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German Pages 344 [360] Year 2022
Marius Müller Kunstbegriffe zwischen Recht und Praxis
Image | Band 214
Marius Müller, geb. 1992, ist derzeit Rechtsreferendar im Bezirk des Kammergerichts in Berlin. Er studierte Rechtswissenschaften, Kunstgeschichte sowie Neuere und Neueste Geschichte (2020 Grado en Derecho, 2018 Erste Juristische Prüfung, 2016 B.A.) an den Universitäten in Passau und Toledo (Spanien) mit Aufenthalten an der Université de Genève und am International Institute for the Unification of Private Law (UNIDROIT) in Rom.
Marius Müller
Kunstbegriffe zwischen Recht und Praxis Historische Wechselwirkungen zwischen Ästhetik, Kunsttheorie und Rechtswissenschaft
Gedruckt mit der Genehmigung der Philosophischen Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn. Zugl.: Bonn, Univ., Diss., 2021 u.d.T.: Das kunstbegriffliche Babylon. Historische Grundlagen der Wechselwirkungen von Ästhetik, Kunsttheorie und Rechtswissenschaft.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http:// dnb.d-nb.de abrufbar. © 2022 transcript Verlag, Bielefeld Alle Rechte vorbehalten. Die Verwertung der Texte und Bilder ist ohne Zustimmung des Verlages urheberrechtswidrig und strafbar. Das gilt auch für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Verarbeitung mit elektronischen Systemen. Umschlaggestaltung: Kordula Röckenhaus, Bielefeld Umschlagabbildung: Kupferstich »Turris Babel« aus: Kircher, Athanasius: »Athanasii Kircheri ... Turris Babel sive archontologia [...]«, Amsterdam 1679, S. 41a. https:// doi.org/10.11588/diglit.2986#0059 Druck: Majuskel Medienproduktion GmbH, Wetzlar Print-ISBN 978-3-8376-6318-1 PDF-ISBN 978-3-8394-6318-5 https://doi.org/10.14361/9783839463185 Buchreihen-ISSN: 2365-1806 Buchreihen-eISSN: 2702-9557 Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier mit chlorfrei gebleichtem Zellstoff. Besuchen Sie uns im Internet: https://www.transcript-verlag.de Unsere aktuelle Vorschau finden Sie unter www.transcript-verlag.de/vorschau-download
Inhalt
Einleitung Das kunstbegriffliche Babylon ................................................................ 13
1. Teil Künstlerische Bedeutung als Frage der Anschauung ......................................... 27 I. Der Blick ex post – zur Einführung ....................................................... 28 II. Fragestellung und Methode .............................................................. 32 III. Der Begriff des Malerischen und seine kunsttheoretische Dimension ...................... 36 IV. Die Rezeption der Landschaftsmalerei des 19. Jahrhunderts – Übertragung einer Anschauung ........................................................... 41 V. Die Denkmalöffentlichkeit und die Konstituierung des Denkmals aus dem malerischen Blick .............................................................. 47 1. Der Kunstbegriff in der Denkmalinventarisation des 19. Jahrhunderts .............. 48 2. Die Deutsche Bauzeitung und die ästhetische Bedeutungszuweisung ............... 50 3. Der Begriff des Malerischen in Die Denkmalpflege .................................. 54 4. Exkurs: das Malerische, der Denkmalbegriff und die Methoden der Ästhetik ........ 57 5. Zusammenfassung ............................................................... 59 VI. Das Recht als Pinsel? – Die Sicherung der ästhetischen Wirkung durch Gerichtsurteil ..................................................................... 59 1. Das Denkmal als Rechtsbegriff und das Problem des Formalismus ................. 60 2. Das Denkmal als ästhetische Kategorie mit ethischem Anspruch: »[…] umgib die mit edlen, mit grossen, mit geistreichen Formen« ................. 63 3. Der Kunstbegriff in den preußischen Verunstaltungsgesetzen von 1902 und 1907 .... 67 4. Die Parallelität von ästhetischem und künstlerischem Interesse.................... 72 5. Zusammenfassung ............................................................... 78 VII. Zwischenfazit: Künstlerische Bedeutung – Erbin des subjektbezogenen Kunstbegriffs..... 80
2. Teil Kunstwerk oder Werk der bildenden Künste? Theoretische Revisionen im dadaistischen Kontext ..... ..................................... 85 I. Fragestellung und Methode .............................................................. 86 II. Dada und bildende Kunst ................................................................ 87 1. Ein geschichtlicher Überblick der dadaistischen Bewegung ....................... 88 2. Kunstbegriffsbildung im dadaistischen Kontext..................................... 91 3. Die Macher der klassischen Moderne: Der Sturm und Die Aktion .................... 94 4. Kultur- und begriffshistorischer Kontext .......................................... 97 III. Kunstbegriffsbildung im Kontext der Dada-Ausstellungen in Köln und Berlin ............... 99 1. Werke der bildenden Kunst dadaistisch präsentiert: eine erste Ausstellung in Köln ..................................................... 99 2. Exkurs: die Dada-Messe im Kontext der Selbstkritik des Dada Berlin................100 3. Dada und der zeitgenössische Kunstbegriff .......................................104 IV. Dada im Urteil der Kunstöffentlichkeit ...................................................104 1. Theoretische »Revisionen« im dadaistischen Kontext? ............................105 2. Dada als angewandte Kunst: der Kunstbegriff in Das Plakat ........................ 124 V. Die Kunstbegriffsbildung der Rechtsöffentlichkeit im dadaistischen Kontext .............. 137 1. Rechtshistorischer Kontext .......................................................140 2. Juristische Bestimmungen des Werkes der bildenden Künste ....................... 142 3. Juristische Zeitschriftenbeiträge – Paragone der Kunstbegriffe in der juristischen Fachliteratur?.................................................. 147 4. Juristische Beiträge in Das Plakat ................................................160 5. Der Rechtsbegriff und seine Ausformung durch die interdisziplinären Sachverständigenkammern ........................... 167 6. Exkurs: Kunst(rechts)geschichte der Museen für angewandte Kunst............... 185 7. Ausblick: Bauhausdrücker-Urteil des Reichsgerichtshofes ......................... 187 VI. Zwischenfazit: Bildende Kunst jenseits des alltäglichen Sprachgebrauchs – Vorarbeiten an einer neuen Kunstnorm? ................................................. 188
3. Teil Die Rolle der Rechtswissenschaft in der Geschichte der Kunsttheorie........................195 I. Entgrenzung der Künste in der Nachkriegszeit ...........................................196 II. Fragestellung und Methode .............................................................. 197 III. Der Weg zu Fluxus ...................................................................... 198 IV. Die Kunstkritik der 1960er und 1970er Jahre im Fluxuskontext – Problematik der »begrifflichen Sonde«.................................................. 203 1. Fluxus als Problem der Kunstkritik .............................................. 204 2. Das Wort Kunst als »verbales Hindernis« ......................................... 206 3. Das 24-Stunden-Happening der Galerie Parnass: vom »Grundriß« zur visuellen Umsetzung ........................................................ 207 4. Der Kunstbegriff der Galerie art intermedia ...................................... 209
5.
Kunst als Wertbegriff und die Selbstdefinitionen der Happenisten in Magazin Kunst .................................................................. 211 6. Der Diskurs über Fluxus und die Musik der 1960er Jahre ........................... 214 7. Zusammenfassung ............................................................... 216 V. Fluxus im Netz des juristischen Arguments. Rechtswissenschaft als Kunsttheorie ......... 218 1. Juristische Argumente im Streit um die Juryfreie Kunstausstellung 1965 ........... 218 2. Die Antwort des Totalkünstlers: das Erste lebende Kunstwerk als Muster nach § 1 Absatz 2 Geschmacksmustergesetz ..................................... 223 3. Zusammenfassung .............................................................. 229 VI. Eine neue kunsthistorische Perspektive: juristische Begriffsbildung im Fluxuskontext ....................................................................... 230 1. Zur Einführung: die Reform des Urheberrechts in den 1960er Jahren .............. 230 2. »[…] den urheberrechtlichen Werkbegriff neu zu überdenken« – eine Mindermeinung im Kampf gegen normative Ästhetik? ......................... 231 3. Werkbegriffsdiskurs im Kontext der Nachkriegskunst: über alte und neue Feldzüge ..................................................... 236 4. Die urheberrechtlichen Streitfragen der 1960er Jahre im Kontext der Nachkriegskunst............................................................. 237 5. Die künstlerische Praxis nach 1960 und die Wiederentdeckung einer theoretischen Herausforderung ............................................. 241 6. Urheberrechtlicher Werkbegriff und das Problem Fluxus – Änderungen am normativen Horizont ............................................. 243 7. Durchbrechung der »naiven Empirie« in der Urheberrechtsdiskussion ............ 257 8. Bis zum Bundesgerichtshof: Wolf Vostells Happening Der Heuwagen und die Folgen................................................................... 260 VII. Zwischenfazit: Juristische Theoriebildung als Grundlage des Werkbegriffs postinformeller Kunst................................................................... 262
Schluss »Es sind die Metaphern, die uns erziehen […]«? ............................................ 267 Dank ........................................................................................ 275 Abkürzungsverzeichnis...................................................................... 277 Quellen ...................................................................................... 279 Literatur .................................................................................... 295
Annex Landesarchiv Thüringen – Hauptstaatsarchiv Weimar, Thüringisches Volksbildungsministerium C 901, Bl. 132-142 (alte Foliierung: Bl. 114-124); Gutachten v. 9. April 1931 ........................... 335
Meinen Großeltern Lieselotte Maurer und Karl Adam Maurer
Einleitung
Das kunstbegriffliche Babylon
»Und die Geschichte kennt wohl kaum eine andere Metapher, die so pausenlos, auf so unterschiedliche Weise und in so verschiedener Gestalt beansprucht wurde wie jene von Babylon«, bemerkte Samuel Herzog in der Neuen Züricher Zeitung aus Anlass der großen Ausstellung »Babylon« des Pariser Louvre im Jahr 2008, um eines deutlich zu machen: »Die Anrufung Babylons hebelt jedes Problem auf eine Ebene, von der aus es einleuchten muss.«1 Ein solches Problem steht hier am Anfang: Auf der einen Seite operieren Kunst(geschichts)wissenschaftler und -wissenschaftlerinnen nicht erst heute mit und aufgrund juristischer Begriffe und Festlegungen.2 Auf der anderen Seite sind es Juristen, die im Anwendungsbereich kunstbezogener Gesetze einen spezifischen Rezeptionskontext von dem, was am oder als Kunst(werk) verstanden werden kann, ausgeprägt haben. Als Gutachter oder institutionelle Experten sind es Erstgenannte, die sich dem Potenzial eines Rechtsbegriffs nicht immer bewusst sind. Hartnäckig behauptet sich heute unter den Juristen wiederum nicht lediglich die Vorstellung von einem Werk der bildenden Künste als Tafelbild. Dabei werden bei der Auslegung eines Rechtsbegriffs die unterschiedlichen Gegenstände und Fragestellungen der Ästhetik bzw. Kunsttheorie, die sich historisch in das Argumentationsraster der deutschsprachigen Rechtswissenschaft eingewoben haben, in der Regel nicht als eigene Herausforderungen gesehen.3 Für die Kunstgeschichte, die mit Rechtsbegriffen heute nicht nur im Urheberrecht, sondern auch im Denkmal- oder allgemeiner dem Kulturgutschutzrecht meist gutachter-
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Herzog 2008, S. 45. Die im Folgenden gewählten Personenbezeichnungen gelten gleichermaßen für Personen allen Geschlechts. Zur interdisziplinären Perspektive ohne die Begrenzung auf den Objektbereich der bildenden Kunst bzw. Kunstgeschichte: Ortland 2020, S. 231. Selten sind klare Bekenntnisse in der Rechtswissenschaft, werden Zusammenhänge durch methodische Differenzen der heutigen Wissenschaften verdeckt. Uwe Zepf fasst dies zusammen: »Das spannungsreiche Verhältnis zwischen Recht und Ästhetik wird in der deutschen Rechtswissenschaft kaum wahrgenommen, geschweige denn diskutiert.«, vgl. Zepf 2017, S. 765. Bei der Ausfüllung der Rechtsbegriffe einfach auf das Urteil der Sachverständigen zu verweisen, ohne den Sinn der gesetzlichen Bezeichnungen näher zu beschreiben und die Begutachtung damit nicht mit einer treffenden Fragestellung auszustatten, bleibt bis heute regelmäßig die »untunliche Praxis«, dazu schon Mandry 1867, S. 211.
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Kunstbegriffe zwischen Recht und Praxis
lich konfrontiert wird, hat zuletzt Johannes Grave auf die fachdisziplinären Folgen der um theoretische Fragen entleerten kunstgeschichtswissenschaftlichen Grundbegriffe verwiesen.4 Als Teil dieser grundlegenden Begrifflichkeiten mag auch die Abgrenzung von künstlerischer und kunsthistorischer Bedeutung gelten. Die fehlende historische Reflexion solcher interdisziplinär bearbeiteten Grundbegriffe wird damit zu einem gemeinsamen Problem.5 Stehen sich beide Seiten folglich gegenüber, geht die jeweils andere Seite davon aus, sich auf die jeweiligen einzelwissenschaftlichen Gewissheiten verlassen zu können. Dieser untunlichen Grundhaltung steht die folgende Grundannahme gegenüber: in den fachdisziplinären Diskursen ist die Einsicht in die historischen Wechselwirkungen von Ästhetik, Kunsttheorie und Rechtswissenschaft bei der Ausprägung kunstbegrifflicher Zusammenhänge seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts verloren gegangen. Werden die Fragestellungen folglich zusammen gedacht, drängt sich die Notwendigkeit der Untersuchung der historischen Grundlagen jener Wechselwirkungen auf, die hier auf begrifflicher, typologischer und theoretischer Ebene vermutet werden.6 Nur aus einem historischen Verständnis für dieses Ineinander- und Miteinanderwirken können grundlegende Begriffe, ähnlich einer Übersetzungsleistung, in ihrer »Komplexität und historischen Dichte« wieder verständlich werden.7 Dabei steht folgende Frage im Mittelpunkt: Ausgehend von einem historischen Verlust jener Arbeitsgemeinschaft ist zu fragen, in welcher Weise juristische Zusammenhänge nicht nur Geschmacksordnungen spiegelten, sondern das Kunstverständnis prägten. Bereits im Ansatz reduzierte die Trias von Ästhetik, Kunsttheorie und Rechtswissenschaft notwendigerweise die Komplexität der mit den historischen Verwendungszusammenhängen der Begriffe in Verbindung stehenden Phänomene. Umso größer ist das Potenzial der babylonischen Metapher aber, auf Problemstellungen zu verweisen, die so komplex und vielschichtig sind, dass einer naturgemäß begrenzten Untersuchung gleichsam selbst ein verhängnisvoller Übermut zum Vorwurf gemacht werden könnte. Durch kein Bild kann aber besser zum Ausdruck gebracht werden, warum eine grundlegende Auseinandersetzung mit der skizzierten Problemstellung, die über bloße Einzelfragen hinausweisen will, auf die damit vorgegebenen multiplen Ebenen nicht verzichten kann. Ungeachtet der Gefahren, denen sich der hier gewagte Spagat zwischen den Disziplinen ausgesetzt sehen mag, ist es dieses Spannungsfeld selbst, welches zur Vermessung unbeleuchteter Dimensionen drängt. Entkräftet wird die Annahme babylonischer Zustände im Ansatz auch nicht dadurch, dass Fragen nach verzweigten 4 5 6
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Grave 2020. Steffen Jauß verweist auf die Notwendigkeit, die Kontexte der juristischen Begriffsbildung selbst zu historisieren, Jauß 2019, S. 351. Für die literaturwissenschaftliche Begriffsgeschichte mit Blick auf Ästhetik und Urheberrecht im 18. Jahrhundert grundlegend sind die Schlussfolgerungen Gerhard Plumpes zur These, dass »Transformationen des Kunstwissens […] als Resultat eigener begriffsgeschichtlicher Beobachtungen die Vermutung aussprechen, daß juristisches Wissen die neuen Auffassungen von Kunst und Literatur nicht unerheblich strukturiert hat.«, vgl. Plumpe 1979, S. 177. Typologische, auf Verwendungszusammenhänge verweisende Parallelen von Ästhetik und Urheberrecht des frühen 19. Jahrhunderts hat für die Musikwissenschaft Friedemann Kawohl umrissen (Kawohl 2002). Macarthur 2019, S. 2.
Das kunstbegriffliche Babylon
Wechselwirkungen etwa dadurch ausgeschlossen scheinen, dass unterschiedliche Disziplinen einem unterschiedlichen Sprachgebrauch folgen, der Bedeutungsgehalt ihrer Begriffe stets im Funktionszusammenhang zu sehen ist.8 Wenig zufriedenstellend ist folglich ein Verweis auf die Besonderheiten juristischer Methode und die Normativität ihrer Konzepte, um den Blick nicht auf die hier interessierenden Wechselwirkungen zwischen Kunst und Recht werfen zu müssen.9 Mit Blick auf die Geschichte des Denkens über bildende Kunst wird nicht nur »die juristische Bestimmung eines Artefakts« für die Kunstgeschichte relevant.10 Vielmehr ist es der Gedanke an die historischen Vorbilder interdisziplinärer »Umfangbestimmungen«, aus dem sich Potenzial ableiten lässt.11 Nicht zuletzt die regelmäßig dogmatische Unreinheiten stiftende, tautologische Behandlung des Kunstbegriffs in der Rechtspraxis einerseits und eine nach dem iconic turn in Teilen doch gegenstandsungewisse, historische Kunstwissenschaft andererseits geben interdisziplinären Arbeiten mit neuartigem Ansatz ihre Legitimation.12 Trotz der philosophischen Ausprägung der Ästhetik als Lehre vom Schönen ist es Aufgabe der Kunstgeschichte, »die Geschichte der sich wandelnden Vorstellungen davon nachzuvollziehen, was ›als Kunst betrachtet‹« wurde.13 Unter dieser Prämisse verweist das Kunstbegriffliche nicht nur auf eine konkrete Definition des Gegenstandes, sondern kann nur aus dem Kontext historischer Aussagen über Kunst erschlossen werden.14 Gegenstand der Untersuchung ist demnach das Denken über bildende Kunst in historischen Kunst- und Rechtsdiskursen am Beispiel dreier Fallstudien. Zugrunde liegt dabei die Annahme, dass diese auf der Ebene der Kunsttheorie miteinander verbunden sind, wobei die Argumentation der Quellen selbst entscheidend sein muss.15 Erfasst ist mit dem Blick auf den historischen Kunstdiskurs entlang von Ästhetik-, 8
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Bereits 1970 forderte Martin Warnke zu einer Auseinandersetzung mit den Denkfiguren in der Geschichte der Kunstgeschichte auf. Im Anschluss an diese frühe Kritik an einem kunsthistorischen Positivismus bemerkte Claus Grimm: »Und ebenso normativ ist jedes Interpretieren, das unbefangen einzelne Eindrücke aus kulturverschiedener Perspektive übernimmt.«, vgl. Grimm 2014, S. 223. Zum Problem von Normativität und Begriffsauslegung in der Rechtswissenschaft zuletzt etwa: Zwiffelhoffer 2020; Lüttenberg 2020. Vgl. dazu die Beiträge in Dreier/Jehle 2020, insb. Dreier 2020, S. 195. Vgl. dazu und zu Aby Warburgs rechtshistorischer Arbeitsgemeinschaft mit George Melchior: Bredekamp 2019, S. 38. Zum Begriff vgl. Bredekamp 2019, S. 38. Als Teil dieser Bestimmungen verweisen kunst- und rechtshistorische Bestimmungen über das einzelne »Artefakt« hinaus. Zum iconic turn vgl. Hensel 2011, S. 7-18. Bonnet 2018, S. 10. Zu diesem Verständnis des Begriffs bzw. Begrifflichen im weiteren Sinne äußerte sich grundlegend schon Lorenz Dittmann (Dittmann 1985, S. 51). Die Relevanz seiner Studie hat jüngst Johannes Grave unterstrichen, vgl. Grave 2020, S. 91. Zur Unterscheidung von »philosophischer und einzelwissenschaftlicher Kunsttheorie«, vgl. schon Wolandt 1985, S. 219 und zur Aktualität s.u. Dabei geht die Fragestellung über die Untersuchung der Kategoriebildung von hoher und niederer Kunst als wertästhetische Unterscheidungskategorien hinaus; wesentlich dazu und mit kurzem Verweis auf rechtshistorische Zusammenhänge: Zitzlsperger 2019, hier S. 5. So handelt es sich doch auch hierbei nur um ein besser bekanntes Kernproblem, das als Derivat der Ästhetikgeschichte zurückbleibt. Dazu stellv.: Michael Fuhr: Populäre Musik und Ästhetik (2007); Wolfgang Braungart: Kitsch (2002); Jakob Steinbrenner: Design als Kunst – Kunst als Design? (2019).
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Kunstbegriffe zwischen Recht und Praxis
Ideen- und Begriffsgeschichte zunächst auch ein erster Kreuzungspunkt der Disziplinen, nämlich der von Kunstgeschichte und Ästhetik.16 Die Verbindungslinien zwischen beiden, historisch auch unter dem »Sammelnamen ›Theorie der Kunst‹« gefassten Gebieten, verweisen dabei auf die durchaus problematische Pluralität der historischen Ästhetikbegriffe.17 Unterscheidet sich bereits das Verständnis der philosophischen Ästhetik je nach Theorietradition und gründen sich bereits hierauf verschiedene Kunstbegriffe, sind ästhetische und kunsttheoretische Prämissen hier nicht unmittelbar gleichzusetzen.18 Während ein Verständnis von Ästhetik aus dem griechischen Wortursprung heraus auf die sinnliche Wahrnehmung verweist, begründete Alexander Gottlieb Baumgarten die Ästhetik als Erkenntniswissenschaft.19 Nimmt des Weiteren das Kant’sche Ästhetikverständnis auf eine Urteilslehre Bezug, prägte der Deutsche Idealismus die Ästhetik als Kunstphilosophie losgelöst von einem spezifischen Objektbereich.20 Durch die vergleichende Fragestellung bleibt folglich schon Ästhetik als äußerliche Formulierung ohne Berücksichtigung des jeweiligen Bestimmungszusammenhangs unverständlich und leer. Ist mit der Beziehung von Ästhetik und Kunstverständnis demnach nur eine erste, gleichwohl grundlegende kunstbegriffliche Ebene identifiziert, die nicht auf das Objekt, sondern vielmehr das Subjekt verweist, soll hier folgende Annahme leiten: Durch die Auseinandersetzung mit den fortgesetzten Verbindungslinien zu rechtshistorischen Diskursen innerhalb ausgewählter historischer Zeitfenster ist eine erweiterte Beziehungsebene noch zu behaupten. An den derart vorgegebenen Kreuzungspunkten beider Diskursräume sollen historische Wechselwirkungen nachvollzogen werden.21 Dabei werden jene Zeitfenster zunächst am Strang der kunsthistorischen Disziplingeschichte selbst eingegrenzt: Um 1900 brachte die Einfühlungsästhetik eine durch den Formalismus geprägte Kunsthistorik in Bedrängnis.22 In dieser Zeit war Einfühlung ein interdisziplinäres Thema, das auch die Kunstgeschichte mit der psychologischen Ästhetik in Verbindung brachte.23 Das diskursive Interesse hatte sich in einer Gemengelage von Romantikrezeption, Autonomieästhetik und Kunstgeschichte vom »betrachteten Objekt auf das betrachtende Subjekt« verlagert.24 Danach wurden mit der Initiierung der Allgemeinen Kunstwissenschaft durch Max Dessoir und Emil Utitz, die unmittelbar mit einer Erweiterung des 16
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Diese Schnittstelle ist Gegenstand der kunsthistorischen Forschung: Der Sammelband Die Kunst denken. Zu Ästhetik und Kunstgeschichte (2012) hg. von Andreas Beyer und Danièle Cohn verweist auch auf den französischsprachigen Tagungsband Penser l’art: Histoire de l’art et esthétique (2009). Grundlegend zu dieser Problemstellung als Teil der Geschichte der Kunstgeschichte ist bereits Heinrich Lützelers dreiteilige Monografie Kunsterfahrung und Kunstwissenschaft (1975). Zu Relevanz dieser Dualität für die Formierungsphase der Kunstgeschichte: Kuhn 2020, S. XV. Vgl. Sörgel 1918, S. 105. Vgl. dazu: Reinhardt/Schürmann 2020, S. 139; Pudelek 2000, S. 58-59. Zur geschichtlichen Dimension: Brandstätter 2013, S. 53-60. Sandkühler 2005, S. 1-3. Ein systemtheoretisches Vokabular würde von Konkretisierung der »strukturellen Kopplung« von Kunst und Recht im Sinne Niklas Luhmanns sprechen (stellv. Petri 2017, S. 424). Imorde 2009, S. 127. Zum Problem des Formalismus in der Kunstgeschichte, vgl. Bartsch 2017, S. 270-271. Schwartz 2009, S. 143-144. Vgl. Bartsch 2017, S. 270-271; zur spannungsvollen Geschichte vgl. auch Scholl 2012, S. 15.
Das kunstbegriffliche Babylon
Kunstbegriffs vor Joseph Beuys in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts in Beziehung steht, theoretische Fragestellungen entfacht.25 Zuletzt ist es das historische Panorama aus dem Fehlen kunsttheoretischer Positionen, die für die Erfassung der postinformellen Kunst nach 1960 geeignet erschienen, und dem theoretischen Defizit einer normativen Kunstgeschichte, in dem rechtswissenschaftliche Argumente und Begriffe in Kunstkritik und Kunsttheorie Anerkennung finden mussten.26 Aufgrund der bis hierher vorgestellten Prämissen ist es unverzichtbar, einleitend auf die nicht selten vernachlässigte und wegen ihrer Relevanz für die hier interessierenden Zusammenhänge in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts auch als »Clearing-Stelle« historisierte Allgemeine Kunstwissenschaft zu blicken.27 In seiner Monografie Ästhetik und Allgemeine Kunstwissenschaft, die 1906 erschienen war, hob deren spiritus rector, Max Dessoir, nicht nur hervor, dass der »Kreis des Ästhetischen weiter reicht als der des Künstlerischen«, sondern nahm auch auf die Verwirrungen um den Kunstbegriff um 1900 deutlich Bezug.28 Ausgehend von der Heimatschutzbewegung stellte er »die bewundernde und liebende Hingabe an Naturerscheinungen« fest, die »alle Merkmale des ästhetischen Verhaltens [trägt] und dennoch von der Kunst nicht berührt« zu sein schien.29 Zugleich erkannte er eine weitere Problemstellung: »Auf allen geistigen und sozialen Gebieten lebt sich ein Teil der schaffenden Kraft in ästhetischer Formung aus«, um unter Verzicht auf einen Begriff der Schöpfung zu bemerkten: »[D]iese Erzeugnisse, die keine Kunstwerke sind, werden ästhetisch genossen.«30 Darüber hinaus stellte er fest, dass sich »das ästhetische Moment nicht [in] Inhalt und Zweck jenes Gebietes menschlicher Produktion [erschöpft], das wir zusammenfassend ›die Kunst‹ nennen«. Diese Positionierung erklärt sich mit der ablehnenden Haltung der Protagonisten der Allgemeinen Kunstwissenschaft gegenüber einer dogmatisch gewordenen Einheit von Ästhetischem und Kunst, einem Kunstbegriff also, der sich in erster Linie auf den ästhetischen Gegenstand beschränkte.31 Die Allgemeine Kunstwissenschaft bildet schließlich den theoriegeschichtlichen Gelenkpunkt der Untersuchung. In allen drei Teilen der Untersuchung wird unter dem Verweis auf das Normative relevant, was Max Dessoir als deren Programm formulierte: »Es hat sich ferner ergeben, dass die beiden herrschenden Methoden, nämlich die psychologisch-erklärende und die Regel-gebende, für das Verständnis der Kunst nicht ausreichen. Kunst als eine objektive Tatsache wird weder begriffen, indem man die subjektive Resonanz ihrer Werke untersucht, noch dadurch, dass man ihr Gesetze diktiert.
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Dabei ist auf den »antitraditionalistischen Impuls« verwiesen; dazu und zur Genese der Allgemeinen Kunstwissenschaft vgl. Collenberg-Plotnikov 2015, S. 23-25. Anzumerken ist, dass der Begriff des »Erweiterten Kunstbegriffs« ebenso wie die »Erweiterung des Kunstbegriffs« in der Kunst des 20. Jahrhunderts fest mit dem Wirken Joseph Beuys’ verbunden ist. Zu der Beuys’schen Idee vgl. Nichols 2021. Zu den Defiziten vgl. Grave 2020, S. 87. Vgl. Wolfgang Kemp: Reif für die Matrix, zit.n.: Collenberg-Plotnikov 2016, S. 191. Vgl. im Folgenden Dessoir 1906, S. 4. Zu den Folgen vgl. Grave 2020, S. 87-88. Dessoir 1906, S. 4. Collenberg-Plotnikov 2015, S. 28.
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Kunstbegriffe zwischen Recht und Praxis
Neben der Ist-Aesthetik und der Soll-Aesthetik muss es noch ein Verfahren geben«.32 Damit offenbart sich, weshalb die Auswertung der Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft Grundlage für das Auffinden relevanter, insbesondere ästhetikgeschichtlicher Quellen über die dort publizierten oder rezipierten Autoren sein muss.33 Im Kontext eben dieser Allgemeinen Kunstwissenschaft steht auch der Verweis auf die Verbindungslinien zwischen juristischer Theoriebildung und kunsttheoretischen Fragestellungen. »Obwohl noch immer die geschichtliche Auffassung den Vorrang hat«, leitete Max Dessoir seinen Vortrag auf dem III. Kongress für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft 1927 in Berlin ein, »so besteht doch grundsätzlich kein Streit über die doppelte Möglichkeit, Kunst zu erkennen.«34 Damit verwies Dessoir nicht nur auf den entscheidenden Ausgangspunkt babylonischer Verwirrungen um den Begriff Kunst, wie sie um 1900 besonders virulent waren, sondern auch auf die Möglichkeit, Kunst »als systematisch bestimmbares Gebilde« zu verstehen. Auch hier wird deutlich: Die Kunst aus dem Begriff der Ästhetik zu lösen stand im Mittelpunkt seines Wirkens.35 Ein Jurist und Schüler des bekannten Hans Kelsen, Moritz Stockhammer, sollte fünf Jahre später ebenfalls in der Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft seine Untersuchung zu Ästhetik und Rechtswissenschaft veröffentlichen und im Gedanken der »doppelten Möglichkeit« argumentieren.36 Eine seiner entscheidenden Feststellungen fand in der Forschung bisher keine Berücksichtigung: »Nicht nur in der systematischen, auch in der historischen Rechts- und Kunstwissenschaft«, führte Stockhammer aus, »tauchen die gleichen Fragestellungen auf«.37 Als Fragestellung erwähnte er hier unmittelbar ein auch heute bestehendes fachdisziplinäres Dilemma, nämlich das der Historizität des wissenschaftlichen Gegenstandes selbst, die Kunst und das Recht. Noch weiter geht der in seinen Ausführungen mittelbar angelegte Hinweis, mit dem wir uns konfrontiert sehen: der auf die historischen Wechselwirkungen von Ästhetik, Kunsttheorie und Rechtswissenschaft selbst. Ausgangspunkt der vorliegenden Untersuchung muss damit eine Begriffs-, Ideenund Ästhetikgeschichte im Sinne eines »Redens über Kunst« sein, die zugleich auf zwei disziplinhistorische Umfelder verweist.38 Wurde der Eigentumsbegriff nicht zu32 33 34 35
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Vgl. Dessoir S. 1925. 112. Zur Relevanz dieser Zeitschrift, des Herausgebers und seines Vereins s.u. Vgl. Dessoir 1927, S. 131. Über den Höhepunkt der theoretischen Diskussionen des Vereins 1927 bemerkt Carole Maigné: »L’idée reste de pendre au sérieux ce qui se dit lors de l’événement précis du Congrès de 1927, d’assumer sa partialité et sa contingence, mais aussi sa vitalité et sa profondeur.«, vgl. Maigné 2016, S. 266. Hans Kelsen wurde 1881 in Prag geboren und gilt als einer der einflussreichsten, deutschsprachigen Rechtstheoretiker. Zu Leben und Werk vgl. Paulson 2013, S. 35-37. Zu Parallelen in den Denkansätzen Hans Kelsens, Adolf Loos’ und Alois Riegls und damit solchen von Rechts- und Kunsttheorie vgl. Wilfing 2019, S. 63. Vgl. Stockhammer 1932, S. 246. Locher 2010, S. 11; wie auch Kohler 1993, S. 171. Kunstgeschichte wird als historische Theorie der Kunst in ihren fachdisziplinären Ursprüngen selbst zu einer Art und Weise Kunst zu erkennen. Vgl. auch: Prange 2004. Seltener aber keineswegs neu sind eindeutige Bezugnahmen der kunsthistorischen Forschung auf das Feld der Begriffsgeschichte: »Für den Kunsthistoriker kommt Begriffsgeschichte in drei miteinander verknüpften Gebieten zum Zug: Geschichte der Kunstgeschichte (wo sie nicht ausschließlich Geschichte der Institution ist), Theorie der Kunstgeschichte und Geschichte der Kunsttheorie. Gleich-
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letzt durch die Provenienzforschung zum Gegenstand interdisziplinärer Fragestellungen und wurde das Urheberrecht ausgehend von seiner Wirkung auf das Selbstbild der Künstler untersucht, fehlt ein solcher Blick auf die historischen Vorstellungen von (bildender) Kunst.39 In der vorliegenden Untersuchung wird zugleich ein kunstsoziologischer Ansatz verfolgt, soll es nicht um eine Analyse der Differenzen zwischen kunstund kulturtheoretischen sowie kunstwissenschaftlichen oder -philosophischen Ansätzen gehen, sondern um die Problematik dieser Vielgestaltigkeit für die Modifikationen der Grenzen der Kunst.40 Es geht mithin auch um die Aufdeckung personeller, akademischer oder auch institutioneller Hintergründe und Verknüpfungen. Die begriffshistorische Methode ist in der Kunstgeschichte anerkannt und ermöglicht hierbei den kunst- und rechtshistorischen Ansatz.41 Mit Blick auf Verschiebungen von begrifflichem Inhalt oder Verwendungszusammenhang müssen etablierte Vorga-
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wohl hat unser Fach die Möglichkeit der Begriffsgeschichte noch kaum reflektiert.«, vgl. Germann 1986, S. 520. Zu »Begriffskarrieren« in Kunstdiskursen des 19. Jahrhunderts vgl. Schürmann 2019. Grundlegend für die Verknüpfung von Eigentumsbegriff und kunsthistorischer Provenienzforschung: Siegrist/Sugarman 1999. Stellv. zu kunsthistorischer Provenienzforschung als interdisziplinäre Forschungslinie: Zuschlag 2019. Zu zweiterer ist Grischka Petris unveröffentlichte und daher nicht eingesehene Habilitationsschrift zum Thema Künstlerethos und Kontrollregime. Eine Kunstgeschichte des Urheberrechts zu nennen. Das Werk in seiner »doppelten Codierung« als künstlerisches Thema und urheberrechtlichen Rechtsbegriff thematisiert Petri in: Petri 2017, hier: S. 429. Der Forschungsansatz der Rechtsästhetik hat hier bereits erste Grundlagen gelegt und eigene kunstphilosophische Einsichten des heutigen Urheberrechts nachgewiesen. Für eine zusammenfassende Darstellung der Rechtsästhetik als Untersuchungsperspektive vgl. Schürmann/von Plato 2020. Die begriffsbildende Wirkung des heutigen Urheberrechts weist Eberhard Ortland auf rechtsphilosophischer Ebene nach, bezieht historische Entwicklungen aber nicht ein, vgl. Ortland 2020. Die These einer Beeinflussung des zeitgenössischen Kunstsystems durch das Recht haben Eberhard Ortland/Reinold Schmücker bereits früher formuliert, vgl. Ortland/Schmücker 2005. Die Relevanz der Unterscheidung von Common Law und Civil Law bei der Untersuchung des Spannungsfelds von Ästhetik und Recht benennt Uwe Zepf, der darauf hinweist, dass der Rechtspositivismus – anders als die Tradition des Common Law – außerjuristische Ursprünge der eigenen Begriffsbildung zurückdrängen musste, vgl. Zepf 2017, S. 765. Smudits 2014, S. 7. Ein solcher Ansatz muss nicht systematisch zwischen kunsttheoretischen und ästhetischen Positionen unterscheiden, ist in Bezug auf die historische Terminologie von Kunst, Schönheit oder Geschmack eine Differenzierung nicht möglich. Heinz Maus präzisiert: »Mit diesem kurzen Hinweis sind die Forschungsgebiete der Kunstsoziologie bei weitem nicht erschöpft. […] Dabei könnte wahrscheinlich aufklärend sein, den ideologischen Gehalt der Vorstellungen von Kunst und, in diesem Zusammenhang, das Vokabular der Kunstwissenschaft selbst genauer sich anzusehen oder gar die Sprache der sogenannten populärwissenschaftlichen Darstellungen einerseits, die der Kunstkritiken der Tagespresse andererseits.«, vgl. Maus 1970, S. 110. Dabei ist von diesen Überlegungen ausgehend auch das Projekt des Historischen Wörterbuchs ästhetischer Grundbegriffe zu nennen, das als solches zwischen Ästhetik, Geschichte der Künste und Begriffsgeschichte stand. Zur Konzeption des Projekts: Barck/ Fontius/Thierse 1990. Über die Grenzen begriffshistorischer Zugänge im Kontext des Naturalismus äußeren sich Felfe/ Saß 2019, S. X. Zur Relevanz der Historie des Begriffsverständnisses für die Rechtswissenschaft vgl. von der Pfordten 2005, S. 212. Zu den Besonderheiten der Begriffsverwendung für die heutige Rechtspraxis vgl. Dreier 2020, S. 198-212. Zur Notwendigkeit der Einordnung historischer Rechtsbegriffe in ihren Kontext und dem »doppelten hermeneutischen Zirkel« vgl. Müßig 2009, S. 36-37.
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Kunstbegriffe zwischen Recht und Praxis
ben aber zuweilen eine Anpassung erfahren.42 Folglich muss jene Kunstgeschichtsforschung, die abseits ihrer etablierten Schwerpunkte durch die Verwicklung von ideengeschichtlichen Fragestellungen die Kenntnis der eigenen Fachgeschichte adressiert, als Vorbild dienen.43 Juristische Quellen werden dabei ebenso zu kunsthistorischen Quellen wie die Kunstkritik selbst, die sich als Kunstöffentlichkeit erst als Forschungsgegenstand behaupten musste.44 Bei der Auswertung der rechtshistorischen Quellen muss schließlich auch die Geschichte von Rechtspositivismus und juristischer Methode jedenfalls am Rande Erwähnung finden: Die juristische Methode teilte in Bezug auf den Bereich der Kunst die Einsicht Erwin Panofskys nur unzureichend, dass Bücher stets »mit Vorsicht zu benutzen« seien; mit Blick auf kunstbezogene Sachverhalte nicht selten mit fatalen Folgen bis heute.45 Um den Fluss neuer Argumente für die inhaltliche Bestimmung eines kunstbezogenen Rechtsbegriffs sicherstellen zu können, bedienten sich die Juristen regelmäßig undifferenziert aufgegriffener, außerjuristischer Wertungen. Dieser juristische »Kommunikationspositivismus«, die Fähigkeit Wissen zu strukturieren, ist gleichwohl ein weiterer Ansatzpunkt für die Annahme einer Beeinflussung des außerjuristischen Kunstdenkens.46 Mit Blick auf die begrifflichen Beschränkungen des ästhetischen Denkens auf tradierte Kunstgrenzen und deren Durchbrechung am juristischen Argument erweist sich in allen drei Fallstudien das (neo-)dadaistische Element als zweiter geeigneter Gesichtspunkt, die Fallstudien inhaltlich einzugrenzen. Obgleich die einzelnen Teile der Untersuchung folglich durch das disziplinhistorische Element einerseits und das genuin kunstgeschichtswissenschaftliche Element andererseits verbunden sind, ist deren Aufteilung zugleich eine Behelfslösung. In ihrer jeweiligen Binnengliederung folgen der kunsttheoretischen Einordnung und dem Blick auf den historischen Rahmen die Analysen der möglichst weit gefassten Auswertung von Zeitschriftenbeiträgen in solchen
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Die Wechselwirkungen zwischen Rechts- und Naturwissenschaften untersucht Stefanie Merenyi am Stoffbegriff und legt eine vorbildhafte, interdisziplinäre begriffshistorische Arbeit vor: »Die im Rahmen der vorliegenden Arbeit notwendige interdisziplinäre Vorgehensweise kann sich daher nicht an etablierten methodischen Vorgaben orientieren, sondern wird versuchen müssen, diese bei Bedarf in ersten Grundzügen selbst zu entwickeln.«, vgl. Merenyi 2019, S. 37. Caroline van Eck bringt Begriffs-, Ideen- und Diskursgeschichte nicht zuletzt in Art, Agency and Living Presence zusammen, vgl. van Eck 2015, hier S. 23. Anja Schürmann knüpft an die antike ekphrasis an, um kunsthistorische Beschreibung in ihre historischen Zusammenhänge einordnen zu können, vgl. Schürmann 2018, hier S. 25. Zudem ist die Forderung nach Brücken zwischen den historischen Disziplinen bereits im Diskurs der New Art History angelegt worden; zu dieser »Forschungshaltung« vgl. Gelshorn/Weddigen 2011, S. 313. Zu den Brücken der New Legal History vgl. Siegrist/Sugarman 1999, S. 18. Zur Kunstkritik als Quelle der Kunstgeschichte vgl. etwa Gaehtgens 1999, S. 1-2. Einen umfassenderen Überblick über den Forschungsstand zur deutschen Kunstkritik der Moderne lieferte Andreas Zeising (Zeising 2006, S. 20-25). Zu nennen sind auch die Beiträge in der Zeitschrift für Kunstgeschichte mit dem Themenschwerpunkt Der Ort der Kunstkritik in der Kunstgeschichte, vgl. Söntgen 2015. Vgl. Panofsky 1960, 2. Seite. Allerdings ist die positivistische Setzung der untersuchten Objekte als Kunst auch ein Problem der akademischen Kunstgeschichte selbst (Rüffer 2014, S. 44-45). Zum Begriff vgl. Lahusen 2011, S. 20 und zu Interdisziplinarität als Herausforderung der Rechtsdogmatik vgl. Stark 2020, S. 211-213.
Das kunstbegriffliche Babylon
Publikationsmedien, die in der Literatur als relevant identifizierten wurden sowie vereinzelter Monografien der Denkmal- bzw. Kunst- und Rechtsöffentlichkeit. Die Öffentlichkeitsbegriffe müssen hier als Behelfsbegriffe im spezifischen Verwendungszusammenhang dieser Untersuchung verstanden werden, dienen sie der kontextuell differenzierten Gegenüberstellung: als diskursive Umfelder sind diese Öffentlichkeiten vor dem Hintergrund solcher Begriffe und Konzepte auszuwerten, die im Kontext einer anderen Fakultät im engeren Sinne entstanden und gleichartigen oder abweichenden (kunst-)theoretischen Prämissen folgen mögen. Der dreiteiligen Untergliederung der Untersuchung der Wechselwirkungen von Ästhetik, Kunsttheorie und Rechtswissenschaft ist es geschuldet, dass Ausführungen zu den eingegrenzten Teilfragestellungen und methodischen Spezifika vorangestellt sind, würden diese eingeordnet in einer Einleitung vorab die Erfassung der Zusammenhänge erschweren. Im Rahmen der so konzipierten Untersuchung wird offenzulegen sein, wie die erwähnten Öffentlichkeiten jeweils operierten und wie rechtswissenschaftliche Zusammenhänge mit dem Netz der Argumente von Ästhetik, Kunsttheorie und ihrem Anwendungsbereich eng verwoben waren.47 Dass die Verbindung zwischen Denkmal- bzw. Kunstöffentlichkeit einerseits und Rechtsöffentlichkeit andererseits bereits in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts im Kontext der Allgemeinen Kunstwissenschaft reflektiert wurde, ist bereits angeklungen. Es schien evident, dass die Auslegung und Anwendung der Rechtsnormen ebenso traditionelle wie erweiterte oder jedenfalls modifizierte Kunstbegriffe begünstigen konnten.48 Findet ferner Berücksichtigung, dass die Ausfüllung kunstbezogener Rechtsbegriffe im Bereich eines spezifischen Gesetzes, dem Kunstschutzgesetz von 1907, auch Ästhetikern, Kunstkritikern und Kunsthistorikern überlassen war, drängt sich die Frage der Wechselwirkungen besonders nachdrücklich auf. Die spezifische Funktion des Rechtsbegriffs musste, so die Annahme, spezifische ästhetische Konzepte begünstigen, die eine Umbildung des jeweils als alltäglich verstandenen Kunstbegriffs über das theoretische Element einer Hinwendung zum Subjekt hinaus legitimieren konnten.49 Die Auswahl der ausgewerteten Rechtsquellen aus 47
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Wenn Oliver Jehle und Thomas Dreier mit Blick auf die Begriffe Original, Fälschung und Kopie darauf verweisen, dass die »unterschiedlichen Verwendungen identischer Begriffe […] aus ontologischer Sicht unbefriedigend« (vgl. Dreier/Jehle 2020, S. 17) erscheint, muss hier darauf hingewiesen werden, dass es in der vorliegenden Untersuchung nicht darum geht, die Begriffsbildung in den beiden Fachdisziplinen Kunstgeschichte und Rechtswissenschaft ihrer sicherlich unterschiedlichen Fragestellungen zu entledigen. Antoinette Roesler-Friedenthal formuliert knapp: »Ganz allgemein gilt, daß der Kanon in der Kunstgeschichte […] mit spezialisierten Forschungszweigen zur Geschmacksgeschichte […] auch seine historischen und sozialen Bedingungen untersucht.«, vgl. Roesler-Friedenthal 1998, S. 182. Damit wird das Recht zu einer dieser Bedingungen der Rezeptionsgeschichte. Bereits in der Meldung zur 21. Tagung des Deutschen Kunstgewerbe-Vereins in Magdeburg 1911 wurde auf diese Verbindungsstelle verwiesen »Die Revision des Geschmacksmustergesetzes ist noch im Stadium der chronischen Apathie. […] Es handelt sich wirklich nur darum, das Gesetz nicht von selbst an Entkräftung sterben zu lassen, denn man will es doch in ein oder zwei Jahren mit großem Pomp hinrichten und sich aus seiner ausgedienten Haut Riemen für andere Positionen schneiden, d.h. die großen Löcher des Kunstschutzgesetzes damit verstopfen, um den Kunstbegriff darin überhaupt festhalten zu können.«, vgl. Hoeber 1911, S. 178. Zu dieser Schlussfolgerung kommt für das heutige Urheberrecht Eberhard Ortland (Ortland 2020, S. 236-237).
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Kunstbegriffe zwischen Recht und Praxis
dem Kontext der Verunstaltungs-, Kunstschutz-, und Urheberrechtsgesetzgebung folgt der kunstkritikgeschichtlichen Annahme einer dualen Historizität, die sicher ebenso in anderer Rechtsmaterie zu vermuten war, wohl aber nicht in einer den hier ausgewählten Gebieten gleichkommenden Prägnanz.50 Damit ist ein weiterer kunsttheoretischer Ausgangspunkt angesprochen: was einerseits aus dem Bekannten zu begründen war, musste sich andererseits als erwartbar Unbestimmbares legitimieren lassen. Dieser zweitgenannte Modus prägte im Unterschied zu einer Denkmalöffentlichkeit die Kunstkritik im Kontext der historischen Avantgarden: methodische Vielfalt zwischen philosophischer und empirischer Ästhetik einerseits und Kunstgeschichtswissenschaft andererseits.51 Aus gleicher Vielfalt bediente sich die Rechtsöffentlichkeit; an die Stelle teilweise strategischer Beliebigkeit ist dort ein systematisierendes Potenzial anzunehmen, das jene, die keiner Definitionen bedürfen, an anderer Stelle der Kunstentwicklung selbst wieder aufgegriffen haben. Drei Begriffe prägen das kunstbegriffliche Babylon im Sinne eines historischen Diskursnetzes, das auf begrifflicher Ebene dem Bewusstsein für entscheidende Zusammenhänge verlustig gegangen ist: das Kunstwerk, das Werk der bildenden Künste, und das als Denkmal umschriebene Landschafts- und Ortsbild. Das Denkmal war erst im juristischen Kontext als ästhetisches Objekt neu konzeptualisiert worden, da dort dem Alltagsbegriff ein gänzlich neues Begriffsverständnis beigeordnet wurde.52 Diente das Kunstwerk den Argumenten der Juristen schon im 19. Jahrhundert als soziale Norm, fand das Werk der bildenden Künste als Rechtsbegriff mit eigenem Anspruch in der Alltagssprache keine Entsprechung. Die historische Kunst- und Rechtsöffentlichkeit standen dabei in Wechselwirkung und geben die Verwendungskontexte vor, in denen ein Bedeutungswandel in den jeweils ausgewerteten Quellen nachvollzogen werden kann. Begriffe, Festlegungen und Definitionen, die beiderseits kommuniziert wurden, müssen hierfür zunächst erfasst und einer Gegenüberstellung zugeführt werden. Aus der Abfolge der dieser Arbeit zugrunde gelegten drei Fallstudien, ergibt sich folgender argumentativer Ansatz, der keinesfalls frei von Unwägbarkeiten ist: Die Jurisprudenz ist zu einer Zeit Garant für die gesellschaftliche Verbindlichkeit eines spezifischen Kunstbegriffs und seines Diskurses. Die Grundlagen für ein Verständnis der Reproduktionsweise ästhetischer Fragestellungen und Methoden in der Rechtsordnung
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Dazu noch s.u. Zur Differenzierung historischer »Weisen, über Kunst zu reden« (vgl. Kohle 1993, S. 171) an der Erkenntnis der Historizität in Kritik und Geschichte grundlegend: Germer/Kohle 1991. Dazu: Trautmann-Waller 2010, S. 108. Ist hier von Denkmal in einem weiteren Sinne die Rede, geht es nicht um einen Begriff, der in erster Linie auf einen einzelnen materiellen Gegenstand verweist, sondern um einen assoziativen bzw. die Unterschiede zwischen vorbenannter Differenzierung. Zu der heutigen Notwendigkeit einer Einforderung eines solchen »erweiterten Denkmalbegriff[s]« vgl. Lipp 1994, S. 11. Neben dem außerrechtlichen Begriff des Denkmals fasste der juristische Begriff zu einem historischen Zeitpunkt existierende Bedeutungen unter einem Regelungsziel zusammen: »Will man das zusammengesetzte Wort erläutern, so wird man zweckmässigerweise von der demselben zugrunde liegenden einfachen Bedeutung »Denkmal« ausgehen. Dieses Wort bildet nicht einen bestimmten Begriff, sondern hat im Sprachgebrauch eine sehr verschiedene Bedeutung erlangt.«, vgl. Conwentz 1904, S. 3. Zu Person vgl. Herold 2018, S. 92. Mit einem jüngeren Befund zum rechtlichen Denkmalbegriff vgl. Kummer 1981, S. 35.
Das kunstbegriffliche Babylon
werden am Beispiel der Verunstaltungsgesetze gelegt. Die Relevanz ästhetischer Theorien für das Narrativ juristischer Bedeutungskategorien legt die Implikationen einer Rechtsnorm jedenfalls als Spiegelbild einer historischen Kunstlehre und Geschmacksordnung offen (1. Teil). Die Durchsetzbarkeit des Gesetzes ist später Impuls, den Kunstbegriff durch solche Fragestellungen, die dem alltäglichen Verständnis fremd waren, jedenfalls in einem am Regelungszweck orientierten Binnendiskurs zu erweitern; der Blick wird auf den Objektbereich der bildenden Kunst und den diesen erfassenden (urheberrechtlichen) Kunstschutz gerichtet (2. Teil). Schließlich ist die juristische Theorie selbst Gegenstand kunsttheoretischer Entwürfe. Die Reflexionen kunstbezogener Grundbegriffe zu Beginn des 20. Jahrhunderts werden zum Gegenstand des liberalen Narrativs von Kunstöffentlichkeit und -praxis (3. Teil). Die für die vorliegende interdisziplinäre Untersuchung der Geschichte des Kunstdenkens zur Verfügung stehende Grundlagenforschung ist weit verstreut.53 Nicht nur ist dies der Gliederung des Vorhabens und den unterschiedlichen Forschungszeiträumen geschuldet, sondern auch dem disziplinübergreifenden Ansatz selbst. Obgleich historische Kunstbegriffsbildung heute als ein etablierter Gegenstand kunsthistorischer Forschung gelten kann, sind die Arbeiten, die sich allein oder im Besonderen diesem Aspekt widmen, wenig zahlreich.54 Stephanie Herold hat zuletzt die Zusammenhänge einer an der Landschaftsmalerei ausgebildeten Bildsprache und dem wirkungsästhetischen Paradigmenwechsel im Zusammenhang mit der Ausbildung des modernen und rechtlich determinierten Denkmalbegriffs untersucht.55 Für den ersten Teil der vorliegenden Untersuchung findet sich in ihrer Arbeit die Grundlage einer Auseinandersetzung mit der Überführung dieses mit dem Begriff des Malerischen beschriebenen Kunstbegriffs in juristische Zusammenhänge. An den Kategorien des FormInhalt-Dualismus hat Christian Scholl mit seiner Monografie Revisionen der Romantik. Rezeption der »norddeutschen Malerei« 1817-1906 eine Geschichte der Kunstbegriffsbildung in angewandter Ästhetik und Kunsttheorie vorgelegt.56 Scholls diskurshistorischer Ansatz wird für den zweiten Teil der vorliegenden Untersuchung vorbildhaft sein, da 53
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Allein der kunsthistorische Forschungsstand zu den hier erwähnten Kunstbewegungen kann hier nicht erschöpfend dargestellt werden, ist aber er in den Einzelstudien angesprochen und ausgewertet. Im Kontext der Provenienzforschung/Geschichte des Sammelns wird ebenfalls ein kunstbegriffshistorischer Ansatz verfolgt, bilden biografische Kapitel einen wesentlichen Teil ihrer Untersuchungen. Zu nennen ist auch das Projekt »Languages of Art History« am Kunsthistorischen Institut in Florenz. Diskurshistorische Arbeiten, die sich auf die Kunstöffentlichkeit und deren Kategorien konzentrieren, werden bspw. zur Kunst der Nachkriegszeit erarbeitet: stellv. Morgane Walter : »L’art est devenu abstrait« : l’écriture d’une histoire de l’art moderne en République Fédérale Allemande (1945-1964). Noch immer sticht Luise Christine Horns Dissertation Begriffe der neuesten Kunstkritik. Zur Funktion und Kritik ihrer ästhetischen Kategorie an der Ludwig-Maximilians-Universität München aus dem Jahr 1976 hervor. Dort legt Horn eine Grundlage für eine kunsthistorische Kunstbegriffsgeschichte, wenngleich sie die historische Dimension des ästhetischen Denkens als solches unberücksichtigt lässt. Zur Geschichte des Werkbegriffs äußert sich auch Hans Belting in Der Werkbegriff der künstlerischen Moderne (2004). Auch Lorenz Dittmanns Beitrag Der Begriff des Kunstwerks in der deutschen Kunstgeschichte (1985) ist hier zu nennen. Herold 2018. Scholl 2012, S. 6-8.
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Kunstbegriffe zwischen Recht und Praxis
Scholl den rezeptionshistorischen Ansatz in der Kunstgeschichte erweitert.57 Johannes Grave hat in der Verknüpfung von philosophie- und ästhetikgeschichtlichen Fragen mit solchen der Begriffsgeschichte und Literaturwissenschaft zuletzt den Werkbegriff der Kunstgeschichte als kunsthistorischen Forschungsgegenstand vorgestellt.58 Zugleich wird damit auf das historische Verhältnis von künstlerischer Theorie und Praxis verwiesen. Entsprechende Wechselwirkungen wurden für die Malerei der Zeit nach 1960 bereits untersucht, die sich gegen Aktionskunst und Happening ebenso behaupten wollte wie gegen Objekt-, Installations- oder Konzeptkunst.59 Auf dieser Grundlage ist im dritten Teil eine Fragestellung eröffnet, die auch rechtshistorische Quellen und deren Umgang mit einem juristisch-normativen Werkbegriff hinterfragen kann.
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Zu einer systemtheoretischen Erweiterung des rezeptionsästhetischen Ansatzes vgl. Prange 2016, Fn. 1. Wolfgang Kemp, der die rezeptionshistorische Methode in die Kunstgeschichte übertrug, bemerkte »daß die Literaturwissenschaft seit den späten 60er Jahren die Probleme der literarischen Rezeption und des Leseranteils am Werk sehr viel sicherer und ergiebiger« für ihre methodischen Ansätze genutzt habe, vgl. Kemp 1983, S. 7. In einem Vorwort für Reinhardt Koselleck bezeichnet Keith Tribe Begriffsgeschichte als eine Form der Rezeptionsgeschichte, vgl. Tribe 2004, S. xviii. Johannes Grave verweist auf die Implikationen in der begrifflichen Fassbarkeit der Nachkriegskunst (Grave 2020). Julia Gelshorn weist bei Gerhard Richter und Sigmar Polke »Bezüge beider Künstler auf die Geschichte der Malerei und des Bildes aber auch auf Diskurse der Kunstgeschichte« nach, vgl. Gelshorn 2019, S. 11.
1. Teil
Abb. 1: Albert René, Le Maître-Imagier Albert Robida, Créateur du Vieux-Paris. In: L’Exposition Comique, Nr. 3, 3. Mai 1900, Deckblatt, Ville de Paris / Bibliothèque historique.
Künstlerische Bedeutung als Frage der Anschauung »Das neunzehnte Jahrhundert, mit seinen mächtigen Errungenschaften auf dem Gebiete der technischen Erfindungen, des Verkehrs, wie der großen wissenschaftlichen Fortschritte auf allen Gebieten menschlicher Forschung, war für die Kunst ein Babylon, das uns die Verwirrung der Kunstbegriffe brachte.«1
Über den Spitzgiebeln und Turmspitzen der verwinkelten Häuser vor Baumkronen im Hintergrund bewegt sich ein Pinsel, der Farbe hinterlässt (Abb. 1). Dieser liegt in der Hand eines Mannes, der, auf satirisch verzerrten Langbeinen neben einem Flusslauf stehend, mit gleichsam überlebensgroßem Kopf die Pinselbewegungen beobachtet. Seine Kleidung ist auffällig antiquiert: Schnabelschuhe und Federbarett stechen hervor. Sie impliziert die Häuserstellungen und Bauformen. Das Binokel auf der Nasenspitze weist auf eine andere, neuere Zeit. Die Karikaturüberschrift gibt kund: Aus seiner Anschauung, nach seinem inneren Bild schafft der Maître die »Gesichter der Weltausstellung«, aus einer Zeit, in der die Stadt noch eine malerische war. Gemälde und (erinnertes) Stadtbild inspirierten ihn gleichermaßen.
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Vgl. Sutter 1906, S. 77.
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Kunstbegriffe zwischen Recht und Praxis
I.
Der Blick ex post – zur Einführung
Über den konfliktreichen Stand des Kunstbegriffs um 1900 gibt der dadaistische Architekt und Kritiker Bruno Taut in Bauen. Der neue Wohnbau von 1927 wichtige Hinweise:2 Verunstaltungs- bzw. Heimatschutzgesetze waren der Ausgangspunkt seiner Betrachtungen. Die Darstellung in dieser Streitschrift beschränkte sich bewusst auf die Gegebenheiten in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts, wie Bruno Taut ausdrücklich in seinem Vorwort bemerkte.3 Taut war bemüht, die »rechte Seite« mit der »anderen Seite« in Beziehung zu setzen, die divergierenden kunstbegrifflichen Positionen aufeinander zu beziehen. Vor dem Hintergrund der Kunstfreiheitsgarantie der Weimarer Verfassung gab es solche Versuche nur selten.4 Bediente sich die baupolizeiliche Praxis des Kunstbegriffs der »Verunstaltungs- und Heimatschutzgesetze«, wurden die »aufstrebenden und sich zur Erkenntnis durchringenden Kräfte«, als welche Taut die andere Seite des gegenwärtigen Kunstdiskurses erfasste, nicht müde, einen gänzlich neuen Zugang zu einem dort rechtlich fixierten Kunstverständnis zu suchen und zu fordern. Was Taut einforderte war, dass »die Heimatschutzverordnungen, wenn sie überhaupt noch weiter bestehen sollen, in einem Sinn angewendet werden müssen, der demjenigen ihrer Entstehungszeit durchaus entgegengesetzt ist«.5 Das Wort Kunst, das mit einem neuen Inhalt zu versetzen sein sollte, spielte dabei eine bedeutende Rolle, die über den Architekturbezug hinaus auch die übrigen Bereiche der bildenden Kunst erfasste.6 Für die progressive, »linke« Fachwelt konnte Taut mit seiner Schrift »keine volle Befriedigung bringen«, weil er nur den gegenwärtigen Zustand und nicht die Utopien der zum Bauen gewordenen Baukunst in seine Überlegungen einbezogen haben würde. Aus dieser Selbstkritik wird ein Befund deutlich: Theorie und Praxis sollten versöhnt werden. Erst am tatsächlich Vorhandenen sollte Überzeugungsarbeit bei »Publikum und Behörden« geleistet werden können. Um insbesondere letztere aus dem gegenwärtigen Schaffen die entsprechenden Überzeugungen gewinnen zu lassen, sollte zunächst »der überaus wertvolle Erfolg eintreten, der auf dem Fortfall unvernünftiger Hemmungen« beruhen musste. Diese Überzeugungsarbeit konnte allerdings nur eine Behandlung des
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Zum Wirken Bruno Tauts vgl. Barnstone 2018. Zum politischen Anspruch Tauts im Kontext der Novembergruppe: Nentwig 2017. Taut 1927, S. I. Erwähnt wurde Taut in einem juristischen Kommentar zum Kunstfreiheitsartikel der Weimarer Reichsverfassung: »Bruno Taut, Bauen (gewidmet ›der lieben Baupolizei‹, 1927) […] Verf. Darf sich um so mehr auf diese Schrift beziehen, da sie ihm auf seine an die Hauptverwaltung des Bundes deutscher Architekten gerichtete Bitte um Material als die bezeichnet worden ist, die ›wohl am Treffendsten den Standpunkt der frei schaffenden Architekten zum Baupolizeirecht und seiner Durchführung wiedergibt‹.«, vgl. Kitzinger 1930, S. 475. Für eine Kunstgeschichte der Kunstfreiheit vgl. Graewe 2014. Vgl. Taut 1927, S. II. Rechtlich normierte Kunstvorstellungen standen nach Tauts Erkenntnis der Kunstbegriffsbildung insgesamt hemmend gegenüber: »Ernstlich auf Herz und Nieren untersucht und befragt, wird schließlich niemand das produktive Weiterarbeiten behindern wollen; zum mindest [sic!] niemand den Mut aufbringen, diese Absicht in aller Öffentlichkeit und so auszusprechen, daß er zur Verantwortung gezogen werden kann.«, vgl. ibid.
Künstlerische Bedeutung als Frage der Anschauung
Themas als eine »ästhetische Frage« in Betracht ziehen.7 Die Neudefinition des Begriffs Kunst für Publikum und Behörden sollte in deren eigener Sprache gelingen: »Das Wort ›Kunst‹ ist, von dieser Seite aus gesehen, so stark in Verruf gekommen, daß man es grundsätzlich verbannen möchte. Zur Bereinigung des Wohnhausbaues hat dieses Vorgehen seinen dialektischen Wert, doch jedenfalls nicht mehr als solchen, da es sich um die Ausfüllung des Begriffes Kunst mit einem anderen Inhalt handelt, für den das alte Wort abgegriffen und unpassend erscheint.«8 Im Arbeitsrat für Kunst propagierte Bruno Taut zusammen mit Walter Gropius die Dienstbarmachung der Künste als gesellschaftsverändernde Kraft zusammen mit bildenden Künstlern, Architekten und Kritikern.9 Das Bauen der 1920er Jahre war in diesem Programm nur eine erste Station, durch die »der weitere Weg erkennbar erscheint und […] begehbar gemacht wird.«10 Dieser Weg musste in der zuvor erwähnten Neudefinition des Kunstbegriffs bestehen. Der Kunstbegriff der Heimatschutzgesetze war für den Kunstpolitiker Bruno Taut zugleich Inbegriff einer »alten Ästhetik«, die sich, wenn nicht gegen die neuen Bedürfnisse der Gesellschaft, doch auch nicht mit deren Vorstellungen zu entwickeln schien. Der Kunstbegriff der Verunstaltungs- und Heimatschutzgesetze schien die Reklame, an der breite Teile der Gesellschaft Freude hatten, von den Fassaden der Innenstädte fern halten zu können.11 Juristisch durchsetzbar geworden, war dieser überkommene Kunstbegriff nach Tauts Einschätzung nicht mehr als ein »lebender Leichnam«, dem zu einem endgültigen Tode verholfen werden sollte, um nicht weiterhin unvernünftige Hemmungen zu erzeugen.12 Sonst schien die Gefahr zu drohen, dass »alte Gesetze und Rechte wie eine ewige Krankheit« weitergetragen würden. Der um 1900 im Kontext der Heimatschutzbewegung 7 8
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»Zu diesem Zweck mußte hier die ästhetische Frage ausführlicher behandelt werden, als sie es von einem radikalen Standpunkt aus verdient.«, vgl. ibid. Vgl. ibid., S. III. Die Revolutionarität dieser Forderung relativiert sich deutlich an Hermann Muthesius. In einem Beitrag unter dem Titel Kunst und Maschine aus dem Jahr 1902 war Kunst bereits nicht mehr als nur ein »donnerndes Wort«, das für die von ihm geforderte Verbindung von Kunst und Leben nicht geeignet schien: »Für diesen Begriff fehlt uns heute das Wort. Das donnernde Wort »Kunst« zu wählen, hat seine sehr bedenklichen Seiten. Man stellt sich unter diesem Begriff heute stets etwas Besonderes vor, dass ganz schiefe Urteile herauskommen.«, vgl. Muthesius 1902, S. 144. Mindrup/Altenmüller-Lewis 2015, S. 20. Vgl. Taut 1927, S. III. Auf diesen Aspekt geht Taut im zweiten Kapitel ein: »Wie urkomisch ernst hat man die Häuserbemalung genommen! Vereine wurden gegründet, Zeitschriften ›Die farbige Stadt‹, ›Das farbige Straßenbild‹, amtliche Verfügungen mit ›Richtlinien‹ erscheinen usw. usw. – und das alles auf einem Gebiet, das wie der Tanz Sache des einfachsten, lockersten, heitersten Impulses sein sollte.«, vgl. ibid., S. 12. Die Intermedialität des Kunstdiskurses wird auch von Taut anerkannt: »Auch mit der neuen Musik bildet sich hier ein Berührungspunkt. Kurt Dippner schreibt folgendes: ›So wurden wir Zeuge einer merkwürdigen Umstellung des Geschmacks auf Melodie und Einfachheit…so stehen doch zur neuen Idee, nämlich dem ›Zurück zur Einfachheit!‹, zu viele, daß ich es wage, dies als wichtigstes und elementarstes Gesetz der neuen Kunst auszusprechen […] Wo stehen wir? Wir gehen. Wir sind noch nicht am Ziel, aber wir sind ein Stück weitergekommen.«. »Diese Architektur und diese Kunst muß tatsächlich erst einmal sterben; alles, was diesem lebenden Leichnam zu seinem endgültigen Tode verhilft, ist nützlich. Seine Verwesungsstoffe bilden den Dünger für die neue Saat, damit sie möglichst gut aufgehen und Frucht bringen kann.«, vgl. ibid.
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Kunstbegriffe zwischen Recht und Praxis
ausgeprägte Kunstbegriff sollte eine »riesige Papierpyramide des Irrtums« erzeugt haben. Die »verschiedenen Gesetze gegen Verunstaltung mit ihren zahlreichen Erläuterungen, Ausführungsanweisungen, Gerichtsentscheidungen, Ministerialerlassen, Polizeiverordnungen, Ortsgesetzen, Ortsstatuten« schienen zu einem »Schutthaufen mit Splittern und Scherben edler Herkunft« verkommen.13 Das 1907 erlassene preußische Gesetz, gegen die Verunstaltung von Ortschaften und landschaftlich hervorragenden Gegenden, welches Taut als »Gesetz über Bauästhetik« bezeichnete, stellte er als »Architekturschund und -schutzgesetz« in den Kontext dieser Zeit. Differenziert bemerkte Taut aber ebenso, dass mit diesem Gesetz eine Rechtslücke geschlossen und dies durchaus als ein »Bedürfnis einer kulturell fortgeschrittenen Zeit« legitimiert wurde. Bruno Taut referierte auch die juristische Fragestellung, dass dieses Gesetz nun auf Verunstaltung, ebenso wie auf Beeinträchtigungen des Orts-, Straßen- und Landschaftsbildes zielen sollte. Um den Unterschied verständlich zu machen, zitierte Taut neben einem einschneidenden Urteil des Preußischen Oberverwaltungsgerichts aus einer Ausführungskommentierung: »Eine grobe Verunstaltung liegt nicht schon dann vor, wenn nur eine vorhandene Formschönheit verhindert wird oder auch ganz verloren geht. Die künstlerische Anlage einer Straße oder eines Platzes kann auf das Niveau des Gewöhnlichen herabgerückt werden. Das ist noch keine Verunstaltung, geschweige denn eine grobe. Auch nicht schon jede Störung der architektonischen Harmonie fällt unter jenen Begriff. Unerläßlich ist vielmehr für den Begriff der Verunstaltung die Herbeiführung eines positiv häßlichen, jedes offene Auge verletzenden Zustandes.«14 Das Gericht hatte den Begriff der Verunstaltung und damit den des Künstlerischen eben auf Grundlage dieser ästhetischen Fragestellung als »längst feststehenden bezeichnet«.15 Wovon Taut sprach, ist eine Fixierung des Kunstbegriffs, der als »offenes Auge« und sozialer Maßstab justiziabel geworden war. Bruno Taut kam zu der Schlussfolgerung, dass Ausgangspunkt dieser Entwicklung die Heimatschutzbewegung gewesen war. »Ein schönes altes Stadtbild oder eine schöne Landschaft« war nach seiner Einschätzung zum »schönen Alten« geworden, das dadurch nachgeahmt wurde, dass »ein hohes Dach auf die Neubauten [gestülpt wurde], ein Dach, das in alten Zeiten sei-
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Vgl. Taut 1927, S. 19. Die Normativität des ästhetischen Urteils sollte ihren expliziten Ausdruck im Bauzustand um 1880 gefunden haben. Zu der »angefaulten Denkverfassung« dieser Zeit führte Taut aus: »Aber das angefaulte Zentrum mußte – sonst wäre es eben nicht so – ja den verkehrten Weg einschlagen und konnte nicht anders als – die Polizei rufen. Und das noch mit geschwollener Brust: ›Erst der moderne Rechtsstaat ……machte den § 10 II 17 ALR zur Grundlage polizeilicher Tätigkeit in seiner gegenwärtigen Bedeutung.‹ Das mit dem wachsenden Wohlstand steigende (!) Maß ästhetischer Bildung (!) weiter Volkskreise (!) – ja – das erklomm den Gipfel seiner Bildung – schrie nach der Polizei. […] Was es in früheren Verordnungen gab, war harmlos; es gibt wenigstens die vereinzelte juristische Auffassung, daß die früheren behördlichen Bestimmungen von der Absicht ausgingen, das hochstehende produktive Schaffen vor Brechungen, Kompromittierungen und Verunglimpfungen zu schützen.«, vgl. ibid., S. 20. Vgl. ibid. »Der Begriff der groben Verunstaltung ist ein längst feststehender und setzt die Schaffung eines positiven häßlichen und daher jedes für ästhetische Gestaltung offene Auge verletzenden Zustandes voraus.«, vgl. ibid.
Künstlerische Bedeutung als Frage der Anschauung
nen Zweck in mehreren Speicherstockwerken erfüllte, heute aber leerer Hohlraum uns deshalb sinnlose Dekoration ist«.16 Zwar sollte nach Aussage eines ministeriellen Runderlasses von 1908 »für die andersgearteten Bedürfnisse der Gegenwart ein entsprechend stilgemäßer Ausdruck« gesucht werden, nach landläufiger Anschauung sollten moderne Erscheinungen aber nur Ausdruck einer »Geringschätzung der Überlieferung« sein.17 Tauts Blick auf die Rechtsöffentlichkeit ist dabei keineswegs auf die Verunstaltungsgesetze begrenzt: »Was daraus entstand, kann man aus der Unzahl der Gerichtsentscheidungen herauslesen, die sich fast immer mit gleichen Ausdrücken stets im Kreise wie um ein geheimnisvolles Etwas drehen, ein Etwas, das niemand findet. Warum sprach niemand das erlösende Wort: es ist ja nichts da! De gustibus non est disputandum – über Geschmacksdinge lässt sich kein Streit führen.«18 Angesichts dieser »ästhetischen Naturrechtlerei und Schönheitsvorschreiberei« sah sich Taut zu einer kritischen Wertungen veranlasst: Mit dem »subjektiven Ermessen« der Entscheidenden, der »kautschukartigen Fassung« des Gesetzes und schließlich damit, dass »I. keine Gemeinde zum Erlaß eines Statuts verpflichtet sei und daß 2. 3. 4. und fünftens die und die und die und die Instanz ja schließlich gehört werden müßte«, habe man sich hier nur getröstet.19 Dachformen, Gesimshöhen, Profile und womöglich ein bestimmter »Stil« galten als Orientierungspunkte, mit denen der Architekt »seinen neuen Bau mit einer Maskerade überziehen [und] Theater spielen [musste].«20 . Auch die Rolle der Juristen wollte Taut in diesem Zusammenhang nicht unerwähnt lassen. Sehr wohlwollend gab er zu bedenken, dass diese gar nicht anders konnten, »als in ihrer Berufsdialektik mit Begriffen zu jonglieren, die ihnen selbst völlig unbekannt waren«. Erst 1926 hatten sich die Versuche behördlicher Korrekturen jedenfalls für diesen Teil der Kunstverwaltung in einer Verfügung des preußischen Wohlfahrtsministeriums geäußert. Alle Dienststellen waren darin aufgefordert, es nicht mehr als die Aufgabe der Baupolizeibehörden zu betrachten, solche Projekte abzulehnen, die ihrem persönlichen 16
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Vgl. ibid., S. 26. Taut führt aus der Schweizerischen Zeitschrift Heimatschutz eine Erläuterung an, aus der die unmittelbare Verbindung zwischen baupolizeilich durchgesetzter, ästhetischer Vorstellung und der Heimat- bzw. Denkmalbewegung hervorgeht. Schon ein »Konglomerat aus allen möglichen importierten Stilteilen« wurde nach seiner Beschreibung als Künstlerisch seitens der staatlichen Denkmalpflege bewertet. Der Begriff des Zwecks verweist hier auf einen Abgrenzungsstreit, der im Zuge des kunstgewerblichen Funktionalismus nicht ohne Folgen für das Kunstverständnis bleiben sollte, dazu: Siegmund 2019, S. 40-41. Vgl. Taut 1927, S. 26. Wobei Taut weiter seinen Unmut metaphorisch zum Ausdruck bringt: »Diese Blütenlese aus den ›Gesetzen gegen Verunstaltung‹ entwickelt einen Duft, der jedenfalls stark Geschmackssache ist.«. Vgl. ibid., S. 21. Ibid. Dass Moritz Stockhammer mit dieser ästhetischen Naturrechtlerei auf dieses Rechtsgebiet abstellte, scheint naheliegend, Stockhammer 1932, S. 244. Exakt das gleiche Begriffspaar findet sich in seinem Beitrag aus den 1930er Jahren. Vgl. hier und im Folgenden: Taut 1927, S. 22. Der dem Durchschnittsbetrachter künstlerisch (Maßstab) erscheinende Stil war zum Gegenteil des von Taut propagierten Kunstbegriffs erklärt; zur Differenzierung von individuellem und kollektivem Stil zwischen modernem Urheberrecht und modernem Denkmalschutzrecht, vgl. Petri 2018, S. 51.
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Kunstbegriffe zwischen Recht und Praxis
Geschmack nicht entsprachen. So sollte man diese Vorsicht insbesondere »Persönlichkeiten gegenüber [walten lassen], deren Vorbildung oder Werdegang eine zweifellos künstlerische Auffassung und Wertleistung vermuten« ließen.21 Die Frage der dualen Historizität war formuliert. Für eine praktische Lösung befand Bruno Taut nicht mehr und nicht weniger als das Anerkenntnis eines doppelten Kunstbegriffs: Der »historisierende Baukünstler«, für den der Begriff der Kunst einen anderen Inhalt hatte, stand neben der »neuen Baugesinnung«, die auf den abgegriffenen Begriff der Kunst aber ganz verzichten können sollte.
II.
Fragestellung und Methode
Die Hochphase der Heimat- und Denkmalschutzbewegung um 1900 bis zum Inkrafttreten des preußischen Gesetzes gegen die Verunstaltung von Ortschaften und landschaftlich hervorragenden Gegenden 1907 bildet den Gegenstand des ersten Teils dieser Untersuchung. In dieser Zeit war das gesamte Kunstdenken von einem Dualismus geprägt, der nicht auf den Gegenstandsbereich der bildenden Kunst begrenzt war: dem zwischen »Empirie und ästhetischem Wissen«.22 Unterschiedliche kunsttheoretische Prämissen standen nebeneinander und konnten Verwirrung stiften, wobei dieser Zustand am Begriff des Malerischen beispielhaft nachvollzogen werden kann. Mit diesem konnte nicht nur aus Landschaftsbildern unterschiedlicher Art Bekanntes aufgerufen, sondern auch künftigem Bildinhalt vorgegriffen werden.23 Die Wirkmacht dieser malerischen Erfindung folgte nicht zuletzt aus den »Revisionen« der Malerei des 19. Jahrhunderts:24 Caspar David Friedrich etwa war nicht erst 1906 auf der Jahrhundertausstellung deutscher Kunst (1775-1875) wiederentdeckt worden. Für das Verständnis der zeitgenössischen Bildargumentation wesentlich ist die bereits 1905 eröffnete Ausstellung von Werken Deutscher Landschafter des 19. Jahrhunderts am Lehrter Bahnhof in Berlin. Dabei ist eines hervorzuheben: Dem altmodischen und nationalen Blick zu huldigen, war sicher kein Vorwurf, um den die Ausstellungsmacher verlegen waren. So wurde die »auf das Monumentale gerichtete Phantasie« in einer der konservativen Ausstellungsrezensionen, auf die Christian Scholl verweist, im Tenor des »heiligen Ernstes«, den der Landschaftsmaler bewahren sollte, nicht nur konstatiert, sondern auf die sich im Betrachter darstellende Landschaft bezogen. Eine solche Bewertung der Ideallandschaft stand dabei in Opposition zu einer Traditionsbildung, die die Landschaftsmalerei nach formalästhe-
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Vgl. ibid., S. 23. Taut wies darauf hin, dass seit den 1890er Jahren in der Architektur keine Werke, sondern bloße Muster gefordert wurden: »[…] wenn irgendwo ein leidlicher Bau der Gegenwart entstanden ist, so ist unter den heutigen Verhältnissen daran am allerwenigsten die geistige Leistung zu bewundern […] Es ist eine alltägliche Posse, daß die Baupolizei immer wieder Projekte bekämpft, die sie später nach der Ausführung als Muster empfiehlt, und – daß sie sich allzu oft ihres ursprünglichen Verhaltens gegen die ›Muster‹ nicht mehr entsinnen kann.«, vgl. ibid., S. 24. Dazu vgl. Guthmüller/Klein 2006, S. 1. Zur anfänglichen, philosophischen Fundierung der Kunstgeschichte s. die Beiträge in Gethmann-Siefert/Collenberg-Plotnikov 2008. Siegmund 2002, S. 62. Dazu im Folgenden: Scholl 2012, S. 596-604.
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Kunstbegriffe zwischen Recht und Praxis
Geschmack nicht entsprachen. So sollte man diese Vorsicht insbesondere »Persönlichkeiten gegenüber [walten lassen], deren Vorbildung oder Werdegang eine zweifellos künstlerische Auffassung und Wertleistung vermuten« ließen.21 Die Frage der dualen Historizität war formuliert. Für eine praktische Lösung befand Bruno Taut nicht mehr und nicht weniger als das Anerkenntnis eines doppelten Kunstbegriffs: Der »historisierende Baukünstler«, für den der Begriff der Kunst einen anderen Inhalt hatte, stand neben der »neuen Baugesinnung«, die auf den abgegriffenen Begriff der Kunst aber ganz verzichten können sollte.
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Fragestellung und Methode
Die Hochphase der Heimat- und Denkmalschutzbewegung um 1900 bis zum Inkrafttreten des preußischen Gesetzes gegen die Verunstaltung von Ortschaften und landschaftlich hervorragenden Gegenden 1907 bildet den Gegenstand des ersten Teils dieser Untersuchung. In dieser Zeit war das gesamte Kunstdenken von einem Dualismus geprägt, der nicht auf den Gegenstandsbereich der bildenden Kunst begrenzt war: dem zwischen »Empirie und ästhetischem Wissen«.22 Unterschiedliche kunsttheoretische Prämissen standen nebeneinander und konnten Verwirrung stiften, wobei dieser Zustand am Begriff des Malerischen beispielhaft nachvollzogen werden kann. Mit diesem konnte nicht nur aus Landschaftsbildern unterschiedlicher Art Bekanntes aufgerufen, sondern auch künftigem Bildinhalt vorgegriffen werden.23 Die Wirkmacht dieser malerischen Erfindung folgte nicht zuletzt aus den »Revisionen« der Malerei des 19. Jahrhunderts:24 Caspar David Friedrich etwa war nicht erst 1906 auf der Jahrhundertausstellung deutscher Kunst (1775-1875) wiederentdeckt worden. Für das Verständnis der zeitgenössischen Bildargumentation wesentlich ist die bereits 1905 eröffnete Ausstellung von Werken Deutscher Landschafter des 19. Jahrhunderts am Lehrter Bahnhof in Berlin. Dabei ist eines hervorzuheben: Dem altmodischen und nationalen Blick zu huldigen, war sicher kein Vorwurf, um den die Ausstellungsmacher verlegen waren. So wurde die »auf das Monumentale gerichtete Phantasie« in einer der konservativen Ausstellungsrezensionen, auf die Christian Scholl verweist, im Tenor des »heiligen Ernstes«, den der Landschaftsmaler bewahren sollte, nicht nur konstatiert, sondern auf die sich im Betrachter darstellende Landschaft bezogen. Eine solche Bewertung der Ideallandschaft stand dabei in Opposition zu einer Traditionsbildung, die die Landschaftsmalerei nach formalästhe-
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Vgl. ibid., S. 23. Taut wies darauf hin, dass seit den 1890er Jahren in der Architektur keine Werke, sondern bloße Muster gefordert wurden: »[…] wenn irgendwo ein leidlicher Bau der Gegenwart entstanden ist, so ist unter den heutigen Verhältnissen daran am allerwenigsten die geistige Leistung zu bewundern […] Es ist eine alltägliche Posse, daß die Baupolizei immer wieder Projekte bekämpft, die sie später nach der Ausführung als Muster empfiehlt, und – daß sie sich allzu oft ihres ursprünglichen Verhaltens gegen die ›Muster‹ nicht mehr entsinnen kann.«, vgl. ibid., S. 24. Dazu vgl. Guthmüller/Klein 2006, S. 1. Zur anfänglichen, philosophischen Fundierung der Kunstgeschichte s. die Beiträge in Gethmann-Siefert/Collenberg-Plotnikov 2008. Siegmund 2002, S. 62. Dazu im Folgenden: Scholl 2012, S. 596-604.
Künstlerische Bedeutung als Frage der Anschauung
tischen Grundsätzen bewertete und Bildinhalte im Sinne eines Stoff interesses kritisch sah.25 Auch die Vorstellung erhaltenswerter Orts- und Landschaftsbilder ist einerseits mit einer auf Stofflichkeit gerichteten Wirkungsästhetik, andererseits aber auch mit einem sich zur gleichen Zeit neu entwickelnden, »begrifflichen Sehen« verbunden.26 Auf rechtshistorischer Seite steht sodann folgende Ausgangskonstellation: Mit den Definitionen des Verunstaltungsrechts war die »subjektive Resonanz« als Modus der Rezeption der Landschaftsmalerei Grundlage des juristischen Urteils über Verunstaltung bzw. künstlerische Bedeutung geworden.27 Basierte die idealistische Ästhetik auf der Annahme einer in der Kunst erfahrbar werdenden Idee des Schönen, sah die Allgemeine Kunstwissenschaft später auch in der Einfühlungsästhetik, dem Kunstpositivismus oder dem neukantianischen Normativismus keine Alternative zu solchen Gleichsetzungen von Kunst und Ästhetik.28 Die Pluralität der auf dieser kunsttheoretischen Grundlage erfassbaren Gegenstände war als theoretische Herausforderung in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit gerückt.29 Ausgangspunkt des ersten Teils bildet in dieser Gemengelage die Annahme, dass das erinnerte Stadt- oder Landschaftsbild als Motiv der Malerei und als ästhetisches Objekt durch die Anschauung des Betrachters im Begriff des Malerischen vorweggenommen wurde. In anderen Worten: Die Zuweisung künstlerischer Bedeutung bzw. der Schutz vor Verunstaltung durch den Begriff des Malerischen folgte in der Denkmalöffentlichkeit einem am bekannten Kunstwerk gebildeten Kunstbegriff. In diesen Jahrzehnten stabilisierte sich dieses spezifische Kunstverständnis dadurch, dass dem ästhetischen Urteil gerichtlich Geltung verschafft werden konnte: Ein Architekturwerk musste nicht mehr architektonisch betrachtet werden. Anzunehmen ist, dass sich eine solche malerische Auffassung nicht im Kommunikationsnetz der Geschichts- und Altertumsvereine im 25 26
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Ibid., S. 523-524. Den Begriff prägt als Titel ihrer Untersuchung Anja Schürmann. Dabei ist darauf verwiesen, dass »wissenschaftliche Deskription als verbale Darstellung einer visuellen Darstellung in einem wissenschaftlichen Kontext« historisch nachzuvollziehen ist, vgl. Schürmann 2018, S. 25; hier bezieht sich Anja Schürmann auf Gabriele Rippel: »Der Oberbegriff Beschreibung benennt also jede verbale Repräsentation von natürlichen Objekten, Artefakten und Personen, Pikturalismus die ›malerische‹ Beschreibung von natürlichen Objekten, Artefakten und Personen, die diese so präsentiert, als ob es sich um Kunstwerke handele«, zit.n.: ibid. Vgl. im Folgenden Schürmann 2018, S. 12-14. Schürmann verweist auf Martin Warnkes Sektion Das Kunstwerk zwischen Wissenschaft und Weltanschauung auf dem Kunsthistorikertag 1970. Vgl. Dessoir 1925, S. 112. Collenberg-Plotnikov 2015, S. 26-27. Diesen grundlegenden Paradigmenwechsel beschreibt Bernadette Collenberg-Plotnikov, wobei dieser grundlegend für das Verständnis der Wechselwirkungen ist: »Indem sie so nicht die Werke selbst, sondern nur deren ›subjektive Resonanz‹ im Rezipienten erforschen, sehen sie jedoch nach Auffassung der Initiatoren der Allgemeinen Kunstwissenschaft von der Eigenart der Kunst als Kunst ab und thematisieren lediglich Gesetzmäßigkeiten, wie sie auch bei der Rezeption von Kunst auftreten.«, vgl. ibid. Diese Untersuchung geht daher von der Annahme aus, dass der Denkmalbegriff von jener vom Gegenstandsbereich der bildenden Kunst kommenden Rezeptionsweise geprägt wurde. Auch die Kunstgeschichte war um 1900 nicht frei von einer Erforschung dieser Resonanz; Kunstgeschichte, Ästhetik und Kunsttheorie bildeten vielmehr eine besondere Gemengelage (dazu: Scholl 2012, S. 15).
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Kunstbegriffe zwischen Recht und Praxis
Verlauf der Inventarisierungen des 19. Jahrhunderts durchsetzen konnte, dominierte dort eine formalästhetische, historische Theorie der Kunst. Beruhte das Verständnis malerischer Bilder entscheidend auf der Rezeption der Landschaftsmalerei und einer von Bildvokabeln geprägten Reiseliteratur in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, wird der Ausgangspunkt einer durch das Recht verbindlich erklärten, werterkennenden und wertbestimmenden Ästhetik nachgezeichnet.30 Es gilt der Frage nachzugehen, wie dieser Rezeptionsmodus genutzt wurde, um das noch zu realisierende Gemälde quasi als Inspirationsspeicher im Auge des Durchschnittsbetrachters vorwegnehmen zu können. Am Begriff des Malerischen soll demnach eine besondere Konstellation des Kunstdenkens um 1900 nachvollzogen werden, in der das Begriffssystem der bildenden Kunst auf die historische Umwelt und insbesondere die historische Architektur übertragen wurde.31 Die Kunstwertdiskussion um historische Bauwerke war in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts von einer Dualität geprägt: Rezipienten- und objektbezogene Kunstbegriffe überlagerten einander beispielsweise in den Beschreibungen der Restaurierungstätigkeiten in verschiedenen Bundesstaaten.32 Bei der Auswertung der Beiträge ist folglich insbesondere einer möglichen Differenzierung nachzugehen. Dabei muss zudem Berücksichtigung finden, dass ein begriffs- und ideengeschichtlicher Ansatz am Begriff des Malerischen nur einen Ausschnitt behandeln kann. Neben dem Begriff des Schönen prägte auch der Begriff des Erhabenen romantische Theorieentwürfe. Grundbedingung der Ästhetik des Erhabenen war die Emanzipation des Denkens, durch die eine als schön empfundene Landschaft auf die Vernunft des Subjekts bezogen werden konnte.33 Notwendig für den romantischen Sinnbezug war der äußere Gegenstand ebenso wie der Subjektbezug, da erst in der wertenden und damit künstlerischen Betrachtung die Natur zu einer »seelenvollen Landschaft« werden konnte.34 Die romantische Landschaftsmalerei übernahm, als eine Kunst des gesellschaftlichen Umbruchs, gleichzeitig
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Über Relevanz der Landschaftsmalerei für das Denken Schinkels und Goethes: Büttner 2004, S. 332-335. Dem zugrunde lag ein von Dagobert Frey begründeter, bildhafter Umgang mit Architektur und historischer Umwelt, vgl. Ullrich 2015, S. 150-151. Im Weiteren s.u. Das Denkmal wurde zum Speicher für schöne Formen und erhielt gleichsam einen Ausstellungswert: »Es war ein für jene Zeit […] verhängnisvoller Irrtum, dass man vermeinte, die Reform der Kunst auf dem Wege der hohen Theorie, durch eine einseitige belehrende Einwirkung auf Künstler und Publikum vollbringen zu können, während man auf die thatsächliche Stellung der Kunst zum Leben des Volkes einen viel zu geringen Werth legte. […] In Betreff eines anderen künstlerischen Gebietes, dem der sog. Kleinkünste oder des Kunstgewerbes, hat man die Richtigkeit dieses Grundsatzes ja bereits rückhaltlos anerkannt und bemüht sich mit allen Mitteln, eine innige Verbindung der Kunst mit dem Handwerk wieder herbei zu führen. […] sie haben einen derartigen Einfluss doch nur wohl deshalb erlangt, weil man in ihnen das glückliche Mittel sieht, um seine Freude [des Volkes] an der Kunst zu beleben und ihm die künstlerische Gestaltung seiner Umgebung allmälich wieder zum Bedürfniss zu machen.«, vgl. Fritsch 1876, S. 383-384. Die Notwendigkeit der Ästhetisierung des Alltages der breiten Bevölkerung wurde von der Heimatschutzbewegung gefordert. So wurde der ästhetische Anspruch gleichwohl auch politisch instrumentalisiert und mit dem »sittlichen Gedeihen« der Bürger in Verbindung gesetzt, vgl. Herold 2018, S. 91. Siegmund 2002, S. 94. Hierzu und im Folgenden: Ibid., S. 100.
Künstlerische Bedeutung als Frage der Anschauung
aus der Naturvorstellung der Aufklärung die Vorstellung der ästhetischen Bedeutung der Landschaft im Sinne einer historischen Umwelt. Folglich war das, was der romantische Landschaftsbegriff erfasste, einerseits die Landschaft als vor dem Menschen stehend und damit in sich sinnstiftend. Andererseits war der Begriff zugleich Ausgangspunkt des Zusammenspiels mit dem künstlerisch gestimmten Subjekt.35 Die erwähnte Einheit von Theorie und Praxis in der Romantik wird wiederum dadurch erkennbar, dass die Malerei nach dem Klassizismus des 18. Jahrhunderts eine Leitfunktion innerhalb der bildenden Kunst einnehmen konnte.36 Eine sich in der formalen Komposition äußernde normative Ästhetik, wie sie für die Historienmalerei prägend war, hatte durch die Reaktivierung der Rezeptionsfrage für das Kunstdenken an Bedeutung verloren.37 Der Begriff der Romantik nimmt sich heute vielfach aus, bourgeois und elitär zu sein; um 1800 wurde romantisch gleichbedeutend mit progressiv und modern verwendet.38 Dabei war der Kunstbegriff der Romantik eine Gegenposition zu einer als überkommen verstandenen Klassik.39 Erst subjektivistische Rationalitätsskepsis der Romantiker ermöglichte, modern zu denken, indem sie sich auch von bisherigen ästhetischen Standpunkten befreit hatte.40 Konfusion entsteht dadurch, dass unter verschiedenen geistesgeschichtlichen Vorzeichen auf ihr Denken verwiesen wird.41 So erweisen sich Heimat- und frühe Denkmalpflege unter den Kategorien des Schönen oder Malerischen als Umsetzung eines Rezeptionsmodus in anderem historischen Kontext. Es ist davon auszugehen, dass die gesetzgeberischen Aktivitäten auf dem Gebiet der Ästhetik am Ende des 19. Jahrhunderts hier eine nicht unwesentliche Rolle gespielt haben.42 Bis zum »Kampf um die Denkmalpflege« im Sinne Conrad Sutters und dem wohlbekannten Ausspruch Georg Dehios »Konservieren nicht Restaurieren« erklärt sich deshalb, wie die künstlerische Bedeutungszuweisung als im Wesentlichen assoziativ zu verstehen ist.43
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»[…] dass im landschaftlichen Blick die Natur erst als Landschaft konstituiert und so erst zur Sinninstanz macht.«, vgl. Siegmund 2002, S. 102. Knatz 2005, S. 116. Ibid., S. 121. Dahlhaus 1988, S. 262. Zur Aktualität der Methode Dahlhaus für die historischen Kunstwissenschaften: Obert 2016. Herold 2018, passim. Färber 2003, S. 45-46. Zu dieser romantischen Umwertung nach dem Ende der Romantik und am Beispiel der Ruine Eldena vgl. schon Möbius 1980. Rita Mohr de Pérez weist darauf hin, dass Wertzuweisungen wie die eines »ausgezeichneten Kunstwertes« nicht aus einem breiten Kontext hervorgegangen, sondern vielmehr in Zirkularverfügungen und Ähnlichem hoheitliche Anerkennung und damit erst Wirkung entfalteten, vgl. Mohr de Pérez 2001, S. 36. Zu diesem Georg Dehio zugeschrieben Ausspruch vgl. Herold 2018, S. 76. Conrad Sutter formulierte die Folgen, der von Johannes Grave als »klassizistische Wurzeln der Kunstgeschichte« bezeichneten Umstände (Grave 2007, S. 78-79): »Diese Verwirrung der Kunstbegriffe mußte zum Kampf um die Denkmalpflege führen. Das neunzehnte Jahrhundert, mit seinen mächtigen Errungenschaften auf dem Gebiete der technischen Erfindungen, des Verkehrs, wie der großen wissenschaftlichen Fortschritte auf allen Gebieten menschlicher Forschung, war für die Kunst ein Babylon, das uns die Verwirrung der Kunstbegriffe brachte.«, vgl. Sutter 1906, S. 77.
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Kunstbegriffe zwischen Recht und Praxis
Als Grundlage dieses ersten Teils werden nun auch die Auswertungsergebnisse unter Berücksichtigung des Begriffs des Malerischen in den hinsichtlich der Autoren und ihrer Themen in Fachkreisen einflussreichen Zeitschriften Die Denkmalpflege sowie Deutsche Bauzeitung herangezogen. Als rechtshistorische Quellen sind die wenigen juristischen Dissertationen und Zeitschriftenbeiträge der Jahre vor 1907 ebenso zur Auswertung gekommen wie die Bearbeitungen des Preußischen Verunstaltungsgesetzes in den beiden genannten Zeitschriften selbst; Rechts- und Denkmalöffentlichkeit sind hier nicht eindeutig zu trennen.44 Dabei konnten über Quellenverweise in veröffentlichter Sekundärliteratur wiederum bisher weniger bis nicht berücksichtigte Quellen erschlossen werden.
III.
Der Begriff des Malerischen und seine kunsttheoretische Dimension
Der Begriff des Malerischen ist in zwei semantische Bereiche zu gliedern: In einem mediumsspezifischen Sinne beschreibt malerisch das Darstellungsmittel, welches die Gattung der Malerei bestimmt.45 In einem übergeordneten Sinne ist der Begriff »eine Kategorie ästhetischer Wahrnehmung, eine rezeptionsästhetische Sehweise, die aus der Entwicklung der neuzeitlichen Wirkungsästhetik im 18. Jahrhundert entstand« und bis in das 20. Jahrhundert ausstrahlte.46 Unmittelbar auf den Rezipienten bezogen beschreibt der Begriff des Malerischen also eine bestimmte Anschauung der Außenwelt unter dem Aspekt ihrer ästhetisches Potenzial entfaltenden Bildhaftigkeit. Dabei wandte sich die Ästhetik des Malerischen von einer zuvor normativ gewordenen, klassischen Ästhetik ab, war ihr Interesse auf das Ungeordnete, das Naturhafte gerichtet.47 Als Ausdruck einer subjektiven Ästhetik löste sich das Malerische zunächst im England des 18. Jahrhunderts von der Gattung der Malerei.48 Später nimmt der Begriff für das Verständnis der poetischen Konzeption der jungen Kunstgeschichte, etwa in Jacob Burckhardts frühen Schriften, einen wichtigen Platz ein.49 Ausprägung fand dort die Beschreibung der landschaftlichen Ausblicke, Stadt- und Gebäudeansichten unter ma-
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War Alois Riegl doch zunächst auch Jurist, muss Berücksichtigung finden, dass er die Lösung der denkmalpflegerischen Debatten in legislativen Maßnahmen suchte (Bacher 1995, S. 20-30). In der Literatur über die Geschichte des Denkmalrechts werden die diskurshistorischen Besonderheiten des Verunstaltungsrechts nur am Rande behandelt oder gänzlich ausgespart. Dabei steht Felix Hammers Geschichte des Denkmalrechts in Deutschland mit umfassender Bibliographie noch immer allein (Hammer 1995). Zum Begriff als Kategorie der Kunstgeschichtsschreibung zu Barock und Rokoko: Engel 2018, S. 7785. Vgl. ibid., S. 77. Hier grundlegend ist zudem die Abgrenzung von Wirkungsästhetik zu Autonomiebzw. Werkästhetik bei: Fischer-Lichte 2005, hier: S. 3. Herold 2018, S. 84. John Macarthur und Mathew Aitchison haben jüngst ihre Forschungsergebnisse zusammengestellt, um ausgehend von der Arbeit des Kunsthistorikers Nikolaus Pevsners und der Problematik englischer Übersetzungen die bisher unberücksichtigte Relevanz der Bedeutungsvielfalt des Begriffs für Kunst- und Architekturgeschichte herauszustellen, vgl. Macarthur 2019. Rößler 2009, S. 73.
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Kunstbegriffe zwischen Recht und Praxis
Als Grundlage dieses ersten Teils werden nun auch die Auswertungsergebnisse unter Berücksichtigung des Begriffs des Malerischen in den hinsichtlich der Autoren und ihrer Themen in Fachkreisen einflussreichen Zeitschriften Die Denkmalpflege sowie Deutsche Bauzeitung herangezogen. Als rechtshistorische Quellen sind die wenigen juristischen Dissertationen und Zeitschriftenbeiträge der Jahre vor 1907 ebenso zur Auswertung gekommen wie die Bearbeitungen des Preußischen Verunstaltungsgesetzes in den beiden genannten Zeitschriften selbst; Rechts- und Denkmalöffentlichkeit sind hier nicht eindeutig zu trennen.44 Dabei konnten über Quellenverweise in veröffentlichter Sekundärliteratur wiederum bisher weniger bis nicht berücksichtigte Quellen erschlossen werden.
III.
Der Begriff des Malerischen und seine kunsttheoretische Dimension
Der Begriff des Malerischen ist in zwei semantische Bereiche zu gliedern: In einem mediumsspezifischen Sinne beschreibt malerisch das Darstellungsmittel, welches die Gattung der Malerei bestimmt.45 In einem übergeordneten Sinne ist der Begriff »eine Kategorie ästhetischer Wahrnehmung, eine rezeptionsästhetische Sehweise, die aus der Entwicklung der neuzeitlichen Wirkungsästhetik im 18. Jahrhundert entstand« und bis in das 20. Jahrhundert ausstrahlte.46 Unmittelbar auf den Rezipienten bezogen beschreibt der Begriff des Malerischen also eine bestimmte Anschauung der Außenwelt unter dem Aspekt ihrer ästhetisches Potenzial entfaltenden Bildhaftigkeit. Dabei wandte sich die Ästhetik des Malerischen von einer zuvor normativ gewordenen, klassischen Ästhetik ab, war ihr Interesse auf das Ungeordnete, das Naturhafte gerichtet.47 Als Ausdruck einer subjektiven Ästhetik löste sich das Malerische zunächst im England des 18. Jahrhunderts von der Gattung der Malerei.48 Später nimmt der Begriff für das Verständnis der poetischen Konzeption der jungen Kunstgeschichte, etwa in Jacob Burckhardts frühen Schriften, einen wichtigen Platz ein.49 Ausprägung fand dort die Beschreibung der landschaftlichen Ausblicke, Stadt- und Gebäudeansichten unter ma-
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War Alois Riegl doch zunächst auch Jurist, muss Berücksichtigung finden, dass er die Lösung der denkmalpflegerischen Debatten in legislativen Maßnahmen suchte (Bacher 1995, S. 20-30). In der Literatur über die Geschichte des Denkmalrechts werden die diskurshistorischen Besonderheiten des Verunstaltungsrechts nur am Rande behandelt oder gänzlich ausgespart. Dabei steht Felix Hammers Geschichte des Denkmalrechts in Deutschland mit umfassender Bibliographie noch immer allein (Hammer 1995). Zum Begriff als Kategorie der Kunstgeschichtsschreibung zu Barock und Rokoko: Engel 2018, S. 7785. Vgl. ibid., S. 77. Hier grundlegend ist zudem die Abgrenzung von Wirkungsästhetik zu Autonomiebzw. Werkästhetik bei: Fischer-Lichte 2005, hier: S. 3. Herold 2018, S. 84. John Macarthur und Mathew Aitchison haben jüngst ihre Forschungsergebnisse zusammengestellt, um ausgehend von der Arbeit des Kunsthistorikers Nikolaus Pevsners und der Problematik englischer Übersetzungen die bisher unberücksichtigte Relevanz der Bedeutungsvielfalt des Begriffs für Kunst- und Architekturgeschichte herauszustellen, vgl. Macarthur 2019. Rößler 2009, S. 73.
Künstlerische Bedeutung als Frage der Anschauung
lerischen Gesichtspunkten.50 Dieser als wirkungsästhetischer Perspektivenwechsel bezeichnete Vorgang wurde durch das Verunstaltungsrecht mitbestimmt.51 Erst Heinrich Wölfflins einflussreiche Schrift Kunstgeschichtliche Grundbegriffe aus dem Jahr 1915 formte den Begriffsinhalt des Malerischen nachhaltig als formale Qualität.52 Losgelöst von einem ursprünglichen Alltagsverständnis war das Denkmal, in jenem bereits beschriebenen weiteren Sinne, in den Jahren zuvor, so die Ausgangsüberlegung, also Ausdruck für einen Modus der ästhetischen Wahrnehmung historischer Umwelt geworden. Über seine Bedeutung in der Heimatschutzbewegung hinaus nahm der Begriff auch in der architekturbezogenen Öffentlichkeit nachhaltigen Einfluss auf die Formulierung des modernen Denkmalbegriffs.53 Besonders aufschlussreich für die Einordnung der Rolle des Malerischen als wesentliches Element des Kunstverständnisses um 1900 ist die kunstwissenschaftliche Aufarbeitung in der von Max Dessoir herausgegebenen Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft. In seiner Besprechung der Monografie Der Fall Böcklin und die Lehre von den Einheiten von Julius Meier-Graefe wies Max Déri dort 1907 auf einen entscheidenden Umstand im Umgang mit dem Adjektiv malerisch im Denken über Kunst dieser Jahre hin.54 Das Zusammenwirken von Romantikrezeption, Autonomieästhetik und Kunsthistorik im Verlauf des 19. Jahrhunderts hatte den Umgang mit diesem Begriff insbesondere im Bereich der Kunstkritik geprägt:55 »Die Begriffe ›malerisch‹ und ›zeichnerisch‹ spielen in der angewandten Ästhetik der letzten Jahre eine nach Ansicht des Referenten unheilvolle Rolle. Ihr Hauptnachteil liegt in ihrem Doppelsinn: sie können sowohl auf das Subjekt wie auf das Objekt des ästhetischen Aktes bezogen werden. Im Subjekt sollen sie eine bestimmte Seelenver-
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»Die Unsymmetrie hat einen geheimnisvollen Reiz, nämlich den des Malerischen, während die Symmetrie nur dann diesen Reiz erhält wenn der Beschauer sich seitwärts stellt und sie dadurch zur Unsymmetrie macht. Daher der langweilige Ausdruck der meisten Pracht-Bauten des vorigen Jahrhunderts, wo die Symmetrie oberstes Gesetz war.«, zit.n. Engel 2018, S. 85. Zur Verwendung des Malerischen bei Burkhardt und seinem akademischen Lehrer Franz Kugler: Macarthur 2019, S. 7. Vgl. Herold 2018, S. 83. Juristen wie von Wussow formulierten am Ende des 19. Jahrhunderts: »Selbst die Lage oder Aufstellung eines Gegenstandes und die dadurch gegebene Beziehung zur örtlichen Umgebung können entscheidend auf die Anerkennung desselben als Denkmal einwirken. Ist für diese Beziehung eines Gegenstandes zu einer örtlichen Umgebung weder die Kunst noch die lokale Geschichte von Erheblichkeit, so kann derselbe doch dadurch von Wichtigkeit sein, daß er seiner architektonischen oder landschaftlichen Umgebung zum Schmuck gereicht.«, vgl. von Wussow 1885, S. 3. Macarthur 2019, S. 1. Zum Anteil der psychologischen Ästhetik bei Wölfflin vgl. Czirr 2018, S. 124. Vinken 2010, S. 85; Lipp 1993, S. 14. Der Wölfflin-Schüler veröffentlichte als Anleitung zum Erleben von Werken der Baukunst, Bildhauerei und Malerei 1924 Das Bildwerk; das Derivat der psychologischen Ästhetik tritt bereits im Titel deutlich hervor, vgl. Bushart 2006, S. 567-577. Als Kunsthistoriker war Déri neben seiner Tätigkeit als Kunstkritiker auch als Dozent an der Berliner Hochschule für Bildende Künste tätig. »Diese Besprechung versucht, mit Ausschaltung alles eigentlich Kunstgeschichtlichen über jene ästhetischen Grundanschauungen von Meier-Graefe kritisch zu unterrichten«, vgl. Déri 1907, S. 128. Zur Person im Kontext des psychologisierenden Paradigmenwechsels um 1900 vgl. Bushart 2007a. Zur Kunstkritik dieser Zeit als »angewandte Ästhetik« im Spannungsfeld einer auch auf aktuelle Kunstpraxis gerichteten Kunsthistorik vgl. Scholl 2012, S. 15.
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Kunstbegriffe zwischen Recht und Praxis
fassung bezeichnen, am Objekt deuten sie auf die Art der Ausführung mit Farbe oder mit Linien.«56 Dabei verwies das am Betrachter ausgerichtete Kunstverständnis auf eine besonders wirkmächtige psychologische Ästhetik, die die Rezeption zeitgenössischer Kunst einerseits erschweren, andererseits aber auch erst ermöglichen konnte.57 In seinem Beitrag auf dem II. Kongress für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft 1924 zum Thema Wesensbestimmung der Architektur sollte Dagobert Frey einige Jahre später auf einen Wandel der ästhetischen Denkfiguren in Bezug auf Architektur hinweisen.58 »Ein Architekturwerk muß aber«, stellte Frey fest, »keineswegs architektonisch betrachtet werden. Es ist sogar bezeichnend, daß der Laie vielfach mehr zu einer malerischen Auffassung neigt, daß er mehr die zufälligen Gruppierungen und Überschneidungen, die bildmäßigen Ausschnitte, die ›malerischen Winkel‹ sucht und bevorzugt.«59 Die Rolle des Rechts erwähnt Frey nicht. Berücksichtigt man, dass Max Dvořák Frey als Mitarbeiter des Kunsthistorischen Instituts der »k. k. Zentralkommission zur Erforschung der Kunst- etc. Denkmäler« aufgenommen hatte, ist die Nähe zum Riegl’schen Denkmalbegriff und seinen Bedeutungskategorien nicht fernliegend.60 Mit seiner Feststellung, dass »eine Architektur durch einen rahmenden Torbogen oder ein Fenster gesehen, sofort bildhaften, malerischen Charakter annimmt«, stellte Frey ein Kunstdenken in den Mittelpunkt, das nicht formalästhetisch an den Ausdrucksmitteln im Sinne von Farbe und Linien orientiert sein konnte.61 Es ist die subjektorientierte-psychologische Komponente wie sie auch Jacob Burckhardt in seiner Vorlesung Zur Einleitung in die Aesthetik der bildenden Kunst ausgeführt hatte, die in der Bemerkung zum Ausdruck kommt, »dasselbe Objekt könne künstlerisch verschieden betrachtet [werden] z.B. malerisch, plastisch oder architektonisch«.62 Ein Architekturwerk konnte nach dieser Bestimmung quasi bildhaft zu schützen sein, wenn es in diesem Sinne malerisch betrachtet werden konnte:
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Vgl. Déri 1907, S. 130. Verwiesen ist folglich auf die Notwendigkeit subjektiver Unmittelbarkeit für die theoretische Erfassung neuer Kunst. Doch kann die Rückbeziehung auf die überwiegende Zahl der Menschen zugleich dem Modernen skeptisch gegenüberstehen: »[…] und doppelt unfaßlich wäre es, wie unter solchen Umständen das Problem der normativen Ästhetik hätte auftauchen können. Denn bevor die Legalität des Richterspruchs angefochten und geprüft werden konnte, mußte doch für diesen selber Gelegenheit da sein; streitende Parteien, deren jede das Recht auf ihrer Seite sah, mußte die Entscheidung herausfordern; d.h. unbildlich geredet, sehr ungleiche ästhetische Effekte derselben Gegenstände auf verschiedene Menschen und demnach ganz unverträgliche Ansichten über Schönheit mußten vorausgegangen sein, um überhaupt die Frage erheben zu lassen, ob eine autoritative Satzung in ästhetischen Dingen statthaft ist.«, vgl. Spitzer 1912, S. 473. So wurde etwa auch diskutiert, ob »Böcklin als Maler gelten, ob man ihn den Titel eines Künstlers im Sinne der höheren Ästhetik zuerkennen könne« (Déri 1907, S. 129); eine Frage, die auch im 2. Teil nochmals relevant werden wird. Zur problematischen Stellung Freys in der kunsthistorischen Forschung zum Nationalsozialismus vgl. Störtkuhl 2004. Vgl. Frey 1925, S. 70. Zur Mitarbeit Freys am Institut vgl. Brückler 2009, S. 264. Vgl. Frey 1925, S. 70. Vgl. Frey 1925, S. 64. Zur Ästhetik von unten bei Jacob Burkhardt vgl. Tauber 2000, S. 94-97.
Künstlerische Bedeutung als Frage der Anschauung
Das mit bildender Kunst verknüpfte Denken spielte hier erkennbar eine entscheidende Rolle.63 Eine Grundbedingung, für die schon an diesem Punkt anklingende Verwirrung der Kunstbegriffe um 1900, ist die Ambivalenz der romantischen Kunsttheorie, in die auch das Malerische einzuordnen ist. Was den historiografischen Zugriff erschwert, ist die landläufige Annahme, romantisch sei, was als romantisch bezeichnet würde.64 Als Fundament eines spezifischen Kunstbegriffs förderte die romantische Theorie einerseits Gegenentwürfe, andererseits aber auch die ästhetisch-normative Bedeutungsverschiebung ihrer Begriffe, die später Bestandteil der Kunstrezeption in Moderne und Postmoderne werden konnten.65 Dies erklärt zugleich, weshalb die Romantik zu einem der »schillerndsten Epochenbegriffe« überhaupt werden konnte, sind die Schriftquellen ihrer Theoretiker fast unüberschaubar.66 Ideengeschichtlich gespeist von der Realität der Idealisten, ist Romantik ein kunsttheoretischer Begriff, der für einen bestimmten Zugang zu der von einer beginnenden Technisierung erfassten Realität steht. Anders als in der Zeit des Klassizismus wurden nicht die Formen vergangener Epochen als Muster identifiziert.67 Prägend ist die romantische Kunsttheorie ebenso für die Forderung nach der Einheit von ästhetischem Begriff und ästhetischem Gegenstand einerseits sowie der Einheit von Kunstgeschichte und Kunstkritik andererseits.68 Der Begriff des Malerischen enthält als Kategorie ästhetischer Wahrnehmung und vor dem Hintergrund des geschilderten kunsttheoretischen Kontextes ein illusionistisches Moment.69 Wie Friedrich Wolfzettel beschreibt, impliziert das Malerische im wörtlichen Sinne bildhaftes Sehen ebenso wie »die logische Reduktion der Wirklichkeit auf die Momente, die sich für diese Sehweise eignen und deren Arrangement einem offensichtlich neuen Bedürfnis ästhetischer Welterfassung entgegenkommen«.70 In der Ästhetik des Malerischen spiegelt sich ein »Prozeß der Pluralisierung und Subjektivierung des Schönen« wider. Zugleich erweisen sich an der Begriffsgeschichte des Malerischen die für ein Verständnis der Funktionsweise der idealistischen Ästhetik entscheidenden Prinzipien.71 Als Inbegriff einer neuzeitlichen Wirkungsästhetik ermöglicht der Begriff des Malerischen nicht nur die Ästhetisierung der Umwelt, sondern auch die Ausbildung einer Sphäre der Kunst. In seiner medienspezifischen Bedeutung tritt das Adjektiv malerisch bereits im 19. Jahrhundert als Synonym für »bebildert«, »illustriert«, »bildhaft anschaulich« auf.72 Damit wird der wirkungsästhetische Gehalt
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In Wesensbestimmung der Architektur verwies Frey auf eine wesentliche Eigenschaft hin: »Wenn Architektur Kunst ist, so kann sie, ästhetisch betrachtet, nicht Wirklichkeit schlechthin sein.«, vgl. Frey 1925, S. 64. Die äquivoke Rolle des Begriffs in der Kunstwissenschaft verdeutlicht: Tadday 1999, S. 206. Dazu im Folgenden: Knatz 2005, S. 106-109. Vgl. ibid., S. 108. Scholl 2007, S. 101. Hierzu: Knatz 2005, S. 114. Zur Relevanz s. 3. Teil. Zum Aufkommen des picturesque in der englischen Reiseliteratur vgl. Jung 2017, S. 23. Im Folgenden vgl. Wolfzettel 2001, S. 761. Zum Aspekt eines allgemeinen Wunsches dieser Zeit nach Lesbarkeit der Welt vgl. Apel 1983. Wolfzettel 2001, S. 762-763.
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Kunstbegriffe zwischen Recht und Praxis
des Begriffs deutlich, der neben die Ästhetik des disegno trat.73 Die Ästhetikgeschichte des Malerischen wäre nur verkürzt dargestellt, würde man sie allein auf William Gilpin eingrenzen.74 Gleichwohl begann in seinen Schriften und denen Uvedale Prices die Ablösung des Begriffs von der Gattung der Malerei. Gleiches gilt für die Naturästhetik, in welcher das Malerische ebenfalls eine bestimmte Form der Seherfahrung beschreibt. Mit der Kategorie des Malerischen wurde die Sprache der Kunst gleichsam demokratisiert und zum Inbegriff der »pointierten Wirkungsästhetik«.75 Als bewegliche Größe in einem ästhetischen Begriffsfeld tritt das Malerische zudem als Synonym für das Humboldt’sche »Kunst-Interesse« hervor: Zeitgenössische Reiseberichte begleitende Zeichnungen gaben das Bedeutungsvolle bildhaft wieder.76 Die malerische Ruine war, was eine Szenerie erst aussagekräftig machen konnte. Die Rückverwandlung der Natur in ein »scheinbar natürliches Gesamtkunstwerk« erfolgte dabei zunächst durch die malerische Erlebnisform im Betrachter.77 Malerisches Sehen war im Geist der englischen Landschaftsästhetik das »Sehen mit den Augen eines Malers«; Wirkungsästhetik konnte den Gegensatz von Kunst und Natur aufheben.78 Deutlich wird dieser Prozess auch durch die Umwandlung der historischen Architektur in einen ästhetischen Gegenstand. So konnte auch die Ruine als »ein vorzügliches Zeugnis der allem Ursprünglichen inhärenten natürlich-organischen Ganzheit« bewahrt werden.79 Die Kategorie des Malerischen war dann nicht mehr Ausdruck einer Suche nach einem Zugang zur Wirklichkeit. Erst durch den Verlust dieser Rezeptionspraxis hatte die ästhetische Kategorie, Ausdruck eines tendenziell demokratischen Kunst-Interesses, ihre »fortschrittliche Dimension« verloren und wurde zu einem »Ideologem der Antimoderne«.80 Im 18. Jahrhundert war zuvor die Kategorie des Schönen zum »Sammelbecken« eines neuen Kunstdenkens geworden.81 Vormals Ausdruck sinnlicher Vorstellungskraft, wurde das Schöne für die Beschreibung des in der Antike gesuchten Kunstideals gebraucht.82 Damit war das Schöne zum »Gewohnheitsbegriff ohne philosophische Brisanz« geworden, zu einem inhaltlich erschöpften Begriff also, der die ästhetische Theorie als »Kanon und Gesetz« hemmte.83 Begriffsinhalte zwischen dem Schönen und dem Malerischen scheinen daher zu verschwimmen. 73 74 75 76 77 78
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Ibid., S. 764-765. Dazu und mit Blick auf den kunsttheoretischen Diskurs des Barock: Macarthur 2019, S. 3. Von Trotha 1999, S. 291. Dies kann am Beispiel des Lake District beispielhaft nachvollzogen werden: Bainbridge 2019. Wolfzettel 2001, S. 778. Uvedale Price formulierte dies in folgendem Zusammenhang: »If there were no other means of seeing with the eyes of painters, than by acquiring the practical skill of their hands, the generality of mankind must of course give up the point«, vgl. Price 1842, S. X. Wolfzettel 2001, S. 787. Implizit scheint Friedrich Wolfzettel die Denkmalwerte-Diskussion anzusprechen, wenn er feststellt, die Kategorie bezeichne nun »auch kein spezifisches Sehen mehr, sondern bestimmte Gegenstände, die gleichsam Ursprünglichkeit verbürgen und in einem ständig sich beschleunigenden Prozeß der Modernisierung Ruhepunkte natürlicher Zustände bilden«, vgl. ibid., S. 787. Reschke 2003, S. 408. Ibid., S. 417. Vgl. ibid. Diese Verabschiedung des Schönen zugunsten neuer Konzepte formulierte Christian Hermann Weisse in System der Ästhetik als Wissenschaft von der Idee der Schönheit (1830).
Künstlerische Bedeutung als Frage der Anschauung
Ausgehend von obigem Überblick zu den ästhetikgeschichtlichen Grundlagen ist festzuhalten: Romantik und Idealismus sind als »Diskursformationen« eng mit der Frühphase der Moderne verbunden.84 Als dynamische Begriffsfelder fehlt es ihnen an einheitlichen Linien, aus denen sich einheitliche Begriffe ableiten ließen. Es ist demnach unzutreffend von einem Kunstbegriff der Romantik oder des Idealismus zu sprechen.85 Das Bewusstsein für die Vielstimmigkeit dieser Epoche ist vielmehr Verständnisgrundlage der Wechselwirkungen im historischen Prozess der Herausbildung kultureller Semantik. Auf das Kunstverständnis bezogen bedeutet dies, dass Kunstsemantik und romantische Ästhetik im Sinne eines kunsttheoretischen Modus auch weiterhin korrespondierten.86 Ihre literarischen Quellen sind der Ort einer »Poetologie des Wissens«, an dem das Wissen um Kunst nicht nur reproduziert, sondern erst strukturiert wurde.87 Dabei sind die Reaktionen, Rivalitäten und Überschneidungen aber derart, dass Ausgangs- und Endpunkte nicht zu benennen sind.88 Gemeinsames ist nach Auffassung Helmut Hühns dort jedenfalls die Einsicht in die »Historizität und Kulturalität« eines Verständnisses von Kunst im Allgemeinen.89
IV.
Die Rezeption der Landschaftsmalerei des 19. Jahrhunderts – Übertragung einer Anschauung
Die Konsolidierung des Heimatbegriffs erfolgte um 1900 an der Landschaftsmalerei des 19. Jahrhunderts.90 Konfrontiert waren die Landschaftsmaler mit einer Natur, die zunehmend von Objekten menschlicher Einflussnahme geprägt wurde, Natur die damit zu Vergangenheit geworden war.91 In ihren Bildern wurde der historischen Umwelt und ihren Relikten eine neue Bedeutung zugewiesen: War ein Kloster zum Zeitpunkt der Bildentstehung nur noch eine Ruine, durch die napoleonische Säkularisation ihrer Funktion enthoben, konnte diese malerisch betrachtet zum Denkmal werden.92 »Aber als Bildinhalt, als gemaltes Element innerhalb einer Landschaft, gewinnt die leere Fassade neuen Sinn«, beschreibt Matthias Winzen diese malerische Bedeutungskonstitution.93 Dieser neue Wert lag in der bloßen Möglichkeit »eine neue ästhetische Be-
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Ich stütze mich in diesem Unterkapitel auf die Ausführungen in Hühn 2018 (hier: S. 323). Überschneidungen sind hier schon damit gerechtfertigt, dass rechtswissenschaftliche Arbeiten den Zusammenhängen hinter dem Begriff Romantik regelmäßig nicht nachgehen. Zum Verhältnis von Romantik und Idealismus: Ziche 2015, S. 126. So erklärt sich, wie das Verhältnis von »Ding und Bild« in dieser Zeit zu einem entscheidenden Problem werden konnte, vgl. Grave 2021, S. 49. Strobel 2010, S. 30. Hühn 2018, S. 324-325. Ibid., S. 331. Matthias Winzen konnte über die »kunstgeschichtliche Grundlagenarbeit« hinausgehend die Entstehung des Heimatbegriffs aus der rheinischen Landschaftsmalerei aufzeigen, vgl. Winzen 2020, S. 26. Lamberty 2015, S. 84. Winzen 2020, S. 29. Vgl. Ibid.
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Künstlerische Bedeutung als Frage der Anschauung
Ausgehend von obigem Überblick zu den ästhetikgeschichtlichen Grundlagen ist festzuhalten: Romantik und Idealismus sind als »Diskursformationen« eng mit der Frühphase der Moderne verbunden.84 Als dynamische Begriffsfelder fehlt es ihnen an einheitlichen Linien, aus denen sich einheitliche Begriffe ableiten ließen. Es ist demnach unzutreffend von einem Kunstbegriff der Romantik oder des Idealismus zu sprechen.85 Das Bewusstsein für die Vielstimmigkeit dieser Epoche ist vielmehr Verständnisgrundlage der Wechselwirkungen im historischen Prozess der Herausbildung kultureller Semantik. Auf das Kunstverständnis bezogen bedeutet dies, dass Kunstsemantik und romantische Ästhetik im Sinne eines kunsttheoretischen Modus auch weiterhin korrespondierten.86 Ihre literarischen Quellen sind der Ort einer »Poetologie des Wissens«, an dem das Wissen um Kunst nicht nur reproduziert, sondern erst strukturiert wurde.87 Dabei sind die Reaktionen, Rivalitäten und Überschneidungen aber derart, dass Ausgangs- und Endpunkte nicht zu benennen sind.88 Gemeinsames ist nach Auffassung Helmut Hühns dort jedenfalls die Einsicht in die »Historizität und Kulturalität« eines Verständnisses von Kunst im Allgemeinen.89
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Die Rezeption der Landschaftsmalerei des 19. Jahrhunderts – Übertragung einer Anschauung
Die Konsolidierung des Heimatbegriffs erfolgte um 1900 an der Landschaftsmalerei des 19. Jahrhunderts.90 Konfrontiert waren die Landschaftsmaler mit einer Natur, die zunehmend von Objekten menschlicher Einflussnahme geprägt wurde, Natur die damit zu Vergangenheit geworden war.91 In ihren Bildern wurde der historischen Umwelt und ihren Relikten eine neue Bedeutung zugewiesen: War ein Kloster zum Zeitpunkt der Bildentstehung nur noch eine Ruine, durch die napoleonische Säkularisation ihrer Funktion enthoben, konnte diese malerisch betrachtet zum Denkmal werden.92 »Aber als Bildinhalt, als gemaltes Element innerhalb einer Landschaft, gewinnt die leere Fassade neuen Sinn«, beschreibt Matthias Winzen diese malerische Bedeutungskonstitution.93 Dieser neue Wert lag in der bloßen Möglichkeit »eine neue ästhetische Be-
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Ich stütze mich in diesem Unterkapitel auf die Ausführungen in Hühn 2018 (hier: S. 323). Überschneidungen sind hier schon damit gerechtfertigt, dass rechtswissenschaftliche Arbeiten den Zusammenhängen hinter dem Begriff Romantik regelmäßig nicht nachgehen. Zum Verhältnis von Romantik und Idealismus: Ziche 2015, S. 126. So erklärt sich, wie das Verhältnis von »Ding und Bild« in dieser Zeit zu einem entscheidenden Problem werden konnte, vgl. Grave 2021, S. 49. Strobel 2010, S. 30. Hühn 2018, S. 324-325. Ibid., S. 331. Matthias Winzen konnte über die »kunstgeschichtliche Grundlagenarbeit« hinausgehend die Entstehung des Heimatbegriffs aus der rheinischen Landschaftsmalerei aufzeigen, vgl. Winzen 2020, S. 26. Lamberty 2015, S. 84. Winzen 2020, S. 29. Vgl. Ibid.
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Kunstbegriffe zwischen Recht und Praxis
deutung« mittels der Verarbeitung durch den Maler zu gewinnen.94 Vergleichbar mit der Eingliederung säkularisierter Kulturgüter in die Museen, wird die Wertzuschreibung als spezifischer Rezeptionshorizont nachvollziehbar.95 Die Selbstvergewisserung vor der auf dem Rhein vorbeifahrenden Moderne verlangte gleichsam diese Umwertung. Die »rheinromantische Malerei«, die auch Ruinen wieder zu Burgen werden lassen konnte, identifizierte gleichsam Orientierungspunkte für »die kollektive Erfindung einer stabilen, lebendigen und gültigen Grundformel […], die Sinn stiftete und half, die sich rapide verändernde Umwelt weiterhin als ›Heimat‹ zu empfinden.«96 Alles, was diesen Verlust durch die Inbeziehungsetzung von Vergangenheit und Gegenwart auszugleichen vermochte, konnte eine Umwertung erfahren. Auch das einfache bäuerliche Wohnhaus konnte in der Tiefe eines Landschaftsbildes ästhetische Bedeutung gewinnen. Insbesondere die Ruine aber auch das Landschafts- und Ortsbild wurden zu Reflexionsflächen dieser Anschauung.97 Diese Reflexionsflächen waren einem weiten Publikum bekannt, denn mit dem Aufkommen der Vervielfältigungstechniken hatte sich die Rezeptionsform von historischer Architektur grundlegend geändert.98 Artistisch-historische Beschreibungen waren an die Stelle der direkten Objektrezeption getreten.99 »Es erhebt sich«, um mit Anja Schürmann zu sprechen, »die Frage nach der Konvergenz von begrifflicher und sinnlicher Weltaneignung«.100 Mit Blick auf die Geschichte des Kunstdenkens muss damit auch die strukturelle Problematik der »subjekts- und objektstheoretischen Begründung« des Ästhetischen nochmals erwähnt werden.101 Aus Christian Scholls Hinweis auf eine »spannungsvolle Geschichte« des Zusammenwirkens von Wirkungs- und Autonomieästhetik auf der einen und Kunsthistorik auf der anderen Seite scheint sodann die Annahme einer zunächst wirkungsästhetischen Prävalenz naheliegend.102 Daraus ist zu schlussfolgern, dass, indem ein an zahlreichen Landschaftsbildern geschulter Autor eine historische Architektur in ihrer natürlichen Umgebung historisch-artistisch beschrieb, er dieser eine künstlerische Bedeutung gab und sie als ästhetisches Objekt erfasste.
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Ibid. Die Verbindung zwischen künstlerischer Bedeutung und Rezeption als Kunstwerk, die Matthias Winzen unter Verweis auf Walther Benjamins Differenzierung von Kult- und Ausstellungswert bemerkt, ist entscheidend. 96 Vgl. Winzen 2020, S. 32. 97 Andrea Siegmund weist diese Entwicklung in der kunstgeschichtlichen Auseinandersetzung mit der Rolle der Ruine im romantischen Landschaftsgarten nach (Siegmund 2002, S. 61). 98 Zur Relevanz der Ansichtskarten für den »tradierten Blick«, vgl. Wiemers 2012. 99 In der seit 1887 erschienenen Denkmaltopografie Die Kunstdenkmäler von Bayern, die von den Denkmalpflegern Gustav von Bezold, Berthold Riehl und Georg Hager herausgegeben wurde, stellten diese im Band zum Regierungsbezirk Oberbayern 1895 fest: »Die Anschauung ist stets die erste und massgebende Grundlage der kunstgeschichtlichen Forschung, eine gute Abbildung gibt sicherere Aufschlüsse als die wortreichste Beschreibung.«, zit.n.: Noell 2008, S. 25. Die subjektorientierte Ausrichtung dieser angewandten Ästhetik tritt deutlich hervor. 100 Vgl. Schürmann 2018, S. 12. 101 Wolandt 1971, S. 241. 102 »Romantikrezeption, Autonomieästhetik und Kunsthistorik haben im 19. Jahrhundert eine gemeinsame, spannungsvolle Geschichte, die bislang noch nicht geschrieben worden ist.«, vgl. Scholl 2012, S. 15.
Künstlerische Bedeutung als Frage der Anschauung
Aus einer zeitgenössischen Bildargumentation abgeleitet, verwies jene Bedeutungskategorie zugleich auf die Kunstpraxis zurück, die auf den Erhalt ihrer Motive angewiesen war. Kein anderes Bild ergibt sich bei einem Blick auf die Personen hinter dem 1904 gegründeten Deutschen Bund Heimatschutz. Dessen erster Vorsitzender, Paul SchultzeNaumburg, war als Landschaftsmaler zum Architekten geworden und hatte mit der »Kultur des Sichtbaren« eine gesellschaftliche Breitenwirkung für die Denkmalpflege befördert.103 Matthias Noell verweist mit Blick auf den »fotografischen Blick Herrn Schultzes« auf die Problematik einer inhaltlichen Erfassung jener Kultur des Sichtbaren.104 Geprägt waren die Positionen des Publizisten, Unternehmers und Mitbegründers des Deutschen Werkbundes jedenfalls von einem eigenen Anspruch an den »herkömmlichen Kunstbegriff«.105 Begrifflichkeit und bildliches Sehen – oder eben der »fotografische Blick« – standen in einem spezifischen Verhältnis. Dieser am (Landschafts-)Bild geprägte Blick wurde dabei schon von zeitgenössischen Kommentatoren als konstitutiv für ein spezifisches Kunstdenken gewertet.106 Dabei wird augenfällig, dass die Möglichkeit, ein Stadt-, Orts- oder Landschaftsbild malerisch festhalten zu können, künstlerische Bedeutung konstituierte.107 Dieser Prozess der »ästhetischen Codierung«, wie er sich um 1900 im Bereich der Heimatschutzbewegung zeigt, birgt einen noch nicht näher untersuchten Zusammenhang.108 So wurde die heimatliche 103 Zur problematischen Verquickung dieser »Kultur des Sichtbaren« mit der Idee einer »Physiognomie unseres Landes« bei Schulze-Naumburg vgl. Bohde 2012. Mit der problematischen Stellung dieser Person in der Kulturgeschichte des 20. Jahrhunderts beschäftigen sich zuletzt die Beiträge in Kulturreformer – Rassenideologe – Hochschuldirektor. Der lange Schatten des Paul Schultze-Naumburg, vgl. Meier/Spiegel 2018. Das reformatorische Streben vor dem 1. Weltkrieg darf angesichts der Wirkmächtigkeit seiner Person dennoch Berücksichtigung finden und gibt angesichts der breiten Institutionalisierung desselben in Denkmal- und Naturschutz Anlass, ein reformerisches Potenzial besser zu verstehen. 104 Hierzu im Folgenden Noell 2018, S. 33-45. 105 Noell verweist auch auf eine besonders aufschlussreiche Passage in Joseph August Lux Volkstümliche Kunst. Ansichten von alten heimatlichen Bauformen, Land- und Bauernhäusern, Höfen, Gärten, Wohnhäusern, Hausrat etc., Wien/Leipzig 1904: »In den folgenden Bildern wird Begrabenes lebendig. Oder vielleicht nur Vergessenes. Werte, die sich mit dem herkömmlichen Kunstbegriff nicht decken, und die dennoch die wahre künstlerische Vergangenheit des Volkes verkörpern. Sie liegen abseits von der offiziellen Architektur, die achtlos an der volkstümlichen Überlieferung vorübergegangen ist.«, zit.n.: Noell 2018, S. 33. 106 Siegfried Lilienthal, alias Fritz Stahl, bemerkte im Berliner Tageblatt 1902 »Der Text dient den Bildern, die der wichtigste Theil sind.«, zit.n. ibid., S. 37. 107 In seinen Kulturarbeiten stellte Schultze-Naumburg 1902 fest: »Man wird vielleicht sagen: Das erste Bild ist eben besonders ›malerisch‹ aufgenommen. Ich kann nur konstatieren, dass sich bei solchen guten Anlagen das ›Malerische‹ ganz von selbst als eine Begleiterscheinung einstellt. Ich bin an diesem Garten zu irgendeiner nicht vorher festgestellten Stunde mit meinem Kodak vorbeigekommen und sofort ordnete sich das Treppenmotiv zum angenehmen Bild. Aus der Anlage auf 95 könnte auch der geschickteste Künstler kein erträgliches Bild gewinnen.«, zit.n.: ibid., S. 38-39. 108 Zum Begriff, der gleichwohl auch auf die Anfangsphase übertragen werden kann, vgl. Schmitz/ Söhningen 2018, S. 71. Über diesen besonderen Forschungsgegenstand – Landschaftsmalerei des 19. Jahrhunderts – Heimatschutzbewegung – Natur- und Denkmalschutz – schreibt Christian Baur: »Spontan wird man eher dazu neigen, die äußere oder innere Verwandtschaft so vieler verschiedener Dinge für ausgeschlossen zu halten. Trotzdem will ich mich nicht darauf einlassen, durch Begriffsdefinitionen mögliche, noch nicht näher untersuchte Zusammenhänge bereits im Keim aufzulösen.«, vgl. Baur 1992, S. 21.
