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German Pages 856 Year 1991
Inhaltsverzeichnis
ALLGEMEINE MINERALOGm 1.
Allgemeine Bemerkungen zur Mineralogie und den Mineralen.
15
1.1. 1.2. 1.3. 1.4.
Einführung................... Gegenstand, Aufgaben und Gliederung der Mineralogie Gliederung, Namen und Häufigkeit der Minerale Abriß der Geschichte der Mineralogie .
15 16 19 24
2.
Eigenschaften der Minerale. . .
53
2.1. 2.2.
Einführung......... Struktur und Form der Minerale
53 53 54 56 58 69 88
2.2.1. 2.2.2. 2.2.3. 2.2.4. 2.2.5. 2.2.6. 2.3.
Bausteine . . . . . . . Bindung und Energie . . Kristallstruktur der Minerale. Form der Minerale . . . . . Störungen der idealen Mineralstruktur Amorphe Minerale und Kolloide . . .
Chemismus und Formeln der Minerale. . . . 2.3.1. Konstante (nicht variable) Verbindungen 2.3.2. Variable Verbindungen (Diadochie und Isomorphie) . 2.3.3. Berechnung von Mineralformeln
2.4.
Physikalische Eigenschaften. . . 2.4.1. 2.4.2. 2.4.3. 2.4.4. 2.4.5.. 2.4.6.
Optische Eigenschaften . . Mechanische Eigenschaften. Magnetische Eigenschaften. Elektrische Eigenschaften . Thermische Eigenschaften. Radioaktive Eigenschaften (Radioaktivität)
89
90 90 92 97 98 98 107 123 125 132 134
8
Inhaltsverzeichnis
3.
Mineralanalytische Verfahren.
137
3.1. 3.2.
Mineraltrennung und -anreicherung . Phasenanalytische Verfahren. . . . 3.2.1. Bestimmung der Kristallform 3.2.2. Mikroskopische Untersuchungsmethoden 3.2.3. Elektronenmikroskopische Verfahren 3.2.4. Röntgenographische Verfahren 3.2.5. Thermische Verfahren. . . 3.2.6. Ultrarotabsorptionsanalyse .
138 143 143 143 149 152 160 163
3.3.
Elementanalytische Verfahren . . 3.3.1. Chemische Analyse . . . . 3.3.2. Spektralanalytische Verfahren 3.3.3. Weitere Verfahren . . .
164 164 164 168
3.4. 3.5. 3.6. 3.7.
Isotopenanalytische Verfahren. Schwermineralanalyse . . . . . Verfahren zur Untersuchung von Feldmethoden . . . . . . . .
169 171 173 174
4.
Entstehung der l\'linel'ale und Mineralaggregate
178
4.1.
Mineralentstehung durch geologisch-geochemische Vorgänge 4.1.1. Entstehung, Aufbau und Zusammensetzung der Erde 4.1.2. Endogene Prozesse . 4.1.3. Exogene Prozesse. . . . . . . . . . . . . 4.1.4. Metamorphe Prozesse. . . . . . . . . . .
178178 185 193 200
4.2. 4.3. 4.4. 4.5. 4.6.
Physikochemische Bedingungen der Mineralbildung . Bildung, Wachstum und Auflösung der Minerale Bildung und Ausbildung von Mineralaggregaten Minerale im extraterrestrischen Raum. Künstliche Herstellung von Mineralen. . . . .
203 210 222 232 234
5.
Praktische Anwendung und Bedeutung der Mineralogie und der Minerale
240
5.1. 5.2. 5.3.
Die Mineralogie bei der Suche und Erkundung von Lagerstätten . . . Mineralogie und mineralische Rohstoffe. . . . . . . . . . . . . . Die Mineralogie in Geotechnik, Bergbau, Geophysik, Landwirtschaft usw. . . . . . . . . . . . . . . . . Die Mineralogie in der Kosmosforschung . . . . . . . . . . . . . . Die Mineralogie in der Technik. . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Mineralogie im wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Leben
240 244
5.4. 5.5. 5.6.
. . . . Mineraleinschlüssen . . . . . .
252 252 253 255
SPEZIELLE MINERALOGIE 6.
Einführung in die Spezielle Mineralogie
260
6.1. 6.2. 6.3.
Entdeckungsgeschichte der Minerale . Gliederung (Systematik) der Minerale . Bemerkungen zum beschreibenden Teil
260 262 263
I -nhaltsoerzeichmis
9
7.
Element-lVIinerale. . . . .
266
7.1. 7.2. 7.3. 7.4. 7.5.
266 267
7.7. 7.8.
Allgemeines . . . . . . . Kupfer-Silber-Gold-Gruppe Quecksilber-Amalgam-Gruppe Eisen-Nickel-Gruppe (einschließlich Meteorite) . Platin-Iridosmium-Gruppe Arsen-Wismut-Gruppe . Graphit-Diamant-Gruppe Schwefel-Gruppe . . . .
8.
Sulfide (Arsenide usw.] und Komplexsulfide
295
8.1. 8.2. 8.3. 8.4. 8.5. 8.6. 8.7.
Allgemeines . . . Chalkosin-Gruppe Argentit-Gruppe . Galenit-Gruppe. .
7.6.
Cinnabar~-Gruppe
273 274 280 283 286
292
295
296 301 304 307 309 313 316 322 327
Sphalerit-Wurtzit-Gruppe . Chalkopyrit-Bornit-Gruppe Pyrrhotin-Pentlandit-Gruppe Pyrit-Markasit-Gruppe . . . Arsenopyrit-Löllingit-Gruppe Nickelin-Cobaltin-Skutterudit-Gruppe Molybdänit-Gruppe. . . . . . . . . Antimonit-Bismuthinit-Auripigment-Gruppe Proustit-Stephanit-Gruppe (Ag -Komplexsulfide) Tetraedrit-Bournonit-Boulangerit-Gruppe (Cu-, CuPb- und Pb-Komplexsulfide) .
329
9.
Halogenide. . . . .
354
9.1. 9.4. 9.5.
Allgemeines . . . . Fluorit-Kryolith-Gruppe Halit-Sylvin-Gruppe . . Carnallit-Bischofit-Gruppe. Chlorargyrit-Atacamit-Gruppe (eins chl, Oxidhalogenide)
354 355 359 364
367
10.
Oxide und Hydroxide
371
10.1.
Allgemeines . . . . .
371
8.8. 8.9. 8.10. 8.11. 8.12. 8.13. 8.14. 8.15.
9.2. 9.3.
334 336 341 345
Oxide
10.2. 10.3. 10.4. 10.5. 10.6. 10.7. 10.8.
Cuprit-Zinkit-Tenorit-Gruppe Korund-Spinell-Chrysoberyll-Gruppe. Hämatit-Ilmenit-Magnetit-Gruppe. . Chromit-Gruppe . . . . . . . . . . Perowskit-Pyrochlor-Columbit-Gruppe Rutil-Kassiterit-Gruppe. . Pyrolusit-Manganit-Gruppe . . . . .
373 377 382 389
391 397 403
10
Inhaltsverzeichnis
10.9. Uraninit-Ianthinit-Gruppe. 10.10. Ocker-Tellurit-Gruppe
409 414
Hydroxide 10.11. Hydrargillit-Diaspor-Gruppe. 10.12. Goethit-Lepidokrokit-Gruppe
420 424
11.
Quarz und Silikate
428
11.1. 11.2.
Struktur und Gliederung der Silikate. Quarz-Opal-Gruppe .
11.3. 11.4. 11.5. 11.6. 11.7. 11.8. 11.9. 11.10. 11.11. 11.12. 11.13. 11.14.
Allgemeines . . . . . Olivin-Gruppe. . . . . . . . . . Granat-Gruppe . . . . . . . . . Zirkon-TItanit-Gruppe . . . . . . Andalusit-Sillimanit-Cyanit-Gruppe Topas-Staurolith-Gruppe Braunit-Gruppe . . . Uranophan-Gruppe. . Datolith-Gruppe . . . Gehlenit-Dvait-Gruppe Hemimorphit-Gruppe . Epidot-Vesuvian-Gruppe
. . . . .
428 437
N eso- und Sorosilikate (I-nsel- und Gruppensilikate) 453 454 460 466 477 484 490 492 494 496 498 501
Ino- und Oyclosilikate (Ketten- und Ringsilikate) 11.15. 11.16. 11.17. 11.18. 11.19. 11.20. 11.21. 11.22. 11.23.
Allgemeines . . . . . . . . . . . Enstatit-Hypersthen-Gruppe . . . Diopsid-Augit-Gruppe . . . . . . Cummingtonit-Anthophyllit-Gruppe Tremolit-Glaukophan-Riebeckit-Gruppe Hornblende-Gruppe Wollastonit-Gruppe Beryll-Turmalin-Gruppe Spodumen-Gruppe . . .
11.24. 11.25. 11.26. 11.27. 11.28.
Allgemeines . . . . . . . . Kaolinit-Montmorillonit-Gruppe . . Serpentin-Talk-Pyrophyllit-Gruppe. Muskovit-Biotit-Illit-Gruppe (Glimmer und Hydroglimmer) Chlorit-Chloritoid-Gruppe. . . . . . . . . . . . . . .
508 518 520 528 529 534 538 541 550
Phyllosilikate (Schichtsilikate) 553 560 572 580 588
Tektosilikate ( Gerüstsilikate) 11.29. Feldspat-Gruppe. . . . . . . . . 11.30. Nephelin-Leucit-Sodalith-Gruppe 11.31. Zeolith-Gruppe . . . . . . . • .
593 605
613
Inhaltsverzeichnis
11
12.
Phosphate (Arsenate, Vanadate) .
620
12.1. 12.2. 12.3. 12.4. 12.5. 12.6. 12.7. 12.8. 12.9.
Allgemeines . . . . . . . . . Apatit-Gruppe. . . . . . . . Monazit-Xenotim-Gruppe. . . Amblygonit-Pharmakosiderit-Gruppe. Wavellit-Lazulith-Gruppe. . . . Vivianit-Skorodit-Triplit-Gruppe. . . Pyromorphit-Adamin-Gruppe . . . . Türkis-Olivenit-Gruppe. . . . . . . Torbernit-Carnotit-Annabergit-Gruppe
620 621 628 630 632 635 642 646 649
13.
Sulfate (Chromate, Molybdate, Wolframate)
655
13.1. 13.2. 13.3. 13.4. 13.5. 13.6. 13.7.
Allgemeines . . . . . . . Baryt-Coelestin-Gruppe. . Anhydrit-Gips-Gruppe . . Thenardit-Kieserit-Gruppe Polyhalit-Kainit-Gruppe . Alaun-Chalkanthit-Gruppe Krokoit-Wulfenit-Scheelit-Gruppe (Chromate, Molybdate, Wolframate)
655 656 659 666 668 672 683
14.
Karbonate......
690
14.1. 14.2. 14.3. 14.4. 14.5. 14.6. 14.7.
Allgemeines . . . . . Calcit-Siderit-Gruppe. Dolomit-Ankerit-Gruppe Aragonit-Strontianit-Gruppe Cerussit-Malachit-Hydrozinkit-Gruppe Bastnäsit-Dawsonit-Gruppe Natrit-Gruppe. . . . Anhang: Oxalate u. ä..
690 692 703 706 710 715 718 719
15.
Borate und Nitrate
721
15.1.
Allgemeines . . .
721
15.2. 15:3. 15.4. 15.5.
Borate Borax-Kernit-Gruppe. Colemanit-Uralborit-Gruppe. Ascharit-Boracit-Gruppe Kotoit-Ludwigit-Gruppe
723 725 728 731
15.6. 15.7.
Nitrate Allgemeines . . . . . . . . . . Salpeter-Gruppe (einschl. Jodate)
733 733
16.
Anhang (Arb-eitsmaterialien) . . .
735
Literatur Sachwörter- und Mineralverzeichnis Berichtigungen zur 4. Auflage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. Annotation
809 818 845 846
1 1.1. 1.2.
1.1.
Allgemeine Bemerkungen zur Mineralogie und den Mineralen
Einführung Gegenstand, Aufgaben und Gliederung der Mineralogie
1.3.
Gliederung, Namen und Häufigkeit der Minerale
104.
Geschichte der Mineralogie
Einführung
Die Mineralogie ist die Lehre von den (überwiegend) kristallinen Bausteinen der uns umgebenden geologischen Materie, den Mineralen. Da diese geologische Materie als natürliche Umwelt der Menschheit von Anbeginn ihrer Existenz als Lebensraum und Rohstoffquelle diente, ist die Beschäftigung mit den Mineralen und Mineralaggregaten als Baustoff, Rohstoff, Werkstoff, Schmuck usw. stets eine Lebensnotwendigkeit gewesen. Das in Jahrtausenden angehäufte Wissen über die Minerale, ihre Eigenschaften und ihre Nutzung, wird heute in systematischer Form zusammengefaßt und weitergegeben und dient den Geowissenschaftlern, Bergleuten, Hüttenleuten, Bauingenieuren, Landwirten, Ohemikern und vielen anderen Fachleuten als eine ihrer wissenschaftlichen und praktischen Arbeitsgrundlagen. Man kann den Stoff der Mineralogie unterschiedlich gliedern. Für eine Einführung in die angewandte, praktische Mineralogie, wie sie in diesem Buch angestrebt ist, wird es als zweckmäßig angesehen, die klassische Zweiteilung in die Allgemeine Mineralogie und die Spezielle Mineralogie beizubehalten. Unter der Allgemeinen Mineralogie wird in diesem Sinne hauptsächlich alles das zusammengefaßt, was an allgemeingültigen Gesetzmäßigkeiten über den Bau der kristallinen Materie, über die physikalischen und chemischen Eigenschaften und deren Bestimmung sowie über die Bildung und Nutzung der Minerale auszusagen ist. In der Speziellen Mineralogie erfolgt die eingehende Besprechung der einzelnen Minerale, nämlich insbesondere ihrer Stellung im Mineralsystem, ihrer Bildung, Eigenschaften, Vorkommen und Nutzung.
16
1. Allgemeines zur Mineralogie und den Minerale»
1.2.
Gegenstand, Aufgaben und Gliederung der Mineralogie
Gegenstand: Die Mineralogie als die Wissenschaft von den Mineralen gehört zu dem System der Naturwissenschaften; innerhalb der Naturwissenschaften ist sie, gemeinsam mit der Petrologie, Geologie, Geochemie, Geophysik usw., eine Teildisziplin der geologischen Wissenschaften oder Geowissenschaften. Gegenstand der Mineralogie sind die Gesetzmäßigkeiten von den Eigenschaften, den V orkommen, dem Entstehen und Vergehen sowie den paragenetischen Verhältnissen der Minerale. Minerale sind stofflich homogene, meist feste und anorganische Körper der natürlichen Materie. Die stoffliche Homogenität wird dadurch gekennzeichnet, daß ein Mineral einen bestimmten Chemismus und eine definierte Kristallstruktur besitzt. Dadurch werden einem Mineral meßbare typische chemische, physikalische und morphologische Eigenschaften zugeordnet, die zu seiner Bestimmung und Nutzung dienen. Bedingt durch Mischkristallbildung, Einbau von Spurenelementen, Strukturfehler und mechanische Verunreinigungen besitzen viele Eigenschaften eine gewisse, wenn auch meist geringe, Schwankungsbreite. Die natürliche Entstehung bezieht sich hauptsächlich auf den irdischen (geologischen) Bereich, insbesondere auf die Erdkruste (Gesteine, Erze), wird aber auch immer mehr auf die kosmische Materie (Mond, Meteorite, Planeten usw.) ausgedehnt. Diese logische Ausweitung der Mineraldefinition beruht auf der wachsenden Erkenntnis der substantiellen Einheitlichkeit der Welt und ist eine Folge der überragenden Ergebnisse der Weltraumforschung, Künstlich erzeugte Verbindungen, die der Zusammensetzung der Minerale entsprechen, sind strenggenommen keine Minerale, werden aber wie diese benannt und behandelt. Diese geübte Praxis hat ihre Berechtigung in der Tatsache, daß die Entstehungsbedingungen der Minerale immer häufiger durch experimentelle Untersuchungen bestimmt bzw. überprüft werden. Das gleiche gilt auch für Minerale in technischen Produkten (Schlacken, keramische Erzeugnisse usw.),
Aufgaben: Der Begriff »Mineral- wird auf das alte Wort »minera- zurückgeführt, das soviel wie Erz bzw. Erzstufe bedeutet (lat. mina = Schacht; lat. minare = Bergbautreiben). Damit wird auf die seit altersher wichtigste Aufgabe der Mineralogie hingewiesen, nämlich den Bergmann bei der Suche, Unterscheidung und Oewinnung mineralischer Rohstoffe, speziell von Erzen, zu unterstützen. Diese Aufgabe wurde in den letzten beiden Jahrhunderten, insbesondere in den -Iahrzehnten unseres Jahrhunderts, wesentlich erweitert und präzisiert. Man kann die wichtigsten Aufgaben der Mineralogie wie folgt zusammenfassen: - Untersuchung des Aufbaus und der Zusammensetzung der Minerale, insbesondere des Chemismus und der Struktur. Aus Besonderheiten und Abweichungen lassen sich u. a. Rückschlüsse auf genetische Verhältnisse in Lagerstätten und Gesteinen ziehen - umfassende Untersuchung der Eigenschaften der Minerale, um ihre praktische Nutzung zu ermöglichen und zu verbessern - Entwicklung neuer und Anpassung vorhandener analytischer Methoden zur eindeutigen und allseitigen Charakterisierung der Minerale einschließlich der Trennung, Anreicherung und Gewinnung zum Zwecke ihrer Untersuchung
Gegenstand, Aufgaben und Gliederung
1.2.
17
- Erfassung der bekannten Minerale, Entdeckung neuer Minerale und Einordnung aller Minerale in ein mineralsystematisches Schema. Dies wiederum fördert die Entdeckung neuer Minerale und Eigenschaften - Studium der Bildungs- und Stabilitätsbedingungen der Minerale in der Natur sowie der Modellierung durch mineralsynthetische Forschungen. Dadurch werden insbesondere wichtige Aussagen für die geologische Erkundung sowie für die künstliche Herstellung von Mineralen gewonnen. Hier wird auch die Erforschung der Bildungsgesetzmäßigkeiten von Mineralvergesellschaftungen, der Mineralparagenesen, ein bezogen . - Nutzung der mineralogischen Methoden und Erkenntnisse für die Erforschung der mineralischen Rohstoffe und Werkstoffe sowie der außerirdischen Materie Der Fortschritt der mineralogischen Wissenschaft und damit die immer bessere" Lösung der ihr gestellten Aufgaben ist neben der ständigen Entwicklung der für die Mineralogie spezifischen Methoden und Gesetzmäßigkeiten abhängig von dem wachsenden Kenntnisstand vieler verwandter Wissenschaftsdisziplinen, insbesondere der anderen geowissenschaftlichen Disziplinen sowie der Kristallographie, Physik und Chemie. In Bild 1.1 werden diese Beziehungen dargestellt.
Gliederung: Die moderne Mineralogie arbeitet in sehr vielen wissenschaftlich-theoretischen und praktischen Bereichen unseres Lebens aktiv mit. Dies hat zur Folge, daß sie sich in eine größere Zahl von Spezialdisziplinen aufgegliedert hat, wie dies in Bild 1.2 (Seite 18) dargestellt ist.
Geologie Petrologie
Lagerstättenlehre Kosmologie Geochemie
~eophysik
Chemie
Physik
Physikalische Chemie
Atomphysik Kristallphysik
kristcllchemie
Kristall 09 raphie Bild 1.1. Schematische Darstellung wichtiger Wissenschaftsdisziplinen, die einerseits die Entwicklung der Mineralogie beeinflussen und andererseits an den Ergebnissen der Mineralogie interessiert sind 2
M.ineralogie
18
1. Allgemeines zur Mineralogie und den Mineralen Genetische Mineralogie
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Ontogenetische Mineralogie
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Paragenetische Mineralogie
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Kosmische Mineralogie
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Analytische Mineralogie ....- tPc;>
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Synthetische Mineralogie
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6) bet Gct1lcb, 7) bet ~~fd)macf.
