Lehrbuch der Lacktechnologie 9783748600220

Von der Lackchemie über verfahrenstechnische Kenntnisse bis hin zu Kompetenzen in Qualitätsprüfung, Umweltschutz- und Si

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German Pages 468 [467] Year 2017

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Table of contents :
Auf ein Wort
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Lackrohstoffe
3. Lacksysteme, Rezeptierung, Filmbildung
4. Herstellung von Beschichtungsstoffen
5. Untergründe und ihre Vorbehandlung
6. Applikation und Trocknung
7. Lackierprozesse
8. Prüf- und Messtechnik
9. Umwelt- und Arbeitsschutz
Anhang zur Nomenklatur
Autoren
Stichwortverzeichnis
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Lehrbuch der Lacktechnologie
 9783748600220

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Farbe und Lack // Bibliothek

Thomas Brock Michael Groteklaes Peter Mischke Bernd Strehmel

Lehrbuch der Lacktechnologie 5., vollständig überarbeitete Auflage

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Umschlagbild: alphaspirit – fotolia.com

Bibliographische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.

Thomas Brock, Michael Groteklaes, Peter Mischke, Bernd Strehmel Lehrbuch der Lacktechnologie, 5., vollständig überarbeitete Auflage Hannover: Vincentz Network, 2017 Farbe und Lack Bibliothek ISBN 978-3-74860-022-0 © 2017 Vincentz Network GmbH & Co. KG, Hannover Vincentz Network, P.O. Box 6247, 30062 Hannover, Germany Das Werk einschließlich seiner Einzelbeiträge aus Abbildungen ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung außerhalb der engen Grenzen des Urhebergesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Dies gilt insbesondere für die Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchtnamen, Warenzeichen und Handelsnamen in diesem Buch berechtigt nicht zu der Annahme, dass solche Namen ohne weiteres von jedermann benutzt werden dürfen. Vielmehr handelt es sich häufig um geschützte, eingetragene Warenzeichen.

Das Verlagsverzeichnis schickt Ihnen gern: Vincentz Network, Plathnerstr. 4c, 30175 Hannover, Germany Tel. +49 511 9910-033, Fax +49 51 1 9910-029 E-mail: [email protected], www.farbeundlack.de/shop Satz: Danielsen Mediendesign, Hannover ISBN 978-3-74860-022-0

Farbe und Lack // Bibliothek

Thomas Brock Michael Groteklaes Peter Mischke Bernd Strehmel

Lehrbuch der Lacktechnologie 5., vollständig überarbeitete Auflage

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Auf ein Wort Wer im Lackgebiet tätig ist, gleich ob bei Herstellern oder Verarbeitern, weiß – oder merkt es als Neuling rasch –, wie umfangreich das Wissen sein muss, um beim Einsatz dieses einzigartigen Schutz- und Veredelungsmaterials erfolgreich zu sein1). Zentrale Bedeutung hat dabei im weitesten Sinne die Lackchemie, vornehmlich darin die Polymer- und Pigmentkunde. Aber auch einige verfahrenstechnische Kenntnisse benötigt der Lackfachmann, so bei Planung, Betrieb und Optimierung von Produktions- oder Applikationsanlagen, ferner Werkstoffwissen in Bezug auf die Lackiersubstrat-Materialien sowie Kenntnisse zur Qualität(sprüfung) der Lacke und Oberflächen, und schließlich Vertrautheit mit der Situation bei Umweltschutz- und Sicherheitsregularien. Nur wenige Ausbildungsstätten können zu solch ausgedehntem Wissensgebiet ein sachgerecht zugeschnittenes Lehrprogramm anbieten: Die Hochschule Niederrhein in Krefeld ist dabei eine Institution mit langer Tradition. So werden hier seit 1923 Ingenieure (heute: Bachelor und Master of Engineering) für den Schwerpunkt Lackingenieurwesen ausgebildet. Über lange Zeit existierte kein Lehrbuch zum beschriebenen Gebiet. So entschlossen wir uns vor 18 Jahren, wesentliche Inhalte des Krefelder Ausbildungsprogramms als Lehrbuch der Fachwelt zur Verfügung zu stellen. Ziel war und ist ein Lehrbuch der aktuellen Lacktechnologie nach modernem Konzept, wobei die Autoren gemäß ihren Lehrgebieten zum Buchtext beigetragen haben. Das Ergebnis bietet – dank der einerseits soliden theoretischen Basis – noch „Vertiefungen“ bei Bedarf, andererseits einen konsequent engen Praxisbezug in der Themenbehandlung, stets verbunden mit dem Blick auf sich abzeichnende Entwicklungen in der nach wie vor dynamischen Lackbranche. In diesem Buch wird aktueller Wissensstand vermittelt und das Verständnis für die Vielfalt der Zusammenhänge geweckt, die einer optimalen Nutzung von Lackmaterial zugrunde liegen. Das Buch enthält das Grundwissen über Rohstoffe, Herstellung, Applikation und Prüfung von Beschichtungsstoffen und Beschichtungen. Natürlich können beim vorgegebenen Umfang nur die wesentlichen Themen angesprochen werden; so wollen und können wir keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben. Für wen ist das Buch geschrieben? • Es soll zum einen Auszubildenden oder Studierenden in lackchemischen und beschichtungstechnologischen Hochschulstudiengängen als begleitendes Lehrbuch jenes Basiswissen vermitteln, das einen soliden Grundstock für das vertiefte Studium der Lacktechnologie darstellt. • Fachlichen Querein- und Umsteigern wie Naturwissenschaftlern, Ingenieuren oder Kaufleuten, soll es als ein gut durchlesbares, nicht mit Einzelfakten und/oder Spezialisierungen überfrachtetes Lehrbuch das Kennenlernen dieses faszinierend vielfältigen, aber doch schwer zu überblickenden Gebietes erleichtern.

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Den Autoren fließt – wie sicherlich der Mehrzahl der Leser – der kurze, wenn auch nicht ganz umfassende und normengerechte Ausdruck „Lack“ leichter aus der Feder bzw. von der Zunge als „Beschichtungsstoffe“; daher sei schon hier um Verständnis dafür gebeten, dass im Buch meistens von Lacken stellvertretend für alle (organischen) Beschichtungsstoffe gesprochen wird.

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Auf ein Wort

• Fachleute aus der betrieblichen Lack- oder Beschichtungspraxis, die über ihre eigene Erfahrung hinaus die Frage „Warum“ oder „Was gibt es sonst noch“ stellen, können beobachtete Einzeleffekte besser einordnen und bei Problemen gezielter eingreifen. Auch dem gestandenen Lackfachmann kann es zur Auffrischung oder Abrundung seines Wissens dienen. Und es erleichtert ihm den Blick über den „Gartenzaun“, wenn er sich über verwandte Gebiete informieren will, über die täglich von ihm eingesetzten Rohstoffe oder über die Applikation und Anwendungsbereiche der Lackmaterialien. Schließlich sollen so besonders interessierte Laboranten, Techniker und Ingenieure aus dem Laborbereich ein tieferes Verständnis der Zusammenhänge in Lackchemie und -technologie erlangen können. Die dritte Auflage, erschienen 2009, wurde für die vierte Auflage in 2012 gründlich überarbeitet, aktualisiert und erweitert. Neu aufgenommen bzw. erweitert wurden diverse aktuelle Entwicklungen insbesondere der Lackchemie, Lackherstellung und im gesetzlichen Umfeld (Arbeitssicherheit, VOC-Gesetzgebung) sowie Veränderungen im Bereich der Normen. Für die vorliegende fünfte Auflage wurde die vierte nochmals aktualisiert und korrigiert. Im Kapitel der radikalisch härtenden Beschichtungsstoffe wird nun auch auf die Lichtquellen auf LED-Basis eingegangen. Sicherlich sind unter den Lesern Spezialisten, die zu bestimmten Themen Änderungen oder Ergänzungen vorschlagen können; für entsprechende Zuschriften sind die Autoren dankbar! Krefeld, im August 2016 Thomas Brock, Michael Groteklaes, Peter Mischke, Bernd Strehmel

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Inhaltsverzeichnis

Inhaltsverzeichnis 1

Peter Mischke: Einleitung

1.1 1.2 1.3 1.4 1.5

Geschichtlicher Rückblick ...................................................................................................15 Wirtschaftliche Bedeutung der Lacke und Farben..........................................................16 Einteilung und stofflicher Aufbau von Beschichtungsstoffen......................................17 Technologie der Lacke und Farben – „Lacktechnologie“...............................................19 Literatur....................................................................................................................................20

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Lackrohstoffe

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21

Peter Mischke: 2.1 Filmbildner...............................................................................................................................21 2.1.1 Allgemeine Polymerkunde...................................................................................................21 2.1.1.1 Grundbegriffe..........................................................................................................................21 2.1.1.2 Polymerisationsgrad, molare Masse, Molmassenverteilung.........................................26 2.1.1.3 Sekundär- und Aggregatstrukturen von Polymeren.......................................................28 2.1.1.4 Vernetzte Polymere................................................................................................................30 2.1.1.5 Allgemeines zu Polymerlösungen......................................................................................31 2.1.1.6 Löslichkeit und Löslichkeitsparameter..............................................................................32 2.1.1.7 Unverträglichkeiten...............................................................................................................36 2.1.1.8 Viskosität von Polymerlösungen.........................................................................................36 2.1.1.9 Wässrige Systeme..................................................................................................................39 2.1.1.10 Mechanisches Verhalten von Polymeren – Viskoelastizität.........................................42 2.1.1.11 Messtechnische Erfassung der Viskoelastizität..............................................................45 2.1.1.12 Temperaturabhängigkeit des Polymerverhaltens – Glasübergangstemperatur......47 2.1.2 Natürliche Filmbildner..........................................................................................................50 2.1.2.1 Naturharze...............................................................................................................................50 2.1.2.2 Öle, oxidative Trocknung......................................................................................................50 2.1.2.3 Bitumen, Asphalt, Pech.........................................................................................................54 2.1.3 Modifizierte Naturstoffe........................................................................................................54 2.1.3.1 Modifizierte Naturharze........................................................................................................54 Modifizierte Öle.......................................................................................................................56 2.1.3.2 2.1.3.3 Cellulosederivate....................................................................................................................57 2.1.3.4 Modifizierter Naturkautschuk.............................................................................................59 Synthetische Filmbildner......................................................................................................59 2.1.4 2.1.4.1 Gesättigte Polyester...............................................................................................................59 2.1.4.2 Ungesättigte Polyester...........................................................................................................64 Strahlenhärtende Acrylate....................................................................................................67 2.1.4.3 2.1.4.4 Alkydharze...............................................................................................................................68 2.1.4.5 Acrylharze/Acrylatharze.......................................................................................................71 2.1.4.6 Kunststoffdispersionen.........................................................................................................74 2.1.4.7 Formaldehyd-Kondensate.....................................................................................................76 2.1.4.8 Epoxid-Systeme.......................................................................................................................81 2.1.4.9 Polyurethan-Systeme.............................................................................................................88 2.1.4.10 Siliciumhaltige Filmbildner..................................................................................................95 2.1.4.11 Sonstige Filmbildner..............................................................................................................98 2.1.5 Nachwachsende Rohstoffe für die Bindemittelchemie...................................................102

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Inhaltsverzeichnis

Rohstoffquellen und Ausgangssubstanzen.......................................................................102 Verfahren und Prozesse........................................................................................................102 Beispiele zu nachwachsenden Rohstoffen........................................................................104 Ausgewählte Beispiele für Bindemittel aus nachwachsenden Rohstoffen................106

Michael Groteklaes: 2.2 Lösemittel.................................................................................................................................108 2.2.1 Einteilung und Definitionen.................................................................................................108 2.2.2 Charakterisierung und Einteilung von Lösemitteln........................................................109 2.2.2.1 Lösevermögen.........................................................................................................................109 2.2.2.2 Lösemittel, die sich nicht an Wasserstoffbrückenbindungen beteiligen....................110 2.2.2.3 Lösemittel mit mäßig starker Wasserstoffbrückenbindung..........................................111 2.2.2.4 Lösemittel mit starker Wasserstoffbrückenbindung......................................................113 2.2.3 Eigenschaften..........................................................................................................................114 2.2.3.1 Flüchtigkeit..............................................................................................................................114 2.2.3.2 Polarität.....................................................................................................................................118 2.2.3.3 Oberflächenspannung............................................................................................................118 2.2.3.4 Dichte........................................................................................................................................118 2.2.3.5 Viskosität..................................................................................................................................119 2.2.3.6 Weitere physikalische Eigenschaften................................................................................121 2.2.3.7 Physiologische Eigenschaften..............................................................................................121 2.2.4 Lösemittel in Beschichtungsstoffen....................................................................................122 2.2.4.1 Lösemitteleinflüsse auf Lack- und Lackierungseigenschaften.....................................122 2.2.4.2 Lösemittel in Low Solid- und Medium Solid-Lacken.......................................................123 2.2.4.3 Lösemittel in High Solid-Lacken.........................................................................................123 2.2.4.4 Lösemittel in Wasserlacken..................................................................................................124 2.3 Pigmente und Füllstoffe........................................................................................................125 2.3.1 Definitionen und Einteilung von Pigmenten....................................................................125 2.3.2 Physikalische Grundlagen....................................................................................................126 2.3.2.1 Pigmentmorphologie..............................................................................................................126 2.3.2.2 Optik von Pigmenten.............................................................................................................130 2.3.2.3 Wechselwirkungen zwischen Pigment und umgebendem Medium...........................135 2.3.3 Weißpigmente..........................................................................................................................137 2.3.3.1 Titandioxid-Pigmente.............................................................................................................137 2.3.3.2 Andere Weißpigmente...........................................................................................................144 2.3.4 Schwarzpigmente...................................................................................................................145 2.3.4.1 Einteilung.................................................................................................................................145 2.3.4.2 Pigmentruße............................................................................................................................145 2.3.5 Anorganische Buntpigmente...............................................................................................149 2.3.5.1 Allgemeine Eigenschaften....................................................................................................149 2.3.5.2 Oxidische und Oxidhydroxid-Pigmente.............................................................................150 2.3.5.3 Cadmiumpigmente.................................................................................................................153 2.3.5.4 Chromat-Pigmente..................................................................................................................154 2.3.5.5 Bismutvanadat-Pigmente......................................................................................................154 2.3.5.6 Eisenblau-Pigmente...............................................................................................................155 2.3.5.7 Ultramarin-Pigmente.............................................................................................................155 2.3.6 Organische Buntpigmente....................................................................................................155 2.3.6.1 Allgemeine Eigenschaften....................................................................................................155 2.3.6.2 Einteilung von orgwanischen Pigmenten..........................................................................156 2.3.6.3 Optische Eigenschaften organischer Pigmente...............................................................158 2.3.6.4 Anwendungsgebiete für organische Pigmente................................................................159 2.3.7 Effektpigmente........................................................................................................................160 2.3.7.1 Metalleffektpigmente.............................................................................................................160 2.3.7.2 Perlglanz- und Inter­ferenz-Pigmente.................................................................................163

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Inhaltsverzeichnis

2.3.7.3 Einarbeitung von Effektpigmenten in Lacke....................................................................164 2.3.7.4 Effektausbildung.....................................................................................................................165 2.3.8 Funktionelle Pigmente.........................................................................................................166 2.3.8.1 Korrosionsschutzpigmente...................................................................................................166 Leitfähige Pigmente...............................................................................................................170 2.3.8.2 2.3.9 Füllstoffe...................................................................................................................................171 Definition und Einteilung von Füllstoffen.........................................................................171 2.3.9.1 Herstellung von Füllstoffen..................................................................................................173 2.3.9.2 2.3.9.3 Einige häufig verwendete Füllstoffe...................................................................................174 2.3.9.4 Nanopartikel............................................................................................................................177 2.3.10 Farbstoffe..................................................................................................................................177 2.4 Additive.....................................................................................................................................180 2.4.1 Einteilung und Definition......................................................................................................180 2.4.2 Grenzflächenaktive Additive................................................................................................180 2.4.2.1 Entschäumer und Entlüfter..................................................................................................180 2.4.2.2 Oberflächenadditive...............................................................................................................185 2.4.3 Rheologieadditive...................................................................................................................190 2.4.3.1 Allgemeines.............................................................................................................................190 2.4.3.2 Verdickungsmittel..................................................................................................................191 2.4.3.3 Thixotropierungs­mittel..........................................................................................................193 2.4.4 Lichtschutzmittel....................................................................................................................194 2.4.5 Biozide.......................................................................................................................................197 Netz- und Dispergiermittel...................................................................................................198 2.4.6 Katalysatoren und Sikkative................................................................................................201 2.4.7 2.4.8 Mattierungsmittel...................................................................................................................202 2.5 Literatur....................................................................................................................................203

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Inhaltsverzeichnis

Lacksysteme, Rezeptierung, Filmbildung

205

Michael Groteklaes: Zusammensetzung von Beschichtungsstoffen.................................................................205 3.1 3.2 Grundlegende Rezepturparameter.....................................................................................207 Pigmentvolumenkonzentration und Filmeigenschaften................................................209 3.3 Lösemittelbasierende Beschichtungsstoffe.......................................................................214 3.4 Low Solid- und Medium Solid-Systeme.............................................................................214 3.4.1 High Solids...............................................................................................................................216 3.4.2 Wässrige Beschichtungsstoffe.............................................................................................219 3.5 3.5.1 Wasserlösliche und emulgierbare Systeme......................................................................219 3.5.2 Dispersionsfarben...................................................................................................................220 3.6 Radikalisch härtende Beschichtungsstoffe.......................................................................222 3.6.1 Allgemeines.............................................................................................................................222 3.6.2

Bernd Strehmel: Vertiefende Darstellung der photonisch initiierten radikalischen Härtung..............226

Michael Groteklaes: 3.7 Pulverlacke...............................................................................................................................235 3.7.1 Filmbildner...............................................................................................................................235 3.7.2 Additive.....................................................................................................................................238 3.7.3 Pigmente...................................................................................................................................238 Anorganische Beschichtungsstoffe.....................................................................................238 3.8 3.8.1 Wasserglasfarben....................................................................................................................238 3.8.2 Alkylsilikatfarben...................................................................................................................239 Rezeptierung des Mahlansatzes..........................................................................................240 3.9 3.9.1 Allgemeines.............................................................................................................................240 High Solid-Systeme................................................................................................................242 3.9.2 Wässrige Systeme..................................................................................................................243 3.9.3 Peter Mischke: 3.10 Filmbildung..............................................................................................................................244 3.10.1 Allgemeines.............................................................................................................................244 3.10.2 Physikalische Trocknung......................................................................................................245 3.10.2.1 Trocknung gelöster Bindemittel..........................................................................................245 3.10.2.2 Trocknung von Primärdispersionen...................................................................................247 3.10.2.3 Trocknung von Polyurethandispersionen......................................................................... 249 3.10.3 Härtung (Vernetzung) flüssiger Beschichtungsstoffe....................................................249 3.10.3.1 Allgemeine Prinzipien ..........................................................................................................249 3.10.3.2 Besonderheiten bei High Solids..........................................................................................252 3.10.3.3 Vernetzung wässriger Filmbildner.....................................................................................252 3.10.3.4 Vernetzung mit Strahlen.......................................................................................................253 Härtung von Pulverlacken....................................................................................................253 3.10.4 3.11 Literatur....................................................................................................................................255 4

Thomas Brock: Herstellung von Beschichtungsstoffen

257

Vorbemerkung.........................................................................................................................257 4.1 4.2 Allgemeines zur Lackherstellung – Struktur einer Lackfabrik....................................257 4.3 Verfahrensabläufe der Lackherstellung.............................................................................258 4.4 Produktionsstrategien und Rezepturbeispiel...................................................................261 4.5 Apparative Aspekte der Lackproduktion .........................................................................264 Der Pulverlack-Her­stellungsgang.........................................................................................265 4.6 Ergänzendes zum Mischen und Lösen.............................................................................265 4.7 4.8 Kneten.......................................................................................................................................268

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Inhaltsverzeichnis

4.9 4.9.1 4.9.2 4.9.3 4.9.4 4.9.5 4.9.5.1 4.9.5.2 4.9.5.3 4.9.5.4 4.9.6 4.10 4.11 4.12

Dispergieren, Dispergierapparate......................................................................................268 Allgemeines zum Dispergieren ..........................................................................................268 Beanspruchungsmechanismen beim Dispergieren .......................................................269 Dispergieren mit dem Dissolver.........................................................................................269 Dispergieren mit der Dreiwalze .........................................................................................272 Dispergieren mit Rührwerkskugelmühlen ......................................................................273 Dispergiermechanismus in Gegenwart von Mahlkörpern ...........................................273 Aufbau und Betriebsparameter von Rührwerkskugelmühlen .....................................273 Verweilzeitverteilung in einer Rührwerkskugelmühle .................................................277 Passagen- und Zirkulationsverfahren ...............................................................................278 Dispergieren im Extruder bei der Pulverlack-Herstellung...........................................280 Filtrieren ..................................................................................................................................281 Ergänzendes zur Herstellung wasserverdünnbarer Lacke und Farben ....................283 Literatur ...................................................................................................................................283

5

Michael Groteklaes: Untergründe und ihre Vorbehandlung

5.1 5.2 5.3 5.3.1 5.3.2 5.3.2.1 5.3.2.2 5.3.2.3 5.3.2.4

Allgemeines ............................................................................................................................284 Grundlagen der Haftung ......................................................................................................285 Metalluntergründe.................................................................................................................288 Metalle und ihre Oberflächen .............................................................................................288 Die wichtigsten Metalluntergründe ..................................................................................288 Stahl ..........................................................................................................................................288 Zink, verzinkter Stahl ...........................................................................................................289 Aluminium ..............................................................................................................................289 Weitere metallische Werkstoffe .........................................................................................290

284

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Inhaltsverzeichnis

5.3.3 Beseitigung festhaftender Schichten.................................................................................290 5.3.3.1 Mechanische Verfahren, Strahlen.......................................................................................291 5.3.3.2 Flammstrahlen........................................................................................................................292 5.3.3.3 Beizen........................................................................................................................................292 5.3.4 Reinigen, Entfetten.................................................................................................................293 5.3.5 Aufbringen von Konversionsschichten..............................................................................293 5.3.6 Handwerkliche Vorbereitung von Metalluntergründen.................................................296 5.4 Kunststoffuntergründe .........................................................................................................297 5.4.1 Kunststoffe, Kunststoffoberflächen und ihre Lackierbarkeit ......................................297 5.4.2 Vorbehandlung von Kunststoffen ......................................................................................298 Holz und Holzwerkstoffe als Untergründe ......................................................................301 5.5 5.5.1 Holz............................................................................................................................................301 5.5.2 Holzwerkstoffe .......................................................................................................................303 5.5.3 Vorbehandlung von Holz und Holzwerkstoffen...............................................................303 Planbearbeiten und Glätten .................................................................................................304 5.5.3.1 5.5.3.2 Einige Hinweise zum Holzschutz........................................................................................305 5.6 Mineralische Untergründe...................................................................................................306 5.6.1 Zusammensetzung und Eigenschaften..............................................................................306 5.6.2 Vorbehandlung mineralischer Untergründe....................................................................310 5.7 Literatur....................................................................................................................................312 6

Applikation und Trocknung

313

Thomas Brock: 6.1 Applikationsarten und Einsatzkriterien............................................................................313 6.2 Streichen, Rollen, Ziehen, Wischen....................................................................................313 6.3 Gießen.......................................................................................................................................315 6.4 Walzen.......................................................................................................................................315 6.5 Tauchen, Fluten und verwandte Verfahren.......................................................................316 6.6 Elektrotauchlackierung.........................................................................................................317 6.6.1 Elektrochemische Grundlagen.............................................................................................317 6.6.2 Anlagentechnik und Badsteuerung....................................................................................321 6.6.3 Entwicklungstrends und Einsatzgebiete...........................................................................323 6.7 Spritzverfahren.......................................................................................................................323 Zerstäubungsarten ohne elektrostatische Aufladung.....................................................324 6.7.1 6.7.1.1 Pneumatische Zerstäubung..................................................................................................324 6.7.1.2 Hydraulische Zerstäubung...................................................................................................328 6.7.1.3 Neuere Verfahrensvarianten................................................................................................328 6.7.2 Elektrostatische Zerstäubung..............................................................................................329 6.7.3 Hochrotations­-Zerstäubung..................................................................................................332 Filmbildung nach der Spritzapplikation............................................................................334 6.7.4 6.7.5 Zweikomponenten-Anlagentechnik bei der Spritzapplikation.....................................334 6.7.6 Anwendungsbereiche............................................................................................................335 6.8 Pulverbeschichten..................................................................................................................335 6.8.1 Pulversinterverfahren............................................................................................................336 6.8.2 Elektrostatisches Pulverbeschichten..................................................................................336 6.9 Lackier-Anlagentechnik........................................................................................................339 6.9.1 Kabinenluft-Technik...............................................................................................................339 6.9.2 Abluftreinigung.......................................................................................................................341 6.9.3 Lackversorgung.......................................................................................................................343 6.9.4 Automatisierung von Lackierprozessen............................................................................343 6.9.5 Fördersysteme.........................................................................................................................344

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Inhaltsverzeichnis

Peter Mischke: 6.10 Trocknung, Härtung...............................................................................................................346 6.10.1 Einbrennbedingungen...........................................................................................................346 6.10.2 Überblick über Trocknungsverfahren................................................................................347 6.10.3 Umluft(Konvektions)-Trocknung........................................................................................347 6.10.4 Infrarot-Trocknung.................................................................................................................349 6.10.5 Strahlenhärtung .....................................................................................................................351 6.10.6 Elektrische Trocknungsverfahren.......................................................................................353 6.11 Literatur....................................................................................................................................353 7

Thomas Brock: Lackierprozesse

354

7.1 Farben und Lacke: Markt und Einsatzbereiche...............................................................354 Autoserienlackierung............................................................................................................354 7.2 7.3 Autoreparaturlacke.................................................................................................................361 7.4 Industrielle Kunststofflackierung.......................................................................................365 7.5 Lackierung von Schienenfahrzeugen.................................................................................366 7.6 Bandbeschichtung/Coil Coating.........................................................................................366 7.7 Elektroisoliersysteme und Elektroniklacke......................................................................368 7.8 Andere Metalllackierungen..................................................................................................368 7.9 Lackierung von Holz und Holzwerkstoffen.......................................................................370 7.10 Bautenschutz/Beschichtung mineralischer Untergründe.............................................374 7.11 Abtrennung, Aufbereitung und Verwertung von Lack- und Lackierrückständen....375 7.12 Entlacken..................................................................................................................................378 7.13 Qualitätsmanagement, Prozess- und Qualitätssicherheit..............................................379 7.14 Literatur....................................................................................................................................382

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8

Inhaltsverzeichnis

Thomas Brock: Prüf- und Messtechnik

383

8.1 Rheologie und Rheometrie....................................................................................................383 8.1.1 Rheologische Grundlagen.....................................................................................................383 8.1.2 Praktische Bedeutung des Viskositätsverhaltens...........................................................386 8.1.3 Rheometrie: Messung des Fließverhaltens.......................................................................387 8.1.4 Viskoelastizität........................................................................................................................389 8.2 Kennzahlen von Lösemitteln und Flüssigprodukten......................................................390 8.2.1 Zusammensetzung und Reinheit von Flüssigkeiten.......................................................391 8.2.2 Sicherheitstechnische Kenndaten.......................................................................................393 8.2.3 Anwendungsbezogene Kenndaten.....................................................................................393 8.3 Analytische Kennzahlen von Feststoffen..........................................................................397 8.4 Prüfung von flüssigen Farben und Lacken ......................................................................398 8.4.1 Optisch relevante Eigenschaften ........................................................................................398 8.4.2 Emissionen...............................................................................................................................404 8.4.3 Filmbildung, Verlauf und Vernetzung................................................................................404 8.4.4 Ringleitungsstabilität.............................................................................................................407 8.5 Spezielle Prüfungen bei Pulverlacken...............................................................................407 8.6 Beschichtungsmerkmale nach der Applikation...............................................................408 8.6.1 Schichtdickenmessung..........................................................................................................408 8.6.2 Optische Filmeigenschaften, Farbe und Farbmessung..................................................410 8.6.3 Mechanisch-technologische Filmeigenschaften..............................................................416 8.6.4 Licht- und Wetterbeständigkeiten.......................................................................................424 8.7 Lack- und Lackierschäden....................................................................................................430 8.8 Literatur....................................................................................................................................431 9

Thomas Brock: Umwelt- und Arbeitsschutz

432

9.1 Luftreinhaltung und VOC-Emissionen...............................................................................432 9.2 Wasserreinhaltung.................................................................................................................435 9.3 Abfallgesetzgebung und Abfallwirtschaft.........................................................................436 9.4 Arbeitssicherheit beim Umgang mit Lacken und Farben..............................................437 9.5 Transporte................................................................................................................................440 9.6 REACH......................................................................................................................................440 9.7 Ökobilanzen: Aussagen und Grenzen................................................................................442 9.8 Literatur....................................................................................................................................443 Anhang zur Nomenklatur

444

Autoren

445

Stichwortverzeichnis

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Geschichtlicher Rückblick

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Einleitung

1.1 Geschichtlicher Rückblick Die frühesten bekannten Anwendungen von Farben1) liegen ca. 30 000 Jahre zurück. Mit Gemischen aus bunten Erden, Ruß, Fetten und anderen Naturstoffen verschönerten die Menschen ihre Körper und bemalten – wie z.B. in Südfrankreich und Nordspanien entdeckte Höhlenmalereien belegen – ihre Behausungen und Kultstätten. Im Altertum ... In den Hochkulturen der Ägypter (ab 4. Jt. v. Chr.), Griechen und Römer gab es hochentwickelte Malkünste zum Verzieren bzw. Kennzeichnen von Gefäßen, Figuren, Werkzeugen und Bauwerken. Als Rohstoffe verwendete man z.B. Pflanzengummi, Stärke, Hautleim, Milch(-Produkte), Bienenwachs, Holzkohle und diverse Mineralien. Zum Färben von Textilien, Fasern, Holz, Papier und Leder bediente man sich Naturfarbstoffen wie Indigo, Purpur und Krapp. Im Gegensatz zu der bisher erwähnten dekorativen bzw. farbgebenden Verwendung von Beschichtungsstoffen entwickelte sich ab etwa 2000 v. Chr. in China eine Lackierkunst, welche glatte und glänzende Oberflächen hervorbrachte. Die Lacke basierten auf dem Milchsaft des chinesischen Rhus-Baumes und erfüllten neben ihrer dekorativen Wirkung auch eine Schutzfunktion. Farben- und Lackrohstoffe wie Balsame und Harze, Zinnober und Ultramarin kamen vor allem aus Indien. Das Wort „Lack“ selbst stammt vom Ausdruck „Laksha“ aus der vorchristlichen, indischen Kultursprache Sanskrit ab und bezog sich ursprünglich auf den Schellack, ein von speziellen SchiIdläusen („Lackschildläusen“) aus dem Saft eines indischen Feigenbaumes erzeugtes Harz. Einen anderen wichtigen Anwendungsbereich für Beschichtungsstoffe brachte die Seefahrt mit sich. Im 4. Jh. v. Chr. gab es eine strahlenförmige Völkerwanderung von Kleinasien aus bis nach England und Skandinavien – teils zu Lande, teils zur See. Die notwendige Wasserfestigkeit der dabei eingesetzten Holzschiffe wurde mit Mischungen aus nichttrocknenden (nicht verharzenden) Ölen und Baumharzen oder Naturasphalt erzielt. Machen wir nun wieder einen zeitlichen Sprung. Um das Jahr 1100 n. Chr. beschrieb der deutsche Goldschmied und Mönch Roger von Helmarshausen (Theophilus) die Herstellung eines Lackes durch Verkochen von Leinöl mit ausgeschmolzenem Bernstein. Diese sog. „Lacksiederei“ entwickelte sich ständig weiter, und im 17. Jh. gab es schließlich zahlreiche Rezepte für Lacke aus unterschiedlichen Naturharzen, Leinöl und Spiritus. In der Neuzeit ... Im 18. Jh. brachte die industrielle Revolution einen stark steigenden Bedarf an Anstrichstoffen mit sich. So erforderten vor allem die in immer größerer Menge produzierten Güter und Bauwerke aus dem rostanfälligen Eisen einen Anstrich als Schutz gegen Witterungseinflüsse. Zusätzlich benötigten die Länder mit ausgeprägter Seefahrt erhebliche Mengen an Schiffsfarben. Aus größeren Lackierwerkstätten entwickelten sich in England um 1790 die ersten Lackfabriken. Es folgten Fabrikgründungen in Holland und dann in Deutschland und anderen Ländern. Abgesehen von einigen bereits großtechnisch hergestellten, synthetischen Pigmenten (Berliner Blau, Kobaltblau, Scheeles Grün, Chromgelb) waren noch im 19. Jh. alle Lackrohstoffe natürlicher Herkunft. Man unterschied zwischen „flüchtigen Lacken“, „Firnissen“ und „fetten Lacken“. Letztere wurden durch Verkochen von Harzen mit trocknenden Ölen in sog. „Sudkesseln“ und Der Begriff „Farbe“ wird in diesem Abschnitt nicht nur für einen Sinneseindruck (gelb, grün, rot usw.), sondern – wie umgangssprachlich üblich – auch für einen pigmentierten Lack bzw. Anstrichstoff verwendet.

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Einleitung

ggf. anschließendes Pigmentieren hergestellt. Die Pigmenteinarbeitung erfolgte mehr und mehr maschinell – zunächst mit Trichtermühlen, ab Anfang des letzten Jahrhunderts dann auch mit Walzenstühlen. Ein Schwachpunkt dieser Produkte war die langsame Trocknung; das komplette Lackieren einer Kutsche bzw. eines Automobils dauerte mehrere Wochen. Im 20. Jahrhundert ... Nach der Jahrhundertwende gab es große Neuerungen. In Hinblick auf die Lacktechnologie besonders wichtig waren • die Entstehung der synthetischen Polymer- bzw. Kunststoffchemie • die Erfindung des Fließbandes durch Henry Ford (1913) und die damit entstehende Massenproduktion von Automobilen. Eine schnelle Lackiertechnologie wurde benötigt. Die Lösung: Verspritzen von Lacken auf Basis von Cellulosenitrat („Nitrocellulose“). 1907 kamen die ersten vollsynthetischen Kunstharze, die Phenol-Formaldehyd‑Kondensate („Bakelit“), auf den Markt. Es folgten kurz darauf die Vinylharze, die Harnstoffharze und ab den dreißiger Jahren die Alkydharze, Acrylharze, Polyurethane und Melaminharze. Die Einführung der Epoxidharze erfolgte Ende der vierziger Jahre. Mit dem Beginn seiner großtechnischen Produktion im Jahre 1919 setzte sich das Titandioxid als wichtigstes Weißpigment durch. Parallel zu dieser lackchemischen begann (erst jetzt) auch eine lackiertechnologische Entwicklung. So kamen bei der Lackapplikation neben den verschiedenen Varianten des Streichens und Spritzens u.a. das Elektrotauchlackieren, das elektrostatische Lackieren und die Pulverlackierverfahren hinzu. Die Umlufttrocknung wurde durch die Infrarot‑ und die Strahlentrocknung (UV, Elektronenstrahl) ergänzt, und die Automatisierung der Lackierprozesse schritt voran. Nicht unerwähnt bleiben darf die Umwelttechnologie zur Luft‑ und Wasserreinhaltung sowie zur Abfallverminderung. Als tragende Säule der heutigen Lacktechnologie kann man die Lack-Messtechnik ansehen. Die reproduzierbare Quantifzierbarkeit des Fließverhaltens, der optischen Eigenschaften, des Trocknungsverhaltens, der Haftfestigkeit, der Korrosionsschutzwirkung u.v.a.m. von Beschichtungsstoffen bzw. Beschichtungen ist Vorbedingung für eine gezielte Produktentwicklung und Anwendbarkeit der Produkte. So gibt es heute zahlreiche Firmen, die Geräte für die diversen – überwiegend genormten bzw. standardisierten – Messmethoden für Lacke und verwandte Produkte anbieten. Zu Beginn des 21. Jh. ist zwar eine revolutionäre Neuerung auf dem Beschichtungssektor nicht auszumachen, aber es gibt zahlreiche Einzelentwicklungen zur Verbesserung bzw. Erzielung sehr spezieller funktioneller Eigenschaften und Effekte. Dafür scheint das Hauptentwicklungsziel der letzten zwei Dekaden, die Verbesserung der ökologischen Eigenschaften der Produkte, jetzt etwas in den Hintergrund zu treten (vgl. Kapitel 1.2), wenn man einmal von der allgemeinen Tendenz absieht, längerfristig Erdölprodukte weitestgehend durch nachwachsende Rohstoffe zu ersetzen. Rückblickend und zusammenfassend kann man feststellen: Die Herstellung und Verarbeitung von Farben und Lacken hat sich von einer vorgeschicht­lichen Malerei über eine empirische Handwerkskunst in die interdisziplinäre, extrem komplexe Lacktechnologie entwickelt.

1.2 Wirtschaftliche Bedeutung der Lacke und Farben Die Lackindustrie ist eine mittelständisch geprägte Branche, allerdings mit wachsender Tendenz zur Internationalisierung und Fusion. Die ca. 250 Lackfabriken in Deutschland mit rund 25000 Beschäftigten produzierten in 2013 ca. 2,5 Millionen Tonnen Beschichtungsstoffe incl. Putze und Verdünnungsmittel mit einem Gesamtwert von 8 Milliarden Euro. Wertmäßig entspricht dies annähernd 1% der Güterproduktion Deutschlands. Die Tonnage kann man sich z.B. in Form von 4000 voll beladenen Eisenbahn-Güterzügen veranschaulichen.

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Einteilung und stofflicher Aufbau von Beschichtungsstoffen

Der volkswirtschaftliche Nutzen dieser Produkte wird erst deutlich, wenn man einen Blick auf ihre An‑ wendung wirft. Der überwiegende Teil der Lacke und Farben erfüllt ja außer einer optisch‑ästhetischen vor allem eine schützende und da‑ mit werterhaltende Funktion. Die Fläche, die man mit zwei Millionen Tonnen Anstrichstoff, ca. 200 µm dick (trocken), beschichten und damit vor Korrosion bzw. Verwitte‑ rung und/oder mechanischer Zer‑ störung schützen könnte, umfasst ca. 3000 km2, also mehr als die Fläche des Saarlandes.

17

Abb. 1.1: Produktionsentwicklung umweltschonender Lacke 2009–2015 in Deutschland, nach [9]

Die Gesamttonnage der produzier‑ ten Beschichtungsstoffe setzt sich aus sehr verschiedenartigen Produkttypen mit unterschiedlichen Anteilen zusammen. Eine grobe Einteilung sieht folgendermaßen aus: • Dispersionsfarben und -putze: ca. 45 % • Lösemittelbasierte Lacke: ca. 20 % • Pulverlacke: ca. 3 % • Wässrige Lacke (Dispersionslacke, Elektrotauchlacke) ca. 7 % • Rest (Druckfarben, Putze, Spachtel, Grundierungs-, Verdünnungsmittel u.a.m.) ca. 25 % Der Pulverlackanteil erscheint nach obiger Prozentangabe zu klein, da ein Massenteil Pulverlack bzgl. der Ergiebigkeit zwei bis drei Teilen Flüssiglack äquivalent ist. Zum Abschluss ein Blick auf die drei umweltschonenden Lacktypen Wasserlacke, Pulverlacke und festkörperreiche Lacke (High Solids), s. Abb. 1.1. Die jährlich produzierten Mengen an High Solids und vor allem Pulverlacken nahmen während der 1990er Jahre stetig zu, wohingegen die Wasserlack-Tonnage bereits stagnierte. Bis 2013 war die Gesamtproduktionsmenge umweltscho‑ nender Lacke nahezu konstant, hat aber in 2014 erstmals wieder deutlich zugenommen. Einen erheblich stärkeren Schub nach oben wird die für 2020 erwartete weitere Verschärfung der VOCRichtlinie (EU-Recht) mit sich bringen müssen. Neben der Lösemittelreduktion ist natürlich die Erzielung verbesserter oder gar neuer technologischer Eigenschaften im Fokus der Forschung. Die noch vor einigen Jahren sehr stark herausgestellte Nanotechnologie hat sich in vielen Neu‑ entwicklungen niedergeschlagen und steht verbal nicht mehr so im Vordergrund. Neue optische und haptische Effekte, erhöhte Kratzfestigkeit, Easy-to-Clean-Eigenschaft, Selbstheilungsfähigkeit u.v.a.m. sind die nach wie vor bearbeiteten oder neu hinzugekommenen Herausforderungen. Ein weiteres Forschungsfeld ist die Einbeziehung nachwachsender Rohstoffe.Der Vollständigkeit halber sei nachgetragen, dass es über die vier in Abb. 1.1 betrachteten umweltschonenden Lacktypen hinaus noch weitere lösemittelarme bzw. freie Produkte gibt, z.B. die strahlenhärtenden Lacke und die lösemittelfreien Zweikomponenten Systeme.

1.3 Einteilung und stofflicher Aufbau von Beschichtungsstoffen Die zahlreichen lacktechnischen Grundbegriffe sind komplett in der Norm EN ISO 4618:2014 erklärt. Daran lehnen sich die im Folgenden gegebenen Definitionen an.

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Einleitung

Ein Beschichtungsstoff ist ein flüssiges oder pasten- oder pulverförmiges Produkt, das, auf ein Substrat aufgetragen, eine haftende Beschichtung mit schützenden, dekorativen und/oder anderen spezifischen Eigenschaften ergibt. „Beschichtungsstoff“ ist der Oberbegriff für Lacke, Anstrichstoffe und ähnliche Produkte. Lacke und Anstrichstoffe werden in den Normen nicht mehr explizit definiert, jedoch wird in EN ISO 4618 angemerkt, dass man die historisch gewachsene Bezeichnung „Lack“ mit gut verlaufenden und mehr oder weniger glänzenden Beschichtungsstoffen in Verbindung bringt. Erfahrungsgemäß verbindet man mit „Lack“ ein Produkt auf der Basis organisch-chemischer Bindemittel (s. Bindemittel), welches als Beschichtung einen zusammenhängenden, nicht saugenden (kunststoffähnlichen) und matten bis hochglänzenden Film, die Lackierung, ergibt. Weiterhin unterscheidet man zwischen optisch voll transparenten Lacken, sog. Klarlacken, und pigmentierten, d.h. mehr oder weniger optisch deckenden und farbigen Produkten, für die in der Praxis auch der Begriff „Lackfarbe“ existiert. Als Anstrichstoffe können Beschichtungsstoffe bezeichnet werden, die i.d.R. durch einfache, handwerkliche Applikationsverfahren wie Streichen und Rollen verarbeitet werden; die Beschichtung wird hier auch Anstrich genannt. Unter Farbe wird normgemäß ein optischer Sinneseindruck wie Rot, Grün oder Blau verstanden. Zur Benennung von Beschichtungsstoffen darf der Begriff „Farbe“ nur in Wortkombinationen wie Dispersionsfarbe oder Schiffsfarbe verwendet werden. (Anm. des Autors: Für die Zusammenfassung verschiedener ...-farben bleibt aber wohl wieder nur die in diesem Zusammenhang gebräuchliche Mehrzahlbildung „Farben“ wie in „Lacke und Farben“.) Ein Pulverlack ist ein pulverförmiger Beschichtungsstoff, der nach dem Schmelzen und ggf. Härten eine Beschichtung ergibt. Allen Beschichtungsstoffen liegt der durch das folgende Schema dargestellte stoffliche Aufbau zugrunde, wobei nicht jeder Beschichtungsstoff alle aufgeführten Bestandteile enthalten muss. (Ein Klarlack enthält i.d.R. keine Pigmente und Füllstoffe, ein Pulverlack keine Lösemittel.) Tab. 1.1: Flüchtige und nichtflüchtige Anteile der Beschichtungsstoffe Beschichtungsstoff nicht flüchtiger Anteil Pigmente Füllstoffe Filmbildner nicht flüchtige Additive

flüchtiger Anteil Lösemittel bzw. Dispersionsmittel flüchtige Additive (beim Einbrennen evtl. Abspaltprodukte)

Pigment Laut EN ISO 4618: „Farbmittel, das aus in der flüssigen Phase des Anwendungsmediums (Beschichtungsstoffes) unlöslichen feinen Teilchen besteht.“ Es ist aber üblich, auch von z.B. Korrosionsschutz-, Leitfähigkeits-, Gleit- und Fluoreszenzpigmenten zu sprechen. (Sog. funktionelle Pigmente.) Beispiele: Titandioxid, Ruß, Perlglanzpigment, Zinkphosphat. Füllstoff Im Anwendungsmedium unlösliches, körniges oder pulverförmiges Material, das bestimmte technologische Eigenschaften ergibt oder verbessert und dem Beschichtungsstoff mehr Volumen (Fülle)verleiht. Beispiele: Kreide, Talkum, Cellulosefasern Filmbildner Dieser Begriff ist in EN ISO 4618 nicht enthalten. Er hat sich in der Praxis nicht gut durchgesetzt und wurde meistens mit dem Begriff „Bindemittel“ (s.u.) belegt. In gewissen Zusammenhängen ist es jedoch notwendig, zwischen Filmbildner und Bindemittel klar zu unterscheiden. Deshalb sei hier eine (nicht genormte) Definition gegeben: Makromolekularer oder Makromoleküle bildender Stoff, welcher die Filmbildung hervorruft, ggf. die pigmentären Bestandteile des Beschichtungsstoffes fixiert und i.d.R. einbettet sowie die Haftfestigkeit zum Untergrund aufbaut. Beispiele: Chlorkaut-

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Technologie der Lacke und Farben

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schuk, Alkydharz, Polyester/Polyisocyanat-Kombination (Polyurethan-System, zweikomponentig), Polyesteracrylat (strahlenhärtend). Bindemittel „Nichtflüchtiger Anteil der Gesamtheit der Bestandteile der flüssigen Phase eines Beschichtungsstoffes“ Das Bindemittel umfasst hiernach den Filmbildner (als Hauptkomponente) und – sofern vorhanden – weitere nichtfüchtige, gelöste Bestandteile des Beschichtungsstoffes wie nichtflüchtige Additive. In der Praxis sind – wie schon oben gesagt – mit „Bindemittel“ meistens die Filmbildner, d.h. filmbildenden Harze bzw. Polymerisate und reaktive Monomere oder Oligomere gemeint. Additiv In kleinen Mengen dem Beschichtungsstoff zugesetzter Stoff („Hilfsstoff“), der spezielle chemische oder physikalische Wirkungen hat. Beispiele: Härtungsbeschleuniger (Katalysatoren), Verdickungsmittel, Dispergierhilfsmittel, Verlaufsmittel, Mattierungsmittel, Konservierungsmittel, Lichtschutzmittel. Lösemittel Flüssigkeit oder Flüssigkeitsgemisch, das das Bindemittel löst und sich bei der Trocknung bzw. Härtung verflüchtigt. Beispiele: Butylacetat, Solventnaphtha, Butylglykol, Testbenzin, Methylisobutylketon, Wasser (Sonderfall). Beim Einstellen der Verarbeitungseigenschaften (vor allem der Applikationsviskosität) wird das Lösemittel(-Gemisch) auch Verdünnungsmittel (Verdünner, falsch: „Verdünnung“) genannt. Dispersionsmittel (In EN ISO 4618 nicht enthalten.) Flüssigkeit, die den Filmbildner bzw. das Bindemittel nicht löst, jedoch in feiner, mikroheterogener Verteilung (Dispersion, Emulsion) hält. Beispiele. Wasser, bei „Non Aqueous Dispersions“ (NADs) auch Kohlenwasserstoffe. Ein Dispersionsmittel darf nicht „Dispergiermittel“ genannt werden; letzteres ist ein Additiv für die Pigmentdispergierung.

1.4 Technologie der Lacke und Farben – „Lacktechnologie“ Im weitesten Sinne kann man – wie in diesem Buch geschehen – die gesamte Lehre der Lacke und ähnlichen Beschichtungsstoffe (Anstrichstoffe, „Farben“) als „Lacktechnologie“ betrachten. Lacktechnologie im engeren Sinn ist jedoch – im Gegensatz zur Lackchemie – die Verfahrenstechnik der Lackherstellung und Verarbeitung, wobei letztere in die Teilvorgänge Applizieren (Spritzen, Tauchen, Streichen u.a.m.) und Trocknen bzw. Härten (Lufttrocknen, Einbrennen, Strahlenhärten) unterteilt werden kann. Als eine typische Problemstellung aus der Lacktechnologie sei – stellvertretend für viele andere – die Balance zwischen Verlauf und Ablauf eines Lackes genannt: Nach dem Applizieren (Aufbringen) eines Lackes soll dieser im Normalfall eine ebene Oberfläche ausbilden. Hierzu müssen sich die durch das Applizieren entstandenen Unebenheiten, wie Pinselfurchen, Tröpfchengebirge (vom Spritzen) oder Walzstrukturen, durch Verlaufen selbstständig einebnen, solange der Lack noch ausreichend fließfähig, d.h. nicht zu trocken ist. Andererseits darf der Lack an senkrechten Oberflächen im noch fließfähigen Zustand nicht ablaufen, da dies zu „Nasen“, „Gardinen“ und ähnlichen hässlichen Läufern führen würde. Man sieht also, dass hier zwei sich widersprechende Eigenschaften vom Lack gefordert sind, welche man nur durch ausgeklügelte Rezeptierung und Applikationsbedingungen ausbalancieren kann.

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Einleitung

Im Einzelnen spielen bei diesem Problem folgende Parameter eine Rolle: • • • • • • •

Rauheit des Untergrundes Form und Stärke der Anfangsunebenheit des Nassfilms Abdunstverhalten des Lösemittels bzw. Lösemittelgemisches Viskositätsveränderung beim Abdunsten Rheologisches Verhalten (newtonsch, strukturviskos, thixotrop) Oberflächenspannung (Größe und Gleichmäßigkeit) Neigung der betrachteten Fläche.

Dieses Beispiel zeigt nicht nur, wie komplex die Lacktechnologie ist, sondern auch, dass die Entwicklung von Lacken und anderen Beschichtungsstoffen vielfach die genaue Abstimmung der Materialeigenschaften auf die speziellen technologischen Bedingungen in den einzelnen Lackieranlagen erfordert. (Entsprechendes gilt natürlich im Prinzip auch für verwandte Produktklassen wie für viele Kleb- und Dichtstoffe.)

1.5

Quellen und weiterführende Literatur zu Kapitel 1

[1]

G. Benzing et al.: Pigmente und Farbstoffe für die Lackindustrie. 2. Aufl., Expert-Verlag, Ehningen 1992

[2]

H. Biegel: Industrielacke (Die Bibliothek der Technik, Bd. 39). Verlag moderne Industrie, Landsberg/Lech 1990

[3]

Brockhaus Enzyklopädie, Bd. 22, 19. Aufl., F. A. Brockhaus GmbH, Mannheim 1993

[4]

EN ISO 4618:2014

[5]

Farbe und Lack, 121, 05. 2015, S. 14: Produktionsstatistik 4. Quartal 2014

[6]

A. Goldschmidt, B. Hantschke, E. Knappe, G.-F. Vock: Glasurit-Handbuch Lacke und Farben. Curt R. Vincentz Verlag, Hannover 1984

[7]

A. Goldschmidt, H.-J. Streitberger: BASF Handbuch Lackiertechnik. BASF Coatings GmbH/ Vincentz Network, Münster/Hannover 2014

[8]

H. Kittel: Lehrbuch der Lacke und Beschichtungen. 2. Aufl., Bd.1, S. Hirzel Verlag, Stuttgart ∙ Leipzig 1998

[9]

Verband der deutschen Lack- und Druckfarbenindustrie e.V. (VDL), Homepage: www.lackindustrie.de, Graphik „Produktion umweltschonender Lacke und Farben in Tonnen“

[10] T. Brock und M. Dornbusch, Hochschule Niederrhein: mündliche Informationen

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Filmbildner

2

Lackrohstoffe

2.1 Filmbildner (Bindemittel) Filmbildner bzw. (filmbildende) Bindemittel (→ 1.3) sind Polymere oder bei der Lackhärtung polymerisierende Oligomere (Präpolymere) – letztere gelegentlich auch im Gemisch mit Monomeren (Reaktivverdünnern) – vollständig oder überwiegend organisch-chemischer Natur. Aufgabe des Filmbildners ist es, einen zusammenhängenden und auf dem jeweiligen Untergrund haftenden Lackbzw. Farbfilm zu bilden und dabei – sofern vorhanden – die übrigen nicht flüchtigen Lackbestandteile, vor allem die Pigmente und Füllstoffe, zusammenzuhalten bzw. einzubetten. Der Filmbildner stellt somit die Basis des betreffenden Beschichtungsstoffes dar. Nach ihrer Herkunft kann man die Filmbildner einteilen in • Naturstoffe • modifizierte Naturstoffe • synthetische Stoffe. In der genannten Reihenfolge steigt die Bedeutung der Produkttypen; unmodifizierte Naturstoffe werden nur noch in wenigen Beschichtungsstoffen und in diesen nicht als alleinige Filmbildner eingesetzt. Außer in sog. „Biolacken“ („Naturlacken“) finden sich natürliche Filmbildner vor allem noch in bestimmten Druckfarben. Bevor auf Chemie und Eigenschaften der einzelnen Filmbildner eingegangen werden kann, müssen polymerkundliche Grundkenntnisse vorhanden sein, welche im folgenden Abschnitt vermittelt werden.

2.1.1 Allgemeine Polymerkunde 2.1.1.1 Grundbegriffe

Ein Monomer ist ein Stoff, welcher aus kleinen, reaktiven Molekülen besteht und durch eine sog. Polyreaktion (s. u.) in ein Polymer überführbar ist. Beispiele: CH33 CH2 2 CH2

CH3 C C C C

O O O O

CH33 CH3

Methylmethacrylat (Methacrylsäure-methylester Methylmethacrylat (Methacrylsäure-methylester

CH2 2 CH2

CH CH

CH CH

CH2 2 CH2

1,3-Butadien 1,3-Butadien

R OH HOOC R’ COOH HO HOOC R’ COOH HO DiolR OH ein eine Dicarbonsäure ein R’ Diol eine Dicarbonsäure (R, = nicht näher spezifizierte Molekülgerüste) (R, R’ = nicht näher spezifizierte Molekülgerüste) CH33 O CH O CH22 O C 3 O CH22 CH22 CH CH2 O C O CH2 CH2 CH CH3 3 CH3 Bisphenol-A-diglycidylether (BADGE) Bisphenol-A-diglycidylether (BADGE) H2N CH2 CH2 NH2 2 2 2 2 H N CH CH NH 2 2 2 2 Ethylendiamin Ethylendiamin

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O O CH CH22 CH CH2

(

( (

= Benzolring, auch: = Benzolring, auch:

)))

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(R, R’ = nicht näher spezifizierte Molekülgerüste) CH3

O CH2

CH

CH2

O

O

C

O

CH3

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CH2

CH2

CH2

Lackrohstoffe

Bisphenol-A-diglycidylether (BADGE) H2N

CH

CH2

(

= Benzolring, auch:

)

NH2

Ethylendiamin

Ein Polymer (makromolekularer Stoff) ist ein Stoff, der aus (sehr) langen Molekülen (Polymer- oder Makromolekülen) oder ausgedehnten Molekül-Netzwerken besteht. Diskrete Polymermoleküle können molare Massen1) im Bereich von ca. 2000 bis zu einigen Millionen g/mol besitzen (Sonderfall „Oligomer“ s.u.). Entsprechend der Nomenklatur der Internationalen Union für Reine und Angewandte Chemie (IUPAC) kann man von einem Polymer sprechen, wenn sich durch vielfache Wiederholung von Monomerheiten die Eigenschaften nicht ändern, wenn sich bei Zugabe oder Wegnahme einer Einheit die Eigenschaften nicht ändern [91]. Beispiele: CH3 CH2

C C

O

CH2

n O

CH

CH2

n

CH3

Polymethylmethacrylat

1,4-Polybutadien

O

O C

HO

CH

R’

O

C

R

O

H n

linearer Polyester

N CH2

HO

R

CH

N

HO

CH2

CH CH2 N

R

OH

HC

OH

Netzmasche

N CH2 CH

CH2

HO CH HO R,

HC

= zweibindige Molekülsegmente

N CH2

R

N

Amingehärtetes Epoxidharz (Ausschnitt aus dreidimensionalem Netzwerk)

Als ein Oligomer bezeichnet man ein relativ niedermolekulares Polymer, etwa bis zur molaren Masse von bis zu ca. 2000 g/mol. Eine Polyreaktion ist eine chemische Reaktion, bei der ein oder mehrere (verschiedene) Monomere in ein Polymer übergehen. kürzer auch „Molmasse“ genannt; die Begriffe „Molekulargewicht“ bzw. „Molgewicht“ sind überholt.

1

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Filmbildner

Es gibt drei grundlegende Polyreaktionstypen, welche im Folgenden kurz beschrieben werden. • Polymerisation Ein Polymermolekül entsteht nach einer Startreaktion typischerweise innerhalb maximal weniger Sekunden durch chemische Zusammenbindung zahlreicher Monomermoleküle ohne Abspaltung von Nebenprodukten. Schematisch sei dies für eine radikalische Polymerisation folgendermaßen formuliert: +M R· ⎯⎯→ R (1)

+M +M +M M· ⎯→ ⎯→ ⎯→ … R (2)

Initiator- StartBruchradikal stück (Radikal)

M

+X· M· ⎯⎯→ R (3) n

Makroradikal

M

n+1

X

Polymermolekül (Polymerisat)

(1) Startreaktion (2) Kettenwachstum (sehr schnell) (3) Kettenabbruch M = Monomermolekül X· = abbrechendes Radikal

Im Sinne der chemischen Kinetik handelt es sich um eine Kettenreaktion: Ein Wachstumsschritt zieht zwangsläufig sofort den nächsten nach sich. Durch Polymerisation entstehen z.B. Acrylharze und Kunststoffdispersionen. • Polykondensation Die Monomermoleküle reagieren relativ langsam in diskreten, voneinander unabhängigen Wachs­ tums­schritten zum Polymer, wobei kleine Moleküle (meistens Wasser) abgespalten werden. Die Makromoleküle bauen sich also über eine große Zeitspanne, in der Regel mehrere Stunden, sukzessiv auf. Schematische Reaktionsgleichung (für bifunktionelle Monomere): nX

M1

X + nY

Monomermolekül 1

M2

Y ⎯→ ⎯→ ⎯→ … X

Monomermolekül 2

(langsam)

M1

M2

Polymermolekül (Polykondensat)

n

Y + (2n – 1) XY kleines, abgespaltenes Molekül

oder (seltener) nX

M

Y ⎯→ ⎯→ ⎯→ … X

M

n

Y + (n – 1) XY

Als Polykondensation unter Wasserabspaltung verläuft z.B. die Synthese eines Polyesters (s.o.) oder eines Melaminharzes. • Polyaddition Die Reaktion verläuft im Prinzip ähnlich wie eine Polykondensation, jedoch erfolgt keine Molekülabspaltung. Schematische Reaktionsgleichung (für bifunktionelle Monomere): n M1 + n M2 ⎯→ ⎯→ ⎯→ … M2 (mäßig schnell)

M1

M2

n–1

M1

Polymermolekül (Polyaddukt)

M1, M2 = bifunktionelle Monomermoleküle

Beispiele für Polyadditionen sind z.B. die Vernetzung eines Epoxidharzes mit einem Amin und die Bildung eines Polyurethans aus einem Polyol und einem Polyisocyanat.

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24

Lackrohstoffe

Die Produkte der Polyreaktionen nennt man je nach Reaktionstyp Polymerisate, Polykondensate bzw. Polyaddukte. Eine gewisse Vorsicht ist beim Lesen englischsprachiger Literatur angebracht. Hier ist jede Polyreaktion eine „polymerization“. Eine Polymerisation heißt „chain-growth polymerization“, und Polykondensation und -addition werden zu „step-growth polymerization“ zusammengefasst. Die weitere Unterteilung letzterer erfolgt durch die Zusätze „condensation“ bzw. „addition“, z.B. als „step-growth condensation“ (auch: „condensation polymerization“). Monomereinheit bzw. Grundbaustein heißt ein aus einem Monomermolekül entstandener Abschnitt eines Polymermoleküls. (Das Monomer verändert sich beim Übergang ins Polymer!) Als Strukturelement (Struktureinheit, Wiederholungseinheit, konstitutionelle Repetiereinheit) bezeichnet man den kleinstmöglichen Kettenabschnitt eines Polymermoleküls, durch dessen Aneinanderreihung – bis auf die Endgruppen – das gesamte Polymermolekül formal aufgebaut ist. Nur einfache, sehr regelmäßig gebaute Polymermoleküle wie z.B. Homopolymere (s.u.) besitzen ein Strukturelement. Die meisten synthetischen Lackfilmbildner sind statistische Copolymere (s.u.) und weisen somit definitionsgemäß kein Strukturelement auf. Beispiele: Cl CH2

CH

Cl



CH2

Cl

CH

CH2

Monomer

Cl

CH

CH2

Monomereinheit

CH



identisch

Strukturelement CH2

CH2



CH2

CH2

Monomer

CH2

CH2

Monomereinheit

CH2

CH2



Strukturelement

verschieden O HO HOOC

R

OH R’

… COOH

Monomere

C

O R’ Grundbaustein

C

O

R Grundbaustein

O



verschieden

Strukturelement

Lineare, verzweigte, vernetzte Polymere Wie in Abb. 2.1 veranschaulicht, bestehen lineare Polymere nur aus kettenförmigen, unverzweigten Molekülen. Verzweigte Polymere bestehen aus verzweigten Molekülenketten; sofern möglich, unterscheidet man zwischen der Hauptkette und den Seitenketten. Vernetzte Polymere bestehen aus dreidimensionalen Molekülnetzwerken. Die mittlere Maschenweite des Netzwerkes drückt man auch durch den Begriff Vernetzungsdichte (→ 2.1.1.4) aus.

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25

Filmbildner

Gemäß diesen Strukturen sind Polymere in folgende drei Typen einteilbar: • Thermoplaste Linear oder verzweigt, erweichen bei Temperaturerhöhung, in geeigneten Lösemitteln löslich1)

linear

verzweigt

• Elastomere Weitmaschig vernetzt2), gummiela­stisch (nicht plastisch), in Lösemit­teln unlöslich, jedoch leicht quellbar • Duromere (Duroplaste) Engmaschig vernetzt, erweichen kaum bei höherer Temperatur, in Lösemitteln unlöslich, allenfalls schwach quellbar

vernetzt

= Monomereinheit

Abb. 2.1: Lineare, verzweigte und vernetzte Moleküle bzw. Polymere

Bei Polymeren von Dienen, d.h. von Molekülen mit zwei konjugierten Doppelbindungen, ist zwischen cis- und trans-Polymeren sowie 1,2- und 1,4-Polymeren zu unterscheiden, wie in folgenden Formeln beispielhaft für 1,3-Butadien gezeigt: CH …

CH

CH2

CH

CH2

CH

CH2

CH2



cis-1,4-Polybutadien CH2 CH

CH … CH2

CH

CH2

CH2 CH



trans-1,4-Polybutadien …

CH2

CH

CH2

CH

CH

CH

CH2

CH2



1,2-Polybutadien

Homopolymer, Copolymer Führt man eine Polymerisation mit nur einem Monomer durch, so entsteht ein sog. Homopolymer. Bei zwei oder mehr Monomeren spricht man von einem Copolymer. Für ein Polymer aus drei Monomeren ist auch der Begriff Terpolymer gebräuchlich. Je nach Sequenz der verschiedenen Monomerbausteine in einem Copolymer unterscheidet man zwischen einem statistischen, alternierenden, Block- und Pfropf-Copolymer, gemäß folgendem Schema: A A A B A A B B B B B A B A A A B B A

A, B = Monomereinheiten

statistisches Copolymer

von A Bextremen A B AAusnahmen B A B Awie B PTFE A Babgesehen A B A B A B A Einen relativ neuen Polymertyp stellen die besonders im Klebstoffbereich eingesetzten thermoplastischen Elastomere dar, welche nicht chemisch vernetzt sind.

1 2

alternierendes Copolymer

A A A A A B B B B B B B A A A A A A A Block-Copolymer Korr_Lacktechnologie_I_Kap01_Kap02.indd 25

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A A A B A A B B B B B A B A A A B B A statistisches Copolymer 26

A, B = Monomereinheiten

Lackrohstoffe

A B A B A B A B A B A B A B A B A B A alternierendes Copolymer

A A A A A B B B B B B B A A A A A A A Block-Copolymer

A A A A A A A A A A A A A A A A A A A B B B B B B B B B B B B Pfropf-Copolymer

Die bisher erläuterten Strukturmerkmale von Polymermolekülen fasst man unter dem Begriff Primärstrukturen zusammen. Die Sekundär- und Aggregatstrukturen entstehen dadurch, dass sich die Moleküle im Raum in unterschiedlicher Weise formen und dann untereinander zusammenlagern. Funktionalität Unter Funktionalität versteht man die Anzahl der reaktionsfähigen Zentren eines Moleküls unter den spezifischen Bedingungen einer zu betrachtenden Reaktion, zu denen der Reaktionspartner, die Reaktionsbedingungen und die Reaktivität der funktionellen Gruppen des Monomeren und der gebildeten Produkte gehören [91]. Die Funktionalität einer reagierenden funktionellen Gruppe ergibt sich deshalb aus der Zahl der reaktiven Zentren, die zum Polymerbildungsprozess beitragen. Daher besitzt z.B. die Vinylgruppe eine Funktionalität von zwei, da bei der radikalischen Polymerisation zwei reaktive Zentren zum Polymerbildungsprozess beitragen. Ein Monomer mit einer Isocyanatgruppe hat im Gegensatz dazu eine Funktionalität von eins, da bei der Reaktion mit der Hydroxylgruppe eines Alkohols beim Isocyanat ein reaktives Zentrum an der Polymerbildung beteiligt ist. Das gilt analog für dieses Bespiel auch für die Hydroxylgruppe. Hexamethylendiisocyanat besitzt eine Funktionalität von zwei. Die Funktionalität des Pentaerythrit is dagegen vier. Pentaeththittriacrylat (Pentaerythritoltetraacrylat) hat eine Funktionalität von sechs. Die Funktionalität eines Monomeren ergibt sich aus der Zahl der am Polymerbildungsprozess beteiligten reaktiven Zentren eines Monomeren. Weiterhin ist zu beachten, dass die Funktionalität eines Monomeren unterschiedlich sein kann, wenn sich der Reaktionsmechanismus, der zur Polymerbildung beiträgt, sich definitiv unterscheidet. Bisphenol-A-diglycidylether besitzt innerhalb einer kationischen Polymerisation eine Funktionalität von vier (jede Epoxidgruppe hat in diesem Fall eine Funktionalität von zwei). Im Gegensatz dazu ist die Funktionalität des Bisphenol-A-diglycidylethers zwei, wenn dieser an einer Epoxid-Amin Reaktion in Abwesenheit eines Beschleunigers teilnimmt. Netzwerkbildung, das heißt die Bildung von dreidimensionalen Strukturen, wird beobachtet, wenn die Funktionalität des Monomeren ≥ 3 ist. 2.1.1.2 Polymerisationsgrad, molare Masse, Molmassenverteilung

Für die Größe der Moleküle eines technischen Polymers kann man nur einen Mittelwert angeben, da die Polyreaktionen zu einer statistischen Verteilung der Molekülgröße führen. Gebräuchlich sind folgende zwei Maße:

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27

Filmbildner

• Mittlerer Polymerisationsgrad (P): Durchschnittliche Anzahl von Monomereinheiten (Grundbausteinen) pro Polymermolekül • Mittlere molare Masse (M): Durchschnittliche molare Masse eines Polymermoleküls Beide Größen hängen über die molare Masse der Monomereinheit (bei Homopolymerisaten) bzw. die durchschnittliche molare Masse einer Monomereinheit Mmono (bei Copolymerisaten) miteinander zusammen: M = P · Mmono Es gibt mehrere unterschiedlich definierte Mittelwerte der molaren Masse eines Polymers. Die zwei wichtigsten werden im Folgenden erläutert. Zahlenmittel: Mn =

Ni ∑ Ni Mi · Mi = ∑ Ni ∑ Ni

wobei Ni Anzahl der Moleküle mit der molaren Masse Mi und Σ Ni Anzahl aller Moleküle der betrachteten Polymermenge sind. Das Zahlenmittel ist – mathematisch ausgedrückt – das arithmetische Mittel der molaren Masse. Massenmittel („Gewichtsmittel“): Mw =

Ni Mi Σ N i Mi

· Mi =

Σ Ni Mi 2 Σ Ni M i

Da beim Massenmittel nicht die Anzahl, sondern die Masse der Moleküle betrachtet wird, gehen große Moleküle stärker in die Mittelwertbildung ein als die gleiche Anzahl kleiner Moleküle. Resultat: Das Massenmittel fällt größer aus als das Zahlenmittel. Die Molmassenverteilung ist umso breiter, je größer der relative Unterschied zwischen dem Zahlen- und dem Massenmittel, die sog. Uneinheitlichkeit U=

Mw – Mn Mn

=

Mw Mn

–1

ausfällt. (Statt U wird auch häufig einfach der Quotient D = Mw / Mn (Polydispersität) verwendet.) Die Molmassenverteilungskurven sind in der Praxis nicht symmetrisch, sondern verschweift, wie in Abb. 2.2 schematisch dargestellt ist. Besonders bei Polymerisationen ist die Molmassenverteilung außerdem oft recht unregelmäßig, was daran liegt, dass die Reaktionsbedingungen bei den gängigen technischen Polymerisationen zeitlich und örtlich nicht konstant sind, wodurch sich die Gesamtverteilung als eine Überlagerung vieler schmalerer Einzelverteilungen ergibt.

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Zahlenanteil pro Molmasseeinheit Massenanteil Zahlenverteilungskurve Massenverteilungskurve Mn 0

10 000

Mw 20 000

30 000

M 100 000

Molmasse [g/mol]

Abb. 2.2: Molmassenverteilungskurven eines Lackharzes (schematisch, Kurven geglättet)

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28

Lackrohstoffe

Zur Bestimmung der mittleren molaren Masse sind im industriellen Bereich im Wesentlichen folgende drei Methoden gebräuchlich: • Viskosimetrie In der Viskosimetrie nutzt man den Zusammenhang zwischen der molaren Masse eines Polymers und der Viskosität der Lösung in einem geeigneten Lösemittel; man erhält das sog. Viskositätsmittel der Molmasse (oder andere Maßzahlen wie den sog. K-Wert). • Dampfphasenosmometrie (Dampfdruckosmometrie) Hierbei handelt es sich um eine thermodynamische (mikrokalorimetrische) Methode; sie liefert das Zahlenmittel der Molmasse. • Gelpermeationschromatographie (GPC) Die GPC hat sich als Standard-Methode etabliert. Eine Probe des gelösten Polymers wird mit reinem Lösemittel durch ein säulenförmiges Gelbett einer gequollenen, mikroporösen Substanz gespült. Je größer die Moleküle sind, desto seltener bzw. weniger tief geraten sie in die Poren der Gelteilchen und desto schneller passieren sie somit die Säule. Durch verschiedene Auswertemethoden (incl. Eichung) erhält man das Zahlenmittel, das Massenmittel und die Molmassenverteilung.

2.1.1.3 Sekundär- und Aggregatstrukturen von Polymeren

Unvernetzte Polymermoleküle liegen sowohl im ungelösten Zustand als auch in Lösung in den meisten Fällen in Form mehr oder weniger weiter Knäuel vor (s. Abb. 2.3). Dies ist folgendermaßen zu erklären: Erstens sind die zahlreichen durch Einfachbindungen miteinander verknüpften Atome einer Polymerkette nahezu beliebig gegeneinander verdrehbar, und zweitens sind die Bindungen gewinkelt, d.h. nicht kolinear zueinander angeordnet. Denkbar ist als Extremfall somit zwar die Form einer Zickzack-Kette, aber die Wahrscheinlichkeit dafür, dass sich alle Bindungen zufällig entsprechend regelmäßig orientieren, ist praktisch gleich Null. Zum Vergleich: Auch Gasmoleküle füllen einen ihnen zur Verfügung stehenden Raum gleichmäßig aus und ordnen sich nicht freiwillig zu einer Kette an. Kommen nun viele solcher Polymerknäuel zusammen, so können sie sich entweder weitgehend undurch­drungen nebeneinander legen (Zellenstruktur, s. Abb. 2.4 (a)) oder sich gegenseitig durchdringen und so eine Art Molekülfilz bilden (Netzwerk-Struktur, s. Abb. 2.4 (b)). Für Lackfilme strebt man wegen der besseren mechanischen Eigenschaften den letzteren Zustand an.

Abb. 2.3: Statistisches Knäuel eines linearen Polymermoleküls (Makromoleküls) nach [3]

Zusätzlich zu den bisher genannten statistischen Gegebenheiten sind die intra- und intermolekularen Anziehungskräfte1) (van-der-Waalsschen Kräfte und Wasserstoffbrücken) zwischen Polymersegmenten zu berücksichtigen. Grundsätzlich unterscheidet man zwischen folgenden Grundtypen zwischenmolekularer Wechselwirkungen:

Intramolekular: Innerhalb eines Moleküls Intermolekular: Zwischen verschiedenen Molekülen

1

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29

Filmbildner

• Dispersionskräfte: Schwach; existieren zwischen allen Atomen und Molekülen (Ursache: Temporäre Unsymmetrien der Ladungsverteilungen innerhalb der Atome bzw. Moleküle). • Polkräfte: Mäßig stark; existieren zwischen polaren Bindungen (permanenten Dipolen) oder Ionen und polarisierbaren Bindungen (induzierten Dipolen).

a

b

Zellenstruktur

Netzwerkstruktur

• Wasserstoffbrücken: Stark; bilden sich hauptsächlich zwischen OHoder NH-Bindungen und freien Elektronenpaaren von O- oder N-Atomen. (Normale chemische Bindungen (Haupt­valenz-Bindungen) sind grö­ßen­ ordnungs­mäßig zehnmal so stark wie Wasserstoffbrücken). Allgemein gilt folgendes: Je stärker die intermolekularen Anziehungskräfte sind, desto fester ist der gegenseitige Zusammenhalt zwischen verschiedenen Polymermolekülen durch Anein­ anderlagerung von Molekülseg­menten. Mechanisch wirken sich die intermolekularen Wechselwirkungen u. a. in Form einer erhöhten Zugfestigkeit aus.

c

d

Spaghetti-Struktur

teilkristalline Struktur (Faltungskristallite schematisch dargestellt)

Existiert nun zusätzlich zur gegen­sei­ tigen Anziehung ein regelmäßiger Auf- Abb. 2.4: Aggregatstrukturen von Polymeren bau der Moleküle bzw. Segmente, so kann es zu Packungen bzw. Bün­delungen von Molekülseg­men­ten kommen; das Molekülgeflecht hat etwa das Aussehen einer Spaghetti-Masse (s. Abb. 2.4 (c)). Solche Packungen spielen in der Lacktechnologie vereinzelt eine Rolle. Positiv wirken sie sich z.B. in Poly­urethan-Filmen aus, wo die gestapelten Urethan-Gruppen für die hohe Abriebfestigkeit verantwortlich sind. Ein Negativ-Beispiel ist die mangelhafte Löslichkeit von Polyestern, welche einen zu hohen Anteil sehr symmetrischer Grundbausteine (z.B. Terephthalsäure) enthalten. Der extremste Fall der molekularen Packung ist der, dass sich viele Molekülsegmente verschiedener Moleküle zu Kristalliten (kleinen Kriställchen mit einigen 10 nm Ausdehnung) zusammenlagern. Die Kristallite ihrerseits ordnen sich zu sog. Überstrukturen (Texturen) an. In Abb. 2.4 (d) ist sehr schematisch die Struktur eines teilkristallinen Polymers mit sog. Faltungskristalliten – das sind geordnete Packungen aus gefalteten Kettensegmenten – veranschaulicht. Die Erscheinung der Teilkristallinität hat einen sehr regelmäßigen Polymeraufbau (z.B. Taktizität) zur Voraussetzung und spielt im Kunststoffbereich eine große und in der Klebstofftechnologie eine gewisse Rolle. Bei Lackfilmbildnern ist die Teilkristallinität jedoch unerwünscht, da

Älterer Begriff: Brechungsindex

1

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30

Lackrohstoffe

• die Löslichkeit teilkristalliner Polymere in Lacklösemitteln schlecht ist. • die Teilkristallinität Trübungen mit sich bringt (die Kristallite haben eine andere Brechzahl1) als die amorphen Bereiche). • der Verlauf von Lacken aus teilkristallinen Polymeren behindert wäre. Sie soll deshalb hier nicht weiter behandelt werden. Auch im gelösten Zustand liegen Polymermoleküle als isolierte oder unterschiedlich stark durchdrungene Knäuel vor. Die Molekülketten sind hier jedoch von anhaftenden Lösemittelmolekülen umgeben, d.h. solvatisiert. 2.1.1.4 Vernetzte Polymere Filmbildner liegen in flüssigen oder pulverförmigen Beschichtungsmaterialien in Form unver­ netzter, diskreter Moleküle vor; sie sind deshalb löslich bzw. schmelzbar. In fertigen, gehärteten Lackfilmen sollen die Polymere hingegen meist vernetzt sein, da nur so höchste mechanische und chemische Beständigkeiten erzielbar sind. Vernetzte Polymere sind unlöslich in herkömmlichen Lösungsmitteln. Diese können allerdings quellen; das heißt sie besitzen eine gewisse Affinität das Lösungsmittel aufzunehmen, was durch den Aufbau des Netzwerks vorgegeben ist. Zu chemisch vernetzten Strukturen kann man – molekular betrachtet – auf verschiedenen, im Folgenden kurz skizzierten Wegen gelangen.

• Erster Weg: Der Filmbildner liegt zunächst in Form linearer Polymerer vor. Die Ketten werden bei der chemischen Härtungsreaktion direkt oder durch kurze Brücken quervernetzt. Beispiel: Härtung von ungesättigten Polyestern mit Styrol als Reaktiv-Verdünner und Peroxid als Initiator. • Zweiter Weg: Der Filmbildner besteht aus stark verzweigten Polymermolekülen. Durch die Bildung relativ weniger intermolekularer chemischer Bindungen tritt bereits durchgehende Vernetzung ein. Beispiel: Oxidative Trocknung von Alkydharzen. • Dritter Weg: Der Filmbildner liegt in Form zweier niedermolekularer (oligomerer) Komponenten vor, welche erst bei der Härtung eine makromolekulare, vernetzte Substanz bilden. Beispiel: Polyurethan-Bildung aus niedermolekularem Polyester-Polyol und Lackpolyisocyanat. Die wichtigste allgemeine Kenngröße von vernetzten Polymeren ist die sog. Vernetzungsdichte ν. Hierunter versteht man die Anzahl Netzbögen – ausgedrückt in mol – pro Volumeneinheit des Polymers, wobei ein Netzbogen ein von einer Vernetzungsstelle bis zur nächsten reichendes Kettenstück ist. Statt – eines Netzbogens angeben. Beide der Vernetzungsdichte kann man auch die mittlere molare Masse M c Größen hängen über die Dichte des Polymers miteinander zusammen: Mc =

mc mc/Vp m /V ρ = = p p = ν nc nc/Vp nc/ Vp

nc: Stoffmenge (Molzahl) der Netzbögen mc = mP: Masse der Netzbögen bzw. des Polymers Vp: Volumen des Polymers Mit zunehmender Vernetzungsdichte steigen die Härte und die Chemikalien-(Lösemittel-)festigkeit des Polymers; die Elastizität bzw. Flexibilität fällt hingegen. Für die Vernetzungsdichte sollte nicht der Begriff „Vernetzungsgrad“ verwendet werden. Dieser steht je nach Zusammenhang mal für den sog. Gelanteil des Polymers (s.u.), mal für den chemischen Vernetzungsumsatz (Härtungsumsatz) und mal für die Vernetzungsdichte. Die Netzwerkdichte wird oft aus mechanischen Experimenten ermittelt. Die Netzwerkdichte ist proportional zum Elastizitätsmodul. Eine quantifizierbare Bestimmung dieser Größe ist deshalb oft nur 40 K oberhalb der Glasübergangstemperatur des zu untersuchenden Polymeren möglich, weil dort die Kautschukelastizitätstheorie gilt. Unterhalb der Glasübergangstemperatur wird die Aussage des Experiments durch zusätzliche intermolekulare Wechselwirkungen verfälscht.

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Filmbildner

31

In einem vernetzten Polymer können noch nicht an das Netzwerk gebundene Moleküle vorliegen. Dieser sog. Solanteil (wS) lässt sich mit einem geeigneten Lösemittel aus der Polymermasse herausextrahieren. Der nicht lösliche, gebundene Anteil heißt Gelanteil (wG). Beide Anteile zusammen müssen natürlich 100 % ergeben. Die Vernetzung im engeren Sinn ist stets eine chemische Zusammenbindung von Einzelmolekülen zu Raumnetzwerken. Im weiteren Sinn kann eine Vernetzung auch durch die schwächeren, physikalischen Nebenbindungskräfte, d.h. durch Van-der-Waals-Kräfte und Wasserstoffbrückenbindungen, aber auch durch sterische Effekte wie sog. Verschlaufungen, zustande kommen. Diese Netzwerkbindungen sind i.d.R. schon durch hohe Scherkräfte bzw. schnelle Scherungen und/ oder Erwärmen mehr oder weniger abbaubar und spielen bei den organischen Rheologieadditiven (Verdickern u.ä.) eine große Rolle. 2.1.1.5 Allgemeines zu Polymerlösungen

Bringt man ein nicht kristallines („amorphes“) und nicht vernetztes Polymer, z.B. den Filmbildner eines physikalisch, d.h. lediglich durch Verdunsten des Lösemittels, trocknenden Lackes in ein Lösemittel, so diffundieren die Lösemittelmoleküle langsam in die Masse ein und solvatisieren (umhüllen) die Polymermoleküle. Dabei nimmt das Volumen der Masse zu, und die mechanische Festigkeit des Polymers sinkt, da die den Zusammenhalt bewirkenden intermolekularen Anziehungskräfte mehr und mehr durch Anziehungskräfte zwischen den Polymerketten und den Lösemittelmolekülen ersetzt werden. Dieser Vorgang heißt Quellung. Ist das Lösevermögen des Lösemittels stark genug, so setzt sich die Quellung fort, bis im Endzustand eine Polymerlösung vorliegt. Das Auflösen eines (nichtkristallinen) Polymers verläuft also kontinuierlich ohne scharfe Phasenänderung als fortgesetzte Quellung ab; eine scharfe Grenze zwischen den Zuständen „gequollen“ und „gelöst“ gibt es nicht. Umgekehrt fällt beim Eindunsten einer Polymerlösung das Polymer nicht – wie etwa ein Salz – als lösemittelfreier Bodenkörper aus, sondern es erfolgt ein kontinuierlicher Übergang in das lösemittelfreie Polymer. Ein Sonderfall liegt vor, wenn sich das Lösevermögen eines Gemisches aus einem stark lösenden und einem schwach lösenden Lösemittel – entweder durch weiteren Zusatz des „Nichtlösers“ (hier auch „Verschnittmittel“ genannt) oder durch bevorzugtes Abdunsten des „Lösers“ – in Bezug auf das gelöste Polymer verschlechtert. In diesen Fällen kann es zur Ausfällung bzw. Ausölung von gequollenem Polymer, d.h. zu einer Inkontinuität (Mehrphasigkeit) des Systems, kommen. Solche unerwünschten Fällungserscheinungen können z.B. bei der Lacktrocknung im Film auftreten, wenn die Lösemittelzusammensetzung nicht optimal eingestellt ist. In einer Polymerlösung liegen die Moleküle als mit Lösemittel durchdrungene, diffuse „Gelknäuel“ vor. Der durch zwischenmolekulare Anziehungskräfte fest an den Polymerketten haftende, solva­ tisierende Lösemittelanteil heißt gebundenes Lösemittel; alles übrige Lösemittel der Lösung ist das freie Lösemittel. Bei hohen molaren Massen kann der Bedarf an solvatisierendem (gebundenem) Lösemittel beträchtlich sein. So enthält eine (nur) 5%ige Lösung von Polymethylmethacrylat mit einer mittleren molaren Masse (Mw) von 500000 g/mol in Aceton noch kein freies Lösemittel. Die Gelknäuel erreichen Durchmesser von bis zu 100 nm. Polymerlösungen sind daher ein Spezialfall von kolloidalen Lösungen, sog. Molekülkolloide1). Im technischen Sinne bezeichnet man echte (molekulardisperse) Polymerlösungen jedoch nicht als Kolloide.

1

Die Teilchengrößen von kolloidalen Systemen liegen definitionsgemäß zwischen 10 und 100 nm.

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32

Lackrohstoffe

Die Unterscheidung von freiem und gebundenem Lösemittel ist von lacktechnischer Relevanz: Gebundenes Lösemittel dunstet aus einem Lackfilm sehr viel langsamer heraus als freies Lösemittel; es unterliegt der sog. Lösemittelretention (Zurückhaltung im Film). 2.1.1.6 Löslichkeit und Löslichkeitsparameter

Versuche, die Löslichkeit von Polymeren (und anderen Stoffen) in bestimmten Lösemitteln auf der Basis physikalisch-chemischer Stoffdaten vorherzusagen, hat zum Begriff des Löslichkeitsparameters geführt. Hierunter versteht man folgendes: Man stelle sich zunächst vor, eine bestimmte Stoffmenge – z.B. eines Lösemittels – werde vollständig verdampft. Bei diesem Vorgang muss die Energie aufgebracht werden, die notwendig ist, um alle Moleküle – gegen ihre zwischenmolekularen Anziehungskräfte – vollständig voneinander zu trennen. Dieser Energiebetrag ist die sog. Kohäsionsenergie EK und identisch mit der Verdampfungsenergie ∆ vU. Dividiert man durch das vorliegende Stoffvolumen V, so erhält man die Kohäsionsenergiedichte. Die Quadratwurzel aus der Kohäsionsenergiedichte ist der sog. Löslichkeitsparameter nach Hildebrandt. δ=

Ek V

Es gilt nun (theoretisch), dass zwei Stoffe dann homogen miteinander mischbar sind, wenn ihre Löslichkeitsparameter nahe beieinanderliegen (s. Vertiefung S. 36). Für Polymerlösungen liegt die Differenz der Löslichkeitsparameter, oberhalb der oft keine vollständige Löslichkeit mehr vorliegt, bei ca. 6 (J/cm3)1/2. Dreidimensionales System Leider führt das oben beschriebene eindimensionale Löslichkeitsparameter-System sehr oft zu falschen Vorhersagen (s. Tab. 2.1). Deshalb hat Hansen das einparametrige System zu einem dreidimensionalen verfeinert. In diesem dreidimensionalen System gibt es einen Parameter für die Dispersionskräfte ( D), einen für die Polkräfte ( P) und einen für die Wasserstoffbrücken ( H), welche gemäß folgender Formel zu einem Gesamt-Parameter vereinigt werden: δ=

δD2 + δP2 + δH2

Tabelle 2.2 (S. 34) zeigt die Hansen-Parameter einiger ausgewählter Lösemittel und Polymere. Man sieht an den Parameter-Werten der Tabelle folgendes: Bei den Lösemitteln unterscheiden sich die Werte des Dispersionsparameters nur wenig; das diffuse π-Elektronensystem des Aromaten Toluol bringt einen etwas höheren Wert mit sich. Die Werte des Polaritätsparameters steigen erwartungsgemäß vom n-Hexan zum Wasser an; Ketone liegen höher als Ester. Die Tendenz zur Bildung von Wasserstoffbrücken ist bei Kohlenwasserstoffen natürlich am niedrigsten, bei den polar-aprotonischen Estern und Ketonen mittelmäßig und bei den protonischen Alkoholen und besonders beim Wasser hoch. Tab. 2.1: Beispiele für das Versagen des eindimesionalen Löslichkeitsparameter-Systems Polymer

Lösemittel

Δ δ [ (J/cm 3 )1/2 ] Löslichkeit

Polyvinylchlorid

Chloroform

1,6

schlecht

Polyethylenterephtalat (kristallin)

Aceton

1,8

schlecht

Polystyrol

n-Heptan

2,9

mäßig

Polyvinylacetat

Menthanol

9,8

gut

Polymethylphenylsiloxan

Methanol

11,2

gut

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33

Filmbildner Tab. 2.2: Löslichkeitsparameter einiger ausgewählter Lösemittel und Polymere (Angaben in (J/cm3)1/2) Substanz

δD

δP

δH

14,9

0

Toluol

18,0

1,4

2,0

18,2

Methyl-isobutyl-keton

15,3

6,1

4,1

17,0

Butylacetat

15,8

3,7

6,3

17,4

Isobutanol

15,3

5,7

15,8

22,7

Wasser

14,3

16,3

42,6

47,8

Kohlenwasserstoffharz

17,6

1,2

3,6

18,0

Langölalkydharz

20,4

3,4

4,6

21,2

8,6

10,5

7,5

22,6

Hexamethoxymethylmelamin (HMMM)

20,4

8,5

10,6

24,5

Epoxidharz

20,4

12,0

11,5

26,3

Polymethylmethacrylat

0

δH

n-Hexan

14,9

Die Parameter-Werte der Polymere (Lackfilmbildner) sind nicht so einfach zu deuten wie die der Lösemittel. Polarität, Polarisierbarkeit (Verschiebbarkeit von Bindungselektronen durch benachbarte Dipolmoleküle oder Ionen) und Protonendonator-Wirkung (OH- oder NH-Bindungen) sind aber auch hier von primärem Einfluss. Zweckmäßigerweise fasst man die Hansen-Parameter als drei senkrecht aufeinander stehende → → → Vektoren δD, δP und δH auf; dann ergibt δ sich nach obiger Formel als Betrag der vektoriellen Summe dieser drei Vektoren (s. Abb. 2.5). Die Differenz der Löslichkeitsparameter zweier Stoffe, z.B. eines Lösemittels (L) und eines Polymers (P), ergibt sich gemäß den Regeln der Vektoralgebra nach folgender Gleichung: Δδ =

[δD(L) – δD(P) ] 2 + [ δP(L) – δP(P) ] 2 + [δH(L) – δH(P) ] 2

Ein Beispiel: Hansen-Parameter in (J/cm3)1/2 von Polyvinylchlorid: δD = 18,7; δP = 10,0; δH = 3,1 Hansen-Parameter in (J/cm3)1/2 von Chloroform: δD = 17,8; δP = 2,5; δH = 6,1 1

Δδ =

(18,7 – 17,8)2 + (10,0 – 2,5)2 + (3,1 – 6,1)2 = 8,1 (J/cm3) 2

Man sieht, dass das dreidimensionale System im Gegensatz zum eindimensionalen (s. Tab. 2.1) in diesem Fall die richtige Vorhersage „schlecht löslich“ liefert. Löslichkeitsparameter-Diagramme Leider führt aber auch das dreidimensionale System nicht immer zu richtigen Vorhersagen der Löslichkeit. Dies gilt insbesondere dann, wenn man für die Grenze löslich/unlöslich eine feste, allgemein­ gültige Differenz der Werte des Gesamt-Parameters vorgibt. Zuverlässiger sind hier empirisch ermittelte Löslichkeitsparameter-Diagramme. Ein Löslich­ keitsparameter-Diagramm eines Polymers bzw. Lack­­­filmbildners ist ein einfach zusammenhängender Bereich im dreidimensionalen Lös­lichkeits­parameterRaum mit folgender Eigenschaft: Alle Lösemittel (oder Lösemittelgemische), deren LöslichkeitsparameterWertetripel einen Punkt innerhalb des Bereiches bilden,

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δH

δ= δ δ δH

δD

δD δP δ

Abb. 2.5: Löslichkeitsparameter-DiagrammPim dreidimensionalen System nach Hansen als Vektoren

15.11.16 14:51

34

Lackrohstoffe

δH

1

[(J/cm3) 2

]

lösen das Polymer; alle Lösemittel, deren Parameter-Punkte außerhalb des Bereiches liegen, lösen das Polymer nicht. In Abb. 2.6 ist ein LöslichkeitsparameterDiagramm zweidimensional dargestellt.

δD = 14,7 … 15,3

24

Lösemittelgemische, latente Löser

δD = 16,7

16 Löser 8

1

δP [(J/cm3) 2 ] 0 0

8

16

24

Abb. 2.6: Löslichkeitsparameter-Diagramm eines Melaminharzes (dritter Parameter δD konstant gehalten)

Ein besonderes Problem ist die Ermittlung der Löslichkeitsparameter von Lösemittelgemischen. Schon für binäre Gemische gibt es keine einfachen und zugleich physikalisch-chemisch exakt gültigen Berechnungsformeln. Einfache Mittelwertbildungen unter Einbeziehung der Volumenanteile Ø der Komponenten A und B gemäß den Formeln δD = ØA · δD(A) + ØB · δD(B) δP = ØA · δP(A) + ØB · δP(B)

δH

5

1 [(J/cm3) 2

]

δH = ØA · δH(A) + ØB · δH(B)

Polystyrol Δδ = 5,9

4 Δδ = 2,7

3

Aceton

Δδ = 7,7

2

Aceton/Heptan ≈ 3 : 2

1 0

1

δP [(J/cm3) 2 ]

erlauben aber wenigstens grobe Vorhersagen in Hinblick auf die Veränderung des Lösevermögens eines Lösemittels durch Zusatz eines zweiten in Bezug auf ein gegebenes Polymer.

So kann mittels des dreidimensionalen Löslichkeitsparameter-Systems z.B. die Wirkungsweise eines sog. „latenten Abb. 2.7: Löslichkeitsparameter δP und δH von Polystyrol, Lösers“ folgendermaßen leicht erklärt n-Heptan, Aceton und n-Heptan/Aceton (δD der Übersichtlichkeit werden: Latente Löser in Bezug auf ein wegen nicht dargestellt) bestimmtes Polymer sind Lösemittel, welche das Polymer für sich allein nicht lösen, aber durch Zusatz eines zweiten Lösemittels – es kann sogar ein Nichtl­öser sein – zu einem Löser werden. Die Erklärung dafür ist, dass sich z.B. ein zu niedriger Parameterwert des latenten Lösers durch einen zu hohen der aktivierenden Komponente so ausgleicht, dass der resultierende Parameterwert nahe an den entsprechenden Wert des Polymers rückt. 0

2 n-Heptan

4

6

8

10

12

Beispiel: Polystyrol (δD = 17,5; δP = 6,1; δH = 4,0 (J/cm3)1/2) löst sich weder in n-Heptan (δD = 15,1; δP = 0; δH = 0 (J/cm3)1/2) noch in Aceton (δD = 15,6; δP = 11,7; δH = 4,1 (J/cm3)1/2), jedoch im Gemisch von beiden. Das Aceton bringt die Polarität und die Wasserstoffbrücken-Bildungstendenz, die dem n-Heptan vollständig fehlen, in das Gemisch. In Abb. 2.7 ist dieser Zusammenhang in vereinfachter Form graphisch dargestellt. Struktureinflüsse Bisher wurden die Einflüsse von Molekülgröße und Polymerstruktur auf die Löslichkeit noch nicht betrachtet. Hierzu folgende Regeln: • Mit zunehmender molarer Masse nehmen die Löslichkeit und damit auch die Quellbarkeit von Polymeren ab. • Verzweigte Polymere sind in der Regel leichter löslich als lineare (unverzweigte) gleicher molarer Masse.

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35

Filmbildner

• Vernetzte Polymere sind unlöslich. Sie können allenfalls quellen, wobei die Quellbarkeit stark vom verwendeten Quellmittel, von der Vernetzungsdichte und von der Temperatur abhängt und ggf. bis zur Bildung voluminöser Gele führen kann. Begründungen: Die zwischenmolekularen Anziehungskräfte und die Anzahl der Verschlaufungen der Ketten miteinander nehmen mit steigender Kettenlänge zu. Durch Verzweigungen wird die Aneinanderlagerung der Moleküle bzw. Kettensegmente behindert; außerdem sind die linearen Kettenabschnitte verzweigter Moleküle kürzer als unverzweigte Moleküle gleicher molarer Masse. Durch Vernetzungen (chemische Bindungen) miteinander verbundene Moleküle können durch Lösemittel nicht in diskrete Teilchen aufgetrennt werden. Am Ende dieses Abschnittes sei an die bekannte Regel „Ähnliches löst sich in Ähnlichem“ erinnert, welche ihre theoretische Deutung durch das Löslichkeitsparameter-Konzept erfährt. Gemäß dieser Regel gilt: Wenig polare Filmbildner lösen sich vorwiegend in Kohlenwasserstoffen und Estern, mittelpolare in Estern und Ketonen und stark polar-protonische (OH-haltige) in den ebenfalls OH-haltigen Alkoholen, z.T. auch in Estern und Ketonen. Den optimalen Lösemitteln („echten Lösern“) können bis zu einem gewissen, experimentell zu ermittelnden Ausmaß schwächere Löser oder sogar Nichtlöser („Verschnittlöser“) zugesetzt werden. (Zur Löslichkeit in Wasser → 2.1.1.9). Die Gibbs-Helmholtz-Gleichung, formuliert für den Lösevorgang (L), lautet: ∆LG = ∆LH – T · ∆LS

Darin bedeuten ∆LG freie Lösungsenthalpie, ∆LH Lösungsenthalpie, ∆LS Lösungsentropie und T absolute Temperatur. Die Triebkraft des Lösevorganges ist umso stärker, je niedriger ∆LG liegt. Lassen wir nun ∆LS als nicht genau bekannte, aber konstante Größe außer Acht, so bleibt als Konsequenz, dass ∆LG umso kleiner ist, je kleiner ∆LH ausfällt. Betrachten wir nun die Auflösung einer Substanz B in einem Lösemittel A. Dabei gehen intermolekulare Wechselwirkungen zwischen den Molekülen A und ebensolche Wechselwirkungen zwischen den Molekülen B in Wechselwirkungen zwischen A und B über: A–A + B–B → 2 A–B

Die Änderungen der entsprechenden Wechselwirkungsenergien (Kohäsionsenergien) treten als Wärmetönung ∆LH zu Tage: Δ LH VL

= const. ·

Ek V

A

+

Ek V

B

Ek

– 2·

V

AB

mit VL Volumen der Lösung und (Ek /V) Kohäsionsenergiedichte. (Ek /V)AB lässt sich näherungsweise als das geometrische Mittel Ek V

AB

=

Ek V

A

·

Ek V

Ek

=

B

V

A

·

Ek V

B

ansetzen. Damit ergibt sich ΔdH Vd

= const. ·

Ek V

A



2

Ek V

B

= const. · (δA – δB ) 2

Da der Faktor vor der Klammer positiv ist, sind ∆LH und damit auch ∆LG umso niedriger, je näher δA und δB beieinanderliegen, was zu zeigen war.

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36

Lackrohstoffe

Die Löslichkeitsparameter wurden für zahlreiche Polymere tabellarisch zusammengefasst. Refe­renz [93] zeigt eine alternative Möglichkeit, um Löslichkeitsparameter über eine Inkrementmethode abzuschätzen. Diese Methode ist sehr robust. Die Ergebnisse korrelieren gut mit experimentellen Daten. 2.1.1.7 Unverträglichkeiten

Unter Unverträglichkeit von (gelösten) Polymeren versteht man die Erscheinung, dass zwei Polymere, welche im gleichen Lösemittel klar gelöst sind, bei der Vereinigung der Lösungen gegenseitige Fällung unter Bildung zweier lösemittelhaltiger Polymerphasen ergeben. Diese Phasentrennung gibt sich meistens durch eine Trübung zu erkennen, verläuft manchmal aber auch langsam ohne äußere Anzeichen. Ursache der Unverträglichkeit können schon geringe Unterschiede in der Molekülstruktur sein. So sind z.B. Polystyrol mit Poly-α-methylstyrol und Polymethylacrylat mit Polyethylacrylat unverträglich. Auch Copolymere aus gleichen Monomeren in etwas unterschiedlichen Mengenverhältnissen H H C C

Polystyrol Polystyrol

CH3 CH3 CH2 CH2

n n

C C

CH2 CH2

n n

Poly-α-methylPoly-α-methylStyrol Styrol

CH2 CH CH2 CH C C O O O O CH3 CH3 PolymethylPolymethylacrylat acrylat

n n

CH CH2 CH CH2 n C n C O O O O CH2 CH3 CH2 CH3 PolyethylPolyethylacrylat acrylat

können bereits miteinander unverträglich sein. Das Ausmaß einer Unverträglichkeit ist außer von den Molekülstrukturen abhängig vom Lösemittel, von den Molmassen (je höher diese sind, desto stärker die Unverträglichkeit), von den Konzentrationen bzw. dem Mengenverhältnis der beiden Polymeren und von der Temperatur. Die Unverträglichkeit zwischen verschiedenen Filmbildnern und ggf. sonstigen Substanzen in Lacken ist in der Regel unerwünscht und muss durch geschickte Rezeptierung vermieden werden. Ein gelegentlich gangbarer Weg, verschiedene unverträgliche Filmbildner in einen Lack störungsfrei einzuarbeiten, ist die vorherige „Verkochung“, z.B. von Naturharzen (Kolophonium, Kopalen) mit trocknenden Ölen oder von Phenolharzen mit trocknenden Ölen oder Epoxidharzen. Hierbei verbinden sich die unverträglichen Komponenten chemisch so miteinander, dass ihre spätere Auftrennung in zwei Phasen unterbunden und zugleich ihre Verträglichkeit mit weiteren Lackbestandteilen verbessert wird. Wesentlich stärker als in Lösung machen sich Unverträglichkeiten zwischen Polymeren im ungelösten Zustand bemerkbar, da die Polymermoleküle hier in direkten Kontakt geraten. Diese Unverträglichkeit nutzt man auf dem Gebiet der Polymerwerkstoffe aus, und zwar in Form spezieller Block- oder Pfropf-Copolymere und „interpenetrierender Netzwerke“ (interpenetrating networks, IPN), d.h. sich einander durchdringender Polymernetzwerke. Das Grundprinzip ist dabei, dass die Entmischungsvorgänge zu submikroskopischen Bereichen (Domänen) mit unterschiedlichen Eigenschaften führen, welche sich zum Gesamtverhalten des Werkstoffes addieren. Auf dem Beschichtungssektor gibt es jedoch – trotz laufender Forschung – bisher keine breite Anwendung die­ser Mehrphasen-Technologien, sofern man die Sol-Gel-Technologie (→ 2.1.4.10) nicht mit einbezieht. 2.1.1.8 Viskosität von Polymerlösungen

Unter der (dynamischen) Viskosität η – mit der Einheit Pa·s (Pascal-Sekunde) – eines fließfähi­ gen Stoffes versteht man seine Dickflüssigkeit (Zähflüssigkeit). Man kann sie z.B. über die Zeit bestimmen, in der ein bestimmtes Volumen der Flüssigkeit bei gegebener Druckdifferenz durch eine Kapillare bestimmter Länge und Weite strömt.

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15.11.16 14:51

Filmbildner

37

Zur Besprechung der Viskosität von Polymerlösungen sind folgende Definitionen notwendig: • Relative Viskosität • Spezifische Viskosität

ηsp =

η – η0 η0

=

η η0

–1

• Staudinger-Funktion Jv (reduzierte Viskosität ηred) • Staudinger-Index

[ηJg] = lim ηred c→0

(reduzierte Viskosität für verschwindend geringe Konzentration bzw. „unendliche Verdünnung“)

(Grenzviskosität(szahl), intrinsische Viskosität [η]) Für den Staudinger-Index findet man in der Literatur auch die mathematisch äquivalente Formel Jg

[η]

Stoffliche Einflüsse Der Zusammenhang zwischen molarer Masse und Grenzviskosität wird durch die StaudingerMark-Houwink-Gleichung (kurz: SMH-Gleichung) beschrieben: Jg = kη · M va

wobei kη und a polymer-, lösemittel- und temperaturabhängige Konstanten und Mv das Viskositätsmittel der molaren Masse sind. Der Faktor kη liegt – je nach Polymer, Lösemittel und Temperatur – im Bereich von 10 –4 bis 6 · 10–2; a liegt für lineare Moleküle zwischen 0,5 und 1 und ist ein Maß für die sog. Knäuelaufweitung. Der Knäueldurchmesser eines gegebenen Polymermoleküls nimmt mit stärker werdender Solvatation (Güte des Lösemittels) und steigender Temperatur zu, was sich durch ein steigendes a äußert. Der Zustand, bei dem a = 0,5 ist, heißt θ-Zustand (Theta-Zustand). Im θ-Zustand liegen undurchspülte, d.h. ausschließlich mit gebundenem Lösemittel gefüllte Knäuel mit genau dem Durchmesser vor, den sie in kräftefreiem Zustand im Vakuum hätten. Die zentrale Größe in der SMH-Gleichung ist das Viskositätsmittel MV, der molaren Masse. Man kann Mv ganz pragmatisch folgendermaßen definieren: Mv ist ein Mittelwert der molaren Masse, der genauso gebildet wird, dass er die SMH-Gleichung erfüllt. Es lässt sich nun beweisen, dass Mv zwischen Mn und Mw liegt und umso näher an Mw rückt, je enger die Molmassenverteilung ist (s. Vertiefung). Außer von großem theoretischen Interesse ist die SMH-Gleichung lediglich für die viskosimetrische Molmassen-Bestimmung von Bedeutung. Bei aus Eichmessungen bekanntem kη und a kann man durch Viskositätsmessungen Jg und damit Mv bestimmen. Die exakte Formel für das Viskositätsmittel lautet Mv =

∑ Ni Mi 1+a ∑ N i Mi

1 a

a ist identisch mit dem Exponenten aus der SMH-Gleichung. – in M – , für a = +1 in M – über (→ 2.1.1.2). Da a zwischen 0,5 und 1 und Für a = –1 geht M v n w

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15.11.16 14:51

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Lackrohstoffe

– zwischen M – und M – nahe bei M – . Für damit viel näher bei +1 als bei –1 liegt, befindet sich M v n w w ein molekulareinheitliches (monodisperses) Polymer mit der molaren Masse M sind in den – =M – = M folgt. Je Mittelwertformeln alle Mi untereinander gleich, woraus mathematisch M n w – – enger die Molmassenverteilung ist, desto näher rücken Mn und Mw also zusammen und das – an M – heran. dazwischenliegende M v w Auf technische Bindemittel-Lösungen bzw. Lacke ist die SMH-Gleichung nicht direkt anwendbar, da die Filmbildnerkonzentrationen hier hoch und die Filmbildner häufig relativ niedermolekular (oligomer), d.h. eigentlich keine makromolekularen Stoffe, sind. Als Beispiel für die Abhängigkeit der Lösungsviskosität von der Filmbildnerkonzentration ist in Abb. 2.8 die Konzentrationsabhängigkeit der reduzierten Viskosität eines High Solid-Filmbildnergemisches in verschiedenen Lösemitteln dargestellt. Bis zu einer Konzentration von ca. 0,3 g/ml gilt die Martin-Gleichung Jv =

ηsp = Jg · exp (KM · Jg · c) c

oder logarithmiert ln

ηsp = ln Jg + K M · Jg · c c

(KM Martin-Konstante). In der Auftragung von ln(ηsp /c) gegen c ergibt sich somit eine Gerade. Substituiert man in der Martin-Gleichung ηsp durch η/ηo – 1, Jg durch kη · Mva und löst nach η auf, so folgt η = η0 [kη · Mva · c · exp (KM · kη · Mva · c) + 1]

Eine niedrige Lösungsviskosität für eine gegebene Filmbildner-Konzentration ergibt sich also, wenn die Eigenviskosität ηo des Lösemittels, die Konstanten kη, KM und a sowie das Viskositätsmittel Mv niedrig sind. ηsp

104

c

= Jv [ml/g ]

103

Xylol

102

Methanol-Xylol 78:22 Nitromethan-Xylol 78:22

101

Konzentration c [g/ml]

100 0

0,2

0,4

0,6

0,8

1,0

Abb. 2.8: Konzentrationsabhängigkeit der reduzierten Viskosität eines Gemisches aus High Solid-Alkydharz und Melaminharz (HMMM) in verschiedenen Lösemitteln

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In Hinblick auf den Einfluss des Lösemittels bzw. Lösemittelgemisches auf die Viskosität zeigt sich experimentell, dass neben der Eigenviskosität die Löslichkeitsparameter von Einfluss sind. Für die polaren und Wasserstoffbrücken bildenden Filmbildner des Beispiels (High Solid-Alkydharz/HMMM) ergibt sich: Je höher δP und/oder δH des Lösemittels, desto geringer die Lösungsviskosität. Die Erklärung hierfür ist, dass die durch Dipol-Dipol-Anziehung und Wasserstoffbrücken auftretende Bildung von viskositätserhöhenden Molekülassoziaten (Gerüststrukturen) durch Lösemittel des genannten Typs unterbunden wird. Ein Filmbildner, welcher eine geringere Lö­sungsviskosität bzw. einen lösemittelärmeren Lack ergeben soll, muss also – neben

21.11.16 10:22

39

Filmbildner

einer möglichst niedrigen molaren Masse – eine enge Molmassenverteilung aufweisen, da das Viskositätsmittel der molaren Masse umso niedriger ausfällt, je enger die Molmassenverteilung ist. Abb. 2.8 zeigt, dass der oben beschriebene relativ einfache Zusammenhang (Martin-Gleichung) für höhere Polymer- bzw. Filmbildnerkonzentra­ti­onen, wie sie in „realen“ Lacken vorliegen, nicht mehr gilt. (Die Gesamtkurve ist konvex gekrümmt und nicht linear). Die Lösungsviskosität steigt stärker an als durch die Martin-Gleichung beschrieben. Dennoch gelten alle bisher genannten Gesetzmäßigkeiten in ihrer Tendenz auch bei höheren Konzentrationen. Temperatur-Einfluss Extrem stark ändert sich die Viskosität einer Polymerlösung mit der Temperatur. Dieser Zusammenhang wird – für die meisten Fälle ausreichend genau – durch die Arrhenius-Gleichung des viskosen Fließens beschrieben: η = η∞ · exp(Eη / RT)

mit η∞: Viskosität, welche sich formal für unendlich hohe Temperatur ergibt, Eη : molare Aktivierungsenergie des viskosen Fließens, R: allgemeine Gaskonstante und T: absolute Temperatur. Den Kurvenverlauf der Funktion zeigt Abb. 2.9. Die Temperaturabhängigkeit der Lösungsviskosität ist in der Lacktechnologie vielfach von Bedeutung, z.B. bei Viskositätsmessungen, beim Heißspritzen von Lacken und beim Lackverlauf. Beispiel: Ein Lack mit der Viskosität 500 mPa·s bei 20 °C hat bei 70 °C eine Viskosität von 100 mPa·s und ist damit bei 70 °C mit einer normalen Luftdruck-Spritzpistole verarbeitbar. Dynamische Viskosität η [mPa · s ]

2.1.1.9  Wässrige Systeme

Polymere können in Wasser echt gelöst (molekulardispers) oder in gröberdispersen Zuständen vorliegen. Um in Wasser löslich zu sein, müssen Polymermoleküle ionische Gruppen wie Carboxylat- oder Ammonium-Gruppen besitzen, oder alternativ eine beträchtliche Zahl nichtionischer, hydrophiler Gruppen bzw. Segmente wie Hydroxy-, Carbonyl-, Amino-, Amid-Gruppen und/ oder Polyether­ketten. Reicht die Hydrophilie der Moleküle nicht aus, um molekulardisperse (echte) Lösungen zu bilden, assoziieren mehrere Moleküle zu größeren, kolloidalen Assoziaten und bilden kolloidale, noch praktisch klare Sekundärdispersionen. Bei weiter abfallender Hydrophilie werden die dispersen Teilchen noch größer, und es sind zur Stabilisierung zusätzlich Emulgatoren (Tenside), ggf. unter Mithilfe von Schutzkolloiden1), notwendig. Die nun vorliegenden Sekundärdispersionen Schutzkolloide sind Molekülkolloide aus in Wasser gelösten makromolekularen Stoffen, welche andere kolloidal dispergierte Teilchen stabilisieren.

1

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600

Polymerlösung A

400

200 Polymerlösung B

0 0

20

40 60 Temperatur [°C]

80

100

Abb. 2.9: Zusammenhang zwischen Lösungsviskosität und Temperatur COO HNR3 COO HNR3

OOC

HNR3 COO

CH3COO

CH3COO

N

N

H

H

HNR3

anionisches Polymer, amin-neutralisiert (

kationisches Polymer (Oligomer), säure-neutralisiert

nicht näher spezifizierter Molekülteil)

Abb. 2.10: Beispiele für ionisch gelöste Filmbildner

15.11.16 14:51

40

Lackrohstoffe

sind i.d.R. mehr oder weniger trübe bis opak. Ist die disperse Phase, z.B. ein oligomeres Harz, flüssig, so ist die Dispersion eine Emulsion. Sehr feinteilige, praktisch klare und stabile Emulsionen, die sich schon durch gelindes Verrühren der „selbstemulgierenden“ Ölphase in Wasser bilden, werden Mikroemulsionen genannt. Bei den ionischen Polymeren (Polyelektrolyten) unterscheidet man zwischen anio­ni­schen, kationischen und zwitter­ionischen Typen. Die anionischen Vertreter sind meist Polycarbonsäuren und werden mit Aminen neutralisiert, die kationischen Filmbildner sind in der Regel Polyamine und werden mit einfachen Säuren (Essigsäure u.ä.) versetzt. In Abb. 2.10 (s. Seite 39) sind die chemischen Strukturen dieser ionischen Systeme schematisch dargestellt. (Primär-)Dispersionen Von den bisher beschriebenen dispersen Zuständen, welche durch Dispergierung bzw. Auflösung polymerer oder oligomerer Stoffe entstehen, müssen die Primär­disper­sionen (Kunststoffdis­persionen) wohl unterschieden werden. Primärdisper­sionen entstehen grundsätzlich durch das Verfahren der Emulsionspolymerisation und bestehen aus kompakten, in Wasser fein verteilten Polymerisat-Teilchen (Latexteilchen) hoher molarer Masse. Zur Stabilisierung gegen Koagulation (Zusammenballung der Teilchen) enthalten die Kunststoffdispersionen Tenside und evtl. zusätzlich Schutzkolloide. Wässrig-disperse Zustände In Abb. 2.11 sind die wässrig-dispersen Zustände von polymeren Stoffen nach der Teilchengröße geordnet zusammengestellt. Die typischen Eigenschaften der technologisch wichtigsten dispersen Systeme sind in Tab. 2.3 aufgelistet. Beispiele für die in der Tabelle aufgeführten Systeme sind • saure Lösungsacrylharze niedriger Molmasse für wasserverdünnbare Einbrenn-Industrielacke: nach Neu­ tralisation mit Amin und Einbringen in Wasser echte, klare Lösung • wasserverdünnbare, selbstemulgierende Alkydharze mit niedrigem

Abb. 2.11: Disperse Zustände von Polymeren in Wasser

Tab. 2.3: Typische Eigenschaften wässrig-disperser Systeme von Polymeren in Wasser System (disperser Zustand)

Aussehen

molare Masse [ g / mol ]

Teilchengröße [um]

Art der Teilchen

Hilfsstoff

echte Lösung

klar

55 ) 100 0 bis 50

15.11.16 14:53

Lösemittel

109

Allen drei Definitionen ist gemeinsam, dass die Substanzen flüssig und bei den Filmbildebedingungen flüchtig sind. Die Unterteilung entspricht in etwa den in der Praxis verwendeten Begriffen „aktives Lösemittel“, „Lösemittelgemisch“ und „latentes Lösemittel“. Aller­dings ist der Begriff „latentes Lösemittel“ etwas weiter gefasst. Als latent bezeichnet man ein Lösemittel, welches für sich allein ein Bindemittel nicht zu lösen vermag, aber in der Lage ist, es im Gemisch mit einem zweiten, aktiven oder latenten Lösemittel zu lösen. Nach DIN 55 945 ist ein reaktives Lösemittel ein Lösemittel, das bei der Filmbildung durch chemische Reaktion Bestandteil des Bindemittels wird und dadurch seine Eigenschaften als Lösemittel verliert. Ein reaktives Verdünnungsmittel verhält sich zu einem reaktiven Lösemittel wie ein Verdün­ nungsmittel zu einem Lösemittel. Ganz allgemein lässt sich sagen, dass man Lösungen durch Mischen von flüssigen, festen oder gasförmigen Komponenten mit Flüssigkeiten erhält. Dabei wird die Flüssigkeit stets als Lösemittel bezeichnet. Besteht eine Lösung aus zwei oder mehr Flüssigkeiten, so bezeichnet man üblicherweise diejenige Flüssigkeit als Lösemittel, die im Überschuss vorliegt. Hiervon weicht die o.g. Norm ab, nach der die Flüchtigkeit die Lösemittel von den Bindemitteln, welche definitionsgemäß unter den festgelegten Trocknungsbedingungen nicht flüchtig sind, unterscheidet. An Lösemittel werden im Allgemeinen folgende Anforderungen gestellt: Hell und farblos, flüchtig ohne Rückstand, neutral, nicht oder nur wenig reaktiv, schwach oder wenigstens nicht unangenehm riechend, in der Regel wasserfrei, wenig toxisch, biologisch abbaubar und preisgünstig. Beim Lösevorgang werden die Moleküle oder Ionen des zulösenden Stoffes im Idealfall vollständig voneinander getrennt und von Lösemittelmolekülen solvatisiert. Die Viskosität solcher Lösungen ist nahezu unabhängig von der Konzentration des gelösten Stoffes. Polymer- und auch meistens Oligomerlösungen verhalten sich dagegen nicht mehr ideal. Insbesondere ist ihre Viskosität in starkem Maße von der Konzentration des gelösten Stoffes abhängig. Eine eindeutige Sättigungsgrenze existiert oft nicht. Sie stellen einen Spezialfall von kolloidalen Lösungen dar (s. Kapitel 2.1.1.5). Bei größeren Molekülaggregaten (größer als 50 bis 100 nm) bildet sich ein zweiphasiges System, weshalb dann keine Lösung mehr vorliegt, sondern eine Dispersion. Dementsprechend kann man die kontinuierliche Phase auch nicht mehr als Lösemittel (und entsprechend der Normung auch nicht als Verdünnungsmittel) bezeichnen. In der Literatur sind eine ganze Reihe von Konzepten beschrieben, wie sich die Parameter, die für die Löslichkeit bzw. den Lösevorgang eines Stoffes in einem anderen qualitativ und/oder quantitativ maßgeblich sind, erfassen lassen. Verbreitet ist das Löslichkeitsparameterkonzept, auf das bereits in Abschnitt 2.1.1.6 eingegangen wurde.

2.2.2 Charakterisierung und Einteilung von Lösemitteln 2.2.2.1 Lösevermögen

In Beschichtungsstoffen wird eine Vielzahl organischer Verbindungen, alleine oder im Gemisch mit anderen Flüssigkeiten, als Lösemittel verwendet. In der Regel handelt es sich hierbei um niedermolekulare und niedrigviskose Flüssigkeiten. Für den Formulierer steht bei der Lösemittelauswahl zunächst das Lösevermögen, der Einfluss auf die Viskosität und die Flüchtigkeit im Vordergrund. Als eine relativ grobe Einteilung zur Abschätzung ihres Lösevermögens bietet sich eine Unterscheidung entsprechend der Art, wie sich die Lösemittel an Wasserstoffbrückenbindungen beteiligen, an: • Lösemittel mit schwacher Wasserstoffbrückenbindung, • Lösemittel, die in Wasserstoffbrückenbindungen nur als Wasserstoff-Akzeptor reagieren (Löse­ mittel mit mäßig starker Wasserstoffbrückenbindung) und • solche, die in Wasserstoffbrückenbindungen gleichermaßen als Wasserstoff-Akzeptor und als Wasserstoff-Donator reagieren können (Lösemittel mit starker Wasserstoffbrückenbindung).

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110

Lackrohstoffe

Eine weitere Möglichkeit zur Charakterisierung von Lösemitteln, die sich an Wasserstoffbrückenbindungen beteiligen, bietet der Wasserstoffbrückenbindungsparameter γ. Er wird aus IRspektroskopischen Messungen gewonnen und beschreibt die unterschiedliche Stärke von Wasserstoffbrückenbindungen im jeweiligen Lösemittel. Er darf nicht mit dem Löslichkeitsparameter δH verwechselt werden. 2.2.2.2 Lösemittel, die sich nicht an Wasserstoffbrückenbindungen beteiligen

Zur Gruppe der Lösemittel mit schwacher Wasserstoffbindung zählen • • • •

Kohlenwasserstoffe, Chlorkohlenwasserstoffe, Nitroverbindungen und Nitrile.

Kohlenwasserstoffe können ihrerseits wieder in zwei große Gruppen, die aliphatischen und die aromatischen Kohlenwasserstoffe, unterteilt werden. Aliphaten-Benzine oder Paraffinkohlenwasserstoffe sind als Aliphaten chemisch sehr beständig und besitzen ein gutes Lösevermögen für relativ unpolare Filmbildner, wie Mineralöle, viele fette Öle, Wachse und Paraffin. Aber auch so polare Polymere wie Polyacrylsäure, Polymethacryl­ säurebutylester oder Polyvinylether werden von ihnen gelöst. Dagegen sind die meisten anderen Lackfilmbildner in ihnen unlöslich. Typische Kenndaten sind in Tab. 2.8 aufgeführt. • Siedegrenzenbenzine sind nach DIN 51 631 entaromatisierte raffinierte Benzinfraktionen mit einem Flammpunkt (nach DIN 51755) unterhalb 21 °C und mit festgelegten Siedegrenzen. Es werden vornehmlich Siedegrenzenbenzine vom Typ 1, 2 und 3 unterschieden. Siedegrenzenbenzine, im Lackbereich auch (nicht ganz normgerecht) Spezialbenzine genannt, werden wegen ihrer schnellen Verdunstung in schnell trocknenden Lacken eingesetzt. Wegen ihres Flammpunktes unter 21 °C dürfen sie nur in explosionsgeschützten Räumen verarbeitet werden. Zu den Spezialbenzinen zählen auch die Petrolether (s. DIN 51630) • Testbenzine sind, genau genommen, nach DIN 51 632 raffinierte Benzinfraktionen mit einem Flammpunkt nach Abel von mindestens 21 °C und festgelegten Siedegrenzen. Tab. 2.8: Physikalische Eigenschaften einiger Kohlenwasserstoffe Lösemittel

Siedepunkt in °C

Dichte d 20 4 in g /cm3

Flammenpunkt in °C

Verdunstungszahl

Hexan (techn.)

65 bis 70

0,644

- 22

1,4

Siedegrenzenbenzin Typ 1

60 bis 95

0,680 bis 0,700

- 30

2,0

- 5

Siedegrenzenbenzin Typ 3

100 bis 140

0,740 bis 0,750

Testbenzin Typ 1/ Lackbenzin/Kristallöl

130 bis 185

0,766

ca. 22

25 bis 30

8

Testbenzin Typ 3 /Lackbenzin/ Kristallöl

150 bis 190

0,785

ca. 40

85 bis 90

Balsamterpentinöl

150 bis 180

0,861

32

38

Tuluol

110 bis 111

0,873

6

6,1

Xylol (Isomerengemisch)

137 bis 142

0,874

25

17

Solvent Naphta (II )

150 bis 195

0,870

40 bis 45

40 bis 45

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Lösemittel

111

Testbenzine werden auch Lackbenzine oder Kristallöle (engl. white spirits) genannt. Man unterscheidet in der oben genannten DIN Testbenzine vom Typ 1 bis 54. Diese Einteilung entspricht allerdings nicht der im Lackbereich üblichen Einteilung in Kristallöl 21, 30 40 und 60. Testbenzine werden vorwiegend als Löse- oder Verschnittmittel für Öllacke, Alkydharz- und Chlorkautschuklacke verwendet. Sie können einige Prozente aromatische Kohlenwasserstoffe enthalten. Mineral- „Terpentinöl“ ist ebenfalls ein aliphatisches Kohlenwasserstoffgemisch, das allerdings, im Gegensatz zu seinem Namen, nicht aus Terpenkohlenwasserstoffen besteht. Es wird deswegen auch Terpentinölersatz genannt. Im englischen Sprachraum kennt man noch das varnish makers and painters naphtha, VMP-Naphta, das aus hochflüchtigen Aliphaten mit einem Siedebereich von 100 bis 150 °C besteht. Testbenzine und VMP-Naphta dienen hauptsächlich als Verschnittmittel. • Cycloaliphatische Kohlenwasserstoffe stehen in ihrem Lösevermögen zwischen den aliphatisch und den aromatischen Kohlenwasserstoffen und sind mit den meisten organischen Lösemitteln mischbar, in Wasser aber unlöslich. Zusätzlich zu den durch Aliphaten löslichen Harzen lösen sie u.a. auch Alkydharze und Bitumen. • Terpentinöl, Kienöl und Terpenoide zählen zu den Terpenkohlenwasserstoffen, die durch Destillation verschiedener Nadelhölzer gewonnen werden. Sie haben ein höheres Lösevermögen als Testbenzine und kommen als hochsiedendes Lösemittel in Öl- und Alkydharzlacken zum Einsatz. Die höhersiedenden Bestandteile des Terpentinöls werden auch Pineöl genannt und dienen als hochsiedendes Lösemittel in Einbrennlacken. • Aromatische Kohlenwasserstoffe sind im Allgemeinen teurer als aliphatische Lösemittel, haben aber ein höheres Lösevermögen als diese. Sie lösen u.a. Alkydharze, gesättigte Polyesterharze, Polyacrylsäureester, eine Reihe von Vinyl(co)polymerisaten und viele weniger polare Harze. Benzol wird aus toxikologischen Gründen nicht als Lacklösemittel verwendet. Häufig eingesetzt werden Toluol und vor allem als eines der wichtigsten Lacklösemittel Xylol, das in dieser Anwendungsform ein Gemisch der verschiedenen Dimethylbenzolisomeren mit geringen Anteilen Toluol und größeren Mengen Ethylbenzol ist. Sie werden hauptsächlich in Alkydharzen sowie in wärmehärtenden Lacken auf Basis der verschiedenen Phenol- oder Aminoformaldehydharze verwendet. In Mischungen mit Estern lösen sie auch chlorierte Polymere wie (nachchloriertes) PVC. Solvent Naphtha ist eine Mischung von Alkyl- und Dialkylbenzolen mit drei bis fünf C-Atomen in den Seitenketten. Heute wird vielfach versucht, aromatische Kohlenwasserstoffe als Lösemittel zu vermeiden. • Obwohl sie aufgrund ihrer Polarität ein sehr gutes Lösevermögen für die meisten Harze haben, spielen Chlorkohlenwasserstoffe in der Lackindustrie als Lösemittel keine Rolle mehr. Dichlor­ methan (Methylenchlorid) findet noch Verwendung in Abbeizpasten oder -bädern zum Entfernen von Lackierungen, wird aber auch dort zunehmend durch wässrige Systeme ersetzt. 2.2.2.3 Lösemittel mit mäßig starker Wasserstoffbrückenbindung

Sowohl Ester als auch Ketone sind als Lösemittel für Beschichtungsstoffe weit verbreitet. Sie sind aufgrund ihrer Carbonylgruppe Wasserstoffakzeptoren und weisen generell ein ausgezeichnetes Lösevermögen auf. Normalerweise sind – bei vergleichbarem Dampfdruck – Ketone billiger als Ester. Ether haben, im Gegensatz zu Glykolethern, aufgrund ihrer hohen Flüchtigkeit in der Lacktechnik nur geringe Bedeutung. Typische Kenndaten dieser Lösemittelklasse sind in Tabelle 2.9 aufgeführt. Die als Lösemittel verwendeten Ketone sind charakteristisch riechende, wasserklare, leicht beweg­ liche Flüssigkeiten. Niedere Ketone, wie Aceton oder Methylethylketon (MEK), lösen polare Harze und auch eine Reihe weniger polarer Substanzen. Bei höheren Ketonen ist der Kohlenwasserstoffcharakter ausgeprägter, weshalb sie gute Löser für unpolare Harze und (Co)Polymerisate sind. In Beschichtungsstoffen häufig eingesetzt werden Aceton in schnelltrocknenden Lack aus Cellulosederivaten, Methylethylketon (MEK), ein Niedrigsieder, der häufig anstelle von Ethylacetat verwendet

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Lackrohstoffe

Tab. 2.9: Physikalische Eigenschaften einiger Ketone und Ester Lösemittel

Siedepunkt in °C

Dichte d 20 4 in g/cm3

Flammenpunkt in °C

Verdunstungszahl

Aceton

56,2

0,792

–19

2

Methylethylketon

79,6

0,805

–14

2,6

Methylisobutylketon

115,9

0,800

14

7

Methylamylketon

147,0 bis 153,5

0,818

46

55

Isophoron

215 bis 220

0,922

96

230

Ethylacetat

76 bis 78

0,900

–4

2,9

Butylacetat

123 bis 127

0,880

25

11

1-Methoxypropylacetat

143 bis 150

0,953

60

34

Butylglycolacetat (2-Butoxyethylacetat)

190 bis 198

0,945

75

250

Ethyldiglykolacetat

210 bis 220

1,011

107

> 1200

202

1,027

95

N-Methylpyrrolidon (NMP)

wird, Methylisobutylketon (MIBK), ein universell einsetzbarer Mittelsieder, und Methylamylketon (MAK), ein Hochsieder mit hohem Lösevermögen. Isophoron und Trimethylcyclohexanon dienten als hochsiedendes Lösemittel für physikalisch und ofentrocknende Lacke, in denen es die Substrat- und ggf. die Pigmentbenetzung, den Verlauf, den Glanz und die Haftfestigkeit verbessert. Wie Ketone sind auch Ester neutrale und sehr beständige klare Flüssigkeiten. Ihr an sich für polare Substanzen gutes Lösevermögen nimmt mit wachsender Länge der Kohlenwasserstoffketten ab, in gleicher Richtung aber für weniger polare Harze zu. Die niederen Ester sind teilweise wasserlöslich. Die in der Lackindustrie verwendeten Ester sind meistens Acetate. Oft werden Ester gegenüber Ketonen mit ungefähr gleichem Löse- und Verdunstungsverhalten wegen ihres angenehmeren, häufig fruchtartigen Geruches bevorzugt. Ethylacetat ist das wichtigste Lösemittel in schnelltrocknenden Lacken. z.B. auf Cellulosenitratbasis, und wird auch in PUR-Systemen verwendet. Butylacetat ist der wichtigste Mittelsieder in der Lackindustrie. Es ist gerade flüchtig genug, um einen Lackfilm schnell verlassen zu können, ohne dass es wegen zu hoher Flüchtigkeit zu Kraterbildung, Weißanlaufen (s. S. 117) oder Verlaufsstörungen kommt. Wichtig sind Lösemittelkombi­nationen von Butylacetat mit aromatischen Kohlenwasserstoffen und mit Butanol, welches das Lösevermögen deutlich erhöht. Aufgrund seiner geringen Eigenviskosität eignet es sich sehr gut als Hilfslöser in High Solids. 1-Methoxypropylacetat ist ein angenehm riechendes, mit organischen Lösemitteln, begrenzt auch mit Wasser, mischbares Lösemittel für viele natürliche und synthetische Harze, das weniger toxisch ist als Methyl- oder Ethylglykolacetat. Butylglykolacetat ist mit organischen Lösemitteln, nicht aber mit Wasser mischbar. Als Hochsieder verbessert es in Einbrennlacken den Verlauf. In Industrie-, Auto- und Coil Coating-Lacken verwendet man Ethyldiglykolacetat zur Verbesserung des Verlaufs und zur Vermeidung von Bläschenbildung. Alle Ester sollten nicht als Lösemittel für Harze mit primären oder sekundären Aminogruppen verwendet werden. Durch Aminolyse kann es sonst zur Bildung von Amiden kommen. In Wasserlacken besteht überdies die Gefahr der Verseifung oder einer Aminolyse durch die als Neutralisationsmittel verwendeten Amine. Nitroparaffine, wie 2-Nitropropan, erhöhen aufgrund ihrer hohen Polarität die elektrische Leitfähigkeit des Lackmaterials. Sie finden vorwiegend Verwendung als Co-Löser, und zwar zur Verbesserung der Pigmentbenetzung, der Fließeigenschaften, des Verlaufs und der elektrostatischen Verarbeitbarkeit. 2-Nitropropan gilt allerdings als krebserregend.

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Lösemittel Tab. 2.10: Physikalische Eigenschaften einiger Alkohole und Glykolether Lösemittel

Siedepunkt in °C

Dichte d 20 4 in g/cm3

Flammenpunkt in °C

Verdunstungszahl

Methanol

64,7

0,791

6,5

6,3

Ethanol

78,3

0,789

16

8,3

2-Propanol (Isopropanol)

82,3

0,786

15

11

n-Butanol

117,7

0,811

34

33

2-Methyl-1-propanol (Isobutanol)

107,7

0,802

28

25

0,930

42

43

0,911

51

75

0,901

67

163

1,021

90

1200

0,990

98

> 1200

Ethylglykol (2-Ethoxyethanol) Propylglykol (2-Propoxyethanol) Butylglykol (2-Butoxyethanol) Ethyldiglykol (2-(2-Ethoxyethoxyethanol) Butyldiglykol (2-(2-Butoxyethoxyethanol)

132 bis 137 150,5 167 bis 173 194,2 196 bis 205

N-Methylpyrrolidon (NMP) findet, außer in Abbeizpasten und Abziehlacken, speziell Verwendung als Zusatz in Polyurethandispersionen und als echtes Lösemittel für hochmolekulare Polyurethanlacke. Heute wird NMP oft durch N-Ethylpyrrolidon (NEP) ersezt. 2.2.2.4 Lösemittel mit starker Wasserstoffbrückenbindung

Alkohole werden eingesetzt, wenn Lösemittel benötigt werden, die in Wasserstoffbrückenbindungen sowohl als Wasserstoff-Donator als auch als Wasserstoff-Akzeptor reagieren. Ihr Lösevermögen hängt von der Länge der unpolaren Kohlenwasserstoffkette und der Stellung der Hydroxygruppe(n) ab. Tab. 2.10 gibt eine Übersicht über typische Kenndaten dieser Lösemittel. Niedere Alkohole, wie Methanol oder Ethanol, besitzen ein ausgeprägtes Lösevermögen für stark polare Filmbildner, wie Phenol- und Amido-Formaldehydharze, Cellulosederivate oder Polyvinyl­ acetat. Nicht oder nur schwach polare Stoffe werden nicht gelöst. Bei höheren Alkoholen nimmt das Lösevermögen für polare Harze mit wachsender Kohlen­ wasser­stoffkette ab. Sie werden daher meistens als Verschnittmittel mit den korrespondierenden Essig­säureestern verwendet. Verwendung finden diese Alkohole auch in Decklacken, die auf eine Grundierung aufgebracht werden. Dank ihrer milden Löseeigenschaften wird die Grundierung weder aufgeweicht noch hochgezogen. Auch auf Kunststoffen kommt es nur zu leichtem, oberflächlichem Anquellen des Substrates, so dass sich zwar eine gute Haftung der Lackierung, aber keine Erweichung des Kunststoffes ergibt. In der Lackindustrie werden vor allem die relativ flüchtigen Alkohole bis hinauf zu den Butanolen verwendet. Obwohl n-Butanol kein gutes Lösemittel für Alkydharze ist, bewirken schon geringe Zusätze zu Alkydharz- bzw. Öllacken eine erhebliche Viskositätserniedrigung sowie eine Verbesserung des Verlaufs und der Verstreichbarkeit. Diese viskositätssenkende Wirkung zeigt es auch bei Verwendung als Hilfslösemittel in Wasserlacken. Ethylen- und Propylenglykolether sind, da sie sowohl Ether- als auch Alkoholgruppen („EtherAlkohole“) tragen, sehr gute Löser für eine Vielzahl von polaren Harzen. Sie sind mischbar mit einer großen Zahl sowohl unpolarer als auch polarer Lösemittel und gelten deswegen als hervorragende Kupplungsmittel in Mischungen von nur schlecht mischbaren Harzen oder Lösemitteln. Wegen ihrer Alkoholgruppe sind sie auch mischbar mit Wasser, weswegen sie in Wasserlacken und wasserver-

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Lackrohstoffe

dünnbaren Systemen breite Verwendung als Co-Löser und Koaleszenzmittel finden. Ihr prinzipieller Nachteil ist ihre relativ geringe Flüchtigkeit, die ihre Verwendung etwas einschränkt. Sie verbessern die Benetzung, den Verlauf und die Oberflächenqualität der Beschichtung. Aus toxikologischen Gründen werden Monoethylen­glykolether in der Lack- und Farbenindustrie durch die entsprechenden Monopropylenglykolether oder auch Butylglykol substituiert. Bei der Verwendung von Alkoholen und Glykolethern als Lösemittel muss bedacht werden, dass sie mit Isocyanaten reagieren können. Melaminharze unterliegen einer Umetherung mit Lösemittelalkoholen, wodurch sich die Geschwindigkeit der Härtungsreaktion ändern kann. Allerdings können solche Probleme durch Verwendung weniger reaktiver sekundärer oder tertiärer Alkohole minimiert werden. Die Anwesenheit monofunktioneller Alkohole stabilisiert solche Lacke, da sie die Wahrscheinlichkeit einer Reaktion der Melaminharze mit den Hydroxygruppen des Polyesters verringern.

2.2.3 Eigenschaften 2.2.3.1 Flüchtigkeit

Während der Applikation und während der Filmbildung sollen die flüchtigen Bestandteile eines Beschichtungstoffes verdunsten. Die Geschwindigkeit, mit der das geschieht, beeinflusst nicht nur die Trockenzeit, sondern auch das Aussehen und die physikalischen Eigenschaften der fertigen Beschichtung. Üblicherweise werden Lösemittel entsprechend ihren Siedebereichen eingeteilt in • Niedrigsieder mit Siedebereichen unter 100 °C, • Mittelsieder mit Siedebereichen zwischen 100 und 150 °C und • Hochsieder mit Siedebereichen über 150 °C. In der Lackindustrie ist aber neben dem Siedebereich eines Lösemittels die Kenntnis seiner Flüchtigkeit unterhalb der Siedetemperatur mindestens genauso wichtig. Der Dampfdruck einer Flüssigkeit ist nach Clausius-Clapeyron vor allem von der molaren Ver­ damp­­fungs­enthalpie abhängig gemäß der Beziehung: ln pL = A –

Δ vHm R·T

mit ∆vHm = molare Verdampfungsenthalpie, pL = Dampfdruck einer Flüssigkeit und A = Konstante. Demnach steigt der Dampfdruck mit zunehmender Temperatur T. Die Siedetemperatur eines Lösemittels Tv ist entsprechend der Pictet-Trouton-Regel ΔvHm Tv

≈ konst.

proportional zur molaren Verdampfungsenthalpie. Obwohl demnach sowohl Dampfdruck als auch Siedetemperatur eines Lösemittels beide von der Verdampfungsenthalpie abhängen, gibt es keine allgemeine Korrelation zwischen diesen Größen. So sind z.B. Lösemittel, die Wasserstoffbrücken­ bindungen ausbilden – wie Wasser, Alkohole oder Amine – bei gleicher Siedetemperatur weniger flüchtig als andere Lösemittel. Allerdings nimmt innerhalb einer Klasse von chemisch sehr ähn­ lichen Lösemitteln die Verdunstungsgeschwindigkeit in der Regel mit steigendem Siedepunkt ab. Die Verdunstungsgeschwindigkeit eines Lösemittels hängt u.a. ab von • dem Dampfdruck, • der spezifischen Wärme, • der Verdampfungsenthalpie und

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• der Oberflächenspannung, • der Molmasse, • der Luftfeuchtigkeit.

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Lösemittel Tab. 2.11: Beispiele für die Verdunstungszahl von Lösemitteln (für Diethylether = 1) Lösemittel

Siedepunkt in °C

Testbenzin K 30

145 bis 200

Xylol (Isomerengemisch)

Verdunstungszahl 35

106,2

17

1-Butanol

82,3

33

Butylglykol

167 bis 173

163

Butyldiglykol

224 bis 234



Metoxypropanol

122,8

> 1200

38

Butylacetat

123 bis 127

11

2-Butoxyethylacetat

190 bis 198

250

Methylisobutylketon

115,9

7

N-Methylpyrrolidon

202

95

Da ein großer Teil der für die Verdunstungsgeschwindigkeit maßgeblichen Faktoren ihrerseits wiederum voneinander abhängig ist, sind theoretische Vorhersagen über das genaue Maß der Lösemittelabgabe aus dem Lackfilm nahezu unmöglich. Aus der empirischen KnudsenGleichung

mit dem Transmissonskoeffizienten K ≈ 1 und dem Dampfdruck PV geht hervor, dass die Ver­dunstungsgeschwindigkeit w proportional zur Wurzel der Temperatur und umgekehrt propor­ tional zur Wurzel der molaren Masse ist. Verdunstungscharakterisierung In der Praxis vergleicht man die Verdunstungsgeschwindigkeit eines Lösemittels mit der von Diethylether. Nach DIN 53 170 ist die Verdunstungszahl (VD) das Verhältnis der für die zu prüfende Flüssigkeit gemessenen Verdun­ stungs­zeit zur Verdunstungszeit für Diethylether (C2H5OC2H5) als Vergleichsflüssigkeit. VD =

t LM t Ether

mit: tLM = Verdunstungszeit des Lösemittels und tEther = Verdunstungszeit von Diethylether. Die Verdunstungszahlen einiger Lösemittel sind in Tab. 2.11 aufgeführt. Beim Vergleich von Verdunstungszahlen muss immer die Bezugsflüssigkeit beachtet werden. In den USA existiert nämlich eine ähnliche Klassierung mit Butylacetat als Bezugsgröße, und zwar gemäß der Beziehung: E (evaporation rate) =

t 90 (Testlösemittel) t 90 (n–Butylacetat)

mit: t90 = Zeit, bis zu der 90% einer Probe verdunstet ist. Entsprechend ihrer Verdunstungszahl teilt man Lösemittel gemäß Tab. 2.12 ein. Die Verdunstungszahlen gelten für reine Lösemittel. Sind jedoch höhermolekulare Stoffe in einem Lösemittel gelöst, verringert sich die Verdunstungsgeschwindigkeit, und sie hängt zusätzlich

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Lackrohstoffe

Tab. 2.12: Klassifizierung von Lösemitteln nach ihrer Flüchtigkeit In Deutschland Klassifizierung

In den USA Verdunstungszahl (VD) Klassifizierung

evaporation rate (E)

leichtflüchtig

< 10

schnelle Verdunstung

< 0,8

mittelflüchtig

10 bis 35

mittlere Verdunstung

0,8 bis 3,0

schwerflüchtig

35 bis 50

langsame Verdunstung

sehr schwerflüchtig

> 3,0

> 50

von der Art des gelösten Stoffes ab. Hier muss dann das Löslichkeitsparameterkonzept zu Rate gezogen werden (→ 2.1.1.6). Befindet sich im Löslichkeitsparameterraum das Löslichkeitsparametertripel des Lösemittels in der Nähe des Schwerpunktes des Löslichkeitsvolumens des Polymeren, so ist das Lösemittel ein sehr guter Löser für die Polymermoleküle. Das Lösemittel verlässt deshalb den trocknenden Polymerfilm nur langsam und im Extremfall liegt Lösemittelretention vor. Je weiter das Löslichkeitsparametertripel des Lösemittels zum Rand des Löslichkeitsvolumens hin verschoben oder (nach außen) von dessen Rand entfernt erscheint, desto schwächer werden diese Wechselwirkungen. Verdunstung von Lösemittelgemischen Die optimale Trocknung des Lackfilms erfordert meistens ein Gemisch verschiedener Lösemittel. In diesem Falle beschreibt das Raoultsche Gesetz näherungsweise den Dampfdruck der einzelnen Komponenten. p i = xi p i0

mit: pi = Partialdruck der Komponente i, xi = Molenbruch der Komponente i und p io = Dampfdruck der reinen Komponente. Dieses Gesetz gilt streng nur für ideale Mischungen (d.h. Mischungen, bei denen die zwischenmole­ kularen Kräfte zwischen allen Komponenten gleich groß sind). In realen Mischungen treten Abwei­chungen vom idealen Verhalten auf, welche auf die Wechselwirkungen zwischen den Molekülen der Gemischkomponenten zurückzuführen sind, die für jedes Lösemittelgemisch unterschiedlich sind. Besonders bei Gemischen, in denen Wasser einer der Bestandteile ist, treten wegen der starken Wechselwirkungen mit ihm oft starke Abweichungen vom Raoultschen Gesetz auf. Gleichzeitig wird die Verdunstungsgeschwindigkeit des Wassers durch die relative Luftfeuchtigkeit (r. F.) stark beeinflusst. Während Wasser bei einer rel. Luftfeuchtigkeit von weniger als 5 % und einer Temperatur von 25 °C etwa gleich schnell verdunstet wie Methoxypropylacetat mit einer Verdunstungszahl von 34, ist seine Verdunstungszahl bei 100 % r. F. gleich unendlich. Verdunstet z.B. ein Gemisch aus Butylglykol und Wasser, so reichert sich im zurückbleibenden Gemisch bei niedrigen r. F. das Butylglykol an, bei hohen das Wasser. Bei einer bestimmten r. F., in diesem Falle etwa 80 %, verdunsten beide Komponenten gleich schnell und die Zusammensetzung der Flüssigkeit bleibt konstant. Diese wird dann kritische relative Luftfeuchtigkeit genannt. Viele mit Wasser mischbare Lösemittel bilden mit ihm Azeotrope. In diesem Fall kann die Verdunstung des Lösemittel-Wasser-Gemisches gegenüber der Verdunstung der einzelnen Komponenten stark beschleunigt sein. Natürlich beeinflusst auch in diesem Falle die relative Feuchte die Zusammensetzung des verdunstenden Gemisches.

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Lösemittel

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Abkühleffekte Die hohe Verdampfungswärme von Wasser hat zur Folge, dass die Aufheizgeschwindigkeit eines wasserhaltigen Beschichtungsfilmes gegenüber der eines wasserfreien lösemittelhaltigen Films verringert erscheint. Dadurch kann sich beim Einbrennen das Anspringen der Vernetzungsreaktion verzögern. Beim Verdunsten der Lösemittel aus einer Lackschicht kühlt sich diese ab. Unterschreitet die Lacktemperatur dabei den Taupunkt der umgebenden Luft, kondensiert Wasser aus der Luft auf der Lackoberfläche. Die Gefahr hierfür ist natürlich bei hoher rel. Luftfeuchtigkeit größer als bei geringer. Enthält der Lack Bestandteile, die Wasser – zumindest in geringen Mengen – aufzunehmen vermögen, so wird das kondensierte Wasser auch vom Lackfilm aufgenommen und es verteilt sich dort mehr oder weniger homogen. Normalerweise ist dies einem Lackfilm nicht anzusehen. Verbleibt das Kondensat hingegen in der Oberflächenzone, so macht es sich als Trübung, die als „Weißanlaufen“ bezeichnet wird, bemerkbar. Durch Lösemittel, die mit Wasser ein Azeotrop bilden, z.B. viele aromatische Kohlenwasserstoffe oder Butanol, lässt sich dem Weißanlaufen entgegenwirken. Insgesamt hängt die Verdunstungsgeschwindigkeit eines Lösemittels außer vom Dampfdruck, zusätzlich noch ab von der Temperatur, vom Verhältnis von Oberfläche/Volumen, und von der Luftbewegung über der Oberfläche. Die entscheidende Temperatur für die Verdunstungsgeschwindigkeit eines Lösemittels ist jene an der Oberfläche des jeweiligen Mediums, z.B. eines frisch applizierten Lackfilms. Anfangs entspricht sie der Umgebungstemperatur, sinkt aber während der Verdunstung. Der entstehende Temperaturgradient zwischen der Oberfläche des Mediums, der darüberstehenden Gasphase (Raumluft, Umluft oder dergl.) und den tiefer liegenden Schichten wird durch Wärmetransport wieder ausgeglichen. Wenn dies schnell geschieht, behält die Oberflächenschicht annähernd die Temperatur der Umgebung bei, anderenfalls entsteht an ihrer Oberfläche ein scharfer Temperatur­ sprung. Eine derartige Abkühlung ist am größten bei solchen Lösemitteln, die schnell verdunsten oder eine hohe Verdampfungsenthalpie aufweisen. Der Einfluss des Verhältnisses Oberfläche/Volumen beruht darauf, dass alle Moleküle, die ver­ dunsten, durch die Grenzfläche Lackfilm/Gasphase hindurchtreten müssen. So verdunstet z.B. eine bestimmte Menge Flüssigkeit in einem engen Gefäß viel langsamer als die gleiche Menge, wenn sie ausgeschüttet über eine große Fläche spreitet. Übertragen auf die Verhältnisse beim Lackieren bedeutet dies, dass gerade bei der Spritzapplikation, bei der durch Zerstäubung in viele kleine Tröpfchen eine sehr große Oberfläche pro Volumen erzeugt wird, während der kurzen Flug­ zeit vom Sprühkopf bis zur zu beschichtenden Oberfläche schon ein großer Teil des Lösemittels verdunstet ist, wenn der Lack sich schließlich auf der Oberfläche niederschlägt. Bei gegebener Substratoberfläche trocknet ein 100 µm starker Lackfilm anfangs an sich ebenso schnell wie ein nur halb so dicker. Da er aber die doppelte Lösemittelmenge enthält, ist sein Lösemittelgehalt nach gegebener Zeit höher als bei dem dünneren Film. Dementsprechend steigt die Viskosität im dickeren Film langsamer, was zu einem anderen Verlaufs- und Ablauf­ verhalten führt. Luftbewegungen über der Lackoberfläche beeinflussen die Trocknungsgeschwindigkeit, weil die Verdunstungsgeschwindigkeit vom Partialdruck des Lösemittels über dem Lackfilm ab­ hängt. In stehender Luft reichert sich das Lösemittel in der Gasphase an, sein Partialdruck ist deshalb höher, und es verdunstet langsamer. Durch Luftbewegungen wird bereits verdunstetes Lösemittel von der Lackoberfläche weg transportiert, eine Anreicherung des Lösemittels wird verhindert und sein Partialdruck sinkt demzufolge. Beim Spritzen mit Druckluft gibt es viel größere Luftbewegungen als beim Airless-Spritzen, dementsprechend sind dann bei gleicher Lösemittelzusammensetzung die Lösemittelverluste während des Spritzens signifikant höher. Beim Airless-Spritzen muss deshalb eine andere Lösemittelzusammensetzung als beim Spritzen mit Druckluft gewählt werden.

