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German Pages 60 Year 2017
Jayme Kunstrecht und Kunstgeschichte Schock-Werner Der Dom als Aufgabe – Der Erhalt eines Welterbes
Schriftenreihe der Kölner Juristischen Gesellschaft Band 32 herausgegeben vom Vorstand
Kunstrecht und Kunstgeschichte von
Prof. em. Dr. Dr. h.c. mult. Erik Jayme
und
Der Dom als Aufgabe – Der Erhalt eines Welterbes von
Prof. Dr. Barbara Schock-Werner
2017
Vortrag Jayme: Ergänzte Fassung des Vortrags vom 27.1.2016 Vortrag Schock-Werner vom 25.9.2013
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Verlag Dr. Otto Schmidt KG Gustav-Heinemann-Ufer 58, 50968 Köln Tel. 02 21/9 37 38-01, Fax 02 21/9 37 38-943 [email protected] www.otto-schmidt.de ISBN 978-3-504-65017-9 ©2017 by Verlag Dr. Otto Schmidt KG, Köln
Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlages. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das verwendete Papier ist aus chlorfrei gebleichten Rohstoffen hergestellt, holz- und säurefrei, alterungsbeständig und umweltfreundlich. Satz: WMTP, Birkenau Druck und Verarbeitung: VUA, Büttelborn Printed in Germany
Vorwort Die Kölner Juristische Gesellschaft konnte im Dezember 2015 ihr 30-jähriges Bestehen mit einem Festvortrag und der Herausgabe einer Festschrift feiern. Seither sind den Mitgliedern im Jahre 2016 wiederum fünf hochinteressante Veranstaltungen angeboten worden. Immer wieder wird dabei der Wunsch nach einer schriftlichen Veröffentlichung geäußert. Leider stößt dieser verständliche Wunsch nicht selten auf unterschiedliche Hinderungsgründe. Immerhin hat die Kölner Juristische Gesellschaft von Anfang an mit einer Schriftenreihe den Versuch gemacht, einzelne Vorträge noch einmal in gedruckter Form zu präsentieren. In dieser Schriftenreihe sind bisher 31 Bände erschienen, die in der Regel einen, manchmal aber auch zwei Vorträge enthielten. Hinzu kommt die schon erwähnte Festschrift zum 30-jährigen Jubi läum, die (neben zwei Originalbeiträgen zur Geschichte der Kölner Juristischen Gesellschaft) weitere sieben Vorträge aus neuerer Zeit enthält. An diese Tradition möchte der vorliegende Band anschließen. Er enthält zwei Vorträge aus den Jahren 2013 und 2016, die nicht (allein) dem juristischen Themenfeld, sondern kulturellen Aspekten bzw. den Verbindungslinien des Rechts zur Kunst zuzuordnen sind. Beide Vorträge haben die anwesenden Mitglieder unserer Gesellschaft sehr begeistert und es ist den beiden Autoren in besonderer Weise zu danken, dass sie sich der Mühe unterzogen haben, ein druckfertiges Manuskript vorzulegen. Die ehemalige Dombaumeisterin Frau Prof. Dr. Barbara SchockWerner aus Köln hatte am 25.9.2013 über „Aufgabe und Organisation der Dombauhütten im Mittelalter und heute“ gesprochen. Herr Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Erik Jayme LL.M. aus Heidelberg hatte am 27.1.2016 über „Kunstrecht und Kunstgeschichte“ referiert. Beide exzellenten Vorträge haben eine Erfahrung bestätigt, die die langjährigen Mitglieder der Kölner Juristischen Gesellschaft immer wieder gemacht haben. So sehr im Rahmen einer juristischen Gesellschaft zwangsläufig die Vorträge mit rechtswissenschaftlichem Schwerpunkt im Vordergrund stehen, sind es doch gerade die nichtjuristischen The-
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Vorwort
men bzw. die juristischen Querschnittsthemen zur Kunst, die stets das größte Interesse und hohe Begeisterung ausgelöst haben. In diesem Sinne hoffen Vorstand und Beirat unserer Gesellschaft auf eine freundliche Aufnahme auch der vorliegenden Veröffentlichung. Köln, im April 2017
Hanns Prütting Johannes Riedel Rainer Klocke
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Inhalt
Seite Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5
Erik Jayme Kunstrecht und Kunstgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Barbara Schock-Werner Der Dom als Aufgabe – Erhaltung eines Welterbes . . . . . . . . . . . 35
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Kunstrecht und Kunstgeschichte Prof. em. Dr. Dr. h.c. mult. Erik Jayme, Heidelberg1 I. Einführung . . . . . . . . . . . 9 II. Rechtsvergleichung – Über nahme des Stilbegriffs der Kunstgeschichte. . . . . . . . 10 III. Kunstgeschichte: Stilprägende Formen. . . . 11 IV. Kunstrecht: Kein Schutz des Künstlerstils und der Motive. . . . . . . . . . . . . . . . 12 V. Nochmals: Stil und Urheberrecht. . . . . . . . . . 14 VI. Kunstrecht – Brückenschlag zur Kunstwissenschaft. . . . . . . . . . . . . . . . 15 VII. Der Caravaggio-Fall des englischen High Court of Justice. . . . . . . . . . . . . . . . 16 VIII. Sorgfaltspflichten im Kunsthandel – Kenntnisse der Kunstgeschichte. . . . . 19
IX. Michelangelo Merisi detto il Caravaggio – seine Bedeutung für die Kunst geschichte und sein Leben. 19 X. Kopien – Nachahmungen – der Caravaggismus . 20 XI. Caravaggio: Nachruhm und Aktualität. . . . . . . . . 23 XII. Die Kopie als Original: Federico Barocci . . . . . . . 26 XIII. Untersuchungsobliegenheiten des Auktionshauses – Technik und Experten. . . 28 XIV. Deutsches Recht zum Vergleich: Der Teppich-Fall. . 30 XV. Kunstrecht und aktuelle Kunstströmungen: Aneig nungskunst . . . . . . . . . . . 31
I. Einführung Rechtswissenschaft und Kunstgeschichte erscheinen auf den ersten Blick als zwei ganz verschiedene Wissenschaftsgebiete, die nur wenig Gemeinsames aufweisen, was ihre Systematik und ihre Begriffsbildung angeht. Näher betrachtet ergeben sich aber durchaus Übernahmen und ähnliche Fragestellungen und zwar in beiden Richtungen. Hinzu 1 Ergänzte Fassung des Vortrags, den der Autor am 27.1.2016 vor der Kölner Juristischen Gesellschaft gehalten hat. Der Vortragsstil wurde beibehalten. Der Verfasser dankt Herrn Professor Dr. Prütting herzlich für die Einladung. Meinem Assistenten, Herrn Ref. Sebastian Seeger, danke ich für viele praktische Hilfen und sachliche Hinweise.
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tritt das Kunstrecht als Brückenschlag zwischen den so verschiedenen Gebieten. Dies gilt vor allem für die Kunsthandelspraxis. Ist z. B. ein Künstler kunsthistorisch nicht oder noch nicht erforscht oder in der Kunstgeschichte in Vergessenheit geraten, so wirkt sich das auf den Preis seiner Werke auf dem Markt aus. Von daher ergeben sich z. B. vielfältige Rechtsfragen zu den von den Kunsthistorikern angelegten Werkverzeichnissen.2 Vor allem geht es hier um die Haftung der Experten3, die Ansprüche der Sammler auf die Erwähnung eines ihrer Sammlerstücke in dem entsprechenden Werkverzeichnis.4 Sind – wie in Deutschland – die Experten Wissenschaftler, so haben sie sich meist mit Erfolg auf die Wissenschaftsfreiheit des Grundgesetzes berufen können. Es gibt ein Meinungsrecht, aber keine Meinungspflicht, kann man von Seiten der Kunsthistoriker immer wieder hören.
II. Rechtsvergleichung – Übernahme des Stilbegriffs der Kunstgeschichte Bleiben wir zunächst bei den beiden Wissenschaften, ehe die Praxis zu Wort kommen soll. Die wechselseitigen Bezüge sollen zunächst an einigen allgemeinen Beispielen aufgezeigt werden, ehe genauer auf das Kunstrecht und seinen Bezug zur Kunstgeschichte eingegangen wird. Beginnen wir mit der Rechtsvergleichung. Seit fast 50 Jahren ist das führende Lehrbuch in dieses Fach die „Einführung in die Rechtsvergleichung“ von Konrad Zweigert und Hein Kötz, in mehreren Auflagen erschienen und in ganz glänzender Weise ins Englische übersetzt worden, was zugleich seinen Welterfolg garantiert hat. Im Rahmen der 2 Siehe z. B. OLG Hamm v. 1.7.2004, ZUM 2005, 327 (kein Anspruch des Eigentümers auf Aufnahme eines Bildes in ein Werkverzeichnis, hier betreffend den Maler Karl Hofer). 3 Siehe hierzu Daniel-Philipp Häret, Kunsthandel und Kennerschaft – Rechtsfragen zur Haftung von Kunstexperten, in: Matthias Weller/Nicolai Kemle (Hrsg.), Eigentum – Kunstfreiheit – Kulturgüterschutz, Tagungsband des Achten Heidelberger Kunstrechtstags am 31. Oktober und 1. November 2014, Baden-Baden 2015, S. 103 ff. 4 Siehe hierzu Friederike Gräfin von Brühl, Der Catalogue Raisonné im Recht, in: Peter Mosimann/Beat Schönenberger, Kunst & Recht 2015/Art Law 2015, Bern 2015, S. 15 ff.
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Grundlagen geht es um die Einteilung der Rechte der Welt in Rechtkreise und Rechtsordnungen. Als Unterscheidungsmerkmal dient den Autoren der Stil der Rechtskreise5; sie übernehmen also ganz bewusst und ausdrücklich einen in der Kunstgeschichte ganz geläufigen Begriff, mag auch mittlerweile das Wort „Stil“ in vielen anderen Zusammenhängen verwendet werden und mit der „Stilistik“ in der Literatur vermischt werden.6 Die Autoren schreiben:7 „Einzelne Rechtordnungen und ganze Gruppen von Rechtsordnungen haben je bestimmte Stile. Die rechtsvergleichende Forschung muss danach trachten, diese Rechtsstile in den Griff zu bekommen und die Gruppierung in Rechtskreise und die Zuweisung einzelner Rechtsordnungen an diese Rechtskreise nach den entscheidenden Stilelementen, nach stilprägenden Faktoren vorzunehmen“.
Noch ein Zitat aus dem Werk von Zweigert/Kötz: „Bestimmte Rechtsinstitute sind von so betonter Eigenart, dass ihnen stilprägende Kraft zuzuerkennen ist“8.
Beispiele für das deutsche Recht und die deutsche Rechtsfamilie sind etwa der übergeordnete Begriff des Rechtsgeschäfts oder der abstrakte dingliche Vertrag.
III. Kunstgeschichte: Stilprägende Formen Wirft man einen Blick auf die Kunstgeschichte, so kann man sehen, dass sich im Bereich der bildenden Künste ganze Generationen von Kunsthistorikern der Herausarbeitung der einzelnen Kunststile gewidmet haben. Man sieht aber, dass auch dort die stilprägenden Formen in den Vordergrund gerückt werden, wobei man hier – wenigstens in der Sedlmayr-Schule – vom Prinzip und der Methode der kritischen
5 Konrad Zweigert/Hein Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung auf dem Gebiete des Privatrechts, Band I: Grundlagen, 2., neubearbeitete Aufl., Tübingen 1984, S. 72 ff., 78 ff. 6 Siehe z. B. Burkhard Moenninghoff, Stilistik, Reclam, Stuttgart 2009. 7 Oben Fn. 5, S. 78. 8 Oben Fn. 5, S. 84.
