
allein, denen ein Element angehört,
nicht die Bedeutung dieses
konstituieren
Elements.
Neben dem Aspekt und den Dimensionen mit den darauf
beruhenden
Zerlegungsmengen stellen die Bedingungen, die mit Hilfe der semantischen Relationen formuliert werden, das dritte
notwendige
Kriterium für ein Wortfeld dar. Lutzeier unterscheidet die
Hypony-
miebeziehung und die Beziehungen des Bedeutungsgegensatzes
(In-
kompatibilität, Antonymität, Konversivität und
Komplementarität)
und definiert sie wie folgt, wobei für alle Definitionen
gleicher-
maßen die Voraussetzung gilt: "Gegeben seien zwei Wörter W^, W2 der Sprache S aus der syntaktischen Kategorie c und ein Aspekt A." (a) Das Wort W^ ist
hyponym
zu dem Wort W£
bezüglich
des vorgegebenen Aspektes Α genau dann, wenn in jeder
Situation,
in der es nicht um das Wort W^ geht und in der das Wort W^
(als
Element der Kategorie c bezüglich des Aspektes A) angemessen positiv gebraucht werden kann und in der es erlaubt ist, den durch den Gebrauch des Wortes W^ eingeführten Präzisionsgrad
abzuschwä-
chen, auch das Wort W2 (als Element der Kategorie c bezüglich Aspektes A) unter eventueller Abschwächung des
angemessen positiv gebraucht werden kann, wobei eventuelle brauchsbedingungen
Ge-
für W^ oder W2 bezüglich des Aspektes Α außer
acht gelassen werden (ζ. B. Gage und Einkünfte bezüglich Aspektes
des
Präzisionsgrades
des
'Bezahlung').
(b) Das Wort W^ ist
inkompatibel
mit dem Wort W2
bezüglich des vorgegebenen Aspektes Α genau dann, wenn für alle Situationen, bei denen das Wort W^ (als Element der Kategorie c bezüglich des Aspektes A) angemessen positiv gebraucht
werden
kann, der positive Gebrauch des Wortes W2 (als Element der
Kate-
gorie c bezüglich des Aspektes A) in dieser Situation im Wider-
467
spruch zum positiven Gebrauch des Wortes W^ (als Element der Kategorie c bezüglich des Aspektes A) in dieser Situation stehen würde, und für alle Situationen, bei denen das Wort W 2
(als Element
der Kategorie c bezüglich des Aspektes A) angemessen positiv
ge-
braucht werden kann, der positive Gebrauch des Wortes W·^ (als Element der Kategorie c bezüglich des Aspektes A) in dieser im Widerspruch zum positiven Gebrauch des Wortes W 2
Situation
(als Element
der Kategorie c bezüglich des Aspektes A) in dieser Situation hen würde (ζ. B. gehen und sitzen bezüglich des Aspektes
ste-
'Tätig-
keit'). (c) Das Wort W^ ist
antonym
zu dem Wort W 2
bezüglich
des vorgegebenen Aspektes Α genau dann, wenn beide Wörter W^, W 2 (als Elemente der Kategorie c) graduierbare Wörter sind und das Wort W^ inkompatibel mit dem Wort W 2 bezüglich des Aspektes Α ist (ζ. B. groß und klein bezüglich des Aspektes (d) Das Wort W^ ist
konvers
'Wachstum').