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Lackrohstoffe

2.2.3.2 Polarität

Obwohl der Begriff Polarität physikalisch nicht eindeutig definiert ist und verschiedene Parameter, wie Dipolmoment, Polarisierbarkeit oder Neigung zur Beteiligung an Wasserstoffbrückenbindungen, in ihn eingehen, werden Lösemittel in der Praxis zur Beschreibung ihrer Löseeigenschaften oft entsprechend ihrer Polarität in polare und unpolare Lösemittel eingeteilt. Hochsymmetrische Moleküle, wie Tetrachlormethan, besitzen überhaupt kein Dipolmoment, andere – wie aliphatische oder aromatische Kohlenwasserstoffe – weisen aus den gleichen Gründen nur ein kleines Dipolmoment auf.1) Aber auch so gute Lösemittel wie z.B. Dioxan, dessen Lösevermögen dem des sehr polaren DMSO (Dimethylsulfoxid) vergleichbar ist, besitzen oft nur ein kleines permanentes Dipolmoment. Eine Vorhersage des Lösevermögens allein aus der Größe des Dipolmomentes ist daher nicht möglich. Dazu eignet sich eher das Löslichkeitsparameterkonzept, mit dem auch die zwischen Dipolen bestehenden Wechselwirkungen erfasst werden. So ist, zusammen mit den beiden anderen Werten der dreidimensionalen Löslichkeitsparameter, der Parameter δp nützlich, wenn das auf die Polarität zurückzuführende Löseverhalten eines Lösemittels zu berücksichtigen ist. (Ausführliches dazu in Abschnitt 2.1.1.6). 2.2.3.3 Oberflächenspannung

Der Einfluss der Oberflächenspannung eines Lösemittels bzw. eines Beschichtungsstoffes auf die Benetzung des Untergrundes, aber auch der Pigmente und Füllstoffe, und auf die Ausbildung der Oberfläche einer Lackierung wird im Zusammenhang mit den Oberflächenadditiven diskutiert. Diese hochwirksamen Additive werden einem Beschichtungsstoff allerdings nur in geringen Mengen zugegeben. Dagegen enthalten Beschichtungsstoffe meist große Mengen Lösemittel. Aus diesem Grunde beeinflusst natürlich auch die Oberflächenspannung des Lösemittels die des gesamten Beschichtungsstoffes. Oberflächenspannung wie Verdunstungsgeschwindigkeit werden letztlich beide durch die kohäsiven Kräfte bestimmt. Es sollte demnach ein Zusammenhang zwischen der Oberflächen­ spannung eines Lösemittels und seinem einfachen Löslichkeitsparameter existieren, der ja als die Quadratwurzel aus der kohäsiven Energiedichte definiert ist. Für polare und unpolare Lösemittel hat man die folgende empirische Beziehung gefunden, die diesen Zusammenhang recht befriedigend beschreibt: δ = 2.1 · K ·

γo

a

V1/3

mit V = Molvolumen des Lösemittels [cm3/mol], K = stoffabhängige Konstante (ca. 3,6), a = stoffabhängige Konstante (ca. 0,56), δ = Löslichkeitsparameter [(J/cm3)1/2] und γ0 = Ober­ flächenspannung [mN/m]. 2.2.3.4 Dichte

Die Dichte eines Lösemittels wird normalerweise bei 20 °C bestimmt. Da sie durch Verunreinigungen beeinflusst wird, kann sie, wie auch der Siedeverlauf und die Brechzahl, zur Überprüfung des Reinheitsgrades eines Lösemittels herangezogen werden. Von chlorierten Lösemitteln abgesehen sind die Dichten organischer Lösemittel im Allgemeinen kleiner als die von Wasser. Dichteunterschiede zwischen zwei Lösemitteln können von ökonomischem Interesse sein, wenn Lösemittel nach Gewicht bezahlt werden, die Kosten bei der Herstellung eines Beschichtungsstoffes dagegen pro Volumen entstehen, oder der fertige Beschichtungsstoff in Volumeneinheiten verkauft wird. Ein Molekül weist ein permanentes Dipolmoment auf, wenn der Schwerpunkt der negativen Ladungsverteilung nicht mit dem der positiven Ladungsverteilung zusammenfällt. Ähnlich wie es bei einem Magneten einen Nord- und einen Südpol gibt, besitzen solche Moleküle dann einen negativen und einen positiven Pol.

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Lösemittel

Die meisten Umwelt- und Gesundheitsschutzvorschriften geben Grenzwerte in Masse pro Volumeneinheit an, z.B. mg/m3. Durch solche Vorschriften werden Lösemittel mit geringerer Dichte favorisiert, da in der Lackindustrie die Verwendung von Lösemitteln meistens auf Effekten beruht, die vom Volumenanteil der Lösemittel am Beschichtungsstoff abhängen. 2.2.3.5 Viskosität

Normalerweise nimmt die Viskosität η von Lösemitteln in einer homologen Reihe mit steigender Molmasse zu, z.B. Methanol (0,61 mPa·s), Ethanol (1,19 mPa·s, n-Propanol (2,26 mPa·s), n-Butanol (3,00 mPa·s) und Hexanol (4,3 mPa·s). Mit steigender Temperatur nimmt sie ab. Der Lackformulierer kann die Viskosität eines Beschichtungsstoffes durch Auswahl des Filmbildners, durch den Einsatz von Rheologieadditiven und ganz wesentlich durch Art und Menge der zugesetzten Lösemittel einstellen. Der Einfluss der Lösemittel auf die Viskosität eines Beschichtungsstoffes lässt sich im Wesentlichen auf zwei Faktoren zurückführen: • auf die Viskosität des Lösemittels selber und • auf die Wechselwirkungen zwischen Filmbildner und Lösemittel oder auch zwischen verschiedenen Lösemitteln eines Gemisches. Vergleicht man die Viskosität von Polymerlösungen mit der von reinem Lösemittel, so erscheinen die relativ geringen Viskositätsunterschiede zwischen den verschiedenen Lösemitteln zunächst als zu vernachlässigende Größe. Für den Viskositätsbereich zwischen 0,1 und 10 Pa · s kann die Abhängigkeit der Viskosität einer Lösung von der des reinen Lösemittels durch folgende Beziehung beschrieben werden. ηLös. = K’ · ηLM

mit K’ = Konstante, abhängig von Art und Menge des gelösten Polymers, ηLös = Viskosität der Lösung und ηLM = Viskosität des Lösemittels. Bereits kleine Unterschiede bei den Viskositäten zweier Lösemittel, etwa im Bereich um 0,1 mPa · s, können bei 50 %iger Polymerlösung in solchen Lösemitteln einen Viskositätsunterschied der Lösungen von 3 bis 4 Größenordnungen verursachen. Die Fließeigenschaften von Polymerlösungen hängen im Allgemeinen von den Volumenanteilen der beteiligten Stoffe ab. Man geht deshalb beim Viskositätsvergleich solcher Lösungen, die verschiedene Lösemittel enthalten, am besten von gleichen Volumenanteilen der Lösemittel aus. Da man aber nur die Volumina der reinen Komponenten kennt und Polymerlösungen sich nur selten ideal verhalten, sind sie so erhaltenen Daten mit einer gewissen Unsicherheit belastet. So kann man zwar bei den in Tab. 2.13 aufgeführten Estern eine Abhängigkeit der Viskosität der Polymerlösungen von der des reinen Lösemittels erkennen. Der Vergleich mit Xylol deutet aber bereits an, dass dies nicht auf alle Lösemittel, insbesondere jene, deren Wechselwirkungen mit dem Polymer sehr unterschiedlich sind, übertragen werden kann. Tab. 2.13: Viskositäten von Lösungen eines High Solid-Acrylatharzes in verschiedenen Estern bei 25°C (cLM = 400 g/l Lösung) Lösemittel Ethylacetat n-Butylacetat Isobutylisobutyrat Xylol 1: Viskosität des Lösemittels  

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η LM1 [ m Pa · s ] 0,46 0,71 0,83 0,66 2: Dichte des Lösemittels  

ρLM2 [ g /cm 3 ] 0,894 0,883 0,851 0,877

η Lös.3 [ m Pa · s ] 121 202 367 367

3: Viskosität der Lösung

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Lackrohstoffe

Wechselbeziehungen Die Wechselwirkungen zwischen Molekülen verschiedener Lösemittel sind meistens klein. Ausnahmen sind Gemische, die Wasser oder Alkohole enthalten. Diese zeichnen sich durch eine – verglichen mit anderen Lösemitteln vergleichbarer Molmasse – relativ hohe Viskosität aus. Die Ausbildung intermolekularer Wasserstoffbrückenbindungen führt zur Bildung hochmolekularer Assoziate. Werden solche Lösemittel in relativ geringen Anteilen (unter 40 %) anderen Lösemitteln beigemischt, so werden diese Brückenbindungen gelockert. Die Viskosität des Gemisches steigt dadurch nicht entsprechend der relativ hohen Viskosität der Alkohole an. Noch ausgeprägter ist dieser Effekt in Wasser-Lösemittelgemischen. Im Gegensatz zu den Wechselwirkungen zwischen Molekülen verschiedener Lösemittel haben die Wechselwirkungen zwischen Lösemittel- und Polymermolekülen meistens einen großen Einfluss auf die Viskosität. Wenngleich diese Effekte auch bisher nicht vollständig verstanden werden, führt man sie doch im Wesentlichen auf zwei Faktoren zurück, die hier kurz diskutiert seien. Wasserstoffbrückenbindungen Die meisten in Lacken verwendeten Filmbildner enthalten polare Substituenten, darunter auch solche, die sich an Wasserstoffbrückenbindungen beteiligen können. Typisch sind Carboxy-, Hydroxy- oder Estergruppen. Über diese Gruppen bilden die Harzmoleküle intermolekulare Assoziate, wodurch in derartigen Lösungen die Viskosität signifikant ansteigt. Um sie zu senken, müssen die Wechselwirkungen zwischen diesen Gruppen geschwächt werden. Dazu sind vor allem solche polaren Lösemittel in der Lage, die in Wasserstoffbrückenbindungen nur als H-Akzeptor reagieren können, z.B. Ketone oder Ester. Aufgrund ihrer großen Überzahl besetzen die Lösemittelmoleküle alle zur Assoziation fähigen Gruppen in den Harzen. Da sie selbst immer nur an einer einzigen Wasserstoffbrückenbindung beteiligt sind, können sich zwischen den Harzmolekülen dann keine Assoziate mehr ausbilden und Viskosität [mPa · s] die Viskosität sinkt entsprechend. 1000

(theoretisch) 100 Xylol δH = 1,5

Methanol δH = 10,9

10 Methylethylketon δH = 2,5

Volumeneffekte

Oligomeranteil

1 0,70

0,80

0,90

Abb. 2.25 demonstriert dies anhand der Viskosität von Lösungen eines hydroxyfunktionellen Epoxidoligomeren in drei verschiedenen Lösemitteln unterschiedlicher Löslichkeitsparameter δH. Sowohl Methylethylketon (MEK) als auch Methanol reduzieren die Viskosität viel stärker als Xylol, das nur einen kleinen Wert für δH aufweist. Methanol, bei dem δH viel größer ist als bei MEK, reduziert die Viskosität nur geringfügig stärker als MEK.

1,00

Abb. 2.25: Vergleich der Viskositätserniedrigung beim Verdünnen der Lösung eines OH-funktionellen UV-härtenden Oligomers mit Xylol, MEK bzw. Methanol, nach [38].

Die Viskosität einer Polymerlösung hängt wesentlich vom hydrodynamischen1) Volumen der gelösten Polymermoleküle ab. Je größer dieses hydrodynamische Volumen ist, desto höher ist bei gleicher Konzentration die Viskosi-

Darunter versteht man das Volumen eines Moleküls im Hinblick auf seinen strömungsmechanischen Widerstand bei Bewegungen in der Lösung. Er ist z.B. groß bei aufgeweiteter Knäuelform des Moleküls und am kleinsten dann, wenn die größtmögliche Kontraktion in einem solchen Molekülknäuel eingetreten ist.

1

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Lösemittel

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tät. Durch Lösemittel, die starke Wechselwirkungen mit dem gelösten Polymer zeigen, werden die Polymerknäuel aufgeweitet, bei nur schwachen Wechselwirkungen ziehen sich die Knäuel entsprechend zusammen. Lösemittel, bei denen letzteres der Fall ist, sollten demnach die Viskosität einer Lösung stärker senken als gute Löser. Darauf beruht z.B. der stark viskositätserniedrigende Effekt von Benzinen als Verschnittmittel. Sind die Wechselwirkungen zwischen Lösemittel- und Polymermolekülen allerdings sehr klein, können die ebenfalls vorhandenen Wechselwirkungen zwischen den Harzmolekülen nicht neutralisiert werden; es bilden sich Polymerassoziate und die Viskosität steigt wieder an. Da sich durch die Zugabe eines Verschnittmittels die Löslichkeitsparameter der Lösemittelmischung an den Rand des Bindemittellöslichkeitsbereiches verschieben, besteht die Gefahr, dass die Löslichkeitsparameter der Lösemittelmischung den Bindemittellöslichkeitsbereich verlassen und es zur Trübung kommt. In den meisten Fällen enthalten Lacke ein Lösemittelgemisch, wodurch die Situation noch komplexer wird. Im Wesentlichen wird hier die Viskosität durch dasjenige Lösemittel bestimmt, welches die stärksten Wechselwirkungen mit dem Harz aufweist. Die Abhängigkeit der Viskosität einer Polymerlösung von der molaren Masse des gelösten Polymeren, von seiner Konzentration und von der Temperatur wurde bereits in Abschnitt 2.1.1.8 diskutiert. 2.2.3.6 Weitere physikalische Eigenschaften

• Bei Lacken für eine elektrostatische Applikation kann die Leitfähigkeit ein wichtiger Aspekt zur Auswahl der Lösemittel sein. Die Leitfähigkeit von Lösemitteln korreliert mit deren Dielektrizitätskonstante. Dementsprechend haben Kohlenwasserstoffe nur eine sehr geringe Leitfähigkeit, während Alkohole, Nitroparaffine und auch schon geringe Mengen Amine die Leitfähigkeit eines Lackes erhöhen. • Die meisten in Beschichtungsstoffen verwendeten Lösemittel sind gut brennbar. Wenn auch Brände von brennbaren Beschichtungsstoffen große Schäden verursacht haben, also ein hohes Maß an Sorgfalt beim Umgang damit immer angebracht ist, so spielt die Entflammbarkeit eines Lösemittels bei der Auswahl an sich nur eine untergeordnete Rolle. Wichtige Kenngrößen hingegen sind in sicherheitstechnischem Sinne der Flammpunkt, der Zündpunkt und die Zündgrenzen. • Der Flammpunkt eines Lösemittels ist die Temperatur, bei der ein Lösemitteldampf-/Luftgemisch durch eine offene Flamme entflammbar wird. Er steigt mit abnehmendem Dampfdruck, also mit zunehmender Molmasse und mit steigendem Siedepunkt. Der Flammpunkt bildet die Grundlage für die Einstufung von Lösemitteln – nach Grad ihrer Brennbarkeit – in Gefahrenklassen. Wichtig ist in solchen Fällen, dass man bei Lösemittelgemischen nicht einfach davon ausgehen kann, der Flammpunkt sei durch die am leichtesten entflammbare Komponente festgelegt. In Mischungen von Lösemitteln mit stark unterschiedlichem Löslichkeitsparameter δH kann er deutlich erniedrigt sein; andererseits ist er bei Mischungen mit chlorhaltigen Lösemitteln oft erhöht. • Oberhalb einer bestimmten Temperatur entzünden sich Lösemitteldampf-/Luftgemische auch in Abwesenheit einer offenen Flamme. Diese so definierte Zündtemperatur (oder Zündpunkt) dient nach der VDE-Vorschrift 0171 zur Eingruppierung von Lösemitteln in Temperaturklassen, auch Zündgruppen genannt. Die Explosion eines Lösemitteldampf-/Luftgemisches ist nur innerhalb eines bestimmten Mischungsbereiches möglich, der durch die untere bzw. obere Zündgrenze charakterisiert wird. Unterhalb dieses Bereiches ist die Lösemitteldampfkonzentration und oberhalb die Sauerstoffkonzentration zu gering für eine explosionsartige Verbrennung. Angegeben werden die Zündgrenzen in Vol.-% oder g/m3 bei 1013 hPa. 2.2.3.7 Physiologische Eigenschaften

Lösemittel sind zwar gegenüber den gelösten Stoffen inert. Sie können aber als Lösemitteldampf über die Lunge, in flüssiger Form durch die Haut oder den Mund in den menschlichen Körper eindringen, natürlich auch in tierische oder pflanzliche Organismen aufgenommen werden, wo sie generell eine unterschiedlich starke Wirkung haben, die auch von der Menge des aufgenommenen

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Lackrohstoffe

Lösemittels und der Einwirkungszeit abhängt. Auf jeden Fall ist Sorge dafür zu tragen, dass beim Umgang mit Lösemitteln physiologische Schädigungen ausbleiben, wobei im Detail auf folgende Situationen zu achten ist: •  Gefährlich sind chronische Effekte, die häufig nicht rechtzeitig bemerkt werden, wenn sie von einer Gewöhnung begleitet werden. •  Akute Lösemittelvergiftungen machen sich durch Benommenheit, Kopfschmerz und Schwindel bis hin zu Bewusstlosigkeit bemerkbar. Chronische Vergiftungen bewirken für ein gegebenes Lösemittel nach längerer Zeit spezifische Organschäden. Auf der Haut führt häufigere Lösemitteleinwirkung durch Entfettung zur Hautversprödung, wodurch Mikroorganismen und Schmutz leichter eindringen können. Einige Lösemittel rufen aber auch direkte Hautreizungen in Form von Rötungen oder Schwellungen hervor. Manche, z.T. auch giftige Lösemittel werden sehr gut durch die Haut hindurch resorbiert und gelangen so in den Körper. Eine Reihe von Lösemitteln haben cancerogene (krebserregende) teratogene bzw. embryotoxische (fruchtschädigende) oder mutagene (erbgutverändernde) Eigenschaften; sie können auch bei entsprechender Sensibilisierung allergische Reaktionen auslösen. Für den Umgang mit Lösemitteln sei hier auf die entsprechenden Sicherheitsvorschriften und die „Technischen Regeln für Gefahrstoffe“ (TRGS) hingewiesen. Fast alle Lösemittel weisen einen mehr oder weniger charakteristischen Geruch auf. Er sollte beim Umgang mit Lösemitteln als Vorwarnung angesehen werden. Die Geruchsschwelle, ab der ein Dampf wahrgenommen werden kann, hängt vom Lösemittel selber ab und ist je nach Wahrnehmungsfähigkeit des Einzelnen individuell sehr verschieden. Manche Gerüche, die in kleinen Konzentrationen als angenehm empfunden werden, sind in hohen Dosen oder bei stetiger Einwirkung belästigend. An andere, die zunächst als unangenehm empfunden werden, gewöhnt man sich bei längerer Einwirkung. Aus der Tatsache, dass unangenehm oder scharf riechende Lösemittel meistens auch gesundheitsschädlich sind, kann man nicht schließen, dass mild oder angenehm riechende unschädlich wären.

2.2.4 Lösemittel in Beschichtungsstoffen 2.2.4.1 Lösemitteleinflüsse auf Lack- und Lackierungseigenschaften

Die wichtigste Aufgabe von Lösemitteln in Beschichtungsstoffen ist das Einstellen der Viskosität für die Applikation und ihre Kontrolle während des Trocknungsvorganges. Daneben beeinflussen Lösemittel aber auch noch eine ganze Reihe anderer Eigenschaften und Vorgänge bei der Herstellung, der Applikation und der Trocknung von Lacken, wie folgende Beispiele belegen. •  Oft wird der Einfluss, den Lösemittel auf die Benetzung von Pigmenten haben, unterschätzt. Sie beeinflussen solche für die Pigmentbenetzungsgeschwindigkeit maßgeblichen Größen wie die Grenzflächenspannung zwischen Filmbildnerlösung und Pigmentoberfläche und die Viskosität der Lösung, und sie konkurrieren mit dem Filmbildner und den Dispergieradditiven um die Adsorptionsplätze auf der Pigmentoberfläche. Die Art und Stärke der Wechselwirkungen zwischen dem Bindemittel bzw. Lösemittel auf der einen und der Pigmentoberfläche auf der anderen Seite hängen dabei vom Pigmenttyp und von den Löslichkeits- und Wasserstoffbindungsparametern bei Bindemittel bzw. Lösemittel ab. •  Wenn echte Löser die letztflüchtige Komponente eines Lösemittelgemisches sind, erhöht sich in der Regel der Glanz einer Beschichtung, denn er hängt entscheidend von der Oberflächenbe­ schaffenheit der Beschichtung ab. Solche hochsiedenden echten Löser bewirken einmal, dass die einzelnen Lackteilchen während des Trocknens gut ineinander verfließen können, aber auch, dass im noch flüssigen Film etwa durch die Verdunstung der Lösemittel entstehende Wirbel vermieden werden, d.h. sich so ein glatter, ebener Film bildet.

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Lösemittel

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• Lösemittel können schließlich auch einen deutlichen Einfluss auf die mechanischen Eigenschaften eines Lackfilmes ausüben. Dies kann auf verschiedene Ursachen zurückgeführt werden. Je nach Löseeigenschaften vermag das Lösemittel Filmbildnermoleküle (s. Abb. 2.4) auszurichten oder deren Ordnung zu verhindern. Bestimmte Lösemittel können in Reaktionslacken teilweise mit einer Filmbildnerkomponente reagieren und so die Vernetzungsdichte herabsetzen, was einer inneren Flexibilisierung entspricht. Wird überdies Lösemittel vom Lackfilm zurückgehalten, so wirkt es als äußerer Weichmacher. 2.2.4.2 Lösemittel in Low Solid- und Medium Solid-Lacken

Entscheidend für die Lösemittelzusammensetzung bei einem Lack sind die durch das Applikationsverfahren, die Trocknungstemperatur und die Trocknungszeit des Lackes vorgegebenen Anforderungen an dessen rheologisches Verhalten. Mit Niedrigsiedern lässt sich die Trocknung nach der Applikation forcieren, während Mittel- und Hochsieder länger in der Lackschicht verbleiben. Vor allem Hochsieder sollen die Ausbildung einer einwandfreien Lackoberfläche herbeiführen. Typisch ist folgende Lösemittelzusammensetzung eines bei Raumtemperatur physikalisch trocknenden Lackes: • ca. 45 % Niedrigsieder • ca. 45 % Mittelsieder und • ca. 10 % Hochsieder. Als für die Filmbildung günstig hat sich herausgestellt, wenn sich die Zusammensetzung des Lösemittelgemisches – aus echten Lösemitteln und Verschnittmitteln – so ändert, dass sich während des Verdunstens die Position ihres Löslichkeitsparametertripels von der Löslichkeitsgrenze zum Löslichkeitszentrum hin verschiebt. Dadurch wird zum einen eine schnelle Antrocknung des Lackfilmes erreicht und zum anderen gewährleistet, dass das Bindemittel nicht etwa während des Trocknungsvorganges „ausfällt“, mit anderen Worten der Lack ohne Trübung trocknen kann. Andererseits besteht bei zu guter Verträglichkeit zwischen Restlösemittel und Bindemittel die Gefahr der Lösemittelretention. Um ein „Kochen“ der Lackschicht beim Einbrennen zu vermeiden, enthalten Lacke, die bei höheren Temperaturen getrocknet werden, nur wenig oder gar keine Niedrigsieder und dafür einen größeren Anteil Hochsieder. 2.2.4.3 Lösemittel in High Solid-Lacken

Unter einem High Solid-Beschichtungsstoff versteht man festkörperreiche Beschichtungsstoffe, in denen der Gehalt an flüchtigen Anteilen so gering wie möglich gehalten wird, wobei die geforderten Eigenschaften beim Beschichten jedoch erhalten bleiben. Sie enthalten in der Regel relativ wenig Lösemittel (etwa die Hälfte des Anteils in konventionellen Lacken). Dementsprechend müssen die hier verwendeten Lösemittel die Viskosität der Harzlösung schon in möglichst geringer Zusatzmenge stark erniedrigen können. High Solid-Filmbildner sind aufgrund ihrer niedrigen mittleren Molmasse und ihres relativ hohen Gehaltes an polaren funktionellen Gruppen in nahezu allen Lösemitteln außer Benzinen löslich. Aus diesem Grunde lassen sich für sie im Löslichkeitsparameterraum die Grenzen des Filmbildner-Löslichkeitsbereichs nicht genau festlegen. Eine Abschätzung des Einflusses der Lösemittelzusammensetzung auf die Filmbildner-LösemittelWechselwirkungen ist somit ebenfalls kaum möglich. Allgemein lässt sich sagen, dass Lösemittel mit niedrigerer Eigenviskosität eine stark viskositätserniedrigende Wirkung zeigen. Um gute Verlaufseigenschaften zu erhalten, ist die Mitverwendung von Hochsiedern mit gutem Lösevermögen erforderlich. Dementsprechend eingesetzt werden in High Solid-Lacken vorwiegend Butylacetat und Butanol, meistens in Kombination mit Glykolethern und Glykoletheracetaten.

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Lackrohstoffe

2.2.4.4 Lösemittel in Wasserlacken

Wasserlacke enthalten heute zwischen ca. 0,1 und 15 % Hilfslösemittel (als Co-Löser bzw. Co-Solvent bezeichnet) und zwar als Löslichkeitsvermittler. Diese müssen i.a., zumindest in Gegenwart des Filmbildners, unbegrenzt mit Wasser mischbar sein. Die (in 2.1.1.9 erwähnte) bei Wasserlacken auftretende Viskositätsanomalie (Wasserberg) wird durch Hilfslöser verringert oder sogar gänzlich behoben und der Verlauf verbessert. Oft beeinflussen sie zudem günstig das Trocknungsverhalten des Lackes, vermindern – namentlich bei der Applikation – die Schaumbildung und unterdrücken weitgehend die Kochergefahr beim Einbrennen. Um ein optimales Löslichkeitsverhalten auch während der ganzen Filmbildungsphase zu erreichen, sollten das bzw. die Hilfslösemittel den Lackfilm in etwa gleichzeitig mit dem Wasser verlassen. Damit es dabei nicht zu Unverträglichkeiten kommt, muss allerdings gewährleistet sein, dass im trocknenden Lackfilm immer genug Colösemittel vorhanden ist, solange das Wasser den Film nicht vollständig verlassen hat. Die wichtigsten derartigen Lösemittel in Wasserlacken sind Glykolether, wie Butylglykol oder Methoxypropanol, ferner Alkohole, wie die verschiedenen Butanole oder Propanole, und mit wachsender Bedeutung N-Methylpyrrolidon. Auch die zum Neutralisieren der Caboxylgruppen des Bindemittels verwendeten Amine haben oft Lösemitteleigenschaften. Ester können in Wasserlacken nicht verwendet werden, weil sie durch die Neutralisationsmittel verseift werden. Abweichend von dem oben gesagten kann es in einigen Fällen vorteilhaft sein, solche Lösemittel einzusetzen, die mit Wasser kein Azeotrop bilden. Tert. Butanol oder Isopropanol z.B. verlassen den Lackfilm eher als das Wasser, erhöhen dadurch die Viskosität und verhindern so ein Ablaufen des flüssigen Lackes. Höher siedende Lösemittel, wie Dialkylenglykolether, verbleiben länger als das Wasser im Film, halten ihn damit dünnflüssig und verbessern so den Verlauf. Gleichzeitig halten sie den Film auch länger offen, was die Gefahr der Kocherbildung verringert. Auch in wässrigen Dispersionen werden oft noch in kleinen Mengen Lösemittel als Koaleszenz- und als Verlaufsmittel eingesetzt. Um eine gute Verfilmung zu gewährleisten, müssen Koaleszenzmittel länger im Film bleiben als das Wasser. Andererseits bleibt ein Film, solange er Lösemittel enthält, relativ weich. Da die Verdunstungsgeschwindigkeit von Wasser stark von der rel. Luftfeuchtigkeit abhängt, kann bei hoher Luftfeuchtigkeit theoretisch jedes hochsiedende Lösemittel einen Anstrichfilm eher verlassen als Wasser, wodurch dann eine vollständige Verfilmung unterbliebe. Die Zusammensetzung desjenigen Lösemittelgemisches, das bei den zu erwartenden Filmbildebedingungen das beste Eigenschaftsprofil ergibt, muss deshalb oft empirisch ermittelt werden.

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Pigmente und Füllstoffe

2.3 Pigmente und Füllstoffe 2.3.1 Definitionen und Einteilung von Pigmenten Nach DIN 55 943 (Begriffe) ist Farbmittel der Oberbegriff für alle farbgebenden Substanzen. Die Einteilung von Farbmitteln kann nach technologischen Gesichtspunkten erfolgen, z.B. in Farbstoff, Pigment, Einzelpigment, Pigmentmischung, Pigmentpräparation usw. oder nach koloristischen und chemischen Gesichtspunkten (DIN 55 944). Ein Pigment ist nach DIN 55 943 eine aus Teilchen bestehende, im Anwendungsmedium praktisch unlösliche Substanz, die als Farbmittel oder wegen ihrer korrosionshemmenden oder magnetischen, elektrischen oder elektromagnetischen Eigenschaften verwendet wird. Demgegenüber ist nach derselben Norm ein Farbstoff ein im Anwendungsmedium lösliches Farbmittel. In dieser Norm sind auch die Begriffe Füllstoff und Pigment voneinander abgegrenzt. Ein Füllstoff ist eine aus Teilchen bestehende, im Anwendungsmedium praktisch unlösliche Substanz, die zur Vergrößerung des Volumens oder Verbesserung technischer Eigenschaften und/oder Beeinflussung optischer Eigenschaften verwendet wird. Anmerkung: Die Benennung „Extender“ sollte vermieden werden. Die Bezeichnungen „Extenderpigment“ und „Pigmentextender“ sind falsch. Ob eine Substanz als Füllstoff oder als Pigment zu betrachten ist, hängt demnach von ihrer Anwendung ab. Nach koloristischen Gesichtspunkten werden Pigmente, getrennt in organische und anorganische Typen, weiter eingeteilt in: • Weißpigmente (organische Spezies zurzeit ohne praktische Bedeutung) • Buntpigmente • Schwarzpigmente • Glanzpigmente • Leuchtpigmente Für die lacktechnische Anwendung hat sich eine weitere Einteilung der Buntpigmente – nach Farbtönen – als zweckmäßig erwiesen. Für das Verständnis der Pigmenteigenschaften ist jedoch eine Einteilung nach chemischen Gesichtspunkten sinnvoller. Neben diesen Einteilungsarten existiert noch ein weiteres Einteilungsschema, der sogenannte Colour Index, C.I. Man unterscheidet danach zwischen

Tab. 2.14: Farbtoncodes im C.I. I Farbton

Code

blue

B

• dem Gattungsbegriff (C.I. I) oder • der chemischen Konstitution (C.I. II).

black

Bk

brown

Br

Beim C.I. I bezeichnet der erste Buchstabe die Farbmittelart, wobei P für Pigment steht und S (solvent) für wasserunlösliche Farbstoffe. Der zweite Großbuchstabe (oder die zweite Buchstabengruppe) gibt den Farbton an, wobei gemäß Tab. 2.14 die amerikanische Schreibweise zugrunde gelegt wird. An diese Buchstabenkombination schließt sich eine 1- bis 3-stellige Zahl an, die das Pigment genau bezeichnet. Mit P.R. 101 sind z.B. Eisenoxidrot-Pigmente gekennzeichnet. Bei einigen Pigmenten gibt es zusätzlich noch

green

G

metal

M

orange

O

red

R

violet

V

white

W

yellow

Y

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15.11.16 14:53

126

Lackrohstoffe

Unterscheidungen zwischen verschiedenen Modifikationen, z.B. P.B. 15:2 für ein Kupferphthalocyaninpigment in der α-Modifikation, welches zusätzlich noch gegen Flockulation stabilisiert ist. Der C.I.II besteht aus einer fünfstelligen Zahl, mit der die chemische Verbindungsklasse bezeichnet wird. Die Zahlen 10.000 bis 10.299 sind z.B. für Nitroso-Verbindunen reserviert, 11.000 bis 19.999 für Monoazo-Verbindungen, 74.000 bis 74.999 für Phthalocyanin-Verbindungen. Oxidische Pigmente haben einen C.I.II zwischen 76.000 und 76.999, für andere anorganische Pigmente liegt er zwischen 77.000 und 77.999. Nicht alle organischen Pigmente besitzen einen C.I. II, da nicht von allen die chemische Konstitution veröffentlicht wurde, aber sie alle haben einen C.I. I. Dieser ist in der Praxis auch geläufiger, da er Pigmente gleicher Art unter der gleichen Bezeichnung zusammenfasst. Solche Pigmente haben dann gleiche Grundeigenschaften, können sich in Einzelheiten beträchtlich unterscheiden. So fallen z.B. alle Titandioxid-Pigmente – gleichgültig, ob es sich um Anatas- oder Rutil-Typen handelt – unter den Colour Index P.W. 6.

2.3.2 Physikalische Grundlagen Die farbgebenden Eigenschaften von Pigmenten wie Farbstärke, Deckvermögen und Transparenz, oder auch ihr Einfluss auf den Glanz, hängen nicht nur von der chemischen Zusammensetzung, sondern auch von physikalischen Eigenschaften, wie der Kristallstruktur sowie Form und Größe der Kristalle, ab. Im dispergierten Zustand spielen beim Pigment auch der Verteilungszustand im Anwendungsmedium und Wechselwirkungen mit dem Filmbildner und anderen Lackbestandteilen für das anwendungstechnische Verhalten eine wichtige Rolle. 2.3.2.1 Pigmentmorphologie

Pigmente werden in Form mehr oder weniger feiner Pulver hergestellt. Die Pulverteilchen bestehen aus Einkristallen, zusammengewachsenen Kristallen, Aggregaten und Agglomeraten. Kristalle 1 und Aggregate

2

Kristall

1

Aggregat

Agglomerate 3 bzw. Flockulate

Kristalle

KristallAggregat

2

Kristalle kompakte Aggregate

Reale Dispersion 2

Ideale Dispersion 1

3

Abb. 2.26: Pigmentmodell nach DIN 53 206 für Kristalle, Aggregate und Agglomerate sowie Unterscheidung von realer und idealer Dispersion

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Die Begriffe zur morphologi­schen Charakterisierung von Pigmenten sind in DIN 53 206 definiert (Abb. 2.26). Demnach ist ein • Teilchen eine abgrenzbare Einheit eines Pigmentes. Diese kann beliebige Gestalt und beliebigen Aufbau besitzen. • Primärteilchen oder Einzel­teilchen sind durch geeignete physikalische Verfahren (z.B. mit Lichtmikroskop, Elektronenmikroskop) als Individuum erkennbare Teilchen. • Aggregat ist ein verwachsener Verband von flächig aneinandergela­ger­­ ten Primärteilchen, bei dem die Gesamtoberfläche kleiner ist als die Summe der Oberflächen der Primärteil­chen.

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Pigmente und Füllstoffe

•  Agglomerat ist ein nicht verwachsener Verband von z.B. an Ecken und Kanten aneinandergelagerten Primärteilchen und/oder Aggregaten, bei dem die Gesamtoberfläche von der Summe der Einzeloberflächen nicht wesentlich abweicht. •  Flockulat ist ein in Suspensionen (z.B. in Pigment-Bindemittel-Systemen) auftretendes (mit Flüssigkeit bzw. Bindemittel gefülltes) Agglomerat, das durch geringe Scherkräfte zerteilt werden kann. Da mit den beim Dispergieren auftretenden Scherkräften die Aggregate nicht weiter in Einzelteilchen aufgeteilt werden können, bezeichnet man Einzelteilchen und Aggregate in Abweichung von dieser Norm gelegentlich auch als Primärteilchen. Da in Aggregaten die Einzelteilchen flächig miteinander verbunden sind, befinden sich zwischen ihnen keine Hohlräume, so dass Aggregate – im Gegensatz zu Agglomeraten und Flockulaten – auch keine innere Oberfläche besitzen. Die kleinste in Pigmenten auftretende Einheit ist der Kristall. Typische Ionenkristalle wie NaCl und viele andere anorganische Verbindungen werden überwiegend durch Ionenbindungen zusammengehalten. Pigmente, die zu dieser Gruppe gehören, sind Titandioxid, Eisenoxide und Bleichromate. Molekülkristalle werden hauptsächlich durch Wasserstoffbrückenbindungen und/oder durch Dipolund Dispersionskräfte zusammengehalten. Neben den rein organischen Pigmenten findet man hier auch eine ganze Reihe anorganischer Verbindungen oder auch Orga­no­­metall­verbindungen wie z.B. die Cu-Phthalo­cya­nine (Abb. 2.27). Die in DIN 55944 vorgenommene Unterscheidung zwischen anorganischen und organischen Pigmenten folgt in etwa dieser Einteilung, wobei Pigmentruße und Metallpig­mente eine Sonderstellung ein­nehmen. Sowohl die anorganischen als auch die organischen Verbindungen können in mehreren verschiedenen Kristallstruk­tu­ ren (Modifikationen) auftreten. Titan­dioxid wird z.B. in der Rutil- und der Anatas­m odi­ fikation verwendet, Eisenoxid und Alumini­um­oxid kommen in einer α- und einer γ-Form vor. Auch viele organische Pigmente treten in verschiedenen Kristallmodi­fik ­ ationen auf, z.B. die Cu-Phthalo­­cyanin- und die China­c ridon-Pigmente. Die verschiedenen Kristallmodifi­ kationen unterscheiden sich meistens deutlich in ihren optischen und anwendungstechnischen Eigenschaften. Anatas zeichnet sich z.B. gegenüber Rutil durch eine kleinere Brechzahl aus (→ Deckvermögen), seine photochemische Aktivität

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b-Achse 45,



3,34 Å

4,79 Å 19,4 Å

N Cu

Molekülstapelung bei α-CuPc

b-Achse

°

26,5

3,4 Å

3,8 Å 23,9 Å

N Cu

Abb. 2.27: Schematische Darstellung der Molekülkristalle von α- und β-Cu-Phtalocyanin ( β-CuPc), nach [1]

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128

Lackrohstoffe

Teilchengröße Wellenlängen

0,001

0,01

Röntgenstrahlen

0,1

1

Ultraviolett Tabakrauch

Teilchengrößenbereich

10

100

1000 μm μm

Infrarot

Radio

Bakterien

Ruß

Flugasche anorg. Pigmente

Zement

Gießereischl.

org. Pigmente Elektronenmikroskop Lichtmikroskop Sedimentation im Teilchengrößenanalysen

Ultra- Zentrifugal-

Schwerefeld Coulter-Zähler Sichten

Prüfsieben

Laserbeugung Photonenkorrelation

Abb. 2.28: Teilchengrößen von Pigmenten, im Vergleich zu anderen Partikelgrößen und Analysenmethoden, nach [40, Bayer AG]

ist deutlich höher (→ photochemischer Abbau) und seine Lichtabsorption im Bereich zwischen etwa 400 und 430 nm etwas geringer (→ Farbstich). Die Durchmesser von Pigmentteilchen umfassen einen weiten Größenbereich. Gegenübergestellt ist er in Abb. 2.28 den Teilchengrößen verschiedener anderer Partikel (bis hinunter zu Molekülen), den Wellenlängen verschiedener Arten elektromagnetischer Strahlung sowie den Analysenmethoden, die für bestimmte Teilchengrößenbereiche geeignet sind. Die kleinsten Teilchen findet man bei Pigmentrußen, deren Teilchendurchmesser im Bereich von 10–9 bis 10–7 m liegt. Es schließen sich organische Pigmente mit Durchmessern meistens zwischen 10–8 und 10–6 m an. Anorganische Pigmente sind mit 10–7 bis 10–5 m im Allgemeinen wesentlich grober. Bei kugelförmigen Teilchen ist der Begriff Durchmesser eindeutig. Pigmente treten in den verschiedensten Erscheinungsformen auf, von überwiegend isometrischen Teilchen, wie Kugeln oder Würfeln, bis hin zu stark anisometrischen, wie Nadeln oder Plättchen. Für nichtkugelförmige, aber regelmäßig begrenzte Teilchen ist nach DIN 53206 der effektive Durchmesser Deff als charakteristisches Größenmaß definiert. Häufig wird auch der Äquivalentdurchmesser D als Durchmesser eines als kugelförmig aufgefassten Teilchens angegeben. Als technische Produkte kristallisieren Pigmente nicht monodispers, d.h. mit einheitlicher Teilchengröße, sondern polydispers, also in einer Teilchengrößenverteilung. Die Bestimmung der Teilchengrößenverteilung erfolgt meistens in Suspension. Da die Messmethoden zur Bestimmung der Teilchengrößenverteilung nicht zwischen den Teilchenarten unterscheiden können, muss auf eine optimale Dispergierung geachtet werden, damit alle Agglomerate in Einzelteilchen und Aggregate aufgeteilt vorliegen. Von der Teilchengröße und damit auch von ihrer Verteilung hängen eine Anzahl anwendungstechnischer Eigenschaften eines Pigmentes im Lack ab, z.B. • das rheologische Verhalten des pigmentierten Lackes, • sein Farbton, • das Streuvermögen des Pigmentes, • die Farbstärke und auch • eine Reihe von Beständigkeiten (Echtheiten).

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Pigmente und Füllstoffe

Kristallstrukturen können im Prinzip nur anhand von genügend gut ausgebildeten Einkristallen in Röntgendiffraktometern bestimmt werden. Die Züchtung der dafür notwendigen Einkristalle ist vor allem bei organischen Pigmenten aufgrund ihrer erwünschten Unlöslichkeit in vielen Lösemitteln oft schwierig. Zur Unterscheidung der Kristallmodifikationen reichen Röntgen­ beugungsmessungen nach dem Debye-Scherrer-Verfahren aus, die direkt mit Pigmentpulvern durchgeführt werden können. Ein Beispiel dafür zeigt Abb. 2.29. Anhand solcher Diagramme lassen sich auch in Gemischen verschiedener Modifikationen eines Pigmentes die einzelnen Anteile der Modifikationen berechnen. Zur Bestimmung der Teilchengrößen­(-verteilung) kommen zum Einsatz: • Verschiedene Sedimentationsverfahren, z.B. der Zentrifugal- und der Ultrazentri­fugal-Sedimentations-Analyse • Optische Methoden, bei denen Wechselwirkungen des Lichtes mit Teilchen ausgenutzt werden, deren Durchmesser in der Größenordnung der Wellenlänge des Lichtes liegt. Solche Verfahren sind die Photonenkorrelationsspektroskopie (QELS = Quasielastische Lichtstreuung) und die Fraunhofer-Lichtbeugung. Beugungsintensität Diesen Methoden ist gemeinsam, dass mit ihnen nur Näherungen der Teilchengrößenverteilung berechnet werden können, da zur Berechnung der Teilchengrößenverteilung normalerweise von kugelförmigen, nicht absorbie­renden Teilchen ausgegangen wird, wie sie in Wirklichkeit nicht vorliegen. Da diese Methoden zudem auf verschiedenen physikalischen Effekten beruhen, ist es nicht verwunderlich, dass es bei mit unterschiedlichen Geräten gemessenen Teilchengrößenverteilungen einer Probe zu Abweichungen kommt.

Modifikation

γ

• Elektronenmikroskop Direkt erfasst werden einzelne Partikel nur durch transmissionselektronenmikros­ko­pische (TEM) Aufnahmen, ein Verfahren, das anders als die meisten anderen Methoden, oft auch die Differenzierung zwischen Aggregaten und Agglomeraten erlaubt. Mittels einer TEM-Untersuchung kann man den größten Bereich der bei Pigmenten vorkommenden Teilchengrößen abdecken. Allerdings lässt sich damit immer nur eine begrenzte Anzahl von Teilchen erfassen, was zu einer statistisch bedingten Unsicherheit bei der Teilchengrößenverteilung führt. Außerdem werden in der Regel nur zwei Dimensionen erfasst, so dass die dritte zusätzlich mit einer Unsicherheit behaftet ist. • Zählverfahren Für Teilchengrößen über 0,5 µm ist auch noch der Coulter-Counter geeignet, der, wie die TEM auch, einzelne Teilchen erfasst, während bei Anwendung der anderen Methoden der ge­sam­te mögliche

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β

α

0

10° 20° Beugungswinkel

30°

40°

Abb. 2.29: Debye-Scherrer-Röntgenbeugungsdiagramme unterschiedlicher Kristallmodifikationen des Chinacridons, nach [1]

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130

Lackrohstoffe

relative Häufigkeit

Teilchengrößen­be­reich in Klassen eingeteilt wird, deren relative Anteile dann bestimmt werden.

% µm

ideale Dispersion

10

Mahldauer: 480 min 240 min 120 min 5 30 min 10 min

vor der Mahlung

0 0

0,1

0,2

0,3

Partikeldurchmesser [µm]

Abb. 2.30: Teilchengrößenverteilung einer Nassmahlreihe von β-Cu-Phthalocyanin (β-CuPc) in Wasser nach verschiedenen Dispergierzeiten mit relativer Häufigkeitsdichte und Teilchendurchmesser, nach [1]

Die gemessene Teilchengrößenverteilung entspricht dabei nicht unbedingt der wirklichen Verteilung der Primärteilchen und Aggregate, sondern stellt nur den aktuellen Verteilungszustand in der Suspension dar. Die wirkliche Verteilung der Primärteilchen und Aggregate stellt letztendlich nur eine Grenze dar, der man sich durch optimales Dispergieren annähern, die man nie überschreiten kann. In Abb. 2.30 ist eine solche ideale Teilchengrößenverteilung als gestrichelte Kurve eingezeichnet. Die durchgezogenen Kurven geben aktuelle Teilchengrößenverteilungen wieder. Die Form dieser Teilchengrößenverteilungen ist übrigens typisch für Produkte von Zerkleinerungsprozessen und lässt sich durch eine logarithmische Normalverteilung mathematisch beschreiben. Die statistischen Begriffe und Auswerteverfahren zu solchen Teilchengrößenverteilungen sind nach DIN 66 143 bis 66 145 genormt.

Da die bisher besprochenen Messverfahren zur Teilchengrößenbestimmung nur in stark verdünnten, somit optisch weitgehend transparenten Suspensionen angewendet werden können, sind die dabei vorliegenden Pigmentkonzentrationen weit entfernt von denen in Lacken. Dementsprechend darf man nicht davon ausgehen, dass die so gemessenen Teilchengrößenverteilungen denen im fertigen Lack entsprechen. Sie können nur den bestenfalls erreichbaren Zustand wiedergeben. Nur mit TEM-Aufnahmen lässt sich die wahre Teilchengrößenverteilung im getrockneten Lack bestimmen.

2.3.2.2 Optik von Pigmenten

In der Umgangssprache wird der Begriff „Farbe“ in verschiedenen Bedeutungen benutzt, z.B. für eine farbgebende Substanz, für eine Strahlungsart oder für einen Sinneseindruck. Nach DIN 5033 (Farbmessung) ist Farbe ein durch das Auge vermittelter Sinneseindruck, also ein Gesichtsempfinden. Der Sinneseindruck Farbe ist – genauer gesagt – eine subjektive Empfindung, die durch zahlreiche individuelle und situationsbedingte Faktoren, z.B. spektrales Durchlassvermögen der Augenmedien, Gesichtswinkel oder Umfeld, beeinflusst wird. Es besteht kein eindeutiger Zusammenhang zwischen der Farb­empfindung und dem Farb­reiz, der durch Netzhautreizung eine Farbempfindung hervorruft (näheres s. unter Farb­metrik). Quellen für Farb­reize können Selbstleuchter und Nichtselbstleuchter sein. Letztere benötigen für ihre Funktion als Farbreizquelle eine fremde Lichtquelle, während Selbstleuchter eigenständig Farbreize hervorrufen. Wechselwirkungen Mit sichtbarem Licht können Nichtselbstleuchter auf verschiedene Art wechselwirken (Abb. 2.31).

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Pigmente und Füllstoffe

• Licht kann an der Grenzfläche zweier Medien mit unterschiedlicher Brechzahl, z.B. Luft/Lackfilm, gerichtet reflektieren. Es handelt sich also um Reflexion, woraus dann ggf. eine Farbe resultiert. Ist die Lichtreflexion nicht bei allen Wellenlängen gleich, so spricht man von selektiver Reflexion. (Dieser Effekt tritt z.B. bei farbigen Metallen wie Cu auf.)

Einfallendes Licht führt zu: Wellenlänge: λ0

Luft Lackfilm (pigmentiert)

Reflexion

λ f,p > λ 0

Absorption

Streuung

Fluoreszenz Phosphoreszenz

Abb. 2.31: Wechselwirkungen zwischen Lichtstrahlen und Materie

• Verliert das Licht beim Durch- (Nichtselbstleuchter) gang durch ein Medium an Intensität, so spricht man generell von Absorption. Das einfallende Licht wird entweder wellenlängenabhängig oder –unabhängig absorbiert. Im ersten Fall spricht man von selektiver, im zweiten Fall von nichtselektiver Absorption. • Das einfallende Licht kann an so genannten Streuzentren, z.B. Pigmenten, diffus abgelenkt werden. Die einzelnen Streuzentren fungieren dann als Quellen nichtgerichteter Lichtstrahlen, so genannter Streustrahlen. Auch die Streuung kann wellenlängenabhängig, also selektiv, sein. Man spricht auch von Streuung, wenn das Licht bereits an einer Phasengrenze, z.B. der Beschichtungsoberfläche, diffus, also in verschiedene Richtungen, reflektiert wird. Dies wird als Mattierung empfunden. • Fluoreszenz und Phosphoreszenz schließlich sind Erscheinungen, bei denen Licht zunächst absorbiert und nach kurzer Zeit mit meistens größerer Wellenlänge wieder emittiert wird. Beim Übergang zwischen zwei Medien mit unterschiedlicher Brechzahl wird Licht aus seiner ursprünglichen Richtung abgelenkt, also gebrochen, auch wenn sonst keine Wechselwirkungen auftreten. Für die optische Wirkung von Pigmenten sind vor allem ihre optischen Konstanten, d.h. • ihre Brechzahl (oder Brechungsindex) – und damit verbunden ihr Lichtstreuvermögen – und • ihr Absorptionskoeffizient (und damit verbunden ihr Absorptionsvermögen) wichtig. Lichtstreuung tritt immer dann auf, wenn in einem Medium kleinste Bereiche unterschiedlicher Brechzahl vorhanden sind. Für das Ausmaß der Lichtstreuung ist die Differenz der Brechzahlen des eingelagerten Mediums und des umgebenden Mediums maßgebend. Dabei sind die Aggre­ gatzustände der beteiligten Medien weitgehend unwichtig. In Beschichtungen sind die Pigmente meistens die eingelagerte Phase (Ausnahme: Farben mit überkritischer PVK, in denen sich die Pigment- und Füllstoffpartikel gegenseitig berühren und die Hohlräume zwischen ihnen nur zum Teil mit Bindemittel, und dafür auch mit Luft gefüllt sind). Daher ist ihre Brechzahl – oder besser, ihre Brechzahlfunktion, d.h. ihre Brechzahl in Abhängigkeit von der Lichtwellenlänge – für das Lichtstreuvermögen maßgeblich. Die Farbgebung durch Buntpigmente beruht auf ihrem selektiven Absorptionsverhalten. Die Ursache für Lichtabsorption liegt letztendlich in einer Änderung des elektronischen Zustandes der lichtabsorbierenden Substanz begründet. Die bei anorganischen Pigmenten wichtigsten Ursachen der Farbigkeit sind in Tab. 2.15 (Seite 132) zusammengestellt.

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132

Lackrohstoffe

Bei organischen Substanzen entsteht die Farbe aufgrund des Vorhandenseins eines ausgedehn­ ten Systems konjugierter Doppelbindungen. Dadurch wird der Energieunterschied zwischen dem HOMO (highest occupied molecular orbital) und dem LUMO (lowest unoccupied molecular orbital) in den Bereich von sichtbarem Licht verschoben. Großen Einfluss auf die Farbgebung haben zum einen die Ausdehnung eines solchen konjugierten π-Elektronensystems (chromo­ phores System) und zum anderen so genannte Chromo­phore und Auxochrome. Das sind Atome oder Atomgruppen im Molekül, die als Elektronenakzeptoren bzw. –donatoren fungieren. Aus der Abhängigkeit des Absorptionskoeffizienten von der Lichtwellenlänge kann der Fach­ mann die wesentlichen Färbepotenziale und Qualitäten eines Pigmentes ablesen. So korreliert z.B. die Steilheit der Absorptionskante eines Pigmentes mit der Buntheit. Weitere wichtige Faktoren sind die Lage der Absorptionsmaxima, ihre Breite oder das Restniveau im nichtab­ sorbierenden Bereich (s. Abb. 2.32). Grob vereinfachend kann man sagen, dass die Brechzahl nλ eines Pigmentes für die Lichtstreuung und damit für das Deckvermögen maßgeblich ist und der Absorptionskoeffizient kλ für Absorption und Farbstärke. Die Verknüpfung dieser Materialkonstanten mit dem koloristischen Verhalten von Beschichtungen wird im Abschnitt 8.6 besprochen. Partikelgrößeneinfluss Die Beziehung zwischen optischer Wirkung und der Pigmentteilchengröße ist in Abb. 2.33 (Seite 134) skizziert. Unterhalb einer bestimmten Teilchengröße sind sehr kleine Teilchen mit ihrem ganzen Volumen optisch wirksam. Bei weiterer Zerteilung nimmt die Absorption nicht weiter zu. Oberhalb dieser Grenzteilchengröße absorbieren nur die äußeren Bereiche eines Pigmentpartikels. Mit zunehmender Teilchengröße wird dabei der relative Anteil dieser äußeren Schicht im Verhältnis zum gesamten Volumen eines Pigmentteilchens immer geringer. Bei gleichbleibender Pigmentmenge sinkt somit die Absorption. Die Lage der Grenzteilchengröße hängt vom Absorptionskoeffizienten k ab. Bei großen k ist sie niedriger als bei kleineren. Generell kann man bei Buntpigmenten davon ausgehen, dass bei Teilchengrößen unter 1 µm mit abnehmender Teilchengröße eine Verschiebung des Farbtons zu mittleren Wellenlängen eintritt. d.h. von blau nach grün und von rot nach gelb. Solche Einflüsse lassen sich besonders an Weißaufhellungen gut erkennen. Für das Deckvermögen eines pigmentierten Systems ist neben der Schichtdicke, dem Absorptionskoeffizienten u. a. m. vor allem das Streuvermögen maßgeblich, welches außer von dem Brechzahlunterschied zwischen Pigment und Bindemittel auch von der aktuellen Teilchengröße(nverteilung) des Pigmentes in der Schicht abhängt. Das Streuvermögen ist nach DIN 53 164 die Fähigkeit eines pigmentierten Mediums, einen Teil des auffallenden Lichtes diffus zurückzuwerfen. Indem man dem Pigment die Ursache für die Lichtstreuung des pigmentierten Mediums zuschreibt, spricht man vom Streuvermögen des Pigmentes. Anmerkung: Im Allgemeinen ist das Streuvermögen von der Pigmentkonzentration abhängig. Tab. 2.15: Einige Ursachen der Farbigkeit anorganischer Festkörper Ursache

Typischer Vertreter

Technische Anwendung

S x-Radikalanionen

Ultramarine

Ultramarinpigmente

Übergänge zwischen Energiebändern

ZnS, CdS, CdSe, HgS, Fe2O3

Cadiumsulfidpigmente, Eisenoxidpigmente

Kristallfeldbahnen (d – d · oder f – f-Übergänge)

Oxide

Eisenoxid-, Chromoxid- oder oxidische Mischphasenpigmente

Charge-Transfer-Banden

CrO42 – MoO42 – MnO4–

Chromatpigmente Molybdatrotpigmente Manganblau

Oxidationsstufenwechsel

Fe 2 +  /  Fe 3 +

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Pigmente und Füllstoffe

Einkristalle farbloser Substanzen sind klar und durchsichtig. Mit abnehmender Teilchengröße nimmt das Streuvermögen zunächst umgekehrt proportional zu ihr zu, durchläuft ein Maximum, und nimmt dann unterhalb dieses Maximums mit dem Kehrwert der 3. Potenz der Teilchengröße wieder ab. Die Lage dieses Maximums ist dabei abhängig von der Wellenlänge des gestreuten Lichtes und vom Brechzahlunterschied zwischen Pigment und Bindemittel. Paliotol ® Gelb L 1820

Paliogen® Rot L 3910 HD

Pigment Yellow 139

O

H O N

Pigment Red 178

O H N

N H O

N H

N O H

O

nP, kP

3

N

O

O

O C N C

nP, kP

3

C N C

N

N

N

O

nP

nP

2

2

1

1 kP kP

0

0 500

400

600 700 Wellenlänge [nm]

500

400

Heliogen ® Blau D 7030

600 700 Wellenlänge [nm]

Heliogen® Grün L 8730

Pigment Blue 15 : 3

Pigment Green 7 Cl

N N

nP, kP

3

N N

Cu

Cl N N

Cl

nP, kP

3

N Cl

Cl

nP

2

nP

Cl

N N

Cu

N N

Cl N Cl

N

Cl

2

Cl

N

N

N

Cl Cl

Cl Cl

Cl Cl

1

1

kP

kP 0

0 400

500

600 700 Wellenlänge [nm]

400

500

600 700 Wellenlänge [nm]

Abb. 2.32: Abhängigkeit der Brechzahl np und des Absorptionskoeffizienten kp von der Wellenlänge für einige organische Pigmente, nach [1]

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134

Lackrohstoffe

Optische Wirkung l: D > λ/2 (Reguläre Streuung) 0

I

II

III

Teilchendurchmesser D

Abb. 2.33: Schematische Darstellung der Zusammenhänge zwischen Streuvermögen bzw. Absorption und Teilchendurchmesser

Die theoretischen Grundlagen zur Berechnung der Lichtstreuung an Partikeln wurden von G. Mie entwickelt. Für kugelförmige, isotrope Teilchen beträgt danach der Teilchendurchmesser, bei dem maximale Lichtstreuung auftritt (dmax), näherungsweise dmax ≈

2λ (nPigment – nBindemittel ) · π

Bei Pigmenten muss die Theorie der Lichtstreuung so erweitert werden, dass sich damit eine Vielzahl von Teilchen, zudem mit einer logarithmischen Normalverteilung der Durchmesser, behandeln lässt. Dann erhält man z.B. für Titandioxid-Pigmente (mit der Brechzahl nP = 2,75) in einem Bindemittel (mit der Brechzahl nBM = 1,55) ein Maximum des Streuvermögens bei einem Zentralwert dZ im Bereich im λ/3 bis λ/1,5. Für die Streuung von sichtbarem Licht (mit einem Wellenlängenbereich von 400 bis 750 nm) bedeutet dies, dass der dZ-Wert bei solchen TitandioxidPigmenten für ein möglichst hohes Streuvermögen im Bereich von 200 bis 400 nm liegen muss. Formeinflüsse Auch die Teilchenform beeinflusst die Eigenschaften eines Pigmentes. So haben z.B. nadelförmige Pigmente einen stärkeren Einfluss auf das Fließverhalten eines pigmentierten Lackes als annähernd isometrische Teilchen. Bei Cu-Phthalocyanin-Pigmenten ist bekannt, dass in ihrer β-Modifikation annähernd würfelförmige, also isometrische Teilchen vorliegen, die bei gleicher Teilchengröße grünstichiger erscheinen als stangenförmige. Ursache ist die Anisotropie der optischen Eigenschaften in den unterschiedlichen kristallographischen Richtungen der Pigmentpartikel. Ihre Basalflächen zeigen ein anderes Absorptionsverhalten als die prismatischen Flächen. Bei stangen­ förmigen Pigmenten ist dann der Anteil der prismatischen Flächen an der Gesamtoberfläche größer als bei würfelförmigen. Dementsprechend wird dann die Farbe eines solchen Pigmentes stärker von dem Absorptionsspektrum der prismatischen Fläche beeinflusst. Dieses optische Verhalten wird als Dichroismus bezeichnet. Da auch das Streuvermögen in Richtung der verschiedenen Kristallachsen unterschiedlich ist, wird neben dem Farbton auch die Helligkeit durch die Teilchenform beeinflusst. Wie das Streuvermögen unterscheiden sich auch andere physikalische Eigenschaften der verschiedenen Kristalloberflächen, z.B. ihr Adsorptionsverhalten oder ihre elektrische Aufladbarkeit. Wenn solche anisotropen Pigmente beim Auftragen eines Lackes ausgerichtet werden, z.B. beim Streichen mit einem Pinsel, zeigt der entstandene Farbfilm je nach Winkel, unter dem man ihn betrachtet, Streifen unterschiedlicher Farbtiefe. Dieser Effekt wird „Changieren“, „Broncieren“ oder auch „Silking-Effekt“ genannt.

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Pigmente und Füllstoffe

135

Glanzeffekte Glanz ist ein visueller Eindruck, den man gewinnt, wenn an einer Oberfläche Licht mit einer Vorzugsrichtung reflektiert wird. Für den Glanz eines Lacksystems sind eine Reihe von Faktoren maßgeblich. Pigmente können durch ihre Konzentration, ihre Teilchengrößenverteilung und ihren Dispergiergrad im Bindemittelsystem den Glanz einer Beschichtung beeinflussen. Wirksam sind in dieser Hinsicht nur jene Pigmentteilchen, die direkt unter der Lackoberfläche liegen. Sie zeichnen sich als kleine Erhebungen in der ebenen Filmoberfläche ab, so dass das an diesen Stellen einfallende Licht nicht mehr gerichtet, sondern diffus reflektiert wird. Je höher die Pigmentkonzentration, desto größer ist die Anzahl solcher den Glanz vermindernden Teilchen und desto geringer also der Glanz. Die Größe derartiger Erhebungen hängt von der Teilchengröße ab. Dabei ist es unerheblich, ob es sich hierbei um Primärteilchen, Aggregate, Agglomerate oder Flockulate handelt. Maßgeblich für den Glanz ist allein die aktuelle Teilchengrößenverteilung in der Beschichtung, die ihrerseits natürlich von der Teilchengrößenverteilung der Primärteilchen und Aggregate abhängt sowie vom Dispergiergrad und vom Ausmaß der Flockulation. 2.3.2.3 Wechselwirkungen zwischen Pigment und umgebendem Medium

Pigmente werden nie für sich allein angewendet, sondern immer in einem Anwendungsmedium, z.B. einem Lack oder einem Kunststoff. An der gemeinsamen Grenzfläche kommt es zu Wechselwirkungen zwischen Pigment und Medium. Beteiligt an dieser Grenzfläche ist demnach auch die Oberfläche des Pigmentes. Deren Eigenschaften, z.B. Größe oder Polarität, beeinflussen dementsprechend diese Wechselwirkungen, von denen wiederum viele Eigenschaften des gesamten Systems abhängen. Spezifische Oberfläche

Das Ausmaß der Oberfläche einer gegebenen Menge Pigment hängt von dessen Dichte und Teilchengrößenverteilung ab. Je geringer die Dichte und je kleiner die Teilchen, desto größer ist die Oberfläche. Bei angenommener Kugelgestalt weist 1 cm3 eines Pigmentes bei einem Partikeldurchmesser von 0,4 µm eine Oberfläche von 15 m2/cm3 auf, bei 0,1 µm eine von 60 m2/cm3. Die spezifische Oberfläche „S“ ist die auf ein Gramm bezogene Oberfläche eines Pigmentes. Sie wird folglich in m2/g angegeben. Ihre Größe reicht von 2 bis 20 m2/g bei anorganischen Pigmenten über 10 bis 80 m2/g bei organischen Pigmenten bis zu 700 m2/g bei Pigmentrußen. Die spezifische Oberfläche kann auch nach folgender Beziehung zur näherungsweisen Bestimmung der mittleren Teilchengröße herangezogen werden: d =

f ρ·S

mit S = spez. Oberfläche [m2/g], d = Durchmesser [mm], ρ = Dichte des Pigmentes [g/cm3] und f = Formfaktor. Für isometrische Teilchen wie Würfel oder Kugeln beträgt der Formfaktor 6000, für lange Zylinder oder Nadeln 4000, wobei d dem Zylinderdurchmesser entspricht, und für ausgedehnte Plättchen, wie sie bei Metallicpigmenten auftreten, 2000 mit d als der Plättchendicke. Da in Pigmentpulvern keine einheitliche Partikelgröße besteht, kann man in diesem Fall die spezifische Oberfläche aus der Teilchengrößenverteilung nur näherungsweise berechnen. Ihre Bestimmung erfolgt deshalb anhand indirekter Methoden. •  BET-Verfahren Die wichtigste Methode ist die nach Brunauer, Emmett und Teller (BET-Methode). Man bestimmt die Menge Stickstoff (N2), die zur Adsorption einer monomolekularen Schicht von N2-Molekülen auf der Pigmentoberfläche nötig ist. Aus dieser Menge und dem Flächenbedarf eines N2-Moleküls lässt sich dann die spezifische Oberfläche des Pigmentes errechnen.

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Lackrohstoffe

Bei der Bestimmung der spezifischen Oberfläche nach BET wird N2 benutzt. Es eignet sich hierfür vor allem, weil das Stickstoffmolekül nur durch unspezifische van-der-Waalssche Kräfte an die Pigmentoberfläche gebunden wird. Nimmt man stattdessen Stoffe, bei denen es spezielle Wechselwirkungen mit der Pigmentoberfläche gibt, z.B. chlorierte Kohlenwasserstoffe, Alkohole oder Wasser, so erhält man dadurch Hinweise auf weitere Eigenschaften der Pigmentoberfläche, z.B. auf deren Polarität und Hydrophilie. Mit Hilfe der Immersionskalorimetrie lässt sich die Benetzungswärme von Pigmenten mit Flüssig­ keiten bestimmen. Sie kann dann als Maß für die Affinität zwischen Pigment und Flüssigkeit gewertet werden, wobei sich die Benetzungswärme mit Wasser als Maß für die Polarität und Hydrophilie verwenden lässt. Dabei ist allerdings zu beachten, dass normalerweise an der Pigmentoberfläche bereits Wasser adsorbiert ist, welches bei der Benetzung mit einer anderen Flüssigkeit erst verdrängt werden muss. Diese Verdrängung dauert bei unpolaren Flüssigkeiten lange und ist oft unvollständig. • Carman-Methode Diese Methode wird eher bei Füllstoffen angewendet. Man bestimmt dabei den Strömungswiderstand einer Pulverpackung. Er hängt von der Größe der zwischen den Partikeln verbleibenden Hohlräume ab, die ihrerseits umso geringer ist, je kleiner und zerklüfteter die einzelnen Partikel sind. Der Strömungswiderstand wächst demnach mit abnehmender Teilchengröße und zunehmen­ der Pigmentoberfläche. • Ölzahl Eine weitere Größe, die oft zur Charakterisierung von Größe und Eigenschaften einer Pigmentoberfläche herangezogen wird, ist die Ölzahl (engl.: oil absorption value) (DIN EN ISO 787 T5). Sie gibt die Menge Lackleinöl an, die unter festgelegten Bedingungen von einer Pigment- oder Füllstoffprobe absorbiert wird und zwar als g Leinöl/100 g Pigment. Je größer und oleophiler die Pigmentoberfläche ist, desto höher fällt die Ölzahl aus. Ihre Höhe liegt zwischen weniger als 5 g/100 g bei anorganischen Füllstoffen und teilweise weit über 100 g/100 g bei Pigmentrußen. Dispergiergüte Eine Pigment-Bindemittel-Dispersion ist vor dem Trocknen eine Suspension, nach dem Trocknen ein festes Sol. Dementsprechend sind zur Beschreibung von Pigment-Bindemittel-Systemen die Begriffe und Gesetzmäßigkeiten der Kolloid- und Grenzflächenchemie anzuwenden. Der Vorgang des Dispergierens von Pigmenten ist höchst komplex und wird im Abschnitt 2.4.6 näher beschrieben. Die Güte der Dispergierung, also die in der Pigmentsuspension vorliegende aktuelle Teilchengrößenverteilung, hat in der Regel entscheidenden Einfluss auf die Eigenschaften des Systems. Stark vom Dispergierzustand abhängig sind unter anderem die Viskosität der Dispersion sowie eine Reihe optischer Eigenschaften, vor allem Farbton, Glanz, Glanzschleier und besonders die Farbstärke; sie eignen sich daher mehr oder weniger alle (gemäß DIN 53 238 und DIN EN ISO 8781) zur Bestimmung der Dispergiergüte. Die Dispergiergüte ist bei gegebenem Filmbildnersystem abhängig, einerseits von den Wechselwirkungen zwischen Bindemittel und Pigmentoberfläche und andererseits vom benutzten Disper­ gier­­aggregat (→ 4.9). Die Wechselwirkungen zwischen Pigmentoberfläche und Bindemittelsystem ihrerseits können auf der Pigmentseite durch Modifizierung der Oberfläche der Pigmentpartikel (Nachbehandlung → 2.3.3.2 und 2.3.4.2) und auf der Bindemittelseite durch Dispergier- und Netzadditive (→ 2.4.6) wesentlich beeinflusst werden. Neben der erreichbaren Dispergiergüte ist für den Lackhersteller auch die Geschwindigkeit maßgeblich, mit der eine vorgegebene Dispergiergüte erreicht wird. Ob ein Pigment schwer oder leicht dispergierbar ist, ob also viel oder wenig Energie erforderlich ist, um die zur vollen Entfaltung seiner koloristischen Eigenschaften benötigte Dispergiergüte zu erreichen, lässt sich nähe­rungs­

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Pigmente und Füllstoffe

weise anhand der Dispergierhärte abschätzen.

Farbstärke bzw. Glanz Farbstärke

Dispergierhärte

Dieser Begriff ist im deutschen Sprachraum gebräuchlich, auch wenn in der DIN EN ISO 8781 Glanz stattdessen der Begriff Farbstärkezunahme (IS = increase of tinting strengh) verwendet wird. Zu Stufe 1 Stufe 2 Anreibezeit [min] ihrer Bestimmung wird die Farbstärkeentwicklung (→ 8.6.2) einer 0 20 40 60 80 Weißabmischung des untersuchten Pigmentes mit fortschreiten- Abb. 2.34: Schematische Darstellung der Farbstärke und der Glanzentwicklung in Abhängigkeit von der Dispergierzeit der Dispergierzeit gemessen (s. Abb. 2.34). Die Farbstärkezunahme berechnet sich nach folgender Beziehung aus dem Verhältnis der Farbstärken nach kürzerer zu der nach längerer Dispergierzeit: IS =

(K / S)2 (K / S)1

– 1 · 100

mit K = Absorptionskoeffi­zient und S = Streukoeffizient Die beiden Dispergierstufen werden so festgelegt, dass Stufe 2 nahe der Endfarbstärke und Stufe 1 im Allgemeinen bei etwa 10 % der Zeit von Stufe 2 liegt. Beim Vergleich der Dispergierhärte verschiedener Pigmente sollten dieselben Stufen 1 und 2 benutzt werden. Kommt es, z.B. bei Volltoneinfärbungen eher auf die Reinheit des Farbtones, einen hohen Glanz oder niedrigen Glanzschleier an, sollte analog der Bestimmung der Dispergierhärte die zeitliche Entwicklung der betreffenden Größe beobachtet werden. Diese Größen reagieren wesentlich empfindlicher auf geringe Mengen noch nicht zerteilter Agglomerate, die die Farbstärke praktisch nicht beinflussen, zu deren Zerstörung oft zusätzliche Dispergierzeit notwendig ist.

2.3.3 Weißpigmente Die optische Wirkung von Weißpigmenten beruht auf ihrer sehr geringen Lichtabsorption und ihrer starken nichtselektiven Lichtstreu­ung. Chemisch lassen sie sich in Oxide (TiO2, ZnO (Zinkweiß), ZrO2, SnO2), Carbonate (2PbCO3 · Pb(OH)2 (Bleiweiß), 2ZnCO3 · 3Zn(OH)2, Sulfate (2PbSO4 · Pb(OH)2) und Sulfide (ZnS, ZnS + BaSO4 (Lithopone)) einteilen, von denen in Beschichtungsstoffen die Titandioxid-Pigmente aufgrund ihrer hohen Brechzahl mit Abstand am wichtigsten sind. Andere Tab. 2.16: Brechzahlen einiger Weißpigmente Weißpigmente werden heute nur noch in Spezialfällen und Füllstoffe Substanz Brechzahl nD verwendet. Maßgebend für die Eignung einer Substanz als Pigment ist die Brechzahl; einige der Beispiele Calciumcarbonat 1,48 bis 1,65 hierfür sind in Tab. 2.16 aufgeführt. Glimmer 1,58 bis 1,61 Bariumsulfat

2.3.3.1 Titandioxid-Pigmente

1,64

Lithopone

1,84 bis 2,08

Physikalische und chemische Eigenschaften

Zinkoxid

2,01 bis 2,09

Weltweit werden jährlich etwa 4 ·10 t Titandioxid-Pimente produziert, die zu mehr als der Hälfte in Beschichtungsstoffen eingesetzt werden. Die Herstellung erfolgt heute zu etwas weniger als die Hälfte nach dem älteren Sulfat-Verfahren und zu etwas mehr als die Hälfte nach dem moderneren Chlorid-Verfahren, die sich in ihren

Zinksulfid

2,37

Titandioxid, Anatas

2,55

Titandioxid, Rutil

2,75

6

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Organische Bindemittel

ca. 1,40 bis 1,70

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138

Lackrohstoffe

Tab. 2.17: Wichtige physikalische Eigenschaften von TiO2 (Erläuterungen siehe Text) Schmelzpunkt Brechzahl nD Dichte

> 1800 °C Rutil:

2,75

Anatas:

2,55

Rutil:

4,2 g /cm 3

Anatas:

3,9 g /cm 3

TiO2-Gehalt Lichtabsorption Mohssche Härte

> 88% Rutil:

λ ≤ 415 nm ( Δ E = 3,05 eV )

Anatas:

λ ≤ 385 nm ( Δ E = 3,29 eV )

Rutil:

6,5 bis 7

Anatas:

5,5 (zum Vergleich Stahl: 4)

Anforderungen an die Rohstoffe unterscheiden. Mit dem Sulfat-Verfahren lassen sich sowohl Rutil- als auch Anatas-Pigmente herstellen, mit dem Chlorid-Verfahren nur Rutil-Pigmente, die dann mit einem etwas höheren Streuvermögen. Von den drei natürlichen Titandioxid-Modifikationen finden sich zwei in Titandioxid-Pigmenten wieder, • der für Beschichtungsstof­fe wichtigere Rutil und • der Anatas, der – wie gesagt – nur nach dem Sulfat-Verfahren gewonnen wer­den kann.

Unter Normalbedingungen ist die Rutil-Modifikation die thermodynamisch stabilste. Einige der wichtigsten physikalischen Eigenschaften von TiO2-Pigmenten sind in Tab. 2.17 zusammengefasst. Titandioxid absorbiert elek­tro­­magnetische Strahlung mit λ ≤ 415 nm (Rutil) bzw. 385 nm (Anatas). Dies entspricht einem Energieunterschied zwischen Valenz- und Leitungsband von ∆E = 3,05 eV bzw. 3,29 eV. Kürzerwel­li­gere UV-Strahlung wird absorbiert (s. photokataly­ti­ sches Verhalten von TiO2), längerwellige Strahlung gestreut. Die Remissionsspek­tren sind in Abb. 2.35 abgebildet. Durch Nachbehandlung werden Fremdsubstanzen auf die Titandioxid-Pigmente auf­gebracht, wodurch deren TiO2-Gehalt bis auf 88 % sinken kann. Wichtigste Fremdatome sind Al und Si. Chemisch ist Titandioxid unter den Bedingungen, denen Beschichtungsstoffe üblicherweise ausgesetzt sind, sehr beständig und löst sich weder in Wasser noch in organischen Lösemitteln. Obwohl TiO2 selbst ungiftig ist, müssen – aufgrund des herstellungsbedingten Feinstaubgehaltes – beim Arbeiten mit Titandioxid-Pigmenten die für alle Arbeitsplätze mit inerten Feinstäuben festgelegten MAK-Werte eingehalten werden.

Abb. 2.35: Reflexionsspektren von Rutil und Anatas, nach [1]

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Optische Eigenschaften Die optische Wirkung von Weißpigmenten beruht hauptsächlich auf ihrem starken, nichtselektiven Streuvermögen. Die Voraussetzungen dafür, dass Licht gestreut wird, wurden in Abschnitt 2.3.2.3 behandelt. Wichtig ist zum einen die Brechzahldifferenz (nPigment – nBindemittel) und zum anderen die Teilchengröße. Titandioxid besitzt von allen Weißpigmenten die höchste Brechzahl, worauf u.a. seine Überlegenheit als Weißpigment beruht. Der Zentralwert der Teilchengrößenverteilung sollte, wie schon erwähnt, für eine optimale Lichtstreuung im Bereich zwischen 200 bis 400 nm liegen, wobei die Teilchengrößenverteilung möglichst eng sein sollte. Sowohl Streuvermögen als auch Streukoeffizient einer pigmentierten Beschichtung hängen von der Pigmentkonzentration ab. Der Streukoeffizient S ist nach DIN 53164 der Bruchteil des Strahlungsflusses, Φ, der, auf die Schichtdicke bezogen, bei sehr kleinen Schichtdicken h zurückgestreut wird, d.h.: S=

1 Φ

·

dΦ dh

Er ist die für das Streuvermögen eines pigmentierten Mediums charakteristische physikalische Größe und wird in mm-1 angegeben. Die Pigmentkonzentration wird üblicherweise als Pigment-Volumen-Konzentration (PVK) in % ange­geben (→ 3.2 und 3.3). Die Abhängigkeit des Streukoeffizienten von der PVK zeigt Abb. 2.36 (Seite 140). Um das Maximum von S bei einer PVK von etwa 30 % zu verstehen, muss man sich zunächst klarmachen, dass der mittlere Teilchenabstand mit steigender PVK rasch abnimmt. Er ist bei einer PVK von 10 % für kugelförmige Teilchen schon kleiner als der mittlere Teilchendurchmes­ ser und unterschreitet bei ca. 25 % den halben Teilchendurchmesser. Unterhalb eines Abstandes von der halben Wellenlänge des Lichtes wirken die einzelnen Teilchen nicht mehr als getrennte Streuzentren. Mit zunehmender PVK unterschreiten immer mehr Teilchen diesen „kritischen“ Abstand, wodurch die wirksame Konzentration von Pigmentteilchen oberhalb einer PVK von 25 % langsamer wächst als die wirkliche Teilchenzahl. Oberhalb einer PVK von etwa 30 % wird dieser „kritische Abstand“ von mehr Teilchen unterschrit­ ten, als effektiv hinzukommen, so dass dann der Streukoeffizient kleiner wird. Bei der kritischen PVK (KPVK) füllt das Bindemittel gerade die Zwischenräume zwischen den sich berührenden Pigmentteilchen aus. Diese Bindemittelinseln wirken jetzt als Streuzentren. Mit weiter steigender PVK wird in den Zwischenräumen immer mehr Bindemittel durch Luft ersetzt, die mit ca. 1 eine kleinere Brechzahl hat als das Bindemittel. Dadurch wird der Brechzahlunterschied zwischen der Pigmentmatrix und den Streuzentren erhöht – was sich in der Zunahme des Streukoeffizienten auswirkt –, bis bei einer PVK von 100 % alle Zwischenräume mit Luft gefüllt sind. Diese Modellbetrachtungen gelten allerdings nur solange, wie man mit einer Pigmentsorte arbeitet. Teilchen unterschiedlicher Pigmente wirken auch dann noch als getrennte Streuzen­ tren, wenn sie sich gegenseitig berühren. In Beschichtungsstoffen, die neben TiO2-Pigmenten noch Füllstoffe enthalten, gelten diese Überlegungen also nicht. Solange die Pigmentteilchen als Streuzentren wirken, also etwa bis zur KPVK, ist der Streuko­ effizient bei einem feinteiligeren Pigment größer als bei einem „gröberen“. Beide dz (→2.3.2.2) müssen allerdings größer sein als die optimale Teilchengröße). Sobald die eingelagerten Binde­ mittel – oder bei noch höheren PVKs – die Luftinseln als Streuzentren wirken, ist deren Größe für das Streuvermögen maßgeblich. Deshalb kehren sich die Verhältnisse im überkritischen PVK-Bereich um.

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Lackrohstoffe

Nach DIN 55 943 ist das Streukoeffizient S [mm–1]

600

Deckvermögen eines pigmentierten Mediums sein Vermögen, die Farbe oder den Farbunterschied des Untergrundes zu verdecken.

Grobes TiO2 400

200

Feines TiO2

Pigmentvolumenkonzentration [%]

0 0

20

40

60

80

Abb. 2.36: Schematische Darstellung der Abhängigkeit des Streukoeffizienten zweier verschiedener TiO2-Pigmente von der PVK, nach [1]

Vom Deckvermögen ist der Deckvermögenswert DV bzw. DM abgeleitet. Er gibt nach DIN 55 984 die Fläche eines Kontrastuntergrundes an, die mit 1l bzw. 1 kg eines pigmentierten Mediums deckend beschichtet werden kann. Seine Einheit ist demnach m2/l bzw. m2/kg. Als Deckungskriterium gilt dabei ein vereinbarter Farbabstand zwischen den beiden konstrastierenden Feldern des beschichteten Kontrastuntergrundes. Der reziproke Wert des Deckvermögenswertes DV ergibt die Schichtdicke der nach dem zugrundeliegenden Deckungskrite­rium deckenden Schicht.

Sowohl bei deckenden als auch bei nichtdeckenden Beschichtungen kann die Wellenlängenabhängigkeit der Streuung zu Farbveränderungen führen. Im Allgemeinen nimmt die Streuung mit abnehmender Wellenlänge zu. • In deckenden Beschichtungen, die nur ideal streuende Pigmente enthalten, hat dies keine Auswirkungen. Die Farbe des remittierten Lichtes entspricht der des einfallenden. • Deckende Beschichtungen, die nur ideal absorbierende Pigmente enthalten, erscheinen schwarz, da mit zunehmender Eindringtiefe das Licht immer stärker absorbiert wird, bis seine Intensität sich null annähert, auch bei Buntpigmenten. • In deckenden Beschichtungen, die sowohl streuende als auch absorbierende Pigmente enthalten, nimmt die Wegstrecke des eintretenden Lichtes bis zum Wiederaustreten aus der Beschichtung mit abnehmender Wellenlänge ab. Dadurch wird kurzwelliges, violettes Licht bei gleichem Absorptionskoeffizienten weniger stark absorbiert als langwelligeres. So erscheint dann eine graue Beschichtung blaustichig. Bei vollständig deckenden Beschichtungen spielt die Farbe des Untergrundes keine Rolle. In diesem Fall wird das Symbol für die Remission mit dem Index ∞ versehen, z.B. R∞. Bei nichtdeckenden Beschichtungen beeinflussen sowohl die Farbe des Untergrundes als auch die Schichtdicke die Farbe des remittierten Lichtes. In weißen Beschichtungen erreicht mit steigender Schichtdicke schließlich nur noch längerwelliges Licht den Untergrund, an dem es reflektiert oder absorbiert wird. Das Deckvermögen einer Beschichtung ist demnach wellenlängenabhängig. Enthält die Beschichtung Pigmente, die in den Wellenlängenbereichen, die den Untergrund erreichen können, absorbieren, so wird auch dieses remittierte Licht geschwächt. Das Deckvermögen einer nur streuende Pigmente enthaltenden Beschichtung kann demnach durch Zugabe absorbierender Pigmente verbessert werden. Nach DIN 559 43 ist das Aufhellvermögen die Fähigkeit eines Pigmentes, die Helligkeit eines bunten, grauen oder schwarzen Mediums zu erhöhen. Das Aufhellvermögen eines Weißpigmentes wird ermittelt, indem man eine Menge mp dieses Pigmentes der aufzuhellenden Farbpaste zusetzt und der Normfarbwert Y einer deckenden

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Beschichtung mit dieser Farbpaste gemessen wird. Anschließend wird anhand einer Eichkurve ermittelt, mit welcher Einwaage eines Bezugspigmentes mB der gleiche Wert erhalten wird. Daraus errechnet sich der Aufhellvermögenswert als AV =

mB · 100 mP

Der Aufhellvermögenswert ist demnach keine absolute Größe, sondern immer nur in Relation zu einem vereinbarten Bezugspigment in einem bestimmten System zu sehen. Eine Verallgemeinerung auf das Verhalten dieses Pigmentes in anderen gefärbten Systemen ist nicht zulässig. Zurückzuführen ist das Aufhellvermögen auf das Streuvermögen des Pigmentes. Mit zunehmender Konzentration des streuenden Pigmentes wird die Weglänge des in die Beschichtung eintretenden Lichts bis zum Wiederaustritt kürzer, da es stärker gestreut wird. Entsprechend dem LambertBeerschen-Gesetz wird die Absorption mit kürzerer Weglänge des Lichtes durch die Beschichtung geringer, so dass mehr Licht remittiert wird. Es gelten hier die gleichen Abhängigkeiten vom Streuvermögen des Pigmentes wie beim Deckvermögen. Nach DIN 55 980 ist der Farbstich einer nahezu weißen oder unbunten Probe der geringe Anteil an Bunt, durch den die Farbe einer Probe von ideal weiß oder (ideal) unbunt abweicht. Er wird gekennzeichnet durch Buntton1)  und durch ab-Buntheit1). Als farbstichfreier Bezugspunkt (unbunt) gilt der Farbort der beleuchtenden Lichtart. Eine ideal weiße Probe ist nach dieser Norm eine Probe, die im Wellenlängenbereich von 380 bis 780 nm das einfallende Licht vollständig reflektiert. Eine unbunte Probe reflektiert zwar nicht vollständig, aber ebenfalls in diesem Wellenlängenbereich unabhängig von der Wellenlänge. Die Größe des Farbstiches wird im CIE-Lab-Farbkoordinatensystem durch den Abstand C*ab des gemessenen Farbtons von Unbunt (a* = 0, b* = 0) angegeben, der sich nach folgender Gleichung berechnet: C*ab =

a* 2 + b* 2

Wie Abb. 2.35 zeigt, weisen Rutilpigmente fast über den gesamten Wellenlängenbereich des sichtbaren Lichtes eine höhere Remission auf als Anataspigmente. Sie haben deshalb gegen­ über Anataspigmenten eine höhere Helligkeit. Am kurzwelligen violetten Ende des sichtbaren Wellenlängenbereiches zeigen beide eine geringere Remission als im übrigen Wellenlängenbe­ reich. Dies führt zu einem geringen Gelbstich der Titandioxid-Pigmente. Da dieser Abfall der Remission beim Anatas etwas geringer ist, weisen Anataspigmente einen etwas schwächeren Gelbstich auf als Rutilpigmente. Da das Maximum des Streuvermögens bei gegebener Teilchengröße von der Wellenlänge des Lichtes und dementsprechend bei gegebener Wellenlänge von der Teilchengröße abhängt, ist der Gelbstich der Titandioxid-Pigmente auch von der Teilchengrößenverteilung abhängig. In der Nähe der optimalen Teilchengröße verstärkt sich der Gelbstich, wenn der mittlere Teilchendurchmesser zunimmt, und mit fallendem Teilchendurchmesser schwächt er sich ab. Allerdings kann der Gelbstich von TiO2-Pigmenten durch Einstellen einer optimalen Teilchengröße nicht vollständig kompensiert werden. Demzufolge führen z.B. feinteiligere Titandioxid-Pigmente in Grauabmischungen zu einem stärkeren Blaustich als grobteiligere. Begriffe siehe DIN 5033 Teil 1

1

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Lackrohstoffe

Nachbehandlung Die optischen Eigenschaften von Titandioxid-Pigmenten können nur dann voll zur Geltung kommen, wenn das Pigment im Bindemittel gut verteilt, also optimal dispergiert ist. Die Dispergierung von Pigmenten wird in Abschnitt 2.4.6 besprochen. Die Pigmentoberfläche beeinflusst dabei die maßgeblichen chemischen und physikalischen Vorgänge und Parameter in erheblichem Ausmaß. Durch geeignete Nachbehandlung, auch „Coaten“ genannt, lässt sich die Dispergierung von Titandioxid-Pigmenten wesentlich erleichtern, wobei gesagt werden muss, dass Titandioxid-Pigmente eher zu den leicht dispergierbaren Pigmenten zählen. Auf den wichtigsten Schritt der Dispergierung, die Zerteilung der Agglomerate, hat die Ober­ flächenbehandlung nur einen relativ geringen Einfluss. Über sie können die Anziehungskräfte zwischen den Pigmentpartikeln beeinflusst werden. Für eine gute Benetzung müssen die Adhäsionskräfte zwischen Pigmentoberfläche und Dis­ pergiermedium größer sein als die Kohäsionskräfte innerhalb des Dispergiermediums. Diese Adhäsionskräfte können durch Modifizierung der Pigmentoberfläche beeinflusst werden. Nach der Verteilung der benetzten Pigmentteilchen muss die Suspension noch stabilisiert werden. Eine Nachbehandlung kann sowohl die Ladungsart und -größe an der Oberfläche der Pigmentteil­ chen (Zeta-Potential) als auch das Adsorptionsverhalten gegenüber stabilisierenden Polymeren verändern. Es können also beide Arten von Stabilisierung verbessert werden, die elektrostatische und die sterische. Eine bessere Dispergierbarkeit erreicht man heute durch Nachbehandlung der Titandioxid-Pigmen­ te mit anorganischen Substanzen, wie Aluminiumoxidhydrat und Siliciumoxidhydrat, und/oder organischen Substanzen wie Polyolen oder Alkanolaminen. In wässrigen Systemen verbessern oft auch grenzflächenaktive Substanzen die Benetzung der an sich schon hydrophilen Oberfläche von Titandioxid-Pigmenten. Ihre Verwendung in organischen Medien ist dagegen meistens nicht vorteilhaft; es kann vielmehr zu unerwünschten Effekten, z.B. zur Flockulation, kommen. Witterungseinflüsse Wie die meisten organischen Materialien unterliegen auch mit Titandioxid pigmentierte Beschichtungen beim Einsatz im Freien unter dem Einfluss von Witterung und Sonnenlicht einer Alterung, die zu einer Änderung des Aussehens, der physikalischen und der chemischen Eigenschaften führt und zuletzt die Funktionsfähigkeit der Beschichtung beeinträchtigen kann. Typische Schäden sind Glanzabfall, Ausbleichung, Versprödung und Kreidung. In diese Abbauvorgänge greifen Titandioxid-Pigmente auf zwei verschiedene Weisen ein. • Sie schützen die Beschichtung vor dem direkten Einfluss von UV-Licht, denn sowohl Anatas als auch Rutil absorbieren UV-Strahlung (s. Abb. 2.35). In eine TiO2-Pigment enthaltende Beschichtung kann deshalb UV-Strahlung nur wenige µm tief eindringen, ehe sie absorbiert wird. Die unterhalb von Pigmentteilchen befindlichen Bindemittelbereiche sind vor einem photooxidativen Abbau geschützt. Es wird immer nur die oberste, dünne Schicht angegriffen und mit der Zeit zerstört, was sich z.B. als Kreidung bemerkbar macht. • Durch ihre Photoaktivität verursachen TiO2-Pigmente auch einen Abbau organischer Bindemittel. Die Photoaktivität von Anatas-Pigmenten ist bedeutend höher als die von Rutilpigmenten. Beide setzen bei Absorption von UV-Strahlung eine photochemische Reaktionskette (photokatalytischer Zyklus) in Gang, die zu einem Bindemittelabbau in der Beschichtung führt. Während die Vorgänge bei der Bewitterung polymerer Stoffe heute noch nicht in allen Einzel­ heiten geklärt sind, existiert mit der Theorie des photokatalytischen Zyklus an der Oberfläche von Titandioxid eine relativ einfache und plausible Deutung aller Bewitterungsphänomene

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Pigmente und Füllstoffe

in Titandioxid-Pigment enthaltenden Materialien. Formal handelt es sich dabei um folgende Reak­tionsschritte:

hνabs

→ e– + p+



p+ + TiO2 · OH–

→ TiO2 + •OH



e– + Ti4+

→ Ti3+



Ti3+ + O2

→ Ti4+ · (O2–)ads



(O2–) + H2O

→ OH– + HO2•



TiO2 + OH–

→ TiO2 · OH–

Sie erlauben eine detaillierte Interpretation. Durch Absorption eines Photons mit einer Ener­ gie über 3,05 eV (415 nm) beim Rutil bzw. über 3,20 eV (385 nm) beim Anatas wird ein Elektron-Loch-Paar erzeugt, indem ein Elektron in das Leitungsband gehoben wird, während im Valenzband eine Lücke zurückbleibt. Das Elektron fällt normalerweise sehr schnell wieder in das Valenzband zurück und rekombiniert mit einem Loch. Andernfalls kann das Loch p+ im Valenzband zur Oberfläche des Titandioxidteilchens wandern, wo es eine absorbierte Hydroxyl­ gruppe zu einem Hydroxylradikal oxidiert. Das im Leitungsband ebenfalls bewegliche Elektron e– reduziert ein Ti4+ zu Ti3+, welches seinerseits an der Kristalloberfläche adsorbierten Sauerstoff zu einem Sauerstoff-Radikal-Anion reduziert. Dieses wird an der Kristalloberfläche chemisor­ biert und kann mit Wasser zu einem Perhydroxyl-Radikal und einem Hydroxid-Ion reagieren. Als Summenreaktion erhält man somit aus Wasser und Sauerstoff Hydroxyl-Radikale und Perhydroxyl-Radikale, die in das umgebende organische Medium hinein diffundieren können und dort Abbaureaktionen hervorrufen können. hν / TiO2 H2O + O2 ⎯⎯⎯⎯→ OH• + HO2•

Dieser photokatalytische Zyklus kann unterbrochen werden, indem die Beweglichkeit der Elek­ tronen und Löcher im Kristall verringert wird und/oder durch eine „isolierende“ Beschichtung (Abb. 2.37) die Reaktionen der Löcher und der Elektronen an der Kristalloberfläche unterbunden werden. Eine Unterbrechung dieses photochemischen Zyklus erreicht man durch Gitterstabilisierung (Einbau von Fremd­ ionen, wie z.B. Al3+ oder Zn2+ in das Kristallgitter) oder durch Aufbringen einer dichten Schicht aus farblosen, inerten Oxiden von Si, Zr, V, Al oder Ce während der Nachbehandlung. Die besten Bewit­te­rungs­ergeb­nisse erhält man mit gitterstabili­sierten und nachbehandelten Titandioxid-Pigment-Typen. Titandioxid-Pigment-Typen Die im Sulfat- oder Chlorid-Verfahren hergestellten TiO2Pigmente kommen entweder unbehandelt oder nachbehandelt in den Handel. Dabei hängt die Art der Nachbehandlung von der Verwendung des Pigmentes ab. Unterschiedliche Teilchengrößenvertei­lungen erhöhen die Typenvielfalt weiter. Weltweit werden heute wohl über 400 verschiedene Typen Titandioxid-Pigmente angeboten, von denen wahrscheinlich keine zwei in allen Eigenschaften

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Abb. 2.37: Schnitt durch ein mit SiO2 gecoatetes TiO2 -Pigmentpartikel, nach [40, DuPont]

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Lackrohstoffe

Tab. 2.18: Klassifizierung von Titandioxid-Pigmenten (nach DIN 55 912) Eigenschaft

TiO2-Gehalt Gehalt an H2O-löslichen Anteilen Flüchtige Bestandteile

Anforderungen Typ A ( Anatas) A1 A2 ≥ 98 % ≥ 92 % ≤ 0,6 % ≤ 0,5 % ≤ 0,5 % ≤ 0,5 %

Typ R (Rutil) R1 R2 ≥ 97 % ≥ 90 % n.V. ≤ 0,5 % ≤ 0,5 % n.V.

R3 ≥ 80 % ≤ 0,7 % n.V.

übereinstimmen. Nach DIN 55 912 werden fünf Gruppen von Titandioxid-Pigmenten unterschieden (Tab. 2.18). Pulverförmige Pigmente werden in 25 kg-Säcken oder in 0,5- bis 1 t-Säcken, sogenannten BigBags, angeboten. Es sind auch wässrige Suspensionen mit einem Feststoffgehalt von 68 bis 75 %, sogenannte Slurries, auf dem Markt, die vor allem beim Einsatz in wasserverträglichen Systemen Vorteile aufweisen. „Mikronisierte“ Titandioxidpigmente Neben den bisher gehandelten Titandioxidpigmenten werden von verschiedenen Herstellern sehr feinteilige Titandioxidtypen mit mittleren Teilchengrößen zwischen 15 und 50 nm angeboten. Aufgrund ihrer geringen Teilchengröße sind diese deutlich gelbstichigen Pigmente transparent oder zumindest semitransparent. Gleichzeitig sind sie starke UV-Absorber, so dass sie als Alternative zu organischen UV-Schutzmitteln in Klarlacken für Holzuntergründe eingesetzt werden. In Kombination mit Aluminiumpigmenten bei Metalliclackierungen erzeugen sie einen FarbChangiereffekt von gelb nach blau, der als Frost-Effekt bezeichnet wird. Dieser Effekt ist die Folge der starken Wellenlängenabhängigkeit der Lichtstreuung an sehr kleinen Teilchen. Die Intensität ist dabei in etwa umgekehrt proportional zur vierten Potenz der Wellenlänge (RayleighStreuung), was in diesem Fall bedeutet, dass blaues Licht etwa 5- bis 6-mal stärker gestreut wird als rotes. Der Anteil an blauem Licht ist so im Streulicht gegenüber dem weißen Licht vergrößert und entsprechend im an Aluminiumpigmenten gespiegelten Licht erniedrigt. Dementsprechend erscheint eine solche Lackierung in der Nähe des Glanzwinkels gelblich und bei glanzfernen Betrachtungswinkeln bläulich. 2.3.3.2 Andere Weißpigmente

Die anderen Weißpigmente haben nicht so eine große Bedeutung wie Titandioxid-Pigmente, da ihre optische Leistung durchweg geringer ist. Zinkoxidpigmente werden als aktives basisches Pigment in Grund- und Korrosionsschutzbeschichtungen eingesetzt. Zinkweiß ist nach DIN 55 943 ein Zinkoxidpigment mit einer Reinheit von über 99 %, das nach dem sogenannten indirekten oder französischen Verfahren hergestellt wird. Zinksulfidpigmente zeichnen sich aus durch hohe Helligkeit, reinen Farbton und geringen Bindemittelbedarf. Wegen ihrer niedrigen Abrasivität und geringen UV-Absorption werden diese nichtsäurebeständigen Pigmente allein oder in Verbindung mit TiO2 verwendet z.B. in UVhärtenden Lacken, in Druckfarben sowie in speziellen Anwendungen, z.B. mit Aufhellern oder Tagesleuchtfarben. Wichtiger sind die durch gemeinsame Fällung von BaSO4 und ZnS hergestellten Lithopone. Durch Einbau von 0,02 bis 0,5 % Cobalt wird eine ausreichende Lichtstabilität erzielt. Der Bindemittelbedarf ist gering und die Benetzbarkeit gut. Lithopone bietet sich deshalb an für den Einsatz in Grundierungen, Füllern und Spachtelmassen sowie für Wand- und Fußbodenbeschichtungen oder zur Kombination mit TiO2.

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Pigmente und Füllstoffe

2.3.4 Schwarzpigmente 2.3.4.1 Einteilung

Bei Schwarzpigmenten bestimmt der Absorptionskoeffizient die optische Qualität in gleichem Ausmaß wie die Brechzahl bei den Weißpigmenten. Von Einfluss ist auch noch die Teilchengröße bzw. die Teilchengrößenverteilung, vor allem in Bezug auf die Farbstärke und das Deckvermögen. Die wichtigsten Schwarzpigmente sind • Pigmentruße, • Eisenoxidschwarz und • verschiedene oxidische Mischphasenpigmente wie Spinellschwarz. Die letzten beiden Gruppen werden aus systematischen Gründen zusammen mit den anorganischen Buntpigmenten behandelt. 2.3.4.2 Pigmentruße

Pigmentruße sind wegen ihrer hervorragenden Eigenschaften die in der Lackindustrie am häufigsten eingesetzten Schwarzpigmente. Weltweit werden pro Jahr über 4 Mio. t Ruß hergestellt, von denen allerdings nur etwa 5 % als Pigment Verwendung finden. Die wichtigsten Rußhersteller sind in Europa Deutschland, Frankreich, Italien und Großbritannien. Physikalische und chemische Eigenschaften Ruß ist ein feinteiliger, teilmikrokristalliner Kohlenstoff, dessen nahezu kugelförmige Primärteilchen zu größeren Aggregaten verwachsen sind, die Ketten oder Cluster bilden (Abb. 2.38). Das Ausmaß dieses Verwachsens wird in der Praxis als Struktur bezeichnet. Die wichtigste Kenngröße für Pigmentruße ist die Teilchengröße bzw. die Teilchengrößenverteilung. Abb. 2.39 stellt typische Teilchengrößenverteilungen für nach unterschiedlichen Verfahren hergestellte Pigmentruße dar. Die Primärteilchengröße liegt zwischen 5 und 500 nm, wobei die der Pigmentruße sich im Bereich zwischen 10 und 100 nm (Titandioxid: ca. 300 nm) befindet. Dadurch und durch seine geringere Dichte enthält ein relativ grober Ruß, wie Flammruß, schon 60-mal mehr Teilchen pro Gramm wie ein Titandioxid-Pigment, bei den feinteiligen Gasrußen sind es sogar 28.000-mal so viele. Ruße werden heute durch Pyrolyse kohlenwasserstoffhaltiger Substanzen hergestellt. Entsprechend ihrer Herstellungsart unterscheidet man bei Pigmentrußen zwischen Flammrußen, Furnacerußen und Gasrußen. Die Pigmente dieser drei Verfahren unterscheiden

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Abb. 2.38: Elektronenmikroskopische Aufnahme eines Pigment­ rußaggregates, nach [7] Relative Häufigkeit [rel. Einheiten] 3

Gasruß

2

Furnace-Ruß

1

Flammruß 0 0

20

40

60

80 100 Partikelgröße [nm]

Abb. 2.39: Typische Teilchengrößenverteilungen verschiedener Pigmentruße, nach [4]

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Lackrohstoffe

Tab. 2.19: Herstellungsverfahren für Pigmentruße Verfahren

Rohstoff

Atmosphäre Beeinflussbare Größen bei der Herstellung Primärteilchen- Struktur größe

Oberflächenchemie

Furnacerußverfahren

petrochemische Rückstände

reduzierend

17 bis 70 nm

in weiten Grenzen

pH 8 bis 10, nicht beeinflussbar

Flammrußverfahren

aromatenreiche Öle

oxidierend

50 bis 210 nm

nicht beeinflussbar

pH 7, nicht beeinflussbar

Gasrußverfahren

hochsiedende, aromatenreiche Öle

oxidierend

10 bis 30 nm

nicht beeinflussbar

pH 2 bis 5, wenig beeinflussbar

sich in ihrer Teilchengröße und Struktur sowie den Eigenschaften ihrer Partikeloberflächen (s. Tab. 2.19). Die anwendungstechnischen Eigenschaften der Pigmentruße lassen sich durch sauerstoffhaltige funktionelle Gruppen auf der Oberfläche der Rußpartikel beeinflussen. • Gasruße tragen herstellungsbedingt meistens einen gewissen Überschuss saurer Gruppen auf ihrer Oberfläche, z.B. Carboxyl-, Lacton- oder Carbonylgruppen. • Furnaceruße dagegen weisen an ihrer Oberfläche Sauerstoff in Form basischer Gruppen auf, wie z.B. basische Oxide oder pyronartige Strukturen. • Die Oberfläche von Flammrußen reagiert annähernd neutral. Modifizierungen Um ihre anwendungstechnischen Eigenschaften zu optimieren, lassen sich verschiedene Ruße entweder durch Erhitzen mit einer gewissen Menge Sauerstoff oder durch Behandlung mit starken Oxidationsmitteln, z.B. Salpetersäure, nitrosen Gasen, Ozon oder NaOCl, oxidativ nachbehandeln. Dadurch steigt der Sauerstoffgehalt auf bis zu 20 % an bei dementsprechend niedrigem C-Gehalt. Solche Ruße mit polarer Oberfläche sind ausgesprochen hydrophil und lassen sich in polaren Lacksystemen besser benetzen und dispergieren. Ein Maß für den Oxidationsgrad und damit die Polarität der Oberfläche von Rußen ist der Glühverlust bei 950 °C unter Luftausschluss, nach DIN 53 552 (s. Tab. 2.20). Wie Kohlenstoff ist Ruß chemisch außerordentlich widerstandsfähig und wird nur von wenigen Chemikalien oder Lösemitteln angegriffen, z.B. von O2 erst oberhalb von 300 °C. Von der Teilchengröße der Ruße hängt ihre Verwendung ab. • Die feinsten Ruße, mit Teilchengrößen von ca. 10 bis 30 nm, werden als Pigmentruße in Beschichtungsstoffen oder als verstärkende Füllstoffe in Gummi verwendet. Dieser Bereich wird einmal von den Gasrußen, zum anderen von den Furnacerußen abgedeckt. • Gröbere Ruße, bis hinauf zu 100 nm, wie vor allem bei den Flammrußen und z. T. noch bei Furnacerußen anzutreffen, lassen sich als Abtönruße und als teilaktive Füllstoffe in Gummi verwenden. • Noch gröbere Ruße dienen als nichtaktiver Füllstoff in der Gummiindustrie. Die Größe der spezifischen Oberfläche hängt außer von der Teilchengröße auch von der Porosität des Rußes ab, wobei Ruße mit einer spez. Oberfläche von mehr als 150 m2/g porös sind, mit Porendurchmessern von weniger als 1 nm.

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Pigmente und Füllstoffe Tab. 2.20: Wichtige physikalische und chemische Eigenschaften von Pigmentrußen Struktur

Graphit (parakristallin)

chemischer Charakter der Oberfläche

neutral, basisch oder sauer, je nach Herstellungsverfahren

Primärteilchengröße

10 bis 100 nm

Löslichkeit

unlöslich in H 2 O, Säuren, Basen und Lacklösemitteln

Spezifische Oberfläche

10 bis > 1000 m²/g

C-Gehalt

80 bis 99,5 %

Dichte

ca. 1,86 g/cm ³

O-Gehalt

0,5 bis 15 %

Lichtabsorption

max. 99,8 % (auch UV und IR)

Beständigkeit

sehr gut, empfindlich gegen O2 bei hohen Temperaturen

Härte

sehr weich

Elektrische Leitfähigkeit

< 0,125 m/(Ω · mm ² ) (Graphit)

Gehalt an flüchtigen Bestandteilen

Gasruße: 4 bis 8 % Furnaceruße: 1 bis 3 % nachoxidierte Ruße: < 25 %

Strukturbedingte Kenngrößen Daneben geben die Dibutylphthalat(DBP)-Adsorption und der Ölbedarf Auskunft über die Rußstruktur. Diese Werte sind außer von der spez. Oberfläche auch vom Benetzungsverhalten der Rußoberfläche abhängig. Mit einer Dichte von etwa 1,86 g/cm3 (1,8 bis 2,1 g/cm3) ist Ruß weniger dicht als Graphit (2,27 g/cm3), was auf die geringere kristalline Ordnung zurückzuführen ist. Die elektrische Leitfähigkeit von Pigmentrußen liegt unterhalb der von Graphit mit 0,125 m/ Ω mm2 (Kupfer 60 m/Ω mm2), und hängt ab von der Herstellungsart, der spez. Oberfläche und der Rußstruktur. Die verbreitete Anwendung der Pigmentruße beruht auf ihrer ausgezeichneten Absorption von sichtbarem Licht, die 99,8 % erreichen kann. Dabei kann die schwarze Farbe sowohl blau- als auch braunstichig sein, was von der Lichtbrechung, der Wellenlänge des einfallenden Lichtes und dem das Pigment umgebenden Medium abhängt. Da Ruße auch UV- und IR-Strahlung absorbieren, werden sie auch als UV-Schutz oder in IR-Tarnfarben eingesetzt. Pigmentruße in Beschichtungsstoffen Die vielfältige Verwendung zur Schwarzeinfärbung von Kunststoffen, Druckfarben und Beschichtungsstoffen, sowie als Abtönruß in Verbindung mit Bunt- und Weißpigmenten, verdanken die Pigmentruße ihren hervorragenden Pigmenteigenschaften. • Die Schwarzfärbung von Lacken und Anstrichstoffen ist dabei eine Domäne der feinteiligen Gas- und Channelruße1), da sie in den meisten Lacksystemen gegenüber Furnacerußen einige Vorteile aufweisen, z.B. leichtere Dispergierbarkeit, geringere Flockulationsneigung, höheren Glanz und eine bessere Wetterbeständigkeit. Diese Rußtypen eignen sich dabei sowohl für Purton- als auch für Transparenteinfärbungen. Durch eine oxidative Nachbehandlung können rheologisches Verhalten und Dispergierbarkeit noch weiter verbessert werden. Damit einher geht ein Vertiefen des Farbtons beim Schwarz und eine Verschiebung zum Blauen. • Für Tönpasten und helle Farben greift man dagegen hauptsächlich auf Flammruße zurück, deren geringere Farbtiefe eine leichtere Dosierung gestattet. • In elektrisch leitfähigen Beschichtungen werden Ruße mit hoher Struktur, so genannte Leit­ fähigkeitsruße, eingesetzt. Pigmentruße, die durch unvollständige Verbrennung von Erdgas und Abscheidung an wassergekühlten Rinnen (channels) hergestellt werden.

1

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Die Verwendung von Furnaceruß wird durch die teilchengrößenabhängige Farbtiefe bestimmt. Die feineren Spezies konkurrieren in vielen Fällen mit den Gasrußen, während die gröberen einen großen Bereich der Flammruße mit abdecken. Die Rußkonzentration in Beschichtungsstoffen übersteigt im Allgemeinen nicht 3 bis 5 %. In elektrisch leitfähigen Beschichtungen ist dagegen oft eine wesentlich höhere Konzentration erforderlich. Farb- und Schwärzungseffekte Neben ihrer chemischen Beständigkeit weisen Pigmentruße noch eine gute Licht- und Wetterstabilität sowie hohe Farbtiefen und Farbstärken auf. Nach DIN 53 235 ist die Farbtiefe ein Maß für die Intensität einer Farbempfindung, die mit steigender Sättigung zunimmt und im Allgemeinen mit steigender Helligkeit abnimmt. Anmerkung: In gleicher Farbtiefe hergestellte Färbungen sehen für den Beobachter so aus, als ob sie mit gleichen Konzentrationen gleich farbstarker Farbmittel hergestellt wären. In diesem Zusammenhang soll hier auch noch der Begriff der Standardfarbtiefe (ST) erwähnt werden, die nach der gleichen Norm als durch Konvention festgelegte Farbtiefniveaus definiert wird. Im Lackbereich häufig benutzte Standardfarbtiefen sind 1/3 ST und 1/9 ST. Bei der Beurteilung von Schwarzeinfärbungen meint man mit Farbtiefe den Sinneseindruck, den man als Intensität der Schwärzung bezeichnet. Sie ist bei mit Rußen eingefärbten Beschichtungen umso größer, je geringer die Lichtreflexion ist, wobei bei unbunten Farbtönen, also Grautönen, Farbtiefe das Gegenteil von Helligkeit bedeutet. Die Intensität der Schwärzung lässt sich als die Schwarzzahl MY coloristisch charakterisieren. Die Bestimmung der Schwarzzahl ist in DIN 55 979 beschrieben. Nach DIN EN ISO 787, Teil 24, ist die Farbstärke die Fähigkeit eines Pigmentes, einfallendes Licht zu absorbieren und dadurch zu färben oder abzudunkeln, z.B. in einen weißen Beschichtungsstoff, in den es eingearbeitet ist. Die Farbstärke wird immer relativ zu einem Bezugspigment bestimmt und entspricht inhaltlich dem Aufhellvermögen bei Titandioxidpigmenten. Farbstärke und Farbtiefe gehen nicht unbedingt parallel, da die Farbstärke außer von der Teilchengröße bzw. der Teilchengrößenverteilung auch von der Struktur und dem Dispergierzustand des Rußes abhängt. Sie hat vor allem praxisnahe Bedeutung für die Ergiebigkeit von Abtönrußen. Wesentliche Parameter, die das anwendungstechnische Verhalten von Pigmentrußen bestimmen, sind die • mittlere Teilchengröße bzw. die Teilchengrößenverteilung. • die Rußstruktur und • die chemischen Eigenschaften der Rußpartikeloberflächen. Meistens erfolgt die Auswahl von Pigmentrußen nach coloristischen Gesichtspunkten. Obwohl Pigmentruße nicht in Form von Primärteilchen vorliegen, werden ihre coloristischen Eigenschaften prinzipiell durch die mittlere Teilchengröße geprägt. Mit abnehmender mittlerer Teilchengröße nimmt die Farbtiefe in mit Rußen eingefärbten Beschichtungen zu. Auch der Farbstich wird durch die Primärteilchengröße beeinflusst, seine Definition nach DIN 55 980 wurde bereits angegeben (s. Seite 141). Anwendungstechnische Eigenschaften In Purtoneinfärbungen sind feinteiligere Ruße blaustichiger als grobteiligere Ruße, die eher einen Braunstich aufweisen. In Weißausmischungen, in Transparent-Einfärbungen und in Metallics kehrt sich dieses Farbtonverhalten um. Hier sind grobteiligere Ruße eher blaustichig und feinteiligere

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eher braunstichig. Das Farbstärkeverhalten bleibt dabei erhalten. Mit feinteiligen Rußen erzielt man braune bis braunrote Einfärbungen mit hoher Transparenz, was sich mit zunehmender Teilchengröße zu bläulich-opaken Einstellungen verschiebt. Die Teilchengröße der Ruße beeinflusst auch noch andere anwendungstechnische Eigenschaften, wie z.B. das Dispergierverhalten, das Fließverhalten und die Witterungsbeständigkeit von Anstrichen. Es ist naheliegend, dass feinteiligere Ruße einen höheren Dispergieraufwand erfordern als grobteiligere. Gleichzeitig ist bei letzteren erwartungsgemäß die Viskosität des Mahlgutes bei gleicher Dosierung niedriger. Bei mit eher feinteiligen Rußen eingefärbten Anstrichen fällt der Glanzverlust bei Bewitterung geringer aus als bei Anstrichen, die mit eher grobteiligen Rußen eingefärbt sind. Eine Reihe anwendungstechnischer Eigenschaften der Pigmentruße können durch eine oxidative Nachbehandlung (s.o.) verbessert werden. • Die Dispergierung wird oft wesentlich erleichtert, da die polarere Oberfläche durch das Bindemittel oder spezielle Dispergiermittel besser benetzt werden kann. • Dadurch verbessert sich auch die Fockulationsstabilität. • Die Viskosität des Mahlgutes und des fertigen Anstrichstoffes ist bei oberflächenbehandelten Rußen geringer als bei entsprechenden Rußen, die nicht nachbehandelt wurden. • In fertigen Beschichtungen führen nachbehandelte Ruße zu einem höheren Glanz, der infolge verbesserter Wetterstabilität auch länger gehalten wird.

2.3.5 Anorganische Buntpigmente 2.3.5.1 Allgemeine Eigenschaften

Buntpigmente unterscheiden sich von Schwarz- und Weißpigmenten dadurch, dass • sie von der Lichtwellenlänge abhängige Absorptions- und Streukoeffizienten haben und dass • deren Absolutwerte stark schwanken können. Die Abhängigkeit der beiden Koeffizienten von der Wellenlänge des Lichtes, von der Teilchengröße, der Teilchengrößenverteilung und der Teilchenform bestimmen die Farbe, die Farb­stärke und das Deckvermögen von Buntpig­menten. Dies gilt natürlich für organische Buntpigmente genauso wie für anorganische Buntpigmente. Die Ursachen für die Farbe anorganischer Verbindungen wurden bereits in Tab. 2.15 zusammengefasst. Anorganische Buntpigmente können entsprechend ihrer Farbe eingeteilt werden, z.B. in Rot-, Gelb-, Grün- und Blaupigmente, oder – wie hier – in chemische Gruppen. Man unterscheidet Oxide und Oxidhydroxide (Eisenoxidpigmente, Chromoxid-Pigmente) einschließlich komplexer anorganischer Buntpigmente, Bismut-, Cadmium-, Cersulfid-, Chromat-, Ultramarin- und Eisenblau- Tab. 2.21: Produktionskapazitäten für anorganische Pigmente. Buntpigmente in der Welt (Stand 2005) Nach den Titandioxid-Pigmenten sind die anorganischen Buntpigmente heute die mengenmäßig wichtigste Pigmentproduktgruppe. Die weltweiten Produktionskapazitäten sind in Tab. 2.21 zusammengefasst. Allerdings werden nur etwa ein Drittel der insgesamt erzeugten anorganischen Buntpigmente in Farben und Lacken eingesetzt. Wie bei Weiß- und Schwarzpigmenten gehören auch bei den Buntpigmenten für die geforderten anwendungstechnischen Eigenschaften die Teilchengröße bzw. die Teilchengrößenverteilung (mit Mittelwert und Verteilungsbreite) zu den

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Pigment Eisenoxid-Pigmente Chromoxidgrün-Pigmente Chromatgelb-Pigmente Eisenblau-Pigmente Molybdatorot-Pigmente Ultramarin-Pigmente komplexe anorganische Buntpigmente Cadmium-Pigmente Bismuthvanadat-Pigmente Andere

Produktion in 10 3 t / a 700 40 60 13 20 40 135 32 1,5 16

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wichtigsten Kenngrößen. Durch sie beeinflusst werden Glanz, Filmfestigkeit, Deckvermögen, Aufhellbzw. Färbevermögen und Farbtonreinheit. 2.3.5.2 Oxidische und Oxidhydroxid-Pigmente

Allgemeines Anorganische Buntpigmente aus der Gruppe der Oxide und Hydroxide sind entweder bunte anorganische Einzelverbindungen oder Mischphasen, deren Farbe auf dem Einbau farbgebender Kationen in an sich oft farblose Wirtsgitter beruht. Im Einzelnen fallen unter diese Gruppe Eisenoxidpigmente, Chromoxidpigmente und Mischphasenpigmente mit Rutil- oder Spinell-Struktur. Eisenoxid-Pigmente Die Produktionsmenge an Eisenoxid-Pigmenten ist größer als die aller anderen anorganischen Bunt­­pigmente zusammen. Sie werden in den Farben Gelb, Orange, Rot, Braun und Schwarz hergestellt. Daneben gibt es noch natürliche Eisenoxid-Pigmente, wie Ocker, Umbra oder Terra di Siena, die allerdings für die Lackindustrie ohne Bedeutung sind. Die synthetischen Eisenoxid-Pigmente zeichnen sich, abgesehen von ihrer Preiswürdigkeit, durch eine Reihe hervorragender anwendungstechnischer Eigenschaften aus. Sie sind in Wasser, organischen Lösemitteln und organischen Bindemitteln, aber auch anorganischen (wie Zement oder Wasserglas) unlöslich, zudem sind sie licht- und wetterecht und alkalibeständig. Die Wetterund Lichtechtheit von anorganischen Buntpigmenten ist im Gegensatz zu der von organischen Buntpigmenten annähernd unabhängig von der Teilchengröße. Eisenoxid-Pigmente weisen eine für anorganische Pigmente relativ hohe Farbstärke auf. Ihr Deckvermögen hängt ausgeprägt von der Teilchengröße ab, ebenso die coloristi­schen und auch sonstigen Eigenschaften. Folgende Gesetzmäßigkeiten werden z.B. bei Eisenoxidrot-Pigmenten beobachtet (s. Tab. 2.22): • Sehr feine Eisenoxidrot-Pigmente, mit einem dz < 0,05 µm, sind transparent. • Dagegen besitzen grobteiligere Pigmente, mit einem dz zwischen 0,1 und 1 µm, auch aufgrund ihres hohen Streuvermögens ein hervorragendes Deckvermögen. • Eisenglimmer, mit einem dz über 10 µm, weisen demgegenüber ein relativ geringes Deckvermögen auf. • Der Farbton ändert sich mit zunehmender Teilchengröße von einem gelbstichigen zu einem blaustichigen Rot. Tab. 2.22: Abhängigkeit der Eigenschaften von Eisenoxidrotpigmenten von der Teilchengröße [1] Eigenschaften

Teilchendurchmesser in µ m 0,001

Pigmentart Farbton Deckvermögen

0,01

Transparentes Eisenoxidrot gelbrot transparent

0,1

1,0 deckendes Eisenoxidrot

gelb

violett

sehr gut

10,0

100,0

Eisenglimmer metallisch gering

Spez. Oberfläche Absetzneigung Flockulationsneigung Dispergierbarkeit Ölzahl

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• In gleicher Richtung nimmt die spezifische Oberfläche und mit ihr natürlich auch die Ölzahl ab. • Aufgrund der größeren Masse der gröberen Teilchen nimmt die Absetzneigung mit zunehmender Teilchengröße zu, die Dispergierbarkeit verbessert sich. • Der Glanz pigmentierter Beschichtungen ist bei gröberen Pigmenten geringer als bei feineren. Als industriell gefertigte Produkte weisen Eisenoxidpigmente keine einheitliche Teilchengröße auf. Ihre Feinheit wird deshalb durch eine Teilchengrößenverteilung definiert. Verschieden große Pigmentteilchen führen, wie eben gesehen, zu einem unterschiedlichen Farbton, so dass kommerzielle Pigmente ein Gemisch von Teilchen mit verschiedenen Farbtönen sind. Der Buntton solcher Pigmente ist umso reiner, je schmaler die Teilchengrößenverteilung ist. Durch geeignete Steuerung der Synthese lassen sich Pigmente mit schmalerer Teilchengrößenverteilung herstellen, als dies durch Mahlen von Chargen mit gröberen Partikeln möglich ist. Natürliche Eisenoxidrot-Pigmente zeigen deshalb auch im Allgemeinen eine geringere Buntheit als synthetisch hergestellte. Mit Eisenoxidpigmenten lassen sich sowohl auf organischen Filmbildnern beruhende Lacksysteme, wie Grundierungen, Dispersionsfarben, Decklacke oder Holzschutzsysteme, als auch auf anorganischen Filmbildnern basierende Farben, wie Silikatfarben, problemlos und wirtschaftlich einfärben. Eisenoxidgelb-Pigmente (P. Y. 42) Eisenoxidgelb-Pigmente (α-FeO(OH), Lepidokrokit), mit ausgeprägter Nadelstruktur, sind eher grünstichig gelb. Mit wachsendem Partikelquerschnitt verschiebt sich der Buntton nach Orange und wird schmutziger. Bei hohen Scherkräften können die Nadeln zerbrechen, wodurch sich der Farbton ins schmutzig Gelbe verschiebt. Dieser Gefahr soll durch neuere, sphärolithische Eisenoxidgelb-Pigmente abgeholfen werden, die aufgrund ihrer kugelförmigen Teilchen weniger mahlempfindlich sind. Alle Eisenoxidgelb-Pigmente spalten bei Temperaturen oberhalb von 180 °C das gebundene Wasser ab und gehen unter Farbtonverschiebung in Eisenoxidrot über. Dies gilt natürlich auch für in Eisenoxidbraun-Pigmenten enthaltene Eisenoxidgelb-Pigmente. Die angegebene Stabilitätsgrenze bei 180 °C ist als Richtwert zu betrachten, der am trockenen, reinen Pigment beobachtet wird. Bei im Lack eingebetteten Pigmenten kann diese Temperatur kurzzeitig erheblich überschritten werden, ohne dass sich der Farbton ändert. Eisenoxidrot-Pigmente (P. R. 101) Von den existierenden Modifikationen des Fe2O3 ist vor allem der Hämatit, α-Fe2O3 (KorundStruktur), als Buntpigment von Interesse. Sowohl die nach dem Anilin-Verfahren als auch die nach dem Abröstverfahren oder Hydrolyse-Verfahren hergestellten Eisenoxidrot-Pigmente besitzen würfel- oder kugelförmige Teilchen. Im Gegensatz zu Eisenoxidgelb-Pigmenten weisen sie zu ihren sonstigen hervorragenden Echtheiten und Beständigkeiten auch eine sehr gute Temperaturbeständigkeit auf. Leider lassen sich mit ihnen keine leuchtenden Farbtöne erhalten. Die Abhängigkeit der coloristischen und anwendungstechnischen Eigenschaften von der Teilchengröße ist in Tab. 2.22 zusammengestellt. Die aus nadelförmigen Eisenoxidgelb-Pigmenten durch Calcination gewonnenen nadelförmigen Eisenoxidrot-Pigmente weisen gegenüber den im Buntton ähnlichen, aber annähernd kugel- oder würfelförmigen Typen meistens eine höhere Farbstärke auf. Ihr Farbton hängt von der Calcinations­ temperatur ab und wie bei den Eisenoxidgelb-Pigmenten auch vom Querschnitt der Nadeln. Eisenoxidschwarz-Pigmente (P. Bl. 11) Die Summenformel von Eisenoxidschwarz-Pigmenten entspricht in etwa der von Magnetit, Fe3O4. Mit zunehmender Teilchengröße nimmt die Farbstärke ab und der Farbton verschiebt sich von braunstichig Schwarz, bei Pigmenten mit einem dz von etwa 0,1 µm, zu einem blaustichigen Schwarz bei einem dz von etwa 0,6 µm. Diese Schwarzpigmente erreichen bei weitem nicht die Farbtiefe von Pigment-Rußen, lassen sich wesentlich leichter dispergieren. Für glänzende Beschichtungen

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sollte man auf mikronisierte Typen zurückgreifen. Oberhalb von 180 °C werden EisenoxidschwarzPigmente in Gegenwart von Sauerstoff zunächst in braunes γ-Fe2O3 umgewandelt, das oberhalb von 350 °C in rotes α-Fe2O3 übergeht. Dies gilt nicht für einige Fremdmetalle enthaltende Typen, die bis etwa 1000 °C stabil sind. Eisenoxidbraun-Pigmente (P.Br. 6) Bei den Eisenoxidbraun-Pigmenten handelt es sich meistens um Mischungen aus roten, gelben und schwarzen Eisenoxid-Pigmenten. Das Mischungsverhältnis bestimmt den Farbton und auch die anwendungstechnischen Eigenschaften. In hellen Tönen überwiegt der Gelbanteil, in den dunklen ist vorwiegend Eisenoxidschwarz enthalten. Die Temperaturbeständigkeit wird durch die Stabilitätsgrenzen des Eisenoxidgelb- und -schwarzanteils begrenzt. Transparente Eisenoxid-Pigmente Eisenoxid-Pigmente mit Teilchen in der Größe von etwa 0,01 µm haben in organischen Bindemitteln praktisch kein Deckvermögen mehr. Man erhält mit ihnen transparente, farbige Filme. Kommer­zielle transparente Eisenoxid-Pigmente weisen Teilchengrößen im Bereich von 0,01 bis 0,05 µm auf und lassen sich deshalb nur relativ schwer dispergieren. Sie haben nicht nur die den Eisenoxid-Pigmenten generell eigenen hervorragenden Echtheitseigenschaften, sondern verleihen auch als Rot- und Gelbpigmente den Metalliclackierungen einen ausgeprägten Helligkeitsflop. Außer in Metallic-Lacken werden sie wegen ihres guten Absorptionsvermögens für UV-Strahlung auch zur Pigmentierung von Holzschutzlasuren eingesetzt. Chromoxid-Pigmente Es gibt nur ein wichtiges Chromoxid-Pigment, Chromoxidgrün, Cr2O3. Chromoxidhydratgrün, CrO(OH), spielt heute keine Rolle mehr. Chromoxidgrün (P.G.17) besitzt wie Eisenoxidrot hervorragende Echtheitseigenschaften, die von keinem anderen Grünpigment erreicht werden. Von Nachteil ist allerdings sein relativ schmutziger dunkler Farbton. Es besteht aus annähernd isometrischen, sehr harten Partikeln (Mohs‘sche Härte 8–9), was zu einer hohen Abrasivität führt. Die besten Eigenschaften haben Typen, deren dZ sich im Bereich von 0,3 µm bewegt. Das gut deckende Pigment wird in chemikalienbeständigen Beschichtungen, in Deckanstrichen von Stahlkonstruktionen, oft in Verbindung mit Eisenglimmer, in Fassadenbeschichtungen und, da es im nahen IR-Bereich ein hohes Reflexionsvermögen hat, in infrarotreflektierenden Beschichtungen eingesetzt. Komplexe anorganische Buntpigmente Die komplexen anorganischen Buntpigmente, auch oxidischen Mischphasen-Pigmente oder Mixed Metal Oxide Pigments genannt, (zusammengestellt in Tab. 2.23) leiten sich von anderen weißen oder farbigen Oxidpigmenten, wie z.B. TiO2, Fe2O3 oder auch Spinell, MgAl2O4, dadurch ab, dass in ihnen ein Teil der Wirtsgitter-Metallionen durch andere Metallionen ersetzt sind, wobei die Grundstruktur des Wirtsgitters nicht verändert wird. Art und Menge der eingebauten Ionen bestimmen die Farbe dieser Pigmente. Um möglichst stabile Pigmente zu erhalten, wählt man als Wirtsgitter solche mit guten Echtheitseigenschaften und Stabilitäten. Die bedeutendsten Vertreter oxidischer Mischphasenpigmente sind die Rutil- und die Spinell-Mischphasenpigmente. Dementsprechend zeichnen sich die komplexen anorganischen Buntpigmente durch hervorragende Echtheitseigenschaften aus. Sie sind licht-, wetter-, säure- und alkalibeständig und auch gegen die meisten Chemikalien resistent. Ihre Temperaturbeständigkeit ist herstellungsbedingt sehr hoch. Allerdings weisen sie alle eine relativ große Mohs-Härte auf (Rutilpigmente: 6 bis 7, Spinellpigmente: 7 bis 8). Das zitronengelbe Nickeltitangelb und das wesentlich rotstichigere Chromtitangelb sind in der Lackindustrie die wichtigsten oxidischen Mischphasenpigmente. Beide weisen im Vergleich zu den

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Pigmente und Füllstoffe Tab. 2.23: Komplexe anorganische Buntpigmente Pigment

Farbe

Formel

Wirtsgitter/Kristallstruktur C.I.

Nickeltitangelb

zitronengelb

( Ti,Ni,Sb )O2

Rutil

P.Y. 53

Chromtitangelb ockergelb

( Ti,Cr,Sb )O2

Rutil

P.Y. 24

Cobaltgrün

smaragdgrün

( Co,Ni,Zn ) 2 ( Ti,Al )O4

inverser Spinell

P.G. 19

Cobaltblau

grünstichig blau

Co( Al,Cr ) 2O4

Spinell

P.B. 36

Cobaltblau

rotstichig blau

CoAlO4

Spinell

P.B. 28

Zinkeisenbraun

braun

( Zn,Fe )FeO4

Spinell

P.Y. 119

Chromeisenbraun

braun

(Fe,Cr )2 O4

Spinell mit Fehlstellen

P.Br. 29

Eisenmanganschwarz

schwarz

( Fe,Mn) (Fe,Mn)2 O4

Spinell

P.Bk. 26

Spinellschwarz

schwarz

( Cu (Cr,Fe )2 O4 ( Co (Cr,Fe )2 O4 ( Cu (Cr,Fe,Mn ) 2 O4

zwischen normalem und inversem Spinell

P.Bk. 22 P.Bk. 27 P.Bk. 28

Eisenoxidgelb-Pigmenten einen wesentlich reineren Farbton auf. Im Deckvermögen unterscheiden sie sich deutlich. Während Nickeltitangelb nur 10 bis 30 % des Deckvermögens eines StandardrutilPigmentes besitzt, kann das von Chromtitangelb-Pigmenten das 1,5- bis 2-fache betragen. Kobaltblau- und Kobaltgrün-Pigmente sind die wichtigsten komplexen anorganischen Buntpigmente mit Spinellstruktur. Der rotstichige Farbton von Kobaltblau-Pigmenten kann durch den partiellen Ersatz von Al durch Cr bis zu einem grünstichigen Blau variiert werden. Kobaltblau- und KobaltgrünPigmente decken einen ähnlichen Farbtonbereich ab wie die allerdings wesentlich farbstärkeren Phthalocyanin-Pigmente. Sie konnten sich deshalb trotz ihrer hervorragenden Beständigkeiten und großen Farbtonreinheit in der Lackindustrie bisher nicht durchsetzen. Erwähnenswert ist ihre ausgezeichnete Wetterstabilität, auch in starken Aufhellungen mit Titandioxid, wo sie allen organischen Blau- und Grünpigmenten überlegen sind. Sehr fein ausgemahlene Typen mit Teilchengrößen unter 0,1 µm eignen sich für transparente Beschichtungen mit hervorragender Wetterbeständigkeit in einem Farbtonbereich, wo organische Pigmente den Anforderungen oft nicht genügen. Das Färbevermögen von Spinellschwarz-Pigmenten entspricht etwa dem der EisenoxidschwarzPigmente. Sie sind gut dispergierbar und neigen nur sehr schwach zur Flockulation, so dass auch mit ihnen pigmentierte Graulacke, im Vergleich zu solchen mit Ruß-Pigmenten, oft keinen oder nur einen geringen Rub-out-Effekt (s. S. 403) zeigen. Die komplexen anorganischen Buntpigmente eignen sich zur Pigmentierung aller Arten von Beschichtungen, an die hohe Anforderungen bezüglich der Licht-, Wetter- oder Chemikalienbeständigkeit gestellt werden. Wichtige Gebiete sind Fassadenbeschichtungen oder Coil Coating-Lacke. Aufgrund ihrer Temperaturbeständigkeit und leichten Dispergierbarkeit haben sie sich auch in Pulverlacken bewährt. 2.3.5.3 Cadmiumpigmente

Cadmium-Pigmente werden aufgrund ihrer chemischen Zusammensetzung auch als Sulfid/ Selenid-Pigmente bezeichnet. Alle beruhen auf Cadmiumsulfid und kristallisieren im hexagonalen Wurtzitgitter. Sie zeichnen sich aus durch besonders brillante Bunttöne, hohes Deckvermögen, gute Farbstärken, gute Temperaturbeständigkeit und absolute Migrationsechtheit. Weitere Kenndaten enthält Tab. 2.24 (Seite 154). Cadmium-Pigmente sind aufgrund ihres Cd-Gehaltes schon länger Gegenstand einer kritischen Diskussion. Trotz dieser Bedenken und auch trotz ihres relativ hohen Preises haben sie sich in bestimmten Sektoren der Lackindustrie, in denen ihre Substitution durch hochwertige

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Tab. 2.24: Eigenschaften von Cadmiumpigmenten Bezeichnung

Farbe

C.I.

Dichte

Teilchengröße

Cadmiumgelb

grünstichig gelb (Cd,Zn )S

P.Y. 35

Cadmiumgelb

rotstichig gelb

CdS

P.Y. 37

Cadmiumorange orange

Cd (S,Se),Se < 10 %

P.O. 20

Cadmiumrot

Cd (S,Se),Se > 10 %

P.R. 108

4,3 bis 5,3 [g/cm 3]

0,1 bis 0,3 [μm]

Teilchengröße [μm]

rot

Formel

Tab. 2.25: Bezeichnung und Eigenschaften von Bleichromat-Pigmenten Bezeichnung

Farbe

Formel

Kristallsystem

C.I.

Dichte [g /cm 3 ]

Chromgelb

grünstichig gelb

Pb(Cr,S)O4

orthorhombisch

P.Y. 34

5,5 bis 5,7

0,2 bis 0,6

Chromgelb

hellgelb goldgelb

Pb(Cr,S)O4 PbCrO4

monoklin, P.Y. 34 nadelförmig

5,4 bis 6,0

0,1 bis 0,8 I:d < 3:1

Molybdatrot

rot

Pb(Cr,Mo,S)O4

tetragonal

P.R. 104

5,5 bis 6,2

0,15 bis 0,25

Pb2[CrO4(OH)2]

P.O. 21

6,6 bis 7,1

Chromgelb + Eisenblau

P.G. 15

Chromgelb + Phthalocyaninblau

P.G. 48

Molybdatorange

orange

Chromorange

orange

Chromrot

rot

Chromgrün

grün

Chromechtgrün grün

0,4 bis 1,0 0,1 bis 1,0 1 bis 12

Kombinationen organischer und anorganischer Pigmente bis heute nur unter Inkaufnahme coloristischer Einbußen zu erreichen ist, ziemlich lange halten können, z.B. in hochtemperaturbeständigen, überspritzechten Einbrennlacken, Pulverlacken oder Coil-Caoting-Systemen. Heute dürfen Cadmiumpigmente nur noch eingesetzt werden, wenn keine adäquate Substitution möglich ist. 2.3.5.4 Chromat-Pigmente Die Pigmente dieser Gruppe werden auch als Bleichromate bezeichnet und existieren in den Farbtonbereichen Gelb, Orange und Rot. Die Zusammensetzung der einzelnen Pigmente und ihre Farbtöne sind in der Tab. 2.25 zusammengestellt.

Mischungen aus Chromgelb und Phthalocyaninblau werden als Chromechtgrün bezeichnet, solche mit Eisenblau-Pigmenten als Chromgrün. Beide finden heute kaum noch Verwendung. Bleichromat- und Bleimolybdatpigmente sind als gesundheitsgefährdende Stoffe eingestuft. Bei ihrer Herstellung und Handhabung sind die dementsprechenden Vorsichtsmaßnahmen zu treffen. Entsprechend der Empfehlungen der MAK-Kommission werden sie als krebserzeugend, Kategorie 3B eingestuft. Vorschriften und Maßnahmen siehe GESTIS-Stoffdatenbank (www.dquv.de/bgia/ stoffdatenbank). Aufgrund ihres Deckvermögens und des guten Glanzverhaltens haben sich Chromatpigmente lange Zeit in Automobillacken, Industrielacken und Bautenlacken bewährt. Heute werden sie in vielen Ländern aus toxikologischen und ökologischen Gründen durch andere, meistens teurere Pigmente und Pigmentmischungen substituiert. Nicht eingesetzt werden dürfen sie in Kunststoffen und Lacken für Spielzeug. 2.3.5.5 Bismutvanadat-Pigmente Im Gegensatz zu den komplexen anorganischen Buntpigmenten stellen Bismutvanadat-Pigmente (P. G. 184) ein Gemisch zweier unterschiedlicher Substanzen dar mit einer Spanne in der

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Pigmente und Füllstoffe

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Zusammensetzung von BiVO4 bis zum Mischpigment 4 BiVO4 · 3 Bi2MoO6. Dabei ist BiVO4 die farbgebende Komponente. Sie weisen eine hohe Farbstärke auf, sind sehr brillant und haben ein hohes Deckvermögen. Mit ihrem grünlich-gelben bis rotstichig-gelben Farbton kommen sie von allen anorganischen Pigmenten in ihrem coloristischen Verhalten den Cadmiumgelb- und Chromgelb-Pigmenten am nächsten. Obwohl sie wesentlich teurer sind als NickeltitangelbPigmente, kann sich ihr Einsatz aufgrund des reineren Farbtones und des vier- bis fünfmal höheren Färbevermögens doch rechnen. Eingesetzt werden sie in bleifreien, wetterbeständigen brillant-gelben Automobildecklacken und Industrielacken. Sie eignen sich zur Pigmentierung vieler anderer Lacksysteme und, im Gemisch mit anderen Pigmenten, auch für Farbtöne im Orange- und Rot-Bereich. 2.3.5.6 Eisenblau-Pigmente

Bei den Eisenblau-Pigmenten (C.I. Pigment Blue 27, 77150) handelt es sich um Produkte, die u.a. auch unter den Namen „Milori Blau“, „Vossen Blau“, „Berliner Blau“, „Preußisch oder Turnbulls Blau“ bekannt sind. Sie haben die Zusammensetzung M[FeII FeIII (CN)6] · x H2O mit M = Na, K oder NH4. Durch die Variation des Kations und der Herstellungsbedingungen können grün- bis violettstichige Nuancen sowie bronzierende oder nicht bronzierende Typen hergestellt werden. Aufgrund ihrer Feinteiligkeit sind sie sehr farbstark, aber schwer zu dispergieren. Sie können kurzzeitig bis ca. 180 °C erhitzt werden. Ihre Licht- und Wetterechtheit ist hervorragend, allerdings sind sie empfindlich gegenüber konzentrierten Säuren und Oxidationsmitteln und besonders gegen Alkali. Eingesetzt werden sie heute hauptsächlich im Druckfarbensektor, früher in Automobildecklacken. Derzeit ist ihr Verbrauch rückläufig. 2.3.5.7 Ultramarin-Pigmente

Die Ultramarin-Pigmente gehören zu den Alumosilicaten, in denen weitmaschige Gerüste aus AlO4- und SiO4-Tetraedern vorliegen. In die Hohlräume dieser Gerüste sind Schwefelverbindungen als chromophore Gruppen eingelagert. Ihre Zusammensetzung genügt ungefähr der Formel Na6+xAl6–ySi6+yO24 · Sn mit n = 2 bis 4 und y zwischen etwa 0,2 und 1,2. Durch die x überschüssigen Na-Ionen wird die Ladung des anionischen Schwefels ausgeglichen. Je nach Struktur der Sn-Spezies erhält man blaue (C.I. Pigment Blue 29, 77007), grüne, rote (C. I. Pigment Red 15, 77007) oder violette (C. I. Pigment Violet 15, 77007) Ultramarine, von denen die mit einem rot- bis grünstichigen Blau am brillantesten sind. Die Pigmente sind sehr lichtecht und temperaturbeständig bis etwa 400 °C. Ihre Alkalibeständigkeit ist ausreichend gegen Kalk, aber nicht Zement. Dagegen reagieren sie mit allen Säuren. Sie werden u.a. in Druckfarben, Dispersionsfarben, Einbrennlacken, Industrielacken und Pulverlacken eingesetzt. Nicht geeignet sind sie für lufttrocknende farbige Lacke zur Außenanwendung.

2.3.6 Organische Buntpigmente 2.3.6.1 Allgemeine Eigenschaften

Seit die Verwendung einiger anorganischer Pigmente wegen ihres Schwermetallgehaltes eingeschränkt wurde, haben die organischen Pigmente in der Lackindustrie an Bedeutung gewonnen. Weltweit wurden 1993 etwa 170 kt organischer Pigmente hergestellt, wovon etwa die Hälfte in Druckfarben und ein Viertel in Lacken verwendet wurde. Wie Tab. 2.26 (Seite 156) zeigt, unterscheiden sich die organischen Pigmente von den anorganischen Pigmenten in einer Reihe von Eigenschaften: Organische Pigmente sind bis zu zehnmal feinteiliger als anorganische Pigmente. Ihr Streuvermögen ist zwar geringer, aber sie sind meistens farbstärker und brillanter als anorganische Pigmente. Aufgrund ihres chemischen Aufbaus weisen sie meistens hydrophobe Oberflächen auf.

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Lackrohstoffe

Tab. 2.26: Vergleich anorganischer und organischer Pigmente Eigenschaft

Anorganisches Pigment

Organisches Pigment

Primärteilchengröße

eher groß

eher klein

Streuvermögen

meistens größer

meistens geringer

Farbstärke

meistens geringer

meistens größer

Oberflächencharakter

hydrophil

hydrophob

Temperaturbeständigkeit

meistens größer

meistens geringer

Verallgemeinertes Eigenschaftsprofil

lichtecht*) deckend wetterecht*) leicht dispergierbar

farbstark transparent brillant

*)  Die Lichtechtheit wird nach der 8stufigen Wollskala (1 = schlechtester Wert, 8 = bester Wert) bewertet, die Wetterechtheit nach der 5stufigen Grauskala (1 = schlechtester Wert, 5 = bester Wert, keine Farbänderung)

Organische Pigmente sind oft ziemlich hitzeempfindlich und auch die hitzebeständigsten sind, wie fast alle organischen Verbindungen, in Gegenwart von Luft nur bis max. 300 °C stabil. Viele organische Pigmente haben nur eine eingeschränkte Licht- und Wetterechtheit. Ihre Chemikalienbeständigkeit hängt stark von ihrer chemischen Natur ab. Wie bei den anorganischen Pigmenten auch beeinflusst die Kristallstruktur und die Teilchengröße einige wichtige Pigmenteigenschaften und -echtheiten. Bei den drei Modifikationen des unsubstituierten Kupfer-Phthalocyanins (P.B. 15), die technische Bedeutung erlangt haben (bezeichnet als α, β- und ε-CuPc) verschiebt sich z.B. der Farbton vom rotstichigen Blau der ε-Modifikation über das relativ neutrale Blau der α-Modifikation zum eher grünstichigen Blau der β-Modifikation. Die Teilchengröße beeinflusst das Deckvermögen, die Farbstärke, den Farbton, verschiedene Echtheiten, die Dispergierbarkeit, die Flockulationsneigung und das Fließverhalten des pigmentierten Mediums. Wie bei anorganischen Pigmenten auch lassen sich grobteiligere organische Pigmente leichter dispergieren; die Stabilität solcher Dispersionen ist dann größer, ihr rheologisches Verhalten unproblematischer und die Echtheiten sind besser als bei feinteiligeren Typen. Gleichzeitig verschiebt sich der Farbton, und die Farbstärke nimmt ab. Da die mittlere Teilchengröße organischer Pigmente meistens unter dem für das Streuvermögen optimalen Wert liegt (s. Abb. 2.33), weisen grobteiligere organische Pigmente ein größeres Deckvermögen auf. Organische Pigmente werden synthetisch hergestellt und zu pulverförmigen Produkten getrocknet. Die einzelnen Synthesen sind sehr verschieden und z.T. recht aufwendig, was für den oft hohen Preis der organischen Buntpigmente maßgeblich ist. 2.3.6.2 Einteilung von orgwanischen Pigmenten

Allgemeines Die organischen Pigmente können entsprechend Tab. 2.27 grob in drei Gruppen eingeteilt werden. Viele organische Pigmente leiten sich von organischen Farbstoffen ab, wobei es vor allem darauf ankommt, die Löslichkeit in Wasser oder organischen Lösemitteln durch verschiedene Maßnahmen herabzusetzen oder gänzlich auszuschalten. Durch „Verlacken“ saurer Gruppen erhält man z.B. schwerlösliche Metallsalze. Zur Löslichkeitsunterdrückung lassen sich ferner polare Gruppen, vor allem Säureamid- und Cl-Gruppen in die Pigmentmoleküle einführen, und schließlich ist eine Schwerlöslichkeit auch durch Molekülvergrößerung zu erreichen. Am sinnvollsten werden die organischen Pigmente entsprechend DIN 55 944 nach chemischen Gesichtspunkten eingeteilt.

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Pigmente und Füllstoffe

Azopigmente Azopigmente der allgemeinen Formel R1–N=N–R2 enthalten als namensgebende Gruppe mindestens eine Azogruppe –N=N–. Sie sind der Menge nach die wichtigste Gruppe organischer Pigmen­te (ca. 60 % der Produktion) und, verglichen mit anderen organischen Buntpigmenten, oft relativ preiswert. Unterschieden wird zwischen Monoazo­pigmenten mit nur einer Azogruppe pro Molekül und Disazo-Pigmenten mit zwei derartigen Gruppen (R1–N=N–R2–N=N–R1). Eine weitere Unterteilung beider Untergruppen erfolgt nach chemischer Natur der organischen Reste Rn, die mehr oder weniger Tab. 2.27: Einteilung organischer Pigmente Pigmentgruppe Beispiele

Farbbereich

C.I. I

Azopigmente Monoazopigmente

grünstichiges Gelb – Gelb – Orange – Rot – Violett / Braun

Acetoacetarylid

grünstichiges bis mittleres Gelb

P.Y. 1

Naphthol AS

Gelb – Rot, Bordeaux/Braun

P.O. 36

Benzimidazolon

gelbstichiges Rot – Bordeaux/Carmin/ Violett/Braun

P.R. 112

verlackte β-NaphtholFarbstoffe

gelbstichiges Rot

P.R. 53:1

Disazopigmente

grünstichiges Gelb – Gelb – Orange – Rot/Braun

Azokondensationspigmente

Gelb/Orange/Scharlach/Rot/Braun

P.R. 144

Dipyrazolon

Orange/gelbstichiges Rot

P.O. 13

Polycyclische Pigmente

Gelb – Orange – Rot –Violett – Blau – Grün/Marron/Braun

Chinacridon

blaustichiges Rot/Violett

P.V. 19

Dioxazin

Violett

P.V. 23

Perylen

Orange/Rot

P.R. 149

Diketo-Pyrrolo-Pyrrol

gelbstichiges Rot

P.R. 254

Isoindolin

Gelb – Orange – Rot

P.Y. 139

rotstichiges Blau – gelbstichiges Grün

P.Bl. 15

Metallkomplexpigmente Cu-Phthalocyanine

Tab. 2.28: Einige Eigenschaften verschiedener Azopigmente Pigmentgruppe

Lichtechtheit

Überlackierbarkeit, Lösemittelechtheit

Farbton

Monoazogelb und Monoazoorange

mäßig – gut

meist gering

grünstichig – stark rotstichig Gelb

β-Naphtol

mäßig

gering

gelbstichig Orange – blaustichig Rot

Naphtol AS

gering – gut

gering – gut

gelbstichig – sehr blaustichig Rot

BONS verlackt, mäßig (=Beta-oxynaphthoesäure)

gut

gelbstichig – blaustichig Rot

Benzimidazolon

gut

sehr gut

grünstichig Gelb – sehr blaustichig Rot, Braun

Diarygelb

meist gering

mäßig gut

stark grünstichig – sehr rotstichig Gelb

Disazokondensation

meist gut

gut

grünstichig Gelb – Rot – Violett

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Lackrohstoffe

ausgedehnte π-Elektronensysteme enthalten. Azopigmente decken den roten bis gelben Farbtonbereich ab. Typische Beispiele können der Tabelle 2.28 entnommen werden. Einfache Azopigmente erfüllen meistens nur schlecht oder allenfalls mäßig die gängigen Anforderungen bezüglich Lichtechtheit und Überlackierbarkeit, während sich mit hochwertigen Typen auch gute Echtheiten erreichen lassen. Polycyclische Pigmente Unter den polycyclischen Pigmenten finden sich chemisch sehr verschiedene Verbindungen, deren Gemeinsamkeit darin besteht, dass sie alle carbo- und/oder heterocyclische Strukturen, jedoch keine Azo-Gruppen enthalten. Die eigentlich auch dazu gehörenden KupferphthalocyaninPigmente werden gelegentlich mit anderen Metallkomplexpigmenten in einer eigenen Gruppe zusammengefasst. Generalisierende Aussagen sind wegen der großen Verschiedenheit der polycyclischen Pigmente oft schwierig. Ihre Eignung für besondere Gebiete, wie Coil Coating-Lacke oder Pulverlacke, muss ggf. überprüft werden. Durchweg sind sie lösemittel- und überlackierecht. Auch ihre Temperaturund Chemikalienbeständigkeit sowie ihre Licht- und Wetterechtheit ist meistens gut. Höchste Echtheiten findet man bei den Chinacridon- und den Diketopyrrolopyrrol-Pigmenten. Abstriche an der Licht-, Wetter- und Lösemittelechtheit sind bei den Isoindolin-Pigmenten zu machen. Eingesetzt werden die im Preis oft hochliegenden polycyclischen Pigmente häufig in Automobildecklacken und hochwertigen Industrielacken. Metallkomplexpigmente Die Kupferphthalocyanin-Pigmente (CuPc-Pigmente) sind die wichtigsten Vertreter der Metallkomplex-Pigmente Andere Metallkomplexe spielen heute nur eine untergeordnete Rolle. CuPcPigmente decken den Bereich von einem gelbstichigen Grün bis zu einem rotstichigen Blau ab. Ihre Farbe lässt sich durch den Grad und die Art der Halogenierung steuern. Die unsubstituierten oder nur niedrig chlorierten Typen sind blau. Durch Substitution von 14 bis 16 H-Atomen pro Molekül durch Cl-Atome erhält man blaustichige Grünpigmente (P.G. 7). Je mehr dieser ClAtome durch Br-Atome substituiert werden (8 bis 13), desto gelbstichiger werden die Pigmente (P.G. 36). Dank ihrer hohen Echtheiten und ihres relativ niedrigen Preises sind sie neben den Azopigmenten die zweitgrößte Gruppe organischer Pigmente. Sie werden in allen Arten von Beschichtungsstoffen verwendet. 2.3.6.3 Optische Eigenschaften organischer Pigmente

Wie bereits erwähnt, wird das Deckvermögen von Buntpigmenten durch die Absorption und die Streuung von Licht bestimmt. Aufgrund ihrer meistens hohen Brechzahl und des damit verbundenen hohen Streuvermögens decken anorganische Buntpigmente hauptsächlich durch Lichtstreuung. Organische Buntpigmente streuen stark dagegen nur bei bestimmten Wellenlängen merklich (s. Abb. 2.32). Ihr Deckvermögen wird hauptsächlich durch ihr Absorptionsverhalten bestimmt. Organische Blau- und Violettpigmente absorbieren große Teile des eingestrahlten Lichtes, so dass entsprechend deckende Lackierungen dunkel erscheinen. Die Brechzahlen organischer Pigmente steigen an der kurzwelligen Absorptionskante oft stark an und nehmen dann zu größeren Wellenlängen hin wieder ab, wobei sie sich der Brechzahl des Bindemittels annähern. Je größer der Bereich ist, in dem sich die Brechzahl des Pigmentes nicht wesentlich von der des Bindemittels unterscheidet, desto geringer ist der Beitrag der Lichtstreuung zum Deckvermögen eines organischen Pigmentes. Der Einfluss der Teilchengröße auf das Streuvermögen wurde in Kapitel 2.3.2.3 bereits erörtert. Wie dort dargestellt, wird das Aussehen eines lackierten Gegenstandes durch Spiegelung, Streuung und Absorption in der Lackschicht und am Untergrund festgelegt. Bei deckenden Systemen ist der Untergrund definitionsgemäß nicht sichtbar. Uni-Farbtöne werden hier meistens durch gut deckende anorganische Bunt- und Weißpigmente erreicht. Eventuell vorhandene organische Buntpigmente tragen vor allem zur Farbgebung bei.

