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German Pages [152] Year 2018
ZEITGESCHICHTE
Ehrenpräsidentin: em. Univ.-Prof. Dr. Erika Weinzierl († 2014) Herausgeber : Univ.-Prof. DDr. Oliver Rathkolb Redaktion: em. Univ.-Prof. Dr. Rudolf Ardelt (Linz), ao. Univ.-Prof.in Mag.a Dr.in Ingrid Bauer (Salzburg/ Wien), SSc Mag.a Dr.in Ingrid Böhler (Innsbruck), Dr.in Lucile Dreidemy (Toulouse), ao. Univ.Prof. i. R. Dr. Robert Hoffmann (Salzburg), ao. Univ.-Prof. Dr. Michael John / Koordination (Linz), Assoz. Univ-Prof.in Dr.in Birgit Kirchmayr (Linz), Dr. Oliver Kühschelm (Wien), Univ.Prof. Dr. Ernst Langthaler (Linz), Dr.in Ina Markova (Wien), Univ.-Prof. Mag. Dr. Wolfgang Mueller (Wien), Univ.-Prof. Dr. Bertrand Perz (Wien), Univ.-Prof. Dr. Dieter Pohl (Klagenfurt), Dr.in Lisa Rettl (Wien), Univ.-Prof. Mag. Dr. Dirk Rupnow (Innsbruck), Mag.a Adina Seeger (Wien), Ass.-Prof. Mag. Dr. Valentin Sima (Klagenfurt), Prof.in Dr.in Sybille Steinbacher (Frankfurt am Main), Dr. Christian H. Stifter / Rezensionsteil (Wien), Univ.-Doz.in Mag.a Dr.in Heidemarie Uhl (Wien/Graz), Gastprof. (FH) Priv.-Doz. Mag. Dr. Wolfgang Weber, MA, MAS (Vorarlberg), Mag. Dr. Florian Wenninger (Wien), Ass.-Prof.in Mag.a Dr.in Heidrun Zettelbauer (Graz). Peer-Review Committee (2018–2020): Ass.-Prof.in Mag.a Dr.in Tina Bahovec (Institut für Geschichte, Universität Klagenfurt), Prof. Dr. Arnd Bauerkämper (Fachbereich Geschichts- und Kulturwissenschaften, Freie Universität Berlin), Günter Bischof, Ph.D. (Center Austria, University of New Orleans), Dr.in Regina Fritz (Institut für Zeitgeschichte, Universität Wien/Historisches Institut, Universität Bern), Prof. Dr. Michael Gehler (Institut für Geschichte, Universität Hildesheim), ao. Univ.-Prof.in Mag.a Dr.in Johanna Gehmacher (Institut für Zeitgeschichte, Universität Wien), Univ.-Prof. i. R. Dr. Hanns Haas (Universität Salzburg), Univ.-Prof. i. R. Dr. Ernst Hanisch (Salzburg), Univ.-Prof.in Mag.a Dr.in Gabriella Hauch (Institut für Geschichte, Universität Wien), Univ.-Doz. Dr. Hans Heiss (Institut für Zeitgeschichte, Universität Innsbruck), Robert G. Knight, Ph.D. (Department of Politics, History and International Relations, Loughborough University), Dr.in Jill Lewis (University of Wales, Swansea), Prof. Dr. Oto Luthar (Slowenische Akademie der Wissenschaften, Ljubljana), Hon.-Prof. Dr. Wolfgang Neugebauer (Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes, Wien), Prof. Dr. Markus Reisenleitner (Department of Humanities, York University, Toronto), Dr.in Elisabeth Röhrlich (Institut für Geschichte, Universität Wien), Univ.Prof.in Dr.in Karin M. Schmidlechner-Lienhart (Institut für Geschichte/Zeitgeschichte, Universität Graz), Univ.-Prof. i. R. Mag. Dr. Friedrich Stadler (Wien), Assoc.-Prof. Dr. Gerald Steinacher (University of Nebraska), Ass.-Prof. DDr. Werner Suppanz (Institut für Geschichte/Zeitgeschichte, Universität Graz), Univ.-Prof. Dr. Philipp Ther, MA (Institut für Osteuropäische Geschichte, Universität Wien), Prof. Dr. Stefan Troebst (Leibniz-Institut für Geschichte und Kultur des östlichen Europa, Universität Leipzig), Prof. Dr. Michael Wildt (Institut für Geschichtswissenschaften, Humboldt-Universität zu Berlin).
zeitgeschichte 45. Jg., Heft 2 (2018)
Krieg und Fotografie. Neue Aspekte einer alten Beziehung in transnationaler und postkolonialer Perspektive Herausgegeben von Markus Wurzer und Birgit Kirchmayr
V& R unipress Vienna University Press
Inhalt
Markus Wurzer/Birgit Kirchmayr Editorial . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125
Artikel Diana M. Natermann Weiße Männlichkeit(en) zur Zeit des Maji-Maji-Kriegs. Deutsch-tansanische Kolonialfotografie im postkolonialen Sinne diskutiert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 David Low Resistance and Renewal: Ottoman Armenian ‘Soldiers’ Photography’ during the First World War . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 Markus Wurzer (Re-)Produktion von Differenzen im kolonialen Gewaltregime. Private Fotopraxis aus dem Italienisch-Abessinischen Krieg 1935–1941 . . . . . . 177 Olli Kleemola Getötete sowjetische Soldatinnen und Zivilistinnen im Visier finnischer und deutscher Kriegsfotografen an der Ostfront 1941–1945 . . . . . . . . 201
zeitgeschichte extra Antonia Winsauer Hartheim, Sobibjr und Josef Vallaster. Die Silbertaler Kriegerdenkmaldebatte als Folge einer Konfrontation mit der nationalsozialistischen Vergangenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 Abstracts
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Inhalt
Rezensionen Berthold Molden Albert Manke/Katerˇina Brˇevinov# (Hg.), Kleinstaaten und sekundäre Akteure im Kalten Krieg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 Heinz P. Wassermann Herbert Dachs/Michael Dippelreiter/Franz Schausberger (Hg.), Radikale Phrase, Wahlbündnisse und Kontinuitäten . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 Autor/innen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261
Editorial
Internationale Forschungen zu Fotografie und Krieg haben in den letzten Jahren unter Zuhilfenahme innovativer methodisch-theoretischer Ansätze die fotogeschichtlichen Grundlagen wesentlich erweitert. So wurden marginalisierte Gruppen, Machtbeziehungen, Erinnerung und Gedächtnis sowie Visualierungsformen von Kategorien wie Geschlecht, ,Rasse‘, Klasse, Ethnizität und Nation auf unterschiedliche Weise Gegenstand fotografiebezogener Forschungsarbeiten. Darüber hinaus rückten Materialität, Medialität und Objektbiografien, also Produktion, Distribution, Verwendungszusammenhänge und Überlieferungskontexte von Fotografien, in den Fokus des historischen Erkenntnisinteresses. War bisher neben Überblickswerken vorwiegend die Beschäftigung mit Fotografie im Ersten und Zweiten Weltkrieg forschungsrelevant, machen HistorikerInnen zunehmend auch fotografische Praktiken in kriegerischen Konflikten abseits europäischer Schauplätze – vor dem Hintergrund der Forderung nach Dezentrierung von Geschichte und inspiriert durch die postkoloniale Theorienbildung – zum Gegenstand Ihrer Forschungen. Das vorliegende Heft schließt an diese innovativen Forschungstendenzen der Beschäftigung mit Krieg und fotografischen Praktiken an. Dazu versammelt es vier Beiträge, die sich unterschiedlicher Ansätze bedienend mit Fotografien aus kriegerischen Auseinandersetzungen der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, die geografisch außerhalb oder an den Rändern Europas stattfanden, beschäftigen. Gemeinsam ist den Beiträgen, dass sie sich nicht primär mit der Frage beschäftigen, was Fotografien sind, sondern was sie tun.1 Welche Vorstellungen von Welt, vom Eigenen und Fremden, von Machtbeziehungen und Kategorien sozialer Zugehörigkeit (re-)produzieren Fotografien, eingebettet in den konkreten Kommunikationszusammenhang des Krieges? Wie wurden sie von AkteurInnen angeeignet, verwendet, missbraucht und wie wurden dabei bestehende Deutungen affirmiert, modifiziert oder gebrochen? Im ersten Beitrag demonstriert Diana M. Natermann, auf welche Weise Fo1 Bernd Hüppauf, Fotografie im Krieg, Paderborn 2015, 25.
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tografien aus dem Maji-Maji-Krieg, der von 1905 bis 1907 in der Kolonie Deutsch-Ostafrika stattfand, dazu beitrugen, Vorstellungen ,weißer‘ Männlichkeit(en) zu konstruieren, zu materialisieren und aufrechtzuerhalten. Koloniale Fotografien bekräftigen auf diese Weise auch die Idee europäischer Überlegenheit, – ein mächtiges Deutungsmuster, das bis heute nachwirkt. Eben diese hegemonialen Erzählungen sucht die Autorin durch eine umfassende Kontextualisierung und die Re-Evaluierung kolonialer (Bild-)Quellen im Lichte der Visual History, Whitheness Studies und postkolonialen Theorienbildung zu brechen und zu verändern. Der Beitrag von David Low nimmt Fotografien armenischer Bildakteure aus dem Ersten Weltkrieg in den Blick. Anhand zweier Fallbeispiele untersucht er, inwiefern sich diese durch die Performativität fotografischer Selbstrepräsentationen als Subjekte der Geschichte – und nicht als Opfer des ottomanischen Genozids (1915–1917) – zu positionieren suchten. Dazu greift der Autor erstens auf die fotografische Produktion einer kleinen Gruppe Armenier zurück, die während des Weltkrieges freiwillig in der russischen Armee gegen das Ottomanische Reich gekämpft hatte. Zweitens konzentriert sich die Analyse auf armenische Lichtbilder, die als Antwort auf den staatlich organisierten Genozid angefertigt wurden. Markus Wurzer präsentiert in seinem Beitrag das Fallbeispiel eines aus Südtirol/Alto Adige stammenden Offiziers, der von 1939 bis 1941 in der Kolonie Italienisch-Ostafrika seinen Dienst versah. Grundlage der Analyse sind Dutzende von Fotografien, die der Offizier während seines Einsatzes geknipst, via Luftpost an seine Familie gesandt und nach seiner Rückkehr in ein Album arrangiert hatte. Anhand dieses Bildmaterials untersucht Wurzer visuelle (und textuelle) Praktiken, mittels derer der Protagonist Differenz performativ herstellte und sich selbst (und ,die Anderen‘) stets aufs Neue in Kategorien wie ,Rasse‘, Geschlecht oder Nation einschrieb. Zum Schluss nimmt Olli Kleemola eine vergleichende Analyse von Fotokonvoluten deutscher und finnischer Soldaten aus dem Deutsch-Sowjetischen Krieg (1941–1945) einerseits und aus dem Finnischen Fortsetzungskrieg (1941–1944) andererseits vor. Dabei konzentriert er sich auf ein Fotomotiv, nämlich jenes getöteter sowjetischer Frauen, die zudem in entkleideter oder teils entkleideter Form abgebildet wurden. Kleemola fragt danach, welche unterschiedlichen Bedeutungen solche Gräuelfotos für Produzenten wie Rezipienten erfüllen konnten und zeigt dabei, dass Bildfunktionen keineswegs eindeutig waren: Sie ergänzten, überlagerten oder widersprachen sich. Schließlich diskutiert der Beitrag auch forschungsethische Probleme im Umgang mit Gräuelfotos aus dem Zweiten Weltkrieg. Die Frage, ob und wenn ja, wie Opfer von (sexualisierter) Gewalt in Medien abgebildet werden dürfen, wird aktuell intensiv diskutiert. Die Erforschung
Editorial
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historischer Bildpolitiken und -praktiken ist dafür eine wesentliche Grundlage. Im vorliegenden Heft entschieden sich die HerausgeberInnen bewusst, auf die Abbildung expliziter Gewaltdarstellungen, die Täter-Perspektiven reproduzieren und auf symbolischer Ebene Gewaltanwendungen wiederholen, zu verzichten und damit auch die Würde und Integrität der Opfer anzuerkennen. Die Darstellung von Gewaltbildern oder auch Bildern mit explizit kolonialer Perspektive ist aus unserer Sicht nur dann rechtzufertigen, wenn sie als Quellen umfassend kontextualisiert, in Argumentationen eingewoben und ihre zeitgenössischen Rhetoriken explizit gebrochen werden. In diesem Sinne sind auch jene Fotografien, die in diesem Heft abgebildet sind und die wir zur Untermauerung der jeweiligen Argumentation als notwendig empfunden haben, zu verstehen. Eine zufriedenstellende Lösung für die Problematik kann es vermutlich nicht geben. Die Bewusstmachung und Diskussion der Frage ist aber unerlässlich, in vielen fotografiegeschichtlichen Darstellungen ist sie allerdings noch nicht erfolgt. Nicht zuletzt hoffen wir deshalb, hier einen weiteren Anstoß zu einer wichtigen Diskussion zu leisten. Dieses Heft ist das zweite, das nach dem Relaunch der Zeitschrift „zeitgeschichte“ erscheint. Eine der Neuerungen stellt der „Extra-Beitrag“ dar, der sich thematisch nicht in den jeweiligen Heft-Schwerpunkt einordnen muss. Der „Extra-Beitrag“ des vorliegenden Heftes ist angesiedelt in der aktuellen Forschung zur Erinnerungs- und Gedenkkultur Österreichs in Bezug auf Nationalsozialismus und Zweiten Weltkrieg. Dazu untersucht Antonia Winsauer Debatten, die sich 2007 in der Gemeinde Silbertal (Vorarlberg) rund um das örtliche Kriegerdenkmal entzündet haben. Nach Bekanntwerden der Tatsache, dass einer der in diesem Denkmal erinnerten „Gefallenen“ ein NS-Kriegsverbrecher war, entbrannte die Diskussion um adäquates Gedenken im lokalen Kontext. Winsauer bettet das lokale Vorarlberger Beispiel in einen Gesamtkontext veränderter Erinnerungskultur ein, fragt nach den AkteurInnen und ihren Motivationen und evaluiert das konkrete Projekt der Denkmalneukonzeption in Silbertal.
Artikel
Diana M. Natermann
Weiße Männlichkeit(en) zur Zeit des Maji-Maji-Kriegs. Deutsch-tansanische Kolonialfotografie im postkolonialen Sinne diskutiert
Der Maji-Maji-Krieg von 1905–7 im einstigen Deutsch-Ostafrika (DOA) ist heute kaum mehr bekannt, obwohl ihm um die 300.000 TansanierInnen zum Opfer fielen und er unter HistorikerInnen heutzutage als Deutschlands erster großer Kolonialaufstand bzw. -krieg gedeutet wird. Noch unbekannter sind die deutschen Kolonialfotografien und Egodokumente,1 die sich teilweise auf intimste Art und Weise mit diesem Geschehen der deutschen Kolonialgeschichte auseinandersetzten. Zu einer Zeit als die imperiale Durchdringung Zentralafrikas Hand in Hand mit zeitgenössischer Forschung ging, war die mobile Fotokamera zum neuen steten Begleiter der Kolonisierenden geworden: Der moderne Kolonialismus des frühen 20. Jahrhunderts war ohne Fotokamera undenkbar geworden. Dieser Umstand ermöglichte die Erschaffung einer neuen Norm, in der „weiße“ Fotografen2 „weiße“ Fotos in „nicht-weißer“ Umgebung schossen. Dies gilt auch für den Maji-Maji-Krieg. Daher wird der folgende Artikel die postkolonial beeinflusste Diskussion um die Begriffe Kolonialaufstand vs. Kolonialkrieg mit dem Phänomen der Kolonialfotografie verbinden. Diese Kombination, welche noch durch den Aspekt der Konstruktion von Männlichkeit(en) ergänzt wird,3 soll hervorbringen, wie eine Neuauswertung vermeintlich „alter“ und „eindeutiger“ Quellen neues Licht auf die deutsche Kolonialfotografie werfen kann. Ziel ist es, ein der damaligen Zeit entsprechend genaueres Narrativ zu schaffen.4 Dieses 1 Siehe: Rudolf Dekker, Egodocuments and History : Autobiographical Writing in its Social Context since the Middle Ages, Hilversum 2002; Winfried Schulze, Ego-Dokumente: Annäherung an den Menschen in der Geschichte, Berlin 1996. 2 Bisher sind nur männliche deutsche Fotografen bekannt. 3 Siehe: Stefan Horlacher/Bettina Jansen/Wieland Schwanebeck (Hg.), Männlichkeit: Ein interdisziplinäres Handbuch, Stuttgart 2015; Karin Hostettler/Sophie Vögele (Hg.), Diesseits der imperialen Geschlechterordnung. (Post-)Koloniale Reflexionen über den Westen, Bielefeld 2014; Sandra Maß, Weiße Helden, Schwarze Krieger. Zur Geschichte kolonialer Männlichkeit in Deutschland 1918–1964, Köln 2006. 4 Siehe: Sebastian Conrad/Shalini Randeria, Geteilte Geschichten. Europa in einer postkolonialen Welt, in: Sebastian Conrad/Shalini Randeria (Hg.), Jenseits des Eurozentrismus.
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Vorhaben ist nicht nur der Wichtigkeit des Forschungsfeldes der Visual History geschuldet, sondern hat auch Auswirkungen auf das 21. Jahrhundert, indem es persistente kolonialistische Stereotype aufzubrechen vermag und zu einer Neuorientierung deutsch-tansanischer Beziehungen beitragen kann. Denn auch wenn der Maji-Maji-Krieg in Deutschland wenig bekannt ist, so erlebt dieser bzw. die Auseinandersetzung mit ihm in Tansania seit den frühen 2000er-Jahren ein Revival aus künstlerischer, sozialer und politischer Sicht.5 Anhand der kombinierten Analyse deutscher Kolonialfotografien aus dem Kontext des Maji-Maji-Krieges und kolonialer Männlichkeit(en) soll gezeigt werden, wie sich deutsche Soldaten der Schutztruppe6 in DOA selbst in Szene setzten (z. B. indem sie die Fotografie zur Abgrenzung vom afrikanischen „Anderen“7 nutzten), wie „rassische“ Hierarchien visuell dargestellt wurden und wie deutsche Fotografen insbesondere das koloniale „Andere“ ablichteten. Oft war das Ablichten kolonialmilitärischer Motive vom Wunsch getragen, die eigene „weiße“ Männlichkeit auf Negativglasplatten auf immer festzuhalten.8 Alternativ wurde von deutschen Militärs fotografisch häufig festgehalten wie „unmännlich“ und „weibisch“ die indigenen Soldaten wären (auch oder vor allem jene, die in deutschem Sold standen).9 Der Fokus des Beitrags liegt daher auf dem Blick durch die Kameralinse, die den Blick des „weißen“ Fotografen auf das/die „nichtweiße/n“ Modell/e wiedergibt, während das Ganze im größeren Metakontext heutiger postkolonialer Analyse positioniert wird. Die Frage, die sich heute im 21. Jahrhundert stellt, ist, wie wir, die heutige Gesellschaft, mit diesem fotografischen Kolonialerbe umzugehen wünschen. Der Entstehungskontext lässt bezüglich der Frage des in den Fotografien sichtbaren Machtverhältnisses keine Missverständnisse entstehen: Der „weiße“ Soldat entschied über Motiv (Mensch, Tier, Landschaft, Architektur, Gegenstand etc.), Bildkomposition, Gelegenheit/Moment, Bildaussage sowie Bildvorder- und -hintergrund, während das „nicht-weiße“ Modell dem Wunsch der „weißen“ Zeitgenossen Folge zu leisten hatte. Das ausgesuchte menschliche Motiv, sofern
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Postkoloniale Perspektiven in den Geschichts- und Kulturwissenschaften, Frankfurt 2002, 9–49; David Stowe, Uncolored People. The Rise of Whiteness, in: Lingua Franca, September/ October 1996, 68–77. Mehr dazu unter Abschnitt VI. Schutztruppe war die offizielle Bezeichnung des deutschen Militärs in den afrikanischen und pazifischen Kolonien Deutschlands. Sie bestand aus zumeist freiwilligen europäischen sowie angeheuerten afrikanischen Soldaten. Siehe hierzu die Theorie des Otherings und des Orientalismus: Edward W. Said, Orientalism. Western Conceptions of the Orient, London 2001. Zum Thema Männlichkeit in Afrika siehe: Robert Morrell, African Masculinities: Men in Africa from the Late Nineteenth Century to the Present, New York 2005. Zum Thema kolonialer Männlichkeiten siehe: Robert Aldrich, Colonial Man, in: Christopher E. Forth/Bertrand Taithe (Hg.), French Masculinities. History, Culture and Politics, New York 2007, 684–691.
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es ein kolonisiertes war, hatte in der Regel in der Fotoproduktion keinerlei Mitspracherecht geschweige denn Raum für kreative Eigeninitiative. Jegliche Entscheidungsfreiheit lag in den Händen der zumeist „weißen“ Kolonisierenden männlichen Geschlechts.10 Exemplarisch werden als Grundlage deutsch-tansanische Kolonialfotografien aus dem Hamburger Museum für Völkerkunde und dem Deutschen Bundesarchiv Berlin-Lichterfelde verwendet und analysiert.11 Als theoretische Grundlage dienen die postkolonialen Ansätze der „Whiteness“ und „Masculinity Studies“.12 Die Bildquellenanalyse richtet sich zudem nach dem Panofskyschen Vorbild.13 Bevor in die Welt der quellentheoretischen Auseinandersetzung deutschtansanischer Kolonialfotografie eingetaucht wird, sollen kurz die aktuelle Forschungslage und die dazugehörige postkoloniale Debatte um die Begriffe „Kolonialaufstand“ vs. „Kolonialkrieg“ erläutert werden. Denn die Benennung einer kolonialmilitärischen Auseinandersetzung gibt Aufschluss über die damalig herrschende Hierarchie zwischen Kolonisierenden und Kolonisierten. Das genutzte Narrativ war entscheidend, denn es spiegelte das damalige Verständnis von deutsch-kolonialer Männlichkeit in Zentralafrika wider und eröffnet den Weg zur postkolonialen Analyse der drei ausgesuchten Bildquellen.
10 Da DOA keine Siedlerkolonie war, gab es dort kaum Europäerinnen und schon gar keine, die fotografierten. Sie hinterließen Tagebücher/Briefe wie Frieda von Bülow und Margarete von Prince: Marianne Brechhaus-Gerst, Frieda von Bülow, in: Jürgen Zimmerer (Hg.), Kein Platz an der Sonne. Erinnerungsorte der deutschen Kolonialgeschichte, Frankfurt 2013, 365–373; Frieda von Bülow, Reiseskizzen und Tagebuchblätter aus Deutsch-Ostafrika, Berlin 1889; Magdalene von Prince, Eine deutsche Frau im Inneren Deutsch-Ostafrikas – Elf Jahre nach Tagebuchblättern erzählt, Berlin 1903. 11 Nebst dem kolonialfotografischen Sammlungsbestand im Fotoarchiv des Hamburger Völkerkundemuseums ist der Onlinebestand der ehemaligen Deutschen Kolonialgesellschaft erwähnenswert. Jene Sammlung wurde gemeinsam mit dem Deutschen Kolonial-Lexikon 1997 von der Goethe-Universität Frankfurt im Rahmen eines DFG-Projektes online gestellt: Der Bildbestand der Deutschen Kolonialgesellschaft in der Universitätsbibliothek Frankfurt am Main, URL: http://www.ub.bildarchiv-dkg.uni-frankfurt.de/ (abgerufen 22. 1. 2018). Siehe auch: Uwe Ulrich Jäschke, 15 Jahre „Koloniales Bildarchiv“ an der Stadt- und Universitätsbibliothek Frankfurt am Main, Dresden 2004. 12 Siehe: Nado Aveling, Reading Whiteness across Different Locations, in: Gabriele Dietze/Jana Husmann-Kastein/Daniela Hrz#n/Martina Tißberger (Hg.), Weiß – Weißsein – Whiteness, Kritische Studien zu Gender und Rassismus/Critical Studies on Gender and Racism, Frankfurt am Main 2006, 31–41; Joan W. Scott, Gender : A Useful Category of Historical Analysis, in: Robert Shoemaker/Mary Vincent (Hg.), Gender and History in Western Europe, London 1998, 42–65. 13 Erwin Panofsky, Studien zur Ikonologie. Humanistische Themen in der Kunst der Renaissance, Köln 1980.
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I.
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Krieg oder Aufstand?
Während des Geschehens selbst wie auch noch in der Zeit danach bis vor ca. 15 Jahren wurde der hier besprochene Maji-Maji-Konflikt als Aufstand bezeichnet. In den Darstellungen war dieser ein Aufstand von Rebellen und „undankbaren“ – ergo antideutschen – Kolonialsubjekten, die für Unruhe in der Kolonie sorgten. Diesen Aufruhr galt es aus deutscher Perspektive zu unterdrücken und eine mögliche Wiederholung zukünftig zu verhindern. Der Konflikt selbst war nicht der erste gegen deutsche Herrschaft in Ostafrika gewesen: Ihm waren zwischen 1885 und 1905 über 75 kleinere mono-ethnische Aufstände vorausgegangen.14 Ihre Niederschlagung war wichtig für das Deutsche Kaiserreich, um seine kolonial-territorialen Ansprüche endgültig durchsetzen zu können.15 Inzwischen sind HistorikerInnen wie auch ForscherInnen anderer Disziplinen sowie PolitikerInnen zu der allgemeinen Auffassung gelangt, dass das Wort Krieg – und nicht Aufstand – besser zum hier besprochenen Ereignis passt, da die damals erlebte Realität der eines Krieges eher entsprach als der eines vergleichbar kleinen Aufstandes.16 Folglich ist es wichtig, sich darüber im Klaren zu sein, dass der Begriff Aufstand dem speziellen Zusammenhang der Kolonialzeit geschuldet ist; d. h., dass jener Begriff bestimmte koloniale Denkmuster wiedergibt und damals festgeschriebene (rassische) Hierarchien reproduziert. Ein Aufstand war im deutsch-kolonialen Kontext des frühen 20. Jahrhunderts gepaart mit der Überzeugung, dass die Europäer anderen Völkern gesellschaftlich und kulturell überlegen wären. Diese Auffassung äußerte sich in einer täglich angewandten herablassenden Haltung gegenüber (kolonisierten) AfrikanerInnen. Aufstände wurden als ein gewöhnliches Übel verstanden, die intrinsisch zur generellen Kolonialpolitik gehörten und aus europäischer Sicht als die Taten undankbarer Kolonialsubjekte verstanden wurden. Es herrschte die Devise, dass jegliche Art von Aufstand samt aller dazugehörigen Personen entweder sofort im Keime zu ersticken oder, sofern der Aufstand schon im Gange war, dieser komplett zu vernichten war. Gefangene gab es selten. Auf der Überzeugung aufbauend, als Europäer einer höher entwickelten Zivilisation angehörig zu sein und es mit vermeintlich „unterentwickelten“ AfrikanerInnen 14 Die bekanntesten Aufstände waren der Bushiri-Aufstand (1889/90), benannt nach Bushiri bin Salim, und die Revolte der Wahehe (1891–94). 15 Vertiefend zur deutschen Kolonialgeschichte siehe: Franz Ansprenger, Geschichte Afrikas, München 2007; Sebastian Conrad, Deutsche Kolonialgeschichte, München 2008; Tanja Bührer, Die Kaiserliche Schutztruppe für Deutsch-Ostafrika. Koloniale Sicherheitspolitik und transkulturelle Kriegführung 1885 bis 1918. Beiträge zur Militärgeschichte, München 2011. 16 Felicitas Becker/Jigal Beez (Hg.), Der Maji-Maji-Krieg in Deutsch-Ostafrika 1905–1907, Berlin 2005.
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zu tun zu haben, gingen die Kolonialisten oft mit harter Hand gegen jene Einheimische vor. Das entsprach der Auffassung, dass weniger kultivierte Menschen Disziplin nur anhand physischer Gewalt verstünden und lernten. Bis zu einem gewissen Grade waren Aufstände dem damaligen Verständnis nach Bestandteil des Kolonialalltags. Aber, und das ist in dieser Begriffsdebatte hervorzuheben, Aufstände galten dementsprechend als das Äußerste, wozu AfrikanerInnen fähig waren. Kriege hingegen waren den Europäern vorbehalten. Einen wahren Krieg – so die Vorstellung – konnten nur Europäer führen, denn zu einer erfolgreichen Kriegsführung gehörten neben militärischer Ausbildung und einem daraus folgenden Verständnis für Kriegsabläufe ausgeklügelte militärische Strategien und Taktiken, moderne Waffentechnologie sowie straff organisierte und disziplinierte Streitkräfte zu Land und zur See. Kriege wurden noch immer als eine edle Kunst begriffen, die seit dem Mittelalter sinnbildlich für Ritterlichkeit und Männlichkeit standen.17 Die dazu notwendigen Kriegstugenden besaßen – laut europäisch-männlichem Konsens – die „unterzivilisierten“ AfrikanerInnen nicht. Letztere waren somit kein gleichwertiger Gegner und ein Konflikt mit ihnen verdiente somit nur das Etikett eines Aufstandes und nicht jenes eines vollwertigen Krieges. Um den Zahlen der Gefallenen gerecht zu werden, wie auch auf eine weitere Nutzung der Kolonialterminologie samt ihrer rassistischen und ausgrenzenden Prägungen zu verzichten, wird der Maji-Maji-Konflikt in der heutigen Wissenschaft einstimmig als Maji-Maji-Krieg bezeichnet. So erhält dieses historische Geschehen nicht nur die Anerkennung und die Benennung, die es verdient, sondern auch eine Betitelung, die der historischen Realität entspricht.
II.
Die Vorgeschichte
Bekannterweise hatten Kaiser Wilhelm II. und Kanzler Otto von Bismarck ursprünglich kein Interesse am Erwerb außereuropäischer Territorien gehabt. Die Devise war gewesen, sich auf das im Jahre 1871 gegründete Deutsche Reich zu fokussieren und intern für Ruhe, Recht und Ordnung zu sorgen. Ferner war es damals allseits bekannt gewesen, dass die großen Imperialmächte wie Frankreich und Großbritannien, salopp gesagt, nichts als ökonomischen, politischen und sozialkulturellen Ärger mit ihren Kolonien hatten. 17 Siehe: Paul R. Deslandes, Manly Poses: Identities, Politics, and Lived Experience in the History of Masculinity, in: Journal of Women’s History 23 (2011) 2, 187–199; John Tosh, Manliness and Masculinities in Nineteenth-Century Britain. Essays on Gender, Family and Empire, Harlow 2005.
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Doch im Laufe der Jahre nahm der Druck aus der deutschen Öffentlichkeit zu: Ein wachsender Teil der deutschen Bevölkerung wollte, dass auch das Kaiserreich zu einer global agierenden und prestigereichen Kolonialmacht wurde. Vor allem die Hamburger Kaufleute setzten ihren Einfluss ein und machten Propagandaarbeit für die Einführung deutscher Schutzgebiete in Afrika und Asien. Die Kaufleute wollten für ihre Handelsstützpunkte im subäquatorialen Ausland staatliche Beihilfe in Form von Soldaten und Schutzzöllen erhalten. So sollten nicht die Kaufleute, sondern der Staat die Kosten für die Verpflegung und Ausstattung der Soldaten (später auch Polizisten) übernehmen. Ferner war eine staatliche Intervention erwünscht, um es z. B. Handelskonkurrenten aus Großbritannien oder Portugal zu erschweren, in Westafrika eine Geschäftsbasis aufzubauen. Es sollte Nichtdeutschen per se erschwert werden, an deutschen Küstenstreifen ihre Handelshäuser zu etablieren und Rohstoffe aus oder industrielle Güter und Alkohol nach Afrika zu transportieren. Während des auslaufenden 19. Jahrhunderts konnte in einem internationalen Handelsgefüge letzten Endes nur ein nationales Konstrukt – nämlich die Errichtung von Schutzgebieten18 – deutsche Händler vor Überfällen der nichtdeutschen Konkurrenz beschützen. Fast gleichzeitig hatte in Belgien der neue und junge Monarch Leopold II. das Zepter übernommen (1865).19 Leopold fand, dass Belgien Kolonien benötigte, um mit den großen Adelshäusern Europas kulturell und wirtschaftlich mithalten zu können. Bereits als Kronprinz hatte Leopold seine Fühler gen Südamerika, Nordafrika und Südostasien ausgestreckt, um seinen Wunsch nach belgischen Kolonien zu verwirklichen. Trotz vieler Rückschläge verlor er sein Prestigeprojekt nie aus den Augen, und in den 1870er- und 1880er-Jahren hatte Leopold dafür gesorgt, dass Henry Morton Stanley ab 1878 in seinem Auftrag den Kongofluss erforschte. Leopolds größter Coup gelang ihm, als er als ein im Hintergrund Mitwirkender die Einberufung der Berliner Kongokonferenz von 1884/1885 ermöglicht hatte. Bismarck hatte dem öffentlichen Druck nachgegeben und half nun aktiv dabei mit, Deutschland Kolonien zu beschaffen bzw. Schutzgebiete zu sichern. Bei jener Konferenz tagten nebst Kanzler von Bismarck und Leopold II. auch Vertreter aus den USA, aus dem Osmanischen Reich, aus Österreich-Ungarn, 18 Schutzgebiet war die offizielle Bezeichnung des Kaiserreichs für seine Kolonien; siehe: Sebastian Conrad, Deutsche Kolonialgeschichte, München 2011. 19 Siehe: Martin Ewans, European Atrocity, African Catastrophe: Leopold II., The Congo Free State and its Aftermath, New York 2002; Adam Hochschild, King Leopold’s Ghost, A Story of Greed, Terror, and Heroism in Colonial Africa, London 2006; Johannes Koll, Belgien. Geschichte, Kultur, Politik, Wirtschaft, Münster 2007; Georges Nzongola-Ntalaja, The Congo: From Leopold to Kabila. A People’s History, London 2002; David van Reybrouck, Kongo: Eine Geschichte, Berlin 2012.
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Dänemark, Frankreich, Großbritannien, Italien, aus den Niederlanden, Portugal, Russland, Spanien und aus Schweden-Norwegen. Der berühmte „Scramble for Africa“20 nahm seinen Lauf und die Konferenz besiegelte die Spaltung des afrikanischen Kontinents. Eine Aufteilung, die noch im 21. Jahrhundert für Grenzstreitigkeiten sorgt und humanes Leid verursacht. Leopold II. bekam die ihm zugesprochene kongolesische Kolonie und das Deutsche Reich erhielt vier afrikanische Kolonien – Togo, Kamerun, Namibia (Deutsch-Südwestafrika/DSW) und Tansania (DOA). Während Namibia die einzige Siedlerkolonie unter den vieren war, ging es in den anderen drei Territorien um zwei maßgebliche Ziele: Erstens, die Gewinnung von Rohstoffen aus dem Kernland und deren Transport an die Küsten zum Weitertransport gen Europa bzw. Hamburg. Und zweitens, die Schaffung eines vergrößerten Absatzmarktes für deutsche Güter in Zentralafrika. Kurz gesagt: Steigerung von Import und Export.21 Da aus staatlicher Sicht der Fokus auf dem Export afrikanischer Rohstoffe nach Europa lag, machten sich die Deutschen schleunigst an die physische Sicherung der Territorien sowie an deren infrastrukturellen Ausbau. Dazu wurden Soldaten, Bauern, Siedler, Beamte und Ingenieure in die Kolonien gesendet. Unter anderem wurden für die Ausbeutung die Schutztruppen gegründet. Doch verdammten die westlichen Modernisierungsmaßnahmen die Einheimischen zu einem neuen Modell des Untertanendaseins. Damit sich das Kolonialprojekt wenigstens ansatzweise auch für den Kolonialstaat rentierte, erhob dieser horrende Steuern, führte Billiglöhne ein und beschnitt die Freiheiten von Indigenen. So mussten diese beispielsweise Zwangsarbeit leisten und unterlagen einem Reiseverbot.