Bild 1.15. Originaldarstellung der äußeren Kennzeichen der Minerale von A. G. WERNER (1779) [206, 182J
Bild 1.16. »Sippschafts- und Geschlechtstafel« des Kupfers vonA. G. WERNER. Diese Darstellung zeigt, wie sich WERNER die Beziehungen von Mineralarten untereinander in der Systematik vorstellte. Folgte er bei der Unterscheidung der Klassen (Tab. 1.3) noch der Beschreibung nach äußeren Kennzeichen, gewannen bei der Oharakterisierung der Geschlechter und Sippschaften chemische Gesichtspunkte (chemische Elemente wie Ag, Cu, Fe, Sb, S) an Bedeutung. Weiterhin sind in der Darstellung bereits klare Hinweise für das Erkennen erzparagenetischer Verhältnisse abzulesen [182J . Folgende Minerale sind in dem Bild, von oben nach unten, genannt: Sprödglaserz, Schwarzantimonerz, Weißkupfererz, Schwarzerz, Gediegen Kupfer, Kupferglas, Buntkupfererz, Kupferkies, Fahlerz, Salz, Kupfererz, Phosphorkupfererz, Kupferschaum, Rotkupfererz, Kupferschwärze, Kupferlasur, Kupfersamterz, Malachit, Kupfergrün, Linsenerz, Ziegelerz, eisenschüssiges Kupfererz, Kupferglimmer, Strahlerz, Brauneisenstein, Schwefelkies, Olivenerz, Grüneisenerz, Würfelerz
Geschichte der Mineralogie
1.4.
39
zahlreiche Veröffentlichungen über die Minerale, viele Persönlichkeiten und Institutionen legten Mineralsammlungen an, verschiedene mineralogische Zeitschriften wurden herausgegeben. Mineralogische Gesellschaften entstanden, und auch solche wissenschaftlichen Vereinigungen pflegten die mineralogische Erkenntnis, die das nicht ausdrücklich in ihrem Namen ausgewiesen hatten. Nicht nur an den Bergakademien, auch an den Universitäten begann die Lehre der Mineralogie und fand viele Interessenten. Das alles war Ausdruck der gesellschaftlichen Anerkennung der ins Leben getretenen Mineralogie, die sich von nun an mehr nach eigenen Gesetzen zu entwickeln begann. Symbole:
« Silber, 0 Antimon, 4'
Schwefel,
,.' I
....
~
~
Kupfer, (J Eisen
--.-..-.......---~'.,..,f
40
1. Allgemeines zur Mineralogie und den Mineralen
Bild 1.17 a. CH. S. Wmrss (1780 bis 1856), deutscher Mineraloge und Kristallograph [218J
Bild 1.17b. G. F. C. MOHS (1773 bis 1839), deutscher Mineraloge [221J
Zunächst galt die wissenschaftliche Aufmerksamkeit vornehmlich dem Einzelmineral, wobei sich diese Untersuchungen in wachsendem Maße auf die zeitgenössischen Ergebnisse der Chemie stützten und physikalische und mathematische Methoden die Weiterentwicklung der kristallographischen Beschreibung der Mineralarten förderten. Wesentliche Fortschritte wurden in der Kristallographie erzielt. 1809 entwickelte W. H. WOLLASTON (1766 bis 1829) sein Reflexionsgoniometer, wodurch eine genauere Winkelbestimmung an Kristallen möglich wurde. Von den verschiedenen Versuchen, die unterschiedlichen Kristallformen zu systematisieren, setzte sich der des Berliner Mineralogen CH. S. WEISS (1780 bis 1856, Bild 1.17 a) durch, der die Kristallflächen auf Achsenkreuze im Sinne von Koordinatensystemen bezog. Dieser Ansatz führte Wnrss zur Entdeckung des zweiten Grundgesetzes der Kristallographie, zum Gesetz der rationalen Parameterkoeffizienten. Auf dieser Grundlage wurde es möglich, die Flächen eines Kristalls zueinander in Beziehung zu setzen und seine Kristalltracht zu bestimmen. Auch die Auffassungen über den Feinbau der Kristalle entwickelten sich in dieser Zeit weiter, und es entstand die Vorstellung vom Raumgitter. Obwohl das Gesetz der rationalen Parameterkoeffizienten mit der Dekreszenztheorie von HAÜY noch durchaus harmonierte, widersprachen andere kristallphysikalische Eigenschaften, wie z. B. die Zusammendrückbarkeit der Kristalle, der Idee von den Primitivkörpern. Deshalb ersetzte 1824 der Physiker A. SEEBER (1793 bis 1855) die Vorstellungen HAÜYS von den Elementarbausteinen durch ein Modell, wonach ein Kristall von frei schwebenden Teilchen in regelmäßiger gitterartiger Anordnung aufgebaut wird. Damit geht auf SEEBER der Begriff des Raumgitters zurück. Nach A. BRAVAIS (1811 bis 1863) bestehen die das dreidimensional-periodische Gitter aufbauenden Teilchen aus Molekülen. L. SOHNKE (1842 bis 1897) und vor allem P. v. GROTH (1843 bis 1928) ersetzten die Molekülgitter durch sogenannte Punkt-
Geschichte der Mineralogie
1.4.
41
systeme, d. h. Atomraumgitter, in denen verschiedene einfache Gitter parallel ineinander gestellt sind. Nach der Entdeckung des Parametergesetzes galt es, hinsichtlich der möglichen Kristallgestalt (Symmetrie) alle Folgerungen abzuleiten und diese mit dem Raumgittergedanken zu verbinden. 1830 erbrachte der Mineraloge J. F. C. HESSEL (1796 bis 1872) den Nachweis, daß im Bereich der Kristallmorphologie nur 32 Arten der Symmetrie (Symmetrieklassen oder Kristallklassen) möglich sind. Unabhängig davon kamen 1849 A. BRAVAIS und 1867 A. GADOLIN zu dem gleichen Ergebnis. M. L. FRANKENHEIM (1801 bis 1869) und A. BRAVAIS leiteten 1835 bzw. 1850 mathematisch ab, daß sich 14 grundsätzlich verschiedene Raumgitterformen (Baxvarssche Translationsgitter) für den Feinbau der Kristalle ergeben. Analog zu den durch Kombination der äußerlich erkennbaren Symmetrieelemente abgeleiteten 32 möglichen Symmetrieklassen kombinierten 1890 E. S. FEDOROV (1853 bis 1919) und 1891 A. SCHOENFLIES (1853 bis 1928) die Gittersymmetrieelemente und entwickelten auf diesem Wege die 230 verschiedenen möglichen Raumgruppen. Diese Erkenntnis wurde zur Grundlage der modernen Strukturforschung und brachte die Entwicklung der grundsätzlichen Vorstellungen zum kristallinen Aufbau der Minerale zunächst zum Abschluß. In diesem Zusammenhang soll das Wirken von G. F. C. MOHs (1773 bis 1839, Bild 1.17b) erwähnt werden, der insbesondere in Freiberg, Graz und Wien arbeitete. Er bemühte sich u. a. um eine exakte, wenn auch nicht unwidersprochen gebliebene Gliederung der Minerale, trug zu deren besserer Kennzeichnung bei (z. B. durch die 10teilige Monssehe Härteskala) und erweiterte die bis dahin benutzten 4 Kristallsysteme auf die heute noch gültigen 7 Systeme. Von großer Bedeutung für die Entwicklung der Mineralogie im 19. Jahrhundert wurden auch die verschiedenen mineralchemischen Arbeiten. Durch eine große Zahl sorgfältiger Analysen hatten Chemiker wie M. H. KLAPRoTH (1743 bis 1817) im damaligen Deutschland und J. J. BERZELIUS (1779 bis 1848, Bild 1.18) in Schweden die Zusammensetzung hunderter Minerale bestimmt und damit eine sichere Grundlage für eine Mineralsystematik nach chemischen Gesichtspunkten geschaffen. Bereits 1797 sprach sich H. STEFFENS (1773 bis 1845) für eine konsequent chemische Klassifikation der Minerale aus und gliederte sie in sechs Gruppen (s. Tab. 1.3). 1824 legte J. J. BERZELIUS Prinzipien einer chemischen Mineralsystematik vor, die einer Gliederung nach Anionen entsprach und im Laufe des 19. Jahrhunderts wachsenden Einfluß auf die Mineralklassifikation gewann (s. Tab. 1.3). Die zahlreichen mineralchemischen Arbeiten führten auch zur Aufdeckung von Zusammenhängen zwischen Chemismus und Kristallbau der Minerale. Schon 1817 hatte J. N. FUCHS (1774 bis 1856) auf die Übereinstimmung der rhombischen Kristallform einer Reihe von Karbonaten verwiesen und auch auf die große Ähnlichkeit der Kristalle verschiedener Sulfate aufmerksam gemacht. Ausführlich beschäftigte sich der Chemiker EILHARD MrTSCHERLICH (1794 bis 1863) mit entsprechenden Untersuchungen in Berlin und Stockholm. In den Jahren 1818/19 fand er, daß in verschiedenen Mineralarten bei chemisch gleichartig aufgebauten Verbindungen gewisse Elemente einander vertreten können und deshalb unterschiedliche Substanzen in gleichen Kristallformen auftreten. MITSCHERLICH nannte diese Erscheinung Isomorphie (Gleichgestaltigkeit). . Untersuchungen führten ferner zu dem Ergebnis, daß einzelne chemisch gleiche Substanzen auch in verschiedenartigen Kristallformen auftreten können. Eine solche Erscheinung wird als ~olymorphie (Vielgestaltigkeit) bezeichnet. l\fiTSCHERLICH fand darüber hinaus die M1:schkristallbildung bei Mineralen, woraus sich eine natürliche Verwandtschaft zwischen einzelnen Mineralarten ableitete und auch Beziehun-
42
1. Allgemeines zur Mineralogie und den Mineralen
Bild 1.18. .J. .J. BERZELIUS (1779 bis 1848), schwedischer Chemiker [218]
Bild 1.19. F. A. BREITHAU:PT (1791 bis 1873), deutscher Mineraloge [221]
gen zwischen den chemischen Elementen deutlich wurden, wie sie in dem 1869 von D.1. MENDELEJEV (1834 bis 1907) und L. MEYER (1830 bis 1895) entdeckten Periodensystem zum Ausdruck kamen. Sowohl die kristallographischen als auch die mineralchemischen Forschungsergebnisse ließen etwa zur Mitte des 19. Jahrhunderts die Unvollkommenheit einiger früherer mineralogischer Vorstellungen deutlich werden und setzten neue wissenschaftliche Problemstellungen auf die Tagesordnung. Die auf HAÜY zurückgehende Auffassung, daß jede chemische Substanz nur in einer Kristallform auftreten kann, die sich aus einer einzigen Primitivform ableitet, erwies sich als überholt. Auch ließ sich die Mineralart - wie sich das aus den erkannten Mischkristallbildungen ergab nicht in jedem Falle durch einen bestimmten Chemismus erfassen, was bei der Ableitung vor allem chemisch orientierter Mineralklassifikationen zu berücksichtigen war. Es wurden Übergänge zwischen den Mineralarten erkennbar, wodurch die wissenschaftliche Bearbeitung von Beziehungen und Zusammenhängen der Minerale untereinander aktuell wurde. In den Vordergrund allgemeiner Fragestellungen in der Mineralogie traten verstärkt Probleme der Mineralgenese, um die Beziehungen zwischen den sich bildenden Mineralen und den entsprechenden Bildungsbedingungen ihrer geologischen Umgebung zu erfassen. Einen Beitrag zur Lösung derartiger aktueller Aufgaben der Mineralogie leistete 1849 F. A. BREITHAUl'T (1791 bis 1873, Bild 1.19) mit der von ihm entwickelten Paragenesenlehre. Gestützt auf eine große Fülle mineralogischer Einzelfakten faßte er die Vorstellungen zahlreicher Vorgänger (wie A. G. WERNER, V. M. SEVERGIN, W. HENWOOD, G. A. DAUBR:FJE u. a.) über das gesetzmäßige Zusammenvorkommen verschiedener Minerale unter bestimmten Bedingungen zusammen und gab damit nicht nur der Mineralogie, sondern auch anderen geologischen Wissenschaften wichtige Impulse für ihre Weiterentwicklung. Auf der Grundlage der Paragenesenlehre konnte man unter bestimmten Bedingungen aus dem Auftreten eines Minerals
Geschichte der Mineralogie
1.4.
43
das gleichzeitige Vorhandensein anderer vermuten oder umgekehrt die Existenz anderer ausschließen. Derartige Erkenntnisse beruhten nicht nur auf rein mineralogischen Forschungen, sondern u. a. auch auf geologischen und lagerstättenkundliehen Untersuchungen. Die auf diese Weise entwickelte Paragenesenlehre befruchtete ihrerseits wieder solche geowissenschaftlichen Disziplinen wie die Geochemie oder die Suche und Erkundung von Lagerstätten. Neben den außerordentlich wesentlichen Leistungen zu mehr theoretischen Problemen der :Mineralogie, die vor allem kristallographische, mineralchemische und systematische Fragen berühren, wurden im 19. Jahrhundert regionalmineralogische abersichten. zu einzelnen Ländern oder Gebieten erarbeitet und z. T. bis in unsere Jahre fortgeführt. Darin werden in der Regel die in den einzelnen Ländern auftretenden Minerale nach ihren Eigenschaften, Formen, der Art ihres Vorkommens usw. beschrieben. Eine große Tradition gibt es zur regionalen Mineralogie in Rußland. Die Ideen Loxonossovs verfolgend, gab V. M. SEVERGIN (1765 bis 1826) sein zweibändiges Werk »Versuch einer mineralogischen Erdbeschreibung des russischen Staates« (1809) heraus, die N. KORSAROV (1818 bis 1892) mit einer Arbeit »Materialien zur :Mineralogie Rußlands: in 11 Bänden (1853 bis 1891) fortsetzte. Im Zusammenhang mit der Auswertung der Rußlandreise A. v. HUMBoLDTs (1769 bis 1859) verfaßte sein Begleiter G. ROSE (1798 bis 1873) eine Beschreibung der :Minerale des Urals (1837). Nach der Großen Sozialistischen Oktoberrevolution erschienen in der Sowjetunion unter anderem eine Mineralogie der Krim (S. P. POPOV 1938) und Arbeiten zu den :Mineralen Ostsibiriens (D. S. KORZINSKIJ 1944), der Karpaten (1964) sowie des Urals (A. E. FERSMAN und A. G. BETECHTIN 1942, Bild 1.21). Auch in den anderen sozialistischen Ländern sind in den letzten Jahrzehnten die Arbeiten zur regionalen Mineralogie der einzelnen Länder systematisch betrieben worden. In der eBSR erschien von T. KRUTA eine Übersicht über die »Minerale Mährens- (1960). S. KOCH beschrieb die Minerale Ungarns (1964), und 1. KOSTOV legte eine Mineralogie Bulgariens (1964) vor. D. RADULEscu und R. DIMITRESCU verfaßten eine Arbeit über die Minerale Rumäniens (1966). Für die DDR gibt es noch keine zusammenfassende Darstellung der auf ihrem Gebiet auftretenden Minerale. Die Arbeiten von A. FRENZEL über die Minerale Sachsens (1871) oder von O. LUEDEcRE zur Mineralogie des Harzes (1896) spiegeln den Wissensstand der damaligen Zeit wider und sind veraltet. Gegenwärtig wird die Herausgabe einer modernen Übersicht zu den »Mineralen der DDR« vorbereitet. Aus der großen Zahl der Arbeiten zur Mineralogie anderer Länder sollen als Beispiele genannt werden: V. ZEPHAROVICH und F. BEcRE zu Österreich (3 Bde. 1859 bis 1893), A. LACROIX zu Frankreich und seinen Kolonien (3 Bde. 1893 bis 1913), TENNE und CALDERON zur iberischen Halbinsel. (1902), T. WADA zu Japan (1904) und an neueren die von R. L. PARKER zu den Sehnbeizer Alpen (1954) oder von F. AHLFELD und J. MuNoz-REYESzu Bolivien (1958). Alle diese regionalen Mineralbeschreibungen waren Ausdruck dafür, daß in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ein ungeheures Material von Beobachtungen angehäuft worden war und eine Zusammenfassung der wesentlichen Einzelerkenntnisse aktuell wurde. Bedeutend war in dieser Hinsicht das Werk des Amerikaners J. D. DANA (1813 bis 1895, Bild 1.20), das seit 1837 in vielen Auflagen erscheint und zu einem viel benutzten Nachschlagewerk wurde. In der umfangreichen Literatur zur Mineralogie in Deutschland spielt das Handbuch der Mineralogie von C. HINTZE (1851 bis 1916) eine analoge Rolle; es erschien von 1889 bis 1933 in mehreren Bänden und wird von K. F. CHUDOBA durch Nachträge fortgeführt. Vor dem Abschluß
44
1. Allgemeines zur Mineralogie und den .111 ineralen
Bild 1.20. J. D. DANA (1813 bis 1895), US-amerikanischer Mineraloge [217J
Bild 1.21. A. G. BETEOHTIN (1897 bis 1962), sowjetischer Mineraloge [219J
steht ein mehrbändiges sowjetisches Nachschlagewerk »Minerale« (F. V. seit 1960) .
CUCHROV,
•
Im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts hatte der Kapitalismus in den führenden europäischen Ländern ein Entwicklungsstadium erreicht, in dem die industrielle Produktion bestimmend geworden war. Unter diesen Bedingungen erhielten die Naturwissenschaften eine wachsende Bedeutung in der Industrie. Mineralogische Kenntnisse waren nicht nur für den sich stark entwickelnden Bergbau und das Hüttenwesen eine notwendige Grundlage. Auf sie wurde auch in der chemischen Industrie, in der Landwirtschaft und solchen weiteren Bereichen der materiellen Produktion wachsender Wert gelegt, in denen die Nutzung von Wissen über die Minerale Einfluß auf eine günstigere Gestaltung des Profits versprach. Dabei ging es sowohl um eine quantitative Erweiterung der mineralogischen Erkenntnis als auch um die Aufdeckung qualitativ neuer Zusammenhänge, aus denen sich sichere und bessere Hinweise für die Suche neuer Lagerstätten mineralischer Rohstoffe ergaben. Auf dem Hintergrund derartiger gesellschaftlicher Erfordernisse entwickelte sich die
Mineralogie als relativ selbständige Disziplin im engen Zusammenhang mit den anderen Naturwissenschaften. Der Erkenntnisfortschritt über die Minerale hing im wesentlichen davon ab, wie die Forschungsergebnisse der Physik, der Chemie und der geologischen Wissenschaften in der Mineralogie Anwendung fanden. An der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert setzten sich in der Mineralogie mehr und mehr exakte Methoden durch, die auf der quantitativen Messung kristallographischer Formen sowie physikalischer Eigenschaften der Minerale und der Arialyse ihres Chemismus basierten. Man begann, den Zusammenhang zwischen den Eigenschaften
Geschichte der Mineralogie
1.4.
