Landesherrschaft und Kirchenreform im 15. Jahrhundert: Studien zum zweiten Band der Acta Cusana 3787343237, 9783787343232


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Landesherrschaft und Kirchenreform im 15. Jahrhundert: Studien zum zweiten Band der Acta Cusana
 3787343237, 9783787343232

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T HOM A S WOELK I

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JOH A N NE S HEL MR AT H (HG.)

Landesherrschaft und Kirchenreform im 15. Jahrhundert Studien zum zweiten Band der Acta Cusana

BE I H E F T E Z U DE N AC TA C US A N A F E L I X M E I N E R V E R L AG

BEIHEF T E ZU DEN ACTA CUSA NA

Herausgegeben von Thomas Woelki und Johannes Helmrath

– Beiheft 1 –

FELI X M EI NER V ER L AG H A M BURG

THOM AS WOELK I

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JOH A NNES HEL M R ATH ( HG.)

Landesherrschaft und Kirchenreform im 15. Jahrhundert Studien zum zweiten Band der Acta Cusana

FELI X M EI NER V ER L AG H A M BURG

Bibliographische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über ‹http://portal.dnb.de› abrufbar.  ISBN 978-3-7873-4323-2  ISBN eBook (PDF) 978-3-7873-4324-9 Gedruckt mit freundlicher Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft.

© Felix Meiner Verlag Hamburg 2023. Alle Rechte vorbehalten. Dies gilt auch für Vervielfältigungen, Übertragungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Sys­temen, ­ soweit es nicht §§ 53 und 54 UrhG ausdrücklich gestatten. Satz: Thomas Woelki, ­Berlin. Druck und Bindung: Beltz, Bad Langensalza. Gedruckt auf ­a lterungsbeständigem Werkdruckpapier, hergestellt aus 100 % chlorfrei ­gebleichtem Zellstoff. Printed in Germany. www.meiner.de

Für Gemma •

Inhalt Zur Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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I. KIRCHENREFORM UND GEISTLICHE ERNEUERUNG

Enno Bünz Pastorale Visionen und die Kirchen vor Ort. Nikolaus von Kues, die Pfarreien und die Seelsorger im Bistum Brixen . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Tobias Daniels Eine Legatenurkunde, die Frauengemeinschaft St. Barbara in Gent (Joris Vranckx Clooster) und die Devotio moderna. Ein Nachtrag zu Acta Cusana I

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Walter Andreas Euler Die Acta Cusana und die Brixener Predigten des Nikolaus von Kues (mit einem sprachwissenschaftlichen Anhang von Nikolaus Ruge ) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Isabelle Mandrella Nicolaus Cusanus und Verena von Stuben. Neue Einsichten in ein spannungsreiches Verhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113

II. BISCHOFS- UND LANDESHERRSCHAFT

Thomas Horst Das Bistum Brixen unter Bischof Ulrich Putsch (1427‒1437). Ständiges Ringen mit den Grafen von Tirol im Vergleich zu Cusanus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 Emanuele Curzel Nicolò Cusano vescovo di Bressanone (1450–1464) e Georg Hack vescovo di Trento (1446–1465) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 Tobias Daniels Die Acta Cusana als Quelle für das Verhältnis von Kurie und Region in den Brixner Jahren. Mit Notizen zu Heinrich Collis und dem Straßburger Mendikantenstreit . . . . . . . . . . . . . . . 185

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Inhalt

Erika Kustatscher Mikropolitische Aspekte der Herrschaft des Nikolaus von Kues als geistlicher und weltlicher Fürst in Brixen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 Thomas Woelki Ein Schuman-Plan avant la lettre? Die Vorschläge des Nikolaus von Kues zu einer integrativen Tiroler Landesherrschaft (1457) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 Werner Maleczek Nikolaus von Kues als reisender Bischof von Brixen. Innerhalb und außerhalb seiner Diözese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273

III. KOMMUNIKATIVE PRAXIS UND BILDUNGSHORIZONTE

Johannes Helmrath Nikolaus von Kues und die ‚Wiltener Affäre‘ Juni 1457. Ängste – Gerüchte – Wahrheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303 Clémence Revest Johann Röttel et l’humanisme italien : autour d’un manuscrit de la bibliothèque épiscopale de Brixen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 337 Felix Melching Vom Duzen und Ihrzen in den Briefen des Nikolaus von Kues . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 359 Marco Brösch Der Bischof und seine Bücher. Studien zur Brixner Bibliothek des Nikolaus von Kues . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 373 Giovanna Murano Niccolò da Cusa, Giovanni Pico della Mirandola ed il ms. Vat. lat. 4071 . . . . . . . . . . . . . . . . . 425 Hans Gerhard Senger Nikolaus von Kues in der belletristischen Literatur. Die Brixener Jahre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 437

Abkürzungen und Siglen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 479 Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 481

Zur Einführung as Jahr 2020 markierte einen Meilenstein für das Langzeit-Editionsprojekt ‚Acta Cusana‘.1) Mit dem Erscheinen des sechsten und siebten Faszikels war der zweite von drei geplanten Bänden abgeschlossen. Gut vier Jahrzehnte nach dem Erscheinen des ersten Faszikels von Band 1 war nun ein wichtiges Etappenziel erreicht. Das ergab die Gelegenheit, eine vorläufige Bilanz zu ziehen und das Ergebnis zu evaluieren. Denn das neu zur Verfügung stehende Quellenmaterial – etwa 3300 Quellenstücke auf 2200 Druckseiten inklusive der Kommentare, Einleitungen und Register – sollte möglichst zügig Impulse für die Erforschung der Welt des Spätmittelalters liefern. Es gelang, renommierte Experten zu vielen der in den Acta Cusana erfassten Themenfeldern dazu zu gewinnen, in modellhaften Einzelbeiträgen mögliche Erkenntnisgewinne angesichts des neuen Materials zu erproben. Eine aus dieser Motivation heraus für April 2020 angesetzte Tagung fiel jedoch leider der Pandemie zum Opfer, die gerade zu diesem Zeitpunkt ihre unmittelbare Schockwirkung entfaltete und weite Teil des öffentlichen Lebens paralysierte. Die Beiträger erklärten sich dennoch damit einverstanden, ihre Texte in digitaler Form zirkulieren zu lassen und der Diskussion der Gruppe zu stellen. Im Ergebnis erwuchs aus diesem digitalen peer review der nun zur Freude aller Beteiligten vorliegende Band. Es ist gleichzeitig der erste Band einer neuen, im Verlag Felix Meiner erscheinenden Reihe ‚Beihefte zu den Acta Cusana‘. Hier sollen Forschungsarbeiten ihren Platz finden, die aus dem reichen Material der Acta Cusana

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1) Konzept und Geschichte der Acta Cusana wurden bereits ausführlich dargelegt. Siehe Meuthen, Erich, Die Acta Cusana. Gegenstand, Gestaltung und Ertrag einer Edition (SBH 1994, 5; Cusanus-Studien 10), Heidelberg 1994; Helmrath, Johannes/Woelki, Thomas, Die Acta Cusana – eine Ressource für die Landesgeschichte, in: Blätter für deutsche Landesgeschichte 156 (2020), 597–614. Zur Gestaltung und zum Layout s. die Einleitung von Meuthen, Erich, in: AC I 1, v–xvi. Zur Einordnung der Acta Cusana in das Spektrum gegenwärtiger Editionsprojekte siehe: Bünz, Enno, Serielle Quellen des späten Mittelalters – Herausforderungen, Möglichkeiten und Grenzen der editorischen Arbeit angesichts beginnender Massenüberlieferung, in: Hartmann, Martina/Zimmerhackl, Horst (Hg.), Quellenforschung im 21. Jahrhundert. Vorträge der Veranstaltungen zum 200-jährigen Bestehen der MGH vom 27. bis 29. Juni 2019 (Monumenta Germaniae Historica. Schriften 75), Wiesbaden 2020, 195–239, hier 218–222. Einen Überblick über den Forschungsstand zu den Brixner Jahren des NvK liefert im vorliegenden Band Enno Bünz, so dass wir uns an dieser Stelle kurz fassen können.

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Zur Einführung

schöpfen oder auch Quellen präsentieren, die den Herausgebern der Acta Cusana entgangen sind (wie etwa im Beitrag von Tobias Daniels mit einer bislang unbekannten Legatenurkunde des Nikolaus von Kues) bzw. auf Quellen fußen, die das aus gutem Grund eng limitierte Spektrum der ‚Acta‘ überschreiten. Auch Korrekturen und Präzisierungen der in den Kommentaren stets versuchten inhaltlichen Verortungen des Quellenmaterials durch die Fachkollegen sind wegen der immensen Breite der angerissenen Themen naturgemäß zu erwarten und jenseits jeder Eitelkeit willkommen. Auch der vorliegende Band enthält wichtige Corrigenda zu den Acta Cusana, vom nun erst gelungenen Nachweis einzelner in den Quellen genannter Personen bis hin zur topographisch korrekten Verortung von Alpenpässen. Der hier erstmals vertieft ausgewertete Band II der Acta Cusana umfasst die Jahre 1452 bis 1458, in denen Nikolaus von Kues als residierender Bischof der Alpendiözese Brixen an der Membran zwischen deutscher und italienischer Welt wirkte. Das besondere intellektuelle und kirchenpolitische Profil des Protagonisten und auch die für ein deutsches Bistum vergleichsweise gute Überlieferungslage bringen es mit sich, dass die Dokumentation der sechs Bischofsjahre in Brixen in verschiedener Hinsicht zu einem Modellfall und als solcher ein fruchtbarer Gegenstand für die hier versammelten Studien wurde. Deren Themenfelder seien hier nur schlaglichtartig genannt: Wir sehen hier (I.) exemplarisch Möglichkeiten und Grenzen spätmittelalterlicher Reforminitiativen, die wir im einleitenden Beitrag von Enno Bünz bis in die Alltagswelt des christlichen Lebens auf Pfarrebene verfolgen können. Große Visionen und Mikromanagement finden wir besonders in den ansonsten selten überlieferten Visitationsdokumenten untrennbar verwoben. Gleiches gilt für die von Isabelle Mandrella untersuchte Sonnenburger Reform, die zwar längst zu einem beliebten Romanstoff avanciert ist (s. den Beitrag von Hans Gerhard Senger), deren exzeptionell dichte Dokumentation aber erst durch die Acta Cusana in vollem Umfang zugänglich ist. Die Überlieferungslage erlaubt hier, die reformierten Ordensschwestern nicht nur als passive Opfer zu erleben, sondern ihre Sicht auch aus der Ego-Perspektive zu rekonstruieren. Eine weitere, kaum zu überschätzende Dimension der pastoralen Erneuerung stellt das von Walter Andreas Euler neu beleuchtete Predigtwerk des Nikolaus von Kues dar. Insbesondere für die diffizile Frage nach der oratorischen Vollzugsdimension der pastoralen Verkündigung bringt Euler neues Material aus den Acta Cusana in Stellung, für dessen Auswertung er die germanistische Expertise von Nikolaus Ruge ins Boot holte. Sichtbar wird darüber hinaus (II.) der damals in vielen Diözesen ausgetragene Überlebenskampf geistlicher Herrschaften in bedrückender Konkurrenz zu den immer effektiver organisierten Landesfürstentümern. Wir können am Beispiel des

Zur Einführung

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Cusanus mögliche Überlebensstrategien nachvollziehen (Thomas Woelki) und diese mit seinem Amtsvorgänger Ulrich Putsch (Thomas Horst) sowie dem zeitgenössischen Trienter Bischofskollegen (Emanuele Curzel) in Beziehung setzen. Erst der in Teilen über den Blickwinkel der Acta Cusana herausreichende Vergleich erlaubt die Konturierung der in den Acta umfassend dokumentierten Parameter der Bischofsherrschaft zwischen Singularität und Universalität. Tendenziell ergibt sich meist eine Relativierung des in der Forschungstradition fest eingravierten Bildes von der Exzeptionalität der Bischofsfigur Nikolaus von Kues. Typische und essentielle Herrschaftspraxis war auch das von Werner Maleczek untersuchte beschwerliche Reisen; es kann hier anhand der Urkunden und Raitbücher besonders detailliert rekonstruiert werden. Die Verknüpfung mit klimageschichtlicher Expertise erschließt eine wichtige zusätzliche Dimension. Asymmetrisch verteilte Herrschaftsressourcen machten die Konflikte schwierig zu durchschauen, für die Zeitgenossen ebenso wie für die Nachwelt. Das Defizit an wirtschaftlichen und militärischen Machtmitteln versuchte man bischöflicherseits durch geistliche Autorität, den Einsatz von Kirchenstrafen und privilegierte Kurienkontakte (Tobias Daniels), aber auch durch archivbasierte juristische Persuasion auszubalancieren, im letzten vergeblich. Zahlreiche Informationen zu städtischen und ruralen Eliten (Erika Kustatscher) geben weiteren Aufschluss über das kleinteilig verästelte lokale Machtgefüge einer Bischofsherrschaft. Schließlich (III.) bietet das vielfältige Quellenmaterial der Acta Cusana immer wieder Gelegenheit, besondere Eigenarten der spätmittelalterlichen Lebenswirklichkeit, ihrer Überlieferung und kommunikativen Praxis zu beobachten. Seriell in großer Zahl überlieferte Quellentypen bieten dabei durchaus Ansatzpunkte für pragmalinguistische Untersuchungen, wie Felix Melching am Beispiel des Briefcorpus demonstriert. Von großer Aktualität sind die bei Johannes Helmrath thematisierten Fragen nach dem Umgang mit Gerüchten und unsicheren Informationen sowie deren mediale Aufbereitung. Clémence Revest zeigt anhand einer Brixner Sammelhandschrift aus dem Besitz von Cusanus’ Amtsvorgänger Johann Röttel: Nicht Cusanus, sondern vielmehr der frühere Kurienbeamte Röttel sorgte für die Diffusion des Humanismus am Brixner Bischofshof. Die immensen Bücherschätze, deren verschlungene Schicksale Marco Brösch und Giovanna Murano auf unterschiedlichen Wegen nachverfolgen, waren in Brixen keineswegs Gravitationszentrum eines humanistischen Musenhofes, sondern blieben Arbeitsgrundlage des Privatgelehrten. Die Faszination der Figur des Philosophen Cusanus und seine Wirkungen und Überlieferungswege in der Nachwelt bis hin zur Verarbeitung des Cusanus-Stoffes in der modernen Belletristik (Hans Gerhard Senger) weisen über den Rahmen der Acta Cusana hinaus, sind aber wichtige Anknüpfungsstellen für das Rayonnement der dort dokumentierten Lebens- und Zeitbilder. Und vielleicht sorgt das nun neu zur Verfügung

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Zur Einführung

stehende Quellenmaterial für neue Inspiration bei den Verfassern von Romanen, Theaterstücken und Schulmaterialien. Die Tagung – hätte sie denn stattfinden können – wäre auch ein Moment der dankbaren Besinnung gewesen, ein Ort des Gedenkens an die verstorbenen Altherausgeber und Initiatoren der Acta Cusana, Erich Meuthen und Hermann Hallauer. Sie haben dem Projekt sein Design gegeben und durch jahrzehntelange Archivrecherche die Grundlagen der Edition geschaffen. Die Herausgeber, im Oktober 2022

I. KIRCHENREFORM UND GEISTLICHE ERNEUERUNG

Pastorale Visionen und die Kirchen vor Ort Nikolaus von Kues und die Pfarrseelsorge im Bistum Brixen Enno Bünz Für Matthias Werner zum 80. Geburtstag in herzlicher Verbundenheit

Inhaltsübersicht: 1. Einführung: Nikolaus von Kues und die Pfarrseelsorge (15). — 2. Cusanus als Seelsorger – eine Forschungslücke (19). — 3. Nikolaus von Kues und die Pfarrseelsorge im Bistum Brixen (23); a) Das Bistum Brixen zur Zeit des Cusanus (26); b) Der Weg zur Pfründe: Kollatur, Präsentation, Investitur, Installation (32); c) Diözesansynoden und Klerusversammlungen (36); d) Diözesan- und Pfarrvisitationen (42); e) Das Verhältnis des Bischofs zu den Laien und Gemeinden (52); f) Bischöfliche Ablässe (58); g) Alltägliche Handlungsfelder des Bischofs: Dispense, Indulte, Privilegien, Weiheakte (61). — 4. Fazit (67).

1. Einführung: Nikolaus von Kues und die Pfarrseelsorge Nikolaus von Kues war zwar ein ausgesprochen vielseitiger und produktiver Autor, aber zur Seelsorge, den damit verbundenen Aufgaben und den Pfarrgeistlichen, die damit vom Bischof betraut waren, hat er sich in keinem Werk systematisch geäußert.1) Die Suche in seinen Schriften und Predigten fördert nur weni1) Grundlegend für jede Beschäftigung mit Nikolaus von Kues sind die AC I–III 1, die aktuell bis 1459 reichen und in den nächsten Jahren mit AC III bis 1464 abgeschlossen werden sollen. Für diesen Zeitraum siehe schon Meuthen, Erich, Die letzten Jahre des Nikolaus von Kues. Biographische Untersuchungen nach neueren Quellen (Wissenschaftliche Abhandlungen der Arbeitsgemeinschaft für Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen 3), Köln usw. 1958. Zur Biographie insgesamt Ders., Nikolaus von Kues 1401–1464. Skizze einer Biographie, Münster 71992, und zahlreiche Einzelstudien, diese nachgewiesen in: Erich Meuthen. Bibliographie seiner Schriften 1954 bis 2003, zum 80. Geburtstag am 31. Mai 2009, hg. von Wolfgang Schmitz, Köln 2009. – Den Herausgebern Johannes Helmrath und Thomas Woelki danke ich sehr herzlich für ihre Geduld angesichts der langwierigen Fertigstellung dieses Beitrags, der in den Pandemiejahren 2020 und 2021 entstanden ist. Darüber hinaus habe ich beiden für die gründliche Durchsicht des Manuskripts und manche Hinweise zu danken. Aufgrund der eingeschränkten Benutzungsmöglichkeiten der Biblio-

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Enno Bünz

ge Belege zutage. So führt er in einer Predigt zur Seelsorge aus: „Denn so handelt der Prälat, dem die Seelsorge obliegt; er nimmt die Sünder zur Beichte an; er belehrt sie und meidet sie nicht, vielmehr teilt er sich ihnen mit, so lange sie sich nähern, um zu hören und zu gehorchen“.2) Verschiedentlich predigt er über die Aufgaben des Pfarrers: „Wenn Du Pfarrer (rector) bist, dann musst Du lenken (regere) und Dich kümmern (curare), damit nichts, was nicht recht ist (non rectum), gedeiht“.3) Vor allem eine Umschau in den zahlreichen Predigten und Predigtentwürfen würde noch manche Belege zutage fördern, die zeigen, dass Cusanus wiederholt über das Hirtenamt des Bischofs und seiner Pfarrgeistlichen nachgedacht hat.4) Man musste kein Theologe, ja nicht einmal ein Geistlicher sein, um im späten Mittelalter das Bild vom Seelenhirten auf den Pfarrer zu beziehen, der mancherorts gerade im Rhein- und Moselland tatsächlich auch ‚Pastor‘ genannt wurde.5) Dieses Bild war im Grunde jedem Gläubigen vertraut. Man musste auch keine Domschule oder Universität besucht haben, um zu wissen, was der Kernbereich der Seelsorge, was die Hauptaufgaben des Pfarrers waren: Verkündigung, Feier der Messe, Spendung der Sakramente, allen voran des Altarsakraments, aber auch der Taufe, der Ehe, der letzten Ölung und nicht zu vergessen: der Beichte. Wie allen Christen war auch Nikolaus Krebs dies von Kindesbeinen an geläufig, dessen Geburtsort Kues schon seit dem Hochmittelalter Pfarrdorf war (Kirche St. Brictius).6) Die theken war Thomas Woelki mehrfach mit Kopien und Digitalisaten aus dem unerschöpflichen Fundus der Acta-Cusana-Arbeitsstelle behilflich, wofür ich herzlich danke! Die Arbeit an diesem Aufsatz bot Gelegenheit, die AC über viele Monate intensiv durchzuarbeiten, was meine Bewunderung für dieses großartige Vorhaben weiter gesteigert hat. Siehe zu AC I schon Bünz, Enno, „Alltag und Gipfelpunkt des Schauens“ – zum Abschluss des ersten Bandes der „Acta Cusana“, in: Hessisches Jahrbuch für Landesgeschichte 55 (2005 [erschienen 2006]), 239–250, zum Gesamtwerk nun Helmrath, Johannes/Woelki, Thomas, Die Acta Cusana – eine Ressource für die Landesgeschichte, in: Blätter für deutsche Landesgeschichte 156 (2020, erschienen 2021), 597–614. 2) NvK, Sermones, h XVIII 4, 377–382 Nr. CXCI. — Übersetzung: Nikolaus von Kues: Predigten in deutscher Übersetzung, Band 3 (Band XVIII der Opera omnia): Sermones CXXII–CCIII, hg. von Walter Andreas Euler, Klaus Reinhardt, Harald Schwaetzer, Münster 2007, 452. 3) NvK, Sermones, h XIX 5, 390–395 Nr. CCLIX. 4) Es kann allerdings nicht Aufgabe dieses Beitrags sein, die Pastoraltheologie des Cusanus zu erforschen. Die Glaubensvermittlung steht im Mittelpunkt der pastoraltheologischen Untersuchung von Lentzen-Deis, Wolfgang, Den Glauben Christi teilen. Theologie und Verkündigung bei Nikolaus von Kues (Praktische Theologie heute 2), Stuttgart u.a. 1991. Zu diesem Thema auch Haubst, Rudolf, Über Nikolaus von Kues als Seelsorger. Drei Predigten vor Cusanus-Festakademien (Kleine Schriften der Cusanus-Gesellschaft 11), Trier 1977. 5) Siehe Janssen, Wilhelm, Die Differenzierung der Pfarrorganisation in der spätmittelalterlichen Erzdiözese Köln. Bemerkungen zum Verhältnis von „capella dotata“, „capella curata“ und „ecclesia parrochialis“, in: Rheinische Vierteljahrsblätter 55 (1991), 58–83, hier 62–65. 6) Pauly, Ferdinand, Siedlung und Pfarrorganisation im alten Erzbistum Trier [2]. Die Landkapitel Piesport, Boppard und Ochtendung (Veröffentlichungen des Bistumsarchivs Trier 6), Trier/ Neuwied 1961, 76f.

Pastorale Visionen

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Pfarrei war eben die Alltagserfahrung des mittelalterlichen Christen.7) Als Nikolaus von Kues nach dem Studium 1425 in die Dienste des Trierer Erzbischofs Otto von Ziegenhain (gest. 1430) trat und seine kirchliche Karriere begann, erhielt er die Pfarrkirche in Altrich, auf die er spätestens 1429 wieder verzichtete, 1427 erlangte er auch die Pfarrkirche St. Gangolf in Trier, die er aber offenbar nicht lange innehatte, und weitere Benefizien kamen später hinzu.8) In zeitüblicher Weise wurde hier also ein Kleriker, der im Dienste der kirchlichen Verwaltung stand, mit Pfründen versorgt. Selbst als Bischof von Brixen hat Nikolaus von Kues weitere Pfründen innegehabt, und der Vorwurf der Habsucht und Pfründenjagd ist ihm nicht erspart geblieben, wie sein Brief an den Trierer Erzbischof Jakob von Sierck vom 14. Dezember 1453 belegt, in dem er die Mühen schildert, die Pfarrei St. Wendel zu erlangen, und darauf verweist, dass er dafür auf drei Pfründen verzichtet habe. Dass er Pfründen besitze, sei nicht Habgier, sed necessitas pocius.9) Dazu mag sein Hinweis 1457 passen, die Brixner Bischofskirche sei eine parva ecclesia.10) Aus der Perspektive des Seelsorgers, der inmitten seiner Gemeinde wirkt, hat Cusanus das Pfarramt wohl nie kennengelernt. Gleichwohl ist festzuhalten, dass der spätere Bischof von Brixen bereits in den 1430er und 1440er Jahren manche Erfahrungen sammeln konnte, die ihn mit Pfarrei und Seelsorge in Berührung brachten, sei es nun im Dienste der Trierer Erzbischöfe, als hochrangiger Stiftsprälat in St. Florin in Koblenz und in Münstermaifeld oder als Angehöriger des Basler Konzils (1431–1449) seit 1432. Fragen der Pfarrseelsorge waren auf den Reformkonzilien des Spätmittelalters omnipräsent.11) Papst Nikolaus V. hat Cusanus 1448 zum Kardinal erhoben und ihm die Titelkirche S. Pietro in Vincoli zugewiesen, in der er 1464 auch seine letzte Ruhestätte finden sollte. Im Dezember 1450 wurde Cusanus mit der Legation für Deutschland betraut, um dort den päpstlichen Jubiläumsablass zu verkünden und die 7) Bünz, Enno, Die erfolgreichste Institution des Mittelalters: Die Pfarrei, in: Überall ist Mittelalter. Zur Aktualität einer vergangenen Epoche, in Verbindung mit Markus Frankl und Franz Fuchs hg. von Dorothea Klein (Würzburger Ringvorlesungen 11), Würzburg 2015, 109–138; Ders., Die mittelalterliche Pfarrei. Ausgewählte Studien zum 13.–16. Jahrhundert (Spätmittelalter, Humanismus, Reformation. Studies in the Late Middle Ages, Humanism and the Reformation 96), Tübingen 2017. 8) Meuthen, Erich, Die Pfründen des Cusanus, in: MFCG 2 (1962), 15–66, passim. 9) AC II 2, Nr. 3756. 10) AC II 5, Nr. 5129. — Zu den Brixner Einkünften siehe unten vor Anm. 64. Allerdings rühmte er sich 1460 gegenüber dem Eichstätter Bischof Johann von Eich, er habe seine Kirche nicht dürftieger, sondern wohlhabender zurückgelaßen: Jäger, Albert, Der Streit des Cardinals Nicolaus von Cusa mit dem Herzoge Sigmund von Österreich als Grafen von Tirol. Ein Bruchstück aus den Kämpfen der weltlichen und kirchlichen Gewalt nach dem Concilium von Basel, Teil 1–2, Innsbruck 1861, hier Band 2, 62. 11) Konzilien des Mittelalters: Vom ersten Laterankonzil (1123) bis zum fünften Laterankonzil (1512–1517), ins Deutsche übertragen und hg. unter Mitarbeit von Gabriel Sunnus und Johannes Uphus von Josef Wohlmuth (Dekrete der ökumenischen Konzilien 2), Paderborn u.a. 2000.

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Enno Bünz

Reform der Kirche zu befördern. Da ihm bereits im März 1450 das Bistum Brixen verliehen worden war, führte die deutsche Legationsreise zu einer jahrelangen Verzögerung, bis er Anfang April 1452 endlich vom Bistum Besitz ergreifen konnte. Die Legationsreise hier umfassend darzustellen, ist nicht nötig12), obwohl sie sich zeitlich mit dem Beginn des Brixner Pontifikats überschneidet. Hierbei erlebten die Deutschen den Kardinallegaten, der im Laufe des Jahres 1451 und in den ersten Monaten des Folgejahres – nun schon auf dem Weg in sein Bistum Brixen – die Kernlandschaften des Heiligen Römischen Reiches im Süden, Norden, Westen und in der Mitte Deutschlands bereiste, nicht nur als Anbieter ungeheurer päpstlicher Gnadengaben, „die das Seelenheil betreffen“, wie er dem Erzbischof von Salzburg schrieb13), sondern als Kirchenreformer, der – ausgestattet mit päpstlichen Vollmachten – alle erdenklichen kirchlichen Verhältnisse vor Ort, mit denen er sich konfrontiert sah, regelte.14) Die deutsche Legation begann Anfang Februar 1451 mit einem umfassenden Reformprogramm, das er als proposita der Salzburger Provinzialsynode präsentierte, welcher er selbst als Legat vorsaß.15 Das Programm der Provinzialstatuten war umfassend angelegt, begann mit Bestimmungen über die würdige Feier des Gottesdienstes, die Fastenvorschriften und Feiertage, um dann Bestimmungen über die Spendung der Sakramente und die Würde des Priesterstandes zu entfalten. Die kirchliche Hierarchie wird von den Erzbischöfen und Bischöfen über die Äbte und Prälaten bis hin zu den Pfarrseelsorgern mit etlichen Vorschriften bedacht, auch mit der alle betreffenden Forderung, über die Amtsführung Rechenschaft abzulegen. Weitere Regelungen gelten den Bußen, der Simonie, der Residenzpflicht und den Kapitelswahlen, um dann die Lebensführung der Geistlichkeit in den Blick zu nehmen, wobei ausführliche Vorgaben zur Enthaltsamkeit, Kleidung, Tonsur, Sitte und Lebensweise der Geistlichen gemacht werden. Von den Regelungen zum Kirchengut geht es dann weiter zur kirchlichen Gerichtsbar12) Meuthen, Nikolaus von Kues 1401–1464 (wie Anm. 1), 84–90; Ders., Die deutsche Legationsreise des Nikolaus von Kues 1451/1452, in: Lebenslehren und Weltentwürfe im Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit. Politik – Bildung – Naturkunde – Theologie. Bericht über Kolloquien der Kommission zur Erforschung der Kultur des Spätmittelalters 1983 bis 1987, hg. von Hartmut Boockmann u.a., Göttingen 1989, 421–499, der sich auf das umfangreiche Quellenmaterial stützt, das er in den AC I 3a–3b publiziert hat; Woelki, Thomas, Il legato scomodo. Azioni di Niccolò Cusano come legato apostolico e reazioni papali, in: Niccolò Cusano. L’uomo, I libri, l’opera. Atti del LII Convegno storico internazionale, Todi, 11–14 ottobre 2015, Spoleto 2016, 71–93. 13) AC I 2, Nr. 950 (cum facultatibus animarum salutem concernentibus). 14) Der Forschungsstand zur Kirchenreform des späten Mittelalters ist in seine thematischen und regionalen Facetten gar nicht mehr überschaubar. Siehe Helmrath, Johannes, Theorie und Praxis der Kirchenreform im Spätmittelalter, in: Rottenburger Jahrbuch für Kirchengeschichte 11 (1992), 41–70, zu Cusanus zuletzt Woelki, Thomas, Nicolas of Cusa as Reform Bishop: The Potential for Legitimacy of Late Medieval Ecclesiastical Reform, in: American Cusanus Society Newsletter 32 (2015), 37–49. 15) AC I 3a, Nr. 1000.

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keit und den Problemen der weltlichen Rechtsprechung, aber auch zu bestimmten Problemfeldern wie Eidleistungen und Wucher, um schließlich noch Spendensammler, Gotteslästerer und Verbrecher in den Blick zu nehmen. Nicht nur der Salzburger Klerus, die deutsche Kirche insgesamt verweigerte sich diesem umfassenden Reformanspruch, befürchtete hinter der umfassenden Reformagenda den Subordinationsanspruch Roms, so dass das Programm insgesamt während der Legationsreise nicht wieder präsentiert wurde.16) Die 13 Reformdekrete, die Cusanus während seiner deutschen Legation erlassen hat, beschränkten sich auf eher überschaubare Bereiche des pfarrlichen Lebens17), beispielsweise die Förderung des Gebets für Papst, Bischöfe und Hirten in der Sonntagsmesse, das würdige Verhalten während des Gottesdienstes, das Verbot neuer Bruderschaften und des Zeigens der unverhüllten Eucharistie außer an Fronleichnam und anderes mehr, was aber nicht den Bereich der Pfarreien betraf. Bereits Hallauer betont: „Erneuerung des religiösen Lebens, das war sein Programm, und er sah seine Mission in Brixen als direkte Fortsetzung der Legationsreise an“.18) Wie schon 1451/52 deutlich wurde, sah sich Cusanus mit vielfältigen Herausforderungen konfrontiert und er scheute sich nicht, auch lokale Maßnahmen durchzuführen, wie die Neuordnung der Pfarrverhältnisse in Frankfurt am Main zeigt.19) Dabei ging es ihm aber stets um Grundsätzliches. Gegenüber dem Domscholaster von Trient, Johann von Costede, bemerkte Nikolaus von Kues im August 1452, das ich nit such newr das hail der seelen, als ich getan hab durch teutsche land.20) 2. Cusanus als Seelsorger – eine Forschungslücke Die Frage der Seelsorge hat in Untersuchungen über die Bischöfe des späten Mittelalters generell wenig Aufmerksamkeit gefunden. Im kirchen- wie landesgeschichtlichen Rahmen interessieren eher die territorialpolitischen Aufgaben der Reichsbischöfe, weniger ihr geistliches Wirken.21) Die seelsorgerliche Bestrebun16) Meuthen, Nikolaus von Kues 1401–1464 (wie Anm. 1), 91f.; Ders., Nikolaus von Kues und die deutsche Kirche am Vorabend der Reformation, in: MFCG 21 (1994), 39–77, hier bes. 56–71. 17) Meuthen, Die deutsche Legationsreise (wie Anm. 12), 453ff. 18) Hallauer, Hermann J., Nikolaus von Kues als Bischof und Landesfürst in Brixen (Trierer Cusanus Lecture 6), Trier 2000, 18f. 19) Schmieder, Felicitas, „Wider die geistlichen Freiheiten“ – für die Herrschaft des Rates. Das Ringen um die Kontrolle der Pfarrseelsorge in Frankfurt am Main im 15. Jahrhundert, in: Die Pfarre in der Stadt. Siedlungskern – Bürgerkirche – urbanes Zentrum, hg. von Werner Freitag (Städteforschung, Reihe A, 82), Köln u.a. 2011, 63–75. 20) AC II 1, Nr. 2746. 21) Eine Ausnahme ist die breite Perspektive von Janssen, Wilhelm, Der Bischof, Reichsfürst und Landesherr (14. und 15. Jahrhundert), in: Der Bischof in seiner Zeit. Bischofstyp und Bischofsideal im Spiegel der Kölner Kirche. Festgabe für Joseph Kardinal Höffner, Erzbischof von Köln, hg. von Peter Berglar und Odilo Engels, Köln 1986, 185–244, und Ders., Episcopus et dux,

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gen des Cusanus scheinen auch in seiner Brixner Zeit ganz hinter anderen Aufgaben zurückzutreten, vor allem hinter dem Streit mit Herzog Sigismund von Österreich, dem Tiroler Landesherrn.22) Auch auf den folgenden Seiten wird der Konflikt mit dem Herzog und der parallel laufende Streit mit dem Benediktinerinnenkloster Sonnenburg und seiner resoluten Äbtissin Verena von Stuben immer wieder aufscheinen. Man könnte es so wahrnehmen, dass es im Sonnenburger Streit „hauptsächlich um die Einführung der Klausur“ ging23), aber damit schiebt man den Konflikt doch auf die falsche Ebene, denn es ging im Kern nicht um Detailfragen der Organisation monastischen Lebens, sondern um die grundsätzliche Einstellung zur Ordensregel.24) Auch der Streit mit Herzog Sigismund hatte mit dem Bestreben des Cusanus, in der Vergangenheit an den Landesherrn verloren gegangene Hochstiftsbesitzungen zurückzugewinnen, nicht nur einen territorialpolitischen Aspekt, denn für diesen Konflikt von Kirche und Welt gilt: „Je mehr politische Macht sich der Bischof verschaffte, konkret gesprochen: das Hochstift finanziell und territorial sanierte, desto unabhängiger vom Herzog wurde er zumindest dort“25) Der Konflikt mit Herzog Sigismund veranlasste den Bischof schließlich, mit den üblichen Instrumenten des Kirchenrechts vorzugehen und damit die Pfarrseelsorge weitgehend lahmzulegen. Aber was hätte der Kardinal angesichts der kontinuierlichen Rechtsbrüche des Landesherrn sonst tun sollen, zumal das Kirchenrecht Übergriffe auf einen Kardinal mit den allerhärtesten Kirchenstrafen ahndete?26)

animarum pastor et dominus temporalis. Bemerkungen zur Problematik des geistlichen Fürstentums am Kölner Beispiel, in: Geschichtliche Landeskunde der Rheinlande. Regionale Befunde und raumübergreifende Perspektiven. Georg Droege zum Gedenken, hg. von Marlene NikolayPanter, Wilhelm Janssen und Wolfgang Herborn, Köln u.a. 1994, 216–235. 22) Dazu eingehend Jäger, Streit (wie Anm. 10), 1f.; Baum, Wilhelm, Nikolaus Cusanus in Tirol. Das Wirken des Philosophen und Reformators als Fürstbischof von Tirol (Schriftenreihe des Südtiroler Kulturinstitutes 10), Bozen 1983, 291–424; mehrere Studien von Hallauer, Hermann J., Nikolaus von Kues, Bischof von Brixen 1450–1464. Gesammelte Aufsätze, hg. von Erich Meuthen und Josef Gelmi unter Mitarbeit von Alfred Kaiser (Veröffentlichungen der Hofburg Brixen 1), Bozen 2002. 23) Sparber, Anselm, Die Brixner Fürstbischöfe im Mittelalter. Ihr Leben und Wirken kurz dargestellt, Bozen 1968, 157. 24) Meuthen, Erich, Cusanus und die Orden. Aus der geistlichen Welt des späten Mittelalters (Vorträge der Aeneas-Silvius-Stiftung an der Universität Basel 32), Basel u.a. 1996. — Für das Bistum Brixen Hallauer, Hermann J., Nikolaus von Kues als Bischof und Landesfürst, in: MFCG 21 (1994), 275–311, wieder abgedruckt in: Ders., Nikolaus von Kues, (wie Anm. 22), 3–36, hier 8f., und Curzel, Emanuele, Veniam, et curabo eum. Nicolò Cusano vescovo di Bressanone, in: Niccolò Cusano. L’uomo, I libri, l’opera (wie Anm. 12), 39–70, hier 50–55. — Weitere Hinweise unten Anm. 83–88. 25) Meuthen, Die letzten Jahre (wie Anm. 1), 16. 26) Dazu Hallauer, Nikolaus von Kues als Bischof und Landesfürst in Brixen (wie Anm. 18), 28f.

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Neben der älteren Darstellung von Franz Anton Sinnacher27) blieb das Buch von Albert Jäger lange Zeit die einzige ausführlichere Darstellung der Bischofsjahre des Cusanus und hat das Bild entscheidend geprägt. Zwar ist auch Edmond Vansteenberghe in seiner Cusanusbiographie relativ ausführlich auf die Bischofsjahre eingegangen28), aber noch 1960 musste Heinz Hürten feststellen: „Eine eingehende Würdigung seines Wirkens als Diözesanbischof steht noch aus“.29) Allerdings schuf Hürten selbst mit seiner Edition zentraler Aktenstücke zur Reform des Bistums Brixen unter Cusanus die Grundlagen für weitergehende Forschungen. Anlässlich des 500. Todestages des Kardinals wurde von dem Innsbrucker Rechtshistoriker Nikolaus Grass eine umfangreiche Gedenkschrift herausgegeben, die allerdings erst 1970 erschien und nicht die Bahnen der älteren Forschung verließ.30) Der einzige thematisch einschlägige Aufsatz über die Bemühungen des Nikolaus von Kues um die Kirchenreform im Bistum Brixen kannte nicht einmal die grundlegende Edition von Hürten.31) Ansatzweise neu waren lediglich mehrere Beiträge zu Ablassurkunden des Cusanus.32) Einen zumindest originellen Forschungsbeitrag lieferte dann zwei Jahre nach dieser Gedenkschrift Nikolaus Grass mit einer kleinen Monografie zur religiösen Volkskunde, die die Maßnahmen des Cusanus zur Regulierung der Laienfrömmigkeit (Sakramentsverehrung, Prozessionen, Wallfahrten) und des kirchlichen Alltags (Feiertagspraxis, Fastenvorschriften, Umgang mit Tanz, Spiel und anderen Vergnügungen) beleuchtete.33) Allerdings kann bei aller Sympathie für das Tiroler Volksleben die Erklärung, Cuanus sei „als Landfremder der Gebräuche und Volksanschauungen seiner Diözese unkundig gewesen“34), nicht überzeugen. Von den sonstigen Darstellungen ist neben 27) Sinnacher, Franz Anton, Beyträge zur Geschichte der bischöflichen Kirche Säben und Brixen in Tyrol, 9 Bände, Brixen 1821–1837, hier Band 6, 337–533. 28) Vansteenberghe, Edmond, Le cardinal Nicolas de Cues (1401–1464). L’action – la pensée (Bibliothèque du quinzième siècle 24), Paris 1920 (ND Frankfurt a.M. 1963), 140–211. 29) Hürten, Heinz (Hg.), Akten zur Reform des Bistums Brixen (Cusanus-Texte 5: Brixener Dokumente. Erste Sammlung; SBH 1960, 2), Heidelberg 1960, 42. 30) Grass, Nikolaus (Hg.), Cusanus-Gedächtnisschrift (Forschungen zur Rechts- und Kulturgeschichte 3), Innsbruck usw. 1970. 31) Posch, Andreas, Nikolaus von Cusa, Bischof von Brixen, im Kampf um Kirchenreform und Landeshoheit in seinem Bistum, in: Cusanus-Gedächtnisschrift (wie Anm. 30), 227–250. Berücksichtigt wurden nachweislich Publikationen bis 1965. 32) Krausen, Edgar, Drei Ablaßbriefe des Kardinals Nikolaus von Kues im Stiftsarchiv Laufen an der Salzach, in: Cusanus-Gedächtnisschrift (wie Anm. 30), 475–479; Schadelbauer, Karl, Die Ablaßbriefe des Kardinals Nikolaus von Kues für Tiroler Kirchen vom Jahre 1452, ebd., 481–490; Grass, Franz, Der Ablaßbrief des Kardinals Cusanus für die Pfarrkirche von Patsch in Tirol (1459), ebd., 491–496. 33) Grass, Nikolaus, Cusanus und das Volkstum der Berge (Studien zur Rechts-, Wirtschaftsund Kulturgeschichte 3), Innsbruck 1972. Siehe dazu die Besprechung von Hallauer, Hermann J., in: MFCG 10 (1973), 248–250. 34) Grass, Cusanus und das Volkstum der Berge (wie Anm. 33), 9. — Dagegen zuletzt Hallauer, Nikolaus von Kues als Bischof und Landesfürst in Brixen (wie Anm. 18), 31f.

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Anselm Sparbers Überblicksdarstellung der Brixner Bischöfe im Mittelalter35) vor allem die Monographie von Wilhelm Baum über Cusanus und Tirol zu nennen36), dessen Darstellung durch die reiche Bebilderung zwar anschaulich, aber inhaltlich – was die Gewichtung der Aspekte des bischöflichen Wirkens betrifft – nicht neu ist. Seitdem sind noch einige weitere kürzere Übersichtsdarstellungen erschienen.37) Das Cusanus-Handbuch legt den Schwerpunkt auf die Werke und bietet nur knappe biographische Beiträge.38) Der Forschungsstand hat sich in den letzten Jahrzehnten doch deutlich verbessert, so dass die Amtszeit des Nikolaus von Kues als Bischof von Brixen relativ gut erforscht ist, wozu vor allem Hermann Hallauers und in den letzten Jahren auch Thomas Woelkis Vorarbeiten zu den Acta Cusana beigetragen haben.39) Das Erscheinen des dritten Bandes der Acta Cusana mit den Quellen für die letzten Lebensjahre wird nicht nur zur Abrundung beitragen, sondern überhaupt erst die Grundlagen liefern, um die schwierigen letzten Jahre des Cusanus als Bischof von Brixen zu beurteilen.40) In Brixen kam, wie Hürten betont, „eine Seite im Wesen des Kardinals zur Entfaltung, die in seiner bisherigen Lebensarbeit kaum hervorgetreten war, er zeigte sich als Seelsorger“.41) Das Scheitern als Fürstbischof im Konflikt mit dem Tiroler Landesherrn ließen dann die seelsorgerlichen Bemühungen ebenso scheitern, aber dieser Befund ändert nichts daran, dass die Seelsorgetätigkeit des Kardinals näherer Betrachtung lohnt. So kann es nicht überraschen, dass Hermann Hallauer noch 2000 betonte, dass das „pastorale Wirken des Brixener Bischofs […] ungleich stärkere Beachtung“ 35) Sparber, Brixner Fürstbischöfe (wie Anm. 23), 139–159, doch nur mit einer Skizze der Amtszeit des Cusanus. 36) Baum, Nikolaus Cusanus in Tirol (wie Anm. 22). 37) Gelmi, Josef, Nikolaus von Kues (1401–1464). Leben und Wirken eines Universalgenies auf dem Brixner Bischofsstuhl. Zum 550. Todestag, Brixen 22014; Ders., Nikolaus von Kues und Brixen (1450–1464), in: Nicolaus Cusanus. Ein unverstandenes Genie in Tirol (Runkelsteiner Schriften zur Kulturgeschichte 9), Bozen 2016, 23–43; auch die übrigen Beiträge in diesem Band sind wenig substantiell; Brandstätter, Klaus, Nikolaus Cusanus in der Tiroler Landesgeschichte, in: Der Schlern 75 (2001), 151–164; Curzel, Veniam, et curabo eum (wie Anm. 24), 39–70, der bes. 60–66 auf die Pfarrseelsorge eingeht. 38) Euler, Walter A., Die Biographie des Nikolaus von Kues, in: Handbuch Nikolaus von Kues. Leben und Werk, hg. von Marco Brösch u.a., Darmstadt 2014, 31–104, hier 75–93 über Nikolaus von Kues als Bischof und Landesfürst von Brixen. 39) Unverzichtbar ist die Aufsatzsammlung von Hallauer, Nikolaus von Kues, Gesammelte Aufsätze (wie Anm. 22), die zu ergänzen ist um die gleichzeitig erschienene Abhandlung von Hallauer, Nikolaus von Kues als Bischof und Landesfürst (wie Anm. 18). Für die Arbeiten von Thomas Woelki sei, sofern sie nicht im Folgenden zitiert werden, auf die Bibliographie in AC II 7, 2000 verwiesen. Siehe nun auch Helmrath/Woelki, Die Acta Cusana (wie Anm. 1), mit zahlreichen Nachweisen. — Zu den kirchlichen Maßnahmen im Bistum Brixen zusammenfassend auch Meuthen, Nikolaus von Kues 1401–1464 (wie Anm. 1), 112–118. 40) (Zugriff 13.02.2021). AC Band III, Lieferung 2 bis 6 sollen 2022 bis 2026 erscheinen. 41) Hürten (Hg.), Akten zur Reform (wie Anm. 29), 42.

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verdiene und es in Grundzügen schon einmal aufzeigte.42) Als Bearbeiter der Acta Cusana, Band II, wusste Hallauer natürlich, dass wir über die Brixner Jahre „dank einer selten guten Quellenlage glänzend unterrichtet sind“43), aber ihm war auch bewusst, dass es nicht nur die Überlieferung ist, die das Wirken des Cusanus so anschaulich macht, sondern „die Singularität seines pastoralen Eifers“.44) Ungeachtet der Tatsache, dass die neuere Forschung von den deutschen Bischöfen des 15. Jahrhunderts ein etwas helleres Bild gezeichnet hat45), kann man doch festhalten, dass Cusanus in der Häufigkeit, mit der er selbst predigte, vor Ort weihte und sogar visitierte, seine Amtsbrüder durchweg in den Schatten stellte.46) Zur Wahrheit gehört aber auch, dass zwar viele Bischöfe seiner Zeit ihre Diözesen mehr schlecht als recht geleitet haben, keiner aber ein so heilloses Chaos im weltlichen wie geistlichen Regiment hinterließ, wie Cusanus, als er 1460 dem Bistum Brixen den Rücken kehren musste. 3. Nikolaus von Kues und die Pfarrseelsorge im Bistum Brixen Nachdem die Rahmenbedingungen der Bischofsjahre des Cusanus dargestellt sind, wird es nun darum gehen, seine Bemühungen um die Pfarrseelsorge auf den verschiedenen Ebenen zu betrachten, wobei es – dem Wirken des Fürstbischofs entsprechend – nicht nur um große Reformansätze, sondern auch um die vielen konkreten Umsetzungsversuche gehen wird. Die Perspektive ist dabei nicht vorrangig chronologisch angelegt, sondern möchte eher systematisch die Maßnahmen des Bischofs darstellen. Hallauer hat herausgearbeitet, dass sich die bischöfliche 42) Hallauer, Nikolaus von Kues als Bischof und Landesfürst in Brixen (wie Anm. 18), 18. — Etwas anders angelegt und mit Einzelnachweisen versehen ist Ders., Nikolaus von Kues als Kirchenreformer und Fürstbischof von Brixen, in: Nikolaus von Kues 1401–2001. Akten des Symposions in Bernkastel-Kues vom 23. bis 26. Mai 2001, hg. von Klaus Kremer und Klaus Reinhardt (MFCG 28), Trier 2003, 103–134. 43) Hallauer, Nikolaus von Kues als Bischof und Landesfürst (wie Anm. 24), 4. 44) Ebd., 20. 45) Becker, Rainald, Wege auf den Bischofsthron. Geistliche Karrieren in der Kirchenprovinz Salzburg in Spätmittelalter, Humanismus und konfessionellem Zeitalter (1448–1648) (Römische Quartalschrift für christliche Altertumskunde und Kirchengeschichte, Supplementband 59), Rom u.a. 2006; Bünz, Enno/Cottin, Markus (Hg.), Bischof Thilo von Trotha (1466–1514). Merseburg und seine Nachbarbistümer im Kontext des ausgehenden Mittelalters (Schriften zur sächsischen Geschichte und Volkskunde 64), Leipzig 2020; Bünz, Enno/Weiss, Wolfgang (Hg.), Bischof Lorenz von Bibra (1495–1519) und seine Zeit – Herrschaft, Kirche und Kultur im Umbruch (Quellen und Forschungen zur Geschichte des Hochstifts Würzburg 79), Würzburg 2020. 46) Zur Predigttätigkeit gibt es mittlerweile eine reiche Literatur: Nikolaus von Kues als Prediger, hg. von Klaus Reinhardt und Harald Schwaetzer (Philosophie interdisziplinär 11), Regensburg 2004, weitere Angaben macht Curzel, Veniam, et curabo eum (wie Anm. 24), 47f. Anm. 24. Weiterführende Angaben zu den Predigten finden sich in der Edition: NvK, Sermones, h XVI 1 Nr. I–IV. — Siehe auch den Beitrag von Walter Andreas Euler im vorliegenden Band.

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Politik des Cusanus in drei ineinander verzahnte Phasen einteilen lässt, von denen hier vor allem die erste von Interesse ist, in der er sich bemühte, „all’ seine Reformideale in der neuen Diözese zu verwirklichen“.47) Die Perspektive dieser Untersuchung folgt dem Blick des Bischofs auf seine Diözese, vor allem auf die Pfarreien, den Pfarrklerus und das pfarrliche Leben der Laien. Eine umfassende Kirchen- und Frömmigkeitsgeschichte des Bistums Brixen im späten Mittelalter kann selbst bei Konzentration nur auf die Pfarreien nicht geboten werden. Dafür wäre noch weiter auszuholen, wäre die Perspektive des Bischofs um die der Pfarrer sowie der Pfarr- und Dorfgemeinden zu erweitern. In den Werken von Sinnacher48), Tinkhauser bzw. Atz und Schatz49) sowie Trenkwalder50) findet sich dazu ein gewaltiger Stoff, ebenso in den zahlreichen Publikationen aus Pfarrarchiven, die in Tirol gut erschlossen sind.51) Vieles wird zwar in den beiden grundlegenden Monografien über den Brixner Seelsorgeklerus von Trenkwalder angesprochen, aber er stützt sich dabei vor allem auf die Auswertung normativer Quellen und betrachtet die Verhältnisse aus amtskirchlicher Perspektive. Die Sicht der Laien und der Gemeinden fehlt hingegen, und die Frage, welche Möglichkeiten der Mitgestaltung im kirchlichen Leben sie hatten, bleibt beispielsweise offen. Dass gleichwohl neuere Gesamtdarstellungen auch die spätmittelalterliche Kirchengeschichte Tirols zusammenfassend gewürdigt haben, kann über die bestehenden Forschungslücken nicht hinwegtäuschen.52) Die Wertungen einer 47) Hallauer, Nikolaus von Kues als Bischof und Landesfürst in Brixen (wie Anm. 18), 30; Ders., Nikolaus von Kues als Bischof und Landesfürst (wie Anm. 24), 3. 48) Siehe Anm. 27. 49) Tinkhauser, Georg, Topographisch-historisch-statistische Beschreibung der Diöcese Brixen, Band 1, Brixen 1855; Ders./Rapp, Ludwig, Topographisch-historisch-statistische Beschreibung der Diöcese Brixen, Band 2–5, Brixen 1879–1891. Das Diözesangebiet südlich von Brixen wurde 1818 an Trient abgetreten, deshalb ist für die Gegend um Klausen und Kastelruth auch Atz, Karl/Schatz, Adelgott, Der deutsche Antheil des Bisthums Trient, Teil 3: Das Dekanat Sarntal, Klausen und Kastelrut, Bozen 1905, heranzuziehen. Seit 1964 wiederum gehört mit diesem Gebiet der gesamte nördliche Sprengel der Diözese Trient zum Bistum Bozen-Brixen, siehe die Karte des Bistums um 1500, 1818 und in der Gegenwart in: Gatz, Erwin (Hg.), Atlas zur Kirche in Geschichte und Gegenwart. Heiliges Römisches Reich – Deutschsprachige Länder, Regensburg 2009, 76, 265 und 308f. 50) Trenkwalder, Alois, Der Seelsorgeklerus der Diözese Brixen im Spätmittelalter, Brixen 2000. Siehe dazu meine Besprechung, in: Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte 73 (2010), 330– 334. 51) Die Inventare und Regestenwerke verzeichnet bei Trenkwalder, Seelsorgeklerus Spätmittelalter (wie Anm. 50), XIII–XVIII. Seitdem sind einige weitere Inventare erschienen, zuletzt Kinzner, Peter, Urkundenregesten des Pfarrarchivs von Pflersch, in: Der Schlern 74 (2000), 477–488. 52) Gelmi, Josef, Kirchengeschichte Tirols, Innsbruck usw. 1986, 10–77 über das Mittelalter; Ders., Geschichte der Kirche in Tirol. Nord-, Ost- und Südtirol, Innsbruck/Bozen 2001, 49–133 über das Mittelalter; Scheibelreiter, Georg, Das Christentum in Spätantike und Mittelalter – von den Anfängen bis in die Zeit Friedrichs III., in: Leeb, Rudolf u.a. (Hg.), Geschichte des Christentums in Österreich. Von der Spätantike bis zur Gegenwart (Österreichische Geschichte), Wien 2003, 13–144. — Die landesgeschichtliche Überblicksdarstellung von Riedmann, Josef, Mittel-

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neueren Gesamtdarstellung, die nur „schlechte“ Päpste und Kardinäle, Bischöfe als Angehörige eines „dekadenten“ Adels und „ungebildete“ Kleriker kennt53), zeigt, was der Forschung noch zu tun bleibt, bis ein realitätsnahes Bild der spätmittelalterlichen Kirche gezeichnet werden kann. Die Amtszeit des Nikolaus von Kues als Bischof von Brixen währte vom 23. März 1450, als ihn Papst Nikolaus V. zum Bischof ernannte54), bis zum 11. August 1464, als Cusanus in Todi starb.55) Tatsächlich reduzieren sich diese 14 Jahre aber faktisch auf die Hälfte, denn einerseits war an den Amtsantritt erst zu denken, nachdem der vom Domkapitel gewählte Kandidat Leonhard Wismayer am 15. März 1451 zurücktrat56), aber durch die deutsche Legation des Kardinals hat sich der Dienstantritt des Nikolaus von Kues nochmals erheblich verzögert, so dass er erst am 7. April 1452 Brixen erreichte und sein Bistum in Besitz nehmen konnte. Die Eskalation des Konflikts mit Herzog Sigismund zwang Cusanus bereits am 4. Juli 1457, die Kathedralstadt Brixen für immer zu verlassen. Die folgende Zeit, die der Bischof vor allem auf Burg Andraz (Buchenstein) verbrachte, boten keine Gelegenheit für ruhiges pastorales Wirken mehr. Am 14. September 1458 oder wenig später ist der Bischof von Buchenstein nach Rom aufgebrochen, wo er am 30. September einritt.57) Erst Anfang Februar 1460 sollte Cusanus noch einmal in seine Diözese zurückkehren, doch mündete dieser Aufenthalt bekanntlich in die Katastrophe von Bruneck, wo er in der Nacht vom 16./17. April von herzoglichen Truppen gefangen genommen und zu weitgehenden Zugeständnissen gegenüber Herzog Sigismund gezwungen wurde, so dass er Ende April 1460 seine Diözese nun endgültig verließ.58) Als Ergebnis ist festzuhalten, dass deshalb vor allem die Jahre 1452 bis 1458 für unsere Untersuchung von Belang und seit kurzem durch die Acta Cusana vollständig erschlossen sind.

alter, in: Leitner, Walter u.a. (Hg.), Geschichte des Landes Tirol, Band 1: Von den Anfängen bis 1490, Bozen/Innsbruck 21990, 291–667, behandelt die kirchlichen Verhältnisse des Spätmittelalters nur summarisch. 53) Als Schlagworte bei Gelmi, Geschichte der Kirche in Tirol (wie Anm. 52), 124. 54) AC I 2, Nr. 872–876. — Baum, Nikolaus Cusanus in Tirol (wie Anm. 22), 85–91. 55) Meuthen, Die letzten Jahre (wie Anm. 1), 124f. 56) AC I 3b, Nr. 1103–1105, siehe dazu auch AC I 3b, Nr. 1287. — Meuthen, Nikolaus von Kues 1401–1464 (wie Anm. 1), 101. 57) Meuthen, Die letzten Jahre (wie Anm. 1), 22. 58) Hallauer, Hermann J., Bruneck 1460. Nikolaus von Kues – der Bischof scheitert an der weltlichen Macht, in: Ders., Nikolaus von Kues. Gesammelte Aufsätze (wie Anm. 22), 155–195.

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a) Das Bistum Brixen zur Zeit des Cusanus Das Bistum Brixen gehörte zu den kleineren Diözesen im Bereich der ‚Germania Sacra‘, was allerdings nicht an der rein flächenmäßigen Ausdehnung ablesbar ist, sondern an der Anzahl der Pfarreien und ihrer Filialkirchen59), worauf noch näher einzugehen sein wird. Noch wichtiger als die kirchliche Organisation waren für den Rang und die Stellung des Diözesanbischofs als geistlicher Reichsfürst jedoch die Größe und Ertragsfähigkeit des Hochstifts. Ein erheblicher Teil des Hochstiftsbesitzes war schon im Hochmittelalter als bischöfliches Lehen in den Besitz der Grafen von Tirol gelangt.60) Im späten Mittelalter verfügten die Bischöfe noch über die Gerichte (Ämter) Brixen, Salern und Pfeffersberg, Albeins, Lüsen, Klausen, Gernstein oder Latzfons mit Verdings, Tiers und Schenkenerb, Efas (Fassatal), Buchenstein, Bruneck, Antholz, Anras, Thurn an der Gader, Lieserhofen (in Kärnten) und Veldes (in Slowenien).61) Mit Ausnahme von Anras (Osttirol), Lieserhofen und Veldes lagen diese Gerichte alle in Südtirol. Die Dimensionen der Bischofsstadt waren ausgesprochen bescheiden, schon hinsichtlich der Einwohnerzahl, die kaum über 2.000 gelegen haben dürfte62), und die Sakraltopographie blieb weit hinter der anderer Bischofsstädte im Reich zurück.63) Wie hoch die Einkünfte der Bischöfe waren, zeigt die Taxierung des jährlichen Einkommens durch 59) Eine bloße Überblickskarte der flächenmäßigen Ausdehnung bietet Gatz, Erwin, Bistum und Hochstift Brixen um 1500, in: Ders. (Hg.), Atlas zur Kirche (wie Anm. 49), 76; Pizzinini, Meinrad, Kirchliche Strukturen Tirols im Mittelalter, in: Eines Fürsten Traum. Meinhard II. – Das Werden Tirols. Tiroler Landesausstellung 1995. Schloss Tirol, Schloss Stams, Dorf Tirol/Innsbruck 1995, 373–415, dazu Karte und Katalogartikel „Pfarreien in Alt-Tirol, 1300–1500“ ebd., 320f. und 393f. — Eine kartographische Darstellung der zeitlichen Entwicklung seit dem Mittelalter bietet Huter, Franz, Seelsorgen-Filiations-Karte der historischen Länder Tirol und Vorarlberg (1300– 1975). Kommission für den Historischen Atlas der Alpenländer der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Gezeichnet auf Grund eines von Fridolin Dörrer entworfenen Signaturenschemas und unter Benützung des von Josef Eisterer für Vorarlberg bearbeiteten Kartenentwurfes nach dem Stand vom 1.1.1975. Bearbeitung vom Institut für Kartographie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (Kartographische Betreuung: Fritz Kelnhofer, Abteilung angewandte Kartographie), Wien 1976, doch verteilt sich hier das Gebiet des Bistums Brixen auf mehrere Kartenblätter, so dass sich nur schwer ein Gesamtüberblick gewinnen lässt. 60) Zum Schwund des Hochstifts Hallauer, Hermann J., Nikolaus von Kues als Rechtshistoriker. Sein Kampf um die Bewahrung der Brixener Kirche, in: Ders., Nikolaus von Kues. Gesammelte Aufsätze (wie Anm. 22), 39–104, hier bes. 40–42. 61) Baum, Nikolaus Cusanus in Tirol (wie Anm. 22), 39. Siehe auch die Karte der Landgerichte des Fürstbistums Brixen um 1458 auf dem vorderen Buchvorsatz. 62) Hye, Franz-Heinz (Bearb.), Die Städte Tirols, Teil 2: Südtirol (Österreichisches Städtebuch 5,2; Schlern-Schriften 313), Wien 2001, 192 nennt Einwohnerzahlen erst ab 1844 (damals 2.971). 63) Das wurde 1452 deutlich, als für den Jubiläumsablass in Brixen der Besuch von sieben Hauptkirchen geregelt werden musste (AC I 3b, Nr. 2142). Dies waren Domkirche und Stiftskirche Unsere Liebe Frau im Domkreuzgang, die Stadtpfarrkirche St. Michael, die Kirche des Klarissenklosters und die Kirche Hl. Kreuz auf der Insel außerhalb der Stadt. Da sieben Kirchen benötigt wurden, konnten die Gläubigen alternativ an einem zweiten Tag die Kreuz- und Marienkapelle in Säben oder die Klosterkirche in Neustift aufsuchen.

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die päpstliche Kammer an, die alle Bistümer der lateinischen Christenheit eingeschätzt hatte, um bei Amtsantritt eines neuen Bischofs davon 1/3 als Servitium commune einzunehmen. Brixen war demnach mit 3.000 Kammergulden taxiert, was in dieser Zeit umgerechnet 3.600 rheinischen Gulden entsprach.64) Dieser Taxwert galt für Brixen im 14. und 15. Jahrhundert.65) Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass Nikolaus von Kues im Brixner Archiv eine Urkunde vom 12. Dezember 1418 vorfand, in der vermerkt war, dass der Taxwert sich auf genau 2.751 Kammergulden belief und dass abzüglich der laufenden Ausgaben der Wert 1.539 Kammergulden betrug.66) Es trifft also zu, wenn Curzel pointiert festhält, das Bistum sei „ampia per dimensioni, ma mediocre per ricchezza“ gewesen.67) Geht man von der modernen Dreiteilung Tirols aus, so wird deutlich, dass Nordtirol größtenteils zum Bistum Brixen gehörte, von Südtirol hingegen nur die nordöstlichen Landesteile beiderseits von Eisack und Rienz, im Ahrntal und in den Dolomiten, während von Osttirol wiederum nur ein kleines Gebiet im Westen beiderseits der Drau in der Brixner Diözese lag. Ein Großteil Südtirols war kirchlich Teil des Bistums Chur (Vinschgau und Teile des Burggrafenamts mit der Stadt Meran) und des Bistums Trient (Burggrafenamt, Sarntal, Bozener Raum, Überetsch und Unterland). Die Fläche des Bistums Brixen reduziert sich mit Blick auf die naturgeographisch-topographischen Verhältnisse, da sich die Besiedlung und damit die Kirchenorganisation fast nur in den Tallandschaften entfalten konnte und dazwischen weite Gebiete lagen, die vom Hochgebirge geprägt waren.68) Es war also weniger die absolute Zahl der Pfarreien und anderen kirchlichen Institutionen, die die Verwaltung des Bistums Brixen aufwendig machten, sondern die Abgelegenheit und schwere Erreichbarkeit vieler Bergorte. Das Grundgerüst der Kirchenorganisation bildeten die Pfarrkirchen.69) Eine Diözesanmatrikel liegt in Gestalt des Subsidienregisters von 1511/12 vor70), doch lassen sich die Pfarreien 64) Siehe Brosius, Dieter, Die Pfründen des Enea Silvio Piccolomini, in: QFIAB 54 (1974), 271–327, hier 273 Anm. 9, und Ulbrich, Tobias, Päpstliche Provision oder patronatsherrliche Präsentation? Der Pfründenerwerb Bamberger Weltgeistlicher im 15. Jahrhundert (Historische Studien 455), Husum 1998, 196f. Der Wert des rheinischen Guldens hat sich im Laufe der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts aber verschlechtert. 65) Hoberg, Hermann, Taxae pro communibus servitiis ex libris obligationum ab anno 1295 usque ad annum 1455 confectis (Studi e Testi 144), Vatikanstadt 1949, 24. 66) AC II 1, Nr. 3466. 67) Curzel, Veniam, et curabo eum (wie Anm. 24), 42. 68) Zum Zusammenhang von Siedlung Landschaft Stolz, Otto, Geschichte des Landes Tirol. Quellen und Literatur, Land und Volk in geschichtlicher Betrachtung, Allgemeine und politische Geschichte in zeitlicher Betrachtung, o.O. (Bozen) 1973 (ND der Ausgabe Innsbruck u.a. 1955), 197–201. 69) Trenkwalder, Seelsorgeklerus Spätmittelalter (wie Anm. 50), 9–41. 70) Das Subsidienregister von 1511/2 befindet sich im Diözesanarchiv Brixen, DA, Hofarchiv, Akten 21567, danach die statistischen Angaben bei Sinnacher, Beyträge VII (wie Anm. 27), 234– 240.

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auch mit Hilfe anderer Quellen vollständig feststellen. Kurz nach der Mitte des 12. Jahrhunderts bestanden 53 Pfarreien, deren Zahl bis 1431 nur noch auf 58 anwuchs.71) Bischof Georg Golser (1464/71–1488), der Nachfolger des Cusanus, bemerkte 1478, es seien „nur 62 Pfarreien zu betreuen“.72) Dieser Status galt auch noch zu Beginn des 16. Jahrhunderts, wie dem Subsidienregister von 1511/12 zu entnehmen ist.73) Die Betrachtung der Pfarrentwicklung zeigt, dass sich im Laufe des 15. Jahrhunderts zumindest auf der Ebene der Pfarreien fast nichts mehr verändert hat. Curzel spricht deshalb sogar von einer „crisi del sistema pievano“ und verweist auf die Gründung zahlreicher Filialkirchen („chiese minori“) im 14. und 15. Jahrhundert.74) Einzige nachweisbare Pfarrseparation des 15. Jahrhunderts war St. Oswald in Seefeld; die Kirche, an der seit 1334 eine Kaplanei bestand und in der sich 1384 ein spektakuläres Hostienwunder ereignet hatte, wurde 1431 von Telfs separiert.75) Die meisten Pfarreien wiesen ziemlich große Pfarrsprengel auf76), weshalb im Laufe des späten Mittelalters zahlreiche Filialkirchen und -kapellen durch Einrichtung von Pfarrvikariaten, Kuratien und Kaplaneien mit eingeschränkten Seelsorgerechten ausgestattet wurden, um die Seelsorge vor Ort sicherzustellen. Das war die Ebene, auf der sich das Niederkirchenwesen im späten Mittelalter ausdifferenzierte.77) Als Beispiele kann auf die Gründung von Filialkirchen in Villnöss (Pfarrei Albeins) 1428, St. Christina (Pfarrei Lajen) 1440 sowie Durnholz und Reinswald (Pfarrei Pens) 1446 verwiesen werden.78) In der Pfarrei Stilfes (Südtirol) stifteten die Gemeinden für die Kirchen St. Oswald in Mauls, St. Martin in Mittewald und die Kapelle St. Valentin in Valgenäun eine jährliche Rente von 16 Mark Berner, aus dessen Erträgen der Pfarrer von Stilfes einen Kooperator anstellen und ent71) Trenkwalder, Alois, Zur seelsorglichen Organisation der Diözese Brixen von der Mitte des 12. bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts, in: Konferenzblatt für Theologie und Seelsorge (Brixen 1986), 130–153; Ders., Seelsorgeklerus Spätmittelalter (wie Anm. 50), 9f.; Curzel, Veniam, et curabo eum (wie Anm. 24), 61 („una sessantina“). 72) Trenkwalder, Seelsorgeklerus Spätmittelalter (wie Anm. 50), 10. 73) Trenkwalder, Alois, Der Seelsorgeklerus der Diözese Brixen im 16. Jahrhundert, Brixen 2003, 57. 74) Curzel, Veniam, et curabo eum (wie Anm. 24), 60. 75) Sparber, Brixner Fürstbischöfe (wie Anm. 23), 197. — Zum Hostienwunder siehe Ramminger, Eva, Die Hauptwerke Jörg Kölderers: Die Fresken am sog. „Wappenturm“ der Innsbrucker Residenz – Die Fresken am Goldenen Dachl – Die sog. „Mirakeltafel“ in der Pfarrkirche von Seefeld – Miniaturen zum Jagd- und Fischereibuch Kaiser Maximilians, in: Jörg Kölderer. Katalog zur Ausstellung vom 13. bis 22. November 1992 in Inzing, Innsbruck 1992, 35–50. 76) Wörle, Joseph, Die mittelalterlichen Großpfarren im Raume des heutigen Außerfern, in: Ausserferner Buch. Beiträge zur Heimatkunde von Ausserfern, hg. von Raimund von Klebelsberg (Schlern-Schriften 111), Innsbruck 1955, 77–114, hier 111–114 zu den Pfarreien Stanz und Imst. 77) Bünz, Enno, Pfarreien – Vikarien – Prädikaturen. Zur Entwicklung der Seelsorgestrukturen im Spätmittelalter, in: Ders., Die mittelalterliche Pfarrei (wie Anm. 7), 77–118. 78) Diese Beispiele nennt Curzel, Veniam, et curabo eum (wie Anm. 24), 62.

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lohnen sollte. Cusanus brachte zum Entwurf der Stiftungsurkunde einige Änderungswünsche ein.79) Vor allem in den überwiegend gebirgigen Teilen des Bistums war die Ausübung der Seelsorge durch die Geistlichen, aber auch der Besuch der Gottesdienste durch die Gläubigen außerordentlich schwierig.80) Durchgreifende strukturelle Veränderungen der Pfarreiorganisation sind unter Nikolaus von Kues nicht erfolgt, aber ihm wird bewusst gewesen sein, dass es mancherorts Ungleichgewichte gab. Mit der Entwicklung des Städtewesens hielt der Ausbau des Niederkirchenwesens aber nur bedingt Schritt; das führte zu etlichen Schieflagen.81) Das kleine Städtchen Klausen erhielt zwar noch im 15. Jahrhundert eine Pfarrei, Bruneck hingegen erst 1613. Die Bergstadt Schwaz, die durch gewaltige Silberfunde seit dem 15. Jahrhundert schnell wuchs, wurde erst 1645 Pfarrsitz. In der landesherrlichen Residenzstadt Innsbruck war die St. Jakobskirche vom Prämonstratenserstift Wilten abhängig, und die Verselbständigung der Stadtpfarrkirche sollte erst 1653 erreicht werden.82) Das Bistum Brixen war arm an Klöstern und Stiften.83) In der Bischofsstadt gab es neben dem Domkapitel nur das Liebfrauenstift im Domkreuzgang als Nebenstift und den Konvent der Klarissen84), mit dem wiederum eine sehr kleine Gemeinschaft von Franziskanerbrüdern zur seelsorgerlichen Betreuung der Schwestern verbunden war. Ein weiteres Säkularkanonikerstift bestand in Innichen. In ) AC II 3, Nr. 4057. ) Siehe beispielsweise die Bitte der Leute in Prägraten im Virgental (Osttirol) um Errichtung einer Seelsorgestelle, da der Hin- und Rückweg zur Pfarrkirche in Virgen acht Stunden dauere und einen Teil des Jahres nicht gangbar sei: Wopfner, Hermann, Tiroler Bergbauernbuch. Von Arbeit und Leben des Tiroler Bergbauern, Band 3: Wirtschaftliches Leben, hg. von Nikolaus Grass unter redaktioneller Mitarbeit von Dietrich Thaler (Schlern-Schriften 298; Tiroler Wirtschaftsstudien 49), Innsbruck 1997, 98. 81) Zum Folgenden: Hye, Franz-Heinz (Bearb.), Die Städte Tirols, 1. Teil: Bundesland Tirol (Österreichisches Städtebuch 5,1), Wien 1980; Ders. (Bearb.), Die Städte Tirols, Teil 2: Südtirol (wie Anm. 62), die Ortsartikel jeweils unter dem Gliederungspunkt 15 mit Angaben zur kirchlichen Entwicklung. 82) Lentze, Hans, Die St. Jakobskirche in Innsbruck im Lichte der Rechtsgeschichte. Urkundenanhang von Fritz Steinegger (Veröffentlichungen aus dem Stadtarchiv Innsbruck 12), Innsbruck 1957; Hye, Franz-Heinz, Das historische Verhältnis von Stadt und Pfarre in Tirol mit besonderer Berücksichtigung der Dom-Pfarrkirche St. Jakob in Innsbruck, in: Stadt und Kirche, hg. von Dems. (Beiträge zur Geschichte der Städte Mitteleuropas 13), Linz 1995, 137–148; Curzel, Veniam, et curabo eum (wie Anm. 24), 63. 83) Als Überblick mit kurzen Einzelbeiträgen Caramelle, Franz/Frischauf, Richard, Die Stifte und Klöster Tirols, Innsbruck/Wien/Bozen 1985; Dom- und Kollegiatstifte in der Region Tirol – Südtirol – Trentino in Mittelalter und Neuzeit. Collegialità ecclesiastica nella regione trentinotirolese dal medioevo all’età moderna, hg. von Hannes Obermair, Klaus Brandstätter und Emanuele Curzel (Schlern-Schriften 329), Innsbruck 2006, behandelt auch die Regularkanonikerstifte. Auf Einzelnachweise wird deshalb im Folgenden verzichtet. 84) Hallauer, Hermann J., Nikolaus von Kues und das Brixener Klarissenkloster, in: Ders., Nikolaus von Kues. Gesammelte Aufsätze (wie Anm. 22), 257–311. 79 80

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unmittelbarer Nähe der Bischofsstadt lag das Augustinerchorherrenstift Neustift, in dem sich Cusanus häufiger aufhielt85), nördlich des Brenner vor den Toren der Stadt Innsbruck das Prämonstratenserstift Wilten.86) Im Pustertal bestand das Benediktinerinnenkloster Sonnenburg, an dessen Reform Cusanus scheitern sollte.87) Im oberen Inntal lag das Zisterzienserkloster Stams, in einem Seitental des unteren Inntals (Stallental) das Benediktinerkloster St. Georgenberg. Auffällig ist das völlige Fehlen von Männerkonventen der Bettelorden, was wohl mit der gering ausgeprägten Urbanität im Bistum zu erklären ist.88) Vor allem das Domkapitel verdient als mächtigster geistlicher Herrschaftsträger neben dem Bischof Beachtung. Nikolaus von Kues hatte zwar einzelnen Gefolgsleute im Kapitel, namentlich Konrad Bossinger, Gebhard Bulach und Simon von Wehlen, zeitweilig auch Michael von Natz, aber mehrheitlich standen die Domherren Cusanus distanziert gegenüber, und das Verhältnis verschlechterte sich unter dem Eindruck des Konflikts mit dem Herzog noch weiter.89) Die Konfliktlinien resultierten keineswegs daraus, dass ein landfremder Bischof einem von Tirolern dominierten Domkapitel gegenüberstand, denn auch die meisten Domherren stammten nicht aus dem Land.90) Die Bedeutung der Kirchenorganisation für die Kommunikation innerhalb der Diözese wird verschiedentlich deutlich.91) Die Pfarrer waren gewissermaßen der verlängerte Arm des Bischofs. Dies gilt für einzelne Pfarrseelsorger wie auch für den gesamten Pfarrklerus. Im Dezember 1454 teilte Nikolaus von Kues dem Pfarrer von St. Lorenzen im Pustertal in der Streitsache mit dem Sonnenberger Kon85) Hallauer, Hermann J., Nikolaus von Kues und das Chorherrenstift Neustift, in: Ders., Nikolaus von Kues. Gesammelte Aufsätze (wie Anm. 22), 199–214. 86) Lentze, Hans, Nikolaus von Cues und die Reform des Stiftes Wilten, in: Ders., Studia Wiltinensia. Studien zur Geschichte des Stiftes Wilten (Forschungen zur Rechts- und Kulturgeschichte 1), Innsbruck 1964, 73–94. 87) Hallauer, Hermann J., Eine Visitation des Nikolaus von Kues im Benediktinerinnenkloster Sonnenburg, in: Ders., Nikolaus von Kues. Gesammelte Aufsätze (wie Anm. 22), 215–236; Ders., Nikolaus von Kues und die Visitation der Abtei Sonnenburg im Jahre 1455, in: ebd. 237– 256; Baum, Nikolaus Cusanus in Tirol (wie Anm. 22), 164–216. Siehe nun auch den Beitrag von Isabelle Mandrella im vorliegenden Band. 88) Siehe dazu: Hye (Bearb.), Die Städte Tirols I (wie Anm. 81); desgleichen II (wie Anm. 62). 89) Baum, Nikolaus Cusanus in Tirol (wie Anm. 22), 223–237, hier 232f. Zum Personenkreis um NvK in Brixen siehe den Beitrag von Erika Kustatscher im vorliegenden Band. 90) Laut Santifaller, Leo, Das Brixner Domkapitel in seiner persönlichen Zusammensetzung im Mittelalter, 2 Teile (Schlern-Schriften 7), Innsbruck 1924–1925, Band 1, 81 stammten von den Domherren des 15. Jahrhunderts nur 21 % aus dem Bistum Brixen. — Siehe auch Hallauer, Nikolaus von Kues als Bischof und Landesfürst in Brixen (wie Anm. 18), 31f. 91) Siehe dazu mit vielen Beispielen Bünz, Enno, „Die Kirche im Dorf lassen ...“. Formen der Kommunikation im spätmittelalterlichen Niederkirchenwesen, in: Kommunikation in der ländlichen Gesellschaft vom Mittelalter bis zur Moderne, hg. von Werner Rösener (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte 156), Göttingen 2000, 77–167, allerdings noch ohne Nutzung der AC.

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vent eine päpstliche Bulle mit und befahl dem Pfarrer, die Nonnen aufzufordern, sich der Reform zu unterwerfen.92) 1455 März 21 erhielt der Pfarrer in dieser Angelegenheit wieder einen bischöflichen Auftrag.93) Durch Rundschreiben teilte Nikolaus von Kues am 30. April 1455 die Absetzung und Exkommunikation der Äbtissin Verena von Sonnenburg dem gesamten Klerus der Diözese mit, darunter auch dem Pfarrklerus (parrochialiumque ecclesiarum rectoribus seu locatenentibus euorundem, plebanis, viceplebanis, capellanis curatis) und der gesamten niederen Geistlichkeit.94) Das durch Insertion weiterer Dokumente ziemlich lange Schriftstück musste in entsprechend zahlreichen Kopien vervielfältigt werden; dafür wurden die Domschüler herangezogen, denen laut Rechnungsbetrag dafür 4 Pfund ausgezahlt wurden.95) Ein nur regional gültiges Dekret sollte 1455 in dem Pfarrkirchen zu Brixen, Rodeneck, Feldthurns, Albeins und Natz publiziert werden, also im Umkreis der Bischofsstadt.96) Am 12. Juli 1455 erteilte der Bischof dem Pfarrer von St. Lorenzen und seinen Kaplänen unter Androhung des Bannes den Auftrag, unverzüglich vor dem Klostertor in Sonnenburg zu verkünden, dass er die ehemalige Äbtissin vor sein Gericht geladen habe, wo sie innerhalb von acht Tagen zu erscheinen habe.97) Da zumindest ein Teil des Konvents weiterhin zur abgesetzten Äbtissin stand, erteilte Nikolaus von Kues dem Pfarrer von St. Lorenzen am 29. August 1455 den Auftrag, die Nonnen zu ermahnen, den Umgang mit der ehemaligen Äbtissin zu meiden und innerhalb von drei Tagen vor ihm in Brixen zu erscheinen.98) Am 10. Januar 1456 schrieb Nikolaus von Kues an die Pfarrer von Taufers, Enneberg und St. Lorenzen sowie an den gesamten Pfarrklerus seiner Diözese, um den Empfängern und deren Pfarrangehörigen den Umgang mit den gebannten Klosterfrauen und die Leistung von Abgaben an das Kloster zu verbieten.99) Als die Äbtissin 1456 nach Innsbruck reiste, schärfte er den Pfarrern und ihren Hilfsgeistlichen insbesondere in Wilten, Innsbruck, Hall, Matrei, Sterzing, Stilfes, Pfalzen und St. Lorenzen ein, das Interdikt zu halten.100) An den Pfarrorten kann man geradezu den Reiseweg der Äbtissin ablesen. Als Nikolaus von Kues im Mai 1456 zu Ohren kam, dass die Nonnen in Sonnenburg trotz Bann und Interdikt noch immer das Altarsakrament in der Klosterkirche aufbewahrten, schrieb er dem Pfarrer, den Gesellpriestern und Kaplänen von St. Lorenzen, dass die Nonnen das Allerheiligste innerhalb von drei Tagen in die Pfarrkirche nach St. Lorenzen ) AC II 3, Nr. 4164. ) AC II 3, Nr. 4273. 94) AC II 3, Nr. 4330. 95) AC II 3, Nr. 4332. 96) AC II 3, Nr. 4365. 97) AC II 4, Nr. 4428. 98) AC II 4, Nr. 4499. 99) AC II 4, Nr. 4647. 100) AC II 4, Nr. 4697. 92 93

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schaffen sollten.101) Als ihm von einer geplanten Visitation des Stiftes Wilten durch Prämonstratenser der schwäbischen Zirkarie zu Ohren kam, befahl er dem Pfarrer von Flaurling sowie den Pfarrvikaren von Hall und Innsbruck, dagegen einzuschreiten.102) b) Der Weg zur Pfründe: Kollatur, Präsentation, Investitur, Installation In den zahlreichen Reichsbistümern waren die Kollaturverhältnisse der Pfarreiern sehr komplex, und die Diözesanbischöfe waren nur ein Kollator neben zahlreichen geistlichen Institutionen, vor allem Klöstern und Stiften, sowie weltlichen Herrschaftsträgern und Instanzen wie Fürsten und Adligen, aber auch Städten, Gemeinden und einzelnen Familien. In Konkurrenz zur ordentlichen Kollatur spielte im späten Mittelalter in wachsendem Maße auch der Papst eine Rolle, der Benefizien durch Provision vergeben, Reservationen geltend machen oder Anwartschaften (Exspektanzen) erteilen konnte. Eine ausführliche Untersuchung der Besetzungsverhältnisse, wie sie für das Bistum Bamberg vorliegt, gibt es für das Bistum Brixen noch nicht.103) In welchem Umfang konnten die Bischöfe von Brixen die Pfarreien besetzen? Inwieweit konnten sie ungeachtet eigener Kollaturbefugnisse in die Besetzung eingreifen? Im Hochmittelalter waren die meisten Pfarreien freier Verleihung, unterstanden also bischöflicher Kollatur, doch reduzierte sich die Zahl dieser Pfarreien durch die allgemein gängige Inkorporationspraxis der Bischöfe im Laufe des Spätmittelalters.104) Begünstigt wurden das Brixner Domkapitel (6 inkorporierte Pfarreien), das Kollegiatstift ULF im Kreuzgang des Brixner Doms (1), das Augustinerchorherrenstift Neustift (4), das HeiligKreuz-Spital in Brixen (1), das Zwölf-Apostel-Spital bei Klausen (1), das Kollegiatstift St. Candidus in Innichen (5), das Prämonstratenserstift Wilten (3), das Zisterzienserkloster Stams (3), das Benediktinerkloster St. Georgenberg (3), die Deutschordenskommende Sterzing (eine, seit 1468/69 zwei Pfarreien). Diese Vorgänge erfolgten alle vor der Mitte des 15. Jahrhunderts.105) Cusanus selbst hat keine Inkorporation vorgenommen. ) AC II 4, Nr. 4792. ) AC II 5, Nr. 5209. 103) Ulbrich, Päpstliche Provision (wie Anm. 64), passim. — Für das päpstliche Provisionswesen ist auch die Untersuchung von Weiss, Sabine, Kurie und Ortskirche. Die Beziehungen zwischen Salzburg und dem päpstlichen Hof unter Martin V. (1417–1431) (Bibliothek des Deutschen Historischen Instituts in Rom 76), Tübingen 1994, über das Erzbistum Salzburg von Bedeutung. 104) Lindner, Dominikus, Die Lehre von der Inkorporation in ihrer geschichtlichen Entwicklung, München 1951. — Ders., Die Inkorporationen im Bistum Regensburg während des Mittelalters, in: ZRG KA 67 (1950), 205–327. 105) Spezielle Untersuchungen für Tirol fehlen. Vgl. aber als Überblick Innerhofer, Herbert Theobald, Stift Neustift und seine Pfarreien, in: 850 Jahre Augustiner Chorherrenstift Neustift, 101 102

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Welche Pfarreien unterstanden nun bischöflicher Kollatur? Im Eisacktal waren dies Lüsen, Albeins, Lajen, Kastelruth, im ladinischen Bistumsgebiet die Pfarreien Fassa, Buchenstein und Enneberg, im Pustertal Rodeneck, Gais, St. Johann in Ahrn und Anras, im Oberinntal die Pfarren Stilfes, Matrei, Telfes, Flaurling, Telfs, Wenns, Prutz, Serfaus, im Zillertal Fügen. Im Unterinntal war keine Pfarrei mehr in bischöflicher Hand geblieben. Anders im Pustertal, doch hatten auch dort Bischöfe Pfarreien aus der Hand gegeben. In Taisten war das Patronatsrecht 1401 an die Herren von Welsberg verliehen worden. Nikolaus von Kues hat am 2. Mai 1452 den Sigmund von Welsberg mit dem Kirchenpatronat belehnt.106) Die Besetzung der Pfarreien Fügen, Thaur, Zams und Mareit war in der Amtszeit des Cusanus zwischen dem Bischof von Brixen und dem Landesherrn strittig. Zumindest einer dieser Konfliktfälle soll kurz betrachtet werden: In Fügen kam es 1455 um die Wiederbesetzung zum Streit zwischen Nikolaus von Kues und Herzog Sigismund. Cusanus hatte 1454 einen Pfarrer eingesetzt107), doch akzeptierte das der Herzog offenbar nicht, der einen anderen Geistlichen (Hans Steinberger) präsentierte und den Bischof Anfang Januar 1455 bat, wegen der Besetzung einen Rechtstag anzusetzen.108) Wenig später trat der von Cusanus eingesetzte Pfarrer mit der Bitte auf den Plan, sich in Fügen durch einen Kaplan vertreten zu lassen109), doch willigte Nikolaus von Kues zunächst nicht ein, der darüber hinaus in einem Schreiben an den Bischof von Trient mitteilte, dass er das Interdikt über das Herrschaftsgebiet des Herzog Sigismunds verhängen werde, wenn dieser nicht einlenke.110) Dazu kam es nicht, doch verfügte Nikolaus von Kues zumindest die cessatio ab divinis, da der Herzog den Pfarrhof besetzen ließ, wohl um die Pfarreinkünfte zu kontrollieren. Herzog Sigismund bat am 16. März darum, dem von ihm eingesetzten Priester (Hans Steinberger) die Pfarrseelsorge vorläufig zu übertragen, wofür er im Gegenzug die Besetzung des Pfarrhofs aufheben wolle; alles weitere solle auf einem Rechtstag verhandelt werden. Nikolaus von Kues ließ sich darauf ein.111) Noch bevor ein Rechtstag stattfand, verfügte Nikolaus von Kues am 18. März 1455, dass der vom Herzog eingesetzte Geistliche bis 20. April amtieren solle (wobei er nicht vergaß anzugeben, dass dieser über die eingenommenen Pfarreinkünfte Buch zu führen und vor dem Bischof Rechnung zu legen habe) und er das Gottesdienstverbot aufheben lasse, da der Herzog versprochen habe,

Neustift 1992, 176–209, der auch zeigt, dass die Inkorporationspraxis bis in die Gegenwart hinein reicht. 106) AC II 1, Nr. 2532–2533. Vgl. auch Nr. 5399 (Präsentation eines neuen Pfarrers 1457). 107) AC II 3, Nr. 4052. 108) AC II 3, Nr. 4201, Antwort des NvK ebd. Nr. 4216. 109) AC II 3, Nr. 4215 u. 4227. 110) AC II 3, Nr. 4228. 111) AC II 3, Nr. 4262 u. 4265.

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die Besetzung des Pfarrhofs zu beenden.112) Weitere Verhandlungen fanden in Brixen statt, wohin Sigismund am 27. März zwei adlige Vertraute wegen der pharre Fuegen entsandte.113) Damit bricht die Überlieferung ab, doch dürfte deutlich geworden sein, wie hartnäckig um solche Kollaturfragen gerungen wurde. Wie lief die Vergabe und Besetzung der Pfarreien ab? Bischöfliche Kollaturregister sind, wenn sie überhaupt geführt wurden, nicht erhalten.114) Das übliche Verfahren war, dass dem Bischof vom Inhaber des Kollaturrechts ein Geistlicher präsentiert und dieser vom Bischof investiert wurde.115) So belegt für die Pfarrei Völs 1453, wo die Präsentation und die Investitur am 3. August erfolgte.116) Die Investitur war ein rein formaler Akt, den der Bischof am Bischofssitz beurkundete, um dann einen Geistlichen zu beauftragen, der die Installation vor Ort durchführte.117) Als die Pfarrei Fügen (Zillertal) 1454 durch Resignation des bisherigen Pfarrers frei wird, beauftragt Nikolaus von Kues den Pfarrer von Kolsass, die Pfarre Degenhard Plankenberger zu übertragen.118) Das scheint aber nicht reibungslos verlaufen zu sein, da die Besetzung mit Herzog Sigismund strittig war.119) Der Rechtstag sollte am Hof des Herzogs stattfinden und war auf den 13. April angesetzt worden, wie der Herzog Nikolaus von Kues am 20. März 1455 mitteilte.120) Die bischöfliche Mitwirkung bei der Pfründenbesetzung mag als reine Formalie erscheinen und war es vielfach auch, aber indem der Bischof oder sein Vertreter die Geistlichen investierte, erteilte er ihnen die Befugnis zur Seelsorge. Deshalb schlug es hohe Wellen, als sich Nikolaus von Kues an der Jahreswende 1457/58 weigerte, dem neuen Pleban an der Jakobskirche in Innsbruck die cura animarum zu erteilen, weshalb sich der Herzog, sobald er davon erfuhr, nach Brixen wandte und ) AC II 3, Nr. 4266. ) AC II 3, Nr. 4280. 114) Vgl. beispielsweise: Die Investiturprotokolle der Diözese Konstanz aus dem 16. Jahrhundert, bearb. von Franz Hundsnurscher, Teil 1: Von Aach – Kürzenbach, Teil 2: Lachen – Zwiefaltendorf, Teil 3: Einführung, Verzeichnisse, Register, bearb. von Dagmar Kraus (Veröffentlichungen der Kommission für geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg, Reihe A, 48, 1–2 u. 49), Stuttgart 2008–2010, dort auch Hinweise auf die Register des 15. Jahrhunderts 115) Siehe dazu Freilinger, Christoph, Die Amtseinführung des Pfarrers. Die liturgischen Ordnungen und ihre Bilder des Gemeindeleiters – eine Studie zum deutschen Sprachgebiet in der Neuzeit (Studien zur Pastoralliturgie 16), Regensburg 2003, allerdings beschränkt auf die Neuzeit. 116) AC II 2, Nr. 3555. 117) Wobei der neue Pfarrer von seiner Pfarrkirche und dem Widum ganz handgreiflich Besitz ergriff, siehe für andere Diözesen Suttner, Josef Georg, Zur Geschichte der Pfarrinstallation im Bistum Eichstätt, in: Pastoral-Blatt des Bisthums Eichstätt (1883), Nr. 9–19, und Müller, Josef, Zwei Installationsformulare für geistliche Pfründen aus dem XV. Jahrhundert, in: Zeitschrift für schweizerische Kirchengeschichte 3 (1909), 151–153. 118) AC II 3, Nr. 4052. 119) Hierauf ist wohl die Zuschrift des NvK an mehrere Pfarrer im Inntal zu beziehen, deren Inhalt wir aber nicht kennen, erwähnt in: AC II 3, Nr. 4076. 120) AC II 3, Nr. 4269. 112 113

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eine Delegation von Domherren und Laien nach Innsbruck reiste.121) Die drei Brixner Domherren trafen am 5. Februar 1458 in Innsbruck ein und schrieben am folgenden Tag dem Bischof, dem sie ein schonungsloses Stimmungsbild zeichneten: „In Innsbruck sei die Stimmung gegen den Kardinal sehr aufgeheizt, weil er die Erteilung der Seelsorgebefugnis (für den Pfarrer von Innsbruck) verweigert habe“; die Domherren warnen davor, das Interdikt zu verhängen, das den Zorn des Volkes anheizen und auf dem nächsten Landtag den Zorn gegen ihn nur anheizen werde. Deshalb möge er doch wenigstens die Seelsorge zulassen.122) Die Erteilung der cura animarum durch den Bischof war mit einer Eidleistung des Geistlichen verbunden. Im Falle der Pfarrei Thaur erteilte Nikolaus von Kues zwar dem Bischof von Trient die Vollmacht, dort einen Geistlichen einzusetzen (ydoneo nostro nomine conferendi), doch müsse dieser dann umgehend zu ihm kommen, et in nostras manus aut cui commiserimus solitum per plebanos prestari juramentum prestet et cure commissionem recipiat.123) In St. Martin bei St. Lorenzen machte Nikolaus von Kues sein bischöfliches Devolutionsrecht geltend.124) Die Besetzung der Kapelle ist 1457 recht gut dokumentiert. Das Patronatsrecht stand der Äbtissin des Klosters Sonnenburg zu. In ihrer Vertretung präsentierte die Verweserin des Klosters am 22. Juli dem Nikolaus von Kues einen gewissen Johannes Lampl als neuen Kaplan für die Kapelle. Wie aus dem Vermerk des Konrad Zoppot auf dem Schreiben hervorgeht, wurde es am 24. Juli in Brixen vorgelegt und traf am 19. August – Lampl war anwesend – wieder in St. Martin ein.125) Ob Lampl investiert und installiert wurde, ist jedoch nicht klar. Bereits am 9. August hatte Nikolaus von Kues aus Buchenstein an den Domherren Michael von Natz geschrieben und ihn informiert, dass er bereits am 20. Juli in der Ausübung seines Devolutionsrechtes den Christoph Riethover eingesetzt habe. Deshalb übertrug er nun Michael von Natz die Lösung des Streites.126) Dieser entschied die Sache zugunsten des von der Klosterverweserin präsentierten Johannes Lampl, publizierte die Entscheidung durch Anschlag an den Brixner Domtüren und führte ihn nach Ablauf der Widerspruchsfrist in das Benefizium ein.127) Der Verweis des Bischofs auf Ausübung seines Devolutionsrechtes hatte also nicht verfangen. Ungeachtet der hohen Maßstäbe, die Cusanus an die klerikale Lebensführung anlegte, war er doch ein Kind seiner Zeit und akzeptierte selbstverständlich das spätmittelalterliche Benefizialwesen mit seinen Auswüchsen. Wie schon erwähnt ) AC II 6, Nr. 5468. ) AC II 6, Nr. 5488. 123) AC II 6, Nr. 5545. 124) Leisching, Peter, Art. „Devolution, Devolutionsrecht“, in: LThK 3 (31995), 172f. 125) AC II 6, Nr. 5316. 126) AC II 6, Nr. 5347. 127) Schreiben vom 5. September 1457: AC II 6, Nr. 5361. 121 122

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wurde, behielt Cusanus ganz selbstverständlich Benefizien und Ämter aus der Zeit vor seiner Bischofserhebung bei, gab sie z.T. aber auch an seinen Bruder Johannes weiter, der offenbar ein ganz durchschnittliches Klerikerleben führte.128) Pfründenkumulation begegnet auch bei Klerikern, die der Klientel des Bischofs angehörten: Sein Sekretär Peter von Erkelenz hatte die Pfarrei Prutz inne, die bischöflicher Kollatur unterstand, brauchte als Pfarrherr aber eine Weihedispens, da er nicht Priester war.129) 1457 bat Heinrich Pomert, Sekretär des Nikolaus von Kues, Papst Calixt III. um Provision mit der Pfarrei Wenns, die bischöflicher Kollatur unterstand.130) Heinrich Soitern, der zeitweilig als Bischofssekretär fungierte131), hatte 1457/58 die Pfarrei Fließ inne.132) Die Beispiele ließen sich vermehren. c) Diözesansynoden und Klerusversammlungen Die regelmäßige Abhaltung von Provinzial- und Diözesansynoden, die zur Unterscheidung von den gesamtkirchlichen oder reichsweiten Synoden bzw. Konzilien auch Partikularsynoden genannt wurden, waren kirchenrechtlich seit dem 13. Jahrhundert geboten. Das IV. Lateranum hatte für die Provinzialsynoden einen jährlichen, das Basler Konzil einen dreijährigen Tagungszyklus vorgeschrieben. Für die Diözesansynoden (synodus episcopalis) hielt das Basiliense hingegen an dem bereits 1215 verordneten jährlichen Turnus fest.133) Um zu beurteilen, wie berechtigt diese Forderung war, müsste man wissen, wie häufig Provinzial- und Diözesansynoden stattgefunden haben. Das ist für die Reichskirche noch nicht untersucht. Noch

128) Zu den Pfründen des Cusanus siehe oben bei Anm. 8. — Zu seinem Bruder Meuthen, Nikolaus von Kues 1401–1464 (wie Anm. 1), 9 („tritt durch keine Leistung hervor, die auch nur entfernt die Größe des Cusanus widerspiegelte“). 129) AC II 3, Nr. 4138. 130) AC II 5, Nr. 5184. 131) Über ihn Meuthen, Die letzten Jahre (wie Anm. 1), 312. Er schrieb mehrere Ablassurkunden, die NvK als Bischof von Brixen gewährte: Woelki, Thomas, Bishop Grants Indulgences. Cusanus’ Policy as Bishop of Brixen (1452–1459), in: American Cusanus Society Newsletter 37 (2020), 28–36, hier 29. 132) 1457 ist er in Brixen nachweisbar: AC II 5, Nr. 5094 u. 5193. 133) Helmrath, Johannes, Partikularsynoden und Synodalstatuten des späteren Mittelalters im europäischen Vergleich. Vorüberlegungen zu einem möglichen Projekt, in: Das europäische Mittelalter im Spannungsbogen des Vergleichs. Zwanzig internationale Beiträge zu Praxis, Problemen und Perspektiven der historischen Komparatistik, hg. von Michael Borgolte (Europa im Mittelalter 1), Berlin 2001, 135–169, hier 140f. mit Einzelnachweisen. — Zur Entstehung und zum Quellenwert von Diözesanstatuten siehe mehrere Studien von Peter Johanek, wiederabgedruckt in: Ders., Was weiter wirkt ... Recht und Geschichte in Überlieferung und Schriftkultur des Mittelalters, hg. von Antje Sander-Berke und Birgit Studt, Münster 1997. Weiterführend sind die Beiträge in: Partikularsynoden im späten Mittelalter, hg. von Nathalie Kruppa und Leszek Zygner (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte 219; Studien zur Germania Sacra 29), Göttingen 2006.

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schwerer wiegt, dass es auch keine kritische Edition der Statutentexte gibt, wobei allerdings anzumerken ist, dass nicht zwingend jede Diözesansynode in den Erlass neuer Statuten mündete.134) Gleichwohl wird man generell feststellen müssen, dass weder von den Metropoliten noch von den einzelnen Diözesanbischöfen der Turnus von drei bzw. einem Jahr eingehalten wurde.135) Der Forschungs- und Editionsstand erschwert die vergleichende Einordnung der Brixner Befunde, die gut dokumentiert sind. Gustav Bickell hat die Synodalstatuten des 15. Jahrhunderts ediert.136) Darüber hinaus liegen einige neuere Untersuchungen vor.137) Fest steht, dass Nikolaus von Kues als Bischof den jährlichen Synodalturnus angestrebt hat, wie die 1453, 1454, 1455 und 1457 tatsächlich durchgeführten Synoden beweisen. In den folgenden Jahren waren dann aufgrund der Zeitverhältnisse keine Synodalversammlungen mehr möglich. Hürten hat darauf hingewiesen, dass der regelmäßigen Synodaltätigkeit des Cusanus in nur wenigen Jahren für die vorhergehenden Jahrzehnte nur drei Synoden 1419, 1438 und 1449 gegenüberstehen.138) Zum zentralen Thema dieser Synoden wurde die „Anmahnung eines würdigen Lebenswandels“ des Säkular- und Regularklerus, wobei der Kardinal die Klerusbildung ebenso wie den materiellen Lebensstandard im Blick hatte, die Beschränkung der Konkurrenz der Bettelorden in der Seelsorge ebenso wie die würdige Verwaltung der Sakramente.139) Die erste Diözesansynode fand im Februar 1453 statt. Cusanus selbst eröffnete sie am 5. Februar mit einer Predigt.140) In den ausführlichen Statuten vom 7. Februar erlässt Cusanus „detaillierte Bestimmungen zur Lebensführung des Diözesanklerus, schärft die geistlichen Pflichten ein, ordnet die korrekte Durchführung der gottesdienstlichen Handlungen und gewissenhafte Befolgung der Beichtvorschriften an. Er gibt genaue Anweisungen zur Praxis der Seelsorge, zum Ritus der Eheschließung und zur Unterweisung der Pfarrangehörigen. Regelmäßig soll überprüft werden, ob der Pfarrklerus die entsprechenden Anordnungen befolgt. Dabei sind Missstände zu beseitigen. Alljährlich sind Synoden und regionale Kle) Zur Editionslage Helmrath, Partikularsynoden (wie Anm. 133), 143–148. ) Ebd., 153f. 136) Bickell, G(ustav), Synodi Brixinenses saeculi XV, Innsbruck 1880. 137) Zur Synodaltätigkeit gibt es eine verhältnismäßig reiche ältere Literatur: Baur, Johannes, Die Brixener Synoden von ihren Anfängen bis zur Gegenwart, in: Der Schlern 1950, 305–314; Grisar, Hartmann, Ein Bild aus dem deutschen Synodalleben im Jahrhundert vor der Glaubensspaltung: Brixener Synoden im 15. Jahrhundert, in: Historisches Jahrbuch 1 (1880), 603–640; Hübner, Karl, Die Brixner Diözesansynoden bis zur Reform, in: Deutsche Geschichtsblätter 15 (1914), 85–103; Baum, Nikolaus Cusanus in Tirol (wie Anm. 22), 237ff. 138) Hürten (Hg.), Akte zur Reform (wie Anm. 29), 43. — Die Synodalstatuten von 1419–1449 ediert von Bickell, Synodi Brixinenses (wie Anm. 136), 3–31. 139) Hallauer, Hermann J., Nikolaus von Kues als Bischof und Landesherr in Brixen (wie Anm. 18), 21. 140) AC II 1, Nr. 3052. 134 135

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ruskapitel abzuhalten. Es wird ein Fragenkatalog vorgelegt, der dort zu benutzen ist“.141) Die Statuten von 1453 sind umfangreich, aber nicht alle sind neu. Bereits 1438 hatte eine Diözesansynode Bestimmungen über die Kleidung und den Lebenswandel des Klerus festgehalten und war dabei ausführlicher verfahren.142) Wörtliche Übernahmen daraus finden sich 1453 aber nicht. Bei den Vorschriften für den Gottesdienst und die Beichtpraxis fällt aber auf, dass die Vorgaben 1453 stärker praxisorientiert sind, während in den Statuten von 1438 und 1449 stärker kirchenrechtlich argumentiert wurde.143) Wie die Kapitelsversammlungen (capitula vestra) abgehalten wurden, wird nicht ganz klar, doch ist davon auszugehen, dass bereits jetzt der räumliche Zuschnitt in drei große Kapitelsbezirke galt, wie ihn dann die Diözesanstatuten von 1457 definierten, denn die auf Eisack-, Puster- und Inntal bezogenen drei großen Landschaften lagen geographisch nahe.144) Als konkrete Aufgaben werden genannt die Überprüfung der Messbücher, weshalb in jedem Kapitel ein vom Generalvikar approbiertes verbindliches Exemplar vorhanden sein soll, und die Instruktion des Klerus, wofür einschlägige Texte des Thomas von Aquin und des Johannes Auerbach vorgegeben werden.145) Dabei sollten die Texte den minus intelligentibus per magis intelligentes ausgelegt werden, und Cusanus vergisst auch nicht zu empfehlen, dass jeder ein Notizbuch (manuale) dabeihaben solle. Die Diözesanstatuten sollten in den Kapitelversammlungen zur Hand sein, um sie abzuprüfen. Angeschlossen wird ein langer Fragenkatalog, der auf die Zustände im Seelsorgeklerus und in den Pfarreien zielte und in den Kapitelversammlungen abzuarbeiten war.146) Nur stichwortartig kann das Themenspektrum hier aufgezeigt werden, das ähnlich schon in den Brixner Diözesanstatuten und auch in den Salzburger Provinzialstatuten von 1451 enthalten ist und das später auch wieder im Fragenkatalog für eine Diözesanvisitation 1455 auftauchen wird147): Kenntnis der Synodalstatuten, die littera formata auswärtiger Priester148), Geburtsmakeldispense, Pfarrdotierung, Messfeiern, Besei) AC II 1, Nr. 3059 mit Textabdruck. ) AC II 1, Nr. 3059 Anm. 3 u. 4. — Zu den Kleidervorschriften für den Klerus zuletzt Torggler, Armin, Verbotene Farben. Die Rolle von Textil und Kleidung in den Reformbestrebungen des Nicolaus Cusanus, in: Nicolaus Cusanus. Ein unverstandenes Genie in Tirol (wie Anm. 37), 105–131, hier 115–122. 143) AC II 1, Nr. 3059 Anm. 13 u. 15. 144) Siehe unten bei Anm. 231. 145) Meuthen, Erich, Thomas von Aquin auf den Provinzialkonzilien zu Mainz und Köln 1451 und 1452, in: Vollrath, Hanna/Weinfurter, Stefan (Hg.), Köln. Stadt und Bistum in Kirche und Reich des Mittelalters. Festschrift Odilo Engels zum 65. Geburtstag (Kölner historische Abhandlungen 39), Köln 1993, 641–658. 146) AC II 1, Nr. 3059 Z. 122ff. 147) Die Salzburger Statuten in AC I 3a, Nr. 1000. 148) Die littera formata war gewissermaßen der Dienstausweis des Geistlichen, siehe dazu Prange, 141 142

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tigung von Mängeln, Stundengebet vor der Messe, bischöfliche Lizenz der Pfarrvikare, Gastfreundschaft, die Kirchenpröpste und ihre Rechnungslegung, Residenz der Pfarrer, Dienst und Entlohnung der Pfarrvikare, Hilfsgeistliche, Absolutionen und Kirchenbußen, Umgang mit Wucherern, Mehrfachbepfründung, gebotene und verbotene Feiertage, Fleischverkauf der Metzger an Sonntagen, Simonie, Gotteslästerer und Verschwörer in der Pfarrei, Entfremdung von Kirchenbesitz durch Pfarrer, Zehnt- und Neuzehntverweigerer149), unberechtigte Inbesitznahme von Kirchengut, Hausgemeinschaft der Pfarrer, insbesondere mit Frauen, klandestine Ehen. Wie dieser Fragenkatalog während der Kapitelversammlungen abgearbeitet und wie die Antworten aufzeichnet werden sollten, bleibt unklar. Dass solche Aufzeichnungen hochinteressante Einblicke in die Pfarrverhältnisse, die Lebensweise der Geistlichen wie der Laien, in das Verhältniss von Pfarrer und Gemeinde bieten würden, ist keine Frage, aber erhalten haben sich solche Aufzeichnungen nicht. Dass die Kleruskapitel eine „innovation interessante“ des Nikolaus von Kues waren, wie Vansteenberghe meinte, hat schon Hürten in Frage gestellt und darauf hingewiesen, dass solche regionalen Versammlungen unter der Leitung der Dekane bereits im 13. Jahrhundert üblich gewesen seien.150) Tatsächlich handelte es sich um räumliche Untereinheiten des Bistums in Nachfolge der Archidiakonate.151) Die tatsächliche Neuerung des Cusanus war, dass er nicht auf die Selbstorganisation der Ruralkapitel (Landkapitel) vertraute, die kleinere Raumeinheiten bildeten und die so gut (oder schlecht) waren, wie die Pfarrer, die ihnen als Ruraldekan vorstanden.152) Vielmehr wünschte Cusanus, dass bei diesen regionalen Klerusversammlungen bischöfliche Kommissare den Vorsitz führten (commissarii et visitatores), weil er nur so „die Einheit der kirchlichen Amtsführung gewährleistet“ sah.153) Die eigentliche „Neuerung“ war die Detailbesessenheit, mit der Cusanus den Pfarrern und den Gemeinden vor Ort zu Leibe rückte, was die Akzeptanz der Kapitelsversammlungen sicherlich nicht gerade gesteigert hat. Wie erwähnt sind erst auf der Diözesansynode 1457 genauere Bestimmungen getroffen worden.154) Wolfgang, Das Format, in: Pfarrer, Nonnen, Mönche. Beiträge zur spätmittelalterlichen Klerikerprosopographie Schleswig-Holsteins und Hamburgs, hg. von Klaus-Joachim LorenzenSchmidt und Anja Meesenburg (Studien zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte Schleswig-Holsteins 49; Schriften des Vereins für Schleswig-Holsteinische Kirchengeschichte 55), Neumünster 2011, 117–132. 149) Auch dies war ein Thema, dass NvK mehrfach beschäftigt hat, siehe bei Anm. 168, 216 u. 247ff. 150) Vansteenberghe, Le cardinal Nicolas de Cues (wie Anm. 28), 142. — Hürten (Hg.), Akten zur Reform (wie Anm. 29), 43. 151) Trenkwalder, Seelsorgeklerus Spätmittelalter (wie Anm. 50), 9. 152) Bünz, Enno, Landkapitel, in: HRG 3 (22016), 533f. 153) Hürten (Hg.), Akten zur Reform (wie Anm. 29), 43. 154) AC II 5, Nr. 5217.

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Besonderes Augenmerk schenkte Cusanus der Lebensführung des Klerus, vor allem der Beachtung des Zölibats. Am 6. Februar verkündete er den auf der Synode versammelten Klerikern, dass sie sich innerhalb eines Monats von ihren „Konkubinen“ trennen sollten. Ansonsten drohten ihnen kirchenrechtliche Strafen und der Verlust ihrer Pfründen, und sie sollten als öffentliche Sünder genannt werden. Den Frauen der Kleriker war die Teilnahme an Gottesdiensten untersagt.155) Auch dieses Mandat stand in der Tradition früherer Bestimmungen, die bis zur Salzburger Provinzialsynode von 1267 und Brixner Synodalbeschlüsse von 1419 und 1438 zurückreichen.156) In den 1453 erlassenen Synodalstatuten wurde festgehalten, dass jährlich eine Diözesansynode stattfinden sollte, was dem allgemeinen Kirchenrecht entsprach.157) Dass 1454 eine Synode stattgefunden hat, ist allerdings keinem amtlichen Dokument zu entnehmen, sondern allein der Predigt, die Nikolaus von Kues zur Eröffnung am 19. November gehalten hat.158) Es mag sein, dass die Klerusversammlung keine gesonderten Statuten erließ, sondern sich darauf beschränkte, die Statuten des Vorjahres in Erinnerung zu rufen. Besser belegt ist die Diözesansynode des folgenden Jahres, zu der Nikolaus von Kues durch Rundschreiben zum 25. November eingeladen hat; die Dringlichkeit seines Anliegens unterstrich er durch den Hinweis auf die Türkengefahr.159) Der Bischof predigte zur Eröffnung der Synode.160) Die Akten sind nur durch die Innsbrucker Handschrift Cod. 68 überliefert, der wir auch die Kenntnis der Visitationsordnungen verdanken.161) So kennen wir die Tagesordnung, die in knappen Stichworten 14 Punkte umfasst, die sich auf die Priesterbildung, Messfeier (Messe vor Tagesanbruch, Votivmessen, Herstellung von Hostien), liturgische Bücher, Heiligenverehrung und Abgaben beziehen.162) Die meisten Punkte erscheinen in den Synodalakten vom 27. November wieder163), die ein interessantes Spektrum von Zu- und Missständen des kirchlichen Alltagslebens aufzeigen. Wie schwierig es war, den niederen Klerus im Blick zu haben, zeigen schon die Bestimmungen gegen Benefiziaten, die von auswärtigen Bischöfen geweiht worden waren, und gegen die vagierenden Priester, die nicht vom Bischof oder vom Generalvikar geprüft worden waren. Bei der Beichte sollten die Pfarrer und ihre Helfer die Familienvorstände nach ihren Zehntzahlungen befragen, dies aufzeichnen und bis ) AC II 1, Nr. 3058. ) AC II 1, Nr. 3058 Anm. 4 u. 5. 157) Siehe oben Anm. 133. 158) AC II 3, Nr. 4155. 159) AC II 4, Nr. 4584. 160) AC II 4, Nr. 4595. 161) Siehe unten Anm. 192. 162) AC II 4, Nr. 4596. 163) AC II 4, Nr. 4603. 155 156

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Pfingsten an den bischöflichen Hof Zehntverzeichnisse senden. Erhalten sind solche Aufzeichnungen offenbar nicht. Der organisatorische Erfindungsreichtum des Nikolaus von Kues wird auch deutlich bei seinen Anordnungen zur Verbesserung der liturgischen Bücher, namentlich der Missalien und Agenden, indem es den Kirchpröpsten oblag, sich regional an die Klöster Stams, Wilten, Neustift oder Innichen zu wenden, um die Bücher dort überprüfen zu lassen.164) Für das gottesdienstliche Leben in den Pfarreien ist interessant, dass Nikolaus von Kues die Stiftung neuer Messen und Jahrtage von seiner Zustimmung abhängig machte.165) 1456 scheint keine Diözesansynode stattgefunden zu haben, wohl aber im folgenden Jahr. Am 2. Mai 1457 predigte Nikolaus von Kues zur Eröffnung.166) Das Protokoll der vom 2. bis 4. Mai durchgeführten Synode vermerkt, Nikolaus von Kues habe sermonem pulchrum et satis prolixum de pastore ovium solempniter gehalten.167) Weitreichende Bestimmungen hat die Synode zur Kontrolle und Visitation der Pfarreien beschlossen. An drei Orten der Diözese sollten jährlich regionale Kleruskapitel stattfinden, worüber genaue Bestimmungen getroffen wurden. Dort sollte vor allem überprüft werden, ob die Diözesanstatuten und die anderen kirchenrechtlichen Bestimmungen (sacri canones) beachtet wurden. Bei den Visitationen heißt es etwas konkreter, dass überprüft werden sollte, ob die Priester Konkubinarier seien, ob sie Wirtshäuser besuchten und wie sie ihr Amt ausüben würden. Weiter sollte ihre littera formata geprüft und ihr Lebenswandel untersucht werden.168) Des Weiteren sollten die Pfarrrechte (de iuribus parrochialibus), Zehnten und Neubruchzehnten erfragt werden. Alles war genau aufzuzeichnen und auf der nächsten Diözesansynode vorzulegen. Ob das so umgesetzt wurde, ist unbekannt. Weitere Bestimmungen der Diözesansynode bezogen sich auf frühere Beschlüsse, nämlich die Korrektur der liturgischen Bücher, die Vorschriften zum Kauf von Hostien (nur beim Domkustos in Brixen), zur Absolution von Mönchen und Religiosen. Eingeschärft wurde die Vorschrift Papst Calixt III., in jeder Messfeier contra Thurcos zu beten und täglich beim Mittagsläuten drei Vaterunser und dreimal den Englischen Gruß (Angelus) zu beten. Die Seelsorge betraf die letzte Bestimmung, dass alle Plebane und Pastoren der Pfarrkirchen, die nicht residierten, ohne dafür eine mündliche oder schriftliche Erlaubnis des Bischofs zu haben, von Amt und Benefizium suspendiert sein sollten.169) Die letzte Bestimmung hat Nikolaus von Kues allerdings schon am folgenden Tag widerrufen: Die Pfarrgeistlichen, die sich ohne Erlaubnis aus ihrer Pfarrei entfernt hatten, sollten nicht sus164) AC II 4, Nr. 4603, S. 1112 Anm. 7. Ebd. Anm. 10 der Hinweis auf eine im Pfarrarchiv Thaur erhaltene Agende, die 1455 durchkorrigiert wurde. 165) AC II 4, Nr. 4603. 166) AC II 5, Nr. 5216. 167) AC II 5, Nr. 5217, S. 1511. 168) Zum „Format“ siehe oben Anm. 148. 169) AC II 5, Nr. 5217.

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pendiert sein, durften aber bis zur demnächst stattfindenden Visitation der Pfarrkirchen keine Einkünfte beziehen (remaneant suspensi a percepcione fructuum ecclesiarum suarum).170) Seitdem Nikolaus von Kues aus Brixen nach Buchenstein geflüchtet war und der Konflikt mit Herzog Sigismund eskalierte, war an eine Diözesansynode nicht mehr zu denken. Im Februar 1458 hatte sich der Seelsorgeklerus (Pfarrer, Vizeplebane, Kooperatoren) in Brixen versammelt, dem der Bischof am 19. Februar mitteilte, dass er aus Sicherheitsgründen nicht nach Brixen kommen könne, weshalb er Gebhard Bulach und Simon von Wehlen als seine beglaubigten Gesandten schickte.171) Erst während des letzten Aufenthalts in seiner Diözese in den Monaten Februar bis April 1460 hat Nikolaus von Kues noch einmal eine Synode einberufen, bei der es sich faktisch aber nur um eine Klerusversammlung handelte, auf der vor allem Pfarrer erschienen.172) Auf der Versammlung muss es hoch hergegangen sein, denn ein Teil der Geistlichen bezweifelte die Gültigkeit der Bulle Calixts III. von 1457 über die Verhängung des Interdikts, andere warfen dem Kardinal Missbrauch der Kirchenstrafen vor, wieder andere „beriefen sich auf den Unmut der Bevölkerung oder den Druck, dem sie seitens des Herzogs ausgesetzt seien“.173) Beschlüsse dieser Klerusversammlung sind nicht bekannt. d) Diözesan- und Pfarrvisitationen Die Visitation war schon in der frühmittelalterlichen lateinisch-westlichen Kirche ein bewährtes Instrument, mit dem die Bischöfe den Zustand des Klerus und der Kirchen beaufsichtigten. Das Decretum Gratiani schrieb den Bischöfen die jährliche Visitation ihrer Diözesen vor174), doch ist dies von den Bischöfen tatsächlich nur selten praktiziert worden. Zudem galten die Visitationen häufiger den Klöstern bzw. der Durchsetzung der Klosterreform175) als den Dom- und Säkularkanonikerstiften und den Pfarreien. Ein neuer Quellenfund aus dem Bistum Meißen zeigt allerdings, dass man mit pauschalen Urteilen über die Vernachlässigung des Visitationsinstruments angesichts einer durchweg spärlichen Quellenlage vorsichtig sein sollte.176) ) AC II 5, Nr. 5222. ) AC II 6, Nr. 5511. 172) Ein Einberufungsschreiben ist nicht überliefert, doch sprechen mehrere Äußerungen des NvK und des Domkapitels dafür, dass vor allem Pfarrseelsorger eingeladen wurden, siehe Hallauer, Bruneck 1460 (wie Anm. 58), 165 mit Anm. 60. 173) Hallauer, Bruneck 1460 (wie Anm. 58), 166f. Stark verkürzt die Darstellung bei Jäger, Streit I (wie Anm. 10), 369 u. 374. 174) Puza, Richard, Art. Visitation, in: LexMA 8 (1997), 1748–1751, hier 1749. 175) Vgl. Hallauer, Eine Visitation des Nikolaus von Kues (wie Anm. 87). 176) Wiegand, Peter, Pfarrvisitation im Bistum Meißen. Das Zeugnis der articuli seu interrogancia 170 171

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Tatsächlich sind bischöfliche Pfarrvisitationen im späten Mittelalter nur selten belegt und noch seltener in Form von Visitationsprotokollen überliefert. Wenn Puza behauptet, „Visitationsakten (-protokolle) sind in großer Zahl erhalten“, so ist das für die Zeit vor dem 16. Jahrhundert unzutreffend.177) Tatsächlich kann man die überlieferten Visitationsprotokolle der vorreformatorischen Zeit fast an einer Hand abzählen. Der Zeit des Cusanus am nächsten stehen die Visitationsprotokolle aus dem Bistum Lausanne von 1416/17 und 1453178) sowie die Eichstätter Pfarrvisitation von 1480.179) Aus dem Bistum Regensburg liegen zwei Visitationsprotokolle von 1508 und 1526 vor, die aufgrund ihrer Zeitstellung nicht nur die vorreformatorischen Verhältnisse beleuchten, sondern auch die Auswirkungen der frühen Reformation.180) Aus Brixens Nachbarbistümern Trient und Chur sind nur nachmittelalterliche Visitationsberichte überliefert.181) Nikolaus von Kues war gewillt, das Visitationsinstrument anzuwenden, und dabei setzte er zunächst einmal an der Spitze an. Vom 7. bis 16. März 1454 wurde das Domkapitel von Brixen visitiert. Der Bischof predigte vor dem Domkapitel über Mt. 8,7 (Venio et curabo eum) und führte dann die Visitation durch, für die er aus der Zeit Bischof Dietrichs III. von Schönberg (1463–1476), in: Nahaufnahmen. Landesgeschichtliche Miniaturen für Enno Bünz zum 60. Geburtstag, hg. von Alexander Sembdner und Christoph Volkmar (Schriften zur sächsischen Geschichte und Volkskunde 67), Leipzig 2021, 59–80. 177) Puza, Art. Visitation (wie Anm. 174), 1750. Auch die quellenkundliche Darstellung von Coulet, Noël, Les visites pastorales (Typologie des sources du moyen àge occidental 23), Turnhout 1977; Mise à jour du fascicule n. 23, Turnhout 1985, ist für den deutschsprachigen Bereich lückenhaft. 178) La visite des églises du diocèse de Lausanne en 1416–1417 (Mémoires et documents publiés par la Société d‘histoire de la Suisse romande, 2. Serie, 11), Lausanne 1921: La visite des églises du diocèse de Lausanne en 1453, editée par Ansgar Wildermann en collaboration avec Véronique Pasche, 2 Teilbände (Mémoires et documents publiés par la Société d’histoire de la Suisse romande, 3. Serie, 19–20), Lausanne 1993. 179) Buchner, Franz Xaver, Kirchliche Zustände in der Diözese Eichstätt am Ausgange des 15. Jahrhunderts. Ein Beitrag zur Diözesan- und Lokalgeschichte nach den Visitationsprotokollen von Vogt, in: Pastoral-Blatt des Bistums Eichstätt 49 (1902), 51 (1904); wiederabgedruckt in: Ders., Klerus, Kirche und Frömmigkeit im spätmittelalterlichen Bistum Eichstätt, hg. von Enno Bünz und Klaus Walter Littger (Schriften der Universitätsbibliothek Eichstätt 36), St. Ottilien 1997, 83–198, und Lang, Peter Thaddäus, Würfel, Wein und Wettersegen. Klerus und Gläubige im Bistum Eichstätt am Vorabend der Reformation, in: Martin Luther. Probleme seiner Zeit, hg. von Volker Press und Dieter Stievermann (Spätmittelalter und Frühe Neuzeit 16), Stuttgart 1986, 219–243. Das Eichstätter Visitationsprotokoll ist leider noch immer ungedruckt. 180) Mai, Paul/Popp, Marianne, Das Regensburger Visitationsprotokoll von 1508, in: Beiträge zur Geschichte des Bistums Regensburg 18 (1984), 7–316; Mai, Paul, Das Regensburger Visitationsprotokoll von 1526, in: Beiträge zur Geschichte des Bistums Regensburg 21 (1987), 23–314. 181) Cristoforetti, Giovanni, La visita pastorale del Cardinale Bernardo Clesio alla diocesi di Trento 1537–1538 (Istituto di Scienze Religiose in Trento. Series maior 2), Bologna 1989. — Fischer, Alexander, „Visitiere deine Diözese regelmäßig!“ Klerus und kirchliches Leben im Dekanat Vinschgau im Spiegel der Churer Visitationen zwischen 1595 und 1779 (Schlern-Schriften 358), Innsbruck 2012.

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einen umfangreichen und differenzierten Fragenkatalog zusammengestellt hatte182), der „sicher modellhaft für derartige Reformbemühungen in der Mitte des 15. Jahrhunderts“ ist.183) Diese „Interrogatoria“ wurden im folgenden Jahr z.T. in den Fragenkatalog für eine Diözesanvisitation übernommen.184) Lägen auch die Antworten auf den Brixner Fragenkatalog vor, hätten wir eine umfassende Darstellung des Personals, der Verfassung und Organisation sowie von Gottesdienst und Chorgebet, aber auch von den alltäglichen Lebensverhältnissen im Domkapitel.185) Fragen der Seelsorge spielen keine große Rolle, weil der Brixner Dom keine Pfarrrechte hatte. So taucht dieses Thema nur am Rande auf, etwa mit der Frage, ob dem Domkapitel Pfarrkirchen inkorporiert seien et qualiter in eis provideatur et qualem diligenciam faciant ibidem vicarii instituti.186) Die seelsorgerlichen Aufgaben oblagen in Brixen wie in allen Domkapiteln dem Dekan. Daraus resultiert die Frage, an in cura sibi commissa sit diligens circa divinum cultum, videlicet et exhortacionem subditorum quo ad animarum salutem.187) Dass die Visitation des Domkapitels zehn Tage dauerte, sei nochmals erwähnt. Dass Nikolaus von Kues dies tatsächlich alljährlich tat, wie Hürten vermutet, ist schwer vorstellbar.188) Dem Verhältnis zu den selbstbewussten Domherren wird das jedenfalls nicht zuträglich gewesen sein. Die Diözesanvisitation stand im Sommer 1455 auf der Agenda des Bischofs. Dies belegen drei Dokumente, von denen nur der bischöfliche Ordo für die kirchliche Trauung eine genaue Datierung aufweist (5. Juli 1455189). Aus der Nichtberücksichtigung dieses Ordo in der ausführlichen Visitationsordnung für die Pfarrkirchen im Bistum Brixen ist zu folgern, dass diese früher aufgezeichnet wurde190), während die Anordnungen zur Reform der Pfarreiverhältnisse, welche aus der Visitation der Pfarrei Albeins hervorgegangen ist, erst nach dem 5. Juli, aber vor der am 25. November eröffneten Diözesansynode einzuordnen sind.191) Dass diese drei für die Pfarrseelsorge im Bistum Brixen zentralen Texte von Cusanus selbst formuliert wurden, lässt sich nicht erweisen, weshalb sie in den Acta Cusana nur im Petitdruck wiedergegeben werden, aber es ist keine Frage, dass wir in diesen Dokumenten die Intentionen des Bischofs selbst erfassen können. Hinzuweisen ist noch auf die Überlieferung aller drei Stücke, übrigens zusammen mit den Sy) AC II 2, Nr. 3861. ) AC II 2, Nr. 3861 Anm. 2. 184) Hürten (Hg.), Akten zur Reform (wie Anm. 29), 55f. 185) Siehe zuletzt Tavernier, Ludwig, Das Domstift Brixen, in: Dom- und Kollegiatstifte in der Region Tirol – Südtirol – Trentino (wie Anm. 83), 101–148. Die ausführlichste Darstellung bietet noch immer Santifaller, Brixner Domkapitel (wie Anm. 90). 186) AC II 2, Nr. 3861 Z. 91f. 187) AC II 2, Nr. 3861 Z. 135f. 188) Hürten (Hg.), Akten zur Reform (wie Anm. 29), 57f. 189) AC II 4, Nr. 4417. 190) AC II 4, Nr. 4416. 191) AC II 4, Nr. 4418. 182 183

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nodalakten von 1455, in einer Innsbrucker Handschrift, die auf Veranlassung des Innichener Kanonikers und Pfarrers Paulus Helmslaher zusammengestellt wurde.192) Nur der Trauordo ist auch anderweitig abschriftlich überliefert. Eine gewissermaßen amtliche Überlieferung dieser Dokumente am Brixner Bischofshof gibt es selbst in dieser schreibfreudigen Zeit und in diesem reich überlieferten Pontifikat nicht. Eher beschleicht einen der Verdacht, wie viel anderes spurlos verloren gegangen sein mag. Aber die Visitationsordnung für die Pfarreien ist eine hochkarätige Quelle.193) Inhaltlich lehnt sie sich an den ‚Tractatus de visitatione praelatorum‘ des Johannes Gerson (1363–1429) an, doch konnten die 96 Fragepunkte nicht alle daraus abgeleitet werden, da immerhin 38 Fragepunkte dort nicht vorgesehen waren.194) Nikolaus von Kues hat den Visitationstraktat umgearbeitet und ergänzt, sich insgesamt aber an das Schema der Vorlage gehalten.195) Die Bearbeiter der Acta Cusana haben durch Zwischentitel die innere Ordnung des komplexen Dokuments nachgezeichnet. Zunächst geht es um den Ablauf der Pfarrvisitation (Teil I), die übrigens nicht zwingend durch den Bischof vorgenommen werden musste, sondern durch einen prelatus visitaturus, der sein Kommen einige Tage vorher ankündigen sollte. Den Pfarrangehörigen (populus) sollte für diesen Tag befohlen werden, nicht ihrer Arbeit nachzugehen, sondern sich in der Kirche zu versammeln. Falls der Bischof selbst visitierte, sollte er die Firmung spenden. Der Visitator sollte vor Klerus und Laien eine einfach gehaltene Ansprache halten. Dann sollten die Sendschöffen (sindici) bestimmt und ebenso wie die Kleriker der Pfarrei vereidigt werden. Schon Hürten hat erkannt, dass dieser Eid über den althergebrachten Sendschöffeneid, der sich nur auf causae synodales bezog, hinausging und sich „auf sämtliche Mängel mit Ausnahme geheimer Vergehen“ bezog, also auch solcher, die während der Befragung nicht ausdrücklich angesprochen wurden.196) Auch die Visitationsordnung des Eichstätter Bischofs Johann von Eich aus dem Jahre 1452 192) UB Innsbruck, Cod. 68. Zur Handschrift und ihrer Entstehung siehe Hürten (Hg.), Akten zur Reform (wie Anm. 29), 9–15, und die Vorbemerkung zu AC II 4, Nr. 4416 (S. 980), wo auch darauf hingewiesen wird, dass Helmslaher selbst (von Hürten noch als Schreiber G bezeichnet) an der Entstehung der Handschrift mitgewirkt hat. Helmslaher war 1455 Pfarrer von St. Michael in Innichen geworden, siehe AC II 3, Nr. 4374. Ohne Kenntnis der AC Kühebacher, Egon, Kanonikus Paul Helmschlager vom Kollegiatstift Innichen, ein treuer Gefährte des großen Brixner Fürstbischofs Kardinal Nikolaus Cusanus, in: Der Schlern 95 (2021), 50–61. 193) Zum Inhalt neben den AC v.a. Hürten (Hg.), Akten zur Reform (wie Anm. 29), 51–57. 194) Hinweis von Hürten (Hg.), Akten zur Reform (wie Anm. 29), 51. — Der Visitationstraktat von Gerson ediert in: Jean Gerson, Oeuvres complètes 8: L’oeuvre spirituelle et pastorale, ed. Palémon Glorieux, Paris 1971, 47–55 Nr. 403. 195) Dies betonte schon Hürten (Hg.), Akten zur Reform (wie Anm. 29), 51. 196) Hürten (Hg.), Akten zur Reform (wie Anm. 29), 52f. — der Eid übernommen aus X 5.1.17 (Qualiter et quando), ediert in: Corpus iuris canonici. Editio Lipsiensis secunda post Aemilii Ludouici Richteri curas ad librorum manu scriptorum et editionis Romanae fidem recognovit et adnotatione critica instruxit Aemilius Friedberg. Pars secunda: Decretalium collectiones, Leipzig 1879, 739.

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verweist auf diesen Eid, und im Fragenkatalog gibt es ebenfalls viele Parallelen, weshalb anzunehmen ist, dass Nikolaus von Kues diese Visitationsordnung gekannt hat.197) Inhaltlich ist die Visitationsordnung so umfangreich und reich an Aspekten, dass hier nur ein kursorischer Überblick geboten werden kann. Ich gebe dabei die Stichworte oder Leitbegriffe in der Regel in Anlehnung an die Acta Cusana wieder. Teil II der Visitationsordnung umfasst zwei Fragenkataloge: der erste gilt den Geistlichen in der Pfarrei und ihrer Amtsführung. Ersterer ist fast doppelt so umfangreich wie der zweite Fragenkatalog, der sich an die Laien richtet. Die Angabe „neu“ markiert im Folgenden, dass diese Frage nicht aus dem Visitationstraktat von Johann Gerson übernommen wurde.198) Gefragt wurde in 63 Artikeln nach dem (1) Pfarrer bzw. Pfarrvikar, (2, neu) seiner äußeren Erscheinung, (3, neu) Trunkenheit, (4) Konkubinat, (5) Beichtgeheimnis, (6) Glücksspiel (7, neu) Streitsucht und Gewalttätigkeit, (8, neu) Konkubinat und Priesterfrauen, (9, neu) Entweihung, (10, neu) gegenseitige Beichtabnahme, (11, neu) Reservatfälle, (12, neu) Interdikt, (13, neu) klandestine Ehen, (14, neu) Steuerzahlung an Laien, (15) Pfarreinnahmen, (16) Pfarrhof, (17, neu) Entlohnung der Pfarrvikare, (18, neu) Pfarrfabrik199), (20, neu) Filialkirchen und Kapellen, (21, neu) dortigen Messen, (22, neu) Ausstattung der Pfarrkirche mit Büchern und Vasa sacra, (23, neu) Aufbewahrung der Sakramente, (24, neu) Entweihung der Kirche und des Friedhofs, (25, neu) unerlaubte Bestattungen von Turnierkämpfern, (26, neu) Almosensammler ohne bischöfliche Genehmigung, (27, neu) Mendikanten als Prediger ohne bischöfliche Erlaubnis, (28, neu) Gebühren für die Beichtabnahme, (29, neu) sonntägliche Weihe von Salz und Wasser sowie Aspersionsprozessionen200), (30, neu) Zahl der Priester und Priestergehälter, (31, neu) Gottesdienst und Chorgebet der Priester, (32, neu) Chorkleidung, (33, neu) Kleidung der Priester, (34, neu) Jagd der Priester, Jagdhunde und -vögel, (35) Kenntnisse der Priester, (36) Zweifelsfälle zur Reinlichkeit der Eucharistie, (37) Taufe durch Hebammen, (38) Taufformel für Hebammen, (39) Nüchternheit vor der Messe, (40) Weisung der Hostie vor der Wandlung, (41) unerlaubtes Messelesen durch Exkommunizierte, (42) Messe vor 197) Hürten (Hg.), Akten zur Reform (wie Anm. 29), 53. — Wendehorst, Alfred, Das Bistum Eichstätt 1: Die Bischofsreihe bis 1535 (Germania Sacra Neue Folge 45; Die Bistümer der Kirchenprovinz Mainz. Das Bistum Eichstätt 1), Berlin u.a. 2006, 202–220, hier 212. 198) Die Nummerierung in AC II 4, Nr. 4416 stimmt nicht mit dem Abdruck bei Hürten (Hg.), Akten zur Reform (wie Anm. 29), Nr. IV, überein. Hürten, Nr. 2–4 = AC II 4, Nr. 2. 199) In den AC II 4, Nr. 4416 (S. 983) springt die Nummerierung versehentlich von 18 auf 20. 200) Hier ist wohl an die Aspersionsprozessionen über den Friedhof gedacht, die am Sonntag nach der Messe stattfanden, siehe Bünz, Enno, Memoria auf dem Dorf. Pfarrkirche, Friedhof und Beinhaus als Stätten bäuerlicher Erinnerungskultur im Spätmittelalter, in: Tradition und Erinnerung in Adelsherrschaft und bäuerlicher Gesellschaft, hg. von Werner Rösener (Formen der Erinnerung 17), Göttingen 2003, 261–305, erweitert wieder abgedruckt in: Ders., Die mittelalterliche Pfarrei (wie Anm. 7), 186–233, hier 214–216.

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Exkommunizierten, (43) Messe nach Pollution, (44) Beichtabnahme, (45) Kenntnis der Reservatfälle, (46) Absolution von Exkommunizierten, (47) Bußen, (48) Beichtorte und -zeiten, (49) Chrisma, (50) Altäre, (51, neu) Altardienst ohne Todsünde, (52) Beichtabnahme durch Gesellpriester und (53) durch Mönche, (54) Tod ohne Sakramente, (55) Aussegnung von Wöchnerinnen, (56) Festtage, (57) Vorhandensein der Synodalstatuten und deren Gebrauch, (58) korrektes Singen und Lesen der Messe, (59) Basistexte über Zehn Gebote, sieben Todsünden, sieben Sakramente und deren Vermittlung, (60, neu) Anniversarstiftungen, (61, neu) Messfeier vor Tagesanbruch, (62, neu) Stundengebete der Pfarrgeistlichen, (63, neu) Altersgebrechlichkeit des Pfarrers oder seines Kooperators, (64, neu) offenkundige körperliche Gebrechen des Priesters und deren Dispensation.201) Der Fragenkatalog über die Gemeindemitglieder (Teil III) ist demgegenüber wesentlich kürzer und bezieht sich mit 33 Artikeln auf diese Bereiche: (1) Exkommunizierte, (2) Häresie und Hexerei, (3) Zauberei/Diebstahl/Unzucht, (4) Festtage/Messbesuch, (5) Schwatzen beim Gottesdienst, (6) Zehntzahlungen/Beichte/Grundgebete, (7) Schikane durch bischöfliche Dienstleute, (8) Testamente, (9) Feindschaften, (10) Gerichtsverfahren, (11) Fasten, (12) Erziehung der Kinder, (13) Nottaufen, (14) Verhalten der Gläubigen beim Gottesdienst, (15) Predigten, (16) Profanierung von Kirchen, (17) Verhalten bei Taufe und Eheschließung, (18) Hilfe bei Krankheit, (19) Störung der Gottesdienste durch Hunde und Kinder, (20) Folter an Festtagen, (21) Sprechen über Prälaten, (22) unerlaubte Bestattungen, (23) Arbeit und Handel an Festtagen, (24) verschlossene Kisten in der Kirche, (25) Trunk- und Spielsucht, (26) Juden, (27, neu) klandestine Eheschließungen, (28, neu) Eidbrüchige/Vergewaltiger/Brandstifter/Häretiker, (29, neu) Messbesuch, (30, neu) getrennt lebende Ehepartner, (31, neu) wilde Ehen, (32) Klöster und Hospitäler, (33) Zahlungen an Pfarrkirchen. Einige allgemeine Bestimmungen (Teil IV) beschließen den umfangreichen Fragenkatalog. Sie zielen besonders darauf, dass die befragten Personen auch Missstände bezüglich Pfarrkirche, Gottesdienst, Pfarrer und andere Geistliche sowie Sendschöffen, die im Fragenkatalog nicht zur Sprache gekommen waren, benennen sollten. Weiter geht es um Fragen der Beichte. Schließlich wird dem Visitator 201) Gerade diese Bestimmungen über Alter und körperliche Gebrechlichkeit des Pfarrers zeigt, worum es der Visitationsordnung geht: Sicherstellung der ordnungsgemäßen Feier des Gottesdienstes und damit der guten seelsorgerlichen Versorgung der Gläubigen. Dem altersgebrechlichen Priester kann bei der Zelebration ein periculum accidere, beispielsweise, indem er den Kelch umwirft, und auch körperliche Defekte stellen hier eine Gefahr dar, so dass ein daraus resultierendes scandalum bestenfalls durch eine Dispens zu heilen war. Eine solche Dispens konnte nach Prüfung des Sachverhalts durch den Bischof nur der Papst erteilen, siehe dazu Weiss, Kurie und Ortskirche (wie Anm. 103), 269f., und Schmugge, Ludwig/Hersperger, Patrick/Wiggenhauser, Béatrice, Die Supplikenregister der päpstlichen Pönitentiarie aus der Zeit Pius’ II. (1458–1464) (Bibliothek des Deutschen Historischen Instituts in Rom 84), Tübingen 1996, 143–147.

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aufgetragen, dass er tractatulos breves für die Pfarreien in Volkssprache für die Beichte und die Auslegung der Zehn Gebote zur Hand haben sollte. In welcher Form der Verlauf und die Ergebnisse der Visitation aufzuzeichnen waren, erwähnt die Ordnung nicht. Der Fragenkatalog geht weit über das hinaus, was beispielsweise aus den erwähnten Visitationsprotokollen von Eichstätt (1480) und Regensburg (1508) bekannt ist.202) Anders als dort orientierte sich Nikolaus von Kues an dem elaborierten Fragenkatalog von Johannes Gerson, den er noch verfeinerte. So ließ er ausdrücklich nach der Kleidung der Kleriker fragen203), wozu die Diözesanstatuten von 1453204) und die Visitationsordnung für das Domkapitel von 1454205) mit ihren genauen Regelungen den Anknüpfungspunkt boten. In Erinnerung gebracht wurden die Regelungen zum Interdikt. Detailliert ließ der Bischof die kirchliche Organisation vor Ort prüfen. Dies verdeutlichen die Fragen nach angemessener Besoldung der Pfarrstellvertreter (Nr. 17), nach der Kontrolle der Pfarrfabrik durch den Pfarrer (Nr. 18), der Anzahl der Filialkirchen und Kapellen und ihrer kirchlichen Versorgung (Nr. 20), nach den in diesen Gotteshäusern zu lesenden Wochenmessen (Nr. 21) sowie nach der Ausstattung der Kirchen mit Messbüchern und den für die Gottesdienstfeier erforderlichen Gerätschaften (Nr. 22) sowie der Verwahrung der Sakramente (Nr. 23). Nach einem Blick auf den geweihten Friedhof und die Begräbnispraxis (Nr. 24–25) kommen dann Gottesdienst und Seelsorge in den Fokus: dass Almosensammler, gemeint waren vor allem wohl die Memminger Antoniter, und predigende Mendikanten nur mit bischöflicher Erlaubnis tätig werden dürfen (Nr. 26–27), wird in Erinnerung gebracht.206) Im Großen und Ganzen strebt Nikolaus von Kues im Vergleich zu Gerson „nach größerer Genauigkeit und schärferer Erfassung der Sachlage“.207) Konkret interessiert er sich dann aber viel stärker als Gerson „für die Führung des geistlichen Amtes“ und für die „Verwaltung des Kirchengutes“, also nicht nur für seelsorgerliche Aspekte, sondern auch juristisch-administrative Fragen, die leicht zum Streitpunkt zwischen Pfarrer und Gemeinde bzw. Kirchpröpsten wurden.208) Die Visitationsberichte böten eine umfassende Dokumentation des pfarrlichen Alltagslebens, aber entsprechende Aufzeichnungen sind offenbar nicht erhalten geblieben. Dass visitiert wurde, beweist die Ordnung, die auf die Missstände reagiert, welche bei der Visitation der Pfarrei Albeins (südlich Brixen) festgestellt wur) Siehe oben Anm. 179f. ) AC II 4, Nr. 4416, hier Nr. 2 mit Fußnote 9. 204) AC II 1, Nr. 3059. 205) AC II 2, Nr. 3861, hier der Abschnitt de vestitu et tonsura. 206) Siehe zu diesem Problem auch unten bei Anm. 313. 207) Hürten (Hg.), Akten zur Reform (wie Anm. 29), 51. 208) Ebd., 52. Siehe über die Kirchpröpste Grass, Franz, Pfarrei und Gemeinde im Spiegel der Weistümer Tirols, Innsbruck 1950, 115–154 und Trenkwalder, Seelsorgeklerus Spätmittelalter (wie Anm. 51), 116–119. 202 203

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den.209) Der Text gehört wohl in das Jahr 1455, genauer in den Zeitraum zwischen dem 5. Juli und dem 25. November.210) Eine Ordnung gebiert die nächste, möchte man meinen. Die Pfarre, wenige Kilometer südlich von Brixen im Eisacktal gelegen, unterstand der Kollatur des Bischofs von Brixen. Gleichwohl ist nicht recht erkennbar, warum ausgerechnet diese Pfarrei auf Anordnung des Bischofs per nuncios eiusdem211) visitiert wurde, die mit den Pfarrdörfern Sarns, Teis, Gufidaun und Villnöss auch nicht besonders groß war.212) Wie am Beginn der Aufzeichnung hervorgehoben wird, hatte schon länger keine Pfarrvisitation mehr stattgefunden, weshalb manche Missstände eingerissen seien (qui ex longa omissione visitacionis inoleverunt).213) In Albeins sind es 36 Punkte, die moniert bzw. vorgeschrieben werden: Beachtung der Diözesanstatuten von 1453, jährliche Rechnungslegung der Kirchenpröpste, Taxierung von Naturalabgaben, Ausstattung der Kirche, Stundenbücher, Messbücher, Beleuchtung, Aufbewahrung der Sakramente, Schlüssel für die Kästen in den Kirchen, Pfingstprozession nach Brixen214), Verbot einer jährlichen Prozession nach Völs zur Abwehr der Wolfsplage, Ablässe für die sonntäglichen Aspersionsprozessionen, Testamente, Festtagsordnung (sehr ausführlich215), Gerichtsverhandlungen an Festtagen, Wettersegen, Herstellung der Hostien, Unterweisung der Bevölkerung über die Todsünden, Taufspendung durch Hebammen, Aussegnung sündiger Wöchnerinnen, Anstellung entflohener Mönche, gestiftete Messen, Beichtväterwahl, Reservatfälle, Anwesenheit an Feiertagen, Aufnahme von fahrenden Scholaren, Gebetspflichten der Gesellpriester, Mindesttiefe für Gräber, Ankündigung von Neuregelungen (bezüglich des Gottesdienste und der Stundenbücher durch den Bischof), Stundenbücher in Villnöss, Verhalten bei Begräbnissen, Sakramente für kranke Kinder, Trauritus, Zehntzahlungen216), Ehehindernisse, Bücherauslage. In diesen Bemerkungen „taucht alles auf, was das alltägliche Leben einer Kirchengemeinde ausmacht“, aber aus der Fülle der Einzelvorschriften „heben sich jedoch drei Schwerpunkte heraus, die offensichtlich Gegenstand besonderer Aufmerksamkeit des Bischofs waren: die Verwaltung der Kirchengüter, die Ordnung des Gottesdienstes und die Spendung der Sakramen209) Facta visitacione de mandato … episcopi Brixinensis, per nuncios eiusdem in parrochia Albeins heißt es am Anfang der Aufzeichnung (AC II 4, Nr. 4418, S. 993). 210) Hürten (Hg.), Akten zur Reform (wie Anm. 29), 61f. — AC II 4, Nr. 4418, S. 993 Anm. 1 211) AC II 4, Nr. 4418, S. 991. 212) Hürten (Hg.), Akten zur Reform (wie Anm. 29), 58. 213) AC II 4, Nr. 4418, S. 993. 214) Dazu bereits das Dekret in AC II 3, Nr. 4365, das auch in Albeins verkündet worden war. 215) Hürten (Hg.), Akten zur Reform (wie Anm. 29), 59 verweist auf Parallelen zu Eichstätt, wo man auch bestrebt war, nichtöffentliche Feiertage einzuschränken. Dazu auch Grass, Cusanus und das Volkstum (wie Anm. 33), 33–35. 216) Dass es ein besonderes Anliegen des NvK war, den Laien die Zehntpflicht immer wieder einzuschärfen, wurde schon bei Anm. 149 erwähnt.

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te“.217) Die Ordnung schließt mit dem Hinweis, der Bischof erwarte, dass die Anordnungen per curatos umgesetzt würden; andernfalls würden sie für ihre Nachlässigkeit auf der nächsten Diözesansynode oder der nächsten Visitation bestraft. Im Gegensatz zur Visitationsordnung bezeugt die Ordnung für Albeins einen konkreten Visitationsakt, zeigt also, wie umsichtig, man könnte auch sagen, wie detailversessen die Visitatoren vorgingen.218) Sie werden einen Bericht erstattet haben, der nicht sehr systematisch war und an dem sich Nikolaus von Kues dann mit seiner Ordnung orientierte, denn „die einzelnen Anordnungen sind meist unverbunden hintereinander gereiht“.219) Offenbar wurden sogar die Kirchenrechnungen geprüft, den es wurde moniert, wie die Kirchenpröpste Naturaleinkünfte taxierten (quod in racionibus aliquando bladum vel vinum preposito nimis favorabiliter taxatur).220) Auch in den Filialkirchen scheint man sich einen Überblick der Stiftungen und vorhandenen Kapitalien verschafft zu haben, denn für die Kirche in Villnöss wurde vorgeschrieben, Stundenbücher anzuschaffen, was leicht möglich sei ex pecunia illa, que legata esse a duobus ad usum cappellarum eiusdem vallis.221) Fast schon kurios wirkt die Vorschrift, die Gräber künftig sieben Fuß tief auszuheben und dass zur Kontrolle ein Maßstab (mensura) zur Hand sein müsse.222) Das Ordnungsbedürfnis des Bischofs reicht von solchen kleinen bis zu größeren Dingen des klerikalen und laikalen Lebens, der Frömmigkeitspraxis und der seelsorgerlichen Praxis, wobei das Beichtsakrament besonders im Blick ist. Der Wahl des Beichtvaters gilt ein längerer Abschnitt (Nr. 23), ebenso der Warnung vor entflohenen Mönchen. Der Trauritus, den Nikolaus von Kues am 5. Juli 1455 erlassen hatte223), wurde in der Ordnung von Albeins eingeschärft. Cusanus war daran gelegen, dass die Ehe im Angesicht der Kirche geschlossen wurde, was bekanntlich aus rechtlicher Sicht nicht zwingend erforderlich war, und er verfasste dafür eine ausführliche Ordnung, die fortan im Bistum zu beachten war. Bischof Melchior von Meckau hat den Trauritus dann auch in das nach 1493 gedruckte ‚Obsequiale Brixinense‘ aufgenommen, ebenso Bischof Christoph Madruzzo in seine ‚Agenda seu liber obsequiorum‘ von ca. 1550.224) Auf die liturgischen Einzelheiten, die Heinz Hürten herausgearbeitet hat („eine erstaunliche Mischung überkommener und moderner, römischer und außerrömischer Elemente“), ist hier nicht einzugehen. Festzuhalten ist, dass diese Brixner Ordnung noch vorsah, die Trauung vor der Kirche stattfinden zu lassen, obwohl die Tendenz schon seit dem frühen 15. Jahrhundert ) Hürten (Hg.), Akten zur Reform (wie Anm. 29), 58. ) Zum Inhalt ebd., 57–64. 219) Ebd., 58. 220) AC II 4, Nr. 4416, S. 994 (Nr. 3). 221) AC II 4, Nr. 4416, S. 1001 (Nr. 30). 222) AC II 4, Nr. 4416, S. 1000f. (Nr. 29). 223) Siehe oben bei Anm. 189. 224) AC II 4, Nr. 4417. 217 218

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dahinging, die Ehen in ecclesia einzusegnen, wie es z.B. 1420 in der Erzdiözese Salzburg vorgeschrieben wurde.225) Heirateten die Brautleute nach diesem kirchlichen Ritus, erlangten sie 100 Tage Ablass, Teilnehmer der Zeremonie 40 Tage, allerdings nur, wenn nicht getanzt wurde.226) Die Akzeptanz der kirchlichen Eheschließung wird das nicht unbedingt gefördert haben und überhaupt werden solche Maßnahmen „dazu beigetragen haben, ihm die Herzen seiner Diözesanen zu entfremden“.227) Hürten hat etliche Parallelen zur Visitationsordnung von 1455 feststellen können, aber „die Mehrzahl ihrer Fragen finde jedoch in den Verfügungen für Albeins kein Echo“, was damit zu erklären sein wird, dass die Visitation nicht in allen Punkten Anlass zu kritischen Bemerkungen gab. Auf der anderen Seite werden bezüglich Albeins auch Punkte angesprochen, die im Visitationskatalog von 1455 gar nicht enthalten sind, „so in der Frage der Missalien, der Prozessionen, der Hostien, der Zelebration von Exreligiosen und Suspendierten, der Wahl geeigneter Beichtväter, der Beichtvollmachten in der Fastenzeit und manchen anderen Einzelheiten, was damit zu erklären ist, dass die Visitationsordnung von 1455 ja den Visitatoren aufgab, am Ende der Befragung nach allen Missständen in allgemeinster Form zu fragen.228) Darüber hinaus deuten Formulierungen wie compertum est darauf hin, dass auch allgemeine Erfahrungen (des Kardinals?) in den Albeinser Bericht mit eingeflossen sind.229) Schon Hallauer hat auf die charakteristische Arbeitsweise des Cusanus hingewiesen, „die dingliche Konkretheit seiner Maßnahmen“, die in den Bestimmungen für Albeins gar nicht mehr zu überbieten sind, denn „er bohrt sich geradezu fest in kleine Dinge, sucht den Makrokosmos im Mikrokosmos, reflektiert und stößt so zur Wahrhaftigkeit des Kleinen vor“ und offenbart gerade so seine Universalität.230) Ob die Pfarrvisitation von 1455, die sich zumindest für die Brixner Dompfarrei und die Pfarrei Albeins bei Brixen nachweisen lässt, überhaupt systematisch durchgeführt wurde, bleibt unsicher. Auf der Diözesansynode von 1457 wurde jedenfalls ein neues Konzept beschlossen, das auf drei regionalen Kleruskapiteln beruhte, die von Domherren geleitet wurden, denen es auch obliegen sollte, innerhalb dieser Regionalbezirke die Pfarrvisitation durchzuführen.231) Damit griff man ) Siehe die Nachweise bei Hürten (Hg.), Akten zur Reform (wie Anm. 29), 47f. ) Der Kampf des NvK gegen das Tanzen wäre ein eigenes Thema, siehe zum Pfingsttanz in Gufidaun AC II 6, Nr. 5559 und 5560; der Tanz an Pfingsten soll künftig unterbleiben: ebd., Nr. 5588. Weitere Belege in AC II 7, S. 4142 s.v. Tanz, bei Sinnacher, Beyträge VI (wie Anm. 27), 459, und Grass, Cusanus und das Volkstum (wie Anm. 33), 84–92. 227) Hürten (Hg.), Akten zur Reform (wie Anm. 29), 48. 228) Ebd., 61. 229) Ebd. 230) Hallauer, Nikolaus von Kues als Bischof und Landesfürst in Brixen (wie Anm. 18), 25 und 27 (Zitate); desgl. Ders., Nikolaus von Kues als Bischof und Landesfürst (wie Anm. 24), 11. 231) Zu den Kleruskapiteln siehe oben bei Anm. 144. 225 226

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wohl das aus anderen Bistümern vertraute Modell der Archidiakonenvisitation auf.232) Die schriftlichen Ergebnisse sollten dann auf der nächsten Diözesansynode vorgelegt werden. Ob und wann diese Pfarrvisitationen stattgefunden haben, ist unbekannt. Mit den Diözesansynoden und den Diözesan- bzw. Pfarrvisitationen sind Maßnahmen beschrieben, die den Klerus und die Pfarreien insgesamt erfassten und die jederzeit wiederholt werden konnten. Zumindest bei den Diözesanvisitationen ist das nachweislich der Fall gewesen. Wie es sich mit den Pfarrvisitationen verhielt, wissen wir hingegen nicht. Cusanus war jedenfalls klar, dass die besten Vorschriften, die er als Bischof erließ, nur etwas wert waren, wenn sie auch befolgt wurden. Non deficiunt canones, sed execuciones, schrieb er bereits in der ‚Concordantia catholica‘.233) e) Das Verhältnis des Bischofs zu den Laien und Gemeinden234) Nikolaus von Kues hat in einem relativ umfangreichen Maße mit einzelnen Pfarroder Kirchengemeinen zu tun gehabt. Durch seine Predigt- und Weihetätigkeit kam es auch zu Begegnungen außerhalb der Bischofsstadt, wobei die einfachen Gläubigen Gelegenheit hatten, ihren Bischof als Seelsorger zu erleben. In der Regel traten allerdings die Kirchenpröpste, lateinisch prepositus fabrice genannt235), an den Bischof heran, die sowohl an den Pfarrkirchen als auch an den Kapellen mit der Verwaltung der Einkünfte betraut waren. Bei ihnen dürfte es sich durchweg um Repräsentanten der dörflichen Führungsschicht gehandelt haben.236 Wie sich Cusanus die Rechnungsführung der Kirchenpröpste modelhaft vorstellte, zeigt die Pfarrordnung von Albeins.237) Die von Cusanus angestoßene Korrektur der Missalien der Pfarrkirchen hatten die Kirchenpröpste aus dem Kirchenvermögen zu bezahlen.238) Selbst die kleine Heilig-Geist-Kapelle bei Prettau, die 1455 errichtet 232) Siehe als Beispiel Amon, Karl, Die Salzburger Archidiakonenvisitation von 1523–1525 in der Steiermark (Quellen zur geschichtlichen Landeskunde der Steiermark 12), Graz 1993. 233) h XIV 2, 246 (S. 289). — Herrmann, Johannes, Non deficiunt canones, sed execuciones, in: Ders., Kleine Schriften zur Rechtsgeschichte, hg. von Gottfried Schiemann, München 1990, 408–415. 234) Ausgeklammert bleibt hier die Thematik des landesherrlichen Kirchenregiments, die bereits anderweitig eingehend behandelt wurde, siehe die Hinweise Anm. 22. Zur Reisetätigkeit des NvK in seiner Diözese siehe den Beitrag von Werner Maleczek im vorliegenden Band. 235) AC II 4, Nr. 4418 Z. 13. 236) Siehe die Anm. 208 genannten Literaturangaben. Zur ländlichen Führungsschicht auch Wallnöfer, Adelina, Die politische Repräsentation des gemeinen Mannes in Tirol. Die Gerichte und ihre Vertreter auf den Landtagen vor 1500 (Veröffentlichungen des Südtiroler Landesarchivs 41), Innsbruck 2017. 237) AC II 4, Nr. 4418 Z. 11–33. 238) Z.B. AC II 5, Nr. 5220.

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und ausgestattet wurde, hatte zwei Kirchenpfleger (kirchprebst der newen capellen zu dem Heiligen Geist genant).239) Man wird wohl davon auszugehen haben, dass es in der Regel die Kirchenpröpste waren, die den Bischof um die Gewährung eines Ablasses, die Weihe eines Altars usw. baten. Stiftungen von Benefizien und Messen in den Pfarrkirchen bedurften der Genehmigung durch den Diözesanbischof. Trenkwalder hat die Stiftungen für das späte 14. und das 15. Jahrhundert im Bistum Brixen zusammengestellt und betont, dass solche Benefizien vor allem in den Städten und vereinzelt auch in den größeren Landgemeinden gemacht wurden.240) Dass seine Auflistung unvollständig ist, zeigen die folgenden Belege: Die bischöfliche Sorgfaltspflicht wird deutlich, als Nikolaus von Kues 1452 gebeten wurde, die Stiftung einer Ewigmesse in der Pfarrkirche zu Mieming zu bestätigen, die durch eine gewissen Eberhard von Wald erfolgt war. Da die Einkünfte des Benefiziums nicht einmal für einen Priester ausreichten, verfügte Cusanus legacionis … auctoritate, dass der Pfründeninhaber nicht täglich, sondern nur an der Mehrzahl der Wochentage zelebrieren müsse.241) Die Stiftung einer Ewigvikarie in der Pfarrkirche St. Stephan zu Lajen, für die sich 17 Personen zusammengetan hatten, erfolgte 1455 mit Zustimmung des Nikolaus von Kues; der Vikar sollte täglich eine Messe lesen. Dass das Patronatsrecht dem Bischof zugestanden wurde, hing wohl damit zusammen, dass er auch Kollator der Pfarrkirche war.242) In diesem Falle sind Änderungen der Stiftungsbestimmungen durch Cusanus nicht belegt, doch mag das damit zusammenhängen, dass die Stiftung schon vorab mit ihm abgesprochen wurde. In der St. Martinskapelle zu Gufidaun hatten der Adlige Sigismund von Thun und sein (verstorbener) Bruder Antonius 1452 eine Ewige Messe gestiftet, deren Inhaber täglich mit Ausnahme eines Wochentages eine Messe lesen sollte.243) Die bischöfliche Bestätigung erfolgte erst nach vier Jahren (1456 Nov. 9), und bei dieser Gelegenheit setzte Nikolaus von Kues den ihm präsentierten Johannes Prant als Kaplan ein. Das Patronatsrecht sollte den Stiftern zustehen. Die anfallenden Oblationen durften nicht ohne Wissen des zuständigen Pfarrers von Albeins verwendet werden.244 Im gleichen Jahr bestätigte Nikolaus von Kues auch die Stiftung einer ewigen Messe in der St. Leonhardskapelle in Abtei (Pfarrei Enneberg).245) Die bischöflichen Kompetenzen mussten gegenüber den weltlichen Gewalten wiederholt verteidigt werden. Dies zeigt besonders der Dauerkonflikt mit Herzog Sigismund. Von diesem erwirkte Nikolaus von Kues ein Rundschreiben an die ) AC II 4, Nr. 4399. ) Trenkwalder, Seelsorgeklerus Spätmittelalter (wie Anm. 50), 39f. 241) AC II 1, Nr. 2611. 242) AC II 3, Nr. 4320. 243) AC II 1, Nr. 2896. 244) AC II 5, Nr. 5004. 245) AC II 1, Nr. 2551. 239 240

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Untertanen, das die Zuständigkeit des geistlichen Gerichts in Sachen der Ehe, des Zehnten, der Kirchengüter und in Stiftungsangelegenheiten einschärfte.246) Wenige Wochen später ließ er die Zehntpflicht der Laien durch ein Rundschreiben, das von den Pfarrern zu verkünden war, in Erinnerung bringen. Vor allem bei den Noval- bzw. Rodungszehnten (newrewten) gab es wohl vielfach Zahlungsverzug.247) Interessant ist auch der Hinweis, wann wir durch predigen und underweisung in der peicht die pos sundige gewonhait nicht haben mugen abpringen können.248) Das Problem ließ den Bischof nicht ruhen. Vom 25. Januar 1456 datiert ein Rundschreiben an den Pfarrklerus in Stadt und Diözese Brixen, mit dem er unter Bezugnahme auf Kirchenväterzitate ausführt, dass die Verweigerung des Zehnten Missernten und Krankheiten zur Folge habe, weshalb sie ihre Gemeinden auffordern sollten, den Zehnten ordnungsgemäß zu entrichten: singulis diebus dominicis et festivis de ambone attente informare studeatis, ut decimam nobis et ecclesie nostre … persolvant.249) Möglicherweise sollte diese Aufzeichnung, die größtenteils aus Zitaten des Decretum Gratiani besteht, als Predigtvorlage dienen.250) Bei den Verhandlungen zwischen Vertretern des Bischofs und des Herzogs in Brixen, die am 13. Januar 1458 protokolliert wurden, kamen auch die Zehnten zur Sprache. Offenbar beharrte der Bischof darauf, dass Laien nicht über Zehnteinnahmen verfügten dürften, sofern sie diese nicht vom Papst, vom Bischof oder in anderer Weise verbrieft bekommen hätten; die herzogliche Seite ließ sich auf diese Frage nicht ein, weil sie so weitgehend sei, dass sie von der Landschaft verhandelt werden müsse.251) Hintergrund dieses Streitpunktes war wohl, dass sich von alters her zahlreiche Kirchenzehnten in der Hand von Laien befanden und die Durchsetzung eines umfassenden kirchlichen Zehntanspruchs die Interessen bzw. Rechtsansprüche vieler Adliger berührt hätte. Den Zehnten forderte Nikolaus von Kues mit geradezu „alttestamentarische(r) Strenge“252), drohte Zehntverweigerern nicht nur mit Kirchenstrafen, sondern schürte auch kollektive Ängste, da dieses Verhalten – wie er im Rundschreiben 1456 in Erinnerung rief – Frost und Hitze, Hagel und Regen aber auch Würmer und Heuschrecken, die die Ernte vernichteten, zur Folge habe.253) In der Pfarrei Enneberg kam es zwischen dem Pfarrer und den Kirchenpröpsten der Filialkirche St. Katharina in Corvara zum Streit um mehrere Messen, ) AC II 4, Nr. 4531. ) Z.B. AC II 7, Nr. 4489a. 248) AC II 4, Nr. 4561. — Wie weit die Beichtunterweisung in der Zehntfrage ging, zeigen die Diözesanstatuten von 1455; AC II 4, Nr. 4603, S. 1110f. 249) AC II 4, Nr. 4652 Z. 17f. Siehe auch Anm. 149. 250) Die Vermutung geäußert in AC II 4, Nr. 4652, S. 1144 Anm. 1, auch schon Hürten (Hg.), Akten zur Reform (wie Anm. 29), 49. 251) AC II 6, Nr. 5438. 252) Hürten (Hg.), Akten zur Reform (wie Anm. 29), 49. 253) AC II 4, Nr. 4652 Z. 9f. 246 247

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so dass im Auftrag des Nikolaus von Kues am 25. Juli 1457 der Generalvikar schlichtend eingriff. Der Pfarrer verlangte das Geld für vier Messen im Jahr, was ihm die Gemeinde beim letzten Kirchweihfest auch zugesagt hatte. Nun aber beharrte sie darauf, dass es nur zwei Messen seien. Das wurde bei der nächsten Pfarrvisitation wieder verhandelt mit dem Ergebnis, dass der Enneberger Pfarrer vier Messen zu lesen habe, nämlich am Kirchweihfest (26. August) und an St. Katharina (25. November) am Hauptaltar, an St. Nikolaus (6. Dezember) am Seitenaltar und am Sonntag nach St. Bartholomäus (24. August) an diesem Altar, dessen Weihe dann gefeiert wurde. Für jede Messe sollte der Pfarrer 3 Pfund erhalten, außerdem bei jeder Messfeier ein angemessenes Mittagessen (prandium iuxta honestatem sacerdotalem).254) Mit der Gemeinde Abtei gab es gleichzeitig auch einen Streit mit dem Pfarrer von Enneberg zu schlichten. Die Gemeinde von Abtei wollte in ihrer Kapelle St. Jakob alias St. Leonhard eine Vesperstiftung einrichten, konnte sich aber mit dem Enneberger Pfarrer Erhard Zanger nicht einigen. Anlässlich der Visitation regelte der von Nikolaus von Kues beauftragte Michael von Natz die Durchführung der Stiftung, indem er festlegte, an welchen Tagen die Vesper mit Glockengeläut stattfinden sollte; der oder die in Abtei tätigen Priester sollten jährlich eine bestimmte Menge Brennholz von der Gemeinde bekommen.255) Gegen Laien, die sich den Anordnungen kirchlicher Instanzen verweigerten, dürfte Cusanus konsequent vorgegangen sein. Ungeheuerlich waren die Vorgänge in Flaurling im Oberinntal 1453: Der dortige Pfarrvikar hatte den Adligen Sigmund von Tabland wegen inczicht als von ainer diern wegen vor den Generalvikar laden lassen. Da er der Ladung nicht Folge leistete, wurde er gebannt, woraufhin ein gewisser Martin Gundolf dem Pfarrvikar einen Fehdebrief mit ainem anhangendem pfeil an die kirchtur zu Flawrling gehangen. Nikolaus von Kues wandte sich daraufhin an Herzog Sigismund, die genannten Personen nicht zu unterstützen, sondern dazu zu veranlassen, die Sache vor dem geistlichen Gericht auszutragen. Andernfalls werde er das Interdikt (interdictum ambulatorium) über alle Orte verhängen, an denen sich die beiden Personen aufhielten.256) Die Hochstiftsuntertanen wurden auch mit Androhung geistlicher Strafen zur Leistung ihrer Abgaben aufgefordert. 1453 beauftragte Nikolaus von Kues den Pfarrer von Brixen, die Bewohner in drei umliegenden Dörfern aufzufordern, das Kuppelfutter abzuliefern.257) Die Abgabe diente zur Finanzierung von Jägern und Jagdhunden, um die Bevölkerung vor wilden Tieren zu schützen.258) Als Legat

) AC II 6, Nr. 5323. ) AC II 6, Nr. 5324. 256) AC II 2, Nr. 3598. 257) AC II 1, Nr. 3061. 258) AC II 1, Nr. 3061, Anm. 4 mit weiteren Hinweisen. 254 255

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hatte Cusanus ein Reformdekret erlassen, dass das Eintreiben weltlicher Schulden mit Hilfe von Kirchenstrafen verbot. Zumeist erstreckte sich das Interdikt über einen Ort oder ein Gebiet.259) 1452 hat Nikolaus von Kues der Kapelle St. Georg in Tiers (Pfarrei Völs) das Privileg erteilt, auch in Zeiten des Interdikts die Messe an Sonn- und Feiertagen zu feiern.260) Ob andere Kirchen auch über ein solches Indult verfügten, ist nicht bekannt. Im Streit um die Besetzung der Pfarrei Flügen drohte Cusanus dem Herzog damit, das Interdikt über sein Herrschaftsgebiet zu verhängen, wenn er nicht einlenke.261) Dass die Interdikte offenbar streng überwacht wurden, zeigt der Fall eines Innsbrucker Pfarrkaplans, der 1456 an der Römischen Kurie um Absolution bat, da er während des Interdikts, das wegen der Äbtissin Verena von Sonnenburg verhängt worden sei, zelebrierte.262) Wurden Nikolaus von Kues Unterstützer der Äbtissin von Sonnenburg bekannt, wie 1456 der Sonnenburger Amtmann und Richter Jörg Ragant, ließ er das Interdikt verhängen.263) Die Härte, mit der Nikolaus von Kues in der Sonnenburger Sache verfuhr, beleuchtet auch sein Schreiben an die Pfarrer und Kapläne von St. Lorenzen, Taufers und Enneberg vom 30. Januar 1458: Wenn Geistliche die Messe vor Bauern lesen, die ihre Abgaben nicht an die Klosterverweserin, sondern jemand anderen leisten, oder vor Personen, die die Bauern dazu ermuntern, verfallen sie der Irregularität und können nur vom Papst absolviert werden.264) Diese Personen sollen auch nicht seelsorgerlich betreut werden, es sei denn in der Todesstunde.265) Es dürfte bei solchen diffizilen Bestimmungen praktisch nicht mehr möglich gewesen sein, im Bereich des Klosters Sonnenburg die reguläre Pfarrseelsorge aufrecht zu erhalten. Für Verena von Sonnenburg galt auch ein interdictum ambulatorium266), das überall dort galt, wo sie sich aufhielt. Während das Interdikt im Sonnenburger Streit nur lokale oder regionale Bedeutung hatte, zog das Interdikt, das im Streit mit Herzog Sigismund 1457 wirksam

259) Helmrath, Johannes, Das Interdikt in der städtischen Lebenswelt des späteren Mittelalters, in: Blätter für deutsche Landesgeschichte 154 (2018, erschienen 2019), 259–276. 260) AC II1, Nr. 2462. 261) AC II 3, Nr. 4228. 262) AC II 5, Nr. 4865. 263) AC II 5, Nr. 4911. — Dass das Interdikt wirkte, zeigen die Äußerungen der Äbtissin über den in Ragant verhängten Kirchenbann: AC II 5, Nr. 4943–4945, zuletzt Nr. 5241. Weitere Belege ebd., Nr. 4911, S. 1324 Anm. 3 nachgewiesen. 264) Solche Fällen müssten sich deshalb in den Supplikenregistern der Römischen Pönitentiarie niederschlagen, doch findet sich in: Repertorium Poenitentiariae Germanicum III. Verzeichnis der in den Supplikenregistern der Pönitentiarie Calixt III. vorkommenden Personen, Kirchen und Orte des Deutschen Reiches 1455–1458, bearb. von Ludwig Schmugge unter Mitarbeit von Wolfgang Müller, Tübingen 2001, kein Beispiel. 265) AC II 6, Nr. 5466. 266) AC II 6, Nr. 4733c.

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wurde, in der Diözese Brixen weite Kreise, auch wenn die Gültigkeit schon im Frühjahr 1458 von der gesamten Diözese auf das Herrschaftsgebiet des Herzogs reduziert wurde. Etliche Laien scheinen den Sakramentenempfang ganz eingestellt zu haben267, und manche traten den Priestern, die das Interdikt befolgten, hasserfüllt entgegen. In einer Aufzeichnung von 1460, die auf die Geschehnisse 1458 zurückblickt, heißt es: isti sacerdotes obedientes et servantes interdictum fuissent per populum expulsi aut forsan interfecti, wovon der Herzog allerdings nichts gewusst habe, da er außer Landes gewesen sei.268) Allerdings vermerkte eine andere Hand am Rand zu dieser Angabe, das sei so berichtet worden, doch sei er nicht sicher, ob das stimme. Die Überlieferung zur Wirkung des Interdikts im großen Streit zwischen Bischof und Herzog ist so umfangreich, dass diese Thematik hier nicht weiter vertieft werden kann und gesonderter Untersuchung bedürfte. Konflikte mit Laien und Dorfgemeinden, in die der Bischof eingreifen musste, erscheinen nur selten in den Quellen, und wenn, dann zumeist schlaglichtartig. Der Pfarrer von Feldthurns hatte Gebote und Befehle des Nikolaus von Kues verkündet, weshalb ein gewisser Hans Laubing ihm die Fehde angesagt hatte.269) Worum es dabei ging, bleibt unklar. Nikolaus von Kues hat am 3. Oktober 1456 die Gerichtsleute von Feldthurns aufgefordert, den Pfarrer und seine Hilfsgeistlichen zu schützen; andernfalls werde er Gottesdienstfeier und Ausübung der Seelsorge in der Pfarrei einstellen lassen, also das Interdikt verhängen.270) Der Kirchtag wurde jährlich zur Erinnerung an die Kirchweihe begangen.271) 1453 erteilte Nikolaus von Kues den Auftrag, den Kirchtag in Abtei im Gadertal, Pfarrei Enneberg, zu schützen.272) Das hing wohl damit zusammen, dass Abtei zum Hochstift Brixen gehörte bzw. diese Zugehörigkeit mit der Abtei Sonnenburg strittig war. In Brixen gab es (ähnlich wie in Würzburg) den Brauch, dass aus den umliegenden Ortschaften Prozessionen mit Kreuzen und Reliquien in die Brixner Mutterkirche zogen, doch kam es dabei auch vor, dass Teilnehmer mit Waffen kamen und anschließend an Tänzen teilnahmen.273) Das verbot der Bischof bei Androhung der Exkommunikation.274) Vereinzelt sind Gerichtsverfahren belegt, die Nikolaus von Kues leitete oder delegierte. 1456 entschied ein Brixner Domherr in seinem Auftrag einen ) AC II 6, Nr. 5554. ) AC II 6, Nr. 5555. 269) Hans Laubing war Bürger von Brixen, siehe im Register AC II 7, S. 2085 s.v. Hans Laubing. 270) AC II 5, Nr. 4939. 271) Dazu eingehend Grass, Cusanus und das Volkstum (wie Anm. 33), 57–73. 272) AC II 2, Nr. 3623, in dieser Sache vorher schon ein Bote an NvK: ebd. Nr. 3575. 273) Zum Waffengebrauch von und gegen Kleriker Bünz, Enno, Kleriker und Waffengebrauch in der spätmittelalterlichen Stadt. Neue Perspektiven anhand der päpstlichen Pönitentiarieregister, in: Ein bürgerliches Pulverfass? Waffenbesitz und Waffenkontrolle in der alteuropäischen Stadt, hg. von Werner Freitag und Martin Scheutz (Städteforschung, Reihe A, 102), Wien u.a. 2021, 79–96. 274) AC II 3, Nr. 4365. 267 268

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Streit zwischen den Kirchenpröpsten der Kapelle und dem Kloster Neustift um Novalzehnten in Schabs.275) Einen Streit um einen Novalzehnten in Innsbruck hat 1455 der bischöfliche Kommissar entschieden.276) Die hier ausgebreiteten Fallbeispiele wirken disparat, doch darf man dabei nicht vergessen, dass der Bischof mit seinen Gläubigen nur in bestimmten Situationen wie bei der Bestätigung von Stiftungen oder bei der Schlichtung von Streitfällen in direkten Kontakt kam. In der Regel aber waren die Pfarrer und anderen Seelsorgegeistlichen, kirchenorganisatorisch also die Pfarrei die Ebene, die Bischof und Laien verbanden. Vor allem die Statuten der Diözesansynoden boten die normative Ebene, an der die Gläubigen Alltagsleben und Frömmigkeitspraxis auszurichten hatten. Hierüber zu wachen, war vor allem Aufgabe der Pfarrgeistlichen, deren Amtsführung dann wiederum durch Diözesan- bzw. Pfarrvisitationen in den Fokus des Bischofs geraten konnten. f) Bischöfliche Ablässe Für Cusanus war die Verkündigung des päpstlichen Plenarablasses als Legat in Deutschland eine pastorale Aufgabe gewesen. Auch das Bistum Brixen kam in den Genuss dieses Jubiläumsablasses, wie Nikolaus von Kues am 10. Dezember 1451 von Oberwesel aus bekanntgab.277) Daraufhin hat der Generalvikar Michael von Natz im Auftrag des Cusanus am 1. Januar 1452 den Gläubigen die Bedingungen des Jubiläumsablasses bekannt gemacht.278) Dabei wurde die wenig ausgeprägte Sakraltopographie der Bischofsstadt deutlich, so dass Säben und Neustift einbezogen werden mussten, um den Gläubigen den vorgeschriebenen Besuch von sieben Hauptkirchen zu ermöglichen. Aus dieser Perspektive wird auch seine Rolle als Aussteller zahlreicher Partikularablässe zu verstehen sein. Die Legatentätigkeit ging fließend in die des Brixner Diözesanbischofs über.279) Dass Cusanus vor allem 1452/53 noch relativ zahlreich Ablässe für Kirchen außerhalb des Bistums Brixen ausstellte, gehört dazu. Vor allem aber etablierte er sich 1452/53 als neuer Diözesanbischof, indem er für zahlreiche Pfarrkirchen und Filialkirchen(-kapellen) Ablässe erteilte, z.T. mehrere an einem Tag. Dies dürfte die verstärkte Nachfrage nach Ablässen von Petenten aus ) AC II 4, Nr. 4691. ) AC II 7, Nr. 4489a. 277) AC I 3b, Nr. 2090. 278) AC I 3b, Nr. 2142. Siehe auch Anm. 63. 279) Zu den Ablässen des Legaten Izbicki, Thomas M., Legate Grants Indulgences. Cusanus in Germany in 1450–1453, in: Nicholas of Cusa and Times of Transition. Essays in Honour of Gerald Christianson, ed. by Thomas M. Izbicki, Jason Aleksander and Donald Duclow (Studies in the History of Christian Traditions 188), Leiden 2019, 81–95, und zu den bischöflichen Ablässen der Brixner Jahre Woelki, Bishop Grants Indulgences (wie Anm. 131), 28–36. 275 276

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der Diözese widerspiegeln.280) Der Eifer ließ dann 1454 deutlich nach. 1458 gewährte Cusanus nur noch der Pfarrkirche in Buchenstein einen Ablass281), was nun seinem eingeschränkten Bewegungsradius geschuldet war. Der Ablass für die Pfarrkirche in Patsch und die zugehörige Filialkirche in Lans, beide ausgestellt am 15. Juni 1459 in Rom, dürfte auf Bitten des Wiltener Abtes Ingenuin Mösel erfolgt sein, der sich damals in der Heiligen Stadt aufhielt.282) Als Cusanus im Frühjahr 1460 kurzfristig in seine Diözese zurückkehrte, verlieh er am 4. April der Pfarrkirche in Stilfes, die bischöflicher Kollatur unterstand, einen Ablass.283) Dies war der letzte Ablass, den Nikolaus von Kues einer Kirche in seinem Bistum gewährte. Bei der Bewertung muss berücksichtigt werden, dass sich die von Cusanus gewährten Indulgenzen nicht über eine Registerüberlieferung fassen lassen, sondern nur anhand der Ablassurkunden, die zumeist vor Ort in den Kirchenarchiven als Original oder Abschrift noch erhalten geblieben sind.284) Man wird schon deshalb von einer höheren Zahl tatsächlich gewährter Indulgenzen auszugehen haben. Aus der Bischofszeit des Cusanus sind etwa 120 Ablassurkunden nachgewiesen, von denen gut 80 für Kirchen und Kapellen im Bistum Brixen ausgestellt wurden.285) Gelegentlich war die Gewährung von Ablässen auch mit Weiheakten des Bischofs verbunden. Darüber hinaus gewährte Nikolaus von Kues auch allen Gläubigen einen Ablass, die von ihm erlassene Ordnungen befolgten.286) Die Bedeutung der zahlreichen Partikularablässe für das kirchliche Leben des späten Mittelalters ist mittlerweile bekannt.287) Die Förderung bestimmter Frömmigkeitspraktiken durch Ablässe war im späten Mittelalter allgemein üblich. Darüber hinaus ging es stets auch um die Förderung von Kirchenbau und -ausstattung, in der Regel in die Formel gekleidet, dass die Gläubigen, die an bestimmten Tagen die Kirche besuchten 280) Woelki, Bishop Grants Indulgences (wie Anm. 131), 29 betont, NvK „satisfied a kind of backlog demand“. 281) AC II 6, Nr. 5711. 282) Grass, Ablaßbrief (wie Anm. 32). — In AC III 1, Nr. 5944, wo darauf hingewiesen wird, dass der Patscher Pfarrer und sein Pfarrvikar auf der Seite des Herzogs bzw. des appellierenden Klerus hervorgetreten waren, so dass die Indulgenz auch als Zeichen guten Willens betrachtet werden kann. 283) Hallauer, Bruneck 1460 (wie Anm. 58), 165. 284) Diese weisen zumeist allerdings einen Registrierungsvermerk auf, siehe Woelki, Bishop Grants Indulgences (wie Anm. 131), 29. 285) Woelki, Bishop Grants Indulgences (wie Anm. 131), 28f. und die Karte 33. Zu korrigieren ist der Grenzverlauf im Nordosten. Rattenberg am Inn gehörte nicht mehr zum Bistum Brixen, sondern zum Erzbistum Salzburg, das Gebiet auf der gegenüberliegenden Seite des Inn zum Bistum Freising siehe Gatz, Erwin/Orner, Franz/Tropper, Christine, Erzbistum und Erzstift Salzburg um 1500, in: Gatz, Erwin (Hg.), Atlas zur Kirche in Geschichte und Gegenwart (wie Anm. 49), 126f. 286) AC II 1, Nr. 2745; II 4, Nr. 4417f. 287) Einen guten Überblick bietet Laudage, Christiane, Das Geschäft mit der Sünde. Ablass und Ablasswesen im Mittelalter, Freiburg i.Br. u.a. 2016. Neue Perspektiven eröffnet Hamm, Berndt, Ablass und Reformation – erstaunliche Kohärenzen, Tübingen 2016.

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und mit ihren Mitteln pro eiusdem ecclesie structura ac ipsius ornamentorum augmento et reparacione Unterstützung gewährten, des Ablasses teilhaftig werden sollten.288) Gerade in den besonders ausgedehnten Pfarrsprengeln mit zahlreichen Filialkirchen dürfte es Cusanus darum gegangen sein, diese entlegenen Kirchen aufzuwerten. Die meisten Ablassurkunden folgten dem Formular ‚Splendor paterne glorie‘, doch wurden Ablässe für Marienkirchen und für Hospitalkirchen nach anderen Formularen gewährt.289) Solange er Kardinallegat war, konnte Cusanus 100 Tage Ablass gewähren, doch konnte er die Indulgenzen als Bischof von Brixen um 40 Tage erweitern. Seit Mitte 1453 gewährte der Brixner Bischof dann durchweg nur noch 100 Tage290), doch erteilte er zuletzt 1455 für die Besucher der Heilig-GeistKapelle bei Prettau noch einmal einen Ablass von 140 Tagen.291) Bezüglich des Ablasswesens war Cusanus kein Reformer.292) Gleichwohl drängt sich die Frage auf, was Nikolaus von Kues mit seinen Ablässen bezweckte. Woelki hat in seiner Studie einige Ablässe hervorgehoben, deren Verleihung politisch motiviert war293), etwa der Ablass 1452 für die Jakobskirche in Innsbruck auf Bitten des herzoglichen Kämmerers Konrad Fridung294) oder für die Pfarrkirche in Patsch, die Johannes Antdorffer, der Anführer der geistlichen Opposition gegen den Bischof, innehatte.295) Aber das sind doch Einzelfälle, aus denen sich keine ‚Ablasspolitik‘ des Bischofs ableiten lässt. Woelki meint, dass die bischöflichen Ablässe eine soteriologische Funktion hatten, weil Cusanus damit auf Mängel der Pfarrseelsorge wie beispielsweise ungültige Absolutionen nach der Beichte reagierte (mehrfach hat Nikolaus von Kues Regelungen zu den bischöflichen Reservatfällen erlassen) und damit gerade den Gläubigen in den Gegenden des Inn- und Pustertales, in denen er keinen direkten Einfluss ausüben konnte, eine pastorale Hilfe bot.296) Allerdings bestätigt die räumliche Verteilung der Ablassurkunden diesen Eindruck nicht, denn es gibt im gesamten Bistumsgebiet, auch im Inntal und im Pustertal, 21 Pfarreien, in denen weder für die Pfarrkirche noch für Filialkirchen ein Ablass nachweisbar ist. Demgegenüber sind 19 Pfarrkirchen festzustellen, die Ablässe von Cusanus erhalten haben. Das heißt auf der anderen Seite aber auch, dass die ganz überwiegende Zahl von Ablässen Filialkirchen und Kapellen innerhalb großer Pfarrsprengel gewährt wurden. Dieser Befund spricht ) Schadelbauer, Ablaßbriefe (wie Anm. 32), 484. ) Woelki, Bishop Grants Indulgences (wie Anm. 131), 29. Das Formular in AC I 3a, Nr. 965 und bei Schadelbauer, Ablaßbriefe (wie Anm. 32), 483f. 290) Woelki, Bishop Grants Indulgences (wie Anm. 131), 30f. 291) Ebd., 30 Anm. 30. 292) Ebd., 31. 293) Ebd., 34. 294) AC II 1, Nr. 2733. 295) Grass, Ablassbrief (wie Anm. 32); Woelki, Bishop Grants Indulgences (wie Anm. 131), 34 Anm. 56. 296) Woelki, Bishop Grants Indulgences (wie Anm. 131), 36. 288 289

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m.E. doch eher dafür, dass es vor allem die Dorfgemeinden waren, vertreten durch die Kirchpröpste297), die sich beim Bischof um diese Ablassvergünstigungen bemühten, um Bau und Ausstattung ihrer Kirchen zu fördern. Deshalb ist damit zu rechnen, dass die Gemeinden, die eine ausbaufähige Filialkirche hatten, sich zielgerichteter um Ablässe bemühten als die Gemeinden oder der Pfarrgeistliche am Pfarrsitz selbst. Außerdem ist zu bedenken, dass Pfarreien sich auch deshalb nicht bei Cusanus um Ablässe bemühten (oder ihnen vom Bischof nicht gewährt wurden), weil sie bereits ausreichend Ablässe hatten. Die Pfarrkirche St. Peter und Paul in Kastelruth beispielsweise hat von Cusanus keine Ablässe erhalten, aber sie war auch schon gut mit Indulgenzen versehen. Im Archiv der Pfarrkirche finden sich zwei Sammelindulgenzen von Kurienbischöfen und mehrere bischöfliche Einzelablässe.298) Insgesamt verfügte man in Kastelruth also schon vor dem Amtsantritt des Cusanus über Ablassvergünstigungen, die alles in den Schatten stellten, was der Bischof bieten konnte. Erst seit 1472 hat die Kirche in Kastelruth weitere Ablässe erhalten. Die Ablassverleihungen des Cusanus werden sich erst einordnen lassen, wenn die Indulgenzen für Kirchen im Bistum Brixen insgesamt dokumentiert sind. g) Alltägliche Handlungsfelder des Bischofs: Dispense, Indulte, Privilegien, Weiheakte Die Forschung hat sich für die Handlungsspielräume der Fürstbischöfe als Territorialherren stets mehr interessiert, als für die alltäglichen Aufgaben des Diözesanoberen in seinem Bistum. In Gegensatz zu anderen Bischöfen seiner Zeit delegierte Nikolaus von Kues Weihehandlungen nicht generell an seinen Weihbischof, und darüber hinaus nahm sich der Bischof auch aller möglichen anderen Probleme an, indem er Dispense, Indulte, insbesondere auch Ablässe, von denen schon ausführlich die Rede war, gewährte. Zumindest zur Zeit des Cusanus wurden diese Routinebeurkundungen nicht in bischöflichen Registern festgehalten299), wie sie beispielsweise für die Mainzer Erzbischöfe in Gestalt der Mainzer Ingrossaturbücher300) oder für die Konstanzer Bischöfe als Investiturprotokolle überliefert

) Dazu oben Anm. 208. ) Santifaller, Leo (Bearb.), Regesten des Kirchenarchivs Kastelrut 1295–1570 (SchlernSchriften 2), Innsbruck u.a. 1923, 8–10 Nr. 1, 10f. Nr. 4, 13 Nr. 9, 16f. Nr. 17, 17 Nr. 18, 21f. Nr. 30. 299) Siehe den Überblick von Woelki, Thomas, in: AC II 7, 1930–1963. 300) Dazu exemplarisch Bünz, Enno, Eine unbekannte Quelle zum Stadtbrand von Peine 1510. Zur spätmittelalterlichen Sammelpraxis mit Petitorien, in: Perspektiven der Landesgeschichte. Festschrift für Thomas Vogtherr, hg. von Christine van Heuvel, Henning Steinführer und Gerd Steinwascher unter Mitwirkung von Josef Dolle und Jana Stoklasa (Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Niedersachsen und Bremen 312), Göttingen 2020, 277– 296, mit weiterführenden Hinweisen. 297 298

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sind.301) Man muss deshalb dankbar dafür sein, dass die Acta Cusana die bischöflichen Amtshandlungen zumindest aufgrund der verstreuten lokalen Überlieferung gewissermaßen exemplarisch dokumentieren. Die folgenden Ausführungen müssen deshalb notgedrungen lückenhaft bleiben, auch wenn sie durchaus facettenreich sind. Es geht durchweg um Einzelvorgänge, die zufällig durch ein Dokument in einem lokalen Archiv überliefert sind, während für weitere ähnliche Vorgänge, die vorauszusetzen sind, keine entsprechende Überlieferung mehr nachweisbar ist. Nicht nur die Pfarrkirchen, auch manche Filialkirchen, die weit entfernt von der Mutterkirche lagen, waren von einem Friedhof umgeben. Es lag nahe, den abgelegenen Filialkirchen das eigentlich an den Pfarrstatus gebundene Begräbnisrecht zu geben, da die Verstorbenen sonst im Winter wegen der Witterung monatelang nicht zum Pfarrfriedhof gebracht und beigesetzt werden konnten.302) Mehrfach war Nikolaus von Kues deshalb mit dem Begräbnisrecht und Fragen des christlichen Begräbnisses konfrontiert.303) 1452 verlieh er den Einwohnern des Filialortes Oberlängenfeld (St. Katharina) im Ötztal das Begräbnisrecht, da der Weg zur Mutterpfarrei weit und im Winter, aber auch im Frühjahr durch das Wasser für den Leichentransport mit vielfältigen Gefahren verbunden sei.304) Das Begräbnisrecht war wohl auch ein wichtiges Motiv, die Heilig-Geist-Kapelle am Ende des Ahrntals zu stiften, die Nikolaus von Kues am 22. Juni 1455 persönlich einweihte. Mit der Kirche und dem Altar wurde nämlich auch ein Friedhof geweiht, und in der Weiheurkunde vom 22. Juni gewährte Nikolaus von Kues allen Gläubigen, die Tote, die am Krimmler Tauern-Pass gefunden wurden, beerdigten, 100 Tage Ablass.305) Am 22. Mai 1452 hat Nikolaus von Kues die Pfarrkirche und den Friedhof in Telfes in Stubai entsühnt (ecclesia cum cimiterio per nos reconciliata fuit), wie aus der am nächsten Tag ausgestellten Indulgenz für die Kirche hervorgeht.306) Ein interessanter Vorgang ist die Entsühnung des Friedhofs in Mühlbach und ihre Vorgeschichte. Der Mesner der St. Jakobskapelle in Meransen hatte seinen zweijährigen Sohn verloren und ihn ohne Erlaubnis des Pfarrvikars auf dem Friedhof in Mühlbach beigesetzt. Da der Friedhof dadurch entweiht war, konnte dort niemand

) Die Investiturprotokolle der Diözese Konstanz (wie Anm. 114). ) Wopfner, Tiroler Bergbauernbuch (wie Anm. 80) 3, 99 erwähnt, dass man die Leichen einfrieren ließ und im Frühjahr zum Friedhof brachte. 303) Gelegentlich ist das nur zufällig belegt. Dass bei der Kapelle in Abtei ein Friedhof bestand, wird 1457 erwähnt, weil an bestimmten Tagen eine Prozession um den Friedhof stattfand (AC II 6, Nr. 5324). 304) AC II 1, Nr. 2609. 305) AC II 4, Nr. 4402. Dort ist im Regest von „Tauern-Pass“ die Rede, doch kann hier aufgrund der Lage der Kapelle nur der Hochalpenpass Krimmler Tauern (2643 m) gemeint sein, siehe . 306) AC II 1, Nr. 2590 und 2594. 301 302

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mehr beigesetzt werden.307) Nikolaus von Kues erteilte dann detaillierte Anweisungen zur Entsühnung des Friedhofs.308) Ein interessanter Vorgang ist 1456 belegt. Ein gewisser Christian Moczner war ertrunken und – unbekannt wo – außerhalb des Friedhofs beigesetzt worden. Die Herzogin Eleonore von Österreich hatte sich an den Bischof gewandt mit der Bitte, den Verstorbenen in den Friedhof umbetten zu lassen, doch verweigerte Nikolaus von Kues in seiner Antwort vom 22. Dezember 1456 dieses und verwies auf die gebotene Sorgfalt, wann solt der leichnam des freithoves unwirdig darein gelegt werden, das wer der seelen mer ain pein dann haylwertigkait.309) Es wäre interessant zu wissen, welche theologischen Vorstellungen hinter dieser ablehnenden Haltung standen. Zu den Vergünstigungen, die der Diözesanbischof erteilen konnte, gehörte auch die Sammeltätigkeit von Orden, die natürlich die Pfarreien tangierte. 1452 hat Nikolaus von Kues dem Antoniterorden gestattet, dass drei Antoniusboten des Memminger Antoniterhauses im Bistum Brixen sammeln durften; allerdings durften sie keine Beichten hören, und ihre Sammeltätigkeit war von der Genehmigung der Ortspfarrer abhängig.310) Durch die Statuten der Brixner Diözesansynode vom 7. Februar 1453 wurde die Sammeltätigkeit dann weiter eingeschränkt, so dass die Memminger Antoniter erst 1458 ihre Questen wieder aufnahmen.311) Am 23. September 1458 hat der Generalvikar die Memminger Antoniter für ein Jahr befristet im Bistum Brixen wieder zugelassen, wobei eingeschärft wurde, dass sie nur „auf dezente Art und ohne Belästigung der Gläubigen Almosen zu erbitten“ hatten.312) Der Antoniterpräzeptor von Memmingen hatte sich wohl zunächst an Herzog Sigismund gewandt, der dann auch von Nikolaus von Kues die Zusage erlangte, dass die Antoniter wieder sammeln dürften.313) Wesentlich umfassender dürfte die Terminiertätigkeit der großen Bettelorden gewesen sein, denn dies führte zu vielfältigen Klagen der Pfarrer (per seculares parrochialium ecclesiarum rectores et alios curatos presbiteros) über die Bettelmönche, weshalb Nikolaus von Kues Papst Nikolaus V. veranlassen konnte, 1453 die Konstitution ‚Dudum‘ Papst Clemens’ V. von 1311 zu erneuern, die einschlägige Bestimmungen über die Seelsorgerechte der Bettelmönche enthält.314) Die Sammeltätigkeit konnte aber auch räumlich beschränkt werden. Wie Nikolaus von Kues am 25. November 1456 den Pfarrern im Inntal mitteilte, durfte der Terminbruder des Augsburger

) AC II 6, Nr. 5616. ) AC II 6, Nr. 5617. 309) AC II 5, Nr. 5060. 310) AC II 1, Nr. 2898. 311) AC II 1, Nr. 2898 Anm. 5. 312) AC II 6, Nr. 5732. 313) AC II 6, Nr. 5751. 314) AC II 1, Nr. 3424. 307 308

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Karmeliterklosters nur dort sammeln.315) Insgesamt kann man wohl sagen, dass Cusanus die Terminierpraxis der Bettelorden und die daraus immer wieder resultierenden Eingriffe in die Pfarrseelsorge stets kritisch im Blick hatte.316) Im endlosen Streit mit der Äbtissin des Klosters Sonnenburg hatte Nikolaus von Kues im Februar 1453 angeordnet, das Gesinde des Klosters künftig nur noch vom Pfarrer von St. Lorenzen oder dessen Kaplänen versorgen zu lassen. Die Äbtissin hatte hingegen gefordert, diese Vorschrift bis zur Visitation des Klosters auszusetzen.317) Wie die bisher praktizierte Regelung war, wird in dem Schreiben nicht erwähnt. 1455 geht aus einem Briefwechsel hervor, dass Nikolaus von Kues den Pfarrer von Pfalzen als Beichtvater der Nonnen beauftragt hatte.318) Über die Beichtpraxis finden sich wenige Hinweise in den Quellen. In einem Rundschreiben von 1455 Oktober 10 forderte Nikolaus von Kues die Pfarrer und Gesellpriester auf, ihre Gläubigen zur Zahlung des Zehnten anzuhalten, auch unter Androhung des Kirchenbanns, weil wir durch predigen und underweisung in der peicht die pos sundige gewonhait nicht ändern konnten.319) Auf der Klerusversammlung im Februar 1458 in Brixen ging man angesichts der Bedrohung des Kardinals sogar noch weiter und forderte von den versammelten Pfarrern, die einzeln unter Eid vernommen wurden, was sie über die Bedrohung des NvK wüssten, wobei sie auch preisgeben sollten, que eciam in confesssione de hiis rebus fuissent plebanis et cooperatoribus divinorum nota.320) Auf dieser Klerikerversammlung wurde – verständlicherweise – Unmut laut, weil die Pfarrer beklagten, dass durch ihre Abwesenheit von den Gemeinden die Seelsorge vernachlässigt werde, maxime cum tunc in quadragesimali tempore confessiones audire habebant.321) Die Fastenzeit hatte erst am 17. Februar begonnen. Cusanus scheint nicht nur in Zehntdingen, wie eben erwähnt, die Pfarrer als Beichtväter instruiert zu haben. Obwohl mit dem Herzog bis Georgi (in Brixen 24. April) Stillhalten vereinbart worden war, musste Konrad Bossinger 1459 im Auftrag des Nikolaus von Kues im Bistum umherwandern, um Geständnisse gegen den Herzog zu sammeln. Der Brief des Cusanus gelangte später übrigens in die Hände des Herzogs zusammen mit einem Zettel Bulachs, auf dem dieser Anweisungen gab, wie die Beichte abzunehmen sei.322)

) AC II 5, Nr. 5017. ) Woelki, Thomas, Kirchenrecht als Mittel der Reform. Nikolaus von Kues und die Seelsorgeprivilegien der Mendikantenorden, in: „Renovatio et unitas“ – Nikolaus von Kues als Reformer. Theorie und Praxis der „reformatio“ im 15. Jahrhundert, hg. von Thomas Frank und Norbert Winkler (Berliner Mittelalter- und Frühneuzeitforschung 13), Göttingen 2012, 117–135. 317) AC II 1, Nr. 3140. 318) AC II 3, Nr. 4350 u. 4353. 319) AC II 4, Nr. 4561, Z. 9f. 320) AC II 6, Nr. 5517. 321) AC II 6, Nr. 5518. 322) Jäger, Streit (wie Anm. 10) 1, 320. 315 316

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Die Beichtvollmachten des Seelsorgeklerus konnten vorübergehend erweitert werden, wie aus dem Rundschreiben zur Einforderung des Kathedraticums 1456 hervorgeht: Darin erteilte Nikolaus von Kues den Pfarrern vor allem für die vorösterliche Fastenzeit die Erlaubnis, die Beichtenden auch in bischöflichen Reservatfällen zu absolvieren, wobei allerdings etliche Reservatfälle wie z.B. Wucher, Totschlag, Gewalt gegen Kleriker, Kindstötung u.a. ausgenommen wurden. Es war wohl dem besonderen Beichtandrang vor Ostern geschuldet, dass den Pfarrern auch gestattet wurde, ihren Hilfsgeistlichen diese Beichtvollmacht zu erteilen, sofern sie dafür geeignet seien (cooperatoribus iuxta ipsorum ydoneitatem) und Bedarf bestünde.323) Zu den bischöflichen Rechten gegenüber dem Diözesanklerus gehörten bestimmte Abgaben wie das Kathedratikum, das dem Bischof jährlich von jedem Benefizium zustand, und das Subsidium caritativum. Aus dem Jahr 1456 ist das Rundschreiben, mit dem Nikolaus von Kues das diesjährige Kathedratikum einforderte, erhalten.324) Es ist der einzige Beleg über die Zahlung dieser dem Bischof jährlich zustehenden Abgabe in der Amtszeit des Nikolaus von Kues, doch liegen für die anderen Bischöfe des 15. Jahrhunderts ebenfalls Belege vor.325) Es war dabei üblich, dass die Bischöfe in diesen Rundschreiben dem Pfarrklerus Ermahnungen und Anweisungen für ihre Amtsführung gaben, so auch im offenen Schreiben des Nikolaus von Kues.326) Auch das Subsidium caritativum war eine Klerussteuer, die sich anteilmäßig an der Pfründenausstattung orientierte und die zumeist bei Amtsantritt eines Bischofs erhoben wurde. Aus der Amtszeit des Nikolaus von Kues fehlen aber alle Belege. Erst von 1511/12 stammt ein Benefizienregister, das die Subsidientaxen nennt.327) Unter dem Eindruck der Türkengefahr wurde ein allgemeines Kirchengebet eingeführt. Papst Calixt III. ordnete mit der Bulle ‚Cum his superioribus annis‘ 1456 an, dass die Gläubigen jeden Mittwoch für den Sieg über die Türken beten, fasten und eine Prozession abhalten sollten. Der Salzburger Erzbischof gab diese Anordnung an seine Suffraganbischöfe weiter.328) Nikolaus von Kues hatte anlässlich des Sieges über die Türken bei Belgrad am 24. August 1456 in Neustift eine Dankprozession durchgeführt und gepredigt.329) Dass die päpstliche Anordnung

) AC II 4, Nr. 4666. ) AC II 4, Nr. 4666. — Zum Charakter des Stücks als Patent (offener Brief), der dem Empfänger gezeigt, aber nicht ausgehändigt wurde, Hürten (Hg.), Akten zur Reform (wie Anm. 29), 30. 325) Hürten (Hg.), Akten zur Reform (wie Anm. 29), 30 mit Anm. 24. 326) Hier geht es um die Absolution in bischöflichen Reservatfällen. 327) Siehe dazu oben Anm. 70. 328) AC II 5, Nr. 4941 u. 4952. 329) AC II 5, Nr. 4915. 323 324

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in Brixen umgesetzt wurde, zeigt die Predigt des Nikolaus von Kues am 28. Oktober 1456 in Brixen anlässlich einer Prozession gegen die Türkengefahr.330) In welchem Umfang Cusanus Kirchen- und Altarweihen vorgenommen hat, wird sich nie lückenlos feststellen lassen, da diese Akte nicht registriert wurden.331) Bezeichnend ist schon die erste Nachricht, die nur durch Authentik und Kardinalssiegel im Altarsepulcrum dokumentiert ist: Am 23. Juli 1452 hat Nikolaus von Kues in der Kirche St. Juliana in Vigo di Fassa den Chor und drei Altäre geweiht.332) Kein anderes Zeugnis berichtet darüber. Am 21. September 1453 weihte er im Stift Neustift einen Altar.333) Am 12. März 1455 weihte er die Kapelle St. Margaretha in Schabs334), am 1. Mai 1455 die Kirche in St. Sigmund bei Kiens335), am 8. Juni 1455 die Nikolauskirche in Stegen bei Bruneck, was wir nur dank der erhaltenen Kirchweihpredigt wissen.336) Ein besonders denkwürdiger Vorgang ist die Weihe der Heilig-Geist-Kapelle bei Prettau im Ahrntal, die Nikolaus von Kues am 20. Juni 1455 vorgenommen und dabei den Besuchern an bestimmten Festtagen 40 Tage Ablass gewährt hat.337) Die Nachbarschaften von St. Peter, St. Jakob und St. Johann im Ahrntal hatten sich zusammengetan, um die Kapelle zu erbauen und angemessen auszustatten, was Nikolaus von Kues zur Bedingung gemacht hatte, damit die Kapelle geweiht werden konnte. Die entsprechende Stiftungsurkunde der Kirchenpröpste und Gemeindevertreter wurde am 20. Juni in Bruneck ausgestellt338), und im unmittelbaren Anschluss werden sie sich wohl zusammen mit Nikolaus von Kues auf den Weg zur gut 40 km von Bruneck entfernten Kapelle am Ende des Ahrntals gemacht haben. So hatten die Bauern und Hirten dieses abgelegenen Tals Gelegenheit, ihren Diözesanbischof am 22. Juni nicht nur zu sehen, sondern predigen zu hören. Cusanus sprach über Lk 15,10 Gaudium erit angelis dei super uno peccatore penitentiam agente.339) Mit der Kapelle wurde auch ein Friedhof geweiht, der wohl vor allem dazu diente, die Toten beizusetzen, die am

) AC II 5, Nr. 4982. ) Für die Amtszeit des Bischof Ulrich Putsch (1427–1437) sind von ihm tagebuchartige Aufzeichnungen erhalten, die u.a. Auskunft über seine Weihetätigkeit geben: The Shorter Writings of Ulrich Putsch. Diarium, Oraciones super missam and Manuale simplicium sacerdotum, ed. by Nigel Harris, Bern u.a. 2003, 53–87. 332) AC II 1, Nr. 2707. 333) AC II 2, Nr. 3640. 334) AC II 3, Nr. 4258. 335) AC II 3, Nr. 4333, nur Rechnungsnotiz. 336) AC II 4, Nr. 4384. 337) AC II 4, Nr. 4402. 338) AC II 4, Nr. 4399. 339) AC II 4, Nr. 4401. — NvK, Sermones, h XVIII 4, 377–382 Nr. CXCI, übersetzt in: Nikolaus von Kues, Predigten in deutscher Übersetzung III (wie Anm. 2), 451–457. 330 331

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Krimmler Tauern gefunden wurden, der Südtirol und Salzburg miteinander verbindet.340) Obwohl Cusanus viele bischöfliche Aufgaben persönlich ausübte, konnte er sich auf die Mitwirkung von Weihbischöfen stützen. Bei Amtsantritt in Brixen fand er den Dominikaner Andreas (ep. Sicharensis) als Weihbischof vor, der in diesem Amt schon 1434 nachweisbar ist.341) 1452 weihte der Weihbischof Andreas Sichariensis die Kapelle St. Jakob in Gröden (Pfarrei Lajen) mit den Nebenaltären und verlieh den Besuchern 40 Tage Ablass.342) Die zahlreichen weiteren Konsekrationen müssen hier nicht aufgeführt werden. Diese Akte waren in der Regel mit der Gewährung eines Ablasses von 40 Tagen verbunden. Für die sakramentale Seelsorge unverzichtbar war das Chrisam, das stets zu Ostern geweiht und an die Pfarreien verteilt wurde.343) 1458 März 25 reiste Simon von Wehlen nach Brixen, um die Priester zur Weihe des Chrisamöls zusammenzurufen.344) Diese konnte dann allerdings nicht, wie geplant, in der Bischofsstadt erfolgen. Nikolaus von Kues teilte am 27. März mit, dass er wegen der schlechten Wegverhältnisse ad crisma conficienda nicht nach Brixen kommen, sondern dies in Buchenstein tun werde345), was am Gründonnerstag erfolgte.346 Das Öl wurde dann von einem Priester aus Buchenstein abgeholt und nach Brixen verbracht.347 Nikolaus von Kues ordnete an, das Chrisam nicht dort zu verteilen, wo sich Priester aufhielten, die der gegen ihn gerichteten Appellation anhingen, und in den Nachbargemeinden sicherzustellen, dass von dort das Chrisam nicht weitergegeben würde.348) 4. Fazit Wie schon betont wurde, war Nikolaus von Kues zwar 13 Jahre lang Bischof von Brixen, aber nur die erste Hälfte seiner Amtszeit ist geeignet, seine Tätigkeit als Seelsorger und für die Seelsorge zu beleuchten. Als Bischof von Brixen war Nikolaus von Kues 1458 gescheitert, und abgesehen von einem kurzen Intermezzo 1460 war er danach nicht mehr in seinem Bistum präsent. Überlegungen, das Bis) Siehe oben Anm. 305. ) Trenkwalder, Alois, Die Brixner Weihbischöfe von 1316 bis 1533 (Konferenzblatt für Theologie und Seelsorge, Beiheft Nr. 16–17), Brixen 1997, 38–41. 342) AC II 1, Nr. 2571. 343) Zum Vergleich sei auf die Praxis im Bistum Würzburg verwiesen, siehe Leinweber, Josef, Drei mittelalterliche Chrisam-Verzeichnisse. Zur kirchlichen Organisation im Umkreis des Klosters Fulda, in: Archiv für mittelrheinische Kirchengeschichte 43 (1991), 363–380. 344) AC II 6, Nr. 5571. 345) AC II 6, Nr. 5575. 346) AC II 6, Nr. 5580. 347) AC II 6, Nr. 5576. 348) AC II 6, Nr. 5579 u. 5580. 340 341

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tum zu resignieren, hatte er schon einige Jahre vorher angestellt. Die letzten sechs Jahre seines Pontifikats wurde die Diözese ohne seine direkte Mitwirkung verwaltet. Zwar gab es 1460 Überlegungen, Bistum und Hochstift der Verwaltung des Papstes zu unterstellen, aber das wurde nicht realisiert, sondern Papst Pius II. beauftragte am 12. August 1460 den Salzburger Erzbischof Sigismund von Wolkersdorf (1452–1461) mit der Administration des Bistums.349) Allerdings geschah nichts, so dass der Papst ihn am 25. Januar 1461 nochmals beauftragte, woraufhin der Salzburger Metropolit lediglich am 26. März Simon von Wehlen nach Salzburg bestellte, um ihm die Verwaltung des Bistums Brixen zu übertragen.350) Wenig später starb der Erzbischof von Salzburg, doch dachte auch sein Nachfolger Burkhard von Weißbriach nicht daran, sich in der Brixner Diözese zu engagieren.351) Cusanus ernannte seinen Neffen Simon von Wehlen am 14. Mai 1460 „zum Anwalt für die weltliche Verwaltung des Bistums und zum geistlichen Stellvertreter im Görzer Gebiet der Diözese, also im Pustertal“.352) Papst Pius II. und Cusanus ernannten als apostolischen Geheim-Delegaten den Innichener Kanoniker Nikolaus Pomperger (am 8. August 1460), der mit bestimmten Vollmachten ausgestattet wurde, beispielsweise gewissen Priestern die Seelsorge zu erteilen.353) Der Rentmeister des Cusanus, der eben genannte Brixner Domherr Simon von Wehlen, war mit der bischöflichen Kasse nach Belluno geflüchtet und sorgte weiter dafür, dass aus dem Hochstift Geld zu Cusanus kam.354) Darüber hinaus ist auch belegt, dass einige Pfarrer und Pfarrvikare ihrem Bischof heimlich Geld zukommen ließen.355) Der Großteil des Domkapitels stand aber auf der Seite des Herzogs, weshalb es nicht überrascht, dass das Kapitel am 26. Dezember 1460 den Domherrn Wolfgang Neindlinger zum Bistumsverweser ernannte.356) Das Verhältnis des Bischofs zu seinem Domkapitel war damit endgültig zerstört, doch hatte sich diese Entwicklung seit Jahren angebahnt und war letztlich schon darin angelegt, dass Nikolaus von Kues gegen den Willen des Domkapitels auf den Bischofsstuhl gelangt war.357) Im Konflikt mit Herzog Sigismund wurde „nicht nur Brixen ihm zum Verhängnis, sondern er auch Brixen; denn der religiöse Zustand des Bistums war zum Schluß chaotisch“, bemerkte Erich Meuthen.358) „Das Wesen des Cusanus war auf Harmonisierung, auf Konkordanz angelegt; aber die Lebenspraxis zwang ausge) Baum, Nikolaus Cusanus in Tirol (wie Anm. 22), 399f. ) Ebd., 409. 351) Ebd., 410. 352) Ebd., 235. 353) Ebd., 410. 354) Ebd., 235 u. 410. 355) Ebd., 412. 356) Ebd., 235 u. 412. 357) Ebd., 235, mit harten Worten über das mangelhafte Bemühen des Bischofs, ein gutes Verhältnis zum Domkapitel zu gewinnen. 358) Meuthen, Die letzten Jahre (wie Anm. 1), 16. 349 350

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rechnet ihn zu härterer Auseinandersetzung. Im Streit mit Herzog Sigismund griff dieser Widerspruch zwischen Ausgleichsdrang und Notwendigkeit erbarmungsloser Härte tief in sein Leben ein“. Die Folge war, wie Meuthen weiter ausführt, Weltüberdruss, und er zog sich in die Einsamkeit zurück „zu Buch und Wissenschaft“.359) Bekümmerten ihn in seinen letzten Jahren die Lage, in die sein Bistum und seine Gläubigen geraten waren? Dazu Hallauer: „Das religiöse Leben seiner Diözese, das er zu neuer Blüte hat emporführen wollen, wurde durch Bann und Interdikt völlig gelähmt. Statt Ordnung herrschte Chaos, statt Konkordanz heillose Zwietracht – das war das Fazit. Der Bischof und Fürst versagte“.360) Auf dieses Versagen hat die Cusanus-Forschung wiederholt hingewiesen und betont, es „hat in dieser offensichtlichen Spannung zwischen seinem Wollen und den historischen Bedingtheiten seiner Zeit wohl den letzten Grund, in einer Spannung, die er nicht weniger in sich selbst trug“.361) Denn sein redliches Streben war nicht frei von Ehrgeiz und Ungeduld, konnte zudem auch in übertriebene Strenge und charakterlich bedingte Sturheit ausschlagen.362) Wilhelm Baum resümiert sein Agieren in Brixen mit den Worten: „Es fehlte ihm nicht an Größe, wohl aber an Liebe, Toleranz und Verständnis, die ein Bischof braucht, wenn er eine Diözese reformieren will“.363) Das ist doch etwas sehr von modernen pastoralen Kategorien her geurteilt, aber zweifellos ist der erste und nachhaltigste Eindruck beim Blick auf die Tätigkeit des Nikolaus von Kues in Brixen „der einer großen und strengen Härte, die auf strikte Einhaltung des vom Gesetz geforderten bedacht ist“, wie Hürten meint, auch wenn man dem entgegenhalten kann, dass gerade der Eifer in den kleinen Dingen die Hingabe bezeugt, „mit der Nikolaus das Amt des Seelsorgers geübt hat“, wobei die Verwaltung des Buß- und des Altarsakraments im Vordergrund standen.364) „So setzt sich“, nochmals sei Hürten zitiert, „gegenüber anderen Eindrücken der Seeleneifer des Kardinals, seine Hirtensorge als der eigentlich bestimmende Grundzug durch“.365) Beim Tod des Nikolaus von Kues am 11. August 1464 in Todi waren neben anderen zwei Pfarrer aus dem Bistum Brixen zugegen: Ulrich Fabri, Pfarrer zu ) Ebd., 20. ) Hallauer, Hermann J., Nikolaus von Kues – Fürstbischof von Brixen (1450–1464), in: Schweizer Rundschau. Monatsschrift für Geistesleben und Kultur 63 (1964), 419–427, Zitat 419. 361) Meuthen, Die letzten Jahre (wie Anm. 1), 109. 362) Hallauer, Nikolaus von Kues als Bischof und Landesfürst in Brixen (wie Anm. 18), 32; Ders., Nikolaus von Kues als Bischof und Landesfürst (wie Anm. 24), 28f. 363) Baum, Nikolaus Cusanus und Tirol (wie Anm. 22), 236. 364) Hürten (Hg.), Akten zur Reform (wie Anm. 29), 65; Meuthen, Nikolaus von Kues 1401– 1464 (wie Anm. 1), 114 schreibt in diesem Zusammenhang von der „Hingabe an den Alltag“. 365) Hürten (Hg.), Akten zur Reform (wie Anm. 29), 66. 359 360

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Prutz, Kaplan und Beichtvater des Kardinals, und Lorenz Hamer, Pfarrer zu Gais, Kaplan und Sekretär des Cusanus.366) Ob ihm Brixen in der Todesstunde noch etwas bedeutete? Dass er im Partikulargericht würde Rechenschaft ablegen müssen über seine Brixner Amtsführung, war ihm klar, und er wird sich wohl sicher gewesen sein, als Seelenhirte richtig gehandelt zu haben. Für Cusanus bestand kein Grund, in Brixen Memorienstiftungen zu veranlassen, zumal er sich nicht einmal des Domkapitels als einer Gemeinschaft sicher sein konnte, die für sein Gedächtnis sorgen würde. Wie seine Bestimmungen über die Jahrtage in der Pfarrkirche von Albeins zeigen, war er der Auffassung, dass Stiftungsobliegenheiten einzuhalten seien, aber vielleicht hatte er Zweifel, dass die Brixner Domherren es ebenso sähen.367) Dass er schon zu Lebzeiten eine Stiftung für die Domkirche vorgenommen hätte, ist nicht bekannt.368) Letzte Ruhestätte des Kardinals wurde die Titelkirche S. Pietro in Vincoli, aber sein Herz sollte in die Heimat zurückkehren. Seine große Memorialstiftung errichtete er in Gestalt des Nikolaushospitals in Bernkastel am 3. Dezember 1458.369) Dorthin sollte seine Bibliothek gelangen, und dort sollte auch sein Herz beigesetzt werden. Beides ist in Erfüllung gegangen. Dass Nikolaus von Kues „seiner Herde ein guter und getreuer Hirt sein wollte, ist unbestreitbar“, aber er ist im Kampf um die Seelen ebenso gescheitert wie im Kampf um die Rechte des Hochstifts Brixen.370) Noch tragischer als diese Gesamtbilanz mutet der Blick auf die Situation des Bistums in den letzten Jahren des Kardinals an: während Nikolaus von Kues als Kardinal ganz im Dienste der römischen Kirche stand und sich gelehrten Studien hingab, befand sich sein Brixner Bistum in einer Ausnahmesituation, unterlag dem Interdikt. Dass Herzog Sigismund am 25. August 1464 in den Kompromiss mit dem Kardinal einwilligte und Bischof Rudolf von Lavant am 2. September alle Kirchenstrafen über Personen und Orte aufhob371), sollte der Kardinal nicht mehr erleben. Die Pfarrseelsorge wurde übri-

366) Sinnacher, Beyträge VI (wie Anm. 27), 528. Zum weiteren Personenkreis Meuthen, Nikolaus von Kues 1401–1464 (wie Anm. 1), 135. Zum Tod nun auch Helmrath, Johannes, Nikolaus von Kues in Rom, in: Die römischen Jahre des Nikolaus von Kues. Akten zum Jubiläumssymposion des Wissenschaftlichen Beirats der Cusanus-Gesellschaft in Kooperation mit dem Päpstlichen Institut Santa Maria dell’Anima aus Anlass des 550. Todestages von Nikolaus von Kues im Jahr 2014 in Rom, hg. von Walter Andreas Euler, bearb. von Alexandra Geissler (MFCG 35), Trier 2020, 141–181. 367) Zur Frage der Jahrtagsreduktion Hürten (Hg.), Akten zur Reform (wie Anm. 29), 67f. 368) Das betont auch Andergassen, Leo, Nicolaus Cusanus und die Kunst. Bild und Memoria, in: Nicolaus Cusanus. Ein unverstandenes Genie in Tirol (wie Anm. 37), 45–85, hier 57. 369) Hensel-Grobe, Meike, Das St.-Nikolaus-Hospital zu Kues. Studien zur Stiftung des Cusanus und seiner Familie (15.–17. Jahrhundert) (Geschichtliche Landeskunde 64), Stuttgart 2007; Tritz, Sylvie, „... uns Schätze im Himmel zu sammeln.“ Die Stiftungen des Nikolaus von Kues (Quellen und Abhandlungen zur mittelrheinischen Kirchengeschichte 125), Mainz 2008. 370) Hürten (Hg.), Akten zur Reform (wie Anm. 29), 43. 371) Sparber, Brixner Fürstbischöfe (wie Anm. 23), 156.