zu dem Wort W 2 bezüglich
vorgegebenen Aspektes Α genau dann, wenn die beiden Wörter W2
des
W^,
(als Elemente der Kategorie c) relationale Wörter sind, und wenn
es zwei Stellen bei den von den Wörtern bestimmten Relationen
gibt,
bezüglich deren sie konvers zueinander sind, und das Wort W^ inkompatibel mit dem Wort W 2 bezüglich des Aspektes Α ist (ζ. B. Ehemann und Ehefrau bezüglich des Aspektes (e) Das Wort W^ ist
komplementär
'Verwandtschaft'). zu dem Wort W 2
züglich des vorgegebenen Aspektes Α genau dann, wenn die den drei Bedingungen
be-
folgen-
gelten:
- das Wort W^ ist inkompatibel mit dem Wort W 2 bezüglich
des
Aspektes A; - für jedes Wort W-j (als Element der Kategorie c), das
inkom-
patibel mit W^ bezüglich des Aspektes Α ist, gilt: W-j ist bedeutungsgleich/-ähnlich mit W 2 bezüglich des Aspektes A; - für jedes Wort W^ (als Element der Kategorie c), das
inkompa-
tibel mit W 2 bezüglich des Aspektes Α ist, gilt: W^ ist bedeutungsgleich/-ähnlich mit W^ bezüglich des Aspektes Α (ζ. Β. Wj^ = lebendig, W 2 = tot, W-j = erdolcht, W 4 lich des Aspektes
'Leben').
= belebt,
bezüg-
468
Weniger streng ausgedrückt, lauten die Bedingungen: W 2 ist inkompatibel mit Wj; alle Wörter W 2 , , die ebenfalls mit W^
inkompa-
tibel sind, sind bedeutungsgleich/-ähnlich mit W 2 ; umgekehrt alle Wörter W^,, die (ebenso wie W^) mit W 2 inkompatibel
sind
sind,
bedeutungsgleich/-ähnlich mit W^. In Lutzeiers Modellvorstellung hat also jedes Tripel der
fol-
genden Form (wenn es eine Reihe von zusätzlichen, hier nicht zu erörternden Bedingungen erfüllt) den Charakter eines oder "lexikalischen Feldes" (1983: Α>
I
π>
r
L > A
=
! ...
n.,
»
Kategorie
A
=
=
Grundwörtern
D Ν
159-161):
(Zir)i
1 ... n, r = 1 ... η ^
"Wortfeldes"'
Zerlegungsmenge)
Hyponymierelation
in L bezüglich A
= Inkompatibilitätsrelation
in L bezüglich A
Ein einfaches, ohne Rest "aufgehendes" Beispiel (9) der Aufgliederung eines konkreten Wortfeldes Definition
(1981: 156-158) möge die
illustrieren.
Beispiel 9: TURNGERÄTE:
Aj^ Lj^
= 'offiziell anerkannte
Turngeräte';
^ B a r r e n , Boden (= Matte), Reck, Ringe,
Pferd,
Bock, Kasten, Leiter, Tau, Stufenbarren, balken, Kletterstange,
Schwebe-
Sprossenwand^
Grundlage der ersten Dimension D^ ist die Tatsache, daß Geräte im Wettkampf Männern vorbehalten sind, andere nur Das ergibt die Zerlegungsmengen Ζ
von L,:
einige Frauen.