45
der Minerale und ihrem kristallinen Bau zu begreifen. Auf diese Weise drangen die Wissenschaftler immer tiefer in das Wesen der Mineralarten ein und lernten, die meßbaren Eigenschaften zu einer gezielten und schnellen Bestimmung der Minerale zu nutzen. Darüber hinaus vertiefte sich das Verständnis für den Zusammenhang der Minerale mit den chemischen Prozessen des geologischen Regimes (Geochemie) und den physikochemischen Bedingungen ihrer Existenz. Es entstanden Arbeiten, die die Vorstellungen zur Mineralgenese weiterentwickelten und auf systematischen Versuchen zur künstlichen Herstellung von Mineralen basierten. Wesentlich vervollkommnet wurden die Methoden zur Messung von Kristallflächen durch den Gebrauch des zweikreisigen Reflexionsgoniometers (1874), das der englische Kristallograph W. H. MILLER (1801 bis 1880) konstruiert hatte. Auf dieser Grundlage und nach der Entwicklung weiterer Verbesserungen der Beobachtungsmethodik durch CH. F. M. WEBSKY (1824 bis 1886) führte der Kristallograph V. GOLDSCHMIDT (1853 bis 1933) in Heidelberg zahlreiche Kristallvermessungen auf der Grundlage rationeller Projektions- und Berechnungsmethoden durch. Von besonderer Bedeutung für die Diagnose der Minerale wurde die Messung optischer Eigenschaften mit dem Mikroskop. Die kristalloptischen Grundlagen hatten dazu der schottische Physiker D. BREwsTER (1781 bis 1868) und der Franzose J. FRESNEL (1788 bis 1827) gelegt, die wichtige Beiträge zur Klärung der optischen Anisotropie von Kristallen sowie der Lichtausbreitung, Interferenz und Beugung von Lichtstrahlen in doppelbrechenden Medien leisteten. Von dem Engländer H. C. SORBY (1826 bis 1908) wurde die Methode der mikroskopischen Untersuchung von Mineral- bzw. Gesteinsdünnschliffen im Durchlicht (1858) in die Mineralogie eingeführt. Auf diese Weise gelang es, die gesteinsbildenden Minerale exakt zu bestimmen und so von mineralogischer Seite die Entwicklung der Petrographie zu stimulieren. Die Dünnschliffmikroskopie fand eine rasche Verbreitung und wurde durch Wissenschaftler der verschiedensten Länder vervollkommnet. Im damaligen Deutschland leisteten methodisch wie technisch bedeutsame Untersuchungen F. ZIRKEL (1838 bis 1912), H. VOGELSANG (1838 bis 1874) und H. ROSENBUSCH (1836 bis 1914). Der Österreicher F. BEcKE (1855 bis 1931) arbeitete u. a. mikroskopische Achsenwinkelmeßmethoden aus. Von besonders großer Bedeutung war die Entwicklung des Universaldrehtisches durch E. S. FEDOROV (s. Bild] .22) in Petersburg, womit Dünnschliffe räumlich um drei Achsen drehbar unter dem Mikroskop beobachtbar wurden (s. Bild 1.23). Die mikroskopische Untersuchung undurchsichtiger Minerale begann schon mit entsprechenden Versuchen durch J. J. BERZELIUS (1814) am Pyrrhotin und wurde von zahlreichen Forschern während des 19. Jahrhunderts immer wieder anzuwenden versucht. Aber erst in den Jahren 1906/07 verhalf der Amerikaner W. CAMPBELL (1876 bis 1936) dieser Methode zum Durchbruch in der Mineralogie, und 1916 gab J. MURDOCII in den USA das erste Lehrbuch der Erzmikroskopie heraus. H. SCHNEIDERHÖHN (1887 bis 1962) und M. BEREK (1886 bis 1949) leisteten mit ihren Publikationen zur Methodik und Technik seit 1922 wichtige Beiträge zur Erzmikroskopie. Standardwerk der mit dieser Methodik gewonnenen Erkenntnisse ist das Buch von P. RAMDOHR (geb.1890) »Die Erzmineralien und ihre Verwachsungen«, das seit 1950 in immer neuen Auflagen erscheint. Als wichtiges Ergebnis erzmikroskopischer Arbeiten entstanden in den letzten Jahrzehnten Atlanten mit fotografischen Bildern, v . a. von Erzmineralparagenesen, von" denen hier der »Atlas der wichtigsten Mineralparagenesen im mikroskopischen Bild« (1961) von O. W. QELSNER (1902 bis 1963) und ein ähnliches Werk von W. UYTENBOGAARDT genannt werden sollen. Neben der Entwicklung derartiger mineralogischer Methoden nahm der Umfang
46
1. Allgemeines zur Mineralogie und den Mineralen
Bild 1.22. E. S. FEDOROV (1853 bis 1919), russischer Mineraloge [218]
Bild 1.23. Erstes Modell eines Universaldrehtisches von E. S. FEDOROV [215]
chemischer Arbeiten zu und führte an der Wende zum 20. Jahrhundert zu einer neuen Qualität in der Erkenntnis der chemischen Gesetzmäßigkeiten im natürlichen geologischen System. 1832 hatte CH.F. SCHÖNBEIN (1799 bis 1886) den Namen Geochemie geprägt und damit ein Erkenntnisgebiet umrissen, das auch für die moderne Mineralogie von großer Bedeutung wurde. E. DE BEAuMoNT (1798 bis 1874) veröffentlichte eine erste Übersicht zur Häufigkeit der chemischen Elemente in der Erdkruste (1846), und C. G. BISCHOF (1792 bis 1854) verfaßte in den Jahren 1847/54 ein dreibändiges »Lehrbuoh der physikalischen und chemischen Geologie«, in dem er vor allem auf die Rolle des Wassers bei der Verbreitung der Elemente und die Existenz von Kreisprozessen auch in der anorganischen Natur hinwies. Zur vollen Entfaltung wurde die Geochemie durch russische bzw. sowjetische, amerikanische und deutsche Forscher in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts gebracht. 1908 veröffentlichte F. W. CLARKE (1847 bis 1931) in seinem Werk »Data of Geochemistry« eine umfassende Sammlung chemischer Gesteinsanalysen, womit der Anfang für die geochemische Datenerfassung gemacht wurde, die von amerikanischen Wissenschaftlern auch in der darauffolgenden Zeit weiter verfolgt wurde. Auf der Grundlage der gewonnenen Fakten entdeckten 1914 G. ODDO und 1917 W. HARKINS die nach ihnen benannte Regel, wonach die chemischen Elemente in der Natur häufiger auftreten, deren Ordnungszahl durch vier bzw. zwei teilbar ist. Seit 1922 fand V. M. GOLDSCHMIDT (1888 bis 1947) in Oslo und Göttingen zahlreiche Häufigkeitsbeziehungen der Elemente in den verschiedenen geochemischen Sphären der Erde und deckte eine Reihe ihrer Verteilungsgesetzmäßigkeiten auf. Im Rahmen dieser Arbeiten, vor allem beim Nachweis von Spurenelementen, 'wurde die analytische Methodik vervollkommnet. G. EBERHARD (1908) und W. GERLACH (1930) trugen wesentlich zur Entwicklung und Anwendung der Emissionsspektralanalyse bei und A. HADDING (1922) zur Röntgenspektrographie. Gegenüber den mehr statischen Betrachtungsweisen der amerikanischen und deut-
Geschichte der Mineralogie
Bild 1.24a A. E. FERSMAN (1883 bis 1945), sowjetischer Mineraloge und Geochemiker [219J
1.4.
47
Bild 1.24b. H. STRUNZ (geb. 1910), deutscher Mineraloge [224J
sehen Geochemiker wurde in der Sowjetunion von 1. V. VERNADSKIJ (1863 bis 1945) und A. E. FERSMAN (1883 bis 1945) vor allem Wert auf die Erforschung geochemischer Prozesse gelegt. VERNADSKIJ, der insbesondere die Biogeochemie ausbaute, behandelte schon seit 1890 in seinen Arbeiten Probleme der Geschichte der Minerale, ihrer Entstehung und Umwandlungsprozesse. Stimuliert durch die Erfordernisse des sozialistischen Aufbaus in der Sowjetunion. wurde durch FERSMAN (s. Bild 1.24a) die Klärung von Gesetzmäßigkeiten der Elementbewegung, ihrer Migration und Konzentration in Lagerstätten so entwickelt, daß sie zu einer grundlegenden und erfolgreichen Methode der Suche nach mineralischen Rohstoffen wurde. Dieser Stil hat auch die mineralogisch-geologischen Arbeiten in der DDR wesentlich befruchtet. Von großem Wert für die Entwicklung richtiger Vorstellungen über die Bildung und Umbildung von Mineralen in der Natur war das Verstehen der Rolle von Kolloiden bei mineralgenetischen Prozessen. In Anknüpfung an Gedanken von F. A. BREITHAUPT veröffentlichte F. CORNU (1882 bis 1909) Vorstellungen über kolloidale Mineralbildungen und griff damit eine wichtige Problematik auf, weil derartige Vorgänge bei Verwitterungsprozessen von Gesteinen und Erzen eine große Rolle spielen, darüber hinaus aber auch viele hydrothermale Bildungen Relikte ehemaliger Kolloidalstrukturen aufweisen. In jüngerer Zeit sind diese Fragen vor allem durch F. V. CUCHROV (1955) in der Sowjetunion weiter bearbeitet worden. Auch durch die physikalische Chemie erhielt die Mineralogie wesentliche Grundlagen für die Bestimmung der Existenzbedingungen der Minerale. 1876 fand W. GIBES (1839 bis 1903) die nach ihm benannte Phasenregel, woraus V. M. GOLDSCHMIDT (1911) die mineralogische Phasenregel ableitete (vgl. Kap. 4.2.). Auf der Grundlage dieser physiko-chemischen Gesetzmäßigkeit konnte erstmals vorausgesagt werden, wieviel Mineralphasen bei einem bekannten Stoffangebot unter bestimmten Druckund Temperaturbedingungen in einem abgeschlossenen natürlichen System zu erwarten sind. Weitere Forschungen haben gezeigt, daß die physiko-chemischen
48
1. Allgemeines zur Mineralogie und den Mineralen
Bild 1.25a. A. VERNEUIL (1856 bis 1913), synthetisierte 1890 als erster den Rubin [102J
Bild 1.25b. N. V. BELov (1891 bis 1982), sowjetischer Kristallograph [219J
Bedingungen für die Entstehung, Existenz und Umwandlung von Mineralen durch eine ganze Reihe von Faktoren eines Systems bestimmt werden, zu denen neben Volumen, Konzentration, Temperatur und Druck auch die Wasserstoffionenkonzentration (p'H) und das Redoxpotential (Eh) gehören. Derartige Zusammenhänge wurden für die Arbeiten zur Mimeralsimthese in der jüngeren Vergangenheit der Mineralogie von Bedeutung. Versuche zur künstlichen Darstellung von Mineralen reichen weit in die Geschichte zurück. N. LEBLANO (1743 bis 1806) und F. S. BEuDANT (1787 bis 1850) stellten bereits systematische Versuche über die Beeinflussung der Kristalltracht verschiedener Minerale durch Zusätze von Lösungsgenossen zum mineralbildenden Medium an. E. MITSOHERLIOHS Arbeiten zur Isomorphie erbrachten erste Erfahrungen zur Mineralsynthese aus Schmelzlösungen. Klassische Beiträge zu diesem Forschungsgebiet der Mineralogie leistete der Franzose G. A. DAUBR:EJE (1814 bis 1896), der schon 1849 aus einem Wasserdampfmedium die Oxide von Zinn, Silizium und Titan darstellte und dem auch die Synthese von Feldspat und Glimmer gelang (1857). DAUBREJE war ein ausgezeichneter Kennel' der wichtigsten europäischen Erzlagerstätten und führte die Mineralsynthese zur Unterstützung seiner mineralgenetischen Auffassungen aus. Am Anfang des 20. Jahrhunderts hatten Arbeiten zur experimentellen Mimeraloqie nicht nur für die Klärung der natürlichen Mineralbildungsprozesse Bedeutung. Die
Erfordernisse der Technik führten zur synthetischen Produktion von Mineralen unter Laborbedingungen, wie z. B. Korund, Rubin, Quarz, Calcit usw. (s. Bild 1.25a). In der letzten Zeit haben diese Arbeiten auch einen beträchtlichen quantitativen Umfang erreicht, wie sich das bei der wirtschaftlich bedeutenden Produktion synthetischer Diamanten zeigt. Auf dem Gebiet der experimentellen Mineralogie wurden in Rußland bzw. der Sowjetunion wichtige Beiträge von K. D. CHRUSCOV (1852 bis 1912), N. S. KURNAKOV (1860 bis 1941) sowie D. S. BELJANKIN (1876 bis 1953) und seinen Schülern geleistet.
Geschichte der Mineralogie 1.4.
49
Mit den Erkenntnisfortschritten in der Mineralogie auf der Grundlage physikalischer und chemischer Forschungsergebnisse wurde auch die Bearbeitung mineralgenetischer Fragen spürbar vorangebracht. Wesentlich förderten Erkenntnisse anderer geologischer Disziplinen wie der Geochemie, Lagerstättenlehre und besonders der Petrologie diese Arbeitsrichtung der Mineralogie. Das waren vor allem Forschungen zur Gesteinsbildung von F. Ju. LEVINSON-LESSING (1861 bis 1939), P. NIGGLI (1888 bis 1953), V. N. LODOONIKOV (1887 bis 1943), P. ESKoLA (1883 bis 1964) und N. L. BOWEN, über die Genese der Erze auf hydrothermalen Lagerstätten von J. F. KEMP (1859 bis 1926), W. LINDGREN (1860 bis 1939), S. F. EMMoNs (1841 bis 1911) und H. SCHNEIDERHÖHN (1887 bis 1962) sowie über Mineralbildungen in Pegmatiten von W. CH. BRÖGGER (1851 bis 1940), J. H. L. VOGT (1858 bis 1932) und A. E. FERSMAN. Schrittweise bildeten sich so theoretische Vorstellungen über die Prozesse der Mineralbildung und ihre geologischen Bedingungen heraus, die durch das Erkennen physiko-chemischer Zusammenhänge eine gesetzmäßige Fundierung erhielten. Eine revolutionierende Entdeckung führte am Beginn des 20. Jahrhunderts zur Begründung der Kristallstrukturanalyse, die für die Entwicklung der Mineralogie eine fundamentale Bedeutung erlangte. 1895 hatte W. C. RÖNTGEN (1845 bis 1923) die X-Strahlen (»Röntgenstrahlen«) entdeckt. P. GROTH (1843 bis 1927) verfolgte in seinen Arbeiten als Mineraloge die Raumgitter-Hypothese weiter, obwohl ein experimenteller Beweis für die' von SCHOENFLIES und FEDOROV abgeleiteten 230 Raumgruppen noch ausstand. 1912 regte M. V. LAUE (1879 bis 1957, s. Bild 1.26) die Physiker P. KNIPPING und W. FRIEDRICH an und begründete die Absicht, mit Röntgenstrahlen Interferenzerscheinungen am Raumgitter von Kristallen nachzuweisen; das Experiment gelang (s. Bild 1.27). Der Engländer H. BRAGG und sein Sohn W. L. BRAGG entwickelten seit 1913 auf dieser Grundlage Untersuchungsmethoden für den Feinbau der Kristalle, die durch viele andere Wissenschaftler wie E. SCIDEBOLD, F. RINNE, K. WEISSENBERG, P. DEBYE, P. SCHERRER u. a. ergänzt und spezifiziert wurden. So ergab sich die Möglichkeit, die Kristallstruktur eines jeden Minerals sicher zu bestimmen. Über den Wert der Kristallstrukturanalyse für eine zuverlässige Diagnose von Mineralen (auch feinster Korngrößen) hinaus spielten diese Methoden für die Entwicklung der Mineralogie zu einer modernen Wissenschaft eine prinzipielle Rolle. Die Kenntnis der Struktur gab die Möglichkeit, die Beziehungen zwischen dem Kristallbau. den physikalischen Eigenschaften und dem chemischen Verhalten der Minerale zu erklären. Aus dem Feinbau der Kristalle ergeben sich nicht nur ihre äußeren morphologischen Formen, sondern auch ihre optischen, elektrischen, mechanischen (Spaltbarkeit, Härte, Elastizität usw.) und anderen Eigenschaften. Viele komplizierte chemische Formeln von Mineralen konnten auf der Grundlage der Kristallstrukturanalyse geklärt werden, was für die Ableitung ihrer Systematik exaktere Grundlagen gab. Damit wurde die beschreibende Phase in der Geschichte der Mineralogie überwunden, und man konnte das Wesen der Minerale durch die Aufdeckung der sie bestimmenden Gesetzmäßigkeiten tiefer erfassen. Dieser Stand der mineralogischen Erkenntnis fand seinen Niederschlag in den theoretischen Auffassungen zur Systematik der Minerale (s. Tab. 1.2). Neben den betont chemisch orientierten Mineralklassifikationen von DANA oder HrnTZE ergaben sich nach 1912 Möglichkeiten einer Einteilung der Kristallarten nach Strukturtypen, die auf der Analyse des Feinbaus der chemischen Verbindungen basieren. P. GROTH hatte bereits 1906 bis 1919 in seiner »Chemischen Kristallographie« alles gesicherte kristallographisch-physikalische Beobachtungsmaterial an chemischen Ver bindungen 4
Mineralogie
50
1. Allgemeines zur Mineralogie und den Mineralen Bild 1.26. M. v. Physiker [218]
LAUE
(1879 bis 1959), deutscher
Bild 1.27. Versuchsanordnung nach M. v. LAUE, mit der erstmals 1912 die Beugung von Röntgenstrahlen an einem Mineral durchgeführt wurde [214J A S
Antikathode Bleischirrn Al Aluminiumfolie BI' Ba, Ba' B 4 Blenden (zur Begrenzung des Röntgenstrahles und zur Verringerung von Streustrahlung) MK Mineralkristall P 1-P4 Photographische Platte, die um den Kristall g8kippt werden konnte und deren Abstand zum Kristall veränderlich war (vgl. Bild 3.24) K Bleikasten mit Ansatz R zur Absorption der durchgehenden Strahlung und der Streustrahlung ...
zusammengestellt und auf diese Weise die Ergebnisse von Mineralchemie und Kristallographie miteinander zu verbinden versucht. H. STRUNZ (Bild 1.24 b) klassifizierte die Minerale seit 1941 in den »Mineralogischen Tabellen«(6.Aufl. Leipzig 1977) auf der Grundlage der Verknüpfungen des chemischen Klassifikationsprinzips mit dem Gliederungsprinzip nach Stru:kturtypen. Er nimmt eine den Strukturerfahrurigen angepaßte chemische Einteilung der Minerale in neun Klassen zur Grundlage seines Systems. Die Klassen sind in mehrere Abteilungen untergliedert, in deren Rahmen Minerale mit Strukturen gleichen Typus zu isotypen Reihen und solche ähnlichen Typus zu homöotypen bis heterotypen Gruppen zusammengefaßt sind. Damit wurde ein kristallchemisches Gliederungsprinzip der Minerale ausgearbeitet, das gegenwärtig den meisten Mineralklassifikationen zugrunde liegt und dem auch die Zusammenstellung der Minerale im speziellen Teil des vorliegenden Lehrbuches weitgehend folgt. Von gleichen Gesichtspunkten ausgehend, entwickelte sich in den letzten Jahren die »Strukturmineralogie« besonders erfolgreich unter anderem durch Arbeiten von N. V. BELOV in der Sowjetunion, M. J. BUERGER in" den USA, T.ITo in Japan, L. G. BERRY in Kanada und W. NOVACKI in der Schweiz. Einen Hauptbeitrag zur Ausarbeitung dieses Wissenschaftsgebietes leistete N. V. BELov (Bild 1.25b) mit seinen »Abhandlungen zur Strukturmineralogie« (1950 bis 1967). Zusammen mit seinen Schülern analysierte er systematisch die strukturellen Besonderheiten der einzelnen Minerale und Mineralgruppen in enger Beziehung zu ihrer chemischen Zusammensetzung, ihren Eigenschaften und ihrer Morphologie. Verfolgt man rückschauend die Geschichte der mineralogischen Erkenntnis, so lassen sich in ihrer Entwicklung verschiedene Phasen erkennen. - Im Rahmen der Produktionserfahrungen und aus der Beobachtung der natürlichen Umwelt der Menschen ergaben sich seit der Urgesellschaft mineralogische Erkenntnisse, die in der Zeit des Frühkapitalismus und der europäischen Renaissance im Zusammenhang mit einem blühenden Bergbau einem ersten Höhepunkt zustrebten. In dieser Zeit der Vorqeschichie der 111ineralogie wurden grundlegende Erkenntnisse zu den einzelnen Mineralarten und ihrer Klassifikation sowie metho-
Geschichte der Mineralogie
1.4.