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Kunstbegriffe zwischen Recht und Praxis
Landschaft durch die spezifische, ästhetische Aufmerksamkeit zunächst der Mitglieder zahlreicher kleinerer Vereine und Verbände interpretiert und damit erst konstruiert.109 Das Denkmal- und Landschaftserlebnis war letztlich ein spezifisches Verhältnis des Subjekts zu seinem Lebensumfeld, ein Verhältnis, das an romantische Zusammenhänge erinnert.110 Auch in Schultze-Naumburgs Buch Der Studiengang des modernen Malers – ein Vademecum für Studierende, das 1896 erschienen war, zeigt sich deutlich, dass eine klare Differenzierung von einer durch ein Gemälde vermittelten Landschaftserfahrung und der Erfahrung des Menschen – unter dem Begriff des Malerischen – unmittelbar verschwimmen musste.111 Fand im 19. Jahrhundert eine dynamische Entwicklung neuer Bildmedien statt, war das als Kunstwerk verstandene Gemälde im kunsttheoretischen Diskurs zum Inbegriff des Bildes geworden.112 Die an der Malerei dieser Zeit entwickelten Rezeptionsgewohnheiten prägten den Blick auf die Wirklichkeit in entscheidender Weise. Zugleich konnten neue Bildmedien solche Gewohnheiten auch modifizieren und neue Begriffsbildungen befördern.113 Johannes Grave weist darauf hin, dass schließlich auch der Begriff Landschaft kein klar definierter Ausschnitt der Natur ist, sondern von Landschaft nur die Rede sein kann, wenn »ein Betrachter – auf der Basis gewisser objektiv gegebener Voraussetzungen – die Natur als Landschaft erlebt«.114 Wenn auch hier der Verweis auf ein an der Fläche ausgerichtetes Verständnis von Bildlichkeit anklingt, ist auf den »spezifischen Blick auf Architektur« Bezug genommen.115 Dieser Bezug zwischen Landschaft und Landschaftsbildern einerseits sowie der Gemäldegattung andererseits wird damit deutlich. Im allgemeinen Sprachgebrauch wurde der Begriff Landschaft seit dem 18. Jahrhundert für literarische Naturbeschreibungen ebenso wie für visuelle Eindrücke angewandt, die an jene bildkünstlerische Gattung erinnern konnten.116 Die Wortwahl verwies damit unmittelbar auf ein Kunstverständnis, das durch den vielfachen Gebrauch der »Bildvokabeln« in einer breiten Öffentlichkeit ausgeprägt worden war.117 Erst aus dieser begrifflich vermittelten Bildhaftigkeit konnte das Denkmal in dem hier entscheidenden weiten Sinne erfahrbar werden. Autoren wie Theodor Fontane hatten diese »Sehschule« noch in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts populär gemacht und 109 Zur Rolle der zivilgesellschaftlichen Gruppen als »heritage-makers« in der Ausbildung des Denkmalbegriffs im europäischen Kontext vgl. Swenson 2013, S. 66-143. Zum Neben- und Miteinander von Bund Heimatschutz und den älteren und zahlreichen Geschichts-, Altertums-, und Verschönerungsvereinen: Ringbeck 1991, S. 219-220. 110 Frank/Lobsien 2001, S. 620. Die Parallelen zwischen diesem Kunstverständnis im Sinne einer subjektorientierten Ästhetik und dem der reformerischen Kunstgewerbebewegung aus der Arts and Crafts Tradition darf dabei nicht unterschlagen werden, vgl. mit Zitaten Henry van de Veldes und dem Antagonismus Schönheit/Hässlichkeit: de Rudder 2018, S. 101. 111 Baur 1992, S. 25. Schultze-Naumburg war bei Naumburg und damit inmitten der Thüringischen Burgen- und Ruinenlandschaft aufgewachsen, dazu de Rudder 2018, S. 103. 112 Grave/Schubbach 2010, S. 154. 113 Der Begriff der Gestaltung trat in einem produktionsästhetischen Sinne neben den der Form, vgl. Bushart 2010, S. 200 und 2. Teil. 114 Grave 2009, S. 427. Gleiches mag für das Werk als ästhetisches Objekt gelten. 115 Beyer/Burioni/Grave 2011, S. 12. 116 Hoffmann 2011, S. 110. 117 Vgl. ibid.
Künstlerische Bedeutung als Frage der Anschauung
durch häufige Bezugnahme auf Aussichtspunkte, sich aus Fenstern bietende Anblicke, eine verständliche Bildargumentation befördert.118 Die Annahme der Zusammenhänge zwischen diesem poetischen Realismus und einem Kunstbegriff, der sich aus der Rezeption des Landschaftsgemäldes in dieser Zeit entwickeln sollte, wird nicht zuletzt dadurch gestützt, dass noch in den Jahren nach 1910 Denkmalpfleger wie Max Dvořák den Zusammenhang zwischen Denkmalbegriff und Bildbetrachtung bedienten.119 Nur der malerische Blick konnte ein Denkmal erlebbar machen. Hinter diesem Blick steht eine Distanz, »der ein vom Subjekt ausgehender Akt der Distanzierung« vorausgeht.120 Diese Einsicht formulierte auch Dagobert Frey, der mit der Kategorie des Malerischen die Möglichkeit des Betrachters erfasst hatte, historische Architektur in »bildmäßiger Isolierung« zu erleben.121 Die zeitgenössische Bildargumentation im architektonischen Zusammenhang war auf besonders intensive Weise mit dem Stadtbild verbunden, das unmittelbar auf das »Orts-, Dorf- und Straßenbild« verweist.122 Ähnlich der Landschaft ist ein solches Stadtbild von der menschlichen Wahrnehmung abhängig, folgt aus dem, was dem eigenen Bild von den Gestalten der einzelnen Gebäude und deren Verhältnis zueinander entspricht.123 Reale Konfiguration und inneres bzw. erinnertes Bild verbinden sich hier.124 Hans-Rudolf Meier verweist darauf, dass dieses spezifische Bild als visuelle Argumentation gegen Veränderungen bereits in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts nachweisbar ist. Die malerische Erfindung der Landschaft und die Zuweisung ästhetischer Bedeutung im
Nora Hoffmann rekonstruiert diesen Einfluss an Theodor Fontanes Wanderungen: »Darüber hinaus wird das Ziel, eine literarische Bildhaftigkeit zu erreichen, anhand früherer Titel der Zeitschriftenbeiträge, die später zusammengefasst als Wanderungen erscheinen, ersichtlich: In der Kreuzzeitung wurden einige Aufsätze als Märkische Bilder veröffentlicht, im Morgenblatt für gebildete Leser unter der Bezeichnung Bilder und Geschichte aus der Mark Brandenburg. Fontane betonte damit ausdrücklich die angestrebte Anschaulichkeit und den Versuch, im Medium des Textes Bildlichkeit zu vermitteln«, vgl. ibid., S. 110. Johannes Rößler hat dargelegt, wie die Grenzen zwischen kunsthistorischen Sachtexten, die nicht aus dem Objektbereich der bildenden Kunst allein begründet wurden und einer ästhetisierenden Kunstliteratur in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts verschwimmen, vgl. Rößler 2009, S. 7. Zum Spannungsfeld zwischen dem Anspruch etwas Ästhetisches zu bieten und dem auf Wissenschaftlichkeit im Kontext Fontantes‘ Wanderungen durch die Mark Brandenburg: Karge 1998. 119 »Wer sich darüber Klarheit verschaffen will, was uns an alten Städten, an alten Bauwerken und Landschaften, die mit architektonischer Staffage versehen sind, interessiert und packt, der braucht nur – um die letzten Stadien zu nennen – den Weg zu wandeln, der etwa von Guardi zu Turner, von Turner zu Whistler führt.«, vgl. Dvořák, Denkmalpflege in Österreich, 1911, zit.n.: Herold 2018, S. 154. Stephanie Herold belegt auch an Äußerungen Alois Riegls, wie ein an der Landschaftsmalerei geprägtes Sehen das Denkmal konstituierte. 120 Vgl. Grave 2009, S. 430. 121 Auf dem Kongress 1924 stellt er fest: »Ein Architekturwerk muß aber keineswegs architektonisch betrachtet werde. […] Das Wesentliche dieser malerischen Betrachtung liegt bezeichnenderweise in der bildmäßigen Isolierung und Distanzierung.«, vgl. Frey 1925, S. 70. 122 Vgl. Meier 2011, S. 92. 123 Zu den Zusammenhängen zwischen einer am Gemeinwohl orientierten Landschaftsdefinition vgl. Lamberty 2015, S. 84. 124 Dazu im Folgenden: Meier 2011, S. 94-103. 118
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Landschaftsbild konnten allerdings auch parallele Entwicklungen darstellen.125 Durch die Verknüpfung eines aus der Landschaft gewonnenen Stimmungswerts und dessen Übertragung auf ganze Siedlungen wurde der moderne Denkmalbegriff erprobt: 1903 plädierte Alois Riegl mit dem »malerischen Straßenbild« für den Erhalt von Bauwerken aus dem 18. Jahrhundert und offenbarte damit die Relevanz der »Entdeckung des Betrachters« für den Denkmalbegriff selbst.126 Dieses Bekenntnis zu einer »Ästhetik von unten«, wie Gustav Theodor Fechner seine neue Wirkungsästhetik beschrieb, findet sich auch bei August Schmarsow. Dessen Zurückweisung eines materialistischen Formbegriffs war grundlegend für die Kunstwertung der Architektur.127 Das »architektonische Kunstwerk« sollte im Auge des Betrachters entstehen.128 Um 1900 verstetigte sich der Einfluss der Einfühlungsästhetik in der Kunstgeschichte, wie sie von August Schmarsow und Heinrich Wölfflin geprägt worden war.129 Beide hatten sich die Architektur als Ausgangspunkt gewählt. So gilt Augst Schmarsow als Repräsentant einer empirischpsychologischen Kunstgeschichte.130 Der Begriff des Malerischen ermöglichte bei ihm die »Negierung der Körperlichkeit und […] Überwindung der Materie«.131 Die aus der Bildargumentation um 1900 folgende Verunstaltungsdiskussion wird besonders in den Texten der Heimatschutzaktivisten deutlich: Obwohl schon 1897 erstmals erschienen, hatte Schultze-Naumburg Ernst Rudorffs Aufsatz Heimatschutz in der Auflage von 1926 deutlich überarbeitet.132 In den Ausführungen dieses zweiten Protagonisten der Heimatschutzbewegung ergänzte Schultze-Naumburg deutliche Verweise auf das malerische Denken: »Unsere Städte, unsere Dörfer verwandeln fast vor unseren Augen ihr Aussehen; die alten Bauernhäuser in ihrer scharf ausgeprägten Eigenart, Nichts anderes beschreibt Meier, wenn er auf die »an der zeitgenössischen Kunst geschulte Bildargumentation« verweist, ibid., S. 99. 126 Meier spricht hier von einer »wesentlichen Innovation um 1900«, vgl. ibid., S. 98. 127 Zu August Schmarsow im Kontext der Begriffsbildung um die Kunstgewerbe-Ausstellung 1906 vgl. Sildatke 2013, S. 29. Schmarsow seinerseits richtete sich gegen eine normative Ästhetik, dazu auch Scholl 2012, S. 564. Schon 1896 war seine Monografie Zur Frage nach dem Malerischen. Sein Grundbegriff und seine Entwicklung erschienen. Die Problematik um die Verwirrung des Formbegriffs und seiner Bedeutung fasst Anna-Maria Bartsch zusammen: »Ähnlich dem Schönheitsbegriff kann auch im Kontext des Formbegriffs ein Unterschied zwischen dem alltäglichen Wortgebrauch, mit dem das spezifische Erscheinungsbild der Sache gemeint ist, und der philosophischen Bedeutung des Formbegriffs festgestellt werden.«; vgl. Bartsch 2017, S. 21. 128 »Ist die aufgeschichtete Masse zweckvoll behauener Steine, wohlgefügter Balken und sicher gespannter Wölbungen das architektonische Kunstwerk, oder entsteht dies nur in jenem Augenblick, wo die aesthetische Betrachtung des Menschen beginnt, sich in das Ganze hineinzuversetzen und mit einer freien Anschauung alle Teile verstehend und genießend zu durchdringen? Sowie wir in diesem schauenden Genuß die eigentliche Hauptsache erblicken, […] so sinkt das technische Gerüst, der ganze Aufwand an massigem Material zu einer sekundären Bedeutung herab, nämlich des Mittels zum aesthetischen Zweck.«, vgl. Schmarsow 1894, S. 8-9. 129 Bushart 2007b, S. 154. Die psychologisierenden Ansätze hatte ihren »endgültigen Siegeszug« angetreten, vgl. ibid, S. 167. Dazu auch ausführlich und mit Blick auf die Rolle Aby Warburgs s. Schützeichel 2013. Zur Einfühlungsästhetik als Ausdruck eines antiformalistischen Standpunkts: Czirr 2018, S. 124. 130 Ibid., S. 161. 131 Vgl. ibid., S. 172. 132 Vgl. Tiedeken 1994, S. 5. 125
Künstlerische Bedeutung als Frage der Anschauung
die alten Häuser der Städte mit ihren sinnvollen Inschriften, dazu Tore und Türme und mit ihnen die alten malerischen Straßenbilder schwinden mehr und mehr.«133 Die Ausweisung dieser Passage als wörtliches Zitat aus einem Aufruf der Kommission zur Erforschung und zum Schutz der Denkmäler der Provinz Sachsen aus dem Jahr 1900 scheint die normative Qualität dieses Kunstbegriffs unterstreichen zu wollen.134 Zahlenmäßig begrenztes, bürgerschaftliches Engagement hatte ihren Kunstbegriff nicht nur im Bereich der Verunstaltungsgesetzgebung, die zunächst auch Baugestaltungsgesetzgebung war, sondern auch in der auf Natur- und Denkmalschutz gerichteten Setzung etablieren können. Angesichts einer von Johann Joachim Winckelmann geprägten Auffassung der Kunst als etwas aus dem Bekannten zu Definierendem, war durch die Normierung dieser Argumentation die Verwirrung um die »geschichtliche oder künstlerische Bedeutung« endgültig festgeschrieben.135 Festzuhalten ist, dass im Argument des Orts- oder Straßenbildes, der Bestimmung von Straßen oder Plätzen von künstlerischer Bedeutung der Rezeptionsakt eindeutig angelegt war. Diese Rezeptionsfrage wurde von der Heimatschutzbewegung auf Denkmal- und Naturschutz übertragen und damit als Thema einer »kulturellen Öffentlichkeitsarbeit« geprägt.136 Verarbeitet wurde die Verlusterfahrung gegenüber der historisch gewordenen Umwelt bereits seit der frühen Neuzeit in Stadtansichten und Veduten.137 Um 1900 waren es dann kunsthistorisch akademisierte Denkmalpfleger, die hierfür das »Malerische als anschaulichen Ausdruck der Geschichtlichkeit und damit als Erhaltungsargument« anführten.138 Alois Riegl und Max Dvořák hatten sich beide an der Wechselbeziehung von Landschaftsmalerei und den Anfängen des Denkmalschutzes bedient.139 Erst später war die Verknüpfung des Kunstbegriffs mit der Kategorie des Malerischen im Speziellen und der Ästhetik im Allgemeinen im Zuge des Wissenschaftlichkeitsanspruchs zurückgedrängt worden.140
V.
Die Denkmalöffentlichkeit und die Konstituierung des Denkmals aus dem malerischen Blick
Bevor es mit dem Kunstbegriff des Malerischen durch das Inkrafttreten des preußischen Gesetzes gegen die Verunstaltung von Ortschaften und landschaftlich hervorragenden
133 134
Rudorff 1926, S. 24. Zu Leben und Person Ernst Rudorff vgl. Knaut 1991, S. 22-23. Rudorff bemerkte, dass diesem Aufruf »die ernsteste Beachtung und Beherzigung allerorten zu wünschen wäre.«, vgl. Rudorff 1926, S. 23. 135 Breuer 1980, S. 40. 136 Zu dieser rezeptionshistorisch grundlegenden Folgerung vgl. schon Koethen 1981, S. 55. 137 Meier 2011, S. 97. 138 Hans-Rudolf Meier verweist hier auf Riegls Aussagen selbst, weshalb auch das Argument des modernen Denkmalbegriffs der Problematisierung der künstlerischen Bedeutung aus dem Begriff des Malerischen nicht entgegensteht: »Neben Riegl, dessen Rezeptionsansatz den Denkmalbegriff revolutionierte, ist vor allem August Schmarsow zu nennen […]«, vgl. ibid., S. 98. 139 Herold 2018, S. 116. 140 Zur Rolle des Rechts bei der Etablierung der Parallelität von künstlerischem und (kunst-)historischem Wert im Denkmalbegriff s.u.
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Künstlerische Bedeutung als Frage der Anschauung
die alten Häuser der Städte mit ihren sinnvollen Inschriften, dazu Tore und Türme und mit ihnen die alten malerischen Straßenbilder schwinden mehr und mehr.«133 Die Ausweisung dieser Passage als wörtliches Zitat aus einem Aufruf der Kommission zur Erforschung und zum Schutz der Denkmäler der Provinz Sachsen aus dem Jahr 1900 scheint die normative Qualität dieses Kunstbegriffs unterstreichen zu wollen.134 Zahlenmäßig begrenztes, bürgerschaftliches Engagement hatte ihren Kunstbegriff nicht nur im Bereich der Verunstaltungsgesetzgebung, die zunächst auch Baugestaltungsgesetzgebung war, sondern auch in der auf Natur- und Denkmalschutz gerichteten Setzung etablieren können. Angesichts einer von Johann Joachim Winckelmann geprägten Auffassung der Kunst als etwas aus dem Bekannten zu Definierendem, war durch die Normierung dieser Argumentation die Verwirrung um die »geschichtliche oder künstlerische Bedeutung« endgültig festgeschrieben.135 Festzuhalten ist, dass im Argument des Orts- oder Straßenbildes, der Bestimmung von Straßen oder Plätzen von künstlerischer Bedeutung der Rezeptionsakt eindeutig angelegt war. Diese Rezeptionsfrage wurde von der Heimatschutzbewegung auf Denkmal- und Naturschutz übertragen und damit als Thema einer »kulturellen Öffentlichkeitsarbeit« geprägt.136 Verarbeitet wurde die Verlusterfahrung gegenüber der historisch gewordenen Umwelt bereits seit der frühen Neuzeit in Stadtansichten und Veduten.137 Um 1900 waren es dann kunsthistorisch akademisierte Denkmalpfleger, die hierfür das »Malerische als anschaulichen Ausdruck der Geschichtlichkeit und damit als Erhaltungsargument« anführten.138 Alois Riegl und Max Dvořák hatten sich beide an der Wechselbeziehung von Landschaftsmalerei und den Anfängen des Denkmalschutzes bedient.139 Erst später war die Verknüpfung des Kunstbegriffs mit der Kategorie des Malerischen im Speziellen und der Ästhetik im Allgemeinen im Zuge des Wissenschaftlichkeitsanspruchs zurückgedrängt worden.140
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Die Denkmalöffentlichkeit und die Konstituierung des Denkmals aus dem malerischen Blick
Bevor es mit dem Kunstbegriff des Malerischen durch das Inkrafttreten des preußischen Gesetzes gegen die Verunstaltung von Ortschaften und landschaftlich hervorragenden
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Rudorff 1926, S. 24. Zu Leben und Person Ernst Rudorff vgl. Knaut 1991, S. 22-23. Rudorff bemerkte, dass diesem Aufruf »die ernsteste Beachtung und Beherzigung allerorten zu wünschen wäre.«, vgl. Rudorff 1926, S. 23. 135 Breuer 1980, S. 40. 136 Zu dieser rezeptionshistorisch grundlegenden Folgerung vgl. schon Koethen 1981, S. 55. 137 Meier 2011, S. 97. 138 Hans-Rudolf Meier verweist hier auf Riegls Aussagen selbst, weshalb auch das Argument des modernen Denkmalbegriffs der Problematisierung der künstlerischen Bedeutung aus dem Begriff des Malerischen nicht entgegensteht: »Neben Riegl, dessen Rezeptionsansatz den Denkmalbegriff revolutionierte, ist vor allem August Schmarsow zu nennen […]«, vgl. ibid., S. 98. 139 Herold 2018, S. 116. 140 Zur Rolle des Rechts bei der Etablierung der Parallelität von künstlerischem und (kunst-)historischem Wert im Denkmalbegriff s.u.
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Gegenden von 1907 »Ernst« werden konnte, musste dieser zunächst ein Eigenleben entwickeln.141 In anderen Worten: Damit sich der Wortlaut dieses Gesetzes zu einem Bekenntnis des Gesetzgebers zu dem partizipativen Potenzial des subjektorientierten Kunstbegriffs entwickeln konnte, musste in der Denkmalöffentlichkeit eines geschehen, nämlich die zuvor skizzierte Übertragung eines Ästhetikbegriffs.
1.
Der Kunstbegriff in der Denkmalinventarisation des 19. Jahrhunderts
Was hier nicht gänzlich außer Acht gelassen werden kann, ist die Denkmalinventarisation, die für die Entwicklungslinie eines akademischen, kunsthistorischen Kunstbegriffs steht.142 Dabei sind Denkmalinventare als Sammlungen nicht sammlungsfähiger Objekte zu verstehen.143 Wesentliche Grundlage des von den juristisch versierten Funktionsträgern der Kunst-, Geschichts- und Altertumsvereine erarbeiteten, 1902 verabschiedeten großherzoglich-hessischen Gesetzes, den Denkmalschutz betreffend war das bereits im entsprechenden französischen Gesetz vom 30. März 1887 umgesetzte Listensystem.144 Nach diesem System war die Aufnahme in ein Inventar konstitutiv für den staatlichen Schutz.145 Während in den Inventaren sowohl der Begriff des Baudenkmals wie auch der des Kunstdenkmals vertreten waren, verweist die Strukturierung der Anleitung für die Erstellung jener Inventare auf zugrundeliegende, kunsttheoretische Prämissen.146 Für das Königreich Hannover lag beispielsweise ein dreibändiges Werk mit dem Titel Kunstdenkmäler und Alterthümer in Hannover vor.147 Das 1873 begonnene Inventar für Elsass-Lothringen war mit Kunst und Alterthum in Elsass-Lothringen überschrieben. Ein erstes Inventar für Bayern wurde erst 1892 fertiggestellt.148 Angesichts
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»Max Dvořák wies schon zu Anfang unseres Jahrhunderts darauf hin, dass derjenige, der verstehen will, was uns an Landschaften mit architektonischer Staffage interessiere, den Weg zurück etwa zu Guardi und über Guardi hinaus gehen müsse […] das preußische Gesetz vom 17. Juli 1907 […] machte dann Ernst mit diesem Gedanken.«, vgl. Breuer 1976, S. 21. Dazu schon unter dem Gesichtspunkt des »kunsthistorischen Interesses«. Zur Geschichte der Quellengattung Denkmalinventar: Noell 2008. Noell 2003, S. 25. Auch die Umgebung der erfassbaren Denkmäler konnte aufgenommen werden, dazu Stähler 1985, S. 17. In den Einzelstaaten des Deutschen Reiches wurden erste denkmalpflegerische Publikationen von Altertumsvereinen und Vereinen für Geschichts- und Landeskunde herausgegeben. Diese Medien waren damit Träger einer frühen Wertediskussion. Grundlage waren Kriterienkataloge, welche der Aufnahme in ein Inventar zugrunde lagen. Schon in den 1820er Jahren war die Erheblichkeit für Geschichte und Kunst als zusätzlich Angabe für die Aufnahme eines Denkmals in einem preußischen Runderlass nachweisbar, dazu: Noell 2008, S. 24. In der Zeitschrift des Vereins für das Museum schlesischer Alterthümer wird dies beispielhaft deutlich: »Auf den Wunsch der k. Regierung soll eine Uebersicht der in der Provinz Schlesien zur Zeit noch vorhandenen Kunstdenkmale zusammengestellt werden […] Um die Ertheilung dieser Angaben zu erleichtern, die Beantwortung unserer auf dem beifolgenden Formular gestellten Fragen bequemer zu machen, zu zeigen, auf was es überhaupt bei Bestimmung eines Kunstwerkes hauptsächlich ankommt, ist die nachstehende Anleitung abgefaßt worden.«, vgl. Schultz 1873, S. 177. Vgl. DBZ 1875, S. 321. Dazu im Einzelnen: Stähler 1985, S. 16.
Künstlerische Bedeutung als Frage der Anschauung
der Vielgestaltigkeit der in den Bundesstaaten vorherrschenden Inventarisierungspraktiken forderte der Verband Deutscher Architekten- und Ingenieur-Vereine 1879 eine einheitliche Vorgehensweise für die Erstellung der Inventare. Ein solches Inventar sollte eine textuelle Beschreibung aller in den jeweiligen Landesteilen vorhandenen »Denkmäler der Baukunst, Bildhauerkunst, Malerei und der verschiedenen Kunstgewerbe von der älteren Zeit bis auf unsere Tage enthalten«.149 Entscheidend sollte deren kunst- und kulturhistorische Bedeutung sein.150 Mit dem von der künstlerischen Bedeutung zu unterscheidenden kunsthistorischen Interesse ist folglich auf die Besonderheit der fachbezogenen Kunsttheorie verwiesen: Im 19. Jahrhundert durchdrang auch das Geschichtsbewusstsein alle Bereiche des öffentlichen Lebens.151 Karl Friedrich Schinkel gilt hier als der Wegbereiter für einen Kunstbegriff, durch den Kunst zur primären, historischen Quelle werden konnte, die davon berichten konnte »wie man dachte und empfand«.152 Kunstgeschichte, Altertumswissenschaften und Archäologie etablierten sich nicht nur als eigenständige Universitätsfächer, sondern befriedigten ebenso ideelle Bedürfnisse der Zeit.153 Eben im Kontext dieser Grundhaltung konnten im Verlauf des 19. Jahrhunderts die Relikte der Vergangenheit durch hoheitliche Maßnahmen als »kunst- und kulturpolitische Objekte« in den Fokus treten.154 Auf administrativer Ebene waren diese Bemühungen um die Mitte des 19. Jahrhunderts von dezentralisierten Inventarisationsvorhaben getragen, durch die identifiziert werden sollte, »welches Interesse an die Orte und Denkmale geknüpft werden könnte.«155 Auch Schinkel begründete die Schutzwürdigkeit historischer Architektur beispielsweise damit, dass diese »in geschichtlicher und artistischer Hinsicht ein allgemeines Interesse erregen« müsste.156 Etwa zur gleichen Zeit wirkte der »künstlerische Wert« in der bayerischen Kulturpolitik als Kategorie für die Bestimmung des Interesses.157
149 Im Folgenden vgl. Bergau 1879, S. 185. 150 Bergau definiert sein Verständnis von kunst- und kulturhistorischer Bedeutung als »aller derjenigen Kunst-Produkte, welche durch ihr Alter, ihre Darstellung, ihre Formen, ihre Schicksale oder ihre historische Bedeutung von besonderem Interesse sind.«, vgl. ibid. 151 Dolgner 1994, S. 515; zur Kunstgeschichte als historische Theorie der Kunst vgl. Locher 2010. 152 Zum Zitat und Schinkels intellektueller Prägung vgl. Peters 2001, S. 11. 153 Hartung 2010, S. 6. 154 Für den preußischen Fall vgl. Neugebauer 2013, S. IV. 155 Vgl. Noell 2013, S. 49. 156 Obwohl sich schon bei Schinkel der Begriff des Malerischen für die Beschreibung seiner Denkmalerlebnisse nachweisen lässt, wird in der vorliegenden Untersuchung eine spezifische, auf die breite Bevölkerung gerichtete Fassbarkeit des Begriffsinhalts in den Fokus gestellt. Zum Malerischen bei Schinkel vgl. von Arburg 2008, S. 61-62. Als Preußischer Geheimer Oberbaurat, Mitglied der technischen Oberbaudeputation seit 1815 und ab 1830 oberster Baubeamter wirkte das Kunstverständnis dieser Persönlichkeit auch unmittelbar auf die zeitgenössische Baupraxis ein, vgl. Bisping 2003, S. 233. Dabei nimmt der Begriff des Interesses für die Bedeutungszuweisung eine besondere Stellung ein. Ebenso die Weimarer Klassik, namentlich Wilhelm von Humboldt und Karl Sigmund Franz Freiherr von Stein, griffen auf das »historische oder Kunst-Interesse« zur Legitimierung der Restitutionsforderungen an das napoleonische Frankreich zurück, vgl. Noell 2013, S. 49. 157 Noell 2013, S. 50.
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2.
Die Deutsche Bauzeitung und die ästhetische Bedeutungszuweisung
Am Beispiel der Mitteilung über die Erhaltung der Ruine Paulinzelle in Thüringen kann nachvollzogen werden, dass in der Denkmalöffentlichkeit zwischen künstlerischer und kunsthistorischer Bedeutung deutlich unterschieden wurde. Der rezeptionsästhetische Standpunkt trat durch die Unterscheidung zwischen akademisch-kunsthistorischer Bedeutung und dem emotional-kreativen Potenzial nicht allein für zeitgenössische Maler hervor: »Die Bedeutung, welche die als malerische Ruine erhaltene Klosterkirche von Paulinzelle in der Kunstgeschichte einnimmt, die hohe Schönheit ihrer Formen und die Trefflichkeit ihres Baumaterials, endlich das rege Interesse, welches Künstler und Reisende an dieser architektonischen Perle Thüringens nehmen, veranlasst mich, meine Fachgenossen um einige Aufmerksamkeit […] zu bitten.«158 Maßnahmen zur Erhaltung der Bausubstanz mussten auch angesichts der zuvor bemerkten künstlerischen Bedeutung der Ruine gerechtfertigt werden. Zur »pietätvollsten Schonung des Alten« hatte man das von Bäumen und Sträuchern befreite Mauerwerk mit Schieferplatten abgedeckt, wodurch »der eigenthümliche malerische Eindruck der Ruine zum Nutzen ihrer Standfestigkeit in etwas gemindert worden« war.159 Nach Auffassung des Regierungsbaurats Brecht mussten sich auch Erhaltungsarbeiten insgesamt vor dem »malerischen Eindruck« bzw. der dem Bauwerk zugesprochenen, ästhetischen Relevanz rechtfertigen.160 Hatte der Herausgeberverein der Deutschen Bauzeitung die Denkmalinventarisierung und dabei auch die Beschreibung der Denkmalwerte für sich systematisiert, finden sich die wertzuschreibenden Beschreibungen einzelner Denkmäler auch in den folgenden Ausgaben der Zeitschrift. Für die Zuschreibung einer künstlerischen Bedeutung herangezogen wurde neben den Bauten selbst auch ihre jeweilige natürliche Lage.161 Im Sinne eines geeigneten Bildinhaltes wurde der historischen Architektur auch an anderer Stelle Bedeutung zugesprochen. Der malerische Blick auf die historische Umwelt wurde etwa auch im Zusammenhang mit der geplanten Demolierung der Nürn-
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Brecht 1876, S. 348. In der Fußnote bemerkt der Autor seine Skizzen würden nicht den Anspruch erheben »die künstlerische Seite des Bauwerks zur Anschauung zu bringen.« 159 Vgl. ibid. In einem Beitrag für die gleiche Zeitschrift im Folgejahr formuliert Brecht die künstlerische Bedeutung eines Denkmals erneut landschaftsästhetisch. Über die Ruine der ehemaligen Reichsburg Kyffhausen bemerkt er: »Wenn das künstlerische Interesse, dass sie [sämtliche Ruinen] gewähren, auch nur ein geringes ist, so wird ein Besuch der Burg und des herrlichen Waldgebirges, das die bekrönt doch Niemand gereuen.«, vgl. Brecht 1877, S. 439. 160 »Die schwierig zu beantwortende Frage ist nun die: Auf welche Weise wird man der zu befürchtenden Katastrophe mit Sicherheit entgegen arbeiten können, ohne dass in die Augen fallende fremde Bestandtheile den malerischen Eindruck der Ruine beeinträchtigen […] unzweifelhaft dürfte der Schutz einer gefährdeten Ruine schwieriger sein als die Wiederherstellung eines alternden, benutzen Gebäudes.«, vgl. Brecht 1876, S. 348. 161 »Die Michaels-Kapelle ist die malerisch am Abhang dich gegenüber der Westseite der Elisabethen-Kirche gelegene capella in cimiterio peregrinorum.«, vgl. DBZ 1879, S. 43.
Künstlerische Bedeutung als Frage der Anschauung
berger Stadtmauern angeführt.162 Dabei wurden ästhetische Fragen in der Deutschen Bauzeitung seltener, aber durchaus explizit diskutiert.163 Augenfällig wird, dass die Bedeutungskategorien auf einen breitengesellschaftlichen Zugang gerichtet waren: »Ja, die idealistische Auffassung des privilegierten Künstlerthums von Gottes Gnaden, die sich unter den zumeist mit amtlichen Würden und akademischen Ehren bekleideten Vertretern der Baukunst hier und da in philosophischer Selbstbetrachtung entwickelte, musste nothwendig dazu beitragen, die Kluft zwischen Künstler und Volk noch mehr zu erweitern. Die Baukunst wird ja in diesen Kreisen noch heute wie eine Art himmlischer Offenbarung angesehen.«164 Neben dieser Abwendung von einem an die »Aufgaben des Monumentalbaus« gebundenen Kunstbegriff, dem »Einflusse derartiger Kunstphrasen«, verwies die Kategorie des Malerischen auf eine breitere Zugänglichkeit. Das auf die Kulturlandschaft gerichtete, »begriffliche Sehen« tritt in der Deutschen Bauzeitung mit den Heften des Jahres 1878 auf.165 Mit Blick auf die Inhaltsregister des Verkündungsblatts des Verbandes Deutscher Architekten- und Ingenieur-Vereine werden die Inventarisationsbemühungen in den Territorien als Vorarbeiten für einen Denkmalbegriff dargestellt, der durch die Öffentlichkeit Anerkennung finden konnte. Demnach waren die Publikationen die Grundlage für einen Wertediskurs, der sich in einer gesetzlichen Denkmaldefinition wiederfinden konnte.166 Die ästhetische Wertung war dabei nicht notwendigerweise eine his-
Die Normativität des Malerischen wird hier vermittelnd anerkannt: »Die Ansprüche des modernen Verkehrs haben damit wieder einmal einen Sieg über die historische Pietät und die Freude an malerischer Schönheit davongetragen, den man vom Standpunkt idealer Interessen nur auf das Tiefste betrauern kann, ohne jedoch deshalb zu einem harten Urtheil gegen diejenigen berechtigt zu sein, welche eine solche Entscheidung herbeigeführt haben.«, vgl. DBZ 1875, S. 430. 163 Wie sich aus der Gliederung der Inhaltsverzeichnisse und der selten enthaltenen Unterüberschrift »Aesthetik« schließen lässt. Die Verknüpfung von einem durch die Heimatbewegung erweiterten Denkmalbegriff mit ästhetischen Fragen wird aus Karl Emil Otto Fritschs abgedruckter Rede Wie kann die Baukunst wieder volksthümlicher gemacht werden? deutlich, vgl. Fritsch, 1876, S. 383-386. Auch hier ging es um ein idealistisches Verhältnis von Kunst und Leben: »Es war in für jene Zeit sehr entschuldbarer, aber verhängnisvoller Irrthum, dass man vermeinte, die Reform der Kunst auf dem Wege der hohen Theorie, durch eine einseitige, belehrende Einwirkung auf Künstler und Publikum vollbringen zu können, während man auf die thatsächliche Stellung der Kunst zum Leben des Volkes einen viel zu geringen Werth legte.«, vgl. ibid., S. 383. 164 Vgl. ibid., S. 384. 165 Unter der Rubrik Kunstgeschichte und Archäologie, Restauration von Baudenkmälern werden 1878 Beiträge wie Das Thal der Dhün und die Abtei Altenberg geführt, vgl. DBZ 1878, o.S. Zum »begrifflichen Sehen«: Schürmann 2018, 12-14. 166 Diese Wechselwirkung zwischen Inventarisierung und Öffentlichkeit wird deutlich benannte: »Ohne frühere Ausführungen zu wiederholen, wollen wir hier doch vor allem die Nothwendigkeit betonen, dass die Massregel des Staates zur Erhaltung unserer Kunst-Denkmale sich auf eine planmäßige Thätigkeit zur Erforschung derselben stützen und im Zusammenhange mit dieser betrieben werden müssen. Es ist zugleich erforderlich, die Resultate dieser Forschung in Publikationen (Zeitschriften und Monographien) zur allgemeinen Kenntnis zu bringen, weil auf diesem Wege allein jenes Verständnis und jener nachhaltige Eifer für den Schutz unserer Kunst-Denkmale im Volke sich erwecken lassen, ohne den alle Bestrebungen zur Erhaltung derselben doch fortdauernd in der Luft schweben.«, vgl. DBZ 1880, S. 43. 162
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torische; das Künstlerische war als Gegenwartswert zeitgenössisch.167 So war ein Mittel der Denkmalkommunikation die Ausstellung regionaler Denkmalinventare.168 Der Verweis auf die »Aufbewahrung im Bilde« schlägt dabei eine Brücke zum bereits vorgestellten Denken an der Landschaftsmalerei. Auch als politisches Argument fand das »Bilder-Repertorium« erweiternde Erwähnung.169 Dabei verweisen diese Positionen auf ein Charakteristikum des Kunstbegriffs im Kontext der Heimatschutzbewegung, wie er in der gesetzgeberischen Umsetzung 1907 erreicht werden konnte: Die gesetzgeberische Verdichtung wirkte daran mit, die Standpunkte der »Geschichts- und Kunstforscher«, die manchen noch in den 1890er Jahren als »willkürliche Aeusserungen« erschienen, als »starke Empfindungen« zu festigen.170 Mit dem Begriff des Malerischen konnte auf ein allgemein zugängliches Erlebnis ebenso verwiesen werden, wie auf den spezifischen Blick auf die historisch gewachsene Umwelt.171 Gleichsam als Kontrapunkt zu einer Einheitlichkeit wahrenden und an Stilreinheit orientierten Baupolizei scheint der Begriff auf eine Zeit vor einer Baugestaltungsgesetzgebung zu verweisen, die Fluchtlinien vorgeben konnte.172 Als Wertkate-
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Dies wird auch an einer sehr weiten Denkmaldefinition wie der folgenden nachvollziehbar: »Dieses Archiv müsste bildliche Darstellungen aller Art, Kupferstiche, Lithographien (auch alle in Büchern enthaltenen) Photographien, Zeichnungen, Skizzen etc. aller in Deutschland vorhandenen […] Denkmäler der Baukunst, Plastik, Malerei und der verschiedenen Kunstgewerbe von der ältesten Zeit bis auf die Gegenwart enthalten.«, vgl. DBZ 1883, S. 215. Wichtig ist hier der Hinweis, dass die Modifikation des Denkmalbegriffs auch dadurch erkennbar wird, dass noch in den Inhaltsverzeichnissen der 1870er Jahre unter der Rubrik »Denkmäler« solche Beiträge, von denen über »Baudenkmäler« differenziert wurden. 168 »Die Ausstellung eines Inventars der Berliner Baudenkmäler […] soll nunmehr auf Kosten der städtischen Verwaltung in Angriff genommen werden. […] Dürfen wir uns einen Hinweis darauf gestatten, welcher Theil der Aufgabe am dringendsten der Lösung bedarf, so möchten wir vor allem auf die Wohnhäuser des vorigen Jahrhunderts aufmerksam machen, die nicht allein viele werthvolle Facaden, sondern auch manche treffliche Innen-Dekoration enthalten, die einer Aufbewahrung im Bilde werth wären.«, vgl. DBZ 1887, S. 331. Das Verhältnis von Bild und Denkmal wurde auch genutzt, um dieses populär zu machen, vgl. Herold 2018, S. 154. 169 Der preußische Abgeordnete A. Reichensperger wird unter Bezug auf die Finanzierung des Wideraufbaus der Marienburg zitiert: »[…] hat Hr. Dr. A. Reichensperger diesmal gesprochen, wenn er auf den generellen Widerspruch hinwies, welcher sich geltend macht zwischen der Sparsamkeit der Regierung in Bezug auf die Aufwendungen für die Baudenkmale des Landes und ihre Freigebigkeit in Bezug auf die Bereicherung der Berliner Museen durch kostbare Werke der Malerei. Indem er ausführte, dass die letzteren im Wesentlichen bereits in das Gebiet des Luxus gehörten, trat er für die Ansicht ein, dass das tiefere Kunstverständnis des Volkes durch nichts mehr gefördert würde, als durch die Baukunst.«, vgl. DBZ 1885, S. 59. 170 »Die Hauptaufgabe der Freunde unserer Vergangenheit wird freilich darin bestehen müssen, das Volk und insbesondere seine Gebildeten zu der Auffassung zu erziehen, dass seine Denkmäler nicht willkürliche Aeusserungen der Mode sind, sondern der Ausfluss starker Empfindungen der einzelnen Kulturschichten«, vgl. Lutsch 1898, S. 201. Zum Problem des theoretischen Fundaments auch bei Hammer 1995, S. 107. 171 Es findet sich beispielsweise der Hinweis auf Fontanes »Malerische Wanderungen durch die Mark Brandenburg«, vgl. DBZ 1902a, S. 11. An anderer Stelle wird unter der gleichen Rubrik bemerkt: »Vielfach üben auch die Behörden durch Festsetzung von Baulinien einen Zwang auf die malerische Entwicklung unserer Dörfer und Städte aus.«, vgl. ibid., S. 15. 172 Das Gesetzgebungsverfahren für das preußische Fluchtliniengesetz wurde bereits in den 1870er Jahren ebenfalls intensiv in der Deutschen Bauzeitung begleitet. Für die nach 1900 zunehmende
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gorie verwies der Begriff des Malerischen deutlich auf ein inhaltsästhetisch geprägtes Kunstdenken: »Eine künstlerisch und technisch erfahrene Verwaltung könnte recht wohl für ein malerisches Städtebild auch in Grossstädten und ohne Mehraufwand an Kosten sorgen, eine künstlerisch erzogene Generation könnte all das ablehnen, was besseres Empfingen oder wenigstens was den guten Geschmack verletzt und die graphische Industrie würde mit denselben Mitteln nur Gutes liefern«.173 Skepsis gegenüber einer breitengesellschaftlichen Kommunikation grundlegender Denkmalwerte tritt in einzelnen Beiträgen ebenfalls zu Tage. Der wissenschaftliche Eifer und die theoretischen Begründungen der Denkmalpflege schienen durch ein zu einflussreiches Laientum gefährdet.174 Noch im Jahr des Inkrafttretens des zweiten preußischen Verunstaltungsgesetzes wurden in der Deutschen Bauzeitung die zugehörigen Ausführungsanweisungen abgedruckt. Dort wurde besonders deutlich auf den Zusammenhang zwischen künstlerischer Bedeutung und öffentlichem Interesse verwiesen. Aus juristischer Perspektive erweiterte das preußische Verunstaltungsgesetz als speziellere Vorschrift die Eingriffsermächtigung der Baupolizeibehörden auf umweltgestalterische Belange:175 »Zu § 8 […] Der Paragraph regelt den Schutz des Landschaftsbildes gegen die Verunstaltung von Bauten. […] Nur für landschaftlich hervorragende Gegenden also können solche Vorschriften erlassen werden. Maßgebend für die Definition des Begriffes der landschaftlich hervorragenden Gegend kann nicht das Heimatgefühl der Bewohner
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Verwendung des Begriffs malerisch sind weitere Begriffszusammenhänge anzuführen: »das den Kürschnerhof in malerischer Weise alte Landgerichts-Gebäude«, vgl. DBZ 1902b, S. 64. »Die grossen, für landwirthschaftlichen Betrieb zugeschnittenen Höfe im Inneren der Städte werden von schmalen Gassen durchkreuzt oder mit kurzen Sackgassen und malerischen Hofanlagen und mit Wohnungen kleiner Leute eng bebaut […] Nicht in den ins Auge fallenden malerischen Unregelmäßigkeiten ist somit die fesselnde Wirkung der Bauten begründet, sondern in dem hier in feiner Weise zum Ausdruck kommenden Kampfe zwischen den praktischen Forderungen der Wirklichkeit und der höheren Regel einer idealen Ordnung.«, vgl. DBZ 1903, S. 141, 150. »Der Reiz des Städtchens liegt übrigens mehr in seiner malerischen Erscheinung als in dem architektonischen Wert alter Bauten, von denen auch nicht allzuviel erhalten, manches nicht immer glücklich restauriert ist.«, vgl. DBZ 1904a, S. 509-510. »Das dahinter entstandene Gewinkel geht über die berechtigten Forderungen des ›Malerischen‹ weit hinaus«, vgl. DBZ 1904b, S. 242. »Es dürfte wenige Städte geben, welche über ein so interessantes Stück alter Stadtmauer mit malerischer, trutziger Toranlage verfügen, wie Lübeck; es dürfte aber auch wenige Städte geben, in welchen durch die Neubauten der unmittelbaren Umgebung dieser malerischen Reste großer Zeiten so wenig Rücksicht auf das Ueberkommene genommen ist, wie hier.«, vgl. DBZ 1905, S. 166. Vgl. Stier 1903, S. 74. Notwendigkeit der Vermittlung und Laiennähe werden gemeinsam behandelt: »Grundsätzlich darf man es wohl mit Freude begrüßen, daß Fragen baulicher Denkmalpflege in letzter Zeit die Anteilnahme weiter Kreise gefunden hat. Bietet sich damit doch ein Anhaltspunkt, Einzelfragen unserer Kunst, die ja im allgemeinen als nicht volkstümlich gilt, dem Verständnis Vieler näher zu bringen. […] Er hält den Denkmaltag für eine Art Debattierklub in dem ›flammende Reden‹ zum Fenster hinaus gehalten werden.«, vgl. Stiehl 1904, S. 603, 606. »Dichtung und Denkmalpflege« steht dabei aber auch für eine frühe Form der Denkmalvermittlung und -kommunikation. Zahiri 2013, S. 79.
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der betreffenden Landschaft allein sein […] vielmehr vorwiegend die Bewertung der Landschaft durch die öffentliche Meinung, den Zustrom von Besuchern usw.«176 Eben diese auf »ästhetischem Gebiete liegenden Wünsche« begründeten einen Rezeptionskontext, in dem die künstlerische Wertzuschreibung geschehen konnte. Öffentliches Interesse und künstlerische Bedeutung erweisen sich nicht zuletzt deshalb als Synonyme, war ein wesentliches Anliegen zunächst nicht der Substanzschutz, sondern die kulturelle Relevanz.177
3.
Der Begriff des Malerischen in Die Denkmalpflege
In der 1899 erstmals erschienen Zeitschrift Die Denkmalpflege wurde die künstlerische Bedeutung am Begriff des Malerischen als Verweis auf für einen Landschaftsmaler geeignete Motive gebraucht. Diese Zeitschrift war als »Sammelstelle« zu allen »Aufgaben der Denkmalpflege« durch den Gesamtverein der deutschen Geschichts- und Alterthumsvereine konzipiert worden.178 Aus einzelnen Beiträgen in Die Denkmalpflege wird deutlich, dass sich im Denkmalbegriff um 1900 ein spezifisches ästhetisches System in gesetzgeberischer Tat verdichtet hatte. In den dort erschienenen Beiträgen treten die beiden dem Denkmalbegriff grundlegenden kunsttheoretischen Positionen in der heimatschutzorientierten Öffentlichkeit deutlich hervor. Künstlerisches und kunstgeschichtliches Interesse wurden deutlich geschieden: »In dem Wahne, dass ›Freilegen‹ unter allen Umständen eine verdienstliche Sache sei, werden Denkmalbauten einer Umgebung beraubt, die sie zu ihrer künstlerischen und auch ethischen Wirkung nicht entbehren können. […] Wenn jene Denkmäler auch in den meisten Fällen geschichtliche Bedeutung haben, so überwiegt bei ihnen doch in der Regel das künstlerische Interesse.«179 Breitengesellschaftliches Interesse war dabei Segen und Fluch zugleich.180 Die Folgerung von Wechselwirkungen zwischen den Ansichten der Interessengruppen und der Überführung ihrer Begriffe in die Rechtsordnung war in diesen Jahren zudem beabsichtigt.181
176 177
Vgl. DBZ 1907, S. 519-520. Erst der Verlust historisch einmal wirksamer, öffentlicher Interessensgründe macht normative Kategorien erforderlich: »Bewußt sein muß Denkmalpflege sich auch der verschiedenen ideellen oder auch ideologischen Denksysteme, in denen sich Bedarf an sichtbarer Geschichte äußern kann und die nicht deshalb schon abwegig sind, weil sie zur Zeit bei uns nicht diskutiert werden.«, vgl. Mörsch 1980, S. 126. 178 Vgl. Sarrazin/Hofsfeld 1899, S. 1. Zu dieser Zeitschrift im europäischen Kontext vgl. FingernagelGrüll 2020, S. 489-490. 179 Vgl. Sarrazin/Hofsfeld 1899, S. 2. 180 »Damit aber wird die Frage nach dem Werthe sofort dem persönlichen Urtheile, dem Geschmacke unterworfen. Auch Zeitströmungen, künstlerische Neigungen und Richtungen sprechen mit, wie es denn auch in unserer Zeit keineswegs an solchen fehlt, die das Heil für die Kunst in der Lossagung von aller Ueberlieferung erblicken.«, vgl. ibid. 181 »Und sollten sich die auf Schaffung eines wirksamen Denkmal-Schutzgesetzes gerichteten Bestrebungen zu einer gesetzgeberischen That verdichten, so wird sich noch mehr als bisher die Forderung geltend machen,
Künstlerische Bedeutung als Frage der Anschauung
Auch wurde das Problem der normativen Ästhetik im Bereich der Denkmalpflege in den Zeitschriften diskutiert. So wurde es als eine »nicht wenig verwickelte Aufgabe« identifiziert, dass auf dem Gebiet der Denkmalpflege »schon dem nachfolgenden Geschlechte nicht mehr begehrenswerth [sein konnte], was noch den Eltern am Herzen lag«.182 Es musste also um die Frage gehen, ob die Bedeutung aus historischen Zuschreibungen oder der zeitgenössischen Einbindung in die Wertediskussion folgen sollte. Zu Denkmälern wurde der »umfassende Stoff, der uns heute in malerischer und volkspsychologischer Hinsicht wichtig erscheint« erklärt. Das Malerische verwies damit auf ein modernes Bedeutungsnarrativ. Dass in diesen Ausführungen auch ein reformistischer Verweis auf die Bedeutung von Lebensqualität zu sehen ist, darf nicht unterschlagen werden. Verweist der Stoff-Begriff auf das ästhetische Potenzial im Sinne der künstlerischen Bedeutung der Denkmäler, waren diese »aufgespeicherter Motivenschatz«.183 Ein ähnlicher Hinweis auf diese Bedeutungskonstruktion findet sich in einem Beitrag über die Kunstdenkmäler der Provinz Hannover aus dem Jahr 1900. Das Denkmal wird dort als Muster für neuartige, kreative Leistungen definiert.184 An die Stelle der Studien am Objekt konnte auch das Studium mit dem »illustrierten Inventar« als Musterbuch treten.185 Als rezipientenbezogene Kategorie verwies das Malerische auf das ästhetische Potenzial, wobei der Rezipient das geistige, durch den visuellen Eindruck assoziierte Kunstwerk als Vergangenheitsbild erfassen sollte. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts war die Bedeutung dieses Begriffs so groß, dass auch Max Dvořák in seinem Katechismus der Denkmalpflege die Erhaltung der malerischen Qualitäten im Sinne erhaltenswerter Motive ausführlich behandelte.186 Insbesondere in der Verfallsthematik zeichnet sich die Assoziation mit Inhalten der Malerei ab.187 So erinnert diese Wertschätzung einer sprachlich ästhetisierten Umwelt an die Forderungen des Realismus, die auch das ursprüngliche und einfache Leben umfasste.188 durch eine umfassende Organisation alle neu aufgefundenen Denkmäler schnell als solche zu erkennen und dauernd festzulegen«, vgl. Mielke 1899, S. 26-27. 182 Im Folgenden vgl. Lutsch 1899, S. 55. 183 Dieses Denken am Bild zeigt sich deutlich: »Auch auf anderen Gebieten des Kunstschaffens giebt es noch hinreichende Arbeit […] eine auf Grund stilkritischer Beobachtung einerseits, auf vergleichender Musterung der veröffentlichte und unveröffentlicht in den Büchereien und Archiven ruhenden und an den Denkmälern selbst aufgespeicherten Motivenschatzes.«, vgl. ibid., S. 57. 184 »Schon an diesen Werken, die Mithoff theilweise garnicht [sic!] erwähnt oder nur untergeordnet behandelt, die aber unseren Künstlern und Handwerkern als mustergültige Vorlagen wenigstens in Wort und Bild bequem zugänglich gemacht sind, ersieht man schon den Werth des neuen Unternehmens.«, vgl. PPfl 1900, S. 14. 185 Vgl. ibid. Auffällig ist, dass auch Kunstgewerbe-Museen als Ausstellungort für Vorlagen galten, dazu auch im 2. Teil, Exkurs. 186 »Umgeben war das Städtchen von halbverfallenen, mit Schlingpflanzen bewachsenen Befestigungsmauern, an denen eine bequeme und abwechslungsreiche Promenade hinführte und die von vier stattlichen Stadttoren unterbrochen einen höchst malerischen Anblick boten.«, zit.n.: Herold 2018, S. 86. 187 Zur Ausprägung dieses Blicks im 19. Jahrhundert als Jahrhundert der Visualität im literarischen Realismus vgl. Hoffmann 2011, S. 154. 188 »Die Denkmalpflege soll die gesamte alte Kunst eines Landes umfassen, von den ersten Anfängen aus vorgeschichtlicher Zeit, durch alle Entwicklungsstufen und Stile hindurch, bis zur jüngsten Vergangenheit, von den Meisterwerken der hohen Kunst bis zu den bescheidensten Erzeugnissen der Kleinkunst und des Gewerbes.«, vgl. Bohnstedt 1900, S. 93. Erst Mitte des 19. Jahrhunderts fand eine Aufwertung der bis dahin
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Kunstbegriffe zwischen Recht und Praxis
Auffällig ist dabei, dass ästhetische und wissenschaftlich-objektive Wertbestimmungen gleichwohl nicht immer eindeutig abgegrenzt wurden.189 Die Freude der »Maler, Architekten und Touristen« an den malerisch belassenen Städten konnte zugleich Legitimationsgrundlage der wissenschaftlich begründeten Unterschutzstellung sein.190 Auch das Verunstaltungsgesetz aus dem Jahr 1907 fand ausführlicher Erwähnung in Die Denkmalpflege.191 Bereits im Jahr vor dem Inkrafttreten wurden Hinweise auf die »stark gefährdeten geschichtlichen und künstlerischen Landschaftsund Städtebilder unserer Heimat« abgedruckt, wobei der Begriff der »künstlerischen Eigenart« auf die Kategorie des Malerischen bezogen war.192 Deutlich wurde das ästhetische Objekt beschrieben: »Die Zitadelle in Mainz wird demnächst mit der Freigebung der Mainzer Festungswälle inmitten des neuen Baugeländes liegen. Über die Bedeutung der malerisch das alte Mainzer Stadtbild beherrschenden Zitadelle wird Professor Neeb […] eine Schilderung bringen.«193 Historische und künstlerische Bedeutung werden in den weiteren Beiträgen für Die Denkmalpflege bewusst differenziert. Die malerische Stadtmauer trat neben »kunstgeals geringwertiger geltenden Gattungen, wie der Landschafts- und Genremalerei, statt, vgl. Scholl 2013b, S. 27; inwieweit hier Zusammenhänge bestehen mögen, kann hier nicht geklärt werden. 189 Dies ergibt sich deutlich aus folgendem Hinweis auf die verwaltungsinterne Vorschrift, die von den Konservatoren gefordert wurden: »Die Stadtmauern, Thore, Thürme, Wälle, Umfassungsgräben und sonstigen Ueberreste der alten Stadtbefestigungen (Cabin.-O. vom 20. Juni 1830, G.-S. S. 113) sind Sachen, welche einen besonderen wissenschaftlichen und historischen Werth haben. Es kommt nicht darauf an, ob sie Kunst- oder besondere architektonische Formen aufweisen.«, vgl. Polenz 1902, S. 33. 190 »[…] die breite Mauerkrone, auf der noch in den 1830er Jahren die Seiler, welche den Platz von der Stadt gemiethet hatten, ihr Gewerbe trieben, ist jetzt vielfach lückenhaft und verfallen […] was sich im sommerlichgrünen Schmucke des Epheus und anderen Gerankes höchst malerisch ausnimmt«, vgl. ibid., S. 34. 191 Unter »Vermischtes« finden sich lediglich die §§ 1-8 ohne Kommentierung abgedruckt (DPfl 1907a, S. 87). Es findet sich an anderer Stelle ein Hinweis auf das Gesetz und den Abdruck der amtlichen Anweisungen im Zentralblatt der Bauverwaltung (DPfl 1907b, S. 114). Ein ähnliches Verwaltungshandeln wird für Paris ausführlicher kommentiert, wobei auch die Rolle Albert Robidas anklingt: »In Paris geht man im Schutze des Städtebildes in neuester Zeit recht weit. Die Gesellschaft Vieux Paris hat bei der Polizeiverwaltung beantragt, dahin zu wirken, daß nicht bloß die Architektur des Vendomeplatzes und des Eintrachtplatzes erhalten und geschont werde, sondern daß auch das Anbringen aller Reklameund Geschäftsschilder, Maueranzeigen und Leuchtbildanzeigen unterbleibe. Ebenso soll die Errichtung von Masten, Fahnen und Schmuckstücken, die in die architektonische Ordnung der Gebäude nicht passen, untersagt werden.«, vgl. DPfl 1907c, S. 8. 192 Der malerische Eindruck wurde bereits mit der Bedeutung für Bewohner und Reisende sowie Maler an anderer Stelle nachgewiesen. Auch im Kontext des Verunstaltungsgesetzes kommt diese Differenzierung zum Tragen: »Die Folge sei, daß trotz des in weiten Kreisen wiedererwachten lebendigen Interesses an den von den Vorfahren überkommenen Architekturschätzen […] die Städte […] auf den Stand langweiliger, geschichts- und interesseloser, gegenüber ihrem früheren Bilde völlig verunstalteter Städte herabsinken. Dadurch erleide aber nicht nur die Kunstgeschichts- oder Altertumswissenschaft einen oft unersetzlichen Verlust […] sondern es werde auch der betreffenden Stadt und ihren Einwohnern vielfach ein empfindlicher Schaden zugeführt«, vgl. DPfl 1906a, S. 92. Zum Ende der Kommentierung wird das Verunstaltungsgesetz auch als »vorläufige teilweise Regelung« auf dem Gebiet des Denkmalschutzes bezeichnet. 193 Vgl. DPfl 1907d, S. 79.
Künstlerische Bedeutung als Frage der Anschauung
schichtlich charakteristische Straßen«.194 An anderer Stelle wurden nicht malerische Wirkung und ästhetischer Wert assoziiert, sondern der historische Wert eines Bauwerkes aus seiner malerischen Wirkung abgeleitet. Insbesondere in juristischen Zusammenhängen werden diese widersprüchlichen Begriffsdefinitionen erkennbar: »Die Stadtgemeinde erhob gegen diese Verfügung Klage beim Oberverwaltungsgericht und machte zu deren Begründung folgendes geltend: Der alte Wachturm gehöre überhaupt nicht zu den Sachen, die einen besonderen wissenschaftlichen, historischen oder Kunstwert hätten und zu deren wesentlicher Veränderung es daher der Genehmigung des Regierungspräsidenten bedürfe. Zu der Annahme eines besonderen historischen Wertes eines Bauwerkes sei erforderlich, daß es irgendwie mit der Tradition oder mit einer Legende zusammenhänge oder dem Stadtgebilde ein eigentümliches Gepräge oder doch dem Stadtteile eine malerische Perspektive verleihe […] Von Kunstwert könne bei dem Turm keine Rede sein, da er nicht die geringsten charakteristischen Formen darbiete.«195 Hier verweist der Formbegriff auf eine objektstheoretische Begründung und legt einen kunsthistorischen Begriffszusammenhang im Sinne historischer Stilformen nahe. Für den Begriff des Malerischen ergibt sich damit im Kontext des zugrunde gelegten Kunstverständnisses eine uneinheitliche Verwendung; »Kunstwert« und künstlerischästhetische Bedeutung wurden zuweilen gegensätzlich definiert. Was mit dem Begriff des Malerischen zum Ausdruck gebracht wird, ist gleichwohl eine Beschreibung der historischen Umwelt, wie sie bildkünstlerisch dargestellt werden konnte.
4.
Exkurs: das Malerische, der Denkmalbegriff und die Methoden der Ästhetik
»Die gegenwärtige Ästhetik befindet sich in einem großen Kampfe der Ansichten über ihre eigene Sache«, bemerkte 1906 ein Schüler des seinerzeit in Zürich wirkenden Professors für Ästhetik Ernst Meumann.196 Der Denkmalbegriff war zu dieser Zeit bereits außerhalb einer Heimatschutzgesetzgebung in verschiedenen Staaten Europas Gegenstand hoheitlicher Schutzmaßnahmen geworden.197 Im Kontext der idealistischen Ästhetik war an die Stelle einer auf Grundlage »logisch-dialektischer oder metaphysischer« Methode arbeitenden Ästhetik ein Ansatz getreten, der sich mit »den empirischen Bedingungen des Wohlgefallens und Mißfallens« befasste.198 Ausgangspunkt der Verwirrungen in der Anwendung des Kunstbegriffs war in dieser Zeit ein weiterer
194 Stürzenacker 1906, S. 35. 195 Vgl. DPfl 1906b, S. 30. 196 Gawriysky 1906, S. 1. Auch die Wirkungsästhetik war nur eine von vielen »Kampflinien«, die durch ihre kunsttheoretischen Implikationen auch miteinander verbunden sein konnten (ibid., S. V). Zur Person Ernst Meumanns vgl. Forster 1994, S. 265-266. 197 Denkmalschutz durch Bau- bzw. Baugestaltungsgesetze wurde zeitgenössisch schon als gesamtdeutsches Phänomen begriffen: »Er könne sich als Grundlage für seine Ausführungen unbedenklich sächsischer Verhältnisse bedienen, da die Baugesetzgebung in den Kulturstaaten fast übereinstimmende Ausdrucksformen gezeitigt habe […] In der Baugesetzgebung tritt eine unmittelbare Ansteckung von Gesetz zu Gesetz und Land zu Land ein.«, vgl. Diestel 1907, S. 287. 198 Vgl. Gawriysky 1906, S. 1.
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Kunstbegriffe zwischen Recht und Praxis
Dualismus, der zwischen psychologischer Methode einerseits und einer als normativ umschriebenen Methode andererseits.199 Diese normative Methode verwies auf eine Erhebung der Philosophie zu einer Lehre »von den allgemeingültigen Werten«. Damit wurden historische Philosophien zu Normsätzen, zu einer Seinsordnung als »Reich der Werte«.200 Während die psychologische Ästhetik den subjektiven Ursprung der normativen Ideale oder Werte zunächst nachvollziehen wollte, musste die normative Ästhetik solche als gegeben hinnehmen.201 Auf Grundlage der normativen Methode waren Ästhetik und Kunstkritik von einem auf Allgemeingültigkeit gerichteten kunstbegrifflichen Konservatismus geprägt.202 Kunst war damit eine Seinsordnung, die sie tragenden Werte zu absoluten Kategorien geworden.203 Als Maßstab einer Anschauung konnte eine solche Norm auf unterschiedliche Bereiche der menschlichen Realität übertragen werden.204 Die malerische Architektur etwa, das malerische Stadtbild, fußte auf den zeitgenössischen Rezeptionsgewohnheiten.205 Das »Problem der normativen Ästhetik« musste das Malerische zugleich zu einer Kategorie machen, die ein richtiges von einem falschen Sehen unterscheiden wollte.206
199 »Eine besondere Stellung im Reiche der Ästhetiker nimmt die sogenannte normative Ästhetik ein, sie ist die einzige Nebenbuhlerin der psychologischen. Sie fußt auf einer normativen Auffassung der Philosophie im allgemeinen und indirekt auf Kant.«, vgl. Gawriysky 1906, S. 1. Zur Relevanz dieses Dualismus für die Kunstkritik als angewandte Ästhetik äußert sich ein Beitrag aus dem Sonderheft der Zeitschrift für schweizerische Archäologie und Kunstgeschichte aus dem Jahr 1982: »Schon immer mussten sich normative, ästhetische Systeme des Widerspruchs jener erwehren, die nicht ganz zu Unrecht fürchteten, dass die freie Entwicklung der individuellen künstlerischen Kraft durch das Diktat der Doktrin erstickt würde.«, vgl. Vogel 1982, S. 130. 200 Die »normative Richtung« ist in den ersten Jahren nach 1900 nicht nur als Thema der Ästhetik und Kunstwissenschaft nachvollziehbar. Auch Volkswirte wie Karl Eugen Nickel beschäftigten sich mit der normativen Methode: »Der normative Grundsatz lautet in aller Kürze: Die Volkswirtschaftswissenschaft muß sowohl die reine naturalistische Explikation, als auch die Normierung der volkswirtschaftlichen Erscheinungen, die normative Wertung, Zweck- und Zielsetzung enthalten.«, vgl. Nickel 1920, S. 29, 30. Zum Begriff des »Reichs der Werte«, vgl. Schönfeld 1934/35, S. 416. 201 »In diesem Punkte liegt der Unterschied zwischen der normativen und der psychologischen Ästhetik. Die normative Ästhetik nimmt die ästhetische Norm als fertig gegeben […] die psychologische fragt zuerst, ob es überhaupt ästhetische Normen gibt; sie bejaht diese Frage und wendet sich gleichsam zur Untersuchung der Bedingungen der Entstehung der ästhetischen Normen über.«, vgl. Gawriysky 1906, S. 67. 202 Zu dieser Folgerung bemerken Wissenschaftler dieser Zeit: »Ohne die Anerkennung objektiv allgemeingültiger Grundnormen und Grundwerte gibt es keine objektiv allgemeingültigen, abgeleiteten Normen und Werte.«, vgl. Nickel 1920, S. 33. 203 Solche bezeichnet Gawriysky als »Goethescher Gott«, vgl. Gawriysky 1906, S. 6. 204 »Trotzdem erhält sich das Normalbewußtsein in der historischen Bewegung der Menschheit und in einzelnen Hinsichten vertieft und verfeinert es sich.«, vgl. Gawriysky 1906, S. 11. 205 Erwähnt wird der Zusammenhang von normativen Rezeptionsgewohnheiten und malerischer Ästhetik auch bei Herold 2018, S. 143. Obgleich Schmarsow nicht als Vertreter der normativen Ästhetik gilt, vgl. Fn. 126. 206 »Zu entscheiden, welche Gefühlsweise die ›richtige‹ ist, in dem Sinne, daß ihre immer allgemeinere Verbreitung gewünscht werden muß, erscheint mitunter fast unmöglich«, vgl. Spitzer 1912, S. 494.
Künstlerische Bedeutung als Frage der Anschauung
5.
Zusammenfassung
Nachvollziehbar ist, wie in den preußischen Verunstaltungsgesetzen nicht nur eine »staatliche Geschmackskontrolle« aus der zeitgenössischen Bildargumentation begründet, sondern auch ein Kunstbegriff normiert wurde, der größeren Teilen der Bevölkerung zugänglich war.207 Die einem Durchschnittsbetrachter vertrauten Landschaftsbilder, erst im ausgehenden 20. Jahrhundert im Kanon der Kunstgeschichte aufgewertet, dienten zunächst der Denkmalöffentlichkeit als Maßstab; die vor Verunstaltung zu schützenden Orts- und Landschaftsbilder sowie Straßen und Plätze von künstlerische Bedeutung konstituierte sich in einem malerischen, kunstwerkanalogen Sehen. Eine allgemeine Verbindlichkeit dieses den Stimmungswert erkennenden, künstlerisch empfindenden Auges konnte aber nur das gerichtliche Urteil sichern. Mithin wurde ein angemessenes Rezeptionsverhalten mit doppelter normativer Wirkung gesichert – im ästhetischen und juristischen Sinne. Verlief die juristische Diskussion um ein erstes preußisches Denkmalschutzgesetz über Jahrzehnte ohne Erfolg, war das Verunstaltungsgesetz von 1907 von einem Kunstverständnis geprägt, in dem das ästhetische Argument zugleich als Verweis auf eine Theorie der Kunst stand. Nicht nur wird aus deren Potenzial für Gegenstandskonfusion, das zugleich ein besonders Maß an Unmittelbarkeit bedeuten musste, verständlich, wie die Allgemeine Kunstwissenschaft methodisch herausgefordert war. Zugleich musste das Empfinden des Durchschnittsbetrachters, das die von progressiveren Kräften als reaktionär empfundene, junge Denkmalpflege legitimieren sollte, das Movens der Avantgarde befeuern.
VI.
Das Recht als Pinsel? – Die Sicherung der ästhetischen Wirkung durch Gerichtsurteil
Das Verunstaltungsverbot und seine ästhetischen Vorentscheidungen dienten bereits in den Anfängen des Preußischen Verunstaltungrechts in den 1880er Jahren der »Schonung, Wahrung und Förderung des Schönheitssinnes«.208 Als verunstaltend musste gelten, was einem durch zeitgenössische Rezeptionsgewohnheiten geprägten Durchschnittsbetrachter nicht so vorkommen konnte, wie er es in der Kunst gestaltet zu sehen gewohnt war. Im Gestaltungsbereich des Preußischen Allgemeinen Landrechts, welches auch bei Bruno Taut Erwähnung fand, konnte schon früh unter dem Gesichtspunkt der Verhinderung eines »polizeiwidrigen Zustandes der groben Verunstaltung öffentlicher Straßen und Plätze« ein Eingriff in den historischen Baubestand verhindert werden.209 Der Wille zur Erhaltung eines Orts- und Landschaftsbildes durch die Pflege »heimatlicher Bauweise« legitimierte den Heimatschutz zugleich als Kulturbewegung.210 Heimatschutz artikulierte sich damit in der staatlichen Stellen übertragenen Aufgabe, Baupolizei als baukulturelles und ästhetisches Instrument zur Anwendung zu
207 208 209 210
Zum Begriff vgl. Zwiffelhoffer 20, S. 249. PrOVGE, Urteil vom 14. Juni 1882, 9, S. 379. Vgl. Büge/Zinkahn 1952, S. 11. Ibid.
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Künstlerische Bedeutung als Frage der Anschauung
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Zusammenfassung
Nachvollziehbar ist, wie in den preußischen Verunstaltungsgesetzen nicht nur eine »staatliche Geschmackskontrolle« aus der zeitgenössischen Bildargumentation begründet, sondern auch ein Kunstbegriff normiert wurde, der größeren Teilen der Bevölkerung zugänglich war.207 Die einem Durchschnittsbetrachter vertrauten Landschaftsbilder, erst im ausgehenden 20. Jahrhundert im Kanon der Kunstgeschichte aufgewertet, dienten zunächst der Denkmalöffentlichkeit als Maßstab; die vor Verunstaltung zu schützenden Orts- und Landschaftsbilder sowie Straßen und Plätze von künstlerische Bedeutung konstituierte sich in einem malerischen, kunstwerkanalogen Sehen. Eine allgemeine Verbindlichkeit dieses den Stimmungswert erkennenden, künstlerisch empfindenden Auges konnte aber nur das gerichtliche Urteil sichern. Mithin wurde ein angemessenes Rezeptionsverhalten mit doppelter normativer Wirkung gesichert – im ästhetischen und juristischen Sinne. Verlief die juristische Diskussion um ein erstes preußisches Denkmalschutzgesetz über Jahrzehnte ohne Erfolg, war das Verunstaltungsgesetz von 1907 von einem Kunstverständnis geprägt, in dem das ästhetische Argument zugleich als Verweis auf eine Theorie der Kunst stand. Nicht nur wird aus deren Potenzial für Gegenstandskonfusion, das zugleich ein besonders Maß an Unmittelbarkeit bedeuten musste, verständlich, wie die Allgemeine Kunstwissenschaft methodisch herausgefordert war. Zugleich musste das Empfinden des Durchschnittsbetrachters, das die von progressiveren Kräften als reaktionär empfundene, junge Denkmalpflege legitimieren sollte, das Movens der Avantgarde befeuern.
VI.
Das Recht als Pinsel? – Die Sicherung der ästhetischen Wirkung durch Gerichtsurteil
Das Verunstaltungsverbot und seine ästhetischen Vorentscheidungen dienten bereits in den Anfängen des Preußischen Verunstaltungrechts in den 1880er Jahren der »Schonung, Wahrung und Förderung des Schönheitssinnes«.208 Als verunstaltend musste gelten, was einem durch zeitgenössische Rezeptionsgewohnheiten geprägten Durchschnittsbetrachter nicht so vorkommen konnte, wie er es in der Kunst gestaltet zu sehen gewohnt war. Im Gestaltungsbereich des Preußischen Allgemeinen Landrechts, welches auch bei Bruno Taut Erwähnung fand, konnte schon früh unter dem Gesichtspunkt der Verhinderung eines »polizeiwidrigen Zustandes der groben Verunstaltung öffentlicher Straßen und Plätze« ein Eingriff in den historischen Baubestand verhindert werden.209 Der Wille zur Erhaltung eines Orts- und Landschaftsbildes durch die Pflege »heimatlicher Bauweise« legitimierte den Heimatschutz zugleich als Kulturbewegung.210 Heimatschutz artikulierte sich damit in der staatlichen Stellen übertragenen Aufgabe, Baupolizei als baukulturelles und ästhetisches Instrument zur Anwendung zu
207 208 209 210
Zum Begriff vgl. Zwiffelhoffer 20, S. 249. PrOVGE, Urteil vom 14. Juni 1882, 9, S. 379. Vgl. Büge/Zinkahn 1952, S. 11. Ibid.
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Kunstbegriffe zwischen Recht und Praxis
bringen. Noch bevor Denkmal- und Heimatschutz als Staatsaufgabe in der Weimarer Reichsverfassung Eingang fanden, war das Landschaftsbild in den Verunstaltungsgesetzen zu einer durchsetzbaren, ästhetischen Norm geworden.211 Waren Schutzgegenstand des ersten preußischen Gesetzes nur »landschaftlich herausragende Gegenden«, wurden mit dem Gesetz von 1907 die polizeilichen Befugnisse auf die »gröbliche Verunstaltung« von Straßen, Plätzen und des Ortsbilds im Geltungsbereich des Preußischen Allgemeinen Landrechts erweitert.
1.
Das Denkmal als Rechtsbegriff und das Problem des Formalismus
Das Denkmal als Kunstwerk Josef Kohler, der sich insbesondere mit Fragen des geistigen Eigentums befasste, beteiligte sich in einem Beitrag aus dem Jahr 1904 in der Deutschen Juristen-Zeitung an der juristischen Denkmaldiskussion.212 Aus dem kunsthistorisch-akademischen Begriffsgebrauch heraus positionierte sich Kohler kunsttheoretisch. Seine Denkmaldefinition leitete er unmittelbar aus der »historischen Theorie der Kunst« ab, wie sie die Anfänge der akademischen Kunstgeschichte prägte.213 Es ist die »Spannung zwischen Historisierung und Totalitätsanspruch« die in Kohlers Kunstbegriff hervortritt und zugleich den kunsthistorischen Diskurs prägte.214 Seine Definition eines immaterialgüterrechtlichen »Werkes der bildenden Kunst« ergänzte er um die des Denkmals als »Kunstwerk«: »Bei dem ersteren ist das ästhetische und geschichtliche, bei dem letzteren das geschichtliche Interesse bedeutsam. Kunstwerke der neueren Zeit, die nicht einer bereits abgeschlossenen Periode der menschlichen Entwicklung angehören, sind nicht als Denkmäler zu behandeln: die lassen sich nicht in diesen Schutz einschliessen, schon darum nicht, weil ein endgültiges Urteil über ihren ästhetisch-geschichtlichen Wert sich noch nicht fällen lässt.«215 Damit war aber der Begriff des Kunstwerks keineswegs dem zeitgenössischen Kunstdiskurs entzogen.216 Die Begriffsverwendung des kunsthistorischen Formalismus wurde hier vielmehr unmittelbar in die juristische Kommunikation überführt. Die Definition des Denkmals verwies zunächst auf eine Beschreibung äußerer Merkmale.217 Be211
Zur Virulenz dieser Landschaftsideale, die auch Grundlage des denkmalpflegerischen Gedankens in den Verunstaltungsgesetzen wurden, vgl. m.w.N. Strohkark 2001, S. 233-236. Zum Bann von Reklame und der Bedeutung als Kontrapunkt für die europäische Avantgarde vgl. Ward 2001, 134-136. 212 Zu Kohlers (Kunst-)Werkbegriff im Kontext des Kunstschutzgesetzes s.u. 213 Locher 2010. 214 Grave 2007, S. 78. 215 Vgl. Kohler 1904, Sp. 773. 216 »Unter Denkmal ist eine Sache zu verstehen, die den Charakter eines Kunstwerkes besitzt und zu gleicher Zeit für die Kennzeichnung einer vergangenen Periode der Menschheit bedeutsam ist. Ein Gegenstand der gleichen Art, der nicht Kunstwerkscharakter hat, ist als Altertumswerk zu bezeichnen.«, vgl. ibid. 773. 217 Vgl. Bartsch 2017, S. 270. Zugleich wird der Kunstwerkbegriff auf eine historische Theorie der Kunst verwiesen. Zu den »Verschütteten klassizistischen Wurzeln der Kunstgeschichte« schreibt Joahnnes Grave: »Sie [Klassizismus und Romantik] hinterließen damit der jungen Disziplin ein Erbe, das dem Fach noch heute Kopfzerbrechen bereitet: den Anspruch, die Geschichte eines Gegenstandes – der Kunst – zu
Künstlerische Bedeutung als Frage der Anschauung
sonders aufschlussreich für das Verständnis der Rolle der idealistischen Ästhetik in der Ausprägung des juristischen Denkmalbegriffs ist allerdings, dass Kohler ein »ästhetisches Interesse« auch in anderen Bereichen der Lebenswirklichkeit erkannte. Seine Kritik des unter dem Denkmalbegriff gefassten Naturschutzes ist im Zusammenhang eines weitergehenden ästhetischen Diskurses wohl auch im Kontext des Verunstaltungsrechts zu sehen: »Eine weitergehende Auffassung der Naturdenkmäler hat man im hessischen Gesetz v. 16. Juli 1902, Art. 33, versucht, indem man als Naturdenkmäler bezeichnet ›natürliche Bildungen der Erdoberfläche, wie Wasserläufe, Felsen, Bäume u. dgl., deren Erhaltung aus geschichtlichen oder naturgeschichtlichen Rücksichten oder aus Rücksicht auf landschaftliche Schönheit oder Eigenart im öffentlichen Interesse liegt‹.«218 Die Abhängigkeit des Denkmalbegriffs von den auf den Verunstaltungszusammenhang verweisenden Kategorien der »Schönheit und Eigenart« illustriert zugleich den auf Wirkungsschutz bezogenen Regelungscharakter. Die ästhetischen Kategorien berücksichtigten den Geltungsanspruch des Gefühls und damit die Normativität des ästhetischen Urteils.219 Ebenso aufschlussreich ist für die Anwendungsgeschichte des Denkmalbegriffs nachfolgende Bemerkung Kohlers. Mit Blick auf die Unterscheidung von Kunstund Geschichtswert im Kontext der Denkmaldefinitionen identifizierte der Jurist die empirische Seite als vorzugswürdig: »Ich glaube aber nicht, dass diese Fassung des Begriffs sich halten lässt […] Das führt zu einem Uebermasse erdrückender Romantik und zu unkontrollierbarer Gefühlsjurisprudenz […] ich glaube, dass das geschichtliche Interesse, das ausschlaggebende Element sein und bleiben muss; das bietet der Rechtsbehandlung Halt und Stütze.«220 Auch hier klingt an, was an anderer Stelle bereits als Übertragung der Vorstellung von einem Landschaftsgemälde beschrieben wurde.
Künstlerische Bedeutung zwischen Denkmalinventarisation und Heimatschutz »Mit der Denkmalpflege hängt die Heimatpflege untrennbar zusammen«, bemerkte der Berner Rechtswissenschaftler C.A. Wieland in seiner Monografie Der Denkmal- und Heimatschutz in der Gesetzgebung der Gegenwart aus dem Jahr 1905.221 Die »Denkmäler der schreiben, der eine Distinktion voraussetzt und sich gerade aufgrund der ihm emphatisch zugeschriebenen Dignität kaum befriedigend theoretisch bestimmen lässt.«, vgl. Grave 2007, S. 78-79. 218 Kohler kritisiert diese Ausweitung damit, dass dies »zu einem Uebermasse erdentrückter Romantik und zu unkontrollierbarer Gefühlsjurisprudenz, die der gesunden Entwicklung des Eigentums sehr hinderlich werden könne«, vgl. Kohler 1904, Sp. 774. 219 Vgl. auch Zwiffelhoffer 2020, S. 198. 220 Mit Blick auf das hessische und preußische Verunstaltungsgesetz war ihm dieser Kunstbegriff aber wesentlich eingängiger. Erkennbar wird die starke Bindung an die juristische Intention der Argumentation. Die Erweiterung des Kunstbegriffs auf die Landschaft schien angesichts des Eigentumsrechts unzulässig umfangreich zu sein: »Für die ästhetische Natur hat der einzelne nur mittelbar zu sorgen, in der Art, dass er nicht durch Reklame und derartiges eine schöne Gegend verunziert. Das ist eine andere Form des Schutzes, die mit Recht im hessischen Gesetze und auch in Preussen vertreten ist.«, vgl. Kohler 1904, Sp. 774-775. 221 Wieland 1905, S. 4.
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Kunstbegriffe zwischen Recht und Praxis
Kunst und des Altertums« sollten nicht allein einem wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn dienen, sondern »die Liebe zur Heimat und die Ehrfurcht vor ihrer Vergangenheit in die weitesten Kreise tragen.« Mit dem Hinweis »das aber vermögen die nur, wenn Denkmal und umgebende Natur in Eins gesetzt wird« wurde die Problematik des Formalismus und der inhaltlichen Bestimmung des Begriffs der künstlerischen Bedeutung aufgezeigt. Ein formalistischer Kunstbegriff schien dies nicht leisten zu können. Das ästhetische Interesse musste hierfür neben eine den Denkmalbegriff allein legitimierende, kunstgeschichtliche Bedeutung treten.222 Besonders stark war die Forderung nach einem Verständnis des Kunstwerk-Objektes als Primärquelle aus der Wiener Schule hervorgetreten.223 Deren Vertreter wie Moritz Thausing und Alois Riegl suchten ebenso wie Max Dessoir nach einer Möglichkeit der Lösung des Kunstbegriffs vom Ästhetischen.224 Inhaltlich ausgefüllt werden konnte der Denkmalbegriff auf dieser Grundlage auch nur durch »das diskretionäre Ermessen der mit der Aufstellung der Denkmallisten betrauten Organe«.225 Vor dem Inkrafttreten des Preußischen Verunstaltungsgesetzes von 1907 musste gelten: »Ein guter Teil des von den Freunden der Heimatpflege entworfenen Programmes liegt ausserhalb der Rechtsordnung und ihres Herrschaftsbereiches. Anderes, wie die Erhaltung einheimischer Pflanzen und Tiere, fällt ins Gebiet der Jagd- und Forstpolizei. Somit bleibt als nächstzuerstrebendes und in vorderster Reihe des gesetzlichen Schutzes bedürftiges Ziel die Wahrung der landschaftlichen Schönheit und Eigenart.«226 Als ästhetischen Interessen musste die Bewahrung »landschaftlicher Schönheit und Eigenart« erst noch zu einem eigenen Schutzgegenstand eines Gesetzes werden. Denn das hessische Gesetz, betreffend den Denkmalschutz von 1902 musste Wieland mit seiner Erweiterung auf Naturdenkmäler nur als erster Versuch gelten, »den Schutz der geschichtlichen und künstlerischen Denkmäler auch auf deren Umgebung« auszudehnen.227 Ein Vorgang, der für die Bedeutungskategorien nicht ohne Folgen bleiben konnte, denn die physischen Objekte gerieten zunächst aus dem Fokus. Was der Jurist als »Kampf um ideale Güter« beschreibt, war einer um den Schutz einer ästhetischen Wirkung im öffentlichen Interesse.228
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Wieland zitierte Kohlers oben ausgewerteten Aufsatz mehrmals, vgl. Wieland 1905, S. 12. Lachnit 1995, S. 732. Zur metaphysischen Ebene des Riegl’schen Kunstbegriffs bzw. dessen Pluralität vgl. ibid., S. 737. Vgl. Wieland 1905, S. 13. Ibid., S. 48. Vgl. ibid., S. 50. Zum Schutz des Werkes der bildenden Künste im Sinne einer besonderen Wirkung auf den Betrachter zur Abgrenzung individueller Rechte, vgl. 2. Teil.
Künstlerische Bedeutung als Frage der Anschauung
2.
Das Denkmal als ästhetische Kategorie mit ethischem Anspruch: »[…] umgib die mit edlen, mit grossen, mit geistreichen Formen«229
Seit den 1880er Jahren war die Vermittlung eines staatlich begründeten Anspruchs der Kulturvermittlung neben die herrschaftsbezogene Motivation des Denkmalschutzes getreten.230 Ein Ergebnis der reformorientierten Diskussion des Bildungsbürgertums war die Heimat- und Denkmalschutzbewegung, deren sozialer Anspruch unmittelbar mit ästhetischen Vorstellungen verknüpft war.231 Aus diesen Entwicklungen heraus wurden staatliche Eingriffe in Eigentum und Privatsphäre mehr und mehr gerechtfertigt. Denkmalpflege wurde als ideelle Verantwortung gesehen. In der medialen Öffentlichkeit wurde das Vorhaben der Verunstaltungsgesetzgebung als sozialpolitisches Projekt goutiert, standen solche legislativen Pläne nicht wie die Vorhaben für Denkmalschutzgesetze für öffentlichkeitsferne Interessen. Die Ästhetik des Malerischen bot zugleich eine moralische Komponente durch ihr erzieherisches Potenzial.232 Im Kontext eines in den Ländern wütenden Kulturkampfes waren die Bemühungen um Denkmalschutzgesetze von einem politischen Selbstbehauptungsdrang getragen. Wie in Preußen traten regelmäßig auch in den anderen Ländern baurechtliche Vorschriften in Kraft, die unmittelbare Gestaltungsvorgaben mit sich brachten.233 Neben Ortsstraßengesetze traten Fluchtliniengesetze, für deren Anwendung auch ästhetische Fragen relevant waren. Solche Kompetenzen in ästhetischen Fragen wurden häufig nur bestimmten Kommunen übertragen, wobei das Prinzip der Stileinheit bestimmend war.234 Baustatute und Landesbauordnungen, deren Anwendung den Baupolizeibehörden überlassen blieb, setzten die Begriffe von Ästhetik, Schönheit und Moral regelmäßig gleich. Ebenso wurde Symmetrie mit Sittlichkeit in Verbindung gebracht.235 Die Rolle der Ästhetik sollte am Ende des Jahrhunderts nochmals zunehmen und eine Ausweitung der Rechtsgrundlagen gewann Befürworter, auch in der Denkmalpflege.236 Angesichts einer später auch von Bruno Taut festgestellten
229 In seiner Einleitung, die das geistige Programm seiner Rechtfertigung der »Denkmalpflege im juristischen Sinne« darstellt, legte Hartung dar, warum staatlicher Zwang angesichts der Wertigkeit des Historisch-Künstlerischen notwendig ist und zitierte Friedrich Schiller, vgl. Hartung 1906, S. 1. Zum zeitgenössischen Begriff des Kulturguts als soziale Kategorie und ihrem Verhältnis zur juristischen Methode vgl. Jauß 2019. 230 Vgl. im Folgenden: Speitkamp 1996, S. 192-194. 231 Swenson 2013, S. 217. 232 Herold 2018, S. 12. Zu diesem besonderen, der Autonomieästhetik entgegengesetzten, Charakteristikum der Wirkungsästhetik vgl. Fischer-Lichte 2005, S. 3. 233 Mit einer Beschreibung der gesetzgeberischen Umstände: Swenson 2013, S. 296-297. 234 Dazu vgl. Herold 2018, S. 205-206. 235 Speitkamp 1996, S. 290. Die »Etho-Ästhetik« des Eigentums wird erkennbar, schränkten solche Vorgaben das Eigentumsrecht ein. Dieser Gedanke könnte an anderer Stelle als Verbindunglinie zur später einsetzenden, juristischen Umformung der Eigentumsvorstellungen um Kulturgut entwickelt werden. Das Projekt »Ethno-Ästhetik des Visuellen« wird derzeit am Kunsthistorischen Institut in Florenz von Hana Gründler geleitet und bildet einen Ausgangspunkt dieser Überlegung. 236 Die Entwicklung im Bereich der kommunalen Baustatute und deren Fokus auf den Stimmungswert der Stadt- und Landschaftsbilder wurde als »erfreuliches und nachahmenswertes Vorkommniss« bezeichnet, vgl. DPfl 1899, S. 74.
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uneinheitlichen Rechtslage und eines erheblichen Defizits an Rechtssicherheit setzten um die Jahrhundertwende Bestrebungen für den Erlass einzelner Verunstaltungsgesetze ein. Zwischen der Forderung nach Stileinheit und modernen gestalterischen Ansprüchen musste so die Frage nach dem Kunstbegriff besonders virulent werden.237 Im politisch motivierten und getragenen Diskurs war die ästhetische Frage zugleich moralisch aufgeladen.238 In seiner Dissertation Die Denkmalspflege im juristischen Sinne mit spezieller Berücksichtigung Bayerns verwies etwa auch der fränkische Amtsjurist Wolfgang Hartung in seiner Einleitung auf die Verknüpfung von Ästhetik und Moral.239 Ausgangspunkt seiner Überlegung war dabei das Problem der Normativität eines ästhetischen Urteils, das auf Empfindungen beruhte und nur aus dem jeweiligen Zeitgeist zu begründen sein konnte.240 Die Frage danach, welche ästhetischen Überzeugungen zur Grundlage der Erhaltung gemacht werden konnten, wurde mit einem normativen Konzept, nämlich dem »öffentlichen Interesse im objektiven Sinne« beantwortet:
237 In seinem Beitrag, in der von Theodor Goecke und Camilo Sitte herausgegebenen Zeitschrift Der Städtebau, bezeichnete Conrad Sutter 1906 in seinem Beitrag den Kunstbegriff auch als »Grundirrtum« der Denkmalpflege. Sutter verwies auch auf die Problematik der Loslösung der Rezeptionsfrage von einem Kunstbegriff, der sich im Kontext der Denkmalpflege ausgeprägt hatte: »Liegen aber die Dinge so, dann ergibt sich daraus, daß diese rein menschliche und rein künstlerische Kunstauffassung, die zu allen Zeiten die moderne war, auf dem Gebiete der Denkmalpflege in Widerstreit geraten muß mit der akademischen oder dogmatisch-wissenschaftlichen Auffassung der Kunstpflege, welche die Geltendmachung des Stilwesens, die Stilarchitektur im 19. Jahrhundert gezeigt hat. Diese Verwirrung der Kunstbegriffe musste zum Kampf um die Denkmalpflege führen.«, vgl. Sutter 1906, S. 77. Eine Einordnung Sittes Wirken in die Begriffsgeschichte des Malerischen versucht: Macarthur 2019, S. 9-10. 238 Herold 2018, S. 167. 239 »Wer einen tieferen Blick in den Werdegang der allgemeinen Moral- oder Kunstgeschichte geworfen hat, der weiss von dem traurigen Ringen des ästhetischen Sinnes mit dem Moralbegriff, der weiss – hat er genug Objektivität im Abwägen von Lebenswerten – von jenen uralten, immer lebendigen Strömungen, die der Menschen Seele zerrissen und Schönheitsfreude und Pflichtgefühl trennten.«, vgl. Hartung 1906, S. 1. 240 »Die ästhetischen, ethischen, wissenschaftlichen und sonstigen Werte […] umfassend zu konstruieren, wäre auch ein müssiges Mittel, da sie mit der Zeiten Wandel sich wandeln [sic!]«, vgl. Hartung 1906, S. 5. Hartung schließt diese Erwägungen mit einem im juristischen Sinne geflügelten Wort: »Die Gesetze sind eben nur um der Menschen willen da, weil die, die Gesetzte, als Willensprodukte keinen Willen haben.« Der dabei anklingende Rechtsbegriff, muss unmittelbar auch auf das Verständnis von dem staatlich zur Anwendung gebrachten Kunstbegriff verweisen. Für den Denkmalschutz dieser Jahre und seinen Kunstbegriff war die Abkehr von einem selbstzweckhaften Staat von erheblicher Bedeutung. In der Formulierung Hartungs tritt so die Gemeinwohllehre von Arnims hervor. Schon dieser hatte die sog. »Lincolnsche Formel« als normativen Orientierungspunkt zur Anwendung gebracht. Hierdurch ist die Erkenntnis bedingt, dass der Staat [und damit seine Gesetze] keinen Selbstzweck mehr darstellte, sondern um der Menschen willen da sein musste. Der Schutz der Denkmale, begründet aus einem im künstlerischen und historischen Wert gesuchten öffentlichen Interesse, spiegelt wider, dass das Gemeinwohl als Grund und Grenze staatlichen Handels aufgefasst wurde. Das Ende der selbstzweckhaften Staatsräson muss als inhaltlicher Bruch des Kunstbegriffs im Recht erkannt werden. Eine Verbindung zwischen Verfassungsdiskussion und Kunstbegriff ist somit nicht von der Hand zu weisen. Um die Bedeutung dieses Verständniswandels aufzuzeigen, soll noch auf den Wortlaut des Artikel 1 Absatz 1 des Herrenchiemseer Verfassungsentwurfes von 1948 hingewiesen sein: »Der Staat ist um des Menschen willen da, nicht der Mensch um des Staates willen.«, vgl. hierzu im Ganzen: Gas 2012, S. 122-123.
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»Im Interesse einer freien Rechtsauslegung und Rechtsanwendung als einem Anpassen an die Forderungen der sich ändernden Lebensinteressen muss es vielmehr in gewissen Fällen als zweckmäßig erachtet werden, wenn jener historischen Entwicklung durch ein gesetzliches Festlegen von Begriffen und Werten kein Hemmnis entgegengestellt wird.«241 Ungeachtet der in den Reihen der Denkmalpfleger angewandten formalistischen Definition des Baudenkmals als Kunstwerk musste Hartung auf die Spezifik des Denkmalbegriffs als sozialer Kategorie hinweisen. Der Rechtsbegriff des Denkmals sollte wie »in den Fällen der Grabschändung, Gotteslästerung, Tierquälerei« nicht primär auf die »entsprechenden Objekte, sondern eben auf menschliche Gefühle« verweisen. Dies zeigt sich in der Argumentation um Sinn und Zweck der Denkmalpflege im juristischen Sinne: Waren durch das im gleichen Zeitraum in Kraft getretene Bürgerliche Gesetzbuch auch Imponderabilien als Eigentumseinwirkungen anerkannt, musste der Staat angesichts der »Interessen der ästhetischen und wissenschaftlichen Kultur« auch die »Hygiene der Augen« schützen.242 Mit Blick auf das bereits oben angesprochene hessische Gesetz von 1902 war das Denkmal allerdings »gedacht als Objekt im Gegensatz zu den menschlichen Interessen, aber mit Beziehung auf dieselben«. Dabei mussten die Grenzen zwischen sogenannter positiver Gestaltungspflege im Sinne geschmacklicher Gestaltungsvorgaben und einem städtebaulichen Denkmalschutz im Sinne eines Verunstaltungsverbotes nicht mehr Eingang in die juristische Auseinandersetzung finden.243 Das formalistisch geprägte hessische Gesetz erklärte das Denkmal an entscheidender Stelle aufgrund einer kunstgeschichtswissenschaftlichen Eigenschaft zum Denkmal:244 »[…] ein Denkmal – im engeren Sinne – wird mittels des Instituts des Clessement in die Reihe der Denkmäler im Sinn der Konservative eingereiht und so gewissermassen auf gesetzlichem Wege seine besondere Eigenschaft verliehen.«245
241 Vgl. Hartung 1906, S. 6. 242 »Wenn man schon einmal das Empfinden des ›normalen Durchschnittsmenschen‹ in Bezug auf Nase und Ohr schützt, darf man doch auch die Hygiene der Augen nicht ganz vergessen.«, vgl. ibid., S. 3. Zur problematischen Verwendung solcher Begrifflichkeiten nach 1933 s.o. 243 »Als Kuriosa müssen die ortspolizeilichen Vorschriften von Passau und vor Allem von Schweinfurt bezeichnet werden, insofern sie einfach lauten: ›Bei allen etc. etc. Hauptreparaturen…ist den Anforderungen der Ästhetik zu genügen. Zuwiderhandlungen werden…bestraft‹. […] Von der rechtlichen Unwirksamkeit solcher Vorschriften polizeilicher Natur abgesehen, ist es schon aus praktischen Erwägungen heraus empfehlenswert, in ortspolizeiliche Vorschriften über Denkmalpflege die wichtigsten Punkte klar auszusprechen, ohne gegenwärtigen zu müssen, den Vorwurf der Büttelwirtschaft sich zuzuziehen.«, vgl. Hartung 1906, S. 61-62. 244 Artikel 1 des Gesetzes, den Denkmalschutz betreffend ordnete an: »Steht einer juristischen Person des öffentlichen Rechts die Verfügung über ein Bauwerk zu, dessen Erhaltung wegen seiner Bedeutung für die Geschichte, insbesondere für die Kunstgeschichte, im öffentlichen Interesse liegt (Baudenkmal), so darf dasselbe nur nach vorgängiger behördlicher Genehmigung ganz oder theilweise beseitigt werden.«, vgl. Rothe 1902, S. 73. Dieses Gesetz beinhaltete zugleich Schutzanordnungen für Naturdenkmäler in den Artikeln 33ff. 245 Vgl. Hartung 1906, S. 74.
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Deutlich hatte Hartung gleich zu Beginn seiner Abhandlung ausgeführt, weshalb die juristischen Grundlagen der Denkmalpflege nicht einen spezifischen Kunstbegriff gegen die zeitgenössischen Entwicklungen stellen sollten.246 Die Freiheit der Kunst sollte gleichsam durch eine Anerkennung der Gegensätze verteidigt werden. Zugleich wurde für die Bestimmung unästhetischer Einwirkungen in der Praxis auf einen Durchschnittsmenschen abgestellt und somit das ästhetische Urteil einer Allgemeinheit zum verbindlichen Maßstab erklärt. Denkmalschutz sollte seine Grundlage folglich nicht mehr in Polizeigesetzen haben, sondern im Benehmen mit dem Eigentümer dessen Interesse mit jenen »künstlerischen oder geschichtlichen Rücksichten« abwägen, die für die unveränderte Erhaltung stritten.247 Hier sollte auch das preußische Verunstaltungsgesetz von 1907 eine neue Abwägungsgrundlage schaffen, wobei die Verhandlungen über dieses Gesetz bei Hartung wohl aus regionalpolitischen Gründen unerwähnt blieben.248 Orts- und Landschaftsbild schienen dabei einen wesentlich zugänglicheren Begriff zu liefern, der auch bei der Bevölkerung auf Verständnis stoßen konnte. Der noch wenige Jahre zuvor als polizeiliche Maßnahme gehandhabte Schutz eines nicht auf den Einzelfall bezogenen und als allgemeinverbindlich erklärten, ästhetischen Empfindens schien dem Juristen »durch die Aufstellung allgemeiner Grundsätze« im ersten Denkmalschutzgesetz vom 16. Juli 1902 des Großherzogtums Hessen vermieden worden zu sein: »Eine nach Art. 1, 2, 3 beantragte Genehmigung (zur Beseitigung, Veränderung etc. eines Denkmals) ist zu versagen, wenn der beabsichtigten Handlung im Interesse der Erhaltung des Denkmals oder sonst aus künstlerischen oder geschichtlichen Rücksichten Bedenken entgegenstehen.«249 In dem Tatbestandsmerkmal der »künstlerischen Rücksichten« als einem »allgemeinen Grundsatz« schien ein Eingriff »in das subjektive-ästhetische und moralische Empfinden« jedenfalls dem Anspruch nach vermeidbar. Die Fragen der Verunstaltungsgesetzgebung klangen bei Hartung bereits an, musste eine Begriffsbestimmung des Denkmals insbesondere dann schwerfallen, wenn »nach heutiger Anschauung auch die Umgebung des Denkmals und vor Allem auch die Wahrung der landschaftlichen Schönheit« in den Schutzbereich eines Gesetzes einbezogen werden sollte. Dann entstand das Denkmal wiederum aus den hiermit assoziierten Bildern selbst und entfernte sich von einem bis dahin gewöhnlichen Sprachgebrauch. Scheint die Argumentation hier im Kreis zu verlaufen, erklärt sich dies damit, dass Hartung die der »Denkmalspflege« 246 »Es wäre ein Widerspruch in sich selbst, eine Vernichtung des innersten Wesens der höchsten geistigen Lebensinteressen, wenn die Staatsgewalt eine bestimmte Kunstrichtung zur offiziellen machen wollte […] Der Verfasser dieser Arbeit bekennt sich vielmehr zu dem freien Worte Hevesis […] Der Zeit ihre Kunst – Der Kunst ihre Freiheit . . . Trotzdem aber – oder eben deshalb? – muss es freudigst begrüsst werden, wenn der moderne Kulturstaat es als eine seiner vornehmsten Aufgaben erklärt, zur Lösung eben dieser Gegensätze ideeller und materieller Natur beizutragen.«, vgl. ibid., S. 4. 247 Ibid., S. 5. 248 In Die Denkmalpflege wurde das Hessische Gesetz für eine Bewertung der Preußischen Rechtlage herangezogen, wurden die Regelungsgegenstände folglich als verwandt begriffen, vgl. Polenz 1903. 249 Vgl. hier und im Folgenden: ibid., S. 5.
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zugrundeliegenden Ideen als zeitabhängig verstand und auf mögliche Änderungen der Rezeptionskontexte hinweisen wollte, die durch das Recht nicht festgehalten werden sollten.250 Auch Hugo Conwentz, der als einer der ersten preußischen Naturdenkmalpfleger gelten kann, bemerkte in seiner 1904 erschienenen Abhandlung Die Gefährdung der Naturdenkmäler und Vorschläge zu ihrer Erhaltung, »dass sich schon früh die Auffassung geltend gemacht [habe], dass auch die umgebende Natur entscheidend bei der Beurteilung eines Gegenstandes als Denkmal mitzuwirken vermag«.251 Das Denkmal entstand aus dem ästhetischen Interesse eines Betrachters für seine historisch gewachsene Umwelt. Dies äußerte sich nicht nur im Begriff des Naturdenkmals, sondern auch in dem des Stadt- und Landschaftsbildes.252
3.
Der Kunstbegriff in den preußischen Verunstaltungsgesetzen von 1902 und 1907
Das Gesetz, gegen die Verunstaltung landschaftlich hervorragender Gegenden vom 2. Juni 1902 ging nach Auffassung zeitgenössischer Beobachter auf eine Entscheidung des Preußischen Oberverwaltungsgerichts vom 16. April 1901 zurück.253 Das Gericht hatte eine Verordnung der Berliner Polizeibehörde mangels geeigneter Rechtsgrundlage für rechtswidrig erklärt, die das Aufstellen von Reklame an den Rheinufern untersagte. Nur die besondere Wirkmächtigkeit der am Landschaftsbild ausgeprägten Ästhetik des Malerischen kann erklären, dass in so kurzer Zeit durch ein eigenes Gesetz dieser Rechtslücke Abhilfe geschaffen wurde.254 Bereits 1902 hatte die Staatsregierung dem Preußischen Abgeordnetenhaus einen Gesetzesentwurf vorgelegt. Dort wurde knapp formuliert: »Die Landespolizeibehörden sind befugt, zur Verhinderung der Verunstaltung landschaftlich hervorragender Gegenden Reklameschilder und sonstige das Landschaftsbild verunzierende Aufschriften und Abbildungen ausserhalb der geschlossenen Ortschaften zu verbieten.«255 Kritik an den verrechtlichten Interessen wurde in der Rechtsöffentlichkeit auch aus den Reihen der Justiz geäußert. Der Berliner Richter Siegfried Schultzenstein sah sich 1902 in der Deutschen Juristen-Zeitung zu der Bemerkung veranlasst, dass zwar das »Ziel sympathisch berührt«, der Gesetzesentwurf dennoch »in verschiedenen Einzelheiten nicht ohne alle Bedenken« sein könne.256 Der Schutz des subjektiv empfundenen, malerischen Potenzials der historischen Landschaft schien den Interessen der Grundstückseigentümer zuwider zu laufen, obgleich die Relevanz der »Schönheitspflege« nicht bestritten werden konnte:
250 In seiner Einleitung stellte er fest: »In Erkennung dieser Wahrheit entstanden dann auch in den letzten Jahren überall Vereinigungen, Verbände, die die Heimat- und ›Denkmalspflege‹ sich als Aufgabe setzten.«, vgl. Hartung 1906, S. 2. 251 Vgl. Conwentz 1904, S. 4-5. 252 Ibid., S. 3. Bei von Wussow war es die Eigenschaft des Objektes als Schmuck der architektonischen und landschaftlichen Umgebung, die den besonderen Status begründen konnte. 253 Vgl. Schultzenstein 1902, S. 469. Ausführlich zu den weiteren rechtshistorischen Zusammenhängen vgl. Zwiffelhoffer 2020, S. 163-164. 254 Lamberty 2015, S. 84-85. 255 Vgl. Schultzenstein 1902, S. 469. 256 Vgl. Ibid., S. 469-470.
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»In viel einschneidenderer Weise und weit größerem Umfange, als bisher durch die obenerwähnte Ausnahmen geschehen, ist nun mit dem Grundsatze gebrochen worden, dass die Polizei dann nicht zwingend eingreifen, namentlich nicht die Freiheit des Eigentums beschränken dürfe, wenn es sich nur darum handelt, etwas Schönes zu erhalten, damit die Menschen sich weiter daran erfreuen können und über seine Beeinträchtigung nicht zu ärgern brauchen.«257 Auch in Schultzensteins Argumentation findet das »Landschaftsbild« Erwähnung; mithin wird es unmittelbar mit einem idealistischen Kunstbegriff in Verbindung gebracht, wenn der Jurist auf das ethisch-moralische Interesse der Erhaltung des Schönen hinweist. Der Jurist bereitet damit das zweite preußische Verunstaltungsgesetz aus dem grundlegenden gesetzgeberischen Interesse gedanklich vor.258 Diese deutliche Forderung nach einer Ausdehnung des gesetzgeberischen Schutzes auf die Stadt- und Ortsbilder verweist auf deren Relevanz für den Denkmalbegriff im frühen 20. Jahrhundert.259 Gleichsam wertsichernd und wertschützend sollte der Gesetzgeber nun »nicht beim ersten Anfange stehen bleiben«. Für den »Natursinn« ebenso wie für den Sinn für Denkmäler entscheidend war nach Schultzenstein das »ästhetische Empfinden«, das sich unmittelbar aus der Rezeption der Landschaftsmalerei speisen musste. So stand der Schutz »aller sonstigen hervorragenden Denkmäler und die Verhinderung ihrer Verunzierung« für Schutz und Pflege eines zeitgenössischen »Kunstsinns«. Angesichts einer dem Grunde nach subjektiven Entscheidung über das Vorliegen einer landschaftlich hervorragenden Gegend schien nur eine ästhetisch-normative Festlegung geeignet, »Lokalpatriotismus« oder »sezessionistische Kunstanschauungen« abzuwehren:260 Was sich durch die Anwendung der Verunstaltungsgesetze potenzieren musste, war ein spezifischer Modus der Kunstrezeption, nämlich der an einem Landschaftsbild ausgebildete. Der wirkungsästhetische Paradigmenwechsel fußte dabei auf einem wertbestimmenden Subjektivismus, der rechtlich durchsetzbar geworden war. Dieser »Kunstanschauung« wurde auch mit der Erweiterung in Form des Gesetzes, gegen die Verunstaltung von Ortschaften und landschaftlich hervorragenden Gegenden vom 15. Juli 1907 Rechnung getragen. Nachdem der erste Entwurf erst am 23. März 1906 dem
257 Ibid., S. 470. 258 »Beruht das Gesetz auf einem richtigen Gedanken, so wird man nicht umhin können, es zum Ausgangspunkte für weitere gesetzgeberische Massregeln zu nehmen. Allerdings wird wohl stets Anstand genommen werden, in ähnlicher Weise gegen Fabriken u. dergl. einzuschreiten und etwa zu verlangen, dass sie im Rheinlande nur im Burgenstil erbaut würden, obwohl sie mit ihren qualmenden Schornsteinen regelmäßig das Landschaftsbild weit mehr verunzieren als ein blosses Schild«, vgl. Schultzenstein 1902, S. 470. 259 Orts- und Stadtbild können hier mit dem Begriff des Denkmals ersetzt werden. Der Berliner Jurist Paul Alexander-Katz zitiert in seinem Kommentar zu den Preußischen Verunstaltungsgesetzen von 1911 einen Denkmalpfleger mit den Worten: »Ein altes Straßenbild ist aufzufassen als ein großes Denkmal, welches sich zusammensetzt aus Einzelbauten der verschiedenen Stile und Jahrhunderte.«, vgl. Alexander-Katz 1911, S. 33. 260 »Welche Gegend ist landschaftlich hervorragend, und wann sind eine Verunstaltung und ein Verunzieren vorhanden? Welch weiter Spielraum bleibt da für den Geschmack, und de gustibus non est disputandum! Wie manche Gegend ist nicht landschaftlich hervorragend, wird aber doch dafür gehalten aus Lokalpatriotismus, weil man nichts Besseres hat oder kennt, oder etwa vom Standpunkte sezessionistischer Kunstanschauung aus.«, vgl. Schultzenstein 1902, S. 471.
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Preußischen Herrenhaus zugegangen war, wurde dieser innerhalb eines Jahres in den Kommissionen erheblich verstärkt.261 Nicht mehr war in dem Gesetzentwurf die Verunstaltung nur auf Reklame beschränkt, sondern auch die Möglichkeit einer Verunstaltung durch Bauwerke erfasst.262 Gleichzeitig konnten Bauwerke in ihrer historischen Umgebungsbeziehung zum Schutzobjekt dieses Gesetzes werden. Solche Straßen und Plätze von »geschichtlicher und künstlerischer Bedeutung« konnten als Denkmäler Schutz erfahren, wenn die Eigenart des Orts- und Straßenbildes gefährdet schien. Ebenso konnten durch sogenannte Ortsstatute bauliche Änderungen an solchen Bauwerken untersagt werden.263 Das Potenzial für kunsttheoretische Auseinandersetzungen konnte sich so besser entfalten, waren gerade in Großstädten namhafte Architekten auch einer »sezessionistischen Kunstanschauung« verhaftet.264 Fünf Jahre nach Inkrafttreten des zweiten preußischen Verunstaltungsgesetzes richtete sich ein juristischer Kommentator gegen die Praxis des Preußischen Oberverwaltungsgerichts, durch die der Verunstaltungsbegriff zur Fachfrage geworden war.265 Ein Schritt von einer »positiven Gestaltungspflege hin zu einer negativen Verunstaltungsabwehr« war gleichwohl bereits durch das sogenannte Kreuzbergurteil von 1882 erfolgt.266 Wobei entscheidend ist, dass das ästhetische Urteil auch danach gerichtlich 261
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Vgl. Alexander-Katz 1911, S. 22. Der Kommentator bemerkte weiter: »Wäre die Regierung nicht so schüchtern gewesen, sondern gleich mit einem ordentlichen Bau-, Denkmals- und Heimatschutzgesetz gekommen, sie hätte auch dieses erhalten […] Das Gesetz dient dem Denkmalschutz und dem Heimatschutz. Es ist ja durchaus aus den Bewegungen für Denkmals- und Heimatschutz hervorgegangen. Bei der Verabschiedung des Gesetzes wurden denn auch in beiden Häusern des Landtages Resolutionen angenommen, in welchen die Regierung aufgefordert wurde, ein vollständiges Denkmalschutzgesetz vorzulegen.«, vgl. ibid., S. 23. Der Ausdruck der Reklameschilder sollte auch Gebrauchsgrafiken erfassen: »Es ist daher anzunehmen, daß der Ausdruck Reklameschilder im weitesten Sinne auszulegen ist. Es fallen daher nicht nur besondere Schilder, die zu Reklamezwecken angebracht werden sollen, unter diese Bestimmung, sondern überhaupt alle Reklamezeichen, also auch bloße Plakate. Dabei sollte aber unzweifelhaft gelten, dass ›die Anbringung von Reklameschildern usw. nicht durchweg verboten werden darf, sondern nur so weit, als es zu Erreichung des …Zecks des Gesetzes sich ergibt‹.«, vgl. Loening 1912, S. 57-58. Die verfolgten Interessen waren dabei ideengeschichtlich eine Reaktion auf die neuen ästhetischen Ausdrucksmittel dieser Zeit, wie sie im Kontext des Kunstmarktgeschehens die Dadaisten nutzten (s.u.). Die Rolle der Reklame im Kontext der Verunstaltungsrechtsprechung betont auch Zwiffelhoffer 2020, S. 172. Der konservationistische Grundgedanke ist von der Idee des künstlerischen Landschaftsbildes nicht zu trennen. Zur Begründung des sächsischen Verunstaltungsgesetzes wird ein hoher Beamter mit den Worten zitiert: »Schutz und Pflege des Bestehenden, des guten Alten, das wir von unseren Vorfahren übernommen haben, Anknüpfen an dieses Überlieferte und Weiterbauen auf ihm, Schutz und Pflege der Schönheit der Landschaft, die überall in der Natur zu finden ist […] mit einem Worte, der Heimatschutz, und dieser Gedanke hat gegenüber […] dem rücksichtslosen Walten des Erwerbsgeistes, gegenüber den Auswüchsen der Reklame mit steigender Macht immer weitere Kreise ergriffen.«, vgl. Alexander-Katz 1911, S. 23. Zum Begriff vgl. Schultzenstein 1902, S. 471. Zur geringen Effektivität beider Gesetze und insbesondere des Verunstaltungsgesetzes von 1907 vgl. Kapell 2002, S. 33. Wenn auch leicht auf die negativen Folgen verkürzt vgl. Schimek 2020. Zum Aspekt des strengen Maßstabes für die Beurteilung der Verunstaltung vgl. Zwiffelhoffer 2020, S. 163. Vgl. Zwiffelhoffer 2020, S. 163. Das Gericht entschied über eine Verordnung des Berliner Polizeipräsidiums, das solche Bebauung untersagte, die über das Kreuzbergdenkmal ragen sollten. Das Gericht definierte Verunstaltung als »die Herbeiführung eines positiv häßlichen, jedes offene Auge ver-
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durchsetzbar blieb.267 Die Frage der Normativität des ästhetischen Urteils wurde dabei schon früh diskutiert.268 Mithin war der Streit um die ästhetische Methode ein solcher um die Begründbarkeit des Kunstverständnisses; die psychologische Methode konnte dabei dem Anspruch des positivistischen Weltbildes der Zeit genügen.269 Damit erklärt sich nicht nur die Dominanz der psychologischen Methode, die schließlich das besondere Legitimationsbedürfnis des Verunstaltungsschutzes befriedigen konnte, bevor diese als juristische Theorie im Durchschnittsbetrachter aufgehen würde. In dem 1912 veröffentlichten Kommentar Die preußischen Gesetze gegen Verunstaltung hatte Otto Goldschmidt diese Figur in den Diskurs eingebracht. Damit wendete sich der Jurist gegen eine Definition der verunzierenden Wirkung an den Bedürfnissen eines Landschaftsmalers dieser Zeit und in Folge gegen die Einschätzung des Preußischen Oberverwaltungsgerichtes: »Der Künstler (Landschaftsmaler, Architekt) steht nicht selten auf dem […] Standpunkt, daß jede Reklame in der freien Landschaft i.S. des Gesetzes verunzierend wirke. Es sollen aber nicht die Anschauung eines Kreises künstlerisch Gebildeter, sondern die des Durchschnittsbeschauers zugrundegelegt werden.«270
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letzenden Zustandes«, vgl. PrOVGE, Urteil vom 14. Juni 1882, 9, S. 382. Heute wird der unbestimmte Rechtsbegriff aus der Perspektive und mit dem Wissens- und Wertungshorizont eines für ästhetische Eindrücke offenen Durchschnittsbetrachters beurteilt. Damit verweist das heutige städtebauliche Denkmalecht auf eine normatives also durch Wertentscheidung begründbares Urteil, vgl. Zwiffelhoffer 2020, S. 165. Laura Zwiffelhoffer weist genau auf diesen besonderen Aspekt hin, der auch für andere kunstbezogene Rechtsgebiete ebenfalls gelten mag: »Das juristische und das ästhetische Urteil unterscheiden sich in ihrem Verbindlichkeitsanspruch. Auch einem normativ verstandenen ästhetischen Urteil kann man sich entziehen, es nicht verstehen und nicht anerkennen. Das ist für juridische Urteile nicht vorgesehen. Die Besonderheit des Verunstaltungsverbots ist, dass es diese beiden Ebenen auf eine Weise verbindet, die das ästhetische Urteil verrechtlicht und damit verbindlich und durchsetzbar macht.«, vgl. Zwiffelhoffer 2020, S. 166 mit umfassenden Hinweisen auf die Rechtsprechung der Nachkriegszeit. Die Relevanz des Verunstaltungsrecht im Verhältnis von Kunst und Nicht-Kunst thematisierte auch Andreas Voßkuhle: »Nun liegt es in der Natur gerade avantgardistischer Bau-Kunstwerke, daß sie selten auf breite Zustimmung treffen. Entsprechende Objekte geraten vielmehr schnell zur Quelle kleinerer und größerer Querelen innerhalb der Ortsgemeinschaft und darüber hinaus, weil der eine sich in seinem guten Geschmack ›verletzt‹ sieht, wo der andere die Vitalisierung des Städtebaus durch ›moderne Kontrastbauten‹ lobt […]«, vgl. Voßkuhle 1995, S. 614. S.o. Barck 2000, S. 375. Vgl. Goldschmidt 1912, Anm. 8. Entscheidend war die Frage des kunstbegrifflichen Maßstabes sowohl für die Klärung des Tatbestands der Verunstaltung, wie auch der Klärung der Frage, ob überhaupt eine landschaftlich hervorragende Umgebung gegeben sein konnte. Dazu bemerkte der Jurist Otto Loening: »Die Frage ist nicht lediglich eine reine Doktorfrage […]«, vgl. Loening 1902, S. 538. Die Denkmalpflege sah in dem Preußischen Gesetz ein Schritt in die Richtung des Positivismus und der Auflösung des Gegenstandes Kunst: »[…] dass den damaligen Wünschen des Denkmaltages vollständig durch das Gesetz entsprochen wurde, machte auf den bedeutsamen Unterschied aufmerksam, der zwischen der früheren Auffassung des Oberverwaltungsgerichts bezüglich des Begriffs der Verunstaltung und der dem Gesetz zugrundeliegenden Auffassung darin bestände, daß nach letzterem für die Beurteilung nicht das Laienauge, sondern Sachverständige und Künstler maßgebend sind.«, vgl. v. Behr 1907, S. 97. Es war den Ortsstatuten überlassen, geeignete Sachverständige zu bestimmen. Es konnten Architekten, Maler, Konservatoren oder sonstige kunstgeschichtlich geschulte Persönlichkeiten ausgewählt
Künstlerische Bedeutung als Frage der Anschauung
Hier steht nicht der Künstler für die »sezessionistische Kunstanschauung«, sondern ein nicht weiter definierter »Durchschnittsbeschauer«.271 Damit konnte es argumentativ gelingen, die verunstaltende Wirkung sowie künstlerische Bedeutung als Ausdruck eines Kunstbegriffs einer Mehrheit darzustellen.272 Zugleich, und das mag nicht überraschen, knüpfte Goldschmidt an das Versprechen der aus der idealistischen Ästhetik hervorgegangenen psychologischen Methode an.273 Realiter war aus dem empirischen Versprechen ein normativer Kunstbegriff geworden.274 Seine Institutionalisierung durch die staatliche Kunstpflege hatte die Bereiche des ästhetischen Gehaltes und der künstlerischen Bedeutung abgesteckt:275 Dabei hatte die mangelnde Differenzierung der Expertensicht, die Heranziehung der Heimat- und Denkmalpfleger für Fragen der Stadtplanung eine verstärkende Wirkung:276 »[…] es muß gestattet sein, auch hier, wo es sich um Fragen der Kunst und der Schönheit handelt, den einzelnen eine gewisse Beschränkung aufzuerlegen, damit nicht alles, was unseren Städten, unseren Landschaften und unseren Ortschaften zum Schmucke gereicht, in ständiger Gefahr sich befindet, beliebig der Vernichtung anheimzufallen.«277 In dem hier anklingenden Begriff der groben Verunstaltung verdichtete sich der Bestimmungszusammenhang der künstlerisch-ästhetischen Bedeutung. Ausgangpunkt dieser Beschränkung nach ästhetischen Gesichtspunkten war für andere Kommentatoren im Sinne der Gerichtspraxis aber der geschärfte Blick eines in solchen Fragen vermeintlich geübten »kleineren Teiles des gebildeten Publikums«.278 Unbeachtlich soll-
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werden. Besonders Landschaftsmaler müssen als Akteure kunstbegrifflicher Gegenstandssicherung gelten; dazu auch: Kuhn 2020, S. XVIII. Zur Rolle des Sachverständigen im Denkmalrecht heute und zum Problem des Denkmalbegriffs als »reine Rechtskonstruktion«, vgl. Davydov 2015, S. 97. Zum Begriff vgl. Schultzenstein 1902, S. 471. In der Rolle des »sachverständigen Betrachters« zeichnet sich zugleich der Wandel des Denkmalbegriffs bis heute ab. Die Dualität von Anschauung und Wissenschaftlichkeit lebt fort: »Welche Gesichtspunkte im Einzelfall Gegenstand einer vom Gericht einzuholenden sachverständigen Beratung bzw. Begutachtung sein können, stellte das BverwG nicht heraus, räumte jedoch ein, dass bei der Anwendung des § 2 Abs.1 Satz2 DSchG eine Trennung von tatsächlichen und normativen Fragen schwierig ist.«, vgl. Davydov 2015, S. 98. Die in den verwaltungsgerichtlichen Urteilen virulente Frage, das Changieren zwischen einem Kunstverständnis aus einer subjektiv oder normativ begründeten Ästhetik einerseits und einer unklaren Verbindung von kunstgeschichtlichem und ästhetischem Kunstbegriff andererseits, findet sich auch in anderen kunstbezogenen Rechtsgebieten, wie dem Urheberrecht (dazu im 2. Teil). Zu den zwei Phasen der Entwicklung des Durchschnittsbetrachters in der Rechtsprechung bis zum Ende des zweiten Weltkrieges und danach vgl. Zwiffelhoffer 2020, S. 168. Anders als Bundesverwaltungsgericht heute war die Beurteilung der Verunstaltung für das Preußische Oberverwaltungsgericht damals keine Rechts- sondern eine Tatsachenfrage: »Sowohl für die Frage, ob aus Sicht eines ästhetisch Geschulten die Beeinträchtigung künstlerisch wertvoller Plätze drohe, als auch für die Entscheidung, ob aus Sicht eines ›Durchschnittsbetrachters‹ eine grobe Verunstaltung vorliege, zog das Preußische Oberverwaltungsgericht Sachverständige hinzu.«, vgl. ibid., S. 170-171. Dazu s.u. Vgl. Alexander-Katz 1911, S. 25. Vgl. hier: ibid., S. 29-30.
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te das »Empfinden der breiten Masse des Volkes oder auch nur einer überwiegenden Mehrheit des Publikums« sein. Schließlich gingen aber auch jene Stimmen von der Verdichtung einer spezifischen Kunstanschauung aus, die nicht auf Fachkreise, wohl aber auf »im Sinne des Grundgedankens des Gesetzes empfindende Menschen« abstellten.279 Für diese Position war dieser Grundgedanke, der sich im Kunstbegriff artikulierte, wohl selbstevident. Der den Verunstaltungsgesetzen zugrundeliegende Kunstbegriff äußerte sich folglich in verschiedenen Gesichtspunkten: Die Begriffe »Grobe Verunstaltung«, »Verunstaltung«, »geschichtliche oder künstlerische Bedeutung«, »Eigenart des Orts- und Straßenbildes« und »Eindruck, den Gebäude hervorrufen« verwiesen alle auf kunsttheoretische Zusammenhänge. Solange die sezessionistische Kunstanschauung nicht als gesellschaftlicher Konsens gesehen werden musste, war der Durchschnittsbetrachter legitimierend. Was für eine Zeit gelten muss, in der sich das Verhältnis umgekehrt hat, in der kein ästhetisches System verallgemeinerbar ist, bleibt als offene Frage zurück.280
4.
Die Parallelität von ästhetischem und künstlerischem Interesse
Die Verknüpfung des juristischen Verunstaltungsbegriffs mit einem Kunstbegriff, der sich an der Rezeption der Landschaftsmalerei ausgebildet hatte, wurde von den Juristen, wie u.a. Ernst Kronecker, selbst angemerkt. So fand nicht nur der Landschaftsmaler als Sachverständiger für die Klärung der Verunstaltungsfrage besondere Erwähnung.281 Eigene Vergleichsbeispiele verweisen auf eine Motivik, wie sie in zeitgenössischen Ausstellungen auch einem Berliner Juristen bekannt gewesen sein konnte: »Auch ›grellfarbige, bunte, durch ihre Größe, Form und Farbe auffallende Schilder‹, welche der Minister von Hammerstein […] erwähnte, können in einem weitausgedehnten Acker- oder Wiesengelände unter Umständen nicht verunstaltend, vielmehr als eine das Auge anregende Unterbrechung eines eintönigen Bildes wirken, während z.B. der Blick von Rolandseck auf das Siebengebirge schon durch eine sonst unscheinbare Abbildung oder Anzeige erheblich beeinträchtigt werden kann.«282 Angesprochen ist mit der Verknüpfung von »Polizeilicher Schönheitspflege« und Landschaftsmalerei nicht nur, wie es Fortunat von Schubert-Soldern mit Blick auf die Kategorie des Malerischen später bemerkte, die Relevanz bekannter Motive. Diese vermittelt zugleich auch wesentliche Gesichtspunkt eines für das juristische Urteil herangezogenen (Kunst-)Werkbegriffs.283 »Acker-, Wiesen- und Heidegegenden […] auf welche das Gesetz seinem Wortlaut nach offenbar nicht anzuwenden ist« waren als Motive ungeeignet. So mussten »hervorragend nur Landschaften [sein], welche durch Schönheit die 279 Vgl. ibid., S. 32. 280 Zum Problem des überdauernden, idealistischen Kunstbegriffs vgl. Voßkuhle 1995, S. 618. 281 »Allerdings wird die Beantwortung dieser Frage im Einzelfalle sehr von dem subjektiven Ermessen des Richters und des etwa von ihm zugezogenen Landschaftsmalers oder sonstigen Sachverständigen abhängen.«, vgl. Kronecker 1911, Sp. 1204. 282 Vgl. ibid. 283 Josef Kohlers Definition des Werkes der bildenden Künste an der Idee der Weltschöpfung steht mit der hier grundlegenden Kunstvorstellung in Verbindung, vgl. 2. Teil.
Künstlerische Bedeutung als Frage der Anschauung
anderen übertreffen, also nicht solche, die den Durchschnittscharakter der norddeutschen Tiefebene zeigen.«284 Die mit den im öffentlichen Interesse geschützten, ästhetischen Interessen einhergehende Belastung des Eigentums wurde durch das legitimiert, was gemeinhin als Schönheitspflege bezeichnet werden konnte.285 Die Tatbestandsfrage danach, wann eine Landschaft als hervorragend zu bewerten war, musste anders als die nach dem verunstaltenden Zustand auf die Ästhetik von oben zurückgreifen. Auch das Schöne wurde hier zu Beginn des 20. Jahrhunderts als Bewusstseinsinhalt rehabilitiert.286 Friedrich Theodor Vischer hatte das Schöne als »Akt« bezeichnet, durch den ein Betrachter, aufgrund einer bestimmten Anschauung, den ästhetischen Gegenstand schaffen konnte.287 Über die Begriffe des Landschafts- und Ortsbildes wird die Parallelität zu einer malerischen Ästhetik deutlich.288 Die ästhetische Wirkung konnte auf unterschiedliche Weise relevant werden. Otto Loening, Autor eines weiteren Kommentars zum preußischen Verunstaltungsgesetz von 1907, nahm auf den Beitrag Kroneckers im Preußischen-Verwaltungsblatt Bezug. Anders als das erste Verunstaltungsgesetz von 1902, das durch seine Begrenzung auf landschaftlich hervorragende Gegenden allein ästhetische Interessen schützen konnte, stellte Loening als Schutzgegenstand des späteren Verunstaltungsgesetzes eine Trias vor: »Daß inzwischen durch das Gesetz vom 15. Juli 1907 gegen die Verunstaltung von Ortschaften und landschaftlich hervorragenden Gegenden den Polizeibehörden eine noch weitergehende Befugnis zum Schutze ästhetischer, künstlerischer oder historischer Interessen beigelegt ist, darf als bekannt vorausgesetzt werden.«289 War das Gesetz von 1902 aus einer Initiative zur Verhütung von Reklame im preußischen Rheinland hervorgegangen, blieb eine Abgrenzung der Interessenkategorien aus. Für die Gesetzesanwendung von Relevanz war dabei die Frage, ob der richterlichen Bewertung nur die Frage der Verunstaltung zugewiesen war oder ob auch die landschaftlich hervorragende Gegend Tatfrage sein konnte. Für Loening verwiesen Sinn und
284 Vgl. Kronecker 1911, Sp. 1202. 285 »Das Gesetz muss eng ausgelegt werden, weil es in einer dem bisherigen Polizeirecht unbekannten Weise zum Schutz wesentlich ästhetischer Interessen erheblich in den Rechtskreis der Grundstückseigentümer und der Gewerbetreibenden eingreift.«, vgl. ibid., Sp. 1203. Der Rechtswissenschaftler Walter Leisner setzt diese Kulturidee in seiner 2018 veröffentlichten Monografie Der Schöne Staat fort. Zum Verhältnis von Heimatschutz, Denkmalpflege und Eigentumsbegriff vgl. Speitkamp 1999. 286 Zum Schönen im Kontext der Einfühlungsästhetik vgl. Perpeet 1966, S. 198. Ohne Berücksichtigung der Einfühlungsästhetik vgl. Zwiffelhoffer 2020, S. 1989-1999. 287 Im Zusammenhang zur Ästhetik des Malerischen: Engel 2018, S. 297. Mit Blick auf die kunsthistorische Fachgeschichte führt Caroline van Eck aus: »Although 19th century empathy theorists appear to address the same issue, that of attributing, or in the terms of empathy aesthetics, lending human feelings to inanimate nature and objects, they are in fact concerned with a different problem and response to art. Their concern is to explain the significance of natural or artistic forms by assuming the process of empathy; in other words, attributing animation is for them the explanation of the meaning of art or nature, whereas our concern here is with understanding that attribution.«, vgl. van Eck 2015, S. 23. 288 Herold 2018, S. 103. 289 Vgl. Loening 1902, S. 538.
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Zweck des Gesetzes ebenso wie die Systematik der Norm auf die Notwendigkeit der Klärung beider Fragen. Es schien folglich nicht möglich zu sein, die Verunstaltungsfrage losgelöst von der nach dem Maßstab zu entscheiden.290 Der juristische Kommentar Otto Loenings, der 1912 erschien, beschäftigte sich recht knapp mit den in § 2 des Gesetzes enthaltenen Bedeutungskategorien. Allerdings liefert der Jurist eine geeignete Grundlage für die Bestimmung der mit dem Gesetzesvorhaben verbundenen Interessen. Gewährte die preußische Rechtsordnung vor 1907 nur mehr unzureichende Zwangsmittel zum »Schutze von Orten und Landschaften«, existierten bereits im 19. Jahrhundert Rechtsnormen, durch die »in sehr bescheidenen Grenzen das Eigentum aus ästhetischen Gründen beschränkt werden« konnte.291 Hinzu kam eine Einhegung der ästhetischen Verwaltungspraxis durch die Gerichte. Im Kontext dieser als defizitär empfundenen Rechtslage wurden die Forderungen nach einer allgemeinen Rechtsgrundlage für kommunale Vorschriften lauter: »In Wort und Bild trat man überall für den Schutz der Städtebilder ein. Zahlreiche Petitionen wurden dem Herrenhause und dem Hause der Abgeordneten unterbreitet […] übereinstimmend wurde in beiden Häusern des Landtages ein Schutzgesetz für alle bedeutsamen Bauwerke und deren Umgebung als notwendig bezeichnet, ohne Rücksicht darauf, ob sie in Städten und geschlossenen Ortschaften oder außerhalb liegen.«292 Dieses neue Gesetz war mithin die Ergänzung zu dem bereits 1902 erlassenen Verunstaltungsgesetz, das sich auf landschaftlich hervorragende Gegenden beschränkt hatte. Mit dem neuen Gesetz sollte es den Gemeindebehörden überlassen sein, über die Notwendigkeit eigener Ortsstatute auf Grundlage dieses neuen Gesetzes zu entscheiden. Wurden Ortschaften (§§ 1 bis 7) und landschaftlich hervorragende Gegenden (§ 8) nun unterschieden, ergänzte das Gesetz für Ortschaften neben der gröblichen Verunstaltung nach § 1 die bloße Beeinträchtigung in §§ 2 bis 6. Auf Grundlage des neuen Gesetzes konnte eine gröbliche Verunstaltung nun aber am Ortsbild selbst bestimmt werden. Alois Riegl hatte wenige Jahre zuvor in seinem Entwurf für ein erstes österreichisches Denkmalschutzgesetz die Relevanz der normativen Ästhetik für den Diskurs ausgemacht: Selbst suchte er sich sowohl gegen eine solche Ästhetik des Landschaftsgemäldes wie auch jene des Historismus zu behaupten und bestimmte den »Gefühlswert« zu Beginn des Jahrhunderts als eigenen Ausgangspunkt der Denkmalpflege.293 Auch Riegls Versuch, die moderne Denkmalpflege im Sinne einer psychologischen Ästhetik 290 »Allerdings wird es im einzelnen Falle öfters schwer zu entscheiden sein, ob eine landschaftlich hervorragende Gegend vorhanden ist oder nicht, da in dieser Beziehung die subjektive Auffassung in großem Maße mitspricht. Immer ist aber doch zu beachten, daß auch bei dem Begriff der ›Verunstaltung‹ trotz der einheitlichen und ständigen Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts das subjektive Ermessen mitspricht.«, vgl. ibid., S. 539. 291 Vgl. Loening 1912, S. 2. 292 Ibid., S. 4. 293 Bernd Euler-Rolle weist auf die Relevanz der Einfühlungsästhetik für die moderne Denkmalpflege hin: »Alois Riegl, einer der Gründerväter der ›modernen Denkmalpflege‹, wie man damals sagte, hat 1905 in seinen Ausführungen zu den ›Neuen Strömungen in der Denkmalpflege‹ auf ein mögliches Missverständnis aufmerksam gemacht: Der Beschauer will sich nicht eingestehen, dass er das Gefühl, das er angesichts eines
Künstlerische Bedeutung als Frage der Anschauung
zu begründen, musste folglich auf das Dilemma eines Kunstbegriffs verweisen, der auf die subjektive Resonanz gerichtet war:294 »Ein einfaches Bauernhaus mit moosbewachsenem Strohdach, eine efeuumsponnene Burgruine, ein Gewirr von roten Ziegeldächern sind gewiß an sich keine Kunstwerke und brauchen auch kein besonders hohes Alter zu besitzen; sie üben aber auf den Künstler und auf den künstlerisch empfindenden Beschauer eine starke Wirkung aus, die wir nach der allgemein gebräuchlichen Ausdrucksweise als die malerische bezeichnen können.«295 Als »malerisch« musste bezeichnet werden, was »auf den Beschauer an sich schon eine Bildwirkung ausüben, ihn zum künstlerischen Schaffen oder Empfinden anregen [kann], ohne dabei selbst Kunstwerk sein zu müssen.«296 In seinem Beitrag für die Mitteilungen der k.k. Zentralkomission für Denkmalpflege wurde Fortunat von Schubert-Soldern noch deutlicher: »Dieses Gefühl des Malerischen ist auf den engen Zusammenhang zurückzuführen, der zwischen dem künstlerischen Schaffen und der malerischen Auffassung der Objekte der Außenwelt besteht und seine Wirkung sowohl in der Richtung ausübt, daß die Kunstwerke unsere malerische Auffassung beeinflussen, und uns, wie schon Konrad Lange nachweist, von den gesehenen Kunstwerken auf die malerischen Qualitäten des Naturbildes schließen lassen, als auch andererseits dahin, daß uns aus der Natur und Außenwelt immer neue malerische Anregungen zufließen.«297 Unabhängig von dem Riegl’schen Kunstwert, der als Gegenwartswert dem Vergangenheitswert gegenüberstand, steht auch die künstlerische Bedeutung in ihrer inhaltlichen Breite für dieses »Gefühl des Malerischen« und damit die in diesen Jahren prägende Verbindung der Kunsthistorik einerseits mit Ästhetik und Kunstkritik andererseits.298 Als ein Schüler Riegls ließ von Schubert-Soldern, der als Leiter des Bundesdenkmalamts in Wien mit der Anwendung der Rechtsbegriffe unmittelbar betraut war, auch den Modernitätsanspruch eines Kulturrechts nicht unerwähnt. Das Malerische sollte nur im Kontext einer auf Malerei gerichteten Kunstrezeption den erhaltenswerten Zustand vermitteln: »Der erstere Vorgang wird immer auf die Vergangenheit zurückgreifen müssen und uns den Begriff des Malerischen auf dem Wege der Kunsttradition vermitteln. Als malerisch bezeichnen wir demnach alles, was an Motiven der Außenwelt in den dauern-
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Denkmals empfindet, sich nicht sofort erklären könne, und so täuscht er sich vor, das Denkmal gefalle ihm, weil es schön oder weil es historisch interessant ist.«, vgl. Euler-Roller 2005, S. 27. Zur psychologischen Komponente des Denkmalwerts vgl. Kieser 2006, S. 5. von Schubert-Soldern 1915, S. 4. Vgl. von Schubert-Soldern 1915, S. 4. Vgl. ibid. Christian Scholl führt über diese Konstellation aus: »Geschichte als deutende und begründende Erzählung einmaliger Abläufe wurde dabei zu einem Leitmuster, das nicht nur die Ausdifferenzierung der Kunsthistorik zu einer eigenen Disziplin bestimmte, sondern auch Kunstkritiken zu weiten Teilen in Kunstgeschichte verwandelte.«, vgl. Scholl 2012, S. 15. Zu Person Fortunat von Schubert-Solderns vgl. hier und im Folgenden: Frodl-Kraft 1997, S. 438.