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Pigmente und Füllstoffe

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Bei transparenten Lackierungen dagegen spielt auch die Farbe und das Streuverhalten des Untergrundes eine wichtige Rolle. So kann z.B. eine transparente Lackierung auf stark streuendem weißem Untergrund in rotstichigem Gelb erscheinen und auf gerichtet reflektierendem metallischem Aluminium in einem Goldton. Eine auf weißem Untergrund blaue Lackierung erscheint über einem schwarzen Untergrund violett-stichig schwarz. Licht, das den Untergrund erreicht, wird vollständig absorbiert. Da Blaupigmente im roten und gelben Bereich stark absorbieren, überwiegt in dem aufgrund der sehr schwachen Streuung nur geringen Anteil remittierten Lichts der Blau- und Violettanteil. 2.3.6.4 Anwendungsgebiete für organische Pigmente

Das Einsatzgebiet eines Pigmentes wird nicht nur durch seine chemische Identität bestimmt, da sich chemisch identische Pigmente in vielen physikalischen Eigenschaften, wie Kristallstruktur und Teilchengröße, und den davon abhängigen Kriterien, wie z.B. Deckvermögen oder Farbstärke, beträchtlich unterscheiden können. Die generalisierende Angabe von Verwendungsgebieten der einzelnen Pigmentklassen ist deshalb nur als Orientierungshilfe zu verstehen. Für den Einsatz in hochwertigen Industrielacken werden oft sehr hohe Echtheiten gefordert. Sehr hoch sind z.B. die Anforderungen an Pigmente für Automobilserien- und Automobilreparaturlacke. Wegen der oft automatischen Applikation müssen die Lacke gut fließen und ihre rheologischen Eigenschaften konstant sein. Besonders High Solid-Lacke erfordern eine Optimierung der Teilchengröße und ggf. eine Oberflächenbehandlung, um den Einfluss der Pigmente auf die Lackviskosität zu reduzieren, der bei organischen Pigmenten aufgrund ihrer geringeren Teilchengröße größer ist als bei anorganischen Pigmenten. Hoher Glanz, z.B. bei Automobillacken, setzt eine gute Stabilität der Pigmentdispersion voraus. Geeignet sind, abgesehen von Isoindolin-Pigmenten, fast alle polycyclischen und CuPc-Pigmente. Azopigmente kommen, bis auf einige Disazokondensations- und Benzimidazolon-Pigmente, nur wenig zum Einsatz.



■ An Pigmente für allgemeine Industrielacke sind die Anforderungen meistens nicht so hoch. Es werden allgemein gute Licht-, Wetter- und Lösemittelechtheiten erwartet. In einigen Fällen, z.B. bei lufttrocknenden Lacken, sind die Anforderungen an die Lösemittelechtheit geringer. Bei preiswerten Produkten werden oft auch Abstriche an den anderen Echtheiten gemacht. Im Falle von Coil Coating-Lacken ist natürlich eine ausreichende Temperaturbeständigkeit der Pigmente unerlässlich, wie sie nur von wenigen hochwertigen organischen Pigmenten erreicht wird. Aufgrund dieses doch recht weit gefassten Anforderungsprofils kommen im Bereich der allgemeinen Industrielacke fast alle Pigmente zum Einsatz. Auf polycyclische Pigmente greift man nur zurück, wenn dies durch hohe Echtheitsanforderungen unbedingt notwendig ist. ■ In wässriger Phase ist die Dispergierung organischer Pigmente wegen ihrer hydrophoben Oberfläche oft schwierig. Eine entsprechende Oberflächenbehandlung der Pigmente kann die Benetzung erleichtern. Es müssen meistens auch oberflächenaktive Dispergieradditive zugesetzt werden. Zusätzlich zur sterischen Stabilisierung ist in Wasser eine elektrostatische Stabilisierung möglich. In solchen Fällen formuliert man die Lacke wegen der unproblematischeren Anwendung oft mit Hilfe von Pigmentpräparationen. Teure polycyclische Pigmente kommen nur für das Nuancieren zum Einsatz oder in Einsatzgebieten, die wie Außenfarben oder Automobillacke besonders hohe Anforderungen an die Wetterechtheit oder anderen Echtheiten stellen. Ansonsten werden hier viele Azopigmente angewendet.

Pulverlacke enthalten weder Wasser noch organische Lösemittel. Die Pigmente werden hier in die reaktiven Bindemittelsysteme mittels Extruder eingearbeitet. Beim Verarbeiten scherempfind­ licher Pigmente ist Vorsicht geboten, da die Partikel im Extruder leicht geknickt oder gebrochen werden können. Die bei Pulverlacken recht hohen Einbrenntemperaturen erfordern entsprechend temperaturbeständige Pigmente.



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Lackrohstoffe

2.3.7 Effektpigmente In der DIN 55 944 wird bei den anorganischen Effektpigmenten unterschieden zwischen Metall­ effekt­pigmenten, Perlglanzpigmenten und Interferenzpigmenten. Die optische Wirkung dieser überwiegend flächig ausgebildeten Pigmente beruht auf folgendem Phänomen: • An Metalleffektpigmenten tritt eine weitgehend gerichtete Reflexion an den ausgerichteten Pigmentteilchen ein, • bei Interferenzpigmenten beruht die farbgebende Wirkung ganz oder vorwiegend auf dem Phänomen der Interferenz von Licht an dünnen, hochbrechenden Schichten. • Perlglanzpigmente erzeugen ihren charakteristischen Perlglanz durch Mehrfachreflexion des Lichtes an flächig ausgebildeten, ausgerichteten, stark lichtbrechenden transparentenPlättchen. 2.3.7.1 Metalleffektpigmente

Einführung Bei Metalleffektpigmenten handelt es sich in der Regel um plättchenförmige Teilchen meistens aus Nichteisenmetallen. Es sind auch andere Teilchenformen als die der Metallplättchen (Flakes) bekannt, wie die des kugelförmigen Zinkstaubes oder des dendritischen Kupferpulvers. Die Plättchen können Durchmesser von wenigen Millimetern (Flitter) bis zu wenigen Mikrometern (Bronzepulver) aufweisen. Sie können für sich alleine oder kombiniert mit mehr oder weniger transparenten Farbmitteln als farb- und effektgebendes Pigment in Lacken, Druckfarben und Kunststoffen verwendet werden. Ihr Anwendungsspektrum in der Lackindustrie ist sehr breit. Sie werden z.B. in Metalleffektlacken, hitzefesten Anstrichen, Grundierungen, Hammerschlaglacken und beim Korrosionsschutz verwendet. Dabei können sie auch funktionelle Aufgaben übernehmen. Aus historischen Gründen werden Metalleffektpigmente in Silber- und in Goldbronzen eingeteilt. Während es früher wirklich Cu/Sn- oder Cu/Al-Bronzen waren, bestehen sie heute vor allem aus Al, Cu oder Cu/Zn-Legierungen und seltener aus Silber- oder Nickel-Legierungen. Hergestellt werden die Metalleffektpigmente überwiegend nach dem Hall-Prozess, bei dem z.B. Aluminium (mit einer Reinheit von etwa 99,5 %) zu einem feinen Aluminiumgrieß verdüst wird. Dieses Zwischenprodukt wird gesichtet und anschließend in Kugelmühlen unter Zusatz von Testbenzin und Mahlhilfsmitteln zu plättchenförmigen Teilchen zerkleinert und verformt. Die Mahlhilfsmittel haben die Aufgabe, ein Kaltverschweißen der Al-Plättchen während des Mahlens zu verhindern. Sie wirken wie Schmiermittel. Durch die Mahldauer sowie Art und Menge der Mahlhilfsmittel werden die Al-Pigmente bereits auf ihr späteres Anwendungsgebiet hin eingestellt. • Leafing-Pigmente Wird als Mahlhilfsmittel z.B. Stearinsäure eingesetzt, so binden sich die Carboxylgruppen an die Oberflächenoxide des Metallpigments. Der lange KW-Rest ragt von der Oberfläche weg. Weitere Stearinsäuremoleküle lagern sich in einer Kopf-Schwanz-Formation in diese KW-Schicht ein, die zusätzlich durch die Ausbildung von Wasserstoffbrücken stabilisiert wird. Man erhält auf der Pigmentoberfläche also eine Doppelschicht aus Stearinsäuremolekülen, deren polare Enden nach außen zeigen (Abb. 2.40). Die Pigmentoberfläche ist dann hydrophil oder oleophob. Die Verträglichkeit mit dem Bindemittel ist herabgesetzt und das Pigment schwimmt aufgrund der hohen Grenzflächenspannung im Lack auf (Leafing-Effekt). Solche Leafing-Typen bilden an der Oberfläche einen dichten Spiegel von parallel zur Lackoberfläche orientierten Metallplättchen. Leafing-Pigmente werden vor allem dort eingesetzt, wo eine hohe physikalische Diffusionssperre und/oder Reflexion von Wärme- und UV-Strahlung angestrebt wird. Für Grundierungen sind solche Pigmente nicht geeignet.

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Pigmente und Füllstoffe

• Non-Leafing-Pigmente Verwendet man statt Stearinsäure verzweigte oder ungesättigte Fettsäuren, z.B. Ölsäure, oder polare Substanzen wie Fettamine als Schmiermittel, so binden sich ebenfalls die Carboxylgruppen an die Oberflä­chen­oxide der Metallpigmente. In diesem Falle ragen die KW-Reste aber nicht von der Oberfläche weg, sondern legen sich an die Oberfläche an, wodurch die Ausbildung der Doppelschicht unterbleibt. Die Oberfläche bekommt einen mehr unpo­laren, oleophilen Charakter (Abb. 2.41). Solche Non-Leafing-Pigmente werden in unpolaren Lacksystemen durch das Bindemittel gut benetzt, schwimmen nicht auf und verteilen sich gleichmäßig über die gesamte Filmschicht. Nach dem Absieben des Grobanteiles wird die Pig­ men­tsuspension außer in speziellen Fällen auf die handelsübliche Zusammensetzung von 65 % Festkörper und 35 % Lösemitteln eingestellt. Für den Einsatz in Wasserlacken werden auch phosphatierte, chroma­tierte und/ oder mit einer Schutzschicht (anorganisch, z.B. SiO2, oder Korrosionsinhibitoren, wie Phos­phor­­säureester, oder aus Polymeren) umhüllte Typen angeboten.

H O

O

H O

O

C

H O

C

O C

C

C

O

O

O

O

Al-Oberfläche

Abb. 2.40: Erzeugung einer hydrophilen Oberfläche durch Belegung mit Stearinsäure

C O

C O

O

C O

O

O

Al-Oberfläche

Abb. 2.41: Erzeugung einer oleophilen Oberfläche durch Belegung mit Ölsäure

Eigenschaften von Metalleffektpigmenten Die chemischen Eigenschaften der Metalleffektpigmente hängen natürlich von ihrer chemischen Zusammensetzung ab. Al-Pigmente reagieren mit Säuren und Alkali unter Wasserstoffentwicklung, wobei sie ihren metallischen Glanz verlieren. Cu- und Cu/Zn-Pigmente sind wesentlich weniger reaktiv. Sie sind oft gegen Säure-, aber selten gegen Alkali empfindlich. In alkalischem Milieu sind Komplexbildungen möglich, während es in Gegenwart von Säure zu Eindickung oder seltener zur Grünfärbung durch Cu-Ionen kommen kann. Teilchenform und Teilchengröße beeinflussen entscheidend die optischen Eigenschaften von Metalleffektpigmenten. Das Verhältnis von Dicke zu Durchmesser der Plättchen wird als Formfaktor bezeichnet und liegt i. a. zwischen 1:50 und 1:500. Die Form der Plättchen variiert je nach Herstel­lungs­prozess zwischen nahezu kreisrund und unregelmäßig. Die nach den üblichen Herstellungsverfahren produzierten Aluminiumpigmente weisen eine mehr oder weniger statistische Teilchengrößenverteilung mit einem d50 zwischen 5 und 50 µm auf. Die Dicke der Plättchen beeinflusst neben dem Deckvermögen vor allem die mechanische Stabilität der Pigmente. Eine zu starke Scherbelastung beim Dispergieren oder in Ringleitungen kann zu einer Verformung der Plättchen oder sogar zu einer Nachzerkleinerung führen, mit Verlust der optischen Qualität, Stippenbildung und eventuell mit chemischen Reaktionen. Koloristische und Glanzwirkungen Die für den optischen Effekt charakteristischen Merkmale sind • die Abbildeschärfe (DOI: distinctiveness of image) • die Brillanz (sparkle)

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• • • • •

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der Flop (two tone) die Helligkeit (lightness, brightness, whiteness) die Bunttonsättigung das Deckvermögen die Färbekraft (tinting strength)

Die Lichtreflexion an den Oberflächen der Pigmentplättchen bewirkt den metallischen Effekt, dem eine Lichtstreuung an den Kanten der Plättchen überlagert ist. Das Verhältnis von Kantenlänge zu Pigmentoberfläche wächst mit abnehmender Teilchengröße und ist bei unregelmäßiger Form der Teilchen generell größer. Daraus lässt sich die Abhängigkeit einiger optischer Eigenschaf­ten der Metallpigmente von der Teilchenform, Teilchengröße und Teilchengrößenverteilung herleiten. • Je größer ein Pigmentteilchen, je geringer der Feinanteil und je gleichmäßiger die Form, desto höher ist die Brillanz und die Helligkeit. • Je weniger Feinanteil enthalten ist, desto gesättigter ist der Buntton bzw. die Chromatizität in Einfärbungen. • Grobe Teilchen führen zu niedrigerem Lackglanz, was sich in verminderter, wenn nicht sogar schlechter Abbildeschärfe äußert. • Je feiner ein Pigment ist, desto stärker fällt in der Lackierung das Deckvermögen aus; gleichzeitig erscheint es auch dunkler. Ein feines Pigment erscheint demnach zugleich weißer und dunkler als ein gröberes. Dieser scheinbare Widerspruch ist darauf zurückzuführen, dass Streulicht nicht nur aus der Lackschicht heraus abgestrahlt wird, sondern auch nach innen in den Lack hinein. Dadurch verringert sich gegenüber den gröberen Pigmenten (mit einem höheren Anteil an aus dem Lack heraus gerichteter Reflexion) die Intensität des remittierten Lichtes. Von anderen unbunten Pigmenten unterscheiden sich Al-Bronzen durch ihren metallischen Glanz. Bei den Cu-haltigen Bronzen unterscheidet man je nach Farbton folgende „Naturfarbtöne“: Kupfer, Bleichgold (Cu/Zn = 90/10), Reichbleichgold (Cu/Zn = 85/15) und Reichgold (Cu/Zn = 75/25). Bei feuergefärbten Bronzen lassen sich durch Oxidation der Pigmentoberfläche noch eine Reihe weiterer Farbtöne wie Seegrün, Dukatengold oder Feuerrot erzielen. Flop-Effekte

Intensität

100

Lack 1

Lack 2

10

38°

45° (= Einfallswinkel)

Beobachtungswinkel β 10°

30°

50°

70°

Abb. 2.42: Goniophotometerkurven zweier Metalliclacke

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Das charakteristische optische Merkmal von Metalleffektlacken ist die Abhängigkeit der Helligkeit von den Winkeln, die Lichtquelle, Lackoberfläche und Beobachter zueinander einnehmen. Ist der Beobachtungswinkel annähernd gleich dem Einfallswinkel des Lichtes (Glanzwinkel), so erscheint die Beschichtung bedeutend heller als bei Beobach­tungswinkeln, die wesentlich vom Einfallswinkel abweichen. Um diese als Flop bezeichnete Erscheinung quantitativ zu erfassen, wird ein MetallicLackprüfblech konstant unter einem Winkel von 45° beleuchtet und die Remission in Abhängigkeit vom Beobachtungswinkel gemessen (Abb. 2.42 und Abb. 2.43). Der Flop (ME-Wert) errechnet sich nach folgender Formel: ME – Wert =

R (45ϒ/ 38ϒ) · 100 R (45ϒ/0ϒ)

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Pigmente und Füllstoffe

Je steiler der Abfall vom Glanzwinkel ist, desto ausgeprägter erscheint der Flop, und je höher in der Goniophotometerkurve die typische Schulter bei ca. 38° ist, desto brillanter wirkt das Pigment. Da der Flop durch das Verhältnis von direkt reflektiertem Licht zu diffus gestreutem Licht bestimmt wird, ist er bei gröberen Pigmenten markanter als bei feineren. Aus diesem Grunde sind auch Flop und Abbildeschärfe gegenläufig.

Lichtquelle

Normale 45° 38°

Betrachtungsrichtungen

Metallic-Probe

Abb. 2.43: Messgeometrie zur Flop-Bestimmung

2.3.7.2 Perlglanz- und Inter­ferenz-Pigmente

Auch Perlglanz-Pigmente verdanken die optische Wirkung ihrer Plätt­chen­form. Einfallendes Licht wird bei ihnen an den Phasengrenzen Bindemittel/Pigment – und ggf. an Phasengrenzen im Inneren der Partikel – entsprechend dem Brechzahlunter­schied der beteiligten Phasen – teilweise gerichtet – reflektiert. Perlglanzpigmente sind dabei im Unterschied zu den Metalleffektpigmenten durchscheinend. Typisch für ihre Wirkung ist, dass ein großer Teil des einfallenden Lichtes das Pigmentteilchen durchdringt und dann am nächst unteren Pigmentteilchen erneut teilweise reflektiert wird. Durch diese mehrfach partielle Reflexion entsteht der Eindruck eines aus der Tiefe kommenden Glanzes. Bei Perlen bekommt man diesen Eindruck aufgrund des schichtweisen Aufbaus aus dünnen Aragonit-Lamellen, die durch dünne Proteinschichten mit kleinerer Brechzahl getrennt sind. Natürliche Perlglanzpigmente kennt man schon seit Jahrhunderten in Form von „Fischsilber“. In der Lackindustrie werden aber nur synthetische Produkte, vor allem beschichtete Glimmer, verwendet. Den schematischen Aufbau solcher Pigmente zeigt Abb. 2.44. Die Glimmerplättchen werden Metalloxid mit einer transparenten Metalloxid-, (z.B. TiO2-) Schicht genau definierter Schichtdicke belegt. Durch diesen mehrschichtigen Aufbau wird das Licht jedoch nicht nur mehrfach reflektiert, Glimmer sondern die reflektierten Lichtstrahlen können bei geeigneter Schichtdicke auch miteinander interferieren. Bei dünnen Schichten (etwa < 50 nm) tritt eine solche Interferenz allerdings nur Abb. 2.44: Schematischer Aufbau eines Perlglanzbei schräger Betrachtung auf, und es muss dann pigmentes der Gangunterschied der beiden beteiligten Lichtstrahlen im Bereich der Wellenlänge des sichtbaren Lichtes liegen. Je nach Beobachtungswinkel und Schichtdicke treten übrigens durch gegenseitige Löschung und Verstärkung unterschiedliche Farben auf, wie in Tab. 2.29 (Seite 164) dargestellt. Allerdings sind erst bei dickeren TiO2-Schichten diese Pigmente farbig und zwar nicht nur in der Aufsicht, denn in der Durchsicht erscheint die Komplementärfarbe. Für die Interferenzfarbe gilt entsprechend der Physik dünner Schichten folgende Beziehung: λ = 4 (2z – 1) · d · n2 – sin2 α

mit z = Ordnung der Interferenz (1, 2, 3, …), α = Einfallswinkel, d = Schichtdicke, n = Brechzahl und λ = Wellenlänge.

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Um den Effekt zu verbessern, können auch synthetische Alu­ minium- oder Siliciumoxid­ Dicke der Farbe plättchen mit glatteren Ober­ Rutil-Schicht [nm] Aufsicht Durchsicht flächen als die der Glimmer­ 40 bis 50 Weiß Weiß partikel verwendet werden. 72 bis 80 Gold Blau Werden Glimmerplättchen zu 92 bis 100 Rot Grün sätzlich zur oder statt mit ei­ ner farblosen TiO2-Schicht mit 110 bis 130 Blau Gelb (gold) einer farbigen Oxidschicht be­ 140 bis 150 Grün Rot legt, z.B. Fe2O3, so erhält man farbintensivere Pigmente. Hier ergibt sich die Farbe aus Interferenzfarbe und Absorption der farbigen Metalloxidschicht. Diese auf Glimmer basierenden Effektpigmente sind, von wenigen Ausnahmen abgesehen, nicht deckend. Bringt man dagegen auf Al-Plättchen eine dünne F2O3-Schicht auf mit einer Stärke > 10 nm, so erhält man deckende, metallisch glänzende Interferenz-Pigmente aus dem gelben, orangeroten bis zum violetten Farbtonbereich. Tab. 2.29: Abhängigkeit der Farbe von Perlglanzpigmenten von der TiO2-Schichtdicke

Pigmente, die für die Außenanwendung vorgesehen sind, werden häufig noch mit einer zu­ sätzlichen Schicht umgeben, die die Wechselwirkungen zwischen Pigment und Bindemittel optimiert und im Falle von Pigmenten mit einer TiO2-Oberfläche dessen Photoaktivität reduziert (→ 2.3.3.2). Dazu wird die Metalloxidoberfläche der Perlglanz- bzw. Interferenzpigmente zu­ sätzlich mit einer metallorganischen Verbindung transparent und farblos beschichtet. Mittlerweile gibt es eine Reihe weiterer ein- und mehr­pha­siger Interferenzpigmen­te, z.B. mit Fe2O3 belegte Aluminiumpigmente, spezielle Eisenoxidplättchen mit Hämatitstruktur, plättchen­förmige Kupferphthalo­cyanine, Graphite, 1,4-Diketo­pyrrolopyrrole oder auch Flüssigkristallpigmente, mit denen sich teilweise verblüffende Effekte erzielen lassen. 2.3.7.3 Einarbeitung von Effektpigmenten in Lacke

Empfindlichkeiten Bei der Einarbeitung sowohl der Metalleffekt- als auch der Perlglanz- und Interferenzpigmente müssen aufgrund der Bruchempfindlichkeit dieser Pigmente starke Scherkräfte vermieden werden. Bei flüssigen Lacksystemen ist dies wegen der Teilchengröße und der relativ leichten Disper­gier­barkeit kein großes Problem. Je nach Lacksystem werden sie dabei in Alkoholen, Estern, Etherestern oder in aromatischen Kohlenwasserstoffen im Verhältnis Pigment/Lösemittel 1:1 bis 1:2 vordispergiert, wobei spezielle Additive die Benetzung erleichtern können. Chlorierte Kohlenwasserstoffe sind zum Anteigen von Metalleffektpigmenten ungeeignet (Grignard-ähnliche Reaktion). Danach wird unter Rühren das Bindemittel zugegeben. Sollten dann noch nicht alle Agglomerate zerteilt sein, so können sie mit einem Dissolver bei Drehzahlen von unter 1000 min-1 und Einwirkungszeiten von etwa 10 min zerstört werden. Durch höhere Drehzahlen oder längeres Dispergieren werden die Pigmente geschädigt. Sedimentationsneigung Da ein Absetzen der eingearbeiteten Effektpigmente aufgrund der Partikelgröße kaum zu vermeiden ist, muss verhindert werden, dass sich ein schwer aufrührbarer Bodensatz bildet. Eine Erhöhung der Viskosität des Lacksystems verlangsamt das Absetzen. Allerdings müssen hier die verarbeitungstechnischen Vorgaben für die Viskosität beachtet werden. Bei einer elektrostatischen Stabilisierung mit carboxyl- oder aminhaltigen Additiven stoßen sich die gleichnamig geladenen Pigmentpartikel gegenseitig ab. Durch Belegung der Pigmentoberfläche mit langkettigen organischen Molekülen

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Pigmente und Füllstoffe

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kann das Entstehen eines schwer aufrührbaren Bodensatzes erschwert werden. Welche dieser Maßnahmen (alleine oder als Kombination) zum Erfolg führt, hängt außer vom ein­ge­arbeiteten Pigment stark vom Bindemittelsystem ab und muss im Einzelfall ausprobiert werden. Für wässrige Systeme müssen speziell stabilisierte Metalleffektpigmenttypen genommen werden, die im Kontakt mit Wasser nicht vergrauen und gasen (→ 2.3.7.1). Pulverlackpigmentierung In Pulverlacke werden Effektpigmente häufig im so genannten „dry blend“-Verfahren eingearbeitet. Wegen ihrer Partikelgröße und -form würden Effektpigmente den Extrusionsvorgang nicht unbeschädigt überstehen. Aufgrund der unterschiedlichen Dichte und verschiedenen Teilchenformen von Effektpigment und Pulverlackpartikel (plättchenförmig bzw. mehr oder wenige sphärisch) kommt es allerdings bei solchen Pulverlacken – besonders bei der elektrostatischen Applikation – in nicht reproduzierbarem Ausmaß zur Entmischung, was dann zu Schwankungen im Farb- oder Glanzeffekt der fertigen Beschichtung führt. Man versucht deshalb, die Effektpigmentteilchen vollständig an Pulverlackpartikel zu fixieren. Beim „Bonding“-Prozess geschieht dies in einem aufwändigen thermisch-mechanischen Verfahren, das die Herstellung von „gebondeten“ Pulverlacken kostenintensiv macht. Von zusätzlichem Vorteil gegenüber dem Dry Blend-Verfahren ist die bessere Dispergierung der Pigmentpartikel im Pulverlack, die es erlaubt, die Pigmentierungshöhe um bis zu 30 % zu senken und die Rückgewinnungsfähigkeit der so hergestellten Metallic-Pulverlacke. 2.3.7.4 Effektausbildung

Damit Effektpigmente in einer Beschichtung ihren Effekt ausbilden können, müssen die Pigmentplättchen parallel zur Oberfläche orientiert sein. Nur dann wird das auftreffende Licht nicht diffus nach allen Seiten, sondern in eine Vorzugsrichtung reflektiert. Voraussetzung für diese parallele Ausrichtung ist natürlich zunächst eine möglichst optimale Zerteilung der Pigmentagglomerate beim Einarbeiten in den Lack. Je nach Applikationsart werden die Pigmentpartikeln dann schon beim Aufbringen mehr oder weniger stark ausgerichtet (Abb. 2.45). Großen Einfluss auf die Effektausbildung hat der Lösemittelgehalt des Lackes. Durch den Volumenschrumpf beim Verdunsten der Lösemittel werden die Pigmentteilchen parallel ausgerichtet. In lösemittelreichen „Low Solids“ und auch „Medium Solids“ erhält man so eine gute Orientierung, während die Ausrichtung bei „High Solids“ und Pulverlacken weniger gut ist. Hier muss bereits während der Applikation eine möglichst gute Ausrichtung erfolgen, z.B. durch das Verfließen der Lacktröpfchen beim Auftreffen auf das Lackierobjekt. Enthält eine Beschichtung neben Metalleffektpigmenten noch transparente Buntpig­mente, so entsteht der Farbeindruck durch die Kombination der gerichteten Licht­reflexion an der Lackoberfläche (1a) (s. Abb. 2.46, Seite 166) und an den Metalleffektpigmenten (1b), der Lichtstreuung (2) an den Metalleffektpigmenten sowie der Lichtabsorption (3) an den Buntpigmenten und hängt zugleich von der Blickrichtung des Betrachters ab. Abb. 2.45: Orientierung von plättchenförmigen Partikeln beim Verfließen von Lacktröpfchen

Fließrichtung

Metallic-Pigmentplättchen

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In der Nähe des Glanzwinkels (A) überwiegt die gerichtete Reflexion des Metalleffektpigmentes, bei allen anderen Betrachtungswinkeln (B) überwiegen die diffuse Streuung und die Lichtabsorption. Im ersten Fall erscheint der Lack glänzend und hell, im zweiten dagegen ist er dunkel und dem Vollton des Buntpigmentes ähnlich. Je nach Beleuchtungswinkel kann sich bei solchen Beschichtungen aber auch der Farbton des Volltones ändern. Dies erklärt sich aus der bei flachem Winkel längeren Wegstrecke des Lichtes im Lack, wodurch

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Lackrohstoffe Betrachtung nahe Glanzwinkel (A)

Lichteinfall

Reflexion an der Oberfläche (1a)

sonstige Betrachtungsrichtungen (B)

Metalleffektpigment Buntpigment

Reflexion am Metallpigment (1b)

Absorption durch Buntpigment (3)

Streuung am Metallpigment (2)

Metallic-Lackschicht

Abb. 2.46: Entstehung des Farbeindruckes bei Metallic-Lacken Reflexionsgrad Betrachtung: flach (b)

Metalleffektpigment org. Buntpigment

steil (a)

auch mehr Licht absorbiert wird (Strahlengänge a und b in Abb. 2.47). Bei einem blaustichigen Rotpigment verschiebt sich so z.B. der Farbton nach gelber und trüber. Auch die anderen Effektpigmente werden oft mit transparenten organischen oder anorganischen Buntpigmenten kombiniert. Hierdurch und auch durch die Kombination verschiedener Perlglanzpigmente wird dem Gestalter ein weites Feld verschiedener Farb- und Effektmöglichkeiten eröffnet. Bei Perlglanzpigmenten spielt dabei nicht nur das geringe Deckvermögen eine Rolle, sondern es ist in den meisten Anwendungsfällen zu beachten, dass in Mischungen verschiedener Perlglanzpigmente eine additive Farbmischung eintritt.

2.3.8  Funktionelle Pigmente

a a

b

Unter der Bezeichnung „funktionelle Pigmente“ oder „Spezib alpigmente“ werden üblicherweise Pigmentgruppen zusamFarbtonverschiebung mengefasst, die nicht wegen farbgebender Eigenschaften in Beschichtungsstoffen eingesetzt Wellenlänge [nm] werden, sondern wegen anderer, 500 600 700 400 z.B. korrosionshemmender, magnetischer oder elektrischer EiAbb. 2.47: Entstehung einer winkelanhängigen Farbtonverschiebung genschaften. So werden neben bei Metallic-Lacken diesen Korrosionsschutzpigmenten, magnetischen Pigmenten und Leitfähigkeitspigmenten u. a. auch Tagesleuchtpigmente zu diesen Pigmenten mit speziellen Eigenschaften gerechnet. Im Folgenden sollen von diesen Pigmenten nur Korrosionsschutzpigmente und Leitfähigkeitspigmente kurz besprochen werden. 2.3.8.1 Korrosionsschutzpigmente Nach DIN 50 900 ist Korrosion die Reaktion eines Werkstoffes mit seiner Umgebung, die eine messbare Veränderung des Werkstoffes bewirkt und zu einer Beeinträchtigung der Funktion des Bauteils oder einer Anlage führen kann.

Nach dieser Definition ist Korrosion nicht auf metallische Werkstoffe beschränkt, sondern kann auch an mineralischen Werkstoffen, z.B. Beton, oder an Kunststoffen auftreten. Korrosionsschutzpigmente

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Pigmente und Füllstoffe

werden in Beschichtungsstoffen eingesetzt, die metallische Substrate, meistens Stahl, Zink oder Aluminium, vor Korrosion schützen sollen. Nach DIN 55 943 versteht man dabei unter einem Korrosionsschutzpigment ein Pigment, das in Grundbeschichtungen (Grundanstrichen) auf Metallen durch in der Regel chemische oder physikalisch-chemische Wirkung die Korrosion der Metalloberfläche hemmt oder verhindert. Die Korrosion an Metallen lässt sich dabei im Wesentlichen auf • chemische Korrosionsreaktionen, z.B. die Verzunderung von Eisen (vereinfacht: 3 Fe + 2 O2 → Fe3O4) und auf • elektrochemische Korrosionsreaktionen zurückführen. Elektrochemische Korrosionsreaktionen setzen die Anwesenheit eines Elektrolyten an der Metalloberfläche und das Vorhandensein einer Potentialdifferenz zwischen verschiedenen Stellen auf der Metalloberfläche voraus. Beides, das Vorhandensein eines Elektrolyten und einer Potentialdifferenz, führt dann in Gegenwart eines geeigneten Oxidationsmittels, meistens Sauerstoff und/ oder Protonen, zur Entstehung eines Korrosionselementes. Ursache für eine solche Potenzialdifferenz können u. a. sein: Der Kontakt unterschiedlicher Metalle, Heterogenitäten im Metallgefüge, das Vorliegen verschiedener Stoffe auf der Metalloberfläche, unterschiedliche mechanische Spannungs- oder Verformungsverhältnisse, örtliche Konzentrationsunterschiede im angreifenden Medium oder örtliche Temperaturunterschiede. Die bei der elektrochemischen Korrosion von Eisen durch Sauerstoff bzw. Säuren ablaufenden Vorgänge sind in Abb. 2.48 schematisch dargestellt. Zusätzlich können Korrosionsstimulatoren, z.B. Chlorid- oder Sulfat-Ionen, die Korrosion beschleunigen. In die hier gezeigten Vorgänge greifen Korrosionsschutzpigmente ein. Die Wirkungsweise von Korrosionsschutzpig­menten kann • physikalischer, • chemischer und/oder • elektrochemischer Natur sein. Alle Korrosionsschutzpigmente haben gemäß Abb. 2.49 (Seite 168) eine physikalische Schutzwirkung schon alleine dadurch, dass sie den Diffusionsweg von Wasser und aggressiven Stoffen, z.B. Sauerstoff oder korrosionsfördernden Ionen, von der BeschichMetallgefüge tungsoberfläche zur Metallober­fläche verlängern. Neben dieser Sperrwirkung verbessern einige dieser Kathode FeO (OH) Pigmenttypen die Haftung der Beschichtung am Fe (OH)2 Untergrund. Durch Reflexion oder Absorption von UV-Strahlung schützen manche Pigmente das BinFe2+ Fe Anode demittel vor photochemischer Zerstörung. Um chemisch oder elektrochemisch wirken zu können, müssen entsprechend reagierende Korrosionsschutzpigmente eine spezifische  Löslichkeit haben. Eine große Anzahl von Korrosionsschutzpigmenten stellt an der Metalloberfläche einen alkalischen pHWert ein. Gleichzeitig werden dabei saure Stoffe neutralisiert, z.B. durch Autoxidation des Bindemittels entstehende Fettsäuren oder aus dem angreifenden Medium in die Beschichtung eindiffundierte anorganische Säuren. Bekannt ist die Schutzwirkung von schwerlöslichen Bleiseifen aus der Reaktion von PbO

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e– 2 OH– 1/

2 O2 +

Kathode

H2O Fe

1/

2 O2 +

H2O + 2e–

Fe + 1/2 O2 + H2O 2Fe(OH)2 +

1/

2 O2

Fe2+ + 2e– 2 OH– Fe(OH)2 2 FeO(OH) + H2O

Abb. 2.48: Prinzip der Sauerstoffkorrosion

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Lackrohstoffe

UV-Schutz

H2O /O2

Verlängerung der Diffusionswege

mit Fettsäuren. Einige Pigmente fangen Korrosionsstimulatoren durch Bildung schwerlöslicher Verbindungen ab. Durch Korrosion entstehende, korrosionsfördernde Fe2+-Ionen werden durch Oxidationsmittel oxidiert, und sie bilden dann bei hohen pH-Werten als schwerlösliches F2O3 · x H2O eine Schutzschicht auf der Metalloberfläche.

Elektrochemisch wirkende Korrosionsschutzpigmente passiveren die MetalAbb. 2.49: Physikalische Schutzwirkung von Pigmenten und loberfläche. Pigmente, die durch ihr Füllstoffen (schematisch), nach [22] hohes Oxidationspotenzial die Korrosion verlangsamen, z.B. chromathaltige Pigmente, werden als aktiv im kathodischen Bereich bezeichnet. Im anodischen Bereich wirksame Pigmente, z.B. phosphathaltige Pigmente, verhindern die Korrosion durch Ausbildung einer Schutzschicht auf der Metalloberfläche. Metall

Haftfestigkeit

Üblicherweise werden Korrosionsschutzpigmente heute entsprechend ihres chemischen Charakters eingeteilt in bleihaltige, chromathaltige, phosphathaltige und metallische Pigmente sowie sonstige Korrosionsschutzpigmente. Bleihaltige Korrosionsschutzpigmente Es ist eine ganze Reihe von bleihaltigen Korrosionsschutzpigmenten entwickelt worden, von denen allerdings die Bleimennige das weitaus wichtigste ist. Bleimennige, Pb3O4, enthält nach DIN 55 916 mindestens 93,2 % Pb3O4, die Summe von Pb3O4 und freiem PbO beträgt mindestens 99 %. Diese Norm unterscheidet drei Qualitäten, nämlich Bleimennige nonsetting, Bleimennige hochdispers und Bleimennige hochdispers supra, die sich in ihrer Feinheit unterscheiden. In der Lackindustrie werden vor allem die hochdispersen Typen eingesetzt. Die Ölzahl liegt je nach Qualität zwischen 5 und 8 g/100 g. Die elektrochemische Wirksamkeit von Mennige beruht im Wesentlichen auf ihrem Pb(IV)-Gehalt, der passivierend wirkt. Mit Fettsäuren bildet Mennige Bleiseifen (PbO + 2 HOOC-R → Pb(OOC-R)2 + H2O), die den Lackfilm mit der Zeit lamellenartig durchziehen und die mechanische Festigkeit des Lackfilms, seine Wasserbeständigkeit und seine Haftung auf dem Untergrund verbessern. Mit Korrosionsstimulatoren, wie Sulfat- oder Chlorid-Ionen, bildet Mennige schwerlösliches Bleisulfat bzw. Bleichlorid (z.B. PbO + SO42– + H2O → PbSO4 + 2 OH–). Als weitere bleihaltige Korrosionsschutzpigmente seien hier noch Bleisilicochromat, Calcium­ plumbat, Bleicyanamid und dibasisches Bleiphosphit erwähnt. Blei enthaltende Korrosionsschutzpigmente werden heute aus ökologischen Gründen weitgehend durch andere, ökologisch weniger bedenkliche Pigmente ersetzt. Chromathaltige Korrosionsschutzpigmente An chromathaltigen Pigmenten werden verschiedene Zinkchromate und Strontiumchromat, SrCrO4, genutzt. Die technischen Lieferbedingungen der Zinkchromatpigmente sind in DIN 55 902 festgelegt. • Zinkchromat Typ 1a, K2CrO4 · 3ZnCrO4 · Zn(OH)2 · 2H2O, wird üblicherweise als basisches Zinkkaliumchromat bezeichnet. Der Typ 1b unterscheidet sich vom Typ 1a durch einen geringeren Chromatgehalt. • Zinkchromat Typ 2, ZnCrO4 · 4Zn(OH)2, wird Zinktetrahydroxychromat genannt.

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Pigmente und Füllstoffe

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Wie Mennige sind die chromathaltigen Pigmente sowohl chemisch als auch elektrochemisch wirksam. Chromat bildet mit Metalloxiden eine Schutzschicht auf der Werkstoffoberfläche und wirkt durch sein hohes Oxidationspotenzial passivierend. Die chemische Wirksamkeit beruht bei den Zinkchromaten vor allem auf der Einstellung eines basischen pH-Wertes. Strontiumchromat bildet mit Sulfationen Strontiumsulfat. Um seine volle Wirksamkeit zu entfalten, muss es mit Zinkoxid oder Zinkphosphat kombiniert werden. Chromatpigmente sind als krebserregend eingestuft, so dass ihre Verwendung heute auf sehr wenige Spezialzwecke beschränkt ist. Phosphathaltige Korrosionsschutzpigmente Seit die Verwendung von blei- und chromathaltigen Korrosionsschutzpigmenten aus toxikologischen und ökologischen Gründen immer mehr zurückgeht, haben phosphathaltige Pigmente stark an Bedeutung gewonnen. Da sie bis heute keinen vollwertigen Ersatz für die „klassischen“ Korrosionsschutzpigmente darstellen, versucht man, ihre Wirksamkeit durch Kombination verschiedener Phosphate oder mit anderen Substanzen, z.B. Zinkoxid oder Zinkborat, und Optimierung ihrer Reaktionsfähigkeit, z.B. durch Mikronisierung, zu verbessern. Als wichtige Vertreter seien hier Zinkphosphate (Zn3(PO4)2 · 2 bis 4H2O), Chromphosphat (CrPO4· 3H2O), Aluminium­triphosphate, Calcium-Magnesium-Phosphate, Bariumphosphat und Aluminiumzinkphosphat genannt. Neben einer chemischen Wirksamkeit wird bei phosphathaltigen Pigmenten auch eine elektrochemische im anodischen Bereich diskutiert. Unter Einwirkung von Feuchtigkeit hydrolysieren geringe Mengen Pigment, wobei z.B. Zinkhydroxid und sec. Phosphat entsteht. Aus diesen bildet sich dann an der Eisenoberfläche eine Schutzschicht aus schwerlöslichen komplexen Eisenphosphaten. Es wird angenommen, dass es durch Reaktionen des Pigments mit anorganischen Ionen oder mit Carboxylgruppen aus dem Bindemittel zur Bildung basischer Komplexe kommt, die ihrerseits mit Metallionen zu sogenannten Inhibitorkomplexen weiterreagieren. Da die Hydrolysereaktion Voraussetzung für die Wirksamkeit von phosphathaltigen Pigmenten ist, setzt deren Wirkung erst nach einer Anlaufphase ein. Phosphathaltige Pigmente müssen deshalb mit anderen korrosionshemmenden Verbindungen, z.B. Zinkoxid oder organischen Inhibitoren, kombiniert werden, die in dieser Anfangsphase den Korrosionsschutz übernehmen. Metallische Korrosionsschutzpigmente In metallischer Form werden Zink und Blei als Korrosionsschutzpigmente eingesetzt. Von diesen beiden hat Zink in Form von Zinkstaub die bei weitem größere Bedeutung. Nach DIN EN ISO 3549 muss in Zinkstaub-Pigmenten der Gehalt an metallischem Zink mindestens 94 % betragen, der Gesamtzinkgehalt mindestens 98 %. Das freifließende blaugraue Pulver besteht aus nahezu kugelförmigen Teilchen, deren mittlere Teilchengröße je nach Typ zwischen 1 und 10 µm liegt. Die Wirkung von Zinkstaub in Grundierungen beruht sowohl auf chemischen als auch auf elektro­ chemischen Prozessen. Mit Feuchtigkeit und Luftsauerstoff bilden sich an der Oberfläche der Zinkstaubpartikel voluminöse Korrosionsprodukte, im Wesentlichen Zinkhydroxid. Durch diese Volumenzunahme wird die Beschichtung verdichtet und die Sperrwirkung erhöht. Gleichzeitig werden durch das basische Zinkhydroxid saure Substanzen, z.B. Schwefelsäure aus SO2 in der Luft, neutralisiert. Die elektrochemische Schutzwirkung von Zinkstaub besteht im kathodischen Schutz des Eisens durch das unedlere Zink, welches als Opferanode wirkt. Voraussetzung dafür ist allerdings metallischer Kontakt der Zinkstaubpartikel mit der Eisenoberfläche und auch untereinander. Daher muss der Zinkstaubgehalt in solchen Grundierungen mindestens 94 bis 96 % betragen. Zinkstaubgrundierungen werden in großen Mengen zum Schutz von Stahlkonstruktionen, auch unter Wasser und im Schiffsbau verwendet. Neben organischen Bindemitteln finden auch anorganische Systeme, wie Alkalisilikate oder Alkylsilikate, als Bindemittel Verwendung. Allerdings

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Lackrohstoffe

müssen solche Grundierungen, ebenso wie die mit wasserverdünnbaren organischen Bindemitteln, als Mehrkomponentensystemen ausgelegt werden. Bleistaubpigmente werden vor allem zum Schutz vor aggressiven chemischen Einflüssen eingesetzt. Sonstige Korrosionsschutzpigmente Da es den phosphathaltigen Korrosionsschutzpigmenten an einer Schutzwirkung im kathodischen Bereich mangelt, versucht man, diesen Nachteil durch Verwendung der mit den Chromaten chemisch verwandten Molybdate, Wolframate, Zirkonate und auch Vanadate zu beheben. Ihre elektrochemische Schutzwirkung ist stark pH-abhängig. Allerdings weisen alle diese Substanzen nicht das hohe Oxidationsvermögen der Chromate auf, das für deren elektrochemische Wirkung im kathodischen Bereich maßgebend ist. Auch preislich sind sie keine echte Alternative. Man findet auch sie in Kombinationen mit phosphathaltigen Pigmenten. Als nichtgiftige Alternative zu Chromaten wurden auch Ionenaustauscher-Pigmente entwickelt. Deren Wirkung besteht im Ionenaustausch von Calciumionen, die an Zeolithe oder amorphes silikatisches Trägermaterial gebunden sind, gegen Wasserstoffionen. Der pH-Wert im Anstrichfilm und an der Metalloberfläche wird so im alkalischen Bereich gehalten. Eisenglimmer stellt insofern eine Besonderheit unter den hier aufgeführten Korrosionsschutzpigmenten dar, als es ausschließlich physikalisch wirksam ist. Nach DIN EN ISO 10 601 versteht man unter einem Eisenglimmer-Pigment ein gereinigtes Mineral (bekannt als Spiegelhämatit) oder ein hauptsächlich aus Eisen(III)-oxid (Fe2O3) bestehendes synthetisches Produkt. Es ist grau gefärbt und besitzt einen metallischen Glanz und eine mehr oder weniger lamellare Form. Aufgrund seiner Plättchenstruktur verleiht Eisenglimmer Beschichtungen eine hohe Beständigkeit gegen Wetter und Atmosphärilien, selbst wenn die verwendeten Filmbildner ansonsten nicht beständig sind. Aus dem gleichen Grund ist Eisenglimmer aber auch scherempfindlich. Beim Zermahlen besteht das Risiko, dass er sich in gewöhnliches nicht lamellares Eisenoxidrot umwandelt. Sein Haupteinsatzgebiet ist der schwere Korrosionsschutz. Organische Korrosionsinhibitoren Neben den bisher besprochenen anorganischen Korrosionsschutzpigmenten finden auch eine Reihe organischer Verbindungen mit inhibierender Wirkung in Korrosionsschutzbeschichtungen Anwendung. Sie unterscheiden sich von den dem aggressiven Medium zuzugebenden löslichen Inhibitoren durch ihre geringe Löslichkeit. Im Unterschied zu den anorganischen Korrosionsschutzpigmenten werden sie oft ebenfalls Inhibitoren genannt. Wichtigster Vertreter dieser Gruppe ist das Zinksalz der 5-Nitrophthalsäure. In geringer Dosierung (< 2 %) sollen sie gemäß Abb. 2.50 die zeitliche Lücke schließen, die bei der Verwendung phosphathaltiger Korrosionsschutzpigmente in Schutzwirkung auftritt (synergistischer Wirkung Effekt). Phosphatpigment Inhibitor

Zeit

Abb. 2.50: Synergistischer Effekt bei der Kombination phosphat­ haltiger Korrosionsschutzpigmente mit organischen Inhibitoren

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2.3.8.2  Leitfähige Pigmente

In bestimmten Fällen werden von Oberflächen spezifische elektrische Eigenschaften erwartet. Antistatisch ausgerüstete Oberflächen ziehen z.B. Staub aus der Luft nicht so stark an, was in Reinräumen ausgenutzt werden kann. In anderen Fällen, z.B. in explosiven Bereichen oder beim Arbeiten mit mik-

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Pigmente und Füllstoffe

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roelektronischen Bauteilen, muss eine Oberflächenwiderstand (Ω · cm) elektrostatische Aufladung vermieden werden, da sie bei der Entladung zu 1014 Funken führen kann. Organische Antistatika erlauben immer nur eine tempo1010 räre antistatische Aus­­rüstung, während elektrisch ableitfähige Lacke einer Ober106 fläche auf Dauer die zum antistatischen 102 Verhalten oder zur Ladungsableitung notwendige Leitfähigkeit (Leitprimer) Pigmentvolumenkonzentration vermitteln können. Perkolations-PVK Eine solche elektrische Leitfähigkeit wird Lackschichten durch spezielle Abb. 2.51: Abhängigkeit der elektrischen Leitfähigkeit einer leitfähige Pigmente verliehen, meistens Beschichtung von der PVK eines leitfähigen Pigmentes Ruße mit hoher Struktur, Metallpigmente oder falls eine helle Beschichtung gewünscht wird, durch mit Sb dotiertem SnO2 beschichtete Glimmerpigmente, die in ihrem Aufbau den Perlglanzpigmenten ähneln. Eine so pigmentierte Beschichtung ist aber nur dann elektrisch leitfähig, wenn die elektrisch leitfähigen Pigmente eine Art Netzwerk aus sich berührenden Pigmentpartikeln durch die gesamte Schicht hindurch bilden. Die hierzu mindestens notwendige Konzentration an elektrisch leitfähigen Pigmenten wird Perkolations-PVK genannt. Im Bereich dieser Perkolations-PVK steigt die Leitfähigkeit einer Beschichtung um mehrere Zehnerpotenzen (s. Abb. 2.51). Sie liegt für Ruße je nach Typ zwischen 7,5 und 25 %, bei den erheblich teureren Mica-Pigmenten bei ca. 10 %.

2.3.9 Füllstoffe 2.3.9.1 Definition und Einteilung von Füllstoffen

Der Begriff Füllstoff wurde in Abschnitt 2.3.1 nach DIN 55 943 definiert. Die Ähnlichkeit mit der Definition des Begriffes „Pigment“ (→ 2.3.1) ist bezeichnend. In den Erläuterungen zu dieser Norm wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Bezeichnung einer Substanz als „Pigment“ oder als „Füllstoff“ nur von seiner Verwendung abhängt. In Farben und Lacken als Füllstoffe eingesetzt werden vornehmlich helle, meistens anorganische, pulverförmige und gegenüber dem vorliegenden Bindemittel inerte Substanzen, die sich von Weißpigmenten vor allem durch ihre niedrigere Brechzahl unterscheiden. Ein weiterer Unterschied zu den Pigmenten liegt in der Teilchengröße. Während Weißpigmente auf ein optimales Streuvermögen hin optimiert werden, kommt es bei Füllstoffen eher darauf an, dass sie, z.T. als Gemisch, eine möglichst hohe Raumerfüllung erreichen, um zusammen mit den Pigmenten im Beschichtungsstoff eine kompakte stabile Gerüststruktur aufzubauen. Mit in Beschichtungsstoffen ca. 1 bis 100 µm ist ihre mittlere Teilchengröße i. a. größer als die von Pigmenten. Über diese Raumerfüllung, ausgedrückt als PVK, beeinflussen Füllstoffe eine ganze Reihe von Eigenschaften der Beschichtung (→ 3.2 und 3.3). Sie dienen u.a. zur • Verstärkung, • Verbesserung der Biege-, Haft- und Zugfestigkeit, • Steuerung des Glanzgrades von Beschichtungen (Mattierung) und/oder, • da sie i. a. preiswerter sind als Pigmente, zur Verringerung des Preises eines Beschichtungsstoffes. Durch den Einsatz faser- oder plättchenförmiger Füllstoffe kann die Gefahr der Rissbildung im Anstrich stark gemindert werden. Teilchenform und Teilchengröße der Füllstoffe beeinflussen natürlich auch das rheologische Verhalten eines Beschichtungsstoffes. Wie bei Pigmenten auch

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Lackrohstoffe

Tab. 2.30: Eigenschaften der in Farben und Lacken mengenmäßig bedeutendsten Füllstoffe Chemische Klasse

Füllstoff

Eigenschaften syn­­the­ tisch

Carbonate

Kreide

+ +

Dolomit Siliciumdioxid Quarzmehl Cristobalit Kieselsäuren

gefällt

+

pyrogen

+

Brechzahl

8 –10

1,5 –1,6

2,7

3

8 –10

1,59

2,7

3

9 –10

1,59

8 –10,5

1,6

2, 9

+

2,2 – 2,7 2,35

6,5

8,5

1,48

+

2,3 – 2,65

5–7

7– 9

1,55

+

1,9 – 2,3

6

6,5 – 9,5

1,9 – 2,1

6

3,5 – 8

6,5

7

2,2

6

2,2

2,7– 3,5

1

8,5 – 9,9

Kaolin, China Clay

+

2,1– 2,6

2,5

4,5 – 5,6

1,56

Glimmer, Muscovit

+

~ 2,8

2,5

8,4

1,58 –1,61

10

1,46

+

Schwerspat Blanc fixe

1)

pHWert 1)

+

Talkum

gefälltes Aluminiumsilikat Sulfate

MohsHärte

+ +

Kieselgur Diatomeenerde

Silicate

Dichte [ g / cm ³ ]

+

Calcit (CCN) Calcit (CCP)

natür­ lich

2,1 +

+

1,54 –1,59

4,0 – 4,5

3–4

6 –10

1,64

4,1– 4,5

3–4

3,8 –10

1,64

einer Aufschlämmung

können Füllstoffe mit stark anisometrischen Teilchen über elektrostatische Wechselwirkungen Gerüststrukturen aufbauen, die dann thixotropierend wirken. Nicht zu vernachlässigen sind die wirtschaftlichen Aspekte des Füllstoffeinsatzes. Eine Übersicht des gängigen Füllstoffsortiments ist in Tab. 2.30 aufgeführt. Die Einteilung von Füllstoffen kann nach unterschiedlichen Gesichtspunkten erfolgen. Für die Einsatzmöglichkeiten eines Füllstoffes ist die Teilchengröße und auch deren Verteilung ein wesentlicher Faktor. Man unterscheidet hier zwischen • Grobmehlen mit Teilchengrößen über 250 µm, • Mittelmehlen mit Teilchengrößen zwischen 50 und 250 µm, • Feinmehlen mit Teilchengrößen zwischen 10 und 50 µm und • Feinstmehlen mit Teilchengrößen unter 10 µm. Für eine Reihe von Eigenschaften, die durch den Einsatz von Füllstoffen verbessert werden sollen, ist dagegen die Teilchenform von großer Bedeutung (s.o.). Neben mehr oder weniger isometrischen Füllstoffen, wie Calcit oder Schwerspat, kennt man anisotrope Füllstoffe, z.B. faserige Füllstoffe, wie Mineralfasern, schuppenförmige, wie Glimmer, oder eher plättchenförmige wie Talkum. Die heute übliche Einteilung erfolgt nach chemisch-mineralogischen Gesichtspunkten, wobei man die Füllstoffe meistens nach dem anionischen Bestandteil einordnet. Bei einigen Füllstoffen wie Calciumcarbonaten, Bariumsulfaten und Kieselsäuren muss zusätzlich zwischen natürlichen und synthetischen Produkten unterschieden werden. Hauptverwendungsgebiete für Füllstoffe im Bereich der Beschichtungsstoffe sind Grundierungen, Spachtelmassen, Füller, Dispersionsfarben und kunstharzgebundene Putze. In Decklacken werden sie nur in geringem Ausmaß verwendet.

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Pigmente und Füllstoffe Tab. 2.31: Durch Füllstoffe beeinflusste lacktechnologische Eigenschaften lacktechnologische Eigenschaft

Füllstoff

maßgebliche Füllstoffeigenschaft

Volumen (Füllwirkung) (KPVK)

Calciumcarbonate Dichte, Packungsdichte Dolomite (Teilchengröße(nverteilung) (Bariumsulfat/lamellare Füllstoffe)

Fließverhalten (Verdickung, Strukturviskosität, Thixotropie, Antiabsetzwirkung)

pyrogene Kieselsäuren Kaolin Wollastonit Faserfüllstoffe

Neigung zum Aufbau von Gerüststrukturen, Teilchenform

Armierung (Verringerung der Rissanfällig­ keit)

Faserfüllstoffe Glimmer Wollastonit

Teilchenform

Korrosionsschutz Barrierewirkung

Glimmer Eisenglimmer Talkum

Teilchenform

Neutralisierung

Calciumcarbonate

pH-Wert

Mattierung

alle Füllstoffe besonders: Kieselgur gefällte Kieselsäuren gefälltes Al-Silicat calcinierter Kaolin Talkum

Teilchenform, Teilchengröße, Gerüststrukturen

Haftfestigkeit

Talkum Glimmer Kaolin

Teilchenform, Oberflächenchemie

Oberflächenhärte, Abrieb- und Rutschfestigkeit

Quarzmehl Christobalit Glimmer (nur Oberflächenhärte)

Härte Teilchenform

Schleifbarkeit

Talkum

Härte

Scheuerbeständigkeit (von Dispersionsfarben)

Talkum Glimmer

Teilchenform

Pigmentverteilung („Abstandhaltung“ für TiO2)

Kaolin Talkum Glimmer gefälltes Al-Silicat Bariumsulfat gefälltes Calciumcarbonat

Teilchenform, Teilchengröße

UV-Schutz

Eisenglimmer Glimmer

UV-Absorbtion, Reflektion

Dichte

Bariumsulfat Mirkohohlkugeln

Dichte

2.3.9.2 Herstellung von Füllstoffen

Der überwiegende Teil der heute in Beschichtungsstoffen verwendeten Füllstoffe ist natürlichen Ursprungs. Ihre Gewinnung erfolgt im Wesentlichen in folgenden Schritten: • bergmännischer Abbau • Sortierung des Rohgesteins • Zerkleinerung in Brechern • Nass- oder Trockenmahlung • Sichtung

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Lackrohstoffe

Meistens werden von einem Vorkommen Produkte unterschiedlicher Kornfeinheit und auch unter­schied­licher Breite der Teilchengrößenverteilung angeboten. Man erhält Pulver, deren Farbe und Reinheit natürlich vom Vorkommen abhängen. Die Farbe von Talkum kann z.B. je nach Vorkommen von reinweiß über hellgrau, grau bis graubraun variieren, sogar grünbraune Typen werden angeboten. Synthetische Füllstoffe finden ihren Markt in Anwendungen, bei denen es auf besondere Reinheit und damit Helligkeit ankommt oder wo besonders feine Typen benötigt werden. Sie werden meistens durch Fällungsreaktionen aus Lösungen geeigneter Rohstoffe gewonnen (Ausnahme: pyrogene Kieselsäuren). Wie bei Pigmenten auch, kann sowohl bei natürlichen als auch bei synthetischen Füllstoffen durch eine Nachbehandlung die Dispergierung und die Benetzbarkeit verbessert werden. 2.3.9.3 Einige häufig verwendete Füllstoffe Carbonate Calciumcarbonate, chemische Formel CaCO3, stellen mengenmäßig die wichtigste Füllstoffgruppe in Beschichtungsstoffen dar. In der Natur kommt Calciumcarbonat in Form von Kreide, Calcit und Aragonit vor, von denen sowohl Kreide als auch Calcit als Füllstoff Verwendung findet. Synthetisch wird es durch Fällung aus Kalkmilch mit Kohlendioxid als Calcit oder Aragonit gewonnen. Allen Calciumcarbonaten gemeinsam ist ihre geringe Härte und geringe Säurebeständigkeit sowie ihr alkalischer pH-Wert, der allerdings in einigen Anwendungen zum Puffern genutzt wird. Calciumcarbonate sind physiologisch unbedenklich und sehr hell (Helligkeit L: ≥ 80 für Kreide, ≥ 85 für natürlichen und ≥ 95 für synthetischen Calcit).

Nach DIN EN ISO 3262-4 ist Kreide ein natürliches Calciumcarbonat aus schwach verfestigten Sedimenten der Kreideformation. Kreide ist durch mikrokristalline Calcitkristalle (Durchmesser bis 1 µm) charakterisiert und besteht hauptsächlich aus Schalen und Skeletten von maritimen Kleinorganismen, z.B. Foraminiferen und Kokolithen. Überreste von Schalenbruchstücken sind daher ein wesentliches Merkmal der Kreide. Der Begriff „Kreide“ darf nicht verwendet werden, um andere Formen von natürlich vorkommendem oder gefälltem Calciumcarbonat zu beschreiben. Je nach Reinheit wird das Produkt als Kreide, Calciumcarbonat Typ A (min. 98 % CaCO3) oder Typ B (min. 95 % CaCO3) bezeichnet. Das für die Kreideherstellung verwendete, weitgehend amorphe, wenig verdichtete und leicht abbaubare Sedimentgestein kann sowohl trocken als auch nass vermahlen werden. Durch Schlämmung und anschließenden schichtweisen Abtrag des sedimentierten Produktes erhält man die besonders feine Schlämmkreide. Durch das lockere Gefüge entwickelt Kreide eine starke Saugwirkung, die – ebenso wie die Säureempfindlichkeit – einen Einsatz nur im Innenfarbenbereich ratsam erscheinen lässt. Nach DIN EN ISO 3262-5 ist Calcit (Calciumcarbonat Typ C) ein natürliches von Kalkstein oder Marmor abgeleitetes Calciumcarbonat. Die trigonalen, rhombischen Kristalle sind generell größer als die von Kreide. Die guten Allround-Eigenschaften, wie geringer Bindemittelbedarf, gute Wetterbeständigkeit und gute Verträglichkeit mit Pigmenten, erklären den hohen Calcit-Verbrauch. Wichtigste Einsatzgebiete sind Grundierungen, Korrosionsschutzfarben, Dispersionsfarben, Spachtelmassen, Seidenglanzlacke und Füller, in denen vorwiegend Typen mit mittleren Teilchengrößen um 2 bis 3 µm eingesetzt werden. Nach DIN EN ISO 3262-6 ist gefälltes Calciumcarbonat (Calcium carbonicum praecipitatum, ccp) ein synthetisches Calcium­ carbonat, das aus trigonalen Kristallen (entsprechend denen des Calcits) oder rhombischen -bipyramidalen Kristallen (entsprechend denen des Aragonits) besteht.

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Da es weißer und meistens auch feinteiliger als die natürlichen Produkte ist, wird es da eingesetzt, wo Helligkeit und Feinteiligkeit gefragt sind. Man verwendet es zur Einsparung von Weißpigmenten und in sehr feinen Qualitäten (ca. 0,06 µm) auch zur Ablaufverhinderung. Nach DIN EN ISO 3262-7 ist Dolomite ein natürlich vorkommendes Calcium-Magnesiumcarbonat, das zwischen 1,18 und 1,23 Massenteilen CaCO3 auf 1,0 Massenteil MgCO3 enthält. Ihr Eigenschaftsbild entspricht im Wesentlichen dem von Calcit. Dolomite sind aber etwas härter und weniger säureempfindlich. Siliciumdioxid und Kieselsäuren Siliciumdioxid (Kieselsäuren), chemische Formel SiO2, unterteilt man in natürliches kristallines Siliciumdioxid wie Quarzmehl, natürliches amorphes Siliciumdioxid, wie Kieselgur (Diatomeenerde) sowie synthetisches gefälltes oder pyrogenes Siliciumdioxid. Im Sinne von DIN EN ISO 3262-13 ist natürlicher Quarz eine Substanz, bestehend aus der Niedrigtemperatur-Modifikation von Quarz mit einer theoretischen Dichte von 2,65 g/cm2, zu einem Pulver gemahlen. In Beschichtungsmassen werden oft Typen mit einem SiO2-Gehalt von über 99 % eingesetzt. Hervorstechende Merkmale sind die chemische Inertheit und die große Härte. Als preiswerter Füllstoff wird Quarzmehl in Spachtelmassen, Kunststoffboden- und Wandbeschichtungen (Putze) und Straßenmarkierungsfarben zur Verbesserung der Abrasivität verwendet. Nachbehandelte, silanisierte Quarztypen werden leichter durch organische Bindemittel benetzt und führen durch eine bessere Sperrwirkung auch zu besseren Ergebnissen in Korrosionsschutzfarben. Cristobalit-Füllstoffe werden durch thermische Modifizierung aus Quarz hergestellt. Sie müssen nach DIN EN ISO 3262-14 zu mindestens 60 % Cristobalit und zu 98 % aus Siliciumdioxid bestehen. Gegenüber Quarzpartikeln weisen die aus Cristobalit rundere Formen auf. Ansonsten sind sie mit den Quarzfüllstoffen vergleichbar, werden aber aufgrund ihres höheren Preises nur gezielt eingesetzt, wenn es auf höhere Helligkeit, kleineren Gelbwert und geringere Abrasivität ankommt. Amorphe natürliche Kieselsäuren, wie Kieselgur, werden meistens als preiswerte Mattierungsmittel in Dispersions- und Straßenmarkierungsfarben o.ä. verwendet. Außerdem verbessern sie die Trocknung, die Schleifbarkeit und die Zwischenschichthaftung von Anstrichfilmen. Pyrogene  Kieselsäuren werden im Beschichtungsstoffbereich weniger als Füllstoff denn als Thixotropierungs- bzw. Antiabsetzmittel verwendet. Sie bestehen aus koagulierten kugelförmigen Siliciumdioxidteilchen mit Durchmessern zwischen 5 und 50 nm. Durch diese hohe Fein­teiligkeit, zusammen mit der niedrigen Brechzahl, ist der Mattierungseffekt bei den pyrogenen Kieselsäuren viel geringer als bei den als Mattierungsmittel eingesetzten wesentlich gröberen gefällten Kieselsäuren. Silikate Die Eigenschaften von Silikaten variieren viel stärker als die der bisher besprochenen Füllstoffklassen. Man findet in der Natur bei Silikaten eine Vielzahl verschiedener Kristallgitter, von Insel- über Ketten-, Band- und Blattsilikaten bis hin zu dreidimensionalen Netzstrukturen. Diese Kristallstrukturen beeinflussen in großem Maße das Erscheinungsbild und auch eine Reihe chemischer Eigenschaften solcher Minerale. Bei den drei wichtigsten im Anstrichstoffbereich verwendeten silikatischen Füllstoffen Talkum, Kaolin und Glimmer handelt es sich um sogenannte Schichtsilikate, was sich in ihrem lamellaren, plättchenförmigen Aussehen äußert. Bentonite werden als Rheologie-Additive verwendet und dort besprochen (→ 2.4.3). Talkum, idealisierte chemische Formel Mg3[Si4O10(OH)2], ist ein natürlich vorkommendes Magnesiumsilikathydrat. Die Mg2+-Ionen befinden sich schichtweise in jeder zweiten Zwischenschicht zwischen den Silikatschichten und bilden so eine Art Sandwichstruktur. An den nicht mit Mg2+Ionen gefüllten Zwischenschichten werden diese „Sandwichs“ nur durch van der Waalssche-Kräfte

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zusammengehalten, woraus sich die plättchenförmige Struktur und die leichte Spaltbarkeit von Talkums erklärt. Diese lamellare Struktur mit organophiler Oberfläche erklärt die relativ hohe Ölzahl von Talkum und ermöglicht eine gezielte Beeinflussung der Fließeigenschaften eines Anstrichsystems. Zusammen mit der chemischen Inertheit bedingt diese Struktur auch die TalkumVerwendung in Korrosionsschutzfarben. Über OH-Gruppen wirkt Talkum in Grundierungen haftverbessernd. Mit einer Mohsschen Härte von 1 ist Talkum sehr weich, weshalb es in Spachteln und Füllern die Schleifbarkeit verbessert. Kaolin ist ein Aluminiumsilikathydrat mit der allgemeinen Formel Al2O3 · 2SiO2 · 2H2O. Es ist durch Verwitterung von feldspatreichen Gesteinen in Form von mikrokristallinen hexagonalen Plättchen entstanden und wird im englischen Sprachraum als „China Clay“ oder auch „ASP“ bezeichnet. Durch Calcination lässt sich das Kristallwasser abspalten und man erhält so etwas weißere und härtere Typen. Kaoline sind in feineren Korngrößenbereichen lieferbar als Talkum, sie zeichnen sich durch gute Benetzbarkeit aus, haben aber hohen Bindemittelbedarf. Dank seiner Säure- und Wetterfestigkeit eignet sich dieser Füllstoff in Anstrichstoffen vorzugsweise zum Verschneiden von Weißpigmenten. Weitere Einsatzgebiete sind Dispersionsfarben, Elektrotauchlacke, Grundierungen und Füller. Aufgrund seines leicht sauren pH-Wertes ist die Verwendbarkeit von nicht calciniertem Kaolin in Korrosions­schutzgrundierungen eingeschränkt. Glimmer, engl. Mica, kommt in der Natur überwiegend in Form von Muscovit mit der idealisierten Zusammensetzung K2O · 2Al2O3 · 6SiO2 · 2H2O vor. Die bräunlichen, perlmuttglänzenden Plättchen sind durchscheinend. Als hoch chemikalien- und wetterfester Füllstoff findet Glimmer Verwendung in Anstrichen, an die hinsichtlich chemischer Beständigkeit, Hitzebeständigkeit, UV-Schutz und elektrischer Isoliereigenschaften höhere Anforderungen gestellt werden. Auch in Grundierungen, Füllern, Dispersionsfarben und Korrosionsschutzsystemen wird er eingesetzt. Bekannt ist die rissüberbrückende Wirkung von Glimmerzusatz in Anstrichen. Nachteilig sind seine oft recht dunkle Farbe, die relativ schlechte Dispergierbarkeit und der verhältnismäßig hohe Preis. Synthetische Aluminiumsilkat-Füllstoffe, vor allem gefälltes Natriumaluminiumsilikat, weisen mit einem Weißgrad von über 95 % eine sehr hohe Helligkeit bei neutralem Gelbwert auf und werden in Dispersionsfarben zur Verbesserung des Trockendeckvermögens und der Helligkeit sowie zur Verringerung des Titandioxidgehaltes eingesetzt. Sulfate Aus der großen Gruppe der Sulfate findet nur Bariumsulfat, chemische Formel BaSO4, in der Lackund Farbenindustrie als Füllstoff Verwendung. Nach DIN 55 911 ist Schwerspat ein in der Natur vorkommendes Mineral, das chemisch Bariumsulfat, BaSO4, ist. Er wird in verschiedenen Körnigkeiten und Helligkeiten angeboten. Verfärbungen durch Spuren von Fe-, Cu- oder Mn-Verbindungen können durch chemische Behandlung (Bleichen) weitgehend beseitigt werden. Bezeichnend für Schwerspat ist seine chemische Inertheit, seine niedrige Ölzahl und seine hohe Dichte. Verwendung findet er überwiegend in Malerspachteln. Wie bei Calciumcarbonaten erhöht der allgemeine Trend zu reineren und damit helleren Füllstoffen mit definierter enger Korngrößenverteilung die Nachfrage nach gefälltem Bariumsulfat, Blanc fixe, das nach DIN EN ISO 3262-3 frei von Zusätzen, z.B. von natürlichem Schwerspat, sein muss. Es wird durch Ausfällen von Bariumsulfat aus einer Bariumsulfid-Lösung mit Na2SO4 in Form kompakter Kristalle mit mittleren Teilchendurchmessern zwischen 0,5 und 4 µm erhalten. In Kombination mit plättchenförmigen Füllstoffen, wie Talkum oder Kaolin, lässt sich mit Blanc fixe eine optimale Packungsdichte in Beschichtungen erzielen. Hierauf beruht die Verwendung in Füllern, Grundierungen und Spachtelmassen. In Industrielacken wird die hohe Chemikalienfestigkeit ausgenutzt. Für Einsatzgebiete, in denen hohe Glanzwerte gefordert werden, werden auch mikronisierte Blanc fixe-Typen mit engen Teilchengrößenverteilungen im Bereich von 0,03 bis 0,06 µm angeboten. Diese relativ teuren Füllstoffe finden u.a. Verwendung im hochwertigen Decklackbereich.

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Pigmente und Füllstoffe Tab. 2.32: Kommerzielle Nanopartikel und deren Anwendung Nanopartikel

Charakterisierung

Effekt

Anwendungsbeispiele

TiO2

Rutil

UV-Absorption, hart

Verbesserung der Kratzfestigkeit, Antireflexbeschichtun­ gen

TiO2

Anatas

Photokatalyse, hart

selbstreinigende Ober­ flächen, antibakte­rielle Ausrüstung, Antibe­ schlagbeschichtungen

Al2O3

Korund

hart

Verbesserung der Kratzfestigkeit

ITO (Indium-Tin-Oxid)

Blau

elekt. leitend, UV- und IR-Absorption

Leitfähige und antistati­sche Beschichtun­ gen, IR-Reflexions­ beschichtungen

Silberkolloide

kolloidales Silber oder Silberverbindungen

antibakteriell

Antibakterielle Beschichtungen

2.3.9.4 Nanopartikel

Neben „klassischen“ Füllstoffen werden immer mehr nanopartikuläre anorganische Feststoffe eingesetzt, um spezielle Effekte zu erzielen. Die Abgrenzung zu besonders feinteiligen Varianten von z.B. Blanc fixe, Calcit oder Kieselsäure ist allerdings nicht scharf. In Tabelle 2.31 sind einige Beispiele und die durch sie erzielten Effekte zusammengestellt. Oft werden die Nanopartikel, um sie leichter einarbeiten zu können, oberflächenbehandelt oder mit organofunktionellen Silanen modifiziert, wodurch eine bessere Einbindung in die Polymermatrix erreicht wird. Bekannte Beispiele für die Verwendung von solchen Nanopartikeln im Beschichtungsstoffsektor sind selbstreinigende Fassadenfarben (Catalytic Clean-Effekt), UV-Schutz in Klarlacken für Holzuntergründe und kratzfeste Automobilklarlacke.

2.3.10 Farbstoffe Die Abgrenzung von Farbstoffen gegenüber Pigmenten wurde in Abschnitt 2.3.2 diskutiert. Da Farbstoffe definitionsgemäß im Anwendungsmedium löslich sind, entfällt bei ihrer Verwendung der z. T. doch recht aufwendige Dispergierprozess. Als gelöste Stoffe besitzen sie kein Streuvermögen, so dass sich mit ihnen alleine keine bunten deckenden Beschichtungen herstellen lassen. Aufgrund ihrer molekularen Verteilung im Anwendungsmedium haben sie aber gegenüber Pigmenten ein meistens stärkeres Färbevermögen. Gleichzeitig sind sie den meisten Pigmenten deswegen aber in den wichtigsten Echtheiten unterlegen. In Tab. 2.33 werden Tab. 2.33: Vergleich anwendungstechnischer Eigenschaften von Pigmeneinige anwendungstechnische Ei- ten und Füllstoffen genschaften von Pigmenten und Eigenschaft Farbstoff Pigment Farbstoffen gegenübergestellt. Verarbeitbarkeit

Einteilung Natürliche Farbstoffe, z.B. Indigo oder Purpur, sind seit vielen Jahrhunderten bekannt. Sie erfüllen aber i.a. nicht die Qualitätsanforderungen, die heute an Farbstoffe für Beschichtungen gestellt

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Transparenz (↔ Deckvermögen)

+



+ ( –)

– ( +)

Brillanz

+



Färbevermögen

+



Lichtechtheit



+

Wetterechtheit



+

Überlackierechtheit



+

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werden. Entsprechend ihrem chemischen Aufbau werden die heute verwendeten synthetischen Farbstoffe eingeteilt in • Metallkomplex-Farbstoffe, • Anionische Farbstoffe und • Azo-Farbstoffe. Metallkomplex-Farbstoffe bestehen aus einem Metallatom, meistens Cr, Cu, Co oder Ni, das von Chelatliganden, meistens Azo-Farbstoffen, über O- und N-Atome koordiniert wird. Je nach Anzahl der farbgeben­den Liganden unterscheidet man zwischen 1:1- und 1:2-Komplexen. Die freien Koordinationsstellen des Zentralatoms werden durch Wasser oder Hydroxidionen besetzt. Metallkomplex-Farbstoffe weisen im Vergleich zu anderen Farbstoffen relativ gute Echtheiten auf. Sie lösen sich in polaren Lösemitteln wie Alkoholen, Glykolethern und -estern sowie Ketonen. Anionische Farbstoffe sind Azo-Farbstoffe, die eine oder mehrere Sulfonsäuregruppen enthalten. Sie wurden früher als „saure Farbstoffe“ bezeichnet. Ihre Echtheiten erreichen nicht das Niveau der Metallkomplex-Farbstoffe. Sie lösen sich in Wasser und vielen Gemischen von Wasser mit wasservermischbaren organischen Lösemitteln, z.B. Glykolethern oder Alkoholen. Azo-Farbstoffe sind im Lacksektor von geringer Bedeutung. Sie weisen nur eine geringe Lichtechtheit auf und neigen bei Temperaturen oberhalb von 100 °C zum Sublimieren. Löslichkeit Neben dem Färbevermögen ist die Löslichkeit die wichtigste Eigenschaft von Farbstoffen. Bei chemisch reinen Stoffen geht man davon aus, dass sie sich unter definierten Bedingungen bis zu einer bestimmten Konzentration, der sogenannten Sättigungskonzentration, rückstandsfrei auflösen. Bei den hier besprochenen Farbstoffen handelt es sich dagegen um technische Produkte. Sie enthalten oft unlösliche Bestandteile, die bereits unterhalb der Sättigungskonzentration einen geringen Bodensatz bilden. Dies kann bei der Beurteilung der Löslichkeit zu falschen Ergebnissen führen. Das Verfahren zur Bestimmung der Löslichkeit eines Farbstoffes wird in der DIN EN ISO 7579 beschrieben. Man stellt eine gesättigte Lösung des Farbstoffes her und ermittelt durch Eindampfen den Fest­körpergehalt in g/l. Löslich­keitsangaben ohne Zusatz bedeuten, dass sich bei der entsprechenden Einwaage mindestens 90 % des Farbstoffes lösen. Farbstoffe zeigen entsprechend der Darstellung in Abb. 2.52 ein unterschiedliches Löslichkeitsverhalten. • Bei Systemen mit eindeutiger Sättigungsgrenze bleibt die gelöste Farbstoffmenge oberhalb der Sättigungsgrenze konstant (Kurve 1). • Bei Systemen mit nicht eindeutiger gelöste Menge [g/l] Sättigungskonzentration hat die Löslichkeitsgerade an der Sätti400 gungskonzentration einen Knick. Farbstoff-Löslichkeitsmerkmale (2) Oberhalb löst sich nur noch ein (1) Teil des überschüssigen Farbstoffes (3) (Kurve 2). (4) • Systeme ohne Sättigungskonzent200 (5) ration lassen sich nach dem oben beschriebenen Verfahren nicht auswerten. Meistens steigt die Menge Einwaage [g/l] gelösten Farbstoffes mit steigender 0 Einwaage (Kurve 3). 0 200 400 600 • Bei Systemen mit Löslichkeitsplateau erreicht die gelöste FarbstoffAbb. 2.52: Schematische Darstellung des Löslichkeitsverhaltens von menge bei einer bestimmten EinFarbstoffen. (Symbolerklärung im Text)

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waage scheinbar die Sättigungskonzentration. Bei weiterer Zunahme der Einwaage bleibt die Menge gelösten Farbstoffes dann über einen bestimmten Bereich konstant und nimmt dann wieder mit steigender Einwaage zu (Kurve 4). • Bei Systemen mit Extremwerten der Löslichkeit erreicht die Löslichkeit bei einer bestimmten Konzentration ein Maximum und fällt danach wieder ab (Kurve 5). In den letzten drei Fällen kann die Löslichkeit nur graphisch beschrieben werden. Solche Löslichkeitsangaben beziehen sich immer auf einzelne Lösemittel. Sie lassen sich nur selten auf Lösemittelgemische übertragen, wie sie in der Lackindustrie üblich sind. Das Auswählen der Zusammensetzung geeigneter Lösemittelgemische oder deren Optimierung in Bezug auf das Löseverhalten des Farbstoffes kann sehr aufwendig sein. Heute werden Farbstoffe vor allem in Möbelbeizen verwendet. Mit dem steigenden Interesse an Effektlackierungen nimmt ihr Einsatz aber auch in anderen Bereichen zu. Im Zusammenspiel mit Effektpigmenten lassen sich mit Farbstoffen interessante, besonders reine und brillante Farbtöne erzielen. Leider steht ihre meistens zu geringe Wetterechtheit einer breiteren Verwendung, z.B. in der Automobilserienlackierung, entgegen.

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2.4 Additive 2.4.1 Einteilung und Definition Neben Filmbildnern, Lösemitteln sowie Pigmenten und Füllstoffen enthalten Beschichtungsstoffe meistens noch ein oder mehrere Additive. Die DIN 55 945 A1 definiert ein Additiv als eine Substanz, die einem Beschichtungsstoff in geringen Mengen zugesetzt wird, um diesem oder der daraus hergestellten Beschichtung spezifische Eigenschaften zu verleihen. Anmerkung: Die Ausdrücke Zusatzstoff und Hilfsstoff werden in gleichem Sinne gebraucht. Diese Additive werden im Allgemeinen in verschiedene Gruppen unterteilt, von denen als wichtigste genannt seien: • • • • • • • •

Entschäumer (und Entlüfter) Netz- und Dispergiermittel Oberflächenadditive Mattierungsmittel Rheologieadditive Korrosionsinhibitoren Lichtschutzmittel Trockenstoffe (+ Hautverhinderungsmittel) und Katalysatoren bzw. Beschleuniger • Biozide Man kann die Einteilung der Additive auch anders vornehmen, besonders, da einige Additive mehrere Eigenschaften gleichzeitig beeinflussen können; die obige Unterscheidung ist deshalb manchmal auch etwas willkürlich. Auch die Grenze zu den anderen Lackbestandteilen ist zum Teil unscharf, da einige Filmbildner, Pigmente, Lösemittel oder auch Füllstoffe, sowohl was die Funktion als auch was die Dosierung betrifft, gelegentlich wie Additive verwendet werden. Bei der Besprechung der Netz- und Dispergiermittel sind Überschneidungen mit dem Kapitel über Pigmente und Füllstoffe unvermeidlich, ebenso wie sich bei der Behandlung der Trockner und Katalysatoren Überschneidungen mit dem Kapitel über Filmbildner ergeben werden. Korrosionsinhibitoren werden aufgrund der vergleichbaren Funktion zusammen mit den Korrosionsschutzpigmenten im Kapitel der Spezialpigmente beschrieben.

2.4.2 Grenzflächenaktive Additive 2.4.2.1 Entschäumer und Entlüfter

Entschäumer Sehr viele Anstrichstoffe enthalten grenzflächenaktive Substanzen, die zur Erzielung bestimmter Effekte eingesetzt werden. Als Beispiele seien hier Emulgatoren in wässrigen Anstrichstoffen zum Emulgieren wasserunlöslicher Filmbildner genannt oder Additive, die die Benetzung von Pigmenten und Füllstoffen oder des Substrates verbessern. Solche grenzflächenaktiven Substanzen wirken wie bzw. sind Tenside und setzen auch die Grenzflächenspannung an der Phasengrenze Anstrichstoff/Luft (Oberflächenspannung) herab. Dadurch bewirken diese Additive allerdings als unerwünschte Begleiterscheinung, dass die eventuell bei der Herstellung, beim Abfüllen oder bei der Applikation eingebrachte Luft den Beschichtungsstoff nicht schnell genug wieder vollständig verlässt, sondern in Form von Schaum stabilisiert wird. Dieser ruft nicht nur optische Störungen der Beschichtungsoberfläche hervor, sondern kann bereits beim Umfüllen dazu führen, dass Behälter nicht optimal gefüllt werden können, und schließlich kann dadurch auch die Schutzfunktion der Beschichtung vermindert werden.

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Additive

Schaumentstehung Als Schaum, streng genommen einen flüssigen Schaum, bezeichnet man die Dispersion eines Gases in einem flüssigen Medium. Charakteristisch für solche Schäume ist ihre – verglichen mit anderen physikalischen Zuständen – extrem große Grenzfläche zwischen der gasförmigen und der flüssigen Phase, die in Form einer Lamelle die Gasblasen voneinander trennt (Abb. 2.53).

Luft

Flüssigkeit

Tensidmoleküle

Luftblase

Normalerweise ist jede Flüssigkeit aus energetischen Gründen bestrebt, ihre Abb. 2.53: Aufstieg und Stabilisierung von Luftblasen in einer Oberfläche so klein wie möglich zu haltensidhaltigen Flüssigkeit, nach [40, Tego Chemie Service GmbH] ten. Eine Luftblase in einer Flüssigkeit nimmt deshalb Kugelform an und steigt nach oben. An der Oberfläche einer reinen Flüssigkeit reißen diese Luftblasen auf, und die eingeschlossene Luft entweicht. Reine Flüssigkeiten schäumen deshalb nicht. In tensidhaltigen Flüssigkeiten reichern sich an der Phasengrenzfläche Flüssigkeit/ Gasblase und an der Flüssigkeitsoberfläche Tensidmoleküle an und reduzieren so die Grenzflächenspannung, die normalerweise die Bildung von Schaum verhindert. Die mit Tensidmolekülen umschlossenen Gasblasen steigen ebenfalls nach oben. Beim Erreichen der Oberfläche, die auch mit einer Tensidschicht bedeckt ist, bildet sich dann aber eine durch Tensidmoleküle stabilisierte Lamelle, die in wässrigen Systemen eine Stärke von mehreren µm aufweist. Die Luftblasen sammeln sich an der Oberfläche an und bilden den Schaum, der durch mehrere Effekte stabilisiert wird, z.B. ein durch die geringe Lamellenschichtdicke bedingtes, nur langsames Abfließen der Flüssigkeit oder durch elektrostatische Kräfte zwischen ionischen Tensidmolekülen. Schaum verändert im Laufe der Zeit seine Struktur. Zunächst erhält er noch relativ viel Flüssigkeit, die die kugelförmigen, kaum deformierten Gasblasen umgibt. Solcher Schaum wird deshalb auch „nasser Schaum“ oder „Kugelschaum“ genannt. Mit der Zeit fließt die Flüssigkeit ab, wobei die Schaumlamellen dünner werden, dichter zusammenrücken und sich nach und nach gegenseitig zu Polyedern deformieren. Dieser Schaum wird dann „trockener Schaum“ oder „Polyederschaum“ genannt. Wirkungsweise von Entschäumern Um seine Wirkung entfalten zu können, muss ein Entschäumer in die Schaumlamellen hineingelangen. Dazu muss er im zu entschäumenden Medium nahezu unlöslich sein. Eine völlige Unverträglichkeit würde allerdings zu Filmstörungen führen, die zu vermeiden sind. In der Schaumlammelle muss er die die Lamelle stabilisierende Tensidschicht spreiten, wobei ein Film mit deutlich geringerer Elastizität als zuvor entsteht und der Schaum kollabiert. Gleichzeitig werden durch die neue Grenzfläche Entschäumer/Flüssigkeit in der Lamelle Tensidmoleküle, die die Lamelle stabilisieren, gebunden und stehen dadurch nicht mehr zur Stabilisierung der Lamelle zur Verfügung (s. Abb. 2.54, Seite 182). Die Wirkung von Entschäumerflüssigkeiten kann durch Zugabe feinst dispergierter, mit der zu entschäumenden Flüssigkeit unverträglichen Feststoffteilchen noch gesteigert werden. Dann dient die Entschäumerflüssigkeit auch als Transportmedium, durch das die Feststoffteilchen in die Schaumlamelle gelangen. Dort wirken sie in der Flüssigkeit als Fremdkörper, der die Kohäsionskräfte in der Lamelle stören und gleichzeitig Tensidmoleküle absorbieren kann. Wie durch die Entschäumerflüssigkeit selber wird die Lamelle so destabilisiert und reißt schließlich.

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Lackrohstoffe

Luft

Entschäumertröpfchen Tensidmolekül

Flüssigkeit

Abb. 2.54: Modell zur Wirkungsweise von Entschäumern, nach [40, Tego Chemie Service GmbH]

Es muss allerdings betont werden, dass man bis heute noch keine allgemeingültige Vorstellung vom Wirkmechanismus der Entschäumer hat. Physikochemisch ausgedrückt muss der Entschäumer – wie in Abb. 2.55 veranschaulicht – im zu entschäumenden Medium • einen positiven Eindringkoeffizienten (E > 0) und • auch einen positiven Spreitungskoeffizienten (S > 0) aufweisen. Dabei gelten die folgenden Beziehungen: E = σFl – σE + γFl / E S = σFl – (σE + σFl / E)

mit σFL = Oberflächenspannung der Flüssigkeit, σE = Oberflächenspannung des Entschäumers und γFL/E = Grenzflächenspannung zwischen Flüssigkeit und Entschäumer. Luft

Luft

Luft Entschäumer

Entschäumer

Entschäumer Anstrichstoff

Anstrichstoff

Eindringen des Entschäumers in die Grenzfläche Anstrichstoff/Luft

Anstrichstoff Spreiten des Entschäumers an der Grenzfläche Anstrichstoff/Luft

Abb. 2.55: Grundlage der Definitionen von Eindringkoeffizient und Spreitungskoeffizient

Oft wird zwischen Entschäumern und Entlüftern unterschieden. Ein Entschäumer führt zur Zerstörung des Makroschaums an der Oberfläche einer Flüssigkeit. Entlüfter sollen dagegen die während der Applikation eindispergierte Luft möglichst schnell aus dem Lackfilm entfernen. Sie werden weiter unten behandelt. Entschäumertypen In wässrigen Lacksystemen werden heute als Entschäumer vor allem zwei Produktgruppen verwendet: • Mineralölentschäumer Sie bestehen zum überwiegenden Teil aus Mineralöl (Trägeröl). Früher handelte es sich hier vor allem um aromatische Mineralöle, die aber heute aus physiologischen und ökologischen Gründen immer mehr durch aliphatische Mineralöle ersetzt werden. Gegebenenfalls werden dem Trägeröl

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noch ein hydrophober Feststoff, z.B. hydrophobierte Kieselsäure oder eine Polyharnstoffverbindung, sowie geringe Mengen Emulgatoren und andere Hilfsstoffe zugesetzt. • Silikonentschäumer Derartige Produkte sind meistens erheblich teurer als die Mineralölentschäumer. Es handelt sich meistens um Dimethylpolysiloxane, die oft mit hydrophoben Polyethern modifiziert sind. Wie die Mineralölentschäumer können sie zur Steigerung der Wirksamkeit zusätzlich noch hydrophobe Feststoffe enthalten. Sie zeichnen sich durch eine bessere Verträglichkeit auf, wodurch auch die Kraterempfindlichkeit des Lackes herabgesetzt wird. In hochglänzenden Systemen kann eine Glanzreduzierung bei richtiger Auswahl des Entschäumers oft vermieden werden. In lösemittelhaltigen Lacksystemen lassen sich Mineralölentschäumer nicht verwenden. Hier müssen Entschäumer mit ausgesprochen niedriger Oberflächenspannung eingesetzt werden, heute meistens Produkte auf Silikonbasis. Zur Auswahl eines geeigneten Entschäumers kann man auf unterschiedliche Prüfverfahren zurückgreifen. Vor allem muss er eine angemessene Verträglichkeit mit dem Lacksystem aufweisen. Zu verträgliche Entschäumer wirken nicht mehr und zu unverträgliche Entschäumer führen zu Kratern. Geeignet sind zum einen • Polysiloxane mit einer Viskosität zwischen 5000 und 50 000 mPa·s und zum anderen • Speziell modifizierte Siloxane. Eine Vorauswahl kann dadurch getroffen werden, dass man den Entschäumer in die reine Bindemittellösung einarbeitet und beobachtet, wie schnell die entstandenen Blasen zerplatzen oder wie schnell das Volumen des gebildeten Schaums abnimmt. Nach Abb. 2.55 muss der Spreitungskoeffizient S größer als null sein, was bei Wasser mit seiner hohen Oberflächenspannung (73 mN/m) kein Problem darstellt. Organische Lösemittel weisen dagegen wesentlich niedrigere Oberflächenspannungen auf, die zu nahe an denen der Mineral­ ölentschäumer liegen. Die Summe aus der Oberflächenspannung des Mineralölentschäumers und der Grenzflächenspannung zwischen Flüssigkeit und Entschäumer ist dann meistens größer als die Oberflächenspannung der Flüssigkeit, d. h. hier des Lösemittels, wodurch der Spreitungs­koeffizient kleiner als null würde. Silikonöle besitzen eine wesentlich niedrige Oberflächenspannung, so dass es bei ihnen kaum derartige Probleme in lösemittelhaltigen Systemen gibt. Auswahlkriterien Ein fertiger Lack enthält zahlreiche Komponenten, die ihrerseits auch die Schaumbildung bzw. die Schaumstabilität beeinflussen können. Es ist deshalb unerlässlich, die in der Vorauswahl gefundenen Entschäumer im Lacksystem selbst zu prüfen. Bei hochgefüllten Systemen kann es am sinnvollsten sein, den Schaumgehalt einer Probe durch Bestimmung der Dichte zu ermitteln. Dazu muss auf reproduzierbare Weise Luft in den Lack eingearbeitet werden, wobei Schaum entsteht. Geschehen kann das z.B. durch Schütteln im Schütteltrichter, Einrühren von Luft im Dissolver oder Aufrollen mit einer offenporigen Schaumstoffrolle. Anschließend wird die Abnahme des Schaumvolumens beobachtet oder es werden die eventuell durch Schaum verursachten Störungen am applizierten Lackfilm untersucht. Da, wie erwähnt, Entschäumer im Lacksystem zu einem gewissen Grad unverträglich sein müssen, besteht allerdings als Nebenwirkung das Risiko einer • Glanzbeeinträchtigung • Trübung im Klarlack • Neigung zur Kraterbildung und einer • Beeinflussung der Zwischenschichthaftung. Da viele Entschäumer bei längerer Lagerung ihre Wirksamkeit verlieren, muss diese gegebenenfalls auch nach einer längeren Lagerzeit geprüft werden.

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Entlüfter Während Makroschaum vor allem in wässrigen Beschichtungssystemen vorkommt, kann Mikroschaum bei allen Lacksystemen auftreten. Hierunter versteht man kleine, kugelförmige Bläschen, die von einer relativ großen Flüssigkeitsmenge umgeben sind. In der fertigen Beschichtung kann solcher Mikroschaum zu Lufteinschlüssen und zu sogenannten Pinholes (Nadelstichen) führen. Letzteres sind die Aufstiegskanäle kleiner Luftbläschen, die vom zu viskosen Lackmaterial nicht mehr geschlossen werden konnten. Sowohl Luftbläschen als auch Pinholes beeinträchtigen die Funktion einer Beschichtung, da an solchen Fehlstellen der Lackfilm sehr dünn ist oder das Pinhole gar bis zum Untergrund reichen kann, wodurch z.B. korrosionsfördernde Stoffe eindringen können. Dies ist besonders dann gefährlich, wenn solche Pinholes so klein sind, dass man sie mit bloßem Auge nicht erkennen und damit auch keine Abhilfe vorsehen kann. Porenbildung Neben den schon beim Makroschaum beschriebenen Möglichkeiten zum Lufteintrag in ein Beschichtungssystem kann Mikroschaum auch dadurch entstehen, dass sich durch chemische Reaktionen, bei denen sich flüchtige Produkte bilden, kleine Gasbläschen bilden. Hierzu gehören z.B. die Reaktion von Isocyanaten mit Feuchtigkeit aus der Luft, bei der CO2 entsteht, oder auch in entsprechenden Lacksystemen das Abspalten von Blockierungsreagenzien. In reinen Bindemittellösungen werden solche kleinen Gasbläschen, die natürlich nur einen geringen Auftrieb haben, nur durch die Viskosität des Beschichtungssystems, die beim Aushärten auch noch ansteigt, am Entweichen gehindert, was z.B. beim Ablüften eins frisch applizierten Klarlackes nachteilig wäre. In formulierten Lacksystemen mit ihrer Vielzahl von z.T. auch grenz­ flächenaktiven Bestandteilen werden die Gasbläschen oft als Mikroschaum stabilisiert. Dann erfolgt die Lackhärtung meistens schneller als das Aufsteigen der Blasen im Lackfilm und es bleiben dort Luftbläschen oder deren Aufstiegskanäle in Form von Pinholes zurück. Um die Entstehung von Pinholes zu vermeiden, muss die Aufstiegsgeschwindigkeit der Gasbläschen erhöht werden. Aus dem Stokesschen Gesetz lässt sich ableiten, dass die Aufstiegs­ geschwindigkeit v von Gasblasen proportional zum Quadrat des Blasenradius r ist.

v ~ r 2 /η mit η = dynamische Viskosität. Als Entlüfter wirken daher Substanzen, die die Koaleszenz einzelner Blasen zu einer größeren Blase herbeiführen oder beschleunigen. Dies erreicht man durch unpolare Stoffe, die gerade noch im Lacksystem löslich sind und sich deshalb an der Grenzfläche Gas/Lack anreichern. Die Gasbläschen werden dann von einer unpolaren Entlüfterschicht umhüllt. Sie verdrängt das den Mikroschaum stabilisierende Tensid von der Oberfläche der Luftbläschen, wodurch allein schon dessen Aufstieg beschleunigt wird. Nähern sich außerdem zwei Gasbläschen einander, so können ihre Entlüfterschichten leicht verschmelzen, da sie mit dem Bindemittel bzw. der Bindemittellösung nur geringe Wechselwirkung zeigen. Es kommt so zur Koaleszenz und die entstehende Luftblase steigt schneller zur Oberfläche auf. Diese Erklärung ist allerdings stark vereinfachend, da sie nicht die Entlüftung in senkrechten Lackflächen erklären kann. Entlüfter sollen also hauptsächlich den Aufstieg von Gasbläschen zur Lackoberfläche beschleunigen. An sie werden zum Teil ähnliche Anforderungen gestellt wie an Entschäumer. Genau wie dort gibt es deshalb auch hier keine Substanzen, die sich für alle Beschichtungssysteme eignen. Als Entlüfter werden heute verwendet: • spezielle organische Polymere, wie Polyether oder Polyacrylate, • Dimethylpolysiloxane, • spezielle organisch modifizierte Polysiloxane und • Fluorsilikone

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Additive

Auswahlkriterien Die Auswahlprozedur des für einen bestimmten Beschichtungsstoff geeigneten Entlüfters kann sehr aufwändig sein. Da die Dichteunterschiede von Proben mit und ohne Mikroschaum sehr gering sind, lassen sich Dichtebestimmungen kaum anwenden. Die Untersuchung wird deshalb visuell am Beschichtungsfilm selbst durchgeführt, z.B. an Lackfilmen auf transparenten Folien. Die Proben werden im Durchlicht auf Blasen und Pinholes hin untersucht und im Auflicht auf eventuell vorhandene Krater oder Orangenschalenstruktur. Feinster Mikroschaum kann aber visuell nicht erfasst werden. In solchen Fällen empfiehlt es sich, den zu untersuchenden Beschichtungsstoff in realistischer Schichtdicke auf ein gestrahltes Eisenblech zu applizieren. Nach vollständiger Härtung wird die beschichtete Seite 24 h einer Kupfersulfat-Lösung ausgesetzt. Nach Abspülen mit Wasser erkennt man das Vorhandensein feiner Poren anhand roter Punkte; es ist elementares Kupfer, entstanden aus durch Eisen reduzierten Kupferionen (siehe auch → Porenprüfung). Neben der Wirksamkeit des Entlüfters muss natürlich auch seine Verträglichkeit mit dem Beschich­ tungsstoff getestet werden. Wie bei den Entschäumern kann es zu Oberflächenstörungen durch Unverträglichkeit kommen. Manchmal kann man erst durch Kombination zweier Entlüfter optimale Wirksamkeit und Verträglichkeit erreichen. Wenn die Gasbläschen zwar aufgestiegen, an der Oberfläche aber nicht zerplatzt sind, kann die Kombination mit einem kieselsäurehaltigen Produkt sinnvoll sein, das dann wie in Entschäumern wirkt. 2.4.2.2 Oberflächenadditive

Unter dem Begriff „Oberflächenadditive“ sollen hier solche Additive verstanden werden, mit denen sich bei der Lackschicht eventuell bildende Oberflächenstörungen beheben lassen. Solche Störungen sind: • • • • • •

Schlechter Verlauf Unzureichende Untergrundbenetzung Krater durch Spritznebel- oder Staubeinfall Zugluftempfindlichkeit Bénardsche Zellen Wischer-/Quellerbildung (Ghosting)

Verursacht werden diese Störungen durch unterschiedliche Oberflächenspannungen innerhalb des Lackfilms, was im flüssigen Lack zu Strömungen von Bereichen mit niedriger zu solchen mit höherer Oberflächenspannung führen kann. Bénard-Zellenbildung Ein wichtiges Phänomen ist in diesem Zusammenhang das Auftreten von Bénardschen Zellen (Abb. 2.56). Beim Abdunsten der Lösemittel strömt aus tieferen Lackschichten relativ lösemittelreicher, d.h. niedrig viskoser Lack mit zudem geringerer Dichte zur Oberfläche, wo er dann spreitet und die Lösemittel verdunsten. Dadurch erhält der Lack in der obersten Schicht eine größere Dichte als im darunterliegenden Bereich und sinkt folglich zurück. Bei diesen

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niedrige Oberflächenspannung

hohe Oberflächenspannung

Abb. 2.56: Ausbildung von Bénardschen Zellen, nach [40, Tego Chemie Service GmbH]

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Lackrohstoffe

Strömungen entstehen Wirbel, die gegebenenfalls Pigmente unterschiedlicher Dichte in verschiedenem Maße mitreißen. Da beim Abdunsten der Lösemittel die Viskosität des Lackes ansteigt, kommen diese Strömungen mit zunehmender Durchtrocknung zum Stillstand. Im Idealfall bildet sich an waagerechten Flächen eine Wabenstruktur mehr oder weniger regulärer Sechsecke aus, die sogenannten Bénardsche Zellen. An senkrechten Flächen verlaufen diese Zellen zu Streifen (silking). Das Auftreten von Bénard­schen Zellen ist besonders störend bei mischpigmen­tierten Lacken. Die unterschiedliche Dichte der Pigmente führt zu verschiedenen Teilchenbeweglichkeiten. Dadurch werden die Pigmente nicht in gleichem Maße durch die Strömungen mitgerissen. Die leichteren reichern sich an den Rändern der Wirbel an, die schwereren im Zentrum, wo die Strömungsgeschwindigkeit niedriger ist. Es kommt so in der Beschichtung zu einer Entmischung der Pigmente. In mattierten Klarlacken kann das Mattierungsmittel die Rolle des unbeweglicheren Pigmentes spielen, was dann ebenfalls zu einer Wabenstruktur führt oder bei senkrechten Flächen zu Streifen. Bei unpigmentierten Systemen kommt es zur Ausbildung einer unruhigen Oberfläche. Oberflächenaktive Substanzen Neben diesen im Lack selbst auftretenden Unterschieden in der Oberflächenspannung können Störungen aber auch durch Oberflächenspannungsunterschiede zwischen Untergrund und Lack sowie zwischen Lack und Schleifstaub oder Lackspritznebel verursacht werden. Entgegenwirken lässt sich all diesen Phänomenen mit Oberflächenadditiven, da sie die Oberflächenspannung während des gesamten Verfilmungs- und Aushärteprozesses auf einem gleichmäßig niedrigen Niveau halten. Eingesetzt werden hierzu oberflächenaktive Substanzen. Als oberflächenaktiv bezeichnet man Substanzen, die die Oberflächenspannung einer Flüssigkeit zu reduzieren vermögen, indem sie sich an deren Oberfläche anreichern. In wässrigen Systemen mit ihren rel. hohen Oberflächenspannungen (σH 2O = 73 mN/m) sind zahlreiche Substanzen oberflächenaktiv. Am bekanntesten sind die Tenside. Anders ist es bei lösemittelhaltigen Systemen, die selbst bereits eine relativ niedrige Oberflächenspannung aufweisen. Hier sind vor allen Dingen fluorierte Verbindungen, Silikonöle und modifizierte Polysiloxane oberflächenaktiv. Die Modifikation der Polysiloxane (mit Polyether- oder Polyesterketten sowie aromatischen Gruppen) macht sie besser verträglich mit dem Lacksystem. Einen sehr starken Einfluss auf die Oberflächenspannung haben hier die Alkylgruppen, von denen Methylgruppen stärker oberflächenspannungserniedrigend wirken als längere Alkylketten. Verlauf Als Verlauf bezeichnet man die Ausbildung einer gleichmäßigen, glatten Oberfläche, wobei auch applikationsbedingte Unebenheiten (Pinselspuren u.ä.) ausgeglichen werden müssen. Voraussetzung für einen guten Verlauf ist eine einwandfreie Benetzung des Untergrundes, gutes Spreiten des flüssigen Lackes und ein über die gesamte Lackoberfläche gleichmäßig erfolgendes Verdunsten der Lösemittel. Wichtiger als eine hohe Oberflächenspannung, die lediglich auf eine glatte Lackoberfläche mit möglichst geringer Oberfläche hinwirken würde, ist für den Verlauf ein einheitliches Niveau der Oberflächenspannung. Dann kommt es nicht so leicht zu der oben erwähnten Bénardzellenbildung. Daneben ist der Verlauf auch stark abhängig vom Fließverhalten des Lackes. Dieses kann z.B. durch geeignete Lösemittelgemische gesteuert werden. Umgekehrt kann aber die σFl Wirkung eines Verlaufsmittels auch das Gas Fließverhalten des Lackes beeinflussen. σs

Θ

γsl Flüssigkeit Festkörper

Abb. 2.57: Kräfteverteilung an der Phasengrenze Festkörper/ Flüssigkeit, nach [10]

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Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass sich durch Zugabe oberflächenaktiver Substanzen an der gesamten Lackoberfläche eine gleichmäßig niedrige Oberflächenspannung einstellt, die sich

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Additive

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während des Abdunstens nicht wesentlich ändert. Somit treten keine Oberflächenspannungsgradienten mehr an der Lackoberfläche auf, und das Abdunsten der Lösemittel kann gleichmäßig über die gesamte Lackoberfläche erfolgen, was zu der gewünschten ebenen Oberfläche führt. Netz- und Verlaufsmittel Neben den oben erwähnten Substanzklassen kommen als Verlaufsmittel auch Acrylat-Copolymere zum Einsatz. Sie sind im Lacksystem nur wenig löslich und reichern sich wie erwartet an der Oberfläche an. Ihre Oberflächenaktivität ist allerdings meistens nicht so groß wie die der Silikone. Im Übrigen sind bei der Verlaufsbewertung nicht nur Oberflächenspannungseffekte zu beachten, denn unterschiedliche Verdunstungsgeschwindigkeiten können auch durch Zugluft hervorgerufen werden (→ Zugluftempfindlichkeit). Durch die niedrige Oberflächenspannung eines mit einem Verlaufsmittel versetzten Lackes kommt es meistens gleichzeitig zu verbesserter Benetzung des Untergrundes, was ebenfalls eine Voraussetzung für guten Verlauf ist. Unter vollständiger Benetzung versteht man das Spreiten eines Flüssigkeitstropfens auf einer Festkörperoberfläche. Gute oder schlechte Benetzung äußert sich dabei in der Größe des Kontakt- oder Randwinkels Θ, den der Tropfen auf dem Substrat bildet (Abb. 2.57). Ein geschlossener Lackfilm entsteht, wenn Θ nicht allzu groß ist ( σFl und damit Θ < 90°. Da die Grenzflächenspannung meistens klein ist im Vergleich zu den Oberflächenspannungen, kann sie oft vernachlässigt werden. Dann ergeben sich aus den genannten Gleichungen die folgenden empirischen Regeln: • Ein Substrat mit hoher Oberflächenspannung σS ist leicht zu benetzen. • Eine Flüssigkeit mit niedriger Oberflächenspannung kann leicht benetzen. • Je größer die Differenz zwischen den Oberflächenspannungen des Substrates und der Flüs  sigkeit, desto besser ist die Benetzung. In der Tabelle 2.34 (Seite 188) sind einige Oberflächenspannungen von Lösemitteln, Substraten und von Tensidlösungen in Wasser (0,1 %, 25 °C) zusammengestellt. Wenn man davon ausgeht, dass das Substrat optimal vorbehandelt ist (gereinigt, entfettet, ggf. phosphatiert, coronabehandelt o.ä.), kann man die Benetzung dadurch verbessern, dass man die Oberflächenspannung des Lackes verringert. Dies geschieht durch Substratnetzadditive, deren Effektivität sich in der Fähigkeit ausdrückt, schon in möglichst kleinen Konzentrationen die Oberflächenspannung zu reduzieren. Es dürfen allerdings dadurch keine unerwünschten Nebeneffekte, wie unkontrollierbare Schaumbildung, verminderte Wasserbeständigkeit oder schlechte Zwischenschichthaftung (Überlackierbarkeit), auftreten. Den letzteren Effekt kann man sich folgendermaßen erklären. Als oberflächenaktive Substanzen reichern sich Benetzungsadditive an der Oberfläche einer Lackschicht an, wodurch dort eine geringere Oberflächenspannung als im Inneren vorliegt. Wenn die oberflächenaktiven Substanzen dann beim Einbrennen dort auch fest eingebunden werden, z. B. durch Einbau in das Bindemittelnetzwerk über reaktiver Gruppen, können sie beim Überlackieren nicht mehr in die folgende Schicht wandern. So findet diese nachfolgende Lackschicht einen Untergrund vor, der sich aufgrund seiner geringen Oberflächenspannung nur schlecht benetzen lässt, was insgesamt zu einer schlechten Zwischenschichthaftung führt.

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Tab. 2.34: Oberflächenspannung σ einiger Lösemittel, Filmbildner und Untergründe Flüssigkeit

σ

σ

[mN/m]

Tensidlösung in H2O (0,1%ig, 25 °C)

Wasser

73

Nonylphenolethoxylat

Butylglykol

30

Silikontensid

31

Toluol

29

Polyethersiloxan

21

2-Propanol

22

nichtionisches Fluortensid

17

n-Oktan

21

Hexamethyldisiloxan

16

Isopentan

14

Lackharz

σ–1

Substrat

σS

Epxidharze

45 bis 60

Melaminharze

42 bis 58

unbehandelter Stahl

29 *

57

phosphatierter Stahl

43 bis 46 * 33 bis 35 *

[mN/m]

Chlorkautschuk

[mN/m] 35

[mN/m] Glas

73 *

Alkydharze

33 bis 60

unbehandeltes Aluminium

Poly(meth-)acrylate

32 bis 41

Polyester

43

Polyvinylalkohol

37

Polyethylen

36

Polyvinylacetat

36

Polypropylen

30

Paraffin-Wachs

26

PTFE

20

*  kritsche Oberflächenspannung σkr : Misst man cos Θ von einer homologen Reihe von Flüssigkeiten i auf derselben Oberfläche und trägt cos Θ gegen σi auf, so erhält man eine Gerade, deren Extrapolation auf cos Θ = 1 (Θ = 0°) den Wert von σkr ergibt.

Die Eignung eines Benetzungsadditivs lässt sich nicht direkt aus den Oberflächenspannungswerten ableiten. Oft kann man aber mit einem einfachen Spreitungstest erste Hinweise erhalten. Dazu gibt man einen Tropfen der zu untersuchenden Flüssigkeit, einmal mit und einmal ohne Additiv, auf das Substrat und vergleicht die Flächen. Orangenschalen-Effekt Ein Verlaufsproblem, welches speziell bei der Spritzapplikation, und auch bei Pulverlacken auftritt, ist der Orangenschaleneffekt. Er entsteht u.a. in Anwesenheit zu schnell flüchtiger Lösemittel, die auf dem Weg der Lacktröpfchen von der Spritzpistole zum Substrat verdunsten. Dadurch hat das auftreffende Lacktröpfchen nicht mehr eine ausreichend niedrige Viskosität, um optimal verlaufen zu können. Auch unterschiedliche elektrostatische Aufladungen beim Transport von der Pistole zum Objekt können diesen Effekt verursachen. Oberflächenaktive Additive, wie z.B. Silikone, können oft Abhilfe schaffen, müssen allerdings vorsichtig dosiert werden, da es sonst zu Kraterbildungen kommen kann. Kraterbildung Als Krater bezeichnet man kleine, muldenförmige Vertiefungen in Lackfilmen. Sie sind meistens auf ein gestörtes Benetzungsverhalten des flüssigen Lackes zurückzuführen. Hierfür kommen mehrere Ursachen in Betracht. Ist das zu beschichtende Substrat lokal von Substanzen mit niedrigerer Oberflächenspannung kontaminiert, z.B. Fette oder Öle auf Metallen, Gleit- bzw. Formtrennmittelreste auf Kunststoffen oder Staub, so benetzt der applizierte Lack diese Stellen

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Additive

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schlechter oder zieht sich sogar zurück. Falls diese Verunreinigungen im Lack löslich sind, wie z.B. viele Fette oder Öle in organischen Lösemitteln, so gibt es zwei Möglichkeiten. Wenn sich die gelösten Verunreinigungen einigermaßen gleichmäßig im flüssigen Lack verteilen können, wird der Untergrund wie erwartet benetzt und es hinterbleibt kein Oberflächenfehler. Weist anderenfalls der Lack an den kontaminierten Stellen eine niedrigere Oberflächenspannung auf, führt dies dann zu Strömungen im Lack, von der kontaminierten Stelle weg in die Bereiche mit größerer Oberflächenspannung, wodurch an der kontaminierten Stelle die Lackschicht dünner wird oder gar ein Loch, d.h. ein Krater, im Lackfilm entsteht. Krater können sich auch ausbilden, wenn die applizierte Lackschicht durch aus der Luft einfallende Partikel mit niedriger Oberflächenspannung kontaminiert wird. Dies kann Staub sein oder auch eigener oder fremder Spritznebel. Der flüssige Lack kann dann diese Partikel nicht vollständig benetzen und reduziert die Kontaktfläche durch Ausbildung eines Kraters. Eine weitere Ursache für Kraterbildung können bereits im Lack enthaltene, schwer benetzbare, unlösliche Partikel sein, z.B. Gelteilchen oder falsch dosierte Additive wie Entschäumer. Auch in solchen Fällen gleichen oberflächenaktive Additive die Oberflächenspannung des Lackes an jene der am Untergrund vorhandenen oder eingefallenen Partikel an und verhindern so die Kraterbildung. Eine andere Form von Kratern sind die sog. Kocher (Kochblasen). Sie entstehen z.B. bei Einbrennlacken in Anwesenheit von leicht flüchtigen Lösemitteln. Diese verdampfen beim Trocknen schnell aus den oberen Schichten des Lackfilms, wodurch die Viskosität an der Oberfläche schnell ansteigt und diese sich rasch schließt. Die verdampfenden Lösemittel der unteren Schichten bilden dann Blasen, die aufplatzen und durch den an der Oberfläche bereits hochviskosen Lack nicht mehr geschlossen werden können. Im trockenen Film zeigen sich dann Nadelstiche oder Krater. Diesem Problem kann man meistens durch Zusatz eines gut lösenden Hochsieders oder auch eines geeigneten Gemisches von Hochsiedern begegnen. Wischer-/Quellerbildung Ähnliche Ursachen wie die Kraterbildung hat auch das Phänomen des Ghosting (Wischer-/Quellerbildung). Darunter versteht man das Durchschlagen von Schleif- oder Wischspuren in die folgende Lackschicht bei Reparaturlackierungen. Beim Schleifen werden Zonen unterschiedlicher Oberflächenspannung (geschliffen – ungeschliffen) erzeugt, was dann im darauf applizierten Lack zu Strömungen in verschiedene Richtungen führen kann. Es entstehen so deutlich sichtbare kleine Wülste oder Schienen. Die Gegenmaßnahmen sind wieder dieselben wie in analogen Fällen: Oberflächenaktive Additive führen zu einer gleichmäßigen Benetzung der gesamten Substratoberfläche und unterdrücken so die Bildung von Wischern oder Quellern. Slip-Additive Außer zur Behebung der bisher besprochenen Oberflächenfehler können oberflächenaktive Substanzen auch dazu dienen, andere Eigenschaften des applizierten Lackes oder der Oberfläche des gehärteten Lackes gezielt zu modifizieren. Der Gleitwiderstand einer Lackoberfläche hängt wesentlich von den Wechselwirkungen zwischen Oberfläche und gleitendem Körper ab. Als Additive, die die Oberflächenglätte eines Lackfilmes verbessern sollen (Gleit- oder Slip-Additive), sind deshalb solche Substanzen besonders geeignet, die sich durch geringe Wechselwirkungen untereinander und auch zu anderen Substanzen auszeichnen. Das sind neben fluorierten Verbindungen vor allem Silikone und modifizierte Siloxane mit relativ hohem Polydimethylsiloxananteil. Sie reichern sich während des Trocknens an der Oberfläche des Lackes an und bilden einen Gleitmittelfilm.

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starke Reduktion der Oberflächenspannung

Einstellen und Stabilisieren eines einheitlichen Oberflächenspannungsniveaus

Anreicherung an der Oberfläche

Verhinderung von Wirbeln Verhinderung von Bénard-Zellen

Reduzierung der Zugluftempfindlichkeit

Benetzung

Anti-KraterWirkung

Gleitwirkung Verlauf

Erhöhung der Kratzfestigkeit

Abb. 2.58: Übersicht über die Wirkungsweise oberflächenaktiver Additive, nach [40, Tego Chemie Service GmbH]

Die Ausbildung dieses Gleitmittelfilms beruht in lösemittelhaltigen Systemen auf den beim Abdunsten der Lösemittel auftretenden Strömungen und geschieht relativ rasch. In lösemittelfreien Systemen werden die Slip-Additive – mit fortschreitender Aushärtung des Bindemittels – langsam im System unlöslich und als Folge davon an die Oberfläche gedrückt. Allerdings sind hier meistens etwas höhere Dosierungen notwendig als in lösemittelhaltigen Systemen. In wässrigen Systemen ist die Wirksamkeit der Slip-Additive stark von der Additivverträglichkeit mit dem Bindemittel abhängig. Mit steigender Vernetzung nimmt auch hier die Wirksamkeit zu. Durch Emulgatoren können die SlipAdditive aber im Lack zurückgehalten werden, was ihre Wirksamkeit senkt.

Neben der Oberflächenglätte verbessern Slip-Additive • die Blockfestigkeit und • dank der erhöhten Oberflächenglätte meistens auch die Kratzfestig­keit einer Beschichtung. Kratzer sind linienförmige Verletzungen der Oberfläche, die durch spitze Gegenstände hervorgerufen werden, die entweder die Oberfläche irreversibel verformen oder gar in sie eindringen. Die Slip-Additive bilden dann quasi eine Schmierschicht, die das Eindringen des Gegenstandes erschwert. Dazu muss der Additivfilm allerdings trotz des Drucks durch den spitzen Gegenstand als Film geschlossen bleiben; er muss also ein hohes Lasttragevermögen aufweisen, was nur durch intensive Wechselwirkungen der Additiv-Moleküle untereinander und zum Bindemittel möglich ist. Viele oberflächenaktive Additive verkürzen die Staubtrockenzeit eines applizierten Lackfilmes, da sie sich an der Grenzfläche Flüssigkeit/Luft anreichern und dort ei­nen geschlossenen Film bilden, der die Klebrigkeit des Lackes vermindert. Eine Über­sicht über die Wir­kungs­weise oberflächenak­tiver Additive in Lacken und ihren Einfluss auf ver­schie­dene Lack- oder Be­schich­­­ tungs­eigenschaften ist in Abb. 2.58 dargestellt. Wichtig für eine gute Wirkung dieser Additive ist homogenes Einarbeiten in den Lack. Dazu ist es oft sinnvoll, die verschiedenen Additive im jeweiligen Lösemittel vorzulösen, wodurch gleichzeitig eine genauere Dosierung der oft geringen Mengen gewährleistet wird.

2.4.3 Rheologieadditive 2.4.3.1 Allgemeines

Die rheologischen Eigenschaften eines Beschichtungsstoffes sind für ein optimales Verhalten bei der Herstellung, dem Transport und bei der Applikation von ausschlaggebender Bedeutung. Dabei sind die Anforderungen je nach Prozessschritt oft gegenläufig. Bei der Dispergierung z.B. müssen einerseits durch eine entsprechende Viskosität möglichst hohe Scherkräfte auf die Pigmentagglomerate übertragen werden, andererseits muss der Mahlansatz auch verarbeitbar bleiben. Bei der Lagerung und dem Transport ist eher eine hohe Viskosität erwünscht, um ein Absetzen von Pigmenten und Füllstoffen zu vermeiden. Die Viskosität beim Lackauftrag hängt von der Applikationsart ab, muss

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Additive

eher niedrig sein. Nach der Applikation soll der Lack gut verlaufen, darf aber bei der gewünschten Schichtdicke nicht ablaufen. Die auftretenden Schergeschwindigkeiten sind sehr unterschiedlich. Ablaufen, Verlaufen und Bodensatzbildung treten im Bereich niedriger Schergeschwindigkeit, etwa zwischen 0,001 und 0,1 s–1 auf (siehe Abb. 2.59). Dagegen erfolgen die Herstellung des Lacks und meistens auch die Applikation bei sehr viel höherer Schergeschwindigkeit im Bereich von etwa 104 s–1. Einfluss der Schergeschwindigkeit

Viskosität η [Pa · s] Lagerung

Transport

103 Lackherstellung 102

Viskositätssteuerung durch rheologische 10 Additive

Viskositätssteuerung durch Bindemittel, Pigmente und Lösemittel

Ablaufen Verlaufen

1 0,1

Lackauftrag

Absetzen

0,01 0,001 0,01

Konsistenz im Gebinde 0,1

1

10

102

Pinselauftrag Spritzen Walzauftrag 103

104

105

Schergeschwindigkeit D [s–1]

Abb. 2.59: Übersicht über die bei Herstellung, Transport,

Bei hohen Schergeschwindigkeiten wird Lagerung und Applikation von Lacken auftretenden Scher­ das Fließverhalten eines Beschichtungs- geschwindigkeiten stoffes vor allem durch die Bindemittel, die Lösemittel, die Pigmente und Füllstoffe beeinflusst. So nimmt z.B. in diesem Schergeschwindigkeitsbereich die Viskosität bei gegebener Konzentration mit steigender molarer Masse des Filmbildners ebenso zu, wie mit steigender PVK. Der Einfluss des Lösemittels ist dagegen nicht so eindeutig. Hier spielen unter anderem die Eigenviskosität des Lösemittels(-gemisches) und sein Vermögen zur Ausbildung von Wasserstoffbrückenbindungen eine wesentliche Rolle. Dementsprechend wird für den Bereich hoher Schergeschwindigkeiten die Viskosität eines Beschich­tungsstoffes vor allem durch geeignete Abstimmung seiner Komponenten eingestellt, z.B. bei vorgegebener Zusammensetzung des gehärteten Filmes durch Verdünnen mit Lösemittel. Bei niedrigen Scherge­schwin­­dig­keiten wird die Viskosität natürlich auch durch diese drei Hauptlackbestandteile beeinflusst, in Bezug auf den Filmbildner z.B. sehr stark durch thixo­trope Alkydharze. Eingestellt wird sie aber in diesem Bereich, wenn nötig, durch spezielle Rheologieadditive (Thixotropierungsmittel, Verdicker), die z.T. das Fließverhalten nur in bestimmten Schergeschwindigkeitsbereichen verändern sollen (z. B. High- oder Low shear-Verdicker). Die Einteilung der Rheologieadditive erfolgt entsprechend ihrer hauptsächlichen Wirkung grob in Verdicker und Thixotropierungsmittel. Oft werden aber auch Additive, die die Viskosität eines Beschichtungsstoffes nur mehr oder weniger gleichmäßig über den gesamten Schergeschwindigkeitsbereich anheben, als Verdickungsmittel bezeichnet, während dann nur solche, die die Form oder die Lage der Fließkurve beeinflussen, als Rheologieadditive genannt werden. Thixotropierungsmittel hingegen nennt man solche Rheologieadditive, die vor allem das zeitliche Verhalten der Viskosität bei veränderten Scherbedingungen beeinflussen. Eine eindeutige Zuordnung der einzelnen Additive zu einer dieser Gruppen ist überdies nicht immer möglich und wird manchmal auch nach anderen Gesichtspunkten vorgenommen. Additive, die speziell zum Einstellen einer Strukturviskosität verwendet werden, finden sich z.B. in allen genannten Gruppen. 2.4.3.2 Verdickungsmittel

Hauptaufgabe von Verdickungsmitteln in Beschichtungsstoffen ist die Unterbindung des Absetzens von Pigmenten und Füllstoffen während der Lagerung und des Transportes. Ihr wichtigstes Einsatzgebiet sind Dispersionsfarben. Verwendung finden dafür u.a. Cellulosederivate (z.B. Methylcellulose, Ethylhydroxypropylcellulose), ferner Derivate von Heteropolysacchariden (z.B. Xanthan), Polyacrylate, Polyetherpolyole und Polyurethanderivate. Ihre Wirksamkeit lässt sich durch den chemischen Aufbau innerhalb gewisser Grenzen steuern. Entsprechend ihrer

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Tab. 2.35: Einfluss modifizierter Cellulose auf die Eigenschaften von Dispersionsfarben Eigenschaft

Methylcellulose

Methylhydroxypropylcellulose

Verdickungseffekt

nimmt ab

Spritzneigung

nimmt zu

Wasserretention

nimmt zu

Pigmentflockulation

nimmt ab

Schaumbildung

nimmt ab

Waschbeständigkeit

nimmt ab

Anfälligkeit gegen Mikroorganismen

nimmt zu

Methylhydroxyethylcellulose

Hydroxyethylcellulose

Wirkungsweise muss hier zwischen Hydrokolliden und wasserlöslichen Polymeren sowie Assoziativ- oder Systemverdickern unterschieden werden. Verdickertypen Die meisten dieser Verdicker, aus der ersten Gruppe, z. B. die Cellulosederivate und bestimmte Poly(meth)acrylsäure/-(meth)acrylsäureester-Copolymeren wirken durch Erhöhung des hydrodynamischen Volumens (s. Kap. 2.2.3.5) über Assoziation von Wassermolekülen und über Wasserstoffbrückenbindungen entlang der Polymerkette (Quellen) sowie auch durch Assoziatbildung der Verdickermoleküle untereinander (Molekülvergrößerung). Sie verdicken so die Wasserphase und werden dementsprechend oft auch Phasenverdicker genannt. Ihr Vorteil ist, dass ihre Wirkung systemunabhängig ist und daher vorhersehbar. Allerdings vermitteln sie dem mit ihnen verdickten Beschichtungsstoff oft einen hohen elastischen Anteil am Fließverhalten (s. Kap 8.1.4), weshalb sie hochglänzende Farben nicht geeignet sind. Darüber hinaus können bei unzureichender Stabilisierung der Pigmente oder Bindemitteldispersion zur Flockulation beitragen. Die Assoziativverdicker, z.B. hydrophob modifizierte PUR-Verdicker, oder Produkte vom Typ HASE (hydrophobically modified alkali soluble emulsions (Acrylsäureester-Copolymere)) oder HMHEC (hydrophobically modified hydroxyethylcellulose), bestehen aus Molekülen mit wasserlöslichen hydrophilen und hydrophoben Bereichen. Vereinfacht kann man sich ihre Wirkungsweise so vorstellen, dass ihre hydrophoben Bereiche durch Assoziatbildung in Wechselwirkung stehen mit anderen Bestandteilen der Beschichtungsstoffe, wie Filmbildnern, Pigmenten, Tensiden und Koaleszenzmitteln, während die hydrophilen Bereiche in der wässrigen Phase verbleiben. Durch den wasserlöslichen Teil wird die Viskosität der wässrigen Phase erhöht und durch Micellbildung und durch die Assoziatbildung bildet sich ein dreidimensionales Netzwerk, das sich relativ leicht wieder zerstören lässt. Ähnlich wie durch Zunahme der molaren Masse eines gelösten Polymers erhöht ein solches Netzwerk die Viskosität des Systems. Je nach genauem Molekülaufbau können solche Verdicker ein eher newtonsches Fließverhalten einstellen oder ihre Wirkung im mittleren und unteren oder im oberen Schergeschwindigkeitsbereich entfalten. Dadurch wird dann die Form der Fließkurven verändert. Zur optimalen Einstellung des Fließverhaltens werden Assoziativverdicker oft miteinander oder mit Phasenverdickern oder Thixotropierungsmitteln kombiniert. Meistens wirken Assoziativverdicker auch thixotropierend. Da die Stärke der Wechselwirkung bei der Assoziatbildung von der Grenzflächenspannung zwischen der wässrigen Phase und den hydrophoben Verdickerbereichen bzw. anderen hydrophoben Bestandteilen des Beschichtungsstoffes beruht, wird die verdickende Wirkung durch alle Stoffe beeinflusst, die diese Grenzflächenspannung ändern. Daher reagieren mit Assoziativverdickern eingestellt Farben oft nicht vorhersehbar auf Rezepturänderungen. Einen Überblick über die Wirkung der verschiedenen Verdickertypen vermittelt Tab. 2.36.

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Additive

2.4.3.3 T  hixotropierungs­- mittel Wirkungsweise

Für einen guten Verlauf muss die Viskosität so lange niedrig genug bleiben, dass die Anstrichoberfläche unter dem Einfluss der Oberflächenspannung eine gleichmäßige, glatte Oberfläche zu bilden vermag. Ein derartiges „Offenbleiben“ der Lackschicht kann aber an senkrechten Flä­chen – durch Einwirkung der Schwerkraft – zu Ablaufproblemen führen. Um das Ablaufen zu unterdrücken, ist eine möglichst hohe Viskosität erforderlich, die in der dünnen Lackschicht ein Fließen verhindert. Gefordert ist demnach – für einen guten Verlauf – während und kurz nach der Appli­kation eine relativ niedrige Lackviskosität und danach – zur Ablaufverhinderung – eine relativ hohe.

Tab. 2.36: Vergleich der Wirksamkeit verschiedener Verdickungsmittel (nach Grundtyp) [40] Eigenschaft bzw. Effekt

Verdickungsmittel nicht assoziativ

assoziativ

Low-shear Verdickung

+

+/o/–

High-shear Verdickung



+/o

Beständigkeit gegen Flockulation



+/o

Empfindlichkeit gegen Colöser

+/o



Empfindlichkeit gegen Tenside

+/o

– /o

Verringerung der Spritzneigung



+

„Reifezeit“

+

o

Ablauf

+

o/–

Verlauf



+/o

Glanz



+

+

o /+

+/o



Blockfestigkeit Preis + = günstig, positiver Einfluss o = kaum positiver Einfluss – = unvorteilhaft, negativer Einfluss

Um einen guten Verlauf ohne Ablaufen zu erreichen, gibt man dem Beschichtungsstoff Thixotropierungsmittel zu. Durch die hohen Schergeschwindigkeiten bei der Applikation weist ein solches thixotrop eingestelltes Material direkt nach dem Aufbringen eine so niedrige Viskosität auf, wie es für guten Verlauf erforderlich ist. Da im Anstrichfilm nach der Applikation keine oder nur in geringem Maße Scherkräfte wirken, steigt die Viskosität wieder an, wodurch das Ablaufen unterdrückt wird. Die Schnelligkeit dieses Viskositätsanstiegs ist maßgeblich für das Ab- und Verlaufverhalten des Beschichtungsstoffes. Erfolgt dieser Viskositätsaufbau relativ langsam, so zeigt der Anstrichfilm zwar einen guten Verlauf, kann aber auch zu starkem Ablaufen neigen. Ein zu schneller Viskositätsaufbau dagegen würde zwar das Ablaufen unterdrücken, führte aber nur zu schlechtem Verlauf. Hier muss durch geeignete Dosierung des Rheologieadditivs das optimale Viskositätsverhalten gefunden werden. Der zeitliche Ablauf der mit Thixotropie verbundenen Vorgänge ist in Abb. 2.60 schematisch dargestellt. Thixotropierungsmittelypen Als Thixotropierungsmittel verwendet werden Stoffe, die im Beschichtungsstoff Gerüststrukuren aufbauen, die unter der Einwirkung von Scherkräften nach und nach wieder zerstört werden, z. B. modifizierte Schichtsilikate (z.B. Hectorit, Bentonit), pyrogene Kieselsäure, Polyharnstoffderivate und Rizinusölderivate eingesetzt. Die damit erreichbaren Wirkungen sind in Tab. 2.37 zusammengestellt. • Schichtsilikate bilden über Wasserstoffbrückenbindungen an den Kanten der Schichtsilikatplättchen ein dreidimensionales Netzwerk aus,

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Scherbelastung

Zeit Viskosität

Zeit

Abb. 2.60: Zeitlicher Ablauf von Scherbelastung und Vis­­ko­sität in einem thixotropen System, nach [40]

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Lackrohstoffe

Tab. 2.37: Vergleich verschiedener Typen von Thixotropierungsmitteln Thixotropierungsmittel

Viskositätsanstieg

AblaufAntiabsetz- Schwierigkeit der Einarbeitung in kontrolle wirkung lösemittelhaltige wässrige Systeme Systeme

Schichtsilikate

+

+

+

mittel

etwas schwierig

pyrogene Kiesel­ säure

+

+

o

mittel

mittel

hydriertes Rizinusöl

+

+

+

ziemlich groß



hochmolekulare Polyolefine

+

+

o

etwas schwierig



Polyamide

+

+



leicht



Cellulosederivate

+

+

+



leicht

+

+

+



leicht

Polyacrylate + stark

o mittelmäßig

– gering

ähnlich einem Kartenhaus, wodurch eine hohe Viskosität aufgebaut wird. Durch Scheren wird dieses Netzwerk zerstört und die Viskosität sinkt. Nach dem Ende der Scherung baut sich die Kartenhausstruktur wieder auf. In wässrigen Systemen wird ein solches Netzwerk durch Anziehungskräfte zwischen den unterschiedlich geladenen Flächen und Kanten der Silikatplättchen zusammengehalten. • Pyrogene Kieselsäuren bestehen aus kugelförmigen SiO2-Teilchen, an deren Oberfläche sich Silanolgruppen (–SiOH) befinden. Diese lagern sich über Wasserstoffbrückenbindungen zu einem dreidimensionalen Gerüst aus Kieselsäureteilchen zusammen. • Rizinusölderivate enthalten als Fettsäure u.a. 12-Hydroxystarinsäure und bauen über deren Hydroxylgruppen Wasserstoffbrückenbindungen zu benachbarten Molekülen gleicher Art oder zu geeigneten Bindemittelmolekülen auf, was ebenfalls zur Ausbildung einer Gerüststruktur führt. Da sich mit Thixotropierungsmitteln im ruhenden Beschichtungsstoff eine hohe Viskosität einstellen lässt, wirken sie gleichzeitig als Antiabsetzmittel. Im Übrigen lässt bei einigen der bereits besprochenen Verdickungsmittel der verdickende Effekt unter Scherbelastung nach, so dass auch sie als Thixotropierungsmittel eingesetzt werden können. Natürlich sind Thixotropierungsmittel in wasserverdünnbaren Beschichtungsstoffen genauso wichtig wie in lösemittelhaltigen. Allerdings können hier aufgrund der Polarität und der Fähigkeit von Wasser, Wasserstoffbrückenbindungen aufzubauen, nicht immer dieselben Stoffe verwendet werden wie dort. Doch auch für wässrige Systeme steht eine Vielzahl von unterschiedlichen Thixotropierungsmitteln zur Verfügung. In High Solid- und Medium Solid-Lacken werden heute als Thixotropierungsmittel teilweise sogenannte SCA’s (Sag Control Agents) eingesetzt. Es handelt sich hierbei um niedermolekulare, halbkristalline organische Verbindungen auf Harnstoffbasis, die vornehmlich als Antiablaufmittel wirken. Wirksam zur Verringerung der Läuferneigung sind, vor allem in 1K-High Solids, auch Mikrogele aus Acrylat-Copolymer-Mikropartikeln. Von besonderer Bedeutung ist ihre Wirkung allerdings in Metallic-Lacksystemen bei der Fixierung von Metallpigmenten.

2.4.4 Lichtschutzmittel Viele Beschichtungen werden beim Einsatz im Freien durch die gleichzeitige Einwirkung von Licht (UV-Strahlung), Sauerstoff, Feuchtigkeit und oft auch Luftverunreinigungen mit der Zeit abgebaut und zerstört. Es können dann eine Reihe von Veränderungen an der Beschichtung festgestellt werden, z.B. Glanzabfall, Farbtonänderung, Vergilbung, Versprödung, Rissbildung, Bläschenbildung oder Delaminierung, wodurch die Beschichtung nicht nur in ihrem Aussehen verschlechtert er-

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Additive

scheint, sondern auch in ihrer Funktion beeinträchtigt wird. Aus diesem Grunde werden besonders hochwertige Industrielacke und Decklacke, z.B. für Automobile, durch Lichtschutzmittel vor den Folgen der Einwirkung von schädlicher UV-Strahlung geschützt. In anderen Fällen muss der Untergrund oder tiefer liegende Schichten des Beschichtungsaufbaus, vor dem Einwirken von UV-Licht geschützt werden. Bei pigmentierten Decklacken wird die Funktion des UVSchutzes dann von den Pigmenten im Decklack übernommen. In Klarlacken müssen dagegen Lichtschutzmittel diese Funktion übernehmen.

Energie 1. angeregter Zustand S1 S1

S’1

Absorption S’0

S0 Grundzustand

OH

Lichtschutzmittel lassen sich bezüglich ihrer Wirkung in vier Klassen einteilen, von denen allerdings nur die ersten beiden in nennenswertem Umfang in Lacken eingesetzt werden.

Reaktionskoordinate

O O

RO

Wirkungsweise

• • • •

strahlungslose Desaktivierung

H O

o-Hydroxybenzophenon

O

H

O O

RO

H O

Chinonmethid

Abb. 2.61: Mechanismus der Energieumwandlung von phenolischen UV-Absorbern am Beispiel von o-Hydroxybenzophenonen, nach [40, BASF SE]

UV-Absorber Radikalfänger Quencher Hydroperoxidzersetzer

In hochwitterungsbeständigen Bautenbeschichtungen werden seit vielen Jahren plättchenför­ mige Aluminiumpigmente eingesetzt, die aufgrund ihrer „Spiegelwirkung“ den photochemischen Filmabbau auf eine nur wenige hundert Nanometer dicke Oberflächenzone begrenzen. Sie werden zusammen mit anderen Spezialpigmenten in Abschnitt 2.3.5.2 behandelt. Anforderungen an Lichtschutzmittel sind neben ihrer schützenden Wirkung hohe Stabilität, schwache Eigenfarbe, leichte Einarbeitbarkeit, geringe Flüchtigkeit, gutes Langzeitverhalten und gute Verträglichkeit mit dem Bindemittel. UV-Absorber Die Wirkung der UV-Absorber beruht im Wesentlichen darauf, dass die schädliche UV-Strahlung im Wellenlängenbereich zwischen 290 und 350 nm absorbiert und durch strahlungslose Desakti­ vierung in unschädliche Wärmeenergie umgewandelt wird (Abb. 2.61). (UV-Strahlung mit noch kürzerer Wellenlänge ist zwar noch schädlicher, wird aber bereits in der Ozonschicht der Erdatmosphäre vollständig aus dem Sonnenlicht herausgefiltert). Dazu müssen UV-Absorber in diesem Wellenlängenbereich einen möglichst hohen Absorptionskoeffizienten aufweisen und gleichzeitig eine steile Absorptionskante in der nahen UV-Region, damit die Eigenfarbe schwach bleibt. Als UV-Absorber werden heute im Wesentlichen vier Substanzklassen eingesetzt: • 2-Hydroxybenzophenone

O R2

C

HO R1

R3 N R3 Korr_Lacktechnologie_III_Kap02_Kap03.indd 195

HO

R1

N N

R2 15.11.16 14:54

O R2

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R3

• 2-Hydroxyphenylbenztriazole

C

HO

R1

HO

N R3

R1

Lackrohstoffe

N N

R2

• 2-Hydroxyphenyltriazine

R1

R4

N

N

OH

R2

N R5

• Oxalanilide

R3 O

R3

R4

H N

C O

C

N H

R1

R2

Andere UV-Absorber wie z.B. Cyanacrylsäure-Derivate spielen bei der UV-Stabilisierung von Lacken nur eine untergeordnete Rolle. Die wohl wichtigste Klasse sind die 2-Hydroxy­phenyl­benztriazole, die im maßgeblichen Wellenlängenbereich die breiteste Absorptionsbande aufweisen und photochemisch stabiler sind als Oxalanilide oder Hydroxybenzophenone. Die Trans­missionspektren der genannten Absorber sind in Abb. 2.62 gezeigt. Entsprechend dem Lambert-Beerschen Gesetz hängt die Schutzwirkung außer von der Absorberkonzentration und dem Absorptionskoeffizienten auch von der Schichtdicke ab, die einen gewissen Mindestwert haben muss. Ungeschützt bleibt allerdings der oberste Schichtbereich, in dem die UV-Absorber die schädliche UV-Strahlung noch nicht vollständig absorbieren konnten. Radikalfänger Diese o.g. Lücke kann durch Radikalfänger geschlossen werden. Sie verhindern zwar nicht das Entstehen von reaktiven Radikalen durch die UV-Strahlung, fangen diese Radikale aber ab und wandeln sie in stabile Verbindungen um. Dadurch wird die radikalische Reak­ti­ons­kette des photochemischen Abbaus der Lackbindemittel unterbrochen. Als Radikalfänger in Lacken werden heute überwiegend sogenannte HALS-Typen (Hindered Amine Light Stabilizer) eingesetzt. Sie leiten sich durchweg vom 2,2,6,6-Tetra­methyl­piperidin ab. Den Stabilisierungsmechanis­mus stellt man sich folgendermaßen vor (Abb. 2.63): Über den Substitu­enten R1 am N-Atom kann die Basizität des Piperidin gesteuert werden. Mit R1 = H oder CH3 ergibt sich ein pKB1) von etwa 5. Solche Produkte lassen sich aber nicht 100 Transmission [%] in Lacksystemen einsetzen, deren HärHydroxy80 tung durch starke Säuren katalysiert phenyl-s-triazin 60 wird. In solchen Fällen nimmt man ein Hydroxybenzophenon Acyl-Derivat mit R1 = CO–R, mit einem 40 pKB nur noch etwa 10. Wie aus dem Oxalanilid Hydroxyphenyl20 Schema in Abb. 2.63 hervorgeht, bebenztriazol ruht die stabilisierende Wirkung von 0 320 360 400 280 HALS-Systemen auf der im Laufe der Wellenlänge [nm] Bewitterung kontinuierlich ablaufenden Bildung der Nitroxylradikale und geht Abb. 2.62: Transmissionsspektren verschiedener UV-Absorberklassen c = 1,4 · 10 –4 Mol/l in CHCl3 (1 cm Küvette), nach [33] nicht vom HALS selber aus. pK B: definiert als negativer dekadischer Logarithmus der Basenkonstante K B. Je höher der pK B -Wert, desto schwächer ist die Base.

1

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Additive

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Sterisch gehinderte Phenole als R• Radikalfänger finden in Lacken nur in untergeordnetem Maße Verwendung. Quencher und HyRO•, ROO•, HOO• droperoxidzersetzer werden zur N R1 R2 N O• R2 N O R R2 Lichtstabilisierung von Lacken hν kaum eingesetzt. Quencher sind in der Regel Chelat-Komplexe R’OO• ROOR’ von Übergangsmetallen, die im Lackbindemittel angeregte Abb. 2.63: Schematische Darstellung des Stabilisierungsmechanismus Gruppen, z.B. Carbonylgrupeiner HALS-Verbindung am Beispiel eines Tetramethylpiperidinsystems pen, desaktivieren. Sie sind fast durchweg farbig. Peroxidzersetzer sind Metallkomplexe schwefelhaltiger Verbindungen, die durch Peroxide oxidiert werden. Auswahlkriterien Die Auswahl eines geeigneten Lichtschutzmittels oder einer Lichtschutzmittelkombination hängt von der Art der Lackierung ab. In Einschichtlackierungen zeigen UV-Absorber alleine nur mäßige Wirkung, da sie den Oberflächenbereich des Lackes (s.o.) nicht schützen können. Dieser schon in Klarlacken eingeschränkte Lichtschutz ist bei deckenden Systemen noch weiter verringert, wenn vom Pigment (unter UVStrahlungsabsorption) das Bindemittel photooxidativ zersetzt wird (→ 2.3.3.2), wodurch sehr schnell Schädigungen in der Lackierung verursacht werden können. Für eine effektive Stabilisierung ist in solchen Systemen ein relativ großer Zusatz von HALS (ca. 3%) notwendig. Dabei zeigt eine solche Kombination von UV-Absorber und HALS oft synergistische Effekte. Transparente Einschichtlackierungen mit UV-Absorber wirken wie ein UV-Filter für das darunterliegende Substrat, müssen aber selbst oft durch einen Zusatz von HALS vor den Einwirkungen der UV-Strahlung geschützt werden. Wenn auch bei weniger empfindlichen Substraten dieser UV-Schutz oft ausreicht, so ist bei gegenüber photooxidativem Abbau empfindlicheren Materialien, wie z.B. Holz, mit wirtschaftlich vertretbaren Mengen UV-Absorber alleine nur ein begrenzter Schutz erreichbar, der allerdings durch Kombination mit HALS noch verbessert werden kann. Zweischichtdecklackierungen bestehen in der Regel aus einer farbgebenden, gut deckenden Schicht, auf die aus optischen Gründen (Glanz) und/oder zum Schutz eine klare, transparente Deckschicht aufgebracht ist. In diesem Falle ist die pigmentierte Schicht dem Substrat unter einer transparenten Einschichtlackierung vergleichbar. Hier kann oft schon die alleinige Stabilisierung durch UV-Absorber ausreichen, wenn gleich durch eine Kombination UV-Absorber/HALS – infolge Synergismus – noch bessere Stabilisierungseffekte beobachtet werden.

2.4.5 Biozide Wässrige Beschichtungsstoffe stellen als Systeme, in denen organische Stoffe feinverteilt in Wasser vorliegen, einen idealen Nährboden für Pilze, Algen und Bakterien dar. Mit der Verringerung des Gehalts an oft antimikrobiell wirkenden organischen Lösemitteln und Restmonomeren wächst die Gefahr der mikrobiellen Kontamination. In Lagergebinden kann dies zu Bewuchs oder Verfärbungen der Produktoberfläche, zu Veränderungen des rheologischen Verhaltens sowie zu pH-Wert-Änderungen, Koagulationserscheinungen, Brechen der Dispersion, Faulgeruch oder Gasentwicklung führen. Aber auch fertige Beschichtungen können Anzeichen eines mikrobiellen Angriffes zeigen, z.B. sichtbaren Bewuchs mit Algen oder Pilzen, grünliche oder graue Verfärbungen oder auch Risse. Das ungehemmte Wachstum solcher Mikroorganismen im Beschichtungsstoff oder in der Beschichtung kann durch den Einsatz chemischer Biozide reduziert oder auch verhindert werden.

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Konservierungsmittel (engl.: in-can-preservatives) Solche Stoffe schützen vor einem Befall während der Produktion, des Transportes und der Lagerung. Hier kommen heute vor allem Formaldehyd selber sowie verschiedene Reaktionsprodukte von Formaldehyd mit Alkoholen, Amiden und Aminen, ferner N, S-Heterocyclen, wie Isothia­zolinone, oder auch Chloracetamid zum Einsatz. Antimikrobielle Ausrüstung (engl.: in-film-preservation) Hierunter versteht man den Schutz des aufgebrachten Beschichtungsfilms vor Befall mit Bakterien, Schimmelpilzen, Algen oder Moosen. Dieser Schutz ist vor allem dann notwendig, wenn Baumate­ rialien und Beschichtungssysteme für längere Zeit mit Feuchtigkeit in Kontakt kommen, z.B. im Innenbereich bei Kondenswasserbildung oder bei hoher Raumluftfeuchtigkeit und ungenügender Lüftung sowie auch im Außenbereich auf Schattenseiten von Objekten. Das Anforderungsprofil für derartige Ausrüstungswirkstoffe enthält u.a. Punkte, wie langanhaltende Wirkung, weitgehende Wasserunlöslichkeit und geringe Umweltbelastung. Zum Einsatz kommen hierfür heute neben z.T. ökologisch bedenklichen Substanzen, wie organischen Hg-Verbindungen und Trialkylzinnverbindungen, eine Vielzahl S- und N-haltiger, oft cyclischer organischer Verbindungen, wie Dithiocarbamate, Thiophtalimid-Derivate, oder Benzimidazol-Derivate. In diesen Bereich fallen auch Antifouling-Additive in Schiffsrumpffarben, die den maritimen Bewuchs an Schiffsböden und Hafenanlagen verhindern sollen. Holzschutzmittel Diese Stoffe stellen einen Spezialfall dar, sie sollen den biologischen Abbau von Holz durch Pilze, Bakterien und Insekten verhindern. Die hier früher oft verwendeten Chlorphenole, wie z.B. das mittlerweile in einigen Ländern verbotene Pentachlorphenol (PCP), werden heute immer mehr durch ökologisch und toxikologisch weniger bedenklichere Substanzen ersetzt (→ 5.5).