Pastorale Visionen

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gens durch die Bestimmung berührt, dass alle Besetzungen weltlicher und geistlicher Ämter in Hochstift und Bistum gültig bleiben sollten.372) Am Ende dieser Studie ist nicht über Cusanus als Bischof, sondern als Seelsorger zu urteilen. Betrachtet man das Wirken des Cusanus in Brixen vom Ende her, ist die Bilanz katastrophal oder zumindest ambivalent, denn der Kardinal musste vor der weltlichen Macht kapitulieren und konnte sich letztlich nur mit den relativ stumpfen Waffen des Kirchenrechts zur Wehr setzen, die den Herzog, den sie eigentlich treffen sollten, weitaus weniger tangierte, als die Pfarrseelsorger und ihre Gemeinden. Aber kann man die strukturellen Rahmenbedingungen fürstbischöflicher Herrschaft im späten Mittelalter tatsächlich einem Bischof und Theologen zum Vorwurf machen, dem Seelsorge mehr als eine reine Amtspflicht war? Dass er das Beste für seine Brixner Herde gewollt, aber nicht erreicht hat, wird man nicht Cusanus zur Last legen können. Deshalb gilt, was Hallauer 2000 betonte: „Sein pastoraler Einsatz ist bewundernswert, sein guter Wille läßt sich immer wieder belegen“.373) Nicht die Sicherung des Hochstifts und die Mehrung der bischöflichen Einkünfte seien entscheidend, schrieb Cusanus am 11. Juni 1460 seinem Amtsbruder, dem Eichstätter Bischof Johann III. von Eich, sondern die geistlichen Aufgaben: „In erster Linie müssen wir Gott für die Erfüllung unserer seelsorgerischen Pflichten Rechenschaft ablegen“.374)

) Baum, Nikolaus Cusanus in Tirol (wie Anm. 22), 420. ) Hallauer, Nikolaus von Kues als Bischof und Landesfürst in Brixen (wie Anm. 18), 30. 374) … de qua maxime tamquam pastorali officii curae deo racionem sumus reddituri: Abschrift des Briefes in: Bayerische Staatsbibliothek München, clm 19697 f. 145r–146r, hier f. 146r. Die Übersetzung zitiert nach Baum, Nikolaus Cusanus in Tirol (wie Anm. 22), 396, längere Auszüge auch bei Jäger, Streit II (wie Anm. 10), 60–62. Erwähnt auch von Hallauer, Nikolaus von Kues als Bischof und Landesfürst (wie Anm. 22), 31. Der Brief ist noch ungedruckt, wird aber in den AC III enthalten sein. Zu Johann von Eich Wendehorst, Das Bistum Eichstätt I (wie Anm. 197), 202–220, geht aber auf diesen Briefwechsel nicht ein. 372 373

Eine Legatenurkunde, die Frauengemeinschaft St. Barbara in Gent ( Joris Vranckx Clooster) und die Devotio moderna Ein Nachtrag zu Acta Cusana I Tobias Daniels

I

nnerhalb der Geschichte des päpstlichen Gesandtschaftswesens nimmt die große Reise, die Nikolaus von Kues in den Jahren 1451/52 nördlich der Alpen als höchster pontifikaler Abgesandter (legatus de latere) durchführte, unter vielen Gesichtspunkten eine Sonderstellung ein. An erster Stelle tut sie dies in inhaltlicher Weise, diente sie doch einer umfassenderen Zielsetzung als andere, üblicherweise stärker tagespolitisch motivierte diplomatische Vermittlungsaktionen des Papsttums.1) Nach Beendigung des Basler Konzils, dem Wiener Konkordat und im direkten Anschluss an das Heilige Jahr 1450 sollte mit dieser Mission die deutsche Kirche durch die Verkündigung des Ablasses und die Durchsetzung der konziliaren Reformanliegen mit Rom versöhnt und in Einklang gebracht werden. Zwei-

Dieser Beitrag ist Jan Rogiers († 2013) gewidmet. Der Verfasser dankt ferner Ludo Collin und Michel Nuyttens. 1) Überblicke zum Betrachtungszeitraum: Maleczek, Werner, Die päpstlichen Legaten im 14. und 15. Jahrhundert, in: Schwinges, Rainer Christoph/Wriedt, Klaus (Hg.), Gesandtschafts- und Botenwesen im spätmittelalterlichen Europa (Vorträge und Forschungen 60), Stuttgart 2003, 33–86; Zey, Claudia/Märtl, Claudia (Hg.), Aus der Frühzeit europäischer Diplomatie. Zum geistlichen und weltlichen Gesandtschaftswesen vom 12. bis zum 15. Jahrhundert, Zürich 2008; Untergehrer, Wolfgang, Die päpstlichen nuntii und legati im Reich (1447–1484). Zu Personal und Organisation des kurialen Gesandtenwesens, Diss. masch., LMU München 2013 ; Kalous, Antonín, Late Medieval Papal Legation. Between the Councils and the Reformation (Viella History, Art and Humanities Collection 3), Rom 2017; Koller, Alexander, Cardinal Legates and Nuncios, in: Hollingsworth, Mary/Pattenden, Miles/ Witte, Arnold (Hg.), A Companion to the Early Modern Cardinal, Leiden-Boston 2020, 175–198. Zur Frühzeit: Zey, Claudia, Stand und Perspektiven der Erforschung des päpstlichen Legatenwesens im Hochmittelalter, in: Johrendt, Jochen/Müller, Harald (Hg.), Rom und die Regionen. Studien zur Homogenisierung der lateinischen Kirche, Berlin u.a. 2012, 157–168; Dies., Vervielfältigungen päpstlicher Präsenz und Autorität. Boten und Legaten, in: Schneidmüller, Bernd u.a. (Hg.), Die Päpste. Amt und Herrschaft in Antike, Mittelalter und Renaissance, Regensburg 2016, Bd. 1, 267–274.

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tens sollte dies nicht nur durch einen „deutschen Kardinal in deutschen Landen“2) geschehen, sondern durch eine in Wirken und Werken besonders mit diesen Thematiken verbundene, weithin bekannte und intellektuell herausragende Persönlichkeit, die Nikolaus von Kues war. Drittens macht die Legationsreise besonders, dass sie durch die Acta Cusana in einer Weise minutiös dokumentiert ist, wie dies bei keiner anderen kurialen temporären Gesandtschaft der Vormoderne bisher geschehen ist, nicht nur in Bezug auf vatikanisches, sondern insbesondere auf lokal überliefertes Material.3) Seit dem Erscheinen der Akten zur Legationsreise in den Acta Cusana I 3 im Jahr 1996 haben sich ihr wenige neuere Studien gewidmet. Diese haben vor allem vier Aspekte in den Blick genommen: Sie haben die Legationsreise in einer vergleichenden Perspektive bewertet (a), ihre Nachwirkungen verfolgt (b), die Predigttätigkeit des Cusanus im Zuge der fortschreitenden (jetzt Gesamt-)Edition der Sermones untersucht (c) oder Einzelaspekte vertieft und ergänzt, etwa mit Bezug auf den Ablass (d).4)

2) So die Formulierung von Koch, Josef, Der deutsche Kardinal in deutschen Landen. Die Legationsreise des Nikolaus von Kues (1451/52) (Kleine Schriften der Cusanus-Gesellschaft 5), Trier 1964. 3) Grundlegend: Meuthen, Erich, Die deutsche Legationsreise des Nikolaus von Kues 1451/1452, in: Moeller, Bernd u.a. (Hg.), Lebenslehren und Weltentwürfe im Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit. Politik – Bildung – Naturkunde – Theologie (Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen. Philologisch-Historische Klasse. 3. Folge, 179), Göttingen 1989, 421–499. Eine effiziente Punktualisierung: Meuthen, Erich, Das Itinerar der deutschen Legationsreise des Nikolaus von Kues 1451/52, in: Dahlhaus, Joachim/Kohnle, Armin (Hg.), Papstgeschichte und Landesgeschichte. Festschrift für Hermann Jakobs zum 65. Geburtstag, Köln 1995, 473–502. 4) Zu den vier Aspekten: a) Maleczek, Die päpstlichen Legaten (wie Anm. 1); Viallet, Ludovic, Les deux bras du pape. Parcours croisés de Nicolas de Cues et Jean de Capistran en terre germanique (1451–1454), in: Les relations diplomatiques au Moyen Âge. Formes et enjeux. XLIe Congrès de la SHMESP, Lyon, 3–6 juin 2010 (Publications de la Sorbonne. Histoire ancienne et médiévale 108), Paris 2011, 253–267; Untergehrer, Die päpstlichen nuntii und legati im Reich (wie Anm. 1); Daniels, Tobias, Das Reich und die böhmische Kronsukzession in einem Memorandum Lorenzo Roverellas für Marco Barbo (1472), in: Römische Historische Mitteilungen 58 (2016), 15–62; Märtl, Claudia, Kardinal Alain de Coëtivy (1407–1474). Der „römische Legat“ des Jean Fouquet, in: Annas, Gabriele/Nowak, Jessika (Hg.), Et l’homme dans tout cela? Von Menschen, Mächten und Motiven. Festschrift für Heribert Müller zum 70. Geburtstag, Stuttgart 2017, 211–230. b) Schneider, Herbert, Der lange Arm des Vatikan. Anmerkungen zur Legationsreise des Cusanus nach Deutschland 1451, in: Meyer, Andreas (Hg.), Kirchlicher und religiöser Alltag im Spätmittelalter. Akten der internationalen Tagung in Weingarten, 4.–7. Oktober 2007 (Schriften zur südwestdeutschen Landeskunde 69), Ostfildern 2010, 33–46; Woelki, Thomas, Il legato scomodo. Azioni di Niccolò Cusano come legato apostolico e reazioni papali, in: Niccolò Cusano. L’uomo, i libri, l’opera. Atti del LII Convegno storico internazionale. Todi, 11–14 ottobre 2015 (Atti dei Convegni del Centro italiano di studi sul basso medioevo – Accademia Tudertina. Nuova serie 29), Spoleto 2016, 71–93.

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Der vorliegende Beitrag stellt einen punktuellen Nachtrag zu AC I 3 dar. Er geht auf eine Anregung durch Jan Rogiers († 2013) zurück. Er war dem Verfasser bei Archivstudien in Belgien zu einem Landsmann und Wegbegleiter des Nikolaus von Kues, dem gelehrten Rat Johannes von Lieser, der 1455 bis 1458 eine Professur für kanonisches Recht in Löwen bekleidete5), sehr zuvorkommend behilflich und gab den Hinweis auf die hier behandelte, der Cusanus-Forschung bisher unbekannte Urkunde, die der Legat am 11. Februar 1452 in Löwen einer Gemeinschaft von Frauen des Gemeinsamen Lebens unter der Patronin der Hl. Barbara in Gent ausstellte. Durch diese Urkunde soll nicht nur ein neuer Beleg für die Legationsreise gewonnen, sondern es sollen zugleich die Auswertungsmöglichkeiten der AC für die Forschungen zum kurialen Gesandtschaftswesen, für die Landes- und die Frömmigkeitsgeschichte aufgezeigt werden, in diesem Fall auch für die Geschichte der Devotio moderna, die im Lebensweg des Nikolaus von Kues bekanntlich eine Rolle spielte.6) 1. Cusanus in Brabant und Löwen Brabant erreichte Nikolaus von Kues recht gegen Ende seiner langen Reise. Dass er sich dorthin begab, war in der Bulle vom 24. Dezember 1450 nicht explizit angelegt, die den Hauptauftrag der Legation darstellt. In ihr heißt es, Nikolaus von c) Aris, Marc-Aeilko, Vos Moguntini. Nikolaus von Kues (1401–1464) predigt den Mainzern, in: Archiv für mittelrheinische Kirchengeschichte 50 (1998), 191–217; Thiel, Detlef, Die Predigten des Nikolaus von Kues in Flandern und den Niederlanden. Zur Psychökonomie des Ablasses, in: Journal de la Renaissance 6 (2008), 173–200. d) Kinnichi, Ogura, Kardinal Nikolaus von Kues und die Reichs-Wahlstadt Frankfurt am Main. Die Pfarreiteilung und Judendiskriminierung auf seiner deutschen Legationsreise, in: Yamaki, Kazuhiko (Hg.), Nicholas of Cusa. A medieval thinker for the modern age, Richmond 2002, 125– 133; Verhoeven, Gerrit, Visitatie en reformatie bij de norbertinessen in de vijftiende eeuw. De houding van legaat Cusanus, de orde van Prémontré en de vader-abt van Mariënweerd jegens de jonkvrouwen van Koningsveld, in: Ders./van Engen, Hildo, Monastiek observantisme en moderne devotie in de Noordelijke Nederlanden, Hilversum 2008, 133–165; Izbicki, Thomas M., Legate Grants Indulgences. Cusanus in Germany in 1450–1453, in: Ders./Aleksander, Jason/ Duclow, Donald F. (Hg.), Nicholas of Cusa and times of transition. Essays in honor of Gerald Christianson (Studies in the history of Christian traditions 188), Leiden u.a. 2019, 81–95. 5) Daniels, Tobias, Diplomatie, politische Rede und juristische Praxis im 15. Jahrhundert. Der gelehrte Rat Johannes Hofmann von Lieser (Schriften zur politischen Kommunikation 11), Göttingen 2013, 268–295; Matheus, Michael, Bücherverbrennungen in Mainz, in: Reske, Christoph (Hg.), Kontext Buch. Festschrift für Stephan Füssel, Wiesbaden 2020, 149–170, hier 155 mit Anm. 54 auf 168. 6) Zu Cusanus und der Devotio moderna: Staubach, Nikolaus, „Cusani laudes“. Nikolaus von Kues und die Devotio moderna im spätmittelalterlichen Reformdiskurs, in: Frühmittelalterliche Studien 34 (2000), 259–337; Ders., Cusanus und die „Devotio moderna“, in: Bocken, Iñigo (Hg.), Conflict and reconciliation. Perspectives on Nicholas of Cusa, Leiden u.a. 2004, 29–51; Ders., Performative Vision. Jan van Eyck, Nicholas of Cusa, and the devotio moderna, in: Jaritz, Gerhard (Hg.), Ritual, images, and daily life. The medieval perspective, Münster u.a. 2012, 95–106.

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Kues solle sich ins Reich, Böhmen und die angrenzenden Gebiete begeben (per Alamanniam, Bohemiam et illis vicinas partes).7) Dass er überhaupt das burgundische Territorium aufsuchte, ist als Nebeneffekt einer Nachinstruierung zu dem Hauptgesandtschaftsauftrag gedeutet worden: der Anweisung zur Vermittlung im Streit zwischen Erzbischof Dietrich von Köln und dem Herzog von Kleve.8) Hinzu kam eine weitere päpstliche Nachinstruierung mit dem Thema, die Bemühungen Herzog Philipps von Burgund um einen Frieden im so genannten Hundertjährigen Krieg zu unterstützen.9) Ferner sind die persönlichen Interessen und religiös-politischen Gewichtungen des Nikolaus von Kues in Bezug auf die Devotio moderna als ausschlaggebend benannt worden.10) Vom Itinerar her gestaltete sich der Abstecher nach Brabant wie folgt: In der ersten Januarwoche 1452 reiste der Kardinal von Aachen aus über Tongern und Hasselt nach Löwen, wo er sich eine gute Woche lang aufhielt, um sich von dort nach Brüssel zu Philipp dem Guten zu begeben. Seit dem 1. Februar ist er wieder in Löwen belegt, wo er nach einem kurzen, wohl durch Heimerik van den Velde (Heymericus de Campo11) angeregten Zwischenaufenthalt im Kloster Bethlehem vor den Toren der Stadt bis zum 14. Februar blieb. Über Maastricht und Aachen ging es zurück nach Köln, wo er am 18. Februar eintraf und vier Tage darauf ein Provinzialkonzil einberief.12) Neben den politischen Unterredungen, die eine Fort7) AC I 2, Nr. 952, vgl. Meuthen, Die deutsche Legationsreise (wie Anm. 3), 445–450; auch: Thiel, Predigten (wie Anm. 4), 174. Allgemein zu Instruktionen und Nachinstruktionen: Barbiche, Bernard, Bulla, legatus, nuntius. Études de diplomatique et de diplomatie pontificales (XIIIe– XVIIe siècle) (Mémoires et documents de l’École des Chartes 85), Paris 2007; Hipfinger, Anita u.a. (Hg.), Ordnung durch Tinte und Feder? Genese und Wirkung von Instruktionen im zeitlichen Längsschnitt vom Mittelalter bis zum 20. Jahrhundert (Veröffentlichungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung, 60), Wien 2012; Daniels, Reich und die böhmische Kronsukzession (wie Anm. 4); Kalous, Late Medieval Papal Legation (wie Anm. 1); Lazzarini, Isabella, The Preparatory Work. From Choice to Instructions, in: Azzolini, Monica/Lazzarini, Isabella (Hg.), Italian Renaissance Diplomacy. A Sourcebook, Durham 2017, 11–26. 8) AC I 2, Nr. 952, Nikolaus V. an NvK, Rom, St. Peter, 29. Dezember 1450, vgl. Meuthen, Itinerar (wie Anm. 3), 501. 9) AC I 3a, Nr. 1617, Nikolaus V. an NvK, Rom, S. Maria Maggiore, 15. August 1451. Dazu auch Müller, Heribert, Kreuzzugspläne und Kreuzzugspolitik des Herzogs Philipps des Guten von Burgund (Schriftenreihe der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, 51), Göttingen 1993, 50. 10) Meuthen, Itinerar (wie Anm. 3), 496f. und 501f. 11) Colomer i Pous, Eusebi, Nikolaus von Kues und Heimeric van den Velde, in: MFCG 4 (1964), 198–213; Imbach, Ruedi, Das Centheologicon des Heymericus de Campo und die darin enthaltenen Cusanus-Reminiszenzen. Hinweise und Materialien, in: Traditio 39 (1983), 466–477; Reinhardt, Klaus, Werke des Heymericus de Campo († 1460) im Codex Cusanus 24, in: Traditio 50 (1995), 295–310; Hamann, Florian, Koran und Konziliarismus. Anmerkungen zum Verhältnis von Heymericus de Campo und Nikolaus von Kues, in: Vivarium 43 (2005), 275–291; Schwaetzer, Harald/Stammkötter, Franz-Bernhard/Reinhardt, Klaus (Hg.), Heymericus de Campo. Philosophie und Theologie im 15. Jahrhundert, Regensburg 2009. 12) Meuthen, Itinerar (wie Anm. 3), 496ff., mit Auswertung der AC.

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setzung in der nicht zur Ausführung gelangten England-Legation in den Brixener Jahren hätten finden sollen, sowie den cusanischen Predigten in jener Zeit13), lässt sich eine gewisse Konzentration des Aufenthalts in Löwen konstatieren, die schon ältere Studien betont haben.14) Bei der Wahl dieses Ortes mögen weit zurückreichende Verbindungen wie jene zu dem schon genannten Heimerik van den Velde eine Rolle gespielt haben. Zudem hatte die 1425 gegründete Universität Löwen Nikolaus von Kues mehrfach vergeblich einen Lehrstuhl angeboten, den bald darauf sein Anwaltskollege auf dem Basler Konzil, Ludovico Garsi (de Garsiis), erhielt und den später der genannte Johannes von Lieser innehatte.15) Weitere Verbindungen sind angesichts der andauernden Verhandlungen über den Archidiakonat von Brabant zu vermuten, in denen Lieser noch 1458 von Löwen aus für Cusanus aktiv wurde.16) Die Untersuchung von Liesers Löwener Aufenthalt in den Jahren 1455-1458 hat zudem gezeigt, dass die knapp 25 km von Brüssel entfernte Universitätsstadt ein wahrer Tummelplatz der burgundischen Intelligenz mit engsten Verbindungen zum Hof war. Die Stadt eignete sich somit sicherlich in besonderer Weise als Stützpunkt für einen Gesandten, der ein Treffen mit dem Herzog anbahnen wollte.17) Zu den päpstlichen Instruktionen, Entscheidungsvollmachten, Handlungsspielräumen und eigenen Plänen eines kurialen Emissärs traten immer auch lokale Desiderate und Forderungen hinzu, die Rechtsunsicherheiten und Streitigkeiten, die Beseitigung von Missständen, Privilegierungen und so weiter betrafen. Für deren Lösung wandte man sich gerne an einen Legaten vor Ort, da ein Nachsuchen in Rom zeit- und kostenintensiver war. Das Prinzip von Supplik und Gewährung blieb dabei grundsätzlich dasselbe, und so lassen sich in ganz ähnlicher Weise wie bei den Reskripten im vatikanischen Archiv auch bei den (im Original oder in den wenigen erhaltenen Legatenregistern überlieferten) Legatenurkunden Empfängerbeteiligungen und -einflüsse bis in den Inhalt und die äußere Gestalt hineinverfol-

13) Zur England-Legation: AC II, 4, Nr. 4465, 4573, 4512, 4516f., 4540–4542, 4635. Zu den Predigten: AC I 3b, Nr. 2209, 2246, 2254. Siehe zuletzt: Thiel, Predigten (wie Anm. 4), 189–193. Zu den Legatenurkunden auch in RTA 19,2 nr. 21,3ab. 14) Paquet, Jacques, Le Légat Nicolaus de Cues à Louvain (janvier et février 1452), in: Revue d’Histoire Ecclesiastique 47 (1952), 194–201; Persoons, Ernest, Nikolaas van Cusa te Leuven en te Bethleem in 1452, in: Mededelingen van de geschied- en oudheidkundige Kring voor Leuven en omgeving 4 (1964), 63–69. 15) AC I 1, Nr. 64 (Lehrstuhlangebot an NvK über einen Boten, der nach Köln gesandt wird, 23. Dezember 1428), Nr. 232 (Lehrstuhlangebot in kanonischem Recht an NvK durch einen Boten der Stadt Löwen nach Basel, Löwen, 5. Februar 1435), Nr. 235 (ein weiterer Bote mit Lehrstuhlangebot, 2. April 1435); Daniels, Diplomatie (wie Anm. 5), 270f. Zu Garsi: Schwarz, Brigide, Fünf juristische Handschriften in der Staatsbibliothek Berlin aus dem ehemaligen Viktorstift in Xanten, in: Annalen des Historischen Vereins für den Niederrhein 221 (2018), 49–60. 16) Daniels, Diplomatie (wie Anm. 5), 289f., mit weiteren Verweisen auf die ältere Literatur. 17) Ähnlich auch Meuthen, Itinerar (wie Anm. 3), 496f.

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gen. Die Erschließung und Auswertung der Legatenkanzleien und der durch sie ausgestellten Urkunden ist indes für das Spätmittelalter nach wie vor eine große Forschungsaufgabe (und auch eine grundwissenschaftliche Spezialuntersuchung zur Legatenkanzlei des Nikolaus von Kues existiert bis heute nicht).18) Die Löwener – das zeigen die aussagekräftigen Stadtrechnungen – behandelten Cusanus gut, auch, was das leibliche Wohl anging.19) Die lokalen Erwartungen und Herangehensweisen werden in einem Eintrag zu einem Weingeschenk an den eben eingetroffenen Legaten deutlich, der hier te Louen quam, omme te visiteren ende allen saken der heiligen kercken aengaende te reformeren; sie werden etwa auch in kleinen Gesten erkennbar, beispielsweise wenn seinen Dienern zum Dank für die Ausfertigung von Ablassbriefen Hauben geschenkt werden.20)

18) Siehe grundsätzlich: Weiß, Stefan, Die Legatenurkunde des 11. und 12. Jahrhunderts zwischen Papst- und Herrscherurkunde, in: Herde, Peter/Jakobs, Hermann (Hg.), Papsturkunde und europäisches Urkundenwesen. Studien zu ihrer formalen und rechtlichen Kohärenz vom 11. bis zum 15. Jahrhundert (Archiv für Diplomatik. Beiheft 7), Köln 1999, 27–38; Weiß, Stefan, Legatenurkunde und Papsturkunde, in: Hiestand, Rudolf (Hg.), Hundert Jahre Papsturkundenforschung (Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften in Göttingen. Philologisch-Historische Klasse 3, 261), Göttingen 2003, 335-350; Maleczek, Die päpstlichen Legaten (wie Anm. 1); Dendorfer, Jürgen, Ein kurialer Ordo über die Kanzlei und das Gefolge eines legatus de latere (1482/83), in: Gießauf, Johannes (Hg.), Päpste, Privilegien, Provinzen: Beiträge zur Kirchen-, Rechts- und Landesgeschichte. Festschrift für Werner Maleczek zum 65. Geburtstag (MIÖG Ergänzungsband 55), Wien 2010, 77–92; Märtl, Claudia, Tommaso Parentucelli, Pietro da Noceto, Petrus de Bonitate und Enea Silvio Piccolomini. Zur Kanzlei der Legation Niccoló Albergatis in Arras (1435), in: ebd., 291–312; Opll, Ferdinand, Das Archiv eines päpstlichen Legaten aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts. Ein Bestand im Wiener Stadt- und Landesarchiv, in: Holbach, Rudolf (Hg.), Städtische Wirtschaft im Mittelalter. Festschrift für Franz Irsigler zum 70. Geburtstag, Köln 2011, 179–210; Daniels, Tobias, „Ingredere, benedicte domini“. Persuasionsstrategien in zwei universitären Begrüßungsreden an apostolische Legaten (Wien, 1387 und Köln, 1449), in: ZKG 123 (2012), 4–38; Märtl, Coëtivy (wie Anm. 4). 19) AC I 3b, Nr. 2189 (Löwen, vor 13. Januar 1452: Ein Bote soll NvK entgegenreiten und erkunden, wie nahe er der Stadt sei), 2190 (Löwen, 13. Januar, städtische Weingeschenke an den eben eingetroffenen Legaten); 2210 (13./21. Januar 1452, Löwen, die Stadt offeriert NvK drei Hechte und einen Salm), 2211 (verschiedene Geschenke), 2212 (Hauben für NvKs Diener wegen Ausfertigung der Ablassbriefe), 2213 (Weingeschenke), 2214 (21./22. Januar 1452, Gesandter zu NvK nach Brüssel); 2240 (Löwen, 1. Februar 1452, ein Bote der Stadt geht nach Brüssel, um zu erkunden, ob NvK nach Löwen zurückkommt), 2241 (Weingeschenk), 2244 (Löwen, 2. Februar 1452, Weingeschenke der Stadt an NvK, nachdem er am Lichtmesstag die Messe gelesen und in der Prozession mitgegangen sei); 2255 (Löwen, 6. Februar 1452: Weingeschenke); 2264 (Löwen, 12. Februar 1452, Weingeschenk anlässlich der Abreise), 2277 (Löwen, 20. Februar 1452, Weingeschenk an Meister Jan Goys, der in Löwen über den von NvK verliehenen Ablass gepredigt habe), 2319 (Löwen, 4. März 1452: Weingeschenk an den Sekretär des NvK, Dietrich von Xanten, der nach Abreise des NvK die Ablassbulle überbracht habe), 2384 (Löwen, 16. März 1452, Weingeschenk an Dietrich von Xanten), 2417 (Löwen, 22. März 1452, Weingeschenke an Dietrich von Xanten), 2438 (Löwen, 25. März 1452, Weingeschenke an Dietrich von Xanten). Ferner auch: Daniels, Diplomatie (wie Anm. 5), 276 Anm. 1520. 20) AC I 3b, Nr. 2190, Löwen, 13. Januar 1452; Nr. 2212.

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Die bisher belegten Aktivitäten des Nikolaus von Kues in Löwen sind bei näherem Hinsehen nicht sonderlich zahlreich. Die frühesten Urkunden beziehen sich auf Angelegenheiten, die er während der Reise durch die Niederlande geregelt hatte: Ein Erlass zu Konkubinariern für St. Marien in Tongern, ein zeitlich befristeter Ablass für alle Christgläubigen in Sint-Truiden und alle, die in den Kirchen des Stadtrats im Archidiakonat Hasbanien (Hesbaye) in der Kirche von Lüttich unterstehen, und ein Auftrag an den Pleban der Marienkirche in Tongern, dafür zu sorgen, dass die dortigen Minoriten die Reform verwirklichen, gemäß der Erklärung zur Observanz durch Eugen IV. (also die sog. Martinianischen Konstitutionen).21) Die meisten Urkunden hat Nikolaus von Kues in Löwen dann für das Kloster St. Martin ausgestellt, ein von der Devotio Moderna geprägtes Haus, das enge Beziehungen zu der Universität unterhielt. Nikolaus von Kues förderte damals dessen Übergang zu den Windesheimern, später wurde es die Wohnstätte des Johannes von Lieser während seiner Rechtsprofessur.22) St. Marien in Windesheim und Groenendaal bestätigte Cusanus das durch den Kardinal Pierre d’Ailly verliehene Privileg, demgemäß sie nicht verpflichtet seien, hohe geistliche und weltliche Persönlichkeiten gegen den Willen der Mehrheit ihrer Konvente bei sich aufzunehmen23), und die Kongregation spielte auch eine Rolle bei der Bestätigung der Klausur für das Kloster St. Marien in Zevenborren in der Diözese Cambrai.24) Weitere Erlasse betreffen die Beichte in der Pfarrei für die Stadt Löwen25), die Lebensweise und Disziplin der Beginen von Vilvoorde, die nach der Augustinusregel leben sollten26), einen 100-Tage-Ablass für die Marienkirche der Leproserie Terbank bei Löwen27), die Gewährung eines Tragaltars, an dem ein frei gewählter 21) AC I 3b, Nr. 2193 (Löwen, 14. Januar 1452, zu Tongern), Nr. 2194 (Löwen, 15. Januar 1452, zu Sint-Truiden), Nr. 2195 (Löwen, 15. Januar 1452, Martinianische Konstitutionen). 22 ) AC I 3b, Nr. 2199 (NvK an alle Christgläubigen, Löwen, 16. Januar 1452. Bestätigt die Urkunde Bischofs Johannes von Lüttich vom 1. August 1447, die den in Gemeinschaft lebenden Priester und Klerikern der Sint-Maartensdal in Löwen klösterliches Leben in der Weise der Regularkanoniker des heiligen Augustinus zugestanden hatte, und erweitert das ihnen verliehen Recht, sich Visitatoren mit apostolischen Absolutionsvollmachten aus Klöstern der Windesheimer Kongregation zu wählen, über die Diöz. Lüttich hinaus. Dabei legen ihm Prior und Konvent Urkunden zur Korroboration vor), 2200 (Löwen, 16. Januar 1452, 100-Tage-Ablass für die Sint-Maartensdal), 2252 (Löwen, 5. Februar 1452, NvK an die Sint-Maartensdal), Nr. 2259 (Kloster Bethlehem bei Löwen, 9. Februar 1452, NvK an die Sint-Maartensdal in Löwen, sichert ihnen alle von ihrem Ortsordinarius gewährten Ergänzungen und Änderungen in ihren liturgischen Büchern im Hinblick auf eine künftige Unterstellung unter das Generalkapitel von Windesheim). Einige Aktualisierungen zu den AC in: Daniels, Diplomatie (wie Anm. 5), 275ff. mit Anm. 1520. 23) AC I 3b, Nr. 2238, Brüssel/Löwen?, 1. Februar 1452. 24) AC I 3b, Nr. 2250, Löwen, 2. Februar 1452. 25) AC I 3b, Nr. 2234, Löwen, vor 31. Januar 1452. 26) AC I 3b, Nr. 2247, Löwen, 4. Februar 1452. 27) AC I 3b, Nr. 2251, Löwen, 5. Februar.

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Priester Gottesdienst feiern und die Sakramente spenden dürfe, für die Schwestern von St. Maria in Syon vor der Stadt Oudenaarde in der Diözese Tournai (wir werden darauf zurückkommen28), einen Auftrag zur Errichtung eines Augustinerklosters in Nederwetten29), einen weiteren an den Offizial von Lüttich, die Kapelle in Helmond zur Pfarrkirche zu erheben30), sowie schließlich einen Ablass in Mecheln.31) Reformierungen, Predigten, Verkündigung des Ablasses, Schlichtungen, Verteidigungen der Klerikerrechte: Paquet zufolge lassen sich diese in Löwen zu beobachtenden Aktivitäten des Cusanus als „microcosme de sa légation“ auffassen.32) 2. Die Frauengemeinschaft St. Barbara in Gent Dieser Mikrokosmos wird durch die hier behandelte, bisher nicht ausgewertete Legatenurkunde erweitert. Aufbewahrt wird sie im Diözesanarchiv (Bisschoppelijk Archief) in Gent33), in den bis vor kurzem ungeordneten Hauptbeständen des Klosters St. Barbara, dessen Gebäude mitsamt Archiv nach seiner Aufhebung (zuerst 1783 und nochmals definitiv 1796) im Jahr 1822 in den Besitz des Genter Priesterseminars übergingen. Auch die Archive der alten Universität Löwen waren zunächst dort aufbewahrt worden, kamen aber im Jahr 2002 nach Löwen. Das Archiv des Barbaraklosters wird hingegen immer noch in Gent aufbewahrt, ist über die Diözese zugänglich und wurde im Jahr 2020 geordnet sowie mit einem Spezialinventar versehen.34) Die Geschichte des Barbaraklosters wurde von Chantal Simaey in einer maschinenschriftlichen Lizentiatsarbeit, die auch die Cusanus-Urkunde kurz erwähnt, und einem daraus hervorgehenden Artikel für das Monasticon Belge behandelt.35) ) AC I 3b, Nr. 2261, Löwen, 11. Februar 1452. ) AC I 3b, Nr. 2263, Löwen, 12. Februar 1452. 30) AC I 3b, Nr. 2265, Löwen, 14. Februar 1452. 31) AC I 3b, Nr. 2267 (Stadtrechnungen, Verhandlungen mit NvK wg. Ablass in Mecheln). 32) Paquet, Légat (wie Anm. 14), 200. 33) Siehe Roegiers, Jan, Inventaris van het archief van het Bisschoppelijk Seminarie Gent, Bd. VIII, Brüssel 1970. 34) Siehe dazu Nuyttens, Michel, Inventaris van het Archief van het Sint-Barbaraklooster te Gent bewaard in het bisschoppelijk archief, 2021. Der Verfasser dankt Michel Nuyttens für die Übersendung des maschinenschriftlichen Inventars. 35) van Simaey, Chantal, Geschiedenis van het Sint-Barbaraklooster te Gent (1423–1783), Lizentiatsarbeit, Universiteit Gent 1979 (Stiftungsgeschichte: 72–124, die Urkunde des NvK erwähnt auf S. 43); Dies., Prieuré de Sainte-Barbe dit Joris Vrancx à Gand, in: Berlière, Ursmer (Hg.), Monasticon belge, Bd. VII: Province de Flandre Orientale, IV, Luik 1984, 829–844 (Kurzfassung der Magisterarbeit); Cassiman, Achiel, De Moderne Devotie of Geert Groote in Oost-Vlaanderen, in: Ons Geestelijk Erf 27 (1952), 145–186, hier 156–159; Lemmens, Joseph, La mémoire des monastères. Une histoire de la Belgique du VIIe au XVIIIe siècle, Brüssel 1999, 172, 214, 217, 269, 304, 373. 28 29

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Es handelt sich originär um eine Gemeinschaft von Frauen, die als Schwestern vom Gemeinsamen Leben in einem Haus unter einer Meisterin, aber zunächst ohne Befolgung einer monastischen Regel in vita communi und von Handarbeit lebten und wohl auch eine Schule unterhielten.36) Die Stiftung wurde im Jahr 1423 durch Joris Vranckx (Vranke) eingerichtet, einen vermögenden Bürger der Stadt Gent, der wahrscheinlich aus einer Löwener Geldwechslerfamilie stammte und im Jahr 1450 starb.37) Das durch ihn gestiftete Haus in der Savaanstraat lag im Besitz der Benediktinerabtei St. Peter und im Pfarrsprengel der Kirche St. Maria in Gent. Bald aber scheinen die Schwestern nach stärkerer Autonomie und Klausur gestrebt zu haben. Oblag das Spenden der Sakramente eigentlich dem Pfarrer von St. Maria, so ist am 10. Februar 1425 ein Beichtvater aus der Diözese Tournai erwähnt.38) Mit einer Bulle vom 17. Juli 1425, die im Original und mehreren späteren Kopien erhalten ist, gestattete Martin V. der Frauengemeinschaft, einen Tragaltar für den Gottesdienst einzusetzen und geeignete Priester zu haben, um die Messe zu feiern sowie die anderen Sakramente zu empfangen.39) In dieser Bulle wird erstmals das Patronat der Hl. Barbara erwähnt, die Popularität erlangte, nachdem ihre Reliquien im Dom von Gent untergebracht worden waren und der Bischof von Tournai am 20. Oktober 1360 das Patronatsfest eingerichtet hatte.40) Simaey hat dies als Anzeichen für einen Übergang zur klösterlichen Organisation des Dritten Ordens gedeutet, die eine größere Unabhängigkeit von den Pfarrstrukturen mit sich bringen konnte.41) Zugleich näherte sich die Gemeinschaft an die Brüder und 36) Siehe grundsätzlich: Elm, Kaspar, Vita regularis sine regula. Bedeutung, Rechtsstellung und Selbstverständnis des mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Semireligiosentums, in: Šmahel, František (Hg.), Häresie und vorzeitige Reformation im Spätmittelalter, München 1998, 239–273, zuletzt auch in englischer Übersetzung: Vita regularis sine regula. The Meaning, Legal Status and Self-Understanding of Late-Medieval and Early-Modern Semi-Religious Life, in: Elm, Kaspar/ Mixson, James D. (Hg.), Religious life between Jerusalem, the desert, and the world. Selected essays (Studies in the history of Christian traditions, 180), Leiden u.a. 2016, 277–316. Ein Überblick für die hier behandelten Zusammenhänge: Scheepsma, Wybren, Medieval Religious Women in the Low Countries. The Modern Devotion, the Canonesses of Windesheim, and their Writings, Woodbridge 2004. 37) Rijksarchief te Gent, Sint-Barbaraklooster.Gent.Charters, Nr. 1, 20. Juni 1423, ed. Simaey, Geschiedenis (wie Anm. 35), 198f., Anhang I. Zur Familie: Van Uytven, Raymond, Stadsfinancies en Stadsekonomie te Leuven, Brüssel 1961, 618–621; Simaey, Geschiedenis, 75–80. 38) Gent, Rijksarchief, Sint-Barbaraklooster Gent, Charters, Nr. 2, 10. Februar 1425, vgl. Simaey, Geschiedenis (wie Anm. 35), 85. 39) Die Originalurkunde Martins V. ist gedruckt aus Bisschoppelijk Seminarie, Fonds St-Barbara, Privilegies, Nr. 2, 17 Juli 1425, auch unter Heranziehung der Kopien in Rijksarchief te Gent, St-Pietersabdij, 1ste reeks, Cartularium Nr. 1, vol. II, p. 102, sowie Bisschoppelijk Seminarie, St-Barbarafonds, Liber Privilegiorum f. 1rv, in: Simaey, Geschiedenis (wie Anm. 35), 20f., Oorkonde Nr. 2. 40) Gent, Rijksarchief, Sint-Baafs en Bisdom Gent, Serie Charters, Charters, Nr. 1023, vgl. Simaey, Geschiedenis (wie Anm. 35), 86. 41) Simaey, Geschiedenis (wie Anm. 35), 88ff.

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Schwestern vom Gemeinsamen Leben an. Dies zeigt ein Indult Eugens IV. vom 13. September 1444 für die Vorgenannten zur freien Beichtvaterwahl, das die Gemeinschaft von St. Barbara in Gent auch für sich in Anspruch nahm.42) Drei Jahre später verzichteten die damals 70 Frauen auf das Recht zum Besitz von Eigentum.43) Sie erhielten durch Jean Chevrot, Bischof von Tournai44), eine Bestätigung der Bulle Martins V., die ihnen zugleich das Recht zur Errichtung eines Friedhofes und zum Bau einer Kapelle einräumte und Chevrots Weihbischof, den Bischof Nikolaus Maes aus Brügge OFM, Bischof von Sarepta, damit beauftragte, Kapelle, Altar und Friedhof zu weihen.45) Die Abgabe der damit verbundenen Rechte wurde mit jährlichen Zahlungen an den Abt von St. Peter und den Pfarrer von St. Maria in Gent abgegolten.46) Die Gemeinschaft nahm im Jahr 1454 die Augustinerregel an, der Abt von St. Peter in Gent ermöglichte den Übergang von St. Barbara in das Klosterwesen (1. Juli 1454), Chevrot billigte den Übergang zum Orden der regulären Kanonissen vom Hl. Augustinus und ernannte den Prior von Elzegem zum Visitator (23. August 1454).47) 3. Die Legatenurkunde im Kontext Die Urkunde, die der in Löwen weilende Legat Nikolaus von Kues am 11. Februar 1452 in diesen Zusammenhängen der Frauengemeinschaft von St. Barbara in Gent ausstellte, hat bisher keine besondere Beachtung erfahren. Dies mag darin begründet liegen, dass sie kein neues Recht setzte. Nicolaus, Miseracione divina tituli sancti Petri ad vincula sacrosancte Romane ecclesie presbiter cardinalis per Almaniam et nonnulla alia regna ac provincias Apostolice Sedis legatus bestätigte durch sie einige Recht setzende 42) Original: Gent, Bisschoppelijk Seminarie, Fonds St-Barbara, Privilegies, Nr. 3; Kopie: Cartularium 3 f. 1v–3r. 43) Gent, Stadsarchief, Reeks 301 (Jaarregisters van de Keure), Keure 39 f. 90r–91v, vgl. Simaey, Geschiedenis (wie Anm. 35), 84. 44) Zu ihm: van Eeckenrode, Marie, L’activité diplomatique de Jean Chevrot, évêque de Tournai, président du conseil de Philippe le Bon (1433–1457), in: Maillard-Luypaert, Monique/Marchandisse, Alain/Schnerb, Bertrand (Hg.), Église et État. Évêques et cardinaux princiers et curiaux, XIVe–début XVIe siècle. Des acteurs du pouvoir, Turnhout 2018, 123–134; Müller, Heribert, Cum res ageretur inter tantos principes. Der Streit um das Bistum Tournai (1433–1438). Zu einem Kapitel französisch-burgundischer Beziehungen aus der Zeit des Konzils von Basel, in: Helmrath, Johannes/Müller, Heribert (Hg.), Studien zum 15. Jahrhundert. Festschrift für Erich Meuthen, München 1994, Bd. 1, 231–253. 45) Gent, 17. Juni 1447. Gent, Bisschoppelijk Seminarie, Fonds St-Barbara, Privilegies, Nr. 6 (2 Urkunden in Transfix, mit Siegel des Bischofs von Tournai). Kopie: Cartularium 3 f. 3r–4r. Druck: Foppens, Joannes Franciscus, Diplomatum Belgicorum Nova Collectio sive Supplementum ad Opera Diplomatica Auberti Miraei, Tom. 3, Brüssel 1734, Caput CXVIII, 695f. Zu Maes: Eubel, Konrad, Hierarchia catholica medii aevi, Bd. II, Münster 1913, Nr. 230. 46) Gent, Bisschoppelijk Seminarie, Fonds St-Barbara, Privilegies, Nr. 7. 47) Simaey, Geschiedenis (wie Anm. 35), 100ff., mit Beilage I, Urkunde 4 und 5.

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Dokumente. Schon in der auffälligen Intitulatio lässt sich hier, wie in anderen seiner in Löwen gegebenen Legatenurkunden auch, zweifelsohne Empfängereinfluss erkennen.48) Wie der Legat denn auch ausführt, wurden ihm durch die Schwestern (pro parte dilectarum nobis in Christo sororum absque mendicitate de propriis suis laboribus in comuni vivencium domus sancte Barbare Jherusalem vulgariter nuncupate in Gandavo, Tornacensis dyocesis) vier Schriftstücke vorgelegt: Erstens die Urkunde des Bischofs von Tournai vom 17. Juni 1447, in die das Privileg Papst Martins V. vom 17. Juli 1425 inseriert war, zweitens eine damit als Transfix verbundene Urkunde von Philipp, Abt von St. Peter OSB in Gent, vom 27.6.1447, mit der er sich angesichts der getroffenen Regelungen eine jährliche Zahlung von 4 Flandrischen Schillingen und die Abgabe einer Wachskerze mit einem Gewicht von einem halben Pfund sowie Silbergeld vorbehielt, drittens eine ebenso daran befestigte Urkunde, mit der Johannes Zadeleere, Pfarrer von St. Maria in Gent, am 8. August 1447 bekannte, sich in Übereinkunft mit der Vorsteherin von St. Barbara, Agatha Lats, ebenfalls eine jährliche Zahlung von 4 Flandrischen Schillingen vorzubehalten49), sowie schließlich viertens eine am 14. November 1447 in Brüssel gegebene kurze Bestätigung der Urkunde von Zadeleere durch den Bischof von Tournai, Jean Chevrot. Vorgelegt wurde dem Legaten Nikolaus von Kues somit ein Urkundenkonvolut, das auch heute noch in dieser Form miteinander verbunden im Original vorliegt.50 Dem Wunsch der Schwestern nach Bestätigung des Sachverhaltes durch Legatenautorität (confirmare ac roborare auctoritate nostra legacionis) kam Cusanus mit der Urkunde nach. Der Sachverhalt ist demnach eindeutig: Offensichtlich nutzte die Frauengemeinschaft im Zuge ihres Formierungs- und Übergangsprozesses hin zu einem regulierten Kloster, der auch eine Herauslösung aus älteren Verbindlichkeiten in der Genter Sakraltopographie mit sich brachte, die Anwesenheit des Legaten in Löwen, um eine neuerliche Bestätigung durch einen pontifikalen Stellvertreter vor Ort zu erlangen. Unterdessen stellt sich die Frage, warum eine kleine Frauengemeinschaft aus dem immerhin gut 80 Kilometer von Löwen entfernten Gent die Notwendigkeit sah und die Mühen auf sich nahm, sich in dieser Form rechtlich abzusichern. Dabei fällt auf, dass die Frauengemeinschaft von St. Barbara in Gent nicht die einzige war, die mit solch einem Anliegen an Cusanus herantrat. Am selben Tag traten auch die Schwestern von St. Maria in Syon vor der Stadt Oudenaarde in der Diözese Tournai vor den Legaten und legten ihm eine Urkunde 48) Ein ähnlicher Fall ist: AC I 3b, Nr. 2199 (NvK an alle Christgläubigen, Löwen, 16. Januar 1452), mit Anm. 2. 49) Gent, Bisschoppelijk Seminarie, Fonds St-Barbara, Privilegies, Nr. 7. Kopie. Cartularium 3 f. 4r–5r. Vgl. Simaey, Geschiedenis (wie Anm. 35), 43. Zu Laths: Simaey, Prieuré de Sainte-Barbe (wie Anm. 35), 836f. 50 Vgl. Inventar (wie Anm. 34), 15 Nr. 6 und 7.

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des Bischofs vom 16. August 1446 mit einer darin inserierten Urkunde Papst Martins V. vor, die ihnen einen Tragaltar, einen frei gewählten Priester sowie den Empfang der Sakramente bestätigte, woraufhin der Bischof ihnen die Gottesdienstfeier und das Begräbnisrecht zugestand und seinen Weibischof, den Bischof Nikolaus von Sarepta, damit beauftragte, Kapelle, Altar und Friedhof der Gemeinschaft zu weihen.51) Die auffällige Parallelität, dass an demselben Tag zwei Frauengemeinschaften aus derselben Diözese unter Vorlage sehr ähnlicher Dokumente an den Legaten herantraten, ist kein Zufall. Um die Gründe dafür zu verstehen, ist zunächst ein Blick auf den Bischof von Tournai lohnend. Er stand einem Bistum vor, das ein Zankapfel zwischen Frankreich und Burgund war. Seine Besetzung mit Jean Chevrot führte zu einem auf dem Basler Konzil ausgefochtenen Bistumsstreit, bei dem im Übrigen Johannes von Lieser als Richter beteiligt war.52) Chevrot wurde ein Mann der innersten Kreise der burgundischen Hofverwaltung als Vorsitzender des herzoglichen Rats. Vor dem 18. September 1451 wurde auf seinen Befehl hin ein Bote Philipps des Guten zu dem Legaten Nikolaus von Kues gesandt.53) Weiterhin lohnt ein Blick auf die reiche Handelsmetropole Gent. In den Acta Cusana kommt sie nur noch ein weiteres Mal vor, in Bezug auf das dortige Fraterherrenhaus.54) Es ist nicht auszuschließen, dass diese Leerstelle mit dem so genannten Aufstand von Gent (1449–1453) zusammenhängt, denn im Zuge des französisch-englischen Konflikts war die Stadt ein Gegner, gegen den Philipp der Gute im Mai 1452 zu Felde ziehen und den er in der Schlacht bei Gavere an der Schelde (23. Juli 1453) entscheidend besiegen sollte.55) Die Überlieferung gestattet hier keine weiteren Aufschlüsse, doch es ist bekannt, dass auch kleinere Gemeinschaften auf der Suche nach Privilegien und Dispensen innerhalb solcher Konfliktlinien zu operieren hatten und sie gerade in solchen Gemengelagen erstrebten. Dass die Bestätigungen der genannten Urkunden für St. Barbara in Gent und St. Maria in Syon in einem Zusammenhang standen, ja wohl miteinander erwirkt 51) AC I, Nr. 2261. Auch diese Gemeinschaft machte Privilegien Eugens IV. geltend. Siehe Simaey, Geschiedenis (wie Anm. 35), 92f. 52) Daniels, Diplomatie (wie Anm. 5), 83. 53) AC I, Nr. 1747. 54) AC I, Nr. 2370 Anm. 2. 55) Dazu: Boone, Marc, Zu einer integrierten Sozialgeschichte der niederländischen Städte. Das Beispiel Gent und die burgundische Staatsbildung (14.–16. Jahrhundert), in: Rheinische Vierteljahrsblätter 54 (1990), 78–94; Ders., Diplomatie et violence d’État. La sentence rendue par les ambassadeurs et conseillers du roi de France, Charles VII, concernant le conflit entre Philippe le Bon, duc de Bourgogne, et Gand en 1452, in: Bulletin de la Commission Royale 156 (1990), 1–54; Ders., Gavere 1453 een onvermijdelijke etappe in het Bourgondisch staatsvormingsproces?, in: Handelingen Zottegems Genootschap voor Geschiedenis 11 (2003), 207–220; Populer, Michèle, Le conflit de 1447 à 1453 entre Gand et Philippe le Bon. Propagande et historiographie, in: Handelingen der Maatschappij voor Geschiedenis en Oudheidkunde te Gent 44 (1990), 99–123.

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wurden, zeigt schließlich der Umstand, dass beide 16 Jahre später gemeinsam der Kongregation von Windesheim angegliedert wurden. Dies geschah im Zuge einer weiteren Mission eines päpstlichen Legaten, der sich in Löwen aufhielt, dessen politische Hauptmission allerdings weniger erfolgreich verlief als die des Nikolaus von Kues. Onofrio Santacroce, der sich im Februar des Jahres zur Schlichtung des Lütticher Bistumsstreits als Legat nach Burgund begeben hatte, genehmigte mit einer am 19. November 1468 in Löwen gegebenen Urkunde eine gemeinsame Supplik der beiden Häuser sancte Barbare in Gandavo ac beate Marie in Sion iuxta Aldenardum ordinis sancti Augustini qui dicitur regularium Tornacensis diocesis, die mit Bezug auf die Verfügungen Papst Eugens IV. ihren Übergang in die Windesheimer Kongregation zusammen erbeten hatten. Die Legatenurkunde ist in den Beständen des Klosters St. Barbara in Gent erhalten.56) Die Untersuchung der Cusanus-Urkunde zeigt somit in diesen Zusammenhängen schließlich auch die vielfältigen Verflechtungen und Entwicklungsfaktoren in der religiös und politisch dynamischen Landschaft Brabants auf, in der man die schriftliche Bestätigung eigener Rechte durch den höchsten pontifikalen Abgesandten gut gebrauchen konnte.

56) Die Urkunde: Gent, Bisschoppelijk Seminarie, Fonds St-Barbara, Privilegies, Nr. 17. Zu Santacroce: Bormans, Stanislas, Mémoire du légat Onofrius sur les affaires de Liège (1468), Brüssel 1885; Untergehrer, Die päpstlichen nuntii und legati im Reich (wie Anm. 1), 436-440; Walsh, Richard, Charles the Bold and Italy (1467–1477), Liverpool 2005, 73ff.; Rehberg, Andreas, Sulle tracce di curiali romani itineranti al di là delle Alpi. Il caso della legazione del 1468 del vescovo Onofrio Santacroce, in: Niutta, Francesca (Hg.), I Romani e l’altrove. Viaggi e paesi reali e immaginati nel Rinascimento, Rom 2020, 21–55.

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1452 Februar 11, Löwen. Nikolaus Cusanus, Kardinal von S. Pietro in Vincoli, bestätigt einige Privilegien der Frauengemeinschaft St. Barbara in Gent. Or.: Gent, Bisschoppelijk Archief, Sankt-Barbarakloster, Privilegies, Nr. 9. Kopie: ebd., Cartularium 3 f. 5r–6r.

Nicolaus, miseracione divina tituli sancti Petri ad vincula sacrosancte Romane ecclesie presbiter cardinalis per Almaniam et nonnulla alia regna ac provincias Apostolice Sedis legatus, universis Christifidelibus presentes litteras inspecturis salutem | in Domino sempiternam. Iustis supplicum votis libenter annuimus illaque quantum possumus favore prosequimur gracioso. Oblatas siquidem nobis nuper pro parte dilectarum nobis in Christo sororum absque mendicitate de propriis suis laboribus in comuni vivencium domus sancte Barbare | Jherusalem vulgariter nuncupate in Gandavo, Tornacensis dyocesis, quatuor patentes suscepimus litteras, (I.) unam videlicet reverendi in Christo patris et domini Johannis, Dei et Apostolice Sedis gracia Tornacensis episcopi, eius vero sigillo magno oblongo de cera rubea cum suorum armorum | impressione, ut eius circumferencia continebat ad caudam pergameni impresso, (II.) aliam vero venerabilis domini abbatis monasterii sancti Petri Gandensis, ordinis sancti Benedicti, predicte dyocesis, eius sigillo oblongo de cera rubea ad caudam pergameni impresso littere domini episcopi predicti trans-|fixam, (III.) terciam autem domini Johannis, plebani parrochialis ecclesie beate dei Genitricis Gandensis eius sigillo rotondo de cera viridi ad caudam pergameni impresso, (IV.) quartam vero domini episcopi predicti eius sigillo camere rotondo de cera rubea ad caudam pergameni impresso littere plebani | transfixam et eandem confirmantem sigillatas, sanas et integras, non viciatas, non cancellatas nec in aliqua sui parte suspectas, sed omni prorsus vicio et suspicione carentes. Tenores vero prenarratarum litterarum sequuntur, et sunt tales: (Es folgen als Insert die nachstehenden Urkunden): (I.) Bischof Johannes von Tournai (= Jean Chevrot) bestätigt den Frauen von St. Barbara in der Pfarrei St. Maria in Gent das inserierte Privileg Martins V. (I.a.) Darüber hinaus gewährt er ihnen das Recht, in ihrer St. Barbara-Kapelle sowie an den zwei darin befindlichen Altären durch ihren Beichtvater oder einen anderen geeigneten Priester die Messe zu hören und die Sakramente zu empfangen und sich und ihre Angehörigen auf ihrem Friedhof bestatten zu lassen, nachdem die Kapelle, die Altäre und der Friedhof geweiht worden seien. Mit der Weihe und der Gewährung eines Ablassprivilegs habe er Bischof Nikolaus Sareptanus57) beauftragt. (1447 Juni 17, Gent).58) (I.a.) Martin V. bestätigt den Frauen von St. Barbara den Besitz des von Georgius Vranke, Bürgers von Gent, gestifteten Hauses im Ort Stifaen und gewährt ihnen das Privileg, an einem ) Nicolaus Maes aus Brügge OFM, Suffragan des Bischofs von Tournai. ) Gent, Bisschoppelijk Seminarie, Fonds St-Barbara, Privilegies, Nr. 6 (zwei Urkunden in Transfix, mit Siegel des Bischofs von Tournai). Kopie: Cartularium 3 f. 3r–4r. Druck: Foppens, Diplomatum Belgicorum Nova Collectio III (wie Anm. 45), 695f., Caput CXVIII. 57 58

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Tragaltar durch einen geeigneten Priester die Messe zu hören und die Kommunion zu empfangen, ohne die Erlaubnis des Ortsbischofs einholen zu müssen (1425 Juli 17, Rom).59) (II.) Abt Philipp von St. Peter OSB in Gent bestätigt als Inhaber der Patronatsrechte der Pfarrei St. Marien in Gent das kürzlich durch Bischof Johann von Tournai den Frauen von St. Barbara in Gent erteilte Privileg. Die Frauen seien verpflichtet, ihm und seinen Nachfolgern künftig jeweils am 1. Mai einen Zins von vier Solidi grossi flämischer Münze, eine Kerze mit einem Gewicht von einem halben Pfund sowie einen Silberpfennig zu entrichten (1447 Juni 27, Gent). (III.) Johannes Zadeleere, Pfarrer von St. Maria in Gent, beglaubigt die ihm vorgelegten Urkunden Papst Eugens IV. (!) und des Bischofs Johannes von Tournai zugunsten der Frauen von St. Barbara in Gent. Er verzichtet für sich und seine Nachfolger auf seine Pfarrechte gegenüber Agatha Lats, Vorsteherin der Frauengemeinschaft, sowie den Frauen und ihren Nachfolgerinnen. Diese haben sich im Gegenzug verpflichtet, ihm und seinen Nachfolgern jeweils am 1. Mai einen jährlichen Zins von vier Solidi grossi flämischer Münze zu entrichten. Den Frauen sei gestattet, sich einen geeigneten Beichtvater zu wählen und auf ihrem Friedhof bestattet zu werden (1447 August 8, Gent).60 (IV.) Bischof Johannes von Tournai (= Jean Chevrot) beglaubigt den Brief des Johannes Zadeleere, Pfarrers von St. Maria in Gent (1447 November 11, Brüssel). Super quibus quidem litteris pro parte prefatarum sororum dicte domus nobis fuit humiliter supplicatum, quatinus ad maiorem premissorum confirmationem et corroboracionem omnia et singula pri-|vilegia fundacionis proprie sepulture ac ecclesie erectionis et a matrice ecclesia separacionis ceteraque huiusmodi prenarrata auctoritate ordinaria dictorumque abbatis et plebani concessione ac episcopi confirmacione indulta rata et grata habere atque confirmare ac roborare auctoritate nostra legaci-|onis dignaremur. Nos igitur huiusmodi supplicacionibus inclinati, cupientes Christi famulas omni benivolencia amplecti omnia et singula privilegia prenarrata ordinaria auctoritate ac dictorum abbatis et plebani concessione indulta rata et grata habentes in omnibus et per omnia, prout rite | processerunt, auctoritate nostra predicta confirmamus et approbamus et presentis scripti patrocinio communimus. Datum Lovanii, sub nostro sigillo, anno a nativitate Domini millesimo quadringentesimo quinquagesimo secundo, mensis februarii, die undecima, pontificatus sanctissimi in Christo patris et | domini nostri, domini Nicolai, divina providencia pape quinti anno quinto.

59) Die Originalurkunde Martins V. ist gedruckt aus Gent, Bisschoppelijk Seminarie, Fonds StBarbara, Privilegies, Nr. 2, 17. Juli 1425, auch unter Heranziehung der Kopien in Gent, Rijksarchief, St-Pietersabdij, 1ste reeks, Cartularium Nr. 1, vol. II, p. 102, sowie Gent, Bisschoppelijk Seminarie, St-Barbarafonds, Liber Privilegiorum f. 1rv, in: Simaey, Geschiedenis (wie Anm. 35), 20f., Oorkonde Nr. 2. Zum Original des Transumptes: Simaey, Geschiedenis, 42: 17. Juni 1447. 60) Gent, Bisschoppelijk Seminarie, Fonds St-Barbara, Privilegies, Nr. 7. Kopie. Cartularium 3, f. 4r–5r. Vgl. Simaey, Geschiedenis (wie Anm. 35), 43.

Die Acta Cusana und die Brixener Predigten des Nikolaus von Kues (mit einem sprachwissenschaftlichen Anhang von Nikolaus Ruge) Walter Andreas Euler

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ie Publikation des zweiten Bandes der Acta Cusana stellt einen Meilenstein der Cusanus-Forschung dar. Damit sind alle bisher bekannten Dokumente, die einen Bezug zu Nikolaus von Kues als Fürstbischof von Brixen bis zu seiner Abreise nach Rom im September 1458 aufweisen, chronologisch geordnet und in wissenschaftlich mustergültiger Weise zugänglich. Das in jeder Hinsicht beeindruckend hohe Niveau der Textdarbietung und -erschließung, welches den von Erich Meuthen herausgegebenen ersten Band der AC auszeichnete, kann auch für den zweiten Band konstatiert werden. Er verbindet ebenfalls in beeindruckender Weise „den Längsschnitt durch das Leben“ des Nikolaus von Kues in seinen Brixener Jahren „mit dem Querschnitt durch die Probleme und Lebenswelten seiner Epoche“, wie sich Johannes Helmrath im Vorwort zum Faszikel 1 des zweiten Bandes ausdrückt.1) Den Herausgebern des Bandes gebührt Dank und hohe Anerkennung für ihre Leistung. Besonders erfreulich ist, dass durch die ungewöhnlich zügige Veröffentlichung des Bandes auch die jahrzehntelange, neben und nach seiner beruflichen Tätigkeit als Gymnasiallehrer geleistete Kärrnerarbeit von Hermann Hallauer eine mehr als verdiente postume Würdigung erfährt, noch bevor dieser ebenso bedeutende wie persönlich bescheidene Cusanus-Forscher dem Vergessen anheimgefallen ist. I. Fast alle Initiativen von Cusanus als Bischof von Brixen im Bereich der Seelsorge und Kirchenreform wurden von seinen Zeitgenossen und der späteren Forschung als ambivalent und problematisch empfunden. Eine Ausnahme bildet in dieser Hinsicht seine rege Predigttätigkeit, die – soweit ich sehe – immer als vorbildlich und singulär für seine Zeit betrachtet wurde. Zumindest in diesem Punkt war sein Aufenthalt in Tirol, „in Schnee und dunklen Tälern“, den Enea Silvio Piccolomini

) AC II 1, VIII.

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in seinem Brief vom 27. Dezember 1456 als vergeudete Zeit ansah 2 ), nicht umsonst, sondern wegen der bleibenden Früchte der schriftlich niedergelegten Predigtentwürfe von nachhaltiger Bedeutung. Die drei unmittelbaren Vorgänger des Nikolaus von Kues auf dem Brixener Bischofsstuhl Ulrich Putsch (1427–1437), Georg von Stubai (1437–1443) und Johann Röttel (1444–1450) haben, so Alois Trenkwalder, ihren Klerikern mit übereinstimmenden Worten „die Predigt ans Herz gelegt“. Ihre diesbezügliche Ermahnung, enthalten in ihren Synodalstatuten, lautet in modernem Deutsch: „Wir bitten und beschwören euch im Herrn Jesus Christus, daß ihr die Predigt, durch die die Herzen der Gläubigen von Lastern gereinigt und mit Tugenden ausgestattet werden, und die derselbe Herr und Erlöser Jesus Christus vor seiner Himmelfahrt eingesetzt hat mit den Worten: ‚Geht hinaus in die ganze Welt, und verkündet das Evangelium allen Geschöpfen‘, mit großem Fleiß und Eifer, wie es euch von Gott her eingegeben wird, tatkräftig in die Herzen der Gläubigen ausgießet.“3)

Wahrscheinlich aber haben weder die die rege Predigttätigkeit der Pfarrer einfordernden unmittelbaren Vorgänger des Cusanus noch seine Nachfolger selbst gepredigt, zumindest haben sie dies nicht regelmäßig getan. Trenkwalder schreibt: „Von einzelnen Brixner Bischöfen dieser Zeit4) läßt sich begründeterweise annehmen, daß sie wenigstens gelegentlich auch gepredigt haben. Von der großen Mehrzahl der Brixner Oberhirten dieser Zeit muß jedoch als gesichert gelten, daß sie das Predigtamt persönlich nicht ausgeübt und die Verkündigung ganz ihrem Seelsorgsklerus überlassen haben, wie es damals in der Kirche überhaupt weitverbreitete Übung war.“5)

Johannes Geiler von Kaysersberg, der berühmte elsässische Volksprediger (1445–1510), hat diese Haltung der Bischöfe folgendermaßen begründet: „Wir predigen ja unserer Herde durch unsere Stellvertreter, durch diejenigen, die sich zu diesem Amte herzudrängen. Das möge genügen“.6) Cusanus hat sich nicht damit genügt, nur seine Pfarrer zu ermahnen, sie sollten regelmäßig predigen. Von ihm sind aus dem Zeitraum zwischen dem 7. April 1452 und dem 8. September 1458 167 Predigtentwürfe überliefert. Außerdem wissen 2) AC II 5, Nr. 5075 Z. 9f: Veni igitur, obsecro, veni! Neque enim tua virtus est, que inter nives et umbrosas clausa valles languescere debeat. 3) Trenkwalder, Alois, Zur Geschichte der Predigt in der Diözese Brixen. Vom Hochmittelalter bis zum Konzil von Trient, in: Konferenzblatt für Theologie und Seelsorge 95 (1984), 147–165, hier 147; Ders., Der Seelsorgeklerus der Diözese Brixen im Spätmittelalter, Brixen 2000, 90. 4) D.h. vom Hochmittelalter bis zum Konzil von Trient. — Zu Johann Röttel siehe den Beitrag von Clémence Revest in diesem Band. 5) Trenkwalder, Zur Geschichte der Predigt (wie Anm. 3), 148. 6) Trenkwalder, Zur Geschichte der Predigt (wie Anm. 3), 162f. Anm. 6 (dort kein Beleg angegeben).

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wir durch einen Brief von Maria von Wolkenstein an ihren Bruder Friedrich vom 11. April 1455 von einer weiteren Predigt am 3. April 1455 (Gründonnerstag)7), zu der keine schriftliche Predigtskizze existiert. 8 ) Man kann annehmen, dass der Kardinal noch öfter gepredigt hat. „Auf der Kanzel“, so Thomas Woelki, „fand Cusanus seine tiefste Verwirklichung als Bischof“.9) Im Korpus der 294 überlieferten Sermones des Nikolaus von Kues10) nehmen die Brixener Predigten eine herausragende Stellung ein.11) Dies hat Cusanus selbst so gesehen, wie sich aus der Schrift ‚De aequalitate‘ aus dem Jahr 1459 ergibt. Dieses Opusculum ist als Einführung in das Predigtwerk gedacht.12) Am Ende dieser Schrift stellt der Kardinal fest, dass es in seinen Sermones um die Darlegung der summa evangelii, d.h. des Kerns der christlichen Heilslehre gehe. Dabei habe er eine Entwicklung durchgemacht. Seine frühen Predigten in den 1430er Jahren als Diakon seien dunkler, undeutlicher gewesen, nach der Priesterweihe wurde seine Verkündigung in den 1440er Jahren schon klarer und nach 1450 „schien sie noch vollkommener zu werden, als ich in meiner Brixener Kirche das Bischofsamt ausübte und während der apostolischen Legationsreise in Deutschland und anderswo tätig war“.13) ) Vgl. AC II 3, Nr. 4288. ) AC II 3, Nr. 4302 Z. 8–10: alz oft er (sc. NvK) predigt, so richt er uns gar ubl aus und geleicht uns zu Pilato auf der kanczl. Dz hat er tan an dem heiligen weichen pfincztag (3. April 1455) und an dem heiligen karfreytag (4. April 1455). In der überlieferten Predigtskizze vom Karfreitag 1455 (Sermo CLXXXIV; AC II 3, Nr. 4289) fehlt der Vergleich der Schwestern des Brixener Klarissenklosters mit Pontius Pilatus. 9) Woelki, Thomas, Cusanus 1453. Ziele und Strategien einer Bischofsherrschaft, unveröffentlichtes Manuskript, Berlin 2019, 36 (erscheint in MFCG 36). 10) Es handelt sich dabei um 292 von Cusanus verfasste Predigtentwürfe und 2 Predigtnachschriften (Sermo LXXVI und Sermo CCXCIII), die von Hörern seines Predigtvortrags stammen. Bis auf eine Ausnahme (s. Anm. 14) sind alle Predigten in der Heidelberger Akademieausgabe (h XVI–XIX) ediert. Verschiedene Predigtentwürfe wurden von Cusanus nach spontanen Einfällen während des Predigtvortrags (vgl. u.a. Sermo CCLII, h XIX, 333, Nr. 29 Z. 1f: Dum haec praedicarem, incidit mihi ...) noch nachträglich korrigiert; vgl. dazu Kremer, Klaus, Einführung in die Gesamtthematik. Begründung des zweiteiligen Symposions und summarischer Überblick, in: MFCG 30 (2005), 11–41, hier 38f. — Zu den Sermones des Nikolaus von Kues im Allgemeinen: vgl. u.a. Euler, Walter Andreas, Sermones: Die Predigten des Nikolaus von Kues, in: Brösch, Marco u.a. (Hg.), Handbuch Nikolaus von Kues: Leben und Werk, Darmstadt 2014, 306–352, sowie die beiden Symposionsbände MFCG 30 (2005) und 31 (2006). 11) Zu den Brixener Predigten vgl. Pauli, Heinrich, Die geistige Welt der Brixener Predigten des Nikolaus von Kues, in: MFCG 22 (1995), 163–186; Egger, Wilhelm, Die Kirche von Brixen zur Heiligen Schrift hinführen. Die Brixener Predigten des Nikolaus von Kues, in: Trierer Theologische Zeitschrift 110 (2001), 294–307; Serina, Richard J., Jr., Nicholas of Cusa‘s Brixen Sermons and Late Medieval Church Reform, Leiden/Boston 2016. 12) NvK, De aequalitate, ed. Senger, h X 1, 3 Nr. 1 Z. 6–8: Promiseram tibi Petre aliqua de aequalitate conscribere ad exercitationem intellectus tui veritatis avidi et ad capacitatem apti, ut sermones theologicos subintrares. 13 ) NvK, De aequalitate, ed. Senger, h X 1, 49 Nr. 37 Z. 1–6: Haec est summa evangelii in variis sermonibus meis infra positis varie explanati secundum datam gratiam, magis obscure dum inciperem in adolescentia et essem diaconus, clarius dum ad sacerdotium ascendissem, adhuc ut videtur perfectius, quando pontificis officio in mea Brixinensi ecclesia praefui et legatione apostolica in Germania et alibi usus fui. Vgl. dazu u.a. Euler, Walter 7 8

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Aus der Zeit der Legationsreise durch das Reich (Januar 1451 – März 1452) sind 47 Predigtskizzen erhalten14), die aufgrund ihrer Kürze den tatsächlichen Inhalt des von Cusanus Gesagten nur unzureichend wiedergeben. Die Brixener Predigten sind dagegen in der Regel wesentlich besser ausgearbeitet und haben vielfach den Charakter von bibeltheologischen Opuscula, wobei sich der Umfang der einzelnen Predigten im Verlauf der Brixener Jahre ebenso deutlich steigert wie die Häufigkeit der Predigttätigkeit. Dies soll die folgende, an den einzelnen Faszikeln von AC II orientierte Auflistung der Predigten verdeutlichen. Im Anhang I zu diesem Beitrag werden die aus der Brixener Zeit stammenden Predigtentwürfe CXXII bis CCLXXXVIII mit Angaben zu dem Tag und dem Ort, an dem sie gehalten wurden, sowie zu ihrem Umfang und ihrer Nummer in AC II einzeln aufgeführt. In seinem ersten Brixener Jahr, mit dem sich Faszikel 1 von AC II befasst (April 1452 – 31. Mai 1453), hat Cusanus nur viermal gepredigt (Sermones CXXII– CXXV), unmittelbar nach der Ankunft in seinem Bistum zweimal und dann jeweils einmal Ende September 1452 und im Februar 1453. Dieses Jahr war mit Aufgaben und Reisen überhäuft, wie die 1020 Nummern des Faszikels deutlich machen. Aus dem zweiten Brixener Jahr (Faszikel 2: 1. Juni 1453 – 31. Mai 1454) sind 32 Predigten überliefert (Sermones CXXVI–CLVII). Nach dem offiziellen Ende der Legatentätigkeit konzentrieren sich die Aktivitäten von Cusanus weitgehend auf sein Bistum. Dies schlägt sich in der Zahl der Nummern des Faszikels nieder, die sich auf 506 Einträge reduzieren (gegenüber 854 im Vorjahr). 6,3 Prozent der Nummern beziehen sich auf die 32 Predigten. Diese sind allerdings noch überwiegend knapp gehalten und weisen im Durchschnitt nur ca. 1232 Wörter pro Predigt auf. Im dritten Brixener Jahr (Faszikel 3: 1. Juni 1454 – 31. Mai 1455) hat Nikolaus von Kues 30 Predigten (Sermones CLVIII–CLXXXVII) gehalten. 7,5 Prozent der 396 Nummern dieses Faszikels beziehen sich auf diese Predigten, deren Umfang erheblich im Vergleich zum letzten Jahr steigt, nämlich auf ca. 1741 Wörter pro Predigt. Im vierten Jahr in Brixen (Faszikel 4: 1. Juni 1455 – 31. Mai 1456) hat der Kardinal seine Predigttätigkeit nochmals enorm auf 48 Sermones (CLXXXVIII– CCXXXV) ausgedehnt. Jetzt beziehen sich 11,1 Prozent der 436 Nummern des

Andreas, Entwicklungsgeschichtliche Etappen und schwerpunktmäßige Themenverschiebungen in den Sermones?, in: MFCG 30 (2005), 71–91, hier 75–80. 14) 46 Predigten (Sermones LXXVI–CXXI) sind in h XVII ediert, eine weitere von Cusanus am 7. Februar 1451 in Salzburg gehaltene Predigt wurde von Marco Brösch in der Stadtbibliothek Trier (Hs. 771/1350 8º f. 237r) entdeckt und ist gedruckt in: Brösch, Marco, Die Klosterbibliothek von Eberhardsklausen und ihre Bestände. Von den Anfängen bis ins 16. Jahrhundert, phil. Diss., Trier 2010, 823.

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Faszikels auf Predigten, deren Umfang mit ca. 1747 Wörtern pro Predigt geringfügig höher ist als im Vorjahr. Im fünften Jahr in Tirol (Faszikel 5: 1. Juni 1456 – 31. Mai 1457) erreichen die Aktivitäten von Cusanus als Prediger ihren Höhepunkt. Er hält 49 Predigten (Sermones CCXXXVI–CCLXXXIV), die in 11,2 Prozent der 438 Nummern des Faszikels dokumentiert sind. Auffällig ist vor allem der enorme Anstieg des Umfangs dieser Sermones auf durchschnittlich ca. 2584 Wörter pro Predigt. Die relative Ruhe in diesem Zeitraum (der Konflikt mit Herzog Sigismund war während dessen Abwesenheit von Tirol zwischen April 1456 und Mai 1457 sistiert) scheint der Kardinal, so mein Eindruck, insbesondere zu einer bemerkenswerten Intensivierung der Predigtverkündigung genutzt zu haben. Im letzten Jahr in Brixen (Faszikel 6: 1. Juni 1457 – 30. September 1458) bricht die Predigttätigkeit jäh ab. Aus der Zeit vor der Flucht nach Buchenstein sind nur drei Predigten überliefert (Sermones CCLXXXV–CCLXXXVII), die letzte Predigt hält er mehr als ein Jahr später am 8. September 1458 in Bruneck (Sermo CCLXXXVIII) kurz vor seiner Abreise nach Rom. In Buchenstein hatte Cusanus auch endlich wieder Muße für die Abfassung eines philosophisch-theologischen Werkes von Rang, nämlich von ‚De beryllo‘ am 18. August 1458.15) Dazu passt auch sein Entschluss vom August 1454, die Predigten als Buch herauszugeben16), den er 1459 in Rom in die Tat umsetzte. Cusanus hat also spätestens seit dem Sommer 1454, aber wahrscheinlich auch schon früher, nicht nur die Hörer seiner Predigten in Brixen, Bruneck, Innsbruck, Natz, Neustift, Prettau, Säben, Stegen und Wilten vor Augen, sondern außerdem einen Kreis von gebildeten, weil des Lateinischen mächtigen Predigtlesern17), die Zugang zu den Predigthandschriften haben. Seine Art zu predigen hat sich aber durch den genannten Entschluss nicht grundsätzlich verändert. Es finden sich auch immer wieder Hinweise, dass er bei seiner Verkündigung an konkrete, in einem Kirchenraum sich befindende Adressaten denkt, nicht an ihm unbekannte Leser.18) In den genau vier Jahren zwischen dem 29. Juni 1453 und dem 29. Juni 1457 hat Cusanus 162 Predigten gehalten, wenn man die von Maria von Wolkenstein erwähnte Predigt vom 3. April 1455 noch hinzuzählt. Über längere Zeiträume hinweg hat er, einem Pfarrer vergleichbar, im Wochenrhythmus gepredigt. Ob er sich dabei immer an die Regel gehalten hat, die Predigt solle nicht länger als ca. eine ) Vgl. AC II 6, Nr. 5716. ) Brief an Bernhard von Waging vom 16. August 1454: AC II 3, Nr. 4072 Z. 11f: De sermonibus meis propono librum facere et emendare, si potero quantocius. Am 28. Juli 1455 teilt Cusanus Bernhard von Waging mit, dass er die Predigten ordne, damit sie abgeschrieben werden könnten (AC II 4, Nr. 4450 Z. 18). 17) Vgl. Aris, Marc-Aeilko, Zur Soziologie der Sermones-Rezipienten, in: MFCG 30 (2005), 93–115, hier 94–98. 18) Vgl. Egger, Die Kirche von Brixen (wie Anm. 11), 297f. 15 16

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Stunde dauern 19 ), darf bezweifelt werden. Etliche der vorliegenden Predigtentwürfe, die ja, sofern sie sich nicht nur an Kleriker richteten, in der weitschweifigeren und im 15. Jahrhundert noch recht ungelenken deutschen Sprache und nicht im lateinischen Original gehalten wurden, können kaum in einer Stunde vorgetragen werden. Hat Cusanus sein Manuskript im mündlichen Vortrag gekürzt oder einfach länger als eine Stunde gesprochen? Ich vermute, dass oft Letzteres der Fall war. 20 ) Vielleicht haben die Gläubigen nicht nur über die inhaltliche Komplexität der cusanischen Predigten gemurrt, wie es im Sermo CCLXXIV vom 27. März 1457 heißt21), sondern insgeheim auch über ihre Dauer. Die soeben genannte Predigt ist übrigens mit 4986 Wörtern die zweitlängste, noch umfangreicher ist die Synodalpredigt CCLXXX vom 2. Mai 1457 mit 5129 Wörtern, über die der Protokollant sagt, sie sei schön, aber auch satis prolixum, ziemlich lang gewesen.22) Die letzte Predigt, die Cusanus vor seiner Flucht nach Buchenstein in Innsbruck am 29. Juni 1457 gehalten hat, umfasst in der schriftlichen Fassung nur 669 Wörter und muss im Vortrag trotzdem gemäß dem Bericht im sog. KrellMemorandum23) ein bis zwei Stunden in Anspruch genommen haben: An sand Peters tag zu aindleff horen raitt der cardinal von Willtein gen Inspruck und prediget da, und der herczog kam zu der predig mit seiner gemaheln und retten. Und als villeicht ain halbe hor da was gewesen, do bracht im der Rotenstein ainen brief. Den las er und gieng alspald aus und vordert alle sein rett. Als die predig umb zwo horen ein ennde hett, do kam her Hanns von Metz und furt den cardinal in die ratstuben gen Newenhove. Do kamen die rett zu im und der haubtman legt dem cardinal fur die Cilisch sach, und gaben dem cardinal schriffte, wie sich gemacht hett in der sachen. Die nam der cardinal und raitt gen Willtein.24)

Die Übersetzung dieses Textes in modernes Deutsch lautet: „Am Tag des hl. Petrus um elf Uhr ritt der Kardinal von Wilten nach Innsbruck und predigte dort, und der Herzog kam zu der Predigt mit seiner Gemahlin und Räten. Und als vielleicht eine halbe Stunde da gewesen war, da brachte ihm der 19) Vgl. Trenkwalder, Zur Geschichte der Predigt (wie Anm. 3), 159; Mertens, Volker, Die Predigt des Nikolaus von Kues im Kontext der volkssprachlichen Kanzelrede, in: MFCG 30 (2005), 171–190, hier 188. 20) Vgl. Niederkofler, Peter, Über die Predigtweise des Kardinals Nikolaus von Cues, in: Priester-Konferenzblatt 75 (1964), 119–125, hier 120. Auch Volker Mertens betont, dass sich Cusanus keineswegs immer um die Stundenregel gekümmert habe (Stimme und Schrift in der Predigt des Nikolaus von Kues, in: Das Mittelalter. Perspektiven mediävistischer Forschung 19 [2014] 125– 145, hier 131). 21) NvK, Sermo CCLXXIV, h XIX, 522 Nr. 3 Z. 8f: Quidam solent murmurare, quasi aliquotiens vobis simplicibus praedicem res altas nimis. 22) AC II 5, Nr. 5217 Z. 8f. 23) Vgl. AC II 6, Nr. 5266. 24) AC II 6, Nr. 5287 Z. 1–7.

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Rotenstein einen Brief. Den las er und ging alsbald hinaus und verlangte nach allen seinen Räten [wohl: forderte sie auf, mit ihm zu kommen]. Als die Predigt um zwei Uhr ein Ende hatte, da kam Herr Hans von Metz und führte den Kardinal in die Ratstube nach Neuenhof. Da kamen die Räte zu ihm, und der Hauptmann legte dem Kardinal die cillische Sache vor, und gaben dem Kardinal Schriften, wie sich in Bezug auf die Sache entwickelt hatte. Die nahm der Kardinal und ritt nach Wilten.“25)

II. Der zweite Band der Acta Cusana bietet eine sehr wichtige, bisher unbekannte Information, die sich auf Sermo CCIV bezieht. Cusanus inszeniert diese am 29. September, dem Gedenktag des Erzengels Michael 1455 gehaltene Predigt als feierliche Proklamation seiner theologischen Leitideen. An den Anfang dieses bemerkenswerten Textes stellt der Kardinal eine im gesamten Korpus der Sermones singuläre Einleitung: „Diese Predigt soll gleichsam die erste und grundlegende aller Predigten sein, aus der viele gebildet werden können. Denn durch nicht geringes Nachdenken bin ich durch Gottes Eingebung dahin gelangt, dass ich in einem bestimmten leicht fasslichen Kompendium einen gewissen Begriff von allem entwickle. Man darf ‚jenes Licht nicht unter dem Scheffel verbergen, sondern muss es eher auf den Leuchter stellen, das allen leuchtet, die in das Haus eintreten‘ (Mt 5,15), das heißt in die Kirche, welche ‚die Säule oder das Fundament der Wahrheit‘ (1 Tim 3,15) ist. Insbesondere bin ich euch gegenüber verpflichtet, diesen Schatz zu öffnen, da ihr meine Kinder seid, die ich wie ein Vater durch das Wort des Lebens weiden soll.“26)

Klaus Reinhardt vermutet, dass „diese Aussage im Zusammenhang mit dem von Cusanus in den Jahren 1554/55 gefaßten Plan“ stehe, „seine Predigten zu ordnen, zu überarbeiten und als Buch herauszugeben. Der Sermo CCIV sollte offenbar den programmatischen Anfang der Sammlung bilden.“27) Diese These mag im Kern richtig sein. Sie erklärt allerdings nicht, warum Cusanus diese Predigt ausgerechnet am 29. September 1455 gehalten hat. Da das Thema nicht, wie dies sonst die Regel ist, aus den Lesungen der Tagesmesse, sondern aus dem Schluss der Präfation stammt, hätte er die Predigt auch an einem der hohen Festtage des Kirchenjahres halten können. Der Bezug auf den Tagesheiligen am Schluss der

25) Ich danke Dr. Niels Bohnert (Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz, Mittelhochdeutsches Wörterbuch, Arbeitsstelle Trier) sehr herzlich für die Übersetzung des Textes. 26) NvK, Sermo CCIV; h XIX 1, Nr. 1 Z. 7–19. 27) Reinhardt, Klaus, Herrlichkeit als Grundwort cusanischer Theologie. Eine Analyse des Sermo CCIV, in: Trierer Theologische Zeitschrift 110 (2001), 308–318, hier 309; kursiv im Text.

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Predigt ist konventionell und leicht austauschbar.28) Durch die Acta Cusana erfahren wir, warum Nikolaus von Kues diese Predigt genau an diesem Tag gehalten hat. Er nutzte die Teilnahme von Herzog Sigismund, seinen Räten und den Tiroler Landständen an einem Landtag in Brixen am 29. September 1455 dazu, um eine kraftvolle theologische Grundsatzerklärung abzugeben.29) Dieses Ereignis stellte die einmalige Gelegenheit für Cusanus dar, sich den Tiroler Notabeln als Bischof und Theologe von Rang zu präsentieren. Die Frage stellt sich, ob der nunmehr bekannte historische Kontext der Predigt CCIV für die Interpretation des Inhalts von Belang sein könnte. Der Ausgangspunkt der im Hauptteil des Sermos folgenden Überlegungen ist durchaus traditionell und findet sich auch schon in den frühen Predigten, wie im Parallelenapparat der kritischen Edition nachgewiesen wird. Gott, der beste Schöpfer, habe die Welt aus reiner Güte auf das beste Ziel hin geschaffen, d.h. er schuf sie um seiner selbst willen und um seine Herrlichkeit mitzuteilen, um andere an ihr teilhaben zu lassen. 30 ) Seine Herrlichkeit könne aber nur von den mit Vernunft begabten Geschöpfen erkannt werden, folglich sei die Welt um der vernünftigen Geister willen geschaffen, die ihrerseits existierten, damit sie die Herrlichkeit Gottes schauen könnten. Das Ziel der Schöpfung bestehe demzufolge in der Offenbarung der Herrlichkeit des Schöpfers. 31 ) Diese These impliziert für Cusanus zweierlei: zum einen fordert sie die Freiheit des Menschen32), zum anderen ergibt sich aus ihr die Notwendigkeit des gott-menschlichen Mittlers Jesus Christus, der den unsichtbaren Schöpfer und seine Herrlichkeit in seiner Person definitiv sichtbar macht.33) Einzelne, ohne Kenntnis des historischen Kontextes der Predigt unverfänglich klingende Passagen könnte Cusanus bewusst mit Blick auf Herzog Sigismund in den Text eingefügt und im mündlichen Vortrag entsprechend zugespitzt haben. Immerhin berichtet eine vielleicht sogar von Nikolaus von Kues selbst stammende Notiz, dass Sigismund ihm während des Landtags in Anwesenheit des Bischofs von Trient Georg Hack mit dem Tode gedroht habe.34) Bei den möglicherweise auf den Herzog gemünzten Aussagen handelt es sich um folgende Abschnitte in Sermo CCIV:

) NvK, Sermo CCIV; h XIX 8, Nr. 11 Z. 16–26. ) AC II 4, Nr. 4547 Anm. 1: „Cusanus nutzte die Gelegenheit des Landtages zu Brixen für eine fundamentale Predigt über die ‚gloria Dei‘, welche er selbst als Portal zu seinem Predigtwerk verstanden wissen wollte“; vgl. Woelki, Cusanus 1453 (wie Anm. 9), 29. 30) NvK, Sermo CCIV; h XIX 3, Nr. 5 Z. 1–8. 31) NvK, Sermo CCIV; h XIX 4, Nr. 6 Z. 1–11. 32) NvK, Sermo CCIV; h XIX 5, Nr. 8 Z. 1f. 33) NvK, Sermo CCIV; h XIX 7, Nr. 10 Z. 20–23. 34) AC II 4, Nr. 4549. 28 29

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„Wir sehen, dass alle vernunftbegabten Wesen auf wunderbare Weise nach Ehre streben und für die Steigerung ihrer Ehre alle ganz schrecklichen Dinge auf sich nehmen und zur Verteidigung ihrer Ehre das sinnenhafte Leben aufs Spiel setzen. Für je vornehmer aber einer sich hält, desto mehr wird er Sorge tragen, die Ehre unbefleckt zu bewahren. Deshalb sorgen sich die Könige der Erde auf höchste darum, dass sie herrlich und geehrt sind. Denn was ist ein König ohne Herrlichkeit? Der König, der unbekannt und privat lebt, ist nicht in größerem Maße König als der Nicht-König.“35)

Christus, der „Sohn des Königs der Könige“36), lehre uns dagegen, nicht unsere eigene Ehre zu suchen, sondern diejenige „Gottes, nach seinem Beispiel, der nur gekommen ist, um den Namen Gottes des Vaters zu verherrlichen und ihn der Welt kundzutun, damit er verherrlicht werde, und der in keiner Weise seine eigene Herrlichkeit suchte. Er zeigte aber, dass das die überragende Verherrlichung Gottes ist: ihm zu gehorchen bis zum Tod. Große Herrlichkeit erweist der Gott, der erkennt, dass man ihm allein gehorchen und mit Furcht und Zittern dienen muss.“37)

Mit Bezug auf fünf weitere Predigten enthalten die Acta Cusana Detailinformationen, die entweder neu sind oder bisher nur an entlegener Stelle publiziert wurden: (1) Zu Sermo CXXXIII, gehalten in Säben am 14. September 1453, wird mitgeteilt: „Patrocinium der Hl.-Kreuz-Kirche in Säben oberhalb von Klausen. Am gleichen Tag fand in Klausen der 1428 von B. Ulrich (= Bischof Ulrich Putsch) genehmigte Heiligkreuzmarkt statt“.38)

(2) Zur Predigt CLVIII vom 9. Juni 1454 heißt es: „Die Predigt ist wegen ihrer starken Konzentration auf Bilder vom Eisen und von dessen magnetischen Eigenschaften, aber auch von Gold, Silber und Edelsteinen (Diamanten), bemerkenswert. Offenbar kreisten die Gedanken des Predigers, der in dieser Zeit massiv um die Rückgewinnung von Bergbaugebieten des Hochstifts bemüht war, um diese Themen.“39)

) NvK, Sermo CCIV; h XIX 3, Nr. 5 Z. 9–19. ) NvK, Sermo CCIV; h XIX 7, Nr. 10 Z. 10. 37) NvK, Sermo CCIV; h XIX 5, Nr. 7 Z. 7–16. 38) AC II 2, Nr. 3624 Anm. 1. 39) AC II 3, Nr. 3984 Anm. 1. 35 36

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(3) Zur Predigt CLXV vom 8. Dezember 1454 wird festgestellt: „In dieser Predigt vertrat NvK wohl erstmals dezidiert die damals noch umstrittene Lehre von der Unbefleckten Empfängnis Mariens, welche das Basler Konzil 1439 zum Dogma erhoben hatte. Die Aufgabe der zunächst gezeigten (politisch motivierten?) Zurückhaltung könnte auch mit dem in dieser Zeit einsetzenden intellektuellen Dialog mit Johannes von Segovia (s.o. Nr. 4162 und unten Nr. 4192), einem der profiliertesten Befürworter des Immaculata-Dogmas, zusammenhängen.“40)

(4) Zur Predigt CLXXII vom 2. Februar 1455 bemerken die Herausgeber der Acta Cusana: „Die Ortsangabe in der Predigthandschrift Vat. Lat. 1245 f. 68va lautet Brixen. Aufgrund der Angabe in der Brunecker Amtsraitung ist NvK aber für diese Zeit in Bruneck belegt“.41)

In den Praenotanda zu dieser Predigt in der Heidelberger Akademieausgabe heißt es noch vorsichtig: „Hunc sermonem Brixinae habitum esse, ut inscriptio codicis Vaticani testatur, certum non est“.42) (5) Mit Blick auf Predigt CXCIV vom 13. Juli 1455 wird festgestellt: „Die Ortsangabe fehlt, jedoch ist NvK in dieser Zeit in Brixen belegt“.43) In den Praenotanda der Heidelberger Akademieausgabe ist die Ortsangabe „Brixinae“ mit einem Fragezeichen versehen.44) III. Die wichtigste Voraussetzung für das Gelingen der Verkündigung besteht in der Fähigkeit des Predigers, sich seinen Zuhörern verständlich zu machen. Dieser banale Sachverhalt kann komplexe Probleme aufwerfen, wenn der Prediger und sein Publikum zwar dieselbe Sprache, aber sehr verschiedene Dialekte sprechen, so dass die sprachliche Verständigung – zumal in Zeiten ohne Duden, allgemeine Schulpflicht und Dialektgrenzen überschreitende Massenmedien – nicht selbstverständlich vorausgesetzt werden kann. Bei Symposien und Vortragsveranstaltungen im Trierer Raum über das Wirken des Nikolaus von Kues als Bischof von Brixen und eifriger Prediger wurde ich seit den 1990er Jahren regelmäßig mit der Frage konfrontiert, ob denn der Moselfränkisch sprechende Cusanus in Tirol überhaupt verstanden wurde. Mithilfe des zweiten Bandes der Acta Cusana lässt sich diese,

) AC II 3, Nr. 4167 Anm. 1. ) AC II 3, Nr. 4222 Anm. 1. 42) h XVIII, 248. 43) AC II 4, Nr. 4429 Anm. 1. 44) h XVIII, 399. 40 41

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in der Forschung bereits verschiedentlich angeschnittene Frage45), leichter klären als vor dessen Veröffentlichung.46) Die AC II enthalten eine stattliche Anzahl von autographen Cusanustexten in deutscher Sprache.47) Diese aus dem Zeitraum zwischen Februar 1452 und August 1458 stammenden Texte weisen zahlreiche übereinstimmende Merkmale auf (vgl. dazu pars pro toto: Anhang II [1], [4] und [6]), die sich in den aus einem Tiroler Umfeld stammenden Dokumenten, z.B. Briefen aus der Kanzlei von Herzog Sigismund (s. Anhang II [3]), den im ‚Sonnenburger Missivbuch‘48) überlieferten Briefen von Cusanus an die Abtei Sonnenburg (s. Anhang II [2]) oder den Briefen der Klarissin Maria von Wolkenstein (s. Anhang II [5]), nicht finden. Da diese Merkmale auch in von Peter von Erkelenz verfassten Texten auftauchen49), sind sie sicherlich der rheinisch-moselländischen Herkunft des Kardinals und seines Vertrauten geschuldet. Typisch für Nikolaus von Kues und Peter von Erkelenz sind u.a.: Formen wie uwer (manchmal auch ouwer) statt ewr, fruntschafft statt freuntschaft, riten statt reiten; das Dehnungs-i oder -e: hait statt hat, noit statt not, toen statt tun; die vokalische Verwendung des w: wlt, wllen, antwrt, wrde; sc statt sch: scriben für schreiben; ij statt i: vijl statt vil, brijb statt brif oder brieff; qu statt k: quamen statt kamen. Mitunter übernimmt Cusanus die in seiner Umwelt gebräuchlicheren Formen, dies geschieht aber nur punktuell. 50 ) Eine eingehende sprachwissen45) Vgl. Pauli, Geistige Welt der Brixener Predigten (wie Anm. 11), 171–177; Kremer, Einführung in die Gesamtthematik (wie Anm. 10), 20f; Mertens, Predigt des Nikolaus von Kues (wie Anm. 21), 180. 46) Das im Abschnitt III Gesagte beruht im Wesentlichen auf der Expertise von Dr. Thomas Woelki, die er mir zur Klärung der in Rede stehenden Problematik in großzügiger Weise zur Verfügung gestellt hat. Dafür bedanke ich mich sehr herzlich. 47) Vgl. u.a. AC II 1, Nr. 2549: s. Anhang II (1); Nr. 2901: Autographer Entwurf eines Briefes an einen ungenannten Rat Herzog Sigismunds vom Ende Oktober 1452; AC II 2, Nr. 3922: Autographer Entwurf eines Briefes an Herzog Sigismund vom 18. (?) April 1454; AC II 3, Nr. 4216: Autographer Entwurf eines Briefes an Herzog Sigismund vom 26. Januar 1455; Nr. 4265: s. Anhang II (4); AC II 6, Nr. 5266 und 5269: Mit autographen Zusätzen von Cusanus versehene Berichte aus dem ‚Krell-Memorandum‘ über Geschehnisse im Juni 1457; Nr. 5272: s. Anhang II (6); Nr. 5278, 5281, 5286, 5296, 5299: Autographe Berichte von Cusanus über Geschehnisse im Juni und Juli 1457; Nr. 5403: Autographer Entwurf eines Briefes an einen ungenannten Rat Herzog Sigismunds nach dem 16. November 1457; Nr. 5420: Autographer Entwurf eines Briefes an Leonhard von Velseck nach Mitte Dezember 1457; Nr. 5443: Autographer Entwurf eines Briefes an Leonhard Wiesmair u.a. vom 15. Januar 1458; Nr. 5469–5472: Autographer Entwurf einer rechtshistorischen Abhandlung über die weltlichen Ansprüche der Brixner Kirche vom Februar (?) 1458; Nr. 5694 und 5703: Autographe Entwürfe von Briefen an Herzogin Eleonore vom 26. Juli und 1. August 1458. 48) Dabei handelt es sich um „eine im Kloster Sonnenburg angefertigte Aktensammlung zur Dokumentation des jahrelangen Streites mit Cusanus, die neben Urkundenabschriften, Appellationen, Gedächtnisprotokollen auch eine große Zahl von Briefen von und an Cusanus enthält“ (AC II 7, 1943). Heute befindet sich diese Sammlung im Tiroler Landesarchiv Innsbruck, Cod. 2336. 49) Vgl. AC II 6, Nr. 5300 und 5307. 50) So etwa in seinem Brief an Leonhard von Velseck nach Mitte Dezember 1457: AC II 7, Nr. 5420 Z. 5: komen und Z. 25 schriben im Unterschied zu Z. 7 scriben. In dem Schreiben an Leonhard Wiesmair u.a. vom 15. Januar 1458 finden sich ebenfalls verschiedene Varianten: AC II 7, Nr. 5443

100

Walter Andreas Euler

schaftliche Analyse von Dr. Nikolaus Ruge zu den exemplarisch ausgewählten Texten findet sich im Anhang II.51) Da man annehmen kann, dass der Kardinal ähnlich Deutsch gesprochen wie geschrieben hat, war er dadurch für die einheimische Bevölkerung eindeutig als Zugezogener bzw. Zugereister zu erkennen. In den Acta Cusana finden sich allerdings keine Klagen über den Dialekt des Kardinals, so dass die Dialektbarriere offensichtlich zumindest für die Schicht, die Spuren in der Geschichte hinterlassen hat, überwindbar war. Das „Murren“ der Anderen, der sog. einfachen Leute, von denen wir nichts mehr wissen, ist uns nicht überliefert und wenn doch, dann nur in der allgemeinen Unmutsäußerung, von der in dem bereits erwähnten Sermo CCLXXIV die Rede ist.52) In diesem Zusammenhang muss man auch bedenken, dass die Menschen im Bistum Brixen fremde Priester und Prediger gewohnt waren, weil die Diözese im gesamten Spätmittelalter an Priestermangel litt und ein Großteil des Klerus aus anderen Bistümern stammte.53) Alois Trenkwalder schreibt: „Die Mehrzahl der auswärtigen Priester, die im Spätmittelalter in der Diözese Brixen als Seelsorger gedient haben, kamen aus den Diözesen Trient, Chur, Salzburg, Freising, Augsburg, Konstanz, Passau, Regensburg, Bamberg, Naumburg, Meissen, Seckau, Basel, Speyer, Worms, Mainz, Köln, Osnabrück, Eichstätt, Aquileia u.a.“54)

Die Erzdiözese Trier fehlt in dieser Auflistung. Aus ihr stammte allerdings der wohl bedeutendste Prediger auf dem Brixener Bischofsstuhl.

Z. 1: fruntlichen gruß, Z. 2: freunde. Ähnlich verhält es sich in den Briefen an Herzogin Eleonore vom 26. Juli 1458: AC II 7, Nr. 5694 Z. 1: Hochgeborn forstynne, besonder libe frau. Mynen fruntlichen dynst und vom 1. August 1458: AC II 7, Nr. 5703 Z. 1: Hochgeborn forstynne, besonder libe frauu. Mynen fruntlichen und willingen dynst. 51) Ich danke Herrn Dr. Ruge (Universität Trier, Akademischer Oberrat im Fach Ältere deutsche Philologie) sehr herzlich für seine Expertise. 52) Vgl. Anm. 23. 53) Vgl. Trenkwalder, Seelsorgeklerus der Diözese Brixen (wie Anm. 3), 42–51. 54) Trenkwalder, Seelsorgeklerus der Diözese Brixen (wie Anm. 3), 49.

Die Acta Cusana und die Brixner Predigten

101

Anhang I: Die Brixener Predigten des Nikolaus von Kues Predigt

Datum

Ort

Umfang (Wörter)

Nummer (AC II)

CXXII

07.04.1452

Brixen

2161

2461

CXXIII

09.04.1452

Brixen

537

2464

CXXIV

31.07.1452

Brixen

952

2716

CXXV

05.02.1453

Brixen

466

3052

CXXVI

29.06.1453

Brixen

2249

3508

CXXVII

12.07.1453

Innsbruck

1206

3520

CXXVIII

31.07.1453

Brixen

1661

3549

CXXIX

01.08.1453

Brixen

935

3551

CXXX

15.08.1453

Brixen

1370

3573

CXXXI

28.08.1453

Brixen

872

3596

CXXXII

08.09.1453

Brixen

1198

3613

CXXXIII

14.09.1453

Säben

1590

3624

CXXXIV

21.10.1453

Neustift

870

3696

CXXXV

01.11.1453

Brixen

2915

3707

CXXXVI

02.11.1453

Brixen

306

3709

CXXXVII

21.12.1453

Brixen

562

3761

CXXXVIII

23.12.1453

Brixen

632

3765

CXXXIX

25.12.1453

Brixen

38

3767

CXL

27.12.1453

Brixen

292

3771

CXLI

01.01.1454

Brixen

970

3776

CXLII

25.01.1454

Brixen

413

3804

CXLIII

02.02.1454

Brixen

668

3812

CXLIV

22.02.1454

Brixen

1044

3838

CXLV

07.03.1454

Brixen

594

3860

102

Walter Andreas Euler

CXLVI

10.03.1454

Brixen

2217

3864

CXLVII

12.03.1454

Brixen

1230

3867

CXLVIII

17.03.1454

Brixen

2416

3872

CXLIX

24.03.1454

Wilten

1793

3887

CL

25.03.1454

Wilten

498

3888

CLI

31.03.1454

Brixen

2094

3893

CLII

07.04.1454

Brixen

3249

3903

CLIII

07.04.1454

Brixen

963

3904

CLIV

14.04.1454

Brixen

3219

3918

CLV

17.04.1454

Brixen

527

3921

CLVI

19.04.1454

Brixen

386

3925

CLVII

21.04.1454

Brixen

442

3929

CLVIII

09.06.1454

Brixen

1804

3984

CLIX

12.06.1454

Brixen

763

3989

CLX

29.06.1454

Bruneck

469

4016

CLXI

31.07.1454

Brixen

462

4047

CLXII

01.08.1454

Brixen

794

4049

CLXIII

15.08.1454

Brixen

877

4069

CLXIV

19.11.1454

Brixen

1809

4155

CLXV

08.12.1454

Brixen

3081

4167

CLXVI

11.12.1454

Neustift

835

4169

CLXVII

22.12.1454

Brixen

653

4180

CLXVIII

25.12.1454

Brixen

1234

4186

CLXIX

29.12.1454

Innsbruck

2594

4191

CLXX

01.01.1455

Innsbruck

1778

4198

CLXXI

06.01.1455

Brixen

3099

4202

Die Acta Cusana und die Brixner Predigten

103

CLXXII

02.02.1455

Bruneck

2682

4222

CLXXIII

22.02.1455

Brixen

1154

4237

CLXXIV

23.02.1455

Brixen

3227

4238

CLXXV

24.02.1455

Brixen

380

4240

CLXXVI

02.03.1455

Brixen

1765

4246

CLXXVII

09.03.1455

Brixen

1137

4255

CLXXVIII

16.03.1455

Brixen

1304

4261

CLXXIX

23.03.1455

Brixen

3279

4274

CLXXX

25.03.1455

Brixen

795

4276

CLXXXI

26.03.1455

Brixen

1108

4277

CLXXXII

30.03.1455

Brixen

2659

4282

CLXXXIII

02.04.1455

Brixen

2586

4287

CLXXXIV

04.04.1455

Brixen

771

4289

CLXXXV

06.04.1455

Brixen

1798

4293

CLXXXVI

13.04.1455

Innsbruck

3679

4305

CLXXXVII

25.05.1455

Brixen

3669

4371

CLXXXVIII

01.06.1455

Bruneck

1430

4377

CLXXXIX

05.06.1455

Bruneck

4907

4383

CXC

08.06.1455

Stegen

2461

4384

CXCI

22.06.1455

Prettau

1912

4401

CXCII

29.06.1455

Brixen

1787

4410

CXCIII

06.07.1455

Natz

3165

4419

CXCIV

13.07.1455

Brixen

708

4429

CXCV

20.07.1455

Brixen

1414

4437

CXCVI

20.07.1455

Brixen

3722

4438

CXCVII

27.07.1455

Brixen

1801

4447

104

Walter Andreas Euler

CXCVIII

31.07.1455

Brixen

1621

4453

CXCIX

01.08.1455

Brixen

1319

4455

CC

15.08.1455

Wilten

567

4480

CCI

28.08.1455

Neustift

624

4498

CCII

07.09.1455

Brixen

3155

4513

CCIII

08.09.1455

Brixen

674

4515

CCIV

29.09.1455

Brixen

2135

4547

CCV

19.10.1455

Neustift

309

4568

CCVI

01.11.1455

Brixen

514

4578

CCVII

25.11.1455

Brixen

1725

4595

CCVIII

30.11.1455

Brixen

1742

4607

CCIX

30.11.1455

Brixen

1224

4608

CCX

07.12.1455

Brixen

2396

4611

CCXI

14.12.1455

Brixen

3727

4621

CCXII

21.12.1455

Brixen

4706

4627

CCXIII

25.12.1455

Brixen

1240

4629

CCXIV

28.12.1455

Brixen

484

4631

CCXV

01.01.1456

Brixen

867

4637

CCXVI

06.01.1456

Brixen

4100

4639

CCXVII

01.02.1456

Brixen

2677

4656

CCXVIII

02.02.1456

Brixen

138

4658

CCXIX

02.02.1456

Brixen

222

4659

CCXX

08.02.1456

Brixen

2354

4663

CCXXI

11.02.1456

Brixen

1238

4665

CCXXII

15.02.1456

Brixen

1934

4667

CCXXIII

22.02.1456

Brixen

2998

4674

Die Acta Cusana und die Brixner Predigten

105

CCXXIV

07.03.1456

Brixen

43

4687

CCXXV

14.03.1456

Brixen

1404

4694

CCXXVI

20.03.1456

Brixen

3048

4710

CCXXVII

21.03.1456

Brixen

1222

4712

CCXXVIII

28.03.1456

Brixen

161

4721

CCXXIX

28.03.1456

Brixen

1023

4722

CCXXX

04.04.1456

Brixen

1775

4730

CCXXXI

11.04.1456

Bruneck

1436

4735

CCXXXII

16.05.1456

Brixen

1633

4796

CCXXXIII

23.05.1456

Brixen

929

4805

CCXXXIV

27.05.1456

Brixen

1070

4809

CCXXXV

30.05.1456

Brixen

2121

4810

CCXXXVI

29.06.1456

Brixen

929

4852

CCXXXVII

31.07.1456

Brixen

1799

4880

CCXXXVIII

01.08.1456

Brixen

2442

4882

CCXXXIX

15.08.1456

Brixen

2635

4889

CCXL

24.08.1456

Neustift

1570

4915

CCXLI

28.08.1456

Neustift

2260

4919

CCXLII

05.09.1456

Brixen

3120

4925

CCXLIII

08.09.1456

Brixen

2460

Notierung fehlt

CCXLIV

12.09.1456

Brixen

2751

4928

CCXLV

14.09.1456

Säben

1077

4929

CCXLVI

29.09.1456

Brixen

2785

4933

CCXLVII

17.10.1456

Brixen

1818

4969

CCXLVIII

28.10.1456

Brixen

1966

4982

CCXLIX

31.10.1456

Brixen

3567

4986

106

Walter Andreas Euler

CCL

01.11.1456

Brixen

527

4988

CCLI

01.11.1456

Brixen

1485

4989

CCLII

07.11.1456

Brixen

2083

4999

CCLIII

30.11.1456

Brixen

2531

5026

CCLIV

05.12.1456

Brixen

2926

5031

CCLV

08.12.1456

Brixen

1129

5039

CCLVI

12.12.1456

Brixen

2028

5044

CCLVII

19.12.1456

Brixen

2652

5055

CCLVIII

25.12.1456

Brixen

3113

5069

CCLIX

26.12.1456

Brixen

1828

5071

CCLX

01.01.1457

Brixen

3780

5084

CCLXI

02.01.1457

Brixen

1030

5086

CCLXII

06.01.1457

Brixen

2662

5093

CCLXIII

16.01.1457

Brixen

2609

5110

CCLXIV

23.01.1457

Brixen

2691

5121

CCLXV

30.01.1457

Brixen

2595

5132

CCLXVI

02.02.1457

Brixen

2665

5135

CCLXVII

06.02.1457

Brixen

3189

5144

CCLXVIII

13.02.1457

Brixen

4802

5149

CCLXIX

20.02.1457

Bruneck

1932

5151

CCLXX

27.02.1457

Brixen

1426

5154

CCLXXI

06.03.1457

Brixen

2596

5165

CCLXXII

13.03.1457

Brixen

3636

5170

CCLXXIII

20.03.1457

Brixen

3602

5176

CCLXXIV

25.03.1457

Brixen

4986

5178

CCLXXV

27.03.1457

Brixen

2417

5180

Die Acta Cusana und die Brixner Predigten

107

CCLXXVI

03.04.1457

Brixen

4373

5190

CCLXXVII

10.04.1457

Brixen

3631

5196

CCLXXVIII

15.04.1457

Brixen

4427

5200

CCLXXIX

17.04.1457

Brixen

1318

5203

CCLXXX

02.05.1457

Brixen

5129

5216

CCLXXXI

08.05.1457

Brixen

2226

5228

CCLXXXII

23.05.1457

Neustift

1789

5243

CCLXXXIII

25.05.1457

Neustift

3515

5244

CCLXXXIV

26.05.1457

Brixen

2104

5245

CCLXXXV

05.06.1457

Brixen

2344

5259

CCLXXXVI

16.06.1457

Brixen

659

5264

CCLXXXVII

29.06.1457

Innsbruck

669

5288

CCLXXXVIII

08.09.1458

Bruneck

2315

5736

Anhang IIa: Ausgewählte Quellen zur Sprachwissenschaftlichen Untersuchung (1) AC II 1, Nr. 2549: Autographer Brief des Nikolaus von Kues an Bürgermeister und Rat der Stadt Frankfurt am Main vom 4. Mai 1452, Bruneck. Inhalt: „Er beglaubigt seinen Sekretär Dietrich von Xanten zur Abholung des Geldes, das NvK während des Aufenthaltes in der Stadt hinterlegt hatte.“ Mynen fruntlichen gruß, besonder gude frunde. Als ir mir von des gelts wegen gescriben habent, das ich hinder den rait gelacht han, is myne meynung, das ir solch gelt folgen laßent meister Diderich von Sancten, canonich zu Achen, myme capellan. Und abe er eczwas an uwer libde gesynnen worde, wllen yme uch fruntlichen bewisen, das will ich verschulden. Gescriben mit myner hant zu Bruneck off den iiiiten dag des Meyes 1452, Niclas cardinalis sent Peters, legatus, bischoff zu Brixen.

(2) AC II 2, Nr. 3850: Im ‚Sonnenburger Missivbuch‘ überlieferter Brief von Nikolaus von Kues an die Dechantin (Afra von Vilseck) und den Konvent des Klosters Sonnenburg vom 26. Februar 1454, Bruneck.

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Inhalt: „Er verbietet ihnen unter Strafe des Kirchenbannes während der Dauer der gegenwärtigen Visitation und Reform Briefe an Personen außerhalb des Klosters auszufertigen oder Boten auszusenden.“ Wir, Niclas, von gottes gnaden der heyligen Remischen kirchen cardinal etc. bischoff czw Brixen, embietten der ersamen geystlichen unseren besunderen lieben und andachtigen in got, der dechatin und convent frawen des klosters czw Sunneburg, unsers bistumbs, hayl in got und unseren gruzz. Als ir nach vil reden czwm lesten des samptz tags nach sand Andres tag nachst vergangen (1. Dezember 1453) auf ain czedel, die ew durch den ersamen heren Johann von Besternach, probst czw Stukartten (Johann von Westernach, Vetter der Äbtissin Verena), fur gehaltt wart, geantwurtt habt, ir wolttet der czedel nach kummen und wir dar auff dy visitacion haben an heben lassen, die noch nit beslossen ist, und wann ir uns als Ewren obristen und visitator gehorsam sein solt und kainen ratt da wider suchen in chain weyse noch auch kainen brieff an unseren willen versigelt, als lang die visitacion nicht beslozzen ist: dar umb so gebitten wir ew von bastlicher macht und als ein byschoff czw Brixen bey der penn des panns, das ir an unserer verhenngknus und willen chain brieff versigelt mit des conventz sigelen, als lang dii visitacion nicht beslossen ist, noch auch kain potschafft an chain ende thuet, dar durch die visitacion geirrt oder verczogen mocht werden. Wo ir aber anders da wider thuen wurdt, so musten wir ew als ungehorsame in den pann verchunden und in ander weg dar czw thuen, wie sich geburtt. Geben czw Prawnegk an eritag nach sand Mathias tag, anno etc. Liiiiº.

(3) AC II 3, Nr. 4262: Brief von Herzog Sigismund an Nikolaus von Kues vom 16. März 1455, Innsbruck. Inhalt: „Nachdem die herzoglichen Räte mit NvK in Brixen über die Streitfrage Fügen verhandelt haben, bittet er nochmals um vorläufige Übertragung der Pfarrseelsorge an den gegenwärtigen Priester, damit der Gottesdienst dort wieder stattfinden könne. Er verspricht im Gegenzug die Besetzung des Pfarrhofs aufzuheben. Der Vikar solle bis zu dem in der Sache anberaumten Rechtstag amtieren und dem künftigen Pfarrinhaber genaue Rechenschaft über die Einkünfte der Pfarrei ablegen. NvK solle umgehend antworten.“ Unser freuntlich dienst zuvor. Hochwirdiger in got vater, besunderlieber herr und freunde. Als wir yecz unser ret bey ewer freuntschafft gehabt haben von der kirchen wegen zu Fugen, die uns ewr antwurtt widerumb haben zuerkennen geben, in der wir nicht versteen, daz die lewt in iren gotsrechten und besunder in dieser zeyt nicht versawmbt werden. Auf das begern wir noch von ewrer freuntschafft mit fleiss, daz ihr dem gegenwurttigen briester (Hans Steubenberger) seelsorg der obgenanten kirchen, nach dem im die vor solher zwitrecht halben auch von ew ist bevolhen worden, wellet bevelhen uncz auf den tag, der ew von uns darumb zugeschrieben ist. Wenn das beschicht, so wellen wir

Die Acta Cusana und die Brixner Predigten

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die knecht, so in dem pharrhof sind um behaltnuss willen unser gerechtikhayt, aus dem pharrhof schaffen. Und daz der so dieselb kirchen also verwesen sol, die nutz, so da gevallen, inneme und dieweil notdurfft davon hab zu solher verwesung; also daz derselb davon redlich raittung tu dem so die egenant kirchen furbazzer zusteen wirdt. Und getrawen ewer freuntschafft wol, seyd wir nicht aigen nucz, sunder daz die sach in pillichen wegen beleibe und die ere gotes, auch die gerechtikhaitt damit gefurdert werde, darinn begern furzenemen, daz ir ew in solher mazz darinn haltet, damit der gotsdienst nicht nidergelegt noch die lewt in iren gotsrechten verhindert werden. Und wir begern darumb ewer verschriben antwurt bey dem botten. Geben ze Insprukg an suntag ‚Letare‘ zu mittervasten anno domini etc, qinquagesimoquinto. Sigmund von gotes gnaden herczog ze Osterreich etc.

(4) AC II 3, Nr. 4265: Autographer Entwurf des Antwortbriefs von Nikolaus von Kues an Herzog Sigismund von Tirol vom 18. März 1455, Brixen. Inhalt: „Er habe dem Wunsch des Herzogs entsprochen, Hans Steubenberger vorläufig mit der Seelsorge in Fügen zu betrauen. Bezüglich des Rechtstags in der Streitsache Fügen solle der Herzog jedoch noch präzisieren, wo und vor wem der Tag stattfinden solle. Der Vermittler müsse sich unbedingt in geistlichen Angelegenheiten auskennen.“ Hochgeborner furst etc. Als uwer libde uns icz gescriben hant von Fugen wegen, her Hanßen Steubenberger seel sorge zu bevelhen, haben wir getan in maßen, als er ouwer lybde wol sagen wirt. Aber als von des tags wegen, den uwer lybde auff den sontag ‚Quasi modo geniti‘ schiristk (13. April 1455) geseczt hait, die sache furhant zu nemen, und da von rede zu haben, wie das uwer bryff auß wiset, des abscryfft wir ew hy inne beslosen senden, und doch nyt scribt, wo und vor wem der dach geleist sulle werden, der von solchen geistlichen sachen, wie sich die halten sullen, eyn wissen habe, als uns noit bedunckt. Bitten wir, uns clerlich durch uwer verscriben antwrt darinn uwer meynung furderlich zu underwisen. Geben zu Brichsen an eritag nach dem suntag ‚Letare‘ anno domini etc. lvto.

(5) AC II 4, Nr. 4626: Brief der Brixener Klarissen Maria von Wolkenstein und Ursula Flickenpfeil an Leo von Wolkenstein verfasst vor dem 21. Dezember 1455, Brixen. Inhalt: „Nachdem der Klausurbereich des Klosters inzwischen abgeriegelt sei, solle er seine Ankunft durch einen Diener ausrufen lassen. Er solle sich weiterhin für sie einsetzen und ihr Nachricht geben, was er mit den anderen Brüdern (bezüglich des Klosteraustritts) besprochen habe.“

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Jhesus, Maria. Unsern freuntlichen grus wiß alzit. Mein herczen lieber pruder. Wir lassen dich wissen, dz man die locher alle verslagen hat, die der Urlich wol warb; und wir pitten dich gar trewlich, wan du her ab reitz zu uns und wan du an dem tor pist, dz du dan den Urlich her auf schickst und daz er dan sprech, du welst schier her nach kumen. So get aine die weil hin ab zu dir, wan sunst mog wir nit zu dir kumen. Wiss auch, dz wir ain wort nit tuen redden oder die munich wellen dem pissoff uber uns klagen etc. Wiss auch, dz man uns gesagt hat, wie der Wenger zu Poczen sey, und dar umb pit wir dich, wan er her kum, daz du dich selber zu im schickst, wan wir mogen sunst auch nit zu im. Da mit enpfalch wir dich dem almachtigen got und mich und uns in dem trew und hilf. Lieber pruder, lass mich wissen von der ausvart wegen, wie du es mit mein prudern verlassen hast, wan ich dir gib neu czil (Frist) auf sand Thomas tag (21. Dezember) und nit lenger. Maria, Ursula

(6) AC II 6, Nr. 5272: Autographer Bericht des Nikolaus von Kues zu Geschehnissen am 23. Juni 1457. Inhalt: „Nikolaus von Kues reitet, geleitet von Martin Neidecker, über Sterzing nach Wilten. Er hört von einem Hinterhalt, den Herzog Sigismund bei Matrei gelegt habe.“ … auff den Prenner quam zu der hachg(eborenen) furstynne, die frau von Munchen (Anna von Braunschweig, Herzogin von Bayern-München), die zu der czijt da in dem pad was. Do enboet er (Leonhard von Velseck) uns, es were nijt noit, das wir unser dyner hetten und mit vijl pherden quemen. Mir sulten ilich komen auff das wir die frau von Munchen, die uns geneigt were, zu Yspruck gelangten. Also scriben wir herr Leenhart, wir wlten ilen, do abe yne noit beducht, das er uns geen Sterczingen eyn geleit under augen sent. Also syn wir geriten geen Sterczingen, und der Nidecker quam und sagt, wie hirczog Sigmont yne gesant heet, uns zu geleiten. Als wir also von Sterczingen riden, kumpt auf dem wege eyn frau, die sagt uns, wie sie hirczog Sigmont zu Matren gesehen heet, und heet etzlich gesellen bij yme und weren all geharnescht, und er heet sich unkenntlich verstalt. Das sagten wir dem Nidecker (Martin Neidecker), der meynt, es mochte nijt syn. Doch war eyner gesehen von yne, der villicht versluge, wie starck wir quemen. Und so wir geen Matran quamen, befunden wir, das die frau uns war gesagt hatt. Aber der hirczog was wider heym geriden. Warumb er auß was, weis er bas dan wir.

Anhang IIb: Sprachwissenschaftliche Analyse der aufgeführten Quellen Nikolaus Ruge Das Quellenkorpus erlaubt eine klare Kontrastierung von autographem und nichtautographem Material. Herkunftsbedingt wäre anzunehmen, dass Cusanus’ Schreibsprache mehr oder weniger ausgeprägte moselfränkische bzw. (west)mitteldeutsche Züge aufweist. Man darf allerdings auch für die Autographe nicht erwarten, dass er homogen-kleinräumiges Sprachmaterial transkribieren würde. Bei einem Experten in Sachen Schriftkultur wird vielmehr davon auszugehen sein, dass hier kein Basisdialekt, sondern ein gehobenes Register verschriftlicht wird. So überrascht es nicht, dass einige zentrale moselfränkische bzw. (west)mitteldeutsche Züge fehlen. Die germanischen Tenues /p/, /t/, deren teilweise Erhaltung für das Westmitteldeutsche charakteristisch wäre, werden in ihrer südlichen Variante realisiert55): das (2549, 4265, 5272) statt dat, icz (4265) statt it. Auch die Diphthongierung von mhd. /û/ ist bereits durchgeführt56), allerdings nicht ganz konsequent: off (2549) steht gegen die Leitgraphie auff (4265, 5272) bzw. auf (5272), auß (4265, 5272). Dem stehen in den Autographen eine Reihe moselfränkischer bzw. (west)mitteldeutscher Merkmale gegenüber. In gude (2549), dag (2549), dach (4265), riden (5272), geriden (5272) ist die westgerm. Media d57) erhalten, anderswo nicht: tags (4265), getan (4265), suntag (4265), geriten (5272). Die Erhaltung des germanischen Frikativs58) bezeugen gelacht (2549) und dach (4265), meist steht aber g: dag (2549), tags (4265), geneigt (5272), sagt (5272) u.ö. Die Diphthongierung von mittelhochdeutsch /î/ wird ausnahmslos noch nicht realisiert 59 ): Mynen (2549), myne (2549), myme (2549), bewisen (2549), myner (2549), wiset (4265), underwisen (4265), czijt (5272), ilich (5272), ilen (5272), bij (5272), syn (5272), villicht (5272). Der Gebrauch von und als Längenzeichen60) findet sich bei rait (2549), hait (4265), noit (4265, 5272), enboet (5272), die Anlautgraphie im Prät. eritum von kommen61) bei quemen (5272), quam (5272), quamen (5272). Mit Ausnahme des erhaltenen /î/ in alzit (4626) ist keines der genannten kleinräumigen Merkmale in den nicht-autographen Textzeugen belegt: tag (3850, 4262), 55) Vgl. Ravida, Fausto, Graphematisch-phonologische Analyse der Luxemburger Rechnungsbücher 1388–1500. Ein Beitrag zur Historischen Stadtsprachenforschung, Heidelberg 2012, 28. 56) Vgl. Schützeichel, Rudolf, Mundart, Urkundensprache und Schriftsprache. Studien zur rheinischen Sprachgeschichte, Bonn 21974, 149–154. 57 ) Vgl. Ravida, Graphematisch-phonologische Analyse der Luxemburger Rechnungsbücher 1388–1500 (wie Anm. 1), 26. 58) Vgl. ebd. 59) Vgl. ebd. 60) Vgl. ebd., 29. 61) Vgl. Besch, Werner, Sprachlandschaften und Sprachausgleich im 15. Jahrhundert, München 1967, 117–121.

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Nikolaus Ruge

thuet (3850), tor (4626) u.ö. – tag (4262), gesagt (4626) u.ö. – weyse (3850), bey (3850, 4262), zeyt (4262), weil (4626), sey (4626) u.ö. – kainen (3850), raittung (4262), aine (4626). Diese Verteilung unterstreicht die mitteldeutsche Prägung der Schreibsprache in Cusanus’ Autographen, deren Auffälligkeiten aber nicht durchweg sprachlandschaftlich bedingt sind. Dies betrifft insbesondere die mit Ausname von zugeschrieben (4262) konsequente, wohl an lat. scribere angelehnte wortgebundene Graphie für den Schibilanten62): gescriben (2549), gescriben (4265), abscryfft (4265), scribt (4265), verscriben (4265), scriben (5272). Ähnlich zu beurteilen ist für wu63) in wllen (2549), anwrt (4265), wlten (5272). Ganz spurlos ist der Kontakt mit dem Oberdeutschen an Cusanus’ Autographen indes nicht vorübergegangen. Auf lexikalischer Ebene verwendet er bairisch-österreichisch eritag ‚Dienstag‘ (4265), das späteste Autograph Nr. 5272 zeigt neben beducht, bij, befunden, bas einige für das Bairische charakteristische Schreibungen der anlautenden labialen Media64): Prenner, pad, Yspruck. In den nichtautographen Textzeugen dominieren diese: panns (3850), potschaft (3850), Prawnegk (3850), pillichen (4262), Insprukg (4262), pruder (4626), pist (4626), pitten (4626), pissoff (4626).

62) Vgl. Ebert, Robert Peter u.a. (Hg.), Frühneuhochdeutsche Grammatik, Tübingen 1993, § L 54,2 (= FG).

) Vgl. FG § L 16. ) Vgl. FG § L 44,2.

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Nicolaus Cusanus und Verena von Stuben Neue Einsichten in ein spannungsreiches Verhältnis Isabelle Mandrella Einleitung

V

or über zehn Jahren hatte ich schon einmal die Gelegenheit, mich näher mit Verena von Stuben, der Äbtissin des Klosters Sonnenburg im Bistum Brixen, und ihrem Verhältnis zu Nicolaus Cusanus zu beschäftigen.1) Zu diesem Zeitpunkt war Band II der ‚Acta Cusana‘, der den Zeitraum der Brixener Jahre des Cusanus umfasst, also jene Jahre, in die die Begegnung mit Verena fällt, wohl in Vorbereitung, aber noch nicht erschienen. Durch die beeindruckenden Arbeiten Hermann Hallauers lagen die meisten Fakten allerdings bereits vor, denn Hallauer hatte sich schon 1969 mit seiner Studie ‚Die Schlacht im Enneberg‘2) um die historische Aufarbeitung der Geschehnisse verdient gemacht.3) Es folgten weitere wichtige Studien4), deren große Bedeutung freilich nicht nur darin liegt, die historischen Quellen entdeckt und ausgearbeitet und somit einen zentralen Grundstein 1) Mandrella, Isabelle, Nicolaus Cusanus und Verena von Stuben, in: Cusanus-Jahrbuch 1 (2009), 27–44. 2) Hallauer, Hermann J., Die Schlacht im Enneberg. Neue Quellen zur moralischen Wertung des Nikolaus von Kues (Kleine Schriften der Cusanus-Gesellschaft 9), Trier 1969; wieder in: Ders., Nikolaus von Kues. Bischof von Brixen 1450–1464. Gesammelte Aufsätze, hg. von Erich Meuthen und Josef Gelmi (Veröffentlichungen der Hofburg Brixen 1), Bozen 2002, 129–154. 3) Vor diesem Hintergrund stellt sich also pointiert die Frage: Lässt sich zehn Jahre später überhaupt noch etwas Neues zum Konflikt zwischen Cusanus und Verena sagen? Gibt es überhaupt neue Einsichten in das spannungsreiche Verhältnis, wie es der Untertitel meines Beitrags ankündigt? Mit einer gewissen Rührung darf ich berichten, dass ich eine vom 18. November 2009 datierte Postkarte von Hermann Hallauer besitze (Motiv ist das heute zum Hotel umgebaute Schloss Sonnenburg!), mit der er sich für meine Zusendung von Materialien bedankt, auf die ich bei meinen Recherchen gestoßen war. Er schließt mit dem Satz „Es wäre großartig, wenn Sie sich dennoch mit Sonnenburg und NvK beschäftigen würden.“ Das „dennoch“ macht stutzig; offensichtlich – ich kann mich leider nicht mehr erinnern! – hatte ich schon damals Zweifel daran gehegt, dass eine Weiterbeschäftigung mit der Thematik lohnenswert sei. Ich möchte es also im Folgenden wagen, Hallauers Appell zu befolgen. 4) Vgl. insbesondere Hallauer, Hermann J., Eine Visitation des Nikolaus von Kues im Benediktinerinnenkloster Sonnenburg, in: Ders., Nikolaus von Kues (wie Anm. 3), 215–236; Ders., Nikolaus von Kues und die Visitation der Abtei Sonnenburg im Jahre 1455, in: Hagemann,

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der ‚Acta Cusana‘ gelegt zu haben – zurecht spricht Johannes Helmrath im Vorwort zur ersten Lieferung des zweiten Bandes davon, dass Hallauer „das dichte Material … in menschenmöglich maximaler Vollständigkeit zusammengetragen“ habe.5) Was Hallauers Arbeiten darüber hinaus auszeichnet, ist meines Erachtens, dass er – obwohl der Untertitel seiner ersten Studie, ‚Neue Quellen zur moralischen Wertung des Nikolaus von Kues‘, apologetische, pro-cusanische Absichten vermuten lässt – durch sein ausgewogenes Urteil entscheidend dazu beigetragen hat, Verena von Stuben jeglicher einseitiger Verherrlichung oder Dämonisierung zu entziehen. Verena wird somit als eine faszinierende weibliche Persönlichkeit des 15. Jahrhunderts greifbar, die ihr Schicksal als Äbtissin aktiv in die Hand nahm. Hallauer urteilt: „… dem Kardinal [stand] in Verena von Stuben … eine leidenschaftliche Kämpferin und in gewisser Hinsicht ebenbürtige Kontrahentin gegenüber …, klug, begabt mit taktischem Geschick und einem starken Willen“.6) Dennoch rief die Darstellung Hallauers damals meine Kritik hervor. Denn im durchaus wohlgemeinten Versuch, den schwierigen Konflikt zwischen Cusanus und Verena einer ausgeglichenen Erklärung zuzuführen, die darauf verzichtet, vorschnell die moralische Integrität eines der beiden Konfliktpartner in Frage zu stellen, greift Hallauer zu einer Unterscheidung, mit deren Zuordnung ich nicht ganz einverstanden bin: Der Unterscheidung in weltliche und geistliche Belange. In Hallauers Interpretation vertritt Cusanus die geistlich-religiöse Sicht; seine Reformbemühungen entspringen dem echten spirituellen Bedürfnis, die rechte Form der Gottesverehrung im Ordensleben zu ermöglichen und zum Heil der Nonnen durchzusetzen. Verena wird hingegen von anderen Motiven bewegt; ihr ist keinerlei geistlich-religiöses Selbstverständnis zuzuschreiben. Sie kann den Reformbestrebungen des Cusanus kein Verständnis entgegenbringen, weil sie „ihr Amt vorwiegend als eine politisch-administrative Aufgabe verstand“ und daher „für ihr geistliches Amt gänzlich ungeeignet war“, kurzum: „Ihr fehlte die religiöse Berufung.“ Immer wieder wird als Begründung dafür angeführt, dass es sich beim Benediktinerinnenkloster Sonnenburg um eine Versorgungsanstalt für adelige Töchter handele, die weniger aus Gründen der Berufung als vielmehr auf Drängen ihrer Familien hin eingetreten waren, und von denen man folglich nicht erwarten könne, dass sie „ein Kloster … mit benediktinischem Geist erfüllen und zu einer Stätte des Gebetes und der Frömmigkeit umformen“.7)

Ludwig B. (Hg.), En kai plethos. Festschrift für Karl Bormann zum 65. Geburtstag (Religionswissenschaftliche Studien 30), Würzburg u.a. 1993, 77–99; wieder in: Ders., Nikolaus von Kues (wie Anm. 3), 237–255. 5) Helmrath, Johannes, Vorwort, in: AC II 1, VI. 6) Hallauer, Nikolaus von Kues und die Visitation (wie Anm. 4), 237f. 7) Hallauer, Eine Visitation (wie Anm. 4), 226, 229; vgl. auch Ders., Nikolaus von Kues und die Visitation (wie Anm. 4), 238, 249, 252f., 255.

Nicolaus Cusanus und Verena von Stuben

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Die hier von Hallauer vorgenommene Unterscheidung in weltliche und geistliche Belange klingt zunächst sehr plausibel und sie ist keineswegs völlig aus der Luft gegriffen. Denn eben diese Spannung durchzieht den Konflikt und wird von beiden Seiten immer wieder instrumentalisiert. So gehört es zu den Grundvorwürfen, die Cusanus gemacht werden, dass er das geistliche Interesse an der Reform Sonnenburgs nur als Vorwand nutze, um an die Temporalien des Klosters zu gelangen. Herzog Sigismund von Österreich-Tirol schlägt immer wieder vor, die geistliche Betreuung des Klosters von dessen weltlicher Administration zu trennen. Die Thematisierung der unterschiedlichen Interessen ist im Konflikt also durchaus präsent. Die Frage, die sich mir jedoch stellte – und bis heute stellt! – ist, ob die Unterstellung einer fehlenden religiösen Berufung Verenas Selbstverständnis als Äbtissin entspricht. Ist es so eindeutig, dass die Ablehnung der Reform nur auf einen Mangel an benediktinischem Geist zurückführbar ist? Wäre es nicht denkbar, dass sich dahinter ein seinerseits geistlich-spirituelles Bedürfnis verbirgt, für dessen Umsetzung sich die Äbtissin verantwortlich fühlt? Hinter der Reformunwilligkeit der Nonnen, von denen die meisten bis zuletzt hinter ihrer Äbtissin standen, verbirgt sich also eine viel komplexere Problematik, die auch grundlegend mit der Interpretation eines idealen geistlichen Lebens verknüpft ist. Das Beharren auf den Traditionen des Klosters und auf ihre Rechte als Äbtissin, auf das Verena sich immer wieder beruft, sollte nicht vorschnell als Ausdruck der Unfähigkeit gedeutet werden, sich spirituell erneuern zu wollen, sondern hat – so meine These – einen seinerseits geistlich-religiös bestimmten Hintergrund zum Gegenstand.8) Um diese These zu untermauern, hatte ich anhand des sicher verbürgten Bildnisses Verenas auf dem Jakob von Seckau zugeschriebenen Ursula-Altar9) – laut dem Kunsthistoriker Lukas Madersbacher ein „eminent biografisches Zeugnis der Verena von Stuben“10) – versucht, mehr über Verenas Selbstverständnis als Ursulaähnliche, nämlich für ihre ‚Jungfrauenschar‘ verantwortliche, und zudem dem Papst eng verbundene und unter seinem Schutz stehende Äbtissin herauszufinden.11) Darüber hinaus ging es mir darum, den Konflikt zwischen Cusanus und 8) Hallauer selbst hat bemerkt: „Es wäre zu untersuchen, ob es sich bei den in Sonnenburg festgestellten Missständen um bloße Laxheit und Ungehorsam gegen die Ordensdisziplin handelte oder ob eine Erinnerung an die ursprünglichere, nun aber überdeckte Kanonissenregel fortlebte, auf die man sich in gutem Glauben berufen konnte.“ Hallauer, Eine Visitation (wie Anm. 4), 217. 9) Jakob von Seckau (?), Martertod der Hl. Ursula, heute im Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum, Innsbruck, Inv. Nr. Gem 4; Abbildung in: Mandrella, Nicolaus Cusanus (wie Anm. 1), 36. 10) Madersbacher, Lukas, Mord und Memoria. Zum Ursula-Altar der Verena von Stuben aus dem Benediktinerinnenstift Sonnenburg, in: Telesko, Werner/Andergassen, Leo (Hg.), Iconographia christiana. Festschrift für P. Gregor Martin Lechner OSB zum 65. Geburtstag, Regenburg 2005, 125–144, hier 143. 11) In diesem Zusammenhang konnte ich über Madersbacher Kenntnis über einige interessante biographische Details erlangen; so zum Beispiel, dass Verenas Vater des Mordes bezichtigt wurde.

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Isabelle Mandrella

Verena in den größeren historischen Kontext der kirchlichen Reformbestrebungen des 15. Jahrhunderts einzuordnen. Bekanntlich war Sonnenburg nicht der einzige Konvent, bei dem Cusanus Mühen hatte, eine Reform durchzusetzen; auch die Brixener Klarissen setzten sich – wenn auch nicht erfolgreich – gegen seine Reformpläne zur Wehr.12) Solche Fälle, insbesondere in Frauenklöstern, sind keine Einzelheit.13) An dieser Stelle muss daran erinnert werden, dass eine Reform für die betroffenen Nonnen eine massiv einschneidende Maßnahme darstellte, die mit enormen Umwälzungen ihres bisherigen monastischen Lebens verknüpft war. Dies betraf insbesondere die Einführung der Klausur, die es den Nonnen praktisch unmöglich machte, weiterhin ihren administrativen Aufgaben nachzugehen, d.h. ihre Geschäfte selbständig zu regeln und die Temporalien des Klosters zu verwalten. Cusanus beruft sich dafür immer wieder auf das päpstliche Dekret ‚Periculoso‘ von 1298, das die Einführung der strengen Klausur für weibliche Orden vorsah. Für eine angemessene Beurteilung der Lage gilt es jedoch zu berücksichtigen, dass die Klausur als alleiniges Kriterium eines idealen (weiblichen!) monastischen Lebens keineswegs unbestritten galt, so dass der vordergründige Eindruck, Cusanus habe nur Ordnung in ein dekadentes Klosterleben bringen wollen, erheblich korrigiert werden muss. Die Einführung der Klausur in den Frauenklöstern, die vor allem im 15. und 16. Jahrhundert vorangetrieben wurde, erweist sich damit nicht erst aus heutiger Sicht als problematischer Teil der Kirchengeschichte, in der männlich dominierte Machtansprüche auf der Basis von Theorien weiblicher Inferiorität (vor allem was die Gefahr der sexuellen Verführung und Verführbarkeit betraf) mittels teils rigider Disziplinierungsmaßnahmen zur Autoritätssicherung führen sollten.14) 12) Vgl. Hallauer, Hermann J., Nikolaus von Kues und das Brixener Klarissenkloster, in: Ders., Nikolaus von Kues (wie Anm. 3), 257–311. Vgl. hierzu auch Cescutti, Eva, Et clausa est janua. Maria von Wolkenstein, Nicolaus Cusanus und das „richtige“ Klosterleben, in: Geschichte und Region/Storia e regione 12,2 (2003), 114–140 (= Fromme Frauen/Devozione femminile, hg. von Siglinde Clementi und Cecilia Nubola, Innsbruck u.a. 2004). 13) Vgl. Schmidt, Hans-Joachim, Widerstand von Frauen gegen Reformen, in: Klueting, Edeltraud (Hg.), Fromme Frauen – unbequeme Frauen? Weibliches Religiosentum im Mittelalter (Hildesheimer Forschungen 3), Hildesheim u.a. 2006, 143–180; Märtl, Claudia, pos verstockt weyber? Der Streit um die Lebensform der Regensburger Damenstifte im ausgehenden 15. Jahrhundert, in: Kolmer, Lothar/ Segl, Peter (Hg.), Regensburg, Bayern und Europa. Festschrift für Kurt Reindel zum 70. Geburtstag, Regensburg 1995, 365–405; Mertens, Dieter, Klosterreform als Kommunikationsereignis, in: Althoff, Gerd (Hg.), Formen und Funktionen öffentlicher Kommunikation im Mittelalter (Vorträge und Forschungen 51), Stuttgart 2001, 397–420; wieder in: Ders., Humanismus und Landesgeschichte. Ausgewählte Aufsätze, hg. von Dieter Speck und Birgit Studt, Bd. II, Stuttgart 2018, 935–358. 14) Vgl. Brundage, James A./Makowski, Elizabeth M., Enclosure of nuns: the decretal Periculoso and its commentators, in: Journal of Medieval History 20 (1994), 143–155, die zu Recht darauf hinweisen, dass „[t]his obsession with female sexual purity and its maintenance … produced a peculiarly restrictive concept of what the religious life ought to be about. … It is clear, however, that by the fourteenth century enclosure had become an end in itself to which other values of

Nicolaus Cusanus und Verena von Stuben

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1. Erste Bestandsaufnahme Vor diesem Hintergrund möchte ich im Folgenden versuchen, im Rückgriff auf die neuesten Ergebnisse der ‚Acta Cusana‘ den Fragen näher nachzugehen, was sich über Verenas Selbstverständnis als geistliche Frau sagen lässt und mit welchen Argumenten sie die cusanischen Reformvorschläge ablehnte. Auf eine Rekonstruktion der historischen Ereignisse verzichte ich an dieser Stelle.15) Klar ist: Verena hat keinen Moment lang darin nachgelassen, gegen die Reformpläne zu opponieren – und dies mit allen Mitteln. Die Äbtissin protestiert, indem sie sich argumentativ auf die Ordensregeln und Gewohnheiten des Stiftes beruft, emotional über die Härte der Reformmaßnahmen klagt und strategisch um Aufschub des Termins bittet.16) Sie vergleicht das Vorgehen gegen Sonnenburg mit anderen Visitationen und stellt eine besondere Härte fest.17) Sie lehnt die Terminvorschläge des Kardinals ab und beharrt auf von ihr ausgewählten Visitatoren.18) Sie bemängelt, dass die Visitationscharta auf Latein verfasst ist und verlangt Übersetzung und Erläuterung – wenn nötig unter Verweis auf ihre weibliche Einfältigkeit.19) Sie weigert sich, die Annahmeerklärung der Reform ohne Prüfung zu siegeln.20) Sie droht damit, an den Papst zu appellieren und tut es schließlich auch.21) Sie wirft Cusanus vor, hinter seiner geistlichen Bemühung um Sonnenburg versteckten sich handfeste wirtschaftliche Interessen22), und überschreitet selbst immer wieder, etwa im Konflikt um Enneberg, die Grenze zwischen den geistlichen und weltlichen Bereichen. Sie stellt sich hinter die Nonnen und verteidigt deren Bemühungen, die vorgeschriebenen Reformen nach Kräften umzusetzen.23) Sie nimmt ihre Aufgaben und ihre Verantwortung als Äbtissin ernst und die

religious life were increasingly subordinated.“ (153) Vgl. auch Uffmann, Heike, Innen und außen: Raum und Klausur in reformierten Nonnenklöstern des späten Mittelalters, in: Signori, Gabriela (Hg.), Lesen, Schreiben, Sticken und Erinnern. Beiträge zur Kultur- und Sozialgeschichte mittelalterlicher Frauenklöster (Religion in der Geschichte 7), Bielefeld 2000, 185–212; Seegets, Petra, Leben und Streben in spätmittelalterlichen Frauenklöstern, in: Hamm, Berndt/Lentes, Thomas (Hg.), Spätmittelalterliche Frömmigkeit zwischen Ideal und Praxis (Spätmittelalter und Reformation. Neue Reihe 15), Tübingen 2001, 24–44. 15) Vgl. dazu die bereits genannten Arbeiten von Hallauer sowie Baum, Wilhelm, Sonnenburg, in: Faust OSB, Ulrich/Krassnig, Waltraud (Hg.), Die benediktinischen Mönchs- und Nonnenklöster in Österreich und Südtirol (Germania Benedictina III 3), München 2002, 604–702. 16) AC II 1, Nr. 2603, 2612, 2632, 2686. 17) AC II 1, Nr. 2632; AC II 2, Nr. 3695; AC II 4, Nr. 4382. 18) AC II 2, Nr. 3595, 3653–3655. 19) AC II 2, Nr. 3653–3655; AC II 3, Nr. 4281, 4331, 4355, 4358; AC II 4, Nr. 4382, 4390, 4433; AC II 6, Nr. 5459. 20) AC II 3, Nr. 4323, 4331, 4358; AC II 4, Nr. 4382, 4406, 4433; AC II 6, Nr. 5459. 21) AC II 2, Nr. 3655; AC II 3, Nr. 4043, 4048, 4093, 4182; AC II 4, Nr. 4382, 4405. 22) AC II 3, Nr. 4182; AC II 6, Nr. 5333. 23) AC II 4, Nr. 4390, 4395.

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Nonnen solidarisieren sich (fast) einstimmig und bis zuletzt mit ihr24); sie scheut jedoch auch nicht davor zurück, die abtrünnig gewordene, nämlich von Cusanus als Verweserin eingesetzte Afra von Velseck der Unfähigkeit und des Verrats zu bezichtigen.25) Sie sucht – mit Erfolg! – explizit weiblichen Beistand bei Eleonore von Schottland, der Frau des Herzogs Sigismund, die in der über ein Jahr währenden Zeit seiner Abwesenheit die Regierungsgeschäfte übernimmt.26) Sie erklärt sich zur Abdankung bzw. zu ihrer Pensionierung bereit, aber weigert sich, auf die von Cusanus dafür vorgesehenen Bedingungen einzugehen.27) Sie klagt – auch durchaus dramatisch! – über die unangemessene Härte und Unnachgiebigkeit des Kardinals, der das Kloster dem Untergang weihen wolle28), und über die dem Kloster gegenüber praktizierte Gewalt seiner Gefolgsleute.29) Sie berichtet immer wieder ausführlich und die chronologische Reihenfolge memorierend über die Geschehnisse.30) Sie setzt sich kontinuierlich für ihre Leute – etwa Jobst von Hornstein – ein, bis für sie eine bessere Lage bewirkt ist.31) Sie bittet unter Berufung auf Gottes Güte und die Hilfe der Jungfrau Maria darum, vor Cusanus beschützt zu werden.32) Sie klagt ihre Rechte ein, indem sie Cusanus vorwirft, zugleich als anklager, richter und urtayler33) aufzutreten und ihr somit keinerlei Gerechtigkeit zukommen lassen zu können. All ihre Korrespondenzen unterzeichnet sie in zunehmender Kontinuierlichkeit mit Verena abbtaessin und der convent czw Sunneburg und lässt sich dabei weder durch ihre von Cusanus bewirkte Absetzung noch durch ihre Exkommunikation bzw. das über das Kloster verhängte Interdikt beeindrucken und in ihrem Selbstverständnis als rechtmäßige Äbtissin beeinflussen.34) Und immer wieder spielt sie auf Zeit. Denn als durchaus effektiv erwies es sich, das Problem gewissermaßen auszusitzen, d.h. abzuwarten und Cusanus dadurch zu zwingen, mit immer wieder neuen Strafandrohungen aus seiner Deckung zu kommen. Bei all dem wird jedoch immer wieder deutlich: Verena nimmt ihre Führungsposition als Äbtissin und die damit verbundene Verantwortung für die Schwestern ) AC II 4, Nr. 4398, 4411, 4522, 4523, 4618; AC II 5, Nr. 5138, 5226. ) AC II 4, Nr. 4657, 4686; AC II 5, Nr. 4943, 4945; AC II 6, Nr. 5459. 26) AC II 4, Nr. 4406, 4409; AC II 5, Nr. 4943; AC II 6, Nr. 5590, 5592. 27) AC II 2, Nr. 3851, 3853; AC II 3, Nr. 3991; AC II 6, Nr. 5573, 5728, 5733f., 5749. 28) AC II 4, Nr. 4405, 4686; AC II 5, Nr. 4943, 5137; AC II 6, Nr. 5333. 29) AC II 4, Nr. 4387, 4404; AC II 5, Nr. 4945; AC II 6, Nr. 5593, 5600. 30) AC II 2, Nr. 3855; AC II 3, Nr. 4039, 4344; AC II 4, Nr. 4387; AC II 6, Nr. 5333, 5592, 5594. 31) AC II 6, Nr. 5592, 5602, 5708, 5729. 32) AC II 6, Nr. 5594. 33) AC II 6, Nr. 5729. 34) Einzige Ausnahme ist die an Cusanus adressierte Bitte um Absolution vom 14.09.1458 (AC II 6, Nr. 5749), die Verena zwar im Namen des Klosters äußert, in der sie es jedoch – offensichtlich um unnötige Provokationen zu vermeiden – vorzieht, mit Verena Stuberin und der convent czw Sunneburg zu unterschreiben. 24 25

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und das Kloster ernst und versteht diese Aufgabe durchaus in einem geistlichen Sinne, der sich auf die Tradition bzw. das traditionelle Verständnis der Funktion und Rolle einer Äbtissin zu berufen weiß. Insofern führt sie die Auseinandersetzung mit Cusanus nicht nur mit weltlichen Mitteln, sondern durchaus auch mit geistlichen Motiven und Argumenten. Im Folgenden werde ich erstens versuchen, durch die Analyse einiger zentraler Dokumente das Selbstverständnis der Äbtissin von Sonnenburg und ihre Hauptargumente zu rekonstruieren. Zum zweiten wird es darum gehen, einen Blick auf die Geschlechterkonstellationen des Konfliktes zu werfen, da die ‚Acta Cusana‘ II auch in dieser Hinsicht Beachtliches zu bieten haben. 2. Verenas Selbstverständnis, Motive und Argumente Die cusanischen Reformpläne waren keine Lappalie; insbesondere die ausführlichen Reformstatuten vom 4. März 145535) nach der zweiten Visitation von Sonnenburg stellen eindrücklich unter Beweis, welche enormen Veränderungen das Kloster zu erwarten hatte: Allem voran die Klausur36), die nicht zuletzt erhebliche bauliche Maßnahmen erforderlich gemacht hätte; betroffen sind aber auch die Rolle der Äbtissin, das Chorgebet, der Sakramentenempfang, die Regelung des Eigenbesitzes, Essens- und Kleidervorschriften, die Einrichtung der Zellen, die Ausstattung der Betten und vieles mehr. Es ist deshalb nicht übertrieben diesen einschneidenden Veränderungen für die Ordensfrauen eine existentielle Bedeutung zuzuschreiben, die Nicolaus Cusanus und den Reformatoren – zunächst ohne ihnen bösen Willen zuschreiben zu wollen – offensichtlich nicht bewusst war oder der sie zumindest keine Relevanz beimaßen. Davon zeugen auch die relativ kurzen Fristen von wenigen Wochen, die Cusanus dem Konvent zur Umsetzung der Reform setzte.37) Mit welchen Argumenten wehrte sich Verena von Stuben gegen die Reform ihres Klosters? Welche Motive werden erkennbar und welches Selbstverständnis lässt sich daraus ableiten? Im Folgenden möchte ich versuchen, diese Fragen durch die Analyse von Texten aus Verenas Feder, die in den ‚Acta Cusana‘ II dokumentiert werden, zu beantworten. Es handelt sich dabei um eine Auswahl der meines ) AC II 3, Nr. 4248. ) In diesem Zusammenhang noch immer lesenswert: Spahr, Kolumban, Nikolaus von Cues, das adelige Frauenstift Sonnenburg OSB und die mittelalterliche Nonnenklausur, in: Grass, Nikolaus (Hg.), Cusanus-Gedächtnisschrift (Forschungen zur Rechts- und Kulturgeschichte 3), Innsbruck/München 1970, 307–326. 37) Erwähnenswert ist an dieser Stelle auch, dass an keiner Stelle der Visitationscharta ausdrücklich beschrieben wird, was konkret man dem Konvent an Verfehlungen vorzuwerfen hatte. Hallauer, Die Visitation (wie Anm. 4), 252 (vgl. auch 247), weist darauf hin, dass dies bei Visitationen auch nicht üblich war, aber damit wird eine detaillierte Rekonstruktion der Mängel umso schwieriger. 35 36

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Erachtens signifikantesten Dokumente, die geeignet sind, über die historischen Zusammenhänge hinaus Einblick in die inneren Beweggründe der Äbtissin von Sonnenburg zu geben: Ihre Protestation vom Juni 1452, ihr Memorandum vom März 1454, ihre kritischen Bemerkungen vom Mai 1455 und ihr Protestschreiben vom März 1456. Ich beginne mit der Protestation Verenas gegen die Anordnungen zur Reform vom 8. Juni 1452, auf die wenige Wochen später eine erneute und im Wortlaut fast identische Protestation folgt.38) Verena lässt Cusanus wissen, dass sie und ihre Nonnen grundsätzlich bereit sind, den Anordnungen zu Klausur und Reform zu folgen, allerdings nur zu bestimmten Bedingungen, die sie im Folgenden ausführlich darlegen.39) Im Text fällt auf, dass beide Punkte – besliessung und reformacion – stets gemeinsam genannt werden; offenbar wurde die Klausurvorschrift nicht einfach unter die Reform subsumiert, sondern als deren wichtigster Aspekt wahrgenommen.40) Verena beruft sich zunächst auf die Gewohnheiten des Klosters, d.h. auf die stifftbrieven und freyhaiten, so wirs haben und uns geben und besteet seind von bapsten, romischen kaysern und kungen, die nicht einfach außer Kraft gesetzt werden können.41) Außerdem weist sie auf die besondere geographisch-klimatische Lage des Klosters hin, das gelegen ist an rawhem, groben lannd und ort und insofern nicht die optimalen Bedingungen für ein reformiertes Kloster bietet, als zum einen in wirtschaftlicher Hinsicht mit versorgungstechnischen Einschränkungen zu rechnen ist und sich zum anderen die kritische Frage stellt, ob der große Aufwand der für die Umsetzung der Reform erforderlichen Umbauten wirklich in einer Relation zum Nutzen steht.42) Auf der Basis dieser Argumente macht Verena mehrfach darauf aufmerksam, dass die gesetzten Fristen des Kardinals zu einer gehen und snellen besliessung und reformacion angesichts der Tragweite der Maßnahmen den Eindruck einer Übereilung erwecken, die insbesondere mit Blick auf die bestehenden Spannungen mit der Abtei Sonnenburg sogar verdachtlich erscheint.43) Die Protestation schließt deshalb mit der Bedingung, dass die geforderten Maßnahmen nur unter Einbeziehung des Herzogs angegangen werden können. Die Argumente der Berufung auf die Tradition bzw. der Beibehaltung der weltlichen Rechte und Freiheiten sowie der Argwohn, dass Cusanus es in besonderer Weise auf Sonnenburg abgesehen habe, tauchen auch in weiteren Dokumenten immer wieder auf. In dem Maße, in dem der Kardinal sich dadurch nicht beein) AC II 1, Nr. 2632 und 2686. ) AC II 1, Nr. 2632 Z. 8: in solcher form, lawt und maynung, als in diesem zedel begriffen ist. 40) Ich danke Thomas Woelki für den Hinweis, dass es sich hier (entgegen meiner ersten Vermutung) nicht um sich gegenseitig ausschließende Begriffe handelt, sondern – wie in Rechtstexten häufig üblich – um ein Hendiadyoin. 41) AC II 1, Nr. 2632 Z. 15–17. Vgl. auch Z. 46. 42) AC II 1, Nr. 2632 Z. 18–24. 43) AC II 1, Nr. 2632 Z. 36–39. Der Hinweis auf die Übereilung findet sich auch in Z. 26 und 52. 38 39

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flussen lässt, sondern die Nonnen vielmehr immer wieder an ihr Gelübde erinnert, schließlich die Visitation am 29. November 1453 durchsetzt und zudem die Abdankung der Äbtissin einzufädeln versucht, verlagert sich auch der Ton der Auseinandersetzung. Das Memorandum Verenas – möglicherweise ein Autograph?44) – von Anfang März 1454 dokumentiert, dass und wie die Äbtissin sich durch die cusanischen Reformpläne persönlich angegriffen fühlt. Ihre Sicht auf die Geschehnisse stellt sie als eine zunehmende Drangsalierung durch Cusanus dar. Interessant ist das Dokument aber vor allem, weil es zeigt, in welchem Maße Verena sich durch die Reform in ihrer Rolle als Äbtissin bedroht sieht. Es beginnt mit einer Schilderung der Visitation, in der der Nichterhalt der Visitationscharta und die Schwere der Reformanweisungen – ettlich wider unser regel und ordens – bemängelt werden.45) Die Versuche des Kardinals, ihr die Abdankung durch die Zahlung einer Pension schmackhaft zu machen, weist sie jedoch ab, und zwar mit Berufung auf ihr Gewissen.46) Verenas Rekurs auf ihre Gewissensentscheidung, der noch zweimal wiederholt wird, zeigt, wie sie sich ihrer Verantwortung als Äbtissin innerlich verpflichtet sieht.47) Der Streit mit Cusanus geht nun, so entwickelt es das Memorandum, in eine zweite Runde, die die Verpflichtung zur Abgabe der coppien unseres gotshaws privileyen48) und schließlich die Ergebnisse der Visitation zur Folge hat. Zum einen bemängelt Verena, dass sie ihrer Leitungsfunktion beraubt – ich abtessin solt chain gewalt haben – und der Unterschied zwischen ihr und den Nonnen völlig nivelliert werden soll: ich solt den frawn gehorsam sein uns sy mir und solt in allen dingen gehaltten sein als sy und sy als ich in allen untterschaid.49) Auch zur Klausur findet sie deutliche Worte und verknüpft diese Maßnahme deutlich mit dem Verlust ihrer Autorität im Sinne der totalen Abhängigkeit vom Willen des Schlüsselbesitzers: Item das ich und der convent hinder ainem slozz beslossen sullen sein, also das sein gnad ainem denn slüssel hab czw bevelhen, der nach seinem willen und geschäfft auff und czw schliezz.50) In der zur Klausur hinzutretenden Anweisung, für die weltliche Verwaltung des Klosters einen ambtman einzusetzen, der zudem nur der Dechantin zu Gehorsam verpflichtet ist – und da solt ich abtessin nicht wider reden – sieht sie deutlich eine Degradierung ihrer Rolle, die darin gipfelt, dass sie das Kloster nicht einmal ohne Erlaubnis verlassen ) AC II 2, Nr. 3855 Anm. 2. ) AC II 2, Nr. 3855 Z. 5–15. 46) AC II 2, Nr. 3855 Z. 16f. 47) Zum Gewissensbegriff im Zusammenhang volkssprachlicher mittelalterlicher Texte vgl. Störmer-Caysa, Uta, Gewissen und Buch. Über den Weg eines Begriffes in die deutsche Literatur des Mittelalters (Quellen und Forschungen zur Literatur- und Kulturgeschichte 14), Berlin/New York 1998. 48) AC II 2, Nr. 3855 Z. 19. 49) AC II 2, Nr. 3855 Z. 24–26. 50) AC II 2, Nr. 3855 Z. 27f. 44 45

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darf.51) In Verenas Augen scheint die Klausur also nur dazu zu dienen, sie ihrer weltlichen Verantwortung zu berauben, während die Reform in Bezug auf das Amt der Äbtissin ihr die geistliche Verantwortung nimmt. Auch in dieser schwierigen Situation hindert sie ihr Gewissen freilich daran, der Pensionierung zuzustimmen: so wolt mirs doch ye mein gewissen nit ratten.52) Cusanus habe deshalb versucht, sie auf anderen Wegen zur Abdankung zu bringen, indem er – in diesem Fall durch bewusste Kontaktaufnahme mit der Dechantin Afra von Velseck über ihren Kopf hinweg – einen Keil zwischen sie als Äbtissin und ihre Nonnen zu treiben bzw. die Nonnen hinter Verenas Rücken gegen ihre Äbtissin aufzuwiegeln beabsichtigte.53) An diesem Punkt, so Verena, sei ihr klar geworden (und also must ich ganczlich wol mercken), wie schwer ihr die Leitung des Klosters geworden war. Sie habe deshalb schließlich der Pensionierung zugestimmt54) – ein Beschluss, der freilich nicht lange vorhält. Das Memorandum stellt eine wichtige Vorarbeit zu Verenas Appellation an den Papst von Ende Juli 1454 dar, von der nur noch der Entwurf überliefert ist.55) Denn bis auf den letzten Punkt, in dem Verena dem Kardinal die böse Absicht unterstellt, das Kloster spalten zu wollen, finden alle kritischen Argumente Aufnahme, insbesondere in Bezug auf diejenigen Regeln, die nach Verenas Ansicht das Amt der Äbtissin beschädigen. Daran zeigt sich, wie stark Verena sich im Recht sah und dass sie selbstbewusst genug war, direkt beim Papst gegen ihren Bischof Beschwerde zu führen. Der Papst lehnte die Appellation freilich ab und beauftragte Cusanus, mit der Reform fortzufahren.56) Unter den unzähligen Dokumenten, die den Streit um die Reform Sonnenburgs bezeugen, ragt in Bezug auf die oben formulierten Ausgangsfragen ein weiteres Zeugnis hervor: Die kritischen Bemerkungen Verenas von Anfang Mai 1455, mit denen sie die Reformstatuten der zweiten Visitation vom 4. März 1455 kommentiert. Darin wird ihr neuer Versuch sichtbar, die Umsetzung der Ergebnisse der zweiten Visitation dadurch zu verhindern, dass sie sie als unverständlich darstellt; zum einen, weil sie nicht auf Deutsch vorliegen, zum anderen, weil viele Angaben mehrdeutig und somit erklärungsbedürftig seien: Als haben wir – so heißt es in ihrem Schreiben an den Herzog vom 29. März 1455 – unserm herrn cardinal das uber czu drein maln lassen an ruffen, das uns sein gnad die wolt in vernementlich tewtsch geben, das wir doch verstunden, was wir tun solten; wan sy vil, als man uns dy tewtsch hett, so warn vil ) AC II 2, Nr. 3855 Z. 29–41. ) AC II 2, Nr. 3855 Z. 44f. 53) AC II 2, Nr. 3855 Z. 46–52; vgl. den Brief des Cusanus an Afra vom 26. Februar 1454: AC II 2, Nr. 3850. 54) AC II 2, Nr. 3855 Z. 53–55. Dies deckt sich mit dem Bericht des Johann von Westernach in AC II 2, Nr. 3851 Z. 4f. 55) AC II 3, Nr. 4043, Anm. 1, sowie Nr. 4048. 56) AC II 3, Nr. 4136. 51 52

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artikel dar inne, die man auff zwen oder drey weg mocht versten, das sein gnad uns underrichtung gabe in dem selben, welche weg wir dar inne gen oder halten solten.57) Diese ‚Strategie‘ bildet auch ein leitendes Motiv in der zweiten Appellation Verenas und ihres Konvents an den Papst.58) Auch Cusanus gegenüber betont sie, dass sie und die Nonnen ja durchaus willig seien, die Reformen umzusetzen, aber: so sind wir ainveltig frawen und mochten villicht dy sach nit recht versten.59) Die nun zu betrachtenden kritischen Bemerkungen Verenas zeigen von Einfältigkeit freilich keine Spur. Dennoch wäre es vorschnell, ihr an dieser Stelle eine unlautere Taktik zu unterstellen. Vielmehr sollte ihre Bemerkung bedacht werden, dass viele der Reformvorschriften nicht eindeutig waren, etwa mit Blick auf die Art und Weise, wie sie konkret realisiert werden sollten. In der Tat ist es schwer vorstellbar, dass Änderungswünsche eines solchen Ausmaßes, wie sie den Visitatoren vorschwebten, so in allen Details zu regeln waren, dass für ihre Befolgung jede Unklarheit ausgeräumt war. Damit eröffnet sich zurecht die Frage nach der Praktikabilität der Reformvorstellungen, so etwa in Bezug auf die Ermöglichung zur Klausur (Erlewtrung nach dem und sy unser kloster gesehen haben, wie die pesluss am besten sey, notiert Verena und greift damit das bereits thematisierte Problem der Lage und Ausstattung des Klosters wieder auf60) oder bezüglich des Einsatzes von Benediktinermönchen als Beichtväter (wa man dy munich nemen und wer sy dahin schaffen sol oder umb wz ursach in der munich zugeordennt sey in dem reygiment – Fragen, die sich um so dringlicher stellen, als die Autorität der Äbtissin ja beschränkt werden sollte.61) Erläuterungsbedürftig ist aber auch die Kohärenz der Reformanweisungen mit der bereits bestehenden Benediktregel. Wie vertragen sich die neuen schwachen Rechte der Äbtissin mit den Aufgaben, die ihr laut der Benediktregel ursprünglich zustehen, etwa, was das Erteilen gewisser Erlaubnisse betrifft?62) Insbesondere aber ist es die Klausur und die mit ihr verbundenen Maßnahmen, die nach Erläuterung rufen: So ist zum Beispiel in der Benediktregel keine Rede davon, dass – ) AC II 3, Nr. 4281 Z. 6–10; vgl. auch Nr. 4331. ) AC II 4, Nr. 4382. 59) AC II 4, Nr. 4390 Z. 7f. 60) AC II 4, Nr. 4344 Z. 38f. Das Problem taucht auch einige Wochen später wieder auf (Nr. 4395 Z. 12–16), als Verena Cusanus daran erinnert, ihn in Anbetracht der Situation des Klosters um Rat gefragt zu haben, wie die Umsetzung der Klausurvorschriften erfolgen solle. Sie weist darauf hin, dass der Konvent sich an die Klausur zu halten versucht, wie das den Umständen entsprechend möglich sei, d.h. in solcher mass, das chain mensch zu uns in die besliessung get dan unsern diern, die uns kochen und warten. Interessant ist in diesem Zusammenhang auch der letzte Satz, der so klingt, als ob viele – vermutlich Mägde bzw. Bedienstete? – das Kloster aufgrund dieser Umstände verlassen hätten: Und wayz got wol, das wir grossen abganck haben, nach dem und unser gotzhauss dar zu nicht gelegen noch erpawt ist (Z. 15f.). 61) AC II 4, Nr. 4344 Z. 35f. 62) AC II 4, Nr. 4344 Z. 30. 57 58

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wie die Reformstatuten es vorsehen – die Versorgung im Klausurbereich über eine Seilwinde laufen soll oder dass die Nonnen auf gar keinen Fall das Kloster verlassen dürfen. Auch die Schlüsselgewalt kommt eigentlich der Äbtissin zu – was, wie Verena betont, bis jetzt niemals Anlass zum Misstrauen gab.63) Schließlich verlangt Verena auch die Erläuterung des Dekrets ‚Periculoso‘, also jenes päpstlichen Dokumentes, das die Klausur für Frauenklöster vorsah und das Cusanus immer wieder als Begründung und Rechtfertigung für sein Vorgehen erwähnt, ohne näher zu erläutern, um was genau es sich dabei handelt. Von solchen paternalistischen Kommunikationsmethoden lässt Verena sich keinesfalls einschüchtern, sondern sie klagt ihr Recht ein zu erfahren, was sie und ihre Nonnen dar in schuldig sein ze tun.64) Keineswegs ist sie also bereit, die Reform nur blind zu befolgen, sondern sie beharrt auf Begründung und Erklärung. Die Wurzel ihres Unverständnisses liegt sicherlich darin, dass es ihrer Meinung nach keinerlei Anlass gibt, Missstände im Konvent zu bemängeln. Dies betrifft in besonderer Weise ihre Aufgaben und Pflichten als Äbtissin, die sie nach dem Urteil der Visitatoren angeblich nicht recht erfüllt habe. Gegen diese Unterstellung verteidigt sie sich deutlich: Gott ist mein zewg, das ich dem gotzhawss mit ganczen trewen gewesen und noch bin.65) Mit dem Protestschreiben an Herzog Sigismund von Anfang März 1456 liegt ein weiterer wichtiger Text Verenas vor, den die Herausgeber der ‚Acta Cusana‘ mit Recht als ihre „bislang längste, schärfste und emotionalste Eingabe“ bezeichnen.66) In der Tat hat sich die Situation mittlerweile so zugespitzt, dass mit neuen sachlichen Argumenten kaum mehr zu rechnen ist. Der Herzog hatte sich mit Cusanus über die Absetzung Verenas und die Einsetzung Afras als Verweserin bis zur Einsetzung einer neuen Äbtissin geeinigt, um den Streit um Sonnenburg beizulegen.67) Dieser Schritt stößt bei Verena verständlicher Weise auf heftige Kritik. Erneut fällt auf, dass sie diese Kritik weniger als Einzelperson äußert, sondern betont im Namen des Konvents spricht: wie mein conventt aynhelliklich geantwurt hat.68) So erinnert sie den Herzog als Vogt und Schirmherr von Sonnenburg zunächst daran, dem Konvent und ihr zugesichert zu haben, sie zu beschützen; darauf habe sie sich auch verlassen, als sie mit vil mue, kost und arbait nach Rom appelliert habe.69) Nun droht die neue Regelung alles zunichte zu machen: Sollten sie und ihr Konvent diese Vereinbarungen akzeptieren, wer des wirdigen gotzhawss verderben.70) ) AC II 4, Nr. 4344 Z. 40–44, mit Anm. 8. ) AC II 4, Nr. 4344 Z. 45f. 65) AC II 4, Nr. 4344 Z. 12f. 66) AC II 4, Nr. 4686. 67) AC II 4, Nr. 4682f. 68) AC II 4, Nr. 4686 Z. 26. 69) AC II 4, Nr. 4686 Z. 1–7. 70) AC II 4, Nr. 4686 Z. 31. 63 64

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Zur Begründung nimmt Verena zu den einzelnen Punkten des Vertrags Stellung. Was die Aufhebung des Banns betrifft, zu der es nach ihrer Absetzung kommen soll, so betont sie das Unrecht dieser Strafmaßnahme und gibt ihrer Hoffnung – und wohl auch Überzeugung! – Ausdruck, dass sie vor dem almechtigen got nit in dem pann seyn.71) Auf diese ungewöhnliche, die Autorität des Kardinals in Frage stellende Bemerkung folgt eine zweite, die erneut auf das Unrecht verweist, das ihnen durch den Kardinal widerfahren ist. Dennoch erklären sich Verena und ihre Nonnen bereit, um die Absolution vom Bann zu bitten und die Reform zu befolgen – allerdings zu zwei Bedingungen, deren erste bereits mehrfach thematisiert worden war, nämlich nach der gelegenhait des gotzhawss72); aber auch, so fährt Verena fort, nach erkanndtnuss des rechten, davon man doch niemand dringen sol noch mag. Beide Argumente – sowohl das praktische, als auch das rechtliche – haben sich freilich als fruchtlos erwiesen: So hat uns das nicht helfen mugen.73) Was ihre Abdankung betrifft, so gibt Verena zu: So sehr das für ihre Ruhe und für sie selbst das beste wäre, so handelt es sich bei dieser Entscheidung doch nicht um rat und willen meiner conventfrawen; ganz zu schweigen von der Tatsache, dass sie sich mit einem solchen Verhalten selbst für schuldig erklären würde, als ob ich ein unnucze und unduchtige fraw ware und die abtey verschuldet hette. Und erneut thematisiert sie, das mir wider got und recht durch meinen herren den cardinal unrecht beschichtt.74) Auch gegen die Pläne, Afra von Velseck als Verweserin einzusetzen, protestiert Verena – immer im Namen ihres Konvents – vehement. Afra kann keine würdige Verweserin sein, da ihr wesen und herkomen anderes offenbaren: Sie hat sich als unzuverlässig, illoyal und charakterlich schwach erwiesen, wie im Folgenden noch genauer zu zeigen sein wird. So schadet sie dem Konvent als Verweserin nur, wie Verena mittels eines trefflichen Wortspiels hervorhebt: Es kund auch dem gotzhawss kayn nucz darauß entsten, als dann die fraw bißher ir wesen gefuert hat und sich selber nit wol verwesen hat. Die starke Tatsache, dass niemand Geringeres als der Papst Afras Einsatz unterstützt, beeindruckt Verena nicht; sie führt diesen Umstand ohne Umschweife darauf zurück, dass man – gemeint ist wohl: Cusanus! – ihn nie richtig über die Kandidatin aufgeklärt habe, und zweifelt nicht daran, dass er anders entscheiden würde, wenn er richtig über die Zusammenhänge informiert wäre.75 So emotional gefärbt diese Bemerkungen über Afra auch klingen mögen, so sollten sie nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Wahl Afras in der Tat ein unglücklicher Schachzug war, da sie hoffnungslos in die Streitigkeiten verwickelt war und damit

) AC II 4, Nr. 4686 Z. 34–36. ) Vgl. oben Anm. 60. 73) AC II 4, Nr. 4686 Z. 37–39. 74) AC II 4, Nr. 4686 Z. 45–48 bzw. 51. 75) AC II 4, Nr. 4686 Z. 53–63. 71 72

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als erheblich befangen gelten dürfte – selbst in dem Fall, dass Verena den Konvent verlassen hätte. Harte, aber auch scharfsinnige Worte findet Verena zum Thema der Einsetzung einer neuen, reformwilligen Äbtissin durch den Kardinal. Mit dieser Regelung hat Cusanus endgültig alles Verständnis verspielt: Ausgerechnet er, der von sich behauptet große Gottesfurcht zu besitzen und der ein hochgelehrter Herr ist, verwehrt dem Konvent das Grundrecht einer eigenen und unabhängigen Äbtissinnenwahl, wie es in ordnung und gesaczt unserer regell festgeschrieben ist; jene Ordnung und jenes Gesetz, zu deren Befolgung die Nonnen sich verpflichtet haben – ganz so, wie Verena fast süffisant betont, wie Cusanus selbst es ja immer wieder von ihnen eingefordert hat (wenn er sie an ihre Gelübde erinnerte76). Verena macht aber auch unmissverständlich deutlich, dass die ganze Problematisierung rund um die Neubestimmung der Äbtissin völlig überflüssig sei, da doch gar keine Notwendigkeit bestehe, eine neue Äbtissin wählen zu müssen: Ich getraw auch, das nicht notdurfft thu, noch ein wal zu tun, die weyl ich mein prelatur nicht verwurket han und das gotzhawss in allen sachen, das lanndkundig ist, vil gepessert und nicht gebosert hab.77) Erneut zeigt sich Verenas Selbstverständnis und -wahrnehmung als einer guten Äbtissin, die nichts anderes als das Wohl ihres Konventes im Auge hat und stets auf dessen Verbesserung, nicht Verschlechterung ausgerichtet ist. Zum Schluss des Dokumentes kommt Verena wieder auf kirchenpolitische Zusammenhänge zu sprechen und gibt zu bedenken, dass die Vereinbarung zwischen Cusanus und dem Herzog die Erfolgschancen ihrer Appellation in Rom erheblich schmälern könnte. Umb gottes und der gerechtikait willen bittet Verena – ich betruebte fraw – den Herzog noch einmal um seine Unterstützung.78) Eindrücklich zeigt das Schreiben, wie verhärtet die Fronten sind, aber dass Verena ebenso wenig zum Aufgeben bereit ist wie der Kardinal. In diesem Sinne ist es nicht verwunderlich, dass im weiteren Verlauf des Geschehens die Lage immer weiter eskaliert. Die Schreiben Verenas und ihres Konvents füllen sich immer stärker mit Klagen: wir armen betruebten frawen wird zur ständig wiederkehrenden Selbstbezeichnung.79) Interessant ist zu sehen, dass mit zunehmendem Maße der Emotionalisierung auch ein ausdrücklich religiöser Zug zum Vorschein kommt. Hatte Cusanus bereits recht früh im Konflikt immer wieder darauf hingewiesen, dass ihm nichts anderes als das Seelenheil der Nonnen am Herzen liege80), so ) So z.B. AC II 1, Nr. 2757 Z. 13–15 und 20–22, sowie Nr. 2842. ) AC II 4, Nr. 4686 Z. 64–75. Ob sich hinter der Formulierung gepessert und nicht gebosert erneut ein Wortspiel versteckt oder ob es sich einfach um die Gegenbegriffe bessern und bösern handelt, muss offenbleiben. 78) AC II 4, Nr. 4686 Z. 82–101. 79) So z.B. in AC II 5, Nr. 5138 und Nr. 5226; AC II 6, Nr. 5369 und 5708. 80) So etwa AC II 1, Nr. 2746 Z. 33–35; AC II 2, Nr. 3689 Z. 8f.; AC II 3, Nr. 4164 Z. 67; AC II 4, Nr. 4388 Z. 21f. 76 77

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bedient sich nun auch Verena zunehmend religiöser Argumente, um gegen den Kardinal Stellung zu beziehen: Beschworen werden etwa das Jüngste Gericht und die Güte Gottes81), der göttliche Wille und der allmächtige Gott82), aber auch die Jungfrau Maria, die den Nonnen auf ihrer Flucht vor Cusanus geholfen hat, das wir in sein entgangen.83) 3. Frauensolidarität und Männerfreundschaft? Dass die Anrufung der Jungfrau Maria – ganz abgesehen davon, dass sie die Schutzpatronin des Klosters Sonnenburg war – nicht willkürlich gewählt war, sondern aufgrund der besonderen Verbundenheit der Gottesmutter mit dem weiblichen Geschlecht, zeigt ein Brief Verenas an Eleonore, die Frau des Herzogs, die während seiner Abwesenheit vom April 1456 bis zum Mai 1457 die Regierungsgeschäfte führte. Darin bittet Verena der Herzogin um ihre Unterstützung und schreibt ihr die Aufgabe zu, die verwaisten, elenden und bedrückten Nonnen zu beschirmen bzw. sich zu Ehren der Jungfrau Marias des weiblichen Geschlechtes zu erbarmen.84) Die Briefe, die Verena an Eleonore schreibt85), sind deshalb interessant, weil die Äbtissin Eleonore nicht einfach als Vertreterin ihres Mannes anschreibt, sondern bewusst als Frau, deren Rolle als Fürsprecherin des Sonnenburger Konvents sich über eine spezifische Form weiblicher Zusammengehörigkeit definiert. Dies wirft die Frage auf, ob sich auch in anderen Zusammenhängen eine besondere Form von Frauensolidarität finden lässt, die den frauengeschichtlichen Hintergrund der ungewöhnlichen Persönlichkeit der Verena von Stuben zu erhellen hilft – und nicht zuletzt zu der Frage führt, inwiefern nicht auch Cusanus sich in seinem Vorgehen auf einen Typus männlicher Freundschaft zu stützen wusste. Die ‚Acta Cusana‘ II halten auch in dieser Hinsicht einige Details bereit. In ihrem Bericht über die Verhandlungen mit Cusanus von Ende Juli 1454 schildert Verena, wie der Kardinal im Kloster Zwietracht zu säen versucht, indem er die Nonnen von ihrer Äbtissin und schließlich auch untereinander zu isolieren bzw. die Dechantin Afra gegen Verena auszuspielen versucht.86) Wie bereits ge) AC II 5, Nr. 5137 Z. 12f. und 20. ) AC II 6, Nr. 5369 Z. 4f. und 9; Nr. 5708 Z. 1f., 7f., 17f. 83) AC II 6, Nr. 5594 Z. 15f. 84) AC II 6, Nr. 5592 Z. 17–21: Genadige fraw, wir armen verbaisten frawen manen ewr furstlich gnad, das wir die ewren synd und das euch der almachtig got darczw geornett hat, das ir die ellenden und verdrukchten beschirmen solt. Darumb rueffen wir ewr furstlich gnad an, ihr habt derparmd uber das weiplich geslacht, cze eren der junkfraw Maria, und ewr gnad mach uns unsern frewndt ledig und last uns aus ewrm scherm nit cziehen, ir helfft uns vor cze verhorung und cze recht, wie wir den das vormalns manigkvaltigklich begert haben. 85) Vgl. oben Anm. 26. 86) AC II 3, Nr. 4039 Z. 26–33 und 65–71; vgl. auch oben Anm. 53. 81 82

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sagt, hatte der Kardinal in der Tat Kontakt zu Afra aufgenommen und die Äbtissin dabei bewusst ignoriert; offensichtlich in der Hoffnung, über die Dechantin an der Äbtissin vorbei Einfluss auf die Nonnen nehmen zu können. Die Pläne gehen allerdings nicht auf, da die Nonnen das Spiel nicht mitspielen, inklusive Afra, die der Kardinal daraufhin von gewappent lewt … wider unser regel, orden und brevilegie abführen lässt, freilich nicht ohne sich dabei auf seine päpstliche Vollmacht zu berufen. Entrüstet und vielleicht auch mit einem Hauch Ironie kommentiert Verena das Geschehen mit der Bemerkung, dass es nur schwer vorstellbar sei, dass es dem Willen und der Meinung des Papstes entspräche, dass eine geweihte Frau sich in dieser Form außerhalb ihres Klosters aufhalte.87) Offensichtlich aber ändert Afra daraufhin ihre Meinung zugunsten des Kardinals und Cusanus setzt seine Taktik, die solidarischen Frauen voneinander zu isolieren, fort, indem er kurzerhand – erneut die Äbtissin ignorierend – sechs der Nonnen namentlich anschreibt, sie des Ungehorsams bezichtigt und ihnen die gehorsame und willige Afra als Vorbild vor Augen stellt.88) Allerdings scheint das den Zusammenhalt der Nonnen eher bestärkt zu haben, denn in seinem Bericht der Lage an den Pfarrer von St. Lorenzen am 3. Dezember 1454 spricht Cusanus mehrfach von Verenen und allen iren anhangen.89) Dazu gehört nun auch wieder Afra, die offenkundig wieder zu den ‚Anhängerinnen‘ Verenas zählt, wie aus einem gemeinsamen Schreiben an Cusanus vom April 1455 hervorgeht.90) Daraufhin greift der Kardinal zu stärkeren Maßnahmen: Er schreibt am 3. Mai 1455 mit Ausnahme der Äbtissin separat an jede einzelne Nonne und fordert sie unter Androhung kirchlicher Strafen auf, innerhalb von acht Tagen ihre Bereitschaft zur Reform zu erklären. Die Herausgeber der ‚Acta Cusana‘ rekonstruieren, dass es sich um jeweils gleichlautende Briefe handelte, so dass klar ist, dass Cusanus von jeder einzelnen Nonne eine individuelle Antwort erwünschte.91) Die Antworten lassen nicht lange auf sich warten – allerdings nicht so, wie Cusanus es erwartete: Am 9. Mai gehen sieben in der Ich-Form verfasste, jedoch gleichlautende Briefe bei Cusanus ein, alle geschrieben von Jörg Ragant, Richter zu Sonnenburg. Gnediger herr, so äußert sich darin jede Nonne „individuell“, laz ich ewr gnad wissen, das mein fraw die apptessin und das gancz convent halten, wie obgemelt ist, als verrer ichs verste und hin

87) AC II 3, Nr. 4039 Z. 71–75. Inwiefern es sich bei dieser Bemerkung auch um eine Anspielung auf das päpstliche Dekret ‚Periculoso‘ handelt, in dem das Problem von sich außerhalb der Klostermauern frei bewegenden Nonnen als Grund für die Anordnung zu strengen Klausur betrachtet wird (vgl. unten Anm. 123), muss offenbleiben. 88) AC II 3, Nr. 4041. 89) AC II 3, Nr. 4164 Z. 41, 53, 56 und 100. 90) AC II 3, Nr. 4331. 91) AC II 3, Nr. 4337, mit Anm. 1. Vgl. auch Woelki, Thomas, Die Quellen der Acta Cusana und ihre Auswertungsmöglichkeiten, in: AC II 7, 1927–1963, 1949.

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fur tun wellent in mass …92) Mit einer solch subtil subversiven Aktion hatte Cusanus nicht gerechnet und erbost antwortet er postwendend jeder einzelnen Nonne – erneut die Äbtissin auslassend –, dass er nicht die Antwort des Ragant, sondern die jeweils persönliche Bestätigung der Reformbereitschaft auf der Basis des (ebenso persönlichen) Eides jeder Nonne erbeten hatte: Dar umb halten wir das nit fur ain anttwurtt und begern noch an dich, das du uns schriftlich auff den aydt antwurtest auff unsern brieff und yeglichen artikel besunder mit deiner hant alz fur dich. Vermutlich weniger im ernstgemeinten Sinne als vielmehr vorbeugend, falls die Nonnen sich dieser Ausrede bedienen sollten, fügt er hinzu: War aber, das du selbs nit kundt schreyben, so erlawben wir dir, das ain andre klosterfrawe dein antwurtt schreyb; und was sy von deinen wegen schreiben wirt, bey ir in gehaym halde. Das Schreiben endet mit der bereits bekannten Strafandrohung.93) Demonstrativ erfolgt die Antwort gemeinsam von abtessin und convent, mitunterschrieben von Afra, ohne auf die erneuerte Forderung des Kardinals einzugehen. Stattdessen erbitten die Nonnen zum wiederholten Mal die Erläuterung und deutsche Übersetzung der Reformcharta.94) Cusanus richtet seine Antwort indes wieder nur an Afra, beschwert sich über das Vorgehen und setzt sie weiterhin unter Druck. Zunächst zeigt er sich enttäuscht über ihr Verhalten – nu nympt uns wunnder, das ir solchz schreybt –, um ihr dann zu versichern, dass er sie doch eigentlich gar nicht bannen wollte; sodann redet er ihr ins Gewissen – da wist ir wol, daz nit nott ist – und versucht auf diese Weise, sie auf seine Seite zu ziehen.95) Parallel zu diesen Aktionen, die die uneingeschränkte Solidarität der Nonnen mit ihrer Äbtissin und untereinander zum Ausdruck bringen, mischt sich Herzogin Eleonore in das Geschehen ein, indem sie Cusanus mit Schreiben vom 24. Mai 1455 bittet, mit der Ergreifung weiterer Maßnahmen bis zur Rückkehr ihres Mannes zu warten.96) Zurecht wittert Cusanus (weibliche?) Verschwörung und beschwert sich erneut bei Afra über die Einschaltung der Herzogin. Ohne Verenas Namen zu nennen, macht er doch unmissverständlich klar, dass er sie als die Drahtzieherin betrachtet, die dafür verantwortlich ist, das ihr ainveltiklich geczogen wert in die sachen, dir ir must lassen geschehen und nit wol wenden mugt.97) Eleonore ist indes auch nicht untätig – als sie nach zwei Wochen von Cusanus noch keine Antwort erhält, hakt sie nach, warum er ihr noch nicht geantwortet habe, aber stattdessen die Frauen – Äbtissin, Dechantin und Konvent – mit seinem Schreiben bekümmerte.98) ) AC II 3, Nr. 4350 Z. 5–7; vgl. auch Anm. 1. ) AC II 3, Nr. 4351. 94) AC II 3, Nr. 4355. 95) AC II 3, Nr. 4356 Z. 15 und 25. 96) AC II 3, Nr. 4369. 97) AC II 3, Nr. 4370 Z. 17f.; vgl. auch Z. 25–27. 98) AC II 4, Nr. 4385 Z. 4–7. 92 93

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Während von September 1455 noch ein Verena unterstützendes Schreiben der Sonnenburger Nonne Veronika von Thun erhalten ist, in dem sie ihre Vettern hilfesuchend auf den Ernst der Lage aufmerksam macht, weil Cusanus sie vorgeladen habe99), wird aus einem Schreiben des Kardinals vom 8. Januar 1456 an Afra ersichtlich, dass er sie als Verweserin des Klosters einsetzt.100) Offensichtlich hat Afra also erneut die Fronten gewechselt. Die nächste Strafmaßnahme des Kardinals zwei Tage später – ein totales Verkehrsverbot – bezieht sich folglich ausschließlich und unter namentlicher Nennung auf Verena sowie sechs weitere Konventsfrauen, die ihr offenbar treu geblieben sind.101) Dass diese innerhalb der Klostergemeinschaft verlaufende Front Streit nach sich zog, zeigt Verenas Appellation gegen Afras Einsetzung vom 1. Februar 1456102) sowie die oben bereits erwähnte Kritik an der Persönlichkeit Afras.103) Die Solidarität einiger Nonnen mit ihrer Äbtissin hielt an: Noch genau ein Jahr später findet sich unter den Dokumenten eine Supplik der armen betrubten frawen an den Herzog, die von Verena und neun Nonnen namentlich unterschrieben ist. Die Herausgeber der ‚Acta Cusana‘ machen darauf aufmerksam, dass die drei letztgenannten hier zum ersten Mal auftreten und somit offensichtlich erst kürzlich beigetreten waren.104) Verenas Beispiel scheint also zumindest nicht für alle abschreckend gewesen zu sein. Und als die Lage sich wegen der Schlacht im Enneberg dramatisch zuspitzt und Verena am 8. April 1458 die Flucht ergreift105), folgen ihr die meisten Nonnen – was Afra von der gegnerischen Seite freilich dazu führt, ain gross mitleiden und erparmenn mit ihnen zu haben, das si sich die Stuberin haben lassen verfuren und ir auss dem kluster nach gevolgt.106) Wie auch immer man im Einzelnen die Solidarität der Frauen untereinander bewerten möchte, so wird doch deutlich, dass Verena nicht alleine stand, sondern einen Kreis an Unterstützerinnen hatte, die sich vermutlich um so verbundener miteinander fühlten, je bedrohlicher die Lage wurde. Die ‚Acta Cusana‘ II zeigen jedoch auch, dass Cusanus ebenfalls in seinem Kampf gegen Verena Unterstützer hatte, denen die Geschlechterdifferenz bewusst war und die das zu ihren Gunsten auszulegen versuchten. Die Rede ist von Bernhard von Waging, dem Cusanus immer wieder über den Streit berichtet. Dem Kontext dieser Briefkommunikation entspringt nämlich die Bezeichnung Verenas als ‚Jezabel von Sonnenburg‘, was schon Hermann Hallauer zurecht dazu führte, Cusanus an dieser Stelle „nahezu ) AC II 4, Nr. 4522. ) AC II 4, Nr. 4643. 101) AC II 4, Nr. 4647 Z. 17–19. 102) AC II 4, Nr. 4657. 103) Vgl. oben Anm. 75. 104) AC II 5, Nr. 5138, mit Anm. 1. 105) AC II 6, Nr. 5594 und 5600. 106) AC II 6, Nr. 5604 Z. 32f. 99

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irrationale Reflexe“ zuzuschreiben.107) Namensgeberin ist die alttestamentliche Königin Isebel aus 2 Kön 9, in der sich die ausschließlich weiblich konnotierten Motive der bösen Königin, der Hexe und der Verführerin vereinen. Bernhard gibt Cusanus schon früh, im Februar 1454, Anregungen, wie er mit dem Fall Sonnenburg umzugehen hat. Dazu zählt der deutliche Hinweis, dass sowohl bei der Äbtissin als auch bei den Schwestern ein guter Wille nur scheinbar vorliegt, da er sich auf bloße Worte beschränkt und erzwungen ist.108) Leider führt das Bernhard auch dazu, dem Konvent ein eigenes geistliches Interesse abzusprechen. Er empfiehlt Cusanus deshalb, einige reformwillige Nonnen von Salzburg nach Sonnenburg zu transferieren.109) In einem weiteren Brief kurz später votiert er dafür, Sonnenburg in ein Männerkloster umzuwandeln, da die Umsiedlung der Nonnen vermutlich auch wieder nur gezwungener Maßen erfolgen müsste.110) Im April 1454 fällt schließlich zum ersten Mal bei Bernhard die Benennung der Verena als Jezabel.111) Allerdings scheint Bernhard diesen Vergleich mit sehr viel mehr Phantasie zu betreiben als Cusanus, der sich in seinen Briefen höchstens dazu hinreißen lässt, Verena-Jezabel eine Rebellion sowie Hochmut zuzuschreiben und sich ansonsten auf die Darstellung der Ereignisse konzentriert.112) Bernhard hingegen steigert sich geradezu in den Vergleich hinein und lässt sich folglich auch zu einigen merkwürdigen Aussagen über Männlichkeit hinreißen. Das ist allerdings auch dem Charakter seiner Schrift geschuldet, die – in Anspielung auf die alttestamentlichen threni – in Form eines Klagelieds gekleidet ist.113) Hier richtet sich das Klagelied auf die gescheiterte Reform des Klosters St. Georgenberg114), was ) Hallauer, Nikolaus von Kues und die Visitation (wie Anm. 4), 238. ) AC II 2, Nr. 3824 Z. 23f: quia tam in abbatissa quam in sororibus voluntas bona non est nisi verbalis et coacta. 109) AC II 2, Nr. 3824 Z. 24–30. So auch Nr. 3924 Z. 5–8. 110) AC II 2, Nr. 3828 Z. 14: mutare sexum non ordinem. Cusanus hält diese Idee für nicht durchsetzungsfähig, vgl. Nr. 3876 Z. 6–8. 111) AC II 2, Nr. 3923 Z. 48–52. 112) AC II 3, Nr. 4103 Z. 10 und 19; AC II 4, Nr. 4450 Z. 19–25. Ein weiteres Mal wird Jezabel in einem undatierten Brief des Bernhard erwähnt, als dessen nicht genannten Adressaten die Herausgeber der ‚Acta Cusana‘ Michael von Natz, den Generalvikar des Cusanus, vermuten: AC II 4, Nr. 4379 Z. 29f. Vgl. hierzu auch Woelki, Thomas, Cusanus im Dialog mit den Mönchen von Tegernsee. Kommunikative Strategien und Akzeptanzressourcen, in: Euler, Walter Andreas (Hg.), Nikolaus von Kues – Denken im Dialog, Berlin 2019, 211–229, 216f. Dies würde bedeuten, dass die Benennung Verenas als Jezabel bereits weitere Kreise gezogen hatte. 113) Offensichtlich eine Gattung, die Bernhard gefiel (vgl. auch die Beschreibung zu AC II 2, Nr. 3923): Ein ähnliches Klagelied bildet den dritten Teil seiner ‚Epistola contra illicitum carnium esum‘; vgl. hierzu Treusch, Ulrike, Bernhard von Waging († 1472), ein Theologe der Melker Reformbewegung: Monastische Theologie im 15. Jahrhundert? (Beiträge zur historischen Theologie 158), Tübingen 2011, 238, 245f., 251. 114) Vgl. Baum, Wilhelm/Rauter, Karl, Bernhard von Waging († 1472): „Klagelieder über St. Georgenberg“. Das Scheitern einer Klosterreform des Nikolaus Cusanus (1454/54), in: Der Schlern 57 (1983), 482–494. 107 108

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Bernhard Anlass zu einer Parallelisierung mit Sonnenburg gibt: Nicht nur auf dem Georgenberg, sondern auch auf diesem Berg sitzt nämlich eine Jezabel, ein Ungeheuer (belua), das die die Seelen verführt, ins Verderben reißt und tötet, und das verjagt und weit weg vertrieben werden wird. Aber auch ihr Samen – so lässt Bernhard Gott persönlich zu Cusanus sprechen –, der sich momentan in Sonnenburg findet (semen Jezabelis in Sonnenburg, quod nunc est), wird zur Fruchtlosigkeit verurteilt. Nach seiner Ausrottung soll ein neuer Samen gestreut werden, und zwar ein gesunder und reiner männlicher Samen (semen virile sanum et purum), der, selbst wenn er ein wenig verderbt wäre, immer noch mehr darstellt als ein gänzlich geläuterter weiblicher Samen. Denn – so zitiert Bernhard Sir 42,14 – „besser ist die Schlechtigkeit eines Mannes“, der immerhin ein Mann ist, „als eine Gutes tuende Frau“. Die Konsequenz für Cusanus ist eine deutliche Aufforderung: „Handle männlich (age viriliter) und lass nicht nach in den Dingen, die ich dir befehle, und schmähe meine Reden nicht. … Sagt der allmächtige Gott.“115) Der Text gibt Rätsel auf116) oder zumindest entzieht er sich einer vorschnellen frauenfeindlichen Deutung. Denn bei genauerem Hinsehen hält Bernhard es mit der Geschlechterzuordnung nicht so genau. Nicht nur, dass Jezabel ein Same zugeordnet wird – und sei es auch ein schlechter –, passt nicht in das Bild. Noch offensichtlicher wird das, wenn sich zeigt, dass Bernhard von zwei Jezabels ausgeht, die es zu vertreiben gilt, weil sie die Seelen verführen, und die auf zwei verschiedenen Bergen sitzen: Est una in monte, de quo nunc sermo, bestia horrenda. Est in monte altero Jezabel altera, fortasse crudelior belua.117) Ihre üblen Machenschaften, insofern beide interfectrix animarum, also Seelentöterin genannt werden, werden ausdrücklich im Plural beschrieben. Der Vergleich hinkt an dieser Stelle aber insofern, als dass in Georgenberg ausschließlich ein Mann, vermutlich der Abt, als Jezabel in Frage kommt, da es sich um ein Männerkloster handelte. Ich tendiere dazu davon auszugehen, dass Bernhard an dieser Stelle schlicht und ergreifend nicht ernst zu nehmen ist, sondern in satirischer Absicht spricht; auch die Herausgeber der ‚Acta Cusana‘ sprechen in ihrer Beschreibung des Dokumentes von „karikierendem Einschlag“. Wie auch immer man die Nennung der Jezabel und die Aufrufe zum männlichen Handeln an dieser Stelle interpretieren will, Cusanus hatte in Bernhard einen verständigen Zuhörer und gleichgesinnten Unterstützer gegen die weibliche Rebellion.

) AC II 2, Nr. 3923 Z. 55–57. ) Auch Woelki, Cusanus im Dialog (wie Anm. 112), 226f., spricht von einem ‚merkwürdigen Text‘, deutet ihn jedoch insgesamt als „eine kaum verhohlene, frustrierte Abrechnung mit allen Beteiligten, auch Nikolaus von Kues, der die armen Visitatoren in eine vergebliche Mission geschickt habe und sie dann im Stich ließ.“ 117) AC II 2, Nr. 3923 Z. 49f. 115 116

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Schluss Viele weitere Aspekte ließen sich behandeln, was aus Platz- und Zeitgründen leider nicht möglich ist. Zwei Punkte möchte ich zum Schluss erwähnen: Der eine betrifft einige verstreute Hinweise auf Verenas Gesundheitszustand bzw. ihre körperliche Verfassung. In einem Gedächtnisprotokoll von Februar 1453 wird festgehalten, dass Verena Cusanus um einen Aufschub bittet, uncz sich ir sachen als von leibz blodichait wegenn etzwas zu pezzerung kert.118) Als Johann von Westernach ein Jahr später Cusanus mitteilt, dass die Äbtissin zur Resignation bereit sei, wird als ein Grund auch kranckhait und blodikait mit der sy layder beswart und beladen ist, genannt.119) Ende Mai 1454 greift Nicolaus das selbe Argument in seiner Supplik an den Papst offensichtlich auf, denn er spricht in Bezug auf die geplante Abdankung von Verena als infirmitatibus eciam corporalibus plurimum subiecta.120) Ob es sich bei dieser Angabe um einen vorgeschobenen Grund handelte oder ob Verena wirklich eine schwache Konstitution besaß, kann schlussendlich nicht beantwortet werden. Es liegt höchstens die Vermutung nahe, dass eine offensichtliche und anerkannte körperliche Schwäche Verenas nicht vorliegt, da sie in den Streitigkeiten um Sonnenburg ein willkommenes Argument gewesen wäre, das sich sowohl der Kardinal als auch die Äbtissin stärker zu eigen gemacht hätten, als die Textzeugen es dokumentieren. Der zweite Punkt betrifft das völlig Fehlen jeglicher Hinweise auf ein sexuelles Fehlverhalten der Äbtissin und der Nonnen. Wohl ruft Cusanus ihnen die Keuschheit als Teil ihres Gelübdes in Erinnerung121), aber es findet sich kein einziger Anhaltspunkt, der darauf hinwiese, dass dies aus gegebenem Anlass in besonderer Weise erforderlich gewesen wäre. Dieser Umstand, der freilich schon mehrfach konstatiert worden ist122) und hier nur noch einmal ausdrücklich bestätigt werden soll, ist für die Bewertung der Ereignisse nicht unwichtig, da er das insbesondere in ‚Periculoso‘ heraufbeschworene Bild der außerhalb ihres Klosters herumvagabundierenden Nonne, die die Zügel ihrer Sittlichkeit wegwirft und schamlos ihren klösterlichen Anstand und das Schamgefühl ihres Geschlechtes abwirft (quae, honestatis laxatis habenis et monachali modestia sexusque verecundia impudenter abiectis, extra sua monasteria nonnumquam per habitacula saecularium personarum discurrunt123), erheblich

) AC II 1, Nr. 3076 Z. 11f. ) AC II 2, Nr. 3851 Z. 9. 120) AC II 2, Nr. 3970 Z. 5f. 121) So etwa AC II 1, Nr. 2842 Z. 3. 122) Vgl. Spahr, Nikolaus von Cues (wie Anm. 36), 318f.; Baum, Sonnenburg (wie Anm. 15), 648; Hallauer, Eine Visitation (wie Anm. 4), 229. 123) c. Periculoso (VI 3.16.1), ed. Emil Friedberg, Corpus iuris canonici, 2 Bde., Leipzig 1879 (ND Graz 1955–1959), Bd. II, 1053. 118 119

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in Frage stellt. Hätte es nur die geringsten Anzeichen solchen Fehlverhaltens gegeben, wäre das sicherlich sofort von den Visitatoren ausgeschlachtet worden. Was Cusanus Verena und den Nonnen immer wieder vorwirft, ist stattdessen Ungehorsam gegenüber seinen Anweisungen. Vielleicht zeigt sich an dieser Stelle am deutlichsten die Diskrepanz, die zwischen Theorie und Praxis bei Cusanus besteht. Denn in der Theorie, d.h. in seinen geistmetaphysisch-anthropologischen Überlegungen, vertritt er die Konzeption eines lebendigen Gehorsams (viva oboedientia), der mit der Freiheit und Würde des Menschen als des lebendigen Abbild Gottes Hand in Hand geht; in der konkreten Reformpraxis ist davon freilich nicht mehr viel zu spüren.124)

124) Vgl. Mandrella, Isabelle, Reformhandeln und spekulatives Denken bei Nicolaus Cusanus. Eine Verhältnisbestimmung, in: Frank, Thomas/Winkler, Norbert (Hg.), Renovatio et unitas – Nikolaus von Kues als Reformer. Theorie und Praxis der reformatio im 15. Jahrhundert (Berliner Mittelalter- und Frühneuzeitforschung 13), Göttingen 2012, 37–51, insbes. 45–50.

II. BISCHOFS- UND LANDESHERRSCHAFT

Das Bistum Brixen unter Bischof Ulrich Putsch (1427‒1437) Ständiges Ringen mit den Grafen von Tirol im Vergleich zu Cusanus Thomas Horst

D

er Tiroler Chronist Christoph Wilhelm Putsch (1542–15721) vermerkt in seinen ab 1564 handschriftlich zusammengestellten Collectanea rerum memorabilium Tirolensium über das rund ein Jahrhundert davor erfolgte Ableben des bedeutenden Kardinals Nikolaus von Kues (Nicolaus Cusanus, 1401–1464), der zu den bedeutendsten Persönlichkeiten des Humanismus zählte und einer der schillerndsten Bischöfe von Brixen war, folgendes: 1464, XII die Mensis Augusti, in Vigilia Sancti Cassiani Martyris, primi episcopi Sabionensis (qui hodie Brixinensis vocatur), valedixit mortalium conversationi, spiritumque Deo reddidit Tuderti, civitate Vmbriae in Italia, illustrissimus, ac Reverendissimus in Christo Pater, ac Dominus, Domnus Nicolaus de Cusa Treverensis, Germanus, miseratione divina Sacrosanctæ Romanæ ecclesiæ Sancti Petri ad Vincula tituli Eudoxiæ Presbyter Cardinalis, Apostolicæ Sedis per totam Alemanniam, et nonnulla alia regna ac Provincias a Latere Legatus: Almæ cathedralis Ecclesiæ Brixinensis Episcopus dignissimus ac S(ancti) R(omani) Imperii princeps præstantissimus eminentissmusque Sacro Sanctæ Theologiæ ac iuris Vtriqusque Doctor, in omnique Philosophia Incomparabilis, ac plane divinus Vir, quod ingenij eius nobilissimi multiplices eruditissimæque foeture quae omnes extant, abunde et luculenter contestantur. Obijt autem diginitatis cardinalitiae anno sextodecimo, Pontificatus Brixinensis decimoquinto ætatis vero suæ anno tertio, et sexagesimo. Cadaver Romam relatum in titulo suo honorifice sepultum est. Mortuo igitur Nicolao Cardinale Brixinensi, eadem Ecclesia summo suo malo in grave Schisma incurrit, siquidem Canonici Capitulares consentiente serenissimo Austriæ Archiduce Sigismundo, eiusdem Sedis Advocato, in futurum Præsulem elegerunt communibus

1 ) Horst, Thomas, Art. Christoph Wilhelm Putsch (1542–1572), in: Bautz, Friedrich Wilhelm u.a. (Hg.), Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon (BBKL), XLIII. Band, Ergänzungen XXX (2021), 1233–1247, online: .

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Thomas Horst

auspicijs Reverendum, doctrina, vitaque omni probatissimum Senem, Dominum Georgium eius nominus tertium, Golserum …2)

Die knappe und nüchterne Darstellung des Tiroler Historiographen aus dem 16. Jahrhundert, auf die auf derselben Seite ein längerer Passus zum Nachfolger des Nikolaus von Kues im Bischofsamt von Brixen, Georg Golser (reg. 1464– 1488), folgt, zeigt, dass die Bewertung des Wirkens von Nikolaus als Seelenhirte von Brixen sich nicht allzu sehr von seinen Vorgängern unterschied. Dieses war jedoch aufs Engste mit dem Ringen um die Vorherrschaft im mittleren Alpenstück mit dem Landesherren, Herzog Sigmund von Tirol ‚dem Münzreichen‘ (1427– 1496, reg. ab 14463) verbunden. Bereits im Januar 1461 stellte dessen gelehrter Rat Laurentius Blumenau in einem Brief an den Nürnberger Arzt Hermann Schedel (1410–1485) in Abwandlung eines Vergilverses die Frage: „Wer hat hier je den Cusanus geliebt?”4). Das patriotisch-vernichtende Urteil, das Tiroler Historiker wie der Benediktiner Albert Jäger (1801–18915), aber auch Josef Egger (1839–1903) oder Otto Stolz (1881–1957) später über die ‚cusanische Epoche’ in Brixen fällten, wurde erst mit den umfangreichen Detail-Studien von Hermann Josef Hallauer (1926–20136) und Wilhelm Baum7) revidiert. Mittlerweile liegt mit den sieben Lieferungen zu Band II der Acta Cusana eine umfangreiche, exzellente Dokumentation von mehr als 3300 Quellenstücken zur Lebensgeschichte des Nikolaus von Kues vor. Diese umfassen die Zeit vom 1. April 1452 (als der Kardinal nach seiner Legationsreise durch die deutschen Lande im Bistum Brixen einzog, zu dessen Bischof er bereits 1450 nach dem Tode

2) Innsbruck, Universitäts- und Landesbibliothek Tirol, Cod. 825 und 826, hier Cod. 826, f. 84. Cusanus ist aber bereits am 11. August 1464 und nicht (wie hier angegeben am 12. August) verstorben. Mit in titulo suo ist seine Titelkirche S. Pietro in Vincoli gemeint, wo sich auch das Grab des Kardinals befindet. 3) Baum, Wilhelm, Sigmund der Münzreiche. Zur Geschichte Tirols und der habsburgischen Länder im Spätmittelalter (Schriftenreihe des Südtiroler Kulturinstitutes 14), Bozen 1987. 4) Hallauer, Hermann J., Nikolaus von Kues als Bischof und Landesfürst in Tirol (Trierer Cusanus Lecture 6), Trier 2000, 6. Der Text ist gedruckt bei Chmel, Joseph, Bericht über die von ihm im Frühjahr und Sommer 1850 unternommene literarische Reise, in: Sitzungsberichte. Akademie der Wissenschaften in Wien, Philosophisch-Historische Klasse 5,2 (1850), 361–450, 591–728, hier 699f. S. künftig AC III 3. 5) Jäger, Albert, Der Streit des Cardinals Nicolaus von Cusa mit dem Herzoge Sigmund von Österreich als Grafen von Tirol. Ein Bruchstück aus den Kämpfen der weltlichen und kirchlichen Gewalt nach dem Concilium von Basel, Innsbruck 1861. 6) Hallauer, Hermann J., Nikolaus von Kues, Bischof von Brixen 1450–1464. Gesammelte Aufsätze, hg. von Erich Meuthen und Josef Gelmi (Veröffentlichungen der Hofburg Brixen 1), Bozen 2002. 7) Baum, Wilhelm, Nikolaus Cusanus in Tirol. Das Wirken des Philosophen und Reformators als Fürstbischof von Brixen (Schriftenreihe des Südtiroler Kulturinstitutes 10), Bozen 1983.

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seines Vorgängers Johann V. Röttel [reg. 1444–14508] ernannt worden war), und reichen bis in das Jahr 1458, als seine Bischofsherrschaft ihren dramatischen Höhepunkt erreichen sollte: Die tiefgreifenden Gegensätze zum Tiroler Landesherren9) gipfelten in den wiederholten tätlichen Übergriffen auf den Bischof während seiner Reise zur herzoglichen Residenz nach Innsbruck im Juni/Juli 1457 (‚Wiltener Überfall‘10) und seinem anschließendem Rückzug auf die Burg Andraz in Buchenstein. Wenig später eskalierte am 5. April 1458 der Konflikt mit dem Benediktinerinnenkloster Sonnenburg in der sog. ‚Schlacht im Enneberg‘11), wo bischofstreue Bauern mehr als 50 Personen aus einer Söldnertruppe des Klosters töteten12), wofür man Nikolaus von Kues eine Mitschuld gab.13) Die Abreise des Kardinals nach Rom erfolgte nur wenige Monate später, im September desselben Jahres.14) Da er sein Tiroler Bistum, das er bis zu seinem Tod innehatte, nach dem Überfall in Bruneck (der mit der Gefangennahme und Vertreibung des Cusanus im April 1460 endete 15 ) selbst nie mehr betreten sollte, beschränkte sich seine 8) Zum Wirken von Bischof Johann V. Röttel († 28. Februar 1450) vgl. den Beitrag von Clémence Revest in diesem Band sowie Sparber, Anselm, Die Brixner Fürstbischöfe im Mittelalter. Ihr Leben und Wirken, Bozen 1968, 137–139. Nach dessen Tode wurde vom Domkapitel am 14. März 1450 als Nachfolger zunächst der Domherr Leonhard Wiesmair (um 1400–1458, am 5. März zum 1453 Bischof von Chur ernannt, aber erst 1456 durch Papst Calixt III. bestätigt) gewählt. Eine Ausnahmeregelung des Wiener Konkordats vom 17. Februar 1448 gab Papst Nikolaus V. das Recht, Einspruch zu erheben und einen eigenen Kandidaten ins Spiel zu bringen, was er am 23. März 1450 mit der Ernennung von NvK tat (AC I 2, Nr. 872–878), s. auch Baum, Wilhelm/Senoner, Reimund (Hg.), Nikolaus von Kues, Briefe und Dokumente zum Brixner Streit, Bd. I: Kontroverse um die Mystik und Anfänge in Brixen (1450–1455), Wien 1998, 30f. Mit der Bischofsweihe des Cusanus am 26. April (AC I 2, Nr. 887) konnte sich der Papst zugleich eines „unbequemen Kritikers“ entledigen, s. Hallauer, NvK als Bischof und Landesfürst (wie Anm. 4), 10. Wiesmair verzichtete am 15. März 1451 bei einer Zusammenkunft mit dem Kardinal in Salzburg auf die Bischofswahl (AC I 3a, Nr. 1103), s. Baum, Wilhelm, Nikolaus Cusanus und Leonhard Wiesmair. Der Kardinal und sein Gegenspieler, Kanzler von Tirol und Bischof von Chur, in: Der Schlern 57 (1983), 433– 442. 9) Pavlac, Brian A., Nicolaus Cusanus as Prince-Bishop of Brixen (1450–1464). Historians and a Conflict of Church and State, in: Historical Reflections/Réflexions historiques 21 (1995), 131– 154. 10 ) AC II 6, Nr. 5265, 5269, 5274–5282, 5285–5287, 5291 f., 5296, 5298–5300. Zur ‚Wiltener Affäre‘ vgl. auch Baum, Nicolaus Cusanus in Tirol (wie Anm. 7), 355–374 (Mordanschläge gegen den Kardinal) und Zani, Karl Franz, Mordplan gegen Kardinal Nicolaus Cusanus (1457), in: Der Schlern 56 (1982), 224f., sowie der Beitrag von Johannes Helmrath in diesem Band. 11) Hallauer, Hermann, Die Schlacht im Enneberg. Neue Quellen zur moralischen Wertung des Nikolaus von Kues (Kleine Schriften der Cusanus-Gesellschaft 9), Trier 1969; s. auch Schwingshackl, Anton, Die Enneberger Schlacht 1458, in: Der Schlern 44 (1970), 265–269. 12) AC II 6, Nr. 5582–5585, 5587, 5591–5597 und 5605. 13) Eine Mittäterschaft von NvK lässt sich allerdings nicht beweisen, vgl. Baum, Nicolaus Cusanus in Tirol (wie Anm. 7), 189–216, hier 201. 14) AC II 6, Nr. 5759. 15) Hallauer, Hermann, Bruneck 1460. Nikolaus von Kues – der Bischof scheitert an der weltlichen Macht, in: Ders., Gesammelte Aufsätze (wie Anm. 6), 155–198. Vgl. auch Baum,

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Herrschaft in persona folglich auf gerade einmal 305–310 Wochen (etwas mehr als fünfeinhalb Jahre16), die anhand der Acta Cusana nun bestens erschlossen sind. Im Gegensatz dazu soll im Folgenden das Leben und Wirken eines seiner – weniger gut dokumentierten – Vorgänger näher betrachtet werden, der zwischen 1427 und 1437 dem Fürstbistum vorstand, um anschließend einen Vergleich zwischen beiden Amtszeiten vorzunehmen. 1. Bischof Ulrich II. Putsch (um 1355–143717) Ulrich entstammte einer ratsfähigen Patrizierfamilie aus dem schwäbischen Donauwörth und hatte es wie seine Geschwister und deren Nachkommen, zu denen auch der eingangs zitierte Chronist Christoph Wilhelm Putsch wie auch dessen älterer Bruder, der Innsbrucker Kartograph Johannes Putsch (1516–1542 18 ) zählen, in seiner neuen tirolischen Heimat zu Wohlstand und Ansehen gebracht.19) Er tritt erstmals historisch in einer Urkunde für die Zisterzienserabtei Kaishaim (im schwäbischen Landkreis Donau-Ries nahe Donauwörth) vom 25. September 1376 als statschreiber ze Werd in Erscheinung.20) Über sein frühes Leben ist wenig bekannt, doch kann vermutet werden, dass er sich an einer (italienischen?) Universität Kenntnisse in Theologie und Jurisprudenz angeeignet hat. Denn bereits am 16. Juli 1379 vidimierte er eine Urkunde Kaiser Karls IV. für das Kaisheimer Tochterkloster Stams im Oberinntal als notarius publicus apostolica et imperiali auctoritate.21) Weitere zwei Notariatsurkunden (datiert auf den 3. Januar 1394 und den 31. Oktober 1403) dokumentieren zudem, dass Ulrich sich bis zum Herbst 1403 noch im

Sigmund der Münzreiche (wie Anm. 3), 177–190 (zur Eskalation des Konfliktes mit dem Tiroler Landesherren). 16) Ausführlicher dazu im Beitrag von Werner Maleczek in diesem Band. 17) Horst, Thomas, Art. Ulrich II. Putsch, Bischof von Brixen († 1437), in: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon (BBKL), XLIII. Band, Ergänzungen XXX (2021), 1247–1287, mitsamt umfangreicher Bibliographie, online: . 18) Gelmi, Josef, Die Brixner Bischöfe in der Geschichte Tirols, Bozen 1984, 93–97; Horst, Thomas, Art. Johannes Putsch (1516–1542), in: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon (BBKL), XLIV. Band, Ergänzungen XXXI (2022), 1052–1086, online: . 19) Sein Bruder Heinrich († 10. Oktober 1429) stand dem Prämonstratenser-Stift Wilten bei Innsbruck von 1413 bis 1428 als Abt vor; seine Schwester Anna war mit dem Bürgermeister von Brixen, Jakob Grueber verheiratet und die Mutter des dortigen Domherren Jakob Grueber († 1439). 20) Augsburg, StA, Reichsstift Kaisheim Urkunden, KV 910. 21) Schaller, Victor (Hg.), Ulrich II. Putsch, Bischof von Brixen, und sein Tagebuch 1427– 1437, in: Zeitschrift des Ferdinandeums für Tirol und Vorarlberg 3. Folge, Heft 36 (1892), 225–322, hier 233f.

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schwäbischen Raum aufhielt 22 ); dort erhielt er vermutlich auch seine Priesterweihe.23) Ab 1407 war er in der Kanzlei des Tiroler Landesherrn, Herzog Friedrich IV. von Österreich (‚Friedl mit der leeren Tasche‘, reg. 1406–1439), tätig, wo er zunächst als Schreiber und notarius iuratus sowie ab 1412 als secretarius24) beschäftigt war. Doch bereits im Folgejahr machte er als Kanzler Karriere und trug dabei die von Friedrich gegen den Landesadel gerichtete Mediatisierungspolitik wesentlich mit.25) Wohl auf Empfehlung eines seiner Landsleute26) und der uneingeschränkten Loyalität zu Herzog Friedrich IV. gelang es Ulrich bald mehrere geistliche Pfründe zu erwerben: Am 26. April 1411 wurde er als Pfarrer von Tisens (nordwestlich von Bozen) in der Diözese Trient eingesetzt – ein Amt, das er (wie seine Kanonikate in Trient und Brixen) bis zu seiner Bischofswahl innehatte. In drei Urkunden vom 16. und 17. September 1412 des Wiener Deutschordens-Zentralarchivs ist er zudem als Kollektor der apostolischen Kammer in den Diözesen Trient, Brixen, Chur und Konstanz bezeugt.27)

22) Augsburg, StA, Reichsstift Kaisheim Urkunden 984 und 1034. Vgl. auch Schmidt, Bernd, Ulrich Putsch und seine Übersetzung „Das liecht der sel“, Diss. phil., Hamburg 1973, hier 6f., sowie Wolfsgruber, Karl, Ulrich Putsch, der Brixener Fürstbischof (1427–1437) aus Donauwörth, in: Mitteilungen des Historischen Vereins für Donauwörth und Umgebung 1990, 7–14, hier 9. 23) Nägele, Anton, Ulrich Putsch aus Donauwörth. Kanzler von Tirol. Bischof von Brixen, Verfasser lateinischer und deutscher Schriften, in: Veröffentlichungen des Museum Ferdinandeum in Innsbruck 18 (1938), 281–332, hier 290. 24) Innsbruck, TLA, Urkunde II 225 vom 10. August 1412. 25) Pfeifer, Gustav, Ulrich II. Putsch, in: NDB 26 (2016), 583f., hier 583; Rando, Daniela, Geistliche Fürsten rund um Herzog Friedrich, in: Pfeifer, Gustav (Hg.), Herzog Friedrich IV. von Österreich, Graf von Tirol (1406–1439). Akten der internationalen Tagung, Landesmuseum Schloss Tirol, 19./20. Oktober 2017 (Veröffentlichungen des Südtiroler Landesmuseums Schloss Tirol 2), Bozen 2018, 103–116 26) Erstaunlich viele Schwaben waren bereits im 14. Jahrhundert als Kleriker in die Bistümer Brixen, Chur und Trient gekommen, wobei insbesondere Heinrich von Bopfingen (Hauptmann und Pfleger von Tirol 1354–1360 und 1362, Hofkaplan, Pfarrer von [Dorf] Tirol ab 1362, Pfleger von Stadt und Bistum Trient) zu nennen ist, vgl. Gasser, Eugen, Heinrich von Bopfingen – ein Gesicht im Zwielicht. Hofkaplan, Pfarrer von Tirol, Pfleger von Stadt und Bistum Trient, Landeshauptmann, in: Ostalb – Einhorn 19 (1992), 134–140. 27) Arnold, Udo/Tumler Marian (Hg.), Die Urkunden des Deutschordenszentralarchivs in Wien. Regesten, Teilbd. II: Februar 1313–November 1418 (Quellen und Studien zur Geschichte des Deutschen Ordens 60/II, Veröffentlichungen der Internationalen Historischen Kommission zur Erforschung des Deutschen Ordens 11/II), Marburg 2007, 878–880, Nr. 2917 (Urkunde datiert Rom, 16. September 1412) und 2922f. (Urkunden, datiert Rom, 17. September 1412); vgl. dazu auch Curzel, Emanuele, I canonici e il Capitolo della cattedrale di Trento dal XII al XV secolo (Pubblicazioni dell’Istituto di Scienze Religiose in Trento. Series maior 8), Bologna 2001, 688–690 und Schuchard, Christiane, Die päpstlichen Kollektoren im späten Mittelalter (Bibliothek des Deutschen Historischen Instituts in Rom 91), Tübingen 2000, 265.