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Formen spricht.9 Dabei geht es nicht nur um äußere Formen, sondern um Sinnzusammenhänge, die auf diese Weise vermittelt werden. Beispiel für eine solche kritische Form ist etwa die Schmuckform der Rocaille aus der Zeit der Rokoko, ein Muschelwerk aus Stuck, das aber seinen tiefen Sinn dadurch entfaltet, dass es die Architektur aus Stein und die gemalten Deckengemälde, also Seinsraum und Scheinsraum eines Bauwerks, in einer Rahmenzone zusammenfasst und so dem Betrachter erschließt und dadurch erst den Sinn des Kirchengebäudes vermittelt.10 Ein schönes Beispiel für diese Funktion der Rocaille ist die Basilika St. Alexander und St. Theodor in der Benediktinerabteil Ottobeuren, die von 1737 – 1765 erbaut wurde. Ein weiteres Beispiel: Wer in die berühmte Wieskirche tritt, sieht im Deckengemälde das sich vorbereitende Jüngste Gericht (Johann Baptist Zimmermann)11, dem aber die zu Richtenden noch fehlen: diese werden durch jeden Besucher dargestellt, der die Kirche betritt. Die Verbindung wird durch die Rocaille hergestellt. Recht und Kunstgeschichte bedienen sich dabei gleicher Methoden für die Erfassung der Stile; es gibt stilprägende Rechtsregeln und stilprägende Formen, deren Sinn sich aber nicht im bloß Formalen erschöpft, sondern die Anschaulichkeit der Sinnbezüge erst vermittelt.
IV. Kunstrecht: Kein Schutz des Künstlerstils und der Motive Nähern wir uns von da dem Kunstrecht, so gelangt man zur vielzitierten Nolde-Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 8.6.1989.12 Es ging um zwei Aquarelle, welche die Signatur des berühmten deutschen Expressionisten trugen. Kläger waren die Eigentümer, welche die Stücke der beklagten Nolde-Stiftung zur Prüfung ihrer Echt 9 Hans Sedlmayr, Prinzip und Methode der kritischen Formen, in: „Problemi del metodo. Condizioni di esistenza di una storia dell’arte, Atti del XXIV Congresso internazionale di Storia dell’arte X (1983), S. 31 ff. 10 Hermann Bauer, Rocaille als kritische Form, Diss. München 1955; Bernhard Rupprecht, Die bayerische Rokoko-Kirche, Kallmünz 1959, S. 29 ff. 11 „Thema des Hauptfreskos im Schiff ist die Wiederkunft Christi als Weltenrichter“, siehe „Die Wallfahrtskirche Die Wies“, Schnell Kunstführer Nr. 1 (Erstausgabe 1934), 23. neu bearbeitete Aufl. 2002, S. 26. 12 BGHZ 107, 384.
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heit überlassen hatten. Die Stiftung hielt die Aquarelle für Fälschungen und wollte sie behalten, bzw. vernichten; die Eigentümer verlangten diese heraus. Mit Erfolg. Der BGH stützte zwar die denkbaren Rechte der Beklagten auf das postmortale Persönlichkeitsrecht des Künstlers, schränkte dieses aber wieder ein: Der bloße „Nolde-Stil“ ist nicht geschützt. Das Gericht führte aus:13 „Einen Antrag auf Einwilligung in die Entfernung der Signatur hat die Beklagte aber mit ihrer Widerklage nicht gestellt. Er ist auch nicht als ein Weniger in dem Antrag auf Einwilligung in die Kennzeichnung der Bilder als Fälschung enthalten. Es handelt sich insoweit um etwas anderes als beantragt (§ 308 Abs. 1 ZPO). Die Beklagte hält nach ihrem eigenen Vorbringen eine Entfernung des Namenszuges nicht für ausreichend und will mit ihrem Antrag erreichen, daß die Bilder deshalb als Fälschungen gekennzeichnet werden, weil der Verkehr sie unabhängig von der Signatur aufgrund des „Nolde-Stils“ und der „Nolde-Motive“ auch als von Nolde stammend ansehen könnte (…). Diesen anders gearteten Schutz, der sich auf abstrakte Eigenschaften erstrecken soll, die allgemein zugänglich bleiben müssen, kann die Beklagte nicht verlangen.“
Mit anderen Worten: Der bloße Stil eines Künstlers ist rechtlich nicht geschützt. Jeder kann für sich seinen eigenen Nolde malen, sofern er das Aquarell nicht auf dem Markt als echtes Werk des berühmten Künstlers bezeichnet oder mit einer gefälschten Signatur versieht. In einem solchen Fall griffe das postmortale Persönlichkeitsrecht des Künstlers ein.14 Weder das Urheberrecht noch das allgemeine Kunstrecht, kennt aber den Schutz des bloßen Stils, mag er auch noch so markant sein, wie derjenige von Emil Nolde. Ähnliches gilt für die vom Künstler gewählten Motive, etwa für die bei Nolde so beliebten Gartenblumen.15 Es gibt insoweit keinen Motivschutz.
13 Vorige Fn., 394. 14 BGH, oben Fn. 12. 15 Siehe hierzu etwa die bei dem Maler Klaus Fußmann ebenso beliebten Motive der Gartenblumen, dessen Aquarelle denen Noldes manchmal zum Verwechseln ähneln, vgl. Klaus Fußmann, Gartenblumen, Krefeld 1988; siehe auch Klaus Fußmann, Wahn der Malerei, München 2009, S. 271 ff.
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V. Nochmals: Stil und Urheberrecht Das ist im Übrigen keine Selbstverständlichkeit. Die österreichische Justizministerin formulierte in der Einleitung zu einem vor kurzem erschienenen Grazer Tagungsband zu Fragen des Plagiats folgenden Grundsatz: „Auch Informationen als solche werden durch das Urheberrecht nicht geschützt. Dagegen fällt aber der spezifische Sprachstil, mit dem die Information vermittelt wird, als eigenständiges literarisches Werk unter den urheberrechtlichen Schutz.“16
Diese Überlegungen sind auch dann nicht ganz von der Hand zu weisen, wenn es um die Bildenden Künste geht, d. h. um den Stil einzelner Künstler. Zurzeit laufen jenseits des allgemeinen Kulturbetriebs zwei Ausstellungen von besonderer Schönheit. Beide sind Porträts gewidmet: Franz Xaver Winterhalter im Augustiner-Museum in Freiburg, in Paris Florentiner Manieristen der Medici-Zeit im Musée JacquemartAndré.17 In Paris beschäftigt man sich in einem Vorfilm ausschließlich mit den Händen der Porträtierten, der Haltung und Spreizung der Finger; der Gesichtsausdruck tritt dort nahezu ganz zurück. Es zeigt sich, dass die einzelnen Meister durch ihre Darstellung der Hände identifiziert werden können, d. h. durch ein individuelles Stilmerkmal, das auch neue Zuschreibungen ermöglicht. Die Frage, ob das Urheberrecht solchen persönlichen Schöpfungen über das einzelne Werk hinaus Schutz gewährt oder gewähren sollte, erscheint offen. Es erscheint aber insgesamt aufschlussreich, dass der Begriff des „Stils“, mag er auch vor allem durch die Kunstgeschichte vorgeprägt sein, durchaus auch in der Rechtswissenschaft verwendet wird, ja dort sogar eigene Abgrenzungsprobleme aufwirft.
16 Beatrix Karl, Vorwort, in: Plagiat, Fälschung, Urheberrecht im interdisziplinären Blickfeld. Herausgegeben von Dietmar Goltschnigg, Charlotte Grollegg-Edler, Patrizia Gruber unter Mitarbeit von Victoria Kumar, Berlin 2013, S. 9 ff., 10. 17 Die gleiche Ausstellung mit zum Teil anderen Werken wurde anschließend unter dem Titel „Maniera“ im Frankfurter Städel gezeigt.
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VI. Kunstrecht – Brückenschlag zur Kunstwissenschaft Gelangen wir nun zum Kunstrecht im engeren Sinne, das in der letzten Zeit durch spektakuläre Fälle auf sich aufmerksam gemacht hat. Hierzu zählt vor allem der „Fall Gurlitt“.18 Überall sind Zentren des Kunstrechts entstanden; in Europa begann es in Wien19, dann in der Schweiz, etwa in Genf, aber vor allem auch in Basel20 und Winterthur21. In diesem Jahr finden in Heidelberg die zehnten Kunstrechtstage statt. Zunächst ging es um Einzelprobleme, etwa solche des Kunsthandels, um Fälschungen22 oder um die Restitution von Raubgut. Mittlerweile ist das Fach soweit entwickelt worden, dass vielfach ganz allgemein – unter Einbeziehung seiner Geschichte23 – über sein Wesen reflektiert wird.24 Es erscheint als eine Querschnittsmaterie, sowohl im Binnenbereich zwischen Öffentlichem Recht und Privatrecht, als auch 18 Siehe hierzu Erik Jayme, Der Gurlitt-Fall – Grundfragen des Kunstrechts, in: Peter Mosimann/Beat Schönenberger, Kunst & Recht 2014 – Referate zur gleichnamigen Veranstaltung der Juristischen Fakultät der Universität Basel v. 20. Juni 2014, Bern 2014, S. 127 ff. 19 Ausgehend vom Internationalen Kulturgüterschutz hat Gerte Reichelt als Leiterin des Ludwig-Boltzmann-Instituts für Europarecht in vielen Tagungen das Kunstrecht von allen Seiten beleuchtet und mit neuen Fragestellungen versehen, siehe z. B. Gerte Reichelt (Hrsg.), Internationaler Kulturgüterschutz – Wiener Symposion 18./19. Oktober 1990, Wien 1992. 20 Siehe Peter Mosimann/Beat Schönenberger (Hrsg.), Kunst & Recht 2012/ Art & Law 2012 – Referate zur gleichnamigen Veranstaltung der Juristischen Fakultät der Universität Basel vom 15. Juni 2012, Bern 2012. 21 Siehe Peter Mosimann/Beat Schönenberger (Hrsg.), Fluchtgut – Geschichte, Recht und Moral – Referate zur gleichnamigen Veranstaltung des Museums Oskar Reinhart in Winterthur vom 28. August 2014, Bern 2015. 22 Siehe hierzu Henry Keazor, Täuschend echt! Eine Geschichte der Kunstfälschung, Darmstadt 2015, zum Fall „Wolfgang Beltracchi“, S. 233 ff.; siehe auch Erik Jayme, “Mercato dei falsi“ e diritto civile (con spunti di diritto internazionale privato), Studi in onore di Giorgio Cian, Band II, CEDAM 2010, S. 1389 ff. 23 Siehe z. B. neuestens Reinhard Kaiser, Der glückliche Kunsträuber – Das Leben des Vivant Denon, München 2016. Siehe auch Stefan Koldehoff, Die Bilder sind unter uns – Das Geschäft mit der NS-Raubkunst. Frankfurt am Main 2009. 24 Siehe z. B. Erik Jayme, Was ist Kunstrecht?, in: Weller/Kemle/Kuprecht/ Dreier, Neue Kunst – Neues Recht, Baden-Baden 2014, S. 19 ff.
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nach außen als Brückenschlag zu Kunsttheorie und Kunstwissenschaft. Hinzu tritt das internationale Element.25 Was das Recht angeht, so werden Teile des Urheberrechts miterfasst, wenn es um die Persönlichkeitsrechte der Künstler geht. Man trifft auf den dort verwandten Begriff des Originals26, wobei hier auch Definitionen des Europarechts eine Rolle spielen, welche wiederum auf die allgemeinen Kunstanschauungen verweisen. So spricht Art. 2 Abs. 1 der Folgerechtsrichtlinie nach einer Aufzählung der unter das Folgerecht fallenden Kunstwerke am Ende der Aufzählungen ganz allgemein von Exem plaren, „die als Originale von Kunstwerken angesehen werden“.27 Hier liegt eine Einbruchstelle der Ansichten aus Kunstgeschichte und Kunsthandel in das Recht.