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den Besitz der Kunst, beziehungsweise der Malerei übergegangen, gleichsam zu ihrem Inventar und Rüstzeug geworden ist. Dabei ist es natürlich klar, daß malerische Werte durch Mangel an Pflege mit der Zeit ausscheiden und durch neu hinzukommende ersetzt werden und daß jene Motive, die die Neuerer in unser modernes Kunstleben einzuführen suchen, noch nicht als bleibende Werte gelten können, weil sie nicht an die geltende Tradition anknüpfen und dementsprechend keine Garantie für die Dauerhaftigkeit gewähren.«299 War der Kunstkritiker gezwungen, seine Bewertungen auf den Stand der zeitgenössischen Kunstproduktion zu beziehen, verlangte das Malerische zugleich, die Bestimmung des Feldes des Künstlerischen nicht an den Abweichungen vom bisher Geläufigen vorzunehmen, sondern an der Kunst des 19. Jahrhunderts.300 Anders als bei der Bestimmung der Originalität war hier im Ansatz das Empfinden des breiten Publikums, des Durchschnittsbetrachters, und nicht des Experten entscheidend.301 Verbunden waren beide in dem Bemühen, das künstlerisch Erfasste durch die eigene Gegenwärtigkeit zu unterstreichen.302 »Alterskultus und […] Kultus des Malerischen«, historische und künstlerische Bedeutung der Verunstaltungsgesetze verwiesen unmittelbar auf die Rezeptionsgewohnheiten einer größeren Gruppe.303 Nach dem Wortlaut des preußischen Verunstaltungsgesetzes von 1907 mussten die Begriffe des Orts- und Landschaftsbildes auf diesen Zusammenhang verweisen. War das Verständnis des Verunstaltungsbegriffs nach Auffassung des Juristen Loening »wandelbar und dem Geschmacke der Zeit unterworfen«, musste es auch der aus der Kunstrezeption gewonnene soziale Maßstab sein.304 In § 2 des Gesetzes wurde die 299 Vgl. von Schubert-Soldern 1915, S. 4. In den Ausführungen des Denkmalpflegers tritt zugleich die Idee der Pictura historians auf, wie sie Léa Kuhn (für die Zeit um 1800) beschreibt. Mithin ist es auch hier die Malerei, die Bedeutung zuweist, Kuhn 2020 S. VIII, S. 257. 300 Zu dieser neuerlichen Rezeption der Malerei der Romantik in dieser Zeit vgl. Scholl 2012. 301 Zu den Implikationen einer Instrumentalisierung der Einfühlung in der Kunstgeschichte vgl. Imorde 2009, S. 127-128. 302 Zur Historizität in Kritik und Geschichte vgl. Germer/Kohle 1991, S. 309-310, wobei die Aktualität dieses Beitrags in Bezug auf die Frage, wer sich in welcher Weise über Kunst bzw. deren Geschichte äußert hat zuletzt auch Léa Kuhl betont hat (Kuhl 2020, S. VIII). Auf die Eigenschaften des Denkmals bzw. Orts- und Landschaftsbildes als ein allein ästhetisches Objekt wies der österreichische Denkmalpfleger hin: »Hier dürfte auch der Riegelsche Alterskultus manche Berührungspunkte mit dem Kultus des Malerischen haben, wenn auch bei der Betrachtung eines Objektes vom malerischen Standpunkt nicht das Alter als solches, sondern die vom Alter beeinflußte Wirkung des Objekts auf den Beschauer eine Rolle spielt.«, vgl. von Schubert-Soldern 1915, S. 5. 303 Vgl. ibid. 304 Vgl. Loening 1912, S. 36. Der österreichische Denkmalpfleger von Schubert-Soldern erweiterte diesen am Gemälde geprägten Begriff des Kunstwerks inhaltsästhetisch: »Diese Steigerung der malerischen Wirkung einer Landschaft, eines Straßenbildes, eines Baudenkmals oder eines Interieurs durch eine dazu passende Staffage ist in der Malerei bereits seit Jahrhunderten bekannt und läßt sich dadurch erklären, daß diese das Verhältnis des Menschen zur Natur oder zum Menschenwerk viel klarer und deutlicher zum Ausdruck bringt als die Darstellung derartiger Motive ohne belebende Staffage. Vom malerischen Standpunkt aus betrachtet, wird also die Belebung einer altertümlichen Straße oder einer Kirche stets ästhetisch befriedigen, und demgemäß in vielen Fällen die Erhaltung der Gebrauchsfähigkeit der Denkmäler anzustreben sein, während sich der Alterskultus streng genommen diesem Problem gegenüber indifferent verhalten wird.«, vgl. von Schubert-Soldern 1915, S. 8.
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Beeinträchtigung des Stadtbildes »noch [von] anderen Rücksichten, die auf Kunst, Geschichte, Altertumskunde usw.« verwiesen, abhängig gemacht, um diesen Bezugspunkt regional nachvollziehbar zu machen. Dabei war das Motiv auch nach Ortsteilen geschützt.305 Jenes Bild wurde dabei durch bereits vorhandene Bauten definiert, ein Rechtsbegriff, der wiederum auslegungsbedürftig war: »Im Übrigen fallen unter ›Bauten‹ nicht bloß Gebäude, Häuser u. dgl., sondern alles, was nach dem Sprachgebrauch im technischen Sinne ›gebaut‹ wird […] es gehören daher hierhin auch Schuppen, Gartenhallen, Kegelbahnen, Türme, Denkmäler, Erbbegräbnisse auf Kirchhöfen, Tore, Portale, ferner alleinstehende Mauern, freistehende Wasserleitungen.«306 Die Eigenart des Ortsbildes, wie es in § 2 des Gesetzes bestimmt wurde, fügte sich aus genau jenen Bauten zusammen. Die künstlerische und historische Bedeutung der Einzelglieder musste daher im Zusammenhang mit dem Gesamtbild gewertet werden, wie es sich aus der kommentierten Anwendungspraxis zu den beiden Vorschriften des Gesetzes ergab. Der Jurist Loening verwies in seiner Kommentierung des Gesetzes darauf, dass die geschichtliche Bedeutung einer Straße oder eines Platzes stets im einzelnen Fall zu bestimmen seien würde.307 Als allgemeiner Rahmen sollte gelten, dass eine solche Bedeutung anzunehmen sei, wenn »Straßen und Plätze hinsichtlich aller oder einzelner der an ihnen liegenden Gebäude den Charakter einer historischen Epoche aufweisen.« Problematisch für die Anwendung schien die »künstlerische Bedeutung«, da ein vergleichbarer Definitionsversuch fehlte. Lediglich der Hinweis darauf, dass auch »neu angelegte Straßen und Plätze einen künstlerisch bedeutsamen Eindruck machen können«, verweist auf die skizzierte begriffliche Problematik.308 Der Kunstbegriff des Gesetzes schien auf Eigenart und Eindruck gleichermaßen zu verweisen: »Der § 2 habe nur den Schutz des bereits Bestehenden im Auge; man könne aber noch einen Schritt weiter gehen und zweifelsfreie rechtliche Grundlagen schaffen, um für besondere Fälle, wie die Errichtung von Villenvierteln, die Bebauung von Badeorten, die Anlegung neuer Straßen in Städten, erhöhte Anforderungen in architektonischer und ästhetischer Beziehung stellen zu können.«309 Besonders aufschlussreich sind die im Kommentar von Otto Loening abgedruckten Ausführungsanweisungen für das Preußische Verunstaltungsgesetz von 1907. Deutlich wird die Nähe der Kommentierung zu den Äußerungen des Gesetzgebers im Zusammenhang mit den Bedeutungskategorien des Gesetzes. Die künstlerische Bedeutung 305 »Aus dieser Entstehungsgeschichte ergibt sich, daß unter einer gröblichen Verunstaltung ›des Ortsbildes‹ im Sinne des Gesetzes nicht nur eine den Gesamteindruck der Ortschaft beeinflussende, sondern jede gröbliche Verunstaltung durch Bauten zu verstehen ist, die auch nur auf einzelne Ortsteile einzuwirken geeignet ist.«, vgl. Loening 1912, S. 31. 306 Vgl. ibid., S. 22. 307 Ibid., S. 45. 308 Vgl. ibid., S. 46. 309 Ibid., S. 64. So konnten beispielsweise über das in § 1 des Gesetzes vorgegebene Maß hinaus, nicht nur »gröbliche Verunstaltungen« verhindert werden, sondern eine bestimmte Bauart oder ein bestimmter Baustil vorgeschrieben werden.
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wurde dort als Gegenteil zu einer das »Gesamtbild« erfassenden »Schädigung im ästhetischen Sinne« erläutert.310 Die unmittelbare Verknüpfung des Rechtsbegriffs der künstlerischen Bedeutung mit dem des »Ortsbildes« findet auch hier Erwähnung. War in § 1 des Gesetzes nur von der gröblichen Verunstaltung des Ortsbildes die Rede, konnte durch Ortsstatut nach § 2 des Gesetzes eine bauliche Veränderung auch davon abhängen, ob die »Eigenart des Orts- oder Straßenbildes« durch die Beeinträchtigung der »Straßen und Plätze von […] künstlerischer Bedeutung« gefährdet war. Diese künstlerische Bedeutung sollte sich wiederum unmittelbar aus diesem bildlichen Eindruck ergeben können.311 Als Sinn und Zweck des Verunstaltungsrechts galt eine »Kulturaufgabe«, deren »unentbehrliche Ergänzung eine freiwillige Mitarbeit möglichst weiter Kreise« sein sollte:312 »Es ist im hohen Maße erwünscht […] die Erkenntnis zu wecken und zu befestigen, daß ein Straßen, Stadt- und Landschaftsbild, möge es sich auch aus noch so einfachen und scheinbar anspruchslosen Teilen zusammensetzen, ein kulturgeschichtliches Erbteil ist, dessen Wert erkannt und gewürdigt werden muß, daß es im künstlerischen Sinne ein Ganzes bildet.«313 Die Vermittlung der historischen Motive der Landschaftsmalerei und deren ästhetische Erfahrung waren dabei unmittelbar mit der Anwendung des Gesetzes verbunden. Verunstaltungsschutz erweist sich erneut als Motivschutz.
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Zusammenfassung
Folge der preußischen Verunstaltungsgesetze und ihrer Anwendung war eine doppelte »Normativität des ästhetischen Urteils« durch das gerichtliche Urteil.314 Waren die grundlegenden Interessen in den frühen Jahren des 20. Jahrhunderts an einem durch den poetischen Realismus und die Landschaftsmalerei des 19. Jahrhunderts geprägten Durchschnittsbetrachters konsensfähig, wurde die von der Rechtsprechung aus Äußerungen der Sachverständigen übernommene Argumentation Teil des juristischen 310 Vgl. Ausführungsanweisungen vom 4. August 1907, Anlage I, in: Loening 1912, S. 97. 311 § 2 lautete: »Durch Ortsstatut kann für bestimmte Straßen und Plätze von geschichtlicher oder künstlerischer Bedeutung vorgeschrieben werden, daß die baupolizeiliche Genehmigung zur Ausführung von Bauten und baulichen Änderungen zu versagen ist, wenn dadurch die Eigenart des Orts- oder Straßenbildes beeinträchtigt werden würde«, vgl. Loening 1912, S. 36. 312 Vgl. Anlage zum Runderlaß vom 10. Januar 1908, Anlage II, in: ibid., S. 112. 313 Vgl. ibid., S. 114. Grundlagen der Heimat- und Denkmalvermittlung wurden als Auslegungs- und Anwendungshilfen des Gesetzes angeführt: »Um die Einwirkung in diesem Sinne mit Erfolg auszuüben, empfiehlt es sich, den berufenen Organen […] neben den durch das Gesetz vom 15. Juli d. Js. Gegebenen Maßnahmen eine aufklärende, belehrende und anregende Tätigkeit zu entfalten. Als geeignetes Mittel zu diesem Zweck bezeichnen wir. 1. Die Veranstaltung öffentlicher, allgemein verständlicher Vorträge in Stadt und Land unter Benutzung der einschlägigen Literatur, aus der wir beispielsweise nennen: Schultze-Naumburg, Kulturarbeiten, Mitteilungen des Bundes Heimatschutz; Wieland, Der Denkmal- und Heimatschutz in der Gesetzgebung der Gegenwart; Die Denkmalpflege. Herausgegeben von der Schriftleitung des Zentralblattes der Bauverwaltung […] u.a.m. 2. Die Bildung von Ortsausschüssen […] 3. Die Ausschreibung von Wettbewerben zur Erlangung von mustergültigen Vorbildern zu Bauentwürfen […]«, vgl. ibid., S. 115-116. 314 Zwiffelhoffer 2020, S. 165.
Künstlerische Bedeutung als Frage der Anschauung
»Kommunikationspositivismus«.315 Die Unschärfe dieser methodisch bedingten Figur war zugleich Garant und Auslöser für Meinungsverschiedenheiten in ästhetischen Fragen. In diesem Kontext erweist sich die Bedeutungskategorie des Malerischen in der Denkmalöffentlichkeit als Ausdruck eines Leitbildes, das fest in der Gesellschaft verankert war. Zugleich aber ging es um die »Schonung, Wahrung und Förderung des Schönheitssinnes« – eine gesetzgeberische Maßregel, die den Schock ermöglichte und die das »Normativitätsproblem« der ästhetischen Methode in den kunsttheoretischen Diskurs trug.316 Aus den Auswertungen folgt zudem, dass zu Beginn des 20. Jahrhunderts die unmittelbare Verknüpfung von optischen Sinneseindrücken und dem seelischen Empfinden als rechtlich relevante Frage anerkannt war.317 Nachzeichnen lässt sich die juristische Problematik an der Frage, wie praktikable Maßstäbe für subjektive, semantisch zwar fassbare, aber mannigfaltige Beurteilungen gesucht wurden.318 Verwiesen war jedenfalls mittelbar auf den ästhetischen Methodenstreit selbst, der sich auch in der Fachgeschichte der Kunstgeschichte niederschlägt.319 An dem Bestreben des jüngeren Verunstaltungsrechts, das historisch gewachsene architektonisch-landschaftliche Bild zu gewährleisten, beantwortet sich die Frage nach dem geschützten Rechtsgut.320 Die durch die Verunstaltungsgesetze gesicherte Harmonie neuer Bauwerke mit der historischen Gestalt des Landschafts- oder Ortsbildes nähert sich als ästhetisches Objekt dem Werkbegriff an, der bis in das 19. Jahrhundert mit dem des Kunstwerks gleichgesetzt wurde.321 An dieser Stelle sei an Folgendes erinnert: Hatte Kant in seiner Kritik der Urteilskraft eine normative Ästhetikkonzeption entwickelt, die allein subjektive Gründe des Wohlgefallens in ihrem Begründungsansatz heranzog, war die theoriegeschichtliche Opposition schon in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts sehr lebhaft.322 Nach 1850 traten die dominierenden Gehaltsästhetiken der idealistischen Kunsttheoretiker selbst
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Zum »Fließband« der juristischen Argumentation: Lahusen 2011, S. 20. Vgl. PrOVGE, Urteil vom 14. Juni 1882, 9, S. 379. Zum Begriff vgl. Zwiffelhoffer 2020, S. 199. Hier wird allerdings die Rolle der psychologischen Ästhetik um 1900 unterschlagen, die sich aus den methodischen Problemen einer Kant’schen Ästhetik ergeben mussten s.o. 317 »Dies ist um so mehr anzunehmen, als eine gegenteilige Auffassung zu der praktisch bedenklichen Folgerung führen müßte, daß auch schon gegenüber einem nicht das sittliche, nur das ästhetische Empfinden verletzenden Anblick, dem man durch einen Zustand des Nachbargrundstücks oder durch Vorgänge auf ihm ausgesetzt ist, eine Klage aus § 1004 BGB zu gewähren wäre.«, vgl. RGZ 76, S. 133. 318 Stärk 1974, S. 9. 319 Zur Rolle der Hegel’schen Ästhetik bei Burkhardt, Riegl oder Wölfflin vgl. Kwon 2008. 320 Stärk 1974, S. 14. 321 Grave/Schubbach 2010, S. 154. Form und Inhalt beschreiben nur einen ontologischen Vorrang einer subjektzentrierten Kunsttheorie (dazu: Pudelek 2000, S. 58); Gestaltung als Ausdruck eines neuen Werk- und Kunstbegriffs wird als Ruf der historischen Avantgarde besser verständlich. Zum Verhältnis von Denkmalpflege und Neuem Bauen der 1920er Jahre und der Notwendigkeit die Leistungen der noch jungen Denkmalpflege nicht gänzlich außer Acht zu lassen vgl. Grunsky 1986, S. 2. 322 Johann August Eberhard, der als »Antipode Kants« gilt, forderte nicht wie Kant »bey den subjectiven Gründen des Wohlgefallens an den Werken der Kunst« stehenzubleiben, vgl. hierzu: Stöckmann 2012, S. 264.
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in einen Dualismus mit dem aufkommenden Formalismus, der Ausdruck einer Verwissenschaftlichung war.323 Formale Ästhetiken, wie die Robert Zimmermanns, versagten dem Inhaltlichen jede Bedeutung, um die Malerei von Gattungshierarchien unabhängig begründen zu können.324 Um 1900 wurde mit dem Kunstbegriff des Malerischen eine Anschauung auf die historische Umwelt übertragen, hinter der ein anderer »wirkungsästhetischer Perspektivwechsel« stand, der formalistische Positionen zurückdrängen konnte und zugleich eine Ästhetik von oben in Frage stellte, bevor dieser selbst normativ werden konnte.325 Das kunstbegriffliche Babylon war im 20. Jahrhundert angekommen; das Verunstaltungsrecht – zwischen ästhetischem und physischem Objekt changierend – war hierbei jedenfalls ein Katalysator.
VII. Zwischenfazit: Künstlerische Bedeutung – Erbin des subjektbezogenen Kunstbegriffs Im ersten Teil konnte erläutert werden, wie bekannte Bildemotionen Tatbestandsvoraussetzung für ein schutzwürdiges Ortsbild oder eine landschaftlich hervorragende Gegend werden konnten. Das Malerische war mit dem Verunstaltungsrecht um 1900 zu einer im doppelten Sinne normativen Anschauung aufgerückt, die ihre Nachvollziehbarkeit der Wirkmacht der Landschaftsmalerei ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts verdankte und die künstlerische Bedeutung als Begründung eines Verunstaltungsschutzes vermitteln konnte. Mit der Ausrichtung des preußischen Verunstaltungsrechts am Begriff des Malerischen war ein spezifischer Kunstbegriff nicht mehr allein durch das ästhetische Argument legitimiert, sondern gerichtlich durchsetzbar geworden. Wir haben es folglich mit einem Begriff zu tun, der auf einen sozialpolitisch dienstbar gemachten, moralischen Anspruch verwies und an deren Ausbildung als kunsttheoretisches Paradigma die Malerei selbst entscheidenden Anteil hatte.326 Zugleich geriet dieses Ästhetikverständnis früh in die Kritik, schien es Ausdruck einer überkommenen Realitätsflucht sein zu können.327 Das naturalistische Landschaftsbild war zwar schon im Jahr des Inkrafttretens des zweiten Preußischen Verunstaltungsgesetzes von 1907 nicht mehr das unumstrittene Medium der Bildbetrachtung, die von ihr und an ihr ausgebildete Kunsttheorie gleichwohl wirkmächtig. Die ästhetische Fragestellung und Methode waren dabei auf einen breitengesellschaftlichen Konsens gerichtet und nicht auf die Öffnung für neue gestalterische Entwicklungen und Strömungen.328 In den Quellen der Denkmal- und Rechtsöffentlichkeit wurde deutlich: Die Kategorie des Malerischen wirkte integrativ und pragmatisch in der Weise, als diese sich aus einer dem Durchschnittsbetrachter zugänglichen Rezeptionspraxis nährte. Sie ist folglich Ausdruck eines ästhetischen Rechtsgebiets, das sich als Garant für emotionale 323 324 325 326
Scholl 2012, S. 416-421. Scholl 2013, S. 27. Vgl. Herold 2018, S. 83. Herold 2018, S. 167. Über Gemälde in der Kunstgeschichte, die Kunsttheorie hervorbringen vgl. Kuhn 2020, S. XXIII. 327 Ibid., S. 53. 328 Zwiffelhoffer 2020, S. 167.
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in einen Dualismus mit dem aufkommenden Formalismus, der Ausdruck einer Verwissenschaftlichung war.323 Formale Ästhetiken, wie die Robert Zimmermanns, versagten dem Inhaltlichen jede Bedeutung, um die Malerei von Gattungshierarchien unabhängig begründen zu können.324 Um 1900 wurde mit dem Kunstbegriff des Malerischen eine Anschauung auf die historische Umwelt übertragen, hinter der ein anderer »wirkungsästhetischer Perspektivwechsel« stand, der formalistische Positionen zurückdrängen konnte und zugleich eine Ästhetik von oben in Frage stellte, bevor dieser selbst normativ werden konnte.325 Das kunstbegriffliche Babylon war im 20. Jahrhundert angekommen; das Verunstaltungsrecht – zwischen ästhetischem und physischem Objekt changierend – war hierbei jedenfalls ein Katalysator.
VII. Zwischenfazit: Künstlerische Bedeutung – Erbin des subjektbezogenen Kunstbegriffs Im ersten Teil konnte erläutert werden, wie bekannte Bildemotionen Tatbestandsvoraussetzung für ein schutzwürdiges Ortsbild oder eine landschaftlich hervorragende Gegend werden konnten. Das Malerische war mit dem Verunstaltungsrecht um 1900 zu einer im doppelten Sinne normativen Anschauung aufgerückt, die ihre Nachvollziehbarkeit der Wirkmacht der Landschaftsmalerei ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts verdankte und die künstlerische Bedeutung als Begründung eines Verunstaltungsschutzes vermitteln konnte. Mit der Ausrichtung des preußischen Verunstaltungsrechts am Begriff des Malerischen war ein spezifischer Kunstbegriff nicht mehr allein durch das ästhetische Argument legitimiert, sondern gerichtlich durchsetzbar geworden. Wir haben es folglich mit einem Begriff zu tun, der auf einen sozialpolitisch dienstbar gemachten, moralischen Anspruch verwies und an deren Ausbildung als kunsttheoretisches Paradigma die Malerei selbst entscheidenden Anteil hatte.326 Zugleich geriet dieses Ästhetikverständnis früh in die Kritik, schien es Ausdruck einer überkommenen Realitätsflucht sein zu können.327 Das naturalistische Landschaftsbild war zwar schon im Jahr des Inkrafttretens des zweiten Preußischen Verunstaltungsgesetzes von 1907 nicht mehr das unumstrittene Medium der Bildbetrachtung, die von ihr und an ihr ausgebildete Kunsttheorie gleichwohl wirkmächtig. Die ästhetische Fragestellung und Methode waren dabei auf einen breitengesellschaftlichen Konsens gerichtet und nicht auf die Öffnung für neue gestalterische Entwicklungen und Strömungen.328 In den Quellen der Denkmal- und Rechtsöffentlichkeit wurde deutlich: Die Kategorie des Malerischen wirkte integrativ und pragmatisch in der Weise, als diese sich aus einer dem Durchschnittsbetrachter zugänglichen Rezeptionspraxis nährte. Sie ist folglich Ausdruck eines ästhetischen Rechtsgebiets, das sich als Garant für emotionale 323 324 325 326
Scholl 2012, S. 416-421. Scholl 2013, S. 27. Vgl. Herold 2018, S. 83. Herold 2018, S. 167. Über Gemälde in der Kunstgeschichte, die Kunsttheorie hervorbringen vgl. Kuhn 2020, S. XXIII. 327 Ibid., S. 53. 328 Zwiffelhoffer 2020, S. 167.
Künstlerische Bedeutung als Frage der Anschauung
Fragestellungen und damit einen Kunstbegriff mit breitengesellschaftlichem Potenzial herausstellt. In der Ausbildung des weiten Denkmalbegriffs aus der künstlerischen Bedeutung und malerischen Wirkung eines Stadt- und Landschaftsbildes um 1900 zeigt sich zudem die Dominanz einer Einfühlungsästhetik als Ausprägung der »psychologischen Ästhetik«.329 Das ästhetische Objekt als solches, in diesem Fall das Orts- oder Landschaftsbild, verweist dabei auf die Relevanz der subjektiven Resonanz für den zugrundeliegenden Kunstbegriff. Um 1900 war es diese Einfühlungsästhetik, die mit der Allgemeinen Kunstwissenschaft die kunsttheoretische Diskussion beherrschte.330 Elementare Forderung des Kunstpositivismus eines Max Dessoir war die »Trennung des Problems der Kunst vom Begriff des Ästhetischen«.331 Eine Loslösung des Kunstbegriffs vom Begriff des Ästhetischen sollte mit der Heimatschutzbewegung hingegen eine gegenläufige Tendenz erfahren: Die unterschiedlichen Ausprägungen des Ästhetischen wurden hier zum entscheidenden Inhalt eines juristisch verarbeiteten Kunstbegriffs. Es muss also angenommen werden, dass im historischen Sinn und Zweck der Verunstaltungsgesetze, nämlich der Schönheitspflege ebenso wie der Einfühlung, die Identifikation der Kunst mit dem Ästhetischen entscheidend war. Der ästhetische Gegenstand als Schutzgegenstand solch eines Gesetzes konnte nur aus dem ästhetischen Diskurs selbst erklärt werden. »Le Maître-Imagier« von Albert René (Abb. 1) stand hier bildhaft zu Beginn für die Folgen einer Vermittlung des einen ohne das andere; die Vermittlung des Stadtbildes aus einer Zeit, in der die Stadt schon nicht mehr malerisch war. Die Verbindung von ästhetischer und gesetzlicher Normativität war für den Kunstbegriff um 1900 besonders folgenreich: Bereits im ausgehenden 19. Jahrhunderts nutzte die Avantgarde die »schönheitliche Norm« des Tafelbildes als Impuls für ihre fortgesetzte Forderung nach einem Wechsel der Definition dessen, was unter Kunst zu verstehen sein sollte.332 Damit ist eine rezeptionshistorische Implikation verbunden: Schon an der impressionistischen Malerei als »Kunst der Neuerer« musste das »Gefühl des Malerischen« in Frage gestellt werden, das im Verunstaltungsrecht als Rezeptionsrahmen juristisch verbindlich geworden war.333 Am Übergang zum zweiten Teil der Untersuchung zeigt sich, dass die dadaistische Avantgarde mit ihrer »Ästhetik der Dissonanz« bei frühen Denkmalschützern und Heimatschützern blankes Entsetzen hervorgerufen hatte, eben weil die »Poesie des Malerischen von altvertrauten heimatlichen Ortsbildern« zur juristischen Ordnungskategorie geworden war.334 Die Bemühung, Kunst in
329 Nachtsheim 2010, S. 148. Stephan Nachtsheim fasst zusammen: »Der Ausdruck ›psychologische Ästhetik‹ verschleiert jedoch die Vielgestaltigkeit der Richtungen. Die Bandbreite reicht von einer experimentellen Psychologie des Ästhetischen (Fechner, W. Wundt, Külpe) bis zu einer verstehenden Psychologie und zu Versuchen einer Philosophie des Geistes.«, vgl. ibid. 330 Nachtsheim 2010, S. 142. 331 Vgl. ibid., S. 144. 332 Germer/Kohle 1991, S. 310. 333 Prange 2001, S. 8. 334 Vgl. Grunsky 1986, S. 1-2. Theo von Doesburg griff 1918, wie ihn Eberhard Grunsky zitiert, diese Ästhetische Schablone als Aufruf zur Anti-Kunst auf: »Die gestaltende Architektur erstrebt gerade das Gegenteil: die planmäßig, verstandesmäßig bedachte Lösung der funktionellen Teile bestimmt die Plastik, die wechselseitige Beziehung der Massen, und das Haus findet auf diese Weise seine Harmonie in sich selbst. Es steht also im Kontrast zur Natur.«.
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das Leben eines größeren Teils der Gesellschaft einzubinden, hatte bereits ein traditionelles Gesicht. Angesichts der von Bruno Taut identifizierten Begriffskonfusion an der zwischen Traditionalismus und Avantgardismus changierenden Schnittstelle von Kunstwissenschaft und Ästhetik einerseits und an Sinn und Zweck gebundener Rechtsnormen andererseits werden die Wechselwirkungen in einem nächsten Fallbeispiel im Kontext erwähnter sezessionistischer Kunstanschauungen nachzuvollziehen sein.
2. Teil
Abb. 2: Karl Arnold, Die Gefilde der Seeligen. In: Simplicissimus, Nr. 16, 15. Juli 1919, S. 203, Klassik Stiftung Weimar.
Kunstwerk oder Werk der bildenden Künste? Theoretische Revisionen im dadaistischen Kontext »Mit diesen Worten rechtfertigt die Begründung des Entwurfes des jetzt geltenden Kunstschutzgesetzes vom 9.1.07 die Gleichstellung der Werke der angewandten Kunst mit denen der hohen Kunst. Der Wunsch zu dieser Gleichstellung also, die Erkenntnis, daß der Grundsatz l’art pour l’art unzeitgemäß sei, war einer der Hauptgründe, ein neues Gesetz zu schaffen.«1
Zwei greise Gesichter mit gepflegtem und vollem Bart- und Kopfhaar dominieren die Mitte der einheitlichen Bildebene (Abb. 2). Das eine Gesicht gehört zu einem vollleibigen Kentaur. Auf allen vier Hufen unter einem belebten Baum stehend, hält er in der rechten Hand einen Pinsel, in der Linken eine Palette. Vor ihm steht auf einer Staffelei eine gespannte Leinwand, deren Oberfläche in das Bild gerückt, dem Betrachter verborgen bleibt. Der Boden ist mit Obst übersät, während zwischen den Stützen zwei Weingläser und Farbtuben nebst einem gefüllten Pinselkrug zu erkennen sind. Auf dem Pferderücken sitzt Flöte spielend der zweite Greis, in dessen profilhaft dargestelltem Gesicht eine Brille sitzt. Aus einer Tasche des Sakkos ragen gerollte Papiere heraus. Über den Köpfen tanzen im Sternenhimmel zwei Putti ähnelnde Kinder; das linke Bein des Jungen ist zum linken Bein des Mädchens ausgestreckt. Im rechten Bildrand dominiert der Stamm des Baumes, in dessen Ästen neben einer Eule auch ein Eichhörnchen weilt. Im unteren Bildrand links ein kindliches Wesen mit dem Torso eines Menschen und den zwei gehuften Füßen eines Bocks. Die Kreatur ist kleingewachsen und kindlich, mit spitzer Nase und spitzen Ohren. Weinerlich ist das rechte Auge aus dem Bild gerichtet. Der kindliche Blähbauch prägt die zerbrechliche Konstitution. Titel und Bildunterschrift verweisen auf den Kontext: Das dadaistische Alräunchen in Gestalt eines kindlichen Satyrs, angeödet von Arnold Böcklins »Gefilden der Seligen«, forderte das Kunstdenken um 1919 heraus. 1
Vgl. Sachs 1917, S. 199.
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Kunstbegriffe zwischen Recht und Praxis
I.
Fragestellung und Methode
Die Verarbeitung der dadaistischen Praktiken in Kunst- und Rechtsöffentlichkeit wird vor dem Hintergrund des ersten Teils dieser Untersuchung kontextualisierbar. Verunstaltungsgesetze hatten eine malerische Anschauung für verbindlich erklärt und die Verwirrung der Kunstbegriffe befeuert. Alte Begriffe wurden in den zahlreichen Kunstzeitschriften mit neuen Inhalten versetzt und in neue Verwendungskontexte gestellt. Dort spiegeln sich teils gegenläufige kunsttheoretische Positionen wider. Das neue Kunstschutzgesetz von 1907 hatte das Erzeugnis der angewandten Kunst zum Werk der bildenden Künste erklärt. Eine Nebenlinie ästhetischen Denkens hatte sich gegen die institutionell dominierende Ästhetik von oben durchgesetzt und die UrheberIndividualität, wie sie Kunstkritik ausgebildet hatte, zurückgedrängt. Damit war mit dem gewöhnlichen Sprachgebrauch gebrochen und der Kunstbegriff erweitert worden. Die Kunstkritiker gaben dabei nicht nur Wertungen ab, sondern wandten Kunsttheorie und Ästhetik an, durch die eine dadaistische Stückungsgraphik entgegen den Selbstbekundungen der Dadaisten nicht nur Erzeugnis, sondern auch Werk der bildenden Künste sein konnte.2 Der kunsttheoretische Diskurs war im Anwendungskontext des Gesetzes besonders virulent, wurden dort Fragen behandelt, die erneut eine Unterscheidung von ästhetischem Objekt und Kunstwerk erforderlich machen sollte. Das Kunstdenken im dadaistischen Kontext (1916-1933) wird an den Beiträgen der Kritiker in Der Cicerone, Das Kunstblatt, Deutsche Kunst und Dekoration, Kunstchronik und Kunstmarkt, Dekorative Kunst sowie dem Kunstgewerbeblatt untersucht. Die von Hans Sachs herausgegebene Zeitschrift Das Plakat liefert für den interdisziplinären Ansatz besondere Erkenntnisse.3 Diese Dokumente der Kunstöffentlichkeit sind kunsttheoretische Dokumente und angewandte Ästhetik gleichermaßen.4 Dort wird eine grundsätzliche Auffassung über Kunst erkennbar, lassen sich hier die ästhetischen Grundlagen des Kunstdiskurses verfolgen, die zusammen als Kunstbegriffsbildung
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Den Aspekt des »künstlerischen Werkbegriffs« untersucht Matthias Bleyl: »Kann ein Kunstwerkbegriff rein aus der theoretischen – philosophischen etc. – Außensicht eines Interpreten erarbeitet werden, so bedingt ein künstlerischer Werkbegriff immer eine Annäherung an die Innensicht, also aus der Perspektive des Produzenten«, vgl. Bleyl 1992, S. 152. Nur diese bereite Quellenbasis ermöglicht die Darstellung der methodischen Vielfalt der Kunstöffentlichkeit dieser Zeit, deren Verlust nach 1960 erkennbar wird (dazu im 3. Teil). Dabei stützt die Auswahl dieser Quellenbasis auch die Erwägungen Kristina Kratz-Kessemeiers (Kratz-Kessemeier 2008, S. 3 (Fn. 18)). Zum kulturpolitischen Kontext dieser Öffentlichkeit vgl. Schneider 1996. Nicht zur eignen Auswertung gelangen hier solche Kritiken, die in Tages- oder Wochenzeitung in unmittelbarer Reaktion auf inszenierte Aktionen oder gezielte Provokationen der Dadaisten, insbesondere in der Reichshauptstadt Berlin, erschienen. Die Öffentlichkeit um die drei Strafprozesse zwischen 1920 und 1930 gegen Dadaisten wie Johannes Baader, George Grosz, Wieland Herzfelde wurden bereits untersucht und geben Aufschluss über die Dadaisten nahestehenden Persönlichkeiten wie Ferdinand Schmidt, Direktor der Städtischen Sammlungen Dresden, oder dem Kunstkritiker Adolf Behne. Zu diesem Prozess: Bergius 2000, S. 294-295. Zu dieser Folgerung kam auch Albert Dresdner in seiner Entstehung der Kunstkritik, vgl. Dresdner 1915, S. 11. Zur andauernden Relevanz der Schrift vgl. Müller 2001, S. 390-414.
Kunstwerk oder Werk der bildenden Künste? Theoretische Revisionen im dadaistischen Kontext
erfasst werden.5 Als rechtshistorische Quellen werden neben einzelnen Zeitschriftenbeiträgen die Kommentare und Monografien Josef Kohlers, Alfred Osterrieths sowie Erwin Riezlers herangezogen. Wesentliche Quellengrundlage ist zudem das Archivkonvolut im Thüringischen Hauptstaatsarchiv zu der Tätigkeit der Thüringischen Sachverständigenkammer für bildende Künste in Weimar. In diese war auch Walter Gropius berufen worden, der sein Amt aufgrund seines Wegzugs allerdings nie angetreten hatte. Nach Inkrafttreten des Gesetzes, betreffend das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste und der Photographie von 1907, kurz Kunstschutzgesetz, war die Ausfüllung der Rechtsbegriffe einem Kollegium von mehrheitlich juristischen Laien überantwortet worden.
II.
Dada und bildende Kunst
»Dadaismus ist […] ein äußerst diffiziles Gebilde«, formulierte der Kunstkritiker Hans von Wedderkop 1921 in Der Cicerone, das »nicht so leicht und schwelgend zu erklären« ist.6 Worauf diese Einschätzung in einer der einflussreichsten Zeitschriften für bildende Kunst dieser Zeit verweisen musste, war die Tatsache, dass die bildkünstlerischen Spuren Dadas nicht von einem rein dadaistischen Darstellungsmittel gekennzeichnet waren.7 Als genuin dadaistisch erweist sich vielmehr ein gemeinsames Programm, eine gemeinsame Anschauung der Dadaisten, die den sichtbar gewordenen Gestaltungen zugrunde lag. Seine inhaltliche Vielgestaltigkeit fand Dada dabei zunächst als eine literarisch-philosophische Bewegung, die aus der populären Kultur zu Beginn des 20. Jahrhunderts schöpfte.8 Dada sticht aus der Gruppe der historischen Avantgarden dadurch hervor, dass das Kunstverständnis auf der Grundlage eines eigenen Werkbegriffs bestimmt wurde und bildkünstlerisch Niederschlag fand.9 Auf diese Verschiebungen des Verständnisses von Kunst auf der Seite der dadaistischen Praxis reagierte wiederum die Kunstrezeption.10 Was sich an einem rezeptionshistorischen Ansatz relativiert, ist die oft beschworene Revolutionarität Dadas. Die Bedingungen eines Kunstbegriffs respektive die dafür notwendigen argumentativen Strategien waren zu keiner Zeit in
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Das bestätigt auch jüngst Walter Fähnders in seiner Auswertung einzelner Kritiken zu Dada Zürich (Fähnders 2020). Vgl. von Wedderkop 1921, S. 422. Zu diesem Problem für die Kunstgeschichte vgl. Bergmeier 2011, S. 34. Anders als für die Kunstgeschichte, ist Dada für die Literaturwissenschaft ein seit Längerem rezeptionshistorisch ausgeprägtes Forschungsfeld und zeigt sich als versuchte Einheit von Produktion und Theorie; Für das literaturhistorische Interesse ursächlich ist, dass Dada »als eine an Literatur interessierte Bewegung« entstanden war, vgl. dazu Günzel 2015, S. 60. Amrein/Baumberger 2017, S. 8-10; Bergius 2000, S. 143. Zu dieser Gemeinsamkeit der negativen Bestimmung des Werk- und Kunstbegriffs für die historischen Avantgarden: Bergmeier 2011, S. 13. Zum Spiel der Dadaisten mit der Kunstkritik ihrer Zeit schreibt Emily Hage: »Dada holds an exceptional position in the history of the avant-garde […] The degree to which they manipulated the mass media, too, distinguished them«, vgl. Hage 2020, S. 3.
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Kunstwerk oder Werk der bildenden Künste? Theoretische Revisionen im dadaistischen Kontext
erfasst werden.5 Als rechtshistorische Quellen werden neben einzelnen Zeitschriftenbeiträgen die Kommentare und Monografien Josef Kohlers, Alfred Osterrieths sowie Erwin Riezlers herangezogen. Wesentliche Quellengrundlage ist zudem das Archivkonvolut im Thüringischen Hauptstaatsarchiv zu der Tätigkeit der Thüringischen Sachverständigenkammer für bildende Künste in Weimar. In diese war auch Walter Gropius berufen worden, der sein Amt aufgrund seines Wegzugs allerdings nie angetreten hatte. Nach Inkrafttreten des Gesetzes, betreffend das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste und der Photographie von 1907, kurz Kunstschutzgesetz, war die Ausfüllung der Rechtsbegriffe einem Kollegium von mehrheitlich juristischen Laien überantwortet worden.
II.
Dada und bildende Kunst
»Dadaismus ist […] ein äußerst diffiziles Gebilde«, formulierte der Kunstkritiker Hans von Wedderkop 1921 in Der Cicerone, das »nicht so leicht und schwelgend zu erklären« ist.6 Worauf diese Einschätzung in einer der einflussreichsten Zeitschriften für bildende Kunst dieser Zeit verweisen musste, war die Tatsache, dass die bildkünstlerischen Spuren Dadas nicht von einem rein dadaistischen Darstellungsmittel gekennzeichnet waren.7 Als genuin dadaistisch erweist sich vielmehr ein gemeinsames Programm, eine gemeinsame Anschauung der Dadaisten, die den sichtbar gewordenen Gestaltungen zugrunde lag. Seine inhaltliche Vielgestaltigkeit fand Dada dabei zunächst als eine literarisch-philosophische Bewegung, die aus der populären Kultur zu Beginn des 20. Jahrhunderts schöpfte.8 Dada sticht aus der Gruppe der historischen Avantgarden dadurch hervor, dass das Kunstverständnis auf der Grundlage eines eigenen Werkbegriffs bestimmt wurde und bildkünstlerisch Niederschlag fand.9 Auf diese Verschiebungen des Verständnisses von Kunst auf der Seite der dadaistischen Praxis reagierte wiederum die Kunstrezeption.10 Was sich an einem rezeptionshistorischen Ansatz relativiert, ist die oft beschworene Revolutionarität Dadas. Die Bedingungen eines Kunstbegriffs respektive die dafür notwendigen argumentativen Strategien waren zu keiner Zeit in
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Das bestätigt auch jüngst Walter Fähnders in seiner Auswertung einzelner Kritiken zu Dada Zürich (Fähnders 2020). Vgl. von Wedderkop 1921, S. 422. Zu diesem Problem für die Kunstgeschichte vgl. Bergmeier 2011, S. 34. Anders als für die Kunstgeschichte, ist Dada für die Literaturwissenschaft ein seit Längerem rezeptionshistorisch ausgeprägtes Forschungsfeld und zeigt sich als versuchte Einheit von Produktion und Theorie; Für das literaturhistorische Interesse ursächlich ist, dass Dada »als eine an Literatur interessierte Bewegung« entstanden war, vgl. dazu Günzel 2015, S. 60. Amrein/Baumberger 2017, S. 8-10; Bergius 2000, S. 143. Zu dieser Gemeinsamkeit der negativen Bestimmung des Werk- und Kunstbegriffs für die historischen Avantgarden: Bergmeier 2011, S. 13. Zum Spiel der Dadaisten mit der Kunstkritik ihrer Zeit schreibt Emily Hage: »Dada holds an exceptional position in the history of the avant-garde […] The degree to which they manipulated the mass media, too, distinguished them«, vgl. Hage 2020, S. 3.
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vergleichbar kontroverser Weise diskutiert worden wie in der Kunstöffentlichkeit zu Beginn des 20. Jahrhunderts.11 Seit den dadaistischen Anfängen in Zürich war die Kunstöffentlichkeit nicht nur bewusst genutztes Werbemittel der Dadaisten, sondern auch entscheidender Motor für neue Grenzüberschreitungen.12 Nie zuvor waren Kunstkritik und Kunstproduktion in diesem Maße eng verbunden.13 Für den Kunstbegriff bedeutete dies, dass er sich aus einem Zusammenspiel von Eigen- und Fremdkritik, eben dem Kunstdiskus formte. Hier setzt dieser zweite Teil der Untersuchung an. Es sind diese Wandlungen im Denken über bildende Kunst, die nachgezeichnet werden. Geprägt waren die Dadaisten durch die Etablierung von Kunstgewerbe, Film und Photographie und deren Einbindung in die ästhetischen Systeme.14 Die Debatte um die Stellung der Fotografie als bildende Kunst war gerade erst abgeklungen und durch die Verunstaltungsgesetze war die malerische Wirkung zum Paradigma eines gerichtlich durchsetzbaren Kunstbegriffs geworden.15
1.
Ein geschichtlicher Überblick der dadaistischen Bewegung
An seinen Ursprüngen war Dada Reaktion auf eine institutionalisierte Kunstrezeption, deren Normen und Begriffe, bedingt durch den technischen Fortschritt ebenso wie durch die Methodendiskussionen der Ästhetik, bereits um 1900 ins Wanken geraten waren.16 Schon den Zeitgenossen galt diese Zeit als eine, »in der alle Begriffe über Kunst unklare und verwirrte sind, und in der man im Allgemeinen nicht weiß, wo das eine Gebiet anfängt und wo das andere aufhört« und nur daher denkbar war, »daß solche an sich unmöglichen Zustände dennoch möglich wurden.«17 Das Recht sicherte auch nach dem Ausbruch des ersten Weltkrieges einen aus der Rezeption der Malerei des 19. Jahrhunderts vermittelten Begriff der Kunst.18 11
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Kilchmann 2017, S. 128. Das »Immer-wieder-Neuaufjagen«, das Adolf Behne Dada mit Blick auf Jefim Golyscheff zugestand, setzte sich in der Kunstkritik fort: »Diesen Dienst des Immer-wiederNeuaufjagens leisten dem Expressionismus die Dadaisten, deren stärkste geistige Kraft ohne Zweifel Raoul Hausmann ist. Seine Aufsätze zählen zu dem Besten, was heute geschrieben wird.«, vgl. Behne 1919, S. 723. Was sich die vorliegende Untersuchung zu eigen macht, ist die Grundannahme, »[…] that at the outset that what we encounter in 1916 is not a movement. It is a formation; more precisely a constellation, between whose objects (subsequently named Dadaists) we observe, the relations that make them and the greater object (that is, the constellation ›Dada‹).«, vgl.: Jones 2014, S. 2. Zur Person Jefim Golyscheff, ukrainischer Komponist und Maler, zwischen Dada und Novembergruppe: Burmeister 2018, S. 83. Meyer 2004, S. 12. Jennifer Wild charakterisiert diese Vorgänge als »Distribution of subversive systems«, vgl. Wild 2015, S. 225-274. Hille 2018, S. 326. Hoormann 2003, S. 89. Zu Film und Reklame als Ausgangspunkt dadaistischer Gestaltung: Elder 2013, S. 184. Das Kunstgewerbe war ein Schwerpunkt des Züricher Dada, vgl. van den Berg 1999, S. 380-390. Zur Erweiterung des juristischen Kunstschutzes auf Werke der Fotografie bereits 1876 vgl. Vogt 2004, S. 10. Institutionalisierte Kunstrezeption meint Museumspolitik ebenso wie den als Verunstaltungsschutz gefassten Denkmalschutz. Zur Kunstpolitik der Weimarer Republik vgl. Kratz-Kessemeier 2008. Vgl. Trübner 1900, S. 61. Vgl. 1. Teil.
Kunstwerk oder Werk der bildenden Künste? Theoretische Revisionen im dadaistischen Kontext
Der erste Weltkrieg war die Ursache für eine besonders kreative Gemengelage: Kubisten, Futuristen und Expressionisten entzogen sich 1916 dem grausamen Frontenkrieg und formten in der neutralen Schweiz eines der heterogensten Künstlerkollektive der Kunstgeschichte.19 Dada war damit zunächst ein Stadium der Vermengung der avantgardistischen Tendenzen der Vorkriegszeit.20 Ergebnis war ein neues Kunstverständnis, das aber keinesfalls auf einem homogenen Programm aufbaute.21 Schon 1920 sollte die Internationale Dada-Messe in Berlin zu einem letzten Panoptikum einer Befreiung des Begriffs der bildenden Kunst werden, in dessen Kontext die dadaistische Erzeugnisse präsentiert und als Werke der bildenden Künste rezipiert wurden.22 Der Berliner Club Dada, zunächst ein weiteres publizistisches Medium, ist hier als eine Erweiterung des vorbildhaften Cabaret Voltaire in Zürich zu sehen.23 Dem vorausgegangen war, mit dem Umzug Richard Huelsenbecks von Zürich nach Berlin, eine Etablierung Dadas als Ableger der Züricher Dadagruppe.24 Die wichtigsten Dadaisten Johannes Baader, George Grosz, Raoul Hausmann, Hannah Höch, Wieland Herzfelde und Richard Huelsenbeck gehörten vor dem Krieg zu der 1910 von Herwarth Walden etablierten gesamtkünstlerischen Bewegung des Expressionismus.25 Definiert wurde diese neue dadaistische Gruppierung durch verschiedene Periodika, wie Die freie Straße, Neue Jugend oder Die Pleite.26 Dada ging über Zürich und Berlin hinaus. Einzelne Künstler trugen die dadaistische Anschauung in verschiedene deutsche Städte: Otto Dix nach Dresden, Max Ernst nach Köln oder Kurt Schwitters nach Hannover.27 Mangels einer mit Zürich oder Berlin vergleichbaren Gruppenstruktur blieben diese beiden dadaistische Wirkungsstätten prägend.28 Nationalistisches Morden in weiten Teilen Mitteleuropas prägte auch den kulturhistorischen Kontext der dadaistischen Anfänge in Zürich.29 Eine Künstlerkneipe in der Spiegelgasse 1 mit Zugang über den Hinterhof, blauen Decken und schwarzen Wänden wurde »zum wirkungsmächtigen Zentrum einer internationalen Moderne«.30 Wegen der Dominanz der Vorstellung künstlerischer Revolutionarität im kriegsverschonten Idyll des Limmattals wird oft vernachlässigt, dass Zürich durch seine eminente Bürgerlichkeit nicht nur Garant für die kurzzeitig wirksame Exklusivität Dadas in dieser Stadt, sondern auch darüber hinaus war.31 Die Eröffnung der Kneipe stieß im Jahr 1916
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Amrein 2017, S. 19. Buchholz 2016, S. 60. Bergmeier 2011, S. 61. Gleichwohl wurden wesentliche Überzeugungen einzelner Züricher Dadaisten, wie etwa die Tristan Tzaras, in den dort verlegten Dada-Heften publiziert. Diese DadaZeitschrift war eine weit über Zürich hinaus wahrgenommene Stimme, vgl. Steinkamp 2016, S. 231. Zu den Begriffen s.u. Hage 2016, S. 200. Ibid. Vgl. Szymanska 2009. Simmons 2016, S. 38-39. Mit einem Überblick über die regionale Zerstreuung: Schneede 2009, S. 45. Van den Berg 1999, S. 55-62. Toussaint 2014, S. 226-227. Vgl. Wyss 2017, S. 202; dazu auch: Amrein 2017, S. 19. Zum linken Intellektualismus der Berliner Dadaisten, vgl. van den Berg 2016, S. 44.
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Kunstbegriffe zwischen Recht und Praxis
sogar auf das Wohlwollen der für Gewerbefragen zuständigen Behörde, die der Meinung war, »dass ein solches Unternehmen für die Stadt Zürich nur interessant und begrüssenswert zu nennen sei.«32 An den bürgerlichen Ursprüngen Dadas steht damit nicht nur ein »Treffpunkt des künstlerisch interessierten Publikums Zürichs«, wie es in dem Antrag des Wirts an den Polizeivorstand der Stadt heißt, sondern auch der Name Voltaires.33 Innerhalb des liberalen Bürgertums der Stadt wirkte Dada wie eine »optophonetische Marke«.34 Dem bürgerlichen Charakter stand nicht entgegen, dass bürgerliche Bildungsideale nicht das Programm bestimmten, sondern zum (antithetischen) Gegenstand desselben wurden. Ihre Theorien in Gestalt der Manifeste und anderer Selbstbeschreibungen bahnten im Besonderen den Weg für die kommunikativen Strategien der Neo-Avantgarde der Nachkriegszeit.35 Die schweizerischen Ursprünge des Dada sind wesentlich, um die Problematik der bereits gebrauchten Begriffstypologien Dada und Dadaismus als Element der Kunstbegriffsbildung im dadaistischen Kontext selbst an den Anfang zu stellen. An den ersten sogenannten Dada-Abend im Cabaret Voltaire erinnert auch heute ein Epigraph aus dem Jahr 1966: »In diesem Haus wurde am 5. Februar 1916 das Cabaret Voltaire eröffnet und der Dadaismus begründet.«36 In den 1960er Jahren war Dada zum Denkmal im engeren Sinn geworden. Dada wurde monumental als Teil eben jener Kunstgeschichte verewigt, die ihre Vertreter doch selbst ablehnten. Neben dem erwähnten Ort der »gegensätzlichen Positionen und gelegentlichen Faustkämpfe« prägte seit Januar 1917 die Galerie Dada das Züricher Zentrum. Professionelle Werbekampagnen, Ausstellungskataloge, Programmhefte und Plakate prägten die ersten Dada-Jahre.37 Oliver Kornhoff konstatiert, dass die Wirkungsgeschichte der zweieinhalb Monate existierenden Galerie Dada unberechtigterweise vernachlässigt wird. Ohne die Galeriemonate wäre Dada nicht als Kunstrichtung bekannt und damit derart wirkmächtig geworden.38 Die über achttausendfünfhundert publizistischen Artikel zu »Dadaismus«, die Tristan Tzara im Oktober 1919 nachgewiesen haben wollte, wären ohne die Züricher Galerieepisode wenig wahrscheinlich gewesen.39 Dieser Etabliertheit stehen bereits angesprochene Beschwörungen der »klischeehaften absurd lustigen, grotesk schrägen, pubertär rebellischen und revolutionär linken Vorstellungen« gegenüber.40 32
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Vgl. Meyer 1990, S. 156. Ganz anders die spätere Situation in der Weimarer Republik, die von Zensur und polizeilichen Verbotsmaßnahmen zum Schutz einer wahren Kunst geprägt war: Petersen 1995, S. 189-190 und exemplarisch zum Strafprozess gegen George Grosz vgl. von der Schulenburg 1993, S. 73-78. Meyer 1990, S. 155. Vgl. Amrein 2017, S. 22. Emily Hage fasst die Zusammenhänge zusammen: »In large part because of these publications, Dada’s influence extends beyond the early 1990s through a wide range of artistic currents, from Mail Art and Fluxus in the late twentieth century […]«, vgl. Hage 2020, S. 1. Kornhoff 2016, S. 20. Die Züricher Presse bewarb die Veranstaltung bereits einige Tage zuvor, erfasst von dem, was Michael Finkenthal den »Dada spirit« nennt, vgl. Finkenthal 2019, S. 33. Kornhoff 2016, S. 20-22. Ibid., S. 22. Eine Erforschung möglicher Verkaufsbücher der Galerie Dada scheiterte bisher wohl an fehlenden Quellen; zu der Zahl der Artikel bis 1919 vgl. Meyer 2004, S. 11. Notz 2016, S. 32.
Kunstwerk oder Werk der bildenden Künste? Theoretische Revisionen im dadaistischen Kontext
Festzuhalten ist, dass diese beachtliche Öffentlichkeit Brennstoff und Reibungsfläche des bürgerlich-traditionalen Kunstbegriffs war. Bereits in den ersten Dada-Jahren in Zürich sind Polizeiberichte Belege für einen proaktiven Kunstbegriff der Dadaisten, der von dem Unverständnis staatlicher Institutionen genährt wurde.41 Allein ein solcher programmatischer Kunstbegriff konnte Raum für Vorwürfe politischer Agitation bieten.42 Nur Kunst ohne Programm und ohne Funktion für das Leben konnte sich dem Vorwurf politischer Meinungsbildung in den revolutionär und kriegerisch geprägten Jahren verwehren.43 Bereits an seinen Ursprüngen war Dada von einer Vermengung künstlerischer Gestaltungsmittel ganz im Sinne eines auf das verwendete Material gerichteten »Avantgarde-Diskurses« geprägt.44 Dada zeigt sich so zugleich als ein gattungsplurales Phänomen. Die Beschäftigung mit dem Cabaret, dem Theater war eine solche mit der »ausübenden Kunst«, mit dem lebenden Bild: Gemeinsam bereiteten die Dadaisten die Verschränkung von bildender und darstellender Kunst vor, die in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts als Happening und Performance rezipiert werden sollte. Die konzeptionellen Provokationen des Dada Zürich sollten allerdings erst später und in anderen Städten zu ausstellungsfähigen Werkstücken werden.
2.
Kunstbegriffsbildung im dadaistischen Kontext
Für Dada gilt, was Andreas Vowinckel bereits in seiner Arbeit für den Surrealismus und seinen Forschungsstand formuliert hat: Das Werkstück wird regelmäßig als Voraussetzung einer dadaistischen Theorie missverstanden und nicht als Vergegenständlichung eines solchen inhaltlichen Konzeptes begriffen.45 Als Anschauungs-Bewegung war Dada zeitlich und örtlich auf das gegenwärtige Geschehen gerichtet. Wie bereits dargestellt, wurden die Grundlagen seiner Bewegung dabei in literarischen Manifesten erarbeitet, um so traditionelle durch neue Wahrnehmungen zu ersetzen. Wenn von Dada und bildender Kunst gesprochen werden soll, dann nur insoweit, als sie von Künstlern geschaffen wurde, die sich mit inhaltlichen Absichten des Dada identifizierten. Dabei muss vorausgesetzt werden, dass dadaistische Provokation nicht Inbegriff einer dadaistischen Geisteshaltung, sondern vielmehr Instrument zur Verbreitung der eigenen Auffassung von Modernität in den einzelnen Kunstgattungen und damit zugleich Alleinstellungsmerkmal war. Gleiche Einsicht ist ebenso für ein Verständnis der NeoAvantgarde im zweiten Teil der vorliegenden Untersuchung relevant. Die »Rhetorik der Intensität« stellt sich dabei aber nicht als etwas genuin Dadaistisches dar, sondern als Adaption der futuristischen Vorbilder.46 41 42
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Amrein 2017, S. 32. Richard Huelsenbeck stand an der Spitze der dadaistischen Forderung nach einer Kunst als Mittel für den Transport politischer Inhalte, vgl. Katenhusen 1998, S. 602. Die dadaistische Agitation ordnet Sherwin Simmons ausführlich in den Diskurs um Plakatkunst ein, Simmons 1999, hier insb. S. 135. Den Vorwurf »bolschewistischer Umtriebe« weist Ursula Amrein für Hugo Ball und Emmy Hennings nach, vgl. Amrein 2017, S. 32. Czirr 2018, S. 11. Zu diesem Aspekt im Folgenden: Vowinckel 1989, S. 26. Larcati 2007, S. 120.
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Kunstbegriffe zwischen Recht und Praxis
Als Prozess der Aufhebung und Überschreitung bestehender kultureller Grenzen mit bildkünstlerischen Mitteln und Auffassungen zeigt sich Dada als kurzlebiges Phänomen. Welches Dada? Zürich, Berlin, Köln, Hannover oder doch Paris, New York, Barcelona?, möchte man angesichts der örtlichen Disparitäten fragen. Doch unter der abstrahierenden Prämisse eines Durchgangsstadiums können räumliche Differenzen vernachlässigt werden. Wenn ohne den später in die surrealistische Bewegung mündenden Pariser Dada »unser Bild von der dadaistischen Bewegung unklar und verschwommen« geblieben wäre, drängt sich ein Zugang zu Dada aus einer ex post Perspektive auf.47 So kann auch einer anfänglichen Verwirrung der Dada-Rezeption entsprochen werden, wie sie der amerikanische Kritiker John Richardson 1953 treffend poentierte: »Wie soll man eine Bewegung definieren oder gar eingrenzen, die sich mit keiner bestimmten Persönlichkeit und keinem bestimmten Ort, Standpunkt oder Thema identifizieren läßt, die alle Künste beeinflußt, deren Schwerpunkt sich ständig verlagert und die noch dazu ganz bewußt negativ, kurzlebig, unlogisch und nicht überzeugend ist?«48 Nach dem Ende des Dada Zürich werden die verschiedenen dadaistischen Gruppen gesamtheitlich behandelt. Dabei kommt den Aktivitäten des Dada Berlin besondere Bedeutung zu. Entscheidend ist, dass für die dadaistische Selbst-Kritik der Begriff Kunst selbst für einen konfliktiven Diskurs stand, dem sich auch Bruno Taut bediente.49 So konnte ein dadaistisches Erzeugnis sein, was als Kunst erst zu legitimieren war. Wenn Dadaisten Kunst als solche in Abrede stellten, negiert dies nicht die Idee der Diskursabhängigkeit derselben. Kunst und Nicht-Kunst waren vielmehr eine unteilbare Einheit. Dadaisten führten den Diskurs bis zu seiner notwendigen Konsequenz: Kunst konnte nur sein, was nicht Geschmackskunst ist und dabei machten sie sich auch auf das Kunstgewerbe bezogene Konzepte zu eigen. Deutlich wird dies an den dadaistischen Mach-Werken, die auf die Erhebung in die Sphäre der Kunstwerke zu verzichten behaupteten.50 Entscheidend war auch hier das Kriterium dadaistischer Neuheit. Dem lag die simple Schlussfolgerung zugrunde, dass es am Maßstab der Originalität keine Regeln geben konnte. Aus dem Umfeld der akademischen Kunsttheorie hatte sich die Kunstkritik bereits im 18. Jahrhundert zunächst in Frankreich herausgebildet.51 Die schrittweise Formalisierung des kunstkritischen Diskurses sowie die methodische Verdrängung der Gefühlsästhetik in den Bereich der Rezeption von Denkmälern und historischer Umwelt begünstigten zum Ende des 19. Jahrhunderts die Herausbildung der Kunstgeschichte als akademische Disziplin, deren Paradigmenbildung, jedenfalls zu Teilen, durch »Entsubjektivierung« und »Entästhetisierung« geprägt war.52 Diese scheinbare Distanzierung von allem Ästhetischen und die Einführung eigener, mit empirischem Inhalt verbundener Begriffe begünstigte die Verwirrung der Kunstbegriffe, wie sie von Kunstkritikern um
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Vgl. Short 1994, S. 53. John Richardson: »The Dada Movement«, in: Times Literary Supplement, 23. Oktober 1953, zit.n.: Short 1994, S. 9. Für diesen Absatz vgl. de Duve 1996, S. 25-26. Zum Begriff der »Mach-Werke« s.u. Germer/Kohle 1991, S. 287-288. Zu Letzterem vgl. ibid., S. 304.
Kunstwerk oder Werk der bildenden Künste? Theoretische Revisionen im dadaistischen Kontext
die Jahrhundertwende konstatiert wurde.53 Obgleich Kunstkritik und Kunstgeschichte im 19. Jahrhundert von der Prämisse der Historizität künstlerischer Aktivität ausgingen, waren sie durch den Zeitpunkt ihrer Wertungen getrennt:54 Der durch Originalität vermittelte ästhetische Gehalt konnte die Aktualität im Zeitpunkt der Entstehung beschreiben. Gerichtet auf den Bruch mit der Tradition war dieses Denken, wie es der Kunstkritik eigen war, letztlich historisierend.55 Andererseits war ebenso der ex post operierende kunsthistorische Diskurs zu keiner Zeit ohne jedes kunsttheoretische Element. Formulierte nur die Kunstkritik »die fortschreitende Verschiebung der Grenzziehung des zum Künstlerischen Gehörigen«, muss folglich jede historische Auseinandersetzung mit der künstlerischen Avantgarde auch eine Geschichte der Kunstkritik sein.56 Ihr Modell, Geschichte der Kunst zu denken, bedeutete »den beständigen Wechsel der Definitionen dessen, was unter Kunst zu verstehen sei«, zu beschreiben.57 Hervorzuheben ist hier Folgendes: Kunstkritik war in der Zeit der Weimarer Republik ein von Kunsthistorikern und -theoretikern geprägtes Berufsfeld.58 Zahlreiche Kunsthistoriker wendeten sich von ihrer akademischen Disziplin ab, weil sie in der historischen Gelehrsamkeit keine Möglichkeit einer geeigneten Auseinandersetzung mit dem Kunstgeschehen ihrer Zeit fanden.59 Die von den Kritikern zur Anwendung gebrachten Kategorie- und Begriffssysteme waren zugleich Ausdruck des zeitgenössischen, zwischen Komplexität und Beliebigkeit changierenden Methodenplusralismus.60 Sie füllten eine theoretische Lücke, welche die visuellen und räumlichen Gestaltungen ihrer Zeit durch Negation und Alteration freigegeben hatten. Ihre Metonymien – die Nicht-Kunst, das Mach-Werk – waren nicht autonom, sondern auf ihren Kontext bezogen. Ein neuer Kunstbegriff musste über die Nebelkerzen der Kunstpfleger und Urheber hinweg von den Werkstücken abgekoppelt und aus der »interventorischen Performanz« heraus bestimmt werden.61 Auch zwischen solchen Rekonzeptualisierungen und visuellen Gestaltungsformen bestand natürlich ein von Wechselwirkungen geprägtes Verhältnis. Beschreibung von aufschreckender Wirkung, darauf wurde bereits hingewiesen, war letztlich Beschreibung von Originalität im Sinne von Neuheit, die sich in Abgrenzung zu einer Geschmackskunst begründete.62
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Es handelt sich um den Titel der gleichnamigen von Wilhelm Trübner verfassten Schrift, die 1898 bei Rütten & Loening erschienen war. Besonders aufschlussreich ist das Inhaltsverzeichnis, in dem »Baukunst« ebenso behandelt wird wie die »Photographische Darstellung«. Dabei verschwimmt regelmäßig die Spaltung der Kunstrezeption in »erkenntnisintentionale Rezeption« und »ästhetische Erfahrung«, vgl. Kübler 1983, S. 5-6. Germer/Kohle 1991, S. 308-309. Ibid., S. 310. Ibid. Bushart 2000, S. 14. Ibid. Am Beispiel Adolf Behne beschreibt diesen Umstand Magdalena Bushart: »So wechselte Behne […] unvermittelt zwischen einem produktionsästhetischen, einem kunsthistorisch-akademischen und einem philosophischen Formbegriff.«, vgl. ibid., S. 200. Mersch 2002, S. 200. Bowler 1997, S. 26-27.
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Kunstbegriffe zwischen Recht und Praxis
3.
Die Macher der klassischen Moderne: Der Sturm und Die Aktion
Will man Dada in das Denken über Kunst der klassischen Moderne einordnen, ist zu berücksichtigen, dass sich später dadaistisch geprägte Gestaltungsmittel bereits in den Praktiken von Futurismus und Kubismus finden.63 Die oft betonte Andersartigkeit, die Revolutionarität, zeigt sich wie gesehen nur als Etikett.64 Dada erweist sich aber auch daher als Umwertung durch das bewusste Spiel mit etablierten Kategorien.65 Für eine Einordnung Dadas in die Kunstkritik der Zeit ist damit weniger die Abgrenzung zu den zahlreichen Kunstismen als historisch-relative Kategorien entscheidend, sondern vielmehr der Blick auf Parallelen in der kunstkritischen Verarbeitung sich ähnelnder Ausdrucksformen, Techniken und Prozesse, die sie gemeinsam von einer institutionalisierten Kunst ihrer Zeit unterschieden. Mit zeitgenössischer Kunsttheorie und -kritik bestens vertraut, waren es auch die dadaistischen Protagonisten selbst, die den Maßstab der Originalität in der Kunstkritik für sich einforderten:66 Mit einem Vortragsabend am 12. April 1918 in der Berliner Secession stellten die Berliner Dadaisten ihre Erzeugnisse als Opposition zu einem Expressionismus dar, dessen Produkte als »Vorwand der Verinnerlichung« oder als »abstrale [sic!] Blödigkeit der Farb- und Linienwerte zur Andeutung sogenannter seelischer Klänge« präsentiert wurden.67 Für die Dadaisten waren ihre Ausdrucksträger gleichermaßen Negation einer illusionistischen Ölmalerei sowie einer subjektiv-emotionalen Farbgebung. Das aus dem alltäglichen Leben genommene Material, das durch ständiges Experimentieren stetig erweitert wurde, war Dada-Kunst im Sinne einer Kunst »frei von Manier und Psyche des Künstlers«.68 Verwendung fanden jene Ausdrucksträger, die der bürgerliche Kunstbegriff ausgeschlossen hatte.69 63
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Van den Berg 2016, S. 151. Allerdings muss schon hier darauf verweisen sein, dass Herwarth Walden (s.u.) und sein Kreis auch Futurismus und Kubismus unter den Begriff Expressionismus fassten, vgl. Ho 2016, S. 38. Kubisten und Futuristen wurden dieser von Herwarth Walden entwickelten »Marke« zugeordnet, Peters 2013, S. 31. Ibid. Die klassische Moderne wurde von einer ungeheuerlich schnellen Abfolge der Kunstismen geprägt, die sich von den Epochenstilen wesentlich unterschieden, vgl. Bergmeier 2011, S. 80. »Was ist dada? Eine Kunst? Eine Philosophie? Eine Politik? Eine Feuerversicherung? Oder: Staatsreligion? Ist dada wirkliche Energie? Oder ist es Garnichts, d.h. alles?«, vgl. Hausmann 1919, S. 6. Mit einer Kontextualisierung dieser Selbstbeschreibung als Dada-Publicity: Hübel 2015, S. 87-88. Schaschke 2004, S. 202-205 mit Blick auf Hans Arps und Johannes Baargelds Beziehung zur Theoriebildung um die Kubisten. In diesen Kontext ist sicherlich auch die programmatische Schrift Raoul Hausmanns »Das neue Material in der Malerei« von 1918 zu stellen, wodurch die Übergangssituation zwischen sog. Expressionismus und Dada erkennbar wird, vgl. Weikop 2013, S. 809. Nach Auffassung der konservativen Kunstsoziologie der Nachkriegszeit waren es bereits die Expressionisten, die den Sinn der Malerei und ihren Daseinsgrund de-legitimiert und damit eine konzeptuelle Malerei begründet hatten, vgl. Gehlen 1960, S. 75. Hier und im Folgenden: Bergius 2000, S. 14. Vgl. ibid. In unmittelbarem Zusammenhang mit Dada steht auch das Bauhaus unter Walter Gropius, das den Anspruch verfolgte, Kunst aus dem gesellschaftlichen Lebensraum zu fassen und zu konzipieren, vgl. Schulze 2015, S. 266. Die Erste Internationale Dada-Messe 1920 war konzipiert als Negation des »Kunstbeamtentums« und die »Kunstdummheit und -gemeinheit und -arroganz […] den ganzen unverschämten Kunst- und Kulturschwindel unserer Zeit«, vgl.: Grosz/Heartfield (1919/1920), S. 55.
Kunstwerk oder Werk der bildenden Künste? Theoretische Revisionen im dadaistischen Kontext
Das hier zu Tage tretende Spannungsverhältnis zwischen den Dadaisten und ihrem expressionistischen Umfeld wurde wesentlich durch die Kunstkritik in zwei Kunstzeitschriften bestimmt: Der Sturm und Die Aktion.70 Während der Gründungsphase von Dada Berlin war es vornehmlich Richard Hülsenbeck, der die Abgrenzung zum Erbe der Kunst der klassischen Moderne propagierte.71 Als Leitmedien der expressionistischen Projekte treten Der Sturm und Die Aktion durch ihre Reichweite und Bedeutung deutlich hervor.72 Dort trafen zwei widerstreitende Versionen von Expressionismus aufeinander. Der Sturm gilt als Ankerpunkt und Förderer der »ästhetischen Avantgarde« in Europa.73 Die Gründung der gleichnamigen Galerie im Jahr 1912 sollte diese Tendenz befördern. So ist die künstlerische Trias des 1916 in Zürich eröffneten Cabaret Voltaire – bildende Kunst, Literatur und Theater – dieselbe, welche bereits als die drei Säulen in Der Sturm identifiziert wurden.74 Herwarth Waldens Engagement als Herausgeber dieser einflussreichen Kunstzeitschrift war auf die Präsentation dieses selbst umrissenen Expressionismus, der verschiedene Kunstrichtungen erfasst, als einer Kunst mit gänzlichen neuen Idealen gerichtet.75 Aber auch dort wurde Neuheit durch die Akzentuierung einer Kunstmetaphysik propagiert.76 Unter dem Lemma Expressionismus ging es in den Artikeln des Sturm »um die Formulierung einer geistigen Bewegung, als deren Kennzeichen u.a. die Abwendung von der natürlichen Form und die Hinwendung zur Abstraktion angeführt wurden«.77 Das Bekenntnis zu einer »geistigen Bewegung« war ein Zugeständnis an die vorherrschenden Positionen der metaphysischen Ästhetik dieser Zeit. Die Aktion, eine von Franz Pfemfert herausgegebene kunstpolitische Zeitschrift, war zwischen 1911 und 1932 Sprachrohr eines bewusst sozialkritisch entwickelten »Expressionismus«.78 Bemerkenswert ist, dass Dadas Verbindung zu einem der beiden Kunstmacher bereits vor dem Krieg entstanden war.79 In Zürich war vor allem Hans Arp mit der Zeitschrift Der Sturm verbunden, in Köln Max Ernst.80 In Berlin werden Walter Mehring und Paul Citroen während des Krieges mit Der Sturm in Verbindung gebracht.81 Hier deutet sich an, warum die spätere Ablehnung der Kunst der klassischen Moderne doch wesentlich durch die Gegnerschaft der Herausgeber Herwarth Walden und Franz Pfemfert bestimmt sein musste.82
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van den Berg 2016, S. 41. Zum Problem der mangelnden Differenzierung in der kunstkritischen Aufnahme der Avantgardebewegung vgl. Kunzelmann 2010, S. 371. Winkler 2002, S. 205. Eichhorn/Lorenzen 2017. van den Berg 2016, S. 41-42. Nobis 1992, S. 324. Eine Schilderung seiner Arbeit liefert: Winskell 1995. Mit kritischem Blick auf den Erfolg Waldens in Kriegszeiten: McBridge 2013, S. 788. Hengst 2017, S. 46; Wünsche 2019, S. 4. Vgl. hier und nachfolgend: Ho 2016, S. 38-39. McBridge 2013, S. 784. Lewer 2016, S. 28. Schmidt-Bergmann 2013, S. 45; Derenthal 2005, S. 21. van den Berg 2016, S. 42. West 2000, S. 107.
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Kunstbegriffe zwischen Recht und Praxis
Im Laufe des Krieges hatten die verschiedenen, als Expressionismus gefassten Kunstrichtungen, eine beachtliche Ideologisierung erfahren, weshalb sich erst nach 1914 das Bild des Expressionismus als »deutsche Weltanschauung« durchgesetzt hatte.83 Einen wichtigen Einblick in das gesellschaftliche Verständnis dieser Kunstrichtungen in den ersten Nachkriegsjahren gewährt das Essay des Kunstkritikers Alois J. Schardts Verstandeskultur – Kunstbetrachtung – Gefühlskultur von 1921, das Olaf Peters als »eminenten Text hinsichtlich der Rezeption, spezifischen Interpretation und Promotion der modernen Kunst in der frühen Weimarer Republik« anführt.84 Expressionismus tritt hier als Bollwerk gegen Anpassungs- und Annäherungstendenzen der künstlerischen Sphäre an die neuen technischen Entwicklungen und gesellschaftlichen Veränderungen in ein positives Licht.85 Letztlich wollte diese Kunstkritik zu einer »großen einheitlichen Kunst und Kunstauffassung« beitragen.86 Expressionismus trat als Versprechen eines Bruchs mit dem Intellektualismus des Impressionismus zutage.87 Damit verbunden war die den Dadaisten widerstrebende Auffassung, dass Kunst zwar durch, allerdings nicht in die Realität wirkte.88 Aber schon als Siegfried Kracauer 1918 seine Abhandlung Über den Expressionismus. Wesen und Sinn einer Zeitbewegung veröffentlichte und jenen Expressionismus als neuen Anfang beschwor, wurde eine eminente Krise der expressionistischen Richtung in der Kunstöffentlichkeit konstatiert und von den Dadaisten für ihre Ideen aufgegriffen89 – Dada nährte sich unmittelbar aus diesen Erfahrungen.90 Damit erweist sich der Begriff Expressionismus hier nicht als fest umrissener Kunststil, sondern vielmehr als kunstbegriffliches Beziehungsgeflecht im Kontext der vielgestaltigen Versuche einer Legitimierung zeitgenössischer Kunstproduktion.91 Von dieser Folgerung ausgehend wird schon erkennbar, auf welche Weise diese Verschiebung der Grenzziehungen Dada jedenfalls als dialektischer Bezugspunkt vorbereitete.92 Es lässt sich zusammenfassen: Die Dadaisten wirkten keinesfalls ex nihilo, sondern waren fest
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Peters 2013, S. 31. Ibid., S. 20. Ibid., S. 21. In dem zwischen 1922 und 1936 mit mehreren Jahresheften zunächst von Wilhelm Graf Kielmansegg, Geschäftsführer der Galerie Flechtheim in Köln, herausgegebenen Der Querschnitt findet sich die entgegengesetzte Position: »Der formale Expressionismus in der Bild- und Wortkunst ist im Begriff, zu einem neuen l’art pour l’art-Prinzip sich auszubilden. Die neuen Formen einer irgendwie gesehenen Wirklichkeit, die neuen Gesetze einer auf diesem Boden wachsenden Bildkomposition haben teilweise zu einer Suprematie rein kunst-formalistischer Faktoren und einer neuen Aesthetisierung des Schaffensprozesses geführt, die immer ausschließlicher an den Künstler und den Kunstkenner, immer weniger an den Menschen als seelische Größe sich wendet.«, vgl. Keim 1921, S. 31. Vgl. Schardt 1921/2013, S. 35. Peters 2013, S. 27. Zahlreiche Dadaisten wollten, wie oben bereits ausgeführt, auf die (politische) Realität einwirken, vgl. auch Bohn 2002, S. 29. Peters 2013, S. 31. Hermann Wiegmann geht aus literaturwissenschaftlicher Perspektive so weit, von Dada als Fortsetzung sui generis des Expressionismus zu sprechen vgl. Wiegmann 2005, S. 137. Zu diesem Modus der Historizität der Kunstkritik vgl. Germer/Kohle 1991, S. 309. »Expressionism prefigured Dada in many respects.«, vgl. Short 1994, S. 32. Zu den Verbindungen zwischen Dada und der Neuen Sachlichkeit vgl. Plumb 2006, S. 28.
Kunstwerk oder Werk der bildenden Künste? Theoretische Revisionen im dadaistischen Kontext
in das Denken über Kunst ihrer Zeit eingebunden. Es wurde deutlich, dass die Verbindung zu jenem Expressionisten-Kreis, den Herwarth Walden um sich aufgebaut hatte, Voraussetzung für die freundschaftliche Verbindung der Individuen war, die 1917 das Cabaret Voltaire ins Leben rufen würden. Schien das expressionistische Beziehungsgeflecht mit den Kriegsjahren jedenfalls in Teilen zur Staatskunst avanciert, musste Dada für die Kunstöffentlichkeit zunächst eine Krise des Kunstbegriffs darstellen.93
4.
Kultur- und begriffshistorischer Kontext
Stellt die Verbindung zwischen Dada und der Kunst der klassischen Moderne den wesentlichen Nexus zur Sphäre der Kunstkritik dar, darf ein anderer nicht unterschlagen werden: Das Lemma der Dienstbarmachung der Kunst für das Leben war zu Beginn des 20. Jahrhunderts nicht mehr revolutionär. Vielmehr war es dasjenige Prinzip, das bereits vor 1900 der »angewandten Kunst« zugeordnet wurde.94 Als Erzeugnis des Kunstgewerbes wurde beispielsweise die Grafik schon vor der dadaistischen Collage erfasst.95 Als Synthese von Kunstgewerbe und schönen Künsten waren beispielsweise Illustration und Grafik Ausdruck ganz bestimmter Zeitnotwendigkeiten.96 Bereits um den Jugendstil war in diesem Kontext der Streit um Kunst und Nicht-Kunst virulent.97 Als bildende Kunst konnte angewandte Kunst nur erfasst werden, wenn die ästhetischen Welten der sogenannten technischen und schönen Künste zusammengeführt wurden. Die Ästhetiker mussten der Kunsttheorie und -kritik zunächst Grundlagen in Form neuer ästhetischer Methoden liefern.98 Bisher hatte die Kunsttheorie das Kunstgewerbe schlicht als Nicht-Kunst gewertet.99 In dieser besonderen Gemengelage, in der sich nicht nur die Kunstwissenschaften von der Ästhetik distanzierten und andere Wissenschaften wie die Psychologie für das Kunstverständnis herangezogen wurden, war auch eine sozialhistorisch bedingte Veränderung der künstlerischen Tätigkeit selbst für das Kunstverständnis relevant geworden.100 Zur Schaffung von Werken der angewandten Kunst hatten Künstler ihre exponierte Stellung aufgegeben. Künstlerisches Schaffen beschränkte sich auf Entwürfe, Zum staatlich geförderten Expressionismus-Fieber vgl. Saehrendt 2005, S. 18. In Das Kunstblatt hieß es: »[…] nicht mehr einzelne Künstler und Kunstwerke, vielmehr gesamte Denk-, Rede- und Handlungsfreiheit künstlerischen Geistes [standen] wieder in schärfster, aufgezwungener Opposition zu Staat und ungeschriebenem Gesetz herrschender Reaktion.«, vgl. Gaupp 1925, S. 89. 94 Simon 1976, S. 75. 95 Ibid., S. 182. 96 Ibid., S. 75. 97 Grosskopf 2016, S. 366. 98 Zugleich kam es zu einer wirkmächtigen »Entmonopolisierung der traditionellen akademischen Orte der Kunstreflexion«, wie sie Bernadette Collenberg-Plotnikov beschreibt, vgl. Collenberg-Plotnikov 2016, S. 193. 99 Simon 1976, S. 79. Hans-Ulrich Simon wirft Licht auf das Kunstgewerbe als Begriffsfeld, das Gattungsgrenzen überschritt; zur Methode Simons und damit seiner Aktualität vgl. Pantus 2000, S. 13. 100 Dazu vgl. Simmons 1999, S. 125, der zudem Folgendes bemerkt: »The new private dealer felt the need to maintain the division which had opened between die fine and applied arts in die eighteenth century, while the new advertising artist wanted to revive and modernize the old emblems of the guilds and crafts«, vgl. Ibid. 93
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Kunstbegriffe zwischen Recht und Praxis
auf deren Grundlage ihre Werke in einer Vielzahl von Werkstücken umgesetzt werden konnten.101 Die Zweckfreiheitsideologie der bürgerlichen Kunst wurde durch die Überbrückung des Dilemmas zwischen Utilitarismus und Autonomie in Frage gestellt.102 Mithin muss die Leben-Kunst-Beziehung stets auch als Ausdruck des Diskurses um die Spezifik der künstlerischen Tätigkeit gesehen werden. Das Bauhaus und hier insbesondere Walter Gropius sollte die Ebene der Spezifizität künstlerischen Schaffens für die breite Öffentlichkeit wiederaufleben lassen.103 Doch damit ist der historische Kontext noch nicht hinreichend skizziert: Das Kabarett war um die Jahrhundertwende zum Inbegriff einer hedonistischen Lebenseinstellung geworden, die das Junge in allen Künsten als »angewandte Kunst« propagierte.104 Dem »freudehungrigen Menschen des Industriezeitalters« sollte die Lust an »Farben, Klängen, Tänzen und Witz« vermittelt werden, »das Schlagwort lag nahe, es brauchte nur noch aufgegriffen zu werden: angewandte Lyrik«.105 Nonsensdichtung, die ebenfalls als »angewandte Lyrik« um die Jahrhundertwende praktiziert worden war, bedeutete den Verzicht auf tradierte Bedeutungsebenen und war Plädoyer für eine als absolute Neuheit verstandene Kreativität.106 Die künstlerische Praxis musste den an bestimmte Formen und Inhalte gebundenen Kunstbegriff in Frage stellen um neues Terrain zu gewinnen, wodurch sich kreatives Schaffen im Allgemeinen mit dem Leben in eine neue Beziehung setzen konnte. Das Kabarett war in diesem Kontext der Ort, an dem sich eine ästhetische Subkultur ausbilden konnte. Künstler, die sich um die Jahrhundertwende dem Varieté zuwandten, rechtfertigten ihr Wirken als Abbilder der Realität.107 »Buntes Theater« und »Überbrettl« waren einige Jahre vor dem als DadaUrmythos identifizierten Cabaret Voltaire in Zürich Orte »angewandter Kunst«, Orte, an denen sich nach dem Vorbild der bildenden Kunst auch Lyrik und Musik gemein gemacht hatten.108 Dort wurden Gedichte rezitiert, »die nicht bloß im stillen Kämmerlein 101
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Simon 1976, S. 89. Notwendig wurde die Unterscheidung von physischem Gegenstand und »ästhetischen Gegenstand« wie sie in der Allgemeinen Kunstwissenschaft diskutiert wurde: »Bei der angewandten Kunst ist eine solche Scheidung so naheliegend, wie bei den zeitlichen Künsten. Bei einer Tapete beispielsweise trennt man leicht und ganz naturgemäß das Muster ›an sich‹, im Sinne der künstlerischen Idee, von der ›Ausführung‹ desselben, ebenso wie man ›die Symphonie‹ oder ›das Drama selbst‹ von seiner ›Aufführung‹ unterscheidet.«, vgl. Conrad 1909, S. 400. Siegmund 2019, S. 39-40. Mathias Listl stellt im Kontext des Missverständnisses um moderne Theorie nach 1945 fest: »So konnte es auch zu einer genauen Umkehrung jenes visionären Künstlerbildes von Walter Gropius kommen, in dem zwischen Künstler und Handwerker keinerlei Wesensunterschied bestehen, sondern nur eine Rangabstufung beide voneinander unterscheidet […]«, vgl. Listl 2014, S. 52. Reinhard 2006, S. 35. Budzinski 1984, S. 47. Simon 1976, 208. Dabei war diese Entwicklung keinesfalls auf die Dichtung allein beschränkt. Auch ein Guillaume Apollinaire fand in dieser kunstbegrifflichen Umbruchsphase seine »Inspirationsquelle« in »Prospekten […], Katalogen, Plakaten [und] in allerlei Arten von Reklame«, die er als Quelle der »Poesie unserer Zeit […] zum fließen bringen« wollte, vgl. Guillaume Apollinaire, in: »Soirées de Paris« 1 (1920), zit.n.: Shattuck 1963, S. 265. Zur Relevanz für Montage- und Collagetechniken insgesamt vgl. Kircher 2002, S. 115. Zur Geschichte des Varieté vgl. Jansen 1990 und zum produktiven Verhältnis von bildender Kunst und Literatur in diesem Kontext: Grund 2002, S. 28. Reinhard 2006, S. 35.
Kunstwerk oder Werk der bildenden Künste? Theoretische Revisionen im dadaistischen Kontext
gelesen, sondern vor einer erheiterungslustigen Menge gesungen werden mögen. Angewandte Lyrik – da haben Sie unser Schlagwort.«109 Für andere Zeitgenossen war das Kabarett Synonym für einen Ort, an dem Kunst »dem Verständnis der Menge« zugänglich gemacht wurde.110 Galt dem zeitgenössischen Kritiker das Kabarett als »absolute Naivität in der Anwendung der Kunstmittel«, galt der »Empfindungs-Kontrast«, den man auch als künstlerische Polarität fassen könnte, als künstlerisches Konzept.111
III. 1.
Kunstbegriffsbildung im Kontext der Dada-Ausstellungen in Köln und Berlin Werke der bildenden Kunst dadaistisch präsentiert: eine erste Ausstellung in Köln
Nach Zürich und Paris wurde das katholische Rheinland zum Wirkungsort Dadas. In Köln bildeten Max Ernst, Hans Arp, Johannes Theodor Baargeld sowie Heinrich und Angelika Hoerle Dada Köln.112 George Grosz und Wieland Herzfelde waren Max Ernst bereits bei seiner Ausstellung zusammen mit Georg Muche 1916 in der Galerie Der Sturm in Berlin erstmals begegnet.113 Als »Gruppenphänomen« trat Dada am Rhein mit einer Provokation der Kunstöffentlichkeit im April 1920 bereits erst- und letztmalig im Brauhaus Winter in Erscheinung.114 Ausgestellt wurden neben Gemälden und Skulpturen, Zeichnungen, Fluidoskeptrik und als »Vulgärdilettantismus« der Kritik ausgesetzte kunstgewerbliche Objekte.115 Als wollte die Gruppe »höheres künstlerisches Interesse« erst gar nicht als reales Verdachtsmoment aufkommen lassen, waren die Objekte nach einer Beschreibung in Kunstchronik und Kunstmarkt in »einem besonderen Raum« präsentiert worden.116 Besonders eine Persönlichkeit prägte Dada Köln: Max Ernst.117 Zu den einzelnen ausgestellten Objekten sind keine gesicherten Informationen erhalten, was eine Auseinandersetzung mit der Rezeption am bildkünstlerischen Objekt verhindert. Die Schließung der Dada-Ausstellung im Brauhaus war jedenfalls die unmittelbare 109 110 111 112 113 114 115 116
117
Bierbaum 1900, S. IX-X. Vgl. Ernst von Wolzogen, in: Das literarische Echo 8 (1900/1), zit.n.: Ruprecht/Bänsch 1981, S. 121. Simon 1976, S. 116. Schäfer 1993, S. 18. Ibid., S. 41. Ibid., S. 174. Vgl. Umschlag des Kataloges zur Ausstellung Dada-Vorfrühling, Köln 1920. »Sie waren in Köln insofern wesentlich, als hier, im Gegensatz zu den meisten andern deutschen Städten, weitere Kreise des Publikums auch über die Kunst von vorgestern, geschweige denn die von heute, einigermaßen unterrichtet sind. In einem besonderen Raum zeigten die Kölner Künstler Baargeld, Max Ernst, Heinrich und Angelika Hoerle, Anton Räderscheidt, von den übrigen abgetrennt, ihre Arbeiten (Gemälde, Reliefs, Plastiken) gemeinsam mit Zeichnungen von Kindern unbekannten Meistern unserer Zeit, einzelnen Werken von Hans Arp, Bolz, Juan Gris, Léger und Demonstrationsapparaten optischer Vorgänge, die von den Künstlern in die Ausstellung hineingestellt waren, weil sie »wegen ihrer enormen plastischen Werte und als reine Manifestationen menschlichen Geistes« den Kunstwerken gleichzusetzen seien.«, vgl. Straus-Ernst 1920, S. 332. Zu seiner Beteiligung und Beziehung zu Dada vgl. Spies 2005, S. 11-12.
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Kunstwerk oder Werk der bildenden Künste? Theoretische Revisionen im dadaistischen Kontext
gelesen, sondern vor einer erheiterungslustigen Menge gesungen werden mögen. Angewandte Lyrik – da haben Sie unser Schlagwort.«109 Für andere Zeitgenossen war das Kabarett Synonym für einen Ort, an dem Kunst »dem Verständnis der Menge« zugänglich gemacht wurde.110 Galt dem zeitgenössischen Kritiker das Kabarett als »absolute Naivität in der Anwendung der Kunstmittel«, galt der »Empfindungs-Kontrast«, den man auch als künstlerische Polarität fassen könnte, als künstlerisches Konzept.111
III. 1.
Kunstbegriffsbildung im Kontext der Dada-Ausstellungen in Köln und Berlin Werke der bildenden Kunst dadaistisch präsentiert: eine erste Ausstellung in Köln
Nach Zürich und Paris wurde das katholische Rheinland zum Wirkungsort Dadas. In Köln bildeten Max Ernst, Hans Arp, Johannes Theodor Baargeld sowie Heinrich und Angelika Hoerle Dada Köln.112 George Grosz und Wieland Herzfelde waren Max Ernst bereits bei seiner Ausstellung zusammen mit Georg Muche 1916 in der Galerie Der Sturm in Berlin erstmals begegnet.113 Als »Gruppenphänomen« trat Dada am Rhein mit einer Provokation der Kunstöffentlichkeit im April 1920 bereits erst- und letztmalig im Brauhaus Winter in Erscheinung.114 Ausgestellt wurden neben Gemälden und Skulpturen, Zeichnungen, Fluidoskeptrik und als »Vulgärdilettantismus« der Kritik ausgesetzte kunstgewerbliche Objekte.115 Als wollte die Gruppe »höheres künstlerisches Interesse« erst gar nicht als reales Verdachtsmoment aufkommen lassen, waren die Objekte nach einer Beschreibung in Kunstchronik und Kunstmarkt in »einem besonderen Raum« präsentiert worden.116 Besonders eine Persönlichkeit prägte Dada Köln: Max Ernst.117 Zu den einzelnen ausgestellten Objekten sind keine gesicherten Informationen erhalten, was eine Auseinandersetzung mit der Rezeption am bildkünstlerischen Objekt verhindert. Die Schließung der Dada-Ausstellung im Brauhaus war jedenfalls die unmittelbare 109 110 111 112 113 114 115 116
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Bierbaum 1900, S. IX-X. Vgl. Ernst von Wolzogen, in: Das literarische Echo 8 (1900/1), zit.n.: Ruprecht/Bänsch 1981, S. 121. Simon 1976, S. 116. Schäfer 1993, S. 18. Ibid., S. 41. Ibid., S. 174. Vgl. Umschlag des Kataloges zur Ausstellung Dada-Vorfrühling, Köln 1920. »Sie waren in Köln insofern wesentlich, als hier, im Gegensatz zu den meisten andern deutschen Städten, weitere Kreise des Publikums auch über die Kunst von vorgestern, geschweige denn die von heute, einigermaßen unterrichtet sind. In einem besonderen Raum zeigten die Kölner Künstler Baargeld, Max Ernst, Heinrich und Angelika Hoerle, Anton Räderscheidt, von den übrigen abgetrennt, ihre Arbeiten (Gemälde, Reliefs, Plastiken) gemeinsam mit Zeichnungen von Kindern unbekannten Meistern unserer Zeit, einzelnen Werken von Hans Arp, Bolz, Juan Gris, Léger und Demonstrationsapparaten optischer Vorgänge, die von den Künstlern in die Ausstellung hineingestellt waren, weil sie »wegen ihrer enormen plastischen Werte und als reine Manifestationen menschlichen Geistes« den Kunstwerken gleichzusetzen seien.«, vgl. Straus-Ernst 1920, S. 332. Zu seiner Beteiligung und Beziehung zu Dada vgl. Spies 2005, S. 11-12.
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Kunstbegriffe zwischen Recht und Praxis
Folge des Ausschlusses der Montagen von Johannes Theodor Baargeld und Max Ernst von der Frühjahrsausstellung der Arbeitsgemeinschaft bildender Künstler im Kölner Kunstgewerbemuseum.118 Die sicherlich auf Grundlage der polizeilichen Generalermächtigung zum Schutz der Öffentlichen Sicherheit und Ordnung verfügte Schließung belegt dabei den in der wilhelminisch geprägten Exekutive virulenten Kunstbegriff.119 Schon die dadaistische Präsentation verhinderte in der Wertung der Beamten jede Möglichkeit eines in der behördlichen Praxis geforderten höheren Kunstinteresses im Sinne eines moralisch aufgeladenen Ästhetikbegriffs an den Objekten.
2.
Exkurs: die Dada-Messe im Kontext der Selbstkritik des Dada Berlin
»Die Bewegung Dada führt zur Aufhebung des Kunsthandels« heißt es über der Titelzeile »Erste Internationale Dada-Messe«, die erst lesbar wird, sobald der ungewöhnliche Katalog-Prospekt aus günstigem Papier aufgefaltet wird. Der vier- und doppelseitig gedruckte Prospekt kündigte »Ausstellung und Verkauf dadaistischer Erzeugnisse« an. Das Erzeugnis wurde damit 1920 zur Losung des Berliner Dada. Diese Losung steht für eine direkte Anknüpfung an den Kunstdiskurs über die Grenze zwischen (kunstgewerblichem) Erzeugnis einerseits und Kunstwerk andererseits.120 Organisatoren der Ausstellung in der nur kurzzeitig bestehenden Kunsthandlung Dr. Otto Burchard am Berliner Lützowufer waren George Grosz, Raoul Hausmann und John Heartfield.121 Der Impetus dadaistischer Geisteshaltung wird in diesem Prospekt im direkten Zusammenhang mit jener in dieser Zeit dominierenden Kunstkritik dargestellt. Diese Kunstöffentlichkeit war der Ort, an dem die fortschreitenden Grenzziehungen zwischen den verschiedenen Kunstbegriffen verhandelt wurden. Entscheidend sind dabei die diesen Kritiken zugrunde liegenden ästhetischen und kunsttheoretischen Konzepte.
Das dadaistische Spiel mit der Begriffsverwirrung In seiner 1900 veröffentlichten Schrift Die Verwirrung der Kunstbegriffe beschrieb Wilhelm Trübner seine Zeit als von beständiger Grenzverschiebung des Bereichs des Künstlerischen geprägt.122 Wilhelm Trübner, Künstler und Kunstkritiker, unterrichtete Rudolph
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Schäfer 1993, S. 175. »Dada ist für Ruhe und Orden« verkündeten die Veranstalter auf einem anlässlich der Widereröffnung der Ausstellung veröffentlichten Plakats, vgl. ibid., S. 180. 120 Die Verknüpfung zum juristischen Diskurs dieser Zeit wird noch thematisiert. War das Erzeugnis bereits Werk der bildenden Künste im Rechtssinne musste es kein Kunstwerk im Sinne des etablierten kunstkritischen Diskurses sein. Diese besonders nach 1907 in Sachverständigenkammern für die Anwendung des KUG relevant gewordene Frage, erweist sich als rechtlich bedingt. Das Gesetzt gab einen theoretischen Rahmen vor, aus dessen Anwendung ein eigener Kunstbegriff entstand. 121 Jolles 2016, S. 214 und zum Kontext dieser Ausstellung im Wirken Dadas vgl. Hage 2020, S. 91-92. Zur Person Otto Burchard und seinem sonstigen Wirken als Kunsthändler vgl. Jirka-Schmitz 1995, S. 23-35. 122 Im Februar 1900 war der Titel bereits in der zweiten Auflage erscheinen. Trübner galt als deutscher Whistler, »der so sehr und so lange mit offenen Augen im Getriebe unseres deutschen Kunstlebens gestanden ist«. Er galt als Verfechter der Abschaffung der »Komponier- und Bildermalschulen«, vgl. Die Kunst 1900, S. 216.
Kunstwerk oder Werk der bildenden Künste? Theoretische Revisionen im dadaistischen Kontext
Schlichter in der Meisterklasse an der Kunstakademie in Karlsruhe.123 Schlichter war später selbst an der Dada-Messe beteiligt.124 Dabei war es derselbe Trübner, der das Feld für die Kunstmittel der Avantgarde entscheidend bereitete, indem er normative Stilkriterien in Frage stellte.125 Für Trübner war auch die Trennung von rein-künstlerischem und akademischem (populär-künstlerischem) Können entscheidend.126 Die Gleichsetzung der Kunst mit den dem Publikum verständlichen akademischen Darstellungsweisen stand einem neuen Kunstverständnis im Sinne Trübners damit entgegen. Reflexivität konnte nur durch Öffentlichkeit gewährleitstet werden und war ein bestimmender Anspruch der Dadaisten. Die Vorankündigung ihrer Ausstellungseröffnung wurde deutschlandweit etwa im Berliner Lokal-Anzeiger, im Börsen-Courier, im Vorwärts sowie in der Frankfurter Oderzeitung veröffentlicht.127 Dem Okkultismus des Expressionismus im zuvor beschriebenen Sinn stellte Dada ein oppositionelles, kein genuin politisches Programm entgegen: »Dada-Ausstellung in Berlin. Wir erhalten nachstehende Einladung: Eröffnung der großen Dada-Ausstellung. Die Fäden des gesamten internationalen Dadaismus treffen sich in der Monstre-Dada-Ausstellung, die von der Kunsthandlung Dr. Otto Burchard am Mittwoch, 30. Juni, in ihren Räumen, Lützowufer 13, eröffnet wird.«128 Dieses Programm verstand sich selbst als elastisch und damit dauerhaft: »Auf medialem Wege haben alle Dadaisten der Welt ihre psychotechnische Elastizität auf die Berliner Vertreter des unsterblichen Dada übertragen […] Dada ist die Hellsicht der Einsicht in die Aussicht jeder Ansicht über Politik, Wirtschaft, Kunst, Medizin, Sexualität, Erotik, Perversion und Anästhetik. Die Arbeiten von George Groß, John Heartfield, Baargeld, Max Ernst, Hanna Hoesch, Raoul Hausmann, Baader schlagen alles bisher Dagewesene.«129 Diese Fundamentalopposition propagierte, dass nun »die richtigen dadaistischen Maler mit schmetternden Fanfaren in die Reichshauptstadt« eingezogen seien.130 Letztlich eine Botschaft, den Werkbegriff durch die eigene Rolle im ästhetischen Diskurs mitzugestalten.
Der Begriff der Malerei im Kontext der ausgestellten Bildwerke Die Erste Internationale Dada-Messe sollte Dada durchaus in den vorherrschenden Avantgarde-Gedanken einreihen. Dabei wurde der sich wandelnde Zweck der Malerei als ein traditioneller Ausdrucksträger beziehungsweise eine Gattung der bildenden Kunst zur Aporie der ausgestellten »Erzeugnisse«. Für Wieland Herzfelde bedeutete dies, dass nach dem Aufkommen von Fotografie und Film der Zweck der Malerei
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Horn 1984, S. 145. Hage 2020, S. 98. Rohrandt 1995, S. 44. »Weil nun die sogenannten Sachverständigen das Vorhandensein des akademischen Könnens für das untrügliche Zeichen höchster künstlerischer Vollkommenheit halten, so wird es auch bei allen dem Populären zugeneigten Kunstfreunden vorkommen«, vgl. Trübner 1900, S. 4. Als Aufbereitung der inflationären Beliebigkeit des hohen Kunstbegriffs ist diese Schrift Angriffsvorlage für das dadaistische Projekt. 127 Bergius 2000, S. 287. 128 Vgl. Dadaisten-Ausstellung in Berlin unter Verwendung von Raoul Hausmanns Vorankündigung, in: Berliner-Lokal-Anzeiger, 26. Juni 1920, zit.n.: Wyss 2017, S. 210. 129 Ibid. 130 Ibid.
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Kunstbegriffe zwischen Recht und Praxis
nicht mehr die Wiedergabe von Landschaften, Bauten, Tieren oder Menschen sein konnte. Herzfelde ging in seinem Katalogtext so weit, Dada in der modernen Kunst zu verorten: »Doch starb die Malerei mit dem Verlust ihres Zweckes nicht ab, sondern suchte neue Zwecke. Seitdem lassen sich alle Kunstbestrebungen dahin zusammenfassen, daß sie, so verschieden sie auch sind, gemeinsam die Tendenz haben, sich von der Wirklichkeit zu emanzipieren.«131 Der von einem »autoritativ aufgebauten System« mit dem Geistigen gleichgesetzte Inhalt wurde im Sinne einer Vereinfachung der Kunst an zeitgenössischen Mitteln und Anschauungen der Kunst relativiert.132 Gestaltende Beschäftigung sollte als dadaistisch gelten, sofern diese, »zeitlich und örtlich das gegenwärtige Geschehen zum Inhalt ihrer Bilder« machte.133 Wie dies bildkünstlerisch zur Umsetzung kommen sollte, war dem kreativen Subjekt freigestellt. Dieses »einzige Programm« als Pflicht des Dadaistischen stellte der Autor im Anschluss an vierzehn Erzeugnissen vor, von welchen sechs von George Grosz stammten. Dada in der bildenden Kunst wurde damit als die Art und Weise der bildkünstlerischen Darstellung zeitgenössischer Geisteshaltung durch visuelle Bildmittel bestimmt, die nicht mit Malerei gleichzusetzen waren. Der von Herzfelde bewusst übersteigerte Aspekt des Dilettantismus, der lediglich die Loslösung von Kunst und Können im Sinne einer Spezifik künstlerischer Produktivität propagieren wollte, wurde durch die Beschreibung des Erzeugnisses des vierzehnjährigen Hans Citroen unterstrichen: Das aktuelle Geschehen aus dem Blick eines jungen Menschen, gestaltet mit Überschriften aus Zeitungen, einer Koralle und einem Netz.134 Diese Erfahrungsschilderung steht der »Produktionskrise« von W. Stuckenschmidt in nichts nach: Der »Künstler«, wie Herzfelde ihn nennt, stellt nicht nur den Textilbestand dar, sondern desavouiert die Kriegsspekulation einer Elite als Ursache der Produktionskrise. Um diese revolutionierten Anschauungen als Inhalte zum Ausdruck bringen zu können, wurde das Collage-Prinzip als neues bildkünstlerisches Mittel gewählt, das zudem den Begriff der Malerei als solchen neu bestimmen sollte.135 Gleichzeitig tritt in diesem Text eine Negation eines normativen Kunstgeschmacks zu Tage. Im Namen der Dadaisten forderte Herzfelde, das, »was die Antike, die Klassik, all die »großen Geister« geschaffen haben, darf nicht (es sei den wissenschaftlich historisch) gewertet werden in Bezug auf die Zeit, da es geschaffen wurde, sondern so, als
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Herzfelde 1920, o.S. Vgl. ibid. Im gleichen Jahr hatte Adolf Behne seinen Artikel mit dem Titel Malerei und Plakatkunst in ihrer Wechselwirkung in Das Plakat noch vor Eröffnung der Dada-Messe veröffentlicht, vgl. Behne 1920, S. 28-38. Hertzfelde 1920, o.S. Zum ideengeschichtlichen Zusammenhang der dabei adressierten ästhetischen Unterscheidung vgl. Plumpe 2011, S. 150-175. Zum Dilettantismusbegriff um 1800 vgl. auch Wirth 2007. Zu berücksichtigen ist auch die diskursive Beziehung zwischen Avantgarde und art brut um 1900 vgl. Bowler 1997, S. 11-37. »Die Dadaisten sagen: wenn früher Unmengen von Zeit, Liebe und Anstrengung zum Malen eines Körpers […] verwandt wurden, so brauchen wir nur die Schere nehmen und uns unter den Malereien, photographischen Darstellungen all dieser Dinge ausschneiden […]«, vgl. Hertzfelde 1920, o.S.
Kunstwerk oder Werk der bildenden Künste? Theoretische Revisionen im dadaistischen Kontext
ob heute jemand diese Dinge herstellt […].«136 Mithin ist die Innensicht dessen, was die Dadaisten als Kunst bestimmten, zugleich Forderung an den normativen Anspruch des Kunstdiskurses. Den Weg gaben sie selbst vor, ihre Wirkung in der Außensicht war gleichsam verhalten.137
Kunst als Grenzlinie Die gleich im Katalog selbst abgedruckte Eigenkritik zur ersten internationalen DadaMesse forderte den an anderer Stelle skizzierten Grenzziehungsdiskurs heraus. Vorweg betonte Raoul Hausmann als Autor dieses zweiten Katalogbeitrages und als Dadaist, der die Geisteshaltung nicht bildkünstlerisch, sondern in Worten kommunizierte, weshalb sich die Besichtigung der Ausstellung lohnen sollte. Dabei ist diese Kritik mehr als eine bloße Persiflage: Hausmann rezipierte in diesem Text die etablierte Terminologie des Kunstdiskurses, die in Kunstzeitschriften, -veröffentlichungen und auch im juristischen Diskurs auftraten.138 Werk-Individualität und Urheberindividualität wurden einander gegenübergestellt. Denn es schien unergründlich, was den kreativen, zu Originalität gedrängten Künstler von einem »Kunst-Schöpfer« unterscheiden sollte. Dies war eine Fragestellung, die nicht originär dadaistisch war.139 Im Anschluss an seinen Exkurs zu einem virulenten Originalitätsdiskurs griff Hausmann den sich einem »modischen Zwang und der Sucht nach ›Neuestem‹« widersetzenden George Grosz auf. Zunächst musste er feststellen, dass sich die Kritik nur mit den Unterschieden zwischen Kunst und bloßer »Geschmackskunst« beschäftigte, ausgelöst durch die Frage der Stellung einer angewandten (dekorativen) Kunst in der bildenden Kunst. Das »tiefe Niveau« als Ausdruck eines gemeinhin mit Kunstbegrifflichkeiten verbundenen Werturteils wird in Hausmanns Beitrag zur argumentativen Grundlage. Bewusst sprach er nicht von »Erzeugnissen«, sondern von »Machwerken« unter deutlicher Bezugnahme auf den Begriff des Kunst-Werkes.140 Darüber hinaus griff der Autor auf, dass in der gegen Dada kolportierten Idee »talent- und kunstloser Nachäfferei« das Künstlerische gemeinhin im mit Können gleichgesetzten Machen, nicht im Verkünden einer subjektiven Geisteshaltung gesehen wurde.141 Die im Vergleich zu jener in der Tagespresse geringe Resonanz in den großen Kunstzeitschriften ebenso wie die allgemein gehaltenen Schilderungen in anderen Veröffentlichungen zu dieser Ausstellung können auch mit der engen argumentativen Position erklärt werden, in die Raoul Hausmann Kritiker durch seine antizipierten Überlegungen selbst geführt hatte.142
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Ibid. Dazu unten. Mithin war hier der Diskurs um die Grenzlinien zwischen freier und angewandter Kunst aufgegriffen worden, vgl. Simmons 1999, S. 126, der auch auf die Heimatschutzgesetzgebung verweist (ibid. Fn. 49). 139 Dazu s.u. 140 Die graduelle Unterscheidung von Kunstwerk und Machwerk war in der zeitgenössischen Kunstkritik verbreitet. Hermann Bahr nutze den Dualismus, um auf das künstlerische Können zu verweisen, vgl. Reiß 2011, S. 26. 141 Vgl. Hausmann 1920, o.S. 142 Zur Rezeption der Ausstellung: Doherty 1996, S. 87.
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Kunstbegriffe zwischen Recht und Praxis
3.
Dada und der zeitgenössische Kunstbegriff
Dada vertrieb die etablierten Künstler aus den »Gefilden der Seligen«: In einer mit diesem Bildtitel überschriebenen Karikatur, abgedruckt in der Ausgabe des Simplicissimus vom 15. Juli 1919, tritt der Dadaismus als kecker kleinwüchsiger Zentaur in das als paradiesisches Idyll überhöhte Bild seiner Zeit.143 Nicht zufällig war auf die Zentaurengestalt mit der Person Arnold Böcklins verwiesen.144 In einer Zeichnung von Georg Wilke aus dem Jahr 1921 für die Satire-Zeitschrift Ulk heißt es: »Ich habe mir eine Umgebung nach meinem Kunstempfinden geschaffen.«145 Diese beiden Kunstkarikaturen vermitteln, wie sich Dada den Zeitgenossen als Ausdruck einer radikalen Neudefinition des künstlerischen Bereichs aufgedrängt haben muss. Gleich einem kecken Kind treten die Dadaisten aus dem Rahmen der bürgerlichen Kultur und deren Kunstvorstellung hervor und stellen die etablierten Paradigmen, die offizielle Kunst, in Frage. In der Kunstkarikatur kommt zum Ausdruck, dass der zeitgenössische von Kunstkritik und Kunsttheorie geprägte Blick auf die Dadaisten und ihre künstlerischen Praktiken primär dazu genutzt wurde, eine hohe Kunst von anderen kreativen Praktiken zu scheiden.146 Diese in der Karikatur bildhaft gewordenen Grenzlinien müssen in den zahlreichen oftmals theoretisierenden Beiträgen in den Kunstzeitschriften jener Zeit im Folgenden erst nachgezeichnet werden. Zu berücksichtigen sind hierbei im Besonderen die Reaktionen auf die zahlreichen dadaistischen Schriften sowie die Rezeption ihrer Praktiken im Allgemeinen. Es gilt die These: Dieser Rezeptions-Antagonismus, der Widerstreit zwischen kunsttheoretischer Dekonstruktion und Konstruktion des Künstlerischen an Dada, legt den Kunstbegriff als Folge und Ergebnis von normativer Setzung und Anwendung frei. Der zeitgenössische Blick auf Dada war weniger geschmackliche Revolution als der Anfang einer theoretischen Revision.147
IV.
Dada im Urteil der Kunstöffentlichkeit
Die Manifeste der historischen Avantgarden sind Beleg für die Wirkmächtigkeit der Kunstkritik zu Beginn des 20. Jahrhunderts.148 Einige Zeitschriften wie Deutsche Kunst und Dekoration, in der Kritiken dadaistischer Praktiken veröffentlicht wurden, waren be-
143 Vgl. Abb. 2. Für eine historische Einordnung des Simplicissimus vgl. Klimmt/Zimmermann 2018. 144 Arnold Böcklin war um 1900 ein sehr kontrovers diskutierter, erfolgreicher Maler, Scholl 2012, S. 542-545. Zu den Mischwesen in Böcklins Werken, vgl. Borchhardt 2017. 145 Angaben zu Georg Wilke und der hier angesprochenen sechsteiligen Bilderfolge »Dada!« in: Gülker 2001, S. 280. 146 Anders als in den USA war die Kunstkritik in der Weimarer Republik in großen Teilen kein Motor der modernen Kunst, sondern wirkte überwiegend als Bewahrerin kultureller Zustände, vgl. Gülker 2001, S. 27-28. 147 Bahlmann 2012, S. 184. 148 Der Medienmarkt erfuhr nach 1918 durch den Wegfall der Zensur ein beachtliches Wachstum, vgl. Sildatke 2013, 126.
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Kunstbegriffe zwischen Recht und Praxis
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Dada und der zeitgenössische Kunstbegriff
Dada vertrieb die etablierten Künstler aus den »Gefilden der Seligen«: In einer mit diesem Bildtitel überschriebenen Karikatur, abgedruckt in der Ausgabe des Simplicissimus vom 15. Juli 1919, tritt der Dadaismus als kecker kleinwüchsiger Zentaur in das als paradiesisches Idyll überhöhte Bild seiner Zeit.143 Nicht zufällig war auf die Zentaurengestalt mit der Person Arnold Böcklins verwiesen.144 In einer Zeichnung von Georg Wilke aus dem Jahr 1921 für die Satire-Zeitschrift Ulk heißt es: »Ich habe mir eine Umgebung nach meinem Kunstempfinden geschaffen.«145 Diese beiden Kunstkarikaturen vermitteln, wie sich Dada den Zeitgenossen als Ausdruck einer radikalen Neudefinition des künstlerischen Bereichs aufgedrängt haben muss. Gleich einem kecken Kind treten die Dadaisten aus dem Rahmen der bürgerlichen Kultur und deren Kunstvorstellung hervor und stellen die etablierten Paradigmen, die offizielle Kunst, in Frage. In der Kunstkarikatur kommt zum Ausdruck, dass der zeitgenössische von Kunstkritik und Kunsttheorie geprägte Blick auf die Dadaisten und ihre künstlerischen Praktiken primär dazu genutzt wurde, eine hohe Kunst von anderen kreativen Praktiken zu scheiden.146 Diese in der Karikatur bildhaft gewordenen Grenzlinien müssen in den zahlreichen oftmals theoretisierenden Beiträgen in den Kunstzeitschriften jener Zeit im Folgenden erst nachgezeichnet werden. Zu berücksichtigen sind hierbei im Besonderen die Reaktionen auf die zahlreichen dadaistischen Schriften sowie die Rezeption ihrer Praktiken im Allgemeinen. Es gilt die These: Dieser Rezeptions-Antagonismus, der Widerstreit zwischen kunsttheoretischer Dekonstruktion und Konstruktion des Künstlerischen an Dada, legt den Kunstbegriff als Folge und Ergebnis von normativer Setzung und Anwendung frei. Der zeitgenössische Blick auf Dada war weniger geschmackliche Revolution als der Anfang einer theoretischen Revision.147
IV.
Dada im Urteil der Kunstöffentlichkeit
Die Manifeste der historischen Avantgarden sind Beleg für die Wirkmächtigkeit der Kunstkritik zu Beginn des 20. Jahrhunderts.148 Einige Zeitschriften wie Deutsche Kunst und Dekoration, in der Kritiken dadaistischer Praktiken veröffentlicht wurden, waren be-
143 Vgl. Abb. 2. Für eine historische Einordnung des Simplicissimus vgl. Klimmt/Zimmermann 2018. 144 Arnold Böcklin war um 1900 ein sehr kontrovers diskutierter, erfolgreicher Maler, Scholl 2012, S. 542-545. Zu den Mischwesen in Böcklins Werken, vgl. Borchhardt 2017. 145 Angaben zu Georg Wilke und der hier angesprochenen sechsteiligen Bilderfolge »Dada!« in: Gülker 2001, S. 280. 146 Anders als in den USA war die Kunstkritik in der Weimarer Republik in großen Teilen kein Motor der modernen Kunst, sondern wirkte überwiegend als Bewahrerin kultureller Zustände, vgl. Gülker 2001, S. 27-28. 147 Bahlmann 2012, S. 184. 148 Der Medienmarkt erfuhr nach 1918 durch den Wegfall der Zensur ein beachtliches Wachstum, vgl. Sildatke 2013, 126.
Kunstwerk oder Werk der bildenden Künste? Theoretische Revisionen im dadaistischen Kontext
reits vor 1900 im Zuge der Kunstreform etabliert worden.149 Aktualität war das bestimmende Leitbild der Kunstzeitschriften dieser Zeit, die sich als »Institution der Kritik« sahen und als solche »heilsame und notwendige, ja als eine schlechtweg unentbehrliche« anerkannt zu werden forderten.150 Als Dokumente einer Zeit wurde ihr Einfluss nicht unterschätzt, denn ihr Urteil konnte »schweres Unheil anrichten […] die künstlerische Entwicklung einer Zeit um Jahre und Jahrzehnte hemmen«.151 Der eigene Anspruch war es, neue Kunst am Kriterium der Originalität zu sichern. Als »Vehikel der künstlerischen Entwicklung« musste nach der Selbsteinschätzung der Kritiker durch sie eine Vereinbarung darüber entwickelt werden, was als »das Beste, Zukunftsträchtigste, Echteste hervorzuheben und ins Licht zu rücken und, was das Notwendige, dem ringenden Talent oder befehdeten Genie kraftvoll und rücksichtslos Bahn zu brechen [sei]«.152 Angesichts solcher Positionierungen drängt sich bereits die Notwendigkeit auf, die teilweise literarischen Neigungen der Autoren zu berücksichtigen und diese auf eigene theoretische Grundlagen hin zu überprüfen.153
1.
Theoretische »Revisionen« im dadaistischen Kontext?154
Adolf Behne, einflussreicher »Kunst-Theoretikus« mit politischer Stimme, trat für eine Allianz von künstlerischer Praxis und Rezeption ein:155 »Die Aufgabe der Erneuerung der Kunst, die vor uns allen liegt, ist so ungeheuer groß, daß noch eine ganze Reihe von Generationen, gleichzeitig zerstörend und aufbauend und vielleicht wieder zerstörend, arbeiten muß.«156 Ein Ansinnen, das Adolf Behne auf die ästhetischen Rezeptionsgewohnheiten bezog. Was Behne beschrieb, war die heftige Auflehnung des jungen Künstlernachwuchses gegen einen institutionalisierten Expressionismus, nicht gegen etablierte Positionen als solche. Dadaistische Selbstbeschreibung als Nicht-Kunst war mehr eine Aufforderung an die Kritiker zur inhaltlichen Neuausrichtung ihrer Begriffe. Weil »die Expressionisten – »Expressionisten« werden, wo sie ihre lebendige, unendliche Schaffensfreude aus ihrem Werk ziehen, wo sie historisch werden, typisch, charakteristisch, endlich«, musste Dada das erstarrte Umfeld herausfordern:157 »Es wäre wirklich grotesk, wenn auch der Expressionismus eines schönen Tages Akademie würde und ›unreife Jungs‹ refüsierte. Denn das glaubt doch wohl hoffentlich
149 Deutsche Kunst und Dekoration war vor dem ersten Weltkrieg zum führenden publizistischen Medium für zeitgenössische Gestaltung geworden, vgl. ibid., S. 127. 150 Servaes 1908, S. 330. Zur Sozialgeschichte der Kunstkritik um 1900 bemerkt Daniela Gastell: »Wo sich die Wissenschaftler verstärkt mit alter Kunst beschäftigten, traten die Kunstschriftsteller besonders in der Blütezeit ihres Wirkens am Ende des 19. Und zu Beginn des 20. Jahrhunderts für die moderne Kunst ein.«, vgl. Gastell 2020, S. 164. 151 Servaes 1908, S. 331. 152 Ibid., S. 332. 153 Zu dieser Auslegungsproblematik aus literaturhistorischer Perspektive: Aus der Au 2017, S. 263. 154 Zu den Revisionen des Kunstbegriffs im 20. Jahrhundert: Held/Schneider 2007, S. 44. 155 Zu dieser Selbstbezeichnung und seiner Person vgl. Bushart 2000, S. 11. 156 Vgl. Behne 1919, S. 722. 157 Ibid.
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niemand, daß der Expressionismus die letzte rettende Tat der Kunstgeschichte ein für allemal sei.«158 Dahinstehen mochte, ob »die Dadaisten noch begeistert vom Futurismus waren«, hatten sie Opposition doch nur deshalb ergriffen, weil die vorausgegangenen Ismen zu Hindernissen für den weiteren Weg der Kunst geworden zu sein schienen.159 Als eine wichtige Figur der ersten Jahre identifizierte Behne Raoul Hausmann. Hausmann schrieb er zu, dass »auf den einschlafenden Expressionismus Pfeile abgeschossen wurden, so wie vor zehn Jahren die Futuristen auf den Expressionismus ihre Pfeile abgeschossen hatten. Diesen wichtigen Dienst des Immer-wieder-Neuaufjagens leisten dem Expressionismus die Dadaisten.«160 Gleichwohl schöpften die Dadaisten, wie schon an anderer Stelle erwähnt, auch aus dem Schaffen der Futuristen.161 Vor dem Hintergrund einer Abgrenzung zum »Expressionismus« lässt sich die Kritik der Dadaisten an der Institution Kunst damit zur programmatischen Dimension ihres Kunstbegriffs verdichten.162 Dadaisten wie George Grosz standen nicht nur in der Tradition künstlerischer Entwicklung, sondern wurden auch als wesentliches Element dieser Entwicklung anerkannt. In einem Bericht über die Dada-Messe äußerte etwa Paul Westheim, dass er Grosz für einen »Zeichner im Daumier-Format« halte.163 Hier wird die Anknüpfung an kunsthistorische Debatten dieser Jahre erkennbar. Unumstritten war solch eine Wertung dabei keinesfalls, und wurde zum Ausgangspunkt eines Diskurses um die Grenzen zwischen Kunst und bildlicher Meinungsäußerung.
Dada und die »Stückungsgraphik«164 – angewandte und zweckfreie bildende Kunst in Einem Carl Einstein war ein Berliner Kunstkritiker und gilt als zeitgenössischer Fürsprecher dadaistischer Kunst.165 In seinen Kritiken und kunsttheoretischen Texten reflektierte Einstein Dada als eine künstlerische Anschauung, die sich einer Vielheit bildkünstlerischer Darstellungsmittel zu bedienen hatte, um ihrem Anspruch auf absolute Neuheit gerecht werden zu können. Carl Einstein war 1919 selbst an den politischen Aufrufen und Manifesten der Berliner Dadaisten in der Zeitschrift Die Pleite beteiligt. Nach deren Verbot gab Einstein zusammen mit George Grosz eine zweite Zeitschrift mit dem Titel Der Blutige Ernst heraus. Für die Kunstbegriffsbildung dieser Jahre von Interesse ist Carl Einstein weniger wegen seiner politischen Attacken auf den Zeitgeist und die Realität der Weimarer Republik als wegen seiner Arbeit als Kunstkritiker. Einsteins Kritik der Werke Rudolph Schlichters, welche auf der Dada-Messe ausgestellt wurden, ist seltener Beleg einer zeitgenössischen Rezeption mit theoretisierendem Anspruch. Denn den
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Ibid. Günzel 2015, S. 59. Vgl. Behne 1919, S. 723. Hemken 2015, S. 246. So stellte es auch Peter Bürger in Theorie der Avantgarde (1974) dar, vgl. Bürger 2017, S. 30-39. Westheim 1920, S. 3. Zu Person und Wirken Paul Westheims s. Fechner/König 2017. Den Begriff etabliert Franz Roh in einem Beitrag für Das Kunstblatt, vgl. Roh 1927, S. 397. In folgendem Abschnitt stütze ich mich auf die Ausführungen Uwe Fleckners (Fleckner 2006, S. 127-145).
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gesellschaftlichen Wandel übertrug Einstein in ein neues Verständnis bildender Kunst. Für die Kunstöffentlichkeit kam Das Kunstblatt in den 1920er Jahren eine besondere Bedeutung zu. Die dort gedruckten Äußerungen, zu denen auch Paul Westheims Umfrage Ein neuer Naturalismus? zählte, begleiteten die Kunstproduktion in Deutschland und Frankreich gleichermaßen. Carl Einstein gab in seinem Beitrag für Das Kunstblatt aus dem Jahr 1920 eine ernüchternde Sicht auf das zeitgenössische Kunstgeschehen ab: »Das bißchen Stil, das man aufbrachte, beschränkte sich auf breite Komplementärfarbe, teigige Kontur und erhebliche Bürgerlichkeit. Klotzten die Exakten auf, wovon jeder mehr oder weniger den Wiener Rembrandt anborgt; dann verspätete Kubisten, die eher um der Groteske als räumlicher Entscheidung wegen kuben. So ging es fort.«166 Nach Einsteins Urteil ging den zeitgenössischen Ismen die Originalität ab, die er zu einer entscheidenden ästhetischen Kategorie selbst erhoben zu haben schien. Die Einzigartigkeit und Neuheit des Werkes wird dabei nicht entsprechend einer genieästhetischen Tradition in der künstlerischen Leistung gesehen. Die erhoffte Kunstrevolte verlangte nach seiner Einschätzung vielmehr nach originärer Neuartigkeit. Das darstellerische Repertoire sollte Abstraktes ebenso umfassen wie Gegenständliches.167 Umso augenfälliger ist es, dass Einstein nicht nur ein veristisches Gemälde, sondern auch ein »Kokottenbild« Schlichters als »Stückungsgraphik« beschreibt.168 Als angewandte Kunst stand die Grafik für Einstein als Beweis dafür, dass »Leute wie Schlichter endgültig der Palauakademie antiquierter Expressionism [sic!] entronnen« schienen.169 Sein Verständnis bildender Kunst war dennoch an das Ausdrucksmittel gebunden, wenn er formulierte: »Man ist der alten Mittel müde, sie erscheinen zu schwach; und dann Zweifel gegen das, was man Malerei nennt. Das Ende der Malerei und ihrer Mittel wird erkannt.«170 Das dadaistische Werk forderte für Einstein zu einer Erweiterung der bildkünstlerischen Gestaltungsmittel auf, denn »ein Mann wie Schlichter interessierte sich nicht mehr für schöne Nuditäten um ihrer selbstwillen«.171 Als Neuheit folgte auf Picasso und seine kubistischen Darstellungsmittel in Fläche zerlegte farbige Fotografie: »Haare werden durch Haare, Anzugstoff durch Anzugstoff dargestellt. Der Hintergrund geklebt; Häuser aus Zeitschriften usf. Die ideelichen Verbindungen, Auszeichnungen des Dargestellten werden eingeklebt. Der Maler benutzt Geformtes des maschinellen Lebens.«172 Das für den Alltag Geschaffene erkennt Einstein als Bedeutungsträger an. Der Kunstcharakter dadaistischer Erzeugnisse wurde von Daniel-Henry Kahnweiler an anderer Stelle 166 Vgl. Einstein 1920, S. 105. 167 »Schlichter erscheint mir eine starke, repertoirereiche Begabung; schwierig zu umschreiben, festzulegen.«, vgl. ibid. 168 Fleckner identifizierte als das beschriebene Werk die Collage »Phänomen-Werke«, die wenige Wochen später auf der Dada-Messe ausgestellt werden würde, vgl. Fleckner 2006, S. 140. 169 Einstein 1920, S. 108. 170 Ibid. 171 Ibid. 172 Id.
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in Das Kunstblatt noch ein Jahr zuvor mit der Terminologie des Diskurses um die angewandte Kunst in Verbindung gebracht: »Bildwerke aus vielerlei Stoffen schufen zuerst […] in Paris Braque und Picasso, und zwar sowohl geklebte Bilder aus Leinwand, Papier, Stoffen usw., als auch Reliefs aus Holz, Blech, Draht usw. […] Im Jahre 1915 brachten Hans Arp und Otto van Rees, die die neuen Mittel ebenfalls von Braque und Picasso gelernt hatten, sie nach Zürich. Dort schlossen sich ihnen Janco und andere Künstler an. Sie bildeten die Dadaistengruppe. Bei ihnen nun wird das aus allerlei Stoffen aufgebaute Bild nicht mehr mit darstellerischer Absicht geschaffen. Hier ist also abstrakte Kunst – was ich, weniger tief, aber deutlicher, Ornamentik nenne.«173 Der Begriff des Ornaments konnte zugleich dem Vorwurf eines von den Dadaisten verfolgten, außerästhetischen Zwecks begegnen, indem jener auf die im Betrachter erweckte Stimmung verwies.174 Eine einzelne dadaistische Collage war in der Kunstkritik im unmittelbaren zeitlichen Kontext der Dada-Messe ein weiteres Mal als »Gebrauchsgrafik« in Das Plakat beschrieben worden.175 Carl Einsteins Schlussbemerkung mag wie ein Aufruf an seine Berufskollegen gemeint gewesen sein: »Rudolph Schlichter [Dada] ist mehr wert als herausgeschriene Phrase. Man soll sich ernsthaft mit ihm beschäftigen.«176
Dada und George Grosz Das Beispiel George Grosz macht deutlich, wie in der bildkünstlerischen Kunstkritik nach 1900 das Argument der Originalität regelmäßig auf ein spezifisches Ausdrucksmittel, beispielweise die Malerei, beschränkt war.177 Zugleich sollte auf einer ästhetischen Ebene jede als ernsthafte philosophische Angelegenheit erfasste, neue Kunstrichtung das alltägliche Leben ausschließen.178 Es überrascht also nicht, dass sich auch Dada in
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Kahnweiler 1919, S. 351. Im Zusammenhang mit Reklame bzw. Gebrauchsgrafik ist eine im Kunstgewerbeblatt wenige Jahr zuvor veröffentlichte Bemerkung aufschlussreich, wurde unmittelbar auf Richard Hamann und damit die Probleme einer ästhetischen Kunsttheorie verweisen: »Denn Dekoration erweckt Stimmung; Stimmung zu erwecken ist aber nicht Sache eines Plakats, das bestimmen soll.«, vgl. Hellwag 1915, S. 49. Dazu im Weiteren s.u. Einstein 1920, S. 108. Solche auf den Formalismus gestützten Bewertungen schienen den Problemen der Inhaltsästhetik gefeit; die Folgen dieser Differenzierung fasst Hans Belting für die Kunst nach 1960 zusammen: »Die Originalität bestand beide Male mehr im Konzept als im Werk.«, vgl. Belting 2002, S. 143. Dabei wird Werk mit dem physischen Gegenstand identifiziert. Das grundlegende Problem der methodischen Vielfalt wird für die Kunstkritik vor 1900 von Céline Trautmann-Waller beschreiben: »Wenn man die in der Zeitschrift erschienenen Artikel über Kunst demnach aus dem Ensemble herauslöst, dann beeindruckt vor allem die methodische Vielfalt: philosophische und psychologische Ästhetik, darwinisierende Kunstbetrachtungen, Kunstgeschichte und Poetik stehen hier nebeneinander.«, vgl. Trautmann-Waller 2010, S. 108. Eben auf dieses Argument normativer Ästhetik musste sich der als Sachverständiger im Strafprozess gegen George Grosz berufene Adolf Behne, wohl entgegen eigener Positionen, bezogen haben, vgl. Bushart 2000, Fn. 210.
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Das Kunstblatt dem Vorwurf ausgesetzt sah, die erforderliche Ernsthaftigkeit in seiner Anschauung vermissen zu lassen.179 Die Herausforderung der Seh- und Denknormen auf Seiten des Betrachters sollte sich im Rahmen des autonomieästhetischen Anspruchs halten.180 George Grosz wurde von diesem normativen Urteil ausgenommen. Das Spiel von subjektivistischem Argument und Ästhetik von oben musste dabei zu tautologischen Positionierungen führen. So konnte Dada »gegen alles sein, natürlich auch gegen die Kunst«, dies hindert aber nicht daran »daß Dada gelegentlich, nämlich im Fall des dadaistischen George Grosz, auch Kunst von großem Ausmaß sein kann«.181 Schon im Jahr vor der Ersten Internationalen Dada-Messe 1920 in Berlin, waren die dadaistischen Aktivitäten als fester Bestandteil des Berliner Ausstellungskalenders behandelt worden. Als »Phantasiegebilde« wurden ihre Praktiken in den Räumen des Graphischen Kabinetts in Berlin auch als »Erlösung nach dem feierlichen Ernst« wahrgenommen, wobei wiederum George Grosz besondere Erwähnung fand.182 Wenngleich als eine Ausstellung von »geringerer Bedeutung« bewertet, fand die erste Ausstellung des Berliner Arbeitsrates für Kunst mit Architekturzeichnungen neben etablierten Künstlern wie Max Liebermann oder Ernst Ludwig Kirchner Erwähnung.183 Dabei wollten deren Zeichnungen wegen ihrer besonderen Originalität seitens des Kritikers nicht als Architekturentwürfe, sondern als »zeichnerische Phantasiegebilde« gesehen werden: »Das schlimme war nur, daß diese zum Teil harmlosen, zum Teil allerdings auch anspruchsvollen Spielereien von den Veranstaltern der Ausstellung mit heiligem Ernst behandelt wurden, daß man sich den Anschein gab, als erwarte man von hier eine tiefgreifende Erneuerung unserer gesamten Baukunst, für die man als Eideshelfer die Namen der größten Architekten der Vergangenheit anrief.«184 Besondere Beachtung fand die neue Form der Werkpräsentation. Dadaistische Zeichnungen wurden mit einem »tollen Fastnachtszauber« präsentiert.185 Wenngleich Ausdruck qualitativer Geringschätzung, legen diese Äußerungen offen, wie dominant das Argument des handwerklichen Könnens in der Kritik wirkte.186 Die dadaistische Originalität wurde hier auch auf inhaltlicher Ebene relativiert, indem Dada als »nachgeborener Sohn« des von Ganneau in Paris begründeten Evadamismus beschrieben wurde: »Der heutige Dada ist sein nachgeborener Sohn, und mit der gleichen Mischung von ernst gemeintem Tiefsinn und ergötzlichen Torheiten leitet er vielleicht wieder das En179 Zum Problem der Anschauung s. auch 1. Teil, IV. 180 »Dada ist bekanntlich keine neue Kunstrichtung, auch sonst kein Metaphysikum. Dada ist Reaktion gegen eine pervertierte Welt, ein Aufbegehren gegen Phrase, gegen Schwindel, gegen das Feierlichnehmen und gegen die Unbedenklichkeit.«, vgl. Das Kunstblatt 1920, S. 256. 181 Ibid. 182 Glaser 1919, S. 659. 183 Ibid. Zu Dada Berlin und der Beziehung zum Arbeitsrat für Kunst vgl. Kratz-Kessemeier 2018. 184 Vgl. Glaser 1919, S. 659. 185 Ibid. 186 »Es wirkte besonders erheiternd, daß ein von den Propheten des Arbeitsrats besonders gefeierter junger Russe nun mit den gleichen humorvollen Kinderzeichnungen als Hauptspaßmacher im Gefolge des Oberdada Baader auftrat.«, vgl. ibid., S. 659-660. Zu der Etablierung von Künstlerfesten bereits im Berlin des 19. Jahrhunderts vgl. Aus der Au 2017, S. 181.