20 Siehe: Thomas Pakenham, The Scramble for Africa. White Man’s Conquest of the Dark Continent from 1878 to 1912, New York 1992. 21 Der Sicherung des Gebiets waren die mit Carl Peters, Adolf Lüderitz und anderen deutschen Kolonialisten abgeschlossenen Landverträge zuvorgekommen. Noch vor der Berliner Kongokonferenz hatten deutsche Händler und Vertreter der Gesellschaft für deutsche Kolonisation mit indigenen Herrschern sogenannte Verträge abgeschlossen. Diese Abkommen unterstützten bei der Kongokonferenz den deutschen Zugriff auf besagte Territorien. Es war argumentiert worden, dass es sich hierbei um völkerrechtliche Ansprüche der Deutschen auf das afrikanische Festland handelte. Dass es sich um Verträge handelte, die zumeist von analphabetischen zentralafrikanischen Herrschern unterschrieben worden waren, wurde geflissentlich unter den Teppich gekehrt. Im Kontext der Vertragsunterzeichnungen waren zwei unterschiedliche Rechtssysteme aufeinandergeprallt. Das Recht in diesem Fall behielten die (militärisch) mächtigeren Europäer, die ihre juristischen Ansprüche, wenn nötig mit modernen Waffen und Zwang durchsetzen konnten. Carl Peters (1856–1918) hatte z. B. den Grundstein für das spätere DOA gelegt, Franz Adolf Eduard von Lüderitz (1834–1886) für Deutsch-Südwestafrika und Henry Morton Stanley (1841–1904) für den Freistaat Kongo.
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III.
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Kriegsausbruch und Maji-Maji-Kult
Auch wenn der Maji-Maji-Krieg nicht die erste koloniale Auflehnung in DOAwar, so übertraf er mit seiner Reichweite und unmenschlichen Regierungshärte vorangegangene Konflikte. Bereits in den Anfangsjahren des deutschen Kolonialprojekts war es zwischen 1884 und 1898 in DOA zu Konflikten mit einzelnen Volksgruppen gekommen. Doch keiner dieser Konflikte hatte annähernd dasselbe Mobilisierungspotenzial und die anfängliche Durchschlagskraft wie das Maji-Maji-Phänomen. Denn meistens handelte es sich dabei um kleinere Scharmützel, die ohne große Mühen von den imperialen Schutztruppen niedergestampft werden konnten. Von einem tansanischen Nationalbewusstsein konnte damals nicht die Rede sein. Wenn es Aufstände gab, dann gingen sie stets zu Lasten einer einzelnen ethnischen Gruppe bzw. eines Familienverbandes, d. h. von einem einzelnen Dorf oder einer Gemeinschaft von mehreren Dörfern. Das Fehlen eines weitläufigen Nationalbewusstseins hatte es den Schutztruppen hingegen vereinfacht, ganze Landstriche zu erobern und zu besetzen. Vier Jahre nach offizieller Inbetriebnahme seiner Kolonien setzte das Deutsche Kaiserreich 1890 in Dar es Salaam eine deutsche Kolonialregierung ein. Ihr erstes offizielles Vorhaben bestand in der Aufteilung DOAs in Verwaltungseinheiten. Die Bevölkerung musste von da an Abgaben an den deutschen Staat richten, die entweder in Form einer Hüttensteuer oder durch Zwangsarbeit geleistet wurden. Da die deutsche Regierung zur Jahrhundertwende vom 19. ins 20. Jahrhundert beschloss, ihre Baumwollproduktion zu erhöhen, verordnete sie, dass ab dem Jahre 1900 die Bevölkerung gegen einen Hungerlohn und unter härtesten Arbeitsbedingungen auf Baumwollplantagen arbeiten musste. Als diese Maßnahmen das Matumbi-Gebiet erreichten, wehrten sich die BewohnerInnen: Aus dieser Verweigerung sollte der Maji-Maji-Krieg entstehen. Aufgrund des bereits erwähnten brutalen Verhaltens der deutschen Kolonialherren den einheimischen Arbeitern gegenüber war das berühmte Fass zum Überlaufen gekommen. Rücksichtslose Steuereintreibung, Zwangsarbeit und alltägliche Misshandlungen der indigenen Bevölkerung verursachten Ärger, Verzweiflung und Unmut, der wiederum in Widerstandswillen der afrikanischen Bevölkerung mündete. Zu dieser generellen negativen Grundstimmung kam noch eine religiöse Praktik hinzu. Der Kriegsausbruch fand nicht grundlos seinen Ursprung im als rückständig geltenden Matumbi-Gebiet, das aufgrund seiner Lage am Ufer des Rufiji-Flusses für den Baumwollanbau auf Plantagen wichtig war. Die geforderten Agrarerträge wurden von der Kolonialverwaltung erhöht und es oblag den einheimischen Arbeitern anhand von Extraarbeit sicherzustellen, dass die neuen Quoten erreicht wurden. Zwangsarbeit war die einzig rentable Lösung auf die Forderung
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der deutschen Kolonialregierung.22 Allerdings spielten die lokalen Agrararbeiter nicht mit und verweigerten stattdessen ihre Arbeit, um gegen die Einführung des neuen und modernisierten Programms zu protestieren. Alles begann am 20. Juli 1905, als drei afrikanische Landarbeiter (eine Frau und zwei Männer) auf einer Deutsch-Ostafrikanischen Plantage Baumwollpflanzen aus der Erde rissen und gar ein ganzes Feld in Nandete zerstörten. Das mag unbedeutend erscheinen, doch in einem kolonialen Kontext glich solch eine Tat einer handfesten Rebellion und war von hohem symbolischen Wert. Es war ein Angriff der Bevölkerung gegen die europäischen Kolonialherren. Denn jene ausgerissenen Pflanzen wuchsen auf einer Plantage bzw. Kommunalpflanzung, die von Seiten der deutschen Kolonialregierung angelegt worden war und von lokalen ZwangsarbeiterInnen bestellt wurde. Nachdem der damalige Akida – so wurden die Plantagenverwalter genannt – von dem Geschehen erfuhr, versuchte er noch mit seinen Leuten und lokalen Polizeikräften, die Ordnung wiederherzustellen, aber sein Unterfangen blieb erfolglos. Stattdessen unternahmen die indigenen Kämpfer in den folgenden Tagen Angriffe auf weitere Orte entlang der Handelsroute zur Küste und plünderten die Häuser von Akiden, indischen Händlern und europäischen Siedlern, den Profiteuren der neuen kolonialen Ordnung. Es setzte ein Flüchtlingsstrom aus Nichtafrikanern vom Inland an die Küste ein. Sie waren es auch, die die dortigen Kolonialbehörden alarmierten. Doch woher bekam dieser Krieg seinen Namen und was machte ihn so bemerkenswert im Vergleich zu anderen Auseinandersetzungen? Es war der Maji-MajiKult. Den ideologischen und ethnienvereinigenden Grundstein für den Maji-MajiKult hatte der Prophet Kinjikitile gelegt. Mündlich wird heute noch in Tansania tradiert, dass Kinjikitile ein normaler und unauffälliger Mensch gewesen wäre, der erstmalig 1904 in deutschen Quellen erschien. Als Landwirt und Heiler lebte er mit seinen Ehefrauen und Kindern in dem Dorf Ngarambe im Matumbi-Land. Doch eines Morgens soll er von einem Geist besessen worden sein, der Kinjikitiles Körper dazu zwang, im lokalen Teich unterzugehen und zu verschwinden. Jegliche Versuche seiner Familie und des Dorfes ihn im Wasser zu finden, schlugen fehl und die DorfbewohnerInnen wussten sich nicht weiter zu helfen. Am nächsten Morgen tauchte er plötzlich wieder in trockener Kleidung auf und hielt fortan prophetische Reden. Kinjikitile beschwor, vom schlangenförmigen Geist Hongo, der vom Rufiji-Flussgott Bokero gesandt worden wäre, besessen zu sein. Kinjikitile wurde von der indigenen Bevölkerung im Sommer 1904 der Status eines Propheten zuerkannt, dessen Botschaft aus drei Teilen bestand. Die dritte und letzte davon war die für das hiesige Thema entscheidende: Kinjikitile 22 Detlef Bald, Deutsch-Ostafrika, 1900–1914. Eine Studie über Verwaltung, Interessengruppen und wirtschaftliche Erschließung, München 1970.
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verkündete seinen ZuhörerInnen, dass er von Bokero eine Medizin erhalten hätte: das Maji-Maji.23 Zudem prophezeite er, dass die Kraft des Maji-Maji die diversen ostafrikanischen Ethnien verbinden und ihnen Freiheit von den Kolonialherren bringen würde. Das Maji-Maji war eine Speise und bestand aus dem Wasser des Rufiji-Flusses, Hirse und Mais. Die drei Zutaten wurden zusammen aufgekocht und sollten als neues Wundermittel vor Krankheiten schützen, Felder fruchtbar und Menschen unverwundbar gegen Gewehrkugeln machen. Kinjikitile behauptete, dass seine Medizin dazu fähig wäre, die afrikanischen Kolonialsubjekte vor deutschen Geschossen zu schützen. Sein Wundermittel nannte er Maji-Maji, was auf Swahili Wasser bedeutet. Die Kunde verbreitete sich rasch und vor allem Männer kamen des Wundermittels wegen in Scharen zu Kinjikitile, um es anschließend in ihren Heimatorten an ihre Mitmenschen zu verteilen. Im Laufe des Krieges entwickelte sich das Maji-Maji von einem allgemeinen Wundermittel zu einer Kriegsmedizin und zu guter Letzt zum Symbol für den ethnienübergreifenden Widerstand gegen die deutsche Fremdherrschaft. Vor allem der letzte Punkt lässt sich daran erkennen, dass Ethnien, die nicht Anhänger der Ahnenkultur des Bokero waren, das Maji-Maji annahmen.24 Der Kult breitete sich auch dann noch weiter aus, nachdem bereits bekannt geworden war, dass die Speise nicht vor Verwundung und Tod im Kampf schützen konnte.
IV.
Kriegsverlauf
Nachdem der Maji-Maji-Kult ein knappes Jahr Zeit gehabt hatte, um sich auszubreiten, war eine Lawine ins Rollen gebracht worden, die nicht mehr aufzuhalten war. Manche Stimmen vermuten zwar, dass ein Krieg vermeidbar gewesen wäre, wenn die deutsche Schutztruppe sofort stärker durchgegriffen und Strafexpeditionen veranlasst hätte. Aber auch wenn die Beschädigung eines Baum23 Die ersten zwei Teile Bokeros Botschaft waren: Erstens versprach er seinen NachbarInnen die Rückkehr der verstorbenen Ahnen. Ahnen spielten eine wichtige Rolle im Alltag, denn sie gewährten Schutz und Hilfe in schwierigen Situationen. Ein Zurückkommen der Ahnen gab Mut für den Kampf gegen den Besatzer aus Europa. Der zweite Punkt sagte voraus, dass sich die verschiedenen Ethnien Tansanias verbrüdern würden, um so den Fremdherrschern in geballter Stärke entgegenzutreten. 24 Da Ngarambe im Winter 1904 wegen der Regenzeit größtenteils von der Außenwelt abgeschnitten war, sandte Kinjikitile Boten samt des Maji-Maji in die Regionen abseits der Wasserläufe. Zuerst erreichte es Völker im Südosten Tansanias und wurde dann in das Hochland im Südwesten weitergetragen. Namentlich sind hier die Ethnien der Ngindo und Ngoni zu nennen. Spätere Volksgruppen, die sich trotz des Wissens um den mangelnden Schutz des Maji-Maji ab September 1905 dem Kampf anschlossen, waren u. a. die Makonde aus dem Süden und die Mbunga aus dem Westen. Jigal Beetz, Mit Wasser gegen Gewehre. Die Maji-Maji-Botschaft des Kinjikitele, in: Becker/Beetz (Hg.), Maji-Maji-Krieg, 61–73.
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wollfeldes nicht sofort riesige Wellen in Berlin schlug und die Truppenanzahl nicht sofort erhöht wurde, so ließ die Verbreitung der Nachricht eines Krieges, oder wie es anfangs hieß eines „Neger-Aufstandes“, nicht lange auf sich warten. Nichtsdestotrotz wurden die Maji-Maji-Kämpfer anfangs von den Deutschen unterschätzt.25 Nach dem eingangs erwähnten ersten spontanen Widerstand auf einer deutschen Plantage kam es schon bald zum ersten geplanten Anschlag der MajiMaji-Kämpfer. Am 30. Juli 1905 töteten Matumbi-Leute den deutschen Siedler Hopfer und ließen seine Plantage abbrennen. Auf diesen Angriff folgten – für die deutsche Kolonialverwaltung unerwartet – in Windeseile weitere Angriffe. Nur wenige Wochen darauf befanden sich etwa 20 afrikanische Ethnien DOAs im Krieg mit der deutschen Kolonialherrschaft.26 Dieser Krieg breitete sich unerwartet schnell in alle Richtungen aus, bis schließlich am 13. August 1905 indigene Kämpfer die deutsche Boma27 in Liwale angriffen28 und sie nach dreitägiger Belagerung eroberten. Liwale wurde für die Maji-Maji-Kämpfer zu einem logistischen Knotenpunkt zwischen dem Ausbruchsgebiet und weiteren wichtigen Kriegsschauplätzen. Hier tauschten Krieger untereinander Neuigkeiten aus und verteilten die Maji-Maji-Medizin. Wie ein rasendes Lauffeuer breitete sich der Aufstand gegen die Deutschen aus. Zur Zeit des Höhepunkts des Konfliktes erstreckten sich die Kampfgebiete auf eine Fläche fast so groß wie die gesamte heutige Bundesrepublik Deutschland. Nach Liwale stürmten Maji-Maji-Krieger die Militärstation Songea, allerdings glückte ihnen die darauffolgende Erstürmung von Mahenge nicht. Nichtsdestotrotz hatten es die Widerstandskämpfer mittlerweile bis in die Vororte von 25 Felicitas Becker, Von der Feldschlacht zum Guerillakrieg. Der Verlauf des Krieges und seine Schauplätze, in: Becker/Beetz (Hg.), Maji-Maji-Krieg, 74–86. 26 Die Verbrüderung verschiedener Ethnien während des Maji-Maji-Krieges hielt nur in den Anfangsmonaten an. Später, nachdem es vermehrt verbrannte Erde gab und Menschen in die Berge flüchteten, zogen sich fast alle Beteiligten wieder in ihre ethnischen Gruppengefüge zurück. Trotz alledem ist und war eine solche Form der Union unter den Kolonisierten am Anfang des 20. Jahrhunderts im globalen Vergleich ungewöhnlich und kann deswegen als kolonialhistorische Besonderheit hervorgehoben werden. Auf den Maji-Maji-Krieg sollten keine weiteren Kriege oder größere bewaffnete Widerstände in DOA erfolgen. Die Bäuche waren leer und der Kampfeswille auf Jahrzehnte gebrochen. Erst nach Ende des Zweiten Weltkriegs zur Zeit britischer Kolonialkontrolle bekamen die Unabhängigkeitsbewegungen in Tansania wieder Aufwind. Der Maji-Maji-Krieg wurde als Ursprung aller tansanischen Unabhängigkeitskämpfe bewertet. Das lag daran, dass der Widerstand als eine afrikanische Initiative gegen Kolonialherren ohne auswärtige Hilfe angesehen wurde. 27 Boma ist swahilisch und bezieht sich auf befestigte oder mit Palisaden geschützte Gebäude. In den Kolonien wurde es von Deutschen als Bezeichnung für ihre kolonialen Militär- und Verwaltungsgebäude genutzt. 28 Ferner dehnten sie sich gen Osten bis nach Samanga und Mohoro nahe der Küste, Richtung Süden nach Umwera, westlich nach Mahenge, nördlich nach Uzaramo und gen Südwesten bis Liwale aus.
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Dar es Salaam geschafft. Wegen dieser unerwartet schnellen Erfolge hatte inzwischen auch die deutsche Regierung den Ernst der Lage erkannt. Anfang 1905 bestand die deutsch-ostafrikanische Schutztruppe aus 2.360 afrikanischen Soldaten geführt von deutschen Befehlshabern und unterstützt von einem deutschen Marineschiff. Nachdem deutlich wurde, dass der Konflikt weit größere Kreise als erwartet zog, forderte der damalige Gouverneur von DOA, Adolf Graf von Götzen (1901–1905), in Berlin weitere Kriegsschiffe an und warb zusätzliche Askari an. Von Götzen schickte knapp 1.000 Söldner und deutsche Truppen in drei großen Expeditionen aus, um die Einheimischen zu besiegen. Trotzdem kämpften auf Seiten der deutschen Kolonialverwaltung kaum europäische geschweige denn deutsche Soldaten. Die Kolonialarmee bestand hauptsächlich aus afrikanischen Askaris. Der anfängliche Sturm war auf den Maji-Maji-Kult zurückzuführen. Im Glauben daran, unverwundbar zu sein und endlich der deutschen Waffentechnologie etwas entgegensetzen zu können, waren die ersten Maji-Maji-Kämpfer Schutztruppen auf offenem Felde entgegengerannt. Obwohl sich sofort herausstellte, dass das Zauberwasser keinen Schutz gegen Maschinengewehre bot, wurde der Glaube an das Maji-Maji nicht aufgegeben. Eine Bewegung war in Gang gekommen, die sich so schnell nicht mehr stoppen ließ, und die afrikanischen Kämpfer änderten nach dem Rückschlag bei Mahenge ihre Taktik: von Frontalangriff auf Guerillataktik.29 Die Maji-Maji-Kämpfer kannten das Gelände sehr viel besser als ihre Gegner und konnten so aus dem Busch heraus kleine aber gezielte Anschläge gegen die Deutschen und deren Stellungen verüben. Die Antwort der kolonialen Kriegsleitung auf die erfolgreichen Guerillaangriffe war die Strategie der verbrannten Erde, die vor allem die lokale Bevölkerung in Mitleidenschaft zog. Bei der Ankunft deutscher Truppen flüchteten die Einwohner ganzer Dörfer in die Berge, bis am Ende ganze Landstriche wie leergefegt waren. Dies vereinfachte es den Schutztruppen nicht nur ganze Ernten zu vernichten, sondern auch Dörfer abzubrennen, das Vieh zu töten, Brunnen zuzuschütten und das Saatgut zu zerstören, um so die Rückkehr ganzer Gemeinden zu verhindern. Existenzgrundlagen wurden vernichtet und zurück blieben Hunger, Krankheiten und Verzweiflung. Es war eine humanitäre Katastrophe, die die deutsche Kolonie in einen Würgegriff nahm und wie so oft litten die Unschuldigen oder Unbeteiligten am meisten. Insgesamt kamen um die 300.000 Einheimische ums Leben. Der Großteil der Opfer aber bestand nicht aus Soldaten und verstarb nicht infolge direkter Kriegsgewalt, sondern die meisten Toten waren ZivilistInnen, die
29 Gilbert C. K. Gwassa, African Methods of Warfare During the Maji Maji War 1905–1907, in: Bethwell A. Ogoz (Hg.), War and Society, London 1972, 123–146.
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den Hungertod starben. Doch die militärische Strategie der Deutschen hatte sich bezahlt gemacht. Obwohl die meisten Gebiete bereits gegen Ende Oktober 1905 zurückerobert waren und sich als letzte Volksgruppe die Ngindo im Juli 1907 ergaben, gab es noch bis 1908 vereinzelte Kämpfe. Denn so lange brauchte es, bis auch die letzten Guerillakämpfer und ihre Anführer gefangengenommen und hingerichtet wurden. Die durch die Strategie der verbrannten Erde ausgelöste Hungersnot hingegen zog mehrjährige Folgen nach sich. In denen vom Maji-Maji-Krieg betroffenen Regionen breitete sich eine so immense Hungersnot aus, dass nach aktuellen vorsichtigen Schätzungen ein Drittel – also zwischen 250.000 und 300.000 Menschen – der damaligen Bevölkerung DOAs das Leben ließ. Von Götzen war sich, wie der folgende Quellenverweis zeigen wird, der Brutalität der Taktik der verbrannten Erde durchaus bewusst. Allerdings rechtfertigte er sie wie folgt: „Wie in allen Kriegen gegen unzivilisierte Völkerschaften, sei es nun in Marokko oder in Natal, in Java oder im tropischen Afrika, war auch im vorliegenden Fall die planmäßige Schädigung der feindlichen Bevölkerung an Hand und Gut unerlässlich. Die Vernichtung an wirtschaftlichen Werten, wie das Abbrennen von Ortschaften und Lebensmittelbeständen, erscheint wohl dem Fernstehenden barbarisch. Vergegenwärtigt man sich einerseits, in wie kurzer Zeit afrikanische Negerhütten wieder entstehen und wie rasch die Üppigkeit der tropischen Natur neue Feldfrüchte hervorbringt, andererseits, dass in den meisten Fällen, wie auch dieser Aufstand bewiesen hat, ein solches Vorgehen einzig und allein den Gegner zur Unterwerfung zwingen vermag, dann wird man zu einer milderen Auffassung dieser ,dira necessitas‘ gelangen.“30
Von Götzen nahm den Vorwurf der Barbarei vorweg, indem er begründete, dass das deutsche Verhalten nicht barbarisch sei, da die tansanisch-tropische Natur samt der EinwohnerInnen nicht (hoch-)zivilisiert wären und es ein Einfaches wäre den Lebensstandard von vor dem Maji-Maji-Krieg wiederherzustellen. Wie eingangs erwähnt war die Auffassung des Grafen, dass AfrikanerInnen unzivilisiert seien, eine um die Jahrhundertwende allgemein gültige Ansicht, die sich nicht auf die deutsche Adelsschicht beschränkte, sondern in allen gesellschaftlichen Ebenen zu finden war. Daher verwundert es nicht, dass sie auch ein fester Bestandteil der Kolonialfotografie war bzw. wurde und aus heutiger Sicht eine Neubewertung kolonialer Bildquellen unter postkolonialen Aspekten unbedingt nötig macht.
30 Adolf Graf von Götzen, Deutsch-Ostafrika im Aufstand, 1905/06, Berlin 1909, 164.
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V.
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Historische Bildquellenanalyse und Postkolonialität
Nachdem die historische Grundsituation des Maji-Maji-Krieges erläutert wurde, sollen, basierend auf Fotografien aus DOA, Theorien der historischen Bildanalyse im Zusammenhang mit postkolonialen Ansätzen analysiert und diskutiert werden. Nach wie vor ist die deutsch-afrikanische Kolonialfotografie, im Gegensatz zur Fotografie aus der Zeit des „Dritten Reiches“ oder der DDR, ein von der deutschen Geschichtsforschung und Visual History weniger beachteter Untersuchungsgegenstand.31 Bei der Konferenz „Visual History – Konzepte, Forschungsfelder und Perspektiven“, die im März 2016 in Berlin stattfand, stellte Gerhard Paul in seiner Eröffnungsrede fest, dass trotz aller Fortschritte in der Bildquellenforschung jene zur deutschen Kolonialfotografie nach wie vor größtenteils unerforscht sei. Ein Zustand, der unbedingt zu ändern ist. Auch Jens Jäger bemängelte bei dem im Februar 2018 an der Universität Köln stattgefundenen Workshop „Den Nahen Osten im Blick: Imperialismus, Wissenschaft und Visual History“ den Mangel an Publikationen zur Kolonialfotografie aus deutscher Sicht. Und das, obwohl die Beschäftigung mit den ehemaligen deutschen Kolonien aus kulturhistorischer Sicht durchaus stattgefunden hat.32 Ein paar nennenswerte Publikationen zu den anderen deutschen Kolonien DSW und Kamerun sind in den vergangenen zwei Jahrzehnten zwar erschienen, aber einerseits reicht das bei Weitem nicht aus und andererseits bleibt DOA auch hier fast gänzlich unerwähnt.33 Dabei ist das Feld der Kolonialfotografie nicht nur reich an Informationen, Deutungsmöglichkeiten, Motivvielfalten und aus technischer Sicht interessant, sondern sie diente den zeitgenössischen Fotografen gleichermaßen auch als ein identitätsstiftendes und -übertragendes Vehikel. Damals übliche Bildmotive zeigen Jagderfolge von „weißen“ Kolonisierenden, ethnologische Studien – sogenannte anthropometrische Aufnahmen – der Kolonisierten oder Landschaftsbilder aus den Kolonialterritorien. Auch kriegsbezogene Aufnahmen gehörten zum normalen Bilderkanon und mögen so gesehen 31 Siehe: Gerhard Paul (Hg.), Visual History. Ein Studienbuch, Göttingen 2006. 32 Siehe: Jens Jäger, Colony as Heimat? The Formation of Colonial Identity in Germany around 1900, in: German History 27 (2009) 4, 467–489; Guido Convents, Film und deutsche Kolonialpropaganda (fu¨r die subsaharischen Gebiete bis 1918), in: Zeitschrift fu¨ r Afrikastudien (1991) 9/10, 49–67. 33 Siehe zu Namibia/DSW: Wolfram Hartmann/Jeremy Silvester/Patricia Hayes (Hg.), The Colonising Camera: Photographs in the Making of Namibian History, Athens/OH 1999; Lorena Rizzo, Shades of Empire: Police Photography in German South-West Africa, in: Visual Anthropology 26 (2013) 4, 328–354; Lorena Rizzo, Gender and Colonialism: A History of Kaoko in north-western Namibia 1870s–1950s, Basel 2012; siehe zu Kamerun: Christraud M. Geary, Images of Bamum: German Colonial Photography at the Court of King Njoya, Cameroon, West Africa, 1902–1915, Washington/DC 1988.
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heutigen BetrachterInnen und WissenschaftlerInnen auf den ersten Blick nichts Neues zeigen. Ein Aspekt, der hier hervorgehoben werden soll, ist die intime Verbindung zwischen zuerst als gängig erscheinenden Militärfotos und dem dahinter liegenden Thema „kolonial-weißer“ Männlichkeit. Es stellt sich die Frage, was geschieht, wenn ein grafisches Zeitzeugnis zwar den damaligen Gepflogenheiten entspricht, aber unter neuen Bedingungen analysiert wird, da bisherige Bildinterpretationen nicht tiefgründig genug waren. Wie geht der/die BetrachterIn mit der Verbindung zwischen historischem Wert der Fotografie, ihrem künstlerischen Anspruch und der vermeintlichen Aussageabsicht des Fotografen um? Und wie können postkoloniale Ansätze und Theorien in der Analyse einer fotografischen Quelle mit historischer Bedeutung weiterhelfen? Auf den folgenden Seiten werden drei Fotografien besprochen, die aus der Zeit des Maji-Maji-Krieges stammen. Sie entstanden zwar nicht auf bzw. inmitten einer der vielen Kriegsfeldzüge,34 dennoch geben sie einen für damals als authentisch empfundenen Blick des deutschen Fotografen wieder. In allen drei Aufnahmen stellen Askaris, die im deutschen Dienst standen, den Mittelpunkt der Bildmotive dar.35 Die drei Bildquellen werden zuerst gemäß der ersten beiden Stufen der dreiteiligen Panofsky/Wohlfeil-Methode vorgestellt, worauf eine gemeinsame Analyse aller drei Fotos im Sinne der Whiteness und Masculinity Studies folgt. Die Bildquellenanalyse nach Panofsky/Wohlfeil gilt als Standardmethode zur Untersuchung einer historischen Bildquelle. „Die erste Analysestufe […] ist die vor-ikonographische Beschreibung. [Sie] erfasst deskriptiv die dargestellten Bildinhalte und ihre formale Ordnung. Die zweite Stufe umfasst eine ikonographisch-historische Analyse. Analog zu Panofsky steht der künstlerisch intendierte Sinn des Werkes im Vordergrund, wobei Wohlfeil auch das gesellschaftliche Umfeld, in dem ein Werk entstanden ist, analysiert. Die dritte Analysestufe interpretiert den historischen Dokumentensinn. Dabei wird analog zu Panofsky das Bild als Ausdruck einer historischen Mentalität und als Spiegel einer epochenspezifischen Kultur gedeutet. Gefragt wird einerseits nach dem sozialen und kulturellen Kontext, der sich im Kunstwerk spiegelt, andererseits danach, wie die künstlerische Aussage auf den historischen Kontext einwirkte.“36 Wird diese Bildquellenanalyse auf die erste schwarz-weiße Fotografie (Abb. 1) angewandt, fällt bei der ersten und vor-ikonografischen Ansicht umgehend im 34 Trotz wiederholter Suche nach Fotografien von den Kriegsschauplätzen des Maji-MajiKrieges konnte ich bisher zwar allerhand Zeichnungen und Aquarelle zum Thema finden, entsprechende Fotografien sind allerdings bislang nicht auffindbar. 35 Siehe: Sandra Maß, Weiße Helden, Schwarze Krieger. 36 Martin Lengwiler, Praxisbuch Geschichte: Einführung in die historischen Methoden (UTB: Geschichte, Politikwissenschaft 3393), Zürich 2011, 140.
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Bildvordergrund eine Gruppe von ca. 25–40 Männern auf, die in zwei Gruppen und zwei Reihen aufgeteilt stehen und auf zwei ihnen zugewandte Männer blicken. Bis auf zwei Männer tragen alle zu sehenden Personen weiße Kleidung, die jeweils aus einem Hemd und einer weißen Hose besteht. Außerdem scheinen fast alle von ihnen lange Gegenstände in Händen zu halten. Ein weiterer Mann ist zwar auch komplett in weiß gekleidet, allerdings trägt er eine lange Hose, und zu guter Letzt ist noch ein Mann auf dem Bild zu sehen, der nebst einer langen weißen Hose noch eine dunkle Jacke sowie eine weiße Kopfbedeckung anhat. Ob die anderen Männer Kopfbedeckung tragen, lässt sich nicht eindeutig feststellen. Alle Männer stehen auf einer großen weiten Fläche vor im Bildhintergrund sichtbaren rechteckigen unterschiedlich großen Gebäuden, Mauern und Palmen. Die ikonografisch-historische Analyse bedarf einer tiefergehenden Interpretation, die sich mit Mitteilungsabsicht und Komposition des Bildes sowie mit Entstehungszeitpunkt und historischem Rahmen beschäftigt. Auf die äußerst elementare Beschreibung der sichtbaren Elemente folgt deren Kontextualisierung. Die in der Fotografie sichtbaren Gebäude sind größtenteils einem europäischen Baustil nachempfunden und aus Stein bzw. Ziegeln gebaut. Ferner verfügen alle Gebäude über Fenster, die teilweise auch Sonnenschutz anbieten, und das Dach ist giebelförmig konstruiert. Das Positiv selbst wurde auf eine grünlich-türkisene Pappe geklebt. Darauf steht unterhalb des Bildes geschrieben: „Pangani. Soldaten exerzieren vor dem Fort.“ Als BildbetrachterIn weiß man jetzt, dass es sich bei Abb. 1 um ostafrikanische Soldaten, die als Askaris bezeichnet wurden und im Dienste der deutschen Kaiserlichen Schutztruppen standen, handelt. Sie stehen bzw. exerzieren mit ihren Gewehren vor Gebäuden der deutschen Kolonialregierung im nord-tansanischen Ort Pangani. Nebst den knapp 25–40 ostafrikanischen Soldaten ist nur ein europäischer Soldat (wahrscheinlich ein deutscher Offizier) zu sehen, der mit dem Rücken zur Kamera steht und die Askari-Truppe kommandiert. Das Foto wurde während einer Forschungsreise im Dienste des Hamburger Geomatikums geschossen und sollte augenscheinlich den Zivilisierungseinfluss des deutschen Kolonialismus auf ostafrikanische Männer bezeugen, die durch den Eintritt ins deutsch-koloniale Militär ihren gesellschaftlichen Stand erhöhten. Im Umkehrschluss bekräftigte dies die Vorstellung, dass der deutsche Kolonialismus unzivilisierte Männer zu zivilisieren vermochte. Die maßgeblichen visuellen Unterschiede zwischen einem Exerzierfoto jener Zeit, welches in Deutschland geschossen wurde, und jenem aus DOA sind die Hautfarbe der Soldaten, die FezHüte und die Palmen. Ansonsten gleicht das Foto in Komposition und Stil dem damaligen Kunstverständnis für militärische Fotografie.37 Das genaue Entste37 Siehe: Jens Jäger/Robin Lenman, Military Photography, in: Robin Lenman/Angela Nicholson (Hg.), The Oxford Companion to the Photograph, Oxford 2005, 413–415.
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Abb. 1: „Pangani. Soldaten exerzieren vor dem Fort“. (Quelle: Hamburger Museum für Völkerkunde, Sammlung des Geomatikums, Inventarnummer : 2017.16: Ostafrika_Küste_66_Karton)
hungsdatum des Fotos ist unbekannt. Es gilt aber als sicher, dass es um die Jahrhundertwende geschossen wurde. Getreu der ersten Analysestufe sieht man in Abb. 2 drei dunkelhäutige, voll gekleidete Männer, die im Freien inmitten eines großen Platzes um eine niedrige Tischkonstruktion sitzen. Zwei der drei Männer sitzen sich gegenüber, während der Dritte am langen Ende des Tisches sitzt. Im Gegensatz zu den zwei vorne Sitzenden hat der hinten Sitzende Platz auf einer Art Kiste genommen. Alle drei tragen lange Hosen, langärmlige Hemden und Hüte. Die zwei im Vordergrund Sitzenden haben zudem knöchelhohe Stiefel an. Auf dem tischähnlichen Konstrukt ist ein weiteres Element auszumachen, das den Mittelpunkt des Bildes einnimmt. Es sieht aus wie ein Brettspiel. Im Hintergrund sind Bäume, Büsche, ein Weg und möglicherweise Dachkonstruktionen von niedrigen Gebäuden zu sehen. Stufe zwei der historischen Bildquellenanalyse informiert uns darüber, dass im Bild drei Askaris zu sehen sind, die gemäß dem Bildtitel ein Brettspiel namens
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Abb. 2: „D.[eutsch] Ost-Afrika, Soldaten beim Mankala Spiel“. (Quelle: Hamburger Museum für Völkerkunde, Signatur : J2 FN2)
Mankala38 spielen. Auch wenn das festgehaltene Momentum sehr wahrscheinlich gestellt ist, so soll das hiesige Motiv eine für damals typische Alltagssituation wiedergeben, wie sie in DOA für einheimische Soldaten üblich war. Die Soldatenuniformen der drei Männer zeigen deren Truppenzugehörigkeit(en) an und es ist anzunehmen, dass der große Platz, auf dem sie sitzen, ein deutsch-ostafrikanischer Exerzierplatz sein könnte. Diesem spezifischen Gedanken folgend, dürften die leicht verschwommen im Hintergrund auszumachenden Dächer zu Kasernenbauten gehören. Im Gegensatz zu Maji-Maji-Soldaten tragen sie zudem knöchelhohe Lederstiefel, anstatt barfuß kämpfen zu müssen. Trotz der damals vorherrschenden kolonial-rassischen Hierarchiestruktur in DOA sind die drei Askaris bestens ausgestattet und ihre Uniformen scheinen zudem sauber und gewaschen zu sein. Den Angaben auf der Ikonokarte des Fotoarchivs folgend, ist dieses Foto DOA zuzuordnen und auch wenn das genaue Entstehungsdatum und der Fotograf unbekannt sind, so ist das Foto dem frühen 20. Jahrhundert (vor dem Ersten Weltkrieg) zuzuordnen. Insgesamt strahlt das Bild eine gewisse Ruhe und Ordnung aus, aber es wirft beim Betrachten auch Fragen auf. Warum spielen 38 Mankala ist ein Zwei-Personen-Brettspiel und stammt ursprünglich aus dem nordafrikanisch-ägyptischen Raum, wo es erstmals im 10. Jahrhundert schriftlich erwähnt wurde. Es handelt sich dabei um ein Zählspiel mit Kugeln und mehreren Kulen. Ziel ist es, die Kugeln innerhalb der Kulen so umzuverteilen, dass der Gegner seine Steine verliert oder zugunfähig wird.