VII. Der Caravaggio-Fall des englischen High Court of Justice Die jüngste Entwicklung des Kunstrechts ist durch zwei Phänomene geprägt. Zum einen ist zu nennen der Versuch der Gesetzgebung, durch ein neues Gesetz zum Schutz des Kulturguts weite Teile der bisher der Kunsthandels-Praxis überlassenen Selbstregulierung in gesetzlichen Vorschriften neu zu fassen28, was dort zu einem entsprechenden Proteststurm geführt hat; zum anderen sind es große Fälle oder Fallgruppen, die in der Öffentlichkeit ein besonderes Interesse hervorgerufen haben, und die vor allem mit den Namen des Fälschers „Wolfgang Beltracchi“ und des Sammlers „Cornelius Gurlitt“29 verbunden sind. Im Rahmen der Frage nach dem Verhältnis von Kunstrecht und Kunstgeschichte möchte ich allerdings einen anderen spektakulären 25 Siehe hierzu Erik Jayme, Narrative Norms in Private International Law – The Example of Art Law, Recueil des Cours 375 (2015), 19 ff. 26 Siehe z. B. § 26 UrhG (Folgerecht). 27 Richtlinie 2001/84/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über das Folgerecht des Urhebers des Originals eines Kunstwerks, ABl. Nr. L 272/32, Art. 2 Absatz 1 am Ende. 28 Siehe Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Kulturgutschutzrechts (14.9.2015), §§ 40 ff. (Pflichten beim Inverkehrbringen von Kulturgut). 29 Siehe Erik Jayme, Der Gurlitt-Fall – Grundfragen des Kunstrechts, oben Fn. 18; siehe auch ders., Narrative Norms in Private International Law – The Example of Art Law, Recueil des Cours 375 (2015), S. 13 ff., 19 ff.
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Fall vorstellen, den der englische High Court of Justice vor etwa einem Jahr entschieden hat und in dem sich Kunstrecht und Kunstgeschichte überschneiden, nämlich: die Entscheidung Lancelot Thwaytes v. Sotheby’s [2015] EWHC 36 (Ch), die vom 16. Januar 2015 stammt.30 Die eingehende Begründung des Gerichts umfasst 46 Seiten. Dieses Urteil fällt mit seinen weiten Ausflügen in die Kunstgeschichte und in die Praxis der Kunsthandels, welche die Rechtsausführungen fast nur als gelegentliches Beiwerk erscheinen lassen, ganz aus dem Rahmen der sonstigen kunstrechtlichen Entscheidungen heraus und verdient daher in unserem Rahmen eine besondere Aufmerksamkeit. Kläger war der Einlieferer eines Gemäldes, das eine ähnliche Szene darstellte, wie sie auf dem Bild „Die Falschspieler“ von Michelangelo Merisi detto il Caravaggio zu sehen ist, das sich heute im Kimbell Art Museum in Fort Worth in Texas befindet und auf das Jahr 1594 datiert wird.31 Beklagter war das Auktionshaus Sotheby’s, welches das Werk am 5. Dezember 2006 für £ 42.000 an eine Bieterin veräußerte, die das Bild für den weltberühmten Kunsthistoriker und Caravaggio-Experten Sir Denis Mahon erwarb. Auf einer Party zu Ehren seines 97. Geburtstages im November 2007 verkündete Sir Denis, das Bild sei eine eigenhändige Replik Caravaggios, worüber viel berichtet wurde. Im „Telegraph“ erschien am 12. Dezember 2007 eine Nachricht, die den Titel trug: „Caravaggio worth 50m discovered“. Das Bild wurde gereinigt und restauriert und erschien als Original Caravaggios in mehreren Ausstellungen in Italien, in Trapani (Museo Pepoli) in Westsizilien, in Cento (der Geburtsstadt von Giovanni Francesco Barbieri, genannt Guercino, einem Maler der bolognesischen Schule, dem Sir Denis Mahon als Wissenschaftler und Sammler32 mehr als sein halbes Leben gewidmet hatte) und schließlich auch in Forlì, stets von italienischen Kunsthistorikern in Katalogen als Original gefeiert. Der Kläger erfuhr sofort von dieser Zuschreibung. In seiner Klage warf er dem Auktionshaus vor, das Bild nicht genau darauf untersucht 30 Thwaytes v. Sotheby’s [2015] EWHC 36 (Ch). 31 Abbildung in Sebastian Schütze, Caravaggio – Das vollständige Werk, Taschen, Köln 2009, S. 60–61; siehe auch S. 248 f. 32 Siehe z. B. Nel segno del Guercino – disegni dalle collezioni Mahon, O xford e Cento, Cento 2005.
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zu haben, ob es „Caravaggio potential“ hatte. Er machte nicht geltend, dass das Bild von dem berühmten Barockmaler stamme. Wenn er aber von Seiten des Auktionshauses richtig informiert worden wäre, hätte er entweder das Bild teurer verkaufen oder es aber behalten können in dem Sinne „[that] he would now own a work of art of much greater value than he received on its sale“. Es ging ihm also auch um den Verlust eines entgangenen Caravaggio-Besitzer-Gefühls. Letztlich verlor der Kläger; aber das Gericht machte es sich nicht leicht. 17 Tage lang dauerte das Hearing und in diesem Rahmen der Aufmarsch der Beteiligten und der Experten. Die umfängliche, sehr gründliche Entscheidung hat 190 Randziffern und liest sich zugleich wie ein kleiner Roman mit Ausflügen in die Kunstgeschichte und das Kunstexpertentum unserer Tage. Rechtlich gesehen war die Klage vor allem auf eine tort action gestützt, genauer auf negligence, d. h. einen Verstoß gegen Sorgfaltspflichten des Auktionshauses. Im deutschen Recht würde man eher an Nebenpflichten aus dem Einlieferungsvertrag, in der deutschen Praxis im Regelfall ein Kommissionsgeschäft, als an eine Deliktsklage denken. Auch in dem englischen Fall sprach das Gericht von „breach of contract“ und „negligence“, aber der Vertrag wurde erst nach den Verhandlungen unterzeichnet, so dass als Klagegrund die „negligence“ ganz in den Vordergrund trat. Um aus der Entscheidung zu zitieren: „It was agreed by both parties that the test to be applied was the same for both causes of action“. Das wäre im deutschen Recht vielleicht anders, da eine deliktsrecht liche Generalklausel fehlt. Allerdings käme nach deutschem Recht auch eine Haftung aus culpa in contrahendo in Betracht, wenn man an Beratungspflichten der Kunstvermittler denkt, die vor dem Abschluss des eigentlichen Kommissionsgeschäfts entstehen und auch von diesem als Haftungsgrund nicht ohne weitere Überlegungen verdrängt werden.33
33 Siehe § 311 Abs. 2 und 3 BGB.
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VIII. Sorgfaltspflichten im Kunsthandel – Kenntnisse der Kunstgeschichte Übergreifend geht es aber auf jeden Fall darum, was man von einem Auktionshaus – rechtlich gesehen – an kunsthistorischen Kenntnissen, an Prüfungen und Untersuchungen, auch technischer Art, erwarten kann und muss;34 besonders bei einem Auktionshaus, das für seine Altmeisterauktionen weltberühmt ist. Betroffen ist also die im Kunstverkehr beim Altmeister-Segment erforderliche Sorgfalt des Kunstvermittlers. Hier ergibt sich die Frage, welche kunsthistorischen Kenntnisse man von den Spezialisten eines Auktionshauses erwarten darf, bzw. wie weit die kunsthistorischen Nachforschungen eines Auktionshauses gehen müssen. Die hier anzustellenden Überlegungen stehen und fallen zunächst mit der Bedeutung des in Betracht kommenden Künstlers. Auch im deutschen Recht richtet sich der Sorgfaltsmaßstab nach den beteiligten Verkehrskreisen, wobei wir allerdings bei der Abgrenzung dieser Kreise im deutschen Kunstrecht noch ganz am Anfang stehen.35
IX. Michelangelo Merisi detto il Caravaggio – seine Bedeutung für die Kunstgeschichte und sein Leben Werfen wir daher zunächst einen Blick auf Leben und Werk des Malers Michelangelo Merisi, der, obzwar in Mailand 1571 geboren, sich selbst nach dem lombardischen Heimatort seiner Eltern Caravaggio nannte.36 Er ging nach einer kurzen Ausbildung in seiner Heimat nach Rom. Aus der Lombardei brachte er einen Sinn für realistische Dar34 Viel hängt auch von der Beschreibung des Kunstwerks im Versteigerungskatalog ab, siehe hierzu Nicolai B. Kemle, Die Entwicklung des Gewährleistungsrechts bei Auktionen, in: Kerstin Odendahl/Peter Johannes Weber (Hrsg.), Kulturgüterschutz – Kunstrecht – Kulturrecht, Festschrift Siehr, Baden-Baden 2010, S. 393 ff. 35 Siehe zu den Sorgfaltspflichten des Auktionshauses LG Köln v. 28.9.2012, ZUM 2013, 332 (Campendonk). 36 Siehe hierzu und zum Folgenden Sybille Ebert-Schifferer, Caravaggio – Sehen – Staunen – Glauben – Der Maler und sein Werk, Sonderausgabe München 2012.
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stellungen, Stillleben, Szenen aus dem Alltagsleben mit, ein Charakteristikum der lombardischen Schulen. Noch stärker spricht Harald Keller in seinen „Kunstlandschaften Italiens“37 bei den lombardischen Bildnissen von einem „bitteren Bodensatz an Melancholie, die im Gemüt der Dargestellten ruht“. Caravaggios David bezeichnet er als „die Darstellung eines Siegers, dem vor seiner Tat nun selbst graust, ein echt lombardisches Kunstwerk“.38 Hinzu trat eine Lichtführung, welche Menschen und Gegenstände in ein magisches Helldunkel tauchte. In Rom gelang es dem Maler schnell, die Aufmerksamkeit der römischen Sammler zu erregen. Die „Falschspieler“39 wurden eines der ersten Bilder, die der Kardinal del Monte erwarb, der später viele Werke des jungen Genies in seiner Sammlung vereinigte. Unmittelbarkeit, Sinnlichkeit, präzise Details, wie etwa die Federhüte der Spieler, machten das Bild zu einem Meisterwerk, einem Meilenstein der Kunstgeschichte, das nunmehr den Frühbarock einleitete und sich auf diese Weise von dem Manierismus verabschiedete. Einbezogen wird der Betrachter, der geradezu eingeladen wird, sich durch einen Griff an dem Trick-Track-Spiel zu beteiligen, dessen Brett links griffbereit platziert ist. Die Szene selbst: Ein Nebeneinander von Betrug, Unschuld und Verschlagenheit, dazu tritt das Messer bereit für den Fall, dass der Betrogene aus seinen naiven Träumen aufwacht; alles ist vielfältig deutbar.
X. Kopien – Nachahmungen – der Caravaggismus Das Bild wurde sehr häufig nachgeahmt, aber auch direkt kopiert. Sotheby’s konnte nachweisen, dass allein in den Jahren 1988 – 2012 nicht weniger als 30 Versionen des Bildes auf dem Auktionsmarkt erschienen waren. Das Gericht bemerkt trocken, dass in der ersten Woche der mündlichen Verhandlungen zwei „Falschspieler“ auf Londoner Auktionen erschienen, darunter eine Version bei Bonhams, die für £ 1.250 verkauft wurde, und eine andere, die als „after Caravaggio“ 37 Harald Keller, Die Kunstlandschaften Italiens, Zweiter Band, Insel Verlag (Insel-Taschenbuch) Zweiter Band 1983, S. 687, zu Bildnissen des Franciabigio. 38 Vorige Fn., S. 690. 39 Siehe hierzu Ebert-Schifferer, oben Fn. 36, S. 79 ff.