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Nur wenige Tage später wurde er am 27. September 1412 vom Churer Bischof Hartmann von Werdenberg-Sargans (reg. 1388–1416) für die durch den Tod des Heinrich Burkhard von Rabenstein vakant gewordene, reich dotierte Pfarrei von Tirol eingesetzt, wozu neben der nahen Stadt Meran, auch Riffian und weitere kleine Ortsteile bis hin zu den Berghöfen unter der 2500 m hohen Mutspitze gehörten.28) Außerdem fungierte er von 1416 bis 1425 als Erzpriester (Archidiakon) für den zum Churer Bistum gehörigen Vinschgau. In seiner Funktion als Kanzler Herzog Friedrichs IV. führte Ulrich mehrere diplomatische Missionen durch: Historisch belegt sind seine Reisen nach Wiener Neustadt (1416) sowie ins Elsass (1423 und 1425/26) und nach Burgund (1423). Ob er persönlich auch am Konzil von Konstanz (1414–1418) teilnahm, ist nicht zu belegen, denn sein Name fehlt in der Beschreibung des Konzils durch Ulrich von Richental († 1437) sowie in anderen mehr oder weniger vollständig überlieferten Namenslisten zum Konzil.29) Fraglich ist auch seine angebliche Reise nach Perpignan (1415), die er gemeinsam mit Wilhelm von Knöringen durchgeführt haben soll, um in einer (gescheiterten) Mission für den Tiroler Herzog, der dem in Pisa gewählten Papst Johannes XXIII. (reg. 1410–1415) in Konstanz zur Flucht nach Schaffhausen verholfen hatte, bei König Sigismund von Luxemburg und den Gegenpapst Benedikt XIII. (1394–1423) Fürsprache einzulegen.30) Mit Urkunde vom 29. Mai 1416 wurde Ulrich vom Tiroler Herzog die Torkeln [Traubenpresse] mit sampt dem gehaws in der Nähe der St. Nikolauskirche zu Meran übertragen.31) Drei Jahre später wurde er zum Verwalter über alle Bergwerke an der Etsch und im Inntal bestellt und erhielt zugleich die Befugnis, er selbst mag auch ertz graben wo er will.32) Dadurch zu Vermögen gekommen, wurde ihm 1420 der 28) Innsbruck, TLA, Urkunde I 5553 (Präsentationsurkunde vom September 1412). Auch Leonhard Wiesmair fungierte von 1446 bis 1452 als Pfarrer von Tirol, s. Atz, Karl/Schatz, Adelgott, Der deutsche Anteil des Bistums Trient. Topographisch-historisch-statistisch und archäologisch beschrieben. Bd. 4: Das Dekanat Lana und Meran, Trient 1907, 294. 29) Buck, Thomas Martin (Hg.), Ulrich Richental, Die Chronik des Konzils von Konstanz (MGH Digitale Editionen 1), München 2019, online: ; Buck, Thomas Martin (Hg.), Chronik des Konstanzer Konzils 1414–1418 von Ulrich Richental. Historischkritische Edition, 3 Bde. (Konstanzer Geschichts- und Rechtsquellen 49), Ostfildern 2020. 30) Schmidt, Ulrich Putsch (wie Anm. 22), 8. Schwob, Anton unter Mitarbeit von KranichHofbauer, Karin u.a. (Hg.), Die Lebenszeugnisse Oswalds von Wolkenstein, Bd. 2: 1420–1428, Nr. 93–177, Wien u.a. 2001; Schwob, Anton unter Mitarbeit von Kranich-Hofbauer, Karin u.a. (Hg.), Die Lebenszeugnisse Oswalds von Wolkenstein, Bd. 3: 1428–1437 Nr. 178–276, Wien u.a. 2004; Bd. 4: 1438–1442 Nr. 277–386, Wien u.a. 2011; hier II 6 Nr. 93 (8. Januar 1420), nimmt eine Verwechslung mit Ulrich Kessler an. 31) von Lichnowsky, Eduard, Geschichte des Hauses Habsburg, Bd. 5: Vom Regierungsantritt Herzog Albrecht des Vierten bis zum Tode König Albrechts des Zweiten, Wien 1841, CXLVII, Nr. 1623. 32) von Lichnowsky, Eduard, Geschichte des Hauses Habsburg, Bd. 7: Kaiser Friedrich III. und sein Sohn Maximilian, Wien 1843, 245f., Nr. 1906b (Meran, 18. August 1419); Schaller, Ulrich

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Kauf der Burg Prunberg (heute: Brunnenburg) bei Gratsch unterhalb der landesfürstlichen Residenzburg Tirol von den Schenken von Metz als tirolisches Lehen ermöglicht.33) 2. Bischofswahl Mit dem überraschenden Tode des (ebenso aus Schwaben stammenden) Berthold II. von Bückelsburg († 12. September 142734), der am 11. Juli 1418 von Papst Martin V. (reg. 1417–1431) zum Fürstbischof von Brixen ernannt worden war, stand das mit mehr als 1000 Dukaten verschuldete Hochstift ohne Ordinarius da. Auf Drängen des Tiroler Herzogs wurde dessen Kanzler Ulrich am 4. November 1427 vom Domkapitel zum Bischof von Brixen gewählt.35) Der Papst wollte ursprünglich einen anderen Kandidaten nominieren, bestätigte aber (aus Rücksicht auf Friedrich IV.?) mittels päpstlicher Konfirmationsbulle am 29. Januar 1428 die Wahl. Ulrich musste nicht nur die üblichen Summen zur Abzahlung der Taxen nach Rom entrichten, sondern zugleich bei seiner Bestellung Wahlkapitulationen beschwören, die seine Amtsbefugnisse weitgehend einschränken sollten und den Domherren viele Privilegien gewährten.36) Da der Salzburger Erzbischof Eberhard IV. von Starhemberg († 1429) es abgelehnt hatte, die Weihe Ulrichs vorzunehmen, ließ sich derselbe in der Kirche S. Giorgio Maggiore in Venedig durch den Bischof von Torcello konsekrieren.37) Am 9. Februar 1428 zog Ulrich in sein Bistum ein und brachte neben seiner Privatbibliothek auch reichhaltiges Inventar von seinem Pfarrsitz Tirol in die Brixner Hofburg mit.

II. Putsch (wie Anm. 21), 238; Stolz, Otto, Die Anfänge des Bergbaus und Bergrechtes in Tirol, in: ZRG GA 48 (1928), 207–263, hier 253. 33) Baum, Sigmund der Münzreiche (wie Anm. 3), 55, sowie von Lichnowsky, Geschichte des Hauses Habsburg (wie Anm. 32), CCXLVI Nr. 1947b (Hall, 31. Mai 1420). 34 ) Derselbe hatte während der Rückreise von Innsbruck, wo er Herzog Sigmund von Tirol getauft hatte, einen Herzschlag erlitten, s. Gelmi, Brixner Bischöfe (wie Anm. 18), 91–93. 35) Vgl. den Eintrag in dessen Diarium: ego Ulricus rector parrochialis ecclesie in Tyroli fui per viam arbitrii unanimi voce a capitulo electus in episcopum, zit. nach Schaller, Ulrich II. Putsch (wie Anm. 21), 285. Die Gegner Ulrichs, unter ihnen auch der Südtiroler Dichter und Diplomat Oswald von Wolkenstein (um 1377–1445), versuchten die Bestätigung der Wahl zu hintertreiben, indem sie vorgaben, dass er ein gebrechlicher Mann (defectuosus) sei, der unter epileptischen Anfällen (morbus caducus) leide. 36) Sparber , Brixner Fürstbischöfe (wie Anm. 8), 129–133, hier 131. 37) Wolfsgruber, Ulrich Putsch (wie Anm. 22), 8.

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Abb. 1: Diarium des Ulrich Putsch, aus: Bozen, StA, BA, Cod. 2, f. 1r.

Dort erlebte er ein bewegtes Hirtenamt, das (ähnlich wie später bei Nikolaus von Kues) von Konflikten um das Benediktinerinnenkloster Sonnenburg im Pustertal38) sowie einem heftigen Streit mit dem Domkapitel geprägt war. Eine hervorragende zeithistorische Quelle stellen hierfür die autobiographischen Notizen des Ulrich Putsch in seinem Diarium dar: die Acta per reverendissimum dominum Udalricum Brixinensem ac fundatorem capelle trium regum propria manu conscripta de anno ad annum ut sequitur (Abb. 1). Sie dienen vorwiegend dem apologetischen Ziel, eine gute Amtsbilanz nachzuweisen.39) a) Konflikte um das Kloster Sonnenburg (1428) Gleich zu Beginn seiner Amtszeit kam es mit dem Fürstbischof von Trient, Alexander von Masowien (reg. 1423–1444), zu einem dreijährigen Konflikt um die Vogteirechte über die in der Diözese Brixen gelegene Benediktinerinnenabtei Sonnenburg bei St. Lorenzen und über die Gerichtsbarkeit in den ladinisch besiedelten Tälern 38) Baum, Wilhelm, Sonnenburg, in: Faust, Ulrich/Krassnig Waltraud (Bearb.), Die Benediktinischen Mönchs- und Nonnenklöster in Österreich und Südtirol (Germania Benedictina III 3), St. Ottilien 2002, 604–702. 39) Darin finden sich neben persönlichen Bemerkungen auch politische, kirchliche und rechtliche Notizen, was das Diarium zu einer exzellenten Quelle macht. Original in Bozen, StA, Bischöfliches Archiv Brixen, Hs. 2. Edition bei Harris, Nigel (Hg.), The shorter writings of Ulrich Putsch. Diarium, Oraciones super missam and Manuale simplicium sacerdotum, Oxford u.a. 2013, 53–87. Editio Princeps (in Auszügen): Sinnacher, Franz Anton, Beyträge zur Geschichte der bischöflichen Kirche Säben und Brixen in Tyrol, Brixen 1821–1834, Bd. VI 1, Brixen 1828, 97–162 [VI: Ulrich Putsch; Auszüge aus Putschs Tagebuch mitsamt inhaltlichen Erläuterungen in deutscher Übersetzung]. S. auch Tersch, Harald, Ulrich Putsch (vor 1360–1437): Diarium, in: Ders. (Hg.), Österreichische Selbstzeugnisse des Spätmittelalters und der frühen Neuzeit (1400–1650). Eine Darstellung in Einzelbeiträgen, Wien u.a. 1998, 25–38.

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von Enneberg, Abtei und Wengen – eine Altlast, die ihm sein Vorgänger hinterlassen hatte: Seit alters war der Bischof von Trient der Vogt und Schirmherr dieses Frauenstiftes. Dieser beanspruchte die oberste Gerichtsbarkeit über die Untertanen des Klosters – auch in jenen Gegenden, wo die geistliche Jurisdiktion dem Brixner Bischof zustand. Somit waren Streitigkeiten vorprogrammiert. Insbesondere im Gadertal häuften sich die Übergriffe auf Personen und Sachen durch die Trienter Schutzvögte, den lokalen Adel und die Vertreter der beiden rivalisierenden Bischöfe.40) Bereits 1427 war es zu Übergriffen von Bischof Berthold in Enneberg gekommen; als dieser starb, wandte sich die Sonnenburger Äbtissin Ursula Rizzin, der ein unsittlicher Lebenswandel vorgeworfen wurde, hilfesuchend an Alexander von Masowien, der sie freisprach und ihr die Herrschaft über ihr Kloster zurückgab.41) Nach dem überraschenden Ableben von Ursula im Dezember waren die Sonnenburger Nonnen am Neujahrstag 1428 zu einer umstrittenen Neuwahl zusammengekommen. Der Propst von Neustift, der von Trient eingesetzte Bevollmächtigte Johannes von Komotau und zwei Trienter Gesandte fungierten dabei als Wahlbeobachter. Während des Wahlvorgangs erschienen als Vertreter des Brixner Domkapitels die beiden Ritteradligen Heinrich von Morsberg und Berthold von Gufidaun (der selbst seine Tochter Katharina im Kloster hatte und diese nun aus dem Kloster zerrte) und protestierten, dass die (letztlich verschobene) Wahl ohne Anwesenheit von viri litterati des Kapitels ungültig sei.42) Nachdem Ulrich Putsch den Sekretär Alexanders, Johannes von Komotau zum Abzug aus Sonnenburg gezwungen hatte, ernannte der Trienter Fürstbischof per Dekret die Kandidatin seiner Wahl, Barbara Rasner, am 1. April 1428 zur neuen Äbtissin. 43 ) Barbara war im Frühjahr von Leuten des Brixner Bischofs gefangengenommen und wochenlang in Brixen festgehalten worden, bis sie in einer Nacht-und-Nebel-Aktion von einer Gruppe Bewaffneter des Trienter Fürstbischofs befreit worden war, so dass sie an der nachträglichen (Schein-) Wahl am 8. April teilnehmen konnte.44) Die Kloster40) Einen Überblick über den z.T. recht komplexen Konflikt geben Gasser, Vinzenz, Das Benediktinerstift Sonnenburg im Pusterthale, in: Studien und Mittheilungen aus dem Benediktiner- und dem Cistercienser-Orden 9 (1888), 39–57, 251–258, hier 47f; Schaller, Ulrich II. Putsch (wie Anm. 21), 242– 259 sowie Schwob, Lebenszeugnisse Oswalds von Wolkenstein (wie Anm. 30), II 292–294. 41) Trient, StA, Archivio principesco vescovile, Sezione latina, Caps. 53 Nr. 10 (Notariatsinstrument vom 8. August 1427). Für die Hinweise auf die Überlieferung zu diesem Streit in Trient sei Dr. Thomas Woelki (Berlin) an dieser Stelle herzlichst gedankt, vgl. dazu auch Ippoliti, Giuseppe/Zatelli, Angelo Maria, Archivi principatus Tridentina regesta – Sectio latina (1027–1777), Bd. I, Capsae 1–55, Trient 2001, 842–844 sowie zum Vergleich mit den späteren Konflikten unter Cusanus: AC II 7, 2136–2138 s.v. Sonnenburg. 42) Trient, StA, Archivio principesco vescovile, Sezione latina, Caps. 53 Nr. 11 (Notariatsinstrument des Johannes von Cometaw vom 1. Januar 1428), s. Baum, Sonnenburg (wie Anm. 38), 637. 43) Trient, StA, Archivio principesco vescovile, Sezione latina, Caps. 53 Nr. 14 (Urkunde vom 1. April 1428, ausgestellt auf der Burg Buonconsiglio in Trient). 44 ) Trient, StA, Archivio principesco vescovile, Sezione tedesca, Caps. 34. Litt. C (undatiertes Verhandlungspapier von 1427/1428) sowie ebd., Caps. 53 Nr. 13 (8. April 1428).

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frauen widersetzten sich aber, indem die vom Brixner Bischof favorisierte Sonnenburger Nonne Ursula Forstner nun die Initiative ergriff und darauf verwies, dass unter den gegebenen Umständen eine freie Wahl unmöglich sei. Entsprechende Vermittlungsversuche des Tiroler Herzogs und dessen Hofmeisters Konrad von Kraig auf dem Bozner Rechtstag misslangen zunächst. Am 12. April 1428 erklärte Ursula Forstner (ermuntert durch Ulrich Putsch?) gemeinsam mit sechs Mitschwestern, dass sie künftige kostspielige Streitigkeiten vermeiden wollen und deshalb nach reiflicher Beratung beschlossen haben, ihrem langjährigen Prokurator in Trient sämtliche übertragene Vollmachten (insbesondere die Gerichtsbarkeit im Gadertal betreffend) zu entziehen.45) Währenddessen war es Barbara Rasner gelungen, aus ihrem Sonnenburger Gefängnis zu entfliehen, doch sie kam nur bis Lengmoos auf dem Ritten und wurde erneut festgesetzt.46)

Abb. 2: Diarium des Ulrich Putsch, aus: Bozen, StA, BA, Cod. 2 f. 10r.

Am 22. Mai 1428 fand die Neuwahl der Äbtissin im Kloster Sonnenburg statt; dabei erhielt Ursula Forstner die Mehrheit der Stimmen; die Partei des Bischofs Putsch hatte also gesiegt. Ursula leitete das Kloster bis ins Jahr 1439.47) Unter denjenigen, die für sie stimmten, befand sich auch ihre spätere Nachfolgerin, die streitbare Nonne Verena von Stuben (um 1410–nach 147248), deren spannungsreiches 45) Innsbruck, TLA, Stift Sonnenburg, Urk. 76, vgl. die Transkription bei Schwob, Lebenszeugnisse Oswalds von Wolkenstein (wie Anm. 30), II Nr. 176. Unter den sechs Mitschwestern befanden sich auch Afra von Velseck und Verena von Stuben. 46) Harris, Shorter writings (wie Anm. 39), 55. Ein zweiter Fluchtversuch gelang aber und führte sie nach Trient zu ihrem Schutzherren. 47) Während ihrer Amtszeit gingen die Streitigkeiten mit dem Bistum Trient um Enneberg bzw. Abtei und Wengen jedoch weiter, s. Baum , Sonnenburg (wie Anm. 38), 638–640. 48 ) Zu Verena von Stuben, die am 30. April 1455 von Cusanus exkommuniziert wurde, vgl. ausführlich im Beitrag von Isabelle Mandrella in diesem Band sowie Gasser, Benediktinerstift Sonnenburg (wie Anm. 40), 251; außerdem die literarische Verarbeitung in Form eines Romans von Wintersteiner, Marianne, Verena und der Kardinal. Roman, Rosenheim 2005. – Zu ihrer Abdankung s. Schreckenthal, Paul, Die Abdankung der Äbtissin Verena von Sonnenburg, in:

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Verhältnis zu Nikolaus von Kues bekanntlich auch dessen Brixner Jahre bis zu ihrem Rücktritt 1459 prägen sollte. Dem Tiroler Herzog war es dreißig Jahre früher noch gelungen, den Konflikt vorderhand zu schlichten, indem er dem Bischof von Trient die Schirmvogtei über das Kloster zugestand; die geistliche Jurisdiktion wurde hingegen dem Brixner Bischof zugesprochen. b) Streit mit dem Brixner Domkapitel (1429) Schwerwiegender war hingegen Ulrichs Auseinandersetzung mit seinem Domkapitel; sein Bericht dazu nimmt mehr als siebeneinhalb Seiten seines Diariums ein.49) Am 18. Oktober 1429 wurde der Brixner Bischof, der nicht nur die bei seiner Wahl versprochenen Kapitulationen missachtet hatte und wohl selbst auch keinen einwandfreien Lebensstil pflegte50), über neun Tage in der bischöflichen Hofburg in seinem eigenen Zimmer ohne Nahrung festgesetzt und unter Kuratel gestellt.51) Seine Gefangennahme erfolgte durch Mitglieder des Domkapitels und wurde unterstützt von einem Hochstiftsadeligen, einem bischöflichen Amtsträger sowie mehr als 32 bewaffneten Personen, die im Diarium als scabini (besitzgreifende Urteilsfinder; Schöppen) bezeichnet werden.52) Ulrich wurde dabei von keinem Geringeren als Oswald von Wolkenstein mit Ohrfeigen und Fausthieben traktiert, weshalb er den Dichter auch als einen gewalttätigen, respektlosen, rachsüchtigen Adeligen mit denkbar schlechten Manieren charakterisiert.53) Die Abneigung beruhte auf Gegenseitigkeit, denn Oswald demütigte den Bischof später mehrfach in diversen Spottversen schwer; u.a. gab er ihm (wohl aufgrund seines schwäbischen Dialektes) den Spitznamen ‚Üli‘.54)

Der Schlern 14 (1933), 391–394; Spahr, Columban, Nikolaus von Cues, das adelige Frauenstift Sonnenburg OSB und die mittelalterlichen Nonnenklausur, in: Grass, Nikolas (Hg.), Cusanus. Gedächtnisschrift (Forschungen zur Rechts- und Kulturgeschichte 3), Innsbruck 1970, 307–326. 49) Harris, Shorter writings (wie Anm. 39), 57–64. Eine längere, etwas heikle Passage zum Streit wurde vermutlich von Ulrich Putsch auf f. 8r seines Diariums durchgestrichen. 50) Müller, Ulrich, Oswald von Wolkenstein. Die »Heimatlieder« über die Tiroler Streitereien (Kl. 81, Kl. 104, Kl. 116), in: Touber, Anthonius H. (Hg.), Mittelhochdeutsche Lyrik (Zeitschrift für deutsche Philologie, Sonderheft 87), Berlin 1968, 222–234, hier 225. Vgl. dazu auch die maßgebliche Edition von Wachinger, Burghart, Die Lieder Oswalds von Wolkenstein, Berlin 2015. 51 ) Schwob, Ute Monika, Spuren der Femgerichtsbarkeit im spätmittelalterlichen Tirol (Schlern-Schriften 345), Innsbruck 2009, 54–59. 52) Schwob, Lebenszeugnisse Oswalds von Wolkenstein (wie Anm. 30), III 64–73 Nr. 199. 53) Vgl. auch den kurzen deutschsprachigen Dialog mit Oswald in Harris, Shorter writings (wie Anm. 39), 62, V. 227–230: ‚Stett still, es ist nimmer als vor‘. Ego vero respondi: ‚Wie tüst also? Ich gelaub, du seist nit wol bey dir selber‘. Et ipse: ‚Siezt pald nider, oder ir müsst leiden das jr vngern leidt‘. Et ego sedi. 54) Klein, Karl Kurt, Der „Minnesänger“ Oswald von Wolkenstein in der Politik seiner Zeit, in: Südtiroler Kulturinstitut (Hg.), Die Brennerstraße. Deutscher Schicksalsweg von Innsbruck nach Bozen (Jahrbuch des Südtiroler Kulturinstitutes 1), Bozen 1961, 215–243, hier 234–237. Dennoch

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Während seiner kurzzeitigen Festsetzung in der Hofburg wurde Ulrich auch gezwungen, zwei Entmachtungsurkunden zu unterzeichnen. 55 ) Zuvor war sein Dienstmann, der Ritteradlige Johann von Annenberg, der ihm helfen wollte, von Jakob von Trautson erhängt worden. Daraufhin rief der Tiroler Herzog alle beteiligten Parteien nach Innsbruck, wo Ulrich für rund 13 Wochen, von etwa Mitte November 1429 bis Mitte Februar 1430, verweilte. Insbesondere König Sigismund und die Kurfürsten waren über ein solch entehrendes Vorgehen gegenüber einem geistlichen Fürsten recht ungehalten. Dies mag den Tiroler Landesfürsten Friedrich IV., dessen Gemahlin, Herzogin Anna von Braunschweig († 1432), eine Fürsprecherin von Ulrich war, rasch dazu bewogen haben, den Streit beizulegen. Mit Schiedsspruch vom 20. November 1429, der auch vom Brixner Domkapitel anerkannt wurde, setzte er den Bischof wieder in seine Rechte und Würden ein.56) Ulrich hatte bereits Ende Oktober 1429 versprochen, sich zukünftig an die Wahlkapitulationen zu halten und die herzogliche Entscheidung ohne Rache oder Beschwerdegelüste zu befolgen.57) Da die Opposition des Domkapitels somit gebrochen war, kehrte Ulrich Mitte Februar 1430 in seine Hofburg zurück. Triumphierend vermerkt er in seinem Diarium: Laus et gloria sit omnipotenti deo viventi in seculorum secula, amen58), klagt aber darin zugleich über die hohen Ausgaben, die er in Innsbruck hatte und bemerkt sarkastisch, dass ihm die Domherren davon nichts zurückgezahlt hätten.59) c) Weitere Konflikte Doch war Bischof Putsch keineswegs so friedlich, wie er sich selbst in seinem Diarium darstellt: Bezeichnend dafür ist ein Vorfall von 1428, als Graf Heinrich von Görz, dessen Herrschaft u.a. einen Teil des Pustertales umfasste, versuchte, seinen Einfluss auch auf Brixner Gebiet auszudehnen. Nachdem er den bischöflichen Fischern ihre Netze abnehmen hatte lassen, ordnete Ulrich an, den gräflichen Fischern, wo auch immer sie aufgegriffen würden, die Gliedmaßen abzuhacken.60)

bestellte Ulrich seinen Widersacher Mitte der 1430er Jahre zum bischöflichen Rat in Rechtssachen; Freunde wurden beide aber nicht. 55) Sinnacher, Beyträge (wie Anm. 39), 201–204, Anhang, Nr. 5. 56) Innsbruck, TLA, Urkunde I, 8947. Vgl. auch Urkunde I 8945 und 8946 (Versprechen vom 16. September 1429 des Domkapitels, den Schiedsspruch anzunehmen). 57) Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum, Wolkenstein-Archiv, Fasz. 13, zit. bei Schwob, Lebenszeugnisse Oswalds von Wolkenstein (wie Anm. 30), III 73–80 Nr. 200f. (Urkunden vom 31. Oktober 1429). 58) Schaller, Ulrich II. Putsch (wie Anm. 21), 297. 59) Schwob, Femgerichtsbarkeit (wie Anm. 51), 58. 60 ) Gelmi, Josef, Brixen, in: Gatz, Erwin, unter Mitwirkung von Brodkorb, Clemens (Hg.), Die Bischöfe des Heiligen Römischen Reiches 1198 bis 1448. Ein biographisches Lexikon, Berlin 2001, 114–126, hier 125.

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Glücklicherweise blieb es aber bei dieser Drohung, denn nachdem der Graf eingelenkt hatte, wurde die Strafe nicht vollzogen.61) Weitere Konflikte wegen Grenzfrevels seiner Untertanen trug er mit den Dogen von Venedig aus. 3. Bewertung seiner Amtszeit und seelsorgerische Tätigkeit Als Ulrich am 29. August 1437 überraschend verstarb, wurde sein Leichnam in der 1432 von ihm gestifteten Kapelle zu Ehren der Heiligen Drei Könige in der Nordwestecke des Langhauses des Brixner Domes beigesetzt. Die Grabplatte aus Marmor, die der Bischof bereits 1429 anfertigen ließ, befindet sich heute an der Außenseite der Brixner Domfassade und stellt ein möglicherweise naturgetreues Porträt des auf einem Kissen ruhenden Bischofs in Pontifikalgewand und Mitra dar. Die Liegefigur in standesspezifischer Haltung hält ein geschlossenes Buch in der Linken sowie einen Bischofsstab in der rechten Hand.62) Das Bischofsgrab ist von der Inschrift in gotischer Minuskel hie leit bischof Ulreich/Dem ist diecz pild geleich umgeben; rechts oben ist das Wappen des Brixner Bistums (Osterlamm mit Fahne), links unten das persönliche Wappen von Putsch (ein aufgerichteter behalsbandeter Windhund) angebracht. Zweifelsohne war Ulrich eine eigensinnige und kontroverse, geltungssüchtige, Persönlichkeit, der aber zuerst als herzoglicher Kanzler und dann als Bischof zahlreiche Missionen kirchlicher und politischer Art meisterte. Bereits nach kurzer Zeit war es ihm gelungen, die Schuldenlast seines Vorgängers zur Gänze zu tilgen und das Fürstbistum wieder zu einer neuen Blüte zu bringen, wozu auch umfangreiche Infrastrukturmaßnahmen (Pflasterung von Straßen und Plätzen in Klausen und Brixen, 1429/30; Anlage von Wasserleitungen) sowie eine rege Bautätigkeit (Ausbau der Hofburg, Arbeiten an den Burgen Buchenstein, Lamprechtsburg und Thurn an der Gader) förderlich waren. Zudem war er ein großer Mäzen der Kunst und Malerei63) und erstellte auch selbst mehrere literarische Werke, die sein pastorales Interesse verdeutlichen: Noch als einfacher Kleriker in Tirol legte er 1426 mit 61) Tersch, Diarium (wie Anm. 39), 31. Im Folgejahr forderte der Görzer Graf die Auslieferung eines gefangen genommenen Straßenräubers. Der Bischof schickte daraufhin sofort 100 Reiter und 1.000 Mann Fußvolk nach Bruneck und ließ den Dieb aufs Rad flechten, s. Wolfsgruber, Ulrich Putsch (wie Anm. 22), 9. Noch 1431 wurden acht Räuber (drei davon waren Freischöffen) in Cadore gehenkt; einer davon wurde sogar gevierteilt, s. Schaller, Ulrich II. Putsch (wie Anm. 21), 304; Schwob, Femgerichtsbarkeit (wie Anm. 51), 73f. 62) Wolfsgruber, Ulrich Putsch (wie Anm. 22), 12f. 63) So erwarb er nicht nur sakrale Goldschmiedearbeiten, Kelche und Reliquiare, sondern gab auch plastische Bilder, gestickte Messgewänder Teppiche und die Illumination von Psaltern in Auftrag. Zudem ließ er bei der Zusammenkunft der Landstände 1431 rund 30.000 Pfeile zur Verteidigung des Landes gegen die Hussiten anfertigen, s. Tersch, Diarium (wie Anm. 39), 28.

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Abb. 3: Grabplatte des Ulrich Putsch, aus: Andergassen, Leo , Der Dom zu Brixen. Geschichte, Raum, Kunst (Veröffentlichungen des Südtiroler Kulturinstitutes 8), Bozen 2009, 46f.; vgl. dazu auch allgemein: Andergassen, Leo , Zum Selbstverständnis der Bischöfe im Spiegel ihrer Grabmäler. Eine Formtypologie am Beispiel der Brixner Grabplatten, in: Römische Quartalschrift 98 (2003), 186–209.

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seinem Liecht der Seel eine deutsche Übersetzung des in Prosa verfassten, spätmittelalterlichen Erbauungsbuches Parvum Lumen anime vor.64) Zudem kompilierte er zwei kürzere liturgische Schriften – eine Gebetssammlung mit Anweisung, wie man der Messe beiwohnen sollte (1431) sowie ein praktisches Handbuch für einfache Priester (143465) – und entfaltete eine rege Tätigkeit als Seelsorger, der nicht nur predigte, sondern auch zahlreiche Altar-, Kirch-, Priester- und Friedhofsweihen vornahm sowie Ablässe erteilte. Ulrich hatte ein intensives Interesse an der Verbesserung der Seelsorge in seinem Amtsbereich und kümmerte sich (wie später auch der Kardinal) um die Rechte der bischöflichen Besitzungen. In seiner Amtszeit wurden ebenso bereits erste kirchliche Reformbestrebungen durchgeführt: So verhängte er ähnlich wie sein Vorgänger Berthold strenge Strafen für Wucherer (bis hin zum Verbot des kirchlichen Begräbnisses und Androhung des Kirchenbanns66), erließ Fastenverordnungen und verbot 1431, allen Äbten und Pfarrern, ohne seine Erlaubnis fremde Geistliche anzustellen.67) Eine umfassende Bewertung seines Wirkens in Brixen steht noch aus, nicht zuletzt, weil die Quellen zu seiner Amtszeit bislang noch nicht systematisch erforscht und ausgewertet wurden. Im Anhang zu diesem Beitrag findet sich eine erste Zusammenstellung von mehr als 130, vornehmlich urkundlichen Quellen von und zu Bischof Ulrich II. Putsch, die eine Grundlage hierfür bilden könnte. 4. Vergleich mit der Brixner Zeit des Nikolaus von Kues Wollen wir abschließend einen kurzen Blick auf die ‚Brixner Zeit‘ des Nikolaus von Kues (1450–146468) werfen, der am 21. Dezember 1448 zum Kardinal69) ernannt wurde und (wie einst auch Putsch) als Fremder nach Tirol kam.70) Doch

64) Harris, Nigel (Hg.), The Light of the Soul. The Lumen anime C and Ulrich Putsch’s Das liecht der sel. Critical edition with Introduction. Oxford 2007; Schmidt, Ulrich Putsch (wie Anm. 22). 65) Vgl. die Edition von Harris, Shorter writings (wie Anm. 39), 89–200. 66) Schmidt, Ulrich Putsch (wie Anm. 22), 13. 67) Sparber, Brixner Fürstbischöfe (wie Anm. 8), 132. 68) Zur Einführung: Riedmann, Josef, Mittelalter, in: Fontana, Josef (Red.), Geschichte des Landes Tirol, Bd. 1: Von den Anfängen bis 1490, Bozen u.a. 1985, hier 462–468 [„Kardinal Nikolaus Cusanus als Bischof von Brixen (1450–1464)“]; Sparber, Anselm, Vom Wirken des Kardinals Nikolaus von Kues als Fürstbischof von Brixen (1450–1464), in: Veröffentlichungen des Museums Ferdinandeum in Innsbruck 26/29 (1949), 345–379; Sparber, Anselm, Nikolaus von Kues, Kardinal und Fürstbischof von Brixen, in seinem Leben und Wirken (1401–1464). Eine historische Skizze, in: Der Schlern 38 (1964), 3–16. 69) AC I 2, Nr. 776–781. 70) Vgl. allgemein: Thurner, Martin (Hg.), Nicolaus Cusanus zwischen Deutschland und Italien. Beiträge eines deutsch-italienischen Symposions in der Villa Vigoni (Veröffentlichungen des Grabmann-Instituts 48), Berlin 2002.

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während Ulrich seine Karriere dem Tiroler Landesfürsten verdankte und von diesem in seiner Bischofswahl unterstützt wurde, war die päpstliche Installation des Nikolaus von Kues als Fürstbischof gegen einen lokalen Kandidaten eigentlich schon von Beginn an ein Affront gegen das Brixner Domkapitel und widersprach selbst seiner eigenen Überzeugung, wenn er etwa in seinem konziliaren Traktat ‚De concordantia catholica‘ („Über die allumfassende Eintracht“, 1433/1434), mit der er zu einer zentralen Figur des Basler Konzils wurde, das Bischofswahlrecht von Domkapiteln verteidigt.71) Die Konflikte mit seinem Stiftsadel und dem Tiroler Adel, mit dem Domkapitel und dem Landesfürsten waren dadurch in gewisser Weise vorprogrammiert. Aber man muss sich vor Augen halten, dass bereits Ulrich Putsch zwanzig Jahre zuvor ähnliche, strukturelle Konflikte auszufechten hatte. Der ‚Pförtner der Neuzeit‘ aus Kues hatte freilich eine weit gründlichere Ausbildung als Putsch erfahren: ab 1416 Studium in Heidelberg, 1423 Doktor des Kirchenrechtes in Padua, ab 1425 im Dienst des Trierer Oberhirten Otto von Ziegenhain († 1430), zugleich Studium an der Universität Köln. Bald erwarb er mehrere Kirchenpfründen und war schon 1437 als Mitglied einer päpstlichen Delegation nach Konstantinopel gereist, um byzantinische Teilnehmer zum Unionskonzil von Ferrara/ Florenz (1438–1445) zu begleiten. Anschließend war Nikolaus von Kues rund zehn Jahre als ‚Anwalt des Papstes‘ in Deutschland tätig. Von seinem herausragenden, vielseitigen Geist zeugen seine wissenschaftlichen Werke 72 ) zur Kirchenpolitik, Philosophie, Theologie, Mathematik, Physik, Geschichte, Geographie und Astronomie, von denen er in Brixen mehrere Schriften fertigstellte: 1453 ‚De theologicis/ mathematicis complementis‘, ‚De pace fidei‘, ‚De visione dei‘; im Folgejahr schrieb er den bekannten Brief an Johannes von Segovia († 1458) sowie später die Traktate ‚De beryllo‘ (1458) und ‚De aequalitate‘ (1459 in Rom73). Von einem „viel zu engen Wirkungskreis“ in den engen Tälern Tirols, der (nach Albert Jäger) seinen Tätigkeitsdrang behindert habe, kann also eigentlich keine Rede sein.74) Vielmehr hat Nikolaus von Kues versucht, das Beste aus seiner Amtszeit zu machen. Von seinen insgesamt 292 selbst in lateinischer Sprache verfassten Predigten, wurden 141 in Tirol gehalten und belegen eindrucksvoll sein spirituelles Wirken als hervorragender Kanzelredner.75) Das pastorale Wirken des „Apostels ) Gelmi, Brixner Bischöfe (wie Anm. 18), 100–108, hier 102. ) Brösch, Marco u.a. (Hg.), Handbuch Nikolaus von Kues. Leben und Werk, Darmstadt 2014, 131–352. 73) Ausführlicher bei Baum, Nikolaus Cusanus in Tirol (wie Anm. 7), 279–286. 74) Jäger, Albert, Beitrag zur tirolisch-salzburgischen Bergwerks-Geschichte, in: Archiv für österreichische Geschichte 53 (1875), 335–456, hier 358f. 75) Er verzichtete dabei „auf narrative Breite und vordergründiges Pathos“, s. Hallauer, NvK als Bischof und Landesfürst (wie Anm. 4), 20, sowie allgemein Euler, Walter Andreas, Die Predigten des Nikolaus von Kues, in: Trierer Theologische Zeitschrift 110/1 (2001), 280–293 sowie auch dessen Beitrag im vorliegenden Sammelband. 71 72

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der Frömmigkeit und Wissenschaft“76) zeigt sich auch in seiner alltäglichen Sorge um die innere und äußere Neugestaltung der ihm anvertrauten Diözese77) und den vielen selbst (ganz ähnlich wie bei Putsch) vorgenommen Altar- bzw. Kirchenweihen, die ihn in entlegenere Pfarreien – wie nach Vigo ins ladinische Fassatal (23. Juli 145278) und ins hintere Ahrntal (22. Juni 145579) – führten. Die gut gemeinten cusanischen Reformen, wie etwa die Verordnung über die kirchliche Trauung80), sollten dabei zur Hebung des sittlichen und religiösen Lebens dienen. Im Gegensatz zu seinen Vorgängern, die seit der Jahrhundertwende in 50 Jahren nur fünfmal zu einer Synode eingeladen hatten, hielt er in seiner relativ kurzen Amtszeit nicht weniger als vier Diözesansynoden in Brixen ab 81 ): vom 5. bis 7. Februar 1453 versammelten sich die Kleriker der Brixner Diözese. Der reformeifrige Kardinal ging dabei insbesondere gegen Missstände vor, wie Simonie82), Idolatrie83) oder das Konkubinat des Klerus: Unter Androhung kanonischer Strafen und Verlust ihrer Benefizien befahl er den betreffenden Priestern, bei denen er sich schnell unbeliebt machte, sich innerhalb eines Monats von ihren Konkubinen zu trennen.84) Zudem rief er zur korrekten Durchführung der Gottesdienste auf; solange sie andauerten durften in den Gasthäusern weder Speise noch Trank verabreicht werden. Auf der Synode wurden auch genaue Anweisungen zur Seel-

76 ) Brösch u.a., Handbuch (wie Anm. 72), 306–352; Pauli, Heinrich, Die geistige Welt der Brixener Predigten des Nikolaus von Kues, in: MFCG 22 (1995), 163–186. Vgl. auch das Lob des vielseitigen Gelehrten Johannes Trithemius (1462–1516), zit. bei Baum, Wilhelm, Nikolaus von Kues der Brixner Bischof im Urteil seiner Zeitgenossen, in: Das Fenster. Tiroler Kulturzeitschrift 37 (1985), 3678–3685, hier 3684f., sowie Sparber, Brixner Fürstbischöfe (wie Anm. 8), 139–158, hier 145. 77) Hürten, Heinz (Hg.), Cusanus Texte V: Brixner Dokumente, Erste Sammlung: Akten zur Reform des Bistums Brixen, Heidelberg 1960, 43. 78) AC II 1, Nr. 2707. 79) AC II 4, Nr. 4401f. und 4425. 80) AC II 4, Nr. 4417; s. auch Hürten, Cusanus Texte (wie Anm. 77), 17–19. 81) Brandstätter, Klaus, Nicolaus Cusanus in der Tiroler Landesgeschichte, in: Der Schlern 75,3 (2001), 151–164, hier 152; Hallauer, NvK als Bischof und Landesfürst (wie Anm. 4), 22. 82) AC II 1, Nr. 2899 (Strafgelder für Simonie), 3059, 139 und 3436 sowie 3469 (im Jahre 1453 versuchte NvK jedoch selbst, seinem eigenen Neffen Simon von Wehlen ein Kanonikat samt Pfründe in der Kirche von Brixen mit jährlichen Einkünften von nicht mehr als 10 Mark zuzuweisen). 83 ) In Brixen war NvK mit verschiedenen Erscheinungsformen religiöser Volksfrömmigkeit konfrontiert, so etwa dem Missbrauch der Eucharistie in exzessiver Schaudevotion, mit Flurprozessionen, Wettersegen und der Verehrung der sog. Bluthostie (vgl. AC II 2, Nr. 3608, s. auch AC II 3, Nr. 4103 Z. 47); zu seiner Haltung zur Hexenverfolgung s. Staubach, Nikolaus, „Cusani laudes“. Nikolaus von Kues und die Devotio moderna im spätmittelalterlichen Reformdiskurs, in: Frühmittelalterliche Studien 34 (2000), 259–337, hier 303–307. 84) AC II 1, Nr. 3058 (Verweigerung der Teilnahme am Gottesdienst und der Empfang der Sakramente für Konkubinen). Diese Bestimmung stützt sich auf sein Reformdekret Quamvis sancti patres, das er bereits 1451 als päpstlicher Legat erlassen hatte, s. AC I, 3 Nr. 1414 sowie Nr. 1560 und 1576.

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sorgepraxis und zum Ritus der Eheschließung festgelegt und angeordnet, dass zukünftig alljährliche Synoden bzw. regionale Kleruskapitel abzuhalten seien.85) Die Akten zur zweiten Diözesansynode, die am 19. November 1454 in Brixen stattfand 86), haben sich leider nicht erhalten. Auf der dritten klerikalen Tagung (25.–27. November 1455) wurde die Kreuzzugsbulle des Papstes Kalixt III. vom 15. Mai desselben Jahres (mitsamt der Anordnung zur Einziehung eines Zehnten für den Türkenkrieg) verlesen.87) Diesmal erließ der Kardinal auch detaillierte Vorschriften für das gemeinsame Chorgebet der Kanoniker und gab zugleich Anweisungen für deren priesterliche Kleidung und die Tonsur.88) Bald darauf wurde auch eine Visitationsordnung für die Pfarrkirchen des Bistums erlassen, wobei die Amtsführung der Kleriker sowie die Frömmigkeitspraxis und Lebensführung der Laien bis ins Detail analysiert werden sollten (letzteren wurde auch das Kartenund Würfelspiel89) untersagt; die Anordnung, eine Mindesttiefe der Gräber von sieben Fuß bei Erdbestattungen90) einzuhalten, ergibt aber aufgrund der möglichen Seuchengefahr durchaus Sinn). Zwei Jahre später fand vom 2. bis 4. Mai 1457 erneut eine Synode in der Südtiroler Bischofsstadt statt, die als Vorbereitung für die zum 24. Juni 1457 ausgeschriebene Salzburger Metropolitansynode dienen sollte und u.a. Fragen einer Pfarrreform erörterte.91) In der Eröffnungspredigt ‚Ego sum pastor bonus‘ stellt der Kardinal seine Vision von Brixen als reformierte Musterdiözese dar.92) Einige 85) AC II 1, Nr. 3059. Bei jeder Sonntagsmesse sollte zudem ein Gebet für den Papst, den Bischof und für die katholische Kirche verrichtet werden. In der großen vorösterlichen Fastenzeit dürfen sich die Priester ausschließlich von Milch, Butter und Eiern ernähren. Höchste Pflicht der Seelsorger ist es, die Gläubigen zur jährlichen Beichte und (in der österlichen Zeit) zum Empfang der heiligen Kommunion zu ermuntern, s. Sparber, Brixner Fürstbischöfe (wie Anm. 8), 147. 86) AC II 3, Nr. 4155 führt aber immerhin eine Predigt zum Thema „Tantum digne in evangelio“ (Phil. 1, 27–30) auf. 87) AC II 4, Nr. 4598f. 88) AC II 4, Nr. 4597 sowie Nr. 4600 (Einschränkung der durch allgemeine oder lokale Bräuche vorgegebenen und der verbotenen kirchlichen Feiertage, wohl auch aufgrund von wirtschaftlichen Erwägungen). 89) AC II 4, 4416 Z. 35f.; 4596 Z. 10 und 4737 Anm. 1 (Verbot von Glücksspielen); s. Bernardo, Anna, Cusanus contra ludum. Die Geschichte eines Verbotes, in: Pizzinini, Andres Carlos (Hg.), Nicolaus Cusanus. Ein unverstandenes Genie in Tirol (Runkelsteiner Schriften zur Kulturgeschichte 9), Bozen 2016, 133–148. Zur Erbauung erfand NvK hingegen 1462/63 mit seinem ‚Dialogus de ludo globi‘ ein philosophisches, moralisierendes Spiel mit der Weltkugel, das ein gewisses Verständnis für eine höhere Spielkultur offenbart, s. Horst, Thomas, The Cosmographer Nicholas of Cusa (1401–1464) and his philosophical Game of the Sphere: the Dialogus De ludo globi, in: Globe Studies. Journal of the International Coronelli Society 68 (2023, im Druck). 90) AC II 4, Nr. 4418, 234–237. 91) AC II 5, Nr. 5217. NvK verlangt darin vom Klerus eine Beteiligung an seinen Kosten zur Teilnahme an derselben. 92) AC II 5, Nr. 5216. Die in Brixen beschlossene Suspension aller zur Seelsorge verpflichteten Kleriker, die sich unerlaubt von ihrer Kirche entfernt haben, wurde aber am 5. Mai wieder zurückgenommen, s. AC II 4, Nr. 5222. Doch sollten diese Kleriker, die ihrer Präsenzpflicht nicht nach-

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Kleriker, die dieser Zusammenkunft unentschuldigt fern blieben (wie Georg Ried, Abt des Zisterzienserklosters Stams) wurden von ihm unbedachterweise schnell exkommuniziert, was ihm nicht nur Ärger von päpstlicher, sondern auch von kaiserlicher Seite einbrachte.93) Vor dem Hintergrund der Klosterreformen des 15. Jahrhunderts94) und der Devotio Moderna95) werden auch die umfangreichen, nun noch verstärkten Bemühungen, das damals vernachlässigte geistliche Leben des Welt- und Ordensklerus zu reformieren, verständlich. Noch 1452 wurden Statuten für die Waldschwestern im Halltal erlassen.96) Die enthusiastischen reformatorischen Maßnahmen97), die das Ziel verfolgten, Ideen der Windesheimer Reform auch in den Tiroler Klöstern (wie 1455 in Gries98) und Wilten99) sowie 1456 in Neustift100) heimisch zu machen, musste aber auf längere Sicht schon aufgrund des zunehmend zerrütteten Verhältnisses des Kardinals zum Tiroler Herzog Sigmund scheitern. In diesem Zusammenhang sind auch die Reformversuche bei den Benediktinern von St. Georgenberg (1454101) und den Klarissen in Brixen (1455, sogar unter gekommen waren, bis zur nächsten Visitation keine Einkünfte aus ihren Pfarrkirchen beziehen dürfen. 93) AC II 4, 4584 Anm. 1; AC II 5, Nr. 5217, 5221 und 5481, AC II 6, 5256f., 5260, 5342, 5363 und 5502 (in diesem Breve von Papst Calixt III. vom 12. Februar 1458 wird NvK jedoch mitgeteilt, dass aufgrund der Privilegien des Zisterzienserordens der Abt nicht zur Teilnahme an Synoden verpflichtet ist), vgl. auch Nr. 5549, 5724f. (Schlichtungsspruch vom 28. August 1458) und 5730 (Forderung von Kaiser Friedrich III. vom 3. September 1458, die verhängte Kirchenstrafe über den Stamser Abt unverzüglich aufzuheben), sowie BAUM, Nicolaus Cusanus in Tirol (wie Anm. 7), 150–163. 94) Bischof, Franz Xaver/Thurner, Martin (Hg.), Die benediktinische Klosterreform im 15. Jahrhundert (Veröffentlichungen des Grabmann-Institutes zur Erforschung der Mittelalterlichen Theologie und Philosophie 56), Berlin 2013. 95) Staubach, Nikolaus, Cusanus und die Devotia moderna, in: Bocken, Iñigo (Hg.), Conflict and Reconciliation. Perspectives on Nicolas of Cusa (Brill’s Studies in Intellectual History 126), Leiden 2004, 29–51. 96) AC II 1, Nr. 2861. Fussenegger, Gerold, Nikolaus von Kues und die Waldschwestern im Halltal, in: Grass, Cusanus (wie Anm. 48), 381–429, hier Anhang Nr. IV, 401–424 97 ) Hallauer, Hermann J., Nikolaus von Kues als Kirchenreformer und Fürstbischof von Brixen, in: MFCG 28 (2003), 103–134. 98) Der päpstliche Auftrag, das Augustinerchorherrenstift Gries bei Bozen, das außerhalb seiner Diözese und seines Hochstiftslag, zu reformieren, wurde noch vom Tiroler Herzog unterstützt, s. AC II 4, Nr. 4386, 4524–4528. 99 ) Lentze, Hans (Hermann), Nicolaus von Kues und die Reform des Stiftes Wilten, in: Veröffentlichungen des Museums Ferdinandeum 31 (1951), 501–527. Vgl. dazu auch die Reformcharta vom 3. Mai 1455: AC II 3, Nr. 4336. 100) Hallauer, Hermann, Nikolaus von Kues und das Chorherrenstift Neustift, in: Carlen, Louis/Steinegger, Fritz (Hg.), Festschrift Nikolaus Grass. Zum 60. Geburtstag dargebracht von Fachgenossen, Freunden und Schülern, Bd. 1: Abendländische und deutsche Rechtsgeschichte, Geschichte und Recht der Kirche, Geschichte und Recht Österreichs, Innsbruck/München 1974, 309–324. Auch der dortige Propst Kaspar Aigner war exkommuniziert worden; NvK überreichte ihm in der Klosterkirche während der Messe am Gründonnerstag des Jahres 1456 einen entsprechenden Zettel, s. AC II 4, Nr. 4746 (vgl. dazu auch Nr. 4682 Z. 33; 4713 und 4717). 101) AC II 2, Nr. 3827, 2874 und 3923, vgl. dazu auch München, BSB, Clm 19697, f. 53v.

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Anwendung physischer Gewalt102) zu nennen; die widerspenstigen Benediktinerinnen von Sonnenburg, das erstmals 1453 visitiert wurde103), verdeutlichen dabei den allgemeinen Unmut der teilweise adeligen Konventualen 104 ) gegen den bischöflichen Reformeifer. Während es bei Ulrich Putsch dort noch um einen reinen Machtkonflikt gegangen war, war es das zentrale Anliegen des Kardinals, vor allem die dortige Missachtung der Ordensregeln rasch zu beseitigen. Doch hätte er dabei wohl bedächtiger und weniger ungeduldig emotional-rigoros vorgehen müssen. Hinzu kam, dass das (später mit einem Interdikt in eine Notlage gebrachte) Brixner Domkapitel spätestens seit 1456 verstimmt war, als Cusanus versucht hatte, seinen seinem eigenen Neffen Simon von Wehlen ein Kanonikat zu verschaffen.105) Wesentlich erfolgreicher war er hingegen bei der Sanierung der Finanzen des Bistums. Er ließ neue Rechnungsbücher und Lehenbriefregister anlegen, die ausführlicher und systematischer als in der Zeit des Ulrich Putsch waren. Dies wurde notwendig, denn als Reichsfürst standen Nikolaus von Kues ja auch die hohe Gerichtsbarkeit sowie das Münz-, Zoll-, Markt- und Bergregal106) zu, wobei insbesondere für das Bistum die an Silber, Kupfer und Eisen reichen Bergwerke in Nordtirol (vor allem Hall in Tirol und Schwaz, die er für sich reklamierte107) sowie Gossensass und Sterzing eine noch bedeutendere Rolle spielten, als dies bei Putsch bereits der Fall gewesen war.108) Am 16. Oktober 1456 sah sich Cusanus, der auch systematische Abschriften alter Urkunden anfertigen ließ, veranlasst, in einer Denkschrift die Brixner Rechte auf die Eisenbergwerke am mons Fursilum (Fursil, 102) AC II 4, Nr. 4459 Z. 24: und ain bub stiess aine hin, die ander herr, und ich was die erste an die glogen. Rädelsführerin bei den Brixner Klarissinnen war Maria von Wolkenstein, die Tochter des bekannten Dichters. Erst nach ihrer Entfernung (vgl. Nr. 4563 und 4626) ließ sich der Konvent im Sinne der franziskanischen Observanzbewegung reformieren, s. Spätling, Luchesius, Das Klarissenkloster in Brixen, in: Franziskanische Studien 37 (1955), 365–388, hier 375–377, sowie Hallauer, Hermann, Nikolaus von Kues und das Brixener Klarissenkloster, in: MFCG 6 (1967), 75–123, hier 87. 103) Hallauer, Hermann, Eine Visitation des Nikolaus von Kues im Benediktinerkloster Sonnenburg, in: MFCG 4 (1964), 104–125. 104) In Sonnenburg war man zuerst durchaus kompromissbereit, doch die mulieres diabolycae dachten gar nicht daran, „sich einem Bischof zu beugen, der nicht ihrem Stand angehörte“, vgl. Hallauer, NvK als Bischof und Landesfürst (wie Anm. 4), 25. 105) AC II 5, Nr. 4975. Zum Interdikt des Domkapitels, s. Nr. 5554. 106) Woelki, Thomas, Cusanus und der Bergbau, in: Horst, Thomas/Schwaetzer, Harald/Vollet, Matthias (Hg., in Verbindung mit Kirstin Zeyer), Universum Infinitum. From the German Philosopher Nicolaus Cusanus (1401–1464) to the Iberian Discoveries in the 15th Century: Ocean World in European Exploration (Texte und Studien zur Europäischen Geistesgeschichte, Reihe B), Münster 2022 (im Druck). 107) Fajkmajer, Karl, Studien zur Verwaltungsgeschichte des Hochstiftes Brixen, in: Forschungen und Mitteilungen zur Geschichte Tirols und Vorarlbergs 6 (1909), 1–21, 113–126, 209–249 und 313–347, hier 340. 108) Derselbe berichtet in seinem Diarium von einem vergeblichen Versuch eines Silberabbaus in Lüsen bei Brixen im Jahre 1429: Eodem anno in Junio feci querere mineram argenti in Lüsna, et nil inveni – s. Harris, shorter writings (wie Anm. 39), 76 V. 612f.

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Monte Pore) im Gericht Buchenstein anzumelden.109) Im selben Jahr gelang ihm auch der Rückkauf der Ämter Taufers und Uttenheim des Gerichts Taufers für sein Hochstift110); als Anwalt der Brixner Kirche trat er zudem auch in Kärnten und Krain während des cillischen Erbfolgestreites (1456–1460111) auf und bestätigte 1460 ein zeitgemäßes Stadtrecht mit Ratsverfassung für Bruneck.112) Es bleibt zu konstatieren, dass der herausragende Gelehrte Cusanus113), als ortsfremder Landesherr in Brixen in vielen Angelegenheiten durchaus wie sein Vorgänger Ulrich II. Putsch agierte. Dies wird besonders deutlich, wenn man die seelsorgerischen Tätigkeiten beider Kirchenmänner (Weihe von Kirchen und Kapellen, Erteilung von Ablässen, Predigten, Klosterreform) vergleicht. Einige Konflikte, wie der mit Sonnenburg und mit dem (teilweise mit dem regionalen Adel agierenden) Domkapitel, waren zudem strukturell vorgezeichnet. Ähnliches ist auch bei Gebiets- und Grenzstreitigkeiten anzunehmen, die in der Amtszeit des Cusanus wohl lediglich erneut aufbrachen.114) Ein systematischer Vergleich beider Pontifikate wird aber erst möglich sein, wenn auch das Wirken von Ulrich II. Putsch anhand der Quellen systematisch analysiert ist. Als Anregung dazu soll der Anhang zu diesem Beitrag dienen, der eine ähnlich große Ablasstätigkeit bei Putsch (wie bei Cusanus) außerhalb des eigenen Einflussgebiets erkennen lässt. Freilich sind zwischen beiden Bischöfen auch markante Unterschiede festzustellen, wobei in erster Linie das Verhältnis zum jeweiligen Tiroler Landesfürsten hervorgehoben werden muss. Zudem kam es bei Nikolaus von Kues nicht zu einer Auseinandersetzung um die Wahlkapitulationen, und die Opposition zum Domkapitel wurde erst später (1456, mit der Einsetzung des Simon von Wehlen) sicht-

) AC II 5, Nr. 4968: Brixen, DA, HA 13218 f. 7r/8v, zit. bei Hallauer, NvK und das Chorherrenstift Neustift (wie Anm. 100), hier 311f. 110) Baum, Sigmund der Münzreiche (wie Anm. 3), 142f.; Hallauer, Hermann, Eine Denkschrift des Nikolaus von Kues zum Kauf der Ämter Taufers und Uttenheim in Südtirol, in: MFCG 1 (1986), 76–94. 111) Baum, Wilhelm, Cusanus als Anwalt der Brixner Kirche in Kärnten und Krain (mit einer Edition eines unveröffentlichten Cusanusbriefes), in: Der Schlern 55 (1981), 385–399. 112) Bereits Ulrich II. Putsch hatte 1428 das älteste Brixner Stadtrecht von 1380 gemeinsam mit den Rechten und Freiheiten der beiden anderen bischöflichen Städte Klausen und Bruneck bestätigt, s. Mutschlechner, Josef, Alte Brixner Stadtrechte (Schlern-Schriften 26), Innsbruck 1935, 16, sowie Brandstätter, Klaus, Verfassungskämpfe der Bürgerschaft Brixens im 15. und 16. Jahrhundert, in: Flachenecker, Helmut/Heiss, Hans/Obermair, Hannes (Hg.), Stadt und Hochstift. Brixen, Bruneck und Klausen bis zur Säkularisation 1803 (Veröffentlichungen des Südtiroler Landesarchivs 12), Bozen 2000, 205–248, hier 207. 113) Schmidt-Biggemann, Wilhelm, Wissen und Macht an der Schwelle zur Neuzeit. Ein Beispiel: Nikolaus von Kues, in: van Dülmen, Richard/Rauschenbach, Sina (Hg.), Macht des Wissens. Die Entstehung der modernen Wissensgesellschaft, Köln u.a. 2004, 13–38. 114 ) Hierzu können die Grenzstreitigkeiten zwischen den Gerichten Buchenstein und Cadore wegen Erzgruben genannt werden (s. AC II 5, Nr. 4898, 5001–5003, 5092, 5094, 5128) und Weideflächen (s. AC II 6, Nr. 5304 und 5362) genannt werden. 109

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bar. Doch hinderten ihn gerade seine rigorose Restitutionspolitik und sein schroffes Vorgehen daran, die kirchlichen Reformen in dieser ‚Musterdiözese‘ erfolgreich umzusetzen. Aus diesem Grunde wird das Wirken des Nikolaus von Kues in seiner ‚Brixner Zeit‘ bis heute in der Forschung ambivalent beurteilt, wenngleich die Acta Cusana es nun ermöglichen, nicht nur die ‚große Spaltung‘ mit dem Tiroler Herzog, wie sie bereits Christoph Wilhelm Putsch hervorhebt, sondern auch sein seelsorgerisches Wirken in Brixen besser nachzuvollziehen. Anhang: Auswahl von Archivalien zu bzw. von Ulrich Putsch Augsburg, Staatsarchiv: – Reichsstift Kaisheim Urkunden KV 910 (25. September 1376), 984 (3. Januar 1394) und 1034 (31. Oktober 1403).115) Bozen, Staatsarchiv, Hochstift Brixen, Bischöfliches Archiv116) – Hs. 1 [Lade 3, Nr. 1, lit. C., Cod. 1]: Kopie des Diariums des Ulrich Putsch; 17. Jahrhundert. – Hs. 2 [Lade 3, n. 1, lit. C]: Diarium reverendissimi domini episcopi Udalrici de anno 1427 usque ad annum 1437 (Titel auf dem Einband aus dem 17. Jh.), Acta per reverendissimum dominum Udalricum Episcopum Brixinensem ac fundatorem capelle trium Regum propria manu conscripta de anno ad annum ut sequitur (Papierheft im Quartformat, 21,5 x 14,4 cm, 29 fol.; behandelt den Zeitraum vom 4. November 1427 bis zum 4. Juli 1437 in zusammenhängenden, autobiographischen bzw. chronikhaften Notizen). – Hs. 123, f. 34r–37v: Gerichtsverhandlung, Verhör durch Johann von Weineck, Hauptmann von Buchenstein, Todesurteile (1431 November 14). – Lade 19 (enthält mehrere hunderte Blatt Originale und Abschriften aus dem Brixner Archiv, darunter auch Originalaufzeichnungen von Ulrich Putsch), vgl. dazu beispielhaft: Nr. 11 A-O: Ulrich Putsch im Konflikt mit der Abtei Sonnenburg. Nr. 13A: Beschwerdepunkte des Bischofs Ulrich Putsch gegen den Bischof von Trient im Streit um Vogteirechte über Sonnenburg; Ulrich reklamiert die Oberhoheit im Geistlichen und Weltlichen über die Äbtissin von Sonnenburg. – Lade 34, Nr. 17 ad A: Lehensrevers des Grafen von Görz für den Bischof von Brixen (ohne konkrete Benennung der Lehen) vom 21. Dezember 1433 (Abschrift117) sowie – Lade 75, Nr. 12 Lit. C: Herzog Friedrichs Kanzler Ulrich erhält die Burg Prunberg bei Gratsch zum Lehen (Hall, 31. Mai 1420).118) – Urk. 30 und 31 (Rom, 19. Januar 1428): Bulle Papst Martins V. an Bischof Ulrich Putsch von Brixen mit Bestätigung seiner Wahl.119) ) Abb. bei Wolfsgruber, Ulrich Putsch (wie Anm. 22), 9. ) Für die Zusammenstellung der Quellen zu Ulrich Putsch im StA Bozen dankt der Autor dieses Beitrags Herrn Mag. Harald Toniatti. 117) Weitere Kopie davon: Brixen, DA, HRR II f. 103v. 118 ) Diese bei von Lichnowsky, Geschichte des Hauses Habsburg (wie Anm. 32), CCXLVI Nr. 1947b, erwähnte Urkunde ist im StA Bozen nicht vorhanden. Ein Eintrag im Repertorium verweist unter Lade 75 Nr. 12 zudem auf ein späteres Datum (Hall, 7. Juni 1420). 119) Transkription bei Nägele, Ulrich Putsch (wie Anm. 23), Anhang III, 331 f. 115 116

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– Urk. 398 (4. November 1427): Beschwörung der Wahlkapitulation durch Ulrich Putsch.120) – Urk. 401 (21. November 1429): Vlreich (Putsch) bischof ze Brichsen ains tayls, Andre tuembrobst, Niclaus techant vnd das capitl daselbs.121) – Urk. 471 (25. Januar 1433): Udalricus (Putsch) ep. Brixin. – Urk. 494 (20. Januar 1431): Udalricus (Putsch) ep. Brix. – Urk. 501 (17. August 1437): Udalricus (Putsch) ep. Brix. – Urk. 507 (6. Januar 1434): Udalricus (Putsch) ep. Brix. – Urk. 729 (23. Januar 1434): Vlreich (Putsch) bischove ze Brichsen. – Urk. 1101 (11. Februar 1433): Udalricus (Putsch) ep. Brix. – Urk. 1488 [Lade 51, Nr. 9, Lit. D], (Bruneck, 17. August 1437): Oswald von Wolkenstein leitet anstelle Bischof Ulrichs II. von Brixen beim Hofgericht in Bruneck eine Gerichtsverhandlung im Streit zwischen Georg von Villanders und dem Bischof wegen der Burg Garnstein und 30 Mark aus dem Zoll von Klausen.122) – Urk. 2189 (21. Dezember 1432): Vlrich (Putsch) bischove ze Brichsen. – Urk. 2195 (28. Dezember 1429): Vlreich (Putsch) bischof ze Brichsen. – Urk. 2236: Schreiben von Ulrich Putsch an den Regensburger Kanoniker Johann Nusser, worin er demselben das Benefiziat in der Pfarrei Teugn verspricht (datiert Brixen, 30. November 1428).123) – Urk. 2237 (1. Juni 1431): Udalricus (Putsch) ep. Brix. – Urk. 2550 (17. März 1433): Vlreich (Putsch) bischove ze Brichsen. Bozen, Südtiroler Landesarchiv124) – Familienarchiv Lachmüller, Urkunde 507 (4. November 1433): Bischof Ulrich von Brixen als Gerhab für Lienhart, Christof und Jörg, Söhne nach Niklas von Rost, ferner Peter von Rost (Bruder des verst. Niklas) und Niklas Prack, die beiden letztgenannten in Enneberg gesessen, sowie Hans Gall, Bürger zu Brixen, verkaufen dem Brixner Bürger Hans Seckler und dessen Ehefrau Clara ein Haus samt Hofstatt zu Brixen um 97 Mark Berner. – Archiv Künigl-Ehrenburg, Urkunde 530 (Brixen, 1. August 1428): Bischof Ulrich von Brixen verleiht seinem Getreuen Leonhard aus der Huben in Kiens einen halben Zehnten aus dem Hof „Pirchach auf em Aspach … ob Schónekg“, die ihm dessen Bruder Valentin mit der Bitte um Verleihung an Leonhard ausgesandt hatte. – Archiv Künigl-Ehrenburg, Urkunde 995 (Bruneck, 24. August 1428): Bischof Ulrich von Brixen verleiht seinem „getrewen lieben Kastor Kúnig von Erenburg“ als älterem Bruder und seinem jüngeren Bruder Jörg genannte Objekte, nämlich die 1397 September 3 und

) Schaller, Ulrich II. Putsch (wie Anm. 21), 238. ) Zu den Urkunden des Bischöflichen Archivs im Hochstift Brixen vgl. das sehr hilfreiche chronologische Urkundenverzeichnis, zusammengestellt von Toniatti, Harald, Bozen 1997/1998, online: . 122) Nägele, Ulrich Putsch (wie Anm. 23), 304f. Ediert bei Schwob, Lebenszeugnisse Oswalds von Wolkenstein III (wie Anm. 31), Nr. 275. 123) Transkription bei Nägele, Ulrich Putsch (wie Anm. 23), Anhang IV, 332. 124 ) Für die Zusammenstellung der Quellen zu Ulrich Putsch im SLA dankt der Autor dieses Beitrags Herrn Dr. Gustav Pfeifer (Bozen). 120 121

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die 1419 November 24 beschriebenen, welch letztere sie von Ingenuin Neuwirt geerbt haben.125) Archiv Künigl-Ehrenburg, Aktenfasz. 6.8.2 (20. April 1437): Jörg Künigl von Ehrenburg, Pfarrer auf Schöneck, beurkundet, dass die dem Stift Neustift inkorporierte und von diesem auf Bitten Bischof Ulrichs von Brixen zu besetzende Kaplanei des Unserfrauen- und Dreikönigsaltars in der Kirche zu Kiens nach dem Tod des bisherigen Kaplans, seines Bruders Hans Künigl, vom Neustifter Propst Ulrich und dem dortigen Kapitel an seinem Sohn Christian übertragen worden ist, auf dass er sie einnehme, sobald er das zur Ergreifung des Priesterberufs nötige Alter erreicht haben würde. Dem Kaplan von Kiens sind Eingriffe in die Rechte des Pfarrers von Pfalzen untersagt, er muss diesem aber bei Bedarf Dienste leisten. Archiv Payrsberg 223 (6. August 1429): Bischof Ulrich von Brixen verleiht dem Sigmund von dem Thurn (zu Bozen), Lehenträger anstatt seiner Frau Anna, Weinzins aus der Palmerhube zu Algund. Archiv Welsperg-Niederrasen 5753 (13. Dezember 1434): Bischof Ulrich von Brixen konfirmiert den von Graf Heinrich von Görz für die St. Johannes-Burgkapelle auf Welsberg präsentierten Kaplan Jakob Loter.126) Archiv Welsperg-Niederrasen 31 (14. Dezember 1434): Bischof Ulrich von Brixen belehnt Caspar Rasner mit genannten Zehnten aus dem Erbe der Witwe nach Peter Lengenauer.127)

Brixen, Bibliothek des Priesterseminars – Jüngere Handschriften, D 10: Sammlung von Abschriften von lateinischen und deutschen Urkunden aus dem 15. Jahrhundert, die der Exeget Josef Resch (1716–1783) zusammengestellt hat.128) Brixen, Diözesanarchiv129): – Domkapitelarchiv (DKA), Urk. Ddo [L.98.1 c]: (Brixen, 1429): Bischof Udalrich verleiht der Kapelle S. Jacob in Merra Ablass.130) [L.92]: (Brixen, 2. April 1431): Bischof Ulrich und das Kapitel bestätigen die Stiftung der ewigen Messe in Nazareid durch Hugo den Burggrafen von Luenz und die Pfarrleute.131) [L.92]: (Brixen, 11. April 1431): Bischof Ulrich überträgt dem Kapitel die Investitur des Kaplans der ewigen Messe zu Nazareit.132) – Hofakten 7300–7301 (beide 1429). 27542a (1429/1430): Urbar und Einträge über Einnahmen, Belehnungen sowie Raitungen. 27542b (1431–1438): Raitbücher. 125) Vgl. Emil von Ottenthal/Oswald Redlich (Hg.), Archiv-Berichte aus Tirol, 4 Bde. (Mitteilungen der 3. Archiv-Sektion der k.k. Central-Commission zur Erforschung und Erhaltung der Kunst- und historischen Denkmale 1, 3, 5 & 7), Wien 1888–1912, hier Bd. III, 268, Nr. 1374. 126) von Ottenthal/Redlich, Archiv-Berichte aus Tirol III (wie Anm. 125), 432, Nr. 2165. 127) Ebd., 431f., Nr. 2164 128) Für hilfreiche Informationen zu dieser Handschrift dankt der Autor dieses Beitrags Frau Dr. Ursula Stampfer. 129 ) Für die Zusammenstellung der Quellen zu Ulrich Putsch im DA Brixen dankt der Autor dieses Beitrags Frau PD Dr. Erika Kustatscher (Brixen). 130) von Ottenthal/Redlich, Archiv-Berichte aus Tirol II (wie Anm. 125), 493, Nr. 2690. 131) Ebd., 493, Nr. 2691. 132) Ebd., 493, Nr. 2692.

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– Hofarchiv, Oberes Archiv 469 b (8. Juli 1428). 610 (30. Januar 1435). 611 (27. März 1435). 626 (Brixen, 16. April 1438): Anna Gruber, Schwester des verstorbenen Bischofs Ulrich II. von Brixen, werden von einem Schiedsgericht Erbansprüche an Bischof Georg (I.) und das Hochstift Brixen abgesprochen; dennoch erhält sie gnadenhalber jährlich eine Zuteilung an Lebensmitteln und vierteljährlich Geld. Unter den Urteilern ist Oswald von Wolkenstein.133) Innsbruck, Tiroler Landesarchiv (TLA)134): – Fridericiana 30.3 (Brixen, 28. April 1430): Bischof Ulrichs von Brixen berichtet Herzog Friedrich IV. über den Totschlag von Ulrich von Wirsung in Bozen.135) – Handschrift 114 f. 16r (28. Mai 1416–10. September 1417): Rechnung des Amtmannes Heinrich Mülauner im Rechnungsbuch der Amtleute an der Etsch: Item so han ich aber verzert zu sand Michel über nacht als mich mein egenanter herr [Herzog Friedrich] mit herrn Ulrich pharrer auf Tyrol gen Potzen sandt, XV groschen.136) – Handschrift 131 f. 10v (11. Januar 1413): Rechnungseintrag für Kanzler Ulrich Putsch im Rechnungsbuch Herzog Friedrichs IV. von Österreich. – Handschrift 376-7 f. 228v–256v: Sammlung zur Rechtsstellung des Hochstifts Brixen zur Grafschaft Tirol, zusammengestellt vom Brixner Hofrat und Kanzler Philipp Bartl (1711). – Sigmundiana IX 62: Sammlung von Akten zu den Auseinandersetzungen um das Stift Sonnenburg, vor allem aus der Kanzlei der Tiroler Landesfürsten, 1413–1495.137) – Urbar 106.12: Urbar des Hochstifts Brixen, f. 114v–115v (3. März 1431): Vertrag von Ulrich Putsch bezüglich der Alpe in Pfunders. – Urkunde I 1407 (Innsbruck, 4. März 1427): Parzival von Weineck bekennt, dass er Herzog Friedrich IV. die Burg Fragenstein und alle dazugehörigen Güter übergeben soll, dafür aber einen zeitlichen Aufschub erhalten hat, Zeuge u.a. Pfarrer Ulrich zu Tirol. 138) – Urkunde I 2129 (Trient, 9. Oktober 1417): Pfarrer Ulrich von Tirol, Erzpriester im Vinschgau sowie Chorherr zu Trient und Brixen kauft von Herzog Friedrich IV. von Österreich Pferde für 1200 Dukaten.139) – Urkunde I 3704 (Brixen, 30. März 1430): Bischof Ulrich von Brixen folgt der Bitte von Herzog Friedrich IV. von Österreich und erlaubt den Chorherren im Stift Wilten, die Beichte abnehmen zu dürfen: darzu so sind si ungelert und ist kainer under in, der da wiss ainen menschen ze versorgen. So peicht in auch nyemand wan die unvertig sind. Erlaubnis, aber auf ir sel und gewissen. Ich wil aber das gen got nit veranttwurten.140)

) Schwob, Lebenszeugnisse Oswalds von Wolkenstein IV (wie Anm. 30), Nr. 281. ) Für die Zusammenstellung der Quellen zu Ulrich Putsch im TLA dankt der Autor dieses Beitrags Frau Mag. Dr. Gertraud Zeindl (Innsbruck). 135) Schaller, Ulrich II. Putsch (wie Anm. 21), 265 Anm. 3. 136) Ebd., 238. 137) Vgl. Baum, Sonnenburg (wie Anm. 38), 639 Anm. 175. 138 ) Schaller, Ulrich II. Putsch (wie Anm. 21), 242 Anm. 2. 139) Nägele, Ulrich Putsch (wie Anm. 23), 291. 140) Schaller, Ulrich II. Putsch (wie Anm. 21), 269f. 133 134

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– Urkunde I 4133 (Brixen, 26. Oktober 1435): Bischof Ulrich von Brixen gibt gemäß dem Brief von König Sigismund Herzog Friedrich IV. von Österreich Kundschaft über den Streit, den er einst mit den Brüdern Ulrich und Wilhelm von Starkenberg gehabt hat.141) – Urkunde I 5409 (Innsbruck, 27. November 1429): Bischof Ulrich von Brixen bewilligt, dass Herzog Friedrich IV. von Österreich und die Bewohner von Schmirn, Vals und Stafflach in der Kapelle St. Anton, Wolfgang und Jodok einen eigenen Weltpriester als Kaplan und Seelsorger bestellen und aushalten dürfen.142) – Urkunde I 5553 (Präsentationsurkunde, verfasst zwischen 1. und 27. September 1412): Herzog Friedrich IV. von Österreich präsentiert Bischof Hartmann von Chur für die durch den Tod von Heinrich Burkhard von Rabenstein vakante Pfarre Tirol Ulrich Putsch, bisher Pfarrer von Tisens, als Nachfolger.143) – Urkunde I 5554 (Chur, 27. September 1412): Bestätigung des von Herzog Friedrich von Tirol präsentierten Pfarrers Ulrich Putsch von Tirol durch Bischof Hartmann von Chur.144) – Urkunde I, 8943 (Innsbruck, 21. September 1429): Bischof Ulrich von Brixen verspricht dem von Herzog Friedrich IV. von Österreich gefällten Schiedsspruch in seiner Streitsache mit dem Domkapitel von Brixen nachgehen zu wollen. – Urkunde I, 8944 (Brixen, 7. Oktober 1429): Dompropst Andreas, Dekan Nikolaus und das gesamte Domkapitel von Brixen sowie Michael von Wolkenstein, Bartholomäus von Gufidaun, Wilhelm Lebner, Oswald von Wolkenstein und Jakob Trautson bezeugen, dass Herzog Friedrich IV. von Österreich gemeinsam mit vielen Land- und Gotteshausleuten den Streit zwischen Bischof Ulrich von Brixen und seinem Lehensmann, dem Pletscher in der Weise, entschieden hat, dass der Bischof letzterem das Lehen, welches er ihm als ein Parteigänger Herzog Friedrich IV. von Österreich zur Zeit des Streits entzogen hat, wieder verleihen soll. – Urkunde I, 8945 (Brixen, 16. November 1429): Versprechen des Domkapitels von Brixen den Schiedsspruch Herzog Friedrich IV. von Österreich in Sachen des Streits zwischen Domkapitel und Bischof Ulrich von Brixen anzunehmen. – Urkunde I, 8946 (Innsbruck, 16. November 1429): Dompropst Andreas, Konrad ‚Spitaler in der Insel‘, Cristan von Freiberg und Meister Gebhard Bulach, Chorherr von Brixen, versprechen für sich und das Domkapitel in Brixen den Schiedsspruch von Herzog Friedrich IV. von Österreich in Sachen ihres Streits mit Bischof Ulrich von Brixen anzunehmen. – Urkunde I, 8947 (20. November 1429): Herzog Friedrich IV. fällt in Sachen des Streits zwischen Bischof Ulrich von Brixen und seinem Domkapitel einen Schiedsspruch, dem zu Folge der Bischof bestimmte wichtige Regierungshandlungen nur mit Zustimmung des Domkapitels oder eines Dreimännerausschusses vornehmen darf. – Urkunde I, 8949 (Innsbruck, 18. Januar 1430): Dompropst und Domkapitel von Brixen erkennen Herzog Friedrich IV. von Österreich als Schiedsrichter in ihrem Streit mit Bischof Ulrich von Brixen an.

141) Ebd., 240. Ediert bei Röggel, Joseph, Das Schloß Greifenstein und seine Besitzer, in: Beiträge zur Geschichte, Statistik, Naturkunde und Kunst von Tirol und Vorarlberg. Zeitschrift für Tyrol und Vorarlberg 4 (1828), 169–363, hier 300–303 Nr. 35. 142) Schaller, Ulrich II. Putsch (wie Anm. 21), 271f., 282. 143) Transkription bei Nägele, Ulrich Putsch (wie Anm. 23), Anhang I, 330. 144) Transkription ebd., Anhang II, 330f.

Das Bistum Brixen unter Ulrich Putsch

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– Urkunde I, 8950 und 8951 (20. Januar 1430): Bischof Ulrich von Brixen bekennt, dass Herzog Friedrich IV. von Österreich an seiner Gefangennahme durch das Brixner Domkapitel keine Schuld trägt. – Urkunde I, 8957 (Brixen, 12. Juli 1430): Bischof Ulrich von Brixen bekundet, dass jene gegen Herzog Friedrich IV. von Österreich erhobenen Anschuldigungen wegen der Besetzung des Klosters Sonnenburg und der Bedrohung seiner Person, welche in Briefen König Sigismund enthalten waren, nicht der Wahrheit entsprechen. – Urkunde I, 8958 (Brixen, 16. September 1436): Bischof Ulrich von Brixen übersendet Herzog Friedrich IV. von Österreich ein an ersteren gerichtetes Schreiben des Dogen von Venedig. – Urkunde I, 8959 (Brixen, 7. März 1437): Bischof Ulrich von Brixen erteilt Herzog Friedrich IV. von Österreich und seiner Familie das Privileg, sich in der diesjährigen Fastenzeit einen Beichtvater selbst zu wählen und überträgt dem betreffenden Priester die Absolutionsgewalt auch für bischöfliche Reservatfälle. – Urkunde I, 9061 (21. Januar 1430): Erklärung von Oswald von Wolkenstein, Jakob Trautson, Heinrich Seldenhorn, Lienhard Stosser, Hans Erber, Ulrich Radrer und Niklas Knewsslein, dass die von Herzog Friedrich IV. von Österreich nach Brixen gesandten Boten Bischof Ulrich von Brixen in Gegenwart des Domkapitels und zwei Bürger von Brixen sein Missverhalten aufzeigten, aber nicht zu Tätlichkeiten gegen den Bischof aufgemuntert haben. – Urkunde II 225 (Innsbruck, 10. August 1412): Johann Fedrer, Collector der päpstlichen Kammer und Ulrich Putsch, Collector der Bistümer Trient, Brixen, Chur und Konstanz und Secretär von Herzog Friedrich IV. von Österreich befehlen dem Pfarrer von Axams die Güter des verstorbenen Johanns für die päpstliche Kammer in Beschlag zu nehmen. – Stift Sonnenburg, Urk. 76 (Sonnenburg, 12. April 1428): Dieses Notariatsinstrument von sieben Sonnenburger Nonnen (angeführt von Ursula Forstner) will dem langjährigen Prokurator in Trient sämtliche übertragene Vollmachten (insbesondere die Gerichtsbarkeit im Gadertal betreffend) entziehen. Es wurde in Gegenwart von Beobachtern, darunter Oswald von Wolkenstein und Heinrich von Liechtenstein ausgefertigt.145) Innsbruck, Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum (TLMF), Bibliothek:146) – Dipauliana 421/V f. 99–100: Grenzbeschreibung von Sonnenburg, 1410 (Abschrift des 16. Jahrhunderts). – Dipauliana 484 (Zusammenstellung aus dem frühen 19. Jahrhundert vom Innichner Pater Ignaz Paprion, der 1812 verstorben ist), f. 96: Ablassverleihung für die Margarethenkapelle in Welsberg durch Bischof Ulrich Putsch (14. August 1435). – Dipauliana 709/2: Diarium Udalrici Putsch Episcopi Brixinensis: Vita Vdalrici Episc. Brix. 1427– 1437 (Abschrift des Tagebuchs von Ulrich Putsch, vermutlich angefertigt vom Brixner Domkanoniker und Historiker Johann Rossbichler, 1750–1814). – W 470/2: weitere neuzeitliche Abschrift des Diariums.147)

) Ediert bei Schwob, Lebenszeugnisse Oswalds von Wolkenstein II (wie Anm. 30), Nr. 176. ) Für die Überprüfung dieser Manuskripte zu Ulrich Putsch sei Herrn Bibliotheksleiter Mag. Roland Sila an dieser Stelle herzlichst gedankt. 147) Erwähnt in: Innsbruck, Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum, Bibliothek Dipauliana 1261/ VI: Karpe, Franz, Karl Entwurf einer tirolischen Litteraturgeschichte von den ältesten Zeiten bis zum Tode Maximilians I., o. J., 10. 145 146

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Innsbruck, Universitäts- und Landesbibliothek Tirol: – Cod. 68 f. 123rv und f. 123v–126v: Schreiben an den Klerus zu Brixen (datiert Brixen, 10. Juni 1431), worin Ulrich vor Häresie warnt, sowie Brief des Kardinallegaten Giuliano Cesarini an Ulrich oder seinen Generalvikar über den Ablass für den Hussitenkreuzzug (Nürnberg, 22. März 1431) in einer Sammelhandschrift vorwiegend historisch-kirchenpolitischer Dokumente.148) – Cod. 826 [Collectanea rerum memorabilium Tirolensium, fertiggestellt von Christoph Wilhelm Putsch um 1566/67], f. 49 und 60: Notizen über die Bischofsernennung und den Tod von Ulrich Putsch. Memmingen, Stadtarchiv – Stiftungsarchiv 220/2 (drei Sammelprivilegien von Ulrich für die Antoniter von Memmingen, sub dato 25. Oktober 1431, 23. Oktober 1434 und 2. November 1435).149) Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum, Bestand „Wolkenstein-Archiv“ – Fasz. 13: Deklaration von Ulrich Putsch, künftig dem Domkapitel und den Angehörigen des Hochstifts seine (früher) mündlich und schriftlich abgegebenen Wahlversprechen zu halten sowie Konzept zu einem Urfehde-Versprechen (beide datiert Brixen, 31. Oktober 1429).150) Ermahnung des Bischofs an Oswald von Wolkenstein, eine gerichtlich festgestellte Geldschuld an den Brixner Bürger Kunz Kamrer binnen kurzem zu begleichen (datiert Brixen, 23. Januar 1432).151) Trient, Archivio di Stato152): – Archivio principesco vescovile, Sezione latina, Caps. 53 Nr. 10 (Notariatsinstrument, Trient, 8. August 1427): Äbtissin Ursula erkennt den Bischof von Brixen nicht als ihren Vogt an. Nr. 11 (Notariatsinstrument des Johannes von Cometaw, Sonnenburg, 1. Januar 1428): Bericht über die Neuwahl der Äbtissin in Sonnenburg. Nr. 12 (Sonnenburg, 3. Januar 1428): zur Äbtissinnenwahl in Sonnenburg. Nr. 13 (Sonnenburg, 8. April 1428): erneut zur Äbtissinnenwahl in Sonnenburg. Nr. 14 (Burg Buonconsiglio in Trient, Urkunde vom 1. April 1428): Die Nonne Barbara Rasner wird zur neuen Äbtissin von Sonnenburg ernannt. Nr. 15 (Trient, 2. März 1429): Barbara Rasner erklärt, dass sie eingekerkert wurde, weil sie die Rechte des Bischofs von Trient verteidigt habe. Nr. 16 (2. August 1428): Papst Martin V. delegiert den Bischof von Feltre im Streit zwischen den Bischöfen von Brixen und Trient. 148) Beschreibung unter , s. auch Hürten, Cusanus-Texte (wie Anm. 77), Nr. 9a–b. 149) Regest: Braun, Friedrich, Die Antoniter und ihr Haus in Memmingen, in: Beiträge zur bayerischen Kirchengeschichte 9 (1903), 241–270; 10 (1904), 1–28, hier 269f., Nr. 18–20. Vgl. auch Mischlewski, Adalbert, Die Auseinandersetzung des Nikolaus von Kues mit den Antonitern. Mit einem Anhang bisher ungedruckter Quellen zur Geschichte des Cusanus, in: Innsbrucker Historische Studien 9 (1986), 19–36, hier 24. 150) Ediert bei Schwob, Lebenszeugnisse Oswalds von Wolkenstein III (wie Anm. 30), Nr. 200f. 151) Ediert ebd., Nr. 232. 152 ) Vgl. die Beschreibung bei Ippoliti/Zatelli, Archivi principatus Tridentina regesta (wie Anm. 41), 842–844.

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Nr. 17 (4. September 1429): Die Gemeinde Enneberg erklärt, dass der Bischof von Trient von alters her das Recht auf das Kloster Sonnenburg hat, und nicht der Bischof von Brixen. – Archivio principesco vescovile, Sezione tedesca, Caps. 34. Litt. C (undatiertes Verhandlungspapier von 1427/1428). Wien, Deutschordens-Zentralarchiv: – Nr. 2917 (Rom, 16. September 1412): Anton v. Challant, Kardinalpriester von St. Cäcilia, Vorstand der päpstlichen Kammer, zeigt dem Brixener Offizial an, dass die Deutschordenspfarreien die Annata nicht zu zahlen brauchen, und dass infolgedessen der Deutschordenspriester und Rektor der Pfarrkirche zu Sterzing Leopold, der letztere schon durch sieben Jahre unbehelligt verwaltet hatte, von Exkommunikation und Interdikt befreit werde, womit ihn Ulrich Busch, Kanoniker von Trient und Sammler der apostolischen Kammer in der Brixener Diözese, belegt hatte, weil er die Annata nicht zahlte.153) – Nr. 2922 (Rom, 17. September 1412): Friedrich Deys, Dechant der Kirche von Paderborn, Auditor der apostolischen Kammer, fordert vor sein Gericht den Kanoniker Ulrich Busch von Trient, Sammler der apostolischen Kammer in den Diözesen Trient, Brixen, Chur und Konstanz, der entgegen den päpstlichen Indulten den Deutschordensbruder Leopold, Pfarrer der Ordenskirche zu Sterzing, wegen Nichtbezahlung der Annaten exkommunizierte, mit der Erklärung, dass die Deutschordenspfarren von derlei Abgaben stets frei gewesen seien.154) – Nr. 2923 (Rom, 17. September 1412): Päpstliches Mandat von dem Auditor Rotae zu Rom wider den Bischof zu Brixen und den Ulrich Butsch, Kanoniker von Trient, wegen Anforderung einer geistlichen Steuer von der Pfarre Sterzing, gegen welche Bruder Leopold, Rektor der Pfarrkirche, seine Beschwerde vorgebracht hatte.155) Wien, Österreichische Nationalbibliothek: – Cod. 2961, Nr. 2: Diploma des Udalricus Putsch episcopus Brixinensis (datiert 20. August 1430156) – Cod. 12575 f. 294v–295v: Ulrich beurkundet den Tausch von Liegenschaften und deren Einkünften mit Oswald von Wolkenstein (datiert Brixen, 1. September 1433).157) Wien, Österreichisches Staatsarchiv, Haus-, Hof- und Staatsarchiv (HHStA) – Allgemeine Urkundenreihe158) Brixen, 18. September 1410: Heinrich von Ratersdorf bekennt dem Ulrich Putsch, Schreiber von Herzog Friedrich [IV.] von Österreich, 10 fl. zu schulden.

153) Arnold/Tumler, Die Urkunden des Deutschordenszentralarchivs in Wien (wie Anm. 27), 878, Nr. 2917. Online unter: . 154) Arnold/Tumler, Die Urkunden des Deutschordenszentralarchivs in Wien (wie Anm. 27), 879, Nr. 2922. Online unter: . 155) Vgl. Arnold/Tumler, Die Urkunden des Deutschordenszentralarchivs in Wien (wie Anm. 27), 880, Nr. 2923. Online unter: . 156) Beschreibung unter . 157) Ediert bei Schwob, Lebenszeugnisse Oswalds von Wolkenstein (wie Anm. 30), III Nr. 243. 158 Für die Zusammenstellung der Quellen zu Ulrich Putsch im HHStA dankt der Autor dieses Beitrags Herrn David Fliri, BA. MA. (Wien).

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Meran, 29. Mai 1416: Herzog Friedrich [IV.] von Österreich verleiht die von den Mamming wegen des zu Meran begangenen Verrats verwirkten Güter dem Ulrich Putsch, Erzpriester im Vinschgau und Pfarrer auf Tirol, seinem Kanzler. – Bistum Brixen (845–1530), Urkunde vom 16. April 1429: Brief des Dogen von Venedig, Francesco Foscari (reg. 1423–1457) an Bischof Ulrich Putsch. Derselbe antwortet auf sein Ansinnen um Auslieferung eines wegen Brandlegung im Cadore verhafteten Mönchs, dass er zuvor noch nähere Erkundigungen über dessen Person und das Verbrechen einziehen müsse.159) Wilten, Stiftsarchiv – Urkunden 001 V (15. Januar 1434): Bischof Ulrich von Brixen beurkundet, dass Abt Johann von Wilten alte, von Bischof Reginbert an das Kloster Wilten verliehene Privilegien und Schenkungen vorgelegt hat mit der Bitte, diese zu bestätigen, weil sie der Konvent zur rechtmäßigen Verteidigung seiner Rechte benötige.160) – Urkunden 003 H (21. Oktober 1432): Bischof Ulrich von Brixen weiht die den Heiligen Laurentius und Stephanus geweihte Klosterkirche von Wilten nach dem großen Brand wieder ein und verleiht Ablässe an alle Christgläubigen.161) Außerdem werden in den von Emil von Ottenthal und Oswald Redlich zusammengestellten Archiv-Berichten aus Tirol (1888–1912) noch folgende weitere Urkunden zu Bischof Ulrich II. Putsch genannt162): – Archiv der Stadtpfarre St. Jacob in Innsbruck: (Innsbruck, 5. Juli 1429): Bischof Ulrich von Brixen verleiht für die Jacobskirche Ablass.163) (Innsbruck, 11. April 1434): Bischof Ulrich von Brixen verleiht für einen Altar im Chor von St. Jacob, den Konrad, Herzog Friedrichs Rath erbaut und gestiftet hat, Ablass.164) – Gemeindearchiv Abtei: (Bruneck, 6. August 1434; Kopie von 1699): Vogt Ulrich der Junge von Matsch, Hauptmann an der Etsch, beurkundet, dass er gemäß dem Auftrage Herzogs Friedrichs den trotz früherer Tädigung mit Mannflucht, Nombe und Brand fortstreitenden Leuten von Enneberg, Abtei und Wengen einen Tag nach Bruneck ausschrieb, wo beide Parteien mit allen Vollmachten und Urkunden erschienen und mir deren Willen und unter Zustimmung des Bischofs Ulrich von Brixen und der Äbtissin Ursula von Sonnenburg der Streit durch den Vogt, Bischof, Michael von Wolkenstein und edle von Vogt ernannte Anwälte ausgetragen wurde.165)

159 ) Online unter: . Für diese Information sei Herrn Dr. Herwig Weigl (Wien) herzlichst gedankt. 160) Online-Edition: . 161) Online-Edition: . 162) Sämtliche folgende Anmerkungen beziehen sich allesamt auf von Ottenthal/Redlich, Archiv-Berichte aus Tirol (wie Anm. 125). Der heutige Verwahrort dieser Archivalien wurde nicht weiter überprüft. 163) II 251, Nr. 1205. 164) II 251, Nr. 1206. 165) III 311f., Nr. 1601. Das Gemeindearchiv von Abtei im Gadertal befindet sich heute im Südtiroler Landesarchiv Bozen, Gemeindearchiv Abtei/Badia (St. Leonhard), Repertorium, Bozen 1996, doch ist die hier genannte Urkunde leider verschollen.

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– Gemeindearchiv Wenns: (12. Juli 1433): Martin Techtel Kirchherr zur Flaurling gibt im Auftrag Bischof Ulrichs von Brixen Kundschaft im Streite zwischen Wenns und Imst wegen der langen Brücke.166) – Kirchenarchiv Arzl: (21. Januar 1431): Bischof Ulrich von Brixen verleiht Ablass für die St. Johanneskirche in Arcell.167) – Kirchenarchiv Baumkirchen: (14. März 1429): Bischof Ulrich von Brixen verleiht die durch den Tod Eberhard Sulzrainers erledigte Pfarre Baumkirchen an Ulrich Vogel.168) – Kirchenarchiv Bruneck: (Brixen, 8. Juli 1428): Bischof Udalrich von Brixen verleiht der neugegründeten Salvatorkapelle in Bruneck Ablass.169) – Kirchenarchiv Fulpmes: (Innsbruck, 29. Juli 1429): Bischof Ulrich von Brixen gestattet auf Bitte des Petrus Grosskopf Rectors der Pfarre Stubai und der Gemeinde, dass die Kirchweih wieder wie früher am Tage der Unschuldigen Kinder begangen werde.170) – Kirchenarchiv Ladis: (Bruneck, 10. August 1433): Bischof Ulrich von Brixen verleiht der S. Martinskapelle in „Laudes“ einen Ablass.171) – Kirchenarchiv Landeck: (Brixen, 4. März 1436): Bischof Ulrich von Brixen genehmigt die Stiftung und Dotierung eines ewigen Messbeneficiums zu Angeder.172) – Kirchenarchiv Mareit: (Brixen, 22. November 1433): Bischof Udalrich von Brixen genehmigt, dass die von Ulrich Sebner und dessen Gattin Anna gestiftete, aber wegen vorzeitigen Todes nicht genügend dotierte Frühmesse in der S. Leonhardskapelle auf dem Friedhof der Pfarre Mareit ins Leben trete, da die Gemeinde die Ergänzung der Stiftung übernahm.173) – Kirchenarchiv Matrei: (1429) Copialbuch der Urkunden, darin auch die von Bischof Ulrich erlassene Gottesdienstordnung.174) (Brixen, 1. April 1429): Bischof Ulrich von Brixen regelt das Verhältnis der von den Leuten in Vals neuerbauten St. Jodoks-Kirche zur Pfarre Matrei, worüber große Mißhelligkeiten entstanden waren.175) – Kirchenarchiv Nassereut: (Brixen, 29. März 1431): Bischof Ulrich von Brixen befiehlt allen Seelsorgern die Sammlung für die ewige Messstiftung in „Nazareid“ zu unterstützen und gewährt hierfür einen Ablass.176) – Kirchenarchiv Naturns: (Brixen, 13. August 1428): Bischof Ulrich von Brixen verleiht dem Friedrich Lamburger als Gerhaben der Enkel des Thomas Sebser deren Lehen zu Rodeneck, Nauders und Vals.177)

) I 70, Nr. 163. ) III 27, Nr. 132. 168) III 31, Nr. 159. 169) III 191, Nr. 917. 170) II 300, Nr. 1464. 171) I 341, Nr. 1824. 172) I 319, Nr. 1768. 173) II 346, Nr. 1690. 174) II 306. 175) II 312, Nr. 1534. 176) I 63, Nr. 134. 177) I 438, Nr. 2514. 166 167

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– Kirchenarchiv Pieve di Livinallongo (Buchenstein): (Buchenstein, 14. Juli 1428): Bischof Udalrich von Brixen verleiht der Pfarrkirche St. Jakob zu Puechenstain Ablass.178) – Kirchenarchiv Ried: (Brixen, 11. Dezember 1428): Ulrich von Brixen bestätigt die Stiftung der Frühmesse in Ried.179) – Kirchenarchiv S. Johann in Ahrn: (Brixen, 14. Juni 1434): Bischof Udalrich von Brixen verleiht der Pfarrkirche S. Johannes in Aurea valle sowie den Kapellen S. Martin und S. Jacob Ablass.180) – Kirchenarchiv S. Lorenzen: (Brixen, 29. Oktober 1434): Bischof Udalrich von Brixen entscheidet den Streit des Nikolaus Stokher zu Vessingen mit den Kirchpröbsten von S. Lorenzen wegen der auf der Wiese Gspan liegenden Oelgilte zugunsten der Kirche.181) – Kirchenarchiv Schalders: (28. Oktober 1436): Bischof Udalrich weiht die neu erbaute Wolfgangskapelle in Schallers ein.182) – Kirchenarchiv Serfaus: (1. August 1429): Bischof Ulrich von Brixen verleiht für die Georgenkapelle bei „Zerfaus“ einen Ablass.183) – Kirchenarchiv Telfes: (Brixen, 27. November 1429): Bischof Ulrich von Brixen verleiht für die Kirche in Telfes Ablass.184) – Kirchenarchiv Thaur: (25. Juli 1429): Bischof Ulrich von Brixen verleiht für die Marien- und Thomas-Kirche in Thaur Ablass.185) – Kirchenarchiv Vompp: (Georgenberg, 24. Juli 1429): Bischof Ulrich von Brixen verleiht für die Pfarrkirche in Vompp Ablass.186) – Kirchenarchiv Weitenthal: (Weitenthal, 4. Juli 1431): Bischof Udalrich von Brixen verleiht der zwei Tage zuvor von ihm eingeweihten Thomaskapelle Ablass.187) – Kirchenarchiv Welsperg: (Bruneck, 24. August 1435): Bischof Udalrich von Brixen verleiht der Margarethenkirche im Dorf Welsperg Ablass.188) – Kirchen- und Gemeindearchiv Igls: (Brixen, 6. Juni 1428): Ulrich von Brixen verleiht für die Kirche von Igels Ablass.189) – Marktarchiv Matrei: (Brixen, 18. Juli 1428): Bischof Ulrich von Brixen bestätigt den Bürgern von Matrei die schon von den Bischöfen Ulrich und Berthold verliehenen Freiheiten betreffs des Wirts- oder Ballwagens, Besetzung des Aufgebamts und Errichtung eines Ballhauses (Niederlagshauses).190)

) III 331, Nr. 1677. ) I 348, Nr. 1858. 180) III 346, Nr. 1746. 181) III 285, Nr. 1474. 182) II 582, Nr. 3282. 183) I 351, Nr. 1873. 184) II 295, Nr. 1431. 185) III 101, Nr. 611. 186) III 135, Nr. 740. 187) II 594, Nr. 3354. 188) III 468, Nr. 2361. 189) II 243, Nr. 1154. 190) II 316, Nr. 1551. 178 179

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(Brixen, 1. April 1429): Bischof Ulrich von Brixen beurkundet den Vergleich zwischen den Bürgern von Matrei und den Leuten von Vals wegen der dortselbst neu gebauten Kirche.191) (Sterzing, 18. September 1430): Bischof Ulrich von Brixen setzt den Bürgern von Matrei in ihrer Streitsache mit Victor Trautson wegen der Weide auf Matreier Berg einen Tag auf Sonntag nach Galli.192) – Stadtarchiv Klausen: (1429): Urkunde Bischof Ulrichs II. von Brixen bezüglich des Marktrechtes.193)

) II 316, Nr. 1552. ) II 316, Nr. 1553. 193) I 76, Nr. 193. 191 192

Nicolò Cusano vescovo di Bressanone (1450–1464) e Georg Hack vescovo di Trento (1446–1465) Emanuele Curzel I.

N

on è difficile notare le differenze che esistono tra la biografia di Nicolaus Krebs von Kues e quella di Georg Hack von Themeswald.1) L’uno era figlio di un battelliere, di famiglia borghese, e veniva dalla Renania sottoposta al dominio temporale del vescovo di Treviri; l’altro era di famiglia di antica nobiltà militare e proveniva dalla Slesia sottoposta alla corona di Boemia (tre degli zii di Hack avevano fatto parte del capitolo della cattedrale di Cracovia e un quarto zio, Hans von Borsnitz, aveva partecipato nel 1410 alla battaglia di Grunwald).2) Cusano ebbe una formazione universitaria di alto livello, scrisse trattati su numerosi argomenti teologici, filosofici e scientifici e fu in corrispondenza con i vertici politici e culturali della cristianità dell’epoca; di Georg Hack, che pure si era immatricolato alla facoltà di teologia dell’Università di Vienna nel 1439 e che poi compare iscritto a Padova nel 14453), non è noto alcun titolo di studio, né conosciamo scritti che non siano stati connessi a doveri d’ufficio.

1 ) Si rinuncia in questa sede a dare indicazioni bibliografiche per quanto riguarda in termini generali la biografia di Nicolò Cusano; su Georg Hack si veda Kögl, Josef , La sovranità dei vescovi di Trento e Bressanone. Diritti derivanti al clero diocesano dalla sua soppressione, Trento 1964, 159– 163; Vareschi, Severino , Hack, Georg, in Gatz, Erwin (Hg.), Die Bischöfe des Heiligen Römischen Reiches 1448 bis 1648. Ein biographisches Lexikon, Berlino 1996, 251s.; Curzel, Emanuele , Il vescovo di Trento Giorgio Hack a Castel Roncolo (1463–1465), in: Castel Roncolo. Il maniero illustrato, Bolzano 2000, 445–457; Rando, Daniela , Hack, Georg, in: DBI 61 (2004) (con rinvii alla bibliografia precedente). Si basa su bibliografia molto invecchiata Costa, Armando , I vescovi di Trento. Notizie – profili, Trento 22017 (11977), 213–216. 2) Gerlich Partel, Barbara , Appunti sulla cerchia del Principe vescovo Georg Hack, in: Studi Trentini di Scienze Storiche. Sezione prima 84 (2005), 671–680, qui 674. 3) Gerlich Partel , Appunti (come nota 2), 676s.; sulle frequentazioni universitarie dell’Hack, nel corso delle quali poté conoscere anche il suo futuro successore Johannes Hinderbach, si veda anche Rando, Daniela , Dai margini la memoria. Johannes Hinderbach (1418–1486), Bologna 2003, 194s.

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Per Cusano l’episcopato di Bressanone4) fu un complemento di un cursus honorum che l’aveva già portato al cappello cardinalizio; anche negli ultimi anni della sua vita egli assunse per il papa incarichi ben più importanti della cattedra brissinese (tra l’altro fu vicarium urbis, ossia governatore temporale della città di Roma). Per Georg Hack l’episcopato trentino fu invece il vertice di una non lunga carriera: prima di diventare vescovo egli era stato solo il titolare della parrocchia di San Martino in Mistelbach (in Bassa Austria, a nord di Vienna), ed è possibile che il conseguimento della cattedra vescovile sia stato dovuto più ai suoi rapporti di parentela che ai suoi meriti. Ben diversi anche i percorsi che condussero i due all’episcopato: Cusano fu vescovo per volontà papale e in vista dello svolgimento di una delicata legazione pontificia in Germania; Hack lo divenne per volontà di Sigismondo d’Asburgo, duca d’Austria e conte del Tirolo, che nel 1446 impose al Capitolo della cattedrale il nome del fratello del suo comandante militare iuxta ... comitatus Tirolis antiquam et approbatam consuetudinem.5) Il profilo di Georg era dunque molto più simile a quello di Leonhard Wiesmayr, il cancelliere tirolese che nel 1450 Sigismondo avrebbe voluto divenisse vescovo di Bressanone; un uomo che il cardinale accusava di temere il duca più che Dio.6) Grandi sarebbero le differenze anche se volessimo prendere in esame le scelte compiute dai due negli anni di governo: se il Cusano rivendicò ripetutamente la propria dignità principesca, l’Hack non mise mai in discussione la sua posizione 4) Sul suo episcopato brissinese si veda Baum, Wilhelm, Nikolaus Cusanus in Tirol. Das Wirken des Philosophen und Reformators als Fürstbischof von Brixen, Bozen 1983; Hallauer, Hermann Josef, Nikolaus von Kues als Bischof und Landesfürst, in: MFCG 21 (1994), 275–311, rist. in: Hallauer, Hermann J., Nikolaus von Kues. Bischof von Brixen. 1450–1464. Gesammelte Aufsätze, ed. Erich Meuthen e Josef Gelmi (Veröffentlichungen der Hofburg Brixen 1), Brixen 2002, 3–36; Brandstätter, Klaus, Nikolaus Cusanus in der Tiroler Landesgeschichte, in: Der Schlern 75 (2001), 151–164; Hallauer, Hermann Josef, Nikolaus von Kues als Kirchenreformer und Fürstbischof von Brixen, in: MFCG 28 (2003), 103–134, rist. in: Hallauer, Nikolaus von Kues (come sopra), 39–104; 1500 circa (catalogo della mostra), Milano 2000, 207–402; Gelmi, Josef, Nikolaus von Kues (1401–1464). Leben und Wirken eines Universalgenies auf dem Brixner Bischofsstuhl. Zum 550 Todestag, Brixen 2013; Curzel, Emanuele, «Veniam, et curabo eum». Nicolò Cusano vescovo di Bressanone, in: Niccolò Cusano. L’uomo, i libri, l’opera, atti del LII Convegno storico internazionale, Todi, 11–14 ottobre 2015 (Atti dei convegni del Centro Italiano di Studi sul Basso Medioevo. Accademia Tudertina e del Centro di Studi sulla Spiritualità NS 29), Spoleto 2016, 39–72. 5 ) Schneller, Friedrich, Beiträge zur Geschichte des Bisthums Trient aus dem späteren Mittelalter, in: Zeitschrift des Ferdinandeums für Tirol und Vorarlberg 39 (1895), 181–230, qui 221 n. 951; Curzel, Il vescovo di Trento (come nota 1), 445. 6) Dux [a vobis] plus timetur quam Deus: Hallauer, Nikolaus von Kues (come nota 4), 289 (16). Sul Wiesmair – pievano di Tirolo, cancelliere di Sigismondo, canonico di Bressanone e di Coira; sarà vescovo eletto di Coira dal 1456 al 1458 – si veda Surchat, Pierre Louis, Wismair (Wiesmair, Wissenmayer), Leonhard († 1458), in: Gatz, (Hg.), Bischöfe des Heiligen Römischen Reiches 1448 bis 1648 (come nota 1), 761s.

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subordinata rispetto al conte del Tirolo e firmò nel 1454 una nuova versione del testo che riassumeva gli impegni di carattere militare che ogni vescovo trentino, fin dal 1363, era tenuto ad assumere per poter entrare in carica (le Verschreibungen, nella storiografia italiana «Compattate»). Sigismondo – memore di quanto aveva tentato di fare Alessandro di Masovia, che era stato vescovo dal 1423 al 1444 – fece anzi aggiungere al testo che l’Hack firmò una clausola che imponeva l’obbligo di non dividere mai Trento dal Tirolo.7) L’impressione è che notevoli differenze si potrebbero riscontrare anche se guardassimo alle scelte religiose, nelle quali il vescovo trentino si dimostrò attento alla dimensione materiale del culto e (per quanto sappiamo) alla diffusione della devozione a sant’Edvige8), secondo modalità che ben difficilmente si possono trovare nell’azione del Cusano. Infine, va detto che probabilmente si trattava di due persone appartenenti a due generazioni diverse. Cusano era nato nel 1401 ed era stato pienamente partecipe della stagione conciliarista, prima di allontanarsi (non solo fisicamente) da Basilea nel 1437 e unirsi al concilio papale di Firenze. Hack si immatricolò a Vienna nel 1439, cosa che porta a ritenere che egli fosse nato intorno al 1420 e cresciuto dunque in un clima almeno parzialmente diverso. Negli anni di cui parleremo, il vescovo di Bressanone era un cinquantenne e quello di Trento un trentenne (non più che trentenne era anche il duca Sigismondo, nato nel 1427). Ci si potrebbe dunque aspettare che l’azione politica e religiosa del Cusano vescovo di Bressanone sia stata svolta tenendo a debita distanza un personaggio che da lui era tanto diverso, o che tale collaborazione si sia limitata alle questioni che due episcopati limitrofi e condizionati dallo stesso potere temporale – quello degli Asburgo d’Austria, dal 1363 conti del Tirolo – non potevano che avere in comune. Gli Acta Cusana, con la loro sistematica raccolta di notizie, dimostrano invece che i rapporti tra Cusano e Hack furono più frequenti e stretti di quanto si potrebbe pensare: tra l’altro ci sono rimaste 16 lettere che il cardinale scrisse al vescovo di Trento negli anni tra il 1453 e il 1458.9)

7) Sulle Compattate si veda Kögl, La sovranità (come nota 1), 158–162, 203–206; Rogger, Iginio, Struttura istituzionale del Principato vescovile di Trento all’epoca del Concilio, in: Jedin, Hubert/Prodi, Paolo (a cura di), Il Concilio di Trento come crocevia della politica europea, Bologna 1979, 15–32, qui 23; Riedmann, Josef, Rapporti del principato vescovile di Trento con il conte del Tirolo, in: Rogger Iginio/Bellabarba, Marco (a cura di), Il principe vescovo Johannes Hinderbach tra tardo medioevo e umanesimo, Atti del convegno, Trento 2–6 ottobre 1989, Bologna 1992, 119–146, qui 123–124; Brandstätter, Klaus, Regime di compattate (1363–1486), in: de Finis, Lia (a cura di), Storia del Trentino, Trento 1996, 177–192, qui 181 (con rinvii alla bibliografia precedente). 8) Gerlich Partel, Appunti (come nota 2), 671–673. 9) AC II 2, Nr. 3680, 3697; AC II 4, Nr. 4764, 4767, 4803; AC II 5, Nr. 4835, 4843, 4855, 4861, 4904, 4917, 4996, 5108, 5174, 5181; AC II 6, Nr. 5545.

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II. La prima volta che il nome del vescovo di Trento compare negli Acta Cusana è la nota lettera del 20 settembre 1452 a Philipp von Sierck, con la quale Nikolaus Krebs – entrato da qualche mese nella sede di Bressanone – commentò amaramente la propria condizione, subordinata al potere tirolese. Il passaggio è noto, ma vale la pena di rileggerlo con specifica attenzione alle azioni che vengono attribuite a Georg Hack. Ego me humiliavi quantum potui et plus quam debui, sed adhuc non reperi graciam in oculis regencium. Iam dux convocavit dominum Tridentinum et omnes de patria et intendebat ad Austriam descendere. Ego habui mandatum domini nostri ad eundum et tractandum. Voluit a me scire, quid agere vellem et quod uti capellanus secum irem meis expensis. Ego dici illis feci qui regunt, quod essem legatus et cardinalis et facere nequirem. Responderunt, si episcopus Brixinensis esse vellem, oporteret me facere sicud predecessores, qui fuerunt servitores. Rogavi dominum episcopum Tridentinum, ut excusaret me; adhuc non intelligo eum profecisse. Sic sto quasi super ardentibus prunis.10)

Il duca aveva dunque convocato entrambi i due vescovi perché facessero parte del suo seguito nel viaggio che intendeva compiere verso l’Austria (ossia alla corte imperiale di Federico III); per tale viaggio il Cusano era stato autorizzato dal papa stesso, che evidentemente aveva inteso dare al cardinale, in tale occasione, dei compiti specifici. Sigismondo gli aveva però chiesto di rivelargli cosa intendesse fare e pretendeva inoltre che il vescovo, come se fosse stato un cappellano qualunque, viaggiasse a sue spese (cioè a spese dei suoi benefici ecclesiastici). Ciò, aveva replicato Cusano, andava contro la sua dignità di cardinale e di legato papale; al che gli era stato risposto che se avesse voluto essere vescovo di Bressanone avrebbe dovuto fare come i suoi predecessori, che avevano servito i duchi (mettendo anche a disposizione del principe le proprie rendite). Il vescovo di Trento non era né cardinale né legato papale per cui – scrive implicitamente Cusano – egli poteva adottare, senza essere biasimato, un comportamento più remissivo. Proprio a lui Cusano si era rivolto per giustificare la propria assenza, ma non sapeva se tale comunicazione fosse giunta a Sigismondo (e ciò gli procurava una certa inquietudine). L’Hack compare dunque in questa lettera come pienamente integrato nel sistema di potere locale, un sistema dal quale invece il Cusano avrebbe volentieri preso le distanze e del quale diffidava.

) AC II 1, Nr. 2818 ll. 4–12.

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III. Vi sono però notizie successive, che mostrano come i rapporti tra i due potessero essere impostati diversamente. Nell’ottobre 1453 Nicolò Cusano scrisse a Georg Hack per chiedere consiglio sull’opportunità di applicare nel suo principato la legislazione monetaria tirolese11); e in quei giorni i due ebbero modo di vedersi direttamente (una nota spese del 12 ottobre 1453 li vede viaggiare insieme da Fuessen, in Baviera, fino a Bressanone).12) Hack si trovava a Bressanone il 21 ottobre 1453 e il 28 gennaio 145413), e il giorno successivo i due vescovi e Sigismondo si videro a Chiusa.14) Conosciamo uno dei principali argomenti in discussione: il vescovo di Trento stava infatti cercando di vedersi riconosciuto il diritto a esercitare i poteri temporali. La questione era aperta da qualche anno e vi aveva fatto riferimento perfino il papa quando, nel 1450, aveva nominato il Cusano vescovo di Bressanone, denunciando che la Chiesa trentina subiva in quel momento da Sigismondo molte oppressiones, que dietim per ducem ipsum fiunt.15) Nel 1454 era dunque il cardinale a fare da mediatore tra il dinasta tirolese e il vescovo di Trento. Il 12 febbraio, scrivendo a Kaspar Aindorffer, Cusano scrisse infatti che era occupatus nunc circa res arduas solidande pacis ecclesie Tridentine16) e il 18 marzo una nuova lettera allo stesso destinatario riferì che il vescovo di Bressanone era in partenza per Innsbruck non solo pro quadam publica necessitate patrie, ma anche [pro] certis rebus ecclesiasticis domini episcopi Tridentini atque meis componendis.17) Si trattava certamente della definizione del nuovo testo delle “Compattate”, ossia di una versione della già citata dichiarazione che ogni vescovo di Trento, fin dal 1363, doveva sottoscrivere di fronte ai dinasti austro-tirolesi prima di assumere i poteri temporali, impegnandosi sostanzialmente a lasciare al potente vicino il controllo militare delle fortificazioni del principato vescovile.18) L’accordo venne chiuso nelle settimane successive e Hack firmò le “Compattate” il 29 aprile. Cusano si mosse per curare gli interessi temporali di Georg Hack anche in una seconda occasione, per ottenere da Federico III la concessione delle regalie, che ogni vescovo di Trento riceveva solennemente dall’imperatore fin dall’XI secolo.19) Ne scrisse qualche mese dopo a Enea Silvio Piccolomini, che in quel momento si trovava alla corte imperiale: il futuro Pio II gli rispose il 31 dicembre 1454 ) AC II 2, Nr. 3680. ) AC II 2, Nr. 3675. 13) AC II 2, Nr. 3692, 3808. 14) AC II 2, Nr. 3809. 15) AC I Nr. 940 l. 9. 16) AC II 2, Nr. 3826 l. 22. 17) AC II 2, Nr. 3875 ll. 13s. 18) Sulle Compattate si veda sopra, nota 7. 19) Sul tema ci si permette di rinviare alla sintesi di Rogger, Iginio, I principati ecclesiastici di 11 12

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definendo enfaticamente Georg Hack (che pure doveva essere svariati anni più giovane) gravis et optimus pater atque inter paucos amicus meus, e garantì al Cusano che di fronte all’imperatore si sarebbe ricordato della questione: cum venero ad presentiam caesaris, non ero immemor episcopi Tridentini.20) Di tale incontro con Federico III il Cusano fu poi informato da una lettera del Piccolomini in data 5 maggio; secondo il mittente de domino Tridentino bene contentus est caesar: se l’interessato fosse andato a Vienna, obtinebit absque dubio regalia sua.21) Le regalie imperiali sarebbero però giunte all’Hack solo il 25 aprile 1458.22) IV. La lunga lite che contrappose Nicolò Cusano alle monache benedettine di Sonnenburg è un capitolo importante della storia del suo episcopato brissinese; la vicenda ha generato una grande quantità di documentazione e numerosi studi sono stati dedicati ad essa.23) Il cenobio della val Pusteria ospitava donne dell’alta nobiltà che praticavano uno stile di vita che nulla aveva a che fare con la regola monastica; era inoltre titolare di diritti temporali che costituivano motivo di controversia. Cusano cercò di cambiare le cose radicalmente, insistendo sull’obbligo della clausura e sul divieto, per le monache, di occuparsi direttamente di questioni secolari; cercava così di applicare coerentemente le istanze di riforma che egli stesso aveva sostenuto nel corso della sua legazione in terra tedesca negli anni 1450–51. La sua azione trovò caparbia resistenza, in particolare, nella badessa Verena von Stuben, che si oppose in tutti i Trento e di Bressanone dalle origini alla secolarizzazione del 1236, in: Mor, Carlo Guido/ Schmidinger, Heinrich (a cura di), I poteri temporali dei vescovi in Italia e in Germania nel Medioevo, Bologna 1979, 177–223, qui 191–193. 20) AC II 3, Nr. 4194 ll. 11s. 21) AC II 3, Nr. 4343 l. 6. 22) Bonelli, Benedetto, Notizie istorico-critiche della Chiesa di Trento. Volume terzo parte prima, Trento 1762, 257–258; Kögl, La sovranità (come nota 1), 159s. 23) Si veda in particolare Hallauer, Hermann Josef, Eine Visitation des Nikolaus von Kues im Benediktinerinnenkloster Sonnenburg, in: MFCG 4 (1964), 104–125, rist. in: Hallauer, Nikolaus von Kues (come nota 4), 215–236; Posch, Andreas, Nikolaus von Cusa Bischof von Brixen, im Kampf um Kirchenreform und Landeshoheit in seinem Bistum, in: Grass, Nikolaus (Hg.), Cusanus-Gedächtnisschrift (Forschungen zur Rechts- und Kulturgeschichte 3), Innsbruck/München 1970, 227–250; Spahr, Kolumban, Nikolaus von Cues, das adelige Frauenstift Sonnenburg OSB und die mittelalterliche Nonnenklausur, in: Grass, (Hg.), Cusanus-Gedächtnisschrift (come sopra), 307–326; Hallauer, Hermann Josef, Nikolaus von Kues und die Visitation der Abtei Sonnenburg im Jahre 1455, in: Hagemann, Ludwig (Hg.), En kai plethos/Einheit und Vielheit. Festschrift für Karl Bormann (Religionswissenschaftliche Studien 30), Würzburg/Altenberge 1993, 77–99; rist. in: Hallauer, Nikolaus von Kues Bischof von Brixen (come nota 4), 237–256; Baum, Wilhelm, Sonnenburg, in: Faust, Ulrich/ Krassing, Waltraud (Hg.), Germania Benedictina, Bd. III 3: Die Benediktinischen Mönchs- und Nonnenklöster in Österreich und Südtirol, St. Ottilien 2000, 604–702, qui 644–660.

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modi alle richieste del vescovo (il quale, esasperato, nella corrispondenza privata la indicava con lo pseudonimo di Gezabel). Nella vicenda era inevitabilmente coinvolto anche Georg Hack, perché l’avvocazia sul monastero – fondato nell’XI secolo da una famiglia di nobili vicini alla cattedra vescovile trentina, quelli che poi avrebbe preso il nome di “conti di Flavon” – spettava al vescovo di Trento24). Nella vertenza egli sembra però aver ricoperto un ruolo di mediatore piuttosto che di sostenitore delle posizioni del cardinale. Nella primavera del 1455 furono proprio le monache di Sonnenburg a indicare più volte il nome dell’Hack come quello di uno dei possibili negoziatori, accanto al duca Sigismondo e al vescovo di Salisburgo25): tale richiesta fu però respinta dal Cusano, che si sentiva in pieno diritto di applicare la riforma26) (le monache, nel momento in cui tentavano nuovi appelli e nuovi ricorsi, non mancarono di lamentarsi di tale rifiuto).27) Ciò nonostante, il vescovo di Bressanone contava sul sostegno del collega: quando nel febbraio 1456 presentò le sue posizioni a Sigismondo, chiese che l’Hack fosse presente28) e invocò il vescovo di Trento a testimoniare circa le decisioni che erano state prese in quel momento.29) L’Hack fu poi citato anche nell’accordo che venne stipulato a Bolzano il 4 marzo 1456 come uno degli arbitri che dovevano decidere della pensione che sarebbe stata assegnata a Verena, qualora la badessa si fosse dimessa30 (l’accordo fu però respinto dall’interessata).31) La lettera che Nicolò Cusano inviò a Georg Hack – dominus et amicus carissimus – il 21 maggio 1456 riferisce delle resistenze che le monache continuavano a frapporre e del condiscendente sostegno che esse trovavano alla corte di Innsbruck; il Cusano si lamentò del fatto di dover attendere il ritorno di Sigismondo dall’Austria prima di poter imporre ulteriori sanzioni.32) In un’altra lettera del novembre successivo Cusano informò l’Hack del fatto che colui che, sulla base agli accordi presi con Sonnenburg, avrebbe dovuto esercitare l’ufficio di giudice a Marebbe, era stato incarcerato dai soldati del monastero.33)

24) Baum, Sonnenburg (come nota 23), 636–638; ma si veda più oltre, nota 71 e testo corrispondente. 25) AC II 3, Nr. 4317, 4322; AC II 4, Nr. 4387, 4390. 26) AC II 3, Nr. 4358; AC II 4, Nr. 4388, 4392. 27) AC II 4, Nr. 4398, 4433. 28) AC II 4, Nr. 4664 l. 47. 29) AC II 4, Nr. 4675 l. 26. 30) AC II 4, Nr. 4683 l. 18. 31) AC II 4, Nr. 4686. 32) AC II 4, Nr. 4803. 33) AC II 5, Nr. 4996; sulla liberazione, qualche settimana dopo, si veda AC II 5, Nr. 5030.

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V. Un’altra occasione di interazione tra Nicolò Cusano e Georg Hack fu la «faida» che nei mesi centrali del 1456 contrappose il duca Sigismondo e i fratelli Wiguleis e Bernhard Gradner.34) I due nobili erano originari della Stiria e fin dall’infanzia erano stati nella cerchia più ristretta del giovane dinasta; avevano per questo ottenuto in custodia svariati castelli in tutto il territorio tirolese e anche più a sud, nell’area teoricamente soggetta al vescovo di Trento. Tale stretta collaborazione si interruppe nella seconda metà del 1455 dopo l’intervento del duca d’Austria Alberto VI, il quale costrinse il cugino e alleato Sigismondo ad ascoltare la nobiltà tirolese, inquieta per i favori concessi ai due ‘stranieri’. Wiguleis fuggì, rifugiandosi nell’abbazia bavarese di Tegernsee; Bernhard invece si preparò allo scontro. Egli considerava Sigismondo non l’espressione di un’autorità pubblica ma un nobile suo pari; con una «lettera di faida» dichiarò la sua inimicizia verso di lui e verso il vescovo di Trento; si rinchiuse nel castello di Beseno e si preparò a resistere all’assedio. Il 7 aprile 1456 Georg Hack – vescovo di Trento, ma erede di una famiglia di tradizioni militari e, soprattutto, signore eminente del castello stesso, posto all’interno del Principato vescovile trentino – fu incaricato da Sigismondo di condurre personalmente le operazioni belliche. Il giorno dopo il duca chiese a tutta la Contea tirolese (comprendendo in essa i due episcopati) di sostenere tale sforzo.35) Per qualche settimana sembrò però che la cosa potesse risolversi per via diplomatica, e le trattative coinvolsero anche il Cusano.36) In questa fase, il 28 aprile, egli scrisse a Georg Hack (definito pater, dominus et amicus carissimus) promettendogli di tenerlo informato dell’andamento dei colloqui.37) Ma all’inizio di maggio la situazione precipitò: il giorno 5, da Vienna, Sigismondo ordinò all’Hack di prendere possesso dei castelli che erano stati dei Gradner.38) Il 7 maggio Sigismondo ordinò anche al Cusano di schierarsi contro Bernhard, obbedendo a quanto sarebbe stato deciso dai 34) Sulla vicenda si rinvia a Jäger, Albert, Die Fehde der Brüder Vigilius und Bernhard Gradner gegen den Herzog Sigmund von Tirol, in: Denkschriften der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften. Philosophisch-historische Classe 9, Wien 1859, 233–301, qui 260–267; Grass, Nikolaus, Cusanus und das Fehdewesen. Dargestellt am Beispiel der Gradner und Brunecker Fehde und des Thurgauer Krieges, in: Martinek, Oswin/Wachter, Gerhard (Hg.), Arbeitsleben und Rechtsordnung. Festschrift Gerhard Schnorr zum 65. Geburtstag, Wien 1988, 771–804, qui 784–792; Bellabarba, Marco, La giustizia ai confini. Il principato vescovile di Trento agli inizi dell’età moderna, Bologna 1996, 13–18; Woelki, Thomas, Gnediger herr, last mich nit auf die Fleichpank geben! Zum Einsatz von Briefen in der politischen Kultur: Briefe zur Gradner-Fehde 1455/1456, in: Grévin, Benoît/Hartmann, Florian/ Acham, Karl (Hg.), Der mittelalterliche Brief zwischen Norm und Praxis, Wien/Köln/Wiemar 2020, 303–323. 35) AC II 4, Nr. 4734. 36) AC II 4, Nr. 4759, 4762. 37) AC II 4, Nr. 4764. 38) AC II 4, Nr. 4775.

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due comandanti militari, Georg Hack (unser lieber freund der bischoff ze Triendt) e Oswald von Säben.39) Ci si aspettava dunque che un contingente dell’episcopato di Bressanone partecipasse alle operazioni. Nelle settimane successive il Cusano si impegnò nel reclutamento di soldati (17–21 maggio: otto da Brunico, Anterselva e Braies, quattro dalla val di Fassa).40) La truppa fu pronta il 23 maggio, quando Simon von Wehlen annotò le spese relative: con i soldati vi erano 28 cavalli.41 Hans Heuss prese nota anche del costo della bandiera che doveva distinguere in battaglia il poco consistente manipolo.42) Non sembra che tale partecipazione militare sia stata organizzata con entusiasmo. È rimasta traccia – in una bozza di lettera non spedita – del sostegno di Cusano ai contadini sudditi di Sonnenburg residenti in val Badia e in Marebbe, i quali avevano chiesto di essere esentati dalla spedizione.43) Già il 22 giugno 1456 egli chiese all’Hack di congedare metà dei propri soldati, dato che – scrisse – aveva sentito che molti altri avevano già avuto il permesso di andarsene; promise di inviarne in seguito altri se fosse stato necessario.44) L’8 luglio, scrivendo ancora al collega vescovo e comandante militare, si lamentò del fatto che i suoi soldati stavano rimanendo sul campo per un periodo più lungo del previsto.45) Il 12 agosto Sigismondo inviò al Cusano una nuova richiesta di soldati46); il 17 agosto questi mise allora a disposizione altri 19 uomini.47) La posizione di Nicolò Cusano è descritta in modo particolare dalla lettera che egli scrisse a Georg Hack (reverendus in Christo pater et dominus precarissimus) il 26 agosto 1456.48) In una lettera precedente – scrisse in apertura – egli aveva descritto i suoi rimorsi di coscienza; l’Hack gli aveva risposto, ma tale risposta non l’aveva soddisfatto (tale corrispondenza precedente non è stata conservata). Cusano scrisse di sapere che i chierici avevano il diritto di difendersi, ma questo non doveva giungere fino a causare la morte dell’aggressore; inoltre – aggiunse – il Gradner non l’aveva menzionato nella “lettera di diffida” del 26 aprile precedente, per cui non poteva considerarsi attaccato (non diffidavit me, ita non debeo presumere quod voluit contra me venire). Infine, anche i suoi soldati – i suoi pauperes – rischiavano di rimanere uccisi nello scontro, e la colpa di tali morti sarebbe ricaduta su di lui (et si

) AC II 4, Nr. 4780. ) AC II 4, Nr. 4797s., 4801. 41) AC II 4, Nr. 4806. 42) AC II 5, Nr. 4814. 43) AC II 4, Nr. 4767. 44) AC II 5, Nr. 4843. 45) AC II 5, Nr. 4861. 46) AC II 5, Nr. 4894. 47) AC II 5, Nr. 4904s. 48) AC II 5, Nr. 4917. Si veda anche Grass, Cusanus und das Fehdewesen (come nota 34), 788s.; Bellabarba, La giustizia ai confini (come nota 34), 14, 35–36. 39 40

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ego eos non mitterem, non interficerentur). Come poteva sentirsi a posto con la coscienza? Crucior certe, concludeva il Cusano, esprimendo il suo doloroso imbarazzo per la situazione, quia vellem officium meum pure exercere, ut Deo mundis manibus sacrificarem. In chiusura si cautelò dichiarando di lasciare ogni responsabilità in merito all’Hack: Mitto paternitatis vestre hos meos, quos nunc habere potui, ut iussis paternitatis vestre pareant, exonerando conscienciam meam et onerando conscientiam paternitatis vestre, qui estis dignior pontifex quam ego49); non sarebbe stato lui ad autorizzare i soldati dell’episcopato brissinese a spargere sangue. Nel post scriptum, Cusano informò l’Hack delle notizie che arrivavano da Vienna a proposito della guerra contro i Turchi (in luglio vi era stata la battaglia di Belgrado): quello sarebbe stato certamente un più degno combattimento (Et dignius foret, ut Christo nunc per nostras gentes succurreremus unanimiter, ut inimicum crucis glorie nostre expelleremus). In settembre, dopo qualche mese di inutile assedio, si aprirono i negoziati per la conclusione del conflitto, e Nicolò Cusano fu coinvolto nelle trattative50); castel Beseno fu consegnato al vescovo di Trento il giorno 29 e il Gradner andò in esilio in Svizzera. Non vi erano state stragi, ma il vescovo di Bressanone aveva dovuto armare un piccolo esercito per una guerra che non era stata di difesa, contro qualcuno che non gli era ostile; aveva dovuto porsi il problema della distanza tra il ministero pastorale e l’uso della forza militare connessa all’esercizio del potere temporale. Un problema che si sarebbe ripresentato con ben maggiore drammaticità due anni dopo, quando fu accusato di connivenza con coloro che avevano fatto strage dei mercenari della badessa di Sonnenburg.51) Non abbiamo invece notizia degli eventuali scrupoli di coscienza vissuti da Georg Hack. VI. Furono molte altre le questioni che portarono i due vescovi a interagire: la gestione di un’eredità, di cui il Cusano scrisse all’Hack il 21 ottobre 145352); una lite riguardante la parrocchia di Fügen, in diocesi di Bressanone, in cui il vescovo di Trento funse da mediatore53); la riforma della canonica regolare di Gries, in diocesi di

49) Grass, Cusanus und das Fehdewesen (come nota 34), 789, si chiede giustamente il significato di una dichiarazione di umiltà di tale portata, talmente ampia da sembrare ironica. 50) AC II 5, Nr. 4924, 4958. 51) Hallauer, Hermann Josef, Die „Schlacht“ im Enneberg 1458. Neue Quellen zur Biographie des Nikolas von Kues, in: Santinello, Giovanni (a cura di), Nicolò Cusano agli inizi del mondo moderno, Atti del Congresso internazionale in occasione del V centenario della morte di Nicolò Cusano: Bressanone 6.–10. settembre 1964, Firenze 1970, 447–469, rist. in: Hallauer, Nikolaus von Kues (come nota 4), 129–154. 52) AC II 2, Nr. 3697. 53) AC II 3, Nr. 4227, 4269.

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Trento, che il Cusano (in quanto commissarius et executor unicus a sede apostolica ad infrascripta specialiter deputatus) affidò al decano della canonica regolare brissinese di Novacella.54) I due vescovi compaiono entrambi come mediatori in una lite tra il duca Sigismondo e il cugino Alberto VI55); Hack fu tra i garanti del rimborso dei 3.000 fiorini che Sigismondo ricevette in prestito da Cusano56) e del buon esito dell’acquisto, da parte di quest’ultimo, della giurisdizione di Taufers.57) Vi fu corrispondenza tra i due per quanto riguardava l’eredità del parroco di Villandro (16 giugno 1456)58) e l’arresto a Bolzano di un prete accusato di furto, che fu portato a Bressanone e che Cusano chiese di poter giudicare (17 e 27 marzo 1457).59) Il vescovo di Bressanone si trovava a Bolzano nel momento in cui Georg Hack investì il rappresentante di Ludovico Gonzaga dell’exclave trentina di Castellaro Mantovano (25 aprile 1457).60) Vi sono infine numerose tracce di un’attività di cancelleria che portava l’uno a vidimare la documentazione dell’altro; e note di spesa che documentano l’ospitalità che l’Hack ricevette a Bressanone (per esempio il giorno di Pasqua del 1456).61) Episodi diversi, talvolta di minima importanza, che nel complesso confermano la frequenza, in quegli anni, dei contatti tra i due; ognuno cercava fiduciosamente la collaborazione del collega nel governo del rispettivo episcopato, sia che si trattasse di questioni legate alla sfera spirituale, sia di preoccupazioni di ordine temporale. VII. Per cogliere il senso profondo dei rapporti tra Nicolò Cusano e Georg Hack bisogna però guardare soprattutto a quanto avvenne dopo che il cardinale, temendo per la propria vita, ruppe i rapporti con Sigismondo. Alla fine di giugno 1457 egli fuggì da Innsbruck e si rifugiò nel castello di Andraz, a oltre 1.700 metri di quota, all’estremo lembo sud-orientale dei suoi domini temporali e della sua giurisdizione pastorale. Cusano credette ancora di poter contare sulla collaborazione dell’Hack: nel momento in cui si trovava nella capitale tirolese, di fronte all’ostilità dei consiglieri di Sigismondo, aveva invocato un arbitrato al quale partecipassero anche i vescovi di Trento e Coira62) e chiesto la testimonianza del collega per dimostrare che la controparte gli aveva dimostrato dell’astio anche in passato.63) Quando, il ) AC II 4, Nr. 4526, 4528. ) AC II 4, Nr. 4485s., 4490, 4502. 56) AC II 4, Nr. 4702. 57) AC II 4, Nr. 4705. 58) AC II 5, Nr. 4835. 59) AC II 5, Nr. 5174, 5181. 60) AC II 5, Nr. 5212s. 61) AC II 4, Nr. 4724. 62) AC II 6, Nr. 5282. 63) AC II 4, Nr. 4549. 54 55

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12 novembre 1457, Callisto III minacciò di scomunica Sigismondo, il papa ordinò l’affissione della bolla relativa non solo alla porta della cattedrale di Bressanone, ma anche a quella di Trento.64) È però verosimile che tale affissione non sia mai avvenuta, e che Georg Hack non abbia corrisposto pienamente alle attese dal cardinale. È notevole la lettera con cui, il primo marzo 145865), il decano della cattedrale di Trento Johannes Sulzpach informò il Cusano dell’andamento dei colloqui, parlando di una situazione di tensione tra Sigismondo e lo stesso vescovo di Trento e aggiungendo un non troppo velato rimprovero al vescovo di Bressanone, la cui assenza non facilitava le cose (timeo quod absencia vestre reverendissime paternitatis ecclesie vestre esset multum nociva et clero periculosa, si concordia non fieret), mentre – scriveva Sulzpach – i problemi (suoi e del vescovo di Trento) sarebbero stati facilmente risolti se solo si fosse risolto ad accettare una trattativa che, fino a quel momento, non aveva avuto luogo. In quei giorni non si interruppero i contatti d’ufficio tra i due vescovi, come si può notare nella lettera – scritta in un latino particolarmente burocratico – che il 10 marzo 1458 Cusano scrisse all’Hack dal remoto castello dolomitico in vista di un trasferimento del pievano di Thaur (diocesi di Bressanone) alla chiesa di Tesimo (diocesi di Trento).66) Il 15 marzo 1458 67 ) il decano Sulzpach come rappresentante del vescovo di Trento, un procuratore del vescovo di Coira e uno della Dieta tirolese presentarono al vescovo di Bressanone una bozza di accordo. Sigismondo garantiva la sicurezza del cardinale; le controversie ancora aperte dovevano essere sospese fino ad agosto, quando il duca (in quel momento assente) prevedeva di rientrare in Tirolo, e sarebbero state quindi risolte in un incontro da tenersi entro altri due mesi. La proposta di ‘tregua’ fu accettata dal Cusano68) il quale poi – su richiesta dell’imperatore Federico III, dell’arciduca d’Austria Alberto VI, dello stesso vescovo di Trento e della duchessa Eleonora di Scozia, ossia la first lady tirolese – concesse la proroga della sospensione dell’interdetto che era stato precedentemente scagliato sul Tirolo fino all’8 settembre.69) L’incontro con Sigismondo, dapprima previsto a Trento il 22 agosto70), si tenne poi a Luson, presso Bressanone, il 28.71) Grazie alla mediazione di Eleonora e di Georg Hack, alcune delle questioni in sospeso vennero risolte e altre furono rinviate: Nicolò Cusano partì per Roma con la speranza di aver comunque raggiunto qualche risultato. ) AC II 6, Nr. 5397 ll. 61s. ) AC II 6, Nr. 5530, la citazione da ll. 8s. 66) AC II 6, Nr. 5545; si veda anche AC II 6, Nr. 5640. 67) AC II 6, Nr. 5559. 68) AC II 6, Nr. 5560. 69) AC II 6, Nr. 5676. 70) AC II 6, Nr. 5677s. 71) AC II 6, Nr. 5693, 5706s., 5721, 5724s. 64 65

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VIII. Dovremo aspettare il terzo volume degli Acta Cusana per avere i dettagli di ciò che avvenne in seguito: alcuni aspetti delle vicende che seguirono sono però noti. L’accordo riguardante Sonnenburg, raggiunto con la mediazione di Georg Hack nell’aprile 1459, prevedeva sì le dimissioni della detestata Verena, ma anche l’assoluzione di tutte le monache dalle censure ecclesiastiche in cui erano incorse e una sostanziale rinuncia a procedere con la riforma che il Cusano aveva desiderato. Con l’occasione l’avvocazia sul monastero, che i vescovi di Trento avevano esercitato fino a qualche anno prima, fu definitivamente consegnata al Landesfürst.72) Quando il cardinale raggiunse la Dieta di Mantova, nel novembre 1459, Cusano si trovò in difficoltà di fronte all’aggressività dei delegati ducali e dovette prendere atto della necessità, per il papa, di non inimicarsi i prìncipi dai quali si aspettava un aiuto nella crociata che intendeva organizzare. 73 ) Quando finalmente Pio II, il 23 gennaio 1461, scomunicò Sigismondo e inflisse l’interdetto sui territori tirolesi, citò tra i fautori del duca anche Georg, pro Tridentino episcopo se gerentem, ob notoriam eius adhaesionem, quam facto cotidie ostendit, cum quo idem sentire videtur, censuras contemnendo, et ideo de fide catholica vehementer suspectum. 74 ) Parole durissime, che denunciavano la completa subordinazione del vescovo di Trento alla politica tirolese, fino al punto di disprezzare le decisioni dei vertici della Chiesa. Forse un giudizio così netto non era però pienamente condiviso dal Cusano che – quando scrisse al capitolo di Bressanone, pure ribelle agli ordini del cardinale e del papa – lodò l’obbedienza al pontefice del vescovo trentino.75) 72) Bonelli, Benedetto, Monumenta ecclesiae Tridentinae. Voluminis tertii pars altera, Trento 1765, 144; Jäger, Albert, Der Streit des Cardinals Nicolaus von Cusa mit dem Herzoge Sigmund von Osterreich als Grafen von Tirol. Ein Bruchstück aus den Kämpfen der weltlichen und kirchlichen Gewalt nach dem Concilium von Basel, Innsbruck 1861, vol. I, 323s.; Posch, Nikolaus von Cusa (come nota 23), 233; Hallauer, Hermann Joseph, Bruneck 1460. Nikolaus von Kues. Der Bischof scheitert an der Weltlichen Macht, in: Helmrath, Johannes/Müller, Heribert (a cura di), Studien zum 15. Jahrhundert. Festschrift für Erich Meuthen, vol. I, München 1994, 381– 412, qui 382 e 409 nota 227, rist. in: Hallauer, Nikolaus von Kues (come nota 4), 155–195, qui 156 e192 nota 227; Baum, Sonnenburg (come nota 23), 656s. 73) Hallauer, Bruneck 1460 (come nota 72), 382 (156). Tratta del ruolo di Cusano a Mantova (ma con riferimento alle questioni generali più che alla difesa del suo episcopato) Pellegrini, Marco, Pio II, il collegio cardinalizio e la Dieta di Mantova, in: Calzona, Arturo/Fiore, Francesco Paolo/Tenenti, Alberto/Vasoli, Cesare (a cura di), Il sogno di Pio II e il viaggio da Roma a Mantova. Atti del Convegno internazionale, Mantova, 13– 15 aprile 2000, Mantova 2003, 15–76, qui 70–72. 74) Bonelli, Notizie istorico-critiche (come nota 23), 261; Bonelli, Monumenta (come nota 72), 404s. 75) Bonelli, Notizie istorico-critiche (come nota 23), 264s. Una sezione di un altro volume di Benedetto Bonelli, intitolata Vindiciae Georgii Hackii episcopi ac principis Tridentini, costituisce il tentativo di scagionare Georg Hack dall’accusa di essere stato troppo condiscendente alla politica del duca Sigismondo: Bonelli, Monumenta (come nota 72), 404–418.

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Al di là del significato (forse comparativo, o semplicemente retorico) di quest’ultima valutazione, si può immaginare che Cusano abbia avuto la definitiva dimostrazione della parzialità del collega trentino nell’aprile 1460, quando a Brunico vide l’esercito che Sigismondo aveva inviato contro di lui per impedirgli in modo definitivo di rivendicare un ruolo nel destino politico del territorio tirolese. Al comando di quella non piccola armata (3.000 fanti, 500 cavalieri e numerosi cannoni) e alla guida della delegazione che impose onerose condizioni al cardinale sconfitto c’era infatti Happe Hack, il fratello di Georg.76) IX. Anche Georg Hack, come il Cusano, morì in esilio: terminò la sua vita a Matrei, presso il passo del Brennero, il 22 agosto 1465. Aveva dovuto allontanarsi da Trento nel 1463, quando la città era insorta e aveva fatto appello al duca, ottenendo da lui quote di autogoverno e privilegi commerciali e fiscali. Per due anni il vescovo aveva dovuto risiedere altrove – soprattutto a Bolzano – e solo dopo lunghe trattative era stato permesso il suo rientro, che però non poté mai avvenire: la morte lo colse mentre stava tornando da Innsbruck, dove si era recato ovviamente per conferire con Sigismondo.77) Fu sepolto nella cripta della cattedrale: il suo successore, Johannes Hinderbach, curò la realizzazione del monumento funebre, sul quale fu posta l’effigie del defunto e il suo motto: Soli Deo .78) Sulla lastra tombale di Nicolò Cusano, posta nella chiesa di San Pietro in Vincoli a Roma, sta una scritta più articolata, ma dal significato simile: Dilexit Deum, timuit et veneratus est, ac illi soli servivit. Entrambi i vescovi vollero dunque che i posteri sapessero che essi avevano agito secondo logiche che stavano al di sopra delle obbedienze e delle convenienze politiche. Il giudizio ultimo sulla coerenza dei loro atti non spetta allo storico: certo è che i due fecero le loro scelte, e quelle scelte li divisero. Il presule trentino, in particolare, si inchinò alla forza di chi lo aveva voluto sulla cattedra vescovile79; l’esito di tale obbedienza fu, in più occasioni, la sostanziale presa di distanza dal collega cardinale e dalle sue istanze di riforma. 76) Jäger, Streit II (come nota 72), 12; Grass, Cusanus und das Fehdewesen (come nota 34), 792–796; Hallauer, Bruneck 1460 (come nota 72), 381–412 (155–195) (397 [175] per la notizia su Happe Hack); Bellabarba, La giustizia ai confini (come nota 34), 34. 77) Sugli ultimi due anni di Georg Hack si veda Curzel, Il vescovo di Trento (come nota 1), 447– 449. 78) Lupo, Michelangelo, Lastra tombale del vescovo Giorgio Hack (1446–1465), in: Castelnuovo, Enrico (a cura di), Il duomo di Trento, vol. 2: Pitture, arredi e monumenti, Trento 1993, 99s. 79) Sul percorso di sempre più accentuata subordinazione del Principato vescovile trentino alla contea tirolese in quegli anni si sofferma in particolare Hallauer, Bruneck 1460 (come nota 72), 409s (192s).

Die Acta Cusana als Quelle für das Verhältnis von Kurie und Region in den Brixner Jahren Mit Notizen zu Heinrich Collis und dem Straßburger Mendikantenstreit Tobias Daniels zur Lebensgeschichte des Nikolaus von Kues“ lautet der Untertitel „Q uellen der großen historischen Materialsammlung „Acta Cusana“. Neben dem „engeren biographischen Rahmen“ ist ihr Gegenstand der Anlage nach auch die „Erschließung einer ganzen Epoche, der spätmittelalterlich-vorreformatorischen Welt“, die sich in einer Persönlichkeit wie Cusanus in besonderer Weise spiegelt.1) Auswertungen der AC können daher verschiedene historisch relevante Aspekte betreffen, von der Prosopographie über die Wirtschaftsgeschichte, die Politikgeschichte bis hin zur materiellen Kultur, usw. In vorliegendem Beitrag soll es um ein Themenfeld gehen, das die Forschung seit langer Zeit beschäftigt: Das Verhältnis von der Papstkurie – als Zentrum der Christenheit – und den Regionen, anders formuliert das ursprünglich aus der Perspektive der Diplomatik betrachtete Verhältnis des Urkundenausstellers zum -empfänger, das oftmals mit dem Modell von Zentrum und Peripherie bzw. dem von der Herrschergeschichte entlehnten Modell der Rom- bzw. Kuriennähe operiert.2) Die Frage danach, wie das in der 1) Meuthen, Erich, Die Acta Cusana. Gegenstand, Gestaltung und Ertrag einer Edition, Heidelberg 1994 (SBH 1994, 5; Cusanus-Studien 10), 33. Siehe auch: Bünz, Enno, „Alltag und Gipfelpunkt des Schauens“ – zum Abschluss des ersten Bandes der „Acta Cusana“, in: Hessisches Jahrbuch für Landesgeschichte 55 (2005), 237–248. Zur Geschichte des Unternehmens: Helmrath, Johannes/Woelki, Thomas, Die Acta Cusana – eine Ressource für die Landesgeschichte, in: Blätter für deutsche Landesgeschichte 156 (2020), 597–614. Einführend zur Biographie aus historischer Perspektive: Meuthen, Erich, Nikolaus von Kues 1401–1464. Skizze einer Biographie, Münster 1982; Brösch, Marco/Euler, Walter Andreas/Geißler, Alexandra/Ranff, Viki (Hg.), Handbuch Nikolaus von Kues. Leben und Werk, Darmstadt 2014; Woelki, Thomas, Nikolaus von Kues (1401–1464). Grundzüge seiner Lebensgeschichte, in: Mandrella, Isabelle (Hg.), Nikolaus von Kues, Berlin 2014, 15–33; aus philosophischer Perspektive: Flasch, Kurt, Nicolaus Cusanus, München 2007. 2) Esch, Arnold, Rom und Bursfelde. Zentrum und Peripherie, in: Perlitt, Lothar (Hg.), 900 Jahre Kloster Bursfelde. Reden und Vorträge zum Jubiläum 1993, Göttingen 1994, 31–57; Salonen, Kirsi/Krötzl, Christian (Hg.), The Roman Curia, the Apostolic Penitentiary and the Partes in the Later Middle Ages (Acta Instituti Romani Finlandiae 28), Rom 2003; Flug, Brigitte/Matheus, Michael/Rehberg, Andreas (Hg.), Kurie und Region. Festschrift für Bri-

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Vormoderne in politischer und lebensweltlicher Hinsicht besonders präsente Papsttum in die partes hineinwirken bzw. was Menschen und Institutionen vor Ort unter welchen Bedingungen, unter Einsatz welcher Mittel und mit welchem Erfolg am Papsthof erreichen konnten, ist eine Forschungsfrage der langen Dauer. Sie stellt sich in größerer Dringlichkeit mit dem Einsetzen der universalen Ansprüche des Papsttums im 11. Jahrhundert, ferner mit dem eigentlichen Entstehen der Kurie, ihrer pragmatischen Schriftlichkeit seit jener Zeit sowie mit dem Ausbau jener Strukturen, welche die Ansprüche geltend machten und verwalteten. Im Mittelalter sind dies die apostolische Kammer (Finanzen), die Kanzlei (Pfründen und Korrespondenz), die Gerichtshöfe (Rota, Audientia litterarum contradictarum, Pönitentiarie) sowie die daran angegliederte Delegationsgerichtsbarkeit und das Gesandtschaftswesen.3) Generell müssen Studien, die nach dem Verhältnis von Kurie und Region fragen, diejenigen Bestände berücksichtigen, die in der päpstlichen Zentrale ausgestellt und (meist kopial) überliefert sind; zudem müssen sie nicht nur die als Originale und Abschriften in lokalen Archiven erhaltenen päpstlichen Dokumente untersuchen, sondern auch weitere Quellen, die aus dem Kurienkontakt herrühren.4) gide Schwarz zum 65. Geburtstag (Geschichtliche Landeskunde 59), Stuttgart 2005. Siehe auch: Johrendt, Jochen/Müller, Harald (Hg.), Römisches Zentrum und kirchliche Peripherie. Das universale Papsttum als Bezugspunkt der Kirchen von den Reformpäpsten bis zu Innozenz III. (Neue Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen. Philologisch-historische Klasse 2), Berlin u. a. 2008; Dies. (Hg.), Rom und die Regionen. Studien zur Homogenisierung der lateinischen Kirche im Hochmittelalter (Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften in Göttingen. Philologisch-historische Klasse, NF 19), Berlin u.a. 2012; Herbers, Klaus/Trenkle, Viktoria (Hg.), Papstgeschichte im digitalen Zeitalter. Neue Zugangsweisen zu einer Kulturgeschichte Europas (Archiv für Kulturgeschichte, 85), Köln u.a. 2018. Das Konzept der Königsnähe wurde bekanntlich maßgeblich durch Peter Moraw für das Spätmittelalter operationalisiert: Moraw, Peter, Franken als königsnahe Landschaft im späten Mittelalter, in: Blätter für deutsche Landesgeschichte 112 (1976), 123–138; Ders., Von offener Verfassung zu gestalteter Verdichtung. Das Reich im späten Mittelalter 1250 bis 1490 (Propyläen Geschichte Deutschlands 3), Berlin 1985. Zur Einordnung: Reinle, Christine (Hg.), Stand und Perspektiven der Sozial- und Verfassungsgeschichte zum römisch-deutschen Reich. Der Forschungseinfluss Peter Moraws auf die deutsche Mediävistik (Studien und Texte zur Geistes- und Sozialgeschichte des Mittelalters 10), Affalterbach 2016. 3) Erste Zugriffe: Matheus, Michael (Hg.), Friedensnobelpreis und historische Grundlagenforschung. Ludwig Quidde und die Erschließung der kurialen Registerüberlieferung, Berlin/Boston 2012; Sisson, Keith David/Larson, Atria A. (Hg.), A Companion to the Medieval Papacy. Growth of an Ideology and Institution, Leiden u.a. 2016, insbesondere die Beiträge von Müller, Harald, The Omnipresent Pope: Legates and Judges Delegate, 199–219, Weiß, Stefan, Camera, 220–238, Meyer, Andreas, The Apostolic Chancery, 239–258; Salonen, Kirsi, The Apostolic Penitentiary, 259–275. 4) Frenz, Thomas, Papsturkunden des Mittelalters und der Neuzeit, Stuttgart 22000; Märtl, Claudia (Hg.), Digital Humanities, kuriale Diplomatik und Repertorien (1431–1471), in: Mittelalter. Interdisziplinäre Forschung und Rezeptionsgeschichte 2 (2019), 16–124, .

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Die Acta Cusana bieten sich in vielfacher Hinsicht als Quellenbasis für Untersuchungen dieses weiten Themenfeldes an. Wie die Herausgeber von AC II betonen: „Die im päpstlichen Kanzleibetrieb entstandenen Quellenbestände sind eine der wichtigsten Grundlagen der Acta Cusana“.5) Dabei stützen sich die AC auf die Sammelarbeiten eines weiteren Großunternehmens, nämlich auf die beiden gegenwärtig durch das Deutsche Historische Institut in Rom herausgegebenen Regestenwerke zu vatikanischen Archivalien: das Repertorium Germanicum und des Repertorium Poenitentiariae Germanicum.6) In den AC werden die Belege mit Bezug zu Nikolaus von Kues indes durch deutschsprachig kommentierte Regesten präsentiert und oft durch zahlreiche lokale Bestände und Literaturverweise gestützt, komplettiert, ergänzt und weitergeführt. Jede Quellensammlung selektiert in Anlage und Charakter mit Blick auf den Gegenstand bzw. die Person, den oder die sie ausleuchten soll. Im Fall des Nikolaus von Kues sind seine Acta für die Erforschung von Kurienkontakten besonders geeignet. Grund dafür sind einmal die vielfältigen, seit dem Studium und auf dem Konzil von Basel etablierten Verflechtungen und Kontakte des Cusanus, unter anderem im Pfründenwesen der Zeit, sowie die mannigfaltigen Familiaritätsstrukturen um ihn herum, die bisher noch keine Gesamtuntersuchung erfahren haben (was wohl erst nach Fertigstellung der AC insgesamt möglich sein wird).7) Ferner ist zu berücksichtigen, dass Nikolaus von Kues selbst – spätestens seit ) AC II 7, 1941. ) Repertorium Germanicum. Verzeichnis der in den päpstlichen Registern und Kameralakten vorkommenden Personen, Kirchen und Orte des Deutschen Reiches, seiner Diözesen und Territorien vom Beginn des Schismas bis zur Reformation, und Repertorium Poenitentiariae Germanicum. Verzeichnis der in den Supplikenregistern der Pönitentiare vorkommenden Personen, Kirchen und Orte des deutschen Reiches, jeweils hg. vom DHI in Rom (nachfolgend: RG und RPG). Dazu Anm. 3 und 4, sowie Rehberg, Andreas/Hörnschemeyer, Jörg, Germania Sacra im europäischen Forschungsverbund II. Das Repertorium Germanicum am Deutschen Historischen Institut in Rom, in: Röckelein, Hedwig (Hg.), 100 Jahre Germania Sacra. Kirchengeschichte schreiben vom 16. bis zum 21. Jahrhundert, Berlin 2018, 165–184; Bünz, Enno, Serielle Quellen des späten Mittelalters – Herausforderungen, Möglichkeiten und Grenzen der editorischen Arbeit angesichts beginnender Massenüberlieferung, in: Hartmann, Martina/Zimmerhackl, Horst (Hg.), Quellenforschung im 21. Jahrhundert. Vorträge der Veranstaltungen zum 200-jährigen Bestehen der MGH vom 27. bis 29. Juni 2019 (MGH. Schriften 75), Wiesbaden 2020, 195–239. 7) Meuthen, Erich, Die letzten Jahre des Nikolaus von Kues. Biographische Untersuchungen nach neuen Quellen (Wiss. Abhandlungen der Arbeitsgemeinschaft für Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen 3), Köln 1958; Ders., Die Pfründen des Cusanus, in: MFCG 2 (1962), 15–66; Schwarz, Brigide, Über Patronage und Klientel in der spätmittelalterlichen Kirche am Beispiel des Nikolaus von Kues, in: QFIAB 68 (1988), 284–310; Matheus, Michael, Nikolaus von Kues, seine Familiaren und die Anima, in: Ders. (Hg.), Santa Maria dell’Anima. Zur Geschichte einer „deutschen Stiftung“ in Rom (Bibliothek des DHI in Rom 121), Berlin 2010, 21–41; Prietzel, Malte, Amis, agents, alliés. Les réseaux personnels du cardinal Nicolas de Kues, in: MaillardLuypaert, Monique/Marchandisse, Alain/Schnerb, Bertrand (Hg.), Église et État. Evêques et cardinaux princiers et curiaux, XIVe–début XVIe siècle. Des acteurs du pouvoir, Turnhout 2018, 167–180. 5 6

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seiner durch die Acta Cusana, Band I, 3 im Detail erschlossenen Tätigkeit als Legat 1451/52 – „der ‚lange Arm‘ des Vatikan“ in der Region war.8) Die AC II umfassen die Zeit seit dem Einzug des Nikolaus von Kues als Bischof in Brixen zu Ostern 1452 bis zu seiner Abreise nach Rom im Jahr 1458. Damit ist ein spezifisches Setting gegeben. Es ist gekennzeichnet durch die Nachwirkungen der großen Legationsreise im Anschluss an das Basler Konzil, durch die Etablierung einer Bischofsherrschaft im Zeichen der cusanischen Kirchenreformbestrebungen im geographischen und politischen Raum (und der Überlieferungslandschaft) Tirols sowie durch die besonderen Strukturen und Problematiken des Streits mit der Abtei Sonnenburg sowie Herzog Sigismund von Österreich.9) Im Fokus stehen schließlich, aus Sicht der Papstgeschichte, die Spätphase des Pontifikats Nikolaus’ V. mit der nachkonziliaren Kirche sowie der humanistisch-rinascimentalen Prägung Roms, den großen Reichsversammlungen der 1450er Jahre infolge des Falls von Konstantinopel an die Osmanen, und dann der gesamte, kurze Pontifikat des ersten Borgia auf dem Papstthron, Calixt III., der vorwiegend durch die Versuche zur Organisation eines Kreuzzuges gegen die Türken geprägt war. Dieser Rahmen ist zu berücksichtigen, wenn die Acta Cusana im Folgenden auf Kurienkontakte befragt werden.10) Dabei geht es nicht um eine vollständige Erfas8) Meuthen, Erich, Die deutsche Legationsreise des Nikolaus von Kues 1451/52, in: Moeller, Bernd/Boockmann, Hartmut/Stackmann, Karl/Grenzmann, Ludger (Hg.), Lebenslehren und Weltentwürfe im Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit. Politik, Bildung, Naturkunde, Theologie. Bericht über Kolloquien der Kommission zur Erforschung der Kultur des Spätmittelalters 1983 bis 1987 (Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften in Göttingen. Philologisch-Historische Klasse. Folge 3, 179), Göttingen 1989, 421–499; Ders., Das Itinerar der deutschen Legationsreise des Nikolaus von Kues 1451/52, in: Dahlhaus, Joachim/Kohnle, Armin (Hg.), Papstgeschichte und Landesgeschichte. Festschrift für Hermann Jakobs zum 65. Geburtstag, Köln u.a. 1995, 473–502; Schneider, Herbert, Der „lange Arm“ des Vatikan. Anmerkungen zur Legationsreise des Cusanus nach Deutschland 1451, in: Meyer, Andreas (Hg.), Kirchlicher und religiöser Alltag im Spätmittelalter. Akten der internationalen Tagung in Weingarten, 4.–7. Oktober 2007, Ostfildern 2010, 33–46; Woelki, Thomas, Il legato scomodo. Azioni di Niccolò Cusano come legato apostolico e reazioni papali, in: Niccolò Cusano. L’uomo, i libri, l’opera. Atti del LII Convegno scorico internazionale, Todi, 11–14 ottobre 2015, Spoleto 2016, 71–94. 9) Dazu insbesondere Hallauer, Hermann, Nikolaus von Kues, Bischof von Brixen 1450– 1464. Gesammelte Aufsätze, Bozen 2002. Siehe auch Woelki, Thomas, Gnediger herr, last mich nit auf die fleichpank geben! Zum Einsatz von Briefen in der politischen Kultur. Briefe zur GradnerFehde 1455/1456, in: Grévin, Benoît/Hartmann, Florian (Hg.), Der mittelalterliche Brief zwischen Norm und Praxis (Beihefte zum Archiv für Kulturgeschichte 92), Wien/Köln/Weimar 2020, 303–323. Ferner die Arbeiten von Baum, Wilhelm, Nikolaus von Kues. Briefe und Dokumente zum Brixner Streit, 2 Bde., Wien u.a. 1998/2000; Pizzinini, Andres Carlos (Bearb.)/Stiftung Bozner Schlösser (Hg.), Nicolaus Cusanus. Ein unverstandenes Genie in Tirol, Bozen 2016; Gelmi, Josef, Cusanus. Leben und Wirken des Universalgenies Nikolaus von Kues, Kevelaer 2017. Zur Einordnung der älteren lokalhistorischen Forschung: Brandstätter, Klaus, Nikolaus Cusanus in der Tiroler Landesgeschichte, in: Der Schlern 75 (2001), 151–164. 10) Systematischer Überblick im Register zu AC II 7, 2108f. (Nikolaus V.), 2031f. (Calixt III.), 2126f. (Rom).

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sung des Materials der AC, sondern darum zu zeigen, für welche Aspekte dieses großen Forschungsfeldes es genutzt werden kann. Zu diesem Zweck ist zunächst auf das Spektrum der kurialen Dokumente zu blicken, die in den AC erfasst werden. Nachfolgend werden von der Typologie des vatikanischen Materials ausgehend zunächst Pfründenangelegenheiten, dann Privilegien, Dispense und Gerichtssachen, und schließlich Aufträge im Rahmen kleiner und großer politischer Zusammenhänge analysiert. Dies führt zu der Frage, welchen Einfluss Cusanus in den Brixner Jahren an der Kurie wie ausüben konnte und auf welche Weise er es tat. Den Verbindungen aus der Region an die Kurie wird daraufhin anhand von Briefwechseln mit Rom und Berichten aus Rom nachgegangen. Dabei spielen Fragen der Überbringung päpstlicher Schriftstücke und des Umgangs mit ihnen vor Ort eine Rolle, ferner Mobilität und das Gesandtschaftswesen. All diese Faktoren werden exemplarisch anhand einer Fallstudie zu dem Franziskaner Heinrich Collis verdeutlicht, einer kontroversen Persönlichkeit aus dem Straßburger Mendikantenstreit, die in Brixen mit Cusanus zusammentraf und zum Kurienexperten am Kaiserhof wurde. 1. Päpstliche Urkunden und Breven Geht man von der vatikanischen Überlieferung aus, so enthält diese bekanntermaßen hauptsächlich Registerserien mit Kopien von Antwortschreiben auf Bittschriften (Suppliken), so genannte Reskripte.11) Der größte Anteil dieser Papstschreiben – feierliche Urkunden oder kürzere Schreiben, genannt Breven – ist auf kirchliche Stellenbesetzungen bezogen, sei es in Form einer Bestallungsurkunde mit einem Benefizium/einer Pfründe (Provision), deren Durchsetzung meist an Funktionsträger in den Regionen delegiert wird (Executoren) sei es in Gestalt von Privilegiengewährungen, Lossprechungen von Verstößen gegen das kanonische Recht (Dispense) oder auch Vorladungen an kuriale Gerichtshöfe, letzteres auch im Falle von Appellationen. Daneben stehen Aufträge und Instruktionen an 11) Dazu die Einleitungen zu den verschiedenen Bänden des RG, die Lit. in Anm. 4, sowie: Hageneder, Othmar, Päpstliche Reskripttechnik. Kanonistische Lehre und kuriale Praxis, in: Bertram, Martin (Hg.), Stagnation oder Fortbildung? Aspekte des allgemeinen Kirchenrechts im 14. und 15. Jahrhundert (Bibliothek des DHI in Rom), Tübingen 2005, 181–196; Meyer, Andreas, Attention, No Pope! New Approaches to Late Medieval Papal „Litterae“, in: Goering, Joseph Ward/Dusil, Stephan/Thier, Andreas (Hg.), Proceedings of the Fourteenth International Congress of Medieval canon law (Monumenta iuris canonici C 15), Vatikanstadt 2016, 865–874. Im weiteren Rahmen auch: Annas, Gabriele, Kaiser, Reich und Reichstag: Überlegungen zum spätmittelalterlichen Supplikenwesen, in: Mauerer, Esteban (Hg.), Supplikationswesen und Petitionsrecht im Wandel der Zeit und im Spiegel der Publikationen der Historischen Kommission (Schriftenreihe der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften 105), Göttingen 2020, 9–32.

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kuriale Gesandte und Kontaktpersonen, die oft durch päpstliche Breven kontaktiert werden. Schließlich werden finanzielle Aspekte mit Bezug auf Pfründenangelegenheiten, pekuniäre Deckung von Gesandtschaftsaufträgen, aber auch Versuche zur Erhebung von außerordentlichen Abgaben wie etwa Zehnten und Ablasszahlungen zur Finanzierung von Kreuzzugsbestrebungen vor allem in der Überlieferung der Apostolischen Kammer ersichtlich. 2. Pfründenangelegenheiten Mit Blick auf kirchliche Benefizien schöpfen die Acta Cusana aus reichem vatikanischen Material, auch deshalb, weil sich Cusanus, wie andere Gelehrte und Politiker, Zeit seines Lebens um eine auskömmliche Versorgung auf dem Pfründenmarkt bemühte.12) Charakteristisch ist seine langwierige Auseinandersetzung mit dem Trierer Erzbischof Jakob von Sierck und dessen Bruder Philipp um den Archidiakonat von Brabant. Der im Nachlass des Erzbischofs erhaltene, schon durch Josef Koch untersuchte Briefwechsel dazu liegt nunmehr in den Acta Cusana komplett vor und lässt noch in den Brixner Jahren auf eine do-ut-desMentalität blicken, die im konkreten Fall durchaus den Charakter des Schacherns annahm.13) Auf der anderen Seite treten nunmehr verstärkt die (neuerlichen) Bemühungen um die Pfarrei Bernkastel und um die Gründung des Cusanus-Hospitals in den Gesichtskreis der Acta Cusana.14) Ansonsten lassen sich Provisionen mit und Streitigkeiten um Benefizien wiederum mit Blick auf die Anordnungen des Legaten Nikolaus von Kues auswerten15), dann lassen sie die Personenkreise um Nikolaus von Kues erkennen und geben zugleich Einblick in die Praxis seiner Bischofsherrschaft.16) Sozusagen statusgemäß sind die päpstlichen Vergünstigun12) Dazu oben, Anm. 7. Einführend auch: Boute, Bruno/Daniels, Tobias, Rotuli und Suppliken, in: De Boer, Jan-Hendryk/Füssel, Marian/Schuh, Maximilian (Hg.), Universitäre Gelehrtenkultur vom 13.–16. Jahrhundert. Ein interdisziplinäres Quellen- und Methodenhandbuch, Stuttgart 2018, 139–152. 13) AC II 2, Nr. 3514, 3673, 3731–3734, 3736, 3753–3756. Siehe auch: Koch, Josef, CusanusTexte 4, Briefwechsel des Nikolaus von Cues, Erste Sammlung (SBH 1942/43, 2), Heidelberg 1944; Daniels, Tobias, Diplomatie, politische Rede und juristische Praxis im 15. Jahrhundert. Der gelehrte Rat Johannes Hofmann von Lieser (Schriften zur politischen Kommunikation 11), Göttingen 2013, 233–238, 241, 289f., 297. 14) AC II 1, Nr. 3410; AC II 2, Nr. 3899f. (Hospital); AC II 5, Nr. 4815 (Bernkastel). 15) Siehe etwa die Pfründenprovisionen, die auf die Zeit der Legation zurückgehen: AC II 1, Nr. 2454, 2985; AC II 5, Nr. 5093; AC II 6, Nr. 5403; Verhandlungen aus der Legationszeit: AC II 2, Nr. 3484, 3505 (29. Juni 1453, Rom), 3512 (3. Juli 1453, Rom), 3676, 3981; Pfründenverleihungen mit Bezug auf Bestimmungen des Legaten NvK: AC II 3, Nr. 4105, 4168, 4208; Appellation dagegen: AC II 1, Nr. 2927. 16) AC II 1, Nr. 2574, 2679, 2795ff., 2845, 2848, 2849, 2851, 2928, 2996, 3143, 3373, 3388, 3416, 3422f., 3427f., 3436, 3469; AC II 2, Nr. 3517ff. (Leubing), 3531, 3534, 3535, 3548, 3550, 3601 (Thomas Pirckheimer), 3615, 3616, 3661, 3774, 3779 (Leubing), 3823, 3831, 3869, 3878, 3971; AC II 3,

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gen für den Kardinal, der die Erlaubnis erhält, für bis zu sechs seiner Familiaren Pfründentausche zu vollziehen17), oder aber ein Fall, in dem seine Familiaren eine gemeinsame Supplik einreichen und gewährt bekommen.18) Im Umfeld des Nikolaus von Kues treten nun reichspolitisch bedeutsame Gestalten wie die gelehrten Räte Thomas Pirckheimer19) oder Heinrich Leubing20) stärker hervor. Die lokale Überlieferung lässt auch die vielfältigen Spannungsfelder im Besetzungswesen deutlich werden. Ein Beispiel dafür bieten die Bestrebungen des Nikolaus von Kues, seinen Neffen und engen Vertrauten Simon von Wehlen auf eine Domherrenpfründe in Brixen zu bringen, die zuvor der inzwischen zum Bischof von Chur beförderte Leonard Wiesmayr innegehabt hatte. Nikolaus V. hatte von Wehlens Bittschrift stattgegeben, und Calixt III. bestätigte sie unter Aushebelung der Statuten und Gewohnheitsrechte der Brixener Kirche; drei Jahre später musste Cusanus sich und den Anspruch seines Familiaren gegenüber dem Herzog Sigismund von Österreich verteidigen, da Wiesmayr nicht auf seine Anrechte verzichten wollte; einige Monate darauf wandte sich Nikolaus von Kues an die Herzogin Eleonore und erläuterte ihr ausführlich das Tauziehen zwischen Wehlen und Wiesmayr um die Pfründe zwischen dem Brixner Kapitel und Rom. Angesichts von Wiesmayrs Appellation in dem hove zu Rom musste von Wehlen schließlich gen Rome … reiten umb irer ladung willen, und ist yecz da in dem sterben mit grossen sorgen, sich zu verantwurtten …21)

Nr. 4042, 4045, 4107, 4125, 4174, 4199f., 4203, 4221, 4310; AC II 4, Nr. 4396 (Leubing), 4655, 4680, 4756; AC II 5, Nr. 4815 (NvK selbst, Bernkastel), 4816 (NvK darf für bis zu sechs seiner Familiaren Pfründentausche vollziehen), 4818f., 4827, 4831, 4859 (Unterstützung durch Calixt III., was Pfründenangelegenheiten zu Zeiten Nikolaus‘ V. angeht), 4860, 4868, 4971, 4975, 4974 (NvK selbst, Bitte zum Dispens von der Pflicht zum ad limina-Besuch, gewährt auf 5 Jahre), 4989, 5002ff., 5010, 5018, 5027f., 5037, 5065f., 5092, 5104, 5107, 5174, 5177ff., 5182, 5263; AC II 6, Nr. 5321, 5324, 5238, 5409f., 5444, 5562, 5627, 5688. 17) AC II 5, Nr. 4816. 18) AC II 2, Nr. 3531 (Alle Familiaren des NvK zusammen, 19. Juli 1453). Vgl. Schwarz, Ulrich, Kardinalsfamiliaren im Wettbewerb. Eine Serie von Expektativenrotuli zum 1. Januar 1472, in: Flug/Matheus/Rehberg (Hg.), Kurie und Region (wie Anm. 2), 129–149. 19) Zu ihm: Strack, Georg, Thomas Pirckheimer (1418–1473). Gelehrter Rat und Frühhumanist (Historische Studien 496), Husum 2020. 20) Eine lohnende Gesamtbiographie fehlt. Siehe zuletzt: Daniels, Tobias/Wejwoda, Marek, Heinrich Leubing († 1472) in sächsischem Dienst. Ergebnisse, Desiderate und Perspektiven der Forschung zum wettinischen Rat im 15. Jahrhundert, in: Neues Archiv für Sächsische Geschichte 82 (2011), 61–108. 21) AC II 5, Nr. 4975. Vgl. AC II 1, Nr. 3469 (Simon von Wehlen soll die Pfründe in Brixen erhalten, 27. Mai 1453, Rom); AC II 5, Nr. 4819 (NvK verteidigt den Anspruch auf die Domherrenpfründe zu Brixen); 4971 (Ausführliche Darlegung der Angelegenheit an Hz.in Eleonore von Österreich, Brixen, 25. Okt. 1456). Zur Sache auch: Baum, Wilhelm, Nikolaus Cusanus und Leonhard Wiesmair. Der Kardinal und sein Gegenspieler, Kanzler von Tirol und Bischof von Chur, in: Der Schlern 57 (1983), 433–442.

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Die Art und Weise, wie sich Cusanus in derlei Pfründenangelegenheiten auf die römische Autorität stützen wollte, zeigt ein Brief, den er am 24. April 1458 an das Domkapitel zu Brixen schrieb. Den oppositionellen Domherren Christian von Freiberg, Stefan Stainhorn und Wolfgang Neundlinger solle man unter Verweis auf eine päpstliche Entscheidung die Auszahlung ihrer Pfründe verweigern.22) Nikolaus von Kues war in diesen Dingen indes nicht immer erfolgreich: So kassierte Calixt III. ein Mandat an ihn zur Besetzung der Abtei von S. Lorenzo bei Trient, mit der Begründung, es sei betrügerisch erworben worden und berücksichtige die Rechte des Johannes Hinderbach nicht.23) 3. Privilegien, Dispense, Gerichtsbarkeit Sowohl in seiner Funktion als Legat als auch als Bischof hatte Cusanus die kirchliche Jurisdiktionsgewalt in Stellvertretung des Papstes inne. Daher findet man in den Acta Cusana die üblichen Suppliken um Privilegierungen und Dispense in Bezug auf kirchenrechtliche bzw. statutarisch vor Ort festgeschriebene Normen. Häufig sind Dokumente zu Ablassverleihungen24), Erteilungen von Beichtprivilegien25), ferner zu durch den Legaten ins Werk gesetzten Reformen26), generelle Abänderungen und Korrekturen, oftmals erwirkt unter Einschaltung des Kaisers27), und individuelle

) AC II 6, Nr. 5621, mit Anm. 12. ) AC II 5, Nr. 5145, Rom, 26. Februar 1456. Siehe dazu Nr. 5034. Zu Hinderbach umfassend: Rando, Daniela, Johannes Hinderbach (1418–1486). Eine „Selbst“-Biographie (Schriften des Italienisch-Deutschen Historischen Instituts in Trient, 21), Berlin 2008. 24) AC II 1, Nr. 2465 (10.4.1452), 2467 (Brixen, 12.4.1452), 2468 (Brixen, 12.4.1452), 2470 (Frankfurt, 12.4.1452), 2471 (Frankfurt, 12.4.1452), 2480 (Brixen, 15.4.1452), 2483, 2484, 2485, 2487, 2506, 2564, 2594, 2595, 2596, 2597, 2600, 2601, 2890, 3378, 3410, 3418, 3641, 3953, 4103, Ablassbulle Nikolaus’ V. ‚Inter cunctas‘ (1450) 4635; Kreuzzugs-Ablassbulle ‚Etsi ecclesia Christi‘ (1453) 4559, 4902; Ablassgelder 2599; Kreuzzugsablass für Zypern 3953; Jubiläumsablass für England 4635, 4694, 4902. 25) AC II 1, Nr. 2503, 2505, 2509, 2510, 2515, 2519, 2522, 2528, 2534, 2536, 2537, 2538, 2541, 2546, 2560, 2570. 26) AC II 1, Nr. 2481 (Brixen, 15.4.1452), 2482, 2521, 2552, 2553, 2555, 2561, 2576, 2577, 2578, 2580. 27) AC II 2, Nr. 3299, 3372 (Kaiser), 3524f., 3532, 3533, 3597 (Friedrich III. an Nikolaus V., bittet um Aufhebung der von NvK gegen die Nürnberger Juden erlassenen Bestimmungen, wie beim Romaufenthalt Friedrichs III. vereinbart, Graz, 30. August 1453); AC II 3, Nr. 4105, 4213, 4316, 4345; AC II 4, Nr. 4555 (Calixt III. gewährt eine Supplik Friedrichs III.). 22 23

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Dispense28), auch Berufung darauf29), oder Bestätigungen, u.a. bei Neuausfertigung nach Pontifikatswechsel folgend dem Formular Rationi congruit.30) Darüber hinaus gestatten die Acta Cusana Einblicke in die Mechanismen der kurialen Gerichtsbarkeit31) und die Versuche der Petenten, sie zu ihren Zwecken zu nutzen, so etwa in einer Supplik eines Ehepaares aus der Diözese Chur aus dem Jahr 1454. Sie gaben an, die aus Tschars stammende Frau sei mit einem anderen Mann aus Schongau im Streit gelegen, der vorgegeben habe, mit ihr verheiratet zu sein. Der Elekt von Chur (Leonhard Wiesmair) habe die Lösung dieser Streitigkeit an einen Erzpriester delegiert, der ein Urteil gesprochen habe. Die Eheleute appellierten nun an den Papst, dass er den Fall dem Bischof von Trient (Georg Hack) oder von Brixen (Nikolaus von Kues) übertrage, und gaben als Grund den Churer Bistumsstreit an.32) Ein ähnlicher Fall betrifft Erbschaftsstreitigkeiten zwischen Innsbruck und Meran im Jahr 1458: Diese waren durch das herzogliche Gericht entschieden worden, eine Partei hatte allerdings an das bischöfliche Gericht des Nikolaus von Kues appelliert, dessen Generalvikar die Entscheidung der römischen Rota vorlegte. Die Supplik des Herzogs, die Sache als zivil- und strafrechtlich relevant wiederum seiner Autorität zu unterstellen, wurde durch den Papst genehmigt. Der

28) AC II 1, Nr. 3209 (Hostiendekret); 2942, 3298f., 3597, 3681, 3981 (Judendekret); 4345 (Ordensregeln); 4105 (einjährige Observanz als Bedingung der Abtissinnenwürde); 3661 (Absetzung des Propstes von Lüne); 3730 (Reform des Klosters Abdinghof, Paderborn); 3447, 3543, 3677, 3790 (Salzburg, Reform des Klosters Nonnberg); 3959 (Sint-Truiden, Inkorporationsstreit); 3372, 3524f. (St. Lambrecht in Kärnten, Reform); 4834, 5113f., 5379 (Baumburg, Klosterreform); 4544, 4987 (Fleischverbot in Benediktinerklostern); 4695f. (Meißen, Prozessionen mit unverhüllter Hostie; 4679, 5215, 5350 (Nürnberg, Prozessionen mit unverhüllter Hostie); 4345 (Salzburg, Ordensreform); 4592 (Reformdekret zur Einhaltung der Ordensregeln); 4616 (Würzburg, Judendekret); AC II 3, 3973, Nr. 4074, 4137, Nr. 4338. 29) AC II 3, Nr. 4139, 4165, 4199f., 4208f., 4224, 4268, 4311, 4357; AC II 4, Nr. 4620 (Johannes Kuyck), 4624; AC II 5, Nr. 4834; AC II 6, Nr. 5326. 30) AC II, Nr. 3316f. (Jurisdiktionsstreit in St. Servatius zu Maastricht), 3373, 3383f. (Regel des Dritten Ordens der Franziskaner); Entschädigung für Walram von Moers für den Verzicht auf das Bistum Utrecht 3390; Getreidestreit in Gent 3550; Reformdekrete 3426, 4139; Reform der Abtei St. Adalbert zu Egmond 3437; Reform des Klosters Sonnenburg 3970, 3991, 3993, 4164, 4183; Reform des Brixner Klarissenklosters 4209; Rentenkauf 3899; Statuten von St. Johann in Osnabrück 4168; Verbot des Interdikts bei Geldschulden 3533; Zierikzee, Mendikantenstreit 4208; 4620, 4914, 4984, 5100f., 5476, Brixen, Klarissenkloster, Reform 4319, 4469f.; Benediktinerreform 4984; Dekret über das unverhüllte Altarsakrament 4679; Münstermaifeld, Statuten 5235; Trier, Absolution des Abts von St. Matthias 4756. Bestätigung von Maßnahmen Nikolaus’ V. durch Calixt III. 3299, 3469, 4105, 4139, 4309, 4319. 31) Zur Rota: AC Nr. 3436, 3976, 4195, 5329, 5493, zu ihren Gerichtstagen 5059; zu den Rotaauditoren 2741, 2747, 2839, 2928, 3436, 4182f., 4618. 32) AC II 3, Nr. 4024 (6. Juli 1454, Rom, St. Peter). Generell dazu: Ludwig Schmugge, Ehen vor Gericht. Paare der Renaissance vor dem Papst, Berlin 2008.

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Pontifex übertrug den Fall an den Vertrauten des Herzogs, Leonhard Wiesmair, Bischof von Chur.33) Ein weiterer Fall schöpft aus der Überlieferung der Apostolischen Pönitentiarie.34) Dieses oberste päpstliche Buß- und Gnadenamt gewährte niemand geringerem als Herzog Sigismund Absolution von Kirchenstrafen. Er hatte an den Papst geschrieben, weil er im Zuge der Sonnenburger Streitigkeiten gemeinsam mit einigen Laien einen Familiar des Nikolaus von Kues gefangen nehmen ließ und damit das Klerikerprivileg verletzte.35) An sich war dies gewissermaßen eine Standardabsolution der Pönitentiarie. Dieser konkrete Fall ist nicht nur wegen seiner evidenten politischen Implikationen von Interesse, sondern auch, weil die lokale Überlieferung die schematische Darstellung der Pönitentiarie in mehrfacher Hinsicht ergänzt: So kann erstens der Geschädigte identifiziert werden36), zweitens ist aus lokaler Überlieferung eines der höchst seltenen Originalschreiben des Großpönitentiars (Kardinal Domenico Capranica) mit Siegel des Dikasteriums in der Sache überliefert, in dem Capranica den Abt von Wilten mit der Absolvierung beauftragt, da der Fürst und Nikolaus von Kues im Streit liegen37), und drittens lässt sich (im Unterschied zu den meisten Fällen, die ausschließlich in den Pönitentiarieregistern überliefert sind) der Zeitraum genau bestimmen, der zwischen dem Vergehen und der Gewährung der Supplik verstrich: Mitte März 1456 war es zur Gefangennahme gekommen und Anfang Juli des Jahres wurde die erste Absolution bewilligt. Angesichts des langwierigen Übertragungsweges und kurialen Geschäftsganges eine bemerkenswert schnelle behördliche Abwicklung! Sehr viel länger beschäftigte die Kurie hingegen ein Morddelikt in der Stadt Regensburg: Am 20. Juni 1458 delegierte der Papst eine Bitte um Absolution an den in Rom residierenden Bischof von Orte. Die Supplik hatte Andreas Freudenberger, Kleriker der Diözese Regensburg, vorgebracht, weil er an einem durch den Regensburger Domherren Ulrich Part begangenen Totschlag beteiligt gewesen war, indem er einige Menschen mit einer Armbrust beschossen und schwer verletzt hatte. Die Angelegenheit hatte sich 1451 zugetragen, und Nikolaus von Kues ) AC II 6, Nr. 5492f., Rom, St. Peter, 7. Februar 1458. ) Salonen, Kirsi/Schmugge, Ludwig, A Sip from the „Well of Grace“. Medieval Texts from the Apostolic Penitentiary, Washington DC 2009; Esch, Arnold, Die Lebenswelt des europäischen Spätmittelalters. Kleine Schicksale selbst erzählt in Schreiben an den Papst, München 2014. 35) AC II 5, Nr. 4863 (10. Juli 1456) und 5039 (12. Dezember 1456). Zur Sache auch: Nr. 4865 (Supplik des Leonhard Kayser an den Papst, gewährt durch die Pönitentiarie, 12. Juli 1456). 36) Es handelte sich um den Notar Georg Sewml, der das Interdikt verkünden sollte: AC II, Nr. 4697f. und 4700. 37) AC II 5, Nr. 5040, Rom, 12. Dezember 1456. Zu einem weiteren solchen, eigenhändig durch Capranica unterzeichneten Originalschreiben von 1458: Daniels, Tobias, Florenz und die Florentiner 1484–1521. Zeugnisse aus dem Archiv der Pönitentiarie, in: Schwarz, Jörg/Strack, Georg (Hg.), Kurie und Kodikologie. Festschrift für Claudia Märtl zum 65. Geburtstag, Ostfildern 2021, 203–246, hier 205 Anm. 8. 33 34

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war damit bei seinem Aufenthalt in Regensburg als apostolischer Legat befasst gewesen. Der Legat hatte Freudenbergers Freilassung unter der Bedingung verfügt, dass dieser schwöre, Regensburg nicht mehr zu betreten. Wie wir erfahren, hatte er sieben Jahre später den Eid gebrochen, als er um Absolution bat.38) 4. Kleine und große Politik Solche Quellen, die Einblicke in Lebenswelten der Zeit gestatten, rühren teils aus dem Suppliken-, Reskript- und Delegationswesen her. Sie entstanden also aufgrund lokaler Nachfrage und des kurialen Geschäftsgangs, auch wenn sie oft in größeren politischen Zusammenhängen zu sehen sind. Zudem kann gefragt werden, in welcher Weise die Kurie eine aktive Politik in der Region betrieb. Hier lassen sich eine Reihe päpstlicher Aufträge an Nikolaus von Kues anführen, wiederum oft mit Bezug auf die Legationstätigkeit, von Streitigkeiten der Stadt Épinal mit Bischof Konrad von Metz um Herrschaft und Bann des französischen Königs39) bis hin zu Subsidienstreitigkeiten zwischen Erzbischof Dietrich von Köln und Herzog Johann von Kleve40) oder einer Vermittlungstätigkeit im Churer Bistumsstreit.41) Neben diesen Spezialaufträgen ist auffällig, dass Nikolaus von Kues durch die Kurie neuerlich mit Gesandtschaftssaufträgen betraut wurde: Einmal als Legat zum Tag von Wien 1452 sowie später dann zur Reichsversammlung von Regensburg im Frühjahr 1454.42) Nachfolgend wird er selbstverständlich auch als Experte für Reichsangelegenheiten durch die Kurie genutzt, etwa als Berichterstatter über politische Versammlungen am Rhein.43) Die Ernennung des Nikolaus von Kues zum Legaten in den Angelegenheiten des Deutschen Ordens resultierte auch aus früheren Kontakten und dem Wunsch des Ordens, doch kam diese Mission letztlich auch aufgrund des Widerstandes durch den Preußischen Bund nicht zur Ausführung.44) Eng verbunden mit den Versuchen des Papstes Calixt III., einen Kreuzzug gegen die Osmanen zu organisieren, sind die Publikation der Kreuzzugsbulle durch Cusanus, der sie über Brixen an Herzog Albrecht III. von Bayern-München im ) AC II 6, Nr. 5664. ) AC II 1, Nr. 2644 (Nikolaus V. an Karl VII. von Frankreich wegen Schiedsgericht, Metzer Bistumsstreit (?), NvK genannt mit Estouteville, Coëtivy, Carvajal, nach Brevenregister Poggios). 40) AC II 1, Nr. 2676 (Original Bernkastel und Abschrift AAV, Rom, St. Peter, 4. Juli 1452). 41) AC II 1, Nr. 3451. 42) AC II 1, Nr. 2885, Rom, St. Peter, 22. Okt. 1452, N.V. an Piccolomini; Nr. 2901, 2902, 2938. Zu Regensburg: RTA XIX 1. 43) AC II 6, Nr. 5365. 44) AC II 3, 3346, 3473, 3487, 3967, 4094, Rom, St. Peter, 1. Sept. 1454; Nr. 4095 (id.); AC II 3, Nr. 4096, Rom, Juli/September 1454. Vgl. auch AC II 7, S. 1941. 38 39

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Oktober 1455 weiterleitete45), ebenso wie seine Ernennung zum apostolischen Legaten für England, die auch als Friedenslegation konzipiert war, dann allerdings der Vorbereitung durch den Familiar Simon von Wehlen zum Trotz keinen Zuspruch bei dem König von England fand.46) Dem für Calixt III. besonders wichtigen Projekt der Erhebung des Kreuzzugszehnten kam Cusanus bald darauf durch die Einberufung einer Diözesansynode in Brixen nach47), was wiederum zu Spannungen vor Ort führte.48) Teils großen Widerstand riefen im Tiroler Kontext bekanntlich die vielfachen Anordnungen insbesondere Calixts III. zu Klosterreformen bzw. -visitationen hervor, die häufig lokale Vorgänge nach sich zogen und Akten produzierten.49) Die sicherlich intensivsten Romkontakte lassen sich in dem Streit mit den Sonnenburger Nonnen um die durch Cusanus gewollte Reform ihres Klosters nachvollziehen, wogegen Verena von Stuben und ihre Nonnen an die Kurie appellierten: Nikolaus von Kues wollte den Fall vor die römische Rota bringen50), doch nach der Appellation setzte ein langes Tauziehen zwischen Brixen und Rom ein, mit verschiedenen Romgesandtschaften, der Verfügung von Exkommunikation und Interdikt, Behinderung der Sonnenburger Gesandten in der Papstkanzlei, pontifikalen Anweisungen zur gütlichen Lösung, Abweisung eines päpstlichen Breves durch Nikolaus von Kues, der schlussendlichen Abwendung eines kostspieligen Kurienprozesses und den Versuchen der Äbtissin, sich bei ihrer Abdankung mit

) AC II 4, S. VII und Nr. 4558. ) AC II, 4, Nr. 4465, 4573 (Simon von Wehlen), 4512, 4516f., 4540–4542, 4635 (Kg. Heinrich VI. von England an NvK). Die Schwierigkeit dieser Legation zeigt ein Vergleich mit dem Fall des Francesco Coppini, der sich 1459 nach England aufmachte: Gottlob, Adolf, Des Nuntius Franz Coppini Antheil an der Entthronung des Königs Heinrich VI. und seine Verurtheilung bei der Römischen Curie, in: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 3 (1890), 75–111; Galletti, Anna Imelde, Art. Coppini, Francesco, in: DBI 28 (1983); Harvey, Margaret M., England, Rome, and the Papacy, 1417–1464. The Study of a Relationship, Manchester 1993, 195–212; Märtl, Claudia, Kardinal Jean Jouffroy († 1473). Leben und Werk, Sigmaringen 1996, 106 und 134f.; Parenti, Daniela, Il trittico di Nicolas Froment per Francesco Coppini, dal Nord Europa agli Uffizi, in: Nicolas Froment. Il restauro della Resurrezione di Lazzaro, Cinisello Balsamo 2017, 8–31; Vestri, Veronica, Il pittore e il vescovo. Il ritratto fiammingo di Francesco Coppini, in: ebd., 60–79. 47) AC II 4, Nr. 4599, 4512, 4516, 4540–4542, 4558, 4586, 4598f., 4635, 4653, 4668, 4693, 4715, 4737, 4807, 4870. 48) AC II 4, Nr. 4715: Brief des Kurienprokurators des Deutschen Ordens an den Hochmeister, berichtet von Klagen in Sterzing, Rom, 23. März 1456; Nr. 4807, NvK beschwert sich beim Herzog Sigismund von Österreich, den Zehnten nicht eingezogen zu haben, Brixen, 26. Mai 1456. 49) AC II 1, Nr. 2504, 2516, 2517, 2524, 2543, 2544, 2545, 2547, 2548, 2557, 2567, 2586, 2587, 2589, 2746f., 2757, 2970, 3417–3421, 3447–3449, 3451; AC II 3, Nr. 4319 (Anordnung durch Calixt III.), 4325f. (zwei Breven Calixts III., Überlieferung nur in partibus), 4386 (Auftrag Calixts III. zur Visitation des Augustinerchorherrenstifts Gries bei Bozen, Rom, St. Peter, 9. Juni 1455, ein Breve, als Kopie erhalten, nicht im AAV). Allgemein zu den Visitationsakten: AC II 7, 1954ff. 50) AC II 1, Nr. 2747f. 45 46

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einer päpstlichen Dispens noch eine Rente zu sichern.51) Das mit dieser Angelegenheit verbundene größte Politikum der Brixner Jahre, der Streit mit dem Herzog Sigismund, hat mit seinem Rombezug durch die Interdiktsverhängung und die Appellation dagegen von Seiten des Herzogs jüngst eine umfassende Würdigung erhalten.52)

51) AC II 6, Nr. 5293f.; AC II 4, Nr. 4382: Appellation 4. Juni 1455, 4395: NvK an Verena von Stuben, 16. Juni 1455, Bruneck: Falls sie sich ungerecht behandelt fühlten, stehe es ihnen frei, sich an den Papst zu wenden; 4405: Zweite Appellation, 24. Juni 1455; 4411: Die Nonnen wollen die päpstliche Entscheidung abwarten, Sonnenburg, 29. Juni 1455; 4421: NvK an Calixt III., bittet um Bestätigung der Exkommunikation der Verena von Stuben; 4491: Hz. Sigismund von Tirol an die Äbtissin, will die Appellation unterstützen, Innsbruck, 23. August 1455 – mit Anm. 7 zu zwei Gesandtschaften der Äbtissin nach Rom von Andreas Mack und Hanns Wirczpurger/Würzburger; 4617: Calixt III. verweist per Breve an NvK darauf, dass er den Streit gütlich regeln solle; 4618: die Äbtissin und die Nonnen wollen die Übertragung der Appellation an einen Kardinal oder Rotarichter; 4619: Hans Würzburger, Prokurator der Abtei Sonnenburg, protestiert in Rom in der apostolischen Kanzlei, dass er eine Supplik für das Kloster mehrfach nicht einreichen konnte, Rom, Cancelleria, 13. Dez. 1455; 4650: Protestation über Verhandlungen der Prokuratoren der Abtei Sonnenburg mit NvK. Sie legen das päpstliche Breve vom 11.12.1455 vor, doch NvK schlägt die Forderungen ab, Brixen, 23. Januar 1456; 4657: Appellation von Verena und Kloster, 1. Februar 1456; 4660: Hz. Sigismund von Österreich an NvK, bittet ihn, die Diskrepanzen zwischen dem Breve vom 11.12. und dem Schreiben des Kardinals zu erklären, Innsbruck, 3.2.1456; 4664: NvK an Hz. Sigismund, weist den Vorwurf zurück, sein letztes Antwortschreiben widerspreche dem päpstlichen Breve, Brixen, 10. Februar 1456; AC II 7, Nr. 4733c, nach 8. April 1456, Brixen: Protokoll über Antwort des NvK auf Vorschläge des hzgl. Gesandten Konrad Vintler zur Abdankung der Äbtissin. Eine erneute päpstliche Bestätigung der Provision sei unnötig, da er sie in Bozen selbst mit apostolischer Vollmacht bestätigt habe; 4744: Hz. Sigismund an NvK, Angelegenheiten der Appellation in Rom, Innsbruck, 16. April 1456, dazu 4745, Klagen der Äbtissin, dass NvK an der Kurie gegen sie vorgehe, Innsbruck ca. 16. April 1456; AC II 5, Nr. 5185: Hz. Sigismund an NvK, versucht auf ihn einzuwirken, damit der mühevolle und teure Prozess an der Kurie vermieden werde: da durch solchs fuernemens gen Rom nicht nottdurft und groesser muee und zerung vermitten werde; 5225: NvK notiert in eine Hs., der Herzog habe an ihn geschrieben, dass die Sache in Rom geregelt werden solle, und NvK habe nach Rom reiten wollen, aber der Herzog habe gesagt, ponatur missiva consequenter; im Juli 1457 ergeht dann von Calixt III. ein Befehl an Kardinal Giovanni Castiglione, und durch ihn an den gesamten Klerus und die Notare in Stadt und Diözese Brixen, Äbtissin Verena und ihre Helfer zu bestrafen; AC II 6, Nr. 5331, Sonnenburg, ca. Ende Juli 1457: Äbtissin Verena und Konvent an Hzg. Sigismund, berichten von der päpstlichen Entscheidung zugunsten des NvK; nochmals Nr. 5332; Appellation der Afra von Velseck Verweserin zu Sonnenburg an Calixt III. unter ausführlicher Darlegung der Streitigkeiten um das Kloster Sonnenburg; AC II 6, Nr. 5727f., Bemühungen der Äbtissin Verena von Stuben, bei ihrem Rücktritt durch eine Dispens eine Pension gewährt zu bekommen. 52) Woelki, Thomas, Cusanus und das Interdikt. Norm und Praxis, in: Daniels, Tobias/Jaser, Christian/Woelki, Thomas (Hg.), Das Interdikt in der europäischen Vormoderne (ZHF, Beihefte 57), Berlin 2021, 195–230.

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5. Einfluss des Cusanus an der Kurie In dem oben skizzierten Spannungsfeld stellt sich auch die Frage nach dem Einfluss des Nikolaus von Kues an der Kurie.53) Die Brixner Jahre sind ja durch Kurienaufenthalte des Nikolaus von Kues eingerahmt: Recht zu Beginn der hier in den Blick genommenen Phase war er in Rom (März–Mai 145354), und die Brixner Jahre endeten im September 1458 mit seinem fluchtartigen Aufbruch in die Ewige Stadt.55) Generell ist Cusanus durch vielerlei Vorgänge an der Kurie präsent, die teils noch aus der Legatenzeit herrühren, beispielsweise in Gestalt der Diskussionen um Wunderbluterscheinungen etwa in Wilsnack56) oder Andechs57), so wie er auch in Brixen als Autorität für Kurienkontakte angesprochen wurde.58) Über beste Kurienbeziehungen verfügte Cusanus seit den Tagen des Basler Konzils, umso mehr unter dem Pontifikat des ihm seither bestens vertrauten Papst Nikolaus V. Ein mit Cusanus bekannter Franziskaner, auf den wir noch zurückkommen, bekam im März 1455 an der Kurie gesagt, dass unter diesem Papst nichts gegen den Kardinal von San Pietro in Vincoli (Nikolaus von Kues) zu erwirken sei.59) Auf der anderen Seite ist zu bedenken, dass mit dem Borgia Calixt III. kurz darauf ein Mann für drei Jahre Papst wurde, dem Cusanus nicht derartig eng über die Kirchenpolitik oder über humanistischem Austausch verbunden war wie sein Vorgänger60) oder etwa wie Enea Silvio Piccolomini dem Kardinal Juan de Carvajal. Im Zuge der Wiltener Affäre erhielt Cusanus demonstrative Anteilnahme aus Rom.61) Unter anderem wurde ihm persönlich anvertraut, dass Kardinal Capranica 53) Meuthen, Erich, Ein „deutscher“ Freundeskreis an der römischen Kurie in der Mitte des 15. Jahrhunderts. Von Cesarini bis zu den Piccolomini, in: Annuarium Historiae Conciliorum 27/28 (1995/1996) = Synodus. Beiträge zur Konzilien- und allgemeinen Kirchengeschichte. Festschrift für Walter Brandmüller, hg. v. Remigius Bäumer/Evangelos K. Chrysos/Johannes Grohe/ Erich Meuthen/Karl Schnith, Paderborn 1997, 487–542, sowie zu späteren Zeiten: Meuthen, Die letzten Jahre (wie Anm. 7); Euler, Walter Andreas (Hg.), Die römischen Jahre des Nikolaus von Kues. Akten zum Jubiläumssymposion des Wissenschaftlichen Beirats der CusanusGesellschaft in Kooperation mit dem Päpstlichen Institut Santa Maria dell’Anima aus Anlass des 550. Todestages von Nikolaus von Kues im Jahr 2014 in Rom (MFCG 35), Trier 2020. 54) AC II 1, Nr. 3151, 3159–3161, 3433, 3472. 55) Bericht eines Vertreters des Brixner Domkapitels, AC II 6, Nr. 5738, zu 1458 September 8/14; außerdem Nr. 5746; Ankunft des NvK nach AAV, zu 30. September 1458, Nr. 5758. 56) AC II 1, Nr. 2937 (Empfehlungsschreiben für einen Romgesandten vs. NvK), 2951 und 2959; 3150 (römische Diskussionen kurz vor 5. März, Schreiben Heinrich Pomerts an Eb. Friedrich v. Magdeburg), 3209 (Nikolaus V., Anordnungen, 12. März 1453). 57) AC II 1, Nr. 3378ff. 58) AC II 5, Nr. 5138 (Rechtsauskunft des NvK, ob Hugo von Lienz eher der Zitation an die römische Rota oder durch den Abt von Salzburg Folge leisten soll). 59) Strasbourg, Archives de la ville, III 200/7, Regest: AC II 3, Nr. 4268, ed. Anhang. 60) AC II 2, Nr. 3621, vor 14. Sept. 1453. 61) AC II 5, Nr. 5274 (Giovanni Andrea Bussi an Gaspare Biondo); 5341 (Leonardo della Croce

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in Tränen ausgebrochen sei, als ihm die Nachricht über seine Flucht vor der Bedrohung durch Herzog Sigismund nach Buchenstein zugetragen wurde. In den letzten Jahren ist das performative Element des Weinens in solchen Zusammenhängen herausgearbeitet worden, indes spricht gerade die erwähnte ostentative Anteilnahme sicher für den prinzipiellen Rückhalt, den Cusanus an der Kurie genoss.62) An manchen Vorgängen wird dieser Rückhalt besonders deutlich, etwa, wenn das Einwirken des Nikolaus von Kues in Rom im Rechtsstreit der Bürgermeister und Räte von Lüneburg mit den sich widersetzenden Prälaten in der Salinenstreitigkeit dazu führt, dass die Appellation der Stadt nicht angenommen wird.63) Vor allem die Sonnenburger Nonnen und ihre Rechtsvertreter beklagen die Unfairness, mit der ihr Anliegen in Rom verhandelt werde: Neben der Äbtissin Verena64) beschwert sich ihr Kurienprokurator Andreas Mack wortreich über das Unrecht, welches ihm durch Cusanus zugefügt worden sei65), indem er zeitweilig in Rom und Eichstätt inhaftiert wurde, und Jobst von Hornstein schreibt an Nikolaus von Kues, die päpstliche Entscheidung sei erst auf dessen Druck hin zustande gekommen.66) Auf der anderen Seite wird Cusanus in der Affäre um die Trierer Union von Seiten der Kurie ziemlich düpiert. Im Dezember 1456, und nochmals im Januar des Folgejahres, erhielt er durch Calixt III. den Auftrag, die auf die Zeit des Trierer Bistumsstreit zurückgehende Union der Trierer Landstände zu untersuchen und zu bestätigen. Er verkündete den päpstlichen Auftrag und seinen Entscheid im April 1457 öffentlich in seinem Brixner Bischofspalast, um im Mai des Jahres eine päpstliche Kassation seiner Entscheidung zu erhalten, die durch die Erzbischöfe von Köln und Mainz geltend gemacht werden sollte. Nachdem diese ihrem Auftrag nachgekommen waren, erhielt Nikolaus von Kues im August nochmals ein Breve, mit dem Calixt III. nicht nur seinen Auftrag zur Bestätigung der Trierer Union widerrief, sondern ihm auch befahl, in der Angelegenheit nichts weiter zu an NvK); 5351, Kardinalskollegium an Hz. Ludwig IX. von Bayern-Landshut; Nr. 5352, Das Kardinalskollegium an Bischof Leonhard Wiesmair von Chur; Nr. 5353, Calixt III. an dens. (Breve, nicht aus AAV). 62) Leonius de Cruce an NvK. AC II 6, Nr. 5341, Rom, 4. August 1457. Siehe grundsätzlich: Weinfurter, Stefan, Der Papst weint. Argument und rituelle Emotion von Innocenz III. bis Innocenz IV., in: Garnier, Claudia/Kamp, Hermann (Hg.), Spielregeln der Mächtigen. Mittelalterliche Politik zwischen Gewohnheit und Konvention, Darmstadt 2010, 121–132; Helmrath, Johannes, Die zweite Dekade des langen Basler Konzils (1440–1449): Perspektiven, Konversionen, Piccolominiana. Überlegungen am Ende einer Tagung, in: Müller, Heribert (Hg.), Das Ende des konziliaren Zeitalters (1440–1450). Versuch einer Bilanz (Schriften des Historischen Kollegs 86), München 2012, 315–348, hier 315f. und 326. 63) AC II, Nr. 3674 Anm. 2. 64) AC II 6, Nr. 5599, Schöneck, 10. April 1458. 65) AC II 6, Nr. 5712, Innsbruck, Mitte August 1458. 66) AC II 6, Nr. 5582, Sonnenburg, 1. April 1458.

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unternehmen, und auch die Trierer Landstände wurden sogleich mit einem deutlichen päpstlichen Schreiben informiert.67) Anders liegt der Fall bei einem Breve, das Wilhelm Baum als „Keulenhieb“ gegen Cusanus bezeichnet hat.68) Darin reagiert Calixt III. auf eine Beschwerde des Abts von Stams darüber, dass Nikolaus von Kues ihn exkommuniziert habe, weil er auf einer Synode nicht erschienen sei, führt aber aus, dass er als Zisterzienser nicht zur Teilnahme daran verpflichtet war. Hier können die Herausgeber der Acta Cusana nachweisen, dass dieses zurechtweisende Papstschreiben durch einen nachträglichen handschriftlichen Zusatz entwertet und wohl niemals zugestellt wurde.69) Der diffizile, nicht immer eindeutige Eindruck, dass hier ein höchstrangiger, prominenter und weithin vernetzter Vertreter der Kurie vor Ort zwar oft, aber insgesamt nur bedingt Rückendeckung erhält, kann durch einen Blick auf ähnliche Funktionsträger zumindest in Teilen erhellt werden. So hat eine vergleichende Studie zu päpstlichen nuntii und Legaten begründet dargelegt, dass päpstliche Korrekturen an Entscheidungen des kurialen Personals in den partes keineswegs sonderlich ungewöhnlich waren, seien sie durch pontifikale Verfügungen, administrative Prozesse, Kommunikationsschwierigkeiten, lokalen Druck, Konkurrenzen der römischen Entscheidungsträger (etwa im Kardinalskolleg oder der Kanzlei) oder aber durch Kompetenzstreitigkeiten unter den Papstgesandten selbst begründet. Bei Legaten konnte dies bis zur Revokation der Fakultäten reichen, wobei es sich hier um nur bedingt vergleichbare, eklatante Fälle des Vertrauensverlustes in späterer Zeit handelte.70) 67) AC II 5, Nr. 5048 aus Koblenz, dazu 5058 aus AAV und 5083 aus Koblenz, verschiedene Versionen; Nr. 5183 Verkündung durch NvK in Brixen; Nr. 5214, Calixt III. an Eb. von Köln und Mainz, Rom, St. Peter, 7. Mai 1457; Nr. 5262 Kassation durch Eb. Dietrich von Köln, Köln, 13. Juni 1457; Nr. 5283 Subexekution an Johannes Entzberger, Mainzer Domdekan, und Dietrich von Moers, Dekan von St. Severin in Köln, Rhens, 25. Juni 1457; AC II 6, Nr. 5343, Calixt III. an NvK, widerruft seinen Auftrag zur Bestätigung der Trierer Union und befiehlt ihm, in dieser Angelegenheit nichts weiter zu unternehmen, Rom, St. Peter, 8. August 1457 (aus lokaler Überlieferung in Koblenz, nicht AAV); Nr. 5344: Calixt III. an Adel, Klerus und Städte der Trierer Kirche, Rom, St. Peter, 8. August 1457. 68) Baum, Wilhelm, Nikolaus Cusanus in Tirol. Das Wirken des Philosophen und Reformators als Fürstbischof von Brixen, Bozen 1983, 160. 69) AC II 6, Nr. 5501, Rom, St. Peter, 12. Februar 1458. 70) Untergehrer, Wolfgang, Die päpstlichen nuntii und legati im Reich (1447–1484). Zu Personal und Organisation des kurialen Gesandtenwesens, Diss. masch., LMU München 2013 , 190–200 sowie 297–309; Petersohn, Jürgen, Ein Diplomat des Quattrocento. Angelo Geraldini (1422–1486) (Bibliothek des DHI in Rom 62), Tübingen 1985, 166; Ders., Diplomatische Berichte und Denkschriften des päpstlichen Legaten Angelo Geraldini aus der Zeit seiner Basel-Legation (1482–83) (Historische Forschungen [Mainz] 14), Stuttgart 1987, 50 und 72; Ders., Kaiserlicher Gesandter und Kurienbischof. Andreas Jamometić am Hof Papst Sixtus’ IV. (1478–1481). Aufschlüsse aus neuen Quellen (MGH. Studien und Texte 35), Hannover 2004, 106–108.

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6. Briefwechsel und Berichte von der Kurie Unter den vielen Briefen, die in den Acta Cusana regestiert und (teil-)ediert werden, finden sich nicht nur pontifikale Auftragsschreiben, sondern auch einige, die an die Kurie geschrieben oder von ihr in die partes gesendet wurden.71) Die Briefe nach Rom sind in den Acta Cusana weniger häufig und über ihre unmittelbare Funktion hinaus weniger ergiebig, so etwa ein Glückwunschschreiben Herzog Sigismunds von Österreich an Pius II. zu seiner Papstwahl mit Ankündigung der Gratulationsgesandtschaft.72) Neben den schon erwähnten kurialen Korrespondenzen wie etwa den Breven finden sich auch Briefe, die von Kardinälen, Gesandten oder auch Kurienprokuratoren verfasst wurden. Teils sind die Briefschreiber hochkarätige Humanisten wie Enea Silvio Piccolomini, der als kaiserlicher Gesandter zusammen mit Johannes Hinderbach von der Ernennung des Nikolaus von Kues zum Legaten für England berichtet73), teils sind es Vielschreiber wie die Mailänder Gesandten des Francesco Sforza, die ebenso über Ernennungen von Gesandten angesichts der osmanischen Bedrohung berichten, unter denen sich Nikolaus von Kues befindet.74) Für die Angelegenheiten des Deutschen Ordens in seinem Konflikt mit dem Preußischen Bund, für die Nikolaus von Kues im Zuge der sogenannten Türkenreichstage der 1450er Jahre tätig wird, sind die ergiebigen Korrespondenzen des Deutschen Ordens mit seinem Prokurator an der Kurie in den Acta Cusana herangezogen worden.75) Diese Korrespondenzen sind wertvoll für das Verständnis von Ver71) Farenga, Paola, ‚I Romani sono periculoso populo …‘ Roma nei carteggi diplomatici, in: Gensini, Sergio (Hg.), Roma capitale (1447–1527), Pisa 1994, 289–315; Märtl, Claudia, Alltag an der Kurie. Papst Pius II. (1458–1464) im Spiegel zeitgenössischer Berichte, in: Martels, Zweder/Vanderjagt, Arie Johann (Hg.), Pius II, „El più expedito pontefice“. Selected studies on Aeneas Silvius Piccolomini (1405–1464), Boston 2003, 107–146; Modigliani, Anna, I carteggi dei Gonzaga per la storia di Roma nel Quattrocento. Primi risultati e prospettive, in: Salvarani, Renata (Hg.), I Gonzaga e i papi. Roma e le corti padane fra Umanesimo e Rinascimento, Vatikanstadt 2013, 353–360; Daniels, Tobias, Die Verschwörung der Pazzi. Ein politischer Skandal und seine europäischen Resonanzen (Monographien zur Geschichte des Mittelalters 70), Stuttgart 2020. Zu Briefen: AC II 7, 1942ff.; Helmrath/Woelki, Landesgeschichte (wie Anm. 1), 607f.; Woelki, Fleichpank (wie Anm. 9). 72) AC II 6, Nr. 5736f. an das Kardinalskollegium, Nr. 5757, Instruktionen für Blumenau und Kaspar Aschbach. 73) AC II 4, Nr. 4517. 74) AC II 4, Nr. 4465 (10. August 1455). 75) AC II 1, Nr. 3060, 3146, 3259, 3346, 3415 3470; AC II 2, Nr. 3485ff.; AC II 3, Nr. 4096; AC II 4, Nr. 4715; AC II 5, Nr. 4881. Dazu: Schuchard, Christiane, Rom und die päpstliche Kurie in den Berichten des Deutschordens-Generalprokurators Jodocus Hogenstein (1448–1468), in: QFIAB 72 (1992), 54–122; Beuttel, Jan-Erik, Der Generalprokurator des Deutschen Ordens an der römischen Kurie. Amt, Funktion, personelles Umfeld und Finanzierung (Quellen und Studien zur Geschichte des Deutschen Ordens 55), Marburg a.d. Lahn 1999; Annas, Gabriele, Die Berichte der Generalprokuratoren des Deutschen Ordens an der Kurie des 14. und 15. Jahrhunderts. Überlegungen zu den Quellen, in: Nowak, Jessika/Strack, Georg (Hg.), Stilus – modus – usus. Regeln

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handlungsführung an der Kurie, wenn etwa der Prokurator berichtet, wie er den Papst vor dem Deutschen Bund gewarnt hat76), oder wie man an der Kurie mit Nikolaus von Kues , Piccolomini und anderen eine Koalition gegen ihn schmiede77), oder aber, wenn der Prokurator dem Hochmeister auf mündliche Bitte der Kardinäle Domenico Capranica und Nikolaus von Kues hin eindringlich empfiehlt, häufigeren Briefkontakt zu halten, da man „nur durch die Schreibfeder und immer neue Briefe zum Ziel komme“ (solo calamo iteratis litteris nobis integrum et salvum perduraret), andernfalls würden andere lachen (aut ridebunt alii; im Sinne von: die Oberhand gewinnen).78) Einblicke erhalten wir auch in die Verhandlungen im Umfeld des päpstlichen Konsistoriums, wo sich die Parteien gegenseitig voreinander warnen und damit Erfolg haben, beim Papst Zweifel in Bezug auf die Vergabe der Legation an Nikolaus von Kues zu sähen (Und die Polen sprochen ouch, er were eyn suspectus), oder wenn die Kardinäle (meist Capranica und Juan de Carvajal) noch auf dem Rückweg vom Apostolischen Palast Tipps geben.79) Sind manche der Berichte schon in anderen Regestenwerken erschlossen oder werden in den Acta Cusana nur auszugsweise gestreift, so gibt es auch solche, die hier erstmals in Gänze ediert werden. Einen von ihnen schrieb der Kuriengesandte des Nikolaus von Kues, Heinrich Pomert, ihm am 12. März 1458 aus Rom.80) Neben den prozessualischen Neuigkeiten im Streit zwischen Nikolaus von Kues und dem Abt von Stams an der Rota übermittelte er auch Nachrichten zur Besetzung des Bistums Hildesheim, zur Anwesenheit des Gesandten des Trierer Domkapitels an der Kurie, zum altersentsprechend guten Gesundheitszustand Calixts III., zur gesunden Luft (gemeint ist, dass keine Seuche vorherrscht) und zum Andauern der Kriege gegen Jacopo Piccinino (Papa ut senex bene valet. Aer est sanus. Durant guerre). Derlei stichpunktartigen Aufzählungen lassen sich beileibe nicht mit den ausführlichen Ausführungen und Einschätzungen italienischer Gesandter messen, doch ist im konkreten Fall zu berücksichtigen, dass lediglich dieser eine Brief aus einem größeren Briefwechsel zwischen Nikolaus von Kues und Pomert erhalten ist.

der Konflikt- und Verhandlungsführung am Papsthof des Mittelalters (Utrecht Studies in medieval literacy, 44), Turnhout 2019, 293–314. 76) AC II 1, Nr. 3146, Rom, 3. März 1453. 77) AC II 1, Nr. 3259, Rom, 18. März 1453. 78) AC II 1, Nr. 3470, Rom, 28. Mai 1453. 79) AC II 3, Nr. 4096, Rom, Juli/September 1454. 80) AC II 6, Nr. 5548, Rom, 12. März 1458. Bei dem dort, Z. 19, durch Pomert genannten Bernard(us) Haltern handelt es sich um Bernhard Stevernemunde aus Haltern. Zu ihm: Daniels, Diplomatie (wie Anm. 13), 216 mit Anm. 1199.

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7. Überbringung und Umgang mit päpstlichen Dokumenten vor Ort Päpstliche Dokumente erhoben generell den Anspruch auf Gültigkeit. Vor Ort musste ihnen dennoch Geltung verliehen bzw. sie mussten durchgesetzt werden. Von den Verhandlungen um Pfründenansprüche war schon die Rede, aber auch in anderen Fällen werden sie erkennbar, etwa in Bezug auf Ablassbullen.81) Die Durchsetzung der päpstlich verbrieften Ansprüche übernahmen vor Ort die in den Bullen erwähnten Executoren, zu deren Aktivitäten wir in den Acta Cusana einiges erfahren, von der Ausführung ihres Auftrags über das Weiterreichen desselben durch eine Subdelegation bis hin zur Bitte, von der Aufgabe entbunden zu werden – im konkreten Fall, weil der Papst verstorben sei.82) Neben der Überlieferung in Rom und vor Ort sowie Dokumenten zu den Versuchen, die päpstlichen Verfügungen geltend zu machen oder abzuwenden, bieten die Acta Cusana auch einige Anhaltspunkte dafür, wie die Dokumente von Rom in die Regionen gebracht wurden und wie vor Ort mit ihnen umgegangen wurde. Die Kurie hatte dafür eigenes Personal: Läufer (cursores), die auch Nikolaus von Kues Bullen und Breven nach Brixen brachten.83) In den Acta Cusana sind darüber hinaus auch die Boten und Briefüberbringer aus dem lokalen Kontext erfasst.84) Oftmals waren sie Kurienprokuratoren im Rahmen von speziellen Missionen nach Rom.85) Dabei kommen auch die Netzwerke der Orden in Betracht, wie etwa im Falle des Klosters Tegernsee: Ulrich Entzenperger brachte eine Bulle von Rom an den Tegernsee, die auch Nikolaus von Kues dann sichtete86); in einem Brief an den Tegernseer Prior Bernhard von Waging teilt Nikolaus ihm mit, sein Bote werde ihn über den Stand der Verhandlungen an der Kurie zu seiner Resignation zuguns-

81) Ablass z.B. AC II 5, Nr. 4092, Vinzenz von Aggsbach an Johannes Schlitpacher, bittet ihn um Kopie der neuesten Ablassbulle Calixts III. und äußert sich verächtlich über die Vielzahl der inzwischen ausgestellten Plenarablässe u.a. durch NvK, dessen Autorität zur Ablasserteilung er in Zweifel zieht. 82) Hitzbleck, Kerstin, Exekutoren. Die außerordentliche Kollatur von Benefizien im Pontifikat Johannes’ XXII. (Spätmittelalter, Humanismus, Reformation 48), Tübingen 2009. AC II 1, Nr. 2636; AC II 5, Nr. 4832, Salzburg, 15. Juni 1456, aus lokaler Überlieferung (Bitte, von der Aufgabe entbunden zu werden und Plädoyer dafür, NvK solle einen neuen benennen); AC II 6, Nr. 5378. 83) Schwarz, Brigide, Die päpstlichen Läufer durch drei Jahrhunderte (13. bis Ende 15. Jahrhundert), in: Jamme, Armand/Poncet, Olivier (Hg.), Offices et papauté (XIVe–XVIIe siècle). Charges, hommes, destins (Collection de lʼÉcole Française de Rome, 334), Rom 2005, 647– 650. Hier: AC II 6, Nr. 5297, Rom, 3. Juli 1457 (ein päpstlicher Kursor namens Johannes de la Mano geht von Rom zu NvK mit Bullen und Breven, erhält 30 fl.). Weitere Kuriale Boten (nuntius, massarius) 2885, 4144f., 4328, 4366, Guido 4144; Nicolaus 2941; Rolinus Goberti 4366. 84) AC II 1, Nr. 2941, Brixen, 7. oder 8. Dezember 1452 (Briefe aus Rom für NvK durch einen Boten Nicolaus des Konrad Zoppot). 85) Sohn, Andreas, Deutsche Prokuratoren an der römischen Kurie in der Frührenaissance (1431– 1474), Köln u.a. 1997. 86) AC II 1, Nr. 2615 (Tegernsee, 31. Mai – 2. Juni 1452).