2.4.6 Netz- und Dispergiermittel Die meisten Pigmente fallen bei der Synthese mit einer Primärteilchengröße zwischen 0,05 und 0,5 µm an. In diesem Bereich ist je nach Pigment und Einsatzgebiet ein Optimum an optischen und anwendungstechnischen Eigenschaften zu erwarten. Diese Primärteilchen lagern sich bei der Trocknung mehr oder weniger stark zu Agglomeraten mit Partikelgrößen von bis zu 100 µm und mehr zusammen. Da dadurch die Pigmente während des Abfüllens und des Transportes in Form von leicht handhabbaren Pulvern anstatt von Stäuben (mit einer Teilchengröße von unter 20 µm) vorliegen, ist diese Agglomeration bis hierhin sogar erwünscht. Im fertigen Beschichtungsstoff sollen die Pigmente dann allerdings wieder so fein verteilt sein, dass ihre optischen und anwendungstechnischen Eigenschaften optimal zur Entfaltung kommen. Wirkungsweise Der komplexe Prozess, die Pigmente mit Bindemittel(lösung) möglichst vollständig zu benetzen und gleichmäßig zu verteilen, wird oft kurz als Dispergierung bezeichnet. Er kann in drei Einzelschritte zerlegt werden. 1. Durchfeuchtung und Benetzung der Pigmentagglomerate und -aggregate 2. Zerteilung der Agglomerate 3. Stabilisierung der Pigmentdispersion Hierzu lassen sich noch folgende Charakterisierungen angeben: 1. Die Durchfeuchtung und Benetzung der Pigmentagglomerate und -aggregate durch die Binde­ mittellösung wird im Wesentlichen von der Natur des Pigmentes und der Bindemittellösung beeinflusst. Die Anfangsphase des Benetzungsvorganges lässt sich mit der Washburn-Gleichung beschreiben:

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Additive

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π · r3 · σFl · cos Θ · V = 2·π·l ·

mit V = transportierter Flüssigkeitsstrom, r = Kapillarradius, σFl = Oberflächenspannung der Flüssigkeit, Θ = Randwinkel Flüssigkeit/Pigmentoberfläche, σFl · cos Θ = Benetzungsspannung, η = Viskosität und l = Länge der Kapillare im Pigmentagglomerat. Da die Durchfeuchtungsgeschwindigkeit, d.h. V/t, von der dritten Potenz des Kapillarradius abhängt, sollten Pigmente in Form lockerer unverdichteter Pulver mit großem Porenvolumen vorliegen. Der Lackhersteller kann die Durchfeuchtungsgeschwindigkeit durch die Viskosität (→ 3.9) und die Oberflächenspannung der Anreibelösung (und damit die Benetzungsspannung) beeinflussen. Eine niedrige Viskosität der Bindemittellösung kann nicht nur durch eine entsprechend niedrige Konzentration des Filmbildners erreicht werden, sondern auch durch Temperaturerhöhung oder Auswahl eines Lösemittel(gemisch)s, in dem das Polymer nur schlecht solvatisiert wird. Im letzten Fall favorisiert die geringe Affinität des Lösemittels zum Polymeren die Polymeradsorption auf dem Pigment, wodurch die Pigmentdispersion besser stabilisiert wird (s.u.). Netzadditive können die Durchfeuchtung und Benetzung des Pigmentpulvers beschleunigen, indem sie die Grenzflächenspannung zwischen der Bindemittellösung und der Pigmentoberfläche reduzieren und so die Benetzungsspannung vergrößern. Solche Netzmittel weisen eine Tensid-Struktur auf und sind grenzflächenaktiv. Das unpolare Ende besteht im Allgemeinen aus Kohlenwasserstoffketten, das polare ist entweder anionisch oder nichtionisch. 2. Das Zerteilen der Agglomerate – im Wesentlichen durch Scherkräfte – wird in Abschnitt 4.9.2 besprochen. Durch das Zerteilen der Pigmentagglomerate in Primärteilchen und Aggregate wird dem System Energie zugeführt, um die Anziehungskräfte zwischen den Pigmentteilchen zu überwinden. Die Pigmentdispersion ist meistens bestrebt, durch Zusammenlagerung der feinverteilten Partikel wieder in einen energieärmeren Zustand überzugehen. Es können sich Flockulate bilden, die von ihrer Struktur her den Agglomeraten sehr ähnlich sind, wobei allerdings der Raum zwischen den Pigmentteilchen nicht wie im Falle von Agglomeraten mit Luft, sondern mit der Bindemittellösung gefüllt ist. Stabilisierungsmöglichkeiten 3. Der dritte Schritt der Dispergierung ist deshalb die Stabilisierung der hergestellten Pigmentsuspension gegen Flockulation, was durch Dispergieradditive unterstützt wird. Diese binden sich an die Pigmentoberfläche und verhindern, dass sich Pigmentteilchen wieder soweit annähern können, dass die zwischen ihnen wirkenden van-der-Waalsschen Kräfte zur Flockulation führen. Eine Möglichkeit, letzteres zu verhindern, ist, die Viskosität der Bindemittellösung so hoch einzustellen, dass die Teilchen sich nicht mehr aufeinander zu bewegen können. Dieser Weg wird z.B. bei Offsetdruckfarben ausgenutzt. Andere derartige Mechanismen sind die elektrostatische und die sterische Stabilisierung bzw. eine Kombination aus beiden. Elektrostatische Stabilisierung Die elektrostatische Stabilisierung beruht auf der Selbstabstoßung elektrisch gleichsinniger Ladungen. Wenn auch dispergierte Feststoffe in wässriger Lösung meistens von sich aus schon Oberflächenladungen tragen, so kann diese Ladung doch durch Adsorption von Polyelektrolyten noch deutlich erhöht werden. Diese Oberflächenladungen führen insgesamt dann auch zur Ausbildung einer beweglichen Ionenwolke um die Teilchen herum. Solange bei einer Annäherung zweier Teilchen die elektrostatischen Abstoßungskräfte größer sind als die van-der-Waalsschen Anziehungskräfte, kommt es nicht zur Flockulation (mit wachsender Ionenladung und Ionenkonzentration in der Dispersion nimmt allerdings die Reichweite der elektrostatischen Kräfte ab, so dass in solchem Falle schließlich doch Flockulation eintreten kann). Diese Art der Stabilisierung herrscht in wässrigem Medium vor. Verbreitete Dispergiermittel sind hier Polyphosphate und Polyacrylate.

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Sterische Stabilisierung In lösemittelhaltigen Lacken überwiegt dagegen die sterische Stabilisierung (Abb. 2.64). Die hier wirksamen Dispergiermittel enthalten zum einen bindemittelverträgliche Segmente und zum anderen eine oder, vor allem im Falle polymerer Netzmittel, mehrere pigmentaffine Gruppen, die für eine feste und dauerhafte Bindung des Additivs an Abb. 2.64: Schematisches Modell der sterischen Stabilisierung, nach [22] der Pigmentoberfläche maßgebend sind. Die Ketten der an ein Pigmentteilchen gebundenen Additive sollen möglichst weit vom Pigment abstehen und wie „Borsten“ oder Schleifen in die Bindemittellösung hineinreichen. Freie Beweglichkeit

Eingeschränkte Beweglichkeit

Wenn der Mechanismus der sterischen Stabilisierung bis heute auch noch nicht restlos aufgeklärt ist, so ist man sich über die Grundprinzipien doch im Wesentlichen einig. Sie wird u.a. zurückgeführt auf enthalpische, osmotische und entropische Effekte: • Eine Annäherung zweier Teilchen führt zu einer Deformation der Polymerhüllen (Enthalpiezunahme). • Dabei wird Lösemittel aus dem Bereich zwischen den Partikeln verdrängt und die Konzentration an Polymer steigt zwischen den sich annähernden Partikeln. Dem entgegen wirken osmotische Effekte, die den entstehenden Konzentrationsunterschied wieder ausgleichen wollen. • Bei gegenseitiger Durchdringung der „Borsten“ wird deren Beweglichkeit eingeschränkt. Dies ist gleichbedeutend mit einem Entropieverlust. Alle drei Effekte führen dazu, dass sich die Teilchen nur durch Energieaufnahme einander nähern können. So sind die Pigmentteilchen durch eine Energiebarriere voneinander getrennt. Wegen ihrer Struktur aus polaren Ankergruppen und unpolaren Ketten besitzen sterisch wirkende Dispergiermittel ebenso wie Netzmittel auch deutliche Tensideigenschaften. In lösemittelhaltigen Systemen kommt man deshalb oft mit einem Dispergieradditiv als Netz- und Dispergiermittel aus. Wegen der notwendigen Ladungstrennung ist eine elektrostatische Stabilisierung in lösemittelbasierenden Beschichtungsstoffen nicht möglich. In wasserverdünnbaren Systemen sind beide Mechanismen – sterische und elektrostatische Stabilsierung – möglich. Auf- und Ausschwimmen Dispergier- und Netzmittel können auch als Antiausschwimm- oder Antiabsetzmittel wirken. Man unterscheidet zwischen dem horizontalen Aufschwimmen (flooding) und dem vertikalen Ausschwimmen (floating). Unter „flooding“ wird ein gleichmäßiger Farbwechsel im noch feuchten Lackfilm verstanden, der durch den sogenannten Rub-out-Test sichtbar gemacht werden kann. „Floating“ ist dagegen die ungleichmäßige Verteilung mehrerer im Anstrich enthaltener Pigmente in der Oberfläche des Farbfilms. Es macht sich in Form von Farbzellen und/oder Streifen bemerkbarUrsache für beide Phänomene sind Strömungen im trocknenden Lack und eine unterschiedliche Pigmentbeweglichkeit (s. Oberflächenadditive, Bénardsche Zellen, → 2.4.2.2). Die unterschiedlichen Pigmentbeweglichkeiten sind eng mit der Teilchengröße verknüpft. Der Größenunterschied zwischen einzelnen Pigmenten kann beträchtlich sein, vor allem zwischen anorganischen und organischen Pigmenten, so dass das Ausschwimmen ein wichtiges Problem in der Lackindustrie darstellt. Durch die Adsorption von Dispergieradditiv-Molekülen werden diese Größenunterschiede im Idealfall weitgehend nivelliert. Ein Weg, diese Pigmentseparierungen zu unterbinden, bietet sich mit der Koflockulation oder auch kontrollierten Flockulation. In Additiven, die eine kontrollierte Flockulation unterstützen, sind die pigmentaffinen Gruppen nicht wie bei den oben diskutierten Dispergieradditiven auf einen eng begrenzten Bereich des Moleküls beschränkt, sondern über das gesamte Molekül verteilt. Sie

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können dann als Brücke zwischen verschiedenen Pigmentteilchen wirken und letztlich in der Dispersion ein dreidimensionales Netzwerk, sogenannte kontrollierte Flockulate, aufbauen. Dabei bestimmen Eigenschaften des Additivs die Größe und Stabilität des Netzwerkes. Der entscheidende Unterschied zur normalen Flockulation liegt darin, dass bei der kontrollierten Flocku­lation gleiche Pigmentteilchen sich meistens nicht direkt berühren. Da bei der kontrollierten Flockulation die unterschiedlichen Pigmente in ein Flockulat eingebunden werden, können sie sich nicht mehr entmischen, wodurch das Ausschwimmen unterbunden wird. Gleichzeitig werden durch die kontrollierte Flockulation die rheologischen Eigenschaften eines Lackes verändert. Durch die dreidimensionale Netzstruktur entsteht ein thixotropes Fließverhalten (s. Rheologieadditive) und oft auch eine Fließgrenze. Hierdurch wird die Absetzneigung verringert. Oft werden coflockulierende Additive in Kombination mit anderen Rheologieadditiven, wie pyrogener Kieselsäure, hydrierte Rizinusöle u.ä., eingesetzt, wobei häufig synergistische Effekte beobachtet werden.

2.4.7 Katalysatoren und Sikkative Katalysatoren sollen die Vernetzungsreaktion im applizierten Lackfilm und somit die Härtung beschleunigen. Aus historischen Gründen werden die Katalysatoren, die die Vernetzung der oxidativ trocknenden Öl- und Alkydharze beschleunigen, Trockenstoffe oder Sikkative genannt. Sie bestehen aus Metallsalzen natürlicher organischer Säuren mit meistens 8 bis 11 C-Atomen, wie Linolen-, Abietin- oder Naphthensäure, oder auch synthetischer organischer Säuren. Der katalytisch aktive Teil bei solchen Sikkativen ist das Metallatom. Katalysiert wird u.a. die Zersetzung der bei Einwirkung von Luftsauerstoff auf ungesättigte organische Verbindungen entstehenden Hydroperoxide gemäß folgendem Schema: Co2+ + ROOH → RO• + OH– + Co3+ Co3+ + ROOH → ROO• + H+ + Co2+

Es entstehen letztlich H2O und reaktive freie Radikale, die eine radikalische Polymerisation der C=C-Doppelbindungen starten. Einteilungsprinzip Als Metalle werden in Trockenstoffen hauptsächlich Co, Mn, Pb, Zr, Ca und Ba eingesetzt, seltener andere wie z.B. Ce oder seltene Erden. Viele Metalle scheiden hier wegen der Farbigkeit ihrer Salze aus. Die Sikkative werden eingeteilt in • Primärtrockner und • Hilfstrockner (Sekundärtrockner). Primärtrockner Diese Sikkative wirken für sich schon katalytisch. Dabei beschleunigen Co- und Mn-Salze vor allem die Vernetzung an der Oberfläche des Lackes, weswegen sie Oberflächentrockner genannt werden. Pb-Trockner, die eher die Durchtrocknung des Filmes fördern, werden Durchtrockner genannt. Hilfstrockner Salze von Ca, Ba und anderen Metallen sind, wenn überhaupt, nur wenig aktiv. In Kombination mit Primärtrocknern können sie aber deren Wirkung beträchtlich unterstützen. Kombinationstrockner Fast immer werden Kombinationen von Trocknern, z.B. Co-, Zr- und Ca-Trockner, eingesetzt, um ein optimales Trocknungsverhalten zu erreichen. Aus ökologischen und toxikologischen Gründen wird heute versucht, die Verwendung von Pb- und auch Co-Trocknern so weit wie möglich zu vermeiden.

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Hautbildung Trockner können während der Lagerung auf dem Lack eine Hautbildung verursachen, besonders wenn das Gebinde schon einmal geöffnet wurde. Aus diesem Grund gibt man als Antihautmittel Ketoxime, substituierte Phenole, Aldoxime u.ä. zum Lack, die vor allem mit den Co-Salzen reversible inaktive oder zumindest weniger aktive Komplexe bilden. Nach der Applikation des Lackes verdunsten diese Antihautmittel, so dass das Sikkativ dann seine volle Wirkung entfalten kann. Sonstige Katalysatoren Andere Katalysatorklassen sind • Säurekatalysatoren, • Amine und • organische Zinnverbindungen. Ihre Wirkungsweise hängt naturgemäß von der Natur der zu katalysierenden Vernetzungsrekation und damit vom Bindemittel ab. Sie wird deshalb zusammen mit den entsprechenden Bindemitteln besprochen. Die neben den Sikkativen verbreitesten Katalysatoren sind die Säurekatalysatoren. Sie werden für eine große Anzahl von Einbrennlacken, Lacken mit beschleunigter Trocknung und auch säurehärtenden Holzlacken verwendet. Sie beschleunigen die Vernetzung von Lacksystemen auf Basis von Phenol/Formaldehyd- und Amido-/Formaldehyd-Harzen. Meistens werden dafür verschiedene Sulfonsäurederivate eingesetzt. Will man die Verarbeitungszeit des fertigen Lackes verlängern, so setzt man geblockte Säuren ein, deren saures H-Atom durch Umsetzung der Säure mit einem Amin inaktiviert ist. Die so entstandenen Ammoniumsalze zersetzen sich dann bei höheren Temperaturen, das Amin verdampft und die freie Säure kann die Vernetzung katalysieren. Durch die Verwendung eines Katalysators kann man die Einbrenntemperatur oder -zeit senken. So wird Energie gespart und auch temperaturempfindliche Substrate können beschichtet werden. Die Härtung von 2K-Polyurethanlacken kann u.a. durch Organozinn-Verbindungen, z.B. DBT(D) L (Dibutylzinndilaurat) oder auch tertiäre Amine, z.B. DABCO (Diazabicyclooctan), beschleunigt werden. Letztere wirken auch in einigen Epoxidharzsystemen. Initiatoren sind Stoffe, die, meistens durch Radikalbildung, Polymerisationsreaktionen starten. Im strengen Sinne sind sie keine Katalysatoren, da sie nach ihrem Zerfall in Radikale selbst an der Reaktion teilnehmen. Übliche Initiatoren für ungesättigte Polyesterharze sind organische Peroxide, z.B. Benzoylperoxid oder 2-Butanonperoxid u.ä. Je nach ihrer Spaltbarkeit (thermisch und/oder durch UV-Strahlung), sind Initiatoren vor Wärme und/oder Licht zu schützen.

2.4.8 Mattierungsmittel Der Glanz einer Beschichtung wird im Wesentlichen durch deren Oberflächenrauigkeit bestimmt. Diese ist bei gegebenem Bindemittelsystem ihrerseits stark abhängig von der PVK und der Teilchengrößenverteilung. Dementsprechend kann der Glanz einer pigmentierten Beschichtung durch die Höhe der PVK und die Teilchengröße der verwendeten Pigmente und Füllstoffe gesteuert werden. In einigen Fällen, z.B. bei manchen Möbellacken oder einigen Automobil- und Industrielacken, ist ein geringer Glanz bei hoher Transparenz erwünscht. Dies erreicht man durch Zugabe geringer Mengen von feinteiligen bindemittelunverträglichen Stoffen wie PE-Wachse oder Fällungskieselsäuren. Aufgrund ihrer Unverträglichkeit reichern sich diese Stoffe im Laufe des Trocknungsvorganges an der Oberfläche des Lackfilmes an und verhindern dort die Ausbildung einer glatten Oberfläche, was zum gewünschten Mattierungseffekt führt. Die bei ihnen vorliegende Kombination von niedriger Brechzahl und kleiner Teilchengröße bewirkt, solange die Konzentration niedrig ist, nur eine minimale Lichtstreuung und gewährleistet so eine gute Transparenz.

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Literatur

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Lackrohstoffe

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Zusammensetzung von Beschichtungsstoffen

3

Lacksysteme, Rezeptierung, Filmbildung

3.1 Zusammensetzung von Beschichtungsstoffen Nachdem im vorherigen Kapitel 2 die wichtigsten Lackrohstoffe, vornehmlich aus chemischer Sicht, besprochen wurden, sollen in diesem Kapitel einige Aspekte behandelt werden, die für die Rezeptierung von Beschichtungsstoffen von grundlegender Bedeutung sind, mit anderen Worten, es stehen hier lacktechnologische Problemstellungen im Vordergrund. Dazu sei zunächst noch einmal auf die wesentlichsten Kompositionsprinzipien eingegangen. Nach DIN EN ISO 4618 ist ein Beschichtungsstoff ein flüssiges, pastenförmiges oder pulverförmiges Produkt, das, auf ein Substrat aufgetragen, eine Beschichtung mit schützenden, dekorativen und/oder anderen spezifischen Eigenschaften ergibt. Zu diesem Oberbegriff gibt es eine Reihe von Unterbegriffen, nach denen Beschichtungsstoffe eingeteilt werden können. Üblich ist eine Benennung • nach dem Filmbildnersystem, z.B. Alkydharzlack, PUR-Lack, • entsprechend der Funktion in einem Beschichtungsaufbau, z.B. Grundierung, Füller, Decklack oder • entsprechend dem Lösemittelgehalt, z.B. Low Solid-Lack, High Solid-Lack, Pulverlack, Wasserlack. Die Begriffe Beschichtungsstoff, Anstrich­stoff und Lack oder auch Farbe werden bekanntlich zum Teil alternativ verwendet (→ 1.3). Einteilung Die Bestandteile von Beschich­tungs­ stoffen lassen sich entsprechend ihrer Funktion vier Gruppen zuordnen, nämlich Filmbildnern (s.u.), Pigmenten und Füllstoffen, Lösemitteln und Additiven. Wie man Abb. 3.1 entnehmen kann, gibt es keine Beschichtungsstoffe ohne Filmbildner. Dieser bildet zusammen mit den nichtflüchtigen Anteilen der Additive das Bindemittel. Oft wird der Filmbildner alleine – nicht ganz korrekt – auch als Bindemittel bezeichnet. Zur Vermeidung von Missverständnissen ist die Unterscheidung zwischen Filmbildner und Bindemittel aber sinnvoll. Unter dem Filmbildner wird derjenige Bestandteil des Bindemittels verstanden, der für das Zustandekommen des Films notwendig ist. Brock, Groteklaes, Mischke, Strehmel: Lehrbuch der Lacktechnologie © Copyright 2017 by Vincentz Network, Hannover, Germany

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pigmentierter Anstrichstoff, lösemittelhaltig (Lackfarbe, Grundierung usw.) Pulverlack, pigmentiert Pulverklarlack Klarlack, lösemittelhaltig

nicht flüchtig flüchtig

Bindemittel

Additive

Lösemittel (organisch und/oder Wasser)

Filmbildner (Lackharze)

Pigmente und Füllstoffe

Abb. 3.1: Grundsätzliche Zusammensetzung von Beschichtungsstoffen, nach [1]

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Lacksysteme, Rezeptierung, Filmbildung

Meistens handelt es sich um makromolekulare organische Stoffe oder um solche, aus denen bei der Filmbildung Makromoleküle entstehen, z.B. Alkydharze, Polyacrylate oder eine Kombination aus Polyester und Polyisocyanaten. Anorganische Filmbildner sind z.B. Wasserglas oder Alkylsilikate. Nach DIN EN ISO 4618 versteht man unter Bindemittel den nichtflüchtigen Anteil der Gesamtheit der Bestandteile der flüssigen Phase eines Beschichtungsstoffes. Weichmacher, Trockenstoffe und andere nichtflüchtige Hilfsstoffe sind ebenso Bestandteile des Bindemittels wie auch reaktive, an sich flüchtige Stoffe, soweit sie durch chemische Reaktion Bestandteil der Beschichtung werden. Das Bindemittel enthält demnach zusätzlich zum Filmbildner die nichtflüchtigen Anteile der Additive. In der Praxis wird der Begriff „Bindemittel“ oft auch für den Filmbildner benutzt. Funktionen Die wichtigsten Details zu den bereits erörterten Komponenten von Lacken seien hier – als Vorbereitung auf die Rezeptierungsaspekte – noch einmal hervorgehoben: • Durch den Filmbildner (→ 2.1) werden die meisten chemischen und physikalischen Eigenschaften eines Beschichtungsstoffes festgelegt. Es gibt sogar einige wenige Lasuren und Klarlacke, die nur aus dem Filmbildner bestehen, aber es gibt wie gesagt keine Beschichtungsstoffe ohne Filmbildner. Er hält die Beschichtung durch Kohäsion zusammen und bindet sie durch Adhäsion an das Substrat. • Ein Klarlack enthält neben dem Filmbildner noch Additive und in den allermeisten Fällen auch Lösemittel (Ausnahme: Pulverklarlacke und eventuell Systeme mit Reaktivverdünnern). Additive (→ 2.4) dienen dazu, dem Beschichtungsstoff oder der fertigen Beschichtung bestimmte Eigenschaften zu verleihen oder vorhandene unerwünschte Eigenschaften zu beseitigen. Sie werden üblicherweise in Konzentrationen unter 5 %, oft sogar nur im Bereich von 0,01 bis 1 %, zugegeben. • Lösemittel (→ 2.2) machen die Applikation eines Beschichtungsstoffes meistens erst möglich. Neben der Einstellung der Viskosität beeinflussen sie in chemisch härtenden Beschichtungsstoffen auch die Reaktivität des Systems vor und während der Applikation. Als Lösemittel verwendet werden niedermolekulare organische Stoffe, wie Benzine, Alkohole oder Ester, oft als Gemische mit unterschiedlichen Siedepunkten und Löseeigenschaften, und heute in immer höherem Maße Wasser. Über Geschwindigkeit und Reihenfolge ihrer Verdunstung nehmen sie Einfluss auf das Fließverhalten eines Beschichtungsstoffes während des Ablüftens und damit auch auf die Trockenzeit und auf die Eigenschaften der fertigen Beschichtung. • Farbige und deckende Lacksysteme enthalten außer Filmbildnern und Additiven noch Pigmente (→ 2.3.3 bis 2.3.8) und gegebenenfalls Füllstoffe (→ 2.3.9), sowie, falls es sich nicht um Pulveroder Schmelzlacke handelt, ebenfalls Lösemittel. Die Pigmente verleihen einer Beschichtung Farbe und Deckvermögen, während Füllstoffe vornehmlich dazu verwendet werden, in der Beschichtung gewisse mechanische Eigenschaften zu erreichen. So verbessern einige Füllstoffe die Sperrwirkung, andere die Haftung zum Untergrund oder wieder andere die Filmfestigkeit. Dank ihres relativ geringen Preises geben Füllstoffe einer Beschichtung auf preisgünstige Art Volumen („Fülle“)1). Anforderungsprofil Die Zusammensetzung eines Beschichtungsstoffes hängt von zahlreichen Faktoren ab, wobei vor­rangig folgende Punkte zu klären sind: • Art und Funktion des gewünschten Produktes (z.B. Spachtelmasse, Grundierung, Decklack) • Art der Anwendung (Applikationsverfahren, Filmbildung) • Art des Untergrundes Fülle = Füllvermögen (DIN 55945): Eigenschaft eines Beschichtungsstoffes, die Unebenheiten des Untergrundes auszugleichen.

1

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Grundlegende Rezepturparameter

• gewünschte physikalische und chemische Eigenschaften (z.B. Witterungsbeständigkeit, Kratzfestigkeit, Alkalibeständigkeit) • Optische Eigenschaften (z.B. Farbton, Glanz) • Lieferform • Arbeitsschutz- und Umweltschutzbestimmungen • Produzierbarkeit auf den vorhandenen Anlagen • Kosten und erzielbarer Preis Angesichts der Vielzahl solcher Aspekte ist klar, dass es die Problemlösung nicht geben kann, mit der sich alle Wünsche und Anforderungen bei Beschichtungsstoffen in idealer Weise erfüllen ließen. Der Rezeptierer muss einen ausgewogenen Kompromiss finden, der möglichst vielen, vor allem aber den grundlegenden Anforderungen genügt und keine gravierenden Nachteile oder Mängel mit sich bringt. So kommt es, dass selbst für anscheinend kleine Änderungen im Anforderungsprofil oft schon eine Reihe von Versuchen notwendig ist, anhand derer man sich an die Problemlösung herantastet. Da es sich bei Lacken im Allgemeinen um Gemische verschiedener Rohstoffe handelt – meistens technische Produkte, die normalerweise nicht chemisch rein sind – kann man die Auswirkungen auch nur kleinerer Rezepturänderungen niemals vollständig theoretisch erfassen. Immer wieder wird der Rezeptierer von unerwarteten Folgen der Rezepturänderung überrascht, die ihm zwar in manchen Fällen die Problemlösung erleichtern können, sie aber meistens erschweren. Für einen erfolgreichen Rezeptierer ist deswegen neben einer guten Kenntnis der am Markt erhältlichen Rohstoffe – Stoffklasse, Reinheit, chemische und physikalische Eigenschaften u.a. – ein fundiertes chemisches und technisches Grundverständnis unabdingbar, das ihn in die Lage versetzt, zumindest einen Großteil der möglichen Wechselwirkungen zwischen den Lackkomponenten bei der Rezeptierung zu berücksichtigen. Im Folgenden wird darauf verzichtet, Rahmenrezepturen für Beschichtungssysteme aufzuzählen und zu erläutern. Das würde doch den Rahmen dieses Lehrbuches sprengen. Hierzu muss einmal auf die einschlägige Literatur verwiesen werden und zum anderen als überaus wertvolle Informationsquellen auf die Richtrezepturen der Rohstoffhersteller.

3.2 Grundlegende Rezepturparameter Einige wichtige Rezepturparameter sollen an Hand der vereinfachten Rezeptur eines weißen Alkydharzlackes erläutert werden (Tab. 3.1). Von allen Bestandteilen dieses Lackes verbleibt nach der Filmbildung nur der „nichtflüchtige Anteil“ (nfA) als Beschichtung auf dem Substrat (engl. non-volatile matter). Er wird oft auch „Festkörpergehalt“ oder „Festkörper“ (abgekürzt FK) genannt. Tab. 3.1: Vereinfachte Rezeptur eines weißen Alkydharzlackes Position

Funktion im Lack

Substanz

Massenanteil [%]

1

Filmbildner/Lösemittel

Alkydharz, 75 %ig in Testbenzin (FK-Dichte: 1,04 g ⋅ cm - 3 )

60,0

2

Pigment

Titanoxid (Dichte: 4,1 g ⋅ cm - 3 , Ölzahl 20 )

27,0

3

Sikkativ

Cobaltoctat (10 % Co)

0,2

4

Sikkativ

Zirkonium-Komplex ( 6 % Zr )

0,5

5

Sikkativ/Dispergierhilfsmittel

Calciumoctat (5 % Ca )

1,7

6

Lösemittel

Testbenzin

10,6 Σ = 100,0

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Lacksysteme, Rezeptierung, Filmbildung

Kennwerte Nach DIN EN ISO 4618 ist der nicht flüchtige Anteil der Massenrückstand, der nach Verdunsten unter festgelegten Bedingungen erhalten wird. Festgelegt bei der Bestimmung des nfA werden vor allem Temperatur, Zeit und Schichtdicke. Durch Ergänzung auf 100 % erhält man den Anteil des Beschichtungsstoffes, der bei der Verarbeitung oder Filmbildung in die Atmosphäre entweicht und dadurch eventuell umweltbelastend ist. Vom nfA eines Beschichtungsstoffes hängt seine Ergiebigkeit ab. In unserer Beispielrezeptur (Tab. 3.1) errechnet sich der nfA folgendermaßen: nfA = Gehalt an Alkydharz (ohne Lösemittel) + Gehalt an Pigment nfA = 60 % · 0,75 + 27 % = 72 % Natürlich verbleiben auch die nichtflüchtigen Anteile der Additive, z.B. die Metallsalze in den Sikkativen, in der Beschichtung. Oft wird – wie im obigen Beispiel – ihr Anteil am nfA aber vernachlässigt, was meistens nur zu einem geringen Fehler führt, andernfalls die Rechnung aber umfangreicher machen würde. Häufig sind die hierfür benötigten Angaben auch nicht vorhanden. Nach ISO 4618 versteht man unter Ergiebigkeit die Fläche, die mit einer bestimmten Menge eines Beschichtungsstoffes mit einer Be­schichtung in der erforderlichen Trockenschichtdicke versehen werden kann. Sie wird in m2 · 1–1 oder in m2 · kg–1 angegeben. Pigment-Volumen-Konzentration Eine fundamentale rechnerische Größe für das Verständnis vieler Zusammenhänge zwischen der Zusammensetzung einer Beschichtung und ihren Eigenschaften ist die Pigment-VolumenKonzentration PVK (engl.: pigment volume concentration, P.V.C.) bzw. deren Verhältnis zur „Kritischen“ Pigment-Volumen-Konzentration KPVK (engl.: critical pigment volume concentration, C.P.V.C.). Diese Zusammenhänge werden in Abschnitt 3.3 besprochen. Nach DIN EN ISO 4618 versteht man unter der PVK das Verhältnis des Volumens von Pigmenten und/oder Füllstoffen und/oder anderen nicht filmbildenden festen Teilchen zum Gesamtvolumen der nichtflüchtigen Anteile eines Beschichtungsstoffes, ausgedrückt in Prozent. Nach derselben Norm ist die KPVK die Pigmentvolumenkonzentration, bei dem der Raum zwischen den sich noch nicht berührenden Feststoffteilchen gerade noch mit Bindemittel gefüllt ist und oberhalb der sich bestimmte Eigenschaften der Beschichtung signifikant ändern. Um die PVK einer Beschichtung aus einer in Masseanteilen angegebenen Rezeptur berechnen zu können, werden der nfA von jeder Komponente des Beschichtungsstoffes und deren Dichte benötigt. Näherungsweise lässt sich damit das jeweilige Volumen der einzelnen Bestandteile im Beschichtungsfilm ausrechnen. Für die PVK ergibt sich dann PVK [%] =

Σ VPigmente + Σ VFüllstoffe Σ VPigmente + Σ VFüllstoffe + Σ VBindemittel

· 100 =

Σ VPigmente + Σ VFüllstoffe Σ Vgesamt

· 100

Auch hier wird aus Gründen der leichteren Rechenbarkeit der Volumenanteil der nfA für die Additive oft vernachlässigt. In unserem Beispiel beträgt also die PVK: 27,0 4,1

PVK [%] = 27,0 4,1

+

· 100 % = 13,2 %

60,0 · 0,75 1,04

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Pigmentvolumenkonzentration und Filmeigenschaften

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Bestimmungsmöglichkeiten Die KPVK lässt sich aus der Ölzahl (→ 3.3) des im Beschichtungsstoff enthaltenen Pigmentes angenähert bestimmen. Ist darin ein Gemisch mehrerer Pigmente und Füllstoffe enthalten, muss mit einer gemittelten Ölzahl gerechnet werden, was allerdings – vor allem bei unterschiedlich geformten und großen Pigment- und Füllstoffpartikeln – zu einem relativ großen Fehler führen kann. Genauer ist dann der Weg über die Bestimmung der Ölzahl des Pigment/Füllstoffgemisches. In Betracht kommen möglicherweise auch andere Bestimmungsmethoden für die KPVK (→ 3.3). Generell gilt die Beziehung: KPVK =

100 % ρ ÖZ 1 + Pig · ρBM 100

mit ÖZ = Ölzahl, ρpig = Dichte des Pigmentes und ρBM = Dichte des Bindemittels (ρLeinöl = 0,935 g/cm3). In unserem Beispiel (Tab. 3.1) ergibt sich dann für die KPVK: 100 %

KPVK = 1+

20 4,1 · 0,935 100

= 53,3 %

Pigmentierungshöhe Die Angabe der PVK oder der KPVK einer Beschichtung für sich alleine ist meistens wenig aussagekräftig. Viel wichtiger ist die relative Lage der PVK zur KPVK, die als Q-Wert angegeben wird (→ 3.3): Q=

PVK KPVK

· 100 %

In unserem Beispiel beträgt der Q-Wert: Q=

13,2 53,3

· 100 % = 24,8 %

ein typischer Wert für einen glänzenden Decklack (s. Kap. 3.3). Ein weiterer Parameter, der oft als Maß für die Pigmentierungshöhe angegeben wird, ist das Pigment-Bindemittel-Verhältnis, definiert mit den Massen (m) beider Komponenten als Pigment-Bindemittel-Verhältnis =

mPigment mBindemittel

Vernachlässigt ist dabei aber, dass die Dichten unterschiedlicher Pigmente (und damit ihre Volumina) doch stark voneinander abweichen können, vor allem, wenn man organisch pigmentierte Lacke mit anorganisch pigmentierten vergleicht. In unserem Beispiel ergibt sich für das PigmentBindemittel-Verhältnis: Pigment-Bindemittel-Verhältnis =

27,0 60,0 · 0,75

= 0,6 (= 3 : 5)

3.3 Pigmentvolumenkonzentration und Filmeigenschaften Mit der auf Seite 210 angegebenen Definitionsgleichung wurde die PVK als fundamentale und für das Verständnis vieler Zusammenhänge in einer Beschichtung maßgebende Kenngröße eingeführt. Wesentlich für ihre Nutzung sind noch folgende Details:

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Lacksysteme, Rezeptierung, Filmbildung

Packungsdichte Das gesamte Volumen Vges eines trockenen Beschichtungsfilms besteht aus dem Volumen des Bindemittels und dem der Pigmente und Füllstoffe. Aus Gründen der einfacheren Lesbarkeit werden im Folgenden Pigmente und Füllstoffe nur noch „Pigmente“ bzw. ihr Volumen nur noch „Pigmentvolumen“ VPig genannt. Nun hat man davon auszugehen, dass in einem Beschichtungsfilm jedes Pigmentteilchen von einer dünnen Schicht aus adsorbierten nichtflüchtigen Bestandteilen des Bindemittels umgeben ist. Meistens sind dies Netz- bzw. Dispergieraddtive oder Filmbildnermoleküle (Abb. 3.2). Die Menge adsorbierter Bindemittelbestandteile ist abhängig von der spezifischen Oberfläche des Pigmentes und dessen chemischen Eigenschaften. Je größer die spezifische Oberfläche, desto größer ist auch das Volumen der adsorbierten Bindemittelbestandteile Vads. Normalerweise ist das Volumen des gesamten Bindemittels VBM größer als Vads. Die Differenz beider wird als freies Volumen des Bindemittels Vfrei bezeichnet; es füllt dann das übrige, nicht von Pigmentteilchen mit ihrer Adsorbatschicht eingenommene Volumen des Beschichtungsfilmes aus. Mit anderen Worten, Vads und Vfrei ergeben zusammen VBM. Der Ausdruck für die PVK lässt sich dann auch schreiben als: PVK =

VPig VPig + Vads + Vfrei

Die Größe von Vfrei hängt von der PVK ab.

Pigment (VPig)

Bindemittel (Vfrei)

Adsorbatschicht (Vads)

Abb. 3.2: Morphologisches Aussehen einer Beschichtung unterhalb der KPVP

Pigment (VPig)

Bindemittel (Vfrei*)

Adsorbatschicht (Vads)

Abb. 3.3: Morphologisches Aussehen einer Beschichtung an der KPVP

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In einem Klarlack ist die PVK = 0. Die Eigenschaften der Beschichtung werden alleine durch die Bindemitteleigenschaften festgelegt. Bei niedrigen Werten für die PVK (s. Abb. 3.2) sind isolierte Pigmentteilchen mit ihren Adsorbatschichten, die sich nicht berühren, in den Bindemittelfilm eingelagert. Auch hier dominieren die Eigenschaften des Bindemittels; der Film erscheint demnach glänzend und porenfrei. Mit zunehmender PVK rücken die Feststoffteilchen immer enger zusammen, das Volumen des freien Bindemittels Vfrei nimmt ab. Ab einer bestimmten PVK wird das Volumen des Pigmentes so hoch, dass sich die einzelnen Partikel berühren. Sie werden nur noch durch die dünnen Absorbatschichten getrennt. Es ist aber gerade noch genügend freies Bindemittel vorhanden, um die Zwischenräume zwischen den Pigmentteilchen vollständig auszufüllen. Das Volumen des freien Bindemittels ist gerade genau so groß wie das der Hohlräume in der Pigmentpackung (Abb. 3.3). Der Film ist matt, aber noch geschlossen. Diese PVK ist dann aber nichts anderes als die Kriti­ sche Pigmentvolumenkonzentration:

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Pigmentvolumenkonzentration und Filmeigenschaften

KPVK =

211

VPig VPig + Vads + Vfrei*

hier aber mit Vfrei* = Volumen der Zwischenräume zwischen den sich berührenden Pigmentteilchen. Bei weiter zunehmender PVK reicht das Volumen des freien Bindemittels Vfrei nicht mehr aus, zwischen den Pig­ mentteilchen die Hohlräume auszufüllen, welche dann teilweise mit Luft ge­füllt sind. In diesem Falle ist die PVK überkritisch. Der Film ist porös und wird nur noch schwach durch das Bindemittel zusammengehalten. (Abb. 3.4).

Pigment (VPig)

teilweise mit Bindemittel gefüllte Zwischenräume

Adsorbatschicht (Vads)

Abb. 3.4: Morphologisches Aussehen einer Beschichtung oberhalb der KPVP

Auswirkung der KPVK Die Eigenschaften einer Beschichtung entwickeln sich demnach – mit steigender PVK – von Hochglanz bei einem dichten, undurchlässigen Film (kleine PVK) über ein seidenmattes Stadium bis hin zum matten Erscheinungsbild bei durchlässigem Film – mit übrigens geringerer Blasen­bildungstendenz. Schon 1949 wiesen Asbek und van Loo nach, dass sich diese und eine Reihe anderer physikalischer Eigenschaften, wie die Beständigkeit gegen Unterrostung, in Abhängigkeit von der PVK innerhalb eines kleinen Bereiches um die KPVK signifikant ändern (Abb. 3.5) Die Lage der KPVK ist von mehreren Faktoren, wie Teilchengröße, Teilchengrößenverteilung, Teilchenform und auch von den chemischen Eigenschaften der Teilchenober­fläche abhängig. Die ersten drei Größen sind maßgeblich für die spezifische Oberfläche eines Pigmentes. Sie bestimmt ihrerseits, zusammen mit den chemischen Eigenschaften der Pigmentoberfläche, die Menge an Bindemittelbestandteilen, die dort fixiert ist. Ausfüllungseffekte Teilchengröße und Teilchengrößenverteilung sind die entscheidenden Größen, die die Packungsdichte der Pigmentteilchen beeinflussen. Kugelförmige Teilchen mit einheitlicher Teilchengröße können bei dichter Packung maximal ca. 74 % des ihnen verfügbaren Raumes ausfüllen. Unter Berücksichtigung der Adsorbatschicht um jedes Teilchen wäre die KPVK bei solchen Teilchen auf jeden Fall kleiner als 74 %. Reelle Pigmente weisen allerdings keine einheitliche Teilchengröße auf, sondern eine Teilchengrößenverteilung. Kleinere Teilchen können so die Räume zwischen den größeren Teilchen zum Teil ausfüllen. Dadurch sinkt das Volumen des nicht durch Pigmentteilchen ausgefüllten Raumes, das der in der KPVK-Definitionsgleichung (siehe oben) angeführten Größe Vfrei* entspricht. Bei kleiner werdenden Vfrei* steigt, nach eben dieser Beziehung, die KPVK. Gerade bei Korrosionsschutzgrundierungen, Füllern und Spachtelmassen versucht man durch eine Mischung von Füllstoffen oder auch Pigmenten mit unterschiedlichen Teilchengrößen eine möglichst große Raumerfüllung zu erreichen. Plättchen- oder nadelförmige Pigmente würden bei optimal paralleler Ausrichtung ebenfalls eine große Raumerfüllung ergeben. Im Gemisch mit eher sphärischen Teilchen können sie aber auch wie Abstandhalter wirken und so die KPVK verkleinern. In der Praxis erreicht man eine maximale KPVK durch ein Gemisch unterschiedlich großer, ähnlich geformter Teilchen mit breiten Teilchengrößenverteilungen.

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Lacksysteme, Rezeptierung, Filmbildung

Bestimmung der KPVK Die KPVK kann im Prinzip durch jede messbare Beschichtungseigenschaft bestimmt werden, die sich an der KPVK signifikant ändert. Man hat festgestellt, dass die durch Messung unterschiedlicher Eigenschaften – z.B. Haftfestigkeit, Glanz oder Bindemittelaufnahme – erhaltenen Werte meistens nur wenig voneinander abweichen. Allerdings muss gerade bei der Bindemitteladsorption bedacht werden, dass chemisch verschiedene Filmbildner in unterschiedlichem Ausmaß an der Pigmentoberfläche absorbiert werden, so dass die KPVK nicht nur von den Pigmenteigenschaften, sondern auch vom Bindemittel abhängt. Der Einfluss der chemischen Natur des Filmbildners kann allerdings durch Verwendung von Dispergieradditiven verringert werden. Dispergierhilfsmittel selbst beeinflussen die aktuelle Teilchengrößenverteilung in einer Beschichtung und damit natürlich auch die KPVK. Die Ermittlung der KPVK durch Berechnung der geometrischen Packungsdichte ist zwar theoretisch möglich, aber in der Praxis kaum durchführbar. Meistens wird, wie oben schon angedeutet, der KPVK-Wert mit recht passabler Genauigkeit aus der Ölzahl (→ 2.3.2.4) und der Dichte eines Pigmentes oder Pigmentgemisches erhalten. Die Ölzahl wird mit den Massen (m) der beteiligten Stoffe (meist) angegeben als ÖZ =

mLeinöl m(Pigmente + Füllstoffe)

[g/100 g]

Erlaubt ist aber auch die Angabe in Volumen Leinöl pro Masse Pigment. Aus der Ölzahl lässt sich mit den Dichten des Leinöls und des Pigmentes die KPVK nach der auf Seite 211 angegebenen Gleichung berechnen. Ölzahl-Bestimmung Leinöl definierter Qualität wird durch Verreiben mit einem Messerspatel in die auf einer Glas- oder Marmorplatte befindliche Pigment- oder Füllstoffprobeprobe (mit größter Intensität) eingearbeitet. Die Zugabe von Öl wird beendet, wenn eine weiche Paste entstanden ist, die sich aber gerade noch ohne zu reißen oder zu krümeln verteilen lässt und die auch gerade noch auf der Platte haften muss. Das Ergebnis hängt stark Abb. 3.5: Änderung einiger Beschichtungseigenschaften in Abhängigkeit von der Intensität des Einarbeivon der PVK (mit praxistypischer KPVK) tens ab. Die durch verschiedene Prüfer erhaltenen Werte können Eigenschaftsausprägung (qualitativ) deshalb etwas voneinander abgroß weichen. Durch das Verreiben während der Einarbeitung des Glanz Leinöls werden eventuell vorhandene Pigmentagglomerate zerteilt. Am Endpunkt der Ölzahl­ Dichte bestimmung hat das Leinöl die mittel Pigmentteilchen benetzt und es füllt gerade die Räume zwischen den Pig­mentpartikeln aus. Das sind genau die Bedingungen, die Korrosion bei der KPVK vorliegen. KPVK

Porosität

gering 0

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50

PVK [%] 100

Da bei der Bestimmung der Ölzahl (ÖZ) ohne Dispergieradditiv gearbeitet wird, kann der aus der ÖZ berechnete KPVK-Wert

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Pigmentvolumenkonzentration und Filmeigenschaften

nicht ohne weiteres auf andere Bindemittelsysteme übertragen werden. Bei einem schlechter als Leinöl benetzenden Bindemittel wäre die wirkliche KPVK kleiner als die aus der ÖZ errechnete KPVK: Pigment- und Füllstoff­ mischungen

213

Ölzahl [g/100 g] errechnete mittlere Ölzahl

18

14 experimentell ermittelte Ölzahl

% Füllstoff Gerade hochgefüllte Beschich10 % Pigment tungsstoffe enthalten häufig 20 100 0 40 60 80 mehr als ein Pigment bzw. ei80 0 100 60 40 20 nen Füllstoff. Die Ölzahl solcher Pigment-Füllstoffgemisch Pigmentmischungen kann in der Regel nicht aus den Ölzahlen der Einzelbestandteile und ihrem Abb. 3.6: Abhängigkeit der Ölzahl eines Pigment-Füllstoffgemisches von Massenanteil berechnet werden. der Zusammensetzung Bestimmt man für die Mischung eines Pigmentes mit einem Füllstoff bei verschiedenen Pigment/ Füllstoffverhältnissen die Ölzahl, so wird man oft feststellen, dass sie ein Minimum durchläuft (Abb. 3.6). Die Pigment/Füllstoff-Mischung weist bei diesem Minimum die größte Packungsdichte auf.

Bei Mischungen aus mehr als zwei Komponenten lässt sich das optimale Mischungsverhältnis – mit größter Packungsdichte – natürlich nicht so einfach ermitteln. Aber auch hier kann man durch Bestimmung der ÖZ feststellen, ob eine bestimmte Änderung des Mischungsverhältnisses sinnvoll ist oder nicht. Besonders bei Grundierungen und Spachtelmassen muss die PVK auch beim Austauschen eines Pigmentes oder Füllstoffes konstant gehalten werden. Unter der Voraussetzung einer annähernd gleichen Teilchenform lässt sich die entsprechende Menge des Austauschstoffes ungefähr aus den Ölzahlen der beiden beteiligten Stoffe errechnen. Dabei nutzt man die Beziehung: mneu = malt ·

ÖZalt ÖZneu

mit mneu = Masse des einzusetzenden Pigmentes und malt = Masse des auszutauschenden Pigmentes Bedeutung der PVK- bzw. Q-Werte Abgesehen von den Werten am unteren und oberen Ende der PVK-Skala (von 0 bis 100 %) ist die Angabe der PVK einer Beschichtung alleine wenig aussagekräftig. Eine PVK von 65 % kann unterhalb der KPVK liegen, sehr nahe bei der KPVK oder auch oberhalb der KPVK. Ohne das Wissen um ihre relative Lage zur KPVK kann man also auch aus der PVK alleine keine Schlüsse auf die Eigenschaften einer Beschichtung ziehen. Dies wird aber durch Angabe des Q-Wertes, (wie in Abschnitt 3.2, Seite 210 definiert) möglich. In Abb. 3.7 (Seite 216) sind einige Q-Wertbereiche jeweils typischen Beschichtungsstoffen zugeordnet. Hochglänzende Decklacke und auch Dispersionslacke weisen einen niedrigen Q-Wert (unter 0,5) auf. Ihre PVK liegt üblicherweise unter 25 %. Höher gefüllte Beschichtungen mit einem Q-Wert zwischen 0,5 und 0,8 – dies entspricht einer PVK zwischen 30 und 40 % – sind matt. Zwischenbeschichtungen und Primer überspannen einen weiten Bereich von Q-Werten, von ca. 0,4 bis 0,8 (PVK etwa zwischen 20 und 55 %).

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Lacksysteme, Rezeptierung, Filmbildung

Wandfarbe für Innen

Eigenschaften bzw. Merkmale

glänzend

Zinkstaubgrundierungen

Wandfarbe für Außen

Glanz Decklacke

matt Füller

Zwischenbeschichtungen Grundierungen

Untergrund-Korrosion

Spachtel

aktive KorrosionsschutzGrundierung

Porosität KPVK 0

0,2

0,4

0,6

0,8

Q-Wert 1,0

1,2

Abb. 3.7: Typische Beschichtungsstoffe mit für sie maßgebenden Q-Wertbereichen

Aktive Korrosionsschutzgrundierungen müssen möglichst hoch gefüllt sein, um eine große Barrierewirkung zu haben. Sie sollten gleichzeitig aber noch einen geschlossenen Bindemittelfilm aufweisen. Ihre Q-Werte liegen daher etwa zwischen 0,7 und 0,95, was einem PVK-Bereich zwischen 40 und 60 % entspricht. In diesem Bereich findet man auch die Dispersionsfarben für die Außenanwendung. Füller und Spachtelmassen werden in relativ hohen Schichtdicken (ca. 40 µm bis >> 1 mm) aufgetragen. Damit es bei der Trocknung nicht durch Volumenschrumpf des Bindemittels zu Rissen kommt, müssen die Pigment- und Füllstoffteilchen dicht gepackt vorliegen. Diese Beschichtungsstoffe haben deswegen Q-Werte zwischen 80 und 100 % oder auch größer, was PVK-Werten zwischen 50 und 80 % entspricht. Da Füller noch eine gewisse Elastizität aufweisen müssen, liegen ihre Q-Werte eher am unteren Ende dieses Bereiches. Zinkstaubgrundierungen sind typische Vertreter von Beschichtungen mit überkritischer PVK. Ihr Q-Wert liegt, bei PVK-Werten bis 80 %, dementsprechend oberhalb von 100 %. Dispersionsfarben für Innen sollen eine gute Wasserdampfdurchlässigkeit aufweisen. Auch sie sind mit einem Q-Wert größer als 100 % überkritisch. Bei ihnen kann Wasserdampf durch die mit Luft gefüllten Poren zwischen den Pigment- und Füllstoffteilchen leichter diffundieren als durch einen geschlossenen Bindemittelfilm.

3.4 Lösemittelbasierende Beschichtungsstoffe 3.4.1 Low Solid- und Medium Solid-Systeme Einteilungsprinzipien Die Begriffe „Low Solids“ (LS) und „Medium Solids“ (MS) werden hier als Gegensatz zum Begriff „High Solids“ (HS) verwendet. Sie sollen hier als jene lösemittelbasierenden Beschichtungsstoffe verstanden werden, die nicht den Bedingungen für High Solid-Beschichtungsstoffe genügen. Medium Solids liegen mit ihrem Lösemittelgehalt zwischen den Low Solids und High Solids. Sie haben heute bereits in vielen Anwendungsgebieten die Low Solids als gebräuchliche Anstrich-

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Lösemittelbasierende Beschichtungsstoffe

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stoffe verdrängt. Wenn sie auch in vielfacher Hinsicht zwischen den Extremen Low Solids und High Solids liegen, sind die in ihnen verwendeten Rohstoffe sowie die an ihnen auftretenden Phänomene doch eher denen von Low Solids vergleichbar. Allerdings ähneln Medium SolidSysteme, die nur wenig mehr Lösemittel enthalten, als für entsprechende High Solid-Systeme erlaubt ist, natürlich eher diesen. Zur Herstellung lösemittelbasierender Beschichtungsstoffe werden praktisch alle bekannten und bereits in Kap. 2 erörterten Filmbildnersysteme verwendet. Dabei werden diese nicht nur alleine, sondern je nach Anforderungen auch in Kombinationen eingesetzt. In solchen Fällen kann man zwischen dem Hauptfilmbildner, der im Wesentlichen die Beschichtungseigenschaften bestimmt, und den Zusatzharzen unterscheiden, durch die Effekte erzielt werden, die mit dem Hauptfilmbildner alleine nicht erreichbar sind. Als Beispiel genannt seien hier Zusätze von Epoxid- und Polyvinylbutyralharzen zu Grundierungen, die die Haftfestigkeit auf metallischen Untergründen verbessern sollen. Filmbildungsmöglichkeiten Wie in anderen Zusammenhängen bereits dargelegt, kann man – je nach Trocknungsart – Beschichtungsstoffe einteilen in • physikalisch trocknende Beschichtungsstoffe, • raumtemperaturhärtende Beschichtungsstoffe, • Einbrennsysteme und • strahlenhärtende Beschichtungsstoffe In Bezug auf den Filmbildungsprozess sind dabei folgende Merkmale festzuhalten: Physikalisch trocknende Systeme verfilmen allein durch Verdunsten der Lösemittel oder bei Dispersionen durch Koaleszenz der Polymertröpfchen oder -partikel. Filmbildner, die nach der physikalischen Trocknung nicht die geforderten technologischen Eigenschaften erreichen, müssen durch chemische Reaktionen – für sich oder durch andere Komponenten des Beschichtungsstoffes – soweit verändert werden, dass sie den Anforderungen letztlich genügen. Je nach der Temperatur, bei der diese Vernetzungsreaktionen ablaufen, ist zwischen raumtemperaturhärtenden Beschichtungsstoffen und Einbrennsystemen zu unterscheiden. Raumtemperaturhärtende Beschichtungsstoffe werden oft in Form von Zweikomponentenlacken, kurz 2K-Lacken, oder als Mehrkomponentensysteme eingesetzt, weil dann eine Härtungsreaktion schon während der Lagerzeit ausgeschlossen bleibt. Die Komponenten werden erst kurz vor der Verarbeitung zusammengegeben. Danach verbleibt dann nur noch eine gewisse Zeitspanne, in der der Lack verarbeitet werden kann. Man bezeichnet die maximale Zeit, innerhalb der das Lackmaterial nach dem Vermischen verarbeitet sein muss, als Topfzeit (engl. pot-life). Als Filmbildner dienen meistens OH-gruppen-haltige Polymere, z.B. OH-funktionelle Polyester, Polyether oder Acrylharze, die mit Isocyanaten vernetzt werden, oder Epoxidharze, die man mit Aminen umsetzt. Einige Einbrennsysteme können durch Zugabe eines Katalysators als zweiter Komponente – kurz vor der Applikation – ebenfalls in raumtemperaturhärtende Beschichtungsstoffe umgewandelt werden. Als Beispiel seien hier säurehärtende Lacke genannt. Wird die Trocknung durch Temperaturerhöhung beschleunigt (bis 80 °C), spricht man von forcierter Trocknung. Naturgemäß sind raumtemperaturhärtende Einkomponentensysteme, kurz 1K-Lacke, seltener. Hierzu gehören Alkydharzlacke, die mit Luftsauerstoff härten, und auch feuchtigkeitshärtende Polyurethansysteme. Sie sind aber im Prinzip 2K-Systeme, da die für die Härtung notwendige Komponente, d.h. Sauerstoff bzw. Wasser, in der Umgebungsluft enthalten ist, die – an sich unerwünscht – nach Öffnen des Gebindes oder – wie vorgesehen – erst nach der Applikation in den Beschichtungsstoff hineindiffundieren kann. Einbrennsysteme dagegen werden oft als Einkomponentenlacke hergestellt. Dadurch wird das Risiko von Mischfehlern durch den Verarbeiter vermieden, wie es bei Mehrkomponentensystemen im Grunde besteht. Außerdem entfällt der technische Aufwand für 2K-Systeme. Wichtige

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Lacksysteme, Rezeptierung, Filmbildung

Filmbildner sind hier OH-Gruppen-haltige Polymere, die mit Phenolharzen, Melamin- oder Harn­­stoff-Formaldehydharzen oder auch blockierten Isocyanaten vernetzt werden. Die Härtungs­ reaktionen können durch Katalysatoren beschleunigt werden. Um zu vermeiden, dass der Kata­ lysator bereits während der Lagerung wirksam wird, setzt man ihn oft in blockierter Form zu. Oft werden aber auch 2K-Lacke eingebrannt, um durch eine dichtere Vernetzung bessere Be­ ständigkeiten oder mechanische Eigenschaften gegenüber der Härtung bei Raumtemperatur zu erreichen. Zudem wurden in den letzten Jahren einige neue Vernetzungsreaktionen daraufhin untersucht, ob sie für Beschichtungsstoffe brauchbar sind, doch blieben solche Systeme auf einzelne Anwendungen beschränkt, da sie meistens keine wesentlichen Vorteile gegenüber bestehenden Materialien aufweisen.

3.4.2 High Solids Als High Solids werden solche Beschichtungsstoffe bezeichnet, in denen der Gehalt an flüchtigen Anteilen so gering wie möglich gehalten wird, die geforderten Eigenschaften beim Beschichten aber erhalten bleiben. Dadurch ist deren VOC-Emission (im Verarbeitungszustand) gegenüber der entsprechender Low Solid-Materialien oft auf etwa die Hälfte oder weniger reduziert. Um dabei auch Beschichtungsstoffe mit unterschiedlicher Pigmentierung vergleichen zu können, ist es bei High Solids zweckmäßig, den Festkörpergehalt nicht in Gewichtsprozenten anzugeben, wie es für den nfA üblich ist, sondern in Volumenprozent. Die Umrechnung ergibt sich aus den Dichten des flüssigen Lackes und des lösemittelfreien Filmes gemäß folgender Beziehung: FK [Vol.-%] = nfA [%] ·

ρfl ρfest

mit ρfl = Dichte des flüssigen Lackes und ρfest = Dichte des lösemittelfreien Lackfilmes. Bei heute gebräuchlichen High Solids liegt der nfA im Bereich von etwa 60 bis 80 %, was einem auf das Volumen bezogenen Festkörper von etwa 50 bis 65 Vol.-% entspricht. Diese hohen Filmbildnerkonzentrationen können mit Low Solid-Filmbildnern nicht erreicht werden. Möglichkeiten, den nfA bei gleicher Verarbeitungsviskosität zu steigern, sind: • • • • •

Senkung der mittleren Molmasse des Filmbildners (meistens zwischen 800 und 1500 g/mol) Einengen der Molmassenverteilung Verwendung stark viskositätserniedrigender Lösemittel Verwendung von Reaktivverdünnern Heißapplikation

Der Zusammenhang zwischen der Viskosität einer Polymerlösung, ihrer Konzentration und der Molmasse des Polymeren ergibt sich näherungsweise aus der Beziehung (s. auch Abschnitt 2.1.1.8): lg η = nfA · K · M

1)

mit η = Viskosität der Polymerlösung, M = Molmasse des Polymeren, nfA = nicht flächiger Anteil und K = Konstante (abhängig von gelöstem Polymer, Lösemittel, Temperatur). Will man den nfA bei gleichbleibender Viskosität verdoppeln, muss die mittlere Molmasse des Filmbildners auf etwa ein Viertel gesenkt werden. Je nach Breite der Molmassenverteilung enthält der Filmbildner in unterschiedlichem Maß höhermolekulare Anteile, die viel stärker als die niedermolekularen die Viskosität beeinflussen und sie so auch bei einem nur geringen Anteil stark erhöhen. Deswegen weisen Filmbildner für High Solids meistens eine eingeengte – zwischen 800 und 1500. Molmassenverteilung auf, mit Zahlenmitteln M n Streng genommen, müssten die Größen in dieser Gleichung durch die Einheiten dividiert werden. Aus Gründen der Übersichtlichkeit wurde hier darauf verzichtet.

1

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Lösemittelbasierende Beschichtungsstoffe

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Die in High Solids verwendeten Lösemittel sollen möglichst stark viskositätserniedrigend sein. Das beste Gemisch wird zwar meistens durch praktische Versuche gefunden, doch kann die Viskosität solcher High Solid-Lösungen gezielt durch Lösemittel mit bestimmten molekularen Strukturen und physikalischen Eigenschaften beeinflusst werden. So sind z.B. Lösemittel, die in H-Brückenbindungen nur als H-Akzeptor reagieren können, eher in der Lage, die gegenseitige Assoziation von Filmbildnermolekülen über OH-Gruppen zu unterbinden, als solche Lösemittel, die sowohl H-Akzeptor als auch H-Donator sind. Letztere können zu zwei Filmbildnermolekülen H-Brückenbindungen eingehen und so die Molmasse des Filmbildners scheinbar mehr als verdoppeln, während sich bei ersteren immer nur zu einem Filmbildnermolekül eine H-Bindung ausbilden kann. Eine Viskositätserniedrigung ist auch mit Reaktivverdünnern möglich. Hierunter versteht man niedermolekulare niedrigviskose Verbindungen mit funktionellen Gruppen, über die sie chemisch in das Filmnetzwerk eingebunden werden können. Dazu gehören z.B. schwerflüchtige Diole, wie 2-Ethylhexan-1,3-diol, aber auch zahlreiche monofunktionelle Verbindungen. Die heute noch wichtigste ist Styrol. Bei der Heißapplikation wird die Viskosität durch Temperaturerhöhung auf das für die Applikationsmethode notwendige Niveau gesenkt (→ 2.1.1.8).

Bei der Wahl der Komponenten und beim Formulierungskonzept ist eine Reihe von Besonderheiten zu beachten, die im Folgenden erläutert werden. Filmbildner Wie die Low Solid-Lacke werden auch High Solids sowohl als 1K- als auch – hier sogar häufiger – als 2K-Systeme eingesetzt. Gängige Filmbildner sind z.B. langölige, oxidativ trocknende Alkydharze mit einem nfA um etwa 85 % sowie gesättigte Polyesterharze, die mit hochveretherten Melamin-Formaldehydharzen oder geblockten (für 1K-Lacke) oder freien Isocyanaten vernetzt werden. Diese lassen sich auch mit hydroxyfunktionellen Acryl- oder Alkydharzen kombinieren. Für Außenanwendungen finden häufig aliphatische oder cycloaliphatische Polyisocyanate als Härter Verwendung. Epoxidharze werden (vor allem als 2K-Systeme) mit Aminen oder anderen Verbindungen mit aktiven H-Atomen als Härtern eingesetzt. In speziellen Fällen, wie für den Unterbodenschutz bei Autos, werden auch PVC-Plastisole verwendet. Additive Verglichen mit Low Solids können bei High Solids verstärkt Probleme auftreten, die mit Additiven zu beheben sind, so • bei der Benetzung kritischer Untergründe • im Verlauf- und Ablaufverhalten sowie • bei der Pigmentstabilisierung (Gefahr der Flockulation und/oder Beeinflussung der Viskosität durch die Pigmentierungshöhe). Im Vergleich mit Low Solid-Lacksystemen haben High Solids eine höhere Oberflächenspannung, als deren Folge es bei kontaminierten und nicht ausreichend gereinigten Metalloberflächen eher zu Benetzungsstörungen, z.B. zur Ausbildung von Kratern, kommen kann. Diese Probleme können bei High Solids meistens nicht durch den Einsatz geeigneter Lösemittel behoben werden, da es hier doch wesentlich mehr Einschränkungen als bei den festkörperärmeren Lacktypen hinsichtlich der Lösemittelauswahl gibt. Oft ist deswegen der Einsatz von Verlaufsmitteln oder anderer oberflächenaktiver Additive, z.B. Antikrater-Additive, notwendig.

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Lacksysteme, Rezeptierung, Filmbildung

In den meisten Fällen haben die Lösemittel eine geringere Oberflächenspannung als das Bindemittel, so dass die Oberflächenspannung von High Solids schon aufgrund des niedrigeren Lösemittelgehaltes höher ist als die von Low Solid-Systemen. Aber auch die in High Solids verwendeten Lösemittel selbst haben meistens eine höhere Oberflächenspannung. Da die Filmbildner in High Solids ein niedrigeres Äquivalentgewicht aufweisen als analoge Low SolidFilmbildner – was gleichbedeutend mit einem höheren Gehalt an meistens polaren funktionellen Gruppen ist – haben auch sie selbst eine höhere Oberflächenspannung. Die niedrigere Molmasse der High Solid-Filmbildner führt zu häufigerem Auftreten von Flockulation, und zwar aus folgenden Gründen. Für die Stabilisierung von Pigmentdispersionen ist in erster Linie die Dicke der Filmbildner-Adsorbatschicht auf der Pigmentoberfläche maßgeblich, die natürlich bei einem niedermolekularen Filmbildner geringer ist als bei einem höhermolekularen. Daher kann in pigmentierten High Solids auf den Einsatz von Dispergieradditiven meistens nicht verzichtet werden. Das Ablaufverhalten lässt sich bei High Solids – im Gegensatz zu Low Solid-Lacksystemen – meistens nicht so einfach beeinflussen, etwa über Variationen der Verdunstungsgeschwindigkeit der Lösemittel oder durch eine Änderung des Abstandes Spritzpistole–Substrat. Vielmehr muss das benötigte thixotrope Fließverhalten oft mit entsprechenden Rheologieadditiven eingestellt werden. Da bei High Solids die Viskosität mit steigender Temperatur stärker abnimmt als bei Low Solid-Systemen und auch die beginnende Vernetzung sie erst später wieder ansteigen lässt, kann es beim Einbrennen zur Läuferbildung kommen, selbst wenn sonst bei der Applikation keine Probleme auftraten. Pigmente In High Solids können im Wesentlichen die gleichen Pigmente eingesetzt werden wie in Low Solids und Medium Solids. Allerdings ist der Einfluss der Pigmentierungshöhe auf die Viskosität bei High Solids viel größer, so dass sich bei ihnen nicht so hohe PVK-Werte erreichen lassen. In pigmentierten Low Solid-Anstrichstoffen ist der Einfluss der Pigmentierung auf die Viskosität relativ gering, solange die Pigmente nicht flockuliert sind. Mit zunehmendem nfA nimmt allerdings bei vorgegebener PVK das Volumen der dispersen Phase – einschließlich der Adsorbatschicht auf der Oberfläche der Pigmente – ebenfalls zu und beeinflusst dann auch die Viskosität des Beschichtungsstoffes (→ 3.2), besonders wenn die PVK, wie z.B. in Viskosität [Pa · s] Grundierungen, relativ hoch ist. 1,0

PVK:

0,5

45%

20%

0,1 unpigmentiert

0,05

nichtflüchtige Anteile [Vol.-%] 60

70

80

90

Abb. 3.8: Einfluss der Pigmentierungshöhe auf die Viskosität als Funktion des nfA, nach [9]

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Dazu zeigt Abb. 3.8, basierend auf Modellrechnungen, die Abhängigkeit der Viskosität vom nfA (in Vol.-%) für verschiedene Fälle, d.h. für einen Klarlack, für einen Lack mit einer PVK von 20% und für eine Grundierung mit einer PVK von 45 %. Deutlich ist die Zunahme des Einflusses der Pigmentierungshöhe auf die Viskosität mit steigendem nfA zu erkennen. Für Korrosionsschutzgrundierungen oder Füller mit einer PVK in der Nähe der KPVK ist deshalb zurzeit ein nfA von etwa 60 % als obere Grenze des Machbaren anzusehen.

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Wässrige Beschichtungsstoffe

3.5 Wässrige Beschichtungsstoffe 3.5.1 Wasserlösliche und emulgierbare Systeme (Wasserlacke) Im Grunde wird bei den wasserlöslichen Systemen ein ähnliches Formulierungskonzept eingehalten, wie es sich bei den konventionell lösemittelhaltigen bewährt hat. Gleichwohl gibt es einige bemerkenswerte Unterschiede bei der Eignung der einzelnen Lackkomponenten. Filmbildner Nur wenige, sehr polare organische Filmbildner – wie z.B. Polyvinylalkohole, Polyacrylamide, Polyethylenglykole, einige Cellulosederivate oder auch Acrylate und Polyester mit einer sehr hohen Säurezahl – sind in Wasser löslich. Solche Filmbildner bleiben dann natürlich auch im getrockneten Film noch wasserlöslich. Für die Entwicklung wasserlöslicher oder wasserverdünnbarer Filmbildner mussten deswegen verschiedene andere Wege beschritten werden (→ 2.1.1.9). Bei den Kunstharzdispersionen ist das Polymer nicht in Wasser gelöst, sondern es bildet die diskontinuierliche Phase einer Dispersion in Wasser. Beschichtungsstoffe aus diesen Filmbildnersystemen werden in Abschnitt 3.5.2 besprochen. Ein weiterer Weg führte zu wasserverdünnbaren, aber auch nicht wirklich wasserlöslichen Filmbildnern, bestehend aus relativ kurzkettigen Polymeren (Mr < 10.000) mit in Seitenketten eingebauten zur Salzbildung fähigen sauren oder basischen funktionellen Gruppen. Diese werden mit geeigneten Basen bzw. Säuren neutralisiert, wodurch ein Ausfallen des Filmbildners als makroskopischer Phase verhindert wird (→ 2.1.1.9). Nach der Applikation verdunsten die Neu­ Viskosität [mPa · s] tralisierungsmittel und der entstehende Beschichtungsfilm ist dann nicht mehr Neutralisierungsgrad wasserlöslich. Besonders Art und Menge der bei anionisch gelösten Filmbildnern als basische Neutralisationsmittel verwendeten Amine haben großen Einfluss auf die beim Verdünnen solcher Systeme mit Wasser auftretenden Viskositätsanomalie („Wasserberg“). Während der Wasserberg (→ S. 42) bei Neutralisation mit Ammoniak in Abwesenheit von Colösern meistens recht ausgeprägt ist, zeigen organische Amine, wie Dimethylethanolamin (DMEA) oder Triethylamin (TEA), eher ein Colöseverhalten und verkleinern so den Wasserberg. Bei unvollständiger Neutralisation ist der Wasserberg wesentlich ausgepräg­ ter als bei vollständiger. Oft wird deshalb sicherheitshalber mit einem kleinen Überschuss Amin neutralisiert. Beispiele für die sich so einstellenden Viskositäten zeigt Abb. 3.9. Aber auch bei Verwendung von Aminen mit guter Colösereigenschaft ist häufig nur bei höheren Lösemittelgehalten, bis zu 15 %, ein annehmbares Viskositätsverhalten

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104

90% 103

100% 95% 110%

102

101

nichtflüchtige Anteile [%] 10

20

30

40

50

60

Abb. 3.9: Schematische Darstellung der Abhängigkeit der Visko­ sität einer Polymerlösung in Wasser vom Neutralisierungsgrad

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Lacksysteme, Rezeptierung, Filmbildung

und eine gute Filmbildung zu erreichen. Der nfA solcher wasserlöslichen Systeme liegt wegen dieser Viskositätsanomalie (mit meistens 20 bis 40 %) relativ niedrig. Neben derartigen Filmbildnern werden auch Hybrid-Systeme aus wasserlöslichen und in Wasser dispergierten Harzen verwendet. Neuere Entwicklungen führten zu wasseremulgierten Filmbildnern, mit denen ein höherer nfA als mit den wasserlöslichen Filmbildnern erreicht werden kann. Hier sind vor allem PUR- und Polyacrylatdispersionen zu nennen, die z.B. in Basislacken, Klarlacken und unifarbenen Decklacken eingesetzt werden. Wasserlösliche Systeme können rein physikalisch trocknen oder auch zusätzlich chemisch, und zwar bei Raumtemperatur oder forciert. Als Härter dienen vor allem Melamin­harze und entsprechend modifizierte Polyisocyanate. Epoxidharze können, wie erwähnt, auch mit Aminen vernetzt werden. Da die Filmbildner der wasserlöslichen Systeme generell relativ hydrophil aufgebaut sein müssen, tendieren Beschichtungen aus derartigen Beschichtungsstoffen oft noch zu einer gewissen Feuchtig­ keitsempfindlichkeit. Pigmente Bis auf wenige Ausnahmen – z.B. bei beschränkter Alkalibeständigkeit oder Hydrolyseempfindlichkeit – sind die meisten Pigmente für Beschichtungsstoffe mit wasserlöslichen Filmbildnern geeignet. Allerdings kann ein zu großer Gehalt des Pigmentes an wasserlöslichen Bestandteilen zur Bindemittelkoagulation während des Lagerns und zur Blasenbildung beim Belasten der Beschichtung mit Feuchtigkeit oder Wasser führen. Die Pigmentdispersion wird übrigens (im Unterschied zu Dispersionen) durch die wasserlöslichen Filmbildner bereits weitgehend stabilisiert. Additive Wasserverdünnbare Filmbildner und gegebenenfalls auch anwesende Dispergierhilfsmittel können als oberflächenaktive Substanzen die Tendenz zur Schaumbildung verstärken, so dass dem Mahlansatz ggf. Entschäumer zugegeben werden müssen. Die Oberflächenspannung von Beschichtungsstoffen mit wasserlöslichen Filmbildnern ist einmal durch den hohen Gehalt polarer Gruppen in den Filmbildnermolekülen und zum anderen durch die hohe Oberflächenspannung des Wassers selber hoch, oft sogar zu hoch, um eine gute Benetzung des Substrates zu ermöglichen. Zwar lässt sich die Oberflächenspannung bereits durch geeignete Colöser stark senken, sie muss aber ggf. doch durch Zugabe von Verlaufsmitteln noch weiter herabgesetzt werden. Biozide sind im Allgemeinen nicht notwendig, da der Gehalt an organischen Lösemitteln meistens noch hoch genug ist, um einen Befall durch Mikroorganismen zu verhindern.

3.5.2 Dispersionsfarben Physikalisch trocknende Dispersionsfarben bestehen im Wesentlichen aus • der Filmbildnerdispersion • gegebenenfalls Pigmenten und Füllstoffen (+ Netz- und Dispergiermittel) • Entschäumer • (oft) Koaleszenzhilfsmittel • NH3, NaOH u.ä. zum Einstellen des pH-Wertes • Rheologiehilfsmittel • (oft) Biozide Im Einzelnen müssen diese Komponenten einer Reihe von speziell für Dispersionsfarben maßgebenden Anforderungen genügen. Filmbildner Als Filmbildner in physikalisch trocknenden Dispersionsfarben lassen sich mehrere Arten von Polymerdispersionen verwenden. Die wichtigsten sind Vinylacetat-Copolymere mit Dibutylmaleinaten, Vinylestern von Versatic-Säuren, Acrylsäureestern oder Terpolymere mit Ethylen und Vinylchlorid,

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Vinylpropionate, meistens als Copolymere mit Acrylsäureestern, Reinacrylate aus Polyacrylsäureund Polymethacrylsäureestern, Acrylat-Copolymere mit Styrol sowie Styrol-Butadien-Copolymere. Wichtige Vorteile gegenüber Systemen mit gelösten Polymeren sind die geringe Viskosität bei relativ hohem nfA, auch bei hohen mittleren Molmassen der Polymeren. Die Viskosität einer Dispersion ist gemäß der folgenden Beziehung von der Viskosität der kontinuierlichen Phase ηkon , meistens Wasser, vom Volumen der diskontinuierlichen Phase Vdis und von der mit einem Formfaktor erfassten geometrischen Form der dispergierten Partikel abhängig: ln η = ln η kon ·

K · Vdis 1–

1)

Vdis Φ

mit ηkon = Viskosität der kontinuierlichen Phase, K = Formfaktor (2,5 für sphärische Teilchen), Vdis = Volumen der diskontinuierlichen Phase und Φ = Packungsfaktor. Sie ist aber unabhängig von der Molmasse des Polymeren. Daher sind Molmassen bis über 106 g/mol möglich. Der Packungsfaktor Φ entspricht dem maximalen Volumen der diskontinuierlichen Phase, das erreicht wird, wenn sich die Polymerpartikel gegenseitig berühren und die kontinuierliche Phase die Zwischenräume ausfüllt. Je nach Glasübergangstemperatur Tg und Beständigkeit gegen UV-Strahlung oder Alkali werden Polymerdispersionen in Beschichtungsstoffen für die verschiedensten Substrate eingesetzt, sowohl für mineralische Untergründe als auch für Metalle, ferner Papier, Holz und auch Kunststoffe, und zwar im Innen- wie im Außenbereich. Mengenmäßig am wichtigsten sind hier wohl Wandfarben für die Innen- und Außenanwendung, Kunstharzputze und Dispersionslackfarben. Zu ihrer Verarbeitung brauchen im Allgemeinen keine besonderen Sicherheitsvorkehrungen getroffen zu werden. Polymerdispersionen trocknen überwiegend physikalisch bei normalen Temperaturen oberhalb von +5 °C. Für die meisten Anwendungen werden feine bis mittelfeine Dispersionen mit Partikeldurchmessern zwischen 0,1 und 2 µm verwendet. Wenn ein gutes Eindringvermögen oder eine gute Oberflächenoptik verlangt wird, greift man auf sehr feine Dispersionen mit Partikelgrößen zwischen 0,04 und 0,1 µm zurück. Die Polymerdispersionen sind mit entsprechenden Hilfsmitteln gegen Koagulation stabilisiert. Pigmente und Füllstoffe In Kombination mit Polymerdispersionen können nahezu alle üblichen Pigmente (mit den gleichen Einschränkungen wie in Abschnitt 3.5.1) verwendet werden. Das bei weitem wichtigste ist das Titandioxid, mit dem sich in der Regel gutes Deckvermögen und bei Außenanwendungen – mit entsprechend oberflächenbehandelten Typen – auch hohe Wetterbeständigkeit der Beschichtungen erreichen lässt. Füllstoffe werden vor allem in Füllern, Spachtelmassen und Wandfarben verwendet. Sie sind von erheblichem Einfluss auf Durchlässigkeit der Beschichtung für Wasser, Wasserdampf, Schwefeldioxid und andere Gase und wirken sich auch auf die Schichtdicke aus, manche auch auf die Haftfestigkeit der Schicht auf dem Untergrund oder deren Schleifbarkeit. Als Füllstoffe (→2.3.9) eingesetzt werden in erster Linie natürliche anorganische Minerale, wie vor allem Kreiden, aber auch Dolomite, Kaolin, Talkum, Glimmer oder Schwerspat. Synthetische Füllstoffe wie ccp, Blanc Fixe oder Kieselsäuren werden, da sie teurer sind, nur zu speziellen Zwecken verwendet. Die genaue Zusammensetzung des Pigment-Füllstoff-Gemisches (Art und Teilchengröße der einzelnen Pigmente und Füllstoffe) beeinflusst maßgeblich die KPVK und damit die Porösität der fertigen Beschichtung. 1

Streng genommen, müssten die Größen in dieser Gleichung durch die Einheiten dividiert werden. Aus Gründen der Übersichtlichkeit wurde hier darauf verzichtet.

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Additive Da Kunststoffdispersionen Pigmente und Füllstoffe nicht stabilisieren, sind in pigmentierten Dispersionsfarben meistens Netz- und Dispergieradditive wie Polyphosphate oder niedermolekulare Polyacrylsäuren notwendig. Da sie die Wasserempfindlichkeit der Beschichtung erhöhen, muss ein Überschuss davon vermieden werden. Polymerdispersionen neigen wegen der in ihnen enthaltenen Polymerisationshilfsmittel zum Schäumen, was den Einsatz von Entschäumern meistens unerlässlich macht. Sie sollten bei Gegenwart von Netzmitteln bereits dem Mahlansatz zugesetzt werden. Zur besseren Filmbildung werden oft noch Koaleszenzmittel (→ 3.10.4.2) empfohlen. Dispersionen sind nur bei einem bestimmen pH-Wert, meistens im leicht basischen Bereich, stabil; deshalb werden Dispersionsfarben oft noch Basen zugegeben. Die meisten Dispersionen sind für eine Applikation zu niedrigviskos, so dass mit Rheologieaddi­tiven das geforderte Fließverhalten eingestellt werden muss. Neben den klassischen Cellulosederivaten finden hier auch vollsynthetische Spezies und anorganische Produkte Verwendung. Die Dispersionen mit ihren in Wasser feinverteilten Polymerpartikeln sind ein idealer Nährboden für Mikroorganismen. Im Gebinde müssen sie deswegen oft vor deren Befall durch Biozide geschützt werden. Aber auch der Beschichtungsfilm selber kann bei entsprechend hoher Feuchtigkeitsbelastung davon betroffen sein, was dann eine entsprechende antimikrobielle Ausrüstung notwendig macht.

3.6 Radikalisch härtende Beschichtungsstoffe 3.6.1 Allgemeines In diesem Abschnitt sollen diejenigen Beschichtungsstoffe behandelt werden, die in einer – durch unterschiedliche Initiierungsmechanismen ausgelösten, meistens radikalischen – Kettenreaktion vernetzen. Die Kettenreaktion kann dabei • durch energiereiche Strahlung • thermisch oder • katalytisch gestartet werden. Abgesehen von der Initiierung, bei der reaktive Radikale gebildet werden, die dann die Poly­ meri­sationsreaktion auslösen, sind die Vernetzungsmechanismen der hier behandelten Beschichtungsstoffe gleich. Sie haben den großen Vorteil, dass derartige Materialien, solange die Vernetzungsreak­tion nicht initiiert wird, z.B. in Abwesenheit von energiereicher Strahlung, fast beliebig lange lagerbar sind, dass sie dann aber nach der Initiierung sehr schnell härten – je nach System in Bruchteilen von Sekunden oder aber innerhalb weniger Stunden. Wegen der im Prinzip ähnlichen Initiierung und der ebenso schnellen Härtungsreaktion sollen hier auch die kationisch polymerisierbaren Epoxidharzsysteme besprochen werden. Für den Aufbau der radikalisch härtenden Lacke und deren Verarbeitung sind eine Reihe von Besonderheiten zu berücksichtigen. Filmbildner Als Filmbildner werden in solchen, entweder durch Strahlung oder thermisch bzw. katalytisch härtenden Beschichtungsstoffen vor allem eingesetzt: • Ungesättigte Polyester/Styrol/Mischungen (→ 2.1.4.2), • Acrylat-funktionalisierte oligomere Polyester-, Polyether-, Urethan- oder Epoxyharze mit polymerisierbaren Doppelbindungen an den Molekülenden („UV-härtende Acrylate“) (→ 2.1.4.3), • Epoxidharze (→ 2.1.4.8)

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Sie enthalten i.A. neben dem Filmbildnerharz • ein Initiatorsystem (Ausnahme: Elektronenstrahlhärtung) • Verlaufsmittel • Reaktivverdünner • Entschäumer • oft Rheologieadditive und • manchmal Lösemittel bzw. Wasser sowie gegebenenfalls • Pigmente mit den zur Einarbeitung nötigen Additiven und • Mattierungsmittel. Lösemittel Ein großer Vorteil all dieser Systeme ist, dass man mit einpolymerisierbaren Lösemitteln, sogenannten Reaktivverdünnern, (→ 2.2.1) den VOC-Gehalt (s. S. 404) fast bis auf 0 % senken kann. Bei Filmbildnern auf Basis von ungesättigten Polyesterharzen (UP-Harzen) wird dafür heute noch vielfach Styrol eingesetzt, obwohl es deutlich flüchtig ist und auch im Verdacht steht, krebserzeugend zu sein. In den Acrylatsystemen dienen Monomere als derartige Verdünner. Sie können entweder nur eine, z.B. beim Isobornylacrylat, oder sogar, wie im Falle von Pentaerythrittetracrylat, bis zu vier Acrylat-Doppelbindungen enthalten. Hier ist generell ein MAK-Wert von < 20 ppm zu beachten. Da die Reaktivverdünner in den Beschichtungsfilm eingebaut werden, reduzieren sie also nicht nur zunächst die Viskosität des Beschichtungsstoffes, sondern sie beeinflussen später auch stark die physikalischen und chemischen Eigenschaften der fertigen Beschichtung. Im Prinzip gehören sie demnach zu den Filmbildnern. Initiatorsysteme Die Zusammensetzung eines Initiatorsystems richtet sich natürlich nach dem Initiierungstyp der Vernetzungsreaktion. UV- und Elektronenstrahl-härtende Beschichtungsstoffe sind meistens 1K-Systeme. Wird die Polymerisation thermisch oder katalytisch gestartet, geht man von 2KSystemen aus. Elektronenstrahlhärtung Wenn die Polymerisation durch hochenergetische Elektronenstrahlen ausgelöst wird, benötigt man kein Initiatorsystem. Durch die hochenergetische Strahlung werden Filmbildnermoleküle angeregt oder ionisiert. Die Initiierung umfasst dann die folgenden Einzelschritte: Polymer + Strahlungsenergie

→ Polymer* + Polymer•+ + e–

Polymer•+ + e–

→ Polymer*

Polymer*

→ 2 R•

Es entstehen demnach angeregte Polymer- bzw. Reaktivverdünnermoleküle (Polymer*), Radikalkationen (Polymer•+) und Sekundärelektronen e–. Durch Rekombination der Radikalkationen mit Elektronen bilden sich angeregte Filmbildnermoleküle, welche dann – ebenso wie die direkt angeregten Moleküle – über eine homolytischen Bindungsbruch zu zwei Radikalen zerfallen. Sie starten dann die Polymerisation. UV-Härtung

Die UV-härtenden Systeme polymerisieren radikalisch oder kationisch [22–24]. Im ersten Fall setzt ein Photoinitiatorsystem unter UV-Bestrahlung reaktive Radikale frei, die dann die radikalische Polymerisation des Filmbildnersystems starten. Substanzen wie z.B. Benzoinether werden z.B. durch UV-Licht in zwei Radikale gespalten gemäß:

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OR C

hν ⎯→

O

OR

C• +

C• H

H

Bei anderen Systemen, wie der Kombination von Benzophenon mit tertiären Aminen, entstehen die Radikale durch intermolekulare Wasserstoffabstraktion nach folgendem Schema: H

OH Ph2C

hν O ⎯→ Ph2C

R2NCH3 O* ⎯⎯⎯⎯→ Ph2C•

+ R2N

C• H

Ph :

In Mercaptanen wird die Schwefel-Wasserstoffbindung unter Mitwirkung bimolekularer Photoinitiatorsysteme beim Bestrahlen sehr schnell gespalten. Die entstehenden Thiyl-Radikale können sich nicht nur an relativ reaktive Doppelbindungen wie in Acrylaten addieren, sondern auch an reaktionsträgere wie in Allylderivaten, die dann homopolymerisieren. Das hat sich als Thiol-EneKlickchemie in den letzten Jahren etabliert [25]. Thermische oder katalytische Härtung Radikale können auch thermisch oder katalytisch aus entsprechenden Precursern, i. A. Peroxiden, erzeugt werden. Typische Beispiele für solche Katalysatoren, oder besser Initiatoren, sind Ketonperoxide, wie Cyclohexanon- oder Methylethylketonperoxid, oder Acylperoxide, wie Benzoylperoxid, Perbenzoate oder Peroctoate. Sie werden meistens in Form 2%iger phlegmatisierter 1) Lösungen verwendet und dem Beschichtungsstoff vor der Verarbeitung zugesetzt. In anderen Fällen sind sie Bestandteil eines sogenannten Aktivgrundes, der als erste Schicht auf das Substrat aufgetragen wurde. Diese Peroxide zerfallen bei erhöhter Temperatur zu Radikalen, die die Polymerisation der Filmbildnermoleküle starten. Beschleunigung Um den Zerfall auch bei Raumtemperatur in genügendem Maße zu initiieren, können sogenannte Beschleuniger zugesetzt werden. Ketonperoxide werden so üblicherweise durch Schwermetallsalze gespalten, meistens mit 0,02 bis 0,05 % Cobalt in Form von Octoat oder Naphthenat. Peroxide und Beschleuniger dürfen nur getrennt dem Beschichtungsstoff zugesetzt werden. Zur weiteren Beschleunigung können dann noch 1 bis 5 % Promotoren wie Acetylaceton oder Acetessigester zugegeben werden, die zwar selbst den Zerfall der Peroxide nicht beschleunigen, aber die Wirkung der Cobaltsalze verstärken. Für Acylperoxide haben sich tert. Amine wie Dimethylanilin u.ä. bewährt. Stabilisierung Gelegentlich reicht die Stabilisierung des verwendeten Filmbildners nicht aus, z.B. weil Pigmente und Füllstoffe einen Teil des enthaltenen Stabilisators (meistens substituierte Hydrochinone) adsorbiert haben. In diesen Fällen muss nachstabilisiert werden, z.B. mit Hydrochinonether, um eine vorzeitige Polymerisation zu verhindern. Inhibierung Da Radikalreaktionen durch Sauerstoff inhibiert werden, muss dieser während der Härtung ausgeschlossen bleiben (Ausnahme s.u.). Eine – allerdings ziemlich teure – Möglichkeit ist das Arbeiten in einer Inertgasatmosphäre. Eine andere besteht darin, dem System Wachse zuzugeben, die nach der Applikation auf der Beschichtungsoberfläche eine Sauerstoffsperre bilden. Allerdings beeinträchtigen sie das Aussehen und erschweren eine Folgebeschichtung. Nutzen lässt sich die Tatsache, dass bei Verwendung von UV-Lichtquellen sehr hoher Intensität freie Radikale in solch großer Anzahl gebildet werden, dass sie den in die Beschichtung eindiffundierten Sauerstoff

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abfangen und die Beschichtung somit härtet, bevor neue Sauerstoffmoleküle hinein diffundieren können. Da die Reaktion mit Sauerstoff bei Radikalen mit Stickstoffatomen am α-C-Atom besonders schnell verläuft, werden entsprechende Amine auch den monomolekularen Photoinitiatorsystemen in geringen Mengen zugesetzt, um den Sauerstoffgehalt in der Beschichtung zu senken. Kationische Initiatoren Epoxidharzsysteme werden dagegen kationisch polymerisiert. Typische Initiatoren sind Oniumsalze sehr starker Säuren, die beim Bestrahlen Kationen freisetzen, z.B. in folgendem System: H5C6 PF6–

+S

C6H5 S

S+

H5C6

PF6–

C6H5

Die Kationen greifen ihrerseits die Oxiranringe in den Filmbildnermolekülen an, wodurch dann die kationische Polymerisation ausgelöst wird. Die Säureanionen dürfen nur sehr wenig nucleophil sein, weil sich die Säuren sonst nur – ringöffnend – addieren würden. Da die Polymerisation nicht radikalisch abläuft, stört Sauerstoff nicht. Pigmente und Füllstoffe Bei Verwendung von Pigmenten und Füllstoffen müssen einige Besonderheiten beachtet werden. Da in strahlenhärtenden Beschichtungsstoffen meistens ohne Lösemittel gearbeitet wird, entspricht das Volumen der Pigmente und Füllstoffe ungefähr der PVK des ausgehärteten Filmes. Als Folge des von Anfang an hohen Pigmentgehaltes tendiert die Viskosität zu einem höheren Niveau, als es für guten Verlauf des Beschichtungsstoffes in der kurzen Zeit nach der Applikation wünschenswert ist, besonders da schon ab einem Pigmentvolumenanteil von etwa 20 % die Viskosität merklich ansteigt. Sie nimmt mit der PVK weiter zu und wird an der KPVK schließlich sehr groß. Gleichzeitig erweist sich wegen der geringen Molmasse des Filmbildners die Stabilisierung gegen Flockulation als schwierig. Dies gilt im Prinzip für alle hier behandelten Systeme. Strahlungsabsorption Bei UV-härtenden Systemen ist eine deckende Pigmentierung generell problematisch, da dann in stärkerem Maße lichtstreuende und bei entsprechender Farbe auch UV-Licht-absorbierende Pigmente benutzt werden müssen, die das UV-Licht nicht in die unteren Lackschichten vordringen lassen. Dort kann deswegen keine ausreichende Vernetzung eintreten. Es sind dann nur Schichtdicken von wenigen µm gut durchzuhärten. Den gleichen Effekt hat die Absorption von UV-Licht, d.h. dass selbst unter günstigsten Umständen in der Praxis nur Schichtdicken von bis zu etwa 30 µm möglich sind. Zurzeit wird durch Modifikation des Initiatorsystems versucht, die aushärtbare Schichtdicke deutlich zu vergrößern. Elektronenstrahlhärtende Systemen hingegen härten auch durch, wenn sie pigmentiert sind. Allerdings beeinflusst die Pigmentierung den Verlauf negativ, so dass deren Verwendung auch hier begrenzt ist. Wird die Polymerisation thermisch oder katalytisch durch Peroxide gestartet, dürfen nur Pigmente verwendet werden, die weder beschleunigend noch verzögernd wirksam sind. Beschleunigend können solche Pigmente wirken, die aus den Peroxiden durch Redoxreaktionen Radikale freisetzen, z.B. Metallpulver, Ruße oder einige organische Pigmente. Durch sie wird daher die Lagerstabilität verringert. Als Füllstoffe werden vorwiegend Talkum, Schwerspat, Kaolin und Quarzmehl verwendet. Verwendung Strahlenhärtende Systeme erlauben eine sehr schnelle Härtung bei Raumtemperatur. Verwendet werden sie z.B. als Klarlacke zur Papierbeschichtung, zur Kunststoffbeschichtung – sowohl für die Innen- als auch für die Außenanwendung – und vor allem zur Holzlackierung. Wegen der schnellen

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Härtung kann allerdings der damit einhergehende Volumenschrumpf von etwa 5 bis 10 % nicht kompensiert werden. Die entstehenden Spannungen zwischen Beschichtungsfilm und Untergrund können dann zu Haftungsproblemen führen. Mit nur ca. 3 % ist freilich dieser Volumenschrumpf bei Epoxidsystemen deutlich geringer, so dass sie sich auch für Grundierungen auf Metallen eignen. Die thermisch oder katalytisch härtenden Systeme werden außer zur Holzbeschichtung auch für Spachtelmassen und Füller verwendet.

3.6.2 Vertiefende Darstellung der photonisch initiierten radikalischen Härtung Photonische Härtung [13-21] von Lacken erfordert die photolytische Generierung von initiierenden Spezies. Dieses sind Radikale im Fall einer radikalischen Vernetzung [13-21]. Die kationische Härtung erfordert die Freisetzung von Lewis-Säuren. Dazu sind geeignete Lichtquellen notwendig, welche im UV, violetten, sichtbaren oder nahen Infrarot emittieren. Die Vorgaben der EU [21]bezüglich der Verwendung effizienter Lichtquellen für Produktionsprozesse bringen in das Gebiet der Strahlenhärtung von Lacken eine zusätzliche Dynamik, weil die verwendeten Sensibilisatoren an die entsprechenden ökologischen Strahlquellen (z.B. LED, Diodenlaser) angepasst werden müssen. Herkömmliche Quecksilberlampen, die bis heute in UV-Technologien eingesetzt werden, entsprechen nicht diesen Anforderungen und können zukünftig nicht mehr in neuen Technologien im Markt verwendet werden [21]. Lichtquellen Photopolymere sind heute in zahlreichen industriellen Anwendungen vertreten, wobei unterschiedliche Lichtquellen zum Einsatz kommen. Basierend auf diesen Strahlern hatte sich in den vergangenen Jahrzehnten die UV-Technologie als eine technologische Plattform erfolgreich etablieren können [24]. Diese wird zur chemischen Verfestigung von Lacken/Beschichtungen eingesetzt und findet vielfältigen Verwendung im UV-Druck (Verpackunsgdruck, Akzidenzdruck), dem Korrosionsschutz, der Möbelindustrie und der Automobilindustrie – um nur einige der vielfältigen Anwendungsgebiete zu nennen. Die Bedeutung von Beschichtungen soll an zwei Beispielen nur angerissen werden. Verschleiß durch Korrosion verursacht weltweit einen Schaden von etwa 2,2·1012 US$, wobei der Korrosionsschutz hilft, um Zerstörungen von etwa 0,67·1012 US$ zu vermeiden [26] . Deshalb besteht aus volkswirtschaftlicher Sicht ein enormer Bedarf an der Entwicklung von Verfahren, welche ressourcenschonend und energieeffizient zu einer Verminderung von Korrosion beitragen. Dazu zählt gegenwärtig auch die UV-Technologie als photonische, energieschonende Fertigungstechnologie. Ein weiteres Beispiel ist die Druckindustrie. Eine Offsetdruckmaschine, die mit drei End- und zwei Zwischentrocknern basierend auf UV-Trocknung ausgerüstet ist, hat einen Energiebedarf von etwa 500.000 kWh/Jahr [27]. Der Einsatz von UV-LEDs führt dagegen zu einer Energieeinsparung von etwa 70 bis 80 % im Vergleich zu herkömmlichen Quecksilberlampen. Quecksilberstrahler sind heute in vielen technischen Bereichen anzutreffen, um photoinduzierte Prozesse auszulösen. Der Fokus liegt dabei auf Photoreaktionen mit Verbindungen, die im ultravioletten Spektralbereich (UV) absorbieren. Dabei kann nur das Licht wirksam werden, das absorbiert wird. Das ist lediglich ein kleiner Bruchteil bezogen auf das Gesamtemissionsspektrum des Strahlers. Dieser Sachverhalt wird durch in Gleichung 1 definiert und ergibt sich aus dem Quotienten der absobierten Photonen (ηabs) und der Gesamtzahl an emittierten Photonen der Lichtquelle (ηem).

Gleichung 1

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Abbildung 3.10 zeigt das Emissionsspektrum einer Quecksilbermitteldrucklampe. Diese wurde zusätzlich mit Eisen bzw. Gallium dotiert, wodurch das Emissionsmaximum einiger Linien verändert wird. Generell erstreckt sich die Emission dieser Strahler vom UV über den sichtbaren Spektralbereich bis in das NIR, wobei die Emission durch mehrere Linien im UV und sichtbaren Spektralbereich dominiert. Durch die Dotierung kann die Emission dieser Linien im UV Bereich besser an das Absorptionsprofil von kommerziellen Photoinitiatoren angepasst werden. Photoinitiatoren, welche heute in technischen Prozessen eingesetzt werden, absorbieren lediglich einen Teil der Strahlung. Die nicht absorbierte Strahlung wird dann chemisch ungenutzt in die Schicht transportiert. Der Vorteil der Dotierung der Quecksilberlampe liegt in der Generierung eines spektralen Profils zwischen 350 bis 400 nm und 400 bis 450 nm, was dem Absorptionsspektrum einiger wichtiger technischer Photoinitiatoren ähnlich ist. Dadurch verbessert sich in einigen Fällen der Absorptionswirkungsgrad des Photoinitiatores nach Gleichung 1.

Abb. 3.10: Emissionsprofile von verschiedenen QuecksilberMitteldrucklampen

LEDs bilden heute eine kostengünstige Alternative. Diese zeigen ein Emissionsmaximum, das je nach Natur des verwendeten Halbleiters, im UV, sichtbaren oder NIR Spektralbereich lokalisiert sein kann. Die LED-Emission hat dabei eine spektrale Halbwertsbreite von 50 bis 100 nm. Abb. 3.11 zeigt die Emissionsprofile einiger verfügbarer LEDs. Gegenwärtig laufen zahlreiche Forschungsprojekte um diese im UV (Substitution von Quecksilberlampen), sichtbaren Abb. 3.11: Spektrale Emissionsprofile von ausgewählten LEDs Spektralbereich (Dentallacke) und NIR zu etablieren. Diese Emissionsquellen besitzen nach Gleichung 1 einen wesentlich besseren Wirkungsgrad, da je nach molekularen Design die Absorption des Photoinitiators zu einer nahezu quantitativen Überlappung mit der Emission der LED führen kann.

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Abbildung 3.12 zeigt eine großflächige UVLED-Einheit, die heute bereits erfolgreich in der Druckindustrie und weiteren Lackiertechnologien eingesetzt wird [28]. Ein entscheidender Vorteil dieser Technologie besteht in der Verwendung von lichtaktiven Verbindungen, deren Hauptabsorption im UV lokalisiert ist. Dadurch besitzt das Reaktionssystem eine verbesserte Stabilität gegenüber Raumlicht und ermöglicht einen toleranteren Verarbeitungsbereich unter diesen Raumlichtbedingungen. Abb. 3.12: Aufbau einer UV-LED in einer Bandbeschichtungsanlage zur Aushärtung von Lacken auf Folie 

Quelle: Easytec GmbH

Abb. 3.13: Laser mit Linienfokus der Firma LIMO Lissotschenko Mikrooptik GmbH mit einer Emission bei 808 nm. Der Strahl wurde mit einem NIR-empfindlichen Material sichtbar gemacht, welches nach dem Up-Conversion-Prinzip in einem mehrstufigen Prozess NIR-Licht in sichtbares Licht umwandelt.

Neben LEDs wurden in den letzten 10 Jahren Lasersysteme entwickelt, welche im NIR emittieren und optische Elemente enthalten, die aus dem Gauß-förmigen Strahlprofil eines NIR-Diodenlasers eine Linie mit vergleichbarer Intensität modulieren. Dabei handelt es sich um Laser mit Linienfokus. Für den industriellen Einsatz kann bei bis zu mehreren kW Ausgangsleistung eine Linienlänge von mehreren Metern und eine Linienbreite von weniger als 1  mm erreicht werden. Abbildung 3.13 zeigt einen solchen Laser mit Linienfokus, wobei das NIR-Laserlicht mit einem emittierenden Material sichtbar gemacht wurde, welches nach dem Up-Conversion-Prinzip in einem mehrstufigen Prozess NIR-Strahlung in sichtbares Licht umwandelt. Laser mit Linienfokus wurden von 2005 bis 2009 in Deutschland von KMUs u.a. für den Druckbereich entwickelt und erfolgreich zur physikalischen Trocknung von Offsetfarben eingesetzt [29]. Diese Laser können bei mehreren Wellenlängen simultan betrieben werden, wobei 790 nm, 808 nm, 915 nm und 980 nm oft verwendete Wellenlängen darstellen. Da ein Laser zur Trocknung eingesetzt wird, hat sich für diese Technologie in der Branche der Begriff Lasertrocknung etabliert. Abbildung 3.14 zeigt schematisch die Lasertrocknung im Offsetdruck, wobei der Laser mit Linienfokus beim Offsetdruck in die Druckmaschine integriert wurde [29].

Radikalerzeugung durch photochemische Schritte Fragmentierung Homolytische photolytische Spaltung erfolgt aus dem angeregten Zustand, wobei zwei Radikale gebildet werden (Gleichung 2a) [14-16]. Diese Reaktion läuft ab, wenn die Bindungsdissoziationsenergie kleiner ist als die absorbierte Lichtenergie des Photoinitiators. Die Bindungsspaltung erfolgt in der Regel aus dem Triplettzustand. Die Rekombination der Radikale, d.h. die Rückreaktion

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Abb. 3.14: Schematische Darstellung der Lasertrocknung im Druckprozess durch Integration eines Lasers mit Linienfokus (a). Das Inset zeigt die Integration der Laser (b) durch Diodenlaser Chips (c). Die Kombination von von vielen Diodenlaserchips und optischen Komponenten führt zu einem Laser mit Linienfokus welcher je nach Leistung mit einer Länge von bis zu einem 1 m und einer Breite im Fokus von < 1 mm emittiert. Dieser Laser, der bei verschiedenen Wellenlängen im NIR zwischen 750 bis 980 nm emittiert, belichtet kontinuierlich (d) das bedruckte [30] [31] [29 Substrat auf der Druckmaschine (e). Quelle: a) , b–d) , e)

(Gleichung 2b), läuft in diesem Spinzustand aufgrund der Spinpaarung ↑↑ wesentlich ineffizienter ab. ISC steht für Intersystem Crossing der beteiligten Spins. Gleichung 2a Gleichung 2b

Benzoinether (1), Ketale (2), Acetophenone (3), acylierte Oximino-Ketone (4) und Acylphosphinoxide (5) sind typische Vertreter, deren Spaltung in die Radikale A∙und B∙ mit Gl. 1 beschreibbar ist. Dabei ist A∙ ein substituiertes Benzoylradikal, welches sich sehr effizient an elektronenarme Doppelbindungen (Methacrylate, Acrylate) addiert und somit die radikalische Polymerisation des Monomeren initiiert. Das Radikal B∙ ist im Fall der Verbindungen 1 bis 3 elektronenreich und deshalb für die Initiierung der Polymerisation von Acrylat- bzw. Methacrylatgruppen ineffizient. Das Oximinoketon 4 bildet ein sehr reaktives Radikal B∙, welches in Phenylradikale zerfällt, die eine Polymerisation initiieren. Weiterhin besitzt 4 einen höheren Extinktionskoeffizienten im Vergleich zu 1 bis 3. Deshalb ist 4 bei vergleichbarer Schichtdicke das effizientere System im Vergleich zu 1 bis 3, da weniger von diesem Initiator erforderlich ist, um bei der eingestrahlten Wellenlänge eine vergleichbare Absorption im herzustellenden Lack zu erzielen.

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Benzoylphosphinoxide (5) sind sehr effiziente Photoinitiatoren, die in initiierende Benzoyl und Phosphinoxidradikale zerfallen. Die Absorption eines Lichtquants führt bei 5 analog wie in Verbindung 4 zu zwei initiierenden Radikalen. Nachteilig erweist sich bei den Photoinitiatoren 1 bis 5 die mögliche Bildung von Benzilderivaten, welche durch die Dimerisierung von gebildeten Benzoylradikalen hervorgerufen wird, da nicht jedes photolytisch gebildete Benzoylradikal eine radikalische Polymerisation des Monomeren initiiert. Die Bildung von Benzil führt zur Gelbfärbung während der Bestrahlung. Dadurch kann die Vernetzungsreaktion nach einer gewissen Zeit zum Stillstand kommen, da das gebildete Benzil aufgrund des höheren Extinktionskoeffizienten als innerer optischer Filter wirkt. Ein weiterer Nachteil dieser Systeme ist die hohe Sauerstoff­ empfindlichkeit. Die Photoinitiatoren 1 bis 5 spalten aus dem angeregten Triplettzustand, der durch Sauerstoff in einer konkurrierenden Reaktion deaktiviert wird. Dadurch wird die Ausbeute an initiierenden Radikalen signifikant reduziert. Sterisch gehinderte Hexaarylbisimidazole (6) sind ebenfalls in der Lage photolytisch Radikale zu bilden. Diese Verbindungen zerfallen nach Anregung aus dem Singulettzustand in Lophylradikale L• (Gleichung 3). Die sterische Hinderung in L• verhindert eine schnelle Rekombination dieser Radikale. Lophylradikale sind unter aeroben Reaktionsbedingungen im Vergleich mit anderen reaktiven Kohlenstoffradikalen stabil. Sie sind gefärbt und können sich nicht direkt an Doppelbindungen addieren. Sie sind allerdings in der Lage nach Gleichung 4 ein Wasserstoffatom von einer aktiven Komponente R-H zu abstrahieren und auf diese Weise hochreaktive initiierende Radikale bilden. Diese Reaktion wurde bis heute im Detail nicht vollständig untersucht [14]. Der in Gleichung 4 formulierte H-Transfer ist wesentlich komplexer und läuft vermutlich über einen Elektronentransfermechanismus ab. Typische H-Donatoren sind elektronenreiche 5-RingHeterozyklen. Diese bilden durch Reaktion mit dem Lophylradikals hochreaktive Thiylradikale, deren Addition auch an weniger reaktionsfähige Olefine, wie z.B. Allylgruppen, noch mit guter Effizienz abläuft. Die Spaltung von 6 durch die Absorption eines Lichtquants führt zur Bildung von zwei initiierenden Lophylradikalen. Die Quantenausbeute dieser Photoreaktion liegt bei fast 100 % bezogen auf den Umsatz von 6. Die Tatsache, dass diese Reaktion auch in Gegenwart von Sauerstoff fast vollständig zur Bildung von reaktiven Intermediaten führt, macht den Einsatz dieser Verbindungsklasse als Photoinitiatoren interessant. Gleichung 3

Gleichung 4

Die Chemie der Hexaarylbisimidazole wurde ursprünglich bei DuPont entwickelt [18]. Diese Derivate zeigen eine starke Absorption im Bereich von 255 bis 275 nm und einen weniger intensiven Absorptionsbereich von 300 bis 400 nm. Je nach Substitutionsmuster von 6 kann diese Verbindung bis in den sichtbaren Spektralbereich Licht absorbieren. Zahlreiche Experimente wurden durchgeführt, um die spektrale Empfindlichkeit von 6 zu verbessern und diese auf die verwendeten Strahlquellen anzupassen. Spektrale Sensibilisatoren wie heterocyclisch ungesättigte Systeme, Ketone, Xanthen-Farbstoffe, Coumarine, Cyanine und auch Acridine wurden eingesetzt, um Lophylradikale

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nach einem Sensibilisierungsmechanismus zu generieren. Der Mechanismus dieser spektralen Sensibilisierung wurde im Detail nur in wenigen Forschungsgruppen studiert. Es wurde angenommen, dass die Radikalbildung über einen Energieübertragungsmechanismus ablaufen kann und den Triplettzustand von 6 bildet, welcher nach Gleichung 3 in 2 L• zerfällt. Andere Arbeiten berichten über die Bildung von Lophylradikalen (L•) über einen Singulettmechanismus. Dieser Reaktionsweg ist wahrscheinlicher und läuft nach einem Elektronentransfermechanismus ab. H-Abstraktion Viele Carbonylverbindungen sind in der Lage, aus dem angeregten Triplettzustand ein Wasserstoffatom von einem geeigneten Substratmolekül zu abstrahieren (Gleichung 5). Dabei werden ein Ketylradikal (R1 – C· OH – R2) und das Substratradikal (S•) gebildet. Das Ketylradikal ist ein ineffizienter Initiator für die radikalische Polymerisation und dimerisiert zum entsprechenden Pinacol. Das Substratradikal ist dagegen sehr reaktiv und initiiert mit hoher Effizienz die Polymerisation von radikalisch polymerisierbaren Monomeren in Lacken. Gleichung 5

Chinone, Ketone, Thioxanthone, Ketocoumarine und Phenylacridine wurden als effektive photoaktive Verbindungen in diesem System beschrieben, welche mit Thiolen oder auch Aminen initiierende Radikale in einem H-Abstraktionsmechanismus nach Gleichung 5 bilden [14, 17]. Nachteilig ist bei derartigen Systemen der Triplettmechanismus, dessen Effizienz in Gegenwart von Sauerstoff signifikant reduziert wird, da Parallelreaktionen, wie die Bildung von Singulettsauerstoff ablaufen. Elektronentransfer Abb. 3.15 beschreibt die photonische Generierung von reaktiven Spezies (A-∙ und D+∙) nach einem Elektronentransfermechanismus [19]. Diese sind sehr kurzlebig und zerfallen in initiierende Radikale. Die Anregung des Sensibilisators (Sens) überführt diesen in den angeregten Zustand (Sens*), welcher aus dem obersten halbbesetzten Orbital (SOMO) ein Elektron in das unbesetzte Orbital (LUMO) eines Akzeptors (A) überträgt, wobei diese Verbindung zu A-∙ reduziert und Sens* zum Kationenradikal Sens+∙ oxidiert wird. Die Effizienz dieser Reaktion ist aus thermodynamischer Sicht mit Gleichung 6 bzw. Gleichung 7 beschreibbar. Die Größe ∆Gel ist die freie Reaktionsenthalpie des Elektronentransfers, die aus elektrochemischen Größen (Halbstufenoxidationspotential ox red des Sensibilisators (E1/2) und Halbstufenreduktionspotential des Akzeptors (E1/2)) und optischen Parametern (Anregungsenergie des Sensibilisators (E00) berechnet werden kann. Gleichung 6 ox

red

Die elektrochemischen Größen E1/2 und E1/2 sind direkt proportional mit den Orbitalenergien HOMO (höchstes besetztes Orbital) und LUMO (niedrigstes unbesetztes Orbital) verknüpft, so dass bei Kenntnis dieser Größen ∆Gel nach Gleichung 7 ermittelt werden kann. Unter diesen Bedingungen ist ∆Gel ein Näherungswert, da die Coulomb-Wechselwirkungsenergie für die gebildeten Radikalionen A-∙, Sens+∙ und D+∙ in diese Betrachtungen nicht mit einbezogen wurde. Gleichung 7

Im Fall einer kurzen Lebensdauer von A -∙ erfolgt ein schneller Zerfall in Radikale, welche die radikalische Polymerisation initiieren. Andererseits vermindert der Elektronenrücktransfer in einer konkurrierenden Reaktion gemäß A -∙+ Sens+∙ → A + Sens die Ausbeute an initiierenden Radikalen. Das kann durch die Zugabe eines Elektronendonators (D) verhindert werden, welcher durch die Reaktion mit Sens+∙ gemäß D + Sens+∙ → D+∙ + Sens zur Oxidation von D führt. Die gebildete Spezies D+∙ besitzt auch eine kurze Lebenszeit und zerfällt ebenfalls in initiierende Radikale. Nach diesem Mechanismus ist prinzipiell die Generierung von zwei initiierenden Radikalen mit einem absorbierten Lichtquant möglich.

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Abb. 3.15: Schematische Darstellung der sensibilisierten Generierung von initiierenden Radikalen durch photoinduzierten Elektronentransfer eines Sensibilisators aus dem angeregten Zustand (Sens*) auf einen Akzptors A. Die Zugabe eines Elektronendonators D verhindert den Elektronenrücktransfer. Die gebildeten Spezies A-g und D+g sind sehr kurzlebige Produkte, welche in initiierende Radikale zerfallen. In diesen effizienten Tripple-Systemen (Sens-A-D) werden aus einem absorbierten Lichtquant maximal zwei initiierende Radikale gebildet.

Drei Komponenten sind in diesem System beteiligt. Die in Abb. 3.15 dargestellten Reaktionen laufen nach einem irreversiblen Singulettmechanismus ab, in welchem mit einer sehr hohen Effizienz initiierende Radikale gebildet werden. Systeme, die einen Triplettmechanismus einbinden, sind wesentlich ineffizienter bzgl. der Initiatorradikalbildung. Als Sensibilisator ist prinzipiell jede Verbindung geeignet, in der • durch Lichtanregung die Energie von Sens* größer ist als die LUMO-Energie des Akzeptors, weil ∆Gel< 0 (Gleichung 6 und 7) und • die Energie des halbbesetzten Orbitals Sens+∙ kleiner ist als die HOMO-Energie von D. Unter diesen Bedingungen wird die Effizienz des Elektronenrücktransfers in diesen Singulettsystemen stark reduziert. Deshalb besitzen derartige Tripple-Systeme eine gute Ausbeute an initiierenden Radikalen und sind somit effizienter in der Initiierung als Triplettsysteme, die nach einem e-Transfermechanismus in einem 2k-System reagieren. Typische Sensibilisatoren sind heterocyclisch ungesättigte Systeme wie 7 (X: CH, N; Z: O, S, NR; R1, R2: H, substituierte Styrylgruppen), Distyrylbenzole (8), Xanthenfarbstoffe (9), Ketone (10), Coumarine (11) oder auch Polymethine (12).

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Je nach vorgegebener Struktur und Substitutionsmuster in 7 bis 12 ist die Anregungsenergie vom ultravioletten (UV) bis in den nahen Infrarotbereich (NIR) variabel. Das Absorptionsmaximum der Polymethinfarbstoffe (12) ist über den gesamten sichtbaren und NIR-Spektralbereich variabel, da sich das Absorptionsmaximum durch Verlängerung der Polymethinkette um eine CH=CH-Einheit um etwa 100 nm bathochrom verschiebt (100 nm-Regel). Die Substituenten A und R2 ermöglichen eine Feinabstimmung der Absorption des Sensibilisators mit der eingesetzten Lichtquelle. Die Löslichkeit im verwendeten Lack wird durch die chemische Natur der Substituenten A, R1 und R2 beeinflusst. Im NIR konnten sich Polymethinfarbstoffe (12) als Sensbilisatoren durchsetzen. Das betrifft insbesondere den Spektralbereich von 750 bis 1100 nm. Die Sensibilisatorstrukturen 7 bis 11 sind dagegen in repräsentativen Photopolymeren zu finden, welche im UV, violett und sichtbaren Spektralbereich absorbieren. Repräsentative Akzeptorverbindungen sind HABI-Derivate der allgemeinen Struktur 6, Iodoniumsalze (13), Sulfoniumsalze (14) oder auch Triazine (15).

Die LUMO-Energie dieser Akzeptoren ermöglicht einen Elektronentransfer nach Abb. 3.15 im Fall der Sensibilisatoren 7 bis 11, da die freie Reaktionsenthalpie des Elektronentransfer von Sens* auf A in diesem Fall negativ ist. Dagegen sind HABI-Derivate (6) und Sulfoniumsalze (14) aufgrund ihrer Reduktionspotenziale als Coinitiatoren in Kombination mit Polymethinen (Absorption >750 nm) ungeeignet. Die freie Reaktionsenthalpie des Elektronentransfers von 12* auf 6 oder 14 ist in diesem Fall positiv. Das erklärt, weshalb langwellig absorbierende Polymethine in der Patentliteratur prinzipiell nur in der Kombination mit 13 oder 15 anzutreffen sind. Elektronentransfer von Sens* auf 13 und 14 führt zur Bildung von initiierenden substituierten Phenylradikalen (Gleichung 8a-b). Triazine zerfallen nach Elektronenaufnahme in initiierende Triazolyl-Radikale (Gleichung 9). Gleichung 8a Gleichung 8b Gleichung 9

HABI-Derivate (6) bilden durch Elektronenaufnahme Lophylradikale (L•) und Lophine ( L ). Diese Coinitiatoren sind sehr effizient wirksam in Kombination mit den Sensibilisatoren 7 bis 11. Lophylradikale sind stabil unter Sauerstoff. Diese Radikale besitzen eine sehr hohe Reaktivität. Sie sind weiterhin in der Lage in Kombination mit ausgewählten Mercaptoverbindungen nach Gleichung 4 hochreaktive initiierende Thiylradikale zu bilden, die sich mit guter Effizienz an Doppelbindungen (Acryl, Methacryl, Styryl, Allyl) addieren. −

Effiziente Photoinitiatorsysteme auf der Grundlage eines e-Transfers bestehen nach Abb. 3.15 aus drei Komponenten: einem Sensibilisator (Sens), einem Akzeptor (A) und einem Elektronen-

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donator (D). Letzterer hat die Funktion, das Loch im gebildeten Kationenradikal (Sens+ ·) durch Elektronenübertragung zu füllen (Gleichung 10). Dadurch wird der Elektronenrücktransfer von A- · auf Sens+ · in der Effizienz stark reduziert (Gleichung 11). Gleichung 10 Gleichung 11

Repräsentative Elektronendonatoren sind die Verbindungen 16 bis 18. Die HOMO-Energie dieser Elektronendonatoren ist höher als die Energie von Sens+⋅. Die heterozyklischen Mercaptoverbindungen 18 besitzen in diesen Systemen eine besondere Funktion. Diese können nach einem H-Abstraktionsmechanismus oder Elektronentransfermechanismus initiierende Radikale bilden. Das existierende Gleichgewicht zwischen Thiol und Thion in 18 erklärt, weshalb diese Verbindungsklasse gute Elektronendonatoren sind. NMR-Experimente zeigen, dass in mittelpolaren Lösungsmitteln, welche den Bedingungen in herkömmlichen Lacken sehr ähnlich sind, 18 zu 80 % als Thion vorliegt.

Die Oxidationsreaktionen der Donatoren 16 bis 18 sind in den Gleichungen 12 bis 14 zusammengefasst. Durch Oxidation des Tetraphenylborats durch Sens+⋅ werden initiierende Phenylradikale (Gl. 12), Anilinomethylradikale (Gl. 13) und Thiylradikale (Gl. 14) gebildet.

Gleichung 12

Gleichung 13

Gleichung 14

Die Oxidation von D und der irreversible Zerfall des gebildeten D+∙ trägt wesentlich dazu bei, dass diese Tripple-Systeme eine hohe Empfindlichkeit besitzen.

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Pulverlacke

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3.7 Pulverlacke Der Ersatz organischer Lösemittel durch Wasser ist eine Möglichkeit, in Lacken den Anteil an VOC zu verringern. Eine andere ist die Reduzierung des Lösemittelgehaltes an sich, von Low Solids über Medium Solids zu High Solids. So gesehen stellen Pulverlacke, die überhaupt keine Lösemittel enthalten, das Ende dieses Weges zur Reduzierung des VOC-Gehaltes dar. Die Zusammensetzung von Pulverlacken ist i. A. relativ einfach. Neben dem • Filmbildnersystem enthalten sie meistens nur noch • Verlaufsmittel, • Entgasungsmittel und • gegebenenfalls Pigmente (und Füllstoffe). Diese Bestandteile werden vorgemischt, in einem Extruder homogenisiert, und anschließend das Extrudat gemahlen. So enthält jedes Pulverlackpartikel alle Bestandteile in den selben Mengenverhältnissen. Ein anderer Weg, Pulverlacke zu erhalten, stellt das Dry-Blend-Verfahren dar, bei welchem die Bestandteile in einem Schnellmischer – ohne aufzuschmelzen – gemischt werden. Die Homogenität der so erhaltenen Produkte ist aber oft nicht ausreichend. Als Filmbildner werden sowohl thermoplastische als auch (nach der späteren Härtung) duromere Systeme eingesetzt, von denen heute letztere mit Abstand die wichtigeren sind. Thermoplaste werden vor allem in Wirbelsinterlacken verwendet, während die duromeren Produkte bei den elektrostatisch applizierten Pulverlacken dominieren. Für die Komponenten eines Pulverlackes sind eine Reihe spezieller Auswahlkriterien maßgebend.

3.7.1 Filmbildner Die Tabelle 3.2 gibt einen Überblick über die heute wichtigsten Filmbildnersysteme für Pulverlacke. Bei chemisch härtenden Filmbildnern müssen die Verhältnisse von Glasübergangstemperatur Tg, – , mittlerer Funktionalität f und Reaktivität genau ausbalanciert sein. Es mittlerer Molmasse M n n muss nämlich möglich sein, den vorgemischten Pulverlack im Extruder aufzuschmelzen, ohne dass er merklich vernetzt. Das Pulverlackmaterial darf außerdem während der Lagerung nicht zu sehr sintern und muss aber dann beim Einbrennen so aufschmelzen, dass es zu dem gewünschten Film verläuft bevor sich durch die Vernetzung dann die erwarteten Filmeigenschaften einstellen. Die Harze sind deshalb meistens amorphe oder teilkristalline Polymere mit genügend hoher Tg (von mindestens 40 bis 50 °C), so dass ein Sintern während der Lagerung unterdrückt wird, und – von einigen tausend g/mol. mit einer M n Duromere Pulverlacktypen Epoxidharze Die quantitativ wichtigsten Pulverlacksysteme basieren auf Epoxidharzen vom Bisphenol-A-Typ. Verwendet werden meistens Harze mit n-Werten von 3 bis 5 (→ 2.1.4.8), wobei der Trend zu den niedermolekulareren Typen – bis hinunter zu n = 2,5 – geht, die einen bessern Verlauf bei dünnen Filmen ermöglichen. Für große Schichtdicken werden dagegen n-Werte bis zu 8 bevorzugt. Der wichtigste Härter ist beschleunigtes oder modifiziertes Dicyandiamid (DCD)1). Die Modifizierung verbessert die Löslichkeit des DCD im Epoxidharz und damit auch die Filmqualität. Phenolische Härter führen zu höherer Chemikalienbeständigkeit und besserem Korrosionsschutz, während die mit Carbonsäureanhydriden gehärteten Pulverlacke eine bessere Beständigkeit gegen Vergilbung, Säuren und Lösemittel haben. Imidazolderivate werden nur für matte Beschichtungen als Härter eingesetzt. 1

auch DICY

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Lacksysteme, Rezeptierung, Filmbildung

Tab. 3.2: Häufig eingesetzte Filmbildnersysteme für Pulverlacke Übliche Abkürzung

Filmbildner

Verwendung

Thermoplastische Systeme PE

Polyethylen (LDPE, LLDPE, HDPE)

innen

PA

Polyamid 11 oder 12

innen

SP

Polyester

innen

EVOH

Ethylen-Vinylalkohol-Copolymer

innen und außen

PVC

Polyvinylchlorid (und Copolymere)

innen und außen

PVDF

Polyvinylidenfluorid (und Copolymere)

innen und außen

Duromer Systeme Harz

Härter

EP

Epoxidharz

Phenolischer Härter Imidazolin-Derivate Anhydridaddukte

innen

EP-DCD

Epoxidharz

mod. Dicyandiamid

innen

EP-SP (Hybrid-System)

COOH-Polyesterharz

Epoxidharz

innen

SP-TGIC

COOH-Polyesterharz

TGIC, Glycidylester arom. Carbonsären

außen

SP-HAA

COOH-Polyesterharz

Hydroxyalkylamid­ härter

innen und außen

SP-PUR

OH-Polyesterharz

Isocyanataddukt

innen und außen

AC-PUR

OH-Acrylatharz

Isocyanataddukt

innen und außen

AC-DDA

Glycidylacrylatharz

Dodecandicarbon­ säure

innen und außen

Hybridsysteme – von einigen Beim System SP-EP (Hybridsystem) werden COOH-funktionelle Polyesterharze mit einer M n tausend g/mol eingesetzt. Da ihre Mn größer ist als die der verwendeten Epoxidharze, wird es hier als Stammharz bezeichnet. Diese Pulverlacke weisen eine bessere Farbhaltung und UV-Beständigkeit auf als die anderen EP-Systeme, haben aber wie diese nur eine ungenügende Wetterbeständigkeit, s o dass all diese Produkte vorwiegend für Innenanwendungen eingesetzt werden. TGIC-Systeme Für Außenanwendungen waren SP-TGIC-Systeme – meistens nur als TGIC-Systeme bezeichnet – lange Zeit führend. TGIC (Trisglycidylisocyanurat) steht allerdings im Verdacht, mutagen zu sein, und TGIC-haltige Zubereitungen müssen als giftig gekennzeichnet werden. In Mitteleuropa und Skandinavien ist deshalb die Verwendung von TGIC-Pulverlacken stark zurückgegangen. Ein Nachfolgeprodukt enthält anstatt TGIC ein Gemisch aromatischer Polycarbonsäure-Glycidylester. Primid-Systeme Als Ersatz für TGIC-Pulverlacke werden heute in Mitteleuropa sehr häufig Pulverlacke auf der Basis von sauren Polyestern und Hydroxyalkylamiden als Härter (SP-HAA-Systeme, Primid-Pulverlacke) verwendet. Da bei der Härtungsreaktion Wasser frei wird, ist die Schichtdicke auf maximal etwa 120 µm begrenzt. Anderenfalls besteht die Gefahr der Entstehung von Pinholes. Da man aber bestrebt ist, die Schichtdicken von Pulverlackierungen generell auf deutlich unter 100 µm zu senken, stellt diese Begrenzung in Praxis nur selten ein Problem dar. Polyurethan-Systeme Andere Filmbildnersysteme für wetterbeständige Pulverlacke sind die SP-PUR und AC-PUR-Systeme – zusammen als Polyurethanpulverlacke bezeichnet –, die aus OH-funktionellen Polyestern bzw. Acrylatharzen bestehen, welche sich mit Isocyanataddukten vernetzen lassen. Eingesetzt werden vor allem geblockte Derivate des Isophorondiisocyanats. Ein Nachteil dieser geblockten Systeme

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Pulverlacke

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ist, dass das Blockierungsreagenz beim Einbrennen abgespalten wird. So kann der VOC-Anfall in Pulverlacken, die mit ε-Caprolactam blockiert sind, durchaus 2 bis 4 % betragen. Es werden auch zu Uretdionen dimerisierte Isocyanatpräpolymere angeboten, die naturgemäß beim Ein­ brennen keine Abspaltungsprodukte mehr freisetzen. Um die Einbrenntemperaturen zu senken, werden diese Systeme katalysiert, wobei die Verwendung von Zinn-organischen Verbindungen zurückgeht. Da mit OH-funktionellen Polyestern formulierte Spezies besser fließen als jene mit COOH-funk­tionellen, zeigen die SP-PUR-Systeme meistens einen besseren Verlauf als die anderen Pulverlacke. AC-PUR-Pulverlacke schließlich zeichnen sich durch ihre hervorragende Wetterbeständigkeit aus. Acrylat-Systeme AC-DDA-Pulverlacke werden vorwiegend in Japan verwendet. Sie bestehen aus einem epoxyfunktionellem Acrylatharz, das mit Dodecandicarbonsäure (engl. Dodecandicarbonic Acid) vernetzt wird. In Europa werden solche Systeme, entweder als normaler Pulverlack oder in Wasser dispergiert als „Pulverslurry“, auch für Autoklarlacke verwendet. Ein Nachteil von Pulverlacken auf Polyacrylat­basis ist ihre starke Unverträglichkeit mit anderen Pulverlacksystemen, die eine strikte Trennung dieser Pulverlacke von den anderen sowohl bei der Produktion als auch bei der Verarbeitung erfordert. Neuere Entwicklungen Es wird zunehmend versucht, die Einbrenntemperaturen von Pulverlacken zu senken, zu einem, um Energie zu sparen und zum anderen, um auch temperaturempfindliche Substrate pulverbeschichten zu können. Da dabei auch die Glastemperatur der Pulverlackharze gesenkt werden muss, ist bei Pulverlacken mit relativ niedrigen Einbrenntemperaturen oft eine Temperierung bei Transport und Lagerung notwendig. Eine Möglichkeit, Pulverlacke schnell und substratschonend zu härten, ist die Verwendung von Nahinfrarotstrahlung („NIR“, „KIR“) zum Einbrennen in Kombination mit speziellen Pigmenten, die diese Strahlung stark absorbieren. Dadurch sind Aushärtezeiten von deutlich weniger als einer Minute möglich. Um trotz niedriger Einbrenntemperaturen einen guten Verlauf zu erzielen, wird versucht, das Aufschmelzen des Pulverlackes („NIR“, „KIR“) und den Start der Vernetzungsreaktion durch die Verwendung von UV-härtenden Systemen zu entkoppeln. Solche Pulverlacke werden schon vereinzelt für MDF-Platten eingesetzt. Thermoplastische Beschichtungspulver Die ersten überhaupt verwendeten Pulverlacke waren thermoplastisch. Um hiermit zu genügend widerstandsfähigen Filmen zu kommen, müssen die Filmbildner hochmolekular sein. Dann sind aber ihre Schmelzen selbst bei hohen Einbrenntemperaturen ziemlich hochviskos, und derartige Produkte verlaufen so nur schlecht bzw. benötigen höhere Temperaturen (300 bis 450 °C) zum Verlaufen. Thermoplastische Pulverlacke werden heute hauptsächlich für den Innenbereich vorgesehen. Solche auf Basis von Polyamid 11 und Polyamid 12 formulierten Beschichtungspulver ergeben Filme mit hervorragender Abriebfestigkeit und Wetterbeständigkeit. Wegen ihrer guten Haftung sind sie auch als Primer geeignet. Polyethylen-Beschichtungen (PE-Beschichtungen) haften dagegen ohne Primer nur schlecht und sind ohne Stabilisierung nicht wetterbeständig. Bei den Copolymeren mit Vinylalkohol (EVOH-Systeme) ist die Haftung wesentlich besser. Solche Pulvertypen eignen sich für elastische Korrosionsschutzbeschichtungen mit guter Wetterbeständigkeit. Für Beschichtungen vorgesehenes Polyvinylchlorid (PVC) wird mit Weichmachern plastifiziert. Es erfordert eine Stabilisierung, wofür meistens zinnorganische Verbindungen oder Metallseifen, z.B. von Calcium oder Zink, in Betracht kommen. Fluorpolymer-Pulver werden wegen ihres doch recht hohen Preises nur dort eingesetzt, wo eine außergewöhnlich hohe Wetterbeständigkeit oder Beständigkeit gegen aggressive Medien, z.B. in chemischen Anlagen, verlangt wird.

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3.7.2 Additive Pulverlacke weisen aufgrund der Abwesenheit von Lösemitteln – im geschmolzenen Zustand – eine relativ hohe Oberflächenspannung auf. Dies kann auf nicht genügend gereinigten oder vorbehandelten Metalloberflächen zu mangelhafter Benetzung, zu Kantenflucht und zu schlechter Haftung führen. Deshalb enthalten Pulverlacke oft 1 bis 2 % Verlaufsmittel, meistens Polyacrylate, die gleichzeitig die Neigung zu Kraterbildung vermindern. Allerdings kann es bei zu hoher Dosierung zum Orangenhauteffekt kommen. Viele Pulverlacke enthalten zudem 0,1 bis 1 % Benzoin. Es dient als Entgasungsmittel und wirkt ebenfalls der Kraterbildung entgegen.

3.7.3 Pigmente An die in Pulverlacken verwendeten Pigmente sind folgende Anforderungen zu stellen: • • • •

thermische Stabilität bei der Einbrenntemperatur, möglichst geringe Erhöhung der Schmelzviskosität, keine Reaktion mit anderen Pulverlackbestandteilen und Stabilität gegenüber den beim Extrudieren und Mahlen auftretenden Scherkräften.

Am besten werden diese Kriterien von anorganischen Pigmenten erfüllt. Bei organischen Pigmenten muss oft auf relativ hochwertige Typen zurückgegriffen werden. Das Einarbeiten von Glanzpigmenten ist naturgemäß mit einem Extruder nicht möglich. Die Plättchen würden geknickt oder gebrochen. So werden sie entweder nur physikalisch untergemischt oder, um Entmischungserscheinungen zu vermeiden, in einem Bonding-Prozess (s. Kap. 2.3.7.3, S. 164) auf den Pulverlackpartikeln fixiert. Da Pulverlacke keine flüchtigen Bestandteile enthalten, entspricht ihre PVK dem Volumen der Pigmente im Pulver. Oberhalb eines Volumenanteils von ca. 20 % steigt die Viskosität von Pigmentdispersionen – hier im lösemittelfreien geschmolzenen Bindemittel – stark an. Es ist daher nicht möglich, wie bei flüssigen Lacksystemen matte Pulverlacke durch eine PVK nahe der KPVK zu erhalten. Der hohe Pigmentanteil würde wegen der hohen Viskosität der Schmelze zu schlechtem Verlauf und auch schlechten mechanischen Eigenschaften führen. Zur Mattierung muss deshalb auf entsprechende Additive, z.B. auf Kieselsäure- oder Wachsbasis, zurückgegriffen werden.

3.8 Anorganische Beschichtungsstoffe 3.8.1 Wasserglasfarben (Silikatfarben) Wasserglasbeschichtungen bestehen generell aus • Wasserglas als Filmbildner, hier auch Fixativ genannt, und • wasserglasbeständigen Pigmenten und Füllstoffen, die die Verkieselung unterstützen. Sie können sowohl als 1K- als auch als 2K-Systeme formuliert werden. Bei der Formulierung von Wasserglasfarben gelten für die Komponenten folgende Aspekte. Filmbildner Die Filmbildner in Wasserglasfarben bestehen im Wesentlichen aus Kali- oder Natronwasserglas, seltener aus Lithiumwasserglas. Diese Filmbildner trocknen sowohl physikalisch durch Verdunsten von Wasser als auch chemisch. Dabei laufen eine Reihe von Reaktionen gleichzeitig ab. Bei der Verkieselung reagieren die alkalischen Silikate mit Kohlendioxid aus der Luft unter Bildung der entsprechenden Carbonate und Silicagel, etwa nach folgendem Reaktionsschema. m K2O · n SiO2 · x H2O + m CO2 → n SiO2 · x H2O↑ + m K2CO3

Werden solche Anstriche auf mineralische Untergründe appliziert, so reagieren sie mit dem darin enthaltenen Calciumhydroxid unter Bildung von Calciummetasilikaten, wobei eine unlösliche

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Verbindung zwischen Beschichtung und Untergrund entsteht. Unterschieden werden zudem folgende Konfektionsarten: • 1K-Dispersionssilikatfarben. Sie können außerdem noch Hydrophobierungsadditive und bis zu 5 % organische Filmbildner enthalten, üblicherweise die gleichen, die in Dispersionsfarben verwendet werden. Damit stabilisiert man das System und erhält verbesserte Wasserbeständigkeit. Die Lagerstabilität kann je nach Wasseraufnahmekoeffizient und Lagertemperatur über ein Jahr betragen. • 2K-Systeme. Bei diesen Produkten werden Fixativ auf der einen Seite und Füllstoff sowie Pigmente und ggf. Hilfsmittel auf der anderen im Verhältnis 1:1 gut vermischt und nach einigen Stunden homogenisiert. Die Qualität des Produktes hängt von der Einwaagegenauigkeit, der Mischzeit, dem Grad der Homogenisierung und der Temperatur ab. Pigmente Die in Wasserglasfarben verwendeten Pigmente müssen aufgrund der starken Basizität des Filmbildners alkalistabil sein. Beim Abbinden der Filmbildner werden die anorganischen Pigmente durch Bildung schwerlöslicher Silikate an ihrer Oberfläche chemisch in das Bindemittelgerüst eingebunden. Verwendung Wasserglasbeschichtungen haben eine große Härte und sind wasserdampf- und kohlendioxiddurchlässig. Sie neigen nicht zur Ablösung und behindern auch nicht den Kohlendioxidaustausch zwischen Atmosphäre und Untergründen, wie Mörtel oder Putzen. Aufgrund ihrer chemischen Verwandtschaft mit mineralischen Untergründen besitzen Wasserglasbeschichtungen ähnliche Wärmeausdehnungskoeffizienten wie diese. Es kommt deshalb auch bei großen Temperaturschwankungen nicht zu Spannungen zwischen Untergrund und Beschichtung. Da das Bindemittel anorganisch ist, können auch selbstreinigende Beschichtungen mit photokatalytisch wirkenden Titandioxid-Nanopartikeln hergestellt werden.

3.8.2 Alkylsilikatfarben Man geht bei dieser Anstrichstoffklasse von folgenden Formulierungskonzepten aus: Filmbildner Die Verwendung von Kieselsäureestern als Filmbildner beruht auf der hydrolytischen Spaltbarkeit der Si-O-Bindung. Die gezielte Hydrolyse führt über unterschiedlich kondensierte Kieselsäuren letztendlich zu Siliciumdioxid: Si(OR)4 + 4 H2O ⎯→ Si(OH)4 + 4 ROH ⎯→ SiO2 + 4 ROH + 2 H2O

R = Alkyl, meist C2H5

Die Reaktionsgeschwindigkeiten beider gleichzeitig ablaufenden Reaktionen können unabhängig voneinander beeinflusst werden. Bei der Herstellung werden die Ester zunächst mit einer definiertem Menge Wasser und Lösemittel, im Allgemeinen Alkoholen, organischen Estern oder Ketonen, gemischt. Zur vollständigen Hydrolyse werden dabei auf 1 Mol Kieselsäureester 2 Mol Wasser benötigt. Durch Zugabe von Säure, meistens Salzsäure, wird ein niedriger pH-Wert, für Ethylester ungefähr 2, eingestellt, wodurch ein solches Gemisch bei einem Hydrolysegrad von 80 bis 90 % und etwa 20 % SiO2-Gehalt etwa 1 Jahr stabil ist. Gibt man zu einem Gemisch mit etwa 6 % Wasser noch weitere 10 % Wasser, so verkürzt sich die Lagerstabilität auf weniger als 25 % des ursprünglichen Wertes. Ein Unterschuss Wasser führt zu einer reaktionsträgeren Farbe mit zu langen Trockenzeiten. Pigmente Im Prinzip können Alkylsilikatfarben mit allen Pigmenten und Füllstoffen eingefärbt werden, die in anderen wässrigen Systemen auch üblich sind. Pigmente, wie Titandioxid oder Chromoxidgrün,

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und Füllstoffe, wie Talkum, Glimmer oder Kaolin, können zusätzlich die Verarbeitbarkeit und Eigenschaften der Farbe verbessern. Zinkstaubfarben müssen allerdings als 2K-Systeme formuliert werden, da das feinverteilte Zink mit der Salzsäure zu Zinkchlorid reagiert und so den pH-Wert erhöht. Dadurch setzt dann die Kondensation ein und die Farbe verfestigt sich innerhalb weniger Stunden. Additive Durch Zusatz von Antiabsetzmitteln, wie Bentoniten oder hochdispersen Kieselsäuren, zum Filmbildner kann die Pigmentdispersion stabilisiert werden. Verwendung Nach der Applikation trocknet der Anstrich schnell durch Verdunsten der Alkohole und Lösemittel. Die durch Reaktion mit der Luftfeuchtigkeit entstehenden Silanolgruppen kondensieren oder reagieren mit dem Zink oder dem Substrat. Es entsteht so ein schwerlösliches SiO2-Netzwerk. Derartige Beschichtungen sind hoch hitzestabil, weitgehend chemikalienfest sowie witterungs-, alterungs- und UV-beständig. Man nutzt sie hauptsächlich für Hochtemperaturanwendungen und im Korrosionsschutz.

3.9 Rezeptierung des Mahlansatzes 3.9.1 Allgemeines Pigmente und Füllstoffe liegen bei der Anlieferung mehr oder weniger in Agglomeratform (→ 2.3.2) vor. Im fertigen Beschichtungsstoff sollen diese Agglomerate weitestgehend verschwunden sein. Die Pigment- und Füllstoffagglomerate müssen deswegen bei der Lackherstellung zerteilt werden. Meistens geschieht das in einer separaten Stufe der Lackherstellung, der Dispergierung. Der Erfolg der Dispergierung hängt bei gegebenem Aggregat ganz wesentlich von der Zusammensetzung des Gemisches – aus Pigmenten, Füllstoffen, Bindemittel und Lösemittel – ab, in dem die Pigmente und Füllstoffe dispergiert werden sollen, d.h. dem Mahlansatz (engl. mill base). Da die Dispergierprozesse oft die teuersten Teilprozesse in einer Lackproduktion sind, muss die Menge Pigmente, die sich pro Zeiteinheit in einem solchen Aggregat dispergieren lässt, optimiert werden. Voraussetzungen für eine schnelle Dispergierung sind • hohe Scherkräfte und, • um eine schnelle Pigmentbenetzung zu gewährleisten, eine geringe Viskosität der (Anreibe-) Bindemittellösung und damit eine hohe Pigmentierbarkeit. Mahlgutviskosität Die Mahlgutviskosität muss dem jeweiligen Dispergiergerät angepasst sein. Der Pigmentgehalt des Mahlgutes lässt sich maximieren, wenn man von einer Bindemittellösung mit möglichst geringer Eigenviskosität ausgeht. Ein Lösemittel alleine würde zwar am ehesten eine geringe Viskosität, eine schnelle Pigmentbenetzung und damit einen hohen Pigmentgehalt ermöglichen, ist aber nicht in der Lage, die Dispersion gegen Flockulation zu stabilisieren. Deshalb enthält das Mahlgut neben Pigmenten und Lösemittel immer auch eine geringe Menge Filmbildner und/oder Netz- und Dispergieradditive. Damit die Viskosität des Mahlgutes auch bei maximalem Pigmentgehalt möglichst gering bleibt, sollte dieser Filmbildnergehalt auf das notwendige Minimum beschränkt werden. Schließlich grenzt auch die Gefahr von Schockeffekten (→ 4.7) beim Auflacken die Pigment- und Filmbildnerkonzentrationen sowohl nach oben als auch nach unten ein. Mahlgutrezeptur Das Mahlgut kann auf verschiedene Art und Weise rezeptiert werden. Bei organischen Pigmenten und Rußen lässt man sich von Orientierungswerten entsprechend der Tab. 3.3 leiten. Da die Pigmente und Füllstoffe der einzelnen Gruppen sich sowohl in ihrer

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Rezeptierung des Mahlansatzes Tab. 3.3: Orientierungswerte für die Mahlgutzusammensetzung Pigmente und Füllstoffe Anorganische (relativ leicht dispergierbar) Anorganische (relativ schwer dispergierbar) und unkritische organische Feinteilige organische und Ruße

Dispergieraggregat

Anteil im Mahlgut in % ≥ 60

Dissolver Perlmühe (auch noch Sandbzw. Kugelmühle

45 b is 60

Dissolver/Dreiwalze

10 b is 30

Perlmühe (auch noch Sandbzw. Kugelmühle

5b is 25

Dissolver/Dreiwalze

≤5

Perlmühe (auch noch Sandbzw. Kugelmühle

≤4

spezifischen Oberfläche als auch im chemischen Charakter ihrer Oberflächen unterscheiden und sich mit dem Bindemittel sehr unterschiedliche Wechselwirkungen zeigen können, sind die Orientierungswerte der Tabelle in weiten Grenzen gehalten. Ausgehend von diesen Werten müssen dann eine Reihe von Dispergierversuchen mit unterschiedlichen Mahlgutzusammensetzungen durchgeführt werden, um eine unter den oben genannten Gesichtspunkten optimale Formulierung zu finden. Bei anorganischen Pigmenten gelten nicht nur die Orientierungsdaten gemäß Tab. 3.3, sondern es lässt sich die optimale Mahlgutzusammensetzung auch von experimentell bestimmten Startpunkten aus erreichen. Bei dieser auch als Daniel-Titration bezeichneten Bestimmung wird an der vorgesehenen Pigmentmischung mit Filmbildnerlösungen unterschiedlicher Konzentration die Fließzahl bestimmt. Sie ist definiert als dasjenige Volumen einer Filmbildnerlösung, das man benötigt, um in einem Becher 20 g Pigment durch Homogenisierung mit einem Glasstab in einen rheologischen Zustand zu versetzen, bei dem das Gemisch als eben noch zusammenhängender Faden vom Glasstab abfließt. Die Fließzahl hängt ab von der Korngrößenverteilung des Pigmentes, seinen Oberflächeneigenschaften, ggf. einer Oberflächenbehandlung, sowie von den Eigenschaften und der Konzentration des Filmbildners. Natürlich spielen auch die Eigenschaften des Lösemittels eine Rolle. Optimale Mahlgutzusammensetzung Trägt man für verschiedene Filmbildnerkonzentrationen die Fließzahlen in ein Koordinatensystem ein, mit den Konzentrationen auf der Abszisse und den Fließzahlen auf der Ordinate, so erhält man einen Kurvenverlauf mit einem meistens deutlichen Minimum. Dort weist das Gemisch den größten Anteil Pigment auf, was unter den obigen Gesichtspunkten die optimale Mahlgutzusammensetzung darstellt. Ein Beispiel zeigt Abb. 3.16.

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Anreibelösungsvolumen (bis zum Fließpunkt) [cm3] Pigment: TiO2 (20 g) Filmbildner: Alkydharz Lösemittel: Testbenzin

12

deflockuliert

flockuliert

Fließpunktkurve 8 Filmbildner

Anreibelösung

optimale Zusammensetzung

4

Testbenzin

0 0

20

40

60

Filmbildnerkonzentration in der Anreibelösung [%]

Abb. 3.16: Abhängigkeit der Fließzahl eines TiO2 -Pigmentes von der Konzentration einer Alkydharzlösung in Testbenzin, nach [9]

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Bei Dispergieraggregaten, die ein höherviskoses Mahlgut benötigen, geht man nicht vom Fließpunkt oder der Fließzahl, geht man nicht vom Fließpunkt oder -zahl, sondern vom analog bestimmten Schmierpunkt aus. Generell ist allerdings die Bestimmung von sowohl Fließ- als auch Schmierpunkt nicht sehr genau. Da die so bestimmte Mahlgutmischung nur die minimal notwendige Filmbildnermenge enthält, kann bereits ein geringer Filmbildnerunterschuss zur Flockulation führen. Auch zeigen solch hoch pigmentierte Systeme oft Fließanomalien und es besteht die Gefahr, dass es beim Auflacken zu Schockerscheinungen kommt. Es empfiehlt sich deshalb, mit einem größeren Filmbildneranteil zu dispergieren; der Überschuss sollte etwa 30 % betragen. Kontrolle des Mahlguts Modernere Methoden zur Mahlgutformulierung orientieren sich eher am Ergebnis der Disper­gie­rung. Dazu können verschiedene Beurteilungskenngrößen herangezogen werden, z.B. Körnigkeit, Farbstärke, Glanz oder Deckvermögen; sie sind teilweise nicht für jedes Pigment geeignet. Bei anorganischen Pigmenten ist die Grindometermessung (→ S. 402) eine schnelle Methode, die aber für organische Pigmente, obwohl häufig angewandt, eher ungenügend ist. Hier ist die Farbstärke ein geeigneteres Kriterium. Man verfolgt z.B. die zeitliche Farbstärkeentwicklung an Mahlgut mit verschiedener PVK. Im dreidimensionalen Koordinatensystem erscheint dann eine gewölbte Fläche, in der das „Tal“ bei gegebener Dispergierzeit die opti­male Mahlgutzusammensetzung anzeigt. Da die Dispergierzeit aus ökonomischen Gründen möglichst kurz sein sollte, kann man hieraus auch die für einen vorgegebenen Grindometerwert optimale Mahlgutzusammensetzung ermitteln. Mit dem Einzug von Rechnern auch in Labors gewinnt aber auch das Optimieren mittels statistischer Versuchsplanung immer mehr an Bedeutung.

3.9.2 High Solid-Systeme Die Filmbildnermoleküle in High Solid-Systemen haben, um hohe Konzentrationen auch bei brauchbarer Viskosität zu erreichen, niedrigere Molmassen als bei Low Solids. Dadurch ist auf jeden Fall die Anzahl von solchen Gruppen pro Molekül verringert, die sich an die Pigmentoberfläche binden können, und damit auch die Bindung der Filmbildnermoleküle auf der Pigmentoberfläche schwächer. Dementsprechend nimmt die Menge adsorbierter Lösemittelmoleküle zu. Es entstehen dünnere Adsorptionsschichten auf dem Pigment und die Flockulationsgefahr wird größer. Um trotzdem stabile Pigmentdispersionen zu erhalten, sollte man für die Dispergierung relativ hochmolekulare Filmbildner mit einer großen Anzahl von Gruppen verwenden, die sich an die Pigmentoberfläche binden können. Aufgelackt wird dann mit einem relativ niedermolekularen Filmbildner, welcher einen hohen nfA ermöglicht. Nicht zu vermeiden ist, dass im Gleichgewicht noch etwas hochmolekulares Dispergierharz in der Lösung vorliegt und deren Viskosität stark anhebt. Meistens ist es nicht möglich, mit den Lösungen von High Solids-Filmbildnern alleine, stabile Pigmentdispersionen zu erhalten. Das Mahlgut für High Solids enthält deshalb fast immer polymere Dispergieradditive (→ 2.4.6). Setzt man in der Viskositätsgleichung für disperse Systeme (Seite 216) für die Viskosität der kontinuierlichen Phase jene der Bindemittellösung ηBM ein und für das Volumen der diskontinuierlichen Phase das des dispergierten Pigmentes VPig einschließlich Adsorbatschicht, so erhält man für die Viskosität der Pigmentdispersion ηPig: ln ηPig = ln ηBM +

K · VPig 1–

VPig Φ

mit K = Formfaktor und Φ = Packungsfaktor. Die zu der genannten Viskositätsgleichung gemachten Aussagen lassen sich auch auf diese hier übertragen.

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In Low Solid-Systemen ist das Volumen der Pigmente einschließlich der Adsorbatschicht relativ zum Gesamtvolumen ziemlich gering. Unterschiede in der Adsorbatschichtstärke führen deshalb kaum zu großen Änderungen im rheologischen Verhalten des Anstrichstoffes. In hochpigmentierten High Solid-Lacken nimmt dieses Volumen dagegen schon einen beträchtlichen Anteil ein und kann schon mit geringen Änderungen die Viskosität signifikant beeinflussen.