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nur „nicht-weiße“ Soldaten dieses Spiel? Darauf aufbauend könnte die Schlussfolgerung gezogen werden, dass einheimische Askaris absichtlich bei deren Brettspielversion dargestellt werden, um so die große „zivilisatorische“ Diskrepanz zwischen einem Mankala-Spielbrett und einem europäischen Schachbrett herzustellen und vor allem zu betonen. Insgesamt sieht alles sehr aufgeräumt und sauber aus, was folgende Schlussfolgerungen zulässt: Der „gewöhnliche Afrikaner“ konnte dank „weißer“ Führung ein gewisses Maß an Zivilisiertheit erreichen, sofern er sich anstrengte, größtenteils seine eigene Kultur und Wurzeln aufgab und sich einer deutschen Lebensweise unterwarf. Der gemeine Afrikaner konnte in einem streng militärischen Gefüge erlernen, wie er sich vom unzivilisierten Anderen zum folgsamen Askari weiterentwickeln konnte, wenn da nicht drei Details im Bild wären, die trotz aller vermeintlichen Fortschritte eine kolonial-rassische Hierarchie visuell festhalten: Erstens: die Tatsache, dass einer der drei dargestellten Männer keine Stiefel oder sonstiges Schuhwerk trägt; zweitens: die Simplizität und mangelnde Raffinesse des Brettspiels im Vergleich zu Schach; und drittens: der allgemein gegenwärtige Mangel an dauerhaften Strukturen im Bild selbst, wie z. B. gepflasterte Wege oder gekachelte Dächer.
Abb. 3: „Deutsch Ostafrika. Kettengefangene des Bezirksamtes Kilwa“. (Quelle: Bundesarchiv, Bild 183-R0120-0500)
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Abb. 3 zeigt im Vordergrund eine Gruppe von 25 dunkelhäutigen Männern, die in drei Reihen aufgeteilt entweder sitzend, kniend oder stehend zu erkennen und aufgereiht sind. Alle tragen sie eine Kopfbedeckung sowie entweder Hosen, Hemden und/oder Langhemden. Allerdings sind manche Männer oben herum unbekleidet. Jegliche im Bild erkennbaren Füße sind ohne Schuhe und Socken. Im Hintergrund erkennt man eine Art Hütte und Geäst. Bei genauerer Betrachtung wird sichtbar, dass von den 25 Männern 24 eine dicke Eisenkette um Hals und Füße gebunden tragen, während ein Mann, der ganz links stehend zu sehen ist, weder verkettet ist noch indigene Kleidung trägt. Stattdessen hält er in seiner rechten Hand ein Gewehr und trägt die Uniform eines Askaris, der im Dienste der Schutztruppen steht. Laut Bildtitel handelt es sich hier um Gefangene des Bezirksamtes Kilwa im Jahre 1905. Wie eingangs erwähnt, ist es das Ziel dieses Beitrags, die Analyse einer historischen Bildquelle mit postkolonialen Theorien in Verbindung zu bringen und neue Forschungsansätze zu testen und zu gestalten, die weitergehen als die gängige Metropole-versus-Peripherie-Diskussion.39 Während sich die Whiteness Studies mit der Einführung und Implementierung „weißer“, d. h. jüdischchristlicher, Kultur aus Europa und Nordamerika in andere Kontinente und Länder beschäftigen, widmen sich die Männlichkeitsstudien der Schaffung und Bewahrung von soziokulturellen Strukturen, die darüber bestimmen, was wann und wo unter männlich zu verstehen ist.40 Beide Theoriebildungen beschäftigen sich demnach mit der Schaffung von zwischenmenschlichen Hierarchien und damit, wie jene zu bewahren, zu stärken oder gar mit Gewalt zu implementieren sind. Gemeinsam mit Ansätzen der Visual History ergeben sich bei Betrachtung der obigen drei Bildquellen entsprechende Fragestellungen. Traditionelle Fragen zum Fotomaterial und zur Kameratechnik sind in diesem Fall zweitrangig, wenn nicht gar komplett irrelevant. Daher wird auf zweiter Ebene der Bildanalyse angefangen, jene Art Fragen zu stellen, die sich mit Herkunft der Fotografie, ggf. auch Name des Fotografen, Entstehungszeitpunkt und -grund, Zweck und Verbreitung beschäftigen. Zu guter Letzt folgt eine Analyse mit postkolonialem Blick. Dieser Schritt soll Aufschlüsse darüber geben, wie zeitgenössische Ideenmuster zu „Whiteness“ und Männlichkeit(en) die Entstehung der drei ausgesuchten Fotografien beeinflussten. Welche Aussagen lassen sich bei Betrachtung der drei Bildquellen über die deutschen Fotografen treffen auch wenn 39 Siehe: Frederick Cooper, Colonialism in Question. Theory, Knowledge, History, Berkeley 2005; Frederick Cooper/Ann Laura Stoler, Between Metropole and Colony : Rethinking a Research Agenda, in: Fredrick Cooper/Laura Ann Stoler (Hg.), Tensions of Empire. Colonial Cultures in a Bourgeois World, Berkeley 1997, 1–57. 40 Siehe: Ruth Frankenberg, Local Whiteness, Localising Whiteness, in: Ruth Frankenberg (Hg.), Displacing Whiteness: Essays in Social and Cultural Criticism, Durham 1997, 1–33.
Diana M. Natermann, Weiße Männlichkeit(en) zur Zeit des Maji-Maji-Kriegs
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– oder gerade weil – sie selbst nicht in den jeweiligen Fotografien zu sehen sind? In wie weit kann der rückwärts gerichtete Blick Aufschlüsse für diese Untersuchung bringen? Die ausgewählten Bilder zeigen KennerInnen von Kolonialfotografien auf den ersten Blick nichts Ungewöhnliches oder Neues. Man sieht Kolonialbauten, Askaris in deutschen Uniformen und afrikanische Gefangene in dicken Ketten. Was man nicht sieht, sind die soziokulturellen Strukturen im Hintergrund, welche es überhaupt ermöglichten, dass sogenannte typische Kolonialmotive überhaupt entstehen konnten.41 Europäische Normen prägten die Motivauswahl und die Bilderzeuger beteiligten sich an der Verbreitung ihrer visuellen Erzeugnisse.42 Und so wurden aus Novitäten Normalitäten, die bis in die derzeitige Gegenwart ihre Beharrlichkeit bewiesen haben und auf ihre eigene Weise für die deutsche Fotografie identitätsstiftend waren.43 So soll Abb. 1 zeigen, wie weit die deutsche „Zivilisierungsmission“ in DOA nach nur knapp 20 Jahren fortgeschritten war. Im zweiten Bild sehen wir drei ostafrikanische Männer, die scheinbar voll konzentriert und selig beim Mankala-Spiel sitzen. Die Szene erinnert an eine europäisch-bürgerliche Schachpartie. Das letzte Bild wiederum spiegelt eine Mischung aus brutaler Kriegsrealität, deutsch-militärischer Überlegenheit und dem Kontrast zwischen „zivilisierungs-fähigen“ vs. „zivilisierungs-unwilligen“ Kolonialsubjekten wider. Was alle drei Abbildungen gemeinsam haben, ist die absichtliche Darstellung des kolonialen „Anderen“ aus deutscher Sicht. In jedem Bild ist das Thema der Zivilisierung nach „weißem“ Vorbild deutlich erkennbar sowie das, was dem jeweiligen Fotografen als erinnerungs- und abbildungswürdig erschien. Eine thematische Vorauswahl wurde vor Ort vom Fotografen getroffen, auf die sich alle späteren Betrachter verlassen bzw. damit zufriedengeben mussten. Somit gilt der Gestalter als allein zuständig für die Schaffung eines kollektiven Gedächtnisses,44 d. h. für die Kreierung eines neuen Genres aufbauend auf sogenannten typischen Kolonialfotos. Basierend auf diesen Kreationen wurde ein Bild des afrikanischen Soldaten geschaffen, welches trotz inakkurater Fakten bis heute 41 Siehe: Volker M. Langbehn, German Colonialism, Visual Culture, and Modern Memory, New York 2010. 42 Siehe: Susan Arndt, The Racial Turn: Kolonialismus, weiße Mythen und Critical Whiteness Studies, in: Marianne Bechhaus-Gerst/Sunna Gieseke (Hg.), Koloniale und postkoloniale Konstruktionen von Afrika und Menschen afrikanischer Herkunft in der deutschen Alltagskultur, Königswinter 2006, 11–26. 43 Siehe auch: Willeke Sandler, Deutsche Heimat in Afrika: Colonial Revisionism and the Construction of Germanness through Photography, in: Journal of Women’s History 25 (2013) 1, 37–61; Britta Schilling, Postcolonial Germany. Memories of Empire in a Decolonized Nation, Oxford 2014. 44 Siehe: Maurice Halbwachs, Das kollektive Gedächtnis, Frankfurt 1991; Maurice Halbwachs, Das Gedächtnis und seine sozialen Bedingungen, 4. Aufl., Frankfurt 1985.
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seine Gültigkeit behalten hat. Es ist ein Bild, das vielmehr europäisch „weiße“ Männlichkeitsideale wiedergibt als afrikanische. Aus genau diesem Grunde ist die Neubeurteilung der Gesamtsituation – sprich der historischen Ausgangslage des Maji-Maji-Inzidents, der postkolonialen Debatte um die Begrifflichkeiten Aufstand vs. Krieg, die Neuanalyse kolonialer Kriegsfotografien anhand postkolonialer Theoriekonstrukte – nicht nur notwendig, sondern auch mit der gegenwärtigen Interaktion zwischen Deutschland und Tansania in Verbindung zu bringen.
VI.
Relevanz des Maji-Maji-Krieges für das heutige Tansania und Deutschland – ein Ausblick
Der Maji-Maji-Krieg wurde offiziell im Jahre 1907 beendet, woraufhin die Universität Dar es Salaam das hundertjährige Jubiläum des Kriegsendes im Jahr 2007 nutzte, um eine internationale Konferenz zu organisieren. Grund dafür ist, dass der Maji-Maji-Krieg bei TansanierInnen heute mehr denn je eine wichtige Rolle innehat, da er als erster großer Widerstandskrieg gegen eine Fremdmacht gilt, dessen Echo in der aktuellen tansanischen Kultur und Geschichtsschreibung äußerst lebendig ist. Symbolisch ist der Krieg zu einem Motor der Vereinigung von Menschen aus allen Regionen des Landes, die sich für die Unabhängigkeit eingesetzt hatten, geworden. Auch wegen des runden Jahrestages hat seit Anfang der 2000er-Jahre die Forschung zu diesem Thema zugenommen und ein größeres Publikum gefunden – national wie auch international. Das wird an der Fülle von WissenschaftlerInnen, KünstlerInnen und auch Militärs, die sich mit dem Maji-MajiKrieg beschäftigen und kritisch auseinandersetzen, sichtbar. Inzwischen werden in Tansania sogar Touristenführungen zu den wichtigsten Kampfschauplätzen wie auch zu den Höhlen um Kibata, in denen sich Kämpfer versteckten, angeboten.45 Der Maji-Maji-Krieg ist im tansanischen Selbstverständnis des 21. Jahrhunderts ein regelmäßig aktualisiertes Thema. Schulkinder schreiben Aufsätze dazu, es gibt sogenannte Maji-Clubs, in denen sich Künstler, Wissenschaftler und gar Präsidenten mit dem damaligen Kolonialkrieg beschäftigen. Auch Tansanias erster demokratisch gewählter Präsident Julius Nyerere (1964–1985) sieht im 45 In den Höhlensystemen von Kibata lebten damals tansanische Kämpfer, Frauen und Kinder, um sich dort vor den deutschen Schutztruppen zu verstecken und um die in den Dörfern zurückgebliebenen Menschen nicht zu gefährden. Heute finden dort neben Führungen auch wissenschaftliche Ausgrabungen statt, die durch das Sammeln von oralen Traditionen ergänzt werden.
Diana M. Natermann, Weiße Männlichkeit(en) zur Zeit des Maji-Maji-Kriegs
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Maji-Maji-Krieg die erstmalige Vereinigung verschiedener Ethnien für ein gemeinsames Tansania. Er bezeichnete ihn deshalb als einen ersten Wegbereiter der nationalen Einheit seines Landes. In der deutschen Öffentlichkeit ist der Maji-Maji-Krieg dagegen unbekannt, obwohl die heutigen deutsch-tansanischen Beziehungen gut sind und als problemfrei gelten. Eigentlich könnte und sollte man gerade diese freundschaftliche Beziehung zueinander dazu verwenden, das historische Kolonialerbe kritisch und produktiv aufzuarbeiten und neu zu bewerten. Da der Maji-Maji-Krieg der breiten Bevölkerung in Deutschland damals wie heute fast gänzlich unbekannt ist, ist es umso wichtiger, historische Quellen jener Zeit auszuwerten. Der Grund für die mangelnde Bekanntheit in Deutschland mag darin zu finden sein, dass im Vergleich zu 300.000 Einheimischen nur 15 „weiße“ Deutsche im Konflikt starben. In der zeitgenössischen deutschen Presse war der Konflikt kein Thema und fand wenig Beachtung. Dabei sollte gerade die Gegenüberstellung der Opferzahlen einem bewusstmachen, wie unausgeglichen der Konflikt von vornherein war und wie schonungslos er geführt wurde. Die Zahlen lassen einen Vernichtungswahn erkennen, der für die damalige koloniale Atmosphäre – und wie sich später herausstellen sollte wohl auch für das frühe 20. Jahrhundert – typisch war. Es wäre daher wünschenswert, wenn die gemeinsame deutsch-tansanische Vergangenheit mehr Aufmerksamkeit erhalten würde. Im Gegensatz zum guten deutsch-tansanischen Verhältnis ist seit dem Sommer 2017 die Genozidfrage in Bezug auf Namibia wieder ein Thema. Namibia ist als ehemalige deutsche Kolonie immer mehr ein Begriff in Deutschland. Vor allem die Fragen danach, ob und wie die heutige deutsche Regierung das Massentöten der Herero und Nama anerkennen soll oder nicht, wird diskutiert. Dabei handelte es sich beim Genozid an den Herero und Nama um einen mit dem Maji-Maji-Krieg fast gleichzeitig stattfindenden internationalen Konflikt mit vielen Ähnlichkeiten bzw. Parallelentwicklungen.46 46 Als mögliches negatives Gegenbeispiel zu guten internationalen Beziehungen zwischen zwei modernen Staaten mit gemeinsamer Kolonialgeschichte kann man das angespannte deutschnamibische Verhältnis heranziehen. Ein Konflikt begann, als aufgrund eines auf Existenzängsten basierender Konflikt die Hereros im Januar 1904 zum Angriff auf deutsche Einrichtungen und Farmen führte. Ähnlich wie in DOA war die Schutztruppe den Angriffen anfangs nicht gewachsen. Durch die von Generalleutnant Lothar von Trotha geführten 15.000 Mann wurde der Aufstand der Herero im August 1904 niedergeworfen. Die flüchtenden Hereros begaben sich in die Omaheke-Wüste, die von Trotha allerdings abriegeln ließ, wodurch tausende Herero verdursteten. Die Kriegsführung von Trothas zielte auf die Vernichtung einer Ethnie ab, weswegen sein Vorgehen in der Wissenschaft als erster Völkermord des 20. Jahrhunderts gilt. Angesichts der Vorfälle erhoben sich im Oktober 1904 auch die Nama. Von der Kriegsführung gegen die Herero lernend, vermieden die Nama offene Schlachten gegen die Deutschen, sondern führten einen Guerillakrieg, doch nach dem Tod ihrer Anführer, fügten sich schließlich fast alle Namas den deutschen Unterwerfungsverträgen und der Krieg endetet am 31. März 1908. Im Anschluss an die Kampfhandlungen
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VII.
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Conclusio
„Weiße“ koloniale Männlichkeitsideale bestimmten zur deutschen Kolonialzeit nicht nur die Politik, sondern es galt auch, sie im subsaharischen Ausland zu bewahren und durchzusetzen. Diese Absicht, sei sie geplant oder instinktiv gewesen, ließ sich im noch jungen Genre der Kolonialfotografie ebenso umsetzen wie in der kolonialen Kriegsführung. Kreativ oder militärisch, dem Ideal deutscher Männlichkeitsvorstellung musste Folge geleistet werden. So kam es einerseits, dass dem „Afrikaner“ ein deutsches Maß an Mannhaftigkeit abgesprochen wurde, er aber andererseits danach zu streben hatte. Diesen Zwiespalt kann der/die BetrachterIn in der Kolonialfotografie entdecken: Askaris trugen deutsche Uniformen, wurden aber nie als gleichgestellt geschweige denn höherrangig abgelichtet; Kriegsgefangene trugen dicke Ketten am Körper, jedoch keine Schuhe oder gar Hemden; eine Gruppe von über zwei Dutzend Askaris exerziert vor einem einzigen deutschen Offizier. Während in Europa feministische Bewegungen um die Jahrhundertwende verstärkt an Aufwind gewannen,47 konnte der „weiße“ Mann in Afrika noch seinem traditionellen Mannesbild frönen, was u. a. dazu führte, dass mit Härte gegen die Kolonisierten vorgegangen wurde und rassische Hierarchien auf allen Ebenen des Alltags eingeführt wurden. Im heutigen Zeitalter ständiger visueller (Über-)Reizung ist es umso wichtiger geworden, sich der deutschen Kolonialfotografie im postkolonialen Sinne zu widmen. Dabei gilt es, alte Sichtweisen zu hinterfragen, sie gegebenenfalls zu sprengen und die sich daraus ergebenen Erkenntnisse für eine Neuaufnahme deutsch-tansanischer Beziehungen zu verwenden. Um das Metanarrativ nicht aus den Augen zu verlieren, reicht es nicht, sich einzig der historischen Bildquelle zu widmen, sondern der historische Kontext muss analytisch inkludiert werden und Teil der erneuerten wissenschaftlichen Auswertung sein. Das damit neu geschaffene Gesamtbild kann dann einer modernisierten Kommunikation zwischen ehemaligem Kolonialisierenden und Kolonisierten, zwischen Deutschem und Tansanier, zwischen Vergangenheit und Gegenwart dienen. wurden die überlebenden Herero und Nama in Konzentrationslagern interniert, in denen fast jeder zweite Insasse starb. Von den anfangs 80.000–100.000 Hereros lebten 1911 nur noch 15.130 Personen. Der Völkermord in Deutsch-Südwestafrika kostete 65.000–85.000 Herero sowie etwa 10.000 Nama das Leben. Im Vergleich zu Namibia gab es in Tansania weder einen Vernichtungsbefehl noch einen Genozid, dafür aber ebenfalls ein von deutscher Hand verursachtes Massentöten mit höheren Opferzahlen. Siehe: Christoph Kamissek, „Ich kenne genug Stämme in Afrika“. Lothar von Trotha – eine imperiale Biographie im Offizierskorps des Deutschen Kaiserreichs, in: Geschichte und Gesellschaft 40 (2014), 67–93; Jürgen Zimmerer, Deutsche Herrschaft über Afrikaner. Staatlicher Machtanspruch und Wirklichkeit im kolonialen Namibia (Reihe Europa Übersee 10), Münster 2001. 47 Siehe: Lora Wildenthal, German Women for Empire, 1884–1945, Durham 2001.
David Low
Resistance and Renewal: Ottoman Armenian ‘Soldiers’ Photography’ during the First World War1
It is the official record that looms large in research into Ottoman photographic history, with the albums created at the behest of Sultan Abdülhamid II during the 1890s being a subject particularly favoured. Reading such state productions as attempts to control the photographic narrative and assert indigenous agency in the face of Western colonial representations, this work has progressed our understanding of Ottoman photography and provided counterbalance to Westerncentric histories.2 However, the view of resistance to dominant power does not take into account those for whom the Ottoman state was the dominant power, namely the Ottoman subject populations who did not form part of the official record. It is with such oversights that the photographic history of the region gives a sense of being divorced from the often harsh realities of late Ottoman history, a sense only reinforced by the lack of attention paid to the empire’s tumultuous, destructive final decade. When it comes to the subject of war photography, we are again faced with a set of governing concerns, for Jay Winter has recently observed the centrality assigned to official, commercial and ‘avant-garde’ photographers. There can be found, however, ‘a fourth dimension to the story of war photography’, the ‘soldier’s photography’ made by war’s participants ‘to record their experience of soldierly life – with whom they served, where they were, what they saw, and some of what they did during the Great War.’3 It is here that Ottoman Armenians, the Ottoman subject population with which this article is concerned, play a part, 1 The author wishes to thank Markus Wurzer and Birgit Kirchmayr for their valuable comments during the writing of this article. Western Armenian has been rendered according to the Western Armenian transliteration system and Eastern Armenian according to the Eastern Armenian transliteration system. The exceptions are those individual names that have established, commonly used English renderings. 2 See for example, Zeynep C ¸ elik, “Speaking Back to Orientalist Discourse,” in Orientalism’s Interlocutors: Painting, Architecture, Photography, edited by Jill Beaulieu and Mary Roberts (Durham – London: Duke University Press, 2002), 19–41. 3 Jay Winter, War beyond Words: Languages of Remembrance from the Great War to the Present (Cambridge: Cambridge University Press, 2017), 37.
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specifically as the victims of atrocities committed under cover of war, witnessed and photographed by serving soldiers.4 In this way, Winter contributes to a small but important body of work that deals with photographs pertaining to the Armenian Genocide.5 By contrast, this article reverses the equation by investigating ‘soldiers’ photography’ made by Armenians, the images with which Armenians presented themselves not as the objects of violence, but as active participants in war and the subjects of history. As Graham Clarke shows, the photographic portrait’s role as ‘an advertisement of the self ’ became evident in the carte-de-visite phenomenon of the nineteenth century.6 As the century turned, falling prices made studio portraiture increasingly accessible, while the newfound mobility of technology also freed photography from the studio space. These developments meant that those who fought in the First World War were in a position to produce their own representations of conflict and their role within it. Bernd Hüppauf writes of the advent of a new ‘imagery from below’, with photography evolving from an exclusive domain to a space for war’s ‘ordinary’ participants. In evoking the ‘history from below’ movement, Hüppauf seems to associate this form of photography with oral testimony and to suggest an image practice operating outside of dominant power and conventional perspectives.7 Therefore, even as we turn to Armenian ‘soldiers’ photography’, the aforementioned concerns of photographic history in the Near East as established through the study of state productions, namely the photograph as an instrument with which to assert agency and rewrite narrative, remain of the utmost importance. At the same time, and without contradiction, we might recognise that photography offered soldiers the opportunity to insert themselves into the grand narrative of war and to picture themselves in accordance with traditional notions of heroism. This allows us to address the more performative aspects of photography, with Nancy Micklewright and MichHle Hannoosh having addressed photography in the Ottoman Empire in terms of self-fashioning, picturing the 4 Ibid., 54–59. 5 See for example, Tessa Hofmann and Gerayer Koutcharian, “‘Images that Horrify and Indict’: Pictorial Documents on the Persecution and Extermination of Armenians from 1877 to 1922,” The Armenian Review 45 (1992) 1–2: 53–184; Martin Tamcke, “Die Kamera als Zeuge: Armin T. Wegners Fotografien vom Völkermord 1915/16 in Armenien,” in Das Jahrhundert der Bilder, 1900 bis 1949, edited by Gerhard Paul (Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 2009), 172–179; Abraham D. Krikorian and Eugene L. Taylor, “Achieving Ever-greater Precision in Attestation and Attribution of Genocide Photographs,” in The Genocide of the Ottoman Greeks, Studies on the State Sponsored Campaign of Extermination of the Christians of Asia Minor, 1912–1922 and Its Aftermath: History, Law, Memory, edited by Tessa Hofmann et al. (New York – Athens: Aristide D. Caratzas, 2011), 389–434. 6 Graham Clarke, The Photograph (Oxford – New York: Oxford University Press, 1997), 106. 7 Bernd Hüppauf, “The Emergence of Modern War Imagery in Early Photography,” History and Memory 5 (1993) 1: 130–151.
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studio as a theatrical space in which sitters could create and present new personas and idealised selves.8 This idea can be extended to the outdoor spaces that, with the new mobility of the camera, became quasi studios, similarly imbued with the stagecraft of the medium. In short, the photographic portrait, whether created within the studio or without, became a site of performances that contested established perceptions and constructed new identities. Photographs in which Armenians play to the camera are, formally speaking, not unusual, for the ‘martial poses of the soldiers, standing upright at attention, the head erect, the fixed gaze’ belong to the photographic conventions, borrowed from portrait painting, that were in evidence in others theatres of war.9 What differentiates them is the particular operations of their borrowed and repeated forms, poses and attitudes. As Stephen Sheehi has shown in his study of portrait photography in the Arab world prior to the First World War, photography was a globalised medium for which the local remained of supreme importance. Stating that ‘Ottoman photography was an Ottoman phenomenon’, Sheehi asserts that rather than being considered formally imitative (in what is essentially an art historical argument), we should be cognisant of how meaning is historically and geographically constituted, forged in the political, social and cultural particularities of the localities where photographs were made, exchanged and consumed.10 Photographs created by Ottoman Armenians bear marks distinct to Ottoman Armenian history, and therefore must be set within the context of that history before they can be properly understood. However, while photographs produced by Ottoman Armenians are inflected by their own concerns, these concerns cannot be dissociated from global dynamics, for the history of Ottoman Armenians during the era under examination is inextricable from wider geopolitics. I therefore begin by outlining some of that history, before discussing the photography produced by Armenians who fought, for different reasons, against the Ottoman state. In the first section, I examine some of the photographs produced by the small number of Ottoman Armenians who volunteered in Russian battalions at the outset of the conflict. I continue by looking at photographs produced by Ottoman Armenians who took up arms in response to the 8 Nancy Micklewright, “Late Ottoman Photography : Family, Home, and New Identities,” in Transitions in Domestic Consumption and Family Life in the Modern Middle East: Houses in Motion, edited by Relli Shechter (New York – Basingstoke: Palgrave Macmillan, 2003), 65–83; MichHle Hannoosh, “Practices of Photography : Circulation and Mobility in the NineteenthCentury Mediterranean,” History of Photography 40 (Spring 2016) 4: 3–27. 9 Silvana Rivoir, “The Soldier Photographer,” in Photography/Politics: Two, edited by Patricia Holland et al. (London: Comedia, 1986), 82–89 at 82. 10 Stephen Sheehi, The Arab Imago: A Social History of Portrait Photography, 1860–1910 (Princeton: Princeton University Press, 2016), 6.
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state’s genocidal campaign. Deviating from Jay Winter, I interpret ‘soldiers’ photography’ broadly as images in which Armenians actively involved in the conflict faced the camera in order to ‘speak’ of their experiences. While Winter concerns himself with private records over public communications, I am interested in both forms and, indeed, the slippage between the two. A further complication of the term ‘soldiers’ photography’ is provided by the fact that the Ottoman theatre saw the blurring of lines between soldier and civilian. As I show, in considered self-representations, some Ottoman Armenians consciously took part in heroic narratives of resistance and renewal. Through the performance of idealised selves, they exhibited their resistance to Ottoman rule while also offering resistance to narratives of victimhood. In doing so they traded in ideas of transformation, and for this I borrow from Silvana Rivoir’s reading of photographs of departing conscript soldiers as coming of age celebrations in the spirit of ‘rites of initiation, of renewal, of the beginning of the cycle of the seasons’.11 To this extent, photographs looked as much to the future as to their own present moment. Importantly, some also looked beyond the idea of individual transformation towards revived local and ‘national’ communities, with some dreaming of a resurrected, independent Armenian state. Resistance and renewal also become pertinent when we consider the uses and reuses of photographs. Ever unruly objects, photographs resist concrete categorisation and fixed meaning, frequently leaving themselves open to semantic renewal. At times, reinterpretation betrays or warps the intentions of the photograph’s sitter. In other cases, it is sitters themselves who are responsible for the undoing of images, as if chastising them for the failure – or success – of their myth-making.
From Transcaucasia On 12th January 1915, The Daily Graphic in London published a front page photograph depicting the 2nd battalion of Armenian volunteers serving in the Imperial Russian Army in Transcaucasia, captioned ‘The Soldiers of the Tsar Prepare for Battle’ (fig. 1). At the centre of the image stands the battalion’s two commanding officers, the Russian Armenian known as Dro (on the right) and the Ottoman Armenian known as Armen Garo (on the left, in civilian dress). Showing Armenians from either side of the Russian-Ottoman border, it’s a photograph that begins to open up the modern history of the Armenian people. With the land they had occupied for millennia divided in the nineteenth century between the Russian and Ottoman empires, Armenians found them11 Rivoir, “The Soldier Photographer,” 83.
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Fig. 1: ‘The Soldiers of the Tsar Prepare for Battle’. (Source: The Daily Graphic, 12 January 1915, p. 1)
selves at a major fault line of the ‘Eastern Question’, the set of issues that occupied the Great Powers as they endeavoured to manage the decline of Ottoman power.12 Defeats suffered to an ascendant Russian Empire in the east and new nationstates in European lands shrunk Ottoman territories and, through the loss of Christian populations and the corresponding influx of Muslim refugees, significantly altered their internal demographics. These were developments that increasing brought focus to an ‘Armenian Question’, the part of the ‘Eastern Question’ concerned with the position and future of the empire’s Christian Armenian population, largely found in six eastern provinces, as well as Cilicia on the Mediterranean coast.13 The close of the Russo-Ottoman War of 1877–78 saw the commencement of a particularly crucial period. The final peace treaty, signed in Berlin in 1878, continued the trend of Ottoman territorial losses, while also, crucially, making stipulations for the implementation of reforms, to be superintended by the Great Powers, to protect Armenians, thus marking the internationalisation of the ‘Armenian Question’.14 Reforms were read by the Ottoman state as portending future Armenian 12 Davide Rodogno, Against Massacre: Humanitarian Interventions in the Ottoman Empire, 1815–1914 (Princeton: Princeton University Press, 2016), 23–29. 13 Donald Bloxham, The Great Game of Genocide: Imperialism, Nationalism and the Destruction of the Ottoman Armenians (Oxford: Oxford University Press, 2009), 38–44; Rodogno, Against Massacre, 185–191. 14 Bloxham, The Great Game of Genocide, 44–46.
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independence and imperial collapse, and Ottoman Armenians were instead subjected to a programme of violence and land expropriation that substantially reduced their population, most notably in massacres of the mid-1890s that claimed around 100,000 lives.15 These events radicalised some Armenians, contributing to enrolment in the ‘revolutionary’ political organisations that had started to emerge in the mid-1880s, including the Dashnaks (the Armenian Revolutionary Federation), the party to which Dro and Armen Garo belonged, established in Tiflis (Tbilisi) in the Russian Empire in 1890.16 These groups aimed to promote self-defence among Ottoman Armenian villages and to remind the Great Powers of their international treaty commitments. Their desire, in Gerard Libaridian’s evocative phrase, was ‘to turn Armenians into more active participants in their own history’.17 Activists embodied a philosophy of radical self-transformation and empowerment, consciously repudiating the role of rayah, the poor provincial Armenian oppressed by the state and local Kurds alike.18 The adoption of nommes de guerre, with Dro and Armen Garo being the assumed names of Drastamat Kanayan and Garegin Pasdermadjian respectively, was one means by which a metamorphosis into idealised warrior alter egos was signalled. The photographic portrait provided an important means for the performative expressions of subjecthood.19 Through full-length portraits of armed and selfconsciously heroic fighters that projected action and agency and challenged the notion of the Armenian as weak and fatalistic, revolutionary image rhetoric marked and enacted an elevation in status. In doing so it also projected the same ideals of heroism and patriotism and conjured the same notions of renewal and coming of age that would become solidified during the First World War as hallmarks of ‘soldiers’ photography’. Therefore, the revolutionary image lent itself readily to conversion into a wartime soldierly portrait when a limited 15 Stephan H. Astourian, “The Silence of the Land: Agrarian Relations, Ethnicity, and Power,” in A Question of Genocide: Armenians and Turks at the End of the Ottoman Empire, edited by Ronald Grigor Suny et al. (Oxford: Oxford University Press, 2011), 55–81; Bloxham, The Great Game of Genocide, 51–57. 16 Gerard J. Libaridian, “What Was Revolutionary About Armenian Revolutionary Parties in the Ottoman Empire?,” in A Question of Genocide: Armenians and Turks at the End of the Ottoman Empire, edited by Ronald Grigor Suny et al. (Oxford: Oxford University Press, 2011), 82–112. 17 Ibid., 84. 18 Gerard J. Libaridian, “The Changing Armenian Self-Image in the Ottoman Empire: Rayahs and Revolutionaries,” in The Armenian Image in History and Literature, edited by Richard G. Hovannisian (Malibu: Undena, 1981), 139–153. 19 Elke Hartmann, “Shaping the Armenian Warrior : Clothing and Photographic Self-Portraits of Armenian fedayis in the Late 19th and Early 20th Century,” in Fashioning the Self in Transcultural Settings: The Uses and Significance of Dress in Self-Narratives, edited by Claudia Ulbrich and Richard Wittmann (Würzburg: Ergon, 2012), 117–148.
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number of Ottoman Armenians, including Armen Garo, decided to join the Russian ranks in 1914.20 Like its revolutionary precursors, Garo’s photograph can be read in terms of aspiration. The Armenian warrior image it proposed was, to a certain extent, aimed at the ‘ordinary’ Armenian, offering him a heroic ideal to which he might aspire, and in doing so asking him to join the ranks. On another level, the aspirations belong to Garo himself. Dressed in the suit and tie more befitting of his previous role as a deputy in the Ottoman parliament, it is his own personal transformation into a soldier that appears to be tracked by the photograph. Moreover, the photograph seeks a place on the global stage for their subjects and the ‘nation’ they represent, an ambition in keeping with the previous ‘ostentatious actions’ of revolutionary groups, governed ‘by the desire to regain the attention of external powers’.21 One of the most famous of these, involving Garo himself, was the 1896 Dashnak armed takeover of the Ottoman Bank in Constantinople, a form of propaganda of the deed that was marked by a clear desire for visibility. Florian Riedler reads the imperial capital in this context as ‘a stage on which the political messages conveyed by violence could reach a maximum audience.’22 Photography, I suggest, might be considered an arm of this practice, for it offered activists the opportunity to turn any space into a world stage as part of their bid to draw attention to the Armenian plight. This allows us to recognise Armen Garo’s wartime photographic intervention as belonging to the same order of image performances staged for international eyes. It was the notion of performance that lay at the heart of a stinging rebuke delivered by Grigoris Balakian, an Armenian priest who, surviving the genocide, became one of its first historians. Balakian states that Garo had his photograph taken in Tiflis with some armed friends, despite being ‘without military merit or experience’ and ‘not once having done anything real in war’. The photograph is, in this view, little but the fantasy of its creator, and Balakian continues by suggesting that Garo produced the photograph as a reklam, meaning an advertisement or piece of promotional material.23 Garo, in short, can be seen to have been promoting to the Entente powers an image of Armenians as strong partners in the war effort against the Ottoman Empire. Furthermore, the presence in the 20 Bloxham, The Great Game of Genocide, 73; Mark Levene, “Creating a Modern ‘Zone of Genocide’: The Impact of Nation- and State-Formation on Eastern Anatolia, 1878–1923,” Holocaust and Genocide Studies 12 (Winter 1998) 3: 393–433. 21 Bloxham, The Great Game of Genocide, 16. 22 Florian Riedler, “The City as a Stage for Violent Spectacle: The Massacres of Armenians in Istanbul in 1895–96,” in Urban Violence in the Middle East: Changing Cityscapes in the Transition from Empire to Nation State, edited by Ulrike Freitag et al. (New York – Oxford: Berghahn, 2015), 164–178. 23 Grigoris Balakian, Hay Koghkotan: Trovakner Hay Mardirosakrutenen, Berlinen tebi Zor, 1914–1920 (Vienna: Mkhitarian Dparan, 1922), 57–58.