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ten eines Sohnes Albrechts III. von Bayern-München unterrichten87); einige Zeit später wird in einem Briefwechsel wieder ein Bruder als Bote aus Rom erwähnt.88) Ein beachtenswerter Fall betrifft die Kameralregister im vatikanischen Archiv. Für die darin erhaltene Abschrift eines Notariatsinstruments über den Taxwert der Kirche von Brixen können die Herausgeber der Acta Cusana wahrscheinlich machen, dass Nikolaus von Kues das Original aus Brixen mitbrachte und die Eintragung bei der Camera Apostolica veranlasste.89) Auch ansonsten umfassen die Acta Cusana aufschlussreiche Quellen zu Mechanismen der Briefzustellung: So etwa ein Schreiben der Eleonore von Österreich an Herzog Sigismund, in dem sie Nikolaus von Kues erwähnt, als sie dem Herzog drei verschlossene Briefe mit Nachrichten von der Kurie schickt, die ein Mönch überbracht habe. Das oben zitierte Beispiel zeigt den Gehalt an Fehlinformationen, der sich üblicherweise bei derartiger weiträumiger Briefkommunikation ergeben konnte, wenn die Herzogin von Gerüchten über den Papsttod berichtet.90) Wir erfahren auch von den üblichen, häufigen Problemen der Briefzustellung, etwa wenn Nikolaus von Kues an Calixt III. schreibt, er habe von dem Bischof von Pavia, Giovanni di Castiglione, erfahren, dass der Papst ihm ein Breve im Sonnenburger Streit geschickt habe, welches er nicht erhalten habe.91) Schwierigkeiten bei der Urkundenaus- und Zustellung zwischen Region und Kurie werden auch in folgender Angelegenheit deutlich: Kaspar Aindorffer schreibt im Juni 1455 von Tegernsee in Angelegenheiten eines Ablassbriefes für das Kloster. Cusanus hatte sich vorher dafür an der Kurie eingesetzt, den Ablassbrief selbst noch gesehen, doch dieser sei inzwischen verloren, und so sende man einen Konversen namens Georg an die Kurie und nach Subiaco. Die Mission sei allerdings nicht notwendig, wenn Nikolaus von Kues befürwortete, dass der Ablassbrief ohne ausgefertigte Bulle gültig sein solle. Falls nicht, könnte er sich nicht für eine Gratis-Ausfertigung einsetzen? Schließlich seien die Gebühren ja schon bezahlt.92) 8. Gesandte und Gesandtschaftsverkehr In den Blick gerät somit eine Vielzahl von Personen, die mit der Überbringung und der Geltendmachung von Entscheidungen und Ansprüchen zwischen Kurie und Region befasst waren. Dies betrifft auch den politisch relevanten Gesandt) AC II 3, Nr. 4301, Innsbruck, 9. April 1455. ) AC II 4, Nr. 4450, Brixen, 28. Juli 1455. 89) AC II 1, Nr. 3466, Rom, etwa 25./29. Mai 1453. 90) AC II 5, Nr. 5163, Innsbruck, 13. März 1457 (gemaine offenware sage hieoben ist unnsern heyligen vater den pabst auch mit tod verschaiden sein). 91) AC II 4, Nr. 4640, Brixen, 6. Januar 1456. 92) AC II 4, Nr. 4378, dazu auch Nr. 4379. 87 88

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schaftsverkehr im eigentlichen Sinne, von kleinen und großen Gesandten, von nuntii bis hin zu Legaten.93) Von den Legationsaufträgen für Nikolaus von Kues war schon die Rede (und auch Dokumente zu weiteren Legaten sind in den Acta Cusana zu finden94), ebenso wie von den Läufern. An kurialem Personal in partibus sind zudem auch die Kollektoren zu nennen, die Abgaben im Zusammenhang mit Pfründenprovisionen, Zehnten oder Ablässen einsammelten und über italienische Kaufmannsbankiers bargeldlos zum Sitz der Kurie transferierten.95) Die Acta Cusana zeigen Tirol und den Brixner Hof des Nikolaus von Kues darüber hinaus geradezu als Durchgangsland für Kuriengesandte, die Cusanus des Öfteren unterstützte.96) Selbst Enea Silvio Piccolomini, der sich als kaiserlicher Gesandter im Mai 1455 nach Rom aufmacht, bittet Cusanus um eine Empfehlung beim neuen Papst und zugleich darum, dass er, Piccolomini, im römischen Haus des Nikolaus von Kues wohnen dürfe.97)

93) In Auswahl: Schuchard, Christiane, Päpstliche Legaten und Kollektoren nördlich der Alpen, in: de Rachewiltz, Siegfried W./Riedmann, Josef (Hg.), Kommunikation und Mobilität im Mittelalter, Sigmaringen 1995, 261–275; Studt, Birgit, Anspruch und Wirklichkeit: Der Wandel von Handlungsspielräumen und Reichweite päpstlicher Diplomatie im 15. Jahrhundert, in: Märtl, Claudia/Zey, Claudia (Hg.), Aus der Frühzeit europäischer Diplomatie. Zum geistlichen und weltlichen Gesandtschaftswesen vom 12. bis zum 15. Jahrhundert, Zürich 2008, 85–118; Untergehrer, Die päpstlichen nuntii und legati im Reich (wie Anm. 70); Petersohn, Jürgen, Reichsrecht versus Kirchenrecht. Kaiser Friedrich III. im Ringen mit Papst Sixtus IV. um die Strafgewalt über den Basler Konzilspronuntiator Andreas Jamometić (Forschungen zur Kaiser- und Papstgeschichte des Mittelalters. Beihefte zu J. F. Böhmer, Regesta Imperii 35), Köln/Weimar/Wien 2015; Daniels, Tobias, Das Reich und die böhmische Kronsukzession in einem Memorandum Lorenzo Roverellas für Marco Barbo (1472), in: Römische Historische Mitteilungen 58 (2016), 15–62. 94) Siehe im Registerband AC I,7 zu Eb. Sigismund von Salzburg, Guillaume Hugues d’Étain, Juan de Carvajal, Giovanni Castiglioni, Mariano Orsini. 95) Schuchard, Christiane, Die päpstlichen Kollektoren im Spätmittelalter (Bibliothek des Deutschen Historischen Instituts in Rom 91), Tübingen 2000. Zu den Finanztransaktionen: Esch, Arnold, Überweisungen an die apostolische Kammer aus den Diözesen des Reiches unter Einschaltung italienischer und deutscher Kaufleute und Bankiers. Regesten der vatikanischen Archivalien 1431–1475, in: QFIAB 78 (1998), 262–387; Weissen, Kurt, Die Marktstrategien der florentinischen Banken bei der Kurie. Die Geschäfte der Alberti, Medici und Spinelli in Deutschland (1400–1475), Heidelberg 2021. AC II 1, Nr. 2473 (Osnabrück, 13.4.1452), Nr. 2550 (Goslar, 4. Mai 1452), 2581, 2598, 2599 (Rom, 25. Mai 1452, Eintragung im Einnahmeregister der Camera Apostolica über Empfang des durch Antonio da Forlì gesammelten Ablassgeldes, vgl. Esch, Überweisungen, 288); Nr. 2697 (Hameln, St. Bonifatius, 14. Juli 1452); AC II 1, Nr. 2899, 31. Okt. 1452, Salzburg, Anthonius de Latiosis de Forlivio, Nuntius; Nr. 2958 (Arnheim, 20. Dez. 1452), Nr. 3375 (Antonio Latiosis de Forlivio, Passau, 12. April 1453); AC II 2, Nr. 3482. Zahlungen nach Rom: AC II 3, Nr. 4077; AC II 4, Nr. 4542, AC II 5, Nr. 4887f. und 4955 und 4963 (hier für NvK als Legaten nach England über die Medici in Brügge, später Ausgleich mit Carvajal in Wien, dabei Verzögerung der Zahlung, die den Papst verärgert). 96) AC II 1, Nr. 3315 (Thomas Pirckheimer), Nr. 3324 (Johannes Pirckheimer); AC II 3, Nr. 4195 (Ende 1454/Anfang 1455, Brixen, für Heinrich Kalteisen). 97) AC II 3, Nr. 4343; später berichtet er aus Rom von seiner eigenen Kardinalserhebung und bittet Cusanus inständig, nach Rom zurückzukehren: AC II 5, Nr. 5069. Zum römischen Haus des

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Eine Vielzahl von Kurialen, Romgesandten und -reisenden sind auf ihrer Reise anhand von Rechnungsüberlieferung, Bewirtungskosten in den Brixner Raitbücher dokumentiert:98) Dietrich von Xanten und der Cusanus-Familiare Piero Bartolomeo degli Agli (Petrus Bartholomeus de Aleiis), Florentiner Kleriker, bringen Güter des Cusanus von Rom nach Brixen, 23. Juni 145399), Simon Heindl Propst von Klosterneuburg geht im Auftrag des Königs Ladislaus nach Rom und übernachtet am 6. August 1453 in Brixen100), ein Doktor aus Eichstätt am 15. Oktober 1453101), Giovanni Castiglione Bischof von Pavia begibt sich als päpstlicher Legat zur Reichsversammlung von Regensburg und wird am 10. April 1454 von Nikolaus von Kues in Brixen mit all seinen Dienern bewirtet102), Heinrich Pomert reist im Herbst 1454 in Angelegenheiten des Nikolaus von Kues nach Rom und hält Kontakt mit ihm über Briefboten103), ein päpstlicher Bote aus Rom namens Guido berichtet Nikolaus über die Verhandlungen in der Sonnenburger Angelegenheit in der ersten Novemberhälfte 1454104), der Kuriengesandte des Erzbischofs von Köln, Engelbert von Daun, nimmt ein Bad in der Bischofsresidenz (balneavit in castro, Dezember 1454105), Nikolaus von Kues spendet einigen Professen eines Schottenklosters auf der Rückreise aus Rom (wahrscheinlich auf einer Pilgerreise) Geld (14./20. April 1455 Brixen106), Mitte/Ende Mai in Brixen lässt er dem Boten der Kardinäle, der ihm die Nachricht von der Papstwahl Calixt III. brachte, Geld geben (die Wahlanzeige des Kollegiums datiert auf den 15. April, nach dem 1. Mai brach ein Bote auf, Enea Silvio Piccolomini beklagt sich am 16. Mai, dass die Wahlanzeige noch nicht am Kaiserhof eingegangen sei107), der Kardinal von Siena (Enea Silvio Piccolomini) beglaubigt von Rom aus seinen Gesandten ad partes Germaniae.108) Auch andere Boten als diejenigen, die mit Cusanus in Kontakt waren, kommen in den Blick: etwa derjenige, der die Sonnenburger Appellation nach Nikolaus von Kues siehe jetzt auch Helmrath, Johannes, Nikolaus von Kues in Rom, in: MFCG 35 (2020) 141–181, hier 144–146. 98) Zu den Ratitbüchern: AC II 7, 1957–1960; Helmrath/Woelki, Landesgeschichte (wie Anm. 1), 612f. 99) AC II 2, Nr. 2391, 3492, zu ihm auch Nr. 3498, Bruneck, 25. Juni 1453, und Nr. 3500 (Bruneck, 26. Juni 1453). 1458 erhielt Agli Absolution davon, durch einen Richter von Bozen zur Ehe mit einer Frau Namens Margareta Conradi aus der Diözese Brixen angeblich gezwungen worden zu sein, AC II 6, Nr. 5443, im vollen Wortlaut. Zur Sache auch: Schmugge, Ehen vor Gericht (wie Anm. 32), 120f. 100) AC II 2, Nr. 3562. 101) AC II 2, Nr. 3682. 102) AC II 2, Nr. 3909. 103) AC II 3, Nr. 4103, 4123, 4124, 4132f., 4145. 104) AC II 3, Nr. 4144. 105) AC II 3, Nr. 4163. 106) AC II 3, Nr. 4307. 107) AC II 3, Nr. 4366. 108) AC II 6, Nr. 5337, Rom, 1. August 1457.

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Rom brachte.109) Anhand der Raitbücher lässt sich schließlich vergleichend ermessen, welch kostspielige Angelegenheit eine Romreise des Kardinalbischofs mit seinem Gefolge war110), aber auch die profanen Probleme bei einer solchen Reise in die Ewige Stadt werden deutlich: Als Cusanus dem Gesandten Dionysius Heidelberger mitteilt, er, der Kardinal, werde sich nach Rom aufmachen, kündigt er ihm an, dies erst nach der Sommerhitze tun zu wollen (speramus excusari ab itinere curie usque post calores).111) Die Streitigkeiten mit Sonnenburg geben schließlich einen Einblick in die Versuche von Konfliktparteien, gegenseitig die Romgesandten unschädlich zu machen: Andreas Mack berichtet davon in seinem Memoriale von Mitte August 1458: Gemeinsam mit dem Regens der apostolischen Kanzlei, (Kardinal Berardo Eroli, Bischof von Spoleto) habe Nikolaus von Kues seine Inhaftierung betrieben, woraus er sich nur unter Einsatz fürstlicher und kaiserlicher Schreiben befreien konnte; an der Kurie habe der Gesandte des Nikolaus von Kues, Heinrich Pomert, dessen Schriften über die Tötung einiger gegnerischer Söldner nicht nur einigen Kardinälen triumphierend gezeigt, sondern sich auch auf dem Campo de’ Fiori bei allen Kurialen damit gebrüstet und ihnen darauf in den Tavernen Wein ausgeschenkt; schließlich habe er Sigismund geschmäht, er wer tag und nacht ein voller narrer und nit wirdig, lannd und lewt zw regieren, sunder er solt sew regieren.112) Herzog Sigismund von Österreich hingegen machte einem Gesandten des Nikolaus von Kues das Leben schwer, der nun etwas näher betrachtet werden soll. 9. Eine kontroverse Karriere: Heinrich Collis Es handelt sich um den aus dem Elsass stammenden Heinrich Bichler, der sich latinisiert Collis nannte.113) Er wurde als „Abenteurer“114), seine Thesen als „wag) AC II 4, Nr. 4382. ) AC II 6, Nr. 5746 (220fl.), vgl. die Zahlungen für von Wehlen und Pomert, AC II 5, Nr. 4933f. und 4944, 5133, 5192. 111) AC II 4, Nr. 4732, Brixen/Bruneck(?), 7. April 1456. 112) AC II 6, Nr. 5713. 113) Oliger, Livarius, Die Apologie des Minoriten Heinrich Collis. Ein Beitrag zum Straßburger Mendikantenstreit, in: Archiv für elsässische Kirchengeschichte 5 (1930), 161–198; Rapp, Francis, Réformes et Réformation à Strasbourg. Église et société dans le diocèse de Strasbourg 1450– 1525, Paris 1974, 288, 334ff.; Rüther, Andreas, Bettelorden in Stadt und Land. Die Straßburger Mendikantenkonvente und das Elsaß im Spätmittelalter, Berlin 1997 (Berliner historische Studien 26), 272f. und 371 („Kollis“); Hallauer, Aufsätze (wie Anm. 9), 58 Anm. 110; Woelki, Legato scomodo (wie Anm. 8), 76f.; Woelki, Cusanus und das Interdikt (wie Anm. 52), 213f. Collis nutzte die latinisierte Version seines Namens selbst in deutschsprachigen Briefen, daher wird sie auch im Folgenden verwendet. 114) Nothegger, Florentin, Das religiöse und kulturelle Wirken der Franziskaner in DeutschTirol vom 13. bis zum 17. Jahrhundert, in: Franziskanische Studien 54 (1972), 111–168, hier 150; 109 110

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halsig“ bezeichnet.115) Seine Personalie bietet ein besonders vielschichtiges Beispiel dafür, wie Themen und Personen zwischen Kurie und Region (und darüber hinaus) über die Person des Nikolaus von Kues und seine Acta erschlossen werden können. Collis war Franziskanerminorit und führte 1451 den Titel theologiae professor, wie aus einem Empfehlungsschreiben der Stadt Straßburg für ihn an Nikolaus V. für eine Mission nach Rom hervorgeht.116) Seine Graduierung hat er in Rom erhalten, wie wir aus den Acta Cusana erfahren.117) Er ist bekannt aus dem Straßburger Mendikantenstreit der Jahre 1454 bis 1456, der auch an der Kurie ausgetragen wurde.118) Der Konflikt war Teil einer seit dem Auftreten der Bettelorden im 13. Jahrhundert geführten europaweiten Auseinandersetzung, mit der auch Nikolaus von Kues seit den Zeiten des Basler Konzils sowie im Zuge der Bekanntschaft mit seinem Intimfeind Matthias Döring gut vertraut war.119) In StraßMieth, Sven Georg, Das Franziskanerkloster in Bozen: Geschichte, Baugeschichte, Kunst, 1221–1514, Bozen 1998, 222. 115) Rüther, Bettelorden (wie Anm. 113), 273. 116) Strasbourg, Archives de la Ville, III, 200/13, zum 29. November 1451 (… precamur, quatenus religioso viro fratri Henrico Collis sacre theologie professori ordinis minorum de v. b. solita clemencia pias nostris in petitionibus prebere aures …), vgl. Rapp, Réformes et Réformation (wie Anm. 113), 288 Anm. 48. 117) Zur Promotion: AC II 4, 4507 Z. 10f. Zum Studienort Rom: Schwarz, Brigide, Kurienuniversität und stadtrömische Universität von ca. 1300 bis 1471 (Education and society in the Middle Ages and Renaissance 46), Leiden u.a. 2013; Matheus, Michael/Schwinges, Rainer C. (Hg.), Studieren im Rom der Renaissance (Repertorium Academicum Germanicum [RAG] Forschungen 3), Zürich 2020; Matheus, Michael, Roma docta. Northern Europeans and academic life in the Renaissance, Regensburg 2021. Was Collis’ theologischen Schriften angeht, siehe Oliger, Apologie (wie Anm. 113), 174, sowie: Kremsmünster, Benediktinerstift, CC 23, f. 361r–362v (Henricus Collis OFM, Quaestio de assumptione Beate Marie Virginis, mit Bezug auf die Beschlüsse des Basler Konzils; in der Hs. folgt von derselben Hand in einem Schriftzug: In nomine domini nostri Ihesu Christi et gloriosissime matris eius Marie ac beatissimi patris nostri Francisci. Incipit primus liber Scoti anno domini 1466 die 18 mensis Septembris inceptus), vgl. Fill, Hauke, Katalog der Handschriften des Benediktinerstiftes Kremsmünster, Teil 2: Zimeliencodices und spätmittelalterliche Handschriften nach 1325 bis einschließlich CC 100. Katalogband (Österreichische Akademie der Wissenschaften, phil.-hist. Klasse, Denkschriften 270; Veröffentlichungen der Kommission für Schrift- und Buchwesen des Mittelalters II,3,2), Wien 2000, 199–219 mit Abb. 24. 118) Diese Bulle vom 31. August 1456 ist aus handschriftlicher Vorlage gedruckt bei Oliger, Livarius, Zwei Bullen Papst Kallixtus III. über den Straßburger Mendikantenstreit 1456, in: Archiv für Elsässische Kirchengeschichte 5 (1930), 192–198, Siehe ferner: Kassel, UB, 2° Ms. iurid. 26 (aus Erfurt, 1449–1460) f. 167r, erw. in: Kremer, Martina (Bearb.), Die Handschriften der Murhardschen Bibliothek der Stadt Kassel und Landesbibliothek, Bd. 2: Manuscripta Iuridica, Wiesbaden 1969, 43; München, UB, 2° Cod. ms. 74 f. 374r–375r, vgl. Daniel, Natalia/Kornrumpf, Gisela/Schott, Gerhard, Die lateinischen mittelalterlichen Handschriften der Universitätsbibliothek München. Die Handschriften aus der Folioreihe, Hälfte 1 (Die Handschriften der Universitätsbibliothek München 3,1), Wiesbaden 1974, 123 ff. (ohne Zuordnung). Weitere Bullen in diesem Zusammenhang – aber nicht die genannte – sind in den vatikanischen Registerserien abschriftlich enthalten. Dazu: Pitz, Ernst (Bearb.), RG VII: Calixt III. (1455–1458); Teil 1: Text, Teil 2: Indices, Tübingen 1989, Nr. 162. 119) Weigel, Petra, Ordensreform und Konziliarismus. Der Franziskanerprovinzial Matthias Döring (1427–1461) (Jenaer Beiträge zur Geschichte 7), Frankfurt a.M. 2005; Woelki, Thomas,

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burg wusste die Pfarrgeistlichkeit den Bischof, und die Bettelorden wussten die Stadt hinter sich. Hauptsächlich ging es um eine Gebühr, genannt „Letzter Gruß“ (ultimum vale), welche einem Pfarrer zu zahlen war, falls eine verstorbene Person bei einem Bettelorden beerdigt wurde, außerdem um das Recht der Mendikanten, die Beichte entgegenzunehmen, Gottesdienste öffentlich abzuhalten usw.120) Im Zuge des Konflikts ließ der Straßburger Offizial wohl im April 1455 im Auftrag des Bischofs ein Dokument mit mehreren Kritikpunkten aufsetzen, gegen die sich Collis später mit einer Apologie heftig wehrte. Es ist erhalten in zwei Versionen, von denen Oliger diejenige publizierte, die der Erzbischof von Mainz seinem Suffragan in Würzburg zukommen ließ, während eine neuerliche Überprüfung der Überlieferung es nahelegt, dass auch das Schreiben des Straßburger Offizials, welches der erzbischöflichen Missive zugrunde lag, eigenständig zirkulierte.121) Die Hauptvorwürfe lauteten, Collis – der 1454 Lektor im Straßburger Kirchenrecht als Mittel der Reform. Nikolaus von Kues und die Seelsorgeprivilegien der Mendikantenorden, in: Frank, Thomas/Winkler, Norbert (Hg.), Renovatio et unitas – Nikolaus von Kues als Reformer. Theorie und Praxis der ‚reformatio‘ im 15. Jahrhundert (Berliner Mittelalter- und Frühneuzeitforschung 13), Göttingen 2012, 117–135. 120) Pfleger, Luzian, Untersuchungen zur Geschichte des Pfarrei-Instituts im Elsaß, in: Archiv für elsässische Kirchengeschichte 5 (1930), 89–160; 7 (1932), 1–100; 8 (1933), 1–118; 9 (1934), 1–106; hier 5 (1930), 124–160, sowie die oben, Anm. 113, genannte Literatur. 121) Oliger, Apologie (wie Anm. 113), 166ff., gemäß Schreiben des Mainzer Erzbischofs Dietrich von Erbach an den Elekten von Würzburg, Johannes von Grumbach. Weitere Überlieferungen, ebd., 168–172, sowie: Leipzig, UB, Ms 1092, f. 194r–194v, mit 14 Beschwerdepunkten in der Reihung wie bei Oliger) (vgl. https://digital.ub.uni-leipzig.de/mirador/index.php#3fb65fb7-643b-44ad-b497078ff01ba02a; Helssig, Rudolf, Die lateinischen und deutschen Handschriften der Universitätsbibliothek Leipzig. Band 3. Die juristischen Handschriften. Unveränderter Nachdruck der Auflage von 1905, Wiesbaden 1996, 224–234, hier 227); Melk, Stiftsbibliothek, Cod. 1086 (931), f. 250r, mit 13 Artikeln, gekürzt und in der Ordnung 1, 2, 14, 3–8, 11, 9, 10, 13 (also ohne Artikel 12, vgl. https://manuscripta.at/hs_detail.php?ID=40755, mit Abbildung); München, UB, 2° Cod. Ms. 74, f. 373r–375r, mit 12 von 14 Artikeln der Fassung bei Oliger, Apologie (wie Anm. 113), 167f., hier 1, 2, 14, 3–5, 7, 6, 8, 11 (hier die Variante: dixerunt universitates subditorum Almanie esse ruinales), 9, 10, sowie einem späteren Kommentar zu 1, vgl. Daniel/Kornrumpf/Schott, Die lateinischen mittelalterlichen Handschriften (wie Anm. 118), S. 123 ff., mit irriger Einordnung); Oxford, Bodleian Library, MS Lyell 63 (einst: Melk, Stiftsbibliothek, Cod. s. n. 9; im Jahr 1464 durch den Nürnberger Dr. Konrad Wagner dem Stift Melk vermacht), f. 201v–203v, mit 10 Artikeln in der Reihung 1, 3, 14, 3– 8, 11, 10, siehe de la Mare, Albinia, Catalogue of the Medieval Manuscripts Bequeathed to the Bodleian Library, by James P. R. Lyell, Oxford 1971, 191–199, hier 198, vgl. https://manuscripta.at/ hs_detail.php?ID=41563&IDinitia=238386. Bei den in Ms. Lyell 63 auf f. 203r(a)–204v(a) folgenden Instrucciones ambasiatorum ex parte provincie mittendorum ad curiam etc. handelt es sich um eine bisher unbekannte Version der Instruktionen für die Gesandten der Mainzer Kirchenprovinz an die Kurie, die Gebhardt, Bruno, Die Gravamina der Deutschen Nation gegen den römischen Hof. Ein Beitrag zur Vorgeschichte der Reformation, Breslau 1895, Anhang I, 121f., aus Wien, ÖNB, Cod. 5180, f. 1r–2r, fehlerhaft und Hannappel, Martin, Die in Aschaffenburg tagenden Mainzer Provinzialsynoden, in: Aschaffenburger Jahrbuch für Geschichte, Landeskunde und Kunst des Untermaingebietes 4 (1957), 439–461, aus Stuttgart, Württembergische Landesbibliothek, Cod. Don. 284, f. 229v–234r, abgedruckt haben. Zur Sache: Voss, Wolfgang, Dietrich von Erbach, Erzbischof von Mainz (1434–1459). Studien zur Reichs-, Kirchen- und Landespolitik sowie zu den erzbischöf-

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Franziskanerkloster war – habe gepredigt, dass ein sündiger Priester einen anderen nicht absolvieren dürfe (1), dass die Exkommunikation lediglich den Körper, aber nicht den Geist binde und überhaupt nur zur Einschüchterung erfunden sei (ad terrorem dumtaxat sit adinventa) (2). Er und andere hätten in Straßburg in der Kirche und am Roßmarkt gepredigt, wenn eine Professnonne sich der fleischlichen Lust hingebe, so sei die Sünde lässlicher, wenn sie dies mit einem Mönch statt einem Laien tue (3). Collis habe behauptet, ein Säkularkleriker dürfe keinen Besitz haben, ebenso wenig wie ein Mönch (4). Generell hätten die Mendikanten in Straßburg in ihren Predigten den Regularklerus, insbesondere die Priester der Stadt, diffamiert und so den Zulauf zu den Stadtkirchen gemindert (5). Am Sonntag und den Festtagen, mit Ausnahme lediglich der vier Hauptfeste, sollten die Menschen unter Todesstrafe nicht in die Pfarrkirchen gehen, sondern in jegliche andere Kirche (6). Überhaupt hätten die Bettelmönche eine größere Autorität als der Pfarrklerus (7). Zudem hätten sich die Mendikanten in die Seelsorge und das Spenden der Sakramente eingemischt (8), sie hätten die deutschen Universitäten als frivol und ihre Schriften als wertlos bezeichnet (9), sie hätten das ultimum vale öffentlich verdammt (10), ferner die Praxis der Inkorporationen von Kirchen als simonistisch bezeichnet (11), sie hätten gepredigt, dass niemand die Beichte bei seinem Pfarrer ablegen müsse bzw. eine Erlaubnis von ihm einzuholen, auch für die Bestattung außerhalb der Kirche (12), weiterhin, dass diejenigen, die nicht der Observanz angehörten, regulär seien (13), außerdem, dass bepfründete Priester lediglich für die Stifter der Pfründe beten und die Messe lesen dürften (14). Das erzbischöfliche Schreiben enthielt eine kondensierte Version der Anklagepunkte des Straßburger Offizials.

lichen Räten (Quellen und Abhandlungen zur mittelrheinischen Kirchengeschichte, 112), Mainz 2004, 194 mit Anm. 479; AC II 4, Nr. 4391. — Das Oliger, Apologie (wie Anm. 113), 166f., lediglich fragmentarisch bekannte, ausführlichere Dokument des Straßburger Offizials ist abschriftlich und undatiert erhalten in: Manchester, John Rylands Library, Ms. lat. 458 (aus Melk), mit Werken u.a. von Bernhard von Waging, Johannes von Kastl und Vinzenz von Aggsbach, darunter auch f. 226v–228r (neue Bleistiftfoliierung: 215v–217r, vgl. https://manuscripta.at/hs_detail.php?ID= 40453). Die Reihung lautet hier: 1, 2, 14, 3–8 (3 mit der wichtigen Variante: ad sanctam Claram in Foro equorum [= St. Klara auf dem Roßmarkt]), 11, 9, 10, 13, dann folgt Punkt 12 in einer neuen Liste, die überschrieben ist: Articuli quos fratres mendicantes parrochialium ecclesiarum civitatis Argentinensis populo solent publicare ante omnem concordiam, quod etiam ipsi cottidie omnes predicant. Es folgen in dieser Liste folgende Punkte: freie Auswahl der Kirche, in der man die Messe hört (15), freie Almosengaben an die Mendikanten (16), freie Wahl des Klosters für die Oblation von Söhnen und Töchtern (17), freie Wahl des Bestattungsortes (18), an sämtliche vorgenannten Punkte müssten alle Christen glauben und sich daran halten, da dies der päpstlichen Meinung und dem orthodoxen Glauben entspreche (19), trage jemand diese Dinge anders vor oder verstehe sie solchermaßen, dann sei dies falsch. Das Vorgenannte sei bekannt zu machen, da es in der Vergangenheit zu verstehen war secundum sententiam summorum pontificum sancteque matris ecclesie, ut dictum est.

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Collis verfasste dazu zunächst eine Gegendarstellung, die er dem Erzbischof von Mainz zukommen ließ.122) Nachdem die Mendikanten einer Zitation durch den Bischof von Straßburg nicht nachkamen, wurden sie exkommuniziert, appellierten jedoch an den Papst.123) In diesen Zusammenhängen machte sich im Frühjahr 1455 Heinrich Collis in ihrem Interesse sowie zu seiner Rechtfertigung nach Rom auf. Von dort aus begleitete er den Generalminister des Ordens auf eine Visitationsreise in die Ordensprovinz Sizilien.124) Dieser Generalminister, Giacomo Boscalini aus dem bergamaskischen Örtchen Mozzanica, war ein mit Kapistran bekannter strikter Gegner der Observanz und ein enger Vertrauter Papst Calixts III., der ihn unter anderem zum Legaten in Bologna machte und ihn mit der Einziehung des Kreuzzugsablasses in Mailand beauftragte, wo er in diesem Sinne als Prediger wirkte.125) Die Visitationsreise führte ihn und seine Entourage durch die gesamte Ordensprovinz Sizilien, von Messina bis nach Palermo.126) 122) Zu dieser: Oliger, Apologie (wie Anm. 113); AC II 4, Nr. 4391 (Beschlüsse der Mainzer Provinzialsynode, Aschaffenburg, 15.–21. Juni 1455). In seiner Appellation vom Juli 1458 behauptete Collis, er habe sich damals zur Klärung des Sachverhaltes unacum quibusdam viris religiosis eciam eiusdem sacre pagine professoribus per conventus quatuor ordinum mendicancium Argentinensium deputatus zum Erzbischof von Mainz begeben, sei aber nicht vorgelassen worden. Vgl. Anm. 144. 123) Oliger, Apologie (wie Anm. 113), 174. 124) Oliger, Apologie (wie Anm. 113), 174, nach Collis’ Aussage; ebd., 191: Insuper in superscriptis per manum propriam propositionibus seu sententiis subieci me determinationi sancte matris ecclesie et doctorum quorumcunque katholicorum, paratus facere quidquid sacrosancte Romane ecclesie promisi, et iuravi ulterius non presumens ultra meam iam tactam declarationem et responsum datum atque subiectionem, negotium istud debere ventilari, vocatus a ministro generali, ad quem associandum sum deputatus, usque ad Siciliam profectus sum, quod si fuissem in propinquo, utique ad sacram sinodum venissem et me expurgassem. 125) Giacomo Boscalini (Bussolini) (1407–9.7.1457) stammte aus Mozzanica (bei Bergamo). Er hatte in Pavia studiert, war 1436/37 biblicus des Franziskanerklosters in Bologna, wurde dort Maestro di Studio, Lektor und Prediger im Franziskanerkonvent Parma 1438–1441, wo er den Mag. Art. erhielt, gefolgt vom Bacc. und Mag. Theol. in Bologna 1441–1443. 1450 Minister der Provinz Mailand, 1453 Generalvikar des Ordens, wurde er am 8. Juni 1454 auf dem Generalkapitel in Bologna zum Generalminister des Ordens gewählt. Calixt III. beauftragte ihn 1455 mit der Einziehung des Kreuzzugsablasses in Mailand. Nach seinem Tod wurde er in der Franziskanerkirche in Mailand bestattet. Forcella, Vincenzo, Iscrizioni delle chiese e degli altri edifici di Milano, Bd. III, Mailand 1890, 95, Nr. 114; Piana, Celestino, Nunzi apostolici nella regione Emiliana per le Crociate del 1455 e 1481, in: Archivum franciscanum historicum 50 (1957), 195–211, hier 196–208; Ders., Scritti polemici fra Conventuali ed Osservanti a metà del 400 con la partecipazione dei giuristi secolari, in: Archivum franciscanum historicum 71 (1978), 339–405, hier 341–346; D’Ambrosio, Angelo, L’inventario della biblioteca di S. Maria La Nova in Terlizzi, già dei Minori Osservanti, in: Miscellanea Francescana 86 (1986), 109–123, hier 110; Romano, Andrea, All’origine delle „Familiae Ordinis Fratrum Minorum“. Due „consilia“ del messinese Andrea Barbazza in favore dei Minori Conventuali, in: Alzati, Cesare (Hg.), Cristianità ed Europa. Miscellanea di studi in onore di Luigi Prosdocimi, 2 Bde., Rom 1994–2000, Bd. 2, 73–91, hier 75 mit Anm. 4; Hofer, Johannes, Johannes Kapistran. Ein Leben im Kampf um die Reform der Kirche, 2 Bde., Rom 1964–1965, Bd. 1, 337, Bd. 2, 227, 241ff., 312–320, 339–345, 349, 364, 426. 126) Zu der Sizilienreise: Ciccarelli, Diego, Il giardino di S. Francesco. Una controversia rivelatrice, in: Roccaro, Cataldo (Hg.), Palermo medievale. Testi dell’VIII colloquio medievale, Palermo 26–27 aprile 1989, Palermo 1996, 31–46, hier 32; Rotolo, Filippo, Umanesimo e france-

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Auf der Hinreise schickte Collis im März aus dem kalabrischen Cleto einen Brief an einen Vertrauten im Franziskanerkonvent in Straßburg.127) Darin schilderte er – im offensichtlichen Bestreben, sein Wirken in ein gutes Licht zu rücken – die vorherigen kurialen Verhandlungen, in denen es zu veritablen Wortgefechten kam. Angesichts der Krankheit des Papstes verhandelte er mit dem Kardinalskolleg, aus dessen Kreis er Juan de Carvajal und den Kardinal von Metz, Guillaume Hugues d’Étaing, nennt. Letzterer verglich Collis zufolge das ultimum vale mit Begräbnisgebühren in der Bretagne (Britania), ein anderer Kardinal führte die Verhältnisse in Venedig an, wo lediglich der neunte, nicht der zehnte Teil erhoben werde128), und d’Étaing willigte ein, in dem Streit zu schlichten. Zuvor war schon der Prokurator der gegnerischen, bischöflichen Seite in Rom angekommen. Er hatte insbesondere über Collis’ Predigttätigkeit schlecht geredet, war aber bei den Kardinälen auf taube Ohren gestoßen. Nachfolgend versuchte er, die Mendikanten als Friedensstörer in der Stadt Straßburg darzustellen, und schließlich forderte er unter Berufung auf die Beschlüsse der Mainzer Provinzialsynode vom Dezember 1451, würde die geforderte Regelung (also der Verzicht auf das ultimum vale) akzeptiert, so müsse man dies mit allen rheinischen Bischöfen abstimmen. Die Verhandlungen wurden vertagt, allerdings ergingen Ende Juni 1455 päpstliche Bullen an die Stadt Straßburg, die das Erheben des ultimum vale verboten und eine Untersuchungskommission vor Ort einrichteten. Dies führte zu einer weiteren Appellation und die Verhandlungen an der Kurie zogen sich hin.129) Ein scanesimo a Noto. Un’ipotesi, in: Ciccarelli, Diego/Sarzana, Simona (Hg.), Francescanesimo e cultura a Noto, Palermo 2005, 199–214, hier 208. 127) Strasbourg, Archives de la ville, III 200/7, Regest: AC II 3, Nr. 4268, ed. Anhang. 128) Zu Venedig: Betto, Bianca, Decime ecclesiastiche a Venezia fino al secolo XIV e motivi di contrasto fra il vescovo e la città, in: Archivio Veneto 110 (1979), 23–53. Überblick bei Petke, Wolfgang, Oblationen, Stolgebühren und Pfarreinkünfte vom Mittelalter bis ins Zeitalter der Reformation, in: Ders., Aufsätze zur Pfarreigeschichte in Mittelalter und Früher Neuzeit (Studien zur Kirchengeschichte Niedersachsens 52), Göttingen 2021, 249–284, hier 257f. Zu Auseinandersetzungen um Begräbnisgebühren mit den Mendikanten in Italien: Wolff, Ruth, Grabmäler, Platzgestaltung und Stadtstatuten, in: Stolleis, Michael/Wolff, Ruth (Hg.), La bellezza della città. Stadtrecht und Stadtgestaltung im Italien des Mittelalters und der Renaissance (Reihe der Villa Vigoni, 16), Tübingen 2004, 303–343, hier 340f. Zu den Kurienbeziehungen der Herzöge der Bretagne in dieser Zeit: Pocquet du Haut-Jussé, Barthélemy-Amédée, Les papes et les ducs de Bretagne. Essai sur les rapports du Saint-Siège avec un État, 2 Bde., Paris 1928, Bd. 2, 654–714. 129) Pitz, RG VII, Nr. 162; Schmidt, Charles, Histoire du chapitre de St. Thomas de Strasbourg pendant le Moyen Âge. Suivi d’un recueil de chartes, Strasbourg 1860, 161f. sowie doc. 112, 442f., doc. 115f., 445–449. Die Bulle zur Einsetzung der Untersuchungskommission findet sich in: Landeshauptarchiv Koblenz, Best. 701, Nr. 250 (wohl aus dem Karmeliterkloster Boppard, Abschrift von der Hand des Henricus de Montabaur, siehe Meckelnborg, Christina/Overgaauw, Eef, Mittelalterliche Handschriften im Landeshauptarchiv Koblenz, Bd. 2, Wiesbaden 2002, 265, f. 154v– 155v: Calixt III. an Juan de Carvajal sowie die sich in Straßburg aufhaltenden Markus Bischof von Chrysopolis (zu diesem vor dem 3. November 1457 in Straßburg verstorbenen Franziskaner: Pitz, RG VII, Nr. 162, 926, 1660) und Nikolaus [Bick] Bischof von Rhosus [und Weihbischof von Basel] (Barth, Médard, Dr. Johannes Kreutzer [gest. 1468] und die Wiederherstellung des Domini-

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inzwischen unter Vorsitz Erzbischof Dietrichs von Erbach im Juni 1455 in Aschaffenburg tagendes Provinzialkonzil wies unterdessen das Anliegen der Mendikanten ab und verurteilte Collis’ Lehrsätze.130) Er selbst erfuhr davon Anfang September durch Cusanus auf der Rückreise aus Süditalien, als er in Brixen Halt machte. Dort verfasste er eine an den Erzbischof adressierte Rechtfertigungsschrift, die als Apologie bekannt ist.131) In der Brixner Wohnstatt des Nikolaus von Kues schrieb er außerdem an den Straßburger Franziskanerkonvent, er sei unschuldig, Cusanus unterstütze ihn, er sei kein Ketzer und habe das geschworen in dem heyligen palast zû Rom, do ich doctor wart … Nun begebe er sich für den Ordensgeneral zum Kaiser, zum König Ladislaus von Ungarn, dann wieder nach Rom.132) Sicher bestand hier ein Zusammenhang mit den kurialen Kreuzzugsbestrebungen, im Zuge derer Kapistran damals in diesen Territorien predigte, während der Legat Juan de Carvajal zu König Ladislaus entsandt wurde.133) Zwei Jahre darauf ist Collis anlässlich eines wohl durch ihn selbst in Graz zusammengerufenen Generalkapitels belegt, auf dem er als socius des Ordens und vicarius et commissarius cum plenitude (!) potestatis des Papstes Calixt III. sowie des Ordensprotektors Kardinal Domenico Capranica in der Provinz Austria firmiert. Wie er später aussagte, legte er sich diese Kompetenzen aufgrund einer gefälschten päpstlichen Bulle zu, die er selbst verfasst hatte.134) Dann hören wir von ihm, als Herzog Sigismund von Österreich Cusanus sicheres Geleit anbietet, weil er von kanerklosters Engelporten, in Archiv für elsässische Kirchengeschichte 8 [1933], 181–208, hier 191; Kunzelmann, Adalbero, Geschichte der deutschen Augustiner-Eremiten. 2: Die rheinischschwäbische Provinz bis zum Ende des Mittelalters, in: Augustiniana 22 [1972], 185–280, hier 265), Rom, St. Peter, 21. Juni 1455. 130) Zum Provinzialkonzil: AC II 4, Nr. 4391. Siehe auch AC II 4, Nr. 4469 (NvK an den Generalvikar der cismontanen und an den Vikar der Straßburger Franziskanerprovinz von der Observanz, Brixen, 12. August 1455, mit Bezug auf römische Verbindungsmänner und die Reform der Klarissen in Brixen). 131) Ed. Oliger, Apologie (wie Anm. 113), jetzt auch: AC II 4, Nr. 4501, Brixen, 1. Sept. 1455. 132) AC II 4, Nr. 4507, Brixen, im Haus des NvK, 3. Sept. 1455; AC II 6, Nr. 5404, Rom, 19. November 1457. Im Streit mit Herzog Sigismund: Mitteilung durch Kardinal Giovanni Castiglione an NvK aus Rom im Auftrag des Kardinalskollegs, nach Erörterung der Angelegenheit mit dem Papst sei beschlossen worden, NvK solle behutsam vorgehen und sich zurücknehmen. 133) Zu Kapistran: Hofer, Kapistran (wie Anm. 125); Untergehrer, Die päpstlichen nuntii (wie Anm. 70), 627; Zu Carvajal: AC II 4, Nr. 4558; Untergehrer, Die päpstlichen nuntii, 371– 374. Ein Brief von Giacomo Mozzanica an einen Frater Martinus de Somlina in der Provinz Ungarn, Rom, 8. Januar 1456, in: Chiappini, Aniceto, Reliquie letterarie Capestranesi, in: Bollettino della Deputazione Abruzzese di Storia Patria, Ser. 3, 11/13 (1920/22), 7–72, hier 56 Nr. 1456. 134) Piana, Celestino, Silloge di documenti dall’antico archivio di S. Francesco di Bologna, in: Archivum Franciscanum Historicum 50 (1957), 27–74, hier 39 Nr. 8, Graz, 9. September 1457: Henricus collis artium et sacre theologie doctor, eiusdem Ordinis socius, SSmi in Christo patris et domini nostri d. Calisti d. p. pape tertii, Rmi in Christo patris et domini d. Firmani Ordinis nostri protectoris atque dicti nostri Ordinis per Austrie (!) et nonullas Provincias vicarius et commissarius cum plenitude (!) potestatis setzt Leonard Fogler als Guardian des Konvents Maribor (Marpurgensi) ein; 39f. Nr. 9, er setzt Johannes Altack als Guardian des Klarissenklosters in Dürnstein ein, Ort und Datum wie oben.

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einer päpstlichen Bulle gehört hat, die Heinrich Collis aus Rom mitgebracht habe. Es war dies die Interdiktsbulle gegen den Herzog vom 12. November 1457, die Collis – der angebliche Gegner der Exkommunikation! – zusammen mit einem Schreiben des Kardinalskollegs aus Rom überbracht hatte.135) In Bozen wurde er damals kurzerhand von seinen Ordensbrüdern gefangengenommen.136) Es liegt nahe, Collis’ Ergreifung mit seiner Rolle als Überbringer der schlechten Neuigkeiten für Herzog Sigismund in Verbindung zu bringen: Damit sollte offenkundig die Verhängung des Interdikts verhindert werden.137) Allerdings klagte Collis sich im Februar 1458 selbst vor dem Bozner Konvent in einer Aussage (confessio) an, die er, an einen Stuhl gefesselt, mit den Füßen in Ketten, selbst verfasste: Als Vorsteher der Ordensprovinz Austria sei er aufgrund gefälschter Bullen und Breven des Papstes und des Ordensprotektors aufgetreten, die er eigentlich selbst verfasst, später aber zerstört habe.138) Außerdem habe er gemeinsam mit einem Komplizen dem Kaiser persönlich gegenüber schlecht über die Brüder der Ordensprovinz gesprochen, mit dem Ziel, auf einem Ordenskapitel in Bruck an der Mur oder Graz gelehrtere Männer einzusetzen.139) Weiterhin habe er aufgrund gefälschter päpstlicher Vollmachten einigen Brüdern mit der Exkommunikation gedroht. Einen habe er des Geburtsmakels (defectus natalium) bezichtigt. Von vielen verschiedenen Konventen habe er aufgrund seiner päpstlichen Vollmachten anlässlich des Generalkapitels Geld unrechtmäßig eingefordert und erhalten, unter anderem wiederum für die Absolution von einer durch ihn und seinen socius verhängten Exkommunikation.140) Die Episode offenbart nicht nur die Schwächen der kurialen Reskripttechnik, sondern auch, welch ein Skandal durch Papsturkunden entstehen konnte, die aufgrund von Fehlinformationen ausgestellt wurden.141) ) AC II 6, Nr. 5396; Woelki, Cusanus und das Interdikt (wie Anm. 52), 213f. ) AC II 6, Nr. 5385. 137) Woelki, Cusanus und das Interdikt (wie Anm. 52). 138) Piana, Silloge di documenti (wie Anm. 134), 39–45, hier 43: Et ut latius pateat huiusmodi nequitie evidentia, confisus in malis et discolis apostatisque patribus, litteras falsas, fictas mecum portavi et presertim unam falsam bullam, in qua nulla mihi dabatur facultas seu potestas; quam fratribus ostendi tamquam michi testimonium veritatis prebendo, ita quod bulla nichil facultatis quantum ad me continebat, quam false – ut pretactum est – ostendi, ymo unam cedulam (!) ad instar unius Brevis apostolici in ea legebatur per me scripta tamquam michi sonaret. Item litteram Rmi domini protectoris nostri dans mihi facultatem fallaciter impetravi, pretextu littere generalis misericordie habite, quam etiam propriis manibus destruxi, scidi et fregi in signum pertinacie. 139) Piana, Silloge di documenti (wie Anm. 134), 39–45, hier 43: Item constitutus cum socio coram cesarea magestate venerabiles ipsius Provincie patres inculpavi dicendo quod doctis viris careret, sed ego peritos et doctos ad conventus seu loca in ipsa Provincia collocarem in Capitulo, quod dicebam me velle celebrare in altero locorum, videlicet Prugk vel Gretz, in quo Capitulo apostatas ad officia institui et bonos, discretos et devotos amovi, imo huiusmodi apostate et discoli fuerunt exaltati, quorum omnium ullam facultatem tunc habui. 140) Piana, Silloge di documenti (wie Anm. 134), 39–45, hier 43. Er nennt die Konvente Wiener Neustadt, Bruck an der Mur, Maribor, Graz, Cilli (Ciliensi = Celje, Slowenien), Judenburg, St. Veit (in sancto Vito, wohl = St. Veit an der Glan) und Villach. 141) Ähnlich schon: Nothegger, Franziskaner in Deutsch-Tirol (wie Anm. 114), 150. 135 136

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All diesen Misshelligkeiten zum Trotz konnte Collis nach dem Zusammentreffen mit Cusanus seine kontroverse Karriere fortsetzen. Über die Kontakte mit dem Papsthof und dem Kardinal und Bischof von Brixen führte sie ihn an den Kaiserhof, wo er als Experte für kuriale Angelegenheiten erscheint.142) Dabei scheint Collis sich diverser intellektueller Fähigkeiten bedient zu haben, ist doch eine Schrift von ihm über die Herstellung von Sonnenuhren in Hall in Tirol aus dem Jahr 1456 überliefert – eine Thematik, die Cusanus und auch astronomische Gelehrte aus seinem Umkreis interessierte, etwa Georg von Peuerbach, den Hofastronomen Friedrichs III.143) Im Juli 1458 erscheinen diese Verbindungen etabliert. Damals ließ er im Haus seiner Mutter in Straßburg eine bissige Appellation an den Papst gegen ein Aufenthaltsverbot notariell festhalten, welches das Provinzialkapitel der Straßburger Provinz in Offenburg während seiner Abwesenheit erlassen hatte. Darin behauptete er, 1455 auf dem damals in Rom tagenden Generalkapitel des Ordens kanonisch zum Provinzial von Österreich gewählt worden und ferner Kaplan des Kaisers sowie nuntius des Papstes Calixt III. in Böhmen zu sein.144) Er fand Gehör: Papst Pius II. (1458–1464) schrieb in einem undatierten Breve an Kaiser Friedrich III. unter anderem davon, dass die Gegner des Frater Henric(us) Collis minist(er) terrarum imperii nicht vorgezogen werden sollten ) Daniels, Verschwörung der Pazzi (wie Anm. 71), 209f. mit Anm. 161. ) Semidiametrum horologii equinoctialis orizontalis et muralis constituere, mit Zeichnung und unterschrieben: Anno domini 1456 per reverendum magistrum H. Collis de Argentina fratrem ordinis minorum etc., Wien, ÖNB Cod. 5296 (aus der Fugger-Bibliothek), f. 141r–142r (f. 142v die Jahresangabe 1466), vgl. Zinner, Ernst, Die ältesten Räderuhren und modernen Sonnenuhren (XXVIII. Bericht der naturforschenden Gesellschaft zu Bamberg), Bamberg 1939, 79, 92, 107. Siehe auch: Duclow, Donald F., Cusanus’ Clock. Time and Eternity in De visione Dei, in: MFCG 34 (2016), 135–146. NvK ließ sich im März/April 1455 in Brixen eine kleine mechanische Uhr anfertigen (AC II 3, Nr. 4283). Auch wird ein Uhrenwächter am Brixner Dom erwähnt (AC II 2, Nr. 3861 Z. 158). Zu Friedrich III. und seinen Astrologen: Reinle, Christine, Geheimwissenschaft und Politik. Mantik, Magie und Astrologie an den Höfen Kaiser Friedrichs III. und Pfalzgraf Friedrichs des Siegreichen, in: Fuchs, Franz/Heinig, Paul-Joachim/Schwarz, Jörg (Hg.), König, Fürsten und Reich im 15. Jahrhundert (Forschungen zur Kaiser- und Papstgeschichte des Mittelalters. Beihefte zu J. F. Böhmer, Regesta Imperii, 29), Köln u.a. 2009, 319–348, hier 337f., mit weiteren Verweisen, sowie Horst, Thomas, The reception of cosmography in Vienna. Georg von Peuerbach, Johannes Regiomontanus, and Sebastian Binderlius, Berlin 2019. Zu Cusanus und Georg von Peuerbach: AC I, Nr. 961 und 1068. 144) Strasbourg, Archives de la Ville, VIII, 133/83, 7. Juli 1458, vgl. Rapp, Réformes et Réformation (wie Anm. 113), 288 Anm. 48 und 336 Anm. 121. Das Notariatsinstrument des Thebaldus zur Hellen ist gegeben in civitate Argentina et in domo habitacionis genitricis ipsius magistri Heinrici, unter Zeugenschaft des Laurentius Coci presbiter, canonicus ecclesie collegiate in Hasel Argentinensis diocesis et magister Jacobus Barbitonsoris clericus eiusdem civitatis. Darin appelliert venerabilis, religiosus et egregius vir magister Henricus Collis professus ordinis minorum in artibus magister et sacre pagine doctor bzw. frater Henricus Collis artium liberalium magister sacreque pagine professor provincie Austrie ordinis minorum minister sanctissimi in Christo patris et domini nostri domini Calisti divina providencia pape tercii nuncius ad partes Bohemie in negociis pro sua sanctitate et fide Christiana peragendis et serenissimi ac invictissimi domini domini Friderici Romanorum Imperatoris capellanus. 142 143

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(de non praebendo), und auch der Kaiser nahm Collis damals unter Schutz. Als dieser sich 1463 nochmals nach Straßburg begab, stellte ihm Friedrich III. einen Geleitbrief aus und bezeichnete ihn darin als seinen Rat.145 In demselben Jahr setzte er sich bei dem Basler Stadtrat für die Nonnen von St. Clara ein, die sich gegen den päpstlichen Auftrag zur Klosterreform aus dem Jahr 1459 wehrten und nach Collis’ Darstellung mehrfach in ungerechter Weise in Rom verklagt worden waren. Er erhielt allerdings eine ausweichende Antwort vom Stadtrat.146 Zwei deutsche Briefe zeigen ihn knapp zehn Jahre nach dem Tiroler Skandal 1467/68 weiterhin im Umfeld des Kaisers und mit einer gewissen Affinität für das Finanzielle ausgestattet. Damals schrieb er von Wien und Wiener Neustadt aus an Anna von Freyberg, die Äbtissin des Klarissenklosters in Söflingen bei Ulm, im Zuge ihres Streits mit der Stadt Ulm, und teilte ihr mit, sich bei entsprechender pekuniärer Zuwendung um eine Schutzurkunde für die Klarissen zu bemühen.147) In dem ersten Brief knüpft er an einen vorigen an, in dem der Bischof von Konstanz erwähnt war, und fordert sie auf: Ir solt mir ein schun poten schicken mit dem gelt, so wil ich uch ure bull schicken, und wie ich den underwise ur wirdikeit, dz soln ir tůn, ob dz closter 145) Das Breve: AAV, Arm. 39.9, f. 173vss., vgl. RG VIII: Pius II. (1458–1464), Teil 1: Text, bearb. von Dieter Brosius und Ulrich Scheschkewitz, Teil 2: Indices, bearb. von Karl Borchardt, Tübingen 1993, Nr. 1259, das Kaiserschreiben an Straßburg: Strasbourg, Archives de la Ville, AA 210, 37, Wiener Neustadt, 14.4.1463 (am mittichen vor dem Sonntag Quasimodogeniti anno domini etc. lxiii°, erw. Brucker, Jean, Summarisches Inventar des Communal-Archivs der Stadt Strassburg vor 1790, Bd. 1, Strasbourg 1878, 76): Wan sich der ersam unser ratte und lieber andechtiger meister Heinrich Collis, lerer der heiligen geschrifft und minister der brudere sant Franciscen ordens in der provintz unserer erblichen furstenthumb und lannde yetzo auß unserm keyserlichen hoff in unsern und seinen geschefften und notdurfften zu ewer und anderer ennde des heiligen reichs fugett und ungern wollten, daz er daran von yemands gehindert werden sollte, und sonnderlich vor euch ettwevil zetunde hat, als er ew zuerkennen geben wirdet, bitten wir ew mit sonnderm fleisse, ir wellet ew denselben unsern ratte meister Heinichen umb unsern willen in solchen seinen sachen gunstlich empfolhen sein lassen und im auch darin ewr guttwillig ratte, hilffe und furdrung tun und beweisen, als uns an ew nicht zweifelt … 146) Staatsarchiv Basel, Protokolle, Öffnungsbücher 3, f. 154: LXIII° uff fritag post Corporis Christi ist kommen fur rate meister Heinrich Kollis doctor barfůßer ordenß von der frowen wegen zů sant Claren etc. und hat unß erzallt wie die selben frowen zů mengem mole fur dem bebstlichen stůle verklagt worden werent mit unwarheit von ettlichen die sy understůndent umbzetriben etc. … Vgl. Gerz-von Büren, Veronika, Geschichte des Clarissenklosters St. Clara in Kleinbasel 1266–1529: Mit einem Anhang: Das Zinsbuch St. Clara E des Basler Staatsarchivs, Basel 1969, 101; Neidiger, Bernhard, Stadtregiment und Klosterreform in Basel, in: Elm, Kaspar (Hg.), Reformbemühungen und Observanzbestrebungen im spätmittelalterlichen Ordenswesen (Berliner Historische Studien 14. Ordensstudien VI), Berlin 1989, 539–567, hier 554. Im November 1459 war der Bischof von Basel im Gefolge Herzog Sigismunds in Mantua. 147) Collis, Heinrich, Franziskanerprovinzial, an Anna von Freyberg, Wiener-Neustadt, 25. Oktober 1467, Druck: Miller, Max, Die Söflinger Briefe und das Klarissenkloster Söflingen bei Ulm im Spätmittelalter, Würzburg-Aumühle 1940, 124f. Nr. 2; Ders. an Dies., Wien, 17. Januar 1468, Ludwigsburg, Landesarchiv Baden-Württemberg, B 509 Bü 2 G-2, gedruckt: Miller, Söflinger Briefe, 125f. Nr. 2. Digitalisate einsehbar unter: . Beide Briefe stammen wahrscheinlich von Collis’ Hand. Zur Sache auch: Frank, Karl Suso, Das Klarissenkloster Söflingen. Ein Beitrag zur franziskanischen Ordensgeschichte Süddeutschlands und zur Ulmer Kirchengeschichte, Ulm 1980, 89f.

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zů siner fryheit kummen mocht bebstlich und keiserlich, ich will uch reht roten, bitz ich selber kummen mag und pesser zit der gesunheit kumt dann in der Nuwen Stat. In dem zweiten beschwert er sich über einen Zahlungsverzug. Hätte er das Geld früher erhalten, so hetten ir langs ur bulle gehebt, ähnlich wie die in Basel, von denen er noch kain haller erhalten habe, während die in Regensburg ihn erlich pezalt hätten. Inzwischen habe er mit dem Kaiser gesprochen und sich für die Äbtissin eingesetzt, während andere schlecht über sie geredet hätten (… so ist sin keiserliche maiestat genaigt von worten und handeln … Ich hab wol gerett von uch allen, do etlich gar ubel hant gerett).148) Nochmals zehn Jahre darauf, im März des Jahres 1477, begab sich Collis als Geheimgesandter Friedrichs III. nach Rom und Mailand. Damals erhielten die Mailänder Geschäftsträger in Rom aus Mantua eine Notiz über seine Mission zugespielt und urteilten: „Vielleicht wäre es nicht schlecht, alle Konvente zu informieren, dass sich fremde Brüder zu ihnen begeben. Manchmal bewirken diese Brüderlinge viel Schlechtes.“149) Im November des Jahres war Bruder Heinrich Collis, maister der sieben freyen Künste, lerer der Heiligen geschrifft, Minister der Provintz sand Franciscen ordens in Österreich von Wien aus im Kontakt mit den Minoriten zu Wiener Neustadt. Damals ließ er dem Minoritenkloster zu St. Jakob eine stattliche Summe zum Bau der Kirche aus der testamentarisch verfügten Erbschaft des kaiserlichen Söldnerführers Florian Winkler zukommen.150) In dieser Zeit wurde er zusammen mit Rechtsgelehrten der Universität Wien durch den Abt des altehrwürdigen 148) Die Kaiserurkunden, gegeben in Wiener Neustadt: Ludwigsburg, Landesarchiv Baden-Württemberg, B 509 U 611, 14. Februar 1467; ebd., U 612 und 613, 14. Februar 1467; U 614, 20. April 1467. In Regensburg dürfte Collis das Klarissenkloster meinen. In dessen Beständen im Bischöflichen Zentralarchiv Regensburg findet sich kein Brief von ihm, aber eine Urkunde (Nr. 518), Wiener Neustadt, 19. Dezember 1463, mit der Friedrich III. Äbtissin und Konvent unter seinen und des Reichs besonderen Schutz nimmt. Dazu: Regesten Kaiser Friedrichs III. (1440–1493). Nach Archiven und Bibliotheken geordnet. Heft 15: Die Urkunden und Briefe aus den Beständen „Reichsstadt“ und „Hochstift“ Regensburg des Bayerischen Hauptstaatsarchivs in München sowie aus den Regensburger Archiven und Bibliotheken, bearb. v. Franz Fuchs und Karl-Friedrich Krieger, Wien u.a. 2002, Nr. 174. 149) Sacramoro da Rimini und Giovanni Angelo Talenti an die Herzöge von Mailand, Rom, 27. März 1477, Archivio di Stato di Milano, Sforzesco, Potenze Estere, 83: Dice el reverendissimo monsigore de Mantoa, che quello frate che è stato lì per lo imperatore secrete, se domanda magister Henricus de Collis, minister provincie Austrie. Forsi che non esset malum avertire tutti li conventi che notassino che vi capitasse di frati foresteri. Fanno alle volte questa frataglia molti mali. Zit. Daniels, Verschwörung der Pazzi (wie Anm. 71), 209f. 150) Urkunde vom 24.11.1477, Wiener Neustadt, Stadtarchiv, Scrin. XXXII.1, gedruckt in: Boeheim, Ferdinand Carl, Kirche und Kloster der Minoriten in Wiener-Neustadt, in: Österreichische Zeitschrift für Geschichts- und Staatskunde 2 (1836), 122f., 127f. und 130ff., hier: 127f.; Mayer, Josef, Geschichte von Wiener Neustadt, 2 Bde., Wiener Neustadt 1924–1928, hier Bd. 1, 349; Buttlar, Gertrud, Wiener Neustadt. Geschichte, Kunst, Kultur, Wirtschaft, Wien 1993, 170; Gerhartl [= Buttlar], Gertrud, Florian Winkler, ein kaiserlicher Söldnerführer und Bürger der mittelalterlichen Stadt Wiener Neustadt, in: Festschrift zum 70. Geburtstag von Karl Lechner (Jahrbuch für Landeskunde von Niederösterreich, NF 37), Wien 1967, 119–148, hier 138; Skvarics, Helga, Volksfrömmigkeit und Alltagskultur: zum Stiftungsgeschehen Wiener Neustädter Bürger im Spätmittelalter und in der frühen Neuzeit (14. Jh. – 16. Jh.), Frankfurt a.M. 2000, 159.

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Salzburger Stifts St. Peter in einer seit 1439 offenen Frage des pfarrlichen Begräbnisrechts zu Rate gezogen, das ja im Straßburger Mendikantenstreit auch eine wichtige Rolle gespielt hatte. Collis empfahl, sich direkt an die Kurie zu wenden – der Papst werde die gegnerische Seite schon zum Schweigen bringen.151) Der päpstliche Legat am Kaiserhof, Alessandro Numai, machte sich ein Jahr darauf den offenbar immer noch weitvernetzten Collis als Kontaktmann zunutze, um einige päpstliche Breven an den Kaiser zu erhalten, die fälschlich an König Matthias Corvinus nach Ungarn zugestellt worden waren. Das diplomatische Missgeschick rief im kaiserlichen Rat großes Gelächter hervor.152) Zu Beginn des Jahres 1479 wurde in Rom eine Supplik Friedrichs III. und des Henricus Collis ordinis fratrum minorum professor ac dicti ordinis in provincia Austrie minister um Indulgenzen für die Franziskanerkirche in Bruck an der Mur registriert.153) Kurz darauf war Collis 151) Hermann, Karl Friedrich, Das Begräbnisrecht der Abtei St. Peter, in: Kolb, Aegidius/Lechner, Georg Martin/ Bugmann, Kuno (Hg.), Festschrift Sankt Peter zu Salzburg 582–1982 (Stud.Mitt.OSB 93), Salzburg 1982, 79–128, hier 97 ohne Angabe der Archivalie. Im konkreten Fall ging es um das Begräbnisrecht des Salzburger Hofmarschalls Christoph Trauner. Zu Rate gezogen wurden Magister Augustinus Elbling iuris doctor, Magister Henricus Collis OFM und Magister Wilhelmus Maroltinger decretorum doctor officialis consistorii Wiennensis. Siehe zur Sache die Stiftschronik des Bernhard Viechter (1698–1753), Salzburg, Archiv der Erzabtei St. Peter, Hs. A 137 = olim RR 7, p. 361–372, wo die Kontroverse um das Begräbnisrecht 1439–1487 behandelt wird. In Akt 574 (Copiae litterarum variarum ad ius sepulturae monasterii Sancti Petri spectantium unacum consiliis in causa eiusdem iuris ventilata 1439–1487) sind die gleichzeitigen Materialien zu dem Streit versammelt, die auch den Prozess in Rom 1477/78 nachvollziehen lassen. Zu den erwähnten Stellungnahmen siehe einen Zettel mit Zusammenfassungen, f. 33r. Elbing riet demzufolge, verschiedene eingeholte Consilia zu sammeln und in ein Libell zusammenzufassen, Maroltinger wies darauf hin, dass man nur dann weiter vorgehen sollte, wenn dies die Gegenseite auch täte. Collis empfahl das Folgende: Consilium magistri Hennrici Collis ordinis fratrum minorum. Magister Hennricus Collis etc. persuadet causam ipsam indilate ad Sedem deducere apostolicam, asserens dominum sanctissimum mox visis vel auditis his rebus parti adverse silencium imponere et monasterium S. Petri in sua possessione et iure suo persistere, cum ipsum monasterium habuerit ius sepeliendi priusquam pars adversa fuerit in rerum natura, privilegio et arbitramento partis adverse non obstantibus, cum minime preiudicare valeant iuri communi etc. Derselbe Text in leicht anderen Wortlaut findet sich ferner in einem dem Akt inliegenden Libell Scripta nonnulla et consilia variorum doctorum elegantissima in causa sepulture nostre contra capitulum Salczburgense[m], f. 58r. Die verschiedenen juristischen Consilia sind hierin meist in Gänze abgeschrieben, diejenigen der drei genannten Wiener Gelehrten aber nicht. Zu Elbling: Maisel, Thomas/Seidl, Johannes, Die Matrikel der Wiener Rechtswissenschaftlichen Fakultät – Matricula Facultatis Juristarum Studii Wiennensis, Bd. 2: 1442–1557, Wien 2016, 121 (Augustinus de Elbling[o]: 1435 in Wien immatrikuliert, 1448 mag. art., 1452 bacc. decr., 1450 lic. decr., 1469 decr. dr., 1472 Dekan der juristischen Fakultät). Wilhelmus Maroltinger wurde am 13. Oktober 1448 gemeinsam mit Johannes Awnpeck de Patauia in Wien immatrikuliert. Die Matrikel der Universität Wien, I. Band, 1377–1450, Graz/Köln 1956, 263, rheinische Nation, Nr. 1 und 2. 152) Daniels, Verschwörung der Pazzi (wie Anm. 71), 209f. Numai stellte am 1. Juni 1478 dem Wiener Minoritenkloster einen Ablass aus. Wien, Minoritenkloster, Urkunde 68, erw. Opll, Ferdinand, Das Archiv eines päpstlichen Legaten aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts. Ein Bestand im Wiener Stadt- und Landesarchiv, in: Holbach, Rudolf (Hg.), Städtische Wirtschaft im Mittelalter: Festschrift für Franz Irsigler zum 70. Geburtstag, Köln 2001, 179–210, hier 204 Nr. 8. 153) AAV, Reg. suppl. 778, f. 270v–271r, 8. März 1479, vgl. RG X: Verzeichnis der in den Registern und Kameralakten Sixtus‘ IV. vorkommenden Personen, Kirchen und Orte des Deutschen Reiches,

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Kontaktmann des Stifts Klosterneuburg und später des Papstes bei Friedrich III. bei der Kanonisation des (in Klosterneuburg bestatteten) Markgrafen Leopold von Babenberg und reiste im Mai des Jahres wieder nach Rom.154) 1482 ist er nochmals als Franziskanerminister und Geldleiher im Umfeld des Kaisers belegt155) dann verlieren sich seine Spuren. 10. Ausblick Quellen zur Lebensgeschichte des Nikolaus von Kues. Mit diesem Untertitel der Acta Cusana haben wir unsere Untersuchung begonnen. Ihr Ziel war es indes, von dem Hauptprotagonisten der Quellensammlung wegzuleiten, um zu zeigen, dass ihre Auswertung für viele andere wissenschaftlich relevante Zusammenhänge von Bedeutung sein kann. Hier sollte es um das Verhältnis von Kurie und Region gehen, ausgehend von der vatikanischen Überlieferung und kombiniert mit der lokalen, da diese Bestände in den Acta Cusana zusammenstellt werden. Gezeigt werden konnte, dass die Acta Cusana sich in diesem Rahmen für die Auswertung der verschiedensten Aspekte der Lebenswelt des 15. Jahrhunderts eignen: Vom Pfründenwesen bis hin zu politisch relevanten Kurienkontakten, von Briefwechseln bis hin zum Gesandtschaftswesen, und schließlich auch für die Erschließung von menschlichen Lebenswegen, in diesem Fall einer geradezu schwindelerregenden kontroversen Karriere zwischen Straßburg, Brixen, Rom, Süditalien und dem Kaiserhof in Wien. Mithin wird deutlich, dass die Acta Cusana weit über eine Sammlung von Cusanus-Belegen hinausreichen. Sie können als solide Basis für Recherchen zur Welt des Spätmittelalters genutzt werden, auch aufgrund der Verbindung ihres Unternehmens und Protagonisten mit jener Institution, die als „Großmacht archivalischer Überlieferung“ bezeichnet wurde: dem Papsttum.156) seiner Diözesen und Territorien, bearb. v. Ulrich Schwarz/Juliane Trede/Stefan Brüdermann u.a., Berlin 2018, Nr. 2345. 154) Ludwig, Vinzenz Oskar, Der Kanonisationsprozeß des Markgrafen Leopold III. des Heiligen, Wien 1919, 44f., Anhänge LI–LV. 155) Regesten Kaiser Friedrichs III. (1440–1493). Nach Archiven und Bibliotheken geordnet. Heft 35: Die Urkunden und Briefe des Österreichischen Staatsarchivs in Wien, Abt. Haus-, Hof- und Staatsarchiv: Allgemeine Urkundenreihe, Familienurkunden und Abschriftensammlungen (1480– 1482), bearb. v. Petra Heinicker/Anne-Katrin Kunde, Wien 2019, 131f. Nr. 190 (Friedrich III. überträgt Bernhard Karlinger und Wolfgang Trebinger das Amt der Herrschaft Dürnstein für drei Jahre und verpflichtet sie, innerhalb dieser Zeit Collis von den Nutzen und Renten 800 ungarische Florenen, die dieser ihm geliehen hat, sowie dem Kaiser 100 ungarische Florenen und 100 Pfund Pfennig zu zahlen, 18. April 1482). 156) Esch, Arnold, Stand und Tendenzen der Mediävistik aus der Perspektive eines Auslandsinstituts, in: Oexle, Otto Gerhard (Hg.), Stand und Perspektiven der Mittelalterforschung am Ende des 20. Jahrhunderts (Göttinger Gespräche zur Geschichtswissenschaft 2), Göttingen 1996, 5– 44, hier 42.

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März 20, Cleto. Henricus Collis an den Franziskanerkonvent von Straßburg. Kopie: Strasbourg, Archives de la Ville, AA 200/7rv. Regest: AC II 3, Nr. 4268 Erw.: Woelki, Legato scomodo (wie Anm. 8), 76f.

Erwurdigen vetter. Von unsern sachen wer vil zu schriben, aber wenig ist dovon zu ußtrage broht, deshalb das unser allerheiligster vatter157) allwent siech im bett lit. By den allererwurdigsten vettern den cardinalen bin ich gewesen und ernstlich gemanet, was do nu bescheen mohte, also das der erste artickel von der bihte wegen158) von inen allen ußgeslossen ist. Von dem andern, nemlich dem kirchengange159) do finde ich sie nit einhellig, sunder ettlich sust und ettlich so. Von dem dirten160) sint vil disputierung under den cardinalen, darunder der cardinalis Metensis161) furwendet, das das inbroht sy von zehenden wegen, die nit wol im leben bezalt sint, deshalb die lutpriester in Britania den nunden teil nement alles guts so der abegangen verlossen hat. Ein ander cardinal sprichet, das sollich gewonheyt ouch sy zu Venedye und anderswo, aber es ist, war der abegangen, der das hat, besetzet es selbs, und darumb so ist es ein underscheyt zwuschent dem ußtrotten als by uns und gewilleklich in tode besetzen. Doch so habe ich es broht in disen beslusß, das der cardinal von Metz understanden hett, einen friden zu machen zwuschent inen und uns. Als habe ich furgewant unser friheit, doby wir allwent bliben wollent. Ouch so habe ich furgewant den geschrey des volckes und die untregeliche burde des ultimum vale162), und mir ist globt worden, das es dozu broht werden sol, das es furbaß nit ston sol zu der luterpriester willen, sollichs also von den monschen zu bringen, und under allen dingen so ist gutz, das die statt nit abestandent, sunder steteklich schribent und schrigent.

) Nikolaus V. Zu seiner Krankheit siehe AC II 3, 4194 Anm. 2. ) Die jährliche Beichte, vgl. die Anklagepunkte des Straßburger Offizials, Punkt 12, ed. Oliger, Apologie (wie Anm. 113), 168; Apologie, Punkt 1; AC II 4, Nr. 4391 (Beschlüsse der Mainzer Provinzialsynode, Aschaffenburg, 15.–21. Juni 1455), hier als Punkt 2: 966 Z. 13f. mit Anm. 3. 159) Der Messbesuch, vgl. die Anklagepunkte des Straßburger Offizials, Punkt 6, ed. Oliger, Apologie (wie Anm. 113), 167; AC II 4, Nr. 4391 (Beschlüsse der Mainzer Provinzialsynode, Aschaffenburg, 15.–21. Juni 1455), hier 966, hier als Punkt 1: Z. 11ff. mit Anm. 2. 160) Hiermit dürfte das ultimum vale gemeint sein. Siehe unten, Anm. 162. 161) Guillaume Hugues d’Étaing. Zu ihm: Müller, Heribert, Vom Konzil zur Kurie. Eine kirchliche Karriere im 15. Jahrhundert. Guillaume Hugues d’Étain, Archidiakon von Metz und Kardinal von Santa Sabine († 1455), in: Zeitschrift für Kirchengeschichte 110 (1999), 25–52. 162) Zum ultimum vale vgl. die Anklagepunkte des Straßburger Offizials, Punkt 10, ed. Oliger, Apologie (wie Anm. 113), 168; AC II 3, Nr. 4268, Anm. 3; AC II 4, Nr. 4391 (Beschlüsse der Mainzer Provinzialsynode, Aschaffenburg, 15.–21. Juni 1455), hier Nr. 5: 966 Z. 17 mit Anm. 6. 157 158

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Von unserm widersachen do ist meister Joß Albrant163) allein zwen tage vor mir gen Rome kommen und hat briefe broht von unserm herren von Strasburg164) und siner pfaffheit uns vor den cardinelen Sancti Angeli165) und Metensis von vil sachen schuldigende und besunder min persone von irrungen, die ich gebrediget haben solle, und als balde das fůr den cardinal Sancti Angeli broht wart, frogete er ine noch den artickeln, dwile ich noch nit gegenwertig was, und sprach: „Zaygent mir eine irrung, dwile ir sagent, das es irrung sient, und erclerent, wie sie zu verstonde sient.“ Do sweyg er. Desglich tett er ouch vor dem cardinal Metensis, und wenn er mich sach, so erschack er, und als ich sollichs vor den egenanten cardinalen furnam, do wante er die egenanten artickel zu gottesdienst, das wir zu zytlichen lutent zu mettin und zu den andern zyten166) und als ich antwortete, das wir gotsdienst begingent, wie dann das von ij.C joren in gewonheyt bisher were kommen, und konde er mir nit me furgeheben dann das er sprach, er wolt hundert gezugen finden, die do gedehtent, das das gantz ampt by den bettelorden begangen wer, ee das man froumesse lute in den stifften zu Strasburg, dem ich dagegen furgehept die nuwe bulle etc., und als er dawider nit me wissete zu reden, ging er zu mir und sprach gegen miner personen: „Was sagent ir die statt tete, was wir woltent, und werent under unserm gewalt, wie wir woltent, aber ir habent sie gemaht widerspenig und rotent inen, das sie uch anehangent und uns unser reht nit bezalent.“ Antwort ich: „Die statt was und wurt vor und noch mir. Gehullent sie unserm roten, wir rieten, das fur uns nultz und gut were, aber die verberige beswerung, die ir gegen inen furnement, die rotet inen.“ Wir habent ouch vil anders boses gehort, die do nit zu schribende sint. (verso) Und ouch als uns die statt warnete, so arbeytent sich ettlich bystum in disen sachen.“ Des sich der egenante unser widersach uberhept und gesprechen hatt: „Ir mussent es urberwinden alle bischofe des Rynes, ee ir erwerben uwer willlen und meynung.“, und verlet sich vast uff die satzung des cardinalis zu sant Peter ad Vincula167), dodurch alle ander unser umbwoner nie sint bekumbert worden dann wir noch bishar. Und darumb so bedahte den erwurdigesten vatter den meister predigerordens168), das die generalen zusammen koment und ettwas von den 163) Jodocus Albrant aus Bruchsal. 1421 in Wien immatrikuliert, 1451 Studium des kanonischen Rechts an der Kurienuniversität sowie Notar des apostolischen Palastes, seit 1455 päpstlicher Kollektor in Stadt und Diözese Straßburg Siehe: Schwarz, Kurienuniversität (wie Anm. 117), 736 Nr. 170, mit weiteren Verweisen v.a. auf die verschiedenen Bände des RG und RPG. 164) Ruprecht von Pfalz-Simmern, B. von Straßburg 1440–1478. Zu ihm den Art. von Rapp, Francis, in: Gatz, Erwin (Hg.), Die Bischöfe des Heiligen Römischen Reiches 1448 bis 1648. Ein biographisches Lexikon, Berlin 1996, Bd. 2, 608f. 165) Juan de Carvajal. 166) Dieser Punkt wird nicht ausdrücklich in den Schriften genannt. 167) NvK. 168) Martial Auribelli. Zu ihm: Creytens, Raymond, La déposition de maître Martial Auribelli O.P. par Pie II (1462), in: Archivum Fratrum Praedicatorum 45 (1975), 147–200.

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und andern sachen, die uns und unsern orden notdurfftig sint, underredent. So hat mir ouch ein cardinal geseit, das under dem bobest nuczit zu erwerben sy wider den cardinal zu sant Peter ad Vincula, und vor allen dingen, als ich vorgemeldet habe, so sol die statt mit uch nit uffhoren von dem ultimum vale, von dem andern ist es sleht. Geben zu Cleti in Calabrisen am XX tag des merczen.

Mikropolitische Aspekte der Herrschaft des Nikolaus von Kues als geistlicher und weltlicher Fürst in Brixen Erika Kustatscher

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ass die Geschichtswissenschaft nicht nur die sogenannten Big Events ernst zu nehmen hat, steht längst außer Streit. Gerade bei so gut beforschten Themen wie Nikolaus von Kues ist daher der Versuch reizvoll, in Bereiche vorzustoßen, die nicht unmittelbar sichtbar sind. Eigene, über zwanzig Jahre zurückreichende Forschungen zum Tiroler Spätmittelalter, in deren Fokus die Personengeschichte stand1), und das in den letzten Jahrzehnten weit jenseits dieses engen Rahmens entwickelte methodische Instrumentarium eröffnen Chancen, die über das, was man den Quellen direkt entnehmen kann, hinausgehen, doch ohne sich von ihnen zu entfernen – zumal wenn sie so vollständig und qualitativ hochwertig aufbereitet sind, wie es jetzt, seit dem Vorliegen der Acta Cusana, für Nikolaus von Kues der Fall ist. Das Grundkonzept der folgenden Ausführungen stützt sich auf Überlegungen von Wolfgang Reinhard, der das schon früh von ihm entwickelte Konzept „Verflechtung“2) letzthin durch den Begriff „Mikropolitik“ weiterentwickelt hat. Dieser bezeichnet Ähnliches wie einst Verflechtung, nämlich den planvollen Einsatz eines Netzes informeller Beziehungen zu politischen Zwecken, hat aber den Vorzug, dynamischer und flexibler zu sein; die Akteure sind Individuen und Gruppen, die auch hinsichtlich ihrer Eigeninteressen in den Blick zu nehmen sind. 3 ) Dass wir uns in einer Zeit bewegen, die die später selbstverständliche Trennung zwischen privatem und amtlichem Handeln nicht kannte, in der eine planvolle, heutigen Transparenz- und Systembegriffen genügende Ver-

1) Kustatscher, Erika, Die Städte des Hochstifts Brixen im Spätmittelalter. Verfassungs- und Sozialgeschichte von Brixen, Bruneck und Klausen im Spiegel der Personengeschichte (1200–1550), 2 Bde. (Veröffentlichungen des Südtiroler Landesarchivs 25), Innsbruck 2007. 2) Reinhard, Wolfgang, Freunde und Kreaturen. „Verflechtung“ als Konzept zur Erforschung historischer Führungsgruppen, in: Ders., Ausgewählte Abhandlungen, Berlin 1997, 289–310. 3) Reinhard, Wolfgang, Kommentar: Mikrogeschichte und Makrogeschichte, in: Nähe in der Ferne. Personale Verflechtung in den Außenbeziehungen der Frühen Neuzeit (Zeitschrift für Historische Forschung, Beiheft 36), Berlin 2005, 135–144, hier 135–137.

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waltung kaum in den Anfängen steckte4), in der es mithin eine Staatlichkeit im modernen Sinn noch nicht gab, während viel stärker auch personale Faktoren die Politik prägten, kommt diesem Ansinnen entgegen. Die Acta Cusana bieten hervorragende Möglichkeiten, die Personen rund um Nikolaus von Kues zu beobachten – und vielleicht auf diesem Weg neue Facetten seines Verständnisses von Herrschaft zu erkennen. Dies soll im Folgenden für die acht Jahre, in denen er sich im Bistum Brixen aufhielt, die schwersten seines Lebens5), also für die Zeit von April 1452 bis April 1460, geschehen. Die Basis der Analyse, die aus Raumgründen nicht erschöpfend sein kann, sind Stücke, in denen Nikolaus von Kues sowohl als geistlicher als auch als weltlicher Fürst persönlich agierte oder direkt angesprochen wurde, außerdem jene, in denen die Protagonisten rund um ihn vorkommen, soweit es sich um Personen aus der Diözese bzw. dem Hochstift Brixen handelte. Auswärts verankerte Personen werden mitgenommen, soweit sie in Tirol wirkten bzw. den Bischof in seinem Wirken unterstützten. Die Quellen lassen die Bildung von Gruppen geraten erscheinen: Amtsträger, Lehenträger, Familiaren und, im sozialen Gesamtgefüge weit darunter liegend, Lieferanten des Hofes. Zu den Familiaren sei schon an dieser Stelle vorausgeschickt, dass man sich darunter nicht nur jene von Nikolaus von Kues aus auswärtigen Diözesen rekrutierten mehr oder weniger prominenten Kleriker wie Peter von Erkelenz vorzustellen hat, die in der Forschung bereits mehrfach Beachtung gefunden haben6), sondern auch Laien, die gegen – meist geringes – Entgelt Dienstleistungen für ihn erbrachten. Diese Gliederung wird kombiniert mit der Differenzierung der Akteure nach ihrem persönlichen Status: Kleriker, Bürger der Hochstiftsstädte Brixen, Bruneck und Klausen, Adlige, fallweise auch Bauern und nach ihrem Stand kaum zuordenbare Personen. Das gemeinsame Analyseraster ist die jeweilige Nähe zum Bischof. Die Kriterien, die im Einzelfall maßgeblich sind, diese zu bestimmen, ergeben sich aus den Curricula selbst: Großes Gewicht ist der 4) Für die Rechnungslegung des Nikolaus von Kues zeigt dies treffend Woelki, Thomas, Bürokratisierung, Professionalisierung, Kommerzialisierung? – Tendenzen der Verwaltung des Hochstifts Brixen unter Nikolaus von Kues (1452–1458), in: MFCG 36 [im Druck]. 5) Hallauer, Hermann J., Nikolaus von Kues als Bischof und Landesfürst, in: Kremer, Klaus/Reinhardt, Klaus (Hg.), Nikolaus von Kues. Kirche und respublica Christiana. Konkordanz, Repräsentanz und Konsens, in: MFCG 21 (1994), 275–311, hier 275; wieder in: Hallauer, Hermann J., Nikolaus von Kues. Bischof von Brixen 1450–1464. Gesammelte Aufsätze, hg. von Erich Meuthen und Josef Gelmi (Veröffentlichungen der Hofburg Brixen 1), Brixen 2002, 3– 36, hier 3. 6 ) Schwarz, Brigide, Über Patronage und Klientel in der spätmittelalterlichen Kirche am Beispiel des Nikolaus von Kues, in: QFIAB 68 (1988), 284–310, hier 300–308; Prietzel, Malte, Amis,agents, alliés. Les réseaux personnels du cardinal Nicolas de Kues, in: Maillard-Luypaert, Monique/Marchandisse, Alain/Schnerb, Bertrand (Hg.), Éveques et cardinaux princiers et curiaux (XVe – début XVIe siècle). Des acteurs du pouvoir, Turnhout 2017, 167–179.

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Zuweisung von Aufgaben beizumessen, die über die Amtspflichten im engeren Sinn hinausreichten; hinzu kamen als relevante Faktoren Familiarenstatus und der Besitz von Hochstiftslehen, fallweise auch private Rechtsgeschäfte. Stets mitzudenken ist die territoriale Situation des Hochstifts, das mit der Grafschaft Tirol eng verzahnt war. Amtsträger der höchsten Ebene gehörten in der überwiegenden Mehrzahl dem Adel an. Die Brixner Bischöfe rekrutierten sie sowohl im Hochstift selbst als auch in der Grafschaft Tirol. In diesem Sinn kann der Reigen derer, die zu Nikolaus von Kues in einem Näheverhältnis standen, mit dem Hauptmann auf Säben eröffnet werden, Ulrich Halbsleben d. Ä., Deszendent eines der reichsten Geschlechter Brixens, das in Ulrichs Generation eine Phase des Übergangs vom bürgerlichen in den adligen Status durchlief7); er war bereits vor dem Regierungsantritt des Nikolaus von Kues im Amt gewesen. Von diesem selbst eingesetzt war hingegen der seit Ende 1457 amtierende Hauptmann zu Bruneck, Bartholomäus von Liechtenstein8), zuvor Hauptmann zu Brixen.9) Dem Sohn eines früheren Brunecker Stadthauptmanns, Sigmund Wirsung10), verlieh Nikolaus von Kues 1453, nach einer Zeit der Bewährung als Brixner Stadtrichter, das höchste Amt, das es im Hochstift gab, das des Hof- und Lehenrichters; auch als Privatmann bot er ihm jeden möglichen Rückhalt. 11 ) Wirsungs Nachfolger war Erasmus Gerhard 12 ), Lehenträger und Familiar des Kardinals mit bürgerlichen Wurzeln. Auf ein Näheverhältnis zu Nikolaus von Kues lässt auch all das schließen, was die Urkunden zu Georg von Vilanders13, Hofmarschall und Pfleger zu Salern in den Jahren 1452–145814, und über den in den ersten Brixner Jahren des Nikolaus von Kues amtierenden Hauptmann von Buchenstein, Ludwig von Sparnberg15), preisgeben. Als Letzterer Mitte 1456 schwer erkrankte, setzte er in seinem Testament Nikolaus von Kues als Vormund seiner Kinder ein.16) Als solcher agierte der

) Kustatscher, Städte II (wie Anm. 1), Beilage-CD, . ) Kustatscher, Städte II (wie Anm. 1), Beilage-CD, . 9) AC II 4, Nr. 4808; AC II 5, Nr. 4918, 4927, 4946, 4991, 4994, 5028, 5062, 5125, 5128, 5169; AC II 6, Nr. 5291. Zu dieser Familie: Pfeifer, Gustav, Nobilis vir dominus Heinricus de Liechtenstain. Spätmittelalterlicher Niederadel im Spannungsfeld zwischen Trient, Tirol und Brixen, in: MIÖG 105 (1997), 416–440, hier 430f. 10) Kustatscher, Städte II (wie Anm. 1), Beilage-CD, . 11) AC II 1, Nr. 2769, 3587f., 2934f. 12) Kustatscher, Städte II (wie Anm. 1), Beilage-CD, . 13) Kustatscher, Städte II (wie Anm. 1), Beilage-CD, . 14) AC II 1, Nr. 2791; seine Lehen: AC II 1, Nr. 3006; AC II, Nr. 3669; das Hofmarschallamt: AC II 1, Nr. 3005. 15) AC II 2, Nr. 3623; AC II 3, Nr. 4361. 16) AC II 5, Nr. 4840f. 7 8

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Kardinal nach seinem Tod gegenüber mehreren Parteien mit großer Entschiedenheit.17) Wie bei Bartholomäus von Liechtenstein lagen die familiären Wurzeln beider Amtsträger nicht auf Brixner, sondern auf tirolischem Territorium.18) Dasselbe gilt für Adolf von Oberweinper und Johann Stämpfl. Oberweinper war, ehe er als Pfleger auf Branzoll und dann als Stadtrichter zu Brixen wichtige Hochstiftsämter verwaltete, Richter im landesfürstlichen Sprengel Villanders.19) Stämpfl, unter Nikolaus von Kues Richter im brixnerischen Niedervintl, war der Sohn des Pflegers und Richters zu Gufidaun, also ebenfalls eines Tiroler Amtsträgers.20) Nicht nur historische, sondern weiterhin bestehende Interferenzen mit der Grafschaft bestanden bei deren Erblandmarschall, Kaspar Trautson, seit 1443 Pfleger der Brixner Burg Neurasen.21) Aufgrund ihrer Standesqualität für die höchsten Aufgaben weniger prädestiniert, dem Bischof aber nicht minder verbunden waren Amtsträger einer gleichsam zweiten Ebene, wie die Amtleute zu Brixen und Bruneck, außerdem der Stadtrichter und der Zöllner zu Bruneck. Johann Heus22) – auch seine Familie hatte ihre Wurzeln auf Tiroler Territorium – er gehört zu den in den Acta Cusana am häufigsten dokumentierten Personen. Als Hofamtmann hatte er die oberste Kontrolle über die Finanzgebarung und die Versorgung des Hofes. 1454 wurde er als Familiar des Nikolaus von Kues bezeichnet.23) Neben den Bezügen aus seinem Amt genoss er den Ertrag mehrerer Hochstiftslehen. 24 ) Noch dichter in den Acta Cusana präsent ist der Verwalter des Oberamts Bruneck, Georg Purenpeck25), der ebenfalls mit Fragen der Versorgung des Hofes bzw. persönlichen Bedürfnissen des Nikolaus von Kues befasst war; überdies bildete er häufig die Schnittstelle in der Kommunikation des Bischofs mit den Pustertaler Geistlichen und war eine ideale Integrationsfigur zwischen Fürst und Bürgerschaft. Ein ähnliches Muster

) AC II 5, Nr. 5108f., 5168, 5179. ) Zu den Herren von Vilanders: Köfler, Margarethe, Die Herren von Vilanders, in: Trapp, Oswald (Hg.), Tiroler Burgenbuch, Band 4: Eisacktal, Bozen/Innsbruck/Wien 1977, 199– 206; zu den Sparnberg: Kögl, Sebastian, Genealogisch-heraldisches Adelslexikon von Tirol und Vorarlberg, für den Druck bearbeitet von Olaf Stanger (Schlern-Schriften 364), Innsbruck 2015, Nr. 990. 19) Kustatscher, Städte II (wie Anm. 1), Beilage-CD, . 20) Kustatscher, Städte II (wie Anm. 1), Beilage-CD, . 21 ) Pichler, Eduard, Neurasen, in: Hörmann, Magdalena (Hg.), Tiroler Burgenbuch, Band 9: Pustertal, Bozen/Innsbruck/Wien 2003, 335–344, hier 338. Zur Familie: Schober, Richard, Die Urkunden des Trautson-Auersperg Archivs (Tiroler Geschichtsquellen 36), Innsbruck 1996, 7–27. 22) Kustatscher, Städte II (wie Anm. 1), Beilage-CD, . 23) AC II 3, Nr. 4037; in der für den Kardinal besonders schwierigen Zeit um 1458 gehörte er zu dessen treuesten Gefolgsleuten; AC II 6, Nr. 5474. 24) AC II 1, Nr. 3359f.; AC II 2, Nr. 3841. 25) Kustatscher, Städte II (wie Anm. 1), Beilage-CD, . 17 18

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verkörpern der Brunecker Stadtrichter Wolfgang Krumpacher26) und der Zöllner Balthasar Mentelberger.27) Den aus den Acta Cusana ebenfalls bekannten Pfleger der Burg Neurasen, den Brunecker Bürger Leonhard Retzer28), hatte Nikolaus von Kues nicht, wie die vier letztgenannten Amtsträger, von seinem Vorgänger übernommen, sondern selbst eingesetzt. Retzer, der sich 1453 bei der Bereinigung eines Kompetenzstreits zwischen dem Hochstift Brixen und der Grafschaft Görz bewährt hatte29), übernahm die Aufgabe 1456 für die Hälfte der üblichen Entschädigung.30) Im Herbst desselben Jahres geriet er in Görzer Gefangenschaft31), doch nur für kurze Zeit, denn bereits im November fungierte er wieder als Gerichtsbeisitzer in Bruneck.32) Nicht wegzudenken aus der Cusanus-Vita ist Gabriel Prack33), 1443–1458 Richter zu Thurn an der Gader, der in diesem Sprengel auch einen reichen Bestand an Lehen des Hochstifts besaß.34) In den Jahren 1453/54 regelte er Erbschaftsangelegenheiten mit seinem Schwager, eine Causa, in die Nikolaus von Kues persönlich eingriff.35) In für den Bischof schwierigen Situationen stellte er seine bedingungslose Loyalität unter Beweis.36) Im Umfeld der bekannten Schlacht im Enneberg37) reichte diese möglicherweise weiter, als es dem Kardinal lieb war.38) Nach dem blutigen Ereignis wurde er Pfleger in Buchenstein.39) Zwei der höchsten Amtsträger des Hochstifts unter Nikolaus von Kues wurden noch nicht genannt – mit Bedacht, denn ihre Profile fallen aus dem bisher skizzierten Rahmen. Kaspar von Gufidaun40), der in den dreißiger und vierziger Jahren als Hauptmann zu Bruneck bereits ein hohes Amt in der peripheren Verwaltung des Hochstifts innegehabt und in einem Näheverhältnis zum Stadtherrn gestanden hatte, erhielt kurz nach der Ankunft des Nikolaus von Kues in Brixen ein prestigeträchtiges Hofamt, das des Mundschenks.41) Bis 1453 liegen auch Nennungen ) Kustatscher, Städte II (wie Anm. 1), Beilage-CD, . ) Kustatscher, Städte II (wie Anm. 1), Beilage-CD, . 28) Kustatscher, Städte II (wie Anm. 1), Beilage-CD, . 29) AC II 2, Nr. 3506 30) AC II 4, Nr. 4742, 4751, 4754. 31) AC II 5, Nr. 4974. 32) AC II 5, Nr. 4994. 33) Kustatscher, Städte II (wie Anm. 1), Beilage-CD, . 34) AC II 1, Nr. 2865. 35) AC II 2, Nr. 3651, 3797. 36) AC II 2, Nr. 3511, 3577; AC II 5, Nr. 5096. 37 ) Hallauer, Hermann J., Die Schlacht im Enneberg. Neue Quellen zur moralischen Wertung des Nikolaus von Kues (Kleine Schriften der Cusanus-Gesellschaft 9), Trier 1969; wieder in: Hallauer, Nikolaus von Kues, Bischof von Brixen (wie Anm. 5), 129–154. 38) AC II 6, Nr. 5590, 5594, 5597, 5633, 5651, 5652, 5722. 39) AC II 6, Nr. 5754, 5755. 40) Kustatscher, Städte II (wie Anm. 1), Beilage-CD, . 41) AC II 1, Nr. 2728. 26 27

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als Hof- und Lehenrichter vor42), was realpolitisch mehr ins Gewicht fiel. Nikolaus von Kues behandelte ihn mit ungewöhnlicher Reverenz43) und gewährte ihm bei Bedarf Darlehen.44) Besonders aussagekräftig ist seine Bestellung ins ansonsten nur aus Domherren bestehende Gremium der Statthalter in den Jahren 1452 und 1453, als Nikolaus von Kues sein Bistum für längere Zeit verließ.45) Zum Jahr 1454 liegt ein Hinweis vor, der auf ein Nachlassen der Loyalität deuten könnte, nämlich die Begünstigung einer gegen Nikolaus von Kues rebellierenden Bande als Richter im landesfürstlichen Sprengel Rodeneck. 46 ) In dieser neuen Rolle agierte der Gufidauner bis zum Sommer 1456 vornehmlich als Gefolgsmann Herzog Sigmunds, wenngleich nicht in expliziter Gegnerschaft zu Nikolaus von Kues.47) Ausdrücklicher Erwähnung bedarf der 1456 vom Landesfürsten an ihn ergangene Auftrag, den Rodenecker Pfarrer Konrad Bossinger48), einen der engsten Vertrauten des Nikolaus von Kues49), zu maßregeln.50) Im April 1457 unterstrich Kaspar, wiewohl vom Bischof exkommuniziert, noch einmal seine lehenrechtliche Bindung an diesen51), im Sommer, im Zusammenhang mit der sog. Wiltener Affäre52), kam es dann zum endgültigen Bruch, weil der Gufidauner angeblich in die von Herzog Sigmund geplanten Anschläge auf Nikolaus von Kues involviert war.53) Ein ähnliches Grundmuster begegnet beim Hauptmann zu Bruneck, Leonhard von Völseck. 54 ) Die für seine Familie namengebende Burg war ein mit Herrschaftsrechten verbundenes Brixner Lehen.55) 1453 und 1455 wurden ihm Darlehen gewährt56), und wenig später empfahl ihn Nikolaus von Kues dem Bischof

) AC II 1, Nr. 2962, 3357, 3368, 3409, 3439. ) AC II 3, Nr. 4046. 44) AC II 2, Nr. 3757. 45) Baum, Wilhelm, Nikolaus Cusanus in Tirol. Das Wirken des Philosophen und Reformators als Fürstbischof von Brixen (Schriftenreihe des Südtiroler Kulturinstitutes 10), Bozen 1983, 355. 46) AC II 3, Nr. 4080. 47) AC II 4, Nr. 4746; AC II 5, Nr. 4856. 48) Trenkwalder, Alois, Der Seelsorgeklerus der Diözese Brixen im Spätmittelalter, Brixen 2000, Nr. 133. 49) Meuthen, Erich, Die letzten Jahre des Nikolaus von Kues. Biographische Untersuchungen nach neuen Quellen (Wissenschaftliche Abhandlungen der Arbeitsgemeinschaft für Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen 3), Köln 1958, 102. 50) AC II 5, Nr. 4831. 51) AC II 5, Nr. 5204. 52) Baum, Nikolaus Cusanus (wie Anm. 45), 356–364. 53) AC II 6, Nr. 5282, 5286, 5291, 5299 f., 5306, 5384, 5421, 5460; Baum, Nikolaus Cusanus (wie Anm. 45), 360–367. 54 ) Kustatscher, Städte II (wie Anm. 1), Beilage-CD, ; zur Familie Kögl, Adelslexikon (wie Anm. 18), Nr. 1117. 55) AC II 1, Nr. 3038, 3049. 56) AC II 1, Nr. 3231; AC II 4, Nr. 4556. 42 43

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von Trient als Schiedsrichter.57) Auch sein berühmter Freund Enea Silvio Piccolomini kannte und schätzte den Völsecker. 58 ) Dessen gewissenhafte Amtsführung59) wurde in Brixen anerkennend wahrgenommen: Als er im Frühjahr 1453 für einige Zeit außer Landes war, vertagten die Statthalter wichtige Akte auf die Zeit nach seiner Rückkehr. 60 ) Andererseits begegnet er 1455 häufig im Umfeld des Innsbrucker Hofes.61) Seit dem Frühjahr 1456 agierte er verstärkt im Nahbereich des Herzogs Sigmund, zunächst ohne Spitzen gegen Nikolaus von Kues.62) Dies änderte sich im Sommer 1457, als auch er sich auf die Seite der Gegner des Kardinals schlug – wenn auch nicht so aktiv wie Kaspar von Gufidaun.63) Im Juli wurde der Völsecker als Hauptmann zu Bruneck abgelöst64), und Nikolaus von Kues äußerte in einem an ihn gerichteten Schreiben mit Bezug auf die Wiltener Ereignisse seine Enttäuschung über die an den Tag gelegte Untreue.65) Im Januar 1458 stand er endgültig im Dienst des Tiroler Landesfürsten als dessen Kanzler.66) Eine kleinere Gruppe hoher Amtsträger hatte zu Nikolaus von Kues ein grundsätzlich korrektes, nicht aber von besonderer Nähe gekennzeichnetes Verhältnis. Als dieser im März 1456 die Herrschaft Taufers erwarb67), blieb die administrative Kontinuität an deren Spitze erhalten: Der noch von Herzog Sigmund eingesetzte Hauptmann/Pfleger, Cyprian von Leonburg 68 ), wechselte anstandslos in den Brixner Dienst über.69) Er nahm die Amtsgeschäfte umgehend auf70), noch ehe am 6. Mai die formelle Bestallung71) und, einige Tage später, die Huldigung der Untertanen 72 ) erfolgte. Anschließend entfaltete er eine rege Tätigkeit in stetem Austausch mit Brixen.73) Im Oktober 1456 erging an ihn ein Befehl von Seiten des Landesfürsten in der Causa Sonnenburg74), der seine Loyalität gegenüber Nikolaus ) AC II 2, Nr. 3697. ) AC II 2, Nr. 3830. 59) AC II 1, Nr. 2941; AC II 2, Nr. 3634; AC II 3, Nr. 4159, 4173, 4244, 4348, 4360, 4375; AC II 4, Nr. 4435, 4443, 4550, 4605, 4707, 4728. 60) AC II 1, Nr. 3326, 3391, 3464. 61) AC II 4, Nr. 4484. 62) AC II 4, Nr. 4705. 63) AC II 6, Nr. 5266, 5273, 5291, 5317, 5373, 5374. 64) AC II 3, Nr. 5317. 65) AC II 6, Nr. 5419. 66) AC II 6, Nr. 5463. 67) Hierzu Hallauer, Hallauer, Nikolaus von Kues, Bischof von Brixen (wie Anm. 5), 294. 68) Zur Familie Kögl, Adelslexikon (wie Anm. 18), Nr. 100 (Brandis). 69) AC II 4, Nr. 4670f., 4705, 4777. 70) AC II 4, Nr. 4728, 4772. 71) AC II 4, Nr. 4778; Vidimierung der Urkunde 1457; AC II 6, Nr. 5348. 72) AC II 4, Nr. 4791, 4797. 73) AC II 4, Nr. 4794; AC II 5, Nr. 4845; AC II 6, Nr. 5394. 74) Hierzu: Beuter, Bruno Hubertus, Ubi non est ordo, ibi est confusio. Konflikte und Konfliktlösungen im Leben und im Werk des Nikolaus von Kues (Europäische Hochschulschriften, Reihe XXIII 843), Frankfurt a. M. u.a. 2007, 80f. 57 58

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von Kues auf die Probe gestellt haben könnte.75) Deutlicher trat dieser Aspekt im November 1456 zutage, als, nach der Ermordung des Grafen Ulrich von Cilli, an diverse Pfleger, darunter auch Cyprian von Leonburg, die Weisung erging, ihre Burgen in erhöhter Alarmbereitschaft zu halten.76) Ähnliches wiederholte sich im Sommer 1457, als der Ton zwischen Nikolaus von Kues und Herzog Sigmund rauer wurde; damals verweigerte der Hauptmann dem Bischof die Mitarbeit.77) Der Besitz von Hochstiftslehen war ein weiteres Kriterium, an dem der Grad der persönlichen Verbundenheit der Amtsträger mit Nikolaus von Kues bewertet werden kann. Die Acta Cusana erfassen insgesamt rund 480 Personen, an die der Fürstbischof Lehen vergab.78) Ca. 180 von diesen wurden für die vorliegende Analyse namentlich erfasst, und zwar alle Bewohner, größtenteils Bürger, der Hochstiftsstädte (74), die Bewohner von Städten und Märkten unter landesfürstlich tirolischer bzw. Görzer Herrschaft (20), die Adligen (43), und einige Bauern (41), von Letzteren vollständig die Inhaber der Küchenmeierhöfe. Wie dieser Befund aus der Sicht des Lehenrechts zu beurteilen ist79), insbesondere ob es sich um klassische Vasallität oder nicht doch eher um einen Rechtstitel handelte, der letztendlich mehr Gemeinsamkeiten mit einem simplen Baurecht aufwies80), kann an dieser Stelle nicht erörtert werden. Es bleibt aber das Faktum, dass in den Brixner Lehenbüchern, aus denen die Acta Cusana schöpfen, adlige, bürgerliche und bäuerliche Lehenträger zu einer homogen wirkenden Gruppe verschmelzen. Außer Streit stehen dürfte, dass durch den Lehensempfang Bindungen zum Fürstbischof entstanden, die auch eine personale Dimension hatten; auch die Fassung der Regesten in den Acta Cusana ist Ausdruck dieser Deutung. Daher gebührt besondere Aufmerksamkeit jenen 132 Personen, die kein anderes Merkmal aufweisen als die lehenrechtliche Bindung an Nikolaus von Kues. Von diesen sind 111 in den Acta Cusana lediglich ein- bis fünfmal präsent, die meisten also ausnahmslos in Zusammenhang mit dem Lehensverhältnis, so dass sich kein scharfes Profil von ihnen gewinnen lässt. Bei immerhin 21 Personen ist indes eine dichtere Quellenpräsenz gegeben, und so sind ihre Curricula geeignet

) AC II 5, Nr. 4956. ) AC II 5, Nr. 5019. 77) AC II 6, Nr. 5320, 5336 78) Die nachfolgenden Ausführungen zu belegen, ist an dieser Stelle nicht geboten; eine genauere Analyse bleibt ein Desideratum. 79) Hierzu, den aktuellen Forschungsstand zusammenfassend und die Vielgestaltigkeit des Phänomens gerade im Spätmittelalter hervorhebend: Patzold, Steffen, Das Lehenswesen (C.H.Beck Wissen), München 2012, 107–116. 80 ) Grundsätzliche Überlegungen zu den Brixner Lehenbüchern, die auch ein diesbezügliches Problembewusstsein erkennen lassen: Lackner, Christian, Der Besitz des Hochstifts Brixen in Kärnten und Steiermark, ungedr. phil. Diss., Innsbruck 1984, 38–41. 75 76

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zu fragen, ob und inwieweit die lehenrechtliche Bindung ausreichte, ein wirkliches Näheverhältnis zum Bischof zu begründen. In diesem Fall stehen Negativbeispiele am Beginn. Das krasseste ist Georg Ragant81), Bürger und Hausbesitzer zu Bruneck. Dank einer soliden wirtschaftlichen Grundlage und vielfältigen Engagements gehörte er zu den Honoratioren dieser Stadt; 1446/47 war er Bürgermeister gewesen, und 1447–1449 hatte er als Stadtrichter die Interessen des Bischofs von Brixen vertreten. Schon früh hatte Ragant aber auch Bindungen an andere Herrschaftsträger gesucht: Im Juni 1449 begegnet er, zunächst einmalig, als Richter zu Sonnenburg, ab April 145282) in großer Dichte. In dieser Rolle, auch als Amtmann bezeichnet, agierte er im Streit der Äbtissin Verena mit Nikolaus von Kues mit Engagement als deren Prokurator – wodurch er auch ins Umfeld Herzog Sigmunds Eingang fand.83) Als sich der Streit Ende 1454 zuspitzte, wirkte Ragant vermittelnd.84) Im Juni 1454 von Nikolaus von Kues noch der Gruppe seiner „befreundeten Räte“ zugeordnet85), entwickelte er sich in den folgenden Monaten immer mehr vom neutralen Vermittler zum Parteigänger der Äbtissin. Im Februar 1455 war das Gasthaus seiner Schwiegermutter Anna Kramer-Peisser Schauplatz von Verhandlungen von Vertretern des Klosters und des Nikolaus von Kues über die Reform.86) Im Mai 1456 reiste er in Verenas Auftrag nach Freising.87) Im August desselben Jahres belegte ihn Nikolaus von Kues wegen seiner Treue zur mittlerweile gebannten Äbtissin88) mit kirchlichen Zensuren89) und wies ihn aus dem Hochstift aus.90) Adlige aus dem Umfeld Herzog Sigmunds engagierten sich für seine Rückkehr91), doch Nikolaus von Kues blieb bei seinen harten Auflagen.92) Im Mai 1457 noch in Innsbruck93), begegnet Ragant wenig später in wieder neuen Diensten, nämlich als Verweser der Hofmark Innichen. Gleichsam als Parallelfall zu Ragant, wenngleich kleineren Zuschnitts und ohne lehenrechtliche Bindung, ist der Klausner Bürger Erasmus Burgstaller zu nennen.94) Beide gemeinsam vertraten im Juni 1452 die Äbtissin am landesfürstlichen ) Kustatscher, Städte II (wie Anm. 1), Beilage-CD, . ) AC II 1, Nr. 2498. 83) AC II 1, Nr. 2612 f., 2647, 2659, 2660, 2675, 2681, 2730, 3076, 3078f.; AC II 2, Nr. 3594. 84) AC II 3, Nr. 4149. 85) AC II 3, Nr. 3993. 86) AC II 3, Nr. 4232. 87) AC II 4, Nr. 4793. 88) AC II 3, Nr. 4330. 89) AC II 5, Nr. 4911. 90) AC II 5, Nr. 4943, 4945, 5051. 91) AC II 5, Nr. 5052, 5058. 92) AC II 5, Nr. 5059, 5066. 93) AC II 5, Nr. 5241. 94) Kustatscher, Städte II (wie Anm. 1), Beilage-CD, . 81 82

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Hof in Innsbruck95), Burgstaller auch im August.96) In ähnlicher Rolle wurde er, jetzt seinerseits als Amtmann bezeichnet, sodann in der ersten Jahreshälfte 1455 bei Verhandlungen mit Nikolaus von Kues über die Klosterreform aktiv.97) Ehe er von Klausen nach Sonnenburg überwechselte, hatte er in Feldthurns, also auf landesfürstlich tirolischem Territorium98), gelebt. Vermutlich ist er auch identisch mit jenem Erasmus Burgstaller, der 1458 in Meran aufscheint – eine instabile Existenz also, in der für Werte von langer Dauer wie Loyalität kein Raum war. Erasmus Wenzels99) Berührungspunkte mit dem Hochstift Brixen sind durch die lehenrechtliche Bindung100) und die generelle Nähe, die in Zeugenschaften bei Rechtsakten Ausdruck fand101), positiv beschreibbar, einen neuralgischen Punkt stellte aber der Umstand dar, dass der in den Adel aufstrebende Brixner Bürger seit 1442 Pfandinhaber des landesfürstlichen Gerichts Feldthurns war, auf welches auch das Hochstift Anspruch erhob. 1455 erreichte Nikolaus von Kues diesbezüglich von Herzog Sigmund weitgehende Zugeständnisse, die Wenzels Position schwächten und eine belastende Rivalität entstehen ließen.102) Wenzel agierte immer selbstbewusster und scheute auch Konflikte nicht.103) Als sich 1457/58 die allgemeine Lage für Nikolaus von Kues zuspitzte, schlug er sich auf die Seite von dessen Gegnern.104) Auch Erasmus‘ Bruder Lazarus Wenzel105) war Lehenträger des Hochstifts.106) Bei der Teilung des väterlichen Erbes mit seinen Geschwistern im Jahr 1436 waren ihm u. a. ein Gasthaus und ein Haus am Säbnertor in Brixen zugefallen. Ersteres ist erwähnenswert, weil er dadurch in die Lage versetzt wurde, Gäste des bischöflichen Hofes zu bewirten bzw. diesem als Zulieferer zu dienen107), Letzteres, weil er in seinem Bestreben, besagtes Haus zu einem repräsentativen Sitz auszubauen, Fenster aus der Stadtmauer ausbrechen ließ, was ihm eine Klage von Seiten des Bischofs als Stadtherrn einbrachte. Wahrscheinlich verlor er das Haus deshalb um 1457 an Oswald von Säben, von dem er es 1460 zurückerwarb. Das Urteil von 1457 sprachen neun Personen aus dem Kreis enger Vertrauter des Nikolaus von ) AC II 1, Nr. 2659, 2660. ) AC II 1, Nr. 2731. 97) AC II 3, Nr. 4291, 4299, 4317, 4322, 4350, 4356; AC II 4, Nr. 4387. 98) Stolz, Otto, Politisch-historische Landesbeschreibung von Südtirol (Schlern-Schriften 40), Innsbruck 1937. Anastatischer Nachdruck Bozen 1971, 402. 99) Kustatscher, Städte II (wie Anm. 1), Beilage-CD, . 100) AC II 4, Nr. 3523. 101) AC II 1, Nr. 2920, 3179. 102) AC II 4, Nr. 4537, 4564. 103) AC II 5, Nr. 4874, 4885. 104) AC II 6, Nr. 5300, 5392, 5558. 105) Kustatscher, Städte II (wie Anm. 1), Beilage-CD, . 106) AC II 2, Nr. 3800. 107) AC II 2, Nr. 3682, 3766, 3835; AC II 3, Nr. 4066. 95 96

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Kues, und für seine Härte war mitentscheidend, dass Lazarus Wenzel öffentliche Kritik am Fürsten wegen seines Verhaltens in der Fehde Herzog Sigmunds mit den Brüdern Gradner108) geübt hatte.109) Oswald von Wolkenstein110) und seine Brüder111) trugen vom Stift Brixen die Burg Hauenstein zu Lehen.112) Aber auch im Fall des Sohns des bekannten Minnesängers waren die Faktoren, die sein Verhältnis zu Nikolaus von Kues belasteten, im Vergleich dazu übermächtig. Vollends zu dessen Gegner wurde er im Ringen um die Reform des Brixner Klarissenklosters, in dem seine Schwester Maria die Wortführerin gegen den gestrengen Kirchenmann war.113) Sein Bruder Michael, Domherr zu Brixen, verweigerte Nikolaus von Kues ebenfalls die Loyalität; aus diesem Grund wurde, als dieser 1457 verstarb, für Oswald auch die Regelung seines Nachlasses schwierig.114) 1455 agierte er als Unterhändler Herzog Sigmunds bei der Neubesetzung der Pfarre Fügen115), 1456/57 stand er auf der Seite des Grafen von Görz, der mit Nikolaus von Kues Fragen der schwierigen Nachbarschaft zu klären hatte.116) Nicht so problematisch wie die Fälle Ragant, Wenzel und Wolkenstein gestaltete sich das Verhältnis des Nikolaus von Kues zu Konrad Vintler117) und Georg Künigl118), Gefolgsleuten der Grafen von Tirol bzw. Görz.119) Im Fall des Kaspar

108) Hierzu nach wie vor: Jäger, Albert, Die Fehde der Brüder Vigilius und Bernhard Gradner gegen den Herzog Sigmund von Tirol, in: Denkschriften. Akademie der Wissenschaften in Wien, Philosophisch-Historische Klasse 9, Wien 1859, 233–301; Grass, Nikolaus, Cusanus und das Fehdewesen dargestellt am Beispiel der Gradner und Brunecker Fehde und des Thurgauer Krieges, in: Martinek, Oswin/Wachter, Gustav (Hg.), Arbeitsleben und Rechtsordnung. Festschrift Gerhard Schnorr zum 65. Geburtstag, Wien 1988, 771–804, hier 775–792. 109) AC II 5, Nr. 5237. 110) Kustatscher, Städte II (wie Anm. 1), Beilage-CD, . 111) Baum, Wilhelm, Nikolaus von Kues und die Wolkensteiner, in: Jahrbuch der Oswald von Wolkenstein-Gesellschaft 3 (1984/85), 133–161. 112) AC II 2, Nr. 3494. 113) AC II 3, Nr. 4205; dazu: Beuter, Ubi non est ordo (wie Anm. 74), 78f.; Cescutti, Eva, ‚Et clausa est janua‘: Maria von Wolkenstein, Nicolaus Cusanus und das „richtige“ Klosterleben, in: Geschichte und Region 12 (2003), 114–140. 114) AC II 5, Nr. 5206, 5208. 115) AC II 3, Nr. 4279. 116) AC II 5, Nr. 4974. 117) AC II 1, Nr. 2698, 2963, 3199, 3325, 3402 f., 3409; AC II 2, Nr. 3651, 3891; AC II 3, Nr. 4359; AC II 4, Nr. 4733, 4738, 4766; AC II 5, Nr. 4894, 4904, 4905, 4938, 4964, 5163; AC II 6, Nr. 5412. 118) AC II 2, Nr. 2778, 3400, 3506, 3510; AC II 3, Nr. 4291, 4317, 4322, 4350, 4355f.; AC II 4, Nr. 4784; AC II 5, Nr. 4856, 4903, 5005, 5057; AC II 6, Nr. 5652. 119) Zu den Vintler: Kögl, Adelslexikon (wie Anm. 18), Nr. 1105; zu den Künigl: Kustatscher, Erika/Hörmann, Magdalena, Ehrenburg, in: Tiroler Burgenbuch, Band 9: Pustertal, Bozen– Innsbruck/Wien 2003, 81–114.

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von Rasen120) bestanden außer der lehenrechtlichen Bindung121) noch weitere Beziehungen, die 1455 durch den Verkauf eines Hofes an den Bischof Gestalt annahmen.122) Andererseits gehörte eine Verwandte des Rasners, Agnes, zu jenen Brixner Klarissen, die den Reformversuchen des Nikolaus von Kues Widerstand entgegensetzten.123) Es dürfte Kaspars ausgleichendem Wesen zuzuschreiben sein, dass 18 seiner ehemaligen Gefolgsleute, die im Sommer 1454 dem Kardinal absagten, ihre feindseligen Aktionen in Grenzen hielten.124) Sigmund von Welsperg 125 ) hatte vom Stift Brixen Lehen im Raum Taisten inne126); 1455 kaufte Nikolaus von Kues von ihm mehrere Höfe.127) 1456 empfahl er ihn dem Pfleger zu Taufers, in dessen Sprengel er damals seinen Sitz hatte, zu besonderem Schirm128), und 1457 gewährte er ihm ein Darlehen.129) Im selben Jahr nahm der Welsperger sein Präsentationsrecht für die Pfarre Taisten wahr.130) Die hier angesprochenen Bindungen waren stärker als die Interessen, die Sigmund als Amtsträger des Grafen von Görz, der er als Pfleger zu Altrasen ebenfalls war, auch in den beiderseitigen Konfliktthemen131), umzusetzen bereit war. Auch im engeren Umfeld des Nikolaus von Kues erfreute er sich hoher Wertschätzung.132) Aus der Bürgerschaft der Hochstiftsstädte sind außer den Problemfällen Ragant und Wenzel auch solche bekannt, in denen die lehenrechtliche Bindung ans Hochstift der Existenz in demselben in jeder Hinsicht förderlich war; – die Nennung von Beispielen muss hier unterbleiben –, desgleichen die Berücksichtigung der Lehenträger aus landesfürstlich-tirolischen Städten bzw. Märkten und aus dem gehobenen Bauerntum, allen voran der Küchenmeier. Einige Lehenträger, die zugleich hohe Ämter innehatten, wurden bereits vorgestellt; bei ihnen war der Lehenbesitz, wie erinnerlich, nicht in allen Fällen eine Loyalitätsgarantie. Ein vorbehaltloses Näheverhältnis zu Nikolaus von Kues ist aber bei jenen zehn zu konstatieren, die auch seine Familiaren waren. Aufgrund der Dokumentationsdichte an erster Stelle zu nennen ist Küchenmeister Heinrich Gussenbach133), dem Nikolaus von Kues Objekte in Natz und ein Haus in Brixen ) Zur Familie: Kögl, Adelslexikon (wie Anm. 18), Nr. 834. ) AC II 5, Nr. 4947, 5183; AC II 6, Nr. 5414, 5698. 122) AC II 4, Nr. 4495–4497. 123) AC II 4, Nr. 4459. 124) AC II 3, Nr. 4020, 4080. 125) Zur Familie: Kögl, Adelslexikon (wie Anm. 18), Nr. 1145. 126) AC II 2, Nr. 2532f. 127) AC II 3, Nr. 4231; AC II 4, Nr. 4463, 4500. 128) AC II 5, Nr. 5041. 129) AC II 5, Nr. 5124. 130) AC II 6, Nr. 5398. 131) AC II 2, Nr. 2779; AC II 3, Nr. 3506. 132) AC II 1, Nr. 3400. 133) AC II 3, Nr. 4037. 120 121

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verlieh134); in der Zeit nach Nikolaus von Kues etablierte er sich auf der kommunalen Ebene.135) Ähnlich der Fall von Sigmund136) und Erasmus (Esemle) Söll137), beide Brunecker Bürger, die ob ihres Besitzes und ihres Engagements für die Gemeinde sowie der intensiven Einbindung ins private Rechtsgeschehen auf der Honoratiorenebene anzusiedeln sind. Sigmund138), der Handel mit Qualitätsprodukten betrieb, wurde zu einem bevorzugten Lieferanten des bischöflichen Hofes.139) Erasmus, bei dem der Familiarendienst in eine frühe Phase seines Lebens fiel, sollte 1486 zum Bürgermeister gewählt werden; 1490 begegnet er als stellvertretender Stadtrichter und in anderen Funktionen, die ihn als loyalen Untertanen des Bischofs von Brixen ausweisen.140) Als dritter Lehenträger und zugleich Familiar des Nikolaus von Kues aus Brunecks Bürgerschaft sei Georg Baumgartner141) kurz vorgestellt, der Stallmeister des Fürstbischofs142); wiederholt wurde er für kleinere Anschaffungen für den Hof oder für Nikolaus von Kues persönlich herangezogen.143) Auf gleich viele Nennungen in den Acta Cusana wie der mächtige Lazarus Wenzel, nämlich vier, brachte es Peter Obermair, der zwischen 1452 und 1454 von Nikolaus von Kues den gleichnamigen Hof in Lüsen und weitere Objekte ebendort sowie in St. Andrä zu Lehen empfing.144) Auch er belieferte regelmäßig den Hof in Brixen mit landwirtschaftlichen Produkten.145) Lüsen war eine Region des Hochstifts, wo dessen Besitz besonders dicht war; entsprechend hoch ist die Zahl der von dort stammenden Lieferanten des Hofes, für die stellvertretend Franz Maurer genannt sei146), auch er Besitzer mehrerer Hochstiftslehen.147) Nennungen als Zeuge und als Prokurator anderer Personen deuten auf eine über die große Masse der Bauern hinausreichende gesellschaftliche Etablierung des bäuerlichen Untertans im Hochstift. 16 aus den Acta Cusana bekannte Personen belieferten den fürstbischöflichen Hof mehr als einmal mit Lebensmitteln und anderen Produkten, ohne zugleich

) AC II 1, Nr. 2884; AC II 5, Nr. 4950f. ) Kustatscher, Städte II (wie Anm. 1), Beilage-CD, . 136) Lehen: AC II 1, Nr. 3019; AC II 4, Nr. 4394, 4511; Familiare: AC II 5, Nr. 4954. 137) Lehen: AC II 2, Nr. 2829, 2831, 3045, 3171; AC II 2, Nr. 3814, Familiare: AC II 2, Nr. 3540, 4037. 138) Kustatscher, Städte II (wie Anm. 1), Beilage-CD, . 139) AC II 6, Nr. 5354, 5377, 5542, 5556, 5652, 5673, 5695, 5709. 140) Kustatscher, Städte II (wie Anm. 1), Beilage-CD, . 141) Kustatscher, Städte II (wie Anm. 1), Beilage-CD, . 142) AC II 2, Nr. 3537; AC II 3, Nr. 4037; AC II 4, Nr. 4551; AC II 5, Nr. 4954; AC II 6, Nr. 5255. 143) AC II 2, Nr. 3799, 3806, 3933; AC II 3, Nr. 3980, 4060. 144) AC II 1, Nr. 2882 f., 2888; AC II 2, Nr. 3544, 3778. 145) AC II 2, Nr. 3742; AC II 3, Nr. 4120; AC II 3, Nr. 4126. 146) AC II 3, Nr. 4120, 4295. 147) AC II 2, Nr. 3191; AC II 4, Nr. 4748. 134 135

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Familiaren oder Lehenträger zu sein, die Mehrzahl aus Brixen. Am Beispiel jener wenigen, für die eine dichtere Dokumentation vorliegt, wird sichtbar, dass es in diesem Bereich eine klare Spezialisierung gab. Von den Familiaren war am Rande bereits die Rede. Sie verdienen indes auch eine systematische Analyse.148) Ein detaillierter Blick auf jene, die Nikolaus von Kues in den Brixner Jahren umgaben, 60 Laien und 20 Kleriker, ergibt ein schillerndes Bild. In regelmäßigen Abständen wurden die Familiaren, in der Regel in Zusammenhang mit der Zahlung der Gehälter, als Gemeinschaft mit namentlicher Nennung der einzelnen Mitglieder genannt. Vergleicht man die insgesamt sieben Listen aus den Jahren 1454–1457149), so zeigt sich, dass nur wenige den Dienst über den gesamten Zeitraum hinweg leisteten, während die Mehrzahl nur zeitweilig in diesem Status belegt ist. In allen Listen vertreten sind aus dem Laienstand lediglich Johann Rutsch und aus den Reihen der Kleriker Heinrich Walpot. Ein sprechendes Zeugnis der Inhomogeniät der Familia ist das Verzeichnis vom Juli 1454150), das die Mitglieder in vier Gruppen aufgliedert: Die erste ist nicht definiert, die zweite umfasst die Kapläne des Nikolaus von Kues, die dritte, mit der zweiten teilweise sich überschneidend, die sog. scutiferi, die vierte die officiarii. Aus der Reihenfolge der Namen können nicht dieselben Schlüsse gezogen werden, wie es von den Zeugenreihen der Urkunden her geläufig ist; selbst Geistliche und Laien sind darin vermischt, profilierte Persönlichkeiten stehen neben ganz unauffälligen. In einigen Fällen liegen in den Acta Cusana Vermerke über die Aufnahme eines Familiaren vor.151) Dass dies nicht für alle gilt, muss nicht nur den Zufällen der Überlieferung zuzuschreiben sein, sondern könnte auch anzeigen, dass es engere und losere Bindungen an den Kardinal gab. Auch scheint es so zu sein, dass jene, die in den Rechnungen einzig als Gehaltsempfänger aufscheinen, mehrheitlich die relativ niedrigeren Dienste ausübten, während anspruchsvollere Aufgaben jene übertragen bekamen, die nur gelegentlich als Familiaren bezeichnet wurden, manche vielleicht im Sinn einer eher ideellen Verbundenheit mit Nikolaus von Kues als in einem quasi-institutionalisierten Raum; in diesen Fällen war „Familiar“ eine Art Ehrentitel.152) Nicht in jedem Curriculum nahm der Familiarendienst denselben Stellenwert ein: Bei mehreren Bürgern der Hochstiftsstädte mittleren bis gehobenen Status stand

) Wichtig hierzu: Meuthen, Die letzten Jahre (wie Anm. 49), 97–103 ) AC II 3, Nr. 4037; AC II 4, Nr. 4551, 4580; AC II 5, Nr. 4869, 4954, 5103; AC II 6, Nr. 5255. 150) AC II 3, Nr. 4037. 151) AC II 1, Nr. 2771, 2780, 3007; AC II 2, Nr. 3489, 3537, 3538, 3539, 3540, 3541; AC II 3, Nr. 4007, 4081, 4099, 4108 f., 4152; AC II 5, Nr. 4846, 4890, 4900. 152) Die zuletzt gemachten und einige der nachfolgenden Ausführungen zu belegen, ist an dieser Stelle nicht geboten; eine genauere Analyse bleibt ein Desideratum. 148 149

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er am Beginn, bei Personen mit weniger markantem Sozialprofil am Ende der jeweiligen Laufbahn. Manche, die punktuell als Familiaren ausgewiesen sind, fehlen in den Listen überhaupt. Einige wenige müssen aufgrund ihres Wirkens dieser Gruppe zugeordnet werden, obwohl explizite Nennungen als Familiaren für sie nicht vorliegen, wie Sebastian Prack153), der Sohn des bekannten Enneberger Richters Gabriel, der schließlich ein bescheidenes Leben als Brunecker Bürger führte.154) Die 60 Laien, die als Familiaren anzusprechen sind, lassen sich nach der Art ihres Dienstes bzw. der jeweiligen Nähe zum Bischof in drei Gruppen einteilen. Maßgeblich für die Zuordnung zur Spitzengruppe (10 Personen) ist neben der Anzahl der Nennungen vor allem die Art der Tätigkeit, in der Regel verantwortungsvolle Sonderaufträge als Unterhändler des Nikolaus von Kues, die auf eine besondere Vertrauensstellung schließen lassen. Ausdrücklicher Erwähnung bedarf Johann Rutsch155), dessen Herkunft aus Enneberg, einem Sonnenburger Hintersassengebiet, eigentlich eine andere Laufbahn nahegelegt hätte.156) Er entwickelte in der Familia des Nikolaus von Kues aber ein derart markantes Profil157), dass der Kardinal sich auch dann, als Rutsch im Sonnenburger Streit von Amtsträgern des Landesfürsten gefangengenommen wurde 158 ), entschieden hinter ihn stellte. Er hatte de facto einen Status, der sich von jenem der Inhaber der Spitzenämter in der Verwaltung kaum unterschied. Gleich Johann Ketzler159), der aufgrund der ihm übertragenen Aufgaben der ersten Gruppe zuzuordnen ist160), ist er auschließlich als Familiar aktenkundig geworden. Andere Familiaren der obersten Riege kamen, wie erinnerlich, aus den Reihen der Träger höherer Ämter und der Inhaber von Lehen, wieder andere aus der Bürgerschaft der Hochstiftstädte. Balthasar von Spaur, Unterhauptmann zu Bruneck, leistete dem Bischof Kammerdienst161) – allerdings gegen ganz niedriges Entgelt. Küchenmeister Heinrich Gussenbach bekam zwar keine delikaten Sonderaufträge162) zugewiesen, aber da er unter Nikolaus von Kues sein bürgerliches Selbstverständnis dem Fürstendienst weitgehend opferte,

) AC II 6, Nr. 5619. ) Kustatscher, Städte II (wie Anm. 1), Beilage-CD, . 155) Erstnennung: AC II 2, Nr. 3538. 156) Seine Abwerbung wurde als Affront gegen das Kloster Sonnenburg wahrgenommen; AC II 5, Nr. 4945, 4996, 5227. 157) AC II 4, Nr. 4431, 4443, 4552, 4569, 4724, 4760; AC II 5, Nr. 5123; AC II 6, Nr. 5407, 5464, 5481, 5494, 5555, 5588, 5717. 158) AC II 4, Nr. 4682; AC II 5, Nr. 4945, 4996, 5030, 5038, 5050, 5052, 5058f., 5074, 5081f., 5089f., 5092, 5096. 159) Kustatscher, Städte II (wie Anm. 1), Beilage-CD, . 160) AC II 3, Nr. 4145, 4153, 4306, 4339; AC II 4, Nr. 4436, 4610, 4642, 4649, 4662; AC II 5, Nr. 4892, 5022, 5157. 161) AC II 6, Nr. 5730. 162) Die Einforderung des Weinzinses in Algund ist eher dem Tagesgeschäft zuzuordnen; AC II 2, Nr. 3858; AC II 5, Nr. 4949, 4962. 153 154

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wird er ebenfalls der Spitzengruppe zugeordnet. Insgesamt kann auch hier von Homogenität keine Rede sein, waren doch die Einzelprofile aufgrund jeweils anderer Merkmalkombinationen sehr unterschiedlich. Einer zweiten Ebene der Familiaren werden jene 26 Personen zugeordnet, deren Wirken sich auf Administratives im engeren Sinn, namentlich auf die Versorgung des Hofes, beschränkte. Mit ihnen vergleichbar sind jene, die dem Fürsten als Meister eines bestimmten Handwerks dienten, allen voran der Hofmaler Jakob von Seckau.163) Die 24 der untersten Ebene zugeordneten Familiaren, manche von ihnen als Köche oder Stallmeister dienend bzw., wie drei Personen mit dem Beinamen Narr(er)/Fatuus 164 ), ohne erkennbare Funktion, weisen keinerlei Berührungspunkte mit anderen Gruppen auf, und keiner von ihnen ist nach Herkunft und Sozialstand zuordenbar; sie scheinen sehr unspezifisch, aber jedenfalls für eher niedrige Dienste eingesetzt worden zu sein. Von den 20 Klerikern, die Nikolaus von Kues als Familiaren dienten, lassen sich 12 der Spitzengruppe zuordnen. Mit Ausnahme des Brixner Dompropsts Jakob Lotter165) kamen alle von auswärts, namentlich aus den Diözesen Trier, Lüttich, Freising und Köln sowie, allerdings nur in einem Fall, aus Florenz. Die mit Abstand bedeutendste Persönlichkeit war Simon von Wehlen, ein Neffe des Nikolaus von Kues166), gefolgt vom bekannten Sekretär Peter von Erkelenz167): Als Rentmeister waren beide entscheidend auch in die weltliche Regierung eingebunden. Einige Familiaren waren Kapläne des Kardinals, wie beispielsweise sein Beichtvater Ulrich Fabri.168) Große Handlungsspielräume gewährte Nikolaus von Kues weiters den Notaren, Sekretären und Kanzleiverwandten. Aus diesem Grund werden auch der Notar Georg Sewml169) und Mathias von Morsberg170), die nie ausdrücklich als Familiaren bezeichnet wurden, in dieser Gruppe geführt: Letzterer ist der einzige Kleriker, dem ein hohes Amt in einem peripheren Sprengel anvertraut wurde, nämlich die Verwaltung der Hauptmannschaft Buchenstein im Jahr 1457.171) 163) AC II 1, Nr. 3373; AC II 2, Nr. 3542, 3692, 3751, 3773, 3799; AC II 3, Nr. 4037; AC II 4, Nr. 4580; AC II 5, Nr. 4869. 164) AC II 3, Nr. 3911, 4028, 4037, 4073, 4130, 4328; AC II 4, Nr. 4427, 4628; AC II 5, Nr. 4990, 5305. 165) Santifaller, Leo, Das Brixner Domkapitel in seiner persönlichen Zusammensetzung im Mittelalter (Schlern-Schriften 7), Innsbruck 1924, 373–375. 166) Zu ihm Meuthen, Die letzten Jahre (wie Anm. 49), 101. 167) Zu ihm Meuthen, Erich, Peter von Erkelenz (ca. 1430)–1494, in: Zeitschrift des Aachener Geschichtsvereins 84/85 (1977/78), 701–744. 168) AC II 5, Nr. 4940. 169) AC II 3, Nr. 4068, 4078, 4085, 4150, 4151, 4164, 4232, 4270, 4298, 4299, 4312, 4313, 4322, 4323; AC II 4, Nr. 4508f., 4601, 4698, 4699, 4701, 4737. 170) AC II 5, Nr. 4947, 5145, 5183; AC II 6, Nr. 5314, 5407, 5536, 5546. 171) AC II 5, Nr. 5134.

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Von den Klerikern, die Familiaren waren, soll nun der Blick auf andere Personengruppen geistlichen Standes geweitet werden, vorab auf das Brixner Domkapitel. Aus der Cusanus-Forschung ist ein angeblich problematisches Verhältnis des Bischofs zu diesem geläufig.172) Allein es greift zu kurz, das Kapitel als Ganzes zu betrachten, die Aufmerksamkeit muss vielmehr den einzelnen Kanonikern gelten. Nicht übersehen sollte man, dass sich einige von ihnen in die Reformbemühungen einbinden ließen und aktiv mit dem Bischof zusammenarbeiteten. Zunächst Äußerliches: Die Zahl der in der Brixner Zeit des Nikolaus von Kues nachweisbaren Domherren beträgt 19.173) Von diesen gehörten bei seinem Regierungsantritt elf dem Kollegium bereits an, acht kamen bis 1458 hinzu. Drei gehörten dem Kapitel nicht während der gesamten Brixner Zeit des Nikolaus von Kues an – wegen frühen Todes bzw. wegen Resignation. Von den 19 Domherren stammten mindestens fünf (eher: sechs) aus der Diözese Brixen, alle weiteren aus Diözesen nördlich der Alpen. Hinsichtlich der sozialen Herkunft stehen 12 Kanoniker aus bürgerlichen Familien sieben aus dem Ritterstand kommenden gegenüber. Jene, die Nikolaus von Kues am nächsten standen, waren allesamt bürgerlicher Herkunft, während jene, die die Konfrontation nicht scheuten, aus adligen Familien kamen. Vier Kanoniker, allesamt langgedient, waren dem Oberhirten nicht nur in Loyalität verbunden, sondern standen in einem regelrechten Näheverhältnis zu ihm; als diesbezüglich wichtigstes gemeinsames Merkmal ist ihre Berufung ins Gremium der Stellvertreter in Zeiten längerer Abwesenheit des Kardinals aus Brixen zu nennen. Senior Jakob Lotter, auch Dompropst, Familiar und bischöflicher Kaplan, wurde gern als Unterhändler in wichtigen politischen Agenden herangezogen. Der nur wenig jüngere Gebhard Bulach war als Generalvikar vor allem in die geistliche Verwaltung eingebunden; 1456 vertrat er den Oberhirten bei einer Provinzialsynode in Salzburg174), 1458 bei einer Klerusversammlung in Brixen175). Er führte aber auch symbolträchtige Akte der weltlichen Herrschaft durch, wie beispielsweise die Entgegennahme der Huldigung der Untertanen des 1456 neu-

) Hallauer, Nikolaus von Kues, Bischof von Brixen (wie Anm. 5), 279 und 301. ) Die folgende Liste ist nach dem Jahr der Aufnahme gereiht; in Klammern die Nummer im Verzeichnis der Biogramme bei Santifaller, Das Brixner Domkapitel (wie Anm. 165), die auch als Referenz für weitere Nennungen im Fließtext gilt: Jakob Lotter (174), Gebhard Bulach (44), Konrad Judenfraß (134), Christian von Freiberg (67), Johann Nobilis (217), Theobald von Wolkenstein (396), Michael von Wolkenstein (399), Konrad Zoppot (405), Johann Ebner (55), Georg Golser (84), Michael von Natz (209), Leonhard Wiesmair (393), Christian Troysel (346), Konrad Tegmayr (342), Ulrich von Liechtenstein (169), Stefan Stainhorn (320), Wolfgang Neundlinger (211), Simon von Wehlen (386), Siegfried Nothaft (219). 174) AC II 4, Nr. 4737. 175) AC II 6, Nr. 5510, 5512, 5516. 172 173

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erworbenen Gerichts Taufers.176) Ab dem Sommer 1457 bewährte sich seine Verbundenheit mit Nikolaus von Kues in Gestalt einer geradezu rastlosen Reisediplomatie gemeinsam mit einem kleinen Kreis anderer Vertrauter des Oberhirten. 177 ) Konrad Zoppot, seit Juli 1452 oberster Rentmeister des Hochstifts 178 ), genoss ebenfalls eine Vertrauensposition, die weit über sein Amt hinausging. Der jüngste der engsten Vertrauten des Nikolaus von Kues aus dem Domkapitel war Michael von Natz, Generalvikar noch vor Gebhard Bulach. Ihm übertrug Nikolaus von Kues Visitationsvollmachten für mehrere Klöster.179) Häufig war er Unterhändler des Fürstbischofs in dessen Auseinandersetzung mit Herzog Sigmund.180) Seine Position war stark genug, dass er es sich in einzelnen Fällen gestatten konnte, bestimmte Aspekte des Handelns des Bischofs laut zu hinterfragen, wie die 1458 in Zusammenhang mit dem Interdikt an den Tag gelegte Härte in Fragen der Seelsorge.181) Ein Domherr nachgerade von Gnaden des Nikolaus von Kues war der bereits als Familiar vorgestellte Simon von Wehlen. Seine 1453 kundgetane Bewerbung um ein Kanonikat stieß in Brixen auf heftigen Widerstand182); im Spätherbst 1456 gingen seine Ambitionen nach zähen Verhandlungen mit der römischen Kurie dann aber doch in Erfüllung.183) Dieser Fall brachte dem Kardinal den Ruf des Nepotismus ein184), allein dem ist entgegenzuhalten, dass er Ausdruck des zeitgenössischen Verständnisses von Kirche als Benefizialkirche ist, das von den Inhabern der Pfründen lediglich die korrekte Erfüllung ihrer Pflichten forderte.185) Ein mehr als nur korrektes Verhältnis zu Nikolaus von Kues hatten Theobald von Wolkenstein186), Konrad Judenfraß 187), Johann Ebner188), Georg Golser189)

) AC II 4, Nr. 4797. ) AC II 6, Nr. 5308, 5416, 5437–5439, 5491. 178) AC II 2, Nr. 2715. 179) AC II 2, Nr. 2861, 3417, 3645f., 3652, 3739, 3743; AC II 4, Nr. 4379, 3796, 3855, 3898, 3923, 3930, 4043; AC II 5, Nr. 4829, 4830. 180) AC II 3, Nr. 4084; AC II 6, Nr. 5438, 5487, 5488, 5491, 5564, 5617, 5675, 5677, 5694. 181) AC II 6, Nr. 5499. 182) AC II 4, Nr. 4787; AC II 5, Nr. 4819, 4831, 4975. 183) AC II 5, Nr. 4995, 5010, 5033 f. 184) Meuthen, Die letzten Jahre (wie Anm. 49), 98. 185 ) Meuthen, Erich, Die Pfründen des Nikolaus von Kues, in: MFCG 2 (1962), 15–66; Meuthen, Erich, Neue Schlaglichter auf das Leben des Nikolaus von Kues, in: Haubst, Rudolf (Hg.), Das Cusanus-Jubiläum in Bernkastel-Kues vom 8. bis 12. August 1964. Die wissenschaftlichen Referate, in: MFCG (1964), 37–53, hier 46; Schwarz, Über Patronage (wie Anm. 6), 286–290. 186) AC II 1, Nr. 3373; AC II 2, Nr. 3773; AC II 3, Nr. 4066, 4117; AC II 6, Nr. 5306, 5438, 5467, 5487, 5488. 187) AC II 2, Nr. 3788, 3854; AC II 6, Nr. 5528. 188) AC II 5, Nr. 4975. 189) AC II 3, Nr. 3993; AC II 5, Nr. 4975; AC II 6, Nr. 5438. 176 177

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und Konrad Tegmayr. Letzterer wurde erst unter Nikolaus von Kues ins Domkapitel aufgenommen. Über seinen ersten Monaten lag der Schatten des für den Bischof hinderlichen Faktums, dass er die Weihen nicht in der Diözese Brixen empfangen hatte.190) Er konnte sich aber behaupten, und 1458 versuchte er gemeinsam mit seinen besser verankerten Mitkanonikern Michael von Natz und Theobald von Wolkenstein, den Kardinal zu einer milderen Vorgangsweise in der Frage der Seelsorge in Innsbruck zu bewegen.191) Gleichsam außer Konkurrenz ist bei dieser Fragestellung Leonhard Wiesmair, der, einst der vom Brixner Domkapitel gegenüber Nikolaus von Kues bevorzugte Kandidat für Brixen192), 1453 zum Bischof von Chur gewählt wurde.193) Nikolaus von Kues stand hinter diesem Akt, weil er an die Versorgung des Simon von Wehlen dachte.194) Im November 1456 erwirkte er die Bestätigung Wiesmairs als Bischof von Chur.195) Seither begegnet dieser als einer von mehreren Verhandlungsführern des Herzogs Sigmund in seinem Streit mit Nikolaus von Kues.196) Christian Troysel hingegen trat so wenig hervor, dass sich zu seinem Verhältnis zu Nikolaus von Kues keine Aussage machen lässt. Anders verhält es sich mit jenen vier Domherren, über die Nikolaus von Kues 1456 die Exkommunikation verhängte, weil sie sich der Verleihung des vormals Wiesmair’schen Kanonikats an Simon von Wehlen widersetzt hatten197); ihnen allen sollte die Präbende nicht mehr ausbezahlt werden.198) Dabei hatten die beiden älteren, Christian von Freiberg und Michael von Wolkenstein, beide schon lange im Domkapitel, anfänglich konstruktiv wie alle anderen mit dem Bischof zusammengearbeitet. Christian von Freiberg ging in der Wahl seiner Mittel im Kampf gegen Nikolaus von Kues so weit, 1457 die mit Gottesdienst und Predigt gefeierte Eröffnung der Diözesansynode durch gewaltsames Eindringen zu stören.199) Dies zog eine Anklage beim Apostolischen Stuhl nach sich.200) Im Sommer 1457, als

) AC II 4, Nr. 4729. ) AC II 5, Nr. 5467; AC II 6, Nr. 5487f., 5499. 192 ) Baum, Wilhelm, Nikolaus Cusanus und Leonhard Wiesmair. Der Kardinal und sein Gegenspieler, Kanzler von Tirol und Bischof von Chur, in: Der Schlern 57 (1983), 433–442. 193) AC II 3, Nr. 3469; AC II 4, Nr. 4811. 194) AC II 5, Nr. 4819, 4831, 4975. 195) AC II 5, Nr. 5010, 5033. 196) AC II 5, Nr. 5376; AC II 6, Nr. 5392, 5401, 5437, 5438, 5442, 5449, 5450, 5558. 197) AC II 4, Nr. 4787; AC II 5, Nr. 4975. 198) AC II 6, Nr. 5621. 199) AC 5217. Zu den Synoden vgl. Baur, Johannes, Brixner Synoden von ihren Anfängen bis zur Gegenwart, in: Der Schlern 24 (1950), 305–314, hier 308; zu besagtem Vorfall: Bihrer, Andreas, Die Diözesansynode als Hoftag des geistlichen Fürsten, in: Rösener, Werner/Fey, Carola (Hg.), Fürstenhof und Sakralkultur im Spätmittelalter (Formen der Erinnerung 35), Göttingen 2008, 235–260, hier 255. 200) AC II 5, Nr. 5218f. 190 191

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sich der Konflikt des Nikolaus von Kues mit Herzog Sigmund zuspitzte201), pflegte Freiberg mit diesem vertrauten Umgang. 202 ) Stefan Stainhorn und Wolfgang Neundlinger waren erst seit 1455 bzw. 1456 im Domkapitel. Ersterer trat in dem Konflikt am wenigsten hervor, und dass er im August 1458 gemeinsam mit dem Familiaren Heinrich Walpot den Kardinal in Andraz203) persönlich aufsuchte204), darf als Zeichen des Bemühens um Harmonie gedeutet werden. Neundlinger hingegen hielt an seinem Widerstand fest: Gegen den Entzug der Präbende suchte er die Unterstützung des Herzogs Sigmund, mit dem er auch im Sommer 1457 kooperierte.205) In den folgenden Monaten brachte er seine Opposition gegen Nikolaus von Kues zum Ausdruck, indem er trotz der über ihn verhängten Exkommunikation die heilige Messe feierte.206) Aus den Reihen der Dombenefiziaten agierte besonders Paul Greusinger aus der Diözese Regensburg im Nahbereich des Nikolaus von Kues.207) Auf die Inhaber von Pfarrpfründen in der Diözese kann wegen der großen Zahl an Namen (insgesamt 67), aber auch weil die meisten nur spärlich belegt sind, nicht genauer eingegangen werden. Ganz übergehen kann man das Thema aber nicht, weil die Seelsorge im Denken des Nikolaus von Kues eine vorrangige Kategorie war und er sich auch in diesem Bereich stark gefordert fühlte.208) An dieser Stelle genüge die Einteilung des Seelsorgeklerus je nach Nähe bzw. Ferne zu Nikolaus von Kues in fünf Gruppen, von aktiv mit ihm kooperierend (1) über wohlwollend (2), neutral/unbestimmbar (3), angespannt (4) bis zum offenkundigen Widerstand (5). Dieser Versuch ergibt folgendes Bild: 11 – 7 – 24 – 4 – 21. Die Gruppe 5 bilden jene Pfarrer und Pfarrvikare aus dem Inntal, die im Februar 1458 gegen die angekündigte Verhängung des Interdikts protestierten.209) Besondere Aufmerksamkeit gebührt Lorenz Hamer von Salburg (Thüringen), Pfarrer in Ahrn, Vikar in Enneberg, Pfarrer in Gais und Chorherr zu Innichen.210) Da er auch Kanzleischreiber des Nikolaus von Kues war211), gehörte er zu dessen

) Dazu zusammenfassend: Beuter, Ubi non est ordo (wie Anm. 74), 73–77. ) AC II 6, Nr. 5282. 203) Zum Hintergrund: Hallauer, Hermann J., Nikolaus von Kues als Kirchenreformer und Fürstbischof von Brixen, in: Kremer, Klaus/Reinhardt, Klaus (Hg.), Nikolaus von Kues 1401–2001. Akten des Symposiums in Bernkastel-Kues vom 23. bis zum 26. Mai 2001, in: MFCG 28 (2003) 103–134, hier 125f. 204) AC II 6, Nr. 5716. 205) AC II 4, Nr. 4811; AC II 6, Nr. 5282, 5306. 206) AC II 6, Nr. 5537. 207) AC 3746, 4052, 5145, 5205, 5218, 5541, 5684; Brixen, DA, Archiv des Domkapitels, Urkunde ddo. 1454 März 27; Brixen, DA, Konsistorialarchiv, Urkunde ddo. 1459 April 5. 208) Hallauer, Nikolaus von Kues, Bischof von Brixen (wie Anm. 5), 280–284. 209) AC II 6, Nr. 5514. 210) Trenkwalder, Seelsorgeklerus (wie Anm. 48), Nr. 468. 211) AC II 2, Nr. 2474, 2546, 2730, 2842, 3594; AC II 3, Nr. 4010, 4348. 201 202

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engstem Umfeld; er begegnet zudem als Notar212) und als Zeuge.213) Häufig fungierte er als Unterhändler bei politischen Verhandlungen von höchster Tragweite.214) In besonderer Weise kam seine vorbehaltlose Loyalität ab Ende 1457 zum Ausdruck215); damals zeigte er Ambitionen auf ein Kanonikat in Brixen. Als der Kardinal 1464 in Todi verstarb, war er an seiner Seite. Sein Bruder, Johann Hamer, 1443 Pfarrer zu Gais216), hatte unter Nikolaus von Kues die Pfarre Taufers inne.217) In den Quellen zwar weniger präsent als Lorenz Hamer, im Kreis der Vertrauten des Nikolaus von Kues aber noch stärker profiliert als er war der Pfarrer von Rodeneck, Konrad Bossinger, zugleich Chorherr am Kollegiatstift im Kreuzgang.218) 1456 unterstützte er den Kardinal in seinem Bestreben, die Übertragung des Brixner Kanonikats des Leonhard Wiesmair an Simon von Wehlen zu erwirken.219) 1458, zur Zeit des Interdikts, fungierte er als Schnittstelle zum Klerus der gesamten Diözese.220) Als Pfarrer von Rodeneck kam ihm seine Nähe zum Oberhirten ebenfalls zugute.221) Als Nikolaus von Kues 1458 nach Rom reiste, berief er Bossinger in den Kreis der für diese Zeit eingesetzten Stellvertreter222), als einzigen, der nicht dem Domkapitel angehörte. Anders gelagert war der Fall des Johann Steinberger, dem in seinem Bestreben, die Pfarre Fügen zu erhalten, der Umstand schadete, dass er der Kandidat Herzog Sigmunds war. Daher wurde er im Januar 1455 von Nikolaus von Kues nicht als Pfarrer, sondern nur als Vikar eingesetzt.223) Die definitive Übertragung der Pfarre an Steinberger lehnte der Bischof ab, weil er diese für einen eigenen Kandidaten, Degenhart Plankenberger, zu reservieren wünschte.224) Am Ende lenkte Nikolaus von Kues allerdings ein, vielleicht aufgrund eines Appells des Bischofs von Trient, der ihm in Erinnerung rief, dass die Seelsorge gefährdet sei225), vielleicht auch unter dem Druck Herzog Sigmunds, der den Pfarrhof besetzt hatte.226)

) AC II 5, Nr. 5145, 5193, 5205, 5218; AC II 6, Nr. 5261. ) AC II 1, Nr. 2895; AC II 4, Nr. 4399, 4448. 214) AC II 1, Nr. 2475, 2778, 2779; AC II 2, Nr. 3564, 3638, 3710, 3803, 3928; AC II 3, Nr. 4012, 4084, 4130. 215) AC II 6, Nr. 5424, 5429, 5749. 216) AC II 2, Nr. 2546; Trenkwalder, Seelsorgeklerus (wie Anm. 48), Nr. 467. 217) AC II 2, Nr. 3580; AC II 4, Nr. 4399. 218) AC II 2, Nr. 3746; AC II 3, Nr. 4313, 4322f. 219) AC II 5, Nr. 4831, 4975. 220) AC II 6, Nr. 5665, 5751. 221) AC II 6, Nr. 5615f. 222) AC II 6, Nr. 5738. 223) AC II 3, Nr. 4201. 224) AC II 3, Nr. 4228. 225) AC II 3, Nr. 4227. 226) AC II 3, Nr. 4262, 4265; AC II 6, Nr. 5437. 212 213

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Nicht einzeln erwähnt werden können mehrere von Äbtissin Verena präsentierte Kapläne zu Sonnenburg, die, wenig überraschend, ebenfalls nicht den Rückhalt des Ordinarius besaßen. Stellvertretend sei Andreas Mack aus der Diözese Eichstätt genannt227), der gegen die Übertragung des Hospitals an den Familiaren des Nikolaus von Kues Heinrich Pomert an den Heiligen Stuhl appellierte, allerdings erfolglos, denn der Kardinal hatte in Rom die besseren Kanäle228); er bewirkte, dass Mack zeitweilig sogar arretiert wurde, und erklärte ihn wegen seines Kontakts zu Äbtissin Verena von Sonnenburg als exkommuniziert.229) Differenziert zu beurteilen sind auch die Beziehungen des Nikolaus von Kues zu den Vorstehern der Stifte und Klöster seiner Diözese, die grundsätzlich eher auf der Seite des Landesfürsten standen230 – worauf an dieser Stelle aber im Detail nicht eingegangen werden kann. Aus der verwirrenden Vielzahl der Beobachtungen zeichnen sich nun einige Grundlinien ab: Erstens: Bei der Besetzung der Ämter war Nikolaus von Kues grundsätzlich um Kontinuität zur Zeit vor ihm bemüht; trotz allem Reformeifer suchte er keineswegs die Konfrontation mit der Führungsschicht seines Territoriums. In manchen Fällen erfuhr er auch seinerseits eine gewisse Akzeptanz. Hier kommt nicht zuletzt das für Nikolaus von Kues charakteristische Verständnis von Reform zum Ausdruck, das nicht Willen zur Neuerung, sondern Rückkehr zum jeweils eigenen Wesen bedeutete.231) Dem entspricht in der weltlichen Herrschaft das Festhalten am Gewohnheitsrecht und an der Tradition.232) Der gesamthafte Blick auf jene, zu denen er in näheren Kontakt trat, bestätigt den Befund, der sich für die Städte während des gesamten Spätmittelalters ergeben hat: Die Zone der intensivsten herrschaftlichen Durchdringung war das Pustertal mit dem Zentrum Bruneck, gefolgt von Brixen. Am schwächsten waren die Kontakte zu Personen aus Klausen. Zweitens: Der Kreis der als Amtsträger, Lehenträger und Lieferanten aktenkundig gewordenen Personen war eher heterogen; in vielen Fällen überschnitten diese Gruppen einander. Dieser Befund ist zu einem guten Teil der Bereitschaft des Nikolaus von Kues geschuldet, auch Personen bescheidener Herkunft eine Chance ) AC II 3, Nr. 4132f.; Trenkwalder, Seelsorgeklerus (wie Anm. 48), Nr. 1053. ) AC II 3, Nr. 4182f. 229) AC II 6, Nr. 5712. 230) Hallauer, Nikolaus von Kues (wie Anm. 203), 116. 231) Hallauer, Nikolaus von Kues (wie Anm. 203), 114; Iserloh, Erwin, Reform der Kirche bei Nikolaus von Kues, in: MFCG 4 (1964), 54–73, hier 58–60; Beuter, Ubi non est ordo (wie Anm. 74), 80f. 232) Hallauer, Hermann J., Nikolaus von Kues als Rechtshistoriker. Sein Kampf um die Bewahrung der Brixener Kirche, in: MFCG 24 (1998), 103–170, hier 103, wieder in: Hallauer, Nikolaus von Kues, Bischof von Brixen (wie Anm. 5), 39–104, hier 39; ebd., 302–304. 227 228

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zu bieten, wie sich insbesondere bei den Familiaren zeigt. Gemäß dem Bekenntnis zur Gleichheit aller Menschen war der Sozialstand in seinem Denken – er war ja selbst sozialer Aufsteiger233) – keine vorrangige Kategorie; dieses Kriterium trat hinter das der persönlichen Loyalität zurück. Kaum Anhaltspunkte lieferten die Quellen zur Bedeutung des Faktors Bildung: Engagement in der Praxis war ihm mindestens ebenso wichtig wie Gelehrtentum.234) Eher spielte der jeweils individuelle cursus honorum eine Rolle, mitunter auch Verwandtschaft. Drittens: Von einem Vorrang von Personen mit Wurzeln im Hochstift kann keine Rede sein; gerade in den Reihen der Amtsträger sowie der Inhaber von Lehen stellte eine Verankerung im landesfürstlich-tirolischen oder im Görzer Raum kein Hindernis dar – so wie die kirchlichen Mitstreiter des Kardinals aus der gesamten Germania Sacra kamen. Viertens: Den geistlichen Aufgaben maß Nikolaus von Kues nicht weniger Gewicht bei als den Pflichten eines Landesfürsten235); entsprechend der Idee von der Parallelität der geistlichen und weltlichen Hierarchie236) und des umfassenden Verständnisses von Kirchenreform237) ist auf der administrativen Ebene eine scharfe Trennung in vielen Fällen nicht möglich. Dass das Hochstift im Vergleich zur Diözese klein war238), wird zusätzlich in Rechnung zu stellen sein. Auch in der Seelsorge war Cusanus grundsätzlich um Kooperation bemüht: Mehrere, die ihn treu unterstützten, hatten bereits vor seiner Zeit in der Diözese Brixen gedient. Die letzte Überlegung, vielleicht die wichtigste, ist weniger ein Schluss als das Resultat eines negativen Befundes, der noch nachzutragen ist, nämlich die Einsicht, dass von insgesamt rund 540 Bewohnern der bischöflichen Städte, die aus der Zeit des Nikolaus von Kues namentlich bekannt sind239), in den Acta Cusana nur rund 210 vorkommen, und auch diese mehrheitlich eher am Rande. Rund 330 Personen scheinen überhaupt nicht auf, führten demnach ein Leben fernab des Politischen. Dies überrascht nicht so sehr für jene, von denen man kaum mehr als den Namen kennt, bemerkenswert ist eher, dass auch viele Angehörige der führenden Familien des Hochstifts, die in der Regel einzelbiographisch gut erschlossen sind, in den Acta Cusana nicht oder allenfalls mit einem Deszendenten vorkommen. Auffällig ist auch, dass die in Handwerk und Gewerbe tätigen Untertanen mit dem Bischof weniger in Kontakt kamen als jene, die auf agrarischer ) Hallauer, Nikolaus von Kues, Bischof von Brixen (wie Anm. 5), 300. ) Meuthen, Neue Schlaglichter (wie Anm. 187), 40. 235) Becker, Hans-Jürgen, Der Streit der Juristen. Nikolaus von Kues in der Auseinandersetzung mit Herzog Sigismund 1460–1464, in: MFCG 24 (1998), 81–102, hier 84f. 236) Bärmann, Johannes, Cusanus und die Reichsreform, in: MFCG 4 (1964), 74–103, hier 87. 237) Iserloh, Reform (wie Anm. 231), 54f. 238) Hallauer, Nikolaus von Kues (wie Anm. 203), 117. 239) Kustatscher, Städte (wie Anm. 1); passim; die nachfolgenden Schlüsse können nicht im Detail belegt werden. 233 234

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Grundlage wirtschafteten, mithin einem „feudaleren“ Muster folgten. Mit Blick auf die eben festgestellte Offenheit für alle Schichten ist hier wohl ein Beleg für die von Erich Meuthen konstatierte „Spannung im Leben selbst“ zu erkennen – und natürlich der Vorrang der Kategorie et-et vor aut-aut.240) Ähnlich, wenn auch nicht so markant ist das Ergebnis des Abgleichs der Namen der in der Diözese wirkenden Kleriker, die man aus den Acta Cusana kennt, mit jenen, die sich aus anderen Quellen 241 ) ermitteln lassen: In diesem Fall stehen 102 Klerikern, die von Nikolaus von Kues und seinen Mitarbeitern in irgendeiner Weise wahrgenommen wurden, 134 gegenüber, deren Wirken sich abseits seines sichtbaren Zugriffs abspielte.242) 67 von diesen waren als Pfarrer, Vikare oder Gesellpriester in der ordentlichen Seelsorge tätig, je 16 waren Inhaber von Dombenefizien bzw. von Benefizien in diversen Orten der Diözese, drei Chorherren im Kreuzgang zu Brixen. Selbst Domherren konnten am Ordinarius vorbei existieren, wie Ulrich von Liechtenstein und Siegfried Nothaft. So wird also klar: Auch große Persönlichkeiten hatten lediglich begrenzte Möglichkeiten der Gestaltung und Einflussnahme, wenn die Strukturen der Zeit, in der sie lebten, es nicht zuließen. Noch wichtiger als diese Einsicht ist der Befund einer insgesamt eher schwachen herrschaftlichen Durchdringung des Alltags: Er ist Beleg für die Richtigkeit von Otto Brunners Bild der altständischen Zeit, in der der einzelne im Grunde freier war als im Zeitalter der liberté.243)

) Meuthen, Neue Schlaglichter (wie Anm. 187), 48–52. ) Auf breiter Quellengrundlage erstellt ist eine Sammlung biographischer Daten zum Brixner Seelsorgeklerus, die die Zeit des Nikolaus von Kues einschließt: Trenkwalder, Seelsorgeklerus (wie Anm. 48). 242) Auch in diesem Fall sind detaillierte Nachweise an dieser Stelle nicht leistbar. 243 ) Vgl. hierzu prägnant Brunner, Otto, Die Freiheitsrechte in der altständischen Gesellschaft, in: Ders., Neue Wege der Verfassungs- und Sozialgeschichte, Göttingen 21968, 187–198. 240 241

Ein Schuman-Plan avant la lettre? Die Vorschläge des Nikolaus von Kues zu einer integrativen Tiroler Landesherrschaft (1457) Thomas Woelki treit belebt den Diskurs. Politische Konfliktsituationen sind Katalysatoren des Verfassungsdiskurses. Der Streit des Nikolaus von Kues mit dem Herzog Sigismund von Österreich brachte einige erstaunlich originelle Ideen zum Verhältnis von geistlicher und weltlicher Landesherrschaft zu Tage.1) Ob im spontanen Affekt oder als eruptive Entladung lange gereifter Gedanken, wird zu diskutieren sein. Im Herbst 1457, drei Monate nachdem Nikolaus von Kues aus Angst um Leib und Leben auf die Felsenburg Buchenstein geflohen war, präsentierte er einen überraschenden Unionsplan für das Hochstift Brixen mit der Grafschaft Tirol.2) Der Kernsatz, enthalten in einem Schreiben an den herzoglichen Kanzler Leonhard von Velseck3) lautet:

S

1) Fundamental zum Thema nach wie vor: Jäger, Albert, Der Streit des Cardinals Nicolaus von Cusa mit dem Herzoge Sigmund von Österreich als Grafen von Tirol. Ein Bruchstück aus den Kämpfen der weltlichen und kirchlichen Gewalt nach dem Concilium von Basel, 2 Bde., Innsbruck 1861. Einen nützlichen Überblick bietet Baum, Wilhelm, Nikolaus Cusanus in Tirol. Das Wirken des Philosophen und Reformators als Fürstbischof von Brixen (Schriftenreihe des Südtiroler Kulturinstituts 10), Bozen 1983; zu den signifikanten Mängeln des Werkes s. die Rezension von Heribert Müller, in: Archiv des Historischen Vereins für Niedersachsen 188 (1985) 249f. Wichtige Detailstudien sind gesammelt in Hallauer, Hermann, Nikolaus von Kues, Bischof von Brixen 1450–1464. Gesammelte Aufsätze (Veröffentlichungen der Hofburg Brixen 1), Bozen 2002. Zu den in diesem Zusammenhang zentralen juristischen Aspekten vgl. Grass, Nikolaus, Cusanus als Rechtshistoriker, Quellenkritiker und Jurist. Skizzen und Fragmente, in: Ders. (Hg.), CusanusGedächtnisschrift (Forschungen zur Rechts- und Kulturgeschichte 3), Innsbruck 1970, 101–210; Hallauer, Hermann, Nikolaus von Kues als Rechtshistoriker. Sein Kampf um die Bewahrung der Brixener Kirche, in: MFCG 24 (1998), 103–170; wieder in: Ders., Bischof von Brixen, 39–104; Becker, Hans-Jürgen, Der Streit der Juristen. Nikolaus von Kues in der Auseinandersetzung mit Herzog Sigismund 1460–1464, in: MFCG 24 (1998), 81–102 (hiernach zitiert); wieder in: Ders., Aspekte weltlicher und kirchlicher Rechtskultur: ausgewählte rechtshistorische Aufsätze, Regenstauf 2014, 537–558. 2) AC II 6, Nr. 5372 (1457 Oktober 10). Zu den Ereignissen vom Juni/Juli 1457. die zum Buchensteiner Exil führten s. AC II 6, Nr. 5278–5293. 3) Zu ihm s.u. bei Anm. 21.

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Auf solhs, daz das bistumb Brichsen mit allem dem, daz im zugehort und yecz hat oder hinfur gewynnet, und die grafschafft Tirol s u ll en a lsd an n e wic kl ich ver ai nt s ei n, wie dann zwo hennde veraindt sindt, die sich mit trewen zuainander geloben, als auch das die allten wappen der kirchen Brichsen und grafschafft Tirol wol beweisen, wann si ain und gleich sindt in solhen wappen, allain daz ain bischofstab in der kirchen wappen gesaczt ist in den roten adler.4)

Heraldische Kongruenz symbolisiert historisch gewachsene Identität, die am besten durch eine unverbrüchliche Schwurvereinigung wiederherzustellen sei. In den folgenden Sätzen wird der Plan etwas konkreter: ein Verteidigungspakt zwischen Herzog und Bischof, getreuliche Ausübung der Vogtei, die Herzog Sigismund als Graf von Tirol über die Brixner Kirche innehat, regelmäßiger Empfang und namentliche Benennung der damit verbundenen Lehen, ein automatisches Schiedsverfahren bei Streitigkeiten sowie Details zur zeremoniellen Herstellung der Schwurvereinigung der Untertanen beider Herren bei jeder Amtseinführung eines neuen Bischofs oder Herzogs. Gleichzeitig stellt Cusanus konkrete Gebietsforderungen: Die Gerichte im Eisacktal um Brixen herum, Rodeneck, Feldthurns und Gufidaun, seit Jahrhunderten verpfändeter ehemaliger Hochstiftsbesitz, sollten mit bischöflichen Geldmitteln ausgelöst und dem Hochstift unterstellt werden – totale Kostenneutralität für den ewig klammen Herzog und größere Sicherheit des Bischofs in seiner Residenzstadt. Den gleichen Plan formulierte Cusanus nur wenige Wochen später noch einmal, dieses Mal direkt an die Adresse des Herzogs, und zwar in Form einer Supplik – in viel schärferem Ton, begleitet von offenen Drohungen und rechtshistorischen Argumenten zu den eigentlichen Besitzverhältnissen in Tirol.5) Diese Idee der Vereinigung von geistlicher und weltlicher Herrschaft, einer geistlich/weltlichen Doppelspitze des Tiroler Landesregiments erscheint so faszinierend, dass es lohnen könnte, nach den Hintergründen der Texte und ihren Kontexten zu fragen. Es ist ja völlig offen, ob wir es sich hier um eine impulsive Krisenreaktion oder um einen wohldurchdachten Plan handelt. Das allesübertönende Motiv – Freiheit und Sicherheit der Brixner Kirche, also eine Wiederbelebung der alten Rede von der libertas ecclesiae, oft reduziert auf die Abwehr weltlicher Eingriffe – scheint nicht so recht zu den geforderten Maßnahmen zu passen: Eine Verschmelzung der geistlichen und weltlichen Machtsphären würde ja gerade das Gegenteil einer sicherheitspolitisch gebotenen Abschirmung des Hochstifts bewirken. Ein solcher Plan scheint auch nicht so recht in die Zeit zu passen, als vielerorts die Bischöfe darum bemüht waren, ihre Hochstiftsterritorien geopolitisch zu arrondieren und administrativ zu konsolidieren – die Grundidee einer ) AC II 6, Nr. 5372 Z. 19–24. ) AC II 6, Nr. 5383 (dem Herzog vorgelegt am 1. November 1457).

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geistlichen Landesherrschaft.6) Ein solcher Plan – Frieden durch Einheit – ruft eher andere Assoziationen ab als die aus der spätmittelalterlichen Landesgeschichte bekannten Entwicklungstendenzen. Frieden durch Einheit – das ist doch eigentlich das Ideenmuster von de pace fidei, das in der philosophischen Forschung schon gern einmal als Keim für den Europagedanken herangezogen wird.7) Somit enthält der im kürzlich erschienenen Band II 6 der Acta Cusana versteckte Tiroler Unionsplan des Nikolaus von Kues durchaus eine gesteigerte Chance zur Anschlussfähigkeit über die Fragen der Landesgeschichte hinaus, zumal die konkreten Vorschläge – Verteidigungsgemeinschaft, gemeinsame Schiedskommissionen bis hin zur Währungsunion, also Sicherheit durch Verflechtung – ja viel mehr mit dem Schuman-Plan von 1950, der Keimzelle der späteren Europäischen Gemeinschaft, gemeinsam haben als der visionäre Religionsdialog des Jahres 1453. Jenseits der verführerischen Anachronismen ist hier aber vor allem Grundlagenarbeit zu leisten: 1) sind die historischen Hintergründe zu rekonstruieren, 2) die konkrete Ausgestaltung und Funktion der Quellen zu diskutieren, 3) die inhaltlichen Aspekte einzuordnen. 1. Historischer Kontext: die Situation im Herbst 1457 Der sogenannte „Wiltener Überfall“ im Juni und Juli 1457 hatte die Bischofsherrschaft des Nikolaus von Kues komplett aus den Bahnen geworfen.8) Cusanus war damals zu Verhandlungen mit dem nach über einjähriger Abwesenheit gerade aus Wien zurückgekehrten Herzog Sigismund nach Innsbruck gereist. Die vielfältigen Konfliktfelder zwischen Herzog und Kardinal aber auch mit den lokalen Eliten aus Adel und Klerus hatten sich bis zur Grenze des Erträglichen aufgetürmt, von den Verhandlungspartnern zuletzt immer nur mühsam bis zur Rückkehr des 6) Zur Entwicklung in den Hochstiftsterritorien bislang maßgeblich: Janssen, Wilhelm, Der Bischof, Reichsfürst und Landesherr (14. und 15. Jahrhundert), in: Berglar, Peter/Engels, Odilo (Hg.), Der Bischof in seiner Zeit. Bischofstypus und Bischofsideal im Spiegel der Kölner Kirche. Festgabe für Joseph Kardinal Höffner, Erzbischof von Köln, Köln 1986, 185–244; Wüst, Wolfgang, Das Fürstbistum Augsburg. Ein geistlicher Staat im Heiligen Römischen Reich deutscher Nation, Augsburg 1997. Unter Einbeziehung des Hochstifts Brixen in den Vergleichsrahmen auch: Ders., Fürstliche Stiftsherrschaft in der Frühmoderne. Ein Vergleich süd- und nordalpiner Verhältnisse in Augsburg, Brixen, Eichstätt, Konstanz und Trient, in: Annali dell’Istituto storico italo-germanico in Trento 30 (2004), 285–332. 7) Eine explizite Herleitung eines für den Europagedanken fruchtbaren Akkulturationsmodells aus ‚De pace fidei‘ findet sich bei: Bidese, Ermenegildo/Rautz, Günther, Der Geist, der Europa vereint. Nikolaus von Kues’ Denken in der aktuellen europäischen Einheits- und Vielfaltsdebatte, in: Archiv für Rechts- und Sozialphilosophie 99 (2013), 283–308; Rautz, Günther, Einheit in Vielfalt. Ein europäisches Akkulturationsmodell für das interethnische Zusammenleben im 21. Jahrhundert (EURAC book 65), Bozen 2015, 109–119. 8) Zu den Ereignissen s. AC II 6, Nr. 5278–5293. Mit dem publizistischen Ringen um die Deutungshoheit dieses Ereignisses befasst sich der Beitrag von Johannes Helmrath in diesem Band.

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Herzogs verschoben.9) Das längst fällige Gipfeltreffen konnte fast nur frustrierend verlaufen. Die Atmosphäre war förmlich vergiftet von versteckten Demütigungen beider Seiten. Gerüchte verbreiteten sich, man wolle den Kardinal töten. Auf dem Hin- und Rückweg hörte der Kardinal von Straßensperren und Hinterhalten, die mehrmals im letzten Augenblick wieder geräumt worden waren. Den Höhepunkt markierte ein nächtlicher Tumult vor dem Schlafzimmer des Kardinals im Kloster Wilten.10) Cusanus sammelte Zeugenaussagen und war spätestens im Herbst 1457 überzeugt: Der Herzog selbst steckte hinter den Attacken; er habe sich nur im letzten Augenblick von seinen Räten aufhalten lassen.11) Nach der demütigenden Innsbruck-Reise flüchtete Cusanus umgehend auf die abgelegene Burg Buchenstein. Der Hof musste mit Saumpferden von Bruneck aus versorgt werden, weil die lokalen Erträge nicht ausreichten, selbst für den nun auf eine Handvoll Getreuer zusammengeschrumpften Familiarenkreis.12) Auf Saumpferden ließ er sich auch das Hochstiftsarchiv und seine Bibliothek nach Buchenstein schaffen.13) Er vervollständigte nun seine rechtshistorischen Studien und wusste spätestens jetzt genau, dass der weltliche Besitz der Bischöfe von Brixen bis zum 12. Jahrhundert das gesamte Bistum umfasste und darüber hinausging und dass die Grafen von Tirol die meisten dieser Gebiete als Hochstiftslehen erhalten hatten, um ihre Aufgabe als Schutzvögte der Brixner Kirche zu erfüllen.14) Jetzt hatte er auch wieder Zeit für die Philosophie, denn als vertriebener Bischof konnte er seinen pastoralen Aufgaben nicht mehr nachgehen.15) Hatte zuvor der totale Verzicht auf philosophische Arbeiten seit 1453 elementar zur Selbstinszenierung des Bischofs als aufopferungsvoller Seelsorger gehört16), kehrte sich diese episkopale Theatralik nun um: Nicht einmal eine einzige Predigt ließ Cusanus aus seiner Buchensteiner Zeit festhalten; wahrscheinlich stellte er das Predigen – Basiselement seines Verständnisses vom Bischofsamt – ganz ein.17) Dabei wären mögliche ) S. beipielsweise AC II 6, Nr. 5057–5061. ) AC II 6, Nr. 5278f. 11) So der Tenor in den von Seiten des NvK erstellten Berichten über den Wiltener Überfall; siehe v.a. AC II 6, Nr. 5279f. 12) S. die laufend vermerkten Ausgaben in der Brunecker Amtsraitung des Jörg Purenpeck; Brixen, DA, HA 5759; s. AC II 6, Nr. 5310, 5314, 5317, 5328, 5355, 5357f., 5378, 5380, 5382, 5406, 5412, 5416f., 5446, 5457, 5485, 5495f., 5499, 5503, 5505, 5507, 5525, 5528, 5531, 5534, 5537, 5543f., 5546, 5558, 5567, 5570, 5578, 5586, 5601, 5610, 5654, 5656. 13) AC II 6, Nr. 5331. 14) S. die Serie der wohl in dieser Zeit entstandenen Abhandlungen; AC II 6, Nr. 5469–5473. 15) In dieser Zeit enstanden die erste Fassung von ‚De mathematica perfectione‘ sowie der Traktat ‚De beryllo‘; s. AC II 6, Nr. 5715f. 16) So mehrfach zumindest andeutungsweise gegenüber den Tegernseer Mönchen; AC II 1, Nr. 2825 (1452 September 22); AC II 3, Nr. 3826 (1454 Februar 12); AC II 4, Nr. 4072 (1454 August 16). 17) Zum Predigtwerk des Nikolaus von Kues s. vor allem die Symposion-Bände MFCG 30 (2005), und 31 (2006); hierin für politische Funktion der Predigten besonders aufschlussreich die Beiträge von Kremer, Klaus, Einführung in die Gesamtthematik. Begründung des zweiteiligen Sympo9

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Predigtorte denkbar gewesen – die Buchensteiner Burgkapelle, die Pfarrkirche – auch nicht bescheidener, als die Kapellen im Ahrntal oder die Pfarrkirche in Natz, wo er früher gepredigt hatte.18) Die Inszenierung als verhinderter Bischof setzte er jedenfalls ganz explizit als politisches Druckmittel ein. Sogar beim Kaiser und beim Papst beklagte er sich, dass er „in dieser Wüstenei“ unter entwürdigenden Bedingungen Zuflucht suchen musste.19) Die diplomatischen Schreiben an die herzoglichen Räte, in denen Cusanus seine Verhandlungspositionen formulierte, rechneten mehrmals genau vor, wie lange der Kardinal nun schon auf Buchenstein verweilen musste, ohne dass die Gegenseite eingelenkt habe.20) Unsere beiden Schreiben aus dem Herbst 1457, an den herzoglichen Kanzler und dann an den Herzog selbst, gehören also in eine lange Serie ähnlicher Briefe und Memoranden, die die Verhandlungen der Räte beider Seiten flankierten und in denen die jeweils aktuellen Verhandlungspositionen protokolliert wurden. Beide Texte weisen dabei ganz eigene Besonderheiten auf, die für das Verständnis ihrer Inhalte zu beachten sind

sions und summarischer Überblick, in: MFCG 30 (2005), 11–41; Euler, Walter Andreas, Entwicklungsgeschichtliche Etappen und schwerpunktmäßige Themenverschiebungen in den Sermones?, in: MFCG 30 (2005), 71–91; Aris, Marc-Aeilko, Zur Soziologie der Sermones-Rezipienten, in: MFCG 30 (2005), 93–115, und Mertens, Volker, Die Predigt des Nikolaus von Kues im Kontext der volkssprachlichen Kanzelrede, in: MFCG 30 (2005), 171–190. Vgl. auch die Einführung von Rudolf Haubst zur Edition der Opera omnia, h XVI 0, XXIV–XXXV; Koch, Josef, Untersuchungen über Datierung, Form, Sprache und Quellen. Kritisches Verzeichnis sämtlicher Predigten (Cusanus-Texte I 7; SBH 1941/42, 1), Heidelberg 1942, 14–29. Speziell zu den Brixner Predigten auch Egger, Wilhelm, Die Kirche von Brixen zur Heiligen Schrift hinführen. Die Brixener Predigten des Nikolaus Cusanus, in: Trierer Theologische Zeitschrift 110 (2001), 294–307; Euler, Walter Andreas, Proclamation of Christ in selected sermons from Cusanus’ Brixen Period, in: Nicholas of Cusa and his age. Intellect and spirituality. Essays dedicated to the memory of F. Edward Cranz, Thomas P. McTighe and Charles Trinkaus, ed. by Thomas M. Izbicki and Christopher M. M. Bellitto (Studies in the history of Christian thought 105), Leiden 2002, 89–103; Serina, Richard J., Nicholas of Cusa’s Brixen sermons and late medieval church reform (Studies in the history of Christian traditions 182), Leiden, Boston 2016; sowie Walter Andreas Euler in diesem Band. 18) S. AC II 3, Nr. 4384: Predigt in der St. Nikolauskirche in Stegen bei Innsbruck (1455 Juni 8); Nr. 4401: Predigt in der neu geweihten Heiliggeistkapelle in Prettau im Ahrntal (1455 Juni 22); Nr. 4419: in Natz (1455 Juli 6). 19) Zur Klage beim Kaiser s. die Widmundsvorrede von ‚De caesarea circuli quadratura‘, ed. Menso Folkerts, Opera omnia XX, S. 173–179, hier 173: Compulit me pridie quaedam inopinata persecutio munitionem Andracii, quae Almanice Buchenstein appellatur, inhabitare. Ibi inter Alpes libris carens recreationis gratia inquirere coepi, si ne claro et facili modo semper quaesita et, ut fertur, nondum scita circuli quadratura posset reperiri. Das Zitat stammt aus einem Brief an die Stadt Innsbruck vom 9. Februar 1458; AC II 6, Nr. 5498 Z. 4: yn dißer wstemhey. Ahnlich Cusanus selbst in einem Bericht über seine Vertreibung; AC II 6, Nr. 5512 Z. 2. 20) AC II 6, Nr. 5450 (27 Wochen), 5498 (7 Monate), 5512 (32 Wochen).

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2. Quellenkritische Besonderheiten a) Leonhard von Velseck als Vermittlerfigur zwischen Herzog und Kardinal Der erste Brief ist vor allem durch die Figur des Adressaten bemerkenswert. Leonhard von Velseck war eine ganz eigentümliche Vermittlerfigur zwischen mehreren Sphären.21) Durch seine namensgebende Burg Velseck und das Landgericht Tiers war er zunächst vor allem ein Lehensmann des Hochstifts Brixen.22) Darüber hinaus war er als langjähriger Hauptmann der Burg Bruneck der wichtigste bischöfliche Repräsentant im Pustertal. Als solcher setzte Cusanus ihn mehrfach als Gesandten, Unterhändler und Statthalter ein – eine tragende Säule seiner Herrschaft.23) Cusanus fand sogar in dessen Schwester Afra von Velseck, die seit mindestens zwei Jahrzehnten im Kloster Sonnenburg lebte und dort inzwischen zur Dechantin aufgestiegen war, die einzige Unterstützerin in der feindseligen Sonnenburger Klosterwelt.24) Die widerspenstige Äbtissin Verena von Stuben sah Afra schon deswegen als diskreditiert an, weil sie durch ihren Bruder Leonhard viel zu eng an den Bischof gebunden sei.25) Dieser Leonhard war aber auch dem Herzog verpflichtet. Schon lange bevor Cusanus ins Land kam, wurde er von Sigismund als Gesandter nach Frankreich geschickt.26) Am Innsbrucker Hof hatte er spätestens ab 1455 das Amt des Kanzlers inne.27) Er trat sogar als Bürge für den Herzog in Erscheinung.28) Gerade die 21) Leonhard von Velseck († 1470), Pfleger zu Tiers, Hauptmann zu Bruneck und Kanzler zu Tirol. S. AC II 1, Nr. 2941 Anm. 4; AC II 2, Nr. 3830 Anm. 4. Vgl. jetzt auch Erika Kustatscher in diesem Band. 22) S. AC II 1, Nr. 3038 (1453 Februar 3): Belehnung mit der Burg Velseck und dem Landgericht Tiers; Nr. 3049 (1453 Februar 4): Lehensrevers des Leonhard von Velseck. Er erhielt auch eines der wenigen heimgefallenen und von NvK neu vergebenen Lehen; s. AC II 4, Nr. 4451 (1455 Juli 28). Vgl. dazu auch AC II 4, Nr. 4605. 23) Die zahlreichen Stellen sind zusammengetragen in AC II 7, 2095 s.v. 24) Vgl. v.a. AC II 4, Nr. 4643 (Einsetzung als Verweserin anstelle der abgesetzten Äbtissin Verena). Zu ihrer schwankenden Haltung im Sonnenburger Streit vgl. die zahlreichen Belegstellen in AC II 7, 2005f. Afra ist bereits 1428 als Nonne in Sonnenburg nachgewiesen, als sie in einem Protokoll über die Äbtissinnenwahl direkt hinter Verena von Stuben rangiert; Trient, StA, Sezione latina, Caps. 53 Nr. 11 (1428 Januar 1). Ab 1450 war sie Dechantin; s. Bertel, E./von Sternbach, L., Die Nonnen aus dem adligen Benediktinerinnenstift zu Sonnenburg im Pustertal, in: Der Schlern 65 (1991) 559–587, hier 573. Zum Sonnenburger Streit s. auch den Beitrag von Isabelle Mandrella in diesem Band. 25) S. AC II 3, Nr. 4039 Z. 69f.: wan ir bruder sein ratt und hawbtmann ist. Kritik an ihr äußert Verena vor allem in AC II 4, Nr. 4686. 26) AC II 1, Nr. 2941 Z. 4; Baum, Wilhelm, Sigmund der Münzreiche. Zur Geschichte Tirols und der habsburgischen Länder im Spätmittelalter (Schriftenreihe des Südtiroler Kulturinstituts 14), Bozen 1987, 112f. 27) S. Innsbruck, TLA, Oberösterr. Kammerraitbuch 0 (1454/1457), Teil 1 f. 7r, 17rv, 20r, 25rv, 29r, 60r. 28) AC II 5, Nr. 4702 Z. 13, 4705, 4708; AC II 6, 5464, 5478 Anm. 1.

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Figur des Leonhard von Velseck steht für eine langfristig zu beobachtende Tendenz der Hochstiftspolitik – die personelle Verflechtung der Eliten von Grafschaft und Hochstift wurde nicht als feindliche Infiltration abgewehrt, sondern geradezu gefördert. Weitere Beispiele sind leicht zu finden: Der als Schenk, Lehensrichter und zeitweilig als Statthalter des Bischofs fungierende Kaspar von Gufidaun war gleichzeitig als Pfleger von Rodeneck der Grafschaft Tirol verpflichtet, wie bereits sein Vater Berthold lange zuvor.29) Der herzogliche Pfleger von Taufers, Cyprian Leonburger, blieb nach dem Kauf der Burg einfach im Amt und diente nun dem neuen Herrn von Taufers, Cusanus.30) Nicht exklusive Loyalität, sondern im Gegenteil die Doppelbindung zu Herzog und Bischof schien angestrebt. Das Prinzip ‚Sicherheit durch Verflechtung‘, Kernelement des hier untersuchten Einigungsplans, war offenbar keine spontane Kreation, sondern gehörte seit langem zu den Leitlinien der bischöflichen Politik. Cusanus hatte es nicht neu eingeführt, sondern von seinen Vorgängern übernommen.31) Allerdings war dieses Prinzip gerade in diesem konkreten Moment auf dramatische Weise implodiert: Kaspar von Gufidaun selbst, der einstige Lehensrichter und Statthalter des Nikolaus von Kues, hatte auf der Lauer gelegen und galt das potentieller Bischofsmörder.32) Cyprian Leonburger und eben Leonhard von Velseck wurden umgehend als bischöfliche Hauptleute abgesetzt und erhielten vom Herzog andere Burgen als Entschädigung.33) Leonhard hatte sich insbesondere dadurch verdächtig gemacht, dass er es war, der den Kardinal zu der Reise nach Innsbruck überredet hatte. „Nehmt nur zehn Mann mit – die Wege sind sicher!“, hatte der Velsecker sogar behauptet.34) Doch noch wollte Cusanus nicht wahrhaben, dass ihn sein eigener Hauptmann in die Falle locken wollte. Der endgültige Bruch folgte erst etwas später, nachdem Leonhard von Velseck dem Bischof eine eine herzogliche Appellation überbringen ließ.35) Ein bitterböser, 29) Zu Kapar von Gufidaun s. AC II 1, Nr. 2728 Anm. 1, sowie die zahlreichen Verweise in AC II 7, 2034 s.v. Bezeichnend für die Nähe des Berthold von Gufidaun zum Brixner Bischof Ulrich Putsch ist seine Rolle bei Streitigkeiten um die Äbtissinnenwahl 1428/29, als im Auftrag des Bischofs massiven Druck auf die Nonnen ausübte; s. Trient, StA, Sezione latina, Caps. 53 Nr. 11 (1428 Januar 1), Nr. 15 (1429 März 2) Zur Familie auch AC II 6, Nr. 5428 Anm. 13f. 30) S. AC II 5, Nr. 4777f., sowie zahlreiche Verweise in AC II 7, 2045 s.v. 31) Zu den Vorgängern des NvK im Bischofsamt s. die Beiträge von Thomas Horst und Clémence Revest in diesem Band. 32) AC II 6, Nr. 5282, 5286, 5291f., 5299f. (hier mit Vorwurf des Mordkomplotts), 5309, 5422, 5506. 33) Zur Absetzung des Cyprian von Leonburg: AC II 6, Nr. 5309, 5321, 5337, 5375 Anm. 2. Er erhielt die Burg Ulten; s. AC II 1, Nr. 5337 Anm. 1. Zur Absetzung des Leonhard von Velseck s. AC II 6, Nr. 5309, 5318, 5320, 5420 Anm. 1. Er erhielt die Burg Hörtenberg; s. AC II 6, Nr. 5375. 34) AC II 6, Nr. 5266. 35) AC II 6, Nr. 5420 Z. 4–7: Als aber eur dyner Andreas iecz her zu uns komen und uns eyn smehlich appellacie insinuiert hait, haben wir nijt langer wollen verhalten, euch zu versuchen, sunder uns hait beducht, wir sullen euch clerlich scriben, wie wir euch halten. Gemeint ist offenbar die Mitte Dezember 1457 verfasste

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autographer Briefentwurf des Cusanus zeigt ganz deutlich, wie hart ihn der Verrat traf und wie wichtig für ihn die Mittlerfigur war.36) Eben diese Rolle sollte Leonhard im Oktober 1457 noch einmal übernehmen, als Cusanus ihm seine Pläne offenbarte. Der Kardinal vermied es offenbar ganz bewusst, Briefe direkt an den Herzog zu adressieren. Sogar, als der Herzog ihm persönlich schrieb, waren die Antworten stets an die Adresse der Räte formuliert. Der Grund lag wohl in den komplizierten Konventionen der Briefkultur, die es den Briefpartnern erlaubte und sie zwang, ihren Beziehungsstatus ständig zu aktualisieren.37) Die Beziehung zwischen Herzog und Bischof war aber gerade sehr verfahren: Cusanus brachte deutlich zum Ausdruck, dass er sich vom Herzog bedrängt und angegriffen fühlte – aber dennoch wollte er einen endgültigen Bruch unbedingt vermeiden. Also war bereits die Anrede kompliziert. Die übliche Form wäre gewesen: unser besunderlieber herr und freund. Freundschaft war der Normalstatus unter Fürsten und Prälaten – alles darunter war schon fast eine Fehde.38) Zwei Jahre zuvor hatte Cusanus einmal in einem autographen Entwurf eines Briefes an den Herzog den Freundestitel glatt gestrichen; damals eine bewusst kalkulierte Eskalation in einem Patronatsstreit über eine Pfarrei und im Streit um die Einlösung verpfändeter Gerichte.39) Das wollte er jetzt vermeiden. Das Vermeiden direkt an den Herzog adressierter Briefe war schon Provokation genug. Kurz zuvor hatte Cusanus eine Antwort an den Herzog mit einer kuriosen Begründung verweigert. Er antwortete stattdessen an die Adresse des Appellation Hz. Sigismunds; s. AC II 6, Nr. 5419. Die ansonsten in Frage kommende Appellation vom 6. Februar 1458 (AC II 6, Nr. 5489) wurde dem Kardinal durch Lorenz Blumenau überbracht; s. AC II 6, Nr. 5523. 36) AC II 6, Nr. 5420. 37) Vgl. zu diesem Komplex jetzt Woelki, Thomas, Cusanus im Dialog mit den Mönchen von Tegernsee. Kommunikative Strategien und Akzeptanzressourcen, in: Nikolaus von Kues. Denken im Dialog, hg. von Walter Andreas Euler (Philosophie. Forschung und Wissenschaft 50), Münster 2019, 211–230; Ders., ,Gnediger herr, last mich nit auf die fleichpank geben!‘ Zum Einsatz von Briefen in der politischen Kultur: Briefe zur Gradner-Fehde 1455/1456“, in: Der mittelalterliche Brief zwischen Norm und Praxis, hg. von Benoît Grévin und Florian Hartmann (Beihefte zum Archiv für Kulturgeschichte 92), Köln 2020, 311–331, jeweils mit der Lit. S. auch die Beitrag von Felix Melching in diesem Band. 38) Zum Formular von Fehdebriefen vgl. Wild, Joachim, Der Fehdebrief. Zur Diplomatik des Fehdewesens im Herzogtum Bayern, in: Hecker, Hans-Joachim u.a. (Hg.), Rechtssetzung und Rechtswirklichkeit in der bayerischen Geschichte (Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte. Beiheft. Reihe B 30), München 2006, 99–122; Konzen, Niklas, Legitimation des Angreifers, Fahndungshilfe des Verteidigers: Fehdebriefe in südwestdeutschen Adelsfehden des 15. Jahrhunderts, in: Rückert, Peter (Hg.), Briefe aus dem Spätmittelalter. Herrschaftliche Korrespondenz im deutschen Südwesten, Stuttgart 2015, 105–126, hier 108f. Ein an NvK gerichtetes Beispiel bietet AC II 3, Nr. 4020. 39) Die Streichung der Freundschaftsbekundung findet sich in AC II 3, Nr. 4218 Z. 7 (s. Apparat). Vgl. die Briefentwürfe im Patronatsstreit um die Pfarrkirche Fügen 1455; AC II 3, Nr. 4052, 4201, 4215f., 4227f., 4262, 4265f., 4269. Dazu vgl. Woelki, Dialog (wie Anm. 37), 221.

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Parsifal von Annenberg, als Hauptmann an der Etsch die rechte Hand des Herzogs in dieser Zeit.40) Der Grund: Hier in der Einöde war Cusanus ganz auf sich gestellt, ohne Kanzlei und Schreiber, also musste er Briefe eigenhändig schreiben.41) Der Herzog aber sollte keinen eigenhändigen Brief bekommen, denn das wäre als Zeichen besonderer Verbundenheit zu deuten gewesen. Derartige autographe Gunstbezeugungen erhielten nur die Räte, manchmal garniert mit Schmeicheleien über die edle Herkunft.42) Unser Schreiben an Leonhard von Velseck gehört in diese Reihe der Versuche, die traditionellen Verflechtungen mit dem herzoglichen Lager wiederzubeleben – sogar, und man möchte meinen: erst recht, in dieser Zeit. b) Parodie einer Supplik Unsere zweite Quelle scheint mit dieser Strategie zu brechen. Erstmals seit der „Wiltener Affäre“ schreibt der Kardinal dem Herzog direkt – aber in welcher Form! Nach drei Monaten des Wartens wisse er sein Anliegen nicht mehr anders vorzutragen als: durch ain supplicancz nach gewonhait ewrs hoffs.43) Der Kardinal als Supplikant vor dem Herzog! Selbstdemütigung, um den politischen Gegner in Bedrängnis zu bringen, eine altbewährte Strategie – man denke an Heinrich II. bei der Gründung des Bistums Bamberg, der skandalöse Kniefall des Königs.44) Alle Register werden gezogen, um den Herzog vor seinen Räten und Gefolgsleuten zu beschämen. Überhaupt ist diese Supplik rhetorisch schulmäßig konstruiert – nicht nach Art der Tiroler Kanzleilehrbücher wie für Suppliken üblich, sondern eher nach Art der klassischen Rhetorik.45) Die hier verwandten Motive sind zentral für ) S. AC II 6, Nr. 5326 (1457 Juli 27). ) AC II 6, Nr. 5326 Z. 4–8: Nu bin ich hie czu Puchenstain und hab fur war dheinen schreiber bei mir. Darumb bitten ich, ir wellet meinem herrn dem herczogen sagen, daz ich solh sein schreiben geren gehort habe … und welt mich entschuldigen, daz ich im nit schreibe. 42) Markantes Beispiel ist ein autographes Schreiben des NvK an Gf. Eberhard von Kirchberg; AC II 6, Nr. 5608 (1458 April 18): Und besunder hab ich eyn groß zuversicht zu euch, nah dem ir von bischoff Prunen selige, bischoven zu Prixen, edelen geslecht synt, der Prauneck gebuet und das gotshaws erhebt hat. Angesprochen ist die Verwandtschaft mit dem Brixner Bischof Bruno von Kirchberg (1250–1288). Auch Verena von Stuben wandte sich eigenhändig an den Grafen, um dessen Beistand zu erflehen; AC II 6, Nr. 5603 (1458 April 12). Zur Bedeutung autographer Briefausfertigung s. Woelki, Dialog (wie Anm. 37), 220–223; Ders., Fleichpank (wie Anm. 37), 320–323, jeweils mit Lit. 43) AC II 6, Nr. 5383 Z. 12f. 44) S. Weinfurter, Stefan, Heinrich II. (1002–1024). Herrscher am Ende der Zeiten, Regensburg 22000, 258. Allgemein zum Ritual: Gunkel, Christoph, Kniefall und Friedenskuss. Mit Demutsgesten und Bußritualen wurde im Mittelalter Politik gemacht, in: Großbongardt, Annette/Pieper, Dietmar (Hg.), Die Staufer und ihre Zeit: Leben im Hochmittelalter, München 2010, 161–165. 45) Zum Formular von Suppliken vgl. jetzt: Annas, Gabriele, Kaiser, Reich und Reichstag: Überlegungen zum spätmittelalterlichen Supplikenwesen, in: Mauerer, Esteban (Hg.), Supplikationswesen und Petitionsrecht im Wandel der Zeit und im Spiegel der Publikationen der Historischen 40 41

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den Typus der beschämenden Klagerede, conquestio, deren Loci vor allem eine krasse Diskrepanz zwischen ethischem Anspruch und wirklichem Handeln des Adressaten konstruieren.46) Der ethische Anspruch wird auf verschiedenen Wegen hergeleitet: Name und Titel, Tradition und Familie, Insignien und Zeichen. Als Vogt der Brixner Kirche müsste der Herzog vor allem um die Sicherheit des Bischofs besorgt sein – stattdessen verweigere er alles, das was hierfür unbedingt nötig sei.47) Der Herzog wende sich ab von der Tradition seines eigenen Hauses, das seit Jahrhunderten den Brixner Bischöfen beigestanden und ihre Rechte bewahrt habe, so wie einst Sigismunds Vater Friedrich IV.48) Cusanus weiß selbst aus umfangreichen Archivstudien, dass diese Sicht der Vergangenheit sehr verzerrt ist, aber das ist vor dem Hintergrund der rhetorischen Strategie dieses Textes nebensächlich. Sogar das Wappen der Grafen von Tirol zeuge von der Rechtmäßigkeit des bischöflichen Anliegens: die kaum zu leugnende Identität der Adlerwappen demonstriert die enge Verbundenheit von Grafschaft und Bistum.49) Fehlt noch der schlagendste Topos eine conquestio klassischen Stils, Undank für erwiesene Wohltaten.50) Hier übertrifft Cusanus sich selbst: „Ich habe 2500 Messen für euch und eure Gemahlin, eure Räte und Untertanen gelesen und werde das auch weiter tun!“51) Die vorauseilend einseitige Gebetsverbrüderung treibt das herzogliche Kommission (Schriftenreihe der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften 105), Göttingen 2020, 9–31, hier 16 zu der Supplik des NvK. 46) Siehe insbesondere Cicero, De inventione I 53 (99) sowie 55 (106), ed. Maria Greco (Università di Lecce. Studi di Filologia e Letteratura. Supplementi 3), Galatina 1998, 166, 170. Vgl. auch die anonyme Herenniusrhetorik mit der Bezeichnung commiseratio; Rhetorica ad Herennium II 30f. (47–50), ed. Friedhelm L. Müller, Aachen 1994, 86–90. Die klassischen Loci sind hier gut erkennbar: 1) Beteuerung der eigenen Standhaftigkeit trotz großem Unglücks; siehe Rhetorica ad Herennium II 31 (50), ed. Müller 90: animum nostrum fortem, patientem incommodorum ostendemus futurum; 2) Feindseligkeit gegen einen Freund; s. Cicero, De inventione I 54 (103), ed. Greco 168; 3) heimtückischer Angriff durch Personen, von denen man es am wenigsten erwarten würde; s. Cicero, De inventione I 56 (109), ed. Greco 174. Systematisch zum Ganzen: Lausberg, Heinrich, Handbuch der Literarischen Rhetorik. Eine Grundlegung der Literaturwissenschaft, Stuttgart 31990, 239 § 439, 590 § 1221. 47) AC II 6, Nr. 5383 Z. 21–37: … wann mein maynung ist, ew und ewr nachkomen fur vogt und schermer mein, meins capitels und underséssen geistlich und welltlich ewicklich zehaben … Und besunder main ich, ir werdet bedenckhen, wann ir mich nit erhoret, daz ich dann gedecht, daz ir solhs absluget, wann ir mich nicht woltet sichern und freyen in massen, wie mich bedunckt, daz mirs not sey. Vgl. auch Z. 72–74: … das ew bewegen mag, ansehen sullt und beweisen, daz ir ain edler furst und ain getrewer vogt und schirmer des gotshauss sein wollet … 48) S. AC II 6, Nr. 5383 Z. 61–63: Auch so habent die herren von Osterreich, graven ze Tirol, uncz an ew, als si ire lehen emphangen han, gross verschreibung dem gotshaus getan, das gotshaus in seinen freihaiten und rechten zehanndthaben und schirmen. 49) AC II 6, Nr. 5383 Z. 67–69: die grafschafft und gotshaus also gancz veraynigt warn, daz si auch ainen schillt haben mit ainem zusacz ains stabs in der kirchen schilt … Ähnlich die eingangs zitierte Stelle aus AC II 6, Nr. 5372. 50) Vgl. Lausberg, Handbuch (wie Anm. 46) 239 § 438. 51) AC II 6, Nr. 5383 Z. 89–93: Hochgeborner furst, last ew die supplicancie ingeen und erhort mich, wann ich mer dann xxvc messen gelesen han nachanander und ew und ewr gemahel, rett und undersessen in yeglicher messen zwie

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Schuldenkonto unvergoltener Wohltaten in unermessliche Höhen. Christliche Feindesliebe als aggressive Bloßstellung des politischen Gegners! Die Analyse der rhetorischen Strategien dieser eigentümlichen „Supplik“ macht die Beantwortung unserer Frage nach dem Charakter des eingangs zitierten politischen Unionsplans nicht leichter. Man könnte die Vorschläge zur engeren Verbindung von Grafschaft und Hochstift ja durchaus als Bestandteil der Demutsund Demütigungsstrategie sehen. Der Bischof verzichtet auf Souveränität und Selbstbestimmung, nur um ein wenig mehr Sicherheit für Leib und Leben zu erhalten. War eine solche Verbindung vielleicht eher eine Forderung der herzoglichen Seite, die längst das Hochstift als Teil ihres Machtbereichs – ihres „Landes“ – verstand und den Bischof zu einem Hofkaplan degradieren wollte?52) Es ist also nötig, die einzelnen Argumente und Forderungen genauer zu inspizieren und in den Kontext der Beziehungen zwischen Bischof und Herzog einzuordnen. 3. Inhaltliche Probleme Die vielfältigen, in den beiden Texten angesprochenen Aspekte des Verhältnisses zwischen Herzog und Bischof lassen sich unter drei Gesichtspunkten bündeln: Vogtei, Verteidigungsgemeinschaft und Landeseinheit. Auf diesen drei Ebenen sind die herzoglichen und bischöflichen Positionen seit dem Herrschaftsantritt des Nikolaus von Kues in Brixen im April 1452 gegeneinander abzuwägen, um die Pläne vom Herbst 1457 einordnen zu können. a) Vogtei Die Basisforderung lautet in beiden Texten: Der Herzog solle seine Funktion als Vogt der Brixner Kirche ernstnehmen und hiernach handeln.53) Auf diesen Begriff führte Cusanus das Verhältnis zwischen Graf und Hochstift letztlich zurück. Und hier manifestierte sich lange vor dem Zerwürfnis des Jahres 1457 der grundsätzliche Dissens zwischen ihm und der herzoglichen Seite.54) Für den Herzog dem allméchttigen got mit meiner begierd innicklich mit dem heiligen sacrament geopffert han und gedenckh auch das hinfur nit zelassen. 52) Zur Behandlung als Kaplan s. AC II I, Nr. 2818; AC II 2, Nr. 3756 Z. 67f. 53) AC II 6, Nr. 5372 Z. 5–11: Am ersten, wann ainem yeglichen fursten vor got und der welt loblich und eerlich ist, besunder den, die der gotsheuser vogtei und scherm an sich genomen haben, die gotsheuser, so das pas beschehen mag, bei seinen freyhaiten ze hanndthaben und zeschermen, und unser herr herczog Sigmund vil schoner lehen darumb hat, dadurch er uns und unser gotshaus bei unnsern wierden, freihaiten und privilegien zehanndthaben und zeschirmen, und die nicht zemynnern sunder zemern phlichtig und schuldig ist … 54) Umfassende Ausführungen des NvK zur Vogtei des Hochstifts Brixen sind enthalten in AC II 6, Nr. 5472. Hierzu vgl. Jäger, Streit I (wie Anm. 1), 199–202; Baum, Wilhelm, Eine Denkschrift des Nikolaus von Kues zur Geschichte der Vogtei des Bistums Brixen, in: Tiroler Heimat NF

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beinhaltete die Vogtei über ein Hochstift oder ein Kloster praktisch eine Art weltlicher Oberherrschaft. Es war ein ererbtes Privileg, das es zu verteidigen galt. Daher fühlte der Herzog sich regelmäßig in seinen eigenen Rechten verletzt, wenn der Bischof im Zuge von Klosterreformen auch die Temporalien der Klöster antastete, über die der Herzog die Vogtei beanspruchte. Musterhaft zeigte sich diese Konfliktsituation im Reformstreit um das Benediktinerinnenstift Sonnenburg im Pustertal, das den Herzog als Vogt eingesetzt hatte.55) Hier vertrat er konstant dieselbe, für Nikolaus von Kues inakzeptable Position: Der Bischof sei nur für die geistlichen Dinge zuständig (Gebetszeiten, Fastenregeln, allenfalls Klausurregeln); alles andere, also etwa Fragen der Verwaltung des Klosters, der Aufbewahrung der Kleinodien und ähnliches, habe er dem Vogt zu überlassen.56) Eine solche Trennung von geistlichen und weltlichen Angelegenheiten war Cusanus hingegen zutiefst fremd, sah doch sein Reformauftrag stets beides vor: tam in spiritualibus quam in temporalibus.57) Im Fall Sonnenburg sagt er es ganz klar: Die Äbtissin erhält bei ihrer Amtseinführung die geistliche und weltliche Gewalt vom Bischof – beides ist für ihn untrennbar verschmolzen.58) Die Vogtei eröffne gerade 50 (1986), 69–100. Grundlegend zur Entwicklung des Rechtsinstituts im Hochmittelalter: Riedmann, Josef, Vescovi e avvocati, in: Mor, Carlo Guido (Hg.), I poteri temporali dei vescovi in Italia e in Germania nel Medioevo. Atti della settimana di studio, 13 – 18 settembre 1976 (Annali dell’ Istituto storico italo-germanico in Trento. Quaderno 3), Bologna 1979, 35–76; Willoweit, Dietmar, Rechtsgrundlagen der weltlichen Herrschaft geistlicher Fürsten im Mittelalter, in: Annali dell’Istituto storico italo-germanico in Trento 30 (2004), 171–188, hier 181f. zur allgemeinen „Entvogtung der Hochstifte“ im Mittelalter. 55) S. AC II 1, Nr. 2859f. 56) Klar formuliert in AC II 3, Nr. 4285 (1455 April 1). Die Beschränkung der Rolle des Bischofs auf geistliche Angelegenheiten war eine konstante Verhandlungsposition der herzoglichen Seite. Der herzogliche Anspruch auf umfassende weltliche Herrschaft über die Abtei wird vor allem von Seiten der Verena von Stuben formuliert, häufig begründet durch die formelhaft gebrauchte Anrede des Herzogs als unsern gnedigen herrn vogtt und lanndsfursten (so etwa AC II 5, Nr. 5226). Daher interpretierte sie einen letzten Verhandlungsvorschlag der herzoglichen Seite vor dem Aufbruch Hz. Sigismunds zum Kaiserhof im April 1456 als verbindliche Anordnung (das verlassen), gegen die NvK nicht verstoßen dürfe; s. AC II 4, Nr. 4744; AC II 6, Nr. 4747 (Klagen gegen NvK: wider solche bevelhnuss und verlassen unsers gnedigen herrn). Der vom Herzog zum Schutz der Abtei abgestellte Ritter Balthasar von Welsberg argumentierte ähnlich; s. AC II 5, Nr. 4942. 57) So beispielsweise in der für Cusanus sehr wichtigen Bulle Nikolaus’ V. vom 12. Mai 1453, die ihm umfassende Reformvollmachten für die Klöster seiner Diözese übertrug; AC II 1, Nr. 3417 Z. 20. 58) Das unterschiedliche Verständnis der Rolle von Stiftsvögten zeigte sich bereits im August 1452, als NvK beteuerte, die Vogteirechte des Herzogs nicht anzutasten; AC II 1, Nr. 2757 Z. 15– 19: Wir getrawen auch und sind an zweifel eur frewntschafft glaube dez nicht, daz wir suchenn da durch oder durch ander weg ew von der vogtey zu dringen. Unnd ist auch unglaublich, wann uns nie kain nutz davon sinnde; unnd taten nicht ain bischel, so wir nicht gunten ainem kloster, daz es von ainem machtigenn furstenn pillich geschermet wurde. Als Hz. Sigismund aus seiner Funktion als Vogt des Klosters ein Recht zur Verwaltung der Temporalien herleitete und sich gegen jede Einmischung von Seiten des Bischofs verwahrte, entgegnete Cusanus in AC II 4, Nr. 4664 Z. 26–32: … lassen wir ewr lieb wissen, daz wir uns der weltlichait nicht underwinden anders, dann uns das bevolhen ist von dem pabst und unser vorvaren getan haben und von recht sein sol. Das

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nicht das Zugriffrecht auf weltliche Güter, sondern verpflichte den Vogt zum Schutz des Klosters und zur Bewahrung der geistlichen und weltlichen Privilegien. Dass Vögte als Stellvertreter und Verwalter von Klöstern auftreten, hält Cusanus für ein historisches Missverständnis: Das Institut der Vogtei sei ursprünglich in einer Zeit entstanden, als Bischöfe und Äbte sich nicht rechtswirksam selbst vertreten konnten und also eine Art Vormund brauchten.59) Die Zeiten waren lange vorbei; inzwischen konnten Bischöfe sogar selbst als Vögte auftreten. Cusanus selbst beanspruchte mehrfach Vogteirechte, und der rechtmäßige Vogt über Sonnenburg war der Bischof von Trient.60) Dennoch hält Cusanus das Institut der Vogtei nicht für überholt und überflüssig, sondern besteht auf seiner gewissenhaften Erfüllung. Die Hochstiftsvogtei ist für ihn jedoch kein herzogliches Privileg, sondern eine Pflicht, für die die Grafen von Tirol „viele schöne Lehen“ erhalten haben.61) In der „Supplik“ skizziert Cusanus die Geschichte der Vogtei, die er in einer späteren rechtshistorischen Abhandlung umfassend ausbreitet.62) Ursprünglich, bis zum 12. Jahrhundert, waren die Bischöfe von Brixen geistliche und weltliche Herren des lannds und des bistumbs. Dann, im Jahre 1214, erhielten die Grafen von Tirol die Hochstiftsvogtei

ist mit namen, wenn ain bischove von Brichsen ain abbttissin zu Sunnburg seczet, so bevielt er ir die gaistlichkait und weltlichait mit andern puncten und ayden, die die abbtissin ainem bischove tut. Die abbtissinn seczt richter und ambtleute, ain vogt schirmt das kloster vor gewalt. 59) AC II 6, Nr. 5472 Z. 3–6: Es ist von alters gewonheit gewest, das eyn iclich personen, die selbs sich nijt mocht verantwerten, hait eynen vogth gehabt, als wijtwen, prister, bijschoff und der gelich. Und was die personen toen sulten in sachen, die richtlich ader bestentlich syn sulten, haben sye durch ir vogth getan, und waren frie, die vogth zu nemen, wo sie wlten. Ähnlich Nr. 5470 Z. 68–72. 60) a) Von NvK beanspruchte Vogteirechte bezogen sich etwa auf die Landgerichte Enneberg, Abtei und Wengen im Gadertal; s. AC II 5, Nr. 5205, 5591, 5646, 5723. Ferner besaßen die Bischöfe von Brixen die Vogtei über die Abtei Disentis; s. AC II 2, Nr. 3569. Auch über das Kloster Neustift scheint NvK, wohl aufgrund der Klostergründung durch einen seiner Vorgänger, Vogteirechte beansprucht haben; s. AC II 4, Nr. 4746 (Klage des Neustifter Propstes bei Hz. Sigismund) Z. 36–39: Besunder, gnediger herre, er (NvK) meldt und spricht, er sey vogt und schirmer des gotshawß, auch er hab von babstlichen gewalt solliche brief und bollen, das er in dem benanten gotshaus muge ain prelaten setczen und entsetczen, auch die convent herren heraus ze treiben, ander bruder und herren darein zenemen. — b) Die Vogtei über das Kloster Sonnenburg hatten seit der Gründung im 11. Jh. die Bischöfe von Trient inne; s. Wilhelm Baum, Sonnenburg, in: Faust, Ulrich/Krassnig, Waltraud (Hg.), Die benediktinischen Mönchs- und Nonnenklöster in Österreich und Südtirol (Germania Benedictina III 3), St. Ottilien 2002, 604–702, hier 605. Noch 1428/29 hatte der Trienter Bischof Alexander von Masovien die Vogteireiche verbissen verteidigt; s. Trient, StA, Sez. Latina; Caps. 53 Nr. 10–17; Baum, Sonnenburg 637f. Der Trienter Bischof Georg Hack (1446–1465) scheint stillschweigend darauf verzichtet zu haben und trat lediglich als Vermittler auf. Am 24. April 1459 bezeichnete er selbst Hz. Sigismund als Sonnenburger Vogt; s. AC III 1, Nr. 5908 Z. 25f. Zu Georg Hack s. den Beitrag von Emanuele Curzel in diesem Band. NvK bestritt die Vogteirechte des Herzogs über Sonnenburg erst Mitte 1458; s. AC II 6, Nr. 5649. 61) AC II 6, Nr. 5372 Z. 7, bereits zit. in Anm. 53. Ähnlich Nr. 5383 Z. 44f.: Und sein im darumb vil lehen und zehennden und anders mit der vogtei verliehen worden. 62) AC II 6, Nr. 5472.

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und mit ihr weite Teile des Bistumsgebiets als Hochstiftslehen, vor allem die Grafschaften im oberen und unteren Inntal.63) Vogtei- und Lehensverhältnis fallen in eins. Der Bischof hat sich eben nicht, was die weltlichen Angelegenheiten seines Bistums betrifft, in das eigene Hochstift zurückgezogen, sondern bleibt nach wie vor als Oberlehensherr auch weltlicher Herr. Der Vogt sollte nicht an seine Stelle treten und ihn von der weltlichen, geschweige denn geistlichen Herrschaft über seine Diözese verdrängen, sondern im Gegenteil: Er muss dafür sorgen, dass der Bischof beides ungestört ausüben kann. Soweit die verfassungstheoretische Idee. Wie genau stellte er sich das vor? Wenn Cusanus seinem Unionsplan des Jahres 1457 irgendeine Aussicht auf Erfolg zumessen wollte, war der Gedanke an eine reale, weltliche Machtübernahme etwa im Inntal völlig ausgeschlossen. Das hat er auch nie gefordert, obwohl die von ihm verfassten Denkschriften zu den Tiroler Besitzverhältnissen mitunter so verstanden wurden.64) Auch die wirtschaftliche Ausbeutung der ertragreichen Silberminen von Schwaz und Gossensass hat Cusanus nie für sich beansprucht, wohl aber die Anerkennung seiner Stellung als oberster Lehensherr.65) Eine Ausweitung des bischöflichen Regiments auf weite Teile der weltlichen Administration seiner Diözese entsprach zudem keineswegs dem reformtheologischen Bischofsideal dieser Zeit, für Cusanus am besten repräsentiert durch die einschlägigen Traktate des Jean Gerson und des Kartäusers Dionysius van Rijkel.66) Cusanus selbst 63) Die Übertragung der Brixner Vogtei auf Gf. Albrecht III. von Tirol war für NvK ein häufig Schlüsseldokument seiner Argumentation; s. AC II 6, Nr. 5373 Z. 3f. mit Anm. 1, 5383 Z. 41–44 mit Anm. 5, 5428 Z. 14–16 mit Anm. 3, 5469 Z. 62–64 mit Anm. 41, 5470 Z. 72f. und 81f. mit Anm. 22 und 24, 5472 Z. 11–30 mit Anm. 5–10. 64) So vor allem bei Jäger, Streit I (wie Anm. 1), 191, 197, 370f., II 140. Vgl. Baum, Cusanus in Tirol (wie Anm. 1), 318f. 65) Vgl. den Entwurf einer Supplik an Ks. Friedrich III.; AC II 6, Nr. 5473 Z. 46–51 66) a) Überblicksartig zu den zeitgenössischen Reformschriften zum Bischofsamt: Jedin, Hubert, Das Bischofsideal der Katholischen Reformation. Eine Studie über die Bischofsspiegel vornehmlich des 16. Jahrhunderts, in: Ders., Kirche des Glaubens – Kirche der Geschichte, Bd. II, Freiburg 1966, 75–119., hier 75–80; Janssen, Wilhelm, Der Bischof, Reichsfürst und Landesherr (14. und 15. Jahrhundert), in: Berglar, Peter/ Engels, Odilo (Hg.), Der Bischof in seiner Zeit: Bischofstypus und Bischofsideal im Spiegel der Kölner Kirche. Festgabe für Joseph Kardinal Höffner, Erzbischof von Köln, Köln 1986, 185–244., hier bes. 187–190, sowie im weiteren Verlauf zahlreiche Beispiele aus dem Erzbistum Köln. — b) Jean Gerson, Sermo de officio pastoris, ed. Palémon Glorieux, Oeuvres complètes, Bd. V: L’oeuvre oratoire, Paris 1963, 123–144 Nr. 123. Zu diesem Text vgl. Jedin, Bischofsideal 78f.; Janssen, Bischof 186–189. Zum Entstehungskontext s. Valois, Noël, La France et le Grand Schisme d’Occident, Bd. IV, Paris 1902, 81f.; McGuire, Brian Patrick, Jean Gerson and the last medieval Reformation, University Park, Pa. 2005., 192f.; Sère, Bénédicte, Bonus pastor animam suam dat pro ovibus suis (Jn 10, 11). Le thème du Bon Pasteur au coeur des débats du Grand Schisme, in: Apprendre, produire, se conduire. Le modèle au Moyen Âge. XLVe congrès de la SHMESP (Nancy, Metz, 22 mai–25 mai 2014) (Publications de la Sorbonne. Série Histoire ancienne et médiévale 139), Paris 2015, 125–140, hier 138f. Die besondere Bedeutung des Reformwerks Gersons für NvK ergibt sich nicht nur aus der gedanklichen Nähe auf dem Feld der mystischen Theologie, sondern vor allem aus der streckenweise wörtlichen Übernahme

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schloss sich in der Concordantia catholica den in dieser Zeit unermüdlich wiederholten Reformforderungen an: Die Prälaten sollten nur von innerer Hingabe zu Gott, nicht von der Lust am Herrschen getrieben sein.67) Bischöfe sollten sich für die geistliche Seite ihres Amtes aufsparen und die weltliche Verwaltung ihren Dienstleuten überlassen.68) Was genau Nikolaus von Kues sich vom Herzog erhoffte, zeigt sich am deutlichsten in einer Urkundenserie, die er Hz. Sigismund im Herbst 1455 abringen konnte, als dieser durch Gradner-Fehde und Habsburger Familienstreit sich in großer Bedrängnis befand.69) Neben der Garantie der Zollfreiheit für die Hochstiftsuntertanen sowie Fragen der Zuständigkeit der bischöflichen Gerichtsbarkeit sicherte der Herzog Unterstützung in verschiedenen Bereichen zu, nämlich bei der Eintreibung der oft umstrittenen Novalzehnte und des sogenannten Kuppelfutters, einer Abgabe der Pfarreien an die Bischofskirche, die ursprünglich zum Unterhalt von Jagdhunden eingeführt worden war.70) Außerdem sollten herzogliche Amtleute dem Bischof helfen, straffällige Kleriker und Personen aufzuspüren, die über sechs Monate in der Exkommunikation verharrten. Hinzu kam die bei ande-

von Gersons ‚Tractatus de visitatione praelatorum‘ (1408) in das Visitationsformular für die Reform der Brixner Pfarrkirchen 1455; s. AC II 4, Nr. 4416 mit Kennzeichnung der Stellen. — c) Dionysius der Kartäuser, De vita et regimine praesulum, in: Doctoris ecstatici D. Dionysii Cartusiani Opera omnia …, Bd. XXXVII: Opera minora, Tournai 1909, 11–57; Ders., De regimine praelatorum, ed. Opera omnia XXXVII 61–110. Beide Texte sind undatiert. Der uns unserem Zusammenhang wichtigere Text ‚De regimine praelatorum‘ ist als Autograph überliefert in: Wien, ÖNB, Cod. Ser. n. 12836, f. 104r–144r, einer Sammelhandschrift aus der Kartause Roermund, die an anderen Stellen die Datierungen 1459 und 1462 enthält. S. Unterkircher, Franz, Die datierten Handschriften der Österreichischen Nationalbibliothek von 1451 bis 1500, 1. Teil: Text (Katalog der datierten Handschriften in lateinischer Schrift in Österreich 3), Wien 1974, 202. Zu den Texten s. auch Wassermann, Dirk, Dionysius der Kartäuser. Einführung in Werk und Gedankenwelt (Analecta Cartusiana 133), Salzburg 1996, 195–198. Zur Bedeutung des Dionysius von Rijkel für NvK s. Meuthen, Erich, Nikolaus von Kues und Dionysius der Kartäuser, in: Hagemann, Ludwig B. (Hg.), En kai plethos. Festschrift für Karl Bormann zum 65. Geburtstag (Religionswissenschaftliche Studien 30), Würzburg u.a. 1993, 100–120. 67) Am deutlichsten ausgedrückt in der (später nicht in der Form ausgeführten) Inhaltsübersicht zu Buch 1; h XIV 1, S. 16 Z. 28f.: ... et quod maxima deformitas oritur ex hoc, quod praelati tantum saecularibus curis invigilant. Und weiter Z. 45–47: ... et quod solum idonei per ascensum, qui gradatim fieri debet, assumendi sint ad praelaturas, qui solum zelo dei, non appetitu principandi, tonsi sunt. 68) S. (im Hinblick auf den Plan zur Einrichtung eines Reichsheeres) Nikolaus von Kues, De concordantia catholica III 39, h XIV 3, S. 454f. Nr. 556: Et tunc cessarent magnae expensae, quas hodie principes coacte et inutiliter faciunt, et provinciae ditarentur et res publica et imperium exaltaretur denuo. Tunc possent episcopi vacare spiritualibus et temporalia oeconomis committere, et per publicum exercitum omnis tyrannia eliminaretur ab imperio. 69) AC II 4, Nr. 4530–4536. Zur Gradner-Fehde und zum Streit mit Hz. Albrecht VI. von Österreich s. Woelki, Fleichpank, mit der Lit. 70) Zum Kuppelfutter s. AC II 1, Nr. 3061 Anm. 4 mit der Lit. Zur Unterstützung bei der Erhebung der Novalzehnten s. auch AC II 1, Nr. 3059 Anm. 19; AC II 4, Nr. 4561; AC II 6, Nr. 5506 Z. 64.