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Abb. 1: Gerard van Honthorst (1592 – 1656), Die Falschspieler, 1620, Öl auf Leinwand, 125 × 190 cm, Museum Wiesbaden, Inv. M. 409. Foto mit freundlicher Genehmigung des Museums Wiesbaden
bezeichnet bei Christie’s auf £ 2.000 – 3.000 geschätzt und dort für £ 10.000 veräußert wurde. Hinzu trat bald nach den römischen Erfolgen Caravaggios eine Internationale Bewegung, welche man als Caravaggismus bezeichnen kann. Viele junge Künstler aus Europa, vor allem aus Utrecht, aber auch aus Frankreich, kamen nach Rom, folgten in ihren Darstellungen dem römischen Vorbild des neuen Genies. Eine schönes Beispiel sind die gerade wieder im Museum in Wiesbaden ausgestellten „Falschspieler“ von Gerard van Honthorst (1592 – 1656), der in seiner Jugend Rom besuchte und dessen „Falschspieler“ auf 1620 datiert werden (Abb. 1). Das Bild wird demnächst im Mittelpunkt einer Wiesbadener Caravaggismus- Ausstellung stehen. In Rom wurde Caravaggio bald auch deswegen berühmt, weil er seine Modelle aus dem Volk nahm. Bald erhielt er aber auch Aufträge von höchster Stelle. Sein wilder Charakter und ein ihm zugeschriebe21
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Abb. 2: Neapel (?), 17. Jahrhundert, Der Heilige Sebastian von Pfeilen getroffen, Heidelberg, Privatbesitz. Foto: Jayme
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ner Mord führten dazu, dass er aus Rom fliehen musste. Er ging nach Neapel, wo er im Schutz der dortigen Adelsfamilien einige Werke schuf, welche die neapolitanische Malerei von Grund auf veränderten: Dramatik, Lichtführung, Sinnlichkeit, wurden bestimmend für die neapolitanische Malerei für die nächsten beiden Jahrhunderte (Abb. 2, S. 22). Nach Neapel waren die nächsten Stationen seines Lebens Sizilien und Malta, wo er in den Dienst des Malteser-Ritterordens trat. Unvergleichlich und unerreicht ist die Darstellung der Enthauptung Johannes des Täufers in der Kathedrale von La Valetta: Der Blutstrom, der aus dem Hals des Täufers quillt, verzuckt in der Signatur Caravaggios.40 Dann Rückkehr nach Sizilien und Fahrt nach Rom: Fieber-Tod in Porto d’Ercole vor der römischen Küste im Jahre 1610 im Alter von nicht einmal 39 Jahren.
XI. Caravaggio: Nachruhm und Aktualität Sein erneuter, vielleicht sein eigentlicher Nachruhm begann im 20 Jahrhundert, in der Zeit des Expressionismus, als die Kunstwissenschaftler seine Aktualität entdeckten, allen voran der italienische Kunsthistoriker und Sammler Roberto Longhi, dessen eigene Sammlung im letzten Sommer im Musée Jacquemart-André in Paris zu sehen war.41 Aber auch die neuere Malerei zeigt Spuren seiner Maltechnik. Beispiel sei ein Bild des Stuck-Schülers Adolf Frey-Moock (Abb. 3, S. 24). Sein Ruhm ist bis heute ungebrochen, ja steigert sich von Jahr zu Jahr durch immer neue Ausstellungen und Studien zu seinem Werk und seiner Wirkung. Der letzte Schrei der Caravaggio-Begeisterung ist die Ersetzung der vor vielen Jahren geraubten „Geburt Christi“ aus dem Oratorio di San Lorenzo in Palermo durch eine „digitale Reproduktion: Original, Kopie und Klon“ heißt die Überschrift eines Aufsatzes von Thomas Sternfeld, der am 10.12.2015 in der Frankfurter
40 Abbildung bei Sebastian Schütze, oben Fn. 31, S. 214. 41 Siehe Connaissance des Arts: De Giotto à Caravage – Les passions de Roberto Longhi, Paris 2015.
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Abb. 3: Adolf Frey-Moock ( 1881 – 1954), Christus am Kreuz, Öl auf Leinwand, um 1912, Heidelberg, Privatbesitz. Foto: Jayme
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Allgemeinen Zeitung erschien. Caravaggios Aktualität erreicht alle Lebensbereiche.42 Zurück zum Caravaggio-Fall und dem streitbefangenen Bild des englischen High Court of Justice. Geschaffen wurde zugleich ein neuer Bildtypus, nämlich ein Halbfigurenbild mit Menschen aus dem Leben. Aber die Forschungen ergaben auch, dass Caravaggio selbst seine Schöpfungen wiederholte, Varianten herstellte.43 So betrafen die Gegenüberlegungen des Klägers zum einen die Frage, ob nicht Caravaggio selbst sein berühmtes Bild kopiert haben könnte, es stellt sich also das Problem der eigenhändigen „Replik“ oder des Atelierbildes, zum anderen die Rolle der Kunstexperten in einem solchen Verfahren, bzw. die Fragen, welche Forschungspflichten ein Auktionshaus treffen. Noch einige Überlegungen zur Frage der eigenhändigen Kopie: Das Düsseldorfer Museum Kunstpalast veranstaltete vom 5. September 2006 bis zum 7. Januar 2007 eine umfassende Ausstellung mit dem Titel „Caravaggio – Originale und Kopien im Spiegel der Forschung“.44 Als Besucher war man überrascht, etwa den meditierenden Heiligen Franziskus in vier Fassungen, alle gleich herrlich, zu sehen.
42 So beschäftigt sich z. B. der Soziologe Tilman Allert in seinem Aufsatz „Der Riss der Welt geht auch durch mich“, Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 24.3.2016, S. 7, mit dem Modephänomen der bei Jugendlichen so beliebten „destroyed jeans“ und schreibt: „Es ist keineswegs abwegig, an Caravaggio zu denken, der in einem der irritierendsten Bilder der Kunstgeschichte, dem Bild, das den Finger des ungläubigen Thomas vor der Wunde Jesu zeigt, das Drama von Glauben und Zweifel ästhetisch objektiviert hat. Von den seelischen Vorgängen vergleichbar dem inneren Kampf, der sich hinter dem profanen Exposé eines jugendlichen Outfits abspielt und beeindruckend stimmig als Wunde und zugleich als gelungener Coup der Selbstdarstellung nach außen verlegt wird.“ 43 Siehe z. B. Caravaggio – Die erste Medusa – La première Medusa, Mailand 2011 mit der Widmung „Für Sir Denis Mahon, einen leuchtenden Stern am Firmament der Künste“ und Korrespondenzen mit dem Kunsthistoriker. 44 Siehe hierzu den Ausstellungskatalog: Caravaggio – Original und Kopien im Spiegel der Forschung. Herausgegeben von Jürgen Harten und JeanHubert Martin unter dem Ehrenpatronat von Sir Denis Mahon, Ostfildern 2006.
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Der vergleichende Kommentar im Düsseldorfer Katalog45 trägt insoweit die Überschrift „Der heilige Franziskus, meditierend – Zum überraschenden Wechsel der Zuschreibung zweier Fassungen und einer Neuentdeckung“. Die neuere Forschung zeigt also, dass einerseits Caravaggio auch selbst Neufassungen seiner Erfindungen herstellte, andererseits seine Werke über die Jahrhunderte laufend kopiert wurden. Es gehört zu den Eigentümlichkeiten der Kunstgeschichte als Wissenschaft, dass sie erst relativ spät auf Caravaggio aufmerksam wurde, besonders in der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg durch Roberto Longhi, dessen Sammlung mit drei Werken Caravaggios – wie oben erwähnt – im Sommer diesen Jahres im Pariser Musée Jacquemart-André ausgestellt wurde. Heute gibt es gerade in deutscher Sprache umfassende Darstellungen von Leben und Werk Caravaggios, etwa von Sibylle Ebert-Schifferer und Sebastian Schütze, um nur zwei herausragende Monographien zu nennen. Hinzu treten romanhafte Darstellungen und Aufsätze zu seinem ungewöhnlichen Leben.46
XII. Die Kopie als Original: Federico Barocci Zurück zur Jurisprudenz, auch zur Frage, ob Kopien Originale darstellen können, bzw. zum Problem, was man von den Experten eines Auktionshauses verlangen kann, damit sie auch insoweit ihren Sorgfaltspflichten genügen. Hierzu zunächst ein kleiner Exkurs hin zu einem Maler, der ebenfalls den Manierismus hinter sich ließ und den Frühbarock einläutete, nämlich Federico Barocci aus Urbino, der von 1535 bis 1612 lebte. Vor einigen Jahren erwarb ich für meine Sammlung eine „Grabtragung“ die man entgegen den Angaben in dem Auktionskatalog, die das Bild als „Flämische Schule, 16. Jahrhundert“ bezeichneten, sofort als Werk Baroccis erkennen konnte, weil es oben die Turmfassade des Herzogpalasts von Urbino zeigte, die dem Künstler als Signatur diente (Abb. 4, S. 27). 45 Vorige Fn., S. 216. 46 Siehe z. B. den Sammelband „Maler, Mörder, Mythos – Geschichten zu Caravaggio“, Ostfildern, Düsseldorf 2006.
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Abb. 4: Federico Barocci, Zeitgenössische (?) Kopie nach der Grabtragung von Senigallia, Confraternità di Santa Croce, Ausschnitt, Heidelberg, Privatbesitz. Foto: Jayme
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Liest man die nahezu zeitgenössische Biographie von Bellori zu Federico Barocci, stößt man bei diesem Bild auf den Satz „Quest’opera per la sua bellezza … veniva copiata continuamente“47 „Dieses Werk wegen seiner Schönheit … wurde ständig kopiert.“
Man sieht: berühmte Bilder wurden bereits zu ihrer Zeit häufig kopiert, wobei bei der „Grabtragung“ von Barocci die Besonderheit hinzutritt, dass das Original später vom Künstler nach einer Beschädigung selbst restauriert und verändert wurde, während die früheren Kopien den älteren Zustand perfekter wiedergeben. Die Kopie wird hier, wenn man so will, nachträglich zum Original. Während heute das Original im Zentrum des Werturteils steht, sind Kopien im Handel ganz vernachlässigt, es sei denn, sie stammen vom Meister selbst. Das findet seinen Grund vor allem in der Kunsttheorie von Walter Benjamin, der nur dem Original jene Aura zusprach, die das Kunsterlebnis in seiner ganz Tiefe ermöglicht.48
XIII. Untersuchungsobliegenheiten des Auktionshauses – Technik und Experten Zurück zur Caravaggio-Entscheidung des englischen High Court of Justice. Es ging also um die Frage, ob das fragliche Bild vielleicht eine Replik, also eine Kopie von der Hand Caravaggios selbst sei.49 47 Giovan Pietro Bellori, Le vite de’ pittori, scultori e architetti moderni, a cura di Evelina Borea, Torino 1976, Vita di Federico Barocci di Urbino pittore, S., 176 ff., 189: „Quest’opera per la sua bellezza, mentre veniva copiata continuamente, ebbe quasi a perdersi per la temerità di uno che nel lucidarla penetrò il colore e li dintorni e lae guastò tutta…“; Abbildung des Originals bei Stuart Lingo, Federico Barocci – Allure and Devotion in Late Renaissance Painting, New Haven, London 2008, S. 93; zu den verschiedenen Vorstufen siehe Nicolas Turner, Federico Barocci, Paris 2000, S. 81–83. 48 Walter Benjamin, Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit und weitere Dokumente – Kommentar von Detlev Schröder, Frankfurt am Main 2007, S. 14 ff. 49 Abbildung des streitgegenständlichen Bildes bei Sebastian Schütze, oben Fn. 31, S. 249 Nr. 8 a.