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photograph of Armenian Apostolic priests, blessing the troops before departure, appears a calculated effort to advertise Armenians’ religious and ‘civilisational’ affinity with the West (in contrast to Germany’s Muslim partner, the Ottoman Empire). In all, the photograph seems to proclaim, in the words of a statement made by Garo in 1918, ‘we have fulfilled our duty […] in this great struggle in order to save civilization from an impending doom.’24 The photograph was thus not limited to ‘an advertisement of the self ’, to refer back to Graham Clarke’s words, but could be deployed as an advertisement of the ‘nation’. Garo engaged with photography in precisely the way it had come to be understood by Armenian revolutionary and Ottoman state actors alike, as an international diplomatic performance. It is akin to the photographic statecraft of the Ottoman sultans, or of Enver Pas¸a, the Young Turk (Committee of Union and Progress or simply Unionist party) officer whose active public image construction aided a rise to power that culminated in him becoming one of the three de facto rulers of the empire after a 1913 coup d’8tat.25 It was, moreover, through a collision with Enver’s own posturing that Garo’s image performance became problematic. Garo’s photograph surfaced at a particular historical juncture, being published in London the day after Enver arrived in the Ottoman frontier city of Erzurum in retreat from a disastrous Caucasus Campaign. A reckless march into Russian territory, fed by a desire to recapture the lands lost in 1878, had ended with heavy defeat and the near total destruction of the Third Army at the hands of Russian forces at the Battle of Sarikamis¸. Crucially, despite it being a battle in which Armenians fought on both sides, the presence of Armenian volunteers in Russian ranks led to Unionist ‘propagandizing about the treachery of the Armenians as a whole’.26 April 1915 witnessed the implementation of a plan to deport Armenian communities into the Syrian Desert under the guise of clearing warzones of threats. However, actions belied any notion of military necessity, encompassing regions far from the front lines as they became focused upon areas of Armenian concentration regardless of location. Forced migration formed only a part of the action taken against the Armenian population, with massacres
24 Garegin Pasdermadjian (Armen Garo), Why Armenia Should Be Free: Armenia’s Role in the Present War (Boston: Hairenik, 1918), 44. 25 Mary Roberts, “The Limits of Circumscription,” in Photography’s Orientalism: New Essays on Colonial Representation, edited by Ali Behdad and Luke Gartlan (Los Angeles: Getty Research Institute, 2013), 53–74; Edhem Eldem, “Powerful Images: The Dissemination and Impact of Photography in the Ottoman Empire, 1870–1914,” in Photography and Modernity in the Ottoman Empire 1840–1914, edited by Zeynep C ¸ elik and Edhem Eldem (Istanbul: KoÅ University Publications, 2015), 106–153. 26 Bloxham, The Great Game of Genocide, 75–76.
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outside towns and villages and along deportation routes a very common occurrence.27 Grigoris Balakian goes as far as to present Garo’s image-making as an act of photographic incitement, ‘provoking the already hateful and vengeful passion of Turkish government officials and the mob against a defenceless, bewildered and ill-fated Armenian populace’.28 The actual extent to which Garo’s photograph informed the Ottoman agenda cannot, in truth, be known, and yet it is clear that it provided the state with a propaganda opportunity. It became particularly useful following the Entente declaration of May 1915 that the perpetrators of the massacres would be held to account, and warnings made by Germany, fearful of giving the neutral United States cause to join the Entente, that its Ottoman partner needed to do a better ‘presentational’ job to legitimise its acts.29 The Daily Graphic photograph was one of a number reprinted in publications detailing the Armenian ‘rebellion’, including a 500-page book and a photographic album in two volumes.30 These publications collected, decontextualised and semantically reconfigured a diverse array of images, ranging from nineteenthcentury revolutionary photography to contemporary images of the Russian battalions, Armenian prisoners and alleged Muslim massacre victims, under a single narrative of supposed Armenian hatred and sedition. Sent to foreign diplomatic offices and Ottoman embassies abroad, the books and albums registered little success.31 British historian Arnold Toynbee’s dismissive response upon seeing ‘what they call an album’ in spring 1916, while engaged in compiling documents for the British parliamentary ‘blue book’ on the unfolding genocide, The Treatment of Armenians in the Ottoman Empire, seems typical of the international response.32 However, evidence suggests that the albums did play a role in mobilising Ottoman Muslims against Armenian communities. Armenian writer Yervant Odian records stopping near Konya on his journey back to Constantinople after surviving deportation and finding albums, ‘specially published to inflame the Turkish mob and the Turkish police against the Armenians’, being distributed by local Unionists. Their circulation, he
27 Ibid., 83–90. 28 Balakian, Hay Koghkotan, 57–58. 29 Fuat Dündar, Crime of Numbers: The Role of Statistics in the Armenian Question (1978–1918) (New Brunswick – London: Transaction Publishers, 2010), 123–127. 30 Aspirations et agissements r8volutionnaires des comit8s arm8niens avant et aprHs la proclamation de la constitution ottoman (Constantinople: n.p., 1917); ErmenI˙ ffm.l ve Harek.tI ˙Ihti˛l.li˛yyesi˛ Tes.ir ve Ves.i˛k, two volumes (Ankara: Ankara Matbaacılar CiltÅiler ve Sanatkarlar Odası Eg˘itim ve Kültür Yayınları, n.d. [1916]). 31 Dündar, Crime of Numbers, 125. 32 Arnold Toynbee to William Walter Rockwell, 8 June 1916, Foreign Office 96/205 381–382, National Archives, London.
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writes, ‘was nothing but laying the groundwork for a massacre.’33 As in the Balkan Wars of 1912–13, internal Ottoman propaganda operations aimed to militarise society in order to eliminate non-Muslim communities, a process that Jay Winter has termed the ‘cultural preparation of hatred, atrocity, and genocide’.34 Armenians received a cruel lesson in the fluidity of photographic meaning and function. However, perhaps the Unionist usage constituted not so much a perversion of Garo’s photograph as a continuation of its theatrical character, suggesting that an inherent aspect of photography’s performativity is the potential for later ‘re-performances’ by others. The result, in this instance, was a kind of subversion of visibility. The photograph was designed to make Armenian wartime efforts visible to the Entente, and yet in its ostentation it contributed to actions that ‘made their communities more visible and put them at risk of retaliatory or retributive punishment’.35 The official wartime discourse of the Ottoman state, an echo of which can be found in today’s Turkish nationalist historiography, took a small kernel of truth, that Garo and some other Ottoman Armenians fought in Russian ranks against the Ottoman Empire, and extrapolated to create an image of mass Armenian insurrection. While Garo’s actions, as Dikran Kaligian writes, could legitimately be construed as a betrayal, ‘the actions of one individual cannot be generalized to an entire political party, much less an entire people’.36 While a highly public statement, Garo’s photograph embraced motifs that preoccupied the private imagery of wartime, such as war as a catalyst for personal transformation. The publication of the image in patriotic albums, such as Hay Kamavorner, produced by Russian Armenians in Tiflis in 1916 and sold to raise money for soldiers’ families, shows how it could sit comfortably alongside those made and supplied by ‘ordinary’ volunteers.37 That album also demonstrated Garo’s participation in another key trope, the photograph as marker of departure. Identified by Silvana Rivoir as a particular moment of significance,
33 Yervant Odian, Accursed Years: My Exile and Return from Der Zor, 1914–1919 (London: Garod Books, 2009), 286. 34 Y. Dog˘an C ¸ etinkaya, “Atrocity Propaganda and the Nationalization of the Masses in the Ottoman Empire during the Balkan Wars (1912–13),” International Journal of Middle East Studies 46 ( 2014) 4: 759–778; Jay Winter, “Under Cover of War : Genocide in the Perspective of Total War,” in America and the Armenian Genocide of 1915, edited by Jay Winter (Cambridge: Cambridge University Press, 2008), 37–51. 35 Mark Levene, “Creating a Modern ‘Zone of Genocide’,” 406. 36 Dikran Kaligian, “Anatomy of Denial: Manipulating Sources and Manufacturing a Rebellion,” Genocide Studies International 8 (2014) 2: 208–223. 37 Hay Kamavorner (Tbilisi: Haykakan Kentronakan Buro, 1916).
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Fig. 2: Vahan Totovents, 1915. (Source: Project SAVE Armenian Photograph Archives, Watertown, Massachusetts, USA, courtesy of Arpine Zovickian)
‘an out-of-the-ordinary event among other festive occasions’, military departure was increasingly attended by picture-making.38 The rite of departure was, however, most often productive of photographs that remained private tokens of memory for friends and family. Among those photographs that circulated only in the private realm we find the occasion being solemnified as well as celebrated, with photographs at once embracing and undermining established pictorial conventions. One such photograph, dated September 1915, was sent as a postcard from Yerevan in the Russian Empire to an unknown recipient by Vahan Totovents, an Ottoman Armenian writer and poet who was serving with the Imperial Russian Army in the 1st battalion of Armenian volunteers (fig. 2). Totovents cuts a suave, dashing figure in a strong, self-assured portrait that suggests a man relishing his wartime experience. He crosses his 38 Rivoir, “The Soldier Photographer,” 82.
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arms and presents himself to the camera with confidence, making clear his role as soldier by pushing the right side of his body forward to show and accentuate the weapon on his hip. With Totovents announcing in a handwritten note on the reverse of the photograph that he will be leaving for the front in two days, the photograph can be associated with other images of departure that look forward to future glory in conflict. However, the remainder of his message operates on a different register, lending the photograph an individual voice and setting it within a very particular history. ‘The country is in a terrible state’, he writes in reference to the eastern Ottoman provinces for which he is about to depart. Damaged sections render some of the rest of the message illegible, but discernible are the words ‘mother and the others’ and ‘if we find them alive’. The back of the photograph thus offers a dark pragmatism that strongly contrasts with the breezy romanticism of the image. By offering a glimpse of the concrete reality of the Armenian wartime experience, Totovents’s words undermine the very photograph that bears them, shattering the confidence of his portrait, not to mention its idealised conception of war. In this way, the two sides of the photograph are bonded in a single, contradictory object, providing the sort of ambivalence and tension between desire and reality that is found in Totovents’s wartime recollections. ‘I wanted to see my country liberated,’ he later wrote, ‘I saw instead its total destruction, and torrents of my countrymen’s blood.’39 His photograph expresses a deep sense of despair and disillusionment, thus giving vent to the very anxieties that globallyproduced soldierly portraits frequently sought to tame.40 Totovents undermines the image of the warrior hero, as if declaring the thinness and redundancy of its constructs in an era of genocide. Totovents’s message ends with an incomplete reference to the photograph being a ‘souvenir’ (hishadag). Commonly found on photographs annotated by Armenians, the word speaks of a particular Armenian history of photography that had unfolded in the decades prior to the war. Photography had taken on special significance as a visual connection that tied together separated families and communities during an era of Armenian mass migration prompted by the often dire conditions in the Ottoman East.41 It was a practice of exchange in which Totovents himself had been involved, having in 1912 left his home in Kharpert to travel as a student to the United States. The young men that made that journey became familiar with a certain kind of photographic self-fashion39 Ara Baliozian, The Armenians: Their History and Culture (New York: Ararat Press, 1980), 90. 40 Bodo von Dewitz, “German Snapshots from World War I: Personal Pictures, Political Implications,” in War/Photography : Images of Armed Conflict and its Aftermath, edited by Anne Wilkes Tucker et al. (Houston: The Museum of Fine Arts, 2012), 152–161. 41 David Low, “Photography and the Empty Landscape: Excavating the Ottoman Armenian Image World,” Ptudes arm8niennes contemporaines 6 (December 2015): 31–69.
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ing, one that was rooted in the migrant’s desire to create an image of success. Such image-making served a dual purpose, for it provided both the migrant’s family with a certificate of success and the migrant himself with an idealised alter ego to which he could aspire. It was these idealised selves, albeit in a new, reimagined form, that were iterated for the lens during wartime. As Totovents posed, the soldier, like the migrant, projected himself into an imagined heroic future. These two figures, the migrant and the soldier, might thus be considered variations on a theme, different manifestations of the same pioneering persona that beckoned the success and self-improvement associated with foreign quests. Importantly, these forays abroad were not intended as permanent and there was in the souvenir, at least initially, a promise of return that made it a temporary memento. However, in Totovents’s message the word hishadag appears more ominous. In the context of a departure for a destroyed country and a search for a missing family, it seems to entertain the prospect of a barren future in which it is not a souvenir but, to provide a different translation of the word, a memorial. Driven by the possibility of permanent absence, the photograph becomes a grim anticipatory gesture like those that were increasingly being made by departing soldiers elsewhere in the war, and yet, more unusually, it carries a suggestion of wider application, with the potential to act as a memorial to not only the pictured soldier but his family also.42
From the Mediterranean In a letter of March 1916, Arnold Toynbee describes seeing ‘some delightful photographs’ of the Armenians from Musa Dagh arriving at Port Said in Egypt, ‘especially one of Pastor Andreasian’s baby which was born on the mountain during the siege’. Musa Dagh, he concludes, ‘is the one happy incident in the whole story.’43 Joy is indeed on display, and the photographs thus possess a festive spirit associated with departure photographs. However, as images of arrival, they look backwards, with the survivors of Musa Dagh facing the lens in order to relate and re-enact the events that brought them to Port Said (fig. 3). The foothills of Musa Dagh, a mountain near Antioch on the Mediterranean, had been the location of six Armenian villages of around 8,500 inhabitants. About half of those people submitted to the deportation order of July 1915 and set out towards the Syrian Desert, whilst the remaining 4,200 refused the order and took to the mountains. A warning delivered to them by Dikran Andreasian, the 42 Rivoir, “The Soldier Photographer,” 82. 43 Arnold Toynbee to L8opold Favre, 27 March 1916, Foreign Office 96/205 164–167, National Archives, London.
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Fig. 3: ‘Pictures of the Armenian Refugee Camp at Port Said’, 1915. (Source: Library of Congress, Prints and Photographs Division, LC-DIG-anrc-08591)
man mentioned in Toynbee’s letter, was instrumental in this decision, for he had been a Protestant minister in Zeitun to the north and had witnessed the recent round-up of Armenians there. The villagers of Musa Dagh subsequently managed to resist an attack on the mountains from several thousand Ottoman troops. In the course of the siege, two large white flags were hoisted aloft, one reading ‘Christians in Distress: Rescue’ and the other emblazoned with a red cross. These were spotted by a French battleship that was joined by others from the French and British fleets, resulting in the rescue from Musa Dagh of more than 4,000 of the besieged, six weeks after they had climbed into the mountains.44 The Armenians who presented themselves to the lens for these photographs had taken up arms but cannot be described as soldiers in any conventional sense of the word. Their photographs are amongst those that demonstrate the way in which the new wartime ‘imagery from below’ was made possible not only by technological developments but also by shifts in warfare that redefined the nature of war’s arenas and participants. ‘Total war’ relied upon the material production of ‘home fronts’, while a vast number of civilians were displaced by the war and, in the extreme circumstances of the Ottoman Empire, targeted by it. The Musa Dagh photographs thus offer us, to begin with, signs of the degree to which the war had entered and reordered the realm of the ‘ordinary’, for one effect of a genocidal campaign that redefined civilians as combatants was for some civilians 44 Raymond K8vorkian, The Armenian Genocide: A Complete History (London: I. B. Tauris, 2011), 610–612.
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to redefine themselves similarly, taking up arms in order to save themselves from destruction. In short, the actions of the Armenians of Musa Dagh are distinguishable from those of the volunteers with Russian battalions and should be considered in terms of what Donald Bloxham describes as a ‘continuum’ of Armenian actions ‘with pure volunteerism at one end and choiceless desperation at the other’.45 Whereas a number of photographs that were made aboard the warships show survivors with weapons and highlight armed resistance, the Egyptian images almost entirely dispense with the notion of violence. In strong contrast to other Armenians who took up arms, the villagers of Musa Dagh actually appear reluctant to play the role of fighters. This in itself is suggestive of Musa Dagh’s unintended role in the conflict and its place on the far end of Bloxham’s ‘continuum’. Indeed, those that pose for the lens present themselves not as victorious but simply as alive and free, their bodies not the vessels of heroism but of their own survival. In large part, in fact, the photographs provide a particular instance where Armenians forgo the theatricality of their own bodies, with some even partially hiding themselves from view behind the flag that stands as the central protagonist of the piece. The photographs take part in private festive celebrations of rescue and survival performed by ‘accidental’ participants in the war. However, they can also be approached as broader communications, with the viewer once again faced with notions of public visibility. The flags waved from Musa Dagh had acted as the means by which the villagers had made themselves visible, and in parading them before the camera at Port Said they appear to acknowledge the photograph’s capacity to do something similar. Photography becomes the means of recounting their story and, by extension, of drawing attention to those still in danger and in need of assistance, thus making visible the wider Armenian predicament. In keeping with this, we find the Egyptian photographs being printed around the world, at times accompanied by Dikran Andreasian’s account of events. This was a tale that Andreasian concluded by giving his regards ‘to American, British, French and Armenian friends, in the name of Christ under the shadow of whose Red Cross we are indeed one people.’46 With the United States yet to enter the war, the mention of Americans is telling. It indicates an awareness on the part of Andreasian – and possibly the wider group of survivors – of the United States as one of the destinations of their story, and that images, by helping to bring that country into the war, might become the instruments of a wider Armenian salvation. 45 Bloxham, The Great Game of Genocide, 90. 46 Dikran Andreasian, A Red Cross Flag that Saved Four Thousand, trans. Stephen Trowbridge (Cairo: American Red Cross Committee, 1916), 15.
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The photographs might therefore be seen as communications as public as Armen Garo’s. Equally, they carry a similar religious connotation, for the flag was the sign by which the people of Musa Dagh expressed a kinship with those from whom they sought help, identifying a common identity of ‘civilisation’ and Christianity. Indeed, Andreasian reads in the experience of the people of Musa Dagh a biblical story of liberation, recalling how ‘our saviour was brought in his infancy to Egypt for safety and shelter’.47 His narrative emphasises not simply belief but, noticeably, the prospect of rebirth that forms a steady thematic seam throughout much Armenian wartime photography. The escape from Musa Dagh was presented as an harbinger of the resurrection of an Armenian nation, as might be read in the offering of the cross and a newborn baby to the lens, not to mention the name of the facility at Port Said where the photographs were made, being Camp Lazaret (Lazarus). Therefore, despite these photographs reaching back in time to recount a tale of resistance and escape, they also conform to the convention already established of looking forward to a future moment of fulfilment. The road back for some of those who had escaped from Musa Dagh took the form of enrolment in the French L8gion d’Orient.48 Established in 1916 through the diplomacy of Boghos Nubar of the Armenian National Delegation, a body that promoted Armenian interests and reforms amongst the Great Powers, the L8gion aimed to contribute to the defeat of a genocidal state. In a way not dissimilar to the Russian battalions, it furthermore carried the belief that volunteering with Entente forces would earn Armenians the right to their own homeland.49 However, the L8gion d’Orient was an altogether quieter affair, with Nubar recommending from the outset that recruitment ‘be carried out with extreme caution, and, as much as possible, without any publicity, in order not to draw the attention of our enemies and avoid provoking reprisals’.50 It is clear that Nubar had the Russian volunteer battalions in mind, and while his reference to provocation evokes Grigoris Balakian’s later verdict, he is clear in his opinion that their actions were harnessed by the Ottoman Empire as a ‘pretext and excuse for […] atrocities in Armenia’. In light of those state actions, discretion was required with the L8gion d’Orient in order to ‘avoid providing the Turks with 47 Ibid. 48 Gu8vork Gotikian, “La L8gion d’Orient et le mandat franÅais en Cilicie (1916–1921),” La Cilicie (1909–1921), special issue of Revue d’histoire arm8nienne contemporaine 3 (1999): 251–324. 49 Andrekos Varnava, “French and British Post-war Imperial Agendas and Forging an Armenian Homeland after the Genocide: The Formation of the L8gion d’Orient in October 1916,” The Historical Journal 57 (2014) 4: 997–1025. 50 Meeting of Boghos Nubar with Mr Gout, 5 December 1916, Boghos Nubar’s Papers and the Armenian Question, 1915–1918: Documents (Waltham: Mayreni Publishing, 1996), ed. and trans. Vatche Ghazarian, 227 (1795–1800) [BNP].
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another excuse to start perpetrating new atrocities, while at the same time taking part in the landing with the Allied troops to liberate our native land.’51 That the activities of the L8gion d’Orient lacked the spirit of reklam that pervaded the Russian battalions seems evident from the photographs that lie in its archive. While research into this collection is only just beginning, it can be stated that these official image productions largely resemble amateur snapshots, seemingly created purely for internal informational purposes. In fact, their message might lie specifically in their ordinariness. Their undramatic, ‘everyday’ scenes of groups of Armenian soldiers amidst the barracks and training grounds of Cyprus seem designed to emit a quiet reassurance, as if to say, as a note written by Lieutenant Colonel Louis Romieu, the L8gion’s commanding officer, on the reverse of one of the photographs declares, ‘Tous va bien toujours ici’.52
Fig. 4: Mihran Manougian, 1917. (Source: Project SAVE Armenian Photograph Archives, Watertown, Massachusetts, USA, courtesy of Anahid Adami)
By contrast, it was the souvenir photographs created privately by L8gion d’Orient volunteers that embraced photographic theatricality and the heroic ideal. A great number of these amateur productions hail from the same training grounds in Cyprus as the official images and, being related to departure photographs, they constitute anticipatory performances that look forward to the conflict to come. 51 Boghos Nubar to the Armenian National Union of Egypt, 6 October 1916, BNP, 209 (1729–1733). 52 L8gion d’Orient no. 4, Photographic Archive, BibliothHque Nubar, Paris.
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Many of those who adopted heroic stances and attitudes for the lens had yet to see actual conflict. The large number of playful images created by them seems to attest to an isolation and distance from conflict, and the role of photography as a leisure pursuit as soldiers waited for departure and for their own war to begin. A photograph sent as a present by Mihran Manougian to one Hovhannes Yeretzian in the United States, dated 26 November 1917 with further annotations on the face and reverse, gives an insight into some of the ideas at play in the making of such images (fig. 4). ‘I am the one in front,’ Manougian writes on the left of the mount below a figure who stands comfortably, inhabiting the role of inveterate soldier, his weapon before him like an extension of his own body. The identificatory note brings to the fore the purpose of this pose, and the essence of the photograph (for Manougian at least). In a manner not unusual in ‘soldiers’ photography’, he presents himself to the camera, and annotates the resulting image, in order to highlight his own role in the war, thus carving out a place for himself within the vast, chaotic tapestry of conflict. While the photograph is ostensibly a group image, the text focuses the viewer’s attention and reconfigures the battalion’s collective photograph as something more akin to an individual portrait. Indeed, from the group only one other person is named (being Ohannes Shiryan, the soldier standing furthest away from Manougian in the top right hand corner of the image). The group does, however, receive some attention from Manougian, for he describes on the back of the print how ‘all of them are Dikranagerdtsis’, meaning that they were from the city of Diyarbakır, known to Armenians as Dikranagerd. It provides a good example of the way in which battalions from different backgrounds in many theatres of conflict often relied upon and replicated established community ties, and with that knowledge their photographs can be read as something akin to school or family photographs. The importance of the theme of return to the photographs of the L8gion d’Orient is also demonstrated, with volunteers being largely diaspora Armenians from the United States and Egypt, in addition to refugees from the Port Said camp and a number of prisoners of war or deserters from the Ottoman army who had been held by the British in India.53 Their photographic anticipations of departure for war were thus also anticipations of arrival and homecoming. In visual echoes of Boghos Nubar’s words, volunteers with the L8gion d’Orient acted out their desire to return to and ‘liberate [their] native land’. The large number of photographs made of the L8gion d’Orient on Cyprus is suggestive of there being numerous photographers on hand to capture volunteers’ projections of heroism and homecoming. Despite this, Manougian is found complaining on his print that ‘I couldn’t find anyone who could take a 53 Gotikian, “La L8gion d’Orient,” 262–263.
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good photograph – we don’t seem to look good, at least I think so.’ His words are a sign of his awareness of a soldierly ideal and, moreover, how photography had become the central means of the performance of this ideal. Manougian registers his desire to conform to the ideal and established photographic convention, along with his disappointment with the resultant image and its perceived failures. As it was with Vahan Totovents, the words that adorn the image begin to unravel it by pulling away at the threads of its constructs, and yet Manougian’s concern appears to be the gulf not between image and reality but between image and dream. The L8gion d’Orient landed in Jaffa in September 1918 to join up with Britain’s Egyptian Expeditionary Force, subsequently making a notable contribution to the victory over Ottoman forces in the Battle of Arara. Following the Ottoman surrender and the Mudros Armistice of October 1918, the L8gion took part in the French occupation of Cilicia, while, in a section of the former Russian Caucasus, Armenians struggled to keep alive a newly-declared republic.54 The independence of that state and its expansion to include lands in the Ottoman East were recognised by the Treaty of SHvres in August 1920. However, the treaty proved to be incompatible with the new ‘facts on the ground’ in the form of Mustafa Kemal’s rising Turkish Nationalist movement.55 The fledgling Armenian state was soon swallowed by Turkey from one side and the Soviet Union from the other, while the French departure from Cilicia, once favourable economic terms had been agreed with the Kemalists, put paid to that Armenian community’s hopes of a secure existence on the Mediterranean.56 A fresh treaty signed in Lausanne in 1923 explicitly marked the international recognition of the new Republic of Turkey, while implicitly signalling a corresponding disappearance, with Winston Churchill stating that within its pages, ‘history will search in vain for the word ‘Armenia’’.57 In the same era, Armenians’ claim on world memory was further tested by the failure of British efforts to prosecute the chief Ottoman perpetrators of the genocide.58 Subsequently, for much of the twentieth century, the fate of Armenians during the First World War was a subject marked by silence and denial. However, with it having ‘proved impossible fully to dissolve the
54 Christopher J. Walker, Armenia: The Survival of a Nation (London: Routledge, 1990), 256–259. 55 Ibid., 291–292. 56 Richard G. Hovannisian, “The Republic of Armenia,” in The Armenian People from Ancient to Modern Times, Volume II, Foreign Dominion to Statehood: The Fifteenth Century to the Twentieth Century, edited by Richard G. Hovannisian (New York: St. Martin’s Press, 2004), 303–346; Walker, Armenia, 292–303. 57 Winston Churchill, The World Crisis: The Aftermath (London: Thornton Butterworth, 1929), 408. 58 K8vorkian, The Armenian Genocide, 763–798.
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memory of the Armenian Genocide’, there has occurred, relatively recently, a partial return to the public consciousness.59 The image of the Armenian as fighter, unlike the image of the Armenian as victim, appears to have very little traction outside of certain circles. One clear home that it has found for itself is in Turkish nationalist discourse and its echo of the Ottoman wartime narrative of an Armenian ‘rebellion’, what Robert Melson terms the ‘provocation thesis’.60 There is a sense in which it could be claimed that those Armenians who posed for photographs shared in an element of revolutionary philosophy, for in doing so they demonstrated the desire to throw off the role of the rayah, the oppressed Armenian, and become ‘more active participants in their own history’, to employ Gerard Libaridian’s phrase once again. To stand before the camera and fashion an image for the lens was to present oneself as an historical actor with a role to play in events. It was also, crucially, to assert a sense of individual agency. Therefore, while a rebuttal of the ‘provocation thesis’ is beyond the scope of this discussion, an examination of the photographs in question does begin to suggest the fallacy of an argument that reads Armenians en masse as a single-minded constituency.61 The diversity of images shows nothing so much as the variety of Armenian lives, and thus how problematic is the application of all-encompassing assessments. As has been seen, the ‘soldiers’ photography’ produced by Ottoman Armenians during the First World War utilised the visual and thematic conventions of wider wartime photography, from the martial poses and wielding of weapons to the celebration of departure and marking of personal transformation. These conventions, once borrowed, took on meanings specific to the Ottoman Armenian context in which photographs were created and in which they circulated. This is not to say, however, that photographs from that world carry a single, coherent meaning, for individuals in turn used this communal formal language for their own purposes, according to their own circumstances. They fashioned self-representations according to not only shared experience and concerns but also the particulars of their individual lives and aspirations. Just as the fighters who posed for photographs had different motives for fighting, so did they have different motives for posing and different conceptions of photography’s uses. It is clear that ‘soldiers’ photography’ could encompass numerous ideas and ideals, from political communication to private souvenir, from festive celebration to solemn memorial. Once again we should be wary of broad terms, for the distinctions between such characterisations are not rigid 59 Bloxham, The Great Game of Genocide, 207. 60 Robert Melson, Revolution and Genocide: On the Origins of the Armenian Genocide and the Holocaust (Chicago: University of Chicago Press, 1992), 152–159. 61 For a rebuttal, see Kaligian, “Anatomy of Denial”; Melson, Revolution and Genocide, 152–159.
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and, as has been seen, there is much slippage between photographic modes and voices, with even a single photograph being capable of pulling in different directions. This fluidity and the very theatricality of images are indicative of photographs being less the records of concrete actions and events and more the signs of hopes, dreams, desires and, indeed, fears. Most sitters seem to have glanced to the future in this way, and these are glances that remain legible, a long time after the worlds they envisioned failed to materialise. Thus, if these images might be said to be bound by a collective character, it is as forlorn aspirations, past dreams of unfulfilled futures.
Markus Wurzer
(Re-)Produktion von Differenzen im kolonialen Gewaltregime. Private Fotopraxis aus dem Italienisch-Abessinischen Krieg 1935–1941
Die kolonialen Projekte europäischer Staaten hinterließen vielfältige Spuren in ihren Gesellschaften – nicht nur öffentliche, sondern auch in Familiengedächtnissen. In besonderer Weise vermittelten in familiären Kontexten Fotografien, die von Soldaten oder zivilen KolonistInnen nach Hause geschickt oder gebracht wurden – als vermeintlich authentische Zeugnisse – Vorstellungen über koloniale Räume und die von ihnen hervorgebrachten Ordnungen.1 So findet sich beispielsweise auch in der Familie Conci, die in Alto Adige/Südtirol2 in Italien lebt, ein umfangreiches Fotoalbum, das Vater Wilhelm seiner mittlerweile 80jährigen Tochter Myrta nach seinem Tod 1995 hinterlassen hat und das sie bis heute in einem Schrank aufbewahrt. Im Album befinden sich mehrere Dutzend Fotografien, die Wilhelm während seines dreijährigen Einsatzes als Kolonialoffizier im Italienisch-Abessinischen Krieg (1935–1941) geknipst hatte.3 Dieses Album, das Wilhelm nach seiner Rückkehr aus jenen Fotografien zusammenstellte, die er seiner Familie bereits während des Kriegseinsatzes nach Hause gesendet hatte, steht im Zentrum des vorliegenden Beitrags. Innerhalb der vom Cultural Turn inspirierten Erforschung von Kolonialismus wird visuellen Repräsentations- und Präsentationsformen große Bedeutung beigemessen. Dabei ist die Fotografie das im internationalen Forschungszusammenhang am intensivsten beforschte visuelle Medium – was allerdings nicht 1 Jens Jäger, Fotografie und Geschichte (Historische Einführungen 7), Frankfurt/New York 2009, 173. 2 Mit der Annexion Südtirols nach dem Ersten Weltkrieg wurde für dieses Gebiet die italienische Bezeichnung Alto Adige (deutsch: Hochetsch) eingeführt, um den Herrschaftsanspruch Italiens zu legitimieren. Der Begriff bezieht sich auf das nationalistische Konzept der Wasserscheide als „Naturgrenze“. 1923 wurde der Landesname Tirol, sämtliche Ableitungen davon sowie alle anderen deutschen topographischen Bezeichnungen verboten und durch italienische ersetzt. Erst 1972 wurde der Name Südtirol offiziell wiederhergestellt. Im Beitrag werden das Gebiet sowie andere topographische Einheiten jeweils in der italienischen und deutschen Nomenklatur angesprochen, um auf die konfliktreiche Begriffsgeschichte aufmerksam zu machen. 3 Interview mit Myrta Conci, geführt von Markus Wurzer, 19. 4. 2016, Aufnahmen beim Autor.
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für Fotografien, die in familialen Kontexten überliefert sind, gilt. Die kulturwissenschaftliche Forschung beschäftigte sich insbesondere mit der Frage, inwiefern fotografische Technik zur Konstruktion von Leitdifferenzen wie ,Rasse‘, Ethnizität und Nation beitrug, aus denen sich die Vorstellung ableitete, dass europäische Staaten wie selbstverständlich afrikanische Gesellschaften dominierten.4 Für die Forschungsarbeiten zur Konstruktion von Differenz in kolonialen Zusammenhängen mag ebenso gelten, was Stefan Hirschauer für die Untersuchung von sozialer Zugehörigkeit im Allgemeinen festgehalten hat: Diese würden trotz ihrer Bemühungen mehrere Differenzen in den Blick zu nehmen, auf Leitdifferenzen wie eben ,Rasse‘, Geschlecht, Ethnizität reduziert bleiben und der Möglichkeit der sozialen Irrelevanz dieser Differenzkategorien wenig Aufmerksamkeit schenken. Auf Grund dessen plädiert Hirschauer dafür, dass es in der Untersuchung sozialer Zugehörigkeiten nicht reiche, festzustellen, dass Kategorisierung stattfindet. Entscheidender sei dagegen – und hier öffnet sich ein Desiderat, in welches der vorliegende Beitrag einhakt – die Frage, ob Individuen in sozialen Prozessen an diese Kategorisierungen anschließen. Denn erst durch den Gebrauch von Differenzen würde soziale Relevanz aufgebaut. Eine Untersuchung müsse sich der Kontingenz sozialer Zugehörigkeit bewusst sein und deshalb ihre Konkurrenz und Temporalität ins Zentrum stellen. Erst so werde es möglich, nicht vorab definierte Leitdifferenzen oder individuelle Transgressionen, sondern das komplexe Zusammenspiel von miteinander konkurrierenden Humandifferenzierungen empirisch zu untersuchen.5 Rückgebunden auf den Zusammenhang von Kolonialismus und Fotografie als Vehikel der Differenzkonstruktion bedeutet dies, Fotografien als performative Medien zu denken, deren Gebrauch es AkteurInnen ermöglicht, Differenz zu praktizieren und so soziale Zugehörigkeiten aufzubauen, zu übergehen oder abzubauen. Zentral ist dabei die Frage, wann und wo welche Differenz im kolonialen Kontext (ir)relevant ist? Wie wird soziale Zugehörigkeit unter den medialen Bedingungen der Fotografie (re)produziert? Ziel des vorliegenden Beitrags ist es, einerseits anhand des Gebrauchs sozialer Differenzkategorisierungen die Temporalität und Konkurrenz sozialer Zugehörigkeit im kolonialen Zusammenhang zu untersuchen und andererseits die performativen Mecha-
4 Jäger, Fotografie, 161, 176, 180; Felix Axster, Koloniales Spektakel in 9x14. Bildpostkarten im Deutschen Kaiserreich, Bielefeld 2014, 37; für einen Forschungsüberblick: Paul S. Landau/ Deborah D. Kaspin (Hg.), Images and Empires. Visuality in Colonial and Postcolonial Africa, Berkeley 2002; Eleanor Hight/Gary D. Sampson (Hg.), Colonialist Photography. Imag(in)ing Race and Place, Abingdon u. a. 2004. 5 Stefan Hirschauer, Un/doing Differences. Die Kontingenz sozialer Zugehörigkeiten, in: Zeitschrift für Soziologie 43 (2014) 3, 170–191, 175–183.
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nismen sichtbar zu machen, wie und wann im Umgang mit Fotografien Differenz (nicht) realisiert wird. Ein performativer Zugang bedeutet für den methodischen Umgang mit Fotografien zuallererst anzuerkennen, dass diese nicht nur als Repräsentationen von Welt fungieren, sondern auch Werkzeuge darstellen, mittels derer sich erfolgreich handeln – und eben auch Differenz praktizieren – lässt. Zweitens bedeutet eine performative Orientierung gegenüber bildsemiotischen Ansätzen, die das Bildmotiv als kulturelles Zeichen „lesen“, eine Verlagerung der analytischen Aufmerksamkeit hin auf die medienspezifische Aufführung und soziale Aneignung von Fotografien, mittels derer Bedeutungen generiert und Wahrnehmungen von Bildern gesteuert werden. Damit wird erstens die Relevanz des materiellen Trägers betont, die von semiotischen Zugängen zuvor marginalisiert wurde. Der Fokus auf die Gebrauchsweise von Bildern macht zweitens deutlich, dass diese als Gegenstände des Alltags in (konventionalisierte) Handlungen eingebunden sind, die unabhängig von den dargestellten Motiven Einfluss auf die Bildbedeutung nehmen. Um im Folgenden zu untersuchen, wie Differenzen performativ ins Bild gesetzt worden sind, gilt es, Medialität und Gebrauch der Fotografien gemeinsam zu denken. Schließlich beeinflussen die medialen und materiellen Konventionen des Mediums die Nutzung entscheidend.6 In einer solchen Analyse kommen den Texten, die an ein Bild, in Form von Bildunter-, -überschriften, Beschriftungen auf Bildrückseiten etc., an- und beigefügt werden, eine zentrale Rolle zu. Sie geben nämlich wichtige Hinweise auf die intendierte Bedeutung einer Fotografie.7 Insofern ist es an dieser Stelle notwendig, auf die komplexe Beziehung zwischen Bild und (Bei-)Text zu verweisen. Da Bilder stets polysem sind, versuchen BildakteurInnen mitunter eine spezifische Bildbedeutung durch textuelle Dekodierangebote sprachlich zu fixieren.8 Und auch wenn so der „konventionellen“ Bildbedeutung, die zeitgenössisch dominant, entschlüsselbar und verständlich ist, je nach Gebrauchskontext affirmiert, modifiziert oder widersprochen werden kann, so kann die Mehrdeutigkeit doch nie ganz aufgehoben, sondern nur in den Hintergrund gedrängt werden.9 Und schließlich ist die Beziehung zwischen Bild und Text keine einseitige, da visuelle Informationen Texte genauso rahmen können. Ihr 6 Eva Tropper, Medialität und Gebrauch oder Was leistet der Begriff des Performativen für den Umgang mit Bildern? In: Lutz Musner/Heidemarie Uhl (Hg.), Wie wir uns aufführen. Performanz als Thema der Kulturwissenschaften, Wien 2006, 103–130, 103–104, 120. 7 Jens Jäger, Überlegungen zu einer historiografischen Bildanalyse, in: Historische Zeitschrift 304 (2017) 3, 655–682, 679. 8 Franz X. Eder/Oliver Kühschelm, Bilder – Geschichtswissenschaft – Diskurs, in: Franz X. Eder/Oliver Kühschelm/Christina Linsboth (Hg.), Bilder in historischen Diskursen, Wiesbaden 2014, 3–44, 11. 9 Jäger, Überlegungen, 655–682, 673–674, 681–682.