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rer Gelegenheit erlangte und mehrfach wiederholte Zusicherung, dem Bischof in Fehden gegen lokale Adlige beizustehen.71) Der Wunschzettel des Bischofs ist damit sicher nicht vollständig; es handelt sich lediglich um Minimalforderungen, mit denen sich die herzogliche Seite längst einverstanden erklärt hatte. Was deutlich wird: Das Bild eines Bischofs, der sich vor den Zudringlichkeiten des mächtigen Herzogs verwahrt und sich schließlich nur durch Flucht zu helfen weiß, ist verzerrt. Vielmehr war es der Bischof, der dem Herzog regelmäßig mit Forderungen in den Ohren lag. b) Verteidigungsgemeinschaft Der Unionsplan vom Herbst 1457 sieht im Kern eine Verteidigungsgemeinschaft zwischen Bischof und Herzog vor.72) Auch diese Idee war nicht neu, sondern wurde bereits im Januar 1454 in einem förmlichen Vertrag zwischen Cusanus und Sigismund festgehalten; wie im Übrigen auch das Prozedere eines formalisierten Schiedsverfahrens bei Streitigkeiten, auf das man jetzt ebenfalls zurückgriff.73) Im Text der Vereinbarung wird das Vogteiverhältnis ausdrücklich als Basis des Bündnisses genannt, sogar mit der logischen Konsequenz, dass ein Angriff auf die Hochstiftsbesitzungen in Kärnten und Krain, über die der Graf von Cilli die Vogtei innehatte, nicht den Bündnisfall auslösen würde.74) Von welcher Seite die Initiative zu diesem Vertrag ausging, ist aus den zeitgenössischen Quellen nicht recht nachzuvollziehen. Sicher ist jedoch, dass Cusanus im Vorfeld mehrfach persönlich zur herzoglichen Residenz reiste.75) Möglicherwiese hatte der Kardinal ein Schutzversprechen Ludwigs des Brandenburgers für den Brixner Bischof Matthäus an der Gassen aus dem Jahre 1350 vor Augen, das im bischöflichen Archiv aufbewahrt wurde.76) Und im Nachgang war es vor allem ) S. AC II 2, Nr. 3598; AC II 3, Nr. 4080; AC II 4, Nr. 4493, 4684. ) AC II 6, Nr. 5372 Z. 25–27: Und solh veraynigung sol sein wider yederman, nyemandt ausgenomen: Also wer das gotshaus kriegen wurde, der kriegt auch die grafschafft, und wer die grafschafft kriegt, der kriegt auch das gotshaus. 73) AC II 2, Nr. 3788f. 74) AC II 2, Nr. 3788 Z. 15–22. Zu den Vogteirechten des Grafen von Cilli s. Lackner, Christian, Der Besitz des Hochstifts Brixen in Kärnten und Steiermark, phil. Diss., Innsbruck 1984, 154. Zum Hochstiftsbesitz s. insbesondere AC II 6, Nr. 5631, sowie die Verweise in AC II 7, 2096 s.v. Lieserhofen und 2151 s.v. Veldes. 75) S. AC II 1, 3520–3522 (Predigt und Altarweihen, 1453 Juli 12); AC II 2, Nr. 3659 (Teilnahme am Innsbrucker Landtag 1453 September 29 und gemeinsame Reise von Kardinal und Herzog nach Füssen), 76) Or.: Brixen, DA, O.A. Nr. 370. Druck: Sinnacher, Franz Anton, Beyträge zur Geschichte der bischöflichen Kirche Säben und Brixen in Tyrol, Bd. 5, Brixen 1827, 237–239. Hierin erklärt Ludwig der Brandenburger als Gf. von Tirol und Vogt der Brixner Kirche, dass er ein bereits bestehendes Bündnis mit dem B. von Brixen erweitert habe. Er verspricht für sich und seine Erben, den Bischof zu schirmen. Vereinbart wurde ein Öffnungsrecht der Burgen des Hochstifts und eine 71 72

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der Kardinal, der dieses Bündnis demonstrativ und mit großem Aufwand zu erfüllen versuchte. Als der Herzog Ende 1455 in eine Fehde mit seinem ehemaligen Gefolgsmann Bernhard Gradner geriet und monatelang die Burg Beseno bei Trient belagern musste, leistete Cusanus demonstrativ Waffenhilfe – und das gegen die Widerstände seiner Untertanen und trotz der eigenen Gewissensnot.77) Cusanus ließ das Bündnis sogar öffentlich in Brixen verlesen und von den Bürgern beschwören – offenbar eine Art Vorspiel zu den im Unionsplan vorgesehenen Schwörtagen.78) Die Zusammengehörigkeit zwischen Hochstift und Grafschaft erwies sich hier bereits als ein grundlegendes Anliegen bischöflicher Politik. Dabei war die Existenz einer über die Grafschaft Tirol hinausgehenden Wehrgemeinschaft durchaus unklar und umstritten. Cusanus selbst versuchte sich an einer Definition: In einem einem Brief aus dem Kontext der Gradner-Fehde bat er für die Gemeinden Enneberg, Abtei und Wengen, die weder zur Gft. Tirol noch eindeutig zum Hochstift Brixen gehörten, um Befreiung vom Kriegsdienst.79) Seine Begründung: Die Gemeinden wurden bislang nie zu Tiroler Landtagen eingeladen, leisteten keine Dienste oder Steuern für die Grafschaft Tirol und nahmen auch in der Vergangenheit nicht an derartigen Kriegszügen teil.80) Dass der Brief nicht abgeschickt wurde, deutet auf die Unsicherheiten der zeitgenössischen Deutungen hin. Die Argumentation ist allemal beachtlich, setzt sie doch die Wehrgemeinschaft in Relation zur Landeseinheit, die hier für die Bauern aus dem Gadertal abzulehnen war. Vielleicht blieb es deswegen beim Briefentwurf. Für das Schiedskommission aus drei Adligen. Bereits 1265 hatte der Brixner Bischof Bruno von Kirchberg mit den Grafen Meinhard II. von Tirol und Albrecht II. von Görz ein fünfjähriges Bündnis vereinbart; s. AC II 6, Nr. 5470 Anm. 32 (mit den Nachweisen). Zu späteren Erneuerungen s. Bücking, Jürgen, Frühabsolutismus und Kirchenreform in Tirol (1565–1665). Ein Beitrag zum Ringen zwischen ‚Staat‘ und ‚Kirche‘ in der Frühen Neuzeit (Veröffentlichungen des Instituts für Europäische Geschichte Mainz 66), Wiesbaden 1972, 12. 77) Zum Engagement des NvK in der Gradner-Fehde s. AC II 4, Nr. 4780, 4798, 4801, 4806; AC II 5, Nr. 4843, 4861, 4917, 4967, 4976, 5237 Z. 30–44. Gewissensbedenken äußert NvK v.a. in AC II 5, Nr. 4917 (an B. Georg Hack von Trient, 1456 August 26). Der Widerstand der Untertanen wurde besonders im August 1456 spürbar, als nach monatelanger Belagerung der Burg Beseno nochmals ein bischöfliches Söldnerkontingent aufzustellen war; s. Nr. 4861, 4894, 4904. In diesem Zusammenhang wagte der einflussreiche Brixner Bürger Lazarus Wenzel von Köstlan sogar öffentliche Kritik am Kardinal; s. AC II 5, Nr. 5237 Z. 30–44. 78) AC II 5, Nr. 5237 Z. 38–40: Solh verschriben punttnuss auch wer gelesen worden in gegenwurtickhait der namhafftigisten seiner gotshawsleut …, die das vast hoch gelobt hieten. Vgl. AC II 6, Nr. 5372 Z. 42–46: Auch zuwelher zeit ain yettweder herr, gegenwurttiger und kunfftiger, von seinen undersessen huldigung nymbt, ee solh huldigung und ayde beschicht, sol davor solh ewige veraynigung verlesen und angesehen werden, damit ménicklich wisse, daz solh aynigung deshalben mer pindet dann der ayde, so si getan haben oder tun werden, und der veraynigung unschedlich und unvergriffenlich sei. 79) AC II 4, Nr. 4767 (nicht ausgefertigter Briefentwurf an B. Georg Hack von Trient, ca. 1456 April 30). 80) AC II 4, Nr. 4767 Z. 8–10: … wie si vormalen nye mit der lanndtschafft der grafschaft Tyrol zuraysen oder zu steweren noch zu dhainen lanndttagen ervordert sein, und getrawen, si sollen solhs noch billich nach altem herkomen vertragen werden …

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eigene Hochstift Brixen tat Cusanus in der gleichen Situation ja alles, um die Idee der Wehrgemeinschaft zu betonen – mehr noch: Er beklagte, dass seine Hochstiftsgerichte und -städte unverhältnismäßig viele Söldner stellen mussten, mehr als manche Gerichte und Städte der Grafschaft Tirol.81) Die Formulierung ist aufschlussreich: Die Brixner Untertanen seien nach gelegenhait ander im lannde übermäßig belastet.82) Das „Land“ als Wehrgemeinschaft. Eine Diskussion des Einheitsgedankens auf dieser allgemeinen, schwierig zu fassenden Ebene ist zumindest anzureißen. c) Land, Landschaft, Landesherrschaft Der Begriff des „Landes“ wurde gerade für Tirol bis zur Erschöpfung diskutiert. Die unübersichtliche Forschungslage im Nachhall von Otto Brunners ‚Land und Herrschaft‘ hat immerhin einige konsensfähige Kriterien festgehalten, an denen die Landesbildung zu messen ist: Landrecht, Landgemeinde und die von Brunner (scheinbar) ausgeblendete Landeshoheit.83) Für das Hochstift Brixen wurde – im Einklang mit diesen Kriterien – eine im Versuch stecken gebliebene Landesbildung attestiert.84) Landrechtlich gehörte das Hochstift Brixen zu Tirol, so Gustav Pfeifer.85) Ist das so? In Lehensurkunden, die in der Forschung häufig herangezogen werden, um das sonst schwer greifbare ‚Landrecht‘, also die Gesamtheit der akzeptierten und gepflegten Rechtsgewohnheiten, nachzuweisen, ist eher von einem gotshausrecht oder alten Sitten und Gewohnheiten der Brixner Kirche als maßgeblichem Normenhorizont die Rede; ebenso bei Rechtsgeschäften, Schlich-

81) AC II 5, Nr. 4904. S. hier in Anm. 4 Einzelnachweise für die tatsächlich vergleichsweise geringen Aufgebote aus dem herzoglichen Gericht Rodeneck sowie den Städten Schwaz und Hall und die frühe Einstellung der Unterstützung. 82) AC II 5, Nr. 4904 Z. 5f. 83) Brunner, Otto, Land und Herrschaft. Grundfragen einer territorialen Verfassungsgeschichte Österreichs im Mittelalter, Darmstadt 61984 (zuerst 1939). Bester Überblick über die Forschungsgeschichte: Hageneder, Othmar, Land und Landrecht in Österreich und Tirol. Otto Brunner und die Folgen, in: Brandstätter, Klaus/Hörmann, Julia (Hg.), Tirol – Österreich – Italien. Festschrift für Josef Riedmann zum 65. Geburtstag (Schlern-Schriften 330), Innsbruck 2005, 299–312. Maßgeblicher Widerspruch gegen Brunners Modell der Landesbildung kam vor allem vom einflussreichen Tiroler Historiker Otto Stolz, Das Werden des Staates im deutschen Mittelalter, in: ZRG GA 61 (1941), 234–249; Ders., Land und Landesfürst in Bayern und Tirol. Ein Beitrag zur Geschichte dieser Bezeichnungen und Begriffe in Deutschland, in: Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte 13 (1941/42), 161–252. Vgl. auch dessen frühere Ausführungen über die Entstehung des Landes Tirol: Ders., Politisch-historische Landesbeschreibung von Südtirol, 1. Lieferung: Allgemeines und Viertel Vintschgau und Burggrafenamt (Schlern-Schriften 40), Innsbruck 1937, 8–57. 84) Pfeifer, Gustav, Am Beispiel Brixen: Zentralörtliche Funktionen einer Bischofsstadt im Mittelalter, in: Pro Civitate Austriae Ser. NF 11 (2006), 30–43, hier 43. 85) Ebd.

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tungsvereinbarungen u.ä.86) Ein in Grafschaft und Hochstift einheitliches Landrecht ist im Sprachgebrauch der Urkunden eher nicht zu erkennen.87) Was allerdings die kodifizierten Rechtsstrukturen der Grafschaft Tirol betrifft, bemühte sich gerade Cusanus um eine systematische Anlehnung an die Grafschaft, oft gegen den Widerstand der Untertanen: Er übernahm anstandslos die durchaus unbeliebte Münzordnung Hz. Sigismunds vom Oktober 1453 mit Umrechnungskursen von Gold- und Silbermünzen, die im praktischen Wirtschaftsverkehr nicht haltbar waren, und kaufte sogar gezielt die neu geprägten Münzen zu den offiziellen Wechselkursen auf.88) Cusanus übernahm ebenso Elemente des Tiroler Berg86) S. etwa die typische Formel in Belehnungsurkunden: nach lehens- und unsers gotshauss rechten und gewonhaiten; hier zitiert nach Bozen, StA, BA, BL I f. 270r (Belehnung für Georg Baumgärtner, 1452 Oktober 16; vgl. das Regest in AC II 1, Nr. 2866). Bei der Übertragung eines Brixner Hochstiftslehens in Meran wird hingegen explizit auf das Landrecht der Grafschaft Tirol verwiesen; Bozen, StA, Lade 107 Nr. 6 D; jetzt in AC III 1, Nr. 5972. Vgl. AC II 1, Nr. 2691 (1452 Juli 12): Aufforderung zur Lehenserneuerung nach site und gewonhait des gotshaus (Z. 6, ähnlich Z. 15), Nr. 3480: Angriff auf einen Hochstiftsbauern verstößt gegen freyhait und alt herkomen des gotshauss (Z. 4); AC II 6, Nr. 5645: NvK bezeichnet Handlungen Hz. Sigismunds als wider recht und herkomen unsers gotshauss von Brichsen (Z. 15f.). Ähnliche Beobachtungen bei Kögl, Josef, La sovranità dei vescovi di Trento e di Bressanone. Diritti derivanti al clero diocesano dalla sua soppressione, Trient 1964, 151–164; Hageneder, Land und Landrecht (wie Anm. 83), 310 Anm. 61. 87) Gegenbeispiele stammen eher aus dem herzoglichen Lager; vgl. etwa eine Streitschrift Hz. Sigismunds vom 5. Juli 1461, in der der Angriff der Söldnertruppe des Jobst von Hornstein auf Enneberger Bauern mit einem landrechtlich fundierten Pfändungsrecht begründet wird; s. AC II 6, Nr. 5595D Z. 6: begertten gerichts nach landesrecht. Zu der Argumentation s. Klein-Bruckschwaiger, Franz, Um die rechtliche Bewertung der Enneberger Schlacht im Jahre 1458, in: Der Schlern 47 (1953), 300–309, hier 305f. zum Pfändungsrecht. Mitunter, insbesondere wenn Entscheidungen bischöflicher Richter angegriffen werden, ist auch von einem „gemeinen Landrecht“ die Rede, das dem Brixner gotshausrecht übergeordnet sei; so bei der Rüge eines Schiedsspruchs des bischöflichen Stadtrichters von Bruneck, wo es heißt, ein Urteil müsse so gestaltet sein, wie sich dann nach gemainen lanndts, unsers gotshaus und der stat zu Braunekg rechten und gewonhaiten gepuren; AC II 2, Nr. 3634 Z. 11f. Ähnlich in AC II 1, Nr. 2769 Z. 13. In der Äffäre um die Beschlagnahmung einer Sonnenburger Weinlieferung scheint Kunz Goldstein, Diener des herzoglichen Rats Balthasar von Welsberg, davon auszugehen, dass auf der „freien Straße“ das Landrecht gelte, nicht jedoch in der Bischofsstadt Klausen; s. AC II 6, Nr. 5334 Z. 8–10: da hat der zolner noch geeylt und hat in auf freyer strassen wider lanndsrecht genott, das der furman wider umb ge Clausen must farn, und nam im denn wein. 88) a) Umsetzung der Münzordnung von 1450 Februar 10: AC II 1, Nr. 2908. Zur Münzordnung s. Ladurner, Justinian, Über die Münze und das Münzwesen in Tirol vom 13. Jahrhundert bis zum Ableben Kaiser Maximilians, 1519, in: Archiv für Geschichte und Alterthumskunde Tirols 5 (1868), 1–102, 275–308, hier 45, 282; Rizzolli, Helmut, Münzgeschichte des alttirolischen Raumes im Mittelalter, Bd. II: Die Meraner Münzstätte unter den Habsburgern bis 1477 und die Görzische Prägestätte Lienz/Toblach, Bozen 2006, 142–144. — b) Umsetzung der Münzordnung von 1453 Oktober 7/8: AC II 2, Nr. 3680, 3700, 3979. Zur Münzordnung s. Ladurner, Über die Münze 46; Steinegger, Fritz, Die Münz- und Wirtschaftsordnung von Herzog Sigmund dem Münzreichen für Tirol vom 7. und 8. Oktober 1453, in: Tiroler Heimat 58 (1994), 43–55 (mit Text 51–53); Rizzolli, Münzgeschichte II 145, 148f., 306 (Text). — c) Zur Unbeliebtheit und wirtschaftlichen Inadäquanz: AC II 2, Nr. 3679 Anm. 3; AC II 4, Nr. 4779 Anm. 2, 4790 Anm. 3; AC II 5, Nr. 4934 Anm. 2, 5029 Anm. 4; AC II 6, Nr. 5727. Vgl. Rizzolli, Münzgeschichte II 144, 149. — d) Gezielter Aufkauf: AC II 5, Nr. 5163.

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rechts, das dem Landesherrn, also in diesem Fall dem Bischof, mit Wechsel und Fron klar definierte Abgaben und ein Neuntel von neu erschlossenen Minen zur Selbstbewirtschaftung zugestand.89) Seine protektionistischen Regelungen zum Weberhandwerk standen im Einklang mit früheren Handwerksordnungen der Tiroler Grafen.90) Wo immer Cusanus das ‚Landrecht‘ seines Hochstifts durch legislatorische Impulse zu beeinflussen versuchte, geschah dies nicht in Abgrenzung, sondern in Anlehnung an die Grafschaft Tirol. Ein Blick auf den Sprachgebrauch vertieft den Eindruck der durchaus angedachten Landeseinheit zwischen Hochstift und Grafschaft: Nikolaus von Kues beschwerte sich 1456 beim herzoglichen Hauptmann für die ungeprüfte Weiterleitung einer Supplik: I n die sem l an nde ist ain newe gewonhait aufgestannden, wenn ainer mit ainer supplicancz furkumbt, so schreibt man zustunde umb die sachen, als ob si also an ir selbs wer, ungehort den andern tail und an verrer underrichtung der sachen, das uns nicht gut bedunckht.91)

Bei der Affäre um den Sonnenburger Richter Jörg Ragant, den Cusanus mit Bann und Interdikt zur Flucht gezwungen hatte, heißt es alternierend, Ragant sei aus dem Lande bzw. aus dem Bistum vertrieben worden; Land und Bistum werden synonym gebraucht, und zwar von den Gegnern des Cusanus.92) Damit einher geht die Vorstellung vom Land als Land als Kommunikationsraum und Resonanzkörper für landkundige Nachrichten und Gerüchte, die landmärweis Verbreitung fan-

89) AC II 3, Nr. 4361f. Die Bestimmungen sind an Tiroler Bergordnungen angelehnt (Gossensass 1427, Schwaz 1449). S. dazu die Texte bei Worms, Stephan, Schwazer Bergbau im 15. Jahrhundert. Ein Beitrag zur Wirtschaftsgeschichte, Wien 1904, Urk. 1 und 7; vgl. Heilfurth, Gerhard, Bergbaukultur in Südtirol, Bozen 1984, 75–82; Palme, Rudolf, Rechtliche Probleme des spätmittelalterlichen Bergbaus in Tirol, in: Tasser, Rudolf/Westermann, Ekkehard (Hg.), Der Tiroler Bergbau und die Depression der europäischen Montanwirtschaft im 14. und 15. Jahrhundert (Veröffentlichungen des Südtiroler Landesarchivs 16), Innsbruck u.a. 2004, 161–175, hier 163, 166; Mernik, Peter, „Codex Maximilianeus“. Bergwerkserfindungen für Tirol 1408 bis 1542 in 422 Artikeln. Transkription der Handschrift, Übertragung in den heutigen Sprachgebrauch, Kommentar, Innsbruck 2005, hier 28. Zum Ganzen vgl. auch Jäger, Albert, Beitrag zur tirolisch-salzburgischen Bergwerksgeschichte, Archiv für österreichische Geschichte 53 (1875), 335–456. 90) AC II 3, Nr. 4242. Vgl. eine ähnliche Regelung Hz. Sigismunds für die Schneider; Innsbruck, Museum Ferdinandeum, Urk. 1995 (1451 Juni 19). 91) AC II 5, Nr. 4921 Z. 5–8. 92) AC II 5, Nr. 4945 Z. 26: hat er den Ragand mit pann und inter[dikt] vom land getriben, Nr. 5051 Z. 5: aus dem pystum vertryben.

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den.93) In der hier untersuchten „Supplik“ vom November 1457 begründet Cusanus seine Vorschläge dann auch mit dem: gemainem nucz dits lannds.94) Wichtigstes Sinnbild für die Landeseinheit ist für Nikolaus von Kues die QuasiIdentität der Adlerwappen.95) Die heraldische Forschung hat mit großem Aufwand nachgewiesen, dass es sich nicht um ein ursprünglich einheitliches Wappen handelt, sondern um unabhängige Übernahmen des Reichsadlers.96) Ob Cusanus hier heraldisch falsch lag, mag dahin gestellt bleiben; das Wappenbild diente ihm jedenfalls als verblüffend anschauliches Stilmittel, das auf die adligen Räte am Innsbrucker Hof sicher mehr Eindruck machte als die gleichzeitig präsentierten Urkundenstapel.97) Zeitgenössische Vorstellungen von einer Landgemeinde sind in Tirol am ehesten durch den Begriff der ‚Landschaft‘ greifbar.98) Auch hier ein kurzer Blick auf den Sprachgebrauch. Im hier untersuchten Brief an Leonhard von Velseck vom Herbst 1457 spricht Cusanus mehrfach von baider herren landtschafft – er geht also offenbar von zwei getrennten Landschaften aus.99) Also: ein Land, aber zwei Landschaften? Die bereits erwähnte im autographen Entwurf erhaltene Abhandlung zur Vogtei ist in dieser Hinsicht aufschlussreich. Genau an der Stelle, wo Nikolaus von Kues die entscheidende Erst-Belehnung der Grafen von Tirol mit der Brixner Vogtei referiert, schreibt er zunächst, die Bischöfe hätten die Grafen von Tirol als

93) S. AC II 6, Nr. 5512 Z. 5; AC II 5, Nr. 5206 Z. 1–3, 8. Vgl. AC II 4, Nr. 4773 Z. 1f.: und sich die leuff in diesem lannde frembde machen und halten. Dazu Näheres bei Johannes Helmrath in diesem Band. 94) AC II 6, Nr. 5383 Z. 33. 95) Dazu s.o. Anm. 49. 96) Die als Argument angeführte Identität der Wappen des Bistums (und Domkapitels) Brixen und der Grafschaft Tirol (nach links schauender roter Adler auf weißem Grund) ist seit dem 13. Jahrhundert nachgewiesen. Während der Adler der Grafschaft Tirol bereits Ende des 12. Jahrhunderts verwendet wurde, ist der Adler mit Stab im Brixner Wappen erst ab ca. 1335 belegt. Vgl. Sinnacher, Beyträge (wie Anm. 76), 445; Jäger, Streit I (wie Anm. 1), 235; Wieser, Hans, Cusanus und das Landeswappen Tirols, in: Cusanus-Gedächtnisschrift (wie Anm. 1), 511–524, bes. 518, 521 mit Abb. 6 (Wappen Hz. Sigismunds); Hye, Franz-Heinz, Grundelemente der Brixner Heraldik. Das Wappen des Bistums, des Fürstentums und des Domkapitels, in: Der Schlern 56 (1982), 260–266; Ders., Wappen in Tirol – Zeugen der Geschichte: Handbuch der Tiroler Heraldik (SchlernSchriften 321), Innsbruck 2004, 67–69, 154–156; Ders., Tirol und die Adlerwappen seiner Länder. Tirol – Südtirol – Brixen – Trient, Bozen 2009, 12–17 zum Adlerwappen der Grafen von Tirol, 126f. zum Adlerwappen der Bischöfe von Brixen. 97) Nikolaus von Kues führt das heraldische Argument hier als Sinnbild der uralten Einheit der Grafschaft Tirol und des Bistums Brixen an und behauptet nicht, wie in der Literatur mehrfach angenommen und aufwändig widerlegt, das Tiroler Landeswappen rühre von der 1210 übernommen Vogtei der Grafen von Tirol über das Bistum Brixen her. Vgl. Jäger, Streit I (wie Anm. 1), 235; Wieser, Cusanus und das Landeswappen (wie Anm. 96), 514f. 98) Vgl. Hageneder, Land und Landrecht (wie Anm. 83), 300. 99) AC II 6, Nr. 5372 Z. 35, ähnlich Z. 39.

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Vögte für sich, ihr Kapitel und die lanschaff eingesetzt.100) Landschaft korrigiert er später eigenhändig in kirchen. Der ursprüngliche, spontane Gedanke enthielt also die Vorstellung von einer 1214 bereits existierenden Ur-Landschaft des Bistums Brixen, über die der Graf von Tirol die Vogtei übernommen hat. Diese, auf die Idee einer gemeinsamen Landgemeinde hinauslaufende Formulierung, erschien jedoch offenbar Cusanus selbst als unpassend und wurde gestrichen. In der Tat formierte sich die Tiroler Landschaft auf regelmäßig stattfindenden Landtagen, die tatsächlich nur die Untertanen der Grafschaft Tirol repräsentierten.101) Eine Brixner Ständeversammlung gab es in dem Sinn nicht; der Bischof rief jedoch mehrfach ad hoc seine Hauptleute und Vertreter der Städte zusammen, um etwa über die Münzreform zu beraten.102) Im Juni/Juli erwog Cusanus sogar, offenbar auf Initiative seiner Untertanen, eine eigene Ständeversammlung des Hochstifts einzuberufen.103) Dennoch nahm Nikolaus von Kues wie selbstverständlich an mehreren Tiroler Landtagen teil bzw. schickte seine Gesandten.104) Im September 1455 trat er sogar als Gastgeber auf, als der Tiroler Landtag in Brixen stattfand.105) Der Wille zur Integration der Landschaften war also nicht neu. ) AC II 6, Nr. 5472 Z. 24 (Apparat). Zum Text s.o. Anm. 54. ) Zur Geschichte der Landtage im Einzelnen: Jäger, Albert, Geschichte der landständischen Verfassung Tirols, 2 Bde., Innsbruck 1881–1885; Köfler, Werner, Land, Landschaft, Landtag. Geschichte der Tiroler Landtage von den Anfängen bis zur Aufhebung der landständischen Verfassung 1808, Innsbruck 1985; Schennach, Martin Paul, Gesetz und Herrschaft. Die Entstehung des Gesetzgebungsstaates am Beispiel Tirols, Köln u.a. 2010, bes. 335–342. 102) AC II 2, Nr. 3700. 103) AC II 6, Nr. 5677 Z. 23–27: Item als ettlich mainen, es sulle nucz sein, daz ein lanndttag wurde von den meinen, ist mein antwurtt, den landttag begern ich und wil den halten, alsver ich die gotshauslewt auf sichern steten bei mir haben mug, das si die gelegenhait meins gotshauss und den unrechten betwang horen und raten und helffen zetun, was sich gepurt, wann ich anders nit beger zutun dann das pest fur mein gotshaus, als ich schuldig pin. Eine solche Ständeversammlung des Hochstifts Brixen ist erst im 17. Jh. nachgewiesen; s. Noflatscher, Harald, Gehorsame Untertanen? Politik und Religion im Hochstift Brixen im 17. Jahrhundert, in: Flachenecker, Helmut/Heiss, Hans/Obermair, Hannes (Hg.), Stadt und Hochstift. Brixen, Bruneck und Klausen bis zur Säkularisation 1803 (Veröffentlichungen des Südtiroler Landesarchivs 12), Bozen 2000, 261–288, hier 265f. Demgegenüber postuliert das Brixner Stadtrecht von 1604, eine solche Zusammenkunft der Stände sei bereits von alters erfolgt; s. Mutschlechner, Josef, Alte Brixner Stadtrechte (Schlern-Schriften 26, Innsbruck 1935, 28. Eine Versammlung der Hochstiftsuntertanen, die allerdings den Klerus der gesamten Diözese einschloss, traf im Mai 1459 in Brixen zusammen und entsandte eine Gesandtschaft zu NvK nach Rom; s. AC III 1, Nr. 5916, 5935; vgl. Jäger, Streit I (wie Anm. 1), 325f. Auch in der Folgezeit entsandten Domkapitel, Klerus und Hochstiftsuntertanen gemeinsame Gesandtschaften und formulierten gemeinsame Appellationen; s. künftig AC II 2 und 3. 104) S. AC II 2, Nr. 3659; AC II 4, Nr. 4548f.; AC II 6, Nr. 5509. Formal nahmen die Bischöfe von Brixen und Trient wegen ihrer Reichsunmittelbarkeit nur als Gäste an den Tiroler Landtagen teil; s. Jäger, Landständische Verfassung II 2 (wie Anm. 101), 515; Brandstätter, Klaus, Die Beziehungen zwischen Tirol und Trient im späten Mittelalter – Le relazioni tra Trento e il Tirolo nel tardo Medioevo, in: Studi tridentini di scienze storiche 1, 75 (1996), 3–59, hier 26f.; Schennach, Gesetz und Herrschaft (wie Anm. 101), 44, 337f. 105) S. AC II 4, Nr. 4548f. Im Jahre 1456 wurde ein Tiroler Landtag in Trient geplant; s. AC II 6, Nr. 5676. 100 101

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Bleibt das Problem der Landeshoheit; der eigentliche Knackpunkt des gesamten Streits, denn die Idee einer Tiroler Landeseinheit führte automatisch zu einem umfassenden Herrschaftsanspruch des Grafen von Tirol als „Landesherrn“. Im Sonnenburger Streit wurde Herzog Sigismund wie selbstverständlich von den Nonnen als „unser Vogt und Landesherr“ angesehen, obwohl das Kloster formal nicht zur Grafschaft Tirol gehörte.106) Die Vorstellung, dass Herzog Sigismund als „Landesherr“ über dem Brixner Bischof stehe und man sich an ihn wenden konnte, wenn man sich vom Bischof ungerecht behandelt fühlte, war weit verbreitet.107) In den großen rechtshistorischen Denkschriften schrieb Cusanus verzweifelt dagegen an, indem er nachwies, dass die Bischöfe von Brixen als eigentliche Landesherren betrachtet worden seien, auch von den Grafen von Tirol.108) Noch im Februar 1460 wies Cusanus die Bezeichnung Hz. Sigismunds als Landesfürst (princeps patrie) über die Brixner Kirche entrüstet zurück.109) Die bischöfliche Abwehrreaktion führte auf herzoglicher Seite zur Abwehrreaktion und zum Gegenangriff mit bekanntem Ausgang.110) Was die Landesherrschaft betrifft, galt für den Herzog: Es kann nur einen geben.111) Der Unionsplan des Jahres 1457 meinte das Gegenteil: Die Idee des Cusanus bestand in der einer gemeinsamen Ausübung der Landesherrschaft, in der geist) S.o. Anm. 56. ) Aus der Vielzahl der Fälle: AC II 1, Nr. 2660 (Abgaben der Enneberger Bauern); AC II 4, Nr. 4729 (Priesterweihe des Brixner Domherrn Konrad Tegmair), Nr. 4811 (Streit um ein Brixner Kanonikat); AC II 6, Nr. 5260 (Exemtionsprivilegien der Abtei Stams). 108) Markant in AC II 6, Nr. 5470, hier beispielsweise Z. 25f.: Und das das auch also sie, eyn bijschoff zu Brixen sie eyn lantsherre syns bijsthombs, fint sich in eym brieff keiser Karrels des iiiiten. In der zitierten Urkunde verlieh Kaiser Karl IV. dem Brixner Bischof Johann Ribi die Regalien (1366 Mai 9). Or.: München, HStA, Hochstiftsurkunden Brixen, Nr. 56. Kopie (aus der Kanzlei des NvK): Bozen, StA, Regestum Cusanum (früher Innsbruck, TLA Cod. 5672) p. 87f. Vgl. Sinnacher, Beyträge V (wie Anm. 76), 436f. Hierin nennt der Kaiser den Brixner Bischof: nostri et imperii sacri princeps und befiehlt allen Untertanen der Brixner Kirche, quatenus eidem episcopo tamquam ipsorum vero et naturali domino in omnibus iuribus suis reverenter obediant ... 109) NvK an das Brixner Domkapitel (1460 Februar 14); Or.: Bozen, StA, Lade 34 Nr. 20 B; gedruckt bei Baum, Eine Denkschrift (wie Anm. 54), 98f. Nr. 3, und künftig in AC III 2. 110) Die 1460/61 publizierten Streitschriften enthalten viel Material zu diesen Fragen; s. vorerst Jäger, Streit II (wie Anm. 1); Becker, Streit der Juristen (wie Anm. 1). Künftig umfassend AC III 2–4. 111) Eine systematische Darlegung der Idee einer zur Friedenswahrung unabdingbaren Oberhoheit des Tiroler Grafen finden wir erst im September 1460, als die publizistische Debatte zwischen dem bischöflichen und herzoglichen Lager im vollen Gange war und die Starjuristen Lorenz Blumenau und Gregor Heimburg die Wortführung übernahmen. S. das Rundschreiben vom 5. September 1460; Kopie: Bozen, StA, Codex Handlung (ehemals: Innsbruck, TLA, Cod. 5911) f. 323r–332v; künftig in AC III 2 (mit weiteren Überlieferungszeugen). Der Text war forschungsgeschichtlich sehr einflussreich; siehe v.a. Stolz, Land und Landesfürst (wie Anm. 83), 232–235, 251f. (mit Auszügen); Ders., Zur Entstehung und Bedeutung des Landesfürstentums im Raume Bayern-Österreich-Tirol, in: ZRG GA 71 (1954), 339–352, hier 352 Anm. 33. Seine Einordnung in die konkrete Debatte der frühen 1460er Jahre steht jedoch noch aus. 106 107

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liche und weltliche Belange nicht streng getrennt waren, sondern sich gegenseitig ergänzten. Cusanus hatte keineswegs vor, die Landgerichte im Inntal und an der Etsch, die Stadtherrschaft über Innsbruck, die Silberminen von Schwaz und Gossensass usw. selbst zu übernehmen. Lediglich die drei Gerichte in unmittelbarer Nähe der Bischofsresidenz, also Feldthurns, Gufidaun und Rodeneck, wollte er auslösen, weil in der Vergangenheit dort Fehdeführer Unterschlupf gefunden hatten und von den Burgen eine latente Bedrohung für die Sicherheit des Bischofs ausging.112) Aber: Der ganze Vorgang sollte vollkommen kostenneutral für den Herzog ablaufen. Dem Herzog wurde ein Öffnungsrecht garantiert.113) Künftige Pfleger der Burgen sollten zwar vom Bischof eingesetzt aber durch einen Treueeid an den Herzog gebunden werden.114) Gemeinsame Kontrolle von strategischen Schlüsselpositionen also – ein Beispiel, wie eine solche vereinte Herrschaft funktionieren sollte. Die Gegenvorschläge von herzoglicher Seite zeigen, dass der bischöfliche Plan – Frieden durch Integration – durchaus als solcher verstanden wurde: Man sprach über gemeinsame Fischfangrechte auf den Flüssen Eisack und Rienz, über freien Warenverkehr und Marktzugang.115) Auch für die Auslösung der umstrittenen Burgen und Gerichte im Eisacktal zeigte man sich offen, nur wollte man sich nicht auf die Übertragung an den Bischof einlassen. Die stattdessen vorgeschlagene Eidleistung des jeweiligen an den Bischof war zwar nicht allzu weit von den Vorschlägen des Nikolaus von Kues entfernt, konnte diesen aber in der konkreten Situation nicht zufrieden stellen. Eine Eidleistung insbesondere des Pflegers von Rodeneck Kaspar von Gufidaun, der mit seinen Nachstellungen gegen den Bischof ja gerade seinen Lehenseid gebrochen hatte, war als Garantieleistung nicht akzeptabel.116) 4. Schluss Der im Herbst 1457 formulierte Unionsplan war offenbar keine der Situation entsprungene Flucht nach vorn, sondern vielmehr ein in vielen Aspekten vom Beginn der Bischofsherrschaft an erkennbares Konzept. Cusanus strebte keineswegs eine konfrontative Trennung der Einflusssphären an, sondern betrieb im Gegenteil eine geradezu symbiotische Verschmelzung der bischöflichen und herzoglichen Gewalt, selbst als das persönliche Verhältnis zwischen Herzog und Bischof von

) AC II 6, Nr. 5372 Z. 14–19. ) AC II 6, Nr. 5372 Z. 56–77. 114) AC II 6, Nr. 5372 Z. 47–55. 115) S. AC II 6, Nr. 5387. 116) S. AC II 6, Nr. 5400f., 5393 Z. 52–55. 112 113

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offenem Misstrauen geprägt war.117) Nicht Verdichtung und Abgrenzung der Hochstiftsherrschaft, sondern eine Union der Machtsphären war das Ziel. Lehensherr und Vasall, Bischof und Stiftsvogt sollten auf verschiedenen Ebenen – Währung, Zoll, Verteidigung, Konfliktlösung, Ständevertretung, Treueverpflichtung der Untertanen – so eng aneinander gebunden werden, dass sie füreinander keine Bedrohung darstellen konnten, ohne sich selbst zu schaden oder vor ihren Untertanen das Gesicht zu verlieren. Frieden durch Integration – eine Idee, die bei aller Anachronistik in verblüffender Weise an den Schuman-Plan erinnert und durchaus der von philosophischer Richtung gern vorgebrachten Ähnlichkeit des cusanischen Modells von Einheit und Vielheit mit dem Europa-Gedanken neue Nahrung zu geben vermag.118) Es war gewissermaßen ein typisch cusanischer Ausweg nicht nur aus der verfahrenden politischen Situation des Jahres 1457, sondern auch aus dem Dilemma seiner Rolle als Bischof, die ihn zwang, als Hirte und Herrscher zugleich aufzutreten. Die Idee der konsequenten Verschmelzung der weltlichen und geistlichen Herrschaftssphäre stand im Kontrast zu den zeitgenössischen Tendenzen der Herausbildung immer schärfer voneinander abgegrenzter geistlicher und weltlicher Landesherrschaften. Ein landesherrliches Kirchenregiment, bei dem der Bischof an Bord blieb, ohne jedoch die Landesherrschaft an sich zu reißen und selbst komplett in der Rolle des weltlichen Fürsten aufzugehen. Wie anders wäre die Geschichte der frühen Neuzeit verlaufen, wenn Cusanus mit solchen Ideen Gehör gefunden hätte?

117) Bezeichnend die Aussage des herzoglichen Küchenmeisters Hans Kripp, niedergeschrieben von der Hand des NvK: Ich glauben nijt, das der cardinal myn herren den hirczogen ummer mere glaube; AC II 6, Nr. 5307 Z. 27f. 118) S.o. Anm. 7.

Nikolaus von Kues als reisender Bischof von Brixen Innerhalb und außerhalb seiner Diözese Werner Maleczek

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ank der Überfülle von Quellenmaterial, die durch den zweiten Band (in sechs Teilen) der Acta Cusana nun vorliegt, ist es möglich, das Itinerar des Nikolaus von Kues zwischen 1452 und 1460, in den Jahren als residierender Bischof von Brixen, viel genauer nachzuzeichnen, als dies vor fünfzig Jahren Georg Mutschlechner in der damaligen Cusanus-Gedächtnisschrift unternahm.1) Sein Weg lässt sich zeitweilig Tag für Tag verfolgen. Das Anliegen dieses Beitrages ist es, das tiefe Engagement des Cusaners für die ihm vom Papst übertragene kleine Diözese mitten im Gebirge – im Jahre 1457 bezeichnete er sie als tam parva ecclesia, sicut est mea, et residencia in montibus, in Alpibus2) – unter dem Aspekt zu beschreiben, dass er, der bei seinem ersten Betreten des Bistums im Jahre 1452 schon knapp über 50 Jahre alt war, rastlos innerhalb und außerhalb des Bistums und des kleinen Hochstiftes zu Pferde unterwegs war, um kirchliche Reformen ins Werk zu setzen und die weltliche Herrschaft gegen Herzog Sigismund und gegen den Adel abzusichern.3) Die vom Kirchenrecht auferlegte Pflicht des Bischofs, seinen Sprengel zu visitieren4), nahm er sehr ernst und schonte sich nicht, bis hin

1) Itinerar des Nikolaus von Kues für den Aufenthalt in Tirol (1452–1460), in: Grass, Nikolaus (Hg.), Cusanus-Gedächtnisschrift (Forschungen zur Rechts- und Kulturgeschichte 3), Innsbruck 1970, 525–534. 2) AC II 5, Nr. 5129 (1457 Januar 28): Instruktion für Thomas Pirckheimer zu Verhandlungen mit Herzog Albrecht III. von Bayern-München. In einem Brief an den Trierer Dompropst Philipp von Sierck vom 20.9.1452 nannte er seine Diözese ecclesia licet sit parva; AC II 1, Nr. 2818. — Den Umfang des Hochstiftes Brixen mit den einzelnen Gerichten beschreibt am besten Stolz, Otto, PolitischHistorische Landesbeschreibung, 3. und 4. Lieferung: Die Viertel Eisacktal und Pustertal (SchlernSchriften 40,3–4), Innsbruck 1939, 344–355, 359–360 (Schenkenberg), 361–365 (Tiers), 380f. (Albeins), 385–392 (Fassa), 393–395 (Klausen), 395–399 (Latzfons), 399f. (Säben), 401–404 (Velturns), 405–419 (Stadt Brixen), 420–422 (Lüsen), 422–427 (Salern), 494–498 (Niedervintl), 521–528 (Thurn a.d. Gader), 529–540 (Buchenstein), 575–587 (Bruneck), 588–591 (Antholz), 639–645 (Anras), 645– 648 (Bannberg). 3) Die überzeugendste Darstellung der Zeit als Bischof von Brixen ist m. E. von Hermann Hallauer, Nikolaus von Kues als Kirchenreformer und Fürstbischof von Brixen, in: MFCG 28 (2003), 103–134. 4) Vgl. Baccrabere, Georges, Visite canonique de l’église, in: Dictionnaire de Droit Canoni-

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zu tatsächlicher oder vermeintlicher physischer Bedrohung und Flucht ins unwirtliche Gebirge. Obwohl der Bischof einen eindeutig definierten Mittelpunkt seiner geistlichen Herrschaft hat, nämlich seine Domkirche, ist die weltliche Herrschaft über das Territorium des Hochstiftes auch noch im 15. Jahrhundert eine Art Reiseherrschaft, obwohl die Ausbildung von Residenzen oder Hauptstädten, von Zentralverwaltungen an einem bestimmten Platz und von festliegenden Orten des Rates schon weit fortgeschritten ist.5) Der geistliche Fürst Nikolaus von Kues war in Ausübung seiner Herrschaft gezwungenermaßen viel unterwegs. Beginnen wir mit einigen Zahlenangaben, wobei ich anders als Mutschlechner nicht nach Tagen, sondern nach Wochen zähle, die dem Vorstellungsvermögen des Lesers etwas besser entgegenkommen. Nominell war Nikolaus von Kues von der päpstlichen Ernennung am 23. März 1450 an bis zu seinem Tod am 11. August 1464 Bischof von Brixen, das sind etwa 752 Wochen. Vom ersten Betreten des Bistums am 7. April 1452 an sind dies 643 Wochen, bis zur ersten Abreise nach Rom am 15. September 1458 sind dies 335 Wochen. Rechnet man den kurzen Aufenthalt zwischen dem 7. Februar 1460 und dem 27. April 1460, d.h. etwa 12 Wochen, hinzu, kommt man auf 347 Wochen, in denen man ihn als tatsächlich residierenden Bischof bezeichnen kann. Elf Reisen unterschiedlicher Länge unternahm er zu Zielen außerhalb der Diözese. Sie nahmen etwa 43 Wochen in Anspruch, die man bei der Statistik etwas vermindern muss, denn die Route führte ja zunächst durch das Bistum. Man kann also ziemlich verlässlich angeben, dass sich der Cusaner zwischen 305 und 310 Wochen in seiner Diözese aufhielt, also etwas mehr als fünfeinhalb Jahre. Beginnen wir mit den Reisen außerhalb seiner Diözese. Es sind, wie gesagt, elf, davon sechs größere, zwei mittlere und drei kurze. Schon wenige Monate nach dem Einzug in die Diözese reiste der Cusaner, immer noch in seiner Funktion als päpstlicher Legat für Deutschland, von Ende Mai bis Anfang Juli 1452, etwa fünf Wochen lang, über Innsbruck (Wilten), Stams, Tegernsee, Andechs, München nach Regensburg und kehrte über Rott am Inn durch das Inntal über Rattenberg und erneut Innsbruck nach Brixen zurück, etwa 790 km.6) Anlass zu dieser Reise waren Verhandlungen mit den böhmischen Hussiten, die nach mehreren vergebque 7 (1965), 1512–1536; Puza, Richard, Visitation, in: LexMA 8 (1997), 1748–1751; Coulet, Noël, Les visites pastorales (Typologie des sources du moyen âge occidental 23), Turnhout 1977, 21–23; mit der Mise à jour, Turnhout 1985; Oberste, Jörg, Visitation und Ordensorganisation. Formen sozialer Normierung, Kontrolle und Kommunikation bei Cisterziensern, Prämonstratensern und Cluniazensern (12. – frühes 14. Jahrhundert) (Vita regularis 2), Münster 1996, 39–44. 5) Vgl. Althoff, Gerd, Vom Zwang zur Mobilität und ihren Problemen, in: von Ertzdorff, Xenia/Neukirche, Dieter (Hg.), Reisen und Reiseliteratur im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit, (Chloe. Beihefte zum Daphnis 13), Amsterdam 1992, 91–111. 6) AC II 1, Nr. 2600f., 2614–2619, 2621–2624, 2627–2630, 2634, 2637, 2645, 2646, 2649–2651, 2653–2658, 2661–2665, 2669–2671, 2673f., 2680f., 2683.

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lichen Versuchen im Juni 1452 in Regensburg ab 18. Juni unter Beisein des Legaten geführt werden sollten. Anwesend waren auch Markgraf Albrecht-Achilles von Brandenburg-Ansbach, Herzog Ludwig der Reiche von Bayern-Landshut und die Bischöfe von Passau, Freising, Eichstätt und Regensburg. Sie blieben ergebnislos, da die böhmischen Vertreter unzureichende Vollmachten hatten und der Cusaner, durch den ebenfalls eingeladenen übereifrigen und jedem Kompromiss abholden Franziskaner-Observanten Giovanni da Capestrano präjudiziert, auf den traditionellen römischen Positionen beharrte und unbedingten Gehorsam gegenüber dem apostolischen Stuhl verlangte.7) Auf die zweite große Reise, jene nach Wien und Wiener Neustadt von November 1452 bis Jänner 1453, kommen wir weiter unten ausführlicher zurück. Die dritte große Reise, schon etwa fünf bis sechs Wochen nach der Rückkehr aus Ostösterreich begonnen, führte Nikolaus von Kues nach Rom, zum päpstlichen Hof Nikolaus’ V. Sie dauerte etwa vier Monate, von etwa Mitte Februar bis in die erste Hälfte des Juni 1453.8) Der Grund dieser Reise von etwa 1400 km ist schwer zu erkennen. Vielleicht war es ein abschließender Bericht an den Papst über die lange Legation nach Deutschland, vielleicht ging es um die Fortsetzung der Gespräche mit den Hussiten.9) Die vielen, in den Acta Cusana zusammengetragenen Nachrichten handeln von zahlreichen Kleinigkeiten.10) Die vierte große Reise führte Nikolaus von Kues zum „Türkenreichstag“ von Regensburg und dauerte von der letzten Aprilwoche bis Ende Mai 1454.11) Zwischen Hall und Wasserburg benützte er das Schiff auf dem Inn, dann das Pferd, und auf einem ähnlichen Weg kam er wieder zurück, insgesamt etwa 730 km. Er 7) Vgl. Hofer, Johannes, Johannes Kapistran. Ein Leben im Kampf um die Reform der Kirche, Neubearb. von Ottokar Bonmann, Bd. 2 (Bibliotheca Franciscana 2), Heidelberg 1965, 139–145; Hallauer, Hermann, Das Glaubensgespräch mit den Hussiten, in: Haubst, Rudolf (Hg.), Nikolaus von Kues als Promotor der Ökumene. Akten des Symposions in Bernkastel-Kues, 22.–24. September 1970 (MFCG 9), Mainz 1971, 53–75, bes. 62–66. Zur Reise gemeinsam mit Herzog Albrecht III. von Bayern-München nach Andechs, wohl am 5./6. Juni, vgl. Meuthen, Erich, Nikolaus von Kues und die Wittelsbacher, in: Fried, Pankraz (Hg.), Festschrift für Andreas Kraus zum 60. Geburtstag (Münchener historische Studien. Abteilung Bayerische Geschichte 10), Kallmünz 1982, 95–113, hier 101f. Vgl. auch Viallet, Ludovic, Les deux bras du pape. Parcours croisés de Nicolas de Cues et Jean de Capistran en terre germanique (1451 – 1454), in: Les relations diplomatiques au Moyen Âge. Formes et enjeux. XLIe Congrès de la SHMESP, Lyon, 3–6 juin 2010 (Publications de la Sorbonne. Histoire ancienne et médiévale 108), Paris 2011, 253–267. 8) Die Ankunft in Rom wird im Konsistorialprotokoll zum 5. März eingetragen, die Abreise zum 29. Mai, AC II 1, Nr. 3151, 3472. 9) Die letzte Selbstbezeichnung als legatus per Alamaniam datiert vom 15.2.1453, AC II 1, Nr. 3065. 10) AC II 1, Nr. 3159f., 3259, 3315, 3324, 3378–3380, 3388, 3390, 3410, 3417–3421, 3423f., 3433, 3449, 3451, 3466, 3468f. 11) AC II 2, Nr. 3898, 3912, 3915, 3931, 3934f., 3938, 3949–3958, 3960, 3963–3968, 3978. Vgl. Meuthen, Erich, Nikolaus von Kues auf dem Regensburger Reichstag 1454, in: Festschrift für Hermann Heimpel zum 70. Geburtstag, Bd. 2 (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte 36,2), Göttingen 1972, 482–499.

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sollte auf Wunsch Friedrichs III., der persönlich nicht nach Regensburg kommen wollte, den Mitvorsitz der Versammlung, die ganz auf einen Kreuzzug gegen die Türken gerichtet war, übernehmen. Er erhielt auch einen päpstlichen Auftrag und vertrat, wie dies auf der Durchreise durch Innsbruck vereinbart worden war, den Tiroler Herzog. Von seinem Wirken in Regensburg selbst – ab dem 2. Mai – weiß man einiges (Rede auf der Eröffnungssitzung, Eingreifen zugunsten des Deutschen Ordens in der Auseinandersetzung mit Polen, „Türkenrede“ auf der dritten Sitzung, Angebot von Flottenunterstützung aus Italien im päpstlichen Auftrag), seine Skepsis wegen der Ergebnislosigkeit der Versammlung ist gut bezeugt. Die fünfte große Reise ist eigentlich die Flucht nach dem langen Aufenthalt in Andraz/Buchenstein (vom 10. Juli 1457 an) und einer kurzen Rückkehr nach Bruneck und Taufers zwischen 7. und 11. September 1458 nach Rom, an die Kurie seines alten Freundes Aeneas Silvius, der am 19. August zum Papst gewählt worden war. Am 14. September brach er von Buchenstein nach Süden auf, auf unbekanntem Weg – wohl über Belluno/Treviso/Padua/Ferrara/Bologna/Florenz/ Siena – (etwa 650 km) gelangte er nach Rom, wo er am 30. September einzog.12) Die sechste große Reise des Cusaners ist die völlig misslungene Rückkehr in seine Diözese im Februar 1460, wovon später nochmals kurz die Rede sein wird. Nach einem kurzen Aufenthalt in Bruneck zog er sich schon eine Woche später, am 14. Februar, wieder auf die Bergfestung Buchenstein zurück. Die Ereignisse in Bruneck zu Ostern 1460, die Gewalttat Herzog Sigismunds und die Demütigung des Kardinals sind sattsam bekannt und brauchen hier nicht wiederholt zu werden. Ende April verließ Nikolaus für immer seine Diözese, durchquerte wieder die Dolomiten und zog über Belluno, Lonigo, Bologna und Florenz nach Siena, wo er sich von der letzten Woche im Mai bis Mitte September aufhielt. Über Viterbo zog er schließlich zurück nach Rom, wo er in der zweiten Woche des Oktober eintraf. Auf dem Hin- und Rückweg hatte er etwa 1400 km zurückgelegt.13) Die eine mittlere Reise unternahm der Cusaner in der ersten Oktoberhälfte des Jahres 1453 nach Füssen über Innsbruck/Wilten, hin und zurück etwa 400 km. Der Zweck der Reise ist nicht bekannt. Vielleicht war er auch in Andechs. In ) AC II 6, Nr. 5734f., 5738f., 5746f., 5749, 5758. ) Vgl. Meuthen, Erich, Die letzten Jahres des Nikolaus von Kues. Biographische Untersuchungen nach neuen Quellen (Wissenschaftliche Abhandlungen der Arbeitsgemeinschaft für Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen 3), Köln/Opladen 1958, 57–61, mit dem tabellenmäßigen Itinerar 315; Hallauer, Hermann, Bruneck 1460. Nikolaus von Kues – der Bischof scheitert an der weltlichen Macht, in: Helmrath, Johannes/Müller, Heribert (Hg.), Studien zum 15. Jahrhundert. Festschrift Erich Meuthen, Bd. 1, München 1994, 381–412, wieder abgedruckt in: Ders., Nikolaus von Kues. Bischof von Brixen. Gesammelte Aufsätze, hg. v. Erich Meuthen und Josef Gelmi (Veröffentlichungen der Hofburg Brixen 1), Bozen 2002, 155–195, nach dem zitiert wird, hier 161–163, mit dem Zitat 161; Helmrath, Johannes, Nikolaus von Kues in Rom, in: Euler, Walter Andreas (Hg.), Die römischen Jahre des Nikolaus von Kues (MFCG 35), Trier 2020, 141–181, bes. 167–171. 12 13

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Füssen traf er mit Kardinal Peter von Schaumburg, Bischof von Augsburg, in dessen Diözese Füssen lag, und mit Georg Hack, dem Bischof von Trient, zusammen. Mit dem letzteren machte er auch die Rückreise.14) Die andere mittlere Reise dauerte etwas mehr als zwei Wochen in der zweiten Septemberhälfte / ersten Oktoberhälfte 1454 und führte Nikolaus nach München.15) Wieder ist der Anlass nicht eindeutig. Wahrscheinlich waren es erneut Andechs und des Cusaners freundschaftliche Beziehungen zu Herzog Albrecht III. von Bayern-München, dem engagierten Förderer des Wallfahrtsortes, wo das bisherige Kollegiatstift in ein reformiertes Benediktinerkloster umgewandelt werden sollte. Da der Tiroler Herzog Sigismund zur selben Zeit in München bezeugt ist, könnte der Bischof auch an den politischen Gesprächen beteiligt gewesen sein, die im darauffolgenden Jahr 1455 zu einem tirolisch-bayerischen Bündnis führten. Vielleicht waren es auch Sondierungen über einen eventuellen Amtsverzicht des Cusaners und die Nachbesetzung des Brixner Bischofsstuhls durch einen wittelsbachischen Prinzen. Auf der Rückreise besichtigte er im Auftrag des Herzogs Andechs und reiste dann nach Polling weiter, bevor er auf demselben Weg nach Südtirol zurückkehrte (insgesamt etwa 500 km).16) Von den drei kurzen Reisen hatten zwei Bozen zum Ziel, die eine Ende Februar/Anfang März 1456, zu Verhandlungen mit Herzog Sigismund in der Sonnenburger Angelegenheit, von denen etwas später gehandelt wird, die andere Ende April 1457, um dort den Churer Elekten Leonhard Wiesmair, den früheren Kanzler Herzog Sigismunds und seinerzeitigen Konkurrenten des Cusaners für den Brixner Bischofsstuhl, unter Assistenz des Trienter Bischofs Georg Hack zum Bischof zu weihen (jeweils etwa 80 km für den Hin- und Rückweg).17) Knapp nach der Rückkehr aus München in der ersten Oktoberhälfte 1454 reiste Nikolaus nach Trient (Hin- und Rückreise etwa 200 km).18) Setzen wir mit den Reisen innerhalb der Diözese fort. Aber zunächst sei kurz die Frage erörtert, ob sich der Kardinal schon vor seiner Providierung durch den Papst am 23. März 1450 in der Diözese aufgehalten hatte, er also zumindest aus eigener Anschauung wusste, worauf er sich mit der Annahme der päpstlichen 14) AC II 2, Nr. 3659, 3664–3666, 3673, 3675. Zum vermutlichen Besuch in Andechs vgl. Meuthen, Nikolaus von Kues und die Wittelsbacher (wie Anm. 7), 103. 15) AC II 3, Nr. 4111f., 4114f., 4117, 4119, 4122. 16) AC II 3, bes. Nr. 4119, 4122 mit den Anmerkungen. Vgl. Gismann, Robert, Die Beziehungen zwischen Tirol und Bayern im Ausgang des Mittelalters. Herzog Sigmund der Münzreiche und die Wittelsbacher in Landshut und München von 1439 bis 1479, masch. Diss., Innsbruck 1976, 57– 60, 85f., 89; Märtl, Claudia, Herzog Albrecht III., Nikolaus von Kues und die Gründung des Benediktinerklosters Andechs im Jahr 1455. Festgabe des Freundeskreises Kloster Andechs e.V. aus Anlass der 550. Wiederkehr der Klostergründung, Starnberg 2005, bes. 14–21; Meuthen, Nikolaus von Kues und die Wittelsbacher (wie Anm. 7), 102f. 17) AC II 5, Nr. 5211–5213. 18) AC II 3, Nr. 4127.

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Ernennung einließ, ob er eine Ahnung davon hatte, was es hieß, „eingeschlossen in Schnee und dunklen Tälern“ zu sein, wie sein Freund Aeneas Silvius 1456 seinen Wirkungsort charakterisieren sollte.19) Möglich ist dies schon, da er auf der Reise im November/Dezember 1449 aus dem Rheinland nach Rom, um dort den von Nikolaus V. verliehenen Kardinalshut am 11. Jänner 1450 entgegenzunehmen, vielleicht die Brennerroute wählte, die im Hochwinter leichter zu bewältigen war als der Ritt über die Schweizer Pässe.20) Jedenfalls ließ er sich im Herbst 1450 an der Kurie durch Johannes Fuchs, den Dekan von Neustift, über die Zustände in seiner Diözese informieren.21) Bei der großen Legationsreise durch Deutschland 1451/52 wählte er nicht die Brennerroute, sondern zog im Jänner 1451 über das Veneto und das Kanaltal nach Kärnten und dann nach Salzburg.22) Die Reisen innerhalb der Diözese hatten zwei Schwerpunkte, einerseits Bruneck, andererseits Innsbruck. Ich zähle 21 Reisen nach Bruneck, dem Zentrum der hochstiftischen Gebiete im mittleren Pustertal, etwa 34 km von Brixen entfernt und deshalb in einem Tagesritt gut zu erreichen, oppidum nostrum, wie es der Cusaner öfters bezeichnet. In der Mitte des 13. Jahrhunderts vom namengebenden Bischof Bruno von Kirchberg (1250–1288) als Burganlage mit dazugehörendem Marktort als Verwaltungsmittelpunkt und Bollwerk gegen die Expansionsbestrebungen der Tiroler Grafen und habsburgischen Herzöge gegründet, war es in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts stark ausgebaut und mit Annehmlichkeiten für den Burgherren und das Verwaltungspersonals versehen worden.23) Jedes Jahr kam Nikolaus von Kues nach Bruneck und blieb im Schnitt ein bis zwei Wochen, aber einige Male hielt er sich länger dort auf, im August/September 1452 dreißig Tage, im November 1453 zwanzig, im Mai/Juni 1455 fast einen Monat lang, ebenso im Juli 1456, auch im April 1460, aber dieser letzte Aufenthalt stand ja, wie wohl bekannt, unter ganz anderen Vorzeichen. Wenn man die bei den Besuchen in Bruneck und der Rückreise nach Brixen zurückgelegten Entfernungen zusammenzählt und die anders gearteten Reisen der Jahre 1458 und 1460 berücksichtigt, kommt man auf etwa 1300 km. Von Bruneck aus setzte Nikolaus von Kues auch öfters den Ritt fort, benützte also die Burg als Stützpunkt und Etappe: nach Vigo di Fassa über den Campolongo und das Pordoijoch (Juli 1452, etwa 160 km hin 19) Meuthen, Die letzten Jahre (wie Anm. 13), 15 und 133 Nr. I, Brief des Aeneas vom 27.12.1456 (AC II 5, Nr. 5075 Z. 9f.): Veni igitur, obsecro, veni! Neque enim tua virtus est, que inter nives et ombrosas clausa valles languescere debeat. 20) Am 13.11.1449 ist Nikolaus in Mainz, am 20.11.1449 in Koblenz (AC I 2, Nr. 856, 857b), am 11.1.1450 zog er in Rom ein (AC I 2, Nr. 862). 21) AC I 2, Nr. 959. 22) Am 18.1.1451 ist er in Treviso, am 25.1.1451 in Spittal an der Drau, am 31.1.1451 in Salzburg (AC I 2, Nr. 985, 989 Anm. 1, 992). 23) Vgl. Landi, Walter/Pescoller, Markus, Bruneck, in: Hörmann-Weingartner, Magdalena (Hg.), Tiroler Burgenbuch, Bd. 9: Pustertal, Bozen/Innsbruck 2003, 181–210.

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und zurück), nach Innichen (Ende August 1452, etwa 70 km hin und zurück), nach Cortina d’Ampezzo (Februar 1453, etwa 130 km hin und zurück), nach Prettau im hinteren Ahrntal (Juni 1455, etwa 75 km hin und zurück). Am 10. Juli 1457 nahm er aus Furcht vor der Verfolgung durch seinen erbitterten Feind Kaspar von Gufidaun und nach dem überstandenen Hinterhalt bei Aicha an der Brixner Klause Zuflucht in der Festung Buchenstein in Andraz, aber er vermied den Weg durch das Pustertal, sondern ritt von Säben, wo er sich eine Woche lang aufgehalten hatte, durch das Grödnertal und über das Sellajoch und das Pordoijoch (etwa 70 km). Bekanntlich blieb er dort über ein Jahr lang, bis in die zweite Woche im September 1458. Von dort aus besuchte er in der letzten April- und ersten Maiwoche 1458 den alten Brixner Besitz in Veldes/Bled in Krain (etwa 250 km am bequemsten und zum Teil auf dem Schiff auf der Drau über Villach, kürzer aber über mehrere Pässe quer durch die Dolomiten und die Julischen Alpen, insgesamt etwa 450 bis 500 km). Das zweite, oft besuchte Reiseziel war Innsbruck, die Residenz des Tiroler Herzogs Sigismund, das hier zusammen mit dem Prämonstratenserstift Wilten, kaum zwanzig Gehminuten von der Hofburg entfernt, besprochen wird. 15 Mal hielt sich Nikolaus in Innsbruck auf. Es soll freilich angemerkt werden, dass es manchmal nur eine Durchreise zu anderen Zielen war, und vier Aufenthalte sind in Wilten alleine, ohne einen Beleg für das Betreten der Stadt, bezeugt. Bis 1457, bis zum einschüchternden Überfall mit vorgetäuschter Mordabsicht in den letzten Juni-Tagen, kam der Bischof in jedem Jahr nach Innsbruck, zumeist jedoch nur für einige Tage. Aus etwa zeitgenössischen Reiseberichten weiß man, dass die Residenzstadt, die seit etwa 1420 das im südlichen Landesteil gelegene Meran bzw. das Schloss Tirol als Herrschaftsmittelpunkt der Tiroler/Vorländischen Linie der Habsburger abgelöst hatte, Gefallen erregte.24) Die drei Aquarelle Albrecht Dürers, auf der Durchreise nach Italien oder bei der Rückreise in die Nürnberger

24) Vgl. Paravicini, Werner (Hg.), Höfe und Residenzen im spätmittelalterlichen Reich. Ein dynastisch-topographisches Handbuch 2: Residenzen, Ostfildern 2003, 279–282. — Beispielsweise der knapp gefasste Bericht, eher eine Abrechnung der Auslagen mit kurzem Kommentar, von zwei Abgesandten der Stadt Pordenone zum österreichischen Herzog Friedrich im Oktober und November 1428. Sie ritten durch das Kanaltal nach Villach, dann über St. Veit, Judenburg nach Leoben, weiters zurück über den Schoberpaß und das Ennstal nach St. Johann im Pongau, weiters über Mittersill und den Gerlospaß ins Zillertal, schließlich nach Innsbruck. Et nota quod in Ispruch est habundantia hospitum, et meretrices sunt in magna copia. Diplomatarium Portusnaonense. Series documentorum ad historiam Portusnaonis spectantium quo tempore (1276–1514) domus Austriacae imperio paruit, ed. Giuseppe Valentinelli (Fontes rerum Austriacarum II 24), Wien 1865, 194–203, hier 201. Vgl. Voigt, Klaus, Italienische Berichte aus dem spätmittelalterlichen Deutschland. Von Francesco Petrarca zu Andrea de’ Franceschi (Kieler historische Studien 17), Stuttgart 1973, 64f.; Riedmann, Josef, Eine Reise durch Tirol im Jahre 1428. Mit einem Exkurs über die Ursprünge des Gauderfestes in Zell am Ziller, in: Tiroler Heimat 84 (2020), 11–31, zu Innsbruck bes. 20f.

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Heimat 1494 oder 1495 angefertigt, geben Zeugnis davon.25) Beim ersten Aufenthalt, bei der Reise in seine Diözese in der ersten Aprilwoche 1452, erlebte Nikolaus seine erste Frustration, denn Herzog Sigmund, gegen dessen Willen er ja vom Papst mit dem Bistum Brixen providiert worden war, empfing ihn ita viliter et despectuose. Er ließ sich aus fadenscheinigen Gründen entschuldigen und ritt dann demonstrativ zur Jagd aus.26) Nur wenige Monate später berührte er auf der Reise nach Regensburg wegen der Gespräche mit den Hussiten sowohl auf der Hin- als auch auf der Rückreise Innsbruck. Auf der Rückreise verhandelte er Anfang Juli 1452 in Innsbruck mit dem Prokurator der Nonnen von Sonnenburg.27) Ziemlich genau ein Jahr später, um die Mitte des Monats Juli 1453, finden wir ihn in Innsbruck und Wilten, aber der Grund dieser Reise ist nicht zu erkennen. Am 12. Juli predigte er in Innsbruck, am selben Tag stellte er Ablassbriefe aus.28) In der ersten Hälfte des Jänner 1454 diente die Reise über den Brenner dem Abschluss eines gegenseitigen Beistandsabkommens zwischen dem Bischof und dem Landesfürsten im Falle eines militärischen Angriffes (Urkunden vom 13. Jänner 1454), Zeichen der Verbesserung des gegenseitigen Verhältnisses. Der Herzog übernahm als freundliche Geste sogar die Kosten der Reise des Bischofs.29) Dieser urkundete auch in Wilten, wo er während seiner Reisen nach Innsbruck für gewöhnlich nächtigte. Zwei Monate später, am 22. März 1454, brach der Cusaner erneut nach Innsbruck auf, pro quadam publica necessitate patrie atque certis rebus ecclesiasticis domini episcopi Tridentini atque meis, wie er Abt Kaspar von Aindorffer von Tegernsee schrieb. In Wilten predigte er, in Innsbruck verhandelte er mit Georg Hack, dem Bischof von Trient, der dabei war, sich ganz in die Hände Herzog Sigismunds zu geben. Ein Monat später, am 29. April 1454, wurden die „Kompaktaten“ unterzeichnet, welche dem Herzog einen weitreichenden Einfluss im Hochstift Trient gewährten, das nun faktisch unter dessen Vorherrschaft stand und für Nikolaus als Bündnispartner ausfiel.30) Knapp davor, am 26. April 1454, war Nikolaus wieder in Wilten

25) Innsbruck von Norden, zweimal der Innenhof der Hofburg, als Originale in der Albertina liegend, vgl. zum Beispiel in: Albrecht Dürer. Katalog der Ausstellung Wien, Albertina, hg. von Klaus Albrecht Schröder und Maria Luise Sternath, Wien 2003, 150–153. 26) AC II 1, Nr. 2460. 27) AC II 1, Nr. 2681. 28) AC II 2, 3518, 3520–3522. 29) AC II 2, 3782–3784, 3788f. Vgl. Hallauer, Hermann, Nikolaus von Kues als Rechtshistoriker. Sein Kampf um die Bewahrung der Brixener Kirche, in: MFCG 24 (1998), 103–170, wieder abgedruckt in: Ders., Nikolaus von Kues (wie Anm. 13), 39–104, hier 48f. 30) AC II 2, 3875, 3885, 3887f., 3890. Vgl. Brandstätter, Klaus, Die Beziehungen zwischen Tirol und Trient im späten Mittelalter – Le relazioni tra Trento e il Tirolo nel tardo Medioevo, in: Studi tridentini di scienze storiche 75 (1996), 3–59, hier 18f.; wieder abgedr. in: Ders., Tirol und das späte Mittelalter. Ausgewählte Aufsätze, hg. von Julia Hörmann-Thurn und Taxis und Gustav Pfeifer (Schlern-Schriften 375), Innsbruck 2021, 219–243, hier 233f., sowie den Beitrag von Emanuele Curzel in diesem Band.

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und setzte Maßnahmen zur Visitation und Reform des Stiftes. Wenig später reiste er zum Reichstag von Regensburg weiter, er war von Herzog Sigismund in Innsbruck mit seiner Vertretung beauftragt worden.31) Auf der Rückreise in der zweiten Maihälfte 1454 wird er wohl wieder Innsbruck berührt haben, aber das explizite Zeugnis fehlt. In der zweiten Augusthälfte desselben Jahres 1454 war er wieder für wenige Tage in Innsbruck. Ziel der Reise dürften Verhandlungen mit Herzog Sigismund wegen der Anfang August 1454 eingelegten Appellation der Nonnen von Sonnenburg an Papst Calixt III. gewesen sein. Die wenige Tage später erfolgte Parteinahme Sigismunds für Nikolaus in einer Fehdeangelegenheit ist wohl als Entgegenkommen zu werten.32) Zwischen dem Stephanitag 1454 und Dreikönig 1455 war der Cusaner wieder nach Norden unterwegs und war dann mehrfach in Wilten bzw. in Innsbruck. Dort predigte er am Sonntag in der Weihnachtsoktav und am Neujahrstag. Der Grund für diese Überquerung des Brenner im tiefen Winter war schon wieder die Sonnenburger Angelegenheit. Am 31. Dezember unterfertigten der Bischof und der Herzog auch eine von Verena von Stuben bestätigte Vereinbarung, wonach die der Abtei Sonnenburg gesetzte Frist verlängert und eine Visitation durch reformierte Äbte angesetzt wurde. Die Äbtissin sollte mit Unterstützung des Herzogs Äbte ihrer Wahl bestellen.33) Kurz nach Ostern desselben Jahres ritt Nikolaus wieder nach Innsbruck, aber aus den erhaltenen Quellen geht nicht hervor, was er dort bis zum 13. April unternahm.34) Mitte August 1455 war er schon wieder in Innsbruck, zu Mariä Himmelfahrt predigte er dort zum Thema „Dilexisti iustitiam et odisti iniquitatem“ (nach Ps. 45(44),8). Es war wohl der Zwist Sigismunds mit seinem Vetter Albrecht VI., dem jüngeren Bruder des Kaisers, um dessen Herrschaft in den österreichischen Vorlanden der Grund, warum der Tiroler Herzog den Brixner Bischof zu sich bat. Auch der Bischof von Trient und eine große Zahl von herzoglichen Räten waren anwesend.35) Dann

31) AC II 2, Nr. 3936, 3938. Vgl. Lentze, Hans, Nikolaus von Cues und die Reform des Stiftes Wilten, in: Veröffentlichungen des Museum Ferdinandeum 31 (1951), 501–527, hier 508–516; wiederabgedruckt in: Ders., Studia Wiltinensia. Studien zur Geschichte des Stiftes Wilten (Forschungen zur Rechts- und Kulturgeschichte 1), Innsbruck 1964, 73–94, hier 82–91; Palme, Rudolf, Die Abtwahl im Stift Wilten von der Gründung bis zur Beendigung des Exemtionsstreites, in: Analecta Praemonstratensia 46 (1970), 238–263, hier 255–263; von Schachta, Astrid, Das Prämonstratenserstift Wilten, in: Obermair, Hannes u.a. (Hg.), Dom- und Kollegiatstifte in der Region TirolSüdtirol-Trentino in Mittelalter und Früher Neuzeit. Collegialità ecclesiastica nella regione trentinotirolese dal medioevo all’età moderna (Schlern-Schriften 329), Innsbruck 2006, 239–251, hier 242f. 32) AC II 3, Nr. 4053, 4078, 4080, 4084. 33) AC II 3, Nr. 4188f., 4191–4193, 4198, 4201. 34) AC II 3, Nr. 4296, 4299, 4301, 4305, 4306. 35) AC II 3, Nr. 4475–4477, 4480f., 4483–4489. Dazu vgl. Langmaier, Konstantin Moritz Ambrosius, Erzherzog Albecht VI. von Österreich (1418–1463). Ein Fürst im Spannungsfeld von Dynastie, Regionen und Reich (Forschungen zur Kaiser- und Papstgeschichte des Mittelalters 38), Köln/Weimar/Wien 2015, 408–418.

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sollte es bis Mitte April des folgenden Jahres 1456 dauern, bis man Nikolaus wieder in Innsbruck nachweisen kann. Am 15. April schloss er mit Sigismund ein Abkommen über das Gericht Steinach an der Brennerstraße, das 1369 vom damaligen Tiroler Landesfürsten an das Hochstift verpfändet worden war. Als der Cusaner nun die Pfandsumme anbot, machte die Gegenseite geltend, dass die diesbezüglichen Urkunden in der Kanzlei Friedrichs III. lägen und vor der Rückzahlung erst genau untersucht werden müssten. Der Cusaner verpflichtete sich, innerhalb einer vereinbarten Frist beglaubigte Abschriften zu beschaffen, die die habsburgischen Fürsten dann zur Grundlage der Prüfung der Ansprüche machen wollten.36) Und dann der letzte, der dramatische Aufenthalt in Wilten in der vierten Woche des Juni 1457, der das Verhältnis zu Sigismund schwerstens belastete und zum Rückzug des Cusaners in die Felsenburg Buchenstein führte. Über das angebliche oder tatsächliche Mordkomplott oder Gefangennahme des Bischofs existieren mehrere Berichte, die sich durch urkundliche Quellen ergänzen lassen.37) Eindeutig ist ihre Interpretation nicht und Johannes Helmrath befasst sich in seinem Beitrag dieses Bandes speziell mit der „Wiltener Affäre“ und bringt Licht in dieses Halbdunkel, zu dem die in vielen Enttäuschungen über die Reformresistenz der Diözese und die jahrelangem Zwist mit dem Landesfürsten, seinem Adel, mit den hartnäckigen Nonnen von Sonnenburg gewachsene Ängstlichkeit des Cusaners und sein Gefühl, von allen verfolgt zu werden, mitspielten.38) Der Sachverhalt braucht hier nicht neuerlich dargestellt zu werden39), aber die relativ umfangreichen Berichte liefern bisher kaum beachtete Einzelheiten über das Reisen des Kardinals. Der Gesandte Sigismunds, sein Hofmeister Leonhard von Velseck, versicherte dem Kardinal, dass die Wege sicher seien und er deshalb nicht mit großem Gefolge zu reiten brauche, er mocht mit zehn pherden komen; er were wol sicher.40) Dies vermittelt einen Eindruck von der Größe der Begleitung des Cusaners. Da die Entfernung von Brixen nach Innsbruck (über 80 km) zu groß für eine Tagreise ist, stellt sich die Frage nach einer Tagesetappe und der Übernachtung. Sterzing bietet sich an (von Brixen aus etwa 30 km) und dies ist aus dem sogenannten „Krell-Memoran-

36) AC II 4, Nr. 4739. Diese Urkunde in doppelter Ausfertigung für die beiden Partner der Übereinkunft ist das einzige Zeugnis für den Aufenthalt des Cusaners in Innsbruck. 37) AC II 6, Nr. 5250, 5265f., 5269f., 5272–5282, 5284–5288, 5291f., 5295–5303, 5306. 38) Gerüchte und Fake News im spätmittelalterlichen Tirol. Die „Wiltener Affäre“ und ihre mediale Resonanz. 39) Jäger, Albert, Der Streit des Cardinals Nicolaus von Cusa mit dem Herzoge Sigmund von Österreich als Grafen von Tirol. Ein Bruchstück aus den Kämpfen der weltlichen und kirchlichen Gewalt nach dem Concilium von Basel, Bd. 1, Innsbruck 1861, 212–226; Baum, Wilhelm, Nikolaus Cusanus in Tirol. Das Wirken des Philosophen und Reformators als Fürstbischof von Brixen (Schriftenreihe des Südtiroler Kulturinstituts 10), Bozen 1983, 358–366. 40) Aus dem sogenannten „Krell-Memorandum“; AC II 6, Nr. 5266.

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dum“ explizit bezeugt.41) In einer nachträglichen Rechtfertigung wies Sigismund jeglichen Verdacht von Gewalttätigkeiten, ja von Unfreundlichkeiten zurück und machte auf das gemeinsame Trinken im Stift Wilten aufmerksam, das als ein Ritual für die Sichtbarmachung von Versöhnung und eines guten Verhältnisses in sehr vielen Bereichen des menschlichen Zusammenlebens galt (und gilt).42) Nikolaus nahm auch die Gelegenheit wahr, in dem kleinen Dorf Lans, südlich von Innsbruck auf der Mittelgebirgsterasse gelegen, die Kirche zu weihen, die eine Filialkirche von Patsch und damit dem Stift Wilten – übrigens bis zum heutigen Tag – inkorporiert war.43) Als er sich von Brixen aus zunächst nach Säben und dann nach Buchenstein zurückzog, nahm er vorsorglich einen Teil des Urkundenarchivs mit.44) Zählt man die Ritte von Brixen nach Innsbruck zusammen und berücksichtigt nicht die Weiterreisen zu anderen Zielen, kommt man auf 9 × 170 km, also etwa 1460 km, die Nikolaus im Sattel zurücklegte. Die anderen Orte, in denen sich der Kardinal innerhalb seiner Diözese aufhielt und die durch Datierungen oder andere Zeugnisse belegt sind, sind rasch aufgezählt. An erster Stelle, nicht weiter zu verwundern, ist das nur wenig von Brixen entfernte Regularkanonikerstift in Neustift. Die Anlässe sind zumeist seelsorgerliche Routine: Weihen von Altären, Predigten, diese manchmal zu besonderen Anlässen. Das Verhältnis zwischen dem Kardinal und Neustift war einige Jahre lang sehr gut, die zu Beginn des Jahres 1456 eingeleitete Visitation heizte den Zwist mit dem Landesfürsten Sigismund weiter an, führte aber dann im Juli 1457 zu einer Reformcharta.45) Auch die etwa 13 km entfernte Stadt Klausen an der Grenze zum 41) AC II 6, Nr. 5269: Item der cardinal rait von Brichsen des mittichen vor dem yecztgenanten sand Johannstag gen Sterczing. Do kam der Neidecker des abents zu dem cardinal. — Ähnlich Nr. 5291 aus dem KrellMemorandum: Item des abents, als der cardinal zu Sterczing was, kamen im vil warnung. 42) AC II 6, Nr. 5276: Als wir canczler zu dem cardinal schikten, kam er zu uns gen Wiltein, daselbst wir pede freuntlich rede miteinander hetten auch trunkchen und alle freuntliche erpietung bederseit geneinander erczaigten, als wir davor albeg getan hetten. — Ähnlich Nr. 5285: Also was der wein da, und der herczog entschuldet sich, daz er verhiczt were und getrost nicht drinckhen. Do batt der cardinal, daz er trunckh umb gesellen willen. Also tranckh der herczog und auch der cardinal aus einem kopff, und der herczog raitt da wider gen Inspruckh. — Auch im autographen Bericht des Cusaners: Nr. 5286: Also hait der hirczog mit uns gedroncken und dannen geriten. — Zu dem ritualisierten Trinken vgl. Brand, Jürgen, Mahl und Trunk, in: HRG 3 (22016), 1153– 1155; Lutz, Elmar, Trinken und Zutrinken in der Rechtsgeschichte, in: Ebel, Friedrich (Hg.), Ferdinandina. Herrn Professor Dr. Iur. Ferdinand Elsener zum sechzigsten Geburtstag am 19. April 1972, Tübingen 21973, 56–67; Lück, Heiner, Trinken als rechtliches Ritual, in: Fikentscher, Rüdiger, Trinkkulturen in Europa (mdv aktuell 4), Halle 2008, 103–126. 43) AC II 6, Nr. 5295. 44) AC II 6, Nr. 5298, aus dem Krell-Memorandum: Also reit der cardinal geen Seben und furt mit yme etzlich des gotzhaus brijfe. 45) AC II 1, Nr. 2489; II 2, Nr. 3639, 3696; II 3, Nr. 4169; II 4, Nr. 4498, 4568, 4594; II 5, Nr. 4915 (Predigt anlässlich einer Dankprozession für den Türkensieg vor Belgrad), 4919 (Predigt zum Tag des Hl. Augustinus), 5243, 5244. Hallauer, Hermann, Nikolaus von Kues und das Chorherrenstift Neustift, in: Carlen, Louis/Steinegger, Fritz (Hg.), Festschrift Nikolaus Grass

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Land des Herzogs Sigismund und zur Diözese Trient mit der Stadtburg Branzoll und der auf hochaufragenden Festung Säben wurde von Nikolaus einige Male aufgesucht. Politisch am wichtigsten waren dabei die am 28. Jänner 1454 angesetzten Verhandlungen mit Herzog Sigismund und dem Bischof von Trient bzw. deren Räten.46) Am tiefsten eingeprägt hat sich zweifelsohne der einwöchige Rückzug auf die Festung Säben zu Beginn des Monats Juli 1457, Beginn der Flucht vor den Nachstellungen des Herzogs.47) Ansonsten waren die Aufenthalte in der Stadt oder auf dem darüber liegenden Berg Anlässe für Seelsorge, Predigt und Ablassverkündigung, und für Gerichtssachen.48) Einmal ritt er nach Pfunders in einem Seitental des Pustertals und kehrte noch am selben Abend nach Brixen zurück.49) Einmal weihte er auf dem Weg nach Bruneck die Kirche von St. Sigmund und übernachtete in Vintl.50) Es verwundert einigermaßen, dass nur zwei Mal ein Aufenthalt in dem Benediktinerinnenstift Sonnenburg im Pustertal belegt werden kann, war doch die Auseinandersetzung mit den reformunwilligen Nonnen unter der Führung der streitbaren Äbtissin Verena von Stuben eine Angelegenheit, die große Mengen von Schriftstücken hervorbrachte, den Konflikt mit dem Landesfürsten befeuerte und letztlich den Hauptgrund für das Scheitern des Cusaners als Bischof darstellte. Das eine Mal war es die von Nikolaus zusammen mit seinem Generalvikar Michael von Natz, mit dem Dekan von Neustift, Johannes Fuchs, mit dem Prior von Tegernsee, Bernhard von Waging, und dem Mönch Eberhard aus Wolfratshausen, dem späteren ersten Abt von Andechs am 29. November 1453 durchgeführte Visitation der Abtei.51) Das zweite Mal war es wieder die Visitation, die vom 17. bis 20. Februar 1455 von den Äbten von St. Peter in Salzburg, Ebersberg, Ettal und Weihenstephan sowie von den Tegernseer Mönchen Bernhard von Waging und Eberhard von Wolfratshausen in persönlicher Anwesenheit des Cusaners durchgeführt wurde.52) Die Reisen des Bischofs innerhalb der Diözese galten – abgesehen von den stärker politisch orientierten Reisen nach Innsbruck und auch Bruneck – vor allem der Reform der nicht zahlreichen Klöster.53) Von den Prämonstratensern in Wilzum 60. Geburtstag, Bd. 1, Innsbruck 1974, 309–324; wieder in: Ders., Nikolaus von Kues (wie Anm. 13), 199–214. 46) AC II 2, Nr. 3809. 47) AC II 6, Nr. 5299–5301. 48) AC II 1, Nr. 2570; II 2, Nr. 3625; II 5, Nr. 4895, 4929. 49) AC II 3, Nr. 4000 (1454 Juni 17). 50) AC II 3, Nr. 4333 (1455 Mai 1). 51) AC II 2, Nr. 3737–3739. 52) AC II 3, Nr. 4232–4234. 53) Watanabe, Morimichi, Nicolas of Cusa and the Tyrolese monasteries. Reform and resistance, in: History of political thought 7 (1986), 53–72; wieder in: Ders., Concord and reform. Nicholas of Cusa and legal and political thought in the fifteenth century (Variorum collected studies series 709), Aldershot u.a. 2001, Nr. VIII.

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ten, den Regularkanonikern in Neustift und den Benediktinerinnen in Sonnenburg war schon die Rede, sodass Bemerkungen über die Zisterzienser in Stams im Oberinntal und die Benediktiner in St. Georgenberg im unwirtlichen Stallental bei Schwaz angebracht sind. Klöster von männlichen Bettelmönchen gab es im Bistum Brixen keine, wohingegen das Klarissenkloster in Brixen selbst eine lange Vergangenheit hatte, die bis in die Zeit der Hl. Klara zurückreichte. Auch bei diesem Kloster nahm Nikolaus schon im ersten Jahr seiner Anwesenheit Reformbemühungen auf.54) In den letzten Maitagen des Jahres 1452 hielt er sich im Zisterzienserstift Stams auf, stellte Ablassurkunden aus und bestätigte dem Stift alle bisherigen Ablässe.55) In Stams stieß er auf Widerstand, denn die Zisterzienser lehnten jede Einmischung ab und beriefen sich auf ihre Exemtion. Ins Oberinntal war er auf einem Umweg bei der ersten großen Auslandsreise nach Regensburg gekommen. Nach St. Georgenberg bei Schwaz, wo es kaum noch Spuren einer Beobachtung der Benedikts-Regel gab, kam Nikolaus hingegen nicht, wiewohl er auch für diese kleine Benediktiner-Kommunität am 12. Mai 1453 die päpstliche Vollmacht zur Visitation und Reform tam in spiritualibus quam in temporalibus erhielt.56) Die für die ersten Monate des Jahres 1454 geplante Visitation ging gründlich schief. Nikolaus wollte dafür die Mönche von Tegernsee unter ihrem Abt Kaspar Aindorffer gewinnen, aber dieser war trotz seines grundsätzlichen Einverständnisses skeptisch. Als er dann noch erkrankte, schickte er seinen Prior Bernhard von Waging, einen alten Freund des Cusaners, und einen zweiten Mönch, aber ihr Bemühen im April 1454 war vergeblich. Der Abt von St. Georgenberg wehrte sich erfolgreich gegen seine Absetzung und der bisherige Schlendrian ging weiter.57) Wie nicht anders zu erwarten, begab sich NvK überwiegend in der besseren Jahreszeit auf Reisen, d.h. in der Zeit zwischen April und Oktober, wenn die Temperatur freundlicher, die Wegeverhältnisse besser und die Tage länger waren. Größere Aufmerksamkeit verdient, wenn er von dieser Gewohnheit abwich, und manchmal lassen sich auch Gründe finden, warum er sich und seinem Gefolge größere Strapazen zumutete. Von den Fernreisen ist jene an den Hof Friedrichs III. in Wiener Neustadt zwischen Anfang November 1452 und Mitte Jänner 1453 hervorzuheben, etwa ein halbes Jahr nach seinem Amtsantritt in seiner Diözese. Sie führte zunächst über den Brenner nach Innsbruck, dann auf einem Schiff den Inn und die Donau abwärts, bis er vier Wochen später am kaiserlichen Hof eintraf. Mitten im Winter überquerte er auf dem Rückweg den Semmering und ritt über das Mürztal und den Schoberpass zum Stift Admont, das in einem besonders 54) Vgl. Hallauer, Hermann, Nikolaus von Kues und das Brixener Klarissenkloster, in: MFCG 6 (1967), 75–123; wieder in: Ders., Nikolaus von Kues (wie Anm. 13), 257–311. 55) AC II 1, Nr. 2605–2611. 56) AC II 2, Nr. 3417. 57) Nr. AC II 2, Nr. 3794, 3796, 3824, 3827f., 3874f., 3898, 3923, 3930.

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kalten Teil des Ennstales liegt, und weiter über Salzburg in seine Diözese zurück. Diese überstürzt wirkende Reise ging auf den Auftrag Papst Nikolaus‘ V. zurück, der am 20. Oktober dem Cusaner – und Aeneas Silvius – den Auftrag erteilt hatte, die für November angesetzte Fürstenversammlung in Wien zu besuchen, auf der neben anderem das Verhältnis zwischen dem Kaiser und den böhmischen, österreichischen und ungarischen Ständevertretern und anderen Fürsten nach der erzwungenen Entlassung des jungen Ladislaus Postumus aus der kaiserlichen Vormundschaft friedlich geregelt werden sollte. Aber der Cusaner, der am 7. Dezember in Wiener Neustadt bezeugt ist, kam mit seinem Auftrag als päpstlicher Legat nicht zum Zug. Denn die österreichischen Ständevertreter und die bereits zur Vermittlung bestimmten Fürsten ließen durchblicken, dass sie seine Intervention nicht wünschten. Aeneas Silvius berichtet in seiner Historia Austrialis ausführlich über dieses vergebliche Bemühen des Cusaners. Aber dieser hinterließ eine unauslöschliche Spur in einem für die österreichische Verfassungsgeschichte wichtigen Dokument. Er steht als erster der Zeugen in der mit einer Goldbulle versehenen Urkunde, mit der Friedrich III. am 6. Jänner 1453 in Wiener Neustadt die sogenannten österreichischen Freiheitsbriefe, d.h. das Privilegium maius und andere Urkunden, bestätigte und erweiterte.58) Von den 21 gezählten Ritten nach Bruneck fanden vier in den Wintermonaten statt, alle im Februar, in dem das Pustertal oft eine nur geringe Schneedecke aufweist.59) Mitte Februar 1453 reiste er von Bruneck aus nach Cortina d’Ampezzo weiter und musste dabei, je nach Route, entweder über das Abteital auf dem Weg nach Andraz/Buchenstein, den fast 2200 m hohen Valparola und dann den fast ebenso hohen Falzarego-Pass überqueren (etwa 65 km), oder über Toblach und das Höllental (etwa 56 km) oberhalb von Schluderbach auf 1550 m aufsteigen.60) Bei seinem letzten Ritt nach Bruneck im Februar 1460 ist die Route nicht ein-

58) AC II/1, Nr. 2878f., 2885, 2889, 2900–2902, 2918, 2931f., 2938 (= gekürzter Bericht der Historia Austrialis des Aeneas Silvius Piccolomini, hg. v. Martin Wagendorfer und Julia Knödler [MGH, Scriptores rerum Germanicarum, N.S. 24], Hannover 2009, 761–802), 2939f., 2944–2950, 2952–2954, 2956, 2959, 2964, 2972, 2974 (= Bestätigung der österreichischen Freiheitsbriefe, 1453 Januar 6), 2976–2982. Zum Wiener Tag und Aufenthalt des Cusaners in Wiener Neustadt vgl. Reinle, Christine, Ulrich Riederer (ca. 1406–1462). Gelehrter Rat im Dienste Kaiser Friedrichs III. (Mannheimer Historische Forschungen 2), Mannheim 1993, 325–366, bes. 329–345. Zur kaiserlichen Bestätigung vgl. Luger, Daniel, Daz … unser gedechtnuß dest lennger und seligclicher gehalten werde – Die Bestätigung des Privilegium maius durch Kaiser Friedrich III., in: Just, Thomas u.a. (Hg.), Privilegium maius. Autopsie, Kontext und Karriere der Fälschungen Rudolfs IV. von Österreich (Veröffentlichungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung 69), Wien 2018, 245–258, bes. 254f.; Griesser, Martina u.a. (Hg.), Falsche Tatsachen. Das Privilegium maius und seine Geschichte (Kunsthistorisches Museum Wien. Technologische Studien 13), Wien 2018, 174f. 59) 10.2–15.2.1453; 29.1.–6.2.1455; 14.2.–23.2.1457; 7.2.–13.2.1460. 60) AC II 2, Nr. 3063. Der Grund des Rittes nach Cortina ist unbekannt.

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deutig. Seit Anfang Oktober des Vorjahres 1459 hielt sich der Cusaner in Mantua bei dem Fürstenkongress auf, den Papst Pius II. einberufen hatte, und wo er vergeblich mit Herzog Sigmund verhandelt hatte. In den ersten Februartagen reiste er aus Mantua ab, am 5. Februar stellte er in Bruneck zwei Lehenbriefe für Brunecker Bürger aus. Er scheint nicht auf dem üblichen Weg, sondern an dem tirolisch-herzoglichen Territorium vorbei, auf froemden wegen, wie man ihm später vorhielt, ins Pustertal geritten zu sein, eine „imponierende Leistung“ für den knapp 60-jährigen. Eine Woche später zog er in seine Fluchtburg Andraz/Buchenstein und musste dabei wieder entweder den Valparola/Falzarego oder den über 1800 m hohen Campolongo-Pass überqueren.61) In den Wintermonaten reiste NvK auch zweimal über den Brenner nach Innsbruck oder Wilten, knapp um den Jahreswechsel 1454 und 1455, jeweils um dringende Abkommen mit Sigismund dem Münzreichen zu schließen.62) Der Vertrag mit dem Tiroler Landesfürsten vom 13. Jänner 1454, der auf einen grundsätzlichen Ausgleich abzielte, das gegenseitige Verhältnis festschrieb, ein Beistandsabkommen beinhaltete und einen Modus für die Beilegung von zukünftigen Streitigkeiten vorsah – er wurde auch durch zwei Brixner Kanoniker, die die Reise mitgemacht hatten, bestätigt – , war dem Bischof offenbar so wichtig, dass er die Strapaze auf sich nahm, die Besiegelung der Urkunden am Hof Sigismunds in der kalten Jahreszeit vorzunehmen.63) Ein Jahr später rief der Sonnenburger Streit den Cusaner wieder in der Winterskälte, knapp vor dem Jahreswechsel nach Norden, offensichtlich auf Drängen des Herzogs, um keine Zeit zu verlieren, denn aus Rom war die Zurückweisung der Appellation der Nonnen und die Vollmacht zur Absetzung der Äbtissin eingetroffen. Im Stift Wilten unterfertigten der Bischof und der Landesfürst als Vogt von Sonnenburg am 31. Dezember 1454 eine Vereinbarung: es sollte die Frist zur Visitation von Sonnenburg bis zum 24. Februar 1455 verlängert werden, es sollte das Stift durch reformierte Äbte visitiert werden, wozu die Äbtissin Verena von Stuben ihre Einwilligung gab und versprach, sich deren Spruch zu beugen.64) Kaum ein Monat später, am 28. Jänner 1454, ritt der Bischof in das wenig entfernte Klausen, um mit Räten des Herzogs und des Trienter Bischofs

61) Siehe oben bei Anm. 13. Vgl. Meuthen, Die letzten Jahre (wie Anm. 13), 212–214 mit Anm. 4; Hallauer, Bruneck 1460 (wie Anm. 13), 161–163, das Zitat 161. – Die Angabe über die zwei Lehenbriefe verdanke ich Thomas Woelki, der sie im Vorgriff auf AC III 1 mitteilte. 62) 7.1.–14.1.1454; AC II 2, Nr. 3782, 3784, 3787–3789; 26.12.1454–3.1.1455; AC II/3, Nr. 4188, 4193, 4198. 63) AC II 2, Nr. 3788f. Dazu vgl. Hallauer, Nikolaus von Kues als Rechtshistoriker (wie Anm. 29), hier bes. 48f. 64) AC II 3, Nr. 4193, 4234. Vgl. Hallauer, Hermann, Nikolaus von Kues und die Visitation der Abtei Sonnenburg im Jahre 1455, in: Hagemann, Ludwig (Hg.), En kei plēthos. Einheit und Vielheit. Festschrift für Karl Bormann, Würzburg/Altenberge 1993, 77–99, wieder abgedruckt in: Hallauer, Nikolaus von Kues (wie Anm. 13), 237–256, hier 242f.

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Georg Hack zu verhandeln.65) Am Beginn der Visitation selbst, am 17. Februar 1455, war Nikolaus von Kues dann persönlich anwesend – der Ritt von etwa 30 km in der Winterszeit war sicher weniger strapaziös als die Halsstarrigkeit der Nonnen.66) In den späten Februar 1456 fällt ein Ritt nach Bozen, der persönlichen Verhandlungen mit Herzog Sigismund zur Beilegung des Streites um Sonnenburg dienen sollte.67) Die etwa 40 km legte der Bischof und seine Begleitung wohl nicht mehr über den alten Weg über den Ritten, sondern durch die Eisackschlucht zurück, wo es seit dem frühen 14. Jahrhundert einen ausgebauten und gesicherten Saumweg, den sogenannten Kuntersweg, gab.68) Das Ergebnis der offensichtlich intensiv geführten Verhandlungen war der am 4. März 1456 unter Vermittlung des Trienter Bischofs Georg Hack geschlossene Vertrag, der von Seiten des Cusaners die Absolution der exkommunizierten Nonnen vorsah, das weitere Geschick der Verena von Stuben regelte und eine zukünftige, nach der Observanz lebende Äbtissin plante sowie einige Details betraf, von Seiten des Herzogs jedoch wie ein Nachgeben auf allen Linien wirken musste.69) Wenn ein fünfzigjähriger Mann in den Sattel steigt und im Laufe der Jahre Tausende von Kilometern zu Pferde zurücklegt, dann ist die Frage angebracht, unter welchen klimatischen Verhältnissen er diese Strapazen auf sich nimmt. War die durchschnittliche Wetterlage, war das Klima freundlicher oder rauher als in unseren Tagen? Offensichtlich nahm der Cusaner das Wetter gelassen hin, denn in seinen vielen brieflichen oder amtlichen Äußerungen, die die Acta Cusana während seiner Brixner Bischofszeit füllen, kommen die Begriffe Kälte, Hitze, Gewitter, Sturm, Schnee, Eis, Hochwasser, ja sogar warm oder kalt nicht vor. Die Hinweise auf die Witterung sind selten. Eine der wenigen diesbezüglichen Aussagen findet sich in einem Brief des Aeneas Silvius an Nikolaus aus Wiener Neustadt vom 16. Dezember 1453, in dem er sich über die große Kälte beklagt: Es plagt mich die Strenge der Kälte, wie ich sie, seitdem ich in Deutschland lebe, niemals erlebt habe, und, so fährt er fort, selbst alte Menschen dieser Gegend können sich nicht erinnern, eine größere Wetterunbill

) AC II 3, Nr. 3809. ) AC II 3, Nr. 4193, 4234. Vgl. Hallauer, Visitation der Abtei Sonnenburg (wie Anm. 64), 242–245. 67) AC II 4, Nr. 4677, 4682–4686. 68) Vgl. Hörmann, Julia, Die „Kuntersweg-Urkunden“ – eine Quellenübersicht, in: Tiroler Heimat NF 67 (2003), 49–62; Pfeifer, Gustav, Spätmittelalterlicher Verkehrswegebau in den Südalpen. Der Kuntersweg im unteren Eisacktal, in: Andermann, Kurt/Gallion, Nina (Hg.), Weg und Steg. Aspekte des Verkehrswesens von der Spätantike bis zum Ende des Alten Reiches (Kraichgauer Kolloquien 11), Ostfildern 2018, 169–194. — Zu einer Fahrstraße wurde der Kuntersweg erst nach 1480 durch die Initiative Sigismunds des Münzreichen. 69) AC II 4, Nr. 4683. Vgl. Jäger, Streit I (wie Anm. 39), 169–172; Baum, Nikolaus Cusanus in Tirol (wie Anm. 39), 186–189. 65 66

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erlebt zu haben.70) Aus den Fünfziger- und Sechzigerjahren des 15. Jahrhunderts gibt es keine chronikalischen Quellen aus Tirol, die, wie anderswo häufig, über auffallend große Kälte, Hitze, Trockenheit, Unwetter, Blitzeinschläge oder den Beginn der Weinlese berichten. Das zeitlich etwas frühere Diarium des Ulrich Putsch, Vorgängers des Cusaners auf dem Brixner Bischofsthron zwischen 1427 und 1437, vermerkt nur zweimal außergewöhnliches Wetter, nämlich zum Jahr 1430 große Hitze im Sommer, die alle Feldfrüchte zugrunde gehen ließ, wenig Weintrauben hervorbrachte und für die es in der Wahrnehmung der Zeitgenossen nichts Vergleichbares gab. Zum Jahr 1432 notiert er einen extrem harten Winter, dessen Kälte und hungrigen Wölfen viele Menschen zum Opfer fielen.71) Naturwissenschaftliche Untersuchungen ergaben jedoch gerade für die Jahrzehnte um die Mitte des 15. Jahrhunderts eine gewisse Abkühlung im Alpenraum und im langfristigen Verlauf der sogenannten kleinen Eiszeit, die in den ersten Jahrzehnten des 14. Jahrhunderts die seit der Jahrtausendwende herrschende hochmittelalterliche Wärmeperiode ablöste und besonders ab der Mitte des 16. Jahrhunderts das generell kältere Klima in Europa herrschen ließ, eine merkbare Delle nach unten. Intensive dendrochronologische Untersuchungen, d.h. Prüfung der Jahresringe an hochalpinen Nadelhölzern, und Forschungen zum Eis von Gletschern in Tirol, besonders des Vernagt- und Gepatschgletschers in den Ötztaler Alpen lassen den Schluss zu, dass in der Bischofszeit des Cusaners in Brixen relativ kaltes und unfreundliches Wetter herrschte.72) Dies korrespondiert in etwa mit Schweizer 70) AC II 6, Nr. 5403: Wegen schlechter Wetterverhältnisse kann er nicht zu Verhandlungen reisen. — Nr. 5368: Briefbote pey der nachtt in posem wetter. — Vgl. AC II 4, Nr. 4732 Z. 10: NvK will die Romreise antreten, wenn die Sommerhitze vorbei ist, post calores. — AC II 1, Nr. 3759: Terret me tamen frigoris austeritas, cuius similem postquam in Alamania dego, numquam expertus sum neque homines quamvis senes harum partium maiorem intemperiem vidisse se meminerunt. 71) Schaller, Victor, Ulrich II. Putsch, Bischof von Brixen, und sein Tagebuch. 1427–1437, in: Zeitschrift des Ferdinandeums für Tirol und Vorarlberg, Ser. 3, 36 (1892), 227–322, 568–572, hier 300: Eodem anno (scil. 1430) in estate fuit tantus fervor caloris, qui prius a tunc viventibus non fuit visus et perierunt omnes fructus terre et specialiter vinum fuit paucum. – 305: Eodem anno (scil. 1432) fuit yemps validissimus et tantus frigor, quod vis algoris infinitos homines extinxit et lupi plurimos devoraverunt. 72) Fliri, Franz, Naturchronik von Tirol. Tirol, Oberpinzgau, Vorarlberg, Trentino. Beiträge zur Klimatographie von Tirol, Innsbruck 1998, XI, 6–9, der sich hauptsächlich auf Nicolussi, Kurt/Patzelt, Georg, Reconstructing glacier history in Tyrol by means of tree-ring investigations, in: Zeitschrift für Gletscherkunde und Glazialgeologie 32 (1996), 207–215, und Dies., Untersuchungen zur holozänen Gletscherentwicklung von Pasterze und Gepatschferner (Ostalpen), in: ebd. 36 (2000), 1–87, stützt. Vgl. die rezenteren Arbeiten von Nicolussi, Kurt, Zur Geschichte des Vernagtferners – Gletschervorstöße und Seeausbrüche im vergangenen Jahrtausend, in: Koch, Eva-Maria/Erschbamer, Brigitta (Hg.), Klima, Wetter, Gletscher im Wandel. Alpine Forschungsstelle Obergurgl, Bd. 3, Innsbruck 2013, 69–72; Nicolussi, Kurt u.a., Tree-ring analyses on Holocene climate variability in the Alps – from single years to millennia, in: Schwab, Markus J. u.a. (Hg.), ICLEA Final Symposium 2017 – Climate Change, Human Impact and Landscape Evolution in the Southern Baltic Lowlands. Abstract Volume & Excursion Guide (GFZ Scientific Technical Report STR 17/03), Potsdam 2017, 124–126.

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Untersuchungen des Gorner- und Aletschferners73) und mit umfassenderen Forschungen zur Geschichte des mittelalterlichen Klimas in Europa, die sich neben den naturwissenschaftlichen Befunden auf chronikalische und wirtschaftsgeschichtliche Quellen, besonders aus Mittel- und Westeuropa, stützen. Im ersten Drittel des 14. Jahrhunderts wurde es merklich kälter und feuchter, was die großen Hungersnöte zwischen 1315 und 1320 bewirkte, und die Gletscher stießen bis 1380 deutlich vor. Dann wurde es im 15. Jahrhundert wieder etwas wärmer und das Klima blieb stabil, mit der schon genannten Delle nach unten um die Mitte des Jahrhunderts, und ab der Mitte des 16. Jahrhunderts herrschte kälteres und feuchteres Wetter, das bis ins 19. Jahrhundert andauerte.74) Dieser generelle Befund widerspricht nicht lokalen und regionalen Abweichungen wie bei der lothringi73) Pfister, Christian u.a., Winter air temperature variations in western Europe during the Early and High Middle Ages (AD 750–1300), in: Holocene 8 (1998), 535–552; Ders., Klimageschichte der Schweiz 1525–1860. Das Klima der Schweiz von 1525–1860 und seine Bedeutung in der Geschichte von Bevölkerung und Landwirtschaft (Academica Helvetica 6), Bern/Stuttgart 31998; Holzhauser, Hanspeter, Gletscherschwankungen innerhalb der letzten 3200 Jahre am Beispiel des grossen Aletsch- und des Gornergletschers, in: Gletscher im ständigen Wandel. JubiläumsSymposium der Schweizerischen Gletscherkommission 1993 Verbier (VS) „100 Jahre Gletscherkommission – 100’000 Jahre Gletschergeschichte“, Zürich 1995, 101–122. 74) Vgl. die viel Material verarbeitende Synthese von Le Roy Ladurie, Emmanuel, Les fluctuations du climat. De l’an mil à nos jours, Paris 2011, 23–41, mit der markanten Zusammenfassung 36: „En fait, le Quattrocento était parti pour être un „bon petit“ siècle, gentil, sympathique, sans aggressions glaciaire ultra-puissante telle qu’en connurent ou connaîtront les XIVe et XVIe“, noch ausführlicher Ders., Histoire humaine et comparée du climat, Bd. 1: Canicules et glaciers (XIIIe – XVIIIe siècles), Paris 2004, 17–23, 100f. Vgl. auch Behringer, Wolfgang, Kulturgeschichte des Klimas. Von der Eiszeit bis zur globalen Erwärmung, München 2007, 119–129; Meier, Dirk, Entwicklung von Klima, Natur und Umwelt im hohen und späten Mittelalter zwischen Klimaoptimum und Kleiner Eiszeit, in: Fey, Carola/Krieb, Steffen (Hg.), Adel und Bauern in der Gesellschaft des Mittelalters. Internationales Kolloquium zum 65. Geburtstag von Werner Rösener, Korb 2012, 15–44; Glaser, Rüdiger, Klimageschichte Mitteleuropas. 1000 Jahre Wetter, Klima, Katastrophen, Darmstadt 2001, 68–92, speziell 69: „In der Dekade 1451–1460 ging die Sommerwitterung wieder deutlich in den Keller: Nasse und kalte Sommer überwogen.“; 81: „Die nachfolgenden Winter (scil. nach 1450) in diesem Jahrzehnt wurden alle kalt und streng, besonders der Winter 1460“; 91: (zu den Herbstverhältnissen) „Ab 1451 fielen die Temperaturen wieder deutlich … ab 1450 nahmen auch die Niederschläge wieder zu.“; ebd. 181: Temperatur- und Niederschlagskurven im 2. Jahrtausend; Fagan, Brian, The Little Ice Age. How Climate made History 1300–1850, New York 2000, 83–86, und das Diagramm auf der Blindseite; Nanni, Paolo, Per un quadro ambientale biologico. Il periodo caldo medievale e la variabilità climatica, in: La crescita economica dell’Occidente medievale. Un tema storico non ancora esaurito (Centro italiano di studi di storia e d’arte Pistoia. Venticinquesimo convegno internazionale di studi, Pistoia, 14–17 maggio 2015), Roma 2017, 69–91; Bonardi, Luca, Le climat au moyen âge. Italie du Nord, XIe– XIIIe siècles, in: Liechtenhan, Francine-Dominique (Hg.), Histoire, écologie et anthropologie. Trois générations face à l’oeuvre d’Emmanuel Le Roy Ladurie, Paris 2011, 43–52; Hoffmann, Richard C., An Environmental History of Medieval Europe, Cambridge 2014, bes. 320–325. Vgl. jetzt auch Rückert, Peter, Umwelt und Klima um 1500. Strukturen und Tendenzen ökonomischer Rahmenbedingungen, in: Bünz, Enno (Hg.), Landwirtschaft und Dorfgesellschaft im ausgehenden Mittelalter (Vorträge und Forschungen 89), Ostfildern 2020, 75–109.

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schen Stadt Metz75) oder beim Süden und Westen Deutschlands, wo schon in den späten Dreißigerjahren extreme Winter und schwere Frosteinbrüche während der Frühjahrsmonate den Menschen zu schaffen machten.76) Rechnet man alle Reisen des Cusaners im Winter und in der freundlicheren Jahreszeit, innerhalb der Diözese und außerhalb der Diözese, zwischen 1452 und 1460 zusammen, kommt man auf eindrucksvolle etwa 11.500 km. Die Antwort auf die Frage, wie diese langen Distanzen zurückgelegt wurden, ist banal: fast ausschließlich zu Pferd. Der Begriff, der für die Fortbewegung über kürzere und längere Entfernungen in den unterschiedlichsten Quellen verwendet wird, ist reiten, sei es auf den oft zurückgelegten Routen nach Bruneck oder nach Innsbruck, oder gar zwischen dem Stift Wilten und der Residenz des Herzogs Sigismund in Innsbruck, in den Dolomiten oder auf dem Weg nach München oder Wiener Neustadt. Sehr selten wird ein Kammerwagen erwähnt, der etwa auf der Rückreise von Rom im Juni 1453 zum Einsatz kam und offensichtlich die kostbareren Utensilien des Bischofs transportierte.77) Ende November desselben Jahres benützte Nikolaus auch den Kammerwagen für die Rückkehr von Bruneck nach Brixen.78) In den Rechnungen finden sich verstreute Notizen über Hufschmiede 75) Litzenburger, Laurent, Une ville face au climat. Metz à la fin du Moyen âge. 1400 – 1530, Nancy 2015. 76) Vgl. Jörg, Christian, Teure, Hunger, Großes Sterben. Hungersnöte und Versorgungskrisen in den Städten des Reiches während des 15. Jahrhunderts (Monographien zur Geschichte des Mittelalters 55), Stuttgart 2008, bes. Kap. 3.1., 83–117, über die klimatischen Voraussetzungen; Ders., „So wir warm sollen han, so komen kelten“. Klima, Witterungsextreme und ihre Relevanz für die europäischen Hungerjahre um 1438, in: Kießling, Rolf/Scheffknecht, Wolfgang (Hg.), Umweltgeschichte in der Region, Konstanz 2012, 116–137; Ders., „Do erfror der wein gemeinlichen aller“. Weinbau während der klimatischen Wandlungsvorgänge und Extremphasen des Spätmittelalters, in: Hirbodian, Sigrid/Tjark, Wegner (Hg.), Wein in Württemberg (Landeskundig. Tübinger Vorträge zur Landesgeschichte 3), Ostfildern 2017, 31–52; Glaser, Rüdiger/ Riemann, Dirk, Klimageschichte im späten Mittelalter und in der frühen Neuzeit in Südwestdeutschland im Kontext der mitteleuropäischen Klimaentwicklung, in: Lorenz, Sönke/Rückert, Peter (Hg.), Landnutzung und Landschaftsentwicklung im deutschen Südwesten. Zur Umweltgeschichte im späten Mittelalter und in der frühen Neuzeit (Veröffentlichungen der Kommission für geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg B 173), Stuttgart 2009, 219–232; Glaser, Rüdiger (u.a.), Klimawandel im 15. und 16. Jahrhundert im deutschen Südwesten im Kontext von Gesellschafts- und Naturarchiven, in: Scholkmann, Barbara u.a. (Hg.), Zwischen Tradition und Wandel. Archäologie des 15. und 16. Jahrhunderts (Tübinger Forschungen zur historischen Archäologie 3), Büchenbach 2009, 493–500. 77) AC II 2, Nr. 3492, 3498, aus dem Brunecker Rechnungsbuch. Aus dem zweiten Eintrag: das gutt daz heraus von rom chomen was. 78) AC II 2, Nr. 3740, ebenfalls aus dem Brunecker Rechnungsbuch: Am sambstag nach Andree, als meins heren gnad von Brawnekg her kom, dedi dem Mulitir und dem Fritz stalknaben mit dem kamerwagen geend: ii gr. – Das Grimm’sche Wörterbuch, mit Belegstellen aus dem 15. Jh.: „Der Wagen, der auf der Reise die fürstliche Kammer führte. gewand, kleinodien, silberzeug u. dgl.“; Götze, Alfred,

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und das Beschlagen von Pferden79), Ausgaben für Pferde80) und für den Pferdestall.81) Für die Reise nach Regensburg im Frühjahr 1454 wird ein neuer Sattel für den Kardinal angefertigt.82) Albrecht Wagenknecht wird als Fuhrmann des Cusaners öfters genannt, einige Male die Stallmeister Matthias und Jörg Paumgartner83), einmal ein Stallknecht Lamprecht.84) Peter von Erkelenz, der Sekretär und enge Freund des Cusaners, kaufte im November 1456 englisches Tuch für den Sattel seines Herrn.85) Im Juli des folgenden Jahres transportierte er zusammen mit neun Begleitern auf zwei Saumpferden eine große Menge an Dokumenten und anderen Gegenständen nach Buchenstein.86) Der Eifer des Nikolaus von Kues für seine Diözese war außergewöhnlich und die fromme Rastlosigkeit, die ihn antrieb, die meisten Gebiete seines Sprengels aufzusuchen und Tausende von Kilometern zu Pferde zurückzulegen, korrespondiert mit seinem Engagement während der großen Legationsreise durch Deutschland, Österreich und die Niederlande, die im Januar 1451 begann und bis ins Frühjahr 1452 andauerte.87) Die verbissene Pflichterfüllung als Brixener Bischof wird umso eindrucksvoller, wenn man seine zahlreichen Predigten, Reformbemühungen vor Ort, kurz: seine Visitationen mit denen einiger seiner Zeitgenossen im Bischofsamt vergleicht und sie unter anderem in den Horizont des europäischen Visitationswesens stellt, das einer Forschungssynthese leider immer noch entbehrt. Deshalb seien in einem abschließenden Abschnitt zwei kursorische Vergleiche gezogen. Der eine betrifft das Reisen von Bischöfen innerhalb und außerhalb ihrer Diözese, der andere die Visitationen, die Bischöfe selbst oder deren Beauftragte durchführten, wobei hier nur einige Länder der Christenheit zum Vergleich herangezogen werden. Ausgeblendet bleiben hier die unendlich vielen Reisen, die geistliche Amtsträger an die Kurie führten, sei es nach Rom oder nach Avignon oder an Orte, wo sich der Papst gerade aufhielt. Seit den massiven Zentralisierungsbemühungen des Papsttums infolge der gregorianischen Reform des 11. JahrhunFrühneuhochdeutsches Glossar, durchgesehen von Hans Volz, Göttingen 61976, 131: „bedeckter Reisewagen eines Fürsten“. 79) AC II 1, Nr. 2768; II 3, Nr. 4121; II 5, Nr. 4121, 4869, 5150; II 6, Nr. 5381. 80) AC II 3, Nr. 4243, 4145; II 4, Nr. 4504, 4707. 81) AC II 3, Nr. 4121. 82) AC II 2, Nr. 3933. 83) AC II 3, Nr. 4037; II 5, Nr. 5006, 5156. 84) AC II 5, Nr. 4822. 85) AC II 5, Nr. 5007. 86) AC II 6, Nr. 5330. 87) Vgl. Meuthen, Erich, Das Itinerar der deutschen Legationsreise des Nikolaus von Kues 1451/52, in: Miethke, Jürgen u.a. (Hg.), Papstgeschichte und Landesgeschichte. Festschrift für Hermann Jakobs zum 65. Geburtstag (Archiv für Kulturgeschichte, Beiheft 39), Köln 1995, 473– 502, beruhend auf AC I 3a und I 3b.

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derts riss der Strom der Geistlichen aller hierarchischen Stufen, die vom Papst Rechtsprechung, Gunsterweise, Pfründen, Rangerhöhungen, Privilegien, Absolutionen oder andere geistliche Gnaden erwarteten oder die den deutschen König bei der Kaiserkrönung begleiteten, bis zum Ausgang des Mittelalters nie mehr ab, sodass man schon früh die römische/avignonesische Kurie als Mittelpunkt Europas und Hauptort der Christenheit bezeichnen konnte.88) Auch die Reisen von Bischöfen zu den spätmittelalterlichen Konzilen werden hier nicht behandelt.89) Ebenso wenig Beachtung wird hier den Berichten geschenkt, die päpstliche Legaten oder Nuntien oder Kollektoren von ihren zum Teil sehr langen Reisen in alle Teile der Christenheit unternahmen.90) Wir beschränken uns auf Reisen, die 88) Vgl. Maleczek, Werner, Der Mittelpunkt Europas im frühen 13. Jahrhundert. Chronisten, Fürsten und Bischöfe an der Kurie zur Zeit Papst Innocenz’ III., in: Römische Historische Mitteilungen 49 (2007), 89–157. — Der voravignonesischen Epoche wird mehr Aufmerksamkeit gezollt, zum Beispiel: Tellenbach, Gerd, La città di Roma dal IX al XII secolo vista dai contemporanei d’oltre frontiera, in: Studi storici in onore di Ottorino Bertolini, 2 Bde., Pisa 1973, II 679–734; erweitert: Die Stadt Rom in der Sicht ausländischer Zeitgenossen (800–1200), in: Saeculum 4 (1973), 1–40; d’Haenens, Albert, Aller à Rome au moyen âge, in: Bulletin de l’Institut historique belge de Rome 50 (1980), 93–129; Schieffer, Rudolf, Mauern, Kirchen und Türme. Zum Erscheinungsbild Roms bei deutschen Geschichtsschreibern des 10.–12. Jahrhunderts, in: Schimmelpfennig, Bernhard/Schmugge, Ludwig (Hg.), Rom im Hohen Mittelalter. Studien zu den Romvorstellungen und zur Rompolitik vom 10. bis zum 12. Jahrhundert. Festschrift Reinhard Elze, Sigmaringen 1992, 129–137; Schmugge, Ludwig, Deutsche Pilger in Italien, in: de Rachewiltz, Sigmund/ Riedmann, Josef (Hg.), Kommunikation und Mobilität im Mittelalter. Begegnungen zwischen dem Süden und der Mitte Europas (11.–14. Jh.), Sigmaringen 1995, 96–113. — Im weiteren Rahmen und unter Einbeziehung der Kurie: Wassenhoven, Dominik, Skandinavier unterwegs in Europa (1000–1255). Untersuchungen zu Mobilität und Kulturtransfer auf prosopographischer Grundlage (Europa im Mittelalter 8), Berlin 2006. 89) Vgl. beispielsweise Müller, Heribert, Die Franzosen, Frankreich und das Basler Konzil, 2 Bde. (Konziliengeschichte B, Untersuchungen), Paderborn 1990; Ders., France and the Council, in: Decaluwe, Michiel/Izbicki, Thomas M./Christianson, Gerald (Hg.), A Companion to the Council of Basel, (Brill’s companions to the Christian tradition 74), Leiden 2016, 377–409. 90) Dennoch einige Beispiele: Marinus de Fregeno, päpstlicher Nuntius und Kollektor in den nördlichen Kirchenprovinzen, seit 1457, vgl. Voigt, Klaus, Der Kollektor Marinus de Fregeno und seine Descriptio provinciarum Alamanorum, in: QFIAB 48 (1968), 148–206. — Agostino Patrizi verfasste fast zeitgleich De legatione Germanica, einen Bericht über die Legationsreise zum Regensburger Reichstag 1471 in Begleitung des Kardinallegaten Francesco Todeschini Piccolomini. Das gesamte Werk ist noch nicht kritisch ediert, ein großer Teil, der vom Betreten bis zum Verlassen bayerischen Bodens reicht, in: Wolff, Helmut (Hg.), Deutsche Reichstagsakten unter Kaiser Friedrich III. Achte Abteilung, zweite Hälfte: 1471 (Deutsche Reichstagsakten 22,2), Göttingen 1999, 453–473 Nr. 108a, 576–584, 650–691 Nr. 112, 692–700 Nr. 113, 939–943 Nr. 129b. Vgl. Voigt, Berichte (wie Anm. 24), 160–171; Meuthen, Erich, Der Regensburger Christentag 1471: Deutsche Reichstagsakten unter Kaiser Friedrich III., Achte Abteilung, zweite Hälfte, in: Heinig, Paul-Joachim (Hg.), Reich, Regionen und Europa in Mittelalter und Neuzeit. Festschrift für Peter Moraw (Historische Forschungen 67), Berlin 2000, 279–285; Hack, Achim Thomas, in: Biographisch-bibliographisches Kirchenlexikon 18 (2001), 1120–1130; Helmy, Nelly M., in: DBI 81 (2014), nur im Internet: . — Der andere Sekretär des Legaten, Giovanni Antonio Campano, formell Bischof von Teramo seit 1463, schrieb seine Eindrücke von dieser Reise in geistreichen und literarisch anspruchsvollen Briefen an verschiedene Empfänger nieder, wobei er nicht

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Bischöfe als Inhaber der Herrschergewalt in den Hochstiften oder in Erfüllung ihrer geistlichen Aufgaben oder als Berater von Fürsten und Königen unternahmen. Unter den Aufzeichnungen, die Reisen eines Bischofs innerhalb seiner Diözese dokumentieren, ragt das zwei Jahrhunderte früher entstandene Regestrum visitationis des Erzbischofs von Rouen, Eudes Rigaud (1247–1275), heraus, der von den 28 Jahren seiner Amtszeit über 21 Jahre damit zubrachte, unermüdlich seinen Metropolitansprengel zu inspizieren. Die darüber angefertigten Berichte sind fast lückenlos, nur knappe zwei Monate sind dabei nicht belegt.91) Das Regestrum enthält auch tagebuchähnliche Aufzeichnungen über eine Reise zum Papst nach Rom im Jahr 1254, um die rechtliche Situation seiner widerspenstigen Suffragane auszuloten.92) Die detailreichen Aufzeichnungen geben auch über die Äußerlichkeiten Auskunft: Eudes Rigaud legte über 86.000 km zurück, jährlich im Durchschnitt etwas über 4000 km, zumeist zu Pferde. Nur ein einziges Mal benützte er, weil er krank war, einen Wagen, um zum König nach Fontainebleau zu reisen, und einmal fuhr er mit einem Schiff die Seine hinauf. Die Begleitung bestand aus 10 bis 20 Personen, Ordensbrüdern, Familiaren, Sekretären, Kanonikern von Rouen, Dienstpersonal für Pferde, Ausrüstung und Verpflegung.93) Werfen wir nun einen Blick auf drei Beispiele des Spätmittelalters. Gestützt auf ein detailliertes Rechnungsbuch lässt sich die Reise des Bischofs von Lausanne, Guillaume de Challant (1406–1431), zu König Sigismund im Jahr 1422 rekonstruieren. Dieser hatte zu einem Reichstag zu Pfingsten nach Regensburg geladen, hauptsächlich um der Hussitengefahr zu begegnen. Die Versammmit Kritik und Spott über Deutschland sparte. Vgl. Hausmann, Frank-Rutger, Giovanni Antonio Campano (1429–1477). Ein Beitrag zur Geschichte des italienischen Humanismus im Quattrocento, in: Römische Historische Mitteilungen 12 (1970), 125–178; Ders., in: DBI 17 (1974), 424– 429; Voigt, Berichte (wie Anm. 24), 171–180. 91) Bonnin, Théodose (Hg.), Regestrum visitationum archiepiscopi Rothomagensis. Journal des visites pastorales d’Eude Rigaud, archevêque de Rouen 1248–1269, Rouen 1852. 92) Renouard, Yves, Routes, étapes et vitesses de marche de France à Rome au XIIIe et au XIVe siècles d’après les itinéraires d’Eudes Rigaud (1254) et de Barthélemy Bonis (1350), in: Studi in onore di Amintore Fanfani, Bd. 3, Mailand 1962, 403–428, wieder abgedruckt bei Dems., Études d’histoire médiévale (Bibliothèque générale de l’École pratique des hautes études, 6e section), Paris 1968, 477– 497. 93) Vgl. Andrieu-Guitrancourt, Pierre, L’archevêque Eudes Rigaud et la vie de l'Église au XIIIe siècle d’après le „Regestrum visitationum“, Paris 1938; Darlington, Oscar G., The travels of Odo Rigaud, archbishop of Rouen (1248–1275), Philadelphia 1940; Cheney, Christopher R., Episcopal Visitation of Monasteries in the Thirteenth Century, Manchester 21983, Kap. 7: The Efficacy of Archbishop Rigaud’s Visitations of the Religious Houses in the Diocese of Rouen, 1248– 1269, 149–176; Davis, Adam J., The Holy Bureaucrat. Eudes Rigaud and Religious Reform in Thirteenth-Century Normandy, Ithaca/London 2006, bes. Kap. 2, 30–48. — Ein Aspekt in der umfangreichen Forschungsliteratur: Pobst, Phyllis E., Visitation of Religious and Clergy by Archbishop Eudes Rigaud of Rouen, in: Burman, Thomas E./Meyerson, Mark D./Shopkow, Leah (Hg.), Religion, Text, and Society in Medieval Spain and Northern Europe. Essays in honor of J. N. Hillgarth, Toronto 2002, 223–249.

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lung fand dann Mitte Juli in Nürnberg statt. Das Itinerar, die zurückgelegten Etappen, Verkehrsmittel, Unterkünfte, Verpflegung, Begleitung und noch vieles mehr erschließt diese außerordentliche Quelle.94) Zeitlich sehr eng zu Nikolaus von Kues liegt der Basler Bischof Johann von Venningen (1458–1478), aber gerade der Vergleich der beiden reisenden Bischöfe zeigt in großer Deutlichkeit die spirituelle Ernsthaftigkeit und Überlegenheit des Cusaners. Bischof Johann war ebenfalls viel unterwegs, aber mit anderer Motivation, die seiner adeligen Herkunft entsprach. Die Präsentation bischöflicher Herrschaft im hochstiftischen Territorium durch demonstrativ eindrucksvolles Auftreten und zahlreiche Begleitung, Tagsatzungen mit benachbarten Fürsten, Herren und Städtevertretern, Fernreisen nach Wien (1459/60), Mantua (1460) und Regensburg (1471) als Reichsfürst, Friedensstiftung vor allem zwischen dem habsburgischen Herzog Sigismund und den Schweizer Eidgenossen, dies alles war wichtiger als geistliche Führung und Durchsetzung von kirchlichen Reformen.95) Im Auftrag des Patriarchen von Aquileia, Marco Barbo, reiste der Bischof von Caorle, Pietro Carlo, dreimal in die nördlichen Teile des Patriarchates im heutigen Slowenien, Kärnten und Osttirol in den Jahren 1485, 1486 und 1487. Sie sind durch das Itinerarium des Paolo Santonino, der den Bischof als sein Sekretär begleitete, sehr gut dokumentiert. Die tagebuchähnlichen Aufzeichnungen enthalten eine große Fülle von Details über die äußeren Umstände des Reisens und über die geistlichen Aufgaben.96) Nun zu den bischöflichen Visitationen: Ebenfalls ins 13. Jahrhundert reichen Nachrichten über bischöfliche Visitationen in Ober- und Mittelitalien zurück und die Visitationsberichte setzen südlich der Alpen – auch wegen der ausgeprägteren Schriftlichkeit durch das allgemein verbreitete Notarswesen – früher ein. In der umbrischen Diözese Città di Castello fanden Visitationen schon 1229, dann erneut 1270 bis 1272 statt. In Orvieto waren besonders eifrige Bischöfe am Werk. Visita94) Badel, Françoise, Un évêque à la Diète. Le voyage der Guillaume de Challant auprès de l’empereur Sigismond (1422) (Cahiers Lausannois d’histoire médiévale 3), Lausanne 1991. Vgl. Deutsche Reichstagsakten unter Kaiser Sigmund, zweite Abt.: 1421–1426, hg. v. Dietrich Kerler (Deutsche Reichstagsakten. Ältere Reihe 8), Göttingen 1883, 103–275 Nr. 95–234. 95) Vgl. Dirlmeier, Ulf/Fouquet, Gerhard, Bischof Johannes von Venningen (1478–1478) auf Reisen, in: Blaschitz, Gertrud/Hundsbichler, Helmut/Jaritz, Gerhard (Hg.), Symbole des Alltags. Alltag der Symbole. Festschrift für Harry Kühnel, Graz 1992, 113–145; Hirsch, Volker, Der Hof des Basler Bischofs Johannes von Venningen (1458–1478). Verwaltung und Kommunikation, Wirtschaftsführung und Konsum (Residenzenforschung 16), Ostfildern 2004, bes. das Kapitel „Aussenkontakte“, 102–120; Hirsch, Volker/Fouquet, Gerhard (Hg.), Das Haushaltsbuch des Basler Bischofs Johannes von Venningen (1458–1478), Basel 2009. 96) Vale, Giuseppe, Itinerario di Paolo Santonino in Carintia, Stiria e Carniola negli anni 1485– 1487 (Studi e Testi 103), Città del Vaticano 1943. Vgl. Hundsbichler, Helmut, Realien zum Thema „Reisen“ in den Reisetagebüchern des Paolo Santonino (1485–1487), in: Die Funktion der schriftlichen Quellen in der Sachkulturforschung (Sitzungsberichte. Akademie der Wissenschaften in Wien, Philosophisch-Historische Klasse 304,4; Veröffentlichungen des Instituts für Mittelalterliche Realienkunde Österreichs 1), Wien 1976, 55–143.

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tionen sind dort in den Jahren 1256, 1274, 1280, 1283, 1290 und 1291 bezeugt.97) Aus England gibt es ebenfalls illustrative Beispiele für das 13. Jahrhundert.98) Bemerkenswert sind die Visitationen, die der Erzbischof von Canterbury, Robert Winchelsey (1294–1313) in seinen Suffraganbistümern Rochester, Chichester, Worcester, London, Norwich und Winchester persönlich durchführte, wovon eine voluminöse Dokumentation zusammengestellt wurde.99) Auch aus Frankreich sei hier neben Eudes Rigaud der Erzbischof von Bourges, Simon de Beaulieu (1281–1297), erwähnt, der zwischen 1283 und 1291 eine Reihe von Visitationen in seiner Diözese und in den Suffraganbistümern von Bourges und Bordeaux, nämlich Limoges, Clermont, Cahors, Mende, Rodez, Albi, Agen, Angoulême, Saintes, Poitiers und Périgueux durchführte.100) Nach diesen einführenden Bemerkungen zum 13. Jahrhundert zu den Visitationen der Bischöfe im 15. Jahrhundert: Im Reich scheinen nur wenige Bischöfe dieses wichtige Instrument der Aufsicht und der Disziplinierung des Klerus angewendet zu haben. Vorreformatorische Visitationsakten sind nur in Einzelfällen überliefert: Konstanz 1478, Worms 1496, Hamburg 1508, Sitten 1509, Köln 1515.101) Bekanntere Beispiele betreffen Eichstätt unter Bischof Wilhelm von Reichenau (1464–1496), der seinen Generalvikar im Jahre 1480 damit betraute102), und 97) Vgl. Sensi, Mario, Sinodi e visite pastorali in Umbria nel ‘200, ‘300 e ‘400, in: De Sandre Gasparini, Giuseppina u.a. (Hg.), Vescovi e diocesi in Italia dal XIV alla metà del XVI secolo. Atti del VII Convegno di storia della Chiesa in Italia (Brescia, 21–25 settembre 1987), Bd. 1 (Italia sacra 43), Roma 1990, 337–372. 98) Cheney, Episcopal Visitation (wie Anm. 93). 99) Vgl. Graham, Rose, The Metropolitical Visitation of the Diocese of Worcester by Archbishop Winchelsey in 1301, in: Transactions of the Royal Historical Society. Ser. 4, 2 (1919), 59–93; Dies. (Hg.), Registrum Roberti Winchelsey Cantuariensis archiepiscopi A.D. 1294–1313, 2 Bde. (The Canterbury and York Society 51–52), Oxford 1952–1956. 100) de Bascher, Jacques, La chronologie des visites pastorales de Simon de Beaulieu, archevêque de Bourges, dans la première et la deuxième Aquitaine à la fin du XIIIe siècle, in: Revue d’histoire de l’Église de France 58 (1972), 73–89; Délivré, Fabrice, La visite du primat d’Aquitaine Simon de Beaulieu, archevêque de Bourges, dans la province ecclésiastique de Bordeaux (septembre–novembre 1284), in: Revue Mabillon 13 (2002), 133–160. 101) Vgl. Petke, Wolfgang, Die Pfarrei. Ein Institut von langer Dauer als Forschungsaufgabe, in: Bünz, Enno/Lorenzen-Schmidt, Klaus-Joachim (Hg.), Klerus, Kirche und Frömmigkeit im spätmittelalterlichen Schleswig-Holstein (Studien zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte Schleswig-Holsteins 41), Neumünster 2006, 17–49, hier 28 mit Anm. 43; Volkmar, Christoph, Die Pfarrei im Blickfeld der Obrigkeit. Aufsicht und Reform durch Bischöfe, Landesherren und Städte, in: Bünz, Enno/Fouquet, Gerhard (Hg.), Die Pfarrei im späten Mittelalter (Vorträge und Forschungen 77), Ostfildern 2013, 97–130, hier 105–107. 102) Vgl. Bünz, Enno, Klerus, Kirche und Frömmigkeit im spätmittelalterlichen Bistum Eichstätt. Überlieferung, Forschungsstand, Perspektiven, in: Bünz, Enno/Littger, Klaus Walter (Hg.), Klerus, Kirche und Frömmigkeit im spätmittelalterlichen Bistum Eichstätt. Ausgewählte Aufsätze von Franz Xaver Buchner (Schriften der Universitätsbibliothek Eichstätt 36), St. Ottilien 1997, 31–74, hier 47f.; Ders., Die mittelalterliche Pfarrei in Franken. Stand, Probleme und Aufgaben der landesgeschichtlichen Atlasarbeit in Bayern, in: Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte 68

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Regensburg unter Bischof Johann von der Pfalz (1507–1538), der ebenfalls nicht selbst visitierte, sondern im Jahre 1508 seine Archidiakone ausschickte.103) Für Oberitalien sind die Nachrichten wieder viel dichter.104) Einige Beispiele: Der Bischof von Padua Fantino Dandolo (1448–1459) ließ durch seine Generalvikare, darunter Niccolò Grassetto in den Jahren 1448 und 1449, die Diözese visitieren, wie es scheint mit Erfolg, denn die Moral unter den Geistlichen wurde besser. Seine Nachfolger Iacopo Zeno (1460–1481) und Pietro Barozzi (1487–1507) begaben sich persönlich auf die Reise durch ihren Sprengel.105) In Treviso bemühten sich die Bischöfe Ludovico Barbo (1437–1443) und Niccolò Franco (1486–1499) durch eingehende Inspektionen um Reformen in ihren Diözesen.106) Der Veroneser Bischof Ermolao Barbaro (1453–1471) visitierte zwischen August 1454 und Mai 1458 persönlich seine Diözese und ließ seinen Weihbischof Matteo Canato ab Mai 1460 diese Inspektionsreise fortsetzen. Die Akten sind erhalten.107)

(2005), 51–74, hier 66–68, wieder abgedruckt in: Ders., Die mittelalterliche Pfarrei. Ausgewählte Studien zum 13.–16. Jahrhundert (Spätmittelalter, Humanismus, Reformation 96). Tübingen 2017, 355–380, hier 372f. 103) Mai, Paul/Popp, Marianne (Hg.), Das Regensburger Visitationsprotokoll von 1508, in: Beiträge zur Geschichte des Bistums Regensburg 18 (1984), 7–316. 104) Vgl. De Sandre Gasparini, Giuseppina, La valutazione dei dati. Qualche osservazione metodologica (area veneta, secolo XV), in: Nubola, Cecilia/Turchini, Angelo (Hg.), Visite pastorali ed elaborazione dei dati. Esperienze e metodi (Annali dell’Istituto storico italo-germanico. Quaderno 34), Bologna 1993, 323–346; Dies., Vescovi e vicari nelle visite pastorali del Tre- Quattrocento veneto, in: Dies. u.a. (Hg.), Vescovi e diocesi in Italia (wie Anm. 97), 569–600, und Canobbio, Elisabetta, Visite pastorali nel medioevo italiano. Temi di indagine ed elaborazione dei dati, in: Nubola, Cecilia (Hg.), Fonti ecclesiastiche per la storia sociale e religiosa d’Europa: XV– XVIII secolo. Atti del convegno internazionale „Le visite pastorali fra storia sociale e storia religiosa d’Europa. Un antico istituto in nuove prospettive“. Trento, 28–30 novembre 1996 (Annali dell’Istituto storico italo-germanico. Quaderno 50), Bologna 1999, 53–91, hier 55–57. — Mazzone, Umberto/Turchini, Angelo (Hg.), Le visite pastorali. Analisi di una fonte (Annali dell’Istituto storico italo-germanico. Quaderno 18). Bologna 1985, behandelt nur die Zeit nach 1500. 105) Gios, Pierantonio, Aspetti di vita religiosa e sociale a Padova durante l’episcopato di Fantino Dandolo (1448–1459), in: Trolese, Giovanni Battista (Hg.), Riforma della Chiesa, cultura e spiritualità nel Quattrocento veneto. Atti del convegno per il VI centenario della nascita di Ludovico Barbo (1382–1443), Padova, Venezia, Treviso, 19–24 settembre 1982 (Italia Benedettina 6), Cesena 1984, 161–204; Gios, Pierantonio, L’inquisitore della Bassa Padovana e dei Colli Euganei. Niccolò Grassetto (1448–1449), Padua 1990; Ders., L’attività pastorale del vescovo Pietro Barozzi a Padova (1487–1507) (Fonti e ricerche di storia ecclesiastica padovana 8), Padua 1977, bes. 119–135, drei Visitationen 1488/89 und 1503. 106) Vgl. Pesce, Luigi, Ludovico Barbo vescovo di Treviso (1437–1443). Cura pastorale. Riforma della Chiesa. Spiritualità, 2 Bde. (Italia Sacra 9–10), Padua 1969, I 111–120, II 20–36; Ders., La Chiesa di Treviso nel primo Quattrocento, Bd. 1 (Italia Sacra 37), Rom 1987, 301–304; Cagnin, Giampaolo, Nicolo Franco vescovo di Treviso, in: Sitientes venite ad aquas. Nel giubileo sacerdotale del vescovo di Treviso, Mons. Antonio Mistrorigo, Treviso 1985, 149–195. 107) Vgl. Cipriani, Marianna, Per lo studio della visita pastorale alla diocesi di Verona (1454– 1460). Note su alcune fonti integrative, in: Nubola/Turchini, Visite pastorali (wie Anm. 104), 335–346; Ermolao Barbaro. Visitationum liber diocesis Veronensis ab anno 1454 ad annum 1460.

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Francesco Dal Legname, Bischof von Ferrara (1446–1457, † 1462), begann seine Visitationsreise kaum ein halbes Jahr nach dem Einzug in seine Diözese. Die Protokolle sind für die Jahre bis 1450 erhalten, sie zeigen ihn zum Teil persönlich, zum Teil durch seine Generalvikare am Werk.108) In Bologna war der Kartäuser Niccolò Albergati, der spätere Kardinal und der wohl prominenteste Mitarbeiter Martins V. und Eugens IV., ab 1417 mit dem Bischofsamt betraut. In dieser Zeit verfügte er nach eingehender Untersuchung der kirchlichen Zustände in sechs Visitationen in den Jahren 1417, 1420, 1425, 1434 und 1437 – zumeist durch bischöfliche Vikare – eine Reihe von tiefgehenden Reformmaßnahmen.109) Auch in der Erzdiözese Mailand fanden im 15. Jahrhundert zahlreiche Visitationen statt, die von den Erzbischöfen Bartolomeo Capra (1415–1433), Gabriele Sforza (1454– 1457) und Guido Antonio Arcimboldi (1488–1497) betrieben wurden und sich von 1423 bis 1498 erstreckten.110) In der Diözese Como ordnete Bischof Gerardo Landriani (1437–1445) in den Jahren 1444/45 Visitationen im gebirgigen Teil seines Sprengels an und ließ sie durch Vikare ausführen. Seine Nachfolger wiederholten dies in den Jahren 1449, 1452, 1459, 1470 und 1490.111) Für die Diözese Arezzo gibt es nach vorausgehenden Visitationsberichten aus den Jahren 1257/58 und 1398 eine eindrucksvolle Reihe im 15. Jahrhundert: 1424, 1436, 1458, 1466/68 und 1474, die das korrigierende Wirken der Bischöfe selbst oder ihrer Beauftragten dokumentieren.112) Ein englisches Beispiel: William Courteney, Erzbischof von Canterbury (1381–1396), visitierte persönlich ab 1384 in mehreren Schüben sein eigenes Bistum und die Suffraganbistümer Exeter, Bath-Wells, Worcester, Chichester, Rochester, Lincoln, Salisbury und Hereford.113) Über bischöfliche Visita-

Trascrizione del registro 1 delle Visite Pastorali dell’Archivio Storico della Curia Diocesana di Verona, ed. Silvio Tonolli (Studi e documenti di storia e liturgia 13), Verona 1998. 108) Vgl. Peverada, Enrico, La visita pastorale del Vescovo Francesco Dal Legname a Ferrara (1447–1450), Ferrara 1982, 37f.: zahlreiche Hinweise auf ähnliche Visitationen in Oberitalien. 109) Parmeggiani, Riccardo, Il vescovo e il capitolo. Il cardinale Niccolò Albergati e i canonici di S. Pietro di Bologna (1417–1443). Un’inedita visita pastorale alla cattedrale (1437), Bologna 2011; Ders., Visite pastorali e riforma a Bologna durante l’episcopato di Niccolò Albergati (1413–1443), in: Rivista di storia della Chiesa in Italia 69 (2015), 21–47. 110) Palestra, Ambrogio (Hg.), Visite pastorali di Milano (1423–1859). Inventario (Monumenta Italiae ecclesiastica. Visitationes 1), Rom 1971; Belloni, Cristina, Visite pastorali milanesi nella seconda metà del XV secolo, in: Covini, Maria Nadia u.a. (Hg.), Medioevo dei poteri. Studi di storia per Giorgio Chittolini (I libri di Viella 141), Rom 2012, 301–336. 111) Vgl. Canobbio, Elisabetta, Preti di montagna nell’alta Lombardia del Quattrocento (Como 1444–1445), in: Preti nel medioevo (Quaderni di storia religiosa 4), Verona 1997, 221–255; Dies. (Hg.), La visita pastorale di Gerardo Landriani alla diocesi di Como (1444–1445) (Materiali di storia ecclesiastica lombarda. Visite pastorali), Mailand 2001. 112) Pieri, Silvano/Volpi, Carlo (Hg.), Visite pastorali dal 1257 al 1516 (Diocesi di Arezzo– Cortona–Sansepolcro. Studi e documenti 1), Arezzo 2006. 113) Vgl. Dahmus, Joseph Henry, The Metropolitan Visitations of William Courteney archbishop of Canterbury 1381–1396 (Illinois Studies in the Social Sciences 31,2), Urbana 1950.

Nikolaus von Kues als reisender Bischof

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tionen in Frankreich geben die vier Bände (+ ein Ergänzungsband) der von Gabriel Le Bras angestoßenen Visites pastorales Auskunft. Für die Zeit vor 1500 gibt es – von Ausnahmen abgesehen – nicht viele substantielle Nachrichten.114) Die im späten 14. und im 15. Jahrhundert in Aix-en-Provence durchgeführten Visitationen sind durch Veröffentlichungen erschlossen.115) In ähnlicher Weise wurden auch die Quellen zu Arles verarbeitet.116) Die Diözese von Grenoble stellt eine Ausnahme dar, denn vor der Mitte des 14. Jahrhunderts setzen Visitationsberichte ein, die in gewisser Geschlossenheit bis ins 18. Jahrhundert reichen.117) Auch die große Diözese von Langres wurde seit der Mitte des 13. Jahrhunderts kontinuierlich visitiert, wovon besonders für das 15. Jahrhundert ansehnliche Akten überliefert sind.118) Der Erzbischof von Narbonne, François de Conzié (1391–1431), ließ im Jahr 1404 seinen Sprengel durch den Generalvikar inspizieren.119) Für Teile der 114) Répertoire des visites pastorales de la France, Sér. 1, Anciens diocèses (jusqu’en 1790), Bd. 1: Agde–Bourges (Agen 1304, Avignon 1339; Avranches 1485, 1494; Beauvais 1240, 1426, 1472, 1497; Bourges 1443, 1470, 1476, 1477, 1478); Bd. 2: Cahors–Lyon (Carpentras 1447, 1448, 1449, 1496; Chalons-sur-Marne 1317; Clermont 1455, 1459, 1490; Digne 1330, 1416; Fréjus 1306, 1338, 1362; Limoges 1454/55, 1459, 1495; Lyon 1295, 1338, 1357, 1378, 1379, 1469); Bd. 3: Macon–Riez (Le Mans 1495; Marseille 1362/64; Meaux 1246, 1341, 1365, 1386, 1493; Montauban 1461; Nantes 1423, 1450, 1456, 1478, 1482; Noyon 1409, 1493; Orléans 1450, 1471; Paris: Über die zahlreichen Visitationen zwischen 1163 und der Mitte des 15. Jahrhunderts existieren nur spärliche Quellen, zumeist Hinweise auf Prokurationen oder Exemtionen. Über die weiteren Visitationen siehe im Text; Périgueux 1304; Poitiers 1304/05; Reims 1451, 1459, 1475/76, 1480, 1491/92, 1495, 1499; Riez 1337); Bd. 4: La Rochelle – Ypres. Bâle (Rouen 1307, 1310, 1365, 1424/25, 1427, 1440, 1445/46, 1450/51, 1454–83, 1459, 1483/84, 1489/90, 1493–1509; Sées 1495; Senlis 1270, 1278, 1326, 1381, 1416, 1473; Sens 1347, 1397, 1440–1444, 1460, 1482–1495; Sisteron 1338; Thérouanne 1287, 1289, 1292–1300, 1344, 1361, 1419, 1420, 1422, 1426, 1427, 1428, 1430, 1437, 1438, 1440, 1457; Toulouse 1484; Tournai 1466; Troyes 1374, 1375, 1401, 1407, 1441, 1445, 1453, 1460, 1462, 1464, 1469, 1484, 1485, 1487, 1492, 1493, 1495, 1496, 1497, 1499; Vienne 1485, 1486/88), Paris 1977–1985. 115) Coulet, Noël, Deux itinéraires de visite pastorale en Basse-Provence au XIVe siècle, in: Revue de l’histoire de l’Église de France 59 (1973), 65–71; Ders., Deux églises provençales au lendemain des troubles du XIVe siècle: Une visite pastorale inédite de 1402, in: Annales du Midi 73 (1961), 325–324; Ders., La desolation des églises de Provence, in: Provence historique 6 (1956), 34– 53, 123–142; Ders., Pastorale et démographie: le diocèse d’Aix en 1486, in: Annales du Midi 76 (1964), 415–440. 116) Vgl. Baratier, Edouard, Visites pastorales du diocèse d’Arles du XVe siècle à 1630, in: Revue des études ligures 5 (1967–1971), 216–229. 117) Chevalier, Cyr-Ulysse-Joseph, Visites pastorales et ordinations des évêques de Grenoble de la maison de Chissé (XIVe–XVe siècles), Lyon 1874; Letonnelier, Gaston, La vie paroissiale dans le diocèse de Grenoble à la fin du XVe siècle, in: Mélanges d’histoire dauphinoise 2 (1941), 5–23. 118) Vgl. Viard, Georges, Les visites pastorales dans l’ancien diocèse de Langres, in: Revue d’histoire de l’Église de France 63 (1977), 235–272. 119) Vgl. Chomel, Vital, Droit de patronage et pratique religieuse dans l’archevêché de Narbonne au début du XVe siècle, in: Bibliothèque de l’École des Chartes 115 (1957), 58–137; Millet, Hélène, Un archevêque de Narbonne grand officier de l’Église: François de Conzié (1347–1431), in: Fournié, Michelle/Le Blevec, Daniel (Hg.), L’archevêché de Narbonne au Moyen Âge, Toulouse 2008, 185–211, hier 190f.

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Diözese Paris sind ab der Mitte des 15. Jahrhunderts umfangreiche Berichte überliefert.120) Die Bischöfe von Rodez waren im 15. Jahrhundert kontinuierlich mit großem Eifer bei der Ordnung ihrer Diözese am Werk.121) Jacques Raguier, Bischof von Troyes (1483–1518) visitierte persönlich fast jährlich seine Diözese.122) * * * Die Untersuchung der Reisen des Nikolaus von Kues innerhalb und außerhalb seiner Brixner Diözese in den Jahren 1452 bis 1458 bzw. 1460 bestätigt sein außerordentliches seelsorgliches Engagement, seinen Reformwillen und sein eifriges Bemühen um die politische Sicherung des Hochstiftes gegenüber dem habsburgischen Landesherren und dem selbstbewussten Adel. Summa summarum waren es etwa 11.500 km, die der über fünfzig Jahre alte Mann während dieser sechs/acht Jahre zurücklegte, zumeist im Sattel, auch in Jahreszeiten, als das Wetter unfreundlich war und eine allgemeine Verschlechterung des Klimas die Ortsveränderungen unangenehmer werden ließ. Der Vergleich mit dem Wirken anderer, etwa zeitgenössischer Bischöfe zeigte den Cusaner als eine im Reich herausragende bischöfliche Persönlichkeit, die die verpflichtenden Visitationen so ernsthaft durchführte, wie dies nicht wenige seiner oberitalienischen Kollegen im Amt taten. Dank der außerordentlichen Quellenerschließung durch die Acta Cusana wird seine überragende Leistung innerhalb des deutschen Episkopates noch deutlicher.

120) Alliot, Jean-Marie, Visites archidiaconales de Josas, Paris 1892; Auzary, Bernadette/Timbal, Pierre Clément, Visites décanales faites dans l’archidiaconnée de Paris en 1468– 1479, in: Revue d’histoire de l’Eglise de France 62 (1976), 361–374. 121) Belmon, Camille, Visites pastorales de Bertrand de Polignac, èvêque de Rodez, en 1495, in: Revue historique du Rouergue 1 (1914/1916) – 4 (1923), passim. 122) Prévost, Arthur, Journal des visites de Jacques Raguier, évêque de Troyes, in: Mémoires de la Société académique de l’Aube 70 (1906), 101–216.

III. KOMMUNIKATIVE PRAXIS UND BILDUNGSHORIZONTE

Nikolaus von Kues und die ‚Wiltener Affäre‘ Juni 1457 Ängste – Gerüchte – Wahrheiten Johannes Helmrath

B

ischof Nikolaus ist verbittert, verbittert wie noch nie: Mehr als je ein Kardinal habe er sich gedemütigt (gedyemutigt), massive Behinderungen seiner bischöflichen Amtsführung, ja mehrere Anschläge auf Leib und Leben (mangerlay ungehort aufsetz ainer unsicherhait unsers leybs) habe er erfahren müssen.1) Er schreibt dies im Rückblick am 21. Januar 1458 aus der Felsenburg Buchenstein an die Unterhändler desjenigen, vor dem er sich angeblich derart erniedrigt hatte: Herzog Sigismund von Österreich. Hierhin nach Buchenstein, „sein schauriges Patmos“2), im östlichsten Winkel des Hochstifts gelegen, hatte er sich schon am 10. Juli des Vorjahrs geflüchtet, als die dramatischen Vorgänge, auf die Cusanus anspielt, gerade erst frisch hinter ihm lagen. Hier residierte er bis zur Abreise nach Rom im September 14583), hier hinauf mussten sich Gesandtschaften und Lieferanten quälen, hier schrieb er seine brisanten rechtshistorischen Denkschriften und, nach langer Pause, am 18. August 1458 auch wieder ein philosophisches Werk, ‚de beryllo‘.4) 1. Einleitung Es war eine dunkle Geschichte, Kriminalfall und Tragikomödie zugleich, bestehend aus Verdächtigungen, Indizien, Gerüchten und handfester Furcht. In der Literatur kursiert der Komplex auch unter dem Namen „Wiltener Affäre“. Denn einer der Schauplätze war das dortige Prämonstratenserstift, nahe Innsbruck. 1) NvK am 21. Januar 1458 an Leonhard Wiesmayr, Bf. von Chur, und den herzoglichen Gesandten Oswald von Säben; AC II 6, Nr. 5450 Z. 8–13: Und uns auch also gedyemutigt haben mer dann ye kain cardinal in unserm gedenkhen getan hat, so haben wir doch grosse widerwertickeit in unserm bischoflichen ampt funden und sogar ... mangerlay ungehort aufsetz ainer unsicherhait unsers leybs. Das Wort aufsetz im Sinne von ‚geplante Angriffe, Anschläge. ‚Hinterhalte‘ findet sich auch in AC II 6, Nr. 5286 Z. 8 und Nr. 5498 Z. 3. — Thomas Woelki sei für zahlreiche Hilfen und Hinweise herzlich gedankt. 2) Düx, Johann Martin, Der deutsche Cardinal Nicolaus von Cusa und die Kirche seiner Zeit, Bd. 2, Regensburg 1847 (ND Frankfurt 1968), 134. 3) Siehe AC II 6 (1. Juni 1457 bis 28. September 1458); Nr. 5759, Einzug in Rom. 4) AC II 6, Nr. 5716.

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Nikolaus von Kues wohnte darin eine bewegte Woche, eingeladen von Herzog Sigismund zu Verhandlungen am Innsbrucker Hof. Was dort am Johannistag 1457 und in den Tagen vor- und nachher auf dem Hin- und Rückweg an Erschröcklichem geschah, ist dubios. Fakten und Fiktionen sind kaum klar zu trennen. Lohnt sich ein neuer Versuch, mehr Licht in diese bislang gefährlichsten Tage im Leben des Nikolaus von Kues und in deren sprießende zeitgenössische Wahrnehmungen zu bringen? Lohnt es sich, die Rolle des Detektivs zu übernehmen, mit dem der Historiker ja manches gemeinsam hat? Ich denke ja, zumal der ‚Fall‘ ein Exempel für mündliche Kommunikation im Spätmittelalter bietet, und zwar für ihre am meisten proteushafte Form: das Gerücht! Die ‚Ereigniskette‘ konstituierte sich zu einem nicht geringen Teil aus einer Sequenz von Gerüchten, Einflüsterungen, Vermutungen, Dementis. Handeln zu müssen auf der Basis divergierender Gerüchte fällt nicht leicht. Den Kardinal führte die aktuelle Nichtüberprüfbarkeit dieser rumores zeitweise in schwankende phobische Zustände. Sie ließen ihn die jeweils schlimmste Deutung glauben: seine Ermordung, der er sich angeblich nur um Haaresbreite entronnen wähnte. Dieses im Folgenden immer wieder auftauchende phobische Kalkül wird in einem späteren Verhandlungsbericht vom Januar 1458 sehr treffend formuliert, darumb es ein entsiczen und erschrikhen hab.5) Diese Mordpläne und Insidien aus dem volatilen kommunikativen Status des Gerüchts zu entheben und mit allen Mitteln als notorisch, als offenkundige Wahrheit zu erweisen, wird dann das Hauptziel des Cusanus und seiner alles aufschreibenden Dienstleute im Fortgang des Konflikts sein. Der erste Schritt ist die ständige Wiederholung der Vorwürfe. Der Herzog, dem seitens der römischen Kurie bald das Interdikt und ein Prozess drohten, versuchte seither, um seine Ehre zu retten, seinerseits alles, diese angeblichen, freilich maximal strafbewehrten Verbrechen argumentativ abzustreiten, und als Hirngespinste des furchtsamen Kardinals hinzustellen. Immerhin ging es um versuchten Mord an einem Kardinal! In der Affäre vereinigten sich verschiedene ältere Schwelbrände, die nie ausgetreten worden waren, zum Feuer eines Fundamentalkonflikts zwischen dem Bischof und dem herzoglichen Landesherrn. Der Streit um die Reform des Klosters Sonnenburg ist nur eine, allerdings besonders gut dokumentierte Facette des Konflikts. Dazu hatte sich der Bischof durch seine Revindikationsansprüche auf alte Rechte der Brixener Kirche und durch manche seiner Reformen nicht nur den Herzog, sondern auch Teile des Tiroler Adels zu Feinden gemacht, darunter so manche ehemalige Amtsträger des Bischofs, die üblicherweise sowohl in bischöf-

5) AC II 6, Nr. 5438 Z. 63 (Protokoll von Verhandlungen der Vertreter des Nikolaus von Kues, des Herzogs und des Brixner Domkapitels im Januar 1458).

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lichen wie in herzoglichem Dienst gestanden hatten.6) Sie sahen offenbar nun Gelegenheit, einiges heimzuzahlen und handelten durchaus als eigenständige Akteure. Dass einige von ihnen dabei als verdeckte Femerichter amtierten, machte die Angelegenheit geradezu strukturell noch mehr opak. Dazu kam Missstimmung selbst im Domkapitel, dessen Mitglieder zwar noch überwiegend auf Seiten des Kardinals standen, in dem er aber auch diverse Feinde hatte. Sogar beim gläubigen Volk ‚rumorte‘ es buchstäblich, etwa wegen seiner puristisch unsensiblen Abschaffung altgewohnter Festbräuche. Dazu kam die Verbitterung über Cusanus‘ Politik, durch ein immer wieder angedrohtes päpstliches Interdikt zu verunsichern, das dann de facto erst am 12. März 1458 in Kraft trat.7) Gewaltpolitisch-militärisch eskalierte der Konflikt in einer Trias spektakulärer Ausbrüche: erstens eben in dieser ‚Wiltener Affäre‘ im Juni 1457, zweitens in der ‚so genannten Schlacht im Enneberg‘ im April 1458 und schließlich im April 1460 zu ‚Bruneck‘8) in der nun tatsächlichen Gefangennahme und Kapitulation des Cusanus, wo sich die stets unterstellte Gewaltbereitschaft des Herzogs bestätigte. Wir wollen uns im Folgenden nur mit ‚Wilten‘ beschäftigen. Das ist vertrackt genug. Ohne Zweifel sind diese Vorgänge um ein paar Bewaffnete in Aicha und Matrei ‚provinziell. Aber man kann sie zugleich als paradigmatisch für die prekäre Situation bischöflicher Landesherrschaften in dieser Epoche überhaupt werten. Und sowohl durch eine Wolke von Gerüchten als auch durch die massiven Interventionen der Kurie sowie durch zusätzliche Diffusionsmedien 1460/61 wurden ‚Wilten und Matrei‘ schließlich zu Ereignissen erhoben, welche eine Öffentlichkeit als ein Großpoliticum beschäftigten. Die Frage war: wem, Cusanus oder Sigismund, sollte es gelingen, die jeweilige Wahrheit aus der Gerüchtewolke plausibel zu destillieren, Dabei bemüht man sich, angesichts eines laufenden Prozesses an der Kurie um juristisch valable Beweissicherungen. Dies geschieht unter anderem durch neue Zeugen, wie sie sich beispielsweise im Dezember 1457 Peter von Erkelenz überraschend offenbarten. Eine andere Methode wendete auf Geheiß sei-

6) Die entscheidende Figur Kaspar von Gufidaun (Schenk, Lehensmann, zeitweise Statthalter des Bischofs) war die ganze Zeit auch Pfleger von Rodeneck und herzoglicher Rat, zugleich freilich auch schon lange Femerichter! Auch Leonhard von Velseck (Burghauptmann von Bruneck) war schon lange vor Cusanus herzoglicher Rat, ab 1455 herzoglicher Kanzler; siehe AC II 7, Register. Der Verweis auf das Register gilt für alle Namen, Orte und Sachen, ohne dass im Folgenden eigens darauf hingewiesen wird. 7) Zum Interdikt über Tirol jetzt grundlegend; Woelki, Thomas, Cusanus und das Interdikt. Norm und Form, in: Daniels, Tobias/Jaser, Christian/Woelki, Thomas (Hg.) Das Interdikt in der europäischen Vormoderne (ZHF Beiheft 57), Berlin 2021, 185–229, hier 208–222. 8) Siehe künftig AC III 2. Aus der Forschung am detailliertesten: Hallauer, Hermann, Bruneck 1460. Nikolaus von Kues – der Bischof scheitert an der weltlichen Macht, in: Helmrath, Johannes/Müller, Heribert (Hg.), Studien zum 15. Jahrhundert. Festschrift für Erich Meuthen zum 65. Geburtstag, Bd. 1, München 1994, 381–414.

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nes bischöflichen Herrn der Domherr und Pfarrer Konrad Bossinger an: durch die notarielle Dokumentation individueller Beichten.9) Das macht sie erneuter Erzählung und Analyse wert. 2. Quellen und Forschung zur Wiltener Affäre und ihrem Nachspiel a) Die Quellen Die Acta Cusana bieten vor allem in Band II 6 erstmals das gesamte bislang bekannte schriftliche Quellenspektrum zum Thema dar. Eine privilegierte Situation, die etwa den früheren Cusanusforschern nicht gegeben war. Die Acta systematisch zu durchstreifen ist die wichtigste Basisarbeit. Wir sehen Quellen mit Perspektiven aus drei Richtungen: wobei ganz eindeutig die cusanische Partei qua Überlieferungsdichte dominiert. Wichtigste und ausführlichste Quelle ist der Bericht, den wenige Wochen nach den Vorkommnissen der bischöfliche Kanzleischreiber Christoph Krell zusammengestellt hat. Er ist in dem umfangreichen Prozessdossier des Codex Cusanus 221 auf p. 491–504 überliefert und offensichtlich, wie die autographen Nachträge und Einschübe des Nikolaus von Kues zeigen, in enger Abstimmung mit diesem entstanden. Er wird unten wie in den Acta Cusana ‚KrellMemorandum‘ genannt. Unschätzbar ist zweitens der leider nur fragmentarisch erhaltene autographe Selbstbericht des Nikolaus von Kues, entstanden in den Monaten nach den Ereignissen, überliefert im Tiroler Landesarchiv Innsbruck, Sigmundiana IX 62 f. 269r–270v, im Folgenden als ‚autographer Bericht‘ bezeichnet.10) Beide Zentraltexte werden nach dem Procedere der Acta Cusana nach dem konstituitiv chronologischen Kriterium zerteilt ediert. Weitaus am meisten wissen wir also über ‚Wilten‘ und die Folgen aus dem Krell-Memorandum, das sich zwar um Sachlichkeit bemüht, aber mit den nötigen quellenkritischen Kautelen zu lesen ist. Sowohl das Krell-Memorandum wie der autographe Bericht des Cusanus dienten nicht historiographischen Zwecken, sondern dazu, das ist wohlgemerkt ihre causa scribendi, belastendes Material für den künftigen Prozess gegen den Herzog zu sammeln. Die Quellen aus der herzoglichen Perspektive sind später, eher reaktiv im Kampf um die wichtige Deutungshoheit über die ‚Wiltener Affäre‘ entstanden, so etwa in Sigismunds Appellationen von Mitte Dezember 1457 und vom 6. Februar 1458 gegen die päpstliche Interdiktsbulle oder mehr noch diverse spätere Strei) Siehe dazu unten Kap. 5d). ) Zum Krell-Memorandum und zum autographen Cusanus-Bericht siehe AC II 6, Nr. 5266 und 5272 mit Einleitungen und entsprechenden Anschlussnummern, sowie AC II 6, Einleitung. Vgl. auch Helmrath, Johannes/Woelki, Thomas, Die Acta Cusana – eine Ressource für die Landesgeschichte, in: Blätter für deutsche Landesgeschichte 157 (2021), 597–614, hier 609f. 9

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tschriften, etwa diejenige vom 5. Juli 1461.11) Hinzu kommen – nur die wichtigsten können hier genannt werden – die Protokolle der trilateralen Verhandlungen zwischen Vertretern des Bischofs, des Herzogs und des Domkapitels vom 13. Januar 1458 in Bruneck.12) Dazu kommen diverse Briefe, so eine bitterböse Epistel des Nikolaus von Kues vom Dezember 1457 an den bischöflichen Hauptmann und herzoglichen Kanzler Leonhard von Velseck, seinen Geleitsherrn im Juni 1457.13) b) ‚Wilten‘ in der Cusanusforschung seit 1843 Die im frühen 19. Jahrhundert beginnende historische-, bio- und idiographische Cusanusforschung hatte die Wiltener Affäre nicht kalt gelassen. Sie wurde mehrfach beschrieben, blieb aber in der Beurteilung – kaum verwunderlich – ambivalent, zwischen Skepsis, Ironie und Empathie. Die Gerüchte im Umfeld wurden meist erwähnt, aber nicht in ihren Funktionen analysiert. Die frühen Cusanusbiographien, voran die als Tübinger Preisschrift verfasste Pionierarbeit des Möhlerschülers Franz Anton Scharpff (184314), die in strenger „Unpartheilichkeit“ die Vita des Reformers Cusanus einem „unverdiente(n) Dunkel“ entziehen wollte, nennt die „Erzählung des Hinterhalts von Wilten“ bereits in der Einleitung unter den in Kues gefundenen Quellen.15) Hier folgt ihm kurz danach als Biograph der Würzburger Theologe Johann Martin Düx (1847).16) Beide verfügten nur über eingeschränkte Kenntnis der Quellen; ein negatives Bild des Herzogs ist bei beiden prägend. Die Wiltener Affäre, die Warnungen durch Frauen kommen vor. Beide Autoren, dabei Düx fast wörtlich Scharpff folgend, sind aufgrund eines Missverständnisses der Quellenberichte von der Tatsächlichkeit der herzoglichen Droh- und Hinterhaltspolitik überzeugt. Dieser sei am Abend des 24. Juni tatsächlich mit 200 Mann nach Wilten ausgeritten.17) Hier sei der Herzog bei der Attacke vom Pferd, gestürzt, und nicht, wie wir aus dem Krellbericht zu wissen glauben, noch in Innsbruck auf einer Treppe.

) AC II 6, Nr. 5419, 5489 (Appellationen) und 5276 (Streitschrift). ) AC II 6, Nr. 5438 und 5439. 13) AC II 6, Nr. 5420. 14) Scharpff, Franz Anton, Der Cardinal und Bischof Nicolaus von Cusa. Das kirchliche Wirken, Bd. 1, Trier 1843, 255–260. 15) Zitate Scharpff, Cardinal I (wie Anm. 14), IV, XII. 16) Düx, Der deutsche Cardinal II (wie Anm. 2), 132–134. 17) Scharpff, Cardinal I (wie Anm. 14), 256: „Zweihundert Mann legten die Harnische an … und in wilder Hast ritte der Haufe heraus. … Da im Gedränge stürzte der Herzog vom Pferd und verletzte sich bedeutend.“; Düx, Der deutsche Cardinal II (wie Anm. 14), 132: „Geharnischt eilte der Haufe Wilten zu. Der Herzog stürzte dabei vom Pferde und verletzte sich bedeutend. Diesmal ließ er noch von dem Überfalle des Klosters ab, legte aber Hinterhalt und sann darauf, den Cardinal durch geheuchelte Freundschaft sicher zu machen.“ 11 12

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Für den eingefleischten Cusanusverächter Albert Jäger OSB, der freilich zugleich Autor des noch unersetzten Basiswerks über den Konflikt18) ist, war der Kardinal ein „Gespensterseher“, wie er ihn auf einem seiner vielen Zettel titulierte, ein Angsthase, der schon bei „blinden Lärm in Innsbruck“ zitterte.19) Jägers Urteil ist damit fast hinlänglich formuliert. Die ‚Nachstellungen‘ des Herzogs zeichnet er als Lappalien und hebt bereits auf die phobische Komponente im Charakter des Kardinals ab. Diesem Befund sollten, in abgemilderter Form, viele Autoren folgen. Jäger hatte von Anfang an ein ‚nationaltirolerisch‘ gefärbtes Negativbild des Cusanus als eines fremden Eindringlings in ein autochthones Tirolbiotop, ein Bild, das er auch später, bei besserer Quellenkenntnis, nicht mehr zu revidieren willens oder in der Lage war.20) Edmond Vansteenberghe (1920), der wichtige Cusanusbiograph, gab eine gerafftere Darstellung der ‚Wiltener Ereignisse‘. Er scheint einer der wenigen zu sein, der noch Düx folgte und annahm, der Herzog sei tatsächlich mit 200 Mann nach Wilten ausgerückt, um den Kardinal dort gefangen zu nehmen.21) Josef Koch hingegen suchte Cusanus „als Mensch“ nachzuspüren und gerecht zu werden22), vor allem gestützt auf den autographen Bericht des Bischofs, dessen Text er dabei erstmals publizierte. Für den Kölner Theologen „war das Ganze ein Theater, das den unbeliebten Ausländer und strengen Reformator einschüchtern sollte“. Es stelle sich eben die „kritische Frage, ob der Kardinal wirklich in Lebensgefahr war oder ob er nicht das Opfer seiner eigenen Furcht, bzw. eines raffinierten Spiels des Herzogs und seiner Leute geworden ist.“23) Erich Meuthen hält wie Koch die Morddrohungen und Hinterhalte sämtlich für vorgetäuscht, doch seien sie wirksam gewesen, habe der Herzog doch eine persönliche Schwachstelle in der Psyche des Kardinals erkannt und geschickt ausgenutzt: seine „Furcht ums Leben“, also einmal mehr seine phobische Disposition.24) 18) Jäger, Albert, Der Streit des Cardinals Nicolaus von Cusa mit dem Herzoge Sigmund von Österreich als Grafen von Tirol, 2 Bde., Innsbruck 1861, hier I 212–226 zum Komplex ‚Wilten‘. 19) Albert Jäger OSB (1801–1891) hinterließ zahllose Zettel mit Aufzeichnungen (Marienberg, Stiftsarchiv, Nachlass Albert Jäger), u.a. zum sog. Codex Cusanus (Bernkastel-Kues, Hospitalbibliothek, ms. 221), hier das Zitat zu dessen p. 495 (zum 22. Juni 1457). Zu Jäger künftig mit kritischer Würdigung Thomas Woelki, dem ich auch die Zitate aus Jägers Zettelsammlung verdanke, 20) Dazu künftig Thomas Woelki, siehe Anm. 19. 21) Vansteenberghe, Edmond , Le Cardinal Nicolas de Cues (1401–1464). L’action – la pensée (Bibliothèque du XVe siècle 24), Paris 1920 (ND Frankfurt 1963; Genf 1974), 177–180: „Sigismond réunissait 200 hommes d’armes et sortait d’Innsbruck par la porte de Wilten.“ 22) Koch, Josef, Nikolaus von Kues als Mensch nach dem Briefwechsel und persönlichen Aufzeichnungen, in: Ders., Kleine Schriften, Bd. 1 (Storia e letteratura 127), Rom 1973, 553–574, hier 560–565, bes. 563 Kritik an Vansteenberghe; ebd. 569–574 (Edition des autographen Berichts), jetzt neu ediert in AC II 6, Nr. 5272 etc. 23) Koch, Nikolaus von Kues als Mensch (wie Anm. 22), 563 und 562 (Zitate). 24) Meuthen, Erich, Nikolaus von Kues. 1401–1464. Skizze einer Biographie (Buchreihe der Cusanus-Gesellschaft), Münster 71992, 105–108: „Er hatte seinen Gegner in den letzten Jahren

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Auch Wilhelm Baum (1983, 198725), der nach Jäger die detaillierteste Erzählung der Ereignisse vorlegte, hält es für unmöglich, „aus dem Wust von Tratsch und Gerüchten … die Wahrheit herauszufinden“26), und hat damit nicht ganz unrecht. Baum hatte bereits den wichtigen Aspekt gebracht, dass es sich bei den Umtrieben etwa des am Hinterhalt beteiligten Gufidauners und seiner Standesgenossen um ein Femegericht handelte. Wenn auch die Feme in Gestalt weitgehend autonomer Freigerichte mit geheimbündlerisch interagierenden sogenannten Freischöffen Ursprung und Zentrum in Westfalen hatte, finden sich doch auch in anderen Gegenden des spätmittelalterlichen Reiches Freigerichte mit tausenden Freischöffen, so auch in Tirol. In ihrer Unberechenbarkeit waren die Femgerichte zusehends zur Plage geworden. Es gehörte zu den Paradoxien der Feme, dass ihr auch Herrscher wie Kaiser Sigismund oder Herzog Friedrich II. von Brandenburg als Freischöffen angehören, konnten, dass diese aber, wie Sigismund (und Kaiser Friedrich III.!), auch selbst vor ein Femegericht zitiert werden konnten. Und genau dies geschah auch dem Bischof von Brixen Nikolaus von Kues im Juni 1457, freilich ohne dass dabei ein ‚Verfahren‘ erkennbar würde. Die Tiroler Freigerichte, darunter die Prozesse gegen Nikolaus von Kues, wurden von Ute Monica Schwob (200927) aus rechtsgeschichtlicher Perspektive aufgearbeitet, wobei sie ‚Wilten‘ und die ‚Nachstellungen’ mit vornehmlich ironischen Kommentaren versah.28)

offenbar genau studiert, um bei ihm eine sehr persönliche Schwäche festzustellen, nämlich Angst, Furcht ums Leben.“ (105). Zur späteren prozessualen Verwendung der ‚Wiltener Affäre‘ bereits Meuthen, Erich, Die letzten Jahre des Nikolaus von Kues. Biographische Untersuchungen nach neuen Quellen (Wissenschaftliche Abhandlungen der Arbeitsgemeinschaft für Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen 3), Köln/Opladen 1958. 25) Baum, Wilhelm, Nikolaus Cusanus in Tirol. Das Wirken des Philosophen und Reformators als Fürstbischof von Brixen (Schriftenreihe des Südtiroler Kulturinstituts 10), Bozen 1983, 355–374; Ders., Sigmund der Münzreiche. Zur Geschichte Tirols und der habsburgischen Länder im Spätmittelalter (Schriftenreihe des Südtiroler Kulturinstituts 14), Bozen 1987, 177–190, 238–243. 26) Baum, Sigmund der Münzreiche (wie Anm. 25), 178. 27) Schwob, Ute Monica, Spuren der Femgerichtsbarkeit im spätmittelalterlichen Tirol (Schlern-Schriften 345), Innsbruck 2009, hier 141–150. Hier auch die wesentliche Literatur zur Feme. Siehe auch AC II 7, 2045 s.v. ‚Feme, Femgerichte‘, Allgemein: Lück, Heiner, Art. Feme, Femgericht, in: HRG 1 (22008), 1535–1543. 28) Auf Szenerien in der Cusanus-Belletristik sei hier nur am Rande verwiesen. Denn man möchte annehmen, dass das spektakuläre Szenario ‚Wilten‘ auch und besonders in der Cusanus-Romanliteratur ausgemalt würde. Dazu siehe den Beitrag von Hans Gerhard Senger in diesem Band (mit Titel-Liste). Titelüberblick über Cusanus-Belletristik auch bei Senger, Hans Gerhard, Nikolaus von Kues. Leben-Lehre-Wirkungsgeschichte (Cusanus-Studien 12), Heidelberg 2017, 290f.

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3. Gerücht und Gerüchtforschung a) ‚Gerüchte‘ in der Mittelalterforschung Was ist ein Gerücht und lohnt es sich, darüber zu forschen? Paul A. Webers Graphik ‚Das Gerücht‘ von 1943 ist weniger bekannt als ihre berühmtere Vorlage: Vergil, Aeneis IV, 173–194, wo jene Fama beschrieben ist, die Weber dann bildlich in einen modernen, urbanistischen Kontext transformiert. Ein eklig wurmartiges Wesen fliegt durch die engen Straßen einer tristen übervölkerten Stadt; es hat am Leib hunderte Öffnungen, aus denen kleine Wesen wie Bazillenträger herausquellen und in die Fenster der Stadt diffundieren. Das Bild trifft gut den epidemischen-kontagiösen Charakter als „kommunikative Seuche“ (Weingart), der dem Gerücht gern zugeschrieben wird. Aus der Zeitgeschichte wird man zwei modellhafte Gerüchtstudien nennen: Marc Blochs „Reflexions d’un historien“, niedergeschrieben im, stets besonders gerüchtträchtigen, Krieg, nach der „étrange défaite“, der katastrophalen, von anfassbarer Desinformiertheit der Führung begleiteten Niederlage Frankreichs im Sommer 1940. Zweitens zu nennen ist Edgar Morins „Rumeurs d’Orléans“ von 1969, wo es um offen antisemitische Schauergerüchte über angeblich verschwundene Frauen in Kleidergeschäften der Loirestadt geht.29) Die – vornehmlich deutsche und französische – mediävistische Gerüchteforschung blieb trotz aller Bemühungen vielleicht unausweichlich so volatil wie ihr Gegenstand und ohne präzise Kategorien. Naheliegenderweise fügte sie sich meistens in das weiter gespannte Thema ‚Öffentlichkeit‘ und die Frage ein, ob und in welcher Form für das Mittelalter von ‚Öffentlichkeit‘ oder ‚öffentlicher Meinung‘ gesprochen werden könne, bzw. inwieweit dann Gerüchte als deren ‚Vorform‘ betrachtet werden dürften.30) Fast regelmäßig ist damit Kritik an Jürgen Habermas verbunden, der der Vormoderne bekanntlich keine diskursive, sondern lediglich eine herrschaftlich-vertikale ‚repräsentative‘ Öffentlichkeit zugestehen mochte. Ein wesentliches Augenmerk galt und gilt den Prozessen, Formen, Geschwindigkeiten und Medien der Verbreitung von Gerüchten. Konkrete Beispiele mediävistischer Beschäftigung waren antijüdische Schauergerüchte (Hostienfrevel etc.), das Umfeld der Kinderkreuzzüge, aber auch der Tod des Herrschers (F. Hartmann) und –

29) Bloch, Marc, Réflexions d’un historien sur les fausses nouvelles de la guerre, Paris 1999; Morin, Edgar, La rumeur d’Orléans, Paris 1969. 30) Kintzinger, Martin/Schneidmüller, Bernd (Hg.), Politische Öffentlichkeit im Spätmittelalter (Vorträge und Forschungen 75), Ostfildern 2001, hier u.a. die Einleitung der Herausgeber (7–20). Beste Reflexion zur Öffentlichen Meinung: Moos, Peter von, Das Öffentliche und Private im Mittelalter. Für einen kontrollierten Anachronismus, in: Melville, Gert/von Moos, Peter (Hg.), Das Öffentliche und Private in der Vormoderne (Norm und Struktur 10), Köln/Weimar/Wien 1998, 3–83, zum Skandalbegriff: 41–46, 71f.

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bezeichnenderweise – große Meinungskonflikte wie diejenige um den Hergang der Ermordung des Herzogs von Orléans 1407 und die daraus folgende Diskussion um den Tyrannenmord (P. von Moos), oder große Prozesse wie diejenigen gegen die Templer oder gegen die Päpste Bonifaz VIII. und, auf dem Konstanzer Konzil, gegen Johannes XXIII. (H. J. Mierau).31) Am Beispiel der Papstprozesse wurde ‚Fama‘ zum einen besonders in ihrer Funktion als Verleumdung, zum anderen in deren paradoxer Funktion als Material prozessualer Wahrheitsprüfung untersucht.32) Über die Verleumdung schlägt sich eine Brücke zur Polemik- und Invektivalforschung. Es ergeben sich über Gerüchte eine Reihe nützlicher allgemeiner Beobachtungen: Das Gerücht – lat. rumor (frz. rumeur) oder fama, (von ‚fari‘ – sprechen; niedermhd. Gerüchte auch in der Bedeutung von ‚gerüfte‘, Geschrei, vor allem bei Entdeckung eines Verbrechens bei handhafter Tat) – ist eine mündlich verbreitete Nachricht, die sowohl aktiv verbreitet werden kann als auch als quasi autopoietisch sich ausbreitend wahrgenommen wird, und deren Überprüfung unmittelbar kaum möglich ist. Jedes Gerücht ist also potenzielle Nachricht. Das Paradox besteht darin, dass zum einen quantitativ die „Vielzahl der Stimmen plötzlich unüberhörbar“ werden kann33), zum anderen, dass sich Gerüchte auch qualitativ als wahr oder falsch erweisen lassen. ‚Gerücht‘ ist „verdeckte Rede“, ist eine unverbürgte Nachricht, die „sich diffus von Person zu Person verbreitet und deren Inhalt mehr oder weniger starken Veränderungen unterliegt“ (Mierau).34) Gerüchte sind eben nicht automatisch fake news. Oft resultieren sie gerade in vormodernen Gesell31) Schubert, Ernst, Erscheinungsformern der öffentlichen Meinung im Mittelalter, in: Das Mittelalter 6 (2001), 109–127; Hartmann, Florian, Das Gerücht vom Tod des Herrschers im frühen und hohen Mittelalter, in: HZ 302 (2016), 340–362; von Moos, Das Öffentliche (wie Anm. 30), 46–74: zum Mord von 1407 und die folgende Kontroverse um Jean Petit und Jean Gerson; Mierau, Heike Johanna, Gerüchte als Medien der Grenzüberschreitung im Bonifaz-Prozess, in: Knefelkamp, Ulrich/Bosselmann-Cyrau, Kristian (Hg.), Grenze und Grenzüberschreitung im MittelalterBerlin 2007, 109–121; Dies., Über Gerüchte schreiben. Mittelalterliche Quellen zur Gerüchteforschung vom Konstanzer Konzil (1414–1418), in: Brokoff, Jürgen/Fohrmann, Jürgen/Pompe, Hedwig/Weingart, Brigitte (Hg.), Die Kommunikation der Gerüchte, Göttingen 2008, 44–67; Dies., Fama als Mittel zur Herstellung von Öffentlichkeit und Gemeinwohl in der Zeit des Konziliarismus, in: Kintzinger/ Schneidmüller (Hg.), Politische Öffentlichkeit (wie Anm. 30), 237–289. Allgemein: Neubauer, Hans-Joachim, Fama. Die Geschichte des Gerüchts, Berlin 1998. — Aus der französischen Forschung etwa: Jones-Davies, Marie Thérèse (Hg.), Rumeurs et nouvelles au temps de la Renaissance, Paris 1997; Fargette, Sévérine, Rumeur, propagande et opinion publique au temps de la guerre civile (1407-–1420), in: Le Moyen Age 113 (2007), 309–334; La circulation des nouvelles au Moyen Âge. Société des historiens médiévistes de l’enseignement supérieur public (France). Congrès (24 Avignon, juin 1993) (Actes des congrès de la Société des historiens médiévistes de l’enseignement supérieur public 24; Publications de la Sorbonne. Histoire ancienne et médiévale 29; Collection de l’École Française de Rome 190), Paris 1994. 32) Siehe dazu, betreffend den ‚Fall Cusanus‘, unten Kap. 5a) und b). 33) Mierau, Fama (wie Anm. 31), 243. 34) Mierau, Fama (wie Anm. 31), 273, 277 u.ö.

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schaften ohne Zeitungen schlicht aus einem strukturellen Defizit an verbürgten Informationen, bzw. sie werden als dessen Kompensation und Ersatz verstanden. Gerüchteküchen und -märkte waren öffentliche Orte wie Kneipen und Tavernen, und natürlich die großen Höfe, allen voran bis heute die römische Kurie. Zugleich waren gerade hier, wenn es um Regierungshandeln im europäischen Maßstab ging, Informationsdefizite besonders prekär. Der „besser zu informierende Papst“ zum Beispiel war eine fest etablierte Rechtsfigur, die aus einem kommunikativen Strukturproblem resultierte, dem sie längst entwachsen war. Die Wahrheitsermittlungstechniken der Kurie, die Filterung der Gerüchte im Hinblick auf eine sich verfestigende Notorietas, werden auch im Fall des Prozesses gegen Herzog Sigismund eine wichtige Rolle spielen. Eine Form bewusst in Umlauf gesetzter Gerüchte ist die Verleumdung von Personen, die üble Nachrede (lat. diffamatio, calumnia), eine gefährliche Waffe für den buchstäblichen Rufmord, der zudem eine Art Inkubationszeit zugeschrieben wird, bis sie dann irgendwann als Skandal eklatiert – man denke an die Arie des Basilio in Rossinis ‚Figaro‘: ‚La calunnia‘. So weist denn auch der lateinische Begriff fama eine zweite eng verbundene Bedeutung auf: als ‚Ruf‘ als ‚guter‘ oder ‚schlechter‘ Ruf, in dem eine bestimmte Person oder Menschengruppe nach und nach ‚geraten‘ können. So kann mala fama in den stigmatisierten Status der infamia hinabführen.35) Das jeweilige Gerüchtefeld braucht also eine je eigene Analyse der zeitgenössischen Begriffe (fama, rumor, landtmar weis etc.), der Inhalte, der kommunikativen Kontexte und „Rahmungen“ (J. Brokoff), der Rezeptionskreise sowie der recht differenten Funktionen von Gerüchten. Kaum klar zu beantworten ist die Frage, wann und warum Gerüchte ‚erfolgreich‘ sind, warum sie diffundieren, warum sie von den Rezipienten, sei es in kleinen Gruppen, wie in unserem Fall, sei es von größeren Gruppen geglaubt werden, mithin Plausibilität gewinnen. b) Gerüchte in den Acta Cusana Auf Cusanus und die ‚Wiltener Affäre‘ mit ihrer Nachwirkung bezogen werden wir Gerüchte in folgenden Funktionen kategorisieren: a) als elementar unsichere Informationsquellen, b) als Handlungsgrundlagen, auf deren flüchtiger Basis in Wilten und anderswo gehandelt werden muss, c) als Evidenzressourcen faute de mieux, die nach methodischer Wahrheitsprüfung der Spurensicherung dienen, so auch und gerade in Prozessen, d) als diskreditierende Gerüchte, die von Cusanus wie von seinen Gegnern angelegentlich gesammelt und dokumentiert werden mit dem Ziel, sie als publizistische Waffe im Kampf um die Deutungshoheit zu benutzen. ) Zum Verhältnis fama-infamia siehe von Moos, Das Öffentliche (wie Anm. 30), 39–41, 70f.

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Wer war an der Gerüchtegenerierung beteiligt und wie sieht der Rezeptionskreis aus? Im Tirol des Juni 1457, während der ‚Wiltener Affäre‘, haben wir zunächst eine eher kleine Zahl beteiligter Gerüchterzeuger, -kolporteure und -empfänger. Sie bewegen sich auf engem Raum und auf engen Straßen; es handelt sich in dieser Phase sozusagen um ‚Gerüchte unter Anwesenden in einer Mikroöffentlichkeit‘. Die von menschlichen Zuträgern, Männern und Frauen, kolportierten Warnungen perforieren einen Schleier der Geheimhaltung, der von den Inszenatoren der insidiae über ihr Tun gebreitet war. Aber auch die Warnungen geschehen verstohlen, diskret, etwa durch Zustecken eines – geschriebenen – Zettels.36) Nolens volens bilden die zugetragenen Warnungen, – man kann sie als Angstgerüchte bezeichnen – für die Gerüchtempfänger, Cusanus und seine Gefolgsleute, die unsicheren Grundlagen ihres Handelns. Und dieses Handeln muss schnell erfolgen, ohne viel Zeit für eine Beglaubigung. Das war das Dilemma des Nikolaus von Kues. c) Zwei Beispiele zur Begrifflichkeit des Gerüchts in den Acta Cusana zu 1457 Ehe wir uns in die Abenteuer des Cusanus stürzen, einige Beispiele aus den Acta Cusana über typische Formen und zeitgenössische Bezeichnungen von Gerüchten. Wir finden im Mittelalter recht häufig Gerüchte über Krankheiten oder den Tod von Herrschern und prominenten Amtsträgern, und zwar nicht nur ‚im Volk‘, sondern auch und besonders auf oberster politischer Ebene.37) Der Tod hoher Amtsträger erfordert oft rasches Handeln, etwa in finanziellen Dingen, ehe der Nachfolger eingesetzt ist; früh informiert sein schafft wie immer Vorteile. So schreibt Herzogin Eleonore von Tirol ihrem Gemahl, Herzog Sigismund, in einem Brief vom 13. März 145738) unter anderem auch die Nachricht, es kursiere allgemein das öffentliche Gerücht (hier mit gemaine offenware sage bezeichnet) auch hieoben (sprich: in der Residenz zu Innsbruck), dass sowohl Bischof (Heinrich) von Konstanz als auch der Papst (Calixt III.) gestorben seien (mit tod verschaiden sein). Obwohl Bischof und Papst damals alte Männer waren und ihr Tod insofern nichts Unwahrscheinliches gehabt hätte, stimmte in beiden Fällen das Gerücht mitnichten. Und dies war zumindest mittelfristig auch verifizierbar, da die Betreffenden, Bischof wie Papst, sichtbar weiteramtierten. ) Siehe unten Kap. 5c). ) Siehe zum Thema Hartmann, Gerücht vom Tod des Herrschers (wie Anm. 31). Die Gesandtschaftsberichte italienischer Residenten glichen in ihrem Bemühen ‚a jour‘ zu sein manchmal ärztlichen Bulletins, so auch im Fall des immer wieder kränkelnden Kurienkardinals Nikolaus von Kues; siehe Helmrath, Johannes, Nikolaus von Kues in Rom, in: MFCG 35 (2020), 141–182, hier 160, nach Meuthen, Die letzten Jahre (wie Anm. 24), passim. 38) AC II 5, Nr. 5172 Z. 6–8. 36 37

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Ein zweites Beispiel: Peter Kleuber, Kaplan des kürzlich verstorbenen Brixner Domherrn Michael von Wolkenstein, schreibt am 19. April 1457 aus Brixen an Oswald von Wolkenstein d.J.:39) Er habe das Gerücht gehört (mir ist gesagt worden landtmars weis), Oswald sei im Kampf mit dem Grafen von Görz schwer verwundet worden (wie ir solt gar vast wundten sein. Das sol ain graff von Gortz tan haben). Er sei darüber zutiefst erschrocken und habe es gar nicht glauben wollen. (Des ich von herrczen erschrochen pin und hab sein nit wellen gelauben.) Kein Wunder, dass Kleuber schockiert ist, denn der Wolkensteiner stand als Pfleger von Altrasen im Dienst just jenes Grafen von Görz, der ihn jetzt schwer verwundet haben soll. Jetzt wolle Kleuber die Sache quasi authentisch, also vom Betroffenen persönlich erfahren (nun hiet ich das geren selber ervaren), mithin das Gerücht verifizieren oder falsifizieren. Wichtig ist auch der Begriff landtkundich40), den man mit „gerüchthaft im Land bekannt’ wird übersetzen können, also ähnlich wie die oben genannte Formulierung ‚landtmars weis. Etymologisch aufgeschlüsselt bedeutet das ungefähr ‚nach Art einer im Land kursierenden Erzählung/Märe‘. Der Kaplan ergeht sich im Fortgang des Briefs an Oswald polemisch gegen eine Person, die er als den üblen Urheber von Gerüchten über seinen – tatsächlich verstorbenen – Herrn Michael von Wolkenstein auszumachen glaubt, einen nicht namentlich genannten, aber offenbar großgewachsenen, Pfarrer (so redt der lang poswicht, der lang pharrer, meinem herr salgen gar ubel nach).41) Hinter diesem Anonymus hat man den Domkapitular und Pfarrer von Rodeneck, Konrad Bossinger vermutet42), einen engen Verbündeten des Bischofs Nikolaus von Kues. Hier begegnet also der Begriff ‚Gerücht’, in verbalisierter Form, explizit in der Bedeutung ‚Verleumdung, üble Nachrede‘. 4. Die ‚Wiltener Affäre‘, das verdeckte Ereignis (17. Juni bis 3. Juli 145743) a) Nikolaus von Kues reist nach Innsbruck, Die warnenden Frauen. Ein Treffen von Herzog und Bischof wurde angesichts der angestauten Konflikte schon seit geraumer Zeit ventiliert. Aber weil der Herzog lange außer Landes war44), hatten seine Statthalter ein Treffen immer wieder vertagt. Zurückgekehrt zitierte Herzog Sigismund am 12. Mai 1457 den Bischof abrupt und unter diplo) AC II 5, Nr. 5206 Z. 1–3, 8. ) Das Wort erscheint auch im autographen Bericht des NvK; AC II 6, Nr. 5512 Z. 5. 41) Zitate AC II 5, Nr. 5206 Z. 1, 2f., 8. 42) AC II 5, Nr. 5206 Anm. 3. Zu Bossinger auch unten Kap. 5d). 43) Siehe dazu Jäger, Streit I (wie Anm. 18), 212–226; Baum, Nikolaus Cusanus in Tirol (wie Anm. 25), 355–377, bes. 358–366. Vereinzelte Hinweise auch in den Beiträgen von Thomas Woelki und Werner Maleczek im vorliegenden Band. 44) AC II 5, Nr. 5226 Anm. 1. 39 40

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matischem Gesichtspunkt brüskierend wie einen Untertanen nach Innsbruck.45) Vier Tage später, am 16. Mai, bat er aber wieder um Verschiebung des Treffens, weil er erst noch nach Bayern zu seinen wittelsbachischen Vettern reisen müsse.46) Inzwischen hatte Cusanus bereits den ersten Brief des Herzogs abschlägig beantwortet, und zwar mit dem wenig überzeugenden Argument, er könne nicht nach Innsbruck kommen, weil sich dort Exkommunizierte (darunter übrigens Feinde wie Jörg Ragant, Prokurator der Äbtissin Verena von Sonnenburg) bewegten, die, so ist als Spitze gegen den Herzog zu konjizieren, ein Interdikt (interdictum ambulatorium) auslösten, das heißt Feier und Besuch von Messen (auch für den Herzog) strafbar machten und überdies dem Kardinal das gewohnte tägliche Messelesen verunmöglichen würde.47) Am ersten Juni erklärte Cusanus dann, er habe eine Gesandtschaft nach Innsbruck geschickt.48) Es gelingt dann offenbar Leonhard von Velseck, einst Hauptmann des Bischofs, nun als Rat und Kanzler des Herzogs eine Schlüsselfigur der kommenden Tage, Cusanus von der Sicherheit des Geleits für die Reise zu überzeugen. Brieflich vom Brennerbad aus spielte er die Gefahren herunter. Man brauche zur Bedeckung nicht viele Pferde. Zehn reichten.49) Der Kardinal ist darauf tatsächlich bereit, den Herzog in dessen Residenz Innsbruck aufzusuchen. In der Regel kam der Niedergestellte an den Hof des Höhergestellten. Da geht es nicht nur buchstäblich um ‚Höflichkeit‘, sondern um die Ehre, den Honor. Das buchstäbliche „Entgegenkommen“ von Innsbruck nach Wilten, das Herzog Sigismund ihm anbietet, nimmt Nikolaus, wohl um die Atmosphäre durch eine Demutsgeste zu entspannen, bewusst nicht an, sondern wolt ihm (sc. dem Herzog) die eer antun und zu im (sc. nach Innsbruck) reitten.50) Nun begannen die ‚tollen Tage‘, voller Misstrauen, versteckter Warnungen, Ängste. Schon im Vorfeld, in den Verhandlungen mit Sigismunds Kanzler Leonhard von Velseck in Brixen habe der Bischof am 17. Juni, laut Krell-Bericht, vor Velseck und vor dem Domkapitel Warnungen (und erczalt grosse warnung, die er hab, sc. davor, nach Innsbruck zu reisen) angesprochen, die an ihn gelangt seien.51) Die diverse avisaciones de insecuritate, wie in den Aufzeichnungen eines Brixner Domherrn formuliert ist52), könnte man sich geradewegs als Überschrift für die ganzen tollen Tage und die Aventiure der Rückreise vorstellen.

) AC II 5 Nr. 5233. ) AC II 5, Nr. 5240. 47) AC II 5, Nr. 5241 Z. 11–16. 48) AC II 6, Nr. 5250. 49) AC II 6 Nr. 5266 Z. 23f.: Es were yme nijt noit vijl pherde zu haben. Er mocht mit X pherden komen; er were wol sicher. 50) AC II 6, Nr. 5279 Z. 9f. 51) AC II 6, Nr. 5266 Z. 10, sowie auch Z. 7f.: wie er gewarnt sey. 52) AC II 6, Nr. 5265 Z. 4. 45 46

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Schon die Anreise des Bischofs nach Norden über Sterzing, den Brenner und Matrei war von Gerüchten begleitet. Und schon bei der ersten Warnung am 22. Juni, war eine Frau die Akteurin.53) Des Bischofs autographer Bericht und das Krell-Memorandum sprechen davon, hier zuerst Krell: quam eyn frau auf dem wege und sagt, wie herczog Sigmont mit etzlichen gesellen were zu Matray und das er sich verstalt hett, und die gesellen auch in irem harnesch.54) Der Herzog habe sich also verstellt (verstalt), was wohl bedeutet, er habe sich, um als Herzog nicht erkannt zu werden, verkleidet (wie ein einfacher Knappe?). Nur wegen des starken bischöflichen Gefolges habe er sich zurückgezogen (wider hyndersich geriten).55) Nikolaus’ eigener Bericht verwendet fast gleiche Worte.56) Er glaubt in Matrei Spuren eines herzoglichen Hinterhalts zu finden. Aber ‚der Niedecker‘, einer seiner Begleiter, den er fragt, wiegelt ab: der meynt, es mochte nijt syn.57) Zu diesen Warnungen gehörten, so Cusanus in seinem scharfen Brief von Mitte Dezember 1457 an Leonard von Velseck, auch schriftliche (wenngleich anonyme) Warnungen aus „Österreich“ (Osterrich) als Quelle, was wohl bedeutet: vom Kaiserhof in Wien. Sigismund hielt sich dort monatelang bis Mai 1457 auf und hatte dabei wohl abseits diplomatischer Zwänge recht offenherzig verlautbart, was er von dem Kardinal hielt. In den Warnungen, so Cusanus weiter, sei sogar seine drohende Ermordung angezeigt worden (das da sult beslossen syn, uns umbzubringen).58) Er habe die betreffenden Schriftstücke dem Velsecker sogar vorgelegt (vorgelacht). Aber obwohl sie aus der Kanzlei stammten, welcher Velseck von Amts wegen selbst vorstand, habe er abgewiegelt, er wisse da von nijt und geraten, wir sulten riten.59) Die zweitägige Anreise unter Velsecks Geleitschutz, mit Quartier in Sterzing, bis zum zweiten Nachtquartier im Prämonstratenserstift Wilten, 15 Kilometer vor Innsbruck gelegen, verlief aber dann offenbar ungeachtet der begleitenden Warnungen, ohne Zwischenfälle.

53) Dazu Albert Jäger OSB in seinem Zettelkasten (wie Anm. 19), zu Codex Cusanus 221 p. 496: „Weibergeschwätz erfüllt ihn neuerdings mit Angst und Mißtrauen.“ 54) AC II 6, Nr. 5269 Z. 4–7. 55) Ebd. Z. 7. Die Gruppe muss also deutlich mehr als die von Velseck veranschlagten zehn Pferde umfasst haben; s. oben Anm. 49. 56) AC II 6, Nr. 5272. 57) Ebd. Z. 10f. Einige Forscher versuchten, den Aufenthalt des Herzogs in der Brennergegend aus ganz anderen plausiblen Gründen zu erklären, nämlich als courtoise Aufwartung für seinen Gast, eine bayerische Prinzessin, die in Brennerbad kurte. 58) AC II 6, Nr. 5420 Z. 17. 59) Ebd. Z. 14–19. als bischöflicher Hauptmann war Leonard von Velseck abgesetzt worden, wie andere Amtsträger, von denen sich der Bischof verraten fühlte. Siehe Woelki in diesem Band.

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b) Was geschah in Wilten und Innsbruck? Im Kloster Wilten angekommen, geht man zeitig zu Bett. Aber dann wird es turbulent. In der Nacht (es ist nach zehn Uhr) schlagen drei Reiter, offenbar Bedienstete des Herzogs, an das Klostertor und begehren Einlass. Wolfgang Krumpacher, des Bischofs Richter zu Bruneck, steht auf, geht offenbar ans Fenster und fragt, was los sei. Er solle das Tor aufmachen. Doch das wird den Reitern offensichtlich verwehrt. Sie ziehen, überraschend leicht abgewimmelt, wieder ab. Apokalyptisch waren diese Reiter nicht. Von gewaltsamem Eindringen wird nichts gesagt, ebenso wenig darüber, ob der Kardinal die merkwürdige Episode persönlich mitbekommen hat. Wahrscheinlich schlief er zu dieser Zeit den Schlaf des Gerechten. Was möchten die drei Reiter bezweckt haben? Sollte das ein Verhaftungskommando gewesen sein? Wohl kaum. Cusanus in dieser grobschlächtigen Weise, mit dieser geringen Zahl von Reitern, noch dazu vor vielen Zeugen, gefangen zu nehmen, war alles andere als erfolgversprechend. So scheint es einerseits nahezuliegen, dass man dem timiden Kardinal durch diese berittenen Provokateure und Poltergeister bloß Angst einjagen wollte; andererseits kann man den Auftritt der drei Reiter als Teil eines größeren Zusammenhangs werten, der – Szenenwechsel – den Schauplatz Innsbruck einbezog. Dort ereignen sich zur gleichen Zeit (zu derselben stund) ebenfalls merkwürdige Vorfälle. Gerüchtweise wiederum! Da scheint eine Art Parallelaktion im Gange, die ein konzertiertes Handeln in Wilten und am Innsbrucker Hof zumindest erahnen lässt. Interessant, dass zu Beginn der nächtlichen Innsbrucker Ereignisse wiederum ein Gerücht wabert: umb die aindlefft hore ist zu Inspruck ein geruchte erstannden. Hier begegnet also, der Begriff Gerücht (geruchte) explizit. Es ist nicht klar, ob es ein Gerücht unbekannten Inhalts ist, das die folgenden Ereignisse auslöst, oder ob das Wort die Nachricht von diesen Handlungen selbst meint. Man sieht jedenfalls, dass Gerüchte die Ereignisse vorantrieben können. Eine Art Furor scheint ausgebrochen zu sein, beginnend ganz oben beim Herzog, der offenbar einen seiner berüchtigen Anfälle von Jähzorn hatte: mit eigenem Munde habe er all seine Mannen (yederman) geweckt und zur Hilfe aufgerufen. Das war ihre Gefolgschaftsaufgabe, nämlich des Fürsten und ihre eigene trew und ere zuretten. Gegen den Kardinal in Wilten? Augenscheinlich; 200 Mann warfen sich angeblich in Harnisch, öffneten das Stadttor Richtung Wilten und drohten mit Getöse aufzubrechen. Just da ereilt den Herzog aber ein schier slapstickhaftes Missgeschick, das immerhin das Krell-Memorandum referiert: Sigismund sei im Durcheinander eine (Wendel?)-Treppe hinuntergestürzt und habe sich dabei an Arm und Rücken verletzt (der herczog viel ein stiegen ab und tet im wee an ainem arm und im ruckhen verletzt).60) In dem Moment kommen die drei Reiter zurück, die zuvor ) AC II 6, Nr. 5279 Z. 17f. (Krell-Memorandum).

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vergeblich in Wilten Einlass forderten und berichten, dass sie eben nicht (ins Kloster) hineingekommen waren (wie sie nyt yme mochten). Jedenfalls wird die hitzig übereilte Expedition nach dem Sturz des Chefs abgeblasen. Besonnene Amtsträger wie der Hauptmann Parsifal von Annenberg und der herzogliche Rat Jakob Trapp hatten ohnehin schon auf Abbruch gedrängt (und werten das); sie schickten die Mannen ins Bett (do hies man yderman slafen geen).61) und verhinderten so das Schlimmste. Christoph Krell berichtet, was er von Oswald von Säben, wichtigem Amtsträger und Rat Herzog Sigismunds, über die Nacht des angeblichen Überfalls gehört habe. Oswald sei erst im Laufe der Ereignisse geweckt worden und habe seinerseits Ulrich von Freundsperg62) aufgeweckt. Dieser, obwohl eigentlich ein Gegner des Nikolaus von Kues, habe Unverständnis über die Sache geäußert: Ihm wird das Sprichwort „Narren sind auch lewt“ in den Mund gelegt, womöglich gemünzt auf den Herzog.63) Am nächsten Morgen habe Oswald Parsifal von Annenberg dann gelobt, weil er den Eklat verhindert habe und, damit wie man hinzufügen darf, auch ihren unbeherrschten Herrn vor sich selbst beschützt hatte. Cusanus’ autographer Bericht und das Krell-Memorandum stimmen weitgehend überein64), was nach ihrer eng verbundenen Genesis auch nicht verwundert. Was im Cusanus-Bericht fehlt, ist der peinliche Treppensturz des Herzogs, der ihn – glücklicherweise – an der Tat gegen den Kardinal gehindert hatte. Was bei Cusanus deutlicher gesagt ist: nämlich dass man ihn habe überfallen wollen (und wart offenberlich gesagt, das man uns uberfallen wlte), scheint im Krell-Memorandum etwas dezenter, aber doch bezeichnenderweise in einem autographen Nachtrag durch Cusanus selbst formuliert: verstunden wie er uber den cardinal wlte. Dazu kommt, und das ist bemerkenswert, dass Nikolaus von Kues ist schon jetzt die internationale Tragweite der Vorfälle bewusst ist, mochten es auch bislang nur Gerüchte sein: Aber er (sc. der aufsacz – Überfall) ist als wijte in die cristenheit erschollen, das zu vijle ist.65) Was ist von der ‚Wiltener Affäre‘ zwischenbilanzierend zu halten? War der Herzog bei seinem Anfall betrunken? Unwahrscheinlich ist das bei ihm nicht. Was trieb ihn? Die Luftgeister der Johannisnacht? Hatte er in diesen Minuten tatsächlich vor, mit Cusanus gewaltsam abzurechnen? Ist daraus, wie anfangs vermutet, auf eine konzertierte Aktion zu schließen? Zuerst der Versuch mit den drei Reitern am Wiltener Klostertor, dann Ausrücken des Herzogs selbst mit 200 Mann – was ja die ältere Forschung für eine Tatsache hielt? ) AC II 6, Nr. 5279 Z. 18–21 (Krell-Memorandum). ) Ulrich von Freundsberg, Rat Herzog Sigismunds, Gegner des Nikolaus von Kues wegen verpfändeter Gerichte; siehe AC II 7, 2148 s.v. 63) AC II 6, Nr. 5280 Z. 6f. (Krell-Memorandum). 64) AC II 6, Nr. 5278 und 5280–5281 Z. 13f., 19. 65) Zitate AC II 6, Nr. 5278 Z. 12f., Nr. 5279 Z. 19f., Nr. 5278 Z. 15f. 61 62

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Was man plausibel annehmen kann: Ein spontaner nächtlicher Spuk war vorgesehen, zunächst sollten Provokateure erreichen, dass die Klosterpforte offenstand, darauf wäre womöglich der Reiterpulk aus Innsbruck, mit dem Herzog an der Spitze, eingetroffen. Durch seine Verletzung, und noch viel mehr durch die Besonnenheit seiner wichtigsten Räte wurde aus der Jähzornsidee nichts. Ob das Spektakel dazu gedient hätte, dem Kardinal nur einen Schrecken zu versetzen oder ob, was wahrscheinlicher ist, Kreise des Innsbrucker Hofs unter Nutzung der günstigen Gelegenheit zeitweise doch eine Art vorgezogenes Bruneck intendiert haben, also den Kardinal durch militärische Drohkulisse hier und jetzt zur Kapitulation zu zwingen – es lässt sich nach wie vor aus den vorhandenen Quellen nicht sagen. Auch wenn man am Hof zu Innsbruck diese Vorfälle soweit möglich zu kaschieren suchte und am nächsten Morgen ‚ganz normale Verhandlungen‘ mit dem Kardinal begann, das geruchte dieser ja durchaus peinlichen Interna, vor allem der Treppensturz, war durchgesickert und hatte offenbar bald auch die Entourage des Bischofs erreicht. Gerade der skurril anmutende Reichtum an Einzelheiten spricht eher für die Authentizität der 22- und 23-Uhr-Ereignisse in Wilten und Innsbruck. Anders als seine Räte lässt sich der Herzog selbst am Folgetag verleugnen – sicher nicht zuletzt wegen der Folgen des Treppensturzes. Es wird dann aber doch über mehrere Tage, in Innsbruck und Wilten, verhandelt, zuerst mit den herzoglichen Räten und dann auch mit dem Herzog persönlich. Darauf ein kurzer Blick, ehe wir uns wieder mit neuen Warnungen beschäftigen. c) Verhandlungen zwischen Nikolaus von Kues und Hz. Sigismund (25.–29. Juni) Am nächsten Morgen, am 25. Juni, erscheint ein reitender Kaplan des Herzogs und animiert Cusanus, als sei nichts geschehen, nun nach Innsbruck zu den geplanten Verhandlungen zu kommen.66) Bemerkenswerterweise tut Nikolaus dies tatsächlich und reitet zur nahen Residenz, offensichtlich nicht traumatisiert und vielleicht anfangs auch noch ohne Wissen um die Exzesse der vergangenen Nacht. Doch diese Vorgänge ‚steckt‘ man ihm jetzt recht rasch und nicht ohne Raffinesse. Er erfährt erst hier, so das Krell-Memorandum, er sei aus zwei Gründen in der Nacht nicht überfallen worden: zum einen weil das Kloster nicht vorher die Pforten öffnete (konzertierte Aktion!), zum anderen wegen des herzoglichen Sturzes.67)

) AC II 6, Nr. 5280. ) AC II 6, Nr. 5282 Z. 12f.: Item, als dem cardinal ist zubeckennen gegeben, so ist er die nacht nicht ubervallen worden, wann die portten des klosters sind nicht auf getan, so was auch der herczog swerlich gevallen. 66 67

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Nach ersten Verhandlungen drängte man ihn offenbar, in Begleitung der Räte wieder zurück nach Wilten zu reiten, wo dann der zweite Teil der Verhandlungen stattfindet, der wie die weiteren Verhandlungen hier nicht en detail zur Sprache kommen kann. Obwohl der Bischof die Expedition zum Herzog möglichst bald beendet sehen und spätestens zum Fest Peter und Paul in seiner Bischofskirche predigen wollte, bietet er doch an, länger zu bleiben (er wer nu da bei in, sc. in Innsbruck, er wolt si da horen).68) Später treffen Kardinal und Herzog auch persönlich zusammen. Wir heben hier nur einen kommunikativen Aspekt heraus: Beide sind offenbar bemüht, Signale des Einvernehmens auszusenden. Die starke Hervorhebung des gemeinsamen Trinkens deutet darauf hin, wie der Kardinal in seinem Bericht notiert: hait der hirczog mit uns gedroncken, bzw. mit uns fruntlichen gedroncken. Ebenso deutlich ist der Bericht seines Schreibers Krell: Hier geht der Wunsch vom Kardinal aus, Krell nennt uns sogar das Trinkgefäß. einen halbkugeligen sogenannten Kopf (Do batt der cardinal, dass er trunckh umb gesellen willen. … also tranckh der herczog und auch der cardinal aus einem (demselben?), köpff ).69) Seitens des Herzogs haben wir ein viel späteres Zeugnis (1461), als er sich vor der europäischen Öffentlichkeit verteidigen musste (hetten auch trunkchen und alle freuntliche erpietung bederseit geneinander erczaigten).70) Das Miteinandertrinken, dieses ritualisierte Symbol eines entspannten Einvernehmens vor der höfischen Öffentlichkeit, wirkt besonders ostentativ. Bemerkenswert ist es auch – und spricht ebenfalls nicht gerade für Panik –, dass der Bischof die vielen Verhandlungspausen für Seelsorge und Routineamtsgeschäfte nutzte; Altarweihe und Ablassvergabe in Wilten (26. Juni) sowie ganz spät Altar- und Chorweihe in Lans (2. Juli), Messe und Predigt in Innsbruck zum Fest St. Peter und Paul, vor Herzog und Herzogin (29. Juni).71) Zugleich reißen aber die Alarmzeichen keineswegs ab. Gleich am Vormittag des 25. Juni in Innsbruck kommt es im Umfeld der Verhandlungen zu weiteren Warnungen an den Bischof (manichfeldicht gewarnet), Und am Abend des gleichen Tages, als Cusanus sich wieder in Wilten aufhält, wird ihm zugetragen, der Herzog habe sämtliche Straßen mit Reisigen blockiert, um des Bischofs Abreise zu verhindern.

) AC II 6 Nr. 5282 Z. 10f. (Krell-Memorandum). ) AC II 6, Nr. 5285 Z. 23f. 70) Zitate AC II 6 Nr. 5286 Z. 4f., 7f. (autographer Bericht), Nr. 5285 Z. 23f. (Krell-Memorandum) und ebd. Nr. 5276 Z. 10 (Herzog). Dazu siehe in diesem Band auch den Beitrag von Werner Maleczek mit Literatur. 71) AC II 6, Nr. 5284, 5288, 5295. Zur Predigt AC II 6, Nr. 5287 (Krell-Memorandum). Zu den Inhalten siehe Izbicki, Thomas M., An Ambivalent Papalism. Peter in the Sermons of Nicolas of Cusa, in: Marino, Joseph/Schlitt, Medina Wilcox (Hg.), Perspectives on Early Modern and Modern intellectual history. Essays in Honour of Nancy S. Struever, Rochester 2003, 49–65; wieder in: Ders., Reform, Ecclesiology and the Christian Life in the Late Middle Ages (Variorum Collected Studies Series 883), Aldershot 2008, Nr. VIII. 68 69

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Reiter, wird gesagt, umkreisten nachts das Kloster, um einen möglichen Aufbruch der Bischöflichen im Schutz der Nacht sogleich auszukundschaften.72) d) Warnungen und ‚Hinterhalte‘ auf der Rückreise nach Brixen Die Rückreise ab 1. Juli wird zum gesteigerten Alptraum, die Gerüchte und Warnungen verdichten sich. Hauptquelle für das Folgende ist einmal mehr das KrellMemorandum. Der Herzog als Geleitsherr hatte dem Kardinal sicheres Geleit für Hin- und Rückreise ausdrücklich zusagen lassen (daz dem cardinal ein gelait sol werden). Hohe Amtsträger des Landesherrn wie Parsifal von Annenberg, Hauptmann an der Etsch, kommen in dieser Sache zu ihm. Als Geleitschutz löste den Velsecker für den Rückweg Gerwig von Rotenstein ab.73) Sollte der Herzog durch Hinterhalte seinen eigenen Geleitschutz konterkarieren? Und wenn das Ganze tatsächlich als ‚Theater‘ (Koch) und Geisterbahn für den schreckhaften Kardinal inszeniert gewesen wäre, muss man ja unterstellen, dass die Geleitsherren eingeweiht waren und mitspielten, im sicheren Wissen, dass ihrem Schützling ohnehin nichts geschah. Man ist noch in der Gegend von Innsbruck, da spricht der Bischof unter vier Augen mit dem Hauptmann Parsifal über die neuesten Warnungen: ein anonym bleibender Mann, aus Brixen kommend, habe berichtet, daz ein landtgeruchte wer (hier also explizit wieder das Wort für verdeckte Rede): Man wolle den Kardinal gefangen nehmen und habe dazu Straßensperren errichtet. Da platzt dem bislang so beherrschten Cusanus erstmals der Kragen, es ist, im Narrativ der Berichte, sein emotionalster Auftritt: Wer er dann ein hundt, dass man ihn so behandle, habe er den Hauptmann angeschrien, er sei eigens persönlich zum Herzog gekommen, habe diesen immer korrekt beraten und dabei viel Geld aufgewendet.74) Auf dem Brenner begegnet der Gruppe ein Diener des Leonhard von Velseck, dessen Name, Jakob (Koppl), uns genannt wird: auch er warnt vor Zusammenrottung und Straßensperren durch Feinde des Bischofs. An der Spitze sei Kaspar von Gufidaun, einst Statthalter des Bischofs, beteiligt, aber auch der Renntl und der Schidman, das heißt Paul Renntl, Pfleger von Wiesberg und Franz Schidman, Landrichter zu Gries. An der Sperre, die an der Klause bei Aicha(ch) errichtet sei, habe man mit mer dann sechszig Geharnischten auf den cardinal gewarttet.75)

72) Nr. 5282 Z. 36–38: Item des abents sind dem kardinal warnung komen, wie der herczog hab alle strassen mit schutzen und reisigen belegt, daz er nit von dann mog, und sind in der nacht ettlich gesellen geritten umb das kloster Willtein, ab villeicht der cardinal in der nacht reitten wolte, zuervaren. 73) Zum herzoglichen Geleit siehe AC II 6, Nr. 5385–5387, 5389, 5438, 5450. 74) Zitate AC II 6, Nr. 5291 Z. 5–9, 16f. (Rottenstein). 75) AC II 6, Nr. 5282 Z. 41–44.