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15
20
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cm
Bild 1.27
disehe Erfahrungen bei der Bestimmung der Minerale auf Grund ihrer äußeren Eigenschaften gewonnen. - AIs Naturwissenschaft entstand die Mineralogie im' 18. Jahrhundert in der Zeit der beginnenden industriellen Revolution. Die neue Qualität des mineralogischen Wissens ergab sich durch systematische Untersuchungen der (Kristall-)Formen von Mineralen, die Bestimmung ihres Chemismus und die Erarbeitung spezifischer mineralogischer Meß- und Bestimmungsmethoden. Unter konkreten gesellschaftlichen Erfordernissen (insbesondere des Montanwesens) entstanden in den letzten Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts zahlreiche mineralogische Zeitschriften, Museen, Gesellschaften und vor allem die ersten Lehrstühle für Mineralogie an Bergakademien und Universitäten. Im 19. Jahrhundert wird eine Vielzahl von Detailtorschungen zu den Kristallformen, den physikalischen Eigenschaften und der chemischen Zusammensetzung von Mineralen geleistet, die Ausdruck einer noch überwiegend beschreibenden Mineralogie sind. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen finden ihren Niederschlag in verschiedenen Mineralsystemen und zusammenfassenden Darstellungen zur regionalen Mineralogie einzelner Länder. Theoretische Elemente der Mineralogie entstanden unter anderem mit den Vorstellungen über die MischkristaJlbildungen bei Mineralen und der Paragenesenlehre.
- An der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert, in der Zeit nach der vollen Herausbildung des Industriekapitalismus, entstand die moderne Mineralogie. Seit dieser Zeit 'wurden exakte Methoden zur Messung der Eigenschaften, des Aufbaus und der Zusammensetzung der Minerale die bestimmende Grundlage für alle mineralogischen Arbeiten. Dabei hatte sich die mineralogische Methodik auf immer kleiner dimensionierte Untersuchungsobjekte zu. orientieren. Ausgehend von Forschungsergebnissen anderer Naturwissenschaften gelang in zunehmendem Maße die Erklärung des Wesens der verschiedenen mineralogischen Erscheinungen. Aus geochemischen Zusammenhängen wurden Bedingungen für die Bildung und Umbildung der Minerale im geologischen Regime verständlich. Die physikalische Chemie, Kolloidchemie und auch die sich stark entwickelnden experimentellen Arbeiten zur Mineralsynthese bestätigten die auch aus den Ar4*
52
1. Allgemeines zur Mineralogie und den Mineralen
beiten anderer geowissenschaftlicher Disziplinen abgeleiteten Vorstellungen über die Mineralgenese. Mit der Analyse der Kristallstruktur der Minerale konnte der ursächliche Zusammenhang zwischen ihrem strukturellen Feinbau, den physikalischen Eigenschaften und ihrem Chemismus aufgedeckt werden. Die wechselseitige Bedingtheit der verschiedenen Erkenntnisse über die Minerale ist Ausdruck des Systemcharakters der Mineralogie und kennzeichnend für ihren hohen Reifegrad als naturwissenschaftliche Disziplin. - Aus den historischen und gegenwärtigen Tendenzen der mineralogischen Erkenntnis sowie aus den gesellschaftlichen Erfordernissen der sozialistischen Entwicklung ist erkennbar, daß die Mineraloqie auch in der Zukunft wesentliche wissenschaftliche Aufgaben zu erfüllen haben wird. Notwendig ist die weitere Aufdeckung der Gesetzmäßigkeiten über die Eigenschaften, Bildung und Umbildung der Minerale, um aus diesen Zusammenhängen Hinweise für die Suche und Erkundung von Lagerstätten sowie für die Bewertung und Nutzung mineralischer Rohstoffe abzuleiten. Die Mineralogie gewinnt wachsende Bedeutung bei der substantiellen Bewertung und Interpretation von Faziesbedingungen geologischer Erscheinungsbilder sowohl auf der Erde als auch in zunehmendem Maße bei der Bearbeitung analoger Gegebenheiten auf anderen Himmelskörpern im Rahmen der Koemoejorecbumq. Verstärken wird sich die Notwendigkeit der wirtschaftlichen Produktion von Industriemineralen, um bestimmte Mineralsubstanzen in entsprechender Menge und mit erforderlichen Qualitätsmerkmalen herzustellen. In dieser Hinsicht kann sich die Mineralogie aus einer analysierenden und erklärenden in eine in gewissem Sinne konstruierende und synthetisierende Wissenschaft verwandeln. Eine derartige Entwicklung wird sich aber, wie jeder weitere Fortschritt in der Mineralogie, nur in engem Zusammenwirken mit den anderen N atur- und Technikwissenschaften vollziehen können.
2 2.1. 2.2.
2.1.
Eigenschaften der Minerale
Einführung Struktur und Form der Minerale
2.3.
Chemismus und Formeln der Minerale
2.4.
Physikalische Eigenschaften
Einführung
Die Abgrenzung eines Minerals von anderen erfolgt hauptsächlich durch seine besonderen physikalischen und chemischen Eigenschaften. Da diese Eigenschaften gleichzeitig dem Mineral (und z. T. den aus ihm aufgebauten Mineralaggregaten) seine praktische Nutzbarkeit verleihen, ist ihre genaue Kenntnis von großer Bedeutung; sie werden deshalb ausführlich in. diesem Kapitel »Eigenschaften der Minerale« beschrieben und begründet. Spezifische, typische Eigenschaften kann ein Mineral nur haben, wenn es »homogene ist, d. h .., wenn es unabhängig von seiner Größe über seinen gesamten Bereich einen nur ihm zukommenden Chemiemus hat und gleichzeitig die das Mineral aufbauenden Elemente in einer bestimmten Ordnung, einer bestimmten (Kristall- )Struktur, vorliegen. Daraus folgt, daß dem kristallinen Aufbau der Minerale und ihrem Chemismus besondere Beachtung geschenkt werden muß.
2.2.
Struktur und Form der Minerale
Bei der Beobachtung der Minerale mit bloßem Auge ist häufig festzustellen, daß sie von geraden und meist glatten Flächen begrenzt sind oder beim Zerdrücken bzw. Zerschlagen nach ebenen Flächen zerbrechen. Da man weiß, daß alle Materie aus Atomen (bzw. Ionen und Molekülen) aufgebaut ist, kann man daraus schließen, daß diese kleinen Bausteine nicht regellos verteilt sind, sondern durch regelmäßige Anordnung diese Erscheinung hervorrufen. Diese geordnete, in bestimmten Richtungen und bestimmten Abständen sich wiederholende Verteilung der das Mineral aufbauenden Elemente bzw. Atome wird in allgemeinster Form in einem sog. Raumgitter
54
2. Eigenschaften der Minerale
Bild 2.1. Schematische Darstellung eines Raumgitters mit eingezeichneter Elementarzelle [98J
verwirklicht, wie es Bild 2.1 zeigt. Die Art dieser Ordnung wird nun hauptsächlich von zwei Faktoren bestimmt, nämlich von der Art und Größe der Bausteine (Atome) und von der Art und Größe der Anziehung (Bindung) zwischen ihnen.
2.2.1.
Bausteine
Grundbausteine jeder Mineralstruktur (jedes Kristallgitters) sind die elektrisch neutralen Atome der chemischen Elemente, die das Mineral zusammensetzen, bzw. deren positiv oder negativ geladene Äquivalente, die Ionen. Atome und Ionen können sich auch zu Molekülen vereinigen und bilden dann komplexe Gitterbausteine. Jedes Atom baut sich aus dem Atomkern und der ihn umgebenden Elektronenhülle auf. In Abhängigkeit von seiner Stellung im Periodensystem hat jedes Atom eine bestimmte Zusammensetzung des Kerns (v, a. Protonen und Neutronen) und eine charakteristische räumliche Verteilung der Elektronen (Bild 2.2). Diese statistisch faßbaren wahrscheinlichsten Aufenthaltsbereiche der Elektronen überlappen sich in einer Mineralstruktur und führen dazu, daß sie sich in bestimmten Entfernungen vom Kern in mehr oder weniger breiten Energieniveaus konzentrieren. Stellt man sich das Energiefeld aus positivem Kern und negativen Elektronen näherungsweise als Kugel vor, so hat jedes Atom eines Elements eine bestimmte Größe, die durch den Atomradius (bzw. entsprechend durch den Ionenradius) ausgedrückt wird. Dieser Atomradius gibt dessen (elektrostatischen) Wirkungsradius an. Stehen sich also ein positives und ein negatives Ion gegenüber, so reicht deren Ionenradius bis zu der Stelle, an der die geringste Elektronendichte herrscht (s. Bild 2.3 a),
Bild 2.2. Zweidimensionale Darstellung
Bild 2.3. Die vier Bindungsarten
von Orbital- und Bindungsrnodellen [40J
a) b) c) d)
obere Zeile: Darstellung der größten Auienthaltswahrscheinlichkeit der Elektronen für drei ausgewählte Orbitalbeispiele 1:3s 2:3p 3:3d untere Zeile: 4 und 5 zeigen eine schematische Darstellung der ö-Bindung verschiedener Orbitaltypen (4 = Kombination von 2 sOrbitalen, 5 = Kombination von einem sund einem p-Orbital). 6 stellt das sp--Orbital des C im CH 4 dar.
Ionenbindung Atombindung metallische Bindung v AN-DER- W AALssche Bindung
Es sind in jedem Fall schematisch die realen Teilnehmer der Bindung (Ionen, Moleküle, Atome) sowie die Verteilung der Elektronendichte zwischen den Kernen bzw. Molekülen dargestellt. Bei der Ionenbindung sind die Wirkungsradien (Ionenradien) r1 und r 2 eingetragen.
~
Struktur und Form der Minerale 2.2.
z
z
x
z
x
x
2
3
6
5 Bild 2.2. Bildunterschrift, s. S. 54 unten
I
I _-1.._ ;I'
I
......
/
'\
I
Cl-
\ \
• -,
a}
....1....
( r7
,_ .... ""
Na+\
k f2 '
J'
",1--
55
I
/
b]
Bild 2.3
2. E1{;enschaften der Minerale
56
-2
• 7,93
0
+L1
+lr
+6
0
e
Z'tD
WB
•
•
0.50
O,3ZanA)
Bild 2.4. Atomradius und Ionenradien von Selen in Abhängigkeit von der Ladung [13J
Atom- und Ionenradien können durch quantenmechanische Überlegungen rechnerisch ermittelt (z. B. L. PAULING 1927) oder durch röntgenographische Bestimmung der Gitterabstände abgeleitet werden. Eine Übersicht über diese Radienweiten, die alle im Bereich von etwa 0,1 bis 3 A (10 bis 300 pm) liegen, gibt die Tabelle 16.2 (im Anhang). Aus dem Dargelegten lassen sich folgende Gesetzmäßigkeiten ableiten: a) Der Radius (die Größe) eines atomaren oder ionaren Bausteins hängt von der Stellung des Elements im Periodensystem, also von der Ordnungszahl bzw. Kernladung, ab. Er nimmt in jeder Periode von links nach rechts ab und in jeder Gruppe von oben nach unten zu. Ausnahmen bilden v, a. die Lanthaniden und Actiniden (infolge der sog. »Lanthaniden- bzw. Actinidenkontraktion«). b) Die Atom- und Ionenradien nehmen mit zunehmender Ladung eines Elements ab, wie es für Selen das Bild 2.4 und für Blei die folgende Aufstellung zeigt: Pb 4 2,15 A (= 215 pm) Pb±o (met.) 1,74 A (= 174 pm) Pb 2+ 1,32 A (= 132 pm) Pb4+ 0,84 A (= 84 pm) Es ist allerdings, trotz aller Bedeutung der Atom- und Ionenradien für das Verständnis der Mineralstruktur, festzustellen, daß die Radien keine unveränderlichen Konstanten sind, sondern bei der Wechselwirkung der Bausteine in einem »Gitter, in einem gewissen Umfang verändert werden können. Entscheidend sind hierbei die Art und Zahl der gegenseitigen Umgebung und Bindung der Bausteine, die Koordination (auf die noch zurückgekommen wird), sowie die dabei verursachten Verformungen der »Elektronenbahnen«, die Polarisation.
2.2.2.
Bindung und Energie
Da unsere Minerale feste Körper sind, müssen die sie zusammensetzenden atomaren Bausteine wechselnd starken gegenseitigen Anziehungskräften (Bindungskräften) unterliegen. Je nach dem Ladungszustand bzw. dem Zustand der Elektronenhüllen der Bausteine kann man verschiedene Bindungsarten unterscheiden (vgl. Bild 2.3): - Die van-der- Waalssche Bindung ist eine schwache Restbindung zwischen den Atomen und Molekülen mit stabiler Elektronenstruktur. Sie ist v. a. bei Edelgasen und einfachen anderen Molekülen zu beobachten, wie 02' N 2 , H 2 , NH3 , CH 4 , die bei Normaltemperaturen keine festen Minerale bilden, während kompliziertere (z. B. organische) Moleküle hier schon kristallin sein können. - Die ionare Bindung (= heteropolare Bindung) tritt zwischen unterschiedlich geladenen Ionen auf, die durch Austausch von Elektronen der äußeren Schalen entstehen. Ionare Bindung ist in den Mineralen sehr häufig (80 % aller Minerale). Typische Ionengitter bilden u. a. Halogenide und Sulfide (z. B. NaCI und PbS).
Struktur umd. Form der Minerale 2.2.
57
- Eine kovalente Bindung (= homöopolare oder Atombindung) entsteht dann, wenn die äußeren Elektronen zweier Atome diese paarweise umfahren. Dies ist nur bei bestimmten Ladungs- und Wertigkeitsverhältnissen möglich; die kovalente Bindung tritt in reiner Form beim Diamant auf, bevorzugt auch beim Sphalerit (Zinkblende), häufig in Molekülen aller Art (vgl. Bild 2.5). - Bei der metallischen Bindung geben die Atome einen großen Teil der Elektronen der äußeren Schale ab. Dadurch liegen positiv geladene »Atomrümpfe- geordnet in einem ± homogenen »Elektronengas«. Diese Bindungsart tritt, wie der Name sagt, in reiner Form bei Metallen und metallischen Mineralen (z. B. »gediegen- Gold) auf. Es ist festzustellen, daß eine Reihe von Mineralen nur eine einzige Bindungsart aufweisen, sie sind homodesmisch; die meisten Minerale, insbesondere die chemisch komplexer zusammengesetzten, haben zwei oder mehr Bindungsarten (heterodesmisch, Mischbindung), wobei jedoch normalerweise eine davon überwiegt. Der Charakter der Bindung im Mineral bestimmt viele Eigenschaften des Minerals, so z. B. die mechanischen, optischen und Leitfähigkeitseigenschaften. Einige wichtige Beziehungen sind im folgenden zusammengefaßt: VAN -DER- WAALssche
Bindung: -
geringe Härte niedriger Schmelzpunkt geringe elektrische Leitfähigkeit hohe thermische Ausdehnung
ionare Bindung:
- geringe elektrische Leitfähigkeit - farblos bzw. farbig durchsichtig - elektrolytisch zerlegbar
kovalente Bindung:
- sehr geringe elektrische Leitfähigkeit (Isolator) - diamagnetisches Verhalten - hohe Lichtbrechung (wegen hoher Polarisation)
metallische Bindung:
-
":l
.~
~
"C
e::
e:: e::
~
'"e::
":l
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.E.:!
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.G
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e::
.r::0.g ~~
~
~ c,
d:v,
~
~-S
-c...
E::
O8 O8
Ag F
hohe elektrische und thermische Leitfähigkeit undurchsichtig (opak) hohes Reflexionsvermögen gute Verformbarkeit
(farblos) NaCI-ljrp
Ag CI
(farblos) NaCI-ljrp
G::8
Ag Sr
(gelb)
G
AgJ
(dunkelgelb) ZnS-ljrp
NaCI-ljrp
~
e::
Bild 2.5. Schematische Darstellung des Überganges von der Ionenbindung zur Atombindung durch zunehmende Polarisation innerhalb der Silberhalogenide [8; 40J. Man beachte auch die gesetzmäßige Veränderung der Farbe der Verbindungen (vgl. Kap. 2.4.1., S.103)
2. Eigenschaften der Minerale
58
Ein Maß für die Summe der Bindungskräfte in einem Kristall ist die Gitterenergie U. Bei einfachen (binären) Ionengittern gilt (nach BORN) folgende Beziehung:
= N IXZ: e (1 - ~) in kJ fmol 2
_U
N Avogadrosche Konstante IX Madelungsche Konstante z Wertigkeit der Ionen e Ladung eines Elektrons r Ionenabstand m Abstoßungsexponent Das negative U resultiert aus der Definition, daß die Energie zur Zerlegung des Gitters in seine Einzelbausteine erforderlich ist. Nach :KAPUSTINSKY kann man diese Beziehung unter bestimmten Voraussetzungen wie folgt vereinfachen:
- U -_ 256,1
nz 1z2 r 1 + r2
• kJj I mmo
n
Zahl der Moleküle und Z2 Ladungen der Ionen r 1 und r2 Radien des Kations und Anions
Zl
Daraus ist ablesbar, daß die Gitterenergie unter den angenommenen vereinfachten Bedingungen von der Ionenwertigkeit und den Ionenradien abhängt. Experimentell kann man diese berechneten Gitterenergiewerte durch den HABER-BoRNschen Kreisprozeß überprüfen und bestätigen. Gitterenergiewerte sind in Tabellen zusammengestellt und ermöglichen oft wertvolle Aussagen z. B. über die Kristallisationsfolge und Stabilität von Mineralen (vgl. [13]).
2.2.3.
Kristallstruktur der Minerale
Es wurde bereits festgestellt, daß die Bausteine der Minerale, bedingt insbesondere durch ihre unterschiedliche Größe und ihre Ladungseigenschaften, in geordneter Form vorliegen (Raumgitter). Diese »Ordnung« besteht im wesentlichen darin, daß die Bausteine in gleichen Richtungen immer um einen bestimmten Betrag periodisch verschoben sind. In bestimmten zweidimensionalen Bereichen verdichten sie sich zu den sog. Netzebenen; an der äußeren Begrenzung der kristallinen Minerale entsprechen diese Netzebenen den Mineralflächen (s. Bild 2.6).
Bild 2.6. Schematische Darstellung von Netzebenen unterschiedlicher Besetzung. Es ist die direkte Beziehung zwischen der Lage der Netzebenen (gestrichelt) und der Kristallflächen zu erkennen (vgl. auch Bild 2.31)
Struktur und Form der Minerale 2.2.
59
+c
-a -b
/
//
+b
I I I -a /
+b
.L-------
-c
/
a) Bild 2.7. Grundsätzliche Verhältnisse in einem Achsensystem a) dargestellt sind die Lage der Achsen und deren Benennung sowie der von ihnen eingeschlossenen Winkel [98] b) Ausschnitt des vorderen rechten oberen Quadranten in atomarer Darstellung; es wird gezeigt, wie ein Punkt im Raum sowie eine Fläche durch Achsenabschnitte bestimmt werden kann [141, geändert]
Treten keine Störungen auf, dann ist dieses Raumgitter geometrisch ideal aufgebaut und ladungsmäßig in sich abgesättigt, also »elektrisch- neutral. Das Studium des räumlichen dreidimensionalen Aufbaus der Kristallgitter ist eine spezielle Aufgabe der Kristallographie, von den kristallinen Mineralen also der kristallographischen Mineralogie. Es gibt verschiedene Methoden und Wege, das Verständnis für den Feinbau der Minerale zu erwerben und zu fördern. Grundlegendes Ordnungsprinzip ist die Symmetrie. Da die Form eines kristallinen Minerals von der Art seines atomaren Aufbaus, seiner Kristallstruktur, bestimmt wird, gibt es eine Übereinstimmung zwischen der »Symmetrie der Atome« und der Symmetrie im realen Kristall. Aus praktischen Gründen werden die »Symmetcieelemente«, mit deren Hilfe sich der Grad der Symmetrie charakterisieren läßt, in Kapitel 2.2.4. (Form der Minerale) abgehandelt. Es läßt sich schon hier feststellen, daß sich die Symmetrie der atomaren Bausteine der kristallinen Materie gruppieren läßt; man kann insgesamt 32 »Punktgruppens oder analoge 32 Kristallklassen aufstellen, die sich wiederum in sieben Kristallsystemen zusammenfassen lassen. Die Achsensysteme für die sieben Kristallsysteme sind Koordinatensysteme, die sich natürlich auch für die Beschreibung der Lage eines atomaren Bausteins oder sonstiger Strukturelemente in einem dreidimensionalen Raum eignen; sie werden deshalb bereits hier dargestellt. Die prinzipiellen Verhältnisse in einem dreiachsigen System zeigt Bild 2.7; von den sieben Achsensystemen sind sechs dreiachsig, ein Achsensystem vierachsig. Im Bild 2.8 sind diese Achsensysteme dargestellt; man kann daraus die Stellung und Benennung der Achsen sowie der Winkel zwischen diesen entnehmen.