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de einer romantischen Bewegung ein, die wenn nicht alle Zeichen trügen, im Begriffe steht, sich tot zu laufen.«187 Gleichzeitig ist in den Ausführungen der Kritik eine eigene Ernüchterung und damit ein Bewusstsein für die Hintergründe des Dada erkennbar, deren Vertreter aufgefordert wurden, nicht »beim Lallen des Kindes« zu enden.188 Hinter der nicht zu leugnenden literarischen Strategie standen hier Aspekte der Kunsttheorie und der Kunstgeschichte.189 So wurde Dada als bewusste Provokation einer Betrachtungsweise gegenüber Kunst dargestellt. Nachdem die Rezeption expressionistischer Kunst daran gescheitert war, sollte nun Dada ein neues Kunstverständnis zur Folge haben.190 Zu offensichtlich schien der Kritik, »dass Expressionismus so gut Romantik ist wie Naturalismus und Impressionismus«.191 Die Gefahr, dieses Potenzial erneut ungenutzt zu lassen, wurde in Das Kunstblatt noch einige Zeit später metaphorisch verarbeitet: »Dada liegt noch in den Windeln, ein lebensschwaches Alräunchen, sonst aber ganz der Papa. Was sie einander vorwerfen können, ist lediglich ihre allzugroße Ähnlichkeit untereinander.«192 Aufschlussreich ist, dass die jeweilige Neubestimmung des künstlerischen Feldes so vielfältige Gesichter ausprägen konnte. Mit George Grosz etwa wurden die an Chagall und den Künstlern des Futurismus entwickelten Normen in Frage gestellt: »Verfällt sie nun dem Fluche der Lächerlichkeit, so wird sie verschwinden wie ein böser Traum. George Grosz, in dessen Zeichnungen seine Verkünder ein neues Weltgefühl, eine Vergeistigung des Großstadtlebens hineingeheimnißten, trat hier mit einem großen und außerordentlich talentvollen Bilde auf, in dem sowohl Chagall wie der Futurismus ebenso übertrumpft wie verspottet werden.«193 Hier tritt demnach nicht nur die Aktualitätsbestimmung als Strategie erneut auf, sondern auch jene, eine neue Kunstrichtung als philosophische Angelegenheit zu legitimieren. Die Idee innerer Größe als entscheidender künstlerischer Qualität wurde als Ursache für die »Verstiegenheit der heutigen Kunst und mehr noch ihrer literarischen Auslegung« identifiziert.194 Damit musste die Einbeziehung Dadas in diesen Wertungszusammenhang auf einen Vorzeichenwechsel deuten: Die bedrohlich wirkende Lächerlichkeit konnte die Grenzen neu auszuloten helfen. Die »dadaistischen Erzeugnisse« waren zwischen den alten Könnern »Dada-Erfrischungen«.195 Als solche wirkte Dada
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Glaser 1919, S. 660. Ibid. Zu den Bestandteilen der Kubismus-Kritik vgl. Zimmermann 1999, S. 426. Zur problematischen Bestimmtheit des Begriffs Expressionismus und seiner Verwendungsgeschichte in der Kunstkritik äußert sich Regine Prange und bemerkt: »Noch Paul Fechner versucht 1914 den Kubismus ›als Variante des Expressionismus‹ einzuordnen. Populär wurde der Begriff eigentlich erst im Nachhinein, als in den 20er Jahren Wilhelm Hausenstein und Worringer Krise und Ende des Expressionismus verkündeten und Franz Roh den ›Nach- Expressionismus‹ ausrief.«, vgl. Prange 2011, S. 172. 191 Glaser 1919, S. 660. 192 Michel 1921, S. 341. 193 Vgl. Glaser 1919, S. 660. 194 Ibid. 195 Vgl. Salmony 1921a, S. 156.
Kunstwerk oder Werk der bildenden Künste? Theoretische Revisionen im dadaistischen Kontext
»gegen einen Kunstsnobismus, gegen einen Werkfetischismus«, der sich aus dem kulturellen Kontext speiste, in dem die Bibliotheken, »in die uns Müdigkeit und Verzweiflung« getrieben haben, eine tote Kunst über die Gattungen hinweg zu nähren schienen.196 Acht Kinderzeichnungen lies Paul Westheim, Herausgeber der Zeitschrift Das Kunstblatt, 1920 abdrucken. Das Thema in unmittelbarer Folge der auf der Ersten Internationalen Dada-Messe zelebrierten »Mach-Werke«: »Der Infantilismus in der neuen Kunst«. Dabei war der Tenor dieses Beitrags von Leopold Zahn keineswegs abwertend, wie man zunächst vermuten möchte. Vielmehr ging es um eine Beschreibung solcher Veränderungen, die den begrifflichen Kanon erfasst hatten. »Vor gewissen (u.z. recht vielen) Bildern der neuen Kunst ist es dem Bürger ein Bedürfnis festzustellen: »Das kann mein kleiner Junge auch.«197 Hier schienen die an alter Kunst gebildeten Normen mit einem scheinbar von Zufälligkeit und Unmittelbarkeit geprägtem Machen nicht zu versöhnen.198 Dabei waren es nicht die Dadaisten, die solche Ausrufe erstmalig provozierten. Solche wurden vielmehr schon mit der »Beziehung des sogenannten Expressionismus zu infantilen Kunstäußerungen« begründet.199 Erkennbar wird im Weiteren eine Antinomie von Normativität kunsttheoretischer Positionen einerseits und der Überprüfung auf »Zeitangemessenheit« als Originalität des Werkes im Urteil der Kunstkritik andererseits.200 Der Kunstkritiker musste gegenüber dem »Diktat der Doktrin« vermitteln.201 Mit dem Begriff des Kunstwollens griff Leopold Zahn dabei auf die Historisierung des Kunstbegriffs durch die akademische Kunstgeschichte zurück, wobei die enge Beziehung von Kunstgeschichte, Ästhetik und Kunstkritik in diesen Jahren zu berücksichtigen ist.202 Der Begriff des Kunstwollens war auch Grundlage des von Alois Riegl verfolgten Projekts einer autonomen Kunstgeschichte durch die Herstellung einer Einheit der Kunst:203 »Es wäre nun leichtfertig, den Infantilismus als Zeichen technischen Unvermögens zu diskreditieren oder auf eine mit dem Primitiven liebäugelnde Dekadenz zurückzuführen. Man kann ihn nur aus einer richtigen Erkenntnis des neuen Kunstwollens erklären.«204
196 Salmony 1921b, S. 190. Aus der Retroperspektive wird George Grosz 1924 auch mit einer ähnlichen Einsicht zitiert: »Dass der Dadaismus unser Erwachen aus diesem Selbstbetrug war. Wir sahen die irrsinnigen Endprodukte der herrschenden Gesellschaftsordnung und brachen in Gelächter aus. Noch nicht sahen wir, daß diesem Irrsinn ein System zugrunde lag.«, vgl. Grosz 1924, S. 38. 197 Vgl. Zahn 1920, S. 84. 198 Im beständigen Wandel des Kunstverständnisses bedeutet dies: »Die Kunsttheorie setzt der Kunst Normen, die ihrerseits aus früherer, zur Norm erhobener Kunst abgeleitet werden.«, vgl. Zimmermann 1999, S. 426. 199 Zahn 1920, S. 84. 200 Zum Begriff vgl. Söntgen 2015, S. 10. 201 Dabei hat diese nicht an Aktualität verloren vgl. Vogel 1982, S. 130. 202 Locher 2010, S. 45. 203 Dazu aus fachgeschichtlicher Perspektive Lichtblau 1997, S. 89-90. Für eine Einordnung des Begriffs s. Reichenberger 2003, S. 69-71. 204 Zahn 1920, S. 86.
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Dabei schienen dem Kritiker auch die Zeichnungen eines George Grosz von einer bewussten Irrationalität geprägt. Als Führsprecher wollte Zahn in George Grosz’ infantiler Formensprache eine positive Entwicklung erkennen.205 Seine Bilder sollten anders als die des Expressionisten Rousseau nicht durch das »Netzhautbild« als »entscheidender Etappe im künstlerischen Konzeptionsprozess« geprägt sein:206 »Der Infantilismus eines George Grosz ist dagegen grundverschieden von dem Henri Rousseaus. Vor allem fehlt dem Deutsch-Amerikaner die rührende Unabsichtlichkeit des Douaniers. Sein Infantilismus ist bewusste und gewollte Stilform, abgeleitet von Zeichnungen, wie sie die ungelenke Hand eines gamis auf Häuserwände hinkritzelt.«207 Indem sich Künstler wie Grosz als moderne Menschen dem Instinkt überantwortet hatten, »näherten sie sich dem primitiven, dem infantilen Menschen« gleichwohl an.208 Die Kindmetapher verweist auch auf eine Inspirationssuche im bisher als nicht-künstlerisch erachteten Feld, als Versuch einer Erweiterung des Kunstbegriffs durch die Infragestellung kultureller Grenzlinien.209 Damit konnte auch »der infantile Zeichenstil George Grosz’ als Ausdrucksmittel einer fürchterlichen Satyre von eminent sozialer Bedeutung« als Kunst thematisiert werden.210 So sollte es dem Künstler nach Zahns Urteil gelingen, seine Anschauung neu »ins Bild« zu setzen, indem er »herzlos und höhnisch grimassierend auf die Gemeinheit hin zeigt, die er hinter allen Hüllen zu entdecken weiß«.211 Im April 1920 hatte in der Galerie von Hans Goltz die erste Einzelausstellung mit Werken von George Grosz stattgefunden.212 Verständlich wird die zuvor an Rousseau geübte Differenzierung nur mit einem Blick auf den Bedeutungsverlust des Bildthemas in der Rezeption des Impressionismus. Hier wies das Kunstwerk nicht mehr auf eine diskursive Einordnung, sondern auf einen ästhetischen Eigenwert.213 In den Bildern George Grosz’ aber war die intellektuelle Verarbeitung der Wirklichkeit wieder an die Stelle des bloßen Wahrnehmungsausschnitts getreten. Der Versuch Leopold Zahns die Bewertung Grosz’ von Dada unabhängig darzustellen, ist vor diesem Hintergrund nicht weniger erklärungsbedürftig, wusste er um Grosz’ Beteiligung.214 Die Ablehnung und verhaltene Positionierung über Dada war jedoch den politischen Implikationen geschuldet, in deren Kontext sich
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Zu dieser Rolle Zahns: Castellani 2020, S. 7. Zahn 1920, S. 86. Ibid. Ibid. Zum Aspekt des Taktischen bei primitivistischen Tendenzen der Avantgarde vgl. von Beyme 2005, S. 448. 210 »Aus der Perspektive eines frühreifen, verderbten Straßenjungens versucht George Grosz die Großstadt zu sehen, u.z. jene trostlosen Viertel der Peripherie, wo der Mensch von Kindesbeinen an von den Bildern der Not, des Lasters und des Verbrechens umstellt ist.«, vgl. Zahn 1920, S. 86. 211 Ibid. 212 Jeuthe 2011, S. 269. 213 Zu diesem Vorzeichenwechsel vgl. Lamer 2009, S. 40-41. 214 Zu Zahns im Allgemeinen anti-dadaistischer Haltung vgl. Bourneuf 2015, Fn. 71.
Kunstwerk oder Werk der bildenden Künste? Theoretische Revisionen im dadaistischen Kontext
die Kritiker keinem Vorwurf aussetzen wollten.215 Letztlich erscheint auch in diesem Beitrag Dada als ein Ausweg aus dem überbordenden Expressionismus.216
Dada als Ismus Ein Jahr nach dem dadaistischen Höhepunkt der Berliner Ausstellung 1920, veröffentlichte Hermann von Wedderkop einen Beitrag mit dem Titel »Dadaismus« in der Zeitschrift Der Cicerone.217 Für den Schriftsteller und Herausgeber der Zeitschrift Der Querschnitt war Dada nur ein Jahr nach der Berliner Schau zu einem Ismus geworden. Die Kontroverse über die Ismen hatte dabei eine europäische Dimension.218 Noch nicht als Kunstrichtung belastet, schien Wedderkop Dada frei für eine neue Wertbildung.219 Diese positive Grundhaltung gegenüber der zeitgenössischen Avantgarde war dabei durchaus selten, obgleich sie in deren Rezeption in den 1920er Jahren bereits abgenommen hatte.220 Im gleichen Jahr trat Dada etwa als Teil einer »Entwicklungsgeschichte der ›ismen‹« in einer Beschreibung des Prager Kunstlebens auf.221 Dort wurde das dadaistische Schaffen als Orientierungspunkt für das Urteil der Originalität bedient: Ernüchtert scheint die Beschreibung des tschechischen Künstlers Egon Adler, der sich nur wie ein »Salonrevolutionär« gebärdend, doch nicht wie die Dadaisten durch Eigentümlichkeit auszeichnen sollte. Der Ismus wird in dieser Kritik zum Synonym für das Verdienst der Dadaisten, eine eigene Kunstrichtung etabliert zu haben: »Alles, was die moderne Malerei Europas innerhalb der letzten zehn Jahre hervorgebracht, verwendet Adler ebenso skrupellos wie geschickt, fast virtuos in seinen Bildern, so eine Entwicklungsgeschichte der ›-ismen‹ im Kleinen darstellend. Von Gaugin bis Picasso und Léger, von Kokoschka und Pechstein bis Dada ist alles vertreten. […] Dabei ist sein artistisches Können groß, so daß man nur bedauern kann, wie wenig Eigenart Adler hat.«222 Die Flexibilität der kunstkritischen Argumentation wird hier sehr deutlich. Dabei werden die Kriterien der Originalität und des Könnens in unmittelbare Opposition gestellt. Ist hier noch von Dada in der Reihe der Ismen die Rede, positionierte sich 1922 ein anderer Kritiker im »Kampf gegen den Ismus«.223 Dieser »geheime Zauber, den das Wort
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Castellani 2020, S. 8. Carlotta Castellani weist diese Position auch in anderen deutschsprachigen Kunstzeitschriften in dieser Zeit nach (Castellani 2020, S. 7-9). 217 Zur Rolle von Der Querschnitt bemerkt Julia Bertschik: »Zeitschriften wie Der Querschnitt fundieren dabei als wesentliche Foren, in denen die ästhetische Debatten neusachlicher Künstler ausgetragen und formuliert werden.«, vgl. Bertschik 2016, S. 172. 218 Fähnders 2020, S. 20. 219 »[…] Expressionismus also eine Richtung ist. Dies ist der Dadaismus nicht. Er ist frei und unbelastet.«, von Wedderkop 1921, S. 422. 220 Fähnders 2020, S. 22. 221 Vgl. Kreitner 1921, S. 157. 222 Ibid. 223 »Ist aus ›Dada‹ erst ›Dadaismus‹ geworden, so hat er in der Tat etwas gemeinsam mit den großen Bewegungen aller Zeiten. Er ist gleichfalls Bewegung geworden, Strömung, hinter der man Massen vermuten kann.«, vgl. Lewinsohn 1922, S. 108.
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….ismus ausübt«, musste für Lewinsohn die Originalität gefährden.224 Kunsthistorisches und kunstkritisches Argument schienen einander auszuschließen.
Die Moderne und der geistige Dadaismus Wenige Jahre nach der Präsentation einiger Gemälde Oskar Coesters in der Münchener Neuen Secession 1920 wurde in der Zeitschrift Deutsche Kunst und Dekoration eine aufschlussreiche Kritik veröffentlicht.225 Dabei war es sicher der medialen Präsenz der Dada-Messe in Berlin geschuldet, dass Dada im gleichen Jahr auch hier Erwähnung fand. Aufschlussreich deshalb, weil Dada als Argument innerhalb der zeitgenössischen Modernitätsdiskussion auftrat: »Denn dessen müssen wir uns bewußt sein: was die ganze sogenannte expressionistische oder geistige Bewegung an eigentlich malerischem Gewinn gebracht hat, ist herzlich gering. Es betrifft vielmehr den Bildinhalt […] weniger seine Bewältigung mit malerischen Mitteln.«226 Der einflussreiche Kunstkritiker Hermann Bahr hatte das Credo des ständigen Wandels und permanenter Erneuerung in die moderne Kritik eingeführt.227 Erst 1918 war Bahrs Credo – oder Dadaismus in der österreichischen Wochenzeitschrift Das Neue Reich erschienen.228 Das Aufkommen Dadas als kunstkritisches Argument für diesen absoluten Modernitätsgedanken kann sicherlich mit Bahrs Relevanz für den Kritikbetrieb erklärt werden. Der Verweis auf Dada machte den Beweis des Neuen und Eigenartigen überflüssig, womit die Abkehr von nur im Medium der Malerei gesehenen modernen Gestaltungsmöglichkeiten gemeint ist. Der »bequemen Generation«, zu denen auch die Dadaisten gezählt wurden, wurde zugestandenen, der Kunst einen »ganzen neuerschlossenen Raum« eröffnet zu haben, diesen aber nicht »ausschließlich mit malerischen Mitteln zu bewältigen und zu gestalten«.229 Hatte die Avantgarde neue Inhalte erschlossen, fehlte es ihr an dem anerkannten bildkünstlerischen Mittel. Zu eng waren Kunstbegriff und Gattungsdenken verwoben. Das große Interesse an theoretischen Positionen wurde daher als Charakteristikum einer dadaistischen Geisteshaltung identifiziert: »Mit Freude gewahrt man, daß eine moderne Sprache möglich ist, ohne Gauguin und Picasso. Freilich nicht ›modern‹ im Sinne jener, die den Futurismus mit dem Dadaismus überwinden. Diese Doktrinäre des Modernseins, die von aller Entwicklung nur die Entwicklung des logischen Problems sehen, werden über diese Bilder billig die Nase rümpfen oder sie als Proben zurückträumender Romantik gelten lassen, mit dem Ge-
224 Ibid. 225 Zur Ausstellungsbeteiligung vgl. Fischer 1920, S. 7. Diese seit 1897 herausgegebene Kunstzeitschrift war als Sprachrohr des Jugendstils eng mit den Debatten um die Reformen des rechtlichen Kunstschutzes verbunden. Zur Wirkungsgeschichte der Zeitschrift vgl. Rennhofer 1987, S. 92-96. 226 Vgl. Mittenzwey 1919/1920, S. 283. 227 Reiß 2011, S. 14. 228 Fähnders 2020, S. 26. 229 Mittenzwey 1919/1920, S. 283.
Kunstwerk oder Werk der bildenden Künste? Theoretische Revisionen im dadaistischen Kontext
danken, daß ›wir‹ ja ›viel weiter‹ seien. Hier [Malerei Coesters] liegt die Modernität tiefer als in der logischen Theorie.«230 Der Maßstab der »Modernität« scheint auf das neue Kunstverständnis hinzudeuten, während der Verweis auf die Künstlerpersönlichkeiten einer Mythologisierung gleicht, wie Sie der französische Salon ausgeprägt hatte.231 Am Ende dieser theoriegeprägten Entwicklung einer Kunst, die sich bei einem etablierten Kunstverständnis verdingt zu haben schien, trat der Kritiker am Abend der Dada-Öffentlichkeit für eine Modernität ein, die nicht auf neue Formen gerichtet sein sollte.232
Die »Stofflosigkeit« des Geistesbetriebes233 Nach den Worten des Kritikers Wilhelm Michels hatte sich die dadaistische Anschauung nicht zu einer »stilistischen Objektprägung« verdichtet.234 Die stilistische Beliebigkeit war für Michel vielmehr Ausdruck einer übersteigerten Reflexivität, die als »IchKrise« ohne geeignete Inhalte keine neue Wirklichkeitsebene bildkünstlerisch erschließen konnte.235 Unter dem Titel Hunger nach Materie bediente sich Michels eines Motivs der Kunstkritik, wie es im Zuge der Naturalismusdiskussion des 19. Jahrhunderts aufgekommen war.236 Desavouiert als Inbegriff des Bürgerlichen stand die Reflexivität dadaistischer Praxis zugleich auch im Verdacht, sich nur mit der eigenen Auffassung zu befassen und dadurch ebenso abgehoben zu sein wie diejenigen, denen man künstlerische Ignoranz vorwarf: »Die äußerste Folgerung daraus ist der Dadaismus, der bewußt auf jede Beziehung zu einem Objektiven verzichtet und affenhaft in die Luftleere der kosmischen Clownerie klettert. Eine sehr zuträgliche Übung für den Philister, der sich so den täglichen Speck vom Leibe schwitzen mag.«237 Die Selbstbezogenheit des Dada, der Fokus auf die Anschauung und die Absage an eine objektive Darstellung der Wirklichkeit wurden seitens des Kritikers zu einem System erklärt, in dem »die Subjekte in funkelnder Bewegtheit der Einstellungen glänzen«.238
230 Ibid., S. 284. 231 »Wichtiger als all diese Beziehungen (die man beliebig weiter spezialisieren könnte, dem Künstler selbst, dem sie eventuell unbewußt sind, womöglich zum schmunzelnden Gelächter) ist, daß diese ganze Sprache im höchsten Sinne modern ist und damit alles vermeidet, was marktgängiges Rezept der Modernität ist.«, vgl. ibid., S. 284. 232 »Richtig aufregend wird die Sache erst werden, wenn wieder ein sinnliches Geschlecht heraufkommt, das kein Interesse mehr hat Theorien zu verkündigen, weil sie bis dahin abgedroschen worden sind, das aber beginnen wird den wirklichen Ertrag des Neuen […] zu bewältigen und zu gestalten.«, vgl. Ibid. 233 Vgl. Michel 1919/1920, S. 280. 234 Ibid. 235 »Wir haben heute eine ungeheure Fülle an Geist; aber Geist, der nicht eingeschaltet ist als Motor, ist ein Getriebe.«, vgl. ibid. 236 Zum Thema des Mangels an künstlerischen Stoffen in der Kunstkritik Camillo Sittes, vgl. Mönninger 1998, S. 32. 237 Michel 1919/1920, S. 280. 238 Ibid.
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Die Reibungen zwischen den alternierenden Kunsteinstellungen führten aufgrund permanenter Abgrenzungstendenzen nicht zu einem für die neue Kunst von Michel gewünschten »Epochenstil«.239 Als »Tyrannei des Geistes« sollten die »Expressionisten« diese Entwicklung vorbereitet haben, nachdem »das graue, geistesverlassene Elend der letzten ImpressionistenAusstellungen 1908/9« überwunden war.240 Mit seinem konzepthaften Wesen sollten Dada und die neue Kunst insgesamt »das Ziel überlaufen« haben, da nun »nach der Naturversklavung die Tyrannei des Geistes eingetreten sei«.241 Kern dieser Kritik war Folgendes: In der dadaistischen Kunst, wie in der neuen Kunst im Allgemeinen, wurde eine Auseinandersetzung mit dem Stofflichen respektive der gegenständlichen Malerei nicht anerkannt.242 Mithin kommt hier das Ideal eines im Sinne einer Mythologie vorgegebenen Inhalts zum Ausdruck, wie es eine Gruppe der Kunstpublizistik seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts prägte.243 Die »Alleinherrschaft der Gesinnung und die negative Persönlichkeit«, die in dieser Kunst zum Ausdruck kam, wurde als Negation »der Sinnlichkeit, des Handwerks, der Überlieferung« kritisiert:244 »Jedenfalls muß die Kunst wieder Tore auftun, durch welche Materie in sie einströmen kann. Materie in diesem Sinne ist nicht bloß Natur (als Studienobjekt, als sinnliche Form), sondern auch Gemütsmaterie: ein inneres Entstehen der Dinge, ein Frommsein, ein Sich-Hingeben an die Arbeit und an das Problem der Verfestigung.«245 Dada stellt sich hier als Negation eines hier propagierten »stofflichen« Kunstbegriffs dar, den, nach Meinung des Autors, Oskar Kokoschka, Max Beckmann oder August Macke geprägt hatten.
Die Kunst – Ein Spiel Die Kunstöffentlichkeit setzte sich mit dem seitens der Dadaisten regelmäßig erklärten Anspruch der Revolutionarität unter dem Gesichtspunkt des Goethe’schen »ästhetischen Perspektivismus« auseinander.246 Es schien eine Folge des Strebens nach Eigenart in der Kunst, dass »die neuere Ästhetik wieder mehr als bisher den Spielcharakter der Kunst in den Vordergrund gestellt« hatte.247 Das »Kunst als Spiel«-Paradigma beschreibt zugleich die doppelte Kommunikation der Kunst, einerseits durch die Kunst-
239 »Ein Merkmal des heutigen Geistesbetriebes ist die Stofflosigkeit. […] Die Wertsetzungen wirbeln, die Standpunkte verschieben sich unaufhörlich, die ganze Werkstatt des Geistes dröhnt von zyklopischem Bemühen.«, vgl. ibid. 240 Ibid. 241 Ibid., S. 281. 242 Zum Aspekt der Neuen Kunst am Beispiel der Neuen Musik s. 3. Teil, IV.6. 243 Scholl 2013a, S. 331. 244 Michel 1919/1920, S. 282. 245 Ibid. 246 Die ästhetikgeschichtlichen Zusammenhänge kontextualisiert Andreas Anglet: »Unter den verschiedenen Auffassungen des Spiels, die bei Goethe begegnen, ist die Formel vom ›ernsten Spiel‹ besonders eng mit seinem Kunst- und Naturverständnis verbunden. In ihr konzentrieren sich Vorbehalte Goethes gegenüber einer entfesselten künstlerischen Phantasie […]«, vgl. Anglet 2002, S. 189. 247 Frank 1921, S. 157.
Kunstwerk oder Werk der bildenden Künste? Theoretische Revisionen im dadaistischen Kontext
gegenstände selbst und andererseits durch die reflexive Auseinandersetzung mit diesen.248 Dieser kunsttheoretische Ansatz konnte auch in den Praktiken Dadas ein performatives Element bestätigen. Gleichzeitig impliziert das »Kunst als Spiel«-Paradigma eine Absage an den revolutionären Anspruch der Dadaisten und eine Annäherung an die Zwecklosigkeit des Kunstbegriffs l’art pour l’art:249 »Es gibt auch Philosophen, alte sowohl wie neue, die im ganzen großen Weltverlauf ein göttliches Spiel sehen, in der wir alle als Mitspieler eingereiht sind. Neuerdings hat sich besonders der Dadaismus diese Auffassung zu eigen gemacht […].«250 Dabei schien sich Dada nicht in die »besonderen Rollen« im System des Kunstspiels einzufügen;251 bei genauerer Betrachtung sich vielmehr als Höhepunkt einer konsequenten Entwicklung zeitgenössischer Kunstanschauungen darzustellen. Auch wenn Willy Frank in seinem halbseitigen Beitrag auf kein Einzelwerk Bezug nahm, bietet sich folgende Überlegung an: Bis weit in das 19. Jahrhundert wurde beispielsweise auch die Groteske nicht als Kunst erfasst.252 Humoristisch-groteske Elemente wurden erstmals in den Ästhetiken Friedrich Theodor Vischers und Karl Rosenkranz’ als künstlerische Qualitäten anerkannt. Damit ergibt sich folgendes Bild: Das Infragestellen der Kategorien und Werte, das Wüten gegen Konventionen seitens der Dadaisten wird hier folglich als Ausdruck einer binnenästhetischen Konsequenz aus einem andauernden Verlangen nach Neuheit dargestellt.
Die Dada-Kritik Paul Ferdinand Schmidts Paul Ferdinand Schmidt, späterer Direktor der Städtischen Sammlungen in Dresden, war aktives Mitglied des Verbandes Deutscher Kunstgewerbevereine und als Kunstsachverständiger an dem Strafprozess gegen George Grosz beteiligt.253 Eine unmittelbare Verbindung zu den dadaistischen Praktiken und Konzepten belegt auch sein durchaus positives Urteil über das bei Otto Burchard ausgestellte Werk Rudolf Schlichters.254 In seinem Beitrag für Kunstchronik und Kunstmarkt feierte Schmidt die Dadaistenausstellung als »Dämmerung des Expressionismus«, an der Schlichter, in unmittelbarer Nachfolge der »Sturmdarbietung von Oskar Schlemmer«, das verwirklichte, was auch »die augenblicklich in Frankfurt gezeigte G. Gross-Ausstellung [sic!]« lehren sollte.255 Nach
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Hannig 2007, S. 313. Haarmann 2015, S. 229. Vgl. Frank 1921, S. 157. »Er glaubt einer tiefen religiös-philosophischen Wahrheit gerecht zu werden, indem er mit all diesen Dingen ein bald erheiterndes, bald anstoßendes und läppisches Spiel treibt […] Es gibt für jedes Spiel Regeln und Gesetze und gerade Spiel ist nicht möglich, wenn diese Gesetze nicht eingehalten werden. Spiel, das nicht ernst genommen wird, ernst bis zu Opfern, ja bis zu Leiden und Tod, ist läppischer Unsinn.«, vgl. ibid. Dazu: Elder 2013, S. 97. Zur kunsthistorischen Relevanz der Groteske vgl. Bergius 2004. White 2007, S. 435; Webster 2004, S. 337; Neugebauer 1993, S. 74; zum Gotteslästerungs-Prozess jüngst: von der Schulenburg 2018, S. 249-256. Schmidt beendet seine erste Kritik der Schlichter-Ausstellung, die der Dada-Messe in der Galerie Dr. Burchard unmittelbar vorausging, mit den Worten: »Wir brauchen solche freien Geister, es ist gute Luft um sie.«, vgl. Schmidt 1920b, S. 722. Vgl. im Folgenden: ibid., S. 721.
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»Ekstase und Versenkung« wurden nun die von »fabelhaftem Können« gekennzeichneten Zeichnungen als Bildnisse einer »neuen Ästhetik« gepriesen. Aufgrund einer neuen »naturalistischen« Auffassung konnte auch das Ergebnis einer von »haarscharfer Genauigkeit« und »umfassender Mechanik« geprägten Malerei als ein »Bildnis« legitimiert werden: »Das sind keine Gemälde im üblichen Sinne, auch keine Merzbilder, auf der anderen Seite: sie sind gemalt und geklebt, aber alles dient nur dem Zweck einer ins Ungeheuerliche getriebenen Drastik der Sachlichkeit, der haarscharfen Genauigkeit […].«256 Hier verschwimmen die Grenzen zwischen den Kategorien des Sachlichen und des antithetisch zum ästhetischen Ideal des Schönen gedachten Hässlichen bzw. Grotesken.257 Zweck dieser »Sachlichkeit« war es im Urteil der Kunstöffentlichkeit, gleich einer Karikatur, die wesentlichen Elemente der Lebenswirklichkeit hervorzuheben.258 Schließlich musste Schmidt als Kritiker den Begriff des Bildnisses hinterfragen, wobei es um das Verhältnis von Inhalt und Form ging.259 Noch zu neu »fürs deutsche Gemüt«, war Dada für Schmidt Inbegriff des Eigentümlichen in der bildenden Kunst überhaupt.260 Dadaistische Schockwirkung und karikaturhaftes Umbilden der Wirklichkeit näherten sich an. Trotz mangelnder Ernsthaftigkeit im Auftreten waren auch Rudolf Schlichters Objekte nicht mehr aus dem Kunstverständnis einer »ernsten Kunst« auszuschließen. Ferdinand Schmidts Dada-Rezeption war dabei von einer Abgrenzungsmethodik geprägt, die von einem direkten Einfluss des ebenfalls im Werkbund aktiven und
256 Ibid., S. 722. 257 Dazu im Kontext des »Gewand[es] des Grotesken« vgl. Vondung 2006, S. 182-183. Gestaltungsmittel der dadaistischen »Sachlichkeit« war wiederum das Groteske, das auch jeder Karikatur anhaftet, dazu: Bergius 2004, S. 157. 258 »Und der Sinn dieser umfassenden Mechanik […] der Mensch als Prothese – oder als Bestie. Die Bestialität dieser ganz auserlesenen Tafeln, Aquarelle, Zeichnungen geht noch über Grossens Ingrimmigkeit hinaus […]«, vgl. Schmidt 1920b, S. 722. 259 Vor der gleichen Herausforderung standen die Juristen, weshalb deren Ansatz hier unmittelbar in Beziehung gesetzt werden soll. In seinem Aufsatz mit dem Titel Karikaturrecht setzte sich Ernst Hirsch 1929 mit der Auslegung des § 22 KUG auseinander. § 22 KUG: »Bildnisse dürfen nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt werden. Die Einwilligung gilt im Zweifel als erteilt, wenn der Abgebildete dafür, daß er sich abbilden ließ, eine Entlohnung erhielt. Nach dem Tode des Abgebildeten bedarf es bis zum Ablaufe von 10 Jahren der Einwilligung der Angehörigen des Abgebildeten. Angehörige im Sinne dieses Gesetzes sind der überlebende Ehegatte oder Lebenspartner und die Kinder des Abgebildeten und, wenn weder ein Ehegatte oder Lebenspartner noch Kinder vorhanden sind, die Eltern des Abgebildeten.« Zum Reformbedarf des Kunsturhebergesetzes im digitalen Zeitalter vgl. Bienemann 2021. Ausgangspunkt seiner Überlegungen war, dass die herrschende Meinung unter den juristischen Autoren die Karikatur nicht als »Bildnis« im Sinne des Gesetzes sehen wollte. Die außerkünstlerischen Zwecke beziehungsweise die als Inhalt gefasste komische Wirkung dieser Darstellungsweise stritten auch gegen eine Wertung als »Werk der bildenden Künste«. Ob etwas als Karikatur normativ zu bewerten war, folgerte Hirsch allerdings unmittelbar aus den ästhetischen und kunstwissenschaftlichen Schriften der Zeit (u.a. Georg Simmel, Moritz Geiger, Theodor Ziehen). Zugleich erweiterte er den Definitionsbereich: Künstlerisch im Sinne des Kunstschutzgesetzt sollte jede Schöpfung sein, »die Kunst sein wollte«, vgl. Hirsch 1929. 260 Vgl. Schmidt 1920b, S. 722.
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regelmäßig zu Vorträgen geladenen Juristen Albert Osterrieth zeugen.261 Dies stellte Schmidt unter anderem 1920 in einem zweiteiligen Beitrag für die Zeitschrift Dekorative Kunst dar.262 Der Zweckbegriff war dort seit Inkrafttreten des Kunstschutzgesetzes zum entscheidenden Abgrenzungskriterium geworden.263 Eine schlüssige Differenzierung zwischen hoher Kunst und Kunstgewerbe vermittels dieses Kriteriums musste allerdings scheitern, da sich diese »technisch« nicht unterschieden.264 In der zeitgenössischen Kunstkritik wurde dieses Merkmal am Begriff des Dekorativen beschrieben: »[Z]wecklos, schöpferisch erlebt können Werke der Malerei wie des Handwerklichen und der Architektur, zweckbestimmt und also dekorativ ebenso kunstgewerbliche wie frei geschaffenen Kunstwerke sein.«265 Der Begriff des Zwecks war somit auf den Rezipienten gerichtet, nicht zwingend auf die materielle Funktion des Gegenstandes.266 Wobei sich hier die Flexibilität in der Konstitution des ästhetischen Objektes besonders deutlich zeigt.267 Was Schmidt forderte, ist keine Hinwendung zu einer architektonischen Betrachtungsweise für alle Kunstarten. Unter dem Aspekt des Handwerklich-Technischen verwies er auf eine Differenzierung von künstlerischer Idee und dinglichem Werkstück. Selbst differenzierte er an einer »Gesinnung des Schaffenden«. Erst das ganz aus der Zweckkausalität gelöste Werk könne ein »Produkt wahren Erlebens« sein. »Dekorativ« sei aber eine Kunst, deren Entstehung auf eine direkte oder indirekte Beziehung zur Umwelt zurückzuführen sei, »mag das nun ein anderes Kunstwerk sein, ein Gebrauchszweck oder auch eine in das Werk selbst verlegte Spannung von Relationen«.268 Zwischen Dekoration und Erlebniskunst musste es »geniale Schöpfungen geben«, von denen auch die dadaistischen nicht auszuschließen waren, wenn Schmidt mit dem Simplicis-
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Zu seiner Person und seinem Wirken als Mittler zwischen Juristen und Künstlern, vgl. Pahlow 2017, S. 214-218. Mit Hinweisen zur Geschichte der Zeitschrift: Fünderich 2019, S. 267. Ausführlich zum Kunstschutzgesetz von 1907 s.u. »Die übliche Einteilung in hohe Kunst und Kunstgewerbe kann nur cum grano salis gelten: man muss sich darüber klar sein, daß die unterscheidende Linie eine andere ist als die nur technische, und daß sie mitten durch alle Kunstarten hindurchgeht.«, vgl. Schmidt 1920a, S. 136. Osterrieht veröffentlichte bereits 1905/1906 erste Beiträge in Kunst(gewerbe)zeitschriften, weshalb die Kenntnis seiner Beiträge sehr nahe liegt, vgl. Osterrieth 1906b; Osterrieth (1906/07). Schmidt 1920a, S. 136. Zur Relevanz für die Gegenüberstellung der Diskurse s.u. Der Begriff des Dekorativen erweist sich als Bruchstelle autonomieästhetischer Paradigmen und das Wertungsbegriff vgl. Ortland 2006, S. 53; mit Beispielen für die Unterscheidung zwischen dekorativ und monumentaler Malerei vgl. Dietrich 2020, S. 474-475 und zur Relevanz des Begriffs für die Kunstkritik des 20. Jahrhunderts vgl. Auther 2004. Vgl. auch Dagobert Frey, der kunstbegriffliche Wesensbestimmungen von Grenzfällen abhängig macht: »Tatsächlich sind im modernen Konstruktivismus solche Versuche zu finden, die wir ihrem Wesen nach der Plastik oder Malerei zuordnen müssen. Handelt es sich hier auch für unser gegenwärtiges Entwicklungsstadium der Kunst nur um Grenzfälle – die Entwicklung der Zukunft könnte uns überdies auch diesbezüglich eines anderen belehren –, so sind doch gerade diese Grenzfälle für die Wesensbestimmung bezeichnend.«, vgl. Frey 1925, S. 73. Schmidt 1920a, S. 136.
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simus verwandte Werke miteinfasste.269 Das Konzept einer »architektonischen Kunst«, inhaltlich mit den Begriffen Kunstgewerbe beziehungsweise angewandte Kunst gleichbedeutend, war für Schmidt Grundlage seiner Definition: »Architektonisch bedeutet dann an ihnen das Mehr an künstlerischem Elan, und in der Baukunst das Schöpferische, das Überflüssig-Freiströmende der Erfindung.«270 Völlig »dekorativ« und gänzlich nicht mehr »architektonisch« in diesem Sinne musste für Schmidt auch ein Staffeleibild sein. Fingerfertigkeit und malerische Gewöhnung als Inbegriff einer bloßen Geschmackskunst waren in der angewandten Kunst zuerst aufgegeben worden, neue Formen als Ausdruck einer echten künstlerischen Absicht damit auch für die Erlebniskunst eingefordert worden.271 Seine Zeit aber verharrte nach Einschätzung Schmidts noch im Zwischenstadium der architektonischen Kunst, da der Ernst der Zeit kein Allgemeinempfinden ausbilden konnte.272 Auch innerhalb der Erlebniskunst machte Schmidt bloße Geschmackskunst aus.273 Dekorative Kunst wiederum setzte er mit »Stil« und bloßem »Ornament« gleich, die an sich schon einen bereits vorgegebenen Geschmack einer Epoche wiedergeben mussten. Abstrakte, neue Gestaltungen wie die der »Kubisten« waren für Schmidt Ausdruck einer Kunst, die »architektonische Kunstdinge« schaffen konnte. Eine Kunst also, die sich nicht unter dem Aspekt der Zweckfreiheit als hohe Kunst fassen ließ. Schmidt bezeichnet die »vielgelästerte und verkannte Kunst unserer Tage« als Sprachrohr innerer Offenbarung.274 Ähnliche Ausführungen hat Schmidt auch als Sachverständiger im Gotteslästerungs-Prozess formuliert, weshalb dadaistische Tendenzen hiervon nicht ausgeschlossen scheinen.275 In Das Kunstblatt stellte Paul Schmidt 1926 George Grosz in den Zusammenhang einer Renaissance des Wesens des »pictor poeta«.276 In einer seiner dort veröffentlichten
269 »Diese und verwandte Werke sind geniale Schöpfungen in der Mitte zwischen Dekoration und hoher Kunst: Zweckdinge mit dem Ekstatischen einer Rauschkunst, Ornamente mit der unnatürlichen Belastung höchsten Ausdrucks.«, vgl. Schmidt 1920c, S. 175. 270 Schmidt 1920a, S. 136. 271 Zur Erlebniskunst bei Goethe bemerkt Ralf Bohn: »Es ist eine Konsequenz der Geschichte der Kunst des 19. Jahrhundert, dass die Wirklichkeitsauffassung des Erlebens gegenüber jener des sich Ereignens im frühromantischen Sinne ins Hintertreffen gerät«, vgl. Bohn 2015, S. 319. Damit wird aber erkennbar, wie die Subjektivität der idealistischen Ästhetik jeweils zeitgenössischer Kunst flexibel gegenüberstehen konnte (dazu auch im 3. Teil). 272 »Aber dieses Ringen um eine neue Form für den freiheitlichen Geist vollzog sich nicht da, wo es alleine die notwenige Nahrung hätte finden können, auf dem Boden des Erlebnisses, sondern in der dekorativen Kunst. […] Unsere Zeit scheint den Vorgeschrittenen doch zu ernst für eine bloße Geschmackskunst.«, vgl. Schmidt 1920c, S. 174-175. 273 »Wo das Wort Geschmack fällt, sollte man eigentlich schon stutzen. Nicht als ob es nicht Geschmackskunst gäbe, ja geben müßte; es kann nicht jeder Maler ein Genie sein: aber nie darf man aus den Augen verlieren, daß dies nicht das letzte in der Kunst ist […]«, vgl. Schmidt 1920a, S. 138. 274 Schmidt 1920c, S. 171. 275 Neugebauer 1993, S. 75. 276 »Am problemhaftesten scheinen darin die deutschen Veristen, die Dix, Grosz und Scholz: weil sie am wenigsten Traditionelles in der Form und am meisten inhaltlich Betontes geben. Darum konzentriert sich aus sie die Frage, wo die Grenze zwischen Form und assoziativem Inhalt zu suchen ist.«, vgl. Schmidt 1926a, S. 279.
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Kritiken stellt er sich gegen den Kunstbegriff der Formästhetiker, deren entidealisierter Werkbegriff den Inhalt als ästhetisches Moment zurückgedrängt hatte.277 Über das Beispiel Grosz wird Dada hier als Gegenstück zu einer Historienmalerei entworfen, die für Schmidt in diesen Jahren nun nicht mehr als die »Vernichtung der künstlerischen Bildform durch assoziative Gegenstände« bedeuten sollte.278 Was Künstler wie George Grosz, Otto Dix oder Werner Scholz auszeichnen sollte, war, dass »sie am wenigstens Traditionelles in der Form und am meisten inhaltlich Betontes« verwendeten. Deutlicher tritt dies dadurch hervor, dass Schmidt eine möglichst bestimmte und schlagkräftige Form als Ausdruck der zeitbewegenden Stimmung wertet. Hier setzte der Kritiker die Kunst seiner Zeit mit der Wende zur realistischen Gestaltung der »lebendigen Bewegungen« im 13. Jahrhundert gleich.279 Sollte sich »seit dem Ausklang des Rokoko die Malerei vom Zeitbewusstsein getrennt und ihren eigenen Weg eingeschlagen« haben, wurde das Fortreißende der Entwicklung der 1920er Jahre als »Parallelität, mit der sich das Herbeiziehen neuer Gegenstände und ihre Charakterisierung durch den Widerspruch zur Malerei der letzten hundert Jahre vollzog«, gewertet.280 Provokant setzte Schmidt seine Ausführungen in einem späteren Heft unter dem Titel »Die Auferstehung des Inhalts« fort.281 Die Grosz’sche Maltechnik folgte im Urteil des Kritikers den inhaltlichen Absichten des Künstlers, sein Urteil über seine Zeit visuell erfahrbar zu machen. Als sprechende Kunst waren diese Zeichnungen, wie ein Werbeplakat beziehungsweise eine Gebrauchsgrafik, unmittelbar mit ihrer Zeit verbunden: »George Grosz konnte sich darum mit der nervösen Intensität seiner Umrißlinie kennzeichnen, weil er nicht etwa eine neue Form erstrebte, sondern nur krasse, mit Bewußtsein literarische Kritik am heutigen Gesellschaftszustand üben wollte. Grosz ist in jedem Zug Pamphletist; kein Literat kann so scharf aussprechen, was seine unverblümten Kritzeleien uns ins Gesicht schreien.«282 Der angesprochene »Triumpf des Inhalts« musste auf eine Aufhebung des Dualismus von Form und Inhalt verweisen, wobei »Form« unmittelbarer Bestandteil des Inhaltlichen geworden war.283 Diese Verschiebung innerhalb der Form-Inhalt-Beziehung ist
277 »Malerei ohne Inhalt ist, wo nicht ein Unding, so doch eine vorrübergehende Episode, eine Spekulation der Ästhetik.«, vgl. ibid. 278 Im Folgenden vgl. ibid. 279 Hier bezieht sich Schmidt auf die Veristen. Er schließt die anderen künstlerischen Phänomene allerdings keinesfalls aus, vgl. ibid., S. 280. 280 Ibid. 281 Er leitet sein »Kunsturteil« programmatisch ein: »Wenn man Kunsturteile liest und hört, spukt oft noch, vielleicht unbewußt, die Angst vor dem allmächtigen Dogma des Impressionismus. Damals hieß es l’art pour l’art, heute wird als ›literaturverseucht‹ der Maler mit dem geistreichen Stoff gemieden als ein Pestkranker. […] Unsere Kunst ist wieder zu der jahrtausendalten Gepflogenheit zurückgekehrt, etwas Sinnvolles darzustellen und das Verlangen ihrer Zeit nach anschaubarer Deutung ihrer Geistigkeit zu befriedigen.«, vgl. Schmidt 1926b, S. 404. 282 Schmidt 1926b, S. 407. 283 »Hier ist der Triumpf des Inhalts handgreiflich, unverfroren gewollt – und der Erfolg eine beispiellos suggestive Form. Grosz ist der Totengräber des l’art pour l’art. Grosz ist der unwiderlegbare Beweis von der Macht der literarischen Ideen. Seine Form ist unmittelbarer Bestandteil seines Inhaltlichen.«, vgl. ibid.
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der Anpassung an die zeitgenössische Kunstpraxis geschuldet, die sich in der Kunstkritik durch eine Erweiterung des Begriffsfeldes der Malerei selbst abbildet.284 Der Anspruch der sinnlichen Totalität der Welt, wie sie in der Kunst zum Ausdruck kommen sollte, wurde aufgehoben.
»Stückungsgraphik«, Fotoklebebild und Collage285 In den späten 1920er Jahren war die Dada-Rezeption fast vollständig aus den untersuchten Kunstzeitschriften verschwunden. Noch im Jahr 1926 widmete sich ein Kritiker der Stückungsgraphik eines Max Ernst, die er als Inkunabeln der dadaistischen Fotomontagen beschrieb. Mit diesem deutschen Begriff für den französischen der Collage erweitert Franz Roh den Begriff der Malerei als »Materialkunst«, womit Rohs Beurteilung in einem inhaltlichen Zusammenhang zu Paul Schmidts Absage an den Kunstbegriff des l’art pour l’art steht.286 Der zum gestalterischen Konzept erklärte Inhalt sollte durch »sprechende Teilstücke« den Begriff der Malerei selbst erweitert haben.287 In seinen Arbeiten verwandte Max Ernst durch neuartige Technik erzeugte Materialien. Diese neuen Materialien waren im dadaistischen Kontext »Graphiken, schwarzweiß auf Papier niedergelegte Ausdrucksgebilde«.288 Hier wurde das neue Kunstverständnis auf einem fast empirischen Ansatz begründet und Roh schien vielmehr zu Gunsten einer kunsthistorischen Perspektive die philosophischen Begriffe beiseitegelassen zu haben. Was er in Frage stellte, war die Vorstellung eines bildenden Künstlers selbst und damit ein Fokus auf die Ausführung der künstlerischen Idee: »Hier die Maschine, drüber der Mensch als Erzeuger, so heißt die übliche Alternative. Da heute Streit um eine Funktion und Grenze des Maschinellen in der Kunst entbrannte, muß erinnert werden, daß auch hinter Maschinenarbeit menschlicher Geist steht.«289 Die künstlerische Tätigkeit musste neu definiert werden: Wahl der stärksten Objekte; des erregendsten Standorts und Lichtes; der steigernden, dabei sparsamsten Retusche. An anderer Stelle in Das Kunstblatt beschrieb Windisch die Folgen des oben skizzierten Kunstbegriffs, der das Künstlerische als einen »Mechanismus« quasi vermittelnd zwischen Realität und Betrachter entwirft:
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Städtke 2001, S. 480. Zum Begriff vgl. Roh 1927, S. 397. Dahm 2004, S. 73. »Noch einmal stärker hat Menschenhand in diejenigen Schwarzweißblätter eingegriffen, die wir Photomontage nennen, wo aus sprechenden Teilstücken der Wirklichkeit ein völlig neues Gebilde getürmt wird (Photoklebebild).«, vgl. Roh 1927, S. 397. 288 Vgl. Roh 1927, S. 397. Die Bedeutung und Wirkung neuer Materialien für das Verständnis der einzelnen Künste durch technische Entwicklungen ist auch in der Kunsttheorie des 18. Jahrhunderts nachzuvollziehen. Frank 2001, S. 672. Christoph Kleinschmidt bemerkt: »Abgesehen von regressiven Schriften wie Ludwig Volkmanns Grenzen der Künste (1903), stehen die Programmatiken der Moderne, insbesondere diejenigen von Expressionismus, Dadaismus und Futurismus, unter den Vorzeichen einer radikalen Vermischung der Materialien. Für die Ästhetik und Kunsttheorie hat dies ein Ende der Systeme zur Folge.«, vgl. Kleinschmidt 2011, S. 183-184. 289 Ibid., S. 399.
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»Hört man das Wort ›künstlerische Photographie‹ so verbindet man das Unterbewußtsein zunächst mit dem Sektor Gemeinplätze, Abteilung Surrogate, und der landläufige Empfindungsablauf ist dann der, daß selbst eine bemerkenswerte photographische Leistung ›nur‹ als Photographie bewertet wird. Es sind massive Ursachen da, daß das so ist, daß das so kommen muss.«290 Fotografische und künstlerische Leistung wurden differenziert. Wesentlich ist hier der kulturhistorische Kontext: Der Widerstand verschiedener Künstlerorganisationen gegen eine urheberrechtliche Schutzfähigkeit der fotografischen Leistung war nicht allein durch ökonomische Überlegungen bedingt.291 Vielmehr ging es auch der Kritik um die Sicherung eines dem freien Künstler vorbehaltenen Tätigkeitsfeldes.292 Setzt man ein dadaistisches Erzeugnis mit einer Fotografie gleich, werden die resultierenden kunstbegrifflichen Implikationen augenfällig: Die dadaistische Collage ist keine künstlerische Leistung, wird nicht die Immanenz der sich im Inhalt widerspiegelnden geistigen Gestaltung betont.293 Um die neuen Dimensionen der bildkünstlerischen Medialität theoretisch erfassen zu können, musste zunächst die Wiedergabe der Natur als dem Wesen der Bildkünste fremd werden.294 Am Ende dieser Entwicklung konnte auch die Fotomontage als »Benutzung der photographischen Elemente und gleichzeitig als ein Versuch, eine innere Bindung zu schaffen zwischen den einzelnen Photos«, dargestellt werden.295
Zusammenfassung Die Auswertung der Kunstöffentlichkeit im dadaistischen Kontext deckt die Pluralität der begrifflichen Denk- und Vorstellungsräume auf. So sind die Urteile der Kunstkritiker zu Teilen stark von kunstmarktbezogenen Erwägungen geprägt. Neben Kritiken mit wertendem Anspruch stehen solche Beiträge, die, nach dem Vorbild der akademischen Kunstgeschichte, formale Beschreibungen des Umgangs mit künstlerischen Ausdrucksmitteln zu Dada beigetragen haben. Sowohl die Bezugnahme auf Ismen als auch auf den Begriff des Kunstwollens verweisen auf historische Theoriebildung. Ein weiterer Befund ist an dieser Stelle entscheidend: Solche Kunstkritiken, die eigene kunsttheoretische Positionen durch eigene Begriffsdefinitionen entwickeln, sind in den bis hier untersuchten Zeitschriften nicht vertreten. Vielmehr finden sich verhaltene Verweise auf die Anpassungsschwierigkeiten der normativen Ästhetik gegenüber neuen Kunstgattungen. Jene Beiträge, die auf den Begriffshaushalt der phänomenologischen Äs290 291 292 293
Vgl. Windisch 1928, S. 65. Dazu: Sommer 2017, S. 97. Windisch 1928, S. 68. Diese Strategie verfolgt auch Windisch: »Weil ein Photo, technisch, vor allem Denkresultat ist, Schnittpunkt von Kausalketten, die sehr verschiedenen Materien angehören. […] Es gibt keine Materie, in die man sich so hineinknien muß wie in die Photographie und ihre Gesetzmäßigkeiten, will man über dem Zufall stehen.«, vgl. ibid., S. 71, 75 294 Angesichts der Kunst der ersten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts kommt auch der Riegl Mitarbeiter Dagobert Frey zu dieser Folgerung: »Andererseits ist die Formulierung der Wiedergabe von Naturformen als Wesen der Bildkünste nicht ganz erschöpfend. Gerade die Erscheinungen der modernsten Kunst drängen auf eine Erweiterung.«, vgl. Frey 1925, S. 67. 295 Stone 1928, S. 86. An diesem Beitrag abgedruckt findet sich auch ein Werk El Lissitzkys.
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thetik zurückgreifen, stehen als Versuche, neue Kunstpraktiken durch Differenzierung von künstlerischer Idee und Ausführung des Werkstücks zu erfassen. Dabei stellen sich gleiche Begriffe als inhaltlich unterschiedlich gelagert dar. Verweist der Stoffbegriff einerseits auf einen an der gegenständlichen Malerei ausgebildeten Kunstbegriff, ist er andererseits zugleich Hinweis auf die Programmatik der künstlerischen Idee. Besonders deutlich ist der Rekurs auf den Maßstab des Neuen und damit auf jenen Modus der Historizität künstlerischen Schaffens, der seinen Maßstab in der Diskontinuität hat.
2.
Dada als angewandte Kunst: der Kunstbegriff in Das Plakat
Die nur wenige Jahre – von 1910 bis 1921 – erscheinende Zeitschrift Das Plakat umgibt heute der »Nimbus einer Geschichtsquelle ersten Ranges«.296 Als eine der zahlreichen Kunstzeitschriften des spätwilhelminischen Kaiserreichs mag Das Plakat ebenso bahnbrechend gewesen sein wie der Berliner PAN oder die in Leipzig verlegte Insel gelten.297 Dabei war die Zeitschrift Das Plakat auch im englischsprachigen Raum einer Leserschaft zugänglich.298 Schon in den ersten Ausgaben des Vereinsblatts der Plakatfreunde zeigt sich der Zweck der Körperschaft: Für eine Anerkennung des Plakats als Kunst war eine Erweiterung des Kunstbegriffs vonnöten. Hinter der Zeitschrift, die zu mehr als einem bloßen Vereinsblatt der Plakatfreunde wurde, stand der Berliner Zahnarzt Hans Sachs. Mit liberalen Kunsthistorikern als Redakteure ist die Zeitschrift Dokument einer Zeit, in der das »Experimentierfeld zwischen Kunst und Kommerz« sich bei einem kleinen aber sammelfreudigen Kreis großer Beliebtheit erfreute.299 Auch Reichskunstwart Erwin Redslob hatte die auch als Plakatreklame bezeichnete Gebrauchsgrafik sicher nicht ohne kulturpolitisches Gewicht als wichtige Antwort auf die »unbedingte Notwendigkeit kulturellen Schaffens« gewürdigt.300 Dieser wollte er persönlich »seine volle Aufmerksamkeit« zuwenden, da die Reklame »gewaltige Aufgaben« an den Künstler stellte.301
296 In seinem letzten Jahr hatte das Medium eine Auflagenzahl von monatlich zehntausend Exemplaren erreicht. Inhaltlich stand der herausgebende Verein der Plakatfreunde mit 1910 nur einhundert und 1919 bereits über dreitausend Mitgliedern dem Deutschen Werkbund sehr nahe. Zur Geschichte der Zeitschrift und seines Herausgebers vgl. im Folgenden: Krause 1992 und Meyer 2015, S. 298. Eine eigene Vereinsgeschichte wurde bereits im Februarheft 1916 abgedruckt, mit den (juristisch) einleitenden Worten: »Tres faciunt collegium«. 297 Krause 1992, o.S. 298 Als Organ der Club of Poster-Enthusiasts wurde im ersten Heft des Jahres 1915 das Interesse an den »graphic arts« sowie deren »general betterment« als Zweck des Vereins beschrieben. Nach einem Hinweis ebenda wurde die englischsprachige Ausgabe dieses ersten Heftes von Herrn Wiener nach dem Erscheinen des deutschen Heftes angegeben, vgl. Das Plakat 1915, Rücks. Titelblatt. 299 Ibid. 300 Meyer 1920, S. 608. 301 Innerhalb des kunsttheoretischen Diskurses stand die Gebrauchsgrafik im Kontext der Inhaltsästhetik. Johannes Volkelt verweist in Band 1 seiner Grundlegung der Ästhetik auf den »menschlichbedeutungsvollen Gehalt« als vierte ästhetische Grundnorm, vgl. Volkelt 1927, S. 498-516. Der Ansatz Volkelts, ein Vertreter einer Ästhetik von unten, diente damit als Basis für die Erfassung einer neuen Kunstgattung; der Inhalt der Gebrauchs- wie der Stückungsgraphik trat hier als neuer Stoff auf. Um 1907 dominierte die psychologische Ästhetik den ästhetischen Diskurs: »[…] so wird man finden,
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In den Nachkriegsjahren zeigt sich in den gesichteten Ausgaben kein einheitliches redaktionelles Thema, vielmehr wurden in Das Plakat kontroverse und neuartige Gedanken zu den verschiedenen bildkünstlerischen Bereichen abgedruckt. Neben Themen der sogenannten hohen und der angewandten Kunst war es das Plakat als Reklamegrafik, das sich nach Meinung Jürgen Krauses als Vorreiter der Modernität der bildenden Kunst dieser Zeit aufdrängte.302 Seine Bemerkung, dass die Entwicklung der Fachzeitschrift dem »Bild einer immer schneller laufenden Maschine gleicht, die alles und jedes über die Grenzen der Gebrauchsgraphik hinaus integrieren wollte, um schließlich erschöpft keiner weiteren Steigerung mehr fähig zu sein«, ist zugleich eine Metapher für die Kunstbegriffsbildung in den ersten drei Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts.303 »Es ist angewandte Kunst, mit der es dieser Sammler zu tun hat«, bemerkt Hans Sachs 1910 selbst in der Zeitschrift seines Vereins, »keine l’art pour l’art, von den meisten noch geringgeachtet und ohne marktgängigen Wert«.304 Um die Unterscheidung von hoher und niederer Kunst zu überwinden, mussten im Gegensatz zu den oben untersuchten Periodika eigene kunsttheoretische Positionen aus neuen Verwendungszusammenhängen der Begriffe folgen. Sachs’ Absage an den engen Kunstbegriff des l’art pour l’art erweist sich als eine Präzisierung der inhaltsästhetischen Position: Die Begriffe Inhalt und Stoff traten als Maßstäbe in den Kontext einer Erweiterung des Kunstbegriffs.305
Die Befreiung der bildenden Kunst In seinem Beitrag Münchner Plakatkunst von 1915 setzte sich Georg Jacob Wolf mit der Position von Julius Klinger, einem der Autoren des Jahrbuches des Deutschen Werkbundes aus dem Jahr 1913, auseinander: »Reklame war und ist ihrer inneren Natur nach eine rein wirtschaftliche Sache.«306 Zwar seien es zunächst Künstler gewesen, die »der Kaufmann der Reklame nur um des wirtschaftlichen Vorteils willen« und ohne »der Kunst irgendwelche Vorteile zuzuführen« mit der Gestaltung der Reklame betraute, allerdings nur, weil mangels einer »handwerklichen Tradition« in der Reklame nur diese »Form und Farbe besonders beherrschten«.307 Mit diesem Hinweis auf den Umgang mit Form und Farbe verweist er auf die neuen Einsatzfelder der Künstler, die notwendigerweise
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daß bei ihnen das Genießen des Formalen (der Gestaltung) ganz anders in den Vordergrund tritt als bei dem ästhetisch Ungebildeten mit seinem mehr inhaltlichen, stofflichen Interesse.«, vgl. Groos 1907, S. 498. Eine kulturhistorische Einordnung des Reklamebegriffs liefert Christiane Lamberty und weist darauf hin, dass »Parallel zu den Komposita mit ›Kultur‹ […] auch auf den Begriff ›Kunst‹ zurückgegriffen [wurde], um die Akzeptanz von Reklame zu erhöhen.«, vgl. Lamberty 2000, S. 326. Ibid. Sachs 1910, S. 11. Aufschlussreich ist, dass Theodor A. Meyer in seinem Vortrag anlässlich des Kongresses für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft 1913 auf eine Differenz zwischen zeitgenössischer Kunsttheorie und Kunstkritik verweist. Die dominierende Einfühlungsästhetik hatte die Künstlerpersönlichkeit als primäre ästhetische Kategorie des Werkbegriffs in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts jedenfalls verdrängt. Dies ist wesentlich für ein Verständnis des um angewandte Kunst erweiterten Verständnisses von bildender Kunst: »Wenn aber die Künstlerpersönlichkeit als grundlegendes Element des Kunstwerkes anerkannt werden muß […] dann muß es desto mehr auffallen, wie wenig Würdigung ihre grundlegende Bedeutung in der Ästhetik, zumal in der deutschen, findet.«, vgl. Meyer 1914, S. 56. Wolf 1915, S. 2. Ibid.
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eine Erweiterung des Kunstbegriffs erforderten.308 Zugleich wandte sich Wolf gegen eine Ausscheidung der Gebrauchsgrafik aus dem Kunstbegriff: Die »Münchner Plakatkunst« habe bewiesen, dass es kein Missverständnis sei anzunehmen, »Reklame und Künstler gehörten zusammen«.309 Damit wurde 1915 auch das Urteil Klingers ad absurdum geführt, der 1913 formulierte: »Wirklich wurden eine ganze Zeit lang rein künstlerische Plakate gebracht, die die Freude und das Entzücken kunstverständiger Kreise erregten. Reklametechnisch waren diese Erzeugnisse nur von geringem Werte. So wie alles in dieser schlechten Welt einschrumpft und zerfällt, was keinen tieferen, logischen Sinn hat, so verging auch die Epoche der Kunst in der Reklame.«310 Dabei hatte Klinger das Ende dieser Kunstepoche ganz an der Spezifik künstlerischer Produktivität bestimmt, wenn er behauptete, dass »[…] uns heute wo wir ganz nüchtern sind, bewusst ist, dass die Reklame routinierte Fachleute und Handwerker verlangt und dass der Künstler mit Idealen in dieser Angelegenheit nicht mehr mitzusprechen« habe.311 Was an diesem Beitrag deutlich wird, ist eine strikte Trennung von Erzeugnis und Kunstwerk. Regional-kulturelle Ansätze dieser Zeit täuschen nicht darüber hinweg, dass Wolf von einem engen Zusammenhang zwischen einer Wertung des Künstlerischen in einem Plakat und dem jeweiligen »Lebensrhythmus der Stadt, in der es entsteht und für die es bestimmt ist«, ausging.312 Als grafische Kunst wurden Reklameplakate den Illustrationen in den Münchener Wochenzeitschriften Jugend und Simplicissimus angenähert.313 Im selben Beitrag findet auch der spätere Direktor der Vereinigten Staatsschulen für freie und angewandte Kunst in Berlin, Bruno Paul, Erwähnung, der in diesen Jahren Mitglied der Bewegung Die Scholle war; als Teil »des jungen künstlerischen Leben Münchens«, in dieser Zeit wesentlich durch das Künstlerbrettl geprägt, war Paul einer der wichtigsten Plakatkünstler.314 Aus dem Geschäftssinn einiger Münchner Plakatkünst-
308 Collenberg-Plotnikov 2016, S. 193. 309 Wolf 1915, S. 2. Schon 1920 war in Das Plakat mit Robert Mielkes Beitrag zur Plakatkunst im Kontext des Heimatschutzes eine konservative Stimme aufgetreten, die dies in Frage stellen würde, vgl. Mielke 1920, passim. 310 Vgl. ibid., S. 3. 311 Ibid. 312 »Der Rhythmus Münchens aber ist anders geartet als der Rhythmus Berlins. Die Stadtseele ist behaglicher, breiter, wärmer, gesättigter. Und da man sich in dieser Stadt dem Herkommen gemäss nichts ohne den Hinzutritt der Kunst denken kann, so wird kein vernünftiger Münchner Kaufmann und Unternehmer bei der plakatmässigen Ankündigung seiner Unternehmungen auf die Mitwirkung des Künstlers verzichten.«, vgl. ibid., S. 4. 313 Deren Illustratoren und später gefeierte Gebrauchsgrafiker, wie Thomas Theodor Heine, bewarben mit ihren Entwürfen auch die städtischen Kabaretts, ibid., S. 7. 314 »Um die Scharfrichter, die zu ihrer Zeit – 1900 bis 1903 – überhaupt das junge künstlerische Leben Münchens ungemein vielseitig anregten, versammelten sich auch noch andere Plakatkünstler; Bruno Paul tat sich da hervor, und Ernst Neumann zeichnete nicht weniger als sechs Scharfrichter Plakate auf den Stein, dazu Gebrauchsgraphik mannigfaltiger Art: Etiketten für Weinflaschen, Programm-Umschläge, Speisekarten und alles Mögliche, das einer Veredelung der äusseren Form dienen sollte.«, vgl. Wolf 1915, S. 7. Zur Relevanz des Künstlerbrettls im dadaistischen Kontext s.o.
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ler, die sich zu der Gruppe Die Sechs zusammengeschlossen hatten, war die Idee erwachsen, ihren Auftraggebern sechs künstlerische Lösungsmöglichkeiten durch sechs originale Entwürfe zu garantieren.315 In der stets neuen Formendisposition sah Wolf das Eigentümliche: »Über das rein Motivliche hinaus bei jeder dieser Arbeiten die künstlerische Eigenart jedes Einzelnen in Hinsicht der Flächendispositionen, des koloristischen Ensembles, der Linienführung, der Schriftanordnung und des Schriftcharakters lebendig […] die letzte und fruchtbarste zeigt ein ungestümes Hindrängen zum Malerischen, soweit sich dies in den Grenzen graphischer Betätigung bewirken lässt.«316 Und wiederum kommt am Malerischen das Problem der Doppeldeutigkeit der in der Kunstkritik gebrauchten kunsttheoretischen Begriffe auf. Während die Einfühlungsästhetiken mit dem Begriff des Malerischen eine bestimmte Anschauung bezeichneten, verwies der Begriff in formalistisch geprägten Beschreibungen auf die Art der Ausführung.317 Bereits in den Jahren des Ersten Weltkriegs beschäftigten sich die Redakteure in Das Plakat mit der Frage, »ob der grosse Krieg auch für die Entwicklung und Geschichte der modernen Kunst – der freien und der angewandten – wie für so viele andere Gebiete des Lebens Bedeutung in dem Sinne gewinnen« würde.318 Eben diese Suche nach Relevanz schien im Gebrauchszweck der angewandten Kunst, beispielsweise der Gebrauchsgrafik, erfüllt. Das Leben wurde zum »Vater des künstlerischen Gedankens«. Zugleich sollte in der angewandten Kunst die Relevanz für das Leben zum eigenen ästhetischen Wert geworden sein.319 Unter den Beiträgen der Zeitschrift finden sich auch solche, die sich dem Plakat unter juristischen Fragestellungen annäherten. Hans Meyer legte mit seinem Beitrag Plakat und Plagiat von 1915 »keine rechtswissenschaftliche Doktorarbeit« und keinen »Kommentar zum Urheberrecht oder einen Schrei nach dem Staatsanwalt« vor.320 Als juristischer Laie versuchte er das Verhältnis der Begriffsbestimmungen aufzuklären. In der Tradition der Freirechtler forderte Meyer, dass »nicht was Paragraphenrecht, sondern was Anstand und Künstlerehre als ›unzulässige Nachahmung‹ empfinden«, als Plagiat gelten solle.321 Seine Kenntnis von der Bedeutung
»In der Weise nämlich, dass jeder der ›Sechs‹ erteilte Plakatauftrag von jedem unter ihnen auf seine Weise, zunächst im Entwurf, gelöst wird, und dass der Besteller denjenigen Entwurf wählt, der ihm am besten zusagt.«, vgl. ibid., S. 9. 316 Ibid., S. 13, 16. 317 Zum Problem des Formalismus vgl. 1. Teil, VI.1. 318 Braungart 1915, S. 137. 319 »Wir haben zahllose Werke der Gebrauchsgraphik gesehen, die den Hauptton auf das Graphische (d.h. Künstlerische) gelegt haben und deren praktische Verwendbarkeit teils unmöglich, teils von vorneherein gar nicht ins Auge gefasst war, da sie nur mit dem Gedanken an die Mappen der Sammler entstanden sind.«, vgl. ibid., S. 137, 139. Julia Meer bemerkt als Kritik am »kunsthistorischen Blick«: »Problematisch ist beispielsweise, dass Zeitschriften wie ›Das Plakat‹, die ab 1910 vom Sammler Hans Sachs herausgegeben wurde, Gestalter als Künstlerpersönlichkeiten vorstellten und die Auswahlkriterien der Sammler sich in der Regel auf die ästhetische Dimension der Objekte beschränkten.«, vgl. Meer 2015, S. 72. 320 Meyer 1915, S. 150. 321 Ibid., S. 151. Zum rechtshistorischen Kontext der Freirechtler vgl. Gluth 2019. 315
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dieser Erwägungen ist dabei auch auf das Sachverständigenwesen dieser Jahre zurückzuführen.322 Trotz seiner Behauptung, sich »nicht mit Rechtswissenschaft« befassen zu wollen, wird offensichtlich, dass die Annäherung an bildende Kunst durch die urheberrechtlichen Fragestellungen eigene kunsttheoretische Folgerungen stützen sollten.323 Diese Herangehensweise ermöglichte eine wesentliche Unterscheidung: einerseits die Erfassung der Gebrauchsgraphik als Werk der bildenden Künste und andererseits die Klärung des Wesens freier künstlerischer Produktivität.324 Hier wird das Recht als wesentlicher Bestandteil eines Kommunikationssystems verstanden, das sich der Realität des erweiterten Kunstbegriffs nicht verschließen konnte: »Geht mir weg mit dem allzu oft wiederholten und sogar geglaubten Wort, sie sei keine Kunst, sondern ein Kunstgewerbe dem Wort eines geistreichen Plauderers, einem feingespitzten, aber schlecht gezielten Wort, das der Logik nicht standhält! Kunstgewerbe ist kein Gegensatz zur Kunst, sondern ein Zweig der ›bildenden Kunst‹, wie die Malerei, Bildhauerei, Griffelkunst, Baukunst und unsere Zweckkunst es sind, und die bildende Kunst ein Ast ›der Kunst‹, wie die Dichtkunst, die Musik, die Schauspielkunst und viele andre!«325 Mithin verwies der Kritiker darauf, dass ein Werk der bildenden Künste eben nicht von einem Kunstverständnis losgelöst bestimmt werden konnte. Wie der Maler und Bildhauer vor dem Modell sollte »der Zweckkünstler vor der photographischen Wiedergabe oder der alten Abbildung den einzigen des Künstlers würdigen Vorgang durchmachen«.326 Solches Vorbildnehmen aus dem Leben stand, als Grundlage für die Zweckhaftigkeit der Gebrauchsgrafik, im Mittelpunkt dieses Kunstbegriffs. Zugleich schien diese neue Grundhaltung als »das ersehnte Zeichen dafür, dass die Kunst für eine Weile das Tappen im Dunkeln überwunden und ihren Standpunkt« gefunden haben musste.327
Der neue Kunstbegriff aus der Wechselwirkung von freier und angewandter bildender Kunst Max Oppenheimer und Otto Baumberger waren beide am Eröffnungsabend des Cabaret Voltaire in Zürich vertreten.328 Auch ihre Plakate erfasste Georg Wolf einige Zeit später in Das Plakat als »kubistische Produkte«.329 Verglich Wolf 1916 diese Plakate mit »Au-
322 Dazu s.u. 323 »Die Betrachtung eines Kunstwerkes entscheidet ganz naturgemäss das Was und das Wie, wir fassen dabei sein Gesamtwesen in der Zweiteilung: Gedanken und Ausführung, Inhalt und Form«, vgl. Meyer 1915, S. 151. Und zum Begriff des Gedankens: »Unter Gedanken verstehe ich nicht nur den mehr oder weniger geistvollen Einfall, sondern schlechthin alles an der Arbeit, was sich mit Worten beschreiben lässt, im Gegensatz zu der Ausführung dieses Gedankens, die man selber sehen muss.«, vgl. Meyer 1915, S. 155. 324 Gebrauchsgrafik ist eng mit einer »Entgrenzung und Nivellierung« alter Hierarchien verbunden, vgl. Meer 2015, S. 109. 325 Vgl. Meyer 1915, S. 160. 326 Ibid., S. 155. 327 Ibid., S. 158. 328 Bergmeier 2011, S. 112-113. 329 »Die Plakate von Otto Baumberger und Max Oppenheimer die man immerhin kubistisch nennen muss, stellen keine Produkte des extremen Kubismus dar; man verspürt schon Kompromisse«, vgl. Jacob 1916, S. 264.
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genmusik«, griff er einen Begriff auf, den bereits der als »Avantgardeapologet« geltende Hermann Bahr für die von ihm als Expressionismus bezeichnete Kunst geprägt hatte.330 Die »angewandte Kunst« scheint hier mit einem weiter gefassten Kunstbegriff gleichbedeutend zu sein.331 Wobei sein Plädoyer für die Interpretationsbedürftigkeit gar auf die Zukunft der bildenden Kunst selbst hindeutet, wenn »man studieren müsse, um was es sich dabei denn eigentlich handelt.«332 Unter dem Titel Malerei und Plakatkunst schrieb Adolf Behne der Entwicklung des Plakats 1920 auch in der Kunstgeschichte eine einmalige Stellung zu. Geprägt von der Idee des Künstlers sollte das Plakat seinem Urteil nach nicht nur Reflexionsfläche des vorherrschenden Stils in der Malerei sein.333 Behne beurteilte das Kunstgewerbe vielmehr als »Brücke« zwischen Zweckkunst und hoher Kunst, denn »es ist also während der Zeit des Naturalismus ein Gegensatz zwischen Malstil und Plakatstil offenbar«.334 Als »Glied der Architektur« definierte Behne das Kunstgewerbe damit als den eigentlichen Zugang zu einem neuen Kunstverständnis. Zugleich schien Behne, ausgehend von seinen Schriften Zur neuen Kunst (1917) und Stilbemerkungen zu moderner Kunst (1916), den Jugendstil als Panoptikum einer ersten Verbindung zwischen hoher und angewandter Kunst offenlegen zu wollen: »Betrachten wir die führende Architektur der Impressionistenzeit, eines Peter Behrens, Josef Olbrich oder Richard Riemerschmied […], so finden wir, daß sie sich alle einst im ›Jugendstil‹ mehr oder minder glorreich betätigt haben. Der Stil aber, den wir in den Plakaten der am meisten charakteristischen Plakatzeichner bis beinahe heute finden und der dann Allgemeingut der Plakatisten wurde […] ist er nicht durchaus – der Jugendstil?«335 Auch der Jugendstil wirkte nach Meinung des erwähnten Behrens aktivierend in einer Zeit, in der »Naturalismus als Ersatzmittel für einen Stil« die Malerei geprägt habe.336 So ist es für den Autor »ganz logisch«, dass die Einsicht gelten musste: »je naturalistischer die Malerei einer Zeit, umso ärmer ihre Baukunst, umso sprunghafter ihr Kunstgewerbe«.337 Im Sinne Behnes war es der künstlerische Zeitgeist, aus dem das Plakat lebte, und mit Rekurs auf die »Schrift« verwies er zugleich auf das Problem einer
330 Der Begriff der »Augenmusik« geht dabei auf Hermann Bahr zurück, vgl. Heumer 2003, S. 17. 331 »Die Kunst soll vor allem und zuerst das Leben verschönern – und es dem allgemeinen Urteil überlassen, ob dieses Wort auch für die Plakatkunst, die uns von aller Art angewandter Kunst am häufigsten und am aggressivsten entgegentritt, Geltung haben soll, und weiterhin: ob die sogenannte ›Augenmusik‹ des Kubismus dazu berufen sein kann, uns das Leben zu verschönern und unsren Tag mit ästhetischem Wohlbehagen zu erfüllen.«, vgl. Wolf 1916, S. 265. 332 Vgl. Ibid. 333 Behne 1920a, S. 32. 334 »Interessant ist nur, über welche Brücke die beiden Elemente, die sich unmittelbar so wenig berühren, schließlich doch miteinander verbunden sind.«, vgl. ibid., S. 32-33. 335 Ibid., S. 34. 336 Zum Problem der Verwendung des Naturalismus in einem polarisierten Feld vgl. Felfe/Saß 2019, S. X. 337 Ibid.
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Gleichsetzung von Inhalt und Sujet.338 Die theoretische Folgerung, dass gegenstandslose Kunst »eher eine Aufgabe des Kunstgewerbes als der Malerei« sein musste, war in diesem Zusammenhang ausschlaggebend.339 Dagobert Frey sollte einige Jahre später in anderem Zusammenhang eine solche Parallelstellung der Betrachtungsweisen problematisieren.340 Auch die Kontroverse um expressonistische Kunst benutzte Behne für seine Argumentation: Mit der unter diesen Sammelbegriff gefassten Kunst sah Behne etwa »die Wand, die so lange zwischen Malerei und Plakatkunst gestanden hatte«, als gefallen.341 Die Ergebnisse des Kokettierens einzelner »Zeichner« mit »expressionistischen Farbund Linienwirkungen« sollten nicht mehr als »pseudonaturalistische« Plakate ohne inhaltsbestimmte Form zu fassen sein.342 Im Konzert der Avantgarden wollte er erst im »kubistischen« Plakat einen positiven Schritt erkennen. Nämlich den, dass »zum ersten Male der Zwang des modernen Plakats, irgendwie ein Bild zu geben, durchbrochen« worden war.343 Aus der Schrift, der Botschaft an das Publikum, heraus entwickelte diese Anschauung ein »Linienspiel, das die weite Fläche füllt« und selbst wiederum durch die »Gegebenheiten der Schrift« bedingt war.344 Für Behne lag hier auch die zukünftige Entwicklung begründet, in der »das wirklich künstlerische Plakat das reine Schriftplakat sein« würde.345 Damit sollte die inhaltsleere Form endgültig verbannt sein.346 Die Loslösung vom Bild im Plakat und der Malerei insgesamt war für Behne die Grundvoraussetzung für ein erneutes Hervortreten der »reinsten Form«. Für diese »reinste Form« steht in Behnes Abhandlung Dada. Zur Erlangung derselben braucht das »Schriftplakat durchaus nicht langweilig zu sein«, vielmehr sollte die Verabschiedung von der »ernsten Form« etwas Wesentliches voraussetzen: »Wir müssen uns nur den preußischen Drill auch in diesen Dingen abgewöhnen, – und diese furchtbare Ernsthaftigkeit überall! Das Lustige ist heute nur noch erlaubt, wenn es in ernster Form auftritt. Seien wir doch einfach lustig!«347
338 »Die fast ausschließliche Herrschaft des Bildplakates durch einige Jahrzehnte hat vielleicht die Erkenntnis getrübt, daß das Plakat von der Schrift kam und – daß es zur Schrift geht.«, vgl. Behne 1920a, S. 35. Zum Dualismus Form und Gestalt in Behnes Kunsttheorie vgl. Bushart 2000, S. 200-201. 339 Vgl. ibid. 340 Wie die Architektur malerisch gesehen werden konnte, konnte die Gebrauchsgraphik architektonisch gesehen werden; damit wurden Definitionen der verschiedenen Theoriefelder transferiert: »Wie wir wissenschaftlich an ein und dasselbe Objekt verschiedene Fragen stellen können, die den verschiedenen Wissenschaften zugeordnet sind, so können wir auch ein und dasselbe Objekt künstlerisch verschieden betrachten, wir können es z.B. malerisch, plastisch oder architektonisch sehen.«, vgl. Frey 1925, S. 64. Zu diesem Phänomen im Zusammenhang mit Bildender Kunst und Musik nach 1960 s. im 3. Teil. 341 Behne 1920a, S. 36-37. 342 Vgl. ibid. 343 Ibid., S. 37. 344 Ibid. 345 Id. 346 Der Inhalt wird hier eindeutig selbst zu Form und transportiert diesen Inhalt nicht mehr nur: »Das echte Ornament ist etwas! Kann man das von irgendwelchen der modernen Schnörkel auch sagen? Tatsächlich ist die Schrift heute das Einzige, was etwas Wesentliches ist hinter seiner Form!«, vgl. ibid. 347 Ibid.
Kunstwerk oder Werk der bildenden Künste? Theoretische Revisionen im dadaistischen Kontext
Sechs Monate vor Eröffnung der Ersten Internationalen Dada-Messe in Berlin erklärte Behne, dass »die geleckte Korrektheit der modernen Salonbibiliophilie völlig Unkunst ist, weil sie träge und gottergeben ist. In den lustigen Spielereien der Dadaisten ist viel eher die Wurzel zum Künstlerischen«.348 Diese »Spielerei« der Dadaisten war die Antwort auf die »Orgie der Bilderwut, die vom Kino verschlungen« worden war, und sollte damit erst als Reaktion auf die fortschreitende Technik möglich geworden sein. Um das Künstlerische in einer Zeit neu zu definieren, in der die Technik das Bild ganz für sich beansprucht hatte, waren Formexperimente mit solchen technischen Verfahren zunächst nur als »Spielerei« zu fassen: »Kann man denn nicht mit den unerschöpflichen Möglichkeiten des Druckverfahrens spielen? – ›Wie? Spielen?‹ – Ja, allerdings spielen! Das heißt, den Gang der Maschine beherrschen, statt sich von der dummen Bestie beherrschen zu lassen!«349 Während der Herausgeber der Zeitschrift Das Plakat an dieser Stelle in einer Fußnote bemerkte, »der Ansicht des Verfassers nicht beizupflichten«, ging Adolf Behne soweit, zu bemerken, dass er selbst eine Besuchskarte »niemals anders als ›dadaistisch‹ drucken lassen« würde.350 Die Gestaltung, als Spiel mit den Formen, wurde bei Behne zum eigentlichen Inhalt und das bedruckte Papier »durch dieses Spielen mit dem Material erst schön«.351 Mit dem Begriff des Schönen verweist Behne bewusst auf eine idealistische Tradition, die durch die psychologische Begründung der neueren Ästhetik auch für das alltägliche Empfinden offen scheinen musste; Das Schöne ist hier nicht das vom Göttlichen kündende Genie.352 Dabei war der Mangel einer positivistischen Setzung eines Kunstverständnisses zugleich Voraussetzung der Offenheit gegenüber dadaistischen Praktiken.353 Nur so konnte das »dadaistische Erzeugnis« eine »unheimlich lebendige, wesenhafte Wirkung« entfalten.354 Das Künstlerische verlangt nicht nur einen neuen Umgang mit dem Material, sondern auch ein undogmatisches Verständnis künstlerischer Tätigkeit: »Ich sage ausdrücklich, die Dadaisten haben wieder das Gefühl. Denn zu der Zeit, als die Drucker noch gute handwerkliche Überlieferung besaßen und es nicht nötig hatten, sich von Künstlern bevormunden zu lassen, da findet man nicht selten Beispiele einer fast dadaistischen Drucktechnik, über die wir uns vielleicht eher verständigen können, als über die Erzeugnisse ausgerechnet der respektlosen Dadaisten.«355 348 Ibid. 349 Vgl. ibid., S. 37. 350 »Überall lassen wir uns heute zum Sklaven herabwürdigen. Wenn dagegen als rühmliche Ausnahme die Dadaisten ihre Ankündigungen in buntem Wechsel der Zeichen drucken, Akzidenzstücke dazwischen, in wechselnder Größe und Höhe, schräg, quer und köpflings, dann ist das wohl lustig, aber keineswegs albern!«, vgl. ibid. 351 Ibid. 352 Zum Schönen als künstlerische Botschaft, vgl. Locher 2010, S. 300. 353 Die kunstschriftstellerische Nähe solcher Kritik über zeitgenössische Kunst war Grundlage der Popularisierung vgl. Gastell 2020, S. 164. 354 Behne 1920a, S. 36-37. 355 Behne 1920a, S. 38.
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Dadaistisches Gestaltungsspiel entwickelte sich damit nach Meinung des Kritikers aus den Möglichkeiten, welche die künstlerisch neu erschlossenen Materialien boten und näherte sich auf eine gewisse Art den »Luftsprüngen des Jugendstils« an. Als Kunstgewerbe war es die dadaistische Grafik, die an die Stelle der Architektur trat und die anderen Künste, meist durch evozierte Ablehnung, »anregte und bestimmte«, darstellungswürdige Stoffe durch neue Formationsexperimente und nicht ernste Form mitzuteilen.356 Dies setzte für die hohe Kunst einen nur aus dem Bereich der angewandten Kunst zu schöpfenden Bruch mit einer idealisierten Spezifik künstlerischer Produktivität voraus. Dadaistische Gebrauchsgrafik war auch Gegenstand einer weiteren kunstkritischen Auseinandersetzung von Adolf Behne für Das Plakat. In seinem Beitrag Kitschkunst oder Kunstkitsch? war lebendige Kunst das Nicht-Konventionelle, für das er das Merkmal »dadaitisch« in seiner Kritik beispielhaft heranzog: »Allerdings nur das Baumeistersche würde ich als ›dadaistisch‹ bezeichnen […] jenes von Sturm-Skala ist krampfhaft auf eine moderne Form gebracht, dabei im Grunde konventionell – Baumeister ist von einer starken Lebendigkeit – ein prachtvoll heller weckender Fanfarenstoß, also ein hervorragendes ›Plakat‹.«357 Wichtig ist hier Behnes Bezugnahme auf die begrifflichen Verwirrungen der Zeit, wobei mit einem Beitrag im Augustheft 1920 zu den »verschiedenen Kunstwirkungen« im Kontext des Verunstaltungsrechts das im Begriff des Künstlerischen angelegte Problem der dualen Historizität ebenfalls in Das Plakat problematisiert wurde.358 Der Kunstbegriff sollte nicht mehr aus der normativen Ästhetik, sondern der zeitgenössischen Angemessenheit schöpfen.359 Gleichwohl waren für Behne die stetig neu aufgeworfenen Begriffe auch ursächlich für einen fehlenden Konsens über das Eigentlich-Künstlerische, das durch die Musealisierung der Kunst in den Hintergrund gedrängt worden war.360
356 Ibid. 357 Behne 1920b, S. 306. 358 »Die Natur der Reklame drängt zum Auffallenden. Sie will die Aufmerksamkeit auf sich ziehen, selbst wenn dadurch wertvolle künstlerische Kräfte anderer Art geschwächt oder vernichtet werden. Es liegt, falls die Reklame sich künstlerischer Mittel bedient, zum mindesten ein Wettbewerb zwischen verschiedenen Kunstwirkungen vor, der bei vollem äußeren Erfolg die Vorherrschaft einer Kunstäußerung erstrebt.«, vgl. Mielke 1920, S. 391. Im gleichen Heft erscheinen zu diesem Themenkomplex zwei weitere Artikel. Die doppelte »Historizität künstlerischen Schaffens«, wie sie Hubertus Kohle und Stefan Germer identifizieren, wird hier als Maßstabsfrage relevant, Germer/Kohle 1991, insb. S. 309. 359 »Aber der typische Zeitgenosse ist der rechthaberische Debatte-Mensch… [sic!] und sein Ideal, in eine Reihe höchst überflüssiger Begriffe eine höchst überflüssige Ordnung zu bringen, um die sich das Leben doch nicht kümmert.«, vgl. ibid. 360 »Solange wir noch über Kunst streiten, haben wir bestimmt keine. Kitsch kennt man erst, seitdem die Museen erfunden sind, d.h. erst seit die Gebildeten einen Maßstab für Kunst erhielten. (An diesem Maßsatb leiden wir noch heute.)«, vgl. ibid., S. 310. Zur Begriffsherkunft und dem wertenden Charakter des Begriffs Kitsch vgl. Oldemeyer 2008, S. 89. Gerhard Grohs formulierte 1970 über Probleme einer Soziologie der Bildenden Künste: »Der Soziologe muß sich angesichts dieses Tatbestandes natürlich fragen, wie diese stiefmütterliche Behandlung der Soziologie der bildenden Künste zu erklären ist. Einerseits mag das an der Schwierigkeit, den Begriff ›Kunst‹ soziologisch zu definieren liegen, zumal der kunsthistorische Be-
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Die Zweckfrage in Das Plakat Ernst Collin, Kunstkritiker aus Berlin, beschäftigte sich mit der Zweckfrage in Bezug auf die Reklame als angewandte Kunst.361 Im Kern ging es um die Bedeutung außerästhetischer Faktoren für die ästhetische Betrachtungsweise. Für die Beantwortung der Frage, ob die Anwendung künstlerischer Mittel in der Reklame überhaupt zweckdienlich sein konnte, stellte Collin darauf ab, dass »ohne das Vorhandensein künstlerischer Reklame dem Laien eines der wichtigsten Erziehungsmittel zur Kunst geraubt« sei.362 Hier distanziert sich Collin von einer schon 1908 von Paul Westheim in der Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft geäußerten Position. Mit Blick auf die »wenigen Autoren, die sich bisher mit dem Plakat beschäftigt haben«, hatte Westheim die bei Collin vertretene Ansicht von Plakatkunst als »Salon der Straße« in Frage gestellt.363 Mangels Kunstwerts im Sinne eines ästhetischen Selbstzwecks sollte das Plakat nicht unter einen allgemeinen Kunstbegriff gefasst werden; gefordert wurde die Einsicht, dass »das Plakat für sich etwas ist«.364 Was hier erkennbar wird, ist der deutliche Zusammenhang zwischen diesen Argumenten und den Forderungen der Interessenvertreter des grafischen Kunstgewerbes in der Reformdiskussion um das neue Kunstschutzgesetz. Hier wurde »die Verfolgung künstlerischer Zwecke« als gesetzliches Kriterium mit der Begründung abgelehnt, es handele sich um ein »zweischneidiges Schwert, dem Richter hierüber ohne jeden Anhalt die Entscheidung in die Hand zu geben«.365 Ernst Collin sah den Gebrauchszweck, in juristischen Zusammenhängen ein ästhetisch vermitteltes Abgrenzungsmerkmal, als Grundbedingung für eine enge Beziehung von Kunst und Leben. Verständnis für das Wesen künstlerischer Arbeit konnte »in breiten Schichten des Volkes« nur die Reklamekunst vermitteln, so seine Überzeugung, denn »wie viele betrachten Zeit ihres Lebens keine andere ›Kunstausstellung‹ als die Anschlagsäule?«.366 Nur durch den Druck der Reklameentwürfe als Plakat konnte der auch in der juristischen Diskussion geforderte »eigentlich künstlerische Zweck der Anschauung« verwirklicht werden.367 Dabei war sich Collin bewusst, dass diese kunstbildende Aufgabe keine stichhaltige Rechtfertigung des künstlerischen Werbewesens bedeuten konnte. Fast gleichlautend mit Paul Westheims Argumentation bemerkt er, dass die Aufträge gebenden Kaufleute oder beratenden Werbefachleute den Zweck der
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griff nur ›hohe Kunst‹ meint, und auf den weiten Bereich der Laienkunst, des Kitsches, der in Kaufhäusern feilgebotenen Gebirgslandschaften aber kaum eingeht.«, vgl. Grohs 1970, S. 155. Der Ästhetiker Joahnnes Volkelt normierte auch diese außerästhetischen Faktoren als ein »[…] immanentes und fruchtbringendes Bestandstück des ästhetischen Schaffensaktes oder – gegenständlich ausgedrückt – zu einem dem Stimmungsgehalt des Form- und Farbengebildes eingeschmolzenen Bestandstück.«, vgl. Volkelt 1925, S. 406. Collin 1919, S. 290. Zu Ernst Collin als Autor der Zeitschrift vgl. Meer 2015, S. 130. Westheim 1908, S. 119. Dazu auch: Meyer 2015, S. 110-111. Damit bestätigte Westheim die Flexibilität der kunstbegriffsbildenden Theorien in der Anwendung auf beliebige Gegenstände: »Der Kritiker, der sich aus irgend einem Anlaß mit dem Plakat beschäftigt hat, fällt demgemäß sein Urteil nach dem Maßstab, den er an Gemälde, Radierungen, Miniaturen, Bücherzeichen, Festkarten und anderen kunstgewerblichen Arbeiten anlegt«, vgl. Westheim 1908, S. 119-120. Diefenbach 1906, S. 87. Ibid. Ibid. Zu den erwähnten rechtshistorischen Implikationen s.u.
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Reklame nicht in der Kunstbetätigung sahen, sondern in der absatzsteigernden Wirkung.368 Diese »alte Ungerechtigkeit« wurde durch den Wortlaut des Kunstschutzgesetzes allerdings beseitigt.369 Doch damit war die Zweckfrage in diesem Beitrag nicht abschließend behandelt. Denn die Anwendung bildkünstlerischer Gestaltungen für die Reklame war eine Anwendung der Kunst in alltäglichen Bereichen. So jedenfalls wollte Collin die Aufforderungen Weidenmüllers im Jahrbuch des Deutschen Werkbundes 1913 ebenso verstanden wissen wie den »Bahnbrecher des modernen Kunstgewerbes« William Morris, dessen programmatischen Grundsatz er an den Beginn seines Beitrages stellt: »Der Zweck, Kunst bei den nützlichen Dingen anzuwenden ist zweifach, erstens, die Werke der Menschen zu verschönern, die sonst häßlich sein würden, und zweitens, der Arbeit selbst Freude hinzuzufügen, weil sie sonst qualvoll und verächtlich wäre.«370 Das Aufkommen der angewandten Kunst bedeutete nach Meinung des Kritiker eines, nämlich dass die Bedürfnisfrage im Sinne eines Zwecklosigkeitsparadigmas für die bildende Kunst insgesamt nicht mehr einem allgemein gültigen Kunstbegriff entsprechen konnte: »Ebenso wie heute der Grundsatz des ›l’art pour l’art‹, der Zwecklosigkeit der ›reinen‹ Kunst umstritten ist, geht es auch nicht an, die Betätigung auf dem Felde der angewandten Kunst nur von der Bedürfnisfrage aus zu verstehen. […] Darin liegt die Kraft einer kulturellen Bewegung.«371 Die Relevanz für den Betrachter war hier entscheidend. So konnte Kunst ein »machtvoll dahinbrausender Strom« sein, der Vieles bewegt und verändert. Gefahr lauerte aber immer, und hier nimmt Collin Bezug auf einen institutionell gesicherten Rezeptionsmodus, durch die »Beckmesser am Ufer des Stroms, die nicht gelten lassen, was nicht in den engen Kreis ihrer wissenschaftlichen Lehre hineinpaßt«.372
Eine Ästhetik der angewandten Kunst: das Plakat als Werk der bildenden Künste Das »Recht, der Kunst gerecht zu werden« konnte nur durch eine eigene »Philosophie des Plakates« begründet werden.373 Mit diesem Postulat von Karlernst Knatz wird erkennbar, wie prägend das Erfassen des Plakats als Gegenstand der Ästhetik und damit seine Eingliederung in den Kunstbegriff der Zeit für die Arbeit des Vereins der Plakatfreunde war. Nur »ein Gemälde, das der Worte braucht«, würde eben »kein Gemälde, oder wenigstens ein schlechtes« sein.374 Im Plakat sollte jeder Buchstabe als eine eigene
368 »Ihre doktrinäre Einseitigkeit wird sie dazu verleiten, jede Reklame als gut zu bezeichnen, die Erfolg im geschäftlichen Sinne hat, gleichgültig, ob sie künstlerisches Aussehen besitzt oder nicht.«, vgl. Collin 1919, S. 291. 369 Vgl. Diefenbach 1906, S. 87. 370 Vgl. Collin 1919, S. 290. Collin zitierte dabei Weidenmüller in seinem Beitrag für das WerkbundJahrbuch 1913: »Die Vorkämpfer für die Durchgeistigung der deutschen Arbeit begannen dann auch bald den Angriff gegen die Geschmacklosigkeit der alten Reklame.«, vgl. ibid., S. 292. 371 Ibid., S. 295. 372 Ibid. 373 Knatz 1919, S. 284. 374 Ibid.
Kunstwerk oder Werk der bildenden Künste? Theoretische Revisionen im dadaistischen Kontext
ornamentale Fläche auszumachen sein.375 Was das Plakat erweiterte, war »das Gebiet der darstellenden Kunst«, und zwar durch spezifische »künstlerische Eigentümlichkeiten«.376 Diese »Eigentümlichkeit« als Wirkungskategorie definierte Knatz darin, dass nur die Plakatkunst zu »einseitigen Verstärkungen und Ueberhöhungen [ermächtigt war], die im Gemälde und im geprägten Worte für sich (z.B. in der Dichtung) unkünstlerisch sein würde«.377 Hier sollte das entscheidende kreative Potenzial liegen: »Da das Plakat überraschen will und soll – während Malerei, die überhaupt will, zumindest verdächtig ist –, so ist ihm jede Keckheit, Krassheit, Gewaltsamkeit, jede Verblüffung und Stachelung des Beschauers, jeder darstellerische Hieb und Stoß und jede heftige Zündung in Linie und Farbe gestattet, für die das Gemälde erst aus seinem Inhalt oder aus der eigentümlichen Artung seines Schöpfers die Berechtigung nachweisen muß.«378 Modifiziert wurde hier der Kunstbegriff des l’art pour l’art, wie ihn Theodor A. Meyer im Zusammenhang mit der fehlenden ästhetischen Bedeutung der »Künstlerpersönlichkeit« in der Kunsttheorie um 1900 konstatierte.379 Ausdruck der »schöpferischen Originalität« war die Neuheit der Idee;380 ein klarer Bruch mit dem autonomieästhetischen Ideal.381 Bildende Kunst und konzeptuelle Inhalte waren in dieser Argumentation kein Widerspruch mehr.382 Der ästhetische Gehalt des Plakats wird damit genau in der Erfüllung der zweckmäßigen Wirkung erkannt: Künstlerisch war die eigentümliche Wirkung, wie auch im Falle der Karikatur. Damit erklärt sich auch, wie künstlerische Gestaltung im Plakat derart eng mit dem Inhalt verbunden sein sollte, dass stets neue Formgebung notwendig wurde.383
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Zur ästhetischen Debatte um Künstlerische Schriftformen äußerte sich auch Paul Westheim in der Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft 1908, vgl. Westheim 1908, S. 562-586. An genau dieser Debatte orientierte sich das für die Geschichte des Urheberrechts einschneidende Urteil des Reichsgerichts von 1911. Mit Abbildung und historischer Einordnung: Ohly 2018, S. 128170. Schon hier tritt der Begriff des Ornaments als gemeinsamer Formbegriff von angewandter und hoher Kunst auf. Inwieweit der Diskurs der Fachzeitschrift hier auf eine juristische Fragestellung antwortet, wird noch darzulegen sein. Ibid., S. 287. Ibid. S.o. Gestaltung auf Grundlage eines spezifischen Inhalts, wie einer Reklamebotschaft, musste dem »Formerfinder« gelingen (vgl. Lux 1908, S. 43). Zur Problematik der Bestimmung autonomieästhetischer Positionen im Spannungsfeld einer Ästhetik von oben und einer Ästhetik von unten, vgl. Welsh 2006, S. 114-115. Angesichts der anderen Rolle der Künstler/Formgestalter im Bereich der Plakatkunst, diente für die ästhetische Erfassung der angewandten Kunst in der Kritik die l’art pour l’art-Malerei als Ausgangspunkt, in der sogar das »inhaltlich Nichtssagende ein Gegensand der Darstellung« werden konnte, vgl. Meyer 1908, S. 64. »Kühnste Stilisierung, aus dem unendlichen Himmel der Einbildungskraft glücklichst geraffte Einfälle, straffeste Knetung des Einfalles in sinnliche Form und Farbe – dies sind die Geschenke, die die Natur dem Künstler des Plakats verliehen haben muß.«, vgl. Knatz 1919, S. 288.
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Das Plakat als Kunstwerk Plakate hatten für Karl Heinz Clasen einen über den bloßen Gebrauch hinausgehenden Zweck: Sie sollten »gleich dem Kunstwerk eigentlich nur eine Durchgangsstelle [sein], ein Tor zu Welten, die hinter beiden liegen und die durch ihre Beschaffenheit einen wichtigen Unterschied zwischen den beiden Gestaltungsarten bewirken«.384 Wie bei Knatz musste gelten: Als künstlerischer Zweck wurde die Gestaltung von Lebensinhalten gesehen.385 Je nachdem, welche Lebensinhalte gestaltet werden sollten, musste »echte Kunst« von Gebrauchskunst differenziert werden. Die Malerei als Ausdrucksart, die keine Aufteilung in Einzelgebiete kennen sollte, war dem in späteren Jahren umstrittenen Kritiker Beweis dafür, dass die »Absonderung einzelner Lebensgebiete und Gestaltung für bestimmte Volkskreise der echten Kunst vollständig fremd« seien.386 Selbst mit Verweis auf die religiöse Kunst musste Clasen feststellen, dass »ihr ein praktischer Gebrauchszweck nur ganz lose anhaftet. Beweis dafür, daß er jetzt so gut wie gänzlich geleugnet wird.«387 Clasens Beitrag ist mithin nicht nur Beleg für die inhaltliche Reichweite der Beiträge, die Hans Sachs in seiner Zeitschrift veröffentlichte. Vielmehr steht Clasens Beitrag für den normativen Anspruch eines tradierten Kunstwerkbegriffs.
Zusammenfassung Die Einwirkung rechtswissenschaftlicher Positionen auf die progressive Kunstöffentlichkeit in Das Plakat wird in Hans Meyers Beitrag Plakat und Plagiat aus dem Jahr 1915 besonders deutlich. Demnach kann im Folgenden nur eine Gegenüberstellung der Quellen Aufschluss darüber geben, ob auch auch andere Festlegungen oder Definitionsansätze begrifflich aus der Rechtsöffentlichkeit Wirkung auf den Rezeptionsrahmen der Kunstkritik genommen haben. Legitimation seiner Gleichsetzung von bildender Kunst und Kunstgewerbe war einer rechtshistorischen Entwicklung geschuldet, die noch an anderer Stelle zu untersuchen sein wird. Zugleich wurden ästhetische Systeme, wie jenes von Karlernst Knatz, als Grundvoraussetzung identifiziert, um neue Kunstgattungen in das traditionelle Systemdenken zu integrieren. In Das Plakat waren aber auch solche Beiträge vertreten, die ohne normatives Gerüst einer eigenen Kunsttheorie die tradierten ästhetischen Begrifflichkeiten an der neuen Kunstpraxis auszurichten bestrebt waren. Dabei stechen Adolf Behnes Beiträge nicht nur aufgrund einer deutlich literarischen Prägung hervor, war Behne auch in Der Cicerone vertreten. Vielmehr legen seine Beiträge in Das Plakat und damit im Kontext der angewandten Kunst das Bedürfnis nach subjektiver Unmittelbarkeit und entsprechenden Maßstäben offen, die angesichts der sich wandelnden Kunstdefinition insgesamt erforderlich waren. Die heteronome Auseinandersetzung mit der angewandten Kunst in Das Plakat ging gleichwohl nicht von einem einheitlichen Kunstbegriff aus, wurde die Differenzierung
384 Vgl. Clasen 1921, S. 639. 385 »In dieser engen Verbindung der Gestaltung eines praktischen Zweckes mit der Gestaltung von Lebensinhalten, dem eigentlichen Künstlerischen Zweck, liegt der Wesenskern […]«, vgl. ibid., S. 640. 386 Zur Person Karl Heinz Clasens: Müller 1971. 387 Vgl. Clasen 1921, S. 642.
Kunstwerk oder Werk der bildenden Künste? Theoretische Revisionen im dadaistischen Kontext
in hohe und angewandte Kunst an der künstlerischen Tätigkeit vorgenommen.388 Der Annahme einer Erweiterung des Kunstbegriffs steht dies nicht entgegen. Nimmt Das Plakat in der Gegenüberstellung mit den anderen Quellen der kunstkritischen Kommentarliteratur im dadaistischen Kontext eine besondere Stellung ein, bleibt die Frage nach möglichen Legitimationsquellen: Wurden in den zu Anfang ausgewerteten Kunstzeitschriften die Verschränkungen von Kunstkritik, Ästhetik und Kunstgeschichte deutlich, so tritt in Das Plakat das rechtswissenschaftliche Argument hervor. Hier wurde das Wie in der Rechtfertigung eines Plakats als Werk der bildenden Künste relevant, sodass die Kunstöffentlichkeit diesem kunsttheoretischen Bedürfnis durch die Philosophie des Plakates Rechnung trug.
V.
Die Kunstbegriffsbildung der Rechtsöffentlichkeit im dadaistischen Kontext
»Die Anerkennung eines literarisch-artistischen Eigenthums«, leitet der Badische Amtsjurist Christoph Eisenlohr bereits seinen 1855 erschienenen Kommentar ein, »ist eine neue Thatsache der Geschichte des Rechts«.389 Kulturelle Umbrüche und Funktionsveränderungen mussten nach 1900 auf diese Entwicklungsgeschichte zurückblicken. In der dogmatischen Auseinandersetzung mit der Verortung dieses neuen Eigentumsrechts optierte Eisenlohr für die Einordnung desselben als ein »auf die Urheberschaft gegründetes Privatrecht«.390 Die Voraussetzung rechtlichen Schutzes wurde deutlich benannt. Wie das dingliche Eigentum die totale rechtliche Herrschaft über einen körperlichen Gegenstand sei, so sollte das »literarisch-artistische Eigenthum die totale rechtliche Herrschaft über ein intellectuelles Object« sein.391 Beide Eigentumsrechte würden sich über eine Sache erstrecken, »die eine über formierte Materie, die andere über eine formierte Idee«.392 Bereits hier zeigt sich in der Rechtsöffentlichkeit die Relevanz des Begriffssystems der philosophischen Ästhetik, wie sie auch in der Kunstöffentlichkeit zur Anwendung gebracht wurde. Der Jurist wählte für die »geformte Idee« als urheberrechtlich geschütztes Geisteswerk den Begriff der »Composition«.393 Hier war zugleich das Problem des Maßstabs addressiert. Das als Komposition bezeichnete Geisteswerk sollte dabei unabhängig von dem Verhältnis sein, das Form und Inhalt zueinander einnehmen konnten. Die Problematik des normativen Anspruchs eines Kunstwerkbegriffs war dabei Ausgangspunkt seiner Überlegungen.394 Diese gleichen einem Appell an einen mit Ernsthaftigkeit geführten 388 389 390 391 392 393
Zum Aspekt der Heteronomie der Kunstkritik gegenüber der Kunst vgl. Zimmermann 1999, S. 428. Vgl. Eisenlohr, S. 37. Ibid. Vgl. ibid., S. 44. Ibid. »Also unabhängig und verschieden von dem Eigenthum an einem Manuscript, an den gedruckten Exemplare einer Schrift, einem Gemälde, einer Statue besteht das Eigenthum an der Composition, die als Aufsatz, Bild, Statue einer selbständige, von andern verschiedene Form trägt.«, vgl. ibid., S. 44. 394 »Die Kunst verwirklicht das Schöne, das einzelne Kunstwerk stellt es in individueller Gestalt dar. Seine Beurtheilung geschieht nach Vernunftgesetzen. Wenn es sich also fragt, ob ein gegebenes Werk Object des
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Kunstwerk oder Werk der bildenden Künste? Theoretische Revisionen im dadaistischen Kontext
in hohe und angewandte Kunst an der künstlerischen Tätigkeit vorgenommen.388 Der Annahme einer Erweiterung des Kunstbegriffs steht dies nicht entgegen. Nimmt Das Plakat in der Gegenüberstellung mit den anderen Quellen der kunstkritischen Kommentarliteratur im dadaistischen Kontext eine besondere Stellung ein, bleibt die Frage nach möglichen Legitimationsquellen: Wurden in den zu Anfang ausgewerteten Kunstzeitschriften die Verschränkungen von Kunstkritik, Ästhetik und Kunstgeschichte deutlich, so tritt in Das Plakat das rechtswissenschaftliche Argument hervor. Hier wurde das Wie in der Rechtfertigung eines Plakats als Werk der bildenden Künste relevant, sodass die Kunstöffentlichkeit diesem kunsttheoretischen Bedürfnis durch die Philosophie des Plakates Rechnung trug.
V.
Die Kunstbegriffsbildung der Rechtsöffentlichkeit im dadaistischen Kontext
»Die Anerkennung eines literarisch-artistischen Eigenthums«, leitet der Badische Amtsjurist Christoph Eisenlohr bereits seinen 1855 erschienenen Kommentar ein, »ist eine neue Thatsache der Geschichte des Rechts«.389 Kulturelle Umbrüche und Funktionsveränderungen mussten nach 1900 auf diese Entwicklungsgeschichte zurückblicken. In der dogmatischen Auseinandersetzung mit der Verortung dieses neuen Eigentumsrechts optierte Eisenlohr für die Einordnung desselben als ein »auf die Urheberschaft gegründetes Privatrecht«.390 Die Voraussetzung rechtlichen Schutzes wurde deutlich benannt. Wie das dingliche Eigentum die totale rechtliche Herrschaft über einen körperlichen Gegenstand sei, so sollte das »literarisch-artistische Eigenthum die totale rechtliche Herrschaft über ein intellectuelles Object« sein.391 Beide Eigentumsrechte würden sich über eine Sache erstrecken, »die eine über formierte Materie, die andere über eine formierte Idee«.392 Bereits hier zeigt sich in der Rechtsöffentlichkeit die Relevanz des Begriffssystems der philosophischen Ästhetik, wie sie auch in der Kunstöffentlichkeit zur Anwendung gebracht wurde. Der Jurist wählte für die »geformte Idee« als urheberrechtlich geschütztes Geisteswerk den Begriff der »Composition«.393 Hier war zugleich das Problem des Maßstabs addressiert. Das als Komposition bezeichnete Geisteswerk sollte dabei unabhängig von dem Verhältnis sein, das Form und Inhalt zueinander einnehmen konnten. Die Problematik des normativen Anspruchs eines Kunstwerkbegriffs war dabei Ausgangspunkt seiner Überlegungen.394 Diese gleichen einem Appell an einen mit Ernsthaftigkeit geführten 388 389 390 391 392 393
Zum Aspekt der Heteronomie der Kunstkritik gegenüber der Kunst vgl. Zimmermann 1999, S. 428. Vgl. Eisenlohr, S. 37. Ibid. Vgl. ibid., S. 44. Ibid. »Also unabhängig und verschieden von dem Eigenthum an einem Manuscript, an den gedruckten Exemplare einer Schrift, einem Gemälde, einer Statue besteht das Eigenthum an der Composition, die als Aufsatz, Bild, Statue einer selbständige, von andern verschiedene Form trägt.«, vgl. ibid., S. 44. 394 »Die Kunst verwirklicht das Schöne, das einzelne Kunstwerk stellt es in individueller Gestalt dar. Seine Beurtheilung geschieht nach Vernunftgesetzen. Wenn es sich also fragt, ob ein gegebenes Werk Object des
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Diskurs über die Tatsache, dass Rechtstext und Alltagsbegriff nicht übereinstimmen mussten.395 Um 1900 führte die Auseinandersetzung mit diesem Gedanken zu einer gewissen Begriffsverwirrung. Im Laufe der Abwägungen wurde argumentiert, dass, wenn der Gesetzgeber »mit Begriffen operiert, welche sich innerhalb des Rahmens der Gesetzgebung nicht entwickelt finden«, es nicht Aufgabe der Rechtswissenschaft sei, »sich ›in die Seele des Gesetzgebers zu versenken‹, und aus dieser heraus, die Definierung der fraglichen Begriffe zu unternehmen«.396 Für den Begriff der bildenden Künste musste dies bedeuten, dass dieser Begriff »entweder der Wissenschaft oder dem populären Gedankenkreis angehört« und der Gesetzgeber nicht nur auf diesen Begriff hingewiesen, sondern auch denjenigen Begriff sanktioniert haben musste, »welcher in der Sphäre, der [dieser] Begriff angehört, Geltung hat«.397 Die rechtsbegriffliche Verknüpfung der Begriffe Werke der bildenden Künste und Erzeugnisse des Kunstgewerbes musste in den Jahren nach 1907 folglich einen regen Diskurs auslösen, denn weder Sphäre noch Begriffsinhalte waren im außerrechtlichen Bereich eindeutig. Konnte auch das kunstgewerbliche Erzeugnis im Rechtssinne (Kunst-)Werk sein, bedeutete dies für den allgemeinen Sprachgebrauch einen Paradigmenwechsel von entscheidender Tragweite. Ganz entscheidend ist hier die Differenzierung zwischen zwei Begriffen, dem Kunstwerk und dem Werk der bildenden Künste in seinen Varianten.398 Letzterer erweist sich auf Grundlage der hier untersuchten Quellen und in Gegenüberstellung mit den Diskussionen der Kunstöffentlichkeit als ein juristischer Begriff, der von einem außerrechtlich geprägten Kunstwerkbegriff zu differenzieren ist. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts hatte der Rechtsbegriff Werk der bildenden Künste noch keinen hohen Abstraktionsgrad erreicht. In den Partikulargesetzen der Teilstaaten waren gleichwohl unterschiedliche Begriffe zur Anwendung gekommen.399 Der Preußische Gesetzgeber etwa hatte ein Listenprinzip zur Anwendung gebracht. Dort wurde das geistige Eigentum auf verschiedene und ausdrücklich benannte Gattungen beschränkt, sodass eine Subsumtion nicht erforderlich war, weil die Grenzen der Kunstgattungen allgemein anerkannt waren. Die inhaltliche Klärung des Rechtsbegriffs Werke der bildenden Künste war
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artistischen Eigenthums ist, so wird die Antwort bezeichnend ausfallen, wenn es die Prüfung des gebildeten Geschmacks besteht.«, vgl. ibid., S. 52. Er führte des Weiteren die aus dem Kunstdiskurs gegriffene Unterscheidung der Künste an: »Das Gebiet der künstlerischen Darstellung ist Zeit und Raum. Von den Erzeugnissen, welche Objecte des artistischen Eigenthums sind, sind Darstellungen in der Zeit: musikalische Compositionen, und Darstellungen im Raume: die Werke der bildenden Kunst.«. »Wie sich übrigens aus der Fassung der Gesetze ergibt, soll es so streng nicht genommen werden. Sie führen einzelne Künste auf und erklären die Producte dieser Künste sollen als Objecte des artistischen Eigenthums gelten. Ihr Gedanke dabei ist, daß die Werke der Kunst nicht gerade Kunstwerke zu sein brauchen.«, vgl. ibid. Schanze 1899, S. 32. Ibid. Ungeachtet der unterschiedlichen Wortlaute der Gesetze wurden ebenso die Begriffe Werk der Kunst oder Werk der bildenden Kunst verwandt. Die Beschreibung dieser Begriffsverwirrung war deutlich: »[…] in der Mehrzahl der Partikulargesetze entweder ausschließlich oder in Abwechslung mit anderen Ausdrücken (›artistischen Erzeugnisse‹, ›artistischen Werke‹, ›Kunstwerken‹) als geschützte Objekte aufgeführt werden«, vgl. Mandry 1867, S. 209.
Kunstwerk oder Werk der bildenden Künste? Theoretische Revisionen im dadaistischen Kontext
dennoch nicht unumstritten.400 Orientierungspunkt sollte beispielsweise eine Definition sein, nach der »jedes mit den Mitteln der Kunst hervorgebrachte Werk als Objekt des Urheberrechts« schutzfähig war.401 Ausgangspunkt dieser juristischen Theorie war die zeitgenössische Vorstellung bildkünstlerischer Tätigkeit, wodurch der Unterschied zwischen dem von anderen Rechtswissenschaftlern gesetzessystematisch begründete Rechtsbegriff des Werkes der bildenden Künste und dem außerrechtlich etablierten des Kunstwerkes verschwimmen konnte.402 Die Definition der Werke als etwas Gegenständliches schien das ästhetische Objekt auszuschließen.403 Der Begriff der »Werke der bildenden Kunst« war in damaligen Gesetzestexten noch um die speziellere Bezeichnung »Werke der zeichnenden oder plastischen Kunst« ergänzt.404 Diese Präzisierung war gleichwohl nur aus gesetzgeberischen Erwägungen zum Sinn und Zweck des Ausschlusses der »Werke der Baukunst« gewählt worden.405 Das »Wesen des Werkes der bildenden Kunst« sollte wohl vor dem Hintergrund einer Kunstauffassung, wie sie sich an der Landschaftsmalerei ausbildenden konnte, nicht dadurch berührt werden, dass es an der »geistigen, individuell schaffenden Thätigkeit des Künstlers« fehlte.406 Gerade in der Abgrenzung zum Begriff des Kunstwerks wurde argumentiert, dass für den Begriff des »Werkes der bildenden Kunst der innere – hier 400 »Wenn es sich nun fragt: was unter Werken der bildenden Kunst zu verstehen sei? So ist auch hier […] zwar die Subsumtion der wichtigsten und meisten unter den in Betracht kommenden Gegenständen zweifellos, die nähere Abgrenzung und genaue Fixierung des Begriffes aber nicht ohne Schwierigkeiten.«, vgl. ibid. 401 Vgl. ibid., S. 210. 402 »[…] die bildenden Künste definierte ›als diejenigen Thätigkeiten, welche ihren Inhalt durch Körperform, durch Linien oder Farben zur Anschauungen bringen‹.« Gleichwohl wies Mandry darauf hin, dass eben nur durch diese ästhetische Prämisse, Produkte der »sog. Kunstindustrie, sofern nur die gewöhnlich zur Produktion unzweifelhafter Kunstwerke dienenden Mittel angewendet werden, als Objekte des Urheberrechts erscheinen, ist nicht zu bezweifeln, und auch von Eisenlohr ausdrücklich anerkannt« werden konnten, vgl. ibid. 403 Aufgrund des Erfordernisses der »künstlerischen Thätigkeit« wurde die »Schutzlosigkeit der im Wege der Daguerreotypie, der Photographie, Galvonoplastik u.s.f. gewonnenen Produkte« begründet, vgl. ibid., S. 210. Von Interesse ist in diesem Kapitel die Einbeziehung von Sachverständigen in die Auslegung der benannten Rechtsbegriffe. Durch den Mangel an teleologischer Einweisung wurden die Theorien der Kunstwissenschaft gleichsam »zweckentfremdet«, so die Hypothese: »Daß es unthunlich ist, die Frage, ob in einem konkreten Falle ein Werk der Kunst vorliege, einfach auf das Urtheil der Sachverständigen zu verweisen, ohne diesen zu sagen, welchen Sinn das Gesetz mit dieser Bezeichnung verbinde, sollte nicht beanstandet werden. Die veröffentlichten Fälle, in welchen die Gerichte zu diesem Auskunftsmittel gegriffen haben, zeigen denn auch deutlich, wie mißlich solches ist.«, vgl. ibid., S. 211, Fn. 12. 404 Vgl. ibid. 405 »Ob die regelmäßige Bestimmung der Gebäude für materielle Zwecke oder die nothwendige Oeffentlichkeit derselben, die Unmöglichkeit einer mechanischen Vervielfältigung, oder die Bedeutungslosigkeit der Abbildungen und ihrer Vervielfältigung für den vom Baumeister zunächst beabsichtigten pekuniären Nutzen am richtigsten vom Standpunkte der gemeinrechtlichen Doktrin aus dem Ausschusse der Bauwerke zu Grunde gelegt wird, mag dahin gestellt bleiben.«, vgl. ibid. 406 Denn dem Landschaftsmaler spricht der Jurist eine solche Tätigkeit ab: »dessen Thätigkeit vielmehr der Hauptsache nach darin besteht, in Bezug auf bestimmte vorhandene Objekte eine Naturkraft in Bewegung zu setzten, und durch sie das flache oder körperlich gestaltete Abbild jener Objekte zu erhalten.«, vgl. ibid., S. 214. Angesprochen ist hier zugleich ein historischer »Nobilitierungsprozess« der bildenden Künste in den Wissenschaftsnetzwerken seit dem 16. Jahrhundert; zum Beispiel der Astrologie: Saß 2016, S. 43-44.
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der künstlerische – Werth des einzelnen Produktes« ganz unbeachtlich sein müsse.407 Mit dem Inkrafttreten des Kunstschutzgesetzes von 1907 wurde die Rechtsöffentlichkeit vor neue Herausforderungen gestellt: Das Erzeugnis des Kunstgewerbes war in den Begriff des Werkes der bildenden Künste aufgenommen worden. Hinfällig schien eine Argumentation, die den Bereich der Kunst an der Zweckfrage abzugrenzen wusste.408 Der Gesetzgeber hatte ein Spannungsfeld geschaffen, das den zeitgenössischen Problemhorizont ästhetischer und kunsttheoretischer Fragestellungen nicht nur abbilden sollte.409
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Rechtshistorischer Kontext
Der Wortlaut des § 2 des Gesetzes, betreffend das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste und der Photographie (Kunstschutzgesetz) von 1907 erfasste »Erzeugnisse des Kunstgewerbes« ausdrücklich als »Werke der bildenden Künste«. Bis zum Inkrafttreten des Gesetzes wurden sogenannte »kunstgewerbliche Muster und Modelle« allein durch das Gesetz, betreffend das Urheberrecht an Mustern und Modellen (Geschmacksmustergesetz) von 1876 geschützt. In der rechtswissenschaftlichen Literatur und Rechtsprechung folgte daraufhin eine Auseinandersetzung um das Verhältnis dieser beiden Regime.410 Der Diskurs erfasste speziell in den Jahren vor dem rechtshistorisch besonders relevanten Schulfraktururteil von 1911 im Wesentlichen zwei Argumentationslinien:411 Neben die Zwecklosigkeitsdoktrin trat die Bildwerkstheorie. Nach ersterer Theorie sollte Zwecklosigkeit im Sinne einer fehlenden Nutzbarkeit im Alltag das eigentliche Wesen eines Werkes der bildenden Künste bestimmen, womit zugleich auf die autonomieästhetische Position des interesselosen Wohlgefallens verwiesen war. Werke der angewandten Kunst schienen damit zunächst als Zweckschöpfungen. Für das Verhältnis der Regime zueinander bedeutete dies Exklusivität durch gegensätzliche Schutzgegenstände. Eine solch scharfe Abtrennung über das Zweckmoment war mit dem Normtext allerdings nicht
407 Vgl. Mandry 1867, S. 215. 408 »Prinzipiell läßt sich nun der angeführte allein maßgebende Gegensatz nicht anders bezeichnen, als bereits geschehen: nämlich daß jedes Produkt menschlicher Thätigkeit, das nicht die Befriedigung des Schönheitsgefühles im Beschauer, noch die Mittheilung von Gedanken an denselben bezweckt, sondern anderweiten Bedürfnissen des Menschen zu dienen bestimmt ist, in das Gebiet der Industrie, nicht der Kunst im ebenangeführten weiteren Sinne fällt.«, vgl. ibid., S. 219. 409 Dieses Vorgreifen und das von ästhetischen Normen losgelöste Argumentieren stieß schon früh auf Kritik. Der Jurist und Kunstkritiker Arthur W. Cohn forderte nicht nur, »daß die künstlerischen Arbeiter ihrer Arbeit entsprechend geschützt«, sondern auch, dass diese Normen stets juristisch wie künstlerisch gleichermaßen gerechtfertigt sein müssten. Gefordert wurde eine Arbeitsgemeinschaft der Juristen mit den Kunstwissenschaftlern und Ästhetikern. Auch sollte aus der künstlerischen Kritik, der Ästhetik, die dem bildkünstlerischen Wirken gerecht wurde, und ihrem Begriffssystem das Rechtserhebliche ausgeschieden werden, um die Elemente eines wirklichen »Kunstrechts« zu gewinnen, vgl. Cohn 1917, S. 4. 410 Ohly 2018, S. 143-146. 411 Dieses Urteil gab den Meinungen der hier gehörten Sachverständigen und ihrer Argumente juristisch-normative Verbindlichkeit für die Rechtsöffentlichkeit; dabei war diese Meinung nicht immer herrschende Meinung in der Kunsttheorie dieser Zeit.
Kunstwerk oder Werk der bildenden Künste? Theoretische Revisionen im dadaistischen Kontext
mehr widerspruchsfrei vereinbar.412 Nach dem Wortlaut des Kunstschutzgesetzes waren die Erzeugnisse des Kunstgewerbes als Werke der bildenden Künste erfasst, sodass ein Gebrauchszweck den Kunstschutz nun nicht mehr ausschließen musste. Zur Auflösung dieses Meinungsstreits trat neben die Zwecklosigkeitsdoktrin eine zweite Theorie, die nur solche Erzeugnisse des Kunstgewerbes für schutzfähig erachtete, welche der bildenden Kunst zugehörig waren. Werk der bildenden Künste sollte aber nicht jedes künstlerische Raumgebilde, sondern nur ein Bildwerk sein (Bildwerkstheorie). Unabhängig von der Abgrenzung der Regelungsregime nach einer dieser Lehrmeinungen bestand ebenso wenig Einigkeit darüber, was ein solches Werk der bildenden Künste kennzeichnen sollte. Eine Definition hatte der Gesetzgeber nicht vorgegeben. Damit stand die Rechtswissenschaft vor der gleichen Herausforderung wie die Kunstwissenschaften: Sie mussten auf einen »irgendwie gewonnenen Begriff von Kunst« abstellen.413 Seit Inkrafttreten des Kunstschutzgesetzes 1907 stieß die Regelungssystematik des Gesetzes bei Nicht-Juristen auf Unverständnis.414 Was ein Kunstwerk war, schien viel zu naheliegend, als dass dieser Begriff aufgrund des Gesetzeswortlauts einer Klärung bedürfen sollte. Davon zeugt beispielhaft die Vermittlungsschrift Kunst und Recht von Alfred Osterrieths, die 1909 in der Reihe Das Recht. Sammlung von Abhandlungen für Juristen und Laien bei Puttkammer & Mühlbrecht in Berlin verlegt wurde. In den Heften dieser Reihe wurden Texte veröffentlicht, die Teil eines ersten systematischen Versuchs waren, »die Rechtswissenschaft, die, trotz des stetig wachsenden allgemeinen Interesses am Rechtsleben, noch immer ein abgeschiedenes Sonderdasein fristet, volkstümlich darzustellen und auszugestalten«.415 Insbesondere das Kunstschutzgesetz schien dem Laien völlig unzugänglich zu sein. Ein solcher Eindruck wurde dadurch verstärkt, dass bei der Beurteilung von Werken der angewandten Kunst »nicht nur die gewöhnlichen Gerichte, sondern auch das Reichsgericht bis auf den heutigen Tag die widersprechen-
412 Mit dem Problem der außerästhetischen Beziehung setzte sich auch die Kunsttheorie auseinander: »Es wäre ungerecht, diese Gebrauchskünste als bloße Nebenzweige oder gar als Anhängsel der reinen Kunst anzusehen. Besonders das Kunstgewerbe ist oft in so geringschätziger Weise behandelt worden. […] Gegen diese ›überkommene Unterschätzung‹ der Gebrauchskünste bei den Ästhetikern hat Hartmann entschiedene Einsprache erhoben«, vgl. Volkelt 1925, S. 406. 413 Vgl. Stockhammer 1932, S. 246. Das Problem von Kunst- und Rechtsbegriff für die jeweiligen Wissenschaften stellt Stockhammer unter Verweis auf Aloys Fischer in dessen Festschrift für Theodor Lipps Ästhetik und Kunstwissenschaft und den Rechtshistoriker Karl Bergbohm fest: »Nicht nur in der systematischen, auch in der historischen Rechts- und Kunstwissenschaft tauchen die gleichen Fragestellungen auf. Es heißt z.B.: ›So wenig kann Kunstgeschichte lehren, was Kunst ist, daß wir umgekehrt auf einen irgendwie gewonnenen Begriff von Kunst rekurrieren müssen […] Solange sie (die Rechtshistoriker) nicht ein und dasselbe Kriterium für die rechtliche Natur ihrer Funde, d.h. der gleiche Rechtsbegriff unausgesetzt begleitet, solange werden sie auch nicht einander in die Hände arbeiten können.«, vgl. ibid. 414 Dazu noch im Weiteren (s.u.). 415 Osterrieth 1909, Umschlag.
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den Urteile gefällt« hatte.416 Verfasst als Bühnenstück ließ sich der Verfasser selbst als »Professor Geist. Maler und Kunstgewerbler« sowie als »Kommerzienrat Stoff. Inhaber einer graphischen Kunstanstalt« an einem Sommerabend im Juli 1907 im Restaurant des Ausstellungsparkes in Berlin auftreten. Der Künstler in diesem Stück brachte die Haltung, mit der sich Kunst- und Rechtsdiskurs begegneten, zum Ausdruck: »Sagen Sie doch gleich, daß die Herren Juristen auch die Kunst besser verstehen als wir.«417
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Juristische Bestimmungen des Werkes der bildenden Künste
1908 wurde Josef Kohlers Kommentar Kunstwerkrecht. Gesetz vom 9. Januar 1907 von Ferdinand Enke in Stuttgart verlegt, ein Kommentar der angesichts seiner breiten Rezeption besonderer Erwähnung bedarf.418 Darin formulierte der als »Universaljurist« rezipierte Kohler seine Einschätzungen zu und Erfahrungen mit dem neuen Gesetz.419 Kohler tritt hier als Verfechter der neuen Bildwerkstheorie auf.420 Als juristische Kunsttheorie steht Kohlers Meinung in direktem Zusammenhang mit dem jüngeren kunstphilosophischen Diskurs des 19. Jahrhunderts, der die Abkehr von einer nur mimetisch verstandenen Kunst vorbereitet hatte.421 Auch Konrad Fiedler beschrieb in seiner Schrift
416 Noch 1906 wurde ein Ausweg aus der Begriffsverwirrung darin gesehen, dass das neue KUG Wert und Verwendungszweck nach französischem Vorbild bei der Bestimmung des Werkbegriffs bereits im Gesetzeswortlaut ausschließen sollte: »Dies wird künftig unmöglich sein, wenn der § 1 den Zusatz erhält, daß der Schutz weder von dem Wert noch der Bestimmung des Werkes abhängig ist.«, vgl. Diefenbach 1906, S. 94. Dass dies nicht allgemein akzeptiert wurde, schien eine populäre Kommentierung, wie die Osterrieths, noch dringlicher und einflussreicher werden zu lassen. 417 Osterrieth 1909, S. 9. 418 Den »apokryphen Nietzsche« bei Josef Kohler konnte jüngst Sophia Gluth nachweisen; von Zeitgenossen wurde Kohler als »seltenes Ausnahmetalent« überhöht. Seine Theorie der »Weltschöpfung« in der bildenden Kunst zeigt sich damit als Ausdruck einer expressionistischen Geisteshaltung, die erkenntnistheoretisch auf Friedrich Nietzsche zurückzuführen ist, vgl. zu Letzterem: Gluth 2021/2019, S. 15-34. Zur Theorie der bildkünstlerischen »Weltschöpfung« im Unterschied zu einem Bühnenbild, einer Fotografie und zur bloßen Ideenschöpfung einer Erfindung vgl. die außergewöhnlich umfangreiche, kunsthistorische Abhandlung seiner Person bei Elizabeth Cropper. Sie bemerkt: »Pre-existing ideas or themes (Weltschöpfungsidee) were to be distinguishes from individual arrangements of those ideas. Such individual arrangements, by Kohlers’s definition, exist (in the sense of the allegory of Bellori’s allegorical woodcut expressing Domenichino’s imagination) as ›imaginary representations‹ that are independent of stock themes«, vgl. Cropper 2005, S. 201. Hier wird erkennbar, wie Kohlers Theorie um die Persönlichkeit des Künstlers kreiste; eine entscheidende Feststellung für den Blick auf die Erzeugnisse des Kunstgewerbes. Zugleich aber führte Kohler aus: »Wo eine Weltschöpfungsidee nicht vorliegt, ist eine bildende Kunst nicht vorhanden. So können insbesondere Arabesken, Ranken und geometrische Figuren, Farbensymphonien nicht auf die Darstellung eines Ideenwesens hinauslaufen […]«, vgl. Kohler 1908, S. 28. 419 Als zeitgenössisches Beispiel: Rabel 1919/1920, S. 123-125. 420 Vgl. Kohler 1908. Der Begriff des Bildwerkes ist dabei dem kunsttheoretischen Diskurs entnommen, tritt er allein in den ausgewerteten Bänden der Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaften seit 1907 mehrmals auf und speist sich aus dem mimetischen Kunstbegriff in Malerei und Plastik. Hinweis: Bildwerktheorie und Bildwerkstheorie werden in der Literatur teilweise gleichbedeutend genutzt. 421 Krieger 2006, S. 27.
Kunstwerk oder Werk der bildenden Künste? Theoretische Revisionen im dadaistischen Kontext
Der Ursprung der künstlerischen Tätigkeit 1887 Kunst nicht als Mimesis, sondern als Produktion von Wirklichkeit.422 Kohlers Theorie erweist sich zugleich als Rezeption dieses Wegbereiters der gegenstandslosen Kunst der Moderne respektive einer künstlerischen Entwicklung von der Nachahmung zur Wirklichkeitsschöpfung.423 Juristische und kunsttheoretische Begriffsbildung gehen ineinander über. Ausgeschlossen bleiben von dieser Theorie die bereits in diesen Jahren virulenten Erweiterungstendenzen des Kunstbegriffs: Die wachsende Anerkennung solcher Bereiche der bildenden Kunst etwa, die in der Meinung der Kunstöffentlichkeit auch auf einen außerästhetischen Zweck gerichtet sein konnten.424 In den Jahren vor dem Reichsgerichtsurteil von 1911, in dem das Abgrenzungskriterium des ästhetischen Überschusses eingeführt worden war, forderte Josef Kohler mit seinem Kommentar von 1908 einen Rückgriff auf allgemein anerkannte Strömungen der Malerei.425 Dabei treten in diesen Jahren weniger dogmatisch-argumentative Unterschiede als vielmehr die jeweiligen Kunstbegriffe der einzelnen Autoren hervor. Zu Anwendung kamen für die Auslegung der Rechtsbegriffe völlig ungeklärte Begriffe; das Bild war einer davon. Die von Kohler vertretene Bildwerkstheorie wurde in der rechtswissenschaftlichen Literatur als Verengung des Gesetzesbegriffs keineswegs allgemein akzeptiert. Zumal der seinerzeitigen urheberrechtlichen Bildwerkstheorie die Definition eines Otto von Gierke zugrunde lag, der als einer der einflussreichsten Juristen des 19. Jahrhundert galt.426 Ein Werk der bildenden Kunst war für Gierke dann vorhanden, »wenn ein künstlerischer Gedankeninhalt in Bildform ausgeprägt ist«.427 Kennzeichnend für die Rezeption der Kohler’schen Theorie ist die Aussage eines später vorzustellenden Autors in der Leipziger Zeitschrift für Handels- und Versicherungsrecht, mit der dieser auf das ästhetische Systemdenken und die Relevanz psychologisch inspirierter Kunsttheorien dieser Jahre verweist.428 Mit dem Argument der ästhetischen Wirkung 422 Hier prägte der Autor eine Ästhetik als auf Produktion gerichtete Kunsttheorie: »So denkt neben Baumgarten auch Konrad Fiedler die Kunst von der Tätigkeit der Künstler her, und sein Text ›Über den Ursprung der künstlerischen Tätigkeit‹ aus dem Jahre 1887 ist mit dem Begriff der ›Ausdrucksbewegung‹ als theoretischer Bestimmung des künstlerischen Tuns für die Künstler seiner Zeit zentral geworden.« vgl. Haarmann 2015, S. 217. Zugleich nimmt Konrad Fiedler in der Vorgeschichte der Allgemeinen Kunstwissenschaft eine wichtige Rolle ein; dazu: Collenberg-Plotnikov 2015, S. 40. 423 Krieger 2006, S. 27. 424 Für eine Auslegung des Rechtsbegriffs nach dieser Theorie musste die Anerkennung eines Lebensgefühls fehlen und Kunst nur als rein ästhetischer Reiz verstanden werden, vgl. CollenbergPlotnikov 2016, S. 194. 425 Dazu auch Sommer 2017, S. 104-105. 426 Zur Bedeutung der Person für die Rechtswissenschaft: Janssen 2016, S. 77. 427 Der künstlerische Gedankeninhalt wird ebenfalls im Sinne kunsthistorischer Gattungshierachie vor 1850 definiert: »Der zur Erscheinung gebrachte Gedankeninhalt aber muss ganz oder in der Hauptsache dem Reiche der Kunst angehören. Dies ist der Fall, wenn das Werk im Wesentlichen auf eine Versinnlichung der Idee des Schönen gerichtet ist und somit seinem Hauptzwecke nach sich an das ästhetische Gefühl wendet. Darum entsteht an einem Werke, das mit gleichartigen Darstellungsmitteln einen wissenschaftlichen oder technischen Ideengehalt veranschaulicht und somit hauptsächlich auf den Verstand wirken will, kein künstlerisches sondern ein literarisches Urheberrecht.«, vgl. Gierke 1895, S. 776. Zu Otto von Gierkes Bedeutung vgl. Cropper 2005, S. 201, Fn. 42. 428 »Mithin ist es widersinnig, die Frage zu formulieren: ist die Architektur bildende Kunst oder nicht? Die grosse Menge zählt zu den bildenden Künsten. Aesthetische Systeme vermögen hieran nichts zu ändern.«, vgl.