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Offenkundig taten sich Dienstleute des Herzogs mit anderen Feinden des Bischofs bei den Hinterhalten zusammen. Krell überliefert uns sogar eine Liste mit 50 Namen. Ihr Zustandekommen ist vermutlich auf die noch zu besprechenden Beichtnotierungen des Konrad Bossinger zurückzuführen.76) Ob und inwieweit der Herzog selbst die Hinterhalte angeordnet, inszeniert oder nur instrumentalisiert hat und zu welchem Zweck – Einschüchterung, Gefangennahme, Mord? – bleibt weiterhin unklar. Die energischste Informantin ist eine Frau, die hinter dem Brenner auf den Trupp des Bischofs zukommt und Gerwig von Rottenstein, dem Geleitschützer, gar in den Zügel (an den zawn) greift, fragt, wer von ihnen der Bischof sei, und verlangt, dass er über die Straßensperre (wie die legen an der strassen) informiert werde. Der Rottenstainer ruft einen weiteren Mann, der Gruppe, den Brixner Burghauptmann Bartholomäus von Liechtenstein77) herbei und lässt die Frau in dessen Beisein alles Gerücht noch einmal wiederholen. Immer neue Warner tauchen, laut Krell-Memorandum, auf. Nach der Frau ist es ein Mann namens Ulrich, den der treue Brixner Stadtrichter (Adolf von Oberweinper) seinem Bischof schickt und sagen lässt, er solle nicht den Weg von Sterzing (nach Brixen) nehmen, denn dort lägen die bereits Genannten auf dem weg. Auch in Sterzing kamen im vil warnung. Ein namentlich ungenannter Diener des Rädelsführers Kaspar von Gufidaun kommt abends um zehn Uhr in einen Gasthof und erzählt dort einem gewissen Michel, wie si drei nacht auf den cardinal gewart hetten, in zuvahen und zufuren auf Rodneck, die mitgeführte Habe des Kardinals dürften die Söldner unter sich aufteilen.78) Hier ist, wohlgemerkt, nicht von Hängen und Ermordung, sondern nur von Gefangennahme die Rede. Besonders anschaulich, mit wörtlichen Dialogen, schildert das Krell-Memorandum den Auftritt des Boten Verlen, der von Bruneck nach Innsbruck reitet und die Gruppe des Bischofs (am 2. Juli?) nördlich von Gossensass trifft. Gefragt (Lieber, was ding sein das?), ob ‚der Gufidauner‘ die Klausen (bei Aicha?) besetzt halte, wiegelt er ab: es wer nichts. Aber ein Reiter, der durch die Klausen geritten sei, so wird ihm entgegnet, habe genau das gesehen. Doch Verlen wiederholt, es wer nichts und wird dann mit einem lateinischen Doppelausruf zitiert: „Non curetis, non curetis“ – „Macht euch keine Sorgen. Alles ist gut.“79) Was tun? Der Rottenstainer bleibt im Gespräch mit Cusanus über die Sicherheitslage kaltblütig: er werde seinen Auftrag, den Kardinal sicher nach Brixen zu bringen, ausführen, und zwar ohne Zweifel (an zweifl). Und so geschieht es ja am ) Liste der im Hinterhalt vereinten Gegner des Bischofs: AC II 6, Nr. 5292. Siehe auch Anm.

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125. ) Zu ihm siehe AC II 7, 235 s.v. ) AC II 6, Nr. 5291 Z. 30–32. 79) AC II 6, Nr. 5291 Z. 38f. 77 78

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Ende auch. Cusanus und sein Geleit, so sein autographer Bericht80), reiten am Sonntag des 3. Juli doch von Sterzing nach Brixen, immer noch ohne echte Handlungssicherheit, dass die Straßensperren tatsächlich aufgehoben sind. Da kommt, um die Reihe der Warner zu komplettieren, ein Priester, der von einem redlichen/ glaubwürdigen Mann (luter man) erfahren haben will, dass unter Zutun des Herzogs die Sperre zwar aufgehoben sei, dass aber immer noch Kriegsknechte in Aicha lägen. Sie sollten umkehren, zurück nach Sterzing. Da lässt der Rottenstainer einen seiner eigenen Diener, den Wyneken, vorausreiten, um die Lage zu erkunden. Vor Ort aber findet dieser lediglich – einmal mehr – eine Frau (nymans dann eyne frau), und die erzählt, drei Häuser seien (von den Kriegsknechten) besetzt gewesen, bis zum Abend des Vortags, da seien sie aufgebrochen.81) So gelangt Nikolaus von Kues doch zur Nacht noch heil nach Brixen, Der Rottensteiner aber reist nach erfüllter Mission augenblicklich zurück. Der Kardinal fühlt sich alleingelassen – und flieht nach Buchenstein. e) Soziale und geschlechtsspezifische Kontexte der Warnungen. Überblickt man die warnenden Kommunikationsakte der tollen Tage insgesamt, sieht man mehr als ein Dutzend von sozial mehr oder weniger niedrigstehenden Personen Revue passieren, die sonst kaum beachtet werden; eine diskrete Form der ‚vox populi‘.82) Es sind Männer, oft Boten, deren Vornamen in der Mehrzahl, genau vier mal, genannt werden (Koppl, Michel, Verlen, Wyneken). Aber es sind auch jetzt immer wieder Frauen, die zutragen. Sie bleiben sämtlich anonym und ohne Erwähnung ihrer sozialen Herkunft und Bindung oder der Gründe für ihre Mobilität auf den Straßen. Bei den Männern hingegen werden oft deren Herren mitgenannt (wie z.B. gleich unten der Koppl als Diener des Velseckers), wenngleich ihr sozialer Status (mit Ausnahme des Priesters83) unklar bleibt. Gerade die Frauen, die sonst ganz am Rande stehen, werden offenbar als Medien verstohlener Gerüchte, und zwar mündlicher wie schriftlicher, wichtig. Warum waren sie es, die so oft als Zuträgerinnen auftauchen? Waren sie selbst unterwegs? Fühlten sie sich der geistlichen Gewalt, der Person des Bischofs besonders verbunden? Fragt man nach dem Aktionsradius, so tragen diese Frauen Gerüchte bzw. ‚Informationen‘ innerhalb einer engen Lebenswelt weiter, in einer Kommunikation von Anwesenden, hinter nahen Hecken, Zäunen und Wegbiegungen. Zählt man nach, dann traten in diesen wenigen Juni- und Julitagen nicht weniger als sechs weibliche Warnerinnen auf, die sich offenkundig um den Bischof sorgen. Sie müssten unbedingt ) AC II 6, Nr. 5296. ) AC II 6, Nr. 5296 Z. 8–10. 82) Zum Topos ‚vox populi, vox dei‘, siehe Mierau, Fama (wie Anm. 31), 239 (Lit.), 241. 83) Siehe bei Anm. 81. 80 81

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ein Teil des – insgesamt aber eher unergiebigen – Themas ‚Cusanus und die Frauen‘ sein. Im autographen Bericht des Bischofs ist für die Wiltener Tage gleich von zwei Frauen und einem Mann als Zuträger die Rede. Die Frauen bleiben auch hier anonym. Das Gerücht wird in diesem Fall nicht, wie landläufig gewohnt und angeblich für Gerüchte prägend, mündlich, sondern schriftlich weitergegeben. Cusanus schildert dramatisch: Eine Frau drängt sich durch die Berittenen und schiebt ihm einen Brief direkt in die Hand (und stieß uns eynen brieff in die hant). Darin sei gestanden, wie wir verortelt weren zu dem tote.84) Das war wohl ein Hinweis auf das gegen ihn, natürlich arkan, mobilisierte Femegericht, worüber unten noch zu sprechen ist.85) Der Bischof fragt nach dem Herzog. Der liege (unpässlich?) auf seinem Zimmer. Nun kommt der nächste Zuträger, offenbar männlich und einer von des Bischofs Kundschaftern (kunt), der brachte ihm ebenfalls eynen brief in der hant; sein Inhalt wird aber nicht genannt. Unterdessen sant uns ein andere fraw eynen brieff ins Innere der Innsbrucker Burg, der ihm erneut offenbart, dass er in der Nacht hatte getötet werden sollen (umbkomen). Der Bischof solle niemandem mehr vertrauen, so lautet der Rat der weisen Frau zum Umgang mit Gerüchten. Das Krell-Memorandum, das nur diese zweite Frau erwähnt, spricht hinsichtlich des Mediums nicht von Brief, sondern allgemeiner von einer schrifft, womit ein Brief, aber auch ein Zettel gemeint sein kann. Jedenfalls seien hierin die nächtlichen Ereignisse des 24. Juni offenbart gewesen: Das „Gerücht“ wird offenbar als Tatsache genommen, die samnung, der Reiterpulk, der sich ansatzweise kurz gebildet hatte, wird besonders erwähnt: das gerucht und samung des nachts uber in solt ganngen sein auch hier wird Misstrauen gegen jedermann als Kardinaltugend empfohlen: das er fur sich sehe, und nyemands glaubt.86) 5. Gerücht und Wahrheit. Methoden der Beweissuche a) Gerüchte als politische und prozessuale Waffen Die skurril anmutenden ‚Wiltener‘ Vorgänge der Junitage des Jahres 1457 sind, wie gesagt, nur eine Episode des jahrelangen Konflikts zwischen Bischof und Herzog und der ebenso lang verfolgten, immer wieder unterbrochenen Verhandlungen der Kontrahenten. Diese Verhandlungen gingen, wie wir sahen, auch während der Insidiae des Juni weiter, ebenso, durch Gesandte, die Monate danach, vor allem im ) AC II 6, Nr. 5281 Z. 3–5 (autographer Bericht). ) S.u. bei Anm. 116. 86) Nr. 5282 Z. 6–9 (Krell-Memorandum): Und als der cardinal des beitet, da kumbt im ein schrifft von ainer frawen, die warnet in, wie das gerucht und samung des nachts uber in solt ganngen sein, das er fur sich sehe, und nyemands glaubt. 84 85

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Januar 1458. Im Frühjahr desselben Jahres sollten sie wie der Konflikt einen Höhepunkt erreichen, politisch mit den Denkschriften des Cusanus, militärisch in der Schlacht im Enneberg April 1458. Diese Phase endet dann doch mit einer vorläufigen vertraglichen Einigung im August 1458.87) Doch zwischendurch berichtet Nikolaus von Kues auch von Todesschwüren, die der Herzog in geradezu abenteuerlichem Furor gegen ihn ausgestoßen habe (erectis digitis in celum iuravit, quod me inteficeret).88) ‚Wilten‘ und die insidiae auf den Tiroler Straßen sollten in den folgenden Jahren, in denen der von und vor der Kurie für Cusanus geführte Prozess gegen den Herzog sich hinzog, immer wieder in anklägerischer oder verteidigender Argumentation traktiert werden. Es geht um deren Informationsqualität, mithin auch um ihren gerüchthaften Charakter. Es können hier nur einige Beispiele dieser konkurrierenden Wahrheitsfindung angeführt werden. Sie können die nötige Gesamtdarstellung nicht einmal im Anflug ersetzen. Gerüchte spielen also weiter eine große Rolle. Sie nehmen hier die zweite der oben skizzierten Funktionen an: als Material für die Wahrheitsfindung. Die Wolke der Gerüchte galt es für die Kontrahenten qualitativ wie quantitativ zu sichten, sie auf ihre Glaubwürdigkeit und Plausibilität zu überprüfen, bzw. sie gegebenenfalls dann als erwiesene, verbürgte Tatsachen, als notorietas zu dokumentieren, die dann einer Mehrheitsmeinung entsprechen konnte. Genau dies zu tun war Aufgabe eines Gerichts.89) Die deutlich früher organisierte bischöfliche Seite insistierte immer wieder, wie auch aus den beiden Grundsatz-Protokollen vom 13. Januar 145890) über die Verhandlungen zwischen Vertretern des Cusanus, des Domkapitels und Herzog Sigismunds hervorgeht, ebenso in diversen Protestschreiben auf die (angeblichen) Hinterhalte und Insidien, auf den angeblich mangelhaften und verlogenen herzoglichen Geleitschutz während der Juniereignisse91) und daraus resultierend auf die unerträgliche Unsicherheit von Leib und Leben. Diese habe den Bischof ins Exil (sc. nach Buchenstein) getrieben, damit an der Ausübung seines Hirtenamtes ge-

87) Die Denkschriften des Cusanus siehe in AC II 6, Nr. 5469–5473. Zur Schlacht im Enneberg siehe ebd. Nr. 5591, 5595, 5597, 5614, 5723 und AC II 7, 2051 s.v. Zur Einigung vom 24. und 28. August 1458 siehe Nr. 5724 und 5725. 88) AC II 6, Nr. 5630 Z. 3 im autographen Bericht. 89) Siehe Schubert, Erscheinungsformen (wie Anm. 31) 26: „Glaubwürdigkeitsprüfung“; Mierau, Fama (wie Anm. 31), 279ff.; Dies., Über Gerüchte schreiben (wie Anm. 31), die das am Beispiel der Papstprozesse gegen Bonifaz VIII. und Johannes XXIII. 1415 auf dem Konstanzer Konzils nachweist, ebenso der zeitgenössische Diskurs um die Ermordung des Herzogs von Orléans von 1407 und die Tyrannenmordkontroverse; von Moos, Das Öffentliche (wie Anm. 30). 90) AC II 6, Nr. 5438, 5439. 91) Besonders erbittert formuliert Nikolaus dies in jenem Brief Mitte Dezember an Leonhard von Velseck; AC II 6, Nr. 5420 Z. 14–16: er habe verretlich uns in gutem glauben geen Ispruck bracht hait, uns umb lijp und leben zu pringen, das ir durch me dan eynen wegh zu gericht hatt.

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hindert und so das Seelenheil der Gläubigen der Brixner Kirche gefährdet.92) Diese Vorwürfe waren keine Lappalien. In der langen Liste von hochkomplexen Konflikten lehen- und kirchenrechtlicher sowie finanzieller Natur etc., die Sigismund von bischöflicher Seite während der Verhandlungen der Jahre 1457/58 und danach in steter Wiederholung wie ein Sündenregister entgegenklangen, standen die, als allbekannte Tatsachen hingestellten (omnibus notum) Insidien und Gewalttaten stets obenan. Diese sicherlich übertriebene, ganz auf die klerikale Opferrolle abstellende, Version der Vorgänge wurde auch nach Rom berichtet, wobei in dieser transalpinen Kommunikation auch Gesandte wie Thomas Pirckheimer als „Wasserträger“ fungierten.93) Dies zeigt sich in einer Anzahl sehr viel späterer Berichte und Briefe. Ut sciatur veritas schreibt Giovanni Andrea da Bussi, Sekretär des Kardinals in Rom, an Gaspare Biondo. Er beklagt die vom Kardinal erlittene prosecucio und multa impedimenta und liefert selbst eine Kurzfassung der Wiltener Episode. Der Herzog habe in der Nacht des 24. Juni mit zahlreichen bewaffneten Anhängern die Gefangennahme des Kardinals in Wilten vorbereitet, dann aber vom Vorhaben abgelassen.94) Und Nikolaus von Kues schreibt mit eigener Hand noch am 22. Oktober 1462 an den Venezianer Paolo Morosini: der Herzog habe ihn gedrängt, an den Hof zu kommen, er (Nikolaus von Kues) habe aber gleich gesehen, dass er sich damit in Gefahr begebe. Auf Zureden des Domkapitels sei er dann doch gereist und habe prompt insidias mortales an nicht weniger als sechs Orten (sex in locis) angetroffen und zwar notorie, d.h. durch massenhaft gleichlautende Gerüchte, nachweislich also, und das heißt gerade nicht mehr bloß gerüchthaft.95) Für Herzog Sigismund hingegen ging es um mehr als um die Zurückweisung von Fake news. Es ging um nichts Geringeres als um seine Ehre, seine gesamte Reputation. Das wurde ihm recht bald klar. Doch hinkte seine Verteidigung zunächst der gut organisierten Anklage seitens des Cusanus und der Kurie hinterher.

92) Verhandlungsprotokoll vom (13.) Januar AC II 6, Nr. 5438 Z. 62–65: Item von der sachen wegen, so dem cardinal von unnserm gnedigen herren herczog Sigmunden zugeczogen solten sein, darumb er ain entsiczen und erschrikhen (!) hab, also, das sein capitl und gotshausleut sein deshalben mangeln müssen und bei seinem bischoflichen ambt dadurch nicht aufgewartten müge. Vgl. den Bericht vom 13. Januar AC II 6, Nr. 5439 Z. 7–9: magister Gebhardus pro parte d. cardinalis dixit palam, quales insidie in via, cum veniret de Insbrugka, sue reverendissime paternitati fuissent posite per d. ducem omnibus esset notum. Ein weiteres Beispiel von vielen für diese Argumentation etwa im Schreiben des Nikolaus von Kues an Bischof Leonhard Wiesmayr von Chur über den Konflikt mit dem Herzog: AC II 6, Nr. 5480 Z. 65, 67–69: Das Interdikt sei berechtigt, denn nicht nur er, sondern auch Papst und Kardinäle hätten unkristenlich swere smehnuss erlitten, … nach unnsrer grossen notturfft also, daz wir von unnserm bistumb umb unsicherhait unsers leibs und lebens allain umb der gerechtickeit willen vertriben sein wider got und recht. Und wann wir nu also vertriben unser bischofflich ambt nit tun mugen. 93) Baum, Sigismund der Münzreiche (wie Anm. 25), 179. 94) AC II 6, Nr. 5274. 95) AC II 6, Nr. 5275.

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Mordpläne gegen einen hohen geistlichen Würdenträger waren höchststrafenbewehrt. Vor diesem Hintergrund und je weiter der Kurienprozess gegen ihn lief, war es von höchstem Interesse für den Herzog und seiner nach und nach rekrutierten Juristen, alle diese Vorwürfe abzuschmettern und ihrerseits die Juniereignisse gegen den Kardinal zu verwenden, der den Herzog nämlich mit haltlosen Verleumdungen überzogen habe. Das wird bereits in den oben zitierten Protokollen der Brunecker Verhandlungen vom 12.–13. Januar, sichtbar, die ja auch den Komplex ‚Wilten‘, und den Vorwurf enthielten, Cusanus sei durch die herzoglichen Machenschaften an seiner bischöflichen Amtsführung gehindert worden.96) Diese Vorwürfe weisen die herzoglichen Räte als Falschmeldungen zurück, die von etlichen von seinen und andern offenlich geredt werde. Es komme dem Herzog, so wird bereits hier explizit formuliert, auf seinen Ruf, auf seine fama, an: Das er als ein unvermailigter (sc. unbefleckter, makelloser) furst darin solt gesehen und funden werden.97) Die Anwürfe der Cusanuspartei mussten als Verleumdung (als mala fama, als calumnia, als diffamatio) zurückgewiesen und zugleich durch Diffamierungen des Kardinals der Spieß umgedreht werden. Auch Jahre später hat sich die Argumentation kaum geändert: In einer Streitschrift vom 5. Juli 1461 wird Cusanus und seinen Parteigängern vorgeworfen, die Unwahrheit zu sagen (daran sparet er die warheit).98) Dem Bischof sei doch damals de facto nichts passiert, er sei wohlbehalten in Brixen angekommen, eben weil er ständig Geleitschutz (gelait bis in sein stat Brichsen) genossen habe, und er habe, unbehelligt an hab und gut ebenso die Flucht von Brixen nach Buchenstein unternehmen können. Unter den offensiven Diffamierungen des Cusanus versuchte die herzogliche Partei etwa, die ‚Schlacht im Enneberg‘ von April 1458 mit ihren ca. 60 Toten zum Nukleus des Contrasündenregisters eines gewalttätigen und empathielosen Kardinals zu skandalisieren. Besonders deutlich wird diese Argumentationsweise schon in Sigismunds Appellation vom 6. Februar 1458 gegen das vom Papst drohende Interdikt.99) Er bestreitet die Insidiae: nullas iniurias, violencias et insidias aut aliquas alias molestias intulerimus aut inferri mandaverimus. Papst Calixt III. handele auf Grund von windigen Informationen und bösartigen Verleumdungen (ad quorumcumque suggestiones, sinistras informaciones aut delaciones contra nos et dominia huiusmodi). Er selbst sei nicht gehört worden (nobis non vocatis aut quovismodo auditis), sondern habe lediglich durch vage Gerüchte von den anstehenden Maßnahmen erfahren vaga quadam relacione et ) Siehe oben Anm. 92. ) AC II 6, Nr. 5438 Z. 68 und 73. 98) Zitate AC II 6, Nr. 5276 Z. 7, 14f., 17. 99) AC II 6, Nr. 5489. Zur Appellation siehe auch Woelki, Cusanus und das Interdikt (wie Anm. 7), 214f. 96 97

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rumore incerto ad nostram audientiam pervenit.100) Vor dem Hintergrund derartiger Gerüchtwolken ist eine suspensiv wirkende Appellation gegen ein Interdikt begründbar, so auch im Fall Herzog Sigismunds. Eine Appellation gegen ein Interdikt hatte nur dann suspensive Wirkung, wenn sie vor dessen Verhängung eingelegt wurde. Man musste dazu eine gewisse Ahnungslosigkeit von der Interdiktsbulle prätendieren, aber dennoch einen Appellationsgrund angeben; dieser kann dann nur darin bestehen, dass man sich auf die Verhängung betreffende Gerüchte als kanonistisch-logische Kompensationsinstrumente stützt.101) b) Gerüchte und notorietas in Prozessen an der römischen Kurie Die längst massiv in den Konflikt involvierte Kurie hatte die Bemühungen und Schwierigkeiten ihres Kardinals als Bischof von Brixen von Anfang an beobachtet und ihn schon unter Nikolaus V. stets nach Kräften unterstützt, so etwa in seinem Reformkonflikt mit dem Kloster Sonnenburg. Unter Calixt III. und dann unter dem befreundeten Pius II. Piccolomini, als der Konflikt mit Herzog Sigismund eskalierte, trat die Kurie immer maßgeblicher auf den Plan. Als Mittelsmann diente dabei unter anderen der Dauergesandte des Bischofs in Rom, Heinrich Pomert.102) Dabei ist interessant, wie sich die Kurie, angesichts des seit langer Zeit strukturellen Problems, wie der Papst besser, bzw. korrekt informiert werden könne, um ein wahrheitsgemäßes Bild der Tiroler Ereignisse bemüht. Gerüchte spielen dabei erneut eine zentrale Rolle. Herzog Sigismunds Appellation hatte ja gerade, wie eben gezeigt, auf dem Punkt beharrt, dass Calixt III. nur aufgrund vager und falscher Gerüchte Nikolaus von Kues beigesprungen sei und Kirchenstrafen verhängt habe. Gerade paradigmatisch werden in Calixt III. Bulle ‚Gregis dominici‘ vom 12. November 1457103), worin der Papst wegen Verfolgung des Bischofs Nikolaus von Kues das Interdikt über Tirol verhängt, vier Informationsquellen der Kurie definiert: nedum litteris et nuntiis, sed etiam rumore ipso et publica continuata fama didicimus. Es erscheinen zuerst die litterae – Briefe, als bewährte Schriftlichkeit, zweitens nuncii – Boten, gemeint sind wohl solche mit mündlichen Berichten, drittens und viertens zwei Begriffe und Formen des volatilen und anonymen ‚Gerüchts‘, zuerst der rumor, als das kurzfristig aufquellende Gerücht, und dann die fama, präzisiert als publica continuata, also hier offenbar das ‚Gerücht‘ von längerer inveterierter

) Zitate AC II 6, Nr. 5489 Z. 7f., 11f., 13f. ) Zur Thematik Woelki, Cusanus und das Interdikt (wie Anm. 7), 214. 102) Siehe etwa AC II 6, Nr. 5549. 103) AC II 6, Nr. 5397. 100 101

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Dauer. Hier ist der Bedeutungsübergang zu fama im Sinne von Ruf, den jemand in der Öffentlichkeit hat, wieder deutlich spürbar.104) Und dann folgt das bekannte Sündenregister Sigismunds, der ex preconcepto occulto odio den tugendhaften Kardinal bedrängt habe. Dabei fehlen auch hier die wohlbekannten gerüchthaften Ereignisse nicht: die Bedrängung des monasterium (sc. des Stifts Wilten), die insidiae, also die ominösen Hinterhalte auf öffentlichen Straßen (per vias publicas), die Versuche, ihn gefangen zu nehmen und/oder gar zu ermorden.105) Ebenso charakteristisch formuliert die Bulle die strukturelle Verknüpfung der Mediensicherheit mit der Frage nach den Kriterien von Wahrheit zur Diagnose politischer Ereignisse, und seien diese vor allem gerüchthaft an die Kurie – und an eine politische Öffentlichkeit geraten. Für die Informationswege der Kurie (sc. über die Vorgänge in Tirol) führt er neben dem eben genannten Quartett litterae, nuncii, rumor und fama publica, eine bemerkenswerte formelhafte Triade an: über Nikolaus von Kues und seine Angelegenheiten sei er informiert (agnovimus), erstens omnium communi relacione, zweitens fama quoque publica, und drittens facti notorietate, d.h. erstens durch gemeinsamen Bericht aller (sc. durch allgemeine Kommunikation), zweitens durch seinen Ruf in der Öffentlichkeit und drittens unter Benutzung des kanonistisch einschlägigen Begriffs der notorietas – durch die Offensichtlichkeit der – eben nicht mehr gerüchthaften – Tatsachen. Doch diese notorietas war erst aus einer Fülle von Gerüchten zu destillieren. Unter Pius II., waren an der Kurie zwei Kommissare eigens damit beschäftigt, die Beweislage dahingehend zu prüfen, quod premissa omnia vera forent ex fama notoria precedente et clamorosa infamatione referente a fidedignis.106) Ob und wie gängig diese Begrifflichkeiten in kurialen Schreiben sind, wäre zu prüfen. Auf den ersten Blick sind sie es nicht. 104) Calixt III. AC II 6, Nr. 5397, Z. 20. Zur Bulle ‚Gregis dominici‘ auch Woelki, Cusanus und das Interdikt (wie Anm. 7), 213f. In einem früheren Brief des Kardinalskollegiums vom 23. August 1457 an Herzog Ludwig IX. von Bayern-Landshut mit der Bitte, den Kardinal gegen Herzog Sigismund zu beschützen, geben die Aussteller nur drei Informationsquellen an, litterae, nuncii und rumor, es fehlt die fama; AC II 6, Nr. 5352 Z. 2–3: Accidit, ut litteris et nunciis pariter etiam ipso rumore ad sanctissimum dominum nostrum papam et nos pervenit, de quo non mediocri dolore afficimur. 105) AC II 6 Nr. 5352 Z. 11–13: dum ab eodem duce simulata pace vocatus esset, fide bona accesserat in certo monasterio invadere conabatur et per vias publicas multas posuerat insidias, ut vel eius deprehensionem vel necem querere ab omnibus visus sit. Ähnliche, fast wörtliche Formulierungen finden sich im Brief Calixts III an Bischof Leonhard Wiesmayr von Chur vom 24. August 1457; AC II 6, Nr. 5354 Z. 12–14: noctu et manu armata conatus est illum invadere et etiam per vias publicas plures eidem posuit insidias, comprehensionem eius aut necem manifeste querens. Die Gerüchte werden hier bereits als Tatsachen gewertet. 106) So Pius II. in seinem Monitorium vom 19. Mai 1460; Rom, Arch. Vat., Reg. Vat. 476 f. 236v– 239r, künftig AC III 2. — Die Notorietas schließt außerdem eine Appellation an den besser zu unterrichtenden Papst aus. Siehe Pius II. an Kardinal Peter von Schaumberg (1460 August 13): … ad insinuandam nobis quandam temerariam et profanam appellacionem continebatur, pontifice videlicet male informato ad eundem melius informandum, in quo, quia erat et minime expediens, nos i n r e t o t o m u n d o notoriam melius

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Und nicht genug: Das Schreiben des Papstes nennt seine unvermeidlichen Defizite: auch bei sicheren Informationen sei es ihm – von Rom aus – unmöglich, die Ereignisse adäquat wie ein Augenzeuge und ohne angemessene konkrete Wahrnehmung zu durchdringen: nos ea occulis conviventibus et absque animadversione condigna pertransire non valentes. c) Peter von Erkelenz als Detektiv der Gerüchte (Dezember 1457) Ende des Jahres 1457 fällt neues Licht auf die Wiltener Affäre‘ und zeigt stärker ihr ganzes Ausmaß. Schlüsselfigur ist Peter (Wymar) von Erkelenz (†1494), Sekretär, Kämmerer und engster Vertrauter des Kardinals.107) Er erfährt plötzlich echte Neuigkeiten. Sie scheinen ihn so zu elektrisieren, dass er sie, wie ein Brixener Pater Brown, weiterverfolgt, sammelt, analysiert. Die erste heiße Spur: Peter von Erkelenz berichtet, dass ihn in Brixen der Stadtrichter Adolf von Oberweinper, ein getreuer Unterstützer des Kardinals, aufsucht und ihm erzählt, was er selbst wieder nur gehört habe. Ein namentlich nicht genannter civis Brixinensis habe in Bozen in einem Wirtshaus (hospicium) gesessen. Als andere Gäste begannen, laut den Bischof (Nikolaus von Kues) zu schmähen, habe der betreffende Brixner ihn als gerechten und guten Herrn verteidigt. Da habe einer aus der Runde ihn angefahren: „Was redest Du da?“/Quid dicis tu?; sein sauberer Herr wäre um ein Haar damals aufgehängt worden, als er (der unbekannte Mann aus der Runde), sich mit dem Gufidauner (sc. dem notorischen Cusanusfeind) gegen ihn zusammengetan und dem Kardinal aufgelauert habe, – wären sie doch nur (zahlenmäßig?) stärker gewesen. Der Unbekannte offenbart sich also öffentlich als potenzieller Cusanusmörder. Zuletzt habe er zwei oder drei Briefe auf den Tisch geknallt, gleichsam als schriftlichen Wahrheitsbeleg (quod hoc sit verum).108) Bemerkenswert ist zum einen: hier bestätigt eine Person der Gegenseite öffentlich die Wahrheit der Anklagen des Nikolaus von Kues. Zum anderen wird

informari, frivolam illam, ut debuimus, appellacionem; Sevilla, Bibl. Colombina, Hs. 5-5-19 f. 299rv, künftig AC III 2. 107) Zu ihm siehe AC II 7, 2118 s.v.; Meuthen, Die letzten Jahre (wie Anm. 24), 313f., 345 s.v. ‚Wymar‘; Watanabe, Morimichi, Nicolas de Cusa. A Companion to his Life and his Times, ed. by Christianson, Gerald/Izbicki, Thomas M., Farnham 2011, 108–113 mit der älteren Literatur. 108) AC II 6, Nr. 5422 Z. 2–10: Et me ibidem existente venit ad me Adolf iudex Brixinensis et dixit se audivisse, quod proxime in Bolsano quidam civis Brixinensis nomine sedisset in quodam hospicio cum aliis pluribus consedentibus. Qui cum inciperent aliqua dicere in infamiam reverendissimi d. n., respondit ille Brixinensis: „Ego scio me habere probum et virtuosum dominum, qui iusticiam diligit et bonum ecclesie sue querit et ego libenter habeo eum.“ Ad que verba surrexit unus et dixit: „Quid dicis tu? Tu habes talem dominum, quod nostrum xxx cum Gofeduner confederavimus nos contra eum, et ubicumque potuerimus habere eum, si sumus forciores eo, debemus eum suspendere. Et quod hoc sit verum, vide desuper litteras!“, proiciendo duas vel tres litteras ad mensam.

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deutlich: Erst die Schrift ist ein Garant der Wahrheit des Oralen! Zudem erleben wir hier einen favorisierten halböffentlichen Ort für Indieweltsetzen, ‚Aufschnappen‘ und Verbreiten von Gerüchten bzw. Nachrichten: das Wirtshaus, die Kneipe, die Taverne.109) Adolf von Oberweinper, so berichtet Peter von Erkelenz, habe dann selbst weitergeforscht und herausbekommen, wer sein Informant, der Brixner ‚civis‘ gewesen sei, habe ihn aufgesucht und ihn alles aus dem Bozener Gasthaus noch einmal erzählen lassen, auf dass er sozusagen durch repetierte Oralität zur Wahrheitsfindung beitrüge. Auf die Frage, wer der Provokateur gewesen sei, der die Briefe auf den Tisch geworfen habe (qui litteras sic proiecit ad mensam), habe der Brixner gesagt, er kenne ihn nicht, wolle ihn aber kennen lernen.110) Den Inhalt dieser Briefe würde man gern kennen. Kaum denkbar, dass darunter ein Mordbefehl des Herzogs war, viel wahrscheinlicher ist, dass eine Liste der Fehdeführenden dabei war, wie sie auch Krell kannte und aufgeschrieben hatte.111) Bemerkenswert ist weiter, dass Adolf von Oberweinper dem sicher begierig zuhörenden Peter von Erkelenz noch zwei weitere prominente orale Gewährsleute nennt, die genau dasselbe (hoc ipsum) gehört hätten (audivisse), nämlich den Brixner Domherr Michael von Natz und den Brixner Amtmann (officialis) Hans Heuss.112) Ob mit hoc ipsum konkret die spannende Kneipenszene gemeint ist, oder bloß die Tatsache der Hinterhalte von Cusanusfeinden, muss offenbleiben. Nicht zu übersehen ist in der ganzen Passage, dass Herzog Sigismund nicht genannt wird. Peter von Erkelenz, den Detektiv, dürften die Informationen des 16. Dezember stimuliert haben. Und schon drei Tage später erfährt er im Kloster Säben weitere Details über die tollen Tage im Juni: Die Zeugen für die Wahrheit im Sinne der Cusanuspartei werden immer zahlreicher. Hier ist es der alte Kastellan Ulrich Halbsleben, der Peter erzählt, er sei ebenfalls kürzlich in Bozen gewesen. Bozen, ein besonderer Umschlagplatz für Nachrichten und Gerüchte? Dort habe ihm nämlich – einmal mehr – eine Frau von der Blockierung der Holzbrücke über den Eisack nördlich des heutigen Franzensfeste113), dem Hinterhalt und der geplanten Hängung des Bischofs erzählt. Er, Halbsleben, habe diese Information (notitiam)

109) Vgl. auch die Rolle des Gasthauses oben bei Anm. 78. Siehe Peyer, Hans Conrad (Hg.), Gastfreundschaft, Taverne und Gasthaus im Mittelalter (Schriften des Historischen Kollegs. Kolloquien 3), München 1983; Ders., Art. ‚Gasthaus‘, in: LexMA 4 (1987), 1132–1134. 110) Ebd. Z. 10–14: Dixit iudex prefatus, quod cum ipse premissa primo audivisset, petiit, quis ille civis esset, qui hoc dixisset. Et quando sibi nominatus erat, accessit eum et quesivit ab eo, an ipse talia dixisset et sibi talia accidissent. Qui respondit verum esse et iterum narravit sibi casum, ut prescriptum est. Petiit iudex, an novisset illum, qui litteras sic proiecit ad mensam. Dixit quod non, sed si videret eum, crederet eum velle nosere. 111) AC II 6, Nr. 5292; Juni 30/Juli 2, siehe oben bei Anm. 76. 112) AC II 6, Nr. 5292 Z. 15f.: Item hoc ipsum retulit mihi eciam magister Michael de Netz, canonicus Brixinensis, se audivisse. Item simile retulit mihi Hews, officialis, se audivisse, ut prescriptum est. 113) AC II 6, Nr. 5307 Anm. 6.

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von dieser Frau, und er glaube durch und durch daran, dass sie wahr sind und dass er nicht belogen worden sei.114) Und noch ein Zeuge! Peter v. Erkelenz lässt nicht locker und berichtet, wieder zurück in Brixen, weiter: Schon am nächsten Tag, dem 20. Dezember, habe ihm der Kanzleischreiber des Nikolaus von Kues, Lorenz Hamer (von Salburg in Thüringen), gesagt (dixit mihi), ein mit ihm (Hamer) befreundeter Freischöffe habe ihm anvertraut, er habe sich damals in Lebensgefahr befunden, weil er dem Kardinal einen Zettel (cedula) zur Warnung vor dem Hinterhalt geschrieben habe. Er habe weiter gesagt, es sei vollkommen sicher, dass der Bischof, hätte er den Weg über Mühlbach genommen, gefangen und gehängt worden wäre.115) Lorenz Hamer reiste dann zum Jahresende wie so viele nach Buchenstein und berichtet dem Kardinal persönlich, wie wiederum Erkelenz notiert, dass er von seinem Onkel, (Heinrich) Salberger, Genaueres über die Hinterhalte und ihre Drahtzieher, darunter den Richter von Gries, (bei Bozen) Franz Schidman, erfahren habe. Der martialische Höhepunkt von Hamers Bericht: ganz im Stile der gängigen Femerhetorik116: sogar der Strick (laqueus), geradezu zum Symbol für die Brutalität der Femgerichte geworden117), habe schon für Nikolaus bereit gelegen. Dies habe ihm ein Pfarrer anvertraut, der sich nicht getraut habe, es früher, nämlich während der Wiltener Affäre selbst, zu sagen.118) Peter von Erkelenz und Adolf von Oberweinper waren bei weitem nicht die einzigem, die für Cusanus‘ Dossier ermittelten. Auch Jörg von Villanders, Pfleger des Bischofs in Salern, hatte den Auftrag erhalten, Erkundigungen über die Vorkommnisse (etwas verloffen solt haben) an der Brixner Klause bei Vahrn, einem der angeblichen Hinterhalts- und (Feme-?)Gerichtsorte. Jörg bestellte seinen richter (Wolfgang Jöchel) und andere gerichts leut bei sich ein (fur mich gevordert) und befragte ) AC II 6, Nr. 5423 Z. 1–6: Item deinde die 19a fui in Sabiona, et ibidem dixit mihi senior Halbsleben, castellanus, ibidem se de proximo fuisse in Bolzano e t i b i d e m d i x i s s e t s i b i q u e d a m m u l i e r , quod, dum alias fuissent posite insidie domino episcopo Brixinensi circa pontem Holtzprug, fuit conclusio illorum, qui ibidem se locaverunt, quorum Schidman unus erat, velle suspendere ipsum dominum cardinalem et episcopum. D i x i t H a l b s leben se habere talem noticiam illius mulieris, quod ipse omnino crederet hoc esse verum et quod non mentiretur sibi. 115) AC II 6, Nr. 5425 Z. 1–8: Item die 20a decembris Brixine dixit mihi dominus Laurencius Hamer ad eum venisse Brixine quendam scabinum iudicii vetidi, cum quo dudum contraxisset singularem amiciciam, et noticiam, qui dixisset sibi, in quo periculo fuisset propter quandam cedulam, quam sibi scripsisset, ut dominum nostrum reverendissimum ex hoc avisasset, quia venisset illa cedula ad manus Schidman, et adhuc clausa erat et sibi restituta; quod si Schidman illam cedulam aperuisset et legisset, fuisset ille scabinus in periculo vite sue. Et dixit ille scabinus ulterius domino Laurentio certissimum esse hoc, si reverendissimus dominus noster fecisset viam per Mulbach, fuisset sua reverendissima p. ibidem detenta et suspensa. 116) Siehe Schwob, Spuren der Femgerichtsbarkeit (wie Anm. 27), hier auch zu den Ereignissen um Nikolaus von Kues 141–150. 117) Baum, Nikolaus Cusanus in Tirol (wie Anm. 25), 355: „Für die Femegerichte gab es nur eine Strafe: Erhängen.“ Vgl. Schwob, Spuren der Femgerichtsbarkeit (wie Anm. 27). 118) AC II 6, Nr. 5430, hier Z. 6: quomodo laqueus esset paratus. 114

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sie. Leider ist das darüber angefertigte Protokoll, das Jörgs Brief vom 1. Februar 1458 an seinen Herrn119) beigefügt war, nicht erhalten. Was Jörg von dem, was er bei der Befragung ervaren hat, mitteilt: keine gerichts leut aus Vahrn seien damals zur Klause geschickt worden, nur sein (Haupt-)Richter, den habe er selbst hingeschickt. Ganz klar ist das nicht. Vermutlich ist hier nicht eine Teilnahme des Vahrner Richters an den Insidiae bei Cusanus‘ Rückreise Anfang Juli 1457 gemeint, sondern ein Ermittlungsbesuch des Richters im Zuge des späteren Auftrags zur Aufklärung. Man sieht, wie der Personenkreis der Mitwisser immer größer wird. Ganz offensichtlich ist man davon überzeugt, dass damit auch die Wahrheit des Kolportierten größer, bzw. notorischer wird.120) An diesen kurzen und zufällig offenbarten bzw. überlieferten Belegen aus der zeitgenössischen Kommunikation beteiligter Menschen zeigt sich, wie intensiv nach wie vor über die tollen Junitage, insbesondere über Wilten und die Hinterhalte, geredet wurde. Es sind überwiegend Anhänger des Nikolaus von Kues, die diese bestätigenden Berichte liefern, aber es gibt eben auch trutzige Bekenntnisse der Gegenseite. So verstärkt sich auch für den Historiker die Ansicht, dass die Hinterhalte nicht nur temporär existiert haben, sondern dass sie auch phasenweise ‚ernst gemeint‘ waren und nicht bloß als Drohkulisse dienten, um den Bischof in seiner Angst gefügiger zu machen. Nicht nachzuweisen ist freilich das Entscheidende: dass Herzog Sigismund selbst der Initiator und Drahtzieher der Hinterhalte und ihrer Mordpläne gewesen ist. Die erste warnende Frau hatte am 22. Juni gesagt, Herzog Sigismund sei persönlich bei den Bewaffneten in Matrei.121) Möglicherweise hatte er, als Cusanus unter herzoglichem Geleit zurückreiste, wieder, wie schon am Abend des 24. Juni, einen seiner vielen Wutanfälle bekommen und die alten Feinde des Bischofs zur Aktion ermuntert, aber dann wiederum, im letzten Moment angeordnet, die Zusammenrottungen der femebewegten Gufidauner, Renntls und Schidmans und ihrer Spießgesellen aufzulösen. d) Der Beichtvater als Notar der Wahrheit: Konrad Bossinger Ein besonders erstaunliches ‚detektivisches‘ Mittel, die Wahrheit über die Skandale des Juni usw. fest zu stellen, ist die Instrumentalisierung der Beichte zur Dokumentation rechtssicherer Schuldbekenntnisse von Beteiligten an den immer noch eher gerüchthaft kursierenden Insidien des Herzogs Sigismund. Diese wurden

) AC II 6 Nr. 5475 Z. 3–7. ) AC II 6, Nr. 5430. 121) Siehe oben Anm. 55. Die Stelle AC II 6, Nr. 5269 Z. 4f. 119 120

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angesichts der Dignität, aber auch des Gewissensdrucks der Beichte bekannt und damit auch schriftlich als Fakten beleg- und beweisbar. Bischof Nikolaus von Kues griff zu diesem Mittel im Januar 1458, also noch innerhalb der mit dem Herzog vereinbarten Friedenspflicht. Er beauftragte mit diesem in der Rechtstradition der Kirche, d.h. in der forma ecclesiae122), zwar abgesicherten, aber doch wohl seltenen Procedere123), seinen Getreuen, den Domherrn und Pfarrer von Rodeneck, Konrad Bossinger. Und Bossinger ging ans Werk, zum Beispiel bei den Bauern von Mühlbach, einem der vermuteten Hinterhaltsorte. Das Beicht-Procedere lief in einer eigentümlichen Mischung von Öffentlich und Privat wie folgt ab: die an den Insidien Beteiligten und damit ipso facto Exkommunizierten hätten ein peccatum publicum begangen und sollten daher auch öffentlich (publice) ihre Schuld bekennen bzw. bekannt machen. Nur wer etwas bislang Geheimes (occulta), nicht öffentlich Bekanntes in der Sache beichten wolle, dürfe privat (in occulto) beichten, also die Ohrenbeichte praktizieren. Alle Bekenntnisse seien durch einen anwesenden Notar schriftlich zu dokumentieren. Das bedeutete, dass das Beichtgeheimnis partiell aufgehoben wurde. Um die erstrebte Absolution vom Kirchenbann zu erlangen, sei, ebenfalls mit Hilfe des Notars, eine Supplik an die Kurie zu verfassen, da es sich bei dem schweren Delikt (des versuchten Mordes an einem hohen Kleriker) um einen päpstlichen Reservatfall handelte. Die Supplik sei vor dem Notar und (zwei) Zeugen zu verlesen, auf dass er, der Kardinal, sie dann wohlwollend genehmigen wolle. Dies Procedere habe er, da es ein päpstlicher Reservatfall sei, von Papst Pius II. absegnen lassen.124) Vermutlich sollte das so gesammelte Beweismaterial für ein Dossier verwendet werden, das auf dem

) AC III 1, Nr. 5906 Z. 20. ) AC III 1, Nr. 5906 Anm. 9; Neumann, Franziska, Die „introductio poenitentium“ als rituelle Ausdrucksform bischöflicher Absolutions- und Jurisdiktionsgewalt im 15. Jahrhundert, in: Schreiner, Klaus/Signori, Gabriela (Hg.), Bilder – Texte – Rituale (ZHF Beiheft 24), Berlin 2009, 69–86, hier 72f. 124) AC III 1, Nr. 5835 Z. 6f.: quod vos eorum confessiones illius publici peccati publice audiatis. Et si qua occulta dicere velint ultra ea, que publica sunt, in occulto audiatis. Z. 9–12: Et est intencio mea parcere eis, si me rogaverint. Inducite igitur eos, ut faciant supplicacionem ad me, in qua veritatem (!) scribant et supplicent eis indugere. Et legatur illa supplicacio coram notario testibus et interrogentur, an sic supplicent, et requirite desuper notarium. Auch dieser Komplex ging in die Prozessmaterie ein, so in eine Streitschrift Sigismunds (nach Mitte August 1460), Bozen, StA, Codex Handlung, f. 471r–472v, hier unter Punkt 16 (künftig in AC III 2). Doch hat der cardinal dem Bossinger bevolhen, das er etlich personen, so sie beichten, nicht sol absolviren, sie beichten denn in ains notarien und czwayen personen gegnwurtikait und das er darumb instrument lass machen. Aus dem Folgenden geht hervor, dass Sigismunds Juristen, Gregor Heimburg und Lorenz Blumenau, mit der Sache gefasst sind, sie verfügen zum Beispiel über einen Zettel des Generalvikars Bulach, in dem Bossinger instruiert wird. Das schriftliche Material wächst und wächst: Item ist ain klains zedel maister Gebharts (sc. Bulach, Generalvikar des NvK) handschrifft, wie Possinger die peicht sol horen. Die hat auch der doctor Gregorius. 122 123

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Kongress von Mantua 1459 für die dort (vergeblich) erwarteten Verhandlungen des Kardinals mit dem Herzog dienen sollte.125) Diese Praxis erregte erheblichen Unmut nicht nur beim Herzog, qui fuit inde multum exasperatus126), sondern auch bei dem gegnerischen Teil des Domkapitels. Bossinger, wird zu einer scharfen Befragung einbestellt. Doch der alte Kämpe schweigt stoisch oder sagt, er habe nur Befehle des Kardinals ausgeführt.127) Nikolaus von Kues in Rom hingegen gibt vor, über den Protest erstaunt zu sein und begründet mit einem Schreiben an das Domkapitel vom 24. April 1459 noch einmal die Berechtigung und kirchenrechtliche Legitimität (gemäß der forma ecclesiae). „Was fürchte denn der Herzog?“ fährt Cusanus fort: Die Beichten von ein paar Bauern? Mit diesem aggressiven Verhalten mache er selbst die Insidienaffäre zum Faktum, notorium ipse faceret.128) Hiermit verlassen wir den Streit. Seinen Fortgang auf der Basis heutiger Quellenkenntnis zu erforschen, bleibt Desiderat. 6. Bilanz Es begann mit detektivischem Interesse. Die ‚Wiltener Affäre‘ neu aufzurollen und gleichsam dann doch irgendwie den harten Kern der Kriminalgeschichte um Nikolaus von Kues 1457 herauszuschälen. Dieses Ansinnen trat voraussehbar mehr und mehr zurück hinter einem ‚non liquet‘ bzw. der Erörterung eines Plausibilitätsminimums angesichts einer langen Sequenz von Gerüchten und Warnungen. Wobei sich die Analyse der einzelnen Gerüchte und Warnungen, ihrer Kolporteure und deren sozialer Konfiguration – viele Frauen – in einer binnentiroler Mikrowelt unter Anwesenden als neuer Aspekt erwies. Das semantische Feld dessen, was man als Gerücht bezeichnet, konnte auf der Basis der Gerüchteforschung erweitert werden. Immer mehr wurde deutlich, dass Gerüchte zwar volatil und unverbürgt und sozusagen eine Gegenfigur von Herrschaftswissen sind, dass aber Gerüchte dennoch nolens volens als Ereignismitteilungen und von dort als Handlungsgrundlagen hingenommen werden mussten, um schließlich scheinbar paradox in ihrer Bündelung, methodisch geprüft, gerade als Material der Wahrheitsdestillation, der Notorietas, dienen musste. Dies wurde im Fall Cusanus begleitet von traditionellen wie innovativen Formen der Zeugenermittlung und 125) AC III 1, Nr. 5836 Anm. 4. Womöglich schöpfte auch Krell daraus zur Erstellung seiner Delinquentenliste AC II 6, Nr. 5292. 126) AC III 1, Nr. 5899 Z. 11. 127) Ebd. Z. 4–10. Später sollte das Kapitel auch die Absetzung Bossingers fordern; siehe das Schreiben an NvK vom 20. Dezember 1458; AC III 1, Nr. 6073. 128) AC III 1, Nr. 5906, hier etwa Z. 13–15 (Verfahren), Z. 20 forma ecclesie. Z. 21–23: Quid timet d. dux? Quod se rustici excusarent …? Notorium ipse faceret per hoc.

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Johannes Helmrath

Zeugnisdokumentation (etwa Bossingers Beichtnotate). Im Ringen um die Deutungshoheit über die ‚Ereignisse‘, die immerhin versuchten Mord implizierten, wurden von beiden Seiten, der des Cusanus und Herzog Sigismunds, angesichts eines Kurienprozesses von europäischer Ausstrahlung Wahrheitsstrategien und Beweissicherungsverfahren neben Verleumdungen und Invektiven praktiziert. Der eigentliche Prozess, und die darum kreisenden Invektiven eines Gregor Heimburg und Teodoro de’ Lelli129) bedürfen eigener neuer Untersuchung.

) Siehe dazu künftig AC III 2 und III 3.

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Johann Röttel et l’humanisme italien : autour d’un manuscrit de la bibliothèque épiscopale de Brixen Clémence Revest

S

ans que cela soit pour surprendre, nombre de documents édités dans les Acta Cusana relatifs à la nomination de Nicolas de Cues à l’épiscopat de Brixen et à son gouvernement épiscopal mentionnent reverendus in Christo pater Johannes, episcopus Brixinensis, immediatus predecessor noster ou bischof Johannsen, unserm vorvaren seliger gedechtnuss – c’est-à-dire Johann Röttel (ou Rötel), qui fut évêque de Brixen du 4 janvier 1444 à sa mort le 28 janvier 1450, après y avoir été écolâtre à partir de 1431 puis vicaire général en 1442–1443.1) De même lorsque l’on s’intéresse aux archives épiscopales du milieu du XVe siècle.2) C’est une présence récurrente, un nom familier, mais une figure au fond mal connue. Il n’est pas exagéré en effet de dire que Johann Röttel a été jusqu’à une date récente quasi totalement délaissé par l’historiographie, limitée à quelques brèves et éparses notices biographiques ou indications de notes de bas de page.3) Ce prélat et juriste originaire de Hallein dans les environs de Salzbourg a pourtant fait une carrière universitaire, curiale et cléricale remarquable: il a notamment étudié à Bologne où il a été fait docteur en droit canonique en 1422, a été employé à la cour pontificale comme abréviateur aposto-

1) Voir notamment AC I 2, Nr. 872, p. 617 ; AC II 1, Nr. 2557, p. 50 ; AC II, 5, Nr. 4996, p. 1374 ; AC II, 7 (index) p. 2079. 2) Par exemple dans AC II 7, p. 1927–1943. 3) Knod, Gustav Karl, Deutsche Studenten in Bologna (1289–1562), Berlin 1899, Nr. 3088 ; Schuchard, Christiane, Karrieren späterer Diözesanbischöfe im Reich an der päpstlichen Kurie des 15. Jahrhunderts, in: Römische Quartalschrift für christliche Alterthumskunde und Kirchengeschichte 89 (1994), 47–77, en particulier 50, n. 10 ; Gelmi, Josef, Röttel, Johannes († 1450). 1442– 1444 Generalvikar des Bischofs von Brixen. 1444–1450 Bischof von Brixen, in: Gatz, Erwin (dir.), Die Bischöfe des Heiligen Römischen Reiches 1448 bis 1648. Ein biographisches Lexikon, Berlin 1996, 589–590 ; Kustatscher, Erika, Kirchliche Karriere und Rhetorik im Spätmittelalter: Sieben Reden des nachmaligen Brixner Bischofs Johann Rötel, in: Tiroler Heimat 71 (2007), 37–47, en particulier n.2 et 9 ; Frenz, Thomas, Repertorium Officiorum Romanae Curiae (RORC), Univ. Passau 2016, , s.v. Iohannes Rotel ; Revest, Clémence, Romam veni. Humanisme et papauté à la fin du Grand Schisme, Ceyzérieu 2021, ad ind.

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lique de 1414 à 1445 et a obtenu plusieurs charges ecclésiastiques dans l’archidiocèse de Salzbourg à partir de 1414.4) Il est toutefois demeuré dans l’ombre de son illustre successeur. Quelques-uns de ses écrits témoignent bien de sa formation et de ses compétences intellectuelles, notamment une Tabula super disputacionibus, questionibus et consiliis domini Friderici de Senis per titulos decretalium copiée de sa main à Bologne en 1409 lorsqu’il était étudiant5) ; un consilium destiné au concile de Bâle6) ; ainsi qu’un Sermo de passione domini, transmis par une copie réalisée à l’époque de son épiscopat.7) On suppose encore, quoique cela ne semble pas avoir fait l’objet d’une enquête approfondie, que Johann Röttel – ou l’un de ses parents – a été le commanditaire d’un cycle de fresques relatives à la vie de Saint Jacques majeur dans l’église de St. Jakob in der Mahr (San Giacomo a La Mara) à Scezze (Tschötsch) dans les environs de Brixen, qui sont l’œuvre du maître du gothique tardif Leonhard von Brixen : au sein de la fresque représentant le miracle des poules est dépeinte une épitaphe datée de 1461 et possiblement un portrait du défunt évêque.8) Nous voulons dans cette contribution attirer l’attention sur un manuscrit conservé au sein de la bibliothèque du séminaire de Brixen (cod. E 20) qui comprend notamment sept discours de sa plume, tous inconnus par ailleurs et relatifs à son

4) Avec les références de la note précédente, il convient de noter qu’un certain nombre d’éléments concernant son parcours sont recensés de manière dispersée dans les archives, par exemple dans: Nagi, Franz/Lang, Alois (éd.), Mittheilungen aus dem Archiv des deutschen Nationalhospizes S. Maria dell’ Anima in Rom, Rome 1899, ici 7, 100, 122–123 ; Kühne, Ulrich (éd.), Repertorium Germanicum. III. Alexander V, Johann XXIII, Konstanzer Konzil (1409–1417), Berlin 1935, ici 237–238 ; Meyer, Andreas, Arme Kleriker auf Pfründensuche. Eine Studie über das in forma pauperum-Register Gregors XII. von 1407 und über päpstliche Anwartschaften im Spätmittelalter (Forschungen zur kirchlichen Rechtsgeschichte und zum Kirchenrecht 20), Köln 1990, ici 109, Nr. 319 ; ou sur la plateforme archivistique Monasterium.net (Urkunden Salzburg, Erzstift (1124– 1805) SLA, OU 1444 I 04) . 5) Graz, Universitätsbibliothek, 59, f. 1–6 (Hec est tabula super disputacionibus, questionibus et consiliis dni. Friderici de Senis per titulos decretalium. Schl. Scriptum anno d. 1409 die XVI. mensis ianuarii per Johannem Rotel de Salina tunc Bononie studentem »). Voir la description en ligne . 6) Stuttgart, Württembergische Landesbibliothek, Cod. theol. et phil. qt. 36a. Voir Kristeller, Paul Oskar, Iter Italicum. A Finding List of Uncatalogued or Incompletely Catalogued Humanistic Manuscripts of the Renaissance in Italian and Other Libraries 3, London/Leiden 1983, ici 704. 7) Graz, Universitätsbibliothek, 887, f. 57v–63r (Sermo iste ascribitur d[omi]no Johanni Rötel pro nunc episcopo Brixinensis ecclesie et doctori decretorum). Voir la description en ligne . 8) Hye, Franz-Heinz, Spanien-Tirol-Innsbruck. Zeugen gemeinsamer Geschichte Veröffentlichungen des Innsbrucker Stadtarchivs (Veröffentlichungen des Innsbrucker Stadtarchivs N.F. 19), Innsbruck 1992, ici 26, 32. On peut consulter une reproduction digitale de la fresque sur . L’épitaphe, datée du 4 mars 1461, évoque Joh(ann)es miles alias dictus Rötel capp(e)ll(anu)s.

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parcours académique et clérical au début des années 1420.9) Ces œuvres, mais aussi la section du manuscrit au sein de laquelle elles se trouvent copiées – un mélange rhétorique humaniste –, constituent une source extrêmement instructive pour ce qui concerne les pratiques savantes avec lesquelles Johann Röttel a été en contact lors de ses années en Italie, en lien avec milieux universitaires du Nord de l’Italie et avec la chancellerie apostolique dans le premier quart du XVe siècle. En reprenant l’analyse des composantes du volume et de certaines de ces pièces, un aspect méconnu et éclairant de son parcours nous est en effet révélé, à savoir l’intérêt et la familiarité de Johann Röttel avec la culture des studia humanitatis, en particulier avec l’art oratoire néo-cicéronien en pleine genèse. On y entrevoit le fait que l’épiscopat de Brixen a été conféré, en 1444, à un clerc d’origine germanique qui, déjà, était un connaisseur de l’humanisme, avait possiblement côtoyé dans sa jeunesse certaines personnalités importantes du mouvement et s’était efforcé d’adapter cette nouvelle forme d’éloquence à ses besoins professionnels. 1. Le mélange de Brixen (sections II et III) au miroir de la jeunesse bolonaise et curiale de Johann Röttel Le manuscrit dont il est ici question (Brixen/Bressanone, Priesterseminar/Seminario Maggiore, cod. E 20) est un volume de 270 feuillets en papier, de taille moyenne (275 x 145 mm), qui se présente sous une forme relativement homogène et soignée. Il a vraisemblablement été écrit tout du long par une même main, qui oscille entre une cursive gothique universitaire bien formée et une cursive bâtarde plus relâchée. Le texte est présenté sur un seul bloc régulier – sauf pour la dernière section recueillant des sentences d’autorités qui est présentée sur deux colonnes – avec des marges inférieures et intérieures assez larges. Il comprend, tout du long également, des titres et rubriques ainsi que des initiales, rehaussements et soulignements à l’encre rouge. On y repère encore la présence continue de notes marginales issues de la même main, comportant des rehaussements à l’encre rouge : il s’agit pour l’essentiel de loci et de nota bene à caractère rhétorique. C’est un ouvrage somme toute homogène et élégant, sans être luxueux, dont le contenu consiste en quatre compilations textuelles distinctes, séparées de manière visible par des feuillets blancs : 9) Brixen/Bressanone, Priesterseminar/Seminario Maggiore, cod. E 20 (olim 109). Voir la description en ligne ; ainsi que Kristeller, Iter Italicum 1 (n. 6), ici 37 ; Kustatscher, Kirchliche Karriere (n. 3); Revest, Clémence, Les discours de Gasparino Barzizza et la diffusion du style cicéronien dans la première moitié du XVe siècle. Premiers aperçus, in: Mélanges de l’École française de Rome – Moyen Âge, 128/1 (2016), 45–70, ici 52–53. Nous tenons à remercier vivement Thomas Woelki pour nous avoir indiqué l’article d’Erika Kustatscher et pour nous en avoir facilité l’accès.

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– section I. f. 3r–40v : un compendium d’arguments théologiques (Tractatus brevis quo datur sapienti aliquid proponendi cum gratia optima et proferendi cum sapientia responsa condigna), XIVe siècle ?10) – section II. f. 43r–200r : une mélange rhétorique humaniste (discours, lettres, un commentaire oratoire, un chant) recueillant des œuvres du premier quart du XVe siècle, composées pour la plupart à Padoue et à Bologne. – section III. f. 205–227r : un formulaire épistolaire (Inc. Exspectavi ut tua benigna societas), suivi de trois lettres diplomatiques, lié au début du pontificat de Martin V. – section IV. f. 237ra–265vb : une collection de sentences d’autorités (notamment Aristote, Sénèque, Augustin) précédée d’une Tabula et registrum librorum Aristotelis et aliorum cum auctoritatibus earundem. Tout au début et à la fin du manuscrit (f. 1r et 270v) peut être distinguée la marque de possession d’un autre évêque de Brixen, Melchior episcopus Brixinensis, c’est-à-dire Melchior von Meckau (1440–1509) qui accéda à cette charge en 1488 avant d’être créé cardinal en 1503 et qui, élément non négligeable, est lui-même considéré comme un promoteur de l’humanisme à la fin du XVe siècle.11) Une autre notation moderne indique la présence de l’ouvrage dans la bibliothèque épiscopale à la fin du XVIIIe siècle (Hic liber pertinet ad Bibliothecam Aulae Brixinensis. 1770, f. 1r), la même main tardive ayant également transcrit une brève table des matières du volume (f. 1v). Si l’on entre dans le détail, il apparaît que nombre des pièces copiées au sein des sections II et III entrent en résonance du point de vue de leur datation, de leur thème et de leur lieu de production. Elles nous mènent sur la piste des débuts de Johann Röttel, à l’université de Bologne et à la cour pontificale dans le premier quart du XVe siècle. On remarque en premier lieu, dans la série de textes qui composent la section II, la présence d’œuvres rares, voire uniques, liées à Bologne et à son université. Ce sont, plus précisément, des éloges cérémoniels prononcés par des juristes du studium vers 1420–142212), ainsi que des lettres et discours composés par (ou pour) des magistrats, ambassadeurs ou prélats bolonais: par exemple les orationes prononcées par Marco Canetoli au nom de l’université de Bologne devant le concile de

10) Inc. Cum teste sacro theolog Ecclesiastes nono « omni negotio temporis sit opportuitas ». Il est conservé dans au moins deux autres manuscrits : Paris, Bibliothèque nationale de France, Lat. 2584, f. 166–172 ; Trier, Stadtbibliothek, 2046, f. 49–59. 11) Voir dernièrement Daniels, Tobias, Germania in der Renaissancebiographik. Eine unbekannte Grabrede des Humanisten Raffaele Lippo Brandolini auf Kardinal Melchior von Meckau, in: QFIAB 92/1(2012), 214–269. 12) Voir infra, 340.

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Pise en 1409 et le pape Alexandre V en 141013) et celle qui fut rédigée par Gian Nicola Salerno en vue de de son entrée comme podestat à Bologne en 141914), ou encore la lettre de félicitations adressée par Vasco Rodrigues à Niccolò Albergati pour sa nomination comme évêque de Bologne en 1417.15) L’une des pièces les plus significatives est un carmen, connu par cette seule copie, qui a été écrit en hommage à la Bolonaise Bartolomea Canetoli, assassinée par son époux en 1409.16) Ces textes sont tous situés dans les années 1409–1422, soit exactement entre la première attestation de la présence de Johann Röttel à Bologne (i. e. le colophon du manuscrit de Graz évoqué plus haut) et la date de l’obtention de son doctorat en droit canonique. Y font directement écho, à la fin de cette même section, les discours académiques prononcés par Röttel lui-même pour sa licence et son conventus.17) Deuxièmement d’autres textes rares, contenus dans les sections II et III, ont en commun de se rapporter à la curie de la fin du Grand Schisme, au concile de Constance et au début du pontificat de Martin V, en particulier à la chancellerie papale. Ce sont notamment, dans la compilation humaniste évoquée plus haut, une arenga adressée par un recteur de l’université de Bologne à Jean XXIII lors de son entrée dans la cité en 1413, un panégyrique de Grégoire XII, attribué à Gasparino Barzizza, qui fait suite l’abdication de ce dernier à Constance en 1415, et l’éloge que

13) Brixen/Bressanone, Priesterseminar/Seminario Maggiore, cod. E 20 (olim 109) f. 104v–110v : Oratio domini Marci de Canitulo de Bononia legum doctoris coram caetu Pisano pro ecclesia Dei, Inc. Rem mihi grandem acturus vix est ; f. 104v–110v (Bertalot, Ludwig, Initia Humanistica Latina II/2, Prosa, éd. par Ursula Jaitner-Hahner, Tübingen 2004 [désormais abrégé en IHL2/2], n° 19986) ; ibid., f. 178v–180v: Arenga facta papae Alexandro V° quando venit Bononi per dominum Marcum de Canidulo legum doctorem, Inc. Consuevere urbes et populi beatissime pater (IHL2/1, n° 2632). Sur Marco Canetoli et sa production oratoire: Revest, Romam veni (n. 3), ad ind. 14) Brixen/Bressanone, Priesterseminar/Seminario Maggiore, cod. E 20 (olim 109) f. 117v–119v : Oratio habita per dominum Iohannem Nicolam Salernum de Veronia dum praetor Bononiae esset, Inc. Si quid est patres conscripti clarissimique cives (IHL2/2, n° 21825). Sur l’humaniste Gian Nicola Salerno, qui fut notamment un élève de Guarino Veronese: Varanini, Gian Maria/Crestani, Caterina, Il patrizio veronese Gian Nicola Salerni e la sua biblioteca (XV sec.), in : Archivio Storico Italiano 161/3 (2003), 455–502 ; Kravina, Chiara, Un’inedita lettera di Guarino Veronese a Gian Nicola Salerno sul circolo fiorentino di Bruni e Niccoli, in: Archivum mentis 8 (2019), 181–222. 15) Brixen/Bressanone, Priesterseminar/Seminario Maggiore, cod. E 20 (olim 109) f. 119v–122v : Epistula edicta per dominum Valascum de Lisbonia priori ordinis Cartusie civitatis Bononiensis electo in episcopum a populo Bononiensi et acceptanti, Inc. Quanta de te sit exspectatio pater optime (IHL2/2, n° 17555). Sur le juriste et humaniste portugais Vasco Rodrigues, aussi connu comme Valesius Hispanus, voir infra, n. 18. 16) Brixen/Bressanone, Priesterseminar/Seminario Maggiore, cod. E 20 (olim 109) f. 150r–151r : Carmina pro morte domine Bertholomeae Decaniculo, Inc. Hoc mihi ergo dum meditor mea mens quod scribere gessit. Chant non répertorié. Voir à propos du meurtre Pasquali, Gianfranco, Art. Canetoli, Lambertino, in: DBI 18 (1975), . 17) Voir la dernière partie de cette contribution.

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composa Vasco Rodrigues à l’adresse du nouveau pape Colonna en 1418.18) Il s’agit aussi du formulaire épistolaire qui constitue l’essentiel de la section III : ce formulaire est en fait connu par une autre copie, intitulée Formae diversarum epistolarum seu missilium literarum, qui est contenue dans un mélange manuscrit de Wolfenbüttel au sein duquel elle précède les règles de la chancellerie apostolique promulguées par Martin V en 1418 (le mélange comprend aussi plusieurs bulles du même pape datant des années 1418–1427).19) En outre, dans le manuscrit de Brixen, les trois lettres diplomatiques qui sont transcrites à la suite du formulaire épistolaire sont les suivantes: 1. f. 222r–223r : une lettre intitulée Arrenga pro loco meo presidentio recuperando, signée S. v. humiles Jo. Rotel decretorum doctor et [N. ?] Franchhomo in Artibus magister suprascripti – c’est-à-dire Johann Röttel et Nicolas (ou Pierre ?) Franchomme, tous deux officiers de la chancellerie apostolique pendant le pontificat de Martin V.20) C’est une supplique pour retrouver leur fonction de « président » des abréviateurs apostoliques. Les deux curialistes soulignent que l’un d’entre eux (vraisemblablement Röttel) a été abréviateur pendant 15 ans, a eu pour mentor le célèbre Dietrich von Nieheim (mort en 1418) et a obtenu un doctorat en droit à Bologne ; l’autre

18) Brixen/Bressanone, Priesterseminar/Seminario Maggiore, cod. E 20 (olim 109) f. 175v–177, Arenga facta coram papam Io(hannem) 23 quando expulsus de Roma per regem Ladislaum post aliquolem (sic) moram quam Florentiae fecerat. Intravit Bononie et fuit facta per dominum Raimundum Gran Rectorem universitatis Bononiensis, Inc. Hunc minime adimor beatissime pater, discours non répertorié. Il s’agit vraisemblablement de Raimondo Grau da Catalogna, qui était recteur des étudiants ultramontains en 1413 : Frati, Lodovico, La legazione del Cardinale Lodovico Fieschi a Bologna (1412–1413), in: Archivio storico italiano 41 (1908), 144–151, en particulier 148. Dans le même manuscrit, f. 90r–92v : Epistula edicta per eundem et transmissa papae Gregorio duodecimo, Inc. Cum ob varios studiorum meorum labores clementissime pater (IHL2/1, n° 3700) ; ibid., f. 139r–141v : Oratio Valesii Lisbonensis in visitatione pape Martini V, (P)acem tibi beatissime pontifex et pedum tuorum osculum Sanctitatem (voir Bracke, Wouter, Le orazioni al pontefice, in: Chiabò, Maria et al. (éd.), Alle origini della nuova Roma : Martino V (1417–1431). Atti del convegno (Roma 2–5 marzo 1992), Roma 1992, 125–142, ici 134–135). 19) Wolfenbüttel, Herzog August Bibliothek, Cod. Guelf. 75.2 Aug. F°, pour le formulaire f. 195r– 206v. Von Heinemann, Otto, Die Augusteischen Handschriften 3. Cod. Guelf. 32.7 Aug. 2° – 77.3 Aug. 2°, Frankfurt 1966 [1898], ici 381–383. Voir . La composition de ce mélange paraît également liée, au vu du contenu, au diocèse de Bamberg et à l’élévation à l’épiscopat de Friedrich III von Aufsess en 1421. 20) Nicolas Franchomme (Nicolaus Liberihominis) est attesté en tant qu’abréviateur apostolique à partir de 1427 : Frenz, Repertorium Officiorum Romanae Curiae (n. 3), s. v. Nicolaus Franchomme. On sait toutefois que Pierre Franchomme (Petrus Liberihominis), ancien secrétaire de Louis II d’Anjou, a été scripteur et secrétaire apostolique sous le pontificat de Jean XXIII et Martin V jusqu’en 1420 au moins: von Hoffmann, Walter, Forschungen zur Geschichte der Kurialen Behörden vom Schisma bis zur Reformation, vol. II, Roma 1914, 108 ; Uginet, François-Charles (éd.), Le « Liber officialium » de Martin V, Roma 1975, 69. Il n’est pas interdit, étant donné la chronologie, d’avoir un doute concernant l’identification de cet officier.

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est dit maître en Arts de l’université de Paris, licencié en droit canonique du studium curie, formé à l’office par Jean Pinchon et abréviateur depuis 12 ans.21) 2. f. 223r–227r : un acte relativement long du roi Ferdinand d’Aragon, qui a marqué un tournant dans la résolution du Grand Schisme et les progrès du concile de Constance : l’annonce de la soustraction d’obédience à Benoît XIII, datée de Perpignan, le 6 janvier 1416.22) 3. f. 227r : une lettre apostolique de Martin V, relative à la collation d’une charge de prévôt dans le diocèse de Salzbourg, contenant la lettre afférente qui a été adressée par le pontife à l’archevêque de Salzbourg Eberhard III. von Neuhaus. La lettre est tronquée de sa fin. Le bénéficiaire est sans nul doute Johann Röttel, qui avait bénéficié le 20 avril 1414 d’une provision sur la prévôté de l’église de Maria Saal à Salzbourg, confirmée par Martin V le 15 janvier 1418.23) De toute évidence, ces pièces sont à mettre en relation avec les débuts de la carrière de Johann Röttel au sein de la chancellerie pontificale. Ce dernier apparaît en effet pour la première fois en tant qu’officier apostolique dans la lettre de Jean XXIII concernant la provision de la prévôté de Salzbourg en 141424) et il y a fort à parier que son entrée à la curie a à voir avec les séjours d’Alexandre V puis de Jean XXIII à Bologne dans les années 1410 et 1413–1414.25) Le discours précédemment cité du recteur de l’université de Bologne lors de l’arrivée de Jean XXIII dans la cité en 1413, connu par cette seule copie, contribue d’ailleurs à faire ressortir cet important moment de jonction entre le studium et la curie. Enfin, on ne manque pas de noter que quelques documents portent spécifiquement sur les commencements de la carrière de Johann Röttel au sein de l’archidiocèse de Salzbourg dans les années 1420. Avec la lettre de Martin V susmentionnée dans la section III, il s’agit des cinq discours relatifs aux nominations épiscopales dans les chapitres de Lavant, Chiemsee et Freising entre 1422 et 1424, qui concluent la section II et qui laissent à penser que Johann Röttel avait pu entrer au service de Friedrich Deys, lui-même ancien curialiste.26) De manière générale, la concentration chronologique des pièces entre les années 1410 et le début des années 1420 (beaucoup sont de surcroît des unica), leur nature 21) Sur Dietrich von Nieheim voir en premier lieu: Müller, Heribert, Art. Dietrich v. Niem, LThK 3 (32006), 225. Sur Jean (Johannes) Pinchon, décédé en 1439 et qui fut abréviateur à partir de 1415, voir Champion, Pierre (éd.), Procès de condamnation de Jeanne d’Arc. Textes, traductions et notes, vol. II, Paris, 1921, 357 ; Frenz, Repertorium Officiorum Romanae Curiae (n. 3), s. v. Iohannes Pinchon. Dans le passage concerné de la copie manuscrite (f. 222v) on est cependant surpris de lire que Röttel aurait été docteur en droit civil et non en droit canonique (?). 22) Valois, Noël, La France et le Grand Schisme d’Occident, vol. IV, Paris 1902, 348. 23) Voir les actes référencés dans: Repertorium Germanicum [on line], RG III 01384, ; RG IV 09025, . 24) Vatican, Archivio Apostolico Vaticano, Reg. Lat. 174, f. 275r–276r. 25) Voir à ce propos Revest, Romam veni (n. 3), 119–120. 26) Voir infra, 348.

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et leur contenu ne laissent guère de doute quant au fait que ces deux sections du manuscrit E 20 de Brixen sont le fruit direct ou indirect d’une collecte textuelle effectuée par Johann Röttel dans sa jeunesse, au début du moins de son parcours professionnel et savant. On peut à ce titre émettre l’hypothèse d’un recueil originel qui aurait été ici en quelque sorte ‘mis au propre’ – sans que l’on puisse se prononcer quant au fait que ce premier recueil contenait ou non les textes des sections I et IV. Cette copie ‘au propre’ a pu être transcrite a posteriori par, ou à la demande de, Johann Röttel lui-même lors de sa carrière cléricale à Brixen, puis acquise par Melchior von Meckau ; ou ce dernier a pu faire réaliser le volume à partir d’écrits demeurés dans la bibliothèque épiscopale. 2. Un mélange néo-cicéronien, dans le sillage de Gasparino Barzizza et de ses émules L’attention peut être désormais portée, de façon plus approfondie, sur la section II (f. 43r–200r) du recueil de Brixen, qui consiste en un mélange humaniste : ce mélange, caractérisé par une relative concentration géo-chronologique, s’inscrit dans la mouvance de diffusion de la rhétorique classicisante en Italie du CentreNord dans le premier quart du XVe siècle, en particulier dans le contexte de la promotion du style ‘néo-cicéronien’ expérimenté à cette époque par le maître Gasparino Barzizza et par son entourage d’élèves et de collègues, dans les universités de Padoue et de Pavie.27) On distingue au sein de cette collection de 59 pièces, consistant pour l’essentiel en des lettres et discours, un ensemble prédominant d’éloges académiques et politiques émanant d’humanistes relativement fameux qui ont appartenu au même milieu intellectuel vénéto-padouan du premier Quattrocento, notamment Gasparino Barzizza, Francesco Zabarella, Francesco Barbaro, Andrea Giuliani, Pietro Marcello, Zaccaria Trevisan, Pietro Donato, Leonardo Giustiniani, etc.28) Certains de ces discours, comme l’oraison funèbre composée par Leonardo Giustiniani pour les funérailles de Carlo Zeno à Venise en 1418 (f. 151r–158r), ont connu une grande fortune et sont aujourd’hui considérés comme des prototypes majeurs de

27) Revest, Discours de Gasparino Barzizza (n. 9, avec la bibliographie y afférente). Sur le développement du style classicisant voir Witt, Ronald G., ‘In the Footsteps of the Ancients’. The Origins of Humanism from Lovato to Bruni, Leiden 2000. 28) Voir en premier lieu, dans une approche générale: Mercer, R. G. G., The Teaching of Gasparino Barzizza. With Special Reference to his Place in Paduan Humanism, London 1979 ; King, Margaret, Umanesimo e patriziato a Venezia nel Quattrocento, Princeton 1986 ; Revest, Clémence, Le creuset de l’éloquence. Rites universitaires, rhétorique humaniste et refonte des savoirs (Padoue, premier tiers du XVe siècle), in: Chandelier, Joël/Robert, Aurélien (éd.), Frontières des savoirs en Italie à l'époque des premières universités (XIIIe-XVe siècle), Roma 2015, 103–153.

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l’art oratoire renaissant.29) La série est organisée de façon relativement thématique : par exemple aux f. 43v–83v sont réunis vingt discours composés pour des cérémonies universitaires (six d’entre eux sont de Gasparino Barzizza), au sein desquels quatre sont successivement consacrés à l’occasion spécifique qu’était l’investiture d’un recteur (f. 78v–83r). L’ensemble est de la même manière suivi, aux f. 83r–122v, d’une série de quatorze panégyriques politiques commençant par huit éloges de Gasparino Barzizza adressés à différents pouvoirs (au roi d’Aragon, à Filippo Maria Visconti, aux papes Grégoire XII et Alexandre V, au podestat de Padoue, au roi de Chypre). On note encore qu’aux f. 141v–162r sont rassemblés cinq textes relatifs aux éloges funèbres, dont l’oraison d’Andrea Giuliani pour le maître byzantin Manuel Chrysoloras (1415), immédiatement précédée de la lettre adressée par Gasparino Barzizza à Giuliani, son disciple, pour louer ce discours. S’y ajoutent quelques ‘best-sellers’ contemporains, si l’on peut dire, composés par des personnalités majeures de l’humanisme florentin et milanais – la pseudo-harangue de l’empereur Héliogabale aux prostituées de Rome rédigée par Leonardo Bruni en 1408 (f. 122v–128v), l’Inquisitio super XI orationibus Ciceronis d’Antonio Loschi, un commentaire pionnier de discours cicéroniens écrit vers 1395 (f. 162r–167v), et la lettre de Poggio Bracciolini sur le supplice de Jérôme de Prague en 1416 (f. 170v– 175v) – ainsi qu’une œuvre pseudo-cicéronienne (une fausse lettre de Cicéron à Octavien-Auguste, f. 167v–170v) et une lettre d’un célèbre dictator médiéval (lettreinvective de Pierre de Blois contre le mariage, f. 128v–132v). Ce profil général est tout à fait comparable à celui de très nombreuses autres miscellanées liées à la même dynamique culturelle, qui – c’est un point que la recherche récente a souligné – ont constitué un vecteur majeur de circulation et d’appropriation des modèles d’écritures classicisants en Europe, notamment à travers les circuits d’échanges universitaires et les parcours professionnels des officiers de cour et des prélats.30) Dès les premières décennies du XVe siècle de 29) McManamon, John, The lettered public for the funeral orations of Poggio Bracciolini on Francesco Zabarella and Leonardo Giustiniano on Carlo Zeno, in : Traditio 75 (2020), 311–384. 30) Pour le cas des miscellanées liées à des étudiants de Padoue voir notamment Bertalot, Ludwig, Eine Sammlung Paduaner Reden des XV. Jahrhunderts, in: id., Studien zum italienischen und deutschen Humanismus, éd. Paul Oskar Kristeller (Storia e letteratura 130), vol. II, Roma 1975, 209–235 ; Horeczy, Anna, Italian Rhetoric in the Manuscript No. 126 from the Collection of the Jagiellonian Library, in : The Jagiellonian Library Bulletin, 2020, 13–64 ; Rosso, Paolo, Oratoria accademica e cultura umanistica nelle Università di Pavia e di Torino nel Quattrocento. Formazione e circolazione di modelli retorici e ideologici, in: Revest, Clémence (éd.), Discours académiques. L’éloquence solennelle à l’université entre scolastique et humanisme, Paris 2020, 141– 177. Voir également les références citées infra, n. 43, pour ce qui concerne le rôle prédominant tenu par les étudiants d’origine germanique dans cette circulation. Dans une perspective plus générale, nous nous permettons de renvoyer à: Revest, Clémence, Naissance du cicéronianisme et émergence de l’humanisme comme culture dominante: réflexions pour une étude de la rhétorique humaniste comme pratique sociale, in: Mélanges de l’École française de Rome – Moyen Âge 125/1

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multiples compilateurs, pour certains demeurés anonymes, ont rassemblé comme des échantillons d’exemples à suivre pour composer dans ce style plus radicalement imité de Cicéron que promouvaient les chefs de file de l’humanisme italien. Dans le manuscrit de Brixen les notations copiées de la même main, en marge de certaines pièces, soulignent cette fonction didactique: le premier discours transcrit (l’oratio de Gasparino Barzizza pour la remise des insignes doctoraux en droit civil à Luca Bondelmonte à Padoue vers 1409–1410, f. 43r–44v) comprend par exemple une série de notes qui signalent les principaux topoi de l’éloge d’un nouveau docteur: excusatio, commendat virtutes, aliqui iuvenes studio dediti, aliqui virtuosi, aliqui clari genere, pauci habentes omnia illa simul, commendatio alia virtutum, laude non indigent quod nota sunt, commendatio civitatis et populi. En outre, ce mélange nous met sur la voie d’une collection constituée à l’époque même où furent composées les principales œuvres-modèles qu’il contient (c’est une collection de ‘nouveautés’), au sein d’un milieu intellectuel relativement méconnu du point de vue de l’histoire de la genèse du cicéronianisme. Nous avons évoqué cet aspect singulier à l’orée de notre propos : il s’agit d’un milieu cosmopolite de jeunes juristes de l’université de Bologne dans les années 1410 et au tout début des années 1420, pour certains entrés à la curie pontificale à la fin du Grand Schisme. Avec Johann Röttel, le recueil fait aussi ressortir les noms de Giovanni Campiano, Gaspare Bonizi, Vasco Rodriguez, Marco Canetoli, Giovanni Andrea Calderini, auxquels quelques œuvres se trouvent attribuées. On relève par exemple le discours écrit par Giovanni Andrea Calderini (descendant du plus fameux Giovanni Calderini) pour la remise des insignes doctoraux à l’évêque d’Imola Pietro Ondedei da Pesaro en 1421.31) Une seule autre copie de ce discours est recensée, dans un mélange attribué Johannes Schaper, étudiant à l’université d’Erfurt au milieu du XVe siècle.32) On peut de même repérer un éloge composé pour la licen-

(2013), 219–257, . Voir par exemple Sanzotta, Valerio, Sulla pandetta di Ramo Ramedelli (Vat.lat.3134). Testi e florilegi a Mantova tra Medioevo e Umanesimo, in: Miscellanea Bibliothecae Apostolicae Vaticanae 19 (2012), 475-499 ; Caby, Cécile, Pour une histoire des miscellanées humanistes dans les ordres religieux. À propos de la circulation de quelques œuvres de Girolamo Aliotti au XVe siècle, in: Mélanges de l’École française de Rome – Moyen Âge 128,1 (2016), 101–116, ; ead., Discours académiques et renouvellements des formes de la parole publique dans les ordres mendiants au XVe siècle, in: Revest, Discours académiques, 179–227. 31) Brixen/Bressanone, Priesterseminar/Seminario Maggiore, cod. E 20 (olim 109) f. 52r–55r : Oratio edita pro domino Petro de Depensauro episcopo Imolensis dignissimo in suo conventu generali ac recitata per egregrium ac famosum doctorem d. Io(annem) An(dreae) de Caldaris Bononiae 1421, Inc. Optarem patres maxime clarissimi ac viri insignes ita de summo datum esset ut ea in me (IHL2/2 n°14939). 32) Berlin, Staatsbibliothek zu Berlin – Preussischer Kulturbesitz, Theol. Lat. Fol. 667, f. 321v– 323r. Voir la description dans Sottili, Agostino, I codici di Petrarca nella Germania occidentale, vol. II, Padova 1978, 679–686.

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ce en droit d’un certain Ludovico Cathelano (i. e. Catalano ?) par Giovanni Campiano, un Sicilien originaire de Noto dont la présence au sein du studium bolonais est attestée en 1414, lorsque Jean XXIII résida dans la cité33) ; ou encore l’oratio pro rectore universitatis magistratum assumente de Gaspare Bonizi, un juriste pérugin qui fut étudiant à Bologne et avocat consistorial au début du XVe siècle.34) Ce recueil peut être mis en parallèle avec un autre mélange rhétorique humaniste très comparable, aujourd’hui conservé à Londres, qui émane visiblement du même groupe.35) Au sein des 102 pièces qui se trouvent réunies dans ce manuscrit londonien, on distingue nombre de textes en commun avec celui de Brixen : non seulement plusieurs discours de Gasparino Barzizza, la harangue fictive d’Héliogabale composée par Bruni, la lettre de Poggio sur le supplice de Jérôme de Prague, l’Inquisitio de Loschi, la lettre pseudo-cicéronienne à Octavien et la lettre-invective de Pierre de Blois, mais aussi plusieurs pièces rares et significatives, dont la lettre de félicitations de Vasco Rodrigues à Niccolò Albergati et son oratio au pape Martin V, les éloges académiques de Giovanni Campiano et le discours de Marco Canetoli au concile de Pise. David Rundle a précisément qualifié ce mélange de ‘formulaire barzizzien’, constitué selon lui par un étudiant bolonais des années 1420. C’est donc un réseau relativement cohérent de diffusion et de réception de la nouvelle rhétorique des studia humanitatis qui se trouve ici mis en lumière, entre l’université de Bologne et la curie, probablement activé grâce aux relations de ces figures d’arrière-plan avec des leaders de l’humanisme à Padoue et à la chancellerie papale (Leonardo Bruni, Poggio Bracciolini, Antonio Loschi étaient tous trois secrétaires apostoliques à la fin du pontificat de Jean XXIII). Et en effet, outre ces deux mélanges, quelques sources éparses permettent d’entrevoir les liens contemporains de ces juristes et curialistes avec des personnalités plus en vue du mouvement humaniste. Ainsi des quatre lettres échangées entre Giovanni Campiano et Leonardo Bruni qui ont été conservées, dans lesquelles le Sicilien dit de son correspondant qu’il est son ‘précepteur’ et ‘l’homme le plus éloquent de notre temps’, le remercie pour ses éloges concernant un discours qu’il a adressé au pape ) Brixen/Bressanone, Priesterseminar/Seminario Maggiore, cod. E 20 (olim 109) f. 50rv : Eiusdem pro eodem in eius privato examine, Inc. Maxime vellem ea in me vis esset (IHL2/2, n° 11720). Sur Giovanni Campiano, voir plus loin. 34) Brixen/Bressanone, Priesterseminar/Seminario Maggiore, cod. E 20 (olim 109) f. 70v–73r : Oratio domini Gasparis de Perusio legum doctorum pro rectore universitatis magistratum assumente, Inc. Magnum hodierno die allatum pondus video (IHL2/2, n° 11493). Sur Gaspare Bonizi voir Revest, Romam veni (n. 3), ad ind. 35) Londres, British Library, Harley 2268. On trouvera une description dans Rundle, David, Of Republics and Tyrants : aspects of Quattrocento humanist writings and their reception in England, c. 1400 – c. 1460, PhD thesis, Univ. of Oxford, 1997, 80–85 et 393–414, ; . 33

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et évoque Palla Strozzi et Poggio Bracciolini.36) L’épistolaire inédit de Gaspare Bonizi fait également apparaître les relations de ce dernier avec Manuel Chrysoloras et Poggio Bracciolini à la curie.37) Vasco Rodrigues est pour sa part connu pour être le destinataire d’une lettre de Guarino Veronese, écrite au début de l’année 1414 à Florence.38) Le contenu de cette lettre nous apprend que le Portugais étudiait alors à Padoue et qu’il se trouvait auprès de Pietro Donato. Il se rendit ensuite à Bologne où il obtint son doctorat avant 1421 et où il contribua, possiblement, à faire circuler les nouvelles productions rhétoriques avec lesquelles il avait été en contact en Vénétie. Il faut encore souligner que de fait, les discours qui sont attribués à ces lettrés méconnus, dans le manuscrit de Brixen, sont tous caractérisés par leur facture classicisante, plus encore par la façon dont y est imité, voire reproduit, le style néocicéronien des humanistes en vogue. De manière récurrente, ces juristes reprennent et recomposent des passages empruntés à Gasparino Barzizza, dans des orationes récemment composées et pour certaines copiées dans le recueil.39) Cette pratique est nettement visible dans les préambules, par exemple dans un éloge académique de Giovanni Campiano et dans une oraison funèbre anonyme pour un docteur en droit prénommé Lolus, qui paraissent directement inspirés par l’ouverture du discours de Barzizza pour le principium en Arts de Lorenzo Bragadin à Padoue (v. 1409).40) Ci-dessous sont indiqués en gras les éléments réemployés de

36) Gualdo Rosa, Lucia (éd.), Censimento dei codici dell'epistolario di Leonardo Bruni, vol. I, Roma 1993, XIII–XVI et 234 ; ead. (éd.), Censimento dei codici dell'epistolario di Leonardo Bruni, vol. II, Roma 2004, 569–571. Les lettres de cet humaniste originaire de Noto sont conservés dans le manuscrit Munich, BSB, Clm 5369, f. 86r–103v. Un discours adressé par Giovanni Campiano à un pape est en effet répertorié : Ioh. Campiani oratio ad papam, Inc. Quantum essem huc ad te veniendi cupidus, Florence, Biblioteca Riccardiana, 976 f. 34v (IHL2/2 n° 17559). 37) Voir le recueil de lettres et discours inédit dans le manuscrit Würzburg, Universitätsbibliothek, M.ch.f.20 ms, f. 55r–82r (reproduction et bibliographie en ligne, ). Sur ce juriste pérugin, qui fut avocat consistorial de la fin du Grand Schisme jusque dans les années 1430 et lecteur en droit canonique à l’université de Florence, voir Revest, Romam veni (n. 3), 365–366 et ad ind. 38) Sur ce juriste originaire de Lisbonne, qui entra également à la curie comme avocat consistorial dans les années 1430 et auquel Vespasiano da Bisticci a consacré une biographie, voir Bettini, Clelia, Tre ‘Valascos’ nell’Italia del Quattrocento: Meser Valasco di Vespasiano da Bisticci e Petrus Vallascis di Cataldo Siculo e Vasco Fernandes de Lucena, in: Humanitas 60 (2008), 205–226, en particulier 207–216. Pour la lettre de Guarino Veronese: Sabbadini, Remigio (éd.), Epistolario di Guarino Veronese I, in: Miscellanea di Storia Veneta 8 (1915), n° 20, 52–54 ; Epistolario di Guarino Veronese III, in: Miscellanea di Storia Veneta 14 (1919), 27. 39) Nous renvoyons de nouveau à Revest, Discours de Gasparino Barzizza (n. 9), en particulier 59–61. 40) Revest, Clémence, Rhétorique cérémonielle et culture humaniste à l’université de Padoue, II. Catalogue, Mémoire de l’École française de Rome 2013, , n° 57.

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façon identique ou avec un procédé de variation (synonymie, déplacement syntaxique) : Gasparino Barzizza, Pro domino Lauro Bragadino in principio artium oratio (non transcrit dans le ms. de Brixen) Maxime vellem, patres eruditissimi, ea in me esset vis atque exercitatio dicendi ut quod apud vos hodierno die facere institui, id ipsum etsi non satis graviter et ornate, saltem mediocriter efficere possem.

Quid enim est quod aut dignius hac ipsa re de qua paulo post dicturus sum, aut expectationibus vestris honestius, aut denique studiis meis gratius excogitare possem, quam in in hoc pulcerrimo atque ornatissimo litteratissimorum hominum conventu ac frequentia de laudibus philosophie posse dicere, atque de ea parte que ad naturam atque ad vim universam animorum pertinet, ea que nobis vir summus Aristotiles reliquit subtiliter et copiose explicare ? Sed cum nec in me satis ingenii esse confidam, neque 41)

IHL2/2, n° 23973.

Giovanni Campiano, Oratio pro eodem in eius privato examine, f. 50rv

Anonyme, Funebris oratio, f. 158r–162r41)

M a xime ve llem e a in me vis esset atque e xer citat i o dice nd i, patr es d oct issim i ac professores illustri, ut q uod hod ie rn a d ie f ac e r e i ns t i t u i intra hoc sacrum domicilium et parietes vestros qui vetusto more Achademie frequentibus ac novis disputationibus semper caleret, id ipsum etsi non satis graviter ornate, s a ltem med io cr iter e fficer e p oss em. Qu id e n im op ta [ t ] iu s a u t q u i d i oc u n d iu s esse michi posset quam i n hoc p u lcerr i m o or na t is sim oqu e liter at issimoru m hom i num c on ve ntu at q ue fre que nti a tam graviter et tam expolite ea d e r e q uam p au l o p o st ac tur us s um vobis audientibus dicere, ut hinc vestro gravissimo optissimoque iudicio commendatus atque laudatus abscederem ? Sed cum ego in me nec s at is i nge n i i c on f i -

[ V ]e l le m m a x i m e h od ier na d ie, d oct is s im i pat r e s civesque praestantissimi, eam iam antea sec ur itate m d i c e nd i a pu d vo s c on secut um esse, ut que paulo post vobis d ict ur u s s um p oss e m or n a t e c o p io s e q u e e t cu m d i gnit ate omnia proferre.

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doctrinam atque exercitationem dicendi, nichil est cur impetrare a vobis veniam non debeam, si et huius laudes omnino preteriero et minus accurate de hac eius magna atque difficilima parte que de anima inscribitur vobis audientibus exposuero.

dam e ss e, neq ue do ct rinam atque e xer cit a t io n i d ic e nd i, n i c h il e s t c u r n o n a v o b is im pet r a r e ve n i am de beam, si non satis vel magnitudini rei, vel honestatis expectationibus vestris facere possum.

De manière plus générale, les orateurs adoptent (comme le fait Gasparino Barzizza dans le discours précédemment cité) une méthode de réécriture cicéronienne, en associant et en retissant dans le propos, à la façon d’un patchwork, différentes formules issues des œuvres de l’Arpinate, pour créer de nouvelles formules. L’oratio composée par le Bolonais Marco Canetoli à l’adresse du concile de Pise en 1409 reprend ainsi des pans entiers du discours Pro Marcello, comme on le décèle clairement à la lecture de ce passage : Cic., Pro Marcello, 2, 5–7

Soleo saepe ante oculos ponere, idque libenter crebris usurpare sermonibus, omnis nostrorum imperatorum, omnis exterarum gentium potentissimorumque populorum, omnis clarissimorum regum res gestas, cum tuis nec contentionum magnitudine nec numero proeliorum nec uarietate regionum nec celeritate conficiendi nec dissimilitudine bellorum posse conferri ; nec uero disiunctissimas terras citius passibus cuiusquam potuisse peragrari, quam tuis non dicam cursibus, sed uictoriis lustratae sunt. Quae quidem ego nisi ita magna esse fatear, ut ea uix cuiusquam mens aut cogitatio capere possit, amens sim : sed tamen sunt alia maiora. Nam bellicas laudes solent quidam extenuare uerbis, easque detrahere ducibus, communicare cum multis, ne propriae sint imperatorum. Et certe in armis militum uirtus, locorum opportunitas, auxilia so-

Oratio domini Marci de Canitulo de Bononia legum doctoris coram caetu Pisano pro ecclesia Dei, f. 104v–110v, [ici f. 106rv] Mecum etenim sepius contuli cre b r isq ue se r m on i bu s us ur pa v i, o mni a c e sar e i no m ini s c l ar a fac inora , om ne s et p o ten t is si mo rum po p u lo rum ge st us re et fama mirabiles, nec eos tamen putavi aut n umer o aut qualitate aut denique m ag ni tud i ne sua ac cum laude po s se co n ferri , nullamque in hiis omnibus laudem esse ampliorem visum est quam ea quam hac in re sibi hinc sacratissimus ordo quesivit.

Be llice et enim laud es numquam aut pene soli cuiquam contigere, eas equum est c omunicare cum multis. Namque – ut illud Ciceronis efferram – « m i l it um v irt us, l oc orum op p or t u n it a s , a u x il i a s oc i oru m c la s s iu m

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ciorum, classes, commeatus multum iuuant : maximam uero partem quasi suo iure Fortuna sibi uindicat, et quicquid prospere gestum est, id paene omne ducit suum. At uero huius gloriae, C- Caesar, quam es paulo ante adeptus, socium habes neminem : totum hoc quantumcumque est (quod certe maximum est) totum est, inquam, tuum. Nihil sibi ex ista laude centurio, nihil praefectus, nihil cohors, nihil turma decerpit : quin etiam illa ipsa rerum humanarum domina, Fortuna, in istius societatem gloriae se non offert: tibi cedit; tuam esse totam et propriam fatetur.

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c omme atu s mu ltum iu vant. Ma xima m ve ro par tem q uasi suo ju re s i bi f ort una vind ic at et qu ic qu id est prospere gestu m , id p e n e om n e d uc it suum » . At hu ius gl or ie quam hic cetus am plissimus nact us e st s oc ium ha bet nem i nem, t ot um hoc qu antumc umque e st ( qu od certe t an tum e st) ut nulla hiis gestis finem allatura sit etas, t ot um, in q uam, suum e st. N ic h il ex i st a laud e centurio, nic h il pre fect us, n i c h i l c oh or s , n ic h il t u r m a d e c e r p i t : qu i n et iam i l la ip sa rer um h uma na rum d om in a, f ortu na, i n i s ti us soc ie ta tem g l or ie s e n on offert : sibi ced it , eam et suam e t p ro pr ia m con f ite tur.

Canetoli procède ainsi par un jeu de citations cachées (employées par l’orateur comme son propre propos) ou montrées (ut illud Ciceronis efferam) et d’oscillations limitées (soleo saepe ante oculos ponere devient mecum sepius contuli). Il suit en cela le précepte de Barzizza dans son De imitatione (v. 1413–1417), selon lequel ‘la bonne imitation doit consister et être conçue de manière que le style et l’éloquence semblent reproduire Cicéron ou un autre orateur, et cependant elle ne doit pas être identique dans les mots’.42) En somme, le mélange qui constitue la deuxième section du manuscrit de Brixen présente un remarquable témoignage de la fortune immédiate du premier cicéronianisme en Italie du Centre-Nord et, si l’on entre dans le détail de l’analyse textuelle, on peut percevoir comment des orateurs mineurs, dans les universités et les chancelleries, s’en sont emparés à leur propres fins : Johann Röttel a été l’un des acteurs de second plan, oubliés par la grande Histoire, de l’expansion de ce nouveau catalogue d’écriture comme modèle rhétorique dominant.

42) Pigman, George W., Barzizza’s Treatise on Imitation, in: Bibliothèque d’Humanisme et Renaissance 44 (1982), 341–352, ici 350: Ita bona imitatio debet esse et accipi ita ut stilus et eloquentia videatur assimulari Ciceroni vel alio oratori, et tamen non esse debet eadem in verbis.

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3. L’importation et le réemploi du modèle humaniste dans un contexte germanique et clérical Cette optique d’analyse est d’autant plus signifiante dans ce cas que, s’agissant d’un juriste originaire de Salzbourg et appelé à poursuivre dans les années suivantes une longue carrière de prélat, jusqu’à l’épiscopat de Brixen, cette compilation ouvre aussi une perspective sur la promotion, par la voie de la peregrinatio academica et du réseau curial, de la culture humaniste dans le monde germanique et la sphère ecclésiastique.43) La section II se clôt, cela a été évoqué, par sept discours de Johann Röttel luimême, qui sont connus par cette seule copie et qui ont été composés à la fin de ses études juridiques, dans les années 1422–1424, alors qu’il était déjà prévôt de Salzbourg.44) En voici la liste : 1. f. 185v–186r : Oratio facta per dominum Io[hannem] praepositum Saliensem in suo privato examine Bononie facto, Inc. Ut in tam celeberrimo loco et in tam venerabili concessu verba, Johann Röttel, discours de présentation à la licence (en droit canonique, Bologne), 1422 ? 2. f. 186r–187r : Alia pro suo publico examine, Inc. Si nunc viri illustres ac patres doctissimi de singulari et eximia divina potius quam humana, Johann Röttel, discours de pétition des insignes doctoraux en droit canonique, Bologne, 1422. 3. f. 187r–188v : Oratio facta per eundem in provisione ecclesie Laventinensis, Inc. Si quis vestrum forte miratur reverendissime pater, Johann Röttel, discours de célébration de la nomination de Friedrich Deys à l’épiscopat de Lavant, vraisemblablement adressé 43) Le rôle des étudiants d’origine germanique dans la diffusion des studia humanitatis a été largement souligné et mis en lumière depuis les travaux d’Agostino Sottili: Sottili, Agostino, I codici del Petrarca nella Germania occidentale (Censimento dei codici petrarcheschi, 4, 7), Padova 1971– 1978; id., Humanismus und Universitätsbesuch. Die Wirkung italienischer Universitäten auf die Studia Humanitatis nördlich der Alpen = Renaissance humanism and university studies : Italian Universities and their Influence on the Studia Humanitatis in Northern Europe, Leiden/Boston 2006 ; Girgensohn, Dieter, Studenti e tradizione delle opere di Francesco Zabarella nell’Europa centrale, in: Piovan, Francesco/Sitran Rea, Luciana (éd.), Studenti, università, città nella storia padovana: atti del Convegno, Padova 6–8 febbraio 1998, Trieste 2001, 126–176; Rosso, Paolo, Tradizione testuale ed aree di diffusione della Cauteriaria di Antonio Barzizza, in: Humanistica Lovaniensia 53 (2004), 1–92 ; id., Iter germanicum di una leggenda. Forme e ambiti di ricezione della Griselda petrarchesca in Germania, in: Comba, Renato/Piccat, Marco (éd.), Griselda : metamorfosi di un mito nella società europea, Atti del Convegno internazionale a 80 anni dalla nascita della Società per gli studi storici della Provincia di Cuneo, Saluzzo, 23–24 aprile 2009, Cuneo 2011, 117–144 ; Forner, Fabio, Umanesimo e università in Italia : alcune considerazioni su due codici miscellanei, in: Negruzzo, Simona (éd.), Università, umanesimo, Europa : giornata di studio in ricordo di Agostino Sottili, Pavia 18 novembre 2005, Milano 2007, 269–293 ; id., Le miscellanee universitarie e la loro diffusione oltralpe, in: Mélanges de l’École française de Rome – Moyen Âge 128,1 (2016), 45–70, . 44) Pour le contenu et les individus nommés dans ces discours, nous renvoyons de nouveau à Kustatscher, Kirchliche Karriere (n. 3), et aux indications bibliographiques qui y sont données.

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à l’archevêque de Salzbourg Eberhard III. von Neuhaus, devant le chapitre cathédral ?, 1422.45) 4. f. 188v–189r : Alia per eundem in publicatione litterarum dicte provisionis, Inc. Reverende pater et domine sub quadam tue reverende pater fiducia ad tue sublimitatis naturam, Johann Röttel, discours de recommandation adressé à Friedrich Deys après la confirmation de sa nomination à l’épiscopat de Lavant, devant le chapitre cathédral (?), Lavant (?), 1422. 5. f. 189r–192r : Alia facta per eundem in prestatione iuramenti episcopi Frisingensis, Inc. Credo equidem electe et confirmate dignissime miraberis, Johann Röttel, discours de félicitations adressé à Nicodemo della Scala pour son investiture comme évêque de Freising, 1423/1424 (l’élection intervint en décembre 1423, après plus d’un an d’un conflit résolu grâce au soutien de Martin V et à la médiation de l’archevêque de Salzbourg).46) 6. f. 192v–196v : Collatio concepta sed non pronuntiata, Inc. Homo iste iustus et timoratus exspectat consolationem scribitur Luce II. C. Celeberrime pater et dignissime archipresul, si umquam maximo desiderio exspectavi, Johann Röttel, discours en faveur du transfert d’Heinrich Fleckel de l’épiscopat de Trente vers celui de Chiemsee, 1423.47) L’archevêque de Salzbourg, médiateur dans cette affaire, s’est prononcé contre ce transfert. 7. f. 196v–200r : Collocutio facta per Io(hannem) prepositum Soliensem decretorum doctorem in translatione episcopi Chiemensis et provisione electi Laventinensis, Inc. Ex quo reverendissime pater et domine reverendus pater et dominus Fridericus episcopus Laventinensis, Johann Röttel, discours de célébration de la nomination de Lorenz Liechtenberger comme évêque de Lavant (après le transfert de Friedrich Deys à l’épiscopat de Chiemsee), vraisemblablement adressé à l’archevêque de Salzbourg Eberhard III. von Neuhaus, 1424. Les discours n° 3 à 7 laissent à penser qu’à partir de 1422 au moins, Johann Röttel a été directement engagé dans les affaires de l’archidiocèse de Salzbourg, en particulier dans le jeu complexe des nominations épiscopales qui se jouait entre l’archevêque, la curie, les chapitres cathédraux et les élites locales. On notera en particulier que Friedrich Deys, Nicodemo della Scala et Heinrich Fleckel étaient

45) Sur la nomination de Friedrich Deys et l’archidiocèse de Salzbourg: Sacherer, Johannes, Habsburgs Griff auf die Salzburger Positionen in Kärnten zur Zeit Erzbischofs Eberhards III. (1403–1427), in: Mittheilungen der Gesellschaft für Salzburger Landeskunde 139 (1999), 7–26, . 46) Strnad, Alfred A., Art. Della Scala, Nicodemo, DBI 37 (1989), . 47) Denk, Ulrike, Art. Heinrich Fleckel von Kitzbühel, in: 650 plus – Geschichte der Universität Wien, 2020, .

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tous trois des curialistes de Martin V, dont Röttel pouvait potentiellement rechercher le patronage.48) Il n’est pas interdit de penser, notamment, que ce dernier était au service de Friedrich Deys (au vu des trois textes qui le concernent), peut-être en tant que secrétaire. Il est surtout frappant de constater que, dans ce contexte particulier, Röttel a composé des textes qui ont tous, hormis le discours n° 7, une nette coloration humaniste, comme dans le reste du mélange qui les précèdent. Le modèle néocicéronien est ici comme importé dans une sphère spécifiquement liée au parcours de notre clerc salzbourgeois qui, au moins au cours de cette brève période de sa vie, a visiblement cherché à reproduire lui-même les nouveaux modèles avec lesquels il avait été familiarisé en Italie. Plusieurs des préambules de ses orationes consistent ainsi en des réécritures très proches, voire identiques, des formules topiques de captatio benevolentiae employées par Barzizza et ses émules dans des éloges tout juste mis en circulation. C’est le cas du discours n° 3, pour la nomination de Friedrich Deys à l’épiscopat de Lavant, qui commence de la façon suivante : Si quis vestrum forte miratur, reverendissime pater ceterique domini egregii ac viri insignes, cur ego qui numquam hoc orationis genere usus fui, nunc primum vestigiis antiquorum maiorum nostrorum qui in talibus thema proposuere, illud quod prosecuti sunt non inherendo, sed nova quadam atque mihi insolita dicendi ratione ad orandum venerim, illud non sine causa a me fieri intelliget, si modernorum morem ritumque ac pro cuius rei laude in hoc venerabili loco verba facturus sim prius agnoverit.

Johann Röttel annonce donc d’emblée qu’il va s’écarter des canons rhétoriques usuels, en abandonnant le principe du verset thématique, et qu’il s’apprête à employer ‘une façon de parler nouvelle et insolite’ – signe d’une parfaite conscience de son choix stylistique, présenté comme « la manière des modernes ». De fait, cette captatio reprend et amplifie l’exorde du discours académique de Gasparino Barzizza pour Luca Bondelmonte, copié au f. 43r–44v du même manuscrit49) : Si quis forte vestrum miratur, viri illustres et patres doctissimi, cur ego qui numquam hoc orationis genere usus fui, nunc primum nova quadam atque mihi insolita dicendi ratione ad orandum venerim ; illud non sine causa a me fieri intelliget, si pro cujus rei laude verba facturus sim in hoc amplissimo conventu vestro cognoverit.50)

48) Il ne manque pas d’ailleurs de souligner que Friedrich Deys était auditeur de la Rote dans sa recommandation (f. 189r). 49) Barzizza, Gasparino, Gasparini Barzizii Bergomatis et Guiniforti filii opera, vol. I, éd. par Giuseppe Alessandro Furietti, Roma 1723, 69–71. 50) Il s’agit de la version donnée par le manuscrit de Brixen.

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Cet exorde de Barzizza était lui-même directement inspiré de celui de la Divinatio in Caecilium de Cicéron, dont l’humaniste avait retenu la structure générale et l’effet rhétorique provocateur (l’orateur annonce qu’il va provoquer la surprise de l’auditoire et anticipe les objections à sa position paradoxale).51) Dans le discours n° 6, pour le transfert d’Heinrich Fleckel, Röttel fait d’abord mine d’introduire un verset thématique, avant de développer une captatio humaniste qui reprend presque mécaniquement l’ouverture d’un éloge académique de Francesco Zabarella à Fantino Dandolo (Padoue, 1407) – un éloge également copié dans le manuscrit de Brixen, où il est en outre faussement attribué à Gasparino Barzizza : Francesco Zabarella, In conventu iuris canonici domini Fantini Danduli de Venetiis (Padoue, 1412) [version du ms. de Brixen, f. 46r–46v52] Si quid unquam, patres optimi, maximo desiderio exspectavi, hoc unum illud est : quo nunc urgeor ut explicandis laudibus illustris viri domini Fantini Dandulo sicuti voluntatis fervor adesset, ita etiam non deesset temporis opportunitas. Quamquam enim votum non assequor, ut pro ipsarum magnitudine sermonem accomodarem, in hoc saltem non deessem, ut quantum vires sufficerent, eniterer de viro dignissimo laudes et gloriam et optime de merito multiplici in me officium attestari. Sed cum animadverto michi nichil fore temporis ad hanc rem arduam superesse, satius existimo non incipere quam imperfectam relinquere, ne si tantum genera quedam laudum suarum attigeri videar alia multaque pretermittere oportebit, aut non digna preconio, aut non vera existimasse.

Johann Röttel, Collatio concepta sed non pronuntiata, f. 192v

Homo iste iustus et timoratus exspectat consolationem scribitur Luce II. C. Celeberrime pater et dignissime archipresul, s i umq uam m a x im o d e sid e r io e xspe cta v i ho c u num e st : qu o n u nc urg eor u t e xp l ica ndi s virtutibus huius clarissimi v ir i d om i ni H(enrici) Electi Kymensis s icu t vol u nta t is f e r vor a d e s s e t , i t a e t ia m n o n d e e sse t tem poris opor tu nita s.

S ed cum a n imad ve rt o mic h i n i c h il f o r e t e m po r i s a d ha nc r e m ard uam su pere sse , sa tius e xis t im o n o n i nc ip e r e q u a m rem huiusmodi im per fect am re linquere .

51) Cicéron, Divinatio in Caecilium, 1 : Si quis vestrum, iudices, aut eorum qui adsunt, forte miratur me, qui tot annos in causis iudiciisque publicis ita sim versatus ut defenderim multos, laeserim neminem, subito nunc mutata voluntate ad accusandum descendere, is, si mei consili causam rationemque cognoverit, una et id quod facio probabit, et in hac causa profecto neminem praeponendum mihi esse actorem putabit. 52) Revest, Clémence, La rhétorique académique de Francesco Zabarella, entre scolastique et humanisme, in: Piovan, Francesco/Valsecchi, Chiara (éd.), Francesco Zabarella (1360– 1417) : Diritto, chiesa, cultura, Milano 2020, 223–238.

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Le juriste a dans ce cas emprunté directement la première et la troisième phrase pour composer son propre préambule, en changeant le nom du destinataire, en introduisant quelques synonymes (« clarissimi » au lieu d’ « illustrissimi ») ou variations syntaxiques (l’insertion de « rem huiusmodi ») et en abrégeant la dernière sentence. Dans l’ensemble, les discours de Röttel sont truffés de topoi et de références caractéristiques du genre oratoire néo-cicéronien. Ainsi la formule in ea parte labores ubi minimum ius fortuna maxima vero vim virtus habet atque sapientia, employée dans l’éloge n° 5 à propos de Nicodemo della Scala, paraît-elle empruntée à un panégyrique très diffusé de Gasparino Barzizza pour le pape Alexandre V, également présent dans le mélange : In te vero, Pater Clementissime, minimas semper habuit partes fortuna : maxima vero natura, et virtus tua.53) Dans ce même discours, les usages qui sont faits de la question oratoire, de la topique de l’éloge de personne et des citations d’auteurs antiques ou humanistes sont emblématiques. Voir par exemple ce passage : Sed quis tam probe doctus atque eruditus est, qui posset genus tuum preclarum de la Scala, unde traxisti originem, vel magnificando gesta, vel prudenter acta, vel gravissime confecta, plene extollere ? Tu tamen, vir optime, cognoscens iuxta sententiam Jo(hannis) Boccacii, de casibus virorum illustrium libro VI. C. III., veram nobilitatem « non aliter posteris hereditatis vel legatario seu quovis alio iure linqui posse, quam scientiam vel ingenium relinquatur », ideo ad summam litterarum doctrinam probatissimos mores, vite integritatem, religionem, fidem, reliquasque quam plurimas artes, quibus liberaliter edoctus preditusque es, te convertens veram propterea nobilitatem assecutus es …54)

Le panégyriste aborde deux arguments caractéristiques du genre humaniste de l’éloge de personne, c’est-à-dire la célébration de l’illustre lignée et la liste des vertus. Il emploie pour ce faire une question oratoire en suivant une tournure universelle de protestation en incapacité (Quis tam [adjectif] est qui posset etc.) dont on trouve plusieurs exemples chez Cicéron, par exemple dans le Pro Roscio Amerino (Quis umquam praedo fuit tam nefarius, quis pirata tam barbarus ut, cum integram praedam sine sanguine habere posset, cruenta spolia detrahere mallet?) et dans le De amicitia (Quis tam esset ferreus, qui eam vitam ferre posset, cuique non auferret fructum voluptatum omnium solitudo ?).55) Il cite ensuite explicitement un extrait du recueil de biographies d’hommes illustres de Boccace (De casibus virorum illustrium56) : la référence est en soi significative dans son contexte de composition – l’élection d’un évêque de ) Barzizza, Gasparini Barzizii Bergomatis et Guiniforti filii opera I (n. 49), 16. ) Brixen/Bressanone, Priesterseminar/Seminario Maggiore, cod. E 20 (olim 109), f. 189v–190r. 55) Cicéron, Pro S. Roscio Amerino, 146, 9 ; Laelius de amicitia, 87, 14–15. C’est une tournure très usitée par les humanistes. 56) Boccace, De casibus virorum illustrium, VI, 3 (Pauca de nobilitate), Roma 2007, Corpus Corporum [en ligne], . 53 54

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Freising d’origine italienne – mais elle permet surtout à Röttel d’introduire le thème de la vraie noblesse comme excellence dans le savoir, transmise par l’intelligence et les études littéraires, qui est l’une des idées maîtresses de la rhétorique académique humaniste au début du XVe siècle.57) Ces quelques analyses nous suggèrent que Johann Röttel avait lui-même acquis une certaine compétence dans ce style oratoire, des compétences dont il a voulu faire usage dans le cadre de sa carrière cléricale dans le diocèse de Salzbourg, possiblement pour se mettre en valeur. Ses discours présentent en outre des exemples de transposition/acclimatation du style néo-cicéronien qui sont particulièrement intéressants de deux points de vue. Premièrement, il s’agit de l’inclusion du droit canonique dans l’éloge des bonae artes et dans l’orbite d’influence humaniste (discours n° 1 et 2), un processus significatif de l’attraction générale des savoirs universitaires par la rhétorique des studia humanitatis à partir des années 1420. On connaît par ailleurs le rôle joué par un milieu de juristes d’origine germanique à Padoue, dans l’entourage de Pietro del Monte.58) Le discours de pétition des insignes doctoraux de Röttel, à Bologne, pourrait ainsi être mis en parallèle avec celui de Gregor Heimburg à Padoue, vers 1430, pour son propre conventus en droit canonique : tous deux développent par exemple le thème de l’éloge de la discipline comme science souveraine, dont la grandeur est supérieure à toute compétence oratoire, en l’appliquant au droit canonique.59) Deuxièmement, l’emploi de ce modèle dans un cadre ecclésial est à remarquer : ces éloges adressés à l’évêque ou au chapitre cathédral, sont révélateurs d’une dynamique de pénétration de l’humanisme dans la culture des élites cléricales qui a fait l’objet de récents travaux.60) Un point de tension central demeure celui de l’équilibre à établir entre cette nouvelle éloquence et le canon dominant du sermon scolastique, que Johann Röttel savait également manier. Le cas du discours n° 6 est à cet égard frappant : l’orateur commence par un verset (Homo iste iustus et timoratus exspectat consolationem scribitur Lucae II. c. [Lc 2,25]) mais continue, nous l’avons vu, avec un préambule humaniste emprunté à un discours padouan de Francesco Zabarella, puis sa démonstration revient au sermon, en proposant un

57) Rosso, Paolo, Retorica e peregrinatio academica. L’orazione di Catone Sacco per la laurea in diritto civile di Michael Paeldinc all’Università di Pavia (14 dicembre 1438), in: Strack, Georg/Knöder, Julia (éd.), Rhetorik in Mittelalter und Renaissance. Konzepte – Praxis – Diversität (Münchener Beiträge zur Geschichtswissenschaft 6), München 2011, 337–367. 58) Sottili, Agostino, Studenti tedeschi ed umanesimo italiano nell’università di Padova durante il Quattrocento, Pietro del Monte nella società accademica padovana (1430–1433), Padova 1971. 59) Joachimsohn, Paul, Gregor Heimburg (Historische Abhandlungen aus dem Münchener Seminar 1), Bamberg 1891, 302–303. 60) Voir les travaux de Cécile Caby, dont Caby, Cecile, Autoportrait d’un moine en humaniste. Girolamo Aliotti (1412–1480), Roma 2018.

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commentaire exégétique du verset initial – ainsi Homo iste 2°. In speciali quoad vite eius mundiciam et probitatem … Il retrace la carrière d’Heinrich Fleckel – rappelant au passage ses études à Padoue – et s’appuie sur une série de citations bibliques et patristiques. La collatio est une sorte d’expérimentation hybride, qui alterne entre les registres. Le dernier discours, enfin, est le seul à ne pas adopter, ou quasiment, de coloration néo-cicéronienne pour s’en tenir au sermon thématique. La seule inflexion notable semble être, dans le préambule, le recours discret aux topoi de l’excusatio propter infirmitatem et de la mise en scène de l’acte oratoire : Ex quo, Reverendissime pater et domine, Reverendus pater et dominus Fridericus Episcopus Laventinus ad ecclesiam Kymen(sem) per vos ad ecclesiam Kyemen(sem) iam translatus est ideo de eo ad presens non aliud occurrit nisi quod scribitur ecclesiastici XLIIII placuit deo et translatus est [Sir. 44,16]. Et ideo virtutes atque eius gesta recitare obmitto et ad alium nostrum egregium electum s erm o nem me um vert o cu i us u t l aud es a pt ius r ec itar e valea m as sum o m ic h i h oc t hem a : Laurentius bonum opus operatus est.

Le discours se poursuit, comme le précédent, par une série de commentaires fondés sur des citations bibliques et patristiques. Autant d’éléments qui renvoient à la formation universitaire de Röttel et à d’autres aspects du volume, notamment le compendium théologique initial et la collection de sentences d’autorités. On voit donc que les tentatives menées par ce dernier pour s’approprier, dans le cadre de sa carrière cléricale, le modèle de l’oratio humaniste n’ont pas signifié une substitution complète et ont pu donner des résultats très partiels. Comme beaucoup de lettrés formés dans les universités italiennes de l’époque et/ou passés par la curie, il se trouvait au cœur des rapports de force culturels qui ont concouru à définir les compromis possibles entre tradition académique et poussée des studia humanitatis, entre culture chrétienne et classicisme. C’est de ce mélange complexe dont témoigne le manuscrit de la bibliothèque épiscopale de Brixen.

Vom Duzen und Ihrzen in den Briefen des Nikolaus von Kues Felix Melching

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ausende zeitgenössische Quellen geben Zeugnis vom Leben und Wirken von Nikolaus von Kues – ein Umstand, den nicht zuletzt das Editionsprojekt der Acta Cusana eindrucksvoll belegt. Zum Quellenkorpus gehören auch eine große Menge Briefe, in denen Nikolaus von Kues erwähnt wird, sowie rund 850 Briefe, deren Absender oder Adressat er selbst war. Zum Teil handelt es sich dabei um einzelne Stücke, deren Kontext sich nur erschließen lässt, während in anderen Fällen ausführliche Briefwechsel mit zahlreichen Briefen überliefert sind, die detaillierte Rückschlüsse über das Verhältnis der Briefpartner zueinander zulassen. Eine Reihe dieser Briefwechsel sind sehr bekannt und von der Forschung ausführlich gewürdigt worden. Der berühmteste Briefwechsel des Cusanus ist wohl jener mit den Mönchen des Klosters Tegernsee. Er ist in der Forschung umfangreich diskutiert worden und wurde bereits in den 1920er Jahren von Edmund Vansteenberghe einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht. 1 ) Doch auch andere Korrespondenzen des Cusaners fanden das Interesse der Forschung, etwa der Briefwechsel mit Enea Silvio Piccolomini, aus dem der Brief des Bischofs von Siena vom Fall Konstantinopels noch einmal herausragt2), oder das Gespräch über den Koran mit dem spa1) Vansteenberghe, Edmond (Hg.), Autour de la docte ignorance. Une controverse sur la théologie mystique au XVe siècle (Beiträge zur Geschichte der Philosophie des Mittelalters 14, 2–4), Münster i. W. 1915. Von der umfangreichen Literatur zum Briefwechsel seien hier genannt: Grabmann, Martin, Bernhard von Waging († 1472), Prior von Tegernsee, ein bayerischer Benediktinermystiker des 15. Jahrhunderts, in: Stud.Mitt.OSB 60 (1946), 82–98; Schmidt, Margot, Nikolaus von Kues im Gespräch mit den Tegernseer Mönchen über Weisheit und Sinn der Mystik, in: MFCG 18 (1998), 25–49; Endres, Rudolf, Nicolaus Cusanus und das Kloster Tegernsee, in: Kazuhiko Yamaki (Hg.), Nicholas of Cusa. A medieval thinker for the modern age, Richmond 2002, 134–144; Treusch, Ulrike, Nicolaus Cusanus und Bernhard von Waging, in: Cusanus-Jahrbuch 3 (2012), 61–83; Woelki, Thomas, Cusanus im Dialog mit den Mönchen von Tegernsee. Kommunikative Strategien und Akzeptanzressourcen, in: Euler, Walter Andreas (Hg.), Nikolaus von Kues. Denken im Dialog (Philosophie. Forschung und Wissenschaft 50), Münster 2019, 211–230. 2 ) Zum Briefwechsel zwischen Cusanus und Enea Silvio Piccolomini vgl. Baum, Wilhelm, Enea Silvio Piccolomini (Pius II.), Cusanus und Tirol, in: Der Schlern 56 (1982), 174–195; Meuthen, Erich, Ein „deutscher“ Freundeskreis an der römischen Kurie in der Mitte des 15. Jahr-

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nischen Theologen Johannes von Segovia, dessen Karriere sich nach seinem entschlossenen Eintreten für das Basler Konzil in den 1450er Jahren auf dem Abstellgleis befand, was andererseits dazu beitrug, dass seine späten Lebensjahre, die er in klösterlicher Abgeschiedenheit in Aiton (Savoyen) verbrachte, zu einer Phase produktiver Gelehrsamkeit wurden.3) Den ungleich größeren Teil des Cusanischen Briefkorpus machen indes nicht diese prominenten Beispiele aus, sondern die vielen Schreiben, die während seiner Amtszeit als Bischof von Brixen entstanden sind und die zum größten Teil die Verwaltung seines Bistums betrafen. Von diesen Briefen sind rund 200 Stück in jenem Briefregister überliefert, das von Friedrich Hausmann als sogenanntes Brixner Briefbuch ediert worden ist und dessen Briefkonzepte größtenteils von der Hand des bischöflichen Sekretärs Christoph Krell niedergeschrieben worden sind.4) In besagtem Briefbuch finden sich Briefe an prominente Persönlichkeiten ihrer Zeit, etwa an die Herzogin Eleonore von Schottland5), den Grafen Johann von Görz oder den Bischof Georg Hack von Trient. Der größte Teil der Schreiben ist jedoch an weitaus weniger bedeutende Adressaten gerichtet. In den allermeisten Fällen sind keine Antwortschreiben erhalten. Die Dialogizität ergibt sich allein aus der Reaktion, oder auch aus der Nicht-Reaktion der Briefpartner. Keine Antwort zu geben oder nicht zu reagieren, kann schließlich auch eine Antwort sein. Die hunderts. Von Cesarini bis zu den Piccolomini, in: Bäumer, Remigius u.a. (Hg.), Synodus, Beiträge zur Konzilien- und allgemeinen Kirchengeschichte. Festschrift für Walter Brandmüller (Annuarium historiae conciliorum 27–28), Paderborn 1997, 487–542; Kisch, Guido, Nikolaus Cusanus und Aeneas Silvio Piccolomini, in: Grass, Nikolaus (Hg.), Cusanus-Gedächtnisschrift (Forschungen zur Rechts- und Kulturgeschichte 3), Innsbruck 2000, 35–44; Der Brief vom 21. Juli 1453, in dem Piccolomini vom Fall Konstantinopels berichtet, ist gedruckt in AC II 2, Nr. 3536, auch bei Wolkan, Rudolf (Hg.), Der Briefwechsel des Eneas Silvius Piccolomini, Bd. III 1, Wien 1918, 204–215 Nr. 112. Zu diesem Brief vgl. Meuthen, Erich, Der Fall von Konstantinopel und der lateinische Westen, in: Historische Zeitschrift 237 (1983), 1–35, hier 1f., 4f., 10, 32; Helmrath, Johannes, Pius II. und die Türken, in: Guthmüller, Bodo/Kuhlmann, Wilhelm (Hg.), Europa und die Türken in der Renaissance (Frühe Neuzeit. Studien und Dokumente zur deutschen Literatur und Kultur im europäischen Kontext 54), Tübingen 2000, 91f.; Moudarres, Andrea, Crusade and Conversion. Islam as Schism in Pius II and Nicholas of Cusa, in: Modern language notes 128 (2013), 40–52, hier 40f. 3) Vgl. Biechler, James E., A new face towards islam, Nicholas of Cusa and John of Segovia, in: Christianson, Gerald/Izbicki, Thomas M. (Hg.), Nicholas of Cusa in search of God and wisdom. Essays in honor of Morimichi Watanabe (Studies in the history of Christian thought 45), Leiden 1991, 185–202; Euler, Walter/Stammköter, Franz-Bernhard, Johannes von Segovia und Nikolaus von Kues im Gespräch über den Islam, in: Euler, Walter Andreas (Hg.), Cusanus und der Islam, Trier 2010, 49–65. 4 ) Hausmann, Friedrich (Hg.), Das Brixner Briefbuch des Kardinals Nikolaus von Kues, Heidelberg 1952. 5) Vgl. dazu Mutschlechner, Georg, Nikolaus Cusanus und Eleonore von Schottland, in: Grass, Nikolaus (Hg.), Cusanus-Gedächtnisschrift (Forschungen zur Rechts- und Kulturgeschichte 3), Innsbruck 1970, 251–270.

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Lücken der Überlieferung lassen indes auch in dieser Hinsicht nicht immer eindeutige Schlüsse zu. Im Zentrum der folgenden Überlegungen sollen einige Briefe des Cusanus stehen, auf die zwar keine Antworten in brieflicher Form überliefert sind, die jedoch eine Handlung des Adressaten auslösten – sodass von einer Dialogizität durchaus die Rede sein kann. Besagter Adressat dürfte selbst den meisten Cusanus-Experten nicht auf Anhieb ein Begriff sein. Es handelt sich um Nikolaus Paluger von Lafay, den stellvertretenden Richter von Kastelruth. Der Ort Kastelruth wird heute – zumindest in nicht-pandemischen Zeiten – einmal im Jahr von tausenden Liebhabern Südtiroler Liedgutes besucht, und zwar zum sogenannten Spatzenfest. Auch sonst ist der im Schlerngebiet, etwas abseits der Straße zwischen Brixen und Bozen gelegene Ort, ein beliebter Anlaufpunkt für Touristen. In mittelalterlichen Quellen ist Kastelruth hingegen meist nur dann greifbar, wenn es den Besitzer wechselte. Das Kastelruther Gericht gehörte zeitweise zum Hochstift Brixen, wurde dann aber als Lehen an die Grafen von Tirol vergeben und von diesen als Pfand an die Familie Wolkenstein weitergereicht.6) Die Wolkensteiner besaßen daher Mitte des 15. Jahrhunderts das Recht, den Pfleger einzusetzen. Im Jahr 1456 lag das Amt bei einem gewissen Christoph Zwingensteiner. Das Problem dabei: Christoph Zwingensteiner war noch minderjährig. Aus diesem Grund konnte er das Amt nicht persönlich ausüben, sondern es wurde ein Stellvertreter bestellt: der genannte Nikolaus Paluger. Damit die Interessen des Christoph Zwingensteiner jedoch gewahrt würden, agierte als sein Vormund der oberste Geistliche des Bistums: Nikolaus von Kues.7) Weshalb ein Minderjähriger überhaupt zum Richter von Kastelruth ernannt wurde, ist nicht zu ergründen – aber in diesem Zusammenhang auch nicht weiter relevant. Hier interessieren allein die Briefe des Nikolaus von Kues an Nikolaus Paluger. Bevor diese Briefe im Einzelnen untersucht werden sollen, ist jedoch einiges Grundsätzliches zum Briefeschreiben an sich zu sagen. Ein Brief definiert sich unter anderem dadurch als Brief, dass er gewissen formalen Anforderungen genügt. Diese betreffen die äußere, die sprachliche und die 6) Zur Geschichte Kastelruths vgl. Huter, Franz, Vom alten Kastelruth. Adelige, bäuerliche und kirchliche Schichtungen im Gebinde der Gemeinschaften, in: Nötting, Josef (Hg.), Gemeinde Kastelruth, Vergangenheit und Gegenwart, ein Gemeindebuch zum 1000-Jahr-Jubiläum der Erstnennung der Orte Seis und Kastelruth, Kastelruth 1983, 121–174. 7) Die Verhältnisse im Gericht Kastelruth ergeben sich allein aus den im Folgenden diskutierten Briefen des Nikolaus von Kues und sind anderweitig nicht dokumentiert, vgl. AC II 4, Nr. 4753. Zum Vormundschaftsrecht im Mittelalter vgl. Roth, Andreas, Zu den Anfängen der Vormundschaft über Erwachsene im Mittelalter und der frühen Neuzeit, in: Chiusi, Tiziana u.a. (Hg.), Das Recht und seine historischen Grundlagen. Festschrift für Elmar Wadle (Schriften zur Rechtsgeschichte 139), Berlin 2008, 945–962.

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inhaltliche Form. Die meisten Briefe, die uns heute im Alltag begegnen, sind genormt. Sie entsprechen der DIN 5008 des Deutschen Instituts für Normung. Sie setzt den Standard, an dem sich die Briefvorlagen der meisten Behörden und Unternehmen orientieren.8) Im Mittelalter gab es kein Deutsches Institut für Normung. Wohl aber gab es ein allgemein anerkanntes Regelwerk von der Kunst einen Text zu konzipieren: die ars dictaminis.9) Und natürlich unterlag auch im Mittelalter das, was als korrekt empfunden wurde, den Launen der Mode wie auch den Anforderungen der Zeit und änderte sich laufend: Ein Brief des 15. Jahrhunderts sieht daher anders aus als einer aus dem 14. Jahrhundert. Und da die Praxis der Theorie in aller Regel einen Schritt voraus ist, verloren jene Traktate, welche die gängigen Konventionen festhielten und die zusammenfassend als artes dictandi bezeichnet werden können, mit der Zeit an Aktualität. Wenngleich daher davon ausgegangen werden kann, dass die Empfehlungen der artes dictandi in den mittelalterlichen Kanzleien nicht immer eins zu eins umgesetzt wurden, bot die ars dictaminis gleichwohl einen Bezugsrahmen, innerhalb dessen sich die Briefeschreiber bewegen konnten – und mussten. Denn nur, wenn sie sich innerhalb dieses Rahmens bewegten, konnten sie davon ausgehen, auch richtig verstanden zu werden. Fehler in der Form konnten zu unangenehmen Missverständnissen führen, und wenn nicht gar beleidigend, so doch unhöflich wirken – und, schlimmer noch, den Verfasser eines Briefes als jemanden ausweisen, der nicht wusste, was sich geziemt. Als etwa der Hauptmann von Lienz, Erbhofmeister zu Tirol und Amtmann von Lieserhofen, Andreas von Weispriach, über seinen Diener Hanns Garttner ausrichten ließ, dass er mit der Bezeichnung als bloßer Amtmann nicht einverstanden sei, dürfte die bloße Tatsache, dass er darauf hingewiesen wurde, Nikolaus von Kues durchaus unangenehm gewesen sein.10)

8) Vgl. DIN (Hg.), Schreib- und Gestaltungsregeln für die Text- und Informationsverarbeitung, Unkommentierte Ausgabe der DIN 5008, 2020 im Sonderdruckformat, Berlin 2020, sowie den ergänzenden Band: Grün, Karl, Der Geschäftsbrief. Praxishilfen für die Gestaltung, Berlin 62020. 9) Vgl. in erster Linie Hartmann, Florian/Grévin, Benoît (Hg.), Ars Dictaminis, Handbuch zur mittelalterlichen Briefstillehre, Stuttgart 2019. Das Handbuch bietet auch eine sehr umfangreiche und aktuelle Bibliographie. Zur deutschsprachigen Briefstillehre im späten Mittelalter vgl. zudem Knape, Joachim/Roll, Bernhard, Rhetorica deutsch. Rhetorikschriften des 15. Jahrhunderts, Wiesbaden 2002; Hausmann, Albrecht, Überlieferungsvarianz und Medienwechsel, Die deutschen Artes dictandi des 15. Jahrhunderts zwischen Manuskript und Buchdruck, in: Revue belge de philologie et d’histoire 83 (2005), 747–768; Hausmann, Albrecht, tütsch brieff machen, och hoflich reden. Zur Terminologie deutscher Artes dictandi des 15. Jahrhunderts, in: Dicke, Gerd u.a. (Hg.), Im Wortfeld des Textes. Worthistorische Beiträge zu den Bezeichnungen von Rede und Schrift im Mittelalter, Berlin 2006; Holzapfl, Julian, Kanzleikorrespondenz des späten Mittelalters in Bayern. Schriftlichkeit, Sprache und politische Rhetorik, München 2008. 10) Nikolaus von Kues hat die Beschwerde in einer Notiz zu seinem Gespräch mit Hans Garttner festgehalten. Vgl. AC II 5, Nr. 4907.

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Um rückblickend nachvollziehen zu können, inwieweit die Empfehlungen der artes dictandi tatsächlich der gelebten Praxis entsprachen, sind die Briefe, die den Alltag der Bistumsverwaltung betrafen, eine ideale Quelle. Im Gegensatz zu aufwändigeren, vielfach durchredigierten Stücken, die einem höheren literarischen Anspruch genügen sollten, stellten sie gewissermaßen den Alltag der Kanzlei dar. Die Kanzleischreiber verfassten sie relativ zügig, und ihre primären Ansprüche waren Klarheit und Verständlichkeit. Anweisungen an einen Dorfrichter bedurften keiner Wortspiele, gelehrter Anspielungen oder diplomatischer Feinheiten: Der Adressat musste vor allem verstehen, was der Bischof von ihm wollte. Und doch ist es so, dass auch in Briefen, die nur kurze und präzise Anweisungen enthielten, der Bischof als Absender in der Pflicht stand, eine Beziehung zum Empfänger herzustellen und sich ihm gegenüber zu positionieren. Die Untersuchung der Korrespondenz zwischen Cusanus und Nikolaus Paluger soll im Folgenden auf die Möglichkeiten konzentriert werden, ebenjene Beziehung zu definieren. Von zentraler Bedeutung waren dabei die Anrede und der Gruß, das Duzen oder Ihrzen des Adressaten und die mehr oder weniger höfliche, bittende oder drängende Formulierung der petitio, des Kernanliegens des Verfassers. Drei Briefe von Nikolaus von Kues an Nikolaus Paluger sind überliefert. Sie wurden in einem relativ kurzen Zeitraum von etwa dreieinhalb Monaten zwischen dem 21. April und dem 7. August des Jahres 1456 versendet. Es sind keine Briefe in die andere Richtung überliefert, und es gibt auch keine Hinweise auf weitere Briefe in den Monaten und Jahren davor oder danach, die sich aus Abrechnungen von Botengängen oder anderen Quellen ergeben würden. Die Dialogizität ergibt sich einzig und allein aus dem Handeln des Richters, insoweit es sich aus den Briefen des Cusanus erschließt. Der Kardinal eröffnet den ersten Brief mit der Formel: Wir Niclaus embieten unserm getrewn Niclausen Paluger, richter zu Kastellruth, unser gnad und alles gut.11) Indem der Name des Absenders dem Empfänger als superscriptio vorangestellt wird, wird die Beziehung zwischen beiden Briefpartnern von Anfang an hierarchisiert: Der Absender steht in der Hierarchie über dem Empfänger. Wären beide gleichrangig, würde der eigene Name als Unterschrift (subscriptio) am Ende des Briefes zu finden sein. Zu bemerken ist zudem, dass der Richter als getrewr angesprochen wird. Der Begriff getrewr bezeichnet prinzipiell jemanden, der dem Absender als Gefolgsmann zur Treue verpflichtet ist. 12 ) Woher dieser Anspruch in diesem Fall rührt, ist nicht ganz klar. Der Pfleger von Kastelruth war von den Wolkensteinern und nicht von Nikolaus von Kues eingesetzt worden. Es ist auch nicht bekannt,

) AC II 4, Nr. 4753. ) Vgl. dazu die Nördlinger Rhetorik, gedruckt bei Knape/Roll, Rhetorica (wie Anm. 9), 48.

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dass Nikolaus Paluger Lehen des Hochstifts in seinem Besitz hatte. Insofern ist auf den ersten Blick nicht nachvollziehbar, inwieweit ein herrschaftliches Verhältnis bestand. Allerdings beanspruchte das Hochstift ein grundsätzliches Recht am Gericht Kastelruth. In einer rechtshistorischen Abhandlung schrieb der gelehrte Kardinal zu den Ansprüchen des Hochstifts: Castel rutte ist des gotzhaus, und hait bijschoff Brune das wider bracht, wie die brife das außwisen. Und steet in hirczogs Friderich lehens brife, und ist durch die grafen von Tyrol verseczt den Wolkensteyneren an erleubnus eyns bijschoffs.13)

Möglicherweise bezieht sich die Verwendung der Formel getrewr also auf den ganz grundsätzlichen Anspruch des Hochstifts auf Kastelruth. Zu erwarten gewesen wäre jedenfalls nicht die Verwendung der Anrede getrewr, sondern eher ein kurzes besunderlieber, wie es in Briefen an solche Tiroler Amtsleute zu finden ist, die dem Bischof nicht unmittelbar verpflichtet waren, etwa Schreiben an Dienstmänner des Herzogs von Tirol oder des Grafen von Görz.14) Im weiteren Verlauf des Schreibens ist die Wortwahl dann ganz unmissverständlich: Cusanus ervordert und begert vom dem Pfleger, dass der ihm seine Rechnungsbücher vorlege. Das sei unser ernstlich maynung, also eine klare Anweisung, die keinen Widerspruch duldet. Cusanus duzt den Richter und behält sich selbst den Plural vor. Auch das ist ein Fall von Machtsemantik: Der Höhergestellte duzt den Rangniederen. Anders als heute, wo das Duzen für Solidarität und für Gleichrangigkeit steht, wo in vielen Unternehmen und Institutionen das Duzen flache Hierarchien betonen oder Vereinen oder Parteien einen egalitären Geist einhauchen soll, beruhte das Duzen im Mittelalter nicht auf Gegenseitigkeit, sondern drückte eine hierarchische Abstufung aus.15) Eine solche, eben nicht reziproke Verwendung des Du findet man heute allenfalls in höheren Schulklassen zwischen Lehrer und Schülern, die sich auch nicht gleichrangig gegenüberstehen. Unvorsichtig angewandt wirkt der Gebrauch des Du heute unhöflich. Im Mittelalter war das despektierliche Duzen als Beleidigung zu verstehen. Das wohl berühmteste Beispiel dafür bietet eine Szene aus dem Nibelungenlied. Hagen von Tronje, stets die Verkörperung korrekten Verhaltens, ihrzt Kriemhild korrekterweise durchgehend – bis fast zum Schluss. Als sie sich nämlich anschickt, den ) AC II 6, Nr. 5469. ) Zum Gebrauch von Getrewr bzw. Besunderer vgl. auch die zeitgenössische Einschätzung in Friedrich von Nürnbergs Deutscher Rhetorik, gedruckt bei Knape/Roll, Rhetorica (wie Anm. 9), 76. 15) Zum Duzen und Ihrzen im Mittelalter vgl. Behrmann, Thomas, Zum Wandel der öffentlichen Anrede im Spätmittelalter, in: Althoff, Gerd (Hg.), Formen und Funktionen öffentlicher Kommunikation, Stuttgart 2001, 291–317; zum bisweilen kurios anmutenden Gebrauch des Du in der deutschen Sprache auch Besch, Werner, Duzen, Siezen, Titulieren, Göttingen 21998. 13 14

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gefesselten Recken zu töten und damit einen unverzeihlichen Bruch der Etikette zu begehen, da duzt er sie auf einmal und spricht: dû hâst ez nâch dînem willen vil gar zeinem ende brâht, und ist ouch iu ergangen, als ich mir hete gedâht.16) Damit demonstriert Hagen ihr im Angesicht seines eigenen Todes seine Überlegenheit.17) Im Gegensatz zu Hagen war es Cusanus nicht daran gelegen, den Richter vor den Kopf zu stoßen. Ganz im Gegenteil war der Gebrauch des Du in dieser Situation völlig angemessen. Der Brief ist von Anfang bis Ende konsequent in der Art und Weise, wie er die Beziehung zwischen Absender und Empfänger definiert: Cusanus steht nicht nur ganz grundsätzlich in der gesellschaftlichen Hierarchie weit über dem Pfleger, er tut dies auch situativ, nämlich als Vormund des Christoph Zwingensteiner. Als solcher hatte er das Recht, ja die Pflicht, die Interessen seines Mündels zu wahren und die Bücher von dessen Stellvertreter zu prüfen. Anders liest sich der zweite Brief des Cusanus.18) Er beginnt direkt mit der Anrede Lieber getrewr. Es fehlt die superscriptio. Vielleicht wurde sie nur im Entwurf weggelassen, denn der eigene Name fehlt ganz. Es fehlt auch eine Grußformel. Sollte sie möglicherweise dem ersten Brief angepasst werden? Jedoch liegen beide Stücke in der Handschrift ein ganzes Stück auseinander. Der Schreiber hätte also bei der Fertigung der Reinschrift zwischen den Konzepten hin- und her blättern müssen. Das Rätsel wird nicht endgültig zu lösen sein. Indes wird Nikolaus Paluger von unserm getrewn zum lieben getrewn. Betonte unserm die persönliche Verpflichtung, so kommt lieben schon freundlicher daher. Diese Veränderung des Tons zieht sich durch den Brief, der Bischof ervordert und begert nicht mehr, sondern er begert und bittet. Worum er ihn bittet? Im Gegensatz zum ersten Brief schreibt der Kardinal diesmal nicht als Vormund des Christoph Zwingensteiner, sondern als Fürst einer benachbarten Herrschaft. Thema des Briefes ist eine Erbangelegenheit. Cusanus vertritt die Interessen des Brixner Untertans Hans Trackenleder, der von dem herzoglichen Gericht in Meran ein Urteil gegen seine Schwägerin Ursula erwirken konnte. Nikolaus von Kues bittet nun den Kastelruther Richter, das Urteil durchzusetzen oder aber einen Vergleich zu erwirken. Wenngleich der Terminus begern eine Verpflichtung des Adressaten impliziert, der Bitte auch nachzukommen, so ist die Formulierung begern und bitten, wenngleich eindeutig, doch deutlich schwächer als ervordern und begern aus dem ersten Brief des Bischofs.19) Auch von der

16) Das Nibelungenlied. Text und Einführung. Nach der St. Galler Handschrift, hg. v. Hermann Reichert, Berlin 2014, 318, Aventüre 39, Strophe 2367 (Ba 2370). 17) Zur Textstelle vgl. Besch, Duzen (wie Anm. 13), 98. 18) AC II 5, Nr. 4849. 19) Eine (fast) zeitgenössische Diskussion der Begriffe begern und bitten in deutschen Briefen bietet die Ingolstädter Rhetorik aus dem Jahr 1481, gedruckt bei Knape/Roll, Rhetorica (wie Anm. 9), 138.

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maynung des Nikolaus von Kues ist hier keine Spur zu finden: Er besitzt in dieser Sache keine Befehlsgewalt über den Pfleger, er kann ihn nur im Sinne guter Nachbarschaft bitten, das Urteil durchzusetzen. Indem Nikolaus Paluger diesem Ansinnen nachkomme, tue er dem Kardinal dann folgerichtig ain dancknem gevallen, umb dich zu beschulden. Der Ton ist nun also ein anderer. Und doch bleibt in der Form auch manches gleich: So wird der Adressat weiterhin geduzt. Von Gleichrangigkeit der Briefpartner kann gar keine Rede sein. Hebt sich der zweite Brief stilistisch deutlich vom ersten ab, so entspricht der dritte wieder eher dem ersten.20) Superscriptio, Anrede und Gruß sind vollständig im Konzept wiedergegeben. Die Wendung entspricht fast genau dem ersten Brief und wird nur um lieben ergänzt: Wir embieten unserm getrewn lieben Niclausen von Lafay, richter zu castellruth, unser gnad und alles gut. Der Rekurs auf die Formulierung aus dem ersten Brief macht sofort klar: Hier spricht Nikolaus von Kues wieder als Vormund des Christoph Zwingensteiner. Und als solcher fordert Cusanus den Richter auf, seinem Mündel den Überschuss auszuzahlen, den er erwirtschaftet habe. Nikolaus hatte dem Bischof also inzwischen seine Bücher vorgelegt, wobei ein positiver Saldo festgestellt wurde. Die Zahlungsaufforderung ist unmissverständlich: begern wir und empelhen dir auch ernstlich. Ferner solle Nikolaus Paluger dem Christoph Zwingensteiner den hawssrat und varende hab übergeben. Nikolaus von Kues erinnert ausdrücklich an seine Position und macht am Ende des Briefes noch einmal klar, dass es sich nicht um eine Bitte, sondern um eine Anweisung handelt: Daran tust unser als obristen gerhaben ernstlich maynung und daruber, wiewol das billich ist, uns gut gevallen. Diese letzte Formulierung ist freundlich formuliert, aber unmissverständlich. Der Kardinal betont, dass es sich um seine ernstlich maynung handelt, also um einen Befehl. Indem er diesen ausführe, setze der Richter nur um, was billich sei, also was das Recht vorschreibe. Der ergänzende Zusatz, er tue uns gut gevallen ist ein höflicher Zusatz, der die prinzipiell freundschaftlichen Beziehungen beschreibt – und dem Brief insgesamt freundlicher klingen lässt als den ersten der drei, der insgesamt nüchterner daherkommt. Betrachtet man die drei Briefe zusammen, so fällt auf, dass das scheinbar eindeutige Beziehungsverhältnis zwischen dem Bischof und dem stellvertretenden Richter von Kastelruth nicht so einfach ist, wie es auf den ersten Blick den Anschein hat. Der konkrete Kontext der einzelnen Briefe macht eine jeweils unterschiedliche Ansprache erforderlich. Dies gilt für die petitio wie auch für die salutatio. Die formelhaften Bestandteile des Briefes, Anrede, Gruß, Über- bzw. Unterschrift standen keineswegs fest, sondern waren je nach Kontext anders zu gestalten. Die soziale Hierarchie war nicht so starr, wie man annehmen könnte, sondern abhän) AC II 5, Nr. 4891.

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gig von der jeweiligen Situation, dem Kontext und dem Anliegen des Briefes. Entsprechend vielfältig waren die Formeln, in denen sich das Verhältnis zwischen Absender und Empfänger darstellte. Jedoch gab es auch solche Elemente, die nicht verändert wurden: Von der Anrede als getrewr, die ein unveränderliches Rechtsverhältnis anzeigt, wird ebenso wenig abgewichen wie von der Hierarchisierung durch das Duzen. Diese Erkenntnisse ergeben sich schon aus dem Vergleich von nur drei Briefen. Zieht man weiteres Material hinzu, so zeigt sich in den Anredeformen, mit denen der Bischof von Brixen seine Gefolgsleute anspricht, eine virtuose Verwendung dieses Briefelements mit einer Vielzahl an Variationsmöglichkeiten, die vom knappen unserm getrewn bis zur reichlich ausgeschmückten Formel dem edeln vestn, unserm lieben getrewn herrn, besunder lieber herr und gut freundt reichen.21) Dabei bleibt nur die Bezeichnung als getrewr stets erhalten, wenn eine Dienstpflicht besteht. Ist dies nicht der Fall, wendet sich der Bischof etwa an Dienstmannen des Herzogs von Tirol, wird getrewr durch besunderlieber oder erbahrer ersetzt. Da jedoch die meisten Tiroler Amtsträger Diener mehrerer Herren waren und meist in irgendeiner Form dem Bischof verpflichtet waren, ist die Bezeichnung getrewr in der Mehrzahl der Briefe zu finden. Ganz anders verhält es sich hingegen mit dem Duzen und Ihrzen. Als Grundregel gilt hierbei: nicht-adelige Adressaten wurden vom Bischof geduzt, adelige Adressaten geihrzt, ganz gleich, ob es sich um getrewr handelte oder nicht. In den Briefen ergibt sich daher ein einfacher Zusammenhang: Wird dem Adressaten in der Anrede das Prädikat edel zugestanden, so wird im Folgenden geihrzt. Ausnahmen sollten stutzig machen. Duzen konnte schließlich, wie oben erörtert, als ehrverletzend empfunden werden. Dies musste aber nicht zwingend der Fall sein. Im Gegenteil. In einem Brief vom 30. April 1456 wird nämlich aus einem ganz anderen Grund geduzt. Auf diesen Tag ist ein Schreiben des Nikolaus von Kues an Konrad Vintler datiert, den obersten Amtmann des Tiroler Herzogs.22) Der Brief beginnt, wie zu erwarten, mit der Anrede edler, lieber getrewr. Standesgemäß wird Konrad im Folgenden geihrzt. Nach der petitio wechselt Cusanus jedoch ins Du, als er ihn bittet, eine vom Bischof an den Herzog getätigte Zahlung wieder zurückzugeben: Wer nu sach, daz die beczalung nach ausweisung der zedeln nicht furgang mocht gehaben, so bitten wir dich, daz du uns die zwaytausendt gulden, die wir dir auf dein verspre-

21) In einem Brief an Andreas von Weispriach, vgl. AC II 5, Nr. 5057. Andreas von Weispriach hatte sich, wie oben erörtert, nur wenige Monate zuvor noch über die nicht standesgemäße Anrede beschwert. 22) AC II 4, Nr. 4766.

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chen zu Braunekg geantwurtt haben, yecz wider schickhest und beczalest. Daran tust du uns ain dancknem gut gevallen.

Bei dem Geld handelt es sich um einen Teil eines Darlehens an Herzog Sigmund, das Nikolaus von Kues diesem im Zuge der Verhandlungen über den Kauf von Schloss und Gericht von Taufers gewährt hatte. Im März 1456 hatte Cusanus die Finanzen des Bistums soweit saniert, dass er sich die Geldnot des Herzogs zunutze machen und Burg, Gericht und Amt Taufers, dass sich einst im Besitz des Hochstiftes befunden hatte, von ihm zurückkaufen konnte. Gleichzeitig gewährte er dem Herzog ein Darlehen über 3000 Rheinische Gulden.23) Der Bischof forderte den bereits ausgezahlten Teil des Darlehens zurück, nachdem es Unstimmigkeiten bezüglich der genauen Zahlungsmodalitäten gegeben hatte. Ursache war die mangelhafte Kommunikation unter den herzoglichen Beratern Oswald von Säben, Dionysius Heidelberger und Konrad Vintler.24) Die Angelegenheit klärte sich kurz danach auf.25) Dem vertraulichen Du wohnen hier mehrere Nuancen inne. Durch die Herstellung von Nähe wird einerseits die Bitte verstärkt, andererseits die persönliche Verantwortung des Konrad Vintler. Jede Art von Geschäft beruht letztendlich auf dem gegenseitigen Vertrauen der Vertragspartner, den eingegangenen Verpflichtungen nachzukommen und den Handel korrekt abzuwickeln. Konrad hatte das Geld eigenhändig in Bruneck in Empfang genommen.26) Der Bischof durfte daher zu Recht von ihm erwarten, dass der Geldeingang ordentlich verbucht und den anderen mit dem Geschäft betrauten Personen mitgeteilt wurde. Das Du verstärkt in diesem Fall also die Mahnung und erinnert den Amtmann an seine Pflichten, deren Vernachlässigung ihn unredlich erscheinen ließen. Dass sich im Duzen Nähe ausdrückte, zeigt auch ein zweites Beispiel. Jakob von Thun war Pfleger im Gericht Gufidaun, das dem Herzog von Tirol gehörte. In mehreren Briefen an ihn kombiniert Cusanus das Prädikat edel mit konsequentem Duzen, ohne dass Kontext und Inhalt der Briefe sofort darauf schließen ließen, was sich dahinter verbirgt.27) Erst die Ereignisse des Sommers 1457, die als „Wiltener Überfall“ in die Geschichte eingegangen sind, liefern eine nachträgliche 23) Zum Kauf von Taufers und dem Darlehensgeschäft s. AC II 4, Nr. 4702–4706, 4731f., 4738f. Grundlegend dazu Hallauer, Hermann, Eine Denkschrift des Nikolaus von Kues zum Kauf der Ämter Taufers und Uttenheim in Südtirol, in: MFCG 1 (1961), 76–94; wieder in: Ders., Nikolaus von Kues. Bischof von Brixen. 1450–1464. Gesammelte Aufsätze, hg. von Erich Meuthen und Josef Gelmi (Veröffentlichungen der Hofburg Brixen 1), Bozen 2002, 105–121. 24) Vgl. dazu im selben Brief AC II 4, Nr. 4766: Nu als her Oswalt her komen ist, hat er solher beczalung nach außweisung der zedeln, dem Haidelberger geantwurtt, nicht aufnemen wellen und spricht, man hab im von der zedeln nicht gesagt und hab auch der nye gesehen, das uns vast wunder nymbt, daz man im davon nicht gesagt hat. 25) Vgl. AC II 4, Nr. 4779 und 4790. 26) Vgl. AC II 4, Nr. 4738. 27) Vgl. AC II 4, Nr. 4770; II 5, Nr. 4959.

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Erklärung.28) Die Störung der bischöflichen Nachtruhe während seines Aufenthaltes im Kloster Wilten vor den Toren Innsbrucks und die in Umlauf gebrachten Gerüchte, die einen Mordkomplott des Herzogs andeuteten, verfehlten ihre Wirkung auf Cusanus nicht. Hastig zog sich der Kardinal samt seiner Entourage auf die unzugängliche Burg Andraz (Buchenstein) tief in den Dolomiten zurück. Als der Tross des Kardinals dabei auf seinem Weg durch das Eisacktal den Gerichtsbezirk Gufidaun durchquerte, ließ ihn Jakob von Thun trotz gegenteiliger Anweisungen des Herzogs ungehindert passieren.29) Mit Blick auf den Gebrauch des Du in den vorangegangenen Briefen lässt sein Handeln vermuten, dass zwischen Jakob und dem Bischof eine freundschaftliche Verbundenheit bestand, die den Richter veranlasste, Cusanus passieren zu lassen und den herzoglichen Rüffel in Kauf zu nehmen. Grundsätzlich bleibt festzuhalten, dass das Duzen die Beziehung eindeutig hierarchisierte, während das Ihrzen dem Empfänger einen gewissen Rang zugestand. Dabei bildete die edle Abkunft eine Demarkationslinie. Wurde ein Adeliger also geduzt, lohnt es sich, dies näher zu untersuchen. Dabei ist in erster Linie der Frage nachzugehen, was mit dem Duzen erreicht werden sollte. Als zentrale Kategorie bietet sich hier die Herstellung von Nähe an. Dafür standen dem Briefeschreiber jedoch auch andere Möglichkeiten zur Verfügung. Vor allem das eigenhändige Verfassen eines Briefes war ein wichtiges Instrument, um diesem eine persönlichere Note zu geben.30) Während bei der Eigenhändigkeit jedoch vor allem die Wichtigkeit eines Anliegens als sekundäres Moment mitschwingt – die unmittelbare, persönliche Beschäftigung mit einer Sache – kann das Duzen den Briefempfänger, wenn es denn richtig eingesetzt wurde, in eine kurzfristige und besonders enge Gemeinschaft einschließen – sei diese geschäftlicher, freundschaftlicher oder anderer Natur. Der Brief des Nikolaus von Kues an Konrad Vintler zeigt einen besonders kunstvollen Einsatz, indem erst in der petitio der Wechsel zum Du erfolgt und diese damit verstärkt. Voraussetzung dafür, dass der gewünschte Effekt erzielt wurde, war jedoch, dass der Empfänger den Wechsel der Form richtig zu deuten wusste und nicht missverstand. War letzteres der Fall, so konnte er den Gebrauch als Du mindestens als unhöflich, wenn nicht gar als beleidigend interpretieren. Dabei ist die Gefahr von Fehldeutungen nicht zu unterschätzen. Werden die Briefe des 28) Zum Wiltener Überfall vgl. zahlreiche Nummern in AC II 7, 2161 s.v. Angst; v.a. AC II 6, Nr. 5272–5282, 5285–5287, 5291f., 5296, 5298–5300, 5307, 5309, 5430, 5512; dazu Koch, Josef, Nikolaus von Kues als Mensch nach dem Briefwechsel und den persönlichen Aufzeichnungen, in: Koch, Josef, Kleine Schriften, Bd. 1, Rom 1973, 553–574. Siehe auch den Beitrag von Johannes Helmrath in diesem Band. 29) Vgl. AC II 6, Nr. 5307, 5309. 30) Zur Eigenhändigkeit als Ausdruck von Nähe in Cusanus-Briefen vgl. Woelki, Cusanus im Dialog (wie Anm. 1), 220–223.

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Nikolaus von Kues an Jakob von Thun alleinstehend betrachtet, so erscheint der Gebrauch des Du zunächst rätselhaft. Erst die späteren Ereignisse bieten einen Erklärungsansatz für die verwendete Form. Es gilt daher im Zweifelsfall, keine voreiligen Schlüsse zu ziehen und nicht nur Kontext und Inhalt des einzelnen Briefes, sondern auch die Beziehung der Briefpartner insgesamt zu beachten, insoweit die Quellenlage dies zulässt. Es lässt sich festhalten, dass dem Verfasser eines Briefes ein überaus vielfältiges Instrumentarium zur Verfügung stand, um eine Beziehung zum Adressaten herzustellen, diese nuanciert zu diskutieren, zu verändern und dabei verschiedene Beziehungsebenen gleichzeitig im Blick zu behalten. Dabei galten gewisse Regeln, die mehr oder weniger flexibel gehandhabt und variiert werden konnten. Unerlässlich jedoch war es, dass sowohl Verfasser als auch Empfänger die Regeln der Kommunikation beherrschten und den jeweiligen Kontext richtig einzuschätzen vermochten. War dies nicht der Fall, konnte es leicht zu Missverständnissen und Unstimmigkeiten kommen, was durchaus nicht selten der Fall war. Genau hierin liegt auch das Problem des Historikers: Wenn es schon für die Zeitgenossen schwierig war, die jeweilige Situation korrekt zu beurteilen, wie soll dies dann in der Rückschau Jahrhunderte später, bei einer häufig problematischen Überlieferungssituation gelingen? Eine Möglichkeit, um zu grundsätzlichen Einsichten zu gelangen, ist es, die Zahl der Variablen zu verringern. Sind Kontext und Beziehung zwischen Sender und Empfänger einer Nachricht besonders eindeutig, so wird es leichter fallen, das Regelwerk briefstilistischer Mittel zu ergründen, nachdem die Nachricht verfasst worden ist. Einfach ist diese Aufgabe deshalb noch lange nicht.

Der Bischof und seine Bücher Studien zur Brixner Bibliothek des Nikolaus von Kues Marco Brösch 1. Einleitung Eine unerwartete Verfolgung, zwang mich vor kurzem, in der Festung Andraz, die auf deutsch Buchenstein genannt wird, zu verweilen. Dort, mitten in den Alpen – ohne alle Bücher – begann ich zur Erholung die Frage zu untersuchen, ob sich nicht auf eine klare und leichte Art die immer gesuchte, aber, wie man sagt, nie bewältigte Quadratur des Kreises finden ließe.1)

Mit diesen Worten eröffnet der Bischof von Brixen, Nikolaus von Kues, seine mathematische Schrift ‚De caesarea circuli quadratura‘, die er am 8. August 1457 in der von ihm Raphaelsburg genannten Festung in Andraz/Buchenstein abschloss. Den Hintergrund hierfür bildete nicht etwa ein sommerlicher Erholungsaufenthalt in den Bergen, sondern – wie es der Kardinal selbst andeutet – ein angeblicher Mordanschlag Ende Juni 1457 in Innsbruck, hinter dem er den Vetter des deutschen Kaisers Friedrich III., Sigismund, Herzog von Österreich-Tirol, sowie weitere Tiroler Adlige vermutete.2) Cusanus fühlte sich „in Brixen nicht

1) AC II 5, Nr. 5343 bzw. NvK, De caesarea circuli quadratura, ed. Folkerts, h XX, Nr. 2 Z. 1–5: Compulit me pridie quaedam inopinata persecutio munitionem Andracii, quae Almanice Buchenstein appellatur, inhabitare. Ibi inter Alpes libris carens recreationis gratia inquirere coepi, si ne claro et facili modo semper quaesita et, ut fertur, nondum scita circuli quadratura posset reperiri. Die dt. Übersetzung nach NvK, Die mathematischen Schriften, übersetzt von Josepha Hofmann, mit einer Einführung und Anmerkungen versehen von Joseph Ehrenfried Hofmann (Schriften des NvK 11; Philosophische Bibliothek 231), Hamburg 21980, 151. 2) Vgl. u.a. AC II 5, Nr. 5274–5277, hierzu ausführlich der Beitrag von Johannes Helmrath in diesem Band; darüber hinaus Jäger, Albert, Der Streit des Cardinals Nicolaus von Cusa mit dem Herzoge Sigismund von Österreich als Grafen von Tirol, Bd. 1, Innsbruck 1861, 207–226; Baum, Wilhelm, Nikolaus Cusanus in Tirol. Das Wirken des Philosophen und Reformators als Fürstbischof von Brixen (Schriftenreihe des Südtiroler Kulturinstitutes 10), Bozen 1983, 355–373, und Meuthen, Erich, NvK 1401–1464. Skizze einer Biographie (Buchreihe der Cusanus-Gesellschaft; Sonderbeitrag), Münster 21992, 105f.

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mehr sicher und verließ die Stadt am 4. Juli 1457, ohne zu ahnen, dass er in seine Bischofsstadt nie mehr zurückkehren würde.“3) Die Flucht endete am 10. Juli 1457 in der ca. 1750 Meter hoch in den Dolomitenalpen gelegenen, nahezu uneinnehmbaren Felsenburg Andraz/Buchenstein in der Nähe der venetianischen Grenze, wo er sich über ein Jahr bis zu seinem Aufbruch zur päpstlichen Kurie nach Rom Mitte September 1458 in erster Linie aufhielt.4) In dieser politisch unruhigen Zeit entstand nicht nur ‚De caesarea circuli quadratura‘, sondern auch eine erste Fassung seiner Schrift ‚De mathematica perfectione‘5) sowie mit ‚De beryllo‘ eines seiner komplexesten philosophischen Spätwerke.6) Selbst in der schwersten Bedrängnis war Cusanus offenbar noch in der Lage, beeindruckende philosophisch-theologische Höhenflüge zu vollbringen.7) Auch wenn ‚De caesarea circuli quadratura‘ Anfang August 1457 noch ohne die Bücher seiner Privatbibliothek entstand, ließ der Kardinal Ende Januar 1458 eine große Menge Handschriften und andere persönliche Dinge von seinem Privatsekretär und Kämmerer Peter von Erkelenz sowie Matthias Blomaert von Brixen über Bruneck in die winterliche Bergeinsamkeit nach Buchenstein überführen.8) Anhand der im zweiten Band der ‚Acta Cusana‘ edierten Rechnungen, Briefe und Eintragungen in den einzelnen Handschriften, aber auch anhand der Manuskripte selbst sollen in der folgenden Studie über die Brixner Jahre des Nikolaus von Kues, d.h. für den Zeitraum von seinem Amtsantritt im April 1452 bis zu seiner Abreise nach Rom Ende September 1458, einige Überlegungen zum Ausbau seiner Büchersammlung, zum Handschriftentausch mit verschiedenen Zeitgenossen und Institutionen, zur Organisation der Bibliothek und zu deren möglichem Verbleib angestellt werden. 2. Die Prachthandschiften der Brixner Zeit Obwohl die Brixner Jahre des Nikolaus von Kues vor allem von einer Reihe von Konflikten u.a. mit Sigismund von Tirol und dem mächtigen Adel der Region, der

3) Euler, Walter Andreas, Die Biographie des NvK, in: Brösch, Marco/Euler, Walter Andreas/Geissler, Alexandra/Ranff, Viki (Hg.), Handbuch NvK. Leben und Werk, Darmstadt 2014, 31–103, hier 89. 4) Nach der Wahl des Humanisten Enea Silvio Piccolomini zu Papst Pius II. am 19. August 1458 brach NvK knapp einen Monat später am 14. September von Buchenstein nach Rom auf (AC II 5, Nr. 5739), wo er am 30. September eintraf (AC II 5, Nr. 5759). 5) Vgl. NvK, De mathematica perfectione (forma prior), ed. Folkerts, h XX. 6) Vgl. AC II 6, Nr. 5716 und NvK, De beryllo, ed. Senger/Bormann, h XI 1. 7) Vgl. Euler, Biographie des NvK (wie Anm. 3), 89. 8) Vgl. AC II 5, Nr. 5456.

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reformunwilligen Geistlichkeit, ja selbst mit großen Teilen der Bevölkerung geprägt waren, so beginnt seine Regentschaft aus bibliophiler Sicht doch äußerst vielversprechend. Rund zwei Monate nach seiner Kardinalserhebung9) und einen Monat nach seiner Ernennung10) weihte ihn Papst Nikolaus V. am 26. April 1450 zum Bischof von Brixen.11) Diesem Anlass angemessen, machte der Papst Cusanus mit dem ‚Pontificale Romanum‘ (Bernkastel-Kues, St. Nikolaus-Hospital, Cod. Cus. 131), einer im 14. Jahrhundert in Frankreich angefertigten Prachthandschrift, ein großzügiges Geschenk.12) Bis heute gehört das ‚Pontificale Romanum‘, das die einem Bischof vorbehaltenen liturgische Handlungen enthält, zu den wertvollsten Handschriften des St. Nikolaus-Hospitals in Bernkastel-Kues. Als Nikolaus von Kues nach der großen Legationsreise von 1450/1451 Anfang April 1452 seinen Dienst als Bischof von Brixen antrat13), war er sowohl machtpolitisch als auch finanziell auf dem Höhepunkt seiner Karriere. Entsprechend konnte er es sich nun leisten, kostspielige Prachthandschriften in Auftrag zu geben, die diesem Anspruch und Machtbewusstsein Ausdruck verleihen sollten. Im Vergleich dazu war die Finanzsituation des Kardinals in den späteren römischen Jahren – vor allem nach seiner Vertreibung aus seinem Bistum im Jahr 1460 – eher von einer gewissen Bescheidenheit geprägt, zu der die Anfertigung kostspieliger Handschriften nicht recht zu passen scheint.14) Die von ihm noch in Brixen in Auftrag gegebenen Handschriften zeichnen sich u.a. durch die Verwendung kostspieliger Beschreibstoffe, wie zum Beispiel italienischen Pergaments oder ) Vgl. AC I 3a, Nr. 862f. und Meuthen, NvK 1401–1464 (wie Anm. 2), 83. ) Vgl. AC I 3a; Nr. 872 bzw. Bernkastel-Kues, Hospitals-Archiv, Urk. 19 und Meuthen, NvK 1401–1464 (wie Anm. 2), 98–101. 11) AC I 3a, Nr. 887. 12) So findet sich auf dem Rücken des in der Mitte des 18. Jahrhunderts unter Stephan Schoenes erneuerten Einbandes der folgende in Goldschrift gefasste Aufdruck: Pontificale a papa Nicolao V. donatum cardinali Cusano. Vgl. Marx, Jacob, Verzeichnis der Handschriften-Sammlung des Hospitals zu Cues bei Bernkastel a. Mosel, Trier 1905, 128f.; Volkelt, Peter, Der Bildschmuck der CusanusBibliothek, in: MFCG 4 (1964), 230–253, hier 238f., Abb. 5–7; Neusius, Gabriele, Pontificale Romanum, in: Aris, Marc-Aeilko (Hg.), Horizonte. NvK in seiner Welt. Eine Ausstellung zur 600. Wiederkehr seines Geburtstages. Katalog zur Ausstellung im Bischöflichen Dom- und Diözesanmuseum Trier und im St. Nikolaus-Hospital in Bernkastel-Kues vom 19. Mai bis 30. September 2001, Trier 2001, 198–200 (Nr. 163), und Ronig, Franz, Illuminierte Buchseiten aus den Handschriften der Bibliothek des St. Nikolaus-Hospitals, in: Ders., Animum ad subtiliora deducere. Grundformen der Trierer Kunstgeschichte. Festgabe für Franz Ronig zum 85. Geburtstag, hg. von Michael Embach, Trier 2012, 137–167, hier 146–150, Abb. 143 (Wiederabdruck aus: Gestrich, Helmut (Hg.), Zugänge zu NvK. Festschrift zum 25-jährigen Bestehen der CusanusGesellschaft, Bernkastel-Kues 1985, 157–182). 13) Vgl. AC II 1, Nr. 2461. 14) Vgl. hierzu Meuthen, Erich, Die letzten Jahre des NvK. Biographische Untersuchungen nach neuen Quellen (Wissenschaftliche Abhandlungen der Arbeitsgemeinschaft für Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen 3), Köln und Opladen 1958, 21, und Brösch, Marco, Das Testament des NvK und seine römischen Stiftungen, in: MFCG 35 (2020), 39–97, hier 42–46, sowie Helmrath, Johannes, NvK in Rom, in: MFCG 35 (2020), 141–181, hier 156f. 9

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hochwertigen Papiers, aber auch von Blattgold sowie teuren Farben aus, mit denen Initialen und Titelblätter gestaltet wurden. Als auffälligstes Merkmal ließ er auf die Zierblätter das Krebswappen mit Kardinalshut einzeichnen, mit denen sie eindeutig Nikolaus von Kues zugeordnet werden können.15) Obwohl eine kunsthistorische Detailstudie zu den cusanischen Prachthandschriften noch aussteht, spricht vieles dafür, dass sie im Umfeld des päpstlichen Hofes von Nikolaus V. (†1455) und seinen Nachfolgern illuminiert oder von den dortigen Miniaturmalern beeinflusst wurden.16) Darüber hinaus besaß Cusanus natürlich auch weitere, z.T. ältere Prachthandschriften, an deren Herstellung er nicht beteiligt war, so z.B. Cod. Cus. 250 mit einer Ausgabe des ‚Liber Sextus‘ aus dem 14. Jahrhundert.17) Zu den ersten von ihm in Auftrag gegebenen Prachthandschriften gehören die heute noch in der Cusanus-Bibliothek im St. Nikolaus-Hospital in BernkastelKues aufbewahrten Cod. Cus. 179 und Cod. Cus. 38, die sich aufgrund entsprechender Eintragungen eindeutig datieren lassen. So enthält Cod. Cus. 179 (siehe Abb. 1) u.a. neben der aristotelischen ‚Politica‘ und ‚Oeconomica‘ die am 27. Oktober 1453 in Brixen von Peter (Wimars) von Erkelenz abgeschriebene und mit einer illuminierten Zierseite eingeleitete ‚Nikomachische Ethik‘ des Aristoteles in der lateinischen Übersetzung des Leonardo Bruni.18) Ebenfalls datierbar ist darüber hinaus Cod. Cus. 38, der neben den Briefen des Kirchenvaters Ambrosius und seinem ‚De officiis ministrorum‘ auch ‚De fide orthodoxa contra Arianos‘ Gregors von Elvira enthält.19) Nach dem Kolophon des unbekannten Schreibers wurde die Abschrift 1455 von Kardinal Nikolaus von Kues in Auftrag gegeben, der – so die 15) Vgl. hierzu Aris, Marc-Aeilko, Der Leser im Buch. NvK als Handschriftensammler, in: Beccarisi, Alessandra/Imbach, Ruedi/Porro, Pasquale (Hg.), Per perscrutationem philosophicam. Neue Perspektiven der mittelalterlichen Forschung. Loris Sturlese zum 60. Geburtstag gewidmet (Corpus Philosophorum Teutonicorum Medii Aevi. Beihefte 4), Hamburg 2008, 375–391, hier 385f. 16) Vgl. hierzu z.B. Pasut, Francesca, Per la miniatura a Roma alla metà del Quattrocento. Il „miniatore di Niccolò V“, in: Bonatti, Franco/Manfredi, Antonio (Hg.), Niccolò V nel sesto centenario della nascita. Atti del convegno internazionale di studi Sarzana, 8–10 ottobre 1998, Vatikanstadt 2000, 103–155. Für den Hinweis auf die entsprechende Studie sei Frau Silvia Fiaschi von der Università di Macerata herzlich gedankt. 17) Vgl. hierzu z.B. Ronig, Illuminierte Buchseiten (wie Anm. 12), 159, 162–164. 18) Vgl. AC II 2, Nr. 3705 sowie die Beschreibung in Marx, Verzeichnis der HandschriftenSammlung (wie Anm. 12), 167–169; darüber hinaus Volkelt, Der Bildschmuck (wie Anm. 12), 251 und Abb. 11; Bianca, Concetta, La biblioteca Romana di Niccolò Cusano, in: Miglio, Massimo/Farenga, Paola/Modigliani, Anna (Hg.), Scrittura biblioteche e stampa a Roma nel Quattrocento. Atti del 2° Seminario, 6–8 maggio 1982 (Littera antiqua 3), Vatikanstadt 1983, 669– 708, hier 685; Ronig, Illuminierte Buchseiten (wie Anm. 12), 149 und 154f.; Bianca, Concetta, Le cardinal de Cues en voyage avec ses livres, in: De Smet, Rudolf (Hg.), Les humanistes et leur bibliothèque, Actes du Colloque international, Bruxelles, 26–28 août 1999 (Travaux de l’Institut Interuniversitaire pour l’Étude de la Renaissance et l’Humanisme 13), Leuven u.a. 2002, 25–36, hier 34 sowie Aris, Der Leser im Buch (wie Anm. 15), 385f. 19) Vgl. Marx, Verzeichnis der Handschriften-Sammlung (wie Anm. 12), 32f. und Aris, Der Leser im Buch (wie Anm. 15), 385.

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Subskription – 1451 als päpstlicher Legat des 1455 verstorbenen Papstes Nikolaus V. nach Deutschland entsandt wurde.20) Unklar ist dabei allerdings, ob die Illuminierungen in beiden Handschriften bereits in der Brixner Zeit des Nikolaus von Kues bis 1458 oder evtl. später in seinen römischen Jahren, d.h. nachträglich zwischen 1458 und 1464, ausgeführt wurden. Zu den später in Rom fertiggestellten Codices zählen zumindest die beiden Predigthandschriften Vat. lat. 1244 und 1245 in der vatikanischen Bibliotheca Apostolica sowie möglicherweise die im St. Nikolaus-Hospital in Bernkastel-Kues aufbewahrten Cod. Cus. 44 und Cod. Cus. 218, die teilweise eine vergleichbare Illuminierung aufweisen. Dabei sticht vor allem die zwischen 1454/56 und 1459 hergestellte Predigthandschrift Vat. lat. 1244 mit den frühen Predigten und Predigtentwürfen des Nikolaus von Kues der Jahre 1430–1446 sowie einigen kleineren Schriften wie ‚Dialogus de deo abscondito‘, ,Responsio de intellectu Evangelii Ioannis‘, ‚De sacramento‘ und ‚De annuntiatione Marie‘ qualitativ heraus. So enthält deren Eingangsseite (f. 1r) neben mehrfarbigen mit Blattgold verzierten und mit einem Pelikan, zwei Pfauen sowie zwei Männern bewohnten Blattranken auch eine außergewöhnliche Prachtinitiale mit der Darstellung eines Löwen und zweier Knaben, die mit einem Flusskrebs spielen. Ebenfalls herausragend sind die drei Eckminiaturen mit den Abbildungen eines Gnadenstuhles sowie der Taufe und der Verklärung Christi. Wie bei den meisten cusanischen Prachthandschriften findet sich in der unteren Zierleiste das Krebswappen des Kardinals, das von zwei musizierenden Engeln umgeben wird.21) 20) AC II 3, Nr. 4367: Finit liber beati Ambrosii de fide 1455. Hos premissos scribi disposuit reverendissimus in Christo pater et dominus dominus Nicolaus vulgariter dictus de Chusa tituli sancti Petri ad vincula urbis Rome presbyter cardinalis, ecclesie Brixinensis episcopus, anno domini 1451 per Alemmaniam missus a latere legatus per sanctissimum in Christo patrem et dominum dominum Nicolaum papam quintum, anno 1455 annunciationis beate Marie festo defunctum, cui successit Calistus papa tercius, qui quamvis octogenarius tamen ecclesie catholice electus est stivarius etc. Zur Handschrift vgl. auch: Volkelt, Der Bildschmuck (wie Anm. 12), 251; Bianca, Concetta, Niccolò Cusano e la sua biblioteca. Note, ‚notabilia‘, glosse, in: Canone, Eugenio (Hg.), Bibliothecae selectae da Cusano a Leopardi (Lessico Intellettuale Europeo 58), Florenz 1993, 1–11, hier 7f.; Ronig, Illuminierte Buchseiten (wie Anm. 12), 137–140; Aris, Marc-Aeilko, Kirchenvater Ambrosius Epistolae/De officiis, in: Ders., Horizonte (wie Anm. 12), 192f., und Stork, Hans-Walter, Bibliothek und Bücher des Nikolaus von Kues im St. Nikolaus-Hospital zu Bernkastel-Kues, in: Graef, Sabine/Prühlen, Sünje/Stork, Hans-Walter (Hg.), Sammler und Bibliotheken im Wandel der Zeiten. Kongress in Hamburg am 20. und 21. Mai 2010 (Zeitschrift für Bibliothekswesen und Bibliographie. Sonderband 100), Frankfurt am Main 2010, 67– 95, hier 87. 21) Vgl. die Handschriftenbeschreibung in: Laurent, Marie-Hyacinthe, Bibliothecae Apostolicae Vaticanae codices manu scripti recensiti. Codices Vaticani Latini, Codices 1135–1266, Vatikanstadt 1958, 246–257; NvK, Sermones I, ed. Haubst u.a., h XVI, XXI–XXIII; Aris, MarcAeilko, NvK, Predigten bis zum Jahr 1446, in: Ders., Horizonte (wie Anm. 12), 196; Aris, Der Leser im Buch (wie Anm. 15), 386f. und Brösch, Marco, Herz und Geist vereint. Die Bibliothek des NvK als Memorialraum, in: Speer, Andreas/Reuke, Lars (Hg.), Die Bibliothek – The Library – La Bibliothèque (Miscellanea Mediaevalia 41), Berlin 2020, 691–717, hier 706.

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Illuminierte Eingangsseite der ‚Nikomachischen Ethik‘ des Aristoteles in der lateinischen Übersetzung Leonardo Brunis mit eingezeichnetem Kardinalshut und Krebs-Wappen des Nikolaus von Kues in Cod. Cus. 179 f. 79r. Die Abschrift wurde von Peter von Erkelenz, dem Privatsekretär und Kämmerer des Cusanus, am 27. Oktober 1453 in Brixen beendet. (Foto: Erich Gutberlet; St. Nikolaus-Hospital/Cusanusstift, Bernkastel-Kues).

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Ein wenig einfacher wurde dagegen der erst in Rom fertiggestellte Predigtband Vat. Lat. 1245 gestaltet22), der die späteren Predigten des Cusanus zwischen 1448 und 1459 sowie seine um 1459 geschriebenen Werke ‚De principio (Tu quis es)‘, ‚De aequalitate‘ und ‚Elucidatio Epistulae ad Colossenses‘ beinhaltet. Die immer noch kostbar illuminierte Eingangsseite (f. 1r) enthält zwar keine Miniaturen, dafür aber erneut mehrfarbige und mit Goldpollen versehene Akanthusranken, eine auf Goldgrund gemalte Deckfarbeninitiale (‚Emailtyp‘) sowie das Krebswappen in der unteren Bordüre. „Unter den außerhalb der Kueser Bibliothek erhaltenen Kodizes aus dem Nachlaß des Nikolaus von Kues“, so Rudolf Haubst, „gingen die beiden Vaticani einen eigenen Weg. Sie kamen nämlich nicht erst nach Kues. Sie blieben in Rom, wahrscheinlich zu Händen seines Freundes, des Bischofs von Aleria Giovanni Andrea de’ Bussi, der im Jahre 1467 Sekretär der Vaticana wurde und im Jahre 1475 in Rom starb. So läßt es sich jedenfalls erklären, daß die beiden Bände noch in dem ersten Bibliotheksregister vom Jahre 1475 fehlen, während sie in dem von Platina und Guazzelli im Jahre 1481 zusammengestellten Katalog … enthalten sind.“23) Dabei weist die Eingangsseite von Vat. Lat. 1245 eine sehr große stilistische Ähnlichkeit mit der ebenfalls mit mehrfarbigen Blattranken, Goldpollen und Kardinalswappen ausgestatteten Kueser Handschrift Cod. Cus. 44 auf, die vier Hauptschriften von Ps.-Dionysius Areopagita und die Scholien des Maximus Confessor in der lateinischen Übersetzung von Robert Grosseteste enthält.24) Da die Schriften des Ps.-Dionysius zu den inspirierendsten Quellen für die Theologie und Philosophie des Nikolaus von Kues gehörten, verwundert es nicht, dass er dessen Werke in eine besondere Prachthandschrift aufnehmen ließ. Auch wenn Cod. Cus. 44 kein eindeutig datierbares Schreiberkolophon enthält, findet sich auf f. 1v – neben einem persönlichen Eintrag von Cusanus25) – eine Notiz von der Hand des Peter von Erkelenz über die angebliche Benutzung des 22) Vgl. hierzu Laurent, Bibliothecae Apostolicae Vaticanae codices (wie Anm. 21), 257–291, und NvK, Sermones I, ed. Haubst u.a., h XVI, XXI–XXIII. 23) Haubst, Rudolf, Studien zu NvK und Johannes Wenck. Aus Handschriften der Vatikanischen Bibliothek (Beiträge zur Geschichte der Philosophie und Theologie des Mittelalters 38,1), Münster 1955, 11–13, hier 12f. 24) Vgl. Marx, Verzeichnis der Handschriften-Sammlung (wie Anm. 12), 39f., sowie hierzu ausführlich Casarella, Peter, Wer schrieb die ex greco-Notizen im Codex Cusanus 44, in: MFCG 22 (1995), 123–132; außerdem Bianca, La biblioteca Romana (wie Anm. 18), 706; Ronig, Illuminierte Buchseiten (wie Anm. 12), 139–141, und Aris, Der Leser im Buch (wie Anm. 15), 386. 25) Vgl. Casarella, Ex greco-Notizen (wie Anm. 24), 127–129, und Monfasani, John, Pseudo-Dionysius the Areopagite in Mid-Quattrocento Rome, in: Hankins, James/Monfasani, John/Purnell, jr., Frederick (Hg.), Supplementum Festivum. Studies in the Honor of Paul Oskar Kristeller (Medieval and Renaissance texts and studies 49), Binghamton 1987, 189–219, hier 203 Anm. 69.

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Dionysius durch Proklos26). Diese Notiz schreibt der Privatsekretär des Kardinals einem Bischof Petrus von Nicotera in Kalabrien zu27), hinter dem sich der Humanist Pietro Balbi verbirgt.28) Balbi trug allerdings nur im ersten Halbjahr 1462 den Bischofstitel von Nicotera, bis sich herausstellte, dass der bisherige Amtsinhaber noch am Leben war.29) Da der Eintrag des Peter von Erkelenz mit großer Wahrscheinlichkeit erst nach der Fertigstellung der Handschrift erfolgte, muss sie also vor 1462 von Nikolaus von Kues in Auftrag gegeben worden sein.30) Ein ‚terminus post quem‘ ergibt sich aus der Verwendung des Krebswappens mit Kardinalshut, so dass die Handschrift nach der Kardinalserhebung, d.h. wohl im Zeitraum zwischen 1450 und 1462, entstanden ist. Im Unterschied zu den vorherigen Handschriften sucht man dagegen in Cod. Cus. 218 vergeblich nach einem Krebswappen.31) Diese Handschrift, die vermutlich von Peter von Erkelenz redaktionell bearbeitet und von verschiedenen Berufsschreibern ausgeführt wurde, enthält die frühen, d.h. zwischen 1440 und 1450 verfassten, theologisch-philosophischen Werke des Nikolaus von Kues.32) Dennoch finden sich darin einige bekannte Gestaltungselemente, wie z.B. die mehrfarbigen Akanthusblätterranken und die besonders illuminierten Initialen, die gut zu den oben geschilderten Prachthandschriften – vor allem zu den Ausführungen

) Vgl. Casarella, Ex greco-Notizen (wie Anm. 24), 124 Anm. 7. ) Vgl. Cod. Cus 44 f. 1v: Dominus Petrus Episcopus Nycotarensis ex quibusdam grecis scripturis textui Dyonisii applicatis haec extravit. 28) Pietro Balbi übersetzte im Auftrag von NvK darüber hinaus die ‚Theologia Platonis‘ des Proklos und tritt als Gesprächspartner in seiner Schrift ‚De li non aliud‘ (1462) in Erscheinung. Vgl. Casarella, Ex greco-Notizen (wie Anm. 24), 124–127; außerdem Kristeller, Paul Oskar, A latin translation of Gemistos Plethon’s De Fato by Johannes Sophianos dedicated to Nicholas of Cusa, in: Nicolò Cusano agli inizi del mondo moderno. Atti del congresso internazionale in occasione del V centenario della morte di Niccolò Cusano, Bressanone 6–10 settembre 1964 (Pubblicazioni della Facoltà di Magistero dell’Università di Padova 12), Florenz 1964, 175–193, hier 188, und Monfasani, Pseudo-Dionysius (wie Anm. 25), 197. 29) Diesem Eintrag folgt noch eine Anmerkung von der Hand des NvK aus der Zeit zwischen 1462 und 1464 über das Wesen der Engel und die Identität des vermeintlichen Areopagiten. So wunderte sich Cusanus darin u.a., dass weder Augustinus noch Ambrosius (4./5. Jh.) Dionysios kannten, während Gregor der Große (6. Jh.) ausgiebig aus seinen Schriften zitierte. Vgl. Neusius, Opera Dionysii Areopagitae, in: Aris (Hg.), Horizonte (wie Anm. 12), 196–198, sowie Casarella, Ex greco-Notizen (wie Anm. 24), 127–129. 30) Vgl. auch ebd. 129, Anm. 129. 31) Vgl. Klibansky, Raymund, Zur Geschichte der Überlieferung der Docta ignorantia des NvK, in: NvK, Die belehrte Unwissenheit, Buch III, hg. v. Hans Gerhard Senger, Hamburg 2 1999, 209–240, hier 227. 32) Auffälligerweise finden sich darin keine der auf dem Basler Konzil entstandenen, d.h. vor allem kirchenpolitischen Schriften wie z.B. ‚De maioritate auctoritatis sacrorum conciliorum supra auctoritatem papae‘ (1433/34), ‚De concordantia catholica‘ (1434) oder ‚De auctoritate praesidendi in concilio‘ (1434), was ein Hinweis darauf ist, dass er sich später von diesen z.T. durchaus papstkritischen Werken offenbar distanzierte. 26 27

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in Cod. Cus. 179 – passen.33) Dabei beschränken sich die Illuminierungen nicht nur auf die Titelseite, sondern werden jeweils zu Beginn einer neuen Schrift wiederholt, allerdings in einer einfacheren Ausführung als z.B. in Cod. Cus. 179.34) Offenbar erst nachträglich wurde auf den Blättern 138r–141v die eingangs bereits erwähnte und vor dem 18. August 1458 in Andraz/Buchenstein fertiggestellte Vorform von ‚De mathematica perfectione‘ eingetragen, die allerdings später ausradiert wurde und heute kaum noch zu entziffern ist.35) Obwohl sich darin keine eindeutige Datierung mehr finden lässt, könnte Cod. Cus. 218 bereits in der Brixner Zeit des Kardinals angelegt worden sein, wofür wiederum die Nähe zu den Ausgestaltungen im Jahr 1453 fertiggestellten Cod. Cus. 179 spricht. Allerdings muss auch hier eingeräumt werden, dass die Illuminierung beider Handschriften – unabhängig von den Abschreibarbeiten – durchaus auch in späterer Zeit, d.h. nach 1458, in Rom erfolgt sein kann. Im Unterschied zu Cod. Cus. 218 fällt Cod. Cus. 219, der 1464 erst kurz vor dem Tod des Kardinals fertiggestellte zweite Band der Werke des Nikolaus von Kues, wesentlich bescheidener aus. Dieser enthält vor allem die späten Werke des Kardinals, die bis 1463/64 entstanden sind, darunter die Schriften aus den Brixner Jahren, wie ‚De pace fidei‘, ‚De visione Dei‘, ‚De mathematicis complementis‘ (alle 1453) und ‚De beryllo‘ (1458).36) Lediglich einige der kleineren mathematischen Schriften der Brixner Zeit37) wie ,De complementis theologicis‘ (145338) und den ‚Brief an Johannes de Segovia‘ (145439) sucht man darin vergeblich. Die Gründe für die einfachere Gestaltung von Cod. Cus. 219 liegen evtl. darin, dass Cusanus 1463/64 nicht mehr über die finanziellen Mittel für eine üppige Illuminierung verfügte bzw. dafür kein Geld mehr ausgeben wollte, oder aber, dass Cod. Cus. 33) Zu Cod. Cus. 218 vgl. Marx, Verzeichnis der Handschriften-Sammlung (wie Anm. 12), 212– 214; Aris, Der Leser im Buch (wie Anm. 15), 386. 34) Vgl. auch Aris, Marc-Aeilko, Ausgabe letzter Hand. NvK: De docta ignorantia, in: Ders., Horizonte (wie Anm. 12), 194f., und Ronig, Illuminierte Buchseiten (wie Anm. 12), 152f. und 155f. 35) Vgl. hierzu Folkerts, Menso, Die Quellen und die Bedeutung der mathematischen Werke des NvK, in: MFCG 21 (2003), 291–332, hier 323, sowie Hofmann, Joseph Ehrenfried/ Haubst, Rudolf, Über eine bisher unbekannte Vorform der Schrift ‚De mathematica perfectione‘ des NvK, in: MFCG 10 (1973), 13–57; außerdem Reinhardt, Klaus, Eine bisher unbekannte Handschrift mit Werken des NvK in der Kapitelsbibliothek von Toledo (Mit Transkription der Vorform von ‚De mathematica perfectione‘), in: MFCG 17 (1986), 96–141. 36) Vgl. Marx, Verzeichnis der Handschriften-Sammlung (wie Anm. 12), 214–217, und Aris, Marc-Aeilko, NvK: De ludo globi, in: Ders., Horizonte (wie Anm. 12), 129. 37) Wie die Schriften ‚Quadratura circuli‘ (wohl Sommer 1453), ‚Declaratio rectilineationis curvae‘ (1454), ‚De una recti curvique mensura‘ (1454–1457), ‚Dialogus de circuli quadratura‘, ‚De sinibus et chordis‘, ‚De caesarea circuli quadratura‘ (alle 1457). Vgl. hierzu NvK, Scripta mathematica, ed. Folkerts, h XX, und Folkerts, Quellen und die Bedeutung (wie Anm. 35), 315–323. 38) Vgl. AC II 2, Nr. 3626, und NvK, De Deo unitrino principio [pars] a: De theologicis complementis, ed. Riemann/Bormann, h X 2a. 39) Vgl. AC II 3, Nr. 4192, sowie die Edition NvK, De pace fidei cum Epistula ad Ioannem de Segobia, ed. Klibansky/Bascour, h VII, 93–102.

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219 so kurz vor dem Tod des Kardinals abgeschlossen wurde, dass keine Zeit mehr für eine aufwendige künstlerische Ausgestaltung blieb. Darüber hinaus ist es zumindest erwähnenswert, dass Cod. Cus. 218 ausschließlich von (nord)alpinen Kopisten in einer spätgotischen Bastarda geschrieben wurde, während an Cod. Cus. 219 auch italienische Schreiber beteiligt waren, wie z.B. bei der Schrift ‚De mathematicis complementis‘ (f. 51r–66r). Cod. Cus. 218 und 219, die beide von Cusanus persönlich korrigiert wurden, stellen zusammen mit den beiden Predigt-Handschriften Vat. lat. 1244 und 1245 sein geistiges bzw. literarisches Erbe dar, das er in entsprechend angemessenen Prachthandschriften der Nachwelt hinterlassen wollte. Cod. Cus. 218 und 219 bildeten die Vorlage für die erste zwischen 1488 und 1490 in Straßburg bei Martin Flach gedruckte Werkausgabe, die vermutlich ebenfalls von Peter von Erkelenz als Rektor des St. Nikolaus-Hospitals in Kues in Auftrag gegeben wurde.40) 3. Cusanus im Austausch mit den Gelehrten seiner Zeit Abgesehen von der Herstellung einiger Prachthandschriften nutzte Nikolaus von Kues als Kardinal und neuer Bischof von Brixen natürlich auch seine Kontakte zur Kurie in Rom oder zu anderen hochrangigen Kirchenvertretern und Gelehrten, um Handschriften zu tauschen oder Abschriften von deren Büchern anzufertigen. Am Beispiel von Nikolaus von Kues kann man nachvollziehen, wie die humanistisch geprägten europäischen Gelehrten vernetzt waren und untereinander in Kontakt standen. Cusanus im eher abgelegenen Brixen bildete hier sicherlich nicht den Mittelpunkt, dennoch war er aufgrund seiner Stellung mit verschiedenen Gelehrten sowie einflussreichen Kirchenmännern verbunden. Der Handschriftentausch war dabei sicherlich nicht nur eine rein intellektuelle Betätigung, sondern diente auch einer Art Lobbyarbeit, um mit einflussreichen Kirchenpolitikern in Verbindung zu treten oder die Kontakte mit diesen zu festigen. In den Dokumenten der Acta Cusana lässt sich eine Vielzahl solcher Verbindungen nachweisen, von denen hier einige vorgestellt werden sollen. So ließ sich Cusanus während seines Romaufenthaltes von März bis Mai 1453 eine Kopie der ‚Metaphysik‘ des Aristoteles anfertigen, die von seinem Kardinalskollegen Bessarion ins Lateinische übersetzt wurde, und die heute noch in der Cusanus-Bibliothek in Bernkastel-Kues unter der Signatur Cod. Cus. 184 aufbewahrt wird.41) Nach einem persönlichen Eintrag von der Hand des Nikolaus von 40) Vgl. Klibansky, Geschichte (wie Anm. 31), 230–232; Brösch, Herz und Geist (wie Anm. 21), 706f.; Stork, Bibliothek und Bücher (wie Anm. 20), 79. 41) Vgl. AC II 1, Nr. 3159, und Marx, Verzeichnis der Handschriften-Sammlung (wie Anm. 12), 172; Bianca, Niccolò Cusano e la sua biblioteca (wie Anm. 20), 6f.; Dies., Cardinal de Cues en voyage avec ses livres (wie Anm. 18), 33, und Aris, Leser im Buch (wie Anm. 15), 387. Bei der

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Kues handelte es sich dabei um die beste Übersetzung des Textes. Dennoch war die Abschrift so fehlerhaft, dass Cusanus sie anhand des Originals korrigieren ließ42), wobei unklar bleibt, ob diese Überprüfung von Bessarion selbst oder von einem anderen Bearbeiter vorgenommen wurde.43) Beim gleichen Romaufenthalt im Mai 1453 tauschte er mit dem karrieristisch eingestellten Bischof von Arras, Jean Jouffroy (1412–1473), ein Exemplar der pseudo-quintilianischen ‚Declamationes‘ gegen eine Abschrift der von Georg von Trapezunt angefertigten lateinischen Übersetzung von Platons ‚De legibus‘ (‚Nomoi‘) sowie des wohl auf Philippos von Opus zurückgehenden pseudo-platonischen Dialogs ‚Epinomis‘.44) Bevor Jouffroy die Platon-Übersetzung an Cusanus herausgab, ließ er sich hiervon noch eine neue Abschrift anfertigen.45) Im Unterschied hierzu verzichtete Nikolaus von Kues vermutlich auf die Anfertigung einer weiteren Abschrift der pseudo-quintilianischen ‚Declamationes‘, was nochmals unterstreicht, dass sich Cusanus – anders als seine humanistischen Zeitgenossen – weniger für antike Rhetorik bzw. juristische Übungen interessierte, als vielmehr für antike Philosophie. Später kam es noch zu verschiedenen Begegnungen mit Jouffroy, als dieser mit zwei weiteren Kardinälen als päpstlicher Untersuchungsrichter eingesetzt wurde, um den Überfall Sigismunds von Tirol auf Nikolaus von Kues an Ostern 1460 zu untersuchen.46) Allerdings waren beide nicht in Freund-

Handschrift handelt es sich aber nicht um die einzige lat. Übersetzung der Metaphysik von Bessarion. Eine weitere, offenbar spätere Abschrift aus dem Besitz des NvK befindet sich heute in der British Library in London unter der Signatur Cod. Harl. 4241. Vgl. hierzu die Beschreibung von Haubst, Rudolf, Kritisches Verzeichnis der Londoner Handschriften aus dem Besitz des NvK, in: MFCG 12 (1977) 21–43, hier 36–43, besonders 42, und Kristeller, A latin translation (wie Anm. 28), 182. 42) Vgl. den Eintrag auf f. 102v: Istam translacionem fecit reverendissimus dominus cardinalis Nicenus (= Bessarion), que non posset esse melior, et feci corrigi librum ex originali de manu eiusdem d. cardinalis 1453. 43) Vgl. AC II 1, Nr. 3159 Anm. 3. 44) Vgl. AC II 1, Nr. 3433. Die noch erhaltene Handschrift mit dem Wappen Jouffroys (f. 2r) wurde wohl um 1450 in Florenz angefertigt und im November 1718 nach England verkauft. Heute wird sie in der British Library unter der Signatur Cod. Harl. 3261 aufbewahrt. Vgl. hierzu Santinello, Giovanni, Cod. Harl. 3261, in: MFCG 12 (1977), 18–20. Auf einem auf f. 1r eingeklebten Zettel heißt es entsprechend: dominus Attrebatensis donavit mihi in recompensacionem Declamacionum Quintiliani etc. N(icolaus) cardinalis sancti Petri. Die Handschrift mit den pseudo-quintilianischen ‚Declamationes‘ aus dem ehemaligen Besitz des NvK befindet sich dagegen in der königlichen Bibliothek in Brüssel unter der Signatur Ms. 9142–45. Vgl. hierzu Desachy, Mathieu, Deux bibliophiles humanistes. Jean et Hélion Jouffroy (Documents études et répertoires 82), Paris 2012, 90 (Nr. 84); außerdem Bianca, Biblioteca Romana (wie Anm. 18), 704; Dies., Niccolò Cusano e la sua biblioteca (wie Anm. 20), 5f.; Dies., Cardinal de Cues en voyage avec ses livres (wie Anm. 18), 35, und Märtl, Claudia, Kardinal Jean Jouffroy († 1473). Leben und Werk (Beiträge zur Geschichte und Quellenkunde des Mittelalters 18), Sigmaringen 1996, 106 Anm. 334, und 290 Anm. 34. 45) Die Abschrift befindet sich heute in BAV‚ Vat. lat. 2062. Vgl. hierzu auch AC II 1, Nr. 3433 Anm. 4. 46) Vgl. Märtl, Kardinal Jean Jouffroy (wie Anm. 44), 115f.

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schaft verbunden, und so äußerte sich Cusanus kritisch zur Kardinalserhebung Jouffroys im Jahr 1462.47) In seiner aktiven Zeit als Bischof von Brixen wurden Nikolaus von Kues auch einige Buchpräsente gemacht. So schenkte ihm z.B. sein Weihbischof, der Dominikaner Andreas Sichariensis (1434–1455), der für Cusanus „diverse Kirchweihen vollzog und gleichzeitig die Pfarrei Thaur besaß,“48) am 9. August 1453 eine Handschrift mit den Kommentaren von Albertus Magnus zu den Werken des Ps.Dionysius Areopagita, die heute in der Cusanus-Bibliothek in Bernkastel-Kues unter der Signatur Cod. Cus. 96 aufbewahrt wird.49) Zahlreiche Anmerkungen darin verraten, dass sie eifrig von Nikolaus von Kues gelesen wurden.50) Als ein mögliches Zeichen des gegenseitigen Einvernehmens bzw. der Freundschaft lässt sich evtl. auch Cod. Cus. 82 interpretieren, der die 1407 in Barcelona ins Lateinische übersetzte Schrift ‚Ars ad faciendum et ad solvendum quaestiones‘ des mallorquinischen Philosophen Raymundus Lullus (1232–1316) enthält. Diese Handschrift wurde dem Kardinal vom Bischof von Padua, Fantino Dandolo (1379–1459), geschenkt51), der offenbar wusste, dass Nikolaus von Kues neben den Werken des Ps.-Dionysius Areopagita auch die Schriften Ramon Llulls sammelte. Dabei galt der aus Venedig stammende Rechtsgelehrte und Diplomat Dandolo selbst als herausragender Llull-Experte, der Padua gezielt zu einem Zentrum des Lullismus ausbaute. Hier war Dandolo zwischen 1412–1413 und erneut zwischen 1418–1421 – also noch vor dem Studienaufenthalt des Nikolaus von Kues – als Podestà eingesetzt.52) 1421 erfolgte seine Ernennung zum apostolischen Protonotar und 1444 zum Erzbischof von Kreta, bevor er schließlich von 1448 bis zu seinem Tod 1459 das Bistum in Padua leitete.53) Schon früh bemühte sich 47) Vgl. Meuthen, Die letzten Jahre (wie Anm. 14), 79–82, und Märtl, Kardinal Jean Jouffroy (wie Anm. 44), 126f. 48) Woelki, Thomas, Kirchenrecht als Mittel der Reform. NvK und die Seelsorgeprivilegien der Mendikantenorden, in: Frank, Thomas/Winkler, Norbert (Hg.), Renovatio et unitas. NvK als Reformer, Theorie und Praxis der ‚reformatio‘ im 15. Jahrhundert (Berliner Mittelalter- und Frühneuzeitforschung 13), Göttingen 2012, 117–135, hier 134. Zu Magister Andreas OP, Titularbischof von Sichar als Pfarrer von Thaur, vgl. u.a. AC II 1, Nr. 2467, sowie AC II 4, Nr. 4682 Anm. 17; AC II 7, 2009 s.v. 49) Vgl. AC II 2, Nr. 3566, sowie Marx, Verzeichnis der Handschriften-Sammlung (wie Anm. 12), 97f. In Cod. Cus 96 heißt es entsprechend auf f. 257r von der Hand des Kardinals: Dedit mihi N(icolao) car(dina)li sancti Petri episcopo Brixinensi hunc librum suffraganeus meus 1453 9 augusti. 50) Eine Edition seiner Marginalien in Cod. Cus. 96 findet sich bei Baur, Ludwig, Nicolaus Cusanus und Ps. Dionysius im Lichte der Zitate und Randbemerkungen des Cusanus (SBH 1940/41,4; Cusanus-Texte 3,1), Heidelberg 1941. 51) Vgl. Marx, Verzeichnis der Handschriften-Sammlung (wie Anm. 12), 82. 52) Vgl. Gullino, Giuseppe, Dandolo, Fantino, in: DBI 32 (1986), 460–464. 53) Vgl. Reinhardt, Klaus, Die Lullus-Handschriften in der Bibliothek des NvK: Ein Forschungsbericht, in: Bidese, Ermenegildo/Fidora, Alexander/Renner, Paul (Hg.), Ramon Llull und NvK. Eine Begegnung im Zeichen der Toleranz. Akten des Internationalen Kongresses zu

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Dandolo um den Erwerb von Lullus-Handschriften, die z.T. aus der Sammlung des Genueser Adligen Perceval Spinola stammten, z.T. aber auch von katalanischen Lullisten mitgebracht wurden, die er zu sich einlud. Zu diesen Handschriften gehörte u.a. auch Cod. Cus. 82, den Dandolo noch als Protonotar, also zwischen 1421 und 1444, erwarb bzw. abschreiben ließ.54) Wann er das Manuskript Cusanus übergab, lässt sich dagegen nicht mehr eindeutig datieren. In dem Schenkungsvermerk in der Handschrift heißt es lediglich: Episcopus Paduanus donavit hunc librum reverendissimo domino cardinali sancti Petri, woraus hervorgeht, dass die Schenkung nach 1448 erfolgt sein muss, als Dandolo bereits zum Bischof von Padua geweiht und Cusanus zum Kardinal ernannt wurde. Martin Honecker geht in seinen Überlegungen noch weiter und vermutet, dass aufgrund der fehlenden Bezeichnung von Cusanus als Bischof von Brixen „die Schenkung in der Zeit 1448–1450 erfolgt ist“, also noch vor seiner Bischofsweihe im April 1450.55) Da es sich bei dem Eintrag nur um einen Schenkungsvermerk und keine offizielle Urkunde handelt, war es sicherlich nicht notwendig, alle Titel des Kardinals aufzulisten, so dass man den möglichen Schenkungszeitraum nochmals ausweiten muss, d.h. von 1448 bis zum Tod Dandolos am 17. Februar 1459. Eine Gelegenheit zur Schenkung hätte sich evtl. unmittelbar vor dem 11. August 1456 ergeben können. Für diesen Tag findet sich in der Brunecker Amtsraitung ein entsprechender Eintrag, dass Cusanus einen Diener Fantino Dandolos zusammen mit seinem eigenen Familiaren Petrus Bartholomei de Aleiis nach Bruneck schickte, wo beide bis zum 13. August blieben.56) Der Zweck ihres Aufenthaltes ist ebenso unbekannt wie der Grund, warum Dandolo überhaupt einen Boten zu Cusanus entsandte. Bei diesem Eintrag handelt es sich aber um den einzigen dokumentierten Kontakt zwischen den beiden Kirchenfürsten. Die Herausgeber der Acta Cusana vermuten, dass die Gesandtschaft evtl. im Zusammenhang mit der geplanten Reformsynode Dandolos stehen könnte, die der Bischof von Padua für 1457 geplant hatte und über die er sich möglicherweise mit Cusanus im Vorfeld austauschte. Ein solcher Erfahrungsaustausch wäre sicherlich auch ein guter Anlass für die Schenkung oder den Tausch von Handschriften, wobei unklar bleibt, ob Nikolaus von Kues sich für diese Gabe revanchierte oder auf andere Weise erkenntlich zeigte. Aber nicht nur mit französischen und italienischen Würdenträgern wie Jean Jouffroy oder Fantino Dandolo tauschte Nikolaus von Kues Handschriften aus, Ramon Llull und NvK (Brixen und Bozen, 25.–27. November 2004) (Instrumenta patristica et mediaevalia 46; Subsidia Lulliana 2), Turnhout 2005, 1–23, hier 14. 54) Vgl. hierzu den Besitzvermerk: Bernkastel-Kues, St. Nikolaus-Hospital, Cod. Cus. 82 f. Iv: Est reverendi in Christo patris et domini domini Fantino Dandulo prothonotarii etc. 55) Honecker, Martin, Lullus-Handschriften aus dem Besitz des Kardinals Nikolaus von Cues, in: Spanische Forschungen der Görresgesellschaft 6 (1937), 252–309, hier 258f. Anm. 26. 56) Vgl. Brixen, DA, HA 5757 f. 11r, f. 18r, bzw. AC II 5, Nr. 4893.

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sondern auch mit spanischen Gelehrten wie dem Titular-Erzbischof von Caesarea, Johannes de Segovia (1395–145857), der als Gesandter der Universität von Salamanca wie Cusanus am Basler Konzil teilnahm. Während sich Nikolaus von Kues 1437 auf die Seite Papst Eugens IV. schlug und als Mitglied der papsttreuen Delegation nach Konstantinopel reiste, blieb Johannes de Segovia ein überzeugter Verfechter des Konzils von Basel, wo er u.a. entscheidend an der Absetzung Papst Eugens IV. mitwirkte und unter dem Basler Gegenpapst Felix V. 1440 zum Kardinal aufstieg. Während Cusanus nach dem Ende des Konzils und der Beendigung des Schismas im Jahr 1449 als Kardinal und Bischof von Brixen kirchenpolitisch Karriere machte, musste Johannes de Segovia auf seine Kardinalswürde verzichten. Er zog sich ins Exil in das Kloster Aiton in den Savoyer Alpen zurück, wo er sich fortan seinem schriftstellerischen Werk widmete, darunter seiner Geschichte des Basler Konzils sowie – angeregt durch den Fall Konstantinopels 1453 – seiner Abhandlung ‚De gladio divini spiritus in corda mittendo Sarracenorum‘ über den Islam.58) Trotz der z.T. erbitterten politischen Auseinandersetzung blieben die beiden Kontrahenten in gegenseitiger Hochachtung zueinander verbunden. Möglicherweise gab Johannes de Segovia bereits in Basel den Anstoß für das intensive Interesse des Cusanus am Islam. Cusanus wiederum überließ ihm kurz vor seiner Abreise nach Konstantinopel 1437 seine lateinische Koranausgabe.59) Am 2. Dezember 1454 wandte sich Johannes de Segovia in einem ausführlichen Brief erneut an Nikolaus von Kues, um mit ihm über den Islam zu diskutieren und sich nach dem Stand der päpstlichen Vorbereitungen zur Rückeroberung Konstantinopels zu erkundigen.60) Darin bringt er zum Ausdruck, dass er einen Kreuzzug gegen die Türken ablehnt und vielmehr zu einer theologischen Auseinandersetzung mit den Muslimen rät, um sie auf rationalem Wege zum Christentum zu bekehren. Darüber hinaus übersandte Johannes de Segovia Cusanus zumindest das Inhaltsverzeichnis, evtl. auch weitere Teile seiner Schrift ‚De gladio spiri-

57) Zu Johannes de Segovia und NvK vgl. u.a. Euler, Walter Andreas/Stammkötter, Franz-Bernhard, Johannes de Segovia und NvK im Gespräch mit über den Islam, in: Euler, Walter Andreas/Kerger, Tom (Hg.), Cusanus und der Islam, Trier 2010, 49–64; ÁlvarezGoméz, Mariano, Über die Bedingungen des Friedens im Glauben bei Johannes de Segovia und NvK (Cusanus Lecture 9), Trier 2003. 58) Vgl. Johannes von Segovia, De gladio divini spiritus in corda mittendo Sarracenorum, ed. Ulli Roth, 2 Bde. (Corpus Islamo-Christianum. Series Latina 7,1–2), Wiesbaden 2012. 59) Vgl. Euler/Stammkötter, Johannes von Segovia (wie Anm. 57), 51, mit Verweis auf eine entsprechende Stelle im Vorwort der ‚Cribratio Alkorani‘, wo es heißt: Dimisi librum apud magistrum Iohannem de Segobia et ad Constantinopolim perrexi … Vgl. NvK, Cribratio Alkorani, ed. Hagemann, h VIII, Nr. 2 Z. 9f. 60) AC II 3, Nr. 4162.

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tus‘61), die noch nicht abgeschlossen war, da „seine Quellen, und hier vor allem die alte lateinische Koranübersetzung von Robert von Ketton aus dem Jahr 1143, fehlerhaft und deshalb unzureichend waren.“62) Dennoch bittet Johannes de Segovia Nikolaus von Kues um seinen Rat, ob er das Werk an Papst Nikolaus V. weiterleiten solle. Die Übersendung des Briefes und Teile seines Werkes – die man vergeblich in der Bibliothek bzw. im Nachlass des Nikolaus von Kues sucht – diente offenbar nicht nur dazu, mit dem Bischof von Brixen einen theologischen Diskurs über den Islam zu führen, sondern möglicherweise auch dazu, Cusanus als Vermittler bei Papst Nikolaus V. zu gewinnen. Damit war sicherlich auch die Hoffnung verbunden, sich mit seiner Schrift wieder dem Papsttum anzunähern. Entsprechend positiv fällt die Antwort des Cusanus in seiner ‚Epistula ad Ioannem de Segobia‘ aus, die er am 29. Dezember 1454 in Innsbruck verfasste.63) Darin empfiehlt er Johannes de Segovia, den schwerkranken Papst in Rom selbst aufzusuchen oder jemanden zu ihm zu schicken, um ihm das fertige Werk zu überreichen, damit es Früchte tragen möge.64) Mit dieser Formulierung dürften sicherlich nicht nur theologische Früchte gemeint sein. An diesem Briefaustausch zeigt sich zum einen, in welch engem Vertrauensverhältnis der Bischof von Brixen zum Papst stand, da er hier von Johannes de Segovia als Mittelsmann angerufen wird, und zum anderen, dass sich Johannes de Segovia mit seiner theologischen Abhandlung offenbar wieder dem Papst annähern wollte, auch wenn es hierzu nicht mehr kam, da Nikolaus V. bereits am 24. März 1455 verstarb. Auf der theologischen und politischen Ebene stimmte Nikolaus von Kues mit Johannes de Segovia weitgehend überein.65) So teilte Cusanus dessen grundsätzliche Einschätzung, dass der Friede dem Krieg jederzeit vorzuziehen und ein militärischer Akt den Christen nur im Verteidigungsfall gestattet sei. Gleichzeitig verweist er im Brief auf seine eigene Schrift ‚De pace fidei‘, die er 1453 nach dem 61) Vgl. hierzu die Antwort des Kardinals in NvK, Epistula ad Ioannem de Segobia, ed. Klibansky/Bascour, h VII, 98 Z. 18f. wo es heißt: … quam non legi in hiis scriptis vestris nunc ad me missis elucidatam. und 101 Z. 13f. … ad volumen illud gloriosum vestrae compilationis. 62) Euler/Stammkötter, Johannes von Segovia (wie Anm. 57), 52. 63) Vgl. AC II 3, Nr. 4192, sowie NvK, Epistula ad Ioannem de Segobia, ed. Klibansky/Bascour, h VII, 93–102. Eine deutsche Übersetzung findet sich in Euler/Kerger, Cusanus und der Islam, (wie Anm. 57), 65–77 sowie bei Baum/Senoner, Briefe und Dokumente I (wie Anm. 74), 267–277 (Nr. 75). 64) NvK, Epistula ad Ioannem de Segobia, ed. Klibansky/Bascour, h VII, 102 Z. 3–10: Testis sum ego, quia saepe audivi ipsum diligere et cum affecto personam reverendissimae paternitatis vestrae et multum ad ipsam inclinari. Scio quod forte de curia non multum curatis. Tamen haec sancta res tanta est quod propter ipsam omnia possibilia obmitti non debent. Hoc est consilium meum, sive accesseritis per vos ipsum sive miseritis ad sanctissimum dominum nostrum, quod opus perfectum offeratis quantocius, ut fructificet. 65) Vgl. hierzu Euler/Stammkötter, Johannes von Segovia (wie Anm. 57), sowie Gottlöber, Susan, Epistula ad Ioannem de Segobia, in: Brösch/Euler/Geissler/Ranff (Hg.), Handbuch NvK (wie Anm. 3), 208–212.

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Untergang Konstantinopels verfasst habe und die er ihm – wenn er sie griffbereit hätte – gerne zustellen würde. Tatsächlich machte er diese Ankündigung später wahr, was Johannes de Segovia in seinen Brief an den Bischof von Chalon-sur Saône, Jean Germain († 1461), am 31. Juli 1455 bestätigte.66) Zusammen mit der noch nicht identifizierten Schrift ‚Dialogus in confusionem secte Mahumeti‘ sandte Cusanus Segovia eine Abschrift von ‚De pace fidei‘, die Peter von Erkelenz am 21. September 1453 angefertigt hatte, und die zusammen mit einem Teil der Bibliothek Johannes’ de Segovia nach dessen Tod testamentarisch an seine Heimatuniversität in Salamanca überstellt wurde.67) Auch hinsichtlich seiner Suche nach alternativen lateinischen Koran-Übersetzungen gab Nikolaus von Kues Johannes de Segovia einige Hinweise.68) Obwohl er mit Cod. Cus. 108 (f. 30v–107r 69) selbst nur im Besitz der alten lateinischen Übersetzung Roberts von Ketton war, versprach er Johannes de Segovia, mit dem reformierten Augustiner-Chorherrenstift Rohr in Niederbayern (Diözese Regensburg) und dessen Propst Petrus Fries (1389–1455) Kontakt aufzunehmen, wo sich Cusanus im Juni 1452 aufhielt und offenbar eine weitere lateinische KoranAusgabe einsehen konnte.70) Ebenso verweist er auf weitere Koranübersetzungen in Köln sowie in der Kartause in Roermond in der Diözese Lüttich, „wo ein gelehrter Bruder namens Dionysius lebt, der ein kleines Buch gegen die Irrtümer Mohammeds erarbeitet hat“.71) Gemeint ist damit natürlich Dionysius der Kartäuser (1402/03–1471), den Cusanus auf seiner Legationsreise kennengelernt hatte und den er zur Abfassung seines Werkes ‚Contra perfidiam Mahometi libri 66) AC II 4, Nr. 4454: Siquidem mandavit ad me librum, quem ediderat ‚de pace fidei‘ habenda cum Judeis, Sarracenis, Arabibus, Persis, Armenis et multis aliis discordantibus a Christiane religionis cultu avisata principali dissensionis radice et apposita catholica concordancia. Mandavit eciam certum opus per modum dyalogi in confusionem secte Mahumeti. 67) Vgl. AC II 2, Nr. 3640; heute Salamanca, Universidad de Salamanca, Biblioteca General Histórica, Ms. 19 f. 126r–139v. 68) NvK, Epistula ad Ioannem de Segobia, ed. Klibansky/Bascour, h VII, 101 Z. 6–14: Scio etiam in hac Bavaria, in monasterio cui praeest dominus Petrus de Ror, quem reverendissima paternitas vestra Basileae vidit, Alchoranum esse; nescio si est illa translatio quam habetis; monasterium vocatur Rore; inquiram et significabo. Etiam Coloniae reperitur. Et Carthusienses in Roremunda dioecesis Leodiensis habent, ubi quidam doctus frater Dyonisius vivens laboravit scribendo opus parvum contra errores Mahumeti; sed non est comparatio ad volumen illud gloriosum vestrae compilationis. 69) Vgl. die Handschriftenbeschreibung bei Marx, Verzeichnis der Handschriften-Sammlung (wie Anm. 12), 107f. 70) Zum Aufenthalt des NvK in Rohr (heute Benediktinerkloster) vgl. AC II 1, Nr. 2637, 2665f. und 2700. Zu Propst Petrus Fries vgl. Treusch, Ulrike, Bernhard von Waging († 1472). Ein Theologe der Melker Reformbewegung. Monastische Theologie im 15. Jahrhundert? (Beiträge zur historischen Theologie 158), Tübingen 2011, 47f., und Zeschick, Johannes, Das Augustinerchorherrenstift Rohr und die Reformen in bairischen Stiften vom 15. bis zum 17. Jahrhundert (Neue Veröffentlichungen des Instituts für Ostbairische Heimatforschung 21), Passau 1969, 6–10 und 18–30. 71) NvK, Brief an Johannes von Segovia vom 29. Dezember 1454, in: Euler/ Kerger, Cusanus und der Islam (wie Anm. 57), 76.