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Hierfür sprach, dass aus der gleichen Sammlung, derjenigen des Vaters des Einlieferers, bereits ein bisher kaum bekanntes Bild von Caravaggio stammte, das nach der Reinigung heute als Frühwerk im Metropolitan Museum in New York erstrahlt. Hinzu treten Techniken, wie Röntgen- Untersuchungen nach eventuellen „pentimenti“, d. h. übermalten Stellen, die Änderungen der Figuren und der Komposition zeigen, wie sie typisch für die Malweise größerer Kompositionen sind. Kopien dagegen haben im Allgemeinen keine „pentimenti“, sondern übernehmen das Original, wie es ist. Ein solches Verfahren tritt aber zurück, wenn es um eine Kopie des Malers selbst geht, der hier einen eigenen Gestaltungsspielraum hat. Das Gericht ging zunächst in seinen Ausführungen davon aus, dass das Werk in Texas ein Original sei, prüfte nun in allen Details die Unterschiede zum streitgegenständlichen Bild. Ergebnis war für die Frage der negligence, dass den Sotheby’s-Spezialisten, die das Bild als eine Kopie aus dem 17. Jahrhundert angesehen hatten, kein Vorwurf einer Sorgfaltspflichtverletzung gemacht werden könne. Eine Röntgen-Untersuchung hatte z. B. ergeben, dass es keine „pentimenti“ aufwies (Rz. 44). Wie im common law üblich, suchen Parteien und Gericht nach früheren Entscheidungen zu ähnlichen Fragen: Der Court of Appeal hatte 1989 im Fall Luxmoore-May v. Messenger May Baverstock [1990] 1 WLR 1009 (C.A.) eine Klage gegen ein Auktionshaus abgewiesen, das zwei Hundebilder für 840 £ versteigert hatte, obwohl sich später nach der Reinigung herausstellte, dass die beiden Foxterrier von dem hochgeschätzten Hundemaler George Stubbs stammten und deshalb bei der nächsten Auktion 88.000 Britische Pfund erbrachten. Die Klage wurde abgewiesen; das als „provincial“ beschriebene Auktionshaus habe seiner Sorgfaltspflicht dadurch genügt, dass sie einen Berater konsultiert hatten. Selbst dieser habe in dem konkreten Fall keine Pflichtverletzung dadurch begangen, dass er bei dem damaligen Zustand des Bildes das „Stubbs potential“ der Foxterrier nicht erkannt habe. Ähnlich argumentiert das Gericht nun im Caravaggio-Fall. Sorgfaltspflichtverletzungen lagen nicht vor. Die Experten des Auktionshauses konnten das, was sie sahen, durchaus als eine Kopie des 17. Jahrhunderts einschätzen. Röntgen-Untersuchungen waren durchgeführt worden, eine Verpflichtung zu Infrarotuntersuchungen bestand nicht. 29
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Dann folgt ein interessanter Satz: „In case I am wrong on the issue of negligence I now turn to the question of causation.“
Hier kann das Gericht zeigen, dass die Spitzenexperten zum Werk Caravaggios, die Sotheby’s eventuell zusätzlich hätte konsultieren sollen, sich nicht einig über die Frage waren, ob das Bild ein Original war, ja dass sogar die Mehrzahl der Caravaggio-Spezialisten der Frage ablehnend gegenüber standen. „I find that the views of those scholars who have expressed a negative view of the Painting would have carried much more weight in 2006 than the view of Sir Denis Mahon and Professor Gregori.“ ( no.187)
So endete der Prozess letztlich mit einer Niederlage des Klägers. Die Sorgfaltspflichten des Auktionshauses betrafen das Bild, wie es sich im Zeitpunkt der Einlieferung präsentierte. Eine Restaurierung, Reinigung etc. waren von den Experten des Auktionshauses nicht zu verlangen, ehe man es für eine Auktion annimmt.
XIV. Deutsches Recht zum Vergleich: Der Teppich-Fall Fragt man sich nun, wie wohl ein deutsches Gericht in einem ähnlichen Fall reagiert hätte, so kann man zunächst feststellen, dass sich die deutsche Rechtsprechung hauptsächlich mit der Frage beschäftigt hat, welche Sorgfaltspflichten den Auktionator im Verhältnis zum Käufer und Erwerber treffen. Aber es gibt den berühmten Teppichfall des OLG München vom 20.3.2014, der die Sorgfaltspflichten gegenüber einem Einlieferer betraf.50 Die Klägerin hatte einen Perser-Teppich eingeliefert, den das „universelle Auktionshaus“ – so die Beschreibung des Gerichts – für 900 Euro in einer Auktion aufrief. Der Teppich brachte 19.700 Euro und wurde einige Monate später durch das britische Auktionshaus Christie’s auf 200.000 – 300.000 Britische Pfund geschätzt und schließlich dort für 6,2 Millionen Britische Pfund versteigert. Die Klägerin klagte einen Teilbetrag von 100.000 Euro ein. Das Gericht wies die Klage ab. Der Orientierungssatz lautet: 50 NJW 2015, 81.
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„Ein sog. Varia-Auktionator schuldet bei der unentgeltlichen Schätzung und Begutachtung der zum Zwecke der Versteigerung einge lieferten Gegenstände (hier eines persischen Teppichs aus der Auflösung eines Nachlasses) nicht die Sorgfalt eines Teppichhändlers oder Teppichexperten und muss weder erkennen noch herausfinden, dass ein ihm vorgelegter Teppich ein kostbarer Vasenteppich ist, der ohne Unterstützung durch einen Teppichexperten nicht adäquat bewertet und einem angemessenen Preis im Rahmen der Versteigerung zugeführt werden kann.“ Die beiden Entscheidungen liegen trotz ihrer vielen Unterschiede in der Tendenz ähnlich. Der Erwerb auf Kunstauktionen bleibt für alle Teile ein Art Risikogeschäft. Maßgebend für die Sorgfaltspflichten des Auktionators bleibt das eingelieferte Objekt und zwar in dem Zustand, in dem es sich zur Zeit der Einlieferung befindet. Umfängliche Reinigungen oder kostspielige Restaurierungen werden vom Auktionshaus nicht verlangt; sie sind eher Sache des Eigentümers und Einlieferers. Das Potential zu erkennen, ist auch Sache des Marktes. Darin besteht aber auch gerade der Reiz beim Auktionsgeschäft.
XV. Kunstrecht und aktuelle Kunstströmungen: Aneignungskunst Kommen wir zu der allgemeinen Fragestellung „Kunstrecht und Kunstgeschichte“ zurück. Kunstgeschichtliche Fragestellungen, etwa im Rahmen der Sorgfaltspflichten der Kunstvermittler gehören zum Alltag der Kunstrechts. Die Frage geht aber weiter, nämlich dahin, welche Rolle Veränderungen in den Methoden der Kunstgeschichte und den Moden der Kunstentwicklung im Recht spielen. Hierzu möchte ich noch einige spekulative Überlegungen anstellen. Eine der gegenwärtigen Hauptprobleme des Kunstrechts betrifft die sogenannte „appropriation art“, die Aneignungskunst.51 Es geht um Zweitwerke, die bewusst von anderen Künstlern hergestellt werden, 51 Siehe hierzu – kritisch – Peter Raue, Ready-Mades und Appropriation Art – „Werke“ im Sinne des Urhebergesetzes?, Festschrift Pfennig, München 2012, S. 199 ff.
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nicht als Fälschungen oder Kopien, sondern als eigener Typ der Konzeptkunst. Das deutsche Recht kennt die sogenannte Bearbeitung eines Kunstwerks, die aber der Einwilligung des Urhebers bedarf (§ 23 UrhG). Es gibt aber auch das selbständige Werk, das in freier Benutzung des Erstwerks entstanden ist und für das keine Einwilligung erforderlich ist (§ 24 UrhG). Nach einer Formel des Bundesgerichtshofs setzt die freie Benutzung voraus, dass das Erstwerk im Zweitwerk „verblasst“52, d. h. es also als solches nicht mehr kenntlich ist, bzw. dass das Zweitwerk eine gewisse Veränderung darstellt, etwa durch einen Medienwechsel, z. B. aus einer Fotografie wird ein Gemälde. Die Frage stellt sich aber, wer über dieses Verblassen entscheidet, der Richter, der Sachverständige, die betroffenen Künstler. Diese Frage war Gegenstand einer Entscheidung eines amerikanischen Bundesgerichts aus dem Jahre 2013.53 Der bekannte Aneignungskünstler Richard Prince hatte Photographien aus einem Buch von Patrick Cariou für eine Serie von dystopischen Bildern verwendet, die er „Canal Zone“ nannte und deren Verkauf 10 Millionen Dollar einbrachte. Der Fotograf klagte letztlich ohne Erfolg. Es ging um die Frage, ob das Zweitwerk als „transformative“ anzusehen war. Das Gericht meinte, der „reasonable observer“ müsse die Verwandlung heiterer Landschaften in düstere dystopische Werke als Transformation ansehen. Mit dieser Entscheidung wurde die appropriation art, wenigstens für die USA, rechtlich anerkannt. Für unseren Zusammenhang, nämlich dem Verhältnis von „Kunstrecht und Kunstgeschichte“, erscheint auffallend, dass auch die Kunstgeschichte sich wandelt. In den Vordergrund tritt die Erforschung der Kunstrezeption, bzw. die Rolle des Betrachters. Im Bereich des Rechts ist der vernünftige Beobachter eine Kunstfigur, in dessen Ansichten zugleich gängige Wertungen der zeitgenössischen Kunstszene Eingang
52 Siehe neuestens OLG Zweibrücken v. 19.11.2015, GRUR-RR 2016, 141 ff., Rz. 33–34 mit Nachweisen („Piano-Lehrbuch“). 53 Cariou v. Prince, 714 F3d 694 (2d Cir.2013); siehe hierzu die Anmerkung „Copyright Law – Fair Use – Second Circuit Holds that Appropriation Art Work need not comment on Original to be Transformative”, Harvard Law Review 127 (2013–2014), 1228 ss.
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finden.54 „Die Kunsterfahrung wird so zur Rechtskategorie“55. Natürlich ist es der Markt, der hier die gesetzlichen Hürden überspringt, aber es gibt auch ein „Bedürfnis, anerkannte Kunstwerke von der Geschichte befreit neu zu erleben“.56 Kunstrecht und Kunstgeschichte: das althergebrachte und das neue Fach sind nicht nur, was ihre Gegenstände betrifft, sondern auch im Bereich ihrer Erkenntnisziele und Methoden enger verwoben, als man auf den ersten Blick denken möchte.
54 Jayme, Die Kopie als Original – Rechtsfragen einst und jetzt, Bulletin Kunst & Recht 2013/2 – 2014/1, S. 52 ff., 74. 55 Jayme, vorige Fn. 56 Jayme, oben Fn. 54.