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verknüpft, verwies die Bildwerkstheorie in der Argumentation des Leipziger Juristen auf den Kunstwerkbegriff der Werkästhetik.429 Damit konnte der rechtliche Schutzgegenstand begrenzt werden. Für den rechtswissenschaftlichen Diskurs um die Auslegung des § 2 des Kunstschutzgesetzes wurden auch die Motive des Gesetzgebers entscheidend. Dort hieß es: »Formschöpfungen, welche ohne als Werk der bildenden Künste angesprochen werden zu können, als Vorbilder für die geschmackvolle Darstellung gewerblicher Erzeugnisse dienen, unterliegen nach wie vor den Bestimmungen des Musterschutzes.«430 Für den Juristen Oskar Schanze musste sich vor diesem Hintergrund die Frage nach den Kennzeichen eines Werkes der bildenden Künste aufdrängen. Diese Kennzeichen sah er in der Öffentlichkeit der Werkbundbewegung dieser Jahre unmittelbar reflektiert, mit der enge Kontakte bestanden.431 Bereits 1908 hatte Schanze folgende Ansicht formuliert: »Jede individuelle Schöpfung mit ästhetischer Wirkung auf den Gesichtssinn ist wohl ein künstlerisches Gebilde. Aber nicht jedes künstlerische Gebilde ist ein Werk der bildenden Künste. Das Werk der bildenden Künste ist nicht bloß ein Gebilde, es ist ein Bildwerk, es ist nicht bloß künstlerisch hergestellt, es stellt künstlerisch etwas dar.«432 Auch hier findet ein spezifischer Bildbegriff als Argument Verwendung. Während James Breit, ein anderer Kunstjurist, mit dem Begriff des »künstlerischen Gebildes« auf die virulente psychologische Ästhetik Bezug nahm, grenzte Schanze jenen Gegenstandsbereich, der durch den Begriff des Werkes der bildenden Künste umfasst sein sollte, an den Gattungen der Baukunst, Malerei und Bildhauerei ab.433 Ob der Jurist hier dem Auszug der einzelnen Kunstwissenschaften aus dem Bereich der Philosophie folgte, ist nicht eindeutig zu klären. Finden die Begriffe Form und Inhalt zwar nicht ausdrücklich Erwähnung, greift Breit die gegenständliche Malerei als Abgrenzungskriterium auf: Das
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Breit 1909, Sp. 356. Der Jurist des 19. Jahrhunderts argumentierte noch gegenläufig: »Welche Werke der Baukunst, welche den bildenden Künsten angehören, ist nicht vom juristischen, sondern vom technischästhetischen Standpunkte aus zu untersuchen und zu entscheiden […] vgl. namentlich Vischer, Aesthetik III, §§. 538, 554f.«, vgl. Mandry ibid., S. 213 (Fn. 11). Muss Friedrich Theodor Vischers Aesthetik oder Wissenschaft des Schönen (1846-1858) als einflussreichstes, ästhetisches System nach Hegel gelten, hatte sich bereits zum Ende des 19. Jahrhunderts eine Kunsttheorie etabliert, die sich empirischpsychologisch begründete und den ästhetischen Gegenstand dem aufnehmenden Subjekt zuordnete, vgl. Barck 2000, S. 369. »Wird die ästhetische Empfindung durch ein Bildwerk angeregt, so liegt ein Werk der bildenden Künste vor; ist das ästhetisch wirkende Gebilde kein Bildwerk, so kann nur von einem Geschmacksmuster die Rede sein.«, vgl. Breit 1909, Sp. 356. Zum Aspekt der Werkästhetik vgl. Pudelek 2005, S. 543-544. Motive KUG, zit.n.: Englert 1978, S. 164. Die historische Auslegung an den Motiven des Gesetzgebers war dabei keinesfalls unumstritten: »[D]er Motivenkultus, der an sich schon jedem ein Greuel ist, der es mit der Rechtswissenschaft ernst meint, wird zu einer Farce, wenn man die Motive selbst erst wieder interpretiert«, vgl. Breit 1909, Sp. 353. Dies legen seine Beiträge in den Zeitschriften Werkkunst und Kunstgewerbeblatt nahe. Schanze verwies dort auf Osterrieth (Osterrieth 1907; Osterrieth 1906b). Schanze 1910, Sp. 12. Angemerkt sei, dass auch Schanze die Bildwerkstheorie vertrat und ausbaute. August Schmarsow bemerkt unter Bezugnahme auf eine Kunstwissenschaft i.w.S.: »Warum sollten Mythos und Religion nicht auch als künstlerische Gebilde des Menschengeistes gelten.«, vgl. Schmarsow 1907, S. 326. Zur Abgrenzung der Einflüsse von Einfühlungsästhetik und empirischer Ästhetik auf die akademische Kunstgeschichte dieser Zeit vgl. Engel 2018, S. 373.
Kunstwerk oder Werk der bildenden Künste? Theoretische Revisionen im dadaistischen Kontext
Bildwerk grenzte er über einen ästhetischen Inhalt als »Darstellung eines Gegenstandes« von dem »Ornament« ab.434 Bildwerk und Ornament werden als Unterkategorien des Kunstwerks behandelt. Der Ornamentbegriff wurde dabei in seiner vielfältigen Verwendung auch für die abwertende Beschreibung des Zeitgeschmacks genutzt.435 Als beispielhaft galt das »Formenspiel der Arabeske«, dem zwar ästhetische Wirkung zugestanden wurde, »aber doch nur das, was man Stimmung nennt«.436 Dabei sollte das Bildwerk bei Schanze durch den gegenständlichen Gehalt, nicht die abstrakte Form bestimmt sein.437 Kohler und Schanze waren unabhängig voneinander zu gleichen Ergebnissen gelangt. Für Schanze war dies »sachlich nicht ohne Bedeutung«.438 So wird nachvollziehbar, wie die Verfügbarkeit eines Argumentes, ungeachtet seiner notwendigen Historisierung, die Autonomie des Netzes juristischer Kommunikation sicherstellen konnte.439 Diese Einsicht in die Umwertung der Begriffsinhalte wurde mit Blick auf den Rechtstext selbst Jahre später deutlich formuliert.440 Mit Blick auf die juristischen Bestimmungen des Werkes der bildenden Künste fällt der Irrtum über die Persönlichkeit des Künstlers in der Auslegung besonders ins Gewicht. Galt das Kriterium der Originalität in der Kunstöffentlichkeit als »ziemlich unbestimmt und vieldeutig«, sollte es in der juristischen Öffentlichkeit zu einer entscheidenden theoretischen Position werden.441 Originalität wurde auch im außerjuristischen Diskurs auf die »individuelle Kreativität des Künstlers« bezogen, verwies aber zugleich auf die Resonanz im ästhetischen Diskurs als entscheidendem Element des zeitgenössischen Werkbegriffs.442 Angesichts der umfangreichen Rezeption der psychologischen Ästhetik zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Kunstschutzgesetzes ist diese Präzisierung nicht unbedeutend. Die geringe Aufmerksamkeit, die dieser Differenzierung geschenkt wurde, ist nicht zuletzt dem Einfluss einer genieästhetischen Gleichsetzung von Werk und Autor infolge einer Übertragung des Kunstwerkbegriffs auf die Literatur geschuldet.443 In diesem Begriffssystem verwies die Originalität allein auf das künstle-
434 Schanze 1910, Sp. 12. 435 Hier wurde nicht nur das inhaltsästhetisch bestimmte Wertesystem der Gattungshierarchie zum Argument (vgl. Scholl 2013b, S. 27), sondern an die Ornamentkritik des 19. Jahrhunderts um das »falsche Ornament« angeknüpft, vgl. Prange 2017, S. 420. Zur Rolle des Begriffs um 1900: Morgan 1992, S. 239. 436 Schanze 1910, Sp. 13. 437 »Die Arabeske sagt uns zu wenig, sie erreicht nicht die ausdrucksvolle Bestimmtheit eines äußeren benennbaren Gegenstandes. Die Motive schließen mit Recht bloße Zierstücke und ähnliches vom Kunstschutze aus.«, vgl. ibid. 438 Ibid. 439 Lahusen 2011, S. 20. 440 Unter der Überschrift Das Kunstschutzgesetz und der neue Kunstbegriff wurde formuliert: »Aber Gesetze pflegen demnach zu veralten, daß der Inhalt der ihnen zu Grunde liegenden Begriffe im Laufe der Zeit sich wandelt und umgewertet wird.«, vgl. Rücklin 1930, S. 179. 441 Vgl. Kreibig 1909, S. 553. 442 Vgl. Dembeck 2006, S. 286. Zu letzterem vgl. Lütteken 2016a. Bei der Unterteilung der Originalität in Ursprünglichkeit und Eigentümlichkeit ist die Begriffskonfusion um den jeweils zu Grunde gelegten Ästhetikbegriff zu berücksichtigen (dazu: Nida-Rümelin 2012, S. X) 443 Pudelek 2005, S. 544-545.
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rische Genie selbst, wodurch »wissenschaftssystematische Schwierigkeiten« völlig unberücksichtigt bleiben mussten.444 Wurden die Begriffe Originalität und individuelle Schöpfung oft synonym gebraucht, traten nach 1907 auch die Begriffe Neuheit und Eigentümlichkeit in gleichem Verwendungskontext auf.445 Im juristischen Kontext wurde Originalität zu einem Maßstab für die Abgrenzung des Schutzbereichs, während der Kunstkritik der Begriff für neue bildkünstlerische Darstellungs- und Präsentationsformen stand.446 Dabei ist die Frage nach dem ästhetikgeschichtlichen Substrat hinter dem juristischen Argument weniger offensichtlich.447 Für den kunstwissenschaftlichen Diskurs war der Begriff der Originalität bloßer Ausdruck von mangelnder Wissenschaftlichkeit.448 In konservativen Kreisen eilte der Originalität der Ruf voraus, in kunstpopularisierenden »Gazetten die moderne Richtung zu repräsentieren« und damit Ausdruck eines Kunstbegriffs zu sein, der sich aus »Modeerscheinungen ergab, die ein pseudooriginelles Kostüm über völlig traditionelle und triviale« Werke ausbreiteten.449 Einflussreiche Kunstjuristen, wie Kohler, traten solcher Begriffsverwirrung vehement entgegen. Angesichts der kanonisierten Kunstlehren, den Stilen und Sujets, welche von den Kunstakademien vermittelt und der akademischen Kunstgeschichte gelehrt wurden, sollte der Begriff des Werkes der bildenden Künste nicht mit absoluter Neuheit in Verbindung gebracht werden: »Das Kunstwerk muß original, es braucht nicht notwendig neu zu sein.«450 444 Dembeck 2006, S. 286. Zum Begriff vgl. Wolandt 1985, S. 219. 445 »Die Geistesschöpfung muß eine eigentümliche sein. Sie muß sich von schon vorhandenen Geistesschöpfungen bekannter und unbekannter Autoren aller Zeiten deutlich und wesentlich unterscheiden. Wann der Grad von Originalität vorliegt, daß die Schöpfung als eine von anderen Geisteswerken verschiedene, eigentümliche schutzwürdig erscheint, ist eine Frage.«, vgl. Riezler 1909, S. 214. 446 Zum Begriff in der Kunstkritik im dadaistischen Kontext s.o. Allerdings zieht sich die Begriffsverwirrung ebenso durch die Verwendungsweisen in anderen Zusammenhängen der Kunstkritik. Carmen Aus der Au zitiert den Berliner Kritiker Max Schasler 1864 mit der Feststellung: »›Originalität‹ – das ist nun so ein Stichwort, mit dem heutzutage arger Mißbrauch getrieben wird.«, vgl. Aus der Au 2017, S. 219, Fn. 355. 447 Innerhalb der Ästhetik wurden verschiedene methodische Gesichtspunkte unterschieden; auch dort gab es positivistische Tendenzen, die als normative Ansätze bezeichnet wurden: »Wer sich einen Überblick über die gegenwärtige Lage der Ästhetik zu verschaffen sucht, der muß nicht nur die Gegenstände ihrer Forschungsarbeit […] ins Auge fassen, sondern er wird auch die methodischen Gesichtspunkte zu erwägen haben. […] Der kritische Philosoph findet in den verschiedenen Gebieten der ihn umgebenden geistigen Kultur Urteile vor, die den Anspruch erheben, allgemein und notwendig zu gelten«, vgl. Groos 1907, S. 487-488. 448 Zu diesem Aspekt vgl. Zucker 1925, S. 87. Gleichwohl gibt die Verwendungsweise im urheberrechtlichen Kontext dem unbestimmten Begriff eine konkretere Bedeutung, da es um eine Leistungsschwelle ging. Zur Vieldeutigkeit und der Beziehung zum Begriff des Genies findet sich an anderer Stelle Hinweise: »Aus den Schöpfungen selbst läßt sich schließen, daß den Talenten bloß neue Verbindungen der Elemente zu Teilen des Kunstwerks zu gelingen pflegen, während den Produkten der Genies gerade die Neuheit der Gestaltqualität des Ganzen charakteristisch ist […] Daß der Begriff Originalität ziemlich unbestimmt und vieldeutig ist, muß zugestanden werden; denn was eigenartig neu ist, entscheidet das Durchschnittsurteil der ästhetisch gebildeten Zeitgenossen, welches nur selten klar erkannt und festgelegt werden kann«, vgl. Kreibig 1909, S. 553. 449 Vgl. ibid. 450 Kohler, zit.n.: Schanze 1911, S. 289. Dabei muss dieser juristische Diskurs auch im Zusammenhang mit der Patentrechtsdogmatik gesehen werden, in der das Neuheitserfordernis dominierte. Hin-
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Juristische Zeitschriftenbeiträge – Paragone der Kunstbegriffe in der juristischen Fachliteratur?
Aus der Auswertung der Rechtsöffentlichkeit folgt, dass seit Inkrafttreten des Kunstschutzgesetzes in zahlreichen Zeitschriftenbeiträgen versucht wurde, mit juristischen Argumenten die schlichte Wortlautauslegung des § 2 zu entkräften. Hielt man sich an den Wortlaut des Gesetzes, waren zunächst tatbestandlich alle Erzeugnisse des Kunstgewerbes als Werke der bildenden Künste Schutzgegenstände des Kunstschutzgesetzes. Darin lag ein Bruch mit dem Sprachgebrauch des Alltags ebenso, wie mit der einzelwissenschaftlichen Kunsttheorie.451 Am konsequentesten wurde das Argument des Wortlauts von Erwin Riezler vertreten.452 Die sogenannte herrschende Lehre nach 1907 bediente sich allerdings einer teleologischen Reduktion.453 Nur solche Erzeugnisse des Kunstgewerbes wurden für kunstschutzfähig erachtet, die zugleich als Werke der bildenden Künste entsprechend einer juristischen Theorie wie der des Bildwerkes eingeordnet werden konnten. Das Argument der »außersystematischen« Kunsttheorie war in den ersten Jahren nach Inkrafttreten des neuen Kunstschutzgesetzes insbesondere für die Auslegung des Rechtsbegriffs der bildenden Kunst bedient worden.454 Im wissenschaftlichen sichtlich des Anmeldungserfordernisses und der Besonderen betriebswirtschaftlichen Signifikanz standen sich Patent- und Geschmacksmusterrecht nahe: »Dabei darf allerdings nicht außer Acht gelassen werden, daß nicht jede auch nur geringfügige und gleichgültige Formveränderung gegenüber dem bereits Bekannten zum Musterschutze berechtigt. Aus dem Zwecke des Gesetzes ergibt sich, daß der Musterund Modellschutz, ebenso wie der Patentschutz, nur demjenigen das geistige Eigentum sichern will, dem ein gewisser Fortschritt gelungen ist.«, vgl. ibid., S. 292. Jedenfalls tritt die besondere Affinität Kohlers zum Fachdiskurs der Kunstgeschichte seiner Zeit (nicht dem der Ästhetiker) bereits hier deutlich zu Tage; in seiner Aussage kann eine Anleihe bei der später von Panofsky geprägten idea-Forschung gesehen werden (dazu anschaulich: Windorf 2019, hier S. 274). 451 Problematisch sind solche Fälle, in denen die rechtsmethodischen Instrumente zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen, auch in der heutigen Rechtswissenschaft. Die Anerkennung eines Rangverhältnisses musste sich erst herausbildenden. Die objektiv teleologische und systematische Auslegungsmethode wird heute als vorrangig gegenüber einer auf den Wortlaut konzentrierten Auslegung betrachtet und mit einer grundsätzlichen Anerkennung der richterlichen Rechtsfortbildung mittels Analogie und teleologischer Reduktion begründet vgl. Singer 2011, S. 680. 452 Riezler 1909, S. 458; dazu auch s.u. Die Angaben in der NDB lassen darauf schließen, dass Erwin Riezler Vetter des Mitbegründers des Deutschen Werkbundes und Herausgeber der Zeitschrift Die Form, Walter Riezler, war, vgl. Duve 2003, S. 216-217. 453 Dieser Begriff der rechtswissenschaftlichen Methodenlehre bezeichnet das Gegenteil der Analogie. Ausgehend von der Annahme, dass jede Rechtsnorm einen spezifischen Sinn und Zweck aufweist, sollte die bei tatbestandlicher Entsprechung angeordnete Rechtsfolge nicht zur Anwendung gebracht werden. Diese Reduktion erfolgt entgegen dem unzweifelhaften Wortlaut derselben. Gerechtfertigt wurde dies mit einem planwidrig zu weit gefassten Normtext. Der Reduktionsvorgang auf diesen noch hinter dem engsten Wortsinn liegenden Normzweck wurde regelmäßig an einem sog. Willen des historischen Gesetzgebers ausgerichtet, zu diesem Thema: Dedual 2017, S. 20-21. 454 Das Problem verdeutlicht folgende Bemerkung: »Darüber könnte man übersehen, daß die Philosophie gewiß selbst Wissenschaft ist, aber jedenfalls doch nicht positive Wissenschaft, und daß eine unsachgemäße Abhängigkeit der Philosophie – auch der Kunstphilosophie – von der Wissenschaft tatsächlich ein Fehler oder ein Mangel sein könnte. Das Problem betrifft nicht die außerakademische und nicht die außersystematische [psychologische Ästhetik, MM] Kunstphilosophie, sondern jene Kunstphilosophie, die als Ästhetik
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Dialog der Autoren Schanze und Breit stand zunächst eine Frage im Mittelpunkt: »Was sind Werke der bildenden Künste?«455 Bestritten wurde von James Breit, dass »man im Leben, d.h. in der Sprache der Gebildeten unter Werken der bildenden Künste lediglich Bildwerke versteht.« Damit war auf einen spezifischen Bereich, ein spezifisches Verständnis der Ästhetik verwiesen. Mithin forderte Breit einen differenzierten Blick auf die außerrechtliche Begriffsbildung ein: »Dass juristische Schriftsteller, um das Herrschaftsgebiet des Kunstschutzgesetzes abzugrenzen, sich bereits vor Schanze dahin ausgesprochen haben, unter Werken der bildenden Künste im Sinne des Kunstschutzgesetzes seien Bildwerke zu verstehen, beweist doch in aller Welt nichts dafür, dass man in der Sprache des Lebens unter Werken der bildenden Künste auch nur Bildwerke versteht.«456 Nicht nur Juristen sollten für die Beantwortung der Frage zuständig sein, sondern die juristischen Fragestellungen sollten nicht von der kunsttheoretischen Diskussion losgelöst gestellt werden. In einer Zeit, in der angewandte Ästhetik ebenso umfangreich und populär war wie kunstwissenschaftliche Fragen, schien die Begriffsbedeutung auf den Lebensbereich zu verweisen, dem er inhaltlich angehörte. Hier unterschlug Breit aber die Erkenntnis der Juristen des 19. Jahrhunderts, der zufolge der Rechtsbegriff Werke der bildenden Künste erst im Juristischen als Abgrenzung zu dem des Kunstwerkes geprägt worden war.457 Allerdings konnte der erwähnte Bezug auf den zuständigen Lebensbereich für den Begriffsbestandteil der bildenden Künste weiterhin behauptet werden: »Wenn daher nicht überhaupt für die Beantwortung der Frage, was unter Werken der bildenden Kunst zu verstehen sei, ganz allgemein die Sprache des Volkes, sondern die bestimmter Kreise massgeblich sein sollte, so dürften wohl Aesthetiker und Kunsthistoriker zu entscheiden haben. Die Aesthetiker nun, die Schanze zitiert (Sp. 824f.), beweisen für seine Ansicht garnichts. Dass die Aesthetik vielfach das Bildwerk neben das Ornament stellt, ist bekannt: hierzu bedarf es keiner Zitate. Aber meines Wissens beschränkt kaum ein moderner Aesthetiker den Begriff der bildenden Künste auf das Bildwerk.«458 Mithin wurde von Breit die von seinem Kollegen selbst vorgenommene Auswahl einer geeignet inspirierten Kunsttheorie in Frage gestellt. Der Jurist entwarf nicht eigene Thesen, sondern folgte denen der Ästhetiker und Kunsthistoriker. Mithin wurde hier eine »naive Fiktion, zwischen philosophischer und einzelwissenschaftlicher Kunsttheorie« konstruiert.459 So überrascht die Reihung der psychologischen Ästhetiker auch nur insoweit, als sie mit einem Verweis auf den Neu-Kantianer Hans Cornelius endet, und
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ihren festen Platz an den Universitäten und innerhalb einer vergleichsweise konsolidierten philosophischen Systematik behauptet.«, vgl. Wolandt 1985, S. 223. Breit 1909, Sp. 435. Vgl. ibid. S.o. Vgl. ibid., Sp. 436. Vgl. Wolandt 1985, S. 219.
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ebenso wenig zwischen verschiedenen Ästhetikbegriffen differenziert wurde.460 Anzunehmen ist, dass der Jurist durch die von Erich von den Bercken in der Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaften erschiene Besprechung zu Cornelius’ Elementargesetze der bildenden Künste aus dem Jahr 1908 auf dessen System aufmerksam geworden war:461 »Es ist nicht recht verständlich, wie Schanze demgegenüber behaupten kann, Lipps rechne nur die dekorative Bildkunst zu den bildenden Künsten. Was Schanze mit den weiteren Zitaten aus Münsterberg, Avenarius, Konrad Lange beweisen will, ist nicht erfindlich. Alle diese Autoren weisen dem ›Ornament‹ ästhetisch eine untergeordnete Rolle gegenüber dem Bildwerk zu. Die Richtigkeit dieser ästhetischen Betrachtungsweise werden die einen zugeben, die anderen bestreiten. Aber was besagt das alles? Wo sagt denn gerade einer von den von Schanze zitierten Autoren, dass die Sphäre der bildenden Künste erst dort angehe, wo das Bildwerk beginnt? Hören wir dagegen die Sätze, mit denen Hans Cornelius seine Elementargesetze der bildenden Künste einleitet.«462 Mehr als rhetorische Redewendung ist das von James Breit im Weiteren angeführte Argument zu verstehen, dass er Cornelius nur deshalb zitiere, da er sein Werk »ungefähr zur gleichen Zeit geschrieben [habe], in der das neue Kunstschutzgesetz in Kraft trat«.463 Zwischen der langjährigen Reformdiskussion und einer wissenschaftlichen Veröffentlichung einen solchen Zusammenhang herzustellen, scheint angesichts der Pluralität des angesprochen außerrechtlichen Feldes fernliegend. Relevant ist vielmehr der Hinweis auf den ästhetikgeschichtlichen Kontext insgesamt. Versöhnliche Töne stimmte Breit an, wenn er auf den Einfluss der populären Kunstgeschichte und auf den Kunstbegriff des Durchschnittsbetrachters verwies: »Gewiss hebt nun die Aesthetik vielfach die nachahmenden (imitativen) Künste aus den bildenden Künsten heraus. Sie stellt Architektur und Musik als die abstrakten, nicht nachahmenden Künste den nachahmenden gegenüber. Gewiss beschränken sich bisweilen Darstellungen der bildenden Künste einer Epoche auf Malerei und Skulptur. […] Soviel mag ja an Schanzes Theorie richtig sein, dass, wenn wir von bildenden Künsten sprechen und hören, wir zunächst an die Werke der Malerei und Skulptur denken. Vielleicht verbinden wir auch mit dem Begriff ›bildende Künste‹ zunächst den Gedanken eines Bildwerkes.«464 460 Zur kritischen Ästhetik als bloßes aber wirkmächtiges Zwischenstadium zwischen metaphysischer (Stoff-Inhalt-Dualismus) und psychologischer Methode: »Hiernach würde die Eigenart der kritischen Ästhetik in erster Linie darin bestehen, daß sie das ästhetische Werturteil und von da aus die ästhetischen Werte überhaupt auf ihre Berechtigung hin prüft, indem sie die Gründe dafür in den obersten Bedingungen des Bewusstseins sucht. Eine selbständige und tiefdringende Erneuerung der Theorie Kants hat H. Cohen in seinem Werke ›Kants Begründung der Ästhetik‹ (1889) vollzogen. Arbeiten von Kühnemann und Erörterungen von Natorp gehören der selben Richtung an.«, vgl. Groos 1907, S. 489. 461 von den Bercken 1909. 462 Breit 1909, Sp. 436. Die Schriften von Theodor Lipps’ ebenso wie die Johannes Volkelts waren um 1900 einer breiten Leserschaft bekannt, vgl. Winko 2003, S. 191. 463 Breit 1909, Sp. 437. 464 Ibid.
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Besondere Bedeutung erhält James Breits einsamer Ritt durch die Eigenheiten der juristischen Begriffsbildung nicht deshalb, weil er Riegls Die spätrömische Kunst-Industrie nicht für sein Urteil heranzieht, sondern weil ihm die gesamten Ausführungen dazu dienen, eine Bruchstelle jener von Verweisungen lebenden Argumentation zum Kunstschutzgesetz zu illustrieren. Das Kunstgewerbe wurde von einflussreichen Ästhetikern erst in den 1920er Jahren als »undingliche optische Kunst« erfasst, womit der Gesetzestext 1907 auch einer zeitgenössischen Kunsttheorie vorausgeeilt zu sein schien.465 Für jeden Versuch der Bestimmung der Verweisungsrichtungen im Geflecht der Kunstargumentation sind obige Ergebnisse ein sehr wesentlicher Ausgangspunkt.
Der kunsttheoretische Methodenstreit und der rechtswissenschaftliche Diskurs Werk der bildenden Kunst im weiteren Sinne Bei Erwin Riezler tritt die Methode der psychologischen Ästhetik sehr deutlich hervor: Riezler differenzierte den Kunstwert als subjektives Urteil und die ästhetische Wirkung als objektive Eignung. Solange die Formgestaltung eine eigenartige war und diese »objektiv geeignet [war], in dem empfänglichen Beschauer eine dem Gebiete des ästhetischen Empfindens angehörige psychische Wirkung zu erzeugen«, war nach seiner Theorie der Tatbestand des Werkes der bildenden Künste erfüllt.466 Die bisher anerkannte Voraussetzung, ein solches ästhetisches Empfinden müsse mit dem Schönen gleichgesetzt werden, wurde angesichts der Wandelbarkeit eben dieser Voraussetzung abgelehnt. Die Affinität zu einer Ästhetik »von unten« ebenso wie gegenüber dem Programm von Max Dessoirs wird deutlich: »Zu eng wäre es, diese psychische Wirkung mit der Empfindung des Gegenstandes als eines ›schönen‹ gleichsetzten zu wollen; damit würde auch der Begriff des Kunstwerkes auf eine zu subjektive, im Wandel der Zeiten und Anschauungen allzu schwankende, Grundlage gebaut.«467 Jede andere Auslegung sah er als eine auf normativer Kunstwertung beruhende Verengung eines Werkes der bildenden Künste auf Bildwerke im Sinne einer gegenständlichen und ungegenständlichen Malerei oder Bildhauerei und damit als willkürlich an. Der Werkbegriff des Gesetzes war für ihn nicht auf ein Bildwerk beschränkt, ihm konnte auch durch ein bloßes Mach-Werk entsprochen werden. Riezlers Definition des Werkes der bildenden Künste war damit eine unmittelbare Reaktion auf das »Fragwürdigwerden 465 So kommt Breit zu dem Schluss: »Die vorstehenden Ausführungen dürften aber auch den Beweis erbracht haben, dass mit Zitaten der Aesthetiker dem Begriff der bildenden Kunst in § 1 KunstschutzG. Nicht beizukommen ist – jedenfalls solange nicht, als sich nicht ergründen lässt, welchem der verschiedenen Systeme der ›Gesetzgeber‹ sich angeschlossen hat. Sicher ist nur, dass nach Ansicht des Gesetzgebers die Architektur eine ›bildende Kunst‹ ist. […] Diese Auffassung mag vom ästhetischen Standpunkte aus unrichtig sein – sie ist aber nun einmal, wenn man überhaupt von der ›Auffassung des Gesetzgebers‹ reden darf, die des Gesetzgebers.«, vgl. Breit 1909, Sp. 438. Eine frühe phänomenologische Ästhetik eines Waldemar Conrad, könnte gar mit dem Bezug auf »angewandte Kunst« eine Reaktion auf ein theoretisches Defizit in juristischen Zusammenhängen sein; zu Conrads ästhetisch begründeter Kunsttheorie s.o. 466 Riezler 1909, S. 410. 467 Ibid., S. 410.
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des bis dahin geltenden Kunstbegriffs«.468 Vor diesem Hintergrund ist auch Riezlers Prämisse zu verstehen, wonach eine juristisch-normative Linie zwischen den Schutzgegenständen nicht gezogen werden konnte und alle Gegenstände, die nach dem Geschmacksmustergesetz schutzfähig waren, es auch nach dem Kunstschutzgesetz als Werke der bildenden Künste sein müssten.469 Relevanz ästhetischer bzw. allgemein-kunstwissenschaftlicher Positionen für die rechtswissenschaftliche Begriffsbildung Auch andere Autoren, darunter der bereits erwähnte Leipziger Rechtsanwalt James Breit, stritten für eine Abgrenzung zwischen Kunst- und Geschmacksmusterschutz aufgrund kunsttheoretischer Kriterien. In Ablehnung der Bildwerkstheorie forderte Breit eine solche Grenzziehung vermittels des Kriteriums eines »ästhetischen Plus«. Ein Argument, das sich schließlich auch vor dem Reichsgericht im Jahr 1911 durchsetzen sollte und den Rechtsbegriff Werk der bildenden Künste eingrenzte.470 Ein solches Plus sollte aus einem normativen Begriff der bildenden Kunst folgen.471 Was unter einem Werk der bildenden Künste zu verstehen war, sollte gleichwohl nicht durch einen allgemeinen Kunstbegriff, wie ihn das Verunstaltungsgesetz normierte, sondern durch die Meinung geeigneter Experten bestimmt werden.472 Damit war ein methodisch weites Feld zwischen Avantgardismus und Traditionalismus eröffnet. Breit teilte damit zwar die Ansicht, dass nicht alle kunstgewerblichen Erzeugnisse Werke der bildenden Künste sein könnten, lehnt aber die Bildwerkstheorie dennoch wegen ihrer Widersprüchlichkeit ab und stellt klar, dass diese Theorie lediglich einen dominierenden Kunstbegriff reflektieren würde. Nur solange dieser Kunstbegriff auf Bildwerke beschränkt bliebe, würde man zunächst an die Werke der Malerei und Bildhauerei denken.473 Die zeitgenössische Begriffsidentität von bildender Kunst und Bildwerk sollte juristisch nicht ent-
468 Collenberg-Plotnikov 2016, S. 193. 469 Riezler 1909, S. 459. Osterrieth ging grundsätzlich auch von dieser Annahme aus; Osterrieth ging davon aus, die Prüfung auf die Erfordernisse des Geschmacksmusters sei eine mildere als die auf die Erfordernisse eines Werkes der bildenden Künste, da das Muster nicht unbedingt auf einer individuellen Anschauung beruhen müsse, sondern unter Umständen auch aus einem Einfall oder einer bloßen Kombination entstehen könne, die ihrem Wesen nach nicht individuell sein könnte. Die Überschneidungen mit dem Programm der interdisziplinären »Clearing-Stelle«, als welche Wolfgang Kemp Dessoirs Projekt bezeichnet, drängen sich angesichts dieses »allgemeinen Kunstbegriffs« auf, vgl. Wolfgang Kemp: Reif für die Matrix, zit.n.: Collenberg-Plotnikov 2016, S. 191. 470 Sommer 2017, S. 105. 471 »Nicht jedes Erzeugnis mit einem ästhetischen Plus wird bereits als ein Werk der Kunst anzusehen sein, nicht jeder kleine Zierrat erhebt das Erzeugnis in die Sphäre der bildenden Künste.«, vgl. Breit 1909, Sp. 447. Hier stützte sich Breit auf die Erläuterungen der Entwurfskommission: »Es versteht sich von selbst, daß nicht jede beliebige bildnerische Ausgestaltung oder Verzierung den Gegenstand in die Sphäre eines Werkes der bildenden Künste erhebt.«, vgl. Diefenbach 1906, S. 87. Die Wertfrage schien demnach doch im Gesetzeswortlaut angelegt sein zu können. 472 »Wenn daher nicht überhaupt für die Beantwortung der Frage, was unter Werken der bildenden Kunst zu verstehen sei, ganz allgemein die Sprache des Volkes, sondern die bestimmter Kreise maßgeblich sein sollte, so dürften wohl Aesthetiker und Kunsthistoriker zu entscheiden haben.«, vgl. Breit 1909, Sp. 436. 473 Gleiches galt für die Motive der Landschaftsmalerei als Maßstab für das Kriterium der künstlerischen Bedeutung im 1. Teil.
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scheidend sein.474 Bei Breit folgt die Weite des Begriffs des Werkes der bildenden Künste aus seiner Bezugnahme auf solche, nicht dem traditionalistischen Lager zugehörigen, »bestimmte[n] Kreise«, zu denen Ästhetik wie Kunstwissenschaft gleichermaßen gezählt wurden. Zwar konnten mit dieser Meinung auch erweiterte Kunstauffassungen über den Bereich der Ästhetik hinaus juristisch-normative Geltung erlangen, ihre Pluralität barg allerdings das Potenzial einer Verstärkung für die bereits im Außerrechtlichen bestehende Begriffsverwirrung. Für den Leipziger Juristen Schanze, der ebenfalls bereits im Zusammenhang mit der sogenannten Bildwerkstheorie Erwähnung fand, sollte das Abgrenzungsmerkmal des ästhetischen Gehalts die Ablehnung eines »Artunterschieds« im Sinne von Bild oder Nicht-Bild bedeuten, wie er nach der Bildwerkstheorie festzustellen war. Allein ein kunstwissenschaftlich zu bestimmender Gradunterschied sollte schließlich eine Einzelfallentscheidung ermöglichen; Werk der bildenden Künste konnte nur sein, was Gegenstand ästhetischer Theoriebildung war.475 Schanzes Argument, dass die Kunst dort beginne, wo die ästhetische Bestimmung und Wirkung anfingen, verlangte mittelbar nach einer Erweiterung an einem Kanon, den die Kunstgeschichte über Josef Kohler wirkmächtig in den Diskurs der Juristen eingebracht hatte. Die Praktikabilität dieser Methode war für Schanze dennoch fraglich, da sie eine Einteilung ästhetisch wirkender Erzeugnisse in zwei Klassen an unterschiedlichen Maßstäben voraussetzen müsse, je nachdem, ob die verkörperte Individualität eine künstlerische sei oder eine bloß ästhetisch wirksame. Damit war die Wertfrage in den Begriff der Originalität zurückverwiesen.476 Nach Einschätzung des Juristen war die Folge eine Unterscheidung nach einem höheren oder niederen Kunstwert.477 Erweiterung des Kunstbegriffs und das argumentative Dilemma Die Überschneidung der Schutzbereiche von Urheber- und Geschmacksmusterrecht bereitete eine Ausweitung des Kunstverständnisses über den Werkbegriff mittelbar vor. Als Muster und Modelle waren seit 1876 bereits äußere Formen geschützt.478 Schutzgegenstand waren Gestaltungen der äußeren Form von zweidimensionalen Mustern und dreidimensionalen Modellen.479 Jedes Geschmacksmuster, weil von einem »ästheti-
474 Überraschend ist, mit welcher Selbstverständlichkeit auf die ästhetischen Argumente Bezug genommen wird: »Es kommt eben immer darauf an: Was sind Werke der bildenden Künste? […] aber zu bestreiten ist, dass man im Leben den Ausdruck Werke der bildenden Künste auf Bildwerke beschränkt. […] Dass die Aesthetik vielfach das Bildwerk neben das Ornament stellt, ist bekannt: hierzu bedarf es keiner Zitate.«, vgl. ibid., Sp. 435-436. 475 »Also kein Artunterschied, der ein für allemal durchgreift, [gegen] ein Gradunterschied als Kriterium ist an sich nichts einzuwenden. Allein beginnt die Kunst nicht dort, wo die ästhetische Bestimmung und Wirkung beginnt?«, vgl. Schanze 1910, Sp. 15. 476 Zum begriffsgeschichtlichen Kontext vgl. Häseler 2002, S. 643. 477 Schanze 1910, Sp. 15. 478 Dabei tritt in diesem Kontext der Begriff der Gestaltung auf: »Gestaltung bezieht sich auf jede Veränderung der äußeren Form.«, vgl. Nielsen 1982, S. 46. Schützte das Geschmacksmustergesetz die »schönen« Formen war der Schutzgegenstand des Gebrauchsmustergesetzes (1891) die »nützliche« Form, vgl. dazu auch Neurauter 2013, S. 43. 479 Pierson 2011, S. 127.
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schen Charakter«, war zugleich auch eine individuelle Schöpfung.480 Eine ästhetische Wirkung, die dem etablierten Begriff der bildenden Kunst nicht notwendigerweise entsprechen musste, war tatbestandliches Kriterium. Nicht als individuelle künstlerische Schöpfungen wurden demnach solche Formschöpfungen erachtet, »die, ohne die Eigenschaft der individuellen künstlerischen Leistung zu haben, nur als Vorbilder für die geschmackvolle Darstellung gewerblicher Erzeugnisse dienen« sollten.481 Was unter der individuellen künstlerischen Leistung, die dem bloßen Geschmacksmuster von der Rechtsprechung abgesprochen, dem kunstgewerblichen Erzeugnis aber zugesprochen wurde, zu verstehen war, blieb offen. Verwiesen war auf eine ästhetische Wirkung auf den Betrachter als Bewertungsmaßstab. Angesichts dieses Maßstabs einer Ästhetik von unten musste ein anderer Ansatz Verwirrung stiften. So nahm Schanze auf seinen Kollegen Osterrieth Bezug, der in seinem Kommentar zum Kunstschutzgesetz den Begriff des »Geisteswerkes« bediente.482 Nach dessen Definition war dieses »die Offenbarung der Individualität und deren Eigenart durch die Individualität des Urhebers«.483 Und nur solche sollten als Werke der bildenden Künste in Frage kommen. Personalisierung des Werkbegriffs und persönlichkeitsrechtlicher Begriff des Urheberrechts gingen hier als Voraussetzungen eines juristischen Schutzes ineinander über.484 In einem Beitrag aus dem Jahr 1906 für die Zeitschrift Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht zitiert Albert Osterrieth aus dem Bericht der Gesetzgebungskommission. Diese hatte festgestellt, dass die »individuelle künstlerische Leistung« keine Wertfrage bedeuten sollte, da die Frage des »Kunstwertes« die nach der spezifischen Tätigkeit ersetzen könnte.485
480 Schanze 1911, S. 294. 481 RG, Urteil vom 4. April 1910, RGSt 43, 329-332. 482 »Die Werke der bildenden Künste fallen unter den Oberbegriff der Geisteswerke, zu denen außer den Werken der bildenden Künste auch die Schriftwerke und die Werke der Tonkunst gehören. Auch die Geschmacksmuster gehören zu den Geisteswerken, und zwar zu den Werken der bildenden Künste im weiteren Sinne.«, vgl. Osterrieth 1907, S. 32. Zunächst könnte das Geisteswerk auch auf den Betrachter verweisen, wenn das Geisteswerk nicht für sich, sondern als Wirkung auf den Betrachter gesehen wird. Osterrieths Theorie lag diese Annahme nicht zugrunde: »Dieser Vorschlag beruht auf einer vollständigen Verkennung des Grundes und Wesens des Urheberrechts. Alles Urheberrecht beruht auf der Urheberschaft, d.h. auf der Tätigkeit des Künstlers.«, vgl. Osterrieth 1906a, S. 314. Osterrieths einflussreiche Theorie findet sich auch in einem juristischen Beitrag von Walther Sachs aus dem Jahr 1917 in der Zeitschriften Das Plakat: »Zum Merkmal eines Werkes der bildenden Kunst gehört namentlich ein Doppeltes: Erstens muß es sich um eine individuelle, schöpferische Leistung handeln. Der Begriff der bildenden Künste ist im Gesetz nicht bestimmt. Sie gehören zu den Geisteswerken, zu denen auch Schriftwerke und Werke der Tonkunst gehören.«, vgl. Sachs 1917, S. 200. 483 Osterrieth 1907, S. 32. 484 Zur Dualität von persönlichkeits- und leistungsschutzrechtlicher Ausprägung des Urheberrechts s.o. Über die Stellung der autorfixierten Genieästhetik und die Rolle des literarischen Urheberrechts äußert sich Pudelek 2005, S. 546. Zum Konzept des genialen Autors als ein rechtliches: »[…] diskursgeschichtlich schließlich die urheberrechtliche Konstruktion des genialen Autors als Rechtssubjekt und Realursprung eines allein der individuellen Formleistung geschuldeten geistigen Eigentums, so dass sich das G. eigentlich einer Ästhetisierung juristischer Terme verdankt […]«, vgl. Stöckmann 2006, S. 133. 485 Osterrieth 1906a, S. 310.
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Bereits hier fasste Osterrieht diese Abgrenzungskriterien als »Grad der künstlerischen Betätigung« zusammen.486 Schanze seinerseits stellte angesichts eines urheberrechtlichen Kunstbegriffs den erweiterten ästhetischen Rahmen klar, der durch die soziologische Tatsache der künstlerischen Tätigkeit begrenzt war: »Die Eigenschaft ›künstlerisch‹ bringt, da jedes Werturteil ausgeschlossen ist, zum Ausdrucke, daß es sich um eine ästhetisch anregende Schöpfung handelt. Es bleibt die ›individuelle Schöpfung‹. ›Schöpfung‹ heißt Produkt eigener, selbständiger Geistestätigkeit, keine Entlehnung, keine bloße Nachahmung. Und diese Schöpfung muß individuellen Ursprungs sein; etwa, was wie z.B. ein künstlerischer Stil oder ein künstlerisches Motiv langsam im Laufe der Kulturentwicklung, durch das Zusammenwirken vieler, vielleicht ganzer Generationen, hervorgerufen worden ist, entbehrt des individuellen Charakters.«487 Im Hinblick auf die im vergleichbaren Tenor lautende Feststellung von Theodor A. Meyer 1914 in der Zeitschrift für Ästhetik und Allgemeine Kunstwissenschaft, die Persönlichkeit des Künstlers habe in der Kunsttheorie anders als in »Kunstwissenschaft und Kunstkritik« keine Bedeutung, überrascht es nicht, dass sich auch Max Dessoir zu diesem Aspekt äußerte.488 Nach dem Tod Osterrieths stellte Dessoir 1927 selbst fest, dass im Netz der juristischen Kommunikationen die Persönlichkeit des Künstlers im Zuge des Kunstschutzgesetzes von 1907 zwischenzeitlich zum entscheidenden Kriterium geworden zu seinen schien.489 Unter Bezugnahme auf Philipp Allfelds Kommentar zu dem Gesetz, betref486 »Die Reichsregierung hat diese Fassung nicht in den Entwurf aufgenommen und zwar aus folgenden Gründen. (Kommissionsbericht S. 2) Der Ausdruck ›Wert‹ umfasse auch den stofflichen und pekuniären Wert. Dieser Zweifel könne zwar dadurch vermieden werden, daß der Ausdruck Wert durch ›Kunstwert‹ ersetzt werde. Indessen würde auch eine solche Fassung mißverständlich sein, da sie die Auslegung zuließe, daß bei Werken der bildenden Künste die Voraussetzung einer individuellen künstlerischen Leistung nicht mehr gefordert werden sollte. […] Zugegeben ist, daß der Begriff ›Wert‹ mehrdeutig ist […] Richtiger wäre es wohl, zu sagen: ›Grad der künstlerischen Betätigung‹ […]«, vgl. ibid. 487 Schanze 1911, S. 295. 488 Die Persönlichkeit des Künstlers hatte für den Werkbegriff des theoretischen Diskurses keine Bedeutung: »Wohl ist an den verschiedensten Stellen von ihr die Rede – wie könnte es auch anders sein –, aber bei der Entwicklung der ästhetischen Grundtatsachen fehlt gerade sie; sie wird nicht organisch einbezogen; selbst Werke, die dem hier vertretenen Standpunkt nahestehen, wie die Ästhetik von Volkelt, wissen mit ihr nichts anzufangen. Man nimmt bei der Formulierung der ästhetischen Grundtatsachen auf sie keine Rücksicht.«, vgl. Meyer 1914, S. 56. Osterrieth wie auch Dessoir waren Mitglieder der Gesellschaft für Ästhetik und Allgemeine Kunstwissenschaft. Osterrieth erscheint 1925 in der Mitgliederliste der Gesellschaft, die anlässlich des zweiten Kongresses in Berlin veröffentlich wurde; Desiderat ist sicher eine Auswertung der akademischen Hintergründe aller Mitglieder, wobei durch Namenszusätze jedenfalls vereinzelt Juristen identifizierbar sind. Albert Osterrieth wirkte als Jurist unmittelbar in den kunsttheoretischen Diskurs ein. Seine Schrift Das geistige Schaffen in Wissenschaft, Technik und Kunst wurde 1923 veröffentlicht und im Schriftenverzeichnis der Gesellschaft unter der Rubrik »Allgemeine Kunstwissenschaft. Das künstlerische Schaffen« aufgeführt, vgl. ZÄK 1925, S. 390. 489 Seine Erwähnung der Rechtsgeschichte legt nahe, dass er dies als Neuerung verstand: »Wir legen uns zunächst die Frage vor: welche Rolle spielt die Persönlichkeit in der Geschichte der Kunst? Unzweifelhaft eine weit beträchtlichere als etwa in der Rechtsgeschichte. Im allgemeinen Bewusstsein werden sozusagen Werk und Schöpfer gleichgesetzt.«, vgl. Dessoir 1927, S. 135. Zum Begriff s. Lahusen 2011, S. 20.
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fend das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste und der Photographie vom 9. Januar 1907, der bereits 1908 erschienen war, konnte Dessoir diesen Bruch mit der Kunstsystematik nur kritisch bemerken. Ein solches Werkbegriffsverständnis schien jede Möglichkeit zu verstellen, Kunst als »systematisch bestimmbares Gebilde« zu erforschen.490 Die Kunst als eine »historische Tatsache« bestimmen zu wollen, schien in der juristischen Begriffsbildung zu dominieren.491 Ob sich Juristen auf kunsthistorisch-ästhetische oder auf ästhetisch-systematische Theoriebildung bezogen, wirkte unmittelbar auf ihre Argumentation ein.492 Bereits der Verfechter der psychologischen Ästhetik Karl Groos hatte 1907 darauf verwiesen, dass der genieästhetische Gedanke erst im Zuge der Renaissance der Kant’schen Theorie bei Jonas und Hermann Cohn, Eugen Kühnemann oder Paul Natorp erneut in die Diskussion eingegangen war.493 Wie bereits im ersten Teil gesehen, war diese kritisch-wertende Methode in der Kunsttheorie zwischenzeitlich von einer psychologisch-subjektiven Methode abgelöst worden. Erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts hatte der Diskurs der sich etablierenden Kunstgeschichte den Begriff des Künstlers erneut an sich gezogen.494 Bei Osterrieth und anderen juristischen Kommentatoren lebte dieses Wissen im Kontext des Kunstschutzgesetzes wieder auf. Über die Frage nach dem Vorliegen einer Weltschöpfungsidee, einer auf die »Mythisierung der künstlerischen Produzentenposition« gerichteten Begriffsbildung, konnte die Persönlichkeit des Künstlers auch abseits der urheberrechtlichen Frage nach der Abgrenzung von Original oder Fälschung relevant werden.495 Mit Blick auf die Abgrenzungsfrage von Werken der bildenden Künste musste eine fehlende Differenzierung der Methodenzusammenhänge zu deutlichen Brüchen in der Argumentation führen: Wurde Schöpfung als 490 »[…] auch im Kunstschutzgesetz gilt die in dem Werk verkörperte und ihm aufgeprägte Individualität des Schöpfer als das Wesentliche, und deshalb schützt das Gesetzt ›das Werk in seiner individuellen Form, niemals den dargestellten Gegenstand oder das Motiv als solches, nicht die von dem Urheber etwa neu eingeführte Kunstgattung, nicht den Stil oder die Manier, die Technik oder die Methode des Urheber.‹ Der Künstler durchdringt mit seiner Person dermaßen sein Erzeugnis, daß dieses sich jeder allgemeinen Betrachtung zu entziehen scheint.«, vgl. Dessoir 1927, S. 135. 491 Vgl. Dessoir 1927, S. 131. 492 Der historische Diskurs um das Verhältnis der einzelnen Disziplinen ist hier aufschlussreich: »Das sind in großen Umrissen die Arbeitsgebiete und Interessensphären der einzelnen Kunstwissenschaften. Nun erheben sich aber sofort von den verschiedensten Seiten eine Menge Einwendungen und Zweifel gegen eine solche Programmaufstellung. Besonders über Aufgaben und Umfang der Kunstgeschichte sind die Meinungen sehr geteilt. Wie soll die Geschichte, so sagt man, die Kunstwerke sammeln, beschreiben und ordnen, wenn ihr kein Rech zusteht, das Kunstwerk als solche zu erkennen und zu bestimmen.«, vgl. Sörgel 1918, S. 107. Zugleich muss mit Blick auf das ästhetisch-systematische Argument die Wirkung auf die Kunsttheorie bei außersystematischen Ansätzen einer Ästhetik von unten unterschieden werden. 493 Groos 1907, S. 489. 494 Cropper 2005, S. 203. Zu berücksichtigen ist Folgendes: »Autorschaft/Künstlertum ist ein historisch variables, von sozialen, politischen, ökonomischen, technischen und juristischen Faktoren abhängiges Konzept.«, vgl. Brohm/Dahlke 2006, S. 54. Die unterschiedlichen Forschungsschwerpunkt von Kunstgeschichte und Ästhetik waren ebenso ein Ausgangspunkt für Verwirrung; Originalität konnte über die Wahrnehmung oder die Produzentenproduktion vermittelt sein. Grischka Petri bemerkt zum Kriterium des Originals: »Das Kriterium des Originals wurde auf dem Kunstmarkt im Laufe der Jahrhunderte seit etwa 1500 immer bedeutsamer. […] Originalität ist kunsthistorisches Schlüsselkriterium und kaufvertraglich zugesicherte Eigenschaft.«, vgl. Petri 2020, S. 154. 495 Vgl. Brohm/Dahlke 2006, S. 54.
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Voraussetzung behandelt, verwies das Wort künstlerisch auf einen Maßstab; der kunsthistorisch ermittelte Stil konnte gar ein Gegenbeweis eben dieses wirkungsorientierten Maßstabs sein.496 Das Wesen der bildenden Künste vs. die individuelle Schöpfung Nicht unwidersprochen blieb die Gleichsetzung von Werk und Urheber und damit die Bestimmung des Geisteswerks ohne differenzierten Rekurs auf die ästhetische Wirkung als Schutzvoraussetzung des Gesetzes. So wurden als Werk nicht nur schlicht Geisteswerke bestimmt, sondern aus der Menge solcher Geisteswerke jene ausgeschlossen, die verkörpert in Werkstücken nicht den historischen Erscheinungsweisen der bildenden Kunst entsprachen.497 Schanze scheute die Auseinandersetzung mit gegenläufiger Argumentation keineswegs, konnte sich eine juristische Position doch nur in der vorweggenommenen Kritik behaupten. So erklärt sich auch seine Bezugnahme auf Argumente des Werkbundförderers und späteren Rektors der Berliner Friedrich-WilhelmsUniversität Heinrich Dernburg.498 Dieser hatte einen Begriff bildender Künste zugrunde gelegt, der allein auf deren Eigenschaft als handwerklich hergestellte Objekte verweisen konnte.499 Hatte Schanze in seinem Beitrag aus dem Jahr 1910 das auf die zeitgenössische psychologisch inspirierte Kunsttheorie verweisende Kriterium des ästhetischen Gehalts geprägt, ergänzte er in seiner Lehre vom Geschmacksmuster wesentliche Überlegungen zum Verhältnis von Kunstschutzgesetz und Kunstbegriff. Ungeachtet des ästhetischen Gehalts, der notwendig sein sollte, damit dieses als Werk der bildenden Künste rechtlichen Schutz erfahren konnte, entsprach die Annahme eines ornamental eingekleideten Gebrauchsgegenstands nicht mehr den neuesten Entwicklungen.500 Dabei stand
496 Stehen Originalität oder Eigentümlichkeit mithin synonym für das Künstlerische als Maßstab, bemerkt Grischka Petri mit Blick auf das moderne Urheberrecht in Großbritannien und Entwicklungen der Kunst der Moderne: »Die Entscheidung wird in britischen Lehrbüchern zum Urheberrecht für die Frage zitiert, ob sich ein Stil urheberrechtlich schützen lässt. Der Fall zeigt, dass hierfür die Beschreibung des Stils auf formale Elemente zurückgeführt werden muss. Es handelt sich bei jenen Stilelementen um solche, die für die Originalität des Werkes verantwortlich sind.«, vgl. Petri 2018, S. 43. 497 Zum entgegengesetzten Problem der dualen Historizität (am Beispiel der historischen Motive der Malerei) vgl. 1. Teil, VI. 5. 498 Dernburg war seinerseits mit Peter Behrens, einem Mitbegründer der Münchner Sezession und des Deutschen Werkbundes jedenfalls bekannt: »[…] und kürzlich ist eine kleine Schrift von Peter Behrens erschienen mit einem Vorwort des früheren Staatssekretär Dernburg, die den Künstler auf dem Wege zeigt, sich dem Kleinwohnungsbau praktisch zu widmen«, vgl. Everth 1919, S. 419. 499 »Osterrieht betrachtet als Werk der bildenden Künste die durch die Mittel der bildenden Künste zum sichtbaren Ausdrucke gelangende individuelle Schöpfung. Es ist damit eine Eigenschaft der selbständigen geistigen Behandlung des Stoffes bezeichnet. Aber das Wesen der bildenden Künste ist die individuelle Schöpfung nicht.«, vgl. Dernburg, zit.n.: Schanz 1911, S. 296. 500 Die Vase in Skulpturgestalt oder der Aschenbescher in der Form eines Frosches waren beliebte Beispiele. Volkelt griff auf die Fassade einer Kirche zurück: »Man darf nicht einwenden, daß zu einem Bauwerk auch Statuen und Gemälde gehören, und daß auch ein Krug mit bildlichen Darstellungen geschmückt sein könne. Denn hierbei handelt es sich um die Verbindung der undinglichen Künste mit Kunstwerken dinglicher Art. Mag auch die Fassade einer Kirche mit noch soviel Statuen geschmückt sein: die Fassade selbst stellt darum doch weder einen heiligen Johannes noch einen heiligen Petrus dar.«, vgl. Volkelt 1925, S. 403.
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das ästhetisch Wirksame neben einer Ausführung in einem dinglichen Werkstück.501 Demnach mussten nach Osterrieht, wie Schanze kritisch bemerkte, zwei Werkbegriffe bzw. Maßstäbe differenziert werden: Der des Geschmacksmusters und der der angewandten Kunst; beide entbehrte einer Identifikation mit einem genialen Urheber.502 Scheinbar im Sinne eines sozial-ästhetischen Ansatzes war die Fragestellung damit modifiziert und auf den »künstlerischen Charakter des Tätigkeitsgebietes« verwiesen.503 Zusammenfassung Die verschiedenen juristischen Theorien, die sich an den Begriffen des Kunstschutzgesetzes ausgebildet hatten, verweisen deutlich aber mit Ausnahmen auf einen aus der Kunstkritik entlehnten Modus, die Historizität künstlerischen Wirkens zu organisieren.504 Aus dem Bedürfnis heraus, Eigentümlichkeit beziehungsweise Originalität aus der Zeitangemessenheit einer künstlerischen Leistung zu begründen, wurden Modifikationen des außerrechtlichen Kunstverständnisses aus der juristischen Begriffsdefinition nicht zwingend ausgeschlossen.505 Dabei bestand das Angebot der Kunstkritik seit dem 19. Jahrhundert darin, den Bruch mit der Tradition zu erfassen.506 Legitimität wurde dort regelmäßig nicht aus der »Ästhetisierung juristischer Therme« geschöpft, sondern aus der ästhetischen Signifikanz zum Zeitpunkt des Erscheinens.507 Im juristischen Diskurs, der sich zu Teilen aus einer historischen Theorie der Kunst und den Forschungsfeldern der Kunsthistorik, zu Teilen aus der ästhetischen Wissenschaft und
501 »Das Neue und Eigentümliche kann entweder in dem ästhetisch Wirksamen oder es kann in seiner Vereinigung mit dem Gebrauchsgegenstande liegen. Im letzteren Falle, an den wohl auch Osterrieht denkt, wenn er von der Uebertragung einer bekannten Verzierung auf einen anderen Stoff spricht, entbehrt das ästhetisch Wirksame selbst, die Verzierung, die schon bekannt, lediglich übernommen worden ist, der Eigenschaft des individuell künstlerischen.«, vgl. Schanze 1911, S. 297. 502 »Der Gedanke aber, dieses ästhetisch Wirksame mit einem anderen Stoffe zu verbinden, meint Osterrieht, ist zwar ›eigentümlich und neu‹ rechtfertigt deshalb die Annahme eines Geschmacksmusters, aber es bringt doch die Individualität seines Urhebers nicht zum Ausdruck und deshalb bleibt er im niederen Niveau der bloßen Geschmacksmusterschöpfung, erhebt sich nicht zur Höhe der dem Kunstschutzes unterstellten Erzeugnisse des Kunstgewerbes.«, vgl. ibid. 503 Vgl. ibid., S. 299. Auf jedem von anerkannten Künstlern geprägten Betätigungsfeld schien die Frage des Gebrauchszwecks auch in der juristischen Argumentation zulässigerweise zu vernachlässigen: »Es war daher richtig, die Geschmacksmuster als Erzeugnisse eines künstlerischen Schaffens anzusprechen, wenn nicht vielfach das Vorurteil bestände, daß – auch im Sprachgebrauch des Rechts – eine künstlerische Betätigung eine dem Grade nach höhere Leistung erfordere, daß also die Feststellung des künstlerischen Charakters ein Werturteil in sich schließe.« Leva Wenzel hat mit Blick auf die Verbindungen zwischen Bildwissenschaft und Recht jüngst darauf hingewiesen, dass in solchen »logischen Schwächen« das Potenzial des Rechts »als gewachsenes Kulturprodukt« läge, Wenzel 2020, S. 374. 504 Es mag auch an dieser Stelle nochmals darauf verwiesen sein, dass der rechtsdogmatisch relevante Aspekt der unterschiedlichen Legitimationsgrundlagen des Urheberrechts (naturrechtlich/persönlichkeitsrechtlich) den Blick auf das historische Spannungsfeld im Denken über Kunst nicht verstellen soll. 505 Zur Vermittlung der Historizität des künstlerischen Schaffens durch die Kunstkritik: Germer/Kohle 1991, insb. S. 309-310. 506 Ibid., S. 310. 507 Vgl. Stöckmann 2006, S. 133.
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ihrem Anwendungsbereich der Kunstkritik speiste, führte eine Vermengung von Voraussetzung und Maßstab für die Bestimmung des juristischen Werkes der bildenden Künste zu Widersprüchen. Ein von Künstlertum und Tafelbild bestimmter Kunstbegriff der akademischen Kunstgeschichte dieser Zeit war Ausgangspunkt dieser weniger offenherzigen Positionen. War die Notwendigkeit einer Differenzierung nach dem Sinn und Zweck des Kunstschutzgesetzes einerseits und der juristischen Methode andererseits geschuldet, zeigt sich an der Bildwerkstheorie die Wirkung jenes Kunstbegriffs besonders prägnant, wie er um die Mitte des 19. Jahrhunderts orientiert an Malerei und Bildhauerei wirkte.508 Im Umgang mit den Unzulänglichkeiten der zahlreichen, an Werken der angewandten Kunst entwickelten Theorien zeigt sich deshalb auch ein Dualismus zwischen etablierter Kunstauffassung und dem denklogischen Bedürfnis, die Grenzen des bildkünstlerischen Feldes selbst zu hinterfragen.509 Letztlich war dies Folge einer Argumentation um das Werk der bildenden Künste, die Unterschiede zu einem ebenfalls als »individuelle künstlerische Schöpfung« definierten Geschmacksmuster herausarbeiten musste.510 Nach 1907 wurde schließlich die Frage aufgeworfen, was das bereits eine künstlerische Leistung fordernde Geschmacksmuster von dem als Werk der bildenden Künste geschützten Erzeugnis des Kunstgewerbes eigentlich unterscheiden konnte.511 Dabei schien jene Fragestellung auf die individuelle künstlerische Leistung zu verweisen, die nicht in der Ausführung eines dinglichen Werkstücks liegen konnte.
508 Mit Blick auf Schanzes Theorie wusste Breit dieses Spannungsfeld treffend zusammenzufassen: »Er beruft sich auf Mayer und Merkel und zitiert Mayers Wort: ›Irgendwo muss durchgeschnitten werden und an der Schnittlinie sieht der Nichtjurist keinen rechten Grund, weshalb sie gerade läuft.‹, vgl. Breit 1909, Sp. 443. 509 Mit Blick auf Madry (s.o.) scheint aber auch die hier verständnisbildende, historische Argumentation eines James Breit mehr illustrativ und damit umso deutlicher auf kunstbegriffliche Implikationen zu verweisen: »Es liegt nun der Schluss nahe: Hat der Gesetzgeber von 1876 unter Werken der bildenden Kunst nur Bildwerke verstanden, so muss dasselbe auch vom Gesetzgeber von 1907 gelten. Aber dieses Argument, das sich übrigens Schanze entgehen lässt, ist dennoch nicht stichhaltig. Zunächst kann nicht einmal zugegeben werden, dass nach altem Recht nur ein Bild Kunstschutz geniessen könnte. Auch eine Farbensymphonie z.B. war in Wahrheit nach früherem Rechte kunstschutzfähig. Es kam nur immer darauf an, dass dem Werke der objektive Gebrauchszweck mangelte. Jede weitere Einschränkung war eine Willkür.«, vgl. Breit 1909, Sp. 442. Nur mit Blick auf das sogenannte Geschmacksmuster schien die Zweckfrage noch nicht argumentativ verhärtet, war der Einfluss des kunsthistorischen Diskurses hier nicht ebenso strak rezipiert worden. Elizabeth Cropper weist auf die Relevanz der Zuordnung hin: »Most important, Kohlers’s influential but now obscure work reminds us that in late-nineteenthcentury Germany the artist was not constructed by a discourse external to the developing discipline of the history of art.«, Cropper 2005, S. 203. 510 Vgl. Schanze 1911, S. 294. 511 »Das Erfordernis der Eigentümlichkeit bedeutet: das Muster muß das ›Ergebnis individueller schöpferischer Tätigkeit‹ sein. Im Hinblick auf seinen ästhetischen Charakter ist das Muster als eine individuelle künstlerische Schöpfung zu bezeichnen. […]. Anders eine Entscheidung des Reichsgerichts vom 4. April 1910: Nur diejenigen Geschmacksmuster, die als Erzeugnisse des Kunstgewerbes den Kunstschutz genießen, sollten demnach individuelle künstlerische Schöpfungen sein, ›während Formschöpfungen, die, ohne die Eigenschaft der individuellen künstlerischen Leistung zu haben, nur als Vorbilder für die geschmackvolle Darstellung gewerblicher Erzeugnisse dienen sollen […]«, vgl. Schanze 1911, S. 294.
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Mithin verweist dieser Ausschnitt der Auslegungsgeschichte des Werkes der bildenden Künste auf mehr als auf diskurshistorische Inkommensurabilität: Die rechtshistorische Bestandsaufnahme macht deutlich, wie deutlich die Fäden von Kunst- und Rechtsöffentlichkeit verwoben waren und außerjuristische Argumente in der Rechtsöffentlichkeit diskutiert wurden. Unterschiedliche Ästhetikbegriffe wurden nicht nur ausdrücklich benannt, sondern finden sich in den juristischen Argumenten wieder.512 Diese Folgerung illustriert besonders deutlich ein letztes Beispiel: Indem der Jurist James Breit das Beispiel der Architektur als angewandte Kunst im Rechtssinne an das Ende einer Zusammenfassung des ästhetischen Meinungsstandes stellte, scheint er eine kunstwissenschaftliche Aufarbeitung, wie die Waldemar Conrads zum ästhetischen Gegenstand, jedenfalls herauszufordern.513 Als ästhetischer Gegenstand war das Werk der bildenden Künste nicht notwendigerweise mit dem verkörperten Geisteswerk gleichzusetzen, sondern nur auf selbiges zurückzuführen. Nahm die juristische Theoriebildung ihren Ausgang in der Bestimmung des Werkes der bildenden Künste im Urheber, so wurde es als etwas Produziertes definiert. Das Geschmacksmuster musste diese Form der Begriffsauslegung allerdings in Frage stellen. Denn abseits des Bildwerkes sollte nicht »die Eigenart der Herstellung, nur die Eigenart des Eindrucks« erheblich sein.514 . Waren die Auslegungskriterien der künstlerischen Idee, des Geisteswerkes, der Schöpfung oder der individuellen künstlerischen Leistung allein auf den Betrachter und seinen kunsttheoretischen Maßstab ausgerichtet, konnte das Bildwerk um 1910 schon nicht mehr als Referenzpunkt der Eigentümlichkeit auf die Entwicklungen der angewandten Kunst in diesen Jahren übertragen werden. Von der autonomen Begriffsbildung der Rechtswissenschaft erfasst, wurden Wesensmerkmale des Werkbegriffs durch die spezifisch juristische Fragestellung abseits des herrschenden Sprachgebrauchs zur Anwendung gebracht. Die Behauptung, jedes Werturteil auszuschließen, war dabei zugleich Bekenntnis zu einem bestimmten Ästhetikbegriff. Scheint in Schanzes Bezugnahme auf den von Hermann Cohen geprägten Begriff der ästhetischen Richtung ein Bekenntnis zu einer in diesen Jahren von der sogenannten Marburger Schule neu begründeten philosophischen Ästhetik zu liegen, überträgt der Verweis zugleich den alten Dualismus zwischen der Objektivität und Subjektivität des Werturteils in die rechtswissenschaftliche Begriffsbildung.515 Das Argument des ästhetischen Plus oder ästhetischen Grades schien dabei dem Verdacht der psychologischen Verwissenschaftlichung der Ästhetik dahingehend ausgesetzt, dass diese man-
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Die zahlreichen Bekräftigungen, Kunstschutzgesetz und Werturteil würden sich ausschließen, verweisen wiederum auf einen spezifischen Moment der Ästhetikgeschichte: »Osterrieth fürchtet, daß bei der Prüfung einer Schöpfung auf ihre ästhetische, künstlerische Natur sich ein Werturteil einschleicht. Solche Befürchtung ist gegenstandslos, wenn der Ausschluß eines Werturteils von vornherein feststeht; an sich bedeutet das Aesthetische, das Künstlerische nur eine Richtung, keinen Grad. Diese Richtung aber ist wesentlich; das deutsche Gesetz steht nicht auf dem Standpunkte des neuesten französischen Rechts, das sich mit dem bloßen ›anders aussehen‹ begnügt.«, vgl. Schanze 1911, S. 299. Dazu schon s.o. Vgl. Schanze 1911, S. 302. Der Begriff der ästhetischen Richtung tritt in Hermann Cohens KantsBegründung der Ästhetik von 1889 an verschiedenen Stellen auf. Zu Hermann Cohen im Kontext der Geschichte der psychologischen Ästhetik vgl. Allesch 1987, S. 413-415.
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gels eines normativen Anspruchs der Rechtswissenschaft nicht mehr als Hilfswissenschaft dienen könne.516 Somit sind die späteren, auf Waldemar Conrad zurückzuführenden Anleihen bei der phänomenologischen Methode Ausdruck einer »Reaktion auf Auflösungstendenzen der philosophischen Ästhetik unter dem Druck des Souveränitätsanspruchs von Psychologie und allgemeiner Kunstwissenschaft«.517 Die Geschichte der Auslegung des Kunstschutzgesetzes fällt mit den dynamischen Entwicklungen der deutschen Kunsttheorie in den 1910er Jahren zusammen, was besonders für die Ästhetisierung des Kunstgewerbes entscheidend war.518 Konnte sich folglich die Lehre vom Geschmacksmuster, das als Ausdruck eines geistigen »künstlerischen Schaffens« als ästhetischer Gegenstand bestimmt werden musste, dem »alten Lied von der hohen und der niederen Kunst« leichter erwehren, konnte auch das Werk der bildenden Künste schließlich mehr sein als ein Kunstwerk im Sinne der historischen Theorie der Kunst.519 Die Gegenüberstellung von Kunst- und Rechtsöffentlichkeit lässt an diesem Punkt bereits eine Folgerung zu: Das ästhetische und kunsttheoretische Substrakt tritt in der Rechtsöffentlichkeit deutlich hervor. Insbesondere der Einfluss der psychologischen Ästhetik nahm in den Jahren nach dem Inkrafttreten des Kunstschutzgesetzes an Bedeutung zu. Eine einschneidende Folge der urheberrechtlichen Reform von 1907 war es, dass in § 2 Kunstschutzgesetz eine klare Unterscheidung der Schutzgegenstände am Begriff der bildenden Künste aufgehoben wurde.520 Mit der juristischen Gleichordnung der Erzeugnisse des Kunstgewerbes mit den Werken der bildenden Künste war zunächst ein kulturpolitisches Ziel zur Umsetzung gelangt.521 Zugleich aber hatte dies zur Folge, dass sich juristische Argumente, nicht zuletzt durch die Überantwortung der Ausfüllung juristischer Begriffe an Sachverständigenkammern, an verschiedenen Fronten behaupten mussten. Schließlich scheint der rekonstruierte Diskurs im Kern auf das Spannungsfeld der Anerkennung einer theoretischen Erweiterung des Kunstbegriffs mithilfe des Rechts vorauszuweisen.
4.
Juristische Beiträge in Das Plakat
Bereits einige Jahre vor Erscheinen der ersten Ausgabe von Das Plakat war für eine Beteiligung an der Reformdiskussion des Kunstschutzgesetzes die Vereinigung des deutschen graphischen Kunstgewerbes zum Schutze der Urheber- und Verlagsrechte errichtet worden.522 Angesichts einer allgemein kritischen Haltung gegenüber neuen Kunstgattungen wurde vor dem Hintergrund der breit diskutierten Entwurfsfassung des Gesetzes der Vor-
Anders lässt sich die Ausführung Schanzes wohl nicht interpretieren: »Die Eigenschaft ›künstlerisch‹ bringt, da jedes Werturteil ausgeschlossen ist, zum Ausdrucke, daß es sich um eine ästhetisch anregende Schöpfung handelt.«, vgl. Schanze 1911, S. 295. 517 Vgl. Reschke 2006, S. 292. 518 Zu dieser Situation im Kontext der Vorherrschaft der psychologischen Ästhetik, vgl. Bensch 1994, S. 13-16. 519 Breit 1909, Sp. 441. 520 § 2 KUG: »Die Erzeugnisse des Kunstgewerbes gehören zu den Werken der bildenden Künste. Das Gleiche gilt von Bauwerken, wenn sie künstlerische Zwecke verfolgen.«. 521 Sommer 2017, S. 87-89. 522 Osterrieth 1904, S. 189-190.
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wurf erhoben, es handele sich um das »Zusammenwerfen von so heterogenen Materien«.523 Die dort vorgesehene einheitliche Behandlung von sogenannter hoher und angewandter Kunst musste mithin methodisch gerechtfertigte werden.524 Insbesondere mit Blick auf die angewandte Kunst, an der die Schulästhetik regelmäßig an ihre Grenzen stoßen musste, war diese Diskussion nicht den etablierten Juristenzeitschriften vorbehalten.
Individuelle künstlerische Tätigkeit In progressiven Kunstzeitschriften wie Das Plakat wurde unter dem Eindruck der Begriffsverwirrungen der rechtswissenschaftlichen Theoriebildung gefordert, »daß der Richter in Fragen der bildenden Kunst des Sachverständigen nicht entraten« konnte.525 Besonders aufschlussreich ist in diesem Zusammenhang auch, dass in einem ersten kunstrechtlichen Beitrag der Zeitschrift im Jahr 1911 als entscheidendes Spezifikum die künstlerische Tätigkeit bestimmt wurde: Die kunstsoziologische Tatsache, dass zu dieser Zeit Künstler mit der Anfertigung von Plakaten und andere Gebrauchsgrafiken betraut worden waren, wurde auch hier zum Argument für die urheberrechtliche Schutzfähigkeit: »Seitdem die Plakatmalerei, die Anfertigung von Plakaten und Anschlagszetteln für gewerbliche Reklamezwecke nicht mehr untergeordneten Kräften, wie Lithographen und Zeichnern für Bunt- und Luxusfabriken überlassen, sondern von Künstlern betrieben wird, bedarf der Urheber eines künstlerischen Plakates […] ebenso sehr des gesetzlichen Schutzes gegen den Nachbildner, wie jeder andere Urheber von Werken der Zeichenkunst, Malerei und Bildnerei.«526 Gleiche Überlegungen waren schon früher in juristischen Zeitschriften artikuliert worden. »Namentlich bei Plakaten« sollte sich erweisen, dass die »Schranken, die das alte Gesetz zwischen den Werken der reinen Kunst und denjenigen der angewandten Kunst errichtet hatte«, und damit jede juristische »Zweiteilung der Kunst« nicht gerechtfertigt sein konnte, waren jene »oft sogar von der Meisterhand großer Künstler«.527 Einer Ausweitung des Kunstbegriffs durch die Erschließung neuer Betätigungsfelder wurde hier Rechnung getragen.528 Nach dieser Begriffsdefinition sollte ein Plakat dann ein Werk
523 Vgl. Marcus 1906, S. 101. 524 »Den Juristen schien eine solche Zusammenfassung wünschenswert und sie haben alle Bedenken damit beschwichtigt, daß dies Zusammenfassen nur eine juristische Formalität ohne besondere Konsequenzen sei.«, vgl. ibid. 525 Sachs 1911, S. 50. 526 Ibid., S. 43. 527 Vgl. Diefenbach 1906, S. 85. 528 Vgl. dazu Segal 1907, S. 2. Mithin ging die Verwirrung der Kunstbegriff auch auf die Vielstimmigkeit der Ästhetiker selbst zurück. Richtete sich eine mit der psychologischen Ästhetik verbundene Kunsttheorie auf die Person des Betrachters, ist es der reale Gegenstand selbst, dem sich objektivistische Positionen zuwenden: »Die Richtung zum Objekt hat gesiegt; Kunstwissenschaft wird Wissenschaft von Objekten und mit objektiven Methoden.«, vgl. E. Utitz: Über Grundbegriffe der Kunstwissenschaft (1929), zit.n.: Collenberg-Plotnikov 2015, S. 42.
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der bildenden Künste sein, »wenn es eine künstlerische Idee künstlerisch darstellt«.529 Dabei verweist der Begriff der künstlerischen Idee deutlich auf die phänomenologische Ästhetik Waldemar Conrads.530 Mithin näherte sich Walter Sachs dem Programm der Allgemeinen Kunstwissenschaft insgesamt an, das sich einer Anerkennung bisher für künstlerisch wertlos befundener Ausdrucksformen verschrieben hatte.531 Zugleich wurde mit der künstlerischen Idee auf den ästhetischen Gegenstand als entscheidende Kategorie für die Bestimmung des Rechtsbegriffs hingewiesen. 1909 hatte Waldemar Conrad mit seinem Beitrag für die Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft unter dem Titel Der ästhetische Gegenstand. Eine phänomenologische Studie diese Gegenposition zu einer psyschologische Phänomene berücksichtigenden Ästhetik vertreten.532 Damit hatte der Streit um die Rolle der Psychologie in der Ästhetik auch die juristische Theoriebildung erreicht.533 Auf dem Mittelweg zwischen normativen und subjektivistischen Tendenzen schien die Phänomenologie vermittelndes Potenzial für sich beanspruchen zu können. Im Weiteren finden sich mit den »Darstellungsmitteln der bildenden Kunst« und der »individuellen künstlerischen Tätigkeit« Bezüge zu Conrad Fiedlers Kunstphilosophie.534 Als Vertreter der formalen Ästhetik stellte Fiedler die Spezifizierung der Künste an der künstlerischen Tätigkeit an die Stelle begrifflicher oder sinnlicher Bestimmungen des Wesens der Kunst. So erklärt sich der Verweis auf eine »rein-ästhetische Geisteshaltung« in Gegenüberstellung zu einem »bloßen Einfall«.535 Dabei waren bereits in der Renaissance die bildenden Künstler versucht, ihre Arbeit den humanistischen Wissenschaften gleichzustellen.536 Der argumentative Gegensatz innerhalb der juristischen Theoriebildung wird deutlich, wirft man einen Blick zurück. Angesichts eines durch die Fotografie verdrängten Naturalismus hatte Gustav Mandry noch 1867 bemerkt, »daß das Wesen eines Werkes der Kunst dadurch nicht berührt wird, wenn es
529 Sachs 1911, S. 48. 530 »Bei der angewandten Kunst ist eine solche Scheidung so naheliegend, wie bei den zeitlichen Künsten. Bei einer Tapete beispielsweise trennt man leicht und ganz naturgemäß das Muster ›an sich‹, im Sinne der künstlerischen Idee, von der ›Ausführung‹ desselben, ebenso wie man ›die Symphonie‹ oder ›das Drama selbst‹ von seiner ›Aufführung‹ unterscheidet.«, vgl. Conrad 1909, S. 400. Die von Edmund Husserl begründete phänomenologische Ästhetik war dabei weder eindeutig mit einer objektivistischen noch mit einer subjektivistischen Methode vereinbar, vgl. dazu Allesch 1987, S. 324. 531 Collenberg-Plotnikov 2016, S. 193. 532 »Nachdem wir in den beiden früheren Artikeln das Wesen der sogenannten ›phänomenologischen‹ Deskription dargelegt und mittels dieser Methode den ›ästhetischen Gegenstand‹ im Gegensatz zu dem ›wirkenden Kunstwerk‹ und dem ›Ding‹ der Naturwelt auf dem Gebiete der zeitlichen Künste abgegrenzt haben, stehen wir jetzt vor der Aufgabe, die Durchführbarkeit der entsprechenden Abgrenzung für die Raumkünste zu zeigen. Bei der angewandten Kunst ist eine solche Scheidung so naheliegend, wie bei den zeitlichen Künsten.«, vgl. Conrad 1909, S. 400. 533 Zum ideengeschichtlichen Kontext vgl. Allesch 1987, S. 320-325. 534 1887 war sein Hauptwerk Über den Ursprung künstlerischer Tätigkeit erschienen. Zu einer historischen Einordnung vgl. Hinsch 2001, S. 158. 535 »Dass sich viele Künstler allzuleicht von blossen Einfällen leiten lassen, ohne einem weiteren Studium der im Plakat geforderten Darstellung näherzutreten.«, vgl. Kirsten 1912, S. 128. 536 Pudelek 2005, S. 544.
Kunstwerk oder Werk der bildenden Künste? Theoretische Revisionen im dadaistischen Kontext
an der geistigen, individuell schaffenden Thätigkeit des Künstlers fehlt«.537 Ausgangspunkt der Schutzfähigkeitsprüfung war dabei das »hervorgebrachte Produkt« und nicht ein ästhetischer Gegenstand im Sinne einer Resonanz auf Seiten des Betrachters.538 Mithin scheint dieser Ansatzpunkt auf eine Werkästhetik zu verweisen, wie sie sich spezifisch an der bildenden Kunst im ästhetischen Diskurs des 18. Jahrhunderts ausgebildet hatte, wobei die »Dynamisierung« dieses Werkbegriffs zuletzt auf der Ebene des verarbeiteten Materials erfolgte.539 Wesentlich erscheint hier der Hinweis, dass sich diese Ansätze in der Besonderheit juristischer Methode relativieren. Es konnte sich jeweils nur um einen von mehreren »entscheidenden Punkten« handeln, auf deren Grundlage eine »genaue Fixierung des Begriffs« versucht wurde.540 Diese Gegenüberstellung der ästhetikgeschichtlichen Zusammenhänge der Begriffe lässt dennoch die Schlussfolgerung zu, dass sich gerade die Verweise auf die künstlerische Tätigkeit und die neu erfassten Bereiche einem nur aus der Kunstgeschichte vermittelten Kunstwerkbegriff entgegenstellen wollten.
Das Bedeutungsverhältnis von Gedanken (Inhalt) und Form Interdisziplinarität kennzeichnete besonders diejenigen Kreise, in denen eine »weitherzige Auslegung des Gesetzes« argumentativ vorbereitet wurde.541 Rechtsanwälte und Mithin begründet der Tübinger Jurist diese Argumentation auch mit der Schutzfähigkeit der Werke der Fotografie: Das Nachahmen der Natur im Sinne eines bloßen Könnens, erkannte er in diesem Sinne ebenso wenig als eine geistige Tätigkeit an: »dessen Thätigkeit vielmehr der Hauptsache nach darin besteht, in Bezug auf bestimmte vorhandene Objekte eine Naturkraft in Bewegung zu setzten, und durch die das flache oder körperliche Abbild jener Objekte zu erhalten.«, vgl. Mandry 1867, S. S. 213-214. Diese systematische Auslegung des Gesetzes tritt später gleichfalls im Kontext mit der Schutzfähigkeit der Werke der bildenden Künste auf; konnte ein Werk der Fotografie schutzfähig sein, musste die künstlerische Tätigkeit im Sinne des Gesetzes eine andere sein, als sie ein allgemeiner Kunstbegriff vorgab: »Übrigens tritt bei Harum und Kühns ein weiteres Requisit des Werkes der Kunst hervor: nämlich die Nothwendigkeit einer selbständigen, individuellen Geistesschöpfung – was zur Schutzlosigkeit der im Wege der Daguerreotypie, der Photogaphie, Galvanoplastik u.s.f. gewonnenen Produkte führt.«, vgl. ibid., S. 210. Erkennbar wir die »positivistische Offenheit«, vgl. zum Begriff: Wenzel 2020, S. 375. 538 Jan-Peter Pudelek fasst die Entwicklungen um den Werkbegriff im 19. Jahrhundert zusammen: »Der Komplex der sich gegenseitig begründenden Begriffe Kunst, Kunstwerk und Ästhetik blieb das ganze 19. Jh. hindurch kunsttheoretisch und -praktisch produktiv; je mehr jedoch die soziohistorische Bedingtheit der bürgerlichen Kunstpraxis vor Augen trat, desto stärker geriet die Kunstwerkästhetik als Theorie diese Praxis in die Defensive. […] auf andere Weise zeigte das neue Medium Fotografie Grenzen der Schulästhetik auf […]«, vgl. Pudelek 2005, S. 522. 539 Dazu vgl. ibid., S. 555, 560. 540 Vgl. Mandry 1867, S. 209. 541 Jacobsohn/Tübinger 1920, S. 494. Auch 1921 findet sich ein Beitrag mit gleichem Titel: »Nicht die Idee selbst darf Gegenstand des Rechtsschutzes sein, sondern nur die Formgebung dieser Idee, der Form gewordene Werbegedanke […]«, vgl. Eckstein 1921, S. 445. Juristen waren mit ihren spezifischen Auslegungen der gesetzlichen Grundlagen (neuen) künstlerischen Schaffens in Prüfungsstellen vertreten, deren Aufgabe es war, »Kunst in Handel und Gewerbe« zu heben. Das Deutsche Museum für Kunst in Handel und Gewerbe hatte beispielsweise 1916 eine Prüfungsstelle in Berlin ins Leben gerufen, die mit »Sachkenntnis des Werbeanwalts, der Rechtsgelehrten, der Qualitätsarbeiter und des Händlers besetzt war.«, vgl. Meyer 1916, S. 201. Bernadette Collenberg-Plotnikov spricht mit dem Blick auf die Autoren der Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft von einem »multiperspektivischem Blickwinkel«, vgl. Collenberg-Plotnikov 2015, S. 25, Fn. 30. 537
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Regierungsbeamte legten alternative Kommentierungen des Kunstschutzgesetzes vor, in denen sie Erörterungen über die wesentlichen Kennzeichen des »Werkes der bildenden Kunst in den Mittelpunkt ihrer Überlegungen« stellten.542 Mit dem »Wesen der Werke bildenden Künste« hatten bereits Kohler und Schanze argumentiert, um ihre Bildwerkstheorie zu legitimieren.543 Angesichts der Entgrenzung des Kunstbegriffs am Beginn des 20. Jahrhunderts musste auch das gattungsprägende Spannungsverhältnis von Form und Inhalt neu justiert werden.544 Zu erwähnen ist, dass die Identität von Form und Inhalt für einen Werkbegriff stand, der für die Erwartung der naturalistischen Nachahmung der Wirklichkeit an die bildenden Künste entscheidend gewesen war.545 Angesichts für die bildende Kunst erschlossener neuer Aufgaben, die abseits der Gattungen des tradierten Kanons lagen, wurde die Zweckfrage im juristischen Diskurs besonders relevant. Für Werke der angewandten Kunst schien nicht vertretbar, ihren einzigen Zweck in der Offenbarung der Individualität des Schöpfers zu sehen.546 In Bezug auf das »Bedeutungsverhältnis von Gedanken und Form« wurde in Das Plakat bekräftigt, dass »beide gleichwertig das Kunstwerk ausmachen und daß hieran auch durch den Verwendungszweck der Gebrauchsgraphik nichts geändert wird«.547 Dieses autonomieästhetische Bekenntnis kommt dabei mehr deklaratorisch daher, war die »Form-Inhalt-Balance« ihr traditionelles Postulat.548 Allerdings war für die angewandte Kunst ein neuer Inhaltsbegriff eröffnet, nachdem erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts das Gattungsverständnis durch eine Zurückdrängung des hohen Stellwertes des Inhalts verändert wurde.549 Der idealistische Inhaltsbegriff musste sich seither einerseits des Verdachts jeder außerkünstlerischen Vereinnahmung erwehren, war andererseits aber auch geeignet, die Überschreitungen der Grenzen zwischen Kunst und Alltag begrifflich greifbar zu machen.550
542 Jacobsohn/Tübinger 1920, S. 494. 543 In seiner Abhandlung Zur Lehre vom Geschmacksmuster formulierte Schanze: »Dem Wesen der Werke der bildenden Künste wird nur die Bildwerkstheorie gerecht, wie sie von Kohler und von mir, unabhängig voneinander, aufgestellt worden ist und den Beifall Adlers gefunden hat. Das Werk der bildenden Künste ist ein eigentümliches Bildwerk«, vgl. Schanze 1911, S. 296. 544 Zu den Entgrenzungen vgl. Collenberg-Plotnikov 2016, S. 193. 545 Johannes Grave weist drauf hin, dass die Begriffe Individualität und Originalität ebenso wie die Identität von Form und Inhalt in der Geschichte des Werkbegriffs für eine Ableitung des Werkes von etwas ästhetischen Wirksamen stehen: Grave 2020, S. 92. 546 Was Schanze unter Bezugnahme auf Osterrieth einige Jahre zuvor für das Geschmacksmuster erwog, musste auf die Gebrauchsgrafik erst Anwendung finden: »Wenn man davon ausgeht, daß das Wesen der künstlerischen Schöpfung darin besteht, daß sie außer dem Zweck der Offenbarung der Individualität des Schöpfers keinen Zweck hat […] so wird das hier in Frage stehende Merkmal des Geschmacksmusters erschöpfend negativ sein, d.h. dadurch gekennzeichnet, daß die eigenartige Gestaltung keinem Gebrauchszweck dient. […] Sind Gebrauchszweck und Geschmackszweck wirklich kontradiktorische Gegensätze […] Es gibt auch den Zweck der Belehrung.«, vgl. Schanze 1911, S. 299. Zur Rolle von Funktionalität, Zweck und Nützlichkeit als Abgrenzungskriterien zwischen Kunst auf der einen Architektur und Formgestaltung auf der anderen Seite vgl. Siegmund 2019, S. 40. 547 Jacobsohn/Tübinger 1920, S. 494. 548 Scholl 2012, S. 397. 549 Ibid., S. 461. 550 Zum Aspekt des Versagens ästhetischer Begrifflichkeiten: Barck/Fontius/Thierse 1990, S. 16.
Kunstwerk oder Werk der bildenden Künste? Theoretische Revisionen im dadaistischen Kontext
Im juristischen Kontext mussten die ästhetischen Begriffe Form und Inhalt neue Relevanz entfalten: Für Entwürfe oder Skizzen etwa, die ebenfalls als Werke der bildenden Künste schutzfähig sein konnten, sollte die Einfassung eines neuartigen Gedankeninhalts in eine Form genügen. Die Ausführung des Werkes als Werkstück sollte hier nachrangig sein:551 »Wer in den Schöpfungen der Gebrauchsgraphik allein den Gedanken als schutzwürdig erkennen will, wird dann folgerecht zwischen der Schmierskizze und dem ausgereiften Werk keinen Unterschied machen. Das scheint allerdings zu weit zu gehen, weil der Gedanke doch schließlich erst einmal überhaupt geformt sein muß, ehe von einem ›Werk‹ der bildenden Kunst gesprochen werden kann.«552 Um folglich eine Skizze als ein Werk der bildenden Künste erfassen zu können, musste die Ausführung gänzlich an Bedeutung verlieren.553 Im Kontext des entgrenzten Kunstbegriffs wurde Form hier zum Synonym eines rhetorischen Programms.554 Hier wird zudem deutlich, wie sehr der Rechtsbegriff durch die inhaltlich teils neu ausgerichteten Begriffe der philosophischen Ästhetik geprägt wurde.555
Das Plakat als Kunstwerk und Werk der bildenden Künste Abhandlungen zum »Urheberrecht am Plakat« durften in der seinerzeit einzigen Fachzeitschrift für Gebrauchsgrafik in Deutschland schon deshalb nicht fehlen, da es um die Etablierung einer neuen Kunstgattung ging. Damit reihte sich die Zeitschrift in das Gesamtgeschehen einer ersten Entgrenzungsphase des Kunstbegriffs ein. Unter den Autoren fehlten auch solche nicht, die auf den begrifflichen Unterschied zwischen Kunstwerk und Werk der bildenden Künste verwiesen:556 »Das Plakat ist etwas anderes als ein Kunstwerk. Es kann und es soll von künstlerischem Gehalt sein, braucht es aber 551
Gustav Mandry wies schon auf die unterschiedliche Begriffsbedeutung hin (s.o.). Aus dem Bereich der literarischen Werke wurde ein neuer Formbegriff für die Werke der bildenden Künste zur Anwendung gebracht: »[…] die individuelle geistige Hervorbringung eben so bedeutungslos, als für den Begriff des literarischen Erzeugnisses«, vgl. Mandry 1867, S. 214. 552 Jacobsohn/Tübinger 1920, S. 494. 553 »Oft kommt es dem Künstler nur darauf an, den Gedanken zu veranschaulichen, sodass die Art der Ausführung noch offen bleibt. Das mag etwa dasjenige sein, was man als ›Schmierskizze‹ bezeichnet.«, vgl. ibid. 554 Der jeweilige Zweck und damit auch die Reklamebotschaft waren Inhalt der Form. Unter dem Aspekt der Formung vgl. Bruhn 2009, S. 69. Im Kontext der phänomenologischen und empirischen Kunstwissenschaft setzte sich auch der Bonner Kunstwissenschaftler Oskar Walzel mit dem Formbegriff auseinander, vgl. dazu Nebrig 2013, S. 100-101. 555 Auch nach 1945 beschäftigte das Begriffspaar die Rechtswissenschaft. Der Schweizer Jurist Max Kummer etwa formulierte: »Die Versuche, aus dem Gegensatzpaar Form und Inhalt Kriterien herzuholen, die Geschütztes von Ungeschütztem trenne, müssen samt und sonders scheitern. […] Form dagegen von Inhalt zu trennen und nur sie zu schützen führt in die Irre. […] Bei den Werken der gegenständlichen Kunst drückt der Satz Selbstverständliches aus, wie weit er kundtut, das Sujet sei frei. Will er aber die Grenzlinie zwischen Form und Inhalt anders ziehen, verliert er sich hoffnungslos im Unbestimmten. Und jeder Aufgliederung in Form und Inhalt entziehen sich von vornherein die Werke der ungegenständlichen Kunst, der Musik, des Tanzes.«, vgl. Kummer 1968, S. 20. 556 Dazu schon Mandry in Abgrenzung zu einem Sprachgebrauch 1867, S. 215: »[…] daß der im Gesetze konstant gebrauchte Ausdruck ›Werk der Kunst‹ die Rücksichtnahme auf den Grad künstlerischer Voll-
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nicht, und jedenfalls erschöpft sich darin nicht sein Wesen.«557 Im Weiteren nahm der Autor die Tatsache, dass das Kunstschutzgesetz nicht die Idee, sondern deren geistige Umsetzung schützte, als Grundlage für seine Feststellung, dass »der darstellende Gehalt seiner Schöpfung« der künstlerische Wesenszug des Plakats sei.558 Damit drängt sich die Vermutung auf, dass dem Autor die Verwirrung um die Begriffe Stoff, Gehalt und Idee aus seiner juristischen Praxis bekannt war. Jedenfalls versuchte Eckstein mit dieser Auslegung auf die Defizite eines von juristischem Positivismus geprägten Kunstwerkbegriffs hinzuweisen und einen theoretischen Zugang zu neuen Kunstformen zu eröffnen. Diese Engführung des Kunstbegriffs durch eine kunstwerkästhetische Begriffsbildung tritt mit dem deutlichen Verweis auf das normative Potenzial eines genieästhetischen Konzeptes auf. Ziel sollte nach Auffassung des Autors »ein Urheberrechtsgesetz sein, dessen erste Bestimmung lautet: ›Gegenstand des Rechtsschutzes ist jede geistige Schöpfung.‹«559 Hiermit formulierte er seine Kritik gegenüber jener rezeptionsästhetischen Grundhaltung, die das Potenzial barg, den Gegenstandsbereich der bildenden Kunst über den der Ästhetik zu erweitern.
Zusammenfassung Konnte sich die Kunstkritik auf Basis subjektiver Unmittelbarkeit auch einer dadaistischen Collage ohne Schwierigkeiten widmen, blieb es der Rechtsöffentlichkeit vorbehalten eine Stückungsgraphik als Werk der bildenden Künste theoretisch zu erfassen. So verwundert es kaum, dass die Änderungen im Schutzregime des Urheberrechts in den verschiedenen Medien der zahlreichen kunstgewerblichen Vereine und Interessengemeinschaften auf großen Zuspruch stießen. Die Frage der Schutzfähigkeit der Plakatkunst spielte in der Zeitschrift Das Plakat dennoch eine besondere Rolle. Die Argumentation fiel dabei uneinheitlich aus, obwohl das Anliegen doch ein einheitliches war: den fragwürdig gewordenen Kunstbegriff durch den Rechtsbegriff nicht festzuhalten. Die Beiträge in Das Plakat wirkten nicht nur an der »Entmonopolisierung der traditionellen akademischen Orte der Kunstreflexion« mit.560 Sie verabschiedeten jedenfalls mehrheitlich den Begriff des l’art pour l’art als unzeitgemäß. Mit ihrer Forderung nach einer weiten Auslegung des Rechtsbegriffs stellten die Juristen zudem eine Legitimierung des ästhetischen Urteils an überlieferten Begrifflichkeiten in Frage und boten theoretische Grundlagen an. Dabei bedienten sie sich nicht nur dem zeitgenössischen Diskussionsstand der Ästhetik, um ihren Argumenten eine wissenschaftliche Basis zu geben. Vielmehr prägten sie das Verhältnis von Form und Inhalt durch ihre eigenen Fragestellungen abseits des kunsthistorischen Normativismus.
kommenheit, welcher mit der Bezeichnung eines Werkes als ›Kunstwerk‹ verknüpft gedacht werde, nicht gestatte.«. 557 Eckstein 1919, S. 198. 558 Ibid. 559 Eckstein 1919, S. 199. 560 Collenberg-Plotnikov 2016, S. 193.
Kunstwerk oder Werk der bildenden Künste? Theoretische Revisionen im dadaistischen Kontext
5.
Der Rechtsbegriff und seine Ausformung durch die interdisziplinären Sachverständigenkammern
Waren nach Inkrafttreten des Kunstschutzgesetzes die Sachverständigenkammern für die Ausfüllung des Rechtsbegriffs Werk der bildenden Künste zuständig, drängt sich die Vermutung auf, dass sich auch hier, bedingt durch das personelle Substrat, Wechselwirkungen in der Argumentation aufzeigen lassen. Gleichsam ist naheliegend, dass die spezifischen Fragestellungen der Rechtsbegriffsbildung an dieser Schnittstelle auch die Kunstöffentlichkeit beeinflusst haben könnten. So war bereits in Das Plakat eine Meinung zum Ausdruck gebracht worden, der zufolge die Gerichte und mit ihnen die Sachverständigenkammern zu einem Ort »der künstlerischen Kritik statt der sachlichen Untersuchung« geworden seien.561 Der Verweis auf die Besonderheit juristischer Methode wurde gleichwohl relativierend formuliert.562 In der Folge der Verabschiedung des Gesetzes von 1907 wurden bereits seit der Mitte des 19. Jahrhunderts bestehende Sachverständigen-Vereine in Sachverständigenkammern umgewandelt. In allen Bundesstaaten des Reiches galt nach § 46 Absätze 1 und 3 Kunstschutzgesetz: »(1) Für sämtliche Bundesstaaten sollen Sachverständigenkammern bestehen, die verpflichtet sind, auf Erfordern der Gerichte und der Staatsanwaltschaften Gutachten über die an sie gerichteten Fragen abzugeben. (2) Der Reichskanzler erläßt die Bestimmungen über die Zusammensetzung und den Geschäftsbetrieb der Sachverständigenkammern.«563 Eines unterstreicht schon hier die Relevanz dieses Gesetzes und der zugehörigen Ausführungsbestimmungen: diese wurden nicht nur in juristischen Medien, sondern auch in einschlägigen Kunstzeitschriften verbreitet.564 Zu gutachterlichen Äußerungen außerhalb dieses Kompetenzrahmens waren die Kammern nicht befugt. Eine § 46 Absatz 3 Kunstschutzgesetz entsprechende »Bestimmung über die Zusammensetzung und den Geschäftsbetrieb der Sachverständigenkammern für Werke der bildenden Künste und der Photographie« folgte bereits wenige Monate später. Ging es um die Frage der Schutzfähigkeit nach dem Musterschutzgesetz von 1876, blieb die gewerbliche Sachverständigenkammer zuständig.
561 Sachs 1917, S. 198. 562 »Das Schelten der Gesetzgebung und Rechtsprechung ist so alt wie diese selbst. Die Zeichnung des weltfremden Richters, der ohne innere Verbindung mit der fortschreitenden Entwicklung Recht spricht, ist jedermann geläufig […] Die Gründe für die Angriffe gegen die Justiz sind von juristischer Seite vielfach wiederlegt und auf das richtige Maß zurückgeführt worden. […] Der Scheltende kennt die gesetzlichen Grundlagen nicht genügend; mit mangelndem Rüstzeug, nur vom Gefühl – von ihm Rechtsbewusstsein genannt – beherrscht, geht er an die Kritik heran.«, vgl. ibid. 563 Gesetz, betreffend das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste und der Photographie, RGBl. 1907, Nr. 3, S. 7-18. 564 Albert Osterrieth war noch vor seiner Beteiligung in der Gesellschaft für Ästhetik und Allgemeine Kunstwissenschaft im Verband Deutscher Kunstgewerbevereine präsent, vgl. Osterrieth 1906b.
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Kammervorsitz und Wirkung: zwischen Alltagsbegriffen und Rechtstext Der Vorsitzende übte einen entscheidenden Einfluss auf das gutachterliche Ergebnis der Sachverständigenkammer aus, die wiederum nach § 3 Satz 2 der Bestimmungen über die Zusammensetzung von den zuständigen Landeszentralbehörden zu berufen war.565 Nach § 6 der Bestimmungen galt, vorbehaltlich etwaiger allgemeiner Vorschriften der Landeszentralbehörde, dass »darüber, welche Sachverständigen im einzelnen Falle an der Beratung und Beschlußfassung teilnehmen«, der Vorsitzende zu entscheiden hatte. Den Gesamtvorsitz sämtlicher Königlich-Preußischer Sachverständigenkammern hatte seit 1907 der Jurist und Professor Dr. Paul Daude inne.566 Daude trat dabei als Vermittler der neuen gesetzlichen Regelungen auf. In einem eigenen Beitrag für die Deutsche Juristen-Zeitung bekannte er sich als einer der Verfechter des Gesetzes, dessen Regelungen er als »langersehnte Neuregelung« beschrieb.567 Daude selbst hatte eine Definition der Rechtsbegriffe in § 1 Kunstschutzgesetz vorgelegt. Damit gab er seiner in Zweifelsfällen zu konsultierenden Sachverständigenkammer für bildende Künste einen eindeutigen definitorischen Handlungsrahmen vor: »Gegenstand des Schutzes sind zunächst die Werke der bildenden Künste, d.h. in Uebereinstimmung mit dem früheren Gesetz diejenigen Werke, die durch eine individuelle formgebende Tätigkeit mit den Darstellungsmitteln der plastischen, zeichnenden und malenden Kunst geschaffen und für die Anregung und Befriedigung des ästhetischen Gefühls durch Anschauen bestimmt sind.«568 Daude grenzt gewerbliche Erzeugnisse von als Werke der bildenden Künste schutzfähigen Erzeugnissen des Kunstgewerbes einerseits mittels des Kriteriums der künstlerischen Tätigkeit und andererseits an der vielfältig zu bestimmenden »Anregung und Befriedigung eines ästhetischen Gefühls« ab.569 Der Begriff des ästhetischen Gefühls wurde von Hermann Cohen geprägt und verweist auf die hier grundlegende Begriffsauffassung des Ästhetischen.570 Gleichzeitig verweist sein Hinweis auf die historische Auslegung auf die von Osterrieth und Schanze vertretene Bildwerkstheorie, was durch die Bindung des Begriffs der bildenden Künste an Malerei, Grafik und Bildhauerei deutlich wird.
565 Vgl. Bestimmungen über die Zusammensetzung und den Geschäftsbetrieb der Sachverständigenkammern für Werke der bildenden Künste und der Photographie. Auf Grund des § 46 des Gesetzes, betreffend das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste und der Photographie, vom 9. Januar 1907, in: Zentralblatt für das Deutsche Reich, 35. Jg., Berlin 1907, S. 214. 566 Zu dessen akademischer Sozialisation und Wirken an der Berliner Universität: Virmond 2011, S. VIV. 567 Daude 1907, Sp. 327. 568 Ibid. 569 »Diejenigen gewerblichen Gegenstände, die im Gegensatz zu den wesentlichen materiellen Gebrauchszwecken dienenden, durch das Musterschutzgesetz v. 11. Jan. 1876 geschützten gewerblichen Erzeugnissen infolge einer bei ihrer Herstellung aufgewendeten individuellen formbildenden Tätigkeit als künstlerische, zur Anregung und Befriedigung des ästhetischen Gefühls dienende Schöpfung anzusehen sind.«, vgl. ibid. 570 Zum Inhalt des ästhetischen Formgefühls bei Cohen: »In dem ästhetischen Ich, in dem Inhalt des ästhetischen Gefühls verbinden sich diese beiden Ichheitsprobleme zu der Lösung in demjenigen Selbstbewusstsein, in welchem keine Arbeit des Denkens und kein Ringen des Wollens am Ende mehr stattfindet, sondern nur der Friede der Beschauung des Werkes des Genies bezeugt.«, vgl. Cohen 1889, S. 250.
Kunstwerk oder Werk der bildenden Künste? Theoretische Revisionen im dadaistischen Kontext
Inwieweit diese Einschätzungen Daudes Verbreitung fanden und in die Vota der Kammern tatsächlich einwirkten, muss anhand der gutachterlichen Praxis der Sachverständigenkammern ermittelt werden. Jedenfalls war sich der Kommentator selbst bewusst, dass aufgrund der neuen Gesetzessystematik »künstlerische Einschätzungen« notwendig werden würden, da die Grenzziehung zwischen den Werken der bildenden Künste im engeren Sinne, den Werken des Kunstgewerbes und den rein gewerblichen, durch das Musterschutzgesetz geschützten Erzeugnissen schwer begründbar erschien. So überrascht es wenig, dass Daude an gleicher Stelle vehement seine Forderung formulierte, dass die Gerichte unbedingt zur Sicherung einer sachgemäßen Beurteilung auf die unter seinem Vorsitz stehenden Sachverständigenkammern zurückgreifen sollten.571
Errichtung und Organisation der Thüringischen Sachverständigenkammer für Bildende Künste in der Bauhausstadt Weimar Die vollständig erhaltenen Akten der in Weimar wirkenden Thüringischen Sachverständigenkammer für Bildende Künste geben einen umfassenden Einblick in die kunstbegrifflichen Implikationen der gesetzlichen Anwendungspraxis. Die Stadt und ihre Kunstinstitutionen galten als ein »wahres Versuchsgelände neuester Richtungen«.572 Der Direktor der Staatlichen Kunstsammlungen Weimar und spätere stellvertretende Kammervorsitzende, Wilhelm Köhler, war daher bereits 1919 von konservativer Seite in die Kritik geraten. Angesichts der in Weimar verbreiteten Geisteshaltung wurde zu bedenken gegeben, dass Goethe »zu seiner Zeit ein sehr moderner Mensch war, er sich aber begnügte, in seiner Gegenwart zu leben«.573 Durch die Ankäufe der Staatlichen Kunstsammlungen unter Wilhelm Köhler geriet dieser unter den Verdacht gleich einem »Futuristen eine ungekannte Zukunft vorwegnehmen« zu wollen.574 Auch der Verkauf eines Landschaftsgemäldes von Karl Buchholz war zum Anlass für die Behauptung geworden, »weiten Kreise der Galerieleitung werde nicht mehr das wünschenswerte Vertrauen« entgegengebracht. Die Ursache hierfür sollte allerdings »weniger im Museum als in der Kunstschule zu suchen sein, die sich jetzt unter Herrn Gropius in ein ›Bauhaus‹ verwandelt« hatte.575 So erscheint nicht unerheblich, dass bei Errichtung der Sachverständigenkammer auch der dadaistisch beeinflusste »Feininger Trumpf« in Weimar ausgestellt war. Folglich kann festgestellt werden: Die Stadt war mit Blick auf ihre Beziehung zur neuesten Kunst weniger konservativ als andere Städte der Weimarer Republik.576 571 Daude 1907, Sp. 332. 572 Kunstchronik und Kunstmarkt 1919, S. 40. 573 Ibid. In einer Anmerkung der Redaktion heißt es dazu: »Wir glauben, dieser Zuschrift Raum geben zu sollen, obgleich wir uns nicht in allen Punkten mit den Anschauungen des Verfassers identisch erklären wollen. Die weitere Entwicklung wird zeigen, ob das Weimarer Experiment, das auch uns wohl etwas gewagt erscheint, zu einem Erfolg führt. Der Kubismus eignet sich am Ende seiner Natur nach zu einer akademischen Verbreitung. Aber ob das im Sinne seiner Urheber ist, darf bezweifelt werden.« 574 Ibid, S. 39. 575 Ibid. 576 »Unser ehrwürdiges Weimar, das durch seine allen Deutschen heilige Tradition wohl berechtigt wäre, ein wenig konservativer zu sein als jüngere Städte, die keine Vergangenheit zu bewahren haben, ist jetzt zu
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Noch zum Ende des Jahres 1921 bestanden nur in den Thüringischen Gebieten Weimar, Gotha, Rudolstadt, Sondershausen und Gera-Greiz Sachverständigenkammern für Werke der Literatur, der Tonkunst, der bildenden Künste und der Photographie. Um für ganz Thüringen einheitliche Sachverständigenkammern zu bilden, sollten Verträge zwischen Preußen und Meiningen sowie zwischen Sachsen und Altenburg folgen. Um die Mitglieder bis zum 1. Januar 1922 ernennen zu können, forderte das Justizministerium in Weimar die Bezirksregierungen auf, Vorschläge für Mitglieder zu unterbreiten.577 Für die Sachverständigenkammer für Werke der Photographie war diese Frage an das Thüringische Wirtschaftsministerium übergeben worden.578 Prägend für die Thüringer Kammer waren zwei Persönlichkeiten: Bis 1933 wirkte als Vorsitzender Ministerialdirektor Ernst Wuttig.579 Sein Stellvertreter war der bereits erwähnte, eng mit der modernen Kunst verbundene Direktor der Staatlichen Kunstsammlung in Weimar Wilhelm Köhler. Das persönliche Substrat in der Tätigkeit der Sachverständigenkammer war groß. Der Sitz der Kammer etwa war zugleich der private Wohnsitz des Vorsitzenden und Tagungsort war regelmäßig das Dienstzimmer seines Stellvertreters. Zudem war der Vorsitzende der Sachverständigenkammer auch Kontaktstelle für Anfragen anderer Gerichtsbarkeiten für Empfehlungen von Sachverständigen.580 Es überrascht wenig, dass die erkennbar fehlende Institutionalisierung in den ersten Jahren der Tätigkeit zu erheblichen organisatorischen Schwierigkeiten führte.581 So erklärt sich auch, wieso sich
einem wahren Versuchsgelände neuester Richtungen geworden.«, vgl. ibid. 39-40. In seiner Entgegnung schrieb Köhler: »Ich trete für neueste Kunst ein, so gut wie für ältere, wenn ich ernstes Wollen und gereiftes Können sehe. Es gilt nur Eines, was ich mit aller Entschiedenheit bekämpfe: das ist halbe und Schein-Kunst, mag sie sich nun unter dem Deckmantel der Tradition verkriechen, um ihre innere Hohlheit zu verbergen, oder durch äußerliche Nachahmung neuer Formen bluffen.«, vgl. Köhler 1919, S. 114. 577 Ordentliche Mitglieder waren für die ersten Jahre: Ministerialdirektor Dr. Wuttig, Weimar (Vorsitzender); Dr. Kieß, Jena (Stellvertreter); Architekt Eckler, Gera; Professor Engelmann, Weimar; Direktor Gropius, Weimar; Professor Klemm, Weimar; Museumsdirektor Dr. Köhler, Weimar; Kommerzienrat Müller, Rudolstadt; Geh. Hofrat Professor Dr. Pick, Gotha; Geh. Regierungsrat Professor Dr. Purgold, Gotha; Professor Rasch, Weimar, Stadtrat Rudolph, Weimar; Ministerialrat Schrammen, Weimar; Kreisschulrat Tenner, Weimar; Professor Dr. Weber, Jena, vgl. Allgemeine Verfügung des Justizministeriums vom 8. Januar 1923, LATh – HstA Weimar, Thür. Volksbildungsministerium C 901, Bl. 3 (hier und im Folgenden Blattangaben zu diesem Gutachten nach alter Foliierung; vgl. Gesamtgutachten im Annex). Walter Gropius war ohne an einem Gutachten beteiligt gewesen zu sein vor dem 30. Januar 1926 aus der Kammer ausgeschieden, nachdem er seinen Wohnort nach Dessau verlegt hatte, vgl. LATh – HstA Weimar, Thür. Volksbildungsministerium C 901, Bl. 25. 578 Thüringisches Justizministerium, Schreiben vom 12. November 1921, LATh – HstA Weimar, Thür. Volksbildungsministerium C 899, Bl. 5. Bereits im Januar 1919 wurde in Thüringen eine Kammer der bildenden Künstler errichtet. 579 Wuttig war 1913/1914 Mitglied des Verwaltungsrates der Großherzöglichen Kunstgewerbeschule zu Weimar. Er begleitete die Reorganisation der Schule in direktem Austausch mit Henry van de Velde, vgl. Wahl 2007, S. 270, 464. 580 Thüringisches Oberverwaltungsgericht, Schreiben vom 5. Februar 1927, LATh – HstA Weimar, Thür. Volksbildungsministerium C 901, Bl. 56. 581 Für die Kammer bestimmte Sendungen wurden beispielsweise erst später über das Ministerium an den Vorsitzenden überstellt, nachdem Beschädigungen und Verzögerungen moniert worden waren, vgl. Thüringisches Ministerium für Volksbildung und Justiz, Schreiben vom 5. August 1924, LATh – HstA Weimar, Thür. Volksbildungsministerium C 901, Bl. 23.
Kunstwerk oder Werk der bildenden Künste? Theoretische Revisionen im dadaistischen Kontext
Wuttig nachdrücklich den Anregungen Wollenbergs, dem Nachfolger Paul Daudes, anschloss und erfolgreich eine Anhebung des Mindestsatzes der Gebühren für die Kammertätigkeit auf 3.000 Mark forderte. Mit dieser wurde die Professionalisierung der Kammertätigkeit möglich. Auch war es so für die Mitglieder der Kammer möglich, Honorare für ihre Beteiligung abzurechnen.582 Mit nur acht Gutachten bis 1933 war die Tätigkeit der Kammer in Weimar begrenzt, weshalb sie hier paradigmatisch stehen mag. Wie in Teilen der Kommentarliteratur herrschte unter jenen Mitgliedern der Sachverständigenkammer, die nicht juristisch ausgebildet waren, über die Begriffe des Kunstschutzgesetzes Unverständnis vor. Was ein Kunstwerk war, schien zu offensichtlich, als dass es der Klärung durch ein schwer verständliches Gesetz bedürfen konnte. Die Bezeichnung eines »Erzeugnisses gewerblicher Massenherstellung« als »Werk der bildenden Kunst« wurde als solche nur hingenommen.583 Diese zunächst mit schierem Unverständnis aufgenommene gesetzliche Differenzierung blieb nicht ohne Wirkung auf jene Mitglieder, die zu Teilen selbst »Persönlichkeiten mit Künstlerschaft« waren. Aus den Archivakten geht hervor, dass sich die Mitglieder der Thüringer Kammer den Begriff des Werkes der bildenden Künste im Sinne des § 2 Kunstschutzgesetz zunächst selbst erst erschließen mussten. Die relevanten Kommentare wurden über das übergeordnete Thüringische Ministerium für Volksbildung und Justiz bei der Bibliothek des gemeinschaftlichen Oberlandesgerichts in Jena erst spät angefragt.584 Die Kammer beschränkte ihre Recherche jedoch nicht auf dogmatische Quellen, sondern bezog auch Einschätzungen von Rechtspraktikern mit in ihre Gutachten ein, wie die Anfrage bei einem am Thüringischen Oberlandesgericht tätigen Rechtsanwalt zur Zeitschrift Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht zeigt.585 Die Kammer berücksichtigte, soweit sie davon Kenntnis hatte, auch vorausgegangene Gutachten der Preußischen Künstlerischen Sachverständigenkammer in Berlin.586 Erst für ihre späteren Gutachten konnten die Mitglieder, die über ihren Vorsitzenden in unmittelbarem Kontakt zu seinem Kollegen der Preußischen Sachverständigenkammern stand, auch auf den 582 Dr. Wuttig, Schreiben vom 24. April 1931, LATh – HstA Weimar, Thür. Volksbildungsministerium C 901, Bl. 38. 583 »Als Werke der bildenden Kunst kann ein Erzeugnis gewerblicher Massenherstellung offenbar nur dann betrachtet werden […]«, vgl. Abschrift Dr. Köhler zum Gutachten der Sachverständigenkammer für Bildende Kunst, 11. September 1924, LATh – HstA Weimar, Thür. Volksbildungsministerium C 901, Bl. 27. 584 »Im Auftrage des Herrn Vorsitzenden der künstlerischen Sachverständigenkammer […] ersuchen wir, das Werk Allfeld, Urhberrechtsgesetz vom 9. Januar 1907 und einen anderen neueren Kommentar zu demselben Gesetz uns auf kurze Zeit überlassen zu wollen. Für baldgefl. Übersendung würden wir besonders dankbar sein.«, vgl. Schreiben des Thüringischen Ministeriums für Volksbildung und Justiz vom 23. Juni 1925, LATh – HstA Weimar, Thür. Volksbildungsministerium C 901, Bl. 47. 585 Rechtsanwälte P. Fischer und H. Kohl an Dr. Wuttig, Schreiben vom 17. März 1931, Bl. 108. 586 Diese konnten über das Oberlandesgericht in Abschrift zur Verfügung gestellt werden. Kenntnis erlangte die Kammer lediglich zufällig über den Hinweis auf den Abdruck des Gutachtens in der Fachzeitschrift Deutsches Offset- und Steindruckgewerbe. Zur Korrespondenz um das Preußische Gutachten: Dr. Wuttig an Dr. Schmidt, Schreiben vom 4. März 1931 und Dr. Schmidt an Dr. Wuttig, Schreiben vom 9. März 1931, LATh – HstA Weimar, Thür. Volksbildungsministerium C 901, Bl. 97 und 103.
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Kommentar zum Urheberrechtsgesetz von Philipp Allfeld und weitere Kommentarliteratur zurückgreifen.587 Obgleich die gesetzlich notwendige Grenzziehung zwischen Kunstschutz- und Geschmacksmusterschutzfähigkeit zunächst auf Unverständnis stoßen musste, wurde zu Beginn der Tätigkeit der Sachverständigenkammer angenommen, dass die Anschauung des Lebens in der gutachterlichen Tätigkeit entscheidend sein musste.588 Interessenvertretungen richteten sich daher mit Anfragen zur Aufnahme ihnen nahestehender Personen in die Landessachverständigenkammern an die Vorsitzenden. Der Verband Deutscher Möbelstoff- und Teppich-Grossisten e.V. mit Sitz in Berlin wandte sich mit einem entsprechenden Gesuch am 16. März 1927 an die Thüringer Kammer. Dabei gingen die Verbandsvorstände davon aus, dass die Kammer den »künstlerischen Wert« eines Erzeugnisses ermitteln würde. Der Irrtum hinsichtlich der eigentlichen Aufgabe der Sachverständigenkammer mag mit einem statisch verstandenen Kunstbegriff zu erklären sein, von dem nach Auffassung Außenstehender auch in den Beratungen nicht abgewichen werden und es schlicht um ein Werturteil gehen konnte.589 Trotz der »lebhaften Sympathie« des Vorsitzenden der Preußischen Sachverständigenkammer, Paul Daude, für den Besetzungsvorschlag des Verbands wurde dieser von Wuttig als von nur geringerer Relevanz mit dem Wunsch, Experten der Kunstgrafik vorzuschlagen, an das Ministerium verwiesen.590 Seitens des als Aufsichtsbehörde fungierenden Justizministeriums wurde der Kammervorsitzende dazu aufgefordert, aus Kostengründen nur in der näheren Umgebung wohnende Mitglieder zu berufen.591 Die Unkenntnis bezüglich der Aufgaben der Sachverständigenkammern wird auch an einer Eingabe des Reichsverbandes Bildender Künstler deutlich, die die Thüringische Sachverständigenkammer erreichte. Im Auftrag eines Mitglieds erbat der Verband eine Einschätzung zu den Erfolgsaussichten einer Klage wegen Verletzung des Urheberrechts. Unter Bezugnahme auf § 46 Kunstschutzgesetz und die Stellung der künstlerischen Sachverständigenkammer als reines Konsultationsorgang der Gerichte und Staatsanwaltschaften antwortete Wuttig mit dem Hinweis, man solle »sich eines Rechtsanwalts […] bedienen der die Angelegenheit der zuständigen Staatsanwaltschaft« übergeben sollte.592
587 Ibid. Der genannte Kommentar war auch Grundlage der Ausführungen Max Dessoirs (s.o.). 588 Mangelnde Aufklärung über den spezifischen Sinn und Zweck der Norm und über den daraus folgenden weiten Begriff eines Werkes der bildenden Künste monierte auch Mandry 1867, S. 211. 589 »Die vielfältigen Streitfälle aus der Praxis insbesondere des Eigentumsmusterschutzes, in denen die Kammer um Erstattung von Gutachten angegangen wird und bei denen es darauf ankommt, den künstlerischen Wert und die Originalität eines Musters festzustellen, lassen es geboten erscheinen, dass Sachverständige der wirtschaftlichen Praxis […] zu den Beratungen der Kammer hinzugezogen werden.«, vgl. Verband Deutscher Möbelstoff- und Teppich-Grossisten e.V., Schreiben vom 16. März 1927, LATh – HstA Weimar, Thür. Volksbildungsministerium C 901, Bl. 59. 590 Antwort Dr. Wuttig an den VDMTG, Schreiben vom 25. März 2917, LATh – HstA Weimar, Thür. Volksbildungsministerium C 901, Bl. 60. 591 Thüringisches Justizministerium, Schreiben vom 12. Februar 1923, LATh – HstA Weimar, Thür. Volksbildungsministerium C 901, Bl. 1. 592 Antwort Dr. Wuttig an Reichsverband Bildender Künstler, Schreiben vom 9. August 1928, LATh – HstA Weimar, Thür. Volksbildungsministerium C 901, Bl. 64.
Kunstwerk oder Werk der bildenden Künste? Theoretische Revisionen im dadaistischen Kontext
Für das Verständnis der Arbeitsweise der Kammer wesentlich ist es, nicht unberücksichtigt zu lassen, dass Mitglieder der Sachverständigenkammern ihre gutachterliche Tätigkeit teilweise nicht von Partikularinteressen getrennt ausüben konnten. Erfahrungen im praktischen Bereich, meist im Kunstgewerbe, mussten stellenweise zu Befangenheit führen. Inwieweit die freiwillige Einräumung einer solchen Befangenheit tatsächlich den Gepflogenheiten der Kammern entsprach, ist nicht zu rekonstruieren.593 Da oft nur einzelne Mitglieder die Gutachten federführend verantworteten, war der jeweilige institutionelle oder privatwirtschaftliche Hintergrund mitentscheidend für ein mögliches Votum. Weder waren die aktuellen Namen der Kammermitglieder noch deren Stellung öffentlich allgemein bekannt. Einzelne Bekanntmachungen dazu waren durch Ämterfluktuation jedenfalls nicht abschließend.
Die materielle Tätigkeit der Thüringischen Sachverständigenkammer für Bildende Künste Neben die bereits geschilderten Umstände der Kammertätigkeit im künstlerisch liberalen Weimar tritt die materielle Tätigkeit in Form von Gutachten. Nach den Vorstellungen des Gesetzgebers sollten die Sachverständigenkammern, in Fortsetzung der Arbeit der Sachverständigen-Vereine, gleichförmige Prinzipien für die Anwendung des Kunstschutzgesetzes entwickeln. Die Thüringer Kammer sollte im Verlauf ihrer Tätigkeit solche Prinzipien zunächst in der rechtswissenschaftlichen Literatur suchen. Angesichts der wahrgenommenen Unzulänglichkeit dieser Prinzipien revidierte die Kammer in ihrer späten Tätigkeitsphase die allgemein anerkannte Anwendung des Gesetzes. Merkmale künstlerisch und individuell Auf Ersuchen der 1. Zivilkammer des Thüringischen Landgerichts in Gotha war die Thüringische Sachverständigenkammer im September 1924 in der Sache Firma Kämmer & Reinhardt ./. Firma Möller und Sohn zusammengetreten. Die Kammer sollte eine Einschätzung darüber abgeben, ob die streitgegenständlichen Puppenköpfe ein kunstschutzfähiges Werk der bildenden Künste verkörpern konnten. In diesem Gutachten sticht weniger eine terminologische Unsicherheit mit Blick auf die Immaterialität des Schutzgegenstandes hervor. Noch waren in dem Arbeitsmanuskript zum Gutachten die tatbestandlichen Merkmale »künstlerisch« und »individuell« in Bezug auf die zum Ausdruck kommende »Auffassung und Formung« synonym verwendet worden.594 In der finalen Abschrift heißt es dann: »Als Werk der bildenden Kunst und somit als Erzeugnis des Kunstgewerbes kann ein Erzeugnis gewerblicher Massenherstellung nur dann gelten, wenn in dem zugrunde
593 Für Thüringen wurde ein entsprechendes Ersuchen eines als Aufsichtsratsmitglied einer Herstellerfirma positiv von Seiten des Vorsitzenden angenommen, vgl. E. Troester an Dr. Wuttig, Schreiben vom 7. Februar 1931 und Dr. Wuttig an E Troester, Schreiben vom 10. Februar 1931, LATh – HstA Weimar, Thür. Volksbildungsministerium C 901, Bl. 84 und 86. 594 »[…] wenn in dem zu Grunde liegenden Modell eine ausgesprochen individuelle, neue künstlerische Auffassung und Formung zum Ausdruck kommt […]«, vgl. Abschrift Dr. Köhler zum Gutachten der Sachverständigenkammer für Bildende Kunst, 11. September 1924, LATh – HstA Weimar, Thür. Volksbildungsministerium C 901, Bl. 27.
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liegenden Modell eine ausgesprochen individuelle künstlerische Auffassung und Formung zum Ausdruck kommt, durch die es sich als eine persönliche schöpferische Leistung künstlerischer Art von den üblichen Formen abhebt.«595 Die künstlerischen Züge sollten für den rechtlichen Schutz auch an den Werkstücken klar zum Ausdruck kommen.596 Für die Bewertung als künstlerische Leistung grundlegend war für die Kammer dabei eine individuelle künstlerische Auffassung.597 Moden und Geschmack wurden als Ausdruck mangelnder Individualität herangezogen.598 Damit konnten die Kammermitglieder ihre Einschätzung durch den jeweiligen Stand der kreativen Produktion rechtfertigen. Folglich bediente sich auch die Theoriebildung der Kammer der Erkenntnis der Historizität des künstlerischen Schaffens für die Modellierung des künstlerischen Feldes. Wie die Kunstkritik den Bruch mit der Tradition im beständigen Wechsel der Ismen in einen aktualisierten Kunstbegriff überführte, war auch die Sachverständigenkammer auf der Suche nach Abweichungen von Bekanntem. Diese Parallele zu einer kunstkritischen Öffentlichkeit zeigt sich auch in den zur Anwendung gebrachten Begriffen wie dem der Originalität.599 In einem anderen Verfahren war die Thüringische Kammer mit Gebrauchsgrafik befasst.600 Es ging um die Frage, ob es sich bei zwei Reklameschildern um Werke der bildenden Künste im Sinne des Kunstschutzgesetzes handeln würde. Vermutlich unter dem Eindruck der Entscheidung des Reichsgerichts in einem ähnlichen Fall wurde die Schutzfähigkeit abstrakt nicht in Abrede gestellt: »Die beiden bei den Akten befindlichen Gutachten der Herren Dolge und Wagner betonen durchaus zu Recht, dass Reklamegraphik jeder Art (und demzufolge auch Ab595 Gutachten der Sachverständigenkammer für Bildende Kunst, 11. September 1924, LATh – HstA Weimar, Thür. Volksbildungsministerium C 901, Bl. 22-23. 596 »[…] durch die dieses Modell von den üblichen unterschieden und als Werk der bildenden Kunst gekennzeichnet wird, und wenn diese unterscheidenden und auszeichnenden Züge noch in den Fabrikaten klar zum Ausdruck gelangen.«, vgl. Abschrift Dr. Köhler zum Gutachten der Sachverständigenkammer für Bildende Kunst, 11. September 1924, LATh – HstA Weimar, Thür. Volksbildungsministerium C 901, Bl. 27. Vorbereitend ermittelte die Kammer drei Voraussetzungen: 1. Künstlerische (individuelle) Auffassung und Formung als Idee, 2. Unterscheidung vom Üblichen, 3. Künstlerische Züge müssen klar am Gegenstand zum Ausdruck kommen. 597 »Die Puppenköpfe der Klägerin sind innerhalb dieser Herstellungsweise als achtungswerte Erzeugnisse zu betrachten, aber die bleiben durchaus im Rahmen dieses üblichen Typus; von einer künstlerischen individuellen Auffassung kann auch bei ihnen keine Rede sein.«, vgl. Gutachten der Sachverständigenkammer für Bildende Kunst, 11. September 1924, LATh – HstA Weimar, Thür. Volksbildungsministerium C 901, Bl. 23. 598 »All diese Druckereien wehren sich scharf gegen den Nachdruck der ihnen gehörigen künstlerischen Dekors […] Der Hergang ist gewöhnlich folgender: Die Druckerei gibt den Zeichnern auf Grund des Wechsels der Mode und im Geschmack des Publikums […] Anregung […].«, vgl. Kurzgutachten Dr. Ernst Schubert vom 8. Januar 1931, LATh – HstA Weimar, Thür. Volksbildungsministerium C 901, Bl. 92. Auch Bruno Taut hatte sich die künstlerische Auffassung als Argument gegen das bloß Musterhafte zu eigen gemacht, vgl. 1. Teil, I. Zur Pluralität der Bedeutung des Begriffs Geschmack in den Kunstdiskursen des 19. Jahrhunderts und den fachdisziplinären Folgen vgl. Schürmann 2019, S. 440. 599 Vgl. zur Methode der Kunstkritik Germer/Kohle 1991, S. 309-310. 600 Es sei daran erinnert, dass auch die dadaistische Collage als Gebrauchsgrafik und Werk der bildenden Künste legitimiert wurde (s.o.)
Kunstwerk oder Werk der bildenden Künste? Theoretische Revisionen im dadaistischen Kontext
ziehbilder) unter Umständen als ein Werk der bildenden Künste […] zu betrachten ist.«601 Durch dieses Urteil des Reichsgerichts war schon Jahre zuvor das Reklame-Etikett als bildende Kunst erfasst worden.602 Von der Sachverständigenkammer wurde zur Begründung der Ornamentbegriff zur Anwendung gebracht:603 Diese Argumentation verlief abseits der frühen Ausprägung der Bildwerkstheorie, nach der das Werk der bildenden Künste Gegenständlichkeit verlangte.604 Ungeachtet der Schutzfähigkeit von Abstraktion, kam die der Kammer bei der vorgelegte Grafik jedoch zu dem Schluss, dass diese den weiteren Anforderungen als »dekorative Schablone« nicht gerecht werden konnte: »Weder deren Wiedergabe, noch die Zusammenfügung erfordert oder verrät im vorliegenden Falle eine individuelle künstlerische Auffassung oder eine persönliche schöpferische Leistung, die dieses Erzeugnis […] zum Werk der bildenden Künste erheben würde.«605 Die »persönliche schöpferische Leistung« tritt hier als weiteres Kriterium für ein Werk der bildenden Künste hinzu. Der Charakter des Tätigkeitsgebietes und die Ausbildung des Gestalters wurden ebenfalls herangezogen. Unter Bezugnahme auf die im zweiten streitgegenständlichen Schild enthaltenen Schriftformen wurden, als Indiz für ein Fehlen der »künstlerischen Auffassung«, die für den Kunstschutz relevanten Ausbildungsinhalte an Kunstgewerbeschulen problematisiert.606 Ganz im Sinne des Weimar prägenden Bauhauses waren die Gutachter dahingehend eindeutig, dass »Einfachheit
601 Gutachten der Sachverständigenkammer für Bildende Kunst, 4. April 1925, LATh – HstA Weimar, Thür. Volksbildungsministerium C 901, Bl. 34. 602 »Ein Reklame-Signet oder ein Schriftsatz kann, wenn die nötigen Voraussetzungen erfüllt sind, ein Werk der bildenden Künste sein, so gut, wie ein Reklame-Plakat, etwa mit figürlichen Darstellungen, einem Kopf und dergleichen Motiven.«, vgl. ibid. Dieser formale Kunstbegriff, der letztlich aber auch eine Werkvorstellung in sich trägt, fand auch bei Walther Sachs in Das Plakat 1917 Erwähnung: »Im Sinne des Verfassers spräche sich auch ein – im Endergebnis von ihm allerdings verworfenes – Gutachten der k. pr. Künstlerischen Sachverständigenkammer aus, das erklärt, daß als Gattung auch Reklame-Etiketten unter das Kunstschutzgesetz fallen können.«, vgl. Sachs 1917, S. 198. 603 »Es handelt sich bei der Ornamentik des Schildes ›Karpf‹ um eine während einiger Zeit weit verbreiteten dekorativen Schablone, deren Motive der dekorativen Ornamentik des 17. Jahrhunderts entnommen sind.«, vgl. Gutachten der Sachverständigenkammer für Bildende Kunst, 4. April 1925, LATh – HstA Weimar, Thür. Volksbildungsministerium C 901, Bl. 34. 604 James Breit hatte zu dieser Fragestellung angemerkt: »So würde es sich leicht erklären, weshalb die Schriftsteller unter früherem Recht, wie z.B. vor allem Gierke, zu dem Schluss gelangten, ein Werk der bildenden Künste sei ein Bild.«, vgl. Breit 1909, Sp. 441. Diese alte Meinung hatte auch jede »Stilisierung« nicht als Bildwerk akzeptiert: »Es ist schwer einzusehen, weshalb die Wiedergabe einer Blume deshalb nicht als ›Bildwerk‹ soll angesprochen werden können, weil es sich um eine stilisierte Wiedergabe handelt. Die Stilisierung, also die Abweichung von der naturgetreuen Wiedergabe, kann eine mehr oder weniger erhebliche sein.«, vgl. ibid., Sp. 440. 605 Ibid. 606 »Die Schriftformen sind so wenig originell […] sie werden in den Fachschulen in dieser Art gelehrt und sind als dekoratives Gemeingut anzusehen.«, vgl. Gutachten der Sachverständigenkammer für Bildende Kunst, 4. April 1925, LATh – HstA Weimar, Thür. Volksbildungsministerium C 901, Bl. 34.
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nie ein Grund sein könne, den Charakter eines Werkes der bildenden Künste abzusprechen«.607 Im Rückschluss ergibt sich aus der Argumentation ein klares Bild künstlerischer Leistung, die ohne ein hohes Maß an Selbständigkeit in der Anordnung und Anwendung der Gestaltungsmittel für die Kammer nicht denkbar sein konnte.608 Gutachten der Sachverständigenkammern konnte per Schriftsatz entgegnet werden, da die Sachverständigenkammer nicht von den Parteien, sondern durch das erkennende Gericht eingebunden wurde. An das Gutachten vom 4. April 1925 schlossen sich so in Entgegnung zu den Ausführungen der Beklagten, die in den Akten nicht enthalten sind, zwei Erweiterungen des ersten Gutachtens an.609 Auffällig ist, dass hier die von der Thüringer Kammer zur Anwendung gebrachte Definition des Begriffs Werke der bildenden Künste gleich vorangestellt wurde: »Erzeugnisse […], in denen eine individuelle künstlerische Auffassung oder eine persönliche schöpferische Leistung zu erkennen ist […].«610 In ihrem Schriftsatz vom 29. April 1925 vertrat die Beklagte eine Auffassung, wonach der Kunstschutz jeder individuellen formgebenden Tätigkeit zuzusprechen sei. Nach Auffassung der Kammer war diesem Argument nicht zu folgen, da sonst ein überbordender Schutz drohe: »Wollte man die im Schriftsatz der Beklagten vom 29. April 1925 vertretene Auffassung als berechtigt anerkennen, so würde folglich jedes Reklameschild als Werk der bildenden Künste zu betrachten sein […], weil schließlich in jedem menschlichen Produkt eine Spur ›individueller formgebender Tätigkeit‹ festgestellt werden kann.«611 Dieses Entgegnungsgutachten enthält auch eine Umschreibung der eigentlichen Aufgabe der Thüringischen Sachverständigenkammer für bildende Künste respektive ihrer vereidigten Mitglieder. Kern der gutachterlichen Tätigkeit sollte die Prüfung der »technischen« Frage sein, ob eine künstlerische Leistung vorläge. Eine solche sei dann anzunehmen, wenn ein überdurchschnittliches Maß »individueller formgebender Tätigkeit« zu erkennen wäre.612 Ein Werturteil, wenn nicht im ästhetischen Sinne, so doch mit Blick auf die Tätigkeit selbst, schien nicht vermeidbar zu sein.613 Zur Bekräftigung ihres Erstgutachtens präzisierte die Kammer ihr Kunstverständnis, wobei der »künstlerische Charakter«
607 Ibid. 608 »Das bescheidene Mass von Selbständigkeit, das in der Anordnung der Schrift innerhalb der Fläche und in der Ausgestaltung der Buchstabenabläufe gefunden werden könnte, reicht aber nicht aus […]«, vgl. ibid. 609 Das spätere Gutachten war einer Klageerweiterung und der Einbeziehung weiterer Reklameschilder geschuldet. 610 Entwurf für das Gutachten der Sachverständigenkammer für Bildende Kunst, 18. Juni 1925, LATh – HstA Weimar, Thür. Volksbildungsministerium C 901, Bl. 44. 611 Ibid. 612 »Es ist die Aufgabe der Sachverständigenkammer, in jedem Einzelfall festzustellen, ob dieses erforderliche Mass erreicht und damit die Voraussetzung für die Einreihung unter die Werke der bildenden Künste gegeben ist oder nicht.«, vgl. ibid. 1931 Außerdem wurde auch Malerei nur als Handwerk nicht als Kunst betrachtet, wenn keine Originalität erkennbar war., vgl. E. & A. Müller an Dr. Wuttig, Schreiben vom 26. Januar 1931, LATh – HstA Weimar, Thür. Volksbildungsministerium C 901, Bl. 89. 613 Die Argumentation auf die Produktion, statt der Rezeption zu verschieben, schien vorzugswürdig. Zu diesem Problem der Verlagerung des ästhetischen Werturteils auf den »künstlerischen Charakter des Thätigkeitsbereichs«, vgl. Schanze 1911, S. 299.