60
2. Eigenschaften der Minerale
Die diese Koordinaten- bzw. Achsensysteme bestimmenden Achsenlängen und Winkel zwischen den Achsen für die sieben Kristallsysteme seien hier zusammengefaßt : ao = ao = a o =f= al = al =
1. kubisches System 2. tetragonales System 3. rhombisches System 4. hexagonales System 5. trigonales System
bo = b o =f= b o =f= a2 = a2 =
= = = =
ß= Y = ß= Y = ß= Y =
90° 90° (X 90° a g =f= Co (X 90°, Y = 120° ag (X =f= 90° (rhomboedrische Klasse, sonst wie hexagonales System) (X = Y = 90°, ß > 90° a o =f= b o =f= Co (X =f= ß =f= y =f= 90° a o =f= b o =f= Co
6. monoklines System 7. triklines System
Co Co Co
(X
(X
Betrachtet man das Raumgitter als allgemeine vereinfachte Form einer Mineralstruktur näher, kann man die kleinste räumliche Einheit herausfinden, begrenzt durch acht Bausteine, die durch Verschiebung in alle drei Raumrichtungen das Raumgitter aufbaut (vgl. Bild 2.1). Diese kleinste Zelle wird als Elementarzelle des Raumgitters bezeichnet. Diese parallelepipedische Elementarzelle hat bereits alle (Symmetrie-)Eigenschaften wie das gesamte Raumgitter. Da es dieses durch Verschiebung (Translation) aufbaut, heißt es Translationsgitter oder, nach dem französischen Kristallographen (um 1850), auch BRAvAIs-Gitter. Bei Anwendung der sieben Koordinatensysteme kann man insgesamt 14 Bnavxra-Gitter ableiten, die im rhombisch
kubisch
+b Go = bo = Co
cc = ß
=
r
hexagonal
aa =
+a
+a
+a
60 4=
C(,
=ß
1
=
=
720
0
Go = !J0
+
0
cc = ß
=
ao =1= 60 =FCo
Co
r = 90
trigonal
Co
900
=bo =1=
0
(X,
monoklin
ao =/; bo :t Co aorh
C(,
=
ß =I:
1 90
=
90
=
ß =1 = !JOD triklin
Go 4= bo =F Co 0
C(,
=F ß =t= 1 =1=90
0
0
Bild 2.8. Kristallographische Achsensysteme [118J. Beim hexagonalen und trigonalen System wird hier eine dreiachsige Darstellung angewendet.
Struktur und Form der Minerale 2.2.
a)
d)
b)
e)
h)
m)
i)
c)
f)
g)
k)
I)
n)
0)
Bild 2.9. Die 14 Translationsgitter (BRAVAIs-Gitter) a) b) c) d) e) f) g)
triklines Gitter einfach monoklines Gitter flächenzentriertes monoklines Gitter einfach rhombisches Gitter basiszentriertes rhombisches Gitter innenzentriertes rhombisches Gitter allseitig flächenzentriertes rhombisches Gitter
h) i) k) 1) m) n)
hexagonales Gitter trigonal-rhomboedrisches Gitter einfach tetragonales Gitter innenzentriertes tetragonales Gitter einfach kubisches Gitter innenzentriertes kubisches Gitter 0) flächenzentriertes kubisches Gitter
61
~
I
I
Tetraeder
D
Dreieck
,/
'---""-----" ......-
(-~J;.t=-)
,""...
X'...~·('!~.1
Y
A
::../;
"
\
,
-
kubooktoede»
Hexaeder
Oktaeder
& ~ + 4JJ ffi % UjJ *: •
00 o----.9a
Koordinationsformen
"'7
OJ32 ... Kation
~
~
~
~
~ .,.,. ;;s
~
~
R...
;;s
~
~
e':>
""~
;;s
~
}Kobaltblüte«); (vgl, Bild 12.17, auch Gips, Bild 13.11) Zeolithwasser stellt H 20-Moleküle dar, die in ein Mineralgitter (speziell den Zeolithen) in Hohlräumen ohne Fixierung an einen bestimmten Platz gebunden sind. Es besteht die Möglichkeit der stufenlosen Abgabe und Wiederaufnahme des Wassers ohne .Änderung der Struktur. Beispiel: Na2[A12SiaOloJ + 2 H 20 = Natrolith (vgl. Bild 11.163). Im speziellen Teil des Buches wird bei den Zeolithen im Gegensatz zu der vorgeschlagenen Schreibweise' x H 20 geschrieben.
92
2. Eigenschaften der Minerale
Kolloidwasser ist Absorptionswasser in Hydrogelen, das kontinuierlich abgegeben, aber nicht in jedem Fall wieder aufgenommen werden kann (>}Alterung« der Gele). Beispiel: Si0 2 + aq = Opal Zwischenschichtwasser (auch Quellungswasser z. T.) ist in Schichtgitter-Mineralen zwischen den Schichten eingelagert und weitet das Gitter häufig senkrecht zu den Schichten auf (vgl. Bild 11.107). Es kann kontinuierlich aufgenommen und abgegeben werden. Beispiel: {(AII,67Mgo,33) [(OH)2/Si401OJO,33-} Na O,33(H20)4
= Montmorillonit (vereinfachte Formel)
(Das durch Na kompensierte Ladungsdefizit von 0,33 entsteht durch Fehlordnung, nämlich hier durch den Ersatz von Al durch Mg.) In diese Gliederung geht natürlich nicht das sorptiv an das Mineral gebundene Wasser (das bei 105°C zu entfernende Kapillarwasser oder die »Bergfeuchte«) ein sowie auch nicht das in Flüssigkeitseinschlüssen (meist bei Wachstum der Minerale) eingeschlossene Wasser (vgl. Kap. 3.6.).
2.3.2.
Variable Verbindungen (Diadochie und Isomorphie)
Die meisten (wenn nicht alle) Minerale sind als Realkristalle nichtstöchiometrisch zusammengesetzt. Deshalb sind stöchiometrisch aufgebaute Mineralformeln fast stets eine Vereinfachung der Realität. Sie stellen den verallgemeinerten Hauptchemismus einer Mineralart dar, nicht den wirklichen genauen Chemismus des Mineralindividuums (vgl. Kap. 1.3. Gliederung). Wie wir schon feststellten, wird diese Abweichung" durch Fehlordnung im Mineralgitter hervorgerufen, von denen wir trotz vieler Ähnlichkeit hier zwei Arten unterscheiden: die Diadochie und die Isomorphie. Unter der Diadochie wollen wir die Fehlordnung, insbesondere die gegenseitige Ersetzbarkeit einzelner Atome (in einer relativ geringen Menge in bezug auf die Hauptelemente des Wirtsminerals), verstehen. Die sog. Spurenelemente in den Mineralen .sind dementsprechend diadoch eingebaut. Bei der Isomorphie ist der Grad der Fehlordnung wesentlich größer und führt z. B. dazu, daß zwei oder mehr (gleichwertige) Komponenten eines Minerals einen sog. Mischkristall (eine isomorphe Mischung bzw. feste Lösung) aufbauen. Bei den Fehlordnungen unterscheiden wir prinzipiell drei Hauptarten : - die Substitutionsfehlordnung, bei der ein bestimmter Baustein (Atom, Ion) durch einen anderen, möglichst gleich großen und gleichwertigen, ersetzt (substituiert) wird (Bild 2.45 oben) - die Subtraktionsfehlordnung, bei der ein bestimmter Gitterpunkt nicht durch das Atom, das an dieser Stelle an sich vorhanden sein müßte, besetzt ist (Leerstellenfehlordnung; siehe Bild 2.45 Mitte). Ein Mineral mit Subtraktionsfehlordnung ist der Pyrrhotin (Magnetkies) mit der allgemeinen Formel Fen-ISn, wobei die natürlichen Bildungen meist die Formel FellSI2 haben - die Additionsfehlordnung, bei der zusätzlich zu dem normalen Gitter auf Zwickeln (»Zwischengitterplätze«) zwischen den Bausteinen noch andere, meist kleine Bausteine eingefügt (addiert) sind (Bild 2.45 unten).
Ohemismus und Formeln der 1Y[inerale
2.3.
93
00000 00000
••••• ••e.o 00000
7
2
3
5
6
0.0000 00800 0000·0 000.00
00.0.0 o 000
OOOO~
00 00
8
9
OOO~O
~O·OOO
Bild 2.45. Zweidimensionale Schemata der Fehlordnungen
Obere Reihe (Substitutionsfehlordnung) : 1 Gitter aus einer Komponente mit Einbau eines kleineren und eines größeren Atoms 2 ungeordnete Substitution 3 geordnete Substitution
M ittlere Reihe (Subtraktionsfehlordnung) : 4 Verhalten des Gitters bei Leerstellen 5 geordnetes Gitter aus zwei Komponenten A und B, wobei zweimal AB fehlt (dadurch elektrisch neutrales Gitter)
6 wie 5; es fehlt nur zweimal Komponente B (dadurch elektrisch nicht neutrales Gitter)
Untere Reihe (Additionsfehlordnung) : 7 Verhalten des Gitters bei Einbau zwickelfüllender und großer Atome 8 doppelter Mischkristall (Kopplung von Substitutions- und Additionsfehlordnung) 9 dreifacher Mischkristall (Kopplung aller drei Fehlordnungen)
Anmerkung; Bei binären Ionenkristallen vom Typ AB gilt: 1. FRENKEL-Typ: Kationen auf Zwischengitterplätzen und Leerstellen im Anionenteilgitter 2. SCHOTTKY·Typ: Leerstellen im Kationen- und Anionenteilgitter
94
2. Eigenschaften der Minerale
Die Subtraktions- und Additionsfehlordnung hat ihre Hauptbedeutung im technischen Bereich der Werkstoffe; ihre künstliche Erzeugung und Steuerung führt zu wichtigen elektrischen, magnetischen und anderen Effekten, die insbesondere in der Elektronik (z. B. Halbleiter) genutzt werden. In der natürlichen (geologischen) Materie, in den Mineralen, haben wir als wichtigste und wirkungsvollste Fehlordnung die Substitutionsfehlordnung näher zu betrachten, da sie die Grundlage für das tiefere Verständnis der Diadochie und Isomorphie ist.
Diadochie Eine diadoche Ersetzbarkeit (Substitution) eines Elementes (Atom, Ion, auch Molekül) durch ein anderes ist möglich, wenn der ersetzende Baustein etwa gleich groß wie der zu ersetzende ist. Nach der GOLDSOH:MIDTschen Regel wird (bei Ionengittern) bis zu einer Abweichung von 15 % der Größe des Wirtselements dieses leicht ersetzt. VERNADSKIJ hat bereits vor 60 Jahren solche Elemente, die sich in Mineralen häufig gegenseitig vertreten, zu sog. diadochen Reihen zusammengefaßt. Die in den Mineralen am häufigsten auftretenden Diadochiebeziehungen sind im Bild 2.46 dargestellt. Man beachte jedoch stets die Veränderbarkeit von Atomen und Ionen durch Deformation infolge struktur- und bindungsbedingter Polarisation der Elektronen. bahnen. Am leichtesten vertreten sich Elemente mit gleicher elektrischer Ladung (gleicher Wertigkeit), wir sprechen dann von isovalenter Diadochie oder Tarnung (Beispiel Mg2+ durch FeH im Olivin oder Magnetit). Jedoch ist auch heterovalente Diadochie häufig. Bei letzterer spricht man von sog. Abfangen, wenn ein höherwertiges Element von einem niedrigerwertigen ersetzt wird (Ca2+ durch ya+ im Fluorit) und dadurch seine Gitterenergie erhöht. Im Periodensystem sind oft gleich große und damit diadoch wirksame Elemente durch die bekannten Schrägbeziehungen verbunden (Beispiel Ca ... Y; B ... Si; Ti ... Nb). In der Mineralformel werden Elemente, die sich diadoch vertreten, in einer runden Klammer in der Reihenfolge ihrer Häufigkeit und durch ein Komma getrennt aufgeführt, so z. B. ein silberhaltiger Galenit (Bleiglanz) als (Pb, Ag)S.
Isomorphie
o
Bei der Isomorphie treten Elemente und Elementgruppen als mehr oder weniger gleichwertige Partner zu einer isomorphen Mischung oder einem Mischkristall zusammen. Hier spielt meist nicht nur die Größe der einzelnen Atome, sondern die möglichst gleichwertige strukturelle Form der Partner (meist molekülartige Komponenten) eine Rolle. Je nach dem Grad dieser Ubereinstimmung spricht man von isotyper, homöotyper und heterotyper Mischbarkeit. Eine vollständige Mischbarkeit ist also dann zu erwarten, wenn die Gitterparameter praktisch gleich (isotyp) sind; so treten z. B. die (kubisch flächenzentrierten) Gitter von Gold (ao = 4,078 A) und Silber (ao = 4,086 A) zu der bekannten lückenlosen Legierung zusammen, oder die Kristallgitter vonPyrop MgaAl2[Si0 4Ja mit a o = 11,53A und Almandin Fe~+Al 2[Si0 4Ja mit a o = 11,52 A bilden einen Granatmischkristall. Haben die beiden Mischungsglieder etwas unterschiedliche Gitterparameter, so liegt die Größe der Gitterkonstante des Mischkristalls zwischen beiden Wer~en (s. Bild 2.47; )}VEGARDsche Regel«). Eine etwas kompliziertere Art der Isomorphie tritt bei der sog. gekoppelten Sub. stitution auf, bei der sich in den isomorphen »Molekülen« verschiedenwertige Elemente
Chemismus und Formeln der Minerale 2.3.
es1:t
95
Sr 2+
(3 / I
I •I '\\
8e2 +
I
8 3+
\
Ge 4+
Bild 2.46. Diadoche Ersetzbarkeit von mineralbildenden Elementen durch andere, meist Spurenelemente (Beispiele)
2. Eigenschaften der Minerale
96 A
AB
B Bild 2.47. Isomorphe Mischung der Komponenten A und B. Die Größe der Elementarzelle des Mischkristalls AB liegt zwischen denen der beiden Endglieder [98J; »VEGARDsche Regel«
austauschen können. Ein Beispiel aus der vollständig mischbaren isomorphen Reihe der Plagioklase in der Feldspatgruppe möge das erläutern: Es treten hier die Komponenten Albit N a[AlSi 30 s] und Anorthit Ca[AI2Si20s] unter gekoppeltem Ersatz von Na+Si4+ gegen Ca 2+Al3+ zusammen. Die Formeln von Mineralen mit Mischkristallcharakter ähneln denen von Mineralen mit diadochem Einbau eines Elementes. Mischt sich z. B. das Mineral Forsterit Mg2[Si0 4] mit dem Mineral Fayalit Fe2[Si0 4] , so hat beim Überwiegen des Forsterits der Mischkristall Olivin die Formel (Mg, Fe)2[Si0 4 ] , im Falle des Überwiegens des Fayalits jedoch (Fe, Mg)2[Si04]. Diese Methode kann auch auf das Anion bzw. den Anionkomplex übertragen werden.. Den Vorgang der Mischkristallbildung kann man neben der hier durchgeführten kristallchemischen bzw. kristallstrukturellen Betrachtung auch vom physikochemischen Standpunkt beschreiben. Dies ist der Lehrstoff der Physikalischen Chemie sowie Geochemie und wird deshalb, von einigen Ausführungen im Kapitel 4.2. abgesehen, hier nicht behandelt. Es soll zum Gesamtverständnis nur auf einige Punkte hingewiesen werden. Die Neigung zu Diadochie und Mischkristallbildung ist generell bei niedrigeren Temperaturen geringer als bei höheren, da bei höheren Temperaturen (Energiezufuhr) infolge größerer Beweglichkeit der Atome und Ionen derartige Fehlordnungen erzwungen werden können. Solche Mischkristalle sind theoretisch nur unter den Entstehungsbedingungen stabil und zerfallen bei Abkühlung in die Ausgangs-
.... . -.. .,-
..
.......
~
,
b)
, .,
,a
...
c)
Bild 2.48. Entmischungsformen von Ohalkopyrit (schwarz) aus Bornit in Abhängigkeit von der Abkühlungsgeschwindigkeit. Abkühlung von 600 °0 auf Zimmertemperatur in 5 Minuten (a), 1 Stunde (b), 24 Stunden (c) [115]
Chemismus und Formeln der Minerale 2.3.
97
phasen; sie entmischen sich und bilden Entmischungsgejüge (Bild 2.48), wie wir sie in großer Zahl und Formenfülle in den Mineralen finden (Lamellen, Spindeln, Tröpfchen usw.). Ihr Vorhandensein bzw. Fehlen gibt oft wichtige Hinweise für die Entstehungsbedingungen der Minerale. Wir kennen aber auch Minerale, z. B. den Olivin, die oft trotz extremer Bildungsbedingungen unter Erdoberflächenverhältnissen nicht oder langsam .zerfallen, sich also metastabil verhalten.
2.3.3.
Berechnung von llIineralformeln
Zur Aufstellung einer Mineralformel benötigt man in jedem Fall eine chemische Analyse, die die Menge der Atome bzw. Moleküle in Masseprozent (bzw, Gewichtsprozent) angibt. Da jedoch die Formel die zahlenmäßigen Verhältnisse der Atome zueinander benötigt und wiedergibt, muß man die analytisch bestimmten Komponenten durch das Atom- bzw. Molekulargewicht (-masse) dividieren; man erhält dadurch die Atom- bzw. die Molekularmengen. Dies sei an drei Beispielen demonstriert (s. Tab. 2.2, 2.3, 2.4). Die Aufstellung der Formeln von komplex zusammengesetzten Mineralen, insbesondere der von Silikaten, ist oft schwierig und bedarf eingehender Kenntnis der Struktur und Bindung (vgl. [37]).
Tabelle 2.2. Berechnung der Formel des Minerals Emplektit [17J Element
Masse- %
Atommenge (x 10000)
Cu Bi S
19,20 62,27 18,53
3020 2979 5780
Summe
Verhältnis (Koeffizient)
100,00
Mineralformel: CuBiS 2
Tabelle 2.3. Berechnung der Formel eines Kalifeldspates [13J Oxid
Masse- %
Molekularmasse
Molekularmenge (x 1000)
Verhältnis (Koeffizient)
Si0 2 A120 a K 20
64,7 18,4 16,9
60,09 101,96 94,20
1077 180 179
,,-,6
Summe
7
Mineralogie
100,0
,,-,I
,,-,I
98
2. Eigenschaften der Minerale
Tabelle 2.4. Berechnung der Formel des Minerals Triphylin (aus [13]) Oxid
Li 20 FeO MnO P205 H 20 Summe
Masse- %
9,01 33,04 12,12 45,60 0,70
Molekularmenge
Atommenge Atommenge von Sauerstoff des Kations
(x 100)
(x 100)
(x 100)
30,15 45,99 17,09 32,10 3,89
30,15 45,99 17,09 160,50 3,89
60,30 45,99 17,09 64,20 7,78
100,47
Verhältnis (Koeffizient) 3,74 2,85 1,06 3,99 0,48
257,62
Mineralformel: Li 3, 74FeU5MnU6Ho,48P3,99016 verallgemeinert: Li(Fe, Mn)P0 4
2.4.