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Der Dom als Aufgabe – Erhaltung eines Welterbes Barbara Schock-Werner Der Neubau des 1248 begonnenen Kölner Doms orientierte sich – fast selbstverständlich – an den französischen Kathedralbauten im gotischen Stil, mit deren Bau in den Jahrzehnten davor begonnen worden war, vor allem an der Kathedrale in Amiens. Die Kölner Architektur des ersten Dombaumeisters Gerhard war aber keine Kopie der französischen Architektur, sondern eine Weiterentwicklung, die deutlich von seinem Willen geprägt war, eine größtmögliche Harmonisierung aller Teile zu erreichen1. Die Perfektion in Maß und Proportion und die Qualität der Ausführung beeindruckt noch heute jeden, der sich mit diesem Kirchenbau beschäftigt (Abb. 1, S. 36). Dieselben Qualitätsmaßstäbe wurden auch angelegt, als der Dom zwischen 1842 und 1880 vollendet wurde, wobei man sich so eng wie möglich an das mittelalterliche Vorbild anlehnte. Entstanden ist ein Bau, dessen beide aus sehr unterschiedlichen Zeiten stammende Hälften für ein ungeübtes Auge nicht zu unterscheiden sind und der für die Architekturgeschichte ebenso wie für die Deutsche Nationalgeschichte von höchster Bedeutung ist (Abb. 2, S. 37). Trotz aller Widrigkeiten der Zeit blieben dem Kölner Dom zudem ein großer Teil seiner mittelalterlichen Ausstattung und ein enormer Bestand an Glasmalerei des Mittelalters und des 19. Jahrhunderts erhalten. Er wurde 1996 zu Recht zur Welterbestätte erklärt. Zu seiner Erhaltung werden gewaltige Anstrengungen unternommen. Die Dombauhütte mit ca. 80 Mitarbeitern ist mit der Erhaltung beauftragt; dies umfasst selbstverständlich auch die Erforschung und Dokumentation der Kathedrale und ihrer Kunstdenkmäler. Der Etat beträgt zwischen sechs und sieben Millionen Euro und wird jedes Jahr nach den geforderten Maßnahmen neu festgelegt. 1 Arnold Wolff, Die vollkommene Kathedrale. Der Kölner Dombau und die Kathedralen der Ille-de-France, in: Dombau und Theologie im mittelalterlichen Köln. Studien zum Kölner Dom 6, Köln 1998, S. 15 – 47.
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Abb. 1: Der unvollendete Dom vom heutigen Roncalliplatz aus gesehen. Graphik des 18. Jahrhunderts. Foto: Dombauarchiv
Die einzelnen, im Lauf der wechselvollen Baugeschichte entstandenen Bauabschnitte bestehen aus verschiedenen Natursteinsorten2. Vor allem die Nähe zu einer der meistbefahrenen Bahnstrecken Deutschlands und damit der intensive Kontakt mit den schwefelhaltigen Rauchgasen über viele Jahrzehnte hinweg, haben den Steinbestand der Außenhülle schwer geschädigt. Schon vor dem Zweiten Weltkrieg ging man dazu über, besonders gefährdete Teile in verwitterungsfesterem Material auszuwechseln. Diesen Trend setzte Willy Weyres nach dem Krieg fort indem er Londorfer Basaltlava einführte, einen aus der Nähe von Gießen kommenden Stein, der sich durch seine gute Bearbeitbarkeit ebenso auszeichnet wie durch seine Verwitterungsbeständigkeit. Noch heute werden besonders gefährdete Teile wie etwa Wasserspeier aus diesem Stein gehauen.
2 Steine für den Kölner Dom, Meisterwerke des Kölner Doms 8, Köln 2004.
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Abb. 2: Der vollendete Dom. Foto: Dombauarchiv
Die Querhäuser und der Obergaden des Langhauses wurden im 19. Jahrhundert aus Schlaitdorfer Sandstein errichtet. Das ist ein Sedimentgestein, das sehr inhomogen ist, aber zum Teil sehr stark verwittert. Die Proben aus den Bänken eines Steinbruchs, in dem noch heute dieses Material gebrochen werden kann, ergaben, dass dies auch an den neu zu errichtenden Teilen nicht anders sein würde, wollte man an diesem Stein festhalten. Da dies eine für die nachfolgenden Genera tionen unverantwortliche Entscheidung gewesen wäre, wurde Prof. Roman Koch, Paläontologe der Universität Erlangen-Nürnberg damit beauftragt, einen geeigneten Ersatzstein zu suchen. Er konnte der Dombauverwaltung einen Steinbruch in Božanov, Tschechien nachweisen, in dem ein Sandstein gebrochen wird, der dem Schlaitdorfer eng verwandt und damit mit ihm kompatibel ist. Durch seine stärkere Kornbildung ist er aber viel stabiler. Damit können Reparaturarbeiten jetzt mit einer größeren Langzeitperspektive durchgeführt werden. 37
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Sehr verwitterungsgefährdet sind auch alle Skulpturen des 19. Jahrhunderts am Kölner Dom, die einem ständigen Nass-Trocken-Wechsel ausgesetzt sind. Sie sind aus französischem Kalkstein aus Savonnière geschlagen worden (Abb. 3, S. 39). Die im mittleren Marienportal wie im südlichen Petersportal im äußeren Bereich stehenden Gewändefiguren hatten weitgehend ihre Arme und Attribute verloren und waren zudem so stark in der Steinstruktur geschädigt, dass man sie nach einer konventionellen Festigung nicht mehr an ihren Platz hätte zurückbringen können3. Nach ihrer Abnahme wurde die Oberfläche mit einem Lasergerät gereinigt. Danach formten die Bildhauer nach den vorhandenen Original-Modellen die fehlenden Teile nach und verdübelten sie an den Skulpturen. Die ergänzten Steinfiguren wurden einer Acrylharzvolltränkung unterzogen, die es ermöglichte, sie wieder an ihren Platz im Portal zurückkehren zu lassen. Die Kombination der sechs restaurierten, nun fast weißen und der acht weiteren, noch schwarzen Gewändefiguren führte zu einem unbefriedigenden Gesamteindruck des Portals, der auch die Lesbarkeit der Ikonographie beeinträchtigte. Dieser Umstand konnte nur entschärft werden, indem man auch die anderen, nur verschmutzten aber nicht geschädigten Figuren mit dem Laser reinigte. Um sie nicht unnötig zu gefährden, wurde dies an Ort und Stelle durchgeführt (Abb. 4, S. 40). Die Reinigung der Trumeaumadonna und des Tympanonfeldes schloss sich an, so dass heute große Teile des Portals wieder hell und damit lesbar sind. Die dunkle Schmutzkruste ließ die Detailformen so sehr verschwimmen, dass man die Botschaft des Portals kaum mehr erkennen konnte4. Die Reinigung aller Portale in den nächsten Jahren wäre wünschenswert und ist im Norden begonnen worden. Die vier Skulpturen an der Westfassade, die Heiligen Herrscher Konstantin, Karl d. Große, Heinrich II. und Stephan von Ungarn darstellend, waren im Ganzen gut erhalten. Die Hände und die darin gehaltenen Attribute – Fahne, Reichsapfel, Schwertgriff – waren aber zerstört. Diese Skulpturen wurden mit dem Lasergerät gereinigt, die zerstörten Teile neu geschlagen und an den Figuren verdübelt. Die Herrscher konnten danach 3 Barbara Schock-Werner, Dombaubericht, Kölner Domblatt 64, Köln 1999, S.10/11. 4 Barbara Schock-Werner, Dombaubericht, Kölner Domblatt 70, Köln 2005, S. 13 – 16, S. 44 – 46.
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Abb. 3: Portalfiguren des Marienportals vor der Restaurierung. Foto: Dombauarchiv
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Abb. 4: Portalfiguren des Marienportals nach der Restaurierung. Foto: Dombauarchiv
ohne weitere Behandlung wieder an ihren Standort zurückkehren5 (Abb. 5, S. 41). In den nächsten Jahren wird der im späten 15. Jahrhundert errichtete Nordostpfeiler des Nordturmes restauriert werden müssen. Da sich dort noch viele mittelalterliche Werkstücke und Oberflächen erhalten haben, soll dieser Bereich besonders sorgfältig erforscht und restauriert werden. Es wurde eine wissenschaftliche Untersuchung durchgeführt, die ergeben hat, in wie weit die Unverträglichkeit zwi5 Barbara Schock-Werner, Dombaubericht, Kölner Domblatt 74, Köln 2009, S. 13.
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Abb. 5: Skulpturen Kaiser Konstantins und Karls d. G. an der Westfassade nach der Restaurierung. Foto: Dombauarchiv
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Abb. 6: Zerstörtes Gesims an der Südquerhausfassade. Foto: Dombauarchiv
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Abb. 7: Neugeschaffenes Gesimsstück für die Südquerhausfassade. Foto: Dombauarchiv
schen den beiden dort verwendeten Steinen Schuld an der starken Verwitterung trägt6. Als man im 19. Jahrhundert mit Schlaitdorfer Sandstein weiterbaute, wählte man für Bauteile, die besonderer Beanspruchung ausgesetzt sein würden, stattdessen einen Stein namens Andesit, auch Stenzelberger Latit genannt. Er war besonders hart und daraus schloss man, dass er auch besonders witterungsbeständig sei. Das war leider ein Irrtum. Das Gesims über den Portalen der Südquerhausfassade, das einen reichen Laubwerkfries trug, war ganz aus diesem Stein geschlagen. Es ist nahezu vollständig zerstört, der Laubfries kaum noch zu erkennen und die auf diesem Gesims stehenden Teile haben ihren Halt verloren und müssen ebenfalls erneuert werden (Abb. 6, S. 42). Damit müssen eine Vielzahl neuer Steine geschlagen werden. Dies ist im Moment einer der Aufgaben der Steinmetze in der Dombauhütte. Da im Süden zum vielbesuchten Roncalliplatz hin eine lange Gerüststandzeit vermieden werden soll, werden zunächst alle Steine vorgefertigt und in einem Schwerlastregal gesammelt (Abb. 7). 6 Dieses Forschungsvorhaben wird von der Deutschen Stiftung Umwelt DBU unterstützt.
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Schon zwischen 1985 und 1996 wurde das hohe Dach des Domes mit 3 mm starkem Blei neu gedeckt.7 Materialgerechte, sorgfältige Eindeckung und das gewählte Metall gewährleisten, dass, wenn es zu keiner größeren Gewalteinwirkung kommt, das Bleidach einige hundert Jahre überdauern wird. Die kleine, aber hochspezialisierte Truppe der Dachdecker setzte danach ihre Arbeit an den Dächern der Seitenschiffe und des Kapellenkranzes fort. Dort ist wegen der vielen Firste und Grate die Gefahr der Undichtigkeit besonders groß, die Arbeit aber auch besonders aufwändig. Es wird noch viele Jahre dauern bis die Neueindeckung des Domes abgeschlossen sein wird. Wegen der Höhe des Gebäudes ist Gerüstbau am Kölner Dom stets eine besondere Herausforderung. Da nach Möglichkeit kein Loch in das Gestein des Domes gebohrt werden soll, ist der Gerüstbau technisch aufwendig und kann nur mit einer Gruppe von erfahrenen Handwerkern bewältigt werden. Die langen Standzeiten machen es zudem sinnvoll, das Gerüstmaterial nicht zu mieten, sondern zu erwerben. Als es deutlich wurde, dass der Bereich zwischen 75 und 100 m an beiden Türmen saniert werden musste, stellte sich die Frage nach dem Gerüst auf sicherlich extreme Weise. Konventionell von unten gebaut hätte ein Gerüst unvorstellbare Mengen an Material verschlungen und die Fassade des Domes wäre für Jahrzehnte hinter Rohren und Folien verschwunden. Ein Gerüst auf Auslegern verhinderte die Architektur der Türme. Es hätte, ohne dass Löcher in die Architektur zu schlagen gewesen wären, nicht errichtet werden können. Deshalb wurde ein Hängegerüst gebaut, dessen Material, eine Aluminium-Legierung, die ursprünglich für das Showbusiness, z. B. Bühnenbau für Rockkonzerte entwickelt worden war. Es ist leicht, stabil und schnell zu montieren. Die oberste Trägerlage wurde mit Stahlseilen und Textilschlaufen am Thumhelm befestigt und das Gerüst nach unten weiter gebaut8. Dabei hingen die Handwerker weitgehend frei im gesicherten Gurt. Für die zukünftigen Arbeiten über dem von Passanten stark frequentierten Bereich wurde von den Mitgliedern der Gerüstbau-Kolonne ein Schutzsystem mit einem hochfahrba7 Siehe auch Klaus Hardering, Jenseits der Gewölbe. Ein Führer über die Dächer des Kölner Domes. Meisterwerke des Domes 5, Köln 2000. S. 36 – 39, Das Bleidach. 8 Arnold Wolff, Dombaubericht, Kölner Domblatt 61, Köln 1996, S. 17 – 19.