Kunstwerk oder Werk der bildenden Künste? Theoretische Revisionen im dadaistischen Kontext
herangezogen wurde.614 Unter Berücksichtigung der zwischenzeitlich angeforderten Kommentare zum Kunstschutzgesetz modifizierte die Kammer ihr Gutachten geringfügig. Die Berücksichtigung der Kommentarterminologie und -argumentation machte es notwendig, den »künstlerischen Wert« und das damit verbundene Werturteil von dem Erfordernis eines überdurchschnittlichen »Maßes an individueller formgebender Tätigkeit« zu differenzieren: »Der künstlerische Wert der Leistung steht dabei nicht in Frage. Entscheidend ist der größere oder geringere ästhetische Gehalt des Werkes, d.h. es muss im Einzelfall geprüft werden, ob bei einem Industrieerzeugnis der über die Zweckmäßigkeit der Form hinausgehende ästhetische Überschuß so groß ist, daß nach den im Leben herrschenden Anschauungen von Kunst gesprochen werden kann.«615 Der Bezug auf die »im Leben herrschenden Anschauungen« war dabei notwendigerweise weniger offenherzig als die Position eines Expertenkreises oder einzelner Künstler.616 Durch die Bezugnahme auf »Kunst«, wird deutlich, dass Fiedlers Ansatz und die Bestimmung der einzelnen Künste aus der künstlerischen Tätigkeit hier keine Berücksichtigung finden.617 Die Sachverständigen übernahmen vielmehr die Argumente Allfelds. »Individuelle formgebende Tätigkeit« wurde als Kunsttatbestand zwar bestätigt, konnte aber nur dann Kunst im Sinne der Lebensanschauung sein, wenn sie auch ästhetisch wirkungsvoll war.618 Verweist die Kammer gleichzeitg auf die »ästhetische Formgebung«, schließt sie die Persönlichkeit des Gestalters aus der Bewertung nicht aus.619 Jedenfalls verweist der Begriff der »Formgebung« hier nicht auf ein technisches Verfahren. In der methodisch bedingten Freiheit der Juristen, Recht aus Recht 614 »Desgleichen ist [nicht] irgendein Zug zu finden, der diesen […] einen individuellen künstlerischen, sie durch originelle schöpferische Leistung vor anderen auszeichnenden Charakter verleihen würde.«, vgl. Entwurf für das Gutachten der Sachverständigenkammer für Bildende Kunst, 18. Juni 1925, LATh – HstA Weimar, Thür. Volksbildungsministerium C 901, Bl. 44. 615 Ibid., Bl. 49. 616 Konnten durch die Einbeziehung von Künstlern selbst in die Klärung der Verunstaltungsfrage (vgl. 1. Teil, VI. 3.) keine neuen Perspektiven aus einem in der Gesellschaft breit vertretenen Kunstverständnis rechtlich verbindlich werden, war »die im Leben herrschende Anschauung« ein Minimalkonsens, der weniger konservative Wirkung entfalten musste. Zwiffelhoffer bemerkt für das Verunstaltungsrecht: »Von der Rechtsprechung wird die Figur aber häufig geradezu gegenläufig verwendet: eher als Instrument zur Herstellung eines Minimalkonsenses, denn zur Öffnung für neue gestalterische Entwicklungen und Strömungen. Das ist zuerst einmal keine Wertung, denn es besteht die Notwendigkeit, dass Recht auch konserviert. Aber es verdeutlicht die sehr flexible Funktionsweise der Maßstabsfigur, je nachdem, wer sie zu Rate zieht.«, vgl. Zwiffelhoffer 2020, S. 167. 617 Zu Fiedlers Kunsttheorie s.o. 618 Lebensanschauung wurde nicht als Fachverständnis, hier im Sinne des Reklamegraphikgewerbes verstanden, vgl. Gutachten der Sachverständigenkammer für Bildende Kunst, 2. Juli 1925, LATh – HstA Weimar, Thür. Volksbildungsministerium C 901, Bl. 50. 619 »Desgleichen ist weder in der Schriftgestaltung und -ordnung, noch in der Farbgestaltung irgend ein Zug zu finden, der diesen beiden Plakaten einen individuellen künstlerischen, sie durch originelle schöpferische Leistung vor anderen auszeichnenden Charakter verleihen würde. Und selbst wenn man einen gewissen Grad eigener ästhetischer Formgebung anerkennen will, so kann doch bei den in Frage stehenden Reklameschildern nach den Anschauungen des Lebens keinesfalls von ›Kunst‹ gesprochen werden.«, vgl. ibid. Mit dem Begriff der Formgebung stellt sich ein begriffshistorisches Problem. Noch nach 1945 ist kein nor-
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zu schaffen, hatte das Kant’sche Postulat der Zweckmäßigkeit der Form vielmehr eine verzerrende Funktion.620 Denn diese ästhetische Norm konnte im juristischen Theorieentwurf nicht nur zu einem verselbständigten Argument avancieren, sondern musste eine Gegenprobe für die Forderung nach Kreativität (Schöpfung) begründen.621 Erkennbar wird Folgendes: Jede Begründung des ästhetischen Überschusses, eben hierfür waren die Sachverständigenkammern eingerichtet worden, war mithin als Wirkungsfrage zu stellen. Der rechtliche Werkbegriff hatte nicht nur ein Gesicht, das auf den Urheber blickte, sondern erwartete auch eine individuelle schöpferische Formgebung als Wirkung auf den Betrachter.622 Im Kontext des Kunstschutzgesetzes schien das Kriterium der Individualität im objektiven Sinne bloßer Neuheit für eine Grenzziehung nicht zu genügen: »Wenn sich die künstlerische Sachverständigenkammer diesen Standpunkt zu eigen macht, wird es für sie nicht weiter darauf ankommen können, ob der Urheber des Musters etwas Neues geschaffen hat, wie man ja auch denjenigen, der zum ersten Mal ein Zeppelinluftschiff oder Raketenflugzeug auf eine Porzellantasse malt, nicht schon deshalb als Urheber eines ›Werkes der bildenden Künste‹ bezeichnet wird.«623 Für die Sachverständigenkammer war hier auf eine andere Weise des Denkens über Kunst verwiesen, nämlich eine, die nicht gleichsam auf einen beständigen Wechsel der Kunstauffassungen gerichtet war.624 Dieses Verfahren war für die Sachverständigenkammer Anlass zur Folgerung, dass eine Bestimmung ästhetischer Wirkung zuweilen mit der Historisierung von Kunst zu versöhnen war. Jedenfalls wird hier die kunsthistorische Sozialisierung der Kammermitglieder nicht nur an der Bezugnahme auf formale Charakteristika der Werkstücke, sondern eben auch auf kunsttheoretischer Ebene deutlich.
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mativer Gebrauch der Begriffe Form, Gestalt, Kunst oder Gestaltung erkennbar, vgl. Hirdina 2001, S. 58. Die außerjuristische Norm, dass ein Gegenstand wegen seiner Nutzbarkeit gefallen soll, konnte zur Eingrenzung des Rechtsbegriffs nicht ausreichen; den Begriff der Zweckmäßigkeit bei Kant untersucht ausführlich Alexander Wachter (Wachter 2006, S. 55-57). Relevant war eine »heutige Auffassung« des kreativen Betätigungsfeldes, vgl. Januschewski 2019, S. 48. »Aber dieser Schutz kommt im vorliegenden Falle deshalb nicht in Frage, weil beide Muster sich über die durchschnittlichen handwerklichen Leistungen […] keinesfalls erheben und das Maß individueller schöpferischer Formgebung, das sie als ›Werke der bildenden Kunst‹ erscheinen lassen könnte, durchaus vermissen lassen.«, vgl. Gutachten der Sachverständigenkammer für Bildende Kunst, 13. November 1930, LATh – HstA Weimar, Thür. Volksbildungsministerium C 901, Bl. 69. Dr. Wuttig an Kommerzienrat E. Müller, Schreiben vom 22. Januar 1931, LATh – HstA Weimar, Thür. Volksbildungsministerium C 901, Bl. 77. Zu den beiden Modi, die Historizität des künstlerischen Schaffens zu bestimmen vgl. Germer/ Kohle 1991, S. 309. Besonders für konservative Stimmen schien die kunsthistorische Historizität vorzugswürdig: »Gelöst kann diese Frage m.E. nur dann werden, wenn man das Wesen des Kunstwerkes erfaßt, wenn man sich vergegenwärtigt, daß jedem Kunstwerk der Ewigkeitscharakter eigen ist. Ewigkeitscharakter wird man den Schöpfungen eines Poiret (das Individuum ist hier für die Gattung gesetzt) ebensowenig zusprechen können wie einem Tapetenmuster oder einer Besteckform.«, vgl. Hoffmann 1932, S. 133.
Kunstwerk oder Werk der bildenden Künste? Theoretische Revisionen im dadaistischen Kontext
Originalität als absolute Neuheit Die Frage nach der absoluten Neuheit wurde der Sachverständigenkammer ungeachtet der von den Kammermitgliedern formulierten argumentativen Skepsis hinsichtlich des Neuheitskriteriums in einzelnen Verfahren ausdrücklich zur Klärung überantwortet. In einem dieser Verfahren war ein Rosendekor streitgegenständlich, das nach Angaben des Herstellers 1903 entworfen worden war.625 Der Bruch mit Konventionen wurde zwar als Prädikat des Künstlerischen anerkannt.626 Aus der Korrespondenz der Kammer wird jedoch ersichtliche, dass die Überzeugung fehlender Kunstschutzfähigkeit dringend belegt werden musste. Dazu beauftragte der Vorsitzende Ernst Wuttig ein Mitglied, auf dessen Messereise nach Avignon in Frankreich nach entsprechenden Vorbildern zu suchen; ein Ersuchen, dem aus terminlichen Gründen nicht entsprochen werden konnte.627 Die hiernach folgende Anfrage bei der Direktion der Staatlichen PorzellanManufaktur in Meißen zu Grundlagen der kreativen Tätigkeit ergab, dass den »freischaffenden Künstlern« der Manufaktur die »Musterzeichner, Oberzeichner usw.« der »Privatindustrie« gegenübergestellt werden konnten. Letztere würden nicht nach eigenen Studien arbeiten, sondern anhand »von Veröffentlichungen, in Büchern, in Zeitschriften, in Vorlagewerken oder leider auch in großem Maße in Gestalt von Erzeugnissen der Konkurrenz« ihre Ideen finden. Dies sei eben keine »tatsächlich künstlerische Tätigkeit«. Für diese Wertung bezog sich der Generaldirektor explizit auf die Entwürfe, nicht auf die Werkstücke.628 Bei solchen Entwürfen sei es »nicht immer leicht zu sagen, ob es sich um einen Industrie-Entwurf oder um eine tatsächlich künstlerische Leistung handelt«.629 Seit der Gründung der Kunstakademien im 17. Jahrhundert wurde die Trennung von Kunst und Gewerbe durch die Rezeption der technischen Verarbeitung vertieft.630 In den Akten zur gutachterlichen Tätigkeit ist auch eine Bewertung der dem Dekor zugrundeliegenden Idee als eine dekorative respektive nicht-künstlerische enthalten, die Rückschlüsse auf die Verwendung der Termini »mit Mitteln der bildenden Kunst« und »künstlerische Auffassung« zulässt:
625 »Umstritten ist aber worin die ›individuelle, schöpferische Leistung‹ zu erblicken ist. Die Sachverständigenkammer hat sich zunächst an den Beweisbeschluß vom 6. Januar 1931 zu halten. Danach soll geprüft werden, ›ob Röschen-Dekors schon vor 1903 allgemein bekannt waren. Und ob […] zwangsläufig aus Gegebenen zusammengesetzt oder abgeleitet ist und der Urheber aus Eigenem etwas dazu beigetragen hat oder nicht.«, vgl. Gutachten der Sachverständigenkammer für Bildende Kunst, 9. April 1931, LATh – HstA Weimar, Thür. Volksbildungsministerium C 901, Bl. 115. 626 »Auch ist darzutun, was an dem Dekor neu ist und was alt, ob und inwieweit der Dekor durch die willkürliche Tätigkeit des Urhebers, individuell und schutzfähig ist.«, vgl. ibid., Bl. 115-116. 627 E. Troester an Dr. Wuttig, Schreiben vom 31. März 1931, LATh – HstA Weimar, Thür. Volksbildungsministerium C 901, Bl. 111. Mit einer Gebühr von 255,- Mark zählt dieses Gutachten zu den aufwendigsten der Kammer vor 1933. Zur Gebührenhöhe vgl. Schreiben vom 9. April 1931, LATh – HstA Weimar, Thür. Volksbildungsministerium C 901, Bl. 112. 628 Zu der Legitimierung von Entwürfen als Werke der bildenden Künste s.o. 629 Generaldirektor StPorzMan, Schreiben vom 6. März 1931, LATh – HstA Weimar, Thür. Volksbildungsministerium C 901, Bl. 99-100. Oft waren es aber auch sog. Kunstmaler, deren Entwürfe von Herstellern zusammen mit den Verwertungsrechten erworben wurden. Hier stammte der Entwurf von einem solchen Kunstmaler, Ulrich Hagemann aus Nürnberg. 630 Mundt 1974, S. 14.
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»Die Auffassung ist diejenige des Naturalismus, der die Wiedergabe des unmittelbaren Wahrnehmungsbildes von der Naturform anstrebt. Die verwendeten Darstellungsmittel sind diejenigen des Impressionismus, der anstelle klar begrenzter Einzelformen den allgemeinen, aus dem Reiz des Zusammenspiels von Farbe und Licht entstehenden optischen Eindruck von der Naturform festzuhalten sucht.«631 Diese Kategorien wurden unter die juristischen Voraussetzungen als Definitionen von Auffassung und Darstellungsmittel subsumiert. Kunstwissenschaftliche und juristische Argumentation gingen ineinander über. Die künstlerische Auffassung verweist dabei deutlich auf das Substrat idealistischer Philosophie. Wenn nicht die Ausführung als Werkstück, sondern die Anschauung, in der das Werk geschaffen wurde, als entscheidend erkannt wurde, konnte ein Gebrauchszweck des Werkstücks nicht entscheidend sein. Allerdings durften weder gestalterische Auffassung noch Darstellung einem nur dekorativen Prinzip untergeordnet sein.632 Insofern führte die Kammer mit Anlehnung an Otto Köhgen aus, worin die Unterordnung unter ein nicht-künstlerisches Prinzip im Falle des Rosendekors bestehen sollte: »Auffassung und Darstellung sind jedoch einem dekorativen Prinzip untergeordnet, indem einerseits die Naturform stellenweise überhaupt aufgehoben und durch ins Ornamentale übergehende, schematische Bildungen ersetzt wird, indem andererseits an der Wiedergabe der Erscheinungen der Naturform in Farbe und Licht, einer konventionellen ›Harmonie‹ des Dekors zuliebe, nicht festgehalten, sondern eine Reduktion vorgenommen wird, die wiederum einer Preisgabe der optischen Wahrnehmung gleichkommt.«633 Bei bloßer »geschmacklicher« Anwendung eines Kanons musste schließlich die schöpferische Qualität fehlen.634 Hier griff die Kammer auf autonomieästhetische Positionen zurück, die am Dekorativen eine »normative Binnendifferenzierung« vorzunehmen wussten.635 Es wurde auch hier darauf verwiesen, dass ein kunstgewerbliches Erzeugnis nur dann unter den Begriff des Werks der bildenden Künste fassbar sein konnte, wenn es handwerkliches Können und darüber hinaus ein besonderes Maß »persönlicher Leis-
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Gutachten der Sachverständigenkammer für Bildende Kunst, 9. April 1931, LATh – HstA Weimar, Thür. Volksbildungsministerium C 901, Bl. 115. Zu überlegen wäre, ob und zu welchem der »Problemzusammenhänge« des »Naturalismus-Themas« diese Begriffsverwendung im Kontext des Kunstgewerbes einzuordnen wäre, dazu insg.: Felfe/Saß 2019. »Auffassung und Darstellung sind jedoch einem dekorativen Prinzip untergeordnet, demzuliebe der Urheber stellenweise auf die treue Wiedergabe sowohl der Naturform wie des optischen Eindrucks verzichtet.«, vgl. ibid. Gutachten der Sachverständigenkammer für Bildende Kunst, 9. April 1931, LATh – HstA Weimar, Thür. Volksbildungsministerium C 901, Bl. 111. »Es wird daran deutlich, dass naturalistische Auffassung und impressionistische Mittel nicht als individuelle Qualitäten des Entwurfs anzusehen sind, sondern in ihnen nur der Zeitstil zu erkennen ist, in dem der Entwerfende geschult wurde. Sein Produkt ist als eine sehr achtungswerte geschmackliche Leistung, aber nicht als eine individuelle künstlerische Schöpfung zu betrachten.«, vgl. ibid. Ortland 2006, S. 53.
Kunstwerk oder Werk der bildenden Künste? Theoretische Revisionen im dadaistischen Kontext
tung« zeigte.636 Vor dem Hintergrund dieser Abgrenzung schlossen die Sachverständigen eine Definition solcher kunstgewerblichen Erzeugnisse in ihr Gutachten ein, die nach § 1 Kunstschutzgesetz als Werke der bildenden Künste schutzfähig sein sollten. Ein kunstgewerbliches Erzeugnis war für die Kammer eine geistige Leistung, die künstlerische Auffassung und Darstellungsmittel einem fremden Prinzip nur zu einem gewissen Grad bewusst unterordnete.637 Vor dem Hintergrund dieser Definition der kunstgewerblichen Erzeugnisse musste erwogen werden, wann dem Kriterium der individuellen schöpferfischen Leistung genügt sein konnte. Anders als von Dessoir angenommen, konnte es nicht grundsätzlich auf eine Ästhetisierung der »Künstlerpersönlichkeit« hinauslaufen.638 Für die Rosendekors war belegbar, dass diese schon im 18. Jahrhundert Verwendung fanden und damit schon 1903 dem absoluten Neuheitserfordernis nicht mehr gerecht werden konnten. Belege dafür fand die Kammer bei einem »Gang durch alte Porzellansammlungen wie z.B. durch das Rokokomuseum in Belvedere bei Weimar und de[m] Blick in wissenschaftliche Werke, die die ältere Porzellankunst behandeln«.639 Die in Kunstgewerbemuseen präsentierte Geschmacksgeschichte wurde zum Orientierungspunkt für die Bewertung künstlerischer, weil individueller Leistung.640 Doch die »unzähligen Varianten des Röschendekors«, die durch den neuen Stand der Technik aufgekommen waren, ließen nur wenig Raum für individuelle Schöpfungen. Damit war auch »der wirkliche Künstler durch die ungezählte Menge vorausgegangener Darstellungen Anderer in der Betätigung seiner eigenen schöpferischen Phantasie außerordentlich eingeengt«.641 »Individuelle Schöpfung« verlangte nach Meinung der Weimarer Kammermitglieder im 20. Jahrhundert nach einem neuen Typus Kreativer, dem »phantasiebegabten Künstler«.642 Die Kunstschutzfähigkeit eines »naturalistischen« Gemäldes musste vor diesem Hintergrund ebenso in Frage gestellt werden: »Der Raum für die individuelle Gestaltung ist noch mehr eingeengt, wenn, wie hier, der Entwurf der freien Natur entnommen ist und eine naturalistische, keine stilisierte
636 »Es nähert sich der Grenze des handwerklichen, aber es fehlt dasjenige Maass [sic!] von persönlicher Leistung, durch das der Entwurf zu einem Werk der bildenden Künste im Sinne des Gesetzes geworden wäre.«, vgl. Gutachten der Sachverständigenkammer für Bildende Kunst, 9. April 1931, LATh – HstA Weimar, Thür. Volksbildungsministerium C 901, Bl. 111. 637 Unter Bezugnahme auf das zuvor Zitierte führt die Kammer aus: »Für die Frage, ob derartige kunstgewerbliche Erzeugnisse den Schutz des Gesetzes vom 9. Januar 1907 genießen, ist nach allgemeiner Ansicht entscheidend, ob sie eine ›individuelle schöpferische Leistung‹ enthalten.«, vgl. ibid., Bl. 115. 638 Dessoir 1927, S. 135. S.o. zur Position Theodor Meyers. 639 Gutachten der Sachverständigenkammer für Bildende Kunst, 9. April 1931, LATh – HstA Weimar, Thür. Volksbildungsministerium C 901, Bl. 116. 640 Dazu auch: Exkurs: Kunst(rechts)geschichte der Museen für angewandte Kunst (s.u.). Zur Geschmacksgeschichte als Gegenstand einer Rezeptionstheorie der Kunstgeschichte: Aissen-Crewett 1999, S. 29-40. 641 Gutachten der Sachverständigenkammer für Bildende Kunst, 9. April 1931, LATh – HstA Weimar, Thür. Volksbildungsministerium C 901, Bl. 117. 642 »Nicht als ob es dem phantasiebegabten Künstler schlechthin unmöglich wäre, auf solchem Gebiete eine neue individuelle Schöpfung hervorzubringen.«, vgl. ibid.
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Darstellung angestrebt wird. Denn das Gegenständliche der Darstellung und die unwandelbaren Formen und Gesetze der Natur gehören zu den ›freien Elementen‹ des Kunstwerks.«643 Dieser Teil des Gutachtens ist umso aufschlussreicher, als sich bereits in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in der Kunstpublizistik Absagen an Naturalismus bzw. Materialismus finden.644 Mithin ist auch hier eine kunsthistorische Perspektive zu erkennen. Die Thüringische Sachverständigenkammer für bildende Künste sah sich trotz der ihr bekannten gutachterlichen Tätigkeit der Preußischen Kammer dazu veranlasst, grundlegende Betrachtungen über die für ihre eigene Tätigkeit entscheidende Frage anzustellen. Der Vorwurf einer kunstbegriffliche Selbstverständlichkeiten überwiegenden Industriefreundlichkeit der Berliner Kollegen mag insinuiert gewesen sein. Jedenfalls hatte Wuttig beim Thüringischen Oberlandesgericht vor Abschluss des eigenen Gutachtens das für einen ähnlichen Fall vorgelegte Gutachten der Preußischen Kammer angefordert. Damit sind die Ausführungen der Thüringer Sachverständigen jedenfalls als Fortsetzung der Überlegungen der Preußischen Kammer zu sehen. Explizit nahmen die hier beratenden Mitglieder Wuttig, Köhler, Otto Rausch, Walther Klemm und Eduard Müller Bezug auf den allgemeinen Kunstbegriff ihrer Zeit: »Die Sachverständigenkammer glaubt indessen noch einen anderen Gesichtspunkt betonen zu müssen. Der allgemeine Sprachgebrauch macht einen sehr deutlichen Unterschied zwischen Kunst und Nichtkunst, indem er die Kunst einerseits den Versuchen künstlerisch Unbegabter und andererseits der bloß technisch-handwerklichen Fertigkeit gegenüberstellt. Er lehnt es ab, etwa die ›nach der Natur‹ angefertigte Zeichnung eines phantasiebegabten Schülers als Kunstwerk zu bezeichnen.«645 Ein »Kunstwerk« sollte ein Erzeugnis nicht deshalb sein, weil ein Maler den Zeichenstift verwendet oder »mit Pinsel und Farbe etwas Neues, noch nicht Dagewesenes dargestellt« hatte. »Kunstwerk« umschrieb vielmehr ein »künstlerisches Vermögen«, das nur durch Werturteil bestimmt werden sollte:
643 Ibid., Bl. 118. 644 Christian Scholl verweist auf verschiedene Beispiele: Scholl 2012, S. 403-404. 645 Gutachten der Sachverständigenkammer für Bildende Kunst, 9. April 1931, LATh – HstA Weimar, Thür. Volksbildungsministerium C 901, Bl. 119. Noch 1933 wiederholte die Kammer diese eigene Definition in Ablehnung des Neuheitserfordernisses von Osterrieth-Marwitz. Die Kammer konnte nun jedoch auf Rechtsprechung des Reichsgerichts verweisen und sah ihren Ansatz bestätigt: »Das ist u.E. dasselbe, was das Reichsgericht in seiner Entscheidung RGZ 76, 344 vom Erzeugnis des Kunstgewerbes forderte, wenn es ausspricht, daß der zu der zweckmäßigen Form hinzukommende ›ästhetische Überschuß, gleichgültig welches sein künstlerischer Wert ist, einen Grad erreichen muß, daß nach den im Leben herrschenden Anschauungen von Kunst gesprochen werden kann‹. Im Leben spricht man eben, wie gezeigt, von Kunst erst dann, wenn jene Grenze überschritten ist; ist sie überschritten, dann allerdings kann es auch nach unserer Meinung auf den höheren oder geringeren künstlerischen Wert, d.h. auf den Grad der künstlerischen Vollendung nicht ankommen.«, vgl. Gutachten der Sachverständigenkammer für Bildende Kunst, 18. August 1933, LATh – HstA Weimar, Thür. Volksbildungsministerium C 901, Bl. 181.
Kunstwerk oder Werk der bildenden Künste? Theoretische Revisionen im dadaistischen Kontext
»Es muß noch etwas Besonderes hinzutreten, ein Kunstwerk liegt erst dann vor, wenn es der Ausdruck eines gewissen künstlerischen ›Vermögens‹ einer schöpferischen Darstellungskraft ist. Dieses Merkmal lässt sich freilich nur mittels eines Werturteils feststellen, für das es bestimmte, feste Richtlinien nicht gibt.«646 Auch hier wird auf ein die künstlerische Gestaltung charakterisierendes Gefühlserleben verwiesen, wodurch sich die Kunst als spezifischer Gestaltungsprozess erst im Rezipienten vollendet.647 Neben dieser Absage an die Praktikabilität gemeinsamer Prinzipien für künstlerische Sachverständigenkammern stellten die Mitglieder klar, dass »Kunst« eine Weltdeutungskategorie sei, die für die Anwendung kunstrechtlicher Normen essenziell sein musste: »Aus der Sorge vor ungerechten Urteilen glaubt man das charakteristische Merkmal der Kunst, das sich aus dem allgemeinen Sprachgebrauch, also sozusagen natürlich ergibt, aus der Begriffsbestimmung ganz streichen zu müssen. Die Sachverständigenkammer kann sich dieser weitverbreiteten Auffassung, wie gesagt, nicht anschließen […]«648 Ausgangspunkt der Kritik der Kammer schien eine begriffliche Praxis des Kunstschutzgesetzes zu sein, das bei der Bestimmung des Werkes der bildenden Künste zu sehr den allgemein anerkannten Begriff der bildenden Künste vernachlässigt hatte, nachdem die Bildwerkstheorie die Anwendungspraxis nicht weiter begrenzen konnte. Die Kammer war sich dabei bewusst, dass ihre Auslegungen von anderen Kammern nicht zwingend geteilt wurden.649 Mehr als zwanzig Jahre nach Inkrafttreten des Kunstschutzgesetztes schien der seinerzeitige Wunsch, einen um sich greifenden Kunstbegriff normativer Prägung in Ästhetik ebenso wie Einzelwissenschaft aus der Auslegung der Rechtsbegriffe zu verabschieden, nicht mehr nachvollziehbar.650
Zusammenfassung Die Begriffsbestimmung des Werkes der bildenden Künste führte zu Ergebnissen, die sich mit dem allgemeinen Kunstverständnis der Kammermitglieder nicht decken konnte. Zu dieser entscheidenden Einsicht gelangten die Mitglieder der Thüringischen Sachverständigenkammer. Wenige Jahre vor der selbstbewussten Positionierung der Thüringer
646 Gutachten der Sachverständigenkammer für Bildende Kunst, 9. April 1931, LATh – HstA Weimar, Thür. Volksbildungsministerium C 901, Bl. 119. 647 Mit Blick auf den Zusammenhang zwischen dieser Position und der einer allgemeinen Kunstwissenschaft vgl. Henckmann 2016, S. 215. 648 Gutachten der Sachverständigenkammer für Bildende Kunst, 9. April 1931, LATh – HstA Weimar, Thür. Volksbildungsministerium C 901, Bl. 119-120. 649 Ibid., Bl. 121-122. 650 Recht treffend fasste der Jurist Walther Sachs in Das Plakat jene Auffassungen zusammen, die Grundlage des Kunstschutzgesetzes werden sollten: »Mit diesen Worten rechtfertigt die Begründung des Entwurfes des jetzt geltenden Kunstschutzgesetzes vom 9.1.07 die Gleichstellung der Werke der angewandten Kunst mit denen der hohen Kunst. Der Wunsch zu dieser Gleichstellung also, die Erkenntnis, daß der Grundsatz l’art pour l’art unzeitgemäß sei, war einer der Hauptgründe, ein neues Gesetz zu schaffen.«, vgl. Sachs 1917, S. 199.
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Kammer und dem Verweis auf ein allgemeines Kunstverständnis hatte das Reichsgericht das Werk der bildenden Kunst definiert als »jede in nicht organischem Stoff sichtbar gewordene Gestaltung, in der ein eigenes künstlerisches Schaffen zutage tritt«.651 An die Stelle der »geistigen, individuell schaffenden Thätigkeit« war der Begriff der »Gestaltung« getreten. Die Gestaltung im Sinne eines geformten Inhalts wurde eindeutig benannt und war Ausdruck eines einheitlichen Kunstbegriffs.652 Letztendlich wird die Vielfalt des positivistischen Arguments deutlich: die Gutachten der Sachverständigenkammer verweisen auf eine strukturelle Problematik bei der Unterscheidung zwischen kunsthistorisch-akademischen und wirkungs- oder -produktionsästhetischen Prämissen. An Mustern und Modellen mussten die normativen Grenzziehungen hinterfragt werden. Die Auswertung der gutachterlichen Tätigkeit der Thüringer Kammer lässt eines deutlich erkennen: Schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts war der Entwurfsbogen mit einem Tapetenmuster bloßer Ausdrucksträger. Damit war der Begriff der bildenden Kunst nicht notwendigerweise von einem gattungsspezifischen Medium abhängig. Gleichwohl hielt sich mit Blick auf die angewandte Kunst ein soziologisches Konzept künstlerischer Tätigkeit. Darüber hinaus fanden auch ästhetische Ansätze, wie jener des Dekorativen, in den Abgrenzungsversuchen, abseits der virulenten Zweckfrage, Verwendung. Die besonderen Fragestellungen der Gesetzesanwendung führten dessen ungeachtet zu einer Erweiterung des Gegenstandsbereichs des Künstlerischen. Nach der Systematik des Kunstschutzgesetzes war der Alltagsbegriff der bildenden Kunst erweitert worden.653 Eben jene logische Konsequenz der Bestimmung der Rechtsbegriffe unter solchen Vorzeichen kritisierten die Kammermitglieder unter Verweis auf einen »allgemeinen Sprachgebrauch«. Kunstwerk und Werk der bildenden Künste schienen unvereinbar. Inwieweit hier 1931 der Verlust der breiten Basis einer Ästhetik von unten
651 RG, Urteil v. 17. April 1929, RGZ 124, S. 71; 68-72 652 Der Begriff der »Gestaltung« bildete den Angelpunkt der Definition und zugleich das Zentrum der allgemeinen Kunstwissenschaft dazu s.o. und vgl. Henckmann 2016, S. 214, der unausgesprochen darauf hinweist, dass Emil Utitz erst 1914 das Wesen des Künstlerischen ebenso herauszuschälen versuchte, wie es für die Anwendung des KUG erforderlich war. Damit erscheint seine Auswahl alles andere als willkürlich: » […] es genügte ihm, an willkürlich ausgewählten Beispielen wie der Marmornachbildung des Fußes einer Tänzerin, einem industriell hergestellten Gebrauchsgegenstand, einem japanischen Holzschnitt oder einer Fotografie sowie in kritischer Auseinandersetzung mit zeitgenössischen Ästhetikern aus der Gesamttatsache der Kunst, streng ausgerichtet auf ein objektiv gegebenes Kunstwerk, nach und nach die notwendigen Bedingungen von Kunst herausschälen zu können, die er allerdings erst im zweiten Band zu einer Definition des Wesens der Kunst zusammenfasste.« 653 Die Radikalität dieser gesetzessystematischen Folgen wird auch dadurch erkennbar, dass gerade das Kunstverfahren in den Vorgängergesetzen noch als Element des Werkes der (bildenden) Kunst gelten sollte »Werke, die zu Zecken oder im Interesse der Gewerbsthätigkeit oder überhaupt der Industrie hergestellt seien – die Zwecke der Technik, der Industrie, des Gewerbes dienen – sollen nicht unter dem Schutze des vorliegenden Gesetzes stehen, auch wenn sie durch ein Kunstverfahren erzeugt seien […] und wenn der Erzguß, angewendet auf Statuen u. dgl., unzweifelhaft ein Kunstverfahren ist, so ist doch ein aus Erz gegossenes einfaches Kochgeschirr weder nach dem Sprachgebrauche des gewöhnlichen Lebens, noch im Sinne des Gesetzes ein Werk der Kunst.«, vgl. Mandry 1867, S. 216.
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einerseits und jener der Allgemeinen Kunstwissenschaft andererseits ausschlaggebend gewesen sein könnte, kann nicht abschließend geklärt werden.654
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Exkurs: Kunst(rechts)geschichte der Museen für angewandte Kunst
Grenzbestimmungen sind nicht nur in Museen ständig erforderlich, sondern auch im Recht. Geht es im Recht zwar nicht um Sammeln, Zuordnen, Unterscheiden, Definieren, Kategorisieren oder Gruppieren, kann auch dort Sinn und Zweck der Norm zu Abgrenzungsfragen führen bzw. haben Grenzziehungen zu erfolgen. Bemerkt Christine Hewel, solche Grenzziehungen im musealen Kontext seien auf Zuschreibungen von »Epoche, Material, Ort, Provenienz, Künstler« zurückzuführen, beschreibt sie die »faktische« Rezeption der Kunst-Gegenstände.655 Für die erwähnte Grenzziehung kommt im musealen Kontext dem Zeitgeist, der bereits durch die Zuschreibung oder Gattung des Museums offenbar wird, eine besondere Bedeutung zu. »Die angewandte Kunst« wird definiert »zwischen der freien Kunst, dem Kunsthandwerk sowie dem Design« und lässt dabei offen, weshalb das Design als rezeptionshistorische Kategorie erst später als die anderen hinzutrat.656 Der Ausdrucksträger entscheidet über seine Zuordnung. Noch um 1900 war der außerhalb der Rechtssprache unübliche Begriff der angewandten Kunst negativ besetzt.657 Doch entsprach der Gesetzgeber des Kunstschutzgesetzes von 1907 einer durch kultur- und wirtschaftspolitische Spannungen bedingten zeitgenössischen Wahrnehmung, als er die sogenannte angewandte Kunst der urheberrechtlichen Schutzfähigkeit zugeführt hatte.658 Dem lag die Erkenntnis zugrunde, dass »die Kunst in steigendem Maße sich der Aufgabe zugewendet hat, auch Gegenstände des täglichen Lebens zu veredeln«, sich daher »eine verschiedenartige Behandlung der
654 In seinem methodischen Abgrenzungsversuch von psychologisch und normativ inspirierten Ästhetikbegriffen bemerkte Jakob Segal: »[…] das ästhetische Werturteil ist für die psychologische Ästhetik nur ein Zeichen dafür, daß das betreffende Erlebnis als ein ästhetisches von einem psychologischen Standpunkt analysiert werden soll.«, vgl. Segal 1907, S. 23. Jene Methodenverwirrung war auch einer der Beweggründe Dessoirs, die Ästhetik als Grundlage der Kunsttheorie zu verabschieden. Aufschlussreich ist eine Zusammenfassung in derselben Zeitschrift unter der Überschrift Das Problem der Schönheit und die Methoden der Ästhetik: »Die Unterschiede zwischen den Methoden in der Ästhetik können auf einen einzigen zurückgeführt werden. Fechner hat diesen Unterschied bezeichnet, indem er von einer Ästhetik ›von oben‹ und einer ›von unten‹ sprach. Diese beiden Hauptmethoden charakterisieren sich am besten durch die verschiedenen wissenschaftlichen Interessen, durch die sie geleitet werden. […] Man könnte die rein psychologische Methode, die Methode der Wertästhetik und die transzendentale Methode vom logischen Standpunkt dahin charakterisieren, daß die erste auf den Umfang, die zweite auf den Inhalt und die dritte auf das Prinzip oder den logischen Ursprung des Begriffs des Ästhetischen gehe.«, vgl. Klausen 1915, S. 265-266. Diese methodischen Unterschiede (ästhetisches Plus/Gehalt vs. Werturteil) konnte auch in der Bestimmung des Verhältnisses von Rechtstext und Sprachgebrauch dienstbar gemacht werden. 655 Hewel 2011, S. 187. Zur »Grenzziehung« im Urheberrecht vgl. Ulmer 1960, S. 132. 656 Ibid. In Berlin fand eine endgültige Aussonderung des Kunstgewerbes bspw. 1830 statt, wobei dies mit der verstärkten Historisierung von Kunst in Verbindung zu bringen ist, vgl. dazu Kuhn 2020, S. IX. 657 Vgl. Neurauter 2013, S. 21. 658 Jüngst aus (kunst-)soziologischer Blickrichtung: Siegrist/Höpel 2017, S. 13-22; Sommer 2017, 1-10.
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Kunstbegriffe zwischen Recht und Praxis
Kunst […] nicht länger aufrecht erhalten« ließ.659 Die kritische Grundhaltung gegenüber der als niedere Handwerkskunst verrufenen angewandten Kunst wurde forthin in der Abgrenzung zum rechtlichen Musterschutz fortgedacht. Als 1924 die Unterrichtsanstalt des Berliner Museums für Kunst-Gewerbe in das Gebäude der Akademischen Hochschule für die bildenden Künste transferiert wurde, hatte sich diese Grundhaltung gewandelt: Die Aufhebung der räumlichen Trennung der Lehreinrichtungen für freie und angewandte Kunst ging deren verwaltungsorganisatorischer Zusammenlegung dabei unmittelbar voraus.660 Vorausgegangen war dieser Vereinigung ein »Feldzug« des Direktors der Unterrichtsanstalt Bruno Paul und seiner Mitstreiter für diese Einheitskunstschule, ein Kampf für die Einheit der Kunst insgesamt.661 Die gesamtdeutsche Wirkung dieser in Berliner Medien als »Kunstpolitik mit Brachialgewalt« aufgefassten Vorgänge kann nicht unterschätzt werden.662 Die Vereinigten Staatsschulen für freie und angewandte Kunst und die ihrer Einrichtung zugrunde liegenden Überlegungen waren deutlicher noch als das Weimarer Bauhaus Ausdruck eines einheitlichen Kunstbegriffs.663 Dieser einheitliche Kunstbegriff war im allgemeinen Sprachgebrauch nicht anerkannt.664 Angewandte Kunst bedeutete nach den Ideen Bruno Pauls keinesfalls das Arbeiten nach Vorlagenblättern. Jeder Gegenstand, der von den Schülern zu entwerfen war, »hatte sich aus dem Material und der Herstellungstechnik […] zu entwickeln«.665 Dies war die Negation der dominierenden, Neuerungen in der Kunst hemmenden Ästhetik, die unter dem Gedanken der Zweckfreiheit andere Kunstbegriffe negierte.666 Die Kurzlebigkeit seiner Ideen mag mit der Perseveranz der Wirkung einer normativ gewordenen philosophischen Ästhetik im deutschen Urheberrecht zu erklären sein.667 Der Begriff angewandte Kunst erweist sich seinem historischen Ursprung nach als Rechtsbegriff, der sich in der gesamten Institution Kunst seit den ersten Debatten um das Kunstschutzgesetz etablieren konnte. Nach 1945 erfuhr der Begriff gleichwohl eine Renaissance: 1947 wurden Teile der Sammlung des Bayerischen Nationalmuseums ausgegliedert und in ein eigenständiges Museum für angewandte Kunst überführt.668 Im gleichen Jahr wurde das Staatliche Kunstgewerbemuseum in Wien in Österreichisches Museum für angewandte Kunst umbenannt. Aufgrund der historischen Verzögerung scheint
659 Motive des Kunstschutzgesetzes von 1907 abgedruckt in GRUR 1906, 11ff. 660 Vgl. Rothkirch-Trach 1984, S. 39; Kernbauer 2017, 145-149. 661 Bruno Paul wurde bereits 1906 als Direktor berufen, und das obwohl er Teilhaber des kaiserkritischen Simplicissimus war (dazu: von Kessel 1992, S. 24). 662 Das Berliner Tagblatt berichtete: »Es hat den Anschein, also ob jemand im Kultusministerium ins Toben geraten ist.«, vgl. Berliner Tagblatt 1924, S. 2. 663 Weltbekannt ist das Bauhaus zu Weimar, dessen Schüler die Verschweißung von Kunstakademie und Kunstgewerbeschule lebten. Der Grundkonflikt zwischen angewandter und hoher Kunst war auch in diesen Jahren entscheidend, vid. Wahl 2009, S. 7. 664 Vgl. Baur 1930, S. 138. 665 Vgl. Rothkirch-Trach 1984, S. 163. 666 Mai 2010, S. 255. 667 Pudelek 2005, S. 522-524. 668 Vgl. dazu und im Folgenden: Hewel 2011, S. 187.
Kunstwerk oder Werk der bildenden Künste? Theoretische Revisionen im dadaistischen Kontext
der Begriff der angewandten Kunst als Kunsthandwerk und Kunstgewerbe einschließender verstanden worden zu sein, als eigener Kunstbegriff, der in seiner Offenheit gegenüber der freien Kunst inhaltlich weiter gefasst war. Von ästhetikgeschichtlichen Fragestellungen losgelöst, drängt sich der kulturhistorische Befund auf: Die Gründung von Museen für Kunstgewerbe fällt einerseits mit einem Unbehagen an dem als unbefriedigend empfundenen Niveau des Kunstgewerbes in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zusammen und andererseits mit der professionalisierten Arbeit ständiger Sachverständigenkammern bei den für Urheberrechtssachen zuständigen Gerichten.669 Die Bedeutung der Museumssammlungen für die Ermittlung der künstlerischen Neuheit eines urheberrechtlich geschützten Erzeugnisses darf für eine Geschichte dieses Museumstypus nicht unterschätzt werden.670 Im Kontext der angeschlossenen Bildungsanstalten erweisen sich ihre Sammlungen als Gegenprobe für zeitgenössische Werke der bildenden Künste. Am Ende des 19. Jahrhunderts äußerte ein Fürsprecher der angewandten Kunst in seiner Rede auf der deutschösterreichischen Gewerbekonferenz 1896, dass Ausgangspunkt des Geschmacksmustergesetzes ein »Fiasko der Deutschen Kunstindustrie auf der Wiener Weltausstellung von 1873« gewesen sei.671 Es musste darum gehen, die »deutschen Musterschöpfer« zu erziehen »selbständig zu werden, eigene Wege zu gehen, aus sich selbst zu leben«.672 Die dezentrale Registerführung, die Bekanntmachung der Anmeldung der Muster ohne Beifügung einer Abbildung sowie der Ausschluss der Prüfung der erforderlichen Eigentümlichkeit durch die Hinterlegungsstelle zwangen die »Musterschöpfer« sich Anregungen aus spezialisierten Musen, einschlägiger Literatur und der Praxis selbst zu beschaffen.673 Inwiefern die ästhetische Praxis der Postmoderne in diesem Theoriegerüst eine lang ersehnte Grundlage abseits historisch gewordener Grenzen finden sollte, wird noch offenzulegen sein.
7.
Ausblick: Bauhausdrücker-Urteil des Reichsgerichtshofes
Schon im Jahr 1930, dreiundzwanzig Jahre nach Inkrafttreten des Kunstschutzgesetzes und unmittelbar vor dem klaren Kunstvotum der Thüringischen Sachverständigenkammer, hatte sich der »Inhalt der ihnen [den Gesetzen] zu Grunde liegenden Begriffe im Laufe der Zeit« erneut gewandelt.674 Vor diesem Hintergrund hatte auch der Zivilsenat des Reichsgerichts das Problem der Historizität des Kunstbegriffs verinnerlicht; sein Verständnis des Rechtsbegriffs hatte mit einer normativen Ästhetik zunächst nichts gemein.675 Gegenstand der Entscheidung war ein 1922 von Walter Gropius entworfe669 670 671 672 673
S.o. Umfassende historische Arbeiten zu diesem Aspekt fehlen m.E. bisher. Vgl. Kelbel 1985, S. 669. Vgl. Landgraf 1897, S. 73. Josef Kohler war einer der Befürworter eines zentralisierten Registers sowie der Einführung einer Amtsprüfung der Neuheit und Eigentümlichkeit, vgl. Kelbel 1985, S. 669. 674 Vgl. Rücklin 1930, S. 179. 675 Schließlich wurden Forderungen geäußert, das Kunstschutzgesetz solle sich dem »neuen Kunstbegriff« nicht entgegenstellen, vgl. ibid. Auch wird ein Hinweis auf die abstrakte Kunst geäußert: »Man braucht bei der Betrachtung dieses Themas nicht nur an die ornamentlose Sachform zu denken, man
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Kunstbegriffe zwischen Recht und Praxis
ner Türdrücker. Auch die Revision entsprach der Einschätzung der ersten Instanzen, wonach der streitige Türdrücker den Anforderungen, die nach § 2 Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit § 1 Kunstschutzgesetz zu stellen waren, nicht genügte. »Entstanden aus einem ganz anderen Geiste« war der verfahrensgegenständliche Bauhausdrücker, entsprechend einem Gutachten der zuständigen Preußischen Sachverständigenkammer, nicht als eine bloße Fortbildung einfacher, bereits vor dem ersten Weltkrieg bekannter Formen eingeschätzt worden, weshalb Originalität nicht zu verneinen war. Das Berufungsgericht folgte dem Gutachten der Sachverständigenkammer jedoch nicht, nach dem eine individuelle künstlerische Schöpfung vorlag, weil »der Bauhausdrücker im Gegensatz dazu [dem Türdrücker der Beklagten] Beiwerk betont verwirft und die Form wesentlich dem sachlichen Zwecke des Türdrückers entnimmt«.676 Zur Begründung führte allerdings das Revisionsgericht darüber hinausgehend aus, dass »Gegenstand des Kunstschutzes immer nur das einzelne Werk ist und nicht die Kunstgattung, der Stil, die Anwendung bestimmter Mittel zum Zwecke gewisser Wirkungen«.677 Zu dieser Zeit waren die Ideale des Bauhauses bereits zu einem »in der breiten Masse des Volkes« bekannten »neuen Kunstgeschmack« geworden, weshalb in nachfolgenden Anwendungsfällen eine »schöpferische eigentümliche Leistung künstlerischen Gepräges« nicht mehr vorliegen könne.678 Es sollte dem künstlerischen Potenzial eher abträglich sein, dass mit Walter Gropius »einer der Begründer des modernen Baustils und Kunstempfindens« Urheber des Türdrückers war. »Nicht auf die Wirksamkeit des Schöpfers im Ganzen«, sollte es nach Wertung der Richter ankommen, »sondern auf die Eigenschaften des besonderen Werkes«.679
VI.
Zwischenfazit: Bildende Kunst jenseits des alltäglichen Sprachgebrauchs – Vorarbeiten an einer neuen Kunstnorm?
Der dadaistische Kontext ist als begriffs- und ideengeschichtlicher Diskursraum viel mehr als ein »Narrenspiel aus dem Nichts«.680 In der Kunstkritik stand Dada zuvorderst für die Umkehrung einer als Expressionismus gefassten Vielfalt von Kunstrichtungen, die bereits in diesen Jahren für den Anspruch stand, künstlerisches Interesse im
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kann auch die geometrische oder abstrakte Ornamentform heranziehen, die jedes Motiv aus der Natur oder aus Stilform meidet. Auch hier die gleiche Erscheinung: Was ist das geistige Eigentum des Urhebers? Dreiecke und Vierecke, Parallelen und Spiralen darf doch jeder machen. Wie kann man von unberechtigter Nachahmung sprechen, wenn jeder nur macht, was jeder machen darf ? […] Die ästhetische Wirkung des hergestellten Objektes ist das geistige Eigentum des Urhebers, denn sie ist eben das Geistige am Objekt, nicht die materielle Form, die sich im Material ausdrückt.«, vgl. ibid. Vgl. Reichsgericht, Urteil v.14. Januar 1933, RGZ 139, S. 216; 214-221. Ibid., S. 220; 214-221. Ibid. Vgl. ibid. Diese Betonung der Werkeigenschaft aus der ästhetischen Wirkung und von einer Urheber-Originalität losgelöst wurde auch in Das Plakat noch kritisiert: »Bei der Beurteilung, ob ein Kunstwerk vorliege, oder nicht, komme es auch auf die Person ihres Schöpfers; sofern dieser als Künstler durch die Gesamtheit seiner Werke gekennzeichnet sei, liege ein Kunstwerk vor.«, vgl. Sachs 1917, S. 198. Amrein 2017, S. 19-43.
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ner Türdrücker. Auch die Revision entsprach der Einschätzung der ersten Instanzen, wonach der streitige Türdrücker den Anforderungen, die nach § 2 Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit § 1 Kunstschutzgesetz zu stellen waren, nicht genügte. »Entstanden aus einem ganz anderen Geiste« war der verfahrensgegenständliche Bauhausdrücker, entsprechend einem Gutachten der zuständigen Preußischen Sachverständigenkammer, nicht als eine bloße Fortbildung einfacher, bereits vor dem ersten Weltkrieg bekannter Formen eingeschätzt worden, weshalb Originalität nicht zu verneinen war. Das Berufungsgericht folgte dem Gutachten der Sachverständigenkammer jedoch nicht, nach dem eine individuelle künstlerische Schöpfung vorlag, weil »der Bauhausdrücker im Gegensatz dazu [dem Türdrücker der Beklagten] Beiwerk betont verwirft und die Form wesentlich dem sachlichen Zwecke des Türdrückers entnimmt«.676 Zur Begründung führte allerdings das Revisionsgericht darüber hinausgehend aus, dass »Gegenstand des Kunstschutzes immer nur das einzelne Werk ist und nicht die Kunstgattung, der Stil, die Anwendung bestimmter Mittel zum Zwecke gewisser Wirkungen«.677 Zu dieser Zeit waren die Ideale des Bauhauses bereits zu einem »in der breiten Masse des Volkes« bekannten »neuen Kunstgeschmack« geworden, weshalb in nachfolgenden Anwendungsfällen eine »schöpferische eigentümliche Leistung künstlerischen Gepräges« nicht mehr vorliegen könne.678 Es sollte dem künstlerischen Potenzial eher abträglich sein, dass mit Walter Gropius »einer der Begründer des modernen Baustils und Kunstempfindens« Urheber des Türdrückers war. »Nicht auf die Wirksamkeit des Schöpfers im Ganzen«, sollte es nach Wertung der Richter ankommen, »sondern auf die Eigenschaften des besonderen Werkes«.679
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Zwischenfazit: Bildende Kunst jenseits des alltäglichen Sprachgebrauchs – Vorarbeiten an einer neuen Kunstnorm?
Der dadaistische Kontext ist als begriffs- und ideengeschichtlicher Diskursraum viel mehr als ein »Narrenspiel aus dem Nichts«.680 In der Kunstkritik stand Dada zuvorderst für die Umkehrung einer als Expressionismus gefassten Vielfalt von Kunstrichtungen, die bereits in diesen Jahren für den Anspruch stand, künstlerisches Interesse im
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kann auch die geometrische oder abstrakte Ornamentform heranziehen, die jedes Motiv aus der Natur oder aus Stilform meidet. Auch hier die gleiche Erscheinung: Was ist das geistige Eigentum des Urhebers? Dreiecke und Vierecke, Parallelen und Spiralen darf doch jeder machen. Wie kann man von unberechtigter Nachahmung sprechen, wenn jeder nur macht, was jeder machen darf ? […] Die ästhetische Wirkung des hergestellten Objektes ist das geistige Eigentum des Urhebers, denn sie ist eben das Geistige am Objekt, nicht die materielle Form, die sich im Material ausdrückt.«, vgl. ibid. Vgl. Reichsgericht, Urteil v.14. Januar 1933, RGZ 139, S. 216; 214-221. Ibid., S. 220; 214-221. Ibid. Vgl. ibid. Diese Betonung der Werkeigenschaft aus der ästhetischen Wirkung und von einer Urheber-Originalität losgelöst wurde auch in Das Plakat noch kritisiert: »Bei der Beurteilung, ob ein Kunstwerk vorliege, oder nicht, komme es auch auf die Person ihres Schöpfers; sofern dieser als Künstler durch die Gesamtheit seiner Werke gekennzeichnet sei, liege ein Kunstwerk vor.«, vgl. Sachs 1917, S. 198. Amrein 2017, S. 19-43.
Kunstwerk oder Werk der bildenden Künste? Theoretische Revisionen im dadaistischen Kontext
Sinne eines gesellschaftlichen Geschmacks und nicht im Sinne von Originalität zu befriedigen: Die Kunst der klassischen Moderne zu verstehen, bedeutete, sich »zur Kunst zu erziehen«; kein Maßstab, mit dem man Dada gerecht werden konnte.681 Dadaistische Erzeugnisse, ein Begriff der sich an dem der kunstgewerblichen Erzeugnisse orientiert, wollten nicht dem Typischen oder Durchschnittlichen entsprechen. Der Bruch mit der Tradition als Kernelement des avantgardistischen Kunstbegriffs forderte ästhetische Normen heraus und blieb bei Dada zeitgenössisch doch, wie in Arnold Böcklins »Gefilden der Seligen« (Abb. 2) illustriert, nur eine Randerscheinung.682 Deutlich macht das in den Quellen untersuchte Denken über Dada zugleich das widersprüchliche Kunstverständnis in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts nachvollziehbar: Dada konnte bei George Grosz »Kunst von großem Ausmaß« sein und war als Collage »kein Gemälde im üblichen Sinne«.683 Verbarg sich hinter dem Anspruch der Gegenständlichkeit ein Stoffbegriff und folglich ein inhaltsästhetischer Anspruch, war das Dogma des interessenlosen Wohlgefallens der Autonomieästhetik scheinbar abgelöst.684 Dieser programmatische Anspruch wurde auch seitens des Kunstkritik anerkannt: »Das Gegenständliche spricht, schreit überall für sich selbst.«685 Im Werk des dadaistischen George Grosz erfüllten geklebte Teile, Zahlen und Buchstaben diese Forderung.686 Nur eine Gewissheit bestand bis in die 1920er Jahre: der »Streit über Kunst« war entgegen der Hoffnung einflussreicher Autoren wie Adolf Behnes noch lange nicht versandet, »weil nun schon so ziemlich jeder Erdbewohner seine Kunstanschauung vorgetragen hat«.687 Eng verwoben war die Dada-Rezeption mit Abgrenzungsbegriffen des Kunstgewerbes: zwischen »hoher Kunst und Kunstgewerbe« war Dada schließlich in Das Plakat auch Werk der bildenden Künste im Sinne des Kunstschutzgesetzes.688 Dieses Gesetz legitimierte die Verabschiedung des l’art pour l’art schließlich abseits der reinen Urheberfrage auch über die juristischen Definitionen und Festlegungen hinaus. Mit subjektivem Maßstab nach Originalität oder Eigentümlichkeit heischend, erwies sich auch die Kunstkritik im dadaistischen Kontext als durchaus offenherzig: Die dadaistische Collage wurde erst in den späten 1920er Jahren als Stückungsgraphik in den Begriffsrahmen der Kunstkritik eingefasst. Damit war zugleich eine Übergangsstelle zu einer Öffentlichkeit geschaffen, die wie in Das Plakat eine Eingliederung der Gebrauchskunst in den Kanon einforderte. Das dadaistische Plakat war hier schon früher vertreten. Wurde ein dadaistischer Künstler oder ein dadaistisches Spektakel in den untersuchten Zeitschriften angesprochen, war in beiden Fällen der Kunstbegriff jedenfalls implizit einer Neudefinition unterzogen. Originalität war hier der Maßstab für das wirkungsbezogene Kunsturteil und Forderung an die Suche nach neuen Ausdrucksmitteln zugleich. Abseits der auf Diskontinuität verweisenden Argumente der Kritiker finden sich aber 681 682 683 684 685 686
Für diese Formulierung vgl. Westheim 1925, S. 147. Dazu: Herles 2011, S. 233. Vgl. Das Kunstblatt 1920, S. 256 und Schmidt 1920b, S. 722. Grundlegend zu dem Begriffssystem idealistischer Prägung vgl. Scholl 2012, S. 397, 420. Salmony 1920, S. 97. »Dabei sind seine Bilder trotz einfachster Form fast überfüllt. Die Konsequenz geklebter Teile, Zahlen und Buchstaben ist selbstverständlich geworden.«, vgl. ibid., S. 98. 687 Behne 1920b, S. 306. 688 Vgl. Schmidt 1920a, S. 136.
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Kunstbegriffe zwischen Recht und Praxis
vereinzelt auch solche, die unter Hinweis auf Kontinuität Legitimation für Ihre Protagonisten suchten; die kunsthistorische Methode war auch hier präsent. Autonomieund wirkungsästhetische Begriffe standen neben formalästhetisch, kunsthistorischen Konzepten. Konnte ein Plakat als Werk der bildenden Künste gelten, konnte ein außerhalb des künstlerischen Zweckes liegender Nebenzweck die Auslegung nicht begrenzen. Ob diese juristische Konsequenz die Kunstöffentlichkeit schon damals befeuerte, ist nicht eindeutig zu klären. Angesichts der gleichlaufenden Argumentation, wie der eines Ernst Collin, ist das legitimierende Potenzial jedenfalls nicht zu verkennen. Mit der Prägung des Begriffs der Werke der bildenden Künste und der Gleichsetzung von den Erzeugnissen des Kunstgewerbes wurde im juristischen Diskurs jedenfalls ein erweitertes Verständnis von bildender Kunst systematisch vorbereitet.689 Originalität wurde hier zum Abgrenzungsmaßstab, während der Kunstkritik dieses Schlagwort zur Identifikation neuer Ausdrucksmittel oder Präsentationsformen diente. Zugleich mussten im juristischen Kontext die Begriffe Form und Inhalt, die der Autonomieästhetik entlehnt waren und ebenso die kunstkritischen Beiträge prägten, einem vom Objekt losgelösten Werkbegriff beschreiben; das Kunstschutzgesetz gab einen eigenen Rezeptionskontext vor. Der positivistische Drang tritt wiederum nicht allein mit Blick auf die Relevanz der sogenannten Ästhetik von unten für die kunsttheoretische Verarbeitung des sogenannten Kunstgewerbes auf. Auch die Bildwerks- bzw. Bildwerktheorie als quasi-kunsthistorische Norm sollte der juristischen Argumentation in diesen Jahren empirische Grundlagen liefern: Wandlungen des Kunstbegriff von einer gegenständlichen zu einer abstrakten Malerei etwa, wie sie diese Theorie erfasste, mussten allerdings einen gattungsgebundenen Werkbegriff nicht in Frage stellen. Für die dadaistische Kritik war mithin auch das Untypische aus zeitgenössischer Perspektive Malerei. Die Wechselwirkungen zwischen juristischer Theoriebildung einerseits sowie Ästhetik und Kunstwissenschaft anderseits sind dabei in den Aufsätzen und Kommentierungen der Juristen auch an betrachterbezogenen Kriterien wie künstlerisch oder individuell, dem ästhetischen Gefühl oder der formgebenden Tätigkeit nachvollziehbar geworden. Wie sich gezeigt hat, sollte die Radikalität der rechtswissenschaftlichen Offenherzigkeit zunächst aber noch ohne Folgen für den größeren Teil der Kunstöffentlichkeit bleiben: Das Erzeugnis des Kunstgewerbes musste schließlich schon lange als Werk der bildenden Künste nicht als »bemalte Leinwand oder […] behauener Marmor«, sondern durchaus unabhängig von einem Denken in Kunstgattungen definiert werden.690 Solche systematischen Vorentscheidungen des Kunstschutzgesetzes waren eine Kampfansage an einen 1931 jedenfalls (wieder) alltäglichen Begriff bildender Kunst, wie es die Mitglieder der Thüringischen Sachverständigenkammer selbst anmerkten. Das juristische Argument konnte schließlich nur im Kunstdiskurs um die Erweiterung des Kunstbegriffs in Das Plakat nachgewiesen werden. Gleichwohl hat der vorausgegangene Teil eines deutlich gemacht: die Grenzziehungen juristischer Argumentation im Kontext des Kunstschutzgesetzes lieferten einen Werkbegriff, der geeignet war Kunst(werk) neu zu denken. 689 Zu den Folgen s. 3. Teil, V. 690 Vgl. Riezler 1909, S. 408.
Kunstwerk oder Werk der bildenden Künste? Theoretische Revisionen im dadaistischen Kontext
Ausdrückliche Relevanz sollte die Rechtswissenschaft für den Kunstdiskurs erst in der Nachkriegszeit erfahren. Das Konzept eines Werkes im Sinne »eines nur vorzustellenden, nicht darstellbaren Objekts«, das mit dem Blick auf Literatur und Musik schnell augenfällig wird, muss in der Kunstgeschichte eingefordert werden.691 Diese Tatsache wird oft verkannt, geht der kunsthistorische Werkbegriff »in der Regel von dinglichen Artefakten« aus.692 Mit Blick auf die Kunst nach 1945 erklärt sich damit, weshalb im Kontext der Fluxusbewegung nun Wechselwirkungen weiter nachzugehen sein wird: am Beginn des 3. Teils der Untersuchung steht die Annahme, dass juristische Theoriebildung einen Rezeptionskontext bieten konnte, der einen für die Erfassung der konzeptuellen Tendenzen geeigneten Werkbegriff auch außerhalb isolierter Binnendiskurse lieferte.
691 Vgl. Pontzen 2000, S. 192. 692 Vgl. Grave 2020, S. 90.
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3. Teil
Abb. 3: Timm Ulrichs, Erstes lebendes Kunstwerk, Juryfreie Kunstausstellung Berlin 1965. In: Kunstverein Hannover/Sprengel Museum Hannover (Hrsg.): Timm Ulrichs. Betreten der Ausstellung verboten!. Ostfildern 2011, S. 10, Abbildung: Joachim G. Jung.
Die Rolle der Rechtswissenschaft in der Geschichte der Kunsttheorie »Selbst wenn man die Bestimmungen in einen weiteren Sinn auslegt, so ist doch damit gemeint, daß es sich bei einem Kunstwerk um einen arte fact handelt. Außerdem ist ein Werk der bildenden Kunst im klassischen Sinne auch durch eine Handlung bestimmt, die sich allein im Raum abspielt und nicht durch eine Bewegung in der Zeit.«1
Eine männliche Person, sitzend auf einem hölzernen Lehnstuhl. Die Beine sind übereinander geschlagen. Während eine Hand auf dem oberen Knie ruht, ist die andere Hand an das Kinn geführt. Kopf und Blick sind nach vorn gerichtet. Die Brillengläser reflektieren das Licht. Das Ganze unter einem wenig breiteren Quader aus Holz und durchsichtigen Scheiben. Wenig höher nur als die sitzende Gestalt schließt der hölzerne Rahmen des Quaders ab. Im Hintergrund ein rechteckiger Spiegel, der aus dem oberen Bildrand tritt, darin zu erkennen der Hinterkopf des Mannes und der obere Bogen der Stuhllehne. Mehr ist auf der Schwarz-Weiß-Fotografie nicht zu sehen (Abb. 3).
1
Vgl. Baier 1965, S. 155.
196
Kunstbegriffe zwischen Recht und Praxis
I.
Entgrenzung der Künste in der Nachkriegszeit
Mit der Ausstellung Tendenzen der zwanziger Jahre in der Großen Orangerie des Charlottenburger Schlosses 1977 war die Transformation des Kunstbegriffs auch außerhalb des viel diskutierten documenta-Kontextes institutionell anerkannt worden.2 Was in den 1920er Jahren außerhalb der traditionellen und dominierenden Orte der Kunstreflexion verhandelt worden war, war zu den neuen Grenzen der künstlerischen Sphäre geworden. Mit anderen Worten: Die Entgrenzungstendenzen der ersten Dekaden des 20. Jahrhunderts waren am Ende der 1970er Jahre mit der Auflösung des »ParagoneDenkens« im Sinne eines Kunstbegriffs nach Gattungen zur theoretischen Grundlage eines neuen Denkens über bildende Kunst geworden.3 Das Objekt war nachrangig geworden. Was ein Jurist bereits im 19. Jahrhundert mit Blick auf den Rechtsbegriff des Werkes der bildenden Künste feststellte, erwies sich als neue Grundannahme: »Keinesfalls aber ist es zufällig, jedes in bestimmtem Stoffe dargestellte Erzeugnis um des Stoffes willen als Werk der Kunst […] anzusehen. Selbst aus Papiermaché können Werke der Kunst hergestellt werden.«4 Es sei daran erinnert: Dem Denken über Kunst schienen in diesem Diskursbereich schon früh weniger Grenzen gesetzt. Die versiegelte Fotografie, die Timm Ulrichs mit der Bezeichnung »Modell eines lebenden Kunstwerkes« 1968 als Geschmackmuster hatte registrieren lassen, legt nahe: Das juristische Argument war in den 1960er Jahren zur kunsttheoretischen Position geworden.5 Im Kontext der Zeit ab 1960 steht Ulrichs keinesfalls allein mit einer solchen Revision kunsttheoretischer und -historischer Kategorien, waren solche »Wechselwirkungen mit dem jeweils zeitgenössisch dominanten kunstwissenschaftlichen wie kunstkritischen Sprechen über Kunst« auch kennzeichnend für Künstler wie Gerhard Richter.6 Ulrichs’ Alleinstellungsmerkmal ist die Durchdringung der eigenen Praxis mit rechtswissenschaftlicher Theoriebildung. Hier nimmt die fotografische Darstellung nicht die Präsentationsform eines Museumsgemäldes an. Es ist kein Kunstzitat, sondern vielmehr »Metakunst«, in dem von Christoph Zuschlag geprägten doppelten Sinn: Ullrichs Erste lebende Kunstwerk stellt kunsthistorische Begriffe auf der einen Seite in Frage und thematisiert zugleich die künstlerischen Möglichkeiten einer (bildenden) Kunst ohne Ausführung im Ausdrucksmittel.7 Diese Dualität wird in diesem dritten Teil der Untersuchung immer wieder relevant werden. Schon hier sei angemerkt: Als Werk der Kunst steht nicht das physisch existente Foto, es ist die bloße Vervielfältigung der Aktion
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Die Überschrift der Ausstellungskritik »Die Zeit, von der wir zehren« in der Wochenendausgabe der Rhein-Neckar-Zeitung 20./21. August 1977 mag beispielshaft stehen, vgl. Rohde 1977. Zugleich verweist dieser Titel auf das Problem der Gegenwärtigkeit der Nachkriegskunst. Zu diesem Problemfeld: Draxler 2015, S. 120-130. Zum Paragone-Streit als Streit um einen Kunstbegriff nach materieller Basis vgl. Schnitzler 2007, S. 115-116. Vgl. Mandry 1867, S. 218. Dass hier Stoff im Sinne von Werkstoff/Material Gebrauch findet, mag ebenso auf das Nebeneinander von »Gestalt-orientierter und Stoff-orientierter Perspektive« zurückzuführen sein, vgl. dazu Merenyi 2019, S. 418-419. Dazu s.u. Vgl. Kuhn 2020, S. XXIV. Zu dieser Entwicklung vgl. Zuschlag 2002, S. 176-177.
Die Rolle der Rechtswissenschaft in der Geschichte der Kunsttheorie
als Werk.8 Daher ist anzunehmen, dass Timm Ulrichs der Kunstgeschichte die Rechtswissenschaft als neuen Reflexionsort über Kunst entgegensetzte. Mittels zollrechtlicher Normen war ihm der Zugang zur 1965 stattfindenden Berliner Juryfreien Kunstausstellung verwehrt worden. Urheberrechtlich war in den 1960er Jahren nicht mehr das Kunstverfahren Fotografie fraglich, sondern die Werkhaftigkeit einer Aktion, die darin bestand, sich selbst als Kunstwerk in einer bestimmten Art und Weise zu präsentieren.9 Selten blieb von den vergänglichen Kunstaktionen mehr als ihre Aufzeichnungen.10 Damit wurde auch der kunstgeschichtliche, am Tafelbild orientierte dingliche Werkbegriff in Frage gestellt.11 Im Urheberrecht fand Ulrichs diesen bereits bestätigt. Die Frage, inwieweit wir uns hier nun mit einem Zwischenfall im Denken über Kunst in der Nachkriegszeit konfrontiert sehen, ist Gegenstand dieses dritten Teils. Dabei erweist sich insbesondere Fluxus unter den »postinformellen Richtungen« als geeignetes »Kontextualisierbarkeitsfeld« für das zeitgenössische kunsttheoretische Begriffs- und Diskursgeflecht.12 Mithin geht es um die Frage, inwiefern und in welchen Zusammenhängen auch dort von »allem bis dahin Bekannten« abgewichen wurde.13
II.
Fragestellung und Methode
Die begriffliche und theoretische Verarbeitung der Kunst der Nachkriegszeit, insbesondere solcher Praktiken im Kontext des Fluxus, sind das dritte Fallbeispiel, an dem Wechselwirkungen im Kunstdenken nachvollzogen werden sollen. Die Kampflinien der wissenschaftlichen Auseinandersetzung um die Rolle der Ästhetik als Grundlage einer Theorie der Kunst zu Beginn des 20. Jahrhunderts wirkten nach.14 Im Kunstdenken der Nachkriegszeit war es ein Wettstreit zwischen kunsthistorisch-akademischen, am dinglichen Objekt ausgerichteten Begriffen einerseits und dem Theoriesystem einer auf subjektive Unmittelbarkeit gerichteten philosophischen Ästhetik andererseits, wie sie aus der Musikkritik auf Fluxus zur Anwendung gebracht wurde. Gestaltung oder offene Form prägten hier einen aktualisierten Werkbegriff. Wollte man ein Fluxushappening oder allgemein die konzeptuellen Tendenzen der Nachkriegskunst fassen, mussten die begrifflichen Beziehungen, die aus etablierten Gattungen hergeleitet wurden, erweitert werden. Auf einer theoretischen Ebene wurde das Werk der Kunst, im Rechtssinne ein Abstraktum, daher unentbehrlich für einen Konzeptkünstler wie Timm Ulrichs. Für die urheberrechtliche Methode war die Kunst der Nachkriegszeit zugleich Lackmustest für ihre eigenen Begriffe. Schließlich konnte es nicht um die gleiche Wertfrage gehen, 8
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Es geht um eine kunsthistorische Abstraktion des Kunstwerkes von der bloßen Foto-Aufzeichnung; darauf verweist auch Ulrichs selbst mit der Bezeichnung »Modell eines lebenden Kunstwerkes«; dazu s.u. Mit Ulrike RosenbachsGlauben Sie nicht, daß ich eine Amazone bin liefert Christoph Zuschlag eine Beschreibung der Performance als Werk, Zuschlag 2002, S. 178-179. Dogramaci 2018, S. 87. Grave 2020, S. 90. Röttgers 1991, S. 110. Zuschlag 2002, S. 176. Allesch 1987, S. V.
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Die Rolle der Rechtswissenschaft in der Geschichte der Kunsttheorie
als Werk.8 Daher ist anzunehmen, dass Timm Ulrichs der Kunstgeschichte die Rechtswissenschaft als neuen Reflexionsort über Kunst entgegensetzte. Mittels zollrechtlicher Normen war ihm der Zugang zur 1965 stattfindenden Berliner Juryfreien Kunstausstellung verwehrt worden. Urheberrechtlich war in den 1960er Jahren nicht mehr das Kunstverfahren Fotografie fraglich, sondern die Werkhaftigkeit einer Aktion, die darin bestand, sich selbst als Kunstwerk in einer bestimmten Art und Weise zu präsentieren.9 Selten blieb von den vergänglichen Kunstaktionen mehr als ihre Aufzeichnungen.10 Damit wurde auch der kunstgeschichtliche, am Tafelbild orientierte dingliche Werkbegriff in Frage gestellt.11 Im Urheberrecht fand Ulrichs diesen bereits bestätigt. Die Frage, inwieweit wir uns hier nun mit einem Zwischenfall im Denken über Kunst in der Nachkriegszeit konfrontiert sehen, ist Gegenstand dieses dritten Teils. Dabei erweist sich insbesondere Fluxus unter den »postinformellen Richtungen« als geeignetes »Kontextualisierbarkeitsfeld« für das zeitgenössische kunsttheoretische Begriffs- und Diskursgeflecht.12 Mithin geht es um die Frage, inwiefern und in welchen Zusammenhängen auch dort von »allem bis dahin Bekannten« abgewichen wurde.13
II.
Fragestellung und Methode
Die begriffliche und theoretische Verarbeitung der Kunst der Nachkriegszeit, insbesondere solcher Praktiken im Kontext des Fluxus, sind das dritte Fallbeispiel, an dem Wechselwirkungen im Kunstdenken nachvollzogen werden sollen. Die Kampflinien der wissenschaftlichen Auseinandersetzung um die Rolle der Ästhetik als Grundlage einer Theorie der Kunst zu Beginn des 20. Jahrhunderts wirkten nach.14 Im Kunstdenken der Nachkriegszeit war es ein Wettstreit zwischen kunsthistorisch-akademischen, am dinglichen Objekt ausgerichteten Begriffen einerseits und dem Theoriesystem einer auf subjektive Unmittelbarkeit gerichteten philosophischen Ästhetik andererseits, wie sie aus der Musikkritik auf Fluxus zur Anwendung gebracht wurde. Gestaltung oder offene Form prägten hier einen aktualisierten Werkbegriff. Wollte man ein Fluxushappening oder allgemein die konzeptuellen Tendenzen der Nachkriegskunst fassen, mussten die begrifflichen Beziehungen, die aus etablierten Gattungen hergeleitet wurden, erweitert werden. Auf einer theoretischen Ebene wurde das Werk der Kunst, im Rechtssinne ein Abstraktum, daher unentbehrlich für einen Konzeptkünstler wie Timm Ulrichs. Für die urheberrechtliche Methode war die Kunst der Nachkriegszeit zugleich Lackmustest für ihre eigenen Begriffe. Schließlich konnte es nicht um die gleiche Wertfrage gehen, 8
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Es geht um eine kunsthistorische Abstraktion des Kunstwerkes von der bloßen Foto-Aufzeichnung; darauf verweist auch Ulrichs selbst mit der Bezeichnung »Modell eines lebenden Kunstwerkes«; dazu s.u. Mit Ulrike RosenbachsGlauben Sie nicht, daß ich eine Amazone bin liefert Christoph Zuschlag eine Beschreibung der Performance als Werk, Zuschlag 2002, S. 178-179. Dogramaci 2018, S. 87. Grave 2020, S. 90. Röttgers 1991, S. 110. Zuschlag 2002, S. 176. Allesch 1987, S. V.
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Kunstbegriffe zwischen Recht und Praxis
der sich die Kunstgeschichte zur Stabilisierung ihres Kanons bediente.15 Denn in den 1960er und 1970er Jahren hatte die Diskussion um den Begriff der bildenden Kunst als etwas Gewordenes oder gesellschaftlich Geformtes einen Höhepunkt erreicht. Gleichwohl war es auch die Musikkritik dieser Zeit, die Fluxus im Kontext der Neuen Musik mit den Begriffen der philosophischen Ästhetik erfasste. Die Praktiken der Fluxuskünstler boten die Möglichkeit, ästhetische Kategorien des 19. Jahrhunderts auf die zeitgenössische Kunstpraxis zur Anwendung zu bringen. Die Rechtsöffentlichkeit brachte durch ihren Werkbegriff Musik- und Kunstkritik zusammen, verwies sie besonders mit Blick auf die Praktiken des Fluxus auf die Abgrenzung von ästhetischem Gegenstand und Ding. Für den Zeitraum zwischen 1950 bis 1980 wurden hierfür die Kunstzeitschriften Das Kunstwerk, Kunst. Magazin für moderne Malerei, Grafik und Plastik ausgewertet und für die 1970er Jahre Kunstforum International ebenso wie die Beiträge zu Fluxus in der Neuen Zeitschrift für Musik der 1960er Jahre. Daneben steht insbesondere die Auswertung der Beiträge zur urheberrechtlichen Schutzfähigkeit der Nachkriegskunst in den Zeitschriften Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht sowie dem Archiv für Medien und Urheberrecht.
III.
Der Weg zu Fluxus
Nicht nur für die informelle Nachkriegskunst gilt, dass das »Kunstwerk […] dem Wesen nach immateriell« geworden war.16 Dies war eine Grundannahme, die, ausgehend von Veränderungen des ästhetischen Denkens über die angewandte Kunst, auch die freie Kunst zu Beginn des 20. Jahrhunderts erfasst hatte.17 Allerdings war bereits mit dem Informel bildende Kunst auch in der Malerei nicht mehr auf das auratische Artefakt begrenzt.18 Für die Kunstkritik musste dies bedeuten, den eigenen Begriffskanon zu hinterfragen.19 In Bezug auf Fluxus hatten es die Kritiker später oft nur mit Doku-
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Beispielhaft für die Begrenzung der kunsthistorischen Forschungsfelder steht Erik Forssmans Vortrag mit dem Titel Die Kunstgeschichte und die Trivalkunst, vgl. Forssman 1974. Vgl. Zuschlag 2011, S. 22-23. Dazu schon im 2. Teil. Das Tafelbild als Paradigma eines Kunstbegriffs wurde aufgegeben vgl. Zuschlag 2011, S. 23. Nach 1945 drängte angesichts informeller Tendenzen eine alte Frage in den kunstkritischen Diskurs: Was ist unter einem Kunstwerk zu verstehen? Zeitgenossen des Kunstdiskurses um die historischen Avantgarden wie der Kunsthistoriker Hans Hildebrandt konnten diese ganz wesentliche Frage dem Publikum der Ausgabe für November/Dezember 1957 der Zeitschrift Das Kunstwerk stellen. »Einer Beantwortung der Frage nach den Wertmaßstäben der bildenden Kunst muß Klärung darüber vorausgehen, was unter einem Kunstwerk der bildenden Kunst zu verstehen ist«, stellte Hans Hildebrandt zu Beginn seines Leitbeitrags fest, vgl. Hildebrandt 1957, S. 3. Hans Hildebrandt absolvierte beide juristische Staatsprüfungen und wurde an der Universität Heidelberg mit einer Arbeit über die Architektur bei Albrecht Altdorfer promoviert. Er war später Ordinarius der Technischen Hochschule Stuttgart. In dem Nachruf Franz Rohs heißt es aufschlussreich: »Stets trat er tapfer und erkennend für die neuen Ausdrucksformen ein, was damals alles andere als selbstverständlich war. Denn die meisten Kunsthistoriker waren in die grandiosen Ausdrucksformen früherer Jahrhunderte derart verliebt, daß sie die neue Formenwelt ganz mißverstanden«, vgl. Roh 1957, S. 36.
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Kunstbegriffe zwischen Recht und Praxis
der sich die Kunstgeschichte zur Stabilisierung ihres Kanons bediente.15 Denn in den 1960er und 1970er Jahren hatte die Diskussion um den Begriff der bildenden Kunst als etwas Gewordenes oder gesellschaftlich Geformtes einen Höhepunkt erreicht. Gleichwohl war es auch die Musikkritik dieser Zeit, die Fluxus im Kontext der Neuen Musik mit den Begriffen der philosophischen Ästhetik erfasste. Die Praktiken der Fluxuskünstler boten die Möglichkeit, ästhetische Kategorien des 19. Jahrhunderts auf die zeitgenössische Kunstpraxis zur Anwendung zu bringen. Die Rechtsöffentlichkeit brachte durch ihren Werkbegriff Musik- und Kunstkritik zusammen, verwies sie besonders mit Blick auf die Praktiken des Fluxus auf die Abgrenzung von ästhetischem Gegenstand und Ding. Für den Zeitraum zwischen 1950 bis 1980 wurden hierfür die Kunstzeitschriften Das Kunstwerk, Kunst. Magazin für moderne Malerei, Grafik und Plastik ausgewertet und für die 1970er Jahre Kunstforum International ebenso wie die Beiträge zu Fluxus in der Neuen Zeitschrift für Musik der 1960er Jahre. Daneben steht insbesondere die Auswertung der Beiträge zur urheberrechtlichen Schutzfähigkeit der Nachkriegskunst in den Zeitschriften Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht sowie dem Archiv für Medien und Urheberrecht.
III.
Der Weg zu Fluxus
Nicht nur für die informelle Nachkriegskunst gilt, dass das »Kunstwerk […] dem Wesen nach immateriell« geworden war.16 Dies war eine Grundannahme, die, ausgehend von Veränderungen des ästhetischen Denkens über die angewandte Kunst, auch die freie Kunst zu Beginn des 20. Jahrhunderts erfasst hatte.17 Allerdings war bereits mit dem Informel bildende Kunst auch in der Malerei nicht mehr auf das auratische Artefakt begrenzt.18 Für die Kunstkritik musste dies bedeuten, den eigenen Begriffskanon zu hinterfragen.19 In Bezug auf Fluxus hatten es die Kritiker später oft nur mit Doku-
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Beispielhaft für die Begrenzung der kunsthistorischen Forschungsfelder steht Erik Forssmans Vortrag mit dem Titel Die Kunstgeschichte und die Trivalkunst, vgl. Forssman 1974. Vgl. Zuschlag 2011, S. 22-23. Dazu schon im 2. Teil. Das Tafelbild als Paradigma eines Kunstbegriffs wurde aufgegeben vgl. Zuschlag 2011, S. 23. Nach 1945 drängte angesichts informeller Tendenzen eine alte Frage in den kunstkritischen Diskurs: Was ist unter einem Kunstwerk zu verstehen? Zeitgenossen des Kunstdiskurses um die historischen Avantgarden wie der Kunsthistoriker Hans Hildebrandt konnten diese ganz wesentliche Frage dem Publikum der Ausgabe für November/Dezember 1957 der Zeitschrift Das Kunstwerk stellen. »Einer Beantwortung der Frage nach den Wertmaßstäben der bildenden Kunst muß Klärung darüber vorausgehen, was unter einem Kunstwerk der bildenden Kunst zu verstehen ist«, stellte Hans Hildebrandt zu Beginn seines Leitbeitrags fest, vgl. Hildebrandt 1957, S. 3. Hans Hildebrandt absolvierte beide juristische Staatsprüfungen und wurde an der Universität Heidelberg mit einer Arbeit über die Architektur bei Albrecht Altdorfer promoviert. Er war später Ordinarius der Technischen Hochschule Stuttgart. In dem Nachruf Franz Rohs heißt es aufschlussreich: »Stets trat er tapfer und erkennend für die neuen Ausdrucksformen ein, was damals alles andere als selbstverständlich war. Denn die meisten Kunsthistoriker waren in die grandiosen Ausdrucksformen früherer Jahrhunderte derart verliebt, daß sie die neue Formenwelt ganz mißverstanden«, vgl. Roh 1957, S. 36.
Die Rolle der Rechtswissenschaft in der Geschichte der Kunsttheorie
mentationen oder Vervielfältigungen der eigentlichen Werke zu tun.20 In diesem Zusammenhang musste sich das Problem des ästhetischen Gegenstandes ebenso wie die nach der Tätigkeit bildender Künstler neu stellen.21 Sind die Fluxusanfänge in den Veranstaltungen und Konzerten der Jahre 1961 und 1962 zu suchen, wirkte Fluxus bis in die späten 1970er Jahre nach.22 Als Gruppe war Fluxus dabei nur durch zirkulierende Dokumentationen der Ideen und Aktionen der Protagonisten denkbar. An die Stelle des Entwurfs des Formgestalters, des Bauplans des Architekten, traten Fluxusnotation und event scores.23 Zugleich konnten Notationen als »Bildpartituren« oder »musikalische Grafiken« Grenzen der Kunstgattungen überschreiten.24 Wie bereits an anderer Stelle erwähnt, erkannte die Musikkritik anders als die zeitgenössische Kunstkritik an, dass durch die spezifische Dokumentation der Werke die Eigenheit der Fluxusdokumente anzuerkennen war und ihr ästhetischer Gegenstand bildkünstlerisch aufgefasst werden konnte.25 Zwar wurde Fluxus bereits vor der Beteiligung an der im Kölnischen Kunstverein 1970 ausgerichteten Ausstellung happening & fluxus kommentiert, eine breitere Aufmerksamkeit in den untersuchten Zeitschriften setzte allerdings erst nach den aktivsten Jahren der Protagonisten ein.26 So erklärt sich auch die Verlagerung einer Bearbeitung der zeitgenössischen Praktiken in die Kunstkritik einerseits und auf die Künstler andererseits. Jürgen Becker und Wolf Vostell hatten 1965 mit der Theoretisierung ihrer und anderer Praktiken im Fluxuskontext in der nur von Jürgen Becker gezeichneten Einführung zu Happenings. Fluxus – Pop Art – Nouveau Réalisme begonnen.27 Damit schienen die Herausgeber die Theoretisierung des Dada gleichwohl für das Happening heranziehen zu wollen.28 Fluxus wurde dort als »selbst darstellendes« Phänomen präsentiert, das sich in Fotos, Partituren, Manifesten und Chroniken nachvollziehen lassen sollte.29 Ein Jahr darauf forderte der amerikanische Fluxuskünstler Dick Higgins selbst einen einheitlichen Werkbegriff für die Gattungen der Kunst, als er die »beste Kunst«
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Christoph Zuschlag verwendet, wohl in Anlehnung an Walter Benjamin, den Begriff »Reproduktion«, verweist aber auch auf die Notwendigkeit der dokumentierten Performances mit Blick auf Timm Ulrichs Letztes Abendmahl (Zuschlag 2002, S. 183), während Christian Berger die Kunst der 1960er und 1970er Jahre an der Rolle des materiellen Objektes hinterfragt, vgl. Berger 2019a, S. 35. Die gerichtliche Auseinandersetzung mit Happenings warf dabei die Frage auf, ob es sich um »Vervielfältigungen« oder (im Falle des Mediums Video) »Verfilmungen« handeln würde; dazu s.u. Maria E. Reicher fasst die historische Problematik bündig: »Es stellt sich die Frage: Entstehen ästhetische Gegenstände durch die intentionalen Akte der Produzenten oder durch jene der Rezipienten oder etwa durch beide zusammen?«, vgl. Reicher 2001, S. 45. Ibid. Zur Verwendung der event scores als Weiterentwicklung der Notationen unter den Fluxusprotagonisten vgl. Harren 2020, S. 28. Vgl. De la Motte-Haber 1990, S. 227. Santone 2016, S. 272. Hiermit ist auch deren Auswertung gerechtfertigt. Zeitz 2020, S. 6-7. Becker/Vostell 1965. Im Wesentlich erweist sich die Publikation der beiden allerdings als Materialsammlung. Vgl. Ibid., S. 8. Ibid.
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Kunstbegriffe zwischen Recht und Praxis
in den Gattungsübergängen wiederentdeckte.30 Event Scores und Word Pieces waren zu bildkünstlerischen Partituren geworden in dem Sinne, als eine körperliche Fixierung oder die Ausführung für das eigentliche Werk der Kunst nur mehr relativ waren.31 Für die Fluxuskünstler selbst waren neue bildkünstlerische Ausdrucksmittel, wie etwa die Stückungsgraphik im Falle der Dadadisten, nicht greifbar. Das Streben nach Originalität führte sie zu einer Ablösung vom Modus des Ausdrucksmittels.32 Die Art und Weise in der Präsentation, welche augenfällig wird, wenn man die Aufführung eines Theaterstücks einer Fluxusaktion gegenüberstellt, wurde für die Rezeptionsgewohnheiten entscheidend. Auch bei der Erfassung der event scores als Handlungsanweisungen konnte deren grafischer Charakter überwiegen.33 Diese kunsthistorische Wertung stützt ebenso die musikwissenschaftliche Perspektive: Als Musiker bediente sich John Cage der Negation der Musiknote als Ausdrucksmittel des Tonwerkes und ging damit zu bildkünstlerischer Gestaltung über.34 Im internationalen Kontext darf ein Essay der amerikanischen Kunstkritiker Lucy R. Lippard und John Chandler mit dem Titel The Dematerialization of Art, der 1968 im Magazin Art International erschienen war, nicht unerwähnt bleiben.35 Der sich im Weiteren entwickelnde Begriff der Konzeptkunst, in seiner englischsprachigen Version Conceptual Art und aus der Sphäre der Musik kommend, wurde zu einer der einflussreichen Rezeptionskategorien oder Gattungsbezeichnungen für zeitgenössische bildende Kunst.36 In Frage gestellt wurde dabei die Orientierung an einem formalen Objektbegriff der bildenden Kunst, einem dinglichen Werkbegriff.37 Lippard und Chandler hatten zwei Tendenzen identifiziert: »Kunst als Idee« und »Kunst als Aktion«.38 Dabei verweist die Privilegierung der Idee gegenüber dem Werkstück auf die Kunsttheorie der idealistischen Philosophie.39 Als Entwicklung im Denken über Kunst steht diese theoretische Problematisierung des Werkbegriffs in unmittelbarem Zusammenhang mit einer Rückweisung der formalistischen Theorie eines Clement Greenberg, die sich im Kontext des
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»Much of the best work being produced today seems to fall between media. This is no accident. The concept of the separation between media arose in the renaissance.«, zit.n.: Skrobanek 2018, S. 437. Kerstin Skrobanek stellt fest, dass diese Programmatik nicht, wie teilweise dargestellt, einen »Verlust des Werkcharakters« bedeutete. Als unvollständig erweist sich hier die Annahme einer Abschaffung des Kunstwerkes als »Preziose«, da das Immaterialgüterrecht weltweit remunerative Ansprüche an die Geistesleistung bindet. Was die Handelbarkeit im Kunstsystem angeht, zeigt sich schnell die Reproduktionsmöglichkeit im Bild, vgl. Skrobanek 2018, S. 437. Zur lediglich »vermeintlichen Auflösung« des Werkbegriffs im graphischen Notat vgl. Lütteken 2016b. Die von der Kunstkritik festgestellte Dematerialisierung verweist drauf, vgl. Berger 2019b, S. 22-23. Fluxus-Kits wurden dabei spezifisch für den Verkauf hergestellt, vgl. Skrobanek 2018, S. 445. Kapp 2008, S. 160. Mit ausführlicherer Analyse des Essays und zu den kulturhistorischen Implikationen ihres Kunstbegriffs im Kontext des Kunstmarktes dieser Zeit vgl. Berger 2019b, S. 15-16. Daniels 2003, S. 34. Klaus Honnef prägte mit seiner 1971 erschienenen Publikation Concept Art einen eigenen Begriff, vgl. Honnef 1971. Dies bekräftigt nicht nur die Relevanz musikhistorischer Quellen angesichts des Werkbegriffs als »blinder Fleck der Kunstgeschichte« (Grave 2020, S. 87). Hoffmann 2013, S. 195-196. Berger 2019b, S. 15. Chandler und Lippard bezogen sich ebenso auf musiktheoretische Zusammenhänge und bezeichneten John Cage als »prophet of the intermedia revolution«, vgl. Berger 2019, S. 29. Berger 2019b, S. 18; s. auch Hoffmann 2013, S. 197.
Die Rolle der Rechtswissenschaft in der Geschichte der Kunsttheorie
abstrakten Expressionismus ausgebildet hatte.40 Waren die art objects keinesfalls verschwunden, wurde dennoch die »stillschweigende Engführung von Kunstwerken und dinglichen Objekten« publikumswirksam in Frage gestellt.41 Letztlich waren Hinweise der Kunstkritik darauf, dass »alle Kunst konzeptuell ist, weil Kunst nur konzeptuell existiere«, auch Hinweise auf die oftmals unterschlagene Rolle, die Kunsttheorie und Ästhetik für das Begriffsverständnis spielten.42 Mithin ermutigte die offensichtliche Ungeeignetheit des traditionellen Begriffsverständnisses die bildenden Künstler, selbst zu Kunsttheoretikern zu werden; es genügte nicht mehr, sich auf die selbstreflexive Vergewisserung seiner Künstlerschaft zurückziehen.43 Wird Fluxus im Kontext der Rezeption postinformeller Strömungen gesehen, wird deutlich, dass bereits die Pop Art eine tiefe Verunsicherung über den Status der Kunst ausgelöst hatte.44 Die Tatsache, dass Pop Art in Deutschland oft im Zusammenhang mit Fluxus und den Happenings wahrgenommen wurde, mag auf die einem breiten Publikum bekannte, oben bereits erwähnte Publikation von Jürgen Becker und Wolf Vostell, bei Rowohlt mit dem Titel Happenings. Fluxus – Pop Art – Nouveau Réalisme erschienen, zurückzuführen sein.45 Die persönlich an den Bewegungen beteiligten Künstler stellten ihr Wirken in den gemeinsamen Kontext der Annäherung der Kunst an die Lebenspraxis. Als »Möglichkeit für alle etwas phantasievolles zu schaffen«46 wurde Pop Art zu Beginn der 1960er Jahre im Sinne einer Rückkehr verstanden, »sei es eine Rückkehr zur Figuration«, »eine Rückkehr zum Thema«, oder gar eine »Rückkehr zur gesellschaftlichen Stellungnahme (durch Ironie oder Satire)«.47 Der Verzicht auf einen spezifischen, als künstlerisch identifizierten Schaffensprozess bedeutete bei der als Pop rezipierten Praxis eine von der dargestellten Idee ausgehende Kunstauffassung. So konnten auch »Darstellungen von Darstellungen« als bildende Kunst erfasst werden. Der Anerkennung einer Pop Art lag schließlich die Annahme zu Grunde, dass »Alles als Kunst betrachtet werden kann«. Dieser epistemologische Schluss verbindet das Theater Piece von Cage, Happenings und Pop-Praxis. Die Kunstkritik sah hier eine »Idee, die tiefschürfender als die Idee der Dadaisten ist«, um den Anspruch der Originalität zu unterstreichen.48 Zugleich galt die Einsicht, dass die »Kunst ihr konventionelles Medium« verlassen hatte.49 Das Werk der Kunst sollte somit in der »Suche nach Erweiterung der
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Berger 2019b, S. 22. Zur Engführung der Begriffe vgl. Grave 2020, S. 90. Neben dem Aspekt der Dematerialisierung wurde die Loslösung vom traditionellen Kunstobjekt oder eine mediale Unabhängigkeit konstatiert, vgl. Hoffmann 2013, S. 197. Joseph Kosuth: Kunst nach der Philosophie (1969), zit.n.: Harrison/Wood, S. 1034. Ibid. Als Neuer Realismus löste Pop Art heftige Diskussionen aus, vgl. Considine 2020, S. 4-5. Zu Pop Art aus der Perspektive des heutigen Urheberrechts und unter dem Aspekt der »Aneignung von Bildern« s. Bauer 2020, S. 99. Zum »Spektrum« an »postinformellen Richtungen«, vgl. Zuschlag 2002, S. 176. Becker/Vostell 1965. Vgl. Schrag 1965, S. 89. Vgl. hiernach: Antin 1966, S. 8. Ibid., S. 111. Vgl. Dienst 1968, S. 6.
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Kunstbegriffe zwischen Recht und Praxis
Mittel« und der Vermeidung einer »Schablonenkunst« in Allem ausführbar geworden sein.50 Udo Kultermann setzte als Kunsthistoriker in seiner Bearbeitung der zeitgenössischen Kunst mit dem Titel Leben und Kunst deren Erklärung »aus der Geschichte einer Gattung« 1970 ein Ende.51 Ausgehend von den nur musikalisch-theatralischen Kompositionen eines Nam June Paik wies er darauf hin, dass die sich mit Fluxus identifizierenden Veranstaltungen »in der jüngsten Gegenwart als Vorformen einer konzeptionellen Kunst wieder neu gesehen« werden.52 Das Leben in all seinen ausdifferenzierteren Facetten sah er zum Gegenstand von Gestaltung geworden, ein Begriff, der ihm dazu diente, Gattungsgrenzen auch sprachlich zu überbrücken.53 Nicht unerwähnt bleiben kann auch Rainer Wicks Zur Theorie des Happenings. Zu Beginn der 1970er Jahre stellte der Kritiker Rainer Wick in Kunstforum International eine Regression der bildenden Künstler auf die »innerästhetischen Demarkationslinien« fest.54 Diese waren nach Einschätzung Wicks noch wenige Jahre zuvor von Fluxuskünstlern und Happenisten durchbrochen worden. Rainer Wick stellt in seiner Theorie des Happenings eine Neubestimmung des Kunstwerkbegriffs fest, die jedoch unter dem Stigma einer nur kurzlebigen Modeerscheinung nicht ausreichend theoretisch aufgearbeitet schien. Zugleich, und das ist ein wesentlicher Aspekt der Wick’schen Theorie, wurde eine »unverhohlen zur Grablegung« emporgefeierte Äußerung der Kunstkritik um 1970 kritisiert, die in der musealen Präsentation von Texten, Partituren und Relikten vergangener Happenings das Ende des neuen Kunstverständnisses insgesamt behauptete.55 Für Rainer Wick war die Medialität des Kunstwerks entscheidend: Das intermediäre Moment machte es möglich, dass »die Medien zwischen Poesie, Malerei, Theater, Musik u.a. fluktuieren«.56 Auf die erste Retrospektive für »Augen und Ohren« im Rahmen der Berliner Musiktage 1980 folgte 1981 in Wuppertal schließlich die Ausstellung Fluxus. Aspekte eines Phänomens des Kunstund Museumsvereins.57 Durch die Aufnahme der Fluxusnotationen in Sammlungen der Museen für zeitgenössische Kunst schienen die konzeptionellen Verwerfungen einer Einfassung in die Vorstellung von bildender Kunst schließlich keiner tiefergehen50
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»Alles kann herhalten, um daran einen künstlerischen Einfall zu erproben. Malerei und Plastik erhalten neue Gesetze. Alles scheint austauschbar geworden zu sein […].«, vgl. ibid., S. 8. Zur publizistischen Arbeit von Das Kunstwerk vgl. Wenninger 2020, S. 158-159. Vgl. Kultermann 1970, S. 33. Ibid., S. 84. »Da die Lebensrealität wie gesagt immer mehr in den Mittelpunkt der zeitgenössischen Kultur gerückt ist, haben sich die Akzente von einer vom Leben abgesonderten Kunst auf eine immer mehr auf das Leben selbst konzentrierte Gestaltung verlagert.«, vgl. ibid., S. 137. Wick 1974a, S. 106. Ibid., S. 107. Hier tritt auch der im Diskurs um die documenta 1977 nochmals aufflammende Begriff der Medien auf: »Entscheidend ist dabei, daß die meisten Fluxuskünstler nicht mehr innerhalb ihres genuinen Mediums operieren, sondern jene noch kaum erschlossenen und unscharf ineinander verfließenden Grenzzonen zwischen den Medien explorieren.«, vgl. Wick 1974b, S. 173. Vgl. den gleichnamigen Ausstellungskatalog, in dem Georg Schwarzbauer feststellte: »Sieht man von wenigen, etwas gründlicheren Untersuchungen ab […] so bleiben die historischen Zusammenhänge, die vielschichtig und vielfalls komplizierten Impulse, die von dieser Kunstrichtung ausgegangen sind, weitgehend im Dunkeln.«, vgl. Schwarzbauer 1981, S. 10.
Die Rolle der Rechtswissenschaft in der Geschichte der Kunsttheorie
den Auseinandersetzung mehr wert. Nicht zu vergessen ist, dass eine kunsthistorische Auseinandersetzung mit einem zeitgenössischen Phänomen, über das Franz Roh bereits 1956 in der Kunstchronik nachdachte, noch über Jahre umstritten war.58
IV.
Die Kunstkritik der 1960er und 1970er Jahre im Fluxuskontext – Problematik der »begrifflichen Sonde«59
Eine der dominierenden Aufgaben der Kunstkritik war seit den 1950er Jahren die Aufarbeitung und Ordnung der kunsttheoretischen Begriffssysteme zur Erfassung der zeitgenössischen Kunst.60 Mithin kann nicht überraschen, dass bereits auf dem Kongress der Kunstkritiker im Jahr 1957 ein Begriff der bildenden Kunst zeitgenössisch als nicht mehr zugänglich bezeichnet wurde, den Gotthold Ephraim Lessing für die deutschsprachige Öffentlichkeit geprägt haben sollte.61 Zu diesem sicher aufmerksamkeitswirksamen Resümee hatte die Begleitung der abstrakten Nachkriegsmalerei führen müssen, welche die erste Phase der Dematerialisierung eingeleitet hatte.62 Angesichts der zweiten Phase der Dematerialisierung, der Verschiebung des begrifflichen Rasters weg von einem an Ausdrucksmittel der Malerei und Plastik gebundenen Kunstbegriff, soll dieses Ergebnis nur ein Ausgangspunkt für eine weitergehende Auswertung der Kritik der konzeptuellen Tendenzen nach 1960 sein.63 58
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Franz Roh gab drei Prämissen vor, unter denen kunsthistorische Dissertationen zeitgenössische Kunst erfassen können sollten: »Der Behandlung heutiger Werke können folgende Gefahren drohen: 1. Man kennt von den üblichen Randphänomenen nur das Vorher, nicht aber jenes Nachher, das bei den Schlüssen des Historikers latent mitwirkt. 2. Man ist vielleicht unmerklich versucht, den zu behandelnden Künstler ›beeinflussen zu wollen‹. 3. Wegen der Lückenlosigkeit der Data kann der Doktorand eine wichtige Sonderqualität kaum üben: die Rekonstruktionsphantasie im weitesten Sinne.«, vgl. Roh 1956, S. 309. »Wenn es schon schwer ist, innerhalb eines Landes Begriffe zu klären, so erwies es sich vor einem so bedeutenden, internationalen Parkett die begriffliche Sonde als doppelt kompliziert.«, vgl. Vietta 1957, S. 41. Für die Geschichte des Denkens über Kunst in der Nachkriegszeit konnte Luise Horn an einzelnen Beispielen der Zeitungsberichterstattung zeigen, dass die Begriffe der »neuesten Kunstkritik« in diesem Bereich noch immer Ausdruck eines autonomen Kunstbegriffs waren. Luise Horn weist in ihrer Dissertation darauf hin, dass die Einsicht in die Problematik der kunstkritischen Begriffe, wie überhaupt ihre Thematisierung, durch eine Trennung von Kunstgeschichte und Kunstkritik nur erschwert wird, vgl. insgesamt Horn 1976, S. 3. Insgesamt fünfzehn Primärbegriffe verfolgt Horn, denen sie wiederum eine kleinere Anzahl an Unterbegriffen zuordnet. Dem Primärbegriff der »Ursprünglichkeit« ordnet sie folgende Unterbegriffe zu: »Originalität; Kreativität; schöpferische Persönlichkeit; Ursprung; Innovation; Das Neue; Inflation und Verschleiß«. Vgl. Vietta 1957, S. 41. »Aber dieser Begriff [bildende Künste] sei nicht mehr zugänglich, seit Kunst weitgehend non-figurativ geworden ist, abstrakt, und außerdem schließe der Begriff Architektur nicht ein. Er erinnerte daher an zwei neue Begriffe […] aber auch sie reichten nicht aus.«, vgl. ibid. Durch die Einbeziehung ästhetischer und kunsttheoretischer Zusammenhänge, muss der Ansatz von Luise Horn erweitert werden: »Die Begriffe der neuesten Kunstkritik basieren auf der Vorstellung von der absoluten Autonomie der Kunst, die als Absage an außerkünstlerische Funktionen und Loslösung vom Allgemeinen und Gesellschaftlichen zu verstehen ist. In dieser Autonomie sehen die Kritiker eine Berechtigung, von den historischen und gesellschaftlichen Bezügen der Kunst abzusehen.«, vgl. Horn 1976, S. 218. Hier wird verkannt, dass sich auch der Inhalt eines etablierten Begriffs verändern kann. Die bloße Verwendung »alter Begriffe« ist kein Beleg für deren inhaltliche Identität.
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den Auseinandersetzung mehr wert. Nicht zu vergessen ist, dass eine kunsthistorische Auseinandersetzung mit einem zeitgenössischen Phänomen, über das Franz Roh bereits 1956 in der Kunstchronik nachdachte, noch über Jahre umstritten war.58
IV.
Die Kunstkritik der 1960er und 1970er Jahre im Fluxuskontext – Problematik der »begrifflichen Sonde«59
Eine der dominierenden Aufgaben der Kunstkritik war seit den 1950er Jahren die Aufarbeitung und Ordnung der kunsttheoretischen Begriffssysteme zur Erfassung der zeitgenössischen Kunst.60 Mithin kann nicht überraschen, dass bereits auf dem Kongress der Kunstkritiker im Jahr 1957 ein Begriff der bildenden Kunst zeitgenössisch als nicht mehr zugänglich bezeichnet wurde, den Gotthold Ephraim Lessing für die deutschsprachige Öffentlichkeit geprägt haben sollte.61 Zu diesem sicher aufmerksamkeitswirksamen Resümee hatte die Begleitung der abstrakten Nachkriegsmalerei führen müssen, welche die erste Phase der Dematerialisierung eingeleitet hatte.62 Angesichts der zweiten Phase der Dematerialisierung, der Verschiebung des begrifflichen Rasters weg von einem an Ausdrucksmittel der Malerei und Plastik gebundenen Kunstbegriff, soll dieses Ergebnis nur ein Ausgangspunkt für eine weitergehende Auswertung der Kritik der konzeptuellen Tendenzen nach 1960 sein.63 58
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Franz Roh gab drei Prämissen vor, unter denen kunsthistorische Dissertationen zeitgenössische Kunst erfassen können sollten: »Der Behandlung heutiger Werke können folgende Gefahren drohen: 1. Man kennt von den üblichen Randphänomenen nur das Vorher, nicht aber jenes Nachher, das bei den Schlüssen des Historikers latent mitwirkt. 2. Man ist vielleicht unmerklich versucht, den zu behandelnden Künstler ›beeinflussen zu wollen‹. 3. Wegen der Lückenlosigkeit der Data kann der Doktorand eine wichtige Sonderqualität kaum üben: die Rekonstruktionsphantasie im weitesten Sinne.«, vgl. Roh 1956, S. 309. »Wenn es schon schwer ist, innerhalb eines Landes Begriffe zu klären, so erwies es sich vor einem so bedeutenden, internationalen Parkett die begriffliche Sonde als doppelt kompliziert.«, vgl. Vietta 1957, S. 41. Für die Geschichte des Denkens über Kunst in der Nachkriegszeit konnte Luise Horn an einzelnen Beispielen der Zeitungsberichterstattung zeigen, dass die Begriffe der »neuesten Kunstkritik« in diesem Bereich noch immer Ausdruck eines autonomen Kunstbegriffs waren. Luise Horn weist in ihrer Dissertation darauf hin, dass die Einsicht in die Problematik der kunstkritischen Begriffe, wie überhaupt ihre Thematisierung, durch eine Trennung von Kunstgeschichte und Kunstkritik nur erschwert wird, vgl. insgesamt Horn 1976, S. 3. Insgesamt fünfzehn Primärbegriffe verfolgt Horn, denen sie wiederum eine kleinere Anzahl an Unterbegriffen zuordnet. Dem Primärbegriff der »Ursprünglichkeit« ordnet sie folgende Unterbegriffe zu: »Originalität; Kreativität; schöpferische Persönlichkeit; Ursprung; Innovation; Das Neue; Inflation und Verschleiß«. Vgl. Vietta 1957, S. 41. »Aber dieser Begriff [bildende Künste] sei nicht mehr zugänglich, seit Kunst weitgehend non-figurativ geworden ist, abstrakt, und außerdem schließe der Begriff Architektur nicht ein. Er erinnerte daher an zwei neue Begriffe […] aber auch sie reichten nicht aus.«, vgl. ibid. Durch die Einbeziehung ästhetischer und kunsttheoretischer Zusammenhänge, muss der Ansatz von Luise Horn erweitert werden: »Die Begriffe der neuesten Kunstkritik basieren auf der Vorstellung von der absoluten Autonomie der Kunst, die als Absage an außerkünstlerische Funktionen und Loslösung vom Allgemeinen und Gesellschaftlichen zu verstehen ist. In dieser Autonomie sehen die Kritiker eine Berechtigung, von den historischen und gesellschaftlichen Bezügen der Kunst abzusehen.«, vgl. Horn 1976, S. 218. Hier wird verkannt, dass sich auch der Inhalt eines etablierten Begriffs verändern kann. Die bloße Verwendung »alter Begriffe« ist kein Beleg für deren inhaltliche Identität.
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Kunstbegriffe zwischen Recht und Praxis
1.
Fluxus als Problem der Kunstkritik
Dada und Fluxus in Verbindung zu setzen, scheint an dieser Stelle nicht allein deshalb angezeigt, weil sich einzelne Fluxuskünstler selbst als »Neo-Dada« legitimierten.64 Beide Strömungen gelten als Speerspitzen künstlerischer Avantgarden, Fluxus sogar als »die letzte Avantgarde des 20. Jahrhunderts«.65 Geeint durch das programmatische Ziel, das Leben mit der eigenen Kunst zu durchsetzen, wurde jenes vermittels gesteigerter Schockgesten verfolgt: die Rezeptionsgewohnheiten als Grundlage einer Distanz zwischen Kunst und Leben sollten konterkariert werden.66 Fluxus wie Dada forderten den von reflexiver Verselbständigung geprägten ästhetischen Diskurs zur Modifikation der grundlegenden Wahrnehmungs- und Denkfiguren auf.67 So überrascht es nicht, dass auch Fluxus mit dem Begriff des »absoluten Nonsens« in Verbindung gebracht wird.68 Kunst = Leben war in den Jahren nach 1960 das an historischen Vorbildern aufgegriffene Mythologem der Fluxusbewegung, wie es das Dadaistische Erzeugnis für den Berlin-Dada gewesen war.69 War eine abschließende Unterscheidung von Kunst und Leben theoretisch nicht umsetzbar, musste das Programm »mehr Fragen als Antworten« aufwerfen.70 Neben den internationalisierten Künstlerbeziehungen in der Nachkriegszeit, für Fluxus im Wesentlichen bezogen auf die Mobilität zwischen den USA und der Bundesrepublik, ist der besondere soziokulturelle Hintergrund relevant. Nicht unberücksichtigt bleiben kann, dass Fluxus zugleich die Phase der inneren Konsolidierung der jungen Bundesrepublik begleitet. So radikal Fluxus rezipiert wurde, so kulturkonservativ waren die Diskussionen um ästhetische Fragen in dieser Zeit noch immer. Dada wie Fluxus waren eben deshalb erfolgreich, weil das Publikum in großen Teilen auf seinen Vorurteilen beharrte, was in einem gewordenen Sinne bildende Kunst auszeichnen sollte.71 Darüber mag nicht hinwegtäuschen, dass mit der documenta 1955 die ungegenständliche Malerei als »internationaler Standard« anerkannt wurde.72 Noch
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Brill 2010, S. 1. Zu den dadaistischen Aspekten bei Wolf Vostell vgl. Wieczorek 2012. Brill 2010, S. 2. Ibid. Diese Verselbständigung ist ein entscheidender Gesichtspunkt des historischen Werkbegriffs, vgl. Lütteken 2016a. »The reviewer’s verdict had progressed little, condemning Fluxus concerts as ›escapades of manifested nonsense‹.«, vgl. Brill 2010, S. 99. Vinzenz 2018, S. 252. Erik Forssmann konnte sich auf Fluxus bezogen haben, wenn er konstatierte: »Dadurch sind Kunst und Trivialkunst so durchlässig gegeneinander geworden, daß es ein hoffnungsloses Unterfangen wäre, sie kategorisch von einander trennen zu wollen.«, vgl. Forssmann 1975, S. 38. Dabei ist es wichtig zu berücksichtigen, dass auch die Romantik von einer Rückweisung der autonomieästhetischen Vergeistigungstendenzen geprägt war – mithin steht dieses Begriffspaar für Phasen der Funktionsbestimmung der Kunst, Scholl 2012, S. 397-400; 461. Zum Bund von »Kunst und Leben« bei Henry van der Velde vgl. Nieß 2018, S. 68. Für die Einordnung des Fluxus in den historischen Kontext stütze ich mich hier im Folgenden auf: Richter 2012, S. 56-98. Über das Aufbrechen von Konventionen in dieser Zeit vgl. Wilmes 2012, S. 7. Ibid., S. 93.
Die Rolle der Rechtswissenschaft in der Geschichte der Kunsttheorie
1950 wurden Ausstellungen abstrakter Malerei behördlich vereitelt.73 Dies war die Zeit, in der George Maciunas als Designer der US-Armee nach Wiesbaden reiste.74 Neben der Veröffentlichung verschiedener Publikationen, wie etwa auch dem Fluxus-Newsletter, knüpfte Maciunas Kontakte in die Wiesbadener Kunstszene.75 Als konstitutives Moment für Fluxus muss, wie bereits erwähnt, die Konzertreihe Fluxus. Internationale Festspiele neuester Musik gelten, die 1962 im Städtischen Museum Wiesbaden stattfand. Die Bedeutung dieser Festspiele für eine Charakterisierung der Fluxusbewegung wurde dabei früh anerkannt.76 Für einzelne Teilnehmer wurde Fluxus durch diese Veranstaltung erst zu jener, folgende Aktivitäten prägenden programmatischen Grundhaltung. Der musikhistorische Rekurs war dabei in den Anfangsjahren der Fluxusbewegung stark ausgeprägt: Begriffe wie Partitur, Konzert, Symphonie oder Sonate wurden insbesondere von Maciunas und Nam June Paike verwendet.77 Die Wahl des Konzertsaals als Ort ihrer Aktionen war ihre Auflehnung gegen die normative Begriffspraxis. Im Rahmen der von Maciunas organisierten Internationalen Festspiele wurden zahlreiche serielle und aleatorische Kompositionen aufgeführt.78 Im Anschluss an die Aktivitäten in Wiesbaden folgten Veranstaltungen in Frankreich, den Niederlanden, Großbritannien und auch den USA. Fluxus bestimmte von der Kunstkritik unabhängig die Rolle des Künstlers in Bezug auf das Alltägliche radikal neu. Im Zentrum der Praktiken stand wieder die Künstlerpersönlichkeit selbst.79 Die Zurücknahme auf die Wirkungen, die der bildende Künstler innerhalb, nicht außerhalb der ästhetischen Sphäre erzeugen konnte, bestimmte dabei Fluxus im Gegensatz zu Dada. George Maciunas war die dominante Figur hinter der experimentellen Avantgarde der 1960er Jahre, für die er den Namen Fluxus prägte.80 Fluxus machte die Realität zu ihrem Gegenstand und wandte sich, wie Dada seinerzeit von den anderen Strömungen der klassischen Moderne, von den informellen Tendenzen der unmittelbaren Nachkriegszeit ab.81 Fluxus – zusammen mit Land Art, Minimal Art und Conceptual Art – etablierte die Spitze eines Referenzsystems für einen neuen Werkbegriff der Kunstöffentlichkeit. So muss Fluxus in der Kunstöffentlichkeit der 1960er und 1970er Jahre für die Abwendung von einer »Engführung von Kunstwerk und dinglichem Objekt« stehen.82 Anders formuliert 73
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Dorothee Wimmer verweist auf Planungen des Leiters der Mainzer städtischen Gemäldegalerie eine Ausstellung abstrakter Kunst durchzuführen, die von dem seinerzeitigen Oberbürgermeister abgesagt wurde, vgl. Wimmer 2006, S. 147. Lange 2011, S. 120. Ibid. Schwarzbauer 1981, S. 18. Hierzu im Folgenden: Fricke 2016, passim. Ibid. Diese Schlussfolgerung vermittelt auch Schwarzenberger: »Grade unter diesem Aspekt hat Fluxus Vorbildhaftes geleistet. In fast allen Arbeiten mögen sie auch noch so divergent sein und von den stark konzeptuell orientierten Findungen eines George Brecht, Robert Filliou, Takako Saito, Georges Maciunas, Bob Watts und anderen bis zu den betont expressiven Aspekten von Nam June Paik, Joe Jones, Joseph Beuys, Wolf Vostell, Addi Köpcke u.a. reichen, dominiert eine unverrückbare Dominanz der psychologischen Faktoren, steht das Ich im zentralen Mittelpunkt der künstlerischen Mitteilung.«, vgl. Schwarzbauer 1981, S. 27. Sehl 2019, S. 49. Ibid., S. 50. Vgl. Grave 2020, S. 90.
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Kunstbegriffe zwischen Recht und Praxis
ging es um die Ermöglichung eines neuen Begriffs von bildender Kunst, auf den die Rezipienten aufmerksam gemacht werden sollten.83 Wichtig ist, Fluxus im Anschluss an die Tendenzen der zwanziger Jahre zu sehen:84 War auch der Schock bei den Rezipienten gewollt, hatte sich die inhaltliche Grundlage vollkommen gewandelt. In dieser Provokation der gesellschaftlichen Einbindung der Kunst lag wiederum ein entscheidendes Ziel.85 Fluxus ist damit nicht als Forderung, sondern als »Inkunabel einer neuen Kunstsprache« zu sehen.86 Dada wiederum hatte die Sphären von zweckfreier und angewandter Kunst noch zusammenführen wollen. Statt dadaistischer Erzeugnisse wurden der Rezeption nun aber dematerialisierte »Meta-Kunstwerke« angeboten.87 Durch die Verschmelzung bildkünstlerischer Ausdrucksmittel und musikalischer Werkzeuge provozierte Fluxus zugleich eine kunstbegriffliche Verwirrung, die insbesondere einer erstarkten kunsthistorischen Begriffsdetermination dieser Jahre geschuldet war.88
2.
Das Wort Kunst als »verbales Hindernis«89
»Begriffe […] verstellen den Zugang zu zeitgenössischen Ereignissen«, formulierte der Fluxusgalerist und ehemalige WDR-Journalist Helmut Rywelski 1967.90 Unter der Überschrift Zur Nomenklatur von Richtungswörtern legt Rywelski einen pragmatischen Werkbegriff für die zweite Hälfte der 1960er Jahre vor: Das Wort Kunst identifiziert er als »verbales Hindernis«.91 Dabei war es der Werkbegriff, der in den 1960er Jahren Kristallisationsort ästhetischer Normen geworden war, die den Begriff der bildenden Kunst bestimmten.92 Rywelski fordert einen Kunstbegriff, der offen für »historisch variable Merkmalskonstellationen« sein konnte:93 »Wenn Sprache Verstehen oder Nichtverstehen signalisiert, so hätten wir zuzugeben, daß die Revolution der Moderne nicht begriffen ist, so lange vor jedem Werk, das nicht in mittelalterlicher Malmethodik hergestellt wurde, die leidige Frage auftaucht: Ist das Kunst?«94 Die Kunstgeschichte der 1960er Jahre schien nach Meinung Rywelskis durch eine historische Theorie der Kunst neue Kunstbegriffe zu hemmen. Diese aber sah er als Voraussetzung für ein hinreichendes Verständnis der »Revolution der Moderne« und de83 84 85 86
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Schwarzbauer 1981, S. 10. »[…] die von Dada erarbeiteten Grundlagen […] werden auf neue Grundlagen gestellt.«, vgl. ibid., S. 13. Zepter 2018, S. 351; zum ideengeschichtlichen Kontext vgl. Obergassel 2017, S. 152-154. Ibid., S. 15. Damit ist genau jenes Phänomen beschrieben, das Reck als »idiosynkratische Reformulierung der Kunst-Selbstbehauptung« beschreibt, durch die ein Auseinanderdriften von Kunst und anderen Gestaltungsformen der Realität bedingt wurde, vgl. Reck 2019, S. 18. Zum Begriff vgl. Schwarzbauer 1981, S. 15. Dazu s.u. Vgl. Rywelski 1967, S. 26. Vgl. ibid. »Als verbales Hindernis auf dem Weg zum Verständnis dessen, was Künstler heute tun, erweist sich seit langem das Wort Kunst«, vgl. Rywelski 1967, S. 26. Kater 2019, S. 87. Aus literaturhistorischer Perspektive dazu: Jannidis/Lauer/Winko 2009, S. 29-33. Vgl. Rywelski 1967, S. 26.
Die Rolle der Rechtswissenschaft in der Geschichte der Kunsttheorie
ren theoretische Erfassung.95 Mehr als ein Kunstbegriff war »INTERMEDIA« dabei ein Werkbegriff.96 Unterstützt wird dieses Verständnis durch das Anerkenntnis, der Begriff des Künstlers störe »die fortschreitende Moderne weniger, als der sakral-überhöhende Anspruch des deutschen Wortes Kunst«.97 Dabei tritt das »religiös-pathetische« Kunstverständnis der 1960er Jahre für Rywelski in der Rechtsprechung besonders deutlich hervor.98 Nur alte Kunst habe »verfeinernde, überhöhende Ausstrahlung«, wohingegen die neue Kunst »entlarvend« sei, eine Einsicht, die dem »Gerechten« verborgen geblieben sein muss.99
3.
Das 24-Stunden-Happening der Galerie Parnass: vom »Grundriß« zur visuellen Umsetzung100
Die Galerie Parnass war, wie art intermedia auch, an der Modifikation der Rezeptionsgewohnheiten auf entscheidende Weise beteiligt.101 Praktiken, die ein auf das Gemälde ausgerichtetes Begriffsverständnis des Kunstwerks außer Kraft setzen sollten und »gegen die selbst in der abstrakten Kunst der fünfziger Jahre weitgehend befolgten ästhetischen Regeln revoltierten«, wurden dem Publikum in dieser Galerie erschlossen.102 Unmittelbar vor dem Hintergrund der informellen Kunst der Nachkriegsjahre wurde der tradierte Begriff der bildenden Künste aufgelöst: »Im Rückblick zeichnet sich innerhalb der Ausstellungen und sonstigen Veranstaltungen des Parnass namentlich jene für die weitere Entwicklung der Nachkriegskunst vielleicht entscheidende Linie ab, die von der aktionistischen Malerei und dem Materialobjekt zur realen Aktion im Raum führte.«103 Im Sommer 1965 wurde in der Wuppertaler Galerie von Rudolf Jährling das 24-StundenHappening aufgeführt, welches dem ersten »Anti-Happening« der SYN-Gruppe in
»Wie die alten künstlerischen Äußerungen inzwischen den Historikern anvertraut wurden, so sollte auch das Wort Kunst zwecks Nachlaßverwaltung im Museum abgegeben werden.«, vgl. ibid. 96 »Unsere Abbildungen zeigen eine Skulptur und eine gegenständliche Darstellung, Werke, die mit dem Begriff INTERMEDIA besser umschrieben sind, als mit dem belasteten Wort Kunst. Den Mädchenbeinen […] kommt der intermediäre Charakter durch das Thema zu, nicht jedoch durch das Material, die Mittel oder ihre Anwendung.«, vgl. ibid. 97 Ibid. 98 »Ein Kölner Amtsrichter gab erst im Juli zu Protokoll, Kunst sei das Vornehmste und Edelste, was Menschen hervorbringen können; vor diesem Gerechten hätten wahrscheinlich Dix und Sonnenstern als zerknirschte Antikünstler im Büssergewand zu erscheinen.«, vgl. Rywelski 1967, S. 27. 99 Ibid. 100 »Den Grundriß bekam man zur Orientierung als Einladung: Gebrauchsanweisung zur Benutzung eines perspektivischen Materials, mit dem man ab 0 Uhr konfrontiert wurde.«, vgl. Gmelin 1965, S. 22. 101 Zu der an zweiter Stelle genannten Galerie vgl. Arnold 2017, S. 50-51 und s.u. 102 Aust 1980, S. 10. Zum Aspekt des Bildbegriffs: Grave/Schubbach 2010, S. 154. 103 Vgl. Aust 1980, S. 10. 95
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Kunstbegriffe zwischen Recht und Praxis
Hannover unmittelbar nachfolgte.104 Vertreten waren in Wuppertal, in dieser als »Happening-Fieber« bezeichneten Zeit, alle »in Deutschland erreichbaren Happenisten«: Josef Beuys, Bazon Brock, Charlotte Moorman, Nam June Paik, Eckart Rahn, Tomas Schmit und Wolf Vostell.105 Happenings galten wie auch »pop art« und »op art« als Modeströmungen. Das Publikum wurde nicht »im Wald ausgesetzt, um einen Weg nach Hause auszumachen«. Das Happening sollte auf das Gebäude begrenzt sein, in dem sich die Galerie Parnass befand, weshalb das Werk als Grundriss-Einladung materialisiert worden war.106 Alles, was die Anwesenden in den einzelnen Räumen antreffen konnten, war »gemäß einer Idee« konzipiert. Ähnlich wie den Dadaisten erschien es nach dem Urteil Gmelins den Happenisten zu ergehen, deren anschauliches Denken von Publikum und Kritik meist nicht als Kunstwerke anerkannt wurde. Der spektakulären Inszenierung einer erst als bildende Kunst zu erfassenden Neuerung wurde teilweise von »der deutschen Kunstkritik« mit Indifferenz begegnet: »Aufmerksamkeit […] für eine neue Kunst kann in der Regel nur durch deren spektakuläre Inszenierung erheischt werden. Das Publikum wie die Kritik interessierte sich auch in Mainz mehr für die ›theatralische Belustigung‹, als für die Kunstwerke, die dahinterstanden.«107 Das eigentliche Kunstwerk eines Joseph Beuys, der sich für Wuppertal ein »szenisches 24-Stunden-Martyrium« ausgedacht hatte, war ein visuelles Erlebnis für die Besucher, in dessen Verlauf »Tonbandgeräte eingeschaltet werden, Laute gestammelt und aufgezeigt, selbstgebaute Berliner Mauerbauspaten (zwei Stile an einem Spaten), Geräte, Eisenteile aus zwei Metern Entfernung mühsam herangeholt« wurden.108 In Wuppertal war Wolf Vostell »meist auf dem Parkettfußboden damit beschäftigt, Myriaden von Stecknadeln in herumliegende Speiseröhren, Lungen und sonstige Organe zu picken«, nachdem er auch »vor mäßigem Zuschauerspalier [in einer] Rangierlokomotive einen ausgedienten Opel oder DKW« überfahren hatte. In der kunstkritischen Reflexion über diese Kunstform wurde diese »9 NEIN décollagen« auch »als Scharade der Welt, in der wir leben« erfasst.109 Damit hatten die Happenisten herkömmliche Merkmale der bildenden Kunst gänzlich ausgeschlossen, während Pop Art »immerhin als eine Richtung moderner Malerei« noch fassbar gewesen zu sein schien.110 Vor diesem Hintergrund 104 Hervorgegangen war die Gruppe aus gleichgesinnten Malern, welche die gleichnamige Zeitschrift seit 1965 herausgaben. Das Manifest der Gruppe wurde 1967 in Magazin Kunst abgedruckt. Zu ihren Unterzeichnern gehören Erwin Bechthold, Bernd Berner, Rolf-Gunter Dienst, Klaus Jürgen-Fischer und Eduard Micus, vgl. Kunst 1967, S. 496-498. 105 Gmelin 1965, S. 22. 106 Ibid. 107 Vgl. Ibid., S. 25. 108 Ibid., S. 22. 109 Riha 1966, S. 89. Zur Gruppe Zero im Kontext der Nachkriegskunst vgl. Ketner 2017, S. 101-142. 110 Riha 1966, S. 87. Die Tatsache, dass Pop-Art in Deutschland oft im Zusammenhang mit Fluxus und den Happenings wahrgenommen wurde, mag auf die einem breiten Publikum bekannte, bei Rowohlt 1965 erschiene Publikation Happenings. Fluxus, Pop Art, Nouveau Réalisme von Jürgen Becker und Wolf Vostell zurückzuführen sein. Kritiker wie Otto Schrag kommentierten in Das Kunstwerk: Als »Möglichkeit für alle etwas phantasievolles zu schaffen« sei Pop Art zu Beginn der 1960er Jahre im Sinne einer Rückkehr verstanden worden, »sei es eine Rückkehr zur Figuration«, »eine Rückkehr zum
Die Rolle der Rechtswissenschaft in der Geschichte der Kunsttheorie
wird der theoretische Selbstentwurf von Tomas Schmit verständlich, der sich nicht mehr mit dem bloßen Gegensatz von Kunst und Nicht-Kunst zufriedengeben wollte, sondern danach strebte, »Dinge zu machen, die gar nicht mehr in Kunst-Kategorien gewertet werden können«.111 Was im dadaistischen Kontext ausgehandelt worden war, war zur theoretischen Grundlage künstlerische Praxis geworden. Das Happening war zugleich »Pop art an der frischen Luft«.112 Das Verhältnis von Kunst und Leben sollte neu bestimmt werden. Unter Bezugnahme auf Allan Kaprow, den amerikanischen Vorreiter des Happenings, führte Karl Riha wiederum ein Jahr später aus: »Die Kunst […] solle sich der industriellen Gebrauchs- und Werbekunst nicht nur darstellerisch bemächtigen, sondern mit ihr eine echte Symbiose eingehen, wie sie ähnlich in früheren Zeiten zwischen Kunst und Kirche oder Kunst und Hof bestanden habe.«113 Die Botschaft des Werkbundes wurde hier einer zeitgenössischen Umwertung zugeführt: Happenings sollten nach Auffassung des Kritikers ihren Zweck durch die gesellschaftskritische Relevanz entfalten. Gleichwohl war die Funktion nicht nur auf diese Vereinigung beschränkt, sondern sollte Distanz von den Verführungen schaffen, »mit Hilfe deren die Warenindustrie zur Bewußstseinsindustrie« geworden zu sein schien.114 Das auf der sogenannten »Décoll/age-Idee« beruhende Happening sollte nach Vostells eigenem Anspruch dem Leben voraus und damit auf die »Auflösung uns umgebender Lebensprinzipien« gerichtet sein. Für Karl Riha bestand hierin ein wesentlicher Unterschied zu den als Fluxus rezipierten Praktiken, die vielmehr nur »Donner und Blitz der Zerstörung auf Kunstakt und Kunstinstrumente« lenken würden. Mit der Aufgabe des spezifisch bildkünstlerischen Begriffssystems sollte schließlich auch ein Happening als freie Kunst fassbar werden. Maler und Bildhauer begannen mit »theatralischen Mitteln« zu arbeiten, was die Rezeption aufforderte, neue systemische Zugänge zu einer bildenden Kunst zu finden, die mehr als »über die Bildfläche gewachsene Malerei« war.115
4.
Der Kunstbegriff der Galerie art intermedia
Der Terminus Intermedia wurde 1966 erstmals publiziert und von einem der amerikanischen Fluxusvertreter, Dick Higgins, geprägt.116 Intermedia tritt dabei als Synonym für das »Möglichkeitsfeld der Materialien, Apparate und Codes« auf, das in den 1960er Jahren einer ständigen Expansion zu unterliegen schien.117 Jedes Resultat künstlerischer
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Thema«, oder gar eine »Rückkehr zur gesellschaftlichen Stellungnahme (durch Ironie oder Satire)«, vgl. Schrag 1965, S. 89. Vgl. Riha 1966, S. 87. Ibid. Vgl. ibid. Zu Allan Kaprows Rolle in Fluxus: Jewanski/Düchting 2009, S. 372. Ibid., S. 88. »Hier konnten Happening an das anknüpfen, was Pop Art unter environment verstand, ein Kunstwerk nämlich, ›das als mehr oder weniger geschlossener Raum den Betrachter von allen Seiten umgibt‹.«, vgl. ibid. Arnold 2017, S. 50; Schnitzler 2007, S. 116-117. Frank 2001, S. 670.
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Kunstbegriffe zwischen Recht und Praxis
Arbeit war »art intermedia«.118 Intermedia stand auch für Galeristen als neuer Kunstbegriff zur Verfügung, der nicht mehr »religiös-pathetisch« oder gar »sakral-überhebend« erschien.119 Helmut Rywelski hatte 1967 in Köln seiner Galerie diesen Begriff zum Motto und zur Firma gemacht und beteiligte sich am kunstkritischen Diskurs.120 Im Gegensatz zu denjenigen seiner für »kirchenähnlich« befundenen Konkurrenz ging es in seiner Galerie um Vermittlung eben jener neuen medialen Möglichkeiten, die den ästhetisch-normativen Begriff der bildenden Kunst entgrenzten. Gleichzeitig gewann dort die Dematerialisierung des körperlichen Kunstobjektes an Bedeutung. Helmut Rywelski erfasste diese Entwicklung durch einen Fokus auf die programmatischen Hintergründe.121 Bestimmungen am Kunstobjekt konnten bei Intermedia nicht gelingen.122 Zu dem intermediären Galerieprogramm und dem dort entworfenen Verständnis bildender Kunst zählte auch Wolf Vostell. Dessen Happening Ruhender Verkehr gehört zu den Höhepunkten dieser Bemühungen. Durch Wolf Vostell war der Galerist Helmut Rywelski zu einer sehr intensiven Auseinandersetzung mit performativen Kunstformen, wie insbesondere dem Happening und Fluxus im Allgemeinen gekommen.123 In der Einladung zu der von Rywelski finanzierten »Aktionsplastik RUHENDER Verkehr auf der Straße vor der Galerie art intermedia« waren neben den für die Umsetzung des Werkes benötigten Materialien die Termine der einzelnen Darstellungsschritte aufgeführt.124 Dabei wurde Intermedia zum Funktionsbegriff für die Offenlegung einer »zweiten Realität«. Begrifflich erfasst der Galerist das Happening als »Plastik« und »visuelles Ergebnis« gleichermaßen, wobei die formalästhetische Grundlage auch durch die Bezugnahme auf die »modernen Produktionsmitteln« deutlich wird.125 Hier zeigt sich die Modifikation der bildhauerischen Konventionen durch die Praxis der Fluxusbewegung, denn deren Resultate waren nun »nicht mehr ein statisches, unveränderliches Objekt«.126
So äußerte Rywelski: »Wenn ich jetzt art intermedia sage, meine ich Kunst und ihre Zwischenformen; ich meine jene Resultate künstlerischer Arbeit, die mit den überkommenen Kategorien der Kunst – Gemälde, Bildhauerei et cetera – nicht zu rubrizieren sind.«, zit.n. Arnold 2017, S. 50. 119 Ryweslki 1967, S. 26. 120 S.o. 121 Arnold 2017, S. 50-51. 122 Frank 2001, S. 670. 123 Arnold 2017, S. 123. 124 Ibid, S. 124. 125 In der Pressemitteilung der Galerie wurde formuliert: »Die Aktionsplastik RUHENDER VERKEHR muß zu den wichtigsten Arbeiten Wolf Vostells gezählt werden: In dieser Arbeit treffen die für den Künstler typischen Merkmale zusammen: Die Aktion fand auf der Straße statt, also nicht für eine elitäre Gesellschaft. Die Plastik ist kritisch, sie bezieht sich auf ein aktuelles Thema. Sie wurde mit modernen Produktionsmitteln hergestellt. Ihr formales Ergebnis resultiert aus den vorgegebenen Bedingungen und: Es handelt sich um die Verfremdung eines Konsumguts, zur Bewußtmachung von Zuständen. Schließlich ist das visuelle Ergebnis zu der – für Vostell typischen – >Zweiten Realität< zu zählen.«, vgl. ibid., S. 125. 126 Vgl. Schröder 2018, S. 301. 118
Die Rolle der Rechtswissenschaft in der Geschichte der Kunsttheorie
5.