3.9.3 Wässrige Systeme Bei der Pigmentdispergierung in wässrigen Systemen muss man zwischen Filmbildner-Lösungen in Wasser und Dispersionen unterscheiden. Zwei Eigenschaften von Wasser spielen dann allerdings in beiden Systemen eine wichtige Rolle. Wegen der hohen Oberflächenspannung von Wasser werden Pigmente teilweise nur schlecht benetzt. Manchmal sind die Wechselwirkungen zwischen den Wassermolekülen und der Pigmentoberfläche allerdings so stark, dass die Ankergruppen eines Dispergierhilfsmittels schon eine sehr große Affinität zur Pigmentoberfläche haben müssen, um erfolgreich mit Wasser um die Bindungsstellen an der Pigmentoberfläche konkurrieren können. In jedem Fall gilt, dass wegen der hohen Oberflächenspannung wässriger Systeme die Pigment­ agglomerate nur relativ langsam durchfeuchtet werden. Die meisten anorganischen Pigmente und auch Füllstoffe werden wegen ihrer polaren Oberfläche problemlos von Wasser benetzt. Allerdings kann die adsorbierte Wasserschicht eine Pigmentdispersion in keiner Weise gegen Flockulation stabilisieren. Im Gegensatz zu Dispersionen in organischen Medien werden wässrige Pigmentdispersionen meistens elektrostatisch stabilisiert. Ihre Stabilität ist abhängig von der Oberflächenladung des Pigmentes (Zeta-Potential), dieses seinerseits vom pH-Wert. Für jede Kombination aus Wasser, Dispergiermittel und Pigment gibt es einen pHWert, bei dem die Oberflächenladung null ist, den isoelektrischen Punkt (IEP). Bei niedrigeren pH-Werten ist die Oberflächenladung positiv, bei höheren negativ. Der IEP ist pigmentabhängig und kann einen weiten Bereich überstreichen, z.B. pH 4,8 bei Kaolin oder pH 9 bei Calcit. Durch Oberflächenbehandlung kann er bei gegebenem Pigment noch stark verschoben werden. Gerade von Titandioxidpigmenten gibt es Typen speziell für wässerige Systeme. Die meisten Dispersionsfarben enthalten mehr als ein Pigment oder Füllstoff. Bei solchen Kombinationen muss man darauf achten, dass beim eingestellten pH-Wert die Oberflächenladung aller Pigmentarten gleichsinnig ist, entweder für alle positiv oder für alle negativ. Allerdings nivellieren Dispergierhilfsmittel die IEP-Unterschiede der einzelnen Pigmente. Erschwerend kommt hinzu, dass auch die Polymerdispersionen nur in bestimmten pH-Bereichen stabil sind. Stabilisierungsmöglichkeiten Zur Stabilisierung der Pigmentdispersion nimmt man üblicherweise anionische Stoffe, z.B. Salze von Acrylatcopolymeren mit Acrylsäure als Comonomer oder auch Kaliumpolyphosphate (meistens Kaliumtriphosphat), die über ihre ionische Gruppen stark auf der Pigmentoberfläche adsorptiv gebunden werden. Auf ihren Hydoxyl- und Caboxylatgruppen beruht die Verträglichkeit mit der wässrigen Phase. Durch die nichtionischen Sequenzen zwischen den ionischen Gruppen kann ­neben der elektrostatischen Stabilisierung auch eine entropische Abstoßung erreicht werden. Vielfach nimmt man bei der Herstellung von Dispersionsfarben heute auch stabilisierte Pigmentslurries. Dadurch sparen Pigmenthersteller die teure Pigmenttrocknung und Farbenhersteller die Kosten für die Dispergierung. Verhalten organischer Pigmente Von einigen oberflächenbehandelten Typen abgesehen, haben organische Pigmente eine wesentlich niedrigere Oberflächenspannung als Wasser. Dessen Oberflächenspannung muss mit ober­ flächenaktiven Stoffen – als Netz- und Dispergiermittel – soweit gesenkt werden, dass eine Benetzung möglich ist. Je nachdem, ob man anionische oder langkettige nichtionische Moleküle verwendet, dominiert bei der Stabilisierung entweder die elektrostatische oder die entropische Abstoßung.

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Sonstige Formulierungsaspekte Je nach Oberflächenaktivität der Dispergierhilfsmittel neigt das Mahlgut bei wässrigen Systemen stark zum Schäumen. Es empfiehlt sich deshalb, einen Teil des Entschäumers bereits dem Mahlgut zuzugeben. Auch einige Rheologieadditive müssen schon beim Dispergieren zugegeben werden. Die Mahlgut-Rezeptierung erfolgt auch heute noch meistens auf empirischer Basis. Die Pigmente und Füllstoffe werden mit einem Teil der Additive vorgelegt. Dann wird solange Wasser zu dosiert, bis sich eine für das Dispergieraggregat optimale Viskosität eingestellt hat.

3.10 Filmbildung 3.10.1 Allgemeines Die Filmbildung (Verfilmung) verschiedener Lacktypen wurde bisher schon stellenweise angerissen, und unter 3.6.2 ist der molekulare Mechanismus der Strahlenhärtung unter Einbeziehung neuerer Technologien ausführlich behandelt. Im Folgenden wird die Filmbildung zusammenfassend als Ganzes dargestellt. Die meisten Beschichtungsstoffe sind Flüssigkeiten, deren Viskosität bei hohen Schergeschwindigkeiten – je nach Applikationsmethode – im Bereich von 0,05 bis 1 Pa·s liegt. Nach der Applikation sollen sich die Beschichtungsstoffe in einen trockenen, festen Film umwandeln. Eine Ausnahme stellen Pulverlacke dar; sie sind bei der Applikation fest und ihre Partikel werden aufgeschmolzen, laufen zusammen, und bilden beim Abkühlen einen festen Film. Da die Filmbildner und die daraus entstehenden Filme i.d.R. amorph sind, ist der Begriff „fest“ hier nicht im Sinne von „kristallisiert“, sondern lediglich von „erstarrt“ (ggf. auch vernetzt) zu verstehen. Bei amorphen Stoffen existiert keine scharfe Grenze zwischen festem und flüssigem Zustand wie bei kristallinen Substanzen. Üblicherweise bezeichnet man hier einen Stoff als fest, wenn er unter festgelegter Schubspannung nicht mehr merklich fließt. Somit kann der Trockengrad eines Films indirekt über seine dynamische Viskosität ausgedrückt werden: Der Trockengrad „Staubtrocken“ („Sandtrocken“) liegt bei ca. 103 Pa·s vor, „blockfest“ entspricht etwa 107 Pa·s, und von „durchgetrocknet“ spricht man beim Erreichen von größenordnungsmäßig 1012 Pa·s. Die Trocknung lässt sich messtechnisch mit verschiedenen Methoden bestimmen bzw. zeitlich verfolgen (→ 8.4.3). Die Viskosität η eines amorphen Stoffes hängt vom Abstand der Temperatur T von der Glas­ übergangstemperatur Tg entsprechend der folgenden, nach Williams, Landel und Ferry WLF-Glei­ chung genannten Beziehung ab: Für η und ηTg sind die Zahlenwerte der Viskosität in Pa∙s einzusetzen. A und B sind semiempirische Konstanten, die u.a. mit dem eingefrorenen freien Volumen (vgl. Abb. 2.19) und dem thermischen Ausdehnungskoeffizienten zusammenhängen. ηT ist die Viskosität bei Tg. Die Gleichung gilt hinreichend genau für amorphe Polymere im Bereich von Tg bis Tg + 100 K. g

Für eine gegebene Trocknungstemperatur kann man mit der obigen Gleichung grob abschätzen, wie hoch die Tg eines Filmmaterials liegen muss, damit eine geforderte Viskosität bzw. ein geforderter Trockengrad erreicht wird. Setzt man in diese Gleichung die so genannten „universellen Konstanten“ (A = 40.2 und B = 51,6 K) ein, so lässt sich z.B. für ein Material mit einem ηT -Wert von 1012 Pa·s ausrechnen, dass die Trocknungstemperatur höchstens 55 K größer g

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als Tg sein darf, damit der Film den Trockengrad „staubtrocken“ erreicht. Zur Trocknung bei Raumtemperatur (20 °C) müsste der Wert von Tg über -35 °C liegen muss. Für den Trockengrad „blockfest“ ergibt sich ein Mindestwert für Tg von –1°C.

3.10.2  Physikalische Trocknung Normalerweise erhält man Beschichtungsfilme durch Auftragen einer Bindemittellösung oder -dispersion, gegebenenfalls mit dispergierten Pigmenten und Füllstoffen, und anschließendes Verdampfen des Löse- bzw. Dispersionsmittels. Bei chemisch härtenden Filmen schließt sich noch die Vernetzung durch chemische Reaktionen an. Hier sollen zunächst nur die Vorgänge bei rein physikalischer Trocknung betrachtet werden. 3.10.2.1  Trocknung gelöster Bindemittel

Die Viskosität eines Beschichtungsstoffes für Spritzapplikation beträgt etwa 10 –1 Pa·s. Bereits während des Fluges der Lacktröpfchen von der Spritzpistole zum Substrat verdampft – wegen der großen Tröpfchen-Gesamtoberfläche – ein beträchtlicher Teil des Lösemittels. Daher hat der sich auf dem Substrat niederschlagende Beschichtungsstoff bereits eine signifikant höhere Viskosität als 10-1 Pa·s. Nach dem Auftreffen verläuft das „Tröpfchengebirge“ (vgl. Abb. 6.20) zu einem geschlossenen Film, aus dem das Lösemittel weiterverdunstet, wobei die Viskosität ebenfalls stark ansteigt. Am Anfang hängt die Verdunstungsgeschwindigkeit des Lösemittels im Wesentlichen von seinem Dampfdruck und damit auch von den Wechselwirkungen zwischen Lösemittel- und Bindemittelmolekülen ab (→ 2.2.3.1), ferner vom Oberfläche/Volumen-Verhältnis des Filmes und der Lösemittelkonzentration in der Luft unmittelbar über dem Film, also letztendlich von der Luftzirkulation. Der Einfluss des gelösten Polymeren ist aber noch gering. Basis der folgenden Überlegungen ist das 1. Ficksche Gesetz der Diffusion:

· n: D: A: ∆c/∆x:

Stoffmengenstrom (Molenstrom) Diffusionskoeffizient betrachteter Flächenausschnitt Gefälle der molaren Konzentration · = n⋅M; · Der Massenstrom ergibt sich zu m M: molare Masse des diffundierenden Stoffes . Mit abnehmendem Lösemittelgehalt steigt die Tg des Bindemittel-Lösemittel-Gemisches an und entsprechend der WLF-Gleichung (s.o.) auch die Filmviskosität. Liegt die Trocknungstemperatur (noch) weit genug über der Tg, so ist die Nachdiffusion des Lösemittels aus dem Film so schnell gegenüber der Verdunstung, dass die Diffusionsgeschwindigkeit kaum von Einfluss auf die Trocknungsgeschwindigkeit ist. Mit fortlaufender Trocknung wird die Viskosität bzw. die Tg des Filmes dann so hoch und damit der Diffusionskoeffizient (D) so niedrig, dass das Lösemittel nicht mehr so schnell zur Filmoberfläche hin diffundieren kann, wie es von dort verdunstet. Die weitere Trocknungsgeschwindigkeit wird dann zunehmend diffusionskontrolliert. Da die Diffusionsgeschwindigkeit dem Konzentrationsgefälle zwischen der Oberfläche – mit einer sehr geringen Lösemittelkonzentration – und dem lösemittelreicheren Inneren des Films proportional ist, sinkt die Trocknungsgeschwindigkeit mit fallender Lösemittelkonzentration im Film. Kurzum: Je trockener der Film schon ist, desto langsamer trocknet er weiter. Auch lässt sich mit Hilfe des Fickschen Gesetzes die empirische Beobachtung erklären, dass die Geschwindigkeit der physikalischen Trocknung bei Diffusionskontrolle mit dem Quadrat der Filmdicke fällt. Der Übergang von einer durch den Dampfdruck bestimmten zu einer diffusionskontrollierten Verdunstungsgeschwindigkeit liegt häufig im Bereich von 40 bis 60 % nfA und ist abhängig vom System. Mit abnehmendem Lösemittelgehalt des Filmes steigt die Tg weiter an, und damit wird

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bei der Trocknungstemperatur T die Differenz (T-Tg) kleiner, was gemäß der WLF-Gleichung eine weitere Viskositätszunahme bedeutet. Erreicht und überschreitet dann die Tg der zurückbleibenden Bindemittel-Lösemittel-Mischung die Trocknungstemperatur, fällt die Verdunstungsgeschwindigkeit steil ab. Deshalb enthält ein Film aus einem Bindemittel, dessen Tg deutlich über der Trocknungstemperatur liegt (z.B. PMMA mit einer Tg von 105 °C), selbst wenn er hart und trocken erscheint, noch bis zu einigen Prozent Lösemittel; man nennt dies Lösemittelretention. Diese Lösemittel verdunsten dann schlimmstenfalls erst im Laufe mehrerer Jahre nahezu vollständig. Sollen in einer vertretbaren Zeit die Lösemittel den Lackfilm vollständig verlassen, muss er auf eine Temperatur oberhalb der Tg des reinen Bindemittels erhitzt werden. Besonderheiten bei High Solids Im Allgemeinen ist die Menge Lösemittel, die bei der Spritzapplikation von High Solids bereits auf der Strecke von der Pistole zum Substrat verdampft, hier viel geringer als bei Low- bzw. Medium Solid-Systemen. So ist die Viskosität der frisch applizierten Lackschicht weniger stark angestiegen, und auch in der ersten Trocknungsphase auf dem Substrat steigt die Viskosität nur langsam. Obwohl für eine bestimmte Trockenfilmdicke bei High Solids eine geringere Nassfilmdicke als bei konventionellen Lacken ausreicht, ist bei ihnen das Verhindern der Läuferbildung aus den genannten Gründen schwieriger als bei Low Solid-Systemen. Einer der Gründe für diesen geringeren Lösemittelverlust ist die deutlich niedrigere molare Lösemittelkonzentration und der daraus resultierende geringere Sättigungsdampfdruck. Beispielsweise hat bei einem Low Solid-Klarlack mit einem nfA von 30 %, einer mittleren Molmasse des Bindemittels von 20 000 g/mol und jener des Lösemittelgemisches von 100 g/mol der Molenbruch des Lösemittelgemisches den Wert 0,998. Bei einem High SolidKlarlack mit einem nfA von 70 %, einer mittleren Molmasse der Bindemittel von 800 g/mol und jener des Lösemittelgemisches von 100 g/mol beträgt er dagegen nur 0,774. Aber diese Differenz allein kann die Unterschiede beim Lösemittelverlust während des Verspritzens nicht erklären. Ein weiterer Grund könnte sein, dass viele High Solids so hohe Bindemittelkonzentrationen aufweisen, dass die Lösemittelabgabe bereits während des Spritzens diffusionskontrolliert ist. Im Gegensatz zu den meisten Low- und Medium Solid-Lacken kann man beim Ablüften der Lösemittel bei High Solids kaum von einer physikalischen Trocknung sprechen. Während bei ersteren alleine durch die Lösemittelabgabe ein mehr oder weniger trockener (nicht vernetzter) Film entsteht, liegt die Tg bei High Solids während des gesamten Ablüftens so weit unterhalb der Umgebungstemperatur, dass es kaum zur Filmbildung im üblichen Sinne kommen kann. Der aufgebrachte High Solid-Lack bleibt deshalb länger „offen“, und der Filmbildungsprozess, der hier praktisch nur in der Vernetzung besteht, verzögert sich sowohl zeitlich als auch – im Falle von Einbrennsystemen – bezüglich der Temperatur. Besonderheiten bei wassergelösten Bindemitteln Die Verdunstungsgeschwindigkeit des Wassers bei Beschichtungsstoffen auf Basis wassergelöster Bindemittel hängt stark von der relativen Luftfeuchtigkeit ab. Bei 70 % rel. Luftfeuchtigkeit ist sie nur sehr langsam, und bei 100 % verdunstet das Wasser gar nicht mehr. Eine Erniedrigung der relativen Luftfeuchtigkeit durch Erwärmen der Luft oder Kondensation der Feuchtigkeit ist teuer. Da es billiger ist, Luft anzufeuchten als zu trocknen, wird der Lack am besten so formuliert, dass er bei einer ziemlich hohen rel. Luftfeuchtigkeit (Richtwert: ca. 55 %) die besten Applikationseigen­ schaften hat. Aufgrund der hohen Verdunstungswärme und der geringen Verdunstungsgeschwindigkeit ist der Wasserverlust während des Spritzens gering. Deswegen und wegen des bei wassergelösten Bindemitteln i.A. geringeren nfA ist die für eine bestimmte Dicke der Beschichtung notwendige Nassfilmdicke bei Wasserlacken höher als bei lösemittelhaltigen Systemen. Die hohe Filmdicke und die träge Antrocknung sind wiederum Ursache für die erhöhte Ablaufneigung von Wasserlacken. Auch nach der Applikation verdunstet das Wasser träger als die meisten organischen Lösemittel. Die Verdunstung kann durch Colöser, die mit Wasser ein Azeotrop (Gemisch beider Flüssigkeiten

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mit erniedrigtem Siedepunkt) bilden, beschleunigt werden. Bis die flüchtigen Neutralisationsmittel (Amine, Ammoniak) verdunstet sind, halten auch die salzartigen Strukturen des Bindemittels das Wasser zurück. Beim Aufheizen im Ofen verdunstet das Wasser zunächst vor allem aus der Oberfläche der Lackschicht, wodurch dort die Viskosität ansteigt. Wenn dann später das in tiefer liegenden Schichten befindliche Wasser ebenfalls verdampft, kann der Wasserdampf diese ­höherviskose Schicht möglicherweise nicht durchbrechen. Es bilden sich dann Bläschen. Falls diese aufplatzen, ist die obere Lackschicht eventuell schon zu hochviskos, um wieder zu einer glatten Oberfläche zu verlaufen. Dann bleiben Krater zurück. Der Tendenz zur Bildung von Bläschen oder Kratern („Kochern“) kann durch längere Ablüftzeit und langsameres Aufheizen im Ofen oder durch Infrarot-(Vor-)Trocknung begegnet werden. Das Ausmaß dieser Probleme hängt natürlich stark von der Schichtdicke ab. Der Rezeptierer kann das Kocherbildungsrisiko durch Verwendung eines Harzes mit niedriger Tg oder durch Einsatz sich langsam verflüchtigender Colöser, die die Viskosität der oberen Lackschicht auch nach dem Abdunsten des Wassers noch niedrig genug halten, verringern. Der sich ggf. anschließende Härtungsverlauf nach Abgabe von Wasser und Lösemittel ähnelt dann dem entsprechenden konventionellen System. 3.10.2.2  Trocknung von Primärdispersionen

Wenn auch die meisten dispersionsbasierten Beschichtungsstoffe, insbesondere die Dispersionsfarben, außer der Polymerdispersion noch Pigmente, Füllstoffe und Additive enthalten, und diese natürlich merkliche Einflüsse auf die Filmbildungsvorgänge haben, soll zu deren Beschreibung – der Übersichtlichkeit halber – allein die Rolle der Dispersion betrachtet werden. Verfilmungsmechanismus Der Mechanismus ist in Abb. 3.13 schematisch gezeigt.

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Nassfilm kurz nach Applikation, frei bewegliche Polymerteilchen

Trocknung

Trocknungsbeginn, eingeschränkte Bewegungsfreiheit für Polymerteilchen

Fortgeschrittene Trocknung, Polymerteilchen in dichter Packung

Koaleszenz

Wenn das Wasser der Dispersion verdunstet, kommen sich die Polymerpartikel immer näher. Sobald sie sich gegenseitig berühren, wird der noch mit Wasser gefüllte Raum zwischen ihnen so klein, dass er als ein Wirrwarr von Kapillaren betrachtet werden kann. Durch die sog. Kapillarkräfte, die sich aus Grenzflächen-Druckkräften im Innern und Oberflächen-Saugkräften von den Menisken in den Kapillarenden zusammensetzen, werden die Polymerpartikel zusammengedrängt und verformt. Die physikalischen Ursachen der resultierenden Triebkraft für diesen Teilprozess sind nach wie vor Gegenstand wissenschaftlicher Diskussionen. In den dabei zugleich enger werdenden Kapillaren entstehen hierdurch immer größere Kräfte, bis es bei Drücken von größenordnungsmäßig 10 MPa (100 bar) und durch die beim Kontakt der Teilchen ablaufende Interdiffusion der Polymermoleküle zur nahezu vollständigen Verschmelzung der

Durch Wasserverlust Abnahme des Krümmungsradius der Wassermenisken Kapillarkräfte nehmen zu Deformation der Polymerteilchen durch Kapillarkräfte Anschließendes Verschweißen der Polymerteilchen, Oberfläche nicht völlig glatt

Abb. 3.13: Modellvorstellung der Filmbildung einer Polymerdispersion

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Polymerpartikel kommt. Das Verschmelzen der Polymer-Einzelteilchen zu einem zusammenhängenden Film wird Koaleszenz genannt. Die Oberfläche des entstehenden Polymerfilms ist nur ein winziger Bruchteil der Oberfläche (Grenzfläche) aller Polymerpartikel vor der Koaleszenz. Somit verschwindet bei der Verfilmung sehr viel Grenzfläche, worin man thermodynamisch-makroskopisch die Triebkraft für die Koaleszenz sehen kann. Es wäre deshalb zu erwarten, dass feinteiligere Dispersionen deutlich leichter verfilmen als grobteiligere des gleichen Polymers, was sich in einer Absenkung der Mindestfilmbildetemperatur (MFT; s.u.) zeigen müsste. Tatsächlich wird dieser Zusammenhang auch tendenziell beobachtet, aber der Effekt ist so gering, dass sich eine gewünschte Absenkung der MFT über die Verkleinerung der Teilchen allein im technisch notwendigen Ausmaß nicht bewerkstelligen lässt. Mindestfilmbildetemperatur Die Koaleszenz setzt voraus, dass • die Polymerteilchen unter den entstehenden Kräften stark deformiert und • Polymermoleküle – zumindest über einen Großteil ihrer Länge – schnell in benachbarte Teilchen diffundieren können. Dies setzt einen genügend hohen Anteil freien Volumens in den Polymerpartikeln voraus, das nur vorhanden ist, wenn die Tg unterhalb der Filmbildetemperatur liegt. Die Abhängigkeit der Tg eines Polymers von seiner Zusammensetzung wurde bereits diskutiert (→ 2.1.1.12). Die Temperatur, unterhalb der eine Polymerdispersion nicht mehr verfilmt, sondern nur noch eine rissige oder sogar pulverförmige Schicht bildet, nennt man minimale oder gebräuchlicher Mindestfilmbildetemperatur (MFT). Sie hat meistens Werte zwischen –5 und +50  °C und liegt aufgrund der weichmachenden Wirkung des Wassers etwas unter der Tg des trockenen Films. Für Dispersionswand- und Bautenfarbenfarben muss sie unter +5 °C betragen; bei Trocknung in der Wärme kann sie höher liegen. Obwohl sich beim Trocknen einer Dispersionsfarbe meistens schnell ein Film bildet (für manche Anwendung sogar zu schnell), ist die vollständige Koaleszenz der Polymerpartikel ein langsamer Vorgang. Ihre Geschwindigkeit korreliert mit dem Abstand der Trocknungstemperatur von Tg. Für die schnelle Verfilmung ist eine niedrige Tg wünschenswert. Von diesem Abstand sind aber auch eine Reihe anderer Eigenschaften des Polymerfilms abhängig, beispielsweise die Blockfestigkeit. Bei 50  °C, an sonnenbeschienenden Stellen im Sommer ohne weiteres möglich, bedeutet das gemäß der WLF-Gleichung, dass Tg mindestens 29 °C betragen muss. Ein solches Polymer würde bei normalen Temperaturen nicht verfilmen. Tg muss sich demnach im Filmbildeprozess so ändern, dass der Anstrich bei 5 °C verfilmt und trotzdem bei 50 °C noch blockfest ist. Dies ist z.B. mit sogenannten Koaleszenz- oder Filmbildehilfsmitteln zu erreichen, die sowohl in den Polymerpartikeln als auch der Wasserphase mäßig löslich sein müssen und eine geringe, doch merkliche Verdunstungsgeschwindigkeit haben sollen. Sie wirken als temporäre Weichmacher, die die Tg herabsetzen. Nach der Filmbildung diffundieren sie langsam zur Filmoberfläche und verdunsten, wobei die Tg wieder auf den ursprünglichen Wert ansteigt. Gängige Filmbildehilfsmittel sind Butyldiglykol(-acetat) oder verschiedene Glykolether, -ester und -etherester. Man kann auch durch z.B. zweistufige Copolymersisation Polymerpartikel herstellen, die im Inneren eine relativ hohe Tg und in ihrer Schale eine relativ niedrige Tg aufweisen. Dank der weichen äußeren Hüllen der Polymerpartikel verschmelzen diese „Core-Shell-Partikel“ schon bei relativ niedrigen Temperaturen. Mit der Zeit egalisiert sich die Tg im koaleszierten Film mehr oder weniger. Die Verwendung von Koaleszenzhilfsmitteln ist natürlich hier zusätzlich möglich. Nicht unerwähnt bleiben soll, dass auch nach vollständiger physikalischer Trocknung einer Dispersion

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die Berührungsflächen und Zwickelbereiche zwischen den (ursprünglichen) Teilchen nach Kontrastierung elektronenmikroskopisch noch schwach erkennbar sind. Es verbleiben also den Film schwächende Inhomogenitäten. Heute existieren verschiedene Dispersionstypen, die auf der Core-Shell-Technik und/oder spezieller Monomer-Zusammensetzungen (z.B. Vinylacetat-Ethylen) basierend die Herstellung sog. „emissions- und lösemittelfreier“ Farben („ELF-Farben“) zulassen. 3.10.2.3 Trocknung von Polyurethandispersionen

Polyurethandispersionen werden zu den Sekundärdispersionen gezählt, obwohl die endgültige Molekülkettenlänge erst nach der Emulgierung in der Wasserphase erreicht wird. Sie unterscheiden sich in mehrfacher Hinsicht von den Primärdispersionen: • • • •

Die mittleren Molmassen sind niedriger (ca. 3 bis 11·104 g/mol). Die Moleküle liegen als stark wasserdurchdrungene (hydratisierte) Molekülassoziate vor. Die Dispersionen sind (vor der Trocknung) thermodynamisch gerade eben stabil. Die Trockenfilme weisen hohe Zähelastizität auf, welche aus der Molekülstruktur resultiert: Weichsegmente verbinden Hartdomänen aus gepackten Urethangruppen.

Diese Eigenschaftskombination führt dazu, dass PUR-Dispersionen eine nach unten nur durch den Gefrierpunkt begrenzte MFT haben, andererseits aber dennoch zu zugfesten und klebfreien Filmen trocknen. Zusammenfassend kann man die Verfilmung von PUR-Dispersionen als ein Mittelding aus Trocknung einer Lösung und Koaleszenz einer Primärdispersion auffassen.

3.10.3  Härtung (Vernetzung) flüssiger Beschichtungsstoffe 3.10.3.1  Allgemeine Prinzipien

Netzwerkbildung Ein großer Nachteil von physikalisch härtenden Beschichtungsstoffen ist, dass sie aufgrund der für die physikalischen Filmeigenschaften notwendigen hohen molaren Massen der gelösten Filmbildner und der erforderlichen niedrigen Applikationsviskosität meistens nur einen relativ niedrigen nichtflüchtigen Anteil (nfA) aufweisen. Darüber hinaus sind auch die Beständigkeitseigenschaften der thermoplastischen Filme für viele Zwecke nicht ausreichend. Dagegen können in chemisch härtenden Beschichtungsstoffen Filmbildner mit viel niedrigerer Molmasse und somit höherer Konzentration bei Applikationsviskosität verwendet werden. Die zur Erzielung guter Festig- und Beständigkeiten notwendige hohe Molmasse und schließlich das Polymernetzwerk bilden sich hier erst im Laufe der chemischen Härtungsreaktion(en). Die einzelnen chemischen Reaktionen, die zur chemischen Vernetzung in einem Beschichtungsfilm führen, wurden bereits diskutiert (→ 2.1.2 und 2.1.4), und in Kapitel 2.1.1.4 ist Grundsätzliches zur Netzwerkbildung und -charakterisierung gesagt. Im Folgenden werden lediglich noch einige allgemeine, ergänzende Aspekte behandelt. In Abb. 3.18 (Seite 250) ist die Vernetzung grob veranschaulicht. Die Härtung führt mit Hilfe einer der bekannten Polyreaktionen unter stetiger Molekülvergrößerung (Verlängerung und Verzweigung) ab einem bestimmten, als Gelpunkt bezeichneten Umsatz der reaktiven Gruppen zur Vernetzung, deren Beginn sich durch Bildung eines geleeartigen Zustandes zu erkennen gibt. Die freie Fließfähigkeit weicht ab hier zunehmend einem elastischen Rückstellungsvermögen, weshalb ein vollständiges Verlaufen des Films nun grundsätzlich nicht mehr möglich ist. Evtl. noch vorhandenes Restlösemittel hat darauf kaum Einfluss.

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Abb. 3.18: Bildung eines Netzwerkes aus di- und trifunktionellen Molekülen mit den reaktiven Gruppen A und B, a) vor der Reaktion, b) Bildung verzweigter Ketten; c) überschrittener Gelpunkt, d) Umsatz/Vernetzung vollständig

Die Netzwerkbildung schreitet nach Überschreiten des Gelpunktes zunächst schnell voran, jedoch wird die Härtungsreaktion an sich immer langsamer, da • die Konzentration der reaktiven Gruppen abnimmt und • das Netzwerk die Beweglichkeit der (Härter-)Moleküle bzw. reaktiven Molekülteile immer mehr einschränkt. Beide Teilursachen führen ja zur Reduktion der Anzahl der Zusammenstöße der reaktiven Gruppen pro Zeiteinheit. Ähnlich wie die Lösemittelverdunstung im fortgeschrittenen Stadium wegen der Erhöhung der Tg zunehmend diffusionskontrolliert wird, geschieht dies hier auch mit der Härtungsreaktion. Der Tg-Anstieg wird hier aber nicht nur durch die evtl. noch ablaufende Lösemittelverdunstung, sondern auch durch die Molekülvergrößerung und die Netzwerkbildung verursacht: Je größer die Moleküle zunächst sind und je dichter dann das Netzwerk wird, desto höher steigt die Tg. Als Faustregel gilt: • Überschreitet die Tg die den Wert T - 10 K (T: aktuelle Härtungstemperatur), beginnt die Diffusionskontrolle, und ab Tg = T + 35 bis 50 K geht die Härtungsgeschwindigkeit bei Stufenreaktionen (Polyaddition, Polykondensation) gegen Null. Bei Polymerisationen (z.B. UV-Härtung) liegt die Tg-Grenze etwas höher. Die praktische Konsequenz ist, dass der Endumsatz und damit die Vernetzungsdichte mit fallender Härtungstemperatur ebenfalls sinkt. So liegen z.B. bei raumtemperaturhärtenden 2K-EpoxidSystemen die Endumsätze typischerweise bei 90 bis 95 %, sofern kein Härterüberschuss vorliegt, und bei der UV-Härtung betragen die Doppelbindungs-Endumsätze – je nach Filmtemperatur bei der Polymerisation u.a.m. – sogar nur 60 bis 90 %. Nicht unerwähnt bleiben soll die besonders bei raumtemperaturhärtenden Filmen auftretende Lösemittelretention. Die Filmbildung wird ganz allgemein durch Temperaturerhöhung beschleunigt, da die

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• Lösemittelverdunstung schneller abläuft, • chemische Vernetzungsreaktion beschleunigt wird, • bremsende Diffusionskontrolle später oder evtl. gar nicht einsetzt. Die Arrhenius-Gleichung für die chemische Reaktionsgeschwindigkeit lautet

Verfilmungsparameter Temperatur

Viskosität

k = A · exp [–(Ea / RT)]

k: Reaktionsgeschwindigkeitskonstante A: Faktor (Häufungsfaktor) Ea: molare Aktivierungsenergie der Reaktion R: allgemeine Gaskonstante T: absolute Temperatur

Vernetzungsgrad

Zeit

Abb. 3.19: Entwicklung der Vernetzung, der Viskosität und der Temperatur in Abhängigkeit von der Einbrennzeit

Für die meisten organisch-chemischen Reaktionen ergibt sich daraus folgende Faustregel: • Eine Temperaturerhöhung um 10 K beschleunigt eine Reaktion um das Zwei- bis Vierfache. So wird z.B. eine Härtungsreaktion eines 1K-Lackes, die (im Gebinde) bei 25 °C in fünf Jahren abläuft, bei 135 °C größenordnungsmäßig nur 3–11-mal so lange, d. h. ca. 15 Minuten benötigen. Empirisch wurde gefunden, dass sich die Einbrennzeit konventioneller Einbrenndecklacke bei Temperaturerhöhung von 130 auf 140 °C um 37 bis 44 % verkürzt. Ein für die Praxis der thermischen Härtung („Ofentrocknung“, „forcierte Trocknung“) sehr wichtiger Aspekt ist die zeitliche Änderung der Viskosität beim Aufheizen eines Objektes bzw. des darauf befindlichen Nassfilms. Nach der Applikation steigt die Viskosität durch die Lösemittelverdunstung (sofern Lösemittel enthalten) zwar an, fällt dann aber i.d.R. durch die Erwärmung wieder ab, um dann nach Durchlaufen eines relativen Minimums durch die Molekülvergrößerung (Härtung) endgültig wieder stark anzuwachsen. In Abb. 3.19 sind einige Parameter des Films bei der Ofentrocknung (nach physikalischer Antrocknung) als Funktion der Zeit qualitativ dargestellt. Das Viskositätsminimum bringt die Gefahr des Ablaufens mit sich, der man durch Optimierung der Aufheizkurven und der Lackrezeptur (Lösemittelzusammensetzung, Antiablaufadditive) begegnet. Netzwerkstrukturen In Kapitel 2.1.1.4 sind drei prinzipielle Wege zu Netzwerken beschrieben: 1. Quervernetzung langer, linearer Moleküle 2. Verknüpfung von großen, stark verzweigten Molekülen 3. Polyreaktion von niedermolekularen (monomeren bzw. oligomeren) Bindemittelmolekülen Es entstehen dadurch charakteristische Netzwerkstrukturen mit unterschiedlichem mechanischen Verhalten. Generell gelten folgende Faustregeln: • Netzwerke mit gleichgroßen Maschen (homogene Netzwerke) und ohne lange freie Kettenenden oder nur einfach angebundene Schlaufen (Ringe) ergeben das Optimum der Kombination Härte (bzw. Zugfestigkeit) mit Flexibilität und sind deshalb anzustreben. • Je höher die Vernetzungsdichte, desto höher Härte (bzw. Zugfestigkeit) und Medienbeständigkeit, aber auch innere Spannungen im Film, und desto geringer die Reißdehnung (Flexibilität). • Nicht in das Netzwerk eingebaute Moleküle wie thermoplastische Bindemittelanteile, Additive oder Restlösemittel erhöhen die Flexibilität, schwächen aber auch die Festig- und Beständigkeiten.

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Die Vernetzungsdichte steigt mit dem Massenanteil (z.B. OH-Gehalt in %) bzw. der Anzahl reagierender funktioneller Gruppen pro Masseeinheit (z.B. als Hydroxylzahl) des Bindemittels an; man beachte, dass diese Gruppenkonzentration zur Äquivalentmasse (z.B. dem „Epoxidäquivalentgewicht“, EEW) reziprok ist. Stets mit der Vernetzung verbunden ist ein Volumenschwund des Filmbildners durch die sich enger aneinanderbindenden Moleküle bzw. Molekülsegmente. Eindimensional macht sich dieser als „Filmschrumpf“ bemerkbar, der auf starren Untergründen bei hoher Tg des Films zu erheblichen Scherspannungen führt. Die Folge können Enthaftung und/oder spätere Rissbildung sein. 3.10.3.2 Besonderheiten bei High Solids

Über den Mangel an physikalischem (An)Trocknungsvermögen von High Solids und den daraus möglicherweise resultierenden Problemen wurde bereits gesprochen (→ 3.10.2.1). Der Einfluss der höheren Bindemittelkonzentration auf das chemische Härtungsverhalten ist komplex, u.a. deshalb, weil die Lösemittelverdunstung die Geschwindigkeit der Härtungsreaktion(en) beeinflusst, sich also der physikalische und der chemische Anteil der Filmbildung nicht voneinander getrennt betrachten lassen. Da die Filmbildner der High Solids relativ niedermolekular sind, werden viele Verknüpfungsschritte benötigt, bis Makromoleküle aufgebaut sind und der Vernetzungsbeginn (Gelpunkt) erreicht ist. Zusätzlich zur Erschwerung oder sogar zum Ausbleiben der physikalischen Antrocknung liegt also auch eine Verzögerung der eigentlichen Härtung vor, was bei der technischen Konzeption des Trocknungsprozesses – z.B. durch eine erhöhte Aufheizrate – berücksichtigt werden muss. Bei 2K-Materialien führt die hohe Konzentration an funktionellen Gruppen (niedrige Äquivalentmasse der Filmbildner und geringere Verdünnung durch Lösemittel) zu einer beschleunigten chemischen Reaktion in der Mischung. Da aber die mittlere Molmasse im Topf trotz der erhöhten Reaktionsgeschwindigkeit zunächst noch relativ niedrig bleibt, ist der Viskositätsanstieg ebenfalls langsam. Insgesamt ergibt sich dennoch i.d.R. eine Topfzeitverkürzung gegenüber lösemittelreicheren Lacken. 3.10.3.3 Vernetzung wässriger Filmbildner

Die allgemeinen Prinzipien der Vernetzung organisch gelöster Filmbildner lassen sich auf wassergelöste Materialien großenteils übertragen. Es müssen allerdings zusätzlich chemisch bedingte Besonderheiten bzw. Zusatzaspekte berücksichtigt werden, die sich jedoch nur in Verbindung mit den jeweils vorliegenden Vernetzungschemismen und Rezepturbestandteilen diskutieren lassen. Allgemein gilt: • Die vernetzenden funktionellen Gruppen und ggf. Reaktionsbeschleuniger müssen ausreichend lange gegenüber Wasser stabil sein, um nicht vor der Härtung durch Wasser vernichtet worden zu sein. (Kritisch sind z.B. Isocyanate, Silane, Metallkatalysatoren.) • Die durch die Aminverdunstung verursachte pH-Wert-Abnahme des Nassfilms hat oft einen beschleunigenden Einfluss auf die Vernetzungsreaktionen. Auch Dispersionen werden, obwohl insbesondere Kunststoffdispersionen (Primärdispersionen) im Gegensatz zu Bindemittellösungen trotz niedriger Viskosität hohe Molmassen aufweisen und daher schon allein durch physikalische Trocknung stabile Filme ergeben, für gehobene Ansprüche häufig vernetzt. Die Vernetzung kann • mittels der in Kapitel 2.1.4 beschriebenen Vernetzungsreaktionen entsprechend funktionalisierter Dispersionen durch Einbrennen, zweikomponentig, oxidativ oder durch UV-Bestrahlung als weitgehende Durchvernetzung oder

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• als interpartikuläre, relativ schwache Zusatzvernetzung mit Substanzen wie Polycarbodiimiden, Polyaziridinen, Zink- oder Zirkonium-Komplexen, Dihydraziden oder organisch funktionalisierten Silanen erfolgen. Letztere Substanzen werden meistens direkt vor der Applikation zugesetzt, da die Lagerbeständigkeit als 1K-Material – je nach Vernetzungschemie – nur für einige Tage bis einige Wochen gegeben wäre. Das über die Vernetzung von Primärdispersionen Gesagte gilt weitgehend identisch auch für PUR-Dispersionen. 3.10.3.4 Vernetzung mit Strahlen (Strahlenhärtung)

Strahlenhärtende Lacke sind – mit Ausnahme wässriger Produkte – meistens flüssige 100 %Systeme, d.h. (nahezu) frei von flüchtigen Stoffen. Die Härtung kann nach einem radikalischen oder ionischen Mechanismus verlaufen und mit UV-Strahlung, Elektronenstrahlen oder gemäß neuer Entwicklungen auch NIR-Strahlung ausgelöst werden (→ 3.6). Die Filmbildner- und Härtungschemie ist in den Kapiteln 2.1.4.2, 2.1.4.3 und 3.6 dargestellt. Bei der radikalischen UV-Härtung entsteht durch intermolekulare Polymerisation, die durch photochemisch aus dem Photoinitiator erzeugte Radikale ausgelöst wird, in sehr kurzer Zeit ein Netzwerk. Dieses ist durch viele freie Kettenenden und Schlaufen stark gestört, und der Doppelbindungsumsatz liegt nur zwischen ca. 60 und 90 %. Bei der Auswahl der Photoinitiatoren und ihrer Konzentration ist unter Berücksichtigung des Lambert-Beerschen Gesetzes [I(x) = I0 · 10–E(λ), I(x): Intensität in der Tiefe x, I0: Intensität an der Oberfläche, E(λ): dekadische Extinktion = Absorptionsstärke] darauf zu achten, dass nicht zu viel Strahlung schon in der Filmoberfläche absorbiert wird und in der Tiefe somit zu wenig Strahlung vorhanden ist. Denn es gilt: • Nur wo Strahlung hingelangt, werden Radikale gebildet. • Die Reichweite der Polymerisationsauslösung durch Radikale beträgt nur wenige nm. • Eine Fortpflanzung der Polymerisation über nennenswerte Distanzen im Film liegt somit nicht vor. Die Inhibierung der Polymersiation an der Filmoberfläche durch Luftsauerstoff wird durch die sehr hohe Polymerisationsgeschwindigkeit weitgehend unterdrückt, so dass der Einsatz von Inertgas (N2, CO2) i.d.R. nicht notwendig ist. Dennoch verläuft die UV-Härtung unter CO2 sehr viel bereitwilliger als an der Luft, wodurch reduzierte Photoinitiatorkonzentrationen und Bestrahlungsstärken möglich sind. Insbesondere die Härtung auf 3D-Objekten wird dadurch deutlich erleichtert. Die insgesamt sehr viel schneller als die UV-Härtung verlaufende Elektronenstrahlhärtung erfordert wegen der geringeren Flächendichte der Elektronen gegenüber den UV-Quanten den weitgehenden Ausschluss von Luft mit Hilfe von Stickstoff. Die kationische UV-Härtung erfolgt wesentlich langsamer als die radikalische. Es läuft jedoch eine bis zu 24 Stunden dauernde Nachhärtung im Dunkeln ab, und eine Inhibierung durch Luft mit der Folge einer nicht blockfesten Oberfläche tritt hier nicht auf.

3.10.4  Härtung (Vernetzung) von Pulverlacken Pulverlacke bestehen aus feinen, getrennten Feststoffpartikeln. Sie dürfen bei Transport oder Lagerung nicht zusammensintern. Die Tg des unvernetzten Bindemittels darf deshalb nicht zu niedrig liegen; meistens beträgt sie etwa 55 °C. Pulverlack wird i.d.R. durch elektrostatisches Versprühen appliziert, vor allem auf metallische Untergründe. Dort koaleszieren die Partikel beim Aufheizen zu einem geschlossenen Film unter gleichzeitigem Beginn der Vernetzung. Die nicht vernetzenden, thermoplastischen Beschichtungspulver (Sinterpulver) verfließen auf dem vorgeheizten Objekt ohne chemische Reaktion zu dicken Schichten; sie werden im Folgenden nicht weiter betrachtet.

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Lacksysteme, Rezeptierung, Filmbildung

Einbrennvorgang Ein wesentliches technologisches Ziel bei der Pulverlackverarbeitung sind kurze Einbrennzeiten bei niedrigen Ofentemperaturen. Dies kann im Prinzip z. B. durch hochreaktive Filmbildner (bzw. stark wirksame Katalysatoren) erreicht werden. Dann besteht aber die Gefahr, dass die Härtungsreaktion eventuell schon während der Herstellung im heißen Extruder startet und die Schmelzviskosität bei der Härtung nicht mehr genügend abfällt, um eine gleichmäßige Untergrundbenetzung und einen guten Verlauf zu gewährleisten. Außerdem kann sich die mittlere Molmasse sogar schon bei längerer Lagerzeit und schlechter Kühlung erhöhen. Man muss demnach immer einen Kompromiss suchen zwischen einer guten Lagerstabilität einerseits und möglichst ökonomischen und materialschonenden Einbrennbedingungen andererseits. Als Faustregel gilt, dass die Einbrenntemperatur etwa 50 K über der Temperatur der Schmelze beim Extrudieren und etwa 70 bis 80 K über der Tg liegen sollte, d.h. mindestens bei etwa 130 °C, unterschreitbar allenfalls mit Pulverlacken, die beim Transport gekühlt und nur kurz gelagert werden („NT-Pulver“). Schmelzviskosität und Oberflächenspannung Den Viskositätsverlauf in Abhängigkeit von der Einbrennzeit gibt Abb. 3.20 schematisch wieder. Die Viskosität sinkt anfangs mit steigender Temperatur ab. Mit zunehmender Temperatur wird gleichzeitig die Vernetzungsreaktion immer schneller und schließlich so schnell, dass die Viskositätsabnahme bei steigender Temperatur durch den Einfluss der wachsenden Molmasse des Filmbildners überkompensiert wird. Die Viskosität durchläuft dabei einen Minimalwert im Bereich von ca. 5 bis 20 Pa·s. Vernetzungsreaktion und damit Viskositätsanstieg kommen zum Stillstand, wenn entweder eine Tg von etwa 50 °C über der Einbrenntemperatur erreicht oder der Filmbildner vollständig abreagiert ist. Je schneller Viskosität [Pa · s] Temperatur [°C] die Aufheizung des Pulverlackes, desto tiefer und schmaler ist im Allgemeinen 3 200 50 Temperatur die Viskositätssenke, und desto besser 2 wird der Verlauf sein. Als Faustregel gilt, dass der Verlauf nur unterhalb der Schmelzviskosität von 1000 Pa·s möglich 1 40 ist. Dementsprechend ist als Maß für 150 die zu erwartende Verlaufs- (und Benetzungs-)Güte die Größe 30 1

2

3

100

20 Viskosität 50 10 Pulverlack-Typ: 1 AC-DDA 2 SP-PUR 3 EP-DCD

0 0

1

0 2

3

4

5

Zeit [min]

Abb. 3.20: Zeitlicher Verlauf von Objekttemperatur und Viskosität eines Pulverlackes beim Einbrennen, nach [10]

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zu betrachten. t1, t2: Zeitpunkte, zu denen 1000 Pa·s unter- bzw. wieder überschritten werden. Man beachte, dass dieses – nicht korrekt auch als „Verlaufskennzahl“ bezeichnete – Integral nicht die Fläche der Viskositätskurve unter der 1000 Pa·s-Horizontale darstellt. Die Schmelzviskosität darf aber auch nicht zu stark abfallen und/oder zu lange beim Minimalwert beharren, weil dann zwar eventuell das Aussehen (der Verlauf) gut ist, wegen der Ecken- und Kan-

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Literatur

tenflucht und eines Ablaufens aber nicht die Schutzwirkung. Es ist hier – wie so oft in der Lacktechnologie – der optimale Mittelweg bzw. Kompromiss zu suchen. Treibende Kraft für Koaleszenz und Verlauf ist die Oberflächenspannung. Verglichen mit der riesigen Oberfläche des Pulvers ist die Oberfläche der Beschichtung nach der Koaleszenz verschwindend gering. Deshalb sollte eine hohe Oberflächenspannung die Koaleszenz unterstützen und den geschmolzenen Lackfilm glätten. Die Einflüsse von Schmelzviskosität und Oberflächenspannung auf das Aussehen einer Pulverlackierung gibt Abb. 3.21 wieder. Die sich aus der – meistens hohen – Oberflächenspannung von Pulverlacken ergebenden Probleme und der Einfluss einer Pigmentierung auf die Schmelzviskosität wurden bereits erörtert (→ 3.7.3).

Schmelzviskosität η schlechter Verlauf (wegen zu hoher Viskosität) hoch

schlechter Verlauf (σ zu niedrig)

niedrig

Gebiet mit akzeptablem Aussehen

schlechte Untergrundbenetzung (Kraterbildung)

Läuferbildung, schlechte Kantendeckung niedrig

hoch Oberflächenspannung σ

Abb. 3.21: Abhängigkeit der Oberflächenqualität einer Pulverlackierung von der Oberflächenspannung und der Schmelz­ viskosität

Ergänzend sei erwähnt, dass für eine optimale Filmbildung auch die Entlüftung bzw. Entgasung des Films während der Härtung notwendig ist. Nicht nur die anfänglich eingeschlossene Luft, sondern auch evtl. entstehende Spaltprodukte (Reaktionswasser u.a.) müssen den Film ohne bleibende Störungen verlassen können. Durch geeignete Additive kann die Entgasung beschleunigt werden (→ 3.7.2). Kombination mit der UV-Strahlen-Härtung Für die schnelle Klarlackierung insbesondere temperaturempfindlicher Substratmaterialien (Holzwerkstoffe, Kunststoffe) gibt es Pulverlacke, die bei 100 bis 120  °C gut verlaufen, ohne dabei thermisch zu reagieren. Nach dem Aufschmelzen erfolgt dann die fast momentane – je nach Bindemitteltyp radikalische oder kationische – Härtung mit UV-Strahlung; auch Elektronenstrahlhärtung ist möglich. Neben der notwendigen niedrigen Objekttemperatur (besonders bei IR-Aufheizung) ist der wesentliche Vorteil dieser Technologie die zeitliche Entkopplung von Verlaufen und Härten.

3.11 Quellen und weiterführende Literatur zu Kapitel 3 [1]

R. Baumstark, M. Schwartz: Dispersionen für Bautenfarben. Vincentz Network, Hannover 2001

[2]

A. Goldschmidt, H.-J. Streitberger: BASF Handbuch Lackiertechnik. Vincentz Verlag, Hannover 2014

[3]

„HighChem hautnah“. Broschüre der GDCh (Fachgruppe Lackchemie), Frankfurt 2008

[4]

H. Kittel: Lehrbuch der Lacke und Beschichtungen. 2. Aufl., Bd. 3, S. Hirzel Verlag, Stuttgart 2001

[5]

R. Laible u. a.: Umweltfreundliche Lackiersysteme für die industrielle Praxis, Expert Verlag, Ehningen bei Böblingen 1989

[6]

A. R. Marrion (Edr.): The Chemistry and Physics of Coatings. 2nd Ed., The Royal Soc. of Chemistry 2004

[7]

P. Mischke: Filmbildung in modernen Lacksystemen. Vincentz Network, Hannover 2007 (und dort zitierte Literatur)

[8]

B. Müller und U. Poth: Lackformulierung und Lackrezeptur. 3. Aufl., Vincentz Network, Hannover 2009

[9]

D. Ondratschek, O. Tiedje (Red.): besser lackieren!, Jahrbuch 2016, 73. Jahrg., Vincentz Network, Hannover 2016 und ältere Ausgaben (bis 1997: Taschenbuch für Lackierbetriebe)

[10] Z. W. Wicks, F. N. Jones, S. P. Pappas, D. A. Wicks: Organic Coatings. 3rd ed., J. Wiley & Sons, Hoboken / New Jersey 2007

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256 [11]

Lacksysteme, Rezeptierung, Filmbildung A. Zosel: Lack- und Polymerfilme. Vincentz Verlag, Hannover 1996

[12] Ullmann‘s Encyclopedia of Industrial Chemistry, Online März 2016 [13] Yagci, Y., Jockusch, S., Turro, N. J.: „Photoinitiated Polymerization: Advances, Challenges, and Opportunities“, Macromolecules 2010, 43(15), 6245-6260 [14] B. M. Monroe, G. C. Weed, „Photoinitiators for Free-Radical-Initiated Photoimaging Systems“, Chem. Rev. 1993, 93, 435–448 [15] A. Ledwith: „Photoinitiation of Polymerisation“, Pure Appl. Chem. 1977, 49(4), 431–441 [16] K. Dietliker, T. Jung, J. Benkhoff, H. Kura, A. Matsumoto, H. Oka, D. Hristova, G. Gescheidt, G. Rist: „New Development in Photoinitiators“, Macromol. Symp., 217, 2004, 77-97 [17] S. B. Cohen, A. Parola, G. H. Jr. Parsons: „Photoreduction by Amines“, Chem.Rev.1973, 73(2), 141–161 [18] R. Dessauer: „Photochemistry, History and Commercial Applications of Hexarylbisimidazoles. All about Habis“ 2006, Elsevier [19] J. P¸aczkowski, D. C. Neckers: „Photoinduced Electron Transfer Initiating Systems for Free-radical Polymerization“, in „Electron Transfer in Chemistry“, Ed. Balzani, V., Wiley-VCH, 2001, 518–585 [20] R. Schwalm: UV Coatings. Basics, Recent Developments and New Applications, Elsevier, Oxford, 2007 [21] Richtlinie 2005/32/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Juli 2005 zur Schaffung eines Rahmens für die Festlegung von Anforderungen an die umweltgerechte Gestaltung energiebetriebener Produkte und zur Änderung der Richtlinie 92/42/EWG des Rates sowie der Richtlinien 96/57/EG und 2000/55/EG des Europäischen Parlaments und des Rates [22] W. A. Green: „Industrial Photoinitiators: A Technical Guide, CRC Press, Boca Raton, 2010 [23] J. P. Fouassier, J. Lalevée: „Photoinitiators for Polymer Synthesis, Wiley-VCH, Weinheim, 2012 [24] R. Schwalm: „UV Coatings. Basics, Recents Developments and New Applications, Elsevier, Oxford, 2007 [25] C. E. Hoyle, C. N. Bowman: „Thiol-En-Klickchemie“, Angewandte Chemie 2010, 122, 1584-1617 [26] Daten von „The World Corrosion Organization“ (http://www.corrosion.org/Corrosion+Resources.html), 13.7.2015, detailliertere Informationen unter: T. Brock, M. Groteklaes, P. Mischke, B. Strehmel, „Lehrbuch der Lacktechnologie“, 4. überarbeitete Auflage, Vincentz-Network, 2012 [27] nähere Informationen unter: http://www.neue-verpackung.de/34388/haertung-von-druckfarben-forschervergleichen-uv-led-und-quecksilber-strahler/, 13.7.2015 [28] A. Feilen, J. Rudolph: „UV-LED-Lacke auf 3D-Bauteilen“ (2014) 24-29 [29] U. Ernst: Abschlussberichts des BMBF Projekts “Trock-o-dil”, FKZ 13N10011 (http://www.ot-mabrilas.de/wp-content/uploads/2013/06/Abschlussbericht-Trockodil.pdf). [30] H. Pitz: „Vorrichtung und Verfahren zur Zuführung von Strahlungsenergie auf einen Bedruckstoff in einer Flachdruckmaschine“, EP 1302735 A2 (2003), Heidelberger Druckmaschinen AG [31] source http://www.photonics.philips.com [32] H. Reul: Innovationen in Bautenfarben, Vincentz Network, Hannover 2013

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Allgemeines zur Lackherstellung – Struktur einer Lackfabrik

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Herstellung von Beschichtungsstoffen

4.1 Vorbemerkung Im Gegensatz zu den Standard-Herstellungsprozessen der Grundstoffchemie für Stoffe wie Ammoniak, Isopren, Phenol u.v.a.m. gibt es bei Beschichtungsstoffen und anderen „Zubereitungen“ (Stoffgemischen) keine allgemeingültigen, fest umrissenen Produktionsvorschriften und -schemata. Die Ursachen hierfür lassen sich wie folgt zusammenfassend beschreiben: Die Lackproduktion (im engeren Sinne) verläuft ohne merkliche chemische Reaktion(en), so dass gesetzmäßig gegebene „Reaktionsbedingungen“ (Temperatur, Druck, Reaktionszeit) nicht auftreten. Sie ist vielmehr eine Folge von auf das jeweilige Produkt (die jeweilige Rezeptur), die spezielle Chargengröße und die vorhandenen Produktionsgeräte optimal abgestimmten Dosier-, Misch-, Dispergier- und Prüfopera­ tionen. Die Einzelschritte der Lackproduktion sind in gewissen Grenzen unterschiedlich kombinierbar, und für bestimmte Schritte gibt es apparative Alternativen. Wegen dieser Tatsachen finden sich in diesem und anderen Büchern keine Beschreibungen der Art: „Wie stellt man einen Automobil-Serienlack her“ oder: „Wie produziert man eine Spachtelmasse“. Sinnvoll ist es hingegen, die Eigenarten verschiedener Produktionsabläufe („Produktionsstrategien“) zu beleuchten und sich mit den physikalisch-chemischen bzw. -technischen Grundlagen der einzelnen Operationen bzw. Apparate1) zu befassen.

4.2 Allgemeines zur Lackherstellung – Struktur einer Lackfabrik Betriebsarten Produktionsprozesse können in kontinuierliche und diskontinuierliche Verfahren eingeteilt werden. Im ersteren Fall spricht man auch von Fließ-, im letzteren von Chargenbetrieb (Batch-Verfahren). Übergangsformen werden „Semi-Batch-“ oder „semikontinuierliche“ Verfahren genannt. Die in der Lackindustrie anzutreffende Arbeitsweise ist der Chargenbetrieb, ggf. mit kontinuierlichen Teilvorgängen, wie z.B. dem Dispergieren in einer Rührwerkskugelmühle bzw. in einem Extruder. Wegen der meistens großen Vielfalt von Produkten, die in unregelmäßiger Abfolge und Menge sowie häufig kurzfristig auf Bestellung („Just in Time“) zur Verfügung stehen müssen, ist eine kontinuierliche Prozessführung nicht möglich oder zumindest nicht sinnvoll. Produktionsmerkmale Die Eigenarten bzw. Problematiken der Lackherstellung lassen sich stichwortartig folgendermaßen beschreiben: • Viele Rohstoffe → hoher Aufwand für Beschaffung (Einkauf), Prüfung, Lagerhaltung und Verteilung • vielseitige, damit aber auch heterogene Produktionsanlagen → hoher Bedien-, Reinigungs- und Wartungsaufwand • sehr viele Fertigprodukte (in der Regel tausende „lebender“ Rezepturen) → hoher Aufwand für Prüfung, Lagerhaltung und Auslieferung. Verfahrenstechnische Operationen finden in Apparaten statt; in der Lack­­‑ industrie spricht man häufig stattdessen von Aggregaten („Dispergier­ aggregat“ u.ä.). Diese Bedeutung des Wortes „Aggregat“ darf nicht mit der pigmenttechnischen (→ 4.9.1, 2.3.2.1) verwechselt werden.

1

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Herstellung von Beschichtungsstoffen

In Kombination mit diesen produktionsbezogenen Fakten ergeben sich weitere Notwendigkeiten innerhalb einer Lackfabrik, wie • hoher Aufwand für Entwicklung, Produktpflege und Kundenberatung (letztere auch „vor Ort“, d.h. an den Lackieranlagen der Kunden) • EDV-gestützte Verwaltung umfangreicher Sammlungen von Rezepturdaten und Produktionsvorschriften • Beachtung zahlreicher Sicherheits- und Umweltschutzvorschriften für Rohstoffe, Produktionsprozesse und Fertigprodukte (Stichworte: Gefahrstoff- und Gefahrgut-Vorschriften, Sicherheitsdatenblätter, Unfallverhütungsvorschriften1 u.a.m.). Hinzu kommt die mittlerweile praktisch unumgängliche Aufgabe, ein Qualitätsmanagement-System (QM-System), in der Regel nach den internationalen Normen DIN EN ISO 9000 bis 9004 (und hier speziell DIN EN ISO 9001), einzuführen und von einer unabhängigen, akkreditierten Institution bzw. Gesellschaft zertifizieren zu lassen. Fabrikationsstruktur Abb. 4.1 zeigt das Strukturschema einer Lackfabrik unter Einbeziehung einer eigenen FilmbildnerHerstellung. In Abb. 4.2 ist der Materialfluss innerhalb einer Lackfabrik schematisch dargestellt. Beide Schemata sind natürlich je nach Hersteller etwas zu modifizieren. Ihre Rohstoffe beziehen die Lackhersteller aus der Lack-Rohstoffindustrie, die – wie die Lackindustrie selbst – z.T. mittelständisch geprägt ist, zu einem beträchtlichen Teil jedoch den großen Chemiekonzernen angehört. Einige, vor allem größere Lackhersteller produzieren wenigstens einen Teil ihrer Filmbildner („Bindemittel“) selbst und sind damit in der Lage, maßgeschneiderte, auf dem Markt nicht erhältliche Rohstoffe einzusetzen.

4.3 Verfahrensabläufe der Lackherstellung Produktionsgliederung Die Verfahrensabläufe bei der Lack- und Farbenproduktion werden durch das in Abb. 4.3 dargestellte Schema wiedergegeben. Die Herstellungsgänge für die wichtigsten Lacktypen können in Anlehnung an das Schema folgendermaßen beschrieben werden: • Grundauf-Fertigung pigmentierter Lacke: Rohstoffe lagern (1) – Einwiegen/Eindosieren der Rohstoffe für den Dispergieransatz (2) – Vormischen, d.h. grobes Homogenisieren (3) – Vordispergieren (4) – Feindispergieren („Hauptdispergieren“) (5) – Komplettieren (Auflacken) + Einstellen (6) – Filtrieren (7) – Abfüllen (8) – Fertigprodukte lagern (9). Für andere Lackprodukte stehen beispielhaft folgende zwei Schemata (mit den eben bezifferten Schritten): • Korrosionsschutz- und Vorlacke, Grundierungen, Dispersionsfarben: 12346789 (Feindispergieren (5) in vielen (aber nicht allen!) Fällen nicht notwendig) • Klarlacke: 1 2 3 6 7 8 9 (oder 1 2 6 7 8 9) (beide Dispergierschritte (4 und 5) fehlen) Für die Lackherstellung und Anwendung ist vor allem die V BGV D25 – Verarbeiten von Beschichtungsstoffen zu beachten, in Berufsgenossenschaftliche Vorschriften (BGV), (ehemals VBG 23)

1

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15.11.16 14:55

Korr_Lacktechnologie_IV_Kap04_Kap05.indd 259

Abb. 4.1: Strukturschema einer Lackfabrik (incl. Eigenfertigung von Filmbildnern)

Hilfsstoffe

Lieferanten

Rohstoffe

Wareneingang, Lager Verwaltung

Verwaltung

intern

Sozialeinrichtungen

Produktion mit verschiedenen Produktlinien

Prüfung allgemein

Prüfwesen Prüfung Vorprodukte

Vertrieb

Eingangskontrolle

Pigmente und Additive

Lösemittel

Fremd-Filmbildner

Eigenfertigung von Filmbildnern (Vorprodukten)

Beschaffung

Rohstofflager für: • KunstharzVorprodukte • Filmbildner • Lösemittel • Pigmente und Additive

Forschung und Entwicklung Erzeugnisse und Vorprodukte

Transportwesen

Abfüllung und Verpackung

Endkontrolle

Werksfeuerwehr

Fertigwaren zu Außenlägern und Abnehmern

zum Abnehmer

Energieversorgung Werkstätten

intern

Gebindereinigung Abwasserreinigung

Fertigwarenlager und Versand

Anwendungstechnik und Kundenberatung

Verfahrensabläufe der Lackherstellung 259

Firmenschrift Herberts GmbH (1985)

15.11.16 14:55

260

Herstellung von Beschichtungsstoffen

zugekaufte Filmbildner zugekaufte Pasten Lager für Filmbildnerrohstoffe

Lager für Lackrohstoffe

Lager für Halbfabrikate

Lager für Verpackungsmaterialien

Monomere Lösemittel Chemikalien

Pigmente Füllstoffe Lösemittel Additive

Filmbildner Pasten andere Halbfabrikate

Dosen Kanister Fässer Container Kartonagen Beutel/Folien Etiketten Paletten u.a.m.

FilmbildnerProduktion

Lackproduktion

Lager für Fertigwaren

Produktion Prüfung Abfüllung

Produktion Prüfung Abfüllung

Reservelager (intern/extern)

Wesentliche Produktionsschritte Vor dem Filtrieren und Abfüllen finden – je nach Einsatz­ge­biet und Qualitätsanforde­rungen – unterschiedlich viele bzw. aufwendige Freigabeprüfungen statt. Unter „Dispergieren“ versteht man also das möglichst vollständige Zerteilen der Pigmentzusammenballungen und gleichmäßige Verteilen der Pigment- und ggf. Füllstoff-Teilchen. Das Dispergieren ist der aufwendigste und Know-How-trächtigste Schritt der Lackproduktion; es wird in Abschnitt 4.9 genauer behandelt. Ein Sonderfall ist die Herstellung von Metallic- und anderen Effektlacken (siehe [11]):

Die in Pastenform vorliegenden Aluminiumbronzen, Perlglanzpig­ Halb- FertigFertig- Halbfabrifabri- fabrifabrimente und andere müssen im Allkate kate kate kate gemeinen besonders schonend, (Pasten (Lacke/ z.B. im Dissolver bei nicht zu hou.a.) Farben) her Drehzahl, dispergiert (besser: „aufgeschlossen“) werden, da die feinen Plättchen sonst deformiert (Filmbildner zum Verkauf) oder sogar zerrieben würden und Abb. 4.2: Blockschema des Materialflusses der Lack-/Farbenproduktion es zu einer Vergrauung des Lackes mit eigener Filmbildnerproduktion (ohne Recycling/Reststoffverwertung) käme. Die nach dem Dispergieren erhaltene Pigmentpaste, also das Mahlgut, hat in nahezu allen Fällen eine andere Zusammensetzung als der fertige Lack, da die Dispergierung der Pigmente in der Endrezeptur (kompletten Rezeptur) zu uneffektiv wäre. Der Paste sind deshalb nach der Dispergierung weitere Substanzen zuzusetzen, was man als Komplettieren bezeichnet. Ein Teilvorgang des Komplettierens ist das „Auflacken“, womit man das Einmischen weiterer (konzentrierter) Filmbildner-Lösung meint. Auslieferungslager

Das sich meistens anschließende Einstellen, manchmal auch „Korrigieren“ genannt, dient der Feineinstellung der geforderten Lackeigenschaften, insbesondere der Viskosität und des genauen Farbtons durch „Nuancieren“. Neben dem geradlinigen Pfad 1 bis 9 in Abb. 4.3, der die Lackherstellung „von Grund auf“ beschreibt, gibt es im Schema noch den Sprung von 5 (Dispergieren) zurück zum Lager 1. Diesen Weg gehen die sog. Pigmentpasten (als Halbfabrikate). Sie werden zur Lackherstellung „über Pasten“, einer alternativen Prozessweise, eingesetzt. Dabei entsteht eine spezielle Lackcharge – ohne Dispergierschritt – lediglich durch intensives Zusammenmischen mehrerer Pasten und weiterer Komponenten, wie im Folgenden Abschnitt erläutert wird.

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261

Produktionsstrategien und Rezepturbeispiel

4.4 Produktionsstrategien und Rezepturbeispiel Fertigungsalternativen / Produktionsweisen im Vergleich Wenn das Ziel der Lackchargen-Fertigung ein bestimmter Farbton ist, z.B. ein RAL-Farbton oder ein Automobilfarbton „Trend-Lila“ o.ä., sind beim Herstellen und Komplettieren des Dispergieransatzes drei unterschiedliche Produktionsstrategien möglich, wie sie in Tab. 4.1 mit den wesentlichen Auswirkungen und Anwendungsgebieten dargestellt sind. Fertigung „von Grund auf“ bedeutet, wie oben bereits erläutert, dass für jede Lackcharge das Pigment bzw. Pigmentgemisch dispergiert wird; im letzteren Fall spricht man auch von gemeinsamer oder Co-Dispergierung der Pigmente. Die Fertigung über Pasten, auch „Mischfertigung“ genannt, erfordert keine Dispergierung zur Her­stellung einer Farbton-Charge. Der Dispergierschritt ist vielmehr separiert worden, indem man jedes benötigte Pigment in dispergierter Form als Pigmentpaste für unterschiedlich gefärbte Lackchargen bevorratet. Eine weitere Herstellungsvariante besteht darin, jede Pigmentpaste für sich zu einem Mischlack zu komplettieren und den im speziellen Farbton gewünschten Lack durch Zusammengeben aufeinander abgestimmter Mischlacke aus dem Mischregal zu komponieren. Diese Methode ist besonders geeignet, direkt beim Kunden oder Händler (wo ja keine Lack-Produktionseinrichtungen vorhanden sind) Lacke in kurzer Zeit und mit nahezu beliebigen Farbtönen in den jeweils erforderlichen Kleinmengen bereitzustellen. Tab. 4.1 macht deutlich, wie vor allem die zu fertigenden Chargengrößen und die Anzahl der be­ nötigten Farbtöne das anzuwendende Verfahren bestimmen. Tab. 4.1: Produktionsstrategien Produktions­strategien

Grundauffertigung

Über Pigmentpasten

Über Mischlacke

Rohstoffe für Buntlacke







Dispergierung des

Pigmentpasten

Pigmentpasten

Pigmentgemisches







Pastenmischungen

Auflacken zum Mischlack





Auflacken

Auflacken

Ermischen des Farbtons







Buntlack (Fertigfarbton) Technologische Qualität Herstellung des Farbtons bei

gleichwertig (bei gleicher Endzusammensetzung) Lackhersteller

Hersteller oder Verarbeiter

meist beim Verarbeiter

Kostengünstig bei Chargengrößen:

groß

mittel

klein

Anzahl Farbtöne

klein

klein-groß

groß

Lieferschnelligkeit Typische Einsatzgebiete

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langsam

mittel

schnell

Industrielacke, Autoerstlackierung, Maler­lacke. Bautenschutz

IndustrielackModul­systeme, Autoerst­lackierung

Mischsysteme: Autoreparatur-, Industrie-, Heimwerkerlacke

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262

Herstellung von Beschichtungsstoffen

Rohstoffe 1

Lager

Rohstoffe (+ggf. Halbfabrikate)

Einwiegen

Pigmentpasten

2

Bautenlacke, viele Industrielacke u.a.m. dagegen werden in wenigen Farbtönen, dafür aber in großen Mengen produziert: Prädestiniert für die GrundaufFertigung. Daneben spielt natürlich auch die maschinelle Ausstattung und Auslastung in der Produktion eine Rolle.

3

Vormischen 4 Vordispergieren 5 Feindispergieren

Ebenso ist je nach Sortiment des Herstellers die Überlegung wichtig, ob ein Pigmentpastensystem als sog. „Universalpastensystem“ für verschiedene, chemisch verwandte Lacksysteme verwendet werden kann.

Fertigmischen 6 (Komplettieren) Sieben/ Filtrieren Abfüllen

Lager Fertigprodukt

7

8

Für kleinere Lackfabriken oder für kleinere oder mittelgroße Farbtonchargen kann es sich auch lohnen, nicht selbst zu dispergieren, sondern die benötigten Pigmentpasten (als „fertige Mahlgute“) bei Lohndispergierern oder bei entsprechend spezialisierten Pastenherstellern zu beziehen. Es entfällt dann eine eventuelle Überkapazität an teuren und platzaufwendigen Dispergiergeräten.

9

(Auslieferung)

Abb. 4.3: Allgemeines Fließschema der Lackherstellung 0

100

10 Massenanteil Pigmente [%]

Massenanteil Bindemittel [%]

50 Dispergiergut

25

100

Schließlich gibt es noch die kombinierte Mischlack- und Pastenverwendung: Der Farbton eines Ausgangslackes wird mit Pigmentpasten („Abtön­pasten“, „Volltonfarben“) definiert abgetönt. Ein Beispiel aus dem handwerklichen Bereich ist das wohl jedem bekannte Abtönen einer weißen Dispersions-Wandfarbe mit einer oder mehreren Farbpasten.

46 Lack

Bei Autoreparaturlacksystemen müssen beispielsweise über 15.000 Farbtöne lieferbar sein, die natürlich nicht separat gefertigt und bevorratet werden können und nur über Mischsysteme zu handhaben sind.

0

Zur Illustration der Unterschiede zwischen den beiden Grundstrategien „HerMassenanteil Lösemittel [%] stellung von Grund auf“ und „Fertigung über Pasten“ sind in Tab. 4.2 RezepturdaAbb. 4.4: Automobil-Decklack, uni-bunt. Zusammensetzung von Dispergiergut (Paste) und Lack im Dreieckskoordinaten-System ten für einen konventionellen, uni-bunten Automobil-Lack unter Einbeziehung der beiden Herstellungsvarianten wiedergegeben. Abb. 4.4 zeigt die Pasten- und Lackzusammensetzung im sog. Drei­eckskoordinaten-System, dessen Prin­zip dem Leser/der Leserin bekannt oder aus dem Beispiel selbst ersichtlich sein dürfte. 0

25

44

100

Die wichtigste Erkenntnis aus den Daten der Tab. 4.2 ist, dass man beim Prinzip „von Grund auf“ fünf verschiedene Pigmente codis­per­gieren müsste. Da jedes Pigment für die optimale Disper­

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263

Produktionsstrategien und Rezepturbeispiel

gierung, d.h. die maximale Ausnutzung seines koloristischen Potenzials, ganz individuelle Dispergier­bedin­gungen benötigt, wäre die Codispergierung von fünf z.T. sehr verschiedenen Pigmenten technologisch (und ökonomisch) unsinnig. Fazit: Der Lack sollte über Pasten produziert werden.

Tab. 4.2: Rezepturdaten für einen konventionellen Automobil-Decklack, uni bunt [2] Massenanteile in % Herstellung von „Grund auf “

Mischfertigung über Pasten

Dispergiergut („Mahlgut“) Lösemittel

25

Filmbildner (100 %ig)

23

Pigmente 1 bis 5

50

Additive

Produktionsweisen im Vergleich

2

Pastenmischung

Abschließend sind die wesentlichen Vor- und Nachteile der beiden „Strategien“ aufgelistet; (+) steht für Vorteil bzw. günstig, (–) für Nachteil bzw. ungünstig.

Paste 1

60

Paste 2

30

Paste 3

7

Paste 4

2

Paste 5

1 Summe

100

100

• Fertigung „von Grund auf“: angestrebte Gesamtrezeptur für beide Fertigungen (+) Dispergierbedin­gun­gen für Lösemittel 44 jede Charge frei wähl- bzw. beeinflussbar 45 Filmbildner (100 % ig) (+) Keine Einrichtungen für Pigmente 10 Pasten-Lagerung notwendig Additive 1 (+) Keine Probleme durch Summe 100 Instabilität (Flocku­l ation, d.h. zum Erhalt der Gesamtrezeptur zu mischen: Farbstärke­verlust) von Pasten (+) Keine Fremdsubstan­zen Paste 1) 20,0 wie z.B. spezielle Pastenharze Lösemittel 39,0 im Lack Filmbildner (100 % ig) 40,4 (–) Für jede Charge eigene DisAdditive 0,6 pergierung (Müh­len­belegung, Summe 100 -reini­gung) notwendig Der Anteil der Paste an der Gesamtrezeptur ergibt sich aus folgender Überlegung: 100 g (–) Bei Codispergierung keine Fertiglack enthalten 10 % Pigment; für jedes Pigment optimalen diese 10 g Pigment sind in genau 20 g Paste mit 50 % Pigment enthalten. Dispergierbe­din­gungen wählbar (–) Bei Codispergierung häufig zu große Farbtonabweichungen (separate Korrekturpasten notwendig) (–) Produktionsdauer für eine Charge höher als bei Mischfertigung 1)

• Fertigung über Pasten („Mischfertigung“): (+) Jedes Pigment kann optimal dispergiert werden (+) Bei vielen Farbtönen bzw. Chargen: Gesamt-Dispergier-/Reinigungsaufwand wesentlich geringer (+) Höhere Flexibilität bezüglich Farbtonvielfalt und Chargengröße (+) Bei Einkauf aller Pasten keine Dispergierung im eigenen Betrieb notwendig; keine Pigmentstaubentwicklung (+) Korrektur des Lack-Farbtons in der Regel problemlos (+) Produktionsdauer für eine Charge niedriger als bei Fertigung von Grund auf (–) Bevorratung von Pasten notwendig (–) Bei gekauften Pasten: evtl. nachteilige Auswirkungen lackfremder Pastenbe­stand­teile (–) Gekaufte Pasten teurer als entsprechende Einzelroh­stoffe. (–) Manchmal Coflockulation der zusammenkommenden Pigmente.

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264

Herstellung von Beschichtungsstoffen

4.5 Apparative Aspekte der Lackproduktion Abb. 4.5 zeigt bildhaft-schematisch den verfahrenstechnischen Ablauf der Lackproduktion nach dem häufig anzutreffenden und bei Neuplanungen bevorzugten vertikalen Fertigungsfluss. Der Vorteil dieser Arbeitsweise ist, dass die Stoffe den Produktionsweg großenteils ohne Pump- und andere Fördervorgänge durchlaufen. Allerdings sind dafür fast alle Rohstoffe bis in das oberste Geschoss zu transportieren, und die Geschossdecken müssen dema entsprechend eine hohe TragfäM M b higkeit aufweisen. d 4. Stock

c

c d f

e

M

M

d

d

M g

3. Stock

zu a: Standdissolver zum Vorlösen, Vormischen oder Vordispergieren im fahrbaren Behälter

g

h M

d

zu b: Registrierende Bodenwaage mit Tara-Einstellung (für Flüssig-Komponenten zusätzlich auto­matische Abschaltung des Zulaufes)

d i

2. Stock

k

j

zu c (links): Dissolver mit ortsfestem, geschlossenem Behälter

l

b

1. Stock

Aufzug

Filmbildner von Lagertanks Lösemittel

Abb. 4.5: Fließbild der Lackproduktion mit vertikalem Fertigungsfluss: a) Standdissolver, b) Waage, c) Vormischer bzw. Dissolver, d) fahrbarer Behälter, e) Pumpe, f) Rührwerkskugelmühle, g) Pastenmischer, h) Pasten-Dosierstation, i) Fertigmischer, j) Sieb, Filter, k) Container, l) Abfüllanlage für Kleingebinde

4

4

2

1

2

2

3

5

3

M M 7

6 2

2

2

2

8

(Ende)

9 10 3

1 2 3 4 5

Fasspumpe Mischbehälter Waage Behälter für Tönpasten Dissolver

Abb. 4.6: Lack-Kleinproduktion

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6 7 8 9 10

zu c (rechts): Vormischer zum Vorlösen und Vormischen zu d: Fahrbare Behälter, bis etwa 1000 l Fassungsvermögen zu e: In der Regel Zahnrad- oder Membranumpe zu f: Rührwerkskugelmühle (Perlmühle) zur Feindispergierung zu g: Pastenmischer zum Zwischenspeichern von Pigmentpasten

4

(Start) 1

Obwohl die Details in Abb. 4.5 von sich aus verständlich sein dürften, hier noch einige ergänzende Hinweise:

Rührwerkskugelmühle Mischer Pumpe Filter Abfüll-Maschine aus: Firmenschrift RHE Händel Engineering GmbH

zu j: Die Filtration erfolgt nahezu immer mit Tiefenfiltern wie Filterbeuteln oder Kartuschen (Patronen, Kerzen), häufig zusätzlich mit Oberflächenfiltern wie Siebbeuteln oder Vibrationssieben zu k: Unterschiedliche Mehrwegbehälter als Container (für Großkunden) zu l: Verpackungslinie mit den Operationen Füllen, Verschließen, Etikettieren

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265

Ergänzendes zum Mischen und Lösen

Die ortsfesten Behälter sind oft auf Kraftmessdosen gesetzt, so dass sie zugleich als Waagen fungieren und eine automatische Befüllung bzw. Zudosierung ermöglichen. Flüssige Komponenten werden inzwischen häufig volumetrisch zudosiert. Dies erfordert natürlich eine ständige Dichtekontrolle, schon wegen der Temperaturschwankungen der Rohstoffe bei Lagerung im Freien.

Einwiegen (Zuschlagstoffe) Hauptkomponenten

Mischen

Kneten

Walzen

Kühlen

In Abb. 4.6 ist die Lack-Kleinproduktion auf nur einer Ebene veranschaulicht.

Brechen

Filter Reinluft

4.6 Der Pulverlack- Her­stellungsgang

Vorrat Sieben Verpacken Versenden

Mahlen

Der verfahrenstechnische Ablauf der Pulverlack-Herstellung unterscheidet sich Abb. 4.7: Pulverlack-Produktion, nach [6] naturgemäß z.T. deutlich von der Flüssig­ lack-Fertigung. Als Standard-Verfahren hat sich – bis auf geringfügige Nuan­­cen – der in Abb. 4.7 darge­stellte Arbeitsgang etabliert. Der zentrale Schritt des Herstellungsganges, näm­­­lich das Dis­ pergieren der Pigmente im geschmolzenem Bindemittel, findet unter starken Scherkräften im Schnec­ken­kneter (Extruder) statt; näheres hierzu → 4.9.6.

4.7 Ergänzendes zum Mischen und Lösen Homogenisiervorgänge Ziel des Mischens ist es, eine überall im Mischgut gleiche Zusammensetzung aus zusammengegebenen, zunächst getrennten Einzelkomponenten zu erzielen; man spricht deshalb allgemein auch von Homogenisieren (auch wenn an sich oft nur eine heterogene und nur visuell gleichmäßige Mischung erzielt wird), oder speziell – je nach erhaltenem Endzustand – von Lösen, Dispergieren, Emulgieren oder Suspendieren. Das Mischen von Stoffen kann nach unterschiedlichen physikalisch-technischen Prinzipien erfolgen. In der Lacktechnologie sind vor allem das Mischen durch Rühren und das statische Mischen Stromstörer

Behälterwand

Stromstörer

Scheibenrührer Scheibenrührer

Rührerwelle Strömungen um die Rührerachse

Vertikale Strömungen im Rührbehälter mit Radialrührer

Propellerrührer

Vertikale Strömungen im Rührbehälter mit Axialrührer

Abb. 4.8: Strömungen im Rührbehälter

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266

Herstellung von Beschichtungsstoffen

(Strömungsmischen) von Bedeutung; letzteres findet hauptsächlich bei der ZweikomponentenLackapplikation und hier besonders auch bei der vor-Ort-Emulgierung von Isocyanaten in Wasser Anwendung. Ist das Rührgut teigig bzw. zähflüssig, spricht man von Kneten; ist es fest (stückig bis pulvrig), ist das Rühren eine Variante des Trockenmischens. Zentrales Werkzeug beim Rühren ist der Rührer, genauer das „Rührorgan“. Es gibt viele Rührerformen, über die sich der Leser mittels Literatur zur Chemie- oder Verfahrenstechnik informieren kann. Allgemein bilden sich beim Rühren – durch Überlagerung von horizontalen und vertikalen Strömungen im Rührbehälter – charakteristische Fließbilder aus; in Abb. 4.8 sind Beispiele skizziert. Da für schnelle Durchmischungen eine möglichst starke Wirbelbildung und Umwälzung auftreten soll, ist es bei dünnflüssigen Medien sinnvoll, das laminare Zirkulieren der Flüssigkeit durch nahe der Wandung fixierte, vertikale Stromstörer zu reduzieren. Allgemein gilt folgende Faustregel: Die Mischdauer (Rührdauer) wird umso geringer sein, je niedriger die Rührgut-Viskosität ist und je rascher der Rührer das Gut umwälzt. Die Güte der Durchmischung bzw. Homogenisierung wird durch eine statistische Größe, den sog. Mischungsgrad M beschrieben, welcher folgendermaßen definiert ist: Man stelle sich vor, zwei homogen miteinander mischbare Stoffe, z.B. Wasser und Aceton, seien im Massenverhältnis 1:1 zu mischen. Man gieße also zunächst die beiden Flüssigkeiten zusammen und nehme dann (in Gedanken) sofort an vielen Orten (i = 1, 2, ..., n) in der Flüs­ sigkeit eine Konzentrationsbestimmung des Acetons vor mit den Ergebnissen w1, w2, ..., wn; die durchschnittliche Aceton-Konzentration in der gesamten Flüssigkeitsmenge beträgt natürlich stets w = 0,5 (50 %). Als Maß für die Inhomogenität der Mischung bilde man nun die Standard­ abweichung s der Konzentration: s=

1 n–1

·

n

Σ (wi – w )2

i=1

Dann normiere man die Standardabweichung s auf ihren Anfangswert s0 , der sich unmittelbar nach dem Zusammengießen, d.h. ohne (zusätzliches) Mischen ergab; es entsteht so die relative Standardabweichung: srel =

s so

Der Mischungsgrad ist nun einfach M = 1 – srel

Man kann sich leicht überlegen, dass damit gilt: M = 0 zu Beginn des Mischens bzw. vor dem Mischen (Zeit t = 0) 0 < M < 1 nach einer endlichen Mischdauer (t >0) M → 1 für sehr große Mischdauer (t → ∞) Nun machen wir folgende „vernünftige“ Annahme: Die Mischungsgeschwindigkeit dM/dt wird umso kleiner sein, je besser bereits gemischt, d.h. je größer M ist: dM = A · (1– M) dt

A Mischkonstante (apparate- und stoffabhängiger Proportionalitätsfaktor) Als Lösung dieser einfachen Differentialgleichung ergibt sich M = 1 – e –A · t

mit dem in Abb. 4.9 skizzierten Graphen.

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Ergänzendes zum Mischen und Lösen

267

Die Geschwindigkeit der Zunahme von M ist charakte­ Mischungsgrad M ristisch für einen Rührprozess. Interessant ist, dass die vollständige Vermischung (M → 1) in bestimmten Fällen 1 nicht erreicht wird, selbst nach beliebig langer Rührzeit (!). Dies ist immer dann der Fall, wenn dem Mischpro­zess – z.B. durch Sedimentation – ein Entmischprozess über­ lagert ist. Besonders bei Trockenmischprozessen tritt Rührdauer t dieses Phänomen häufig auf, wobei M in vielen Fällen ein Maximum durchläuft und sich dann asymptotisch Abb. 4.9: Zeitabhängigkeit des Mischungsseinem niedrigeren Endwert (Grenzwert) nähert. (Zum grades (ohne überlagerte Entmischung) besseren Verständnis kann man sich einen modellhaf­ ten Extremfall vorstellen: Bleikügelchen zwischen Styropor-Chips durch Rühren gleichmäßig verteilen zu wollen.) Das Durchlaufen eines Maximums des Mischungsgrades beim Trocken­ mischen bedeutet für die Praxis, dass es für die Mischdauer einen optimalen, experimentell zu ermittelnden Wert gibt. Schockerscheinungen Beim Ablauf des Mischvorganges in der Lackherstellung sind die sog. Schockerscheinungen von großer Relevanz. Darunter versteht man in erster Linie eine partielle Pigmentflockulation (Zusammenballung von Pigmentkristalliten und oder -aggregaten), welche innerhalb einer pigmenthaltigen Mischung z.B. durch zu starke Differenzen der Filmbildnerkonzentration entstehen. So kann es bei zu schnellem Zugeben konzentrierter Bindemittellösung zur Pigmentpaste, d.h. beim Auflacken, zum sog. „Pigmentschock“ kommen. Die Erklärung hierfür ist, dass Lösemittel aus der filmbildnerarmen Pastenphase in die bindemittelreiche Auflacklösung diffundiert (Konzentrationsausgleich), wodurch die Pastenphase quasi austrocknet und die darin befindlichen Pigmentteilchen „zusammenbacken“. Die Schockgefahr lässt sich erniedrigen, wenn man bereits im Dispergiergut die Bindemittelkonzentration ausreichend hoch wählt und beim Auflacken die konzentrierte Filmbildnerlösung unter starkem Rühren besonders langsam zugibt. Umgekehrt kann eine Flockulation auch beim Komplettieren mit reinem Lösemittel auftreten („Lösemittelschock“, „Verdünnungsschock“). Ursache ist hier das Eindiffundieren von Lösemittel in die hier bindemittelreichere Pastenphase, wodurch die stabilisierende Wirkung der Bindemittelmoleküle vermindert wird.1) Reihenfolgen-Effekte Von großer Wichtigkeit ist oft die Reihenfolge, in der die Komponenten beim Mischen bzw. Lösen zusammengegeben werden. Hier zwei Beispiele: Beim Lösen eines Festharzes, z.B. eines Epoxidharzes in Schuppenform, in einem Gemisch organischer Lösemittel ist das Festharz immer zuerst im schwächeren Löser bzw. Nichtlöser aufzunehmen, damit es nicht zu Verklumpungen durch Zusammenbacken der Teilchen kommt. Unter intensivem Rühren setzt man erst dann, gegebenenfalls portionsweise, den stärkeren Löser zu. (Alternativ kann es ausreichend sein, das Harz langsam bzw. portionsweise unter starkem Rühren in das Lösemittelgemisch einzutragen.) Besteht z.B. die Aufgabe, die Lösung eines nicht vorneutralisierten, Carboxylgruppen-haltigen, wasserlöslichen Harzes in Butylglykol mit Wasser zu verdünnen, so muss man natürlich vor der Wasserzugabe zur Neutralisation erst das Amin zusetzen und vollständig einrühren, da das Harz sonst ausfallen und koagulieren würde. Eine dritte Schockart stellt der sog. „Bindemittelschock“ dar. Ursache sind hier durch Unverträglichkeiten zwischen Löse­mittel und Filmbildner oder zwischen verschiedenen Filmbildnern hervorgerufene Phasentrennungen (Fällungen).

1

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Herstellung von Beschichtungsstoffen

4.8 Kneten Das Bereiten von hochviskosen, teigigen bzw. zähen Mischungen, wie z.B. Dispersionsputzen, Spachtelmassen oder Klebstoffen erfolgt durch Kneten. Das Kneten ist sowohl ein Misch- bzw. Rührvorgang als auch – wegen der relativ hohen Scherkräfte im Gut – ein Dispergierprozess. Da Kneten in der Lacktechnologie – vom Schneckenknetern zur Pulverlack-Herstellung abgesehen – nur eine geringe Rolle spielt, soll es hier nicht weiter behandelt werden.

4.9 Dispergieren, Dispergierapparate 4.9.1 Allgemeines zum Dispergieren Bei der Herstellung von Lacken und Farben muss immer dann dispergiert werden, wenn Pigmente und/oder Füllstoffe einzuarbeiten sind. Dispergieren bedeutet hier Zerteilen der Pigmentagglomerate (Zusammenballungen der Kristallite bzw. Primärteilchen oder Aggregate, → 2.3.2.1) und Verteilen in einer Flüssigphase, meistens einer Filmbildnerlösung oder – bei der Pulverlackproduktion – einer Polymerschmelze. Das Dispergieren wird häufig auch noch „Anreiben“ oder (unkorrekt) „Mahlen“ genannt; es stellt den energetisch und technologisch aufwendigsten Schritt bei der Herstellung pigmentierter Lacke dar. Ein „Mahlen“ im Sinne einer Zerkleinerung von Primärteilchen darf allenfalls beim Rohstoffhersteller geschehen, wo die koloristischen und anderen Eigenschaften gezielt entsprechend den Spezifikationen eingestellt werden. Wenn bei der Lackherstellung durch unzulässig hohen Energieeintrag eine weitere Zerkleinerung stattfindet, leiden wichtige Eigenschaften wie Deckvermögen, Farbton, Beständigkeiten u.a.m. Damit die Dispergierung im jeweiligen Gerät (Aggregat) optimal verläuft, muss das Dispergiergut eine bestimmte, durch „Mahlgutoptimierung“ aufzusuchende Zusammensetzung aus den drei Rohstoffgruppen Pigment(e)/Füllstoff(e), Bindemittel („Anreibeharz“) und Lösemittel, ggf. inklusive Dispergierhilfsmittel, haben. Bei wässrigen, teilweise auch bei anderen Pasten kann das Anreibeharz vollständig durch Netz- und Dispergierhilfsmittel ersetzt sein. Näheres zur Mahlgutoptimierung findet sich in Abschnitt 3.9. Tab. 4.3: Beanspruchungsmechanismen in verschiedenen Dispergiergeräten Gerät Beanspruchung

Dissolver

Scherung in fluidem Medium

( t )

Rotor-StatorDispergierer Zahnkolloidmaschine

Dreiwalze

( t )

( l )

( Rührwerks- ) Kugelmühle

Extruder / Kneter

o ( h )

Scherung zwischen zwei festen Flächen ( Mischreibung ) Druckbeanspruchung ( Zerquetschen ) Prallbeanspruchung ( t ) ( l ) ( h )

stark wirksam schwach wirksam turbulent ( im Feld der Feinstrukturwirbel, Viskosität relativ niedrig ) laminar ( im laminaren Strömungsfeld, Viskosität relativ hoch ) hochviskos ( zähe Harzschmelze bzw. hochviskoses Knetgut )

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21.11.16 10:31

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Dispergieren, Dispergierapparate

4.9.2 Beanspruchungsmechanismen beim Dispergieren Die Ausübung einer mechanischen Kraft auf ein Teilchen, z.B. ein Agglomerat, nennt man auch mechanische Beanspruchung. In Abb. 4.10 sind die Beanspruchungsmechanismen zusammengestellt, denen die Partikel (Pigmentagglomerate) beim Dispergieren unterliegen können. Tab. 4.3 zeigt, welche Beanspruchungsmechanismen in den verschiedenen Dispergiergeräten vorrangig auftreten.

4.9.3 Dispergieren mit dem Dissolver Strömungsgeschwindigkeit

F ω

F

Agglomerat

Scherung in fluidem Medium (in Scherströmung) (F = Kraft, ω = Drehgeschwindigkeit) F v

F F

F

Scherung zwischen zwei festen Flächen (v Scherbewegung)

v1

v2

Druckbeanspruchung (Zerquetschen)

oder

Abb. 4.11: Einfacher Produktionsdissolver v

[aus: Firmenschrift Wilhelm Niemann GmbH & Co.KG]

Prallbeanspruchung (v = Geschwindigkeit)

Abb. 4.10: Beanspruchungsmechanismen bei der Zerteilung von Pigmentagglomeraten

Der Dissolver, als schnelllaufender Zahnscheibenrührer definierbar, wird zum Vormischen, Vordispergieren und – bei nicht zu hohem Anspruch an die Dispergierfeinheit bzw. bei Abb. 4.12: Zahnscheibe eines Labordissolvers leicht dispergierbaren Pigmenten – auch zum (schematisch) kompletten Dispergieren eingesetzt. Einen einfachen Produktions-Dissolver (ohne Behälter) zeigt Abb. 4.11; in Abb. 4.12 ist eine Zahnscheibe dargestellt. Wirkungsmechanismen Wie kommt nun die Dispergierwirkung im Dissolver zustande? Die Zähne der Scheibe sind in Bezug auf den Umfang so (schräg) orientiert, dass sich an ihrer Außenseite ein Überdruck, an ihrer Innenseite ein Unterdruck aufbaut. In den Wirkungsbereich der Zähne gelangendes Dispergiergut wird daher starken Druckschwankungen ausgesetzt. Außerdem entstehen im Zahnbereich zahlreiche kleine, aber starke Wirbel, welche die Agglomerate scheren und damit zerstören (Genauere Erläuterung der Vorgänge siehe Vertiefung S. 271). Da es der gezahnte Rand der Scheibe ist, der die Dispergierwirkung ausübt, hat man als zentrale Größe für den Betriebszustand eines Dissolvers die Scheiben-Umfangsgeschwindigkeit vu

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Herstellung von Beschichtungsstoffen

anzusehen. Sie berechnet sich aus der Drehzahl n und dem Scheibendurchmesser D folgendermaßen: vu = π · n · D

Die beim Drehmoment M in das Dispergiergut eingetragene Leistung P ist P=2·π·n·M

Typische Umfangsgeschwindig­kei­ten sind z.B. 10 m/s für matte Innen-Dispersionsfarben und bis 28 m/s für Lacke. Trotz dieser hohen Geschwindigkeiten liegen die erzielbaren mittleren Teilchengrößen immer noch bei ca. 5 bis 10 µm oder höher, was z.B. für viele Decklackanwendungen nicht ausreicht (Die Begründung für die begrenzte Dispergierwirkung des Dissolvers findet sich in der Vertiefung S. 269). Um optimale Ergebnisse mit dem Dissolver zu erhalten, sollten die in Abb. 4.13 dargestellten geometrischen Verhältnisse eingehalten werden. Ganz entscheidend ist nämlich die Einstellung des richtigen Strömungsbildes. Das Dispergiergut soll vom Rand her – unter leichter Wulstbildung und glattem (laminaren) Fließen – spiralig zur Scheibe gelangen, wobei die gesamte Welle freiliegt (s. Abb. 4.14). Die Einstellung dieses (auch „Doughnut-“, amerik. „Donut“-Effekt genannten) Strömungsbildes setzt eine optimale Viskositätseinstellung und eine dementsprechende Zusammensetzung des Dispergiergefäß Welle DispergiergutStrömung Dispergiergutes voraus. Ist die Viskosität zu niedrig, sind Spritzen und Schäumen die Folge; bei zu hoher Viskosität oder gar Stockigkeit, d.h. hoher Fließgrenze, rotiert die Scheibe in einem „Dispergierloch“, da der Stoffstrom zur Scheibe unterbrochen ist und vom Rand her nicht alles nachtransportiert wird. 1D–2 D

0,5 D–1D D

Zahnscheibe

2 D–3 D D = Zahnscheibendurchmesser Umfangsgeschwindigkeit der Dissolverscheibe: 10–25 m/s

Abb. 4.13: Optimale geometrische Verhältnisse beim Dispergieren mit dem Dissolver (allgemeine Empfehlung, nach [5])

Leistungsaspekte Da nur einige Prozent der in das Dispergiergut eingebrachten Leistung P (s.o.) für die Zerteilung der Agglomerate, also das eigentliche Dispergieren, verbraucht werden, und somit der weit überwiegende Leistungsanteil in Wärme umgewandelt wird, erwärmt sich die Paste allmählich auf typischerweise etwa 60 °C oder sogar auf noch höherere Temperatur. Diese Er-

Abb. 4.14: Optimaler Dissolveransatz mit „Doughnut-Effekt“ (links) und ungünstiger („stockiger“) Dissolveransatz mit „Dispergierloch“ aus: Firmenschrift VMA-Getzmann GmbH

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Dispergieren, Dispergierapparate

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wärmung wirkt sich im Grunde positiv auf die Pigmentbenetzung und damit die Dispergierung aus. Droht die Temperatur über einen zulässigen Wert anzusteigen, muss über einen Kühlmantel des Dissolverbehälters gegengekühlt werden bzw. die Dissolverdispergierung gilt als beendet. Die Gefahren einer zu hohen Temperatur liegen v.a. in unkontrolliertem Lösemittelverlust und in der Schädigung der Pigmente. Moderne Produktionsdissolver passen ihre Drehzahl an die sich während des Dispergierens ändernde Viskosität automatisch so an, dass die Motorleistung bis zum Erreichen einer vorgegebenen Höchstdrehzahl voll genutzt wird. Die Dispergierdauer einer Charge beträgt unter optimalen Bedingungen 10 bis 30 Minuten. Beispielsweise können nach Angaben eines Dissolver-Herstellers mit einem optimal genutzten 100 kW-Dissolver täglich 60 t Disper­sionsfarbe oder 30 t Weißlack produziert werden. Spezialkonstruktionen Zur Anpassung der Dispergierbedingungen an die z.T. recht unterschiedlichen Dispergiergüter gibt es bei Dissolvern viele Sonderkonstruk­tionen bzw. Zusatzeinrichtungen. Relativ häufig trifft man auf folgende Sonderformen: • Vakuum-Dissolver (zum Verhindern der Luftaufnahme durch hochviskose Massen, auch zum Entfernen vorhandener Luftblasen) • Dissolver mit kühl- oder beheizbarem Behälter • Dissolver in einem Rotor-Stator-System integriert • Dissolver mit mehreren Rührwellen bzw. Zahnscheiben • Dissolver mit Wandabstreifer bzw. Ankerrührer. In Abb. 4.15 (Seite 272) sind einige Dissolvertypen dargestellt. Die in ein Dispergiergut (Mahlgut), d.h. in ein Gemisch aus Pigment-Pulver und Flüssigkeit (Bindemittel-Lösung, Wasser mit Netz- und Dispergieradditiven), über die Dissolverscheibe eingebrachte mechanische Leistung bewirkt im Bereich der Scheibe primär die Entstehung einer groben Turbulenz, welche sich anschließend in eine aus Feinstrukturwirbeln bestehende Feinturbulenz und schließlich in Molekularbewegung, d.h. Wärme umwandelt. Diese „Zerstreu­ ung“ von Arbeit, deren Endstadium Wärme darstellt, nennt man Dissipation. Im Bereich der Feinturbulenz wirkt auf ein darin befindliches Teilchen bzw. Agglomerat eine Schubspannung, welche zum Zerteilen des Agglomerates führt. Definiert ist diese Schubspannung τt als die auf einen Oberflächenausschnitt A des Agglomerates bezogene, scherende Kraft FS, τt =

Fs A

welche bei Überschreitung der Agglomerat-Bindungskräfte zum Bruch des Teilchens führt. Es gilt: 1

τ t = const. · ρ 3 ·

P V

2 3

2

· xP 3

mit P eingetragene mechanische Leistung (Drehmoment mal Winkelgeschwindigkeit), V betrachtetes Dispergiergutvolumen, ρ Dispergiergut-Dichte und xP aktueller (!) Teilchendurchmesser. Die Größe P/V wird Leistungsdissipationsdichte genannt. Die wesentlichen Schlussfolgerungen aus der gegebenen Formel lauten: • Die Dispergierwirkung steigt mit der Leistungsdissipationsdichte. • Die die Agglomerate zerstörende Schubspannung fällt mit kleiner werdender Teilchengröße. Die zweite Aussage ist extrem wichtig. Aus ihr lässt sich nämlich weiter folgern, dass unterhalb einer bestimmten Teilchengröße die Scherkräfte nicht mehr ausreichen, um die AgglomeratBindungskräfte zu überwinden und damit dispergierend zu wirken.

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Herstellung von Beschichtungsstoffen

Zusammengefasst lässt sich feststellen: Bei gegebener Leistungsdissipationsdichte und gegebenen Agglomerat-Bindungskräften gibt es eine bestimmte Teilchengröße, welche auch durch beliebig langes Weiterdispergieren im Dissolver nicht unterschritten werden kann. Im günstigsten Fall, d.h. bei den im Dissolver maximal erreichbaren (lokalen) Leistungsdissi­ pationsdichten von etwa 104 kW/m3 und bei geringen Agglomerat-Bindungskräften („Disper­ gierhärten“), liegt die kleinste erzielbare Teilchengröße um 10 µm.

4.9.4 Dispergieren mit der Dreiwalze Walzwerke in Form der Dreiwalze trifft man in der Lack- und Farbenproduktion nur noch selten an; größere Bedeutung haben sie auf dem Druckfarbensektor (v.a. Offset-Druckfarben auf Basis nichtflüchtiger Mineralöle), bei Pigmentkonzentraten und in speziellen Bereichen der Beschichtungsstoffindustrie behalten. Zweiwalzenstühle und die Einwalze sind nahezu verschwunden. Konstruktionsprinzip Der prinzipielle Aufbau einer Drei­wal­ze – auch Dreiwalzenstuhl oder Dreiwalzwerk genannt – ist in Abb. 4.16 dargestellt. Die Drehzahlen der Walzen liegen in folgenden Bereichen: 40 < n1 < 100 U/min, 140 < n2 < 200 U/min, 300 < n3 < 600 U/min (U: Umdrehungen); sie verhalten sich etwa wie 1 : 3 : 9 gelegentlich auch 1 : 2 : 4. einfacher Dissolver

Dissolver mit Statorsystem

Dissolver mit Scheibe für Fördern und Scheren

Doppelwellendissolver mit 3 Scheiben

Dissolver mit zusätzlichem Ankerrührer

Abb. 4.15: Einige Ausführungsformen von Dissolvern, nach [2] Abnahmewalze F Mittelwalze n3

Fülltrog

Rakelmesser (Abstreifmesser)

n2 Reibspalte n1 F

n1 < n 2 < n3

Aufgabewalze

Abb. 4.16: Dreiwalzenstuhl (Dreiwalze) (F = Anpresskraft, n = Drehgeschwindigkeit)

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Die Walzen bestehen aus Hartguss-Edelstahl, meistens nicht weiter beschichtet; sie sind glatt geschliffen und besitzen eine gewisse Griffigkeit. Um die Durchbiegung bei Belastung (bis zu ca. 100 bar Flächenpressung) auszugleichen, sind die Walzendurchmesser in der Mitte geringfügig größer als an den Enden; man nennt dies (Walzen-) Balligkeit. Zur Einstellung einer definierten Produkttemperatur im Reibspalt (Mahlspalt) – trotz der erheblichen Wärmeentwicklung durch die Scherung – sind die Walzen von innen her mit Wasser kühl- oder heizbar. Kleinere Walzenstühle haben eine horizontale Walzenanordnung, größere eine schräg ansteigende. Selbstverständlich sind die Betriebsbedingungen moderner Dreiwalzen (Drehzahlen, Anpresskraft, Spaltweite, Walzentemperatur) elektronisch mess-, regel- und dokumentierbar. Die Walzen großer Dreiwalzwerke können Durchmesser bis zu ca. 0,5 m und Längen bis zu ca. 2 m aufweisen. Die gute Dispergierwirkung einer Dreiwalze kommt dadurch zustande, dass die drei Walzen unterschiedlich schnell rotieren und dadurch die Paste mit den Agglomeraten in

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Dispergieren, Dispergierapparate

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den zwei Reibspalten scheren. Da die Pigment-Teilchen dabei ständig von Flüssigkeit umhüllt sind, verläuft die Dispergierung sehr „schonend“; es entsteht kaum Trockenreibung zwischen Pigment-Teilchen und Walzenoberfläche. Betriebshinweise Aus der Theorie zur Walzendispergierung ergeben sich folgende allgemeine Regeln für das optimale Betreiben einer Dreiwalze: • Reibspalt nicht zu eng (da sonst Durchsatz zu gering und Gefahr des Trockenlaufens und der Überhitzung) • Drehzahl nur so hoch wie notwendig (zur Erzielung eines wirtschaftlichen Durchsatzes) • Mahlgut-Viskosität so hoch wie möglich (zur Erzielung hoher Scherkräfte). Zum Abschluss folgt ein Blick auf die charakteristischen Stärken und Schwächen der Dreiwalze. • Stärken: – Sehr gute und dabei schonende Dispergierung, in mechanischer (für reibempfindliche, z.B. gecoatete Pigmente wichtig) und in thermischer Hinsicht – Möglichkeit der Dispergierung sehr pastöser Materialien – Wirkungsweise gut einstell- und überschaubar. • Schwächen: – Offenes System: Großer, bei Einsatz flüchtiger Lösemittel unkontrollierter Lösemittelverlust (Absaugung notwendig; Lösemittelgehalt der Paste nicht bekannt) – Einsatz daher fast nur bei Produkten ohne flüchtige Bestandteile – Relativ hoher Überwachungsaufwand erforderlich – Relativ geringe Durchsatzleistung, teuer.

4.9.5 Dispergieren mit Rührwerkskugelmühlen 4.9.5.1 Dispergiermechanismus in Gegenwart von Mahlkörpern

Während z.B. Dissolver und Dreiwalze Dispergierapparate ohne Mahlkörper sind, enthalten die (kaum noch verwendeten) Kugelmühlen und die modernen Rührwerkskugelmühlen – wie der Name sagt – Kugeln als Mahlkörper. Die Dispergierwirkung entsteht dadurch, dass die Kugeln in Translation und Rotation versetzt werden und folglich sowohl gegeneinander als auch gegen die Wände und die sonstigen im Mahlraum vorhandenen Flächen stoßen. Die dabei auf die Agglomerate wirkenden Beanspruchungsmechanismen sind hauptsächlich Druckbeanspruchung (Zerquetschung) und Scherung – sowohl durch laminare Scherströmung als auch durch Mischreibung1). Zum Grundverständnis der Vorgänge beim Dispergieren mit Mahlkörpern ist folgende einfache Vorstellung sehr nützlich: Damit Agglomerate zerteilt werden können, müssen sie • sowohl zwischen scherende oder aufeinander prallende Flächen geraten (Mahlkörper/Mahlkörper, Mahlkörper/Wand u.a.) • als auch stark genug belastet werden. Es gibt also sowohl räumliche als auch energetische Voraussetzungen für den Erfolg der Disper­ gierung. Beide Bedingungen gehorchen wegen der chaotischen Bewegung der Mahlkörper statistischen Gesetzmäßigkeiten, auf die hier nicht weiter eingegangen werden soll. 4.9.5.2 Aufbau und Betriebsparameter von Rührwerkskugelmühlen Bei der klassischen Kugelmühle rotiert ein mit großen Kugeln und Dispergiergut teilweise gefüllter horizontaler, geschlossener Zylinder. Sie wird – außer bei der Herstellung von Pigmenten und selten noch bei der von Pigmentpasten – kaum noch eingesetzt, und daher wird hier nicht weiter darauf eingegangen. Bei der Rührwerkskugelmühle ruht dagegen der Behälter, und die Mischung aus relativ kleinen Kugeln und Dispergiergut wird durch ein schnellrotierendes Rührorgan in Bewegung gehalten. Unter Mischreibung versteht man den Zwischenzustand zwischen der Reibung trockener Flächen aneinander und der Reibung mit einem zwischen den scherenden Flächen befindlichen Flüssigkeitsfilm (Schmierfilm).

1

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Herstellung von Beschichtungsstoffen

Aufbauprinzip Die ersten Rührwerkskugelmühlen bestanden im Wesentlichen aus einem vertikalen, oben offenen, kühlbaren „Mahltopf“, in welchem Ottawa-Sand (runder Quarzsand, Korngröße 0,8 bis 1,0 mm) durch ein Mehrscheiben-Rührorgan in schnelle Bewegung versetzt wurde. Das Dispergiergut wurde von unten eingepumpt und verließ die Mühle frei fließend (drucklos) über ein zylindrisches Sieb (s. Abb. 4.17). Dieser Mühlentyp wird als „Sandmühle“ bezeichnet, manchmal selbst dann, wenn man Perlen anstatt Sand als Mahlkörper verwendet. Die typischen Schwächen der Sandmühle – enger Viskositätsbereich des Mahlgutes, geringer Durchsatz, Gefahr des Überlaufens, Thrombenbildung unter Einsaugen von Luft, Lösemittel­emis­sion – wurden durch Übergang zu geschlossenen Mühlen überwunden. Der Ottawa-Sand wurde durch Mahlperlen ersetzt, was die Bezeichnung „Perlmühle“ mit sich brachte. Rührwerkskugelmühlen (Perlmühlen) gibt es mit Brutto-Volumina bis ca. 1000 l und 300 kW Antriebsleistung; in der Lackproduktion sind jedoch durchweg kleinere Maschinen, bis etwa 250 l, anzutreffen. Abb. 4.18 zeigt den Grundaufbau vertikaler und horizontaler, geschlossener Rührwerkskugelmühlen. Mahlkörper Die Perlen in Rührwerkskugelmühlen bestehen aus Materialien wie Stahl, Zirkoniumdioxid (ZrO2), Aluminiumoxid, Si/Al/Zr-Mischoxid (SAZ-Perlen), Steatit (synthetische Abart des Talkums), Glas, Kunststoff, Metall; die Durchmesser liegen meistens im Bereich von 0,1 bis 3 mm. Mit steigender Härte der Perlen wächst zwar die Dispergierintensität, aber der Verzylindrisches schleiß der Mühle nimmt ebenfalls Sieb zu. Auch eine hohe Dichte der Perlen begünstigt das Dispergierergebnis. Stahlperlen können wegen Scheiben des dunklen Abriebs nur begrenzt zur Dis­per­gierung hellfarbener Dispergiergut mit Sand Pasten verwendet werden. Die Entbzw. Perlen wicklung geht trotz des höheren Preises stark zur Verwendung von ZrO2-Perlen hin, aufgrund der HärRührer (Rotor) te, Glätte, Stabilität (Lebensdauer) und Dichte der Perlen. Zur KrisPastenbehälter Dispergiergut(fahrbar) Zulauf tallgitter-Stabilisierung enthalten sie Yttrium- oder Ceroxid-Anteile. Abb. 4.17: Vertikale, oben offene Rührwerksmühle („Sandmühle“) [aus: Firmenschrift Hüttenes -Albertus GmbH (1987)]

Trennspalt

Rührer

Mahlraum Mahlkörper

vertikal

Kühlmantel

horizontal

Abb. 4.18: Grundaufbau geschlossener Rührwerkskugelmühlen, nach [2]

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Die Dispergierung von Nanoteilchen erfordert neuartige, besonders geringe Teilchendurchmesser mit Durchmessern von ca. 0,01 mm. Größere Perlen hätten eine zu geringe „Trefferquote“, da nanoskalige Partikel bei der Annäherung von großen Perlen aus dem Kollisionsbereich herausgedrückt werden. Vom Rotor (Rührorgan) bzw. von den daran befindlichen Schei­ben oder Stif­ten werden die Perlen auf eine Geschwin­dig­keit von größenord­nungsmäßig 10 m/s beschleunigt und zusätzlich in

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Dispergieren, Dispergierapparate

Rotation ver­­setzt. Da die Wahrscheinlichkeit, dass ein Agglomerat zwischen zwei Perlen gerät, mit der Anzahl der Perlen in der Mühle zunimmt, steigt deren Leistungsfähigkeit mit fallendem Per­len­durchmes­ser (d). Die Anzahl der Perlen ist proportional 1/d3, d.h. eine Halbierung des Perlendurchmessers hat eine Veracht­fachung (!) der Perlenzahl zu Folge. Man ist daher bestrebt, möglichst kleine Perlen einzusetzen. Einige konstruktive Varianten konventioneller Rührwerkskugelmühlen sind in Abbn. 4.19 und 4.20 beispielhaft dar­ge­stellt. „Tauch-“ oder „Korbmühlen“ finden zunehmende Verbreitung: Dank zusätzlicher Dissolverscheibe wie Dissolver betreibbare, in das Dispergiergut eintauchbare, mit Perlen gefüllte Rotor-Stator-Mühlen, s. Abb. 4.26. Betriebshinweise Es ist nicht möglich, hier ausführlich auf die Vor- und Nachteile bzw. Eigenheiten der diversen Mühlenkonstruktionen einzugehen. Einige allgemeine Hinweise seien jedoch gegeben.

Rotorscheiben

Es gibt eine gewisse Tendenz weg von vertikalen zu horizontalen Mühlen. Dies liegt an folgenden Vorteilen der horizontalen Anordnung gegenüber der vertikalen: • Kleinere Mahlperlen verwendbar (bis unterhalb 0,1 mm) • Mahlkörperfüllgrade bis zu 85 % möglich • Leichteres Anfahren nach Stillstand • Gleichmäßigere Dispergierwirkung über die gesamte Mühlenlänge. Nicht kreisrunden Mahlbehältern (Mahltöpfen mit meistens quadratischen Querschnitt) wurde eine bessere Dispergierwirkung durch Ausbildung von Kompressionen in der Mahlkörper-Schüttung nachgesagt. Sie haben sich aber nicht durchgesetzt.

Stiftrotoren Stifte

Gegenstifte

Abb. 4.19: Scheiben- bzw. Rotorausführungen von Rührwerkskugelmühlen, nach [2] vertikal

Mühlen mit Stiften und Gegenstiften in den Wandungen von Rotor und/oder Topf eignen sich zur Dispergierung hochviskoser und thixotroper Pasten, z.B. für Druckfarben, und stellen eine Alternative für Dreiwalzenstühle dar. Die Dispergierung mit einer Rührwerkskugelmühle ist ein kontinuierlicher Teilprozess im Zuge der Lackherstellung. Das Dispergiergut wird – je nach Viskosität, gewünschtem Durchsatz und Mühlenkonstruktion – mit verschieden hohem Überdruck (bis zu 6 bar) durch die Mühle gefördert. Die Konstruktion des Trennsystems (Sieb oder Spalt zur Trennung Perlen/Paste) ist von herausragender Bedeutung für die Funktionsfähigkeit einer Mühle und bestimmt vor allem die kleinste zulässige Perlengröße. Allgemein gilt:

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horizontal

zylindrisch rund

zylindrisch rund

konisch rund

dreieckig

oval

Abb. 4.20: Mahlbehälterformen von Rührwerkskugelmühlen [2]

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Herstellung von Beschichtungsstoffen

Je kleiner die Perlen, desto • effektiver die Dispergierung • stärker der Transport der Perlen zum Mühlenausgang bzw. Trennsystem • aufwändiger bzw. enger müssen die Maschen bzw. Spalten des Trennsystems sein. Optimierung des Dispergiervorganges Zu vermeiden ist unbedingt, dass sich die Perlen vor dem Trennsystem (Separator) stauen und es dadurch blockieren und mechanisch unzulässig stark belasten; man nennt diese Erscheinung (hydraulischen) Perlenstau oder Perlencrash. Die Gefahr hierfür ist umso größer, je kleiner die Perlen sind. Eine empirische Regel besagt, dass ein Perlenstau vorliegt, wenn die Steigerung des Mahlgutdurchsatzes zur Temperaturerhöhung der austretenden Paste führt. Bei Anzeichen für einen Stau sind • der Pastendurchsatz zu re­du­­zieren, • und/oder die Pastenvis­ko­sität (durch Lösemittelzusatz) zu senken, • und/oder die Rotordreh­zahl zu erhöhen. Moderne Mühlenkonstruk­tionen zielen vorrangig darauf ab, den Stau vor dem Trenn­system zu minimieren oder sogar auszuschalten. Als Beispiele für die verschiedenen technischen Lösungen zur Stauverhinderung sind in Abbn. 4.21 und 4.22 zwei gängige Mühlentypen dargestellt: Die Spaltkugelmühle, auch Ringspaltmühle, mit umlaufenden Perlen und die Zentrifugal-Wirbelbettmühle (ZWM). Bei ersterer wird der Stau durch den erzwungenen Perlenumlauf im engen Mahlspalt verhindert. Bei beiden Mühlenarten verhindert die Fliehkraft der um die Mühlenachse rotierenden Perlen, dass sie sich vor dem zentrisch rotierenden Siebsystem stauen. Außerdem sorgen Drucksensoren im Mahlraum bei einem durch Stau verursachten Druckanstieg im Mahlraum für ein sofortiges Stoppen der Mahlgutzufuhr. Auch ein außen angebrachter By-Pass kann für einen Rücktransport der Perlen hin zum Produkteinlass sorgen. Ein weiterer wichtiger Gesichtspunkt bei der Mühlenkonstruktion ist die Kühlmöglichkeit für das Mahlgut. Die in eine RührTrennspalt Kühlwasser werkskugelmühle eingebrachte große Leistungsdissipationsdichte (Leistung pro Volumeneinheit) macht eine Kühlung auf jeden Kühlwasser Fall erforderlich. Bei größeren, modernen Mühlen ist daher Paste nicht nur die Mahltopfwandung, Stator Stator sondern auch der Rotor gekühlt. (gekühlt) (gekühlt) Rotor (gekühlt)

Mahlspalt mit umlaufenden Perlen

Dispergiergut

Abb. 4.21: Spalt-Kugelmühle mit umlaufenden Perlen (Prinzip-Skizze) Dispergiergut

Pumpe Paste

Dispergieransätze für Perlmühlen müssen im Dissolver gründlich vordispergiert sein; andernfalls wird die weniger anspruchsvolle Vordispergierung in die aufwendige PerlmühlDispergierung verlagert, was letztendlich höhere Kosten mit sich bringt. Dispergierkontrolle

Perlen

Kühlmantel

Perlen

mit Stiften versehener Rotor rotierendes Sieb

Abb. 4.22: Zentrifugalwirbelbettmühle (ZWM)

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In der Praxis ist es oft notwendig, den Fortschritt bzw. die Güte der Dispergierung – direkt an der Dispergiereinrichtung – schnell und möglichst unkompliziert zu überprüfen. Für überschlägige

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Dispergieren, Dispergierapparate Tab. 4.4: Abhängigkeit der Dispergiergüte von den Betriebsparametern einer Rührwerkskugelmühle Parameter-Veränderung Mahlkörperfüllgrad steigt

Dispergiergüte Optimum steigt

Mahlkörpergröße fällt

steigt

Mahlkörperdichte steigt Temperatur steigt

steigt steigt

Optimum

Mahlgutviskosität steigt

steigt

Optimum

Durchsatz steigt

fällt

Drehzahl steigt

steigt

Bemerkung fällt begrenzt durch Trennsystem; Staugefahr nimmt zu begrenzt durch Trennsystem; Staugefahr nimmt zu fällt beachte Temperaturempfindlichkeit des Mahlgutes fällt Staugefahr nimmt zu (Durchsatz reduzieren) Staugefahr nimmt zu; Teilchen passieren rascher Temperatur steigt bzw. stärkere Kühlung notwendig; Gefahr der Überdispergierung

Abschätzungen verwendet man häufig das Grindometer (nach Hegman), welches eine ungefähre Aussage über die Obergrenze der Korngrößenverteilung („Körnigkeit“) liefert, also nicht die Größenverteilung selbst. Eine indirekte, kompliziertere, dafür aber wesentlich präzisere und – in Hinblick auf die Lackeigenschaften – aussagekräftigere Methode ist die Bestimmung der Farbstärke der Paste bzw. einer aufgelackten Probe des Mahlgutes, oder z.B. der Glanz oder der Schleier der Lackierung. (Näheres zu diesen Messmethoden → 8.4.1) In Tab. 4.4 ist die Abhängigkeit der Dispergiergüte von den wichtigsten Betriebsparametern einer Rührwerkskugelmühle qualitativ zusammengefasst. 4.9.5.3 Verweilzeitverteilung in einer Rührwerkskugelmühle Ein in die Mühle eintretendes Agglomerat kann durch die turbulenten Verhältnisse im Mahlraum – zufällig – relativ schnell zum Ausgang gelangen oder lange Zeit in der Mühle verweilen. Es liegt also keine einheitliche Verweilzeit der Agglomerate in der Mühle, sondern eine Verweilzeitverteilung vor. Da eine geringe Verweilzeit eine schlechte und eine hohe Verweilzeit eine gute Dispergierung zur Folge hat, bringt eine breite Verweilzeitverteilung auch eine breite Korngrößenverteilung mit sich, was in der Regel unerwünscht ist. Abb. 4.23 zeigt beispielhaft die Verweilzeitverteilung für die Dispergierung einer Talkum-Suspension mit einer horizontalen Laborperlmühle. Man sieht, dass kleine Verweilzeiten zu hohen Korngrößen („Hegman-Werten“), d.h. unvollständiger Dispergierung, führen 1).

Mittlere Verweilzeit Während sich die Verweilzeitverteilung nur experimentell feststellen lässt, kann man die mittlere • (durchschnittliche) Verweilzeit –t aus dem Pastendurchsatz (Volumenstrom) VP und dem frei­en Mahlraumvolumen Vf berechnen: V t = ·f VP

Das freie Mahlraumvolumen ist gleich dem gesamten Mahltopfvolumen minus dem Gesamtvolumen der Perlen (ca. 0,5-mal Volumen der Perlenschüttung), des Rotors und der sonstigen Einbauten. Die mittleren Verweilzeiten liegen in der Praxis bei einigen Minuten. Die Verweilzeitverteilung wird bestimmt, indem man unmittelbar vor dem Mühleneingang in den Zustrom kurzzeitig eine Testsubstanz injiziert und danach die Zeitabhängigkeit der Konzentration der Substanz hinter dem Mühlenausgang analytisch verfolgt.

1

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Talkum-Konzentration [Masse-%]

Hegman-Werte [µm] 60

Talkum-Konzentration (am Mühlenausgang)

2

40 Hegman-Werte 1

20 mittlere Verweilzeit Verweilzeit [min]

0 0

5

0

10

Abb. 4.23: Verweilzeitverteilung und Hegman-Werte nach Injizierung von Talkum in eine Perlmühle, nach [10]

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Herstellung von Beschichtungsstoffen

Einflüsse auf die Verweilzeit

Passagenverfahren Dispergiergut

Rührwerkskugelmühle (beliebig häufige Wiederholung)

Paste

Kaskadenverfahren Dispergiergut

Mühle

Mühle



Mühle Paste

Zirkulationsverfahren

Um eine möglichst enge Verweilzeitverteilung zu erhalten, muss bei gegebenem Durchsatz die axiale Strömungsgeschwindigkeit des Dispergiergutes möglichst hoch sein, damit stets eine Bewegung der Agglomerate in Richtung Mühlenausgang erzwungen wird. Eine engere Verweilzeitverteilung kann somit erzielt werden durch • einen längeren, relativ engen Mahlraum • größere, weniger stark durchbrochene Scheiben • eine größere Anzahl von Scheiben. Alle drei Maßnahmen führen allerdings zur Erhöhung der Staugefahr (s.o.), so dass hier ein Kompromiss gefunden werden muss. 4.9.5.4 Passagen- und Zirkulations- verfahren

Dispergiergut (Zirkulation) Mühle Paste

Verfahrensvarianten (nach Abschlss der Zirkulation)

Abb. 4.24: Grund-Verfahrensvarianten des Dispergierens mit Rührwerkskugelmühlen

Oft reicht ein einziger Mahlgut-Durchgang durch eine Rührwerkskugelmühle nicht zur vollständigen Dispergierung aus. Für die dann notwendige Mehrfachdispergierung gibt es zwei grundsätzlich verschiedene Verfahren (s. Abb. 4.24).

• Passagenverfahren/Kaskadenver­fahren: Das Dispergiergut wird mehrfach nacheinander mit einer Mühle dispergiert bzw. durch eine Reihe (Kaskaden-förmig angeordnet)) von Mühlen geleitet. • Zirkulationsverfahren: Das Dispergiergut wird aus einem Vorlagebehälter durch die Mühle und kontinuierlich vom Mühlenausgang zurück in die Vorlage gefördert. Beide Verfahren unterscheiden sich hinsichtlich der Breite der Verweilzeitverteilung. Die mittlere Verweilzeit für eine Mühlenpassage ergibt sich – wie bereits gesagt – zu V t = ·f VP

mit Vf freies Mahlraumvolumen und V·p Pastendurchfluss (Volumenstrom). Für z komplette (diskrete) Mühlendurchgänge beim Passagen- bzw. Kaskadenverfahren ist die mittlere Verweilzeit z-mal so groß. Für das Zirkulationsverfahren kann man nur eine mittlere Passagenzahl angeben. Diese beträgt p

·

mit V·p Pastendurchfluss (Volumenstrom), τ Maschinenlaufzeit (Durchsatzzeit) und VP Pasten­ volumen Ab einer mittleren Passagenzahl ( z ) von über fünf kann man die mittlere Verweilzeit beim Zirkulationsver­fahren nach folgender Gleichung abschätzen:

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Dispergieren, Dispergierapparate

Konzentration [rel. Einheit]

wobei hier Vf freies Mahl­raumvo­ lumen, VP Pastenvolumen und τ Maschinenlaufzeit (Durchsatzzeit) sind. Verfahrensvergleich Vergleicht man nun die Breite der Verweilzeitverteilung beim Passagenverfahren mit 5, 10 oder 20 Mühlendurchgängen mit jener beim Zirkulationsverfahren nach einer mittleren Passagenzahl von 5, 10 oder 20, so ergibt sich das in Abb. 4.25 dargestellte Bild; das Zirkulationsverfahren führt zu einer deutlich breiteren Verweilzeitverteilung (anschauliche Begründung siehe nachfolgende Vertiefung).

0,30 z=5

0,20

Passagenverfahren Zirkulationsverfahren

z = 10 z = 20

0,10

0 0

50

100 Verweilzeit [min]

Abb. 4.25: Verweilzeitverteilung für das Passagen- und Zirkulations­ verfahren, nach [10]

Die obigen theoretischen Ausführungen lassen sich zu folgenden qualitativen Aussagen zusammenfassen. • Zirkulationsverfahren: Geringerer Arbeits- und Investitionsaufwand, aber breitere Verweilzeitverteilung (ungleichmäßigere Dispergierung) • Passagen-/Kaskadenverfahren: Höherer Arbeitsaufwand beim Passagenverfahren (eine Mühle) bzw. höhere Anlagenkosten beim Kaskadenverfahren (mehrere Mühlen), dafür engere Verweilzeitverteilung (gleichmäßigere Dispergierung). Die größere Breite der Verweilzeitverteilung beim Zirkulationsverfahren lässt sich folgender­ maßen erklären: Ein die Mühle verlassendes und in den Vorlagebehälter zurückgelangendes Agglomerat kann dort zufällig relativ lange verbleiben, bevor es (vielleicht) wieder in die Mühle gerät, oder es kann auch direkt zum Ablauf und damit erneut in die Mühle gelangen. Diese starke Streuung der Verweilzeiten im Vorlagebehälter führt zu einer entsprechend großen Streuung der GesamtVerweilzeit in der Mühle. Eine Modellrechnung zeigt, dass selbst nach einer mittleren Passa­ genzahl von z = 5 immer noch 0,7 % des Mahlgutes die Mühle nicht durchlaufen hat. Beim Passagenverfahren mit 5 Durchläufen hätte dagegen die gesamte Paste die Mühle fünfmal passiert. Der relativ hohe Verlust an Mahlgut (dadurch bedingt, dass nach der Dispergierung immer ein Rest in der Mahlkammer verbleibt) sowie die bei einem Produktwechsel erforderliche Reinigung der Mahlkammer mitsamt der Mahlperlenschüttung führte zur Ent­ wicklung der sogenannten Tauchmühlen oder (Sieb-) Korbmühlen (Abb. 4.26). Der mit Mahlperlen gefüllte Mahlkorb (Siebkorb) wird in das vordispergierte Mahlgut eingetaucht. Die Rührwelle wird angefahren und hält die Perlenschüttung im Korb in Bewegung. Der Siebkorb selber steht dabei still. Durch die Produktumwälzung wird

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Abb. 4.26: Tauchmühle (Korbmühle) Quelle: Netzsch Feinmahltechnik

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Herstellung von Beschichtungsstoffen

die Mahlpaste kontinuierlich durch den Siebkorb geführt und dort dispergiert. Die Mahlperlen werden durch ein Sieb am Boden oder an der Außenfläche am Austreten gehindert. Nach erfolgter Dispergierung wird der Korb aus dem Mahlgut herausgehoben, und durch kur­ zes Anlaufen der Rührwelle wird die sich im Siebkorb noch befindliche Mahlpaste weitgehend herausgeschleudert. Der Siebkorb lässt sich dann in einem separaten Schritt reinigen. Die Siebkorb-Mühlen haben sich inzwischen einen gewissen Marktanteil erobert – zugeschnitten und optimiert auf bestimmte Produktions- und Pigment-Eigenarten. Sie können allerdings – je nach Pigment und Mahlgutformulierung – nicht allgemein konventionelle Perlmühlen ersetzen.

4.9.6 Dispergieren im Extruder bei der Pulver­lack-Herstellung Die Dispergierung von Pigmenten im Rahmen der Pulver­lack-Herstellung erfolgt praktisch ausschließlich in Extrudern (Schnecken­knetern). Versuche mit anderen Geräten verliefen bisher nicht erfolgreich. Aufbauprinzip Das Herzstück eines Extruders ist die in einem zylin­dri­schen Kanal rotierende Schnec­­ke, welche die Harz-Pig­ment-Additiv-Mischung aus dem Einfülltrichter einzieht und dann unter Schmelzen und Kneten (Scheren) durch den Kanal befördert. Es haben sich im Pulverlackberech zwei konkurrierende Extruder-Typen etabliert, und zwar erstens Doppelschnecken-Extruder mit zwei kämmenden, gleichsinnig umlaufenden Schnecken, und zweitens Einschnecken-Extruder mit periodisch hin und und her bewegter Schnecke (sog. „Ko-Kneter“). Die Schnecken der Doppelschnecken-Extruder sind zusätzlich zu den fördernden SchneckenSegmenten mit Knetelementen bestückt. Beim Einschnecken-Extruder kommt die Knetwirkung durch die komplexe Form und Bewegung der Schnecke in Kom­bination mit an der Innenwand des Gehäuses be­festigten Knetzähnen zustande. Im Gegensatz zur Kunststoff-Extrusion, die auch als Strangpressen bezeichnet wird, tritt die Pulverlackschmelze aus dem Extruder praktisch drucklos aus und gelangt anschließend in die Kühlvorrichtung. heiße Schmelze Vormischung (aus Trockenmischer)

Düse

Temperatur

Verfahrenszone Einzugszone

(z.B.) 110 °C

Plastizierzone

Knet- und Homogenisierzone

Plastiziertemperatur Einspeisetemperatur der Vormischung 30 °C 0

Optimaler Massetemperatur-Bereich Ortskoordinate

Abb. 4.27:Temperaturverlauf-Diagramm der Pulverlack­ dispergierung vom Einschneckenkneter („Ko-Kneter“)

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Wirkungsweise Abb. 4.27 zeigt ein Tempe­raturverlaufDiagramm für einen Pulverlack-Ein­ schnec­kenextruder. Das Plastifi­zieren bzw. Schmelzen der Masse erfolgt (außer im Anfahrzustand) ausschließlich durch die eingebrachte mechanische Scher- und Knet­arbeit. Der Temperatur­verlauf längs der Schnecke wird durch die zonenweise gere­gel­te Kühlung des Gehäuses und ggf. durch die Schnecken-Innenkühlung eingestellt. Durch die hohen Scherkräfte im Extruder werden die Pigmentagglomerate schalenförmig von außen nach innen abgebaut. Die Scherkräfte und damit auch die Leistungsdissipationsdichte nehmen mit steigender Drehzahl der Schnecke (bis etwa 400 U/min) zu. Damit steigt – falls mit 100-%igem Füllgrad gearbeitet wird – auch

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Filtrieren

der Durchsatz (Massenstrom), und die mittlere Verweilzeit sinkt. Sofern technisch möglich, kann die mittlere Verweilzeit durch Verlängerung der Knetzone vergrößert werden. Betriebsparameter Der kritischste Parameter beim Pulverlack-Extrudieren ist die Temperatur des Knetguts. Da das Knet­gut schon alle Bestandteile des Pulverlackes enthält, ist es hitzereaktiv. Bei zu hoher örtlicher Temperatur im Extruder kann es somit zur partiellen Gelierung (Vernetzung) kommen, was unbedingt zu vermeiden ist. Die höchste Temperatur der Schmelze muss mindestens 20 K unter der Einbrenntemperatur des Pulverlackes liegen; daneben soll die mittlere Verweilzeit nicht höher als für die Dispergierung unbedingt notwendig und die Verweilzeitverteilung möglichst eng sein. Typische Daten sind: • Temperatur: 80 bis 100OC (örtlich und kurzfristig auch höher) • Mittlere Verweilzeit 15 s. Allgemein sind die Betriebsbedingungen so einzustellen, dass • die Scherwirkung (Drehzahl, Drehmoment) • die mittlere Verweilzeit • der Durchsatz • die Temperatur • der Temperaturverlauf • die Schmelzviskosität im optimalen Bereich liegen. Da sich die genannten Parameter gegenseitig beeinflussen, ist dies eine recht komplexe Aufgabe. Die Daten eines großen Pulverlack-Einschneckenextruders lauten z.B. 140 mm Schneckendurchmesser, 7 m Schneckenlänge, 139 kW Antriebsleistung, 2500 kg/h maximaler Durchsatz.

4.10 Filtrieren Lacke enthalten nach der Komplettierung stets auch eine Anzahl unerwünschter Partikeln, z.B. Staubteilchen, Abrieb von Mahlkörpern, Pigment-Überkörner, Ankrustungen und GelOberflächenfiltration („Siebfiltration“) teilchen auf. Diese Bestandteile müssen vor Flüssigkeit mit grobem Partikelschmutz dem Abfüllen durch Filtrieren möglichst vollabgetrennte Partikel ständig aus dem Lack entfernt werden. (Siebrückstand) Filtertypen Man unterscheidet grundsätzlich zwischen Oberflächen- und Tiefenfiltration; Abb. 4.28 veranschaulicht die Funktionsweise der beiden Filtrationsvarianten. Oberflächenfilter Oberflächenfilter, auch als Siebe bezeichnet, bestehen aus einer Lage Metall- oder Kunstfasergewebe in Tuch- oder Beutelform („Siebbeutel“). Durch die Fixierung (z.B. Thermofixierung bei Kunstfasern) liegt eine definierte, nahezu einheitliche Maschenweite vor, üblicherweise im Bereich zwischen 5 und 800 µm. In Abhängigkeit von der Faserdicke bestimmt die Maschenweite auch den Anteil der freien Fläche an der Gesamtfläche, die sog. freie Siebfläche.

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Oberflächenfilter („Sieb“) Siebgewebe mit Maschen

Tiefenfiltration (mit zusätzlicher Oberflächenfiltration) Flüssigkeit mit unerwünschten Partikeln abgetrennte Partikel

Tiefenfilter (-schicht)

Abb. 4.28: Prinzip von Oberflächen- und Tiefenfiltration

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282

Herstellung von Beschichtungsstoffen

Manometer

Einlauf (Rohlack)

Druckaufnahmekorb (Stützkorb)

Filterbeutel

Das Prinzip der Oberflächenfiltration (des „Siebens“) besteht darin, dass alle Partikel, welche nicht durch die Maschen passen, als Siebrückstand abgeschieden werden. Siebe werden bei der Lackproduktion – aber auch der Lackapplikation – überall dort eingesetzt, wo das Passieren übergroßer, fester Teilchen verhindert werden soll („Polizeifunktion“). Besteht die Gefahr, dass sich das Sieb durch abgesetzte Partikel verstopft, kann man Vibrati­ons­ siebmaschinen einsetzen. Tiefenfilter

Beim Tiefenfilter (genauer: Filtermittel) handelt es sich um mehr oder weniger dicke, poröse Platten, Rohre (Kartuschen, Patronen, Kerzen) oder Beutel. Die Materialien sind sehr unterschiedlich; Beispiele sind CellulosefaserKieselgur-Verpres­sun­gen für Platten, kunstharzAuslauf (Filtrat) gebundene Faserwicklungen für Kartuschen Abb. 4.29: Beutel-Filtrierapparat und Nadelfilz für Filterbeutel. Die Wirkungsweise der Tiefenfilter besteht darin, dass die abzuscheidenden Partikel in die Poren gelangen und sich in dem chaotischen Labyrinth adsorptiv ablagern oder mechanisch verfangen. Teilchen, welche nicht in die Poren passen, werden durch Oberflächenfiltration (Siebwirkung) zurückgehalten. Im Gegensatz zur konstanten Maschenweite, die bei Sieben als zentrale Kenngröße dient, ist die mittlere Porengröße bei Filtern – wegen des völlig anderen Abscheidemechanismus und der Porengrößenstreuung – eine weniger brauchbare Angabe. Filtergehäuse (Filterkessel)

Man gibt für Tiefenfilter statt dessen sog. Rückhalteraten an, welche durch Testfiltrationen ermittelt werden. Die Rückhalterate hängt außer vom jeweiligen Filtermittel auch von der Testverunreinigung sowie von den physikalischen Filtrationsbedingungen (Durchflussrate, Differenzdruck und Temperatur) ab. Betriebsparameter Unter der (absoluten) Rückhalterate versteht man eine Partikelgröße (in µm), für die qualitativ folgendes gilt: • Partikel, welche größer als die Rückhalterate sind, werden nahezu vollständig abgeschieden; • Partikel, die kleiner sind, passieren zum überwiegenden Teil. Die Rückhalterate darf nicht mit dem Abscheidegrad verwechselt werden. Letzterer gibt den Massenanteil der Verunreinigung an, welcher durch die Filtration abgeschieden wird. Eine wichtige betriebstechnische Größe einer Filtration ist der Diffe­renzdruck zwischen Oberund Unterseite der Filterschicht. Er soll möglichst niedrig sein und während der Filtration keinen starken Anstieg aufweisen. Für die Praxis besonders beachtenswert ist, dass alle Tiefen-Filtermittel nicht nur Partikel abscheiden, sondern ihrerseits auch partikuläre Bestandteile wie z.B. Faserstücke abgeben. Eine nachgeschaltete Oberflächenfiltration (Siebung) kann dieses Problem mildern. Als Beispiel für ein Lack-Filtrationsgerät zeigt Abb. 4.29 den Querschnitt eines Beutel-Filtrier­ apparates. Meistens sind die Filtriergeräte zusammen mit einer Pumpe (z.B. Zahnradpumpe) und den Verbindungsrohren zu einer fahrbaren Einheit kombiniert und damit in der Fabrikationsstätte schnell an mehreren Orten einsetzbar.

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Ergänzendes zur Herstellung wasserverdünnbarer Lacke und Farben

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4.11 Ergänzendes zur Herstellung wasserverdünnbarer Lacke und Farben Die Fertigung wasserverdünnbarer Lacke („Wasserlacke“) und Farben erfolgt nicht grundsätzlich anders als die von lösemittelbasierten Produkten. Es gibt jedoch einige Besonderheiten und zu treffende Maßnahmen, welche stichwortartig genannt seien: • Gefahr der Anlagenkorrosion und nachfolgend damit Produkt-Schädigung (Verfärbung, Koagulation) durch Korrosionsprodukte → Verwendung nichtrostender Stähle, Kunststoffe bzw. Schutzbeschichtungen; insbesondere Ausschluss von Buntmetallen wie Messing, auch Zink und Aluminium. • Gefahr der Bindemittelkoagulation durch ionische Verunreinigungen (vor allem aus kalkhaltigem Leitungswasser, Regenerationsmittelreste aus der Deionisierungsanlage) • verstärkte Schaumbildung aufgrund der Anwesenheit Tensid-artiger Strukturen im Wasserlack → Entschäumer verwenden • Gefahr des Bakterien- und Pilzbefalls (besonders relevant bei Dispersionsfarben u.ä. Beschichtungsstoffen, generell Materialien mit sehr geringem Lösemittelgehalt) → Produktion keimarm gestalten, notfalls Biozide zusetzen • Gefahr der Krustenbildung an den Produktionseinrichtungen durch irreversible Antrocknungen → sauber arbeiten, aus Anlagen ausgetretene Produkte bzw. Produktrückstände sofort abwaschen • Dispersionen und kolloidale Filmbildner oft nicht temperatur- und scherstabil → Pigment-Dispergierung schonend, z.B. nur im Dissolver bei max. ca. 50°C, oder (falls möglich und nötig) ohne Filmbildner nur in Wasser/Dispergieradditiv-Mischung durchführen • Gefahr des Einfrierens wasserhaltiger Rohstoffe, Halbfabrikate und Fertigprodukte → Lagertemperatur über 5°C halten. Auch häufige stärkere Temperaturschwankungen, z.B. 5 °C ⇔ 40 °C, können Schäden verursachen und sind zu vermeiden. • Gefahr der Ausfällung und/oder Koagulation von Filmbildnern durch Luft-CO2-Einwirkung (pH-Wert-Abfall, unzureichende Neutralisation saurer Funktionen) → Luftkontakt bei Produktion und Lagerung minimieren; Rezeptur optimieren • Schockgefahr größer als bei lösemittelbasierten Rezepturen → Auflacken, Verdünnen und ggf. Neutralisieren langsam unter Rühren durchführen; große Konzentrationsunterschiede vermeiden; starke Löser und Neutralisationsmittel vorverdünnen.

4.12 Quellen und weiterführende Literatur zu Kapitel 4 [1]

A. Goldschmidt und H.-J. Streitberger: BASF-Handbuch Lackiertechnik, Vincentz Network, Hannover, 2014

[2]

W. Hemming: Verfahrenstechnik. 11. Aufl., Vogel Business Media, 2011

[3]

H. Kittel: Lehrbuch der Lacke und Beschichtungen, Bd. 8, S. Hirzel Verlag, Stuttgart, 2. Auflage, 2004

[4]

B. Müller und U. Poth: Lackformulierung und Lackrezeptur, 4. Aufl., Vincentz Network, Hannover 2014

[5]

J.M. Oyarzún: Pigment Processing, Vincentz Verlag, Hannover 2000

[6]

J. Prieto und J. Kiene: Holzbeschichtung, Vincentz Network, Hannover 2007

[7]

D. P. Roelofsen: farbe + lack 97 (1991), 235 („Entwicklungen auf dem Gebiet des Pigmentdispergierens mit Rührwerkskugelmühlen“)

[8]

Vincentz Network: „Lehrgang Lacktechnologie“, Modul 2 (November 2015); „Lackherstellung“ (T. Brock, Hochschule Niederrhein)

[9]

F. Vock: Verfahrenstechnik und Prozesskette Lackherstellung. CC Press AG, Termen (CH), 1997

[10] RömppOnline, mit updates, siehe www.roempp.com [11] P. Wißling et al.: Metalleffekt-Pigmente, 2. Aufl., Vincentz Network, Hannover 2013 [12] J. Winkler: Dispergieren von Pigmenten und Füllstoffen, Vincentz Network, Hannover 2010 [13] Schriften der Firmen Bernd Schwegmann GmbH & Co. KG, Buss AG, Fryma-Maschinen AG, HüttenesAlbertus GmbH, Netzsch Feinmahltechnik GmbH, RHE Händel Engineering GmbH, Seitz-Filterwerke GmbH & Co., VMA-Getzmann GmbH, Wilhelm Niemann GmbH & Co. KG

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5

Untergründe und ihre Vorbehandlung

Untergründe und ihre Vorbehandlung

5.1 Allgemeines Genau betrachtet: Beschichtungsstoffe sind keine Endprodukte, sondern Zwischenprodukte. Das wahre Endprodukt ist die fertige, ausgehärtete Beschichtung. Diese ist wiederum auch nur Teil eines Verbundes, bestehend aus eben dieser Beschichtung und dem beschichteten Substrat. Darin kann eine Beschichtung verschiedene Funktionen erfüllen, z.B. Schutz des beschichteten Gegenstandes vor schädlichen Umwelteinflüssen, Verschönerung seines Aussehens, oder – durch besondere physikalische oder funktionelle Effekte – Veredelung seiner Oberfläche. Diese Aufgaben lassen sich nur erfüllen, wenn die Beschichtung fest auf dem Gegenstand haftet. Löste sie sich auch nur teilweise vom Untergrund, erfüllte sie ihren Zweck nicht. Die Haftfestigkeit zum Untergrund wird nicht durch den Beschichtungsstoff alleine bestimmt, sondern ganz wesentlich auch von den Eigenschaften des beschichteten Untergrundes. Für eine optimale Haftfestigkeit muss einerseits das Lackierobjekt entsprechend vorbehandelt bzw. vorbereitet werden, andererseits der Beschichtungsstoff in Bezug auf spezifische Filmeigenschaften, z.B. Härte oder Wärmeausdehnungsverhalten, auf das Substrat abgestimmt sein. Zusätzlich ist das Substrat maßgebend für die Applikationsmethode und die möglichen Härtungsarten, die ganz wesentlich durch die Temperaturbeständigkeit des Substrates und seine Abmessungen bestimmt werden. Tab. 5.1: Oberflächenvorbehandlung verschiedener Substrate, nach [27] Substrat

Verunreinigungen

Reinigung

Metalle

Metallspäne, Öle, Fette, Zunder, Rost, Oxide, Flugrost, Staub, Silicone, Läppaste, Lackreste, Altbeschichtungen

mechanisch:

Wischen, Schleifen, Polieren, Bürsten, Strahlen

thermisch:

Flammstrahlen

chemisch: (ggf. mit mechanischer Unterstützung)

Beizen, Reinigen mit Lösemitteln oder wäßrigen Reinigern)

Fette, Öle, Trennmittel, Staub, Handschweiß

mechanisch:

Abreiben, Abblasen, Abspülen

chemisch:

Lösemittel oder wäßrige Reiniger

Kunststoffe

Vorbereitung/Vorbehandlung

1)

Aktivieren, Dekapieren (Al), Phosphatieren, Chromatieren, Chromatfreie Verfahren, Nachpassivieren

Beflammen, Plasma-Verfahren, Corona-Entladung, Fluorierung, Chromschwefelsäure-Prozeß, Satinizing, Benzophenon/UV

Holz

Schleifreste, Staub, Feuchtigkeit, Holzinhaltsstoffe, Lackreste

nur mechanisch:

Schleifen, Polieren, Bürsten

Imprägnieren, Versiegeln, Grundieren

mineralische Untergründe

Staub, Salze, Fette, Reifenabrieb, Altanstriche

mechanisch:

Strahlen

chemisch:

Lösemittel oder wäßrige Reiniger

Imprägnieren, Versiegeln, Hydrophobieren

Streng genommen umfasst die Vorbehandlung auch die Reinigung

1

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Grundlagen der Haftung

285

Beschichten lassen sich alle festen Substrate, von anorganischen Werkstoffen, wie Metallen oder Beton, bis zu organischen, wie Papier, Holz oder Leder. Im Folgenden behandelt werden die für eine Beschichtung maßgeblichen Eigenschaften und die Vorbehandlung der wichtigsten Gebrauchsmetalle, Kunststoffe, Hölzer bzw. Holzwerkstoffe und mineralischen Untergründe. In Tab. 5.1 sind die Reinigungsund Vorbehandlungsmethoden der wichtigsten Untergründe zusammengestellt.

5.2 Grundlagen der Haftung Wie erwähnt, ist die Haftung einer Beschichtung auf dem Untergrund eine unabdingbare Vorausset­ zung für die Funktionsfähigkeit der Schicht. Wichtige Einzelfaktoren dabei sind die Oberflächentopographie des Substrates und – ganz wesentlich – die Wechselwirkungskräfte an der Grenzfläche Substrat/Beschichtung. Neben chemischen Bindungen ist dort vor allem die Adhäsion für die Haftfestigkeit maßgebend. • Dabei versteht man generell unter Adhäsion die Haftwirkung an der Grenzfläche zwischen einer festen Substanz und einer zweiten Phase, die entweder aus Molekülen, Teilchen, Tröpfchen oder Pulvern oder – lacktechnisch bedeutsam – aus einer kontinuierlichen flüssigen oder festen Phase, hier der Beschichtung, besteht. • Unter Kohäsion versteht man dagegen die Festigkeit des inneren Zusammenhanges eines homogenen Stoffes, d.h. hier der Lackschicht ebenso wie die des Substrates. • Unter Haftfestigkeit soll hier die verbindende Kraft pro Flächeneinheit verstanden werden, die sich aus der Summe aller Einzelkräfte zwischen Untergrund und Lackfilm ergibt. Art und Reichweite der Haftkräfte Bis heute gibt es kein zureichendes wissenschaftliches Verständnis der grundlegenden Zusammenhänge zwischen der Vielzahl von Variablen, die die Haftung beeinflussen, und der daraus re­­sul­­tierenden Haftfestigkeit. Man hat eine ganze Reihe von Theorien entwickelt, die immer nur Teilaspekte der Haftung von Beschichtungen auf Untergründen behandeln. Für eine einwandfreie Haftung müssen zwei Bedingungen auf jeden Fall erfüllt sein: 1. Die Oberfläche des Substrates muss fest genug sein, um eine brauchbare Basis für die Beschichtung zu bilden. Auf einem losen Untergrund ist keine gute Verankerung der Beschichtung möglich. 2. Der Beschichtungsstoff muss so nah an die Oberfläche des Substrates gelangen, dass er dort durch die an der Grenzfläche wirkenden Anziehungskräfte auf dem Untergrund gehalten werden kann. Die Art dieser Anziehungskräfte ist natürlich von der Natur des Substrates und der des Beschichtungsstoffes abhängig. Immer beteiligt sind Nebenvalenzbindungskräfte wie Dipol-Dipol-Kräfte, Induktionskräfte oder Dispersionskräfte (→ 2.1.1.3). Die Entstehung echter Bindungen oder Wasserstoffbrückenbindungen setzt das Vorhandensein entsprechender reaktiver Gruppen sowohl an der Substratoberfläche als auch im Filmbildner voraus. Gegebenenfalls werden dem Beschichtungsstoff extra Haftvermittler zugesetzt, die solche auf das Substrat abgestimmte reaktive Gruppen enthalten, oder es werden spezielle haftvermittelnde Schichten aufgebracht, und zwar entweder auf der Substratseite (z.B. Phosphatierung bei Metallen oder Plasmabehandlung bei Kunststoffen) oder auf der Beschichtungsseite als Primer. Die Reichweite der Anziehungskräfte zwischen Untergrund und Beschichtung liegt im atomaren Bereich, etwa zwischen 0,1 und 0,3 nm (s. Tab. 5.2). Solche geringen Abstände zwischen Beschichtungsstoff und Untergrund können nur bei einer Oberfläche des Substrates erreicht werden, die • erstens völlig sauber ist und • zweitens vollständig durch den Beschichtungsstoff benetzt wird.