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Abb. 8: Oberste Lage des Hängegerüstes. Foto: Dombauarchiv
ren Netz entwickelt, das am zweiten der Hängegerüste bereits ausprobiert wurde, auch wenn sich unter diesem Bereich keine Fußgänger befinden können9 (Abb. 8). Teil der Dombauhütte ist auch die Glaswerkstatt, in der etwa 10 Glasrestauratoren, Glasmaler und Kunstglaser arbeiten. Es gilt den großen Bestand an mittelalterlichen Gläsern zu betreuen und zu erhalten. Notbleie und Verschmutzungen müssen entfernt, Sprünge geklebt werden. Um einen dauerhaften Schutz der historischen Gläser zu erreichen, wird vor ihnen eine transparente Außenschutzverglasung angebracht. In vielen Bereichen des Domes ist dies schon geschehen. An den riesigen Fenstern des Chorobergadens mit den Scheiben aus der Zeit um 1300 stellt dies aber eine besondere Schwierigkeit dar. Die 9 Barbara Schock-Werner, Dombaubericht, Kölner Domblatt 67, Köln 2002, S. 18-23.
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originalen Scheiben können nicht, wie sonst üblich, etwa sechs cm innerhalb der im originalen Falz stehenden Schutzgläser angebracht werden, weil dadurch eine ganze Ebene der sehr feingliedrigen Architektur des Hochchores verloren gehen würde. Deshalb haben wir uns entschlossen, die mittelalterlichen Scheiben wieder in die Steinfalze einzusetzen und die Schutzglaskonstruktion nach außen zu verlagern. Dies ist – der Spalt zwischen den Scheiben muss vom Innenraum her belüftet werden – ungleich aufwendiger. Die Schutzglaskonstruktion muss gegen die Steinprofile perfekt abgedichtet werden. Da diese Konstruktion aber auf der einen Seite das mittelalterliche Glas zu schützen in der Lage ist, auf der anderen Seite aber die Architektur des Domes nicht beeinträchtigt, schien uns dieser Aufwand gerechtfertigt. Um ein störendes Spiegeln der annähernd 100 qm großen Glasfläche zu vermeiden, wurden Spezialscheiben eingesetzt, deren entspiegelte Oberfläche für die Solarglastechnik entwickelt worden ist und die einen sanft honigfarbenen Ton aufweist. In den letzten Jahren begann man mit dem Wiedereinbau der Figurenscheiben des 19. Jahrhunderts in die Obergadenfenster der Querhäuser. Diese Scheiben waren zu Beginn des Zweiten Weltkrieges ausgebaut worden und sind danach nicht wieder an ihren Platz zurückgekehrt. An ihrer Stelle wurde eine blasse Ornamentverglasung eingesetzt. Da wir inzwischen eine andere Einstellung zu der Kunst des 19. Jahrhunderts haben, holen wir die farbigen Scheiben zurück. Da nur die Figurenscheiben erhalten sind, nicht aber die zugehörigen Ornamentbahnen, müssen diese nach den originalen Kartons rekonstruiert werden. Etwa ein Fenster pro Jahr kann so wiederhergestellt werden. Für alle bisher eingesetzten Fenster konnten private Sponsoren gefunden werden, deren Namen jeweils in der untersten Zeile genannt sind. In einigen Jahren werden beide Querhäuser wieder farbige Scheiben tragen10 (Abb. 9, S. 47). In diese Reihe gehört auch das große Südquerhausfenster, dessen aus dem 19. Jahrhundert stammende Verglasung im Zweiten Weltkrieg vollständig zerstört wurde und dessen Kartons in Berlin verbrannt sind. 2007 wurde eine sich aus farbigen Quadraten zusammensetzende Verglasung nach dem Entwurf von Gerhard Richter ein10 Barbara Schock-Werner, Dombaubericht, Kölner Domblatt 74, Köln 2009, S. 34.
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Der Dom als Aufgabe – Erhaltung eines Welterbes
Abb. 9: Zurückgekehrte Obergadenverglasung im Nordquerhaus und mittelalter liche Obergadenverglasung im Domchor. Foto: Dombauarchiv
gesetzt11. Dieser bedeutendste Beitrag der zeitgenössischen Kunst zum Kölner Dom wird seither von Fachleuten und Besuchern intensiv diskutiert. Bei den allermeisten stößt er aber auf große Zustimmung! (Abb. 10, S. 48) Auch die Kunstwerke im Inneren erfordern eine ständige Pflege und Sorge um ihren Erhalt. Zwei der Grabmäler Kölner Erzbischöfe waren um 1925 abgeformt und dazu mit Schellack überzogen worden. Beim Grabmal Engelberts III. konnte dieser Überzug, der im Lauf der Jahre dunkelbraun geworden war, mittels Laser entfernt werden. Das Grabmal Philipps von Heinsberg wies aber eine weitgehend erhaltene Farb11 Barbara Schock-Werner, Dombaubericht, Kölner Domblatt 72, Köln 2007, S. 349–378; Gerhard Richter, Zufall, das Kölner Domfenster und 4900 Farben, Köln 2007.
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Abb. 10: Das Südquerhausfenster nach einem Entwurf von Gerhard Richter. Foto: Dombauarchiv
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fassung auf, die durch Lasereinsatz verändert worden wäre12. Der Schellack wurde deshalb mit chemischen Kompressen vorsichtig abgenommen. Das Ergebnis war verblüffend; eine sehr gute Farbfassung kam zum Vorschein, die an der Figur selbst fast gar nicht, an der Umfassung nur wenig retuschiert werden musste (Abb. 11, S. 50). Die vielen Besucher des Domes, in den Sommermonaten sind es oft 20 000 am Tag, verändern wegen der Größe des Innenraumes kaum das Raumklima, bringen aber ungeheuer viel Schmutz mit, der sich nicht nur auf Fußboden und Bänken niederlegt, wo er von den Reinigungskräften entfernt wird, sondern auch auf Altären und Kunstwerken. Die Dombauverwaltung beschäftigt deshalb eine Putzrestauratorin, deren Aufgabe darin besteht, auf empfindlichen Kunstwerken, z. B. dem Chorgestühl, den Staub regelmäßig zu entfernen. Trotzdem müssen Altäre und Bildwerke in großen Abständen von einem Restaurator nachgesehen werden. Der Georgsaltar wurde etwa seit 30 Jahren nicht mehr gereinigt. Dicker Staub hatte sich auf den Schnitzereien niedergelegt und ließ viele der Figürchen erscheinen, als ob sie Kleidungsstücke aus Wolle trügen (Abb. 12, S. 51). Mit Wattestäbchen und Pinsel wurde die dick aufliegende Staubschicht vorsichtig entfernt, durch Ruß verschmutzte Partien feucht gereinigt. Erst danach konnte die Schönheit des kleinteiligen Altars wieder wahrgenommen werden. Eine regelmäßige Nachreinigung im Abstand einiger Jahre ist aber natürlich erforderlich13. Danach wurde der in Antwerpen gefertigte große Flügelaltar des Heiligen Agilolphus restauriert. Seine vielen Hundert Schnitzfiguren wurden im 19. Jahrhundert, als man seine Farbigkeit zu bunt empfand, mit einem entstellenden Überzug versehen. Dieser muss jetzt mühsam wieder abgenommen werden. Danach wurde die originale Fassung gefestigt und ergänzt. Im August 2012 konnte er auf seinen Platz im Südquerhaus zurückkehren und auch die bereits restaurierten Flügel wurden wieder am Schrein befestigt. Der Reliquienschrein des Heiligen Agilolphus wurde unmittelbar davor
12 Barbara Schock-Werner, Dombaubericht, Kölner Domblatt 66, Köln 2001, S. 38 – 41; Barbara Schock-Werner, Dombaubericht, Kölner Domblatt 69, Köln 2004, S. 39. 13 Barbara Schock-Werner, Dombaubericht, Kölner Domblatt 67, Köln 2002, S. 52 – 54.
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Abb. 11: Das gereinigte Grabmal des Erzbischofs Philipp von Heinsberg aus den frühen 14. Jahrhundert. Foto: Dombauarchiv
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Abb.12: Details des mittelalterlichen Georgsaltars vor und nach der Reinigung. Foto: Dombauarchiv
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Abb.13: Altar und Schrein des hl. Erzbischofs Agilolphus nach der Wiederauf stellung. Foto: Dombauarchiv
aufgestellt, so dass jetzt auch das Südquerhaus seinen liturgischen Schwerpunkt wieder hat (Abb. 13). Die Chorschrankenmalereien, einer der umfangreichsten erhaltenen mittelalterlichen Wandmalereizyklen nördlich der Alpen, mussten gereinigt und gefestigt werden. Bei der großflächigen empfindlichen Temperamalerei bedeutet dies einen gewaltigen Aufwand. Die Voruntersuchungen sind abgeschlossen. Einzelne Abschnitte sind schon bearbeitet (Abb. 14, S. 53). Oberhalb der Chorschranken und im Chorschluss stehen 14 große Skulpturen – Christus, Maria und die zwölf Apostel aus der Zeit um 1280 –, der erste Skulpturenzyklus an Innenraumpfeilern außerhalb Frankreichs. Die sehr kunstvollen Figuren waren von Anfang an farbig gefasst. Ihre Gewänder sind mit den Mustern italienischer Seiden52
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Abb. 14: Die Chorschrankenmalereien. Foto: Dombauarchiv
stoffe dieser Zeit bemalt. Alle Skulpturen stehen unter kleinteiligen Architekturbaldachinen, auf denen wiederum kleine Engelsfiguren stehen, von denen jede ein anderes Musikinstrument in der Hand hält. Die Fassung ist ganz gut erhalten. Die Figuren waren stark verschmutzt, es gab einzelne Brüche und Fehlstellen. Die Arbeiten konnten 2012 beendet werden, ein Konzert und ein Kolloquium zu wissenschaftlichen Fragen dieses bedeutenden Zyklus schlossen die Arbeiten ab14 (Abb.15, S. 54). Vor einigen Jahren wurde die elektrische Beleuchtung des Innenraumes ersetzt. Die alten Hängeleuchten gaben ihr Licht nur nach unten ab, der Bereich oberhalb blieb im Dunkeln, der Kirchenraum selbst konnte nicht wahrgenommen werden. Nach einem Wettbewerb hat der Lichtplaner Walter Bamberger aus Eichstätt ein Konzept für den 14 Die Chorpfeilerfiguren des Kölner Domes. Festschrift für Barbara SchockWerner. Kölner Domblatt 77, Köln 2012; Die musizierenden Engel im Kölner Dom, Buch mit Audio CD, Köln 2012.