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Verhältnis kann auch reziprok zueinander sein, indem sich Bild und Text wechselseitig ergänzen oder konterkarieren. Ein Frame kann das andere relativieren, verstärken oder von diesem genauso unbeeinflusst bleiben.10 Da sich die Fotografie kolonialer Zusammenhänge trotz vieler Gemeinsamkeiten laut Jens Jäger ausgesprochen heterogen präsentiert, erscheinen MikroStudien von großer Relevanz für den Forschungsstand. Diese seien nämlich in der Lage, Interaktionen von AkteurInnen nach Raum und Zeit differenziert zu untersuchen.11 Vorliegender Beitrag basiert deshalb auf einem Fallbeispiel privater Fotopraxis aus dem Italienisch-Abessinischen Krieg 1935–1941. Die Beschäftigung mit dieser fotografischen Praxis erfordert, und dies ist in der methodischen Auseinandersetzung zu berücksichtigen, eine umfassende Kontextualisierung.12 Zur Fotografie als Mittel der Konstruktion und Normalisierung von Differenz liegen für die französischen, britischen und deutschen Kolonialerfahrungen bereits ansatzweise Untersuchungen vor.13 In Italien fanden erste Auseinandersetzungen mit Kolonialfotografien bereits in den 1980er-Jahren statt. Der Italienisch-Abessinische Krieg war dabei bisher im Zentrum des Forschungsinteresses, was an der günstigen Quellenlage liegt: Das faschistische Regime trachtete danach, die Eroberung Abessiniens als mediales Spektakel zu inszenieren. Staatliche und militärische Bildinstitutionen produzierten dafür mehrere Hunderttausend Abzüge, die nicht nur in den Kolonien, sondern auch in Italien und im Ausland zirkulierten. Dementsprechend beschäftigten sich italienische HistorikerInnen in den vergangenen Jahrzehnten vor allem mit der faschistischen Bildpropaganda, ihrer Organisation und Sprache und ihren Leitmotiven.14 Erst in den letzten Jahren weitete sich das Erkenntnisinteresse auf die private Fotopraxis der Soldaten. Empirische Untersuchungen bedienten sich vor allem bildsemiotischer Verfahren und konzentrierten sich auf das Motiv selbst und den motivischen Unterschied zwischen privater und offizieller Fotografie. Aus performanztheoretischer Perspektive, die Medialität und Ge-
10 Marion G. Müller/Stephanie Geise, Grundlagen der Visuellen Kommunikation, 2. völlig überarb. Aufl., Konstanz/München 2015, 264, 271. 11 Jäger, Fotografie, 178–179. 12 Ebd., 186. 13 Ebd., 180, etwa: James R. Ryan, Picturing Empire. Photography and the visualization of the Britsh Empire, Chicago 1997; Landau/Kaspin, Images; Pascal Blanchard/Sandrine Lemaire (Hg.), Culture coloniale. La France conquise par son Empire, 1871–1931, Paris 2003; Axster, Spektakel. 14 Adolfo Mignemi (Hg.), S' e no padroni del mondo. Etiopia 1935–36. Immagine coordinata per un impero, Torino 1984; Angelo del Boca/Nicola Labanca, L’impero africano del fascismo nelle fotografie dell’Istituto Luce, Roma 2002.
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brauchszusammenhänge ins Zentrum stellt, wurde das Material bislang nicht – auch nicht im Hinblick der Kontingenz sozialer Zugehörigkeit – untersucht.15
I.
Historischer Kontext
Für den vorliegenden Beitrag dient die Geschichte von Wilhelm Conci als Fallbeispiel. Dieser wurde 1909 als Sohn eines Gastwirts geboren und wuchs in Bressanone/Brixen in Alto Adige/Südtirol auf, das bis zum Ersten Weltkrieg Teil des Kronlandes Tirol gewesen war und anschließend von Italien annektiert und zur Provincia di Bolzano/Provinz Bozen gemacht worden war. Deren deutschsprachige Bevölkerung, zu der auch Conci gehörte, sah sich in weiterer Folge unter faschistischer Herrschaft (ab 1922) einer repressiven Denationalisierungsund Italianisierungspolitik ausgesetzt.16 Conci besuchte zunächst das Gymnasium und anschließend zwei Jahre die Handelsschule. 1927 wurde er zum Militärdienst einberufen, den er im Oktober 1928 abschloss. Hinterher absolvierte Conci einen Reserveoffizierskurs und wurde schließlich am 4. Februar 1930 als Leutnant der Reserve ausgemustert. Im Anschluss kehrte er in sein Zivilleben zurück. In den Folgejahren arbeitete er im Gemeindeamt von Sant’Andrea/St. Andrä bei Bressanone/Brixen, wo er auch eine Familie gründete.17 Denn, als Italien im Frühjahr 1935 Vorbereitungen für einen Krieg gegen das Kaiserreich Abessinien intensivierte, wurde Conci zwar einberufen,18 kurz darauf aber wieder entlassen. Er heiratete im Herbst desselben Jahres Margarete. Drei Jahre später kam das einzige Kind des Paares, Myrta, zur Welt.19 Italien hatte unterdessen im Oktober 1935 den Angriffskrieg gegen Abessinien in Gang gesetzt und bereits sieben Monate später, im Mai 1936, mit der Eroberung der abessinischen Hauptstadt Addis Abeba die Kampfhandlungen 15 Paolo Bertella Farnetti (Hg.), Sognando l’impero. Modena – Addis Abeba (1935–1941), Milano 2007; Paolo Bertella Farnetti/Adolfo Mignemi/Alessandro Triulzi (Hg.), L’impero nel cassetto. L’Italia coloniale tra album privati e archivi pubblici, Milano/Udine 2013; Sebastian De Pretto, Der Abessinienkrieg aus der Sicht dreier Südtiroler Soldaten gegenüber der Bildpropaganda des Istituto Nazionale Luce, in: Geschichte und Region 25 (2016) 1, 41–67. 16 Dazu vertiefend: Stefan Lechner, Die Eroberung der Fremdstämmigen. Provinzfaschismus in Südtirol 1921–1926, Innsbruck 2005; Andrea Di Michele, Die unvollkommene Italianisierung. Politik und Verwaltung in Südtirol 1918–1943, Innsbruck 2008. 17 Militärmatrikelblatt von Giulielmo Conci, Staatsarchiv Bolzano/Bozen, Behörden der staatlichen Verwaltung und der Justiz nach 1919, Militärisches Schriftgut nach 1919, Militärmatrikelblätter und Matrikelbücher, Distretto di Bolzano, Classe 1910; Interviews mit Myrta Conci, geführt von Markus Wurzer, 19. 4. 2016, 21. 2. 2018, Aufnahmen beim Autor. 18 L59929, Tiroler Archiv für photographische Dokumentation und Kunst Lienz (TAP), Sammlung Wilhelm Conci. 19 Interview mit Myrta Conci, geführt von Markus Wurzer, 19. 4. 2016, Aufnahme beim Autor.
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für beendet, das Kaiserreich für zerschlagen und Abessinien gemeinsam mit den bereits bestehenden Kolonien Eritrea und Italienisch-Somaliland zur Kolonie Africa Orientale Italiana (Italienisch-Ostafrika) erklärt. In weiterer Folge sollte durch eine repressive, rassistisch motivierte Politik über Abessinien koloniale Herrschaft etabliert werden; dies gelang allerdings räumlich wie zeitlich nur in beschränktem Maße, wodurch weite Teile des Landes unter dem Einfluss abessinischer Gruppen verblieben, die das Besatzungsregime in einen bis 1941 anhaltenden Guerilla-Krieg verwickelten.20 Im Sommer 1939 verließ Wilhelm Conci seine Familie, um als Offizier – vermutlich freiwillig – in der Kolonie Dienst zu leisten. Nach einer mehrtägigen Schiffsreise erreichte er von Neapel aus am 25. Juli 1939 die Hafenstadt Massaua in Eritrea. Von dort reiste er mittels Lastwagen über Addis Abeba weiter nach Gin Ager, wo er im August 1939 das Kommando über eine Askari21-Kompanie übernahm, die an der Bekämpfung von Guerilla-Gruppen beteiligt war. Bereits im Dezember kehrte er nach Addis Abeba zurück, um anschließend nach Dire Dana und schließlich nach Fiambiro verlegt zu werden, wo er mindestens bis März 1940 verblieb.22 Conci hegte den Wunsch, sich in der Kolonie niederzulassen und seine Frau und seine Tochter nachzuholen.23 Dazu kam es allerdings nicht. In Europa hatten sich nämlich unterdessen Italien und Deutschland auf die so genannte Option verständigt, um die bündnisbelastende Südtirolfrage zu lösen. Die Südtiroler Bevölkerung sollte sich entscheiden, ob sie in Italien als italienische oder im Deutschen Reich als deutsche StaatsbürgerInnen leben wollte.24 Deutschsprachige Soldaten aus der Provinz Bolzano/Bozen, die zu diesem Zeitpunkt noch in Ostafrika ihren Dienst versahen, mussten ebenfalls wählen. Conci optierte am 12. April 1940 in Adama für das Deutsche Reich.25 Zu einer Rückreise nach Europa kam es aber nicht mehr. Die außenpolitischen Entwicklungen hielten ihn in Ostafrika fest: Nachdem Italien am 10. Juni 1940 an der Seite Deutschlands in den Krieg eingetreten war, wurde Ostafrika, wo die Kolonie Italiens an britische 20 Aram Mattioli, Experimentierfeld der Gewalt. Der Abessinienkrieg und seine internationale Bedeutung 1935–1941. Mit einem Vorwort von Angelo Del Boca (Kultur – Philosophie – Geschichte. Reihe des Kulturwissenschaftlichen Instituts Luzern 3), Zürich 2005, S. 79–91. 21 Askari sind afrikanische, aus Libyen, Eritrea oder Somalia angeworbene Soldaten im Dienste der italienischen Kolonialmacht. 22 L60011, L60013-RS, L60014-RS, L60019, L60057-RS, L60058-RS, TAP, Sammlung Wilhelm Conci. 23 L60011-RS, L60052-RS, L60058-RS, ebd. 24 Klaus Eisterer/Rolf Steininger (Hg.), Die Option. Südtirol zwischen Faschismus und Nationalsozialismus (Innsbrucker Forschungen zur Zeitgeschichte 5), Innsbruck 1989; Günther Pallaver/Leopold Steurer (Hg.), Deutsche! Hitler verkauft euch! Das Erbe von Option und Weltkrieg in Südtirol, Bozen 2011. 25 L60082, TAP, Sammlung Wilhelm Conci.
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und französische Kolonialgebiete grenzte, zum Kriegsschauplatz. Als nunmehriger deutscher Staatsbürger war Conci allerdings nicht mehr Teil der italienischen Armee, weshalb er vorübergehend Direktor der Offiziersmesse in Hargeisa wurde, das im von Italien im Spätsommer 1940 eroberten Britisch-Somaliland lag.26 Im September 1940 wurde Conci schließlich zurück nach Asmara in Eritrea gerufen, wo er einer deutsche Freiwilligen-Kompanie zugeteilt wurde,27 die sich aus in Ostafrika ansässigen deutschen Staatsangehörigen sowie aus Matrosen deutscher Handelsschiffe, die aus Asien kommend die Durchfahrt durch den Suezkanal nicht mehr geschafft hatten, rekrutiert hatte. Im Oktober 1940 beteiligte sich diese Kompanie, deren offizieller Name Compagnia Autocarrata Tedesca (Deutsche motorisierte Kompanie) lautete und aus rund 140 Mann bestand, am (erfolglosen) italienischen Vorstoß gegen den Sudan.28 Dort oder im Verlauf der anschließenden Rückzugsgefechte nach Eritrea kam Wilhelm Conci in britische Kriegsgefangenschaft. Während der Krieg in Ostafrika schließlich mit der Kapitulation letzter italienischer Streitkräfte im November 1941 endete, wurde Conci nach Kanada gebracht, wo er in der Nähe von Ottawa im Internment Camp 30 von 1941 bis 1946 interniert blieb.29 Erst 1947 konnte er nach Alto Adige/Südtirol zurückkehren, machte eine Ausbildung zum Gemeindesekretär und führte diese Tätigkeit bis zu seiner Pensionierung 30 Jahre lang aus. 1995 verstarb Wilhelm Conci 86-jährig.30
II.
Private Fotopraxis
Nach seiner Rückkehr aus der Kriegsgefangenschaft in Kanada machte sich Wilhelm Conci daran, Fotografien, die er aus Afrika nachhause geschickt hatte, sowie weitere Fotografien, die in der Familie vorhanden waren, zu einem Album zu arrangieren.31 Während das Album wahrscheinlich spätestens Mitte der 1950er-Jahre gestaltet wurde,32 waren die darin enthaltenen 183 – meist beschrifteten – Aufnahmen in einem Zeitraum zwischen 1930 und 1954 entstanden.33 Ein beträchtlicher Teil davon, nämlich 71 Fotos, thematisiert Concis 26 L60084, ebd. 27 L60085, ebd. 28 Stefano Fabei, La legione straniera di Mussolini, Milano 2008, 311–313; Deutsche Freiwilligen-Kompanie in Italienisch-Ostafrika, Alpenzeitung, 28. 8. 1940, 1. 29 L60110, TAP, Sammlung Wilhelm Conci. 30 Interview mit Myrta Conci, geführt von Markus Wurzer, 19. 4. 2016, Aufnahme beim Autor. 31 Ebd., 21. 9. 2016, Aufnahme beim Autor. 32 L59935–L59936, TAP, Sammlung Wilhelm Conci. 33 L59928, L59936, ebd.; Cord Pagenstecher, Private Fotoalben als historische Quelle, in: Zeithistorische Forschungen 6 (2009), 449–463.
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Kriegseinsatz in Ostafrika, datiert von Juli 1939 bis Dezember 1940. Die übrigen Bilder widmen sich seiner Gefangenschaft, seinem Grundwehrdienst, Margaretes Schwangerschaft, Myrtas Taufe, familiärer Freizeitgestaltung und Familienfesten. Durch ihr chronologisches Arrangement rahmen sie die Kriegserzählung und beenden diese durch drei Fotografien der Heimkehr, die die wiedervereinte Kleinfamilie in Szene setzen. Wer der Produzent der Aufnahmen gewesen ist, lässt sich nicht durchgehend rekonstruieren. Zumindest für die Afrika-Bilder gilt, dass sie von Conci selbst bzw. mit seinem Fotoapparat geschossen worden sind. Zum einen gibt er auf einer Bildrückseite an, dass „all diese Photos […] mit meinem Apparat gemacht“34 wurden, zum anderen legt seine detaillierte Beschriftungspraxis den Schluss nahe. Zusätzlich reflektiert Conci in Briefen aus Afrika an seine Ehefrau seine fotografische Praxis: Er erörtert Aufnahmemodi seiner Kamera,35 seine Aufnahmemotivationen,36 technische Schwierigkeiten in der Bedienung des Apparats und der Entwicklung der Negative in der Dunkelkammer,37 sowie seine Bestrebungen, ob des hohen Sonnenstandes „den Schatten aus dem Antlitz zu treiben“38. Concis Fotopraxis lässt sich aus diesen Angaben rekonstruieren: Nachdem er einen Film geknipst hatte, entwickelte er diesen selbst, zog die Negative häufig auf Postkartenformat auf, nützte die Rückseite für eine kurze Nachricht an seine Familie, die er mit Ort und Datum versah, und sendete die Aufnahme einzeln oder im Bündel in ein Kuvert gesteckt mit der Post nachhause.39 Margarete sendete ihm umgekehrt ebenso Aufnahmen – meistens von Myrta – nach Afrika.40 Diesen Modus hatte das Ehepaar bereits vor Wilhelms Kriegsdienst, während einer Süditalien-Reise des Ehemannes von April bis Juni 1938, praktiziert.41 Im Kontext der aktuellen Trennung reaktualisierten sie den Modus: Sie nützten die Fotografien zur gegenseitigen Versicherung, am Leben zu sein, und zur Bekräftigung der Integrität der jungen Familie.42 Nach Margaretes Vorstellung sollten die Fotografien darüber hinaus ihrem Ehemann auch „als Talisman beistehen“43. Wilhelm dienten die Fotografien nicht nur zur biographischen Selbstvergewisserung und persönlichen Erinnerung, sondern auch um seine Kriegsreise zu 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43
L60050-RS, ebd. L60002, ebd. L60014-RS, L60057-RS, ebd. L59998-RS, L60016-RS, L60051-RS, ebd. L60049-RS, ebd. L60018-RS, ebd. L60023, ebd. L59946–L59961, ebd. L60049-RS, L60087-RS, ebd. L60023-RS, ebd.
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strukturieren und sich die wahrgenommene Fremdheit symbolisch anzueignen.44 Als quasi authentische Zeugnisse sollten die Bilder seine physische Präsenz in Afrika bezeugen,45 die Daheimgebliebenen an seinen Erfahrungen teilhaben lassen,46 und damit in Verbindung stehend, seine Frau vom Vorhaben, in der Kolonie zu siedeln, überzeugen.47 Mit der Gestaltung des Albums erhielten die Aufnahmen mehr als ein Jahrzehnt später neue Funktionen. Die Auswanderung nach Afrika war kein Thema mehr und der Kriegseinsatz Teil der Erinnerung – das Album sollte nun als symbolisches Resümee die Kontinuität und Integrität der wiedervereinten Kleinfamilie bekräftigen. Hinsichtlich der medienspezifischen Aufführung der Afrika-Aufnahmen erscheint es wichtig darauf hinzuweisen, dass Conci als Besitzer des Fotoapparats bzw. als Amateurfotograf die Fotoproduktion alleinig kontrollierte. Er legte fest, welche Motive fotografiert, welche Negative entwickelt, welche Bilder nach Hause gesendet wurden (und welche nicht). In der Beschriftung kommentierte er oft das jeweils abgebildete Motiv. So legte er für die Familie die Leseweisen fest, die bestimmten, was im Bildausschnitt zu sehen ist und was unsichtbar bleibt. Durch diese Aneignungspraxis beanspruchte er die Deutungsmacht über die Aufnahmen für sich und prägte die visuellen Imaginationen von Afrika, die in seiner Familie zirkulierten. Das gilt nicht nur für Conci: Viele Soldaten versuchten durch Foto-Feldpost ihre Angehörigen an (selektierten) Erfahrungen teilhaben zu lassen. Concis Fall ist allerdings besonders, weil er selbst einen Apparat besaß und ausschließlich Aufnahmen seiner eigenen Produktion verschickte. Ein Vergleich mit Konvoluten anderer Soldaten zeigt, dass der Regelfall eher jener war, dass die Soldaten selbst keine Kamera besaßen und Aufnahmen unterschiedlichster Provenienz zusammensammelten: Von Amateurfotografen verschenkte/verkaufte Fotografien waren da ebenso dabei wie von professionellen Fotostudios verkaufte oder von staatlichen Institutionen wie den Armee-Fotoabteilungen und dem Istituto LUCE,48 der Propagandaabteilung des faschistischen Regimes, verteilte Bilder. Im Streben nach möglichst spektakulären Aufnahmen, die die eigene Erfahrung repräsentieren sollten, fand unter den Soldaten ein regelrechter Foto-Tauschhandel statt.49 44 45 46 47 48 49
L60057-RS, ebd. L60011-RS, ebd. L60051-RS, ebd. L60052-RS, L60058-RS, ebd. Vgl. etwa: Del Boca/Labanca, L’impero africano. Markus Wurzer, Photographs by Italy’s German-Speaking Soldiers from the Italo-Abyssinian War, 1935–41, in: Santanu Das/Larissa Schmid/Daniel Steinbach (Hg.), Colonialism and Photography in the Era of the First World War, London 2019, in Vorbereitung.
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Was die Motive anbelangt, so fotografierte Conci sowohl besondere Ereignisse, wie das Maskal50-Fest oder den Besuch des Podest/ von Addis Abeba bei seinem Bataillon,51 als auch alltägliche Abläufe im Dienstbetrieb.52 Conci inszenierte seinen Kriegseinsatz gegenüber seiner Familie als Abenteuerreise in das exotische und „befriedete“ Abessinien, das durch die Kolonialherrschaft nun zivilisiert werde. Damit entsprachen seine Aufnahmen durchaus den kanonisierten Mustern der Bildpropaganda. Diese trachtete danach, vom Eroberungskrieg gegen Abessinien ein homogenisiertes Bild zu präsentieren, das diesen einerseits als zivilisatorische Mission zur Verbreitung der Italianit/ und Befreiung der Bevölkerung von der kaiserlichen Sklaverei sowie andererseits als gerechten Krieg für Italiens Machtstreben inszenierte. Der Krieg selbst wurde durch Aufnahmen modern ausgerüsteter italienischer Soldaten in steter Vorwärtsbewegung und Gesten des Sieges repräsentiert. So zielte die Bildpolitik nicht nur darauf ab, den Eroberungskrieg zu legitimieren, sondern auch die Vorstellung einer zivilisatorischen und militärischen Überlegenheit Italiens zu materialisieren.53 Andere Facetten des Krieges, getötete Kämpfer beider Seiten oder zerstörte Landstriche und Gebäude, wurden zensuriert. Auch wenn sich Fotoamateure und Knipser diesen kanonisierten Wahrnehmungsmustern nur schwer widersetzen konnten,54 unterliefen sie die faschistische Bildpolitik, indem sie Fotografien von getöteten, gefolterten oder hingerichteten Soldaten Italiens und Abessiniens aufnahmen und diese verteilten, wodurch diese (illegal) zirkulierten und als populäre Motive private Fotosammlungen durchdrangen.55 In Concis Sammlung finden sich keine solchen Aufnahmen. Krieg thematisiert er überhaupt nur in einem einzigen Kommentar einer Fotografie, die ihn posierend vor dem Kompanie-Zeltlager zeigt: „In dieser ausgedehnten gefährlichen Ebene spielte sich in gar nicht ferner Zeit gar mancher hitzige Kampf ab.“56 Die völlige Absenz von Gräuelbildern mag darin begründet liegen, dass Conci diese gegenüber seiner Familie tabuisierte.
50 Religiöse Feiertage in den Äthiopisch-Orthodoxen und Eritreisch-Orthodoxen Kirchen, an welchen die Entdeckung des Heiligen Kreuzes durch die Heilige Helena im vierten Jahrhundert nach Christus erinnert wird. 51 L60038, L60054, TAP, Sammlung Wilhelm Conci. 52 L60048, ebd. 53 Mignemi, padroni del mondo; Del Boca/Labanca, L’impero africano. 54 Bertella Farnetti, Sognando l’impero; Bertella Farnetti/Mignemi/Triulzi, L’impero nel cassetto. 55 Luigi Goglia, Colonialismo e fotografia. Il caso italiano, Messina 1989, 36; Mignemi, padroni del mondo; Del Boca/Labanca, L’impero africano. 56 L60049-RS, TAP, Sammlung Wilhelm Conci.
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III.
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Differenz(en) in und mit Fotografien (re-)produzieren
Der Beitrag geht von der Prämisse aus, dass sich die Kontingenz sozialer Zugehörigkeit im performativen Umgang mit Fotografien niederschlägt: In der medienspezifischen Aufführung und sozialen Aneignung von Fotografien reduziert sich die Komplexität sozialer Zugehörigkeit auf eine (oder wenige) jeweils aktuelle. In von Conci angeeigneten Fotografien wird sichtbar, wann er welche Differenz(en) aktualisierte, kombinierte, abschwächte etc. Dabei handelt es sich jeweils um eine „sinnhafte Selektion aus einem Set konkurrierender Kategorisierungen, die einen Unterschied schafft, der einen [sozial relevanten] Unterschied macht“57. Dabei ist allerdings zu betonen, dass zwar die Aufführung von Differenz und ihrer Negation, nicht aber ihr Ruhezustand, ihre Nicht-Thematisierung, empirisch an Fotografien beobachtbar ist.58 Um Temporalität und Konkurrenz sozialer Zugehörigkeit gleichermaßen in der Analyse zu adressieren, folgt diese der Chronologie des Albums. Wenn die Argumentation einer bildanalytischen Unterstützung bedarf, sind Abbildungen beigefügt. Ansonsten wird darauf verzichtet, um die betreffenden Fotografien nicht in einem rein illustrativen Sinn zu gebrauchen oder gar eine Reautorisierung kolonialistischer Bildaussagen zu befeuern. Um dieser Gefahr zu begegnen, werden die in diesem Beitrag publizierten Bilder zudem ausreichend kontextualisiert.59 Die Schiffsreise nach Ostafrika markierte für Wilhelm Conci eine Schwellenerfahrung, in der sich sein sozialer Status transformierte. In der Sozialordnung Italiens hatte er sich über seine Zugehörigkeit zum Offizierskorps definiert. Sie stand in Konkurrenz zur – innerhalb der Gesellschaft Südtirols stets thematisierten – ethnischen Differenz, Angehöriger der marginalisierten deutschsprachigen Bevölkerungsgruppe zu sein. Diese Kategorisierung verlor mit dem Wechsel in die koloniale Sozialordnung zugunsten der Differenz ,Rasse‘ an Relevanz. Conci materialisierte diese Transformation, indem er sich noch am „Dampfer ,Arno‘ in voller Fahrt im Roten Meer […] das erstemal in der Kolonialuniform“60 und schließlich im Hafen von Massaua mit Tropenhelm „zur Erinnerung an meine erste Betretung des afrikanischen Kontinents“61 präsentierte. Während seine eigene Ethnizität als Kategorisierung für Conci im kolonialen Setting völlig an Bedeutung verlor, zeigen Untersuchungen zu Selbstzeugnissen 57 58 59 60
Hirschauer, Un/doing Differences, 183, Kursivierung laut Original. Ebd., 183. Axster, Spektaktel, 38; vgl. dazu auch das Editorial dieses Heftes. L60008-RS, TAP, Sammlung Wilhelm Conci, Rechtschreib- und Grammatikfehler laut Original. 61 L60011-RS, ebd.
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anderer deutschsprachiger Südtiroler in Ostafrika, dass die ethnische Differenz für sie sozial relevant blieb und immer dann in den Vordergrund trat, wenn sich Angehörige der Gruppe zufällig trafen.62 Als Kommandant einer Askari-Kompanie knüpfte Conci nun im Besonderen an zwei Differenzen an: ,Rasse‘ und militärischer Rang. Im Kontext der kolonialen Truppen waren diese Kategorien miteinander verschränkt: Die Offiziere waren ,weiß‘, die Unteroffiziere und Mannschaften ,schwarz‘. In Abbildung 1 lichtete Conci die Unteroffiziere seiner Kompanie ab. Dazu wählte er eine halbtotale Einstellungsgröße, sodass die Gruppe in voller Körpergröße dargestellt ist. Die Fotografierten – gerade in der ersten Reihe – inszenierten sich in durchaus stolzer und selbstbewusster Pose. Schließlich verfügten sie als Unteroffiziere gegenüber den Mannschaften über (eingeschränkte) Befehlsgewalt. Der Bildtext spezifiziert die Männer näher als ehemalige Kämpfer der abessinischen Streitkräfte („ex Neguskämpfer“). Diese wurden nach offizieller Kriegsbeendigung im Mai 1936 für den Militärdienst in den italienischen Kolonialtruppen angeworben. In Kombination suggerieren Motiv und Kommentar, dass das koloniale Projekt Italiens in Ostafrika – repräsentiert durch die Integration ehemalig feindlicher Soldaten als neue, treue Diener der italienischen Kolonialmacht – erfolgreich sei. Auf der Bilderrückseite kommentierte Conci die Fotografie für seine Familie ausführlicher : „Mein Generalstab. Alles sehr intelligente Burschen. Ja, der in der Mitte, weissgekleidet, steht ist unser Schreiber mit einer Schrift & Intelligenz die den Fuchs63 10 mal übertrifft. Der darunter kniet ist die beste Charge, welche ich in der Abteilung besitze und hilft mir auf ’s Dach zu geben, wo’s so mancher indisziplinierte kaum erwartet.“64
Die Beschreibung gibt zunächst den Anschein, dass sie der rassistischen Stereotypisierung afrikanischer Einwohner als ,dumm‘, ,wild‘ und ,dreckig‘ widerspreche. Bei genauerer Betrachtung wird allerdings deutlich, dass in der Schilderung dieser – aus Concis Perspektive – offenkundigen Ausnahme eben jene Stereotype affirmiert werden. Ansonsten wäre die Ausnahme als solche nicht erzählenswert. 62 Markus Wurzer, „Nachts hörten wir Hyänen und Schakale heulen“. Das Tagebuch eines Südtirolers aus dem Italienisch-Abessinischen Krieg 1935–1936 (EEB 6), Innsbruck 2016; Markus Wurzer, „Reisebuch nach Afrika“. Koloniale Erzählungen zu Gewalt, Fremdheit und Selbst von Südtiroler Soldaten im Abessinienkrieg, in: Geschichte und Region 25 (2016) 1, 68–94. 63 In Tierfabeln ist der Fuchs mit den Eigenschaften Schläue und Gewitztheit assoziiert. Ein in dieser Hinsicht anderen überlegener Mensch wird deshalb umgangssprachlich als Fuchs bezeichnet. 64 L60073-RS, TAP, Sammlung Wilhelm Conci, Rechtschreib- und Grammatikfehler laut Original.
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Abb. 1: Fotograf: Wilhelm Conci, „Meine Unteroffiziere (ex Neguskämpfer)“, Italienisch-Ostafrika 1939. (Quelle: TAP, Sammlung Wilhelm Conci, L60073)
In einer weiteren Fotografie, die seinen Offiziersdiener und drei weitere Botenträger zeigt, wie sie gerade Concis Bett aufbauen, knüpfte Conci in der Beschriftung ebenfalls an die Differenzkategorien ,Rasse‘ und militärischer Rang an. Auf die Bildrückseite schrieb er : „Liebste Gretl65 ! […] Der ascari mit dem Kreuzzeichen ist mein zweiter Bursche […], die anderen sind meine Botenträger mir zu jederzeit zur Verfügung stehent, wie übrigens die ganze Kompanie. Dein Gogg66 kommt sich daher oft wie ein kleiner König vor, alle Untergebenen kriechen ihm zu Füssen, weil diese Neger eben bis vor kurzer Zeit ein Sklavenregime gewohnt waren. – Wie blendend weiss mein Bursche mir die Bettwäsche mit Sumpfwasser wäscht, da staunst ha?! Dazu musste ich ihn aber zuvor abrichten, sonst hätte er mir für jedes Leintuch 1 Stück Seife verschwendet, welche hier sehr teuer ist. – Viel Bussi lieb dein Goggi.“67
In der Anrufung rassistischer Stereotype wie der Annahmen der permanenten Verfügbarkeit kolonialisierter Menschen, ihrer mangelnden Hygiene, repräsentiert durch das Sumpfwasser, und die Vorstellung, dass diese Tieren ähnlich abgerichtet werden müssten, aktualisierte Conci Imaginationen kolonialer 65 Kosename von Wilhelm Concis Ehefrau Margarete. 66 Kosename von Wilhelm Conci. 67 L60048-RS, TAP, Sammlung Wilhelm Conci, Rechtschreib- und Grammatikfehler laut Original.
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Ordnung, in welcher die ,schwarzen‘ Kolonisierten wie selbstverständlich vom ,weißen‘ Kolonisator dominiert werden. In anderen Situationen kombinierte Conci ,Rasse‘ mit anderen Differenzkategorien wie Geschlecht und Religion. In Fiambiro fotografierte Conci beispielweise das Gebäude, in dem er untergebracht war, und erklärte auf der Bildrückseite, dass in diesem auch das Ordinationszimmer eines Arztes eingerichtet sei. Dort wären „alle Kategorien von Leute vertreten sich kurieren zu lassen“, die er durch die totale Einstellungsgröße im Hintergrund – der Vordergrund inszeniert den Arzt als zentrales Interessensobjekt – „einzufangen“ suchte. Im weiteren Beschreibungstext lenkte Conci die Aufmerksamkeit seiner Frau auf eine einzelne Person: „Interessant für Dich eine somalische Mutter mit ihrem kranken Knäblein in halbnackter Schulter zu sehen, wie auch ihre Brüste. Wehe aber sie anzurühren, denn als Mohamedaner schauen sie uns Christen für Hundeabkommen an, daher die grosse Verachtung, die sie uns gegenüber beweisen!“68
Bemerkenswert sind die Fotografie und die Beschriftungen aus zweierlei Gründen: Erstens thematisiert Conci gegenüber seiner Ehefrau die Brüste der Frau, wiewohl diese auf der Aufnahme nicht sichtbar sind, da sie dem Fotografen den Rücken zukehrt. So sind für die Betrachtenden lediglich das Profil des zur Seite gedrehten Gesichtes, beide Schultern und über der linken der Kopf des Kindes wahrnehmbar.69 Zweitens handelt es sich um die einzige Fotografie im gesamten Album, die eine ,schwarze‘ Frau zeigt, was im Vergleich zu anderen Sammlungen ausgesprochen ungewöhnlich ist und vermutlich daran liegt, dass die überlieferten Lichtbilder aus Concis Fotoproduktion explizit für seine Ehefrau bestimmt waren. Fotografien (halb-)nackter Frauen waren nämlich unter den Soldaten in Ostafrika ausgesprochen beliebt und zirkulierten in hohem Maße. In ihnen kulminierten exotisierte Sexualfantasien permanenter Verfügbarkeit und Freizügigkeit. Mit der Eroberung der afrikanischen Frau wurde die italienische Landnahme Abessiniens symbolisiert. Zumindest im Vorfeld und zu Beginn des Krieges bis zu den sogenannten Rassengesetzen 1937 benutzte die offizielle Propaganda dieses rassistische und sexualisierte Frauenbild, um Soldaten zum Kriegsdienst in Afrika zu animieren.70 Auch wenn die Aufnahme Concis nicht den üblichen Bildkompositionen der „schwarzen Venus“ entspricht, so nahm sein Kommentar doch Bezug auf den 68 L60067-RS, ebd., Rechtschreib- und Grammatikfehler laut Original. 69 L60067, ebd. 70 Barbara Skrgoni, „Defending the race“. The Italian reinvention of the Hottentot Venus during Fascism, in: Journal of Modern Italian Studies 8 (2003) 3, 411–424; Giulia Barrera, Sessualit/ e segregazione nelle terre dell’impero, in: Riccardo Bottoni (Hg.), L’Impero fascista. Italia ed Etiopia (1935–1941), Bologna 2008, 339–414.