Kunst als Wertbegriff und die Selbstdefinitionen der Happenisten in Magazin Kunst
In den 1960er Jahren traten in der Kunstöffentlichkeit an die Stelle der Kritiken und ihrer Begriffshaushalte Interviews mit den Protagonisten selbst. Neben den kunstmarktspezifischen Interessen, die auch auf Seiten der Herausgeber der Zeitschriften verfolgt wurden, war dies nicht zuletzt dem ephemeren Charakter eines Happenings geschuldet; der Kritiker konnte nur als Teilnehmer unmittelbar berichten.127 In der Tagespresse wurde diese Ausweitung des Kunstbegriffs durch diese neue Kunstform mehrheitlich in »ablehnendem Moll« begleitet.128 Auffällig ist, dass in den ausgewerteten Kunstzeitschriften meist auf Fotografien der Aktionen und deren Beschreibung zurückgegriffen wurde, ohne auf die Beschreibung der ästhetischen Erfahrung in dem Maße einzugehen, wie sie die Kunstkritik beispielsweise im dadaistischen Kontext geprägt hatte. Doch ist zu berücksichtigen, dass die fotografische Dokumentation dafür geschätzt wurde, ephemere, ortsspezifische oder prozessbasierte Kunstpraktiken vermitteln zu können, wie sie die Kunstkritikerin Lucy Lippard als »entmaterialisiert« charakterisiert hatte.129 Dabei treten Fotografien oder ganze Fotoreihen als Vermarktungsstrategie neben die von den Künstlern gestalteten Handlungsanweisungen, die bei Wolf Vostell teilweise auch den Zeichencharakter verließen. »Happenings im Foto« wurden damit zu einer Strategie der Werkkommunikation selbst.130 Man sah sich einer Kunst ausgesetzt, die »nur prozeßhaft erlebbar, nicht aber objekthaft verfügbar ist.«131 Unter dem Titel »Krawall in Aachen« war der Verlauf einer »Actions/Agit Pop/Decollage/Happening/Antiart/Fluxus« in der Aula der Technischen Hochschule Aachen am 20. Juni 1964 Anlass für das Interview mit Joseph Beuys in Magazin Kunst.132 Die Aktion wurde als anschauliche Idee umschrieben, nämlich als eine, den Kunstbegriff zu durchdenken.133 Den deutlichen Verweis auf das Künstlergenie formuliert Beuys unter Bezugnahme auf Fluxus. Demnach lebten die Praktiken der Fluxuskünstler von einem gleichwohl stabilisierten traditionellen Kunstbegriff: »Die Aktionen, Happenings, Fluxus usw. werden natürlich wieder neue Impulse auslösen die, wie wir wollen, auf vielen Gebieten bessere Verhältnisse schaffen werden. Aus der dann erkämpften neuen Bewußstseinslage entstehen dann wieder neue Ziele.«134
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Zu jenen Interessen s.o. Emslander 2010, S. 84. Dazu vgl. Berger/Santone 2016, S. 203. Vgl. Wick 1975, S. 178. Ibid. Mithin als Suche der Redaktion der Zeitschrift Kunst nach den Zusammenhängen mit der »Kategorie Kunst«, sollten »unvoreingenommen aktuelle Phänomene des Kunstbetriebs« vorgestellt werden, vgl. Kunst 1964, S. 95. »Es ist keine Schocksprache, sondern eine präzise, oft eine eindringliche Darlegung die, die sie Antikunst oder Kunst ist, die Fähigkeit zu imaginieren erfordert.«, vgl. ibid., S. 96. Vgl. Ibid., S. 97.
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Kunstbegriffe zwischen Recht und Praxis
Für die Rolle der Fluxuspraktiken in der Kunstöffentlichkeit bedeutet dies, dass die Betonung des »permanenten Aufstandes gegen die Konvention« den romantischen Geniegedanken als letzten Fixpunkt der Kunsttheorie wiederbelebte.135 Die Zweifel daran, ob sich mit dem Begriff der Kunst überhaupt noch operieren lasse, hatten seit der Mitte des 20. Jahrhunderts unter dem Einfluss der analytischen Philosophie auch die Kunstkritik erfasst.136 Diese erhob die institutionalistische Kunsttheorie zu ihrem Ausweg.137 Nicht bestimmbare Eigenschaften oder Produktionsweisen, sondern die Tatsache Diskursgegenstand zu sein, sollte entscheidend werden. Dort setzten die Strategien der Aktionskünstler wie Beuys, Ulrichs oder Vostells an, ihre Praktiken in den Kunstkontext einzugliedern. Schließlich wurde aus dieser Selbstdefinition von Kunst und Nicht-Kunst ein Dialog von Künstlern und Institutionen. Hierfür war ein stabilisierter Rezeptionsrahmen grundlegend. Denn nur auf einer solchen Grundlage konnten der traditionelle Kunstbegriff scheinbar in Frage gestellt und Happenings zu Kunstwerken erklärt werden. Für die Theoriebildung des Diskurses konnte, von der optischen Gegenwärtigkeit des Kunstdings gelöst, auch der Formbegriff nicht auf das dingliche Kunstwerk verweisen.138 Doch war der Umgang mit den Begriffen hier kein einheitlicher. Der Kritiker und Jurist Peter O. Chotjewitz knüpfte 1966 in Magazin Kunst unmittelbar an ein diskurshistorisch weniger aussagekräftiges Interview mit Allan Kaprow an.139 Lediglich dessen Verweis auf seinen deutschen Konterpart Wolf Vostell gibt Aufschluss über eine Ursache für die besondere Aufmerksamkeit, die dem deutschen Happenisten geschenkt wurde. Was der Kritiker hier besprach, waren die Grafiken, die in der Ausstellung Wolf Vostell. Bilder, Verwischungen, Happening-Notationen 1961-1966. Kölnischer Kunstverein 8. Juli bis 21. August 1966 im Kölnischen Kunstverein gezeigt wurden. Allerdings verwies Chotjewitz abseits des Gattungsdenkens zugleich auf das Problem, dass die neuen ästhetischen Kommunikationsformen mit dem bekannten Begriffshaushalt erfasst werden sollten.140 Dabei verwendet der Kritiker bewusst den Begriff Artefakt an Stelle des Begriffs Kunstwerk.141 Die theoretischen Grundlagen für diese begriffliche Erfassung sollten sich unmittelbar aus der Praxis Vostells ergeben. Deutlich verwies Chotjewitz auf das formalistische Fundament seines Kunstbegriffs.142 Dieser kunst135 136 137 138
Ortland 2006, S. 708. Ullrich 2001, S. 567-668. Zur »institutionalistischen Kunsttheorie« vgl. hier und im Folgenden: ibid., S. 568-571. »Das Happening ist als eine Denkaufgabe zu verstehen«, hieß es im Katalog der Ausstellung Fluxus – Aspekte eines Phänomens, vgl. Schwarzbauer 1981, S. 14 139 Vgl. Kunst 1966, S. 349-352. Zu den Lebensdaten des durchaus kontrovers gesehenen Chotjewitz vgl. Kussmaul 1999, S. 120. 140 »Eines der Probleme, denen wir in der Kunst ausgesetzt sind, ist das des begrifflichen Denkens. Es schafft einerseits Einverständnis, andererseits decken die Begriffe nicht den Gegenstand des Einverständnisses.«, vgl. Chotjewitz 1966, S. 336. 141 »Man muß ferner seine unerhört übersteigerte Sensibilität schlechthin aber auch in der Verfolgung sozial relevanter, sinnlich und intellektuell wahrnehmbarer Realitäten und Realitätspartikel und ihre nicht minder unorthodoxe Wiedergabebegriffen haben und, womit möglich, nachvollzogen, um nicht vielen seiner Artefakte ratlos gegenüber zu stehen.«, vgl. ibid. 142 Kunstwissenschaftliche Begriffe standen bereits in den 1920er Jahren für eine Spaltung von Theorie und Praxis, vgl. mit dem Beispiel Theo van Doesburgs: Locher 2010, S. 412.
Die Rolle der Rechtswissenschaft in der Geschichte der Kunsttheorie
historische Begriffsgehalt wird nicht zuletzt durch den Fokus auf die Spezifik künstlerischer Tätigkeit, die Betonung der Künstlerpersönlichkeit deutlich. Die »Sprengung des Bildrahmens« erinnert dabei an die Rezeption der Aktionsmalerei eines Jackson Pollock: »Die Sprengung des Bildrahmens, des Bühnenraumes, die Durchdringung der verschiedensten herkömmlichen Kunstsparten, der scheinbare Widerspruch von Arrangement und konzeptioneller Improvisation, die Hereinnahme unkonventioneller, stupierender Mittel und Gegenstände dürfen nicht den Blick darauf verstellen, daß wir es bei Vostell mit einer starken Künstlerpersönlichkeit zu tun haben, die Deutbares und absolute Faszination in Einklang zu bringen versteht.«143 Vostell war einer derjenigen Fluxusaktivisten, die außer mit der Aufnahme der gesellschaftlichen Realität durch vorgefundene Gegenstände, mit einem »neuen Realismus« in Verbindung gebracht wurden.144 Diese Tendenz, den Gegenstandsbereich des Ästhetischen durch eine Zurückweisung der informellen Malerei wieder zu stärken, wird auch in der Kritik der Kölner Ausstellung aufgegriffen.145 Das Problem des »Unwiederholbaren« der sogenannten »Decollage-Ereignisse«, in denen vorgefundene Realität anstelle vorgefundener Ausdrucksmittel geformt wurde, konnte in der Kunstöffentlichkeit als Kernproblem für das »begriffliche Denken« erkannt werden.146 Der Umbau der Begriffstradition schien durch den Verlust des Objekts nicht möglich.147 Wurde die Collage schon seit dem ersten Weltkrieg aus der Opposition zu einem Ideal des Organischen gesehen, erkannte Chotjewitz die Originalität Vostells in dem »unerhörten Erfindungsreichtum, vor allem in technischer Hinsicht«.148 Die Relevanz des Geniegedankens tritt auch hier deutlich hervor. Mit einer anderen Bemerkung schlägt Peter Chotjewitz die Brücke zu jener Zertrümmerung der musikalischen Schriftlichkeit durch das grafische Notat, das Teil von Kunstausstellungen geworden war:149 »Happenings, Bilder und Objekte sind bei Vostell nur selten voneinander zu trennen. Viele seiner Bilder sind statisch gewordene Happenings, Psychogramme oder Happeningpartituren. Andererseits sind Happenings ausgeführte, lebendig gemachte Bilder, wofür die starke Verwendung von Farbe ein wichtiges Indiz ist.«150 Bei Chotjewitz gingen zwei Vorstellungs- und Denkräume ineinander über: Bedient das »lebende Bild« einen idealistischen Werkbegriff, verweist die Analyse der Farbverwendung auf einen entidealisierten Formbegriff. Mit dem Verweis auf das »Huhn als 143 Vgl. Chotjewitz 1966, S. 336. 144 Dazu Wienand 2015, S. 98. 145 »Spätestens 1958 beginnt Vostell mit ›Das Theater ist auf der Straße‹ die Realität seiner Arbeit dem Wesen der Realität als solcher (als einer Summe nicht tradierbarer Zustände) nachzuzeichnen«, vgl. Chotjewitz 1966, S. 337. 146 Vgl. ibid. 147 Dabei war genau ein solcher »Umbau« Grundlage für den sich ausprägenden Formalismus, vgl. Stöckmann 2016, S. 62. 148 Chotjewitz 1966, S. 339. 149 Lütteken 2016b. 150 Vgl. Chotjewitz 1966, S. 339.
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Kunstbegriffe zwischen Recht und Praxis
Konsumsymbol« bediente er sich schließlich noch deutlicher des kunsthistorisch-akademischen Begriffsrahmens.151 Gleichwohl wird der Begriff des Kunstwerks als theoretisches Problem gemieden. Auf einen systematischen Begriffsrahmen kam es schlicht nicht an, wobei in dieser Beliebigkeit gleichwohl eine Rückbindung an ein Verständnis bildender Kunst dominierte, das von der Materialität der Objekte nicht trennbar schien. Es drängt sich damit die Vermutung auf, dass eine »institutionalistische Kunsttheorie« den Verzicht auf ästhetische Schlüsselbegriffe wie Form und Inhalt in der bildkünstlerischen Kritik der Nachkriegszeit nur begünstigte.152 Keine Ausnahme bildet folglich die Auseinandersetzung mit den Kunstobjekten, wie sie etwa Wolf Vostell neben seinen ephemeren Aktionen produzierte. Der Befund aber, dass am Fließband der Kunstkritik im Fluxuskontext die theoretische Flexibilität abseits der Normativität der Einzelwissenschaften und deren kunstkritischen Umsetzungen entscheidend sein musste, wird deutlicher, wenn man die Erfassung derselben Praktiken in der Musikkritik mitberücksichtigt.
6.
Der Diskurs über Fluxus und die Musik der 1960er Jahre
Traditionelle Begriffe der Musiktheorie wurden schon 1964 angesichts der Phänomene der Neuen Musik auf ihre Eignung für Beschreibungen der musikalischen Wirklichkeit hinterfragt.153 Weder sollten die alten Begriffe der neuen Wirklichkeit angepasst noch die sogenannte Neue Musik mit einem »System von Begriffen übersponnen und damit neutralisiert werden«.154 Die Veränderungen der künstlerischen Wirklichkeit, der die Begriffe der Kunsttheorie einst gerecht wurden, sollten erkannt und sinnvoll benannt werden. Traditionelle Begriffe, wie jener der Form, sollten neu konkretisiert und im Zusammenhang mit der Sache, die sie benennen sollten, erklärt werden. In seinem Beitrag ›Offene‹ Musik – Vom Klang zum Ritus für die Dokumentation Happenings von Wolf Vostell und Jürgen Beckers im Jahr 1965 etwa konstatierte der Spanier Ramón Barce, dass der Begriff der Form nun die Tätigkeit der Künstler im Sinne eines neuen Ritus erfassen müsse.155 Dabei drängt sich die Frage auf, ob eine gleiche Entwicklung auch in der auf bildende Künste bezogenen Kritik nachweisbar ist. Die Fluxuskünstler griffen in ihrer eigenen Praxis auf den historischen Sachverhalt zurück, dass der Theoretiker erst an der Praxis Regeln erkennt, die er dann als Theorien formuliert. Anders als in der auf den historischen Kanon der bildenden Kunst gerichteten Kunstkritik dieser Jahre waren die kunsttheoretischen Implikationen im Bereich der Neuen Musik ausgeprägter. Im Sinne von Pierre Boulez’ Begriff der »Aleatorik« wurde das Wirken des Fluxuskünstlers Karlheinz Stockhausen beispielsweise damit beschrieben, dass er sogenannte »statisti-
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»Es sind diese Elemente, von denen zum Beispiel Fisch und Huhn fast mythische Symbolkraft haben, die TV-Geräte, Automobil und Düsenflugzeug nicht nachstehen«, vgl. ibid. Vgl. dazu Ullrich 2001, S. 568-569. Für die Debatte stehen beispielhaft die Beiträge des Tagungsbandes Terminologie der neuen Musik aus 1965, vgl. Stephan 1965. Vgl. Stephan 1965, S. 6. Pamela Geldmacher setzt sich differenziert mit der Selbstbezeichnung einiger Fluxuskünstler als Neodada auseinander, vgl. Geldmacher 2015, S. 314-316. Zu Barce s. auch bei Wick 1975, S. 37.
Die Rolle der Rechtswissenschaft in der Geschichte der Kunsttheorie
sche«, »variable« und »vieldeutige« Formen geprägt haben sollte.156 Der Interpret des Werkes wurde dergestalt in die Formgestaltung miteinbezogen, dass die variablen Bestandteile durch ihn ausgefüllt werden sollten. Konnte der Interpret über die »Reihenfolge der einzelnen Formteile entscheiden, […] weglassen und vertauschen – wie im Fall des berühmten (seither vielfach imitierten) Klavierstücks XI von Stockhausen«, war auf eine entscheidende Differenz der ästhetischen Typologien verwiesen.157 Diese Haltung wurde später zwar grundlegend für die in den 1960er Jahren aufkommenden Happenings, in den Kunstzeitschriften allerdings nur verhalten zur Anwendung gebracht.158 Wichtig ist der erneute Hinweis auf das Problem des Gattungsdenkens, war Fluxus von Stockhausen entscheidend geprägt worden und entschied letztlich die jeweilige Kunstöffentlichkeit über eine Zuordnung. Die Aufführungen seines Stücks Originale galt früh als eine der »bedeutenden Aktionen in der Fluxus-Geschichte«.159 Das mag nicht überraschen, bedenkt man, dass sich Nam June Paik und Stockhausen 1958 im Rahmen der Ferienkurse für neue Musik in Darmstadt kennengelernt hatten.160 Mit ihren Werken musste nach Auffassung des Kritikers Friedhelm Döhl eine »Periode informeller Musik begonnen« haben, in der »informelle Zeitkunst« zu Musik und infolgedessen »zum Labyrinth, zum Mobile, zur Grafik« wurde.161 Berücksichtigt man auch hier die frühe wissenschaftliche Aufarbeitung, werden Parallelen sichtbar. »Fluxus war eine internationale Bewegung der sechziger Jahre, die das musikalische Happening hervorbrachte«, stellte Joachim Noller in seinem Beitrag Fluxus und die Musik der sechziger Jahre schon 1985 fest.162 Als Antikunst, Antimusik, Neodada und Aktionskunst wurde erfasst, was nach Auffassung Nollers der vorwiegend als bildender Künstler rezipierte Wolf Vostell auf eine »verschiedenartige Musik-Ästhetik« zurückführen wollte.163 Mit Blick auf Carl Dahlhaus’ Kritik als Kunstwissenschaftler an der undifferenzierten Gleichsetzung von Künstler und Werk ist aufschlussreich, wie sich dessen zeitgenössische Behandlung des jungen Fluxusphänomens später durch Aussagen der Beteiligten bestätigt sehen musste.164 Noller betonte nicht nur die außer-
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Vgl. Döhl 1965, S. 66. Ibid. Zu dieser Haltung s. Naveau 2017, S. 77. Vgl. Noller 1985, S. 17. Einmal jährlich brachten die Ferienkurse in den Sommermonaten Studierende und Praktiker zu einer weiten Bandbreite pädagogischer Veranstaltungen zusammen. Bis 1950 war die internationale Beteiligung an diesem kulturpolitischen Projekt unter der Trägerschaft der Stadt Darmstadt sehr groß. Die spätere Beteiligung John Cages ist auf die unmittelbare, finanzielle Beteiligung der amerikanischen Militärregierung an diesem Projekt zurückzuführen, vgl. Borio/Danuser 1997, S. 60-61. Zum Begriff der Neuen Musik der Veranstalter und dem sozialen Anspruch vgl. Hiekel 2018, S. 20-21. 161 Vgl. Döhl 1965, S. 67. 162 Vgl. Noller 1985, S. 14. 163 Ibid. 164 Wolf Vostell wird im Ausstellungskatalog Fluxus. Aspekte eines Phänomens 1981 wiedergegeben: »Fluxus hat auch nichts mit synthetischer Musik zu tun, wie sie Stockhausen in seiner elektronischen Musik produzierte. Es sind Musikprozesse, die nur durch eine künstlerische Aktion entstanden sind oder entstehen, entweder live oder durch eine Aufnahme. Das heißt, meistens war der visuelle und der akustische Vorgang gleichzeitig das unverwechselbare Ereignis. […] Also: Beim Fluxus-Konzert ist das Visuelle wichtiger Bestandteil; der visuelle Prozeß macht das Geräusch erst möglich.«, vgl. Peters 1981, S. 236. Dahlhaus pro-
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Kunstbegriffe zwischen Recht und Praxis
ordentliche Bedeutung des Fluxus für jede kunstwissenschaftliche Historik, sondern auch dessen Beziehung zu einem neuen Kunstverständnis. Die Darmstädter Ferienkurse für neue Musik waren Kristallisationspunkt jener Anschauung, der diejenigen Künstler folgten, die sich mit Fluxus identifizierten. György Ligeti etwa, seit 1950 Professor für klassische Harmonielehre und Kontrapunkt an der Musikakademie in Budapest, tat dies, indem er für seinen Vortrag Über die Zukunft der Musik die Publikumsreaktionen auf Tonband aufzeichnete.165 Noch 1972 waren für Karlheinz Stockhausen, der um 1960 Kontakt zu der Fluxusgruppe in Köln aufgebaut hatte, seine und die Tätigkeit der Fluxuskünstler »Design«.166
7.
Zusammenfassung
Fluxus nimmt im Denken über Kunst nach 1945 eine besondere Stellung ein. Obgleich erst Jahre nach der Uraufführung von John Cages Aktion 4‘33 durch den Pianisten David Tudor erste Arbeiten als Konzeptkunst bezeichnet wurden, steht genau diese Aktion als erstes performativ-akustisches Werk am Beginn einer von Intermedialität und Interdisziplinarität geprägten Phase visueller Kunstpraktiken.167 An den Fragen, ob Klänge noch Musik sein konnten, ob die Differenzierung von Werkschöpfer und ausübendem Künstler einer Neuausrichtung bedurfte, und der theoretischen Herausforderung, wie das musikalische von dem bildkünstlerischen Werk zu unterscheiden sein konnte, wird die Kunstbegriffsbildung im Fluxuskontext nachvollziehbar. Für das Verständnis von bildender Kunst war in der Nachkriegszeit eines entscheidend, nämliche die Trennung von dinglichem Kunstobjekt und Werkbegriff. Diese theoretische Position eröffnet einen neuen Blick auf diejenigen Künstler, die als Fluxus über die Neue Musik auch bildkünstlerische Ereignisse hinterlassen sollten. Die Theorieentwürfe der Kunstöffentlichkeit wandten sich nicht nur gegen die »kunsthistorisch methodologischen Binnendiskurse« der Nachkriegszeit.168 In der Kunstöffentlichkeit der Nachkriegszeit wurde an Fluxus der ästhetische Gegenstand, der Gattungsgrenzen überschreiten konnte, wiederbelebt. Damit setzte sich auch die Vorstellung einer bildkünstlerischen als gedankliche Tätigkeit durch, die an die Stelle des formalen Objektbegriffs trat. Dieser Werkbegriff wurde insbesondere in den auf bildende Kunst und ihre anerkannten Gattungen spezialisierten Zeitschriften nur behutsam pagierte die Bedeutung des romantischen Begriffshaushaltes für die Vermittlung der notwenigen Subjektivität in der Erfassung der künstlerischen Strömungen, die Kunst und Leben zusammenführen wollten, vgl. Dahlhaus 1969, S. 19. Zu Carl Dahlhaus wissenschaftlichem Werk im Kontext einer auf marxistische Theorie rekurrierenden Musikgeschichte in Ost-Berlin vgl. Janz 2017, S. 7374. 165 Zur Person Ligetis vgl. Custodis 2004, S. 80-82. 166 »Nun, dies ist dadurch noch nicht zur Kunst geworden. Was der Musiker machen muß, ist, ein Theater erfinden, das nicht mehr nur Theater ist, sondern welches Leben entnimmt aus den Umgebungen, die jeder kennt, und in dem der Klang ›entworfen‹ wird, dadurch entsteht Kunst. […] Nun sage ich: Es gibt Studien von Zeichnern, von Architektren als ›Designer‹. Genau dies ist meine Aufgabe als Komponist: Ich bin ein akustischer ›Designer‹, projiziert auf die Zukunft.«, vgl. Noller 1985, S. 18. 167 Metzger 2003, S. 9. 168 Vgl. zum Begriff: Rüffer 2014, S. 44. Zum Problem der unerwähnten Vorannahmen in der kunsthistorischen Methodik vgl. Grave 2020, S. 91-92.
Die Rolle der Rechtswissenschaft in der Geschichte der Kunsttheorie
und teilwiese in Interviews verborgen aufgegriffen. Gleichwohl fand dort eine jedenfalls temporäre Akzentverschiebung statt, die die Differenzen zwischen »philosophischer und einzelwissenschaftlicher Kunsttheorie« in den Fokus der Bemühungen um Historisierung rückt.169 Aus den Auswertungen der Kunstöffentlichkeit folgt im dritten Teil: Die Rückbesinnung auf die Subjektivität der philosophischen Ästhetik an den Praktiken der Fluxuskünstler war allerdings der Musikkritik vorbehalten gewesen.170 Wurden die Fluxuspraktiken in der traditionellen Kunstkritik mit dem durch die Kunstgeschichte geprägten Begriff der Plastik umschrieben, setzte sich nur in der Musikkritik die Umschreibung des ästhetischen Objekts am philosophisch geprägten Begriff der Form fort.171 Zugleich verweist die Bevorzugung des Interviewformats auf die Selbstpositionierungen und die Abkehr von l’art pour l’art als geteilte Kunstanschauung.172 Erst in den kunstwissenschaftlichen Aufarbeitungen der 1970er Jahr wurden die konzeptuellen Züge der 1960er Jahre wieder als »Instrumente der Bewusstseinserweiterung« beschrieben.173 Das zurückgelassene Objekt war zum Vehikel des eigentlichen Werkes der Kunst geworden. Malerei, Plastik oder Grafik waren nicht mehr als traditionelle Ausdrucksmittel, gleich einer Tonskala, auf welche bei Bedarf zurückgegriffen werden konnte. Zur Abgrenzung der verschiedenen geistigen Inhalte rückte zugleich die Spezifik bildkünstlerischen Tuns in den Fokus des Diskurses. Die Vergeistigung dieses Tuns, historisch nicht ohne Vorbilder, diente als ästhetische Defensivkonzeption und tritt an die Stelle einer gattungsspezifisch gedachten Materialität als konstitutive Norm bildkünstlerischer Werkvorstellung. Der Denkprozess des bildenden Künstlers selbst war dem eines Formgestalters entgegengetreten.174
169 Vgl. Wolandt 1985, S. 219. Dass der »Kontext der Rezeption die Zugehörigkeit zur Gattung« definieren konnte, wird nochmals beim Blick auf die rechtshistorischen Quellen relevant, vgl. Metzger 2003, S. 15. 170 Christoph Metzger spricht von Diskursverschiebungen als Grundlage eines neuen Kunstbegriffs. Werden Leser, Betrachter und Hörer als werkstiftendes Medium eingeführt, bedeutet dies, dass die »erzeugte Spannung Kunst entstehen lässt«, vgl. ibid., S. 12. 171 Joseph Beuys hatten den Begriff der sozialen Plastik erst 1979 in einem Beitrag für einen Ausstellungskatalog erwähnt, vgl. Papenbrock 2007, S. 143. Mit Blick auf den Anspruch der Bewusstseinserweiterung ist der Begriff inhaltlich von den Positionen der psychologischen Ästhetik geprägt, wurde dort bereits um 1900 der Zweck der Kunst bestimmt, vgl. Drüe 1983, S. 95. Zu den Gedanken der Romantik in der Happening- und Fluxusbewegung auch: Glaser 2002, S. 318. 172 Hanna Heinrich ruft in Erinnerung, dass »schon die historischen Avantgarden den Versuch unternahmen, ›l’art pour l’art‹ zu überwinden und Kunst als Gesellschaftliche Wirkgröße mit ethischen und politischen Zielsetzungen zu rehabilitieren.«, vgl. Heinrich 2020, S. 13. 173 Vgl. Rotzler 1972, S. 179. Zu nennen ist auch Ohffs Publikation Galerie der neuen Künste. Diese wurde 1971 veröffentlicht und stellt einen Querschnitt durch die kunstbegrifflichen Fragstellungen und Legitimierungsstrategien Heinz Ohffs dar. 174 »Der bildende Künstler ist ein optimaler explorativer Betrachter seiner visuellen Umwelt. Unter explorativ wird das suchende, untersuchende, kurz, das forschende visuelle Verhalten verstanden […] Die höchste Form des Schöpferischen ist die Findung und Realisation neuer künstlerischer Konzeptionen.«, vgl. Götz/Götz 1972, S. 13-14.
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Kunstbegriffe zwischen Recht und Praxis
V.
Fluxus im Netz des juristischen Arguments. Rechtswissenschaft als Kunsttheorie
1.
Juristische Argumente im Streit um die Juryfreie Kunstausstellung 1965
Dadaistische Zustände schildert der Mainzer Galerist und Kunstkritiker Hans Alexander Baier 1965 in dem von ihm herausgegebenen Magazin Kunst unter dem Titel »Keine Experimente«. Historische Parallelen zwischen 1911 und 1965 schienen eindeutig: Nach Baiers Einschätzung zensierte man in Berlin selbst die »Juryfreie«. Im Jahr 1911 hatte in Berlin die erste Juryfreie Kunstausstellung stattgefunden, an der auch die dadaistische Novembergruppe wesentlich beteiligt war.175 Die Gegenüberstellung wurde an der »Gängelung durch die wilhelminischen Kunstbeamten«, die neben Käthe Kollwitz auch Georg Tappert und Hermann Sandkuhl erfahren hatten, für West-Berlin in den 1960er Jahren vorbereitet.176 Baier wollte vor diesem historischen Beispiel das »Wesentliche« im Ausstellungsbetrieb der Nachkriegszeit vermissen.177 Im Angesicht des Fluxus schien alles zu »kunterbunt« geworden zu sein, ebenso wie vor dem ersten Weltkrieg. Vostell, Beuys und Ulrichs waren es, die sich dem Kritiker als »Spinner und aus der Reihe Tanzende« darboten und »[…] ganz im Sinne des Grundgesetzes in der Ausübung ihrer Kunst nicht nur nicht gehindert, ja geradezu über die Maßen öffentlich« gefördert zu werden schienen.178 Ebenso wenig wie im Kaiserreich und ungeachtet verfassungsrechtlicher Garantien schien in den 1960er Jahren eine Ausstellung solcher Kunst möglich, die bisher nicht Teil der Museumssammlungen war: »Deshalb will es zunächst wie ein Märchen klingen, was sich anläßlich der diesjährigen ›Juryfreien Kunstausstellung‹ in Berlin abspielte. Die im Ausstellungskatalog aufgeführten Nummern 825 und 826 konnten nicht besichtigt werden«.179 Diese Nummern waren auf Weisung des Berliner Senats entfernt worden. Voll des Lobes für dieses »Resultat einer ›Neu-Berliner-Geistigkeit‹ (vom Senat bis zur Freien Universität)« waren die Gründe für den nach objektiven Kriterien in der Kunstkritik lobbyierenden Baier entscheidend:180 die juristisch-ideologische Argumentation im Zollrecht.181 Die entfernten Ausstellungsstücke waren nach den Worten Baiers »von einem Timm Ulrichs«, wobei der Werkbegriff ihm insoweit unpassend erschien.182 Immate-
Zum spannungsreichen Verhältnis von Berlin Dada und der Novembergruppe s. 1. Teil, I. und II.1. Vgl. Baier 1965, S. 154. Zur Person und seiner Einordnung gegenüber »Progressiven-Fraktion« der deutschen Nachkriegskritik, vgl. Wilbers 2019, S. 82. 178 Vgl. Baier 1965, S. 154. Zusammen mit Bazon Brock gelten sie als die bekanntesten Happenisten, vgl. Obergassel 2017, S. 154. 179 Vgl. Baier 1965, S. 154. 180 1969 initiierte sein Magazin die Ausstellung »Kunst und Kritik« im Museum Wiesbaden; dazu: Weiler 1969, S. 1129. 181 Zu einem berühmt gewordenen Zollrechtsfall und der Rolle des Kunstbegriffs in den USA vgl. Weller 2010. 182 Es fehlte gänzlich die Differenzierung zwischen Werk und Ausführung bzw. der vom Werk zu unterscheidenden Abbildung: »Er beabsichtigt einmal die Ausstellung seiner eigenen Person (als erstes le175 176 177
Die Rolle der Rechtswissenschaft in der Geschichte der Kunsttheorie
rielle Ausstellungskunst, der Verzicht auf anerkannte bildkünstlerische Ausdrucksmittel bzw. Gattungen hatte nach Meinung Baiers die »theoretisch schwierige Frage, was ein Kunstwerk ist« angefacht. Die Hängekommission, bestehend aus Eberhard Roters, Heinz Ohff und Thomas Kempas, hatten die »Entfernung« der anschaulichen Idee Erstes lebendes Kunstwerk in einem von Baier im Wortlaut abgedruckten Brief begründet.183 Die Mitglieder dieser Kommission griffen den Bedenken in Senat und Freier Universität angesichts dieses neuen bunten Treibens voraus, befanden sie diese Einwendungen als »mehr definitorischer Art«. Mit dem Verlust des physischen Objekts schien jeder Ansatzpunkt für die »klassischen Definition eines Werkes der bildenden Kunst, d.h. der Malerei, Bildhauerei, Graphik etc.« aufgehoben. Diesen am Ausdrucksmittel haftenden Kunstbegriff wollte die Hängekommission, bestehend aus zwei Kunsthistorikern und einem Kunstkritiker, mit »den einschlägigen Paragraphen des Zollvermerkscheins« legitimieren.184 Dieser Vorgang erweist sich als ein eindeutiges Beispiel für die Einwirkung juristischer Argumente auf den kunsttheoretischen Diskurs.185 Der juristische »Kommunikationspositivismus« war im argumentativen Raster des Kunstdiskurses angekommen.186 Zu berücksichtigen ist Folgendes: In der Urheberrechtsdiskussion wurde die Diskussion um die Selbstausstellung der Künstler als Aktion im Kontext des Werkbegriffs erst in den 1970er Jahren umfassender geführt.187 Im Falle der Juryfreien Kunstausstellung wurde allerdings das Zollrecht als ein auf körperliche Gegenstände gerichtetes Rechtsgebiet herangezogen. Auch wenn Werk und Werkstück im Urheberrecht Verwirrung stifteten, war es angesichts Ulrichs Beitrags zur »Juryfreien Ausstellung« notwendig festzustellen, dass »ein Werk der bildenden Kunst vollständig und mit der Hand hergestellt sei, was man von Ihrer Person ja sicher nicht behaupten kann«.188 Trotz eines urheberrechtlichen Werkbegriffs wurde Lessings Unterteilung der Künste in Raum- und Zeitkünste bedient, um die konservativen Stimmen zu befriedigen.189 Nicht nur sollte Ulrichs’ Werk kein Artefakt sein, sondern ebensowenig Ausdruck einer Kunst im Raum, wie es der klassische Kanon der bildenden Kunst forderte.190
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bendes Kunstwerk) und zweitens die Ausstellung des Publikums, vermittels eines großen Spiegels (›Spiegel und Spiegelbild‹).«, vgl. Baier 1965, S. 154. Heinz Ohff zu seiner Arbeit in der Kommission in: Ohff 1968, S. 11. »Die Bedenken der Hängekommission sind mehr definitorischer Art, denn, indem Sie sich selbst ausstellen wollen und damit Ihre eigene Person zu einem Teil eines Kunstwerkes erklären, entsprechen Sie eigentlich nicht recht der klassischen Definition eines Werkes der bildenden Kunst, d.h. also der Malerei, Bildhauerei, Graphik etc., einer Definition, die sich am besten durch den einschlägigen Paragraphen des Zollvermerkscheins unterstützten läßt«, vgl. Baier 1965, S. 155. Baier selbst folgert diesen Zusammenhang, indem er vor dem abgedruckten Brief feststellt: »[…] dessen Abdruck deshalb interessant ist, weil man sehen kann, wie die theoretisch schwierige Frage, was ein Kunstwerk ist, von denjenigen, die in der Praxis verantwortlich sind, einfach gelöst werden kann.«, vgl. ibid. Dass in der Kunstkritik der Nachkriegszeit das juristische Argument bekannt, wenn nicht gar virulent ist, wird damit nachvollziehbar. Lahusen 2011, S. 20. Dazu ausführlich s.u. Baier 1965, S. 155. Zu Hegels Differenzierung vgl. Burbulla 2015, S. 124. »Selbst wenn man die Bestimmungen in einen weiteren Sinn auslegt, so ist doch damit gemeint, daß es sich bei einem Kunstwerk um einen arte fact handelt. Außerdem ist ein Werk der bildenden Kunst im klassischen
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Das Kriterium der »Kunst im Raum« schien die letzte Gewissheit hinsichtlich eines Kunstbegriffs zu sein, der sich angesichts der kreativen Formensprache mit dem Verlust des Stoffs im Sinne eines formbaren Materials abgefunden hatte. Die schwierige Unterscheidung zwischen Komponist und Interpret, die aus der Neuen Musik kommend auch die bildkünstlerische Kritik erreicht hatte, schien schlicht dem gewordenen Rezeptionskontext »Ausstellung« nicht gewachsen. Die Ablehnung als Werk der bildenden Kunst war hier nicht als Gleichsetzung mit Nicht-Kunst verbunden: »Was Sie zu demonstrieren beabsichtigen, ist m.E. eine Art autokreatives Gesamtkunstwerk. Gesamt-Kunstwerke auszustellen liegt aber nicht im Sinne der Jury-freien Kunstausstellung, die weiterhin eine Ausstellung der bildenden Kunst bleibt.«191 Die abschließende Randbemerkung erst lässt die progressive Einstellung der Hängekommission erkennen, die das Recht als Legitimationsort einer neuen Kunst-Norm erkannt hatte. Gleichsam legen die Autoren ihren eigenen Kommentar zu den Kunstbegriffsdiskussionen vor dem Hintergrund der ungleichen Schutzgegenstände der Rechtsgebiete offen: »Randbemerkung: Eine ›Kunst-Definition‹ gibt es in einem Paragraphen des Zollvermerkscheins nicht. Da für Kunstwerke beim Import zwar kein Zoll zu entrichten ist, wohl aber eine 4 % Umsatzausgleichssteuer, liegen den Zolldienststellen allerdings äußerliche Beschreibungen als Anhaltspunkte darüber vor, ob etwas ›Kunst‹ im steuerund zollrechtlichen Sinne (und nur in diesem Sinne) ist.«192 Dieser Hinweis auf die Relativität der Rechtsbegriffe, ihre Verbindlichkeit nur im juristischen Sinne, ist dabei entscheidend. Offen bleibt, ob die drei Mitglieder bei der Abfassung dieses Briefes inklusive Randbemerkung nicht auf die Meinung Dritter zurückgegriffen hatten. In der Bemerkung, »wer die Verbindlichkeit dieser Beschreibung auch für die Kunstwissenschaft vertritt«, ist jedenfalls ein mittelbarer Hinweis auf andere Rechtsgebiete naheliegend. Denn die Verbindlichkeit für die Praxis könnte, wie Ulrichs mit seiner Anmeldung des Geschmacksmusters selbst beweist, aus der Eigenart eines anderen juristischen Kunstwerkbegriffs folgen, der »die Collage als auch den Siebdruck als Kunstgegenstände« nicht ausschließen konnte.193 Gleich den dadaistischen Erzeugnissen konnten bei einer am Ausdrucksmittel haftenden und der normativen Ästhetik verschriebenen Denkfigur auch die in den 1960er
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Sinne auch durch eine Handlung bestimmt, die sich allein im Raum abspielt und nicht durch eine Bewegung in der Zeit.«, vgl. Baier 1965, S. 155. Vgl. ibid., S. 156. Der fest an das Ausdrucksmittel gebundene, institutionalistische Begriff bildender Kunst wird hier zugleich in seiner ganzen Problematik für das Urheberrecht erkennbar; bildende Kunst schien nur als »arte fact«, nur als Produkt denkbar. Vgl. Baier 1965, S. 156. Collage und Siebdruck sind auch solche Gebilde der Nachkriegskunst, die der urheberrechtliche Diskurs besonders intensiv diskutierte: »Wer die Verbindlichkeit dieser Beschreibung auch für die Kunstwissenschaft vertritt, schaltet damit z.B. sowohl die Collage als auch den Siebdruck als Kunstgegenstände aus, weil sie dort nicht ausgeführt sind. ›Kunstwerke‹ – ›arte fact‹, bedeutet so viel wie a – a.«, vgl. ibid. Zu Timm Ulrichs Beteiligung an der Ausstellung ausführlich s.u.
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Jahren entstandenen »Mobiles« eines Alexander Calders und damit der gefeierte Höhepunkt des Berliner Kunstlebens als »Selbstverständliches des Kunstwissens« nicht als bildende Kunst anerkannt werden.194 Die Posse um die »Jury-freie Kunstausstellung« 1965 wurde gleichsam durch den Direktor der Galerie des XX. Jahrhunderts Adolf Jannasch beendet.195 Mithin sind es paragone Wertungsnormen, die hier Grundlage boten, durch die Beteiligung Ulrichs an der Ausstellung keinen Raum für einen Kunstbegriff zu schaffen, der die Gattungsgrenzen der bildenden Kunst weiter untergraben konnte.196 Ulrichs’ zwischenzeitliche Zulassung als »Hungerkünstler« schien zwar auch durch das historisch-ästhetische Urteil an Duchamp abgesichert, ein »Totalkunst-Kabinett« allerdings unerwünscht.197 Das durch den Künstler selbst materialisierte Werk, das bei Duchamp in der Präsentation lag, konnte nur als »lebendes Kunstwerk« erfasst werden: »Bei allem Respekt vor der Absicht Herrn Ulrichs, sich selbst auf Podium und Stuhl als ›erstes lebendes Kunstwerk‹ auszustellen und in ›Spiegel und Spiegelbilder‹ eine ›Ausstellung des Publikums‹ zu veranstalten, muß ich leider feststellen, daß diese beiden Werke nicht die Ausschreibungsbestimmungen der Juryfreien Kunstausstellung erfüllen.«198 Ein immaterielles Werk konnte nicht »mit einem Schild mit dem Namen des Künstlers auf der Rückseite« rechtzeitig eingeliefert werden. Die »formellen Annahmevoraussetzungen« wurden demnach zur Grenzlinie eines Begriffs der bildenden Kunst, den Adolf Jannasch einforderte, und dies erklärtermaßen ohne ein »Werturteil über Herrn Ulrichs als Kunstwerk und die ihm zugrundeliegende Kunstauffassung« gefällt haben zu wollen.199 Solche juristischen Feinheiten ziehen sich wie ein roter Faden durch den Beitrag Baiers. Angesichts der in »Artikel 5 (3) GG garantierten« Freiheit der Kunstausübung bemerkte der Herausgeber, dass dies »auch für Berlin [gelte], auch wenn das Grundgesetz dort nicht aus sich heraus, sondern nur mittelbar verbindlich ist«.200 Es ist demnach angezeigt, einen Blick auf die Bedeutung der Kunstfreiheit in den Jahren nach 1949 zu werfen. Dabei scheint die formelle Aufhebung der Zensur durch die Kunstfreiheitsgarantie mehr als eine Zurückweisung der Kunst in eine von der sozialen Wirkung isolierte ästhetische Sphäre. Auch der in der strafrichterlichen Praxis nachvollziehbare Wandel der Sittlichkeitsbegriffe war in diesen Jahren Ausdruck eines restaurierten Kunstbegriffs.201 Woldemar Klein, Herausgeber der Kunstzeitschrift Das Kunstwerk. Ei-
194 »Das letzte Argument verurteilt die Mobiles in Berlin zum Stillstehen, zumindest, wenn sie auf der ›Juryfreien‹ gezeigt werden sollen.«, vgl. Baier 1965, S. 156. 195 Ibid. 196 Schnitzler 2007, S. 118. 197 Baier 1965, S. 156. 198 Vgl. Baier 1965, S. 156. 199 Ibid. 200 Ibid. 201 Diese Perspektive auf Art. 5 GG wirft ein erhellendes Licht auf die Urheberrechtsdiskussion. Diejenigen Bundesverfassungsrichter etwa, die für die Aufhebung des Verbotes des Romans Mephisto plädierten, verwiesen auf die Notwendigkeit, ein anerkanntes Kunstwerk in einem spezifischen Verhältnis der Kunst zur realen Wirklichkeit und nicht nach der Wirkung in der sozialen Sphäre
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Kunstbegriffe zwischen Recht und Praxis
ne Monatsschrift für alle Gebiete der bildenden Kunst, hatte seit 1946 diesen Zugang zu der spezifisch ästhetischen Sphäre im Sinne des »Funkens seiner göttlichen Sendung« verfolgt.202 Baier seinerseits bemerkte, dass Timm Ulrichs durch den Ausschluss von der Juryfreien Kunstausstellung in Berlin in seinem Grundrecht auf Kunstfreiheit verletzt worden sei. Dabei überrascht die juristische Feinheit in Baiers Ausführung, »das Merkmal Kunst kann bei der Frage des grundrechtlichen Schutzes nur von der Finalität her bestimmt werden«.203 Es zeigt sich, dass sich im Diskurs um die westdeutsche Nachkriegskunst die Berichterstattung um den sich fortsetzenden juristischen Streit um Klaus Manns Roman Mephisto widerspiegeln musste, in der ein an das subjektive Empfinden des Künstlers anknüpfender Kunstbegriff diskutiert wurde.204 Sicher unbewusst verwies Baier auf eine Problematik im Kunstverständnis insgesamt. Das Künstlerische ist nichts mehr als eine Vermutung, die sich im Rezeptionsvorgang stets ergeben kann: »Deshalb handelt es sich beim Ausschluß Timm Ulrichs von der ›Juryfreien‹ in Berlin um eine krasse Rechtsverletzung, die es auch dann bleibt, wenn die Gemüter sich schnell bei der qualitativen Beurteilung darin einig werden sollten, daß dem Publikum nicht allzu Wichtiges vorenthalten worden ist.«205 Eben wegen dieser »aufs Künstlerische gerichteten Finalität« waren nach Baiers Urteil keine Zweifel an Ulrichs’ neuer Realkunst zulässig. Die Schilderungen dieser Posse um die Juryfreie Kunstausstellung verbindet Baier mit Hinweisen auf Ulrichs Verhältnis zu einem anderen Fluxus-Happenisten, Wolf Vostell. Hier erinnerte Baier daran, dass Ulrichs das erste als »Totalkunst-Demonstration« definierte Happening am 26. Februar 1959 am Hannover Bahnhofsplatz aufgeführt haben wollte.206 Ulrichs’ Aktionen waren »Besichtigungen eines Schlachthofes, eines Flugplatzes, eines Autonomiebildwerkes, von Kaufhäusern, Messen usw. Auch eine Hafenrundfahrt in Bremen war unter den Ereignissen«.207 Das Leben wurde zum Ort der Umsetzung des Werkes, die Kunst
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zu beurteilen: »Ein Kunstwerk wie der Roman von Klaus Mann strebt eine gegenüber der realen Wirklichkeit verselbständigte wirkliche Wirklichkeit‹ an. […] Die künstlerische Darstellung kann deshalb nicht am Maßstab der Welt der Realität, sondern nur an einem kunstspezifischen, ästhetischen Maßstab gemessen werden. […] In der ästhetischen Realität ist […] alles freies künstlerisches Spiel.«, vgl. BverfG, Beschluss v. 24.2.1971, zit.n.: Jelavich 2014, S. 130. Auch der in der strafrichterlichen Praxis nachvollziehbare Wandel der Sittlichkeitsbegriffe war in diesen Jahren Ausdruck eines restaurierten Kunstbegriffs, vgl. ibid., S. 119. In der Begründung der Verfassungsrichter bildet sich die Abgrenzung von kommunistischer (aber auch nationalsozialistischer) Funktionalisierung ab, vgl. Wimmer 2006, S. 143, 147. Vgl. Baier 1965, S. 156. Dazu: Riedel 2011, S. 26-27. Baier formuliert diesen Begriff schon deutlich: »Kunst ist deshalb alles, was nach dem glaubhaften Willen des Künstlers Kunst sein soll. Die Frage der künstlerischen Qualität ist dabei ohne Bedeutung, denn auch die schlechte und im Experimentalstadium steckende künstlerische Tätigkeit genießt den Schutz.«, vgl. Baier 1965, S. 156. Vgl. ibid. »Diesen eher an den ›Maulkorb‹ erinnernden Streich (man schüttete Seifenpulver in die Umwälzanlage in den Brunnen am Bahnhofsvorplatz) nennt er heute zwar eine etwas ›ungezielte Aktion‹, hält ihn aber im Endeffekt für den Anfang seiner Aktionen«, vgl. ibid. Ibid.
Die Rolle der Rechtswissenschaft in der Geschichte der Kunsttheorie
ging im Leben auf. Angesichts der von Ulrichs geschilderten Opposition zu Vostell mag es nicht überraschen, dass Ulrichs rechtliche Schutzmechanismen in Anspruch nahm.208 Wegen der Ähnlichkeit zwischen den künstlerischen Positionierungen, die Ulrichs nicht auf »Zufall« zurückführen wollte, wurden auch »anwaltliche Schriftsätze gewechselt«.209 Die von Baier erwähnte Schadensersatzzahlung seitens des Berliner Senats an Timm Ulrichs unterstreicht schließlich nochmals Ulrichs Beziehung zu rechtlichen Argumenten.
2.
Die Antwort des Totalkünstlers: das Erste lebende Kunstwerk als Muster nach § 1 Absatz 2 Geschmacksmustergesetz
Es wurde bereits deutlich, inwiefern Fluxus für eine spezifische künstlerische Tätigkeit steht, die auf den Einsatz bestimmter Materialien oder eine handwerkliche Umsetzung verzichtete. Auch Ulrichs’ Wirken war von dem Willen geprägt, das Verhältnis von Kunst und Produktion insgesamt zu verändern, indem er den Menschen zum künstlerischen Material erklärte.210 Die publizistischen, kunsttheoretischen und juristischen Konsequenzen der Beteiligung Timm Ulrichs’ an der Juryfreien Kunstausstellung 1965 in Berlin sind dabei ein Höhepunkt im Diskurs über Kunst nach 1960.211 Die Vorstellung einer lebenden Skulptur erschien selbst nach einigen Jahren der Fluxusaktivitäten so grotesk, dass das Echo global war.212 Zwar waren bereits in den frühen 1960er Jahren bildende Künstler als Teil eines Happenings in Erscheinung getreten. Dabei konnten diese allerdings noch als darstellende Künstler erfasst werden und verlangten nicht, von einer ausgestellten lebenden Skulptur zu sprechen.213 Bei Ulrichs’ Erstem lebenden Kunstwerk spielte die Dokumentation zunächst eine nur zufällige Rolle.214 Auf kunsttheoretischer Ebene trat trotz der Rezeption des Konzepts beispielsweise durch Pi Linds Skulpturen aus Fleisch und Blut in Stockholm 1969 keine tiefgreifendere Diskussion zu Tage.215 Timm Ulrichs selbst lieferte ausgiebig Material, das einer selbstreflexiven Debatte Dritter vorzugreifen schien. Hatte der Senat von Berlin als Konsequenz aus
208 Wie sich oben gezeigt hat, war die Rezeption Wolf Vostells wesentlich breiter als die Timm Ulrichs. 209 »Vostell habe desweiteren in Kenntnis seiner Texte jeweils später immer sehr ähnliche Thesen vertreten. Ulrichs: Aufhebung der Trennung von Kunst und Leben = Vostell: Keinen Unterschied machen zwischen Kunst und Leben«, vgl. Baier 1965, S. 157. 210 Grosskopf 2016, S. 455. 211 Zu diesen drei Ebenen der Auseinandersetzung vgl. Knubben 2011, S. 17. 212 Dabei wurden auch Paiks Aktionen an anderer Stelle als »Plastik« rezipiert: »Paiks Aktionen sind gekennzeichnet von seiner unverwechselbaren Originalität, die sich auf Musik, auf Plastik, auf Aktion, auf allegorische Sketche ohne Unterschied wirft.«, vgl. Gmelin 1965, S. 25. 213 Knubben 2011, S. 22. 214 Sicher war die fotografische Dokumentation Grundlage der späteren Vermarktung, allerdings war das später vervielfältige Foto mehr zufällig entstanden. Mit einem Fotografen des Stern war Ulrichs noch vor der Ausstellungseröffnung in das Depot gelangt, vgl. ibid., S. 17. Zu Dokumentation als künstlerische Praxis konzeptueller Künstler vgl. Berger/Santone 2016, S. 201-202. Burcu Dogramaci geht so weit, zu fragen, inwieweit Fotografien der Fluxusaktionen »in einem selbstverständlichen Aneignungsprozess ein neues Werk werden«, wobei sie die »juristische Frage […] in eine kunstwissenschaftliche Perspektive [umwidmet]«, vgl. Dogramaci 2018, S. 84. 215 Knubben 2011, S. 22.
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Kunstbegriffe zwischen Recht und Praxis
der Auseinandersetzung mit Ulrichs die Ausschreibungsbedingungen für die Juryfreie Kunstausstellung des Folgejahres geändert, war dem Totalkünstler die nur dem deutschsprachigen Recht eigene Schnittstelle von Geschmacksmuster- und Urheberrecht zum neuen »Kunstmythos« geworden.216 Dort hieß es: »Werke, die nicht Gegenstand von Rechtsgeschäften sein können«, dürften nicht zugelassen werden.217 Den Kunstbegriff festzuhalten, wollten die Verantwortlichen wohl um keinen Preis unversucht lassen; das Begriffsverständnis musste doch immer aus Sinn und Zweck folgen. Ebenso wenig wie die Willenserklärung ist das Rechtsgeschäft im Bürgerlichen Gesetzbuch ausdrücklich definiert. Angesichts des hohen Abstraktionsgrades beider Rechtsbegriffe verlangten die Ausschreibungsbedingungen nach juristischer Denkweise.218 Was als Werk Gegenstand eines Rechtsgeschäfts werden konnte, musste Ulrichs’ »totale« Aufmerksamkeit auf sich gezogen haben.219 Seine Untersuchungen mussten ihn auf das urheberrechtlich schutzfähige Werk gestoßen haben. Bereits die Dadaisten hatten das rechtlich in Kunstschutzgesetz und Geschmacksmustergesetz fixierte ästhetisch-normative Stufenverhältnis zwischen geschmacklicher und künstlerischer Leistung mit dem Begriff des dadaistischen Erzeugnisses aufgegriffen.220 Dabei ging es den Dadaisten um ein Ende der Dichotomisierung von hoher und angewandter Kunst. In den 1960er Jahren griff Timm Ulrichs seinerseits einen seit dem Inkrafttreten des Kunstschutzgesetzes geführten juristischen Diskurs explizit auf, um einen spezifischen Werkbegriff einzufordern.221 Als Teil des Kunstsystems konnte auch das Recht als »Kunstmythos« Gegenstand der Metakunst werden.222 Diese Verbindung auf der Diskursebene stellt sich damit als Besonderheit dar, hatte bereits Marcel Duchamp das U.S.-amerikanische Intellectual Property Law als »künstlerisches 216
Christoph Zuschlag nennt verschiedene »Kunstmythen« der postinformellen Strömungen, s. Zuschlag 2002, S. 176-177. 217 Vgl. Brief vom 27.8.1965, Archiv Timm Ulrichs, zit.n.: Knubben 2011, S. 11. In den 1970er Jahren identifiziert Grischka Petri am Beispiel von Seth Siegelaubs The Artists’s Contract (1971), dass »eine Immaterialität wie der Vertrag wiederholt zum künstlerischen Stoff geworden ist«, vgl. Petri 2017, S. 432-433. 218 Ulrichs mandatierte den Bruder des Spiegel-Herausgebers Josef Augstein um sich gegen das angedrohte Hausverbot zur Wehr zu setzen. Das Kunstrecht schien angesichts der scheinbar »lustlosen« Korrespondenz des Anwalts keine Passion des Juristen gewesen zu sein, vgl. Knubben 2011, S. 18. 219 Neben die kunsthistorische Beschreibung der Fotografie seiner Selbstausstellung tritt so die juristische Untersuchung: »Wenn Timm Ulrichs sich mit einer Fragestellung befasste, dann geschieht dies dem eigenen Anspruch entsprechend ›total‹ und in jeder Konsequenz. Dann will er genau und umfassend wissen, was in der Welt zu dieser Fragestellung bereits gesagt worden ist.«, vgl. ibid., S. 23. 220 Zum Begriff der »dadaistischen Erzeugnisse« vgl. 2. Teil, II.1. Das Geschmacksmustergesetz trat am 11. Januar 1876 in Kraft. Der Verfasser des Gesetzesentwurfs Dambach definierte Muster und Modelle in seinem Kommentar zu diesem Gesetz als »Vorbilder für die Form von Industrie-Erzeugnissen, sofern diese Vorbilder zugleich dazu bestimmt oder geeignet sind, den Geschmack oder das ästhetische Gefühl zu befriedigen.«, vgl. Dambach 1876, § 1 Anm. 4. 221 Zu Timm Ulrichs als Fluxuskünstler vgl. Kutzner 2007, S. 88. 222 Christoph Zuschlag nennt die »Kunstmythen« (Avantgarde, Abstraktion, Bild, Original, Meisterwerk und Kunsthistoriographie) »[…] ein Phänomen des 20. Jahrhunderts und hier insbesondere der Kunst nach 1960.«, vgl. Zuschlag 2002, S. 177, 183. Das Recht könnte ergänzend hinzutreten. Aus musikhistorischer Perspektive auf den »metareferential turn« und Fluxus verweist Tobias Janz auf eine neue theoretische Ebene gegenüber der Avantgarde zu Beginn des Jahrhunderts, vgl. Janz 2011, insb. S. 526-527.
Die Rolle der Rechtswissenschaft in der Geschichte der Kunsttheorie
Thema« entdeckt.223 Die Besonderheit bei Timm Ulrichs nach dem »metareferential turn« verweist allerdings abseits der bloßen Frage nach Urheberschaft auf die Fortsetzung eines rechtshistorischen Diskurses, changierend zwischen Gattungsdenken und idealistischer Unmittelbarkeit, in der künstlerischen Praxis.224 Doch zunächst ist es notwendig, auf die urheberrechtliche Diskussion der Nachkriegszeit einzugehen. Bis zur Reform des Geschmacksmustergesetzes im Jahr 2004 bestand in der juristischen Praxis ein fließender, gradueller Übergang, folglich kein wesensartiger Unterschied zwischen Urheber- und Musterschutz.225 Dies bedeutete, dass die Grenze zwischen diesen Schutzrechten am Grad einer »geistig-ästhetischen Wirkung« auf den Betrachter ausgemacht werden musste.226 Die Diskussionen in der Rechtsöffentlichkeit um die Grenze zwischen »ästhetischem Erzeugnis« und einem »Werk der Kunst« waren im Kontext der großen Reform des Urheberrechts von 1965 erneut entbrannt.227 Bezog sich die Rechtsprechung bei der Abgrenzung zwar argumentativ auf »im Leben herrschende Anschauungen« oder »mit Kunst vertraute Kreise«, war anerkannt, dass hierfür ein subjektives Werturteil der Richter nicht vermeidbar war.228 Der auch als Individualität, Originalität oder Eigentümlichkeit bezeichnete ästhetische Wirkung wurde etwa danach beurteilt, ob genügend Spielraum für eine »schöpferische« Gestaltung vorhanden und ausgenutzt worden war, ob die äußere Form nahelag oder nicht nur technisch bedingt gewesen sein muss.229 Die Liste der juristischen Dissertationen, welche für die einzelnen Werkgattungen oder die Abgrenzung zwischen Urheber- und Geschmacksmusterrecht eine Überführung der in der Rechtsprechung anerkannten Indizien in ein gleichbleibendes oder wandelbares Wertesystem versuchten, ist lang.230 Dabei fungierte die hohe Kunst im Sinne einer 223 Dazu: Petri 2017, S. 429-430. Allerdings handelt es sich dabei um eine kunsthistorische Wertung, die allein auf die Anbringung des Hinweises »Copyright Rose Sélavy 1920« an Marcel Duchamps Frech Widow (1920) gestützt wird. 224 Zum metareferential turn und der kunsttheoretischen Differenzierung vgl. Janz 2011, insb. S. 526527. 225 Dazu auch die Ausführungen im 2. Teil, V. 226 Vgl. Schulze 1983, S. 143. 227 Im Wesentlichen unerkannt blieben die Besonderheiten des Ästhetikverständnisses jener Zeit, in der 1907 das KUG in Kraft getreten war. Die besondere Stellung der Ästhetik zwischen Kunstphilosophie-, -soziologie und -wissenschaft war schon in den 1930 Jahren nur noch wenig bekannt, vgl. Drüe 1983, S. 74. Für das inhaltliche Verständnis, der damals ausgeprägten Begriffe und Definitionen, erscheint dies besonders verhängnisvoll. 228 Lynen 2013, S. 30. 229 Zu dieser Auflistung vgl. Schulze 1983, S. 144. Irmgard Engisch weist darauf hin, dass »Entscheidungen zu Kunstwerken im engeren Sinne, die also zweckfrei aus rein künstlerischem Schaffenstrieb entstanden sind und in Konflikt mit Plagiaten geraten sind, weitgehend fehlen. Die Rechtsprechung wird im Wesentlichen beschäftigt mit Werken der angewandten Kunst, kunstgewerblichen Erzeugnissen und Werken der Architektur.« Dabei bildet sich der zugrunde gelegte Begriff eines solchen »echten« Kunstwerkes als Spiegelbild der begrifflichen Raster, vgl. Engisch 1990, S. 380. 230 Einen frühen Überblick über den Meinungstand lieferte schon Volker von Pilgrim mit Blick auf das neue Urheberrechtsgesetz von 1965 und bemerkte: »Die Kategorien der bildenden Künste – Malerei, Bildhauerei und ihre Unterteilung – sind bisher ohne Schwierigkeiten erkennbar gewesen. Mit der Zuordnung zu einer dieser Kategorien ist die Qualifikation eines Erzeugnisses als Kunstwerk sehr erleichtert, wie Gerstenberg sagt, wird sie sogar ›nie zweifelhaft sein‹. […] Demzufolge behandelt ihn die Rechtsprechung als
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Kunstbegriffe zwischen Recht und Praxis
Kunsttradition regelmäßig als Regelbeispiel. Denn nur solchen Werken, und es gilt auf deren unkörperliche Rechtseigenschaft erneut hinzuweisen, wurde zugesprochen, dass sie »viel Eigenes, Zweckfreies und noch nie Dagewesenes ausstrahlen«, sodass dem Betrachter der Begriff Schöpfung »geradezu in den Mund gelegt wird«.231
Abb. 4: Timm Ulrichs, ges. gesch., Eintragung in das Musterregister des Amtsgerichts Hannover vom 8. April 1968. In: Kunstverein Hannover/Sprengel Museum Hannover (Hrsg.): Timm Ulrichs. Betreten der Ausstellung verboten!. Ostfildern 2011, S. 76, Abbildung: Roland Schmidt.
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einen gemischten Rechtsbegriff mit deskriptiven und normativen Bestandteilen.«, vgl. von Pilgrim 1971, S. 43, 44. Vgl. Gerstenberg 1969, S. 97. Zu den »ontologischen Schwierigkeiten des Immaterialgüterrechts«, vgl. Wenzel 2020, S. 373.
Die Rolle der Rechtswissenschaft in der Geschichte der Kunsttheorie
Zu geteilten Meinungen führte in diesem Diskurs die Kunst der Nachkriegszeit: Insbesondere forderten Stimmen in der juristischen Literatur ein sogenanntes Leistungsschutzrecht nur für solches Werkschaffen, um, so scheint es, etablierte Meinungen keiner systemischen Überprüfung unterziehen zu müssen.232 Diese juristischen Zusammenhänge haben kunsthistorische Relevanz, beeinflussten Sie schon in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts den erweiterten Kunstdiskurs.233 Timm Ulrichs ließ 1965 für seine Beteiligung an der Juryfreien Kunstausstellung Berlin durch das Amtsgericht Hannover am 8. April 1968 ein sogenanntes Geschmacksmuster im Sinne von § 1 Absatz 2 Geschmacksmustergesetz eintragen (Abb. 4).234 Bezeichnet wurde das angemeldete Muster als »Versiegelter Umschlag mit 1 Modell eines lebenden Kunstwerks (Photo und Text)«.235 § 1 Absatz 2 Geschmacksmustergesetz definiert, wie sich bereits aus dem Wortlaut der Norm ergibt, »Muster oder Modelle« als »neue und eigentümliche Erzeugnisse«.236 Bis zur Reform des Geschmacksmusterrechts 1986 wurden diese Erzeugnisse bei der Registrierungsstelle in den meisten Fällen im Original niedergelegt und standen damit als nicht mehr austauschbares Unikat über die gesamte Schutzzeit interessierten Kreisen und insbesondere der Justiz im Falle eines Verletzungsrechtsstreits zur Verfügung.237 Eine rechtliche Prüfung der Schutzfähigkeit erfolgte bei Eintragung allerdings nicht, wobei an einem Geschmacksmuster durch Vertrag Nutzungsrechte eingeräumt werden können. Bis zur Ablösung des Kunstschutzgesetzes durch das Urheberrechtsgesetz von 1965 war das Stufenverhältnis zwischen den Schutzregimen durch in juristischen Zusammenhängen allgemein anerkannt. Das Geschmacksmusterrecht stand als »kleines Urheberrecht« unter dem durch das Kunstschutzgesetz gewährten »großen Urheberrecht«.238 232 Die historische Theorie der Kunst schien im Münchner Umfeld und womöglich dem Sedlmayrs keine andere Wertung zum Thema Moderner Kunst und Urheberrecht zuzulassen, vgl. Gerstenberg 1969, S. 89-97. 233 Vgl. 2. Teil, VI. Der Kunstdiskurs im engeren Sinne, jener der nicht auf angewandte Kunst ausgerichtet war, gibt allerdings über eine andere historische Entwicklung Aufschluss, die durch den Einfluss der Kunstgeschichte auf einzelne Juristen, die unterschiedlichen und verwobenen Ansätze von Kunstgeschichte und Kunstkritik dieser Zeit nicht unberücksichtigt bleiben kann. Melanie Sachs stellt fest: »Die Situation um 1900 ist demnach gekennzeichnet durch den theoretisch-systematischen Versuch einer eindeutigen Unterscheidung von Kunstgeschichte und Kunstkritik und einer ständigen Überschreitung dieser Grenzen in der Praxis.«, vgl. Sachs 2015, S. 35. Während die Methode der angewandten Ästhetik (Kunstkritik) für die angewandte Kunst erkennbar wird, führte der Blick auf den akademisch-kunsthistorischen Kanon über die freie Kunst zu logischen Brüchen in der juristischen Argumentation. 234 Dafür, welche Rolle hierfür gespielt haben mag, dass seit Mantegna die von Künstlern »initiierte Rezeptionslenkung« für die Verflechtung von Kunstgeschichte und Kunstpraxis steht, vgl. Kuhn 2020, S. XVII-XVIII (insb. Fn. 31). 235 In Sp. 5 des Musterregisters unter Nr. 1535 wurde als Angabe, ob das Muster für Flächenerzeugnisse oder für Plastische Erzeugnisse bestimmt ist, die Alternative »Plastische Erzeugnisse« freigehalten. Fotografisch abgebildet ist die Eintragungsbestätigung des Amtsgerichts in: Ohff 1968, S. 13. 236 Die Einlagerung einzelner Werkexemplare solcher Muster und Modelle verweist mit Blick auf die Museen für angewandte Kunst auf Abgusssammlungen antiker Skulpturen. 237 Kelbel 1989, S. 632. Erst mit der Reform von 1986 wurde die Lagerung der Originale durch obligatorische Bilddarstellungen ersetzt. 238 Gerstenberg 1974, S. 710.
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Kunstbegriffe zwischen Recht und Praxis
Die Wirkungen des Ersten lebenden Kunstwerks reichten hinüber bis in das argumentative Netz der Rechtsöffentlichkeit. Unter dem unmittelbaren Eindruck der Selbstausstellung Timm Ulrichs’ 1965 formuliert ein Jurist, dass »Was ausgestellt wird, […] nicht immer ein Kunstwerk« sei.239 Ekkehard Gerstenberg ging zudem davon aus, dass »wir, ohne es zu bemerken, zwischen die Begriffe Kunstwerk und ästhetisches Objekt ein Gleichheitszeichen [setzen]«, und für ein Werk wie das von Ulrichs nur die Bezeichnung »ästhetisches Objekt« in Frage kommen könnte.240 Auf die inhaltliche Dematerialisierung der abstrakten Malerei folgte die physische Dematerialisierung des geistigen Kunstwerks.241 Eine Entwicklung, der Argumentation der Juristen nach 1945 nicht folgen konnte, wenn er zeitgenössische Praktiken an einem Maßstab bewertete, der außerrechtlich bereits als Kunstwerk normativ aufgeladen worden war. Timm Ulrichs’ als Muster eingetragene Gestaltungsidee musste so als Versuch verstanden werden, »die platte Wirklichkeit« zum Kunstwerk zu erheben.242 Dies sollte aber nicht einmal des »kleine Urheberrechts« des Geschmacksmustergesetzes würdig sein.243 Ulrichs Einordnung als »Pop-Artist« mag dabei allein seiner Erwähnung in der mit POP und die Folgen betitelten Veröffentlichung des Kritikers Heinz Ohff geschuldet sein.244 Ekkehard Gerstenberg legitimierte den Kunstbegriff, den er seinen urheberrechtlichen Argumenten ganz unmittelbar zugrunde legte, mit einem Vergleich zwischen Timm Ulrichs und Kurt Schwitters. Dabei dient ihm das Wort der »Schöpfung« als ein Begriff, der in diesen Jahren auch für die »mit Kunst vertrauten Kreisen« nicht mehr eindeutig war.245 Für solche Anti-Kunst wie Fluxus sollte Kunstschutz nach Auffassung des Juristen aber ausgeschlossen sein. In diesem urheberrechtlichen Theorieentwurf folgte nicht der Kunstbegriff einem Werkbegriff, sondern der Kunstbegriff wurde zu einem weiteren Merkmal des Werkbegriffs.246 Die Ursache für diese Begriffsverwirrung im Einfluss einer Kunstgeschichte zu suchen, die sich theoretischer Fragen um den Begriff des Kunstwerks entledigt hatte, scheint nicht fernliegend.247
239 Ibid. 240 Vgl. Gerstenberg 1969, S. 96. 241 Diese Entwicklung stelle auch die Kunstwissenschaft vor methodische Herausforderungen. Anders als der Form-Inhalt-Unterscheidung wurde der Panofsky’schen Ikonologie beispielsweise vorgehalten, nicht-gegenständliche Kunst nicht erfassen zu können, vgl. Klütsch 2007, S. 222. 242 Gerstenberg 1969, S. 96. 243 »Richtig ist, daß das Unglaublichste als Kunst ausgegeben wird. Zu welchen Eulenspiegeleien phantasievolle Pop-Artisten imstande sind, zeigt die Tatsache, daß das Amtsgericht Hannover am 8.4.1968 […] das versiegelte Photo des Anmelders mit der Bezeichnung ›Modell eines lebenden Kunstwerkes‹ als Geschmacksmuster registriert hat. […] Bloße Anmaßung oder irrtümliche Anerkennung machen aber ein beliebiges Objekt nicht zum Kunstwerk«, vgl. Gerstenberg 1969, S. 96. 244 Dazu s.o. 245 »Abgesehen davon, daß Finden kein individuelles Gestalten sein kann, erscheint es mir kein großer Unterschied zu sein, ob jemand, der ein Bildobjekt sucht, durch ein imaginäres Rähmchen oder durch den Sucher einer Kamera schaut«, vgl. Gerstenberg 1969, S. 97. 246 Die Ergebnisse Gerstenbergs sind dafür aufschlussreich: »In diesem Punkt stimmen Urheberrechtler mit den Kunstbetrachtern anderer Fakultäten überein.«, vgl. Gerstenberg 1969, S. 91. 247 Zu diesem Dilemma: Grave 2020, S. 90-91.
Die Rolle der Rechtswissenschaft in der Geschichte der Kunsttheorie
3.
Zusammenfassung
Die Rechtswissenschaft bot Timm Ulrichs folglich eine theoretische Grundlage für seine künstlerischen Praktiken. Zuvor schon waren im Kontext der Juryfreien Kunstausstellung rechtswissenschaftliche Zusammenhänge zu jenen neuen »Kriterien der Kunstkritik« geworden, die Eduard Trier in der Kunstöffentlichkeit eingefordert hatte.248 Hier wurde der urheberrechtliche Werkbegriff Grundlage einer Kunsttheorie, die in der Kunstkritik der bildenden Kunst keine Mehrheit gefunden haben konnte. Zugleich konnte auf dieser theoretischen Grundlage jedes Fluxuskonzept, sei es in der Kritik als Happening, Aktion oder Performance bezeichnet, als Werk erfasst werden. Das Bild, im Sinne eines nach Johannes Grave und Arno Schubbach an den kunsthistorischen Gattungen orientierten Begriffs, war damit als paradigmatischer Fall des Kunstwerks nicht mehr Dreh- und Angelpunkt des Kunstbegriffs. Steht der Begriff des »Kunstwerks« in den Ausführungen des Juristen Ekkehard Gerstenberg beispielshaft für eine Verengung des Gegenstandsbereichs der Kunst, deutet das Werk der Kunst über das ästhetische Objekt auf die Erweiterung desselben hin: In Abrede oder unter Beweis zu stellen war diese Schlussfolgerung stets in jenen Bereichen zeitgenössischer Kunstproduktion, in denen ein bestimmter Kunstbegriff durch die Kunstpraxis selbst in Frage gestellt wurde. So ist die erwähnte Engführung im Begriff des Kunstwerks auf eine Verknüpfung zweier Begriffe, dem des Werks und dem der Kunst, im 18. Jahrhundert zurückzuführen.249 Wonach diese Begriffe verlangten, war ihre mehr oder minder kompromisslose Historisierung. Hatte die Kunstgeschichte lange nicht auf die neue »Problemlage der Kunsttheorie« im 20. Jahrhundert antworten können, musste sich die rechtswissenschaftliche Diskussion um den urheberrechtlichen Werkbegriff in den 1960er Jahren endgültig zur Legitimation kunsttheoretischer Versuche anbieten, das Werk und das dingliche Objekt zu trennen.250 Im Kontext der Erkenntnisse aus den Kontroversen und Folgen der Juryfreien Kunstausstellung 1965 müssen Kunst- und Rechtsgeschichte Hand in Hand gehen: Die rechtshistorischen Quellen werden zum Gegenstand kunsthistorischer Perspektiven. Nicht nur in der Auseinandersetzung um die Beteiligung Timm Ulrichs’ als Erstes lebendes Kunstwerk wurde der Rechtsbegriff mit seiner spezifischen Funktion der Kunstöffentlichkeit erschlossen. Der Verlust des physischen Objekts hob jeden Ansatzpunkt für die klassische Definition eines Kunstwerks auf. Musste dies in der Rechtsöffentlichkeit auf Grundlage eines kunsthistorischen Werkbegriffs abwertend kommentiert werden, ermöglichte das als ästhetischer Gegenstand erfasste Werk eine Erweiterung des Kunstbegriffs über das Geschmacksmuster.251 Verwiesen war mit dem Begriff des
248 Dazu schon s.o. »Doch damit kommen wir auf das eingangs erwähnte Dilemma zurück: daß ein Maßstab, der immer nur einem individuellen Werk oder Künstler gerecht wird, kein Maßstab ist.«, vgl. Trier 1966, S. 365. 249 Pudelek 2005, S. 543. 250 Zum Begriff vgl. Grave 2020, S. 87. Dazu am Beispiel der informellen Kunst s. Müller 2022. 251 Angesprochen sind hier die kunsttheoretischen- und philosophischen Fragestellungen, die bereits in einem älteren Diskurs hieran ausgelöst worden waren.
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Kunstbegriffe zwischen Recht und Praxis
Geschmacksmusters zugleich auf eine Abgrenzungsdebatte, die interdisziplinäre Sachverständigenkammern nach 1907 das Kunstbegriffliche abseits eines Alltagsbegriffs ergründen ließ.252 Die methodischen Probleme einer kunsthistorisch orientierten Kunstöffentlichkeit wurden durch die theoretischen Prämissen der Rechtswissenschaft lösbar, das Recht zugleich zum Gegenstand des »metareferential turn«.253 Den dynamischen Entwicklungen der Nachkriegskunst, innerhalb derer Fluxus eine besondere Herausforderung darstellte, konnten nur vermittels einer ästhetisch begründeten Kunsttheorie jenseits fachlich-normativer Setzungen begegnet werden; eine Herausforderung, vor der die Kunstöffentlichkeit bereits zuvor gestanden hatte.254 Zu untersuchen bleibt im Folgenden, wie die damit angesprochene Offenheit gegenüber der Diskontinuität als Merkmal der Historizität künstlerischer Praxis besonders in der Rechtsöffentlichkeit Gegenstand der Diskussion werden konnte.
VI.
Eine neue kunsthistorische Perspektive: juristische Begriffsbildung im Fluxuskontext
Das Verweisungsverhältnis zwischen juristischem Diskurs, Kunstkritik und künstlerischer Praxis erweist sich in den oben untersuchten Zusammenhängen auch nach 1945 als deutlich ausgeprägt. So waren juristische Argumente einerseits Legitimationsquelle der Kunstkritik, die stets nach verlässlichen Kriterien suchte, und andererseits ein eigener »Kunstmythos« der »Metakunst« nach 1960.255 Die Relevanz rechtsgeschichtlicher Perspektiven auf die Kunstgeschichte selbst, im Sinne von »Situationen der Annäherung«, wird damit um einen wesentlichen Aspekt erweitert.256
1.
Zur Einführung: die Reform des Urheberrechts in den 1960er Jahren
Das Gesetz über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (Urheberrechtsgesetz) aus dem Jahr 1965 war das Ergebnis einer Reformdiskussion, die mit der 1928 revidierten Berner Übereinkunft zum Schutze der Werke der Literatur und Kunst eingesetzt hatte.257 Teleologisch begründet waren in diesem Kontext auch Annahmen wie die, dass nach dem Wortlaut der offiziellen Gesetzesbegründung eine einheitliche Regelung des deutschen Urheberrechts schon aufgrund der Übereinstimmung der leitenden Rechtsgedanken auf dem Gebiet der bildenden Kunst und Fotografie sowie der Literatur und Tonkunst
252 Vgl. 2. Teil, V.8. 253 Zum Begriff vgl. Janz 2011, S. 526-527 254 Dazu schon im 2. Teil, IV.3. und s. insb. Max Dessoirs’ Versuch, die Ästhetik als Grundlage des Kunstbegrifflichen zu verabschieden. 255 Dazu schon s.o. bzw. Zuschlag 2002, S. 176-177. 256 Schennach 2014, S. 7. Martin Schennach bemerkt, dass die Rechtsgeschichte bereits Teil einer umfassend gedachten Kulturgeschichte geworden ist, vgl. ibid., S. 8. Zu Kohlers geistiger Nähe zu Friedrich Nietzsche vgl. Schwab 2014, S. 47 Fn. 24. 257 Maracke 2003, S. 24; Ulmer 1963, S. 1.
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Kunstbegriffe zwischen Recht und Praxis
Geschmacksmusters zugleich auf eine Abgrenzungsdebatte, die interdisziplinäre Sachverständigenkammern nach 1907 das Kunstbegriffliche abseits eines Alltagsbegriffs ergründen ließ.252 Die methodischen Probleme einer kunsthistorisch orientierten Kunstöffentlichkeit wurden durch die theoretischen Prämissen der Rechtswissenschaft lösbar, das Recht zugleich zum Gegenstand des »metareferential turn«.253 Den dynamischen Entwicklungen der Nachkriegskunst, innerhalb derer Fluxus eine besondere Herausforderung darstellte, konnten nur vermittels einer ästhetisch begründeten Kunsttheorie jenseits fachlich-normativer Setzungen begegnet werden; eine Herausforderung, vor der die Kunstöffentlichkeit bereits zuvor gestanden hatte.254 Zu untersuchen bleibt im Folgenden, wie die damit angesprochene Offenheit gegenüber der Diskontinuität als Merkmal der Historizität künstlerischer Praxis besonders in der Rechtsöffentlichkeit Gegenstand der Diskussion werden konnte.
VI.
Eine neue kunsthistorische Perspektive: juristische Begriffsbildung im Fluxuskontext
Das Verweisungsverhältnis zwischen juristischem Diskurs, Kunstkritik und künstlerischer Praxis erweist sich in den oben untersuchten Zusammenhängen auch nach 1945 als deutlich ausgeprägt. So waren juristische Argumente einerseits Legitimationsquelle der Kunstkritik, die stets nach verlässlichen Kriterien suchte, und andererseits ein eigener »Kunstmythos« der »Metakunst« nach 1960.255 Die Relevanz rechtsgeschichtlicher Perspektiven auf die Kunstgeschichte selbst, im Sinne von »Situationen der Annäherung«, wird damit um einen wesentlichen Aspekt erweitert.256
1.
Zur Einführung: die Reform des Urheberrechts in den 1960er Jahren
Das Gesetz über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (Urheberrechtsgesetz) aus dem Jahr 1965 war das Ergebnis einer Reformdiskussion, die mit der 1928 revidierten Berner Übereinkunft zum Schutze der Werke der Literatur und Kunst eingesetzt hatte.257 Teleologisch begründet waren in diesem Kontext auch Annahmen wie die, dass nach dem Wortlaut der offiziellen Gesetzesbegründung eine einheitliche Regelung des deutschen Urheberrechts schon aufgrund der Übereinstimmung der leitenden Rechtsgedanken auf dem Gebiet der bildenden Kunst und Fotografie sowie der Literatur und Tonkunst
252 Vgl. 2. Teil, V.8. 253 Zum Begriff vgl. Janz 2011, S. 526-527 254 Dazu schon im 2. Teil, IV.3. und s. insb. Max Dessoirs’ Versuch, die Ästhetik als Grundlage des Kunstbegrifflichen zu verabschieden. 255 Dazu schon s.o. bzw. Zuschlag 2002, S. 176-177. 256 Schennach 2014, S. 7. Martin Schennach bemerkt, dass die Rechtsgeschichte bereits Teil einer umfassend gedachten Kulturgeschichte geworden ist, vgl. ibid., S. 8. Zu Kohlers geistiger Nähe zu Friedrich Nietzsche vgl. Schwab 2014, S. 47 Fn. 24. 257 Maracke 2003, S. 24; Ulmer 1963, S. 1.
Die Rolle der Rechtswissenschaft in der Geschichte der Kunsttheorie
bestand.258 Durch die Zusammenlegung des Gesetzes betreffend das Urheberrecht an Werken der Literatur und der Tonkunst (LUG) aus dem Jahr 1901 und dem Kunstschutzgesetz von 1907 konnten unterschiedliche Behandlungen je nach Werkgattung in der urheberrechtlichen Praxis jedenfalls nach dem Wortlaut des Gesetzes keine Grundlage mehr finden.259 Bereits im Jahr 1954 hatte das Bundesjustizministerium einen Gesetzesentwurf für die seit den 1930er Jahren beabsichtigte Reform des Kunstschutzgesetzes vorgelegt.260 Dort war auch erstmals eine sogenannte Legaldefinition des Werkbegriffs enthalten. Als »persönliche geistige Schöpfung« sollte diese Definition des Werks fortan zum Kristallisationspunkt der Abgrenzungsbemühungen werden.
2.
»[…] den urheberrechtlichen Werkbegriff neu zu überdenken«261 – eine Mindermeinung im Kampf gegen normative Ästhetik?
Bezogen auf abstrakt-expressionistische Gebilde, wie solche des »action painting«, bestand hinsichtlich der Anwendungsmöglichkeiten des in § 2 Urheberrechtsgesetz seit der Reform von 1965 vorgegebenen Werkbegriffs Uneinigkeit über eine Schutzfähigkeit als Werk der bildenden Kunst.262 Dem »Urheberrecht am Scheideweg« erschien es angesichts einer erkennbaren Transformation des Kunstbegriffs gleichwohl notwendig festzustellen, »daß es verhängnisvoll wäre, das Urheberrecht gegenüber einer bestimmten modernen Kunstrichtung ohne Not abzukapsel und schlechthin für unanwendbar zu erklären«.263 Doch diese Feststellung erklärt sich nur im Kontext: Die Regelungsentscheidung des Gesetzgebers, in § 2 Absatz 1 Urheberrechtsgesetz keine geschlossene Aufzählung geschützter Werke vorzugeben, wurde in der juristischen Literatur
258 »Im Gegensatz zum geltenden Recht, das das Urheberrecht an Werken der Literatur und der Tonkunst sowie an Werken der bildenden Künste und der Photographie in zwei Sondergesetzen regelt, faßt der Entwurf das gesamte Rechtsgebiet des Urheberrechts zusammen. Dies erscheint zweckmäßig, weil alle leitenden Rechtsgedanken in gleicher Weise für die Werke der Literatur, der Tonkunst und der bildenden Künste anwendbar sind, die Besonderheiten aber, die für das eine oder andere Gebiet des geistigen und künstlerischen Schaffens bestehen, in dem gemeinschaftlichen Rahmen klarer hervortreten.«, vgl. BT-Drs. IV/270, S. 29. 259 Unter den wechselnden Begrifflichkeiten konnte das, was das Medium dem Kunstkritiker war, dem Juristen die Ausdrucksformen sein: »Will man daher die erwähnte Aufteilung in Werkgattungen auf einen und denselben Nenner bringen, so kann man als einen solchen keinesfalls die Ausdrucksform, sondern lediglich den geschützten Gehalt (die Formgebung des Inhalts) verwenden.«, vgl. Knap 1976, S. 120. Zum kunsthistorischen Gattungsbegriff vgl. Kemp 2002. 260 Dazu im Folgenden mit einem knappen Überblick zu den verschiedenen Reformvorschlägen Ohly 2018, S. 152-153. 261 Vgl. Schmieder 1969, S. 114. Zu Beginn seines Aufsatzes fasst Hans-Heinrich Schmider die Problemlage zusammen: »Die Kunst unserer Zeit stellt nicht nur die Ästhetik, sondern auch das Recht vor neue Probleme. Was heute von Sachkennern für wert gehalten wird, in Galerien gezeigt, in Zeitschriften gedruckt, in Theatern und Konzertsälen aufgeführt zu werden, und was danach von den Kunstkritikern […] gewürdigt wird […] bricht häufig mit allen gewohnten künstlerischen Traditionen und scheint daher auch nach dem neuesten deutschen Urheberrechtsgesetz von 1965 zu einem großen Teil urheberrechtlich nicht schutzfähig zu sein, weil es sich dem herkömmlichen Schema […] nicht einfügen will.«, vgl. ibid., S. 107. 262 Schmieder 1969, S. 107, 108. 263 Ibid.
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Kunstbegriffe zwischen Recht und Praxis
als deutliche Anerkennung des progressiven Wesens des Urheberrechts anerkannt.264 Grundlegend für diese Denkfiguren war der immaterielle Schutzgegenstand: »Ist es aber bei dem bildenden Künstler, der sich der herkömmlichen Technik bedient, wesentlich anders? Das handwerkliche Können, so notwendig es nach alter Tradition ist, und so sehr es oft allein für sich schon unsere Bewunderung erregt, ist für die Frage des schöpferischen Charakters eines Bildes nicht entscheidend.«265 Angesprochen ist damit eine Loslösung von der Materialität des Kunstobjekts, die in der rechtswissenschaftlichen Theoriebildung schon früh ihren Platz gefunden hatte.266 Im Kontext der »experimentellen Strömungen« der Nachkriegskunst etwa wurde der geistige Formgebungsprozess als »Auswahl« bezeichnet.267 Die Notwendigkeit der Anerkennung eines Zusammenhangs zwischen kunstbegrifflicher Entwicklung und dem mit dem Werk assoziierten Begriffssystem bot dem juristischen Diskurs Anlass zu einer abschließenden und grundsätzlichen Feststellung: Ein urheberrechtlicher Werkbegriff konnte Wandlungen im Denken über Kunst nicht konservieren, sondern musste Grenzverschiebungen um das künstlerische Feld berücksichtigen.268 Am »Fließband des Rechts« war diese Meinung im Jahr 1969 nur eine der weniger einflussreichen.269
Die Problematik der Begründung des ästhetischen Urteils Anders als das Verunstaltungsrecht konnte das kunstbezogene Urheberrecht der Nachkriegszeit nicht davon ausgehen, dass es einen verbindlichen ästhetischen Maßstab für die Anwendung des Rechtsbegriffs gebe.270 Deutlich muss hier darauf verwiesen sein, dass im Netz der juristischen Kommunikation über Kunst die Rezeption der Nachkriegskunst unmittelbar mit dem Begriff der angewandten Kunst verknüpft war.271 Nur wenige urheberrechtliche Verfahren wurden über Werke der bildenden Kunst im engeren Sinne bis in obere Instanzen geführt. Zu unbedeutend waren dort die wirtschaftlichen Interessen. Volker von Pilgrim unterzog in seiner juristischen Dissertation die bis in die 1970er Jahre richterlich etablierten Abgrenzungsmaßstäbe einer umfassenden Kritik, wobei er die Begriffe eines »hohen ästhetischen Gehaltes« und »die herrschende Anschauung der mit Kunst vertrauten Kreise« als eigenständige Begriffe der Rechts-
264 »Das Gesetz zeigt damit, daß es sich nach dem Willen seiner Schöpfer der […] kunstgeschichtlichen Entwicklung möglichst dynamisch anpassen soll.«, vgl. ibid. S. 109. 265 Vgl. Schmieder 1969, S. 111. 266 Dazu schon s.o. 267 Ibid., S. 108, 111. 268 »Es scheint nach alledem an der Zeit, den urheberrechtlichen Werkbegriff neu zu überdenken. Sicherlich sollte man sich hüten, leichthin die überkommenen, bislang bewährten Grundsätze aufzugeben. Aber die ästhetische Entwicklung schreitet unaufhaltsam fort.«, vgl. ibid., S. 114. 269 Vgl. zum Begriff: Lahusen 2011, S. 20. 270 Hier wird erneut das Missverständnis über das Problem der divergierenden Verzeitlichungsmethoden von Kunstgeschichte und Kunstkritik erkennbar. Auch in den Gesetzesmaterialien wurden Werke der bildenden Kunst und Kunstwerke mit Blick auf den Denkmalschutz gleichgesetzt: »Die Erhaltung kulturell wertvoller Kunstwerke ist nicht Aufgabe des privatrechtlichen Urheberrechts, sondern des zum Gebiet des öffentlichen Rechts gehörenden Denkmalschutzes.«, vgl. BT-Drs. IV/270, S. 45. 271 Dazu bereits s.o.
Die Rolle der Rechtswissenschaft in der Geschichte der Kunsttheorie
praxis identifizierte.272 Wie oben bereits ausgeführt, verlangte jede Auslegung eines Rechtsbegriffs nach der Berücksichtigung der den Begriffsinhalt mitbestimmenden Regelungsabsicht. Diesem Grundsatz folgte auch von Pilgrim. Dabei stellte er heraus, dass »der Grad des ästhetischen Gehaltes« rechtlich nicht etwa als Fiktion behandelt werden konnte, sondern der Begriff eine Gegebenheit erfassen sollte, von deren konkreter Existenz die Rechtsprechung überzeugt sein musste.273 Bei von Pilgrim führte die Präzisierung der urheberrechtlichen Begriffe zum Kant’schen »sensus communis aestheticus«, den er selbst als Geschmack ins Deutsche übertrug.274 Ahistorisch zur Anwendung gebracht, sollte dieses ästhetische Konzept ein »zum Untergang verpflichtetes Rudiment« sein, durch das ein künstlerisches Feld zeitgenössisch nicht definierbar werden konnte.275 Hier tritt die Begriffsverwirrung besonders fatal zu Tage: Um 1800 war die Kategorie des Geschmacks grundlegend für die Durchbrechung normativer Definitionen gewesen, eröffnete diese neuen Freiräume für Diskussionen über das subjektive Gefallen.276 Bei von Pilgrim zeigt sich folglich das Missverständnis über die »doppelte historische Relativität« kunsthistorischer und kunstkritischer Ansätze.277 Der Begriff der bildenden Kunst sollte nach Auffassung von Pilgrims nicht an einem ästhetisch-normativen Kunstverständnis erschlossen werden. Problematisieren musste der Jurist somit auch »alle rechtlichen Definitionen des Geschmacksmusters«, die eine Auslegung in dem Sinn ermöglichten, es handele sich bei diesem nicht »um Kunst im Rechtssinne«.278 Dabei bezog sich der Samson-Schüler auf die historische Auslegung des Kunstschutzgesetzes von 1907, der zufolge sich bei den Erzeugnissen des Kunstgewerbes die »Jugendstilkünstler […] ›in steigendem Maße … der Aufgabe zugewendet (hatten), auch die Gegenstände des täglichen Lebens zu veredeln‹«.279 Als entscheidender Untersuchungsgegenstand stellte sich für ihn die gesetzesfremde Begrifflichkeit der »hohen Kunst« dar.280 Die Wirkung der Ästhetik von unten auf Teile der Argumentation der Juristen angesichts des Kunstschutzgesetzes von 1907 findet gleichwohl nur mittelbar Erwähnung.281 Dabei identifizierte von Pilgrim ebenso begriffliche Aspekte, aus denen er die Entstehung des Begriffs »hohe Kunst« als Synonym für bildende Kunst 272 Der Rechtsbegriff schien zwischen juristisch-normativen und deskriptiv-normativen Merkmalen gefangen, vgl. hier und im Folgenden: von Pilgrim 1971, S. 46. 273 Ibid., S. 47. 274 Ibid., S. 54. 275 Id, S. 62. Dieses Feld stellte sich dem Juristen wie folgt dar: »Nach dem Zweiten Weltkrieg sind aber immer neue Darstellungsformen hinzugekommen, die die Charakteristik einer einheitlichen bildenden Kunst im herkömmlichen Sinne unmöglich machen.«, vgl. id., S. 93. 276 Grave 2014, S. 16. 277 Unter dem Titel Critique, science et histoire de l’art: question de terminologie wurde das hier vernachlässigte Problem in der Zeitschrift für schweizerische Kunstgeschichte und Archäologie angesprochen: »Et c’est bien parece que l’un et l’autre, l’œuvre et le spectateur, sont des entités historiques que ni la critique d’art ni la ›science‹ d l’art ne peuvent échapper à l’histoire. […] on n’échappera pas à la conclusion que le sens est le résultat d’une double relativité historique […]«, vgl. Junod 1982, S. 97. 278 von Pilgrim 1971, S. 58. 279 Vgl. von Pilgrim 1971, S. 92. 280 von Pilgrim 1971, S. 62. »Der Begriff ›hohe Kunst‹ hat nie eine lebendige gegenwärtige Kunst bezeichnet. Er betrifft keine künstlerischen Gegebenheiten, sondern er enthüllt eine neurotische Projektion.«, vgl. ibid. 281 Ibid., S. 48.
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Kunstbegriffe zwischen Recht und Praxis
in der urheberrechtlichen Rechtsprechung ableitete.282 Indem er die Annahme einzelner Richter ansprach, der zufolge die »moderne bildende Kunst mit dem Begriff ›hohe Kunst‹ nicht das Mindeste mehr gemein« habe, versuchte der Jurist die zeitgenössische Kunstpraxis mit der Auslegung der Rechtsbegriffe in Beziehung zu setzen.283 In dieser rechtsbegrifflichen Problemlage sollten nach Meinung von Pilgrims Sinn und Zweck der Gesetzesnorm allein ausschlaggebend sein für eine Eingliederung der angewandten Kunst in das System Kunst.284 Findet Berücksichtigung, dass andere Juristen, wie etwa Alois Troller, argumentiert hatten, die Kriterien zur Auslegung des Rechtsbegriffs der Werke der bildenden Künste seien auf die angewandte Kunst übertragen worden, wird das Problem der historischen Begriffsevolution deutlich.285 Schutzgegenstand des Urheberrechtsgesetzes von 1965 waren nach dessen § 1 »Werke der Literatur, Wissenschaft und Kunst«. Diese gesetzgebungssystematische Differenz, auf welche auch Autoren wie von Pilgrim Bezug nahmen, beschrieb Hermann Riedel schon 1960 als eine generelle Tendenz, nach welcher »der moderne Gesetzgeber mit Recht die Generalklausel vor der sog. Enumerationsmethode (Aufzählungsmethode) bevorzugt, die um die Jahrhundertwende beliebt war«.286 Die grundsätzlich größere Anpassungsfähigkeit solcher Generalklauseln auch in Bezug auf das Verständnis von Kunst sah Riedel allerdings durch die Zusammenführung des Kunst- und des Literaturschutzgesetzes kritisch. Grund dafür war, dass in Rechtsprechung und Öffentlichkeit spezifisch mit dem Begriff der Werke der bildenden Künste das Erfordernis eines »ästhetischen Überschusses« verknüpft wurde. Worauf der Jurist hinweisen wollte, war das Fehlen eines einheitlichen Kunstbegriffs, wie ihn die Allgemeine Kunstwissenschaft eingefordert hatte: »Ich erinnere hier an die Entscheidungen, die von dem ›ästhetischen Überschuß‹ sprechen – eine Ausdrucksweise, der wir in der Rechtsprechung zum LUG nicht begegnen. Der Werkbegriff bei Werken der bildenden Künste und des Kunstgewerbes liegt daher höher als bei Werken, die nach dem LUG zu beurteilen sind.«287 In diesem Erfordernis des »ästhetischen Überschusses« sollte darüber hinaus eine der »kunsttheoretischen Einsichten« liegen, die sich im juristischen Umfeld jedenfalls für kurze Zeit nach Inkrafttreten des Kunstschutzgesetzes von 1907 durchgesetzt hatten und auf die subjektive Resonanz abstellten.288 Die Neuformulierung des § 1 Urheberrechtsgesetz musste diese gattungsspezifisch geprägten Argumente zweifelhaft erscheinen lassen.289 Zudem sah sich der urheberrechtliche Diskurs mit der Frage kon282 Kritisch referiert von Pilgrim: »Der Begriff ›hohe Kunst‹ wird nur für die bildende Kunst verwendet. Weder gibt es einen allgemein gültigen Begriff der hohen Dichtkunst oder der hohen Musik, noch wird das Wort ›hoch‹ von der Rechtsprechung in Urheberrechtsprozessen um diese Künste strapaziert. Diese Künste sind nicht ›hoch‹, weil sie nicht so herrschaftsnah sind, wie die bildendem es sein können.«, vgl. ibid., S. 59. 283 Ibid., S. 60. 284 Ibid., S. 71. 285 Troller 1968, S. 488-489. 286 Vgl. Riedel 1960, S. 218. 287 Ibid. 288 Zu diesen Einsichten des heuteigen Urheberrechts vgl. Ortland 2020, S. 237. 289 von Pilgrim 1971, S. 73.
Die Rolle der Rechtswissenschaft in der Geschichte der Kunsttheorie
frontiert, welche Bedeutung die Begriffe Literatur, Wissenschaft und Kunst angesichts eines Prüfungskriteriums überhaupt noch haben konnten, das in § 2 Absatz 2 Urheberrechtsgesetz als »persönliche geistige Schöpfung« eingeführt worden war.290 Diese »urheberrechtlichen Schutzgebiete« waren für die Anwendungspraxis gänzlich unbedeutend geworden.291 Von Pilgrim wollte daher unter der Werkgattung »Kunst« im Sinne des Urheberrechtsgesetzes keine »Gegenstandsvielheit, sondern eine Tätigkeitsvielheit« verstehen.292
Nach der dadaistischen Schwelle: »vom Erzeugnis [zurück] zum Kunstwerk«293 Waren die »Grenzen zwischen künstlerischer und außerkünstlerischer Wirklichkeit« unsicher geworden, bedienten sich Rechtslehre und Rechtspraxis einer besonderen »kulturellen Wertung«.294 Diese wurde als »kleine Münze« umschrieben.295 Damit wurde eine Einhegung jenes Rechtsbegriffs begründbar, der das Potenzial entfaltet hatte, den Begriff Werke der bildenden Künste außerhalb des allgemeinen Alltagsverständnisses juristisch-normativ zu begründen.296 Urheberrechtliche Schutzfähigkeit sollte bei Werken der bildenden Kunst hier zusätzlich einen gewissen kulturellen Wert voraussetzen.297 Obgleich das neue Urheberrechtsgesetz durch die systematische »Gleichschaltung aller Werkarten« einheitliche Schutzmaßstäbe vorgab, etablierte sich in der Rechtsprechung das Kriterium der kleinen Münze bei Werken der angewandten Kunst als sogenanntes tatbestandsmodifizierendes Merkmal. Dieses Denken an der hohen Kunst wirkte sich ungeachtet seiner berechtigten dogmatischen Funktion unmittelbar in der Bezugnahme auf die zeitgenössische Kunstpraxis aus. So schien die »gegenwärtige schöpferische Praxis« nach Meinung des juristischen Kunstbetrachters von Pilgrim von einer exzentrischen Behandlung der Materialien aus verschiedenen kulturellen Bereichen gekennzeichnet zu sein: Durch den Verlust der spezifischen Materialität waren die Tätigkeitsbereiche Kunst, Literatur und Musik nicht mehr eindeutig zu differenzieren.298 Kein Ausdrucksmittel schien der Kunst oder einer der Künste mehr exklusiv zur Verfügung zu stehen.299 290 Ibid., S. 78. Erinnert sei an die Relevanz des Begriffs der bildenden Kunst in der Abhandlung von James Breit. Dazu bereits im 2. Teil, V.2. 291 »Die Gebiete sind deshalb keine echten urheberrechtlichen Voraussetzungen wie die Merkmale ›Werk‹, ›persönlich‹, ›geistig‹ und ›schöpferisch‹ (§ 2 II UrhG). Sie werden angesichts der schöpferischen Praxis der Gegenwart bald bedeutungslos sein, da der Mensch sich nicht mehr an die bis vor einiger Zeit noch voneinander abgezirkelten schöpferischen Gebiete hält.«, vgl. von Pilgrim 1971, S. 78. Benvenuto Samson sprach vor diesem Hintergrund von einer Auflösung des »allgemeinen Kunstbegriffs«, vgl. Samson 1970, S. 118. 292 von Pilgrim 1971, S. 79. 293 Vgl. Samson 1970, S. 137. 294 Zum Aspekt der ästhetischen Implikation der juristischen Begriffsbildung vgl. Ortland 2020, S. 234. 295 Der Begriff der Schöpfungshöhe wirkt in die gleiche Richtung; zum Begriff der »kleinen Münze« vgl. Ohly 2018, S. 154-155. 296 Vgl. Ortland 2004, S. 775-776. Werke der bildenden Künste als Wortlaut des KUG im Gegensatz zu Werken der bildenden Kunst im Sinne des jüngeren UrhG; s.o. 297 von Pilgrim 1971, S. 81. 298 Ibid., S. 82. 299 Kleinschmidt 2011, S. 184.
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Kunstbegriffe zwischen Recht und Praxis
3.
Werkbegriffsdiskurs im Kontext der Nachkriegskunst: über alte und neue Feldzüge
Im ästhetischen oder juristischen Sinne normativ gewordene Begriffe können sich stets dann nicht an gegenwärtige Entwicklungen anpassen, wenn sich deren Verständnis nicht veränderten gesellschaftlichen Kontexten anpasst.300 Die konservierend-stabilisierende Wirkung des Rechts steht dabei in einem tautologischen Verhältnis zu den Anforderungen einer Gegenwart, die sich in kulturrechtlichen Zusammenhängen als besonders drängend erweisen kann. Zu genau dieser Schlussfolgerung kam der Rechtswissenschaftler Karsten Schmidt 1976 in seinen Ausführungen über Werkbegriff und Gegenwartskunst, die er anlässlich seiner Antrittsvorlesung in Bonn präsentierte.301 Ausgangspunkt seiner Betrachtung war dabei die gesetzliche Werkdefinition des § 2 Absatz 2 Urheberrechtsgesetz. Mit dieser Legaldefinition schien der Gesetzgeber auf den juristisch-normativen Geltungsanspruch der Deutungsbereiche Kunst, Wissenschaft und Literatur verzichtet zu haben. Als Legaldefinition war dieser Werkbegriff zugleich als »Fels in der Brandung« konsenswürdig, konnten seine Begriffselemente doch scheinbar aus Jahrzenten höchstrichterlicher Rechtsprechung gewonnen werden.302 Dabei können Warnungen gegen eine solche Fixierung des Werkgedankens innerhalb der Reformdiskussion der 1960er Jahre nachvollzogen werden. Der Wille des Gesetzgebers, wenn nicht einen spezifischen Kunstbegriff, so doch einen spezifischen Bereich künstlerischer Tätigkeit festhalten zu können, sollte sich durchsetzen. Hier drängt sich die Vermutung auf, dass dies auch den Praxiserfahrungen der beteiligten Juristen in den 1920er Jahren geschuldet gewesen sein könnte; eine Ästhetik von unten schien erweiternden Tendenzen gegen den allgemeinen Sprachgebrauch Vorschub geleistet zu haben.303 Bereits zu Beginn der 1960er Jahre schien auf »allen Gebieten der Kunst eine Entwicklung eingesetzt zu haben, die den so unverrückbar erscheinenden Werkbegriff fragwürdig« erscheinen ließ.304 Diese Entwicklungen außerhalb des »Typischen und Gewollten« waren wesentliches Element der Argumente Schmidts. Aufmerksamkeit lenkte Schmidt so auch auf die Tatsache, dass sich vieles, was die Kunstkritik in diesen Jahren als das Neue in der Gegenwartskunst bezeichnete, bei differenzierter Betrachtung als eine Wiederaufnahme früherer Entwicklungen erweisen musste.305 Bereits in der Zwischenkriegszeit als Randprobleme aufgetaucht, war dieses nach dem Krieg nun endgültig zu einer »Kraftprobe des urheberrechtlichen Werkbegriffs« geworden. Genau in diesem Zusammenhang führte Schmidt auch die Notwendigkeit einer stetigen Überprüfung der juristischen Begrifflichkeiten ins Feld. Für ihn ergab 300 301 302 303
Mit Blick auf das Problem normativer Ästhetik vgl. bereits Barck/Fontius/Thierse 1990, S. 17. Schmidt 1976, S. 50. Dazu schon ibid., S. 3. In Vergessenheit geraten war, dass an den Anfängen der deutschen Kunstschutzgesetzgebung der Rechtsbegriff des Werkes der bildenden Künste in Abgrenzung zu einem allgemeinen Begriff des Kunstwerks eingeführt worden war (dazu s.o.). 304 Vgl. im Folgenden: Schmidt 1976, S. 3-4. 305 »Die Kunstentwicklung der Sechziger Jahre hat uns in lawinenartiger Form Erscheinungen beschert, die, teils in der Idee, teils aber auch in der Ausführung bereits in den Feldzügen von DADA und Surrealismus vorbereitet waren«, vgl. ibid., S. 4.
Die Rolle der Rechtswissenschaft in der Geschichte der Kunsttheorie
sich deren Erkenntniswert nur aus Extremfällen wie der Kunst der Neo-Avantgarde. Um seine These der »heilsamen Wirkung« der Gegenwartskunst für das Urheberrecht einzuleiten, griff Schmidt die Schrift Expansion der Kunst von Jürgen Claus aus dem Jahr 1970 auf.306 Der durch diese Wirkung vermittelte Bruch mit den »hergebrachten Vorstellungen« schien auf dem Gebiet der bildenden Kunst am deutlichsten nachvollziehbar.307 Angesichts eines Rudolf Schwarzkogler, der »Selbstverstümmelung und Selbstmord als bildende Kunst« betrieb, einer »Apparativen Kunst, die chemische Prozesse oder Computer […] für die Herstellung von Grafiken einsetzt« oder eines Joseph Beuys, der »die Badewanne mit Pflastern beklebt«, sollten sich die Ausführungen Karsten Schmidts nicht denjenigen Forderungen im Schrifttum anschließen, die als kunstbegriffliche Antwort gegenüber neuen Ausdrucksformen »das Merkmal des Ästhetischen aus dem Kunstwerkbegriff« eliminieren wollten.308 Für den Autor ging es vielmehr darum, die »Aufgaben und Rätsel« des Werkbegriffs zu hinterfragen, um zu einer systemgerechten Anwendung zu gelangen.
4.
Die urheberrechtlichen Streitfragen der 1960er Jahre im Kontext der Nachkriegskunst
Neubegründung der urheberrechtlichen Theorie aus der Kunstphilosophie Alois Troller propagierte in seiner Abhandlung Urheberrecht und Ontologie eine für die urheberrechtliche Theoriediskussion verhängnisvolle Rückkehr zu einer Genieästhetik, wie sie vor 1930 von der Anwendungspraxis des Kunstschutzgesetzes nicht zuletzt an der Grenzziehung zwischen Geschmacksmuster und kunstschutzfähigem Erzeugnis in Frage gestellt worden war. Nicht mehr die ästhetische Wirkung auf den Betrachter, sondern dass »ästhetische Geisteswerk« wurde zum Ausgangspunkt dieser Begriffsbildung.309 Der ästhetische Gehalt sollte nach Troller »objektiv ontologisch« arbeiten und »subjektiv psychologische« Annahmen verdrängen. Mithin wandte sich der Jurist gegen die Ästhetik von unten, wie sie Gustav Theodor Fechner begründet hatte, und forderte eine Rückkehr zu einer metaphysischen Ästhetik mit normativem Anspruch.310 Das Werk als Gegenstand des Urheberrechts definiert er als »geschaffene, geistige, sinnlich mitteilbare Vorstellung eines Erlebnisses oder einer Erkenntnis, wobei diese Vorstellung unmittelbar sinnlich erfaßt wird und unseren Schönheitssinn angeht«.311 Damit entwickelte Troller das Werk der Kunst als »metarechtlich existierende geistige Sache«.312
306 »›Expansion der Kunst‹ heißt eine programmatische Schrift des Malers und Theoretikers Jürgen Claus. Schlagwortartig bedeutet diese Expansion: Aufhebung der Grenzen zwischen den Kunstdisziplinen; Erweiterung der künstlerischen Mittel; aber auch: Erweiterung der Kunst auf den Bereich des Alltäglichen; vom Kunst-Schaffen gelangt man zum Kunst-Leben.«, vgl. ibid. 307 Timm Ulrichs diente auch dem juristischen Kunstbetrachter als prominentes Beispiel s.o. 308 Vgl. Schmidt 1976, S. 6-7. 309 Troller 1967, S. 386. 310 Vgl. 1. Teil, IV. 311 Vgl. Troller 1967, S. 387. 312 Ibid.
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Kunstbegriffe zwischen Recht und Praxis
Kunst als Sein oder Sollen – Max Dessoirs’ alte Kleider Bereits einige Jahr zuvor hatte sich Eugen Ulmer, Autor einiger einflussreicher Lehrbücher zum Urheberrecht, gegen Trollers Vorstellung von der Rechtsordnung nicht als Sollens-, sondern Seinsordnung gewandt. »Der Lehre Trollers steht das methodische Bedenken entgegen«, so der Urheberrechtler, »daß sie anstelle einer von normativen Erwägungen geleiteten Begriffsbildung einen vorgefaßten, aus anderen Wissensgebieten übernommenen Begriff der ästhetischen Werke zugrunde legt.«313 Ulmers Rekurs auf die alte Forderung einer autonomen Begriffsbildung war mithin eine Antwort auf das Babylon der Kunstbegriffe, zu dem der juristische Kunstdiskurs geworden war.314 Was Trollers Theorie einforderte, war eine Entscheidung darüber, »ob der Werkbegriff mit Hilfe der Philosophie zu erarbeiten, oder ob er mit der Rechtswissenschaft autonom zu bestimmen« sei. Die Negation der Werkeigenschaft bzw. der »individuellen Eigenart« sollte nach Troller auf einer philosophischen Entscheidung des Juristen beruhen.315 Stockhammer hatte dieses Problem in den 1930er Jahren mit einem Verweis auf die Notwendigkeit eines Kunstpositivismus beantwortet.316 Die ästhetischen Fragen im Urheberrecht, so vehement ihre Relevanz heute bestritten wird, waren in den Jahren nach 1945 in den Begriff der Schöpfung in § 2 Absatz 2 Urheberrechtsgesetz verlagert worden. In seiner Dissertationsschrift hatte Peter Girth bereits 1974 diese Schlussfolgerung vorbereitet: Durch die Auswertung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes in den Jahren vor der Vorlage erster Gesetzesentwürfe für das neue Urheberrechtsgesetz musste ersichtlich werden, dass erst 1958 der Begriff des »Schöpferischen« mit Bezug auf den Urheber in der höchstrichterlichen Rechtsprechung in Deutschland Verwendung fand.317 Die Gerichtspraxis nach 1907 war von einem Werkbegriff geprägt, der die individuelle geistige Tätigkeit im Sinne einer Wirkung auf den Betrachter als Tatbestandsmerkmal heranzog.318 Die Bestimmung des urheberrechtlichen Werkbegriffs als »objektivierter Geist« erweist sich einerseits als Begriffskonstruktion der Nachkriegszeit und andererseits als Bekräftigung des Begriffs einer Urheberindividualität.319 Damit
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Vgl. Ulmer 1960, S. 108-109. »Ulmer bildet somit den Begriff nicht aus dem Wesen der Sache, sondern im Hinblick auf den angestrebten Zweck. Für ihn besteht kein metarechtliches Objekt, das es zu erkennen gilt, und von dem dann der Gesetzgeber zu sagen hat, ob er an ihm den Urheberrechtsschutz gewährt oder verweigert. Die geistige Leistung, die nur abstrakt umschrieben und nicht in ihrem realen Sein vorgestellt wird, ist für Ulmer der Ausgangspunkt.«, vgl. Troller 1967, S. 388. Wie gesehen, konnte besagter Zweck auch ein Plakat im juristischen Argument zum Werk der bildenden Künste machen. »Jedenfalls ist damit dargetan, daß der Rechtswissenschaftler den Werkbegriff in seinem wichtigsten Element, bei der Bestimmung des Geisteswerkes, nicht losgelöst von einer philosophischen grundsätzlichen Entscheidung bilden und als richtig anerkennen kann.«, vgl. Troller 1967, S. 389. Dazu schon im 1. Teil, II. Girth 1974, S. 251. Bei Peter Girth findet sich eine Erkenntnis, die auch in aktueller Kommentarliteratur vernachlässigt wird: »Daß der Begriff ›persönliche geistige Schöpfung‹ das Werkverständnis der Rechtsprechung kodifiziert hätte, kann angesichts der semantischen Differenzen der Definitionen also nicht behauptet werden.«, vgl. ibid. Nicolai Hartmanns Ästhetik wurde von Juristen auch als »Prolegomena des Urhebrrechts« bezeichnet, vgl. Hubmann 1954, S. 11.
Die Rolle der Rechtswissenschaft in der Geschichte der Kunsttheorie
steht Ulmers Kritik im Kontext einer Debatte um die künstlerische Praxis der Nachkriegszeit, die oftmals mit der Schutzfähigkeit von Anti-Kunst in Zusammenhang gebracht wurde.320 Diese Debatte im urheberrechtlichen Diskurs der Nachkriegszeit steht im Kontext einer »Konfusion der diversen Ästhetik-Begriffe«, die angesichts der Vielzahl von möglichen Methoden und Fragestellungen, schlüssige Begründungen zu verhindern schien.321 Viel mehr als dieses Bild zu reproduzieren, verstetigte das Recht solche Fragestellungen und Methoden, die den jeweiligen Argumentationszielen am nächsten schienen.322 Dabei stand das literarische Werk in dieser Entwicklung im Mittelpunkt, so dass Besonderheiten des urheberrechtlichen Schutzes bildender Kunst, insbesondere kunsttheoretische Implikationen, selten Berücksichtigung fanden. Auch war das Konzept des geistigen Eigentums nicht durch Gerichte oder Gesetzgeber vorgegeben, sondern hatte sich erst in der rechtswissenschaftlichen Debatte entwickelt.323 Noch in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts war der naturrechtlich begründete Begriff des geistigen Eigentums umstritten, galt er manch einem als »entarteter Eigentumsbegriff«.324 Erst Josef Kohler entwickelte für das Erfinder- und Autorenrecht den Begriff der Immaterialgüterrechte.325 Im Spannungsfeld dieser wissenschaftlichen Auseinandersetzung ging es um den Einwand der am römischen Recht orientierten Schule der Pandektistik, dass der Begriff des geistigen Eigentums den Unterschied zwischen körperlichen und unkörperlichen Gegenständen zu verdecken schien.326 320 In dem Urheberrechtskommentar Fromm/Nordemann etwa wurde konstatiert: »Nicht-Kunst besitzt keine individuelle Eigenart«, vgl. Rau 1978, S. 21. Folglich wäre ein zeitgenössischer Kunstdiskurs ausgeschlossen. Die hier nicht vertieft heranzuziehende Rechtsprechung des zuständigen BGHSenats für Strafsachen, die zudem weniger umfangreich ist, scheint eine progressivere Entwicklung erfahren zu haben. Während im Urheberrecht die Schöpfung als neue Grenzlinie zwischen Kunst und Nicht-Kunst anerkannt wurde, distanzierte sich der BGH schon in einem Urteil vom 23.6.1961 von den »Fesseln der bisher geübten Rechtsprechung«. Der BGH formulierte, »daß bei der strafrechtlichen Beurteilung eines Kunstwerkes das Wesen der zeitgenössischen Kunst mitberücksichtigt« werden müsse. Eine »natürliches ästhetisches Gefühl« wie es das Reichsgericht (RGSt. 24, S. 365) argumentierte, wurde damit abgelehnt, vgl. Ott 1963, S. 617, 619. Der Jurist Gerhard Rau griff auch auf den Kunstbegriff der documenta 5 zurück, um etwas Wesentliches zu unterstreichen: »Gemessen am jeweils konventionellen Kunstbegriff, muß jede jeweils neue künstlerische Manifestation zwangsläufig zumindest in Anteilen als Nicht-Kunst erscheinen.«, vgl. Rau 1978, S. 25. 321 Vgl. Ortland 2020, S. 231. 322 Die Hinwendung zum Urheber und weg vom Verleger erfolgte so auch erst im 18. Jahrhundert auf der Grundlage einer Lehre vom geistigen Eigentum, vgl. Hansen 2009, S. 20. 323 Pahlow 2012, S. 123. 324 Vgl. von Gerber 1872, S. 262. Josef Kohler vertrat den Standpunkt, diese Lehrmeinung würde »den Eigenthumsbegriff so sehr ausdehnen und verflüchtigen […], daß er wenig mehr geeignet wäre, die juristische Erkenntnis zu fördern und ihr Halt und Stütze zu geben.«, vgl. Kohler 1894, S. 161. Das Urheberrecht verweist damit auch immer auf Fragestellungen einer »historisch-vergleichende Eigentumswissenschaft«, vgl. Siegrist/Sugarman 1999. 325 Pahlow 2012, S. 128. 326 Schließlich setzte sich in der Auseinandersetzung mit dem Werkbegriff des § 2 Abs. 2 UrhG ein Problem fort, das Rudolf von Jhering 1885 mit folgenden Worten beschrieben hatte: »Es enthält wahrlich keine zu große Anforderung an das juristische Denken, den Begriff des Rechts von den körperlichen Gegenständen auf die unkörperlichen […] zu übertragen. Wessen Vorstellung das nicht fertig bringt, sollte aufhören Jurist zu sein«, vgl. von Jhering 1885, S. 311. Zuvor war bereits die Lehre vom Urheberrecht
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Kunstbegriffe zwischen Recht und Praxis
Werkoriginalität und die Rolle des Betrachters Vor dem Hintergrund der rechtswissenschaftlichen Zusammenhänge erweist sich Alois Trollers Ontologie als eine Reaktion auf die »vielseitigen Bemühungen um einen Kunstbegriff, der einerseits auch das ernstliche Ringen und neue Formen erfaßt, andererseits aber bloße Erzeugnisse oder Nachbildungen der Natur, hohle Machwerke und blanken Kitsch« nach 1960 unterscheiden sollte.327 Bis in die 1970er Jahre hatte der Bundesgerichtshof noch keinen Anlass gehabt »zu dieser Auseinandersetzung in urheberrechtlicher Sicht Stellung zu nehmen«.328 Vielmehr schien eine historisch bedingte Begriffsbestimmung die »Rechts- und Kulturgeschichte« in Atem zu halten.329 Dabei war das Urheberrecht bereits mit Blick auf die informellen Strömungen der Nachkriegskunst mit einer »unlösbaren Konfliktsituation« konfrontiert, schien schon angesichts solcher künstlerischen Praxis zu einem »allgemeinen Kunstbegriff« kein »Hauptschlüssel« gefunden werden zu können.330 War der moderne Bildhauer »ein Mann, der sich einen unbehauenen Klotz aus Stein oder Holz heranholt und ihn monatelang bearbeitet, bis er aussieht wie ein unbehauener Klotz aus Stein oder Holz«, musste eine Pluralität der Kunstbegriffe eingestanden werden, die sich in den »einzelnen Spannungsbereichen« zu erkennen gaben, in der »die Kunst jeweils zur Umwelt in Verbindung« trat. Einzig die Selbstreferenzialität der eigenen Kommunikation über Kunst schien konsensfähig.331 Damit wurde der Werkbegriff als Entscheidung für eine »Ästhetik des Urheberrechts« im neuen Urheberrechtsgesetz von 1965 zum Rettungsanker einer Disziplin erkoren, die ihren Regelungskontext erst wiederzufinden hatte.332 Aufgelöst schien ein Missverständnis, das sich seit dem Beginn des 18. Jahrhunderts um den Begriff des Ästhetischen rankte. Gemeint ist das Missverständnis darüber, dass die Idee einer ästhetischen Erfahrung, die am Begriff des Schönen bezugslos neben praktischen Erfahrungen der Realität steht, und die Auffassung, dass diese ästhetische Erfahrung eine Wirkung oder Relevanz für das reale Leben bedeuten kann, einander ausschließen sollten.333 Für die Kunst nach 1960 inhaltlich neu zu bestimmen waren die Merkmale der »Anregung des ästhetischen Gefühls« und des »ästhetischen Überschusses«.334 Schien doch die Nachkriegskunst fast ausschließlich »Gebilde […] außerhalb des Kunstbegriffs« hervorge-
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als Persönlichkeitsrecht entwickelt worden, der einen »folgenschweren Sonderweg der deutschen Urheberrechtslehre« darstellen sollte; angesprochen ist dies mit einer Unterscheidung von Urheberund Werkindividualität. Mit ausführlichen Hinweisen vgl. Hansen 2009, S. 23. Vgl. Jöstlein 1970, S. 111. Ibid., S. 111. »Er hat vielmehr weiterhin eine überkommene Begriffsbestimmung des Kunstwerkes angewendet, die als Elemente ihrerseits wiederum gerade die unbestimmten Begriffe ›Kunst‹ und ›künstlerisch‹ enthält. Der Kampf der Justitia mit den Musen bleibt damit weiter ein spannendes Kapitel unserer Rechts- und Kulturgeschichte.«, vgl. ibid. Vgl. ibid. »Sehen wir auch von historischen, soziologischen, psychologischen, psychotherapeutischen und ähnlichen Betrachtungswinkeln ab, so bleibt vor allem die Stellung der Kunst im Recht, vornehmlich in unserem eigenen Lande.«, vgl. ibid., S. 112. Ortland 2020, S. 234. Zu diesem mit Kunst und Leben verbundenen Widerspruch vgl. Kern/Sonderegger 2002, S. 8-9. S.o.
Die Rolle der Rechtswissenschaft in der Geschichte der Kunsttheorie
bracht zu haben.335 So hatten manche Stimmen, wie gesehen, dem Konzeptkünstler nur ein sogenanntes Leistungsschutzrecht zugestehen wollen. Andere etwa entwickelten mit dem Begriff der »Artification« einen neuen juristischen Ordnungsbegriff.336
5.
Die künstlerische Praxis nach 1960 und die Wiederentdeckung einer theoretischen Herausforderung
Was zwischen den Weltkriegen lediglich eine kleine Öffentlichkeit beschäftigte, war in der Nachkriegszeit zu einer »Kraftprobe des urheberrechtlichen Werkbegriffs« geworden.337 Karsten Schmidts Beitrag Urheberrechtlicher Werkbegriff und Gegenwartskunst von 1976 sticht mit seiner auf die zeitgenössische Kunstpraxis bezogenen Argumentation aus einer Vielzahl anderer Ausführungen heraus. Schmidt ging von der Annahme aus, dass die Entwicklungen der 1960er Jahre in den Praktiken des Dada bereits vorbereitet worden waren. Die Reaktion des Urheberrechts auf die Expansion der Kunst in den Nachkriegsjahrzehnten deutet also vielmehr darauf hin, dass es um einen Streit um die »am Typischen gebildeten juristischen Begrifflichkeiten« ging, die durch die Gegenwartskunst einer in der Zwischenkriegszeit ausgebliebenen Überprüfung unterzogen werden konnten.338 Indem Karsten Schmidt die Expansion der Kunst, eine von Jürgen Claus 1970 veröffentlichte Schrift, in die Urheberrechtsdiskussion einführte, machte er offensichtlich, wie notwendig die Reflexion über die Grundbegriffe geworden war. Für die urheberrechtliche Praxis sollte dies bedeuten, dass jeder Legaldefinition zum Trotz das grundlegende Verständnis des Werkbegriffs historischem Wandel unterworfen ist.339 Vor diesem Hintergrund erklärt sich auch, dass Schmidt den von ihm geschilderten »Sachverhalt« als »Bruch mit hergebrachten Vorstellungen« auf dem Gebiet der bildenden Kunst am deutlichsten wiederzuerkennen meinte.340 Was in der urheberrechtlichen Literatur nach 1945 meist als Negation jeder Schöpfung bezeichnet wurde, die Auswahl und das Experiment etwa, war als Inhalt bereits in der Zwischenkriegszeit als Schutzbedingung eines Werkes der bildenden Künste anerkannt worden.341 Besser nachzuvollziehen ist damit, was etwa Schmidt mit folgenden Worten zum Ausdruck bringt: »Im Guten wie im Bösen gelangt die urheberrechtliche Prüfung von »Antikunst« biswei-
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Vgl. Schramm 1968, S. 76, der »Gebilde« in Abgrenzung zu »Werken« gebrauchen wollte. Ibid. Vgl. Schmidt 1976, S. 4. Vgl. ibid. Die Hoffnung Schmidts auf eine »heilsame Wirkung [der Gegenwartskunst] für unser Urheberrecht« belegt zugleich die einhegende Anwendungspraxis im Urheberrecht dieser Jahre gegenüber derjenigen der Jahre nach 1907. 339 Zum »urheberrechtlich geschützten Gegenstand« als Pendant eines historischen Werkbegriffs vgl. aus kunsthistorischer Perspektive: Grau 2001, S. 165-165. 340 »Da erklärt sich Timm Ulrichs selbst zum Kunstwerk. Da betrieben andere – etwa der Wiener Schwarzkogler – Selbstverstümmelung und Selbstmord als bildende Kunst. […] Da wird die Beuys-Badewanne mit Pflastern beklebt, deren widerrechtliche Entfernung das Kunstwerk zum gemeinen Gebrauchsgegenstand herabwürdigt und einen unverhältnismäßigen Schaden anrichtet.«, vgl. Schmidt 1976, S. 6. 341 Vgl. 2. Teil, IV. und V.
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Kunstbegriffe zwischen Recht und Praxis
len an den Rand einer spießerhaften Ernsthaftigkeit.«342 Dabei verweist das eingeflochtene Argument der »Ernsthaftigkeit« besonders deutlich auf den Begriffskanon kunstkritischer Publikationen. So musste die Dematerialisierung des Kunstobjekts auch progressive Stimmen vor eine Herausforderung stellen: »Wer wollte bezweifeln«, stellte Schmidt fest, »daß allenfalls die Abbildungen von Schwarzkoglers Selbsverstümmelung Kunst sind?«.343 Diese Relativierung verweist auf die wesentliche Unterscheidung zwischen Dokumentation im Sinne einer Vervielfältigung und Werk der Kunst. Angesichts des historischen Befundes musste es also sowohl um die Frage gehen, ob der Werkbegriff des Urheberrechtsgesetzes den Entwicklungen folgen konnte, als auch darum, ob er es tun sollte:344 »Ob nun unser Urheberrechtsgesetz Erzeugnissen der Gegenwartskunst den Schutz zubilligt oder versagt – eines jedenfalls können wir von ihm erwarten: Es muß Kriterien liefern, mit denen auch in Problemfällen etwas anzufangen ist. Das künstlerische Schaffen der Sechziger Jahre stellt den gesetzlichen Werkbegriff auf eine harte Probe.«345 Unausgesprochen bleibt, dass die Verwirrung um den Begriff des Ästhetischen ist in der Urheberrechtsdiskussion besonders aufschlussreich sein konnte. Zahlreiche Stimmen plädierten für eine Eliminierung dieses Merkmals.346 Gleichsam war das ästhetische Argument seit dem 19. Jahrhundert in den juristischen Diskurs des Kunstschutzes eingewoben.347 Das Begriffsmerkmal diffundierte ohne tiefergehende Reflexion in die durch das Urheberrechtsgesetz ausgelösten Diskussionen. Gleichsam fehlte es an einer Rekonstruktion der im Urheberrecht verarbeiteten gesellschaftlichen Dichotomisierung am Attribut des Ästhetischen.348 Die dadurch ausgelöste Krise des Werkbegriffs wurde daher auch als Krise der Theorie der Kunst selbst verstanden: »Entscheidungen, die ein Erzeugnis als zu häßlich für den Urheberschutz bezeichnet hätten, scheint es nicht zu geben. Schon um die Jahrhundertwende hat man erkannt, daß es auf eine in diesem Sinne ästhetische Erscheinung nicht ankommt. Nicht hier liegt die Problematik unserer Fälle, sondern darin, daß Grenzen überschritten worden sind: Grenzen nicht nur zwischen den klassischen Werkgattungen, sondern Grenzen auch zwischen Kunst und Erfindung, zwischen Allerweltserzeugnissen und eigentümlichen Schöpfungen, zwischen handgreiflichen Erzeugnissen und purer Aktion, zwischen Geschaffenem und Vorgefundenem, Grenzen aber auch zwischen Schöpfung
342 Vgl. Schmidt 1976, S. 6, Fn. 18. Dabei verweist das eingeflochtene Argument der Ernsthaftigkeit besonders deutlich auf den Begriffskanon kunstkritischer Publikationen; zum Begriff der Ernsthaftigkeit im dadaistischen Kontext vgl. 2. Teil, IV. 343 Vgl. Schmidt 1976, S. 6. 344 »Vermag unser Werkbegriff dieser Entwicklung also folgen, und soll er es tun?«, vgl. ibid., S. 6. 345 Vgl. ibid., S. 7. 346 Gerstenberg 1968, S. 49-50; Ulmer 1968, S. 528. 347 Zum Problem der Vieldeutigkeit des Ästhetikbegriffs vgl. Ortland 2020, S. 238. 348 Sponheuer 1987, S. 5.
Die Rolle der Rechtswissenschaft in der Geschichte der Kunsttheorie
und Darstellung des Werkes. Dies sind die Aufgaben und Rätsel, die uns der Werkbegriff aufgibt.«349 Programmtische Äußerungen der Künstler schienen konservative Kommentatoren unter den Juristen bestärkt zu haben: Was nicht Werk sein wollte, musste auch im Rechtssinne keines sein. Anders als die größere Zahl der Kunstkritiker zu Beginn des 20. Jahrhunderts, die auch in der Auseinandersetzung mit der historischen Avantgarde nicht selten implizite Poetiken vorlegten, sind die Ausführungen der Rechtsöffentlichkeit der 1970er Jahre von theoretischem Anspruch.350 Verwies die Übernahme der Begriffe der Kunstöffentlichkeit auf ähnliche Kunstauffassungen und galt dies auch für die Bezugnahme auf das, was »jedes Schulkind dutzendfach zustandebrächte«, wurde das Ergebnis zugleich als juristisches Abgrenzungsargument normativ aufgeladen.351 Bezug nehmend auf Hoffmans Definition des Werkbegriffs als »urheberrechtlicher Gralshüter« konnte Schmidt die Relevanz der Ästhetik für die Urheberrechtsdiskussion offenlegen.352
6.
Urheberrechtlicher Werkbegriff und das Problem Fluxus – Änderungen am normativen Horizont
Als ein wesentliches Merkmal konzeptueller Musik gilt ihre Nähe zur bildenden Kunst.353 Mithin muss die Verbindung von Musik und bildender Kunst im Wirken der Fluxuskünstler auch als eines ihrer Grundprinzipien gelten.354 Angesichts einer Kunst349 Vgl. Schmidt 1976, S. 7-8. Solch eine »Grenze« war in den 1970er Jahren zu einer entscheidenden Fragestellung geworden. Unter interdisziplinärer Fragestellung vgl. Kleinschmidt/Hewel 2011. 350 Es sollten auch kunstwissenschaftlich haltbare Definitionen vorgelegt oder jedenfalls gefordert werden. Der Fokus auf den Malakt in der informellen Malerei war mit den traditionellen Rezeptionsgewohnheiten nicht vereinbar. Im einflussreichen Kommentar Fromm/Nordemann schrieb Kai Vinck etwa: »Die gedankenlose Spielerei, das blinde Waltenlassen der Natur, die dem Zufall überlassene Schöpfung erzeugen kein schutzwürdiges Werk, mag das Ergebnis solcher menschlichen Betätigung auch noch so neu und noch so absonderlich sein. […] Der Maler, der Farbtuben über den Rücken wahllos gegen die Leinwand wirft und sich nach vollbrachter Tat diejenigen Teile aus der Leinwand herausschneidet, auf denen die Farbkleckse besonders wirkungsvoll zueinander liegen, mag gerade noch als Urheber angesehen werden. Wer dagegen, wie es schon vorgekommen ist, wahllos Farben auf eine am Boden liegende Fläche gießt und sich dann darauf setzt, um durch Drehbewegungen mit dem Hosenboden ein kreisrundes Farbenmischmasch zu erzeugen, bringt trotz der unbestreitbaren Individualität des benutzten ›Werkzeugns‹ kein individuell geprägtes Werk, sondern ein Zufallsprodukt hervor.«, zit.n.: Schmidt 1976, S. 8. 351 In seinem Handbuch für Kinderpsychologie äußerte Ludwig Wilhelm Stern zu Beginn des Jahrhunderts: »Denn zum Ästhetischen gehört, dass die Phantasievorstellung eine adäquate objektive Darstellung finde. Und weil das eben für dieses Zusammenstimmen von innerem Gehalt und äußere Gestalt dem kleinen Kinde noch ganz das Organ fehlt, ist das eigentliche Prinzip der Kunst ihm noch wesensfremd.«, vgl. Stern 1921, S. 189. Zu diesem Argument der Kinderhand mit Bezug auf Dada vgl. 2. Teil, IV. 352 »Ebenso wie der Schweizer Troller in seinem berühmten Immaterialgüterrecht, knüpft Hubmann damit an das philosophische Werk Hartmanns an.«, vgl. Schmidt 1976, S. 10. 353 »Häufiges Merkmal vieler konzeptueller Musik ist ihre Nähe zur bildenden Kunst, die in unterschiedlicher Weise und Deutlichkeit ausgeprägt ist. Protagonisten […] waren in den 1960er Jahren in einem Umfeld von Concept Art, musikalischer Avantgarde, Fluxus und Happening tätig, das Grenzziehungen zwischen einzelenen Bereichen aufgab und durch wechselseitige Inspiration geprägt war.«, vgl. Schick 2016, 347. 354 Hiekel 2016, S. 453.
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Kunstbegriffe zwischen Recht und Praxis
öffentlichkeit, die in den Jahren nach 1945 von einem kunsthistorischen Werkbegriff geprägt war, verspricht die Gegenüberstellung mit der Rechtsöffentlichkeit dieser Jahre Antwort auf die Frage, in welchem Bereich der intermedialen und dematerialisierten Dimension durch welche Operationen Rechnung getragen wurde.355 Es wird sich also zeigen, an welcher Stelle die »Mitgift« eines Denkens am Bild im Sinne eines zum Kunstwerk erhobenen Gemäldes stärker wirkte. Somit muss der Blick auf die historischen Zusammenhänge der Grenzziehungen gerichtet sein.356 Wenige juristische Abhandlungen der 1970er Jahre im Bereich des Urheberrechts erwehrten sich erfolgreich des Verdachts, darüber urteilen zu wollen »was Kunst und was keine Kunst sei«.357 Auffällig ist, dass ein solches eindeutiges Bekenntnis nicht im Bereich des bildkünstlerischen, sondern im Bereich des musikalischen Urheberrechts zu finden ist. Die umfassendere Rezeption der Fluxuspraktiken ist damit auch auf diesen thematischen Bereich der juristischen Literatur begrenzt. Mit Blick auf die juristische Argumentation, die sich an der Nachkriegskunst ausbildeten, erweist sich die 1977 von Uli Schenk veröffentlichte Dissertation Der urheberrechtliche Werkbegriff unter besonderer Berücksichtigung der Probleme der »Neuen Musik« als besonders aufschlussreich. Der theoretischen Auseinandersetzung mit den Gebilden der Neuen Musik war hier eine typologische Klärung des Begriffs der Kunst vorangestellt. Neben Künstlerzitaten wurden populäre Enzyklopädien wie der Große Brockhaus zitiert. Auch John Cage und die ihm zugeschriebene Aussage: »Sie können es als Kunst nehmen oder nicht«, findet sich in Schenks Abhandlung.358 War daraus kein »allgemeiner Kunstbegriff« abzuleiten, musste für das Recht gelten, »was einmal mehr für die Kunstwissenschaft« galt. Musste der Jurist für die Anwendung der Rechtsnormen gleichwohl von »sauberen Begriffen« ausgehen können, blieb trotz der ernüchternden Feststellung nur die Möglichkeit, »möglichst weitgefasste, wertfreie und praktikable Lösungen zu suchen, die auch dem heutigen Kunstschaffen gerecht« werden konnten.359 Den Begriffen der philosophischen Ästhetik Form und Inhalt wurde dabei ein besonderer Stellenwert zugemessen. Entscheidend sollte hier sein, dass diese Begriffe auch in der zeitgenössischen Musikkritik zur Anwendung kamen.360 War die bildkünstlerische Öffentlichkeit von formalästhetischen Begriffen geprägt, eröffnete in der Musikkritik ein idealistischer Begriffshaushalt 355 356
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Zu den verschiedenen Perspektiven der Rezeption von Musik, die mit anderen Künsten in Verbindung steht vgl. ibid., S. 447. Verallgemeinert tritt Fluxus auch in jüngerer Rechtswissenschaftlicher Literatur auf: »Moderne und zeitgenössische künstlerische Werke wie solche der konzeptionellen Kunst, der Fluxus-Bewegung, des Minimalismus oder ready mades provozieren Abgrenzungsfragen der Schutzfähigkeit.«, vgl. König 2015, S. 298. Schenk 1977, S. 15. Vgl. ibid., S. 61. Ibid., S. 64. »Wohl taucht in musikwissenschaftlichen Diskussionen immer wieder der Begriff ›Form‹ auf, er wird aber nie als Gegenstück zu ›Inhalt‹ verstanden oder gebraucht«, vgl. ibid., S. 68. Formalistische Tendenzen sind etwa bei Troller zu finden: »Der Schutz des Inhalts wird nur dort zum urheberrechtlichen Problem, wo er als geformter Stoff zwar durch die äußere Form erkannt wird, sich aber davon lösen lässt. Das trifft dann zu, wenn trotz dem Wechsel in der Form der Materie der gestaltete Stoff zum Teil gleichbleibt. Bei den Werken der bildenden Kunst und der Musik ist das nicht möglich. Man kann nicht die Flächen und Linien oder Noten völlig auswechseln, ohne das Werk zu verlassen.«, vgl. Troller 1968, S. 507.