Physikalische Eigenschaften
Die physikalischen Eigenschaften sind von besonderer Bedeutung, da sie - sehr häufig die vielfältige Nutzung der Minerale bedingen und - für das Erkennen (die Diagnose) des Minerals wichtig sind. Die Bestimmung der physikalischen Eigenschaften kann in vielen Fällen bereits makroskopisch erfolgen, so z. B. durch die Farbe, Dichte, Härte und Form; sehr häufig muß man sich aber unterschiedlicher und z. T. verhältnismäßig aufwendiger Untersuchungsmethoden bedienen. Darüber wird im Kapitel 3. ausführlich berichtet. Alle physikalischen Eigenschaften hängen von der Feinstruktur des Minerals ab, also von der Art und Packungsdichte der Bausteine sowie ihrer räumlichen Anordnung. Skalare Eigenschaften sind dabei solche, bei denen die Anisotropie des Gitters keine Rolle spielt, die also richtungsunabhängig sind, wie z. B. die Dichte, der Schmelzpunkt oder die spezifische Wärme. Solche Eigenschaften, die von der Anisotropie der Mineralstruktur beeinflußt werden bzw. abhängig sind, heißen vektoriell (wobei man noch polare und tensorielle unterscheiden kann); hierzu zählen die Elastizität, die Härte und die Spaltbarkeit bzw. der Bruch ebenso wie die Wachstumsgeschwindigkeit, die Wärmeleitfähigkeit oder die optischen Eigenschaften.
2.4.1.
Optische Eigenschaften
Von jedem Mineral erhalten wir durch seine Farbe und seinen Glanz einen ersten optischen Eindruck. Diese und einige andere optische Eigenschaften äußern sich bei der Einwirkung von Licht auf das Mineral. Folgende wichtigste Möglichkeiten bestehen da bei:
Physikalische Eigenschaften
204.
99
- unterschiedlich starke Lichtbrechung - unterschiedlich starke Lichtabsorption und -reflexion - Erzeugung einer sichtbaren Sekundärstrahlung
Lichtbrechung Die Lichtbrechung ist eine der grundlegenden Erscheinungen am Mineral; sie ist verantwortlich für viele optische Eigenschaften wie den Glanz, die Interferenzfarben, die Reflexion usw. Sie ist weiter eine wichtige Konstante eines Minerals und ermöglicht mit ihrer Bestimmung das Erkennen eines Minerals. Die Kenntnis der Grundgesetze von Lichtausbreitung, von Lichtbrechung, -doppelbrechung und -polarisation wird vorausgesetzt, so daß hier nur stichwortartige Wiederholungen nötig sind; im übrigen sei auf Lehrbücher der Physik, Kristallographie, Kristalloptik und Polarisationsmikroskopie verwiesen [5], [45], [91]. Das SNELLlussche Brechungsgesetz (s. Bild 2.49) bestimmt das Verhalten eines Lichtstrahles an der Grenze optisch unterschiedlich dichter Medien. Der wichtige Brechungsindex n (streng gültig nur für monochromatisches Licht) ist definiert als
n
= sms~n (= ~ =~) V n
(Xl
(Xl (X2
und
(X2
2
l
Einfalls- bzw. Brechungswinkel
VI und V 2 Fortpflanzungsgeschwindigkeit in beiden Medien n 1 und n 2 absolute Brechzahl der beiden Medien n Brechzahl Bild 2.49. Schematische Darstellung der Lichtbrechung (SNELLIUssches Brechungsgesetz) beim Lichtdurchgang von einem optisch dünneren in ein optisch dichteres Medium (nI und n z) W I und W z sind die Wellenfronten des einfallenden und gebrochenen Lichtes i und r entsprechen dem Einfalls- bzw. Brechungswinkel IXI und IXz
Die Geschwindigkeit der Lichtstrahlen in einem Mineral - und damit (als reziproke Werte) die Stärke der Lichtbrechung in einer bestimmten Richtung - hängt vom Gitterfeinbau (insbesondere vom »Packungsindex«, d. h. der Dichte der Packung der atomaren Bausteine und der Bindungsart) ab und läßt sich am besten durch eine räumliche »Indikatrix« wiedergeben. Ihre Ausbildung (Kugel, Rotationsellipsoid oder dreiachsiges Ellipsoid) wird weitgehend von der kristallographischen Symmetrie bestimmt und ermöglicht die Ausgliederung von fünf optischen Klassen. Optisch isotrope Minerale (gelförmig, kubisch) haben nur einen Brechungsindex (= eine Wellengeschwindigkeit), während in anisotropen Mineralen (alle anderen 7*
100
2. Eigenschaften der Minerale
Kristallsysteme) in Abhängigkeit von der Richtung auch unterschiedliche Brechungsindizes (= Wellengeschwindigkeiten) auftreten. Für uns von Interesse sind besonders die Hauptbrechungsindizes, von denen bei optisch einachsigen Mineralen (tetragonal, hexagonal, trigonal-rhomboedrisch) zwei in Form von no und nE, bei optisch zweiachsigen Mineralen (rhombisch, monoklin, triklin) drei als n x., ny, nz existieren (s. Bild 2.50). Insbesondere bei den optisch einachsigen Mineralen besteht eine strenge Übereinstimmung der kristallographischen und optischen Achsen (s. Bild 2.51). Diese Werte sind v. a. in den Lehr- und Handbüchern der Mikroskopie in Tabellenform für alle wichtigen Minerale zusammengestellt [17,49,209 u. a.]. In einem isotropen Medium (z. B. Luft) »schwingt Licht« in allen Richtungen. Trifft dieses Licht auf ein anisotropes durchsichtiges Mineral, so wird es in zwei senkrecht zueinander schwingende, also polarisierte Wellen mit unterschiedlichen Brechungsindizes (= unterschiedlicher Geschwindigkeit) zerlegt. Ist diese Doppelbrechung (Lln = deltan, z. B. nE - no oder nz - nx) sehr groß, wie z. B. beim Calcit (s. Bild 2.52), kann man die beiden Wellen voneinander trennen und erhält das für polarisationsoptische Untersuchungen wichtige linear polarisierte Licht. Tritt nämlich dieses polarisierte Licht in einem Mikroskop durch ein anisotropes Mineral, erzeugt es typische Interferenzfarben, aus deren Art man wiederum auf den Charakter des Minerals schließen kann (s. Kap. 3.2.; auch Bild 16.5 imAnhang). Eine eingehendere
Af ~ DA DA \
\ \
a)
,nz
,, I
d)
Bild 2.50. Bezugsfläche (Indikatrix) für die Darstellung des Brechungsindex in den verschiedenen Kristallsystemen [98J a) Kugel; n ist in allen Richtungen gleich groß (z , B. kubisch) b) Rotationsellipsoid; zwei Hauptbrechungsindizes n E und n o, die mit den kristallographischen Achsen, c bzw. der Ebene der a-b Achsen zusammenfallen (z. B. tetragonal)
d) in einem dreiachsigen Ellipsoid gibt es zwei kreisförmige Schnittlagen, in denen n in allen Richtungen gleich groß ist. Senkrecht dazu stehen die beiden optischen Achsen (OA), diese liegen in einer »Ebene der optischen Achsen« (AE) (vgI. Bild 11.156)
c) dreiachsiges Ellipsoid; drei Hauptbrechungs-' indizes n x' n y und n z, die mit den kristallographischen Achsen zusammenfallen können (z. B. rhombisch), aber nicht müssen (vgI. Feldspäte, Bild 11.156)
no =
Zusatz: In der älteren Literatur steht oft für W oder 0 und für ein n E = s oder E. In der sowjetischen Literatur wird für n z, n y, n x oft N g , Nm und Np (bzw, n g , n m, n p ) geschrieben.
Physikalische Eigenschaften 2.4.
101
Behandlung der optischen Eigenschaften durchsichtiger Minerale ist hier nicht möglich; sie erfolgt in der Aus bildung meist im Rahmen einer kristalloptischen Einführung bei der Durchlicht-Polarisationsmikroskopie. Ein Teil des auf die Oberflächen eines Minerals fallenden Lichtes dringt nicht ein, sondern wird reflektiert. Das Reflexionsvermägen R hängt, wie folgende Beziehung zeigt, weitgehend von der Lichtbrechung ab und wird in % angegeben:
R = (n - 1)2 + n 2x 2 (n
+ 1)2 +
n 2x 2
a
Apatit nE = 7,633} Lln
no =
~630
-0,003
Calcit
Quarz o;
=
nE =
7,553} IM
"487}
an
no = ~ 659 -0.772
n~ = ~54-4- +0,009
Bild 2.51. Optische Verhältnisse in den optisch einachsigen Mineralen Apatit, Quarz, Calcit. Kristallographische und optische Hauptachsen stimmen überein. In der Ebene der Nebenachsen liegt der zweite Hauptbrechungsindex, je nachdem nE oder no größer ist, ist die Doppelbrechung !::J.n negativ oder positiv. Apatit hat eine extrem niedrige, Calcit eine extrem hohe Doppelbrechung
\\:r\"l1,rmr/-.;w>W,==~-E
o
I
J. E
Bild 2.52. Lichtdurchgang durch ein Nrcor.sches Prisma (in unterschiedlicher Darstellung) [98J Zwei Calcitkristalle werden in bestimmter Orientierung aneinander gekittet. Ein in der eingezeichneten Richtung durchtretendes »normales: Licht wird an der Grenze LuftCalcit in zwei senkrecht aufeinander schwingende Strahlen (nE und no) geteilt, von denen einer (der außerordentliche Strahl E mit n E ) die Kittstelle durchdringt, der andere (ordentliche Strahl 0 mit no) an der Kittschicht total. reflektiert wird. Dadurch kann man linearpolarisiertes Licht erzeugen
2. Eigenschaften der Minerale
102
Der Absorptionsindex ~ kann bei Metallen Werte bis 20 annehmen; bei durchsichtigen Mineralen kann jedoch der rechte Teil des Bruches wegen der Kleinheit von ~ vernachlässigt werden. Der Glanz ist eine wichtige und leicht feststellbare Eigenschaft der Minerale, die zum großen Teil von der Höhe (und der Häufigkeit) der Lichtbrechung, aber auch von der Absorption, der Beschaffenheit der Mineraloberfläche usw. abhängt. Die Abhängigkeit von der Lichtbrechung (vgl. Bild 2.53) ist etwa folgendermaßen festgelegt: niedriger Glanz
1
hoher Glanz
Glasglanz Diamantglanz Halbmetallglanz Metallglanz
n n n n
= 1,3 bis 1,9 = 1,9 bis 2,6 = 2,6 bis 3,0 ~
3,0
7,0 R
t
Bild 2.53. Beziehungen zwischen Lichtbrechung n, Reflexionsvermägen R und Glanz der Minerale [1]
Bild 2.54. Asterismus-Figur von Saphir [102]
Physikalische Eigenschaften
2.4.
103
Dementsprechend ist der Diamantglanz (bei Diamant, Sphalerit usw.) durch die sehr hohe Lichtbrechung dieser Minerale verursacht, genauso wie der Metallglanz der meisten Sulfide und Oxide, die zusätzlich noch eine hohe Absorption aufweisen. Dagegen zeigen durchsichtige Minerale mit niedrigem n meist Glasglanz. Feinfaserige und feinschuppige Minerale und Mineralaggregate haben (meist wegen mehrfacher Lichtbrechung) einen Seidenglanz (z. B. Asbest) oder Porzellanglanz (verwitterte Orthoklase). Durch Interferenz des Lichtes an dünnen Mineralblättchen entsteht der Perlmutterglanz (Gips, Glimmer); auch die sog. Anlauffarben auf vielen Mineralen verdanken Interferenzfarben an dünnen Zersetzungs- und Oxydationshäutchen ihre Entstehung (auf Sulfiden wie Chalkopyrit und Antimonit oder auf Siderit). Im Gegensatz dazu ist der Schiller mancher Minerale meist auf die Einlagerung feinster Fremdkörper zurückzuführen, wobei natürlich auch wieder die Lichtbrechung, Reflexion und Absorption den Effekt begründen. Wir sprechen dann von »aventuri. sieren«, »opalisieren«, »labradorisieren« und von »Asterismus« (s. Bild 2.54).
Lichtabsorption Nach dem Grad der Lichtabsorption (bzw. Durchsichtigkeit oder Transparenz) von normalem Tageslicht nehmen wir folgende Einstufung vor (s. Bild 2.55, S. 104): - durchsichtige Minerale mit sehr geringer Lichtabsorption sind z. B. Quarz (als Bergkristall), Calcit (als klarer sog. Isländischer Doppelspat) ; Kriterium: man kann eine Schrift lesen - halbdurchsichtige Minerale mit mittlerer Lichtabsorption sind z. B. Glimmerblättchen (Muskovit) und viele sog. Edelsteine (Smaragd, Topas); Kriterium: man erkennt Gegenstände nur undeutlich - durchscheinende Minerale mit mittlerer bis hoher Lichtabsorption (»kantendurchscheinend«) sind z. B. manche Feldspäte oder ein dunkler Sphalerit; Kriterium: in dünnen Kristallen (oft nur in Mineral- oder Gesteinsdünnschliff) kann etwas Licht hindurchschimmern - undurchsichtige Minerale (= opake Minerale) mit sehr hoher Lichtabsorption sind die meisten Erze wie Galenit und Magnetit; Kriterium: sie lassen auch in dünnsten Blättchen kein Licht hindurch. Die Farbe der Minerale wird meist durch die selektive Absorption bestimmter Wellenlängen des Lichtes (bei durchsichtigen Mineralen) und durch selektive Reflexion (bei undurchsichtigen Mineralen) erzeugt. Wenn durchsichtige Minerale alle Wellenlängen des natürlichen Lichtes durchlassen, sind sie farblos, wenn sie nur bestimmte Wellenlängen durchlassen, nennen wir sie farbig. Farbige Minerale können diese Eigenschaft nur sich selbst verdanken (auch bestimmten Haupt- und Spurenelementen, wie Cl', Ti, Mn, Ni, Cu, die als Chromophoren oder Farbträger wirken, s. Tab. 16.6 im Anhang und Bild 2.56, S. 105), dann sind sie eigenfarbig oder idiochromatisch, oder sie werden durch eingelagerte feinste Störkörper (Einschlüsse) erzeugt, dann sind sie gefärbt oder allochromatisch (z. B. feinste Hämatitschüppchen in rotem Halit oder Orthoklas). Über die Abhängigkeit der idiochromatischen Farben von der Bindung und Polarisation vgl. Abschn. 2.2.2. und Bild 2.5.
104
2. Eigenschaften der J.11inerale
I/;J~III I
111'"11 links (Bergkristall): Schrift und Linien sehr gut sichtbar rechts (Baryt): Schrift und Linien schwach getrübt
links (Olivin): Schrift und Linien durchscheinend rechts (Mikroklin): Schrift und Linien im. kompakten Stück undurchsichtig
Bild 2.55. Unterschiedliche Transparenz von Mineralen
Physikalische Eigenschaften
BrK+ Br K+
K+ BrK+ Sr-
BrK+
K+ Sr-
Sr K+
SrK+
-
K+
K+
Sr-
Sr K+
SrK+
Sr
2.4.
105
0 8K+ Br Br- K+ Br- K+ K+ Br+ K+ Br 0 8K+ Br- K+
K+
b)
a)
Bild 2.56. Kaliumbromidkristall mit Farbzentren in schematischer Darstellung [98J. Links stöchiometrisch aufgebaut und ohne Farbzentrum, rechts mit zwei Farbzentren (= K+) neben zwei Leerstellen (0)
e
Typische Farben, wie sie auch für die richtige Farbansprache von Mineralen von Bedeutung sind, haben z. B. folgende Minerale: Azurit Malachit Epidot Cinnabarit Amethyst Limonitocker
= blau = (malachit-)grün
=
= = =
(pistazien-)grün (zinnober-)rot violett gelbbraun
Schwefel Gold Chalkopyrit Magnetit Molybdänit Arsenopyrit
= = =
= = =
(schwefel-)gelb (gold-jgelb messinggelb eisenschwarz bleigrau zinnweiß
Viele nichtkubische und damit optisch doppelbrechende Minerale zeigen in Richtung der verschiedenen Wellengeschwindigkeiten unterschiedliche Lichtabsorption, die zur Erscheinung des Pleochroismus (= Vielfarbigkeit) führt. Makroskopisch ist sie selten gut zu erkennen, weshalb man mikroskopische Untersuchungen bevorzugt. Hierbei zeigt sich bei Drehen des Minerals ein mehrfacher Wechsel der Farbe, besonders schön und typisch z. B. beim Turmalin, Cordierit (s. Bild 2.57), Biotit und Epidot. Die gleiche Erscheinung ist in Form der pleochroitischen Höfe in bestimmten Mineralen (z. B. Biotit) zu beobachten; sie werden durch ein radioaktives Mineral hellgelb (nx)
graublau (ny) blau blau (nz) graublau Bild 2.57. Pleochroismus des Oordierits
I hellgelb
106
2. Eigenschaften der Minerale
(z. B. Zirkon, Uranminerale) hervorgerufen, das im Wirtsmineral Störungen der Mineralstruktur erzeugt (vgl. Kap. 2.4.6.). Bei auffallendem Licht beobachtet man unter dem Mikroskop an verschiedenen Mineralen eine ähnlich zu begründende Erscheinung, den sog. Reflexionspleochroismus, der meist einen Wechsel von Glanz und Farbe einschließt. Besonders kräftig ist er z. B. bei den Mineralen Molybdänit, Graphit und Covellin (also Schichtgittermineralen).
Erzeugung von Sekundärstrahlung (Lumineszenz) Verschiedene Minerale haben die Eigenschaft, kurz- oder langzeitig sichtbares Licht auszusenden (zu lumineszieren), wenn man ihnen Energie in unterschiedlicher Art zuführt. Erfolgt das Leuchten nur während der Anregung (der Energiezufuhr), so spricht man von Fluoreszenz, tritt es auch noch später und länger auf, nennt man die Lichterscheinung Phosphoreszenz. Je nach dem energetischen Charakter der Anregung unterscheiden wir - die Photolumineszenz bei Anregung durch (meist unsichtbare ultraviolette) Lichtstrahlung. Besonders kräftig und häufig fluoreszieren die Minerale Fluorit, Scheelit, Sphalerit und Willemit, während Diamant, Baryt, auch Calcit und Gips verschiedentlich phosphoreszieren - die Radiolumineszenz bei Einwirkung von tX-, ß- und y-Strahlen; eine Abart ist die Kathodolumineszenz bei Anregung durch Kathodenstrahlen. Neben den obengenannten Mineralen reagieren auch Apatit, Halit, Zirkon, Diamant und andere - die Thermolumineszenz, die verschiedentlich schon bei der Erwärmung eines Minerals in der Hand auftritt (z. B. Diamant, Fluorit und Topas), meist aber Temperaturen um und über 100°C erfordert (z. B. bei den Mineralen Apatit, Baryt, Quarz, Calcit, Korund, Spinell) - die Tribolumineszenz, die bei einer mechanischen Einwirkung (z. B. Reiben, Kratzen, Zerbrechen) auf bestimmte Minerale wie z. B. Sphalerit, Dolomit und Marmor festzustellen ist. Von untergeordneter Bedeutung in der Mineralogie sind die Kristallolumineszenz, Chemolumineszenz und Elektrolumineszenz. Die Gründe für die Lumineszenz sind unterschiedlich. In den meisten Fällen ist ein diadocher Einbau von Spurenelementen in die Struktur eines Wirtsminerals verantwortlich, aber auch radioaktive Elemente oder strukturelle Defekte können eine Rolle spielen. Durch die Energiezufuhr werden die Valenzelektronen der Störatome (Aktivatoratome) entsprechend dem Elektronenbändermodell in ein höheres Energieniveau (Leitfähigkeitsband) gehoben; das Zurückfallen in das Valenzband erfolgt dann unter Lsuchterscheinung, bei der Fluoreszenz sofort, bei der Phosphoreszenz zeitlich verzögert. Die Lumineszenz von Mineralen kann für diagnostische Zwecke, auch z. B. zur Unterscheidung natürlicher und künstlicher Edelsteine, für die Mineraltrennung bei der Aufbereitung, insbesondere aber auch für die geologische Suche von mineralischen Rohstoffen, genutzt werden. Zur genaueren Einstufung der Lumineszenz bedient man sich verschiedentlich der Lumineszenzspektrometrie, d. h. der Analyse ihrer Wellenzusammensetzung. Viele den Mineralen ähnliche Verbindungen haben in der Technik eine große Bedeutung (Leuchtstoffröhren, Leuchtfarben, Röntgenschirme, Halbleiterindustrie).