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vorhandenen Diskurs: Im Besonderen rekurrierte er auf die Annahme der selbstverständlichen sexuellen Verfügbarkeit, was in seiner Verwunderung darüber zum Ausdruck kommt, dass er als ,Weißer‘ die Brüste der Frau nicht einfach berühren könne, schließlich sei er ihr qua ,Rasse‘ und Geschlecht doppelt überlegen. Um die Irritation zu erklären, führte Conci die religiöse Differenz ins Treffen und setzte diese in Bezug zur rassistischen Kategorisierung. Wie die Beispiele gezeigt haben, knüpfte Conci vor allem an die Leitdifferenz ,Rasse‘ an und kombinierte diese situationsabhängig mit Kategorien, wie Geschlecht, Religion und militärischem Rang, um seinen Status innerhalb der vorherrschenden Sozialordnung abzusichern. Daran war ihm sehr gelegen, schließlich plante Conci längerfristig als Siedler in Ostafrika bleiben zu können. Dementsprechend adaptierte er das koloniale Deutungsangebot des faschistischen Regimes, wie auch folgendes Beispiel belegt. Als sein Bataillon 1939 für wenige Wochen in der Nähe von Addis Abeba lag, wurde dieses vom Podest/71 der Stadt besucht. Anlässlich dieser Gelegenheit knipste Conci fünf Fotografien, mit denen er sich performativ in das koloniale Projekt Italiens einschrieb. Die Aufnahmen sendete er an seine Frau, von der er hoffte, dass sie bald mit der Tochter in die Kolonie kommen würde. So versuchte Wilhelm, mittels der Bilder die Kolonie als Sehnsuchtsraum zu inszenieren. Bei Abbildung 2 handelt es sich um eine dieser fünf Aufnahmen. Es zeigt im Vordergrund am Boden sitzend rechts die Ehefrau des Podest/ und in der Bildmitte seine beiden Sekretärinnen. Zwischen ihnen befindet sich eine LenciPuppe72, die die Offiziere der Frau des Bürgermeisters geschenkt hatten.73 Ganz links im Bild steht ein Askari, der sich gerade von den Frauen abwendet. Im Mittelgrund wird eine Straße sichtbar, die über die gesamte Bildbreite verläuft und das Bild diagonal teilt. Am rechten Ende der Straße befindet sich ein Automobil. Hinter der Straße, im Hintergrund, erstreckt sich die Landschaft bis zum Horizont. Auf der Bildrückseite legte Wilhelm Conci seiner Frau den Bildinhalt fest: „Meinem Lieb wollte ich mit diesem Bilde nur zeigen welch’ sympatische Frau Podest/ Addis Abeba besitzt und wie sie sportlich angezogen. Wie sie uns das erstemal aufsuchte, immer mit ihrem Manne natürlich, hatte sie sogar Stiefel mit weissen, gerippten Teufelshauthosen angezogen. Was auch Dir sehr gut stehen wird, wann Du hier bei mir bist. Bewundere die schöne asphaltierte Landstrasse und schöne Umgebung von Addis Abeba. – Hinter den Damen wollte sich unser Kellner rechtzeitig aus dem Staub machen, was ihm aber nicht gelang, daher ist er verwischt.“74
71 72 73 74
Bürgermeister. Aus Filz gefertigte Künstlerpuppen, die vom Turiner Unternehmen Lenci hergestellt wurden. L60051-RS, TAP, Sammlung Wilhelm Conci. L60052-RS, ebd., Rechtschreib- und Grammatikfehler laut Original.
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Abb. 2: Fotograf: Wilhelm Conci, ohne Titel, Addis Abeba am 17. 12. 1939. (Quelle: TAP, Sammlung Wilhelm Conci, L60052)
Concis Aufnahme symbolisiert die koloniale Gesellschaft: Während die ,weißen‘ Kolonisatorinnen im Vordergrund als wichtigstes Bildelement ins Zentrum gesetzt sind, werden diese von ,schwarzen‘ Bediensteten „umschwirrt“. Die Landstraße trennt bildkompositorisch die Kultur/Zivilisation im Vordergrund von Natur/Wildheit im Hintergrund, wobei sie vom rechten Bildvordergrund in den linken Hintergrund deutet und damit gewissermaßen die bevorstehende „Zähmung“ der Landschaft antizipiert. Conci griff mit der Straße einen zentralen Diskurs der faschistischen Bildpolitik auf: Der Straßenbau stellte darin ein Leitmotiv dar, sollten Abbildungen davon doch vom Erfolg der zivilisatorischen Mission zeugen.75 Außerdem lenkte Conci die Aufmerksamkeit seiner Frau auf die „sportliche“ Kleidung der Bürgermeisterfrau und betont, dass diese, wie die „vornehmsten Damen“ in Addis Abeba, „lange Herrenhosen“ trägt.76 Durch Bekleidung kann (In)Differenz performativ aufgeführt und sichtbar gemacht werden. In diesem Fall wird die Geschlechter-Differenz durch die Herrenhosen nivelliert, während eine andere Unterscheidung, nämlich alt/modern, in den Vordergrund tritt. Für 75 Del Boca/Labanca, L’impero africano; Benedetta Guerzoni, Una guerra sovraesposta. La documentazione fotografica della guerra d’Etiopia tra esercito e Istituto Luce, Reggio Emilia 2014. 76 L60051-RS, L50054-RS, TAP, Sammlung Wilhelm Conci.
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Conci repräsentierte das Bild der in Hosen gekleideten Frau die Kolonie als Ort der Moderne, an dem das faschistische Versprechen der gesellschaftlichen Revolution eingelöst werde.77 Concis Formulierung inkludiert, dass man an dieser erst in der Kolonie teilhaben könne, weshalb auch seine Frau erst hier Hosen tragen könne. Die Aussicht, dass sie sich dann den gesellschaftlich angesehensten Frauen ebenbürtig kleiden könne und genauso von einem Kellner bedient werde, versprach Margarete sozialen Aufstieg. Ein Wunsch, den Wilhelm für sich bereits erfüllt sah, schließlich fühlte er sich, wie vorher bereits erwähnt, in der Kolonie „oft wie ein kleiner König“, dem „alle Untergebenen zu Füssen [kriechen]“78. Ein Gruppenfoto, das ebenfalls anlässlich des Bürgermeisterbesuchs entstanden war und neben dem Podest/, seiner Ehefrau und seinen Sekretärinnen die ,weißen‘ Offiziere, und damit auch Conci, zeigt, bot diesem die Gelegenheit, sich als Teil der kolonialen Elite zu inszenieren und seinen erreichten Status nach Hause zu kommunizieren. Differenzkategorien wie Nation und Ethnizität blieben für Wilhelm Conci in Ostafrika zunächst ohne jede soziale Relevanz. Die Option 1939 änderte dies schlagartig. Sie aktualisierte seine ethnische Zugehörigkeit zur Gruppe der in Italien marginalisierten deutschsprachigen Bevölkerungsgruppe und zwang ihn entweder die italienische oder deutsche Kategorie zu favorisieren: Wählte er erstere, hätte er in Ostafrika als Kolonialist bleiben und seine Familie nachholen können; entschied er sich für letztere, musste er ehest bald nach Italien zurückkehren, um nach Deutschland auszuwandern. Conci gab, wie bereits erwähnt wurde, der deutschen Option den Vorzug. Es ist anzunehmen, dass ihn eine Gemengelage verschiedener Gründe dazu veranlasste, seinen bisherigen Lebensentwurf zu verneinen und eine Zukunft im Deutschen Reich zu favorisieren.79 Allerdings lassen sich seine Motive, ob der Quellenlage, nicht zur Gänze rekonstruieren. Mitverantwortlich für seine Entscheidung machte er jedenfalls seinen Vorgesetzten Angelo Stenico (Abb. 3).
77 Ruth Ben-Ghiat, Fascist Modernities: Italy, 1922–1945, Berkeley 2001; Ruth Ben-Ghiat, Modernity is Just Over There: Colonialism and the Dilemmas of Italian National Identity, in: Interventions 8 (2006) 3, 380–393; für das Frauenbild des italienischen Faschismus vgl. Victoria De Grazia, Le donne nel regime fascista, Venedig 1993. 78 L60048-RS, TAP, Sammlung Wilhelm Conci, Rechtschreib- und Grammatikfehler laut Original. 79 Eine Übersicht möglicher Motive bietet Günther Pallaver, Hitler hat uns verraten – Hitler ist unser Retter. Argumente für und gegen die Option. Eine Typologisierung, in: Günther Pallaver/Leopold Steurer (Hg.), Deutsche! Hitler verkauft euch! Das Erbe von Option und Weltkrieg in Südtirol, Bozen 2011, 159–184.
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Abb. 3: Fotograf: Wilhelm Conci, „Mein Bataillonskomandant 18 Capitano80 Angelo Stenico, aus PinH (Trento) im Festtagsschmuck“81, Addis Abeba am 17. 12. 1939. (Quelle: TAP, Sammlung Wilhelm Conci, L60050)
Conci selbst fertigte die halbtotale Aufnahme an, die Stenico in Uniform zeigt. Auf visueller Ebene lässt sich das Motiv in eine Bildtradition der Heroisierung einbetten. Kommandanten ließen während des Italienisch-Abessinischen Krieges häufig Fotografien von sich produzieren, die sie als militärische Anführer und soldatische Vorbilder inszenierten, um sie an ihre Unteroffiziere und Mannschaften als Andenken zu verteilen.82 In der Aneignung deutete Conci die Aufnahme allerdings um, indem er das Bildmotiv mit einem Kommentar überschrieb, der die heroisierende Bildästhetik unterlief: „Mein Hauptmann Kommandeuer des 49. B[at]t[a]g.[lione] Coloniale. Versoffen! Antideutsch!“ Später, vielleicht erst beim Arrangieren des Albums, ergänzte er : „Hauptgrund 80 Hauptmann. 81 Rechtschreib- und Grammatikfehler laut Original. 82 Ein Vergleich mehrerer Sammlungen zeigt, dass das ein durchaus populäres Motiv gewesen ist.
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meiner Option für Deutschland“83 und reaktualisierte damit seine ablehnende Haltung dem Vorgesetzten gegenüber, indem er die beiden Kategorien, die ihn seiner Meinung nach von diesem unterschieden, mit demselben dunkelblauen Stift unterstrich. Die Option erhob Nation zur Leitdifferenz. Da Concis Entscheidung die deutsche als aktuelle und sozial relevante Leitkategorie festlegte, was seinem bisherigen nationalen Bekenntnis widersprach, markierte die Option einen Passageritus, der seinen Status transformierte. Es handelt sich dabei also um einen weitreichenden performativen Akt, dessen zeitlichen Moment Conci durch eine Portraitfotografie – geknipst am Tag der Entscheidung – zu konservieren suchte.84 Als Deutscher, der aufgrund des Kriegseintritts Italiens nicht „heim ins Reich“ kehren konnte, fand sich Conci in einem krisenhaften Zustand der Liminalität wieder. Die Option hatte ihn aus der bestehenden Sozialordnung herausgelöst: Als nunmehriger ,weißer‘ Deutscher blieb er zwar Teil der dominanten ,weißen‘ Gruppe, büßte aber seinen Offiziersrang und damit auch seinen Status innerhalb der kolonialen Gesellschaft ein. Seine deutsche Zugehörigkeit ließ sich unter diesen Umständen nicht stabilisieren und so war er in den kommenden Monaten, wie er selbst schrieb, „,nur‘ mehr direttore di mensa ufficiali“85. Erst mit der Zuteilung zur Deutschen Motorisierten Kompanie im Herbst 1940 kam eine Stabilisierung in Sicht.86 Innerhalb des Truppenkörpers etablierte sich eine neue Sozialordnung, in der in erster Linie die Differenzkategorie Nation bestimmend war. Für Conci bedeutete dies auch, dass Deutsch Italienisch als Verkehrs- und Befehlssprache ablöste. Die Kategorie militärischer Rang war im Kontext der militärischen Formation ebenfalls von Relevanz. Indem Conci Gebrauch von ihr machte, erlangte er wiederum als Offizier Autorität und Anerkennung. Symbolischen Abschluss fand die mit der Option in Gang gesetzte Transformation in einem Gruppenfoto, das Conci und „Unteroffiziere von Asien kommend“ auf ihrer verhinderten Reise „,Heim ins Reich‘“ zeigt (Abb. 4). Der Prozess des Fotomachens kann dabei als Ritual betrachtet werden, in dem sich die neu formierte Gruppe durch Momente gesteigerten Wirgefühls als soziale Gemeinschaft etablierte und durch die spezifische Verwendung von Symbolen den sozialen Interpretationsrahmen der Gruppe festlegte.87 Im vorlie-
83 L60050, TAP, Sammlung Wilhelm Conci, Rechtschreib- und Grammatikfehler sowie Unterstreichungen laut Original. 84 L60082, ebd. 85 L60084, ebd., Direktor der Offiziersmesse. 86 L60085, ebd. 87 Erika Fischer-Lichte, Performance, Inszenierung, Ritual: Zur Klärung kulturwissenschaftlicher Schlüsselbegriffe, in: Jürgen Martschukat/Steffen Patzold (Hg.), Geschichtswissen-
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Abb. 4: Fotograf unbekannt, „Unteroffiziere von Asien kommend ,Heim ins Reich!‘“(Wilhelm Conci 4. v. re.), Asmara am 17. 12. 1940. (Quelle: TAP, Sammlung Wilhelm Conci, L60087)
genden Falle markierten die an Kragenspiegeln und Kopfbedeckung platzierten Hakenkreuze auf weißem Grund die Zugehörigkeit, während die Männer allesamt unterschiedliche Uniformen, Conci selbst nach wie vor eine italienische, trugen. Conci sendete drei ähnliche Gruppenbilder nachhause, die ihn als Teil dieser neuen sozialen Gemeinschaft inszenierten und die neue nationale Zugehörigkeit sowie den Korpsgeist der Kompanie materialisierten. In den Nachrichten auf den Bildrückseiten thematisierte er seinen neuen Status allerdings nicht – wiewohl er die Aufmerksamkeit seiner Rezipientin darauf lenkte, indem er fragte: „Wie gefällt Dir dieses Foto? Sehe ganz gesund aus, nicht wahr?“88 Auf den Rückseiten dieser Bilder thematisierte er dagegen seine sozialen Kategorisierungen als Ehemann und Vater, die jeweils eng mit Geschlecht verknüpft sind. Da er von seiner Ehefrau über eineinhalb Monate keinen Brief erhalten hatte, was offenbar ungewöhnlich war, drängte sich diese soziale Zugehörigkeit in den Vordergrund seines kommunikativen Handelns. Folglich nützte er die Gruppenbilder, um sie Margarete als Andenken, zuerst zum
schaft und „performative turn“. Ritual, Inszenierung und Performanz vom Mittelalter bis zur Neuzeit, Köln/Weimar/Wien 2003, 33–54, 49. 88 L60088-RS, TAP, Sammlung Wilhelm Conci.
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sechsten Hochzeitstag89 und dann zum Geburtstag und Jahreswechsel 1939/40, zu widmen und darüber seine Zugehörigkeit zur Beziehung, ihre Bedeutung und Zukunftsperspektiven zu verhandeln: „Indem ich Dir gelegentlich Deines Geburtstages dieses Foto als kleine Widmung schicke, will ich Dir am heutigen Vorabend desselben nochmals alles Beste wünschen, verbunden mit meinen allerherrlichsten Wünschen für ein recht glückliches neues Jahr, das heisst, dass wir im selben recht baldigst wieder vereint durch’s Leben ziehen dürfen, welches ja so wunderbar ist, wenn sich zwei Herzen so gut miteinander verstehen wie wir zwei.“90
Concis Wunsch sollte allerdings nicht in Erfüllung gehen, wenig später geriet er in britische Kriegsgefangenschaft und wurde nach Kanada gebracht, wodurch die erst kurz zuvor gewonnene soziale Stabilität wiederum ins Wanken geriet.
Abb. 5: Fotograf unbekannt, „Prisoner of War in Canada“ (Wilhelm Conci 1. v. li.), Ottawa 1944. (Quelle: TAP, Sammlung Wilhelm Conci, L59931)
89 L60086-RS, ebd. 90 L60088-RS, ebd., Rechtschreib- und Grammatikfehler laut Original.
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Aus dem Interniertenlager sendete Conci ausschließlich Gruppenfotos (vgl. Abb. 5) nach Hause. An ihnen lässt sich ablesen, dass sich im Lager, in dem italienische und deutsche Soldaten unterschiedlicher Dienstränge und verschiedener Kriegsschauplätze interniert waren, die Parameter sozialer Gruppenzugehörigkeit neuerlich verschoben hatten: ,Rasse‘ besaß hier beispielsweise keinerlei Relevanz mehr. Dafür traten die militärische Rangordnung und Nation als Leitdifferenzen in den Vordergrund – sie determinierten die soziale Ordnung. Conci nützte sie, um ein neues Zugehörigkeitsgefühl zur Gruppe der Offiziere aufzubauen. Abbildung 5 zeigt Conci in der Uniform eines deutschen Luftwaffen-Offiziers, die er wohl im Lager zur Verfügung gestellt bekam, mit drei Luftwaffen- und drei Wehrmachtsoffizieren. Der veränderte Interpretationsrahmen lässt sich nicht nur anhand der Uniform ablesen, sondern auch am Umstand, dass Conci die kriegsgefangenen deutschen Offiziere als Kollegen adressierte. Bilder wie dieses trugen durch ihre performative Transformationskraft dazu bei, ein gesteigertes Gemeinschaftsgefühl unter den gefangenen Männern zu etablieren, sodass es nicht verwunderlich ist, dass Conci mit diesen noch Jahrzehnte später in freundschaftlichem Kontakt stand.91
IV.
Zusammenfassung
In seinem Umgang mit Fotografien praktizierte Wilhelm Conci soziale Differenz. In der medienspezifischen Aufführung und sozialen Aneignung der Bilder, die er an seine Frau sendete, reduzierte sich die Komplexität möglicher Differenzkategorien auf jeweils eine oder wenige aktuelle bzw. sozial relevante. In der Analyse wurde die Konkurrenz und Temporalität sozialer Zugehörigkeiten sichtbar : Im kolonialen Kontext schloss Conci im Besonderen an ,Rasse‘ als dominante Differenz an. Je nach Situation kombinierte und verstärkte er sie mit konkurrierenden Kategorisierungen, wie Geschlecht, Religion, Modernität oder Dienstrang. Die Option erschütterte seinen sozialen Kosmos 1939. Auch wenn der Grund hierfür die Reaktualisierung seiner stillgelegten Mitgliedschaft zur ethnisch als deutsch markierten Minderheit Italiens war, so wurde diese in der Abstimmung allerdings von der damit eng zusammenhängenden Frage nach nationaler Zugehörigkeit überlagert. Seine Deklaration zum Deutschen Reich endete für Conci zunächst allerdings in einer Enttäuschung: Er verlor durch die damit verknüpfte Deaktivierung seines militärischen Ranges seinen sozialen Status innerhalb der kolonialen Gesellschaft und konnte gleichzeitig die deutsche Differenz nicht stabilisieren – durch den Kriegseintritt Italiens saß er 91 Interview mit Myrta Conci, geführt von Markus Wurzer, 19. 4. 2016, Aufnahme beim Autor.
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nämlich in Ostafrika fest. Erst bei der Deutschen Motorisierten Kompanie in Eritrea erlangte diese – genauso wie sein militärischer Rang – wiederum soziale Relevanz. Im Gefangenenlager in Kanada sollten schließlich dieselben Differenzen, allerdings in einer anderen Gewichtung, dominieren: Seine soziale Zugehörigkeit hing dort stärker vom Offiziersrang ab. Und während die Zugehörigkeit zu seiner Familie, das heißt seine soziale Zuschreibung als Ehemann und Vater, weder sein tägliches Handeln in Afrika noch in Kanada beeinflusste, stand diese Beziehung in der Foto-Feldpost im Vordergrund. Seine sozialen Zugehörigkeiten führte Conci unter den medialen Bedingungen der Fotografie unterschiedlich auf: Als Amateurfotograf inszenierte er diese zwar auch visuell, etwa durch den performativen Charakter von Uniformen, Differenz stellte er aber vor allem performativ über die Aneignung der Bilder durch ihre Verwendung und Kommentierung her. So legte er auf Rück- oder Vorderseite singuläre Leseweisen fest. Darin praktizierte und reproduzierte er Differenz insofern, als er in dem aus einem Set miteinander konkurrierender Unterscheidungskategorien eine (oder wenige) jeweils aktuelle auswählte und thematisierte. Die Bildtexte konnten die im Bild inszenierten Differenzen verstärken, abschwächen, umdeuten oder Unterscheidungen gänzlich anderer sozialer Felder adressieren.
Olli Kleemola
Getötete sowjetische Soldatinnen und Zivilistinnen im Visier finnischer und deutscher Kriegsfotografen an der Ostfront 1941–1945
In meinem Aufsatz werden finnische und deutsche Kriegsfotos, die gefallene oder ermordete sowjetische Soldatinnen oder Zivilistinnen darstellen, vergleichend betrachtet. Der besondere Fokus gilt dabei Fotografien, auf denen die Leichen der Frauen in teilweise oder gänzlich entkleideter Form zu sehen sind. Solche Fotografien entkleideter weiblicher Leichen formen meines Erachtens eine eigene Kategorie innerhalb der Gattung der kriegsbezogenen Gräuelfotos, nach deren Motivation in diesem Beitrag gesucht werden soll. Eine vergleichende Studie bietet hier besonders fruchtbare Erkenntnisse, da Finnland und Deutschland an der Ostfront gemeinsam Krieg gegen die Sowjetunion führten, aber die rassenideologischen und weltanschaulichen Prämissen, die für den deutschen Krieg im Osten maßgebend waren, an der finnischen Front nicht existierten. Speziell wird folgenden Fragen nachgegangen: Warum, von wem und zu welchem Zweck wurden solche Aufnahmen gemacht beziehungsweise nicht gemacht? Welche Bedeutungen hatten die Fotografien für ihre Produzenten? Welche Unterschiede und Gemeinsamkeiten sind zwischen deutschen und finnischen Fotos festzustellen und wie sind diese zu erklären?1 Was für ethische Probleme birgt der Umgang mit solchen Fotos und wie sind diese zu lösen? Die Verhaltens- und Denkmuster deutscher und finnischer Soldaten in der Sowjetunion im Zweiten Weltkrieg in Bezug auf Gewalt und Geschlecht sind bereits in mehreren Studien erforscht worden,2 die Fotografie wurde dabei als 1 Ich habe schon in früheren Aufsätzen ähnliche Fragen behandelt: Olli Kleemola, Vihattu, pelätty, haluttu? Kuollut nainen suomalaisen ja saksalaisen sotavalokuvauksen kohteena toisessa maailmansodassa, in: Historiallinen Aikakauskirja (2015) 1, 31–44; im vorliegenden Aufsatz werden die Fragen anhand von neuem Material behandelt. 2 Ville Kivimäki, Ryvetetty enkeli. Suomalaissotilaiden neuvostoliittolaisiin naissotilaisiin kohdistama seksuaalinen väkivalta ja sodan sukupuolittunut mielenmaisema, in: Naistutkimus 20 (2007) 3, 19–33; Felix Römer, Gewaltsame Geschlechterordnung. Wehrmacht und „Flintenweiber“ an der Ostfront, in: Klaus Latzel/Franka Maubach/Silke Satjukov (Hg.), Soldatinnen. Gewalt und Geschlecht im Krieg vom Mittelalter bis heute (Krieg in der Geschichte 60), Paderborn 2011, 331–352; Claudia Freytag, Kriegsbeute „Flintenweib“, in: Peter Jahn (Hg.), Mascha + Nina + Katjuscha. Frauen in der Roten Armee 1941–1945 (Ausstel-
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Quelle allerdings nur marginal behandelt. Dieser Artikel versteht sich daher als vergleichender Beitrag zur Visualisierung sexualisierter Gewalt im Zweiten Weltkrieg. Der Artikel verortet sich weiterhin im Feld der Visual History und im Feld der sogenannten neuen Militärgeschichte. In dieser werden Kriege im weiteren Sinne als Teil einer Gesellschaft und nicht nur als Abfolge einzelner Schlachten betrachtet.3 Mit diesem Zugang ist es möglich geworden, Kriege auch als Räume für sexuelle Gewalt sowie für Geschlechterkonflikte wahrnehmen zu können.4
I.
Quellenmaterial und Methodik
Um das Bildkorpus für die vorliegende Untersuchung zusammenzustellen, habe ich rund 360.000 Fotos in deutschen und rund 220.000 in finnischen öffentlichen und privaten Archiven gesichtet. Zuerst zu den deutschen Bildern: Etwa 60.000 davon stammen aus Privatbesitz, sind aber in öffentlichen Sammlungen überliefert (20.000 in der Sammlung des Deutsch-Russischen Museums in Berlin, etwa 30.000 in der Sammlung der Auris Verlagsgesellschaft mbH in Düsseldorf lungskatalog des Museums Berlin-Karlshorst), Berlin 2000, 32–37; Regina Mühlhäuser, Eroberungen. Sexuelle Gewalttaten und intime Beziehungen deutscher Soldaten in der Sowjetunion 1941–1945, Hamburg 2010; Pauliina Salminen, Miehittäjän morsiamet. Rakkautta ja petoksia jatkosodan Itä-Karjalassa, Jyväskylä 2013; Wendy Jo Gertjejanssen, Victims, Heroes, Survivors. Sexual Violence on the Eastern Front During World War II, phil. Diss., University of Minnesota 2004. 3 Tiina Kinnunen/Ville Kivimäki, Johdatus koettuun sotaan, in: Tiina Kinnunen/Ville Kivimäki (Hg.), Ihminen sodassa. Suomalaisten kokemuksia talvi- ja jatkosodasta, Helsinki 2006, 9–18. 4 Anne-Maria Marttila, Ruumiin politiikkaa. Nationalismi, etnisyys ja seksuaalisuus naisiin kohdistuvan seksuaalisen väkivallan näkökulmasta Bosnian ja Kosovon konflikteissa (Veröffentlichung der Universität Turku, Poliittisen historian tutkimuksia 25), Turku 2003; Birgit Beck, Wehrmacht und sexuelle Gewalt. Sexualverbrechen vor deutschen Militärgerichten 1939–1945 (Krieg in der Geschichte 18), Paderborn 2004; Anne-Maria Marttila, Nationalismit, maskuliinisuudet ja naisiin kohdistunut seksuaalinen väkivalta Bosnian ja Kosovon konflikteissa, in: Ulla Aatsinki/Johanna Valenius (Hg.), Ruumiita ja mustelmia. Näkökulmia väkivallan historiaan (Veröffentlichung von Työväenhistorian ja perinteen tutkimuksen seura, Väki Voimakas 17), Tampere 2005; Gaby Zipfel, Ausnahmezustand Krieg? Anmerkungen zu soldatischer Männlichkeit, sexueller Gewalt und militärischer Einhegung, in: Insa Eschebach/ Regina Mühlhäuser (Hg.), Krieg und Geschlecht. Sexuelle Gewalt im Krieg und SexZwangsarbeit in NS-Konzentrationslagern (Materialien der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten 3), Berlin 2008; Mühlhäuser, Eroberungen; Urte Evert, Soldatenbraut und Mannesehre. Geschlechtsspezifische Symbolisierungen und Zuordnungen militärischer Waffen, in: Klaus Latzel/Franka Maubach/Silke Satjukov (Hg.), Soldatinnen. Gewalt und Geschlecht im Krieg vom Mittelalter bis heute (Krieg in der Geschichte 60), Paderborn 2011, 65–94; Römer, Gewaltsame; Cynthia Enloe, Does Khaki Become You? The Militarization of Women’s Lives. London/San Francisco 1988; Caroline Moser/Fiona Clark (Hg.), Victims, Perpetrators Or Actors? Gender, Armed Conflict and Political Violence, London 2001; Lois Lorentzen/Jennifer Turpin (Hg.), The Women and War Reader, New York 1998.
Olli Kleemola, Im Visier finnischer und deutscher Kriegsfotografen
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und etwa 10.000 in der Sammlung des Hamburger Instituts für Sozialforschung).5 Zusätzlich habe ich etwa 300.000 Aufnahmen der Propagandakompanien (PK) der deutschen Wehrmacht aus den Sammlungen des BundesarchivBildarchivs in Koblenz durchgesehen.6 In Bezug auf das gesuchte Motiv konnte ich im Korpus der privat entstandenen Kriegsfotos fünf Fotos orten, auf denen ermordete und entkleidete sowjetische Zivilistinnen zu sehen sind, aber keine von gefallenen und entblößten Sowjetsoldatinnen. In den PK-Fotosammlungen des Bundesarchivs finden sich zumindest zwei Aufnahmen von gefallenen, allerdings nicht entkleideten Soldatinnen.7 Für das finnischen Bildkorpus habe ich insgesamt 40.000 private Fotos gesichtet: etwa 10.000 in meiner eigenen Sammlung, die sich hauptsächlich aus Ankäufen und Schenkungen von Privatalben ehemaliger finnischer Soldaten zusammensetzt, 20.000 in der Sammlung des finnischen Kriegsmuseums und 10.000 in mehreren kleinen Privatarchiven.8 Zusätzlich zu den privaten Kriegsfotos wurden auch die komplett überlieferten, etwa 180.000 Bilder umfassenden Bestände der finnischen Propagandakompanien9 für die Untersuchung durchgesehen. Im gesamten finnischen Quellenkorpus konnten insgesamt 30 Fotos von getöteten und (teilweise) entkleideten, sowjetischen Soldatinnen gefunden werden, davon fünf in den Beständen der Propagandakompanien und 25 Fotos in den Privatalben. Fotos von ermordeten Zivilistinnen sind bislang nicht aufgetaucht. Die somit 35 gefundenen finnischen und deutschen Fotos, die an der Ostfront getötete Frauen entkleidet oder teils entkleidet darstellen, bilden zusammen die Materialgrundlage für meine Untersuchung.10 5 Es handelt sich um keine systematischen Sammlungen. Sie sind durch Schenkungen, Ankäufe und durch Zufall entstanden. 6 Analysierte Sammlungen im Bundesarchiv-Bildarchiv : Bild 183 (ADN-Bildbestand), Bild 3 (Thematische Sammlung) sowie Bild 101I (Propagandakompanien Heer). 7 Publiziert in: Jahn (Hg.), Mascha + Nina + Katjuscha, 165. Angemerkt werden muss noch, dass Teile des deutschen PK-Fotoarchivs gegen Kriegsende zerstört wurden oder verloren gegangen sind, d. h. dass nur ein Teil des Fotobestandes erhalten ist. 8 Zu der Sammlung des Verfassers siehe Olli Kleemola, Kaksi kameraa – kaksi totuutta? Omat, liittolaiset ja viholliset rintama- ja TK-miesten kuvaamina (Veröffentlichung der Universität Turku, Poliittisen historian tutkimuksia 37), Turku 2011. Die kleinen Privatarchive sind: SKS:n kansanrunousarkisto; Kansan arkisto; Laatokan puolustuksen perinnearkisto; Karjalan Sivistysseuran arkisto; Ville Kivimäki hat in seinem Artikel ein weiteres Foto erwähnt, siehe hierzu: Kivimäki, Ryvetetty, 21. 9 In Finnland wurden die Propagandaeinheiten der Armee bewusst „tiedotuskomppania“ (Informationskompanien) genannt, um zu suggerieren, dass diese im Gegensatz zu den deutschen Propagandakompanien (PK) lediglich neutrale, wahrheitsgetreue Informationen verbreiten würden. 10 Es ist wichtig, zu beachten, dass es sich zwar um ein kleines Korpus handelt, dieses sich allerdings aus der Durchsicht von rund 580.000 Aufnahmen konstituiert. Die Resultate meiner Untersuchung sind in Relation zu diesem Gesamtkorpus zu bewerten.
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Weil die hier analysierten Fotos nicht für die Zirkulation in der Öffentlichkeit (z. B. Zeitschriften, Wochenschau) vorgesehen waren, gibt es keinen vorher festgelegten Referenzrahmen, innerhalb dessen diese Fotos gedeutet werden können. Da die Bedeutungen der Fotos als Quellen kontextabhängig sind11 und weil ein großer Teil der hier analysierten Fotos lediglich als lose Abzüge in Konvoluten überliefert ist, deren Entstehungskontexte bereits verloren sind, wird das Korpus im engen Dialog mit dem Forschungsstand zur privaten Fotopraxis im Zweiten Weltkrieg und zur Visualisierung sexualisierter Gewalt untersucht. Dabei spielen, soweit überhaupt vorhanden, die ursprünglichen Bilderbegleittexte eine wichtige Rolle. Sie geben Betrachtenden die Möglichkeit, die Absichten des Fotografierenden zu verstehen, weil sie neben Themen-, Ortsund Zeitangaben oft schon durch die stilistische Ausdrucksweise preisgeben, welche Bedeutung einem Bild zuordenbar ist. Jedoch sei hier anzumerken, dass ein fehlerhafter oder gar gefälschter Bilderbegleittext die Bedeutung des Bildes komplett ändern kann. Nicht alle Beschriftungen auf Kriegsfotos stammen vom Fotografen selbst, sondern oft erst vom Besitzer, der das Bild durch Kauf oder Tausch erworben haben kann.12 Als Methode für den vorliegenden Beitrag wurde die seriell-ikonographische Analyse eingesetzt, die sich eignet, eine Reihe von Bildern zu analysieren, die aus verschiedenen Überlieferungszusammenhängen stammen, sich aber hinsichtlich der Bildkomposition ähneln. Die Methode besteht im Wesentlichen aus drei Schritten: Erstens wird in der vor-ikonographischen Analyse der Inhalt der Bilder beschrieben. Danach folgt die ikonographische Analyse, in der es darum geht, das eigentliche Thema des Bildes zu erkennen. Im dritten Schritt wird der sogenannte historische Dokumentensinn der Bilder ermittelt, indem anhand von Sekundärquellen die Entstehungskontexte der Fotos analysiert werden.13
11 Laut Susan Sontag verändert sich eine Fotografie mit dem Kontext, in dem sie gesehen wird: Susan Sontag, Über Fotografie, Frankfurt am Main 2011, 104; auch Jörn Glasenapp, Vergangenheit und Zukunft. Wie fotografischer Sinn entsteht, in: Fotogeschichte 124 (2012), 5–12; und Bernd Hüppauf, Der entleerte Blick hinter der Kamera, in: Hannes Heer/Klaus Naumann (Hg.), Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht 1941 bis 1944, Frankfurt 1997, 511–512. 12 Hierzu z. B. Olli Kleemola, Tuntemattoman kansallisaarteen tulkintavaikeuksia. Sotarikos vai leipäviljan puhdistusta?, in: Sotilasaikakauslehti 93 (2011) 5, 55–57. 13 Ulrike Pilarczyk/Ulrike Mietzner, Methods of image analysis in research in educational and social sciences, in: Ulrike Mietzner/Kevin Myers/Nick Peim (Hg.), Visual History. Images of Education, Bern 2005; Jens Jäger, Fotografie und Geschichte, Frankfurt am Main 2009, 87–99.
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II.