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Abb. 15: Apostel und musizierender Engel der Chorpfeilerfiguren. Foto: Dombauarchiv
Dom entwickelt, das völlig ohne Hängeleuchten auskommt und den gesamten Innenraum freilässt. Von der Brüstung des Triforiums aus, dem Laufgang, der auf halber Höhe den Innenraum umzieht, und von oberhalb der Kapitelle der Seitenschiffen gelingt es, den gesamten Raum wirkungsvoll auszuleuchten. Es wurden etwa sechs Kilometer Kabel verlegt und 1000 Leuchtmittel montiert. Die Lichtanlage wird von einem Touch Panel gesteuert und lässt die verschiedensten Beleuchtungsszenen zu. Von der Sparbeleuchtung in der Nacht, dem dezenten Licht in den Morgenstunden, der stimmungsvollen Beleuchtung bei den Orgelkonzerten bis zu der strahlenden Helligkeit bei den Gottesdiensten lässt sich alles durch einfache Berührungen schalten. Anschließen wurde eine neue Beschallungsanlage mit neuester Technik eingebaut (Abb. 16, S. 55). 54
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Abb. 16: Das Dominnere mit der neuen Beleuchtung. Foto: Dombauarchiv
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Die Besteigung des Südturmes ist seit dessen Fertigstellung im 19. Jahrhundert ein sehr beliebtes Ziel für viele Kölner und ihre Gäste. Etwa 500 000 Besucher im Jahr nehmen diesen beschwerlichen Aufstieg über 509 Stufen auf sich, um den Glockenstuhl mit den acht eindrucksvollen Glocken zu sehen und die Aussicht auf den Rhein und die Stadt zu genießen. Ein- und Ausgang der Turmbesteigung lagen bisher in der Südturmhalle. Die dort eingerichteten Holzeinbauten mit dem Kassenraum engten den Bereich sehr ein und waren seit langem für die große Besucherzahl zu klein. Außerdem verursachten die für die Turmbesteigung anstehenden Besucher einen großen Lärmpegel, der sich auf den Innenraum des Domes auswirkte. Insbesondere bei Gottesdiensten war dies sehr störend. Die wenig ansprechenden Einbauten selbst beeinträchtigten die Raumwirkung der spätgotischen Turmhalle sehr. Es gab seit vielen Jahren Überlegungen, wie man die Besucherströme für Innenraum und Turm trennen und für die Turmbesteigung einen Eingang schaffen könnte, der außerhalb des Domes liegt. Die Chance ergab sich, als der Raum unter der Südturmhalle archäologisch ergraben und dort ein etwa 120 Quadratmeter großer Raum freigelegt wurde. Dieser musste aber von außen erschlossen werden. Für die Hohe Domkirche war das schwierig, weil das Gelände jenseits der Fundamentmauern nicht dem Dom, sondern der Stadt Köln gehörte. Nachdem zuerst die prinzipielle Möglichkeit mit dem Bodendenkmalpfleger der Stadt Prof. Dr. Hansgerd Hellenkemper geklärt und die statische Unbedenklichkeit durch das mit dem Dom vertrauten Ingenieurbüro Fink und Billen bescheinigt worden war, schlossen sich Verhandlungen mit der Stadt Köln an. Stadtbaudezernent Bernd Streitberger wollte diese Maßnahme verständlicherweise mit der Sanierung des an den Dom anschließenden Bereiches des Roncalliplatzes verbinden und dabei auch den hässlichen und deutliche Altersspuren aufweisenden Kiosk erneuern lassen. Es kam schließlich zu einem Getattungsvertrag, der es der Hohen Domkirche ermöglichte, ein neues Eingangsbauwerk zu errichten, das zugleich auch den Zugang zu der Tiefgarage und den öffentlichen Toiletten neu regelte. Der alte Kiosk sollte abgerissen und ein neuer gebaut werden, den die Domkirche in Zukunft selbst betreiben wollte, um an dieser Stelle für die Stadt- und Dombesucher ein angemessenes Sortiment an Literatur und Souvenirs anbieten zu können. Als Vorzug wurde auch gesehen, dass im Zusam56
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Abb. 17: Das neue Eingangsgebäude. Foto: Dombauarchiv
menhang mit den Bauarbeiten ein Aufzug errichtet werden konnte, der die Toiletten und das Parkhaus barrierefrei erschloss. Aus Sicherheitsgründen wurde nicht nur das südliche Außenfundament des Südturmes durchbrochen, das den Zugang zum Turmfoyer möglich macht, sondern auch das innere nördliche. Durch dieses kann man nun den Bereich der archäologisch ergrabenen Flächen erreichen. Damit wurde auch die Domgrabung von außen zugänglich. Da sich das Fundamentmauerwerk als sehr stabil erwies, konnten die Durchbrechungen stehen gelassen werden, wie sie nach den dicht an dicht gesetzten Bohrungen sichtbar wurden. Die Massivität und Perfektion des gotischen Fundamentes wurde für die Besucher erlebbar. Sie können den Bereich zwischen den beiden Turmfundamenten erreichen und durch ein Gitter den westlichen Bereich mit der Apsis des karolingischen Domes einsehen. Dieser Abschnitt der Grabung ist neu gestaltet worden, so dass die während der Bauzeit des gotischen Domes in die Baustelle führende Baustrasse ablesbar wurde. Das westliche Eingangsportal wurde wieder errichtet. Es steht heute ziemlich genau unterhalb seines ehemaligen Standortes (Abb. 17). 57
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Im Anschluss an den Bau des neuen Zugangs wollten wir auch die Präsentation des gesamten archäologischen Grabungsbereichs – insgesamt 3 200 Quadtratmeter – umgestalten. Da bis vor wenigen Jahren noch regelmäßig wissenschaftlich gegraben wurde, hatte die Domgrabung bisher eher den Charakter einer Baustelle. Die vielen Tausend Funde, die hier gemacht worden sind, liegen noch im Depot. In ausgewählten Bereichen soll in Zukunft eine Auswahl interessanter Funde in Vitrinen zu sehen sein. Neue Erläuterungstafeln, eine bessere Beleuchtung, stabile Fußbodenbeläge und neue Brüstungselemente werden nach und nach das Bild der Grabung verändern, so dass dieser spannende Bereich den Besuchern noch ansprechender präsentiert werden kann. Um die Bauphasen vor dem gotischen Dom anschaulich zu machen, wurde in Kooperation mit dem Professor für Architekturdarstellung Prof. Dipl.-Ing. Dominik Lengyel und seiner Frau und Kollegin Dipl.Ing. Catherine Toulouse digitale Rekonstruktionsmodelle dieser frühen Bauten erarbeitet. Dabei wurde Wert darauf gelegt, dass die nicht mehr existierenden Bauten ebenso anschaulich dargestellt werden, wie auch der dort ebenfalls zu sehende unvollendete Dom. Es wurde aber sehr bewusst auf jeden Oberflächenrealismus verzichtet, der vorgegaukelt hätte, dass wir von jedem Stein genau wissen würden, wie er denn ausgesehen habe. Diese Rekonstruktion der nicht mehr vorhandenen Bauzustände darf als Modellprojekt gelten, auf das wir sehr stolz sind. Sie sind als Film mit deutschem oder englischem Text im öffentlichen Teil der Ausgrabung auf einem Bildschirm abrufbar. Sie können aber auch im Internet unter www.dombau-koeln.de angesehen werden. Viele Menschen interessieren sich für den Dom, es kommen etwa sechs Millionen Besucher im Jahr. Schon damit ist die Kathedrale natürlich auch für alle Medien interessant. Viele Journalisten besuchen uns um Fernseh-, Rundfunkbeiträge sowie Bildreportagen über den Kölner Dom und die Arbeiten der Dombauhütte zu machen. Die Dombaumeisterin und andere Mitarbeiter geben in zahlreichen Interviews Auskunft über die Tätigkeit der Dombauhütte. Im Jahre 2007 hatten wir, von Dreharbeiten im Rahmen von Pressekonferenzen abgesehen, zum Beispiel 52 verschiedene Fernsehteams zu Gast im Dom. Alle diese Berichterstatter müssen betreut und ausführlich informiert werden. Als Empfänger öffentlicher Mittel ist die Dombauhütte unse58
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rer Meinung nach verpflichtet, der Öffentlichkeit über die Verwendung dieser Mittel Auskunft zu geben. Vorträge und Führungen, auch durch die Dombaumeisterin selbst, tragen ebenfalls dazu bei. Wenn man seine Besucher ernst nimmt, muss man auch ihre Bedürfnisse respektieren. Deshalb haben wir schon lange die Besucherinformation selbst in die Hand genommen. Seit vielen Jahren gibt es den Verlag Kölner Dom. Das ist eine gemeinnützige Organisation, die beauftragt ist, wissenschaftliche Publikationen herauszugeben. So werden etwa in kürzeren Abständen die Ergebnisse der Domgrabung publiziert15. Es gibt aber nicht nur am Dom Interessierte, die sich dicke Bücher leisten können oder wollen. Deshalb geben wir seit einigen Jahren auch handliche und preiswerte Bände der Meisterwerke-Reihe heraus, die sich einzelnen Themen des Domes widmen. Der Band ‚Jenseits der Gewölbe‘, ein Führer durch die Dächer und Türme des Domes vom Leiter des Dombauarchivs Klaus Hardering, ist zum Beispiel unser meistverkauftes Buch und liegt schon in der fünften Auflage vor. Andere Bände der Reihe beschreiben die Ausgrabungen, die Schatzkammer oder den Schrein der Heiligen Drei Könige. Weitere Bände sind geplant. Aber auch Postkarten, Poster, Abgüsse von Kunstwerken und andere Souvenirs produzieren wir selbst und können damit eine hohe Qualität gewährleisten. Die Produktpalette des Verlages Kölner Dom ist im Internet www.verlag-koelner-dom.de einzusehen; dort kann auch online bestellt werden. Damit können wir die hohen Kosten der wissenschaftlichen Bände wenigstens zum Teil selbst einspielen. Daneben hat der Verlag Kölner Dom auch die wichtige und arbeitsintensive Aufgabe, das jährlich erscheinende Kölner Domblatt publizistisch zu betreuen. Es handelt sich um eine wissenschaftliche Zeitschrift, die alle Mitglieder des Zentral-Dombau-Vereins als Jahresgabe erhalten, und in dem die Dombaumeisterin berichtet, was im jeweiligen Jahr am Dom getan wurde. Dazu kommen wissenschaftliche Aufsätze zu allen Themenbereichen, die mit dem Dom zu tun ha15 Georg Hauser, Schichten und Geschichten unter dem Dom. Meisterwerke des Kölner Domes 7, Köln 2003; Sebastian Ristow, Die frühen Kirchen unter dem Kölner Dom. Befunde und Funde vom 4. Jahrhundert bis zur Bauzeit des Alten Domes. Studien zum Kölner Dom 9, Köln 2002; Ulrich Back/Thomas Höltken, Die Baugeschichte des Kölner Domes nach archäologischen Quellen. Befunde und Funde aus der gotischen Bauzeit. Studien zum Kölner Dom 10, Köln 2008.
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ben. Es gelingt unseren Mitarbeitern immer, das Domblatt pünktlich vor Weihnachten erscheinen zu lassen! Der Dom sollte auch in Zukunft in guten, sachkundigen Händen sein. Deshalb muss man sich um die Ausbildung der nächsten Generation bemühen. Das tun wir nicht nur im Handwerksbereich, wo wir ständig Nachwuchs ausbilden, sondern auch im universitären Sektor. Die Dombaumeisterin lehrt an der Friedrich-Wilhelm-Universität Bonn und andere Mitarbeiter haben Lehraufträge an weiteren Hochschulen. Auch damit sichern wir die Zukunft des Doms. Denkmalpflege am Kölner Dom ist, wie hoffentlich deutlich wurde, eine vielfältige Aufgabe, die sehr viele Aspekte hat. Wer mithelfen möchte, dass diese Aufgabe auch in Zukunft gut bewältigt werde kann, sollte Mitglied im Zentral-Dombau-Verein werden oder diesen mit einer Spende unterstützen: www.zdv.de. Ohne diesen Freundeskreis wäre die Aufgabe trotz staatlicher und kirchlicher Unterstützung nicht zu bewältigen.
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