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quattuor‘ veranlasste, von dem sich unter der Signatur Cod. Cus. 107 f. 1r–193v ebenfalls eine Kopie in der Cusanus-Bibliothek im St. Nikolaus-Hospital in Bernkastel-Kues befindet.72) An diesem Beispiel wird nochmals deutlich, über welche Kenntnisse Cusanus hinsichtlich der verschiedensten Bibliotheksbestände verfügte. 4. Cusanus und die Bücher vom Tegernsee Die wichtigsten Informationen über Nikolaus von Kues, seine Bibliothek und den Austausch von Büchern in seiner Brixner Zeit liefert allerdings der umfangreiche Briefwechsel mit den Mönchen vom Kloster St. Quirinus in Tegernsee, wo er sich vom 31. Mai bis 3. Juni 1452 drei Tage lang ausruhte, mit den Brüdern im Kloster lebte und in ihre Gebetsverbrüderung aufgenommen wurde.73) Auch wenn diese Korrespondenz, die in erster Linie zwischen 1452 und 1456 geführt wurde74), in den letzten Jahren verstärkt Gegenstand der Forschung war, so standen dabei der Einsatz der Benediktiner von Tegernsee in der Brixner Klosterreform des Nikolaus von Kues sowie in erster Linie die Diskussion um die mystische Theologie im Zentrum der Untersuchungen.75) 72) Vgl. AC I 3a, Nr. 1821. Vgl. hierzu auch Marx, Verzeichnis der Handschriften-Sammlung (wie Anm. 12), 106f. sowie Meuthen, Erich, NvK und Dionysius der Kartäuser, in: Hagemann, Ludwig B. (Hg.), En kai plethos. Einheit und Vielheit. Festschrift für Karl Bormann zum 65. Geburtstag, Würzburg 1993, 100–120. 73) Vgl. AC II 1, Nr. 2614–2619, 2621–2624, 2626, und Redlich, Virgil, Tegernsee und die deutsche Geistesgeschichte im 15. Jahrhundert (Schriftenreihe zur bayerischen Landesgeschichte 9), München 1931 (ND Aalen 1934), 95–97. 74) Vgl. hierzu Edition Vansteenberghe, Edmond, Autour de la docte ignorance. Une controverse sur la théologie mystique au XVe siècle (Beiträge zur Geschichte der Philosophie und Theologie des Mittelalters 14,2–4), Münster/Westfalen 1915, 107–162, sowie die zweisprachige Ausgabe: Baum, Wilhelm/Senoner, Raimund (Hg.), NvK. Briefe und Dokumente zum Brixner Streit. Kontroverse um die Mystik und Anfänge in Brixen (1450–1455), Wien 1998, 86–187 (Nr. 24–59), und die Regestensammlung bei Agethen, Teresa, Apographa epistolarum – Die Tegernseer Briefsammlung des 15. Jahrhunderts. Untersuchungen und Regesten-Edition (Diskurs und Gemeinschaft. Die Schriften Bernhards von Waging im Kontext der spätmittelalterlichen Reformprozesse. Kritische Edition – Erschließung – Rekonstruktion. Serie II: Untersuchungen 2), Münster 2019. Alle diese drei Publikationen bilden nach wie vor wichtige Referenzen. Um den Fußnotenapparat nicht über Gebühr zu strapazieren, beschränke ich mich im Folgenden auf die Stellenangabe in den Acta Cusana, in denen auf die oben angegebenen Referenzwerke hingewiesen wird. 75) Die folgenden Untersuchungen der letzten Zeit hierzu seien nur exemplarisch genannt, ohne Anspruch auf Vollständigkeit: Woelki, Thomas, Cusanus im Dialog mit den Mönchen von Tegernsee. Kommunikative Strategien und Akzeptanzressourcen, in: Euler, Walter, Andreas (Hg.), NvK – Denken im Dialog (Philosophie. Forschung und Wissenschaft 50), Berlin 2019, 211– 229; Senger, Hans Gerhard, NvK. Leben – Lehre – Wirkungsgeschichte (Cusanus-Studien 12), Heidelberg 2017, 221; Kandler, Karl-Hermann, NvK und Bernhard von Waging, in: MFCG 34 (2016), 177–186; Ranff, Viki, Cusanus im Gespräch über Mystik mit den Mönchen vom Tegernsee, in: Cusanus Jahrbuch 6 (2014), 77–90; Ziebart, Meridith K., Nicholas Cusanus on Faith and the Intellect. A Case Study in the 15th-Century-Fides-Ratio Controversy (Brill’s Studies in Intellectual

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Der in der Korrespondenz zwischen den Tegernseer Benediktinern und dem Kardinal ebenfalls ausführlich geschilderte Handschriftentausch wird dabei meist nur am Rande erwähnt76), obwohl sich daran exemplarisch der – häufig als humanistisch bezeichnete – Buchtransfer zwischen den Ländern nördlich und südlich der Alpen aufzeigen lässt.77) Anhand der Korrespondenz lässt sich allerdings nicht nur der Kontakt zwischen Nikolaus von Kues und den Mönchen von Tegernsee nachvollziehen, sondern auch zu vielen weiteren Klöstern, mit denen entweder die Tegernseer oder Cusanus in Verbindung standen und die mehr oder weniger ebenfalls am Büchertausch teilnahmen. Hierzu gehören z.B. die Benediktiner in Admont, Melk, Mondsee oder Salzburg, die Franziskaner in München und Florenz sowie die Kartäuser in Aggsbach. Dabei fällt die quantitative Bilanz dieses Handschriftentausches sehr zugunsten der Reformbenediktiner in Tegernsee aus, was nicht verwundert, brachte doch die Klosterreform generell eine starke Affinität zu Büchern und Gelehrsamkeit mit sich, die sich nicht nur auf die Konvente der Melker Reform beschränkte, sondern sich in allen Reformorden, wie den Benediktinern der Bursfelder Kongregation oder den Augustiner-Chorherren der Windesheimer Kongregation z.B. in Eberhardsklausen usw. wiederfindet. So heißt es über den Tegernseer Abt Kaspar Aindorffer (1401–1461), dass er viele alte Handschriften erwarb oder die Mitbrüder und Lohnschreiber damit beauftragte, Kopien von den ausgeliehenen Werken herzustellen. „Auf diese Weise wuchs der Bücherbestand im Laufe des 15. Jahrhunderts so stark an, dass die Tegernseer Klosterbibliothek zu den bedeutendsten und umfangreichsten Sammlungen gerechnet werden konnte,“ die 1483 ungefähr 1.103 Bände umfasste.78) So nutzte der Abt von Tegernsee, Kaspar Aindorffer, und später auch sein Prior Bernhard von Waging († 1472) den Kontakt mit dem gelehrten Kardinal nicht nur, History 225), Leiden u.a. 2014, 137–198; Rinser, Julia, Tegernseer Kosmos: Zwischen Gelehrtengesprächen und Reformbemühungen. Betrachtungen zum Briefwechsel zwischen NvK und den Tegernseer Mönchen Kaspar Ayndorffer und Bernhard von Waging, in: Bischof, Franz Xaver/Thurner, Martin (Hg.), Die benediktinische Klosterreform im 15. Jahrhundert (Veröffentlichungen des Grabmann-Institutes zur Erforschung der mittelalterlichen Theologie und Philosophie 56), Berlin 2013, 185–219; Treusch, Ulrike, Bernhard von Waging (wie Anm. 70). Hingewiesen sei an dieser Stelle auch auf das DFG Langfristvorhaben „Diskurs und Gemeinschaft. Die Schriften Bernhards von Waging im Kontext der spätmittelalterlichen Reformprozesse. Kritische Edition – Erschließung – Rekonstruktion“ unter der Leitung von Marc-Aeilko Aris, FranzXaver Bischof und Christian Schäfer (seit 2013). 76) So z.B. ausführlich bei Rinser, Tegernseer Kosmos (wie Anm. 75), 196–201. 77) Vgl. hierzu Agethen, Apographa epistolarum (wie Anm. 74), 338–341, und Müller, Winfried, Die Anfänge der Humanismusrezeption in Kloster Tegernsee, in: Stud.Mitt.OSB 92 (1981), 28–90, hier 46–55. 78) Götz, Roland, Kloster Tegernsee im 15. Jahrhundert, in: Bischof/Thurner (Hg.), Die benediktinische Klosterreform (wie Anm. 75), 93–142, hier 117, und Rinser, Tegernseer Kosmos (wie Anm. 75), 201.

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um über theologische Fragen zu diskutieren, sondern auch, um ihn konkret um die Ausleihe von Handschriften und Texten aus seiner Bibliothek zu bitten.79) Möglicherweise hatte Cusanus den Tegernseern bereits bei seinem Aufenthalt Ende Mai/Anfang Juli 1452 auf seiner Reise zum Reichstag von Regenburg einige seiner Predigten überlassen, die von den Brüdern kopiert und noch vor dem 22. September 1452 wieder an den Kardinal mittels eines Boten zurückgebracht wurden.80) In einem mitgesandten Brief Aindorffers bittet der Abt den Kardinal im Namen seiner Mitbrüder um eine Reihe weiterer Werke aus seiner Bibliothek, die sie vor Ort in Tegernsee gerne für die Klosterbibliothek abschreiben wollten.81) Im Einzelnen bemühte sich der Abt im September 1452 zunächst um die folgenden Schriften: – Dionysius der Kartäuser, ‚Monopanton seu redactio omnium epistolarum beati Pauli in unam‘ (Vorlage: Cod. Cus 12 f. 75r–113r [Autograph für Nikolaus von Kues verfasst]; Kopie: München, BSB, Clm 18199 f. 118r–148r), – Matthias von Schweden bzw. Linköping, ‚Expositio super Apocalypsim‘ (Vorlage: Cod. Cus. 25; Kopie: Clm 18422 f. 196r–318r), – Johannes Climacus, ‚Scala paradisi‘ (Vorlage: Cod. Cus. 58; Kopie: Clm 18422 f. 1r–76r), – Thomas Gallus von Vercelli, Kommentar zu Ps.-Dionysius Areopagita (‚Extractio Corporis Dionysiaci‘) (Vorlage: Cod. Cus. 45 f. 1r–59r; Kopie: Clm 18210 f. 1r–70r) – Robert Grosseteste, Bischof von Lincoln, Übersetzung von Ps.-Dionysius Areopagita, ‚De angelica hierarchia‘ sowie Übersetzung und Kommentar zu ‚De mystica theologia‘

) Vgl. ebd., 198f. ) Vgl. hierzu AC II 1, Nr. 2718 und vor allem Nr. 2824. Bei der Abschrift handelt es sich um die heute noch in der Staatsbibliothek in München erhaltene Handschrift Clm 18712, die u.a. einige Predigten des NvK enthält. Vgl. hierzu auch Götz, Kloster Tegernsee (wie Anm. 78), 119; außerdem Halm, Karl/Laubmann, Georg von/Meyer, Wilhelm, Catalogus codicum latinorum Bibliothecae Regiae Monacensis, Bd. 2,3: Codices num. 15121–21313 complectens, München 1878, 201 (Nr. 1621). 81) Vgl. AC II 1, Nr. 2824 Z. 9–13: Ceterum fratres si petere non audent, sed et ego, quantum desiderant, cum eisdem exopto iterum aliqua pro exercicio solacioso ab eisdem rescribenda cum presenti transmitti. Sint autem de subscriptis aliqua aut alia, que utilia noscuntur et fructuosa studiosis: unum ex epistolis Pauli, de quo audierunt, Matheum de Cracovia ‚Super apock(alipsi)‘, Iohannis de Climaco ‚De gradibus perfectionis‘, Vercellensem super Dyonisium etc.; außerdem Vansteenberghe, Autour (wie Anm. 74), 18, sowie Théry, Gabriel, Catalogue des manuscrits Dionysiens des bibliothèques d’Autriche, in: Archives d’histoire doctrinale et littéraire du Moyen Age 19/11 (1935/36), 163–254, hier 179. Im gleichen Schreiben sowie in den weiteren Briefen erwähnt der Abt noch andere mystische Texte, wie z.B. Hugos von Balma ‚Theologica mystica‘ sowie weitere mystische Schriften Jean Gersons, für die sich NvK offenbar nicht weiter interessierte und die sich bislang auch nicht in der Cusanus-Bibliothek nachweisen lassen. Vgl. AC II 1, Nr. 2824 Anm. 11f. Von Gerson findet sich lediglich sein ‚Tractatus de necessaria communione laicorum sub utraque specie‘ zusammen mit einigen Schriften des Konstanzer Konzils in der Bibliothek in Kues unter der Signatur Cod. Cus. 95 f. 208v–212r. 79 80

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(Vorlage: Cod. Cus. 45 f. 59v– 68r und 68v–79r; Kopie: Clm 18210 f. 71vb–81vb und 82ra– 94va)

In seinem Antwortbrief vom 22. September 1452 sichert Cusanus zwar die Leihgabe der Handschriften zu, die allerdings sein Sekretär, vermutlich Peter von Erkelenz, noch nicht herbeigeschafft habe.82) Da sich Nikolaus von Kues bei der Abfertigung des Briefes bereits in seinem Bischofssitz in Brixen aufhielt, stellt sich natürlich die Frage, wo sich die Bücher zu diesem Zeitpunkt befanden. Bei längeren Reisen führte Cusanus seine Bibliothek bzw. Teile davon mit sich, daher liegt die Vermutung nahe, dass seine Bücher möglicherweise noch aus Bruneck herbeigeschafft werden mussten, wo sich Cusanus vom 19. August bis 7. September 1452 aufgehalten hatte.83) Warum die Bücher am 22. September noch nicht in Brixen bei Cusanus waren, ist unklar. Sollten die Witterungsverhältnisse den Transport in die Länge gezogen haben oder handelt es sich evtl. um eine Schutzbehauptung von Seiten des Kardinals, der zumindest am Anfang der Korrespondenz bei der Ausleihe seiner Bücher eher zurückhaltend war? Tatsächlich blieb die Anzahl der ausgeliehenen Bücher stets überschaubar, und so ließ Cusanus seinen Freunden in Tegernsee erst knapp ein Jahr später, d.h. am 14. September 1453, nur Cod. Cus. 45 mit dem Kommentar zu den Schriften des Ps.-Dionysius Areopagita von Thomas Gallus von Vercelli (f. 1r–59v) sowie den lateinischen Übersetzungen von ‚De angelica hierarchia‘ (f. 59v–68r) und ‚De mystica theologia‘ (f. 59v–68r) von Robert Grosseteste zukommen84), allerdings nicht ohne Warnung, dass das Buch bzw. vielmehr die Abschrift nicht gut sei und sie vorsichtig damit umgehen sollten. Er selbst habe nur wenig damit gearbeitet. Stattdessen verweist er auf eine lateinische Textausgabe der Werke des Ps.-Dionysius in seinem Besitz, die ein guter Freund von ihm – gemeint ist hier der Florentiner Kamaldulenser und Humanist Ambrogio Traversari (1386–1439)85 – in her82) AC II 1, Nr. 2825 Z. 3–5: Libros, quos petitis, adhuc non attulit secretarius, quem expecto; communicabo, dum habuero. Vgl. hierzu auch Théry, Catalogue (wie Anm. 81), 179. 83) Vgl. AC II 1, Nr. 2768. Dass es sich bei dem genannten Sekretär evtl. um Dietrich von Xanten handeln könnte, der die Bücher aus Kues hätte bringen sollen, wie in AC II 1, Nr. 2825 Anm. 1, vermutet, ist eher unwahrscheinlich. 84) Zu Cod. Cus. 45 vgl. Marx, Verzeichnis der Handschriften-Sammlung (wie Anm. 12), 40–42; zur Abschrift aus Tegernsee in München, BSB, Clm 18210 vgl. Halm/Laubmann/Meyer, Catalogus (wie Anm. 80), 143 (Nr. 1199); außerdem Théry, Catalogue (wie Anm. 81), 177–197. 85) NvK hatte Traversari wohl bereits 1435 auf dem Konzil von Basel kennengelernt. (Vgl. AC II 2, Nr. 3625 Anm. 13). Nach seiner Rückkehr von Konstantinopel, von wo er eine große Anzahl griechischer Handschriften mitbrachte, ermunterte Cusanus Traversari – kurze Zeit vor dessen Tod am 21. Oktober 1439 –, eine lateinische Übersetzung von Proklos’ ‚De theologia Platonis‘ anzufertigen, die Traversari allerdings nicht mehr vollenden konnte. Vgl. hierzu AC I 2, Nr. 398 Z. 9, und vor allem Nr. 404 sowie Elpert, Jan Bernd, Some remarks regarding Nicholas of Cusa and his manuscripts, in: Helmantica 190 (2012), 243–263, hier 251f. Die Ps.-Dionysios-Übersetzung wurde laut den eigenen Angaben Traversaris in der autographen Handschrift (Florenz, BML, Gaddiano

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vorragender Weise übersetzt habe.86) Diese lateinische Ps.-Dionysius-Ausgabe, die Cusanus möglicherweise 1443 von Tommaso Parentucelli, dem späteren Papst Nikolaus V., über den Florentiner Arzt und Mathematiker Paolo Toscanelli im Jahr 1443 erhalten hat87), findet sich in Cod. Cus. 43 in Bernkastel-Kues.88) Nachdem Nikolaus von Kues den Mönchen von dieser Übersetzung erzählt hatte, bat Aindorffer den Kardinal in einem der folgenden Briefe, kurz vor dem 9. Oktober 1453 mit schmeichelnden Worten auch um Traversaris DionysiusÜbersetzung, verbunden mit der Ankündigung, dass seine Brüder so schnell wie möglich die beiden Dionysius-Kommentare Vercellis und Grossetestes abschreiben würden.89 Aber Nikolaus von Kues ließ sich mit der Sendung der Handschrift Zeit. Selbst die ab und an mitgesandten kleinen Räucherfischlein (pisciculi pauci, Z. 16) führten hier nicht zur sofortigen Reaktion des Kardinals, zumal den Tegernseern mit Cod. Cus. 58 bereits eine weitere Handschrift mit der ‚Scala paradisi‘ des Johannes Climacus und ‚De sensibilibus deliciis paradisi‘ des Johannes von Dambach OP aus seiner Bibliothek vorlag.90) Erst nachdem der Abt und sein Prior

LXXXV) am 20. März 1436 im Kloster Fontebuono abgeschlossen und am 11. April 1437 anhand des griechischen Textes überprüft. Vgl. hierzu Haubst, Studien zu NvK (wie Anm. 23), 81f., sowie der Eintrag in Cod. Cus 43 f. 64, zitiert bei Marx, Verzeichnis der Handschriften-Sammlung (wie Anm. 12), 39. 86) Vgl. AC II 2, Nr. 3625 Z. 84–89: Petitis Vercellensem, Linconensem etc. supra Dyonisium. Ego vobis illum, quem habeo, mitto. Libellus non est bene visus, sitis cauciores, nec ego multum studui in eo. Habeo textum Dyonisii proxime optime per quemdam amicissimum meum translatum, qui michi sufficit. Misi similiter pro libro Greco meo Florenciam. Talis est textus Dyonisii in Greco, quod non habet opus glosis; ipse seipsum multipliciter explanat. Vgl. hierzu auch Beierwaltes, Werner, Visio Dei. Die mystische Theologie des Nicolaus Cusanus im Kontext benediktinischer Spiritualität, in: Stud.Mitt.OSB 117 (2006), 81–96, hier 85, sowie Baur, Nicolaus Cusanus und Ps.-Dionysius (wie Anm. 50), 12, und Théry, Catalogue (wie Anm. 81), 179. 87) Vgl. AC I 2, Nr. 573 Anm. 1 (dort weitere Literatur), sowie Haubst, Studien zu NvK (wie Anm. 23), 81f., und Baur, Nicolaus Cusanus und Ps.-Dionysius (wie Anm. 50), 13–15. 88) Vgl. Marx, Verzeichnis der Handschriften-Sammlung (wie Anm. 12), 38f. Dabei ist unklar, ob es sich hierbei um diese Handschrift oder evtl. nur um eine spätere Abschrift handelt; vgl. außerdem AC I 2, Nr. 573 Anm. 1. 89) Vgl. AC II 2, Nr. 3671 Z. 11–14: Numquid non et nova textus Dyonisii translacio optima filiolis quamvis indignis tradetur aliquando videnda aut certe citius rescribenda? Non utique pater negabit, quos amat, filiis, que iuste petierint. Eciam Vercellensem, Linconensem etc. per scriptorem festinum ordinavi quantocius rescribi. Vgl. Baur, Cusanus und Ps.-Dionysius (wie Anm. 50), 17, und Müller, Humanismusrezeption (wie Anm. 77), 54. 90) Vgl. die Beschreibung Marx, Verzeichnis der Handschriften-Sammlung (wie Anm. 12), 64f. Dabei wurde Cod. Cus. 58 von Johannes Stam 1445 im Koblenzer Domizil des NvK angefertigt. Darin findet sich auf den Blättern 1r–79r die ‚Scala paradisi‘ des Johannes Climacus und auf den Blättern 94r–233r ‚De sensibilibus deliciis paradisi‘ des Johannes von Dambach OP. Um die Zeit der Ausleihe an das Kloster Tegernsee möglichst kurz zu halten, wurde die Abschrift der beiden Werke auf zwei Schreiber verteilt. Diese Abschrift lässt sich heute in München, BSB, Clm 18422 f. 1r–76r (Johannes Climacus) und 81r–193v (Johannes von Dambach) nachweisen. Vgl. Halm/Laubmann/Meyer, Catalogus (wie Anm. 80), 163 (Nr. 1377); außerdem das Schreiben Bernhards von

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Bernhard von Waging erneut in zwei weiteren Briefen im Januar/Februar 1454 die Übersetzung Traversaris anmahnten91), ließ Cusanus sie ihnen mit einem Antwortschreiben an Abt Aindorffer am 12. Februar 1454 zukommen.92) Darüber hinaus sandte er auch die ebenfalls wiederholt angefragte ‚Expositio super Apocalypsim‘ des Matthias von Schweden bzw. Linköping, des Beichtvaters der Birgitta von Schweden, heute Cod. Cus. 25.93) Diese Handschrift geht offenbar auf eine Abschrift zurück, die Bernhardin von Siena OFM (1380–1444) persönlich zwischen 1425 und 1434 angefertigt hatte.94) Hiervon ließ sich Cusanus, der Bernhardin 1423 als junger Student in Padua predigen hörte 95), mit Cod. Cus. 25 eine Kopie herstellen, die er 1454 wiederum den Mönchen von Tegernsee zur Verfügung stellte. Nachdem nun die Tegernseer wiederum eine Abschrift des Apokalypsen-Kommentares, an der vier oder fünf Schreiber beteiligt waren, in großer Eile hergestellt hatten96), wurde diese auch an andere benediktinische Reformklöster der Melker Kongregation wie Ebersberg und Andechs weitergereicht, von denen ebenfalls handschriftliche Kopien erhalten sind.97) Im Unterschied hierzu hielt Nikolaus von Kues die ebenfalls von Aindorffer und Bernhard von Waging in ihren Briefen vor dem Januar/Februar 1454 erbetene Schrift ‚De praeparatione evangelica‘ des Eusebius von Caesarea in der lateinischen Übersetzung von Georg von Trapezunt aus dem Jahr 1448/50 98) zunächst noch zurück. Hierbei handelt es sich ohne Zweifel um Cod. Cus. 41 (f. 1r– 203r), den Cusanus selbst ausführlich kommentierte.99) Zu einem nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt zwischen Februar und August 1454 überließ er die Handschrift dennoch seinen Tegernseer Freunden, nicht ohne sie in seinem Schreiben vom 16. August 1454 an Bernhard von Waging zu einer raschen Rückgabe zu

Waging an NvK vor dem 12. Februar 1454; AC II 2, Nr. 3824 Z. 19f.: Duo iam scriptores laborant rescribendo, unus Iohannem Climacum, alter Iohannem de Tambaco etc. 91) Vgl. AC II 2, Nr. 3793 Z. 32f., und Nr. 3824 Z. 16. 92) Vgl. AC II 2, Nr. 3826 Z. 23f. 93) Marx, Verzeichnis der Handschriften-Sammlung (wie Anm. 12), 19, und Bianca, Biblioteca Romana (wie Anm. 18), 687; Dies., Niccolò Cusano e la sua biblioteca (wie Anm. 20), 9. 94) Neapel, Biblioteca Nazionale, cod. VI A. 19. Zu dieser Handschrift sowie zu Cod. Cus. 25 vgl. die Edition: Magister Mathias Lincopensis, Exposicio super Apocalypsim, ed. Ann-Marie Billing-Ottosson, Uppsala 2003, 19f. 95) Vgl. AC I 1, Nr. 16. 96) Heute München, BSB, Clm 18422 f. 196r–318r, in der sich ebenfalls die ‚Scala paradisi‘ des Johannes Climacus und ‚De sensibilibus deliciis paradisi‘ des Johannes von Dambach OP, zusammen mit weiteren Kleinschriften aus Cod. Cus. 58, findet. Vgl. hierzu Anm. 90. 97) So z.B. München, BSB, Clm 5882 f. 233r–366r aus Ebersberg (Ende 15. Jh.) und Clm 27319 f. 133r–227r aus Andechs (1477). Vgl. Mathias Lincopensis, Exposicio (wie Anm. 94), 19 sowie 22–24. 98) Vgl. AC II 2, Nr. 3793 Z. 34 und Nr. 3824 Z. 16. 99) Vgl. AC II 2, Nr. 3826 Z. 25: Eusebium posthac habebitis.

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ermahnen.100) Diese erfolgte schließlich vor dem 9. September 1454101) zusammen mit dem ebenfalls ausgeliehenen ‚Monopanton‘ von Dionysius dem Kartäuser in Cod. Cus. 12 (f. 75r–113r).102) In nur sieben Monaten bzw. in noch kürzerer Zeit gelang es den bayerischen Reformbenediktinern also, eine Abschrift der recht umfangreichen Schrift des Eusebius von Caesarea anzufertigen, die in der Tegernseer Abschrift immerhin 106 doppelspaltige Blätter umfasst.103) In dem dazugehörigen Begleitschreiben lobt Bernhard von Waging nicht nur die von Papst Nikolaus V. initiierten lateinischen Übersetzungen griechischer Werke, wodurch der ganze Erdkreis am Weisheitsschatz der Griechen teilhaben könne, sondern er erkundigte sich auch nach einer lateinischen Übersetzung von Eusebius’ Schrift ‚De doctrina catholicae veritatis‘. Welches Werk des spätantiken Theologen damit gemeint ist, bleibt unklar104), Rudolf Haubst vermutet, dass es sich um die Schrift ‚Demonstratio evangelica‘ handeln könnte.105) Sollte Cusanus eine Übersetzung hiervon besitzen, so solle er sie dem entsandten Mitbruder gleich auf dem Rückweg mitgeben.106) In seinem Antwortbrief vom 9. September 1454 entgegnet Cusanus allerdings, dass er diese Schrift des Eusebius noch nicht aus Griechenland bekommen habe. Möglicherweise habe man sich auch nicht sonderlich darum bemüht, da Eusebius darin über das Evangelium schreibe, wovon Eusebius selbst nicht alles korrekt verstanden habe. Im Unterschied zu Eusebius’ hochgeschätzter Schrift ‚De praeparatione evangelica‘, hatte der Kardinal an der ‚Demonstratio evangelica‘ kein sonderlich großes Interesse, da er befürchtete, dass es evtl. arianisches Gedankengut (Ariana perfidia) wiedergeben könne.107) Abgesehen von den verschiedenen Büchern aus der Bibliothek des Nikolaus von Kues interessierten sich die Mönche vom Tegernsee allerdings auch brennend ) Vgl. AC II 3, Nr. 4072 Z. 3f.: Facite diligenciam, ut Eusebium cicius rehabeam, quia habeo opus libro. ) Vgl. AC II 3, Nr. 4100 Z. 20f. sowie Nr. 4101 Z. 108. 102) Vgl. Marx, Verzeichnis der Handschriften-Sammlung (wie Anm. 12), 8f. Die entsprechende Tegernseer Abschrift ist München, BSB, Clm 18199 f. 118r–148r. Vgl. Halm/Laubmann/Meyer, Catalogus (wie Anm. 80), 142 (Nr. 1189). 103) Vgl. München, BSB, Clm 18199 f. 11r–117r, worauf auf f. 118r–148r die Schrift ‚Monopanton‘ von Dionysius dem Kartäuser folgt; außerdem Müller, Humanismusrezeption (wie Anm. 77), 54 und Anm. 102. 104) Vgl. AC II 3, Nr. 4101 Anm. 41. 105) Vgl. Haubst, Rudolf, Die Christologie des NvK, Freiburg 1953, 112 Anm. 29. 106) AC II 3, Nr. 4101 Z. 108–111: Cum Paulo Ewsebium ‚De preparatione ewangelica‘ per fratres transcopiatum remitto; sed adhuc superest libellus eiusdem ‚De doctrina katholice veritatis‘, de quo in prologo fit mencio, qui si habetur et si expedit, sponte communicetur et fratris dorso superponatur. Hec v. r. p. sinceriter et confidenter supplicant filii humiles atque devoti. Proinde benedictus sit beatissimus papa modernus, cuius opera et mirifica diligencia ea que actenus remanserunt incognita de Grecorum sapienciali thesauro in latinum de novo transacta, nunc orbi patuerunt universo. 107) AC II 3, Nr. 4103 Z. 28–32: Pars alia Eusebii, quam petitis, nondum ex Grecia haberi potuit, neque tanta forte facta est diligencia, nam cum tractet ibi de ewangelio, non creditur ipsum sane cuncta intellexisse. Sapiebat Arrianam perfidiam tunc communem. Qui autem post ipsum fuere, nobis veritatem clarius propalarunt. Sed ‚preparatoria‘ sunt graciora, quia rariora atque invisa, ex quibus lux verbi Cristi propalatur post tenebras illuxisse. 100 101

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für die eigenen Werke des Kardinals. Kein Wunder, bildete ‚De docta ignorantia‘ doch einen Ausgangspunkt für den Mystikstreit.108) Neben der philosophischen Hauptschrift des Kardinals werden im Briefwechsel noch weitere Cusanus-Schriften erwähnt, die in Tegernsee abgeschrieben bzw. aufbewahrt wurden.109) Hierzu gehört u.a. die bereits erwähnte Auswahl der Predigten, aber auch die Papst Nikolaus V.110) gewidmeten Schriften ‚De mathematicis complementis‘ sowie ‚De theologicis complementis‘. Den Abschluss der letztgenannten Schriften verkündete Cusanus stolz in seinem Brief vom 14. September 1453 und wies darauf hin, dass er darin alles, was in der Mathematik bisher unbekannt war, deutlich offenbar gemacht sowie mathematische Figuren auf das Unendliche übertragen habe.111) Allerdings ließ er seine Tegernseer Freunde noch bis zum 12. Februar 1454 warten, bis er sie ihnen zusammen mit anderen Handschriften aus seiner Bibliothek zur Verfügung stellte.112) Als Grund für die Verspätung gibt er in einer kurzen Notiz vom 23. Oktober 1453 an, von den Schriften noch keine Kopien erstellt zu haben.113) Diese Anmerkung bezieht sich mit großer Wahrscheinlichkeit nur auf seine eigenen Schriften, die er verständlicherweise nur als Abschriften herausgab, wie z.B. die von Peter von Erkelenz angefertigte Kopie von ‚De pace fidei‘ für Johannes de Segovia.114) Im Unterschied hierzu wurden die anderen Werke aus seiner Bibliothek wohl im Original ausgeliehen und mussten vor Ort von den Ausleihern, d.h. von den Mönchen von Tegernsee, selbst kopiert werden. Zu den ebenfalls in der Korrespondenz erwähnten Schriften des Nikolaus von Kues, die sich in Tegernsee nachweisen lassen, gehören u.a. Sermo XXIV mit der deutschsprachigen Vater-unser-Auslegung (1440), ‚De quaerendo Deum‘ (1445), ‚De visitatione/De annuntiatione Mariae‘ (1446115) sowie die 1453 gerade erst 108) München, BSB, Clm 18711 f. 13r–72r; vgl. Müller, Humanismusrezeption (wie Anm. 77), 50f.; außerdem Halm/Laubmann/Meyer, Catalogus (wie Anm. 80), 200f. (Nr. 1620). 109) Vgl. Woelki, Cusanus im Dialog (wie Anm. 75), 224f. 110) Nikolaus V. war es auch, der Cusanus wohl am 14. September 1453 eine Abschrift der von ihm 1450 beauftragten Archimedes-Übersetzung des Augustiner-Chorherrn Jacobus Cremonensis zur Verfügung stellte. Vgl. AC II 2, Nr. 3621. 111) Vgl. AC II 2, Nr. 3625 Z. 67–70: Scripsi hiis diebus ‚De mathematicis complementis‘ libellum ad s. d. Nicolaum papam, qui rarissimus est. Nam omnia actenus incognita manifestat in mathematicis. Cui libello adiunxi alium ‚De theologicis complementis‘, in quo transtuli mathematicas figuras ad theologicalem infinitatem. 112) Vgl. AC II 2, Nr. 3626; Nr. 3671 Z. 8–11; Nr. 3793 Z. 41; Nr. 3824 Z. 16f.; und Nr. 3826 Z. 23–25. Die Tegernseer Abschriften der beiden Werke finden sich in München, BSB, Clm 18570 f. 52r–62v (‚De mathematicis complementis‘) und f. 65r–77v (‚De theologicis complementis‘); außerdem Halm/Laubmann/Meyer, Catalogus (wie Anm. 80), 182 (Nr. 1511). 113) Vgl. AC II 2, Nr. 3701 Z. 3f.: De hiis, de quibus alias scripsi, aliqua cito habebitis. Putabam nunc mittere, sed nondum sunt excopiata. 114) Vgl. Anm. 67. 115) Während die Abschriften von ‚De quaerendo Deum‘ (f. 1r–9r) und Sermo XXIV (f. 252r–268v) zusammen mit ‚De docta ignorantia‘ (f. 13r–72r) in der Handschrift München, BSB, Clm 18711 zusammengebunden wurden, findet sich die Kopie von ‚De visitatione/De annuniatione‘ (f. 67r–73v) zusammen mit den bereits erwähnten Predigten in Clm 18712. Vgl. Halm/Laubmann/Meyer,

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fertiggestellten Schriften ‚De pace fidei‘ und ‚De visione Dei‘.116) Besonders die letztgenannte Schrift von den Benediktinern wurde mit großer Wertschätzung aufgenommen, nicht zuletzt, weil Cusanus sie ihnen widmete und er darin seine Position im Mystikstreit verdeutlichte.117) Welche große Bedeutung gerade diese Schrift für die dortigen Mönche hatte, zeigt sich nicht zuletzt darin, dass heute noch drei Abschriften aus Tegernsee erhalten sind118), während das originale Widmungsexemplar an Cusanus zurückgeschickt wurde.119) Dabei erlaubt der Briefwechsel zumindest einen kleinen Einblick in die Schreibwerkstatt des Cusanus und die Entstehung von ‚De visione Dei‘, dessen Konzept er bereits in einem Brief vom 14. September – und damit ungefähr eineinhalb Monate vor deren tatsächlicher Fertigstellung am 8. November 1453 – andeutet.120) Ausgehend von einem später offenbar gestrichenen bzw. umgearbeiteten Kapitel in ‚De theologicis complementis‘121) beschreibt er ein Bild, das gleichzeitig alles und jeden Einzelnen ansieht und mit dessen Hilfe man zur mystischen Theologie geführt wird. Dieses Experiment habe er selbst ausprobiert und einen Maler – sicherlich sein Hofmaler Jakob von Seckau122) – damit beauftragt, ein ähnliches Catalogus (wie Anm. 80), 200f. (Nr. 1620f.). Sermo XXIV wurde darüber hinaus 1468 ein zweites Mal in Tegernsee abgeschrieben und in die deutschsprachige Sammelhandschrift Cgm 628 (f. 242ra–250va) u.a. mit Johannes Niders ‚24 goldenen Harfen‘ aufgenommen. Vgl. hierzu Schneider, Karin, Die deutschen Handschriften der Bayerischen Staatsbibliothek München: Cgm 501–690 (Catalogus codicum manu scriptorum Bibliothecae Monacensis 5,4), Wiesbaden 21978, 265–272, hier 271f. 116) Zusammen mit ‚De mathematicis complementis‘ und ‚De theologicis complementis‘ sind in München, BSB, Clm 18570 auch die beiden Werke ‚De visione Dei‘ (f. 1r–26r) und ‚De pace fidei‘ (f. 28r–51r) überliefert. Vgl. auch Müller, Humanismusrezeption (wie Anm. 77), 53, und Halm/ Laubmann/ Meyer, Catalogus (wie Anm. 80), 182 (Nr. 1511). 117) Vgl. NvK, De visione Dei, ed. Riemann, h VI, und Senger, NvK (wie Anm. 75), 55. 118) Neben Clm 18570 f. 1r–26r finden sich auch in Clm 18592 f. 99v–124v und Clm 19352 f. 13r– v 32 der Bayerischen Staatsbibliothek in München Abschriften von ‚De visione Dei‘, die alle aus dem Kloster Tegernsee stammen. Vgl. hierzu Redlich, Tegernsee (wie Anm. 73), 99; Hopkins, Jasper, Nicholas of Cusa’s dialectical mysticism. Text, translation and interpretative study of ‚De visione Dei‘, Minneapolis 1985, 101–105; Müller, Humanismusrezeption (wie Anm. 77), 53f., und NvK, De visione Dei, ed. Riemann, h VI, XI–XIX; außerdem Halm/Laubmann/Meyer, Catalogus (wie Anm. 80), 182 (Nr. 1511) und 186 (Nr. 1530). 119) Vgl. AC II 2, Nr 3793. Vgl. hierzu auch Woelki, Thomas, Die Quellen der Acta Cusana und ihre Auswertungsmöglichkeiten, in: AC II 7, 1–34, hier 21f., sowie Ders., Nicholas of Cusa as Reform Bishop. The Potential for Legitimacy of Late-Medieval Ecclesiastical Reform, in: American Cusanus Society Newsletter 32 (2015), 37–49. 120) Vgl. AC II 2, Nr. 3721. 121) Anklänge hieran finden sich u.a. noch in NvK, De theologicis complementis, ed. Riemann/Bormann, h X/2a, Nr. 11–14. Vgl. hierzu auch Rusconi, Cecilia, De theologicis complementis/De mathematicis complementis, in: Brösch/Euler/Geissler/Ranff (Hg.), Handbuch NvK (wie Anm. 3), 191–195, hier 192. 122) Zum Brixner Hofmaler Jacob von Seckau, von dem auch die einzige zeitgenössische Darstellung Verenas von Stuben auf einem von ihr 1448 in Auftrag gegebenen Altarbild mit einer Darstellung des Martyriums der hl. Ursula stammt (heute: Innsbruck, Museum Ferdinandeum), vgl. AC II 2, Nr. 3542, und AC II 3, Nr. 4037 Anm. 2.

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Bild herzustellen.123) Hieraus ging die ‚icona dei‘ bzw. ‚vera icon‘, ein Porträtbild Christi in Zentralperspektive hervor, das er den Tegernseer Mönchen zusammen mit ‚De visione Dei‘ im Januar/Februar 1454 zukommen ließ.124) Neben ‚De visione Dei‘ werden im Briefwechsel viele weitere Schriften des Kardinals erwähnt. So bittet der Tegernseer Abt bereits bei der Rückgabe von ‚De visione Dei‘ am 15. Januar oder 12. Februar 1454 um die Zusendung der Schrift ‚De beryllo‘.125) Mit dieser Schrift, die nach einem konkav-konvex geschliffenen Beryllstein als einer Art Okular oder ‚Brille‘ benannt ist, beabsichtigt Cusanus den Rezipienten eine ‚Lesehilfe‘ zum besseren Verständnis seiner Grundgedanken an die Hand zu geben.126) Wie ein roter Faden zieht sich fortan die Nachfrage der Tegernseer nach ‚De beryllo‘ durch die Korrespondenz. Besonders Bernhard von Waging bittet den Kardinal immer wieder um die entsprechende ‚Sehhilfe‘, um seinen Lobpreis ‚Laudatorium docte ignorantiae‘ überarbeiten zu können.127) In nahezu reflexartiger Weise vertröstet Nikolaus von Kues daraufhin seine Freunde, mal mit einem mehr oder weniger ironischen Hinweis auf ein – tatsächlich vorhandenes – Augenleiden128) bzw. auf seine ungeputzte Brille, die dringend der heiligen Ruhe benötige129), mal mit Verweis auf seine bischöflichen Pflichten und Sorgen, die es unmöglich machen, sich näher mit der Ausarbeitung zu beschäftigen.130) Zumindest versprach er in einem seiner letzten Briefe vom 9. Januar 1456, ihnen einen Band mit seinen Predigten zuzusenden.131) Tatsächlich vollendet wurde ‚De beryllo‘ erst am 18. August 1458 in der Einöde von Andraz/Buchenstein132), zu einem Zeitpunkt, als der Kontakt zu den Mönchen schon weitgehend abgebrochen bzw. zurückgegangen war.133) Die Gründe hierfür waren vielfältig und lagen z.T. an den tatsächlich zunehmenden dienstlichen Belastungen des Kardinals als Bischof und Landesfürst von Brixen, z.T. ) Vgl. AC II 2, Nr. 3625 Z. 70–79. ) Vgl. hierzu z.B. Vansteenberghe, Autour (wie Anm. 74), 37f.; Wolf, Gerhard, Vera Icon, in: Aris (Hg.), Horizonte (wie Anm. 12), 104–107, sowie AC II 2, Nr. 3625 Anm. 10. 125) Vgl. ebd. Z. 34. 126) Vgl. Senger, NvK (wie Anm. 75), 56f., und Rusconi, Cecilia, De beryllo, in: Brösch/ Euler/Geissler/Ranff (Hg.), Handbuch NvK (wie Anm. 3), 212–217. 127) Vgl. AC II 2, Nr. 3824 Z. 16, Nr. 3828; AC II 3, Nr. 4100 Z. 21f., Nr. 4101 Z. 15–19; AC II 4, Nr. 4449 Z. 16. 128) AC II 2, Nr. 3826 Z. 25–27 (12. Februar 1454): Propter oculorum dolorem ‚De birillo‘, quem petitis, scribere non potui; scribam tamen deo dante quantocius etc. Tatsächlich klagte der Kardinal bereits in einem Brief an den Trierer Erzbischof Jakob von Sierck am 18. Dezember 1453 über Augenschmerzen. Vgl. AC II 2, Nr. 3753 Z. 19. 129) AC II 3, Nr. 4103 Z. 33: Ocularia non sunt polita; requirunt enim ocium sacrum. 130) Vgl. AC II 3, Nr. 4071 Z. 10–13, Nr. 4072 Z. 6–8, Nr. 4102 Z. 13f., Nr. 4103 Z. 33f.; AC II 4, Nr. 4450 Z. 28f. 131) Vgl. AC II 4, Nr. 4645 Z. 2–4: Volumen sermonum faciam quantocius rescribi, et habebitis. 132) Vgl. Anm. 35. 133) Vgl. Woelki, Cusanus im Dialog (wie Anm. 75), 229. 123 124

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dürften sie auch Ausdruck einer gewissen Enttäuschung über die weitgehend gescheiterte Klosterreform in seiner Diözese gewesen sein. So sollten die Reformbenediktiner vom Tegernsee – und hier vor allem ihr Prior Bernhard von Waging – bei der am Ende missglückten Visitation der Benediktinerklöster Sonnenburg und St. Georgenberg eine wichtige Rolle spielen.134) Dennoch vergaß der Kardinal nicht sein Versprechen, und so findet sich in der aus der Klosterbibliothek von Tegernsee stammenden Handschrift Clm 18621 neben einer Kopie von ‚De mathematica perfectione‘ (f. 266r–275r) auch eine Abschrift von ‚De beryllo‘ (f. 275v–298v).135) Abgesehen von den Cusanus-Texten, die im Briefwechsel konkret erwähnt werden, besaßen die Tegernseer auch weitere Schriften und Dokumente von Nikolaus von Kues, angefangen mit der Korrespondenz selbst, die größtenteils in Clm 19697 der Bayerischen Staatsbibliothek in München überliefert sind136), über die ‚Responsa ad dubia‘, also „listenartige Anfragen der Mönche zu verschiedenen Aspekten des Klosterlebens“137) (Clm 19608 f. 21rv 138), und die Eremitenregel für Johannes Frankfurter und die Waldbrüder (Clm 18239 f. 249v–150v 139) bis hin zu wieteren Werken des Kardinals, u.a. einer Abschrift der ‚Coniectura de ultimis diebus‘ (Clm 18239 f. 218vb–221vb). Dabei spielte das Kloster St. Quirinus in Tegernsee für die Überlieferung und Verbreitung der Schriften des Nikolaus von Kues vor allem im süddeutschen Raum eine überragende Rolle.140) Als Beispiel sei hier noch einmal an die Schrift ‚De visione Dei‘ erinnert, die wohl zu seinen meistverbreiteten Werken gehört und

) Vgl. hierzu u.a. bereits Redlich, Tegernsee (wie Anm. 73), 101–104. ) Darüber hinaus findet sich im ersten Teil (f. 1r–265v) eine ganze Reihe weiterer, d.h. vor allem hagiographischer Texte, wie z.B. Bernhards von Clairvaux, ‚Vita Sancti Malachiae episcopi‘ (f. 3r– 48r). Eine knappe Handschriftenbeschreibung findet sich in NvK, De beryllo, ed. Senger/Bormann, h XI/1, XVI–XVIII; außerdem Halm/Laubmann/Meyer, Catalogus (wie Anm. 80), 190 (Nr. 1557). 136) Vgl. die jüngste Beschreibung bei Agethen, Apographa epistolarum (wie Anm. 74), 24–32; außerdem Vansteenberghe, Autour (wie Anm. 74), IX, und Halm/Laubmann/Meyer, Catalogus (wie Anm. 80), 270 (Nr. 2140). 137) Woelki, Quellen (wie Anm. 119), 33. 138) AC II 4, Nr. 4646. Weitere Stellen in Woelki, Quellen (wie Anm. 119), 33 Anm. 240. Zum Texttyp vgl. Woelki, Reform bishop (wie Anm. 119), und Halm/Laubmann/Meyer, Catalogus (wie Anm. 80), 258f. (Nr. 2061). 139) AC II 1, Nr. 2529. Vgl. hierzu auch die Edition Hallauer, Hermann J., Johannes Frankfurter und die Waldbrüderstatuten des NvK, in: Grass, Nikolaus (Hg.), Cusanus-Gedächtnisschrift (Forschungen zur Rechts- und Kulturgeschichte 3), Innsbruck/München 1970, 375–379; außerdem Halm/Laubmann/Meyer, Catalogus (wie Anm. 80), 146 (Nr. 1225). 140) Vgl. Götz, Kloster Tegernsee (wie Anm. 78), 120f., und Wilpert, Paul, Die handschriftliche Überlieferung des Schrifttums des NvK, in: Nicolò da Cusa. Relazioni tenute al Convegno Interuniversitario di Bressanone nel 1960 (Pubblicazioni della Facoltà di Magistero dell’Università di Padova 4), Florenz 1962, 1–15, hier 3–6. 134 135

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in mindestens 30 Handschriften überliefert ist.141) Hiervon gehen allein 13 Manuskripte auf die Tegernseer Abschrift in Clm 18570 (f. 1r–26r) von 1454 zurück, bei der es sich um die älteste noch erhaltene Abschrift handelt, von der nochmals zwei Kopien innerhalb des Benediktinerklosters angefertigt wurden.142) Diese Handschriften bildeten wiederum die Vorlage für zahlreiche Kopien in bayerischösterreichischen Klöstern143), wie z.B. der Reformbenediktiner in St. Emmeram in Regensburg und in St. Peter in Salzburg oder der Prämonstratenser in Schäftlarn bei München.144) Wie interessiert man in den monastischen Reformkreisen – vor allem vor dem Hintergrund des Mystikstreits – an Nikolaus von Kues und seinen Werken war, zeigt sich auch in einem Brief des Tegernseer Mönches und Bibliothekars Konrad von Geisenfeld (1400–1460) vom 15. Juli 1454 an den Benediktiner Johannes Schlitpacher (1403–1482) in Melk, in dem er seinem benediktinischen Mitbruder die Briefe von Nikolaus von Kues sowie eine Abschrift von ‚De visione Dei‘ in Aussicht stellt.145) Allerdings war dieser Buchaustausch kein einseitiger und auch die Benediktiner vom Tegernsee stellten Cusanus ihrerseits Texte und Handschriften aus ihrer Bibliothek zur Verfügung. Im Unterschied zu nahezu allen im Briefwechsel genannten Handschriften und Texten des Nikolaus von Kues, von denen sich heute noch sowohl die Vorlagen in der Bibliothek des Kardinals als auch deren Abschriften in der Tegernseer Buchsammlung nachweisen lassen, fehlt aber von den Büchern der Benediktiner in der Bibliothek des Cusanus bislang fast jede Spur. So kündigte z.B. Abt Kaspar Aindorffer in seinem vor dem 22. September 1452 verfassten Brief an den Kardinal an, ihm das gewünschte Buch mitzuschicken.146) Hierbei handelte es sich offenkundig um ein Martyrologium, das Cusanus im Antwortbrief vom 22. September erwähnt und das er schnellstmöglich wieder an

141) Zur Überlieferung von ‚De visione Dei‘ vgl. NvK, De visione Dei, ed. Riemann, h VI, XI– XX; außerdem Haubst, Rudolf, Zur Edition der Predigten und anderer Cusanus-Werke, in: MFCG 19 (1991) 136–162, hier 143–153. 142) Vgl. Anm. 118. 143) Gleiches gilt auch für die weiteren an Tegernsee aus der Bibliothek des Kardinals ausgeliehenen Schriften u.a. mit dem Kommentar von Thomas Gallus Vercellensis zu den Schriften des Ps.-Dionysius Areopagita (‚Extractio Corporis Dionysiaci‘). Vgl. Théry, Catalogue (wie Anm. 81), 189–191 und 197. 144) Vgl. hierzu die Handschriften München, BSB, Clm 14213 f. 125r–140r (St. Emmeram), Clm 17247 f. 106v–123v (Schäftlarn), und Salzburg, Bibliothek St. Peter, b XI 242 f. 1r–31v (St. Peter). Zu den Provenienzen vgl. Hopkins, Dialectical mysticism (wie Anm. 118), 101–105, hier 101 und 103. 145) Vgl. AC II 3, Nr. 4032 Z. 8–16. Eine entsprechende Handschrift aus Melk, die neben ‚De visione Dei‘ (f. 1r–23v) auch eine Abschrift der ‚Idiota‘-Dialoge (f. 24r–35r) sowie Schriften von Bernhard von Waging, Vinzenz von Aggsbach und Marquard Sprenger zum Mystikstreit enthält, findet sich heute in der Handschrift Manchester, John Rylands University Library, Cod. lat. 459. 146) AC II 1, Nr. 2824 Z. 7–9.

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die Benediktiner zurücksenden wollte.147) Dabei bleibt allerdings unklar, um welches Martyrologium es sich handelt und ob er es nur einsehen oder sich auch für die eigene Sammlung abschreiben lassen wollte. Im Umfeld von Nikolaus von Kues sind noch drei Martyrologien nachweisbar. Hierzu gehören zunächst Cod. Harl. 3702 in der British Library in London, eine Handschrift des 15. Jahrhunderts, die ein bislang nicht näher bestimmtes Heiligenverzeichnis (f. 54v–57r) enthält148) sowie das ‚Martyrologium‘ Wandalberts von Prüm, das sich zusammen mit deutsch-lateinischen Texten von Notker Balbulus von St. Gallen in Ms. 10615–729 (f. 79r–85v) der Bibliothèque Royale in Brüssel befindet und im 12. Jh. im Trierer Benediktinerkloster St. Matthias angefertigt wurde.149) Beide Handschriften wurden bis ins 17. und 18. Jh. in der CusanusBibliothek im St. Nikolaus-Hospital in Kues aufbewahrt. Eine dritte Handschrift aus dem 11./12. Jh. mit verschiedenen martyrologischen und computistischen Texten befindet sich heute in der Bodleian Library in Oxford unter der Signatur MS. Lyell 54 (f. 1v–14r). Ob sie jemals im Besitz des Kardinals war, ist ungewiss. Sie stammt vielmehr aus der Bibliotheca Amploniana in Erfurt und enthält einige Marginalien von der Hand des Nikolaus von Kues, die er vermutlich bei seinem Legations-Aufenthalt in Erfurt vom 29. Mai bis 7. Juni 1451 eingetragen hat.150) Sollte eine dieser Handschriften im Briefwechsel mit Tegernsee gemeint sein, kommt fast nur die Handschrift Cod. Harl. 3702 in Frage, allerdings fehlen auch hierfür sichere Belege. Ebenso unbekannt sind der Verbleib und die Identität einer weiteren Schrift, für deren Zusendung er sich in seinem Brief vom 9. September bei Tegernseern bedankt und die seiner Meinung nach auf Johannes Scotus Eriugena zurückgeht. Darüber hinaus vermutet er, dass der Text dieser Schrift aus Eriugenas ‚Periphyseon‘ entlehnt sei, in dem er ihn wortwörtlich gelesen zu haben glaubt.151) Im Gegensatz zu diesem Geschenk der Tegernseer lässt sich allerdings zumindest

) AC II 1, Nr. 2825 Z. 3. ) Vgl. die Beschreibung von Alois Krchňák, in: Kritisches Verzeichnis der Londoner Handschriften aus dem Besitz des NvK, in: MFCG 3 (1963), 16–100, hier 78f. 149) Vgl. Manitius, Karl, Eine Gruppe von Handschriften des 12. Jahrhunderts aus dem Trierer Kloster St. Eucharius-Matthias, in: Forschungen und Fortschritte 29 (1955), 317–319; Vyver, Emil van de, Die Brüsseler Handschriften aus dem Besitz des NvK, in: MFCG 4 (1964), 323–335, hier 328, sowie die Edition: Wandalbertus Prumiensis Carmina Martyrologium, ed. Ernst Duemmler (MGH. Poetarum Latinorum Medii Aevi 2), Berlin 1884, 567–622, hier 568 (Hs. genannt). 150) Vgl. Schulz, Ernst, Ein ehemaliger Amplonianus mit Randnoten des NvK, in: Rosenthal, Jacques, Humanismus. Katalog 95, München 1934, IV–VIII; Krchňák, Alois, Neue Handschriftenfunde in London und Oxford, in: MFCG 3 (1963), 101–107, hier 105, und De la Mare, Albinia C., Catalogue of the Medieval Manuscripts bequeathed to the Bodleian Library Oxford by James P. R. Lyell, Oxford 1971, 151–163, hier 152f. 151) AC II 3, Nr. 4103 Z. 50–53. 147 148

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noch Eriugenas Schrift ‚Periphyseon‘ nachweisen, die Nikolaus von Kues tatsächlich gelesen und kommentiert hat. Es handelt sich um die Handschrift London, British Library, Add. 11035 des 10./11. Jahrhunderts aus dem Trierer Kloster St. Matthias, die neben dem ‚Periphyseon‘ (f. 9r–85v) die Schrift ‚Somnium Scipionis‘ aus Ciceros ‚De republica VI‘ (f. 1v–8v), Auszüge aus dem ‚Liber apotheosis‘ von Prudentius (f. 86r–103v) und das philosophische Lehrgedicht ‚Phisica‘ (f. 104r– 120v) Theoderichs von Trier152) enthält und nachweislich von Nikolaus von Kues benutzt wurde, wie Eintragungen von seiner Hand zeigen.153) Zweimal in der Korrespondenz bittet Nikolaus von Kues die Tegernseer um Mithilfe bei der Beschaffung von Texten, die er für seine eigene Bibliothek sucht. So erinnert er sich in seinem Brief vom 16. August 1454 an Bernhard von Waging an seinen Besuch in der Benediktinerabtei in Admont, wo er angeblich einige kleine aristotelische Schriften, u.a. ‚De consilio et de legibus‘, einsehen konnte. Eine Anfrage an die Admonter Benediktiner davon Kopien anzufertigen, blieb leider ergebnislos, so dass er die Tegernseer darum bittet, sich der Angelegenheit anzunehmen.154) Diese Briefstelle bezieht sich auf einen Aufenthalt in Admont, der möglicherweise Ende Dezember 1452 bzw. Anfang Januar 1453 stattgefunden hat, als Nikolaus Cusanus – evtl. von Wiener Neustadt kommend – vor seiner Weiterreise nach Salzburg das Benediktinerstift in der Obersteiermark besuchte.155) Dies legen nicht nur sechs am 7. Januar in Salzburg ausgestellte Ablassurkunden für einige Admonter Kirchen und Kapellen nahe156), sondern auch die Handschrift Lyell 52

) Vgl. Silagi, Gabriel, Theoderich von Trier, ‚Phisica‘, in: Aevum 79,2 (2005), 293–351. ) Vgl. hierzu die Beschreibung von Koch, Josef, Cod. Addit. 11035, in: MFCG 3 (1963), 84– 100, hier vor allem 84; außerdem Alberston, David, Echoes of Eriugena in Renaissance Philosophy, in: Guiu, Adrian (Hg.), A Companion to John Scottus Eriugena (Brill’s Companions to the Christian Tradition 86), Leiden/Boston 2020, 387–418, hier 402 Anm. 75. Die Handschrift wurde erst 1837 aus dem Besitz des verstorbenen frz. Staatsmannes Charles-Maurice de TalleyrandPérigord vom British Museum erworben. Sie enthält keinen Besitzeintrag des St. Nikolaus-Hospitals, so dass die Vermutung naheliegt, dass NvK die Handschrift zwar annotiert, aber nicht für seine eigene Bibliothek erworben hat. 154) AC II 3, Nr. 4072 Z. 4–6: Dum alias visitassem monasterium Admontensem, reperi quosdam libellos parvos Aristotelis ‚De consilio et legibus‘ etc., quos alibi non vidi. Scripsi tunc pro copia, sed non habui. Procurate si potestis. Vgl. hierzu auch Endres, Rudolf, Nicolaus Cusanus und das Kloster Tegernsee, in: Yamaki, Kazuhiko (Hg.), Nicholas of Cusa. A medieval thinker for the modern age, Richmond 2002, 134–144, hier 143; Rinser, Tegernseer Kosmos (wie Anm. 75), 199, und Redlich, Tegernsee (wie Anm. 73), 123. 155) Vgl. AC II 1, Nr. 2972 Anm. 1. 156) In den heute z.T. noch im Archiv des Stiftes Admont erhaltenen bzw. kopial nachweisbaren Urkunden (i.d.R. Splendor paterne glorie) erteilt er den Pfarrkirchen St. Amandus in Admont und St. Salvator in Gaishorn am See, den Kapellen St. Cosmas und Damian in Weng sowie St. Andreas in Rieben, aber auch der Klosterkirche St. Rupert der Admonter Benediktinerinnen und der Admonter Stiftskirche St. Blasius selbst, jeweils einen 100-Tage-Ablass. Vgl. AC II 1, Nr. 2976–2981, sowie 152 153

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der Bodleian Library in Oxford, eine ehemals Admonter Handschrift aus dem 14./15. Jahrhundert mit mathematisch-astronomischen Schriften wie dem ‚Liber ysagogarum Alchorismi‘ (f. 21r–34r), die zahlreiche Marginalien von der Hand des Kardinals aufweist.157) Welche aristotelische bzw. pseudo-aristotelische Schrift mit dem Titel ‚De consilio et de legibus’ gemeint ist, lässt sich dagegen bislang nicht eindeutig bestimmen, ebenso wenig, welche Admonter Handschrift in der Anfrage gemeint sein könnte.158) Auf die Bitte des Kardinals reagiert Bernhard von Waging in einem vor dem 9. September 1454 geschriebenen Brief dann auch eher zurückhaltend bzw. ausweichend: Er kenne diese aristotelischen Schriften, z.B. ‚De consilio et legibus‘, nicht, werde aber alles tun, um sie zu bekommen und sich auch in den benachbarten Klöstern danach erkundigen. Allerdings läge Admont doch sehr weit von Tegernsee entfernt. Stattdessen schlägt er vor, in den Benediktinerklöstern in Salzburg und Mondsee danach zu suchen, wohin er ohnehin bald einen Boten schicken müsse, um die in Tegernsee abgeschriebenen Bücher, u.a. ‚De archa Noe‘ Hugos von St. Victor159), zurückzugeben. Auch in Augsburg wolle er über Bekannte danach forschen.160) An diesem Beispiel wird nochmals deutlich, dass es einen regen Handschriftentausch zwischen den einzelnen Klöstern der Melker Reformbewegung gab, zu der neben Tegernsee auch Mondsee und St. Peter in Salzburg gehörten.161) Im Fall von Admont ist der Befund nicht so eindeutig. Wie alle Benediktinerklöster der Provinz Salzburg unterlag auch Admont dem am 8. Februar 1451 auf der Salzburger Provinzialsynode von Cusanus angeordneten Reformdekret ‚Quoniam sanctis-

Wichner, Jakob, Geschichte des Benediktiner-Stiftes Admont von der Zeit des Abtes Engelbert bis zum Tode des Abtes Andreas v. Stettheim (1297–1466), Graz 1878, 189. 157) Vgl. hierzu Krchňák, Neue Handschriftenfunde (wie Anm. 150), 104f.; De La Mare, Catalogue Bodleian Library Oxford (wie Anm. 150), 143–146, und Baum/Senoner, Briefe und Dokumente I (wie Anm. 74), 147 Anm. 52. 158) Die Herausgeber der ‚Acta Cusana‘ vermuteten, dass es sich hierbei um die Handschrift Admont, StiB, Cod. 608 handeln könnte, die auf f. 60v–62v einen Text enthält, der im ‚Aristoteles latinus‘ als ‚Liber de arte consilii‘ geführt wird. Vgl. AC II 1, Nr. 2972 Anm. 2 (dort weitere Literatur). Allerdings enthält die Handschrift im Unterschied zu Oxford, Bodleian Library, Lyell 52, keinerlei Anmerkungen von der Hand des Kardinals. 159) Bei der Tegernseer Abschrift handelt es sich möglicherweise um München, BSB, Clm 18412 f. 1ra–33ra. Vgl. Halm/Laubmann/Meyer, Catalogus (wie Anm. 80), 161 (Nr. 1367). 160) Vgl. AC II 3, Nr. 4101 Z. 9–14: Libellos Aristotelis ‚De consilio et legibus‘ non nosco; faciam tamen pro eisdem obtinendis quod potero, eciam apud monasteria nobis viciniora perquirens, si alicubi reperiantur. Monasterium Admontem multum distat a nobis. Habebo nuncium in brevi ad monasteria Salczburgis et Mansee, libros Hugonis ‚De archa Noe‘ cum ceteris, quos rescribere permisi remittendo, et per nuncium eundem pro libris huiusmodi sollicitus ero. Item explorabo suo modo apud notos in civitate Augusta; ad beneplacita p. v. r. faciam semper pro posse et ultra. 161) Vgl. hierzu z.B. Zibermayr, Ignaz, Die Legation des Kardinals Nikolaus Cusanus und die Ordensreform in der Kirchenprovinz Salzburg, (Reformationsgeschichtliche Studien und Texte 29), Münster 1914, 52–54.

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simus‘, das alle Orden binnen Jahresfrist zur Einhaltung der Ordensregel verpflichtete.162) Entsprechend fand auch in Admont in der zweiten Septemberhälfte 1451 eine Überprüfung durch die bereits am 3. März eingesetzten Visitatoren aus den reformierten Schotten- und Benediktinerklöstern Wien, Mariazell und Melk163) sowie 1452 die Entsendung von zwei Melker Benediktinern statt.164) Vielleicht diente auch der Besuch von Cusanus im Winter 1452/53 der Überprüfung, ob die angeordnete Reform in Admont Fuß fassen konnte. Offensichtlich war der Kardinal diesbezüglich zu diesem Zeitpunkt noch zuversichtlich, was die stattliche Anzahl von sechs Ablassurkunden an die Admonter Benediktiner erklären würde, die vermutlich als Anreiz zur Regeltreue bzw. zur Annahme der Reform gedacht waren.165) Allerdings konnten sich die Melker Reformansätze in Admont offenbar nicht dauerhaft durchsetzen166), was auch die eher ausweichende Antwort Bernhards von Waging im Spätsommer 1454 erklären würde, auf die Bitte des Cusanus in Admont nach den Aristoteles-Schriften zu suchen. Die große Entfernung zwischen Tegernsee und Admont kann allein kaum den Ausschlag gegeben haben, da Tegernsee mit dem weiter entfernten Kloster Melk in einem ständigen Austausch stand. Vielleicht wollte Bernhard von Waging an dieser Stelle Cusanus nicht eingestehen, dass die Klosterreform in Admont gescheitert bzw. zumindest ins Stocken geraten war. Das Resultat blieb aber gleich, und die Aristoteles-Schriften blieben in Admont, ohne dass das Thema jemals wieder von Cusanus oder den Benediktinern vom Tegernsee angesprochen wurde. Im zweiten Fall, in dem Cusanus die Tegernseer Mönche bei der Beschaffung von Literatur einbezieht, zeigt sich nochmals das philologische Gespür des Kardinals.167) Bernhard von Waging hatte Cusanus vor dem 12. Februar 1454 mit seinem Begleitbrief die Abschrift eines nicht vollständigen Werkes mit dem Titel ‚De gradibus contemplacionis‘168) geschickt, das angeblich von Bonaventura sei. Aus einem späteren Schreiben wird ersichtlich, dass die Vorlage der Abschrift aus dem Münchener Franziskanerkonvent stammt und den Benediktinern heimlich von 162) AC I, 3a Nr. 1009. Vgl. hierzu auch Zibermayr, Legation (wie Anm. 161), 8f. und 44–70, sowie Wichner, Geschichte des Benediktiner-Stiftes Admont (wie Anm. 156), 183–187. 163) Vgl. AC I 3a, Nr. 1074f. 164) Vgl. Wichner, Geschichte des Benediktiner-Stiftes Admont (wie Anm. 156), 184–186, sowie Zibermayr, Legation (wie Anm. 161), 52 Anm. 1. 165) Vgl. hierzu Woelki, Quellen (wie Anm. 119), 7. 166) Vgl. ebd. An dieser Stelle sei der Bibliothekarin der Admonter Stiftsbibliothek, Frau Karin Schamberger, mein herzlichster Dank für die vielen Hinweise und Auskünfte ausgesprochen. 167) Vgl. hierzu auch Rinser, Tegernseer Kosmos (wie Anm. 75), 200. 168) AC II 2, Nr. 3824 Z. 8–11: Cum libris, quos v. p. r. dominus meus abbas reverendus transmittit, dirigo ego, quem nuper rescribere permisi, libellum meo intelligere preciosum ‚De gradibus contemplacionis‘ Bonaventure, ad conspiciendum eundem, si forsitan eidem paternitati v. revme agnitus sit; nam michi apparet, quod iuxta sui dimissionem non sit completus ad finem.

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dem dortigen Pfarrer Marquard Sprenger (1400–1474) ausgeliehen wurde.169) Vermutlich in der Hoffnung, dass Cusanus hier tätig werden würde, bemerkt der Benediktinerprior, er habe gehört, dass sich nur noch bei den Franziskanern in Florenz eine vollständige Fassung des Textes findet.170) In seinem Antwortbrief vom 12. Februar 1454 zeigt sich der Bischof von Brixen begeistert von diesem bisher noch nie gesehenen Buch, zweifelt aber an der Autorschaft Bonaventuras171) und vermutet vielmehr, dass es von einem überaus gelehrten Mann aus der Zeit des hl. Franziskus stammen könnte, der nicht nur gebildet, sondern auch ein eifriger Christ sei und ein weiteres Werk mit dem Titel ‚De donis‘ verfasst habe.172) Scharfsinnig bemerkt Cusanus, dass es sich beim Text um ‚Collationes‘ – also geistliche Ansprachen – handelt, die von einem Zuhörer mitgeschrieben wurden. Der indirekten Bitte des Priors kommt Nikolaus von Kues nach und verspricht in Florenz danach suchen zu lassen.173) Bevor er den Text der Tegernseer abschreiben, die Vorlage wieder zurück und die Kopie nach Florenz zur Korrektur und Vervollständigung schicken kann, vergeht jedoch geraume Zeit, da ihm – zumindest zeitweilig – kein Schreiber zur Verfügung stand.174) Erst nach dem erneuten Nachfragen der Tegernseer im Juli 1455175) kann er schließlich am 28. Juli des gleichen Jahres das überraschende Ergebnis seiner Nachforschungen präsentieren: Bei der Rückkehr der Handschrift mit den ‚Collationes‘ Bonaventuras aus Florenz – Cusanus geht offenbar trotz seiner vorherigen Bedenken nach wie vor vom ‚Doctor Seraphicus‘ als Autor aus – 169) AC II 2, Nr. 3828 Z. 1–3: Librum collacionum, quem alias transmisi, de biblioteca fratrum ordinis minorum in Monaco per quendam civem monacensem tanquam pro usu suo, quia potens est litteratus, tollere petivi, et furtim ab eo communicatum quantocius rescribendum ordinavi. Vgl. auch Müller, Humanismusrezeption (wie Anm. 77), 52f. 170) AC II 2, Nr. 3824 Z. 11f.: Audivi insuper, quod in Florencia idem libellus apud fratres minores habeatur, und AC II 2, Nr. 3828 Z. 3–6: Quesivi preterea per civem eundem pro fine libri apud fratres iam dictos, quorum unus, doctor scilicet et predicator, pre ceteris respondit collacionis huiusmodi se nusquam reperisse preterquam in Florencia, apud fratres ordinis predicti. Ceteris vero liber ipse incognitus est. 171) Vgl. Haubst, Rudolf, Marginalien des NvK zu Abaelard, in: Thomas, Rudolf (Hg.), Petrus Abaelardus (1079–1142). Person, Werk und Wirkung, Trier 1980, 294 Anm. 7. 172) Tatsächlich stammt von Bonaventura noch eine Sammlung mit dem Titel ‚Collationes de septem donis Spiritus sancti‘. 173) AC II 2, Nr. 3825 Z. 2–8: Vidi ‚librum collacionum‘, quem misistis. Dubito plurimum, an sit Bonaventure. Videtur enim alicuius doctissimi fuisse tempore sancti Francisci; refert enim se locutum fuisse cum fratre Egidio socio sancti Francisci, quem Bonaventura videre non potuit. Non vidi prius librum. Collaciones sunt et scripte ex ore proferentis; utinam omnes haberentur. Allegat se alias fecisse ‚De donis‘. Dabo operam, si Florencie sunt, ut habeamus. Multum michi placent, maxime quia vir ille non solum sciens, sed zelosus fuit christianus. 174) Vgl. AC II 2, Nr. 3825 Z. 8–11 vom 12. Februar 1454: Non habeo pro nunc scriptorem; habebo autem, et habita copia transmittam. Rogo vos, ut inquiratis, si id, quod deest, reperiri queat; AC II 3, Nr. 4072 Z. 1–3 vom 16. August 1454: Nondum liber Bonaventure visionum est expeditus, forte deficiunt x folia, mittam cum proximo, Floriencie faciam corrigi et compleri, und AC II 3, Nr. 4103 Z. 57 vom 9. September 1454: Remitto vobis librum, quem excopiatum misi Florentiam, ut compleatur. 175) Vgl. AC II 4, Nr. 4449 Z. 17.

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konnte nur weniger als ein Viertel des Textes korrigiert werden. Laut der Mitteilung eines Freundes – womit sicherlich Paolo dal Pozzo Toscanelli (1397–1482) gemeint sein dürfte – sei eine Korrektur der Tegernseer Textfassung anhand der Florentiner Ausfertigung unmöglich. Zwar handle es sich um den gleichen Stoff bzw. das gleiche Thema, allerdings enthält die Florentiner Handschrift eine andere, viel ausführlichere Fassung. Weil diese besser sei als die Tegernseer Ausfertigung, will sich Cusanus nunmehr um eine Abschrift des Florentiner Manuskriptes bemühen.176) Tatsächlich handelt es sich bei diesem Text – anders als von Cusanus zunächst vermutet – um ein Werk Bonaventuras, und zwar um die ‚Collationes in Hexaemeron‘, eine unvollendete Reihe von 23 Vorlesungen bzw. Visionen aus dem Jahr 1273.177) Der Text ist nicht von Bonaventura selbst niedergeschrieben worden, sondern – wie von Cusanus richtig gesehen – nur in Form von zwei Hörermitschriften (reportationes) erhalten. Hierbei ist zu unterscheiden zwischen einer kürzeren ‚Reportatio A‘ und einer längeren bzw. ausführlicheren ‚Reportatio B‘.178) Während es sich bei der ersten, von den Tegernseer Benediktinern gesandten Abschrift möglicherweise um die kürzere Fassung handelt179), entspricht die Florentiner Version der längeren ‚Reportatio B‘.180) Letztere ist dabei noch in einer 176) Vgl. AC II 4, Nr. 4450 Z. 5–10: Ex Florencia reportavit ‚Collaciones‘ Bonaventure, parum pro quarta parte emendatas; et amicus scribit non posse corrigi, quia nostre sub audiencia videntur raptim collecte. Unde licet in materia sit generalis concordancia, tamen forma nostri libelli est penitus alia ab illo, qui Florencie habetur, ita quod necesse erit, ut faciamus illum Florencie ex integro transscribi, qui melior nostro. 177) Die Identifizierung des Textes mit dem Traktat ‚De septem gradibus contemplacionis‘ des Thomas Gallus von Vercelli in AC II 2, Nr. 3825 Anm. 2, ist eher zweifelhaft. Während Gabriel Théry – mit Verweis auf Martin Grabmann – Bonaventura die Autorschaft über das Werk abspricht und stattdessen Thomas Gallus als Urheber des Werkes ins Feld führt, hält Rudolf Haubst am ‚Doktor Seraphicus‘ als Autoren fest und identifiziert den Text mit guten Gründen als eine der Hörermitschriften von Bonaventuras ‚Collationes in Hexaemeron‘. Zur Diskussion vgl. Grabmann, Martin, Die Erklärung des Bernhard von Waging O. S. B. zum Schlusskapitel von Bonaventuras Itinerarium mentis in Deum, in: Franziskanische Studien 8 (1921) 125–135, hier 134 Anm. 2; Théry, Gabriel, Thomas Gallus et Egide d’Assise. Le traité „De Septem gradibus contemplationis“, in: Revue néo-scolastique de philosophie. 36 (1934), 180–190, hier 185f.; dagegen Haubst, Christologie (wie Anm. 105), 13 Anm. 28, und Ders., Marginalien (wie Anm. ൡ൧ൡ), 294, Anm. 7. 178) Vgl. die Editionen Bonaventura, Opera omnia, Bd. 5, Quarrachi 1891, 327–454 (Reportatio B) und Bonaventura, Collationes in Hexaemeron, ed. Fernando Delorme, Florenz 1934 (Reportatio A). Zur Einteilung in die beiden Fassungen, siehe VII–XVIII. 179) Merkwürdigerweise ist von dieser kürzeren ‚Reportatio A‘ bislang nur eine einzige Handschrift: Siena, Biblioteca Comunale degli Intronati, ms. U.V.6, f. 1ra–74vb, bekannt. Zu den einzelnen Handschriften vgl. die Übersicht in Horowski, Aleksander, Opere autentiche e spurie, edite, inedite e mal edite di San Bonaventura da Bagnoregio: Bilancio e prospettive, in: Collectanea Franciscana 86 (2016), 461–544, hier 483–485. Zur ‚Reportatio A bei Cusanus vgl. Haubst, Marginalien, (wie Anm. 171), 294, Anm. 7. 180) Hierbei handelt es sich um die Handschrift Florenz, BML, Plut. XXVII dex. cod. 9, die nachweislich aus dem Florentiner Franziskanerkloster stammt und auf den Seiten (!) 123a–200b Bonaventuras ‚Collationes in Hexaemeron‘ enthält. Vgl. Horowski, Opere autentiche (wie Anm. 179), 484, sowie Bonaventura, Opera omnia V (wie Anm. 178), XXXIX.

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Handschrift aus dem einstigen Besitz des Nikolaus von Kues nachweisbar, die in der Literatur häufig als ‚Codex Ehrenbreitstein 1‘ bezeichnet wird, heute allerdings in der Kapuzinerbibliothek in Münster (Cod. 1) aufbewahrt wird.181) Neben Bonaventuras ‚Collationes in Hexaemeron‘ (f. 3r–97v) im ersten Teil findet sich im zweiten Teil eine Abschrift von Abälards ‚Theologia Scholarium‘ bzw. seiner ‚Introductio ad theologiam‘ (f. 103r–161va).182) Die große Bedeutung, die Nikolaus von Kues den ‚Collationes‘ Bonaventuras beimaß, belegen vor allem die zahllosen Randbemerkungen von seiner Hand.183) Wann der Kardinal diese Abschrift hat anfertigen lassen, bleibt unklar. Da es sich beim Schreiber des ersten Teiles möglicherweise um seinen Sekretär Giovanni Andrea dei Bussi handelt, dürfte die Abschrift wohl erst nach 1458 entstanden sein, als Bussi im Dienst des Kardinals stand.184) Offenbar hielt Cusanus Wort und sandte die Florentiner Fassung nach Tegernsee, wo sie abermals abgeschrieben wurde. Zumindest lässt sich heute noch in der Bayerischen Staatsbibliothek in München unter der Signatur Clm 18653 (f. 1r–130v) eine Handschrift der ‚Reportatio B‘ aus Tegernsee identifizieren.185) Im Unterschied hierzu konnte für die kürzere ‚Reportatio A‘ bislang keine weitere Handschrift ausfindig gemacht werden, weder aus dem Franziskanerkloster in München noch aus dem Benediktinerkonvent in Tegernsee oder aus der Sammlung des Cusanus. Noch ungewöhnlicher ist allerdings, dass sich weder die Schriften seiner Mitstreiter noch seiner Kritiker aus dem Mystikstreit in der Cusanus-Bibliothek bzw. in seinem Besitz nachweisen lassen. Obwohl sich Cusanus in seinem Brief an den Tegernseer Prior Bernhard von Waging vom 16. August 1454 noch überschwenglich für seine Schrift ‚Laudatorium doctae ignorantiae‘ (1451) bedankt und sie ausdrücklich als ein Geschenk Gottes („Dei sunt dona ista.“) lobt186), sucht man in seinem Besitz vergeblich nach einer Abschrift des Textes. Ähnliches gilt auch für

181) Dabei hat die Handschrift eine wahre Odyssee hinter sich, wie die verschiedenen Provenienzeintragungen verraten. Vgl. hierzu Haubst, Marginalien, (wie Anm. 171), 288 und 294, Anm. 13f. 182) Vgl. die Digitalisate unter: (Bonaventura) und (Abelard) (Letzter Zugriff: 07.10.2022). 183) Vgl. hierzu ausführlich Caminiti, Francis N., NvK und Bonaventura, in: MFCG 4 (1964), 129–144, hier 130; und Elpert, Some remarks (wie Anm. 85), 258–262. 184) Zu Bussi vgl. u.a. Miglio, Massimo, Giovanni Andrea Bussi, in: DBI 15 (1972), 565–572; und Bianca, La biblioteca Romana (wie Anm. 18), 691–698. 185) Vgl. Horowski, Opere autentiche (wie Anm. 179), 484, und Halm/Laubmann/Meyer, Catalogus (wie Anm. 8), 197 (Nr. 1586). 186) Vgl. AC II 3, Nr. 4072 Z. 8–11. Entsprechend freut sich Bernhard von Waging im darauf folgenden Brief (vor dem 9. September 1454) darüber, dass seine Schrift dem Kardinal so gut gefallen habe, und er verspricht, sie weiter zu verbessern, wofür er allerdings die bereits angekündigte Schrift ‚De beryllo‘ von Cusanus benötige. Vgl. AC II 3, Nr. 4101 Z. 15–19.

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Marquard Sprengers ‚Elucidatorium mystice theologie‘187) oder ‚De mystica theologia‘ seines Kontrahenten Vinzenz von Aggsbach.188) Von all diesen Schriften zum Mystikstreit lässt sich bislang kein Textzeuge direkt mit Nikolaus von Kues in Verbindung bringen. Selbst der Briefwechsel mit den Tegernseern ist nicht im Nachlass des Brixner Bischofs überliefert, erst recht nicht die von Bernhard von Waging speziell Cusanus gewidmeten ‚Klagelieder‘ (‚Trene‘) über die gescheiterte Visitation des Benediktinerklosters St. Georgenberg.189) Über die Gründe hierfür lässt sich nur spekulieren: Möglicherweise blieben die Abschriften bei der panikartigen Flucht des Kardinals nach Andraz/Buchenstein im Juni 1457 in Brixen zurück, fanden später keine Beachtung mehr und wurden veräußert oder gingen verloren. Ebenso denkbar wäre es, dass sich Cusanus selbst – ungeachtet der Tatsache, dass seine Schrift ‚De docta ignorantia‘ den Mystikstreit auslöste und er mit seinen Schriften ‚De visione Dei‘ sowie ‚De beryllo‘ wichtige Präzisierungen seiner Auffassung von mystischer Theologie lieferte190) – nur am Rande für die gesamte Debatte interessierte, die noch bis in die 1460er Jahre fortgeführt wurde. Schaut man auf die Überlieferungslage der Schriften seiner Gegner und Mitstreiter, die insgesamt nur in wenigen handschriftlichen Textzeugen erhalten sind191), so könnte der Verdacht aufkommen, dass es sich beim Mystikstreit in erster Linie um eine monastische Diskussion handelte, die nur in wenigen süddeutschen und österreichischen Reformklöstern geführt wurde. 5. Die Organisation von Schreibbetrieb und Bibliothek Auch wenn erwartungsgemäß nur sehr wenige Informationen über die Organisation der bischöflichen Bibliothek hinsichtlich Aufbewahrungsort, Transport, Bindearbeiten usw. vorliegen, finden sich in den Acta Cusana einige wenige, aber 187) Vgl. AC II 2, Nr. 3824 Z. 12f., und AC II 4, Nr. 4450 Z. 10–12 sowie Vansteenberghe, Autour (wie Anm. 74), 49–57. 188) Vgl. AC II 2, Nr. 3625 Z 6–13. 189) Vgl. AC II 2, Nr. 3923, sowie Woelki, Cusanus im Dialog (wie Anm. 75), 226; Agethen, Apographa epistolarum (wie Anm. 74), 295f. und 301f.; Rinser, Tegernseer Kosmos (wie Anm. 75), 208; Treusch, Bernhard von Waging (wie Anm. 70), 52; Baum, Nikolaus Cusanus in Tirol (wie Anm. 2), 147f., und Baum, Wilhelm/Rauter, Karl, Bernhard von Waging († 1472): Klagelieder über St. Georgenberg, in: Der Schlern 57 (1983), 482–494. 190) Vgl. Senger, NvK (wie Anm. 75), 223. 191) Während von der Schrift ‚Laudatorium doctae ignorantiae‘ Bernhards von Waging noch mindestens acht Textzeugen erhalten sind, lässt sich die ‚Mystica theologia‘ des Vinzenz von Aggsbach bislang nur noch in drei Handschriften nachweisen, die aus den Benediktinerklöstern Tegernsee (München, BSB, Clm 19114 f. 113r–128r), Melk (Melk, StiB, cod. 1605 f. 93r–101r) und St. Ulrich und Afra in Augsburg (München, BSB, Clm 4403 f. 151r–154r) stammen. Zur Überlieferungslage vgl. Martin, Dennis D., Vinzenz von Aggsbach, in: Verfasserlexikon 10 (21999), 359–365, hier 361f.; außerdem Höver, Werner, Bernhard von Waging, in: Verfasserlexikon 1 (21978), 779–789, hier 779f., sowie der Nachtrag in: Verfasserlexikon 11 (22004), 244.

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wichtige Hinweise hierzu, und zwar vor allem in den noch vorhandenen Rait- bzw. Rechnungsbüchern, in denen alle Einnahmen und Ausgaben des Bischofs von Brixen über einen bestimmten Zeitraum eingetragen wurden.192) Hauptsächlich ist hier zu unterscheiden zwischen drei verschiedenen Abrechnungsserien, die allerdings vielfach miteinander verschränkt sind. Hierzu gehört z.B. die jährliche Kammer- oder Generalraitung, in der die gesamten Finanzen der Stiftsverwaltung erfasst wurden. Sie wurde meist vom Neffen und Rentmeister des Kardinals, Simon von Wehlen, in Zeiten seiner Abwesenheit u.a. von Peter von Erkelenz, dem Kämmerer und Privatsekretär des Nikolaus von Kues, verwaltet.193) Diese Kammerraitung bildete eine Zusammenstellung aller anderen Rechnungsbücher des Hochstiftes, z.B. der Amtsraitungen von Brixen, Buchenstein, Thurn, Bruneck usw., die von den dortigen Amtmännern geführt wurden. Besonders der Amtsbezirk Bruneck bildete dabei eines der bedeutendsten Verwaltungszentren im Hochstift Bixen, wo sich Cusanus mehrere Wochen im Jahr, vor allem in den Sommermonaten, aufhielt.194) Zu den Kammer- und Amtsraitungen kommt noch die Küchenraitung, die im Fall von Cusanus nur für das Jahr 1453/54 erhalten ist. Diese Raitung wiederum unterstand dem bischöflichen Küchenmeister Heinrich Gussenbach und enthält tagesgenaue Auflistungen von gekauften Lebensmitteln, aber auch Gegenständen wie Seife, Geschirr, Kleidung usw., die einen spannenden Einblick in den Alltag des Kardinals und Bischofs geben.195) In allen diesen Rechnungsbüchern finden sich Hinweise auf den Kauf von Papier, Pergament, Einbandmaterialien und auf sonstige Ausgaben für die Bibliothek und den Schreibbetrieb.196) Im Fall der Amtsraitung von Bruneck beschränken sich diese natürlich auf die Zeiten, in denen sich der Bischof vor Ort aufhielt bzw. für die Jahre 1457/58, als er sich von Bruneck aus entsprechende Schreibmaterialien nach Andraz/Buchenstein kommen ließ. Aus den verschiedenen Angaben wird deutlich, dass es keine zentrale Beschaffungsstelle gab, sondern die Materialien je nach Bedarf von unterschiedlichen Stellen für den Bischof erworben und auch abgerechnet wurden.197) ) Vgl. Woelki, Quellen (wie Anm. 119), 28–31. ) Vgl. Hallauer, Hermann J., Generalraitung des Hochstiftes Brixen für die Jahre 1453 bis 1458, in: Aris (Hg.), Horizonte (wie Anm. 12), 80f. 194) Vgl. Ders., Abrechnung des Amtmanns von Bruneck, in: Aris (Hg.), Horizonte (wie Anm. 12), 79f. 195) Vgl. hierzu ausführlich Woelki, Quellen (wie Anm. 119), 29f. 196) Vgl. hierzu AC II 3, Nr. 4015 vom 25./30. Juni 1454 mit dem Hinweis auf ii puch papir fur die puchschreiber. 197) Daraus konnten sich kuriose Kombinationen ergeben, wenn z.B. Heinrich Gussenbach in der Küchenraitung vom 19. Januar 1454 neben Schreibpapier auch den Kauf von sechs Hennen, Eiern und Milch für die Küche des Kardinals vermerkt und die bischöflichen Schulden des vergangenen Weihnachtsfestes für sieben Stockfische, weihnachtliche Spezereien und ein Maß Malvasierwein begleicht. Vgl. AC II 2, Nr. 3798. 192 193

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Da die Datenlage der Rechnungen nicht vollständig ist, lässt sich hieraus leider nicht der gesamte Verbrauch von Papier oder Schreibmaterialien für Nikolaus von Kues rekonstruieren. Für den Zeitraum von September 1453 bis Juli 1458 finden sich insgesamt noch ca. 32 Eintragungen in den drei verschiedenen Rechnungsbüchern, d.h. pro Jahr lassen sich somit mindestens drei bis acht Einkäufe dokumentieren.198) Von diesen 32 Eintragungen beziehen sich 29 auf den Kauf von Papier und nur vier auf den Kauf von Pergament199), letzteres wohl in erster Linie zur Anfertigung von Urkunden. Am aussagekräftigsten sind die Einträge in der Küchenraitung von 1453/54, aus denen hervorgeht, dass in einem Zeitraum von 9 bis 60 Tagen neues Schreibmaterial gekauft werden musste. Laut der Küchenraitung bestand die durchschnittliche Menge dabei aus einem oder zwei ‚Buch‘ Papier.200) Dabei entspricht ein Buch 24 Bogen, wobei jeder Bogen wiederum aus acht Blättern besteht.201) Die gekaufte Menge Papier – die wohl mit dem Verbrauch identisch gewesen sein dürfte – schwankte also zwischen 192 und 384 Blättern. Dabei blieb der Papierpreis im Bistum Brixen im gesamten Zeitraum von 1453 bis 1458 relativ stabil und betrug fast durchgehend 4 Kreuzer für ein Buch Papier.202) Nur in seltenen Fällen lässt sich der Kauf einer größeren Menge Papier belegen, z.B. am 13. Dezember 1456, als ein gewisser Achatius – wohl Johann von Halbsleben, ein Bürger von Brixen und Familiare des Kardinals203) – in Bozen im Auftrag Peters von Erkelenz ein Ries Papier zum günstigen Preis von 44 Kreuzern

198) Im Einzelnen handelt es sich um die folgenden Nummern nach den Jahren geordnet, und zwar für 1453: AC II 2, Nr. 3617, 3631, 3683, 3719, 3742, 3751; für 1454: AC II 2, Nr. 3798, 3811, 3836, 3858, 3905; AC II 3, Nr. 4003, 4015, 4144; für 1455: AC II 3, Nr. 4217; AC II 4, 4529, 4581; für 1456: AC II 4, Nr. 4661, 4701, 4724; AC II 5, Nr. 4853, 5049; für 1457: AC II 6, Nr. 5271, 5306, 5355, 5364 Anm. 3, 5378, 5396, und schließlich für 1458: AC II 6, Nr. 5543, 5653, 5664, 5696. 199) Dabei wurde am 7. März 1458 in Bruneck (AC II 6, Nr. 5543) sowohl eine größere Menge Papier als auch Pergament, Siegelschnüre und Siegelwachs für die beiden Notare Paul Greussinger aus Viechtach, Diözese Regensburg, und Christoph Riethofer aus Dachau, angeschafft, wobei der konkrete Zweck unklar bleibt. 200) Vgl. hierzu z.B. AC II 2, Nr. 3617. 201) Vgl. hierzu Kälin, H.B., Papier/2. Technische Entwicklung, in: LexMA 6 (1993), 1666, und Goerke, Jochen, Bogen, in: Rautenberg, Ursula (Hg.), Reclams Sachlexikon des Buches, Stuttgart 22003, 76. 202) Vgl. hierzu z.B. AC II 2, Nr. 3631 (1453); AC II 4, Nr. 4529 (1455), Nr. 4661 (1456); AC II 6, Nr. 5378 (1457: 4 Bücher für 16 Kreutzer), und AC II 6, Nr. 5664 (1458). Lediglich für das Jahr 1457 lassen sich gewisse Schwankungen im Papierpreis feststellen, und so kostete laut dem Eintrag in der General- bzw. Kammerraitung vom 20. September 1457 (AC II 6, Nr. 5364 Anm. 3) ein Buch Papier lediglich 3 Kreuzer und 3 Vierer, wobei natürlich unklar ist, ob eventuell auch die Papierqualität geringer war. 203) Vgl. AC II 5, Nr. 4954 Anm. 8.

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erwarb.204) Dabei entspricht ein Ries einer Menge von 480 Bogen bzw. 20 Büchern oder 3.840 Blättern205), so dass der Stückpreis pro Buch Papier bei 2,2 Kreuzern lag. Ein wahres Schnäppchen also. Wesentlich seltener ist dagegen der Kauf von Pergament dokumentiert, der sich insgesamt nur vier Mal nachweisen lässt.206) Die von Cusanus erworbene Menge schwankt in den jeweiligen Eintragungen der Generalraitung zwischen hundert hewt pergamen für 10 Rheinische Gulden am 1. November 1455207) und einem Pergament für 7 Kreuzer am 28./30 März 1456.208) Auch wenn man nichts über die Größe und die Qualität der Tierhaut sagen kann, so fällt doch auf, dass sie durchschnittlich drei Kreuzer teurer war als ein Buch Papier mit 192 Blättern. Hieraus wird der Preisunterschied zwischen Pergament und dem günstigeren, aus Lumpen hergestellten Hadernpapier deutlich, das sich in der Mitte des 15. Jahrhunderts in Brixen längst als Hauptbeschreibstoff etabliert hatte. Pergament spielte – abgesehen von der Anfertigung von Urkunden – vor allem bei der Herstellung von prestigeträchtigen Prachthandschriften noch eine Rolle, wie etwa von Cod. Cus. 218, der aus teurem italienischem Pergament besteht. Es ist daher durchaus möglich, dass die bereits erwähnten hundert Tierhäute von 1455 für die Produktion einer solchen Prachthandschrift Verwendung fanden. Aus vier weiteren Eintragungen lassen sich wertvolle Erkenntnisse über den Bucheinband bzw. zu den Buchbindearbeiten ermitteln.209) Besonders bedeutend ist dabei ein Eintrag in der Brixner Generalraitung vom 28. Oktober 1454, aus dem hervorgeht, dass ein Buchbinder aus Hall in Tirol für drei Pfund die ‚Politica‘ und die ‚Nikomachische Ethik‘ des Aristoteles eingebunden hat.210) Hierbei handelt es sich um die heute noch in Kues erhaltene und bereits mehrfach erwähnte Prachthandschrift Cod. Cus. 179 mit der fast ein Jahr zuvor, d.h. am 27. Oktober 1453, von Peter von Erkelenz beendeten Abschrift der aristotelischen ‚Ethik‘ (f. 79r– 156v).211) Anders als bei den meisten Prachthandschriften des Kardinals ist für

204) Vgl. AC II 5, Nr. 5049. Ein weiterer Beleg für eine größere Kaufmenge von Papier findet sich für den 2. Dezember 1457 in der Generalraitung, wo ebenfalls der Kauf von einem Ries Papier für einen Florin bzw. Gulden vermerkt ist. Vgl. AC II 6, Nr. 5396 Anm. 8. 205) Vgl. Kälin, H.B., Papier/2. Technische Entwicklung, in: LexMA 6 (1993), 1666. In AC II 5, Nr. 5049 Anm. 2 werden dagegen 600 Bogen als Maßeinheit für ein Ries angegeben. 206) Vgl. AC II 4, Nr. 4581 (1455), 4724 (1456); AC II 6, Nr. 5355 (1457) und 5543 (1458). 207) Vgl. AC II 4, Nr. 4581 Z. 6. 208) Vgl. AC II 4, Nr. 4724 Z. 7. 209) Es handelt sich dabei um AC II 3, Nr. 4141, 4144 (1454); AC II 5, Nr. 5049 (1456), Nr. 5159 (1457). 210) AC II 3, Nr. 4141: Item ipso die Sy(monis) et Jude cuidam de Hall, qui ligavit ‚Polliticam‘ et ‚Ethicam‘ Aristotelis iii lb. Vgl. Hallauer, Hermann J., NvK als Bischof und Landesfürst, in: MFCG 21 (1994), 275–311, hier 291f. 211) Vgl. AC II 2, Nr. 3705 und Bernkastel-Kues, St. Nikolaus-Hospital, Cod. Cus. 179 f. 156v: Finitum per me Petrum Ercklentz in vigilia sanctorum Symonis et Jude apostolorum anno domini 1453 Brixine.

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Cod. Cus. 179 der originale rote Ledereinband mit Streicheisenlinien und vielen verschiedenen Einzelstempeln in Form von Rosetten, Blumen und Blättern erhalten. Die Einbände wurden also nicht von einer am Hof des Brixner Bischofs eingerichteten Werkstatt angefertigt, sondern von einem auswärtigen – vermutlich wandernden – Buchbinder aus der Nähe von Innsbruck, woraufhin auch die relativ kleinen und unspezifischen Einbandstempel deuten. Seit der Mitte des 15. Jahrhunderts ging man auch in Tirol vermehrt dazu über, Einbände mit Einzelstempeln zu verzieren.212) Für Tirol sind allerdings bislang kaum Buchbinder bekannt oder gar erforscht, wenn man von dem Wanderbuchbinder Cristan Eriber (‚Eriber I‘) absieht, der um 1425/30 in Bayern geboren und zwischen 1455 und 1474 in ganz Süddeutschland, in Vorarlberg und auch in Tirol tätig war, wo er zwischen 1471 und 1474 in den Raitbüchern des Innsbrucker Hofes, d.h. Sigismunds von Tirol, mehrfach urkundlich belegt ist.213) Er war aber auch für andere Auftraggeber, z.B. für die Klöster in Wilten und Stams, tätig.214) Bei dem Eintrag in der Brixner Generalraitung von 1454 handelt es sich wohl um einen der frühesten Belege für eine Buchbindertätigkeit in Tirol. Ob der Buchbinder aus Hall in Tirol evtl. in Verbindung mit Eriber stand oder sogar mit ihm identisch ist, darüber lässt sich nur spekulieren. Auch wenn die einzelnen Einbandstempel auf Cod. Cus. 179 schwer erkennbar sind, ähneln zumindest zwei denen, die auch von Eriber verwendet wurden.215) Allerdings fehlt auf dem Kueser Einband der für Eriber charakteristische Namensstempel, so dass die Frage nach der Identität des Buchbinders nicht endgültig geklärt werden kann. Ebenso offen

212) Vgl. hierzu allgemein: Mazal, Otto, Einbandkunde. Die Geschichte des Bucheinbandes (Elemente des Buch- und Bibliothekswesens 16), Wiesbaden 1997, hier 132. 213) Zu Eriber vgl. ausführlich Neuhauser, Walter, ‚Eriber‘. Ein Beitrag zum süddeutschen und Tiroler Bucheinband des 15. Jahrhunderts, in: De Coster, Annie/Sorgeloos, Claude (Hg.), Bibliophilies et reliures. Mélanges offerts à Michel Wittock, avec la collaboration de MARCUS DE SCHEPPER (Studia Bibliothecae Wittockianae 6), Bruxelles 2006, 316–373; außerdem Ders., Eriber in Tirol, eine Ergänzung, in: Einband-Forschung 25 (2009), 18–20; Mazal, Einbandkunde (wie Anm. 212), 132, sowie Kyriss, Ernst, Deutsche Buchbinder der Spätgotik und der Renaissance, in: Archiv für Geschichte des Buchwesens 3 (1960/61), 181–204, hier 183 Nr. 16. 214) Vgl. Mazal, Einbandkunde (wie Anm. 212), 132. Erwähnenswert ist darüber hinaus noch Hanns, Fruemesser phleger zu Schennaw (bei Meran), der 1462 fünf Pfund Berner erhielt, um zwei Bücher der herzoglichen Hofbibliothek in Innsbruck einzubinden. Im Unterschied zu Eriber lassen sich mit ihm aber heute keine Bucheinbände in Verbindung bringen. Siehe Neuhauser, ‚Eriber‘. Ein Beitrag (wie Anm. 213), 330. 215) Hierbei handelt es sich um die in der Einbanddatenbank nachweisbaren Motive‚ Blatt | mehrteilig, mit gerader Mittelrispe, gefiedert oder gezähnt‘ (s011726) und ‚Rosette | mit einem Blattkranz | fünfblättrig | Blätter gefiedert‘ (s011727), die sich beide u.a. auf einem Eriber zugeschriebenen Einband aus der Zeit nach 1437 (Stuttgart, Württembergische Landesbibliothek, Cod. hist. qt. 152) wiederfinden. Vgl. auch Neuhauser, ‚Eriber‘. Ein Beitrag (wie Anm. 213), 325, 327, 369 (Abb. 47 und 48) und 370 (Ky 47 und Ky 48).

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muss zunächst die Frage beiben, ob noch weitere Einbände dieses Haller Buchbinders in der Bibliothek in Bernkastel-Kues oder in anderen Bibliotheken aufbewahrt werden. In der Generalraitung finden sich dagegen noch weitere Hinweise auf die Herstellung von festen Einbänden, ohne dass ein Buchbinder genannt wird. So zahlt z.B. Simon von Wehlen einem gewissen Egel – vermutlich der Brixner Familiar des Kardinals, Bartholomäus Egen, – 28 Kreuzer für Nägel, Lederhäute und andere notwendige Materialien zum Einbinden von Büchern.216) Darüber hinaus wurde der bereits erwähnte Achatius bzw. Johann von Halbsleben von Peter von Erkelenz am 13. Dezember 1456 damit beauftragt, in Bozen für vier Pfund und vier Kreuzer acht rote Lederhäute zum Einbinden von Büchern und für 27 Kreuzer ein rotes Leinentuch zum Unterlegen eines Koperteinbandes zu erwerben.217) Ob evtl. der roten Einbandfarbe – die fast schon klischeehaft zur Bibliothek eines Kardinals passt – eine besondere Bedeutung beigemessen werden kann, ist schwer zu entscheiden.218) Von den insgesamt 316 Handschriften haben mindestens noch 36 einen solchen roten bzw. rötlich erscheinenden Einband219), wobei einige davon bereits vor der Kardinalserhebung im Besitz des Nikolaus von Kues waren, wie Cod. Cus. 263, der Cusanus bereits im Jahr 1445 geschenkt wurde.220) Denkbar ist dabei natürlich auch, dass diese Handschriften erst später eingebunden wurden, wovon aber eher nicht auszugehen ist. Wieder andere Bücher mit rotem Einband kamen erst nach dem Tod des Kardinals in die Hospitalsbibliothek, so z.B. die beiden Frühdrucke Inc. 20 und 47221), oder stammen aus Stiftungen anderer Vorbesitzer, z.B. von Johannes Stam († 1463), einem ehemaligen Schreiber des Kardinals, der später in Kues als Hospitalsverwalter und Pfarrer tätig war.222) Selbst wenn Nikolaus von Kues nach seiner Kardinalserhebung von 1448 den Plan gehegt haben sollte, seinen Büchern ein einheitliches Aussehen zu geben, ist dieses Vorhaben kaum realisiert worden. Entsprechend finden sich unter den Handschriften verschiedene zeitgenössische Einbände, die von hellbraunen

) Vgl. AC II 5, Nr. 5159, nach dem 28. Februar 1457. ) Vgl. AC II 5, Nr. 5049: Item viii pelles rubeas pro libris ligandis pro lb. iiii, cruciferos iiii. Item pro panno lineo rubeo pro subductione cooperte cruciferos xxvii, pro adduccione cruciferos iiii. 218) Vgl. Schmidt, Wieland, In einem Kopert eingebunden, in: Ders., Kleine Schriften. Festgabe der Universitätsbibliothek der Freien Universität Berlin für Wieland Schmidt zum 65. Geburtstag, Wiesbaden 1969, 62–85, hier 67. 219) Es handelt sich dabei um die folgenden Handschriften: Cod. Cus. 7, 12, 14, 15, 16, 19, 62, 84, 85, 93, 102, 120, 126, 133, 135, 155(?), 157, 158, 174, 175, 179, 183, 222, 263, 255, 271, 272, 274, 275, 294, 296, 297, 301, 307, 310 und 312. 220) Vgl. Marx, Verzeichnis der Handschriften-Sammlung (wie Anm. 12), 254–256. 221) Ebd., 318f. und 323f. 222) Vgl. Marx, Jacob, Geschichte des Armen-Hospitals zum h. Nikolaus zu Cues, Trier 1907, 81 und 95, sowie Meuthen, Die letzten Jahre (wie Anm. 14), 312. 216 217

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Kalbsledereinbänden bis hin zu grünen Hirschlederumhüllungen reichen, passend zu einer heterogenen Privatbibliothek des 15. Jahrhunderts. Neben den festen Holzdeckeleinbänden erwähnt der Eintrag vom 13. Dezember 1456 aber auch einen Koperteinband, der mit einem roten Leinentuch (pannum lineum rubeum) unterlegt wurde.223) Auch hier findet sich mit Cod. Cus. 158, der u.a. eine Abschrift der ‚Flores temporum‘ (f. 1r–78r) enthält, eine Handschrift in der Cusanus-Bibliothek in Bernkastel-Kues, die gut zu diesem Rechnungseintrag passen könnte, auch wenn das verwendete Leinentuch im besagten Kodex heute eher weiß erscheint. Im Unterschied zu den bisher beschriebenen festen Einbänden handelt es sich hierbei um einen roten Koperteinband, also um eine Buchhülle ohne Holzdeckel (liber sine asseribus).224) Diese Buchhülle besteht entsprechend aus schmiegsamem, rohem oder gefärbtem Material, z.B. weichem Leder oder dickerem weißem Pergament, das nicht verziert, dafür aber häufig mit einer gesäumten Klappe versehen wurde.225) Der Schutz des Buchblockes ist bei Koperteinbänden besser als bei losen Lagen, jedoch wesentlich schlechter als bei Holzdeckelbänden226), was u.a. dazu führte, dass die Handschriften, die in Koperten eingebunden waren, leichter verschmutzten und sich heute in einem allgemein schlechteren Erhaltungszustand befinden als Bücher in Holzeinbänden. Ein Vorteil des Koperteinbandes bestand darin, dass er weniger kostspielig und sperrig war als ein Holzdeckeleinband. „Die eigentliche Domäne der Koperte dürften die Privatbibliotheken des späten Mittelalters gewesen sein: … Die Bibliotheken wie die einzelnen Buchbesitzer werden in einer Zeit sich steigernder Buchproduktion finanziell gar nicht immer in der Lage gewesen sein, alle Bücher in Holzdeckel einbinden zu lassen, und für viele Bücher bildete zudem der Kopert einen genügenden Schutz.“227) Entsprechend lassen sich für die Privatbibliothek des Nikolaus von Kues noch einige Koperteinbände nachweisen, deren Ausfertigung von eher aufwendigen roten Lederhüllen, wie im Fall von Cod. Cus. 158 oder 263, bis hin zu einfachen weißen Pergamentblättern reicht, wie bei Cod. Cod. 105 und 170. Da zur Herstellung von einfachen Pergamenteinbänden kein professioneller Buchbinder nötig war228), konnten solche Bindearbeiten auch von den Notaren und Schreibern durchgeführt werden. Hierzu passt ein Eintrag in der Kammerraitung vom 1. November 1454, demzufolge der seit 1451 als Kaplan, Sekretär sowie Notar in den

) Vgl. hierzu auch Schmidt, Kopert (wie Anm. 218), 74. ) Vgl. ebd., 69. 225) Vgl. Mazal, Einbandkunde (wie Anm. 212), 20. 226) Vgl. Schmidt, Kopert (wie Anm. 218), 70f. und 80. 227) Ebd., 81. 228) Vgl. ebd., 70. 223 224

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Diensten von Cusanus stehende Heinrich Pomert für das Einbinden von drei Büchern des Kardinals in Koperteinbänden 15 Kreuzer erhielt.229) Obwohl einige Handschriften der Cusanus-Bibliothek nach ihrem Transport von Italien in das St. Nikolaus-Hospital nach Kues offenbar noch im 15. Jahrhundert neu eingebunden wurden, blieben wohl noch eine Reihe von Büchern in den einfachen Koperten übrig, was ihnen in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts unter den Rektoren Johann Hugo Schannen und Heinrich Brechels zum Verhängnis wurde, die eine Vielzahl von vermeintlich alten und unbrauchbaren Manuskripten nach England verkauften. So schreibt der um die Cusanus-Bibliothek hochverdiente Rektor Stephan Schoenes (1754–1783) in seinem ‚Repertorium aller notwenigen Nachrichten‘ von 1762: Was nun von den Büchern noch übrig und vorrätig gewesen, die waren alle übel zugerichtet, die wenigste(!) eingebunden, ohne Deckel und Bretter, daß also genöthiget worden, die Bücher aufs neue einbinden zu laßen …230) Viele der Handschriften – darunter allerdings auch die wertvollsten Bücher der Bibliothek, z.B. Cod. Cus. 131 mit dem ‚Pontificale Romanum‘, Cod. Cus. 218 und 219 mit den Werken des Nikolaus von Kues – erhielten im 18. Jahrhundert, z.T. sogar erst im 19. Jahrhundert, wie Cod. Cus 220 und 221, neue Einbände231), womit leider ein wichtiger Befund unwiederbringlich zerstört wurde. Der Grund, aus dem Nikolaus von Kues selbst viele Codices, d.h. vor allem seine Gebrauchshandschriften232), in die einfachen Koperte einbinden ließ, dürfte wohl nicht in Sparsamkeit zu suchen sein, sondern ist vielmehr damit zu begründen, dass solche Bände wesentlich leichter zu transportieren waren als Bücher mit Holzdeckeln. Das Einbinden von Büchern mit Holzdeckeln dürfte sich entsprechend wohl nur auf die Prachtcodices, wie z.B. Cod. Cus. 179, beschränkt haben, die mehr der Repräsentation als dem wissenschaftlichen Gebrauch dienten. Denn im Gegensatz zur Aufbewahrung der Bibliothek des Bischofs vor Ort in Brixen, über deren Umstände bislang keinerlei Informationen vorliegen, scheint er zumindest einen Teil seiner Sammlung auf größeren Reisen mit sich geführt zu haben. So ließ er auf der Rückreise von Rom über Bruneck nach Brixen gegen Ende Juni 1453 einige seiner Bücher zusammen mit anderen persönlichen Gegenständen im großen Kammerwagen transportieren233), „den er sonst auf Reisen ) Vgl. AC II 3, Nr. 4144 Z. 3: Item domino Henrico ad cooperiendum tres libros domini xv gr. ) Vgl. Bernkastel-Kues, St. Nikolaus-Hospital, Best. A Nr. 399, 74f. Zitiert nach Haubst, Rudolf, Kritisches Verzeichnis der Londoner Handschriften aus dem Besitz des NvK, in: MFCG 3 (1963), 16–100, hier 19. 231) Vgl. Marx, Verzeichnis der Handschriften-Sammlung (wie Anm. 12), 212–219. 232) Worunter bei NvK auch einige philosophische und theologische Werke fallen dürften. Zur Verwendung von Koperteinbänden bei Gebrauchshandschriften vgl. die Magisterarbeit von MauPieper, Maren, Koperte als Einband bei Gebrauchsschriftgut in Mittelalter und früher Neuzeit, Tübingen 2005. 233) Vgl. AC II 2, Nr. 3492 (23. Juni 1453): Petrus der Walch macht auf der Rückreise von Rom mit dem Kammerwagen Station in Bruneck; AC II 2, Nr. 3498 (25. Juni 1453): Petrus der Walch kommt 229 230

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selbst benutzte.“234) Hierzu passt auch die posthume Lobrede von Giovanni Andrea dei Bussi, der Nikolaus von Kues dafür bewunderte, dass er auch nach einem anstrengenden Tagesritt, selbst im Winter, abends noch die Zeit und Muße fand, theologische Abhandlungen abzufassen, die er tags darauf seinen Familiaren erläuterte.235) Selbst auf seinen Reisen dürfte eine solche schriftstellerische Tätigkeit ohne einige Bücher seiner Bibliothek kaum denkbar gewesen sein.236) Um sich nicht mit dem unnötigen Gewicht der Holzeinbände zu belasten, war es sicherlich sinnvoll, diese Handschriften zumindest mit den leichten Koperteinbänden zu schützen. Zum Abschluss soll noch ein Blick auf die Entourage des Bischofs geworfen werden, die in der Brixner Zeit mit der Bibliothek und der Organisation des Schreibbetriebes bzw. einiger Aspekte hiervon betraut war. Obwohl sich mit Blick auf die Privatbibliothek des Nikolaus von Kues kein eigener Bibliothekar ausmachen lässt, kann man – abgesehen von einer Vielzahl von Sekretären, Notaren und Schreibern237), auf die hier im Einzelnen nicht eingegangen werden kann – immerhin einige Familiare identifizieren, die offenbar im engeren Zusammenhang mit der Büchersammlung in Brixen standen. Hierzu gehört zunächst der aus Florenz stammende Adlige Petrus Bartholomei de Aleiis, genannt der Walch bzw. Florentinus, ein langjähriger Sekretär des Nikolaus von Kues238), der ihn schon auf der Legationsreise begleitete239) und 1452 als Schreiber von Ablassurkunden bezeugt ist.240) Außerdem wurde er mehrfach als Gesandter des Kardinals eingesetzt, so z.B. 1456, als er mit einem Diener des Bischofs von Padua, Fantino Dandolo, nach Bruneck geschickt wurde. Dabei von Brixen nach Bruneck, um nach dem von Rom mitgebrachten Gut in Bruneck zu schauen und AC II 2, Nr. 3500 (26. Juni 1453): Das Gut des NvK, das von Rom kommt, wird von Bruneck nach Brixen überführt. 234) Helmrath, Johannes, NvK in Rom, in: MFCG 35 (2020), 141–181, hier 156f. Zum Kammerwagen vgl. auch AC II 2, Nr. 3740, zu den Reisen des Bischofs vgl. den Beitrag von Werner Maleczek in diesem Band. 235) Vgl. die Edition der Lobrede des Giovanni Andrea dei Bussi von Honecker, Martin, NvC und die griechische Sprache (SBH 1937/38,2), Heidelberg 1938, 70–73, hier 71: Usque adeo vero studiosus, ut me ipso praesente et maxime admirante in hyberno quoque longo itinere totum diem ultra milia passuum quadraginta Germanica transigens equitatione, quae solet esse laboriosior, noctibus tamen et senex et, quod credi poterat, defatigatus strato se proripiens suo gravissimas theologiae interdiu secum obiter commentatas manu sua scriberet questiones ... 236) Vgl. auch Bianca, Cardinal de Cues (wie Anm. 18), 25f. 237) Vgl. die sicher zu ergänzende Auflistung bei Schwarz, Brigide, Über Patronage und Klientel in der spätmittelalterlichen Kirche am Beispiel des NvK, in: QFIAB 68 (1988), 284–310, hier 305 Anm. 81. 238) Vgl. auch die Gehaltszahlungen an Petrus Florentinus unter AC II 3, Nr. 4037 Anm. 19; AC II 4, Nr. 4551 Z. 32, Nr. 4556 Z. 4; AC II 5, Nr. 4869 Z. 28f., Nr. 4954 Z. 21f. Zur adligen Abstammung vgl. Schwarz, Patronage und Klientel (wie Anm. 237), 305 Anm. 81. 239) Vgl. Meuthen, Die letzten Jahre (wie Anm. 14), 307. 240) Vgl. AC II 1, Nr. 2623f.

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handelte es sich um eine Dienstreise, die evtl. in Verbindung mit dem Geschenk einer Lullus-Handschrift (Cod. Cus. 82) an Cusanus steht.241) Petrus de Aleiis war es, der den Kammerwagen des Kardinals 1453 von Rom nach Bruneck begleitete und sich am 25. Juni um die dort angekommenen persönlichen Besitztümer des Cusanus – darunter sicherlich auch seine mitgebrachten Bücher – kümmerte.242) Darüber hinaus wird auf sein Geheiss hin 1453 und 1456 Papier für Nikolaus von Kues gekauft243), während er selbst am 7. März 1458 – wohl zur Herstellung von Urkunden – beim Brunecker Hoflieferanten Sigmund Sell für den Kardinal eine größere Menge Pergament, Papier, Siegelschnüre und Siegelwachs kaufte.244) Ebenso unauffällig war hier Mathias Bloemaert bzw. Bloemans aus Diest, ein Kleriker aus der Diözese Lüttich, der nachweislich bereits am 1. Januar 1451 im Dienst des Kardinals stand.245) Bloemart war Altarist an der Pfarrkirche von Beringen in der Provinz Limburg246) und wurde u.a. als Gesandter des Kardinals am 22. April 1454 zum Reichstag nach Regensburg vorausgeschickt und übernahm verschiedene Botengänge, u.a. 1456 nach Innsbruck, 1457 nach St. Lorenzen oder 1458 nach Brixen.247) In der am 22. Juli 1454 erstellten Liste der Familiaren des Kardinals wird Bloemaert zusammen mit Peter von Erkelenz und zwei weiteren Bediensteten als Scutiferus, also als Schild- oder Edelknappe aufgeführt.248) Darüber hinaus übernahm er am Hof des Kardinals verschiedene Aufgaben, z.B. 1458

) Vgl. hierzu AC II 5, Nr. 4893 und Anm. 56. ) Vgl. AC II 2, Nr. 3492 und 3498. 243) Vgl. AC II 2, Nr. 3742 und 3798. 244) Vgl. AC II 6, Nr.5543 Z. 6–8. Petrus Bartholomei de Aleiis war allerdings auch in einen kleinen Skandal verstrickt, als er – wohl bereits im Sommer 1456 – vom Bozener Stadtrichter Heinrich Breitenberger gezwungen wurde (coactus fuit), eine Ehe mit der jungen Margareta Conradi aus der Diözese Brixen einzugehen; eine Ehe, die kirchlich geschlossen und vollzogen wurde. Um dieser Zwangsehe zu entgehen, richtete Petrus de Aleiis – sicherlich mit Wissen und Unterstützung des NvK – am 16. Januar 1458 eine Supplik an Papst Calixt III., dass er die höheren Weihen erhalten wolle und Margareta Conradi gerne in das Augustinerinnenkloster San Domenico in Verona eintreten möchte. In diesem Zusammenhang steht möglicherweise bereits seine Reise nach Verona am 19. August 1456 (AC II 5, Nr. 4908). Dieser Bitte entsprach der damit beauftragte Großpoenitentiar und CusanusVertraute Domenico Capranica und übertrug die ganze Angelegenheit NvK, womit der Fall beendet wurde (AC II 6, Nr. 5444). Mit der Priesterweihe ließ sich Petrus de Aleiis allerdings offenbar Zeit – sofern er überhaupt Priester wurde – jedenfalls erhielt er erst im Oktober 1459 die Akolythenweihe, d.h. die höchste Stufe der niederen Weihen. Vgl. Meuthen, Die letzten Jahre (wie Anm. 14), 307. 245) Vgl. AC I 3a, Nr. 978 Z. 5f., sowie Meuthen, Die letzten Jahre (wie Anm. 14), 307 und 310. 246) Vgl. AC II 3, Nr. 4107. 247) Vgl. AC II 2, Nr. 3931; AC II 5, Nr. 4985, Nr. 5111, und AC II 6, Nr.5569. 248) Vgl. AC II 3, Nr. 4037 Z. 3, sowie Schwarz, Patronage und Klientel (wie Anm. 237), 305, Anm. 80, und Meuthen, Erich, Peter von Erkelenz (ca. 1430)–1494, in: Lepper, Herbert (Hg.), Freundesgabe für Bernhard Poll (Zeitschrift des Aachener Geschichtsvereins 84/85), Aachen 1978, 701–744, hier 712. 241 242

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zeitweilig die Stelle des Küchenmeisters249) oder 1456/57 wohl das Amt des Stallmeisters (magister stabuli), der u.a. auch für das Transportwesen des Bischofs verantwortlich war.250) In den Raitungen finden sich mindestens sechs Eintragungen, nach denen auf seine Anordnung hin (de iussu Mathei) Schreibmaterialien, vor allem Papier, aber auch andere persönliche Dinge wie Seife für den Kardinal besorgt wurden.251) Handelt es sich bei Petrus de Aleiis und Matthias Bloemaert um zwei einfache Familiaren, die nur am Rande mit dem Einkauf von Schreibmaterialien beauftragt wurden oder mit der Bibliothek zu tun hatten, so war vermutlich Peter Wimars von Erkelenz als enger Vertrauter und Privatsekretär des Nikolaus von Kues der Hauptverantwortliche für dessen Bibliothek.252) Bereits im Alter von ca. 20 Jahren trat er ungefähr 1449/50 in den Dienst des Cusanus.253) Nachdem er zunächst nur als einfacher Sekretär und Notar eingesetzt und 1454 noch als Scutiferus geführt wurde, stieg er 1456 zum Kämmerer (camerarius) auf.254) Damit bekleidete er eines der wichtigsten Ämter am Hof des Nikolaus von Kues, weshalb man in Peter gleichsam das ‚Vorzimmer‘ des Kardinals sah.255) Dabei übernahm er nicht nur die Generalraitung, wenn der eigentliche Rentmeister Simon von Wehlen außer Landes war256), sondern er führte die gesamte Aufsicht über den bischöflichen Haushalt und die private Kammer, zu der neben dem persönlichen Hausrat des Kardinals auch seine Büchersammlung gehörte. Abgesehen von der Anfertigung verschiedener Abschriften, u.a. der mehrfach erwähnten ‚Nikomachischen Ethik‘ (1453) des Aristoteles und verschiedener cusanischer Werke wie ‚De pace fidei‘ für Johannes de Segovia (1453) oder ‚De caesarea circuli quadratura‘257), organisierte Peter wohl auch die Zusammenstellung der beiden Prachtcodices Cod. Cus. 218 und 219 mit den Cusanus-Werken. In seinem Namen werden der Familiare Achacius 1456 und der Brunecker Amtmann Jörg 249) Vgl. AC II 6, Nr. 5442 vom 13. Januar 1458 in Vertretung von Heinrich Gussenbach, dem eigentlichen Küchenmeister des NvK. 250) Vgl. AC II 5, Nr. 4954 Z. 27f. 251) Vgl. AC II 2, Nr. 3683, Nr. 3719, Nr. 3751, Nr. 3811 und Nr. 3836. Am 17. Oktober 1457 kaufte er selbst Papier bei Sigmund Sell in Bruneck, um es NvK nach Buchenstein zu schicken (AC II 6, Nr. 5378). 252) Vgl. Bianca, Cardinal de Cues (wie Anm. 18), 33f. 253) Vgl. hierzu ausführlich Meuthen, Peter von Erkelenz (wie Anm. 248), 703–706; außerdem Czapla, Ralf Georg, Nicolaus Cusanus, Sebastian Brant und die Erkelenzer Familie Wymar. Geistige und geistliche Freundschaften an der Schwelle zur Neuzeit, in: Analecta Coloniensia 10/11 (2010/11), 151–186, hier 152–163, und Meuthen, Die letzten Jahre (wie Anm. 14), 313f. 254) Vgl. AC II 5, Nr. 4934 Z. 61. Vgl. hierzu auch Meuthen, Peter von Erkelenz (wie Anm. 248), 712. 255) Ebd., 715. 256) So z.B. am 1. Oktober 1456, als Simon von Wehlen zu einer Reise nach Rom aufbrach. Vgl. AC II 5, Nr. 4935. 257) Vgl. die Handschrift Mailand, Biblioteca Ambrosiana, G 74 f. 3r–4r, und AC II 6, Nr. 5343.

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Purenpeck 1458 damit beauftragt, Papier und Einbandmaterialien für die Bücher von Nikolaus von Kues zu besorgen258), und er selbst kaufte am 24. August 1457 in Bruneck sechs Pergamenthäute und eine Flasche Malvasierwein für seinen Herrn, der nach wie vor in der Einöde der Raphaelsburg in Andraz bzw. Buchenstein ausharrte.259) Aber selbst nach dem Tod des Nikolaus von Kues blieb er seinem einstigen Gönner treu, indem er nach seiner zweiten Karriere als Dekan des Marienstifts in Aachen im Jahre 1488 den Rektorenposten am St. Nikolas-Hospital in Kues übernahm, das Altenheim finanziell sanierte und das Herzepitaph für Nikolaus von Kues anfertigen ließ. Er war für die Drucklegung der ersten Werkausgabe des Cusanus 1488/90 bei Martin Flach in Straßburg verantwortlich und ließ 1494/95 den Bibliotheksanbau errichten.260) Wenn jemand am ehesten die Funktion eines Bibliothekars am bischöflichen Hof in Brixen ausfüllte, dann sicherlich Peter von Erkelenz. Nach 1458 dürfte vermutlich auch Giovanni Andrea dei Bussi bibliothekarische Aufgaben übernommen haben. 6. Die geteilte Bibliothek: Die Bücher in Buchenstein und Brixen – eine Hypothese Als Kämmerer übernahm Peter von Erkelenz nach dem vermeintlichen Mordanschlag von 1457 zahlreiche Botengänge zwischen der Felsenburg in Andraz/ Buchenstein, wo sich Cusanus verschanzt hatte, dem Verwaltungszentrum in Bruneck und dem Bischofssitz in Brixen. Knapp einen Monat nach den Anschlagsvorwürfen gegen Sigismund von Tirol transportierte Peter von Erkelenz am 31. Juli 1457 zusammen mit einem Geleitschutz von neun Personen eine große Menge von Dokumenten und anderen Gegenständen nach Andraz/Buchenstein, womit ein großer Teil der bischöflichen Verwaltung und des persönlichen Haushalts von Nikolaus von Kues gemeint sein dürfte, der von seiner Festung aus die Amtsgeschäfte weiterführte.261) Zurück in Brixen blieb zunächst die Bibliothek des Kardinals, was Nikolaus von Kues in der Einleitung seiner Schrift ‚De caesarea circuli quadratura‘ vom 8. August 1457 erwähnt.262) Erst ein halbes Jahr später, am 25. Januar 1458, mitten im Winter, überstellten Peter von Erkelenz und Matthias Bloemaert die Bücher ihres ) Vgl. AC II 5, Nr. 5049 und AC II 6, Nr. 5696. ) Vgl. AC II 6, 5355. 260) Vgl. Czapla, Ralf Georg, Nicolaus Cusanus (wie Anm. 253), 160–162; Meuthen, Peter von Erkelenz (wie Anm. 248), 727–730 und Brösch, Herz und Geist (wie Anm. 21), 710f. und 715f. 261) Vgl. AC II 6, Nr. 5331 und Hallauer, NvK als Bischof und Landesfürst (wie Anm. 210), 297. 262) Vgl. AC II 6, Nr. 5343 und Anm. 1 258 259

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Herrn zusammen mit weiteren persönlichen Gegenständen von Brixen nach Buchenstein.263) Zum Einsatz kam dieses Mal allerdings nicht der Kammerwagen, sondern – angesichts der um diese Jahreszeit verschneiten Wege zur Hangburg – zwei Saum- oder Lastpferde mit einer Traglast von insgesamt vier Saum, d.h. ca. 200 kg.264) Angesichts der Tatsache, dass die gesamte Bibliothek des Nikolaus von Kues insgesamt wohl über 300 Bücher umfasste265) und der Transport auch weitere Güter beinhaltete, wird deutlich, dass offenbar nur ein Teil seiner Büchersammlung ihren Weg in die Dolomitenfestung fand, während der Rest in der Residenz des Bischofs in Brixen verblieb. Trotzdem konnte Hermann J. Hallauer mit Hs. B 21, die verschiedene alchemistische Texte enthält, nur noch eine sichere266) sowie evtl. 6–7 weitere mutmaßliche Handschriften in der bischöflichen Bibliothek (heute: Bibliothek des Priesterseminars) in Brixen ausfindig machen, die auf Nikolaus von Kues zurückgehen.267) Erinnert sei auch an die bislang noch nicht gefundene autographe Brixner Handschrift mit Predigten des Cusanus aus dem Besitz des Tiroler Kanzlers Hieronymus Baldung, die dieser 1530 dem Brixner Bischof Georg III. von Österreich (1504–1557) überließ, der sie evtl. zu seinen Wirkungsstätten in Brüssel, Valencia oder Lüttich mitnahm, wo sich die Spur verliert.268)

263) Vgl. die in AC II 5, Nr. 5456 wiedergegebene Spesenabrechnung in der Brunecker Amtsraitung vom 25. Januar 1458: Item eodem die kom her Peter cammrer von sant Rafhelspurg, als er vier sam mit puchern und andern dingen hiein furett. Da was er und Mathias hie pys auf den freytag (27. Januar) nach dem frumall und hetten vii mall, ii mas wein. Facit: xxiii gr., ii firer. 264) Vgl. hierzu auch Szabó, Th., Saumtiere, in: LexMA 7 (1995), 1405. 265) In der Bibliothek des St. Nikolaus-Hospitals in Bernkastel-Kues werden heute noch 316 Handschriften aufbewahrt, von denen nach den Angaben von Jacob Marx noch ca. 270 aus der Sammlung von NvK stammen, während nur ca. 46 als Stiftungen oder Geschenke nach 1465 in die Bibliothek aufgenommen wurden. Zählt man die ca. 80 nachweisbaren dislozierten Handschriften hinzu, von denen ebenfalls die Mehrzahl auf Cusanus zurückgehen dürften, kommt man ohne Weiteres auf eine Gesamtzahl von über 300 Handschriften, die die Privatbibliothek des Kardinals umfasst haben dürfte. Vgl. hierzu Marx, Verzeichnis der Handschriften-Sammlung (wie Anm. 12), VI; Bianca, La biblioteca Romana (wie Anm. 18), 677f., und Brösch, Herz und Geist (wie Anm. 21), 708. 266) Vgl. hierzu Hallauer, Hermann J., Cusana in der Bibliothek des Priesterseminars zu Brixen, in: MFCG 19 (1991), 53–99, hier 63–79. 267) Bei den Verdachtsfällen handelt es sich um Brixen, Bibliothek des Priesterseminars, Hs. C 20, Hs. E 21, Hs. E 22, Hs. F 4, Hs. F 8 und mit größter Wahrscheinlichkeit R 1 (Hallauer, Cusana [wie Anm. 266], 57f. und 92–97 sowie Pauli, Heinrich, Aldobrandinuszitate in den Predigten des NvK und die Brixener Aldobrandinushandschrift, in: MFCG 19 [1991], 163–182). Unklar ist, ob auch Hs A 14 zu den Hss. des Kardinals gerechnet werden muss. Mit guten Argumenten dagegen äußert sich Hermann J. Hallauer (ebd., 59–61), dafür u.a. Giovanni Santinello, Glosse di mano del Cusano alla Repubblica di Platone, in: Rinascimento 20 (1969), 117–145, hier 122. 268) Vgl. hierzu die Zusammenfassung der Ergebnisse von Hallauer, Hermann J., Auf den Spuren eines Autographs von Predigten und Werken des NvK aus der Brixener Zeit. Eine Ergänzung zu MFCG 17, 89–93 und MFCG 19, 185–195, in: MFCG 24 (1998), 209–232.

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Als mögliche Gründe, warum diese Handschriften in Brixen zurückblieben und nicht etwa an das St. Nikolaus-Hospital in Kues überstellt wurden, wie es Cusanus testamentarisch bestimmte, nennt Hermann J. Hallauer die jahrelangen Auseinandersetzungen um die Brixner Nachfolge, die Spannungen zwischen dem Bischof und seinem Kapitel sowie die gegenseitigen Restitutionsansprüche über den Tod des Nikolaus von Kues hinaus, außerdem seine überstürzte Flucht nach Buchenstein im Sommer 1457, sein dortiges Exil, die Abreise nach Rom und Mantua, die Gefangennahme in Bruneck und den endgültigen Abschied von seinem Bistum. „Bewegte Zeiten, die nicht gerade förderlich waren, eine große Bibliothek zusammenzuhalten. Wäre es angesichts der dramatischen Ereignisse verwunderlich, wenn einzelne Bücher in Brixen verblieben, verliehene Handschriften vergessen wurden, obwohl wir auch wissen, daß NvK sogar in seiner abgelegenen Felsenburg Buchenstein/Andraz auf eine Bibliothek zurückgreifen konnte?“269) Allerdings ist es eher unwahrscheinlich, dass Nikolaus von Kues nur einzelne Bücher in Brixen zurückließ, sondern die Zahl dürfte angesichts der überschaubaren Transportmöglichkeiten im Januar 1458 mit zwei Lastpferden wohl größer gewesen sein. Dennoch lassen sich heute nur noch wenige Handschriften in der bischöflichen Bibliothek in Brixen nachweisen, die direkt mit Cusanus in Bezug zu setzen sind, was selbst angesichts der Tatsache verwundert, dass Melchior von Meckau (1440–1509), einer der Nachfolger des Nikolaus von Kues auf dem Bischofsstuhl in Brixen, zahlreiche Codices, die sich aus Zeiten seiner Vorgänger in der bischöflichen Bibliothek fanden, mit seinem Exlibris versehen hat, „so daß heute ein beachtlicher Teil der Hss. in Brixen irreführend dessen Besitzvermerk trägt.“270) Zumindest in einigen der zurückgelassenen Handschriften hätte man noch Marginalien von der Hand des Cusanus finden müssen, was mit Ausnahme von Hs. B 21 bislang offenbar nicht der Fall ist. An dieser Stelle lohnt sich ein Blick auf das noch erhaltene notarielle Inventar von Büchern und Wertgegenständen aus dem Nachlass des Cusanus, das sich in Vicenza unter den Akten des bischöflichen Notars Bartolomeo d’Avianos († 1515) befindet.271) Darin werden insgesamt 167 Handschriften und zahlreiche Gegenstände aus dem persönlichen Haushalt des Nikolaus von Kues aufgelistet, die offenbar in Vicenza eingelagert und am 9. November 1464 im Auftrag von Francesco Morosini bzw. Morizeno (1413–1471), Erzdiakon der Kathedrale von Vicenza

) Hallauer, Cusana (wie Anm. 266), 58. ) Ebd., 59. 271) Vicenza, Archivio di Stato, Atti del Notaio Bartolomeo d’Aviano, Cod. n. 4746 f. 93r–95r. Hierbei handelt es sich um eine Sammlung von Akten aus dem Zeitraum vom 21. Dez. 1463 bis zum 29. Okt. 1466. Vgl. hierzu ausführlich Mantese, Giovanni, Notarielles Inventar von Büchern und Wertgegenständen aus dem Nachlass des NvK, in: MFCG 2 (1962), 85–116. 269 270

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und später Bischof von Parenzo bzw. Poreč in Kroatien272), an den ehemaligen Bediensteten des Kardinals, Heinrich Walpot, ausgehändigt wurden.273) Bei den angegebenen 167 Handschriften dürfte es sich nur um einen Teil und nicht – wie gelegentlich vermutet wurde – um die gesamte Bibliothek des Cusanus gehandelt haben.274) Nur so lässt sich erklären, dass sich im Hospital noch einige Codices aus dem Besitz des Cusanus finden, die in der Liste von Vicenza gar nicht auftauchen, so z.B. Cod. Cus. 108 mit der lateinischen Übersetzung des Korans. Walpot nahm die Bücher in Empfang und brachte sie – gemäß dem letzten Willen des am 11. August 1464 verstorbenen Nikolaus von Kues275) – zusammen mit dessen gesamter Bibliothek nach Kues. Da sich bislang kein Dokument finden lässt, das Auskunft über die Einlieferung der Bücher und Gegenstände gibt, stellen sich diesbezüglich eine Reihe von Fragen, z.B. wann und warum der Haushalt des Kardinals nach Vicenza gebracht wurde und in welcher Beziehung Francesco Morosini zu Nikolaus von Kues stand. Nach den Überlegungen Giovanni Manteses hängt die Einlieferung mit Kardinal Pietro Barbo (1417–1471), dem damaligen Bischof von Vicenza zusammen, der am 16. September 1464 als Papst Paul II. gekrönt wurde. Darüber hinaus war er eng mit Nikolaus von Kues befreundet und gehörte zu dessen drei Testamentsvollstreckern.276) Francesco Morosini wiederum stammte wie Barbo aus einer venezianischen Patrizierfamilie und galt als dessen rechte Hand bei der kirchlichen Verwaltung Vicenzas. Was lag entsprechend näher, als dass Barbo Morosini mit der Ausführung der testamentarischen Verfügung des Cusanus beauftragte?277) Als möglicher Zeitpunkt für die Übergabe der Wertgegenstände an Francesco Morosini schlägt Mantese u.a. vor, dass diese vermutlich nach den Ereignissen in Brun-

272) Zur Biographie Francesco Morosinis Mantese, Notarielles Inventar (wie Anm. 271), 88f. Anm. 9; vgl. auch Schwarz, Brigide, Die Abbreviatoren unter Eugen IV. Päpstliches Reservationsrecht, Konkordatspolitik und kuriale Ämterorganisation (mit zwei Anhängen: Konkordate Eugens IV.: Aufstellung der Bewerber), in: QFIAB 60 (1980), 200–274, hier 256 (Nr. 4) und Hensel-Grobe, Meike, Das St. Nikolaus-Hospital zu Kues. Studien zur Stiftung des Cusanus und seiner Familie (15.–17. Jahrhundert) (Geschichtliche Landeskunde 64), Stuttgart 2007, 36 Anm. 206, dort weitere Literatur. 273) Zu Heinrich Walpot vgl. u.a. Brösch, Testament (wie Anm. 14), 61 Anm. 87, und Mantese, Notarielles Inventar (wie Anm. 271), 90, 92–94. 274) Vgl. hierzu Neusius, Gabriele, Die Büchersammlung des Cusanus und die Bibliothek des St. Nikolaus-Hospitals, in: Libri Pretiosi 13 (2010), 43f.; außerdem Brösch, Herz und Geist (wie Anm. 21), 694 Anm. 10. 275) Eine Ausfertigung findet sich in Bernkastel-Kues, St. Nikolaus-Hospital, Urk. 48A und 48B. Vgl. hierzu ausführlich u.a. Brösch, Testament (wie Anm. 14), 48–65. 276) Zu NvK und Pietro Barbo vgl. auch Meuthen, Die letzten Jahre (wie Anm. 14), 111–113. 277) Vgl. Mantese, Notarielles Inventar (wie Anm. 271), 87–91.

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eck stattfand278), als Cusanus sein Bistum nach der Niederlage gegen Herzog Sigismund am 27. April 1460 verließ, evtl. nach Vicenza weiterreiste und hier Francesco Morosini seinen Haushalt samt den Büchern überließ.279) Obwohl Mantese alle Notariatsakten Bartolomeo d’Avianos zwischen 1459 und 1461 nach einem Dokument über eine etwaige Deponierung der Bücher in Vicenza durchsuchte, blieb er leider erfolglos, so dass es sich, was die Rolle Morosinis betrifft, lediglich um eine Theorie handelt.280) Diesen Überlegungen soll eine weitere Theorie an die Seite gestellt werden: Als Nikolaus von Kues am 25. Januar 1458 einige seiner Bücher von Brixen nach Andraz/Buchenstein bringen ließ, blieb ein Teil seiner Bibliothek zusammen mit seinem Hausrat offensichtlich in seiner Residenzstadt Brixen zurück, wo sie weiterhin aufbewahrt wurden, als Cusanus im September 1458 seine Felsenburg in Richtung Rom verließ. Besonders nach den Ereignissen von 1460 in Bruneck musste es für den Kardinal sehr schmerzlich gewesen sein, dass Teile seiner kostbaren Büchersammlung und seines Hausrates nach wie vor in Brixen lagerten und somit zum Faustpfand des Domkapitels und vor allem Herzog Sigismunds werden konnten. Nach verschiedenen ergebnislosen Friedensverhandlungen stellte sich die Initiative Venedigs als vielversprechend heraus281), was nicht zuletzt dem diplomatischen Geschick des erfahrenen venezianischen Unterhändlers Paolo Morosini (1406–ca. 1482) zu verdanken war.282) Im Sommer 1462 einigte sich Morosini mit Herzog Sigismund schließlich darauf, dass dieser alle Burgen und Städte des Hochstifts Brixen vorübergehend an Venedig übertrug, während der Papst im Gegenzug alle Repressalien gegen Sigismund aussetzen sollte. Morosini selbst übernahm daraufhin am 24. Juli 1462 die Verwaltung des Hochstifts Brixen bis zum Abbruch 278) Dass NvK selbst im April 1460, als er von den Truppen Herzog Sigismunds in Bruneck eingeschlossen wurde, tatsächlich einen Teil seiner Bibliothek mit sich führte, belegt ein Eintrag in einer Abschrift der ‚Historia Langobardorum‘ des Paulus Diaconus (Rom, Bibl. Vallicelliana, Cod. B 61 f. 244v), die Giovanni Andrea dei Bussi am 8. April in Bruneck vollendete. Vgl. hierzu Piacentini, Paolo Scarcia, „In Brunnecha absolvi“. Un autografo di Giovanni Andrea Bussi nel Manoscritto Vallicelliano B 61, in: Miglio, Massimo (Hg.), Scrittura, Biblioteche e Stampa a Roma nel Quattrocento. Atti del 2o seminario 6–8 maggio 1982 (Littera Antiqua 3), Vatikanstadt 1983, 709–732; außerdem Bianca, Cardinal de Cues (wie Anm. 18), 29f., und Hallauer, Cusana (wie Anm. 266), 59 Anm. 29. 279) Ebd., 92. Über einen eventuellen Aufenthalt in Vicenza berichtet lediglich ein am 16. Mai 1460 in Siena geschriebener Brief des Carlo Franzoni an Barbara Gonzaga. Vgl. hierzu auch Meuthen, Die letzten Jahre (wie Anm. 14), 218. 280) Mantese, Notarielles Inventar (wie Anm. 271), 92 Anm. 22a. 281) Vgl. hierzu ausführlich Jäger, Streit des Cardinals II (wie Anm. 2), 252–402. 282) Zu Paolo Morosini vgl. ebd., 279f. King, Margaret L., Venetian Humanism in an age of Patrician Dominance, New Jersey 1986, 412f., und Benzoni, Gino, Morosini, Paolo, in: DBI 77 (2012). Online unter: (Letzter Zugriff: 07.10.2022).

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der Verhandlungen im April 1463.283) In dieser Zeit war es sicherlich möglich, dass Paolo Morosini den noch in Brixen verbliebenen Hausrat des Kardinals samt der restlichen Bibliothek – bis auf wenige Ausnahmen wie der heute noch in Brixen aufbewahrten Hs. B 21 – als Zeichen des guten Willens nach Vicenza überstellen ließ, wo ihn Francesco Morosini, der vermutlich aus der gleichen Patrizierfamilie Venedigs stammte, entgegennahm. Die große Anzahl der im Inventar aufgelisteten Gegenstände, darunter eine große Menge Stoffe und Kleidungsstücke, z.B. 23 Ellen Stoff vom Rhein für Tischdecken oder acht Birette aus Tuch284) sowie eine Vielzahl kleinerer Gegenstände, wie Tassen, Messer, Löffel usw. erwecken den Eindruck, dass es sich hierbei nicht nur um Reisegepäck, sondern vielmehr um einen ganzen Hausrat handelte. Ähnliches lässt sich auch über die aufgelisteten Bücher sagen, unter denen sich einige Prachthandschriften, z.B. das eingangs bereits erwähnte ‚Pontificale Romanum‘ (Cod. Cus. 131) sowie andere großformatige und somit schwere Folianten, z.B. die Dekretalen Gregors IX. (Cod. Cus. 232), finden.285) Die Vermutung liegt nahe, dass es sich hierbei um den Haushalt des Kardinals handelt, der bei der plötzlichen Abreise nach Buchenstein im Juli 1457 in der Brixner Residenz zurückgelassen und vermutlich erst 1462/63 nach Vicenza überführt wurde. Allerdings konnte bislang kein Dokument oder eine briefliche Äußerung gefunden werden, die diese Vermutung untermauert. Es handelt sich daher nur um eine Hypothese, die eventuell noch durch einen Aktenfund in Vicenza verifiziert werden kann.286) Im Unterschied zu den evtl. in Brixen zurückgelassenen Büchern nahm Cusanus die mühsam am 25. Januar von Peter von Erkelenz und Matthias Blomaert herbeigeschafften Bücher mit sich, als er im September 1458 Andraz/Buchenstein verließ. Dies darf wohl aus einem weiteren Inventar vom 26. September 1458 gefolgert werden, das die materielle und militärische Ausstattung auflistet, die der Kardinal auf der Burg Andraz/Buchenstein zurückließ. Als Bücher werden hier lediglich ein Messbuch sowie ein spezielles neues ‚Missale de tempore et de sanctis‘ genannt, bei denen es sich lediglich um die Notausstattung an liturgischen Bücher handelte, die benötigt wurde, um in der Burgkapelle überhaupt eine Messe feiern zu können.287) ) Vgl. hierzu Baum, Nikolaus Cusanus in Tirol (wie Anm. 2), 416–418. ) Vgl. Mantese, Notarielles Inventar (wie Anm. 271), 107f. (Nr. 218 und 223). 285) Ebd., 96 (Nr. 21) und 102 (Nr. 130). 286) Eine Forschungsreise nach Vicenza zur Sichtung der notariellen Akten konnte aufgrund der Corona-Pandemie im Jahr 2020/2021 nicht durchgeführt werden. Eine Digitalisierung der evtl. in Frage kommenden Dokumente aus dem Zeitraum von 1462 und 1464 in Vicenza, Archivio di Stato, Atti del Notaio Bartolomeo d’Aviano, Cod. n. 4745 und 4746, war finanziell nicht erschwinglich, so dass eine entsprechende Reise zu einem späteren Zeitpunkt nachgeholt werden muss. 287) Vgl. AC II 6, Nr. 5756 Z. 19–21: Item czway messgewannt. Item ain silbrein kelch und ain silbrein paten, 283 284

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Die in Andraz/Buchenstein aufbewahrte Teilsammlung ging mit Nikolaus von Kues nach Rom, wo er dem neu gekrönten Papst Pius II. seine Aufwartung machte. Sie bildeten den Grundbestand seiner römischen Bibliothek288) und wurden wohl 1465 im St. Nikolaus-Hospital in Kues mit den in Vincenza eingelagerten Brixner Bänden zusammengeführt.289)

sindt vergult. Item ain messpuch und zway opffer kenndl. Item ain klains newes special messpuch von der czeit und von den heiligen. 288) Vgl. Bianca, La biblioteca Romana (wie Anm. 18), 669–708. 289) Abschließend sei Thomas Woelki von der Arbeitsstelle der ‚Acta Cusana‘ in Berlin, Viki Ranff vom Cusanus-Institut in Trier und Niels Bohnert vom Mittelhochdeutschen Wörterbuch an der Universität Trier für viele ergänzende Hinweise und Korrekturen herzlich gedankt.

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a biblioteca d’origine di un manoscritto (ovvero quella per la quale o nella quale è stato progettato o realizzato) può essere dedotta da ex-libris, note di possesso, uno stemma, mentre la presenza di postille, glosse o altre annotazioni non sempre è un indizio di appartenenza in quanto i letterati – e gli umanisti in particolare – erano soliti intervenire su codici posseduti da altri dotti o da altre istituzioni.1) Il ms. Biblioteca Apostolica Vaticana, Vat. lat. 4071, privo di antiche note di pertinenza e di possesso, è un testimone della ‹Collectio Toletana›, ovvero della raccolta di testi sui musulmani e l’Islam, originariamente in arabo, tra cui il Corano, tradotta in latino per volere di Pietro il Venerabile.2) Cartaceo, eseguito in umanistica corsiva presumibilmente settentrionale, d’aspetto piuttosto dimesso, è stato ricondotto alla biblioteca di Niccolò V, mentre il corredo di glosse registrato nei margini è stato assegnato alla mano di Niccolò Cusano ed, in parte, a quella del suo segretario romano, Giovanni Andrea Bussi. Alcune (poche) note si devono alla mano di Giovanni Pico della Mirandola ed a motivo di ciò è stata avanzata l’ipotesi che potesse corrispondere al volume con la stessa opera descritto negli inventari 1) Questa ricerca è stata svolta nell’ambito del Progetto Lamemoli/Accademia di Finlandia e Università di Jyväskylä nr. 307635 (2017–2022, ). Ringrazio Thomas Woelki per l’invito e l’invio del materiale che ha reso possibile parte di questa ricerca. 2) Alla definizione ‹Collectio Toletana› è ora preferita quella di ‹Corpus Cluniacense› in ragione della sua origine, non già Toledo bensì la Valle dell’Ebro. Sulla raccolta vd. d’Alverny, MarieThérèse, Deux traductions latins du Coran au moyen-âge, in: Archives d’Histoire doctrinale et littéraire du Moyen Âge 16 (1947/48), 69‒131; Ead., Quelques manuscrits de la ‘Collectio Toletana’, in: Constable, Giles/Kritzeck, James (cur.), Petrus Venerabilis 1156‒1956. Studies and texts commemorating the eighth centenary of his death (Studia Anselmiana 40), Roma 1956, 202‒218 a 213; rist. in d’Alverny, Marie-Thérèse, La connaissance de l’Islam dans l’Occident médiéval, ed. by Charles Burnett (Variorum Collected Studies Series 4), Aldershot 1994; Hagemann, Ludwig, Die erste lateinische Koranübersetzung – Mittel zur Verständigung zwischen Christen und Muslinem im Mittelalter?, in: Zimmermann, Albert/Craemer-Ruegenberg, Ingrid (Hg.), Orientalische Kulture und europäisches Mittelalter (Miscellanea Mediaevalia 17), Berlin 1985, 45‒58; Burman, Thomas E., Reading the Qur’ān in Latin Christendom, 1140–1560, Philadelphia 2007, 60‒121.

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della sua biblioteca o che potesse esserne l’antigrafo.3) Per finire un Alchoranum in papiro in rubro fu concesso in prestito nel 1481 a Guglielmo Moncata alias Flavio Mitridate, un siciliano esperto di arabo ed ebraico, collaboratore di Pico tra il 1485 ed il 1486, ma è dubbio se si sia trattato del Vat. lat. 4071 oppure del Vat. lat. 4072.4) I dati che emergono da questa rapida presentazione non si conciliano tutti gli uni con gli altri (se ha fatto parte della biblioteca di Niccolò V non può corrispondere al manoscritto posseduto da Pico) e quella che segue è una breve ‘mise au point’ sul manoscritto, sui cui margini si sono incrociati i due più grandi pensatori del Quattrocento. 1. La ‹Collectio Toletana› nella biblioteca di Niccolò V Giovanissimo Tommaso Parentucelli da Sarzana era stato precettore a Firenze presso la famiglia di Rinaldo degli Albizzi; in seguito lo fu dei figli del colto banchiere Palla di Nofri Strozzi, possessore della più ricca biblioteca privata dei suoi tempi.5) È noto che grazie a Palla Strozzi ha avuto inizio la straordinaria stagione delle traduzioni dal greco al latino. Anni più tardi Cosimo de’ Medici, tornato a Firenze dal breve esilio veneziano, divenuto patrono di importanti istituzioni religiose, prima tra tutte il convento di San Marco, aveva assegnato al Parentucelli il compito di preparare una ‘nota’ o ‘canone’ di come avesse a stare una libraria.6) In seguito, sulla base di quel canone, trasmesso da un solo testimone, il ms. Firenze, BNC, Conv. Soppr. J VII 30 (San Marco 411) di mano del domenicano fr. Leonardo Seruberti7), Cosimo fece ordinare le biblioteche del convento di San Marco e 3) Gentile, Sebastiano, Sulle prime traduzioni dal greco di Marsilio Ficino, in: Rinascimento, s. II, 30 (1990), 57‒107, a 103; Murano, Giovanna, Inspecting inventories: miscellanies and composite volumes in Pico’s library, in: Corbellini, Sabrina/Murano, Giovanna/Signore, Giacomo (eds.), Late medieval manuscript miscellanies (Bibliologia 40), Turnhout 2018, 213‒231, a 217‒218; Murano, Giovanna, La biblioteca di Giovanni Pico della Mirandola: Un primo censimento, in: Scriptorium 72 (2018), 213‒250, a 226, 248. 4) Piemontese, Angelo M., Il corano latino di Ficino e i corani arabi di Pico e Moncades, in: Rinascimento, s. II, 36 (1996), 227‒273, a 267‒268. 5) Sulla figura di Palla Strozzi vd. Tognetti, Sergio, Gli affari di messer Palla Strozzi (e di suo padre Nofri). Imprenditoria e mecenatismo nella Firenze del primo Rinascimento, in: Annali di Storia di Firenze 4 (2009), 7‒88. Gli inventari della sua biblioteca sono stati editi da Fanelli, Vittorio, I libri di messer Palla di Nofri Strozzi (1372–1462), in: Convivium 18 (1949), 57‒73, e Fiocco, Giuseppe, La biblioteca di Palla Strozzi, in: Studi di bibliografia e di storia in onore di Tammaro De Marinis, Firenze 1964, II, 289‒310; una recente ‘mise au point’ sulla biblioteca in Manfrin, Francesca/Speranzi, David, Un Platone mediobizantino tra Oriente e Occidente. Il Tub. MS 14, Palla Strozzi e i ‘visti’ di Francesco da Lucca, in: Martinelli Tempesta, Stefano/Speranzi, David/ Gallo, Federico, Libri e biblioteche di umanisti tra Oriente e Occidente, Milano 2019, 23‒60. 6) Vespasiano da Bisticci, Vite degli uomini illustri del secolo XV, ed. Aulo Greco, Firenze 1970, I, 35‒81, a 46‒47. 7) È stato edito in Sforza, Giovanni, La patria, la famiglia e la giovinezza di Niccolò V. Ricerche storiche, Lucca 1884, 359‒381 (con una errata segnatura sovente ripetuta nella successiva

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della Badia Fiesolana. Sulla base di questo stesso canone bibliografico, che non si limita ad elencare autori ed opere ma offre anche un sintetico e puntuale giudizio critico con indicazioni sugli eventuali traduttori8), Niccolò V riunì anche la sua personale collezione libraria e alla sua morte, dopo otto anni di pontificato, il materiale trovato nelle sue stanze è divenuto il nucleo fondativo della Biblioteca Apostolica Vaticana.9) Tra i libri appartenuti a Niccolò V incontriamo unum volumen ex papiro, copertum de pergameno, nuncupatum Summula brevis contra hereses et secta dyabolice fraudis Sarracenorum sive Hysmelitarum, est tamen communis formae, ovvero un testimone della ‹Collectio Toletana›, identificabile, a parere di Antonio Manfredi, con il Vat. lat. 4071.10) Lungo i margini sono presenti glosse che José Martínez Gázquez ha assegnato a Niccolò da Cusa11) e nelle sole sezioni proemiali compaiono brevi note di mano di Pico della Mirandola. Così come negli inventari di Niccolò V, anche in quelli di Pico la raccolta è identificata con il titolo del primo testo ovvero Summa totius heresis ac diabolice sectae Sarracenorum12), «une préface historique et doctrinale rédigée pour éclairer les lecteurs de la collection sur les croyances de l’Islam et la personnalité de son fondateur».13) bibliografia). Questa è l’inscriptio di fra’ Leonardo che precede il canone: «Inventarium Nicolai pape V, quod ipse composuit ad istantiam Cosme de Medicis, ut ab ipso Cosmo audivi die XII novembris 1463, ego, frater Leonardus Seruberti de Florentia, ordinis praedicatorum, presente frate Sante de Florentia, priore Sancti Marci Florentie eiusdem ordinis [i.e. Sante Schiattesi]». Sul ‘canone’ si vd. anche Blasio, Maria Grazia/Lelj, Cinzia/Roselli, Giuseppina, Un contributo alla lettura del canone bibliografico di Tommaso Parentucelli, in: Le chiavi della memoria. Miscellanea in occasione del I centenario della Scuola Vaticana di Paleografia Diplomatica e Archivistica (Littera antiqua 4), Città del Vaticano 1984, 125‒165; Vasoli, Cesare, La biblioteca progettata da un Papa: Niccolò V e il “suo canone”, in: Babel [En ligne], 6 | 2002, mis en ligne le 20 novembre 2002, consulté le 13 mai 2021. URL: ; DOI : . 8) Cfr. Gregorii Nanzanzeni (!) Apologeticus et homelie octo a Rufino traducte et siquid aliud eius latine habetur a Rufino traducta sunt, oppure: Alexander de Hales scripsit opus insigne, comprehendens totum negocium theologicum, quod in iiiior libros partitus est, secundum ordinem Magistri Sententiarum; licet ipsum non ex toto servaverit. Primus et 2us habentur integri; 3us et 4us incompleti. Nam 3us non invenitur nisi usque ad expositionem symboli (simboli MS) Athanasii. 4us autem non habetur nisi usque ad tractatum de penitentia inclusive (dal Conv. soppr. J VII 30, f. 180rb e f. 183va). 9) Manfredi, Antonio, I codici latini di Niccolò V: Edizione degli inventari e identificazione dei manoscritti (Studi e testi 359), Città del Vaticano 1994. 10) Manfredi, I codici latini di Niccolò V (nota 9), 483‒484 nr. 775. 11) Martínez Gázquez, José, A New Set of Glosses to the Latin Qur’ān Made by Nicholas of Cusa (Ms Vat. Lat. 4071), in: Medieval Encounters 21 (2015), 295‒309; 541‒542 (Corrigendum); Id., Las glosas de Nicolás de Cusa al Alchoranus Latinus en el ms. Vat. lat. 4071. Nuevos datos para la ‘Cribratio Alkorani’, in: Niccolò Cusano. L’uomo, i libri, l’opera. Atti del LII Convegno Storico internazionale Todi, 11–14 ottobre 2015, Spoleto 2016, 473‒491, tavv. I–II. 12) Cfr. Summula brevis contra hereses seracinorum (!) in pap. ms. n. 304: Calori Cesis, Ferdinando, Giovanni Pico della Mirandola detto la Fenice degli Ingegni: cenni biografici con documentazione ed appendice, Mirandola 1897, 71. 13) d’Alverny, Deux traductions (nota 2), 74.

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2. Il ms. Vat. lat. 4071 Aggredior inquam vos, non ut nostri saepe faciunt armis sed verbis, non vi sed ratione, non odio sed amore.14) La ‹Collectio Toletana› realizzata su richiesta dell’abate di Cluny, Pietro il Venerabile, è stata definita una sorta di «croisade intellectuelle», progettata per contrapporsi con la sola forza della parola a quella armata e cruenta dei crociati. Essa aveva un doppio scopo: da un lato prevenire la contaminazione della cristianità dall’errore islamico, dall’altro far conoscere all’Occidente la religione di Maometto.15) Incaricati della traduzione furono l’inglese Roberto Ketton ed il dalmata Ermanno di Carinzia, entrambi noti per aver tradotto dall’arabo opere d’astronomia e di matematica.16) A proposito del primo James Kritzeck, ha sottolineato che «it is ironic that this Englishman, recruited by accident to work on a project far afield from his lifelong interest and acknowledged competency, achieved by means of it a unique place at the beginning of a new chapter in the intellectual history of Europe».17) Ai due traduttori fu affiancato un madrelingua: Mohammed, non altrimenti identificato. Della raccolta voluta da Pietro il Venerabile si conserva l’originale ed un gruppo di testimoni nei quali i diversi materiali sono stati variamente assemblati.18) Questo il contenuto del Vat. lat. 407119): 1r–3r Summa totius haeresis Saracenorum. (Rubr.) Incipit quedam sumula brevis contra hereses et sectam dyabolice fraudis Saracenorum sive Ismaelitarum. ‹S›umma totius heresis ac dyabolice fraudis... hec est. (Textus) In primis primus et maximus ipsorum 14) Cfr. Kritzeck, James, Peter the Venerable and Islam (Princeton Oriental Studies 23), Princeton 1964, 161 (dall’‹Adversus nefandam sectam Sarracenorum› di Pietro il Venerabile). 15) Leclercqe, Jean, Pierre le Venerable, Abbaye S. Wandrille 1946, in part. i cap. III ‘La guerre et la paix’ (31‒43) ed il paragrafo ‘Lutte contre l’héresie et lutte pour la foi’ (226‒231); d’Alverny, Deux traductions (nota 2), 70; Brolis, Maria Teresa, La crociata di Pietro il Venerabile: guerra di armi o guerra di idee, in: Aevum 61 (1987), 327‒354. 16) Ermanno di Carinzia è l’autore del ‹De essentiis› (ed. Charles Burnett 1982) e di diverse traduzione sulle quali si vedano almeno: Burnett, Charles, Arabic into Latin in Twelfth-Century Spain: the Works of Hermann of Carinthia, in: Mittellateinisches Jahrbuch 13 (1978), 100‒134; Id., Hermann of Carinthia, in: Dronke, Peter (ed.), A History of Twelfth Century Western Philosophy, Cambridge 1988, 386‒406. 17) Kritzeck, Peter the Venerable (nota 14), 65. 18) L’originale è il ms. composito Paris, Bibliothèque de l’Arsenal, 1162 sul quale si vd. d’Alverny, Deux traductions (nota 2), 77‒79. Rispetto all’Arsenal 1162 il Vaticano, come tutto il resto della tradizione manoscritta, omette la lunga rubrica proemiale Si vis scire quis fuerit vel qui docuerit etc. Una copia digitale del manoscritto si può consultare online al seguente indirizzo . 19) Cart.; sec. XV; ff. IV, 128; 290 × 220 (190 × 125). Una copia digitale è consultabile al seguente indirizzo . Ho collazionato i testi con Bibliander, Théodore (ed.), Machumetis Saranenorum principis ... doctrina ac ipse Alcoran, Basel (Jean Oporin) 1550 dalla ristampa Bibliander, Théodore, Le Coran en Latin, Les Mondes Humanistes (GRAC-UMR 5037), septembre 2010 [consult. in Archive.org] e, per quelli che sono stati editi, con Kritzeck, Peter the Venerable (nota 14).

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execrandus est error, quod trinitatem in unitatem deitatis negant ... ‒ ... Semper tamen a quocumque altero melius, quam a me deterius hoc fieri, gratum haberem. ‒ Bibliander , Coran (nota 19), 2‒6; Kritzeck , Peter the Venerable (nota 14), 204‒211. 3r–4r Petrus Venerabilis, Epistola ad Bernardum Clarevallis de translatione sua. (Rubr.) Epistola domni Petri abbatis ad domnum Bernardum Clarevalis (!) abbatem, de translatione sua, quam fecit transferri ex arabico in latinum, sectam sive heresim Saracenorum. (Textus) Singulari veneratione collendo (!), totis caritatis brachiis amplectendo ... ‒ ... et ecclesie sue thezauros gazis vestre sapientie sup

leat. Explicit epistola etc. ‒ Bibliander , Le Coran (nota 19), 1‒2; Kritzeck , Peter the Venerable (nota 14), 212‒214. 4rv [Fabulae Sarracenorum20]. (Rubr.) Prologus Ruberti ‹Ketenensis› translatoris viri eruditi et scolastici ad domnum P abbatem. (Textus) ‹C›um iubenti legio (leg. religio) prendique votum peritus ... ‒ ... pereat secundum eorumdem sectam que pugnam plus nocere quam credere affirmat. – Leclercq , Pierre le Vénérable (nota 15), 375‒377 (ed.).21) 4v–10r Cronica mendosa et ridiculosa Saracenorum [a Roberto translata]. (Textus) In creationis sue primordio Deus, manu propria in quatuor condidit, prout multorum Arabum ... ‒ ... Amer autem filius Ieçid illud percipiens (percipuens MS), obvius illum devic, et in Alcuphe confinio peremit, die Xo Almuharan. – Bibliander , Coran (nota 19), 213‒223. 10r–16v (Rubr.) De generatione Mahumet et nutritura eius quod transtulit Hermannus clanus (!)22) scolasticus subtilis et ingeniosus apud Legionensem [‹Leon›] Yspanie civitatem. (Textus) Liber generationis Mahumet nuncii Dei, oratio Dei super eum, et salus, ab Adam et Eva per ordinem parentum ... ‒ … muneribus dives, lecta (leg. laeta) domum con gratiarum actione redivi. — Bibliander , Coran (nota 19), 201‒212 (ed.); Kritzeck, Peter the Venerable (nota 14), 75–83. 16v–23r Doctrina Mahumet [= Abdallāh ibn-Salām, Masā’il ‘Abdillāh ibn Salām], que apud Saracenos magne auctoris (authoritatis ed.) est, ab eodem Hermano (!) translata, cum esset peritissimus utriusque lingue, latine s(cilicet) et arabice. (Textus) Erat nuntius Dei, oratio Dei super eum et salus, sedens inter eos sotios in civitate sua Iesrab, et descendit super eum angelus Gabriel dicens ... ‒ ... Ego credo, et video quia non sunt dii, sed Deus unus omnipotens, cuius vere tu nuntius et propheta. Explicit doctrina Mahumet, que apud Saracenos (23r) magne auctoris (authoritatis ed.) est, licet ibi multa

) È il titolo aggiunto che precede la lettera del traduttore nell’Arsenal 1162, f. 5ra. ) Sull’edizione di Leclercq si vedano le osservazioni di d’Alverny, Deux traductions (nota 2), 79 e nota. 22) Nell’Arsenal 1162 nella rubrica che è stata aggiunta nel marg. sup. si legge sclauus, cfr. anche d’Alverny, Deux traductions (nota 2), 80; nell’edizione di Bibliander leggiamo invece Dalmata. 20 21

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doctrina sint (mendacia sunt ed.), et multa ridiculosa. — Bibliander , Coran (nota 19), 189‒200; Kritzeck , Peter the Venerable (nota 14), 89‒96. 23rv Prephatio Ruberti translatoris ad dompnum abbatem cruniacensem (!), in libro legis Saracenorum, quem Alchoran vocant, id est, collectionem preceptorum quam Mahumet pseudo propheta per angelum Gabrielem quasi de celo sibi missa confixit (confinxerit ed.). (Textus) Domino suo Petro divino instinctu Cluniacensi abbati (abb’a MS), Robertus Retenensis (!) suorum minimus ... Ubi sepius atque sero percipi, qualiter quantumue ... ‒ ... nunc probabilibus, nonnunquam necessariis argumentis innitens. Explicit prologus. — Bibliander , Coran (nota 19), 7‒8. 23v–127r Incipit lex Saracenorum quam Alchoran vocant id est collectionem preceptorum. Açoara prima, misericordis libri, septem verba continens. (Textus) Misericordi pioque Deo, universitatis creatori, iudicium cuius postrema dies expectat, voto sup

lici nos hu‹m›iliemus ... ‒ ... (Açoara CXXIII) hominibusque dyabolicis atque perversis te defendat, et liberet. (Subscr.) Illustri gloriosique (!) viro Petro Cluniacense abbate precipiente, suus angligena Robertus Ketenensis librum istum transtulit anno Domini millesimo centesimo quadragessimo tertio, anno Alexandri millessimo (!) quadragenssimo (!) tertio, anno Alhigere quingentesimo trigessimo septimo, anno Persarum quingentessimo undecimo. (Rubr.) Explicit liber legis dyabolice Saracenorum, qui Arabice dicitur Alchoran, id est, collectio capitulorum sive preceptorum. — Bibliander , Coran (nota 19), 8‒188 (con var.). 127rv (Rubr.) Hunc librum fecit dompnus Petrus Cluniacensis abbas transferri (127v) de arabico in latinum a Petro magistro Tholetano, iuvante Petro monacho scriptore, cum esset idem dompnus ac venerabilis abbas in Yspaniis constitutus cum glorioso Adefonse, eo anno quo idem gloriosus imperator Choriam civitatem cepit. — È la rubrica dell’‹Apologia› dello pseudo Al-Kindi la cui trascrizione, come nella maggior parte della tradizione manoscritta della ‹Collectio Toletana›, è stata omessa, cfr. d’Alverny , Quelques manuscrits (nota 2), 205‒206. Nel Paris, Bibl. de l’Arsenal 1162, f. 138rb la rubrica segue il testo che precede ed è della stessa mano.

3. Niccolò Cusano e la ‹Collectio Toletana› Nel Vat. lat. 4071 in corrispondenza dell’ultima ‹subscriptio›, ovvero quella che registra l’anno della traduzione del Corano, una mano, diversa da quella del copista, ha annotato Nota quando liber fuit translatum: 1143. Sunt nunc 1462. La nota, che è stata intesa come l’anno di copia23), appartiene ad una mano che ha ampiamente postil-

23) d’Alverny, Quelques manuscrits (nota 2), 213; Martínez Gázquez, Las glosas de Nicolás de Cusa (nota 11), 474 nota 4.

Niccolò da Cusa, Giovanni Pico della Mirandola ed il ms. Vat. lat. 4071

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lato il manoscritto e che José Martínez Gázquez ha riconosciuto essere quella di Niccolò da Cusa.24) Nel primo prologo della ‹Cribatio Alcorani› (1460/61) Cusano scrive del suo primo approccio al Corano, avvenuto oltre venti anni prima: Feci quam potui diligentiam intelligendi librum legis Arabum, quem iuxta translationem per Petrum abbatem Cluniacensem nobis procuratam Basileae habui.25)

Il testimone della ‹Collectio Toletana› che gli è appartenuto è l’attuale Cus. 108.26) Cusano, allora giovane canonista, cancelliere di Treviri e decano di S. Florin a Koblenz, era stato inviato a Basilea da Ulrich von Manderscheid. Nel 1437, prima di intraprendere il viaggio verso Costantinopoli, nel fervido clima di scambi culturali che ha connotato la stagione del Concilio, aveva lasciato il volume all’amico Jean de Segovia affinché ne traesse una copia.27) Il viaggio era durato circa sei mesi (dal mese di agosto del 1437 al 4 febbraio 1438) e per circa due mesi Cusano aveva soggiornato a Costantinopoli. Durante la permanenza aveva acquistato la ‹Teologia platonica› di Proclo, un testimone con opere di Basilio da Cesarea (London, British Library, Harley 5576), un antico manoscritto con gli Atti del Concilio di Nicea (London, British Library, Harley 5665). Nel convento francescano di Santa Croce aveva visto un testimone in arabo del Corano e ai frati aveva chiesto delucidazioni su specifici punti. Presso i domenicani di Pera, invece, aveva trovato la stessa traduzione latina che già possedeva e che aveva lasciato a Juan de Segovia. Nel Cod. Cus. 108 Biechler ha identificato tre diversi strati di glosse. Il più antico risale al periodo in cui Cusano era studente di diritto canonico a Padova, allievo di Prosdocimo de’ Conti, i restanti due sono da associare probabilmente alla composizione del ‹De pace fidei› (1453) e alla composizione della ‹Cribatio Alkorani› (1460/61). La mano del Cusano è stata rinvenuta su codici che gli sono appartenuti 24) Martínez Gázquez, A New Set of Glosses (nota 11); Martínez Gázquez, Las glosas de Nicolás de Cusa (nota 11). 25) NvK, Cribatio Alkorani, ed. Hagemann, h VIII, 2. Sul Prologo, estesamente, Scotto, Davide, Sulla soglia della ‹Cribratio›. Riflessi dell’Islam nell’esperienza di Niccolò Cusano, in: Rivista di Storia e Letteratura Religiosa 45 (2009), 225‒282. 26) Marx, Jakob, Verzeichnis der Handschriften-Sammlung des Hospital zu Cues, Trier 1905, 107–108; d’Alverny, Quelques manuscrits (nota 2), 210; NvK, Cribatio Alkorani, ed. Hagemann, h VIII, XV‒XVI; Biechler, James E., Three Manuscripts on Islam from the Library of Nicholas of Cusa, in: Manuscripta 27 (1983), 91‒100. 27) Dimisi librum apud magistrum Iohannem de Segobia et ad Constantinopolim perrexi, ubi apud Fratres Minores habitantes ad sanctam crucem repperi Alkoranum in Arabico, quem mihi in certis punctis fratres illi, prout sciverunt, explanarunt: NvK, Cribatio Alkorani, ed. Hagemann, h VIII, 2. Cfr. anche Juan de Segovia, ‹Epistola ad Nicolaum de Cusa›: Memorem quippe arbitror dominacionem vestram metuendissimam quod, dum Constantinopolim itura foret, multo rogatu meo concessit michi ut copiari facerem librum Alchoran (Vat. lat. 2923, f. 4v).

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o comunque riconducibili alla sua biblioteca28) e alla luce di ciò appare difficile comprendere come mai non si sia avvalso del Cus. 108 – un manoscritto che gli era particolarmente caro e che possedeva da un quarto di secolo ‒ per ‘rileggere’ il Corano, ma ne abbia utilizzato uno che non gli apparteneva e dunque con il rischio concreto di perdere quanto annotato lungo i margini.29) A ciò si aggiunga che anche da una indagine sommaria la qualità filologica del Vat. lat. 4071 appare tutt’altro che elevata. Vero è che Tommaso Parentucelli e Niccolò Cusano erano stati legati da una lunga amicizia. Si erano incontrati a Francoforte e a Colonia nel 1445 ed insieme avevano condiviso libri e letture come attestano anche dalle glosse apposte sull’‹Opus de causa Dei› dell’inglese Thomas de Bradvardine (Cus. 9330) e sul ‹Tractatus de potestate pape et concilii generalis› (Cus. 263).31) Negli anni seguenti, i rapporti tra i due si erano consolidati.32) Il motivo per il quale Cusano ha dovuto mettere da parte il suo testimone della ‹Collectio toletana› ed utilizzare un diverso manoscritto era già emerso durante gli studi condotti da Biechler. Nel corso della terza ed ultima lettura della versione latina del Corano il Cardinale si era improvvisamente accorto che il suo testimone era difettoso: 28) Per i manoscritti che si conservano ancora a Bernkastel-Kues è tuttora utile, sebbene invecchiato, Marx, Verzeichnis (nota 26). Manoscritti già appartenuti alla biblioteca del Cusano sono inoltre conservati a Londra, cfr. Ullman, Berthold L., Manuscripts of Nicholas of Cusa, in: Speculum 8 (1938), 194‒197, rist. in Id., Studies in the Italian Renaissance, Roma 1963, 357‒364; Institut für Cusanus-Forschung, Kritisches Verzeichnis der Londoner Handschriften aus dem Besitz des Nikolaus von Kues, in: MFCG 3 (1963), 16‒100; Krchnák, Alois, Neue Handschriftenfunde in London und Oxford, in: MFCG 3 (1963), 101–108; Hallauer, Hermann J., Neue Handschriften in London, in: MFCG 7 (1969), 146‒157; Id., Kritisches Verzeichnis der Londoner Handschriften aus dem Besitz des Nikolaus von Kues, in: MFCG 15 (1982), 43–56; Id., Kritisches Verzeichnis der Londoner Handschriften aus dem Besitz des Nikolaus von Kues. Vorläufiger Abschluß, in: MFCG 17 (1986), 21–56; a Bruxelles, cfr. Van de Vyver, Emil, Die Handschriften aus dem Besitz des Nikolaus con Kues in der königlichen Bibliothek zu Brüssel, in: MFGC 7 (1969), 129–145; e nella Biblioteca Apostolica Vaticana. Sulla biblioteca del Cusano vd. Bianca, Concetta, La biblioteca romana di Niccolò Cusano, in: Scrittura biblioteche e stampa a Roma nel Quattrocento, Città del Vaticano 1983, 669‒708; Ead., Niccolò Cusano e la sua biblioteca: note, notabilia, glosse, in: Canone, Eugenio (ed.), Bibliothecae selectae: da Cusano a Leopardi, Firenze 1993, 1– 11; Ead., Le cardinal de Cuse en voyage avec ses livres, in: de Smet, Rudolf (éd.), Les humanistes et leur bibliothèque, Leuven 2002, 25‒36. 29) Oltre che negli studi citati supra alla nota 28, singoli manoscritti postillati dal Cusano sono stati studiati da Van de Vyver, Emil, Marginalia van Nicolaus van Cusa in Bate-Codex 271 en andere codices van de Koninklijke Bibliotheek te Brussel, in: Tijdschrift voor Philosophie 3 (1956), 439– 456; Arfé, Pasquale, The Annotations of Nicolaus Cusanus and Giovanni Andrea Bussi on the ‚Asclepius‘, in: Journal of the Warburg and Courtauld Institut 62 (1999), 29–59 (Bruxelles. Bibl. Royale, Ms. 10054–56) ed altri. 30) Marx, Verzeichnis (nota 26), 94; Bianca, La biblioteca romana (nota 28), 690. 31) Marx, Verzeichnis (nota 26), 255‒256; Bianca, La biblioteca romana (nota 28), 690. 32) Bianca, Concetta, Cusano a Roma, in: Niccolò Cusano. L’uomo, i libri, l’opera. Atti del LII Convegno Storico internazionale Todi, 11–14 ottobre 2015, Spoleto 2016, 281‒299, a 289‒290.

Niccolò da Cusa, Giovanni Pico della Mirandola ed il ms. Vat. lat. 4071

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“... Cusanus’s discovery that the latter part of his Qur’ān contained several major erroneous folio transpositions which could not have been correctly reconstructed without comparison with another text. Cusanus’ marginal notes reestablishing the correct textual continuity are in the later marginal hand, indicating that his discovery was made during his work on the ‹Cribratio›. This defect may have suggested other comparisons to him, and this prompted him to make use of another copy of the Qur’ān when he quoted this work in the ‹Cribratio›.”33)

Per mettere ordine nel testo trasmesso dal Cus. 108 il Cardinale ha utilizzato il testimone già appartenuto a Niccolò V? Oppure ne ha fatto approntare una nuova copia? Un testimone sinora trascurato della ‹Collectio toletana›, il Vat. lat. 4072, può fornire qualche risposta, altre potranno darle uno studio attento dell’intera tradizione manoscritta delle versioni volute da Pietro il Venerabile. Secondo Marie-Thérèse d’Alverny, il Vat. lat. 4072 in «ècriture méridionale du type avignonnais» è apografo del Paris lat. 6064.34) Allo stato attuale è acefalo, guasto ed in disordine ma nulla esclude che fosse integro al tempo della stesura degli inventari dei codici latini di Niccolò V. Il primo fascicolo è stato rilegato in modo erroneo ed attualmente al f. 4r si legge la fine della ‹Summula brevis›. In considerazione di ciò è verosimile che in origine l’incipit coincidesse con quello del Vat. lat. 4071.35) Se il Vat. lat. 4072 è il manoscritto appartenuto al Parentucelli, il Vat. lat. 4071 potrebbe essere stato realizzato su richiesta del Cusano, dunque essere originariamente destinato a far parte della sua biblioteca. A ciò si aggiunga che le glosse di mano di Giovanni Andrea Bussi, segretario del Cardinale durante il soggiorno romano, presenti lungo i margini del Vat. lat. 4071 confermano che è stato utilizzato (e postillato) all’interno dello scrittoio del Cusano.

33)

Biechler, Three Manuscripts (nota 26), 96. ) d’Alverny, Deux traductions (nota 2), 207–208, per una svista indicato con la segnatura ‘Vat.lat. 4012’. 35) Manfredi, I codici latini di Niccolò V (nota 9), 484 ha segnalato il manoscritto senza tuttavia tener conto delle perdite iniziali, cfr. «Nel fondo antico se ne conserva un altro con lo stesso gruppo di testi, il Vat. lat. 4072, che tuttavia non compare negli inventari antichi: la rubrica iniziale è inoltre del tutto diversa da quella indicata in M1». Purtroppo, al momento, del manoscritto è disponibile in versione digitale la riproduzione di un microfilm di bassa qualità. Le glosse e le annotazioni che ne costellano i margini potranno senza dubbio fornire utili indizi su quanti hanno letto e consultato il manoscritto. Su quanti ebbero in prestito i due manoscritti vd. Piemontese, Il corano latino (nota 4), 268. 34

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4. Pico e la ‹Collectio Toletana› Che Pico abbia avuto tra le mani il Vat. lat. 4071 è indubbio considerata la presenza di brevi annotazioni concentrate sulle prime pagine del manoscritto, ovvero nei testi proemiali, e non sulla traduzione del Corano.36) D’altro canto è certo anche che Pico ebbe un testimone della raccolta e la registrazione presente nell’inventario modenese del 1498 ricalca la rubrica del primo prologo attestato nel Vat. lat. 4071 ovvero: Summula brevis contra hereses seracinorum (!) in pap. ms. n. 304.37) La consuetudine di Pico di leggere rapidamente un’opera prima di ordinarne una copia per la sua biblioteca è emersa ormai in diversi manoscritti. Un caso esemplare è lo ‹Speculum divinorum et quorundam naturalium› di Henri Bate de Malines di cui sia il Cusano che Pico ebbero una copia. Il 6 marzo 1487 Pico prese in prestito l’esemplare dello ‹Speculum divinorum› conservato nella Biblioteca Apostolica Vaticana, attuale Vat. lat. 2191, già appartenuto a papa Niccolò V e lo restituì lo stesso giorno.38) Nonostante il poco tempo a disposizione, Pico ebbe modo di leggere il testo perché tracce della sua mano sono visibili lungo i margini mentre al f. 90rb è registrata una sua brevissima annotazione a lato del suo consueto segno di memoria: sp(irit)us .f. aver(ois). La nota si trova nel cap. intitolato Reprobatio dictorum averois e le due ultime lettere (is) della rubrica sono state corrette su rasura probabilmente dallo stesso Pico. A f. 210r si incontra nuovamente il segno di memoria apposto da Pico e poco sotto una sua breve postilla. A parere di Giovanni Mercati il manoscritto registrato negli inventari della biblioteca di Pico potrebbe essere il Chigi C.VIII.218 copiato direttamente dal Vaticano latino.39) Il Chigiano, che non presenta alcun segno di pertinenza o di lettura di mano di Pico, è stato trascritto dal 4 agosto 1491 al 14 aprile 1492 e se è copia diretta del Vaticano è probabile che quest’ultimo sia stato preso in prestito oltre che da Pico nel 1487, anche in seguito da una sua persona di fiducia, se non direttamente dallo scriptor incaricato. Il Paris, BnF, lat. 2598 è appartenuto a Pierleone da Spoleto ed in questo caso la mano di Pico è affiorata nel Lucidator dubitabilium astronomiae, un’opera di Pietro d’Abano. Il Lucidator è testimoniato anche nella biblioteca di Pico, il quale, prima

36) Pico non postilla il testo ma annota nei margini brevi sommari che hanno essenzialmente una funzione mnemonica, ad es. al f. 1rb: Interpretatio Alcorani nominis, al f. 2rb: De heresi. Sabeliana |Manichea | Nestoriana. Quest’ultimo si trova in corrispondenza di un brano già evidenziato da Niccolò Cusano con un segno di memoria (un breve tratto verticale con due puntini) seguito da noa, entrambi in inchiostro nero. 37) Calori Cesis, Giovanni Pico (nota 12), 71. 38) Bertòla, Maria, I due primi registri di prestito della Biblioteca Apostolica Vaticana. Codici Vaticani latini 3964, 3966 (Codices vaticani selecti), Città del Vaticano 1932, 80. 39) Mercati, Giovanni, Codici latini Pico Grimani Pio e di altra biblioteca ignota del sec. XVI esistenti nell’Ottoboniana e i codici greci Pio di Modena con una digressione dei codici di S. Pietro in Vaticano (Studi e testi 75), Città del Vaticano 1938, 53 in nota.

Niccolò da Cusa, Giovanni Pico della Mirandola ed il ms. Vat. lat. 4071

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di ordinarne una copia, ha letto quello che sarebbe stato utilizzato come antigrafo soffermandosi su un paio di punti.40) Ma il caso più eclatante emerso sino ad oggi è probabilmente quello del ms. Bologna, Bibl. dell’Archiginnasio A 943, già appartenuto alla biblioteca del convento di San Domenico. Su questo testimone dell’‹Abbreviatio et impugnatio Quodlibetorum Henrici de Gandavo› di Bernardo d’Auvergne Pico è intervenuto pressochè in ogni pagina ed in fine ha annotato alcuni schemi, promemoria per alcune tesi presentate nelle ‹Conclusiones› ed in seguito discusse in modo più approfondito nell’‹Apologia›.41) In questo caso Pico ha lasciato amplissime tracce della sua mano sull’antigrafo senza aver la pazienza di attendere che un copista del suo scrittoio, o un altro incaricato, portasse a termine la copia destinata alla sua biblioteca personale. Ritengo sia accaduto lo stesso anche per il Vat. lat. 4071, ovvero che Pico lo abbia letto ed annotato prima di ordinare una copia della ‹Collectio Toletana› per la sua biblioteca. Rimane tuttavia un dubbio, forse il più spinoso. Pico seppe riconoscere nelle glosse la mano del Cusano? È probabile. Sicuramente gli era nota la biblioteca dell’illustre Cardinale come prova il celebre episodio ricordato, tra gli altri, da Eugenio Garin.42) Dopo la fuga in Francia, il clamoroso arresto e la detenzione nella rocca di Vincennes, Pico era stato liberato grazie all’intercessione dei principali signori d’Italia, dai Gonzaga a Lorenzo de’ Medici. Espulso dalla Francia, il Conte aveva espresso il desiderio di andare in Germania per visitare la biblioteca del Cusano. Qualcosa o qualcuno gli fece cambiare idea perché invece di recarsi a Kues, si voltò in direzione delle Alpi e, ricevuto per il tramite di Marsilio Ficino l’invito di Lorenzo il Magnifico, si recò a Firenze soggiornando a lungo nella villa il Querceto alle pendici di Fiesole.43)

40) Murano, Giovanna, Tra scienza, astrologia e magia. Un nuovo manoscritto di Pierleone da Spoleto, in: Archivum mentis 8 (2019), 249‒271. 41) Ha ipotizzato l’esistenza di questi dossiers Caroti, Stefano, Note sulle fonti medievali di Pico della Mirandola, in: Giornale critico della filosofia italiana 1 (2005), 60–92 a 74, 82 i riferimenti a Bernardo d’Auvergne. 42) Garin, Eugenio, Giovanni Pico della Mirandola. Vita e dottrina, Firenze 1937; rist. con Introduzione di Cesare Vasoli, Roma/Firenze 2011, 36, 120. 43) Bausi, Francesco, Diporti fiesolani di Angelo Poliziano, in: Interpres 23 (2004), 85–105 a 101.

Nikolaus von Kues in der belletristischen Literatur Die Brixener Jahre Hans Gerhard Senger

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em ursprünglich vorgesehenen Tagungsthema entsprechend, soll diese Untersuchung zur belletristischen Cusanus-Literatur auf die in den ‚Acta Cusana‘ II 1–6 behandelte Zeit von April 1452 bis September 1458 ausgerichtet sein, also vor allem die sechs Brixener Jahre des Cusanus behandeln. Es stellte sich jedoch bald heraus, dass die Behandlung der Brixener Zeit in der Cusanus-Belletristik oft die zehn Jahre von der Übertragung des Bistums Brixen im März 1450 bis zum Ende seines letzten Besuchs des Bistums Mitte September 1460 erfasst.1) Dem soll hier Rechnung getragen und die Untersuchung darum auf diese Dekade ausgeweitet werden. Doch zuvor soll das Thema ‚Cusanus in der Belletristik‘ insgesamt, ganz allgemein und ohne die später vorzunehmende zeitliche und thematische Begrenzung auf die Brixener Jahre skizziert werden, damit dann auf diesem Hintergrund die besonderen Merkmale der belletristischen Cusanus-Literatur zu den Brixener Jahren verdeutlicht werden können. Das geschieht in einer weiten Bedeutung des Belletristik-Begriffs, bezogen auf die verschiedenen Gattungen und Arten wie Roman, Schauspiel, Drama, Spiel, Erzählung, Geschichte und – wenn auch nur andeutungsweise – auch auf Texte aus Film, Musiktheater, Oper und Oratorium. Die literarische Darstellung der historischen Figur des Nikolaus von Kues in der schöngeistigen Literatur soll zunächst unter der Frageperspektive nach dem Wann, Wo, Wer, Was und Warum untersucht werden, um so einen Überblick über die zeitlichen und örtlichen Koordinaten dieser spezifischen Literaturart, über die wichtigsten biographischen Autorendaten, über die für die Darstellung ausgewählte Lebensperiode und über die literarische Gattung ihrer Realisierung zu gewinnen.

) AC I 2, Nr. 872; AC II 6, Nr. 5749.

1

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1. Cusanus in der Belletristik. Ein Überblick Soweit mir bekannt, ist dies der erste Versuch, einen generellen Überblick über ‚Cusanus in der Belletristik‘ zu gewinnen. Die bisherige Forschung zu diesem speziellen literaturhistorischen Thema ist nicht allzu umfangreich, jeweils regional begrenzt und darum leicht überschaubar. An drei Autoren und ihre Beiträge ist hier zu erinnern. Der Bernkastel-Kueser Gymnasiallehrer und Heimatschriftsteller Peter Kremer (1901–1989) trat mit einer kurzen Studie zu Cusanus und seiner Kueser Hospiz-Stiftung hervor. Der Innsbrucker Volkskundler und Bibliothekar Anton Dörrer (1886–1968) hat sich mit der Literatur der Jahre 1840 bis 1940 zum Brixener Quartett Fürstbischof Nikolaus von Kues, Äbtissin Verena von Stuben, Sigismund, gen. der Münzreiche, (Erz-)Herzog von Österreich, Graf von Tirol, und dessen Ehefrau Eleonore von Schottland befasst. Beide Beiträge wurden anlässlich des Cusanus-Jubiläums 1964 verfasst. Schließlich Isabelle Mandrella (2009) mit einem Beitrag zu Cusanus und Verena von Stuben unter biographisch-historischem und literarischem Aspekt.2) Mit Brixen und Tirol einerseits und Kues andererseits kommen bereits hier zwei regionale Bezugspunkte ins Spiel, die auf zwei später sich zeigende geoliterarische Brennpunkte vorausweisen. Zunächst zum zeitlichen Aspekt der Cusanus-Belletristik. Die Frage, wann die Literarisierung der vita – und acta Cusana begann, lässt sich ziemlich exakt beantworten: schon zu Lebzeiten des Nikolaus von Kues. Will man die 66 und 16 Distichon-Verse [13], die jeweils die beiden Bücher der Cusanus-Schrift ‚De ludo globi‘ beschließen, „angefertigt zu seinem Lob“, als solche akzeptieren, beginnt dessen Literarisierung bereits in den Jahren 1461/1462. Es gibt gute Gründe, den Verfasser der Schrift nicht als den Autor der 41 Distichen, sondern diese als pseudocusanisch anzusehen. Als mögliche Vers-Autoren kommen zwei enge Vertraute und Freunde des Nikolaus von Kues in Frage, Iohannes Andreae de Bussis und – eher noch – Enea Silvio Piccolomini/Pius II.4) Wer auch immer der Poet der Verse gewesen sein mag, er apostrophiert Nikolaus als magister, pater, senex und als Erfin2) S. dazu unten S. 444 mit Anm. 19. Vgl. Kremer, Peter, NvK und seine Stiftung in der schöngeistigen Literatur (Kleine Schriften der Cusanus-Gesellschaft, Heft 2), Trier 1963, 21971; Dörrer, Anton, Nikolaus Cusanus und Verena von Stuben, Herzog Sigmund und Eleonore in schöngeistigen Verkörperungen zwischen 1840 und 1940, in: Grass, Nikolaus (Hg.), Cusanus-Gedächtnisschrift (Forschungen zur Rechts- und Kulturgeschichte 3), Innsbruck/München 1970, 551–596 (das Ms. um 1965); Mandrella, Isabelle, Nicolaus Cusanus und Verena von Stuben, in: Cusanus Jahrbuch 1 (2009), 27–44 unter dem speziellem Aspekt der Verena-Darstellung u.a. bei Rudolf Greinz (s. Anm. 25). 3) Die in diesem Beitrag eingefügten Nummern [1] bis [32] beziehen sich auf die Nummerierung der chronologischen Bibliographie unten 436ff. 4) NvK, Dialogus de ludo globi, ed. Senger, h IX, 67–69, 150; s. dazu ebd., Praefatio, XXVII– LXXX; ferner Bormann, Karl, Nicolaus Cusanus als Poet?, in: Mittellateinisches Jahrbuch 20 (1985), 184–192.

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der des ‚Globusspiel‘ und stellt ihn in das historisch belegte, über Jahre hinweg intensiv gepflegte Zusammenspiel mit den zwei jugendlichen Herzögen Johannes von Mosbach und Neumarkt und dessen Vetter, Albert IV. von Bayern-München, sowie mit Alberts Vater, dem Bayern-Herzog und Pfalzgrafen Albrecht III. von München.5) Mit den Distichon-Versen werden wohl erstmals poetisierte Momente einer Cusanus-Biographie publiziert (Straßburg 1488 u.ö.). Trotz der „Präsenz des Vergessenen … vom 15. bis zum 18. Jahrhundert“ (Meier-Oeser 6) wird Nikolaus von Kues nach heutigem Kenntnisstand aber erst rund 400 Jahre später, gegen Ende des 19. Jahrhunderts, wieder zum Sujekt der Belletristik, nachdem Mitte des 19. Jahrhunderts ein erster Versuch (um 1840 in Bruneck) unvollendet gebliebenen war: das „dramatische Werk“ ‚Die Äbtissin Verena‘, ein „Trauerspiel in fünf Aufzügen“ [2] des Südtiroler Juristen und später als „Modedichter“ bezeichneten Schriftstellers Hermann von Gilm 7), aus dessen lyrischem Zyklus ‚Letzte Blätter‘ später der junge Richard Strauss acht Lieder vertonte (op. 10, 1885). Da das unveröffentlichte Fragment, das nur aus dem ersten I. Akt, Szene 1–7 mit 522 Versen besteht, lange als verschollen galt und nur in einer handschriftlichen Abschrift überliefert war, konnte der noch nicht dargestellte Konflikt Verenas mit dem Kardinal auch später weder Wirkung noch Nachahmung erreichen. Andere Bearbeitungen des dramen- und romanaffinen Stoffes sollten später folgen, zwei Verena-Romane ([4], [19]) und zahlreiche Szenen in biographischen Darstellungen (z.B. bei Hans Künkel [9], 340–420). So kommt Cusanus eigentlich erst am Ende des 19. Jahrhunderts in die Belletristik, durch eine fulminante „epische Dichtung“ des Jahres 1890 des Südtiroler Schriftstellers Adolf Heinrich Povinelli mit dem zunächst irritierenden Titel ‚Ahasverus in Tyrol‘ [3]. Die weitaus größte Anzahl (29) der nachfolgend verzeichneten 32 Zeugnisse belletristischer Cusanus-Literatur unterschiedlichen Genres entstand ab 1915 in dichter Abfolge im 20. und 21. Jahrhundert. Sie stammen – was kaum verwundern wird – überwiegend von deutschsprachigen Autoren. Seit ca. 1980 trat allerdings 5) Die Belege dazu demnächst in AC III; bis dahin bei Meuthen, Erich, NvK und die Wittelsbacher, in: Fried, Pankraz (Hg.), Festschrift für Andreas Kraus zum 60. Geburtstag (Münchener Historische Studien. Abteilung Bayerische Geschichte 10), Kallmünz 1982, 95–113. 6) Meier-Oeser, Stephan, Die Präsenz des Vergessenen. Zur Rezeption der Philosophie des Nicolaus Cusanus vom 15. bis zum 18. Jahrhundert (Buchreihe der Cusanus-Gesellschaft 10), Münster 1989. 7) von Gilm, Hermann, Die Äbtissin Verena. Trauerspiel in fünf Aufzügen, Vintlersche Handschrift, Bruneck 1843/44. — Erstveröffentlichung durch Dörrer, Anton, Gilms verloren geglaubtes Erstlingsdrama „Äbtissin Verena“, in: Archiv für das Studium der neueren Sprachen und Literaturen [hg. v. Alois Brandl (Berliner Germanist aus Innsbruck!) und Oskar SchultzGora] 85. Jg., Bd. 157/3–4 (1930), 188–215 (Textabdruck 198–208); das Fragment erneut bei Dörrer, Nikolaus Cusanus (wie Anm. 2), 570–584; Auszug aus der 3. Szene bei Knötig, Karl, Die Sonnenburg im Pustertal, Bozen 1985, 34–40; 32002, 35–39 (Kap. „Verena und Cusanus“).

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eine gewisse Internationalisierung ein ([14], [18], [23], [27]); und seit jüngstem tritt Cusanus auch als dezentralisiertes Sujet postmoderner Romane auf ([25], [28], [29]). — Man darf davon ausgehen, dass eine systematische Suche mit den Mitteln moderner Informatik weitere Zeugnisse eines ‚Cusanus literatus‘ in Bibliotheken, Archiven, Nachlässen und lokalen Publikationsorganen8) zu Tage fördern kann.

2. Bibliographie: Nikolaus von Kues in der belletristischen Literatur (in chronologischer Anordnung) [1] Pseudo-Nicolaus de Cusa/Anonymus, Versus (Gedichte) 1461/62.9) [2] von Gilm, Hermann, Äbtissin Verena (Ein dramatisches Werk), Bruneck um 1850; hschr. Abschrift in Bruneck, Vintlersche Hs.: Die Äbtissin Verena. Trauerspiel in fünf Aufzügen, Bruneck 1843/44.10) [3] Povinelli, Adolf Heinrich, Ahasverus in Tyrol. Epische Dichtung aus düsterer Zeit, Leipzig 1890, Wien 21892. [4] Greinz, Rudolf, Äbtissin Verena. Roman, Leipzig 1915 u.ö.; Wien 1953 u.ö.; München 1973 u.ö. [5] Feiten, Josef, Cusanus und Eberhard. Ein Spiel von Weisheit und Wundern, BerlinWeißensee 1923. [6] Mathar, Ludwig, Die sieben Werke der Barmherzigkeit. Ein voller Herbst, drei Moselgeschichten aus drei Jahrhunderten, Regensburg 1925 (89–166 über die sieben Wandbilder im Kreuzgang des Hospitals). [7] Feiten, Josef, Die Moselsage. Ein Roman um das Leben und das Volk, Mönchen Gladbach, o.J. (1927; zum Kreuzgang des St.-Nikolaus-Hospitals 39–49). [8] von Selchow, Bogislav, Der unendliche Kreis. Lebensroman des Nicolaus von Cues. Ein Zeitwendebild, Leipzig 1935. [9] Künkel, Hans, Schicksal und Liebe des Niklas von Cues. Roman, Leipzig 1936; Stuttgart 21949. [10] Kirschweng, Johannes, Das Tor der Freude. Roman vom Sterben des Nikolaus von Cues, Bonn 1940, 21946.

8) In Frage kommen etwa regionale Publikationsorgane wie ‚Der Schlern‘ oder ‚Dolomiten. Südtiroler Tagblatt‘ oder lokale Publikationen wie der ‚Heimatkalender für den Kreis Bernkastel‘, ‚Bernkastel-Wittlich. Jahrbuch‘, oder ‚Kreis Bernkastel-Wittlich. Jahrbuch‘. 9) Erstdruck: Nicolai de Cusa … certi tractatus et libri … editi …, Argentorati (i.e. Straßburg, bei Martin Flach) 1488, vol. II, fol. q6v–t5v. Nachdruck: NvK, Werke (Neuausgabe des Strassburger Drucks von 1488), hg. v. von Paul Wilpert, Berlin 1967, vol. II, 598f., 626. Kritische Edition: NvK, Dialogus de ludo globi, ed. Senger, h IX, Hamburg l998, 67–69, 150. — Zu Jorge de Senas Gedicht s. Senger, Hans Gerhard, Jorge de Sena, De docta ignorantia. Cusanus poeticus, in: Ders. (Hg.), Ludus sapientiae. Studien zum Werke und zur Wirkungsgeschichte des Nikolaus von Kues (Studien und Texte zur Geistesgeschichte des Mittelalters 78), Leiden u.a. 2002, 380–395. 10) Auszüge bei Dörrer, Nikolaus Cusanus (wie Anm. 2), 551–596; s. auch Dörrer, Gilms verloren geglaubtes Erstlingsdrama (wie Anm. 7), 188–215 (Textabdruck 198–208).

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[11] Schienerl, Walther, Licht im Strom. Roman, Wien 1947. [12] Mathar, Ludwig, Der Herold des Papstes. Eine Jubiläumsgeschichte aus den Jahren 1450 und 1451, Würzburg 1950. [13] Kneip, Jakob, Der Apostel. Roman, München 1955 (zu NvK und Kues 84f., 120, 140f., 151–153). [14] de Sena, Jorge, De docta ignorantia, in: fidelidade. poemas (Circulo de poesia, 1), Lissabon (Moraes Editores) 1958, 70f. ND in: Poesia – II (Circulo de poesia), zugleich Bd. II der vollständigen Werk-Ausgabe, Lissabon 1978, 47f. (s. dazu Anm. 9). [15] Rubatscher, Maria Veronika, Die denkwürdige Brautnacht, in: Dolomiten. Südtiroler Tagblatt 1964, 9 Nr. 52 (Probe aus einem unvollendeten Roman ‚Cusanus und Verena‘, vor 1954). [16] Laner, Jul Bruno, Kardinal Cusanus oder der Enneberger Krieg. 14 Bilder aus der Geschichte Tirols um 1460, Neumarkt 1976. (Freilichtspiele Südtiroler Unterland, Premiere: 24. Juli 1976, Neumarkt, Alter Friedhof, Pfarrkirche Neumarkt, Regie: Luis Walter). [17] Schwingshackl, Anton, Nikolaus Cusanus. Roman, Wien/München 1979. [18] Waltari, Mika, Nuori Johannes, Helsinki 1981 (posthum). Deutsche Übersetzung: Johannes Peregrinus. Der junge Johannes. Historischer Roman. Ungekürzte Übersetzung aus dem Finnischen von Andreas Ludden, Lampertheim 2013 (zu den Stationen Basel, Konstantinopel, Ferrara-Florenz). [19] Wintersteiner, Marianne, Verena und der Kardinal, Innsbruck/Wien/München 1981, Mühlacker/Irdning (Steiermark) 21994; ND Rosenheim 2006 (Roman, s. Klappentext). [20] Martini, Heiner, Der Krebs in der Reuse Nikolaus von Kues, Trier 1986. [21] Kropp, Peter, Der Kardinal aus Kues. Schauspiel in 4 Bildern, o.O. & J. (Monzelfeld 1990, unveröffentlicht; daktylographisches Ms.). Überarbeitete und gekürzte Bühnenfassung: Nikolaus Cusanus, Kardinal und Bischof oder die Versuchungen der Macht. Ein Schauspiel. o.O. & J. (Monzelfeld um 1997; unveröffentlicht. Uraufführung durch Theatergruppe ‚Abendrot‘ des Heimatverein Monzelfeld e.V. Daktylographisches Ms. der Bibliothek des St. Nikolaus-Hospitals Bernkastel-Kues, ca. 2001). [22] Kropp, Peter, Der Fall des Rector Schoenes – Undank war der Welt Lohn (Drama), 1993 (unveröffentlicht; u.a. zu Hospital und Bibliothek in Kues). [23] Bédard, Jean, Nicolas de Cues. Roman, Québec 2001. [24] Steger, Philipp (Hg.), De Pace Fidei. Die Toleranz. La tolleranza. Ein Schauspiel von Nikolaus von Kues (Reihe SYN Nr. 6, TB), Brixen 2001. [25] Jeschke, Wolfgang, Das Cusanus-Spiel. Ein Roman, München 2005 (s. besonders im 1. Buch, Kapitel VI: „In Vincoli“, bes. 105–108; Kapitel VII: „Ein Hühnchen für Cusanus“, 109–113; im 3. Buch, Kapitel II: „Die Cusanische Acceleracio“, 335–349). [26] van Eimeren, Wilhelm, Cusanus. Historischer Roman, Münster 2008. [27] Nicolle, Jean-Marie, L’homme à la proposition d’or, Paris 2010. [28] Overath, Angelika, Ein Winter in Istanbul. Roman, München 2018 (u.a. NvK in Konstantinopel).

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[29] Scheuer, Norbert, Winterbienen. Roman, München 2019. [30] André, João Maria, Sobre o silêncio da luz (poema, Juli 2019, bisher unpubliziert; Erstveröffentlichung mit deutscher Übersetzung am Ende dieses Beitrags). Nach Abschluss des Manuskripts machten mich die Herausgeber dieser ‚Studien‘ auf zwei Bände [31]–[32] einer ‚Renaissance Trilogie‘ des Sebastian Fleming (i.e. Klaus-Rüdiger Mai) aufmerksam, die jedoch nicht die Brixener Jahre betreffen: [31] Fleming, Sebastian, Byzanz. Historischer Roman, Köln 2013 (NvK Konstantinopel 1438: Teil II [Kap.] 19–22, 26–29; 538–544, 552–569, 590–626; 713). [32] Ders., Nacht über der Alhambra. Historischer Roman, Köln 2017, (zu NvK: Teil II [Kap.] 23, 177f.; Teil V [Kap.] 66–69, 510–536; endet mit dessen Ermordung durch Gift 1464 in Todi). — Erneut unter dem Titel: Die Verschwörung von Granada. Historischer Roman, TB Köln 2020 (seitengleich).

In Kindlers Literatur-Lexikon (KLL) hat es keines der hier berücksichtigten und zu behandelnden literarischen Werke geschafft, von denen einigen gleichwohl das schicksalhafte Urteil ‚Trivialliteratur‘ erspart bleiben kann. Auf die Frage, wo das Interesse an der historischen Figur des Nikolaus von Kues bei Poeten und Schriftstellern erwachte und weitergeführt wurde, war schon einmal beiläufig auf Österreich als Ursprungsland der Cusanus-Belletristik hinzuweisen. Dort entstand dann auch ein Viertel der aufgelisteten belletristischen Literatur (8 von 32). Neben zwei in Wien entstandenen Werken ([3], [11]) sind hier vor allem sechs weitere aus Nord- und Südtirol zu nennen ([2], [4], [15]–[17], [24]). Von dort kamen auch die Autoren der ersten Cusanus-Dichtungen des 19. und frühen 20. Jahrhunderts, Hermann von Gilm, Adolf Heinrich Povinelli, Rudolf Greinz ([2]– [4]). Nach Anton Schwingshackls äußerst farbigem Roman ‚Nikolaus Cusanus‘ [17] ließ das Interesse an schöngeistiger Cusanus-Literatur ab 1980 in Tirol nach. Einzige Ausnahme: ein Schauspiel zum Jubiläumsjahr 2001 anlässlich des 600. Geburtstags des Nikolaus von Kues, mit dem Philipp Steger [24] sich aber von der zuvor gepflegten lokalen Thematik ab- und einer anderen zuwandte, der angeblichen Toleranz-Idee des Cusanus in dessen Schrift ‚De pace fidei‘. Das literarische Interesse am historischen Cusanus verlagerte sich seit den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts von Österreich bzw. Tirol nach Deutschland, wo Geschichten, Spiele, Schauspiele und Dramen in dichter Folge entstanden ([5]–[10]), vor allem aber Romane, 20 an der Zahl bis ins Jahr 2020. Aufs Ganze gesehen lag – was wiederum nicht überraschen wird – das Zentrum der Produktion in und um Bernkastel-Kues und Trier sowie in den umliegenden Gebieten der Eifel, des Hunsrücks und des Saargebiets. Vereinzelt entstand Cusanus-Belletristik aber auch in Ostpreußen [9], Niederbayern [19], München [25] und einer deutschen Autorin im Tessin [28]. Bei der belletristischen Cusanus-Literatur haben wir es also vor allem mit zwei geoliterarischen Brennpunkten zu tun: Kues und Brixen. Zum einen also mit der

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engeren und weiteren Heimat des Nikolaus. Die Autoren des Mosel-HunsrückEifel-Raums machten entweder die Zeit des Cusanus in und seine spätere Beziehung zu Kues zum Gegenstand ihrer Darstellung – sie beschränkten sich dabei auf einzelne Episoden – oder sie widmeten sich zugleich seiner ganzen Vita mit den verschiedenen Wirkungsstätten, von denen Kues ja nur eine war. Zum anderen rückten Autoren aus Nord-, aber auch aus Südtirol die Brixener Jahre in den Brennpunkt ihrer literarischen, dramatisch oder romanhaft gestalteten Darstellung des Bischofs Nikolaus samt historischer und fiktiver Gestalten des Hochstifts Brixen und der Grafschaft Tirol. Dass, wie noch zu zeigen ist, in den beiden literarischen Regionen zwei unterschiedliche, inkompatible Cusanus-Gestalten entstanden, wird kaum verwundern. Mit der inzwischen weltweiten Ausbreitung der Cusanus-Forschung in den letzten fünf Jahrzehnten geht eine begrenzte Ausweitung belletristischer Cusanus-Literatur in anderen Ländern und Sprachbereichen einher: so ein Roman aus Finnland [18], zwei francophone Romane aus Canada und Frankreich ([23], [27]), zwei Poeme aus Portugal ([14], [30]). Davon können drei auf direkten Kontakt mit der Cusanus-Forschung zurückgeführt werden, wie fallweise zu vermerken sein wird. — Dass hier unter dem Herkunftsaspekt nicht die Rede von Italien sein kann – belletristische Cusanus-Literatur aus Italien ist mir jedenfalls nicht bekannt geworden – liegt wohl an der historischen Gegebenheit, dass die genannten Südtiroler Autoren deutschsprachig waren und Deutsch schrieben. Abgesehen von der Überlieferung seiner Werke in einigen Handschriften und einer Druckausgabe (Cortemaggiore 1502) war Cusanus damals in Italien wenig präsent. Rom, seine Endstation, verfügte über zuviele Memorialräume; und die Besucher seiner dortigen Titelkirche San Pietro in Vincoli waren damals, wie offensichtlich auch heute noch, überwiegend an Michelangelos Moses und weniger an dem Cusanus des Andrea Bregno interessiert. Der geoliterarischen Herkunft der Cusanus-Belletristik entsprechend liegen auch deren Verlagsorte überwiegend in deutschsprachigen Gebieten: die meisten in Deutschland (17) mit Schwerpunkten in Leipzig, vor dem Zweiten Weltkrieg ein bedeutendes Verlagszentrum (viermal zwischen 1890 und 1936) und München (viermal, 1955 und ab 2005). An zweiter Stelle folgen österreichische Verlagsorte, vor allem Wien (viermal). Schließlich gibt es auch Verlagsorte in nichtdeutschsprachigen Gebieten (5).11)

11) Weitere deutsche Verlagsorte: Berlin [5], Regensburg [6], Mönchengladbach [7], Bonn [10], Würzburg [12], Mühlacker (und Irdning/Steiermark) [19], Trier [20], Lampertheim [18] und Münster [26] je einmal. — Österreichische Verlagsorte: Wien 1947 [11], 1979 [17] und zwei Zweitauflagen 1892 [3] und 1953 [4]. In Italien/Alto Adige zu den Cusanus-Jubiläumsjahren Bozen 1964 [15] und Brixen 2001 [24]. In Portugal: Lissabon 1958 [14], (Privatdruck Coimbra 2019 [30]). Ferner je einmal Helsinki 1981 [18], Québec 2001 [23], Paris 2010 [27].

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Fragt man, wer die Autoren belletristischer Cusanus-Darstellungen waren, dann zeigt sich, dass es sich überwiegend (22 von 28) um Personen handelt, die einem ‚bürgerlichen Beruf‘ nachgingen, wenigstens zeit- oder teilweise, und sich nebenbei als Autoren hervortaten. Denn von ‚freien Schriftstellern‘ würde man in nur fünf Fällen sprechen ([4], [18], [19], [28], [29]). Unter den ausgeübten Berufen dominiert die Berufsgruppe der Lehrer (elf), darunter fünf Hochschullehrer/Professoren (zwei aus Portugal, je einer aus Deutschland, Finnland und Österreich), fünf Gymnasial- und ein Volksschullehrer, vier der sechs letzten aus dem Kueser Raum ([5/7], [6], [13], [21/22]). Daneben gibt es ein buntes Berufsspektrum: zwei Priester, der eine aus Kues [10], der andere aus St. Lorenzen nahe der Sonnenburg [17]; ein Jurist [2] und ein Versicherungsbeamter [3], beide aus Südtirol; des Weiteren ein ostpreußischer Marineoffizier [8], ein Arzt aus Trier [20], ein kanadischer Ökologe mit Bezug zum Schauspiel [23], ein Südtiroler Schauspieler [24] und ein Lektor [25]. Unter den 28 Autoren finden sich nur drei Autorinnen, die Tirolerin Maria Veronika Rubatscher [15], die Sudetendeutsche Marianne Wintersteiner [19] und – jedoch mit einer besonderen thematischen Konstellation: Cusanus in Konstantinopel und Istanbul – die im Tessin lebende Angelika Overath aus Karlsruhe [28]. Angesichts des literarischen Potenzials einer historisch ganz gut dokumentierten Frauenfigur wie der Äbtissin Verena von Stuben mag das überraschen. – Die Konfiguration ‚Cusanus vs. Verena‘ oder auch ‚Verena vs. Cusanus‘ wird von vier Autoren bereits im Romantitel thematisiert. Diese Konfiguration wurde von zwei Autoren aufgegriffen ([2], [4]), welche die ‚Äbtissin Verena‘ zur Zentralfigur machten, und von zwei Autorinnen, die ‚Cusanus und Verena‘ [15] bzw. ‚Verena und der Kardinal‘ [19] schon im Titel in Stellung brachten. An ‚Verena‘ scheiterte schließlich nicht nur der Kardinal, sondern auch zwei Autoren, genderparitätisch der Tiroler Hermann von Gilm (um 1850) mit seinem „dramatischen Werk“ und „Trauerspiel“ [2], das Torso blieb, und rund hundert Jahre später die Tirolerin Maria Veronika Rubatscher mit einem nicht vollendeten Cusanus/Verena-Roman [15]. Fragt man angesichts der vielfältigen belletristischen Bemühungen um Cusanus in fast zwei Jahrhunderten, was nach Deklaration der Autoren und Verlage unter dem Aspekt ‚literarische Gattung‘ verzeichnet wurde, kann resumiert werden: Es sind vor allem Romane (20), an zweiter Stelle folgen Schauspiele, Dramen oder ‚Spiele‘ (sieben), zwei als ‚Geschichten‘ bezeichnete umfangreichere Werke ([6]), [12]) und drei Gedichte/versus. Näheres dazu ist der vorangehenden Bibliographie und den nachfolgenden Ausführungen zu entnehmen. Auf die Frage nach dem Warum, nach den Motiven der österreichischen Belletristiker für ihr gewähltes Sujet, wird man auf das verbreitete Interesse am Konflikt des Brixener Bischofs Nikolaus mit seiner Kirche und beider mit dem Tiroler Landesfürsten und der Sonnenburger Äbtissin kommen, das auch im 19. und 20. Jahr-

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hundert in der Regionalgeschichte Tirols präsent war. In Herzog Sigismund, dem Grafen von Tirol, und der Äbtissin Verena von Stuben wird man dann wohl die Identifikationsfiguren finden, jedenfalls eher als im Brixener Bischof‚ dem ‚deutschen Eindringling‘. Das spiegelt sich auch in der Tiroler Cusanus-Belletristik des 19. und 20. Jahrhunderts. Bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts fehlte es in Brixen ja auch an sichtbarer Vergegenwärtigung des Cusanus, bis dort durch die Einrichtung einer ‚Cusanus-Akademie‘ (1962) mit dem Cusanus-Relief des Brixener Bildhauers Martin Rainer (1963) und 2001 mit der Cusanus-Gedenkplatte von Werner Kofler an der Außenwand des Dompresbyteriums an den ungeliebten Bischof auch sichtbar erinnert wurde. Anders lagen die Dinge im Kueser Moselraum, wo schon seit Lebzeiten des Cusanus und ununterbrochen bis heute seine Stiftung, das St. Nikolaus-Hospital mit seiner attraktiven Bibliothek als ‚Memorialraum‘12) an den großen Cusanus erinnert. 3. Die Brixener Jahre in der belletristischen Literatur War bisher von belletristischer Cusanus-Literatur (soweit mir bekannt) insgesamt die Rede, wird die nun folgende Darstellung auf die Werke beschränkt, welche die Brixener Jahre des Nikolaus von Kues zum Thema haben. Das ist bei fast der Hälfte der insgesamt erfassten Werke der Fall.13) Sie befassen sich aber in sehr unterschiedlicher Weise mit der Brixener Zeit, sei es, dass sie die Jahre 1452 bis 1460 (Amtsantritt bis letzte Abreise nach Rom) oder 1450–1458 (Provision bis erste Abreise nach Rom) im Rahmen einer umfangreicheren, mehr oder weniger aufs Ganze zielenden Biographie in den Blick nehmen (wie Hans Künkel [9], Walther Schienerl [11], Anton Schwingshackl [17], Wilhelm van Eimeren [26]) oder die Spanne von je acht Jahren separat als biographischen Lebensabschnitt behandeln (wie etwa Peter Kropp [21]), sei es in weitgehend monothematischer Beschränkung, etwa auf die Beziehung zwischen der Äbtissin Verena und dem Kardinal (wie bei Marianne Wintersteiner [19]) oder in partieller Begrenzung auf ein historisches Ereignis der Brixener Jahre (wie Jul Bruno Laner [16] auf den „Enneberger Krieg“). Eine Bemerkung voraus. Der jetzt vorliegende zweite Band der ‚Acta Cusana‘, der die Ereignisse der Jahre 1452 bis 1458 so umfassend dokumentiert, ermöglicht es nun, die literarische Darstellung jedes Ereignisses auf den Anteil an historischer Wahrheit und Fiktionalität zu überprüfen. Eine Überprüfung literarischer Ereig12) Brösch, Marco, Herz und Geist vereint. Die Bibliothek des Nikolaus von Kues als Memorialraum, in: Speer, Andreas/Reuke, Lars (Hg.), Die Bibliothek – The Library – La Bibliothèque. Denkräume und Wissensordnungen (Miscellanea Mediaevalia 41), Berlin 2020, 691–717. 13) Es sind dies die Nummern [2]–[4], [9], [11], [15]–[17], [19]–[21], [23], [26]–[27] der chronologischen Bibliographie oben, 436ff.