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Rahmenbedingungen der privaten Fotopraxis an der Front
Nicht jeder Soldat konnte während des Zweiten Weltkrieges einen Fotoapparat sein eigen nennen. Schätzungsweise jeder zehnte Deutsche besaß am Vorabend des Krieges eine Kamera14 und es kann davon ausgegangen werden, dass die Zahl für Finnland noch geringer war. Deswegen wurde mit Fotos gehandelt: Jene Soldaten, die eine Kamera hatten, ließen von ihren Fotos Abzüge in großer Zahl herstellen, um diese dann an ihre Kameraden zu verkaufen. Das erklärt, warum in Alben, die von Veteranen des gleichen Frontabschnitts stammen, häufig dieselben Fotos zu finden sind.15 Aufgrund der weiten Bilderzirkulation verbleibt der Fotograf zumeist anonym und es ist fast unmöglich, retrospektiv herauszufinden, wer ein Foto aufgenommen hatte. Für das Fotografieren an der Front und im Hinterland benötigten Soldaten in Finnland eine spezielle Genehmigung. Während des gesamten Fortsetzungskrieges16 wurden von den finnischen Regiments- und Divisionsstäben insgesamt nur etwa 700 Genehmigungen vergeben, die Personalstärke der finnischen Armee betrug allerdings gelegentlich bis zu 500.000 Mann. Allein schon daraus kann geschlossen werden, dass die meisten der finnischen Knipser unbefugt fotografierten. Doch selbst wer die Genehmigung erhalten hatte, konnte nicht frei entscheiden, was er fotografierte: Gewisse Themen, wie Unglücksfälle, Bombenschäden, Hinrichtungen und Tote unterlagen einem Fotografierverbot. Daraus kann mit ziemlicher Sicherheit die Schlussfolgerung gezogen werden, dass auch das in diesem Beitrag besprochene Motiv diesem Verbot unterlag. Aber die Soldaten schienen von den Richtlinien weitgehend unbeeindruckt, vielmehr waren gerade die Fotos, die in der Forschung Schock- oder Gräuelbilder genannt werden, unter den Soldaten heiß begehrt und stellten somit für diejenigen, die eine Kamera besaßen, ein einfaches Mittel dar, den Sold durch den Verkauf von Abzügen aufzubessern. In Deutschland war das Fotografieren an der Front prinzipiell jedem gestattet: Es wurden, anders als in Finnland, keinerlei Genehmigungen vorausgesetzt. Allerdings gab es ähnlich wie in Finnland einige Tabuthemen, wie die Aufnahme von Hinrichtungen. Zeitzeugen erinnern sich jedoch nicht daran, dass die
14 Ulrike Schmiegelt, „Macht euch um mich keine Sorgen…“, in: Peter Jahn/Ulrike Schmiegelt (Hg.), Foto-Feldpost. Geknipste Kriegserlebnisse 1939–1945, Berlin 2000, 25. 15 Olli Kleemola, Valokuva sodassa. Neuvostosotilaat, neuvostoväestö ja neuvostomaa suomalaisissa ja saksalaisissa sotavalokuvissa 1941–1945 (Bibliotheca Sigillumiana 1), Turku 2016, 33–39. 16 Fortsetzungskrieg bezeichnet den als Fortsetzung des finnisch-sowjetischen Winterkrieges (November 1939 bis März 1940) ab 22. Juni 1941 geführten Krieg zwischen Finnland und der Sowjetunion.
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Missachtung dieses Gebots, also das Fotografieren von Hinrichtungen, geahndet worden wäre.17
III.
Gefallene Sowjetsoldatinnen in der finnischen Kriegsfotografie
Während des Zweiten Weltkrieges dienten in der Roten Armee insgesamt etwa 800.000 Soldatinnen, während die Gesamtstärke der Armee etwa 35.000.000 Soldaten betrug.18 Der finnische Historiker Ville Kivimäki, der sich mit den Kriegserfahrungen und Traumata der finnischen Soldaten beschäftigt, stellt in einem Artikel fest, dass diese gefallenen russischen Soldatinnen großes Interesse entgegen gebracht hätten. Als Beispiel dafür beschreibt er einen Fall, in dem finnische Soldaten nach einem Gefecht loszogen, um eine gefallene Sowjetsoldatin, die sie zwischen den Frontlinien vermuteten, zu finden. Zunächst begaben sich zwei Soldaten auf die Suche, wobei einer durch eine Minenexplosion getötet und der andere verwundet wurde. Trotz eines Verbots und der Gefahr versuchten es zwei weitere Soldaten – mit dem gleichen Ergebnis. Noch ein Versuch mit zwei Verwundeten war nötig, bevor die Verluste andere Soldaten vom erneuten Suchen abschreckten.19 Auch Vilho Kankare, ehemaliger Soldat des 5. Artillerieregiments der finnischen Armee, gibt in seinen Erinnerungen einige Szenen wieder, die eine spezielle Obsession finnischer Soldaten in Bezug auf Leichen von Rotarmistinnen beschreiben: „Im Süden von Karhumäki wurde von den Geschlechtsteilen einer gefallenen Russin wiederholt mit einem Tannenzweig der Schnee weggefegt. Der Tannenzweig lag neben der Leiche, immer einsatzbereit, und jemand hat sogar heißes Wasser hergeschafft, um Schnee und Eis wegschmelzen zu können. […] In Tapponiemi wiederum wurde einer gefallenen Rotarmistin das ganze Geschlechtsteil weggeschnitten. Dieses wurde dann, aufgespießt, neben dem Zelt zur Schau gestellt.“20 Eines der genannten überlieferten Fotos aus finnischen Sammlungen zeigt ebenfalls eine zur Schau gestellte getötete Frau. Das Foto ist aus einiger Entfernung aufgenommen worden, so dass auf dem Bild neben einer getöteten Frau auch weitere, männliche Gefallene des Trupps zu erkennen sind. Der Hintergrund wird von einer Holzhütte eingenommen. Der Blick des Betrachters wird 17 Petra Bopp, Fremde im Visier. Fotoalben aus dem Zweiten Weltkrieg, Bielefeld 2009, 123. 18 Anna Krylova, Soviet Women in Combat. A History of Violence on the Eastern Front, Cambridge 2011, 3; siehe auch Beate Fieseler, Der Krieg der Frauen: Die ungeschriebene Geschichte, in: Jahn, Mascha + Nina + Katjuscha, 11. 19 Kivimäki, Ryvetetty, 26. 20 Vilho Kankare, Mennään kun käsketään. Nuorten miesten jatkosota, Helsinki 2011, 274–275; Übersetzung: Olli Kleemola.
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jedoch unvermeidlich auf die in einer fast stehenden Haltung gestützten Frauenleiche gelenkt, deren Unterleib entblößt ist. Der Fotograf hat eine halbtotale Einstellung gewählt. Auf diese Weise wird Distanz zum Geschehen hergestellt. Es ist anzunehmen, dass das Bild verkauft wurde, was auch das Vorhandensein mehrerer Abzüge erklären würde. Nur einer der überlieferten Abzüge verfügt über einen Begleittext, in dem behauptet wird, es würde sich bei der Frau um eine Zivilistin handeln, die von deutschen Soldaten in Petsamo an der Eismeerküste vergewaltigt und ermordet wurde. Dieser Bildbegleittext gibt als Zeitpunkt des Geschehens das Jahr 1940 an. Die weiteren Toten auf dem Bild seien Familienangehörige der Frau.21 In dieser Kontextualisierung des Bildes würde es sich somit um eine Gewalthandlung deutscher Soldaten gegen sowjetische ZivilistInnen handeln. Der Bildbegleittext erweist sich aber bei der Betrachtung des historischen Kontexts als falsch: 1940 waren noch keine deutschen Truppen in Petsamo stationiert, außerdem tragen die Toten im Bild lange, wattierte Hosen, die unschwer als sowjetische Militärbekleidungen zu erkennen sind und sie somit als Angehörige der Roten Armee ausweisen. Eine mögliche Erklärung für die fehlerhafte Bildlegende ist, dass, wie erwähnt, manche Soldaten Fotos von Kameraden gekauft und diese erst nachträglich mit einem Begleittext versehen haben. Durch unterschiedliche Betextungen wurden für ein Bild verschiedene Entstehungskontexte geschaffen. Manche Veteranen verzichteten nach dem Krieg vielleicht auch auf die Aneignung fotografischer Erinnerungen durch Beschriftungen aufgrund der geänderten Lage oder verweigerten sich der Auseinandersetzung mit verübten Kriegsverbrechen, indem sie die Bilder mit Sprech- und Schauverboten belegten. Das Motiv gefallener sowjetischer Frauen findet sich nicht nur in privaten Fotosammlungen, sondern auch in den Fotobeständen der Propagandakompanien der finnischen Armee. Auf den Fotos sind die Gefallenen teils entkleidet, so dass entweder der Brust- oder Vaginalbereich zu sehen ist. In der vollständig überlieferten, etwa 180.000 Fotos umfassenden Propagandafotosammlung der finnischen Armee sind insgesamt fünf derartige Fotos als Positivabzüge auffindbar, von denen zwei dieselbe Leiche zeigen, allerdings aus verschiedenen Perspektiven. Wie aus den Kontextdaten dieser Fotografien hervorgeht, sind diese von verschiedenen Fotografen aufgenommen worden. Alle fünf gefundenen finnischen Propagandafotos, die gefallene Soldatinnen zeigen, unterlagen während des Krieges einem Veröffentlichungsverbot. Dies kann als Beweis dafür gesehen werden, dass die Propagandafotografen der finnischen Armee neben den „offiziellen“ Fotos auch aus eigenem Interesse Aufnahmen machten. Da die Fotografen ihre Filme aber zur Entwicklung und Archivierung einreichten, konnten auch solche Aufnahmen ins Archiv gelangen. 21 Kriegsfotosammlung Olli Kleemola, Album 7, Foto 165.
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Die finnische Propagandafotografie muss als nur halbgeregelte Tätigkeit angesehen werden. Die Fotografen erhielten im Gegensatz zu ihren deutschen Kollegen in der Regel keinerlei der Propaganda unterstellte Ausbildung.22 Diese fünf Fotos sind dementsprechend nicht allein dem Genre der Propagandafotografie zuzuweisen, sondern liegen eher in der Grauzone zwischen dieser und dem privaten Bereich. Alle überlieferten finnischen Propagandafotos, die Leichen russischer Soldatinnen zeigen, wurden ausnahmslos aus nächster Nähe mit Einstellungsgrößen zwischen halbnah und nah und oft in Aufsicht aufgenommen. Während aufgrund der Einstellungsgröße die entblößten Leichen vollständig auf dem Bild zu sehen sind und die Umgebung gleichzeitig ausgeblendet wird, konstituiert die Perspektive Überlegenheit und verstärkt die Geste des Sieges über den getöteten Feind. Dass sich gerade die fotografischen Profis bewusst dieser Technik bedienten, ist durchaus nachvollziehbar. Die Einstellungsgröße stellt den größten Unterschied zwischen privaten und Propagandakriegsfotos dar. Eine mögliche Begründung dafür kann sein, dass die finnischen Propagandafotografen vom Zivilberuf Pressefotografen gewesen waren, für die es üblich war, so nah wie möglich am Geschehen zu fotografieren. Die überlieferten Begleittexte zu den Propagandabildern sind im Allgemeinen neutral gehalten: So ist beispielsweise oft nur von einer „Gefallene[n] russische[n] Frau“23 die Rede. Einige Begleittexte ignorieren sogar das Geschlecht der Leichen, was vielleicht suggerieren sollte, dass die finnischen Propagandisten kein Interesse gehabt hätten, diese Bilder etwa als „Schandtaten der Bolschewisten“ propagandistisch zu verwerten. Dagegen waren, wenn deutsche Propagandakompanien gefangene Sowjetsoldatinnen fotografierten, die Begleittexte keineswegs neutral, was vor dem Hintergrund der nationalsozialistischen Propaganda betrachtet werden muss: In dieser galt eine waffentragende Frau als „Flintenweib“. Dieser pejorative Begriff war Teil der Rhetorik des Vernichtungskrieges und sollte nicht zuletzt dazu beitragen, den sowjetischen Soldatinnen den Rechtsstatus als reguläre Kombattantinnen und damit auch als Kriegsgefangene abzuerkennen, auf den sie nach dem Haager Abkommen Anspruch hatten. So wurden die Soldatinnen im Allgemeinen nicht als Kriegsgefangene behandelt, sondern als „menschliche Kriegsbeute“. Der Historiker Felix Römer vertritt die These, dass es gerade der Widerspruch zwischen der Rhetorik der Propaganda und dem tatsächlichen Kombattantenstatus der Soldatinnen war, der sie für die NS-Propaganda zu Ikonen des bolschewistischen Verfalls machte.24 Deutsche Truppen konnten während des Krieges jede beliebige Frau, auch wenn sie nur ein Rasiermesser bei 22 Kleemola, Kaksi, 10, 122. 23 „Gefallene russische Frau“, Quelle: SA-kuva 42357. 24 Römer, Gewaltsame, 346–350; Freytag, Kriegsbeute, 33.
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sich trug, zum „Flintenweib“ erklären, was einem Todesurteil gleichkam.25 Die NS-Propaganda zeigte an der Front offenbar Wirkung: Aus dem Verhörprotokoll des in sowjetische Gefangenschaft geratenen Soldaten Bruno Schneider geht hervor, wie der Kommandant der 4. Kompanie des 106. Infanterieregiments der 15. Division den heimlichen Befehl gab, alle Frauen, die in der Roten Armee dienten, zu erschießen.26 Dieser Befehl hatte auf einer Anordnung des Armeeoberkommandos (AOK) 4 vom 29. Juni 1941 beruht. Das AOK korrigierte am Folgetag den Befehl zwar dahingehend, uniformierte Frauen als Kriegsgefangene zu behandeln, doch soll diese Praxis, so Römer, nicht funktioniert haben. Christian Gerlach stellte in seinem Buch „Kalkulierte Morde“ fest, dass deutsche Soldaten einen „besonderen Hass“ auf Sowjetsoldatinnen gehegt hatten.27 Anzumerken ist noch, dass auf keinem der finnischen Fotos – weder auf privaten noch propagandistischen Aufnahmen – die Waffe der abgebildeten Soldatinnen zu sehen ist. Es könnte durchaus sein, dass Fotografen diese bewusst nicht im Bildausschnitt präsentierten. Gerade der weibliche Gebrauch von Waffen, die als eines der ältesten Männlichkeitssymbole betrachtet werden können, destabilisierte die hegemoniale Geschlechterordnung. So erklärte auch das Oberkommando der Wehrmacht noch im September 1944, dass ein weiblicher Soldat auf keinen Fall in eine nationalsozialistische Weltanschauung passe. Dementsprechend waren Wehrmachtshelferinnen auch nicht mit Waffen ausgestattet. Die Dichotomie der Geschlechter, in der der Mann als aktiver Beschützer und die Frau als passive Beschützte gilt,28 musste aufrecht erhalten werden, egal zu welchem Preis.29 In Finnland war man in dieser Hinsicht etwas flexibler : Nach langem Zögern wurde entschieden, den Flakhelferinnen der Lotta-Bewegung in der Hauptstadtregion wegen der Bedrohung durch Luftlandetruppen Waffen zu geben. Allerdings war auch dies eine Lösung, die aus der Not und dem Kräftemangel geboren wurde: Ansonsten teilte man auch in Finnland die hegemonialen Geschlechtervorstellungen, wenn die Teilung viel25 Rüdiger Overmans/Andreas Hilger/Pavel Polian (Hg.), Rotarmisten in deutscher Hand. Dokumente zu Gefangenschaft, Repatriierung und Rehabilitierung sowjetischer Soldaten des Zweiten Weltkrieges, Paderborn 2012, 327; siehe hierzu auch Swetlana Alexijewitsch, Der Krieg hat kein weibliches Gesicht, Berlin 2004, 143. 26 Hannes Heer, „Stets zu erschießen sind Frauen, die in der Roten Armee dienen“. Geständnisse deutscher Kriegsgefangener über ihren Einsatz an der Ostfront, Hamburg 1995, 10. 27 Christian Gerlach, Kalkulierte Morde. Die deutsche Wirtschafts- und Vernichtungspolitik in Weißrussland 1941 bis 1944, Hamburg 1999, 777; Römer, Gewaltsame, 333–337; Overmans/ Hilger/Polian, Rotarmisten, 326–328. 28 Marttila, Nationalismit, 31–32. 29 Evert, Soldatenbraut, 90; allerdings behauptet Franz Seidler, dass gegen Ende des Krieges auch im „Dritten Reich“ Frauenbatallions geplant, aber schließlich nie aufgestellt wurden, entweder weil Hitler sich dagegen entschied oder wegen des nahenden Kriegsendes; siehe hierzu Franz W. Seidler, Frauen zu den Waffen? Marketenderinnen Helferinnen Soldatinnen. Geschichte und Bestandsaufnahme, Koblenz 1978, 156.
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leicht auch nicht so strikt praktiziert wurde, wie im nationalsozialistischen Deutschland.30
IV.
Weibliche Zivilopfer in der deutschen Kriegsfotografie
Das Fotografieren von gegen ZivilistInnen gerichtete Gewalt hat in Kriegen Tradition. Nach Erkenntnissen des Fotohistorikers Anton Holzer, der die Kriegsfotografie des Ersten Weltkrieges untersucht hat, lässt sich das Phänomen bereits während des Ersten Weltkrieges beobachten.31 Die Fotohistorikerin Petra Bopp hat in ihren Abhandlungen zur Privatfotografie des Zweiten Weltkrieges festgestellt, dass die Fotos des Ersten Weltkrieges gewissermaßen als „Vorbilder“ für die Kriegsfotografie im Zweiten Weltkrieg gedient haben.32 Fotos deutscher Soldaten, die ermordete Zivilistinnen zeigen, sind dementsprechend in diese Bildtradition einzubetten. Als Zivilistin wird in diesem Artikel jede Frau ohne sowjetische Uniform verstanden, das heißt auch Partisaninnen, deren rechtmäßiger Status der von Zivilistinnen war.33 Als Unterscheidungsmerkmal zwischen Zivilistinnen und Rotarmistinnen kann die Bekleidung herangezogen werden. Soldatinnen der Roten Armee trugen hauptsächlich Männerkleidung: Hosen, Stiefel, sogar Männerunterwäsche.34 Frauenbekleidung konnte dagegen erst gegen Ende des Krieges an die Front geliefert werden.35 Da laut Bopp die Privatbilder der deutschen Soldaten hauptsächlich zwischen den Jahren 1941 und 1943 aufgenommen wurden,36 ist anzunehmen, dass es sich bei den Leichen auf den deutschen Fotos, auf denen Frauenkleidung zu erkennen sind, um Zivilistinnen handelt. In den finnischen Privat- und Propagandafotos tragen alle Leichen dagegen eine als Uniform der Roten Armee erkennbare Kleidung, wodurch sie als Soldatinnen zu identifizieren sind. 30 Olli Kleemola, Lotta aseissa, in: John Lagerbohm/Jenni Kirves/Olli Kleemola (Hg.), Me puolustimme elämää. Naiskohtaloita sotakuvien takaa, Helsinki 2010, 51. 31 Anton Holzer, Das Lächeln der Henker. Der unbekannte Krieg gegen die Zivilbevölkerung 1914–1918, Darmstadt 2008, 128–130. 32 Bopp, Fremde, 27–37. 33 Mühlhäuser verweist auf ein Foto, das eine geschändete Leiche einer sowjetischen Partisanin zeigt: Mühlhäuser, Eroberungen, 96. 34 Bopp, Fremde, 95. 35 Beate Fieseler, Rotarmistinnen im Zweiten Weltkrieg. Motivationen, Einsatzbereiche, und Erfahrungen von Frauen an der Front, in: Klaus Latzel/Franka Maubach/Silke Satjukov (Hg.), Soldatinnen. Gewalt und Geschlecht im Krieg vom Mittelalter bis heute, Paderborn 2011, 321. 36 Petra Bopp, „…ich habe ja nun aus Russland genug Bilder.“ Soldatenalltag im Sucher eines Amateurfotografen im Zweiten Weltkrieg, in: Irene Ziehe/Ulrich Hägele (Hg.), Der engagierte Blick. Fotoamateure und Autorenfotografen dokumentieren den Alltag, Berlin 2007, 73–96; Bopp, Fremde, 55.
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Abb. 1: Diese Seite befindet sich im Kriegsalbum eines anonymen deutschen Soldaten. In der unteren Bildhälfte ist die dreiteilige Bildserie zu erkennen. (Quelle: Deutsch-Russisches Museum Berlin-Karlshorst, Album KH209435)
Regina Mühlhäuser, die sich mit sexuellen Gewalttaten deutscher Soldaten in der Sowjetunion beschäftigt hat, schreibt, dass deutsche Soldaten während des gesamten Ostfeldzuges entkleidete oder teilweise entkleidete getötete Frauen fotografierten.37 Daran darf gezweifelt werden, denn trotz umfangreicher Archivrecherchen im Rahmen dieses Beitrags gelang es nicht, mehr als fünf solcher Fotos zu finden: zwei von ihnen als lose Fotos ohne Kontext, die restlichen drei als Serie – ohne Begleittexte – in einem Album eines anonymen deutschen Soldaten. Abbildung 1 präsentiert diese dreiteilige Bilderserie im unteren Seitenbereich. Die Fotos zeigen jeweils eine weibliche Leiche mit hochgeschobenem Rock, was – laut Historikerin Miriam Arani – für den zeitgenössischen Betrachter ein eindeutiger Hinweis auf eine Vergewaltigung gewesen sei.38 Während das mittige Foto der Serie einen in Aufsicht fotografierten halbtotalen Bildaus37 Mühlhäuser, Eroberungen, 96. 38 Miriam Y. Arani, Wie Feindbilder gemacht wurden. Zur visuellen Konstruktion von „Feinden“ am Beispiel der Propagandakompanien aus Bromberg 1939 und Warschau 1941, in: Rainer Rother/Judith Prokasky (Hg.), Die Kamera als Waffe. Propagandabilder des Zweiten Weltkrieges, München 2010, 150–154.
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schnitt zeigt, wurden die übrigen beiden Bilder aus größerer Entfernung (Einstellungsgröße: totale) aufgenommen. Die übrigen Aufnahmen der Seite repräsentieren typische Motive der privaten Fotografie während des Feldzuges gegen die Sowjetunion: eine einheimische Frau mit Kamel und einen deutschen Soldaten sowie Wehrmachtssoldaten im Auto und am Motorrad. Genauere Angaben zu Zeit, Ort und Inhalten der Aufnahmen lassen sich aufgrund des fehlenden Entstehungskontextes nicht machen, auch wenn das Kamel auf dem zentralen Foto darauf hindeuten könnte, dass die Fotos der Serie im Süden der Sowjetunion entstanden sind.
V.
Bilder von Furcht, Hass und sexueller Begierde – eine vergleichende Diskussion
Bilder von entkleideten Frauenleichen, ob Zivilistinnen oder Soldatinnen, bieten die Möglichkeit zur vielseitigen Deutung. Im Folgenden versuche ich, die Motive, die die Soldaten/Fotografen dazu bewegt haben, solche Fotos aufzunehmen oder aber auch zu erwerben und in die persönliche Fotosammlung einzufügen, zu deuten. Die finnischen Veteranen selbst, wenn sie nach der Bedeutung dieser Bilder gefragt werden, betonen einerseits ihre Neugierde gegenüber den Soldatinnen sowie andererseits das Ziel, der Sowjetpropaganda entgegenzuwirken. Die Sowjetunion habe, so einige ehemalige finnische Soldaten, in ihrer Propaganda betont, dass keine Frauen im Frontdienst eingesetzt werden. Um dieser Behauptung entgegenzuwirken, habe man Fotos von Soldatinnenleichen gemacht, die entkleidet wurden, um das weibliche Geschlecht fotografisch festzuhalten. Den Soldaten zufolge ging es also darum, der Sowjetunion den Anspruch zivilisiert zu sein, abzuerkennen, weil sie Frauen in den Kampf schickte.39 Da die deutsche Propagandamaschinerie sowjetische Soldatinnen schon in der Anfangsphase des Krieges als „Flintenweiber“ bezeichnet hatte, war es den meisten deutschen Soldaten sicherlich bekannt, dass die Sowjetunion Frauen an der Front einsetzte.40 Daher verfügten die deutschen Soldaten über keine ähnliche Motivation, mit ihren Privatfotos innerhalb der soldatischen Gemeinschaft „Gegenpropaganda“ zu betreiben. Klaus Theweleit behauptet in seinem Buch „Männerphantasien“, die Tradition, entkleidete Leichen von Kämpferinnen zu fotografieren, sei in den deutschen Freikorpstruppen entstanden, die unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg gegründet wurden und die in ihren Kämpfen gegen kommunistische Revolu39 Kleemola, Kaksi, 116. 40 Römer, Gewaltsame, 335.
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tionäre auch weiblichen Kämpferinnen begegnet waren. Ein ähnliches Phänomen ist auch im finnischen Kontext beobachtbar : Weiße Truppen41 hatten während des finnischen Bürgerkrieges 1918 ähnliche Aufnahmen von Leichen „roter“ Kämpferinnen gemacht.42 Laut Theweleit hatte die Weltanschauung und dadurch auch die Kampfmotivation der Freikorpsmänner unmittelbar darauf beruht, dass sie in ihrer Vorstellung mit ihrem Handeln eine zu Hause wartende, „reine“ Frau verteidigten. Begegnungen mit kämpfenden Frauen destabilisierten diese Vorstellung und stellten Kampfmotivation und Männlichkeitsbild in Frage, was laut Theweleit einer symbolischen Kastration gleichkäme.43 Wenn Soldaten ihre Männlichkeit bedroht sahen, reagierten sie mit sexueller Gewalt gegen Frauen, töteten Frauen, schändeten ihre Leichen durch Entkleidung oder auch durch Vergewaltigung oder Verstümmelung, stellt Kivimäki in seinem Artikel fest.44 In diesem Sinne handelt es sich bei Fotos von Leichen von Soldatinnen um spezielle Kriegstrophäen. Die Fotos symbolisieren den Triumph der eigenen Männlichkeit und fungieren als Gesten des Sieges. Soldaten der deutschen Wehrmacht brachten sowjetischen Soldatinnen besonderen Hass und sexualisierte Gewalt entgegen. Mühlhäuser zitiert das Interview eines ehemaligen Soldaten der Wehrmacht, der die „Wehrmachtsausstellung“ 1995 in Wien besucht hat und Soldatinnen auch rückblickend als Gefahr für die in der deutschen Wehrmacht herrschende hegemoniale Geschlechterordnung wahrnahm: „Was für uns entsetzlich war, das war … eine Weiberkompanie, in der sogar Frauen im Krieg waren … Das war für uns also ganz schlimm. Das war ganz schlimm. […] … das war so ganz gegen unsere Ordnung und gegen unseren soldatischen Begriff … Wir haben das mal erlebt, also das ist … Gott … auf dem Straßenrand … eine Russin gewesen in einer Uniform, die Hosen hat man ihr ausgezogen und die Schenkel auseinander und so hat man sie auf der Straße dann hingelegt. […] irgendwie, wir waren ja Männer unter uns, also hier konnte schon irgendwie Hass und Unverständnis in Zorn überschlagen.“45 Ville Kivimäki hat in seinem Artikel ähnliche Reaktionen von Seiten finnischer Soldaten festgestellt.46 Die an die Soldaten der Wehrmacht gerichtete NS-Propaganda betonte oft die angeblich besonders grausame und hinterhältige Kampfweise der russischen 41 Als „Weiße“ werden jene Teilnehmer des finnischen Bürgerkrieges 1918 bezeichnet, die für die amtierende Regierung Finnlands kämpften. Deren Gegner waren die „Roten“, die diese Regierung stürzen wollten, um den Sozialismus in Finnland einzuführen. 42 Tiina Lintunen, Filthy Whores and Brave Mothers. Women in War Propaganda, in: Marja Vuorinen (Hg.), Enemy Images in War Propaganda, Newcastle upon Tyne 2012, 15–34, 28. 43 Klaus Theweleit, Männerphantasien, Band 1. Frauen, Fluten, Körper, Geschichte, Reinbek bei Hamburg 1987, 78–81; Kivimäki, Ryvetetty, 23–27; Mühlhäuser, Eroberungen, 115. 44 Kivimäki, Ryvetetty, 26–27. 45 Beckermann, Jenseits des Krieges, 126; zitiert nach Mühlhäuser, Eroberungen, 117. 46 Kivimäki, Ryvetetty, 26.
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Soldatinnen, vermutlich um Hass zu schüren. Es hieß, „Flintenweiber“ hätten ihre Weiblichkeit abgelegt und betätigten sich hauptsächlich als Heckenschützinnen im Gegensatz zum ehrenvoll-heroischen Nahkampf zwischen den Männern. Daher könnte man nur mit Härte und Mitleidlosigkeit gegen sie vorgehen.47 Das Fehlen derartiger Propaganda in Finnland kann höchstwahrscheinlich dadurch erklärt werden, dass die militärische Führung keine Erinnerungen an den erst etwa 20 Jahre zurückliegenden Bürgerkrieg wachrufen wollte. Man befürchtete, dass dies die Bevölkerung spalten könnte und wollte dem daher vorbeugen. So wurde den Propagandakompanien der finnischen Armee die Anweisung gegeben, die gegnerischen Soldaten nicht als „die Roten“ zu bezeichnen, um eben nicht an den Bürgerkrieg zu erinnern.48 Aus diesem Grunde wurde auch das bereits aus dem Bürgerkrieg existierende Feindbild von weiblichen Kämpfern während des Fortsetzungskrieges nicht reaktiviert. Durch die Thematisierung in der Propaganda waren deutsche Soldaten darauf vorbereitet, Soldatinnen zu begegnen. In Finnland gab es diese Art von Propaganda zwar nicht, aber auch hier ist davon auszugehen, dass das Wissen über weibliche Kämpfer auf der sowjetischen Seite bereits seit Beginn des Fortsetzungskrieges innerhalb der Armee zirkulierte. Es ist also nicht so sehr die plötzliche, unerwartete Begegnung mit Soldatinnen, die sexualisierte Gewaltakte auslöste, sondern die grundlegende Tatsache, dass Frauen in der Männerdomäne Krieg sichtbar wurden.49 Für die Herstellung und den Besitz von Aufnahmen von entkleideten Frauenleichen sind aber auch weitere Motive zu nennen. So sind solche Bilder auch deswegen entstanden, weil finnische und deutsche Soldaten möglichst dramatische Fotos machen wollten, die sich gut an Kameraden verkaufen ließen. Hier wäre die Motivation für das Fotografieren also ein verbessertes Einkommen durch den Verkauf von Abzügen.50 Das erklärt aber noch nicht die Motivation der Käufer. Eine Erklärung dafür wäre, dass Soldaten öfters Fotos von Gewaltszenen mit sich in der Brieftasche trugen. Diese Fotos dienten zweierlei Zwecken: Erstens wollten die Soldaten mit dem Besitz dieser Fotos beweisen, dass sie zu den Kämpfern an vorderster Front gehörten, was als besonders ehrenvoll wahrgenommen wurde. Zweitens wurde solchen Fotos die schützende Eigenschaft eines 47 Römer, Gewaltsame, 333–337. 48 Anweisungen an die „Informationskompanien“ der finnischen Armee, Anweisung 9 am 5. 7. 1941, National Archive of Finland, Ordner T20680/13. 49 Vgl. Olli Kleemola, Ein Soldatenschnappschuss aus dem Fortsetzungskrieg (1941–1944) als Quelle einer „Mentalitätsgeschichte des Krieges“, in: Irene Ziehe/Ulrich Hägele (Hg.), Eine Fotografie. Über die transdisziplinären Möglichkeiten der Bildforschung, Münster 2017, 141–152. 50 Kleemola, Kaksi, 109.
Olli Kleemola, Im Visier finnischer und deutscher Kriegsfotografen
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Amuletts zugesprochen. Durch ihren Besitz wurde der Soldat zum „Herrn über den Tod“.51 Die Fotos von Leichen sowjetischer Soldatinnen können auch als Gegenstände betrachtet werden, deren Zweck es war, zu beweisen, dass die schockierenden, im Nachhinein betrachtet geradezu unrealistischen und traumatisierenden Ereignisse wirklich passiert sind, um dadurch Verarbeitung von Angst und/oder Schuld zu erleichtern.52 Die Fotos, die somit – zumindest für den Fotografen oder die Soldaten, die diese Fotos erworben hatten – einem solchen Zweck dienten, sind normalerweise nicht aus nächster Nähe aufgenommen, da durch das Fotografieren auch Distanz zu den Geschehnissen hergestellt werden konnte. Die Kamera funktionierte hier als eine Art „Schutzwall“, den man zwischen sich selbst und die gewaltvollen Ereignisse stellen konnte. Fotos ermordeter Zivilistinnen aus dem deutschen Korpus mögen auch diesem Zweck gedient haben.53 Eine mögliche Erklärung für die deutschen Fotos von ermordeten Zivilistinnen wäre auch, dass es sich bei den Aufnahmen um die Dokumentation angeblicher sowjetischer Gräueltaten handelt. Miriam Arani hat in ihrem Artikel bewiesen, dass während des Feldzuges gegen Polen 1939 angebliche polnische Gräueltaten gegen volksdeutsche Frauen von deutschen Propagandaeinheiten fotografisch dokumentiert wurden, um den Krieg zu rechtfertigen und existierende Feindbilder zu stärken.54 Ähnliche Fotos wurden auch am Anfang des Feldzuges gegen die Sowjetunion von Propagandakompanien produziert, unter den Soldaten verbreitet und in deutschen Illustrierten veröffentlicht.55 Daher ist es durchaus möglich, dass deutsche Soldaten dieses Motiv reproduzierten, quasi als Bestätigung der bestehenden Vorurteile über die Grausamkeiten der „Bolschewisten“. Die stereotypen Annahmen, die durch die NS-Propaganda geschürt worden sind, wurden durch die fotografische Dokumentierung der eigenen Erfahrung nochmals affirmiert.56 Unklar bleibt, wann die vorliegenden inoffiziellen deutschen Fotos von ent51 Kathrin Hoffmann-Curtius, Trophäen und Amulette. Die Fotografien von Wehrmachts- und SS-Verbrechen in den Brieftaschen der Soldaten, in: Fotogeschichte 20 (2000) 78, 63–76, hier : 67–70; vgl. auch Ville Kivimäki, Rintamaväkivalta ja makaaberi ruumis. Nuorten miesten matka puhtaudesta traumaan, in: Sari Näre/Jenni Kirves (Hg.), Ruma sota. Talvi- ja jatkosodan vaiettu historia, Helsinki 2008, 135–180, hier: 135–150. 52 Zu Fotos als therapeutische Gegenstände: Bopp, Fremde, 40–42; Kleemola, Kaksi, 109; siehe auch Bernd Hüppauf, Fotografie im Krieg, Paderborn 2015, 127–144. 53 Mühlhäuser, Eroberungen, 97. 54 Arani, Feindbilder, 150–154. 55 Luis Raiffeiner, Wir waren keine Menschen mehr. Erinnerungen eines Wehrmachtssoldaten an die Ostfront, Bozen 2011, 66. 56 Peter Jahn, Bilder im Kopf – Bilder auf dem Papier, in: Peter Jahn/Ulrike Schmiegelt (Hg.), Fotofeldpost. Geknipste Kriegserlebnisse 1939–1945, Berlin 2010, 8–12; Sven Oliver Müller, Deutsche Soldaten und ihre Feinde. Nationalismus an Front und Heimatfront im Zweiten Weltkrieg, Hamburg 2007, 181.
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kleideten Leichen von Zivilistinnen entstanden sind: Wenn tatsächlich angenommen werden würde, dass die sich zurückziehende Rote Armee die Leichen hinterlassen hätte, müssten die Fotos angesichts des Zustandes der Leichen relativ bald danach aufgenommen worden sein. Alle Anzeichen dafür fehlen jedoch. Natürlich können die Szenen auch gestellt und später fotografiert worden sein: Wer die fotografierten Frauen sind, und wer sie misshandelt und anschließend getötet hat, lässt sich nicht mehr herausfinden.57 Das Fehlen von Fotos, die geschändete Leichen von Sowjetsoldatinnen darstellen, in Kriegsfotoalben deutscher Soldaten lässt sich nicht eindeutig erklären. Die Tatsache, dass die meisten von ihnen am Kriegsende in Gefangenschaft gerieten, ist hier auch kein Ansatz. Zwar existieren Erwähnungen von der Zerstörung von heiklem Bildmaterial vor der Gefangennahme,58 da die meisten Fotos allerdings in der Anfangsphase des Krieges entstanden sind, erklärt dies das weitgehende Fehlen besagter Fotos nicht annähernd zufriedenstellend. Weiter gibt es Berichte, aus denen hervorgeht, dass viele ehemalige Angehörige der deutschen Wehrmacht ihre Fotoalben entweder gleich nach Kriegsende oder aber auch später zerstört hätten.59 Da aber Fotos von ermordeten Zivilistinnen überliefert sind, können diese Zerstörungen nicht als systematische Aktionen betrachtet werden, die das Fehlen besagter Fotos erklären würden. Die Frage bleibt weiterhin offen. Trotz der verschiedenen Motivationen eint die Aufnahmen getöteter Soldatinnen und Zivilistinnen im deutschen und finnischen Kontext ein unübersehbares gemeinsames sexuelles Element. Die Leichen boten Soldaten die Möglichkeit, sexuelle Fantasien unbegrenzt auszuleben.60 Die Fotos können daher als Männlichkeits-Trophäen betrachtet werden, die entweder freiwillig oder unter Gruppendruck entstanden sind. Theoretisch könnte es sich um eine Art „Frontpornographie“ handeln.61 Sexuelle Elemente dominieren besonders auf Bildern, auf denen kein Blut oder Verletzungen zu sehen sind. Auch die deutschen Fotos von entkleideten Leichen sowjetischer Zivilistinnen weisen pornografische Elemente auf, die, so Mühlhäuser, beim Zuschauer Schaulust und auch Schauzwang erzeugen.62 Der 57 Regina Mühlhäuser beschreibt in ihrem Buch (Mühlhäuser, Eroberungen, 96) zwei Fotos von Zivilistinnen, von denen das eine laut Begleittext unmittelbar nach den Kämpfen in der Ukraine aufgenommen worden ist, das andere jedoch erst im Jahr 1942 in Estland. Diese können somit nicht als Dokumente angeblicher sowjetischer Gräueltaten betrachtet werden. 58 Kleemola, Valokuva, 48. 59 Janina Struk, Private Pictures. Soldiers’ Inside View of War, London 2011, 98. 60 Kivimäki, Ryvetetty, 28. 61 Im Gegensatz zu den Finnen hatten deutsche Soldaten illustrierte Zeitschriften an der Front, die regelmäßig auch pornographische Frauendarstellungen zeigten. Vgl. z. B. „Die Frühlingssonne scheint“ (Bildfolge), Illustrierter Beobachter, 26. 4. 1945, ohne Paginierung. 62 Mühlhäuser, Eroberungen, 97.