Physikalische Eigenschaften 2.4. 2.4.2.
107
Mechanische Eigenschaften
Unter den mechanischen Eigenschaften wird eine Gruppe von physikalischen Eigenschaften zusammengefaßt, die das Mineral als Körper charakterisieren und die Gesetze seiner mechanischen Verformung und Zerstörung ableiten lassen. Dabei ist die Dichte (bzw. das spezifische Gewicht) eine typische skalare Eigenschaft, während Elastizität, Härte, Spaltbarkeit, Bruch und Plastizität eindeutig vektoriell abhängig sind.
Dichte Die Dichte ist eine (ortsunabhängige) Konstante jedes Minerals und wird in gfcm S (bzw. kgfm 3 ) angegeben. Sie gilt nur für eine bestimmte Mineralphase ; Umwandlungen (unter wechselnder pT-Bedingung) zu anderen Modifikationen bis zur Schmelze verändern die Dichte wesentlich, so z. B.: 2,65 gfcm 3 2,25 gfcm 3
Quarz (kristallin Quarz (geschmolzen)
CaC0 3 Calcit (trigonal) 2,71 gfcm 3 CaC0 3 Aragonit (rhombisch) 2,94 gfcm 3 Auch Verunreinigungen der Minerale können die Dichte oft nennenswert verändern; deshalb ist in der geologisch-rohstoffkundlichen Praxis die Angabe der zweiten Stelle nach dem Komma meist ausreichend. Mischkristalle verändern ihre Dichte gesetzmäßig mit der chemischen Veränderung, so daß man durch eine genaue Dichtebestimmung praktisch eine chemische Analyse ersetzen kann. Im Bild 11.22 ist dies am Beispiel der livinmischkristallreihe ables bar. . Die Dichte ist im speziellen Teil dieses Buches für die meisten Minerale aufgeführt und in anderen Werken oft in Tabellenform zusammengefaßt und dort zu entnehmen. Um eine Übersicht zu ermöglichen, seien hier einige Beispiele für die Dichtezahlen genannt (Durchschnittswerte mit oft erheblichen Schwankungsbreiten) :
°
Wasser (Eis) Carnallit Sylvin Halit Graphit Gips Orthoklas Quarz Calcit Dolomit Biotit Magnesit Apatit Fluorit Zoisit Titanit
1,00 (0,9) 1,60 2,00 2,17 2,22 2,32 2,56 2,65 2,72 2,90 2,98 3,00 3,18 3,18 3,36 3,50
Topas Siderit Sphalerit Rutil Baryt , Zirkon Chromit Hämatit Chalkosin Kassiterit Galenit Silber Quecksilber Gold Platin
3,57 3,85 4,00 4,30 4,48 4,80 5,10 5,26 5,77 7,00 7,57 10,50 13,55 19,30 21,50
108
2. Eigenschaften der Minerale
Aus dieser Tabelle und Bild 2.58 ist ablesbar, daß 1. die meisten metallischen Minerale Dichtezahlen zwischen 22 und 8, 2. die meisten sulfidischen und oxidischen Erzminerale zwischen 8 und 4, 3. die meisten gesteinsbildenden Minerale und Gangarten der Erze zwischen 4 und 2 haben. Die reale Dichte der Minerale, deren Bestimmungsmethoden in Kapitel 3.1. beschrieben werden, unterscheidet sich durch die strukturellen Fehler und Fremdeinlagerungen der Minerale meist von der theoretischen sog. Röntgendichte. Diese bestimmt die Dichte der Elementarzelle unter Anwendung der Grundbeziehung n I:;:"
m (Dichte) - - V -
Masse mit folgender Formel Volumen
_ Z1JIG
D
NV
x -
Z
o
Zahl der Formeleinheiten je Elementarzelle
MG Molekularmasse (auch molare Masse) bzw. Summe der Atommassen (in g) N Anzahl der Moleküle pro Mol (Avooxnnosche Konstante 0,602252 .10 24 mol") V o Volumen der Elementarzelle (in pm") aus Gitterkonstanten (in pm)
Die zu verwendenden Volumenformeln für die Elementarzellen unterschiedlicher Symmetrie sind: Kristallsystem
Volumina (V o) der Elementarzellen
kubisch tetragonal hexagonal (trigonal) rhombisch monoklin triklin
ag a~ • Co a~ . Co . sin 60° a o • b o • Co
a o • b o • Co • sin (180° - ß) a • b, . Co • V-[c--'o-s-a---co"'--s-'------(ß-+-y-)]-·-[-c-os-(ß---y-)---c-o-s-a] o
Beispiel für das Mineral Halit (nach STRUNZ) D
r
NaCl _
x (
) -
4· (22,9898 + 35,453) _ 0,6023 . 1024 • 5 ,64043.10- 24 - 2,163
Härte Die Härte ist wie die Dichte eine wichtige Eigenschaft jedes Minerals. Allerdings sind die Methoden der Härtebestimmung und damit auch der Charakter der Härte unterschiedlich, so daß diese Werte nicht direkt miteinander vergleichbar sind. Für einige wichtige praktisch anwendbare Härtebestimmungsmethoden ist dies in Tab. 2.5 dargestellt.
Physikalische Eigenschaften 2.4.
109
Borate
40 20
Sulfate und Chromate
o 20
Karbonate und Nitrate
o
80 Silikate
80 60 4-0 Phosphate, Arsenate, Variadate
20
Oxide 20
o
Sulfide
•
---L-_~
..., 2
3
5
5
Metalle und Semimetaüe
.., ., 7
8
9
I
i
70
72
i~
74
76
Dichte
Bild 2.58. Verteilung der Dichte (in g/cm3 ) in den Mineralklassen
i
i
i
78
20
22
110
2. Eigenschaften der Minerale
Tabelle 2.5. Vergleich einiger Härtebestimmungsmethoden [98] Ritzhärte
Eindruckhärte
Schleifhärte
(Mons)
(VIeRERS,
(ROSIVAL)
kpjmm 2 ) 47 60 136 200 659
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
0,03 1,04 3,75 4,2 5,4 30,8 100 146 833 117000
714
1181 1648 2085 6500
a) Ritzhärte (nach
MORS
Mittelwerte von 8 Methoden (TRÖGER 1954) 1,08 2,36 6,99 12,1 25,7 49,5 100 143 342
1822)
Sie wird definiert als der Widerstand, den die Mineraloberfläche der mechanischen Verletzung durch Ritzen entgegensetzt. Man vergleicht bei dieser einfachen klassischen Methode die Härte eines unbekannten Minerals mit der eines bekannten. Als »Standards« benutzt man dabei zehn Minerale, deren Ritzhärte erfahrungsgemäß stark unterschiedlich ist, die M ohssche Härteskala: Härtegrad (nach MORS) 1
2 3 4 5 6 7 8 9 10
Standardmineral Talk Gips oder Halit (Steinsalz) Calcit (Kalkspat) Fluorit (Flußspat) Apatit Orthoklas Quarz Topas Korund Diamant
Das weichere Mineral wird von dem härteren geritzt, also z. B. Calcit mit der Härte 3 von Apatit mit der Härte 5. Die Härteunterschiede der einzelnen Minerale sind so groß, daß sich die Härteanisotropien der Minerale (also die Richtungsabhängigkeit der Härte) bei der »makroskopischen« Anwendung der Methode meist nicht bemerkbar machen bzw. nicht zu beachten sind. Eine Ausnahme z. B. ist das Mineral Cyanit (Disthen) mit den Härtegraden 4 und 6 in verschiedenen Richtungen (s. Bild 2.59). Minerale bis zur Härte 2 sind mit dem Fingernagel ritzbar, solche bis zur Härte 5 mit dem Messer, während Fensterglas von allen Mineralen mit einer Härte > 6 geritzt wird. Für genauere Messungen der Ritzhärte, insbesondere ihrer Abhängigkeit von der Richtung auf einer Kristallfläche. kann man sich eines Sklerometers bedienen, wie
Physikalische Eigenschaften 2.4.
111
tc I
/
4-
~
H--- b
4-
/'
Bild 2.59. Darstellung der unterschiedlichen Ritzhärte bei Cyanit (Disthen) in Abhängigkeit von der kristallographischen Richtung Zahlenangaben nach der Monssehen Härteskala
Bild 2.60. Schematische Darstellung des Sklerometers nach SEEBECK [98J B Gewicht S Ritzwerkzeug K Kristall
Ca FZ
NaCI
Bild 2.61. Ritzhärtekurven auf der Würfel- und Oktaederfläche der Minerale Halit (rechts) und Fluorit (links) Man beachte, daß bei gleicher Symmetrie aller Härtekurven die Maxima in unterschiedlicher Richtung liegen (die feinen Striche geben die Spaltbarkeitsrichtungen an)
es in Bild 2.60 dargestellt ist. Man erfaßt dadurch Härteunterschiede, die in Form von Härtekurven die relativen Härtegrade darstellen. Im Bild 2.61 sind als Beispiel die Härtekurven auf den beiden kubischen Mineralen Hallt und Fluorit dargestellt. Es ist abzulesen, daß die Lage und Art der Härtekurven von der Kristallstruktur des Minerals abhängt; in diesem speziellen Fall erkennt man, daß die Härte parallel den Spaltrissen (als den Flächen mit den am dichtesten besetzten Netzebenen) am geringsten ist.
b) Eindruckhärte (nach
VICKERS
und
BRINELL)
Drückt man ein hartes Werkzeug mit einer bestimmten Kraft (= Belastung) in ein Prüfstück, so ist die Größe des erzeugten Eindruckkörpers bzw. -hohlraumes ein
112
2. Eigenschaften de: Minerale
Maß für die Härte dieses Objektes (d, h. für den Widerstand, den diese Substanz dem Eindringen entgegensetzt) . Je nach Form des Werkzeuges unterscheidet man zwei wichtige Verfahren, nämlich nach VICKERS und nach BRINELL. Bei der Bestimmung der Vickers-Htirte wird eine flache Diamantpyramide in den Kristall gedrückt. Die leicht und genau ablesbare Kantenlänge der Eindruckpyramide läßt selbst geringe Härteunterschiede gut erfassen. Dieses Pyramideneindruckverfahren ist auch in Verbindung mit einem Mikroskop anzuwenden, und zwar mit einem Mikrohärteprüfer. Mineralogen und Metallogen nützen das Gerät häufig bei der Rohstoff- und Werkstoffprüfung; sein Aufbau und einige Meßergebnisse sind in Bild 2.62 und Bild 2.63 dargestellt. Die Beziehungen zwischen Mikrohärte und Reflexionsvermögen bei den Erzmineralen zeigt Bild 2.64. Für unser Anliegen von geringerer Bedeutung ist die BRINELL-Härte, zu deren Bestimmung eine einige Millimeter große Kugel mit bestimmtem Gewicht in eine Probe gedrückt wird. Das Verhältnis von Belastung zu Flächeninhalt der Kugelkalotte ist das Maß für die Größe der Brinellhärte (Angaben in kp/mm 2 , wie bei der VICKERs-Härte). Weitere Eindruckhärte-Methoden sind die nach Knoor und nach ROOKWELL. Der Eindruck des Werkstückes in die Metalloberfläche wird insbesondere durch die günstigen Translationsmöglichkeiten der Metallgitter erleichtert (vgl. Kap. 2.4.2.). In Bild 2.65 wird dies an einer elektronenmikroskopischen Aufnahme der geätzten Eindruckstelle demonstriert. Man erkennt ausgezeichnet die orientiert verlaufenden Translationsebenen.
Bild 2.62. Schnitt durch einen Mikrohärteprüfer [98]. In dem Objektiv sind die Linsen (Wellenlinien), der Strahlengang (horizontal schraffiert) sowie die Diamantspitze zu erkennen. Zwischen der Kristalloberfläche (unten) und der Frontlinse befindet sich eine Immersionsflüssigkeit (gepunktet). Maßstab etwa 2: 1
Bild 2.63. Mikrophoto der Eindruckpyramiden in einem Metallanschliff, die mit dem Mikrohärteprüfer erzeugt wurden [249]
Physikalische Eigenschaften 2.4.
113
/
/
Metalle
/
-I--
/ I - - --_.--'q\.._--\---+--+-c~--+--o--+-o----+----If---IJ-..--i ()
/
-u-O
Sulfide
70
20
o
oe 30
1/
/
""0 50 60 Reflexion
70
80
90 % 700
Bild 2.64. Stellung der opaken Erzminerale in Abhängigkeit von Reflexionsvermägen und Härte (BoWIE-TAYLORDiagramm) Man beachte, daß sich Minerale entsprechend ihrer Klassenzugehörigkeit klar gruppieren
Bild 2.65. Elektronenmikroskopische Aufnahme der mit einem Mikrohärteprüfer erzeugten und dann angeätzten Eindruckstelle (Zentrum des Bildes) in einer Metalloberfläche. Man erkennt die vom Zentrum ausgehenden Translationslinien ; die Pyramiden außerhalb der Eindruckstelle sind Ätzgrübchen. Vergr. etwa 5000 x [163J
c) Schlei/härte (nach
ROSIVAL
1896)
Dieses etwas aufwendige Verfahren gewinnt ein Maß für die Härte dadurch, daß das zu prüfende Objekt (Mineral) mit einer bestimmten Menge eines Schleifpulvers solange bearbeitet wird, bis das Schleifmittel nicht mehr angreift; der Gewichtsverlust ist dann das relative Maß für die Härte des Minerals, wobei ein bestimmtes 8
Mineralogie
2. Eigenschaften der Minerale
114
Diamant
70000 .-kplmm? 8000
"'_70_0-,00 kBN ~9000 kotund 2060
Topas Orthoklas 7427 .
.
2000
GIPS
795
Ftuorit
789·
\ Quarz
Talk J5 Calcit \ 'Apatrf 7720 2,4- \ 709 536
ZrC
3000
\
SiC
2600
,
WC 7900
2 46 8 Ritzhärte nach MOHS
Eine Umrechnung der VICKERs-Härte H y in die Moassehe Härte H M (und umgekehrt) ist nach folgender Formel möglich: H'M = 0,7 !jHy (nach PICOT u. JOHAN)
I
-0
Bild 2.66. Beziehungen zwischen der Monssehen Härte und der VICKERSHärte [144, 225J (kBN ist kubisches Bornitrid)
70
Mineral (Quarz) als Standard (= 100) eingesetzt wird. Weitere Härteprüfverfahren sind u. a. die relative Korrosionshärte nach EpPLER oder die Rückprallhärte nach SHORE. Da die verschiedenen Härtemethoden unterschiedliche »Angriffsformens auf das Mineral nutzen, sind sie nicht direkt vergleichbar, haben aber doch eine erstaunliche gleichartige Tendenz, wie das in der Tab. 2.5 gezeigt wird. Die Mittelwerte (nach TRÖGER) sowie Bild 2.66 beweisen, daß im Gegensatz zur Monssehen Härteskala die »absolute- Härte etwa exponentiell zunimmt.
Spaltbarkeit Viele Minerale lassen sich durch mechanische Einwirkung in Teile zerlegen, die von glatten, ebenen Flächen begrenzt sind. Besonders schön ist das an solchen Mineralen zu beobachten, die im deutschen Sprachgebrauch die Endung z-spat« tragen (Kalkspat, Schwerspat, Feldspat, Flußspat). Wir nennen diese Erscheinung Spaltbarkeit (Zeichen #) und die erzeugten Produkte Spaltstücke. Die Spaltbarkeit hat ihren Grund in der Kristallstruktur; sie ist längs solcher Netzebenen am leichtesten möglich, die eine besonders dichte Besetzung haben und zwischen denen die geringsten Bindungen je Flächeneinheit bestehen (s. Bild 2.67). Außerdem muß bei der mechanischen Beanspruchung eines Minerals eine Verschiebung der Netzebenen derart erfolgen, daß sich gleichgeladene Bausteine gegenüberstehen, also eine sog. Abstoßungsstellung erreicht wird (s. Bild 2.68). Solche Netz1•
•
0
o
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I
o
I
I
[700]
[77Q]
Bild 2.67. Lage der Spaltflächen (gestrichelt) und Translationsebenen (durchgezogen) in einem ionaren Gitter vom Typ des Halits [5]
Physikalische Eigenschaften 2.4.
115
ebenen sind meist auch gleichzeitig wichtige Kristallflächen, weshalb die Spaltstücke die Symmetrie und Feinstruktur des Minerals widerspiegeln; so haben Halit und Galenit würflige Spaltstücke, Calcit rhomboedrische und Fluorit oktaedrische. Die interessante und wichtige, aber etwas kompliziertere Spaltbarkeit bei den strukturell ähnlichen Mineralen Diamant und Sphalerit zeigt Bild 2.69. Ein bestimmtes Mineral hat oft verschiedene Spaltbarkeiten, jeweils in einer bestimmten Richtung bzw. parallel einer bestimmten Netzebene; man muß deshalb für jede Spaltbarkeitscharakterisierung die Fläche angeben, auf die sie sich bezieht. Die Qualität der Spaltbarkeit kann bisher nicht exakt gemessen werden (Unterschiede zwischen Schlag-, Druck- und Zugspaltung), so daß Güte und Grad verbal ausgedrückt werden. Man kann allerdings für diese gelegentlich mißverständlichen Bezeichnungen auch Zahlen einsetzen, ohne dadurch die Genauigkeit der Aussage zu erhöhen, wie dies die umseitige Tabelle zeigt.
~ ~ Bild 2.68. Spaltbarkeit in einem Mineral mit ionarer Bindung. Man erkennt, daß bei Verschiebung des oberen Gitterteils längs einer Netzebene eine sog. Abstoßungsstellung eintritt, die zur Abspaltung führt [40J
-----(770)
+++
b)
eZn
o
s
Bild 2.69. Darstellung der Spaltebenen in den ähnlichen Gitterstrukturen des Diamants und Sphalerits [98] a) Diamant,
*
4 (lU)
b) Sphalerit,
*
5 (UO)
2. Eigenschaften der Minerale
116
Verbale Bezeichnung der Spaltbarkeit
Zahlenmäßige Bezeichnung der Spaltbarkeit
höchst (äußerst, sehr) vollkommen vollkommen gut, mittel deutlich, mäßig, unvollkommen angedeutet, undeutlich, sehr unvollkommen ohne
5 4 3 2 1
o
In diesem Buch wird aufgrund langjähriger positiver Erfahrungen die zahlenmäßige Bezeichnung bevorzugt. Wir schreiben also für eine vollkommene Spaltbarkeit nach der Oktaederfläche kurz #4 (111). Die Lage der Spaltrisse bei Mineralen verschiedener Symmetrie zeigt das Bild 2.70.
c
c
c
c b
b
a
a d)
c)
b)
a) c
c c
b
b
a
e)
f)
Bild 2.70. Darstellung der Spaltbarkeit und Lage der Spaltrisse an einigen Mineralbeispielen
*
a) Galenit, Kombination Würfel-OktaederRhombendodekaeder, 5 (100) b) Calcit, Kombination Skalenoeder-Rhomboeder, 5 (IOll) c) Magnesit, Kombination RhomboederBasispinakoid, 5 (IOiI) d) Olivin, Kombination rhombischer Prismen, Pinakoide und Pyramide, 3 (010)
*
*
*
* *
e) Augit, Kombination monokline Prismen und Pinakoide, 3 (IlO), rechts Spaltrisse im Schnitt senkrecht e 5 (001) f) Muskovit, g) Albit, f(ombination von triklinen Pinakoiden, 4 (Oll) und (001)
*
Physikalische Eigenschaften 2.4.