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Untergründe und ihre Vorbehandlung

Tab. 5.2: Wechselwirkungskräfte zwischen Grenzschichten Art der Kräfte

Bindungskräfte kovalent

ionisch

H-Brückenbindungen

DipolDipolkräfte

Induktionskräfte

Dispersionskräfte

Reichweite (nm)

0,1 bis 0,2 0,1 bis 0,2

0,3 bis 0,5

0,3 bis 0,5

0,3 bis 0,5

0,3 bis 0,5

Bindungsenergien [kJ/mol]

60 bis 700

600 bis 1 000

< 50

< 20 KeesomEnergie

12

Stark alkalische Reinigung

Natriumhydroxid, Silicate, Soda, Phosphate, Tenside

Eisen

schwerste Reinigungsbzw. Entfettungsaufgaben

10 –12

(Mild-) Alkalische Reinigung

Silicate, Soda, Borate, Phosphate, Tenside

Eisen, Zink, Alumini- am universellsten anum, Kunststoffe wendbar, gute Leistung ohne chemischen Angriff auf das Metall

7– 9

Neutralreinigung, Passivierung

Tenside, Phosphate, Eisen, Zink, AlumiEmulgatoren nium

für leichtere Reinigungsaufgaben; bei Metallen meist kombiniert mit temporärem Korrosionsschutz, trocknen praktisch rückstandsfrei

4,5–5,5 Entfettung, saure Alkaliphosphat-Reinigung, Eisen­ phosphatierung

Eisen, Zink, AluminiAlkaliphosphate, um, Kunststoffe Polyphosphate, Phosphorsäure, Beschleuniger, Tenside

ergeben auf Stahl und Zink sehr dünne Phosphatschichten, welche die Lackhaftung erheblich verbessern

ca. 4

Chromatierung

Cr (VI)-, Zirkon- und Titanverbindungen

passivierend

ca. 2

Zinkphosphatierung

Zn(II)-, Mn(II)-, Ni(II)-, Eisen, Zink, AlumiCu(II)-Salze, Oxida­ nium tionsmittel, Phosphorsäure

ergibt Phosphatschichten für sehr gute Lackhaftung

1– 2

Beizen, Entrosten, Entzundern

Mineralsäuren

vollständige Entrostung

Zink, Aluminium, (Magnesium)

Eisen

Schichttypen/Verfahrensvarianten Die wichtigsten Verfahren zur Erzeugung von Konversionsschichten seien im Folgenden kurz charakterisiert. • Zinkphosphatierung Aus einer phosphorsauren, Zink- und andere Metallionen sowie verschiedene Hilfsstoffe enthaltenden Lösung werden vor allem auf Stahl und Zink, bei Sonderverfahren auch auf Aluminium, feinkristalline, wenige µm dicke Schichten aus Zink- bzw. (bei Stahl als Substrat) Zinkeisenphosphaten abgeschieden. In Verbindung mit einer passivierenden Nachspülung wird höchste Korrosions- bzw. Unterwanderungsbeständigkeit erzielt. Die Schichtbildung auf Stahl sei vereinfacht und zusammengefasst durch folgende Gleichung wiedergegeben: 3 Zn2+ + 6 H2PO4– + 6 OX + 4 Fe 3 Zn2+ + 6 H2PO4– + 6 OX + 4 Fe in der in der PhosphatierungsPhosphatierungslösung lösung

→ →

StahlStahluntergrund untergrund

Zn3(PO4)2 · 4 H2O + 4 FePO4 + 6 X + 2 H2O Zn3(PO4)2 · 4 H2O + 4 FePO4 + 6 X + 2 H2O

auf der Oberfläche auf der Oberfläche aufgewachsene aufgewachsene ZinkphosphatZinkphosphatSchicht Schicht

PhosphatierPhosphatierschlamm schlamm

OX = Oxidationsmittel (Depolarisator) OX = Oxidationsmittel (Depolarisator)

(Die Phosphatierungsschichten auf Stahl enthalten – in Abhängigkeit von der Zusammensetzung der Phosphatierungslösung und den Applikationsbedingungen – auch unterschiedliche Mengen

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Metalluntergründe

a

25 µm

b

100 µm

c

10 µm

Abb. 5.4: Blanke (a) und (manganmodifiziert) zinkphosphatierte (b, c) Stahloberfläche unter dem Raster-Elektronenmikroskop (REM) [aus: „Bonder-Technik“ 23, 1987 (Chemetall)]

Eisen. Neben Eisenphosphat befinden sich im Phosphatierschlamm auch andere Verbindungen, vor allem Zinkphosphat.) Abb. 5.4 zeigt rasterelektronenmikroskopische Aufnahmen einer blanken und einer (manganmodifiziert) zinkphosphatierten Stahloberfläche. Es dürfte danach verständlich sein, dass eine derartige Schicht – neben ihrer Schutzfunktion – dank ihrer zerklüfteten Struktur auch einen idealen Haftgrund für die Lackierung darstellt. Die Zinkphosphatierung ist die gängigste Vorbehandlungsmethode für Automobilkarosserien und andere korrosiv hoch beanspruchte, hochwertige Massenprodukte. • Alkaliphosphatierung Die Alkaliphosphatierung („Eisenphosphatierung“) von Stahl und Zink wird in der Regel als kombinierter Reinigungs- und Phosphatierungsprozess durchgeführt. Im Vergleich zur Zinkphospha­ tierung ist diese Methode bezüglich Anlageninvestition und Steuerungsaufwand wesentlich günstiger und deshalb weit verbreitet. Die Alkaliphosphatierung ergibt jedoch nur relativ dünne Schichten, und nach aufgebrachter Lackierung ist die erzielbare Korrosionsresistenz deutlich geringer. So reicht die Alkaliphosphatierung für witterungs- und dauerhaft feuchtigkeitsbean­ spruchte, lackierte Oberflächen im Allgemeinen nicht aus. • Chromatierung Aluminium, gelegentlich auch Zink und Magnesium-Legierungen werden vor dem Lackieren noch häufig chromatiert. Die Behandlung erfolgt hier mit sauren, Chrom(VI)-, d.h. chromathaltigen Lösungen. Je nach Zusammensetzung des Chromatierungsmittels ergeben sich unterschiedlich gefärbte Schichten, wobei man vor allem zwischen der Grün- und der Gelbchromatierung unterscheidet. • Chromfreie Verfahren (als Ersatz für die Chromatierung) Wegen der Giftigkeit der Chrom(VI)-Verbindungen und der allgemeinen Schwermetallproblematik werden Chrom(VI)-basierende Vorbehandlungsverfahren für Zink und Aluminium (und in zunehmendem Maße auch für Magnesium) heute durch chromfreie Verfahren ersetzt. Je nach Substrat haben sich bisher verschiedene Verfahren etabliert, z.B.: – Bei der alkalischen Passivierung (geeignet für verzinkte Substrate) wird eine sehr dünne Schicht (0,05 – 0,5 g/m2) komplexer Metalloxide auf der Oberfläche gebildet, die das darunter liegende Metall vor einem Korrosionsangriff schützt. – Titan-, zink- oder zirkoniumhaltigen Schichten bilden sich bei einem Beizangriff durch eine phosphorsäure- und fluoridhaltige sauer eingestellte Lösung auf Zink- oder Aluminiumsubstrate. Titan- und Zirkonium wird dabei in Form von Phosphaten und/oder Oxiden abgeschieden und in die sich bildende Oxidschicht eingebaut. Die entstehenden Überzüge können je nach

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Untergründe und ihre Vorbehandlung

Verfahren sehr dünn (0,01–0,05 g/m2) sein oder auch in Kombinationen mit organischen Polymeren Stärken bis von 20–30 g/m2 erreichen. Beim Cerat-Verfahren bilden sich im stark sauren cerhaltige Oxidschichten. – Ohne Übergangsmetalle arbeiten Verfahren auf der Basis von organofunktionalisierten Silanen, die über Silizium-Sauerstoffbrücken einerseits fest auf dem metallischen Substrat gebunden werden und andererseits über funktionelle Gruppen am organischen Silanrest in die Bindemittelmatrix der organischen Beschichtung eingebaut werden. – Beim SAM-Verfahren (self-assembling molecules) bildet die Anbindung von Organophosphonsäuren über die Säuregruppe an die Metalloberfläche ein Schicht, die durch die Ausrichtung bestimmter funktioneller Gruppen korrosionsschützende Eigenschaften hat. • Oxidation Die eben erwähnte anodische Schichtbildung auf Aluminium dient allerdings weniger zur Vorbehandlung, sondern in der Regel als „Blankkorrosionsschutz“. Für die Vorbehandlung von verzinktem Stahlband gibt es ein speziell konzipiertes alkalisches Oxidationsverfahren. Die alkalische Oxidation von Stahl ist als „Schwarzoxidieren“ oder „Brünieren“ bekannt; sie dient nicht der Vorbehandlung, sondern dem dekorativen Blankkorrosionsschutz. Abschließend sind in Abb. 5.5 einige typische Verfahrensabläufe zur Metalloberflächenvorbe­ handlung dargestellt, wie sie in der industriellen Fertigung praktiziert werden.

5.3.6 Handwerkliche Vorbereitung von Metalluntergründen Stahloberflächen sind ggf. zunächst nach den unter 5.3.3.1 erwähnten Methoden zu entrosten. Nicht erreichbare Stellen können nach dem Entfetten mit „Rostumwandlern“ behandelt werden. Dies ist aber aufgrund der schlechten Dosierbarkeit kritisch zu betrachten. Bei zu geringer Menge Rostumwandler verbleibt Restrost, bei zu hoher Dosierung nicht umgesetzter Rostumwandler, auf der Oberfläche. Beide können ggf. die Schutzdauer der Beschichtung negativ beeinträchtigen. Für die nachfolgende Entfettung/Reinigung ist z.B. das Dampfstrahlen gut geeignet. Dann ist zu grundieren, z.B. mit einem Wash-Primer oder einem 2K-Epoxid-Primer.

Reinigen/ Alkaliphosphatieren

Spülen

VE-Spülen + Sprühen

3-Zonen-Spritzanlage für befettete Werkstücke aus Stahl Reinigen

Spülen

Alkaliphosphatieren

Spülen

VE-Spülen + Sprühen

5-Zonen-Tauchanlage für befettete Werkstücke aus Stahl Entfetten

Spülen

Beizen Phosphor-/Flusssäure

Spülen

Chromatieren

Spülen

VESpülen

7-Zonen-Tauchanlage für die Chromatierung von Aluminiumteilen Reinigen

Spülen

Beizen

Spülen

Aktivieren

ZinkPhosphatieren

Spülen

Passivieren

VESprühen

9-Zonen-Tauchanlage für befettete und angerostete Werkstücke aus Stahl Vorentfetten

Entfetten

Spülen Spülen 1 2

ZinkPhosphatieren

Spülen Spülen Spülen 3 4 5

Passivieren

VE-Spülen + Sprühen

10-Zonen-Spritzanlage für Karosserien

Abb. 5.5: Übersicht über in der Praxis häufig angewandte Vorbehandlungsverfahren für Metall

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Kunststoffuntergründe

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Zinkoberflächen sind mit Ammoniakwasser, dem eine kleine Menge Spülmittel (Neutralreiniger) zugesetzt ist, kräftig abzuwaschen (Schleifvlies verwenden). Wenig bis nichthaftende, voluminöse Korrosionsprodukte („Weißrost“) sind ggf. mild abzuschleifen. (Vorsicht! Durchschleifen der Zinkschicht auf verzinktem Stahl vermeiden!). Zum Grundieren gibt es spezielle Zinkprimer. Für Aluminium bietet sich folgender Arbeitsgang an: Reinigen – trockenes Schleifen, z.B. mit „Scotch Brite“ – Abstauben – Abreiben mit Lösemittel. Glattes „Duraluminium“ wird vorzugsweise mit phosphorsauren Lösungen „gewaschen“ oder dampfstrahlgereinigt.

5.4 Kunststoffuntergründe Auch Kunststoffteile werden häufig lackiert, vor allem bei gehobenen optischen Ansprüchen. Durch das Lackieren erzielt man • ein dekoratives Aussehen, • ggf. eine Angleichung der Farbe an umgebende Flächen wie z.B. bei lackierten Stoßfängern • eine verbesserte Oberflächenqualität (insbesondere in Kombination mit Spachteln und Füllern) • einen Schutz der Kunststoffoberfläche vor direktem Einfluss von aggressiven Agenzien und Witterung • besondere Oberflächenstrukturen bzw. -Effekte wie z.B. den „Soft-Feeling-Effekt“ • ggf. besondere technische Oberflächeneigenschaften, z.B. elektrische Leitfähigkeit (durch Aufbringen von sog. Leitlacken ).

5.4.1 Kunststoffe, Kunststoffoberflächen und ihre Lackierbarkeit Grundeigenschaften Kunststoffe, d.h. organische Polymerwerkstoffe, teilt man gemäß ihrer molekularen Struktur primär in Thermoplaste und Duromere ein; dazwischen befinden sich die gummielastischen Elastomere (→ 2.1.1.1). Aus dem Molekülaufbau ergeben sich charakteristische thermische, mechanische und Löslichkeitseigenschaften, welche in Abschnitt 2.1 ausführlich behandelt wurden. Als Beispiele für wichtige Vertreter der einzelnen Kunststoffgruppen seien folgende genannt: • Thermoplaste – Polyethylen (PE) – Polypropylen (PP) – Polyvinylchlorid (PVC, hart: PVC-U, weich: PVC-P) – Polystyrol (PS) – Polycarbonat (PC) – Polymethylmethacrylat (PMMA) – Acrylnitril-Butadien-Styrol-Pfropfcopolymer (ABS) – Polyamid (PA) – Polyoxymethylen (POM) – Polytetrafluorethylen (PTFE) • Duromere (vielfach gefüllt und/oder faserverstärkt) – Ungesättigte Polyester (UP) – Epoxidharze (EP) – Melaminharze (MF) – Phenolharze (PF) • Elastomere – Polyurethan (PUR) – Silicon (SI) – Ethylen-Propylen-Dien-Elastomer (EPDM)

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Untergründe und ihre Vorbehandlung

Polyurethan kommt als Lackieruntergrund auch in Form von PUR-Integralschaum unterschiedlicher Härte vor. Er besitzt einen zelligen Kern und eine geschlossene Oberfläche. Für die Kunststofflackierung sind in erster Linie die Eigenschaften der Kunststoffoberfläche relevant, wie Reinheit, Benetzbarkeit, Affinität zum Lack (Haftfestigkeit) und Anlösbarkeit durch Lacklösemittel. In zweiter Linie sind auch das mechanische und thermische Verhalten des Kunststoffes sowie seine elektrische Leitfähigkeit zu berücksichtigen. So sind Duromere in der Regel thermisch recht beständig, weshalb hier kurzzeitiges Einbrennen eines Lackes bei bis zu etwa 140 °C möglich ist. Viele Thermoplaste verlieren hingegen schon zwischen 60 und 100 °C ihre Formbeständigkeit. Oberflächenzustände, Lackierprobleme Kunststoffe sind im chemischen Sinne nicht „rein“; sie enthalten, ähnlich den Beschichtungsstoffen, stets Fremdkomponenten, welche entweder durch Nebenreaktionen bei der Synthese entstanden sind, im Fertigteil bestimmte Eigenschaften modifizieren sollen, wie Füllstoffe, Pigmente, Verstärkungsfasern, oder als Additive (Hilfsstoffe) bei der Verarbeitung zugesetzt wurden. Soweit sie die Oberflächeneigenschaften von Kunststoffen beeinflussen, unterscheidet man im Wesentlichen zwischen • aus dem Inneren des Kunststoffes durch Migration an die Oberfläche gelangenden Additiven wie Weichmachern, Fließhilfen, Gleitmittel, Treibmitteln (bei Schäumen), Farbstoffen, Stabilisatoren, Antioxidantien sowie Spaltprodukten, z. B. Wasser und Formaldehyd und • auf die Oberfläche aufgebrachten Prozesshilfsstoffen wie Trennmitteln (Wachse, Fette, Öle u.ä.). Alle diese Stoffe befinden sich mehr oder weniger (auch) auf der Oberfläche des unlackierten Formteils und können auch nach der Oberflächenreinigung in unterschiedlichem Maße aus dem Innern des Kunststoffes nachgeliefert werden („migrieren“). Entscheidend dabei ist, dass diese Stoffe die Lackierbarkeit meistens negativ beeinflussen. Selbst wenn die Kunststoffoberfläche von obigen Fremdstoffen ausreichend befreit ist, stellt Einstauben der Oberfläche häufig das nächste Problem dar: Wegen der fehlenden Oberflächenleitfä­hig­keit der Kunststoffoberfläche können elektrostatische Ladungen nicht abfließen; es kommt zu Einfangen und Festhalten von Staubpartikeln aus der Luft. Zum Vergleich denke man an die Erscheinung, dass man mit einem Kunststoffkamm, mit dem man gerade eben trockenes Haar gekämmt hat, Papierschnipsel anziehen kann. Selbst wenn man das Staubproblem gelöst hat, kommt evtl. ein dritter Problemkomplex zum Vorschein: Der Lack benetzt die Oberfläche nicht bereitwillig und haftet nach dem Trocknen unzureichend. Wenn für das letztgenannte Problem nicht auf der Oberfläche verbliebene Reste an Fremdstoffen verantwortlich sind, liegt die Ursache im Kunststoff selbst: Er hat aufgrund eines unpolaren Molekülaufbaus eine ebenfalls unpolare Oberfläche und damit eine zu niedrige Oberflächenspannung. Als schwer lackierbar gelten in diesem Sinne vor allem die wichtigen Massenkunststoffe PE und PP, ferner POM und EPDM.

5.4.2 Vorbehandlung von Kunststoffen Beseitigen von Oberflächendefekten Sollten herstellungsbedingte Oberflächendefekte wie Poren, Lunker (Vertiefungen), Blasen und Fließnähte oder auch stärkere Beschädigungen der Oberfläche vorliegen, ist diese zunächst zu schleifen oder zu strahlen, evtl. sogar zu spachteln. Durch das (schonende!) Schleifen und Strahlen erhält die Oberfläche auch eine definierte Aufrauhung, was sich positiv auf die Lackhaftung auswirkt.

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Kunststoffuntergründe

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Reinigen Das Reinigen von Kunststoffoberflächen (incl. Entfernen der unter 5.4.1 genannten Additive) geschieht heute – wie bei Metallen – meistens mittels wässriger Reinigerlösungen. Allerdings ist hier das Reinigen aufgrund der schon oben genannten oft schwerbenetzbaren Oberfläche und der meistens niedrigeren Reinigungsmitteltemperatur oft schwieriger als dort. Es folgt das Spülen mit Wasser, zuletzt mit vollentsalztem Wasser, und das Trockenblasen. In geringem Umfang, z.B. dann, wenn Formtrennmittelreste nicht anders vollständig entfernt werden können, wird noch das Reinigen mit Lösemitteln durch Wischen, Spritzen, Tauchen und/oder „Dampfentfetten“ angewandt, notfalls in Verbindung mit vorherigem oder zwischenzeitlichem Tempern. Die Auswahl von geeigneten Lösemitteln, die einerseits die Verunreinigungen lösen, aber andererseits den Kunststoff weder angreifen noch in zu hohem Maße in ihn hinein migrieren, kann schwierig sein. Entfernen von Staub und Oberflächenladungen Meistens lässt es sich nicht vermeiden, dass die gereinigten und getrockneten Kunststoffteile auf dem Weg von der Reinigungs- zur Lackierzone Staub anziehen. Dieser ist am Spritzkabineneingang mit ionisierter Luft abzublasen. Alternativ kann nach dem wässrigen Reinigen eine „Antistatik-Flüssigkeit“ aufgebracht werden, welche die elektrostatische Aufladung beim und nach dem Trockenblasen verhindert, und zwar ohne später die Lackhaftung zu stören. Verbesserung von Benetzbarkeit und Lackhaftung Vor allem die unpolaren Massenkunststoffe PE und PP zeigen eine unzureichende Benetzbarkeit durch Lacke, insbesondere Wasserlacke. Darüber hinaus ist die Haftung der trockenen Lackschicht auf diesen, aber auch einigen anderen Kunststoffen relativ schlecht. Die Ursachen für die genannten Probleme liegen (wie schon angedeutet) in der zu niedrigen Oberflächenspannung bzw. Polarität der Kunststoffoberfläche. Zur Erhöhung der Polarität wird die Kunststoffoberfläche nach verschiedenen Verfahren oxidiert oder auch fluoriert, wodurch unpolare C-H-Bindungen in polare C-O- bzw. C-F-Bindungen übergehen. Die wichtigsten Verfahren seien im Folgenden kurz charakterisiert. • Beflammen Eine mit Luftüberschuss, d.h. blau brennende Gasflamme wird manuell oder automatisch über die Kunststoffoberfläche geführt (Einwirkdauer meistens unter 1 Sekunde). Es kommt zu einer oberflächli­chen Oxidation und damit Polaritätserhöhung. Am häufigsten angewandtes Verfahren. – Vorteile: Kontinuierlich, einfach und wirksam. – Nachteile: Thermische Belastung der Teile, sehr kurze Wirksamkeit, nicht für kompliziert geformte Teile. • Coronabehandlung An die Stelle der Flamme des Beflammverfahrens tritt eine Wechselspannungselektrode, welche durch eine Glimmentladung (Coronaentladung) energiereiche, die Kunststoffoberfläche oxidie­ rende Sauerstoff-Ionen bildet. – Vorteile: Kontinuierlich, keine thermische Belastung der Teile. – Nachteile: Geringe Reichweite, nur sehr oberflächlich und kurzzeitig wirksam, nur (nahezu) flache Teile und Folien behandelbar. • Plasmabehandlung Die Teile werden in einer Vakuumkammer einem Plasma1) eines Reaktionsgases (Sauerstoff, evtl. zusätzlich andere Gase) ausgesetzt. Einwirkdauer 1 bis 5 Minuten. – Vorteile: Inline-fähig, universell, wirksamer als Corona-Behandlung, nahezu unabhängig von der Teilegeometrie, hohe Prozesssicherheit, wirksam bis zu einigen Wochen, auch für schwierig aktivierbare Materialien. – Nachteile: technisch aufwendig, Teilegröße begrenzt. Ein Plasma ist ein Gas, das neben neutralen Molekülen und Atomen auch aus diesen Teilchen entstandene positive und negative Ionen enthält.

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Untergründe und ihre Vorbehandlung

• Fluorierung In einer Vakuumkammer werden die Teile einige Minuten lang einem Fluor-Stickstoff-Gemisch ausgesetzt. – Vorteile: Sehr wirksam (Oberflächenspannung dauerhaft stark erhöht), beliebig geformte Teile gleichmäßig behandelbar, bis zu mehreren Monaten wirksam. – Nachteile: Diskontinuierlich, technisch aufwendig, Gefahr der Spannungsrissbildung im Substrat, Teilegröße begrenzt. • Silikatisierng Ähnlich der Beflammung. Das Brenngas enthält zusätzlich Silicium-organische Verbindungen, die eine 20–40 nm starke Schicht aus amorphem Siliciumdioxid auf dem Substrat abscheiden. – Vorteile: Kontinuierlich, einfach und wirksam, leicht vom Beflammen aufrüstbar, Beschichtung wird sehr feuchtebeständig. – Nachteile: Thermische Belastung der Teile, kurze Wirksamkeit (aber länger als beim Beflammen). • UV-Bestrahlung Die zu lackierenden Teile werden an UV-Strahlern sehr hoher Leistungsdichte vorbeigeführt. Durch eine radikalische Reaktion mit Laufsauerstoff wird die Oberfläche aktiviert. – Vorteile: Einfacher als die Plasmabehandlung, kontinuierlich, niedrige Prozesstemperaturen. – Nachteil: Hoher Ozonausstoß. Haftvermittler Mitunter kann die Lackhaftung auf Kunststoffen durch Einsatz von Haftvermittlern (im Lack) bzw. Haftprimern – ggf. in Kombination mit Anschleifen (Aufrauen) der Kunststoffoberfläche – soweit verbessert werden, dass sich auf eine oxidative Vorbehandlung verzichten lässt. Dies ist besonders für das handwerkliche Lackieren von Bedeutung. Tempern Bestimmte harte Kunststoffe, wie z.B. PMMA, enthalten herstellungsbedingt oft noch „eingefrorene“ Spannungen, welche bei der Einwirkung von organischen Lösemitteln bzw. Lacken zur Rissbildung führen können. Durch Tempern (vor der Oberflächenvorbehandlung), d.h. längerfristiges Lagern der Teile bei einer Temperatur wenig unterhalb des Fließ- bzw. Schmelzbereiches, und anschließendes lang­sames Abkühlen können solche Spannungen abgebaut werden. Auch Schaumstoffteile mit geschlossener Außenhaut (TSG- und RIM-Teile1)) werden vor dem Lackieren gelegentlich getempert, um Reste von Gasen bzw. Treibmitteln auszutreiben, die bei der Ofentrocknung des Lackes zur Blasenbildung und Enthaftung führen können. Erhöhung der elektrischen Oberflächenleitfähigkeit Die Oberflächenleitfähigkeit (vgl. DIN IEC 60093 VDE 0303-30), z.B. für elektrostatisches Lackieren, lässt sich durch folgende, grundsätzlich verschiedene Methoden erhöhen: • Verringerung des Kunststoff-Widerstandes in der Masse • Aufbringen leitfähiger Schichten • Technische Einrichtungen (Spezialelektroden, spezielle Warenträger bzw. -halterungen), welche einen Ladungsabfluss ermöglichen. Hier sei nur kurz das Aufbringen leitfähiger Schichten betrachtet. Solche Schichten können aus den bereits unter 5.4.2 genannten „Antistatik-Flüssigkeiten“ bestehen; es kommen dafür auch verdunstende, d.h. nur temporär wirkende, leitfähige Flüssigkeiten (hydrophile Lösemittel) in Frage. Eine dritte Möglichkeit ist das konventionelle Applizieren eines elektrisch leitenden Speziallackes („Leitlackes“), welcher anschließend Bestandteil des Lackaufbaus wird und deshalb sowohl auf den jeweiligen Kunststoff als auch die folgenden Lackschichten abgestimmt sein muss. TSG = Thermoplast-Schaumspritzguss, RIM = Reaction Injection Moulding (Reaktionsspritzguss)

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Holz und Holzwerkstoffe als Untergründe

5.5 Holz und Holzwerkstoffe als Untergründe 5.5.1 Holz Zusammensetzung Holz kommt bekanntlich als „Baustoff“ der Bäume aus der Natur. Chemisch gesehen handelt es sich bei Holz um ein inhomogenes, organisches Material, dessen fester Anteil je nach Holzart zu 30 bis 50 % aus Cellulose, zu 15 bis 35 % aus Holzpolyosen (Hemicellulosen) und zu 20 bis 35 % aus Lignin besteht. Cellulose ist Poly-β-D-glucose (→ 2.1.3.3). Bei den Holzpolyosen handelt es sich – im Gegensatz zur linear gebauten Cellulose – um verzweigte Polysaccharide. Lignin ist ein aromatisch-aliphatischer, unregelmäßig gebauter, verzweigter Polyether; es fungiert sozusagen als Kitt, welcher die Cellulosefasern zusammenklebt. Weitere Bestandteile des rohen Holzes sind Fette, Wachse, Eiweiße, Zucker, Terpene, Harze, Gerbstoffe, Farbstoffe, Alkaloide und Mineralstoffe. Holzhärte Holz wird in verschiedene Härtestufen eingeteilt [16]: • sehr weich: • weich: • mittelhart: • hart: • sehr hart: • beinhart:

Espe, Fichte, Tanne, Pappel, Weide Bergahorn, Linde, Lärche, Erle, Birke Ulme, Föhre (Kiefer), Pitch-Pine, Kastanie Eiche, Esche, Birnbaum, Teak Buche, Hickory, Palisander, Eibe, Nussbaum Quebracho, Pockholz, Ebenholz

Mit der Härte steigt auch die Rohdichte des Holzes; sie liegt in darrtrockenem Zustand zwischen 0,1 g/cm3 (Balsaholz) und 1,2 g/cm3 (Pockholz).

a

c1

b d

b c2 c3 f

e

}

g

i h

Abb. 5.6: Struktur eines Nadelbaumstammes, nach [16] a = Mark (meistens nur ca. 2 mm im Durchmesser; b = Jahresringe. Die älteren (inneren) gehören zum Kernholz, die äußeren, mit weicheren Wandungen, sind im Splintholz; c = Markstrahlen: c1 von oben gesehen, c2 von der Seite als „Spiegelfasern“ gesehen, c3 von der Stirnseite gesehen; d = Harzkanäle; e = Kambium (Wachstumsschicht), bildet nach innen Splintholz, nach außen Rinde bzw. Bast; f = Innenrinde oder Bast (mit von hier an verbreiterten Markstrahlen und eingelagerten Siebröhren); g = Rinde oder Borke; h = Spätholz und i = Frühholz (beide in zwei Jahresringen gezeigt)

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Untergründe und ihre Vorbehandlung

Holzmerkmale

Tangentialschnitt (Fladerschnitt)

Um Holz fachgerecht oberflächenbehandeln und beschichten, d.h. zumeist lackieren zu können, ist es notwendig und sinnvoll, die wichtigsten Eigenarten des Holzes als Untergrund zu kennen.

in der MItte: Radialschnitt

Querschnitt (Hirnschnitt)

Querschnitt (Hirnschnitt)

Tangentialschnitt (Fladerschnitt)

Radialschnitt

Ausschnitt (dunkler Sektor im oberen Bild)

Abb. 5.7: Schnittarten beim Nutzholz, nach [16]

Holz ist nicht nur chemisch, sondern auch makroskopisch-strukturell komplex aufgebaut. In Abb. 5.6 ist ein Ausschnitt aus dem Stamm eines Nadelbaumes dargestellt. Am auffälligsten sind die Jahresringe mit dem aus großblumigen Zellen bestehenden, innen gelegenen Frühholz und dem aus engblumigen Zellen aufgebauten, außen gelegenen Spätholz. Weiterhin sind die Markstrahlen (radial verlaufende Gewebsstränge vom Mark bis zur Rinde) und die Poren bzw. Harzkanäle (aufgeschnittene, vertikal verlaufende Transportröhren für den Baumsaft) zu nennen.

Ein Baumstamm kann grundsätzlich in drei Arten geschnitten (zersägt) werden: Es entstehen so Tangential- (Flader-), Radial- (Spiegel-) und Querschnitte (Hirnschnitte), wie in Abb. 5.7 dargestellt. Bei den Tangentialschnitten bilden sich die Jahresringe in Form der holztypischen Maserung ab. Die Fläche des Querschnittes (Hirnschnittes) enthält die durchtrennten Kanäle und ist deshalb besonders stark porös bzw. saugend. Bei vielen Baumarten verstopfen die Kanäle der inneren Jahresringe – vom Mark ausgehend – allmählich, wodurch sich das widerstandsfähige, oft farblich dunklere Kernholz bildet. Das bis zur Rinde (Borke) folgende Splintholz ist weicher, saugend und leicht durch Pilze und Insekten angreifbar. Neben der Schädigung des Holzes durch Organismen ist die Änderung des Wassergehaltes, verbunden mit einer Volumenzunahme durch Quellen bzw. Volumenabnahme durch Schwinden, das größte werkstofftechnische Problem in Hinblick auf die Lackierung. (Holz „arbeitet“.) Während das Holz eines lebenden Baumes bis zu etwa 80 % Wasser enthalten kann, beträgt die durchschnittliche Restfeuchte (Ausgleichsfeuchte) von Holz je nach Typ und Klima 12 bis 25 % im Freien und 6 bis 12 % in Wohnräumen1). Durch gezielte Holztrocknung muss die Feuchte des Holzes vor der Verarbeitung (Beschichtung, Verbau u.a.) möglichst genau an die je nach Ver­wendungszweck zu erwartende Ausgleichsfeuchte angepasst werden, damit es nicht infolge zu starken Schwin­dens zu Verformungen und Rissbildung kommt. Anisotropie Beim Quellen bzw. Schwinden zeigt sich die Anisotropie (Richtungsabhängigkeit der Eigenschaften) des Holzes: Die Längenänderung bei einer gegebenen Feuchteänderung ist radial (in Richtung der Markstrahlen) etwa 10mal und tangential (entlang den Jahresringen) sogar bis zu 20mal so stark wie longitudinal (in Längsrichtung des Stammes). Als Faustwert gilt eine quer zur Faser (tangential, radial) auftretende mittlere Längenänderung von 0,2 % pro 1 % Änderung der Holzfeuchte. Der %-Gehalt der Holzfeuchte ist als Masse-% Wasser, bezogen auf die Masse des darrtrockenen Holzes, zu verstehen.

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Holz und Holzwerkstoffe als Untergründe

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5.5.2 Holzwerkstoffe Neben dem unter 5.5.1 behandelten „Vollholz“ kommen vielfach Werkstoffe als Beschichtungsuntergründe zur Anwendung, welche aus unterschiedlich zerteiltem Holz und Bindemitteln (Leimharzen u.ä.) produziert werden. Die wichtigsten Holzwerkstoffe sind im Folgenden kurz aufgeführt. • Furniere Furniere sind aus Vollholz durch unterschiedliche Schneidearten hergestellte Holzschichten mit 0,3 bis 10 mm Dicke. Die dünneren, dekorativen Deckfurniere („Edelfurniere“) werden auf zu verdeckendem Blindmaterial (Spanplatten u.ä.) flächig verleimt und vermitteln dadurch den optischen Eindruck von Massivholz. • Sperrholz Zum Sperrholz im weiteren Sinne gehören Furnierplatten („Sperrholz“ im engeren Sinne) und Tischlerplatten. Erstere bestehen aus mehreren (mindestens drei) kreuzweise aufeinander verleimten Furnierschichten; bei letzteren befindet sich auf einer Mittellage aus verleimten Stäbchen oder Leisten beidseitig je eine Schicht aus Absperrfurnier. • Holzspanplatten („Spanplatten“) Mit Kunstharz versetzte Holzspäne sind unter Druck zu relativ rauen und porösen Platten verpresst. Das Lackieren ist erst nach Spachteln und Schleifen möglich. • Holzfaserplatten Holzfaserplatten bestehen aus mit oder ohne Bindemittelzusatz verpressten Holzfasern. Man unter­ scheidet zwischen den saugenden Weichfaserplatten (Dämmplatten) und den dünnen, braunen Hartfaserplatten. Die Hartfaserplatten dienen hauptsächlich als Rück- und Trennwände in Möbeln und Türen; sie haben eine raue „Siebseite“ und eine sehr glatte, paraffinierte Oberseite, welche vor dem Lackieren nicht geschliffen werden sollte. • Mitteldichte Faserplatten (MDF-Platten) Diese Platten kann man sich grob als besonders dichte, glatte und homogene Holzspanplatten vor­stellen, wenngleich es sich – korrekt betrachtet – nicht um Spanplatten handelt. MDF-Platten können auf der Fläche in der Regel ohne Oberflächenvorbehandlung direkt lackiert werden. Die saugenden Kanten erfordern allerdings eine Isolierung bzw. Imprägnierung.

5.5.3 Vorbehandlung von Holz und Holzwerkstoffen Die Vorbehandlung von Holz, auch Vorbereitung genannt, umfasst – je nach Ausgangszustand bzw. Herkunft, Weiterverarbeitung und Verwendungszweck – eine Auswahl aus den Einzelmaßnahmen • Trocknen des frischen Schnittholzes in Holztrockenkammern zur Erzielung der später zu erwar­ tenden Ausgleichsfeuchte • Planbearbeiten und Glätten durch Feinhobeln, Schleifen, Thermoglätten und Spachteln • Strukturieren der Oberfläche, d.h. Einarbeiten von optisch wirkenden Strukturen • Wässern mit anschließendem Trocknen und Feinschleifen zum „Köpfen“ der aufgestellten Fasern (vorteilhaft, wenn mit wässrigen Beizen und/oder Lacken weitergearbeitet wird) • Entharzen und Entfernen von Flecken (sofern nicht durch Hobeln und Schleifen geschehen) • Beizen, d.h. Einfärben der Holzoberfläche (ggf. in Kombination mit Bleichen) • Imprägnieren mit einem Holzschutzmittel (nur bei dauerhafter bzw. sich ständig wiederholender Feuchtbelastung notwendig). Die Auswahl und Vorbehandlung von Vollholz und Holzwerkstoffen für die verschiedenen Verwendungszwecke wird durch die DIN 18 355 VOB Teil C (ATV) festgelegt.

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Untergründe und ihre Vorbehandlung

Im Folgenden wird lediglich das für Lackierzwecke besonders relevante Planbearbeiten etwas näher betrachtet. Einige Anmerkungen zum Holzschutz schließen sich an. Das Beizen wird – zusammen mit dem Lackieren von Holz – in Abschnitt 7.9 behandelt. 5.5.3.1 Planbearbeiten und Glätten

Bearbeitungsweise Ziel des Planbearbeitens und Glättens ist eine ebene bzw. glatte Werkstoffoberfläche, frei von Staub, Flecken, störenden Fremdsubstanzen, hochstehenden Fasern und mit einem reduzierten, gleichmäßigen Saugvermögen. Zum groben Planbearbeiten von Vollholz werden die rohen Teile wie Bretter oder Profile im handwerklichen Bereich häufig zunächst gehobelt. Dabei werden mit einer Klinge relativ dicke Späne abgeschält. Anschließend wird geschliffen. Im industriellen Bereich hat sich das Feinhobeln (Hydrohobeln) durchgesetzt. Dabei werden die rohen Bretter unter mit zahlreichen Schneiden bestückten Messerköpfen hindurchgeführt. Die Rundlaufgenauigkeit der Messer beträgt 0,003 mm, wodurch bereits eine sehr ebene Oberfläche entsteht und ein nachfolgendes Schleifen vielfach entfallen kann. Den Kern der Vorbereitung von Holz und Holzwerkstoffen mit rauen bzw. unebenen und evtl. fleckigen Oberflächen bildet das Schleifen. Das branchenübliche Sprichwort „gut geschliffen ist halb lackiert“ unterstreicht die große Bedeutung dieser Operation. Schleifmittel und -geräte Außer in Sonderfällen werden für den Holz- und ggf. den Lackschliff Schleifpapiere oder -gewebe in Form von Bändern, Scheiben oder Blättern verwendet. Das Schleifmittel besteht in der Regel aus mittels Kunstharzen auf dem Träger fixierten Korund-Körnern. Für das Schleifen von Lack ist allerdings Siliciumcarbid (SiC) besser geeignet. Charakteristisch für ein Schleifmittel sind hauptsächlich die Parameter Körnung und Streuung. • Körnung Die Körnung wird in Zahlen – normgerecht mit einem vorangestellten „P“ (für Paper) – angegeben, wobei die Feinheit mit steigender Zahl zunimmt. Die Zahl gibt nämlich die Anzahl der Maschen pro Inch Kantenlänge eines Siebes an, durch das die Körner gerade noch hindurchgehen können. Die Körnung reicht von P 60 (oder gröber) für den Kalibrierschliff (Grob- und Dickenschliff) über ca. P 220 für den Holzfeinschliff und Lack-Zwischenschliff bis maximal P 1200 für den Lackendschliff. Diese Breitband Langband Angaben sind nur grobe Richtwerte; sie hängen im Einzelfall vom vorliegenden Material, von den Maschinen und den Betriebsparametern wie Bandgeschwindigkeit und Schleifdruck ab.

Werkstückerkennung

Vorschubrichtung

Abb. 5.8: Zweibandkreuzschleifmaschine [aus: Taschenbuch für Lackierbetriebe 1995]

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• Streuung Eine „offene Streuung“ liegt vor, wenn bis zu 60 % der Trägerfläche mit Körnern bedeckt sind; bei über 60 % Bedeckungsgrad spricht man von einer „geschlossenen Streuung“. Die offene Streuung empfiehlt sich bei weichem Holz und hohem Abtrag, weil dann der Schleifstaub besser als bei geschlos­

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Holz und Holzwerkstoffe als Untergründe

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Abb. 5.9: Holzoberflächen als Lackieruntergrund; links: geschliffen, rechts: fein-gehobelt. Rasterelektronenmikroskopische Aufnahmen

sener Streuung abgeführt wird. Extrem wichtig ist – falls eine makellos aussehende Lackierung erzielt werden soll – das vollständige Entfernen des Schleifstaubes von der Werkstoffoberfläche durch Abbürsten und Absaugen. Abb. 5.8 zeigt schematisch den Aufbau einer modernen Schleifmaschine mit Werkstückerkennung, querschleifendem Langband und parallel-gegenläufig schleifendem Breitband. Zusätzlich kann für den Kalibrierschliff als erstes Schleifaggregat eine harte Schleifwalze (Kontaktwalze) und zum Kappen noch vorhandener Fasern als letztes Werkzeug eine „Fladder“ (lamellenförmig mit Schleifpapier bespannte, schnell rotierende Spindel) vorhanden sein. In Abb. 5.9 sind rasterelektronen-mikroskopische Aufnahmen von geschliffenen und feingehobelten Holzoberflächen abgebildet, wie sie sich ggf. als Lackieruntergrund präsentieren. 5.5.3.2 Einige Hinweise zum Holzschutz

Die Forderungen an den Holzschutz sind u.a. definiert in DIN 68 800, Teil 2: Konstruktiver Holzschutz sowie Teil 3 + 5: Vorbeugender chemischer Holzschutz. Nach dieser Norm unterscheidet man 5 Gefährdungsklassen, welche von Klasse 0 (kein Holzschutzmittel erforderlich) bis Klasse 4 (Holzschutz insektenvorbeugend, pilzwidrig, witterungsbeständig, moderfäulwidrig) reichen. Zusammenfassend kann man sagen, dass vorbeugender chemischer Holzschutz in der Regel erst dann erforderlich ist, wenn die gebrauchsbedingte Feuchte langfristig 20 % bei Vollholz und 18 % bei Holzwerkstoffplatten über­steigt. Möbel dürfen auf keinen Fall mit Holzschutzmitteln behandelt werden. Bei akutem Insektenbefall des Holzes ist bekämpfender Holzschutz notwendig, der allerdings nicht immer chemisch sein muss. Das geschädigte Holzteil bzw. die geschädigte Holzkonstruktion kann z.B. mit Heißluft aufgeheizt werden, denn eine Temperatur von mindestens 55 °C überstehen Insekten nicht länger als eine Stunde. Die Holzschutzmittel werden in flüssiger Form appliziert, am besten durch Tauchen, Fluten, oder Druckimprägnieren (Kesseldruckverfahren). Holzschutzmittel für tragende Teile (Bauholz) müssen das amtliche Prüfzeichen des Instituts für Bautechnik aufweisen. Für alle anderen Anwendungen stellt das sog. RAL-Gütezeichen einen Wirksamkeits- und Unbedenklichkeitsnachweis dar. Da die bioziden Wirkstoffe der Holzschutzmittel ganz allgemein oft schädlich für Pflanzen, Tiere und Menschen sind und darüber hinaus z.T. noch organische Lösemittel enthalten, gilt die Regel: • So viel Holzschutzmittel wie nötig, aber so wenig wie möglich!

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Untergründe und ihre Vorbehandlung

Seit Februar 1998 wird der Biozid- und damit auch der Holzschutzmittel-Einsatz durch die sog. EU-Biozid-Richtlinie behandelt, die die im Juni 2002 im Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 98/8/ EG (Biozid-Gesetz) auch in nationales übergegangen ist.

5.6 Mineralische Untergründe 5.6.1 Zusammensetzung und Eigenschaften Wenn mineralische Untergründe auch überwiegend oxidischer Natur sind, so gibt es doch wie bei Kunststoffen eine beträchtliche Vielfalt, z.B. Stein, Ziegel, Beton oder Putz. Den Hauptbestandteil in mineralischen Untergründen bilden verschiedene Verbindungen des Elements Calcium, z.B. in anorganischen Baustoffen und Mörteln u.a. wie sie in Tab. 5.4 aufgeführt sind. Da einige der bei diesen Untergrundmaterialien möglichen Wechselwirkungen mit Beschichtungen, z.B. Lacken oder Anstrichen, herstellungsbedingt sind, erscheint es zweckmäßig, sich von ihren Eigenarten eine Vorstellung zu verschaffen. • Kalk und Gips Calciumoxid (gebrannter Kalk) wird durch Brennen bei ca. 1000 °C aus Kalkstein (CaCO3) gewonnen. Durch Zusatz von Wasser entsteht daraus Calciumhydroxid (gelöschter Kalk). Beide reagieren stark alkalisch und in Gegenwart von Feuchtigkeit beide mit CO2 aus der Luft zu Calcium­ carbonat bzw. von viel Wasser zu Calciumhydrogencarbonat. Diese „Carbonatisierung“ ist für die Erhärtung von Kalkbindemitteln von entscheidender Bedeutung. Je nach Feuchtigkeitsgehalt stellt sich dabei ein Gleichgewicht zwischen Calciumcarbonat und Calciumhydrogencarbonat ein, gemäß: CaCO3 + H2O + CO2

Ca(HCO3)2

Im diesem ständigen Wechsel zwischen Carbonat und Hydrogencarbonat bilden sich die Calcit­ kristalle aus, die für die endgültige Verfestigung eines Kalkmörtelputzes oder eines Kalkfarbenanstriches wesentlich sind. Tab. 5.4: Einige wichtige Ca-Verbindungen in Baustoffen und Mörteln Chemische Zusammensetzung Bezeichnung CaO

Calciumoxid (gebrannter Kalk)

Ca(OH)2

Calciumhydroxid (gelöschter Kalk)

CaCO3

Calciumcarbonat (Kreide)

Ca(HCO3)2

Calciumhydrogencarbonat (Calciumbicarbonat)

CaSO4

Calciumsulfat (Anhydrit, Estrichgips)

CaSO4 ⋅ ½ H2O

Calciumsulfatmonohydrat (Halbhydrat, Mörtelgips)

CaCl2

Calciumchlorid

3 CaO ⋅ Al2O3 ⋅ CaSO4 ⋅ 32 H2O

Calciumaluminiumsulfathydrat (Ettringit, Zementbazillus)

CaO ⋅ SiO2 ⋅ H2O

Calciumsilikathydrat (Bestandteil von Beton und Kalksandsteinen)

3 CaO ⋅ SiO2

Tricalciumsilikat (Bestandteil von Zement)

3 CaO ⋅ Al2O3

Tricalciumaluminat (Bestandteil von Zement)

CaO ⋅ Al2O3 ⋅ H2O

Monocalciumaluminat (Bestandteil von Zement)

CaCO3 ⋅ MgCO3

Calciummagnesiumcarbonat (Dolomit)

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Mineralische Untergründe

Eine andere, im sog. „hydraulischen Kalk“ und auch bei Zement sehr wichtige Reaktion von Calcium(hydr)oxid, ist die Bildung schwerlöslicher Silikate und Aluminate mit verschiedenen Tonerden. Beim Brennen von tonerdehaltigen Kalksteinen entstehen bei über 1200 °C neben Calciumoxid die Calciumsalze der „Tonsäuren“ SiO2, Al2O3 bzw. Fe2O3, z.B.: 3 CaCO3 + SiO2 · H2O → 3 CaO · SiO2 + 3 CO2 + H2O

Nach dem Brennen wird echter hydraulischer Kalk mit Wasser abgelöscht, wobei das Calciumoxid in das Hydroxid umgewandelt wird. Der Gehalt an freiem, nicht gebundenem Kalk hängt vom Kalkgehalt der eingesetzten Rohstoffe ab. Er liegt zwischen ca. 8 und ca. 29 % Calciumhydroxid. Ein Wasserüberschuss muss vermieden werden, da sonst die hydraulischen Anteile schon abreagie­ren. Das Erstarren und Erhärten beruht auf der Bildung verschiedener wasserhaltiger Verbindungen, z.B. dem faserförmigen Calciumsilikathydrat CaO · SiO2 · H2O. Die Erstarrungsgeschwindigkeit kann durch Zugabe von Gips gesteuert worden. Gipsstein besteht aus dem Dihydrat des Calciumsulfats. Beim Brennen wird das Kristallwasser je nach Brenntemperatur in unterschiedlichem Maße abgespalten. > 290 °C

> 120 °C

2 CaSO4 · 2 H2O 

2 CaSO4 · 0,5 H2O + 3 H2O 

2 CaSO4 + 4 H2O

Der Abbindeprozess verläuft in umgekehrter Richtung. Der Wassergehalt der verschiedenen Gipssorten beträgt theoretisch 0 % für Anhydrit, 6,21 % für Halbhydrat und 20,9 % ausgehärteten Gips. Neben diesen Bindemitteln enthalten die meisten mineralischen Baustoffe noch Zuschlagstoffe, meistens Sande. Sand weist je nach Steinart, z.B. Basalt, Quarzit oder Kalkstein, aus der er entstanden ist, unterschiedliche Zusammensetzung und Dichte auf. Die Menge der Zuschlagstoffe richtet sich sehr stark nach ihrem Bindemittelbedarf, der von ihrem Hohlraumvolumen und ihrer spezifischen Oberfläche abhängt. Beide Größen lassen sich auf die Korngrößenverteilung des Sandes zurückführen. Die Verhältnisse liegen hier ähnlich wie beim Bindemittelbedarf bzw. der Ölzahl von Pigmenten und Füllstoffen in Beschichtungsstoffen. Aus diesen Rohmaterialien wird ein großer Teil der mineralischen Baustoffe hergestellt. Eine Übersicht über deren Eigenschaften vermittelt Tab. 5.5. • Mauerwerk Ziegel werden aus Lehm, Ton oder tonigen Massen, ggf. unter Zugabe von Sand, Ziegelmehl oder ähnlichen Stoffen, gebrannt. Rote Ziegel enthalten eisenreiche Ziegeltone. Wasserlösliche Salze, z.B. Sulfate oder Chloride, können an Ziegeln Ausblühungen verursachen, die vielfach harmlos Tab. 5.5: Eigenschaften einiger Beschichtungsuntergründe im Bauwesen Untergrund

Thermische Ausdehnung (mm · m -1 · K-1 )

WasserdampfDiffusionsWiderstandszahl μ (m)

kapillare Wasseraufnahme (g · cm -2 · h-1 )

ph-Wert

Mauerziegel

0,036 bis 0,0058

6 bis 12

0,4 bis 1,7

neutral bis alkalisch

Kalksandsteine Beton

0,0078

12 bis 20

1,5 bis 3,0

neutral bis alkalisch

0,007 bis 0,015

10 bis 15

0,2 bis 0,3

alkalisch

0,008

0,2 bis 0,3

0,8 bis 0,9

alkalisch

Gasbeton Kalkputzmörtel

0,008 bis 0,009

7 bis 14

ca. 0,5

alkalisch

Hydraulischer Kalkputz



9 bis 11

ca. 1,1

alkalisch

Maschinengipsputz



5 bis 6



neutral

Stuckgips



7 bis 8



neutral

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Untergründe und ihre Vorbehandlung

sind, aber im Falle von Imprägnierung oder Hydrophobierung die Beschichtung vom Untergrund abdrücken können. Frostbeständige Mauerziegel, auch Vormauerziegel genannt, werden für Sichtmauerwerk und Verblendungen verwendet. Hintermauerziegel werden für Mauerwerk verwendet, das noch verblendet, verputzt oder mit einem Wetterschutz versehen wird. Für sie wird keine Frostbeständigkeit gefordert. Klinker sind ziegelartige Steine, die bis zur Sinterung gebrannt wurden. Sie sind meistens nur wenig saugfähig sowie mechanisch und chemisch sehr widerstandsfähig. Kalksandsteine gewinnt man aus Kalk und quarzhaltigen Zuschlagstoffen. Beim Härtungsvorgang bindet der Kalk mit dem oberflächlichen Siliciumdioxid der Sandkörnchen unter Bildung von Calciumsilikathydraten ab. Dabei wird eine vollständige Umsetzung des Kalks oft nur bis in eine Tiefe von 3 bis 4 cm erreicht, wodurch der Kern solcher Steine noch freies wasserlösliches Calciumhydroxid enthalten kann. Natursteine stellen anstrichtechnisch einen schwierigen Untergrund dar, da ihre Festigkeit und Verwitterungsneigung auch innerhalb eines Mauerwerkes schwanken kann. Um sie vor Verwitterung zu schützen sind verfestigende Grundierungen, z.B. auf Kieselsäureesterbasis, oder transparente Imprägnierungen auf Silikonbasis geeignet. Als deckende Beschichtungen verwendet werden diffuionsoffene Beschichtungen wie Silikonharzfarben oder Dispersionssilikatfarben. • Betonarten Beton ist ein künstlicher Stein, entstanden aus einem Gemisch von Zement, Betonzuschlag und Wasser. Herstellungsbedingt können an der Betonoberfläche Schalölreste verblieben sein, die vor einer Beschichtung entfernt werden müssen. Die Einteilung von Beton erfolgt im Allgemeinen entsprechend der Rohdichte: • Leichtbeton: Trockenrohdichte ≤ 2,0 g/cm3 • Normalbeton: Trockenrohdichte 2,0 bis 2,8 g/cm3 • Schwerbeton: Trockenrohdichte > 2,8 g/cm3 Je nach Zementart, Zementgüte, Temperatur und Feuchtigkeit erhärtet Beton unterschiedlich schnell, wobei man bis zum Abklingen der Nachhärtung an Luft mit bis zu einem Jahr, bei Feuchtlagerung mit mehreren Jahren rechnen kann. Poröse Betonoberflächen können Feuchtigkeit aufnehmen, die ggf. zu Frostabsprengungen führen. Beim Angriff aggressiver Flüssigkeiten auf Beton spielen – neben ihrer Menge – Fließgeschwindigkeit, Druck und natürlich die Temperatur eine entscheidende Rolle. Mit Industriegasen angereichertes Regenwasser führt zu oberflächlicher Betonzerstörung, gipshaltiges Wasser zur Zerstörung des Betongefüges. Eingesickerte und danach ausgetrocknete Salzlösungen können osmotische Vorgänge nach sich ziehen, die letztlich auch zur Betonzerstörung führen. Beton ist außerdem in gewissem Maß empfindlich gegen organische Säuren, pflanzliche Fette und mehrwertige Alkohole. Stahlbeton und Spannbeton ist mit Stahleinlagen bewehrt. Diese Stahleinlagen sind normalerwei­se dank des im Beton vorherrschenden hohen pH-Wertes von 12 bis 13 gegen Korrosion geschützt. Mit fortschreitender Carbonatisierung sinkt der pH-Wert – mit zunehmender Tiefe und Alter des Betons – auf unter 9, so dass der Stahl dann nicht mehr passiviert ist. Stahleinlagen müssen deshalb unter einer genügend großen Betonüberdeckung liegen. Ferner muss eine Betonbeschich­tung einen hohen Diffusionswiderstand für Kohlendioxid darstellen, der die Carbonatisierung unter­­bindet. Der Diffusionswiderstand sd (m) berechnet sich aus der Diffusionswiderstandszahl1) µ für das betrachtete Gas und der Schichtdicke s (m) zu sd = µ · s 1

Die Diffusionswiderstandszahl µ gibt an, um wieviel der Diffusionswiderstand eines Materials größer ist, als der einer gleich dicken, ruhenden Luftschicht.

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Er gibt an, wie dick eine Luftschicht sein müsste, die der Diffusion des Gases denselben Wi­ derstand entgegen setzen würde wie die jeweilige Abdeckung. Der Diffusionswiderstand für Kohlendioxid einer 1 cm dicken Betonschicht beträgt etwa 3,5 m. Eine 300 µm starke Polymerbe­ schichtung mit einer Diffusionswiderstandszahl von 80 000 besitzt einen Diffusionswiderstand von 24 m. Sie setzt Kohlendioxid demnach einen Diffusionswiderstand entgegen, der einer Betonabdeckung von ca. 7 cm entspricht. Gas- oder Porenbeton wird aus einer wässrigen Aufschlämmung von Zement, Calciumoxid und feingemahlenen Zuschlagstoffen hergestellt. Als Treibmittel wird meistens Aluminiumgrieß verwendet, welches während der Härtung bei den stark alkalischen Bedingungen zu Aluminaten und Wasserstoff abreagiert. Dieser erzeugt die für Gasbeton typische Porenstruktur. • Sonstige Baustoffe Zementgebundene Faserplatten enthalten neben Zement noch verstärkende Fasern. Bei zementgebundenen Holzspanplatten ist die für mineralische Untergründe recht beachtliche Dickenquellung von bis zu 2 % zu beachten. Bei Feuchtigkeitseinwirkung stellt sich ein pH-Wert von 11 bis 13 ein. Dagegen liegt das Schwind- und Dehnverhalten von zementgebundenen Kunststoff- oder Glasfaserplatten nur im Bereich von 0,15 %. Beide sind Ersatzbaustoffe für Asbestzement, der heute in Deutschland nicht mehr produziert wird. Zementgebundene Faserplatten sollten zunächst zur Vermeidung von Kalkausblühungen mit einer absperrenden Haftgrundierung versehen werden. Die Deckbeschichtung kann mit den üblichen Farben für Fassaden durchgeführt werden. Gipsbausteine und Gipsbauplatten werden aus sich rasch versteifenden Gipssorten unter Zusatz geeigneter Beschleuniger hergestellt. Herstellungsbedingt können sich auf ihrer Oberfläche noch Entschalungsmittel befinden, die z.B. im Falle phenolhaltiger Mineralöle zu gelblicher Fleckenbildung führen. Gipskartonplatten bestehen ebenfalls im Wesentlichen aus Gips, der an den Flächen und den Längsseiten mit Karton ummantelt ist. Putze sind an Außen- und Innenwandflächen aufgetragene ein- oder mehrlagige Beläge aus Putzmör­tel. Sie bilden verschleißfeste Oberflächen und verbessern die Feuchtigkeits-, Feuer-, Wärme- und Schalldämmung. Von Innenputzen werden ein gutes Saugvermögen und Wasserdampfdurchlässigkeit verlangt, von Außenputzen vor allem Wetterbeständigkeit. Entsprechend ihrer Zusammensetzung und den daraus resultierenden Eigenschaften werden Putzmörtel in folgende Gruppen eingeteilt: • Kalkputze erhält man aus einem Gemisch von gelöschtem Kalk und Sand. Sie erhärten unter Aufnahme von Kohlendioxid und Abgabe von Wasser. Diese Reaktion dauert lange und ist selbst nach Jahren nicht beendet. Deswegen müssen Beschichtungen auf Kalkputzen eine gute Wasserdampfdurchlässigkeit aufweisen und verseifungsstabil sein. • Zementputze ergeben sich aus einem Gemisch aus Zement und Sand und härten mit Wasser. Ihre stark alkalischen Eigenschaften verlieren sich durch Carbonatisierung erst nach längerer Zeit, weshalb eine Beschichtung hierauf ebenfalls verseifungsstabil sein muss. Vor einer Beschichtung muss der Feuchtigkeitsgehalt auf unter 3 % gesunken sein. • Gipsputze härten ausschließlich durch Wasseraufnahme. Nach dem Austrocknen auf ca. 1 % Feuch­tigkeitsgehalt bilden sie poröse und saugfähige Beschichtungsuntergründe. • Lehmputze, vor allem ältere, stellen für Beschichtungen einen kritischen Untergrund dar, da ihre Zusammensetzung sehr unterschiedlich sein kann. Dementsprechend können ihre Eigenschaften sehr verschieden sein. Als Rohstoffe werden Lehm, Sand, Stroh, Kuhmist, Quark in verschiedenen Mischungsverhältnissen verwendet. Heute sind auch industriell gefertigte Lehmputze gleichbleibender Qualität auf dem Markt, die in ihren Eigenschaften dann berechenbar sind.

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Untergründe und ihre Vorbehandlung

Wärmedämmverbundsysteme bestehen aus mindestens drei Schichten. Eine Wärmedämmschicht aus Dämmstoffen unterschiedlicher Schichtdicke, einer Armierungsschicht aus Armierungsmasse und Armierungsgewebe und einer Schlussschicht zur Gestaltung der Oberfläche, aus mineralischen oder kunstharzgebundenen Putzen. Die anstrichtechnischen Eigenschaften werden im Wesentlichen durch die Schlussschicht bestimmt. Raufasertapeten sind in Deutschland die häufigste Wandverkleidung. Sie bestehen aus mehreren Papierschichten, in die strukturgebende Holzfasern fest eingebunden sind. Bei guter Verklebung sind sie anstrichtechnisch problemlose Untergründe und können mit allen Arten von Innendispersionsfarben, Silikatinnenfarben und Latexfarben beschichtet werden.

5.6.2 Vorbehandlung mineralischer Untergründe Untergrundbeurteilung Vor der Ausführung von Beschichtungsmaßnahmen erfolgt zuerst eine Beurteilung der Art und der Zustandes des zu beschichtenden Untergrundes. Diese muss mit baustellengerechten Mitteln durchgeführt werden können. In dem BFS-Merkblatt Nr. 20 „Beurteilung des Untergrundes für Beschichtungs- und Tapezierarbeiten, Maßnahmen zur Beseitigung von Schäden“ sind geeignete Prüfmethoden beschrieben. Nach Feststellung der Art des Untergrundes (z.B. Putz, Beton, Metall, Holz) und ob er neu oder alt, beschichtet oder unbeschichtet, ist wird der Zustand z.B. durch folgende Prüfungen festgestellt: • • • • • •

Kratzprobe mit Messer oder Klebebandtest (Festigkeit, Tragfähigkeit) Benetzungsprobe mit Wasser (Saugvermögen) Prüfung auf Feuchtigkeit durch Augenschein oder Feuchtemessgerät Wischprobe mit der Hand (Kreidung) Messung des pH-Wertes mit Indikatorpapier oder Phenolphthalein (Alkalität) Augenschein (Schmutzablagerung, Rissbildung, Korrosion, Pilz- und Algenbefall, Salzaus­ blühungen)

Reinigen und Grundieren Voraussetzung für eine dauerhaft haftende Beschichtung ist bei mineralischen Untergründen, wie bei anderen Untergründen auch, zunächst eine gründliche Reinigung, was die Entfernung aller lose anhaftenden Teilchen einschließt. Die Art des Grundiermittels richtet sich nach der Art und Beschaffenheit des Untergrundes und des vorgesehenen Beschichtungssystems. Die meisten mineralischen Untergründe sind heterogen aufgebaut. Sie besitzen meistens noch ein gewisses Kapillarvolumen, vor allem, wenn beim Abbinden oder beim Trocknen eine Flüssigkeit, meistens Wasser, entweicht. Je geringer bei der Herstellung der Anteil dieser Flüssigkeiten ist, desto geringer ist auch hinterher der Anteil des Kapillarvolumens am Gesamtvolumen. Besonders wenn Wasser beim Härtungsprozess eingebaut wird, z.B. bei der Betonhärtung, kann das Porenvolumen auf ein Mindestmaß beschränkt werden. Man darf sich diese Poren allerdings nicht als System von miteinander verbundenen Röhren unterschiedlichen Durchmessers vorstellen. Es handelt sich vielmehr um ungleichmäßig im Feststoff verteilte Hohlräume. Solche porigen Untergründe sind noch kapillar saugend und müssen vor dem Beschichten imprägniert werden. Andere Untergründe sind nicht oder schwach saugend, z.B. Sichtbeton oder Flächen mit Altanstrichen. Insgesamt übernehmen die Grundiermittel je nach Zusammensetzung folgende Funktionen: • • • •

Verfestigung des Untergrundes Haftvermittlung Egalisierung des Saugvermögens Hydrophobierung

Transparente Grundiermittel wirken in erster Linie festigend und regulieren das Saugvermögen des Untergrundes. Um ihre Wirkung zu entfalten, müssen sie in den Untergrund eindringen und

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werden deshalb nur auf porösen saugfähigen Untergründen eingesetzt. Sie werden oft auch als Imprägniermittel bezeichnet. Pigmentierte Grundiermittel wirken haftungsvermittelnd und egalisieren Saugfähigkeit und Farbtonunterschiede des Untergrundes. Sie werden in der Regel auf nicht oder nur schwach saugenden Untergründen verwendetet. Bei zu hohem Saugvermögen des Untergrundes kann es bei pigmentierten Beschichtungsstoffen zu einer Bindemittelabwanderung kommen. Dadurch können Pigmente quasi abfiltriert werden. Die PVK der Beschichtung erhöht sich und es entsteht ggf. eine kreidende Oberfläche. Unter Imprägnierung versteht man hier die Anreicherung eines kapillar saugenden Untergrundes mit einem dünnflüssigen Mittel, welches dabei in der Regel keinen zusammenhängenden Film auf der Oberfläche bildet. Falls sich bei der Verwendung eines unpigmentierten Imprägniermittels doch ein geschlossener Film bildet, kann es zu Haftverminderungen zur nachfolgenden Grundierung kommen. Das Saugvermögen mineralischer Baustoffe wird durch ihre kapillare Wasseraufnahme charakterisiert. Diese gibt die Menge Wasser an, die in einer Stunde von einem cm –2 Oberfläche aufgesogen wird (s. Tab. 5.4). Bei gleicher Baustoffart nimmt das Saugvermögen mit abnehmender Dichte (= zunehmendem Porenvolumen) zu. Natürlich stellen solche Angaben nur eine Näherung für das Verhalten von Anstrichen dar. Die Parameter, die neben dem Porenvolumen die kapillare Flüssigkeitsaufnahme beeinflussen, sind gemäß der Washburn-Gleichung (s. Seite 199) Porenradius, Oberflächenspannung des Baustoffes und der Flüssigkeit sowie deren Dichte und Viskosität, wobei sich letztere während des Aufsaugens verändern kann. Herstellungsverfahren und chemische Prozesse beim Aushärten mineralischer Baustoffe können Abweichungen vom üblichen Saugvermögen dieses Stoffes zur Folge haben. Auf Kalkmörtelputzen können sich carbonatreiche Sinterschichten bilden, die ein viel geringeres Saugvermögen haben als die darunter liegenden Putzschichten. Besonders auffallend wird das, wenn die Oberfläche eines solchen Putzes Risse aufweist. Das unterschiedliche Saugvermögen macht sich dann durch dunkle Rissabzeichnungen beim Benetzen mit Wasser oder durch Wulstbildung beim Streichen bemerkbar. Die Saugfähigkeit eines Gipsputzes hängt weitgehend von seiner Zusammensetzung ab. Dabei weist von Hand aufgezogener Gipsputz nach der Erhärtung oft ein relativ großes Saugvermögen auf, während Maschinenputze eine dichte, kaum saugende Oberfläche besitzen. Auch die Saugfähigkeit von Sichtbetonflächen ist von einer ganzen Reihe von Faktoren abhängig. Sie ähneln darin stark saugenden Gipsflächen. Kalksandstein, Ziegelstein, zementgebundene Faserplatten und besonders Gasbeton gelten ebenfalls als stark saugend, wenn auch das Saugvermögen von Gasbeton in Anbetracht seines hohen Porenvolumen überraschend gering ist. Imprägnierverfahren Das Imprägniermittel muss entsprechend den physikalischen und chemischen Eigenschaften des Untergrundes gewählt werden. Die Art der beabsichtigten nachfolgenden Beschichtung und die Wartezeit zwischen Imprägnierung und Grundbeschichtung sind zu berücksichtigen. Um eine optimale Haftung der Grundierung auf dem Untergrund zu gewährleisten, verwendet man für Imprägniermittel und Grundbeschichtung gerne die gleiche Bindemittelart. Oft müssen vor einem Anstrich mürbe Feinputzschichten oder abkreidende Altbeschichtungen so verfestigt werden, dass sie für die nachfolgende Beschichtung einen stabilen Untergrund bilden können. Hierzu gibt es auf dem Markt spezielle Imprägniermittel mit hohem Eindringvermögen. Es muss allerdings vor einer unkritischen Verwendung solcher Mittel gewarnt werden. Um gutes Eindringvermögen zu erreichen, beträgt der nfA solcher Mittel weniger als 20 %. Zur völligen Durchtränkung eines mürben Untergrundes würden deshalb unrealistisch große Mengen Impräg­niermittel benötigt. Würde nur die obere Schicht verfestigt, hätte diese ihrerseits nur eine unzureichende Verbindung zu den tieferen und nach wie vor mürben Zonen. Zur Vermeidung einer solchen Situation sollte die Haftung einer imprägnierten Schicht durch eine Abreißprobe mit

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Literatur

einem Klebeband überprüft werden.Wenn eine rückwärtige Durchfeuchtung des Untergrundes nicht zu befürchten ist, eignen sich kapillarverengende Imprägnierungen zur Isolierung gegen auswanderndes Calciumhydroxid oder andere Salze. Eine Fluatierung (s.u.) reicht hier als Absperrung meistens nicht aus. Absperrmittel Wand- und Deckenflächen sind häufig mit verfärbenden Ablagerungen belastet, z.B. Fette und Öle in Küchen, Nikotin in Raucherhaushalten und Gaststätten oder Ruß- und Wasserflecken nach Bränden. Solche Stoffe können durch eine Neubeschichtung durchschlagen. Absperrmittel (oft auch als Isoliermittel bezeichnet) sollen das Einwirken von Stoffen aus dem Untergrund auf die Beschichtung oder umgekehrt verhindern. Die Auswahl des Absperrmittels richtet sich nach der Art des abzusperrenden Stoffes. Zum Einsatz kommen pigmentierte oder unpigmentierte Mittel, sowohl auf Lösemittelbasis als auch auf Dispersionsbasis. Auf zement- oder kalkhaltigen Untergründen werden durch Tränken des Untergrundes (Fluatieren) mit Hexafluorosilikat-Lösung die in ihm enthaltenen leichtlöslichen Calciumsalze in schwerlös­ lichen Hexafluorosilikate überführt. Dadurch wird die Alkalität des Untergrundes verringert und das Durchschlagen von Wasserflecken verhindert. Erfasst man dabei nicht alle löslichen Calciumsalze im Untergrund, kann es bei späterer Feuchtigkeitseinwirkung doch zu Calciumsalz-Ausblühungen an der Oberfläche kommen. Eine solch vollständige Umsetzung ist in der Praxis nicht zu erreichen. Fluatierte Untergründe sollten deshalb prinzipiell nicht ohne zusätzliche Imprägnierung bleiben.

5.7 [1] [2] [3] [4] [5] [6] [7] [8] [9] [10] [11] [12] [13] [14] [15] [16] [17] [18] [19] [20] [21] [22] [23] [24] [25] [26] [27] [28]

Quellen und weiterführende Literatur zu Kapitel 5

A. Brasholz: Handbuch der Anstrich und Beschichtungstechnik, Bauverlag GmbH, Wiesbaden u. Berlin 1989 Brockhaus: Naturwissenschaften und Technik, Wissensmedia, Mannheim 2002 Endlich: Kleben und Dichten – aber wie?, DVS-Verlag GmbH, Düsseldorf 1996 Goldschmidt, A, Streitberger, H.-J.: BASF-Handbuch Lackiertechnik, Vincentz: Hannover (2014) Hantschke, B.: Glasurit-Handbuch d. Bautenlacke, Laumanns Druck u. Verlagsgesellschaft mbH, Lippstadt 1990 C. H. Hare, Protective Coatings: Technology Publishing Company, Pittsburg 1994 H. Hofmann, J. Spindler: Verfahren i. d. Beschichtungs- u. Oberflächentechnik, 3. Aufl., Hanser, München 2014 „I-Lack-Schwerpunktsthemen“, Bd. 5 (Vorbehandlungstechnik), Curt R. Vincentz Verlag Hannover H. Kittel (Hrsg.): Lehrbuch der Lacke und Beschichtungen, 2. Aufl.; Hirzel: Stuttgart (1998 bis 2007) H. Kollek: Reinigen und Vorbehandeln, Curt R. Vincentz Verlag, Hannover 1996 B. Meuthen, A.-S. Jandel: Coil Coating, 2. Aufl., Friedr. Vieweg & Sohn Verlag, Wiesbaden 2008 Ondraschek [Red]: Taschenbuch für Lackierbetriebe, Jahrgänge 1994–1997, Curt R. Vincentz Verlag, Hannover Ondraschek [Red]: besser Lackieren, Jahrbuch 200–2015, Vincentz Network, Hannover T. A. Osswald, E. Schmachtenberg, S. Brinkmann, E. Baur: Saechtling Kunststoff-Handbuch, 30. Ausgabe, Hanser, 2007 O. Paprzycki, H. Pecina: Lack auf Holz, Curt R. Vincentz Verlag, Hannover 1995 J. Prieto, J. Kiene: Holzbeschichtung: Chemie und Praxis, Vincentz Network, Hannover 2007 H. Reul: Innovationen in Bautenfarben, Vincentz Network, Hannover 2013 M. Rothmann, W. Hansemann, P. Böttcher: Lackhandbuch Holz, DRW-Verlag, Leinfelden-Echterdingen 2003 J. Ruf: Organischer Metallschutz, Curt R. Vincentz Verlag, Hannover 1993 H. Rusam: Anstriche und Beschichtungen im Bauwesen, Fraunhofer IRB Verlag, Stuttgart 2004 J. Sander: Korrosionsschutz durch Beschichtungen, Vincentz Network, Hannover 2011 K. Sponsel, W. O. Wallenfang, I. Waldau: Lexikon der Anstrichtechnik 1 – Grundlagen, 2. Anwendung, 10 Aufl., Verlag Georg D. W: Callwey, München 1994 D. Stoye, D. (ed.): Paints, Coatings ans Solvents, VCH Verlagsgesellschaft mbH, Weinheim 1993 Ullmann‘s Encyclopedia of Industrial Chemistry , Online März 2016 Z. W. Wicks, F. N. Jones, Jr., S. P. Pappas: Organic Coatings, Science and Technology, 3rd ed., J. Wiley & Sons, Inc., New York 2007 G. Wilke, J. Ortmeier: Kunststoffbeschichtung, Vincentz Network, Hannover 2009 K. Winnacker, L. Küchler: Chemische Technik, Bd. 6A und 6B, Metalle,.5. Rev Ed, Wiley-VCH 2006 U. Zorll (Hrsg.): Römpp Lexikon Lacke und Druckfarben

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Applikationsarten und Einsatzkriterien

6

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Applikation und Trocknung

6.1 Applikationsarten und Einsatzkriterien Ebenso vielfältig wie die unterschiedlichen zu beschichtenden Untergründe, wie sie in Kapitel 5 beschrieben wurden, ist die Auswahl an Verfahren zur Beschichtung dieser – meistens vorbehandelten – Oberflächen. Dazu gehören die nach wie vor wichtigen manuellen Verfahren, in die viel handwerkliche Erfahrung und Geschick einfließen (müssen), ferner die Lackierverfahren in großräumigen maschinellen Anlagen sowie neuerdings auch jene mit Hilfe prozessgesteuerter Automaten und Roboter, die qualitativ hochwertig und dabei sehr wirtschaftlich arbeiten können. Tab. 6.1 gibt zunächst einen Überblick über die wesentlichen heute eingesetzten Verfahren und führt einige technische und ökonomische Einsatzkriterien auf. Gerade die letzteren, sowie der ökologisch wichtige Aspekt der Lösemittelemission, bestimmen heute neben dem zu verwendenden Lackmaterial zunehmend Einsatz bzw. Einsetzbarkeit des Applikationsverfahrens.

6.2 Streichen, Rollen, Ziehen, Wischen Streichen Der Lackauftrag mit einem Pinsel, d.h. das Streichen, ist für kleinflächige Teile, zum Ausbessern von Teilflächen und im Do-it-yourself-Bereich nach wie vor unentbehrlich. Vorteile des Streichens sind: + Anwendbarkeit an unterschiedlichst geformten Objekten. + Gute Benetzung und Abdeckung von Oberflächen-Fehlstellen. + Geringe Lackverluste. Nachteile und Grenzen des Streichens: – Hoher manueller Arbeitsaufwand. – Kritischer Verlauf (Pinselfurchen), besonders bei den oft strukturviskosen Wasserlacken. – Gleichmäßige, präzise Filmdicken sind schwer zu erreichen. Material und Form der verwendeten Pinsel sind auf den Beschichtungsstoff und auf das Objekt abzustimmen. So sind z.B. Flachpinsel für niedrigviskose Beizen und Lacke geeignet, Rundpinsel eher für höherviskose, z.B. pigmentierte Lacke. Wasserlacke bzw. lösemittelbasierende Lacke erfordern zudem unterschiedliche Pinselmaterialien: Tierborsten sind geeignet für lösemittelbasierende Lacke, können in Wasserlacken jedoch spalten. Umgekehrt können Nylonpinsel in Lösemittel anquellen. Der Trend geht zu Pinseln, die für beide Lacktypen geeignet sind, z.B. mit Polyesterborsten. Rollen Wie beim Streichen muss auch beim Rollen je nach Art des Lackmaterials und nach gewünschtem Resultat das geeignete Werkzeug, hier also die Rolle, ausgewählt werden: von langflorigem Lammfell über plüschartiges Textil bis hin zum Schaumstoff, wie z.B. „Moltopren“. Gegenüber dem Streichen ist der Arbeitsaufwand deutlich geringer und die Trockenschichtdicke gleichmäßiger. Da keine Pinselfurchen entstehen, ist eine sehr glatte Oberfläche erzielbar. Nachteilig ist hier: Die Substratoberfläche muss anquellen. Der Trend geht zu Pinseln, die für beide Lacktypen geeignet sind, z.B. mit Polyesterborsten relativ eben sein, und die Untergrundbenetzung ist schlechter als beim Streichen. Bei schnellem Rollen kann es zum Spritzen kommen; die Spritzneigung lässt sich größtenteils durch thixotrope Einstellung des Fließverhaltens unterdrücken (→ 8.1.1).

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Applikation und Trocknung

Spachteln Spachtelmassen (hochgefüllte, hochviskose bis pastöse Anstrichstoffe) werden entweder durch Walzen (→ 6.5) oder, besonders bei kleinen Flächen, wie z.B. bei der handwerklichen Lackierung, durch manuelles Ziehen mit einem Ziehspachtel verarbeitet. Nach dem Ziehen muss die Spachtelschicht zunächst eingeebnet und nach der anschließenden Trocknung und Härtung meistens aufwendig geschliffen werden. Mit den etwas fließfähigeren Spritzspachteln ist häufig eine raschere Verarbeitung möglich. Die meisten Spachtel enthalten keine flüchtigen Lösemittel und können daher in hohen Schichtdicken appliziert werden, d.h. in Schichten mit Dicken > 1 cm. Tab. 6.1: Übersicht über Applikationsverfahren und ihre Einsatzkriterien Applikationsverfahren

Einschränkungen Oberflächen- Dimensionen Geometrie qualität

Streichen

mittel bis gut

Rollen

gut

kleine Flächen – Zugänglichkeit

Sonstiges

Arbeitsgeschwindigkeit

Lösemittelemissionen

Auftragswirkungsgrad



sehr gering

gering

sehr gut



mittel

gering

sehr gut



Ziehen (Spachtel) –

kleine Flächen –

gering

gering

sehr gut

Wischen

gering

Großteile (Rohre)



gering

gering

sehr gut

Konventionelles Tauchen

mittel

Objektvolumen begrenzt

Kantenkeine schöpfenden flucht Teile

hoch

gering

sehr gut

Trommeln

gering

Kleinteile

schüttfähig



hoch

gering

sehr gut

Zentrifugieren

gering

Kleinteile

schüttfähig



hoch

gering

sehr gut

Fluten

mittel

Objektvolumen begrenzt

Kantenkeine schöpfenden flucht Teile

hoch

gering

sehr gut

Flow Coating

mittel

Arbeitsbreite begrenzt

Kantenkeine schöpfenden flucht Teile

hoch

gering

sehr gut

Gießen

sehr gut

Arbeitsbreite begrenzt

nahezu ebene Oberflächen



hoch

gering

sehr gut

Walzen/ Coil Coating

mittel

Arbeitsbreite begrenzt

ebene Oberflächen



sehr hoch

gering

sehr gut

Elektrotauchen

gering

Objektvolumen begrenzt

– keine schöpfenden Teile

hoch

gering

sehr gut

Luftzerstäubung Niederdruck

gut







gering

hoch

niedrig

Luftzerstäubung Hochdruck

exzellent –





gering bis mittel

sehr hoch

sehr niedrig

Luftzerstäubung HVLP

sehr gut







gering

hoch

niedrig

Airlesszerstäubung

mittel







hoch

mittel

mittel

Airmixzerstäubung

gut







mittel

hoch

mittel

Elektrostatisch unterstützte Luftzerstäubung

sehr gut



keine FaradayKäfige

leitendes Substrat

mittel

hoch

gut

Hochrotationszerstäubung

sehr gut



keine FaradayKäfige

leitendes Substrat

mittel

hoch

gut

Pulversprühen

gut





leitendes Substrat

mittel

nahezu keine mittel

Wirbelsintern

gering





dicke Schichten

mittel

gering

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sehr gut

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Walzen

Zum schnellen, gleichmäßigen Lackieren von Großteilen kann das Wischen mit einem Spezialhandschuh vorteilhaft sein, vor allem für Rohre aller Art, auch bereits fertig montiert. Bei schlecht zugänglichen oder kompliziert geformten Teilen hat das Verfahren allerdings seine Grenzen. Auch lassen sich die Handschuhe meistens nicht reinigen und sie sind zudem recht teuer.

6.3 Gießen Im Gießverfahren werden vor allem in der Möbelindustrie ebene Flächen, wie Schrankwände, Türblätter etc., beschichtet. Das Verfahren eignet sich auch zum Beschichten von Blechtafeln sowie von Papier und Karton. Generell durchlaufen dazu die Werkstücke auf einem Fließband (s. Abb. 6.1) einen aus einem schmalen, einstellbaren Spalt fließenden Lackvorhang und erhalten so ihre Beschichtung (daher auch im Englischen „Curtain Coating“). Das Lackmaterial wird ständig im Kreis gepumpt und dabei ergänzt sowie ggf. filtriert und temperiert. Durch Verändern der Gießlippen- (Spalt-) Einstellung und der Durchlaufgeschwindigkeit der Werkstücke kann die Schichtdicke eingestellt werden. Übliche Schichtdicken liegen zwischen 20 und 500 µm. Bei geringen Schichtdicken kann die Oberflächenglätte unzureichend sein. In solchen Fällen bewähren sich Vakuumgießköpfe: Ein Unterdruck im Gießkopf führt zur Erweiterung des Gießspaltes und ermöglicht so eine gleichmäßigere Beschichtung. Meistens werden UV- oder elektronenstrahlhärtende Lacke im Gießverfahren verarbeitet; es findet auch bei Zweikomponentenlacken Verwendung (Auftrag von Stammlack und Härter mit verschiedenen Gießköpfen). Durch Gießen kann bei fast 100 %iger Ausbeute eine sehr gute Oberflächenqualität erzielt werden, allerdings nur bei flachen Teilen, mit allenfalls geringer Wölbung, oder Gießtopf Gießspaltbei entsprechenden Profilen. Die Gießregulierung lackierung ist zum großen Teil durch das qualitativ höherwertige WalzverfahLackfilm Lackiergut ren (s. nachfolgendes Kapitel) ersetzt worden.

6.4 Walzen Flache Objekte, wie Blechtafeln und -bänder, auch z.B. Holzteile, Folien und Kartons lassen sich sehr schnell und wirtschaftlich in einem der verschiedenen Walzverfahren beschichten. Flache Holzteile werden zur Vorbereitung der Lackierung oft zunächst mittels Walzen gespachtelt, grundiert und anschließend walzlackiert. Dabei überträgt eine verchromte Dosierwalze zunächst das Lackmaterial auf die gummierte Lackauftragswalze (s. Abb. 6.2), wobei die Auftragsmenge über den Spalt zwischen den beiden Walzen gesteuert wird. Bei vielen Anlagen wird die Dosierwalze auch aus einer separaten Farbwanne mit Lack versorgt. Die Lackauftragswalze überträgt nun den Lack auf das Substrat. Das frühere

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Transportbänder

Filter Auffangschale

Vorratsbehälter

Lackzuleitung

Abb. 6.1: Gießlackierung Reversmaschine

Gleichlaufmaschine

Dosierwalze Beschichtungsmaterial Lackwalze

Werkstück

Werkstück

Abb. 6.2: Beschichten durch Walzen

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Applikation und Trocknung

Gleichlaufprinzip (Walze und Werkstück laufen gleichsinnig) – mit unvollständiger und ungleichmäßiger Übertragung auf den Untergrund – ist weitgehend, besonders bei höheren Qualitätsansprüchen, durch das neuere Reversverfahren abgelöst worden, bei dem die Auftragswalze entgegen der Richtung des Werkstücks läuft. Durch die gute und sichere Übertragung des Lackes lassen sich mit diesem Verfahren, selbst bei stark unterschiedlichen Lackviskositäten, Schichtdicken in einem weiten Bereich (3 bis 100 µm) einhalten. So sind einerseits hochglänzende, strukturfreie und gleichmäßige Flächen erzielbar, andererseits wird damit auch der Auftrag dünnster Haftvermittlerschichten möglich. Auch die Verarbeitung von Zweikompo­nentenlacken (mit Hilfe 2er Walzen nacheinander) lässt sich auf diese Weise vornehmen. Bei einigen Revers-Anlagen läuft zwar eine Verteilerwalze (zwischen Lack- und Dosierwalze) gegenläufig zur Lackwalze; diese jedoch läuft gleichsinnig zum Werkstück. Besondere Bedeutung hat diese Auftragsart bei der Bandbeschichtung, d.h. beim Coil Coating, (→ 7.6) und beim Lackieren von Holz-Flachteilen in der der Parkett- und Möbelindustrie.

6.5 Tauchen, Fluten und verwandte Verfahren Tauchen und Fluten sowie Trommeln, Zentrifugieren und Flow Coating sind sehr einfache Beschichtungsverfahren für Massengüter und Kleinteile, sowie auch in der Serienfertigung von z.B. Landmaschinen. Tauchen Beim konventionellen Tauchen werden die Werkstücke, z.B. Fensterrahmen, auch elektrische Drahtwicklungen etc., in den Lack eingetaucht und wieder herausgezogen; wichtig ist dabei eine konstante und auf das Ablaufverhalten des Lackes abgestimmte Hubgeschwindigkeit. Das Objekt ist damit praktisch bereits lackiert. Es darf keine Luftblasen infolge irgendwelcher Hohlräume zulassen oder andererseits den Lack nicht mit ausschöpfen. Beides muss also bei Design und Konstruktion der Werkstücke beachtet werden. Eventuell vorhandene Verunreinigungen würden sich im Bad anreichern; die Objekte müssen also absolut sauber sein. Zur Gewährleistung einer konstanten Badqualität müssen ausgetragener Lack sowie verdunstetes Lösemittel bzw. Wasser nachdosiert, durch Umwälzen die Sedimentation im niedrigviskosen Bad verhindert und die Temperatur konstant gehalten werden. Sowohl lösemittel- als auch wasserbasierende Tauchlacke kommen zum Einsatz. Die sog. Tri-(Tauch-)Lacke – mit Trichlorethylen als Lösemittel – werden, obwohl sie fertigungstechnisch manchen Vorteil brachten, aus ökologischen Gründen nicht mehr verwendet. Vorteilhaft bei allen Tauchverfahren ist, dass nur mit sehr geringen Lackverlusten – bei vollständiger Lackierung der Werkstücke – zu rechnen ist und eine gute Automatisierbarkeit besteht. Allerdings sind Schichtdickenschwankungen und Läuferbildungen nicht immer ohne weiteres zu vermeiden, so dass keine zu hohen Anforderungen an die Oberflächenqualität gestellt werden dürfen. Die Elektrotauchlackierung wird im folgenden Abschnitt gesondert behandelt. Trommelverfahren Trommeln und Zentrifugieren sind Verfahren für kleine Massenartikel. Dazu wird der dünnflüssige Speziallack auf eine große Anzahl von Kleinteilen, die sich in einer Trommel bzw. in einem Korb befinden, geschüttet oder gespritzt. Nach dem Abtropfen werden die Teile – je nach Bindemittel – luft- oder forciert getrocknet oder auch eingebrannt, oder es wird einige Minuten zentrifugiert und dann getrocknet. Während des Beschichtens und vor allem während des Trocknens müssen die Teile ständig in Bewegung gehalten werden, um störungsfreie, glatte Oberflächen zu erhalten. Fluten Im Gegensatz zum Tauchen werden beim Fluten die Werkstücke in eine (bei moderner Technik) geschlossene oder Durchlauf- Kammer gebracht und mit Lack überflutet (übergossen). Der überschüssige Lack wird aufgefangen und lässt sich erneut einsetzen.

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Elektrotauchlackierung

Flow Coating ist eine Variante des Flutens, hierbei wird der Lack mittels gerichteter Sprühdüsen auf die Werkstücke gespritzt. Das Verfahren ist besonders geeignet für großflächige und sperrige Objekte, wie Heizkörper, Fenster- und Türrahmen oder Maschinenteile. Vakuumlackieren Eine spezielle Auftragsart ist das Vakuumlackieren; dabei wird flüssiger Lack in einer geschlossenen Anlage appliziert. Durch einen kräftigen Luftsog, der von unten kommt, wird der Lack nach oben gerissen und im Teilvakuum vernebelt. Er schlägt sich dann auf dem Werkstück, das durch sehr enge Öffnungen durch die Kammer geführt wird, nieder. Das Verfahren bietet sich für Stangen, Profilhölzer, Platten, Rohre, Metallprofile etc. an und findet zunehmende Verbreitung.

6.6 Elektrotauchlackierung (ETL) Wenn bei einem Tauchlackierverfahren elektrischer Strom zur Koagulation des Bindemittels und zur damit einhergehenden Abscheidung der Lackschicht auf dem Untergrund eingesetzt wird, spricht man von Elektrotauchlackierung. Dabei unterscheidet man die Varianten der ETL im Sprachgebrauch weniger nach Einsatzzweck oder Lackchemie, vielmehr nach der elektrischen Polung des Gleichstrom-Durchflusses. Bei der anodischen Elektrotauchlackierung (ATL), dem älteren Verfahren (seit den 60er Jahren), ist das Werkstück als Anode (Pluspol) geschaltet. Für hochwertige Grundierungen, z.B. bei der Autoserienlackierung, und für Einschicht-Decklackierungen (die beiden Haupteinsatzgebiete der ETL) hat sich jedoch das später entwickelte Verfahren der kathodischen Elektrotauchlackierung (KTL) – seit etwa 1975 – aus den folgenden Gründen weitgehend durchgesetzt: • • • • •

Hervorragender Korrosionsschutz Gleichmäßige Schichtdickenverteilung Besserer Umgriff (Beschichtung auch in Hohlräumen, trotz „Faraday-Käfigs“) Gute Kantenabdeckung Geringerer Stromverbrauch

Bei der KTL ist das Werkstück analog zum zuvor Gesagten als Kathode (Minuspol) geschaltet. In der Regel sind die Werkstücke durch Alkaliphosphatierung, auch Eisenphosphatierung genannt, (meistens bei ATL) oder Zinkphosphatierung (meistens bei KTL) vorbehandelt.

6.6.1 Elektrochemische Grundlagen Die bei der ETL eingesetzten Bindemittel können je nach Verwendungszweck sehr unterschiedlich sein. Für die ATL werden Polyacrylate, Polyester, Epoxidharzester sowie Maleinatöle und Polybuta­ diene verwendet, für die KTL Epoxid-Amin-Addukte und Polyacrylate. Ausschlaggebend für die bei der ETL stattfindenden Vorgänge ist jedoch die Art der Bindemittel-Modifizierung, durch die die Wasserlöslichkeit und ihre Umkehr, die Abscheidung, ermöglicht werden. Reaktionsfolge (ATL) Enthält das Bindemittel carboxy-funktionelle Gruppen (ist also säurefunktionell), so kann es durch Neutralisation mit Aminen (je nach Einsatzzweck unterschiedlichste Amine oder Ammoniak) wasserlöslich gemacht werden (Lösungsreaktion): – COOH + NR3 – COOH + NR3

→ →

unlöslich unlöslich

–COO – + H–NR3+ –COO – + H–NR3+

= Polymerrest = Polymerrest

wasserlöslich wasserlöslich

Die derart kolloidal gelösten Bindemittel- bzw. Lackteilchen (verbunden mit Füllstoffen etc.) werden im Folgenden auch als Polymerionen bezeichnet, da sie geladene Teilchen mit polymeren Substituenten darstellen.

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Applikation und Trocknung

Lackschicht Lackierobjekt

Behälter

a) Anfangsphase vorwiegend Außenbeschichtung

b) Hauptphase einheitliche „Rundum“Beschichtung

c) Endphase restliche Innenbeschichtung

Abb. 6.3: ET-Lackabscheidung in Hohlräumen durch Umgriff bei fortschreitender Abscheidung (hier: ATL)

Die negativ geladenen Lackteilchen (Kolloidteilchen) eignen sich somit für eine Wanderung – oder besser: Diffusion und Migration (s. Abb. 6.5) – zur Anode (Pluspol), also für das ATL-Verfahren. An der Anode werden sie allerdings nicht direkt entladen, sondern zunächst durch die sich bei der Wasserelektrolyse anreichernden H+–Ionen (pH-Wert-Abfall bis ca. 2!) neutralisiert (Abscheide­ reaktion): →

4 H+ + O2 + 4 e– ⎯⎯⎯⎯

⎯⎯→

⎯⎯⎯⎯→

2 H2O

–COOH

–COO–

unlöslich ⎯→ Koagulation

Das Koagulat, das noch keinen geschlossenen Lackfilm darstellt, wird – da es noch restliche negative Ladungen aufweist – an der Anode abgeschieden, und es verdichtet sich noch deutlich (Entwässerung durch Elektroosmose, s. S. 320). Abscheideverlauf Die koagulierte Schicht hat einen definierten elektrischen Widerstand, der mit fortschreitender Dauer des Beschichtungsvorganges zu einer Verschiebung der Feldlinien1) auch in Hohlräume und Faraday-Käfige sowie zur Rückseite führt und so den guten Umgriff 2)  mit nahezu gleichmäßiger Rundumbeschichtung selbst bei komplizierten Werkstücken bewirkt (Abb. 6.3; a bis c: fortschreitende Abscheidung). Bei besonders engen und für die Feldlinien schlecht erreichbaren Hohlräumen kann der Umgriff durch Einführung von Hilfselektroden verbessert werden. Der zunehmende Widerstand der sich aufbauenden Schicht hat auch zur Folge, dass sich die Stromdichte (und somit die Stromstärke) nach anfänglich sehr hohen Werten rasch geringeren Werten annähert; auch die Schichtdicke erreicht nach 1 bis 2, max. 3 min schon meistens ihren Endwert (s. Abb. 6.4). Neben der Abscheidezeit und abgesehen von den Einstellparametern des Lackmaterials, wie pH-Wert, Leitfähigkeit, nichtflüchtigem Anteil oder Lösemittelgehalt, beeinflussen auch die an „Feldlinien“ dienen hier als Hilfsvorstellung und sollen die Feldstärkeverteilung illustrieren. Längs der Feldlinien bewegen sich die Lackpartikel auf die Werkstückoberfläche hin. Als „Umgriff“ bezeichnet man den dabei durchaus erwünschten Effekt, dass die Feldlinien auch in schwerer zugänglichen Objektpartien (Hohlräume, Falzen u.ä.) enden, so dass dort ebenfalls Lack abgeschieden wird.

1 2

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Elektrotauchlackierung

gelegte Gleichspannung (meistens im Bereich 100 bis 500 V) und die Badtemperatur die Qualität der Beschichtung. Alle Größen müssen daher ständig beobachtet und konstant gehalten werden, um Oberflächenstörungen zu vermeiden. Andernfalls resultieren in der Lackschicht schwammartige Nester, schlechter Verlauf, Poren, Kantenflucht, mangelhafter Korrosionsschutz u.Ä.

Schichtdicke d [µm] 20 15 10 5

Abscheideäquivalent

Zeit t [min] Unter dem Aspekt des Energieaufwandes beim Elek0 trotauchlackieren ist das Abscheideäquivalent (AE) 0 1 2 3 eine wichtige Lack-Kenngröße. Sie ist definiert als die Ladung, die für 1 g abgeschiedenen Film auf- Abb. 6.4: Schichtdicke als Funktion der Abscheidezeit gebracht werden muss und berechnet sich aus der Stromstärke I (als Funktion der Zeit t) mit m als abgeschiedener Masse nach folgender Beziehung: t 1 AE = m

Ι · dt

[C/g (Coulomb/Gramm)]

o

Übliche Praxiswerte liegen im Bereich 40 bis 150 C/g. (1 C = 1 A · s) Nach dem Herausnehmen aus dem Tauchbad und dem Abspülen von nicht koaguliertem Lackmaterial (in einem mehrstufigen Spülprozess) erhält der Lackfilm beim Einbrennen (150 bis 190 °C) schließlich seine endgültigen Eigenschaften. Die Entwicklung geht hin zu niedriger einzubrennenden (low bake-) Materialien. Reaktionsfolge (KTL) Bindemittel für das KTL-Verfahren enthalten basische Gruppen (Aminogruppen), die, mit Säuren neutralisiert, durch Salzbildung für die benötigte Wasserlöslichkeit sorgen: –NR2 + R’–COOH



–NR2H+ +

unlöslich

R’–COO–

wasserlöslich

Im Wesentlichen sind hierfür Ameisensäure oder Essigsäure, z.T. auch Propionsäure oder Milchsäure im Einsatz. Nach der Diffusion der geladenen Lackteilchen zur Kathode (Minuspol) hin werden sie hier – natürlich gegensinnig zum ATL-Prozess – wiederum neutralisiert. Die durch Wasserelektrolyse an der Kathode zunehmend gebildeten OH–-Ionen entfernen H+ aus der Ammoniumgruppe (Depro­tonierung); der pH-Wert steigt in Nähe der Kathode stark an. Es kommt zu folgender Abscheidereaktion: →

2 OH– + H2 ⎯⎯⎯⎯

⎯⎯→

⎯⎯⎯⎯→

2 H2O + 2 e–

–NR2

–NR2H+

unlöslich ⎯→ Koagulation

Die weiteren Stufen bis zum fertigen Lackfilm entsprechen im Prinzip den zuvor bei der ATL beschriebenen. ETL-Badführung Um ein Absetzen der Pigmente und Füllstoffe im dünnflüssigen ETL-Bad zu vermeiden, muss es – auch außerhalb der Abscheidezeiten – ständig gerührt bzw. umgewälzt werden. Das hat

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Applikation und Trocknung

u.a. zur Folge, dass die oft gebrauchten Bezeichnungen „Elektrophorese“ oder auch „Anaphorese“ und „Kataphorese“ streng genommen nicht zutreffen. Es findet keine nennenswerte Migration (Wanderung)1) von pH < 7 Teilchen im elektrischen Feld statt. Sie ist CH+ etwa um den Faktor 105 kleiner als die Umwälzgeschwindigkeit (Konvektion) im pH ≈ 7 Becken, ist also vernachlässigbar langsam. Rührer pH > 7 Abgeschieden werden vielmehr vorwiegend diejenigen Lackpartikel, die sich momentan nahe an der Werkstückoberfläche befinden. Tauchbad Die Konzentrationsänderungen der H+–Ionen (CH+) bzw. der OH––Ionen, auch die der Diffusionsgrenzschichten entsprechenden Säuren und Basen, nach Abb. 6.5: Diffusionsgrenzschichten und H+-Konzentrationen Anlegen der Gleichspannung, beschränken im ETL-Bad während des Stromflusses (schematisch) sich auf die nur max. 100 µm dicke Diffusionsgrenzschicht an den Elektroden. Abb. 6.5 zeigt schematisch diese Konzentrationsgradienten in den Grenzschichten. Da die Polymerionen des ATL-Bades im Bereich unterhalb pH ≈ 4 der Koagulation unterliegen, wird diese also irgendwo im Bereich der Grenzschicht einsetzen. Entsprechendes geschieht im KTL-Bad, wenn der pH-Wert über 10 bis 11 hinausgeht. Schichtabscheidung und -entwässerung Die anfangs noch lockere Schicht von koagulierten Lackteilchen wird durch elektrisch noch geladene und damit wandernde Aggregate in Richtung der Elektrode (Werkstück) gedrückt. An der Elektrode wird dieses stark wasserhaltige Koagulat fixiert und durch in analoger Weise nachrückendes Material zusammengepresst (Elektroosmose). Der elektrostatisch verursachte Abtransport von Ionen, die jeweils ihre Hydrathülle mitnehmen, von der Elektrode weg führt zusätzlich zur Entwässerung und Verfestigung des Films. Innerhalb kurzer Zeit steigt so der nichtflüchtige Anteil des Films auf über 90 %, obwohl das Bad selbst nur etwa 10 bis 20 % nichtflüchtige Anteile aufweist. So erlangt die Schicht eine für die nachfolgende Spülung (s.u.) und den Transport zum Einbrennofen ausreichende Festigkeit. Nebenreaktionen Neben der elektrochemischen Abscheidung der Polymerionen laufen oft auch Nebenreaktionen ab, deren Kenntnis für die Vermeidung von Störungen und somit zur Qualitätssicherung wichtig ist. Die wichtigste Nebenreaktion ist die anodische Auflösung von Eisen gemäß Fe ⎯→

Fe2+ + 2 e–

wobei anschließend die Eisenionen unter Oxidation zu Eisen(III)-oxid-Schlamm führen oder – in Umkehrung der Auflösung – als Metall an der Kathode abgeschieden werden können. Beim ATL-Verfahren besteht also die Möglichkeit der Auflösung am Lackierobjekt. Ein metallenes Tauchbecken kann prinzipiell als Kathode dienen; normalerweise werden jedoch separate EdelstahlKathoden verwendet. Beim KTL-Verfahren dagegen muss zur Verhinderung der anodischen Oxidation mit Spezialanoden aus Edelstählen (früher: Kohleanoden) gearbeitet werden. Eine Abscheidung von Eisen oder auch nur Anreicherung von Fe-Ionen am Kathodenobjekt würde stören, z.B. durch Verfärbungseffekte. Das metallene Becken ist durch einen Isolationsanstrich zu schützen. Wie durch „…phorese“ sonst impliziert!

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Elektrotauchlackierung

Daneben gibt es andere, durch die Elektrolyse eingeleitete, radikalische organische Nebenreaktionen, die für das Lackierergebnis meistens von geringerer Bedeutung sind.

6.6.2 Anlagentechnik und Badsteuerung Eine ETL-Anlage besteht im Wesentlichen aus folgenden Komponenten: • • • • • •

Tauchbecken mit Elektroden Kreisläufe zur Aufrechterhaltung der Badstabilität und -qualität Lackversorgung und Nachdosierung Spülungs-/Reinigungssystem Transportsystem Stromversorgung

Abb. 6.6 zeigt schematisch diese Bausteine einer KTL-Anlage; ihre wesentlichsten Merkmale werden im Folgenden erörtert. Tauchbecken Das Tauchbecken („ET-Becken“) ist in Form und Größe dem Werkstück und den anderen Gegebenheiten anzupassen; es wird im Allgemeinen mit einem Isolieranstrich geschützt. Zur Verhinderung von Sedimentationen muss kräftig umgewälzt werden, meistens über einen externen Kreislauf mit Umwälzpumpen und Einspritzdüsen am Boden des Beckens. Dabei wird der Badinhalt gleichzeitig über Filter von eingeschleppten Verschmutzungen befreit. Für eine hohe Beschichtungsqualität hat man die Badtemperatur (bei KTL ca. 30–35 °C) in engen Grenzen (ca. ±1 °C) zu halten. Der Kühlkreislauf sorgt dafür, dass die Temperatur nicht durch den elektrischen Stromfluss oder durch die bei der Vorbehandlung erwärmten Werkstücke ansteigt.

Spülzonen Fördersystem

DZ

DZ

DZ

Umwälzpermeat

VEW

ET-Becken ET-Lack-Kreislauf Nachfüllmaterial Ultrafiltration-Kreislauf VEW Ultrafiltrat Dialysekreislauf

DZ = Dialysezellen

zur Abwasseraufbereitung

zur Abwasseraufbereitung

VEW = voll entsalztes Wasser

Abb. 6.6: Elektrotauchanlage

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Quelle: Herberts GmbH

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Applikation und Trocknung

Ultrafiltration

Lack Ultrafiltrat: Wasser + organische Lösemittel P

Neutralisationsmittel niedrigmolekulare Bindemittelanteile

P

Fremdionen Lack

Ziel und Aufgabe der Ultrafiltration ist es in erster Linie, genügend (Ultra-)Filtrat zur Verfügung zu stellen, um in den Spülstufen das Ausschleppen von anhaftendem, nicht koaguliertem Lack zu vermindern. Wie Abb. 6.7 zeigt, wird dazu der Lack durch Filtermodule gepumpt, deren Membran Wasser und andere niedermolekulare Stoffe abtrennt.

P = Polymerionen

Zusätzlich kann man mit Hilfe der Ultrafiltration die sich während des Betriebes anreichernAbb. 6.7: Ultrafiltration (UF) den, niedermolekularen Verunreinigungen aus der Badflüssigkeit entfernen. Dazu muss das Filtrat anschließend ganz oder teilweise verworfen werden. Das Konzentrat und (nach Spülungs-Einsatz) das nicht verworfene Filtrat werden dem Bad wieder zugeführt. UF-Membran

Konzentrat

Im Gegensatz zur ATL ist bei der KTL ein zusätzlicher Dialysekreislauf erforderlich, der die sich an der Anode anreichernden Säuremengen entfernt. (Die Säure wird nicht mit abgeschieden und würde zum pH-Abfall im Becken und dadurch sich verschlechternder Abscheidbarkeit führen.) Für diesen „Anolytkreislauf“ sind die Anoden in Dialysezellen („DZ“ in Abb.6.6) positioniert, die durch Membranen vom Bad getrennt sind und in denen der Anolyt (die Kreislaufflüssigkeit) die sich dort ansammelnde Säure entfernt. Versorgungssysteme Die Lackversorgung und -nach­dosierung sorgen für zuverlässige und gleichmäßige Bereitstellung von Badmaterial sowie dafür, dass die auf dem Werkstück aufgetragenen Lackmengen (vor allem feste, koagulierte Anteile) ersetzt werden. Geliefert wird das ETL-Bad entweder als • 1K-Material (konzentrierte Lieferform mit allen Inhaltsstoffen, wird vor der Verarbeitung lediglich mit vollent­salztem Wasser aufgefüllt) oder – im überwiegenden Maße – als • 2K-Material (separate Anlieferung von Pigmentpaste und Bindemittel-Halbfabrikat); Vorteil hier: Das Pigment/Bindemittel-Verhältnis lässt sich sicherer und einfacher steuern. „2K“ deutet hier also nicht auf ein zwecks späterer Vernetzung mehrkomponentiges System hin (wie z.B. „2K-PUR-Systeme“), sondern lediglich auf die Art und Weise der Belieferung und Handhabung. Auch zur Nachdosierung von verbrauchtem Badfestkörper werden – je nach Einsatzzweck und Anla­gentechnik unterschiedlich – Bindemittel-, Pigment- oder Lackkonzentrate sowie ggf. Neutrali­ sationsmittel über Rohrleitungen getrennt zugeführt und über den Umwälz- oder einen eigenen Kreislauf unter guter Durchmischung zudosiert. Spülvorrichtungen Das Spülen der beschichteten Werkstücke zur Reinigung von mitgeschlepptem Material wird in modernen Anlagen nach dem Kaskadenprinzip vorgenommen, d.h. in mehreren Stufen, mit zunehmend saubererem Spülmittel bis hin zu reinem Ultrafiltrat. Qualitativ hochwertige Beschichtungen erfordern meistens noch eine abschließende Spülung mit vollentsalztem Wasser als letztem Spülgang.

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Spritzverfahren

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Stromzuführung Neben der Werkstückförderung hat das Transportsystem (→ 6.9.5) im ETL-Bereich zusätzlich noch die Aufgabe der Stromzuführung zu den Werkstücken. Sie kann über das Trägerstück oder über ein am Objekt angeklemmtes Kabel erfolgen. Die Verbindung zur Stromschiene kommt über Schleifkontakte zustande. Eine Verunreinigung mit hineinfallendem Schmutz und Abrieb seitens der mechanischen Transportsystemteile ist – da sie über dem Becken angeordnet sind – ein besonderes Risiko bei ETLAnlagen und muss durch entsprechende Konstruktion der Förder- und Stromschienen unbedingt vermieden werden.

6.6.3 Entwicklungstrends und Einsatzgebiete Neben der schon erwähnten Reduzierung der Einbrenntemperatur (low bake-ETL) wird vor allem am Ersatz der manchmal in ET-Lacken noch verwendeten Zinnverbindungen (Korrosionsschutzpigmente) gearbeitet sowie fallweise am Konzept für Dickschicht-Materialien gearbeitet. Letztere sollen im Hinblick auf den Mehrschichtenaufbau einer Lackierung den Einsatz von Füllern reduzieren oder sogar erübrigen, was eine deutliche Kostenersparnis mit sich brächte. Außerdem geht die Tendenz dahin, den Anteil organischer Lösemittel im Tauchbad weiter zu reduzieren und zudem sicherzustellen, dass beim Einbrennprozess möglichst keine Spaltprodukte freigesetzt werden. Weitestgehend abgeschlossen ist der Ersatz der früher eingesetzten Bleiverbindungen. Die wichtigsten Einsatzgebiete für Elektrotauchlacke sind die • • • •

Automobilindustrie (PKW und Nutzfahrzeuge), inkl. Zubehör- und Ersatzteile (prakt. nur KTL) Landmaschinen Stahlmöbel, Haus-, Garten- und Freizeitgeräte Bauelemente, wie Heizkörper und Profile, Bauteile und Gehäuse für die Elektroindustrie.

6.7 Spritzverfahren Schon 1909 gab es ein erstes luftzerstäubendes Lackiergerät für die Möbelindustrie. Ab 1923 setzte sich die Spritzpistole auch in der Autolackierung durch. Zusammen mit den aufkommenden Nitrolacken, die eine schnelle Verarbeitung erforderten bzw. ermöglichten: eine revolutionäre Steigerung von Lackierqualität und -produktivität. Heute existiert, abgestimmt auf das Lackierobjekt und die technologischen Anforderungen, eine Vielzahl von Zerstäubungsmethoden, die sich grob wie folgt einteilen lassen: • Pneumatische Zerstäubung (mittels Druckluft) • Hydraulische Zerstäubung (Druckentspannung des Flüssiglackes) • Hydraulische Zerstäubung mit Luftunterstützung • Zerstäubung durch Rotation (Zentrifugalkräfte) • Elektrostatische Unterstützung der Zerstäubung • Rein elektrostatische Zerstäubung Neben dem zunehmenden Einsatz der elektrostatischen Verfahren behalten auch die drei erstgenannten Verfahren – ohne elektrostatische Lackaufladung – ihre Bedeutung, da sie • geringere Anforderungen an Investitionen, Anlagentechnik, Substrate und Lackmaterialien stellen und • weniger Probleme bei der Beschichtung von Werkstücken mit Hohlräumen oder scharfen Kanten bereiten. Ihr wesentlicher Nachteil besteht in den relativ großen Lacknebelverlusten. Daher gab und gibt es zahlreiche Entwicklungen mit dem Ziel, diese Verluste auch bei herkömmlicher Zerstäubungstechnik zu minimieren.

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Applikation und Trocknung

6.7.1 Zerstäubungsarten ohne elektrostatische Aufladung Die Zerstäubung von Lackmaterialien ohne elektrostatische Aufladung erfolgt allein durch mechanische Kräfte. Ausgenutzt werden dabei die Wirkungen der Geschwindigkeit • von Luftstrahlen (Druckluftzerstäubung im Niederdruck- und Hochdruckverfahren, pneumatische Zerstäubung) • der Lackströmung selbst (hydraulische bzw. Airlesszerstäubung) • einer Kombination von schnellfließender Lackströmung und Luftstrahlen (Airlesszerstäubung mit Luftunterstützung, Airmix) oder • als Folge von Zentrifugalkräften (Zerstäubung durch Rotation einer Glocke oder Scheibe, in Kombination mit elektrostatischer Aufladung). Einen Überblick dieser Verfahrensvarianten gibt Tab. 6.2. 6.7.1.1 Pneumatische Zerstäubung

Druckluftpistolen (ein Beispiel zeigt Abb. 6.8) gehören zu den wichtigsten Applikationsgeräten und sind wegen folgender Vorteile weit verbreitet: + Sehr gute (feine) Zerstäubung und (somit) in der Regel hohe Oberflächenqualität + Gleichmäßige Schichtdicke der Lackschicht und eine a priori fast strukturfreie Oberfläche + Gute Benetzung tiefporiger Untergründe und komplex geformter Teile Die gute Zerstäubung hat allerdings auch einige Nachteile zur Folge: – Hoher Materialverlust (overspray) besonders bei filigranen Teilen bzw. kleinen Flächen – Hohe Emission flüchtiger Lackbestandteile wegen des intensiven Luftkontaktes und wegen des oversprayAnteils – Gefahr von Oberflächenstörungen durch Spritznebel – Anforderungen an Spritzerfahrung (schwierig für angelernte Kräfte) Abb. 6.8: Querschnitt durch eine (Fließ­ becher-) Druckluftspritzpistole. Lackversorgung durch Ansaugung aus dem Fließ­ becher; Luftzufuhr durch den Handgriff.

Funktionsweise Zur Verdeutlichung des Prinzips ist in Abb. 6.9 der Längsschnitt eines pneumatischen Zerstäubers gezeigt. Dabei sind oft, ergänzend zu dieser Standardausführung,

Tab. 6.2: Übersicht der Spritzlackierverfahren ohne elektrostatische Aufladung Pneumatische Zerstäubung

Hydraulische Zerstäubung

HochdruckSpritzen

NiederdruckSpritzen („HVLP“)

Mit separater HöchstdruckFörderpumpe

Mit integrierter Förderpumpe (elektrisch)

Sprühdosen mit Treibgas

Herstellerbezeichnungen: Air-Coat, Air-Combi, Airmix, Airless-Plus, Feinsprühen, etc.

Zerstäuberluft ca. 2 bis 7 bar 0,1 bis 0,7 m3/min

Zerstäuberluft ca. 0,2 bis 1,5 bar, 0,5 bis 4 m3/min

ZerstäuberLackdruck ca. 80 bis 500 bar

Lackdruck bis max. 200 bar

Treibgasdruck ca. 2 bis 4 bar

ZerstäuberLackdruck ca. 20 bis 80 bar

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Hydraulische Zerstäubung mit Luftunterstützung

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Spritzverfahren

zwischen Luftkreis und Hornbohrung zur besseren Formung des Spritzstrahls noch weitere Steuerbohrungen angebracht. Die Materialzufuhr erfolgt über die Lackdüse und wird durch die Düsennadel (betätigt mittels Abzugsbügel) reguliert. Die zur Zerstäubung benötigte Druckluft wird ebenfalls durch den Abzugsbügel freigegeben und ist separat begrenzbar; sie tritt aus dem Luftkreis aus und reißt erst dann den Lack aus der Lackdüse mit (Prinzip der Wasserstrahlpumpe). Es folgt die Zerstäubung durch den extrem schnellen Luftstrahl, beruhend auf einem Impulsaustausch1) zwischen Luft und Lack als zwei Freistrahlen.

Düsengehäuse

ZerstäuberluftZufuhr

Lackzufluss

Hornbohrung

Hornluft (formt den Strahl zum Oval, s. Abb. 6.10) Lackdüse

Luftkreis (Ringspalt, Luftdüse)

Düsennadel

Abb. 6.9: Schnitt durch einen pneumatischen Zerstäuber, nach [3]

Falls es sich nicht um eine reine Rundstrahlpistole handelt, wird ein Teil der Druckluft über ein zusätzliches Luftkontrollventil abgezweigt und zu den „Hörnern“ und ggf. zu weiteren Steuerbohrungen geführt, um von dort aus den Rundstrahl zu einem im Idealfall gleichmäßig gestreckten Oval zu formen (s. Abb. 6.10). Mit einem solchen „Spritz­bild“ lassen sich hinsichtlich Schichtdicke und Oberflächenoptik weit gleich­ mäßigere Beschichtungen erzielen, zumal das Oval noch von einem weichen „Saum“ umrandet ist, der fließende Übergänge ermöglicht. Düsendurchmesser Typische Lackdüsen-Durchmesser sind: • 1,2 mm bei dünnflüssigen Materialien wie Beizen • 1,3 bis 1,5 mm bei hochwertigen Decklacken (z.B. für Automobile) • >1,5 mm bei Vormaterialien wie Füllern • max. ca. 2,5 mm bei hochviskosen Materialien wie Strukturlacken Für spezielle Geometrien der Lackierobjekte oder auch Lackmaterialien existiert ein Arsenal an Düsen-Sonder­ausführungen, wie Rundstrahl- und Schlitzdüsen, Tellerinnenmischdüsen, Winkelkopfverlängerungen und andere. Lackzufuhr (s. auch Abschnitt 6.9.3, Lackversorgung) Der Lackzufuhr und -versorgung dienen entweder • oben sitzende Fließbecher (Lackförderung teils durch Luft-Saugwirkung, teils durch das Eigengewicht des Lackes), • unten an der Pistole hängen­de Saugbecher (notwendig: höhere Saugwirkung, d.h. höherer Luftdruck), • ebenfalls hängende Druckbecher (Druckluft, aus der Spritzluft, fördert den Lack zur Düse) Impuls = Masse x Geschwindigkeit

1

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Abb. 6.10: Spritzbilder eines Rundstrahles (links) und eines oval geformten Spritzstrahles (rechts)

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10

Applikation und Trocknung

Lackdurchsatz

8 6

• separate Druckkessel zur Verarbeitung größerer Lackmengen.

Prozentuale Änderung des Tropfendurchmessers Zunahme Lackviskosität

4

Oberflächenspannung

2

10

5

0 –2

Lackdichte

Prozentuale Erhöhung der Einflussgröße Freie Düsenfläche

–4 –6

Abnahme

Luftdurchsatz

–8 –10

Abb. 6.11: Einflüsse auf die Tropfengrößenverteilung bei pneumatischer Zerstäubung, nach [11]

Lacknebelerzeugung Tropfengröße Der mittlere Tropfendurchmesser und damit die Qualität der Zerstäubung und des Spritzergebnisses hängen vor allem, wie aus der Bezeichnung „Impulsaustausch“ schon hervorgeht, stark vom Lack- und vom Luftdurchsatz ab. Abb. 6.11 veranschaulicht die zunehmend gröbere Zerstäubung bei steigendem Lackdurchsatz und umgekehrt bei sinkendem Spritzlufteinsatz. Einen deutlich ungünstigen Einfluss auf die Tropfengröße hat auch eine zu hohe Viskosität. Parameter wie die Oberflächenspannung und die Dichte haben dagegen nur geringen Einfluss bei der pneumatischen Zerstäubung.

Druckluftverbrauch Dem jetzt naheliegenden Gedanken, die Zerstäubungs- und damit die Oberflächenqualität durch extremen Lufteinsatz (also hohen Luftdruck) bei eher geringem Lackdurchsatz zu maximieren, stehen Aspekte der Wirtschaftlichkeit ebenso entgegen wie der Arbeitssicherheit und des Umweltschutzes: • Zu große Lacknebelverluste („Overspray“) wegen der geringen Teilchengrößen und der großen Luftströme • Als Folge auch zu hohe Verluste an flüchtigen Bestandteilen (Lösemittel!) • Steigende Mengen an Lackschlamm oder anderen Lackresten • Höherer Anteil an lungengängigen Tröpfchen im Lacknebel-Aerosol • Großer Druckluftverbrauch (ebenfalls ein nennenswerter Kostenfaktor) • Damit verbunden: überproportional steigender Energieverbrauch und • Zu geringe Arbeitsgeschwindigkeit (Flächendurchsatz, Flächenleistung) In der Praxis gibt es bei den her­kömmlichen Hoch­lei­stungs­pistolen einen optimalen Luftdruck („Düseninnendruck“) von 2 bis 6 bar, bei einem mittleren Tropfendurchmesser von ca. 20 bis 60 µm. Zur Bestimmung der Tropfen­­größenverteilung im Spritznebel dienen folgende Methoden: • Beugung im Laserstrahl, Auswertung des Interferenz-Musters • Ausfrieren der Lacktröpf­chen in flüssigem Stickstoff mit anschließender Trennung durch Kältesie­bung Zum schnellen qualitativen Vergleich kann man auch durch rasches Ziehen des Sprühstrahls über eine Folie oder einen Karton einen ersten optischen Eindruck erhalten. Spritzparameter-Bewertung Der Einfluss der verschiedenen Lack- und Spritzparameter auf das Lackierergebnis sei hier nochmals übersichtlich dargestellt:

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Spritzverfahren

Düsendurchmesser

groß

klein

Mittlere Tröpfchengröße

groß

klein

Lackviskosität

hoch

niedrig

Spritzluftdruck

niedrig

hoch

Diese Veränderungen der Spritzparameter bewirken als Lackierergebnis: Overspray-Anteil

gering

groß

Oberflächenqualität

gering

exzellent

Lackiergeschwindigkeit

groß

niedrig

Ein großer Düsendurchmesser oder eine zu hohe Lackviskosität bewirkt z.B. eine geringe Oberflächenqualität des Lackfilms, ermöglicht aber einen schnellen Schichtaufbau und eine hohe Arbeitsgeschwindigkeit. Nebelreduzierte pneumatische Applikation (HVLP etc.) Bereits seit längerer Zeit existieren sog. nebelreduzierte „Niederdruckpistolen“ zur Verminderung der Lösemittelemission, die sich in der ursprünglichen Form – infolge unzureichender Zerstäubungsqualität – nicht allgemein durchsetzen konnten. Beschleunigt wurde die Entwicklung dieser Technik dann seit den 80er Jahren durch die US-amerikanische Umweltgesetzgebung, speziell die „Rule 1151“ (für die Autoreparaturlackierung) und „Rule 1136“ (Holzlackierung). Hier wurden als Alternativen ein definierter, unrealistisch hoher Auftragswirkungsgrad oder ein maximaler Düseninnendruck (nicht: Pistoleneingangsdruck!) von 0,7 bar gefordert, der heute bei den meisten nebelreduzierten Pistolen auch üblich ist. Funktionsweise Die Bezeichnung „HVLP“ (High Volume Low Pressure) deutet darauf hin, dass man zwar einen geringen Düseninnendruck verwendet, zur Zerstäubung aber ein großes Volumen Luft einsetzt. Letzteres trifft heute – genau genommen – kaum mehr in diesem Maße zu: Der Luftverbrauch ist heute praktisch gleich dem der konventionellen Pistolen. Der geringe Düseninnendruck wird durch einen im Pistolengriff integrierten „Air Converter“ erreicht, der den Pistoleneingangsdruck von 4 bis 6 bar entsprechend reduziert. Zusätzliche bzw. veränderte Düsenbohrungen bei den HVLP-Pistolen (auch: „NR-“, „nebelreduzierte Pistolen“) sorgen für eine im Vergleich zu den konventionellen Hochleistungspistolen fast gleichwertige Zerstäubung. Lediglich bei empfindlichen Effektfarbtönen wird gelegentlich eine – im Allgemeinen akzeptable – Abweichung in der Effektausbildung festgestellt. Wirkungsgrad Der Auftragwirkungsgrad der HVLP-Pistolen ist wie folgt definiert ist

mnfA.abgeschieden Masse des nicht flüchtigen Anteils des Lackmaterials, der sich auf dem Prüfkörper abgeschieden hat mnfA.verspritzt Gesamtmasse des nicht flüchtigen Anteils des Beschichtungsmaterials, das während der Applikation benötigt wurde Er kann – je nach Objektgröße und -geometrie – um ca. 5 bis 30 % größer sein als bei konventionellen Hochleistungspistolen. Extreme Angaben, wie sie in Broschüren und Veröffentlichungen gelegentlich erscheinen, sind stets kritisch darauf zu überprüfen, ob die Applikationsbedingungen, vor allem Angaben zum Lackierobjekt, genannt sind und ob sie auch der Praxis entsprechen.

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328

Applikation und Trocknung

6.7.1.2 Hydraulische Zerstäubung (Airless) Bei diesem Verfahren, das ohne Luftzerstäubung arbeitet, wird das Lackmaterial mit einem hohen Druck von meistens 200 bis 400 bar, teilweise bis 600 bar, durch eine feine Düse (von ca. 0,5 bzw. max. 1 mm Durchmesser) gepresst. Die hohe Geschwindigkeit und die extremen Turbulenzen beim Impulsaustausch mit der (stehenden) Luft haben zur Folge, dass der Lackstrahl sofort nach Verlassen der Düse zerrissen und zerstäubt wird.

Die Vorteile der hydraulischen Zerstäubung sind: + Geringe Spritznebel-Bildung (weniger Overspray, hohe Materialausbeute) + Hohe Spritzviskosität (d.h. hoher nfA und hohe Schichtdicke pro Spritzgang; Arbeiten aus Liefergebinden möglich) + Großer Materialdurchsatz (2 bis 10 l/min) und somit gute Flächenleistung (Arbeitsgeschwindigkeit) + Weniger Spritzerfahrung erforderlich als beim Druckluftspritzen Dagegen müssen in Kauf genommen werden: – Schlechtere Zerstäubung mit entsprechend unruhiger Oberflächenoptik – Relativ scharfe Abgrenzung des Spritzstrahls (keine „weichen“ Übergänge) – Keine Mengenregulierung während der Applikation möglich – Hoher Düsenverschleiß wegen des enormen Druckes, besonders bei abrasiven Materialien – Eingeschränkte Verarbeitbarkeit mancher Wasserlacke (Dispersionsschädigung durch die starke Scherung in der Düse) – Kräftige Geräuschentwicklung – Aufwendige Apparaturen notwendig Das Airless-Verfahren eignet sich daher gut zum wirtschaftlichen Lackieren größerer Flächen z.B. beim Bauten- und Objektschutz oder beim Automobil-Unterbodenschutz, speziell wenn keine großen Anforderungen an Oberflächenglätte und Verlauf gestellt werden. Hydraulische Zerstäubung mit Luftunterstützung (Airmix) Das Verfahren wird auch „Feinsprühen“, „Aircoat“ oder „Airless mit Luftunterstützung“ genannt und ist ein häufig eingeschlagener Mittelweg zwischen der hydraulischen und der pneumatischen Zerstäubung. Gegenüber der ersteren zeigt es den Vorteil der größeren Tropfenfeinheit bzw. – bei gleicher Teilchengröße – einen geringeren notwendigen Lackdruck (ca. 60 bar). Ein weiterer Pluspunkt ist der nicht mehr so scharf abgegrenzte Spritzstrahl. Heißspritzverfahren Durch Erwärmen des Lackmaterials vor dem Zerstäuben auf ca. 60 bis 80 °C (weitere Erwärmung ist sinnlos und bewirkt nur Nachteile) lässt sich • die „Kaltviskosität“, d.h. die Auslaufzeit von üblicherweise ca. 20 s (DIN-Becher 4 mm) auf 40 bis 70 s steigern: Das erlaubt eine Lösemittelreduzierung um bis zu 6 %. • an senkrechten Flächen eine höhere Schichtdicke spritzen, da sich beim Auftreffen und Abkühlen des Lackes auf dem Objekt rasch wieder eine hohe Viskosität und damit Standfestigkeit (keine Läufer) einstellt. Allerdings ist somit auch der Verlauf verschlechtert. • die Spritzluftmenge (bei konstant gehaltener Spritzviskosität) deutlich reduzieren, ohne Verschlechterung des Spritzbildes. Zur Erwärmung wird entweder das Lackmaterial im Kreis gepumpt (mit integriertem Durchlauferhitzer) oder ein beheizbarer Schlauch für die Lackzufuhr verwendet. Vereinzelt wird auch zusätzlich, um das Abkühlen des Lackes zu verlangsamen und so den Verlauf auf dem Substrat zu verbessern, die Spritzluft vorgewärmt. Qualitativ wird jedoch das attrattive Ergebnis der normalen Druckluftzerstäubung nicht erreicht. 6.7.1.3 Neuere Verfahrensvarianten

Spritzen mit überkritischem CO2 („Unicarb“-Verfahren) Beim Spritzen mit überkritischem (superkritischem) Kohlendioxid wird ein Teil der Lacklösemittel

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329

Spritzverfahren

durch das „Lösemittel“ CO2 ersetzt, und zwar in seinem überkritischen Zustand, der bei 31 °C und 75 bar erreicht wird. CO2 wirkt dabei als Verdünner, nicht als echter Löser; d.h. man muss für die restlichen Lösemittel speziell gute Löser auswählen. Man kann das Prinzip also nicht bei herkömmlichen, vor allem nicht extrem festkörperreichen High Solid-Lacken verwenden, sondern muss umformulieren. Das (von Union Carbide propagierte) Verfahren ermöglicht dafür eine Anhebung des nfA (Festkörper) von z.B. 30 auf 70 % (bezogen auf organische Lösemittel) und reduziert, bei Airless-Applikation mit oder ohne Elektrostatik-Unterstützung, drastisch den Overspray-Anteil (Materialeinsparung!) und die Lösemittelemission. Das schlagartige Verdunsten des CO2 bewirkt eine gute Zerstäu­ bungsqualität und ermöglicht zudem einen hohen Schichtdickenauftrag ohne die Gefahr der Läuferbildung. Abgesehen von erhöhtem Schulungsaufwand beim Verarbeiter ist eine breitere Anwendung des Verfahrens natürlich auch durch die aufwendige und teure Anlagentechnik beschränkt, und sie rentiert sich im Wesentlichen nur beim Einsatz mit hohen Produktionszahlen. Bislang liegt der Schwerpunkt solcher Anlagen in den USA, vor allem in der Möbel-, Autoteile- und Landmaschinenherstellung; doch auch in Europa gibt es einige Anwendungen. Vapour Injection Cure – Verfahren (VIC) Im Gegensatz zum Unicarb-Verfahren liegt das Hauptziel beim VIC-Prozess in einer Beschleunigung der Vernetzungsreaktion bei 2K-Polyol/Isocyanat-Systemen, und zwar ohne Beeinträchtigung der Topfzeit (pot-life). Frühere Versuche, die Vernetzung durch hinzunebeln von größeren Mengen katalysierender Amine in die Spritzkabine („Vapour Cure“) zu beschleunigen, machten einer neuen Technik Platz: Der Druckluft wird – kurz vor dem Zerstäubungsvorgang – in einem Amin-Generator eine bestimmte Menge eines flüchtigen Amins zudosiert; dieses deblockiert (aktiviert) dann bei Kontakt mit dem 2K-Lackmaterial einen dort enthaltenen Bismut-Katalysator. Er wiederum kann nun die OH/NCO-Reaktion stark beschleunigen (ohne vorherige Verkürzung der Topfzeit). Bei größeren Anlagen mit hohem Durchsatz kann so, über eine Verkürzung der Trockenzeit und Erniedrigung der Härtungstemperatur, die Arbeitsgeschwindigkeit deutlich erhöht werden.

6.7.2 Elektrostatische Zerstäubung Die Energie zur Oberflächenvergrößerung, die bei der Luftzerstäubung durch Druckluft aufgebracht wird, hat bei der rein elektrostatischen Zerstäubung ihren Ursprung in der elektrostatischen Abstoßung zwischen gleichsinnigen Ladungen. Das Lackmaterial wird also in einem elektrischen Feld zunächst elektrisch aufgeladen, und die Kombination • Anziehungskraft zum Gegenpol (entlang der Feldlinien) und • innere Abstoßung durch die gleichartige Ladungsansammlung bewirkt zunehmend ein Auseinanderdriften des Lackmaterials (s. Abb. 6.12). Funktionsprinzipien Die auf die Tropfen in Richtung Gegenelektrode wirkende Kraft ist proportional der elektrischen Ladung der Tropfen und der Feldstärke E; diese ergibt sich aus folgender Beziehung: Feldstärke E =

Spannung U Elektrodenabstand a

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scharfe Kante

Zunehmende Ausbauchung Instabiler Strahl Tropfenzerfall

Abb. 6.12: Phasen der Strahlbildung und Versprühung bei der rein elektrostatischen Zerstäubung

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330

Applikation und Trocknung

Charakteristisch für den Verlauf der Feldlinien ist ihre Konzentration vorzugsweise auf Spitzen und Kanten (Abb. 6.13). Hier kann die Feldstärke E näherungsweise mit E = U/r (U: anliegende Spannung; r: Krümmungsradius) berechnet werden. Diese Zunahme der Feldliniendichte in der Nähe sehr scharfer Spitzen und Kanten mit kleinen Radien hat zur Folge: An (negativ geladenen) Spitzen der Aufladungselektrode wird die zur Luftionisierung erforderliche Durchbruchfeldstärke überschritten, und es kommt zur „Corona“-Aufladung von Luftteilchen (Molekülen), die dann wiederum ihre Ladung an Lacktröpfchen abgeben. Wenn das (positiv geladene bzw. geerdete) Werkstück Spitzen und Kanten aufweist, so wird dort zunächst bevorzugt Lack in Form von Lackwülsten abgeschieden, die z.T. anschließend verlaufen, aber auch zu bleibender Überbeschichtungen führen können. Im Extremfall bilden sich mit ionisierter Luft an sehr scharfen Spitzen und Graten negativ geladene Raumladungswolken, die auf anfliegende Tröpfchen, ebenfalls negativ geladen, abstoßend wirken und dadurch eine Beschichtung sogar verhindern können („Rücksprüheffekt“).



+

+



Der Rücksprüheffekt kann auch von ungenügender Erdung des Lackierobjektes herrühren, denn diese hat dann eine Aufladung des gesamten Objektes zur Folge. Geräte zur elektrostatischen Aufladung

Abb. 6.13: Feldlinien im homogenen und im gekrümmten Feld Scharfe Kante → Hohe Feldstärke

Lackzufuhr

Richtung Lackiergut

(–)

In Abb. 6.14 ist das Bauprinzip des (heute kaum mehr verwendeten) Sprühspaltes („AEG-Spalt“) gezeigt, der, permanent mit Lack gefüllt, bei Erhöhung der Feldstärke Lack austreten lässt. Falls kein geerdetes Objekt in der Nähe ist und somit kein starkes elektrisches Feld vorliegt, versiegt der Lackstrom. Zur Erhöhung des Lackflusses sind vereinzelt langsam laufende Sprühscheiben und Sprühglocken (Abb. 6.15) im Einsatz (in denen noch rein elektrostatische Zerstäubung, d.h. keine durch Rotation verursachte vorliegt).

140–160 kV

Abb. 6.14: AEG-Spalt

Lacksprühkegel

Eignungsmerkmale

Richtung Lackiergut

Abb. 6.15: Sprühglocke

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Von ausschlaggebender Be­deu­­ tung ist bei der elektrostatischen Zerstäubung die elektrische Leitfähigkeit des Beschich­tungsstoffes, einzu­­stel­len über die Wahl der Lösemittel und Additive. Die Applikation mit rein elektrostatischer Zerstäubung hat folgende Vorteile:

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331

Spritzverfahren

+ + + +

Sehr gute Lackausbeute, Auftragwirkungsgrad von fast 100 %, d.h.: Weniger VOC1) -Emissionen, Lackschlamm und Verschmutzung der Kabine Sehr guter Umgriff Wegen geringer mechanischer Beanspruchung kein Verschleiß an der Sprühkante

Die Grenzen bzw. Nachteile liegen begründet in: – Geringer Ausflussrate (Arbeitsgeschwindigkeit) – Ungenügender Beschichtung von Hohlräumen (Faraday-Käfige) – Gefahr der Überbe­schichtung an Kanten – Empfindlichkeit der Kante des Sprühsystems gegenüber mechanischer Beschädigung, was ein gestörtes Spritzbild verursachen würde Gerade die ungenügende Lackiergeschwindigkeit und die Schwächen bei der Hohlraumlackierung haben zu verschiedenen Variantenentwicklungen geführt, alle mit dem Ziel, den Lacktröpfchen zusätzliche kinetische Energie mit auf den Weg zu geben. Da sie auf den herkömmlichen, in diesem Abschnitt bereits erwähnten Verfahren basieren, kann man umgekehrt jetzt auch von elektrostatisch unterstützten Sprühverfahren sprechen. Elektrostatische Unterstützung der herkömmlichen Sprühverfahren Elektrostatisch unterstützte luftzerstäubende Sprühsysteme sind im Prinzip wie konventionelle Systeme ausgebildet. Zusätzlich befindet sich im Lackkanal eine Hochspannungselektrode, die die Düse um bis zu 10 mm überragt. Am spitzen Ende der Hochspannungselektrode entsteht beim Anlegen einer Hochspannung eine Coronaentladung, wodurch – zusätzlich zur Innenaufladung (Leitungsaufladung) in der Pistole – der pneumatisch schon zerstäubte Lack noch weiter aufgeladen wird. Im elektrischen Feld werden die geladenen Lacktröpfchen zum Werkstück transportiert. Die Vorteile gegenüber rein pneumatischer Zerstäubung (s. Abb. 6.16) sind: • verbesserte Lackausbeute, besonders bei filigranen Werkstücken • dank Umgriff Schichtaufbau auch auf Rückseite. Bei anderen Pistolenbauarten wird der Lack zur Aufladung allein in der Pistole an einer unter Spannung stehenden Elektrode vorbeigeführt (Innenaufladung). Auch beim hydraulisch-elektrostatischen Spritzen nutzt man den eben erwähnen Effekt der CoronaEntladung. Zu deren Erzeugung sind eine oder mehrere Hochspannungselektroden um den Düsenkern angebracht. Elektrostatische Verarbeitung von Wasserlacken Soll Wasserlack elektrostatisch versprüht werden, so erfordert seine bereits erwähnte hohe Leitfähigkeit und – verbunden damit – die Gefahr einer Kurzschlussbildung zwischen Sprühsystem-Elektrode und umgebender Anlage spezielle Maßnahmen, wie: • Reine Corona-Aufladung statt Innenaufladung (s.o.) oder • Aufwendige Isolierung der gesamten Spritzanlage, einschließlich des Lackversorgungssystems, oder • Isolierung nur der Spritzpistole und Zufuhr von begrenzten Lackmengen über „Fähren“ oder andere getrennt zu isolierende Behälter („Kanistersystem“) Volatile Organic Compounds, d.h. vor allem organische Lösemittel

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Spritzpistole

ohne Elektrostatik Werkstück

Spritzpistole

mit Elektrostatik Lackschicht

Abb. 6.16: Lacktröpfchenabscheidung ohne/mit elektrostatischer Lackaufladung

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332

Applikation und Trocknung

6.7.3 Hochrotations­-Zerstäubung • Zerstäubertypen Im Gegensatz zu den schon erwähnten, langsam rotierenden Sprühglocken und -schei­ben mit rein elektrostatischer Zerstäubung zerteilen Hochrotationsglocken – obwohl ebenfalls an Hochspannung liegend – das Lackmaterial rein mechanisch. Mithilfe hoher Drehzahlen – bis zu 60.000 U/min – werden sehr feine Tröpfchen mit einem engen Verteilungsspektrum erzeugt, das dem der pneumatischen Zerstäubung ähnelt und das unabhängig von der angelegten Spannung ist. Diese dient lediglich der Orientierung des Spritznebels zum Werkstück hin. Schematisch dargestellt ist in Abb. 6.17 bei der (in ähnlicher Weise zu betreibenden) Hochrotationsscheibe die „Luftdusche“ zur zusätzlichen Steuerung des Sprühstrahls und zur Vermeidung von Gehäuseverschmutzungen durch zurückfliegendes Lackmaterial. Zwischen Glocke und Scheibe gibt es einen markanten Unterschied. Während Hochrotationsglocken eine unmittelbar auf das Objekt gerichtete Applikation ermöglichen, vor allem im Hauptein­ satz­gebiet der Automobilerstlackierung, versprühen Hochrotationsscheiben den Lack ungerichtet zentrifugal, typischerweise in einer Ebene. In Abb. 6.18 ist schematisch, als Aufsicht von oben, das Prinzip der sog. Omega-Schleife dargestellt, bei der die Werkstücke auf einer Omega-förmigen Bahn um die Sprühscheibe herumgeführt werden. Die Sprühscheibe führt dabei dabei – je nach Größe der Werkstücke – vertikal pendelartige Hubbewegungen aus. Zur beidseitigen Beschichtung können die Lackierobjekte dabei zusätzlich eine Drehung um die eigene Achse durchführen. Wenn man, ähnlich wie in Abb. 6.11, die Einflussgrößen auf das Tropfenspektrum betrachtet, fallen folgende Unterschiede zur pneumatischen Zerstäubung auf:

Druckluft

Lack

Druckluft

„Luftdusche“

„Luftdusche“ Lackfilm

Lackfilm

Abb. 6.17: Hochrotationsscheibe

• Einen starken Einfluss zeigt die Oberflächenspannung, und zwar wegen des besonderen Zerstäubungsmechanismus. Die Tröpfchengröße ist ihr proportional. • M it steigender Rotationsgeschwindigkeit der Scheibe oder Glocke nimmt erwartungsgemäß die Teilchengröße stark ab. • Die Lackdichte und der Zerstäuberdurchmesser üben einen

Drehachse

„Omega“-Förderbahn

Rotationsscheibe

Pendelartige Hubbewegung

Förderrichtung

Flache Werkstücke

Lacksprühzone

Rotationsscheibe mit Abrisskante

Abb. 6.18: Omega-Schleife

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Spritzverfahren

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• mittelstarken Einfluss aus: Höhere Werte bewirken in beiden Fällen eine feinere Zerstäubung. • Die Lackviskosität zeigt hier nur einen sehr geringen Einfluss. Aufladung bei Wasserlacken Wie schon bei den elektrostatisch/pneumatisch arbeitenden Pistolen beschrieben, gibt es auch hier folgende zwei Möglichkeiten zur Lackaufladung: • Innenaufladung – die geeignete Methode für lösemittelbasierende Lacke mit nicht zu hoher elektrischer Leitfähigkeit, • Corona-Aufladung – in erster Linie für Wasserlacke, weil bei deren hoher Leitfähigkeit im Fall der Innenaufladung eine Kurzschlussgefahr bestünde. Erzeugt wird die Corona mit einem Kranz von Auslegerelektroden, um die Glocke herum angeordnet (Abb.6.19). Damit lässt sich eine genügend hohe Aufladung sicherstellen, wie sie z.B. für den zur Automobilerstlackierung benötigten Durchsatz gefordert wird. Elektrostatisches Beschichten von Kunststoffteilen und Holz Kunststoffe sind elektrische Nichtleiter, können also nicht ohne weiteres an ein Erd-Potenzial gelegt werden und dadurch auch keinen elektrischen Gegenpol zur Pistole bzw. zu den aufgeladenen Lacktröpfchen bilden. Einige Maßnahmen sind möglich bzw. erforderlich, um die Vorteile des elektrostatischen Lackierens auch hier nutzen zu können (Tab. 6.3 zeigt eine Auswahl der wesentlichen Verfahren). Holz-Werkstücke erleichtern durch ihre Eigenschaft, bei entsprechender Luftfeuchtigkeit Wasser aufzunehmen, die Lösung des Problems: Schon ab Wassergehalten um 13 % im Holz, die durch Erhöhung der relativen Luftfeuchte gut zu erreichen sind und die eine ausreichende elektrische Leitfähigkeit herbeiführen, ist Holz im Allgemeinen gut elektrostatisch zu lackieren. Tab. 6.3: Methoden und Trends bei der elektrostatischen Kunststofflackierung Technik

Anmerkungen

• Einarbeitung elektrisch leitfähiger Zuschlagstoffe in den Kunststoff

Ruß oder Kohlefasern: schwarz, dotierte Glimmer: teurer

• A  uftragen einer antistatisch wirksamen AdditivLösung durch Sprühen, Tauchen etc.

lösemittelhaltige Antistatik-Flüssigkeiten (NR4+), teilweise auch wässrig

•A  uftragen einer temporär leitfähigen Flüssigkeitsz. B. bei der lösemittelbasierenden schicht unmittelbar vor der Lackierung; Aufnahme der Stoßfängerlackierung; feuchten Leitflüssigkeit durch den Lackfilm hauchdünne Schicht! • A  uftragen eines Leitlackes („Leitprimer“), teilweise auch auf der Teilerückseite (wenn sowieso aus anderen Gründen erforderlich)

z. B. Stoßfänger, Motorhauben, Kotflügel (Ziel: Online-Lackierung im Prozess)

• O  ptimierung der Erdungsdynamik: Zug um Zug von der Elektrode wegspritzen

Ausnutzung der Leitfähigkeit des noch nassen Lackfilmes

P  artielles Vorspritzen (1 bis 10 % der Schichtdicke) mit dem zu verarbeitenden Lack • N  ichtleitfähige Gehänge  ehandlung mit bipolar ionisierter Luft von vorn B oder (gleichzeitig!) von der Rückseite •V  orbehandlung durch Plasma, Corona, Beflämmen Erwärmen der Kunststoffteile • Erhöhung der Umgebungsluftfeuchtigkeit

wie zuvor keine Ablenkung der Feldlinien durch Umgebung Ladungsausgleich durch entgegengesetzte Ladungen geringer Beitrag relativ geringer Beitrag speziell im Zusammenhang mit der Holzlackierung

• kennzeichnet gängige Methode

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Applikation und Trocknung

6.7.4 Elektrodenkranz

Glocke

Spülöffnung

Gehäuse

Abb. 6.19: Hochrotationsglocke zur Wasserlack-Zerstäubung Wellenlänge λ Nassfilmkontur nach dem Tröpfchenverlauf

Lacktröpfchen

gemittelte gemittelte Nassfilmdicke Trockenfilmdicke

Filmbildung nach der Spritzapplikation

Durch den Vorgang des Verlaufens wird nach der Applikation aus einer Vielzahl von Tröpfchen unterschiedlicher Größe der Lackfilm gebildet. Ausgehend von einer Art „Tropfengebirge“ (s. Abb. 6.20) verlaufen dabei zunächst die Lacktropfen ineinander und erzeugen eine wellige Nassfilmkontur mit einer durchschnittlichen „Wellenlänge“ λ und einer Höhe h0 (über der gemittelten Nassfilmdicke). In einem zweiten Schritt glättet sich diese Struktur. Ihr Ausmaß nimmt, mathematisch gesehen, expo­nentiell mit der Zeit t ab, wobei eine hohe Oberflächen­span­nung σ und eine große Nass­ filmdicke s den Verlauf fördern. Verzögert wird der Abbau der Welligkeit durch eine zu hohe Viskosität η und durch zu große Wellenlängen λ, also durch eine zu grobe Zerstäubung.

Substrat

Abb. 6.20: Oberflächenstruktur (Tropfengebirge) nach der Spritzapplikation, nach [11]

Wenn man bedenkt, dass sich Oberflächenspannung, Nassfilmdicke und Viskosität im Laufe der Trocknung (Lösemittelabgabe!) drastisch ändern, wird der Wettlauf zwischen dem Verlauf einerseits und der Trocknung und ggf. Vernetzung andererseits deutlich: Je „schneller“ ein System – zumindest an der Oberfläche – bei der physikalischen und chemischen Filmbildung ist, desto unvollständiger muss die Ausbildung eines perfekten, glatten Filmes bleiben.

6.7.5 Zweikomponenten-Anlagentechnik bei der Spritzapplikation Wegen ihrer Flexibilität in Bezug auf Vorratshaltung und Nachdosierung eignet sich die Spritzapplikation in besonderem Maße zur Verarbeitung von Zweikomponenten-Materialien, Beschichtungsstoffen also, die meistens im Bereich von wenigen Minuten bis zu einem Tag vernetzen. Nach Ablauf der Verarbeitungszeit ist das Material unbrauchbar, oft sogar durchgehärtet und so gut wie unlöslich. Im handwerklichen Bereich und allgemein bei kleinen Lack- bzw. Flächendurchsätzen wird meistens eine bestimmte Menge Lack „angesetzt“ und dann verarbeitet. Reste werden verworfen bzw. müssen entsorgt werden. Wenn dagegen Wert gelegt wird auf • besonders kurze Reaktionszeiten (kurze Verarbeitungszeiten), auf • große Flächen- bzw. Lackdurchsätze, ohne zu oft nachdosieren zu müssen, und wenn dabei • hohe Zuverlässigkeit und Fehlerfreiheit beim Dosieren und Mischen der Reaktionskomponenten verlangt wird, um konstante Lackfilmqualitäten sicherzustellen, sowie auf die • Vermeidung von Wegwerfverlusten bei den relativ teuren 2K-Materialien, sind die Voraussetzungen für eine 2K-Anlagentechnik gegeben. Anlagenkonzeption 2K-Anlagen sind Einrichtungen zum Dosieren und Fördern der Einzelkomponenten von Reaktionssystemen. Das in Abb. 6.21 gezeigt Fließschema stellt vereinfacht eine 2K-Applikationsanlage dar. Die Komponenten A und B werden von den Dosierpumpen zur Mischkammer gepumpt.

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Pulverbeschichten

Das gründlich gemischte Lackmaterial gelangt dann zur Spritzdüse. Im Bedarfsfall (bei längerem Stillstand oder bei Farbwechseln) können bzw. müssen mit Hilfe der Spülmittelpumpe das Sprühorgan, die Mischer, die Leitungen etc. gespült werden.

Lackkomponente

Dosierpumpe

A

Vorratsbehälter

Dosier- und Mischsysteme

Mischer

Sprühorgan

Motor Lackkomponente

Dosierpumpe

Spülmittel

B

Wichtigstes Kriterium bei 2K-Anlagen ist natürlich die Dosier-und Abb. 6.21: Fließschema einer 2K-Dosieranlage Mischgenauigkeit bzw. deren Konstanz. Die Dosierschwankungen sollten im Allgemeinen unter ± 5 % liegen. 2K-Anlagen dosieren umso genauer, je näher die Viskositäten und die Mischungsverhältnisse der Komponenten beieinander liegen (also vergleichbar den Kriterien beim manuellen Mischen!). Als Pumpen sind Kolben- und Zahnradpumpen im Einsatz. Zum zuverlässigen und schnellen Mischen dienen vor allem eingebaute statische Mischrohre („Kenics-Wendeln“), in denen zahlreiche alternierende Strömungswechsel stattfinden. In den von Rechnern und Mikroprozessoren gesteuerten Anlagen lassen sich zahlreiche Stammlack-Farbtöne sowie die Zugabe von Härtern, Verdünnungen und Spülflüssigkeiten über Knopfdruck oder (im Automobilbau) über an Karosserien angebrachte Kodierungen einstellen. Ein Farbton-Wechsel dauert so nur noch wenige Sekunden. Zunehmend werden, besonders bei 2K-Wasserlacken, auch Hochleistungsmischer mit DüsenInnenkammern eingesetzt. Vorsichtsmaßnahmen Wegen des intensiven und langen Kontaktes der Materialien mit den Anlagenkomponenten und evtl. mit Luft ist in zweierlei Hinsicht Vorsicht geboten: • Gefahr der Buntmetall-Kontamination, z.B. an Verbindungs- und Lötstellen. Viele Metallionen können wässrige Bindemitteldispersionen schädigen oder auch als Katalysatoren ungewollt die Vernetzung be­schleunigen. • Isocyanathaltige Systeme bilden bei Kontakt mit Luftfeuchtigkeit oder mit Kondenswasser Poly­ harnstoffe (Ausflockungen!) und verlieren an Vernetzungsqualität. Weitere Aspekte, wie Lackversorgung und Ringleitungen, werden im Abschnitt 6.9.3 behandelt.