:
Z
11
{Pferd, Ringe, Barren, Reckj·
Z
12
{Stufenbarren, Schwebebalken}·
mit N ^
=
'Männern vorbehalten' mit N ^
=
'Frauen vorbehalten' Z
13
{Boden, Bock, Kasten, Leiter, Tau, Kletterstange, Sprossenwand}
mit N^^ =
'weder noch' Die Geräte sind für bestimmte Zwecke gedacht; das vollzieht D2 nach: D
2
: Z
21
^Bock, Kasten}
mit N 2 1 = 'zum Darüberspringen vom Boden gedacht'
T~22
R e i t e r , Tau, Kletterstange,
Sprossenwand^
mit N22 = 'zum Klettern gedacht' Z
23
{Ringe, Barren, Reck, Stufenbarren, Pferd, Schwebebalken, Boden} mit N23 = 'weder noch'
Weitere Dimensionen sind noch: D-j : Ausstattung der Geräte mit einem bzw. mehreren Querträgern; D^ : starre Träger bzw. bewegliche Seile; D^ : möglich bzw. nicht möglich, auf Beinen zu stehen; D^ : für eine bzw. für mehrere Personen. L^ als Menge von Substantiven erweist sich mit der untenstehenden Struktur als ein Wortfeld: < A 1 , < D 1 , D2, D3, D4, D5, D 6 > , < Z n , Z
22'
Z
23'
Z
61'
Z
62^'^N11'
N
33'
N
41>
{
Z
N
31'
42'
Z
N
32' N
Z
33'
12'
N
Z
41'
13'
43' S i '
N
N
52'
Z
42'
21' N
N
61'
Z
Z12, Z13, Z21, Z
43'
22' N
N
Z
51' N
23'
52'
31'
62>'{
IW^LJ>
I < W 1 , W 2 > € L 1 X l 1 und Wj 4 W 2 ] >
Die Inkompatibilitätsrelation bezüglich des gewählten Aspektes A^ erfaßt hier alle Paare von verschiedenen Wörtern, d.h. für alle Wj, W 2 € L ^ gilt: wenn W
1
4
W
2'
dann
is*
w
i
inkompatibel
mit W2 bezüglich A^. Die Hyponymierelation in L^ bezüglich A^ beschränkt sich auf das absolute Minimum, nämlich H.
1'
. = 1
A
470 W> I
. Ferner gibt es keine Paare von Wörtern aus L^,
die komplementär miteinander bezüglich eines Aspektes A'^
sind,
der spezieller als A^ ist. Und mit Hilfe der semantischen
Rela-
tionen erhält man im Beispiel keine
Unterscheidungsmöglichkeiten
für die Elemente von L^; das Hauptgewicht liegt auf den Dimensionen und den zugehörigen Namen für die
Zerlegungsmengen.
Diese Bewertung zeigt zugleich, daß es generell im Hinblick auf den Grad und die Kombinationen des Auftretens der
Definitions-
merkmale bei Wortfeldern verschiedene Strukturtypen geben muß. Lutzeier
(1981: 205/206) macht dazu nur Angaben in Form einer
Übersicht (s. Tab. 2). Als Beispiel für einige der Typen wird auf folgende Wortfelder Typ III Typ
IV
hingewiesen:
= Turngeräte-Bezeichnungen = männliche
Verwandtschaftsbezeichnungen
Typ VIII
= Temperaturadjektive
Typ
IX
= Teilfelder um ruhig und unruhig
Typ
XI
= Feld
Typ XII
'Finanzielle
Einnahmen'
= (eventuell) die Menge der
So wichtig selbstverständlich
Ordnungsadverbien.
eine präzise theoretische
nition des Untersuchungsgegenstands
Defi-
ist, kann doch für den Lexi-
kographen nicht in erster Linie die Beweisführung
ausschlaggebend
sein, daß ein Ensemble von lexikalischen Einheiten ein Wortfeld im Sinne dieser Definition ist, das einen festlegbaren Platz in einer Feldtypologie hat, sondern daß jegliches auch noch so "abweichende" Vorkommen von Elementen und Struktureinheiten sprachlichen Realität in die Darstellung des Gesamtsystems
der ein-
gebettet werden muß und kann. Lutzeiers Verdienst unter dem Blickwinkel der von uns angestellten Ziele ist es, eine exakte, le, praktisch verwendbare Beschreibung des Feld-Begriffes seiner Kriterien gegeben zu haben, die die "natürliche"
formaund
Semantik
als Maßstab anerkennt und ihr so nahe wie möglich zu bleiben versucht. Darüber hinaus ist auch die Objektivität bei der lung der Inventare der Felder an lexikalischen Elementen gewährleistet, als sie aus Substitutionsprozessen
für
Aufstelinsofern
Elemente
verbaler Kontexte abgeleitet werden können (1981: 88-110), Methode, die in der strukturalistischen Schule schon länger
eine prak-
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