117
Bild 2.71. Mikroskopisches Bild von Spaltrissen, speziell in der Hornblende eines Amphibolits von Clausnitz (Erzgeb., DDR) [265J
Besonders schön ist die Spaltbarkeit in Form der Spaltrisse beim mikroskopischen Studium der Minerale zu beobachten. Dies wird aus dem Bild 2.71 ersichtlich und erklärt die hohe diagnostische Bedeutung der Spaltbarkeit. Man darf jedoch nicht die Vorstellung haben, daß -die natürlichen Spaltflächen bis in den atomaren Bereich eine vollkommen ebene Fläche darstellen. Wie Bild 2.72 zeigt, wechselt bei allgemeiner Beibehaltung der kristallographischen Lage der Spaltebene diese die zugehörigen parallelen Netzebenen über einen großen Bereich. Der Spaltfläche ähnlich sind sog. Abeonderumqsjlachen. innerhalb von Mineralen. Sie sind durch Einlagerung feinster Fremdsubstanzen, durch mechanische Inhomogenitäten oder durch schichtartiges Wachstum zu erklären (Beispiele Apatit, Quarz, Hämatit u. a., vgl. Bilder 4.68b und 11.13). Wird ein Mineral mechanisch beansprucht, das wenige Kohäsionsminima in Form von Spaltflächen, Absonderungsflächen u. a. hat, oder ist die Einwirkung senkrecht auf diese Flächen, so bricht es unregelmäßig. Dieser Bruch kann muschlig (Quarz), splittrig, hakig (Gold), uneben, eben oder glatt und damit oft typisch für ein bestimmtes Mineral sein.
Bild 2.72. Elektronenmikroskopische Aufnahme der Spaltfläche (001) des Barium. feldspates (KohlenstoffReplika-Aufnahrne; Maßstab im Bild ist 1 p,m) [l77J
118
2. Eigenschaften der Minerale
Elastizität und Plastizität
Die Deformation (Verformung) eines Minerals kann elastisch und plastisch erfolgen. Bei einer elastischen Verformung nimmt das Mineral nach Aufhören der einwirkenden Kraft seine ursprüngliche Form wieder an, bei plastischer Verformung wird die Elastizitätsgrenze überschritten, und die eingetretene Verformung bleibt erhalten. Für die Erfassung der elastischen Verformung gilt das Hocrensehe Gesetz a=s·E
o Zugspannung s Dehnung (!1ljl)
E Elektrizitätsmodul Das Elastizitätsverhalten ist bei allen Mineralen (auch den kubischen) anisotrop und hängt eng mit der Kristallstruktur zusammen. Quantitativ ist die Elastizität flächenmäßig durch die sog. Elastizitätsfiguren (s. Bild 2.73) oder räumlich durch die sog. Elastizitätsmodulkörper darzustellen. Die Elastizität ist ein brauchbares Mittel für die Mineralbestimmung. Einige Minerale haben eine hohe elastische Biegsamkeit, wie z. B. die Glimmer, weniger deutlich Chlorit und Gips. Minerale, die sich leicht verformen und schneiden lassen, wie Gold, Silber und Argentit (Silberglanz), nennen wir geschmeidig oder duktil. Im Gegensatz dazu wird bei vielen Mineralen die Elastizitätsgrenze beim Schneiden oder Kratzen schnell überschritten, sie werden als spröde bezeichnet (so die meisten Silikate, Pyrit, Fahlerz). Sogenannte milde Minerale liegen in ihren Eigenschaften dazwischen, sie bleiben beim Kratzen oder Schaben als feines Pulver auf dem Mineral liegen (z. B. Antimonit, Talk). . Von großer Bedeutung ist die plastische' Verformung der Minerale; hier ist die Verformung irreversibel. Wir unterscheiden zwei wichtige Arten: - die Translation (oder Blattgleitung) - die Gleitzwillingsbildung
b)
a)
c)
Bild 2.73. Elastizitätsfiguren der Minerale auf definierten Flächen Calcit (1l20)
b) Baryt (010)
c) Fluorit (100)
PhY8ikalische Eigenschaften 2.4.
119
Tabelle 2.6. Beispiele wichtiger Translationsebenen und -richtungen [98J Mineral
Kristall· system
Translationsebene
Translationsrichtung
Gold Diamant Halit Galenit Sphalerit
kubisch
(lU) (lU) (100) (001) (lU)
[101J [101J [110J [UOJ [112J
Aragonit Antimonit Anhydrit
rhombisch
(010) (010) (001)
[100J [OOlJ [010J
Molybdänit
hexagonal
(0001)
[U20J
Gips
monoklin
(010)
[OOlJ
Cyanit
triklin
(100)
[OOlJ
Bei der Translation verschieben sich bei mechanischer Beanspruchung unterschiedlich starke Teile des Gitters etwa wie die Blätter von Spielkarten parallel zueinander. Die Translationsebene (oder Gleitfläche) ist stets eine dicht besetzte Netzebene des Mineralgitters ; in der Tabelle 2.6 ist das anhand der niedrigen Indizes dieser Flächen zu erkennen. Ebenso ist die Translationsrichtung (oder Gleitrichtung) eine kristallographisch bestimmte Gerade (s. gleichfalls Tab. 2.6; vgl. Bild 2.44). Die Theorie der Translation, insbesondere durch Versetzunqen; ist wegen ihrer Bedeutung, vor allem in den Metallen, gut erforscht. Einige Gesetzmäßigkeiten seien genannt: - Bei einer Translation (durch Versetzung) wird ein Zustand angestrebt, bei dem die Geometrie des Gitters wieder hergestellt ist; das Gitter ist dann wieder energetisch neutral und ohne »Spannungen« (s. Bilder 2.74 und 2.75). - Eine Translation längs einer Netzebene verläuft meist nicht mit einem »Ruok«, sondern wandert in Form einer »Kettenreaktion« durch das Gitter (s. Bild 2.75). - Wir unterscheiden zwei Arten der Versetzungen, nämlich den Typ der Stufenversetzung (vgl. Bilder 2.74 und 2.75) und den Typ der Schraubenve1·setzung (s. Bild 2.76).
Bild 2.74. Bewegung der Gitterpunkte bei mechanischer Translation in Richtung t
2. Eigenschaften der Minerale
120
o
0
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0
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o < o (
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0
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0
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0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
Bild 2.75. Schematische Darstellung der Wanderung einer (Stufen-) Versetzung von links nach rechts. Nach Abschluß ist wieder die ursprüngliche geometrische Ordnung hergestellt, das Gitter ohne Spannungen [5]
- Translation von Ionenkristallen ist normalerweise nur auf den Netzebenen und in den Richtungen möglich, in denen keine »Abstoßungsstellung« erreicht wird, da sonst Spaltbarkeit eintritt (s. Bild 2.77, vgl. Bild 2.67). - Das Translationsvermögen nimmt mit der Temperatur stark zu. - Einbau von Fremdatomen oder Baufehler hemmen stark die Translation (vgl. Kapitel 2.2.3.).
Die Richtigkeit der Versetzungstheorie kann heute durch die Sichtbarmachung der Versetzungen selbst bewiesen werden (s. Bild 2.78, vgl. auch Bild 2.65). Eine Abart der Blattgleitung ist die Biegegleitung; bei ihr wird ein Schichtpaket auch bei Beanspruchung senkrecht zur Schichtebene durchgebogen. Die Erscheinungen der Translation kann man an Einzelmineralen beo bachten; wichtiger ist jedoch die Summation von Translationsvorgängen in Mineralaggregaten. Beispiele sind das »Fließen« des Eises (z. B. als Gletscher) und von Salzen (z. B. in Form der Salzstöcke, vgl. Bild 4.17).
I I
/
/
/
/
//
/
J--~--/
// /
a)
b)
c)
Bild 2.76. Schematische Darstellung der beiden Hauptarten von Versetzungen, nämlich der Stufenversetzung (a) und der Schraubenversetzung (b und c). Der im Bild a) und b) sichtbare Versetzungsbetrag wird als BURGERs-Vektor bezeichnet.
Physikalische Eigenschaften 2.4.
121
(700), [nO]-6!eitung
(170) [170] - G!eitung I
Bild 2.77. Translationsrichtung [1l0] auf den Flächen (1l0) und (100) in einem kubischen Ionengitter vom NaCl-Typ
Bild 2.78. Versetzungsebene in Halit, sichtbar gemacht durch reihenförmige Ätzgrübchen (Bildmitte). Vergr. 250 x [226]
Auf Translationsvorgänge sind auch die sog. Schlag- und Druckfiguren zurückzuführen, die sich bei Einwirkung eines spitzen Werkzeuges auf eine Mineralfläche bilden (s. Bild 2.79). Ihre Form ist eindeutig durch die Symmetrie des Minerals bestimmt und kann deshalb auch zu deren Bestimmung herangezogen werden.
Bild 2.79. Druck- und Schlagfiguren [98J a) Schema der »hexagonalen« Druckfigur (D) und Schlagfigur (8) bei Glimmer (monoklin-pseudohexagonal) b) ScWagfigur auf einer ·Würfelebene von Halit
b)
122
2. Eigenschaften der Minerale
Die Gleitzwillingsbildung ist die zweite wichtige Möglichkeit der plastischen Verformung. Bei ihr wird bei einigen Mineralen ein Teilkomplex des Gitters durch mechanische Einwirkung längs einer Gleitebene in eine bestimmte andere Stellung (Zwillingsstellung) versetzt. Am Beispiel der Calcits ist dies gut zu demonstrieren (s. Bild 2.80). Diese Verzwillingung läßt sich an einem Mineral mehrfach durchführen, so daß polysynthetische Druckzwillinge entstehen. Sehr typisch ist dies neben den Karbonaten (s. Bild 2.81) für die Plagioklase (Albitlamellen), auch bei Hämatit, Magnetit, Kassiterit, Korund sowie einigen Salzmineralen und Sulfiden. Druckzwillinge zeigen an, daß die Minerale einem meist erhöhten und gerichteten Gebirgsdruck ausgesetzt waren; er kann bis zur Verformung und tektonischen Einregelung der Minerale führen. Als einen Sonderfall kann man die Rekristallisationszwillinge ansehen, die, wie Bild 2.82 zeigt, auch polysynthetisch aufgebaut sein können.
--4-
a)
b)
-----1..-
• • • • • -ZE
c)
Bild 2.80. Verformung durch Zwillingsgleitung [98] a) Calcitrhomboeder, auf den ein seitlicher Druck ausgeübt wird b) das Ergebnis der Druckbeanspruchung, ein Calcitdrilling
C
c) schematische Darstellung des »Umklappvorganges« (der Verzwillingung) im atomaren Bereich. Das erzeugte Zwillingsindividuum (unten) hat fast die gleiche atomare Orientierung wie der Ausgangskristall ; ZE ist die Zwillingsebene
C
J
C
I I
I
I
I J
J
a]
b)
c)
Bild 2.81. Polysynthetische Gleitverzwillingung bei Karbonaten [141] a) Calcit b) Dolomit
c) atomare Darstellung der Umklappebenen (1012) = Calcit; (2021) = Dolomit
Physikalische Eigenschaften 2.4.
123
Bild 2.82. Rekristallisationszwillinge in Messing (mit 25 % Zn). Elektronenmikroskopische Aufnahme, Vergr,. 6000 x [227J
2.4.3.
Magnetische Eigenschaften
Grundlagen: Jeder Materiebaustein (Atom, Ion, Molekül) kann aufgrund seiner unterschiedlichen Elektronenkonfiguration in einem magnetischen Feld ein magnetisches Moment M (= Magnetisierung) erhalten. Dabei besteht zwischen der Aufnahmefähigkeit des Minerals, der magnetischen Suszeptibilität Xm , und der Stärke des M magnetischen Feldes H die Beziehung Xm = H' Nach der Größe der Suszeptibilität unterscheiden wir ferromagnetische, paramagnetische und diamagnetische Minerale; Beispiele sind in der Tab. 2.7 aufgeführt.
Tabelle 2.7. Beispiele der Massensuszeptibilität einiger Minerale Stärke der Suszeptibilität Xm 80000 ... 20000 6100... 1500 271 124 130... 80 ... 24 8...
113 50 26 (2) 23 1
2
-0,08 - 0,30 - 0,37 -0,46
- 0,28 - 0,36
•
Mineral
Magnetischer Charakter
Magnetit Pyrrhotin
ferromagnetisch
Ilmenit Almandingranat Pyroxene, Amphibole Dunkelglimmer Epidot Hellglirrrrner Rutil (dunkelbraun)
paramagnetisch
Kassiterit Fluorit, Baryt Quarz, Orthoklas, Calcit Apatit
diamagnetisch
10-6
124
2. Eigenschaften der Minerale
Die diamagnetischen Minerale (mit negativen Werten von Xm) haben ursprünglich kein magnetisches Moment. Wird es ihnen in einem starken Magnetfeld aufgezwungen, stellen sich die induzierten magnetischen Momente dem Erregerfeld entgegen, so daß das Mineral aus dem Magnetfeld hinausgedrängt wird (s. Bild 2.83). Paramagnetische ]{inerale stellen ihre vorhandenen »Elementarmagnete« parallel zu den Feldlinien eines angelegten magnetischen Feldes; sie werden so von einem Magnetpol angezogen und bewegen sich in das Feld hinein. Alle (nichtferromagnetischen) eisenhaItigen Minerale sind paramagnetisch (vgl. Bild 2.83). Hinzugefügt sei hier, daß die dia- und paramagnetischen Eigenschaften anisotrop sind und von der kristallographischen Orientierung abhängen (s, Bild 2.84); allerdings sind die Unterschiede meist nicht größer als 10 % . Bei den termmagnetischen Mineralen liegen ursprünglich bereits Bereiche mit parallelen magnetischen Momenten (Wsrsssohe Bezirke, voneinander getrennt durch sog. BLOCH-Wände) vor, die sich aber meist wegen ihrer unterschiedlichen Orientierung gegenseitig aufheben. Schon ein relativ geringes angelegtes magnetisches Feld orientiert diese Momente stark gleichsinnig, und selbst nach dem Aufhören der äußeren magnetischen Wirkung behalten diese Minerale einen Restmagnetismus (Remanenz; Permanentmagnete). Eine Abart des Ferromagnetismus ist der sog. Ferrimagnetismus, der bei künstlichen Verbindungen vom Ferrit-Typus (analog pem Magnetit FeFe2 0 4) realisiert ist (s. Bild 2.83).
diamagnetisch
ITIIIIIIIIIIIII
Kupfer Cu
} Pyrit FeS,
S -2
ITIIIIIIJJII ITillIIIIII!J
Fe +2
ITIIIIIIIIIJ
1
Cu+
Fe +2
paramagnetisch
ferromagnetisch
Fe+ 3
antiferromagnetisch
ferrimagn etisch
{DJJJIIIIJJ ITIIIIIIIIJ
0- 2
ITIJITIITIIIIl
Fe+2
ITIIIIIIJJII
DJJJIIIIJJ
Fe+ 3 {
0-
2
DJIITIITIJ ITIJITIITIIIIl
kamazit Fe
}
Hämatit Fe,D,
Magnetit Fe304
Bild 2.83. Magnetische Struktur (Spin-Struktur) einiger charakteristischer Minerale [7J
Physikalische Eigenschaften 2.4.
125 -
Bild 2.84. Anordnung des Spins der MnIonen im Manganoxid MnO [5] Man beachte die abwechselnd gleiche Orientierung jeweils in der (lll)-Ebene
Anwendung: Die magnetischen Eigenschaften der Minerale lassen sich für unsere Zwecke in vielfältiger Form nützen. Einige Minerale besitzen eine magnetische Anziehungskraft, sie ziehen Eisen an oder lenken die Magnetnadel ab. Man kann auf diese Art den Magnetit (insbesondere auch seine oxydierte Abart Maghemit) von anderen ähnlichen Mineralen unterscheiden. Ähnliches gilt für Pyrrhotin (Magnetkies), auch Platin. Magnetitlagerstätten können durch geomagnetische Prospektion von der Erdoberfläche aus gesucht werden. Ferromagnetische und paramagnetische Minerale können durch unterschiedlich starke Felder eines Elektromagneten untereinander und besonders von den eisenfreien diamagnetischen Mineralen getrennt werden (Magnetscheidung, vgl. S. 142). Künstliche Ferrite werden als Ferrimagnetika in großer Zahl hergestellt (Beispiel der Bariumferrit Baü· Fe2 Ü 3 ) ; sie dienen hauptsächlich als Permanentmagnete, Spulenkerne und Ferritantennen.
2.4.4.
Elektrische Eigenschaften
Die elektrische Leitfähigkeit (und entsprechend der reziproke, spezifische elektrische Widerstand) von Mineralen schwankt in einem sehr großen Bereich. Nichtleiter (Iso1 Iatoren) haben eine Leitfähigkeit von etwa 10- 20 bis 10- 10 ~ , Halbleiter von sz cm
etwa 10- 10 bis 103 und Leiter (einschließlich der Supraleiter) von 103 bis 1020
~. sz cm
Der Elektrizitätstransport kann auf zwei Arten erfolgen, entweder durch Elektronenleitung (speziell bei den Metallen) oder durch Ionenleitung (speziell bei Mineralen mit heteropolaren und homöopolaren Bindungen). Die meisten Minerale besitzen aber keine dieser reinen Formen, sondern sind Mischleiter. Die Vorgänge der Elektronenleitung sind mit Hilfe der Energiebändermodelle leicht verständlich, wie sie in den Bildern 2.85 und 2.86 schematisch für die wichtigsten Möglichkeiten dargestellt sind. Wie bekannt ist, müssen Elektronen, um Halbleitung hervorzurufen, aus den Energieniveaus des Grundbandes bzw. Donatorstörbandes in das Energieniveau des Leitungsbandes bzw. in das Akzeptorstörband gebracht werden. Man bedient sich, speziell bei den Halbleitern, dazu unterschiedlicher Methoden wie der Temperaturerhöhung, der Hinzugabe (Dotierung) von Fremdatomen
2. Eigenschaften der Minerale
126
u G
Bild 2.85. Ebenes Energiebändermodell für eine Atomreihe in einem Kristall U = Energieniveau L = Leitungsband G = Grundband (Valenzband)
' l/////// /
L
?(XXXX>::: [
1
~
D~ nnschliff
I
I [
sichtbares Licht
I Polarisationsmikroskopie I
]{örnerpräparat]-
~
et-
::r'
o
o
Gelände, Bergbau, Schliff
Lumineszenzanalyse
@" '"0
~
Pulver
rarotspektroskopie
UJ
~
g:l:
Thermoanalytik (DTA, TGA u. a.)
I Pulver
t;:l
~. i:l
~
Pulver, Kristalle
Diffraktometrie
~E; ~ 1:1
Röntgenstrahlen
~ ~ [ ~
S'
'g.g-
~
g:l
E?
UJ
et-
Elektronenmikroskopie Schliff, Mineral_] Elektronenkörner, Pulver - - - - - - und -beugung, Mikrosondel - - - - - - strahlung
S'
J
I--
85
~
~
S·
[ ~
~ :: !CJQ
Handstück, Schliff, Körnerpräparat
Radiographie
Mineralkörner, Pulver
c=-Mineral
Mineralkristalle
Radioaktivität
Dichtebestimmung (Pyknometer, Schwebemethode u. a.) mechanische Eigenschaft , Härtebestimmung (Ritzhärte, Eindruckhärte u. a.) ,---------
Löslichkeit, Geschmack, Ätzung
chemische Eigenschaft
"----_-,=:]makroskopisch; Goniometrie
'-..,-...J
~~
g ~ ~ ct-g.ct-
~~~ ~
~~
8.::l '(
g.
O~
~'p..
(I)
P
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fEO'Q
p"
P
(I)~
(I)
(I)
f;l
~
ct-
>-l
'"g
S' ~.
'"0
'J1}1nZrJUrJtfJ.(/JuJ]if[ . ~
ffT
Phasenanalytische Verfahren 3.2.
145
sierten Lichtes dienen ein Polarisator und ein Analysator (heute meist keine NIoor.sohen Kalkspat-Prismen mehr, sondern GLAN-THoMPsoN-Prismen oder Polarisationsfolien) ; mehrere Blenden können den Strahlengang steuern. Bei der Auflichtmikroskopie führt ein sog. Opakilluminator das Licht auf das Präparat (s, Bild3.l0). \'0.
-_....--------Oku!ar
~'...-\-~--
Um!enkprisma
I.