Die Rolle der Rechtswissenschaft in der Geschichte der Kunsttheorie
die Möglichkeit, die Grenzen der Kunst zu verschieben.361 Diese Rückbesinnung auf die Subjektivität im Umgang mit Kunst führte in der Theorie erneut zu einer Erweiterung der Begrifflichkeit der bildenden Kunst.362 Angesichts der Vielzahl theoretischer Entwürfe und künstlerischer Positionsbekundungen musste sich der Urheberrechtler eigene Theorieentwürfe bilden.363 In der bereits in den ersten Jahren nach Inkrafttreten des Kunstschutzgesetzes einsetzenden Diskussion um das Verhältnis von Werk und Wiedergabe war der offene Werkbegriff, den die Kunstkritik um die neue Musik entwickelte, bereits angelegt.364 Gleichzeitig finden sich auch in Ulmers Urheberrechtstheorie deutliche Hinweise auf einen idealistischen Werkbegriff, der von der ästhetischen Bindung von Form und Inhalt ausging.365 Mithin übertrug der Jurist die für die Musik zum Inhalt erklärte Form auf alle Werke der Kunst. Was folglich nicht fehlte, war die Einsicht in die Relevanz kunsttheoretischer Fragen, vielmehr musste für die Verwirrung der Juristen eine Lösung gefunden werden. Die Ästhetik »bleibe eine Antwort nicht schuldig«, liest man bei Schenk, »vielmehr ist es die Vielfalt der Ansichten und Meinungen, die den Rechtspraktiker schrecken«.366 Die Verwirrung angesichts der Vielzahl von ästhetischen Fragestellungen und Methoden blieb allerdings keineswegs aus: »Eine Unterscheidung von Form und Inhalt ist nur sehr begrenzt und mit vielen Unwägbarkeiten durchzuführen, sie wird auch dem heutigen Werkschaffen nicht mehr gerecht. Früher wurden Material und Form eines Kunstwerkes – Sprache und Syntax, Farbe und Linie, Tonhöhe und Rhythmus – als notwendig aber sekundär betrachtet, als
361 S.o. 362 In der Musikgeschichte gilt es als Entwicklung der 1950er und 1960er Jahre, dass mit dem Ende der traditionellen Tonalität »alles, was klingt, und auch was nicht klingt, Material der Musik« sein konnte, vgl. Handschick 2015, 63. Matthias Handschick verweist ebenso darauf, dass bereits um 1910 das Wesen Neuer Musik darin bestand, »Räume der Reflexion und Selbsterfahrung« zu inszenieren, vgl. ibid., S. 294. 363 Auch Karl Heinz Stockhausens Definition der Musik als »artikulierte Zeit« wurde zur Kenntnis genommen. Theodor W. Adorno wurde gleichsam für die urheberrechtliche Theoriebildung herangezogen: »Will man versuchen, aus der ›Aesthetischen Theorie‹, aus ihrer ›dickichthaften Verschlungenheit‹ (so die Herausgeber) für das Urheberrecht etwas gewinnen, dann höchstens die Bestätigung, dass jedes Sichten des Kunstgeschehens nach Wertkriterien sich mit der Kunst dieser Jahrhunderthälfte nicht vereinbaren lässt.«, vgl. Schenk 1977, S. 60, 67. 364 Der in Berlin als urheberrechtlich spezialisierte Anwalt niedergelassene Wenzel Goldbaum kritisierte schon Jahrzehnte zuvor: »Während das Gesetz sonst die schöpferische Tätigkeit schützt, die an Inhalt oder Form ein neues bringt, werden hier Werkexemplare, Vervielfältigungen als Werk […] bezeichnet.«, vgl. Goldmann 1922, S. 24. 365 Eugen Ulmer formulierte: »Die Unterscheidung [Form und Inhalt] lässt sich aber nur begrenzt durchführen. Durch die Formgebung, die sich bereits in der künstlerischen Form und in der literarischen Planung vorbereitet, wird nicht nur das Gerippe und das Gewand der geistigen Schöpfung bestimmt. Die Formgebung ist vielmehr auch ihrerseits ein geistiger Akt. Darauf beruht die enge und zum Teil untrennbare Beziehung, in der im Werk Form und Inhalt zueinander stehen: der geistige Gehalt, der in der Form als solcher liegt, kann mit der Unterscheidung nicht erfasst werden. Darum erscheinen uns bei der Musik, bei der Lyrik und bei der abstrakten bildenden Kunst Form und Inhalt als untrennbare Einheit.«, vgl. Ulmer 1960, S. 106-107. 366 Vgl. Schenk 1977, S. 58.
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Kunstbegriffe zwischen Recht und Praxis
Hilfsmittel, während Ausdruck und Bedeutung das Primäre, Ziel und Zweck des Kunstwerkes waren. Dieser Dualismus in der ästhetischen und kunstkritischen Diskussion ist verschwunden und einer neuen Aufmerksamkeit für Material und Form des Kunstwerkes gewichen.«367 Hatte sich in den ästhetischen Theorien keinesfalls ein einheitlicher Begriffsgebrauch herausgebildet, lieferte der juristische Diskurs eigene Einsichten.368 Während bei Margot Weissthanner, deren Monografie Urheberrechtliche Probleme Neuer Musik aus 1974 Ausgangspunkt für Schenks Untersuchung war, der formalästhetische Ansatz mit der Bezugnahme auf und die Differenzierung von inhaltsästhetischen Positionen sehr deutlich wird, operierte Ulmer beispielhaft mit einem idealistischen Formbegriff. Die Juristin zeichnete nach, wie inhaltsästhetische Positionen in der Kunstkritik zurückgedrängt worden waren. Ihre Einschätzung leitete die Juristin daraus ab, dass »die meisten Künstler, Kritiker und Kunstästhetiker unserer Zeit […] Inhalt und Aussage eines Werkes nicht mehr als definierbar und erklärbar [betrachten], ohne dass sie zu dem spezifischen Material des Werkes, zu ihrer endgültigen Formung im Werk in Beziehung gesetzt werden«.369
»Die Fälle ›graphischer Partituren‹« als Werke der Kunst – die interdisziplinären Erkundungen eines Juristen370 Es sei an dieser Stelle nochmals daran erinnert, dass der Begriff Fluxus auf das 1962 von George Maciunas in Wiesbaden veranstaltete Festival Fluxus – Internationale Festspiele Neuester Musik zurückgeht.371 Die Definitionsschwierigkeiten des Begriffs der Neuen Musik waren für den urheberrechtlichen Diskurs von nicht unerheblicher Bedeutung: Ursächlich dafür war nach Auffassung eines juristischen Vertreters, dass »der Jurist hier mit Begriffen arbeiten muß, die sich aus musikwissenschaftlicher Sicht herausgebildet« hatten.372 Nicht nur für die musikhistorische Entwicklung in der Nachkriegszeit ist der Hinweis Heinrich Tetzners in seinem Beitrag Das »Werk der Musik« in der Neuen Musik von 1975 interessant, wonach neben der seriellen Musik eine Erscheinungsform der Neuen Musik im Vordringen war, die ihr neues »Klangmaterial« vor der eigentlichen Verwendung selbst zu produzieren wusste.373 In dieser Folgerung tritt das Problem einer diskurshistorischen Verschiebung zu Tage. Die Rezeption Neuer Musik ebenso 367 368 369 370 371 372 373
Vgl. Weissthanner, 1974, S. 38-39. Vesper 2006, S. 112-113. Vgl. Ibid., S. 39. Vgl. Tetzner 1975, S. 650-651. S.o. Tetzner 1975, S. 649. Welche »wesentlichen Arten Neuer Musik« Tetzner hier meint, führt er nicht aus. Gleichwohl legen die Bezüge zu musikwissenschaftlichen Erkenntnissen jedenfalls eine Kenntnis von Praktiken Cages oder Stockhausens im Fluxuskontext nahe: »Gegenüber Serieller Musik ist das musikwissenschaftlich Wesentliche der nun zu besprechenden Erscheinungsformen Neuer Musik das Vordringen in bisher ungenutztes und erst durch die technische Entwicklung erschlossenes akustisches Geschehen. Aus dieser für wesentliche Arten Neuer Musik kennzeichnenden Aneignung neuen ›Klangmaterials‹ für kompositorisches Schaffen folgt die Unmöglichkeit einer Notation in den tradierten Formen. Es eröffnet sich aber für den kompositorischen Prozeß ein ›Durchgriff‹ in die Gestaltung des Klangmaterials.«, vgl. ibid., S. 649-650.
Die Rolle der Rechtswissenschaft in der Geschichte der Kunsttheorie
wie die der Konzeptkunst erforderten eine veränderte Wahrnehmungshaltung.374 Die neuen Rezeptionsgewohnheiten mussten als Reaktion auf die Absicht der Protagonisten gelten, »durch variable Funktionsbeziehungen zwischen Komponist, Spieler und Hörer die Kategorie des musikalischen Kunstwerks in einen allseits offenen ›ästhetischen Prozeß‹ aufzulösen«.375 In Abgrenzung zu konkreter und elektronischer Musik präsentierte der Jurist als dritte Kategorie solcher Neuen Musik die »Zufallsmusik«, die er zusammenfassend als »von der Technik bereitgestellte Fülle neuen Klangmaterials« charakterisierte. Hierin liegt ein Verweis auf die Indetermination der künstlerischen Phänomene, bei denen nur ihre Dokumentationen die variablen Aufführungen abbilden konnten: »[…] die dritte Kategorie Neuer Musik [ist] gekennzeichnet durch mehr oder weniger weitgehende Zulassung des ›Zufalls‹, und zwar sowohl des ›durch Spielregeln gebändigten‹ Zufalls wie auch des ›undirigierten‹ Zufalls. Ich verwende daher für diese Erscheinungsformen Neuer Musik als Oberbegriff das Wort ›Zufallsmusik‹.«376 Grundlage solcher »Zufallsmusik« waren oftmals grafische Notationen oder Spielanweisungen.377 Nicht nur dadurch wurde die Musik zu einem anschaulichen Erlebnis. Neben der räumlichen Position der Klänge war die Art ihrer Entstehung relevant geworden. Im Begriff der bildenden Kunst schien die Antwort auf eine Praxis zu liegen, die für einen normativen Begriffshorizont nur mehr Klang, nicht aber Musik war. Die Rezeption von Neuer Musik und Konzeptkunst näherten sich damit einander an und gingen teilweise ineinander über.378 Diese Folgerung kann nicht überraschen, war es doch John Cage, der den Musikbegriff öffentlichkeitswirksam in Frage gestellt hatte.379 Dabei bot der idealistische Begriffshaushalt Tetzner die notwendige Flexibilität, Werk und Ausführung voneinander zu unterscheiden. Blieb das inhaltsästhetische Moment auf die Notation als »Entwurf« beschränkt, löste die offene Form das Problem der Umsetzung des Werkes im Happening.380 Der »Kompositionsvorgang« wurde dabei klar von der Partitur als Ergebnis und eigentlichem »Materialträger eines geistigen Inhalts« unterschieden. Den Entstehungsprozess dieser Materialträger beschreibt der Urheberrechtler in seinem Beitrag für die renommierte Juristen-Zeitung wiederum unter Bezugnahme auf
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Handschick 2015, S. 70. Vgl. Danuser 2016. Vgl. Tetzner 1975, S. 650. Handschick 2015, S. 122-123. Stockhausen selbst veröffentlichte einen Beitrag mit dem Titel Musik und Grafik, vgl. Stockhausen 1960. 378 Dazu auch: de la Motte-Haber 2003, S. 23-29. 379 Danuser 2016. 380 »Im Gegensatz zu Konkreter und Elektronischer Musik ist hier das Bestreben nach (oft nur sehr vage) lediglich richtungsweisender, über einen Entwurf nicht hinausgehender Übermittlung einer musikalischen Idee kennzeichnend.« Während das Werk der bildenden Kunst in diesem inhaltsgeprägten Entwurf liegt, streift Tetzner den juristisch relevanten Aspekt der Unterscheidung zwischen selbst- und nachschaffender Tätigkeit: »Der bei Konkreter und Elektronischer Musik verdrängte Interpret erlebt also hier seine Renaissance, ja er wird darüber hinaus oft aus der Ebene der ›nachschaffenden‹ Tätigkeit in die Ebene primären musikalischen Schaffens hineingehoben.«, vgl. Tetzner 1975, S. 650. Zum Begriff der »offenen Form« in der Musiktheorie dieser Jahre vgl. Benary 2016.
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John Cage.381 Diesen Zufall, dem auch bei John Cage und »dem viel diskutierten Vorgang« entscheidende Bedeutung für das Verständnis dieser Kunst zukommen musste, sah der Autor als »von der musikalischen Idee her ›eigeplant‹«.382 Ausgehend von John Cage, dem Initiator der Fluxusbewegung, erschloss sich der Jurist ein »urheberrechtlich äußerst interessantes Gebiet«. Dieses besondere Interesse Tetzners für Fluxus lag nicht in der Originalität der künstlerischen Mittel begründet, sondern in der Tatsache, dass der Künstler mehr oder weniger große Strecken der Aktion nur innerhalb bestimmter Grenzen eines »kompositorischen Plans« festlegte.383
Das Problem der offenen Form und das Werk der bildenden Kunst Mit den Ausführungen über die »offene Form«, ein Begriff, den Tetzner aus Konrad Boehmers Zur Theorie der offenen Form in der Neuen Musik (1967) übernahm, griff der Jurist auf den musiktheoretischen Diskurs der 1960er Jahre zurück.384 Auf die fünfeinhalb Spalten des Beitrags, die sich der »globalen Phänomenologie« aus Sicht des Juristen widmen, folgen die urheberrechtlichen Fragstellungen, die sich aus dem geschilderten Realitätskontext ergeben mussten. Wichtig ist, dass Tetzner die Differenzierungen des Musikpublizisten Ulrich Dibelius genau studiert haben muss: Von der Experimentellen Musik, die dem »Spieler« die Anordnung der sich aus der künstlerischen Idee ergebenden »Teilstrukturen« überlassen sollte, waren »Komponisten zu unterscheiden, die eine musikalische Idee durch eine Notation mit neuer Funktion anschaulich werden ließen«.385 Neben die »quasi-notwendige« experimentelle Musik stellt der Jurist eine »graphische« experimentelle Musik. Mangels der »konventionellen Bedeutung« waren es ungegenständliche Gestaltungen einer Idee, die sich in offener Form objektivieren ließen. Das Werk der Musik, das Form und Inhalt durch musikalischen Text wiederzugeben pflegte, wurde zum Werk der bildenden Kunst. Unwiederholbarkeit schien Anspruch und Folge zugleich zu sein.386 Die dokumentierte künstlerische Aktion als Werk der bildenden Kunst konnte so als offene Form aber zugleich Werk der Musik sein.387 Während also durch Fluxus einerseits der ästhetische Prozess, den die Fluxusprotagonisten 381 382 383 384
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»Solche Partituren entstehen etwa dadurch, daß der Komponist durch Werfen von Münzen oder von Würfeln musikalische Parameter festlegt.«, vgl. Tetzner 1975, S. 650. Ibid. Was der Jurist noch »weiße Gebiete nennt«, beschreibt Thomas Dreher später als experimentelle Aktionsformen jenseits der Theaterkonventionen, vgl. Dreher 2001, S. 19. Boehmer war ab 1972 Hochschullehrer an der Musikhochschule Den Haag, nachdem der 1966 seine gleichnamige Dissertation vorgelegt hatte und mit Stockhausen im WDR-Studio für Elektronische Musik mitgewirkt hatte, vgl. Roth 2015, S. 131-133. »Von solcher […] sind nun experimentelle Kompositionen zu unterscheiden, die eine musikalische Idee nur sehr vage zu vermitteln such in Formen, die weitestgehend unverbindlich sind, weil ihnen die konventionelle Bedeutung fehlt. Es sind das besonders die Fälle ›graphischer Partituren‹, die sich voneinander durch ihren unterschiedlichen ›Verbindlichkeitsgrad‹ unterscheiden.«, vgl. Tetzner 1975, S. 650-651. Skrobanek 2018, S. 453. Zur Argumentation des BGH zu einem Happening Wolf Vostells s.u. In der juristischen Argumentation ist nachzuvollziehen, wie nicht nur der Begriff des Werkes der Musik sondern auch der Begriff des Werkes der bildenden Kunst die offene Form aufnimmt, nachdem die Idee in der Partitur als ästhetisches Merkmal bestimmt wurde. Im Begriff der Einmaligkeit ist zudem der des Originals angelegt: »Je nach Spielern unterscheiden sich die Aufführungen solcher Partituren wesentlich und gewollt:
Die Rolle der Rechtswissenschaft in der Geschichte der Kunsttheorie
selbst als Aufhebung des Werkes bezeichneten, mit dem begrifflichen Instrumentarium der idealistischen Ästhetik erfasst werden konnte, war die Notation zum Bild geworden und konnte durch den verdinglichten Werkbegriff beschrieben werden.388 Wie Skizzen, Beschreibungen und Anleitungen traten die Notationen an die Stelle eines auratischen Kunstobjekts und verlangten nach neuen kunsttheoretischen Prämissen.389
Die Erweiterung des Kunstbegriffs durch die Auslegung der Rechtsbegriffe Von den zahlreichen urheberrechtlichen Problemen, die Fluxus in den 1960er und 1970er Jahren aufwarf, stellte Tetzner zwei in den Mittelpunkt seiner Überlegungen. Einerseits musste erwogen werden, ob es sich dabei um »Musik« im Sinne des § 2 Absatz 1 Nummer 1 Urheberrechtsgesetz handelte und andererseits, ob der Tatbestand »Werk« im Sinne des § 2 Absatz 2 Urheberrechtsgesetz erfüllt sein konnte. Ausgangspunkt der Argumentation war das der Kunstgattung traditionell zugewiesene Material, die »Ausdrucksmittel der Musik, ›Töne‹, Klänge mit ihren unterschiedlichen Klangfarben, Dynamik und Rhythmus«.390 Solange dieser »Klangbereich« nicht durch die Erweiterung auf neue akustische Erscheinungen verlassen wurde, stand der rechtlichen Einordnung als Musik scheinbar nichts entgegen. Allerdings mussten nach Auffassung Tetzners »Gestaltungen, die nur mit Geräuschen arbeiten«, aus dem Bereich der Musik ausgeschlossen werden, weil »der Ton«, so der Jurist, »nur im Text« liegen konnte.391 Der Begriff des Kunstwerks sollte auch hier an die Notenschrift als Ausdrucksmittel gebunden sein. Hier klingt noch an, was Arthur Wolfgang Cohn zu Beginn des 20. Jahrhunderts formulierte. In Das musikalische Verständnis hatte Cohn über die kulturpolitischen Implikationen resümiert, die eine juristische Begriffsauslegung mit sich bringen konnte. Das Tonwerk war nur als »Träger eines Kulturwertes« anerkannt, wobei er diesen auf eine ästhetische Kultur seiner Zeit zurückzuführen wusste, welche »die allgemeinen Normen für die bewertende Beurteilung der musikalischen Realität« vorgab und die er als »Kulturwissenschaft« bezeichnete.392 Bei Tetzner äußert sich dies durch einen auf dem Autonomiegedanken fußenden Kunstbegriff. In den Nachkriegsjahrzehnten schien die Funktionslosigkeit wieder zur neuen sozialen Funktion geworden.393 Auch innerhalb dieser antirationalistisch bestimmten Eigenschaft des Ästhetischen sollte der »Bereich der akustischen Erscheinungen« nicht »durch das geschichtlich-kulturell Gewordene« zementiert sein. Dabei ist eine Feststellung wesentlich für das Kunstrecht dieser Zeit: Wie Cohn ging später auch Tetzner auf das Bedürfnis einer jeden Kunstgeschichte als
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oft sind sie ›Einmaligkeiten‹ und nicht mehr ›Interpretationen derselben Idee‹ – an deren Konkretisierung es bewusst fehlt.«, vgl. Tetzner 1975, S. 651. Der künstlerische Werkbegriff (vgl. Bleyl 1992) spielte für die urheberrechtliche Prüfung keine Rolle; auch die Produktion von Event Scores wurde als »Prozess« beschrieben, vgl. Saxer 2018, S. 464. S.o. Vgl. Tetzner 1975, S. 651. Tetzner lieferte hier eine umfassende Zusammenstellung juristischer und kunstwissenschaftlicher Theoriebildung bis 1975. Vgl. ibid., S. 652. Vgl. Cohn 1921, S. 132. »Das Werk der Musik muß, losgelöst von anderen Funktionen, die es etwa noch erfüllt, unsere Aufmerksamkeit unter ästhetischen Gesichtspunkten beanspruchen«, vgl. Tetzner 1975, S. 652.
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Kunstwissenschaft ein, indem er darauf hinwies, dass der Widerspruch zu den sich historisch etablierten Rezeptionsgewohnheiten nicht ausschlaggebend sein konnte.394 Den Meinungsstreit in der urheberrechtlichen Literatur über die Bedeutung der Ordnungsbegriffe Kunst, Wissenschaft und Technik in den einzelnen Werkgattungen des § 2 Absatz 1 Urheberrechtsgesetz nahm Tetzner zur Kenntnis. Der Jurist stellte die Frage, ob, sollten historische Rezeptionsgewohnheiten den Bereich der Musik nicht einengen, ein derart von einem außerrechtlichen Sprachgebrauch losgelöster Musikbegriff mit dem Normzweck vereinbar sein konnte: »Andererseits ist aber – und diesen Gesichtspunkt schiebt Margot Weissthanner vielleicht doch zu sehr in den Hintergrund – auch urheberrechtlich ›Musik‹ etwas historisch Gewordenes und gesellschaftlich Geformtes und aus diesem Mutterboden heraus Werdendes.«395 Eine solche Auslegung konnte sich aber aus gesetzessystematischen Gründen nicht als tragfähig erweisen. »Musik« war keinesfalls mehr ein so eindeutig am Gattungsdenken zu orientierender Ordnungsbegriff wie in jenem 1965 mit dem Kunstschutzgesetz zusammengeführten Literaturschutzgesetz:396 Erst das Urheberrechtsgesetz stellte die »Werke der Musik« und »Werke der bildenden Kunst« als Werke der Kunst unter Schutz, weshalb sich die Diskussion auf den Werkbegriff verlagerte. Entscheidend war nicht die Zuordnung zum Bereich der Musik oder der bildenden Kunst, sondern die Frage, ob die für einen urheberrechtlichen Schutz erforderliche Konkretisierung der künstlerischen Idee vorlag. Die Differenzierung von Bildpartitur und musikalischer Grafik, an formalen Eigenschaften bestimmbar, war hier nicht ausschlaggebend; es genügte – wie bereits angesprochen – für die Fragen der Juristen auch die Objektivierung einer unwiederholbaren Aktion in einer Fotografie. Das Ausdrucksmittel, die Gattungsfrage, die von Fluxus aufgehoben wurde, war für den urheberrechtlichen Diskurs nicht ent-
394 Welche anderen Faktoren neben den historisch gefestigten Rezeptionsgewohnheiten der Autor meinte, bleibt offen. Allerdings ist im Umkehrschluss ganz klar eine Opposition zu konservativen Stimmen wie denen Gerstenbergs erkennbar, der genau diesen historischen Kunstbegriff festhalten wollte: »Der Widerspruch zu unseren in der europäischen Kunstmusik herausgebildeten Hörgewohnheiten, der ›Verlust des Primates des Melodischen‹, das Preisgeben der Interpretationsmöglichkeit, die Pierre Boulez einen ›Teil des musikalischen Wunders‹ nennt, durch die authentische Interpretation des partiturlosen, objektiven Werkes in der Tonbandaufnahme (Konkrete Musik usw.) – alles das und vieles andere verdrängt klangliche Gestaltung nicht aus dem Bereiche der dem Urheberrechtsschutz zugängigen ›Musik‹.«, vgl. ibid. Hinzuweisen ist auf die Parallele zu den Erkenntnissen des 1. Teils; die Sehgewohnheiten am Landschaftsbild standen paradigmatisch. 395 Vgl. Tetzner 1975, S. 652. Margot Weisthanners Urheberrechtliche Probleme Neuer Musik aus 1974 war die erste juristische Arbeit, die sich mit diesem Themenfeld auseinandersetzte. »Musik auf der Flucht vor sich selbst« im Sinne Ulrich Dibelius sollte dann nicht »Musik« im Sinne des Urhebergesetzes sein, wenn wie im Falle der »Trance-Musik«, jede Gestaltung grundsätzlich negiert worden sei, also keinerlei künstlerische Idee identifiziert werden konnte. 396 Das Gesetz, betreffend das Urheberrecht an Schriftwerken, Abbildungen und musikalischen Kompositionen wurde am 19. Juni 1901 durch das Gesetz, betreffend das Urheberrecht an Werken der Literatur und Tonkunst (LUG) ersetzt, vgl. Reinhold 2018, S. 13.
Die Rolle der Rechtswissenschaft in der Geschichte der Kunsttheorie
scheidend.397 Die Frage der Konkretisierung war durch die weitgehende Beteiligung der Ausführenden an der schöpferischen Gestaltung bei der Realisation solcher Musik mit ihrer »betont offenen Form« oft schwierig zu entscheiden.398 Das Werk der Musik sollte »statischer Natur« sein. Mithin sollte das musikalische Werk notwendig auf einem als zulässig anerkannten Zeichensystem basieren.399 Für die bildende Kunst war dieser Paradigmenwechsel bereits mit der Abkehr von der naturalistischen Malerei erprobt worden. Als Ergebnis dessen, was zunächst nur in der geistigen Vorstellung des Künstlers vorhanden war, musste das Werk sinnlich wahrnehmbar geworden sein. Dies konnte auch aus der Dokumentation der Aufführung folgen. Die Assoziation des Werkes der Kunst als von statischer Natur bezieht sich hier auf die für den Rechtsschutz erforderliche Konkretisierung des Werkes. Als Werk der Musik musste eine Fluxusaktion laut Tetzner »durch sein Eintreten in die Welt der sinnlichen Wahrnehmbarkeit, die auch in flüchtiger akustischer Mitteilung bestehen kann […] das Senfkorn werden können, das, wenn der Schöpfer es aus seiner Privatsphäre entläßt, ausstrahlend die Welt des Geistigen befruchtet«.400 In diesen Ausführungen wird Kunst in einem emphatischen urheberzentrierten Sinne hergeleitet.401 Innerhalb des Rahmens einer »traditionellen Notation« sollte die urheberrechtliche Schutzfähigkeit als »Werk der Musik« möglich sein. Dieses Zeichensystem sollte »geeignet sein, die Idee zum ›Werk‹ zu konkretisieren«.402 Die »Partitur in Gestalt sog. ›graphischer Notation‹ etwa sei eine nur wenig konkretisierte Idee«.403 Die Funktion der Notation als Verkörperung eines musikalischen Werkes wird hier als verbindliches Schema verstanden. Vergleichbar einer gegenständlichen Malerei, in der nur eine bestimmte Form das Sujet wiederzugeben vermag. Margot Weissthanner hatte dagegen inhaltsästhetisch argumentiert, solche »graphische Notation« sei »weniger Kommuni-
397 Die Bestimmung des urheberrechtlichen Werkes war vom Ausdrucksmittel (Grafik, Notation, Partitur, Bild) gelöst. Zugleich existierten diese selbst von einer Aufführung losgelöst: »Die Event Scores sind für die Kunstgeschichte der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts von großer Bedeutung, da sie erstmals tatsächlich unterschiedliche Gattungen zu einem Werk verschmelzen.«, vgl. Skrobanek 2018, S. 453. 398 Tetzner 1975, S. 652. 399 Lütteken 2016a. 400 Vgl. Tetzner 1975, S. 653. 401 »So wie der im Geistigen beheimatete ›Begriff‹ durch das ›Wort‹ eingefangen wird und kommunikativ wirken kann, wird der musikalische Gedanke in der Partitur, im Computerprogramm oder in der Tonbandaufnahme und schon im ›flüchtigen‹ Vortrag des Musikwerkes in die Welt des sinnlich Wahrnehmbaren transmutiert und damit ›nach außen projiziert‹. Alle solchen Fixierungen sind also ›Materialträger‹ eines musikalischen Gedankens.«, vgl. ibid. 402 Ibid. 403 Vgl. ibid. Max Kummer etwa hatte bereits in den 1960er Jahren einen Kunstbegriff zu Grund gelegt, der auf das Neue ausgerichtet war: »Wer aus überlieferten Vorstellungen heranholt, das Werk näher zu bestimmen […] bleibt daher weit hinter dem zurück, was heute Literatur, Musik und bildende Kunst zu sein beansprucht.«, vgl. Kummer 1968, S. 73. Tetzner bezieht sich auch auf Kummer, wenn er auch anmerkt, Kummer plage die »Urheberrechtler wie ein Rübezahl«, vgl. Tetzner 1975, S. 656, Fn. 51.
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kationsmittel als ein Assoziationsmittel«.404 Das Musikverständnis war dabei eindeutig konservativ geprägt: »Dieses Integral eines geistigen Inhalts muß durch die Partitur konkretisiert sein: verflüchtigt sich die Partitur, was bei sog. ›graphischer Notation‹ leicht der Fall ist und oft angestrebt wird, lediglich zu Anregungen, die unterschiedliche Inhalte zum Ergebnis haben, so fehlt es an einer in der Partitur ›Zum Ausdruck gekommenen‹ musikalischen Idee.«405 Dass der Formverlauf nicht mehr festgelegt war, sondern erst im Interpretationsprozess, den Tetzner »Aufführung« nannte, geschaffen wurde, war für den Urheberrechtler im Bereich der bildenden Kunst hingegen irrelevant.406 Das Werk wurde hier von der Materialisierung in einem Tafelbild oder der fotografisch dokumentierten Aktion abstrahiert.407 Die Offenheit gegenüber dem Rezipienten, der den visuellen Eindruck verarbeiten musste, war mit dem Begriff der bildenden Kunst bereits aus einer historischen Perspektive vereinbar. Nicht das historisch Narrativ, sondern die zeitgenössische Rezeptionspraxis sollte entscheidend sein. Das Regelungsziel des Urheberrechts konnte es nicht sein, die Grenzverschiebungen des Künstlerischen in Frage zu stellen. Dibelius’ Äußerung mit Blick auf die »graphischen Notationen«, der zufolge »nichts dazu veranlaßt, diese Graphiken nach Art einer musikalischen Notation zu lesen«, schien den Juristen nicht zu überzeugen.408 Angesichts der Fluxuspraktiken, die sich »das Vakuum ausreichender Konkretisierung« zu ihrer »Mission« erkoren hatten, musste der Urheberrechtler die Unterschutzstellung bei völliger »Konzeptlosigkeit« und damit »Austauschbarkeit der Werkpartikel« in Frage stellen. Dadurch an einem bestimmten Kunstbegriff festzuhalten, schien dem Juristen nicht befremdlich, waren die »auftauchenden urheberrechtlichen Probleme Neuer Musik ja 1965 dem Gesetzgeber nicht unbekannt« gewesen.409 Das Recht schien den Kunstbegriff nun endgültig festhalten zu wollen.
404 Vgl. Weissthanner 1974, S. 379. »Bei derartigen ›Experimentellen Partituren‹ kann m.E. der urheberrechtliche Werkcharakter nur dann (noch) bejaht werden, wenn sie Vorstellungen von Klang und Form selbst vermitteln und den Interpreten in einen Rahmen zwingen, der eine musikalische Idee zum Ausdruck bringen.«, vgl. Tetzner 1975, S. 653. 405 Vgl. ibid. 406 Tetzner selbst – unter Bezugnahme auf Margot Weissthanner – sah gar die Zulässigkeit des Entwurfsschutzes nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG, der sich auf Werke der bildenden Kunst und Architektur beschränkt, als Erklärung für eine hinsichtlich der Form weniger rigide Anwendungspraxis, vgl. ibid., S. 654. 407 Tetzner definierte das musikalische Werk an einem historischen Begriff der Musik, den er aber im außerrechtlichen Bereich bei Ulrich Dibelius bestätig sah: »Es ist keine musikalische Idee zu finden, die ›nach außen gewendet worden ist‹ in der Partitur. Musik, die sich so ›gegenüber den Umständen ihres Erklingens offen hält‹, spiegelt eine ›kompositorische Situation‹, die nicht mehr an die Unverbrüchlichkeit tradierter Werte und Werke glaubt, sondern Musik als ein variables Zusammenwirken momentaner Ereignisse begreift.« 408 Tetzner 1975, S. 654. 409 Vgl. ibid., S. 655.
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Der Werkbegriff als Gralshüter Bei seiner Prüfung der urheberrechtlichen Schutzfähigkeit einer Fluxusaktion musste Heinrich Tetzner schließlich auf den juristischen Werkbegriff als »urheberrechtlicher Gralshüter« Bezug nehmen.410 Die Definition des urheberrechtlichen Werkbegriffs diente in Teilen der urheberrechtlichen Literatur als Bekenntnis des Gesetzgebers zu einem traditionellen Kunstbegriff. In diesem Zusammenhang legte Tetzner am Ende seines Beitrags noch einen konzisen Überblick über die Kommentarliteratur zu jenem Paragrafen vor, der das Werk als »persönliche geistige Schöpfung« definiert.411 Dabei hatte er den Eindruck, dass die Kommentarautoren angesichts der Nachkriegskunst an »das überhandnehmende Maschinenwesen« erinnert wurden, das Goethe in seinen Wanderjahren die Titelfigur quälen ließ.412 Das Urheberrechtsgesetz von 1965 gewährte den Urhebern von Werken der Kunst für ihre Werke Schutz. So sollte der Urheber in seiner geistigen und persönlichen Beziehung zum Werk und dessen Nutzung geschützt sein.413 Hier weist Tetzner auch illustrativ auf eine sachenrechtliche Parallele hin: Lag die Verknüpfung im Materiellen zwischen dem Eigentümer und seiner Sache, war diese im Urheberrecht ins Immaterielle verlagert. Nach Tetzners Auswertung der einschlägigen Literatur war dafür notwendig, dass ein »eigentümlicher geistiger Inhalt« Konkretisierung erfahren hatte, der mehr als das Ergebnis einer bloßen Routine war und auf das »Individuum« zurückging. Mithin formulierte Tetzner die Voraussetzung rechtlichen Schutzes: Durch den Ursprung des Werkes im Geist des Urhebers sollte das Werk »originell« sein: »Nach h.M. kann der ›persönliche Gehalt‹ eines Werkes, seine ›Individualität‹, seine ›ästhetische Selbständigkeit‹, nicht nur durch seine Form begründet werden, sondern durch alles, was aus der Phantasie des Schöpfers in das Werk eingeht und geeignet ist, dieses als ›persönlichen Ausdrucksakt‹ empfinden zu lassen.«414 Die Rechtsprechung beurteilte den auch als Eigentümlichkeitsgehalt bezeichneten »persönlichen Ausdrucksakt« nach den »im Leben herrschenden Anschauungen« oder »nach der Auffassung der mit künstlerischen Fragen einigermaßen vertrauten und hierfür aufgeschlossenen Verkehrskreise«.415 Kommentare wie der von FrommNordemann wurden durch die Gerichte bedient, um § 2 Absatz 2 Urheberrechtsgesetz
410 Diesen Begriff prägte Hoffmann 1932, S. 6. 411 Noch heute ist § 2 Absatz 2 UrhG gültig; zum Kontext s.o. 412 Dazu Tetzner in seinen Schlussgedanken. Bezeichnend ist dieses Zitat umso mehr, als es die Bedeutung gewordener Rezeptionsweisen belegt, die der Jurist zuvor selbst als bestimmend für den Begriff der Musik und damit auch der anderen Kunstgattungen anführte, vgl. ibid., S. 658. 413 § 11 UrhG »Das Urheberrecht schützt den Urheber in seinen geistigen und persönlichen Beziehungen zum Werk und in der Nutzung des Werkes. Es dient zugleich der Sicherung einer angemessenen Vergütung für die Nutzung des Werkes.« 414 Tetzner 1975, S. 655. 415 Zur Problematik der Durchschnittsmeinung als normatives Konzept für das ästhetische Urteil im Recht vgl. Zwiffelhoffer 2020, S. 167. Solche Maßstabsfiguren vereinen »Realitätstüchtigkeit mit Vorbildlichkeit« und haben damit eine normative und empirische Dimension. Bereits der Begriff des Werkes der bildenden Künste stand in diesem Spannungsfeld, wurde durch die Sachverständigenkammern ein in juristischen Zusammenhängen zu interpretierender Begriff ausgefüllt.
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als »Klarstellung« zu verstehen. Nach Tetzners Überzeugung sollten jedoch zur Anerkennung als Werk der Kunst »eine Reihe einschlägiger Entscheidungen zum alten Urheberrecht, die allzu großzügig waren in der Zuerkennung urheberrechtlichen Schutzes […] als überholt« eingestuft werden.416 Angesichts der Fluxuspraktiken und einer erklärten Auflösung des Werks im Zufall musste der Jurist eine theoretische Lösung aufzeigen. Für die Klärung der Frage, »wie es nun mit dieser Voraussetzung der ›persönlichen geistigen Schöpfung‹ [steht]«, wählte Tetzner den Begriff der »experimentellen Kompositionen«.417 Der Zufall als »Ort der Einzelentscheidungen« war bei Fluxus vom »Entstehen der Komposition in das Stadium ihrer Aufführung« verlagert. Der Künstler, der hier seine »musikalische Idee nur ganz unvollkommen konkretisiert«, indem er »Werkpartikel« aufzeichnete oder seine künstlerischen Vorstellungen als »Geheimcode konkretisierte«, konnte nichts hinterlassen, was als Grundlage für ein Realisieren hätte dienen können. Für das Werk der Musik war die Partitur als Grundlage des »Nachschaffens« scheinbar als kunstbegriffliche Voraussetzung unumstößlich historisch fixiert; das immaterielle Werk der Musik konnte nicht vom Notentext abstrahiert werden: »Alles hängt vom Einzelfall ab. Werden jedoch Zeichen verwendet, die nicht das Klangphänomen einer musikalischen Idee selbst beschreiben und für deren Realisierung ein Bewegungsfeld abstecken, sondern nur die ›Richtung‹ andeuten, in die der Spieler gehen soll, so ist m.E. die erforderliche Konkretisierung eines musikalischen Gedankens grundsätzlich in Frage gestellt und Urheberrechtsschutz ist zu versagen.«418 Jeder »Einbruch einer freien Dimension« schien die »Schöpfung« in Frage zu stellen. Äußerungen der Künstler selbst, konkrete musikalische Zusammenhänge über die Person des Ausführenden nur stimulieren zu wollen, waren für die Juristen gleichsam Legitimation ihrer juristischen Argumente.419 Entscheidend sollte sein, dass eine künstlerische Idee dergestalt konkretisiert wurde, dass sich »Freiheitszonen« aus der Idee erkennbar ergeben mussten. Dieses Erfordernis bildete den Kern der urheberrechtlichen Fluxusrezeption: Die »Anregung zum eigenen Schaffen« musste planmäßig aus einer gestalterischen Idee folgen, folglich Nachschaffen und eigenes Schaffen planmäßig verwischt werden. Die Beschreibung der Partitur des Fluxuskünstlers Mauricio Kagel »Transición II« ähnelt jedenfalls auch hier der einer Plastik, sodass der Aspekt des Nachschaffens am Werkstück bereits in den Hintergrund getreten war.420 Solange sich die
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Vgl. Tetzner 1975, S. 655. Ibid. Das bildkünstlerische »Zeichen« sollte kein musikalisches sein können, vgl. Tetzner 1975, S. 657. »Solche Partituren wollen konkrete musikalische Zusammenhänge über die Person des Ausführenden nur simulieren, und zwar in einer Vielzahl von Realisationen, die nicht auf der ›persönlichen geistigen Schöpfung‹ dessen beruhen, der diese Partitur verfaßt hat. Die Partitur enthält dann nur ›Splitter‹, aber nicht etwa in Form von ›Aphorismen‹, die einen eigentümlichen geistigen Inhalt konzentriert bergen, sondern als zusammenhangslose Anregung zum eigenen Schaffen, sucht aber zum ›Nachschaffen‹.«, vgl. Tetzner 1975, S. 657. 420 »Interessant ist z.B. ein Weg, den Mauricio Kagel in seiner Komposition ›Transición II‹ geht. Er hält eine Mehrdeutigkeit in bestimmten Abschnitten dadurch fest, daß er die Partitur da mit beweglichen Schiebern (Translation) und drehbaren Scheiben (Rotation) ausstattet, die in ihren verschiedenen Stellungen jeweils
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Konkretisierung mit dem »persönlichen, geistigen Inhalt« deckte, war dem Werkbegriff des Urheberrechts auch in seiner engeren Auslegung des Urheberrechtsgesetzes entsprochen. »Ungeistiges Chaos« war als Kategorie im rechtlichen Kontext Ausdruck für einen kreativen Akt, der eine »eigentümliche musikalische Idee« nicht formen und nicht in den »Dienst des Geistigen« stellen konnte.421 Als Komponisten waren zahlreiche Fluxusprotagonisten in den von Tetzner zitierten Worten Ulrich Dibelius’ »in sich uncharakteristisch und bedeutungslos«, ihr »Musik-Kauderwelsch« aber dennoch bildende Kunst.
Zusammenfassung Die Annäherungen an Fluxus führten die Rechtsöffentlichkeit über den Begriff der Musik als Paradigma der Umwälzungen in der Nachkriegskunst zum Spannungsfeld des urheberrechtlichen Werkbegriffs. Auffällig ist, wie der Werkcharakter einer Fluxusaktion entscheidend an die Frage gebunden schien, ob hier von Kunst gesprochen werden konnte. Der Begriff fungierte auch nach der Reform des Urheberrechts und der viel beschworenen Definition des urheberrechtlichen Werkbegriffs als ein wesentlicher Zuordnungsbegriff. Für diese Frage konnte die Rechtswissenschaft einerseits auf die Meinungen in Kritik und Kunsttheorie verweisen, andererseits konnten ästhetische Argumente im juristischen Diskurs auch eigenständig zur Anwendung kommen. In anderen Worten: Die Eigenheiten der juristischen Methode ermöglichten mit dem Werk der Kunst im Sinne des § 1 Urheberrechtsgesetz ein Denken über Gattungsgrenzen hinweg. An dieser Folgerung und ihrer historischen Relevanz ändert auch die Begrenzung auf einen Binnendiskurs nichts. Dessen, was von einem Juristen wie Heinrich Tetzner als dirigierter Zufall beschrieben wurde, konnte die Kunstkritik nur über das Format des Interviews habhaft werden. Als offene Form umschrieben, musste sich der zum Prozess gewordene ästhetische Gegenstand unter der Begrifflichkeit der Kunst für den Umstand rechtfertigen, dass er den Autor aus dem Mittelpunkt der ästhetischen Überlegungen auszuschließen schien. Geistige und materielle Formgebung standen einander gegenüber. Während die Erfassung der Fluxuspositionen in der urheberrechtlichen Theoriebildung als Werke der Kunst entscheidend von einer Auseinandersetzung mit dem zeitgenössischen Musikbegriff geprägt war, musste auch die traditionelle Vorstellung der Musik als Kunstwerk, die eng mit der anerkannten Notenschrift verbunden war, theoretische Fragen befördern.
eine der ›zugelassenen Mehrdeutigkeiten‹ vermitteln und so die eingeplante Mehrdeutigkeit jeweils zur Eindeutigkeit – die also erst bei der Aufführung und nur für diese Aufführung geschaffen wird – zusammenschrumpfen lassen.«, vgl. ibid. Kagel gründete mit Wolf Vostell das Labor zur Erforschung akustischer und visueller Ereignisse e.V. Zusammenhänge zwischen ihren Arbeitsweisen sieht Knut Holtsträter, vgl. Holtsträter 2010, S. 82-84. »Transición II« war von einer ungewöhnlichen Anzahl an theoretischen Abhandlungen des Künstlers selbst begleitet, vgl. Heile 2006. Die fehlende intermediale Erfassung ist mit den Äußerungen Kagels selbst in Verbindung zu bringen: »Die schon bis zum Überdruß aufgestellten Parallelen zwischen visueller Kunst, die mit musikähnlichen Gebilden fraternisiert, und musikalischer Notation, die an gewisse Bruchstücke der neuesten Malerei erinnert, ergeben nur ein Zerrbild der vielleicht unter ganz anderen Voraussetzungen zu suchenden Kontakte.«, vgl. Kagel 1963, S. 34. 421 Tetzner 1975, S. 657.
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So erklärt sich, weshalb die grafische Notation zunächst in der Musikkritik als bildende Kunst gelten konnte. In der Rechtsöffentlichkeit der 1970er Jahre war Fluxus selbst für konservative Stimmen als Musik- Kauderwelsch nur als grafische Notation Werk der bildenden Künste. Die Befragung des urheberrechtlichen Werkbegriffs auf seine Immaterialität ermöglicht aber zugleich eine intermediale Auseinandersetzung. Die deutlicheren Verweise auf den Begriff der Musik als etwas Gewordenes sind letztlich aber auch das Ergebnis einer akademischen Scheidung der Musik von Malerei, Skulptur und Architektur zu Beginn des 20. Jahrhunderts sowie der Historisierung der Kunst als solcher.422 Unberücksichtigt blieb, dass ein an den Gattungen gebildeter Begriff bildender Kunst schließlich auch den Modus des Präsentierens, Festhaltens und Vorführens einschließen musste. Die »variablen Hürden« des Urheberechts, das anders als etwa das moderne Verfassungsrecht keine Auffangbegriffe benötigt, standen historisch vor folgendem Dilemma:423 Die Erfassung von verkörperten Werken als bildende Kunst oder Musik, ohne die Zusammenhänge und Komplexität der theoretischen und ästhetischen Diskurse zu reflektieren, musste zu unschlüssigen oder widersprüchlichen Ergebnissen führen.424 Den urheberrechtlichen Diskurs dominierte schließlich die Fragestellung, inwieweit die Rolle des Künstlers und damit der autorfixierte Werkbegriff in Frage gestellt werden sollte und konnte. In der Kunstkritik der Nachkriegszeit wiederum ging es darum, ob ein Objekt etwas verkörpern musste, um bildende Kunst zu sein, oder auch nur visuell erlebbar sein konnte.425 In anderen Worten war es diese Untersuchung des Werkbegriffs auf seine »Materialität und Medialität«, die in der Rechtsöffentlichkeit letztlich an der Fluxusproblematik zu einer Kollision von kunsthistorischem am physischen Objekt orientierten Gattungsdenken und immateriellem, urheberrechtlichen Werkbegriff führen musste.426 Nur wenn das historische Artefakt, wie schließlich bei Tetzner zum Kunstwerk erklärt, beispielhaft stand, konnten die jeweiligen zeitgenössischen, veränderlichen Rezeptionsbedingungen ausgeschlossen werden.427 Diese historisierten Rezeptionsbedingungen – akademische Kunstgeschichte ebenso wie die Spielarten der Ästhetik – erwiesen sich allerdings als die eigentlichen Bezugskriterien des historischen Rechtsdiskurses. Nur wenn die Begriffsbestandteile, das Werk und die
422 Hierzu vgl.: Jewanski/Ketteler 2015. 423 Zum Begriff: Bauerschmidt 2017, S. 224. 424 Vergleichbar mit der Philosophie des Plakats in Das Plakat lieferten auch die Sachverständigenkammern diese Brückenstelle, vgl. 2. Teil, V.2. Zum grundlegenden Problem im Umgang mit dem Kunstbegriff formuliert Widmaier: »Hieran wird deutlich, dass gerade dann die größten Probleme auftreten, wenn unter dem Deckmantel einer weiten und daher vermeintlich praktikablen Begriffsverwendung weder Kunst noch Ästhetik klar umrissen bzw. historisiert werden, sondern lediglich einander stützend und zirkulär gebraucht werden.«, vgl. Widmaier 2017, S. 58. 425 Vgl. Siegmund 2019, S. 44. 426 Zum Problem der Materialität und Medialität vgl. Hoffmann 2013, S. 208. 427 Kataja Kwastek bemerkt unter Bezugnahme auf Lorenz Dittmann: »Concerns about the validity and meaningfulness of the concept of the artwork are compound by the fact that its interpretation is in constant flux […] historically oriented history of art […] treats the artifact as »primary sources« […]«, vgl. Kwastek 2013, S. 43-44.
Die Rolle der Rechtswissenschaft in der Geschichte der Kunsttheorie
Kunst, normativ gesetzt waren, konnte der Jurist eine Fluxusaktion aus dem spezifischen Schutzziel des Urheberrechts ausschließen.
7.
Durchbrechung der »naiven Empirie« in der Urheberrechtsdiskussion428
In der Auseinandersetzung mit der »Krise und Bewährung eines gesetzlichen Konzeptes« waren die Juristen auf der Suche nach geeigneten theoretischen Fundamenten.429 Dem bereits zuvor erwähnten Bonner Rechtswissenschaftler Karsten Schmidt erschien die breit rezipierte Ästhetik Nicolai Hartmanns dabei nicht als praktikabler Ausgangspunkt einer notwendigen Reform des urheberrechtlichen Werkbegriffs. Diejenigen Autoren, die wie Schmidt auch der Gegenwartskunst urheberrechtlichen Schutz zubilligen wollten, unterstrichen die Notwendigkeit einer tiefergehenden Auseinandersetzung mit dem betroffenen Lebensbereich.430 Solche Rückgriffe auf Rechtstatsachen unterlagen dem Vorwurf, nicht mehr als subjektive »Wesenschauen« auf den Bereich der Kunst zu sein. Bevor Schmidt sich dem Phänomen der »naiven Empirie« in der Nachkriegsdiskussion zuwenden konnte, widmete er sich den historischen Vorgängern Josef Kohler und Oscar Schanze. Beide standen nach Schmidts Einschätzung für »rechtstatsächliche« Blindheit und ein urheberrechtliches Potenzial, das einen etablierten Kunstbegriff mit grotesken argumentativen Folgen festhalten wollte.431 Mit kunsthistorischem Wissen wies Schmidt darauf hin, dass Kohlers Ansicht, bildende Kunst müsse nicht Wirklichkeit darstellen, in einer Zeit zu verorten war, in der abstrakte Malerei bereits seit über einem Jahrzehnt als Rechtstatsache gelten musste.432
428 429 430 431
Vgl. Schmidt 1976, S. 15. Ibid., S. 1. Schmidt verweist dabei auf die Juristen Kummer und Weissthammer, vgl. ibid., S. 13. Anders als etwa die juristischen Autoren in Das Plakat, plädierten diese Autoren für ein konservierendes Moment im Kunstschutz, vgl. 2. Teil, IV. 432 »Insbesondere darf der Künstler auch Centauren malen« schrieb Kohler scheinbar als Positionierung gegen den Naturalismus im Streit um die symbolistische Kunst, »obgleich Dubois-Reymond [sic!] s.Z. hervorheben zu müssen glaubte, daß der Darmkanal des Centauren einige physiologische Schwierigkeiten habe, welche Bemerkung man schon im Interesse des guten Geschmacks hätte unterlassen sollen.«, vgl. Kohler 1919, S. 8. Dabei hatte Breit die von Schanze und Kohler vertretene Bildwerkstheorie am Beispiel eines Spucknapfes in Schildkrötenform karikiert. Schanzes bereits 1908 formulierte Prämisse des Gemäldes als Werk der bildenden Künste ging nicht allein von einem Gleichlauf von Kunstschutz und Kunstgattung, sondern von Kunstschutz und gegenständlicher Kunst als »paradigmatischem Fall des Bildes« (dazu: Grave/Schubbach 2010) aus: »Bild ist die Darstellung eines Gegenstandes, der außer uns in der Wirklichkeit oder wenigstens in unserer Vorstellung existiert«, zit.n. Breit 1909, Sp. 439. Obgleich auf Fragen der Schutzfähigkeit von Mustern gerichtet, wurde die historische Theorie der Kunst als entscheidendes Kriterium gesehen: »Ich habe früher geltend gemacht, dass man bei Schaffung des neuen Kunstschutzgesetzes an den Expressionismus nicht gedacht habe. […] Die Entwicklung der modernen Malerei in dieser Richtung ist zu neu, zu absonderlich, vielleicht auch zu vorübergehend, als daß die Rechtsordnung, die auf das Typische, Regelmäßige, auf Durchschnittserscheinungen abgestellt zu werden pflegt, ihr kurzerhand Rechnung tragen muß. Es ist vorerst noch eine petitio principii, ob die absolute Malerei den gleichen Kunstschutz genießen muß wie ein Bild. Wer die von Breit gegebenen Abbildungen der Kandinskyschen Kreise betrachtet, wird vielleicht seine Zweifel hegen.«, vgl. Schanze 1929, S. 183-184. Die künstlerische Bedeutung eines Stadt-, Orts-, oder Landschaftsbildes wird hier ebenso addrsiert (vgl.
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Kunstbegriffe zwischen Recht und Praxis
Entkopplung von Kunstentwicklung und Kunstschutz Eine Entkopplung von Kunstentwicklung und Kunstschutz musste in einem Rechtsgebiet wie dem Urheberrecht einer späten Kritik unterzogen werden. In diesem Zusammenhang ist die Bemerkung zu verstehen, dass auch das Urheberrecht die »gebildeten Begriffe wieder und wieder auf ihre Brauchbarkeit« überprüfen sollte.433 Der Anwendung des Urheberrechtsgesetzes war andernfalls die mit ihr einhergehende »naive Empirie«, die Schmidt als Problemursache ausmachen konnte, zum Vorwurf zu machen.434 Diesen Fehler konnte Schmidt auch bei Tetzner in seiner Auseinandersetzung mit Fluxus feststellen, hatte dieser »empirisch-soziologische Bestimmungen dessen, was Kunst ist« für die Neubestimmung des Werkbegriffs abgelehnt. Schmidts Folgerungen legten eine historische Leerstelle in der urheberrechtlichen Diskussion offen, die zwischen einer »naiven Empirie« mit progressivem Anspruch und den neuen Rezeptionsformen der Gegenwartskunst stand. Auch die Bezugnahme auf »Sachkenner für Kunst« bot nur eine trügerische Sicherheit.435 Auch dort herrschten babylonische Zustände, die über richterliche Urteile wieder auf das »Fließband [des juristischen] Kommunikationspositivismus« zurückfanden.436 Das Durcheinander schien vollkommen. Wesentlich ist allerdings, dass ein Gleichlauf von Kunsttheorie und Rechtswissenschaft eingefordert, mithin eine Kritik an der juristischen Methode im Kunstschutz selbst geäußert wurde.437
Die historische Theorie der Kunst als »naive Empirie« der Juristen438 Auf seiner Suche nach dem »Sitz des Problems« in Bezug auf das »plus-minus Verhältnis zwischen Kunst und Geschmack«, wie es sich aus der Rechtsprechung ergeben sollte, musste sich Schmidt mit den Ursprüngen des wertenden Werkbegriffs auseinandersetzen, der Werk und Schöpfer aufeinander bezog.439 Anstoß nahm er daran, dass der Werkbegriff in seiner inhaltlichen Ausformung durch die Rechtsprechung als feststehend vorgegeben wurde. Vielmehr sollte dieser Begriff aber nach Einschätzung Schmidts die Grenzfragen des Urheberrechts widerspiegeln. Die Parallele zu jenen »Grenzfragen« war dabei nicht nur begrifflicher Natur. Zu naheliegend scheint das Beispiel
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1. Teil, IV.5.), indem die Zusammenhänge mit Blick auf das historisch fundierte, ästhetische Urteil angesprochen sind. Schmidt 1976, S. 13. »Der zweite Fehler, vor dem wir uns hüten sollten, heißt naive Empirie. Naive Empirie münzt Beobachtungen vorschnell in Rechtsfolgen um. Tritt sie in konservativer Form auf, so fragt sie mit einem kopfschüttelnden Blick auf das Neue: Ist das noch Kunst? Und beantwortet die Frage natürlich mit nein, eben weil über Ungewohntes entschieden werden soll.«, vgl. hier und im Folgenden ibid., S. 15. Ibid. Zum Begriff vgl. Lahusen 2011, S. 20. »Kunst ist, was von Sachkennern für Kunst gehalten wird, und solche Kunst verdient urheberrechtlichen Schutz. Der Fehler steckt im Nachsatz, im vermeintlichen Gleichlauf von Kunst und Kunstschutz. Ein Kunstbegriff – er sei konventionell oder progressiv – kann uns keinen Werkbegriff liefern. […] Naive Empirie läßt die urheberrechtlichen Probleme […] verkennen. Diese besteht nicht darin, daß [Gegenwartskunst] anders produziert, anders festgehalten und anders vorgeführt wird«, vgl. ibid., S. 17-18. Schmidt 1976, S. 13. Schmidt 1976, S. 40, 43.
Die Rolle der Rechtswissenschaft in der Geschichte der Kunsttheorie
der Museen, die ihre Sammlungsgegenstände in eine Ordnung überführen. Dabei gelingt diese Grenzziehung durch historisch wandelbare Zuschreibungen wie etwa Epoche, Material, Provenienz oder Künstler.440 Solche Versuche der Grenzziehungen in der Geschichte des Urheberrechts waren es, die sich nach Meinung Schmidts auch nach 1945 dem Vorwurf der »naiven Empirie« ausgesetzt sehen mussten: »Warum ist das regelmäßig in diesem Zusammenhang als Beispiel angeführte Salzfaß des Benvenuto Cellini (im Kunsthistorischen Museum in Wien) ein Kunstwerk, warum ist ein besonders ›rassiger‹ Typus eines Roadsters, dessen Formgestaltung neuerdings oft durch einen anerkannten Künstler erfolgt, kein Kunstwerk, obwohl eine künstlerische Leistung hier sicherlich vorliegt?«441 Dieser Begründungsvorgang setzte einen historisch-ästhetisch orientierten Diskurs voraus, wie er einer Kunstgeschichte eigen war, in der historische und ästhetische Argumente ineinanderliefen.442 Wurden Autonomieästhetik und eine auf Kontinuität ausgerichtete Geschichtstheorie aufeinander gestützt, musste dies einen Zirkelschluss bedeuten: Der Historie geht es um das Dokument, der Ästhetik um die gegenwärtige Präsenz.443 Damit unterbleibt eine Historisierung derjenigen kunsttheoretischen Prämissen, von denen eine Begründung als Werk der bildenden Kunst selbst abhängen musste. Ähnlich der Kohler’schen Weltschöpfungsidee, die sich als kunsttheoretisches Muster am Übergang zur Moderne erweist, wurde bei dem Juristen Willy Hoffmann die Historisierung zum Garanten für eine Stabilisierung des Begriffs der bildenden Künste: »Gelöst kann diese Frage m.E. nur dann werden, wenn man das Wesen des Kunstwerkes erfaßt, wenn man sich vergegenwärtigt, daß jedem Kunstwerk der Ewigkeitscharakter eigen ist. Ewigkeitscharakter wird man den Schöpfungen eines Poiret (das Individuum ist hier für die Gattung gesetzt) ebensowenig zusprechen können wie einem Tapetenmuster oder einer Besteckform. Alle diese sind für den Augenblick geschaffen, sie unterliegen der ewigen Mode, deren Neuheit im wesentlichen ein Abwandeln bereits bekannter und benutzter Formen ist.«444 Was Schmidt Jahrzehnte später aufgriff, war folglich das historisch-ästhetische Ewigkeitsmoment, das durch den Werkbegriff als Bollwerk gegen Anpassungsforderungen der unmittelbaren Gegenwart wirken konnte.445 Mit dem neuen Urheberrechtsgesetz von 1965 war die Rezeption der Fluxuspraktiken zum »Testfall des urheberrechtlichen
440 Dazu: Hewel 2011, S. 187. 441 Hoffmann 1932, S. 133. 442 Im Kontext der romantischen Wurzeln der Kunstgeschichte stellt Johannes Grave fest: »Beide Auffassungen verbindet das Ansinnen, der Geschichtlichkeit von Kunst gerecht zu werden, ohne den Gedanken einer ästhetischen Totalität, eines ›Ganzen der Kunst‹, aufgeben zu wollen. Am Anfang einer Kunstgeschichte, die sich gerade in ihren Ursprüngen als – nicht immer offen reflektierte – ›historische Theorie der Kunst‹ erweist, stehen somit Klassizismus und Romantik in gleicher Weise.«, vgl. Grave 2007, S. 78. 443 Janz 2013, S. 74. 444 Vgl. Hoffmann 1932, S. 133. 445 Zu diesem Aspekt aus ästhetikgeschichtlicher Perspektive: Lüthe/Fontius 2001, S. 815.
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Kunstbegriffe zwischen Recht und Praxis
Werkbegriffs« geworden.446 Schließlich wurde im Fluxuskontext eines besonders deutlich: Die Urheber-Individualität war nur ein Element eines historisch bedingten Werkbegriffs, im juristischen und außerjuristischen Kontext.447
8.
Bis zum Bundesgerichtshof: Wolf Vostells Happening Der Heuwagen und die Folgen
Die Defizite der Argumentation am dinglichen Kunstwerk, wie sie sich bei Heinrich Tetzners Versuch der urheberrechtlichen Überprüfung des Fluxus erwiesen hatten, sollten keinesfalls am Ende einer Entwicklung stehen. Auf das von Wolf Vostell veranstaltete Happening Der Heuwagen nach Hieronymus Bosch folgte ein Rechtsstreit, der den Instanzenzug voll ausschöpfte. Der Kläger, Wolf Vostell, war im Wintersemester 1977/78 als Gastprofessor am Medienzentrum der Beklagten, der Hochschule Essen, tätig.448 Inhalt seiner Vorlesung war unter anderem die Einübung und Durchführung eines Happenings nach dem Gemälde Der Heuwagen von Hieronymus Bosch. Am 25. Januar 1978 führte er mit seinen Studenten das Happening durch. Dabei gestattete er der Hochschule die Veranstaltung auf Video-Band zu dokumentieren.449 Eine Kopie dieses Bandes verkaufte die Beklagte im Sommer 1979 für knapp eintausend Deutsche Mark. Wolf Vostell und seine Anwälte sahen darin eine Verletzung seiner Urheberrechte an dem Happening. Es wurde geltend gemacht, Vostell habe die Video-Aufnahmen nur mit der Maßgabe gestattet, dass das Band ausschließlich für interne pädagogische, nicht jedoch für kommerzielle Zwecke benutzt werden dürfe. Drei Jahre zuvor hatte sich das Kammergericht Berlin in zweiter Instanz mit der Sachverhaltswürdigung und damit der Werkeigenschaft dieser gestalterischen Leistung befassen müssen. Dabei ging das Gericht zunächst davon aus, dass die Idee für das Veranstalten eines Happenings nach dem Gemälde Der Heuwagen von Hieronymus Bosch bei Vostell lag. Die Vorbereitung und Einübung des Ereignisses wurden als Gegenstand der Gastvorlesung Vostells bewertet. Dabei hatte das Gericht insbesondere die Frage der Miturheberschaft zu klären. Die in einer Broschüre genannten neunzehn Teilnehmer des Happenings durften nicht als Miturheber zu werten sein, sollte Vostells Anspruch durchsetzbar sein. Eigene geistige schöpferische Leistungen dieser Teilnehmer waren allerdings nicht ersichtlich; vielmehr musste darauf verwiesen sein, dass es Vostell allein war, der für das Happening den Ablauf zeichnerisch und schriftlich niedergelegt hatte. Für das Gericht waren aber nicht diese grafischen Zeugnisse relevant. Aufgrund des
446 Schmidt 1976, S. 50: »Die ›Gegenwartskunst‹, die hier zum Testfall des urheberrechtlichen Werkbegriffs gemacht wurde, wird vielleicht bald schon Kunst der Vergangenheit sein. Als Bewährungsprobe des Werkschutzgedankens wird sie Gegenwart bleiben.« 447 Auf die Differenzierung verwies auch Karsten Schmidt mit Blick auf Werke der Fotografie: »Aber damit nicht genug: Es gibt ein Gebiet, das schon den Gesetzgeber zwang, Werk-Individualität an die Stelle der Urheber-Individualität zu setzen«, vgl. Schmidt 1976, S. 48. 448 Vgl. im Folgenden BGH, Urteil vom 06.02.1985, GRUR 1985, 529-531. 449 Zur Frage, wo das Kunstwerk endet und wo die Dokumentation desselben begann vgl. Berger/ Santone 2016, S. 202.
Die Rolle der Rechtswissenschaft in der Geschichte der Kunsttheorie
geistigen Charakters des Werkbegriffs konnten mehrere Beteiligte an dem Happening der alleinigen Urheberstellung Vostells nicht entgegenstehen.450 Dabei gleicht die Schilderung der während des Happenings ausgeführten Aktivitäten einer vermutlich mit Beteiligung von Sachverständigen in das Urteil eingeflossenen kunstwissenschaftlichen Beschreibung: »Weder das Streichen von Stahlseilen mit langen Holzlatten noch das Annähen von Fleischstücken an die Kleidung, das Schlagen großer Säcke oder das Stapeln von Briketts können als geistige schöpferische Leistungen betrachtet werden. Das gleiche gilt für das Braten von Spiegeleiern, das Schreiben von Postanweisungen oder gar das bloße Sichausruhen.« Jede dieser Handlungen war der Choreografie und der Idee Vostells untergeordnet, auch wenn die Teilnehmer bei der Ausübung ihrer jeweiligen Tätigkeiten einen eigenen Handlungsspielraum hatten, etwa in der Weise, dass es ihnen überlassen blieb, wie sie sich Fleischstücke an die Kleidung nähten oder mit welcher Kraft sie auf Säcke schlugen beziehungsweise welche Stellung sie beim »Ausruhen« einnahmen. Den performativen Charakter musste das Gericht mit der tatbestandlichen Voraussetzung einer »persönlichen geistigen Schöpfung« versöhnen, wofür die Literatur für Werke der Neuen Musik bereits Argumente geliefert hatte.451 Weder Möglichkeiten einer individuellen Entfaltung noch das Zufallsmoment konnten nach Auffassung der Richter die Annahme einer persönlichen geistigen Schöpfung auf Seiten der nur Mitwirkenden rechtfertigen. Alle Teilnehmer handelten zwar gemeinsam nach der Gesamtidee Vostells, so das Gericht, sie blieben jedoch lediglich dessen Gehilfen. Wolf Vostell hätte nicht als alleiniger Urheber des »Happenings« gelten können, wenn es allein durch die Beteiligung der Studenten und anderer Mitwirkender zustande gekommen und geprägt worden wäre. Die juristische Auseinandersetzung war nur denkbar, weil die Momentform Happening als Filmaufnahme aufgezeichnet worden war. Nur dann, wenn die übrigen Mitwirkenden mit dem von der Hochschule auf Anforderung Vostells beschafften und zur Verfügung gestellten Material, dem Kraftwagen, dem Fotopapier, dem Stier, dem Frosch, den Briketts und den übrigen in der erwähnten Broschüre genannten Dingen nach freien Stücken verfahren wären, ohne sich an die zeichnerisch und schriftlich niedergelegte Idee des Happenisten sowie dessen weitere Anweisungen zu halten, würde dem »Happening« die Eigenschaft eines schutzfähigen Werkes abzusprechen gewesen sein. Auch der Intermedia-Gedanke wurde einer gerichtlichen Wertung unterzogen, denn die urheberrechtliche Werkgattung der bildenden Kunst wurde hier mit Musik in Verbindung gebracht. Dabei stellte die offene Form bereits die gerichtlichen Wertungen des zuvor mit der Frage befassten Gerichts vor eine besondere Herausforderung.452 Nicht nur die »zeichnerisch und schriftlich niedergelegte Darstellung« des Happenings wurden als Werke der bildenden Kunst 450 »Die danach entsprechend den Vorstellungen des Kl. von den übrigen Teilnehmern vorzunehmenden Handlungen waren rein mechanisch, sie enthielten keine eigene geistige Schöpfung, sondern die übrigen Mitwirkenden waren lediglich Gehilfen des Kl. Und dessen Willen untergeordnet.«, vgl. KG, Urteil vom 17.09.1982, GRUR 1984, S. 508-509. 451 S.o. 452 »Es würde sich vielmehr im Ergebnis um ein Zufallswerk handeln, gleich einer Komposition, deren Tonfolge durch Würfel bestimmt wird. Daß der den Mitwirkenden überlassene Freiraum aber so groß gewesen ist, daß die Idee des Kl., wie sie in der Choreographie zeichnerisch und schriftlich niedergelegt worden ist,
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Kunstbegriffe zwischen Recht und Praxis
in die Argumentation einbezogen, sondern auch das Ereignis selbst, so wie es stattgefunden hatte. Es ist eine über filmische und fotografische Dokumentation vermittelte bildkünstlerische Betrachtungsweise, die hier mit normativer Wirkung auf einen Grenzfall der Kunstwissenschaften übertragen wurde. Dem juristischen Kommentator des Urteils war dabei bewusst, dass Rainer Wick diese schon 1974 als »Grenze zur reinen Performance und zum Bühnenwerk einerseits und zur Malerei andererseits« beschrieben hatte.453 Noch in den 1980er Jahren entsprach dies weder einer Durchschnittsmeinung noch -erscheinung; der juristische Diskurs war ein geeigneter Kontext, den am dinglichen Objekt ausgerichteten Kunstwerkbegriff zu vernachlässigen.454 Auch diese Position erweist sich bei historischer Gesamtbetrachtung allerdings nur als ein neuer »Wandel der für wichtig erachteten Dimension von Struktur und Funktion« des Bildkünstlerischen, wie sie zahlreich in der Geschichte vorkommen.455
VII.
Zwischenfazit: Juristische Theoriebildung als Grundlage des Werkbegriffs postinformeller Kunst
Fluxus wurde in den Jahren nach 1945 in der Kunstöffentlichkeit ebenso wie von der juristischen Urheberrechtsdiskussion erfasst, wobei Timm Ulrichs Erstes lebendes Kunstwerk (Abb. 3) einen entscheidenden Höhepunkt markierte. An dieser Gegenüberstellung eröffnet sich nicht nur die Einsicht der begrifflichen Beeinflussung, sondern ein fachdisziplinäres Problem, nämlich das des verdinglichten Werkbegriffs. Es zeigt sich, dass das (kunst-)theoretische Fundament, auf dem auch der urheberrechtliche Diskurs der 1960er Jahre stand, eine begriffliche Erfassung der Nachkriegskunst ermöglichte, während eine kunstgeschichtliche Auseinandersetzung am Defizit des Werkbegriffs scheitern musste. Für den urheberrechtlichen Diskurs der Nachkriegszeit war darüber hinaus auch die theoretische Auseinandersetzung mit postinformellen Strömungen unter dem Werkbegriff zugleich eine systemische Voraussetzung und Selbstvergewisserung. Wie aus den Diskussionen um die Juryfreie Kunstausstellung 1965 in Berlin deutlich wurde, liegen im juristischen Diskurs die Ursprünge eines Werkbegriffs, der für Timm Ulrichs als Legitimation seiner künstlerischen Praxis dienen konnte.456 Die konzeptuellen
453
454 455 456
überhaupt nicht zum Ausdruck gebracht worden ist, ist dem Parteivorbringen und auch dem Inhalt der Broschüre nicht zu entnehmen.«, vgl. KG, Urteil vom 17.09.1982, GRUR 1984, S. 508. Die mit dem Urteil abgedruckte Anmerkung griff ausführlich auf die von Rainer Wick in der Zeitschrift Kunstforum International 1974 veröffentlichten Beiträge Zur Theorie des Happening zurück, vgl. Jacobs 1985, S. 530-531. Abseits der Partituren war es erneut die »bildmäßige Isolierung und Distanzierung«, die schon Dagobert Frey mit Blick auf die Übertragung der Betrachtungsweisen der Bildkünste auf die Architektur am Begriff des Malerischen beschrieben hatte, vgl. Frey 1925, S. 70. Zu denken ist an das Happening als Skulptur (s.o.). Zum alten neuen Verhältnis von Objektästhetik und einer als Ereignisästhetik bezeichneten Wirkungsästhetik vgl. Plodeck 2010, S. 11. Frank 2001, S, 671. Aus der Perspektive der Designgeschichte der Nachkriegszeit schlussfolgert Hanni Geiger: »Gedanken, Ideen und Sehnsüchte durchdringen zunehmend die Entwürfe und erinnern an das Vorgehen der Konzeptkunst der 1970er-Jahre, die in ihrer Ableitung von der Minimal Art den Kontext einer Sache zum Grundpfeiler ihrer Kunst erklärte.«, vgl. Geiger 2016, S. 64.
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Kunstbegriffe zwischen Recht und Praxis
in die Argumentation einbezogen, sondern auch das Ereignis selbst, so wie es stattgefunden hatte. Es ist eine über filmische und fotografische Dokumentation vermittelte bildkünstlerische Betrachtungsweise, die hier mit normativer Wirkung auf einen Grenzfall der Kunstwissenschaften übertragen wurde. Dem juristischen Kommentator des Urteils war dabei bewusst, dass Rainer Wick diese schon 1974 als »Grenze zur reinen Performance und zum Bühnenwerk einerseits und zur Malerei andererseits« beschrieben hatte.453 Noch in den 1980er Jahren entsprach dies weder einer Durchschnittsmeinung noch -erscheinung; der juristische Diskurs war ein geeigneter Kontext, den am dinglichen Objekt ausgerichteten Kunstwerkbegriff zu vernachlässigen.454 Auch diese Position erweist sich bei historischer Gesamtbetrachtung allerdings nur als ein neuer »Wandel der für wichtig erachteten Dimension von Struktur und Funktion« des Bildkünstlerischen, wie sie zahlreich in der Geschichte vorkommen.455
VII.
Zwischenfazit: Juristische Theoriebildung als Grundlage des Werkbegriffs postinformeller Kunst
Fluxus wurde in den Jahren nach 1945 in der Kunstöffentlichkeit ebenso wie von der juristischen Urheberrechtsdiskussion erfasst, wobei Timm Ulrichs Erstes lebendes Kunstwerk (Abb. 3) einen entscheidenden Höhepunkt markierte. An dieser Gegenüberstellung eröffnet sich nicht nur die Einsicht der begrifflichen Beeinflussung, sondern ein fachdisziplinäres Problem, nämlich das des verdinglichten Werkbegriffs. Es zeigt sich, dass das (kunst-)theoretische Fundament, auf dem auch der urheberrechtliche Diskurs der 1960er Jahre stand, eine begriffliche Erfassung der Nachkriegskunst ermöglichte, während eine kunstgeschichtliche Auseinandersetzung am Defizit des Werkbegriffs scheitern musste. Für den urheberrechtlichen Diskurs der Nachkriegszeit war darüber hinaus auch die theoretische Auseinandersetzung mit postinformellen Strömungen unter dem Werkbegriff zugleich eine systemische Voraussetzung und Selbstvergewisserung. Wie aus den Diskussionen um die Juryfreie Kunstausstellung 1965 in Berlin deutlich wurde, liegen im juristischen Diskurs die Ursprünge eines Werkbegriffs, der für Timm Ulrichs als Legitimation seiner künstlerischen Praxis dienen konnte.456 Die konzeptuellen
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überhaupt nicht zum Ausdruck gebracht worden ist, ist dem Parteivorbringen und auch dem Inhalt der Broschüre nicht zu entnehmen.«, vgl. KG, Urteil vom 17.09.1982, GRUR 1984, S. 508. Die mit dem Urteil abgedruckte Anmerkung griff ausführlich auf die von Rainer Wick in der Zeitschrift Kunstforum International 1974 veröffentlichten Beiträge Zur Theorie des Happening zurück, vgl. Jacobs 1985, S. 530-531. Abseits der Partituren war es erneut die »bildmäßige Isolierung und Distanzierung«, die schon Dagobert Frey mit Blick auf die Übertragung der Betrachtungsweisen der Bildkünste auf die Architektur am Begriff des Malerischen beschrieben hatte, vgl. Frey 1925, S. 70. Zu denken ist an das Happening als Skulptur (s.o.). Zum alten neuen Verhältnis von Objektästhetik und einer als Ereignisästhetik bezeichneten Wirkungsästhetik vgl. Plodeck 2010, S. 11. Frank 2001, S, 671. Aus der Perspektive der Designgeschichte der Nachkriegszeit schlussfolgert Hanni Geiger: »Gedanken, Ideen und Sehnsüchte durchdringen zunehmend die Entwürfe und erinnern an das Vorgehen der Konzeptkunst der 1970er-Jahre, die in ihrer Ableitung von der Minimal Art den Kontext einer Sache zum Grundpfeiler ihrer Kunst erklärte.«, vgl. Geiger 2016, S. 64.
Die Rolle der Rechtswissenschaft in der Geschichte der Kunsttheorie
Künstler seit 1960 widersetzten sich selbst der Vorstellung einer der bildenden Kunst und ihren Gattungen eigenen Materialität. Die terminologische Verarbeitung solcher künstlerischen Praktiken war in der Nachkriegszeit zugleich »symptomatisch für den noch immer blühenden Begriffs-Salat der Kritik« und eine Suche nach einer Entsprechung ihrer Inhalte in der zeitgenössischen Praxis.457 Ulrichs’ Geschmacksmuster (Abb. 4) kann dabei mit Blick auf die hier untersuchten Wechselwirkungen als Höhepunkt in der »Kunst über Kunst« seit 1960 gelten.458 Rechtswissenschaftliche Theoriebildung konnte eine kunstwerkästhetische Verengung des Kunstbegriffs, wie sie in der Kunstgeschichte der Nachkriegszeit fortgeführt wurde, in Frage stellen und damit einen Ästhetikbegriff als Theorie der Kunst empfehlen, der die Erweiterung des Kunstbegriffs abseits des Beuys’schen Diktums »Jeder Mensch ist ein Künstler« legitimierte.459 Bereits der Diskurs um das dadaistische Plakat als Werk der bildenden Künste hat die avantgardistisch anmutende und zuweilen von argumentativem Kalkül geprägte Flexibilität der Juristen unter Beweis gestellt.460 Während sich die juristischen Autoren auch nach 1960 sicher waren, dass es sich bei den Begriffen Kunst, Musik oder bildende Kunst nicht um genuin rechtswissenschaftliche Begriffe handeln konnte, transformierte der urheberrechtliche Werkbegriff gleichwohl die kunsthistorischen Fragen nach Gattung und Künstlertum auf eigenständige Weise. Fluxus war dort, je nach Dominanz eines Zuordnungsbegriffs (bildende Kunst oder Musik), visuelle Kunst, die mit musikähnlichen Gebilden fraternisierte oder musikalische Notation, die an gewisse Bruchstücke der neuesten Malerei erinnerte. Aufschlussreich ist aber zugleich der Befund, dass die grafischen Partituren, ebenso wie die Partituren zum Ulmer Happening von Wolff Vostell, in der Rechtsöffentlichkeit zu Teilen am kunsthistorischen Werkbegriff erfasst wurden. Dabei geht dieser Befund der Wechselwirkung über die Tatsache hinaus, dass in der Rechtsöffentlichkeit die zeitgenössische Kunstkritik für die eigene Theoriebildung nicht nur aufmerksam studiert, sondern auch kritisch reflektiert wurde. Im Denken über die Konzeptkunst der 1960er und 1970er Jahre waren die Begriffe idealistischer Prägung und hier insbesondere jener der Form, wie sie im dadaistischen Kontext nachvollziehbar geworden waren, nur mehr in der Musikkritik virulent: Mit Blick auf Modus und intellektuelle Grundlagen der bildkünstlerischen Kunstkritik zu Beginn des 20. Jahrhunderts werden folglich Unterschiede erkennbar. Der Form-InhaltDualismus spielte in den auf den Kanon der Kunstgeschichte gerichteten Zeitschriften für die Erfassung der Fluxusaktivitäten keine entscheidende Rolle mehr. Fluxus stellte die Vorstellung von bildender Kunst, die dieses Begriffspaar sicherte, zu deutlich in Frage. Ob dies mit einer Professionalisierung der Kritiker in Zusammenhang stehen könnte, kann hier nicht bewertet werden. Einiges deutet auf eine Verschiebung in der Aufgabenverteilung zwischen Kunstkritik und -wissenschaft hin.461 Jedenfalls hatte die
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Vgl. Wedewer 1965, S. 3. Zum Begriff s.o. und vgl. Zuschlag 2002, S. 171. Zu diesem von Beuys geprägten »performativen Aphorismus«, vgl. Nichols 2021, S. 361. Der französische Rechtswissenschaftler Bernard Edelmann hatte bereits in den 1970er Jahren festgestellt, dass der Anerkennung der urheberrechtlichen Schutzfähigkeit der Fotografie ein juristischer Diskurs über deren Kunstcharakter vorausgegangen war, vgl. Edelman 1973. 461 Zum Verhältnis von Kunstkritik und Kunstwissenschaft: Junod 1982, S. 96.
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Kunstbegriffe zwischen Recht und Praxis
Frage nach der Erweiterung des Verständnisses bildender Kunst den Bereich der angewandten Kunst verlassen. Genau diese Erweiterung war angesichts des Bekenntnisses jener Protagonisten notwendig, die das Verhältnis von Kunst und Leben insgesamt in Frage stellen wollten.462 Damit wurde eine theoretische Problemlage dahingehend adressiert, dass »der historische Prozeß der Trennung von Kunst und Gesellschaft« im Wesentlichen das Ergebnis der kunstkritischen Verarbeitung war.463 Lief dieser Prozess vor Kriegsbeginn in der Trennung der Kritik von der Ästhetik einerseits und der Abspaltung der Ästhetik von der Kunstwissenschaft andererseits zusammen, wurden in der weiteren Auseinandersetzung Zweifel deutlich.464 Erkennbar werden diese an einer Rückbesinnung auf die Subjektivität idealistischer Prämissen und damit auf das ästhetische Objekt selbst.465 Fotos, Filme und Kataloge blieben nur als Verkörperungen derselben zurück und konnten den Verlust des auratischen Kunstwerks bedeuten. Das Fluxus-Happening konnte selbst nur, abseits einer an formalistischen Begriffen haftenden Kunstkritik, im autonomen Begriffsfeld des Urheberrechtsdiskurses und schließlich dem Urteil des Bundesgerichtshofs zum Werk der (bildenden) Kunst werden; das Resultat musste hier nicht vor der Ausführung stehen. Erneut schien das »juristische Wissen die neuen Auffassungen von Kunst« strukturiert zu haben.466
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Bösl 2019, S. 13. Horn 1976, S. 11. Vgl. 1. Teil, VII. Günzel 2006, S. 255. Vgl. Plumpe 1979, S. 177.
Schluss
»Es sind die Metaphern, die uns erziehen […]«?1 »Die Ausstellungen ›Industrial Design‹ und ›Graphik‹ wollen informieren und erziehen. Die Diskussion, wie weit Design und Gebrauchsgraphik mit Kunst zu tun haben, erhitze am Eröffnungstage die Gemüter. Ausgang der Diskussionen: Unentschieden.«2
Die Auswahl der Untersuchungszeiträume war zunächst inhaltlich durch Modifikationen des Kunstverständnisses begründet, die durch Dadaisten und »Neo-Dadaisten« ausgelöst wurden. Aber auch die Geschichte der Institution Kunstgeschichte erwies sich als geeignetes Eingrenzungskriterium, insbesondere mit Blick auf die Relevanz von Betrachter oder physischem Objekt. Erst durch das heterogene Quellenmaterial konnten Wechselwirkungen rekonstruiert und ungesehene oder bisher unberücksichtigte Entwicklungen ebenso wie Zusammenhänge aufgezeigt werden. Zwischen den untersuchten Diskursfeldern zeigt sich ein historisch gewachsenes Netz – so sicher dessen Fäden geknüpft scheinen, bewähren sie allein keinen Sinn, sondern schaffen ihn. Anders gewendet sind es Kontext und Funktion kunstkritischer, kunsthistorischer und juristischer Kunstbetrachtung, die zwischen kunstbegrifflichen Ansätzen und Argumenten ungeachtet der sich wandelnden Interessen der Kunstkritik und den durchaus unterschiedlichen Regelungsgegenstände von Verunstaltungs-, Kunstschutz-, und Urheberrechtsgesetz, Knoten sichtbar werden ließen. Fiel die Vermutung zunächst auf Wechselwirkungen im Bereich einer Spiegelung gesellschaftlicher Diskurse in den Anwendungsbereich eines Gesetzes ästhetischer Prägung, schien es fraglich, ob rechtswissenschaftliche Definitionen und Festlegungen tatsächlich auch Grundlage kunstbegrifflicher Bestimmungen der Kunstöffentlichkeit geworden sein können. Der Befund ist gleichwohl deutlich: Nicht nur verarbeitete die Rechtswissenschaft das durchaus vielgestaltige Feld der Theorien der Kunst und damit die unterschiedlichen Maßstäbe der Kunstöffentlichkeit. Nach 1960 waren es Ansätze und Argumente der Kunstkritik, in denen sich rechtswissenschaftliche Antworten in einem breiteren Resonanzkontext 1 2
Vgl. mit diesem Teilzitat: Herzog 2008, S. 45. Vgl. mit diesem Zitat zu den kunstbegrifflichen Implikationen der »documenta III«: Links 1964, S. 6162.
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wiederfanden. Dazwischen steht eine Zeit, in der eine in ihrer Komplexität vergessene Arbeitsgemeinschaft kunsttheoretische Positionen formulieren konnte, die für diese Umwälzungen grundlegend waren. Was die gegenseitige Bespiegelung außerdem zum Vorschein bringt, sind Übergangsstellen der Begriffsbildung in dem Sinne, dass der ästhetische oder zuweilen auch ästhetikgeschichtliche Diskurs bei der Suche nach der Sprache des Gesetzgebers, der im Kontext des Verunstaltungsrecht so viel eindeutiger schien, selbst in die juristischen Zusammenhänge verlagert wurde. Die kunstkritische Frage nach dem radikalen Bruch mit jeder Konvention verband sich am Erzeugnis des Kunstgewerbes als Werk der bildenden Künste mit der Frage nach dem Wesen der bildenden Kunst und damit derjenigen nach dem normativen Begriff des Kunstwerks als Alltagsverständnis im Kunstschutzrecht. Zudem erweist sich der rechtswissenschaftliche Diskurs in der Gegenüberstellung mit kunstkritischen Quellen im zweiten und dritten Teil der Untersuchung dort selbst als kunsttheoretisch veranlagt, wo er sich der Bruchstellen etwa zwischen philosophischer und einzelwissenschaftlicher Kunsttheorie bewusst war, indem er die Frage nach dem Maßstab seiner Argumente nicht zuletzt am Sinn und Zweck eines Gesetzes selbst orientierte. Dies liefert zugleich ein besseres Verständnis für die Relevanz solcher Fragen für die Methode der Kunstkritik selbst. Für den ersten Teil der Untersuchung ergibt sich folgendes Bild: Mit dem zweiten preußischen Verunstaltungsgesetz von 1907 stabilisierte sich ein spezifisches Kunstverständnis, das sich in der Denkmalöffentlichkeit ausgeprägt hatte und einem dadaistischen Bruno Taut als Gegenvorlage diente (1. Teil, I.). Ein Architekturwerk musste nicht mehr architektonisch betrachtet werden, denn die Landschaftsmalerei war auch in der Zeit der Neuerer im juristischen Sinne normativ geworden: Der Begriff des Malerischen musste dafür seinen »Hauptnachteil« verlieren, konnte er »sowohl auf das Subjekt wie auf das Objekt« bezogenen werden.3 Damit lieferte das Verunstaltungsrecht einen juristischen Rezeptionskontext der Landschaftsmalerei des 19. Jahrhunderts, der ihre kunstkritische Erfassung überdauern konnte. Hatte sich eine malerische Auffassung nicht im Verlauf der Inventarisierungen des 19. Jahrhunderts durchgesetzt, war es nämlich die Anwendung der Verunstaltungsgesetze, welche zugleich das Movens der Avantgarde befeuerte und eine Theorie der Kunst aufgriff, die zwischen einer Ästhetik von unten und einer Ästhetik von oben stand. War der Begriff des Denkmals im Sinne eines Orts- oder Landschaftsbildes um 1900 als ein Rechtsbegriff mit kunsttheoretischer Verweisungsgrundlage etabliert worden (1. Teil, VI.), liegt hier das historische Ausgangsbeispiel für die Überführung eines gesellschaftlich etablierten Geschmacks in juristische Begriffe. Zugleich erhellte der Kontext des Verunstaltungsrechts als historische Sinnprägung eines Kunstbegriffs das Potenzial des begriffs- und ideengeschichtlichen Zugangs. Hier nämlich wurden die Grundvoraussetzungen einer Historisierung der Rezeptionszusammenhänge abseits polarisierter Diskursfelder bestimmt und die duale Historizität im Sinne der Legitimierung der eigenen Wertung aus oder gegenüber der Geschichte der Kunst, wie bei Fortunat von Schubert-Soldern, ganz deutlich formuliert (1. Teil, VI.5.). Durch die Anwendung der Verunstaltungsgesetze wurden nicht nur Orts- und Landschaftsbilder konserviert, 3
Vgl. Déri 1907, S. 130.
»Es sind die Metaphern, die uns erziehen […]«?
sondern auch die Gebrauchsgrafik und andere als unästhetisch empfundene visuelle Immissionen aus weiten Teilen des öffentlichen Raums verbannt. Entscheidend war hier der erwähnte Maßstab: Denn als malerisch wurde bezeichnet, was an wirkmächtigen Motiven im Besonderen in der Landschaftsmalerei repräsentiert, gleichsam als Maßstab mit ethischem Anspruch als ihr »Inventar und Rüstzeug« identifiziert werden konnte. Als »bildmäßige Ausschnitte« im Sinne Dagobert Freys sollte in malerischen Winkeln ein letztlich emotional vermitteltes Lebensumfeld angesichts technischer Neuerungen und gesellschaftlicher Umwälzungen erhalten werden (1. Teil, III.). Die kunstbegrifflichen Kämpfe um die Praktiken der Dadaisten werden vor dem Hintergrund des ersten Kapitels um einen kulturhistorischen Aspekt ergänzt, wie er selten Berücksichtigung findet. Kunstkritiker suchten in den im zweiten Teil ausgewerteten Zeitschriften nicht das Typische oder Regelmäßige, zuweilen wortgewaltig, am Kriterium der Originalität zu sichern. Als »Vehikel der künstlerischen Entwicklung« musste ihre Kritik über Anerkennung oder Ächtung entscheiden.4 Entscheidend für die aus der Gegenüberstellung gewonnene Erkenntnis, die Grundlage der Identifikation der hier untersuchten Wechselwirkungen war, ist für die Kunstöffentlichkeit Folgendes: Die hier ausgewerteten Artikel waren von einer »methodischen Vielfalt [geprägt]: philosophische und psychologische Ästhetik, darwinisierende Kunstbetrachtungen, Kunstgeschichte und Poetik stehen hier nebeneinander.«5 Werkvorstellungen standen zur Debatte und einzelwissenschaftliche Fixpunkte, wie eine Fokussierung auf eine »Künstlerpersönlichkeit« im Sinne Theodor Meyers, wurden hinterfragt. Alte Begriffe wurden in den untersuchten Kunstzeitschriften nicht nur zur Wertung an Bekanntem eingesetzt, sondern auch mit neuen Inhalten versetzt und in neue Verwendungskontexte gestellt (2. Teil, IV.). Das neue Kunstschutzgesetz von 1907 hatte schließlich das Erzeugnis der angewandten Kunst zum Werk der bildenden Künste erklärt (2. Teil, V.1.). Eine zunächst an der gegenständlichen Malerei ausgerichtete Bildwerkstheorie schien im juristischen Kontext ein Tapetenmuster ebenso wenig wie ein alltäglicher Kunstbegriff als bildende Kunst vermitteln zu können. Verwiesen war schon hier auf die Differenz von ästhetischem Objekt und dinglichem Kunstwerk (2. Teil, II.4.). In den folgenden Jahren sollte mit diesem Gesetz im Kontext einer lebhaften Ästhetikdiskussion »die angewandte Kunst […] urheberrechtlich mit der hohen Kunst gleichbehandelt werden«.6 Zugleich wurde ganz im Sinne babylonischer Zustände darauf verwiesen, dass bereits das alte Kunstschutzgesetz nur die Werke der »hohen Kunst« als Werke der bildenden Künste geschützt habe. Jene Werke also, die »im Sprachgebrauch und im Rechtsbewußtsein als Kunstwerke« bestehen mussten.7 Es war eine Nebenlinie des ästhetischen Denkens, die sich gegen die institutionell dominierende Ästhetik von oben durchgesetzt hatte und Verwirrung stiftete; war die menschliche Entäußerung zwar tatbestandsbegründend, war es die Wirkung auf den Betrachter, der ästhetische Gehalt, der den Ausgleich schaffen sollte.
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Servaes 1908, S. 331. Vgl. Trautmann-Waller 2010, S. 108. Vgl. Entwurf eines Gesetzes, betreffend das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste und der Photographie, zit.n.: Zentek 2016, S. 50. Diefenbach 1906, S. 95.
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Die Erfassung der Erzeugnisse des Kunstgewerbes unter dem Rechtsbegriff der Werke der bildenden Künste war am Ende des 19. Jahrhunderts einer besonderen Gemengelage im Bereich von Ästhetik und Kunsttheorie einerseits und der sich etablierenden akademischen Kunstgeschichte andererseits geschuldet.8 Dass genau darin eine theoretische Erweiterung des Kunstbegriffs am Bereich des Ästhetischen begründet lag, wird selten berücksichtigt. Die juristische Öffentlichkeit sah sich, wie im zweiten Teil deutlich geworden ist, nach dem Inkrafttreten des Kunstschutzgesetzes 1907 nämlich nicht nur mit einer ästhetisch-normativen, sondern einer empirischen Frage der psychologischen Ästhetik konfrontiert. Kunsthistorische, formalästhetische Positionen standen neben diesen. Doch der Gesetzgeber schien der Ästhetik als kunsttheoretisches Fundament gegenüber einer kunsthistorischen, formalästhetischen Bestimmung seiner Regelungsgegenstände den Vorzug gegeben zu haben. Nicht nur kunsttheoretische Veröffentlichungen aus den Jahren des Gesetzgebungsverfahrens standen in den juristischen Zeitschriften daher unter dem Verdacht, die »Sprache« des Gesetzgebers verständlich machen zu können.9 Damit verhalf das Recht beispielsweise der Gebrauchsgrafik zu einer frühen Anerkennung als Kunstgattung und stellte im juristischen Rezeptionsrahmen einen traditionellen Kunstwerkbegriff jedenfalls theoretisch in Frage (2. Teil, V.6.). Auch zeigt sich hier, wie die begriffliche Offenheit des juristischen Positivismus kunsttheoretische Relevanz entfalten konnte, als die Allgemeine Kunsttheorie die althergebrachte Bestimmung der Kunst in Frage stellte. Anders als die Kunstöffentlichkeit abseits der Allgemeinen Kunstwissenschaft war der rechtswissenschaftliche Diskurs von einer größeren Vielzahl explizit kunsttheoretischer Fragestellungen beeinflusst. Mithin ist eines kein Widerspruch: Was auf den ersten Blick als ein Hinterherhinken hinter tatsächlichen Entwicklungen erscheint, barg zugleich das progressive Potenzial. So konnte in jenen Randbereichen der Kunstöffentlichkeit, die sich wie Das Plakat der Anerkennung neuer Kunstgattungen verschrieben hatten, die juristische Fiktion dazu dienen, in theoretisch angelegten Texten ihren progressiven Kunstbegriff zu begründen. Diejenigen Kunsthistoriker wiederum, die in Sachverständigenkammern den Rechtsbegriff Werk der bildenden Künste ausfüllen sollten (2. Teil, V.8.), konnten sich schon wenige Jahre später der Erkenntnis nicht verschließen, dass der Rechtstext und seine Auslegungen die Begriffe des eigenen Fachs ebenso in Frage stellen mussten wie das alltägliche Begriffsverständnis. Was sich letztlich dahinter verbarg, war eine Zurückweisung jenes Kunstpositivismus, wie ihn etwa auch die Allgemeine Kunstwissenschaft anstrebte. Die Rechtswissenschaft hielt die Ästhetik in ihrer begrifflichen Vielgestaltigkeit als Theorie der Kunst am Leben. Im dritten Teil gerät eine Zeit in den Blick, in der die Wechselwirkungen nicht mehr nur eine amorphe Kategorie waren: die Rechtswissenschaft lieferte einen Diskurs, der Kunstgeschichte schrieb. Das Kunstdenken an Fluxus wurde als eine Phase der theoretischen Dematerialisierung und der Aufhebung der letzten Gewissheit identifiziert, nämlich der, dass sich bildende Kunst allein im Raum und nicht in der Zeit abspielen
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Zu diesem Wandel im Verlauf des 19. Jahrhunderts vgl. auch Kleinschmidt 2011, S. 171. »Ich zitierte gerade Cornelius, weil seine Ästhetik ungefähr zur gleichen Zeit geschrieben ist, in der das neue Kunstschutzgesetz in Kraft trat und daher […] eine Vermutung dafür spricht, dass der ›Gesetzgeber‹ die gleiche Sprache redet.«, vgl. Breit 1909, Sp. 437.
»Es sind die Metaphern, die uns erziehen […]«?
konnte (3. Teil, III.). Auf die Dematerialisierung des Stoffs (Sujet) in der gegenstandslosen Kunst folgte in der Kunstöffentlichkeit die Dematerialisierung zum visuellen Erlebnis. Besonders in den 1960er Jahren wurden kunstbegriffliche Fragestellungen von den selbsterklärten Neo-Dadaisten mittels Soirée-artiger Veranstaltungen erneut eingefordert.10 Die gegenständliche Kunstproduktion war bei Fluxusvertretern wie Wolf Vostell zu einem größeren Teil auf die Umsetzung sogenannter »dé-collàgen« begrenzt.11 Auch seine Werkstücke banden das Leben durch Plakatfragmente ein. Der von den Akteuren selbst behauptete Bezug zu den Dadaisten darf allerdings über wesentliche Verschiedenheiten nicht hinwegtäuschen. Denn schon in den 1970er Jahren standen »neue« Kunst und institutioneller Kunstdiskurs nicht mehr im Widerspruch, Praxis und Theorie hatten sich angenähert.12 Jene untersuchten Zeitschriften, die sich der bildenden Kunst verschrieben hatten, sahen sich mit Kunst ohne Werkstück konfrontiert – das Leben wurde zum neuen bildkünstlerischen Ausdrucksmittel erhoben. Wollte der Kunstkritiker ein Fluxushappening oder allgemein die konzeptuellen Tendenzen der Nachkriegskunst fassen, sah er sich mit den Unzulänglichkeiten eines kunsthistorischen Werkbegriffs konfrontiert, der am dinglichen Objekt kunsttheoretische Fragen auszuschließen schien: Das Happening war Plastik, seine Partitur Grafik – so die institutionell gewordene Kunsttheorie (3. Teil, IV.4.). Jener Begriffspluralismus erwies sich nach 1960 allerdings abseits musikkritischer Beiträge mehr als Strategie denn als intellektuelle Komplexität. Eduard Trier etwa, der vor seiner Berufung an das Kunsthistorische Institut in Bonn insbesondere als Kunstkritiker und Direktor der Staatlichen Kunstakademie Düsseldorf in Erscheinung getreten war, befasste sich im Magazin Kunst 1966 intensiv mit der Bedeutung und den Kriterien der zeitgenössischen Kunstkritik:13 Wie war die aktuelle Kunst in den Griff zu bekommen? Welche Überzeugungskraft konnten diese Begriffe haben? Es überrascht folglich nicht, dass angesichts der erkennbaren Unvereinbarkeit von Theorie und Praxis das urheberrechtliche Werk für Kritiker interessant und für Konzeptkünstler wie Timm Ulrichs unentbehrlich werden sollte. Angesichts einer Kunstöffentlichkeit, die ein Verständnis von bildender Kunst pflegte, welches sich an einem dinglichen Werkbegriff orientierte, wird deutlich, warum die rechtswissenschaftliche Diskussion in der Theoriearbeit dieser Jahre eine entscheidende Rolle einnehmen konnte. Zudem waren Kunstkritiker und -wissenschaftler in den Jahren nach Inkrafttreten des Kunstschutzgesetzes mit einzelnen Zusammenhängen bereits umfassend beschäftigt, weshalb sich eine generationale Kontinuität aufdrängt. Wir sehen uns mit einer Phase der Wechselwirkung bzw. einer historischen Arbeitsgemeinschaft konfrontiert, die, wie nicht zuletzt mit Timm Ulrichs’ Geschmacksmuster belegt (3. Teil, V.2.), nicht ohne Folgen für Kunstdiskurs und -praxis selbst bleiben sollte.
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Brill 2010, S. 99. Wieczorek 2011, S. 36. Diese Bezeichnung wurde schon kurz nach der Berner Schau mit einer weiteren Ausstellung unter dem Titel Exhibiting the New Art. ›Op Losse Schroeven‹ and ›When Attitudes Become Form‹ im gleichen Jahr im Stedelijk Museum in Amsterdam aufgegriffen, vgl. von Bismarck 2019, S. 233. Trier 1966. Zur Person Eduard Triers vgl. Baumann/Wich-Reif 2018, S. 608.
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Für die urheberrechtliche Methode war ein großer Teil der Kunst der Nachkriegszeit zugleich Lackmustest für ihre eigenen Kategorien. Schließlich sollte es dem urheberechtlichen Rechtsbegriff nicht um solche Wertfragen gehen, wie sie sich die Kunstgeschichte im Sinne einer Ästhetik von oben bis weit in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts stellte (3. Teil, VI.). Im juristischen Diskurs potenzierte sich eine in den 1960er und 1970er Jahren virulente Diskussion um den Begriff der Kunst als etwas Gewordenes oder gesellschaftlich Geformtes. Dabei war es vornehmlich die Musikkritik dieser Zeit, die Fluxus im Kontext der Neuen Musik in einen ästhetischen Diskurs übertrug und den Begrifflichkeiten der philosophischen Ästhetik neue Geltung verschaffte (3. Teil, VI.6.). Gleichzeitig boten die Aktionen der Fluxuskünstler die Möglichkeit, eben diesen Diskurs als werkbegriffsbildend zu entlarven. Die Auswertungen führen auch zutage: Ungeachtet der aufgedeckten sanften Anregungen, einen weiten Kunstbegriff in der Kunstkritik zu prägen, war auch die Kasseler Kunstschau bis in die 1960er Jahre gleichwohl im Wesentlichen auf Malerei und Skulptur und damit auf einen traditionellen Werkbegriff ausgerichtet.14 Die bildenden Künstler sollten ihrerseits wenige Jahre später in Abgrenzung zu den Formgestaltern ihr Metier als Visualisierung von Denkprozessen propagieren.15 So musste der rechtswissenschaftliche Diskurs das Dickicht der ästhetischen Theorien lichten, um abseits von der Gattung als zentraler Trägerin von Werkvorstellungen bildende Kunst und visuelle Erfahrung zu vereinigen. Dabei war es diese rechtswissenschaftliche Theoriebildung, die eine kunstwerkästhetische Verengung des Kunstbegriffs, wie sie in der Kunstgeschichte der Nachkriegszeit weitergetragen wurde, in Frage stellte und damit eine Rückbesinnung auf eine Ästhetik als Theorie der Kunst empfahl, die durch Subjektivität eine Neubestimmung des Kunstbegriffs legitimieren konnte. Diese Annahmen sind grundlegend für ein Verständnis der zunächst nur lose verbunden erscheinenden Fäden der Kommunikation über Fluxus im Besonderen und ebenso die Kunst der Nachkriegszeit im Allgemeinen. Das Beispiel Timm Ulrichs’ ist besonders prägnant: Untersuchungen mussten ihn auf das nun urheberrechtlich schutzfähige Werk gestoßen haben. Bereits die Dadaisten hatten allerdings das rechtlich in Kunstschutzgesetz und Geschmacksmustergesetz fixierte ästhetisch-normative Stufenverhältnis zwischen geschmacklicher und künstlerischer Leistung mit dem Begriff des »dadaistischen Erzeugnisses« aufgegriffen (2. Teil, III.).16 Nun war allerdings auch die Bezugnahme der Kunstkritik auf die juristische Theoriebildung und ihre Begriffe genau in diesem Kontext der Juryfreien Kunstausstellung deutlich auszumachen (3. Teil, V.). Besonders aufschlussreich ist nun, dass die Erprobung des Kunstbegriffs, der den urheberrechtlichen Meinungen zugrunde lag, an den verschiedenen Erscheinungsformen der Nachkriegskunst erfolgte. Die Juristen mussten ihre eigenen Begriffe histo14 15 16
Hoffmann 2013, S. 86. Diese formulieren »Bildende Kunst ist das Feld, auf dem sich anschauliches Denken in seiner höchsten Form manifestiert.«, vgl. Götz/Götz Düsseldorf 1972. Zum Begriff der »dadaistischen Erzeugnisse« vgl. 2. Teil, II. Das Geschmacksmustergesetz trat am 11. Januar 1876 in Kraft. Der Verfasser des Gesetzesentwurfs Dambach definierte Muster und Modelle in seinem Kommentar zu diesem Gesetz als »Vorbilder für die Form von Industrie-Erzeugnissen, sofern diese Vorbilder zugleich dazu bestimmt oder geeignet sind, den Geschmack oder das ästhetische Gefühl zu befriedigen.«, vgl. Dambach 1876, § 1 Anm. 4.
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risch relativieren und sahen sich mit dem unausgesprochenen Dilemma des rechtswissenschaftlichen Positivismus konfrontiert, den Stockhammer angesichts der juristischen Methodendiskussion noch als Ausweg aus den Begriffsverwirrungen sehen wollte.17 Dabei war der juristische Kunstdiskurs mit den gleichen methodischen Fragen konfrontiert, wie sie in der Abgrenzung von Kunstkritik und -wissenschaft adressiert wurden (3. Teil, VI.8.);18 es musste um die Frage gehen, wieviel Subjektivismus angesichts der zeitlichen Unmittelbarkeit bei der Ausfüllung des Rechtsbegriffs zulässig sein konnte. Letztlich blieb den Juristen nur, vor dem Hintergrund eigener Fragestellungen selbst Theorieentwürfe zu entwickeln; Theorieentwürfe, die durch ein historisch vergemeinschaftetes Vokabular auch Kunsttheorie sein konnten. Am Ende steht ein Panoptikum, das nur durch die Breite seines »Untersuchungskorpus« in der Lage ist, blinde Flecken aufzudecken und die Kunstgeschichte mit der Rechtsgeschichte in neuer Weise zu verbinden.19 Nach der Rekonstruktion der kunstbegrifflichen Ebenen in den drei Fallstudien der Untersuchung hat das Phänomen Babylon nun einen neuen Befund vermitteln können: Was sich zeigt, ist ein Geflecht von Begrifflichkeiten, von Theorien und von Fragestellungen, das in seiner Komplexität nur schwer auf Anfangs- und Endpunkte hin zu hinterfragen zu sein schien. Dennoch wurde eines deutlich: Der rechtswissenschaftliche Diskurs folgte nicht bloß, er prägte auf kunsttheoretischer Ebene das Verständnis von (bildender) Kunst. Genau dort auch wurde das Ästhetische nicht, wie von der Allgemeinen Kunstwissenschaft gefordert, aus kunstbegrifflichen Zusammenhängen gelöst, sondern in unterschiedlicher Ausprägung eingefordert. Damit stehen wir erneut am Ausgangspunkt: Das kunstbegriffliche Babylon liefert Grundlagen dafür, dass die »Kunstbetrachter [beider] Fakultäten« einen anderen, wenn nicht gar neuen Zugang zu ihren jeweiligen fachdisziplinären Gewissheiten finden können.20
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Moritz Stockhammers Brückenschlag zwischen juristischer Methode und Kunstbegriff wurde in der Einleitung thematisiert. Positivismus und Normativismus sahen sich dem Vorwurf der Sinnentleerung des Rechtsbegriffs ausgesetzt, vgl. Meuter/Otten 1994, S. 171. Die Abgrenzungsfrage problematisierte: Junod 1982, S. 96-97. Zum Begriff im Kontext der kunsthistorischen Methodenfrage abseits der Objekte s. Männig 2017, S. 16. Aus kunsthistorischer Perspektive äußerte Elizabeth Cropper bereits einen Standpunkt, der jedenfalls einer Aktualisierung zugänglich ist: »If legal history should not displace, far less dominate, the history of art when considering the history of artistic personality (any more than should medical, social or economic history), it may, like other forms of history, provide perspectives on the history of art itself.«, vgl. Cropper 2005, S. 200. Aus rechthistorischer Perspektive zum »Blick über den Gartenzaun« vgl. Caroni 2005, S. 27. Vgl. Gerstenberg 1969, S. 91.
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Dank
Diese Monografie basiert auf meiner Dissertationsschrift mit dem Titel Das kunstbegriffliche Babylon. Historische Grundlagen der Wechselwirkungen von Ästhetik, Kunsttheorie und Rechtswissenschaft, die im Oktober 2021 von der Philosophischen Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn angenommen wurde. Meiner Doktormutter, Frau Juniorprofessorin Dr. Ulrike Saß, bin ich insbesondere zu Dank verpflichtet für ihre Aufgeschlossenheit gegenüber einer Fragestellung, die angesichts ihres interdisziplinären Ausgangspunkts sicher nicht frei von Wagnis war. Herrn Professor Dr. Christoph Zuschlag danke ich für die Erstellung des Zweitgutachtens und für die Möglichkeit, einzelne Gedanken im Rahmen des »Forschungskolloquiums Informelle Kunst« im Februar 2020 präsentiert haben zu dürfen. Auch danke ich den Organisatoren des 94. Kunsthistorischen Studierendenkongresses, deren Einladung 2018 meinem Entschluss, mich an vorliegendem Text zu versuchen, einen entscheidenden Impuls gegeben hat. Für kritische Gespräche und eine überaus bereichernde Zeit als Mitarbeiter für die Dauer meiner Arbeit an dieser Dissertation danke ich Herrn Bertold Schmidt-Thomé und Herrn Dr. Pascal Decker. Dank gilt aber auch den hier Unerwähnten, die bewusst oder unbewusst mein Interesse an der Auseinandersetzung mit (kunst-)historischen Fragestellungen geweckt oder gefördert haben. Neben anderen, die zum Gelingen der Arbeit beigetragen haben, danke ich namentlich Antonia Borggrefe, Fabian Jung und Anne Sophie Ortmanns für ihre mehr als verlässliche Unterstützung und konstruktiven Gedanken seit vielen Jahren. Ganz besonderer Dank gilt schließlich meiner Mutter Elisabeth Müller und meinen Pateneltern Johanna und Lothar Heuß. Ohne sie wäre die Ausführung dieser Arbeit in so vielfältiger Weise nicht möglich gewesen. Berlin, im Januar 2022 Marius Müller
Abkürzungsverzeichnis
BGH
Bundesgerichtshof
BT-Drs.
Bundestagsdrucksachen
BVerfG
Bundesverfassungsgericht
GRUR
Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht. Zeitschrift des Deutschen Vereins für den Schutz des gewerblichen Eigentums/Deutsche Vereinigung für Gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht
i.w.S.
im weiteren Sinne
KG
Kammergericht
KUG
Gesetz, betreffend das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste und der Photographie v. 9. Januar 1907 (Kunstschutzgesetz)
LUG
Gesetz, betreffend das Urheberrecht an Werken der Literatur und Kunst v. 19. Juni 1901 (Literaturschutzgesetz)
m.E.
meines Erachtens
m.w.N.
Mit weiteren Nachweisen
NDB
Neue Deutsche Biographie
RGBl.
Reichsgesetzblatt
RGSt
Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen
RGZ
Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen
UFITA
Archiv für Urheber- und Medienrecht
UrhG
Gesetz über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte v. 9. September 1965
Hinweis: Falls berechtigte Interessen Dritter in Hinsicht auf die hier abgedruckten Bildzitate bzw. das abgedruckte Gutachten bisher unberücksichtigt geblieben sein sollten, geschah dies nicht absichtsvoll und trotz gewissenhafter Vorprüfung. Ich bitte in einem solchen Fall um entsprechende Mitteilung über den Verlag.
Quellen
Hinweis: Quellen sind regelmäßig im Wortlaut wiedergegeben; zur besseren Lesbarkeit sind nur teilweise Anpassungen an die moderne Orthografie vorgenommen worden. Solche Quellen ohne Namen sind durch Jahr und Kurztitel der Zeitschrift in den Fußnoten angegeben. Bundestagsdrucksachen (BT-Drs.) und Rechtsprechung sind teilweise nur in der Fußnote mit vollständiger Fundstelle angegeben, um erhebliche Brüche in der Zitationsweise zu vermeiden. Erfasst sind hier als »Quellen« Titel mit Erscheinungsjahren vor 1981; Titel mit Erscheinungsjahr ab einschließlich 1981 sind unter »Literatur« gelistet, wobei diese Unterscheidung mit Blick auf die Quellenbasis im 3. Teil erfolgte. den Beständen des Thüringisches Hauptstaatsarchiv Weimar wurde nach Gutach In ten sowie Hinweisen auf die Besetzung und Arbeitsweise der Sachverständigenkammer für bildende Künste im März 2019 geforscht. Die ausgewerteten Archivalien sind in den Fußnoten jeweils vollständig benannt. Alexander-Katz, Paul (1911): Ortsstatutarische Bauverbote in Preußen. Berlin. Antin, David (1966): »Pop« – Ein paar klärende Bemerkungen. In: Das Kunstwerk, 19 (10-12), S. 8-111. Aust, Günter (1980): Die Galerie Parnass in Wuppertal. In: Treffpunkt Parnass Wuppertal 1949-1965. Köln, S. 9-10. Baier, Hans Alexander (1965): Keine Experimente. In Berlin zensiert man selbst die »Juryfreie«. In: Kunst 8/9, S. 154-157. Baur, Otto (1930): Zum Kunstschutzgesetz. In: Die Form, 5 (5), S. 138. Becker, Jürgen/Vostell, Wolf (1965): Happenings. Fluxus, Pop Art, Nouveau Réalisme. Eine Dokumentation. Reinbek bei Hamburg. Behne, Adolf (1919): Werkstattbesuche II. Jefim Golyscheff. In: Der Cicerone. Halbmonatsschrift für Künstler, Kunstfreunde und Sammler, XI, 22, S. 722-726. Behne, Adolf (1920a): Malerei und Plakatkunst in ihrer Wechselwirkung. In: Das Plakat, 11 (1), S. 28-38.
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Annex
Landesarchiv Thüringen – Hauptstaatsarchiv Weimar, Thüringisches Volksbildungsministerium C 901, Bl. 132-142 (alte Foliierung: Bl. 114-124); Gutachten v. 9. April 1931
[Handschriftlicher Vermerk] In dem Rechtsstreit der
in Nürnberg, Klägerin, gegen
die in Saalfeld, Verklagte, erstattet die künstlerische Sachverständigenkammer in Weimar nach vorangegangener mündlicher Beratung, an der teilgenommen haben: Ministerialdirektor i.W. Dr. Wuttig als Vorsitzender, Kommerzienrat Eduard Müller, Professor Otto Rasch, Professor Walter Klemm, Professor Dr. Köhler, Direktor der Staatlichen Kunstsammlungen, folgendes Gutachten: 1) Es besteht hohe Wahrscheinlichkeit, daß das Dekor der Klägerin Nr. 857 nicht zu den Werken der bildenden Künste im Sinne des Gesetzes vom 9. Januar 1907 betr. das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste und Photographie zu rechnen ist. 2) Das Dekor der Verklagten Nr. 4300 ist keine Nachbildung des Dekors Nr. 857.
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Begründung. I.
Das Rosendekor der Klägerin Nr. 857 ist nach der Behauptung der Klägerin in ihrem Auftrag im Jahre 1903 durch den Maler Ulrich Hagemann in Nürnberg, jetzt im Staate New York wohnhaft, entworfen worden. Die Klägerin stellt es in großen Mengen zur Verwendung als Schmuck von Gebrauchsgeschirren her und zwar vorzugsweise für die Feinsteingutfabrik Max Roesler in Rodach. Das Dekor zeigt in der hauptform eine Guirlande [sic!] mit vier aufgeblühten Rosen rötlicher Farbe in der Mitte: nach den Seiten läuft die Guirlande in grün und rötlich verfärbte Rosenblätter und dazwischen liegende kleinere Blüten, wohl ebenfalls Rosenblüten, aus. Eine 2. Form des Dekors stellte nur das Mittelstück dieser Guirlande mit einigen Rosenblättern dar, eine 3. und 4. Form weist nur eine aufgeblühte Rose mit einigen Blättern auf. Alle 4 Formen sind je einmal in größerem und kleinerem Maßstab gezeichnet. Die Auffassung ist diejenige des Naturalismus, der die Wiedergabe des unmittelbaren Wahrnehmungsbildes von der naturform anstrebt. Die verwendeten Darstellungsmittel sind diejenigen des Impressionismus, der anstelle klar begrenzter Einzelform den allgemeinen, aus dem Reiz des Zusammenspiels von Farbe und Licht entstehenden optischen Eindruck von der Naturform festzuhalten sucht. Auffassung und Darstellung sind jedoch einem dekorativen Prinzip untergeordnet, demzuliebe der Urheber stellenweise auf die treue Wiedergabe sowohl der Naturform wie des optischen Eindrucks verzichtet. Für die Frage, ob derartige kunstgewerbliche Erzeugnisse den Schutz des Gesetzes vom 9. Januar 1907 genießen, ist nach allgemeiner Ansicht entscheidend, ob sie »eine individuelle, schöpferische Leistung« enthalten. Umstritten ist aber, worin die »individuelle, schöpferische Leistung« zu erblicken ist. Die Sachverständigenkammer hat sich zunächst an den Beweisbeschluß vom 6. Januar 1931 zu halten. Danach soll geprüft werden, ob Röschen-Dekor schon vor 1903 allgemein bekannt waren und ob der Dekor Nr. 857 zwangsläufig aus Gegebenem zusammengesetzt oder abgeleitet ist und der Urheber aus Eigenem etwas dazu beigetragen hat oder nicht. Auch ist dazutun, was an Dekor neu ist und was alt, ob und inwieweit der Dekor durch die willkürliche Tätigkeit des Urhebers bedingt, individuelle und schutzfähig ist. Rosendekors sind schon lange vor dem Jahre 1903 bekannt gewesen und mit besonderer Vorliebe zum Schmuck von gewerblichen Erzeugnissen verwendet worden. In der Porzellanindustrie kommen sie schon im 18. Jahrhundert – nach der ersten Periode, in der
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die chinesischen Motive vorherrschten – häufig vor. Das zeigt ein Gang durch alte Porzellansammlungen (wie z.B. durch das Rokokomuseum in Belvedere bei Weimar) und der Blick in wissenschaftliche Werke, die die ältere Porzellankunst behandeln. Wichtig ist, daß schon damals auch die Form der Rosenguirlande ein beliebtes Motiv war. Als Beleg wird die Abbildung einer Teetasse vom Jahre 1789 (aus dem »Schillerhaus« in Volkstedt) – Anlage 1 – beigefügt. Im Lauf der Zeit, besonderes gegen Ende des 19. Jahrhunderts hat sich die Verwendung des Rosendekors ganz außerordentlich gesteigert. Zum Bedrucken von Stoffen, zu Tapeten, zur Verzierung von Papier (Briefbogen, Glückwunschkarten usw.), in der Stickerei und Weberei ist es in den mannigfaltigsten Abwandlungen wohl ebenso häufig verwendet worden wie zum Schmuck von Keramik. Es sei auch an die vor 3 und 4 Jahrzehnten im Schwange gewesene Mode der »Streublümchen« erinnert, die zum Einkleben in Kinderalbums verkauft oder verschenkt wurden. Es ist nicht übertrieben, wenn man ausspricht, daß unzählige Varianten des Röschendekors schon vor 1903 vorhanden und im Gebrauch waren. Die Zahl der Varianten mußte umso größer sein, als die heutige Form der Massenerzeugung derartiger Ziermuster erst neueren Datums ist. In der Porzellanindustrie war es früher die Regel, daß die Dekors auf jedes einzelne Stück mit der Hand gemalt wurden, sodaß jede Fabrik eine große zahl von Dekors verwendete, mochten sich diese auch je nach der Geschicklichkeit und der Phantasie der beschäftigten Musterzeichner oder Mustermaler mehr oder weniger ähneln oder sich mehr oder weniger an bereits bekannte Muster anlehnen. Das war durch den damaligen Stand der Technik bedingt. Erst vor 30 bis 40 Jahren erlangte die Herstellung von gedruckten »Abziehbildern«, die die massenhafte mechanische Übertragung eines und desselben Musters auf Porzellan oder Steingut ermöglichte, größere Vollkommenheit, und so ist seitdem die Handmalerei im Porzellangewerbe mehr und mehr verdrängt worden, wenigstens für das für den Massengebrauch bestimmte Gebrauchsgeschirr. Als Belege für die Benutzung des Motivs der Rosenguirlande in der Handmalerei um die Zeit der Jahrhundertwende werden die beiden farbigen Abzeichnungen aus der Porzellanfabrik von E. und A. Müller in Schwarza dem Gericht überreicht (Anlage 2). Die Anlagen 1 und 2 sind nur als (zufällig verfügliche) Beispiele für die verbreitete Verwendung des »Röschendekors« vor dem Jahr 1903 gedacht. Aber die allgemein häufige Benutzung desselben Schmuckmotivs macht es in den hohen Maß wahrscheinlich, daß eine weitgehende Übereinstimmung des Dekors Nr. 857 der Klägerin mit anderen damals bereits bekannten Mustern vorhanden und deshalb das Vorliegen einer individuellen schöpferischen Leistung zu verneinen ist. Ist nämlich ein bestimmtes Motiv infolge massenhafter Verwendung zu gewerblichen Zwecken so häufig abgewandelt worden, wie es bei der Rose und der Rosenguirlande der Fall ist, so bleibt nur wenig Raum »individueller Schöpfung«. Selbst der wirkliche »Künstler« ist durch die in ungezählter Menge vorausgegangenen Darstellungen Anderer in der Bestätigung seiner eigenen schöpferischen Phantasie außerordentlich
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eingeengt. Nicht als ob es einem phantasiebegabten Künstler schlechthin unmöglich wäre, auf solchem Gebiete eine neue individuelle Schöpfung hervorzubringen. Es ist ohne weiteres anzuerkennen, daß z.B. eine neue eigenartige Gestaltung des »Reichsadlers« oder des »Löwen«, die beide ebenfalls häufig benutzte Motive sind, sehr wohl eine schutzfähige individuelle schöpferische Leistung darstellen kann. Aber das wird umso seltener der Fall sein, je häufiger das Motiv bereits verwendet worden ist, und dann eben nur einer besonderen Gestaltungskraft des Urhebers gelingen. Der Raum für neue individuelle Gestaltung ist noch mehr eingeengt, wenn, wie hier, der Vorwurf der freien Natur entnommen ist und eine naturalistische, keine stilisierte Darstellung angestrebt wird. Denn das Gegenständliche der Darstellung und die unwandelbaren Formen und Gesetze der Natur gehören zu den »freien Elementen« des Kunstwerks (Osterrieth-Marwitz Anm. II 7 zu § 1 des Ges.). Mit dieser Feststellung einer hohen Wahrscheinlichkeit für Unselbständigkeit des Dekors Nr. 857 der Klägerin muß sich die Sachverständigenkammer z.Zt. begnügen. Denn es ist nicht möglich, alle die ungezählten Formen des Rosendekors, die schon vor 1903 bekannt waren, zu ermitteln und übersichtlich nebeneinanderzustellen. Die Kunstwissenschaft befaßt sich nicht – oder noch nicht – mit den neueren Erzeugnissen des Kunstgewerbes dieser Art, und eine Sammlung der neueren Muster, die übrigens auch die Produktion aller übrigen Kulturländer mit berücksichtigen müßte, ist u.W. nicht vorhanden und nicht zu beschaffen. Die Erzeugnisse anderer Länder können im vorliegenden Falle umsoweniger außer Betracht bleiben, als die Vermutung besteht, dass das klägerische Dekor von französischen Vorbildern stark beeinflußt ist. Legt das Gericht Wert auf eine strengere und vollständigere Beweisführung, so wäre vielleicht der Verklagten als der in erster Linie interessierten Partei aufzugeben, weiteres Beweismaterial zu sammeln und vorzulegen. Entbehrlich erscheint dagegen eine Beweiserhebung darüber, ob der Urheber des Dekors Nr. 857 freischaffender Künstler war, und auch seine Vernehmung darüber, ob er sich an vorhandene Muster abgelehnt hat oder nicht. Die in der Theorie des künstlerischen Urheberschutzes vorherrschende Meinung stellt den Begriff des »Werkes der bildenden Künste« wesentlich auf dessen »Neuheit«, d.h. auf die Priorität des Urhebers ab, so insbesondere der Kommentar zum Kunstschutzgesetz von Osterrieth-Marwitz (2. Aufl. 1929). Die Sachverständigenkammer glaubt indessen noch einen anderen Gesichtspunkt betonen zu müssen. Der allgemeine Sprachgebrauch macht einen sehr deutlichen Unterschied zwischen Kunst und Nichtkunst, indem er die Kunst einerseits den Versuchen künstlerisch Unbegabter und andererseits der bloß technisch-handwerklichen Fertigkeit gegenüberstellt. Er lehnt es ab, etwa die »nach der Natur« angefertigte Zeichnung eines phantasiebegabten Schülers als Kunstwerk zu bezeichnen, bloß weil sie ohne »Vorlage« mit einem der künstlerischen Darstellungsmittel, nämlich dem Zeichenstift hergestellt worden ist. Ebensowenig hat – um zur Verdeutlichung ein weiteres extremes Beispiel zu gebrauchen – nach dem allgemeinen Sprachgebrauch der Porzellanmaler, der zum erstenmal [sic!] ein ZeppelinLuftschiff auf eine Tasse malt, ein »Werk der bildenden Künste« hervorgebracht, nur weil er mit Pinsel und Farbe etwas Neues, noch nicht Dagewesenes dargestellt hat. Es muß noch etwas Besonders hinzutreten, ein Kunstwerk liegt erst dann vor, wenn der
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Ausdruck eines gewissen künstlerischen »Vermögens«, einer schöpferischen Darstellungskraft ist. Dieses Merkmal läßt sich freilich nur mittels eines Werturteils feststellen, für das es bestimmte, feste Richtlinien nicht gibt. Aus der Sorge vor ungerechtem Urteil glaubt man das charakteristische Merkmal der Kunst, das sich aus dem allgemeinen Sprachgebrauch, also sozusagen natürlich ergibt, aus der Begriffsbestimmung ganz streichen zu müssen. Die Sachverständigenkammer kann sich dieser weitverbreiteten Auffassung, wie gesagt, nicht anschließen, fühlt sich vielmehr verpflichtet, das hier in Rede stehende kunstgewerbliche Erzeugnis auch darauf zu prüfen, ob es sich über das Maß bloßer handwerklich-technischer Fertigkeit erhebt. Sie glaubt diese Frage verneinen zu müssen. Naturalistische Auffassung und impressionistische Mittel des Dekors Nr. 857 sind nicht individuelle Qualitäten des Entwurfs, sondern in ihnen ist nur der Zeitstil zu erkennen, in dem der Entwerfende geschult wurde. Sein Produkt ist eine sehr achtungswerte geschmackliche Leistung, aber nicht als eine künstlerische individuelle Schöpfung zu betrachten. Es konnte in dieser Form von jedem geschulten Entwerfer hergestellt werden. Es nähert sich der oberen Grenze des Handwerklichen, aber es fehlt dasjenige Maß von persönlicher Leistung, durch das der Entwurf zu einem Werk der bildenden Künste im Sinne des Gesetzes geworden wäre. Freilich muß, da nicht die Gegenwart, sondern die Zeit um 1903 in Betracht zu ziehen ist, auch hier die Einschränkung hinzufügt werden, daß dieses Urteil nicht mit voller Bestimmtheit abgegeben werden kann, weil es an einem vollständigen Überblick über den Stand der betreffenden kunstgewerblichen Produktion um die Zeit der letzten Jahrhundertwende fehlt. Nach dem Beweisbeschluß soll die Sachverständigenkammer bei ihrem Gutachten die Anschauung des Verkehrs und der maßgebenden Kreise in Betracht ziehen. An der Frage der Schutzfähigkeit kunstgewerblicher Muster der vorliegenden Art sind ohne Zweifel nicht nur die Kunstdruckerein, zu denen die beiden Parteien gehören, und außer ihnen auch nicht etwa bloß die Porzellan- und Steingutfabriken, für die sie diese Muster herstellen interessiert, denn das Rosendekor ist, wie oben gezeigt, auch in anderen Industriezweigen seit langem heimisch geworden. Daß sich in allen diesen Kreisen eine einheitliche Auffassung durchgesetzt hat, läßt sich nur schwer feststellen und ist zu bezweifeln. Die Kunstdruckereien, die sich mit der Herstellung von »Abziehbildern« für die keramische Industrie befassen, sind in Deutschland nur in verhältnismäßig geringer Zahl vorhanden. Es hat den Anschein, daß sie sich in neuerer Zeit bemühen, die Anerkennung ihrer Erzeugnisse als »Werke der bildenden Künste« im Sinne des Kunstschutzgesetzes durchzusetzen, und es kann sein, daß sie in der Mehrzahl bereit sind, den Standpunkt der Klägerin zu unterstützen, wie es z.B. der Sachverständige Wolfrum in Abs. 2 seines Gutachtens vom 8. August 1930 tut. Demgegenüber ist zu betonen, daß in der Porzellanindustrie, wenigstens in der Thüringens, die entgegengesetzte Auffassung vorherrscht. Man ist hier und zwar sowohl im Kreise der Unternehmer wie in den Reihen der Musterzeichner und Mustermaler der Meinung, daß die Anwendung des Kunstschutzgesetzes auf Rosendekors wie die der Klägerin gar nicht in Frage kommen könne und diese eine Sicherstellung gegen
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Nachbildung nur durch Anmeldung als Geschmacksmuster erhalten könnten. In demselben Sinne sind wohl auch die Ausführungen des Sachverständigen Dr. Harkort vom 3. November zu werten. Schließlich ist noch eine praktische Erwägung anzustellen, die die Auffassung der Sachverständigenkammer unterstützt. Es ist nicht so, daß kunstgewerbliche Erzeugnisse, denen man die Eigenschaft als »Werk der bildenden Künste« absprechen muß, damit einfach schutzlos der Nachbildung durch Dritte preisgegeben wären. Die Eintragung in das Geschmacksregister gewährt solchen Schutz, zwar in beschränkter Dauer, aber doch in ausreichendem Maße. Mag man es vom sittlichen Standpunkt aus verurteilen, wenn sich jemand die Leistung eines Andern durch einfaches Kopieren zu nutze macht, so ist doch andererseits auch auf diejenigen Rücksicht zu nehmen, deren Aufgabe es ist, Muster zu entwerfen; ihnen würde die Benutzung des Motivs der Rose und der Rosenguirlande in kaum erträglicher Weise erschwert werden, wenn alle zur Zeit vorhandenen Rosendekors als ohne weiteres geschützt gelten müßten, denn auch ungewollte Anlehnungen und Entlehnungen wären kaum zu vermeiden. Die Klägerin hat das Dekor Nr. 857 durch mehr als 15 Jahre ohne wesentliche Beeinträchtigung durch Dritte benutzt und verwertet; mehr hätte sie auch nicht erreichen können, wenn sie es s.Zt. hätte als Geschmacksmuster eintragen lassen. Daß sie jetzt keinen gesetzlichen Schutz mehr für das Dekor genießt, wird man nicht als unbefriedigend bezeichnen können.
II.
Zu der 2. Frage des Beweisbeschlusses, die das Dekor Nr. 4300 der verklagten zum Gegenstand hat, ist folgendes zu bemerken. Ohne Zweifel hat bei der Herstellung des Dekors Nr. 4300 der Verklagten das Dekor der Klägerin als Vorbild gedient. Offensichtlich ist aber der Urheber des Dekors Nr. 4300 bemüht gewesen, die Ähnlichkeit so stark abzuschwächen, daß eine Verletzung des etwaigen Urheberrechts der Klägerin nicht festgestellt werden könnte. Das ist ihm nach Ansicht der Sachverständigenkammer auch gelungen. Freilich die ziemlich plump hinzugefügten kleinen rotgeränderten, teils fünf-, teils sechsblättrigen, im Übrigen nicht bestimmbaren Blüten müssen außer Betracht bleiben. Ihre Einfügung läßt eine organische Verbindung mit dem Ganzen durchaus vermissen und macht das Dekor Nr. 4300 keinesfalls zu einer neuen Schöpfung. Ebenso wenig ist von entscheidender Bedeutung, daß statt der beim klägerischen Dekor angewendeten sogenannten französischen Strichmanier hier die sogenannte deutsche Punktmanier benutzt wurde, und daß die Ausführung sehr viel weniger gefällig und anmutig ist als bei dem Dekor der Klägerin.
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Das Wesentliche der Abweichung liegt darin, daß alle Bestandteile des Dekors Nr. 4300, soweit sie sich (dem Gegenstand nach) auch im Dekor Nr. 857 finden, durchaus anders gezeichnet sind als dort. Das gilt nicht nur von dem Blattwerk und den kleineren Rosen und Knospen in der Guirlande, wo der durchgreifende Unterschied der Darstellung ganz augenscheinlich ist, sondern auch von den Einzelrosen und den Hauptrosen im Mittelstück der Guirlande. So bleibt nur eine ganz äußerliche Ähnlichkeit der beiden Dekors, die bei näherem Zusehen mehr und mehr zurücktritt. Sie beruht letzten Endes auf der fast genauen Übereinstimmung der Größenverhältnisse, bei den Guirlanden auf einer gewissen Gleichheit des Biegungsgrades und dem Gegensatz des stärker betonten Mittelstücks zu den schwächer auslaufenden Enden, sowie der Schrägstellung der aufgeblühten Rosen des Mittelstücks, im Übrigen aber nur auf dem Gesamteindruck, den die Zusammenstellung rosaroter Rosenblüten mit grünem Blattwerk hervorruft. Alle diese Übereinstimmungen betreffen aber solche Dinge, die ohne Zweifel zu den freien Elementen des Kunstwerkes gehören. Demnach liegt keine Nachbildung vor, auch wenn das Dekor der Klägerin als Werk der bildenden Künste anzusehen wäre. In dem Dekor Nr. 4300 vermag die Sachverständigenkammer nach dem unter I gegebenen Ausführungen keinesfalls eine eigentümliche Schöpfung im Sinne des § 16 des Gesetzes zu erblicken. Daraus folgt jedoch nicht, daß es eine Nachbildung im Sinne des § 15 wäre. Der Urheber des Dekors Nr. 4300 hat ebenso wenig eine Nachbildung des klägerischen Dekors wie eine neue eigentümliche Schöpfung, sondern etwas Anderes als das Dekor Nr. 857 hervorgebracht.
Weimar, den 9. April 1931. Die künstlerische Sachverständigenkammer [Unterschriften]
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Kunst- und Bildwissenschaft Ingrid Hoelzl, Rémi Marie
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Elisa Ganivet
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Ivana Pilic, Anne Wiederhold-Daryanavard (Hg.)
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Kunst- und Bildwissenschaft Petra Lange-Berndt, Isabelle Lindermann (Hg.)
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Irene Nierhaus, Kathrin Heinz, Rosanna Umbach (Hg.)
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Annika Haas, Maximilian Haas, Hanna Magauer, Dennis Pohl (Hg.)
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