6.7.6 Anwendungsbereiche Tab. 6.4 (Seite 336) zeigt abschließend einige Beispiele dafür, wie – je nach Ansprüchen an Oberflächenquali­tät, Arbeitsgeschwindigkeit, Automatisierungsgrad etc. – jedes der beschriebenen Spritzverfahren seine typischen Einsatzbereiche aufweist.

6.8 Pulverbeschichten Beim Pulverbeschichten bzw. – im Sprachgebrauch – Pulverlackieren wird duromeres (meistens wird – nicht ganz korrekt – „duroplastisch“ gesagt) oder thermoplastisches Beschichtungspulver auf das Werkstück aufgebracht, zu einem geschlossenen Film verschmolzen und ggf. anschließend zusätzlich vernetzt (bei duromerem Pulver). Die Vernetzung beginnt schon allmählich beim Verschmelzen. Bei der Applikation selbst sind vor allem zwei Gruppen von Verfahren zu unterscheiden: Das Pulversinterverfahren und das elektrostatische Pulverbeschichten.

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Applikation und Trocknung

Tab. 6.4: Typische Einsatzbereiche der Spritzapplikationsverfahren Pneumatische Zerstäubung, ggf. nebelreduzierte pneumatische Applikation (HVLP etc.)

Hochwertige Lackierungen, z. B. bei der Kunststoff-, Autoserienund Autoreparaturlackierung, teilweise bei der Möbellackierung

Hydraulische Zerstäubung (Airless)

Bei geringen Anforderungen an die Oberflächenoptik, z. B. im Schiffs-, Anlagen- und Eisenbahnbau, Unterbodenschutz u. a.

Hydraulische Zerstäubung mit Luftunterstützung (Airmix)

Für mittlere Anforderungen wie bei der Nutzfahrzeuglackierung (Aufbauten und Chassis); auch im Schreiner- und Tischlerhandwerk

Heißspritzverfahren

Vergleichbar der Airless-Applikation

Rein elektrostatisches Versprühen

Geländer-, Zaunlackierungen (guter Umgriff!)

Elektrostatische Unterstützung der konventionellen Zerstäubung

Wie ohne elektrostatische Unterstützung (s. o.), namentlich im kleinindustriellen Bereich, nicht in der Autoreparaturlackierung (Schädigung der Elektronik)

Hochrotationsscheibe

Hochwertige Industrielackierungen (v. a. flache Teile)

Hochrotationsglocke

Hochwertige Lackierungen, vor allem Autoerstlackierung

6.8.1 Pulversinterverfahren Bei diesem vom Prinzip her älteren Verfahren werden die Werkstücke schon vor der Beschichtung erhitzt, und zwar über die Schmelztemperatur des Pulvers hinaus. Am weitesten verbreitet ist das Wirbelsintern: Beim Eintauchen in fluidisiertes Pulver sintert das (meistens nicht elektrisch geladene) Pulver auf dem heißen Werkstück an, verschmilzt und vernetzt ggf. zu einer glatten Kunststoffschicht, beispielsweise auf metallischen Werkstücken, wie Armaturen, Geschirrkörben für Spülmaschinen, Parkmöbeln etc. Außerdem dient das Verfahren auch zur Beschichtung von Glasteilen und Glasflaschen (optische Veredelung der Oberfläche, Splitterschutz, Gewichtseinsparung), Keramikteilen sowie wärmebelastbaren Kunststoffen und Textilien. Weitere Pulversinterverfahren sollen nur kurz genannt werden: • Das Skintraflux- und das Rotationssinterverfahren zur Rohrbeschichtung • Das Schüttsinterverfahren für große Rohre und Behälter • Das Flammspritzverfahren für sehr große Teile (z.B. Tankinnenbeschichtung)

6.8.2 Elektrostatisches Pulverbeschichten Der nach wie vor steigende Einsatz der elektrostatischen Pulverlackierung ist zum einen öko­nomisch begründet: • Hoher nichtflüchtiger Anteil (fast 100 %, abgesehen von Abspaltprodukten und flüchtigen Additiven) und hoher Auftragswirkungsgrad (90 bis 98 % bei Kreislaufführung und Rückgewinnung) • Meistens hohe Schichtdicken ohne Ablaufrisiko in einem Arbeitsgang erzielbar (bis ca. 150 µm, abhängig von der Anwesenheit von Abspaltprodukten, z.B. Härter-Verkappungsmitteln) • Sauberkeit in Lackierstationen zum anderen auch ökologisch sinnvoll: • Sehr geringe Emissionen (keine Relevanz der Lösemittel-Gesetzgebung) • Sehr geringe Lackverluste • Energieeinsparung beim Trockner (relativ hohe Temperaturen, aber geringer Luftdurchsatz bzw. Kreislaufführung) • Nichttoxische, inerte Stäube (trotzdem: Atemschutz wie allgemein bei Stäuben!) • Kein gefährliches Transportgut Prinzip des elektrostatischen Pulversprühens (EPS) Beim elektrostatischen Pulverbeschichten werden die Pulverteilchen, analog der zuvor behandelten

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Pulverbeschichten

elektrostatischen Nasslackierung, aufgeladen und im elektrischen Feld zum Werkstück transportiert, wo sie aufgrund der Coulomb-Kräfte anhaften. Erst beim anschließenden Einbrennen der Lackierung findet der Schmelz- und Vernetzungsvorgang statt. Das bei weitem bedeutendste Verfahren ist das elektrostatische Pulversprühen (EPS). Hier wird das Pulver im Vorratsgefäß mit Luft fluidisiert, so dass es wie eine Flüssigkeit zu handhaben und transportieren ist, und zur elektrostatischen Pulverpistole geführt [15]. Eine neuere Methode zur präzisen und gleichmäßigen Pulverförderung ist die Digitale Dichtstromförderung (DDF), die nach dem Prinzip einer Gegendruckförderung arbeitet. Gegendruckförderung bedeutet das abwechselnde Ansaugen von Vakuum und Pulverlack in zwei Kammern. Bei diesem Verfahren ist keine Fluidisierung notwendig. Speziell für Kleinteile gibt es zusätzlich das elektrostatische Wirbelbadverfahren, bei dem die Kleinteile in bzw. über ein Becken mit fluidisiertem und aufgeladenem Pulver geführt werden. Beim EPS wird mit der „Pulverpistole“, dem Sprühorgan, das zuvor im Fluidisiertopf (s. auch Abb. 6.22) fließfähig gemachte Pulver • elektrostatisch aufgeladen und • mittels Luftunterstützung zu einer definierten Sprühwolke geformt. Die geeignete und möglichst weitgehende Aufladung der Pulverteilchen ist das zentrale Thema, um das sich bei der Pulverlackierung fast alle Besonderheiten, Probleme und Weiterentwicklungen anordnen. Aufladungsarten Zur Aufladung werden zwei unterschiedliche Auflademethoden eingesetzt: Corona-Verfahren Bei Corona-Sprühsystemen erfolgt die (negative) Aufladung der Pulverteilchen durch Anlagerung freier Elektronen zunächst an Luftmoleküle, mit anschließender Weitergabe an Pulverpartikel. Dazu dient das Anlegen eines Hochspannungsfeldes mit einer bzw. mehreren Elektroden im Inneren der Pistole oder beim Pulveraustritt.(Abb. 6.22). Die erforderliche Hochspannung beträgt meistens bis zu 90 kV, vereinzelt bis 120 kV. Die Corona-Aufladung ist vor allem bei geometrisch einfach geformten, glatten Lackierobjekten geeignet. Kritisch ist bei zu geringem Lackierabstand oder bei spitzen Kanten am Objekt die Gefahr einer zu hohen Aufladung der abgeschiedenen Pulverschicht durch den Luftionenstrom, was zum Rücksprüheffekt und damit zu Oberflächenstörungen führen kann. Außerdem können Luftionenwolken zur Abstoßung ankommender Pulverpartikel führen. Zunehmend werden daher „ionenarme“ Corona-Systeme eingesetzt, bei denen mittels außen angebrachter, geerdeter Gegenelektroden der Luftionenstrom zum Werkstück z.T. abgelenkt und so am Werkstück selbst reduziert wird. elektrische Feldlinien

Zerstäuberluft Pulverförderluft

Sprühbild freie Ionen

Pulver-Luft-Gemisch Pulver-Versorgungsschlauch

Elektrode

Abluft Hochspannungsgenerator Fluidisierluft

Siebplatte

nicht geladene Teilchen

geerdetes Werkstück

aufgeladene Teilchen

Abb. 6.22: Prinzip des Corona-Pulversprühens, nach [7]

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Applikation und Trocknung

Triboelektrisches Verfahren Beim Tribo-Pulversprühen werden die im Fluid transportierten Teilchen nicht durch ein äußeres elektrisches Feld, sondern ausschließlich durch tribo-, d.h. reibungselektrische Effekte (griech. τριβειν = Reiben) bei der turbulenten, schnellen Durchströmung eines Kunststoffkanals in der Pistole aufgeladen (Abb. 6.23), und zwar – zumindest beim heute eingesetzten PTFE – ausschließlich positiv. Auf der Innenseite des Kunststoffkanals baut sich schnell eine hohe (negative) Ladung auf. Sie würde anschließend die weitere Reibungsaufladung stören und muss über eine geerdete Gegenelektrode (auch: Influenzionisator genannt) abgeleitet werden. Da ein äußeres angelegtes Hochspannungsfeld und auch geladene Luftionenwolken fehlen, ist die Beschichtung von Kanten und auch von Hohlräumen (Faraday-Käfigen) erleichtert. Die in Abb. 6.23 schematisch dargestellte Entstehung influenzierter Spiegelladungen ist die Folge der Anlagerung der geladenen Pulverteilchen und sorgt für deren recht stabile Anhaftung an der Substratoberfläche. Analoge Verhältnisse liegen auch beim Corona-Verfahren vor. Die im Einsatz befindlichen Pulverlackmaterialien lassen sich mit der Corona-Aufladung im Allgemeinen problemlos verarbeiten; für die Tribo-Aufladung sind sie nicht alle gleich gut geeignet, da die Reibungs-Aufladbarkeit von der Lackzusammensetzung abhängt. Die Entwicklung ist hier noch im Fluss. Es wächst der Anteil der „tribofähigen“ Pulver. Der Einsatz dieses Verfahrens hat nach anfänglich kräftigem Wachstum eher wieder etwas abgenommen, da die Weiterentwicklung der Corona-Aufladungstechnik die nachfolgend genannten Tribo-Vorteile inzwischen geschmälert hat. Gegenüber der Corona-Aufladung zeigt ein Tribo-System folgende Vorteile: + Kein Faraday-Effekt: Nischen und Hohlräume sind sicherer zu lackieren + Über eine geeignete Düsendynamik kann der Strahl besser gelenkt werden + Gleichmäßigere Beschichtung, auch an Kanten und am Objektrand (kein „Bilderrahmen-Effekt“ über bevorzugte Anlagerung an Kanten) + Gute Automatisierbarkeit der Applikation + Geringerer Rücksprüheffekt und – damit zusammenhängend – besserer Verlauf + Höhere Auftragseffizienz, geringerer Pulververbrauch Nennenswerte Nachteile der Tribo-Aufladung liegen in – – – –

stärkerer Beeinflussung durch Luftströmungen, da das äußere Feld fehlt teilweise schlechterer, auch langsamerer Aufladbarkeit von Pulvern, speziell auch des Feinanteils höheren Investitionen (mehr Pistolen) für die gleiche Leistung stärkerem Verschleiß (Abrasion) in der Pistole. Influenzierte Spiegelladung Isolierstoffkanal (PTFE) Blasluft

Geerdetes Werkstück

Influenzionisator Ableitstrom Ι Fluidisiertes Pulver

Abb. 6.23: Prinzip der Tribo-Aufladung, der Aufladekanal ist stark verkürzt dargestellt, nach [7]

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Lackier-Anlagentechnik

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Geräte- und Anlagentechnik Bei beiden Pistolensystemen wird für eine optimale Pulverversorgung und -applikation zusätzlich noch (saubere und trockene!) Luft zum Fördern, zum Beschleunigen und für die Formung der Sprühwolke benötigt. Sprühsysteme Neben der geeigneten Aufladungsmethode ist die Auswahl der zum Werkstück passenden Sprühdüse wichtig. Zur Verfügung stehen Flachstrahldüsen mit erhöhter Strömungsgeschwindigkeit, Rundstrahldüsen mit weicher, voluminöser Sprühwolke und Mehrkopfdüsen, die speziell bei TriboPistolen die Gleichmäßigkeit der Lackierung und auch die Arbeitsgeschwindigkeit verbessern. Pulver-Sprühglocken, die mit ca. 5000 min–1 rotieren, erzeugen eine sehr breite, gut aufgeladene Sprühwolke und eignen sich wegen des hohen Durchsatzes besonders für großflächige Werkstücke, z.B. bei der Automobillackierung. Analog zur Hochrotation bei der Nasslackierung gibt es auch Pulver-Rundsprühsysteme mit Rotationsscheibe und Omega-Schleife. Neben den klassischen Stahlblechkabinen setzen sich bei der Pulverlackierung zunehmend Kabinen aus Glas oder Kunststoff durch, da sie leichter zu reinigen sind und wegen ihrer Eigenaufladung kaum Pulver anlagern, sondern eher abstoßen. Auftragswirkungsgrad Der Erstauftragwirkungsgrad (EAW) liegt meistens je nach Objekt deutlich unter 50 %. Um einen Gesamtauftragwirkungsgrad von ca. 95 % zu erreichen, muss also im Kreislauf gefördert und appliziert werden (on-line-Rückgewinnung). In der Regel unterscheidet sich jedoch die Kornverteilung des Pulver-Oversprays etwas von der des eingesetzten Frischpulvers (Anreicherung von Feinanteil wegen schlechterer Aufladbarkeit der feinen Teilchen). Daher muss für ein gleichmäßiges Lackierergebnis kontinuierlich Neupulver (bei guter Durchmischung) zugeführt und auch ein hoher EAW angestrebt werden. Zur Abtrennung des versprühten Pulvers aus der Abluft (und Rückgewinnung) werden verschiedene Filter und auch Zyklone eingesetzt. Letztere halten allerdings den Feinanteil nur unzureichend zurück. Eine weitere Abluftreinigung über Filter ist notwendig. Einsetzbarkeitsaspekte Pulverlacke – besonders neuere, reaktivere Systeme mit niedrigeren Einbrenntemperaturen – besitzen keine unbegrenzte Haltbarkeit. Sie müssen daher kühl und trocken gelagert werden, um ein Zusammenbacken zu verhindern. Einige Systeme sind sogar gekühlt zu transportieren und zu lagern (Beispiel: Automobil-Pulverklarlacke, s. aber im Weiteren). Hauptanwendungsgebiete der elektrostatischen Pulverlackierung sind „weiße Ware“, Haushalts- und Bürogeräte, Bautenteile (hauptsächlich Fassadenbleche), die allgemeine Industrie (Autozubehör, Ersatzteile), Gartenmöbel, Leuchtkästen etc. und die Automobilindustrie (Füller und 1-SchichtDecklacke; der Einsatz bei Klarlacken ist aus wirtschaftlichen und qualitativen Gründen inzwischen eingestellt worden). Einige Problempunkte bzw. Einschränkungen ergeben sich aus den besonderen Eigenschaften des Lackpulvers: Für gute Abdeckung und guten Verlauf wird meistens eine relativ hohe Schichtdicke benötigt. Ausnahme: Spezielle Entwicklungen von Dünnschichtpulvern; die Entwicklung ist noch nicht abgeschlossen.

6.9 Lackier-Anlagentechnik 6.9.1 Kabinenluft-Technik Beim Spritzzerstäuben von Flüssiglackmaterialien werden schlagartig große Anteile von oft brennbaren oder toxikologisch nicht unbedenklichen Lösemitteln, z.T. auch anderen Lackinhaltsstoffen freigesetzt; bei der Pulverbeschichtung besitzt das Lackmaterial eine extrem große (brennbare)

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Applikation und Trocknung

Oberfläche. Auch Wasserlack-Aerosole enthalten meistens lungengängige Tröpfchen und dürfen nicht eingeatmet werden. Auch Schleifarbeiten verursachen Feinstaubbelastungen, vor denen Verarbeiter und Umgebung zu schützen sind. Für eine gefahrlose Prozessführung und auch zur Sicherstellung einer weitgehend schmutzfreien (Staub- und Flusen freien) Lackierung ist daher im Allgemeinen in geschlossenen Kabinen oder zumindest in/an entsprechend mit Absaugungen ausgestatteten Spritz- bzw. Schleifständen zu arbeiten. Betriebsparameter Voraussetzungen für ein sicheres und qualitativ gutes Lackieren sind: • • • • • • •

Zeitlich und räumlich gleichmäßige, wirbelfreie Luftsinkströmung bzw. Luftstromführung Konstante Druckverhältnisse zwischen dem Kabineninneren und der Umgebung Konstante Temperaturführung Gleichbleibende relative Luftfeuchte (wichtig vor allem bei Wasser-, speziell Wasserbasis­lacken) Zuverlässige Abführung des vorbeigespritzten Lacknebels (des Overspray-Anteils) Abtrennen des Lacknebels aus der Abluft durch Nass- oder Trockenabscheidung Integration der für die Lackierung erforderlichen Spritzgeräte und ggf. der Förder- und Lackversorgungsanlagen, und zwar ohne Staub- und Schmutzfängerfunktion • Gute Beleuchtung der Lackierobjekte • Erfüllen der Sicherheitsvorschriften. Dazu ist in Abb. 6.24 ein Querschnitt durch eine Automobilindustrie-Spritzkabine mit Luftzuführung gezeigt. Die Luftsinkgeschwindigkeit der ggf. – je nach Ansprüchen an die Oberflächenqualität – über Vor- und Feinfilter gereinigten Zuluft soll etwa 0,1 bis 0,5 m/s betragen. Wenn Automaten oder Roboter applizieren – oder auch bei der Pulverlackierung –, kann die Luftsinkgeschwindigkeit deutlich geringer sein als bei der Spritzapplikation durch Menschen, da dann eine höhere Lösemittelbeladung der Luft akzeptabel ist. Gelegentlich findet man auch (noch) horizontal belüftete Kabinen im Einsatz, die jedoch Nachteile hinsichtlich der Strömungsverhältnisse haben und bei denen die Gefahr der Staubaufwirbelung besteht. Um das Eindringen von verunreinigter Luft aus der Umgebung, Vorbereitungszone etc. zu minimieren, wird in der Kabine meistens ein leichter Überdruck von ca. 5 Pa eingestellt. Auch bei der Pulverlackierung ist ein deutlich geringerer Luftverteilkasten

Zuluft

Regeljalousie Druckraum Filterwechselwagen Lampenkasten Filterdecke Fenster Farbanschlüsse Gitterrostboden

Abb. 6.24: Durchlauf-Spritzkabine der Automobilindustrie

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Abluft

Quelle: Dürr AG

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Lackier-Anlagentechnik

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Luftaustausch möglich, bis hin zur Kreislaufführung in einer Halle (Filterung vorausgesetzt), da nahezu keine flüchtigen Bestandteile freigesetzt werden. Sicherheitsaspekte Wegen der leichten Brennbarkeit vieler Lösemittel und – bei entsprechender Konzentration – der Explosionsgefahr der Lösemittel-Luft-Gemische haben die Berufsgenossenschaften einheitliche Berechnungsunterlagen für den Anlagenbetreiber geschaffen, die im Anhang zur DGUV1) Regel 100–500 (früher: BGR 500) Kapitel 2.28 und 2.29 (Trocknen bzw. Verarbeiten von Beschichtungsstoffen) veröffentlicht sind. Hiermit können in Abhängigkeit von den eingebrachten Lösemittelmengen und noch anderen Kriterien sowohl für Lackierkabinen als auch für Durchlauföfen und für Trockenkammern mit Chargenbetrieb (auch Labortrockenöfen) die Mindestmengen für die Frischluftzufuhr berechnet werden, die einen gefahrlosen Betrieb sicherstellen. Trotzdem ist natürlich im Allgemeinen eine Ex-Schutz-Ausrüstung erforderlich.

6.9.2 Abluftreinigung Anlagentypen Lacknebelabscheidesysteme basieren entweder auf der Trocken- oder auf der Nassabscheidung. Dabei sind die Trockenabscheider (gelochte Prallbleche, Papierfilter oder Faserfiltermatten, Schüttgutcontainer) deutlich preiswerter, ermöglichten aber früher – wegen relativ geringer Speicherfähigkeit für abgeschiedene Lackpar­ti­kel – einen konstanten Betrieb traditionell nur bei kleineren oder gering belasteten Kabinen und Spritzständen. Dazu zählen auch Kabinen in kleineren industriellen Betrieben oder Autoreparatur­lackie­rereien. Die beladenen Filtersubstrate sind im Allgemeinen als Sondermüll zu entsorgen. Eine verbesserte Abscheideleistung und vor allem konstante Betriebsverhältnisse über längere Zeit, auch bei kontinuierlicher Nutzung der Kabine, verdrängen inzwischen die lange Zeit dominierenden Nassauswaschsysteme. Bei diesen wird die auszuwaschende Luft in innigen Kontakt mit Waschflüssigkeit gebracht, z.B. über Düsen-, Kaskaden-, Wirbel- oder Venturi-Systeme, und die Lacktröpfchen werden von der Luft getrennt, entklebt und mit Koagulierungsmitteln zu Lackschlamm gebunden. Dieser wird dann nach möglichst weitgehender Entwässerung entsorgt (→ 7.11). Der höhere Aufwand bei Entwässerung und Entsorgung ist der Grund für die derzeit aktuell zu beobachtende Renaissance der Trockenabscheidung. Wege zur Lösemittelreduzierung Neben der Lacknebelabscheidung ist heute ebenso die Lösemittelentfernung aus der Abluft zwingende Voraussetzung für den Betrieb von mittleren bis großen Lackieranlagen, die in den Geltungsbereich Lösemittel-Gesetzgebung fallen (s. auch → 9). Zur Reduzierung der VOC-Emissionen (Volatile Organic Compounds) bei der Herstellung und Verarbeitung von Beschichtungsstoffen werden zunächst vor allem die folgenden, grundsätzlichen Wege beschritten: Einsatz von High Solids-(festkörperreichen) Materialien, wasserverdünnbaren Materialien, Pulverlacken, Verbesserung von Applikation und Handhabung der Lackmaterialien (Verbesserung des Auftragswirkungsgrades, Lack-Kreislauf während des Applikationsprozesses, Reduzierung der Trockfilmschichtdicke u.a.m.) oder • Abluftreinigung.

• • • •

Prinzipien der Abluftreinigung Teilweise ist der Einsatz der zuvor genannten Methoden beschränkt, z.B. aus qualitativen Gründen. Daher müssen zur Reinigung der Abluftströme von Lösemittel-Anteilen folgende weitere Prinzipien angewendet werden: DGUV: Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung; BGR:Berufsgenossenschaftliche Regeln

1

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Applikation und Trocknung

• Kondensation Lösemittel lassen sich mittels Kühlung oder Entspannung kondensieren, es ist ein energieaufwendiges und daher teures Verfahren und wird nur in speziellen Fällen angewendet. • Physikalische oder chemische Absorption Man erreicht sie üblicherweise durch Auswaschen mit einer geeigneten Flüssigkeit, wobei darin eine Anreicherung der abzutrennenden Substanz eintritt. Sie lässt sich beim Regenerieren der Flüssigkeit, z.B. durch Destillation, wiedergewinnen. Der Prozess ist allerdings beschränkt auf spe­zielle Anwendungsfälle, gut geeignet z.B. zum Entfernen von Aminen, ansonsten bei nur geringen Mengen Lösemittel in den Abluftströmen vorteilhaft. • Adsorption an porösen Oberflächen Als Adsorbentien sind Substanzen geeignet wie Aktivkohle oder Molekularsiebe – eine weit verbreitete, sehr wirtschaftliche Methode gerade für großvolumige Abluftströme mit geringen LösemittelVerunreinigungen. Die im Zyklus stattfindende Desorption der Lösemittel, wie sie in Abb. 6.25 am Beispiel des weitverbreiteten „Adsorptionsrades“ schematisch dargestellt wird, bietet die Möglichkeit der Lösemittel-Rückgewinnung oder auch einer Effizienz-Steigerung bei einer Nachverbrennung (s. nachfolgend). • Oxidationsprozesse Hierunter fallen die thermische, regenerative und katalytische Nachverbrennung. Je nach Höhe der Abluftbeladung lassen sich die Lösemitteldämpfe bei verschiedenen Temperaturen gezielt verbrennen, teils unter Einsatz von Katalysatoren, wobei der Lösemittelgehalt stark die Kostenbilanz beeinflusst. Mit steigendem Gehalt überwiegt schließlich der positive Effekt der Energiegewinnung aus der Lösemittelverbrennung. Abb. 6.26 zeigt die Verschiebung dieses Kosten/NutzenVerhältnisses an einem Beispiel der Thermischen Nachverbrennung (TNV). Diese Verbrennung bei hohen Temperaturen ist in der Regel dort sinnvoll, wo die entstehende Prozesswärme auch sinnvoll genutzt werden kann, z.B. zur Beheizung von Trocknern. • Membranfiltration Dieser neuere Prozess, basiert auf der selek­tiven Durchlässigkeit einer semipermeablen Polymermembran für Lösemittel. Zur Erhöhung der mechanischen Stabilität wird die Mem­bran auf einem stabilen, porösen Trägermaterial fixiert. Der mit Lösemitteln angereicherte Luftstrom kann wieder zur Rückgewinnung oder Verbrennung der Lösemittel dienen. Frischluft Erhitzer

Aufkonzentrierte lösemittelhaltige Luft

Adsorptionsrad Gereinigte Abluft Kabinenabluft

Antriebsmotor

Abb. 6.25: Adsorptionsrad mit Zonen der Adsorption und der Desorption (mit Heißluft oder Dampf)

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Biotechnologische Prozesse Die drei Varianten Biomassen-, Bio­filter- und BiowäscherAnwendung gewinnen zunehmend bei solchen Lack- oder Druckfarbenherstellern oder -verarbeitern an Bedeutung, bei denen die Abluft­ströme nicht konstant und stark mit Lösemitteln beladen anfallen, sondern hinsichtlich Ausmaß und Art der Lösemittelbelastung schwanken, mit wech­selnden Spitzenbelastungen und Ruhezeiten bei der VOC-Emission. • B iomassen sind natürliche Filtersubstrate wie Torf oder Rindenmulch, dicht mit Mikro­-

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Lackier-Anlagentechnik

organismen besiedelt, die eine hohe Anpassungsfähigkeit an Lösemittel als Nährstoffe aufweisen. Diese müssen bioabbaubar und zumindest schwach wasserlöslich sein; die Ablufttemperatur sollte 40 bis 50 °C nicht überschreiten und muss eine ausreichend hohe relative Feuchte besitzen • Biofilter bzw. Biofilter-Matten fungieren gleichzeitig als Adsorber, als Puffer bzw. Speicher und als Nährboden. • Biowäscher beinhalten die Mikroben entweder als Suspension (Aktivschlamm) oder stationär auf „Biorasen“ angesiedelt. Anwendungskonzepte

Abb. 6.26: TNV: Kosten/Nutzen-Verhältnis als Funktion der Löse­ mittelbelastung; * korrekt: mN3

Die meisten praktischen Anwendungen basieren auf einer Kombination verschiedener Methoden zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit und Effektivität. Z.B. kann eine Adsorptions-/Desorptionsstufe zur Anreicherung der Lösemitteldämpfe gefolgt werden von einer oder mehreren weiteren Stufen wie thermischer Verwertung, die die zuvor erreichten, erhöhten Lösemittelkonzentrationen ausnutzen. Zwei typische Anwendungen sind: Adsorption

+

Nachverbrennung

oder

Adsorption

+

Membranfiltration

+

Kondensation

Zusätzlich zu solchen Prozessen ist es manchmal sinnvoll, durch Reduzierung des Frischluftanteils und durch verstärkte Luftumwälzung eine Anlage mit erhöhter Lösemittelkonzentration zu betreiben. Der jeweils optimale Reinigungsprozess ergibt sich aus einer sorgfältigen Analyse von Menge und Art der Lösemittel-Verunreinigungen sowie der wirtschaftlichen und technischen Situation vor Ort. Für spezielle Anwendungsfälle ist oft eine maßgeschneiderte Anlagentechnik erforderlich.

6.9.3 Lackversorgung Für die Verarbeitung größerer Lackmengen (> 100 bis 200 kg/Tag) sind Lackvorratsgefäße wie Fließ-, Saug- oder Druckbecher bzw. -kessel ungeeignet. Man bedient sich dann einer Lack- bzw. Farbversorgungsanlage, wie sie in Abb. 6.27 schematisch dargestellt ist. Zur Vermeidung von Absetzerscheinungen wird das Material im Kreis gepumpt, d.h. das nicht benötigte Material wird in den Vorratsbehälter zurückgeführt. Auch in diesem wird es ggf. ständig mit einem Rührer bewegt. Ein Filter beseitigt eventuell eingetragene Verschmutzungen. Der Wärmetauscher sorgt für eine gleichbleibende Temperatur und damit indirekt für eine konstante Viskosität (wichtig für das Lackierergebnis). Lacke, die mittels einer solchen Ringleitung verarbeitet werden sollen, müssen auf eine entsprechende Ringleitungsstabilität geprüft werden (→ 8.4.4).

6.9.4 Automatisierung von Lackierprozessen Die Anforderungen an die funktionelle und optische Qualität der Beschichtungen nehmen ständig weiter zu, ebenso wie die Umwelt- und Arbeitsschutzauflagen. Vor diesem Hintergrund gibt es eine Reihe

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Applikation und Trocknung

Druckhalteventil

Umschaltventil

Rührer

M

M

Lackdruckregler

Behälter 1

2

Ringleitung

TIC

*

Lackvorrat

PIC *

PIC *

Kaltwasser/Warmwasser

Umschaltventil

Lackabnahmestellen für Spritzgeräte Lackumlaufpumpe

Lackfilter

Wärmetauscher

Abb. 6.27: Beispiel für den Aufbau einer Lackversorgungsanlage; * Druck- bzw. Temperatur-Regelung

sowohl wirtschaftlicher als auch ökologischer Argumente (wobei man diese kaum noch voneinander trennen kann) für eine immer weiter gehende Automatisierung des Lackiervorgangs: • • • • • • •

Verbesserung der Beschichtungsqualität, der Qualitätskonstanz und der Prozesssicherheit Höhere „First-Run-o.k.“-Quote Einsparung von Lackmaterial (weniger Overspray, weniger Verluste) Verringerung der Umweltbelastung, weniger Entsorgungsvolumen Senkung des Energiebedarfs Verbesserung der Bedingungen am Arbeitsplatz und des Arbeitsumfeldes Rationalisierung und Durchsatzsteigerung

Andererseits liegen die Grenzen der automatischen Beschichtungsanlagen in ihrer Kapital- und Kostenintensität. Für kleinere Anlagen mit wechselnden Auslastungen, wie handwerkliche Lackierereien, kommen sie nur sehr begrenzt infrage. Zudem erfordern sie in der Regel höher qualifiziertes Personal, evtl. neue, flexible Organisationsstrukturen und Arbeitszeitmodelle. Anlagentechnische Realisierung Je nach Geometrie des zu lackierenden Werkstückes steht heute eine Vielzahl von Lackier-Bewe­ gungs­einrichtungen zur Verfügung, von einfachen Lackierautomaten bis hin zu aufwendigen, frei programmierbaren Lackierrobotern. Abb. 6.28 zeigt schematisch im Querschnitt eine Autolackierstraße mit 2 x 3 seitlich fest positionierten Seitenautomaten, die auch oft „mitfahrend“ konstruiert sind („Ver­fahr­achse“), sowie mit 3 horizontal angebrachten Sprühorganen (Dachautomaten), die zwecks höherer Gleichmäßigkeit der Lackierung charakteristische Schaukelbewegungen durchführen. Als Roboter wird üblicherweise ein Automat in Knickbauweise mit mindestens 6 frei programmierbaren Achsen (s. Abb. 6.29) bezeichnet. Roboter werden nicht mehr nur zum Lackieren bei anspruchsvollerer Geometrie eingesetzt, z.B. in der Automobilfertigung (außen und innen) oder zum Beschichten von Stoßfängern, sondern auch mehr und mehr in der sonstigen industriellen Lackierung. In der Vergangenheit schien der Einsatz von Robotern teilweise an seine Grenzen zu stoßen, da sie oft als weniger flexibel und „lernfähig“ galten als ihre menschlichen „Kollegen“ und zudem ihre Programmierung sehr aufwendig ist. Inzwischen findet man in neuen Lackierstraßen oft kein menschliches Lackierpersonal mehr und auch weniger die einfachen Lackierautomaten.

6.9.5 Fördersysteme Wirtschaftlichkeit, Flexibilität, Automatisierbarkeit – unter diesen drei Kriterien ist alles bei Planung und Be­trieb eines Fördersystems zu beurteilen. Im Einzelnen spielt dabei eine Rolle:

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Lackier-Anlagentechnik

• Form, Größe, Temperaturbelast­barkeit etc. des Objektes? • Hängender oder stehender Transport? • Durchsatz, Schichtenanzahl und -abfolge beim Lackieraufbau? • Flexibilität beim Lackieraufbau, beim Sortieren, Verteilen etc.? • Räumliche und konstruktive Möglichkeiten vor Ort? Aus dem breiten Spektrum der technischen Möglichkeiten sollen die am weitesten verbreiteten Systeme kurz beschrieben werden. Kreisförderer Am häufigsten werden Förderer eingesetzt, die die Werkstücke hängend transportieren. Das sind in erster Linie Kreisförderer (mit einer am Schienenprofil geführten Endloskette), die an Tragrollen aufgehängte Werkstücke kontinuierlich mitschleppen. Kreisförderer sind robuste, unkomplizierte und preiswerte Förderer für immer gleichen Verfahrensablauf und gleiche Werkstücke bei unveränderten Geschwindigkeiten. Auf Tischkreisförderern werden kleinere Objekte stehend transportiert, z.B. Stuhlbeine und andere Holzdrechselteile oder Stoßdämpfer.

Abb. 6.28: Seiten- und Dachlackierung mit Automaten Quelle: Behr 

3 5 4 6

2

Power + Free-Förderer 1 Der Einsatz der Kreisförderer ist rückläufig. Dafür steigt der Einsatz der weit flexibleren Power+Free-Förderer. Beim P+F-Förderer sind die Lastgehänge nicht fest mit der Endlos-Zugkette verbunden, sondern laufen auf einer eigenen Führungsbahn („Free-Strecke“) Abb. 6.29: Lackierroboter mit 6 programmierbaren unter der Kreisförderbahn („Power-Strecke“). Bewegungsachsen, nach [7] Mitnehmerklinken an der Fördererkette können – je nach Bedarf und Steuerung – in entsprechende Nocken der Transportwagen eingreifen (oder umgekehrt) und sie dann mitschleppen. Durch Kombination verschiedener P+F-Strecken lassen sich die Geschwindigkeiten, Stillstände, Pufferzonen, Trocknerzeiten, Verteilungsfunktionen und Be- und Entladezonen beliebig steuern. Beschickungsautomaten Hierzu gehören die programmgesteuerten Hub- und Fahrautomaten, speziell in der Metallvorbe­ hand­lung und -lackierung, die über Beckenanlagen vor- und zurückfahren und die meistens hängenden Werkstücke taktweise senkrecht von oben in Becken tauchen. Prinzip: Ähnlich dem bei der Containerverladung. Sie werden meistens mit anderen Fördersystemen kombiniert. Bodenschleppförderer Derartige als Schleppkettenförderer konzipierte Systeme arbeiten mit unter- oder überflur verlegten Ketten, wobei Werkstück-angepasste Hilfswagen in die Kettenmitnehmer eingeklinkt werden. Anwendungsgebiet ist die Förderung von sehr schweren Objekten oder solchen Objekten, die auf keinen Fall von oben verschmutzt werden dürfen (Autodecklackierung), sowie die Holzlackierung (Stühle etc.).

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Applikation und Trocknung

Schlittenförderer („Skids“) Skids sind spezielle Bodenförderer mit einzelnen, auch quer oder vertikal zu verschiebenden Transporttischen, die mit ihrer großen Einsatzflexibilität eine optimale Anpassung an den Lackierprozess erlauben. Transportbahnen Bei der Lackierung von Holz-Flachteilen, z.B. in der Möbelindustrie, werden Transportbänder aus unterschiedlichen Materialien verwendet, besonders im Bereich von Gießlackier- und Walzmaschinen. Rollenbahnen sorgen für den Weitertransport außerhalb des Lackierbereichs. In modernen Großlackierereien werden die beschriebenen, unterschiedlichen Fördererarten mittels automatisierter Übergabestationen verknüpft, ggf. mit automatischer Lageerkennung der Werkstücke auf den Bodenträgern bzw. an den Gehängen.

6.10 Trocknung, Härtung Der Übergang des noch flüssigen bzw. pulverförmigen Beschichtungsstoffes in den erwünschten mechanisch festen Zustand kann, wie im Detail in anderen Zusammenhängen schon erörtert, sowohl auf rein physikalischer Trocknung (physikalische Filmbildung) als auch auf chemischer Vernetzung (Härtung) oder auf einer Kombination der beiden beruhen. Die Einzelvorgänge der Filmbildung sind in Kapitel 3.10 bereits ausführlich beschrieben. In der industriellen, teils auch in der handwerklichen Lackierung, wird der gesamte Filmbildevorgang, der zeitlich und anlagentechnisch meistens nicht exakt in Teilschritte aufzutrennen ist, im Allgemeinen durch Energieeinwirkung beschleunigt und – eigentlich nicht ganz korrekt – als Trocknung bezeichnet. Je nach Untergrund und Beschichtungsstoff unterscheidet man dabei zwischen • • • •

Trocknung bei Raumtemperatur (Umgebungstemperatur), auch „Lufttrocknung“ genannt forcierter Trocknung (bis ca. 80 °C) Einbrennen (100 bis 200 °C, beim Coil Coating auch darüber) Strahlenhärtung (UV- und Elektronenstrahlhärtung)

6.10.1 Einbrennbedingungen Die Qualität des thermischen oder strahlenvernetzten Lackfilms ist nur bei ausreichend langer und hoher Energieeinwirkung gewährleistet; d.h., vorgegebene minimale und auch maximale Einbrennbedingungen müssen eingehalten werden. Bei „unterbrannten“ Beschichtungen können die mechanische (Härte!), chemische und Wetterbeständigkeit der Beschichtung leiden. Beim „Überbrennen“ kann es zur Vergilbung und/oder Versprödung mit späterer Rissbildung und nachfolgendem Abplatzen des Lackfilms kommen. Bei zu schnellem Erwärmen der noch nassen Lackschicht können auch Lösemittel unter der sich an der Oberfläche bildenden „Haut“ eingeschlossen werden und anschließend zu Blasen („Kochern“) oder später zu Runzelbildung („Beifallen“) führen. Zu einer eindeutigen Charakterisierung der Einbrennbedingungen gehört nicht nur eine Angabe der Einbrenntemperatur und der Einbrennzeit, sondern auch die Angabe, ob die Ofen- oder die Objekttemperatur gemeint ist. Die Objektgeometrie und -masse sowie die Durchfahr-Geschwindigkeit im Ofen beeinflussen stark, in welchem Ausmaß die tatsächliche Objekt-Oberflächentemperatur hinter der Temperatur der Umgebung zurückbleibt. Oft wird die Ofentemperatur von der Objektoberfläche gar nicht erreicht, vor allem an den im Ofen unten liegenden Bereichen des Objektes, z.B. bei den Einstiegschwellern von Automobilkarosserien. Beim Coil Coating (Bandlackieren) ist die Temperaturdifferenz wegen der nur kurzen Verweildauer des laufenden Bandes von typischerweise ca. 30 Sekunden in der bis zu 400 °C-heißen Trocknerluft besonders groß; das Band erreicht nur eine Temperatur von 200 bis 270 °C.

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Trocknung, Härtung

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Das aufgetragene Lacksystem muss also einen mehr oder weniger großen Temperaturbereich verkraften, und zwar ohne nennenswerte Qualitätsdifferenzen auf der Objektoberfläche. Materialien, die schon bei Umgebungstemperatur vernetzen, können ein beim Lackierprozess verbliebenes Härtungsdefizit durch spätere Nachvernetzung (bis zu mehreren Wochen) ausgleichen. Ausgesprochene Einbrennlacke dagegen, bei denen z.B. ein Vernetzer (Härter) erst bei hoher Temperatur seine Blockierung verliert, können einen aus dem Unterbrennen herrührenden Mangel an Vernetzung meist nie mehr nachholen.

6.10.2 Überblick über Trocknungsverfahren Tabelle 6.5 gibt einen Überblick über die wesentlichen Trocknungsverfahren und ihre Anwendungen. Im Folgenden werden die einzelnen Trocknungsverfahren behandelt.

6.10.3 Umluft(Konvektions)-Trocknung Der Wärmeeintrag in das Lackierobjekt mit dem darauf befindlichen Nass- bzw. Pulverfilm erfolgt hier durch den konvektiven Wärmeübergang. Dieser wird grundsätzlich durch folgende Gleichung beschrieben: · Q = αA (ϑL–ϑF ) = αAΔϑ = αA ΔT · Q: Wärmestrom über die Fläche A α: Wärmeübergangskoeffizient ϑ L: Temperatur der Ofenluft in °C ϑ F: Temperatur der Filmoberfläche T: absolute Temperatur ∆: Differenz Man erkennt, dass der Wärmestrom in das Objekt proportional zur Temperaturdifferenz und zu α ist. α wird umso größer, je dünner die Strömungsgrenzschicht zwischen der Ofenluft und der Oberfläche ist, d.h. je schneller die Luft entlang der Oberfläche strömt. Zugleich führt die schnelle Anströmung auch zu einer beschleunigten Diffusion von Lösemittel bzw. Wasser von der Oberfläche in die Luft und einem schnellen Abtransport des Dampfes. Für eine schnelle Antrocknung und Aufheizung des Films bzw. Objektes ist also eine starke Luftströmung von Vorteil, die aber auch die Gefahr der zu schnellen Oberflächentrocknung mit sich bringt. Die zulässige Obergrenze der Strömungsgeschwindigkeit ist notfalls experimentell zu ermitteln. Beim Anblasen des Objektes (in Düsentrocknern) oder bestimmter Objektareale mit Hilfe von Luftdüsen kann die Strömungsgeschwindigkeit 15 m/s erreichen. Zum Aufheizen der Luft in Umlufttrocknern können alle bekannten Energieträger eingesetzt werden. In der Praxis gebräuchlich sind Erdöl, Erdgas, elektrischer Strom, Wärmeleitöl, Heißwasser und Dampf. Betriebsauslegung Bei der Beheizung mit Gas oder Öl kann man zwei Systeme anwenden: Indirekt beheizte Trockner benötigen zur Energiezufuhr einen Wärmetauscher. Bei direkt beheizten Trocknern wird in die Umluft hinein befeuert; Heizgase aus der Gas- oder Ölverbrennung werden also der Umluft beigemischt. Die direkte Beheizung ist energiegünstig, birgt jedoch das Risiko von Verschmutzungen der lackierten Oberflächen durch Rußteilchen aus unvollständiger Verbrennung (Vergilbung oder schwarze Punkte).

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Applikation und Trocknung

Tab. 6.5: Übersicht über Methoden zur Trocknungsbeschleunigung, in Anlehnung an [7] Trocknungs- Energiezufuhr verfahren

Praxishinweise

Anlagen

Beschichtungsstoff/Charateristika Werkstück

Trocknen mittels Wärmeträger Luft (Umluft) (Konvektionstrockner)

• Wärme- bzw. hitzehärtende Systeme, lösemittelhaltig oder -frei. • Keine Begrenzung hinsichtlich Schichtdicke oder Pigmentierung. • Trocknungszeit 3 bis 40 min. • Einfluss auf Beschichtungsqualität: Temperatur und Zeit, dabei Gefahr von Schmutzeinschlüssen im noch offenen Lackfilm.

• Alle wärmeunempfindlichen Materialien. • Bedingt: Kunststoff und Holz. • Alle Werkstückgeometrien trockenbar, da gute Wärmeübertragung.

• Lange Trockenzeiten, d.h. großer Platzbedarf. • Relativ hoher Energieverbrauch, vor allem durch Isolations- und Öffnungsverluste und durch Wärme­ austrag; zu minimieren durch kon­  struktive Maßnahmen (A-Form, Heißluftschleusen, Wärmetauscher etc.). • Hoher Automatisierungsgrad, hohe Flexibilität.

Entfeuchtete • kalte bis schwach erwärmte, geLuft trocknete Umluft („Low X“) (X < 6 g/kg)

• Wasserverdünnbare Lacke. Lediglich physikalische An- und Vortrocknung, z. B. bei Nass-inNass-Arbeitsweise

• Alle Materialien und Werkstückgeometrien. Besonders vorteilhaft bei Kunststoff und Holz.

• Trockenzonen-/Kabinen mit vorgeschalteten Luftentfeuchtern (unterschiedliche physikalische Prinzipien)

Öl, Dampf

• Sonderanwendungen (meist mindere Qualitäten)

• Zirkulierender Heißluftstrom 2 bis 5 m/s, in Sonderfällen bis 25 m/s.

• Öl: Eintauchen

Trocknen mittels Strahlen IR (Infrarotstrahlen)

• Elektromagnetische Wellen: • λ ca.1 μm bis 1 mm. • IR-Absorption im Lackfilm abhängig von Pigmentierung und Wellenlänge. • Trocknung von innen nach außen.

•  Wie bei Umlufttrocknung. •  Lösemittelzusammensetzung auf Strahlungsenergie abzustimmen. Schnelleres Aufheizen • Kurzfristige Übertemperatur erzielbar, dadurch kürzere Trockenzeiten. • Gute Aushärtung von Pulverlacken. • Keine Begrenzung hinsichtlich Schichtdicke oder Pigmentierung. • Nach Optimierung verbesserte Oberflächenqualität möglich.

• Wie bei Umlufttrocknung. • Bedingt: transparente Materialien wie Glas und Kunststoff sowie vergilbungsempfindliche Materialien wie Kunststoff und Holz. • Schattenbildung an unzugänglichen Innenräumen und Nischen. • Lack kann höhere Temperaturen annehmen als Untergrund.

• IR-Zonen bzw. -Tunnel, ggf. konturangepasst; mobile Standgeräte. • Elektrisch oder gasbeheizte Strahler unterschiedlicher Bauarten für kurz-, mittel- und langwellige IR-Strahlung. • Meistens Temperaturerfassung mit Pyrometern und Intensitätsregelung (Programmregelung) notwendig

• Absorption von UV UV(A)-Strahlung (Ultraviolett(0,32 bis 0,4 μm). Strahlung) • Photochemische Reaktion: Radikalische oder kationische Polymerisation. • Bestrahlungsdauer: maximal wenige Sekunden.

• Ungesättigte Polyester/Acrylate für radikalische, Epoxidharze/ Vinylether für kationische Härtung. (Kationisch: bis 24-stündige Nachhärtung) • Klar- und Lasurlacke dickschichtig möglich. • Pigmentierte Systeme : Dünnschichtig (Lacke) bzw. Druckfarben. • Gute Oberflächenqualität, wenn Verlaufszeit ausreichend.

• Trocknung nur auf den der Strahlung direkt zugänglichen Stellen (vor­ wiegend Flachteile und Bahnware). • Holz, Kunststoff: Vergilbung und Versprödung möglich. • Verbreitet bei Holz(-werkstoffen), Pappe, Papier, Kunststoff, Feinblech. • Dreidimensionale Werkstücke durch verfahrenstechnische und/ oder lackchemische Maßnahmen ebenfalls UV-lackierbar.

• Quecksilberdampfhochdruckstrahler mit Elektroden- oder Mikrowellenanregung; • Niederdruckstrahler zum Vorgelieren. • Geringer Platzbedarf und Energie­ verbrauch der Härtungsanlage bzw. des Härtungsprozesses. • Geringe Investitionskosten. • Umweltfreundlich, da kaum VOCEmissionen. • Ozonabsaugung und evtl. Inertgaszufuhr erforderlich.

IST* ImpulsStrahlungsTrocknung

• UV-Impulse mit λ=0,1974 μm, (= Resonanzfrequenz C = C), sehr schnelle Polymerisation.

s. UV

s. UV • Auch für komplizierte Geometrien geeignet (z. B. Stühle).

s. UV

ESH Elektronenstrahlen (EBC)

• Elektronenstrahlung aus 150 bis 400 kV-Glüh­ kathode, sehr schnelle radika­lische Polymerisation.

• Ungesättigte Acrylate; selten: kationisch härtende Systeme. • Keine Begrenzung bei Schichtdicke und Pigmentierung. • Gute Beschichtungsqualität. • Keine Photoinitiatoren erforderlich (im Gegensatz zur UV-Härtung).

• Alle Substrate; • Versprödungsgefahr bei Kunststoffen. • Verbreitet bei Papier, Folien, Holzbeschichtung bei sehr schnellen Durchsätzen.

• Sehr geringer Platzbedarf. • Hohe Investitionskosten (Strahlenschutz, Inertgasversorgung, Lüftung). • Geringer Energieverbrauch. • Hoher Automatisierungsgrad. • Nur für sehr große Flächendurch­ sätze evtl. vorteilhaft.

Laser­ strahlen

• NIR-Diodenlaser

• Offsetdruckfarben • physikalische Trocknung

• Papier • Folie • Pappe

• Sonderanlage • Wenig Platzbedarf • Bevorzugt für Lean Production

• Leitfähige Werkstücke. Beispiel: Drahtlackierung.

• Sonderanlagen

Trocknen mittels elektrischer Verfahren Widerstandstrocknung

• Erwärmung strom- • Alle wärmehärtende Systeme. durchflossener Werkstücke.

Induktive Trocknung

• Erwärmung durch induzierte Wirbelströme.

• Alle wärmehärtende Systeme.

• Ferromagnetische Substrate. • Besonders für dicke Werkstücke geeignet.

• Sonderanlagen

Hochfrequenztrocknung

• Erwärmung durch elektromagnetische, hochfrequente Wellen (vorwiegend 27,12 MHz) im Kondensatorfeld

• Lacke mit stark polarem Lösemittel und hohem dielektrischen Verlustfaktor (ε”) (vorwiegend Wasserlacke).

• Nur nichtmetallische Substrate; besonders geeignet: flache Holzteile

• Sonderanlagen

• Lacke mit stark polarem Lösemittel (vorwiegend Wasserlacke).

• Nur nichtmetallische Substrate; besonders geeignet: flache Holzteile

• Sonderanlagen

Mikrowellen- • Erwärmung durch Trocknung elektromagnetische, stehende Wellen der Frequenz 2,45 GHz.

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Trocknung, Härtung

Je nach Auslastung der Spritz- und der Trockenkabinen können neben Kammertrocknern für Chargenbetrieb auch Kombikabinen im Einsatz sein, besonders bei handwerklich arbeitenden Betrieben wie Autoreparaturlackierereien: Kombinierte Lackier- und Trockenräume, Abb. 6.30: Durchlaufofen in A-Form (A-Trockner) die zunächst – bei höherer Luftsinkgeschwindigkeit von ca. 1 bis 5 m/s – für die Spritzlackierung genutzt werden und anschließend – bei reduzierter Umluftgeschwindigkeit – mitsamt dem lackierten Objekt aufgeheizt werden. Wegen des höheren Energieverbrauchs und der geringeren Kapazität lohnen sich Kombikabinen natürlich nur bei geringerer Durchsatzfrequenz. In der industriellen Lackierung findet man neben solchen Kammer- bzw. Kabinentrocknern vor allem Durchlauföfen im Einsatz, die zur Verringerung der Wärmeverluste mit Luftschleusen („Heißluftvorhängen“) ausgestattet oder - noch besser - in A-Form als „A-Trockner“ (s. Abb. 6.30) gebaut sind. Bei letzteren bleibt die heiße Trockenluft weitgehend im oberen Teil gefangen. Vielfach sind Durchlauftrockner in mehrere Zonen mit individueller Temperatur und Luftver-/Entsorgung unterteilt. Dies führt zur besseren Einstellmöglichkeit der Aufheiz- bzw. „Ofenkurve“ und zur Energieeinsparung. Einsatzaspekte Außer zum Trocknen/Härten von Lacken etc. werden Trockneranlagen auch eingesetzt als: • Haftwassertrockner (nach Vorbehandlungen und Spülzonen, um Wasserreste zu entfernen) • Klebertrockner (um die weitere Verarbeitung nach Klebfügen, z.B. das Lackieren, zu ermöglichen) • Geliertrockner (zum verfestigenden Antrocknen von z.B. Unterbodenschutz auf Plastisol-Basis) • An-, Vorwärmtrockner (gegen kalte Oberflächen oder Lufteinschlüsse, z.B. bei der Holzlackierung) Der wesentliche Vorteil der Umlufttrockner – und damit die Ursache für ihre weite Verbreitung – liegt in der universellen Einsatzmöglichkeit für unterschiedlichste geformte und dimensionierte Teile. Durch die gleichmäßige Aufheizung ist zudem die Gefahr des Überbrennens, also der Schädigung der Lackfilm- oder Substratoberfläche durch lokale Überhitzung, auch bei kurzfristigem Stillstand der Förderanlage sehr gering.

6.10.4  Infrarot-Trocknung Definitionen Bei der Infrarot-(IR-)Trocknung wird das beschichtete Werkstück durch Absorption der IR-Strahlung erwärmt; es findet jedoch keine spezifisch strahleninduzierte Vernetzung statt, wie dies bei der neueren photonischen Härtung der Fall ist (→ 3.6) IR-Strahlung gehört – wie auch UV-Strahlung, sichtbares Licht oder Mikrowellen – zum Typ der elektromagnetischen Strahlung. Die Energie bzw. Intensität der IR-Strahlung hängt vom Wellenlängenspektrum und damit von der Strahlertemperatur ab. Man unterscheidet dabei zwischen lang-, mittel- und kurzwelliger IR-Strahlung: IR-Strahlung

Strahlertyp Wellenlänge [mm]

Temperatur [°C]

langwellig mittelwellig kurzwellig sehr kurzwellig („NIR“, „KIR“)

Keramik Quarzrohr Quarzrohr „Hochleis- tungshalogenlampe“

200 bis 700 750 bis 1500 1500 bis 2700 3000 bis 3500

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3,0 bis 6,0 1,5 bis 2,5 1,0 bis 1,5 0,7 bis 1,2

Strahler-Aufheizzeit [s] 120 1 bis 30 1 >D). Anschließend werden das gesamte Teil E bzw. alle betroffenen Teile klarlackiert. Anlösen („Anquellen“) des Lackschicht-Untergrundes durch Lösemittel des Lacksystems kann – in Maßen – ein erwünschter Vorgang sein zur Förderung der späteren Haftung und der Wasserbeständigkeit. Zu starkes Anlösen dagegen kann Haftungsverlust verursachen sowie Hochziehen1)  von Altlackierungen, darüber hinaus generell Erweichen und Runzelbildung der Lackierung und schließlich – bei Metalliclacken – Wolkigkeit des Effektes. Randmarkierungen und Beifallen können die problematische Folge sein, wenn eine Altlackierung bis zum Füller oder Blech durchgeschliffen wurde und dann Lösemittel vom Reparaturlack in partiell freigelegte, saugfähige Zwischenschichten, wie Füller oder Basislack, eindringen. Die Lösemittel entweichen dann nach Tagen oder Wochen und der Decklack sackt an diesen Stellen entsprechend zusammen. Abhilfe kann eine Isolierung des Untergrundes bringen. Hochziehen kann als Störung beim Überlackieren vorbeschichteter Untergründe auftreten, wenn Altlackierung, Füller etc. nicht ausreichend vernetzt sind. Durch Anquellen mit anschließender Volumenvergrößerung kommt es zu Falten, Unebenheiten, Blasen u.a.m. – auch im Bereich der allgemeinen Industrie- und der Holzlackierung eine häufige Fehlerquelle.

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Industrielle Kunststofflackierung

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Nassspritzen nennt man diejenige Verfahrensvariante beim Spritzlackieren, die sich durch ein geringes Verhältnis von Spritzluft zu Lackdurchfluss auszeichnet bzw. bei der ein sehr geringer Spritzabstand vorliegt, verbunden mit raschem Aufbau einer hohen Nassschichtdicke. Nachteilig können sich dann die unter Anlösen beschriebenen Effekte bemerkbar machen, ab­ gesehen vom Risiko der Läuferbildung („Nasen“). Das Gegenteil bezeichnet man als Trockenspritzen. Unter Koloristik versteht man die theoretische und praktische Beschäftigung mit allem, was sich rund um den Lack auf die Farbgebung der Lackierung auswirkt: Von der Pigmentprüfung und Standardisierung zur Lackchargenfreigabe, über das Mischen, Rezeptieren und Korrigieren von Farbtönen bis zur Qualitätssicherung. Der Nuanceur ist dabei für das Mischen und vor allem Freigeben bzw. Korrigieren von Farbtönen und von Mischformeln zuständig. Aber auch der Lackierer in der Werkstatt muss in der Lage sein, mit Hilfe des Mischsystems (s.o.) Farbtonabweichungen der Lackierung (Veränderungen durch Wetter- und Chemikalieneinflüsse, Farbtonvarianten ab Werk) auszugleichen bzw. durch Nuancieren nachzustellen.

7.4 Industrielle Kunststofflackierung Anforderungsprofil Nach der Behandlung der verschiedenen Kunststofftypen als Lackieruntergründe sowie der hierfür diese erforderlichen Vorbehandlungsmethoden (→5.4) wird in diesem Abschnitt auf spezielle praktische Aspekte der Kunststoff-Lackiertechnik eingegangen. Von besonderer Bedeutung sind in dieser Hinsicht bei Kunststoffobjekten folgende materielle Anforderungen: • Geeignete (d.h. nicht zu geringe), gleichbleibende Oberflächenspannung • Möglichst gleichmäßige Wanddicken (da ansonsten Temperaturdifferenzen wegen schlechter Wärmeleit­fähigkeit des Materials!) • Geschlossene, gleichmäßige Oberfläche • Keine Oberflächenfehler (Poren, Fasern) oder Spannungen/Orientierungen (vom Spritzguss) • Geringe Beeinflussung durch interne oder externe Trennmittel und Weichmacher; zumindest deren leichte Entfernbarkeit Noch wichtiger als bei der Metalllackierung ist hier also eine konstante Kunststoffqualität bzw. eine geeignete Eingangskontrolle. Das andersartige mechanisch-thermische Verhalten besonders der thermoplastischen Kunststoffe erfordert beim Entfernen von Graten, Fließnähten etc. ein so sorgsames Schleifverfahren, dass dabei bei eintretender Erwärmung die Erweichungstemperaturen nicht erreicht werden: Schmieren und zerklüftete Oberflächen wären sonst die Folgen. Auch die Neigung von Kunststoffen zu elektrostatischen Aufladungen ist zu berücksichtigen, in erster Linie durch Abwischen mit antistatisch wirksamen Reinigern, wie Wasser/Alkoholgemischen, oder auch (speziell bei automatisierten Anlagen) durch Abblasen mit ionisierter Luft kurz vor der Lackapplikation. Lackiermaterialien Um für die Kunststofflackierung geeignet zu sein, muss der Lack vor allem • geeignete, insbesondere nicht zu aggressive Lösemittel enthalten (diese könnten zum Quellen und zu Versprödungen und Rissen im Kunststoff sowie zu Haftungsverlusten führen) und • elastischer als der Untergrund sein, um auch Deformationen aller Art standzuhalten. Für optimale Lackierergebnisse wird – wieder je nach den technologischen Anforderungen – ein Zwei-, Drei- oder Vierschichtaufbau empfohlen: • Grundierung („Kunststoffprimer“), die vor allem für ausreichenden Verbund sorgen soll; auf besonders schwierigen Kunststoffen wie Polypropylen ist ggf. ein Haftvermittler vorzuschalten.

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Lackierprozesse

• Bei Weich-PVC oder PUR-Weichschaum muss oft ein zusätzlicher Isolier- oder Sperrgrund zur Unterbindung der Weichmachermigration eingesetzt werden. • Elastifizierter Füller zur Egalisierung der Oberflächenrauigkeit • Decklack, ebenfalls elastisch eingestellt, oft zweischichtig In der Praxis wird allerdings mehr und mehr an die Lackmaterialien die Forderung gestellt, ohne Grundierungen und Füller als erste Schicht direkt den Basislack applizieren zu können. Applikationsweise Abgesehen von der Elektrotauchlackierung und der elektrostatischen Applikation (s. dazu Tab. 6.3) sind alle von der Holz- oder Metalllackierung bekannten Applikationsarten auch zum Kunststofflackieren einsetzbar. Bei der Trocknung und Härtung ist die Wärmeemp­findlichkeit des Substrates zu beachten: Im Allgemeinen wird bei max. 80 °C getrocknet. Bei manchen Kunststoffen kann es im Fall der UV- und der Elektronenstrahlhärtung zu Vergilbung kommen.

7.5 Lackierung von Schienenfahrzeugen Die Historie der Lackierung von Lokomotiven und Waggons hat sich ähnlich der der Automobillackierung entwickelt: Nach der Phase der Handapplikation von schwarzen Öllacken (Schwarz war hier wegen der starken Rußablagerungen besonders sinnvoll) wurden ab ca. 1930 Nitrolacke durch Spritzen appliziert. Seit Ende der 70er Jahre werden wegen der besonderen Anforderungen an die Beständigkeit (s.u.) bei Schienenfahrzeugen des Personenverkehrs praktisch nur noch 2K-PUR-Lacke verarbeitet: • für die Erstlackierung im Dreischichtaufbau (Grundierung/Zwischenanstrich/Decklack) und • für die Instandhaltung im Zweischichtaufbau (Grundierfüller/Decklack) Heute werden überwiegend wasserverdünnbare Systeme eingesetzt, die allerdings meistens eine etwas geringere Beständigkeit gegen alkalische und saure Reiniger aufweisen. Eine allmähliche Grundverschmutzung wird meistens toleriert. Auch bei Renommee-Zügen wie den Hochgeschwin­ digkeitszügen werden inzwischen Basislacke und Klarlacke auf Wasserbasis eingesetzt. Generell sind die Ansprüche an die Qualität der Oberfläche in den letzten Jahren stark gestiegen. Bei einfachen Güterwaggons, ohne hohe optische Ansprüche, werden auch (direkt nach dem Entzundern, d.h. nach dem Entfernen der Fe3O4-Walzhaut) Einschichtlacke, z.B. auf Basis wässriger Acrylatdispersionen benutzt. Da, wie auch bei anderen Lackierungen, die Lackierkosten zu ca. 80 % aus Arbeits- und nur zu max. ca. 20 % aus Lackmaterialkosten bestehen, strebt man eine hohe Wirtschaftlichkeit vor allem durch lange Zeitintervalle zwischen den Lackierungen an, z.B. etwa 8 Jahre beim Lackieren mit konventionellen Lacken. Als besondere Anforderung bei Schienenfahrzeuglacken ist die Beständigkeit gegen stark saure Reiniger zu nennen, z.B. gegen Salzsäure oder Gemische aus Phosphor- und Salpetersäure, wie sie zum Entfernen der Funkenflug-Partikel vom Stromabnehmer (Eisen-, Kupferoxide etc.) notwendig sind.

7.6 Bandbeschichtung (Coil Coating) Die kontinuierliche Beschichtung von Bändern aus – meistens verzinktem – Stahl oder aus Aluminium mittels Walzen (→ 6.4) gehört zu den Verfahren mit deutlichen Zuwachsraten, da hier ein sehr wirtschaftlich und emissionsarm lackiertes Blech mit „Lack von der Rolle“ zur Verfügung steht. Es erspart dem Verarbeiter oft eine eigene Lackiererei mit Vorbehandlung, Lacklager, Prüflabor, Entsorgung etc. erspart. Der Lackauftrag erfolgt mit fast 100 % Ausbeute; Abwässer aus der Vorbehandlung werden im Werk erfasst und ggf. aufbereitet, die Umluft der thermischen Nachverbrennung zugeführt.

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Bandbeschichtung (Coil Coating)

Reinigung und Vorbehandlung Einlauf mit Heftmaschine

Beschichtung 1

Oberflächennachbehandlung

Ofen 1 Beschichtung 2

Auslauf Schlingenturm

Ofen 2

Laminierstation

Schlingenturm

Abb. 7.8: Schema einer Bandbeschichtungsanlage (Quelle: Chemetall GmbH). Die Vorbehandlungszonen und Öfen sind stark verkürzt dargestellt.

Verfahrensablauf Das organische Bandbeschichten läuft, wie Abb. 7.8 veranschaulicht, im Wesentlichen in folgenden Schritten ab: • Reinigung und chemische Vorbehandlung (Phosphatierung oder mittels Ti- und Zr-Verbin­ dungen) der Metalloberfläche. • Ein- oder zweiseitiges Aufwalzen der Beschichtungsstoffe (im Bild: zweimal beidseitig). • Trocknung und Vernetzung im Einbrennofen; charakteristisch sind hier hohe Einbrenn-Objekttemperaturen von 160 bis 290 °C. • Ggf. Laminieren mit Kunststofffolien; auch: dekoratives Prägen von PVC-Plastisolschichten oder Aufbringen abziehbarer Schutzfolien. Letztere können auch ein anschließendes Umformen erleichtern und dabei Beschädigungen der Lackoberfläche verhindern. Angeliefert wird das blanke Blech als Rolle („coil“), die bei Bedarf ohne Anlagenstopp an das gerade abge­wickelte vorherige Blech angeschweißt oder angeheftet wird. Zur Materialpufferung während solcher Vorgänge, auch am Ende des Prozesses, dienen die Schlingentürme, deren obere und untere Walzenreihen im Abstand zueinander verändert werden können. Die Bandlaufgeschwindigkeiten betragen bis etwa 3 m/s, bei dünnen Aluminiumfolien bis 6 m/s. Das fertig beschichtete Band wird entweder wieder aufgewickelt oder – je nach Bedarf des Verarbeiters – direkt in Platten geschnitten. Einsatzgebiete Bewährt hat sich die Verwendung bandbeschichteten Blechs in verschiedenen Branchen, die sich dadurch die Lackierprozesse sparen, und zwar • in erster Linie die Bauindustrie: für Fassadenteile und -konstruktionen, Trapezprofile, Garagentore, Türen und Trennwände, ferner • die Fahrzeugindustrie, hier vor allem bei Caravans und Nutzfahrzeugaufbauten (erprobt wird außerdem der Einsatz als KTL-Ersatz), und schließlich • „Weiße Ware“, d.h. größere Elektrohausgeräte sowie Gehäuse von Phono- und Videogeräten und ähnliches. Seit einigen Jahren wird in mehreren Anlagen die elektrostatische Pulverbeschichtung (nach dem TransApp-Verfahren, Fraunhofer IPA) zur Bandbeschichtung eingesetzt, das bei kleineren BandLosgrößen technisch weniger aufwändig ist und preiswerter sein kann. Außerdem wird bereits von einigen Bandbeschichtern mit kurzwelliger Infrarotstrahlung (NIR bzw. KIR, s. auch →6.10) statt mit energieaufwändiger heißer Umluft getrocknet und gehärtet. Hier lässt sich der Vorteil nutzen, dass sich die Nahinfrarot-Strahlung auf einen definierten, konstanten Abstand fokussieren lässt.

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Lackierprozesse

7.7 Elektroisoliersysteme und Elektroniklacke Diese rein funktionell wirksamen Beschichtungsstoffe isolieren und festigen elektrisch leitende Trägermaterialien wie Drähte, elektronische Bauteile wie Platinen, Motoren , Transformatorenund Maschinenteile, in aller Regel ohne Ansprüche an optische Eigenschaften. Dabei werden die folgenden Systemteile – optimal aufeinander abgestimmt – eingesetzt: Drahtlacke Durch sie erhalten Blankdrähte eine isolierende Oberfläche. Sie werden kontinuierlich in mehreren, bis zu 12, Schichten aufgebracht und bei über 400 °C eingebrannt. Nicht beeinträchtigt werden darf dabei die Verzinnbarkeit (Lötbarkeit!) der Drähte. Als Bindemittel für Drahtlacke dienen vor allem Phenolharze, Polyester und Esterimide, und namentlich mit Polyurethansystemen lässt sich die Forderung nach guter Verzinnbarkeit erfüllen. Tränkmittel Diese Materialien setzt man anschließend zur Verfestigung der Drahtlagen und Wicklungen ein, indem sie Hohlräume zwischen den Drähten füllen. Sie sorgen beim Betrieb auch für ein Ableiten der elektrischen Verlustwärme. Tränkmittel werden durch Fluten, Träufeln oder Tauchen verarbeitet und bei ca. 120 °C eingebrannt, teilweise durch Hindurchleiten von elektrischem Strom. Neben konventionellen Einbrennsystemen werden vor allem ungesättigte Polyester mit entsprechenden Härtern eingesetzt. Vergussmassen (Gießmittel) Mit diesen Materialien gibt man den Bauteilen zusätzlichen Schutz, und zwar durch einen Total­ verguss (Einbetten in meistens blockartige, kompakte Masse). Sie sind wegen der hohen Schichtdicken lösemittelfrei konzipiert (abgesehen vom Reaktivverdünner Styrol) und mit Füllstoffen versehen. Die speziellen Anforderungen an Elektroisoliersysteme sind mechanische Härte, ferner Wärme-, Chemikalien- und Kriechstrombeständigkeit (Porenfreiheit!) sowie eine hohe Spannungs- und Durchschlagfestigkeit. Die modernen Elektroisoliersysteme erfüllen diese Anforderungen bereits bei minimalen Schichtdicken (wenige mm); sie ermöglichten somit die Verkleinerung und Miniaturisierung vieler elektrischer und elektronischer Bauteile und Geräte. Elektroniklacke Diese meistens hochvernetzten Lacke sollen Platinen und andere elektronische Baugruppen vor klimatischen Einflüssen, vor allem vor Feuchtebelastung (Spritz- und Kondenswasser) schützen. Gleichzeitig müssen sie stabil sein gegen hohe Temperaturen (–40 bis +140 °C), chemische Einflüsse (Salz, Kraftstoffe, Säuren und Laugen), Kriechströme und mechanische Erschütterungen. Diese Beständigkeiten erfordern Systeme wie 2K-Polyurethane, Epoxid/Amin-Systeme, Silikonharze, UV-härtende Materialien, teilweise auch als Double-Cure-System (Dual Cure, Twin Cure, → auch 7.2). Auch hier geht der Trend weg von den traditionellen lösemittelbasierenden Lacken hin zu High Solids-, Wasser- und zu 100 %-Systemen wie UV-Lacken. Die Verwendung dieser Schutzlacke, die wegen immer mehr Elektronikteilen in Fahrzeugen und Geräten aller Art stetig zunimmt, erstreckt sich auf die Luft- und Raumfahrt, militärische Anwendungen, Schiffbau, Erdöl- und andere Förderanlagen, Elektronik- und andere Telekommunikationsbereiche, Fahrzeugherstellung, Mess- und Prüfgeräte aller Art.

7.8 Andere Metalllackierungen Beschichtungsmaterialien, Applikationsmethoden und Anforderungen stellen sich in der sogenannten allgemeinen Industrielackierung (sie beinhaltet als Begriff nicht die Fahrzeuglackierung, den schweren Korrosionsschutz, die Holzlackierung etc.) weit weniger einheitlich dar als in der Autoserienlackierung. Beim Lackmaterial handelt es sich neben Grundierungen meistens um Einschichtdecklacke.

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Andere Metalllackierungen

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Haushaltsgeräte, wie Kühlmöbel, Waschmaschinen etc. („weiße Ware“), werden nach der Phosphatierung und z.T. der Elektrotauchgrundierung meistens mit elektrostatischer Unterstützung spritzlackiert und dann eingebrannt. Dabei werden Wasser- und vor allem Pulverlacke eingesetzt. Auch bandbeschichtete Bleche, als „Lack von der Rolle“, ohne eigene Lackiererei beim Gerätehersteller, werden vielfach verwendet. Für Metallbauteile und -möbel (Einrichtungen, Regale etc.), sowie für Heizungs- und Elektroelemente steht die gleiche Palette an Lackierverfahren zur Verfügung. Je größer die gewünschte Farbton-Vielfalt, desto weniger eignet sich allerdings die in dieser Hinsicht ungünstigere Pulverlackierung. Oft werden Sonderfarbtöne dann manuell mit Einbrennlacken appliziert. Kfz-Felgen werden zunehmend mit Effekt-Pulverlacken – sonst eher unüblich – lackiert. Diese weisen inzwischen einen beachtlichen (Metallic-)Effekt auf, wenn auch nicht so brillant wie bei Flüssiglacken. Der Klarlack kann dann entweder auch ein Pulverlack oder auch ein Flüssiglack sein. Fahrradrahmen, Gitterelemente und andere filigrane Werkstücke sind prädestiniert für elektrostatisch unterstützte Applikationen bzw. für die Pulverbeschichtung. Nur so lässt sich der (Gesamt-)Auftragwirkungsgrad wirtschaftlich halten. Im Emballagen-Bereich, u.a. auch „Can Coating“, kommt der Gebindelackierung eine gegen – oft aggressive – Befüllungen beständige Schutzfunktion zu, was z.B. Porenfreiheit voraussetzt. Fruchtsäuren (z.B. von Tomaten), Lösemittel, Chemikalien würden sonst entweder rasch das Aluminium- oder Weißblech korrodieren lassen oder das Füllgut selbst würde bei Kontakt mit den Korrosionsprodukten (Rost) verderben. Aus diesem Grund werden für die Innenbeschichtung oft Epoxid-/Phenolharzlacke (wegen ihres Farbtons auch „Goldlacke“ genannt) verwendet, z.T. mit zusätzlicher Grundierung. Doseninnenlacke müssen sterilisierbar, toxikologisch unbedenklich und mechanisch (gegen Kratzer und Beulen) unempfindlich sein. Für kleinere Dosen wird meistens zunächst ein planes Blech (oft weiß vorbeschichtet, z.B. mit Hilfe der Bandbeschichtung) außen farbig bedruckt, dann klar drucklackiert, von der Rückseite (innen) beschichtet und zur Dose geformt. Dabei ist auf eine gute Abdichtung der entstandenen Schweiß- oder Lötnaht mit „Nahtschutzlack“ zu achten, da hier natürlich die gleichen Beständigkeiten vorliegen müssen. Der Lack wird gespritzt oder mit Rollen aufgetragen und muss nach dem Einbrennen vor allem eine gute Verformbarkeit aufweisen. Inzwischen kommen hier auch Pulverlacke zum Einsatz. Größere Dosen und Gebinde werden oft erst nach dem Formen außen durch Walzen oder Spritzen beschichtet und dann innen spritz- oder pulverlackiert. Dabei findet auch das Heißspritzen Anwendung. Je nach Größe und Automatisierungsgrad der Anlage können bis zu 20 Dosen pro Sekunde produziert und lackiert werden. Zur Außenbeschichtung der Blechemballagen werden – in der Regel pigmentierte – Stanzlacke be­nötigt, die neben den üblichen Außenlack-Anforderungen auch stapelfähig, oft gleitfähig (Ab­ füllmaschi­nen!) und mit UV-härtenden Druckfarben bedruckbar sein müssen. Als Filmbildner dienen Alkyd-, Epoxid-, Polyester- und Acrylat-Einbrennsysteme. Beim Maschinenbau ist die Typenvielfalt hinsichtlich der Objekte, Beschichtungsstoffe und -verfahren besonders breit gefächert. Neben Glatt- und Mattlacken runden hier Struktur- und Hammerschlaglacke die Palette der Decklackmaterialien ab. Der Lackieraufbau (meistens auf Metall) wird wieder auf den späteren Einsatzbereich und auf die mechanischen und optischen Anforderungen abgestimmt. Einige Beispiele sollen dies veranschaulichen: Landmaschinen sind zwar stark korrosionsgefährdet, werden aber unter großem Kostendruck gefertigt. Daher wird meistens eine Zweischichtlackierung (Primer und forciert- oder ofentrocknender Decklack) durch Tauchen, Spritzen oder Pulversprühen aufgebracht, wenn nicht sogar einschichtig anodisch oder kathodisch elektrotauchlackiert werden kann. Bei einfacheren Baumaschinen, z.B. für den D.I.Y1)-Markt, hält wegen der extremen mechanischen Beanspruchungen selbst die Do-it-Yourself

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widerstandsfähigste Lackierung kaum mit der Lebensdauer des Gerätes Schritt. Daher werden hier preiswerte, aber gut ausbesserbare Zweischicht- oder sogar Einschichtlackierungen („Verkaufslackierungen“) gewählt. Im Profi-Bereich (industriell, handwerklich und landwirtschaftlich) wird dagegen mehr und mehr Wert auf Beständigkeiten und längere Lebensdauer gelegt. Werkzeug- und Metallbearbeitungsmaschinen sind aggressiven Ölen, Kühlmitteln und anderen Flüssigkeiten ausgesetzt und verlangen daher eine besonders widerstandsfähige Lackierung, wie PUR-Füller und -Decklack. Bei Holzbearbeitungsmaschinen bieten dagegen auch Kunstharzdecklacke ausreichenden Schutz. Bei Schiffsanstrichen spielt der Korrosionsschutz eine extreme Rolle. Daher ist eine gründliche Strahlbehandlung mit unmittelbar folgendem Primerauftrag (auf Basis Polyvinylbutyral- oder Epoxidharz, ggf. mit Zinkstaub pigmentiert) notwendig. Als Folgeanstriche dienen Materialien auf PUR-, Epoxid- und Vinylharzbasis sowie Flüssigkunststoffe. Zur Verhinderung des Bewuchses mit Algen, Muscheln etc. dient ein zusätzlicher Antifouling-Anstrich, oft noch auf Basis metallorganischer (Zinn-) Verbindungen, die im Wasser allmählich an der Oberfläche freigesetzt werden. Diese Tatsache ist auch der Grund für zahlreiche, noch nicht abgeschlossene Anstrengungen in den letzten Jahren, einen Ersatz für die mikrotoxisch wirkenden Zinnverbindungen zu finden. Wegen großer Flächenleistung bei geringen optischen Ansprüchen wird vor allem Airless-gespritzt. Auch an Flugzeuglackierungen werden andere spezielle Anforderungen gestellt: Hier stehen Bestän­digkeiten gegen Enteisungsmittel, Kerosin und Öle („Skydrol“) sowie gegen extreme Temperaturwechsel und UV-Strahlung im Vordergrund. Lackieraufbau und Applikation ähneln der Autoreparaturlackierung mit 2K-PUR-Materialien (Zinkchromat-Primer, Füller und Decklack). Vor Instandhaltungslackierungen muss jedoch im Allgemeinen ganz entlackt werden, wobei der Untergrund (Aluminium!) nicht geschädigt werden darf (keine Wasserstoff-Versprödung des Metalls durch Abbeizmittel!).

7.9 Lackierung von Holz und Holzwerkstoffen Holz und Holzwerkstoffe als Lackieruntergründe wurden bereits in Abschnitt 5.5 grundsätzlich behandelt. Im Folgenden werden – vor allem um die Wechselbeziehungen Lack/Holz zu verdeutlichen – die wichtigsten Fakten noch einmal aufgegriffen und ergänzt. Unter den für das Lackieren infrage kommenden Untergründen ist Holz sicherlich der am wenigsten einheitliche, und in Eigenschaften und Lackierbarkeit extrem von der Herkunft, dem Alter und den Lagerbedingungen abhängig. Die wesentlichen Holzsubstrate und damit Bereiche der Holzlackierung sind: • Vollholz (Massivholz), für Möbel, Fensterrahmen etc. • Tischlerplatten (Verbund aus verleimten Vollholzstäben), in der handwerklichen Möbelfertigung • Holzspanplatten („Spanplatten“), für Möbel und Paneelen • Holzfaserplatten für Türen, Möbelrückwände und Schubkastenböden • Sperrholz, für Leichtkonstruktionen Lackierrelevante Holzmerkmale Die wichtigste vor dem Lackieren zu beachtende Holzeigenschaft ist ein geeigneter, nicht zu hoher Wassergehalt. Holz ist hygroskopisch, d.h. es gleicht sich in seinem Feuchtegehalt der umgebenden Luft an und ändert dabei deutlich sein Volumen (Schwindung bzw. Quellung). Im Freien behalten Holzerzeugnisse eine durchschnittliche Feuchte von etwa 12 bis 25 %; in Wohnräumen nur ca. 6 bis 18 %. Grünes (frisches) Holz weist noch weit höhere Feuchten auf, so dass vor der Verarbeitung eine gezielte Trocknung, heute meistens in Holztrockenkammern, unerlässlich ist. Auch während der weiteren Verarbeitung ist eine gleichmäßige Holzfeuchte zu gewährleisten, z.B. durch ein entspre-

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Lackierung von Holz und Holzwerkstoffen Tab. 7.2: Holzdichten und Volumenänderungen bei maximaler Wasseraufnahme, nach [9] Holzart

Dichte [kg/m3]

Maximale Schwindung/Quellung [%] radial

tangential

Längs

Kiefer

300 bis

860

4

8

0,4

Buche

490 bis

880

6

12

0,3

Eiche

390 bis

930

4,6

10

0,4

Faserplatten

400 bis 1000

chendes Klima in den Werkstätten, Lägern und Fertigungsstellen. Dazu ist in Tab. 7.2 am Beispiel einiger Holzarten gezeigt, wie unterschiedlich die Dichten des Werkstoffes Holz und auch die Materialausdehnung bei Änderung des Feuchtegehaltes sein können.

5 bis 20 Tab. 7.3: Abhängigkeit der Holz-Rohdichte vom Porenraum, nach [9]

[kg/m3]

Porenraum gesamt (inkl. submikroskopischer Hohlräume) [%]

Porenraum der makrobis mikroskopischen Hohlräume [%]

200

86,8

71,2

Rohdichte

400 73,5 44,2 In Abb. 5.7 wurden bereits die drei unterschiedlichen, radial, tangential und 600 60,3 19,5 faserparallel (longitudinal) genannten 800 47,3 7,1 Wachstumsrichtungen des Holzes erläutert. 1000 33,8 2,3 Die verschiedenen Holz-Rohdichten korrelieren mit stark schwankendem Gehalt an Porenräumen (Tab. 7.3), die bei der Applikation extreme Auswirkungen auf die Saugfähigkeit, aber auch auf den Widerstand zeigen, den ein sich ausbreitender Lacktropfen zu überwinden hat.

Eine Folge des ständigen Wechsels von Quellung und Schwindung, unterstützt durch die Porosität des Untergrundes, ist die bekannte Erscheinung, dass Holz „arbeitet“. Verstärkt wird dies noch durch Wärmespannungen und durch äußere mechanische Beanspruchungen: Es kommt – je nach Einwirkung – zu Spannungen und Rissbildungen in Faserrichtung, senkrecht dazu oder auch ohne bevorzugte Richtung. Abgesehen vom Verlust des Schutzes durch die Lackierung können sich auch Verleimungen lösen und Verglasungen undicht werden. Als weiterer temperaturbedingter Fehler ist der Harzaustritt bei harzreichen Hölzern (z.B. Kiefer) zu nennen. Der Schutz des Holzes durch Beschichtung ist stets auch durch konstruktiven Holzschutz zu ergänzen, um Befeuchtung, biologischen Befall etc. von vornherein zu reduzieren. Dazu gehören vor allem der Schutz vor Niederschlägen und Erdreich-Feuchte, gute Belüftung der Holzkonstruktion sowie Abdecken oder Abschrägen waagerechter Flächen. Auf einen zusätzlichen chemischen Holzschutz durch Holzschutzmittel soll hier nur kurz hingewiesen werden. Nicht nur Wasser wird von der porösen Holzstruktur aufgenommen; auch organische Lösemittel werden – wenn auch geringer wegen niedrigerer Polarität - eingelassen und sorgen z.B. für eine Kurzzeitquellung beim Lackieren oder Abbeizen. Die folgende Reihenfolge verschiedener Kurzzeitquellungen gilt für die tangentiale Richtung bei Eschenfurnier. Dabei liegt die Größenordnung der Quellung bei 30 min Lagerung in Flüssigkeit bei 0 bis 2%. Wasser > Ethanol > Methylenchlorid > Nitro-Verdünnung, Terpentin Bedingt durch das Aufsaugen der Flüssigkeit beim Quellen (bis zur „Fasersättigungsgrenze“) stellen sich die Fasern an der Oberfläche borstenartig auf, bei Wasser bzw. Wasserlacken aus den genannten Gründen noch stärker als bei lösemittelbasierenden Flüssigkeiten. Daher ist es in der Regel unerlässlich, Holzwerkstoffe vor und oft auch mehrmals während des Lackieraufbaus zu schleifen.

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Beschichtungsmaterialien /-verfahren für Holzwerkstoffe Beizen, Lasuren, Bleichen Durch Beizen1) lassen sich Farbunterschiede von Vollholz und Furnieren im Innenbereich gut ausbzw. angleichen (hier auch „patinieren“ genannt), außerdem die Holzstrukturen (Maserungen) besser zum Ausdruck bringen sowie in Abstimmung zur Konstruktion des Möbels individuelle Noten einbringen. Verwendet werden bindemittelarme Lösemittel- und Wasserbeizen, mit Farbstoffen oder transparent ausgeriebenen Pigmenten angereichert. Dabei zeichnen sich Wasserbeizen durch einfache Handhabung aus, benötigen aber längere (Umluft-)Trockenzeiten, evtl. IR-Trocknung, und rauen (wie erwähnt) die Oberfläche stärker durch Quellen auf. Das „Anfeuern“ einer Maserung (Verstärken der attraktiven Maserungskontraste) unterscheidet sich in seiner Intensität und Wirkungsrichtung bei wasserbasierenden Beizen und Lösemittelbeizen oft erheblich; manchmal ein schwieriges Problem beim Umstellen einer Holzverarbeitung auf VOC-ärmere Produkte. Die Lasuren – für Außenanwendungen – enthalten neben Bindemittel noch transparent ausgeriebene Pigmente. Dünnschichtlasuren wirken kaum filmbildend, aber imprägnierend, während Dickschichtlasuren (mit höherem Bindemittelgehalt) einen schützenden Film auf der Oberfläche erzeugen. Gelegentlich werden Holzoberflächen auch mit Wasserstoffperoxid gebleicht, d.h. aufgehellt. Maserdruck Um den optischen Effekt hochwertiger Furniere hervorzurufen, werden einfache oder ungleichmäßige Furniere zunächst mit einem Druckgrund beschichtet. Nach dessen Trocknung wird mit Rotationsdruckwerken das eigentliche Holzmuster, also die Furnierstruktur, aufgedruckt, z.T. auch aufwendig farbig, mit mehreren Druckwerken. Beide Schichten decken das Grundfurnier nicht ganz ab, so dass der Holzcharakter erhalten bleibt. Auch Span- und Faserplatten können mittels Maserdruck aufgewertet werden; sie sind dann natürlich zuvor gut zu spachteln. Grundierverfahren Vor der Lackierung von Holz sowie Holzspan- und Faserplatten muss die Oberfläche abgesperrt, d.h. isoliert, und für das Schleifen vorbereitet werden. Außer durch eine Folienkaschierung kann dies durch Spachteln geschehen, womit auch Unebenheiten der Oberfläche ausgeglichen werden. Der Spachtel wird meistens mit Walzen aufgebracht (daher auch die Bezeichnung „Walzengrund“) und anschließend geschliffen. Heute werden meistens UV- oder elektronenstrahlhärtende Spachtel auf wässriger Basis verwendet, die innerhalb kürzester Zeit aushärten. Für Außenanwendungen wird Holz oft – meistens mit Tauchgrundierungen auf Kunstharz- oder Wasserbasis – gegen holzzerstörende Pilze geschützt werden („Bläueschutz“). Dabei spielen auch die Anforderungen der Baukonstruktion und die gegebenen Feuchtigkeitseinflüsse eine entscheidende Rolle. Um deckende Beschichtungen hoher Qualität zu erhalten, wird zur Abdeckung und perfekten Egalisierung der Holzoberfläche oft zusätzlich ein Spritzfüller, z.B. auf Acrylatbasis, appliziert. Decklackierverfahren Die beiden wichtigsten Geometrien von Holz-Werkstücken – Flächen- und Korpusteile – bestimmen weitgehend die Art gerade des Decklack-Auftragsverfahrens und damit die Konzeption der Lackieranlage. Flächenteile, z.B. Platten, Möbelteile, Türen, Paneele etc., werden durch Walzen oder (im abnehmende Maße) Gießen beschichtet und dabei horizontal über Band- oder Flachstraßen gefördert. Gelegentlich werden auch, z.B. für die automatische Kantenbeschichtung oder besondere Anforderungen an die Oberfläche, Spritzapparate eingereiht. Kompliziert geformte Objekte, wie Möbelkorpusse oder Stühle, sowie Kleinserien von flachen Teilen werden meistens durch Spritzen beschichtet und an Hängeförderern oder auf Plattenwagen transportiert. Nicht zu verwechseln mit der (anätzenden) Metallvorbehandlung

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Lackierung von Holz und Holzwerkstoffen Tab. 7.4: Bindemittelsysteme und ihre Eigenschaften bei der Holzlackierung System

Verwendung

Vorteile

Nachteile

Einsatztendenz

Nitrolacke („CN1-Lacke“) physikalische Trocknung

Innenmöbel

schnelltrocknend, kratzfest, alkoholbeständig, dünne Schichten möglich

Geringe Licht- und Lösemittelbeständigkeit, geringer nfA, hoher Lösemittelanteil

rückläufig

2K-PUR („DD-Lacke“)

(Küchen-) Möbel, Außenanwendungen, Bootslacke

mechanisch und chemisch sehr beständig, elastisch

Preis, Topfzeit

zunehmend

Säurehärtende („SH“-)Lacke Harnstoff-Formaldehydharz + Alkydharz

ähnlich 2K-PUR

FormaldehydEmission

rückläufig

Öllacke (Alkydharz)

Außenanwendungen

guter Glanz u. Verlauf, Wetteru. ChemikalienBeständigkeit

langsame Härtung

rückläufig

Ungesättigte Polyesterlacke (UP-Lacke)

hochwertige, glänzende Oberflächen, z.B. Klaviere

kratzfest, Hochglanz, lösemittelarm, große Schichtdicken möglich

geringe Lichtbeständigkeit, kurze Verarbeitungszeit (2K), geringe Lagerfähigkeit

weiterhin für spezielle Anwendungen

Wasserlacke: Acrylat- u. PURDispersionen

Wohn-, Büromöbel

lösemittelarm, langsame lichtecht, Trocknung, widerstandsfähig starkes Aufrauen der Oberfläche

zunehmend

UV-härtende Lacke, auch: Elektronenstrahlhärtung

Möbel, speziell Schulmöbel, Parkett

extrem schnelle und belastbare Vernetzung, sehr lösemittelarm

UV: etwas eingeschränkte Pigmentierbarkeit

stark zunehmend

lösemittelfrei, schnelle Härtung

Erwärmung des Werkstücks

gute Chancen (Zukunft)

Pulverlacke (z.B. IR-Schmelzung + UV-Härtung) 1

korrekt: CN, Cellulosenitrat

Je nach optischer Anforderung gelten auch hier die in Kap. 6 behandelten Kriterien für den Einsatz der pneumatischen und der Airless-Zerstäubung, ggf. mit elektrostatischer Unterstützung, sowie der Rotationszerstäubung. Für Fensterrahmen ist auch das Fluten oder Tauchen eine geeignete Auftragsart, wobei für aufschwimmende Holzteile gerade das Fluten vorteilhaft ist. Profilhölzer und Stangen, aber auch brettartige Profile durchlaufen bevorzugt die Vakuumlackierung. Eine interessante, wenn auch etwas umstrittene aktuelle Entwicklung beschäftigt sich mit der Pulverlackierung von MDF-Faserplatten; auf Holz selbst sind die Resultate nicht zufriedenstellend. Siehe auch → 6.8.2. Aus der Vielzahl von Anforderungen und Untergründen resultiert ein breites Spektrum von Bindemittelsystemen für Holzlackmaterialien, das mit seinen wesentlichen Vor- und Nachteilen in Tab. 7.4 zusammengefasst ist.

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Lackierprozesse

Trocknungsprozesse Die Wahl des geeigneten Trocknungs- bzw. Härtungsverfahrens hängt weitgehend vom verwendeten Bindemittelsystem ab, wobei bei längeren Trocknungszeiten 60 bis 80 °C nicht überschritten werden dürfen. Höhere Temperaturen von 120 bis 140 °C dürfen, um ein Eindringen der Wärme in die Tiefe zu vermeiden, nur 1 bis 2 min bestehen. Neben der Umluft- und der Düsen-Umlufttrocknung wird, gerade bei Wasserlacken, zunehmend auch die IR-Strahlerwirkung ausgenutzt. In einigen Anlagen werden Wasserlacke auch mit trockener, erwärmter Luft getrocknet, z.B. bei 5 bis 7 % rel. Feuchte und 30 bis 35 °C. Oft wird das Holzteil vor der Lackierung auf 40 bis 80 °C vorgewärmt, um störende Lufteinschlüsse in den Poren zu reduzieren.

7.10 Bautenschutz/Beschichtung mineralischer Untergründe Hinsichtlich Preis und Fertigungsaufwand rangieren Bautenfarben sicherlich nicht an erster Stelle im Vergleich mit anderen Farben und Lacken; auf der anderen Seite wird darüber oft übersehen, dass etwa die Hälfte bis zwei Drittel – je nach Definition – der Produktion von Beschichtungsstoffen (mengenmäßig) Bautenanstriche sind (s. auch Abb. 7.1). Untergrundmaterialien Die wesentlichen mineralischen bzw. silikatischen Untergründe mit ihren jeweiligen Besonderheiten wurden in →5.6 bereits eingehend behandelt. Hier sind sie nochmals kurz aufgeführt, um die Wechselwirkungen mit den Beschichtungsstoffen deutlicher werden zu lassen. Beton, Waschbeton, Gasbeton, Holz- und Asbestzement reagieren deutlich alkalisch; zu vermeiden sind daher verseifungsempfindliche oder aus anderen Gründen nicht alkalibeständige Bindemittel. Ziegel, Klinker, Natursteine können unterschiedlich stark saugend wirken, sind chemisch eher inert. Kalksandstein wirkt ebenfalls alkalisch und stark saugend. Mörtel und Putze (Kalk-, Zement- und Gipsputze) sind vor dem Beschichten auf intaktes, nicht gelockertes Gefüge zu überprüfen. Bei nicht zu mürben Putzen ist mittels Putzfestigern Abhilfe durch tief eindringende, niedrigviskose Bindemittellösungen zu erreichen. Für den Anstrichfachmann ist die Kenntnis der chemischen Besonderheiten der verschiedenen vorliegenden Putze und Mörtel wichtig. Kalkmörtel und -putze sind stark alkalisch. Gipsflächen sind nicht wasserstabil (da etwas wasserlöslich) und saugen oft stark, aber ungleichmäßig, vor allem wässrige Medien. Mineralische Edelputze und Kunstharzputze werden nicht frisch, sondern meistens nur bei Instand­ setzungsarbeiten beschichtet. Anstrichgegebenheiten Allgemein sind die folgenden Eigenschaften mineralischer Untergründe bei der Auswahl der Beschichtungsstoffe und -verfahren besonders zu beachten: • Starke Rauigkeit • Hohe Porosität und starkes Saugvermögen, besonders bei (mineral-) füllstoffreichen Untergründen • Quellung und Schwindung mit nachfolgender Rissbildung, je nach Feuchteaufnahme und Tem­ peratur, besonders im Außenbereich. Die auftretenden Risse sollen möglichst weitgehend von der Beschichtung überbrückt werden können (Elastizität!). • Wasserdampfdurchlässigkeit des Untergrundes; je nach Anforderung muss die Durchlässigkeit der Beschichtung darauf abgestimmt werden, um den gesamten Feuchtehaushalt des Bauteils, z.B. einer Hauswand, zu steuern.

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Abtrennung, Aufbereitung und Verwertung von Lack- und Lackierrückständen

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• Oft können wasserlösliche, anorganische Salze auskristallisieren („ausblühen“). Sie müssen stets trocken entfernt werden. Alle mineralischen Untergründe müssen vor der Beschichtung ausreichend sauber und trocken sein. Beschichtungsstoffe Bautenschutz- und Innen-Wandfarben basieren heute überwiegend auf wässrigen Polymerdispersionen, ausgehend von Polyvinylacetaten bis hin zu verseifungsresistenten Copolymerisaten, vor allem Polyacrylaten. Auch rein anorganische Silikatsysteme oder organisch/anorganische Komposite werden eingesetzt. Moderne Fassadenbeschichtungen bestehen aus Kombinationen von Silikonharzen und Polymerdispersionen. Für Außenanwendungen werden sie meistens mehrschichtig aufgetragen. Dabei bewirkt die (teurere) Silikonharzemulsion eine Verbesserung von Wasserdampfdurchlässigkeit und Wetterstabilität. Bei höheren Ansprüchen an Chemikalien- oder Reinigungsbeständigkeiten werden auch 2K-­Epo­ xid-, Alkydharzemulsionen oder Chlorkautschukmaterialien eingesetzt. Die niedrigviskosen Grundierungen – für Außenbeschichtungen poröser Untergründe unverzichtbar – werden zunehmend auf Silikon-Mikroemulsionen umgestellt. Die Beschichtungstechnik richtet sich ganz nach dem Objekt: Je nach Fläche und nach Ausstattung des Anwenders kann gestrichen oder gerollt werden, bis hin zum großflächigen Airless-Spritzen. Neue Materialien Auch bzw. gerade Bautenfarben und -beschichtungen sind in den letzten Jahren durch zahlreiche Innovationen hervorgetreten, in erster Linie durch neuartige Eigenschaften mit Einsatz der Nanotechnologie. Zu nennen sind der Lotuseffekt, selbstreinigende Oberflächen, der Easy-to-clean(Abperl-)-Effekt, antimikrobielle Effekte sowie photokatalytische Eigenschaften.

7.11 Abtrennung, Aufbereitung und Verwertung von Lack- und Lackierrückständen Die Beschichtung eines Objektes ist immer nur ein Teil – wenn auch der „augenfälligste“ – eines Pro­duk­tionsprozesses. Wie schon bei der Lackherstellung fallen erst recht bei den Beschichtungsverfahren, besonders bei der Spritzapplikation, Lackreste bzw. -abfälle verschiedenster Art an: • • • •

Lackoverspray (fehlgespritzter Farbnebel) Nicht weiter verwertbare Reste von Lackieransätzen (besonders bei 2K-Lacken) Überlagerte Reste oder Lackchargen, Fehlansätze Verdünnte Lackreste von Wasch- und Spülvorgängen

Abscheide- und Auswaschsysteme Abgesehen von der Entfernung flüchtiger Lösemittel aus der Abluft (→ 6.9.2) kommt es bei der industriellen Spritzlackierung darauf an, die Lacknebelverluste zu erfassen. Dafür hat sich zum einen die Trockenabscheidung (im handwerklichen Bereich) und zum anderen die sog. Nassauswaschung mit Wasser durchgesetzt. Generell ist jedoch ein Trend wieder hin zur Trockenabscheidung erkennbar. Trocken- und Nassabscheidung Die Trockenabscheidung erfordert zwar geringere Investitionskosten, dafür einen höheren Reinigungsaufwand. Die Brandgefahr ist größer. Die Trockenabscheidung kam früher im Allgemeinen nur bei geringem Overspray-Anteil in Betracht, oder dort, wo nur gelegentlich lackiert oder mit nur

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Lackierprozesse

Luft 1

Wasser

Luft

2

Lack

3

Trennung Luft//Wasser + Lack Luft

Lack

4

Trennung Wasser//Lack (Koagulation)

geringen Lackdurchsätzen gearbeitet wird. Der Overspray – nach dem Passieren von Prallblechvorabscheidern – mit Hilfe von Steinmehl, z.B. Kalksteinmehl, gebunden. Auch Glasfasermatten und schwer entflammbare Kartonware werden eingesetzt. Der Anteil der Nassabscheidung war zwischenzeitlich bei der Metalllackierung ca. 80 %, bei der Kunststofflackierung fast 100 %, wird inzwischen wieder geringer, da der Energie- und Materialeinsatz bei der Trockenanscheidung deutlich geringer sind. Die Nassabscheidung funktioniert nach dem Prinzip einer zunächst sehr intensiven Durchmischung von Luft, Wasser und Lack mit anschließender Entmischung (Abb. 7.9).

Ein anlagentechnisch aufwändiger Teil der Nassauswaschung besteht in der Vermischung der mit Lackpartikeln beladenen Luft mit dem Kabinenwasser. Dazu werden verschiedene Systeme angeboten, teils mit, teils ohne Wandberieselung. Als das leistungsfähigste gilt das Venturi-Prinzip, bei dem an einer düsenförmigen Verengung durch hohe Beschleunigung und Turbulenzen eine besonders rasche und feinteilige Verwirbelung erfolgt, der sich dann eine Entspannungszone mit Trennung der Komponenten anschließt. Abb. 7.9: Prinzip der Nasslackabscheidung mit Koagulation 1 = Abtransport des Lacknebels durch gerichtete Luftführung, 2 = Benetzung und Bindung der Lacktröpfchen durch intensiven Kontakt mit Wasser, 3 = Sammeln des Kabinenwassers, 4 = Ko­agulation und Entklebung, gefolgt von Lackschlamm­ austrag und -entwässerung

Koagulation Ziel der anschließenden Koagulation ist eine „Entklebung“ des Lackschlamms und dessen Trennung von der flüssigen, umgebenden Phase, wobei die Koaguliermittel und ggf. Entschäumer genau auf das Lacksystem abzustimmen sind. Prinzipiell sind drei Koagulationsmethoden bekannt, wobei aus technologischen und ökologischen Gründen das erste, physikalische Verfahren mehr und mehr vorgezogen wird:

• Physikalische Koagulation durch Adsorbentien und Füllstoffe, z.B. Schichtsilikate. Die Abwässer sind pH-neutral und ionenarm. • Chemische Koagulation durch Zusatz von Säuren oder Basen (Denaturierung vor allem der Bindemittel) oder von mehrwertigen Metallsalzen, z.B. Eisen(III)- oder Aluminium-Salzen („Brechen“ von Dispersionen, spez. Emulsionen). • Elektrokoagulation im Koagulierrohr, durch elektrostatische Beeinflussung ohne Chemikalien. Abwasser Vor der weiteren Verwendung bzw. Einleitung des geklärten Abwassers in die Kanalisation ist unbedingt zu prüfen, ob der pH-Wert, der CSB1) -Wert, der Lösemittel- und der Schwermetallgehalt u.a.m. den lokalen Einleitungs-Richtlinien entsprechen. Ansprechpartner ist die jeweilige örtliche Untere Wasserbehörde des Kreises oder der Stadt.

Chemischer Sauerstoffbedarf

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Abtrennung, Aufbereitung und Verwertung von Lack- und Lackierrückständen

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Lackschlammverwertung Abhängig vom Koagulierverhalten der verwendeten Lacke kann das Koagulat obenauf schwimmen oder unterschiedlich sedimentieren, dabei auch mehr oder weniger verkleben. Sinnvoll ist in jedem Fall eine (automatisierte) baldige Austragung und Abschöpfung des Koagulates aus den Absetzbehältern mittels • Zentrifugen/Dekantern, • Oberflächen-/Bodenkratzern oder • Flotationsbehältern mit Überlauf. Schließlich wird der so entstandene Lackschlamm mit Zentrifugen oder Filterpressen möglichst weitgehend entwässert, um bei der Deponierung oder Wiederverwertung möglichst kompakt und kostensparend vorzuliegen. Die damit verbundene Problematik sei anhand folgender Daten veranschaulicht. Anfallmengen

Bei der Lackherstellung fallen, bezogen auf die Produktion, 1 bis 2 % Lackreste und Lackabfälle an. Beim Verarbeiter (industrielle Serienlackierungen) liegt der Anfall von Lackschlamm (bzw. Koagulat), bezogen auf den Lackeinsatz, bei 20 % (Koagulat-Festkörper)2) ! Der über alle Branchen summierte Lackschlammanfall (Festkörper) lag in Deutschland 2007 bei ca. 200.000 t 3)! Aus den Gründen • Schonung der Ressourcen und Entlastung der Umwelt sowie • Kostenersparnis bei Produktion und bei der Entsorgung (für die Entsorgung von KoagulatSondermüll war zeitweilig schon ca. 0,5 @/kg, teilweise noch mehr, anzusetzen) ist es schon heute wichtig und wird in Zukunft noch drängender, den Anfall von Lackresten und -schlämmen zu reduzieren, und zwar stets unter Einhaltung des hierarchischen Prinzips, wie es in Abb. 7.10 verdeutlicht ist: Prioritätspyramide

Oberste Priorität bei Entwicklung und Einsatz von Entsorgungsverfahren hat stets die Vermeidung oder zumindest Verringerung von Abfällen, z.B. durch reststoffärmere Applikationsverfahren und deren Optimierung (höherer Auftragwirkungsgrad) oder durch umweltfreundlichere Lacksysteme. Erst wenn diese Maßnahmen nicht (oder nur teilweise) zum Ziel führen, sollte eine Vermeidung stoffliche Wiederverwertung – möglichst wieder als Lackmaterial – angestrebt werden. Zur Abfallbehandlung und -entsor­ Verminderung gung → 9.3. Recycling-Verfahren Bei industriell verarbeiteten 1K(!)-Materialien ist z.T. eine Kreislaufführung des Lackes möglich, besonders bei sorten- und farbtonreinem Material. Erfolgen kann dies einmal anlagenintern direkt über Zuführung des Overspray­ anteils zum frischen Lackmaterial bzw.

Stoffliche Verwertung Energetische Verwertung (Verbrennung) Deponierung

Abb. 7.10: Prioritätspyramide zur Abfallbehandlung

Quelle: Deutsches Lackinstitut, „Sinnvolle Verwertung von Lackrückständen – heute und morgen“, 1993 Quelle: Chemische Werke Kluthe GmbH

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Lackierprozesse

über Rückgewinnung des aufgefangenen Materials aus dem Klärsee und seine Entwässerung, vereinzelt auch mittels Ultrafiltration. Anlagenextern hingegen waren nur bisher wenige Ansätze erfolgreich, z.B. die zeitweise Wiederverwendung von Füllerkoagulat bei der Autoserienlackierung. Alternativ können Lackschlämme prinzipiell auch außerhalb des Lackkreislaufes in neuen Einsatzbereichen, z.B. als Dicht- und Dämmmaterialien etc., verwendet werden. Aus technischen Gründen hat dieser Weg bisher nur untergeordnete Bedeutung erlangt. Chemische Recyclingverfahren (Hydrierung oder oxidative Spaltung zu erdölähnlichen Produkten) befinden sich noch im Erprobungsstadium. Verbrennung Erst am Ende der Überlegungen steht die (geringstwertige) Verwendung über die Verbrennung. Aufgrund des hohen Gehaltes an organischen, teils reaktiven Stoffen sollten Lackschlämme nämlich nicht deponiert werden. (Ausnahmen sind, regional unterschiedlich, z.B. kleinere Mengen aus handwerklichen oder anderen Betrieben, beladene Filtermatten etc.). Zur Abfallproblematik → 9. So wird bei der „thermischen Verwertung“ von Lackschlamm, z.B. als Brennstoffzuschlag oder Ersatzbrennstoff, immerhin noch der chemische Energiegehalt genutzt. Der Heizwert ist gleich, teilweise sogar höher als der von Braunkohle. Seit ca. 40 Jahren gibt es vereinzelt praktizierte Verfahren, z.B. Einsatz als Zuschlag bei der Zementherstellung. Vor dem Hintergrund des in Deutschland seit Oktober 1996 geltenden Kreislaufwirtschaftsgesetzes (KbfG), das unter bestimmten Voraussetzungen die energetische mit der stofflichen Verwertung auf eine Stufe stellt, wird auch die erstere wieder verstärkt diskutiert. Die Abfallgesetzgebung und -wirtschaft wird in →9.3 behandelt.

7.12 Entlacken In Lackierbetrieben sind im Wesentlichen zwei Kategorien von Teilen zu entlacken: • Prozessbedingt mitbeschichtete Gehänge, Warenträger, Gitterroste und anderes Zubehör und • Lackierobjekte, die fehlerhaft beschichtet wurden oder neu- bzw. umlackiert werden sollen, auch große Prüf- und Demonstrationsobjekte zur Wiederverwendung Nachdem man schon bei der Lackentwicklung und erst recht beim Lackieren viel Aufwand in eine gute Haftfestigkeit und Beständigkeit der jeweiligen Beschichtung investiert hatte, ist es nun oft umso schwieriger, den Untergrund wieder vollständig freizulegen, ohne ihn dabei mechanisch oder chemisch zu beschädigen. Dabei bietet sich zunächst eine grobe Einteilung an in • chemische Entlackungsverfahren und • physikalische Verfahren (mechanische und thermische). Das Anlagenspektrum der chemischen Entlackung reicht von der kleinen Standanlage bis zur vollautomatischen Beckenanlage beim Lohnentlacker, mit Behandlungs- und Spülbädern und Abwasseraufbereitung. Chemisches Entlacken Die drei wesentlichen Entlackungsmedien sind in Tab. 7.5 aufgelistet. Sie zeigt deutlich, wie der Untergrund wegen spezieller Empfindlichkeiten die Wahl des Entlackungsmittels beeinflusst. Außerdem ist bei diesen heute eine gute biologische Abbaubarkeit gefordert sowie Halogenfreiheit, so dass Kaltentlacker, wie das früher wegen seines hervorragenden Lösevermögens eingesetzte Methylenchlorid, heute fast keine Rolle mehr spielen. Die Entlackungschemikalien wirken auf zweierlei Weise: • Durch Quellung mit nachfolgender Ablösung, meistens mechanisch unterstützt. Die Lackschicht löst sich flocken- oder schlauchförmig ab.

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Entlacken Tab. 7.5: Chemische Entlackungsverfahren (in Anlehnung an [8]) Lackbindemittelbasis

Alkalische, wässrige Heißentlackungs­­ mittel

Organische Lacklöser (wasserfrei)

Saure, wässrige Entlackungsmittel (oxidierende Säuren)

Pulverlacke (PE, PUR, Acryl) +++

+

++

  Leichtmetall



+++

+

  verzinktem Stahl



++



+

+

++



+

+

+++

++

++

  Leichtmetall



+++

+

  verzinktem Stahl



++



  Kunststoff

+

+

+

auf Stahl

Epoxy-Pulverlacke, KTL auf Stahl Leichtmetall Ausgehärtete Flüssiglacke auf Stahl

Badtemperatur Anmerkungen

40 bis 90 °C besonders preiswert lange Standzeit emissionsarm

20 bis 140 °C gute Wirkung relativ teuer

+++ sehr gut geeignet  ++ gut geeignet  + bedingt geeignet

20 bis 55 °C Betrieb preiswert, aber teure Anlage; gute Standzeit

- nicht geeignet

• Durch Auflösung (z.T. auch oxidativ oder verseifend), besonders bei nicht vernetzten Beschichtungen. Nach völliger Auflösung der Lackschicht verbleibt hier ein sehr feiner (Pigment-)Schlamm am Substrat. Durch erhöhte Temperaturen oder mit Ultraschall-Unterstützung können die Entlackungszeiten verkürzt werden. In speziellen Fällen, bei temperaturunempfindlichen Werkstücken, haben sich oxidierende, nitrathaltige Salzschmelzen bewährt, die bei 300 bis 500 °C sehr gründlich reinigen können, allerdings mit relativ hohen Kosten. Physikalisches Entlacken Die physikalischen Entlackungsverfahren lassen sich in mechanische und thermische Verfahren unterteilen. Mechanisch wird eine Lackschicht durch Strahlmittel oder durch Schleifen abgetragen; bei den thermischen Verfahren wird sie entweder durch Erhitzen zersetzt oder bei sehr tiefer Temperatur versprödet und anschließend mechanisch vom Untergrund gelöst. Die Verfahren sind in Tab. 7.6 (s. Seite 380) zusammenfassend beschrieben.

7.13 Qualitätsmanagement, Prozess- und Qualitätssicherheit Qualitätsmanagement oder QM bezeichnet grundsätzlich das Steuern und Lenken aller organisatorischen Elemente, die Einfluss auf die Produkt- und Prozessqualität haben. QM ist eine Kernaufgabe des Managements. Ziel ist es, die Effizienz und Effektivität einer Arbeitstätigkeit und dessen Qualität unter Berücksichtigung zeitlicher und materieller Vorgaben zu erhöhen. Ein gutes QM führt nicht zwingend zu einem höherwertigen Produkt. Es soll lediglich das Erreichen der gewünschten Qualität sicherstellen.

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Lackierprozesse

Tab. 7.6: Physikalische Entlackungsverfahren, nach [8] Untergrund

Einsatzbereich

Bemerkungen

Schleifen

alle Materialien

kleinere Flächen, Reparaturen

Teilegeometrie! relativ teuer

(Sand-)Strahlen

alle Materialien, aber Kunststoff nur bedingt

für dünne Lackschichten, Nachreinigung!

Teilegeometrie! hoher Verschleiß/teuer

Mit Hochdruckwasser

s.o.

für schwere Werkstücke

Teilegeometrie! hohe Anlageninvestition

Mechanisch

Thermisch Die organischen Lackbestandteile werden unter Luftmangel zu brennbaren Gasen verschwelt. Es bleibt nur wenig inerte Asche (Deponie !) zurück. SchwelkammerPyrolyse

alle Metalle kein Kunststoff

universeller Einsatz

Teile müssen temperaturbeständig sein bis ca. 450 °C, geringe Abfallmenge! zeitintensiv

WirbelbettEntlackung

s.o.

für regelmäßig kleinere bis mittlere Chargen

wie zuvor. Keine schöpfenden Teile (Sandaustrag!) bis ca. 500 °C.

Versprödung mit flüssigem Stickstoff bei –196 °C und mechanische Nachbehandlung: TieftemperaturEntlackung: Versprödung mit flüssigem Stickstoff bei –196 °C und mechanische Nach­ behandlung

s.o.

hohe Verbrauchskosten, besonders für dicke Lackschichten an flächigen Gefahr der Material­ versprödung Teilen

„CO2-Stripping“ Strahlen mit Trockeneis (CO2)

s.o.

große Flächen: Außenanwendungen dünne Lackschichten

für spezielle Anwendungen (z. B. Flugzeuge)

CO2-Laser (Kurzzeitige Erhitzung der Lackschicht)

alle Materialien

für empfindliche Materialien schichtweises Abtragen möglich

s.o.

Seit spätestens etwa 1980 ist Kernpunkt unternehmerischer Tätigkeit nicht mehr nur die Herstellung von „Qualität“ (= optimale Gebrauchseignung), sondern vor allem auch die Kontrolle und Sicherung der Qualität durch geeignete Qualitätssicherungssysteme. Zielsetzungen Mit einem solchen System – eingeführt, zertifiziert und kontrolliert durch entsprechend spezialisierte Dienstleister – • lässt sich das Risiko, fehlerhafte Produkte oder den Erfordernissen nicht entsprechende Leistungen anzubieten, verringern, • kann man Beanstandungen oder Ersatzansprüchen besser begegnen, • lassen sich Effektivität und Effizienz steigern und interne Abläufe transparent machen, • wird die Wettbewerbsfähigkeit gesichert,

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Qualitätsmanagement, Prozess- und Qualitätssicherheit

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• können Produkt- oder Leistungsprüfungen auf Kundenseite teilweise vermieden oder reduziert werden, • können Kunden oft die Qualifizierung von Lieferanten als festgestellt ansehen und • kann sich der Kontakt zwischen Kunde und Lieferant auf Produkt und Leistung konzentrieren. Voraussetzung zum Erreichen von Qualität ist eine klare Festlegung der Lieferbedingungen, d.h. der geforderten Produkteigenschaften bzw. der zu erbringenden Leistungen, zwischen Kunde und Lieferant, einschließlich der von beiden Seiten akzeptierten Toleranzen. Managementaufgaben Zur Einführung eines Qualitätsmanagements (QM) sind folgende wesentliche Schritte einzuhalten: • Benennung eines Qualitätsbeauftragten mit den entsprechenden Kompetenzen und Qualifikationen durch die Geschäftsleitung. Seine wesentliche Aufgabe ist die • Erstellung eines QM-Handbuchs, das alle Verantwortlichkeiten und Maßnahmen im betrieblichen Ablauf regelt, von der Auftragsabwicklung über Produktion und Freigabe bis hin zur Bearbeitung von Reklamationen und die • Motivierung und Schulung der Mitarbeiter, schließlich die • Verankerung von „Qualitätsmanagement“ nicht nur in der EDV, sondern ebenso im Bewusstsein von Geschäftsleitung und allen Mitarbeitern. Zertifizierung Beim Aufbau eines zertifizierten Qualitätssicherungssystems geht es um organisatorische Maßnahmen und um eine ständige Eigen- und Fremdkontrolle in allen Unternehmensbereichen. Mit der Normenreihe EN ISO 9000 ff v.a. mit DIN EN ISO 9000:2015 sind Normen geschaffen worden, die die Grundsätze für Maßnahmen zum Qualitätsmanagement dokumentieren. Gemeinsam bilden sie einen zusammenhängenden Satz von Normen für Qualitätsmanagementsysteme, die das gegenseitige Verständnis auf nationaler und internationaler Ebene erleichtern sollen. Die früheren DIN EN ISO 9002 und 9003 finden keine Anwendung mehr. Jedes Produkt unterliegt anderen spezifischen Anforderungen und ist demnach nur unter individuellen Qualitätssicherungsmaßnahmen zu erzeugen. Qualitätsmanagementsysteme hingegen sind nicht produktorientiert und können daher unabhängig von der Branche und den spezifischen Produkten einen ähnlichen Aufbau festlegen. Das erfolgreiche Führen und Betreiben einer Organisation erfordert, dass sie in systematischer und klarer Weise geleitet und gelenkt wird. Ein Weg zum Erfolg kann die Einführung und Aufrechterhaltung eines Managementsystems sein, das auf ständige Leistungsverbesserung ausgerichtet ist, indem es die Erfordernisse aller interessierten Parteien berücksichtigt. Eine Organisation zu leiten und zu lenken umfasst neben anderen Managementdisziplinen auch das Qualitätsmanagement. Die Normen EN ISO 9000:2000 ff. sind grundsätzlich prozessorientiert aufgebaut. Die Vorgängernormen definierten 20 Elemente des Qualitätsmanagements, die den Standardprozessen der produzierenden Industrie von der Entwicklung über Produktion und Montage bis zum Kundendienst entsprachen, so dass der Aufbau der ISO 9000:1994 ff. die Übertragung z.B. auf Dienstleistungsunternehmen erschwerte. Wie diese organisatorischen Maßnahmen zu treffen und nachzuweisen sind, ist in internationalen und nationalen Normen festgelegt, so etwa in den DIN EN ISO 9000 bis 9004. EN ISO 9000 enthält zunächst grundsätzliche Informationen zum Umgang mit der Normenreihe, die „Gebrauchsanweisung“. Je nach Art der Tätigkeit des Unternehmens und nach Art der zu betrachtenden Vorgänge (=Qualitätselemente) erfolgt die Zertifizierung dann nach DIN EN ISO 9004, die umfassender ist als 9001.

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Literatur

Nach den internen Audits (Prüfungen aller qualitätsrelevanten Vorgänge) ist dabei das externe Audit entscheidend, das nach Erfüllung aller QM-Anforderungen zur Zertifizierung führt. In das QM-System lassen sich die Arbeitssicherheit und das Umweltmanagement ebenso integrieren wie die Personalplanung, da sich eine rechtzeitige und geeignete (Weiter-)Qualifikation der Mitarbeiter genauso auf die Qualitätssicherheit auswirken kann wie etwa die Zuverlässigkeit eines Rohstoffes oder das produktionstechnische Konzept. Für einen detaillierteren Einstieg in das Thema Qualitätssicherung steht Literatur zur Verfügung [9, 11]

7.14 Quellen und weiterführende Literatur zu Kapitel 7 [1]

S. Federl (Hrsg.): Malerlexikon, Callwey, München 2001

[2]

E. Spyrou: Powder Coatings Chemistry and Technology, 3rd ed., Vincentz Network, Hannover 2012

[3]

A. Goldschmidt und H.-J. Streitberger: BASF-Handbuch Lackiertechnik, Vincentz Verlag Hannover, 2014

[4]

B. Hauber, W. Mitz und G. Puchan: Die Autolackierung, 5. Aufl., Vogel Verlag, Würzburg 1992

[5]

B. Hantschke und C. Hantschke: Lacke und Farben am Bau, Hirzel, Stuttgart /Leipzig 1998

[6]

H.Kittel: Lehrbuch der Lacke und Beschichtungen, Bd. 9, Verarbeitung von Lacken und Beschichtungsstoffen, (Hrsg. H.Fobbe), S. Hirzel Verlag, Stuttgart 2004

[7]

K.-P. Müller: Praktische Oberflächentechnik, 4. Aufl., Vieweg, Braunschweig 2003

[8]

D. Ondratschek (Hrsg.): Jahrbuch Besser Lackieren 2016, 73. Ausgabe, Vincentz Network Hannover 2015 und ältere Ausgaben (bis 1997: Taschenbuch der Lackierbetriebe)

[9]

H. Pecina u. O. Paprzycki: Lack auf Holz, Curt R. Vincentz Verlag Hannover 1995

[10] J. Pietschmann: Industrielle Pulverbeschichtung, 4. Aufl., Springer Vieweg Verlag, Wiesbaden 2013 [11] J. Prieto und J. Kiene: Holzbeschichtung, Vincentz Network, Hannover 2007 [12] RömppOnline Lexikon, mit updates, s. www.roempp.com [13] F. Sadowski: Basiswissen Autoreparaturlackierung, Vogel, Würzburg 2000 [14] H.-J. Streitberger und K.-F. Dössel (Eds.): Automotive Paints and Coatings, 2nd ed., Wiley-VCH Weinheim 2008 [15] P. Svejda: Prozesse und Applikationsverfahren (Hrsg. U.Zorll und D.Ondratschek), Vincentz Network, Hannover 2003 [16] Wikipedia: Qualitätsmanagementnorm (02/2016) [17] G. Wilke und J. Ortmeier: Kunststoffbeschichtung, Vincentz Network, Hannover 2009 [18] J. Herrmann und H. Fritz: Qualitätsmanagement – Lehrbuch für Studium und Praxis, Hanser-Verlag, München 2011 Zusätzlich sei auf die zitierten Normen sowie auf die Tagungsbände, Lehrgänge, Fortschrittsberichte und LackierTreffs der DFO und des IPA zu allen wesentlichen Themen der Lackier- und Anlagentechnik verwiesen: Deutsche Forschungsgesellschaft für Oberflächenbehandlung e.V. (DFO) www.dfo-online.de Fraunhofer Institut für Produktionstechnik und Automatisierung (IPA) www.ipa.fraunhofer.de/Arbeitsgebiete/lackiertechnik/index.php

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Rheologie und Rheometrie

8

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Prüf- und Messtechnik

Die Qualität des Lackes (hier wieder stellvertretend für alle Beschichtungsstoffe) – ebenso wie später die der fertigen Lackierung – besteht in seiner Brauchbarkeit bzw. Eignung für die Ansprüche des Kunden, und zwar • reproduzierbar von Charge zu Charge und • mit gleichbleibender (Lager-)Stabilität und Qualität. Dabei hat eine konstant gute Verarbeitbarkeit Vorrang vor der an sich naheliegenden Forderung nach nahezu identischer stofflicher Zusammensetzung, die ja sehr komplex sein kann. Selbst wenn sich von identischer Zusammensetzung ausgehen lässt, kann es trotzdem vorkommen, dass sich eine solche Charge bei der Verarbeitung oder hinsichtlich der Beständigkeit grundlegend von der Vorlieferung unterscheidet. Die Konsequenz ist: Klassische physikalische oder chemische Analysenmethoden sind zur Qualitätssicherung bzw. zur Eignungsprüfung von Lacken nur sehr beschränkt aussagefähig. Vielmehr kommt es darauf an, das Material unter denjenigen Anwendungs- und Trocknungsbedingungen, Umfeldeinflüssen, mechanischen Beanspruchungen etc. zu testen, die den späteren Verhältnissen in der Realität entsprechen. Natürlich muss man versuchen, die Prüfprozesse dort zu beschleunigen oder in Simulationsform durchzuführen, wo eine strikte Nachbildung der realen Situation einfach zu langes Warten auf Ergebnisse bedeuten würde oder die jeweiligen Einwirkungen im Labormaßstab nicht nachvollziehbar sind.

8.1 Rheologie und Rheometrie 8.1.1 Rheologische Grundlagen Unter den zahlreichen Rohstoff- und Lackeigenschaften mit Auswirkung auf Produktions- und Lackierergebnisse ist sicherlich (auch bei Pulverlacken) das Fließverhalten eine der wichtigsten, denn denn von diesem hängen in hohem Maß dessen Verhalten und der erforderliche Aufwand bei Verarbeitung und Applikation ab. Die Rheologie (von griechisch ρ′εIV, rhein „fließen“ und griechisch λο′γος logos „Lehre“ ist die Wissenschaft, die sich mit dem Verformungs- und Fließverhalten von Materie beschäftigt. Die Rheologie umfasst daher Teilgebiete der Elastizitätstheorie, der Plastizitätstheorie und der Strömungslehre. Das Fließverhalten lässt sich in der Regel aber nicht durch eine einzige Kennzahl, etwa die Viskosität, beschreiben; denn die Viskosität von pigmentierten Systemen, z.T. auch von Klarlacken, ändert sich im Allgemeinen mit der Höhe der (mechanischen) Beanspruchung und/oder mit der Beanspruchungszeit. Die Viskosität bringt als Eigenschaft eines flüssigen Stoffes zum Ausdruck, in welcher Weise bzw. gegen welchen Widerstand er unter Krafteinwirkung zu fließen vermag. Fließkurvendarstellungen Liegt ideales (Newtonsches) Verhalten vor, so wird das Fließverhalten allein durch die dynamische Viskosität η definiert. Sie ergibt sich aus folgender Beziehung, wobei dazu in Abb. 8.1 der Begriff „Viskosität“ und die ihn bestimmenden Größen τ und γ⋅ veranschaulicht sind 1): η=

Schubspannung τ Schergeschwindigkeit γ·

[Pa · s]

γ⋅ ist die Ableitung der Scherverformung γ nach der Zeit

1

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Prüf- und Messtechnik

v = Geschwindigkeit [m/s] F = Fläche [m2]

K = Kraft [N]

flüssige Schichten Schubspannung τ =

x [m] Kraft K Fläche F

[N/m2]

Geschwindigkeit v Schergeschwindigkeit γ· = [s–1] Schichtdicke x

Abb. 8.1: Veranschaulichung des Begriffes „Viskosität“

Trägt man die Schergeschwindigkeit γ· (historisch bedingt auch mit dem Symbol D bezeichnet) gegen die für den Fließvorgang erforderliche Schubspannung τ auf, oder (wie es auch häufig praktiziert wird) umgekehrt, dann erhält man bei den idealen (Newtonschen) Flüssigkeiten als sogenannte Fließkurve eine durch den Nullpunkt gehende Gerade, wie Abb. 8.2 zeigt. Die Viskosität ist hier also eine Konstante, und zwar in der Auftragung Schubspannung gegen Schergeschwindigkeit gleich der Steigung der Geraden. Im Gegensatz dazu erhält man bei pigmentierten Systemen, teils auch bei Klarlacken (ganz besonders bei wässrigen Dispersionen/Emulsionen) häufig gekrümmte Fließkurven, die durch den Nullpunkt gehen können, nicht gehen müssen. Die Schergeschwindigkeit ist hier also nicht proportional der Schubspannung, und die Viskosität ändert sich bei steigender Schubspannung bzw. steigender Schergeschwindigkeit. Die Fließkurven strukturviskoser Systeme (auch: scherverdünnende oder pseudoplastische Systeme genannt) sind in Abb. 8.3 dargestellt. Man erkennt aus den Fließkurven zusätzlich, dass – wie bei Lacken oft der Fall – als weitere Größe die Fließgrenze zur Beschreibung und zum besseren Verständnis des Fließverhaltens herangezogen werden muss. Die Fließgrenze kann als die Kraft verstanden werden, die erforderlich ist, um das System überhaupt zum Fließen zu bringen (s. Abb. 8.3). Dieser Fall liegt dann vor, wenn die Gerüst- bzw. Gelfestigkeit sehr hoch ist, im Lack z.B. bei hoher Pigmentkonzentration, starker Flockulation und/ oder ausgeprägter Nadelform der Pigmentteilchen. Bei zu geringer Scherung bleibt dann das Gerüst stabil; erst nach Überschreiten einer bestimmten Kraftschwelle (Fließgrenze) beginnt das System zu fließen (plastisches Verhalten). Mit steigender Energiezufuhr nimmt dann die Viskosität weiter ab, entsprechend dem fortschreitenden Gerüstabbau, bis der Grenzwert – die Endviskosität – erreicht ist. Beispiele für Flüssig­keiten mit Strukturviskosität und Fließgrenze sind im Lackierbereich • Pigmentkonzentrate • nichttropfende Malerfarbe („feste Farbe“) und • Lacke während der Scherbeanspruchung in der Zerstäuberdüse, beim Rakeln etc. In Abb. 8.4 ist eine andere Darstellungsweise des Fließverhaltens, die Viskositätskurve gezeigt, d.h. der Verlauf der Viskosität mit steigender Schergeschwindigkeit bzw. steigender Schubspannung (z.B. zunehmende Rührgeschwindigkeit oder Beanspruchung beim Spritzen etc.). Die Abnahme der Viskosität bei einem strukturviskosen Lack kann damit erklärt werden, dass • einerseits unter der Scherbean­spruchung die fließenden Teilchen, etwa Pigmentteilchen mit Schergeschwindigkeit γ· Bindemittelhüllen, orientiert, de­floc­kuliert und/ oder verformt wer­den, wobei ihr wirksamer Querschnitt und damit ihr Fließwiderstand abnimmt, • andererseits Gerüststrukturen (im „Gel“) zwischen Pigmentteilchen und/oder BindemittelSchubspannung τ molekülen, abhängig von der Energiezufuhr und der Gerüstfestigkeit, nach und nach abgebaut werden (zum „Sol“). Abb. 8.2: Fließkurve einer Newtonschen Flüssigkeit

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Rheologie und Rheometrie

Schergeschwindigkeit γ·

strukturviskos (pseudoplastisch)

Schergeschwindigkeit γ·

strukturviskos (plastisch)

Schubspannung τ

Schubspannung τ Fließgrenze

Abb. 8.3: Fließkurven strukturviskoser Systeme ohne und mit Fließgrenze (Plastisches Verhalten ist durch eine Fließgrenze charakterisiert)

Ein weiteres Fließmerkmal, die Thixotropie, muss deutlich gegenüber der Strukturviskosität und dem plastischen Verhalten abgegrenzt werden. Während Strukturviskosität die schlagartige Abnahme der Viskosität mit steigender mechanischer Beanspruchung kennzeichnet, bedeutet Thixotropie die allmähliche Abnahme der Viskosität mit zunehmender Beanspruchungszeit bei konstanter Schergeschwindigkeit (s. Pfeil ← in Abb. 8.5).bzw. bei konstanter Beanspruchungshöhe (↑). Erhöht man zur Bestimmung des Fließverhaltens einer thixotropen Substanz schrittweise die Schubspannung („Aufwärtskurve“), z.B. in einem Rotationsviskosimeter (s.u.) durch steigende Umdrehungszahl des Viskosität η Drehkörpers, dann erhält man zunächst die Fließkurve einer plastischen SubsDilatant tanz. Hält man die Scherbeanspruchung dann eine gewisse Zeit aufrecht, so lässt sich eine Abnahme der Schubspannung beobachten, die zur Aufrechterhaltung einer gegebenen Scherge­schwin­­digkeit Newtonsch notwendig ist, d.h. die Viskosität wird laufend kleiner (waagerechte gestrichelte Gerade in Abb. 8.5). Schrittweises Vermindern der Schubspannung ergibt Strukturviskos dann eine Fließkurve, die nicht mit jener bei steigender Schubspannung zusammenfällt, als „Abwärtskurve“ in Abb. Schergeschwindigkeit γ· bzw. Schubspannung τ 8.5. markiert. Analog kann man auch bei Konstanthalten einer bestimmten Abb. 8.4: Viskositätsverhalten in Abhängigkeit von der Beanspruchung Schub­span­nung beobachten, dass sich die resultierende Schergeschwindigkeit Schergeschwindigkeit γ· allmählich erhöht (senkrechte gestrichelte Gerade in Abb. 8.5). Als Maß für den Thixotropieeffekt kann die Fläche angesehen werden, die von der Auf- und der Abwärtskurve sowie (einer) der gestrichelten Geraden eingeschlossen wird. Thixotrope Systeme sind überdies in der Regel zugleich strukturviskos und haben im Allgemeinen eine Fließgrenze.

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Abwärtskurve Aufwärtskurve

Schubspannung τ

Abb. 8.5: Thixotropes Fließverhalten

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Prüf- und Messtechnik

Darüber hinaus gibt es weitere Besonderheiten im Fließverhalten, so die Rheopexie; sie ist das Gegenteil von Thixotropie: Mit steigender Beanspruchungszeit nimmt – bei konstanter Beanspruchungshöhe – die Viskosität zu. Ferner die Dilatanz; sie ist das Gegenteil von Strukturviskosität: Mit steigender Energiezufuhr nimmt die Viskosität zu (s. Abb. 8.4); man spricht dann auch von „Scherverdickung“. Rheopexie und Dilatanz treten – zumindest bei Lackmaterialien –vergleichsweise selten auf. Dilatanz ist allerdings gelegentlich bei pigmentreichen, bindemittelarmen Mahlansätzen zu beobachten.

8.1.2 Praktische Bedeutung des Viskositätsverhaltens Lacke befinden sich entweder im Ruhezustand, z.B. beim Lagern, oder werden bewegt, z.B. beim Aufrühren oder während der Applikation. Ebenso zu betrachten ist der Zustand wieder einkehrender Ruhe, z.B. unmittelbar nach der Applikation. Die Viskosität wäre in all diesen Phasen immer gleich, läge Newtonsches Verhalten vor. Sie hängt allerdings, wie gesagt, oft von der aktuellen Scherbeanspruchung ab. Einige Beispiele für praxisrelevante Scherbeanspruchungen bei Lackmaterialien sind (s. auch Abb. 2.59, s. S. 191): 1. Absetzen, Verlauf und Ablaufen mit sehr niedrigen Schergeschwindigkeiten (0,001 bis 1 s–1). 2. Das Aufrühren von Hand vermittelt einen Gesamteindruck vom Material, etwa „dick, dünn, zäh“ etc. Dabei handelt es sich um Empfindungen, die einer mittleren Schergeschwindigkeit (1 bis 1000 s–1) zuzuordnen sind. Auch das Streichen, Fluten, Tauchen und Gießen fallen in diesen Bereich. 3. Beim Zerstäuben durch Düsen (Spritzen) liegen die Schergeschwindigkeiten dann noch um 1 bis 2 Zehnerpotenzen höher. Eine Grundanforderung an Lacke und Farben ist: Ein Lack soll gut verlaufen, aber (an senkrechten Flächen) nicht ablaufen. Das bedeutet: Die Viskosität soll sich nach der Applikation wieder aufbauen; nicht zu schnell, wegen des Verlaufs, und nicht zu langsam, wegen des Ablaufrisikos – ein echtes Optimierungsproblem für den Lackformulierer, das er durch geeignete Pigmentierung und/ oder Zusatz bestimmter Additive zu lösen hat (s. → 2.4.3). Besonders schmal ist der Grat zwischen gutem Verlauf und geringer Ablaufneigung (Läuferbildung, Absacken, engl. sagging) bei den High Solid-Systemen: Hier erfordert der teilweise extrem hohe Bindemittel- und Pigmentgehalt – mit geringem Festkörperanstieg nach der Applikation – eine starke Thixotropierung zur Verhinderung des Ablaufens, während der Verlauf weiterhin gewährleistet sein muss. Auch bei Tauchlacken und bei Anstrichfarben, die mit dem Pinsel aufgetragen werden, ist thixotropes Fließverhalten von Bedeutung (nichttropfende Malerfarben!). Ein weiterer Schwerpunkt für rheologische Maßnahmen liegt in der Verhinderung oder Verlangsamung der Sedimentation (Absetzen), speziell von anorganischen Pigmenten mit hoher Dichte (Weißlacke!), in niedrigviskosen Lacksystemen. Bei Metalleffektlacken, besonders bei Wasserbasislacken, sind zur Effektausbildung eine deutliche Strukturviskosität und eine gewisse Fließgrenze wichtig. Sie verhindertn Turbulenzen im noch nassen Lackfilm. Neben reinem Fließverhalten findet man bei flüssigen Lacken in unterschiedlichem Ausmaß auch oft (an sich für Festkörper typische) elastische Merkmale, was insgesamt zur Charakterisierung eines „viskoelastischen Verhaltens“ führt (→ 8.1.4). In Abschnitt 2.1.1.10 wurden das Wesen der Visko­elastizität und ihrer Auswirkung vorwiegend bei festen polymeren Stoffen, ausführlich dargestellt. Viskoelastizität ist z.B. auch wichtig für einen guten Verlauf, etwa bei Wasserlacken, und generell auch für eine gute Metalliceffekt-Ausbildung.

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Rheologie und Rheometrie

8.1.3 Rheometrie: Messung des Fließverhaltens Bei der Wahl der geeigneten Messmethode und des Mess­gerätes (Viskosimeter) ist wegen der beschriebenen Abhängigkeit der Fließmerkmale von der Scherbeanspruchung prinzipiell oberster Grundsatz: Unter denjenigen (Scher-) Bedingungen ist zu messen, denen der Lack später in der kritischen Phase (Applikation, Verlauf) unterworfen ist. Ein Gießlack oder eine Malerfarbe benötigen also zur Prüfung nicht derart starke Sche­rungen wie ein Lack für die Spritz­appli­kation. Andererseits kann auch bzw. muss sogar in der Praxis oft auf aufwendige und teure Viskosimeter verzichtet werden. Wenn es etwa um die Produktion von insgesamt in ihrem Fließverhalten bekannten Materialien geht, oder auch im handwerklichen Lackierbereich, genügen R oft bereits Teilaussagen und EinpunktmessunDrehplatte gen, um den Lack auf Applikationsviskosität Lack einzustellen. Hierfür stehen dann einfachere Mess­systeme, z.B. Auslaufbecher, zur Verfüh gung (s. S. 388). Rotationsviskosimeter

Basisplatte

Abb. 8.6: Platte/Platte-Rotationsviskosimeter

Gerätetypen In der Klasse der leistungsfähigsten Geräte gelten die Rotationsviskosimeter, hervorragende und sehr vielseitig einsetzbare Viskosimeter. Je nach Lackart, Viskositätsbereich und Messbedarf sind sie als • Platte/Platte-Systeme (Abb. 8.6) als • Platte/Kegel-Systeme (Abb. 8.7) – mit konstanter Schergeschwindigkeit v/x im ganzen Prüfmediumsbereich – oder als • zylindrische Koaxialsysteme (Abb. 8.8) verfügbar (DIN EN ISO 3219). Mit derartigen Geräten kann man Absolutwerte der Viskosität [mPa·s] messen, nicht nur – wie bei den einfacheren – Relativwerte (s.u.).

R Drehkegel Lack

Basisplatte

Abb. 8.7: Platte/Kegel-Rotationsviskosimeter

Lack

Drehkörper

Dabei gelten folgende Relationen für die Einheit, in der die dynamische Viskosität ausgedrückt wird:

Ri

N 1 Pa·s = 1000 mPa · s = 1 2 · s m

d.h. für die Definition einer „Pascalsekunde“ (wie im Sprachgebrauch meistens gesagt wird). Übrigens entspricht 1 mPa·s der früheren Einheit Centipoise (1 cP), wodurch sich die Zahlenangaben zu Visko­sitätswerten – etwa aus älteren Tabellenwerken – unverändert übernehmen lassen. Wichtige Bedingungen für die eben erwähnten absoluten Viskositätsmessungen sind:

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α

Ra

Probenbehälter

Abb. 8.8: Koaxiales Zylindermesssystem nach DIN 53 019

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388

• • • •

Prüf- und Messtechnik

Laminare Schichtenströmung in definiertem Scherspalt (entspricht Abb. 8.1) Stationärer, konstanter Strömungszustand Homogene, sich während der Messung nicht verändernde Flüssigkeit Kein nennenswerter elastischer Anteil der Probe

Erfüllt sind die apparativen Anforderungen am besten bei den zylindrischen und den Platte/KegelRotationsviskosimetern (Abb. 8.7 bis 8.8; dort sind auch einige wesentliche Gerätekonstanten gekennzeichnet). Zusätzlich unterscheidet man noch folgende Gerätevarianten: In Searle-Messsystemen wird die Schubspannung an der Rotorachse gemessen; der Messbecher bzw. die untere Platte ist stationär. In Couette-Systemen rotiert der Messbecher bzw. die untere Platte, und die Schubspannung wird am Innenzylinder bzw. am Kegel/an der oberen Platte gemessen. Vorgeben lässt sich alternativ auch jeweils die Schubspannung, und es ist dann die Schergeschwin­digkeit zu messen. Messmethodik Vielseitig anwendbar sind vor allem jene hochwertigen Rotationsviskosimeter, die alle praxisrelevanten Schergeschwindigkeiten und/oder Schubspannungen stufenlos zu durchfahren (zu „simulieren“) gestatten. So kann man damit fast alle bei der Lackverarbeitung vorkommenden Situationen aussagekräftig charakterisieren. Im Einzelnen lässt sich auf diese Weise das Fließverhalten • • • • •

idealer (Newtonscher) strukturviskoser und thixotroper sowie dilatanter und rheopexer Systeme erfassen, ferner die Fließgrenzen und mit Hilfe oszillierender Messfühler (kleine Drehschwingungen) auch der elastische Anteil am Fließverhalten eines Materials.

Außerdem lassen sich • mit dem Kriech/Erholungstest: die Fähigkeit des (flüssigen) Lackes, Verformungen und den inneren Strukturabbau nach mechanischen Beanspruchungen wieder auszugleichen, • die Vernetzungsgeschwindigkeit des Lackbindemittels während und nach Ablauf der Verarbeitungs- bzw. Topfzeit ermitteln. Rotationsviskosimeter, als von der Konstruktion und der Bedienung her anspruchsvolle und meistens stationäre Geräte, sind im Allgemeinen nicht „vor Ort“, d.h. oft nicht zur Vorbereitung der Applikation einsetzbar. Einen Kompromiss für Messungen in bzw. bei laufender Produktion bieten – auch auf dem Rotationsprinzip beruhend – Eintauch-Messgeräte (Spindelgeräte), die allerdings keinen definierten Lackfüllung Scherspalt aufweisen und daher streng genommen nur für Newtonsche Flüssigkeiten anwendbar sind, was bei Freigabeprüfungen oder Prozesskontrollen bekannter Produkte durchaus ausreichen kann. 100 ml

Düse

Abb. 8.9: Auslaufbecher (übliche Bauart)

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Kapillarviskosimeter In der Applikationspraxis bieten sich für Messungen vor Ort vor allem auch Kapillarviskosimeter an, die es in verschiedenen Bauarten gibt. Bekanntestes Beispiel ist der Auslaufbecher nach DIN EN ISO 2431 (Abb. 8.9), z.B. in Form des Ford-, DIN- oder ISO-Bechers. Hierbei ist die „Kapillare“ allerdings auf ein Loch im unteren Ende des Bechers reduziert. Wegen der demgegenüber relativ weiten Öffnung sowie der Strömungsverhältnisse im Becher kann man nicht von einer laminaren Strömung sprechen.

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Rheologie und Rheometrie

Damit kann man keine Absolutwerte der Viskosität, sondern nur Relativwerte messen, d.h. man kann lediglich „Auslaufsekunden“ (im Vergleich zu anderen Proben) angeben. Der ISO-Becher bietet allerdings den Vorteil einer etwas längeren Bohrung. Der DINBecher ist in der Norm prinzipiell nicht mehr zugelassen, wird aber weiterhin viel verwendet. Da die Scherbeanspruchung während des Auslaufens abnimmt, kann man mit derartigen Bechern streng genommen auch nur Newtonsche Flüssigkeiten messen. Im täglichen Gebrauch, etwa zum Einstellen der Spritzviskosität, liefert der Auslaufbecher aber selbst bei leicht strukturviskosen Wasserlacken oder auch bei konventionellen Grundmaterialien brauchbare Ergebnisse. Hinzuweisen ist auf die in den entsprechenden Normen genannten Gültigkeitsbereichen. Zu große oder zu kleine Auslaufzeiten führen in die Irre und sind nicht verwertbar!

Messmarken M1 M2

Kapillarstrecke Ausgleichsrohr Vorratsbehälter mit Einfüllmarke

Im Ubbelohde-Viskosimeter (Abb. 8.10, DIN 53177) liegt das Gegenteil des beschriebenen, einfachen AuslaufAbb. 8.10: Ubbelohde-Viskosimeter bechers vor: Wegen des großen Verhältnisses von Kapillarlänge zu Kapillardurchmesser herrscht hier eine weitgehend laminare Strömung vor, und man kann bei niedrigviskosen, Newtonschen Flüssigkeiten (verdünnten Binde­mittellösungen) sehr genaue Viskositätswerte erhalten. Da bei der Methode die Dichte der Flüssigkeit eine Rolle spielt, wird so die kinematische Viskosität ermittelt, und zwar nach folgender Beziehung: kinematische Viskosität ν =

dynamische Viskosität η Dichte ρ

[mm2/s]

Die kinematische Viskosität ergibt sich messtechnisch aus der Zeit, die eine bestimmte Flüssig­ keitsmenge braucht, um durch die Kapillare zu fließen, oder, genauer gesagt, in der der Flüssigkeitsmeniskus im Vorlaufbehälter zwischen den Markierungen M1 und M2 abfällt. Neben dem Ubbelohde-Viskosimeter gibt es für spezielle Anwendungen ähnliche, auf Schwerkraft- oder Druckwirkungen beruhende Kapillarviskosimeter. Sonstige Viskosimeter Einige weitere Viskosimetertypen sollen nur kurz beschrieben werden: Beim Höppler-Kugelfall-Viskosimeter wird die Zeit gemessen, die eine Kugel in einem geneigten Rohr, gefüllt mit der viskosen Flüssigkeit, für das Zurücklegen einer bestimmten Wegstrecke benötigt. Die Methode ist besonders für höherviskose, transparente Flüssigkeiten (Bindemittellösungen, Druckfarbenfirnisse) geeignet. Nach einem ähnlichen Prinzip arbeitet die Viskowaage (Kugelzieh-Viskosimeter). Hier wird die Kugel an einem Stab mit einer bestimmten Kraft nach oben gezogen. So lassen sich auch nichttransparente Flüssigkeiten untersuchen. Beim Laray-Viskosimeter (auch für Druckfarben häufig genutzt) muss ein Stab, mit einer (hochviskosen) Flüssigkeit belegt, durch eine enge Öffnung gleiten. Hier wird ebenfalls die Zeit für das Zurücklegen einer bestimmten Strecke gemessen.

8.1.4 Viskoelastizität In Abschnitt 2.1.1.10 war bereits dargelegt worden, dass ein Lackfilm nicht nur (streng) als ein sich elastisch verhaltendes Material anzusehen ist, sondern auch Merkmale einer viskosen Flüssigkeit

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Prüf- und Messtechnik

Schubspannung τ (am Messzylinder)

Scherdeformation γ (im Prüfmedium)

Oszillation(Bewegung des äußeren Zylinders) 0

Abb. 8.11: Oszillierende Deformation zur Ermittlung des elastischen Anteils im Koaxial-Rheometer

zeigt, mit anderen Worten, eigentlich als viskoelastische Flüssigkeit zu gelten hat. Auch beim flüssigen Lackmaterial ist eine solche Charakterisierung möglich bzw. notwendig. Wenn ein Lack in seinem Fließverhalten einen relativ hohen elastischen Anteil aufweist, kann dies bei der Applikation zwar unerwartete Schwierigkeiten hervorrufen, manchmal durchaus auch erwünscht sein. Zu hohe elastische Anteile können Probleme beim Austritt aus der Spritzdüse verursachen oder eine strukturierte Oberfläche nach sich ziehen, bei zu geringen hingegen kommt es z.B. zu einer ungenügenden Effektausbildung bei Metalliclacken.

Zur Bestimmung der viskoelasti­schen Eigenschaften einer Flüssigkeit, also auch eines Lackes, wird das Material sinusförmig oszillierend de­for­miert (s. Abb. 8.11, Ausführungsbeispiel), z.B. im schon beschriebenen koaxialen Zylindersystem eines Rotationsviskosimeters. Die Scherdeformation γ hängt dabei von der Auslenkung und der Spaltgeometrie ab. Das aus der Scherung γ resultierende Schubspannungssignal τ ist ebenfalls sinusförmig, weist aber ggf. eine Phasenverschiebung δ gegenüber dem Vorgabesignal auf. Dabei gibt es folgende Möglichkeiten: δ = 00 → ideal elastische Flüssigkeit δ = 900 → rein viskose Flüssigkeit 0 < δ < 900 → viskoelastische Flüssigkeit Der Phasenverschiebungswinkel δ ist somit ein Maß für die Viskoelastizität. Zum tieferen Verständnis der Theorie des viskoelastischen Verhaltens und der Methodik seiner Erfassung, z.B. auch mit der Kriech-/Rückerholungsmethode, sei auf die Literatur verwiesen (z.B. [6, 9]).

8.2 Kennzahlen von Lösemitteln und Flüssigprodukten Die meisten der im Folgenden beschriebenen Messgrößen, im Betriebsjargon einfach „Kennzahlen“ genannt, dienen im Produktionsalltag zur Identifizierung einer bestimmten technischen Qualität, sind also Basis einer Ja/Nein-Entscheidung, ob ein eintreffendes oder freizugebendes Produkt dem verlangten Standard entspricht und innerhalb der (manchmal beträchtlichen) Freigabetoleranzen liegt. Aus diesem Grund existieren auch – je nach technologischer Anforderung und nach „Tradition“ des Herstellers oder auch des Kunden – zu den schon beschriebenen Prüfungen und Kennwerten, die meistens auch in einer Norm festgelegt sind, zahllose hier mangels Platz nicht zu erfassende Varianten oder auch Alternativen. Diese sind nicht selten durchaus auch für den allgemeinen Gebrauch sinnvoll, und sie könnten dementsprechend einmal in spätere Normen aufgenommen werden. Im Folgenden können aus dem genannten Grund natürlich nur die wichtigsten dieser Prüfungen und Kennwerte beschrieben werden.