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nisse auf Echtheit sollte allerdings dort, wo Phantasie und Fiktionalität vorherrschen, nicht Ziel der Untersuchung belletristischer Literatur sein. Deshalb werden die ‚Acta Cusana‘ hier nur gelegentlich heranzuziehen sein, wenn es gilt, das auf Richtigkeit und Zuverlässigkeit nachzuprüfen, was unter Berufung auf (genannte oder auch ungegenannte) Quellen als „fein dokumentiert“, kurz als historisches Faktum ausgegeben wird. Die Frage nach ‚historisch richtig‘ oder ‚falsch‘ kann für einen Cusanus literalis allerdings nur unter solcher Bedingung gestellt werden. Wenn beispielsweise bei einer Begegnung zwischen Papst Nikolaus V und Cusanus 1448 dessen erst nach 1460 erfundenes und verfasstes ‚Globusspiel‘ gespielt und gedeutet wird (Kropp, 28), ist das historisch falsch. Eine Rückbindung an die ‚Acta Cusana‘ II wird dann anmerkungsweise jeweils aufgewiesen. Manches literarische Motiv der Cusanus-Belletristik kann man dort bestätigt finden, anderes, wohl das Meiste, jedoch nicht. Aber wer will schon Cusanus-Romane lesen mit den ‚Acta Cusana‘ daneben, wie seinerzeit Umberto Ecos ‚Der Name der Rose‘ bisweilen mit dem passenden PL- oder CSEL-Band daneben gelesen wurde? 4. Äbtissin Verena – Cusanus und Verena – Verena und der Kardinal Die eigentliche Literarisierung des Nikolaus von Kues begann um 1850 mit zwei beachtlichen Werken in dem damals österreichischen ‚Tyrol‘, das immer wieder gern als ‚deutsch‘ bezeichnet wurde. Am Beginn der Tiroler Cusanus-Belletristik steht als frühestes ein „dramatisches Werk“, ‚Äbtissin Verena‘14, in dem der Autor, der juristische Staatsbeamte Hermann von Gilm, Ritter zu Rosenegg (Innsbruck 1812 – 1864 Linz), mit der Äbtissin des Benediktinerinnenstifts Sonnenburg im Pustertal eine historische Figur von besonderem Reiz und kaum überschätzbarer dramatischer Potenz ins Zentrum stellte, wenigstens im Titel. Denn was ‚dramatisch‘ in Bruneck begann, wo von Gilm 1843–1845 arbeitete – das Wohnhaus ist in der Stadtgasse erhalten –, endete dort schon bald kläglich nach 29 Manuskriptseiten eines als „Trauerspiel in fünf Aufzügen“ geplanten Dramas als Fragment, ohne weiteren Wiederbelebungsversuch. Über den ersten Akt mit sieben, allerdings fulminanten Szenen kam „der wortstarke Kampfdichter des schöngeistigen Tirol“15) jedoch nicht hinaus.16) In den ausgeführten Szenen wird die Zeit um 14) Erstveröffentlichung durch den Berliner Germanisten Alois Brandl aus Innsbruck in dessen Archiv für das Studium der neueren Sprachen und Literaturen 157 (1930), 188–215. — Der Text bei Dörrer, Nikolaus Cusanus (wie Anm. 2), 570–584; s. oben, 435 und Anm. 7. 15) Dörrer, Nikolaus Cusanus (wie Anm. 2), 560. Zur politischen Rolle Gilms s. Huber, Florian, Grenzkatholizismen. Religion, Raum und Nation in Tirol 1830–1848 (Schriften zur politischen Kommunikation 23), Göttingen 2016, 283–289. 16) Ders., Gilms verloren geglaubtes Erstlingsdrama (wie Anm. 7), 188–215 (Textabdruck 198– 208). Eine Abschrift befindet sich in der Vintlerschen Hs. zu Bruneck: ‚Die Äbtissin Verena‘, Bruneck 1844. Ein Auszug aus der 3. Szene der ‚Äbtissin Verena‘ (Ein dramatisches Werk), Bruneck

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1451/1453 aufgegriffen, vom Beginn der Auseinandersetzung des Brixener Domkapitels mit dem vom Papst ernannten Bischof Nikolaus bis zur Eroberung Konstantinopels im Mai 1453 (I 5 und 6). Aus der Sicht des Tirolers Anton Dörrer 17) ist dieses Drama ein „rücksichtsloser Endkampf persönlichster Entartung“ (552f.) zwischen dem mit „Haßgefühlen“ gegen Verena erfüllten Kardinal und eben der Äbtissin. Nikolaus wird vom Autor wie von Gleichgesinnten als der Fremde empfunden, was sein Geheimname bei den Tiroler Intellektuellen verrät: der „erste Preuße in Tirol“ (561). Die Stiftsdamen der „Kampfstätte Sonnenburg“, „Roms Tränenquell, de Cusas ew’ger Gram“ (I 1, V. 136), werden vom Autor als „liebestolle“ „brünstige Hindinnen“ und „entweihte Bräute Gottes“ dargestellt (I 3, V. 261f.). Zur dramatis persona scheint die „betrügende“ Äbtissin bestimmt zu sein, nicht Herzog Sigismund, noch der Kardinal, „vor dem Europa, in seinen Sünden winselnd“ lag (ebd., V. 232f.) und – mit misogynem Unterton? – den das Weib, in deren Frauenbrust der Kardinal eine Männerseele herrschen sieht (I 6, V. 489f.), von „des Werks Vollendung“ abhalte (I 3, V. 234f.). Das Trauerspiel endet abrupt im Kreuzgang des Klosters Sonnenburg (I 7, V. 522), bevor die Heldin überhaupt aufgetreten ist. Ihren Antipoden stellt von Gilm im klassischen Dramenvers, dem reimlosen Blankvers18), als sich selbst überschätzenden Macher vor (I 3, V. 229–235): Kardinal. Setzt Euch Ihr Herrn! Ich hab’ es nicht mit Männern, Mit einem Weibe hab’ ich es zu tun. Ich, Kardinal de Cusa, mit den Blitzen Des Vatikans gerüstet, ich, vor dem Europa lag, in seinen Sünden winselnd, Werd’ aufgehalten in des Werks Vollendung Von einem Weib. …

Verena von Stuben (ca. 1410–1472?) war von Geburt und Haus aus nicht Tirolerin. Sie entstammte dem niederadeligen Geschlecht der (Frei-)Herren von Stuben, deren Stammsitz aber schon seit Mitte des 14. Jahrhunderts nicht mehr Burg Stuben im Herzogtum Schwaben war.19) Desungeachtet wurde die Schwäbin, deum 1850, bei Knötig, Sonnenburg im Pustertal (wie Anm. 7), 34–40 (Kap. Verena und Cusanus; 3 2002, 131f.). 17) Anton Dörrer (1886–1968) war Bibliothekar der Innsbrucker Universitätsbibliothek, Volkskundler und schließlich Leiter des Tiroler Landesarchiv in Innsbruck. 18) S. dazu Anm. 48. 19) Familiensitz war seit 1381 Burg Otterswang bei Schussenried in Oberschwaben, den Verenas Vater Hans von Stuben 1429 wieder verkaufte. Zur frühen Biographie der Verena s. Mandrella, Nicolaus Cusanus (wie Anm. 2), 33–35 mit Verweis auf Madersbacher, Lukas, Mord und Memoria. Zum Ursula-Altar der Verena von Stuben aus dem Benediktinerinnenstift Sonnenburg, in: Te-

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ren Geburtsort unbekannt blieb, 1440 Äbtissin von Kloster Sonnenburg.20) Damit wurde sie zu einer politischen Kraft in der Grafschaft Tirol, insbesondere im Hochstift Brixen, in der Trias mit Graf Sigismund dem Münzreichen und Kardinal Nikolaus von Kues, dem Bischof von Brixen. Dass von Gilm sie offensichtlich zur Zentralfigur seines geplanten Trauerspiels machen wollte und eine literarische Figur erfand, die dann ausgangs des 19. Jahrhunderts in Tirol leicht Aufnahme finden konnte, mag daran gelegen haben, dass Verena nach ihrer Migration mit dem Vater (oder später mit der Mutter ?) sich in Tirol ‚naturalisierte‘ und dort so inkludiert wurde, dass sie später mit Südtiroler Amtsträgern und Institutionen kompaktierte. Das mag ihre literarische Weiterentwicklung als Romanfigur durchaus begünstigt haben. Die gut ein weiteres Jahrhundert anhaltende Faszination der historischen wie auch der literarischen Gestalt war jedenfalls ein Südtiroler Phänomen, Marianne Wintersteiners Verena-Roman [19] ausgenommen. Man könnte glauben, dass von Gilms ‚Äbtissin Verena‘ und deren geplante Zentralstellung späteren Autoren als Vorlage für ihre Themen, Motive, Personenkennzeichnung wie auch für die Generalrichtung einer politischideologisierten Sicht gedient hätte, wenn dem nicht entgegenstünde, dass das nur in einer Abschrift erhaltene, lange als verloren geltende Fragment erstmals 1930 veröffentlicht wurde.21) Eigentlich wäre nun über das erste vollendete belletristische Cusanus-Werk zu handeln, von Adolf Heinrich Povinellis epischer Dichtung von 1890 [3]. Der Grund, aus dem dies hier noch nicht geschieht, soll später ersichtlich werden.22) Darum sei hier zunächst das Werk des Innsbrucker Schriftstellers Rudolf Greinz (1866–1942 23) zu dem titelgebenden Thema ‚Äbtissin Verena‘ [4] vorgelesko, Werner/Andergassen, Leo (Hg.), Iconographia christiana. Festschrift für P. Gregor Martin Lechner OSB zum 65. Geburtstag, Regensburg 2005, 125–144. — Zu Verenas Lebensdaten s. Hallauer, Hermann J., Nikolaus von Kues und die Visitation der Abtei Sonnenburg im Jahre 1455, in: Hagemann, Ludwig/Reinhold Glei (Hg.), EN KAI ΠΛΗΘΟΣ. Einheit und Vielheit. Festschrift für Karl Bormann zum 65. Geburtstag (Religionswissenschaftliche Studien 30), Würzburg/Altenberge 1993, 77–99; wieder in: Ders., Nikolaus von Kues, Bischof von Brixen, 1450–1464. Gesammelte Aufsätze, hg. v. Josef Gelmi und Erich Meuthen (Veröffentlichungen der Hofburg Brixen 1), Bozen 2002, 237–255, hier 255f. Anm. 133. 20) AC II 3, Nr. 4044 Z. 15, Anm. 4. — Ihr Abschied von der Sonnenburg erfolgte 1458 (Sept. 15.?), die Amtsübergabe wohl am 24.04.1459; s. dazu unten Anm. 40. — Zu Verena s. auch Watanabe, Morimichi, Cusanus Contemporaries (23): Verena von Stuben (ca. 1414–1472?), in: American Cusanus Society Newsletter XIX,2 (2002), 13–18. — Ders., Cusanus’s Contemporaries (30): Nicholas of Cusa and Verena von Stuben of Sonnenburg, in: ebd. XXVII,2 (2010), 21–29. — Schmidt, Hans-Joachim, Widerstand von Frauen gegen Reformen, in: Klueting, Edeltraut (Hg.), Fromme Frauen – unbequeme Frauen? Weibliches Religiosentum im Mittelalter (Hildesheimer Forschungen 3), Hildesheim u.a. 2006, 143–180 (betr. NvK und Verena von Stuben). 21) S.o. Anm. 14. 22) S.u. 450. 23) Der 1866 in Pradl bei Innsbruck geborene Schriftsteller lebte u.a. auch in Meran und München.

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stellt. Dieser Roman des äußerst produktiven Autors (132 Titel wurden gezählt) vieler, vor allem historischer und (wie so oft, so auch hier) antiklerikaler, kirchenund romkritischer Romane mit betont Tiroler Hintergrund ist wohl das erfolgreichste belletristische Cusanus-Buch überhaupt. Die 191524) in Leipzig erschienene Erstausgabe erlebte in Wien (1953 u.ö.) und München (u.a., 1973 u.ö.) viele Auflagen und immer wieder Neu- und Nachdrucke, vor allem für Buchgemeinden und Lesezirkel, zuletzt noch 2015 in print und als eBook.25) Greinz ist auch als Herausgeber der Gedichte des Hermann von Gilm und Adolf Heinrich Povinelli hervorgetreten.26) Von Greinz wird der Brixener „Kirchenfürst“ Nikolaus als „rückständiger Romantiker“, starrsinniger Fanatiker mit krankhaftem Größenwahn, als ein „fanatischer Gewaltmensch“ und römischer Intrigant gezeichnet (45, 134f.), kurz als „der Ausbund bedrohlichsten Klerikalismus“27), gegen den als „Roms Knecht“ „das Land Tirol“ zu kämpfen hatte. Dann toposhaft: Als Philosoph und Mathematiker sei dieser ein seiner Zeit weit vorauseilender Seher gewesen, ein schöpferischer Geist von erstaunenswerter Fülle, klarem Erfassen und unermüdlicher Kraft. Gegensätzlichkeit bestimmt nach Greinz überhaupt den Charakter des Cusanus, die der Autor im Brixener Gespräch zwischen Bischof und Äbtissin (75–83) durch Verena so analysieren lässt: als Autor von ‚De pace fidei‘ ein Großdenker – im Amtseifer gegen Sonnenburg ein Kleindenker, mild vs. hart, licht vs. finster, und dergleichen mehr. In der Peripetie des Romans schlägt die Cusanische Ambivalenz in puren Hass und den Wunsch um, diejenige zugrundezurichten, die „den Widerspruch seines Wesens“ schonungslos und unversöhnbar aufdeckte. Die bei Greinz mit tiefem, leidenschaftlichem Empfinden (227) in Liebesgeschichten verstrickte Titelheldin Verena wird vom Autor ähnlich widersprüchlich konstruiert: „schwach als Frau“ (NvK 69), treibt sie grausam den Zins ein (174ff.); in größter Not erschlägt sie den bischöflichen Hauptmann Gabriel Prack bei der Erstürmung der Sonnenburg mit einem silbernen Altarleuchter (267f.). — 24) Es ist das Jahr, in dem die moderne Cusanus-Forschung einen Aufschwung nahm: Vansteenberghe, Edmond, Autour de la docte ignorance. Une controverse sur la théologie mystique au XVe siècle (Beiträge zur Geschichte der Philosophie des Mittelalters 14,2–4), Münster i.W. 1915. — Rotta, Paolo, Il concetto di scienza e le nuove intuizioni scientifiche di Nicolò Cusano (Estratto dai Rendiconti 48,7), Pavia 1915. 25) Greinz, Rudolf, Äbtissin Verena. Roman, Leipzig 1915 u.ö.; Wien 1953 u.ö.; München 1973 u.ö. (ich zitiere hier nach einer Lizenzausgabe des Deutschen Bücherbundes Stuttgart); zuletzt Äbtissin Verena. Historischer Roman, Hannover 2015; auch als Kindle-eBook 2015. — Zu Greinz s. auch Mandrella, Nicolaus Cusanus (wie Anm. 2); Dies., Nicolaus Cusanus und Verena von Stuben. Neue Einsichten in ein spannungsreiches Verhältnis, in diesem Band. 26) von Gilm, Hermann, Gedichte (Gesamtausgabe), hg. von Rudolf H. Greinz, Leipzig 1894, 21895. — Povinelli, Adolf Heinrich, Morgenwolken. Gedichte, Innsbruck 1883. Ferner: Ders., Aus meiner Mappe, ausgewählte Gedichte, Wien 1931. 27) Dörrer, Nicolaus Cusanus (wie Anm. 2), 590.

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Als Hoffräulein der Herzogin Eleonore von Schottland hatte sie am Hof in Innsbruck in Liaison mit dem herzoglichen Rat Jobst Rautenkranz gestanden, die jedoch wegen dessen Episode mit der Fischerstochter Afra zur Trennung und eine sublimierende Verena (261) ins Kloster geführt hatte. Nach den Wirren des Klosterlebens und Äbtissinenamts nimmt Verenas Schicksal ein sehr irdisches Happy-End. Nach ihrem Wiederfinden in einer Almhütte können Jobst und sie mit dem Segen der Kirche heiraten, nachdem Papst Paul II. (1464–1471) die Äbtissin von ihrem Gelöbnis entbunden und den Bann des Kardinals über sie gelöst hatte. Ihr Glück finden die beiden zwischen blauem Flieder und roten Rosen auf der Burg, die Herzog Sigismund seinem und ihrem Jugendfreund, jetzt Ritter Jobst Rautenkranz geschenkt hatte. Das Verhältnis nicht nur der Äbtissin zu Nikolaus, dem „Gewaltherrscher von Brixen“ mit diesen „kalten, starren, versteinerten Züge(n) mit den haschenden Falkenaugen“ (261, vgl. 72) ist bei Greinz durch und durch von Verbitterung gekennzeichnet. Die Forderungen der Zeit verkennend, alle Rechte missachtend, bringt der Bischof mit römischer Macht Unfrieden, Hader und Zwist nach Tirol und Auflehnung gegen die Landesfürsten (115ff.). Der Herzog, der den asketischen Bischof „in ehrlichster Abneigung nicht mochte“; dessen Rat Gregor Heimburg, der den Cusanus hasste, der, „geschwätzig wie eine Wachtel, lügt wie ein Kelchdieb“ (235); der Klerus, der Tiroler Adel und auch das Volk, das treu zum Herzog hält, wenigstens teilweise – sie alle stehen ihrem Bischof verbittert und feindlich gegenüber (244, 271). Den langen kirchenpolitischen Streit wird erst der Fürst aller Fürsten 1464 in Todi entscheiden (317). Festzuhalten ist, dass Greinz seiner Zentralgestalt Verena einen starken Cusanus gleichgewichtig gegenüberstellte. Man mag Dörrer kaum widersprechen, wenn dieser in Greinz’ Roman eine „schöngeistige Entstellung des urkundlichen Tatsachenmaterials“ erkennt28, durch fiktiv eingeführte Tiroler Figuren und Ereignisse, so die Fischerstochter Afra Fridung und den Jörg Teufelhart von Enneberg; aber auch den fiktiven Tod Gabriel Pracks29 von der Hand Verenas, Namen und Ereignisse, die man in den ‚Acta Cusana‘ nicht findet. — Nicht unerwähnt sollen gekonnte atmosphärische Landschafts- und Wetterschilderungen bleiben, auch nicht die anmutigen, detailreichen Kennzeichnungen von Personen, Interieurs und Ambiente. Bei Greinz tauchte 1915, soweit ich sehe erstmals in der schöngeistigen Cusanus-Literatur, die pikante Kennzeichnung der Äbtissin Verena als die „Jezabel von Sonnenburg“ auf (49, 79), die in der wissenschaftlichen Literatur allerdings schon längst bekannt war.30) Die perniziöse Identifikation Verenas mit der alttestament-

) Ebd. ) Zu Prack s. die Registereinträge in AC II 7, 2059 s.v. Gabriel Prack. 30) S.u. Anm. 37. 28 29

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lichen Jezabel31) der ‚Reges‘-Bücher32) wurde von den späteren Roman- und Schauspiel-Autoren gern aufgegriffen, von Anton Schwingshackl (1979), Marianne Wintersteiner (1981), Heiner Martini (1986) und Peter Kropp (1990/97).33) Wenn der Name Jezabel zur Kennzeichnung einer Frau verwendet wird, schwingt all das mit, wofür die ‚falsche Prophetin‘ des Alten Testaments steht: eine fremdartige, unzüchtige, hinterhältige, boshafte, verderbte Frau.34) Hermann Hallauer spricht von ihr als „einer femme fatale des Alten Testaments“.35) Ähnlich wird das auch Nikolaus von Kues gesehen haben, als er am 9. September 1454 aus Brixen dem Tegernseer Prior Bernhard von Waging über die Rebellion der „Yezabel“ und anderer gegen ihn berichtet. Aber weder Cusanus noch der Verena-‚Biograph‘ Greinz könnten Anspruch auf Originalität bei der Verwendung des JezabelBildes für sich beanspruchen. Denn respondierend griff Nikolaus die Kennzeichnung auf, die Bernhard in einem Brief an ihn Mitte April desselben Jahres wohl zuerst benutzt hatte, als er auf die beiden Jezabel zu sprechen kam: auf die eine, die bestia horrenda auf dem Berg (sc. in monte Carmeli, 3 Kön. 18,19) und in monte altero Jezabel altera, die Jezabel in Sonnenburg. In den ‚Acta Cusana‘ findet man jetzt reich dokumentiert36), was sich so in etwa bei Albert Jäger, Vinzenz Gasser und seit 1915 auch bei Edmond Vansteenberghe37) findet.

31) ‚Jezabel‘ nach der Septuaginta, ‚Hiezabel‘ nach der Vulgata; sonst auch ‚Yezabel‘, ‚Isebel‘. — Der hebräische Name Isebel soll soviel bedeutet wie ‚Wo ist der Fürst?‘ — Jezabel war die Frau des israelischen Königs Ahab. Die Königstochter aus Tyrus und Anhängerin des Baal-Kultes galt in Israel wegen ihrer Abstammung und ihres Götzenkults als fremdartig; bekämpft wurde sie besonders vom Propheten Elija. Ihr Schicksal war herb: Sie wurde als Götzendienerin und wegen Unzucht defenestriert. — Eine Prophetin der ‚Apocalypse‘ mit dem Symbolnamen Jezabel galt als falsche Prophetin (Apk. 2,20–23). Der beiden gemeinsame Name wurde assoziativ zum Synonym für eine hinterhältige, boshafte, verderbte Frau (nach Frenzel und KLL, wie Anm. 51f.) — Zur ‚Jezabel‘ s. auch Mandrella (wie Anm. 2), 33, sowie Dies. in diesem Band. 32) 3 Kön. 16,31; 21,25; 4 Kön. 9,7,10,36f. u.ö. 33) Schwingshackl, Anton, Nikolaus Cusanus. Roman, Wien – München 1979; Wintersteiner, Marianne, Verena und der Kardinal, [Roman], Innsbruck/Wien/München 1981; Mühlacker/Irdning (Steiermark) 21994; Rosenheim 2006. Martini, Heiner, Der Krebs in der Reuse. Nikolaus von Kues, Trier 1986; Kropp, Kardinal (wie Anm. 56; 1990/1997). 34) S.o. Anm. 31. 35) Hallauer, NvK und die Visitation (wie Anm. 19), 78 (ND 238). 36) AC II 3, Nr. 4103 Z. 10–14. — AC II 2, Nr. 3923 Z. 48–53; s. auch den Brief des NvK an Bernhard von Waging vom 28. Juli 1455, AC II 4, Nr. 4450 Z. 19–25 über die Absetzung und Exkommunikation der Jezabel de Sunnenburg … propter rebellionem. 37) Vgl. z.B. Jäger, Albert, Der Streit des Cardinals Nicolaus von Cusa mit dem Herzoge Sigmund von Österreich als Grafen von Tirol. Ein Bruchstück aus den Kämpfen der weltlichen und kirchlichen Gewalt nach dem Concilium von Basel, 2 Bde., Innsbruck 1861, Bd. I 130f., 153. — Gasser, Vinzenz, Das Benediktinerinnenstift Sonnenburg im Pustertal, in: Stud.Mitt.OSB 9,1 (1888), 39–56, hier 51, 53 [„Jetzabel (Abatissa in Sonnenburg)“]. — Vansteenberghe, Autour (wie Anm. 24), 137 Anm. 2, 149, 160.

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Die beiden Verena-Werke des Hermann von Gilm und Rudolf Greinz wurden ihrer Personenzeichnung, Motive und Wertungen wegen hier so ausführlich gewürdigt, weil diese sich so oder ähnlich bei weiteren Autoren wiederfinden. Das soll im Einzelfall aber nicht heißen, dass deren Werke anderen, hier zu besprechenden Autoren als Quelle oder Vorlage gedient hätten, wenn das auch nicht in allen Fällen auszuschließen ist. Gesicherte quellenkritische Kenntnisse darüber bedürften noch intensiver Nachlass- und Archivstudien, die hier aber nicht zu leisten waren. Anders als bisher wahrgenommen, zeichnet eine der beiden Autorinnen, die sich dieses ‚Frauenthemas‘ angenommen haben, das Verhältnis der zwei zentralen Figuren zueinander. In den 16 Kapiteln ihres Romans ‚Verena und der Kardinal‘ (198138) behandelt die aus dem Sudetenland stammende Schriftstellerin Marianne Wintersteiner 39) geb. Portisch (1920–2003) in der Hauptsache die sechseinhalb Brixener Jahre von der Ankunft des Nikolaus von Kues dort Anfang April 1452 bis zum Abschied der Äbtissin von der Sonnenburg Ende 1458.40) Die ersten drei Kapitel behandeln Verena in den Jahren 1444 bis 1450, zuvor ihr Zuhause mit der Episode des altgewordenen Oswald von Wolkenstein d.Ä., mit dem sie wegen Konrad, ihrem Jugendgeliebten, nach Innsbruck aufbricht, wo sie am Hof Herzog Sigismunds Aufnahme und Anstellung als Hofdame findet. Es folgen das Noviziat im Kloster Wilten, ein Klosteraufenthalt in Innsbruck (32, 37), der Wechsel nach Kloster Sonnenburg und die Weihe zur Äbtissin dort. Auf Wintersteiners Angaben und Datierungen ist kein Verlass; die Weihe erfolgte beispielsweise bereits 1440.41) Wie der Romantitel schon signalisert und das Präludium zum Hauptthema unterstreicht, steht Verena in der Darstellung der Beziehung zwischen ihr und dem Kardinal – anders als zuvor bei Schwingshackls ‚Nikolaus Cusanus‘ – selbstverständlich primo loco, während der im Titel namenlos bleibende „Kardinal“ auf seine fürstbischöfliche Funktion reduziert wird und erstmals auf Seite 69 erscheint. Der Dritte im Bund der kirchlich-politischen Ménage, Graf Sigismund von Tirol, wird hier gar nicht erst erwähnt. Bei der ersten Begegnung mit Nikolaus in Brixen42) tritt Verena ein in ihrer Wahrnehmung „nicht großer und noch nicht alter Mann mit einem hageren, klugen Kopf“ entgegen, der sein Gegenüber seinerseits so wahrnimmt: „Was für ein ) Wintersteiner, Verena (wie Anm. 33). ) Wintersteiner ist vor allem als Autorin historischer Frauenromane und -biograpien hervorgetreten, u.a. über Katharina von Bora, Lola Montez, Bertha von Suttner, Anna Magdalena Bach, Lou von Salomé; außerdem mit Heimatromanen. 40) 15. September (?); vgl. AC II 6, Nr. 5748. „Die endgültige Amtsübergabe dürfte am 24. April 1459 erfolgt sein.“ (Freundliche Mitteilung von Thomas Woelki vom 08.04.2021). 41) AC II 3, Nr. 4044 Z. 15 mit Anm. 4. 42) AC II 1, Nr. 2602 (vor dem 26.05.1452). 38 39

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junges und schönes Weib, … Aber ihre Augen gefallen mir nicht. Sie brennen in einem Feuer, das einer Dame nicht geziemt, erst recht nicht einer Nonne. Sie trägt den Kopf hoch und steil und starrt mich an, als wäre ich ein Unikum.“ (69) Kein Jahr später weist die junge Schöne auf ihre Körperschwäche und Gebrechlichkeit hin (von leibz bloedichait).43) — Fiktionalität bestimmt insgesamt den Roman der Wintersteiner, auch bei scheinbar historischen Daten, Bestimmungen und den zahlreichen ‚Exzerpten‘ aus fiktiven Briefen und Tagebüchern in pseudo-historisierender Sprache. Der Roman der mit Geschichte und Land Tirol nicht hinreichend vertrauten Autorin strotzt vor falschen und absurden Mitteilungen.44) Ein Fazit: Auch ohne die Friktionen mit dem Bischof von Brixen wäre die Äbtissin der Sonnenburg wohl in die Annalen des Benediktinerinnenstifts als tatkräftige Sachwalterin der Stiftsinteressen eingegangen, aber wohl kaum in die kirchenund landespolitische Geschichte des Bistums Brixen und der Grafschaft des späteren Landes Tirol. Die Bedeutung, die Verena von Stuben durch die literarische Primärstellung in der belletristischen Cusanus-Literatur erworben hat, erscheint so als eine von der größeren kirchenpolitischen Bedeutung des Bischofs Nikolaus geliehene. Maria Veronika Rubatscher (1900 Hall in Tirol – 1987 Brixen), Volksschullehrerin, dann als freie Schriftstellerin Autorin völkisch-deutsch-nationaler, teils auch frömmelnd-kirchlicher Romane und Erzählungen, hat von einem offensichtlich um 1954 geplanten, aber nicht ausgeführten Roman ‚Cusanus und Verena‘ nur ein kurzes Textstück veröffentlicht: ‚Die denkwürdige Brautnacht‘45) – eine psychologisierende Darstellung der „‚Braut“, das heißt „die neugewählte und geweihte Äbtissin, in diesem Falle Verena von Stuben“, die traditionell die erste Nacht nach der Wahl mit der Chronik der Abtei in der Totengruft ihrer Vorgängerinnen verbringt, die „mannhafte Fürstin“ und „streitbare Frau von Sonnenburg“, deren zukünftiger Streit mit dem, „der da kommen sollte“, dem noch fernen Nikolaus von Kues, der „hohen Leuchte aller Wissenschaft und Gottesgelehrtheit“, am Ende nur angedeutet wird, wie immer in alter- und deutschtümelnder Sprache, wenn etwas besonders echt wirken soll. — Ein kurzes Fazit: Aufgrund eines allerdings nur flüchtigen Eindrucks der ‚Probe‘ wird man kaum geneigt sein

) AC II 1, Nr. 3076 Z. 12. ) Zum Beleg nur ein paar Beispiele: Datierung von ‚De ludo globi‘ auf 1452 (84); Bruneck von der Sonnenburg aus zu sehen (96f.); Beteiligung des öfters als „Fürsterzbischof“ titulierten, damals erst sechzehnjährigen Nikolaus’ von Kues an der Verurteilung des Jan Hus und der Urteilsvollstreckung in Konstanz (111); Verenas angebliche Heimkehr nach „Schloß Stuben“, das seit über 100 Jahren nicht mehr Stammsitz der Familie war (191f.), obwohl ihr Geburtsort unbekannt blieb und sie ihren Lebensabend auf der Sonnenburg beschließen konnte. 45) In: Dolomiten. Südtiroler Tagblatt 1964, Nr. 52, 9 (Probe). Zur Datierung der Arbeit am Roman um 1954 s. Dörrer, Nikolaus Cusanus (wie Anm. 2), 591. 43 44

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anzunehmen, dass der Cusanus-Belletristik ein großer Wurf der Autorin46) entgangen ist, die wegen ihres bewegten, widersprüchlichen Lebens recht umstrittenen war und zeitweise NS-Deutschland ideologisch nahestand. Soweit zu den vier literarischen Verena-Werken, die den Namen der Sonnenburger Äbtissin im Titel tragen und, wie festzuhalten ist, schon damit einen spezifisch österreichisch-tirolerischen Blickwinkel auftun. Bevor wir uns dann den literarischen Texten zuwenden, in denen die Brixener Jahre des Nikolaus von Kues auf der Grundlage und im Rahmen einer mehr oder weniger umfassenden Biographie zur Sprache gebracht werden, seien noch zwei andere Werke behandelt, das bereits erwähnte Epos Povinellis und ein deutsches Schauspiel von Peter Kropp. Dass Adolf Heinrich Povinellis (1861–1939) epische Dichtung [3] als zweitältestes, aber, soweit bekannt, erstes vollendetes belletristisches Werk zu Cusanus47) erst hier vorgestellt wird, liegt an der schon aus dem Titel ersichtlichen Besonderheit: ‚Ahasverus in Tyrol‘. Der aus Innsbruck stammende Povinelli, Versicherungsbeamter zunächst in Paris, dann in Wien, Autor vieler Romane und Gedichte, legte mit seinem Erstlingswerk eine „Epische Dichtung aus düsterer Zeit“ vor. In 18 lebhaften, nicht selten derben „Bildern“ samt „Vorgesang“ und „Schluß“ behandelt er in ca. 6500 ungereimten fünfhebigen Jamben- oder Blankversen48), also im selben Versmaß wie zuvor Hermann von Gilm seine ‚Äbtissin Verena‘, „fließend und markig“, wie es in einer Rezension hieß, nur zwei Brixener Jahre, die von der angeblichen Belagerung des Stifts Sonnenburg durch Truppen des Nikolaus von Kues bis zu dessen Festsetzung auf seiner Burg Bruneck (sc. Anfang April 1458 bis Mitte April 1460). Verena von Stuben und Nikolaus von Kues samt Entourage werden von Povinelli im Rahmen einer großangelegten Tyrol-Aventure Ahasvers inszeniert. Wenn ‚Tyrol‘ für Ahasver, „den alle Welt den ew’gen Juden schilt“ (269 49), auch nur eine Episode in der 2000jährigen Leidensgeschichte seiner ewigen Irrfahrt ist, dann beschreibt das Epos zugleich auch eine multiperspektivisch gesehene historische Episode Tirols „aus düsterer Zeit“; gemeint ist das Ende des Mittelalters und der Ansturm der Türken auf Wien. Und für die beiden kirchlichen Kontrahenten wird diese düstere Zeit episodenhaft zum Kulminationspunkt ihrer Kontroverse. 46) Lexikon Literatur in Tirol. Tiroler Autorinnen und Autoren vom 19. Jahrhundert bis zur Gegenwart, (31.01.2021), s.v. Rubatscher, Maria Veronika. 47) Povinelli, Adolf Heinrich, Ahasverus in Tyrol. Epische Dichtung aus düsterer Zeit, Leipzig 1890; Wien 21892. 48) ‿ ´_‿ ´_ ‿ ´_‿ ´_ ‿´_( ‿ ), wie in Wilhelm Tell, z.B. Vers 1514: „Die Áxt im Háus erspárt den Zímmermánn“. 49) Vom biblischen Namen ‚Assverus‘ (s. 1 Esra 4,6; Esther 1,1; Dan. 9,1) für den persischen König Artaxerxes (5. Jh. v.Chr.) wurde um 1600 Ahasverus zum Namen eines Juden, der nach einer italienischen Volkssage des 13. Jahrhunderts zur Strafe für seine Verspottung Jesu auf dem Kreuzweg zu ewiger Wanderschaft verurteilt wurde.

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Povinelli griff den Mythos Ahasver 1890 nicht von ungefähr auf. Denn dieser war im 18. und 19. Jahrhundert literarisch in Mode gekommen, vor allem nachdem 1846 der Bonner Germanist Karl Simrock das ‚Volksbuch vom Ewigen Juden‘ (1602) neu herausgegeben hatte.50) Ahasver wurde dann bald mit historischen Gestalten der Antike und der Bibel in Verbindung gebracht und damit Thema der Weltliteratur.51) So in zwei dänischen Ahasver-Dichtungen, der des Hans Christian Andersen, der Ahasver mit Christus in Israel und mit Kolumbus in Amerika umherziehen ließ (1846), und der Ahasver des Frederik Paludan-Müller von 1854 mit Christus, Antichrist und Pontius Pilatus52); oder der ‚Ahasverus in Rom‘ (1865) des niederösterreichischen Schriftstellers Robert Hamerling, der Kaiser Nero mit Ahasver identifizierte; das Libretto zu Richard Wagners ‚Der fliegende Holländer‘ (1841) gehört ebenso dazu wie eben Povinellis AhasverDichtung. ‚Ahasverus in Tyrol‘ – Der Titel, der die beiden Akteure von Brixen und der Sonnenburg zugunsten des Hauptakteurs in den Hintergrund treten, ja im Verborgenen bleiben lässt, deutet jedenfalls schon darauf hin, was sich als Povinellis Hauptmotiv erweisen wird, der Befreiungs- und Freiheitsprozess Tirols an historischen Orten (27–39): „Innsprugg“ und Kloster Sonnenburg, dem „Minnehof“ und „Hort verschmähter Liebe“ (31), desweiteren Brixen, Bruneck, Sterzing und viele Nebenschauplätze mehr, an denen historische Figuren agieren – so der wehrtüchtige und prunksüchtige Herzog und Graf Sigismund der Münzreiche mit seiner Frau, der Herzogin Eleonore von Schottland; die Sonnenburger „Klostervettel“ Verena (30f.) und der „Brixner Pfaffe“ Bischof Cusa, „der herzlos stets sich zeigte“, der „Kardinal, der ketzerisch hier stört des Klosters Frieden!“53); Jobst von Hornstein (31), Verenas Schwager, der „ungestüme … wilde“ Enneberger Amtmann Gabriel Prack (38), aber auch viele fiktionale Gestalten. Naturschilderungen und viel Seelenpsychologie retardieren immer wieder die auf verwirrend vielen Ebenen spielenden Handlungsstränge. Es ist interessant zu erfahren, wie Ahasver in der fiktionalen Liebesgeschichte zugunsten Tirols aktiv werden kann. Verena – „Zur Herrscherin ist sie geboren“ (30) – gewährt Hilde und deren Mutter nach altem Vorrecht des Klosters Sonnenburg Asyl (35f.) vor der Verfolgung durch den Brixener Kanzler. Dieser hatte die

50) Kurtze Beschreibung vnd Erzehlung von einem Juden / mit Namen Ahaßverus, Bautzen u.a. 1602. — Von einem Juden aus Jerusalem mit Namen Ahasver …, hg. v. Karl Simrock (Die deutschen Volksbücher 6), Frankfurt am Main 1847. 51) Zum Ahasver-Stoff s. Frenzel, Elisabeth, Stoffe der Weltliteratur, Stuttgart 102005, s.v. Ahasverus. 52) Kindlers Literatur-Lexikon 1 (1982), 843f. s.v. Ahasverus. 53) „Dem Cusa gilt es, diesem starren Mann, / Der nichts in sich hat, als die Tyrannei / Und jenen Pfaffenhochmut, den wir kennen.“ (236).

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beiden als Hexen54) zum Feuertod verurteilt, vor dem Guntram sie mit Ahasvers Hilfe bewahren konnte. Das bringt den Brixener Bischof auf den Plan, der eine Belagerung der Sonnenburg veranlasst. Nach dem Sieg, den dessen Enneberger Truppen über die betrunkenen und verkaterten Söldner der Verena erringen, kommt es zum Waffenstillstand, nicht ohne dass Ahasver Hilde vor einer noch nicht vollzogenen Vergewaltigung wieder einmal retten kann (66–77). Povinelli lässt mit multilokalen Kleinzentren einen expandierenden literarischen Tiroler Kosmos entstehen. Unter den Cusanus-Dramatikern ist er mit seiner Phantasie und partiellen Historizität, mit Politpropaganda, aber auch mit den diversen Liebesgeschichten – das alles und mehr eingebettet in den phantastischen55) Weltmythos des ‚Ahasver‘ – der wohl ambitionierteste Autor, der die historischen Gestalten Nikolaus von Kues und Verena von Stuben in einen fiktional-phantastischen Kosmos transferiert, dem zu entkommen der Autor den beiden keine Chance einräumt. — Bei aller phantastischen Dramatik ist Povinellis ‚Ahasverus in Tyrol‘ nicht für die Bühne geschrieben worden – es gibt keine Rollen und keine Regieanweisungen –, sondern eher für Rezitatoren. Der „Schutzgeist“ (254) Ahasver spielt in den ‚Aventüren‘ die Rolle des Schicksals für das fiktive Liebespaar Guntram und Hilde, das dann im Kampf zwischen dem Bischof und der Äbtissin eine Rolle spielt. Ahasver, dem selbst nicht zu helfen ist, tritt immer wieder als deus ex machina auf, um dem Paar zur Hochzeit und zum verdienten Happy-End zu verhelfen. Aber nicht nur diesen beiden, sondern „als Warner und als Retter“, ganz Tyrol (37, 66–77), Und von Tyroler Stirnen Freiheit auch Erglänzt in mildem Strahle; … Und steht einmal der Riese mündig da, So darf er sich mit seinen Bergen messen. Sie fragen kühn: „W o l iegt e in Me hr vo n Kra ft ?“ (270f.)

Später hat Povinelli seine künstlerische und politische Heimat im Bund ‚JungTirol‘ gefunden, einer 1899 gegründeten kulturellen Vereinigung freiheitlich-liberaler, antiklerikal-antirömischer und alldeutsch gesonnener Tiroler Dichter. Dass auch Rudolf Greinz diesem Bund angehört habe, beruht auf einer Verwechslung 54) Zum historischen Hintergrund: Hexen in Buchenstein 1453 s. AC II 2, Nr. 3775. — Ladinische Hexen aus dem Fassatal s. NvK, Sermo CCLXXI (Brixen, 6. März 1457), h XIX 6, ed. Riemann, Nr. 1, Nr. 14–19, 492, 497ff.; AC II 5, Nr. 5165; s. auch unten, Anm. 75. 55) ‚Ahasverus in Tyrol‘ stellt eine am Aschermittwoch im Traum erlebte Geschichte dar, die der ‚Fantasy‘-Autor nach der Fastnacht in einer alten Eremiten-Höhle träumt, in der schon bald Ahasver und dann auch noch Satan, der „Gewaltige der Hölle“, sich einfinden. In einem Pergamentband des längst verstorbenen Klausners findet der Erzähler das Fragment von dessen Jugend- und Liebesgeschichte, deren Stoff er erfassen und „zu lebensvollem Sein“ gestalten wird (13; vgl. 270).

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mit dessen Bruder Hugo Greinz, dem Herausgeber des Musenalmanachs ‚JungTirol‘ (1899). Anders als Povinellis Ahasver-Figur sind weder Verena noch Nikolaus literarische Weltfiguren geworden. Ihre historischen Vorbilder waren das auf politischer Ebene ja auch nicht. Mit ihrem ganzen Ambiente blieben sie literarisch mehr oder weniger Lokalhelden, beziehungsweise Regionalfiguren, die allerdings durch den Bezug des Brixener Bischofs und Kardinals zur römischen Universalkirche eine gewisse Überregionalität und eine damit einhergehende überregionale kirchenpolitische Bedeutung erlangten. Vor der Darstellung der Romanliteratur zu Cusanus ist noch ein letztes Bühnenstück vorzustellen, Peter Kropps (1916–2014) ‚Nikolaus Cusanus, Kardinal und Bischof oder die Versuchungen der Macht‘. Das ungedruckte Schauspiel des als Pädagoge und Schulrektor im In- und Ausland tätigen Autors mehrerer historischer Theaterstücke, u.a. zu Thomas Morus, liegt nur im Typoskript vor, allerdings in zweifacher Fassung.56) In der umfangreicheren Erstfassung von 1990, an die ich mich hier halte, behandelt Kropp in vier Bildern (oder Akten) eine schicksalhaft entscheidende Dekade des Nikolaus, die Periode von der Erhebung zum Kardinal im Dezember 1448 und der „Kardinalsweihe“ (37) im Januar 1450 (Bild I) bis zu dem letzten Aufenthalt in Tirol und der endgültigen Abreise des gescheiterten Bischofs zur Kurie nach Rom (Bild IV57) mit den dramatischen Episoden der Belagerung und Besetzung von Stadt und Burg Bruneck durch Herzog Sigismunds Truppen, Gefangennahme des Nikolaus und Unterzeichnung seiner Kapitulation. Am Ende erklärt der Gescheiterte – „die liebgewordene Stadt, das Land, die Freunde“ grüßend, „auch die, die mich nicht wollten und nicht mögen“, – euphemistisch die Absicht, nach Brixen zurückzukehren (174). — Bild II stellt die Ernennung zum Bischof von Brixen vor und – „Heissa und lustig soll’s gehen.“ (67) – die mit viel Tamtam und Trara gewürzte Bischofsweihe in Rom: „Der Tanz macht müde Männer munter“, (nicht die „Milch“ der 1950er Jahre). Dass mit der Bischofsernennung durch den Papst der „Konflikt zwischen staatlicher und kirchlicher Gewalt“ bereits vorprogrammiert war, und zwar ‚bifokal‘, mit Rom und Brixen, mit Bischof und Papst, ist dem Tiroler Grafen und österreichischen Her-

56) Kropp, Peter, Der Kardinal aus Kues. Schauspiel in 4 Bildern, o.O. & J. [Monzelfeld 1990/1991?], 175 S. Ich benutzte das in der Erzbischöflichen und Diözesan- und Dombibliothek Köln aufbewahrte Exemplar. Eine überarbeitete und gekürzte Bühnenfassung (Monzelfeld 1997): Nikolaus Cusanus, Kardinal und Bischof oder die Versuchungen der Macht. Schauspiel, o.O. & J. Beide Versionen unveröffentlicht, daktylographische Manuskripte. 57) AC I 2, Nr. 776ff., Nr. 863. — Zu den Ereignissen von Anfang Februar bis Ende April 1460 s. demnächst AC III 2, zu denen der Jahre 1452–1458 s. jetzt AC II.

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zog klar (94): „Wir sind das Volk58), wir sind die Kirche!“ (41, 96, 94). Damit zeigt der Autor ‚historisches Bewußtsein‘, das er einer seiner Quellen verdankt59), wenn auch einiges anachronistisch und nicht immer historisch exakt gerät: den Fürstentag zu Mantua 1459 verlegt er in das Jahr 1454 (139); ‚De ludo globi‘ ist früh im Jahr 1460 schon zitierbar (152ff.). — Bild III behandelt ausgiebig den Empfang des Kardinals in Bernkastel Ende 1451 (AC II, Nr. 1983). — Kropps Schauspiel zeigt in den vier Bildern exemplarische Schlüsselereignisse der zehn Jahre, episodierend und diskontinuierlich an den Schauplätzen Rom, Bernkastel, Brixen (auch mit Hinweis auf „eine Jetsabel“, 152), Bruneck und erneut Rom. Dass der Hunsrücker Kropp sich der ‚Theatergruppe Abendrot‘ seines ‚Heimatverein Monzelfeld e.V.‘ eng verbunden fühlte und mit dieser Truppe sein Bühnenstück ‚Der Kardinal‘ sechsmal in dem kleinen, zur Verbandsgemeinde Bernkastel-Kues gehörenden Ort Monzelfeld aufführte, wäre nicht der Erwähnung wert, wenn sich daran nicht Phänomene wie Liebhabertheater, Laienspiel und lokalpatriotisches Volksschauspiel zeigen ließen, die Lokalgeschichte und Lokalhelden auf die Bühne stellen. Gut 150 Jahre früher hatte Hermann von Gilm das Tiroler Pendant ‚Die Äbtissin Verena‘ mit dem ‚Casino-Theater‘ des ‚Verein zum geselligen Vergnügen‘ auf die Provinzbühne in Bruneck gebracht.60) Wo ein lebendiges lokales Geschichtsbewusstsein, eine lokale Theatertradition und lokale Autoren und Regisseure zusammenkommen, gibt es eine Keimzelle für solch historische, historisierende oder auch fiktionale Theaterproduktionen. Es wäre demnach kaum überraschend, wenn sich herausstellte, dass andernorts weitere Cusanus-Stücke aufgeführt wurden und bisher unerkannt in Nachlässen, Bibliotheken oder Archiven erhalten wären, vor allem im Tiroler und Trierer Raum. — In diesem Zusammenhang kann hier auf theatralische Momente in Jul Bruno Laners ‚Bilder aus der Geschichte Tirols‘ [16] und Philipp Stegers Toleranz-Schauspiel ‚De Pace Fidei‘ [24] nur hingewiesen werden.

58) So Kropp 1990 nach dem politischen Ruf in der DDR 1989, der auf Georg Büchner, Dantons Tod (1835) und Ferdinand Freiligrath, Trotz allem (1848) zurückgeht: . 59) Kropp nennt neben Lübke, Anton, Nikolaus von Kues. Kirchenfürst zwischen Mittelalter und Neuzeit, München 1968, vor allem (z.B. 41, 98 und zwischen 138/139) Baum, Wilhelm, Nikolaus Cusanus in Tirol. Das Wirken des Philosophen und Reformators als Fürstbischof von Brixen (Schriftenreihe des Südtiroler Kulturinstitutes 10), Bozen 1983. 60) Dörrer, Nikolaus Cusanus (wie Anm. 2), 560–565. Ders., Gilm und Bruneck. Bilder aus Hermann von Gilms Brunecker Zeit (1843/45). Mit 13 Bildern, in: Brunecker Buch, Innsbruck 1956, 219–247.

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5. Cusanus-Romane des 20. Jahrhunderts Die Romanform dominiert die belletristische Cusanus-Literatur. Wenn auch nur zwei Autoren ihre Romane eigens als historische Romane deklarierten, so handelt es sich doch weitgehend um Historische Romane im Sinne von ‚Formen der Geschichtsdichtung‘.61) Dass wir es dabei überwiegend mit deutschsprachigen Romanen zu tun haben, wird auch kaum überraschen. Von den erfassten 20 Romanen stammen 17 von deutschsprachigen Autoren, 13 von deutschen und vier von österreichischen Verfassern (allein drei aus Tirol62), deren Romane überraschenderweise nicht in Bozen, Brixen oder Innsbruck, sondern in Wien veröffentlicht wurden. Hinzu kommen zwei francophone Romane aus Paris und Québec und ein finnischer aus Helsinki. — Ein gemeinsames Kennzeichen fast aller Romane ist, dass ihre Autoren weder die „Aufzeichnungen“, auf die sie sich bisweilen berufen, noch Vorlagen für fiktionale Partien (wie solche mit der Jezabel) benennen, erst recht nicht die Quellen für die angeblich historischen (oder historisierenden) Teile ihres Werks, die drei ‚postmodernen‘ Romane des 21. Jahrhunderts ausgenommen ([25], [28], [29]). Nachdem die Romane von Rudolf Greinz, Marianne Wintersteiner und Maria Veronika Rubatscher aus gegebenem Anlass schon behandelt wurden, sollen jetzt weitere vorgestellt werden. Zunächst der Roman ‚Schicksal und Liebe des Niklas von Cues‘ des ostpreussischen Gymnasiallehrers und Schriftstellers Hans Künkel (1896–1956 63), der 1936 den „Volkspreis für Deutsche Dichtung“ der Wilhelm-Raabe-Stiftung für den erfolgreichen Roman erhielt (erste Auflage weit über 50.000 verkaufte Exemplare). Dieser behandelt episodenhaft das Leben „des Niklas von Cues“ vom Beginn „Im Moselland“ bis zur „großen Beichte“ 1464 in Todi. Im XVI. Abschnitt mit dem Titel ‚Verena‘ (340–420) werden wichtige Themen und Ereignisse der Brixener Zeit Verena-zentriert behandelt.64) Nach Ansicht des Autors, die er mit anderen Autoren vor und nach ihm teilt, setzte die Äbtissin nur den langen, verhängnisvollen Kampf des deutschen Tiroler Adels und deut61) von Wilpert, Gero, Sachwörterbuch der Literatur, Stuttgart 71989, 378 s.v. Historische Erzählung. 62) Neumayr, Elisabeth/Mühlberger, Günter/Habitzel, Kurt, Tirol im Historischen Roman. Eine kommentierte Bibliographie (1792–1945), in: Holzner, Johann/Putzer, Oskar/ Siller, Max (Hg.), Literatur und Sprachkultur in Tirol. Festschrift für Notburga Wolf (Innsbrucker Beiträge zur Kulturwissenschaft. Germanistische Reihe 55), Innbruck 1997, 339–358, verzeichnen bis 1945 nur drei historische Romane (Greinz [4], von Selchow [8], Künkel [9]). 63) Künkel, Hans, Schicksal und Liebe des Niklas von Cues. Roman, Leipzig 1936 (435 S.); Stuttgart 21949 (442 S.); zu Künkel s. Scheidegger, Arnold, Gestalten der deutschen Geistesgeschichte im deutschen biographischen Roman des 20. Jahrhunderts, Diss. phil., Zürich 1947, 12, 21, 29–33. 64) Thematisiert unter den Untertiteln Sonnenburg – Der Bann – Andraz – Der Kampf um das Sakrament – Das Gericht.

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scher Frauen gegen die Kirche in Brixen und gegen die kirchlische Hierarchie fort. Der unbekümmerten Verena steht, wie meist, ein Frauen und dem Adel gegenüber leicht unsicher wirkender Fürstbischof gegenüber, den die Äbtissin sowohl zu spiritualisieren als auch offenbar zu erotisieren vermag (348ff.) und die im Dilemma zwischen Herrschaft und Herz den liebt, der sie verfolgt (361). Um „der himmlischen Liebe, die er zwischen sich und ihr ersehnte, und zu der sie nicht gelangen konnten“, Ausdruck zu verleihen, lässt Künkel Nikolaus von Kues 1454/55 eine „Unterredung zwischen Magdalena und einem Christen“ schreiben (355–358), die in Wahrheit Teil einer von diesem am Maria-Magdalena-Tag 1431 (22. Juli) in Koblenz (?) gehaltenen Predigt ist.65) — Dass die Treffen der beiden bisweilen auf Augenhöhe Agierenden so nicht stattgefunden haben kann und Nikolaus den Traktat ‚De visione dei‘ nicht für Verena schrieb, sondern dem Abt und den Mönchen der Tegernseer Benediktiner widmete, muss eigentlich nicht mehr erwähnt werden. Gleichwohl wird die Äbtissin als Leserin seiner Schriften vorgestellt, denen sie sich verbunden fühlt. Künkels Verena-Darstellung gewinnt dann bald dramatische, ja tragische Züge. Alles, was sie anging, „entwickelte sich mit furchtbarer, unentrinnbarer Notwendigkeit“. Und was Nikolaus angeht, der für die Äbtissin zunächst „so hart wie weise ist“, analysiert diese ihn schon bald, wenn sie den jungen Cusanus der Konzilszeit gegen den alten, müden Kardinal und Bischof ausspielt – eine Sicht, die diesem selbst nicht fremd sei –, als rundum resigniert (361, 369–371). In der Darstellung seiner beiden Hauptfiguren, denen im Kampf miteinander „ein unerbittliches Schicksal zugemessen“ ist (382), zeigt sich bisweilen Inkonsistenz und Widersprüchlichkeit, die nicht etwa in Widersprüchlichkeiten ihrer Charaktere, sondern in deren Kennzeichnung durch den Autor begründet sind. In dem kurzen Roman ‚Licht im Strom‘66) stellt der aus Niederösterreich stammende Wiener Soziologe, Schriftsteller, Komponist und Musiklehrer Walther Schienerl (1898–1961) kurz nach dem Zweiten Weltkrieg die Jahre von der Ernennung des Römischen Kardinals Nikolaus zum Bischof von Brixen bis zu dessen erster Abreise nach Rom (23. März 1450 – Mitte September 1458) auf nur wenigen Seiten im Zeitraffer dar (113–135). Im Vordergrund der Roman-Personen stehen Fürstbischof Nikolaus und Herzog Sigismund. Die Äbtissin Verena muss sich diesmal mit einer Nebenrolle zufriedengeben. Schienerl zeichnet den zum „Kardinal von Brixen“ (113) ernannten Cusanus als melancholisch und un65) NvK, Sermo VII, Remittuntur ei peccata multa, pars secunda et tertia, ed. Haubst/Bodewig/ Krämer, h XVI 2, Nr. 19–33 (131–142); bei Künkel in Auszügen und sprachlicher Bearbeitung (355–358) nach der Übersetzung, Philosophische und theologische Schriften. Auf der Grundlage der Übersetzung von Anton Scharpff, Freiburg 1862; ND Frankfurt am Main 1966, 715– 724. 66) Schienerl, Walter, Licht im Strom. Roman, Wien 1947 (156 S., mit Federzeichnungen von Herbert Potuznik).

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säglich leidend dar, der die Inspektionen seiner Diözese dennoch „mit Härte und Nachdruck“ betreibt. — In der durch staccatohafte Gedanken und Sätze stark gerafften und sprunghaften Darstellung mit kurzen Absätzen von kaum mehr als je fünf Zeilen überwiegen Natur-, Außen- und ‚Innen‘-Wahrnehmung. Für den Staccato-Stil hier ein nicht untypischer Abschnitt aus der Schilderung der Begegnung zwischen Nikolaus und Verena (116): Die Äbtissin wird aber bald, nachdem sie Gehorsam gelobt hat, / rückfällig, zur selben Zeit, als dem Herzog der Kamm schwillt. Er ißt / rohes Schweinefleisch und sticht selbst seine Fässer an. Verena wird ex-/ kommuniziert und mit dem Bann belegt. Sie flieht und findet eine Kammer. // Es ist Frühling geworden. …

‚Licht im Strom‘ steht als Motto für das Leben des Nikolaus im dunklen Strom der Zeit, das „nicht aus seinem äußeren Ablauf zu begreifen“ sei, sondern „gleichsam von innen her“ zu erhellen ist (5; vgl. 114). Es handelt sich um ein Leben, „dessen Abglanz auch uns Heutigen viel zu geben vermag.“ (Klappentext). Mit solcher Perspektive entzieht sich der Roman der Zuordnungsmöglichkeit zu einer der beiden sonst bestimmenden, politisch geleiteten Interessenssphären des Tiroler- und des Mosellandes. — Wenn ‚Licht im Strom‘ nicht als „historischer Roman im üblichen Sinne“, vielmehr als „beseelte Darstellung zeitlosen Menschentums“ bezeichnet wird (Zwei Berge Verlag), kennzeichnet das den Roman zutreffend, mit dem der Autor bei reduziertem Anteil des Historischen und manchen historisch unexakten Angaben seine eigenen Gedanken und Empfindungen, kurz sein Innerstes stark nach Außen bringt. Der Plot wird in Nebenszenen von Nebenschauplätzen überlagert. — Was die Bearbeitung des Cusanus-Stoffs betrifft, bleibt ‚Licht im Strom‘ im Vergleich mit anderen hier vorgestellten belletristischen Schriften, aus denen übrigens stereotype Episoden verknappt wiederkehren, eher marginal. Ein ganz anderes Ziel verfolgte der im Pustertal geborene, überwiegend dort und in der Region als Priester tätige Anton Schwingshackl (1901–1987) mit seinem Roman ‚Nikolaus Cusanus‘.67) In 41 Episoden versucht der Autor mehrerer Romane und Novellen eine umfassende Biographie zu geben, in der allerdings die Darstellung der Brixener Jahre von der Ankunft des Nikolaus in Brixen bis zu seinem endgültigen Abzug nach Rom 1460 fast die Hälfte des Umfangs einnimmt (155–300). Von Beginn an stehen das Kapitel und das Volk von Brixen dem neuen 67) Schwingshackl, Anton, Nikolaus Cusanus. Roman, Wien/München 1979 (315 S.). Der Autor stammt aus Maria Saalen (dem Ort der Enneberger Schlacht). Er hatte sich zuvor kritisch gegenüber dem Artikel von Hallauer, Schlacht im Enneberg (wie Anm. 68), geäußert; s. Schwingshackl, Anton, Die Enneberger Schlacht 1458, in: Der Schlern 44 (1970), 265–269.

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Fürstbischof, der sogleich und weiterhin unbeirrt als ungeduldiger Reformator und Verbesserer auftritt, reserviert bis ablehnend gegenüber. Misstrauen steht gegen Misstrauen. Bei zunehmender Frustration lässt der Autor den Unglücklichen Kompensation in seinen Schriften und in der Flucht vor den Menschen zu Gott finden, nicht bei einem Gott der Liebe, sondern bei dem Gott der Größe. „Der Mensch im Cusanus wurde vom Kardinal, vom Bischof und vom Reformator unterdrückt.“ (238) Vom großen Hirten ohne Menschenkenntnis und Menschenverstehen spricht der klerikale Autor, der die Menschen und ihr Leben in den kleinen Parochien der Dörfer des Puster- und Gadertals und in Kleinstädten wie Sterzing kennt und liebt, dem selbst nichts Menschliches fremd zu sein scheint (155–163). Schwingshackl kommt es in seiner Darstellung nicht unbedingt auf exakte Datierungen an; sie bleiben bei ihm eher im Ungefähren. Durchaus erwähnenswert, weil, wie schon bemerkt, sonst eher selten, ist, dass sich der Autor bei Darstellung der „Schlacht von Enneberg“ (5. April 1458) einmal auf die „Aufzeichnungen“ von Hermann Hallauer und Alessio Baldissera beruft.68) Die beiden Hauptfiguren Cusanus und Verena (nicht umgekehrt, wie später bei Marianne Wintersteiner) stellt Schwingshackl mit ihrer je eigenen, widersprüchlichen Natur „einander ebenbürtig im Geist“ nebeneinander, wenn sie auch, aus verschiedenen Wurzeln gespeist, unterschiedliche, gar gegensätzliche Ziele verfolgen. So hegt Nikolaus zugleich Wut gegen die Domina und Bewunderung für sie und tritt der überragenden, nicht zu bändigenden, heimlich geachteten Zeitgenossin mit „dummer Angst“ entgegen. „Manche Schriftsteller behaupteten, er habe sie geliebt.“ (243) An wen Schwingshackl dachte, bleibt offen (etwa an Rudolf Greinz oder Hans Künkel?). Verena, die von Cusanus als „sehr schön und noch jung …, geistvoll und geistreich zugleich“ wahrgenommen wird, aber auch als „eitel69), wie die Frauen eben sind“ (165), nimmt diesen – zunächst abwartend und nicht von vornherein negativ eingestellt wie andere Autoren – als groß und außergewöhnlich, als Bücherwurm und zugleich eifernden Zeloten wahr, der beständig mit ‚Rom‘ droht (230 u.ö.). — Im übrigen konzediert Schwingshackl seinem ‚Nikolaus Cusanus‘ im Binnenverhältnis der beiden zueinander einen der Hierarchie von „rotem Talar und schwarzem Nonnenhabit“ (262) entsprechenden Vorrang, was wohl auch der Position und Sympathie des Autors entspricht.

68) Hallauer, Hermann, Die Schlacht im Enneberg. Neue Quellen zur moralischen Wertung des Nikolaus von Kues (Kleine Schriften der Cusanus-Gesellschaft 9), Trier 1969; erneut in: Ders., Nikolaus von Kues (2002, wie Anm. 19), 129–154. — Baldissera, Alex, Storia dla Val Badia al tëmp dl Cardinal Nicolaus Cusanus, San Martin de Tor 1968 (Geschichte des Abteitales zu Zeiten des Kardinals Nikolaus Cusanus). 69) Als eitel wird Verena AC II 7, Nr. 5670 (?), als verschwenderich AC II 3, Nr. 4248 Z. 22f. bezeichnet; (s. das Register s.v. Verena, AC II 7, 2152b Z. 16f.); vgl. demnach auch AC II 7, Nr. 4686a, Nr. 4733a–c.

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Der literarische Lokalmatador, der mit seinen Natur- und Topographieschilderungen gefallen kann (z.B. bei „Schloß Buchenstein (Andraz)“, 192ff.), schreckt in seinem Roman der „Marke Tirol“70 weder vor Kitsch noch vor Plattheiten und Derbheiten zurück. Dafür zwei Kostproben aus dem unterhaltsam, buntgescheckt und prall vermittelten lokalen Geschehen: Zunächst über den „Fischers Wolfi“ und seinen „Schatz, die Lisi ein nußbraunes Mädel, wirklich lecker wie eine Nußtorte ohne Glasur“. Oder: „Selten zwar, aber doch zuweilen und leider oft genug, gab es eine Liebesnacht. Dann hatten die Fische am See eine Nacht und einen Tag Frieden“, Frieden dann auch für Wolfi, denn „Weiber bedeuteten für den Wolfi immer schönes Wetter und Frieden und Versöhnung“. (204) — Dann die andere Probe: Anlässlich einer derben Wirtshausszene heißt es, einem kölschen Karnevalsschlager entnommen, ganz naiv, aber hoffnungsfroh: „Wir kommen alle, in den Himmel, weil wir so brav , weil wir so brav sind.“(270).71) Schwingshackl starb am Neujahrstag 1987 im Wallfahrtsort Maria Saalen der Marktgemeinde St. Lorenzen im Pustertal. Sein Grab befindet sich auf dem Friedhof von San Lorenzo, unterhalb der Sonnenburg. Angesichts dieser und schon früherer Hinweise sei hier eine generalisierende Bemerkung erlaubt. Erotik war nicht nur bei Schwingshackl ein Thema. Mehr oder weniger ausgeprägte Erotik-Szenen, bisweilen mit Sublimierungsstrategien72) verbunden, begegneten ja schon bei Greinz (s.o., 449f.), Wintersteiner (452f.) Povinelli (454f.) und Künkel (459f.); auch Jean Bédard gibt Anlass, auf Ähnliches hinzuweisen (s.u., 471). Mit ihrer speziellen ‚love-sells‘-Maxime stellen sie in der Cusanus-Belletristik eine Variation der kapitalistischen ‚sex-sells‘-Maxime in Literatur und Film dar. Ausgangs des 20. Jahrhunderts legte Heiner Martini (1915–2001?), Autor etlicher historischer und kunsthistorischer Darstellungen, „ein Lebensbild des Cusanus in Berichtform“ vor (Klappentext I): ‚Der Krebs in der Reuse. Nikolaus von Kues‘.73) Der dem Sprachbereich der Moselfischer entnommene Sprechende Titel weist durchsichtig auf den cusanischen Familiennamen Crebß/Krybs und zugleich auf das zum Fischfang benutzte Korbinstrument hin. Nach des Autors Willen sind dieser Titel wie auch die drei Zwischentitel der (ungleichgewichtigen) Buchabschnitte – Ineinsfallen der Gegensätze – Fast ein Lebensweg bis Mantua – Jenseits die Freiheit Gottes – nicht romanhaft zu verstehen, sondern als die drei Reusen-Fächer des Cusanischen Lebens: seine Gottsuche, seinen lebenslangen 70) Anton Unterkircher, in: LiLit 11/2017, . 71) Text: Kurt Feltz, musikalischer Vortrag Jupp Schmitz, Köln 1952. 72) Dazu auch Mandrella, Nicolaus Cusanus (wie Anm. 2), 28. 73) Martini, Heiner, Der Krebs in der Reuse. Nikolaus von Kues, Trier 1986 (227 S.); die Brixener Jahre dort 106–109 und 134–174.

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Kampf darum und die erst im Tod zu gewinnende Freiheit (9); eine unklare, problematische und kaum geglückte Assoziationsanleitung. — Programmatisch setzte sich der Autor, der „für theologische und kirchengeschichtliche Laien“ schreiben will, von Autoren ab, die „über ihn (sc. NvK) einen munteren Lebensroman … fabulieren, wie es verschiedentlich mit unterschiedlichem Erfolg versucht wurde“. Mit seinem ‚Lebensbild‘ verfolgte Martini einen anderen Ansatz und ein anderes Ziel, nämlich „eine in allem Wesentlichen historisch korrekte Darstellung seines Lebens, Denkens und Schreibens“ vorzulegen. (Vorwort, 9f.) Dieses Vorhaben wurde durch den Umstand begünstigt, dass der in München geborene Martini mehr als zwei Jahrzehnte als Chefarzt am Brüderkrankenhaus in Trier tätig (1956–1976), der Moselstadt weiterhin verbunden, somit dem Trierer Institut für Cusanusforschung (seit 1981) und der Cusanus-Gesellschaft in Bernkastel-Kues (ab 1960) nahe war. Solche Nähe begünstigte, worauf bereits früher hingewiesen wurde, auch in diesem Fall den Zugang zu einer historischen Figur wie Cusanus und ermöglichte ungewöhnlich umfangreiche vorbereitende Studien, über deren Verwendung der Autor auch umfänglich Rechenschaft ablegte („Zum Schrifttum“, 223f.), eine der rühmlichen Ausnahmen. So bot ihm diese Nähe auch die Möglichkeit zu literatur- und quellenkritischen Studien, beispielsweise zur ‚Schlacht im Enneberg‘ (147f.). — Die Melange aus Erzählung und Bericht des Autors, längeren Textauszügen aus Cusanus-Schriften und deren Interpretation, erdachten Selbstgesprächen und Dialogen, u.a. mit Bessarion und Peter von Erkelenz, ergibt eine historisch-biographische Dokumentation, die wegen ihres zugleich unterhaltsamen und dann auch quasi-romanhaften Charakters hier unter der belletristischen Cusanus-Literatur getrost genannt werden darf. Die Darstellung der Brixener Cusanus-Jahre, die – anders als bei den historischen oder historisierenden Romanen oft üblich – nicht auf Stift Sonnenburg und Äbtissin Verena fixiert ist, nimmt der bewusst breit gehaltenen Thematik entsprechend etwa ein Viertel der Darstellung ein. Wie zuvor Walther Schienerl, behandelt auch Martini die Jahre von der Ernennung zum Bischof von Brixen bis zur Rückkehr nach Rom 1460, zunächst den Amtsantritt (106–109), dann in der Hauptsache das Bemühen um eine Reform von Kirche und Volk, von Geistlichkeit, Klöstern und Seelsorge in der Diözese; dann politische Marksteine wie die Affären von Wilten (1457) und Buchenstein/Andraz (1458; 134–174) samt Textauszug aus der dort vollendeten Schrift ‚De beryllo‘ u.a.m.74) Der von Rom aus unternommene letzte Besuch im Bistum Brixen mit dem Drama in Bruneck darf

74) S. AC II 6, Nr. 5511 zu Wilten, Nr. 5590ff. zu Buchenstein und Enneberg. Zu ‚De beryllo‘ (ed. Senger, h XI 1, 21988) s. AC II 6, Nr. 5715.

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natürlich nicht fehlen (187–193), auch nicht die in der Cusanus-Literatur beliebten Jezabel- und Hexen-Motive.75) Für die Kennzeichnung der zwischen den beiden ‚historischen‘ Figuren bestehenden Dynamik ist aufschlussreich, dass Martini die Äbtissin Verena „ein intelligentes und abgefeimtes Spiel“ mit dem Bischof treiben lässt, während Nikolaus als sehr maßvoll dargestellt wird, dessen Reformversuche die „energiegeladene rothaarige Löwin“ jedoch „behinderte und blockierte, wo sie nur konnte“ (142f.). Der aus dem Eifel-Raum stammende Ludwig Mathar (1882–1958), der sich in seiner „Jubiläumsgeschichte“ ‚Der Herold des Papstes‘ (1950 76) auf die Zeit der großen Legationsreise (Ende 1450 bis Anfang 1452) beschränkt, streift nur noch die Provision und Ernennung des Nikolaus von Kues zum Bischof von Brixen. Der päpstliche Legat sei schon bei seinen Aufenthalten im „Hilligen Kölle“ (222) in der Zeit von Dezember 1451 bis März 1452 auf eine Appellation des Brixener Domkapitels77 gegen die Beeinträchtigung seines Wahlrechts und dessen Nichtanerkennung der Bischofsernennung durch Nikolaus V. aufmerksam geworden. Dadurch habe er dort bereits einen Vorgeschmack auf die auf ihn zukommende Auseinandersetzung in Brixen bekommen. Der dem Moselaner Nikolaus von Kues sich nachbarlich verbunden fühlende saarländische ‚Priesterdichter‘ Johannes Kirschweng (1900–1951 78), der von 1924 bis 1926 als Kaplan an St. Michael in Bernkastel tätig war, wurde nach krankheitsbedingter Beurlaubung (1933) ein erfolgreicher Heimatschriftsteller, bis Ende der Dreißiger Jahre mit völkisch-nationaler Richtung. In dem Roman ‚Das Tor der Freude‘ (1940) schildert er mit der Episode „vom Sterben des Nikolaus von Cues“ dessen fünf letzte Tage in Todi. Mit epischer Rückblendetechnik lässt er das frühere Leben in Träumen und Agonie immer wieder geschickt Revue passieren. Dabei zieht er die Brixener Jahre aber nicht mehr in Betracht. — Dass er mit seiner Reichsideologie „lange Jahre aus ehrlichem Herzen“ dem „Reich“ und damit dem Nationalsozialismus nahegestanden und sich zu ihm bekannt habe, beklagte Kirschweng später selbst.79) 75) Zur Jezabel s. Martini, Der Krebs (wie Anm. 73), 138, 144, und oben Anm. 33 und 36f. — Zum ladinischen Hexen-Motiv s. ‚Der Krebs‘ (138), zum historischen Hintergrund s.o. Anm. 54. 76) Mathar, Ludwig, Der Herold des Papstes. Eine Jubiläumsgeschichte aus den Jahren 1450 und 1451, Würzburg 1950 (222 S.). — Der aus Montjoie (Monschau) stammende Mathar, Autor etlicher Romane, Erzählungen und Theaterstücke aus dem Rheinland, war Studienrat, u.a. am Gymnasium Kreuzgasse in Köln. 77) Cf. AC I 2, Nr. 879 (Ende März 1450); AC I 3a, Nr. 991 gegen die Provision des NvK mit der Kirche von Brixen (27. Januar 1451). Eine Mitteilung darüber an NvK scheint aktenmäßig nicht bestätigt zu sein. 78) Kirschweng, Johannes, Das Tor der Freude. Roman vom Sterben des Nikolaus von Cues, Bonn 1940 (204 S.); 21946. 79) Ders., Bewahrtes und Verheißendes, Saarlouis 1946 (44 S.).

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In seinem als „Lebensroman des Nicolaus von Cues“ bezeichneten Werk ‚Der unendliche Kreis‘ behandelt der in Cöslin (heute Koszalin) geborene preußische West-Pommer Bogislav Freiherr von Selchow (1877–1943) eigentlich nur die Zeit von der Kueser Kindheit bis zur Ankunft des Kardinals in Brixen 1452.80) Die Bischofsjahre werden in dem stark gegliederten Roman (vier Bücher mit je bis zu 31 Kapiteln oder Unter-Abschnitten) dennoch zur Sprache gebracht und wenigstens pauschal beurteilt. Das finale, so oder ähnlich schon öfter gelesene Resümee in Stichworten: In Brixen, wo der Fürstbischof sich „acht Jahre lang in ein Recht“ verbeißt, „angefochten vom Domkapitel, …, vom Volk verwünscht, …, abgelehnt vom Herzog“, ist er schließlich „ein Gescheiterter“ (345). Der sprechende Romantitel, der auf den unendlichen Kreis verweist, bei dem „nirgends Ende ist noch Grenze“, ist ein Bild für Nikolaus selbst, der, „wie jeder ganz Große, die Gegensätze des Seins in unendlicher Fülle in sich“ trug (346). Auch dieser Roman‚ der „kein Roman im Sinn der vergangenen Zeit sein“ will und nach dem Klappentext gleichwohl „Überall auf Quellenstudien“ fußt, gibt seine Quellen nicht preis. Die dichterische Figur ‚Nikolaus von Cues‘ steht „als Mensch der Zeitenwende“ zugleich für das von Selchow im Untertitel beschworene „Zeitwendebild“. Er, Cusanus, hat „einen Auftrag auch für uns, die wir im Morgenrot des neuen Weltentags schreiten“. So lautet der über die Intention des Buches im Jahr 1935 Aufschluss gebende Schluss. Nach einer Verlagsnotiz (Klappentext) ist es bei Nikolaus von Kues, dem „Menschen der Zeitenwende“, der „dem Ichdenken einer neuen Zeit die unzerstörbaren Kräfte der Allheit entgegenzuhalten“ hatte, die „Wende von All= und Ichzeit“, die eine besondere Nähe erzeugt zu „uns, die wir auf der Schwelle von der Ich= zur Wirzeit sind“, an „der Schwelle des vierten Zeitalters“ – (von der Zeit des Individuums [der Renaissance?] zur Zeit des Kollektivs?). Gelegentlich solcher Selbstdeutung scheint ein Hinweis nicht uninteressant: von Selchow hat den „Lebensroman“, der in dem durch die Schriften-Reihe Deutsches Ahnenerbe nationalistisch und völkisch geprägten Verlag Koehler & Amelang zu Leipzig erschien, der Breslauer Bankierfamilie „Kurt und Irmgard von Eichborn zu eigen“ gemacht (5). Kurt von Eichborn war einer von 20 Unterzeichnern81) der „Eingabe führender Persönlichkeiten des Landes an Reichspräsident von Hindenburg für die Berufung Adolf Hitlers zum Kanzler“ … „einer vom parlamentarischen Parteiwesen unabhängigen Regierung, … eines Präsidialkabinetts“ (19. November 1932), so wie Hindenburg es vorgeschlagen hatte. Eine Beteiligung 80) von Selchow, Bogislav, Der unendliche Kreis. Lebensroman des Nicolaus von Cues. Ein Zeitwendebild, Leipzig 1935 (346 S.). — Der Autor hatte zuvor u.a. auch diese Schriften verfasst: ‚An der Schwelle des vierten Zeitalters‘ (1931) und ‚Der Glaube in der deutschen Ich-Zeit. Ein Zeitbild‘ (1933). 81) Quelle: NS-Archiv. Dokumente zum Nationalsozialismus.

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an einer ähnlichen Wahlempfehlung bekannter Persönlichkeiten, die nicht Mitglieder der NSDAP waren, 1933 für Adolf Hitler wird auch von Selchow nachgesagt. — Dessen hier nur kurz angedeutete Position gibt Anlass zu einer allgemeineren Bemerkung. Von den hier behandelten österreichischen und deutschen Autoren zeigen einige Affinitäten mit unterschiedlicher Herkunft, Deutlichkeit und Intensität nicht nur zu Nationalismus, sondern auch zum Nationalsozialismus. Dass deutschnationale und großdeutsche Ideen in Österreich wie auch in Deutschland einen guten Nährboden dafür bereitstellten, ist evident.82) Der völkisch-deutsch-nationalen Schriftstellerin Maria Veronika Rubatscher wird anfangs Sympathie für die nationalsozialistische Ideologie nachgesagt. Als Südtiroler Dichterin wurde sie im Nationalsozialismus geschätzt und in den Jahren 1935 bis 1938 zu Lesereisen u.a. durch Deutschland und Österreich eingeladen. — Dass der Tiroler Rudolf Greinz auf Antrag vom Jahr 1939 rückwirkend 1938 Aufnahme in die Zwangsorganisation der Reichsschrifttumskammer fand, sei hier unbewertet als eigentümliches Procedere der Zeit nur erwähnt. — Eine dem Wiener Walther Schienerl nachgesagte Nähe zum Nationalsozialismus kommt in seinem Roman ‚Licht im Strom‘ (1947) allerdings nicht zum Vorschein. — Bereits am Beginn der belletristischen Cusanus-Literatur hatte Povinelli in seiner ‚Epischen Dichtung‘ völkische und nationale Töne angeschlagen. Sein ‚Ahasver‘ trat ja in seiner Tiroler Episode nicht nur „als Warner und als Retter“ des Liebespaares der Happy Story auf (37, 66ff.), sondern auch und vorzüglich als Erretter ganz Tirols vor dem Brixener Fürstbischof, dem Römischen Papst und wohl auch vor ‚Wien‘, auf dass ein freies, mündiges und starkes „Tyrolervolk“ werde (270f.). Später fand Povinelli, wie schon erwähnt, zum antiklerikal und alldeutsch gesonnenen Literaten-Bund ‚Jung-Tirol‘ hin, der 1899 gegründeten kulturellen Vereinigung freiheitlich-liberaler Tiroler Dichter. Deutsche Schriftsteller sahen sich in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts mit Nationalismus und Nationalsozialismus direkt konfrontiert, wie Beispiele aus Ost-, West- und Südwest-Deutschland belegen können. Das hat sich bei Bogislaw von Selchow schon eindrucksvoll gezeigt. Wenn aber Hans Künkel noch im Erscheinungsjahr seines „Niclas von Cues“-Romans (1936) den 1933 zur Stärkung des deutsch-völkischen Schrifttums (Hanna Leitgeb) gestifteten, von der Stadt Braunschweig verliehenen „Volkspreis für Deutsche Dichtung“ der Wilhelm82) S. , (25.03.2021). — Zu den nachgenannten Autoren s. für Rubatscher: ; zu Greinz: Straßennamen Wiens seit 1860 als „Politische Erinnerungsorte“, Wien 2013, 259 (nach: ; zu Schienerl: Kranebitter, Andreas, Alles auf Schienerl? Adolf Günther, Walter Schienerl und das Erbe der NS-Soziologie in Wien, in: Die Soziologie und der Nationalsozialismus in Österreich, Bielefeld 2019, 219ff.; zu Mathar: .

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Raabe-Stiftung erhält, macht ihn das – auch in Hinblick auf den im Roman vorgeführten Kampf des deutschen Tiroler Adels und deutscher Frauen gegen die Kirche in Brixen und die kirchlische Hierarchie – noch keiner besonderen Nähe zum Nationalsozialismus verdächtig. — Johannes Kirschwengs anfängliche Affinität zu Reich und Nationalsozialismus wurde schon kurz erwähnt (s.o., 465). — Dagegen zeigt sich eine dem katholisch-konservativen Ludwig Mathar nachgesagte Sympathie für Ziele des Nationalsozialismus, besonders einer Revision des Versailler Vertrags, in dessen Cusanus-Roman von 1950 nicht, auch wenn der Autor vorwiegend nationale Themen behandelte. 6. Cusanus-Romane des 21. Jahrhunderts Zum Schluss dieser Untersuchung seien drei Romane vorgestellt, die meines Erachtens dieser Darstellungsart auch noch zuzurechnen sind. Wilhelm van Eimeren83) (* 1936 in Goch), Mediziner (Medizinische Informatik) wie Heiner Martini, geht es um einen erweiterten Blick auf das 15. Jahrhundert, genauer auf die Zeit um 1400–1470 aus dem Blickwinkel von vier Personen: Nikolaus von Kues, Enea Silvio Piccolomini/Pius II. (wie schon bei Jean Bédard), „Herzog Sigismund von Tirol“ wie fast immer und Gregor Heimburg, herzoglicher Rat, Gegner des Cusanus seit den Tagen des Basler Konzils84), der in der belletristischen Cusanus-Literatur mehrfach auftaucht, u.a. bei Rudolf Greinz. Nach dem Untertitel ist van Eimerens ‚Cusanus‘ ein „Historischer Roman“, versehen mit Chronologie, Glossar und Karten (327–348) und „mit Sorgfalt recherchiert“. Er beginnt im Jahr 1413 in Bernkastel und endet 1464 in Todi. Über die Art der Recherche erfährt der Leser allerdings nichts, bemerkt insdes bald, dass es mit der Historizität nicht weit her ist. Und nach zwölf Kapiteln weiß der Leser, dass die „dargestellten Ereignisse … in ihrem Datengerüst“ (7) weitgehend fiktiv sind und sich im ersten Drittel der Darstellung (bis Mitte 1437) kaum ein historisch belegtes Ereignis finden lässt, ausgenommen etwa die Datierung von ‚Sermo‘ I oder von ‚De concordantia catholica‘ (43, 71). Das ist für einen angeblich ‚sorgfältig recherchierten historischen Roman‘ allerdings überraschend, vor allem angesichts der Tatsache, dass die ‚Acta Cusana‘ I samt umfangreichem Registerband bereits seit langem vorlagen.85) ) van Eimeren, Wilhelm, Cusanus. Historischer Roman, Münster 2008 (348 S.). ) S. AC I 4, Nr. 208f. Zu Heimburgs ‚Invectiva‘ (1461) gegen NvK s. ebd., Nr. 227. 85) AC I 1–3 (bis Anfang 1452) seit 1996, der umfangreiche Registerband dazu (AC I 4) seit 2000. — Zum Abweis einer angeblichen Ausbildung des Cusanus bei den Brüdern in Deventer z.B. s. bereits 1993: Meuthen, Erich, Cusanus in Deventer, in: Piaia, Gregorio (Hg.), Concordia discors. Studi su Niccolò Cusano e l’umanesimo europeo offerti a Giovanni Santinello (Medioevo e umanesimo 84), Padua 1993, 39–54. 83 84

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In fünf von insgesamt 35 Kapiteln behandelt van Eimeren die Brixener Jahre (235–291). Die Hauptorte des Geschehens sind Schloss Bruneck, die Hofburg Innsbruck des zucht- und ordnungslosen, dem Trunk und der Hurerei ergebenen, aufbrausenden Tiroler Grafen Sigismund, der dennoch (oder gerade deshalb?) bei seinen Untertanen beliebt ist, ferner Brixen, Stift Sonnenburg, der „Eiterherd in unserem geliebten Bistum“ (NvK, 237) und natürlich Rom. — Das (kirchen-) politische Geschehen wird weitgehend aus der Perspektive des meist „Niklas“ genannten Cusanus gesehen und dargestellt, der für seine Reformbemühungen von Sigismund keinerlei Unterstützung erhält, vielmehr von diesem in gemeinem Ränkespiel mit Gregor Heimburg, dem „Feind des Kardinals“, entführt und ermordet werden soll (240ff). Heimburg seinerseits hat nur Verachtung für diesen übrig: Cusanus – ein Lügner, Angsthase, Jammerlappen, der Speichellecker Pius’ II. (286–288). Den Autor der ‚Docta ignorantia‘ und anderer Schriften hält er für einen Häretiker und Pantheisten (293ff.). — Verena ist für den Fürstbischof Nikolaus eine „resolute junge Herrscherin und keine demütige Nonne“, eine „fluchwürdige, falsche“ und „nichtswürdige Äbtissin“ usw. — Die Kennzeichnung der Personen und ihrer Beziehungen zueinander ist oft durchaus grob und wenig differenziert. Ein für das Cusanus-Bild van Eimerens interessantes völkerpsychologisches Moment: Im Brixener Konflikt wird sich Cusanus des unterschiedlichen Volkscharakters von Moselanern und Tirolern bewusst, das in der Brixener Streitlage nicht ohne Belang ist. Während die Trierischen Mosel-Menschen durch ein milderes Klima und reichere Ernten begünstigt sind, sich darum geselliger und „durch die Unabhängigkeit ihres Erzbischofs als Kurfürst“ als selbstbewusste Bürger geben (261, 259, 262), sind die Menschen im Bistum Brixen durch ein wesentlich härteres, kargeres Leben in den vergleichsweise viel höheren Bergen und durch die bereits jahrzehntewährenden Auseinandersetzungen zwischen Herzog und Bischof gekennzeichnet. Der inzwischen enttäuschte Reformer wird sich in Selbstanalyse bewusst – van Eimeren ist auch Psychologe und war anfangs in der Psychiatrie tätig –, in Stadt und Land Brixen den Bogen überspannt zu haben und im ganzen Land unbeliebt zu sein. Auf zwei französischsprachige Werke des frühen 21. Jahrhunderts soll nun noch hingewiesen werden, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten. JeanMarie Nicolles (* 1951) romanhafte Biographie ‚L’homme à la proposition d’or‘86) spielt in Titel und Thema auf die letzte und kürzeste mathematische Abhandlung des Nikolaus von Kues an‚ die ‚Aurea propositio in mathematicis‘.87) Wie 86) Nicolle, Jean-Marie, L’homme à la proposition d’or, Paris 2010 (121 S.), auf Umschlagseite IV als „biographie romancée“ bezeichnet. 87) NvK, Aurea propositio in mathematicis (1459), ed. Folkerts, Menso, h XX, 223–226. Dt. Übersetzung: Der goldene Satz in der Mathematik, in: NvK, Die mathematischen Schriften, hg. v.

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es sich für einen Professor der Philosophie (Rouen) mit Spezialinteresse für Metaphysik und Mathematik in Mittelalter und früher Neuzeit und den Übersetzer des mathematischen Cusanus-Werks ins Französische gehört88), ziehen sich die mathematischen Schriften des Nikolaus wie ein roter Faden durch den Roman, speziell die als ‚Goldener Satz in der Mathematik‘ bezeichnete rationale Regel (dazu 73f., 90; s. auch Joseph Ehrenfried Hofmann, 178–182 und 251f.). Nicolle benutzt die Schriften dann metaphorisch, um das Leben des historischen Cusanus vom Beginn in Kues bis zum Ende in Todi in zwölf kurzen, die Fülle der Lebensaktivitäten sehr verschlankenden Kapiteln auf knapp 120 Seiten aus der ErzählerPerspektive vorzustellen und mit kleinen erfundenen, teilweise dialogisierten Episoden anzureichern. So z.B. mit der hübschen Farce, dass Nikolaus eines Tages Kardinal Giordano Orsini, seinen ‚Meister‘, davon überzeugt habe, dass er, der humanistische Bücherfreund und erfolgreiche Buchjäger, ein großartig mit Schuppenmuster (écailles) illustriertes, von der ‚Gesellschaft der Fischkundler‘ (communauté des ichtyologistes) reich kommentiertes Exemplar des unvergesslichen Traktats ‚De arte salmones mensurandi‘ (‚Die Kunst Lachse zu messen‘) des Umbertus Aecus wiederentdeckt habe (21). Den Brixener Jahren sind zwei Kapiteln gewidmet (83–100); das eine behandelt „L’affaire Verena“ aus der Perspektive der starken, energischen und autoritären Äbtissin, die zunächst auf Vertrauensgewinn aus ist und gute Miene zum bösen Spiel des Nikolaus macht und schließlich in dem ursprünglich lokal begrenzten, später dann bis nach Rom ausgreifenden und damit europäische Dimension gewinnenden Interessenskonflikt überheblich, widerspenstig und obstruktiv wird. Graf Sigismund wird als ein alles verachtender, ungeduldiger und brutaler Mensch gezeichnet, Nikolaus, der Dritte im streitenden Bunde, als eifernder Reformer, der Verena in Tiroler Manier mit Vorwürfen überhäuft: die Ordensregeln nicht zu kennen, die Klausur für sich und bei ihren Stiftsnonnen nicht zu wahren, eine Klosterreform nicht zu wollen etc. Toposhaft am Ende das bekannte NikolausDrama: Belagerung in Bruneck, Gefangenschaft, Erniedrigung und Flucht nach Rom – ein mit all seinen kirchenpolitischen Aktionen gescheiterter Reformbischof, der aber in seinen Kontemplationen ein erfolgreicher Denker bleibt und in dichter Folge ein großes Alterswerk schafft. — Wie schon viele seiner Vorgänger im 19. und 20. Jahrhundert und auch noch der anschließend zu besprechende zweite francophone Cusanus-Roman kommt der normannische ‚Romancier‘ bei Josepha und Joseph Ehrenfried Hofmann (Schriften des NvK 11), 2Hamburg 1979. Zum Inhalt der Schrift ebd. XXXVIIf. 88) Nicolle, Jean-Marie, Mathématiques et métaphysique dans l’œuvre de Nicolas de Cues (Thèse de doctorat en philosophie, Lille), Villeneuve d’Ascq 2001. — Nicolas de Cues, Les Écrits mathématiques. Présentation, traduction et notes par Jean-Marie Nicolle (Textes de la Renaissance 132), Paris 2007 (12 Schriften zur Kreisquadratur 1445–1459, mit Bibliographie).

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den historischen Gegebenheiten seiner Erzählung ohne alle Quellen-, Zitat- und Literaturnachweise aus. Nach der ersten Welle der modernen Cusanusforschung in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts hatte eine zweite Welle bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts vor allem Frankreich erfasst. Dazu gehörten die quellen- und wirkungsgeschichtlichen Studien von Pierre Duhem zu Cusanus und den Chartrensern, hier vor allem Thierry von Chartres, und zu Leonardo da Vinci (1907 bis 1909); dann zwischen 1910 und 1931 besonders die Untersuchungen Édmond Vansteenberghes, vor allem seine einflussreiche, weitverbreitete biographisch-doktrinäre Cusanus-Darstellung.89) In Deutschland lagen zudem u.a. die Studien von Max Jacobi zur Mathematik, Naturphilosophie und Kosmologie des Cusanus (1902 bis 1904) vor und seit Mitte des Jahrhunderts eine moderne Übersetzung der mathematischen Schriften ins Deutsche durch Josepha und Joseph Ehrenfried Hofmann.90) Aus völlig anderem Blickwinkel ließ der Canadier Jean Bédard (* 1949) einen fremden Cusanus literarisch in der Neuen Welt entstehen. Der mehrfach mit Preisen für historische Romane über historische Personen bedachte Québécois – u.a. für seinen ‚Maître Eckhart 1260–1328‘ (Paris 1998) und seine ‚Marguerite Porète‘ (Montréal 2012) – verfasste nach seinem ‚Nicolas de Cues‘91) auch einen Roman über den tschechischen Theologen, Philosophen und Pädagogen Comenius (1592–1670): ‚Comenius ou l’art sacré de l'éducation‘ (Paris 2003).92) — Der Geowissenschaftler und Sozial-Mediator lebt seit 2004 als schriftstellernder Farmer (fermier écrivain) in einer agrarischen Arbeiterkommunität auf seiner ökologischen Insel Bic (Québec) mit dem programmatischen Namen ‚SageTerre‘ (‚WeiseErde‘). Dem Verlag l’Hexagone zufolge ist Bédards ‚Nicolas de Cues‘ eine fein dokumentierte historische Saga („Finement documentée, cette saga historique …“, Umschlagseite IV). Beides trifft jedoch nicht zu.93) — In sieben umfangreichen Kapiteln plus Prolog und Epilog erfasst der Roman die ganze Brixener Zeit. Denn er beginnt 1449 in Kues mit Nikolaus’ Abschied vom Vater und endet mit seinem Tod in Umbrien. Als Berichterstatter fungiert der seinem „maître Nicolas“ nahe89) Vansteenberghe, Edmond, Le cardinal Nicolas de Cues (1401–1464). L’action – la pensée (Bibliothèque du XVe siècle 24), Paris 1920 (mit Bibliographie der wichtigsten Literatur bis 1920); unveränderter ND Frankfurt am Main 1963; Ders., Autour (wie Anm. 24). 90) S.o. Anm. 87. 91) Bédard, Jean, Nicolas de Cues. Roman (Collection fictions 121), Québec 2001 (286 S.). 92) Nach dem BA der Université de Montréal erwarb Bédard den PhD der Université Laval (Québec) mit einer Dissertation über Comenius. 93) Auch im weiteren Wortsinn handelt es sich hier wohl kaum um eine Saga, schon weil Bédards ‚Nicolas de Cues‘ nicht im Sagastil verfasst ist. Auch zahlreiche Ungenauigkeiten und offensichtliche Fehler widersprechen einer gut dokumentierten Arbeit, z.B. l’abbaye d’Ennenberg (97), Jean Venck (248) etc.

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stehende Ich-Erzähler „Henry de Pomert“ (68 94), der den Kardinal in bewundernder Hochachtung als Meister der Politik preist, der die Aristotelische Wissenschaft von den obersten Zielen des Menschen zu praktizieren weiß (16) und im Triumvirat mit den beiden befreundeten großen Humanisten und Päpsten Tommaso Parentucelli/Nikolaus V. und Enea Silvio Piccolomini/ Pius II. eine Renaissance der Kirche herbeiführen wollte (263). Mit den Worten Heinrich Pomerts: der Kardinal „un savant et un saint“. — Dies ist derselbe Pomert, der das Spiel der Äbtissin mitspielt, wenn Verena von Stuben sich ihm später in „l’abbaye d’Enneberg“ (!) gelegentlich eines Gesprächs über die Konventsreform nähert (96–101), was Pomert zur pseudo-seherischen, tatsächlich aber eher auktorialen Sicht führt, „que l’obsession de l‘église contre le sexe devait cesser un jour“. Zeit- und PerspektivVerschiebungen solcher und ähnlicher Art (vgl. 55, in fine) beherrschen Bédards Roman. Der Zugang des in Montréal geborenen Bédard zum Sujet seines Romans wird, ähnlich wie bei dem nachfolgenden Comenius-Roman, leicht ersichtlich aus der Bekanntschaft mit „professeur Raymond Klibansky“, dem – und dessen Gattin Mme Ethel Groffier – er seinen ‚Nicolas de Cues‘ mit Dank für empfangene Ermutigung und Unterstützung widmete (7). Die angehängte Zuschreibung „à qui (sc. R.K.) nous devons l’édition critique des œuvres de Nicolas de Cues“ entspringt einer Fehlsicht, die sich vor allem in Canada, aber auch darüber hinaus hartnäckig hält.95) — In Montréal stand Bédard mit der schon genannten96), lange als klassisch geltenden, 2001 aber durch die jüngere Forschung schon überholten Monographie Vansteenberghes ein Werk zur Verfügung, das fakten- und colorreiches Material bereithielt. Bédard kannte dieses Werk und ‚benutzte‘ es intensiv, ohne Hinweise darauf, auch ohne Kennzeichnung wörtlicher Zitate97); dazu bedurfte es ja nicht einmal einer Übersetzung. Hierzulande nennt man das abkupfern. — N‘en parlons plus! Passons! — Nichts damit zu tun haben dagegen die serienweise auch von 94) Der aus dem Lübecker Klerus stammende Heinrich Pomert war bereits bei Amtsantritt des Nikolaus in seinem Bistum öffentlicher Notar der Kirche von Brixen. Er wurde dann dessen Sekretär und später auch Kanzler. Vgl. Meuthen, Erich, Die letzten Jahre des Nikolaus von Kues. Biographische Untersuchungen nach neuen Quellen (Wissenschaftliche Abhandlungen der Arbeitsgemeinschaft für Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen 3), Köln/Opladen 1958, 203 Anm. 6. S. auch die Einträge in den Indices der AC I 4, 1691 und AC II 7, 2070. 95) Senger, Hans Gerhard, Zur Geschichte der Edition der Opera omnia des Nicolaus Cusanus, in: Beierwaltes, Werner/Senger, Hans Gerhard (Hg.), Nicolai de Cusa opera omnia. Symposium zum Abschluß der Heidelberger Akademie-Ausgabe Heidelberg 11. und 12. Februar 2005 (Schriften der Philosophisch-Historischen Klasse der Heidelberger Akademie der Wissenschaften. Supplemente 10; Cusanus-Studien 11), Heidelberg 2006, 37–77, hier 44–51 mit Anm. 29f. 96) S.o. Anm. 89. 97) Ohne näher darauf einzugehen, hier zur Illustration nur einige eklatante Stellen zum Vergleich (erste Zahl = Seitenangabe bei Bédard/zweite Zahl bei Vansteenberghe): 56/42, 61/159, 97/145, 102/145, 147/231, 179–181/181–187.

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Bédard aus der Cusanus-Belletristik und Cusanus-Monographien nachweislich oder vermutlich übernommenen Wandermotive wie das der Jezabel, der Brixener Hexen oder der Dämonenaustreibung, die hier mit einer Dämonologie einhergeht.98) Bédard füllt solche Wandermotive – wie auch überhaupt die Figuren seiner Darstellung und deren Umgebung – gern material- und wortreich auf. Über den Anteil des Fiktionalen in diesem Roman ist darüber hinaus hier nicht mehr viel zu sagen. Ein Hinweis auf die sich lang hinziehende, doppelbödige und verwirrende Geschichte zwischen zwei Brixener Klarissen, Bella und Catherine einerseits und dem dieses Klarissenkloster reformierenden Bischof und seinem Sekretär Henry anderseits mag hier genügen. — Ein besonders Kennzeichen des Bédardschen Denk- und Schreibstils ist die Neigung des Autors, eigene Vorstellungen und Ideen seines Jahrhunderts einzustreuen, an dargestellten Ideen und Themen des Cusanus aufzuhängen oder durch seine Romanfiguren sozusagen transportieren zu lassen, um nicht von Instrumentalisierung zu sprechen. (Beispiele: Pomert über Tod und Sünde 128–132; ein „grand tour d’horizon“ über Raum, Gedächtnis, Universum, das Schöne und docta ignorantia 167ff. oder die erwähnte Dämonologie.) 7. Appendix: Cusanus in darstellender Kunst Nach dem speziellen Teil dieser Untersuchung, der sich mit Darstellungsweisen der dramatischen und epischen Cusanus-Belletristik zu den Brixener Jahren des Nikolaus befasste, soll in einem kurzen Appendix noch ein Hinweis auf den Bereich der ‚darstellenden Kunst‘ erfolgen, insoweit Film und Musiktheater Cusanus in Bild- und Tonkunstwerken in den Mittelpunkt ihrer Darstellung rücken, speziell durch den literarischen Anteil von Drehbuch und Libretto. Die Filmen zugrundeliegenden Text-Bücher konnten hier allerdings ebenso wenig berücksichtigt werden wie die Bild- bzw. Musikanteile der verschiedenen Werke. Von den mir bekannten neun Cusanus-Filmen99) befassen sich vier ausdrücklich mit der Brixener Zeit, so mit dem Enneberger Krieg, dem Kloster Sonnen) Bédard, Nicolas de Cues (wie Anm. 91), 59–61, 73ff., 86ff., 101. ) Neben den in der folgenden Anmerkung genannten sind dies: 1. Nikolaus von Kues. Ein Dokumentarfilm von Stefan Bleek (Buch und Regie, Produktionsleitung), Bayerischer Rundfunk, 1991 (Länge: 45 Min.). 2. Geschichten aus unserem Land. Ein Film von Werner O. Feisst und Reinhard Kleinmann, Südwestfunk, 1995. 3. Vom lebendigen Geist zum Geist der Moderne. Eine Geschichte der Universität Heidelberg. Dokumentarfilm. Buch, Regie und Produktion: Mario Damolin und Bernhard Kilian, SDR – Studio Mannheim, Erstsendung: 1. September 1996 bei Südwest 3 (43:55 Min.; u.a. zu NVK und Raimund Klibansky). 4. Der Kardinal. Nikolaus von Kues und das späte Mittelalter. Eine Dokumentation von Martina Schönfeld und Klaus Medrow (58 min.). Wissenschaftliche Beratung Dr. Marc98 99

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burg, der Äbtissin Verena und Cusanus selbst.100) Die Filme und ihre Texte sind erwartungsgemäß von sehr unterschiedlicher Art. Sie schöpfen die Qualitätsskala aus und reichen von Professionalität in Bild und Text, wie beispielsweise in dem ARTE-Film ‚Der Kardinal. Nikolaus von Kues und das späte Mittelalter‘ zum Cusanus-Jubiläum 2001 (4.) bis hin zum sich dilettantisch gebenden, bisweilen komisch wirkenden Opus, wie ein im beeindruckenden ‚Museum Ladin‘ in der ‚Ćiastel de Tor‘, oberhalb von St. Martin in Thurn im Gader-Tal (S. Martino in Badia, Val Badia) gezeigter ladinischer Film. Unvergessbar, wie Nikolaus von Kues und Verena von Stuben ihre gegenseitigen Klagen vor Gregor Heimburg101) vortragen, der befremdlicherweise als Moderator fungiert, seinerseits vom TextbuchAutor aber in seiner verlogenen List denunziert wird. Die Figuren werden in diesem Film durch lebensgroße Flach-Kopien von real-existierenden Darstellungen historischer Figuren in der Kunst präsentiert, Cusanus z.B. seitenverkehrt in der Pose vom rechten Flügel des Kueser Altars, während die Texte von den PappfigurRepräsentanten gleichsam aufgepfropften Köpfen lebender Schauspieler schlecht gesprochen werden. Von den überschaubaren Beispielen für ‚Nikolaus von Kues in der Musik‘102) seien hier nur zwei aufgegriffen. Zum einen „ein Kirchenmusiktheater … nach Aeilko Aris. Erstsendung: ARTE, 16. Mai 2001, 23.20–0.20 h. Hergestellt in Verbindung mit ZDF und RAI Bozen. 5. Die Wahrheit ruft auf den Gassen. Nikolaus von Kues zum 600. Geburtstag. Filmdokumentation (28:50 min.). Buch und Regie: Franz-Rudolf Hartwich. Kamera und Schnitt: Wolfgang Schütz. Computeranimation: Netzraum, Berlin. Herstellung bei TeleMedia, Trier. Eine Produktion der Paulinus Verlags in Zusammenarbeit mit dem Südwestrundfunk, Trier 2001. 100) Zur Brixener Zeit u.a.: 1. Kardinal Cusanus – oder der Enneberger Krieg. Fernsehfilm nach dem gleichnamigen Bühnenstück von Jul Bruno Laner (s.o., 470). Uraufführung. Produktion RAI Sender Bozen. Regie Luis Walter, 1976. 2. Kampf um das Abendland. Ein Cusanus-Film frei nach dem Leben des Philosophen und Kardinals Nikolaus von Kues (1401–1464) von Ingo und Paul-Heinz Kösters. © 1985–2014 von Ingo Kösters. 3. Nikolaus Cusanus. Ein Brixner mit Weitsicht. Ein Film von Christian Bassani, Produktion Manni Cam, Bozen (DVD 36 Min.), 2013. 4. Schließlich ein Film mit den historischen Figuren Cusanus, Verena von Stuben und Gregor Heimburg im ‚Museum Ladin‘ in der ‚Ćiastel de Tor‘ oberhalb von St. Martin in Thurn/S. Martino in Badia im Gader-Tal/Val Badia (gesehen ebd. am 10. Mai 2016). 101) Zu der für die Brixener Zeit des Cusanus allerdings nur schwach belegten historischen Rolle des Gregor Heimburg, des Rates Herzog Sigismunds, s. jetzt AC II 1 Nr. 2666, Nr. 2700, Nr. 2956, Nr. 3324 (nach AC II 7, Register, 2065b). — Zu Gregor Heimburg s. Posch, Andreas, Nikolaus von Cusa, Bischof von Brixen, im Kampf um Kirchenreform und Landeshoheit in seinem Bistum, in: Cusanus-Gedächtnisschrift (wie Anm. 2), 238–250. 102) Dies sind (in Auswahl): 1. De visione Dei. Ein Kirchenmusiktheater nach Texten von Nikolaus Cusanus für Orgel, Bläser und Schlaginstrumente, von Peter Michael Hamel, szene instrumental Graz, Leitung:

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Texten von Nikolaus Cusanus“, entnommen seiner am 8. November 1453 in Brixen vollendeten Schrift ‚De visione Dei‘103), eingerichtet von dem Komponisten und Musikhochschullehrer Peter Michael Hamel für Orgel, Bläser und Schlaginstrumente. Die Erstaufführung 1997 im Dom zu Brixen – nicht in dem des Brixener Bischofs Nikolaus von Kues, sondern im barocken Neubau seiner Nachfolger – wurde zu einer eindrucksvollen Hommage für Cusanus. Auch das 2007 am Theater Trier uraufgeführte „Szenische Oratorium“ des belgischen Komponisten Boudewijn Buckinx greift unter dem Titel ‚Cusanus – Fragmente der Unendlichkeit’ Szenen aus aus den Schriften, aber auch aus dem Leben des Nikolaus von Kues auf. So lässt sich der Librettist der „CusanusOper“104) die Polit-Episode Sonnenburg/Innsbruck/Brixen auch nicht entgehen. In „Szene III – Die Schlacht“ (sc. die im Enneberg) – treten die Äbtissin Verena, Graf Sigismund von Tirol und Fürstbischof Nikolaus von Kues gemeinsam auf. Da die bekannte kirchenpolitische Brixener Konstellation gestrafft und kompakt dargestellt wird, kann der Text nach dem Libretto von Inigo Bocken mit den Dialogen von Peter Larsen als kleine Kostprobe hier ungekürzt wiedergegeben werden:

Wolfgang Hattinger (5. Oktober 1997, Dom zu Brixen im Rahmen der Brixner Initiative Musik und Kirche. Zehntes Symposion Mystik und Ekstase Brixen 3.–5. Okt. 1997), Brixen 1997, 12–13, 44–45. — Dass.: De visione dei – in search of god (inspired by nikolaus cusanus), composed by peter michael hamel 2001, ensemble: szene instrumental, conducted by wolfgang hattinger, celestial harmonies 13193–2; cd – 0 1371 13193 2 3. 2. Cusanus – Fragmente der Unendlichkeit. Szenisches Oratorium in sechs Szenen von Boudewijn Buckinx. Texte von Inigo Bocken (Libretto) und Peter Larsen (Dialoge). Uraufführung der „Cusanus-Oper“ am Theater Trier (Premiere 24. November 2007), Regie: Sven Grützmacher. Die Texte gedruckt in: Litterae Cusanae 7,1 (2007) 29–65; der Text-Auszug aus Szene III, ebd. 53–55. — S. dazu Larsen, Peter, Cusanus – Fragmente der Unendlichkeit …, in: Litterae Cusanae 7,1 (2007), 2–13; Herbst, August, Cusanus-Oper und Cusanus-Schulmaterial, in: Müller, Tom/Vollet, Matthias (Hg.), Die Modernitäten des Nikolaus von Kues: Debatten und Rezeptionen (Mainzer historische Kulturwissenschaften 12), Bielefeld 2013, 485– 512. 3. Cusanus-Meditationen für Tenor, gemischten Chor und Orchester, von Petr Eben, Uraufführung 13. Oktober 2001, 20 h im Dom zu Brixen (Kompositionsauftrag der Gemeinde Brixen und der Brixner Initiative Musik und Kirche). 4. Cusanus-Lieder, von Boudewijn Buckinx, Cusanus I. Cusanus II mit Wilfried van den Brande (Bass-Bariton), Eduardo Torbianelli (Piano), Maastricht 2005 (Beilage zu: Spiegel und Porträt. Zur Bedeutung zweier zentraler Bilder im Denken des Nicolaus Cusanus. Festgabe für Klaus Reinhardt zum 70. Geburtstag, hg. v. Inigo Bocken und Harald Schwaetzer, Maastricht 2005). 103) NvK, De visione dei, ed. Riemann, h VI; cf. AC II 2, Nr. 3721. 104) S. Herbst, Cusanus-Oper (wie Anm. 102).

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Hans Gerhard Senger

V erena Kommt herein, meine Herrschaften, kommt herein! Die Zeit zum Feiern ist gekommen. Unserem Gönner und Freund Sigismund wird es an Nichts fehlen! Sigismund, mein Freund! Was würden wir ohne Dich sein? (Der Herzog schreitet mit seinem Gefolge hinein. Einige betrunkene Soldaten fangen an, mit jungen Novizinnen zu plaudern.) Sigismund Verena, Hüterin dieses Gartens von Eden! Das Leben ist kalt und hart, doch wie Du immer Trost schenkst. Hier keine Armut, keine Pest und keine Cholera. O Schönheit des irdischen Lebens. (Sigismund und Verena tanzen den Tanz von Thron und Altar, einen sehr eckigen Tanz, in dessen Verlauf beide aufeinander zugehen und wieder auseinander treten.) Schwestern und Soldaten (Chor) Thron und Altar. Verena Wenn es nur nicht diesen Fanatiker gäbe, diesen neuen Bischof. Sigismund Cusanus! Schwestern und Soldaten (Chor) Cusanus! Cusanus (tritt auf, in einem weißen Gewand reitet er auf einem Esel herein. Mit ihm sind seine bewaffneten Gesellen als Gefolgschaft.) Loquacitas, lascivia, luxuria ex ea ebrietas tollit sapientiam.105) Gesellen von Cusanus Loquacitas, lascivia, luxuria ex ea ebrietas tollit sapientiam. (Damit versucht Cusanus die Nonnen zu einem frömmeren Lebensstil zu führen. … Ein heftiger Kampf zwischen den Gruppen entbrennt)

) Nach Sermo V, ed. Haubst u.a., h I 2, Nr. 45 Z. 10f.

105

Nikolaus von Kues in der belletristischen Literatur

477

– in Enneberg. — Soweit zum kondensierten Kampf zwischen „Thron und Altar“, der – wie es sich bei Libretti bisweilen ergibt – nicht unbedingt vom ‚Gipfel der Betrachtung‘ her gesehen ist. Den Rest müssen Musik und Inszenierung dann zu dem Libretto beisteuern, das „keine lineare Biographie“ des Cusanus als „historische Person“ (Peter Larsen) geben will, sondern bloß biographische Momente, „Fragmente“ eben, verbunden mit fragmentarisierten Cusanischen Gedanken und Ideen.

João Maria André Sobre o silêncio da luz Na pele deslizam a água e o tempo com o silêncio aberto nos dedos da luz. Respira a alma no interior do corpo na fonte misteriosa do desejo na sede tão pura do pensamento. Será deus que cintila no nada que somos ou é apenas a presença ignorada do sereno poder de todos os possíveis? É talvez aí que nascem as palavras despidas do sentido excessivo do mundo feito música e cor na carne do poema. Também aí começamos a declinar o oblíquo voo da suspensa despedida. S. Pedro de Moel, julho de 2019 * Das Schweigen des Lichts Auf der Haut gleiten das Wasser und die Zeit mit dem in den Fingern des Lichts geöffneten Schweigen. Es atmet die Seele im Inneren des Körpers in der geheimnisvollen Quelle des Verlangens im ebenso reinen Durst des Denkens. Mag es Gott sein, funkelnd im Nichts, das wir sind oder ist es nur die unbekannte Gegenwart des gelassenen Könnens alles Möglichen? Dort entstehen vielleicht die Wörter entblößt vom exzessiven Sinn der Welt, Musik und Farbe geworden im Fleisch des Poems. Dort beginnen wir auch, in den Schrägflug des aufgeschobenen Abschieds überzugehen. S. Pedro de Moel, Juli 2019106) Cornelia Plag, Coimbra – Hans Gerhard Senger, Köln (Übersetzung Juni 2021)

106) Im Anschluß an Nicolau de Cusa – Residência Filosófica Internacional, Instituto de Estudos Filosóficos, Coimbra, in Paradela da Cortiça/Penacova, Portugal, 14.–21. Juli 2019.

Abkürzungen und Siglen AAV AC B. BA BAV BBKL

BML BNC c. Cgm CGS Clm COD COGD

CSEL CT DA DBI DKA Eb. fl. FRA gr. GW h

HA Hg. HHStA

Archivio Apostolico Vaticano Acta Cusana Bischof Bischöfliches Archiv Biblioteca Apostolica Vaticana Biographisch-bibliographisches Kirchenlexikon, begründet und herausgegeben von Friedrich Wilhelm Bautz, fortgeführt von Traugott Bautz, [bisher] 40 Bde., Hamm, Nordhausen 1975–2019. Biblioteca Medicea Laurenziana Biblioteca Nazionale Centrale canon, capitulum Codex germanicus monacensis Cusanus. Gedächtnisschrift (Forschungen zur Rechts- und Kulturgeschichte 3), Innsbruck 1970 Codex latinus monacensis Conciliorum Oecumenicorum Decreta, hg. v. Giuseppe Alberigo u.a., Bologna 31973. Conciliorum Oecumenicorum Generaliumque Decreta II 1: The General Councils of Latin Christendom. From Constantinople IV to Pavia-Siena (869–1424), II 2: The General Councils of Latin Christendom. From Basel to Lateran V (1431–1517), Turnhout 2013. Corpus Scriptorum Ecclesiasticorum Latinorum Iff., Wien 1866ff. Cusanus-Texte I, 1ff. (SBH), Heidelberg 1929ff. Diözesanarchiv Dizionario Biografico degli Italiani, [bisher] 100 Bd., Rom 1960–2020. Domkapitelsarchiv Erzbischof Gulden, Florin Fontes rerum austriacarum. grossi, Kreuzer (Silbermünze) Gesamtkatalog der Wiegendrucke Nicolai de Cusa Opera omnia. Iussu et auctoritate Academiae Litterarum Heidelbergensis ad codicum fidem edita, Bd. I–XX, Leipzig, dann Hamburg 1932–2014. Hofarchiv Herausgeber Haus-, Hof- und Staatsarchiv

480 HRG HRR Hs. HStA Hz. Kg. Kg.in lb. LexMA LHA LThK MFCG Mgf. MGH MIÖG NvK O.A. ÖNB Or. PL QFIAB RTA

s.o./s.u. SBH StA StB StiB Stud.Mitt.OSB TLA Verfasserlexikon VWSG ZHF ZRG GA/KA

Abkürzungen und Siglen Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte, 5 Bde., Berlin 11977– 1998, 22008ff. Hofregistratur Handschrift Hauptstaatsarchiv Herzog König Königin libra; Pfund Lexikon des Mittelalters Landeshauptarchiv Lexikon für Theologie und Kirche, Freiburg im Breisgau 31993–2001. Mitteilungen und Forschungsbeiträge der Cusanus-Gesellschaft, [bisher] 34 Bde., Mainz, dann Trier 1961–2016. Markgraf Monumenta Germaniae Historica Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung Nikolaus von Kues Oberes Archiv (des Brixner Diözesanarchivs) Österreichische Nationalbibliothek Original Patrologiae cursus completus, hg. v. Jacques-Paul Migne. Series Latina 1– 221, Paris 1878–1890. Quellen und Forschungen aus italienischen Archiven und Bibliotheken Deutsche Reichstagsakten. Ältere Reihe. hg. durch die Historische Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Bd. Iff., München u.a. 1867ff. siehe oben/unten Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-historische Klasse Staatsarchiv Staatsbibliothek Stiftsbibliothek Studien und Mitteilungen zur Geschichte des Benediktinerordens und seiner Zweige Tiroler Landesarchiv Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon, 14 Bde., 2. Aufl., hg. v. Kurt Ruh u.a. Berlin 1978–2008. Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte Zeitschrift für historische Forschung Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte. Germanistische/ Kanonistische Abteilung

Register Der Band wird erschlossen durch ein integriertes Personen- und Ortsregister. Die Namen mittelalterlicher Personen werden unter dem Vornamen gesammelt. Dabei werden verschiedene nationalsprachliche Varianten desselben Vornamens unter der deutschen Variante zusammengefasst, d.h. Jean, Giovanni usw. finden sich unter Johann. Ständisch hervorragende Persönlichkeiten werden jeweils am Anfang des Lemmas ihres Vornamens platziert, und zwar in folgender Reihenfolge: Heiliger, Papst, Patriarch, Kaiser, König, Kardinal, Erzbischof, Bischof, Herzog (bzw. Doge), Markgraf, Graf, Abt. Heiliggesprochene Päpste und Könige werden in der Reihe ihrer Standesgenossen belassen. Kirchenpolitisch umstrittene Titel werden undifferenziert aufgeführt (z.B. Felix V., Papst). Moderne Autoren und sonstige Persönlichkeiten (ab 1500) sind unter ihren Nachnamen eingeordnet. Die Schwelle zum Sachregister wird teilweise überschritten, indem unter den Personennamen auch ihre Werke verzeichnet sind. Ebenso enthält das Ortsregister auch Verweise auf Institutionen und Ereignisse. Folgende Siglen wurden verwandt: Hl. = Heiliger, Ks. = Kaiser, Kg. = König, Kgr. = Königreich, Kard. = Kardinal, Eb. = Erzbischof, Ebm. = Erzbistum, B. = Bischof, Bm. = Bistum, Hz. = Herzog, Hztm. = Herzogtum, Mgf. = Markgraf, Mgft. = Markgrafschaft, Gf. = Graf, Gft. = Grafschaft, OSB = Benediktiner, OSBCam = Kamaldulenser, OESA = Augustinereremiten, OSCl = Klarissen, OFM = Franziskaner, OP = Dominikaner, OCam = Kamaldulenser, OCarm = Karmeliten, OCart = Kartäuser, OCist = Zisterzienser, OPraem = Prämonstratenser, CRSA = Augustinerchorherren, OSM = Serviten, SJ = Jesuiten.

1. Personen und Orte A Aachen, Stadt 76 Marienstift, Dekan s. Peter von Erkelenz; Kanoniker s. Dietrich von Xanten Abtei (Val Badia), Dorf 55, 57, 145f., 166, 179, 263 St. Leonhardskapelle 53, 62,A.303 Admont Benediktinerkloster 285, 388, 400–402, Kirche St. Blasius 400,A.156 Benediktinerinnenkloster, Kirche St. Rupert 400,A.156 Pfarrkirche, St. Amandus 400,A.156 Adolf von Oberweinper, Pfleger zu Branzoll, dann Stadtrichter zu Brixen 228, 322, 330– 332

Afra Afra Fridung, Romanfigur 450 Afra von Velseck OSB, Verweserin des Klosters Sonnenburg 107, 118, 122, 124f., 127–130, 146,A.45, 197,A.51, 252 Agatha Lats, Vorsteherin von St. Barbara in Gent 83 Agen, Bm. 296 Aggsbach, Kartäuserkloster 388 Agnes Rasner OSCl, Brixner Klarissin 234 Ahab, israelischer Kg. 451,A.31 Ahrntal 33, 66, 66f., 153, 251, 279 Pfarrei St. Johann 27, 66, 242 Aicha, Dorf 279, 305, 321–323 Aiton (Savoyen) 360, 384 Aix-en-Provence, Bm. 299 Alain de Coëtivy, Kard. 195,A.39

482

Register

Albeins Landgericht 26 Pfarrei 28, 31, 33, Visitation (1455) 44f., 48– 53, 70 Albi, Bm. 296 Albrecht, Albert, Alberto Albertus Magnus OP, Hl., Theologe 382 Albrecht III., Hz. von Bayern-München 195, 204, 273,A.2, 275,A.7, 277, 439 Albert IV., Hz. von Bayern-München 439 Albrecht VI., Hz. von Österreich 178, 181f., 261,A.69, 281 Albrecht-Achilles, Mgf. von BrandenburgAnsbach 275 Albrecht II., Gf. von Görz 263,A.76 Albrecht Wagenknecht, Fuhrmann des NvK 292 Aletschgletscher 290 Alexander, Alessandro Alexander V. (Petros Philargis), Papst 341, 343, 345, 356 Alexander von Masowien, B. von Trient 144f., 173, 259,A.60 Alexander von Hales OFM, Theologe 427,A.8 Alessandro Numai, päpstlicher Legat 218 Algund 237,A.162 Palmerhube 160 Alpen 10, 62, 73, 138, 239, 273, 371, 388, 435, s. Dolomiten | s. Julische A. Altrich, Pfarrkirche 17 d’Alverny, Marie-Thérèse, Historikerin 433 Ambrosius, Ambrogio Ambrosius von Mailand, Hl. 374 ‚De officiis ministrorum‘ 374 Ambrogio Traversari OSBCam, Humanist 390f. Andechs, Benediktinerkloster 198, 274–277, 392 Andersen, Hans Christian, Schriftsteller 455 Andraz s. Buchenstein Andreas, Andrea Andreas OP, Titularbischof von Sichar, Weihbischof von Brixen 67, 382 Andreas, Diener des Leonhard von Velseck 253,A.35 Andrea Bregno, Bildhauer 443 Andrea Giuliani, Humanist 344f.

Andreas Mack, Kleriker 197,A.51, 199, 207, 244 Andreas von Weispriach, Hauptmann von Lienz 362, 367,A.21 Angoulême, Bm. 296 Anna Anna von Braunschweig, Herzogin von Bayern-München 110 Anna von Braunschweig, Herzogin von Österreich 148 Anna von Freyberg, Äbtissin des Klarissenklosters in Söflingen bei Ulm 216f. Anna Kramer-Peisser, Gastwirtin 231 Anna Putsch, Frau des Jakob Grueber 140,A.19, 161 Anna, Ehefrau des Ulrich von Säben 168 Anras Landgericht 26 Pfarrei 33 Antholz (Anterselva), Landgericht 26, 179 Anton, Antoine, Antonio, Antonius, Anton von Challant, Kard. 165 Antonio da Forlì, apostolischer Kammerkleriker 205,A.95 Antonio Loschi, Humanist 345, 347 Antonius von Thun, Adliger 53 Antoniter, Orden 63, Klöster s. Memmingen Aquileia, Patriarchat 100 Archimedes 394,A.110 Arezzo, Bm. 298 Aris, Marc-Aeilko, Philologe 388,A.75 Aristoteles 340, 374, 400–402, 472 ‚De consilio et de legibus‘ 400f. ‚Metaphysik‘ 380 ‚Nikomachische Ethik‘ 374, 376, 409, 416 ‚Oeconomica‘ 374 ‚Politica‘ 374, 409 Arles, Bm. 299 Artaxerxes, persischer Kg. 454,A.49 Arzl, St. Johanneskirche 167 Aschaffenburg s. Mainz, Ebm., Provinzialsynoden Athanasius, Hl. 427,A.8 Atz, Karl, Historiker 24 Augsburg Bm. 100, B. s. Peter von Schaumberg Stadt 401

Personen und Orte St. Ulrich und Afra, Benediktinerkloster 406,A.191 Augustin, Augustinus, Agostino Augustinus von Hippo, Hl. 340, 378,A.29 Augustinus Elbling, Jurist 218,A.151 Agostino Patrizi 293,A.90 Augustus, röm. Kaiser 345, 347 Avignon Bm. 299,A.114 Kurie 292f., 433 Avranches, Bm. 299,A.114 B Bach, Anna Magdalena 452,A.39 Baldissera, Alessio, Historiker 462 Baldung, Hieronymus, Tiroler Kanzler 418 Balthasar Balthasar Mentelberger, Zöllner zu Bruneck 227 Balthasar von Spaur, Unterhauptmann zu Bruneck 237 Balthasar von Welsberg, Pfleger von Michelsburg 258,A.56, 265,A.86 Bamberg, Bm. 32, 100, 255 Barbara Barbara Gonzaga, Mgf.in von Mantua 421,A.279 Barbara Rasner OSB, Äbtissin von Sonnenburg 145f., 165 Barcelona, Stadt 382 Bartholomäus, Bartolomeo Bartolomeo Capra, Eb. von Mailand 298 Bartolomeo d’Aviano, Notar 419–421 Bartholomäus Egen, Familiar des NvK 411 Bartholomäus von Gufidaun, Adliger 163 Bartholomäus von Liechtenstein, Haupmann von Brixen, später von Bruneck 225f., 322 Bartolomeo Platina, Bibliothekar 377 Bartl, Philipp, Hofrat 162 Bartolomea Canetoli 341 Basel Bm. 100, B. 216,A.146, B. s. Johann von Venningen

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Konzil (1431–1449) 36, 73, 77, 84, 152, 187–188, 198, 208, 338, 360, 378,A.32, 384, 390,A.85, 431, 468 Teilnehmer s. Ambrogio Traversari | s. Johannes von Segovia | s. NvK | s. Pius II. Stadt 217 Rat 216 St. Clara, Klarissenkloster 218 Basilios Bessarion, Kard. 381, 464 Bath-Wells, Bm. 298 Baum, Wilhelm, Historiker 22, 69, 138, 200, 309 Baumburg, Augustinerchorherrenstift 193,A.28 Baumkirchen, Pfarrei 167, Pfarrer s. Eberhard Sulzrainer | s. Ulrich Vogel Bayern 442, Hztm. 293,A.90, 410, Hze. s. Albrecht III. | s. Anna von Braunschweig | s. Ludwig IX. Beauvais, Bm. 299,A.114 Bédard, Jean, Schriftsteller 463, 468, 471 Belgrad, Schlacht (1456) 180, 283,A.45 Belluno, Stadt 276 Benedikt XIII. (Pedro de Luna), Papst 142, 343 Benediktiner, Orden 193,A.30 Frauenklöster s. Admont | s. Salzburg, Nonnberg | s. Sonnenburg Männerklöster s. Admont | s. Andechs | s. Augsburg, St. Ulrich und Afra | s. Disentis | s. Egmond, St. Adalbert | s. Gent, St. Peter | s. Mariazell | s. Melk | s. Mondsee | s. Paderborn, Abdinghof | s. Regensburg, St. Emmeram | s. Rott am Inn | s. St. Georgenberg | s. St. Lambrecht in Kärnten | s. Salzburg, St. Peter | s. Subiaco, Sacro Speco | s. Tegernsee | s. Trient, S. Lorenzo | s. Trier, St. Matthias | s. Wien, Schottenkloster Beringen, Pfarrkirche 415 Berlin 443,A.11 Bernhard, Berardo, Bernardino, Bernardo Bernhard von Clairvaux OCist, Hl. 429 ‚Vita Sancti Malachiae episcopi‘ 397,A.135 Bernardino von Siena OFM, Hl. 392

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Register

Berardo Eroli, Kard., Bischof von Spoleto 207 Bernhard von Auvergne, ‚Abbreviatio et impugnatio Quodlibetorum Henrici de Gandavo‘ 435 Bernhard Gradner, Adliger 178–180, 263 Bernhard Karlinger 219 Bernhard Stevernemunde aus Haltern 202,A.80 Bernhard von Waging OSB, Prior von Tegernsee 93,A.16, 130–132, 203, 210,A.121, 284f., 388, 391–393, 396–405, 451 ‚Epistola contra illicitum carnium esum‘ 131,A.113 ‚Klagelieder‘ 406 ‚Laudatorium doctae ignorantiae‘ 405 Bernkastel-Kues 16, 438, 442–444, 458, 468 St. Brictius, Pfarrkirche 16, 190 St. Michael 465 St. Nikolaus-Hospital 70, 190, 373, 380, 387, 399f., 411, 413, 417, 419f., 423, 432,A.28, 438, 445, 474 Berthold Berthold von Bückelsburg, B. von Brixen 143, 145, 151, 173 Berthold von Gufidaun, Hauptmann zu Rodeneck 145, 252 Beseno, Burg 178, 263 Bettelorden s. Mendikanten Bickell, Gustav, Historiker 37 Biechler, James E., Historiker 431f. Bischof, Franz-Xaver, Theologe 388.A.75 Bloch, Marc, Historiker 310 Bocken, Inigo, Philosoph 475 Böhmen, Kgr. 76, 171, 215, 274, 286, Kg. s. Ladislaus Bohnert, Niels, Germanist 95,A.25, 423,A.289 Bologna Bm., B. s. Niccolò Albergati Generalkapitel des Franziskanerordens (1454) 211,A.125 Stadt 211, 276, 338, 341, 343 Domenikanerkloster 435 Franziskanerkloster 211,A.125 Podestà 341 Universität 337f., 340–342, 346–348 Bonaventura OFM, Hl. 402–404

‚Collationes in Hexaemeron‘ 404f. ‚De gradibus contemplacionis‘ 402f. Bonifaz VIII. (Benedetto Caetani), Papst 311, 325,A.89 Bonn 443,A.11 Boppard, Karmeliterkloster 212,A.129 Bora, Katharina von 452,A.39 Bordeaux, Ebm. 296 Bourges, Ebm. 296, 299,A.114 Bozen (Bolzano), Stadt 27, 110, 141, 146, 162, 177, 181, 184, 197,A.51, 288, 331f., 361, 408, 443,A.11, 459 Franziskanerkloster 214 Stadtrichter 206,A.99, s. Heinrich Breitenberger Brabant Archidiakonat 77, 190 Hztm. 75 Braies s. Prags Brandl, Alois, Germanist 446 Branzoll, Burg 284, Pfleger s. Adolf von Oberweinper Braunschweig, Stadt 467 Brechel, Heinrich, Rektor des St.-NikolausHospitals in Bernkastel-Kues 413 Brenner, Pass 30, 112, 278, 280, 282, 285, 287, 316 Brennerbad 315 Breslau, Stadt 466 Bretagne, Hztm. 212, 220 Birgitta von Schweden, Hl. 392 Brixen Bm. 17–71, 100, 138, 141,A.26, 273–300, 408, 453, 464, B. 259, 268,A.104, s. Berthold von Bückelsburg | s. Bruno von Kirchberg | s. Christoph Madruzzo | s. Georg Golser | s. Georg von Stubai | s. Johann Röttel | s. Leonhard Wiesmair | s. Matthäus an der Gassen | s. Melchior von Meckau | s. NvK | s. Ulrich Putsch Domkapitel 29f., 32, 44, 48, 68f., 143– 145, 147f., 152, 155, 159, 163–165, 191f., 198,A.55, 239, 269,A.107, 304–307, 315, 326, 335, 421, 447, 466, Dompropst s. Jakob Lotter; Domdekan s. Konrad Judenfraß; Domkustos s. Christian von Freiberg; einzelne Domherren 35, 58,

Personen und Orte 70, s. Gebhard Bulach | s. Georg Golser | s. Jakob Grueber | s. Konrad Bossinger |s. Konrad Tegmair | s. Konrad Zoppot | s. Leonhard Wiesmair | s. Michael von Wolkenstein | s. Simon von Wehlen | s. Stefan Steinhorn | s. Ulrich Putsch | s. Wolfgang Neidlinger Generalvikar (Offizial) 30, 55, 63, 165, 193, s. Gebhard Bulach | s. Michael von Natz Hochstift 70, 223–246, 264, 266, 304, 361, 421, 443, 448 Gerichte und Ämter 27, s. Brixen, Stadt | s. Bruneck | s. Buchenstein | s. Niedervintl | s. Salern | s. Taufers | s. Thurn an der Gader Hofämter, Hofmarschall s. Georg von Villanders | Schenk s. Kaspar von Gufidaun Lehen 225–227, 230f., 234f., 250, 252, 287, 364 Vogtei 248, 250, 256–262, 267f. Wappen 248, 256, 267 Pfarreien 27f., 30–33 Synoden 200, einzelne S. (1419) 40 | (1438) 38, 40 | (1449) 38 | (1453) 37f., 40, 48, 63, 154 | (1454) 40, 154 | (1455) 45, 196 | (1457) 38, 40f., 52, 145, 241 Wappen 161, 267 Stadt 25, 42, 49, 62, 67, 93, 98, 151, 181, 203, 213, 225, 239, 244, 248, 274, 278, 282–284, 291, 321–323, 330, 361, 372, 376, 390, 409, 413, 415, 417f., 421, 442, 445, 453, 455, 459, 475 Amt 407, Amtmann s. Hans Heuss Bürger s. Erasmus Wenzel | s. Hans Gall | s. Hans Heuss | s. Hans Seckler | s. Kunz Kamrer Cusanus-Akademie 445 Dom 35, 44, 57, 70, 182, 215,A.143, 274, 475 Domschule 31 Dreikönigskapelle 149 Marienstift im Kreuzgang 26,A.63, 29, 32, 243 Franziskanerkloster 29 Heiligkreuzspital 26,A.63, 32

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Hofburg 143, 147f., 151 Bibliothek 340 Hauptmann s. Bartholomäus von Liechtenstein Hofgericht 225, Richter s. Erasmus Gerhard | s. Kaspar von Gufidaun | s. Sigmund Wirsung Klarissenkloster 26,A.63, 29, 156, 193,A.30, 213,A.130, 233, 285, 473 Nonnen s. Maria von Wolkenstein | s. Ursula Flickenpfeil Landtag (1455) 96 Pfarrkirche St. Michael 26,A.63, 31 Pfarrer 56 Visitation (1455) 52 Säbnertor 232 Stadtgericht 26, 225, Richter s. Adolf von Oberweinper Brokoff, Jürgen, Literaturwissenschaftler 312 Brösch, Marco, Historiker 92,A.14 Bruck an der Mur Franziskanerkloster 218 Provinzialkapitel des Franziskanerordens 214 Brügge, Stadt 205,A.95 Bruneck Pfarrei 29 Stadt 25, 66, 93, 98, 107, 139, 149,A.61, 158, 160, 179, 184, 244, 250, 276, 278, 284, 286f., 291, 305, 307, 322, 327, 413, 415– 421, 446, 453–455, 457f., 470 Amt 407, Amtmann s. Georg Purenpeck Stadtgericht 227, Stadtrichter s. Wolfgang Krumpacher Zöllner s. Balthasar Mentelberger Burg 252, Hauptmann s. Bartholomäus von Liechtenstein | s. Leonhard von Velseck Salvatorkapelle 168 Stadtgericht 26 Bruno von Kirchberg, B. von Brixen 255, 263,A.76, 278 Brunner, Otto, Historiker 246, 264 Brüssel, Stadt 79, 83, 418, 432,A.28 Buchenstein (Andraz) Burg 25, 35, 42, 67, 93f., 139, 151, 181, 199, 227, 238, 242, 247, 250f., 255, 276, 279,

486 282f., 286f., 292, 303, 369, 371f., 379, 396, 406f., 416–423, 464 Hauptmann s. Gabriel Prack | s. Johann von Weineck | s. Ludwig von Spar(e)nberg Kapelle 251 Landgericht 26, 157f. Pfarrei 33, 59 Pfarrkirche St. Jakob 168, 251 Buckinx, Boudewijn, Komponist 475 Burggrafenamt 27 Burgund, Hztm. 82f., 142, Hz. s. Philipp der Gute Burkhard von Weißbriach, Eb. von Salzburg 68 Bursfelder Kongregation 388 C Cadore, Landgericht 157,A.114, 166 Cahors, Bm. 296 Calixt III. (Alonso Borgia), Papst 36, 41f., 122, 125–128, 139,A.8, 154f., 182, 188, 191–206, 211, 213, 215, 251, 281, 313, 327, 415,A.244 Bulle ‚Cum his superioribus annis‘ (1456) 66, 154 | ‚Gregis dominici‘ (1457) 328 Cambrai, Bm. 79 Campolongo-Pass 278, 287 Canterbury, Ebm. 298 Carpentras, Bm. 299,A.114 Castellaro Mantovano 181 Chalons-sur-Marne, Bm. 299,A.114 Chichester, Bm. 296, 298 Chiemsee, Bm., Domkapitel 343 Christian, Cristan Cristan Eriber, Buchbinder 410 Christian von Freiberg, Domkustos zu Brixen 163, 192, 239,A.173, 241f. Christian Moczner 63 Christian Troysel, Domherr zu Brixen 239,A.173, 241 Christoph, Christopher Christoph Madruzzo, B. von Brixen, ‚Agenda seu liber obsequiorum‘ 51 Christoph Kolumbus, Seefahrer 455

Register Christoph Krell, Kanzleischreiber des NvK 94, 99,A.47, 282f., 306f., 315–320, 322, 360 Christoph Riethover, Kleriker 35, 408,A.199 Christoph von Rost 160 Christoph Trauner, Salzburger Hofmarschall 218,A.151 Christoph Zwingensteiner, Pfleger von Kastelruth 361, 366 Chur, Bm. 27, 43, 100, 141,A.26, 193, 195, B. s. Hartmann von Werdenberg-Sargans | s. Leonhard Wiesmair Domkapitel s. Leonhard Wiesmair Cicero 345f., 350, 355f. ‚De amicitia‘ 356 ‚De republica‘ 400 ‚Divinatio in Caecilium‘ 355 ‚Pro Roscio Amerino‘ 356 ‚Somnium Scipionis‘ 400 Cilli (Celje), Franziskanerkloster 214,A.140 Città di Castello, Bm. 295 Clara, Ehefrau des Hans Seckler 160 Clemens V., Papst, Dekretale ‚Dudum‘ (1311) 64 Clermont, Bm. 296, 299,A.114 Cleto (Kalabrien) 212, 222 Comenius, Jan Amos, Theologe 471f. Como, Bm. 298, B. s. Gerardo Landriani Cortina d’Ampezzo (Haiden), Stadt 279, 286 Corvara, Kirche St. Katharina 55 Cosimo de’ Medici 426f. Curzel, Emanuele, Historiker 27f. Cyprian von Leonburg, Hauptmann von Taufers 229f., 253 D Degenhard Plankenberger, Pfarrer von Fügen 34, 243 Demetrio Guazzelli, Bibliothekar 377 Deutscher Orden 165, 195, 201, 276 Hochmeister 196,A.48, 202 Kommenden s. Sterzing Prokurator an der Kurie 196,A.48, 201f. Deutschland, Heiliges Römisches Reich 18f., 58, 76, 91, 138, 206, 291, 435, 442f., 467 Kge. und Ks. 293, s. Friedrich III. | s. Karl IV.

Personen und Orte Kurfürsten 148 Reichsadler 267 Reichsfürsten s. Brixen, B. Reichstage 188, 201, s. Regensburg Deventer, Stadt 468,A.85 Diest 415 Dietrich Dietrich von Moers, Eb. von Köln 76, 195, 199f. Dietrich von Erbach, Eb. von Mainz 209– 213 Dietrich von Nieheim, Jurist 342 Dietrich von Xanten, Kanoniker zu Aachen, Sekretär des NvK 78,A.19, 107, 206, 390,A.83 Digne, Bm. 299,A.114 Dionysius Dionysius Heidelberger, Sekretär Hz. Sigismunds 207, 368 Dionysius van Rijkel OCarth, Theologe 260, 386 ‚Contra perfidiam Mahometi libri quattuor‘ 386f. ‚Monopanton seu redactio omnium epistolarum beati Pauli in unam‘ 389, 393 Disentis, Benediktinerkloster 259,A.60 Dolomiten, Gebirge 27, 279, 291, 369 Domenico Capranica, Kard., Großpönitentiar 194, 198f., 202, 415,A.244 Protektor des Franziskanerordens 213f. Donauwörth, Stadt 139 Dörrer, Anton, Bibliothekar 438, 447, 450 Drau, Fluss 27, 279 Duhem, Pierre, Physiker 471 Dürer, Albrecht, Maler 279 Durnholz, Kirche 28 Dürnstein 219,A.155 Düx, Johann Martin, Theologe 307f. E Eberhard Eberhard von Neuhaus, Eb. von Salzburg 353 Eberhard von Starhemberg, Eb. von Salzburg 143 Eberhard, Gf. von Kirchberg, Rat Hz. Sigismunds 255

487

Eberhard Sulzrainer, Pfarrer von Baumkirchen 167 Eberhard aus Wolfratshausen OSB, Tegernseer Mönch 284 Eberhardsklausen, Augustiner-Chorherrenstift 388 Ebersberg, Benediktinerkloster 392, Abt 284 Eco, Umberto, Schriftsteller 446, 470 Egger, Josef, Historiker 138 Egidius, Gefährte des Hl. Franz von Assisi 403,A.173 Egmond, St. Adalbert, Benediktinerkloster 193,A. 30 Eichborn, Kurt von, Bankier 466 Eichstätt Bm. 43, 48, 100, 244, 296, B. 275, s. Johann von Eych Stadt 199, 206 Eifel, Gebirge 442f., 465 Eimeren, Wilhelm van, Schriftsteller 445, 468f. Eisack, Fluss 27, 270, 288 Eisacktal 38, 53, 248, 369 Eleonore von Schottland, Hz.in von Österreich 63, 99,A.47, 100,A.50, 118, 127– 129, 182, 191, 204, 313, 360, 438, 450, 455 Elija, Prophet 451 Elsass 142 Elzegem, Prior 82 Enea Silvio Piccolomini s. Pius II. Engelbert von Daun, Kölner Gesandter 206 England, Kgr. 77, 192,A.24, 196, 201, 292, 296, 381,A.44, 413, Kg. s. Heinrich VI. Enneberg (Marebbe), Tal 145, 165, 167, 179, 263, 269,A.107, 456, 464, 473 Gericht 177, 259,A.60 Pfarrei 31, 52f., 139, 242, Pfarrer 55f., s. Erhard Zanger Schlacht (1458) 113, 227, 305, 325, 327, 445, 461f., 475, 477 Ennstal 279, 286 Épinal, Stadt 195 Erasmus, Asm, Esemle Erasmus Burgstaller, Bürger zu Klausen 231f. Erasmus Gerhard, Hofrichter zu Brixen 225 Erasmus Söll (Sell), Bürger zu Bruneck 235 Erasmus Wenzel von Köstlan, Pfleger zu Feldthurns 232, 234

488 Erfurt, Stadt 399 Bibliotheca Amploniana 399 Erhard Zanger, Pfarrer von Enneberg 55 Ermolao Barbaro, B. von Verona 297 Etsch, Fluss 142, 270 Hauptleute an der E. s. Parsifal von Annenberg | s. Ulrich von Matsch Ettal, Benediktinerkloster, Abt 284 Eudes Rigaud, Eb. von Rouen 294, 296 Eugen IV. (Gabriele Condulmer), Papst 79, 84,A.51, 87, 298, 384 Europa 249, 271, 289f. Eusebius von Caesarea ‚De praeparatione evangelica‘ 392f. ‚Demonstratio evangelica‘ 393 Exeter, Bm. 298 F Fantino Dandolo, Eb. von Kreta, dann B. von Padua 297, 355, 382f., 414 Falzarego-Pass 286f. Fassa (Evas) Landgericht 26, 179 Pfarrei 33 Feldthurns Burg und Gericht der Gft. Tirol 232, 248, 270, Pfleger s. Erasmus Wenzel Pfarrei 31, Pfarrer 57 Felix V. (Amadeus VIII., Hz. von Savoyen), Papst 384 Feltre, Bm., B. 165 Ferdinand, Kg. von Aragón 343, 345 Ferrara Bm., B. s. Francesco Dal Legname Konzil (Ferrara/Florenz/Rom, 1438–1445) 133, 173 Stadt 276 Fiesole 435, Badia Fiesolana 427 Finnland 443f. Flaurling, Pfarrei 32f., 55, 167 Fließ, Pfarrei 36 Fliri, David, Historiker 166 Florenz, Stadt 238, 276, 345, 381,A.44, 426, 435 Franziskanerkloster 388, 403 San Marco, Dominikanerkloster 426 Fontainebleau, Schloss 294 Fontebuono, Kamaldulenserkloster 391,A.85

Register Fragenstein, Burg 162 Francesco s. Franz Frankfurt am Main, Stadt 19, 107, 432 Frankreich 443, Kgr. 84, 252, 310, 435, Kge. s. Karl VII. Franz, Francesco, François Franz von Assisi, Hl. 403 Francesco Zabarella, Kard. 344, 355, 357 François de Conzié, Eb. von Narbonne 299 Francesco Dal Legname, B. von Ferrara 298 Francesco Morosini, Erzdiakon von Vicenza, dann B. von Poreč 419–422 Francesco Sforza, Hz. von Mailand 201 Francesco Foscari, Doge von Venedig 166 Francesco Barbaro, Humanist 344 Francesco Coppini, päpstlicher Legat 196,A.46 Franz Schidman, Landrichter zu Gries 321, 332 Franzensfeste 331 Franziskaner, Orden 156,A.102 Dritter Orden 193,A.30 Generalkapitel s. Bologna | s. Rom Generalminister s. Giacomo Boscalini Klöster s. Bologna | s. Bozen | s. Brixen | s. Florenz | s. Mailand | s. München | s. Parma | s. Straßburg | s. Tongern Protektor s. Domenico Capranica Provinzen s. Österreich | s. Sizilien | s. Straßburg | s. Ungarn Freising, Bm. 100, 238, B. 275 Domkapitel 343 Fréjus, Bm. 299,A.114 Friedrich, Federico, Fritz Friedrich III., röm.-deutscher Kg. und Ks. 155,A.93, 174–176, 182, 192, 213–219, 251, 276, 282, 285f., 309, 371 Friedrich von Beichlingen, Eb. von Magdeburg 198,A.56 Friedrich III. von Aufsess, B. von Bamberg 342,A.19 Friedrich Deys, B. von Lavant, Domdekan von Paderborn, Rotarichter 166, 343, 352–354, 358 Friedrich IV., Hz. von Österreich, Gf. von Tirol 140, 143, 148, 152, 161–167, 256, 279,A.24, 364 Kanzler s. Ulrich Putsch

Personen und Orte Friedrich II., Mgf. von Brandenburg 309 Fritz, Stallbursche des NvK 291,A.78 Friedrich Lamburger 168 Federico Petrucci da Siena, Jurist 338 Friedrich von Wolkenstein, Adliger 91 Fügen, Pfarrei 33f., 56, 108, 233, 243, 254, Pfarrvikar s. Johann Steinberger Fursil, Dorf 157 Füssen, Stadt 175, 262,A.75, 276f. G Gabriel, Gabriele Gabriel, Erzengel 429f. Gabriele Sforza, Eb. von Mailand 298 Gabriel Prack, Hauptmann von Thurn an der Gader, dann von Buchenstein 227, 237, 449f., 455 Gadertal 57, 146, 164, 462 Gais, Pfarrei 33, Pfarrer s. Lorenz Hamer Gaishorn am See, Pfarrkirche St. Salvator 400,A.156 Garin, Eugenio, Historiker 435 Garnstein, Burg 160 Gaspare, Gasparino s. Kaspar Gasser, Vinzenz, Historiker 451 Gavere, Schlacht (1453) 84 Gebhard Bulach von Rottweil, Brixner Domherr, Generalvikar des Bm. Brixen 30, 42, 65, 163, 239f., 334,A.124 Gent, Stadt 84, 193,A.30 Bürger s. Joris Vranckx Diözesanarchiv 80 Dom 81 Pfarrkirche St. Maria 81, Pfarrer s. Johannes Zadeleere Savaanstraat 81 St. Barbara 73–87, Vorsteherin s. Agatha Lats St. Peter, Benediktinerabtei 81, Abt 82, s. Philipp Gepatschgletscher 289 Georg, Jörg, Joris Georg Golser, B. von Brixen, zuvor Domherr zu Brixen 28, 138, 239f. Georg von Österreich, B. von Brixen 418 Georg von Stubai, B. von Brixen 90, 161 Georg Hack von Themeswald, B. von Trient 33, 35, 96, 171–184, 193, 228f.,

489

243, 259,A.60, 263,A.79, 277, 280f., 284, 287f., 360 Georg Baumgartner, Stallmeister des NvK 235, 265,A.86, 292 Jörg Künigl von Ehrenburg 160, 233 Georg von Peuerbach, Astronom 215 Georg Purenpeck, Amtmann zu Bruneck 226, 416f. Jörg Ragant, Richter zu Sonnenburg 56, 128, 231, 234, 266, 315 Jörg von Rost 160 Georg Ried OCist, Abt von Stams 155, 200, 202 Georg Sewml, Notar 194,A.36, 238 Jörg Teufelhart von Enneberg, Romanfigur 450 Georg von Trapezunt, Humanist 381, 392 Georg von Villanders, Hofmarschall zu Brixen, Pfleger zu Salern 160, 225, 332f. Joris Vranckx (Vranke), Bürger von Gent 81, 87 Gerardo Landriani, B. von Como 298 Gerlospass 279,A.24 Gernstein/Latzfons, Landgericht 26 Gerwig von Rottenstein, Kammermeister Hz. Sigismunds 94f., 321f. Gilm, Hermann von, Dichter 439, 442, 444f., 448f., 452, 454, 458 Giordano Orsini, Kard. 470 Giuliano Cesarini, Kard., Legat 164 Goch, Stadt 468 Gonzaga, Familie 435, s. Barbara | s. Ludovico Gornergletscher 290 Görz, Gft. 68, 227, Gf. 233f., 314, s. Albrecht II. | s. Heinrich VI. | s. Johann II. Gossensass, Dorf 157 Bergwerk 260, 270 Grabmann, Martin, Historiker 404 Gradner, Familie 233, 261, s. Bernhard | s. Wigoleis Grass, Nikolaus, Rechtshistoriker 21 Gratsch 143, 163 Graz, Stadt 192,A.27 Franziskanerkloster 214,A.140 Provinzialkapitel des Franziskanerordens 213f. Gregor Gregor von Elvira, Hl., ‚De fide orthodoxa contra Arianos‘ 374

490

Register

Gregor von Nazianz, Hl. 427,A.8 Gregor der Große, Papst, Hl. 378,A.29 Gregor IX. (Ugolino von Segni), Papst 422 Gregor XII. (Angelo Correr), Papst 341, 345 Gregor Heimburg, Jurist 269,A.111, 334,A.124, 357, 450, 468f., 474 Greinz, Rudolf, Schriftsteller 442, 448–452, 456f., 459, 462f., 467f. Grenoble, Bm. 299 Griechen 393 Gries bei Bozen, Augustinerchorherrenstift 156, 180, 196,A.49 Gröden, Kapelle St. Jakob 67 Grödnertal 279 Groenendaal, St. Marien 79 Groffier, Ethel, 472 Grunwald, Schlacht (1410) 171 Guarino (Guarini) Veronese, Humanist 348 Gufidaun Dorf 49, 51,A.226 St. Martinskapelle 53 Gericht der Gft. Tirol 226, 248, 270 Guido Guido Antonio Arcimboldi, Eb. von Mailand 298 Guido, päpstlicher Kursor 203,A.83, 206 H Habermas, Jürgen, Philosoph 310 Habsburg, Familie 261, 279, s. Albrecht VI. | s. Friedrich III./IV. | s. Sigismund Hagen von Tronje 364f. Hall in Tirol, Stadt 31f., 157, 215, 264,A.81, 275, 409–411, 453 Hallein, Stadt 337 Hallauer, Hermann J., Historiker 19, 22f., 51, 69, 71, 89, 113–115, 131, 138, 418f., 451, 462 Halltal, Waldschwestern 156 Hamburg-Bremen, Ebm. 296 Hamel, Peter Michael, Komponist 475 Hamerlin, Robert, Schriftsteller 455 Happe Hack, Adliger 184 Hartmann, Florian, Historiker 310f. Hartmann von Werdenberg-Sargans, B. von Chur 142, 163 Hasbanien (Hesbaye), Archidiakonat 79 Hasselt, Stadt 76

Haubst, Rudolf, Theologe 377, 393, 404,A.177 Hauenstein, Burg 233 Hausmann, Friedrich, Historiker 360 Hedwig, Hl. 173 Heidelberg, Universität 152 Heimerik van den Velde (Heymericus de Campo), Theologe 76f. Heinrich, Enrico, Henri, Henricus Heinrich II., römisch-deutscher Kg. und Ks. 255 Heinrich VI., Kg. von England 196 Heinrich Fleckel, B. von Chiemsee 353, 355, 358 Heinrich von Hewen, B. von Konstanz 313 Heinrich, Gf. von Görz 148f., 161 Heinrich Putsch OPraem, Abt von Wilten 140,A.19 Heinrich Bate von Mecheln, Philosoph, ‚Speculum divinorum et quorundam naturalium‘ 434 Heinrich von Bopfingen, Hauptmann von Tirol, dann Pfarrer von Dorf Tirol 141,A.26 Heinrich Breitenberger, Stadtrichter von Bozen 415,A.244 Heinrich Collis (Biechler) OFM 189, 198, 207–222 ‚Quaestio de assumptione Beate Marie Virginis‘ 208,A.117 Heinrich von Gent, Philosoph 435 Heinrich Gussenbach, Küchenmeister des NvK 234, 237, 407 Heinrich Leubing, Jurist 190f. Heinrich Kalteisen OP 205,A.96 Heinrich von Liechtenstein 164 Henricus de Montabaur 212,A.129 Heinrich von Morsberg, Ritter 145 Heinrich Mülauner, Amtmann an der Etsch 162 Heinrich Pomert, Sekretär des NvK, Pfarrer zu Wenns 36, 198,A.56, 202, 206f., 244, 328, 413, 472 Heinrich Burkhard von Rabenstein, Pfarrer von Dorf Tirol 142, 163 Heinrich von Ratersdorf 166 Heinrich Salberger 332 Heinrich Seldenhorn 164 Heinrich Soitern, Sekretär des NvK, Pfarrer zu Fließ 36

Personen und Orte Heinrich Walpot, Familiar des NvK 236, 242, 420 Helmond, Pfarrei 80 Helmrath, Johannes, Historiker 15,A.1, 89, 113, 282 Helsinki 443,A.11 Hereford, Bm. 298 Hermann Hermann von Kärnten, Philosoph 428f. Hermann Schedel, Humanist 138 Hieronymus von Prag, Theologe 345, 347 Hildesheim, Bm. 202 Hindenburg, Paul von, Reichspräsident 466 Hitler, Adolf 466f. Hofmann, Joseph Ehrenfried, Historiker 470 Höllental 286 Honecker, Martin, Historiker 383 Hörtenberg, Burg 253,A.33 Hugo Hugo, Burggf. von Lienz 161, 198,A.58 Hugo von Balma OCart, ‚Theologica mystica‘ 389,A.81 Hugo von St. Viktor, ‚De archa Noe‘ 401 Hunsrück, Gebirge 442f., 458 Hürten, Heinz, Historiker 21f., 37, 39, 44f., 51, 69 Hussiten 149,A.63, 164, 274f., 280, 294 I Igls, Pfarrkirche 169 Imst, Pfarrei 28,A.76, 167 Ingenuin, Genewein Ingenuin Mösel, Abt von Wilten 59 Ingenuin Neuwirt 160 Inn, Fluss 275 Innichen Hofmark 231 Kollegiatstift St. Candidus 29, 32, 41 Kanoniker s. Lorenz Hamer | s. Nikolaus Pomperger | s. Paul Helmslaher Stadt 279 Pfarrkiche St. Michael, Pfarrer s. Paul Helmslaher Innsbruck, Stadt 30f., 35, 58, 93f., 109f., 112, 139, 143,A.34, 148, 177, 184, 193, 229, 231f., 241, 249–253, 262,A.75, 270, 274–276, 278– 282, 284f., 287, 291, 303, 307, 313–321, 326, 369, 415, 438, 446, 448, 452, 454f., 459, 475

491

Museum Ferdinandeum 395,A.122 Neuhof, Hofburg 94, 280,A.25, 304, 317– 319, 410 Pfarrei, St. Jakob 29, 31f., 35, 60, 167, Pfarrvikar 56 Tiroler Landesarchiv 447,A.17 Universitätsbibliothek 447,A.17 Inntal 63f., 38, 64, 242, 260, 270, 274, 285 Irdning (Steiermark) 443,A.11 Israel 451 Italien 276, 279, 295, 297, 300, 339, 344, 350, 354, 413, 435, 443 J Jäger, Albert, OSB, Historiker 21, 138, 153, 308f., 316,A.53, 451 Jakob, Giacomo, Jacobus, Jacopo, Jacques Jakob von Sierck, Eb. von Trier 17, 190, 396,A.128 Jacopo Zeno, B. von Padua 297 Jacques Raguier, B. von Troyes 300 Jacobus Barbitonsor, Straßburger Kleriker 215,A.144 Giacomo Boscalini OFM, Generalminister 211, 213 Jacobus Cremonensis, Übersetzer 394,A.110 Jakob Grueber, Bürgermeister von Brixen 140,A.19 Jakob Grueber, Brixner Domherr 140,A.19 Jakob Koppl, Diener 321–323 Jakob Lotter, Dompropst zu Brixen, Kaplan zu Welsberg 161, 238f. Jacopo Piccinino, Söldnerführer 202 Jakob von Seckau, Maler 115, 238, 395 Jakob von Thun, Hauptmann von Gufidaun 368–370 Jakob Trapp, Rat Hz. Sigismunds 318 Jakob Trautson 148, 163f. Jacobi, Max, Historiker 471 Jesus Christus 90, 96f., 110, 454f. Jezabel, Kg.in von Israel 131f., 177, 450f., 458f., 465, 473 Jobst, Jodocus, Jost Jodocus Albrant aus Bruchsal 221 Jobst von Hornstein, Söldnerführer 118, 199, 265,A.86, 455 Jobst Rautenkranz, Romanfigur 450

492

Register

Johann, Gian, Giovanni, Hans, Jan, Jean, Johannes, Juan Giovanni da Capestrano OFM, Hl. 211, 213, 275 Johannes Climacus, Hl., ‚Scala paradisi‘ 389, 391 Johannes XXIII. (Baldassare Cossa), Papst 142, 311, 325,A.89, 341–343, 347 Juan de Carvajal, Kard. 195,A.39, 198, 202, 205,A.94, 212f., 221 Giovanni Castiglione, Kard., B. von Pavia 197,A.51, 204–206, 213,A.132 Jean Jouffroy, Kard., B. von Arras 381–383 Giovanni Andrea Bussi, B. von Aleria, Sekretär des NvK 198,A.61, 326, 377, 405, 414, 417, 421,A.278, 425, 433, 438 Johann von Venningen, Bischof von Basel 295 Johann Ribi, B. von Brixen 269,A.108 Johann Röttel, B. von Brixen 90, 139, 337– 358 Jean Germain, B. von Chalon-sur-Saône 386 Jean Chevrot, B. von Gent 82–87 Johann von Eych (Eich), B. von Eichstätt 17,A.10, 46, 71 Johannes von Heinsberg, B. von Lüttich 79,A.22 Johann von der Pfalz, B. von Regensburg 297 Giovanni Antonio Campano, B. von Teramo 293,A.90 Johannes Hinderbach, B. von Trient, Dompropst zu Trient 171,A.3, 192, 201 Johannes von Grumbach, B. von Würzburg 209 Johannes, Hz. von Pfalz-Mosbach und Neumarkt 439 Johann, Hz. von Kleve 195 Johann II., Gf. von Görz 360 Johann, Abt von Wilten 167 Johannes Altack OFM, Guardian in Dürnstein 213,A.134 Johann von Annenberg, Ritter 148 Johannes Antdorffer, Pfarrer zu Patsch 60 Johannes Aurbach, Theologe 38 Johannes Awnpeck de Patauia 218,A.151 Giovanni Boccaccio, Humanist 356 ‚De casibus virorum illustrium‘ 356

Hans von Borsnitz, Onkel des Georg Hack 171 Giovanni Calderini, Jurist 346 Giovanni Andrea Calderini, Humanist 346 Giovanni Campiano, Humanist 346–350 Johann von Costede, Domscholaster von Trient 19 Johannes von Dambach OP, ‚De sensibilibus deliciis paradisi‘ 391 Johann Ebner, Brixner Domherr 239f. Johannes Entzberger, Mainzer Domdekan 200,A.67 Hans Erber 164 Johann Fedrer, apostolischer Kollektor 164 Johannes Frankfurter, Eremit 397 Hanns Fruemesser, Phleger zu Schenna 410,A.214 Johannes Fuchs, Dekan von Neustift 278, 284 Hans Gall, Bürger zu Brixen 160 Hanns Garttner, Diener 362 Johannes Geiler von Kaysersberg, Prediger 90 Johannes (Jean) Gerson 389,A.81 ‚Tractatus de necessaria communione laicorum sub utraque specie‘ 389,A.81 ‚Tractatus de visitatione praelatorum‘ 45f., 48, 260f. Jan Goys, Prediger 78,A.19 Johann von Halbsleben, Familiare des NvK 408, 411, 416 Johann Hamer, Pfarrer zu Gais 242 Hans Heuss, Amtmann zu Brixen 226, 331,A.112 Jan Hus, Theologe 453,A.44 Johannes von Kastl OSB, Theologe 210,A.121 Johann Ketzler 237 Johannes von Komotau (Cometau), Sekretär des Alexander von Masowien 145, 155 Johannes Krebs, Bruder des NvK 36 Hans Kripp, Küchenmeister Hz. Sigismunds 271,A.117 Hans von Kronmetz, Rat Hz. Sigismunds 94f. Hans Künigl von Ehrenburg 160

Personen und Orte Johannes Kuyck, Dekan der theologischen Fakultät der Kölner Universität 193,A.29 Johannes Lampl, Kleriker 35 Hans Laubing 57 Johannes von Lieser, Jurist 75, 77, 79, 84 Johannes de la Mano, päpstlicher Kursor 203,A.83 Johannes Nider OP, Theologe 395,A.115 Johann Nobilis, Domherr zu Brixen 239,A.173 Johann Nusser, Domherr zu Regensburg 160 Giovanni Pico della Mirandola, Philosoph 425–435 Jean Pinchon 343 Johannes Pirckheimer 205,A.96 Johannes Prant, Kaplan zu Gufidaun 54 Johann Rutsch, Familiar des NvK 236 Gian Nicola Salerno, Humanist 341 Johannes Schaper, Student in Erfurt 346 Johannes Schlitpacher OSB 203, 398 Johannes Scotus Eriugena, Philosoph 399f. ‚Periphyseon‘ 399f. Hans Seckler, Bürger zu Brixen 160 Johannes von Segovia, Theologe 153, 360, 379, 384f., 394, 416, 431 ‚De gladio divini spiritus in corda mittendo Sarracenorum‘ 384–386 Johannes Stam, Familiar des NvK 391,A.90, 411 Hans Steinberger, Pfarrer von Fügen 33, 108f., 243 Giovanni Angelo Talenti 217,A.149 Hans Trackenleder 365 Johannes Trithemius OSB, Kirchenhistoriker 153,A.76 Johann Stämpfl, Richter zu Niedervintl 226 Hans von Stuben, Adliger 447,A.19 Johannes Sulzpach, Domdekan von Trient 182 Johann von Weineck, Hauptmann von Buchenstein 159 Johann von Westernach, Propst zu Stuttgart, Vetter der Verena von Stuben 108, 122,A.54 Hans Würzburger, Kaplan zu Sonnenburg 197,A.51

493

Johannes Zadeleere, Pfarrer von St. Maria in Gent 81–83, 87 Jörg, Joris s. Georg Juden 192,A.27, 193,A.28, 454 Judenburg, Stadt 279 Franziskanerkloster 214,A.140 Julische Alpen 279 K Kaisheim, Zisterzienserabtei 140 Kanada 443, 472 Kanaltal 278f. Karl, Carlo, Charles Karl IV., röm.-deutscher Kg. und Ks. 140, 269,A.108 Karl VII., Kg. von Frankreich 195 Carlo Franzoni, Mantuaner Gesandter an der Kurie 421,A.279 Carlo Zeno 344 Karlsruhe 444 Kärnten, Hztm. 157, 262, 278, 295 Kartäuser, Orden, einzelne Klöster s. Aggsbach | s. Roermund Kaspar, Caspar, Gaspare, Gasparino Kaspar Aindorffer OSB, Abt von Tegernsee 175, 204, 280, 285, 388, 389, 391f., 398 Gasparino Barzizza, Humanist 341, 344– 350, 354f. ‚De imitatione‘ 351 Gaspare Bonizi da Perugia, Jurist 347,A.34 Gaspare Biondo, Sekretär des NvK 198,A.61, 326 Gaspare Bonizi, Humanist 346–348 Kaspar von Gufidaun, Mundschenk zu Brixen, Hof- und Lehensrichter, Hauptmann von Rodeneck 227–229, 253, 270, 279, 305,A.6, 309, 321f., 330, 333 Kaspar Rasner 161, 234 Kaspar Trautson, Pfleger zu Neurasen 226 Kastelruth Landgericht 361–365 Ort 24,A.49 Pfarrei 33, Pfarrkirche St. Peter und Paul 61 Kastor Künigl von Ehrenburg 160

494 Katharina von Gufidaun OSB, Sonnenburger Nonne 145 Kiens 160, Kirche St. Sigmund 66 Kirschweng, Johannes, Schriftsteller 465, 468 Klara von Assisi, Hl. 285 Klausen Stadt 24,A.49, 29, 151, 157,A.112, 175, 244, 265,A.86, 283, 287 Bürger s. Erasmus Burgstaller Stadtgericht 26 Zoll 160 Zwölfapostelspital 32 Kleve, Hztm., Hz. 76 Klibansky, Raymond, Philosoph 472 Klosterneuburg, Augustinerchorherrenstift 219 Koblenz, Stadt 200,A.67, 278,A.20, 391,A.90, 460 St. Florin, Dekan s. NvK Koch, Josef, Theologe 190, 308, 321 Kofler, Werner, Bildhauer 445 Köln Ebm. 94, 238, 296, Eb. s. Dietrich von Moers Provinzialkonzil (1451) 76f. Stadt 386, 432 Dombibliothek 457,A.56 Gymnasium Kreuzgasse 465,A.76 St. Severin, Dekan 200,A.67 Universität 153, 308 Kolsass, Pfarrei 34 Konrad, Kunz Konrad Bayer von Boppard, B. von Metz 195 Konrad Bossinger, Brixner Domherr, Pfarrer zu Rodeneck 32, 228, 243, 306, 314, 322, 333–336 Konrad Fridung, Küchenmeister Hz. Sigismunds von Österreich 62 Konrad von Geisenfeld OSB, Tegernseer Bibliothekar 398 Kunz Goldstein, Diener des Balthasar von Welsberg 265,A.86 Konrad Judenfraß von Matrei, Domdekan zu Brixen 239f. Kunz Kamrer, Bürger von Brixen 165 Konrad von Kraig, Hofmeister Hz. Sigismunds 146

Register Konrad Tegmair, Domherr zu Brixen 239– 241, 269,A.107 Konrad Vintler, oberster Amtmann Hz. Sigismunds 197,A.51, 233f., 367–369 Konrad Wagner aus Nürnberg 209,A.121 Konrad Zoppot, Brixner Domherr 35, 203,A.84, 239f. Konstantinopel (Istanbul) 153, 384, 390,A.85, 431, 444, Eroberung (1453) 188, 359, 386, 447 Franziskanerkloster 431 Konstanz Bm. 100, 296, B. 62, 216 Konzil (1414–1418) 142, 325,A.89, 341, 343, 389,A.81 Koszalin (Cöslin), Stadt 466 Krain, Hztm. 158, 262, 279 Krakau, Bm. Domkapitel 171 Kreta, Ebm., Eb. s. Fantino Dandolo Kremer, Peter, Schriftsteller 438 Krimmler Tauern-Pass 62, 67 Kritzeck, James, Historiker 428 Kropp, Peter, Schriftsteller 445f., 451, 454, 457 Kues, s. Bernkastel-Kues Künkel, Hans, Schriftsteller 439, 445, 459f., 462f., 467 Kuntersweg 288 Kustatscher, Erika, Historikerin 160,A.129 L Ladis, St. Martinskapelle 168 Ladislaus, Kg. von Böhmen und Ungarn 206, 213, 286 Lajen, Pfarrei St. Stephan 28, 33, 53, 67 Lampertheim 443,A.11 Lamprecht, Stallknecht des NvK 292 Laner, Jul Bruno, Schriftsteller 445, 458 Langres, Bm. 299 Lans, Kirche 59, 283, 320 Larsen, Peter, Schriftsteller 475, 477 Latzfons, Landgericht s. Gernstein Laval (Québec), Universität 471,A.92 Lavant, Bm., B. s. Friedrich Deys Domkapitel 343, 353 Lauro Bragadino, Student 349 Lausanne, Bm. 43

Personen und Orte Lazarus Wenzel, Bürger von Brixen 232–235, 263,A.77 Le Bras, Gabriel, Historiker 299 Le Mans, Bm. 299,A.114 Leipzig 443, 449, 466 Leitgeb, Hanna, Germanistin 467 Lengmoos auf dem Ritten 146 Leo von Wolkenstein, Adliger 109 Leobe, Stadt 279,A.24 Leonhard, Leonardo, Leonhardus, Lienhart Leonhard Wiesmair (Wismayer), Elekt von Brixen, B. von Chur, zuvor Domherr zu Brixen 25, 99,A.47,56, 172, 181f., 191, 193f., 199,A.61, 239,A.173, 241, 243, 277, 303, 326,A.92, 329,A.105 Kanzler Hz. Sigismunds 172 Pfarrer von Dorf Tirol 142,A.28 Leonhard von Brixen, Maler 338 Leonardo Bruni, Humanist 345, 347, 374 Leonardo della Croce 198,A.61 Leonhard Fogler OFM, Guardian in Maribor 231,A.134 Leonardo Giustiniani, Humanist 344 Leonhard aus der Huben in Kiens 160 Leonhard Kayser, Pfarrvikar in Innsbruck 194,A.35 Leonhard Retzer, Pfleger zu Neurasen 227 Lienhart von Rost 160 Leonardo Seruberti OP 426f. Lienhard Stosser 163 Leonhard von Velseck (Völseck), Hauptmann von Bruneck, Kanzler Hz. Sigismunds 99,A.47,56, 110, 139,A.8, 228, 247f., 252–255, 282, 305,A.6, 307, 315f., 321, 326,A.91 Leonardo da Vinci, Maler 471 Leopold Leopold von Babenberg, Mgf. von Österreich 219 Leopold, Pfarrer zu Sterzing 165f. Liechtenstein, Familie 225,A.9, s. Bartholomäus Lieserhofen, Landgericht 26 Limoges, Bm. 296, 299,A.114 Lincoln, Bm. 298 Linz, Stadt 446 Lissabon, Stadt 348,A.38, 443,A.11 London Bm. 296

495

Stadt 432,A.28 Lonigo, Stadt 276 Lorenz, Laurentius Lorenz Liechtenberger, B. von Lavant 353 Laurentius Blumenau, Rat Hz. Sigismunds 138, 254,A.35, 269,A.111, 334,A.124 Lorenzo Bragadin, Humanist 348 Laurentius Coci, Straßburger Priester 215,A.144 Lorenz Hamer, Pfarrer zu Gais, Kanzleischreiber des NvK 70, 242, 332 Lorenzo de’ Medici 435 Löwen, Stadt 76–85 Kloster Bethlehem 76 Kloster St. Martin 79 Pfarrei 79 Universität 71, 73f., Professoren s. Johannes von Lieser | s. Ludovico Garsi Lübeck, Stadt 472,A.94 Ludwig, Lodovico, Louis, Ludovico, Ludovicus Ludovico Barbo, B. von Treviso 297 Ludwig IX. der Reiche, Hz. von BayernLandshut 275, 329 Ludovico Gonzaga, Mgf. von Mantua 181 Louis II, Gf. von Anjou 342 Ludwig der Brandenburger, Gf. von Tirol 262 Ludovico Garsi (de Garsiis), Jurist 77 Ludwig von Spar(e)nberg, Hauptmann von Buchenstein 225 Lukas, Luca Luca Bondelmonte, Jurist 346, 354 Lüne, Propstei, Propst 193,A.28 Lüneburg, Stadt 199 Saline 199 Lüsen Dorf 182, 235 Landgericht 26 Pfarrei 33 Lüttich Bm. 79, 85, 238, 386, 415, Offizial 80 Stadt 418 Lyon, Ebm. 299,A.114 M Maastricht, Stadt 76 St. Servatius, Kollegiatstift 193,A.30 Madersbacher, Lukas, Kunsthistoriker 115

496

Register

Mailand Ebm. 298, Ebf. s. Bartolomeo Capra | s. Gabriele Sforza | s. Guido Antonio Arcimboldi Franziskanerprovinz 211,A.125 Hztm., Hz. 217,A.149, s. Francesco Sforza Stadt 211, 217, 345 Franziskanerkloster 211,A.125 Mainz Ebm. 100, Ebf. 62, 199f., 209, s. Dietrich von Erbach Domkapitel, Domdekan s. Johannes Entzberger Provinzialsynoden (1451) 212 | (1455 in Aschaffenburg) 211,A.122, 213, 220,A.159,162 Stadt 278,A.20 Mandrella, Isabelle, Philosophin 438 Manfredi, Antonio, Historiker 427 Mantese, Giovanni, Historiker 420f. Mantua Fürstentag (1459) 183, 216,A.146, 287, 295, 458, 463 Mgft., Mgf. s. Ludovico Gonzaga Stadt 217, 419 Manuel Chrysoloras 345, 348 Marco Barbo, Patriarch von Aquileia 295 Marebbe s. Enneberg Mareit, Pfarrkirche, St. Leonhardskapelle 168 Margareta Conradi 206,A.99, 415,A.244 Maria Maria, Hl. 98, 110, 118, 127 Maria von Wolkenstein OSCl 91, 93, 96, 109f., 156,A.102 Maria Saalen 461, 463 Mariano Orsini, Eb. von Tarent 205,A.94 Mariazell, Benediktinerkloster 402 Maribor, Franziskanerkloster 214,A.140 Marinus de Fregeno, päpstlicher Nuntius 293,A.90 Markus, Marco Markus OFM, Titularbischof von Chrysopolis 212,A.129 Marco Canetoli, Humanist 340, 346f., 350f. Marquard Sprenger, Theologe 398,A.145, 403 ‚Elucidatorium mystice theologie‘ 406 Marseille, Bm. 299,A.114 Marsilio Ficino, Philosoph 435 Martial Auribelli OP 221

Martin, Martinus Martin V. (Oddo Colonna), Papst 81–87, 143, 163, 165, 298, 342f., 347, 353f. Martin Flach, Drucker 380, 417 Martin Gundolf 55 Martin Neidecker, Rat Hz. Sigismunds 110, 283,A.41, 316 Martinus de Somlina OFM 213,A.133 Martin Techtel, Kirchherr zur Flaurling 167 Martínez Gázquez, José, Historiker 427, 431 Martini, Heiner, Schriftsteller 451, 463–465, 468 Mathar, Ludwig, Schriftsteller 465, 468 Matthias, Matthäus, Matteo Matthias Corvinus, Kg. von Ungarn 218 Matthäus an der Gassen, B. von Brixen 262 Matteo Canato, Weibischof von Verona 297 Matthias, Stallmeister des NvK 292 Matthias Blomaert, Familiar des NvK 372, 415–417, 422 Matthias Döring OFM, Sächsischer Provinzial 208 Matthias von Morsberg 238 Matthias von Schweden, ‚Expositio super Apocalypsim‘ 389, 392 Matrei, Dorf 110, 169, 184, 305, 316, 333 Pfarrei 31, 33, 168 Mauls, Kirche St. Oswald 28 Maximus Confessor, Theologe 377 Meaux, Bm. 299,A.114 Mecheln, Stadt 80 Medici, Familie 205,A.95 Meinhard II., Gf. von Tirol 263,A.76 Meißen Bm. 43, 100 Stadt 193,A.28 Melchior von Meckau, B. von Brixen 51, 340, 419 Melk, Benediktinerkloster 388, 392, 398, 401f. Memmingen, Antoniterkloster 40, 63, 165 Präzeptor 63 Mende, Bm. 296 Mendikanten 46, 48, 64, 189, 193,A.30, 208, 210, s. Dominikaner | s. Franziskaner Meran Gericht 365 Stadt 27, 142, 166, 193, 232, 265,A.86, 279, 448,A.23

Personen und Orte St. Nikolauskirche 142 Meransen, St. Jakobskapelle, Mesner 63 Mercati, Giovanni, Historiker 434 Merra, St. Jakobskapelle 161 Messina, Stadt 211 Metz Bm., B. s. Konrad Bayer Stadt 291 Meuthen, Erich, Historiker 69, 89, 308 Meier-Oeser, Stephan, Historiker 439 Michael Michael, Erzengel 95 Michel, Diener 322f. Michael von Natz, Propst des Marienstifts im Kreuzgang von Brixen, Generalvikar des Bm. Brixen 30, 35, 55, 58, 131,A.112, 239–241, 284, 331,A.112 Michael von Wolkenstein, Adliger 163, 167 Michael von Wolkenstein, Domherr zu Brixen 233, 239,A.173, 241, 314 Michelangelo Buonarotti, Maler und Bildhauer 443 Mieming, Pfarrkirche 53 Mierau, Heike Johanna, Historikerin 311 Mistelbach, Pfarrkiche St. Martin 172, Pfarrer s. Georg Hack Mittersill 279,A.24 Mittewald, Kirche St. Martin 28 Modena, Stadt 434 Mohammed, Prophet 386, 428–430 Mönchengladbach 443,A.11 Mondsee, Benediktinerkloster 388, 401 Montauban, Bm. 299,A.114 Monte Pore, Berg 157 Montez, Lola 452,A.39 Montjoie 465,A.76 Montréal, Stadt 472 Universität 471,A.92 Monzelfeld 458 Moos, Peter von, Historiker 311 Morin, Edgar, Philosoph 310 Morus, Thomas, Schriftsteller 457 Moselland 16, 98, 111f., 443, 445, 459, 463, 469 Mühlacker 443,A.11 Mühlbach, Dorf 63, 332,A.115, 334 München, Stadt 274, 277, 398, 442, 448f., 464 Franziskanerkloster 388, 402 Münster (Westfalen) 443,A.11 Münstermaifeld, Kollegiatstift 193,A.30

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Propst s. Nikolaus von Kues Mürztal 285 Mutschlechner, Georg, Historiker 273f. Mutspitze, Berg 142 N Nantes, Bm. 299,A.114 Nauders, Dorf 168 Naumburg, Bm. 100 Natz Dorf 93 Pfarrei 31, Pfarrkirche 251 Nassereut 161, 168 Nederwetten, Augustinerkloster 80 Nero, röm. Kaiser 455 Neurasen, Burg 226, Pfleger s. Kaspar Trautson | s. Leonhard Retzer Neustift (Novacella), Augustinerchorherrenstift 29f., 32, 41, 58, 93, 156, 181, 259,A.60, 283, 285 Dekan s. Johannes Fuchs Propst 145, 160, 259,A.60 Klosterkirche 26,A.63, 66 Nicodemo della Scala, B. von Freising 353, 356 Nicolle, Jean-Marie, Philosoph 469 Niederlande 79, 292 Niedervintl, Landgericht 226 Nikaia, Konzil (787) 431 Nikolaus, Nicolaus, Niklas Nikolaus V., Papst (Tommaso Parentucelli) 17, 25, 30, 64, 139,A.8, 172, 188, 191, 193,A.30, 198, 258,A.57, 275f., 278, 286, 328, 373–375, 385, 391, 393f., 425–427, 432–434, 446f., 465, 472 Bullen 75f., ‚Inter cunctas‘ (1450) 192,A.24 | ‚Etsi ecclesia Christi‘ (1453) 192,A.24 Niccolò Albergati OCart, Kard., B. von Bologna 298, 341, 347 Nikolaus von Kues (NvK), passim Archidiakon von Brabant 190 B. von Brixen 17–71, 89, 152–158, 172, 188, 223–300, 373, 437-477 Dekan von St. Florin in Koblenz 17, 431 Grab 17 Kardinal 17f., 152, 172, 374, Titelkirche s. Rom, S. Pietro in Vincoli

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Register Legat 17–19, 58, 60, 73–87, 91f., 138, 153,A.84, 192, 195f., 201f., 205, 274f., 278, 292, 375,A.20, 414 Pfarrer von Altrich 17 | von St. Gangolf in Trier 17 | von St. Wendel 17 Propst von Münstermaifeld 17 Sekretäre s. Dietrich von Xanten | s. Peter von Erkelenz | s. Heinrich Pomert | s. Gaspare Biondo | s. Giovanni Andrea Bussi Teilnehmer des Basler Konzils 75, 76, 173, 198, 431 Vicarius Urbis (1459) 172 Wappen 374–378 Werke ‚Aurea propositio in mathematicis‘ 469 ‚Coniectura de ultimis diebus‘ 397 ‚Cribratio Alcorani‘ 431 ‚De aequalitate‘ 91, 153, 377 ‚De annuntiatione Marie‘ 375, 394 ‚De auctoritate praesidendi in concilio‘ 378,A.32 ‚De beryllo‘ 93, 153, 250,A.15, 303, 372, 379, 396f., 405f., 464 ‚De caesarea circuli quadratura‘ 251,A.19, 371f., 416f. ‚De concordantia catholica‘ 53, 152, 261f., 378,A.32, 468 ‚De docta ignorantia‘ 394, 406, 469 ‚De li non aliud‘ 378,A.28 ‚De ludo globi‘ 438f., 446, 453,A.44, 458 ‚De maioritate auctoritatis sacrorum conciliorum supra auctoritatem papae‘ 378,A.32 ‚De mathematica perfectione‘ 250,A.15, 372, 379, 397 ‚De pace fidei‘ 153, 249, 379, 385f., 394f., 416, 431, 442, 449 ‚De principio‘ 377 ‚De quaerendo Deum‘ 394 ‚De sacramento‘ 375 ‚De theologicis/mathematicis complementis‘ 153, 379f., 394f. ‚De visione dei‘ 153, 379, 395–398, 406, 460 ‚Dialogus de deo abscondito‘ 375

‚Elucidatio Epistulae ad Colossenses‘ 377 ‚Idiota‘-Dialoge 398,A.145 Predigten 40f., 44, 66, 77, 89–112, 153, 155, 250f., 283f., 292, 320, 377, 396, einzelne P., I 468 | V 476 | VII 460,A.65 | XXIV 394 | CXXXIII 97 | CLXV 97 | CLVIII 97 | CLXXII 98 | CXCIV 98 | CXCI 16, 67 | CCIV 95f. | CCLXXIV 94, 100 | CCLXXX 94 ,Responsio de intellectu Evangelii Ioannis‘ 375 Nikolaus Bick OFM, Titularbischof von Rhosus, Weihbischof von Basel 212,A.129 Nikolaus Maes OFM, Titularbischof von Sarepta, Weihbischof von Niccolò Franco, B. von Treviso 297 Nicolaus, päpstlicher Kursor 203,A.83 Nicolas Franchomme, päpstlicher Abbreviator 342 Niccolò Grassetto, Generalvikar von Padua 297 Niklas Knewsslein 164 Nikolaus Paluger von Lafay 361–366 Nikolaus Pomperger, Kanoniker zu Innichen 68 Niklas Prack von Enneberg 160 Niklas von Rost 160 Nikolaus Stokher zu Vessingen 168 Nördlingen, Stadt 362,A.12 Norwich, Bm. 296 Notker Balbulus von St. Gallen 399 Noto, Stadt 347 Noyon, Bm. 299,A.114 Nürnberg, Stadt 164, 193,A.28, 279f. Juden 192,A.27 O Oberlängenfeld, Kirche St. Katharina 62 Oberwesel 58 Offenburg, Provinzialkapitel der Franziskaner 215 Onofrio Santacroce, Kard. 85 Orléans Bm. 299,A.114

Personen und Orte Hztm., Hz. 325,A.89 Orte, Bm., B. 194 Osnabrück Bm. 100 Stadt, St. Johann, Kollegiatstift 193,A.30 Österreich (Austria) 442–444, 454f., 460, 467 Franziskanerprovinz 213f. Hztm. 174, 177, 275, 286, 292, 316, 406, Hz. s. Albrecht VI. | s. Friedrich III./IV. | s. Sigismund Ostpreußen 442, 459 Oswald Oswald von Säben zu Reifenstein, Rat Hz. Sigismunds 179, 232, 303, 318, 368 Oswald von Wolkenstein d.Ä., Adliger, Dichter 143,A.35, 147f., 160f., 163–166, 233, 452 Oswald von Wolkenstein d.J., Pfleger von Altrasen 233, 314 Ottenthal, Emil von, Historiker 167 Otterswang bei Schussenried, Burg 447,A.19 Otto von Ziegenhain, Eb. von Trier 17, 153f. Ötztal 62, Ötztaler Alpen 289 Oudenaarde, St. Maria in Syon 80, 83f. Overath, Angelika, Schriftstellerin 444 P Paderborn, Stadt Abdinghof, Benediktinerkloster 193,A.28 Padua Bm., B. s. Fantino Dandolo | s. Iacopo Zeno | s. Pietro Barozzi Synode (1457) 383 Stadt 276, 392 Podestà 345 Universität 152, 171, 340, 344, 346–348, 357, 431 Palermo, Stadt 211 Palla Strozzi, Humanist 348, 426 Paludan-Müller, Frederik, Germanist 455 Paprion, Ignaz, Kirchenhistoriker 164 Paquet, Jacques, Historiker 80 Paris Bm. 299f. Stadt 443,A.11, 454, 459, Universität 343 Parsifal, Parzival Parsifal von Annenberg, Hauptmann an der Etsch 255, 266, 318, 321

499

Parzival von Weineck, Adliger 162 Passau, Bm. 100, B. 275 Parma, Franziskanerkloster 211,A.125 Patsch, Pfarrkirche 59, 283, Pfarrer s. Johannes Antdorffer Paul, Paolo, Paulus Paul II. (Pietro Barbo), Papst 420, 450 Paulus Diaconus, ‚Historia Langobardorum‘ 421 Paul Greussinger, Notar 242, 408,A.199 Paul Helmslaher (Helmschlager), Kanoniker zu Innichen, Pfarrer von St. Michael in Innichen 45 Paolo Morosini, venezianischer Gesandter 326, 422 Paul Renntl, Pfleger von Wiesberg 321, 333 Paolo Santonino, Sekretär des B. von Caorle 295 Paolo dal Pozzo Toscanelli, Humanist 391, 404 Pavia Bm., B. s. Giovanni Castiglione Stadt, Universität 211,A.125, 344 Pens, Pfarrei 28 Pera, Dominikanerkloster 431 Périgueux, Bm. 296, 299,A.114 Perpignan 142, 343 Peter, Petrus, Pietro, Piero, Pierre Pierre d’Ailly, Kard. 83 Petrus Alfonsi (Toletanus), Arzt und Theologe 430 Peter von Schaumberg, Kard., B. von Augsburg 277, 329,A.106 Pietro del Monte, B. von Brescia, Humanist 357 Pietro Carlo, B. von Caorle 295 Pietro Barozzi, B. von Padua 297 Petrus Venerabilis, Abt von Cluny 425, 428–431, 433 Pierre Abaelard, ‚Theologia Scholarium‘ 405 Pietro d’Abano, ‚Lucidator dubitabilium astronomiae‘ 434 Piero Bartolomeo degli Agli (de Aleiis), Familiar des NvK 206, 383, 413–416 Pietro Balbi, Humanist 378 Peter von Blois, Theologe 345, 347 Pietro Donato, Humanist 344, 348

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Register

Peter (Wimar) von Erkelenz, Sekretär des NvK, Pfarrer zu Prutz 36, 99, 238, 292, 330–333, 372f., 376–380, 386, 390, 394, 407–409, 411, 415, 417, 422, 464 Petrus Fries, Propst des AugustinerChorherrenstifts Rohr 386 Petrus Grosskopf, Pfarrer von Stubai 168 Peter Kleuber, Brixner Kleriker 314 Peter Lengenauer 161 Petrus Lombardus (Magister sententiarum) 427,A.8 Pietro Marcello, Humanist 344 Petrus Mulitir 292 Peter Obermair 235 Pietro Ondedei da Pesaro, B. von Imola 346 Peter von Rost 160 Pfalzen, Pfarrei 31, Pfarrer 64, 160 Pfeffersberg, Landgericht 26 Pfeifer, Gustav, Historiker 160, 264 Pfunders, Dorf 162, 284 Philipp, Filippo, Philippos Philipp der Gute, Hz. von Burgund 76f., 84 Filippo Maria Visconti, Hz. von Mailand 345 Philipp, Abt von St. Peter in Gent 83, 87 Philippos von Opus, Philosoph 381 Philipp von Sierck, Trierer Dompropst, Archidiakon von Brabant 174, 190, 273 Piccolomini s. Pius II./III. Pisa, Konzil (1409) 142, 341, 347, 350 Pius Pius II. (Enea Silvio Piccolomini), Papst 68, 89f., 175f., 183, 198, 201f., 205f., 215, 229, 276, 278, 286–288, 328f., 334, 359, 372,A.4, 423, 438, 468f., 472 ‚Historia Austrialis‘ 286 Pius III. (Francesco Todeschini Piccolomini), Papst 293 Platon, ‚De legibus‘ 381 Poggio Bracciolini, päpstlicher Sekretär 195,A.39, 345, 347f. Poitiers, Bm. 296, 299,A.114 Polen, Kgr. 202, 276 Pontius Pilatus, röm. Statthalter 91,A.8, 455 Pordenone, Stadt 279,A.24 Pordoijoch 278f. Portugal 443f.

Povinelli, Adolf Heinrich, Schriftsteller 439, 442, 448f., 454–457, 463, 467 ‚Ahasverus in Tyrol‘ 439, 454–457 Pradl (bei Innsbruck) 448,A.23 Prägraten im Virgental 29,A. 80 Prags (Braies) 179 Prämonstratenser, Orden Klöster s. Schäftlarn | s. Wilten schwäbische Zirkarie 32 Prettau, Dorf 279 Heilig-Geist-Kapelle 53, 60, 62, 66, 93, 251,A.18 Preußischer Bund 195, 201 Proklos, Philosoph 378 ‚Theologia Platonis‘ 378,A.28, 390,A.85, 431 Prudentius, ‚Liber apotheosis‘ 400 Prunberg, Burg 143, 159 Prutz, Pfarrei 33, Pfarrer s. Peter von Erkelenz | s. Ulrich Fabri Pseudo-Dionysius Areopagita, Theologe 377f., 382, 390f. Pseudo-Platon, ‚Epinomis‘ 381 Pseudo-Quintilian, ‚Declamationes‘ 381 Pustertal 30, 38, 68, 176, 226, 244, 252, 258, 278f., 284, 446, 461 Putsch, Christoph Wilhelm, Chronist 137f., 140, 158, 164 Putsch, Johannes, Kartograph 140 Puza, Richard, Historiker 43 Q Québec 443,A.11, 459, 471 R Raimund, Raymundus Raimondo Grau da Catalogna, Rektor der ultramontanen Studenten der Bologneser Universität 342,A.18 Ramon Llull, Theologe 382f., 415 ‚Ars ad faciendum et ad solvendum quaestiones‘ 382 Rainer, Martin, Bildhauer 445 Ranff, Viki, Theologin 423,A.289 Rattenberg, Stadt 274 Redlich, Oswald, Historiker 167 Regensburg

Personen und Orte Bm. 43, 48, 100, 242, B. 275, s. Johann von der Pfalz Domkapitel, Domherren s. Johann Nusser | s. Ulrich Part Reichstag (1422) 294 | (1454) 195, 275f., 281, 415 | (1471) 295 Stadt 194f., 274f., 280, 285, 292, 389, 443,A.11 Klarissenkloster 217,A.148 St. Emmeram, Benediktinerkloster 398 Reims, Ebm. 299,A.114 Reinhardt, Klaus, Theologe 95 Reinswald, Kirche 28 Resch, Josef, Kirchenhistoriker 161 Rheinland 16, 171, 278, 422, 465,A.76 Rieben, Kapelle St. Andreas 400,A.156 Ried 168 Rienz, Fluss 27, 270 Riez, Bm. 299,A.114 Riffian, Dorf 142 Rinaldo degli Albizzi 426 Ritten, Berg 288 Robert Robert Winchelsey, Eb. von Canterbury 296 Robert Grosseteste, B. von Lincoln, Theologe 377, 389–391 Robert von Ketton, Theologe 385f., 428– 430 Rochester, Bm. 296, 298 Rodeneck Burg und Landgericht der Gft. Tirol 168, 248, 264,A.81, 270, Hauptmann s. Kaspar von Gufidaun Pfarrei 31, 33, Pfarrer s. Konrad Bossinger; Pfarrvikar 63 Rodez, Bm. 296, 300 Roermund, Kartäuserkloster 261,A.66, 386 Rogiers, Jan, Historiker 75 Rohr, Augustiner-Chorherrenstift 386 Rolinus Goberti, päpstlicher Kursor 203,A.83 Rom Generalkapitel des Franziskanerordens (1455) 215 Konzilien, IV. Lateranum (1215) 36 Kurie 19, 56, 77, 124, 143, 185–222, 241, 275f., 292–294, 328–330, 372, 380, 385, 449 Audientia litterarum contradictarum 186

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Bibliothek 377, 427 Jubiläumsablass (1450) 17, 26,A.63, 58 Kammer 165, 186, 190, 204 Kollektoren s. Johann Fedrer | s. Ulrich Putsch Kanzlei 186, 196f. Kardinalskollegium 199,A.61, 206, 212– 214, 329,A.104, einzelne Kardinäle s. Alain de Coëtivy | s. Anton v. Challant | s. Basilios Bessarion | s. Domenico Capranica | s. Giovanni Castiglione | s. Giordano Orsini | s. Giuliano Cesarini | s. Guillaume d’Estouteville | s. Guillaume Hugues d’Étain | s. Juan de Carvajal | s. Jean Jouffroy | s. NvK | s. Onofrio Santacroce | s. Pierre d’Ailly | s. Peter von Schaumberg Kursoren 203 Legaten 186f., s. Giuliano Cesarini | s. NvK | s. Onofrio Santacroce Pönitentiarie 56,A.264, 186, 194, Großpönitentiar s. Domenico Capranica Rota 186, 189, 193, 196, 198,A.58, 202 Richter s. Friedrich Deys Sekretäre s. Poggio Bracciolini Universität 221,A.163, 343 Vatikanisches Archiv 77 Stadt 25, 59, 89, 93, 139, 172, 182, 188, 199, 217, 268,A.103, 275f., 278, 287, 303, 335, 342,A.18, 345, 375, 413, 415, 419, 421, 445, 457f., 460, 462, 464 Campo de’ Fiori 207 Deutsches Historisches Institut 187 Haus des NvK 205 S. Maria Maggiore 76,A.9 St. Peter 76,A.8 S. Pietro in Vincoli 17, 70, 184, 443 Vicarius Urbis s. NvK Rossbichler, Johann, Kirchenhistoriker 164 Rossini, Gioachino, Komponist 312 Rott am Inn, Benediktinerkloster 274 Rouen Ebm. 299,A.114, Eb. s. Guillaume d’Estouteville Stadt, Universität 470 Rubatscher, Maria Veronika, Schriftstellerin 444, 453, 459, 466 Rudolf, B. von Lavant 71

502

Register

Ruge, Nikolaus, Germanist 100 Rundle, David, Historiker 347 Ruprecht von Pfalz-Simmern, B. von Straßburg 221 S Saarland 465 Säben, Burg 93, 97, 283, 331f. Hauptmann s. Ulrich von Halbsleben Kreuzkapelle 26,A.63, 97 Marienkapelle 26,A.63 Sacramoro da Rimini 217,A.149 Saintes, Bm. 296 Salamanca, Universität 384, 386 Salern Burg, Pfleger s. Georg von Villanders Landgericht 26 Salisbury, Bm. 298 Salomé, Lou von 452,A.39 Salzburg Ebm. 32,A.103, 100, 338, 343, Eb. 18, 66, s. Burkhard von Weißbriach | s. Eberhard von Starhemberg | s. Sigismund von Volkersdorf Domkapitel, Dompropst 343 Provinzialsynode (1267) 40 | (1420) 51 | (1451) 18, 38, 401 | (1456) 239 | (1457) 155 Stadt 67, 92,A.14, 139,A.8, 193,A.28, 278, 286, 337, 352, 400 Nonnberg, Benediktinerinnenkloster 193,A.28 St. Peter, Benediktinerkloster 401, Abt 198,A.58, 218, 284, 388, 398 Sante Schiattesi OP, Prior von San Marco in Florenz 427,A.7 Sarazenen 427, 430 Sarns, Dorf 49 Sarntal 27 Schabs, Dorf 58 Kirche St. Margaretha 66 Schäfer, Christian, Philosoph 388,A.75 Schaffhausen 142 Schäftlarn, Prämonstratenserkloster 398 Schalders, St. Wolfgangskapelle 169 Schamberger, Karin, Bibliothekarin 402,A.166 Schannen, Johann Hugo, Rektor des St.Nikolaus-Hospitals in Bernkastel-Kues 413

Scharpff, Franz Anton, Historiker 307 Schatz, Adelgott, Historiker 24 Schenkenerb, Ort 26 Schienerl, Walther, Schriftsteller 445, 460, 464, 467 Schlesien 171 Schluderbach 286 Schmirn, Dorf 162 Schoberpass 279, 285 Schoenes, Stephan, Rektor des St.-NikolausHospitals in Bernkastel-Kues 413 Schuman, Robert, französischer Politiker 249, 271 Schwaben, Hztm. 447 Schwaz, Stadt 157, 264,A.81, 285 Bergwerk 260, 270 Pfarrei 29 Schweiz, Eidgenossenschaft 180, 278, 295 Schwingshackl, Anton, Schriftsteller 442, 445, 451f., 461–463 Schwob, Ute Monica, Historikerin 309 Sebastian Prack 237 Seckau, Bm. 100 Seefeld, Pfarrkirche St. Oswald 28 Sées, Bm. 299,A.114 Seine, Fluss 294 Selchow, Bogislav Freiherr von, Schriftsteller 466f. Sellajoch 279 Semmering, Pass 285 Seneca 340 Senlis, Bm. 299,A.114 Sens, Bm. 299,A.114 Serfaus, Pfarrei 33 St. Georgskapelle 169 Siegfried Nothaft, Domherr zu Brixen 239,A.173, 246 Siena Bm., B. s. Pius II. Stadt 276, 421,A.279 Sigmund, Sigismund Sigismund von Luxemburg, röm.-deutscher Kg. und Ks. 142, 148, 162, 294, 309 Sigismund von Volkersdorf (Wolkersdorf), Eb. von Salzburg 68, 177, 205,A.94 Sigismund, Hz. von Österreich, Gf. von Tirol 20, 25, 30, 33f., 41, 55–57, 70, 93, 96, 99, 108–110, 115, 118, 122, 124f., 137f., 143,A.34, 146, 156, 163, 172–181,

Personen und Orte 193f., 196–201, 204, 207, 213f., 216,A.146, 228–233, 242f., 247–271, 273, 276f., 279–284, 287f., 295, 303–336, 367, 371f., 381, 410, 417, 421, 438, 444, 447, 452, 455, 457, 460, 468f., 476 Kanzlei 99, 255, Kanzler s. Leonhard von Velseck | s. Leonhard Wiesmair Räte 99,A.47, 250f., 287, s. Eberhard, Gf. von Kirchberg | s. Hans von Kronmetz | s. Jakob Trapp | s. Laurentius Blumenau | s. Martin Neidecker | s. Oswald von Säben Kammermeister s. Gerwig von Rottenstein Küchenmeister s. Hans Kripp | s. Konrad Fridung Hofmeister s. Konrad von Kraig oberster Amtmann s. Konrad Vintler Sekretär s. Dionysius Heidelberger Sigmund Söll (Sell), Bürger zu Bruneck 235, 415f. Sigmund von Tabland, Adliger 55 Sigismund von Thun, Adliger 53 Sigmund von dem Thurn (zu Bozen) 161 Sigmund von Welsberg, Adliger 33, 234 Sigmund Wirsung, Hofrichter zu Brixen 225 Sila, Roland, Historiker 163,A.146 Simaey, Chantal, Historikerin 80f. Simon Simon de Beaulieu, Eb. von Bourges 296 Simon Heindl, Propst zu Klosterneuburg 206 Simon von Wehlen, Brixner Domherr, Neffe des NvK, Rentmeister des Hochstifts Brixen 30, 42, 68, 153,A.82, 156, 179, 191, 196, 238–240, 407, 411, 416 Simrock, Karl, Germanist 455 Sinnacher, Franz Anton, Historiker 21, 24 Sint-Truiden, Stadt 79 Augustinerinnenkloster 193,A.28 Sisteron, Bm. 299,A.114 Sitten, Bm. 296 Sizilien Kgr. 347, 426 Ordensprovinz der Franziskaner 211 Slowenien 295 Spanien (Hispania) 430 Sparbers, Anselm, Historiker 22

503

Speyer, Bm. 100 Spittal an der Drau, Stadt 278 Sonnenburg, Benediktinerinnenkloster 20, 30f., 57, 113–134, 139, 144–147, 156, 162f., 165, 176f., 179, 183, 188, 193,A. 30, 196, 199, 206, 229, 231f., 237, 244, 252, 258, 265,A.86, 269, 277, 280f., 284f., 287f., 328, 397, 444, 446–455, 463, 469, 475 Äbtissin s. Barbara Rasner | s. Ursula Forstner | s. Ursula Rizzin | s. Verena von Stuben Dechantin s. Afra von Velseck Hospital St. Johann 244 Klosterkirche 31 Missivbuch 99, 107, s. Innsbruck, TLA, Cod. 2336 Verweserin s. Afra von Velseck Vogtei 177, 258f. Stallental 285 St. Andrä 235 St. Christina, Kirche 28 St. Georgenberg, Benediktinerkloster 30, 32, 132, 156, 285, 397, 406, Abt 285 St. Jakob im Ahrntal 66, 168 St. Jakob in der Mahr 338 St. Johann im Pongau 279,A.24 St. Lambrecht in Kärnten, Benediktinerkloster 193,A.28 St. Lamprechtsburg 151 St. Lorenzen im Pustertal 145, 168, 415, 444, 463, Pfarrei, Pfarrer 30–32, 56, 64, 128 St. Martin bei St. Lorenzen im Pustertal, Kirche 35 St. Martin in Thurn, Museum Ladin 474 St. Peter im Ahrntal 68 St. Sigmund 284 St. Veit an der Glan 279,A.24 Franziskanerkloster 214,A.140 St. Wendel, Pfarrei 17, Pfarrer s. NvK Stafflach, Dorf 162 Stampfer, Ursula, Historikerin 160,A.128 Stams, Zisterzienserkloster 30, 32, 41, 140, 269,A107, 274, 285, 410, Abt s. Georg Ried Stanz, Pfarrei 28,A.76 Stefan Stainhorn, Brixner Domherr 192, 239,A.173, 242 Stegen bei Bruneck 93, Kirche St. Nikolaus 66, 251,A.18 Steger, Philipp, Schriftsteller 442, 458

504 Steinach, Landgericht der Gft. Tirol 282 Sterzing, Stadt 110, 157, 196,A.48, 282, 316, 322f., 455 Deutschordenskommende 32, 165 Pfarrei 31, 165f., Pfarrer 165f. Stilfes, Pfarrei 28, 31, 33 Stolz, Otto, Historiker 138 Straßburg Bm., Bf. 209, 211, s. Ruprecht von PfalzSimmern Offizial 209f., 220 Franziskanerprovinz 213,A.130, 215 Stadt 208, 212, 215f., 380, 417 Franziskanerkloster 189, 208–213, 220– 222 Roßmarkt 210 Strauss, Richard, Komponist 439 Stubai, Pfarrei, Pfarrer s. Petrus Grosskopf Subiaco, Sacro Speco, Benediktinerkloster 204 Sudetenland 452 Südtirol 442f., 448, 467 Suttner, Bertha von 452,A.39 T Taisten, Pfarrei 33, 234 Talleyrand-Périgord, Charles-Maurice de, Staatsmann 400,A.153 Taufers Burg und Landgericht 157, 181, 229, 234, 240, 253, 276, 368, Hauptmann s. Cyprian von Leonburg Pfarrei 31, 243, Pfarrer 56 Tegernsee, Benediktinerkloster 178, 203, 250,A.16, 274, 285, 359, 387–406, Abt s. Kaspar Aindorffer; Prior s. Bernhard von Waging Teis, Dorf 49 Telfs, Pfarrei 28, 33 Telfes in Stubai, Pfarrei 33, Pfarrkirche 63, 173 Teodoro de’ Lelli, B. von Feltre 336 Terbank, Leproserie 83 Tesimo s. Tisens Tessin 442, 444 Teugn, Pfarrei 160 Thaur, Pfarrei 33, 35, 182, 382, Pfarrer s. Andreas Sichariensis Marien- und Thomaskirche 169

Register Theobald, Theobaldus Thebaldus zur Hellen, Notar 215,A.144 Theobald von Wolkenstein, Domherr zu Brixen 239–241 Theoderich von Trier, ‚Phisica‘ 400 Thérouanne, Bm. 299,A.114 Théry, Gabriel, Historiker 404,A.177 Thierry von Chartres, Theologe 471 Thomas Thomas von Aquin OP, Hl., Theologe 38 Thomas de Bradvardine, ‚Opus de causa Dei‘ Thomas Gallus von Vercelli ‚De septem gradibus contemplacionis‘ 404,A.177 ‚Extractio Corporis Dionysiaci‘ 389, 391, 398,A.143 Thomas Pirckheimer, Jurist 190f., 205,A.96, 273,A.2, 326 Thomas Sebser 168 Thurn an der Gader Burg 151, 227, 407, Hauptmann s. Gabriel Prack Landgericht 26, 227, 407 Tiers Dorf 26 Kapelle St. Georg 56 Landgericht 252 Tinkhauser, Georg, Historiker 24 Tirol Burg 143, Hauptmann s. Heinrich von Bopfingen Dorf, Pfarrei, Pfarrer s. Heinrich von Bopfingen | s. Leonhard Wiesmair | s. Ulrich Putsch Gft. 21f., 24, 27, 89, 95, 98f., 153, 157, 172– 175, 178, 225f., 247, 263–269, 289, 295, 448, Gf. 26, 278, 282, 304, 313, 410, 438, 443–445, 449, 453, s. Friedrich IV. | s. Meinhard II. | s. Sigismund Gerichte s. Feldthurns | s. Gufidaun | s. Rodeneck | s. Villanders Interdikt (1458–1464) 182, 328 Kanzler s. Leonhard Wiesmair Landstände (Landschaft) 268 Landtage 35, 263, 268 Münzordnungen 265 Wappen 248, 256, 267 Tisens, Pfarrei 182

Personen und Orte Toblach, Stadt 286 Todi, Stadt, Tod des NvK (1464) 25, 70, 243, 450, 465, 468, 470f. Tongern, Stadt 76 Franziskanerkloster 79 Pfarrkirche St. Marien 79 Toniatti, Harald, Historiker 158,A.116 Torcello, Bm., B. 143 Toulouse, Bm. 299,A.114 Tournai, Bm. 80–83, 299,A.114 B. 81, 83, s. Jean Chevrot Weihbischof s. Nikolaus Maes Trenkwalder, Alois, Historiker 24, 90, 100 Treviso Bm., B. s. Ludovico Barbo | s. Niccolò Franco Stadt 276, 278,A.22 Trient Bm. 24,A.49, 27, 43, 100, 141,A.26, B. 145, 259,A.60, 268,A.104, 284, s. Alexander von Masowien | s. Georg Hack Domkapitel 172, Domdekan s. Johannes Sulzpach; Dompropst s. Johannes Hinderbach; Domscholaster s. Johann von Costede; Domherren s. Ulrich Putsch Kompaktaten (1363) 173, 175 | (1454) 173, 175, 280 Stadt 182, 263, 277 Buonconsiglio, Burg 145,A.43, 165 Dom 184 S. Lorenzo, Benediktinerkloster 192 Trier Ebm. 100, 171, 238, Eb. s. Jakob von Sierck | s. Otto von Ziegenhain Domkapitel 202 Union der Landstände (1456) 199f. Stadt 98, 442, 444, 458, 469 Brüderkrankenhaus 464 Institut für Cusanusforschung 464 Pfarrkirche St. Gangolf 17 St. Matthias, Benediktinerkloster 193,A.30, 399f. Stadtbibliothek 92,A.14 Theater 475 Troyes, Bm. 299,A.114 Tschötsch, Dorf 338 Tisens, Pfarrei, Pfarrer s. Ulrich Putsch

505

Türken (Osmanen) 40f., 66, 180, 188, 195, 201, 275f., 283,A.45, 384, 454 Tyrus, Stadt 451,A.31 U Überetsch 27 Ulm, Stadt 216 Ulrich Ulrich von Manderscheid, Elekt von Trier 431 Ulrich Putsch, B. von Brixen 90, 97, 137– 169, 253,A.29 apostolischer Kollektor 141, 164 Archidiakon des Vinschgau 142 Diarium 148f., 156, 158, 163, 289 Domherr zu Brixen und Trient 141 Kanzler Hz. Friedrichs IV. von Österreich 142f., 151 ‚Liecht der Seel‘ 151 Pfarrer von Dorf Tirol 142f. Pfarrer von Tisens 141 Ulrich, Gf. von Cilli 230, 262 Ulrich, Diener 322 Ulrich Entzenperger 203 Ulrich Fabri, Pfarrer zu Prutz 70, 238 Ulrich von Freundsberg, Adliger 318 Ulrich Halbsleben d. Ä., Hauptmann von Säben 225, 331 Ulrich von Liechtenstein, Domherr zu Brixen 239,A.173, 246 Ulrich von Matsch, Hauptmann an der Etsch 167 Ulrich Part, Domherr zu Regensburg 194 Ulrich Radrer 164 Ulrich von Richental, Chronist 142 Ulrich von Säben, Adliger 168 Ulrich von Starkenberg, Adliger 162 Ulrich Vogel, Pfarrer von Baumkirchen 167 Ulrich von Wirsung 162 Ulten, Burg 253,A.33 Ungarn Franziskanerprovinz 213,A.133 Kgr., Kg. s. Ladislaus | s. Matthias Corvinus Unterland 27 Ursula Ursula, Hl. 115, 395,A.122, 447,A.19 Ursula Forstner OSB, Äbtissin von Sonnenburg 146, 164–169

506 Ursula Rizzin OSB, Äbtissin von Sonnenburg 145 Ursula, Schwägerin des Hans Trackenleder 365 Ursula Flickenpfeil OSCl 109f. Uttenheim, Amt 157 V Vahrn, Dorf 332f. Val Badia s. Abtei Valencia, Stadt 418 Valgenäun, Kirche St. Valentin 28 Valparola-Pass 287 Vals, Dorf 162, 168f. St. Jodoks-Kirche 168 Vansteenberghe, Edmond, Theologe 21, 39, 308, 359, 451, 471 Vasco Rodrigues, Humanist 341f., 346–348 Veldes (Bled), Landgericht 26, 279 Velseck, Burg 252 Venedig Republik 212, 220, 278, 344, 372, 421f., 426 Doge 163, s. Francesco Foscari Stadt, S. Giorgio Maggiore 143 Verdings, Ort 26 Verena von Stuben OSB, Äbtissin von Sonnenburg 30f., 35, 56, 62, 113–134, 146,A.45, 147, 176f., 180, 196f., 231, 252, 255,A.42, 258, 281, 284, 287, 395,A.122, 438f., 444–449, 452–462, 465, 470, 472, 474, 476 Vetter s. Johann von Westernach Vergil, röm. Dichter 138 ‚Aeneis‘ 310 Verlan, Bote 322f. Vernagtgletscher 289 Verona, San Domenico, Augustinerinnenkloster 415,A.244 Veronika von Thun OSB, Nonne in Sonnenburg 130 Vespasiano da Bisticci, Humanist 348,A.38 Vicenza, Stadt 419, 421f. Viechter, Bernhard, Chronist 218,A.151 Vienne, Bm. 299,A.114 Vigo di Fassa, St. Juliana 66, 153 Viktor Trautson 169 Vilnöss, Dorf 49f. Kirche 28

Register Villach, Stadt 279 Franziskanerkloster 214,A.140 Villanders Landgericht der Gft. Tirol 226 Pfarrei, Pfarrer 181 Vilvoorde, Beginenhaus 79 Vincennes, Burg 435 Vinschgau 27 Archidiakonat, Archidiakon s. Ulrich Putsch Vinzenz von Aggsbach OCart. 203,A.81, 210,A.121, 398,A.145 ‚De mystica theologia‘ 406 Virgen, Pfarrei 29,A.80 Viterbo, Stadt 276 Völs am Schlern, Pfarrei 49, 56 Vompp, Pfarrkirche 169 Vorarlberg 410 W Wagner, Richard, ‚Der fliegende Holländer‘ 455 Walram von Moers, Elekt von Utrecht 193,A.30 Wandalbert von Prüm, ‚Martyrologium‘ 399 Wasserburg 275 Weber, Paul A., Zeichner 310 Weigl, Herwig, Historiker 166,A.159 Weihenstephan, Benediktinerkloster, Abt 284 Weingart, Brigitte, Historikerin 310 Weitenthal, St. Thomaskapelle 169 Welsberg Burg, St. Johanneskapelle 161 Dorf, St. Margarethenkapelle 164 Wenig, Kapelle St. Cosmas und Damian 400,A.156 Wengen, Dorf 145, 167, 263 Wenger 110 Wenns, Pfarrei 33, 167, Pfarrer s. Heinrich Pomert Wien, Stadt 172, 176, 180, 195, 216f., 275, 286, 295, 316, 443, 449, 454 Deutschordens-Zentralarchiv 141 Konkordat (1448) 139,A.8 Schottenkloster 402 Universität 171, 173, 217f., 220,A.163 Wiener Neustadt 142, 216f., 275, 285f., 288, 291, 400 Franziskanerkloster 214,A.140, 217

Personen und Orte Wigoleis Gradner, Adliger 178 Wilhelm, Guglielmo, Guilhelmus, Guillaume, William Guillaume d’Estouteville, Kard. 195,A.39 Guillaume Hugues d’Étain, Kard. 205,A.94, 212, 220 William Courteney, Eb. von Canterbury 298 Wilhelm von Reichenau, B. von Eichstätt 296 Guillaume de Challant, B. von Lausanne 294 Wilhelm von Knöringen, Adliger 142 Wilhelm Lebner 163 Wilhelmus Maroltinger, Jurist 218,A.151 Guglielmo Moncata 426 Wilhelm von Starkenberg, Adliger 162 Wilnack, Stadt 198 Wilten, Prämonstratenserkloster 29–32, 41, 93f., 139, 156, 162, 198, 228, 249f., 255, 274, 276, 279f., 282f., 291, 303–336, 368f., 410, 452, 464 Abt 167, 194, s. Heinrich Putsch | s. Ingenuin Mösel Klosterkirche 167 Winchester, Bm. 296 Windesheim Kongregation der Augustinerchorherren 79, 85, 156, 388 St. Marien 79 Wintersteiner, Marianne, Schriftstellerin 445, 448, 451f., 459, 462f.

Wittelsbacher, Familie 277, 315, s. Albrecht III., Hz. von Bayern-München | s. Ludwig IX., Hz. von Bayern-Landshut Woelki, Thomas, Historiker 15f.,A.1, 22, 60, 91, 99,A.46, 120,A.40, 145,A.41, 287,A.61, 423,A.289, 452,A.39 Wolfgang Wolfgang Jöchel, Richter von Salern 332 Wolfgang Krumpacher, Stadtrichter zu Bruneck 227, 317 Wolfgang Neidlinger (Neundlinger), Domherr zu Brixen 68, 192, 239,A.173, 242 Wolfgang Trebinger 219,A.155 Wolkenstein, Familie 361, s. Friedrich | s. Leo | s. Maria | s. Michael | s. Oswald Worchester, Bm. 296, 298 Worms, Bm. 100, 296 Würzburg Bm. 67,A.343, 193,A.28, B. 209, s. Johannes von Grumbach Stadt 443,A.11 Wyneken, Diener 323 Z Zaccaria Trevisan, Humanist 344 Zams, Pfarrei 33 Zevenborren, Kloster St. Marien 79 Zierikzee, Stadt 193,A.30 Zillertal 33, 279,A.24 Zisterzienser, Orden, Klöster s. Kaishaim | s. Stams Zypern, Kgr. 192,A.24, Kg. 345

2. Zitate a) Bibel 3 Kön. 16,31 451,A.32 | 18,19 451 | 21,25 451,A.32 4 Kön. 9,7–37 451,A.32 1 Esra 4,6 454,A.49 Ester 1,1 454,A.49 Ps. 45(44),8 281 Sir. 42,14 132 | 44,16 358 Dan. 9,1 454,A.49

507

Mt. 8,7 44 | 5,15 95 Lk. 2,25 357 | 15,10 67 Phil. 1, 27–30 154,A.86 1 Tim 3,15 95 Apk. 2,20–23 451,A.31 b) kanonische Sammlungen X 5.1.17 45,A.196 VI 6.3.16 116, 124, 128,A.87, 133f.

3. Handschriften und Archivalien Die im Beitrag von Thomas Horst (153–163) systematisch verzeichneten Archivalien wurden hier nicht nochmals aufgeführt. Admont, Stiftsbibliothek Cod. 608 401,A.158 Augsburg, Staatsarchiv Reichsstift Kaisheim Urkunden, 910 140,A.20 | 984 141,A.22 | 1034 141,A.22 Basel, Staatsarchiv Basel-Stadt Protokolle, Öffnungsbücher 3 216,A.146 Berlin, Staatsbibliothek Theol. Lat. Fol. 667 346,A.32 Bernkastel-Kues, Stiftsarchiv Best. A Nr. 399 413,A.230 Urk. 19 373,A.10 Urk. 48A 420,A.275 Urk. 48B 420,A.275 Bernkastel-Kues, Stiftsbibliothek Cod. Cus. 12 389, 393 Cod. Cus. 25 389, 392 Cod. Cus. 38 374 Cod. Cus. 41 392 Cod. Cus. 43 391 Cod. Cus. 44 375, 377 Cod. Cus. 45 390 Cod. Cus. 58 389, 391 Cod. Cus. 82 382f., 415 Cod. Cus. 93 432 Cod. Cus. 95 389,A.81 Cod. Cus. 96 382 Cod. Cus. 105 412 Cod. Cus. 107 387 Cod. Cus. 108 386, 420, 431f., 433 Cod. Cus. 131 373, 413, 422 Cod. Cus. 158 412 Cod. Cus. 170 412 Cod. Cus. 179 373, 376, 379, 409f., 413 Cod. Cus. 184 380 Cod. Cus. 218 375, 378–380, 409, 413, 416 Cod. Cus. 219 379f., 413, 416 Cod. Cus. 220 413 Cod. Cus. 221 306, 413 Cod. Cus. 232 422 Cod. Cus. 250 374 Cod. Cus. 263 411f., 432

Bologna, Biblioteca dell’Archiginnasio A 943 435 Bozen, Staatsarchiv BL I 265,A.86 Cod. 2 144,A.39 Codex Handlung 269,A.108, 334,A.124 Lade 34 Nr. 20 B 269,A.109 | Lade 107 Nr. 6 D 265,A.86 Regestum Cusanum 269,A.108 Brixen, Diözesanarchiv HA 5757 383,A.56 HA 13218 156,A.108 HRR II 158,A.117 O.A. Nr. 370 262,A.76 Brixen, Priesterseminar Cod. A 14 418,A.267 Cod. B 21 418f., 422 Cod. C 20 418,A.267 Cod. E 20 338–358 Cod. E 21 418,A.267 Cod. E 22 418,A.267 Cod. F 4 418,A.267 Cod. F 8 418,A.267 Cod. R 1 418,A.267 Brüssel, Bibliothèque Royale Ms. 9142–45 381,A.44 Ms. 10615–729 399 Florenz, Biblioteca Medicea Laurenziana Gadd. LXXXV 390f.,A.85 Plut. XXVII dex. cod. 9 404,A.180 Florenz, Biblioteca Nazionale Centrale Conv. Soppr. J VII 30 426f. Florenz, Biblioteca Riccardiana Cod. 976 348, A.36 Gent, Bisschoppelijk Seminarie Fonds St-Barbara Cartularium 3 82f., 86 Liber Privilegiorum 87 Privilegies, Nr. 2 87 |Nr. 6 82, 86 | Nr. 7 82f., 87 | Nr. 9 86f. | Nr. 17 85 Gent, Rijksarchief Sint-Baafs en Bisdom Gent, Serie Charters, Charters, Nr. 1023 81

Handschriften und Archivalien Sint-Barbaraklooster.Gent.Charters, Nr. 1 81 | Nr. 2 81 | Nr. 3 82 St-Pietersabdij, 1ste reeks, Cartularium Nr. 1, vol. II 87 Gent, Stadsarchief Reeks 301 (Jaarregisters van de Keure), Keure 39 82 Graz, Universitätsbibliothek Cod. 59 338,A.5 Cod. 887 338,A.7 Innsbruck, Museum Ferdinandeum Urk. 1995 266,A.90 Innsbruck, Tiroler Landesarchiv Cod. 2336 99 Cod. 5672 s. Bozen, StA, Regestum Cusanum Cod. 5911 s. Bozen, StA, Codex Handlung Oberösterr. Kammerraitbuch 0 (1454/1457) 252,A.27 Stift Sonnenburg, U 76 146,A.45 U I 5553 142,A.28 | 8945 148,A.56 | 8946 148,A.56 | 8947 148,A.56 U II 225 141,A.24 Innsbruck, Universitätsbibliothek Cod. 68 40, 45 Cod. 825 138,A.2 Cod. 826 138,A.2 Sigmundiana IX 62 306 Kassel, Universitätsbibliothek 2° Ms. iurid. 26 208,A.118 Koblenz, Landeshauptarchiv Best. 701, Nr. 250 212,A.129 Kremsmünster, Stiftsbibliothek CC 23 208,A.117 Leipzig, Universitätsbibliothek Ms 1092 209,A.121 London, British Library Add. 11035 400 Cod. Harl. 2268 347 Cod. Harl. 3261 381,A.44 Cod. Harl. 3702 399 Cod. Harl. 4241 381 Cod. Harl. 5576 431 Cod. Harl. 5665 431 Ludwigsburg, Landesarchiv BadenWürttemberg B 509 U 611–614 217,A.148 Mailand, Archivio di Stato Sforzesco, Potenze Estere, 83 217,A.149

509

Mailand, Biblioteca Ambrosiana G 74 416,A.257 Manchester, John Rylands Library Cod. lat. 458 210,A.121 Cod. lat. 459 398,A.145 Melk, Stiftsbibliothek Cod. 1086 (931) 209,A.121 Cod. 1605 406,A.191 München, Bayerische Staatsbibliothek Cgm 628 395,A.115 Clm 4403 406,A.191 Clm 5369 348,A.36 Clm 5882 392,A.97 Clm 14213 398,A.144 Clm 17247 398,A.144 Clm 18199 389, 393,A.102f. Clm 18210 390 Clm 18239 397 Clm 18412 401,A.159 Clm 18422 389, 391,A.90, 392,A.96 Clm 18570 394,A.112, 395,A.116,118, 398 Clm 18592 395,A.118 Clm 18621 397 Clm 18653 405 Clm 18711 394,A.115 Clm 18712 389,A.80, 394,A.115 Clm 19114 406,A.191 Clm 19352 395,A.118 Clm 19608 397 Clm 19697 155,A.101, 397 Clm 27319 392,A.97 München, Hauptstaatsarchiv Hochstiftsurkunden Brixen, Nr. 56 269,A.108 München, Universitätsbibliothek 2° Cod. ms. 74 208,A.118 Münster, Kapuzinerbibliothek Cod. 1 405 Neapel, Biblioteca Nazionale Cod. VI A. 19 392,A.94 Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum Wolkenstein-Archiv, Fasz. 13 148,A.57 Oxford, Bodleian Library MS Lyell 52 400f. MS Lyell 54 399 MS Lyell 63 209,A.121 Paris, Bibliothèque de l’Arsenal Cod. 1162 428–430 Paris, Bibliothèque nationale de France

510 Lat. 2584 340,A.10 Lat. 2598 434 Lat. 6064 433 Rom, Archivio Apostolico Vaticano Arm. XXIX 9 216,A.145 Reg. Lat. 174 343,A.24 Reg. Suppl. 778 218,A.153 Reg. Vat. 476 329,A.106 Rom, Bibliotheca Apostolica Vaticana Chigi C.VIII.218 434 Vat. lat. 1244 375, 380 Vat. lat. 1245 88, 375, 377, 380 Vat. lat. 2062 381,A.45 Vat. lat. 2191 434 Vat. lat. 2923 431,A.27 Vat. lat. 4071 425–435 Vat. lat. 4072 426, 433 Rom, Biblioteca Vallicelliana Cod. B 61 421,A.278 Salamanca, Universitätsbibliothek Ms. 19 386,A.67 Salzburg, Archiv der Erzabtei St. Peter Hs. A 137 218,A.151 Akt 574 218,A.151 Salzburg, Bibliothek der Erzabtei St. Peter b XI 242 398,A.144 Siena, Biblioteca Comunale degli Intronati ms. U.V.6 404,A.179 Strasbourg, Archives de la ville AA 210, 37 216,A.145

Register III 200/7: 198,A.59, 212,A.127, 212,A.127 | III, 200/13 208,A.116 | VIII, 133/83 215,A.144 Stuttgart, Württembergische Landesbibliothek Cod. hist. qt. 152 410,A.215 Cod. theol. et phil. qt. 36a 338 Trient, Archivio di Stato, Archivio principesco vescovile Sezione latina, Caps. 53 Nr. 10 145,A.41, 259,A.60 | Nr. 11 145,A.42, 252,A.24, 253,A.29, 259,A.60 | Nr. 14 145,A.43, 259,A.60 | Nr. 15 253,A.29, 259,A.60 Sezione tedesca, Caps. 34. Litt. C 146,A.44 Trier, Stadtbibliothek Hs. 771/1350 8º 92,A.14 Hs. 2046 340,A.10 Vicenza, Archivio di Stato, Atti del Notaio Bartolomeo d’Aviano Cod. n. 4745 422,A.286 Cod. n. 4746 419,A.271, 422,A.486 Wien, Österreichische Nationalbibliothek Cod. 5180 209,A.121 Cod. 5296 215,A.143 Cod. Ser. n. 12836 261,A.66 Wiener Neustadt, Stadtarchiv Scrin. XXXII.1 217,A.150 Wolfenbüttel, Herzog August Bibliothek Cod. Guelf. 75.2 Aug. F° 342,A.19 Würzburg, Universitätsbibliothek M.ch.f.20 348,A.3