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Kennzahlen von Lösemitteln und Flüssigprodukten

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8.2.1 Zusammensetzung und Reinheit von Flüssigkeiten Gaschromatographische Analyse (GC) Diese Standardmethode (s. auch DIN 55 682) zur Überprüfung von Zusammen­setzung und Identität flüchtiger Substanzen, vor allem von Lösemitteln, sei hier nur kurz genannt, denn sie fällt eher in den Bereich der allgemeinen Analytik, über die es anderweitig instruk­tive Lite‑ ratur gibt. Siedeanalyse nach DIN EN ISO 3405 bzw. ISO 4626  Bei der Destillation von 100 ml einer flüchtigen Substanz (Geschwindigkeit 20 Tropfen/min) wird die Temperatur-Siedekurve aufgezeichnet (bei 5, 10, 95 und 100 ml). Bei Lösemitteln ist die Siedekurve (Temperaturverlauf in Abhängigkeit vom überdestillierten Volumen) ein Hinweis hinsichtlich des Abdunstverhaltens nach der Lackapplikation. Dabei liegt der Siedebereich (s. → 2.2.3) für Niedrigsieder bei < 100 °C, für Mittelsieder bei 100 bis 150 °C und für Hochsieder bei >150 °C. Aus den genannten Siedebereichen lässt sich nicht unmittelbar auf das Abdunstverhalten aus einer trocknenden Lackschicht schließen! Wechselwirkungen mit den Lackkomponenten und resultierende Lösemittelretentionen können die Geschwindigkeit und (bei Gemischen) die Reihenfolge des Abdunstens stark beeinflussen. Verdunstungszahl (VD) nach DIN EN ISO 2811 Auch hier wird die Flüchtigkeit von Lösemitteln beurteilt, allerdings als Verdunstung bei (23±2)°C. Nach Auftropfen von 0,3 ml Prüfsubstanz auf Filterpapier wird die Zeit t bis zum vollständigen Verdunsten festgehalten, und zwar mit Diethylether als Bezug, d.h. es gilt: VD =

t Probe t Ether

Ähnlich wie beim Siedebereich wird eingeteilt: leichtflüchtig VD 50 Wie bei den Siedebereichen können aufgrund von unterschiedlichem Löseverhalten oder auch von Retentionen im Bindemittel die relativen Verdunstungsgeschwindigkeiten aus einem sich bildenden Lackfilm extrem stark schwanken! Die VD gibt also nur einen ersten Anhaltspunkt für die Komposition von Lösemittelgemischen. Zur Sicherstellung einer guten Filmbildung sollte die VD der guten Löser stets höher sein als die der schlechten, „unechten“ Löser ( → auch 2.2.4). Brechzahl nach DIN 51 423 Zur Bestimmung der Brechzahl (auch noch: Brechungsindex) sei auf die Norm und andere einschlägige Literatur verwiesen. Ihr Vorteil liegt darin, dass sie – bei transparenten Flüssigkeiten – eine schnell ermittelbare Größe ist, mit bemerkenswerter Aussagekraft zur Reinheit und Konzentration von Lösemitteln bzw. Lösungen. Daneben spielt die (auf speziellem Wege zu bestimmende) Brechzahl von Pigmenten eine Schlüsselrolle beim Deckvermögen von Beschichtungen sowie bei Trübungserscheinungen ( → auch Abschnitt 2.3.2.2). Dichte nach DIN EN ISO 2811 Definitionen Die Dichte eines Lackes ist definiert als Dichte ρ =

Masse m Volumen V

, z.B. in g/ml

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Prüf- und Messtechnik

Daneben wird auch die Dichtezahl benutzt: Dichtezahl d =

Dichte des Lackes (dimensionslos) Dichte von Wasser

Messmethoden Die einfachste Methode ist die Dichtebestimmung mit dem Pyknometer (DIN 53217 bzw. DIN EN ISO 787-10 und DIN EN ISO 2811). Dazu wird das Pyknometergefäß mit und ohne Lackinhalt genau gewogen; die Dichtemessung beruht also auf der Auswertung einer Massendifferenz. Dabei ist der Luftauftrieb mit zu berücksichtigen, und dies kennzeichnet auch die erreichbare Messge­ nauigkeit. Relativ ungenau demgegenüber, aber besonders schnell ausführbar ist eine Aräometer-Messung als Eintauchmethode – entsprechend einem Akkumulatorprüfer. Als genauere Labormethode dieser Art empfiehlt sich die Messung mit der Gamma-Kugel (auch: „Tauchkugel“), bei der mit einer Waage der Auftrieb einer Kugel im Prüfmedium gemessen wird (Prinzip von Archimedes). Die weitaus genaueste Methode der Dichtemessungen ist die mittels Biegeschwinger („schwingende Zunge“). Hier wird der Umstand ausgenutzt, dass die Frequenz eines (senkrecht zur Bogenebene) zu Biegeschwingungen angeregten Glasrohres (s. Abb. 8.12) von der Dichte des Füllmaterials abhängt. Mit dieser Methode lassen sich auch Bindemittelkonzentrationen (selbst bei geringem Dichteunterschied zwischen Binde- und Lösemittel) genau bestimmen. In der Lackproduktion können so u.a. temperaturbedingte Dichteunterschiede (z.B. jahreszeitlich bedingt innen und außen) erfasst und bei der volu­metrischen Dosierung berücksichtigt werden. Die Mohrsche Waage, die den Auftrieb eines Senkkörpers mit bekanntem Volumen (an einer Waage hängend) misst, ist gegenüber den genannten Methoden als veraltet anzusehen. Aussagewert Die Dichtewerte von üblichen Lacken bewegen sich im Bereich von 1,0 bis 2,5 g/ml, je nach Gehalt an Bindemittel (bei Klarlacken) und besonders nach Gehalt und Art der ggf. enthaltenen Pigmente und Füllstoffe. Es ist stets im Auge zu behalten, dass die Dichte in verschiedener Weise Einfluss hat, so auf das Absetzverhalten (der schwereren Pigmente und Füllstoffe), auf die Teilchenfeinheit bei der Rotationszerstäubung und besonders auch auf die Ergiebigkeit eines Lackes, als Argument beim Verkauf nach Gewicht bzw. Masse. Farbzahl Zur Farbbewertung und -einstufung von klaren Flüssigkeiten, wie Klarlacken, trocknenden Ölen, Harzlösungen etc., wird ein visueller oder kolorimetrischer Vergleich mit verschiedenen Flüssigkeits- oder Glasstandards durchgeführt. Die drei wichtigsten Farbzahlen mit den jeweiligen Vergleichsreihen von Standards sind: • Gardner-Farbzahl nach DIN EN ISO 4630, mit 18 Glas- oder Flüssigkeitsstandards; dabei bestehen die Flüssigkeitsstandards aus verschieden konzentrierten Übergangsmetallchlorid-Lösungen. • Hazen-Farbzahl (APHA-Farbzahl) nach DIN EN ISO 6271, mit einem FarbzahlHalterung Schwingung Bereich 0 bis 500, basierend auf einer senkrecht zur Konzentrationsreihe von Kobaltchlorid/ Bogenebene Hexachloroplatinat. • Die Iod-Farbzahl nach DIN 6162 und 53 403, mit einem Bereich 1 bis 1100 (entLackfüllung sprechend mg Iod in 100 ml KaliumiodidLösung). Abb. 8.12: U-förmiges Glasrohr als Biegeschwinger

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Mit Hilfe von Vergleichstabellen ist eine ungefähre Umrechnung möglich.

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Kennzahlen von Lösemitteln und Flüssigprodukten

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8.2.2 Sicherheitstechnische Kenndaten Flammpunkt Der Flammpunkt (Flp.) ist die niedrigste Temperatur, bei der sich (bei 1013 mbar = 760 Torr) in einem geschlossenen Tiegel aus der Prüfflüssigkeit Dämpfe in solcher Menge entwickeln, dass sich im Tiegel ein durch Fremdzündung (kleine Flamme) entzündliches Dampf-Luft-Gemisch bildet. Dieses muss nach Entzündung nicht weiterbrennen! Je nach Höhe des Flammpunktes sind vor allem folgende zwei Messmethoden wichtig: • nach Abel-Pensky (DIN 51755, DIN EN ISO 3679, DIN EN ISO 1516) im Temperaturbereich 5 bis 50 °C (Erwärmung im Wasserbad). • nach Pensky-Martens (DIN EN ISO 2719) im Temperaturbereich >50 °C (Erwärmung im Luftbad). Zu beachten ist jeweils der Barometerstand! Im Allgemeinen korreliert der Flp. mit dem Siedepunkt einer Flüssigkeit; geringe Verunreinigungen einer Flüssigkeit können aber schon starke Veränderungen hervorrufen. Der Flammpunkt einer Flüssigkeit bzw. Zubereitung wirkt sich auf die Einstufung nach Gefahrstoffrecht für flüssige Stoffe aus, die der BetrSichV zu Grunde gelegt wird: • Ersatz der Verordnung über brennbare Flüssigkeiten (VbF) durch die Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV) • Seit Außerkrafttreten der VbF zum 01.01.2003 gelten für die überwachungsbedürftigen VbFAnlagen die Anforderungen der neuen BetrSichV. Die zur Kategorisierung der brennbaren Flüssigkeiten bisherigen Gefahrklassen A I, A II, A III und B wurden durch Bezeichnungen aus dem Gefahrstoffrecht (Richtlinie 67/548/EWG) ersetzt: - F+ hochentzündliche Flüssigkeiten mit einem Flammpunkt unter 0 °C - F leichtentzündliche Flüssigkeiten mit einem Flammpunkt von 0°C bis 21 °C - R10 entzündliche Flüssigkeiten mit einem Flammpunkt von 21 °C bis 55 °C • Nach den neuen Regelungen der BetrSichV werden VbF-Anlagen der ehemaligen Gefahrklasse A III nicht mehr als „überwachungsbedürftige Anlagen“ eingestuft. Weiterhin ergeben sich formale Erleichterungen für VbF-Anlagen: So gibt es nur noch eine Erlaubnis-, aber keine Anzeigepflicht mehr. Außerdem sind die Mengenschwellen für die Erlaubnispflicht herausgenommen. Zündtemperatur Im Gegensatz zum Flammpunkt ist die Zündtemperatur diejenige Temperatur, bei der eine Flüssigkeit selbständig, d.h. ohne äußere Flamme zündet. Die Zündgruppen G I bis G V umfassen den Bereich 450 bis 100 °C. Solche Temperaturen können durchaus an heiß gelaufenen Motoren und Drehwellen (Dissolver!) auftreten. Die Zündtemperatur korreliert nicht mit Siedepunkt- oder Flammpunkttemperatur eines brennbaren Stoffs. Sie ist vielmehr ein Maß für die Oxidationsempfindlichkeit der Substanz. Und sie ist keine Stoffkenngröße im eigentlichen Sinn, da sie insbesondere vom Volumen der betrachteten Substanz abhängt. Größere Volumina entzünden sich bei kleineren Temperaturen. Die Zeit bis zur Selbstentzündung kann Monate betragen (Abfälle, Putzlappen etc.!). Explosionsgrenze Unter Explosions- oder Zündgrenzen versteht man die obere und die untere Grenzkonzentration eines Dampfes, z.B. von Lösemitteln, oder auch Staubes (Pigmente, Pulverlacke!) in Mischung mit Luft, wobei im Bereich zwischen diesen Grenzen das Gemisch durch Erhitzen oder durch Funkeneinwirkung zur Explosion gebracht werden kann.

8.2.3 Anwendungsbezogene Kenndaten Oberflächenspannung In der Oberflächenspannung kommt die Neigung eines Stoffes (hier: einer Flüssigkeit, also auch Lack) zum Ausdruck, eine möglichst kleine Oberfläche einzunehmen (bei gegebenem Volumen). Der

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Prüf- und Messtechnik

Messkraft Abziehbügel mit Ring

Grund liegt im Zusammenhalt durch gerichtete Kräfte im Innern der Flüssigkeit. Genauer gesagt ist die Oberflächenspannung die Grenzflächenspannung mit der Luft (s. auch S. 180).

Lackfüllung

Lacktechnische Bedeutung

Probenbehälter (ca. 20 ml)

Im Lackierbereich hat die Oberflächenspannung in verschiedener Hinsicht Bedeutung:

• Eine geringe Oberflächenspannung erleichtert die Zerstäubung eines Spritzlackes in feine Tröpfchen (s. S. 326). Abb. 8.13: Messung der Oberflächenspannung mit der • Voraussetzung für gute Benetzung des Ringabreiß­methode Untergrundes durch den Lack und auch für eine gute anschließende Haftung ist, dass die Oberflächenspannung des Lackes kleiner ist als die des Substrats. Andernfalls können Krater, Nadelstiche, Delligkeit und Haftungsverlust die Folge sein (s. → 2.4.2.2). • Auch die Benetzung von Pigmentoberflächen – als erster Schritt im Zuge der Pigmentdisper­ gierung – wird durch eine geringe Oberflächenspannung des Dispergiermediums gefördert. • Eine hohe Oberflächenspannung hingegen begünstigt durch Abbau der Oberflächenwelligkeit den Verlauf. Additive zur Beeinflussung der Oberflächenspannung werden in Abschnitt 2.4.2.2 behandelt. Bestimmungsmethoden Die Oberflächenspannung wird z.B. nach der Ringabreißmethode (auch ein gerader Draht oder eine Quarzplatte ist üblich) nach DIN EN 14370 oder DIN ISO 1409 (Abb. 8.13) bestimmt. Gemessen wird dabei die Widerstandskraft der Oberfläche, und zwar bis zum Abreißen der beim Austauchen des Rings sich bildenden zylindrischen oder flächigen Flüssigkeitslamelle. Bei pigmentierten Systemen kann die Methode versagen: Die Heterogenität des Materials stört den Zusammenhalt der sich bildenden Lamelle. Wie schon im Detail unter Abschnitt 2.4.2 beschrieben, gibt es ein weiteres Verfahren, mit dem vor allem die Benetzbarkeit des Substrates gemessen werden kann. Es beruht auf der Beobachtung des (Gleichgewichts-) Randwinkels Θ, der sich beim Auftropfen der Flüssigkeit auf ein Substrat am Rand des Tropfens ausbildet. Die Benetzung der Substratoberfläche, bei der es sich um die eines Pigmentteilchens ebenso handeln kann wie um eine Werkstückoberfläche, ist begünstigt, wenn der Randwinkel Θ < 90° ist. Bei Annäherung an 0° findet spontane Benetzung (Spreitung) statt. Inzwischen sind vollautomatische Randwinkelmessgeräte entwickelt worden, in denen man unter Videokontrolle den Tropfen aufsetzen und dessen Kalottenform dann anschließend bildanalytisch auswerten kann. Eine ausgesprochene Betriebsmethode ist die Verwendung von Prüftinten definierter Zusammensetzung und damit auch definierter Oberflächenspannung (σTinte ), praktiziert in folgender Weise: Die Prüftinten werden mit einem Pinsel auf die zu prüfende Oberfläche (σSubstrat) aufgetragen, und nach 3 sec wird beurteilt, ob die Tinte spreitet (falls σTinte < σSubstrat ) oder ob sie sich zusammenzieht (falls σTinte > σSubstrat ). Bei Einsatz verschiedener Prüftinten kann man so das Substrat, z.B. eine Kunststoffoberfläche, hinsichtlich der voraussichtlichen Lackierbarkeit bzw. (bes. bei Folien) Bedruckbarkeit eingrenzen. Korrekterweise ist in solchen Fällen zu unterscheiden zwischen • dem dispersen (unpolaren) Anteil der Oberflächenspannung, der auf den nur mäßig wirk­ samen zwischenmolekularen Dispersionskräften mit geringer Reichweite beruht,

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• dem polaren Anteil der Oberflächenspannung, der gerade bei unpolaren Kunststoffen sehr gering ist, sich aber durch entsprechende Vorbehandlungen, wie Beflammen (→5.4.2), deut­ lich erhöhen lässt (beruhend übrigens, wie der Name besagt, auf den von Dipolwirkungen verursachten Kräften), und • der gesamten Oberflächenspannung, dem Kennwert mit ausgeprägt praktischer Bedeutung, wird er doch meistens als Anhaltspunkt für die Lackierbarkeit bzw. das Benetzungsvermögen des Lacks herangezogen. Wertebereiche In der Praxis liegen die Werte für die (Gesamt-)Oberflächenspannungen von Lacken und anderen Beschichtungsstoffen im Bereich von 25 bis 40 mN/m, je nach Lösemittel- und Bindemittelbasis. Konventionelle Lacksysteme findet man meistens im unteren Bereich, sie sind also „gutmütiger“ hinsichtlich der Benetzung und Haftung, während Wasserlacke prinzipiell eine höhere Oberflächenspannung aufweisen und damit auch eher anfällig sind für Benetzungsprobleme. Die Oberflächenspannungswerte der meisten Metalle – zumindest nach Luftkontakt, also mit Oxidschicht – auch etwa die von (sauberem) Glas liegen deutlich über dem genannten Bereich, ermöglichen also eine gute Benetzung. Zink bzw. verzinkte Oberflächen ähneln hinsichtlich der Oberflächenspannung schon eher den Lackmaterialien, erst recht die unpolareren Kunststoffe, – ein Indiz, dass hier ohne zusätzliche Maßnahmen Benetzungs- bzw. Haftungsprobleme zu erwarten sind. Zur Oberflächenspannung von Untergründen s. → 5.2. Nichtflüchtiger Anteil (nfA), Festkörpergehalt, Abdampfrückstand nach DIN EN ISO 3251 Der nfA eines Anstrichstoffs oder Bindemittels verbleibt nach dem Trocknen als Rückstand (→ 3.2). Dabei spielen die Temperatur und die Trocknungsdauer eine große Rolle, da hochsiedende Lösemittel, Monomeranteile, Reaktivverdünner und Abspaltprodukte – je nach Retentionsverhalten – den sich bildenden Film sehr zögernd verlassen. Die Absprache und das Einhalten definierter, möglichst praxisgerechter Trocknungsbedingungen sind also wichtig. (Beispiele hierfür sind in der Norm aufgelistet.) Zur nfA-Bestimmung wird meistens eine definierte, nicht zu große Menge Probematerial (0,5 bis 2 g) auf einem Glasplättchen oder in einem Blechdeckelchen verteilt, gewogen und nach dem Trocknen bzw. Einbrennen zurückgewogen. Ausgedrückt wird das Bestimmungsresultat als: nfA =

Rückwaage Einwaage

· 100 %

Elektrische Leitfähigkeit Die elektrische Leitfähigkeit eines Lackes und auch die von Lackrohstoffen spielt eine Rolle 1. für die elektrostatische Applizierbarkeit, 2. als Maß für die Beschaffenheit und Reinheit (Stabilität!) von Wasserlacken und 3. bei der Eignung und Stabilität von Elektrotauchlacken. Zu 1.: Die Leitfähigkeit muss in einem bestimmen Bereich liegen, um Kurzschlüsse auf der einen Seite und mangelnde Aufladbarkeit auf der anderen Seite zu vermeiden. Zu 2.: Zu hohe Elektrolytgehalte und damit Leitfähigkeiten können die Dispersionsbindemittel schädigen und auch zur Flockulation von Pigmenten führen. Zu geringe Werte für die Leitfähigkeit deuten auf einen Mangel an Neutralisationsmittel (Amin bzw. Säure) hin. Zu 3.: Beim Elektrotauchlackieren werden die Geschwindigkeit der Abscheidung und damit die Oberflächenqualität der ETL-Schicht stark von der Leitfähigkeit gesteuert. Außerdem gilt zusätzlich das unter 2. Gesagte.

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Prüf- und Messtechnik

Die Leitfähigkeit κ ist definiert als κ= k·

I U

mit I : Stromstärke, U : Spannung, k : Formfaktor oder Zellenkonstante, und sie wird nach DIN 53779 mittels Wechselspannungsmessung in µS/cm ermittelt. Als Messgefäße dienen Nachfolger der ehemaligen Ransburg-Messzelle (mit definierten Elektroden, Abständen etc.). pH-Wert und MEQ-Wert Diese zwei eng gekoppelten Messgrößen stellen spezielle Wasserlack-Kriterien dar. Bei konventionellen Lacksystemen (zumindest bei deren Stabilität und Applikation) spielen sie fast keine Rolle. pH-Wert Der pH-Wert (d.i.: = negativer dekadischer Logarithmus der H+-Ionen-Konzentration, pH = –log (CH+))ist eng an die elektrische Leitfähigkeit gekoppelt, ist jedoch nicht die einzige Größe, die diese beeinflusst. Als Maßzahl für die H+-Ionen-Konzentration, d.h. für das Säure/Base-Verhalten von wässrigen Lösungen mit den Bereichen • pH < 7: saures Verhalten • pH = 7: neutral • pH > 7: alkalisches, basisches Verhalten ist der pH-Wert vor allem für die Stabilität von Dispersions- bzw.- Emulsionsbindemitteln (s. auch → 2.1.4.6) von Bedeutung, auch für die von gelösten Filmbildnern, wobei folgende Grundsätze zu beachten sind: • Wenn Bindemittel bzw. Lacke/Farben Säure-neutralisiert, d.h. -stabilisiert sind, wird die Beständigkeit durch einen zusätzlichen Säureüberschuss, also kleinere pH-Werte, meistens erhöht (bis zu einer gewissen Grenze); eine Anhebung des pH-Wertes durch Alkalizugabe bewirkt dagegen rasche Koagulation. • Umgekehrt vertragen Alkali-neutralisierte (mit Aminen oder Laugen neutralisierte) Bindemittel und Lacke gut einen etwas höheren pH-Wert, aber gar nicht eine Säurezugabe. Auch die Farbstärke und Stabilität von Pigmenten sowie die spätere Wetter- und Korrosionsbeständigkeit der Lackierung hängen vom richtigen pH-Wert ab. pH-Wert-Bestimmung Gemessen wird der pH-Wert teils mit speziellem pH-Indikatorpapier, falls keine Lackeigenfarbe stört. Meistens zieht man die genauere und sicherere Messung mit pH-Elektroden nach DIN 19 261 (und anderen, so DIN EN ISO 787) vor. In diesem Fall muss man bei der Elektrode allerdings stets auf die Sauberkeit des Diaphragmas (der Zellmembran) achten und es ggf. reinigen, sowie vor allem regelmäßig mit den zugehörigen, standardisierten Pufferlösungen kalibrieren. Denn Fehlmessungen bei der pH-Wert-Bestimmung, mit der Folge von Fehleinstellungen bei der Freigabe und damit von Fehlchargen, von Veränderungen der Lackeigenschaften und schließlich von Missverständnissen in der Reihe Rohstoffhersteller-Lackhersteller-Anwender sind leider an der Tagesordnung und eine der häufigsten Fehlerquellen rund um die Entwicklung, Produktion und Anwendung von Wasserlacken! Sogar die Allerweltschemikalie vollentsalztes Wasser (in den Namensvarianten „VE-Wasser“, „demin. Wasser“, „destill. Wasser“, „deionis. Wasser“, Batteriewasser etc.) kommt gelegentlich auch einmal mit z.B. Säureresten (von der Regeneration der Säule her) verunreinigt zur Anwendung und kann – unerkannt – viel Schaden anrichten. Auch die Kontrolle jeder Charge VE-Wasser über die Bestimmung von pH-Wert und Leitfähigkeit bzw. die laufende Überprüfung bei kontinuierlicher Enthärtung und Versorgung kann also viel Verlust und Schaden abwenden.

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Analytische Kennzahlen von Feststoffen

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Neuere Messgeräte nutzen einen Ionen-selektiven Hall-Effekt zur Detektierung der H+-Ionen und damit zur Bestimmung des pH-Wertes; sie sind mechanisch und chemisch deutlich unempfindlicher und langlebiger. MEQ-Wert Mit MEQ-Werten erhält man noch verlässlichere und aussagestärkere Angaben über die Anwesenheit von Neutralisationsmitteln im Lack oder Rohstoff. Denn sie geben direkt deren Menge an und nicht nur – als deren Folgeerscheinung und wegen der Pufferwirkung relativ ungenau – den pH-Wert. Der MEQ-Wert ist der Gehalt eines Wasserlackes bzw. eines Lackrohstoffes an Neutralisationsmittel (Säure oder Base), und zwar als die Menge an Milliäquivalenten des Neutralisationsmittels, bezogen auf 100 g Lackfestkörper. Entsprechend der zuvor beschriebenen Aufgabe der Neutralisationsmittel (s. pH-Wert) ist der MEQ-Wert eines Wasserlackes oder Bindemittels auch ein Maß für die Löslichkeit der wasserverdünnbaren Harzkomponente. Wird ein bestimmter Minimalwert unterschritten, führt dies zu irreversibler Koagulation (Ausfällung) von Lackbestandteilen. Dabei ist 1 Milliäquivalent = 1 ml 1-molarer Säure oder Base1)  Bei aminneutralisierten Lacken ist zur Unterscheidung die Bezeichnung MEQA oder MEQB üblich (B steht für Base), bei säureneutralisierten entsprechend MEQS. Dementsprechend wird der MEQWert wie folgt berechnet: MEQ B,S =

mit VS,B mlack nfA

VS,B · 1000 mLack · nfA

Verbrauch an 0,1 m Säure bzw. Base bei der Titration bis zum Äquivalenzpunkt in ml Lackvorlage (in der Regel 10 g) nichtflüchtiger Anteil in % („Lackfestkörper“)

Ermittelt wird der MEQ-Wert nach VDA2) 621190 (bezogen auf ETL) durch Titration der elektrischen Leitfähigkeit, die sich ja mit der Menge der Neutralisationsmittel ändert, also auf konduktometrischem Wege, oder anhand des pH-Wertes, d.h. potentiometrisch. Bei der praktischen Durchführung muss ein Emulgator zur Stabilisierung des Bindemittels zugegeben werden, da es sonst bei Annäherung an den Neutralisationspunkt wegen mangelnder elektrostatischer Stabilisierung koaguliert und ungenaue Verbrauchswerte verursacht.

8.3 Analytische Kennzahlen von Feststoffen Säurezahl (SZ) nach DIN 53 402 bzw. DIN EN ISO 2114.  Die Säurezahl gibt diejenige Menge KOH in mg an, die nötig ist, um 1g Probesubstanz zu neutralisieren. Sie dient der Harzcharakterisierung und Umsatzverfolgung bei der Herstellung des Harzes. Dazu wird mit KOH-Lösung und Phenolphthalein als Indikator titriert. Anhydride werden zuvor mit Wasser in der Hitze in die Säure überführt. Hydroxylzahl (OHZ) nach DIN EN ISO 4629 Unter der OHZ wird diejenige Menge KOH in mg verstanden, die der beim Acetylieren von 1g Substanz gebundenen Menge Essigsäure äquivalent ist (→ 2.1.4.9). Nach dem Acetylieren der Substanz mit Essigsäureanhydrid/Pyridin wird der verbliebene Überschuss Essigsäure mit KOH/Phenolphthalein rücktitriert. Die OHZ ist eine wichtige Kennzahl zur Beschreibung der Reaktivität einer Lack-(Filmbildner-) Komponente mit Auswirkung auf die späteren Beschichtungseigenschaften nach Vernetzung. korrekterweise ist zu sagen: 1 ml einer 1-molaren, einwertigen Säure bzw. Base (früher:1n) VDA = Verband der Deutschen Automobilindustrie (hier: Sammlung von Werksnormen und -spezifikationen). Eine Übersicht über VDA- und andere Werksnormen findet sich in [6]

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Weitere Kennzahlen Vor allem für die Bindemittelcharakterisierung gibt es noch eine Reihe anderer Kennzahlen mit ähnlich großer Bedeutung. Sie werden hier nur kurz mit den zugehörigen Normen erwähnt, in denen das jeweilige Bestimmungsprinzip detailliert beschrieben ist. Isocyanatzahl nach DIN EN ISO 11909) Verseifungszahl nach DIN EN ISO 3681 Iodzahl nach Kaufmann (als Maß für die Anwesenheit reaktiver C=C-Doppelbindungen) Trockenfilmdichte Die Dichte ρTr des ausgehärteten Lackfilms wird, ebenso wie die von Beschichtungspulvern oder Pigmenten, entweder • nach DIN EN ISO 787, bzw. DIN ISO 3507mit dem Pyknometer (vgl. Seite 392) bestimmt, wobei der (ggf. abgekratzte) Feststoff mit Petrolether aufgefüllt wird, oder • wie folgt aus der Lackzusammensetzung berechnet, die natürlich bekannt oder ermittelt sein muss: ρTr =

ρLack · ρLösemittel · nfA 100 · ρLösemittel – (100 – nfA) · ρLack

Dabei wird eine gewisse Ungenauigkeit in Kauf genommen, da sich ja streng genommen die Dichten von Mischungskomponenten nicht additiv verhalten. Im Prinzip lässt sich die Trockenfilmdichte auch aus dem Festkörpervolumen und der Massenzunahme eines Substrates bei der Beschichtung berechnen; die Methode ist jedoch sehr ungenau und umständlich.

8.4 Prüfung von flüssigen Farben und Lacken 8.4.1 Optisch relevante Eigenschaften Deckvermögen nach DIN 55987 und 53162 bzw. DIN EN ISO 6504 Definitionen Das Deckvermögen (wie es heißen muss, denn Deckkraft und Deckfähigkeit sind eher biologische Begriffe!) ist die Fähigkeit eines Beschichtungsstoffes, die Farbe oder Farbunterschiede eines Untergrundes abzudecken. Es wird bestimmt, indem man die Reflexion eines Beschichtungsstoffes vergleichsweise auf schwarzem und auf weißem Untergrund misst. Als solch definierter Untergrund können z.B. schwarz/weiße Glasplatten oder Kontrastkartons dienen. Der Deckvermögenwert gibt an, welche Fläche (m2) eines dementsprechend definierten Kontrastuntergrundes mit einem Liter des trockenen Anstrichs so beschichtet werden kann, dass ein festgelegtes Deckungskriterium erfüllt wird (z.B. eine Helligkeit von 98 % über Schwarz, bezogen auf die Helligkeit über Weiß). Ursache Das Deckvermögen als Auswirkung des Streuvermögens, über dessen Entstehung in →2.3.2.3 bereits wesentliche Details mitgeteilt wurden, hängt ab von den Brechzahlen n der im Lack-­ film enthaltenen Pigmente und Bindemittel, genauer gesagt vom Verhältnis der jeweiligen Brechzahlen: nrel =

nPigment nBindemittel

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Je größer nrel., desto größer ist das Streuvermögen und damit das Deckvermögen des Pigmentes. Dementsprechend ist TiO2 (Rutil), mit seiner hohen Brechzahl von n =2,75, das Weißpigment mit dem höchsten Deck- und Aufhellvermögen. Die Brechzahl eines organischen Bindemittels (trocken) liegt bei n =1,5. Ein Füllstoff wie BaSO4 (Blanc fixe) mit n =1,64 zeigt folglich kaum noch Streuvermögen. Einflussgrößen Neben der Brechzahl spielt auch die Teilchengröße der Pigmente (Ausreibegrad/Flockulation!) eine Rolle, wobei das Optimum der Teilchengröße (mit dem stärksten Streuvermögen) stark vom jeweiligen Pigment – und zwar ebenfalls von dessen Brechzahl – abhängt. Bis zu einem gewissen Grenzwert der Pigmentkonzentration, in der Höhe vom jeweiligen Bindemittel abhängig, nimmt natürlich auch die Anzahl der streuenden Teilchen Einfluss auf das Deckvermögen. Bei Bunt- und Schwarzpigmenten ist in der Regel zusätzlich die Lichtabsorption (bei Buntpigmenten: selektive Lichtabsorption) für das Deckvermögen ausschlaggebend. Es ist proportional der Konzentration des Pigmentes und dessen Ausreibungsgrad, zumindest bis zu einer bestimmten Grenze, wo das Deckvermögen sein Maximum erreicht. Ein geringeres Deckvermögen des Lackes, hervorgerufen z.B. durch den (teilweisen) Ersatz des teuren TiO2-Weißpigmentes durch einen preiswerteren Füllstoff mit kleinerer Brechzahl, bewirkt theoretisch und praktisch einen höheren Verbrauch, d.h. der Deckvermögenswert und die Ergiebigkeit (s.u.) sinken. Bestimmung Für das Deckvermögen einer Beschichtung sind also Lichtabsorption und/oder Lichtreflexion und -beugung maßgebend. Physikalisch ausgedrückt bestimmen der Absorptionskoeffizient K und der Streukoeffizient S den Lichtverlust dI beim Durchgang durch eine Schicht mit der Dicke dx: – dl = (K + S) · l0 · dx

K und S können dabei zusammen maximal 1 betragen; I0 ist die Intensität des einfallenden Lichtes. Das Verhältnis von Absorption und Streuung zueinander, d.h. der Quotient K/S, lässt sich mit Hilfe der Kubelka-Munk-Gleichung bestimmen: K S

=

(1 – R° )2 2 R°

mit R∞ : Reflexion bei unendlich hoher Schichtdicke (d.h. größere Schichtdicken bewirken keine Veränderung des Reflexionsgrades mehr). Die diese Beziehung liefernde Kubelka-Munk-Theorie, die von ideal diffuser Strahlungsverteilung auf der Beleuchtungsseite und im Inneren der Schicht ausgeht, ist heute die wichtigste und erfolgreichste Grundlage für die Behandlung von Absorptions- und Streuvorgängen im Pigment- und Farbstoffbereich. Pragmatisch einfach wird das Deckvermögen meistens gemessen, indem eine Lackschicht definierter Dicke auf einen kontrastreichen Untergrund (meistens schwarz und weiß), eine so genannte Kontrastkarte, aufgetragen wird. Nach der Trocknung bzw. Härtung wird die Helligkeitsdifferenz zwischen dem schwarzen und dem weißen Untergrund (beide mit Farbe überdeckt) gemessen. Ein Verfahren zur Messung des Kontrastverhältnisses bei Innendispersionsfarben ist in DIN EN ISO 13 300 beschrieben. Die deckende Schichtdicke von Farben und Lacken wird bestimmt, indem Beschichtungen unterschiedlicher Schichtdicke hergestellt werden. Die Schichtdicke, oberhalb der sich die koloristischen Eigenschaften nicht mehr (bzw. nur noch in definiertem Ausmaß) ändern, gilt als deckend. Diese Grenzen wurden normativ in DIN 55 987 und in ASTM D 2805-70 festgelegt, allerdings nicht übereinstimmend. So ist nach DIN 55 987 ein Gesamtfarbabstand von maximal 1 als deckend definiert. Dies gilt, wenn das System über schwarzem (Reflexionswert R = 0,05) und weißem Untergrund

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(R = 0,8) appliziert wurde. Nach ASTM D 2805-70 muss das Verhältnis der Normfarbwerte Y über Schwarz und Weiß größer oder gleich 0,98 sein. Die Verwendung nur eines Normfarbwertes anstelle des Gesamtfarbabstandes berücksichtigt allerdings Unterschiede zwischen verschiedenen Farbtonbereichen nicht ausreichend. Ergiebigkeit Als Ergiebigkeit gibt man diejenige Fläche an, die mit einer vorgegebenen Menge (Masse bzw. Volumen) Lack bzw. Farbe beschichtet werden kann, und zwar mit der deckenden Mindestschichtdicke dmin bzw. mit der für die Funktion ausreichenden Schichtdicke. So ist die Ergiebigkeit =

Fläche MasseLack

=

nfA ρTr · dmin · 100

aus dem Wert von dmin, dem nichtflüchtigen Anteil nfA (Festkörper) und der Trockenfilmdichte ρTr zu berechnen (diese Daten sind experimentell zu ermitteln oder aus den Lackrezeptdaten zu entnehmen). Zur Abhängigkeit der Ergiebigkeit von der Rezeptur s. auch → 3.2. Transparenz Die Transparenz T gibt nach DIN 55 988 an, mit welcher Schichtdicke d beschichtet werden kann, bis der Gesamtfarbabstandswert ∆*ab den Wert 1 gegenüber dem Untergrund erreicht; es gilt also die Beziehung: T=

d Δ ab(d) ★

Farbstärke Definition Die Farbstärke ist eine farbmetrische Größe, die das Färbevermögen eines Farbmittels beschreibt. Es wird dabei zwischen absoluter und relativer Farbstärke unterschieden, s. auch DIN EN ISO 787-24. Die Farbstärke ist die wichtigste Eigenschaft von Pigmenten. Die absolute Farbstärke gibt die Menge an Buntpigment an, die notwendig ist, eine definierte Menge an Weißpigment in einem bestimmten Anwendungsmedium auf eine Standardfarbtiefe einzustellen. Dem liegt zugrunde, dass die Farbstärke keine feste Größe ist, sondern wesentlich davon abhängt, in welchem Anwendungsmedium (z.B. Lack, Kunststoff, Druckfarbe, ...) das Pigment geprüft wird und unter welchen Bedingungen dispergiert wurde. Dies führt auch zu nicht vergleichbaren Herstellerangaben in Musterkarten, da sich das jeweilige Prüfsystem unterscheidet. Die Angabe der absoluten Farbstärke wird üblicherweise für Musterkarten und technische Datenblätter verwendet, wo für alle Produkte einer Produktgruppe dasselbe Anwendungsmedium bei definierten Dispergierbedingungen verwendet wird. Die relative Farbstärke wird üblicherweise bei der Produktion von Pigmenten und Beschichtungsstoffen verwendet und gegen einen Standard gemessen. Hierzu wird jede Prüfcharge unter denselben Bedingungen wie der Standard dispergiert und ausgefärbt. Der Quotient (Probe/Standard) der K/SWerte (nach Kubelka-Munk), die ein Maß für die Absorption des Gesamtsystems darstellen, wird als relative Farbstärke bezeichnet und in Prozent ausgedrückt. Ein Wert von 100 % bedeutet, dass die Probe die identische Farbstärke wie der Standard besitzt. Größere Werte bedeuten eine höhere Farbstärke, was bedeutet, dass zur Ausfärbung eines bestimmten Farbtons weniger Pigment benötigt wird. Die Angabe der relativen Farbstärke wird für alle Arten von direkten Vergleichen zweier Produkte verwendet, z.B. bei der Prüfung von Alternativprodukten oder der Qualitätskontrolle. Bestimmungsmethode Buntlacke mischt man daher zur Farbstärkebestimmung mit standardisiertem Weißlack („Weißabmischung“), Weißlacke dementsprechend mit einem standardisierten Schwarzlack als Schwarzabmischung.

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Transparente Lacke wie Lasuren, Beizen werden oft als transparenter Film auf einer Glasplatte oder Folie beurteilt oder, wenn das Material zur Herstellung von Effektfarbtönen dient, in Abmischung mit geeigneten Effektlacken, z.B. Metalliclacken. Physikalisch gesehen entspricht die Farbstärke der selektiven Lichtabsorption in demjenigen Wellenlängenbereich, in dem das jeweilige Pigment am stärksten Licht selektiv absorbiert; anders ausgedrückt: im Bereich des Maximums der spektralen Absorptionskurve des Pigmentes. Damit hängt zusammen: Man darf farbmetrisch stets nur solche Lacke/Muster hinsichtlich ihrer Farbstärken vergleichen, die angenähert den gleichen Farbort besitzen, umgangssprachlich den gleichen Farbton oder Farbstich haben. Andernfalls bekommt man Ergebnisse, die dem eigenen Sinneseindruck völlig widersprechen können. Das Auge als Messsystem ist hier gegenüber dem Farbmessgerät im Vorteil; es kann eher die Farbstärken verschiedener Farbtöne angenähert vergleichen (natürlich ohne Zahlenwerte). Zur Ermittlung der Farbstärke wird die Weißabmischung meistens auf ein Probeblech oder einen Karton aufgerakelt oder aufgespritzt. Besonders wirtschaftlich kann es sein, den ersten Beurteilungsschritt als Nassmessung durchzuführen; für eine abschließende Beurteilung oder Freigabe ist meistens ein entsprechend der späteren Praxis beschichteter und getrockneter Prüfling erforderlich. Die Farbstärke ist zu unterscheiden von den Kenngrößen der Farbmetrik (s. → 8.6.2), also von der zahlenmäßigen Erfassung und Beschreibung eines Farbortes in einem Farbkoordina­ten­system. Bedeutung Die Farbstärke spielt nicht nur bei Liefervereinbarungen und Freigabeprüfungen eine Rolle. Sie ist auch ein gutes Instrument zur Ermittlung optimaler Dispergierzeiten und anderer Dispergierparameter, da sie beim Dispergiervorgang (im Detail in Abschnitt 4.9 behandelt) wegen der zunehmenden Teilchenanzahl stark ansteigt, und zwar bis zu einem sich bei weiterer Dispergierung nicht mehr verändernden Grenzwert (Farbstärkeentwicklungskurve oder Dispergierkurve nach DIN 53 238, s. Abb. 8.14). Als Folge einer Überdispergierung und ggf. anschließender Flockulation kann sich die Farbstärke bei noch längerer Dispergierzeit sogar wieder verringern. Anstieg und Verlauf der Dispergierkurve hängen stark von Zusammenhalt und Benetzbarkeit der Pigmentteilchen und von der Primärteilchengröße und -form der Pigmente ab (→ 2.3.2). Feinteilige, organische Pigmente sind meistens deutlich „dispergierhärter“ als grobteiligere, anorganische Pigmen­te (nicht zu verwechseln mit der Mohs-Härte und der davon herrührenden Gefahr einer Abrasion). Entsprechend sind die mikronisierten, transparenten Oxidpigmente (v.a. Eisenoxide und Titandioxid) ebenfalls schwieriger zu dispergieren als die herkömmlichen, deckenden Oxidpigmente (weitere Details dazu generell in →2.3). Körnigkeit und Teilchengrößen Eine einfache und schnelle Betriebsmethode zur Bestimmung des Pigment-Ausreibegrades ist die Feinheitsmessung mit dem Grindo­meter1)  nach Hegman (Abb. 8.15), beschrieben in DIN EN ISO 1524. Genauer gesagt misst man hier die Körnigkeit, also die maximale Agglomeratgröße, nicht die mittlere Teilchengröße oder gar eine Teilchengrößenverteilung! Zur Prüfung wird eine Lack- bzw. Mahl­gutprobe durch Ziehen des Rakels auf der keilförmigen Vertiefung des Grindo­meters verteilt. 100 % Dann wird mit dem Auge anhand der Farbstärke seitlichen Skala diejenige Schichtdicke bestimmt, bei der der Lackfilm infolge auftretender streifen- oder punktförmigen Spuren (wo gröbere Teilchen die Oberfläche durchstoßen) rau aussieht. Dispergierzeit Engl. to grind = mahlen

1

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Abb. 8.14: Dispergierkurve

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Rakel Zugrichtung Grindometer-„Keil“

Lackmaterial

Teilchengrößen-Skala (Hegman-Einheiten bzw. µm)

Bei der Kornfeinheitsmessung im sog. „Garmsen-Keil“ schließen zwei Glasplatten, an einer Schmalseite durch Plättchen auf Abstand gehalten, einen flachen, keilförmigen Hohlraum ein. Außer der Körnigkeit ermöglicht die Methode auch eine grobe Beurteilung des Deckvermögens, sie versagt aber bei manchen Systemen.

Bei Pulverlacken und Pigmentpulvern werden zur Partikelgrößenbestimmung Abb. 8.15: Schematischer Querschnitt eines Grindometers mit Rakel die klassierende Siebmethode und das Luft­strahlsieb kaum noch eingesetzt. Sie wurden durch die im Folgenden beschriebenen modernen Methoden ersetzt. Moderne Analyseverfahren zur Bestimmung der Teilchengrößenverteilung Bei der Entwicklung, Produktion und Qualitätskontrolle von Pigmenten, Bindemitteldispersio­ nen und Beschichtungsstoffen sind heute die neueren Verfahren zur Ermittlung von Teilchen­ größenverteilungen (Auswertung nach DIN 66142) unentbehrlich. Die wichtigsten sollen hier kurz genannt werden: • Der „Coulter Counter“ misst Anzahl und Größe von dispergierten Teilchen indirekt, und zwar über den Stromfluss durch eine Kapillare. Dieser wird charakteristisch unterbrochen, wenn ein Teilchen die Kapillare durchläuft. • Bei der Photonen-Korrelations-Spektroskopie (PCS) – auch bekannt als quasielastische Licht­ streuung (QELS) – fluktuiert aufgrund der Brownschen Bewegung das von den Teilchen gestreu­te Laserlicht. Das Verfahren ist für Teilchen im Bereich 1 nm bis 0,5 µm geeignet, also nicht für gröbere Pigmentagglomerate oder -flockulate. • Die Laserlichtbeugung an dispergierten Teilchen erlaubt die Bestimmung der Teilchengrö­ ßenverteilung aus dem detektierten Beugungsmuster. Der Messbereich reicht hier von etwa 1 µm bis 800 µm, schließt also an die PCS-Methode an. • Auch die herkömmliche lichtmikroskopische Beurteilung (evtl. mit Bildanalysesystem) und die Transmissionselektronenmikroskopie (TEM) sind weiterhin wichtig, zumal sie gute Einbli­ cke in Form und Geschwindigkeit von Flockulationsvorgängen ermöglichen, bei gleichzeitiger Identifizierung verschiedener anwesender Pigmente. Flockulation Die Flockulation (früher: Flokkulation) oder Reagglomeration ist die Wieder-Zusammenlagerung bereits dispergierter Pigmentteilchen. Sie ist eine Folge des hohen Energiezustands der Pigmentteilchen mit ihren großen Oberflächen, verbunden mit einer ungenügenden Stabilisierung. Destabilisierende Anziehungskräfte sind – je nach chemischem Charakter der Pigmentoberfläche – (wie in Abschnitt 2.3.2.4 detailliert erläutert): • Van-der-Waals-Kräfte (Dispersionskräfte, London-Kräfte, Dipol-, induzierte Dipol-Wechselwirkungen) • Wasserstoff-Brückenbindungen • Ionische Wechselwirkungen (Coulomb-Kräfte) Meistens ist Flockulation ein unerwünschter Zustand, da flockulierte Pigmente farbschwächer als feindispergierte sind, mitunter einen Glanzverlust bewirken, einen veränderten Farbort zeigen (flockuliertes Eisenoxid-Rot ist blaustichiger als feindispergiertes) oder Ausschwimmen verursa-

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chen. Es gibt aber Gesichtspunkte, nach denen eine gewisse – bzw. gezielte – Flockulation sogar er­­wünscht ist, z.B. um in füllstoffreichen Zubereitungen einen harten Bodensatz zu verhindern. Beurteilung des Pigmentzustandes Rub-out-Test Aufschwimmen ist die sichtbare Anreicherung eines Pigmentes an der Lackoberfläche und daher wichtig bei Pigmentmischungen. Um Flockulation oder Aufschwimmen bei Lackfilmen sichtbar zu machen, führt man den Rub-out-Test durch, eine ebenso praktische wie wichtige Methode zur Charakterisierung dispergierter Teilchen. Dazu reibt man den noch feuchten, bereits ,,angezogenen“ Film mit dem Finger und verreibt dabei die flockulierten bzw. aufgeschwommenen, d.h. entmischten Pigmente, So entsteht durch eine Art „Redispergierung“ wieder der Farbton der homogenen Mischung. An der Farbstärkedifferenz zum ungeriebenen Film erkennt man das Ausmaß der Störung. Die Messung der Farbstärken führt zur Rub-out-Zahl RZ: RZ =

FSger. FS n. ger.

– 1 · 100

mit FSger. = Farbstärke der geriebenen Fläche und FSn. ger. = Farbstärke der nicht geriebenen Fläche. Hin und wieder wird auch der Gesamtfarbabstandswert ∆E (→ 8.6.2) zur Charakterisierung des Rub-out-Effektes angegeben. Der Effekt kann auch allein schon bei Einpigmentsystemen auftreten, z.B. bei Eisenoxidrot, da wichtige optische Eigenschaften wie Farbton und/oder Streuvermögen stark von der aktuellen Teilchengröße abhängen, die sich durch Flockulation ändert. Ist beim Rubout-Test an weiß/bunt-pigmentierten Systemen die Farbstärke der geriebenen Lackfläche höher als die der übrigen Fläche, dann spricht man von einem positiven Rub-out-Effekt, umgekehrt von einem negativen. Sonstige Bestimmungsmethoden Neben dem Rub-out-Test sollen hier noch einige weitere Methoden kurz erwähnt werden: • • • • • • •

Mikroskopische Beurteilung (Lichtmikroskop, Raster- und Transmissionselektronenmikroskop) IR-Streuung: Ermittlung der aktuellen Teilchengröße Opazitätsmessungen Photoakustische Spektroskopie ATR-IR-Spektroskopie Dünnschicht- oder Papier-Chromatographie Als indirekte Methoden: Glanz- und Farbstärke-Messungen

Absetzen (Sedimentation) von Pigmenten/Füllstoffen Für die Absetzgeschwindigkeit liefert das Stokessche Gesetz die folgende Gleichung: v=K·

r2 · ( ρP – ρB ) η

v : Sinkgeschwindigkeit, K : Konstante, r = Teilchenradius, ρP : Dichte des Pigmentteilchens, ρB : Dichte der Bindemittellösung und η : Viskosität der Bindemittellösung. In dieser Beziehung lässt sich erkennen: • Je höher die Pigmentdichte ist, desto schneller wird das Pigment absetzen. • Je höher die Viskosität des Systems ist, desto langsamer wird ein Bodensatz gebildet. • Der Pigmentradius geht mit dem Quadrat ein. Große, nicht ausgeriebene oder flockulierte Teilchen sinken somit viel schneller als kleine.

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Bodensatzbildung

Glas- bzw. Alu-Röhrchen

Licht bzw. Röntgenstrahlung

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Pigmentsedimentation

Auge oder Sensor bzw. strahlungsempfindliche Platte

Agglomerate oder Flockulate sind solche großen Teilchen und setzen daher schneller ab, allerdings nur mit weichem Bodensatz. Feine Teilchen sinken langsamer zu Boden, bilden dafür einen dichtgepackten, festen Bodensatz, der im Extremfall sogar fast bindemittelfrei sein kann. Messung und Charakterisierung

Beobachtungsstrecke

• Gemäß Abb. 8.16 können Ausmaß und Geschwindigkeit der Sedimentation visuell oder unter Anwendung Abb. 8.16: Sedimentationsuntersuchung mittels Licht bzw. Röntgenstrahlung von Röntgenstrahlung untersucht werden. • Mit der Sedimentationswaage (z.B. „Dynometer“) lassen sich zusätzlich die Menge und die und (Eindrück-)Festigkeit des Bodensatzes bestimmen. • Zur schnellen Abtrennung und Untersuchung von Bodensatz oder darüberstehender Bindemit­ tel­lösung kann das Absetzen durch Zentrifugation beschleunigt werden.

8.4.2 Emissionen Bei der heutigen Bedeutung von Lösemittelreduzierung und Arbeitssicherheit sind Emissionsmessungen und -grenzwerte ein wichtiges Handwerkszeug, sie werden allerdings branchen- und länderspezifisch sehr unterschiedlich gehandhabt. Einige Möglichkeiten, Kennwerte zur Emission von Lösemitteln („Lm“) anzugeben, sind z.B.: g Lm/m2 Fläche

g Lm/nfALack

g Lm/l Lack (verarbeitungsfertig) g Lm/kg Lack

VOC-Wert Berechnung (USA) VOC =

MasseLm VolumenLack – Volumen*Wasser

* bei Wasserlacken anzuwenden VOC = Volatile Organic Compounds

Außerdem kann man Emissionswerte, verstanden als Maßzahl für die Luftbelastung, kumulativ angeben (als Summe über einen Tag o.ä.), als Mittelwerte über viele Punktmessungen oder als Einzelwerte (Höchstwerte, Spitzenwerte). Es muss also in jedem Fall deutlich werden, um welche Art Messwert es sich handelt. Die wesentlichen Messmethoden bei Emissionsbestimmungen (siehe auch DIN EN ISO 11890) sind: • Ermittlung des nichtflüchtigen Anteils (→ 8.2.3) • Gaschromatographische Analyse (GC) von Lackproben (z.B. auf Alu-Folie appliziert) • Auffangen der flüchtigen Bestandteile in möglichst definierten Proberäumen mit „Samplern“ oder „Schnorchlern“ (z.B. „Dräger-Röhrchen“) mit anschließender GC.

8.4.3 Filmbildung, Verlauf und Vernetzung Vorstufen der Verfilmung Eine unmittelbare Folge des Fließverhaltens von Lacken sind der Verlauf und das Ablaufen. Der Verlauf ist definiert als das Vermögen einer noch flüssigen Beschichtung, die beim Auftrag entstehenden Unebenheiten selbsttätig auszugleichen. Das Ablaufen (auch: Läufer, Gardinen, Tränen, Tropfen, Absacken etc.) gilt als Lackierfehler und tritt besonders an senkrechten Flächen

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sowie an Kanten und Ecken auf, siehe auch DIN EN ISO 16862. Je langsamer nach der Applikation die physikalische Filmbildung (Trocknung) und die chemische Vernetzung (Härtung) fortschreiten, desto mehr Zeit bleibt dem Lack für diese beiden Fließvorgänge. Mit anderen Worten: Ein träger, unreaktiver Vernetzer und ein langsamer („langer“) Verdünner verbessern den Verlauf, beinhalten aber das Risiko beginnender Läuferbildung, also des Ablaufens, oder auch das zunehmender Staubeinschlüsse.

5 Spaltenpaare für Verlaufprüfung Spalthöhe 1,0 mm bis 0,1 mm

10 Stufen für Ablaufprüfung Stufenhöhe 300 µm bis 75 µm

Abb. 8.17: Prüfrakel für die Messung des Ablauf- und Verlauf­ verhaltens

Messmethoden Zur Prüfung beider Merkmale existieren verschiedene Bauformen eines Rakels (nach Stieg), besonders praktisch ist ein wie in Abb. 8.17 gezeigtes kombiniertes Prüfrakel. Bei der Verlaufprüfung wird nach dem Rakeln die Spalthöhe (Nassschichtdicke in µm) desjenigen Stre­ifenpaares angegeben, bei dem der Zwischenabstand der Streifen gerade noch zu sehen ist. Im Bereich der Bautenlacke wird die sehr verwandte „Keilrakel-Methode“ („KR-Methode“) benutzt. Zur Ablaufprüfung rakelt man mit der anderen Rakelkante des in Abb. 8.17 beschriebenen Gerätes 10 verschieden dicke Streifen auf, stellt dann sofort den Prüfling senkrecht und ermittelt diejenige Schichtdicke, die noch nicht in die nächst untere (dickere) hineingelaufen ist. Die so ermittelte Größe wird auch Standsicherheit oder Läufergrenze genannt. In der Praxis, besonders bei Spritz­ lackierungen, wird die Ablaufneigung oft mit Lochblechen (Abb. 8.18) ermittelt, auf die verschiedene Schichtdicken (als „Keilapplikation“) aufgebracht werden. Bei der nach unten zunehmenden Schichtdicke (die zu messen ist) gibt es dann eine Grenzschichtdicke, ab der seitlich an den Löchern starke wulst­ förmige Fließspuren zu sehen sind.

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Schichtdicke zunehmend

Abb. 8.18: Lochblech zur Ablaufprüfung

Definierter Vorschub z.B. 30 cm/24 h

Lackfilm

Substrat

Abb. 8.19: Lacktrocknungsprüfung mit „rollender Kugel“ (oder Rad) nach Rossmann

Lackfilm

Substrat

60°

Abb. 8.20: Verfolgung der Viskosität mit der „rollenden Kugel“

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Verfolgung des Filmbildeprozesses Definitionen Je nach Art der Filmbildung, des Beschichtungssystems und je nach Anforderungen an eine schnelle Weiterverarbeitbarkeit gibt es ein Spektrum an Prüfmöglichkeiten, den Prozess der Filmbildung zu verfolgen. Zunächst muss in jedem Fall ein definierter Nassfilm mit bekannter Schichtdicke aufgetragen werden, z.B. durch Rakeln. Diese sich verfestigende Schicht kann man nun wie folgt untersuchen: • Prinzip der rollenden Kugel nach Ross­mann (Abb. 8.19) zur Feststellung der Staubtrockenheit. • Nach Wolff und Zeidler kann man mit einem ähnlichen Prinzip den Viskositätsverlauf nach der Applikation nachvollziehen (Abb. 8.20): Die Geschwindigkeit und Laufweite der sich im schräg gestellten Lackfilm bewegenden Glas- oder Stahlkugel dient als Maß für den Viskositätsanstieg. Trockenzeitbestimmung Mit Trockenzeit-Messgeräten (-„Rekordern“) wird die Trockenzeit von Beschichtungen unter Differenzierung der aufeinanderfolgenden Trockenstadien gemessen. Dazu wird ein Ritzel, d.h. ein scharfer Dorn, eine Nadel o.ä.,  kontinuierlich über den trocknenden Film gezogen, und er erzeugt dabei ein charakteristisches Verletzungsbild (Abb. 8.21), dessen verschiedene Stufen dem definierten Zeitablauf zugeordnet werden. Trockengrad Ermitteln lässt sich der Trockengrad (nach DIN EN ISO 9117-5) – in abgestufter Prüfung – mit aufgestreutem Seesand oder Glasperlen bzw. (ab Trockengrad 2) durch Aufdrücken von Papier mit einem Stempelprüfgerät. Bei Trocknungsprüfungen ist es besonders wichtig, die „Vorgeschichte“ des trocknenden Lackfilms und die äußeren Bedingungen mit anzugeben; denn speziell Schichtdicke, Temperatur und relative Luftfeuchte beeinflussen extrem die Trocknungsresultate. Vernetzung Der chemische Umsetzungsgrad der zur Vernetzung dienenden funktionellen Gruppen im Bindemittel (z.B. OH- und NCO-Gruppen) lässt sich mit den bisher erwähnten Trocknungsprüfungen nur selten genau genug ermitteln (so bei oxidativ härtenden Systemen). Hier sind eher spektroskopische und andere physikalische Methoden dienlich sowie Härte- und Pendeldämpfungsmessungen. Eine Auswahl interessanter Methoden wird im Folgenden kurz genannt. Bestimmung vor der Verarbeitung • Messung der Topfzeit (Kriterium: Verdoppelung der Becher-Auslaufzeit). Auf diese Weise die Verarbeitungszeit von wasserverdünnbaren 2K-Systemen zu kontrollieren wäre eher ungeeignet, da sich der Lackansatz äußerlich oft kaum verändert. Auf die Topfzeit verschiedener 2K-Systeme wurde in Abschnitt 2.1.4 eingegangen. • Beobachtung des Viskositätsanstiegs im Platte/Kegel-Rotationsviskosimeter (→ 8.1.3). • IR- und/oder UV-Spektroskopie, je nach Art der zu beobachten1 2 3 4 5 den funktionellen Gruppen. • Verfolgung der Oberflächenspannung, die meistens wegen des Verschwindens der reaktiAbb. 8.21: Ritzspur eines Trockenzeit-Rekorders mit den verschiedenen ven, polaren Gruppen abnimmt Trocknungsstadien 1 = Verlauf, 2 = Grundspur, 3 = Filmaufriss, 4 = Oberflächenspur, 5 = trocken (→ 8.2.3).

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Spezielle Prüfungen bei Pulverlacken

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Vernetzungsbestimmung in der trockenen Beschichtung • Prüfung des Anquell- und Anlöseverhaltens, je nach spezifischen Anforderungen, z.B. mit Butyl-acetat, Xylol, Methylethylketon (MEK-Rubs: Reiben mit MEK), Benzin oder Alkohol. • Anfärbemethode mit farbstoffhaltigem Lösemittel: Je nach Vernetzungsgrad wird die Lackschicht unterschiedlich angefärbt,was farbmetrisch beurteilt werden kann; vorzugsweise für Klar- oder Weißlacke. • Differentialthermoanalyse (DTA) und „Differential Scanning Calorimetry“ (DSC). Die Methoden geben, besonders z.B. bei Pulverlacken, in erster Linie Auskunft über die Reaktivität, auch über den Umsetzungsgrad. • Verfolgung der Glasübergangstemperatur Tg , und zwar mittels DSC oder Härte- und Elastizitätsmessungen. • Messung der (sich bei Vernetzung ändernden) Dielektrizitätskonstanten (DK) bzw. Permittivität. • IR- bzw. UV-Spektroskopie.

8.4.4 Ringleitungsstabilität Bei der Lackversorgung aus Lackkreislaufsystemen, wie sie in der industriellen Lackierung von Automobilen, Maschinen und anderen größeren Objekten üblich sind, ist der Lack in den Ventilen, Pumpen und Vorratsmischern manchmal erheblichen Scherkräften ausgesetzt. Damit verbunden ist die Gefahr einer • Nachdispergierung der Pigmente (Folge: Farbtonveränderung, z.T. auch Flockulation) • Schädigung von Effektpigmenten (Verbiegen von Aluminium-Plättchen und damit Effektverlust, „Vergrauung“) • Schädigung der Dispersionsfilmbildner bei Wasserlacken (Verkleben, „Brechen“ der Dispersionströpfchen) Außerdem können sich in der Ringleitung Ablagerungen bilden, die von einer neuen Charge mit viel­leicht besseren Lösern abgelöst werden und dann evtl. Störungen verursachen. Bei der Lackentwicklung und -freigabe sind diese Punkte entsprechend zu prüfen.

8.5 Spezielle Prüfungen bei Pulverlacken Neben den auch für konventionelle Lacke üblichen Prüfmethoden werden in DIN EN ISO 8130 [6] weitere spezielle Methoden für Pulverlacke beschrieben. Wie bereits zuvor erwähnt, ist beim Pulverlack die aufeinander abgestimmte Abfolge von verschiedenen Temperaturbereichen notwendig und Gegenstand von Messungen: • • • •

Erweichungstemperatur 70 bis 80 °C Extrusionstemperatur ca. 100 °C Verlaufstemperatur (Lackfilmbildung) 120 bis 140 °C Aushärtungsbereich (Vernetzung) ab ca. 160 bis 220 °C

Die Werte sind Durchschnittswerte, von denen es in speziellen Fällen auch Abweichungen geben kann. Auf jeden Fall sollte zwischen den einzelnen Bereichen jeweils ein „Sicherheitsabstand“ von ca. 20 °C dafür sorgen, dass z.B. • bei Lagerung ein (zu schnelles) Verkleben (Zusammensintern) verhindert wird und • vor dem Aushärten genügend Temperaturabstand für den Verlauf bleibt. Die Gelzeit ist ein weiteres Kriterium für Pulverlacke: Sie ist die Zeit in Sekunden, die eine Pulverlackschmelze nach Ablauf des Schmelzprozesses bei einer gegebenen Temperatur braucht, um zu vernetzen. Dies äußert sich in einem plötzlichen Wechsel der (zuvor gut zu rührenden) Schmelze zu einem gummiartigen Zustand. Bei Industriepulverlacken wird die Gelzeit bei 180 °C gemessen. Eine ausreichend lange Gelzeit ermöglicht beim sich bildenden Pulverlackfilm den Durchtritt von Gasen (Luft, Wasserdampf etc.) aus dem möglicherweise wegen Porosität gasenden Untergrund.

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Der Einbrennverlust gibt Aufschluss über die Anwesenheit eventueller Lösemittelreste, Verkap­ pungsmittel (für Härter) oder anderer Abspaltprodukte sowie über einen Restwassergehalt. Die Korngrößenverteilung von Pulverlacken, von der die Applikation und der Verlauf stark abhängen, wird entweder durch • Siebanalyse gemessen (hintereinander geschaltete Einzelsiebe oder Luftstrahlsieb) oder • durch Laserbeugung (moderner und schneller, wenn auch nicht immer genauer hinsichtlich der Absolutwerte). Die Rieselfähigkeit wird meistens durch definierte Anhäufung eines Schüttkegels und anschließende Messung des Schüttkegelwinkels beurteilt. Je steiler der Schüttkegel ausfällt, desto geringer ist die Rieselfähigkeit des Pulvers. Andere Methoden basieren auf der Messung der Auslaufzeit einer definierten Menge Pulver aus einem mit Fluidisiervorrichtung versehenen Auslaufbecher oder aus einem Loch, seitlich an einem Fluidisierzylinder angebracht. Im Zuge einer Überlagerung von Pulverlackmaterial (Überschreiten der zulässigen Lagerzeit) oder bei zu warmer und/oder feuchter Lagerung kann es zu einer deutlichen Verschlechterung der Rieselfähigkeit (und der späteren Fluidisierbarkeit und Transportfähigkeit) kommen, mit Oberflächenstörungen als Folge. Moderne, reaktive Pulverlacke sind bei Temperaturen oberhalb 20 bis 30 °C oft nur sehr begrenzt haltbar. Lager- und Transporttemperaturen oberhalb 35 bis 40 °C sind auf jeden Fall zu vermeiden. Die spezifische Aufladbarkeit von Pulverlacken wird durch Messung des Ableitstromes (des Stromflusses zwischen Pistole und Erdung) im Verhältnis zur verarbeiteten Menge Pulverlack bestimmt. Das Verfahren funktioniert allerdings nur bei Tribo-Aufladung einwandfrei, da bei der Corona-Aufladung auch viele Luftmoleküle aufgeladen werden, was natürlich viel zu hohe Werte für den Stromfluss zur Folge hat. Die Läufersicherheit bzw. das Risiko von Nasen, Tropfen, „Gardinen“, wie Läufer auch genannt werden, lässt sich mit der Tablettenmethode einschätzen. Dabei wird eine aus Beschichtungspulver gepresste Tablette auf ein vorerhitztes, in definiertem Winkel zur Vertikalen aufgestelltes Blech gesetzt und weiter – der Praxis entsprechend – eingebrannt. Gemessen wird hier die Länge der entstandenen Laufspur.

8.6 Beschichtungsmerkmale nach der Applikation Analog zur Betrachtung der Lackeigenschaften vor der Applikation gilt auch für die fertige Beschichtung: Die Qualität der Lackierung (hier wieder stellvertretend für alle Beschichtungen) besteht in seiner Brauchbarkeit bzw. Eignung für die Ansprüche des Kunden. Und zwar • reproduzierbar von Charge zu Charge • ebenso wie von Applikation zu Applikation. Voraussetzung ist natürlich, die Applikationsbedingungen und -verfahren ändern sich nicht nennenswert bzw. nicht über die vereinbarten Toleranzen hinaus, es sei denn, sie sind gar nicht vereinbart bzw. lassen sich nicht exakt festlegen, wie es der Fall ist bei vielen handwerklichen Anwendungen, von Malerlacken über Bautenanstriche und Autoreparaturlacke bis hin zu Industrielacken. In diesen Fällen müssen die Lacke oft eine erhebliche Variationsbreite hinsichtlich ihrer Verarbeitbarkeit aufweisen mit Lackierergebnissen, die sich trotzdem wenig ändern dürfen.

8.6.1 Schichtdickenmessung Die erste Prüfung unmittelbar nach der Applikation ist z.B. die Schichtdickenmessung (nass) Besonders bei kontinuierlichen Prozessen, wie der Bandbeschichtung (Coil Coating) oder der Auto­ serienlackierung, muss sofort nach der Applikation und dann weiterhin regelmäßig kon­trolliert werden, ob die korrekte Schichtdicke eingehalten worden ist. Einen guten Überblick der Methodik (auch über die Messung der Trockenfilmdicke) bietetdie DIN EN ISO 2808.

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Ein einfacher Nassfilm-Dickenmesser ist der (Rossmann-)Messkamm, der an jeder Seite zwischen zwei Standfüßen unterschiedlich lange Zähne aufweist. Er wird senkrecht in die Beschichtung gestellt. Am ersten benetzten Zahn wird die dazugehörige Nassfilmdicke abgelesen. Als Ergänzung, besonders für gewölbte Flächen, bietet sich die Rollfelge (auch: „Doppelrad“ oder „Messrad“) nach ASTM D 1212 an. Das mittlere von drei Rädern ist leicht exzentrisch. Beim Rollen berührt es den flüssigen Lack erst ab einer bestimmten Drehposition, bei der dann (an der Seite) ein die Nassschichtdicke angebender Skalenteil abzulesen ist. Schnell und berührungslos arbeitend sowie für kontinuierliche Messung geeignet sind zwei radiometrische Schichtdickenmessverfahren: • Das Betarückstreu-Verfahren nach DIN EN ISO 3543, bei dem die Anzahl rückgestreuter Beta-Teilchen (Elektronenstrahlen) ein Maß für die Schichtdicke darstellt. Voraussetzung ist ein genügender Unterschied im Material zwischen Substrat und zu messender Schicht hinsichtlich der Ordnungszahlen der Elemente, d.h. im chemischen Aufbau der Schichten. Das bedeutet auch die Notwendigkeit einer Kalibrierung für jeden Beschichtungsstoff. Dieses Prinzip wird wegen aufwendiger Arbeitssicherheitsmaßnahmen zunehmend verdrängt durch das • Röntgenfluoreszenz-Verfahren (DIN EN ISO 3497); hier ist die Intensität von FluoreszenzStrahlung ein Maß für die flächenbezogene Masse und damit für die Schichtdicke). Das Ver­ fahren ist weit einfacher und gleichzeitig vielseitiger anzuwenden als die Betarückstreuung. Es können damit nahezu Lackschichten aller Art vermessen werden. Schichtdickenmessung (trocken) Die Verfahren zur Dickenmessung am getrockneten Film (in DIN EN ISO 2808 übersichtlich dargestellt) können zum einen berührungsfrei sein (wie die schon erwähnte Betarückstreuung und die Röntgenfluoreszenz), zum anderen berührend. Letztere wiederum werden unterschieden nach „zerstörungsfrei“ und (die Oberfläche) „zerstörend“. Zerstörungsfreie Messungen In diese Kategorie gehören Methoden, deren Prinzip z.B. beruht auf der Nutzung von 1. magnetischer Haftkraft (nach DIN EN ISO 2178), wobei der Magnet ein Dauermagnet ist (die Haftkraft auf Eisen hängt von der Dicke der dazwischenliegenden Lackschicht ab), ferner vom 2. magnetischen, induktiven Fluss eines Elektromagneten, schichtdickenabhängig, gemäß DIN, ebenfalls für ferromagnetische Untergründe, sowie auf der 3. Messung des schichtabhängigen Wirbelstromverlustes nach DIN EN ISO 2360 auf Nichteisenmetallen (Änderung des induktiven Widerstandes einer Spule, die von einem hochfrequenten Wechselstrom durchflossen wird). Viele Geräte arbeiten inzwischen nach beiden Verfahren mit automatischer Umschaltung. Bei der Prüfung auf Eisen oder anderen ferromagnetischen Untergründen wird durch einen Dauermagnet (1.) ein konstantes oder durch eine Spule (2.) ein wechselndes Magnetfeld erzeugt. Der aus Messfühler und Grundwerkstoff bestehende magnetische Kreis verändert seine Eigenschaften in Abhängigkeit von der Schichtdicke. Dieser Effekt wird gemessen und in eine Schichtdicke umgerechnet. Da das Messsignal von den magnetischen Eigenschaften und der Geometrie des Grundwerkstoffes abhängt, muss erst auf einem unbeschichteten Werkstück kalibriert (genullt) werden. Nur bei Anwendungen mit Standard-Geometrien und -Werkstoffen kann ohne Kalibrierung gemessen werden. Zur Schichtdickenmessung auf Kunststoffuntergründen Holz und anderen Untergründen wird oft das Ultraschallverfahren eingesetzt, bei dem man Ultraschall-Laufzeiten unter Reflexion an Lack/ Lack- bzw. Lack/Substrat-Grenzflächen auswertet. Das Verfahren ist allerdings recht anspruchsvoll hinsichtlich Durchführung und Interpretation. Weitere moderne Verfahren, auch zur online-Messung geeignet, arbeiten mit thermischen Wellen (Wärmewellen nach Bestrahlung mit moduliertem IR-Laserlicht, Messung der Phasenverschiebung) oder mit Messung einer Kurzzeiterwärmung durch Laserimpulse (Photothermisches Verfahren).

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Prüf- und Messtechnik

Lichtband

Lichtspuren

Lackfilm

Die letztere Methode erlaubt sogar die Schichtdickenmessung von Pulverlackierungen vor dem Einbrennen, mit Vorhersage der Schichtdicke der fertigen Lackierung. Nicht zerstörungsfreie Messung

Substrat

Folgende Methoden sind zerstörend, dafür auch auf Mehrschichtlackierungen Abb. 8.22: Prinzip des Lichtschnitt-Mikroskops einsetzbar, mit Unterscheidbarkeit der einzelnen Lackschichten: Querschnittsbild-Ausmessung, Keilschnitt (PIG) und Tiefenuhr (IG-Uhr) sowie das Lichtschnitt-Prinzip. Alle Verfahren nutzen im Wesentlichen den Effekt aus, dass man zunächst einen Keilschnitt oder eine andere Verletzung bis zum Substrat anbringt und anschließend optisch oder mechanisch die Tiefe auslotet. Für eine Querschnittsprüfung muss die Probe senkrecht zur Oberfläche geschnitten, evtl. davon eine dünne Schicht präpariert und anschließend lichtmikroskopisch vermessen werden. Beim Keilschnitt-Verfahren (z.B. mit dem „Paint Inspection Gauge“ – PIG-Gerät) nach DIN 50 986 wird zunächst ein V-förmiger Schnitt durch die Beschichtung bis zum Untergrund hergestellt. Dieser wird dann mit einem Messmikroskop unter Anwendung geringer Schärfentiefe betrachtet. Bei niedrigen Schichtdicken, speziell unter 10 µm, wird das Verfahren sehr ungenau. Die Tiefenuhr (oder „IG-Uhr“) ist ein Dreifuss mit linearer Anordnung der Füße; sie wird so aufgestellt, dass man mit dem Mittelfuß als Taster die Schichtdicke als Höhenunterschied an der zuvor freigelegten Stelle bestimmen kann. Wenn bei geschickter Präparation die einzelnen Lackschichten eines Mehrschichtaufbaus separat abgelöst werden können, lassen sie sich sogar getrennt vermes­ sen. Auch zur Nassfilmdicken-Messung ist die Tiefenuhr einsetzbar, indem man sie in den nassen Lackfilm eintaucht und von Hand den Taster von oben her verstellt, bis er den Lackfilm berührt. Lichtschnittmikroskope erlauben – durch Vergleich zweier Lichtbanden („Lichtspuren“) mit einem Okularmikrometer – die Ausmessung einer (Klarlack-) Schichtdicke, wobei diese Banden durch Reflexion der einfallenden Strahlung am oberen und unteren Begrenzungsrand der Lackschicht entstehen (Abb. 8.22). Bei pigmentierten Lackschichten muss zunächst ein Lackstreifen bis zum Untergrund entfernt werden.

8.6.2 Optische Filmeigenschaften, Farbe und Farbmessung Klassifizierung und Definitionen Der erste, nicht selten auch schon der entscheidende Eindruck beim Kauf eines Fahrzeuges, Möbels, Gerätes etc. ist der optische Eindruck, in erster Linie hier bestimmt durch die Farbe bzw. den Farbton sowie den makellosen Glanz. Ein Viertel aller Pkw-Käufer ist – wie man aus der Branche hört – bereit, allein aufgrund eines besonders schönen und glänzenden Farbtons, z.B. Effektfarbtons, spontan die Automarke zu wechseln.

ε

Abb. 8.23: Spiegelreflexion

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ε’

Die physikalische Definition des Glanzes fällt dagegen eher nüchtern aus: Nach DIN EN ISO 2813 ist der Glanzgrad der Anteil der gerichteten Oberflächenreflexion; im Idealfall (an einer völlig glatten Oberfläche) resultiert also eine Spiegelreflexion (Abb. 8.23) mit gleichen Ein- und Ausfallswinkeln ε bzw. ε’.

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Beschichtungsmerkmale nach der Applikation

Oft liegt bei der Beschichtungsoberfläche ein mehr oder weniger ausgeprägter Lichtstreueffekt (z.B. Orangen­ hauteffekt, Abb. 8.24) vor bzw. sogar eine diffuse Reflexion (Abb. 8.25). Wellige Strukturen im Bereich von 0,1 bis 10 mm Länge werden als Orangenhaut (orange peel) oder Verlaufsstörung, auch „Narbigkeit“, bezeichnet (Abb. 8.26). Ein Glanzschleier (Haze) äußert sich in Streulicht geringer Intensität nahe der Hauptreflexion; das Spiegelbild ist hier nicht verzerrt, wie bei der Orangenhaut, sondern von einem diffusen Lichthof (Abb. 8.26) umgeben. Der Glanzschleier wird nahe der Hauptrichtung der (20°-) Reflexion gemessen, in einem Winkelabstand von ± 0,9°. Es handelt sich also um ein wesentlich anderes Prinzip als das zur Messung von Verlaufsstörungen benutzte. Der Grund für diese Methodik liegt im anderen Intensitätsverlauf der winkelabhängigen Reflexionskurven.

StreulichtBeobachtung

gerichteter Lichteinfall Lackschicht

Abb. 8.24: Streueffekt bei welliger Oberfläche

gerichteter Lichteinfall

Lot

StreulichtVerteilung

Abb. 8.25: Diffuse Reflexion bei matter, aber heller Oberfläche

Glanzmessung Für die Glanzmessung selbst werden Reflektometer (nach DIN EN ISO 2813) eingesetzt, bei denen die Einfallswinkel (= Ausfalls-, Messwinkel, gemessen von der Senkrechten, dem Lot) je nach Glanzcharakter wählbar sind: • 60°: Für den ersten Messschritt universeller Messwinkel, besonders geeignet für mittlere Glanzgrade (30–70 Glanzeinheiten, GE) • 20°: Speziell für hochglänzende Oberflächen (d.h. > 70 GE bei 60°-Geometrie) • 85°: Für matte Oberflächen (d.h. 65% abgelöst) ermittelt bzw. zugeordnet werden. Häufig wird die Prüfung durch Aufkleben und Abreißen eines Klebeband-Streifens verschärft. Dieser sog „Tesa-Abriss“ ist nicht in der Norm enthalten. Der Klebeband-Typ, sein Alter etc. sind also zu vereinbaren und zu dokumentieren. Problematisch beim Gitterschnitt ist der Einfluss einer eventuellen Sprödigkeit des Films beim Anbringen des Schnitts: Das Einkerben bewirkt bei sehr sprödem Material ein seitliches Abplatzen der Beschichtung infolge ungünstiger Kraftverteilung in der horizontalen Richtung. Aus dem gleichen Grund ist eine stets absolut senkrechte Einkerbung zu beachten. In der Praxis wird auch oft mit einem Messer gekratzt bzw. ein Kreuzschnitt, Leiterschnitt Abb. 8.31: Prinzip der Herstellung eines Gitterschnittes

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Prüf- und Messtechnik

Lackfilm

Stempel

o.ä. handwerklich angebracht und durch Abheben eines Spanes oder auch mit Klebeband auf Haftung geprüft. Im Stirnabzug wird die Haftfestigkeit mit einer Zugprüfmaschine mithilfe eines aufgeklebten Stempels gemessen (Abb. 8.32). Der Test bedarf erheblicher Sorgfalt bei der Durchführung. Die Sprödigkeit der Beschichtung und die Gefahr der Verkantung des Stempels spielen eine große Rolle.

Substrat

Abb. 8.32: Stirnabzug Tiefungsstößel

Torsionsprüfgeräte zur Haftfestigkeitsmessung liefern u.U. besser reproduzierbare Ergebnisse. Sie unterscheiden sich vom Stirnabzug dadurch, dass man den Abb. 8.33: Tiefung, nach Erichsen aufgeklebten Zapfen oder Stempel nicht abzieht, sondern abdreht. Das dafür erforderliche Drehmoment wird festgehalten und dient somit zur Berechnung der Haftfestigkeit. Lackiertes Probeblech

Verformbarkeitsmessung Die Tiefung nach Erichsen (DIN EN ISO 20482) ist die häufigste der Verform­barkeitsbestimmung von Lackschich­ten, sie wird angewendet auf einem lackierten Probeblech. Durch das Eindringen einer Kugelkuppe von 20 mm Durchmesser (Abb. 8.33), meistens von der Rückseite des Bleches, werden gleichzeitig Verformbarkeit und Haftfestigkeitsverlust während einer bestimmten Verformung sichtbar. Die Eindringbewegung wird gestoppt und dabei die Tiefe festgehalten, sobald sich der erste Riss an der Oberfläche der Beschichtung zeigt. Da sich bei dieser Prüfung der gesamte Lackieraufbau mit seinen möglichen Schwachstellen auf das Ergebnis auswirkt, sollten stets praxisrelevante Bleche benutzt werden. Der Dornbiegetest (DIN EN ISO 1519) ist ebenfalls eine Verformbarkeits- bzw. Elastizitätsprüfung, genauer gesagt eine Biegeelastizitätsbestimmung. Hier werden Probestreifen um Biegedorne (Stäbe) mit verschiedenem Durchmesser gebogen. Je kleiner letzterer ist, desto eher treten Risse und Haftungsverluste an der Lackschicht auf. Der Dorn kann auch konisch geformt sein (DIN EN ISO 6860). Hier bekommt man, da dann ein ganzer Bereich von Biegeradien erfasst wird, eine Aussage schon bei einem einzigen Biegevorgang (Achtung: Gefahr der Rissbildung von der Seite mit dem kleineren Durchmesser her). Schnelle Stoßverformungen Bislang wurden Prüfungen mit recht langsamen Verformungen genannt, bei denen der Lackfim also relativ viel Zeit hat, sich anzupassen. Diese Zeit fehlt natürlich in der Praxis oft, z.B. bei kleineren Stößen oder vor allem beim Steinschlag. Im Folgenden werden daher einige Tests mit sehr schnellen Stoßbelastungen bzw. Verformungen beschrieben. Beanspruchungskriterien Bei allen Beständigkeiten gegenüber schnellen Stößen, wie z.B. dem Steinschlag, kommt es an auf • gute Haftfestigkeit auf dem Untergrund, • guten Zusammenhalt der Schicht, • elastische Dehnbarkeit aller Lackschichten, • kurze Erholungszeiten nach der Dehnung (Verformung), • gute Verteilung der Stoßenergie in der Umgebung der Auftreffstelle und auf der Untergrundfläche. Stoßbelastungen können prinzipiell als

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• „Einzel“-Stoßbelastung, mit definierter Masse, Geschwindigkeit und Auftreffwinkel des Stoßkörpers durchgeführt werden, aber auch als • „Multi“-Stoßbelastung, mit statistischer Verteilung der eben genannten Größen und einem entsprechend gefächerten Schadensbild, das nur gesamthaft beurteilt werden kann. Messsysteme Prüfgeräte mit Einzelstößen sind das Kugelschlag-Prüfgerät („Impact-Tester“ Kugelfallgerät) mit Fallrohr, Höhenskala und Schlitz zum Einstellen der Fallhöhe, Einzelschlaggeräte nach DIN EN ISO 6272 („Hahnen­pick“-Methode) und das aus einer BMW-Norm hervorgegangene Einzelschlagprüfgerät, bei dem ein aufliegender Schlagbolzen mit einer Kugel mittels Pressluft beschossen wird. Multischuss- bzw. -schlagprüfungen werden z.B. als Kugelstrahlversuch durchgeführt, bei dem 1000 Stahlkugeln von 10 mm Durchmesser definiert auf ein Blech fallen. Die Korrelation zum realen Steinschlag ist nicht gut, wie eigentlich immer in jenen Tests, bei denen die Kugeln zu schwer, in ihrer Oberfläche zu glatt und im Fall zu langsam sind. Außerdem werden Gravelometer – nach Anforderung der verschiedenen Autoherstellern unterschiedlich konstruiert – eingesetzt, bei denen Straßensplitt oder Schrot mit Pressluft auf den Prüfling geschossen wird. Ein gemeinsames Merkmal haben alle derartigen Prüfvorrichtungen: Stets ist am Ende eines Strahlkanals, durch den verschiedenste Stoßkörper-Materialien mit Pressluft beschleunigt werden können, das lackierte Prüfblech unter definiertem Winkel befestigt. Zum Teil werden die Prüfungen mit (vorausgegangenen oder nachfolgenden) Korrosionstests kombiniert. Es gibt eine Vielzahl von Prüfvorschriften und Spezifikationen hierzu, auf die in diesem Rahmen nicht näher eingegangen werden kann. Thermomechanische Analyse (TMA), Durchstoßverfahren Mit dem zunehmenden Anteil lackierter Kunststoffteile, z.B. an und in Kraftfahrzeugen, hatte man auch der Haftfestigkeit des Lackieraufbaus auf den sehr unterschiedlichen Kunststoffsubstraten mehr Aufmerksamkeit zu widmen; demzufolge wurde die Prüfung dieser Eigenschaft immer wichtiger und verbreiteter. Ohne spezielle Kunststoffoberflächenbehandlung und abgestimmte Lackmaterialien haben lackierte Kunststoffteile, besonders im Tieftemperaturbereich bis ca. – ­ 30 °C, oft ungenügende Stoßbeständigkeiten, und mit den zuvor beschriebenen Tests kann man diese auch nur unzureichend erfassen. Die dynamische TMA indessen eignet sich hierfür; sie erlaubt zunächst eine Untersuchung der viskoelastischen Eigenschaften (Fließ-/Elastizitätsverhalten) in Abhängigkeit von der Temperatur, woraus sich Schlüsse auf die Stoßbelastbarkeit des Systems Lack/Kunststoff ziehen lassen. Im Einzelnen erfasst man mit der dynamischen TMA die Reaktion des lackierten Teils auf eine sich periodisch ändernde Kraft. Als Schlagzähigkeitsprüfmethode basierend auf einer VDA-Richtlinie, wird der instrumentierte Durchstoß klassifiziert. Dazu wird eine Kraft/Zeit-Kurve im Millisekundenbereich aufgenommen, aus der der Kraftaufwand bis zur Zerstörung des lackierten Kunststoffprüflings hervorgeht. Auf diese Weise lässt sich das viskoelastische Verhalten der Lackschicht auf das des Untergrundes abstimmen, – als eine Voraussetzung für hohe Schlagfestigkeit. Zähelastische – bis hin zu spröden – Beschichtungen und Untergründen können so anhand ihrer charakteristischen Kraft/Zeit-Kurvenverläufe reproduzierbar und auch bei verschiedenen, definierten Temperaturen beurteilt werden. Härtemessungen (allgemein) Ein Begriff, der trotz seines Namens zu den „schwammigsten“, d.h. am wenigsten exakt physikalisch zu beschreibenden gehört, ist die Härte. Als Härte kann man den statischen Widerstand einer Beschichtung bezeichnen, den sie einem in sie eindringenden Körper entgegensetzt; – in der Praxis bleibt diese Definition aber noch unzureichend. Charakterisierungsmöglichkeiten Im Lauf der Zeit haben sich verschiedenste Härtebegriffe entwickelt, die in ihren Aussagewerten

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Prüf- und Messtechnik

Tab. 8.1: Methoden zur Untersuchung der Elastizitäts- und Härteeigenschaften Eigenschaft

Prüfung

Elastizität/Verformbarkeit Tiefungsversuch, Dornbiegeprüfung Kugelschlagtest, Steinschlagtests Thermomechanische Analyse, Durchstoßverfahren Dämpfungshärte gemessen als Pendelhärte (Pendeldämpfung) oder Schaukelhärte: Aussage zum elastischen Verhalten, trotz des Namens Härte

Buchholz-, Knoop-, Ritz-, Bleistifthärte Eindringhärte (Mikro-Eindringhärte) Abriebtests 1)

Die Abriebfestigkeit wird allgemein der Härte zugerechnet, beinhaltet aber natürlich auch die Ursachen Gleitfähigkeit, Sprödigkeit etc.

1

durchaus nicht immer korrelieren. Um Missverständnisse zu vermeiden, sollte man daher nicht von der Härte schlechthin sprechen, sondern das Merkmal des Prüfverfahrens stets mit nennen (s.u.). Außerdem ist die Abgrenzung zwischen der Härte einerseits und der Elastizität und Verformbarkeit (Flexibilität) andererseits fließend (s. auch Tab. 8.1). Im Vorhergehenden wurde über schnelle und langsame Verformbarkeiten gesprochen. Im Grunde hängen auch die Tests auf „Dämpfungshärte“ hiermit zusammen; traditionell werden letztere jedoch meistens zu den „Härten“ gezählt. Unter geringer Härte – in diesem umfassenden Sinne – versteht man also eine starke Dämpfung von auf die Lackschicht aufgesetzten, sich bewegenden Körpern (wie Pendel) ebenso wie eine leichte mechanische Verletzbarkeit der Schicht durch spitze Gegenstände oder schließlich auch unzureichende Abriebfestigkeit der Lackierung. Die Elastizität einer Lackierung ist dagegen die Eigenschaft, eine durch äußere Einwirkung hervorgerufene Verformung rückgängig zu machen und die ursprüngliche Oberfläche wiederherzustellen. Daher ist diese – der Härte oft gegenläufige – Eigenschaft mit der Härte nach Möglichkeit optimal zu kombinieren. Nicht höchste Elastizität allein oder allein extreme Härte (Versprödungsgefahr!), sondern der geeignete Kompromiss ist anzustreben. Vor diesem Hintergrund und aufgrund steigender Anforderungen durch Kunden ist auch die Aktualität zahlreicher Bemühungen zu verstehen, selbstheilende Effekte mit neuen physikalischen und chemischen Methoden einzuführen. Rahmenbedingungen Bei allen Härtemessungen spielen der Untergrund sowie der Zustand und die Schichtdicke des Lackfilmes eine besonders große Rolle: Der Untergrund muss sehr eben und hart (Blech oder Glas) sein. Auch muss die Prüffilmoberfläche eben sein und frei von Verlaufsstörungen und Einschlüssen aller Art, sowie vor allem eine genügend hohe Schichtdicke (mindestens 30 µm) aufweisen, da sonst ein harter Untergrund eine zu gute Härte vortäuschen kann. Zu vergleichende Lackfilme sollen in ihrer Schichtdicke nicht mehr als 10 % voneinander abweichen. Da die meisten Beschichtungen mit zunehmender Temperatur und steigendem Feuchtigkeitsgehalt weicher werden, sollten Prüfungen, zumindest wenn die Ergebnisse dokumentiert und mit anderen Labors ausgetauscht werden, stets bei konstantem Prüfklima (möglichst: Normklima, d.h. 23 °C/50 % r. F., s. auch DIN EN 23 270) durchgeführt werden. Schwingungsmethoden zur Härtemessung Eine periodische Belastung liegt den Methoden zur Bestimmung der Dämpfungshärten zugrunde, z.B. der bekannten Pendel„härte“. Indessen prüfen sie an sich weniger eine Härteeigenschaft, sondern fordern eher das elastische Verhalten. Richtiger heißt es daher „Pendeldämpfung“. Periodische Beanspruchung zeichnet überhaupt die wesentlichen Elastizitätsprüfungen aus (und damit auch Prüfungen auf Vernetzung, Lösemittelretention etc.).

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Beschichtungsmerkmale nach der Applikation

Die Pendeldämpfung nach König oder Persoz (DIN EN ISO 1522) ist die bekannteste dieser Methoden. Bestimmt wird hier die Dämpfung der Schwingungen eines mit zwei Stützkugeln auf einem Lackfilm aufliegenden Pendels. Gemessen wird die Zahl der Schwingungen, bis eine bestimmte Schwingungsamplitude nicht mehr erreicht wird (in der Regel die Hälfte des Anfangswertes). Je weicher der Film ist, desto stärker werden die Pendelschwingungen gedämpft. Die beiden Verfahren nach König und Persoz unterscheiden sich hinsichtlich Pendelmasse und Durchmesser der Auflagekugeln, Pendelauslenkung und Schwingungsdauer. Angegeben wird die Pendeldämpfung als Zahl der Schwingungen oder (häufiger) als Schwingungsdauer in s, aus der Zahl der Schwingungen zu berechnen. Eine Schwingung mit der Anordnung nach König dauert 1,4 s, mit der nach Persoz 1 s. Der Schaukel(dämpfungs)härteprüfer nach Sward-Zeidler beruht auf einer ähnlichen Schwingungsmessung; es handelt sich um eine Art Rhönrad mit zwei ringförmigen Stahlkufen, durch Querstege verbunden. Auf den Kufen schaukelt das Rad hin und her, bis – wie bei der Pendeldämpfung – eine bestimmte Amplitude nicht mehr erreicht wird. Die Amplitude wird durch 2 Li­bellen mit Ringmarken (wie in einer Wasserwaage) gekennzeichnet. Beide Geräte, das zur Prüfung der Pendeldämpfung ebenso wie der Schaukelhärteprüfer, müssen regelmäßig kalibriert werden, z.B. mit Glas- oder Metallplatten, auf denen eine bestimmte Schwingungsdauer erreicht werden muss. Ritzhärtemessung Mit einem Ritzstichel (oder einer Schneide) wird die relativ praxisnahe Prüfung der Ritzhärte (Abb. 8.34) – unter Erhöhung der Eindrückkraft – durchgeführt, bis auf der Oberfläche ein bleibender Strich erscheint (DIN EN ISO 1518). Die erforderliche Eindrückkraft ist ein Maß für den Ritzwiderstand. Zu beachten ist allerdings der stark störende Einfluss der Oberflächenstruktur. Härteprüfstäbe verschiedener Hersteller dienen nach ähnlichem Prinzip zur schnellen Härteprüfung auch auf gekrümmten Oberflächen. Im Prüfstab drückt eine justierte Feder, deren Kraft verstellbar ist, auf eine Gravierspitze, die aus dem Stift herausragt. Der Prüfstab wird senkrecht, mit einer bestimmten Geschwindigkeit, über den Prüfling gezogen, bis bei einer abzulesenden Federspannung eine Ritzspur hinterbleibt. Die Prüfung ist eher ungenau und fehlerträchtig. Beim Bleistiftverfahren werden verschiedene Bleistifte unterschiedlicher Härtegrade unter konstantem Druck und mit einem definierten Winkel von 30° bis 45° über den Prüfling geführt, in Richtung der Bleistiftspitze. Wenn – bei zunehmend härteren Bleistiften – ein sichtbarer Eindruck hinterbleibt, wird die Bezeichnung des Bleistiftes als Härtewert („Bleistifthärte“) angegeben. Die Härteskala der Bleistifte steigt in der Reihenfolge 6B–B, HB, F, H, 2H–9H an. Der Nano-Scratcher ist sicherlich die derzeit beste Methode, und sie funktioniert nach dem gleichen Prinzip, aber mit extremer Empfindlichkeit bei sehr genauer Dosierung von Eindrückkraft und Geschwindigkeit. Abhängig von diesen Vorgaben kann die Kratztiefe ebenso wie die Art der Beschädigung sehr genau beobachtet werden (Abb. 8.35). Die recht aufwendige Technik erlaubt auch die Verfolgung der Rückverformung, und zwar in Korrelation zur Kratztiefe. Eindringhärteprüfung Zur Ermittlung der Eindringhärte wird

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Definierte Kraft (Gewicht)

Definierte Geschwindigkeit

Lackschicht

Substrat

Abb. 8.34: Prinzip der Ritzhärtemessung nach Clemen

Abb. 8.35: Ritzspur des Nano-Scratchers

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generell die Eindringtiefe von definierten Prüfkörpern in die Lackschicht gemessen, und zwar innerhalb einer bestimmten Zeit und unter einer bestimmten Last. Die „Buchholz“-Methode (DIN EN ISO 2815), bei der ein konisch-spitzer Prüfkörper (Schneide eines Rades) einen spindelförmigen Eindruck hinterlässt, gilt als bekannteste Eindringhärteprü­ fung. Dazu steht das 500 g schwere Prüfgerät 30 s auf der Prüfoberfläche, und weitere 35 s spä­ter wird mit einem Messmikroskop die Eindrücklänge l (in mm) gemessen. Daraus ergibt sich die „Buchholz-Härte“ in mm oder auch in Form des Ausdruckes 100 mm    l Die Tukon-Härteprüfung liefert eine „verfeinerte“ Buchholz-Härte, allerdings mit einem Prüfdiamanten mit rhombischem Querschnitt und pyramidaler Endfläche, der mit einer relativ geringen Kraft eingedrückt wird. Die Messwerte werden als „KHN“ (Knoop Hardness Number) angegeben. Im Vickers-Verfahren (DIN EN ISO 4516) dringt eine Messpyramide unter Last ein und wird wieder zurückgefahren; man bewertet das Verformungsbild. Das erlaubt auch Aussagen zur Elastizität und Kohäsion. Die Mikroeindringhärte-Prüfung nach Fischer (auch: Universalhärte) ist noch aussagekräftiger. Bei dieser Methode (nach DIN EN ISO 14577-1) dringt ein kleiner, pyramidenförmiger Diamant mit quadratischer Grundfläche unter gleichzeitiger Kraftmessung in die Lackschicht ein und wird dann wieder zurückgefahren. Diese sehr genaue und sensorisch feine Messmethode ist schon anwendbar bei Schichtdicken ab 2 µm (wenn die maximale Eindringtiefe nicht mehr als 10 % der Schichtdicke beträgt). Man erhält so eine Aussage nicht nur zum Eindringwiderstand, sondern gleichzeitig zum gesamten visko­elastischen Verhalten (elastische und bleibende Anteile der Verformung, Elastizitätsmodul). Beispiele für die Anwendung gerade dieser genauen Härtemessung sind: • Eindringwiderstand von Bindemittelfilmen oder pigmentierten Beschichtungen • Elastischer Verformungsanteil, im Zusammenhang etwa mit der Steinschlag- und der Waschstra­ ßenbeständigkeit („Reflow-Effekt“!) • Tiefenabhängiger „Federanteil“ (Identifizierung von zum Beispiel Lösemittelretentionen innerhalb der Lackschicht); zum mechanischen Verhalten von Polymeren s. → 2.1.1.10 • Zeitliche und örtliche Verfolgung der Vernetzungsdichte • Eindringtiefe von Chemikalien bei Beständigkeitsprüfungen des Lackfilmes Am Beispiel einer 2K-Klarlack-Vernetzung zeigt Abb. 8.36 den Einfluss des stöchiometrischen NCO/OH-(d.h. Stammlack/Härter-) Verhältnisses auf die Eindringhärte des getrockneten Films. Deutlich zu erkennen ist bei der Untervernetzung (zu geringe Härter-Zugabe) die größere Eindringtiefe – bei gleicher Kraft – im Vergleich zum korrekt vernetzten Klarlack. Gleichzeitig ist der jeweils zwischen Hin- und Rückkurve entstandene Abstand ein Maß für den Fließanteil der Verformung. Je geringer der Fließanteil, desto größer ist der elastische Anteil. Letzterer ist kennzeichnend für eine gute Vernetzung. Abriebfestigkeitsprüfungen Die Abriebfestigkeit von Beschichtungen wird meistens mit reibenden Flächen oder mit Sand selbst getestet, und anschließend wird gravimetrisch der entstandene Massenverlust, manchmal auch der Glanzverlust, gemessen. Beim Sandstrahlabrieb nach Stock gelangt das Abriebmittel im freien Fall auf den schräg befestigten Prüfling. Als Maß für die Abriebfestigkeit wird die Menge Sand angegeben, die für den Abrieb bis zum Untergrund notwendig ist. Beim weit verbreiteten Taber-Abraser rotieren zwei Reibrollen auf dem sich drehenden Prüfling, wobei je nach Abrieb unterschiedliche Reibkörper benutzt werden. Im Gerät nach Weinmann-

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Eindringtiefe [µm] Untervernetzung

20

15

Vernetzung 1:1

10

5 Kraft [mN] 0 0

50

100

150

200

250

Abb. 8.36: Einfluss des Vernetzungsverhältnisses auf die (Mikro-)Eindringhärte

Bosch wird ein mit Sandpapier bespanntes Reibrad, angetrieben von einer Exzenterscheibe, über eine Oberfläche geschoben und mit jedem Doppelhub etwas weitergedreht, damit immer frische Reibfläche zur Verfügung steht. Das Scheuergerät nach Gardner dient zur Bestimmung der Wasch- und Scheuerbeständigkeit von z.B. Innen-Wandfarben nach DIN EN 13300. Dabei wird ein mit einem Schleifpad unterlegter Klotz mit maschinellen Scheuerbewegungen auf dem Prüfling hin und her bewegt. Nach Beendigung einer definierten Zahl von Scheuerzyklen wird das Schadensbild optisch ausgewertet, oder es wird nach Erreichen eines bestimmten Scheuerbildes als Kennwert die Zahl der Scheuerzyklen festgehalten. Die Kratzfestigkeit von Autolacken (Waschstraßenbeständigkeit) ist besonders bei AutomobilDecklacken von Bedeutung. Um die Vielzahl der früheren „Hausmethoden“ durch eine allgemein anerkannte Prüfmethode hoher Praxisnähe zu ersetzen und auch Prüf- und Entwicklungskosten zu reduzieren, wird die maschinelle Fahrzeugreinigung gemäß DIN EN ISO 20566 in einer Waschanlage mit rotierenden Bürsten unter Verwendung von Quarzmehl-Suspension als definiertem Schmutz simuliert. Die lackierten Prüfbleche werden dazu auf einem Probentisch fixiert und während des Tests unter einer rotierenden Waschbürste mit definiertem Abstand und definierter Geschwindigkeit hin- und herbewegt. Nach Durchlaufen der Waschzyklen werden die Prüfplatten gereinigt, und der Restglanz dient im Verhältnis zum Anfangsglanz als Maß für die Kratzfestigkeit. Daneben wird im Labor auch oft zunächst mit Stahlwolle auf Kratzfestigkeit geprüft. Das Crockmeter wird in der Auto- und allgemein der Beschichtungsindustrie verwendet, aber auch in der Textilindustrie. Hier wird ein Stück Gewebetuch o.ä. über einen Zapfen mit definiertem Gewicht gespannt. Mithilfe eines Kurbelmechanismus wird der Block hubartig über die Prüffläche geschoben. Das Testgewebe kann mit flüssigen Medien getränkt werden. Das Crockmeter kann manuell oder automatisch betrieben werden. Mit dem manuellen Gerät werden 10 bis 100 Abriebhübe durchgeführt, mit dem Automatikgerät bis zu 2000 Hübe. Nach der Prüfung wird z.B. der Glanzverlust der abgeriebenen Fläche oder die Verfärbung des scheuernden Materials beurteilt. Blockhärtebestimmung Blockhärte-Prüfer (heute mangels weiterer Produktion meistens Eigenbauten) werden zur Bestimmung der Blockfestigkeit (Abdruckfestigkeit bzw. Resistenz gegen Zusammenkleben) von Dispersionsfarben und -lacken, Druckfarben, Emballagenlacken, Coil Coating-Beschichtungen, Holzlackierungen u.a.m. eingesetzt. Die Blockfestigkeit wirkt sich besonders auf die Stapelfähigkeit von (frisch) beschichteten Materialien aus, beeinflusst also stark die rasche Weiterverarbeitbarkeit und den Durchsatz solcher beschichteter Werkstücke und Papiere.

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Variable Belastung

Drehpunkt

Prüfblech, unterseitig beschichtet und fixiert Prüfblech, oberseitig beschichtet, wird nach unten gedrückt

Abb. 8.37: Prinzip der Blockhärte-Prüfung

Abb. 8.37 zeigt schematisch ein technisch angewandtes Prinzip (s. auch DIN EN ISO 9117-6): Je weiter sich das Gewicht weg vom Drehpunkt hin zum Prüfling bewegt, desto größer wird die Kraft, die auf den unteren Teil der zuvor verblockten (unter Last unfreiwillig verklebten) Probe drückt. Im Augenblick der Trennung (Enthaftung) der beiden Teilstücke wird der Vortrieb des Gewichtes gestoppt und die Position abgelesen.

Porenanalyse Ein Einbrennen der Lackschicht bei zu hohen Temperaturen oder der Einsatz ungeeigneter Lösemittel im Lack kann bewirken, dass das Abdunsten der Lösemittel nach der Applikation nicht mit der beabsichtigten Geschwindigkeit geschieht, sondern von der Filmbildungs- und/oder Vernetzungsreaktion überholt wird. Das hat manchmal Kocher, Blasen, Nadelstiche etc. zur Folge. Auch eingeschlossene Luftblasen und eine hohe Strukturviskosität („Stockigkeit“), z.B. eines hochgefüllten Grundmaterials, können dafür verantwortlich sein, ebenso ein Entweichen von Luft oder Feuchtigkeit aus einem porösen Untergrund. Porenfreiheit wird überall dort gefordert, wo ein Kontakt mit aggressiven oder empfindlichen Füllgütern eine dichte Oberfläche erfordert oder eine besondere Korrosionsfestigkeit verlangt wird. Porensucher nach DIN 55 670 bieten eine Methode, die Anfälligkeit eines Lackes für diese Erscheinungen zu prüfen. Eine ideal getrocknete Lackierung stellt – auch wenn sie pigmentiert ist – makroskopisch ein homogenes Dielektrikum mit einer hohen Dielektrizitätskonstanten (DK) dar (Voraussetzung: Nichtleitende Beschichtung). An den Stellen aber, an denen sich Kocher oder Nadelstiche befinden, sinkt die DK auf etwa 1 ab. Benutzt man jetzt den Lackfilm, auf Metall aufgetragen, als Dielektrikum eines Kondensators, so kann die elektrische Durchschlagsspannung ermittelt werden. Da die elektrische Feldstärke bei konstanter angelegter Kondensatorspannung der DK umgekehrt proportional ist, führen die Fehlstellen zum Durchschlag, falls eine Spannung genügender Höhe anliegt. Das Blech als Substrat (auch Beton) stellt dabei die eine Elektrode des Kondensators dar. Die andere Elektrode ist ein Wischerblatt aus graphitiertem Gummi oder ein feiner Metallbesen. Bei angelegter Spannung zwischen Blech und Wischer kann die Probefläche abgefahren und auf Durchschläge hin beobachtet werden. Einen Durchschlag erkennt man sowohl an schwarzen Punkten auf der (möglichst hellen) Fläche als auch an optischen und evtl. akustischen Signalen im Gerät. Derartige Porensucher werden heute automatisiert mit elektronischem Durchschlägezähler angeboten. Die angelegte Spannung kann je nach Schichtdicke zwischen 200 V und 15 kV variiert werden, bei sehr großen Schichtdicken auch als Impulse bis 35 kV. Wegen der eingebauten Stromstärkebegrenzung ist die Handhabung dieser Geräte (ähnlich wie bei der elektrostatischen Lackierung) trotzdem ungefährlich. Nach der Schwamm-Methode mit Leitfähigkeitsdetektoren arbeiten andere Geräte. Erfasst werden hierbei Widerstandsunterschiede zwischen der isolierenden Beschichtung und wassergefüllten Poren. Als Prüfsonde dient dabei ein angefeuchteter Schwamm. Als Spannungsquelle dient hier eine 9 V-Batterie.

8.6.4 Licht- und Wetterbeständigkeiten Bei den bislang beschriebenen Prüfmethoden und Beschichtungseigenschaften handelte es sich weitgehend um rein physikalische Beanspruchungen und Beständigkeiten. In diesem Abschnitt werden diejenigen Angriffe und auch die Ursachen für Schädigungen bzw. Resistenzen erörtert, die sich dem chemischen Bereich zuordnen lassen, d.h. mit chemischen Veränderungen an der Oberfläche und/oder im Inneren der Lackschicht. Sie machen sich dann bemerkbar in:

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• Glanz- und Farbänderung • Riss- und Blasenbildung • Quellung oder Schrumpfung oder • Änderungen der technologischen Eigenschaften, wie Härte, Haftfestigkeit oder Korrosionsschutz. Freibewitterungen Zur Prüfung aller genannten Beständigkeiten muss zunächst stets unter Praxisbedingungen, d.h. in fertigungsüblicher Weise, ein Prüfling hergestellt und (meistens künstlich) gealtert werden, um sicherzustellen, dass Nachvernetzung und/oder Lösemittelnachabdunstung ebenfalls den Praxisbedingungen entsprechen. Gerade auch für diese Beständigkeitsprüfungen gilt: Die Ergebnisse sind umso aussagekräftiger, je genauer die Prüfbedingungen denen der Praxis, also dem Einsatz bei Sonne und Wet­ter, entsprechen. Letztere Bedingungen sind allerdings bekanntermaßen nicht überall gleich, und so gibt es für die Freibewitterung (s. auch DIN EN ISO 2810; Holz: DIN EN 927) zahlreiche Bewitterungs­stationen weltweit, die mit Proben je nach Anforderung und Kundenspezifikation belegt werden, oft parallel mit denselben Lackieraufbauten. Bewitterungszonen Typische Stationen bzw. Klimazonen mit jeweils charakteristischen Wetterdetails sind: • Mitteleuropa/Binnenland: z.T. Industrieatmosphäre • Nordseeküste: Salzhaltige Seeluft • Alpen: Verstärkte UV-Einstrahlung • Florida: Feuchtes, relativ gleichmäßig warmes Tropenklima • Arizona: Trockenes, aber heißes Wüstenklima mit starken Temperaturschwankungen und hoher UV-Strahlung • Australien: Im Norden Tropenklima, im Süden extreme UV-Einstrahlung mit starkem kurzwelligen Anteil (UV-B) Zeitraffung Der Verkürzungfaktor für die Sonneneinstrahlung liegt in Florida bei ca. 50 %, d.h. 1 Jahr Beanspruchung in Florida entsprechen ca. 2 Jahren in Mitteleuropa. Hierbei handelt es sich um einen Mittelwert, von dem aktuelle Resultate je nach Wetterlage, jahreszeitlichem Beginn und auch nach der Chemie der Lackierung deutlich abweichen können! Je nach Autor und nach speziellen Erfahrungen wird z.T. mit deutlich anderen Korrelationsfaktoren bewertet, wenn nicht sogar ganz darauf verzichtet wird. Durchführungsvarianten Entsprechend dem Breitengrad werden die Prüflinge meistens mit unterschiedlichem Neigungsgrad ausgelegt (zur maximalen Strahlungsausnutzung), und zwar starr oder dem Sonnenstand nachfahrbar. Bei flachem Auslegewinkel, d.h. geringer Neigung (z.B. 5° in Florida), muss regelmäßig der sich ansammelnde Staub abgewaschen werden. Solche Maßnahmen, also ein Abwischen oder eine Glanzmessung ohne Abwischen, müssen auf jeden Fall dokumentiert werden. Wenn die Prüflinge mit einer sog. „Black Box“ unterlegt werden (einem schwarz gestrichenen Kasten), resultiert eine höhere Temperatur für die Prüfbleche, verbunden mit schnellerem Lackabbau. Zusätzlich kann sogar beheizt werden („Heated Black Box“, „HBB“). Das in Arizona verfügbare Gerät „EMMA®“ (Equatorial Mount with Mirrors for Acceleration) benutzt Spiegel zur Verstärkung der Sonneneinstrahlung auf die Prüfbleche. Da hier aber die gleich­zeitig notwendige Befeuchtung zu sehr in den Hintergrund tritt, und daher zuwenig hydrolytischer Filmabbau stattfindet, wird beim analogen „EMMAQUA®“ noch zusätzlich mit entsalztem Wasser besprüht.

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Kurzbewitterungen Die genannten Außenbewitterungen werden v.a. von der Automobilindustrie grundsätzlich gefordert. Als entwicklungsbegleitende Prüfungen für neue Rohstoffe oder Lackrezepturen sind sie natürlich viel zu langsam. Sie müssen daher durch Kurzbewitterungen und Einsatz künstlicher Belichtungsquellen ergänzt werden, die möglichst schon nach wenigen Wochen zumindest eine Trendaussage erlauben sollten. Hierbei hat man stets zu beachten: Eine verlässliche Korrelation zur Freibewitterung ist nicht immer gegeben! Als Belichtungsquellen dienen Xenon-, Fluoreszenz-, Metallhalogenid- oder in der Vergangenheit Kohlelichtbogenlampen, die stets kontrolliert und regelmäßig erneuert werden müssen, da sie sich hinsichtlich der spektralen Zusammensetzung der Strahlung ständig verändern. Zusätzlich sollen sie oft mit optischen Filtern betrieben werden, da die primäre Strahlung, speziell die unter 300 nm, zu energiereich ist und praxisfremde Lackschädigungen hervorruft. Bewitterungsgeräte Einige der bekanntesten Geräte zur Kurzbewitterung werden – ohne Anspruch auf Vollständig­keit – im Folgenden kurz beschrieben. Die Weather-O-Meter („WOM“) und die Xenontest -Geräte (gemäß DIN EN ISO 16474-1) von ATLAS sind hier z.B. zu nennen. In den Geräten drehen sich die Prüflinge, an einer Trommelinnenseite angebracht, um die Strahlungsquelle, unterbrochen von Dunkelphasen. Zeitweise werden sie dabei zur Beschleunigung des hydrolytischen Abbaus in bestimmten, von Spezifikation zu Spezifikation unterschiedlichen Zyklen mit Wasser besprüht. Temperatur, rel. Feuchte und Strahlungsintensität werden ständig verfolgt und ggf. nachgesteuert. Ein heute wichtiger Strahlungs- und Befeuchtungszyklus ist der „CAM 180“-Test, der in den USA entwickelt wurde (US-Norm Draft SAE J-1960) und eine relativ gute Übertragbarkeit der Ergebnisse auf die Außenbewitterung erlaubt. Das UV-CON-Gerät (ATLAS) und das Q.U.V.-System (Q-Panel Lab Products) arbeiten mit der UV-Strahlung von unterschiedlichen Leuchtstoffröhren und ebenfalls mit Befeuchtung (s. auch DIN EN ISO 16474-1). Sie sind – in ihrem Betrieb mit UV-B-Leuchtröhren – wegen dieser etwas härteren UV-Strahlung nicht für Einschicht-Unilacke geeignet (Pigmentveränderungen!), erlauben aber bei Klarlacken eine rasche Prüfung vor allem auf Rissbildung. Teilweise werden sie auch mit UV-A-Röhren betrieben, sind dann also weniger aggressiv. Lichtechtheitsprüfung Die Lichtechtheit von Anstrichfarben für Innenanstriche und von anderen Materialien, z.B. Textilien, wird mit einer definierten Lichtquelle, mit der Wollskala als Vergleichsmaßstab, ermittelt (s. auch DIN EN ISO 105). Kreidungsprüfung Die Kreidungsprüfung schließt sich oft an eine Bewitterung an und steht dann neben Glanzund Haftungsprüfungen. Zu ihrer Durchführung wird mit einer klebrigen Fläche ein „Abdruck“ angefertigt, auf dem die wegen des photochemischen Bindemittelabbaus nun lose aufliegenden Pigmentteilchen wiederzufinden sind und sichtbar werden. Nach Kempf (E DIN 53159) wird dazu die gequollene Gelatineseite von Fotopapier benutzt, bei der Klebebandmethode (DIN EN ISO 4628-6) wird analog verfahren. Wechseltemperaturbeständigkeit (von Möbeloberflächen) Bei beschichteten Holzoberflächen verursachen Temperatur- und Feuchteschwankungen hohe mechanische Spannungen, die zu Lackrissen oder Lackenthaftungen führen können. Dabei haben sich zur Prüfung der Wechseltemperaturbeständigkeit spezielle Cold-Check-Tests bewährt. Hierbei findet über viele Zyklen eine Wechsellagerung der Proben mit abruptem Wechsel von beispielsweise +60 °C und –20 °C statt. Eine zyklische Beanspruchung mit linear verlaufenden Abkühlungs- und Erwärmungsphasen, sowie Haltezeiten bei hohen und niedrigen Temperaturen führt zu einer Optimierung des Prüfverfahrens.

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Je  nach  Prüfanordnung  können  die  Betriebssysteme  Salznebel  [S],  Kondenswasser  [K],  Raum­  [B],  Warmluft  [W]  und  Schadgas  [G]  sowie  geregelte  relative  Luftfeuchte  [F]  einzeln  oder  kombiniert  (Wechsel­ testprüfungen)  in  über  70  Varianten  kombiniert  werden.  Optional  sind  Prüfklimate  bis  ­20°C  (niedrigere  Temperaturen  auf  Anfrage)  und  Beregnungsphasen  (z.B.  Volvo  STD  423  und  Ford  CETP:  00.00­L­467)  problemlos  möglich.  Die  Geräte  sind  intuitiv  bedienbar,  wahlweise  als  praktische manuelle bzw. komfortable automatische Lösung.

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Korrosionstests Korrelation zur Praxis Für Korrosionsschutzprüfungen gibt es in noch geringerem Ausmaß als bei der Bewitterung eine Korrelation zu Freiluftversuchen. Der Grund liegt in einer starken zeitlichen Verzerrung der Vorgänge, die bei der Korrosion ablaufen, bzw. anderer, die diese verhindern können. Bei der atmosphärischen („natürlichen“) Korrosion zeigen viele Korrosionsschutzbeschichtungen einen „Retard“-Effekt, d.h. die enthaltenen Korrosionsschutzpigmente setzen allmählich bestimmte Ionen (Zink, Phosphat u.a.) frei, und zwar in dem Maß, wie sie auch bei der Freiluftprüfung verbraucht werden; andere, korrosionsfördernde Stoffe werden z.T. über Ionenaustauscheffekte eliminiert. Bei zu schnellen Korrosionstests halten diese Prozesse nicht Schritt mit dem aggressiven Voranschreiten der Korrosion, und so bekommt man teilweise deutlich schlechtere Ergebnisse als in der Praxis. Trotzdem sind Korrosionskurzprüfungen notwendig und auch zulässig, um rasche Vergleiche innerhalb eines bestimmten Systems anstellen oder auch Fehlstellen in der Beschichtung entdecken zu können. Korrosionsprüfungen werden normalerweise in einer genau festgelegten Prüfzeit durchgeführt. Dabei ist die Belastungszeit relativ willkürlich einer Kundenforderung oder der Qualität einer organischen Beschichtung angepasst. Beim späteren Vergleich der Korrosionsschutzeigenschaften kann der Zeitfaktor dann zu Problemen bei der Bewertung führen. Abb. 8.38 zeigt, schematisch übertrieben, den zeitlichen Verlauf des Korrosionsangriffs bei drei verschiedenartigen Schutzlacken. Der Angriff kann über der Zeit linear, exponentiell oder logarithmisch mit unterschiedlichen Inkubationszeiten erfolgen. In dem Beispiel würden bei einem mittleren Zeitpunkt alle drei Lacke gleich beurteilt werden. Zum früheren Zeitpunkt würden die Lacke in der Reihenfolge A,B,C beurteilt werden. Die Beurteilung nach langer Prüfzeit wäre genau umgekehrt. Die Salzsprühnebelprüfung (Salzsprühtest, SST) nach DIN EN ISO 9227, ASTM B 117 ist der bekannteste Test dieser Art, wobei in der Salzsprühkammer – meistens über 3 bis ca. 30 Tage – bei erhöhter Temperatur eine Salzlösung kontinuierlich versprüht wird. Die Testtafeln werden meistens vorher angeritzt. Beurteilt werden (nach DIN EN ISO 4628) die Rostbildung (mit Unterwanderung) und die Blasenbildung (in der DIN-Norm nach Menge und Größe der entstandenen Blasen klassifiziert). Zwei aggressivere Varianten werden im sauren Milieu (pH 3,1 bis 3,3) bzw. sogar mit zusätzlichem CuCl2-Einsatz durch geführt (ASS bzw. CASS). Dass der SST zu aggressive Bedingungen beinhaltet und eher zum Auffinden von Fehlstellen geeignet ist, zeigt auch die Aussage des ASTM Komitees G1 für die Korrosion von Metallen: Ergebnisse von Salzsprühprüfungen nach ASTM B 117 stimmen selten mit dem Verhalten in natürlichen Umgebungen überein. Bei der Kondenswasserklimaprüfung (auch: Feucht/warm-Test oder Schwitzwasserprüfung genannt) nach DIN EN ISO 6270 führt eine hohe Luftfeuchtigkeit bei erhöhter Temperatur (meistens 40°C) zu ständiger Kondenswasserbildung auf dem Prüfling. Je nach Variante kann man noch nach Konstantklima und Temperatur-FeuchteWechselklima unterscheiden. Zwischendurch sind meistens Regenerationsphasen geschaltet, um auch die Fähigkeit der Lackes zur „Erholung“ zu testen bzw. auszunutzen.

Abb. 8.38: Korrosionsverlauf bei Anwendung verschiedener Schutzlacke

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Der Kesternich-Test, eine Beanspruchung im Kondenswasser-Wechselklima mit schwe­ feldioxid­haltiger Atmosphäre nach DIN EN ISO 3231 wird seltener angewandt, weil die Er­ gebnisse meistens sehr realitätsfern ausfallen.

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Der Test hat schon so manches gute Lacksystem ungerechtfertigt in Verruf gebracht. Für die Prüfung auf Beständigkeit gegenüber Industrieatmosphären besitzt der Test allerdings noch Bedeutung. Der Klima-Wechseltest nach VDA 621-415 („VDA-Wechseltest“) ist eine Kombination aus Salzsprühnebel-, Kondenswasserklimatest und Ruhephasen und wird v.a. für Automobillackierungen eingesetzt, inzwischen auch in anderen Industriebranchen. Er liefert realistischere Ergebnisse als der reine Salzsprühtest, ganz besonders auf Nichteisen-Untergründen wie Zink oder verzinktem Stahl. Ein neuer Laborwechselklimatest, entwickelt von der Automobil-, Stahl- und Aluminiumindustrie, liefert reproduzierbarere, praxiskonforme Korrosionsergebnisse an Lackverletzungen und in geflanschten Bereichen. Er soll zu einem in ganz Europa akzeptierten Korrosionstest werden. Anders als VDA 621-415 beinhaltet er eine Tieftemperaturphase, eine Feuchtigkeitskontrolle und eine Kältephase (-15 °C). Er besteht aus drei unterschiedlichen Zyklen, dem Salzsprüh-, dem Begutachtungs- und dem Kältezyklus Die Filiform-Korrosion ist auf Stahl, vor allem aber auf Alu-Legierungen als die Ausbildung eines „filigranen“ Netzwerks dünner Fäden als Orte der Enthaftung unter der Beschichtung bekannt; die Erscheinungsform ähnelt dem Fraßbild des Borkenkäfers. Im Flugzeugbau und auch z.B. bei lackierten Fensterprofilen wird diese spezielle Korrosionsart als ausgesprochener Kurzzeitschaden gefürchtet. Voraussetzungen für die Filiformkorrosion sind Schwachstellen in der Beschichtung, Salz als Starter und ein definiertes Klima, wobei die rel. Luftfeuchtigkeit unbedingt zwischen 65 % und 95 % liegen muss. Geprüft wird nach DIN EN ISO 4623: Nach einem Anritzen und Animpfen mit Salz oder Salzsäuredämpfen erfolgt eine Auslagerung im Klimaschrank bei 40 °C und 80 % rel. Luftfeuchtigkeit. Die Wasserlagerung ist eine einfache Prüfung zur Simulation des Feuchtigkeitseinflusses (nach DIN EN ISO 2812). Durch die Einlagerung in temperiertes demineralisiertes Wasser kann es neben anderen Oberflächenveränderungen zur Blasenbildung und zum Haftungsverlust der Beschichtung kommen. Bei den Blasen handelt es sich meistens um „osmotische Blasen“, d.h. um Blasen, die durch Osmose beim Vorhandensein von Salzen und Verunreinigungen auf der Blechoberfläche entstehen können. Wichtig ist ein nur teilweises Eintauchen der Prüflinge, da die Schäden in der Gegend der Wasseroberfläche besonders stark und kennzeichnend sind. Prüfung auf Chemikalienbeständigkeit Die Belastung organischer Beschichtungen durch Chemikalien nimmt in der Lackprüftechnik einen großen Raum ein. So müssen z.B. im Behälterbau für die chemische Industrie Innenauskleidungen beständig gegen aggressive Medien wie Säuren und Basen sein. Heizkörper, lackierte Schränke und Labormöbel müssen ebenfalls eine hohe Beständigkeit gegen unterschiedlichste Chemikalien aufweisen. Bei Haushaltsgeräten und -möbeln werden diverse Beständigkeiten Lebensmittel und Reiniger getestet. In der Automobilindustrie sind die Anforderungen noch vielfältiger. Hier werden Beständigkeiten gegenüber Betriebs- und Prozessstoffen wie Mineralölprodukten, AutoChemikalien, Industrieschmutz, aber auch gegen Atmosphärilien, natürliche aggressive Stoffe, Baumharz und andere gefordert. Die Auswertung wird i.d.R. visuell durchgeführt. Testmedien Zur Prüfung auf Chemikalienbeständigkeit müssen für eine gute Reproduzierbarkeit und Vergleichbarkeit stets definierte Stoffe (Reinheit, Konzentration etc.) verwendet werden. Einige typische, oft verwendete Prüfflüssigkeiten sind: • Kraftstoffe, Schmiermittel, Bremsflüssigkeit, Frostschutzmittel, Ölruß • Teer und Teerentferner • Insektensaft, Vogelexkremente, Baumharze, Pankreatin • Reiniger aller Art, Konservierungsmittel • Salzsäure, Schwefelsäure, Natronlauge

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• Haushaltschemikalien, Alkohol, Sonnenschutzmittel, Kosmetika • Nahrungsmittel wie Fruchtsaft, Tomatensaft, Coca Cola, Ketchup, Fette und Öle • Pilz- und Bakterienkulturen (bei der Holzlackierung) Durchführungsvarianten Die genannten Prüfstoffe lässt man entweder bei Umgebungstemperatur oder bei ansteigend höheren Temperaturen (z.B. auf einer Temperatur-Gradientenbank) auf den Prüfling einwirken und untersucht dann die schon bei der Prüfung auf Wetterbeständigkeit genannten Auswirkungen in Abhängigkeit von der Einwirkzeit und -temperatur (s. auch DIN EN ISO 2812). Im VDA-Prüfblatt 621-412 werden Prüfungen für die Automobilindustrie beschrieben; sie haben aber auch schon Eingang in andere Branchen gefunden.

8.7 Lack- und Lackierschäden Unter die Begriffe Lack- und Lackierschäden fällt eine Vielzahl von Schadenserscheinungen mit unterschiedlichster Herkunft bzw. Ursache. Dazu gehören • Feldschäden, hervorgerufen durch biologische, chemische (auch industrielle) und Bewitte­ rungseinflüsse • Mechanische Schäden durch Schmutzeinflüsse, Steinschlag, Kratzer etc. und • Lackierfehler, wobei die Ursachensuche – ob eher der Lackhersteller oder der Lackierer die Verantwortung für einen Schaden trägt – oft schwierig ist oder gar nicht zu eindeutigen Ergebnissen führt. Schadensursachensuche In Tab. 8.2 ist exemplarisch mit einigen Beispielen erläutert, wie Lackierschäden sowohl von ungeeignetem Lackmaterial als auch von falscher Anwendung herrühren können. Tab. 8.2: Auswahl von Lackierschäden mit möglichen Ursachen Lackierschaden Lackierschaden

Ursache liegt im im Ursache liegt Lackmaterial Lackmaterial

Verarbeitungsbereich Verarbeitungsbereich

Benetzungsstörungen

• zu hohe Oberflächenspannung, • Verunreinigungen

• ungenügend gereinigte oder • vorbehandelte Oberfläche • (Fettreste o. ä.)

Kocher/Blasen

• ungeeignete Lösemittel • „stockiges“ Fließverhalten

• zu hohe Naßfilmdicke • zu schnelles Aufheizen im • Trockner • zu geringer Abstand des • IR-Strahlers

Schleifriefenmarkierung

• ungenügende „Fülle“ des Lackes • ungeeignete Pigmentierung

• zu grobes oder verschmutztes • Schleifpapier • zu geringe Schichtdicke

Hochziehen/Runzeln

• ungeeignete Lösemittel

• zu nasses Lackieren • zu hohe Schichtdicke

Läuferbildung

• zu geringe Fließgrenze

• nasses Lackieren • zu hohe Schichtdicke

Farbton stimmt nicht

• fehlerhafte (Misch-)Lacke

• Einwaagefehler • unsaubere Spritzpistole • zu geringe Schichtdicke • (nicht deckend)

Schmutzeinschlüsse

• Stippen • Flusen im Lack • zu geringe Lagerbeständigkeit

• Staub in der Kabine • ungenügende Reinigung, • Spritznebel

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Literatur

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In vielen Fällen helfen analytische Methoden bei der Ursachensuche weiter. Vor allem die Mikroskopie mit fotografischer Dokumentation hat sich inzwischen bei zahllosen Problemen bewährt. Neben der traditionellen Querschnitts- bzw. Querschlifftechnik (s. auch → 8.6.1), die zusätzlich Messungen der Schichtdicken erlaubt, helfen auch spezielle Ausleuchtungstechniken bei der Aufsichtmikroskopie weiter. Neuartige Schadensanalyse-Methoden Die FTIR-Mikroskopie („IR-Mikrosonde“) ersetzt in einem mikroskopischen Apparat das sichtbare Licht durch IR-Strahlung und misst – wie bei der klassischen IR-Spektroskopie – die Absorption von IR-Licht in einer Probe, hier jedoch im mikroskopischen Bereich, auf Probeflächen im µm2Bereich. So können Einschlüsse und andere Fehlstellen selektiv angesteuert und IR-spektroskopisch hinsichtlich chemischer Gruppen, Bindemittel- oder Pigmenttyp etc. analysiert werden. Die Laser-Mikrosonde („LAMMA“) arbeitet weit aufwändiger: Mit einem Laserstrahl wird Ma­­terial atomisiert und z.T. ionisiert; dabei können die meisten chemischen Elemente identifiziert werden.

8.8

Quellen und weiterführende Literatur zu Kapitel 8

[1]

A. Berger-Schunn: Praktische Farbmessung, Muster Schmidt-Verlag, Göttingen 1991

[2]

R. Dietrich: Instrumentelle Lackanalytik, Vincentz Network, Hannover 2006

[3]

A. Goldschmidt und H.-J. Streitberger: BASF-Handbuch Lackiertechnik, Vincentz Network Hannover, 2014

[4]

S. Federl (Hrsg.): Malerlexikon, Callwey, München 2009

[5]

P. von den Kerkhoff, H. Haagen: Lackschadenkatalog, Vogel Verlag, Würzburg 1995

[6]

H. Kittel: Lehrbuch der Lacke und Beschichtungen,Bd. 10, Analysen und Prüfungen (Hrsg. H.-D. Otto), S. Hirzel Verlag, Stuttgart 2006

[7]

J.V. Koleske (ed.): Paint and Coating Testing Manual: 15th ed. Of the Gardner-Sward Handbook, BYK-Gardner USA 2012

[8]

G. Meichsner, Th. G. Mezger und J. Schröder: Lackeigenschaften messen und steuern, 2. Aufl., Vincentz Network, Hannover 2016

[9]

Th. Mezger: Das Rheologie-Handbuch, Vincentz Network, 5. Aufl., Hannover 2016

[10] RömppOnline Lexikon, mit updates, s. www.roempp.com [11] J. Sander: Korrosionsschutz durch Beschichtungen, Vincentz Verlag, Hannover 2011 [12] U. Schulz: Kurzzeitbewitterung, Vincentz Network, Hannover 2007 [13] A. Zosel: Lack- und Polymerfilme – Viskoelastische Qualitätsmerkmale, Curt R. Vincentz Verlag Hannover 1996 Grundsätzlich sei auf die bestehenden DIN- und ISO-Normen verwiesen, die im Zweifelsfall für die Planung und Durchführung von Mess- und Prüfverfahren sowie für die Kommunikation von Resultaten heranzuziehen sind.

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Umwelt- und Arbeitsschutz

Umwelt- und Arbeitsschutz

Das alltägliche Handeln der Lackfachleute – in der Lackentwicklung, -herstellung oder -anwen­­dung – wird schon lange nicht mehr allein von chemisch-technischen und wirtschaftlichen Aspekten bestimmt. Gleichen Stellenwert haben mittlerweile Fragen des Arbeits-, Umwelt- und Gesundheitsschutzes, bei betrieblichen Belangen ebenso wie mit Blick auf die Allgemeinheit. Dazu gibt es in praktisch allen Industrieländern eine Fülle von Gesetzen, Vorschriften und Regelungen. Grundvorstellungen hierüber, hauptsächlich den Geltungsbereich Deutschland betreffend, vermittelt dieses Kapitel. Dabei sind zwei Trends zu betonen und im Auge zu behalten: Zum einen hat man sich auf weitere Verschärfung der einschlägigen Vorschriften einzustellen, zum anderen werden nationale Regelwerke mehr und mehr durch die europaweit gültigen EG-Richtlinien geprägt.

9.1 Luftreinhaltung und VOC-Emissionen Existierende gesetzliche Anforderungen Volatile Organic Compounds (VOC) Die Begriffe Lösemittel und VOC 1) sind weder europa- noch weltweit einheitlich definiert. Nach DIN EN ISO 11890-1,2 (1998) sind VOC organische Flüssigkeiten (oder Feststoffe), die bei den jeweiligen Umgebungsbedingungen von selbst verdunsten. Gemäß der WHO (Weltgesundheitsorganisation) werden sie analog ihren Siedebereichen wie folgt dargestellt eingeteilt: Volatile Organic Compounds (VOC) Very Volatile Organic Compounds (VVOC) Semi Volatile Organic Compounds (SVOC)

50 bis 100…..240 bis 260 °C 200 t / a LM – Verbrauchskapazität 45 g / m ² 60 g / m ² PKW; >15 t / a in D, A, HR, S, SF, NL 35 g / m ² 35 g / m ² Fahrerhaus; > 200 t / a LM – Verbrauchskapazität 55 g / m ² 75 g / m ² Fahrerhaus; >15 t / a in D, A 45 g / m ² 45 g / m ² Fahrerhaus, NFZ, LKW; >15 t / a in HR 55 g / m ² 60 g / m ² NFZ, LKW; > 200 t / a LM – Verbrauchskapazität 70 g / m ² 90 g / m ² NFZ, LKW; >15 t / a in D, A 70 g / m ² 70 g / m ² Omnibus; > 200 t / a LM – Verbrauchskapazität 150 g / m ² 225 g / m ² (einschl. Entfettung, Klebstoffverarbeitung u.a.) Omnibus; >15 t / a in D, A 150 g / m ² 150 g / m ² Omnibus; >15 t / a in HR 70 g / m ² 90 g / m ² Eisenbahnwaggon; > 200 t / a LM – Verbrauchskap. Metallbesch. Metallbesch. Eisenbahnwaggon; > 5 t / a in D, A 110 g / m ² 110 g / m ² Landwirtschaft- und Baumaschinen; >200 t / a LM 0,375 kg 0,375 kg VOC / kg FK VOC / kg FK Metalloberflächen; > 200 t / a LM – Verbrauchs0,375 kg 0,375 kg kap. VOC / kg FK VOC / kg FK Kunststoffoberflächen; >200 t / a LM – 0,375 kg 0,375 kg Verbrauchsk. VOC / kg FK VOC / kg FK Holzoberflächen; > 200 t / a LM – Verbrauchskap. 1 kg 1 kg VOC / kg FK VOC / kg FK Holzoberflächen > 25 t / a in D, A

0,75 kg VOC / kg FK

EVABAT 10 bis 35 g / m ²   10 bis 55 g / m ²     15 bis 50 g / m ²   92 bis 150 g / m ²

    70 bis 110 g / m ²   0,2 bis 0,33 kg VOC / kg FK 0,1 bis 0,3 kg VOC / kg FK 0,25 bis 0,35 kg VOC / kg FK 0,25 kg VOC / kg FK od. 3 bis 60 g / m ² 0,75 kg VOC / kg FK

9.2 Wasserreinhaltung Das Wasserhaushaltsgesetz (WHG) regelt – analog zur Luftreinhaltung – in Verbindung mit den Lan­des­wassergesetzen den gesamten Umgang mit Grund- und Oberflächenwasser. Auf der Basis des WHG haben die meisten Bundesländer Indirekteinleiter-Verordnungen für das Einleiten wassergefährdender Stoffe (VGS) erlassen. Verwaltungsvorschriften („TA Wasser“) beinhalten branchenspezifische Grenzwerte für bestimmte Stoffe und beschreiben gleichzeitig den Stand der Technik bei der entsprechenden Lackieranlagentechnik und Abwasserbehandlung. Wassergefährdungsklassen teilen Stoffe nach ihrer Toxizität für Fische, Daphnien und Algen ein.1) Dabei bedeutet: WGK 0: im Allgemeinen nicht wassergefährdend (diese WGK ist seit 1999 entfallen) WGK 1: schwach wassergefährdend WGK 2: wassergefährdend WGK 3: stark wassergefährdend Wasserlacke sind üblicherweise schwach wassergefährdend; bei Schwermetallgehalt bzw. Lösemittelbasis sind Lacke ggf. in die WGK 2 einzustufen. Kommunalsatzungen konkurrieren oft mit übergeordneten Forderungen oder weichen auch von ihnen ab. Sie regeln – in Abhängigkeit von der Kapazität der kommunalen Kläranlagen – die zu­läs­ sige Einleitung nicht gefährlicher Stoffe, die z.B. den chemischen Sauerstoffbedarf (CSB) betreffen. Zur Technik der Abtrennung von Lackrückständen, besonders aus dem Kabinenwasser, s. auch → 7.11. Zu Einstufung und Hintergrundinformationen s. auch www.umweltbundesamt.de/wgk.htm

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9.3 Abfallgesetzgebung und Abfallwirtschaft In den Bereichen Abluftführung, Abwasserreinigung, Lacklagerung lassen sich die gesetzlichen Mindestanforderungen im Prinzip durch eine einmalige Investition erfüllen bzw. durch die Wahl eines geeigneten Lackmaterials und Applikationsverfahrens. Im Bereich der Abfallbeseitigung entsteht jedoch eine Daueraufgabe, die nur auf der Grundlage korrekter und aktueller Informationen und flexibler Abfallorganisation im Betrieb sicher erfüllt werden kann. Das Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG), bis 2012 „Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz (KrW-/Abf“), regelt die Förderung der Kreislaufwirtschaft zur Schonung der natürlichen Ressourcen und die Sicherung der umweltverträglichen Bewirtschaftung von Abfällen. Ziel ist es, Abfälle zu reduzieren, insbesondere die zu deponierenden Abfälle. An erster Stelle steht dabei die Vermeidung von Abfällen, zum Beispiel, indem man auf Verpackungen verzichtet oder diese mehrfach benutzt, beispielsweise die Verwendung von Getränke-Mehrwegverpackungen. Rohstoffe werden so möglichst lange im Kreislauf geführt und nachhaltig bewirtschaftet, um Ressourcen und Umwelt zu schonen. Dabei wird eine umweltverträgliche Verwertung angestrebt, und das Gesetz legt – im Gegensatz zu vorangegangenen Gesetzen – das Schwergewicht auf die (schon in Abschnitt 7.11 beschriebene) Abfallhierarchie: Vermeiden – Vermindern – Stofflich verwerten – Energetisch verwerten – Deponieren Abfallentsorgungspläne wurden – länderspezifisch – gemäß §6 des AbfG erstellt, mit der Definition verschiedener Kategorien und Entsorgungswege von Sonderabfällen. Das KrWG wird ergänzt durch eine Reihe von Rechtsverordnungen, die aufgrund von entsprechenden Ermächtigungsgrundlagen im vorherigen KrW-/AbfG ergangen sind. Sie dienen in der Regel dazu, die Bestimmungen des KrWG für Abfallverzeichnisse und Abfallüberwachung, Anforderungen an die Abfallbeseitigung, betriebliche Regelungen, produkt- und produktionsbezogene Regelungen sowie die Behandlung von Klärschlamm und Bioabfällen zu konkretisieren und zu vervollständigen. Dabei wurden die Technische Anleitung Abfall (TA Abfall) und die Abfallbestimmungsverordnung (AbfBestV) 2009 aufgehoben. Reststoffe werden konkret bestimmten Entsorgungswegen zugeordnet und es werden die Stoffströme überwacht, insbesondere Lack- und Farbschlamm, Altlacke und Destillationsrückstände. Für ausgehärtete lösemittelfreie Lackierereiabfälle (Gebinde, Filtermatten, Abdeckpapier etc.) sind die Entsorgungswege nicht festgelegt, d.h. dass je nach örtlichen Gegebenheiten evtl. die Entsorgung als hausmüllähnlicher Gewerbeabfall möglich ist. Der Trend geht jedoch allgemein in die Richtung einer Behandlung als – meistens zu verbrennender – Sondermüll. Kommunale Abfallsatzungen werden von den örtlichen entsorgungspflichtigen Körperschaften wie Kommunen, Zweckverbänden, beauftragten Privatfirmen etc. geschaffen. Je nach örtlichen und politischen Möglichkeiten regeln sie sehr unterschiedlich die Zulassung der verschiedenen Abfälle zu den Verbrennungs-, Recycling- und Deponie-Entsorgungen. Der Europäische Abfallkatalog (EAK) ist ab 1.1.1999 auch in Deutschland für die Abfalldeklaration gültig. Entsprechend den Verwertungs- und Entsorgungsmöglichkeiten müssen daher Abfälle – vom Rohstoffentwicklungslabor bis hin zur Lackiererei und zum Entlacker – so gut wie möglich getrennt werden. Das spart immense unnötige Kosten ein und reduziert den Anteil des aufwendiger zu entsorgenden Abfalls. Im EAK sind die Abfallarten nach Art und Herkunft gegliedert, mit einer Abfallschlüssel-Nummer (sechsstellig) versehen und einem Entsorgungsweg-Code zugeordnet. In Deutschland wurde er in der Abfallverzeichnisverordnung umgesetzt. Einige Beispiele sollen dies erläutern:

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08 Abfälle aus Herstellung, Zubereitung, Vertrieb und Anwendung (HZVA) von Überzügen (Farben, Lacken, Email), Dichtungsmassen und Druckfarben 0801 Abfälle aus der HZVA von Farben und Lacken 0801 01 alte Farben und Lacke, die halogenierte Lösemittel enthalten 0801 02 alte Farben und Lacke, die keine halogenierten Lösemittel enthalten 0801 03 Abfälle von Farben und Lacken auf Wasserbasis 0801 04 Farben in Pulverform 0801 05 ausgehärtete Farben und Lacke 0801 06 Schlämme aus der Farb- und Lackentfernung, die halogenierte Lösemittel enthalten 0801 07 Schlämme aus der Farb- und Lackentfernung, die keine halogenierten Lösemittel enthalten 0801 08 wässrige Schlämme, die Farbe oder Lack enthalten 0801 09 Abfälle aus der Farb- oder Lackentfernung (außer 0801 05 und 0801 06) 0801 10 wässrige Suspensionen Die Abfall- und Reststoffüberwachungsverordnung fordert im Wesentlichen den Entsorgungsund Verwertungsnachweis als Instrument der Vorabkontrolle: Sicherstellung des zulässigen Entsorgungsweges schon vor dem Entsorgungsvorgang. Sie verlangt entsprechende Erklärungen des Abfallerzeugers, des Entsorgers und der entsprechenden Behörde über die Zulässigkeit dieser Entsorgung. Nach der Verpackungsverordnung haben seit 1993 private und gewerbliche Endverbraucher das Recht, Transport- und Verkaufsverpackungen über den Handelsweg zurückzugeben oder sie über das duale Abfallwirtschaftssystem einem stofflichen Recycling zuzuführen. Ausgenommen sind Einweggebinde, die mit einem Hinweis auf gesundheitsschädliche oder umweltgefährdende Inhaltstoffe versehen sind. Wo wegen zu kleiner Füllvolumina Mehrweggebinde nicht sinnvoll sind, werden derzeit geschlossene Verwertungssysteme für kleinere Weißblech- und Kunststoffgebinde aufgebaut.

9.4 Arbeitssicherheit beim Umgang mit Lacken und Farben Bei der Handhabung von Beschichtungsstoffen können grundsätzlich zwei Gefahrenkomplexe auftreten: • Die Möglichkeit von Bränden und Explosionen (bei lösemittelbasierenden Materialien) und • die Gesundheitsgefährdung durch Aufnahme (Hautresorption, Einatmen, Verschlucken) schädigender Substanzen. Dabei besteht bei unsachgemäßem Umgang ein erhöhtes Risiko für folgende Erkrankungen: • Hauterkrankungen • Atemwegserkrankungen • Allergien • Immunschäden • Schädigung des Nervensystems

• Erbgutveränderungen1) • Krebs1) • Leber- und Nierenschädigungen • Unfruchtbarkeit

Kennzeichnungen Die Gefahrstoffverordnung (GefStoffV, Verordnung zum Schutz vor Gefahrstoffen) regelt das Inverkehrbringen und die Verwendung gefährlicher Stoffe und Zubereitungen und bestimmter Erzeugnisse sowie den Umgang mit Gefahrstoffen. In speziellen Anhängen sind Anleitungen zur Mutagene bzw. karzinogene Inhaltstoffe sind heute fast vollständig aus den Rezepturen verschwunden.

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Abb. 9.1: Gefahrenpiktogramme zur Kennzeichnung gefährlicher Stoffe und Zubereitungen

Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung enthalten. Die 4. Novelle vom 1. 5.1994 1) hat erhebliche Änderun­gen zur Folge gehabt. Am 1. Juni 2015 hat die Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 (CLP) die bis dahin geltenden Richtlinien, um Chemikalien einzustufen und zu kennzeichnen, vollständig abgelöst. Allerdings bezieht sich die derzeit gültige Gefahrstoffverordnung 2010 (GefStoffV), an einigen Stellen noch auf die alten Richtlinien. R- und S-Sätze („Risiko- und Sicherheitssätze“, von englisch risk and safety) sind kodifizierte Warnhinweise zur Charakterisierung der Gefahrenmerkmale von Gefahrstoffen, also Elementen und Verbindungen sowie daraus hergestellten Zubereitungen. Sie sind zusammen mit den Gefahrenbezeichnungen und den jeweils dazu gehörenden Gefahrensymbolen die wichtigsten Hilfsmittel für die innerhalb der EU vorgeschriebene Gefahrstoffkennzeichnung. Die R-Sätze sind der Ausgangspunkt bei der Einstufung eines gefährlichen Stoffes. Liegen diese fest, so ergeben sich daraus sowohl die hierzu erforderlichen Gefahrenbezeichnungen mit Gefahrensymbolen als auch die nötigen S-Sätze. Um Unterschiede in den international existierenden Systemen der Einstufung und Kennzeichnung von Chemikalien aufzuheben und um den Standard in der Arbeitssicherheit, im Gesundheits-, Umwelt- und Verbraucherschutz sowie beim Transport gefährlicher Güter weiter anzuheben, ist unter Federführung der Vereinten Nationen ein Global Harmonisiertes System zur Einstufung und Kennzeichnung von Chemikalien (Globally Harmonised System of Classification and Labelling of Chemicals) – kurz GHS entwickelt worden. Dieses GHS-System wurde am 16.12.2008 mit der CLP-Verordnung (Verordnung über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen) in die EU eingeführt. Sie trat am 20.01.2009 in Kraft und gilt seitdem europaweit. Die Empfehlungen der UN mit ihrem GHS-System wurden zwar nicht vollständig, jedoch weitgehend von der EU übernommen. Das GHS ist ein weltweit einheitliches System zur Einstufung von Chemikalien sowie deren Kennzeichnung auf Verpackungen und in Sicherheitsdatenblättern. Seit dem 1. Dezember 2010 sind Stoffe nach dem GHS-System einzustufen und zu kennzeichnen. Das GHS ersetzt diese alte Gefahrstoffkennzeichnung und ist für Stoffe bereits rechtskräftig; für Gemische (zuvor „Zubereitungen“ genannt) gilt eine Übergangsfrist bis zum 1. Juni 2015, bis zu der noch die Kennzeichnung mit den Gefahrensymbolen und R-/S-Sätzen gilt. Im GHS treten dann an die Stelle der Einen Überblick gibt [1].

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• Gefahrensymbole mit ihren Gefahrenbezeichnungen die Gefahrenpiktogramme; gegebenenfalls mit einem gemeinsamen Signalwort („Achtung“ oder „Gefahr“), • R-Sätze die H-Sätze (Hazard Statements) sowie zusätzliche EUH-Sätze (besondere Gefähr-­ dungen), • S-Sätze die P-Sätze (Precautionary Statements). In Abb. 9.1 sind die neuen Gefahrenpiktogramme (rotumrandete schwarze Symbole) aufgelistet. Maßgebliche Richtlinien Das rechtlich vorgeschriebene Sicherheitsdatenblatt, das spätestens bei der ersten Lieferung eines Stoffes dem Abnehmer (berufsmäßigen Benutzer) zu übermitteln ist, muss enthalten: Zubereitungs- und Firmenbezeichnung, Zusammensetzung mit Angabe zu Bestandteilen, mögliche Gefahren, Erste-Hilfe-Maßnahmen, Maßnahmen zur Brandbekämpfung und bei unbeabsichtigter Freisetzung, Handhabung und Lagerung, Expositionsbegrenzung und persönliche Schutzausrüstung, physikalische und chemische Eigenschaften, Stabilität und Reaktivität, Angaben zur Toxikologie und Ökologie, Hinweise zur Entsorgung, Angaben zum Transport und Vorschriften. Zur Umsetzung der 31. BImSchV sind nun v.a. erforderlich: Festkörperanteil, Lösemittelanteil, VOC-Gehalt, Anteil besonders kritischer VOC. Die Explosionsschutzrichtlinien (Ex-RL) bieten Informationen über die Beurteilung von Explosionsgefahren und entsprechende Schutzmaßnahmen sowie eine Zoneneinteilung explosionsgefährdeter Bereiche, von 0 bis 11 (abnehmende Wahrscheinlichkeit, dass eine explosionsfähige Atmosphäre auftritt). Schutz- und Sicherheitsmaßnahmen Persönliche Schutzmaßnahmen in Labor und vor allem im Betrieb sind (einige wichtige Beispiele): • • • • •

Leitfähiges Schuhwerk gegen elektrostatische Entladungen, auch leitfähige Schutzhandschuhe Geeignete Schutzkleidung, vor allem hinsichtlich des Brand- und Schmelzverhaltens Hautschutz – nach Lösemitteleinwirkung – mit entsprechenden Pflegemitteln Augenschutz durch Schutzbrillen mit Seitenschutz, ggf. Vollmasken Atemschutz, sofern lüftungstechnische Maßnahmen nicht ausreichen; mit oder ohne Frischluftzufuhr1) 

Zu den Grundmaßnahmen in Labor und Betrieb (die auch durch Sicherheitsbeauftragte zu unterstützen und sicherzustellen sind) zählen: • Ex-gefährdete Bereiche deutlich kennzeichnen; Verbot für Feuer, offenes Licht und Rauchen • Gefährliche Arbeitsstoffe nie in Behältern lagern, die zur Verwechslung mit Lebensmitteln führen können • Nahrungs- und Genussmittel dürfen nicht mit gefährlichen Arbeitsstoffen in Berührung kommen; in Lackierbereichen dürfen sie auch nicht eingenommen werden • Feuerlöscheinrichtungen bereitstellen und gebrauchsfähig erhalten • Kennzeichnungen, Sicherheitsratschläge und -datenblätter müssen vorhanden sein und beachtet werden • Fluchtwege kennzeichnen und freihalten • Erste-Hilfe-Maßnahmen und ausgebildete Ersthelfer bereitstellen und schulen • Wichtige Telefonnummern wie Notruf/Feuer/Unfall bereithalten • Alarmplan aufstellen und bereithalten; er regelt die ggf. zu treffenden Maßnahmen bis hin zu Sam­mel­plätzen für die Mannschaft im Brandfall Die Einteilung der brennbaren Flüssigkeiten in Gefahrklassen nach Flammpunkt und Wasserlöslichkeit ist mit der Außerkraftsetzung der Verordnung über brennbare Flüssigkeiten (VbF) am Weiterführende Hinweise z.B. in der Broschüre „Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz in Autoreparatur- und Karosseriebetrieben“ des Technischen Arbeitskreises der Fachabteilung Autoreparaturlacke im Verband der Lackindustrie e.V.

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Tab. 9.2: Einteilung brennbarer Flüssigkeiten Wasserlöslichkeit

nicht wasserlöslich

Geltungsbereich nach ehemaliger VbF Geltungsbereich GefStoffV/BetrSichV Gefahrklasse

Flammpunkt

AI