Olli Kleemola, Im Visier finnischer und deutscher Kriegsfotografen
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Akt des Schändens kann auch als Initialritus gedeutet werden, wodurch das Zugehörigkeitsgefühl zwischen den Männern gestärkt werden sollte. Einerseits verband die kollektive Verantwortung für die Tat die Männer enger miteinander, andererseits war es einfacher, die moralische Last für die Tat gemeinsam zu tragen.63 Gräuelfotos von getöteten/geschändeten Frauen können folglich als Symbole der Gruppenzugehörigkeit gedeutet werden. Laut Gaby Zipfel kann durch das Schänden von Frauen auch die Angst vor feindlichen Kombattanten bewältigt werden, indem durch die „Verfügbarmachung“ sowjetischer Frauen gezeigt wird, dass diese nicht in der Lage seien, „ihre“ Frauen zu beschützen. Dies mache den Gegner passiv und weniger bedrohlich.64
VI.
Zusammenfassung und forschungsethische Fragen zum Umgang mit Gräuelfotos
Im vorliegenden Beitrag habe ich finnische und deutsche Kriegsfotos, die entweder teils oder gänzlich entkleidete, gefallene oder ermordete sowjetische Soldatinnen oder Zivilistinnen darstellen, vergleichend betrachtet. Dabei war es mein Ziel, Gemeinsamkeiten und Unterschiede in Bezug auf die Entstehungskontexte und Funktionen der Fotos sichtbar zu machen. Die in den finnischen und deutschen Archiven gefundenen Fotos von toten Sowjetsoldatinnen und -zivilistinnen beweisen, dass Gewalt im Krieg auch und gerade sexualisierte Gewalt inkludiert, egal ob es sich wie im deutschen Fall um einen ideologisch stark aufgeladenen „Vernichtungskrieg“ gehandelt hat oder, wie im finnischen Fall, eben nicht. Der Vergleich hat deutlich gezeigt, dass die Funktionen der Bilder für die Fotoproduzenten und -sammler weder in der deutschen noch in der finnischen Armee keineswegs eindeutig waren. Im Gegenteil: Sie überlagerten sich oder beeinflussten sich wechselseitig: Neugier und Hass können ebenso hinter Fotos gesteckt haben, die an sich nur sexuelle Motive vermuten ließen. Und wiewohl die hier analysierten finnischen und deutschen Gräuelfotos bezüglich des Fotomotivs und der Bildkomposition ähnlich sind, unterscheiden sie sich grundlegend darin, dass die im Quellenkorpus vorhandenen Fotos finnischer Soldaten nur tote Soldatinnen zeigen, während sich in den deutschen Archiven wiederum nur Fotos von toten Zivilistinnen finden ließen. Außerdem zeigt der vorliegende Beitrag, wie wichtig es ist, solche Fotos nur im engen Dialog mit dem bisherigen Forschungsstand zu interpretieren, da diese Aufnahmen oft ohne jede Kontextinformation überliefert sind und sich so einer Deutung entziehen. 63 Mühlhäuser, Eroberungen, 100; Kivimäki, Ryvetetty, 28; Lintunen, Filthy, 28. 64 Zipfel, Ausnahmezustand, 68–70; Mühlhäuser, Eroberungen, 97; Kivimäki, Ryvetetty, 26.
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Fotos, die Motive wie geschändete und getötete Frauen zeigen und somit einen Gewaltkontext repräsentieren, stellen diejenigen, die sich damit beschäftigen, gleich vor mehreren Hürden. Neben der eigentlichen Forschungsfrage nach den Beweggründen der Fotografen und Nutzer der Fotografien, stellt sich auch die forschungsethische Frage nach dem verantwortungsbewussten Umgang mit diesem Bildmaterial. Können und wenn ja, wie können solche Fotos wiedergeben werden, ohne den Schändungsprozess symbolisch zu wiederholen? Gerade im Bereich der Visual History, wo Bilder keineswegs nur als Illustrationen Verwendung finden, sondern als tragende Elemente der Argumentation gebraucht werden, wäre das Vorantreiben einer fundierten ethischen Diskussion über den Gebrauch brisanter Bilder nötig. Denn, obwohl die Debatte schon seit geraumer Zeit besteht, gibt es meines Erachtens darüber noch keinen zufriedenstellenden Konsens.65 Während z. B. einerseits argumentiert werden kann, dass das Zeigen der Bilder notwendig wäre, um dem „Reiz des Verborgenen“ entgegenzuwirken und den Krieg in all seiner Grausamkeit zu präsentieren, kann andererseits angeführt werden, dass damit die dargestellte Schändung reproduziert werde. Museen sind mit dieser Problematik ebenso befasst. Einige KuratorInnen sind im Rahmen von Ausstellungen dazu übergegangen, die Entscheidung den BesucherInnen zu überlassen. Dies bedeutet konkret, dass Gewaltbilder abgedeckt werden, und BesucherInnen, etwa durch das Anheben angebrachter Abdeckungen, selbstbestimmt Bilder (nicht) rezipieren. Für Print-Veröffentlichungen scheint diese Lösung nicht praktikabel zu sein. Eine Möglichkeit bei Print-Publikationen sensibel mit dem Material umzugehen, wäre, in Anlehnung an die Vorgangsweise von Museen, die Bilder mittels QR-Codes im Internet zu hinterlegen und nicht mehr direkt abzudrucken. Gleichzeitig ist das aber auch insofern problematisch, als dadurch der „Reiz des Verborgenen“ erst wieder befördert würde. Daher plädiere ich im Umgang mit Gewaltbildern dafür, diese jedenfalls nur dann zu veröffentlichen, wenn dies für die Argumentation nötig ist.
65 Siehe etwa die sachkundige Analyse über das komplexe Verhältnis zwischen Fotografie und Gewalt in Cornelia Brink/Jonas Wegerer, Wie kommt die Gewalt ins Bild? Über den Zusammenhang von Gewaltakt, fotografischer Aufnahme und Bildwirkungen, in: Fotogeschichte 32 (2012) 125, 5–14. Mit ethischen Problemen befasst sich auch Mieke Bal, Double Exposures. The Subject of Cultural Analysis, New York/London 1996, 188–196. Vgl. auch das Editorial dieses Heftes.
zeitgeschichte extra
Antonia Winsauer
Hartheim, Sobibór und Josef Vallaster. Die Silbertaler Kriegerdenkmaldebatte als Folge einer Konfrontation mit der nationalsozialistischen Vergangenheit
Im Herbst 2007 erscheint in der in Vorarlberg herausgegebenen Zeitschrift „KULTUR – Zeitschrift für Kultur und Gesellschaft“ der vom Historiker Werner Bundschuh verfasste Artikel „Noch fehlen ,Deserteurdenkmäler‘…“.1 Darin macht dieser auf die politische Symbolkraft von Denkmälern und deren Bedeutung als Zeugnisse für Erinnerung und Verdrängung aufmerksam. In seinem Artikel umreißt Bundschuh die Situation innerhalb der Denkmallandschaft Vorarlbergs und spricht dabei die Schwierigkeiten an, Gedenkorte für NS-Opfer durchzusetzen. Bei näherer Betrachtung der Gedenkdebatte, welche zum Zeitpunkt des Erscheinens seines Artikels gerade ins Rollen kam und Gegenstand dieses Beitrags ist, ist dem Historiker Recht zu geben. Es handelt sich dabei um die nur wenige Monate zuvor, im Juni 2007, in Gang gesetzte Diskussion um ein sich zum damaligen Zeitpunkt in der Berggemeinde Silbertal in der Talschaft Montafon/Vorarlberg befindliches Kriegerdenkmal, auf dem, entsprechend des vor allem in den 1950er- und 1960er-Jahren dominierenden österreichischen Geschichtsbildes, den „Opfern aller Kriege“ gedacht wird. Nicht die Beschränkung auf das soldatische Opferbild, das Ausklammern anderer Kriege oder der Zusammenschluss der beiden Weltkriege in eine gemeinsame Gedenkform gibt im Jahr 2007 Grund zur Auseinandersetzung und Hinterfragung der Gedenkkultur : Die knapp 850 EinwohnerInnen Silbertals werden durch die Recherchen eines Journalisten damit konfrontiert, dass der auf dem Denkmal als im Zweiten Weltkrieg gefallen vermerkte Silbertaler Josef Vallaster maßgeblich an der Tötung tausender Menschen beteiligt war. Er hatte sich in der Tötungsanstalt Hartheim und im Vernichtungslager Sobibjr massiv schuldig gemacht, bevor er beim Häftlingsaufstand am 14. Oktober 1943 in Sobibjr getötet wurde. Die Frage „Was nun?“ drängt sich in den Vordergrund, eine Konfrontation mit den historischen Fakten ist nicht mehr zu vermeiden. 1 Vgl. Werner Bundschuh, Noch fehlen „Deserteurdenkmäler“. Denkmäler sind Monumente sowohl der Erinnerung als auch der Verdrängung, in: KULTUR – Zeitschrift für Kultur und Gesellschaft 22 (2007) 8, 46–49.
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zeitgeschichte 45, 2 (2018)
Plötzlich schaut das gesamte Bundesland Vorarlberg auf die Gemeinde, ein Agieren, nämlich das „richtige“, wird erwartet. Der Stein für eine dreieinhalb Jahre andauernde Debatte um die Form des dörflichen Gedenkens in der Gemeinde Silbertal gerät ins Rollen.
I.
Zur dörflichen Gedenkkultur in der Gemeinde Silbertal bis zum Beginn der Kriegerdenkmalsdebatte 2007
Die Errichtung des Silbertaler Kriegerdenkmals im Jahr 19672 und dessen Einweihung am 13. Oktober 1968, Kirchenweihsonntag,3 erfolgt recht spät, bettet man dies in den von Heidemarie Uhl beschriebenen Paradigmenwechsel innerhalb der österreichischen Erinnerungskultur ein: Dieser definiert den Übergang von der in den Jahren 1945 bis 1949/50 bestehenden Phase des Baus von Widerstandsdenkmälern hin zur Phase des Aufbaus von Krieger- und Heimkehrerdenkmälern, welche hauptsächlich in den 1950er-Jahren zu verorten ist. Die in der erstgenannten Phase entstandenen Widerstandsdenkmäler sind als Ergebnis einer von ÖVP, SPÖ und KPÖ beabsichtigten Entwicklung einer Basis für die Zweite Republik im Sinne eines „antifaschistischen Grundkonsenses“4 zu verstehen, die in der zweiten genannten Phase entstandenen Krieger- und Heimkehrerdenkmäler wiederum als Produkt der Versöhnungspolitik und der Rehabilitierung ehemaliger NationalsozialistInnen.5 Das dörfliche Gedenken in Silbertal vor der Errichtung des Denkmals 1967 war und ist immer noch sichtbar durch eine 1924 im Inneren der Ortskirche angebrachte Gedenktafel für die im Ersten Weltkrieg gefallenen Soldaten der Gemeinde. Auch während des Zweiten Weltkrieges bestand eine Form des (vergegenständlichten) Gedenkens an die in diesem Kriege gefallenen Soldaten:
2 Vgl. Otwin Netzer, Ereignisse aus der Ortsgeschichte in Silbertal. Ein Beitrag zur ortskundlichen Stoffsammlung für die Volksschule Silbertal mit Hinweisen für den Einbau und die Auswertung im Unterricht, Hausarbeit, ohne Instituts- und Ortsangabe, 1968, 79. 3 Vgl. Silbertal gedenkt den Toten beider Kriege. Denkmaleinweihung und Kreuzsteckung am Kirchenweihsonntag, Vorarlberger Nachrichten, 18. 10. 1968, 5. 4 Bertrand Perz/Heidemarie Uhl, Gedächtnis-Orte im „Kampf der Erinnerung“. Gedenkstätten für die Gefallenen des Zweiten Weltkrieges und für die Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft, in: Emil Brix/Ernst Bruckmüller/Hannes Stekl (Hg.), Memoria Austria I. Menschen–Mythen–Zeiten, Wien 2004, 545–579, 547. 5 Vgl. Heidemarie Uhl, Erinnern und Vergessen. Denkmäler zur Erinnerung an die Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft und an die Gefallenen des Zweiten Weltkriegs in Graz und in der Steiermark, in: Stefan Riesenfellner/Heidemarie Uhl (Hg.), Todeszeichen. Zeitgeschichtliche Denkmalkultur in Graz und in der Steiermark vom Ende des 19. Jahrhunderts bis zur Gegenwart (Kulturstudien Bibliothek der Kulturgeschichte, Sonderband 19), Wien/Köln/Weimar 1994, 111–196, 147–148.
Antonia Winsauer, Hartheim, Sobibór und Josef Vallaster
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Entsprechend der in Silbertal eingetroffenen Gefallenenmeldungen wurden um das Priestergrab am Friedhof immer wieder Kreuzsteckungen vollzogen.6 Über die Planung und Errichtung des Kriegerdenkmals ist sehr wenig bekannt: Die schriftlichen Hinweise darauf sind recht spärlich und befinden sich in den örtlichen Gemeinderatsprotokollen. Darin spricht der damalige Gemeindevertreter und Ortsgruppenleiter des Montafoner Kameradschaftsbundes in Silbertal, Ulrich Saler, als Erster die Errichtung eines Denkmals an,7 umgesetzt wurde diese fünf Jahre später. Bei der Einweihung waren OrtsvertreterInnen Silbertals sowie auch der umliegenden Gemeinden, ein Landesstatthalter, diverse Ortsgruppen des Kameradschaftsbundes Montafon, Mitglieder des Bundesheeres, verschiedene Ortsvereine, eine Schützenkompanie, sowie VertreterInnen der katholischen Kirche, welche die Einweihung des Denkmals auch durchführten, anwesend.8 Das Denkmal selbst, ein Granitblock, wurde während der Einweihungsmesse als Altar verwendet.9
II.
Die Kriegerdenkmaldebatte 2007–2010
2.1
Der Anlassfall Josef Vallaster – ein Täter als „Gefallener“
Der im Jahr 1910 in der Gemeinde Silbertal geborene Josef Vallaster war seit 1967 neben anderen Silbertalern, 30 Soldaten des Ersten und 14 Soldaten des Zweiten Weltkriegs, auf dem örtlichen Kriegerdenkmal als Gefallener angeführt. Auch waren dort acht als vermisst gemeldete Soldaten des Zweiten Weltkriegs verzeichnet.10 Bis zur Bearbeitung des „Falles Vallaster“ im Zuge der 2007 ins Rollen geratenen Denkmaldebatte blieb die massive Involvierung Vallasters in die „T4-Aktion“, die Ermordung zehntausender Menschen in den „Euthanasie“Tötungsanstalten,11 und in die „Aktion Reinhardt“, die Ermordung von über
6 Vgl. E-Mail vom Silbertaler Heimatforscher Hans Netzer an die Verfasserin, 18. 3. 2011; Anm.: Kreuzsteckung: ein mit einer Namenstafel versehenes Grabkreuz wird an einem fiktiven Grab in die Erde gesteckt. 7 Vgl. Gemeinderatsprotokoll vom 21. 9. 1962, Gemeindeamt Silbertal, Ordner ohne Verzeichnisnummer. 8 Vgl. Silbertal gedenkt den Toten beider Kriege, Vorarlberger Nachrichten. 9 Vgl. Bildmaterial zur Kriegerdenkmaleinweihung Silbertal 1968, Privatsammlung Hans Netzer, ohne Verzeichnisnummer. Kopie im Besitz der Verfasserin. 10 Vgl. Umstrittenes Kriegerdenkmal ist entfernt, ORF Vorarlberg, URL: http://www.malinge sellschaft.at/aktuell/weiteres/debatte-um-das-kriegerdenkmal-in-silbertal/25.06.2009-um strittenes-kriegerdenkmal-ist-entfernt (abgerufen 4. 9. 2017). 11 Brigitte Kepplinger, ,Vernichtung lebensunwerten Lebens‘ im Nationalsozialismus: Die ,Aktion T4‘. In: Günther Morsch/Bertrand Perz (Hg.), Neue Studien zu nationalsozialistischen Massentötungen durch Giftgas, Berlin 2011, 77–87.
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zeitgeschichte 45, 2 (2018)
1,5 Millionen Jüdinnen und Juden in den Vernichtungslagern Bełz˙ec, Sobibjr und Treblinka,12 auf dem Kriegerdenkmal unerwähnt. Nachdem der bereits im August 1933 ins Deutsche Reich übersiedelte Josef Vallaster13 zunächst mehrere Jahre lang am Bau der „Reichsautobahn“ in Mittelfranken mitgearbeitet hatte und um 1939 im Wasserwerk in Friedrichshagen bei Berlin beschäftigt gewesen war,14 traf er im Frühjahr 1940 im Schloss Hartheim bei Linz ein, wo er als einer der ersten drei Angestellten am Umbau des Schlosses in eine Tötungsanstalt der „T4-Aktion“ mitarbeitete und später auch als „Brenner“ tätig war.15 Im Anschluss daran war Vallaster Teil16 der am Beginn der „Aktion Reinhardt“ knapp 100 Mann umfassenden Truppe, deren Mitglieder auf Grund ihrer Erfahrungen und ihres Wissens, das sie sich während ihrer Tätigkeit in der „T4-Aktion“ im Bereich der Vergasungstechnologie und des Tötungsprozesses angeeignet hatten, dafür ausgewählt wurden, um im „Generalgouvernement“ Schlüsselpositionen bei der Errichtung und beim Betrieb der Vernichtungslager zu übernehmen.17 Jules Schelvis zufolge kam Josef Vallaster zunächst ausgehend von Berlin nach Lublin18 und hielt sich von Januar bis April 1942 dann in Bełz˙ec, dem ersten Vernichtungslager des so genannten Generalgouvernements, auf, wo er in verschiedenen Kommandos arbeitete.19 Im April 1942 traf Josef Vallaster im Vernichtungslager Sobibjr ein, wo er im Rang eines SS-Scharführers20 zunächst Verwalter in Lager I war, später in Lager III das Ausheben von Gruben für Massengräber beaufsichtigte, die Deportierten in die Gaskammern eskortierte und dort auch die Motoren bediente.21 Ab Ende 1942 12 Vgl. Stephan Lehnstaedt, Der Kern des Holocaust. Bełz˙ec, Sobibjr, Treblinka und die Aktion Reinhardt, München 2017; Bogdan Musial (Hg.), „Aktion Reinhardt“: Der Völkermord an den Juden im Generalgouvernement 1941–1944, Osnabrück 2004. 13 Vgl. Wolfgang Weber, Von Silbertal nach Sobibjr. Über Josef Vallaster und den Nationalsozialismus im Montafon (Schriftenreihe der Rheticus-Gesellschaft 48), Feldkirch 2008, 54. 14 Vgl. ebd., 56. 15 Vgl. ebd., 57. 16 Vgl. Jules Schelvis, Vernichtungslager Sobibjr (Dokumente – Texte – Materialien 24), Berlin 1998, 43. 17 Insgesamt konnte Sara Berger 121 Personen identifizieren, die aus dem Apparat der T4Tötungsanstalten nach Lublin versetzt wurden. Vgl. Sara Berger, Experten der Vernichtung. Das T4-Reinhardt-Netzwerk in den Lagern Belzec, Sobibor und Treblinka, Hamburg 2013, 17; Patricia Heberer, Eine Kontinuität der Tötungsoperationen. T4-Täter und die „Aktion Reinhardt“, in: Musial (Hg.), „Aktion Reinhardt“, 285–308, 288–289; Patricia Heberer, Von der „Aktion T4“ zum Massenmord an den europäischen Juden. Der Transfer des Tötungspersonals, in: Morsch/Perz (Hg.), Neue Studien, 165–175. 18 Vgl. Schelvis, Sobibjr, 43. 19 Vgl. Sara Berger, Experten der Vernichtung, 414. 20 Vgl. ebd. 21 Vgl. ebd., 70; Vgl. allgemein dazu Dieter Pohl, Massentötungen durch Giftgas im Rahmen der „Aktion Reinhardt“. Aufgaben der Forschung, in: Morsch/ Perz (Hg.), Neue Studien, 185–195.
Antonia Winsauer, Hartheim, Sobibór und Josef Vallaster
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leitete er auch die Verbrennungsaktionen, ebenfalls in Lager III.22 1943 plante ein Untergrundkomitee einen Aufstand, der eine kollektive Flucht der Häftlinge aus Sobibjr ermöglichen sollte. Dieser Häftlingsaufstand wurde am 14. Oktober desselben Jahres umgesetzt. Vallaster war einer von mindestens neun Männern des T4-Reinhardt-Netzwerkes, die von den aufständischen Häftlingen in Werkstätten oder Magazine gelockt und dort getötet wurden.23 Wie es dazu kam, dass Vallaster 1967 auf dem Kriegerdenkmal seiner Heimatgemeinde als Gefallener angegeben wurde, ist ebenso unbekannt wie der Wissenstand der Silbertaler Öffentlichkeit zum Zeitpunkt der Denkmalserrichtung. Fest steht allerdings, dass Vallaster wohl bereits bei der Kriegerdenkmalseinweihung im Oktober 1968 nicht als „normaler Gefallener“ gegolten haben konnte, wurde für ihn doch, wie sonst nur für die acht vermissten Soldaten,24 bei der Zeremonie ein Kreuz „gesteckt“. Auch zahlreiche der Kriegerdenkmalseinweihung vorangegangene Ermittlungen sprechen dafür, dass die Taten des Josef Vallaster in der Tötungsanstalt Hartheim und in Polen in der Gemeinde Silbertal nicht unbekannt waren. Bereits mit dem Kriegsende 1945 waren die Funktionen Vallasters dokumentiert: Wolfgang Weber verweist beispielsweise auf den Leiter des US-amerikanischen Untersuchungsteams, Major Charles H. Dameron, der schon im Mai 1945 die Massenmorde in Hartheim dokumentierte. Vallaster sollte seiner Ansicht nach zur Fahndung ausgeschrieben und als Kriegsverbrecher vor Gericht gebracht werden. Des Weiteren weist Weber darauf hin, dass schon 1946, als in öffentlichen Gerichtsverfahren die nationalsozialistische „Euthanasie“ strafrechtlich behandelt wurde und am Linzer Landesgericht ein Strafverfahren gegen zwei in der Mordmaschinerie von Hartheim tätig gewesene Männer im Gange war, die Taten Vallasters einer breiteren Öffentlichkeit bekannt gewesen sein mussten:25„Josef Vallaster wurde in diesem Verfahren in einschlägigen Zeugenaussagen, etwa jenen von Johann Lothaller und Mathias Buchberger, eindeutig als NS-,Euthanasie‘-Täter identifiziert.“26 Auch in anderen Gerichtsverfahren, etwa Anfang der 1960er-Jahre in Wien gegen die ebenfalls in Hartheim tätig gewesenen Heinrich Barbl und Gustav Wagner, in zeitgleichen Ermittlungen gegen Barbl in Dortmund, und in dem Verfahren gegen Georg Renno, wurde Josef Vallaster namentlich genannt und belastet. In der großen Verhandlung zu den in Sobibjr begangenen Verbrechen, die in den Jahren 1965/66 in Hagen abgehalten wurde, fiel der Name 22 Vgl. ebd., 198. 23 Vgl. ebd., 275–276. 24 Vgl. Verlautbarungen der Gemeinde Silbertal, Anzeiger für die Bezirke Bludenz und Montafon, 12. 10. 1968, ohne Seitenangabe. 25 Vgl.Weber, Über Josef Vallaster, 61–62. 26 Ebd., 62.
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zeitgeschichte 45, 2 (2018)
Abb. 1: Kreuzsteckung für die Vermissten und Josef Vallaster (drittes Kreuz von links). (Quelle: Privatsammlung Hans Netzer)
Vallaster ebenfalls. Angesichts der vielen öffentlichen Verfahren und der entsprechenden Berichterstattung stellt sich also eher die Frage, wer von den Taten Vallasters wissen oder nicht wissen wollte, als jene, was überhaupt möglich war zu wissen.27
2.2
Die Anstöße zur Debatte
Den ersten Anstoß für die Debatte liefert der Journalist Seff Dünser mit seinem am 14. Juni 2007 in den „Vorarlberger Nachrichten“ erscheinenden Artikel „Der unbekannte Massenmörder“.28 Kernpunkt dieses Artikels bildet ein Abriss der Biografie Vallasters, ausgehend von dessen Montafoner Herkunft bis hin zu seinen Aktivitäten in der NS-Zeit.29 Dünser, der mit diesem Zeitungsartikel die Debatte um Vallaster und das Kriegerdenkmal Silbertals auslöst, stieß im Vorfeld 27 Vgl. ebd., 62–63. 28 Vgl. Der unbekannte Massenmörder, Vorarlberger Nachrichten, 14. 6. 2007, A8. 29 Vgl. Weber, Über Josef Vallaster, 54.
Antonia Winsauer, Hartheim, Sobibór und Josef Vallaster
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durch private Recherchen über den „Euthanasie“-Arzt und späteren Kommandanten des Vernichtungslagers Treblinka, Irmfried Eberl,30 auf Vallaster, und wollte die Möglichkeit, diesen und dessen Taten der breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen, nutzen.31 Dünser kritisiert den österreichischen Umgang mit der nationalsozialistischen Vergangenheit, im Speziellen die Tendenz zum Verschweigen von Täterbiografien. Einen Abschluss findet der Artikel mit einem Hinweis auf die Gemeinde Silbertal und den mit „Jos. Vallaster“ abgekürzten Namen auf dem dortigen Kriegerdenkmal: „Seine Heimatgemeinde Silbertal erinnert sich seiner nicht als Täter, sondern als Opfer.“32 Eine Woche nach diesem Artikel berichten die „Vorarlberger Nachrichten“ wieder vom „Tabuthema Josef Vallaster“: Unter dem Titel „,Das ist einfach kein Thema‘“33 schreibt Dünser über die Reaktion der Silbertaler BürgerInnen auf die Informationen zu Vallaster, welche sein erster Artikel behandelte: „Sie haben nichts gewusst, wollten nichts wissen und wollen jetzt nichts wissen, obwohl Wissen zur Verfügung steht.“34 In dem Bericht vom 21. Juni 2007, der die Thematik auf landespolitische Ebene hebt, sind zudem Stellungnahmen regionaler Politiker abgedruckt, etwa vom damaligen Vorsitzenden des Talschaftsverbandes „Stand Montafon“35, Erwin Bahl, welche sich klar für die Aufarbeitung der NS-Vergangenheit, teils sogar für die Entfernung des Namens Vallasters vom Kriegerdenkmal, aussprechen. Die den Zeitungsartikel abschließende Umfrage der „Vorarlberger Nachrichten“ unter SilbertalerInnen enthält aber auch folgende Wortmeldung des damaligen amtierenden Bürgermeisters Willi Säly (ÖVP, freie KandidatInnen), in welcher dieser die Beweislage zu den Taten Vallasters in Frage stellt:„Ist überhaupt erwiesen, was da passiert sein soll? Ich zweifle daran. Ich finde es nicht gut, dass bei uns in dieser Weise geschnüffelt wird. Deshalb möchte ich keine Stellungnahme abgeben.“36 Die Reaktion auf diese Wortmeldung erfolgt wenig später, nämlich in Form einer Stellungnahme von vier Vorarlberger Landtagsabgeordneten der Grünen bezüglich der „Haltung des Landes und der ÖVP zu NS-Verbrechen“, datiert auf den 29. Juni 2007, an den damaligen Landeshauptmann des Landes Vorarlberg,
30 Vgl. Michael Grabher, Irmfried Eberl. „Euthanasie“-Arzt und Kommandant von Treblinka, Frankfurt/M. 2006. 31 Vgl. E-Mail von Seff Dünser an die Verfasserin, 21. 2. 2011. 32 Der unbekannte Massenmörder, Vorarlberger Nachrichten. 33 Vgl. „Das ist einfach kein Thema“, Vorarlberger Nachrichten, 21. 6. 2007, A8. 34 Ebd. 35 Anm.: Der Talschaftsverband „Stand Montafon“ ist eine Vereinigung von zehn Montafoner Gemeinden, welche vor allem die Bereiche Regionalentwicklung, Umwelt, Kultur und Soziales innerhalb der Region koordiniert und organisiert. 36 Vgl. „Das ist einfach kein Thema“, Vorarlberger Nachrichten, 21. 6. 2007, A8.
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Herbert Sausgruber (ÖVP).37 Im genannten Schreiben der Landtagsabgeordneten Karin Fritz, Johannes Rauch, Katharina Wiesflecker und Bernd Bösch wird unter anderem ein konkreter Vorschlag in Bezug auf das Denkmal angeführt: „Aus unserer Sicht ist daher beim Silbertaler Denkmal ein Hinweis auf die verbrecherische Rolle des Josef Vallaster im Dienste der NS-Herrschaft anzubringen.“38 An die Stellungnahme der Abgeordneten ist eine Anfrage angeknüpft, formuliert in sechs Fragen: So wird Landeshauptmann Sausgruber über seinen Eindruck von der Eindeutigkeit der Faktenlage hinsichtlich des Falls Vallaster und seine Beurteilung der in den „Vorarlberger Nachrichten“ zitierten Wortmeldung von Bürgermeister Säly befragt, bezüglich der Situation am Silbertaler Kriegerdenkmal wird um seine Meinung zum erbrachten Lösungsvorschlag gebeten. In drei Folgefragen werden Geschichtsbild, öffentliche Ausklammerung von NS-Täterschaft, eine potentielle Thematisierung im neu konzipierten Vorarlberger Landesmuseum und die Problematik von Kriegerdenkmälern als Ausdruck einer eng mit dem Soldatenbild verwobenen Erinnerungskultur angesprochen und zum Gegenstand einer erbetenen „umfassenden Beantwortung dieser Anfrage“39 seitens der Landesspitze gemacht. Die briefliche Antwort des Landeshauptmannes folgt am 27. Juli 2007, nach einer Debatte im Landtag am 4. Juli:40 Die Frage zur Faktenlage um den Fall Josef Vallaster beantwortet Sausgruber mit einem Hinweis auf ein Interview Dünsers mit dem Sohn Josef Vallasters, Klaus Vallaster, das in der Ausgabe der „Vorarlberger Nachrichten“ vom 23./24. 6. 2007 erschien. In diesem spricht Klaus Vallaster über seinen Umgang mit der Vergangenheit seiner Eltern, vor allem über die seines Vaters, über dessen Taten in Hartheim sowie Sobibjr, und den Umstand, dass die Biografie seines Vaters nicht bereits schon früher in den Fokus der Öffentlichkeit geriet. Er führt dies auf die Verdrängung der nationalsozialistischen Vergangenheit zurück.41 Sausgruber sieht durch dieses Interview „die aufgezeigten historischen Fakten grundsätzlich außer Streit“42 gestellt, verweist auf den Umgang mit diesen Fakten durch HistorikerInnen und begrüßt den in der Zwischenzeit auf Silbertaler Gemeindeebene in Gang gekommenen Aufar37 Vgl. Karin Fritz/Johannes Rauch/Katharina Wiesflecker/Bernd Bösch: Haltung des Landes und der ÖVP zu NS-Verbrechen, Die Grünen Vorarlberg, URL: http://suche.vorarlberg.at/ vlr/vlr_gov.nsf/0/D36E1019950BC449C125730900349E00/$FILE/29.01.229.pdf (abgerufen 28. 5. 2017). 38 Ebd., 2. 39 Ebd., 3. ¨ VP zu NS-Verbrechen; Anfrage vom 40 Vgl. Herbert Sausgruber, Haltung des Landes und der O 29. 6. 2007, Zl 29.01.229 , Vorarlberger Landesregierung, URL: http://suche.vorarlberg.at/vlr/ vlr_gov.nsf/0/D36E1019950BC449C125730900349E00/$FILE/29.01.229.pdf (28. 5. 2017). 41 Vgl. Damit das nie mehr passiert, Vorarlberger Nachrichten, 23./24. 6. 2007, A 12. 42 Vgl. Sausgruber, Haltung des Landes, 4.
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beitungsprozess unter Begleitung des Zeithistorikers Wolfgang Weber. Zugleich entbindet Sausgruber die Landesregierung selbst der Verantwortung in Form einer Intervention auf landespolitischer Ebene: „Erinnerungskultur lässt sich nicht von Bregenz aus verordnen.“43 Wie auch die Grünen ist Sausgruber nach eigener Angabe für die Benennung von NS-TäterInnen, warnt allerdings vor einer Generalverdächtigung der gesamten Kriegsgeneration. Der Frage nach seiner Unterstützung einer „kritischen Auseinandersetzung mit dem tradierten Geschichtsbild der NS-Herrschaft als Fremdherrschaft in Vorarlberg und der damit verbundenen Ausklammerung der Vorarlberger Täter[Innen] und Mittäter[Innen]“44 entgegnet der Landeshauptmann mit seiner Einschätzung, in Vorarlberg sei bereits ein entsprechendes Bewusstsein, ein realistisches Bild auf die NS-Vergangenheit, vorhanden. Dies führt er auf zeitgeschichtliche Forschung, etwa die des Vorarlberger Landesarchivs, und die (auch zukünftige) Förderung themenbezogener Projekte durch das Land Vorarlberg, an denen verschiedenste Institutionen wie Schulen, Erwachsenenbildung, Kultureinrichtungen sowie die Medien beteiligt seien, zurück. Er verweist zudem auf das Veranstaltungsprogramm des Landes Vorarlberg im Gedenkjahr 2005 und hebt die Wichtigkeit einer Reflexion über die gesellschaftlichen Bedingungen, die eine Entfaltung der nationalsozialistischen Ideologie möglich machten und förderten, hervor.45 Zwischen der Veröffentlichung von Dünsers Artikel über Vallaster und dem Schreiben des Landeshauptmanns war in Silbertal eine neue Entwicklung in Gang gekommen, die andauernd bis in den November 2010 zu einer intensiven Auseinandersetzung mit der Täterschaft Josef Vallasters und mit dörflicher Erinnerungskultur in Silbertal führen sollte.
2.3
Die Initiative „Geschichtswerkstatt Silbertal“
Nach Aufkommen der Kritik an der Gemeinde Silbertal und der Wortmeldung von Bürgermeister Willi Säly wendet sich der hauptsächlich in Vorarlberg und Tirol tätige Kulturvermittler Bruno Winkler an den Bürgermeister. Er rät ihm zur Gründung einer „Geschichtswerkstatt“, in welcher die Themenkreise Josef Vallaster, dörfliche Erinnerung sowie der Umgang mit der nationalsozialistischen Vergangenheit bearbeitet werden sollen. Winkler bietet sich als Koordinator bzw. Moderator für die vorgeschlagene Initiative an. Bürgermeister Säly nimmt diesen Vorschlag an, der noch im Zeitraum Juni/Juli 2007 in die Tat umgesetzt 43 Ebd. 44 Ebd. 45 Vgl. ebd.
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wird.46 Die Motivation, sich als Koordinator der Initiative anzubieten, ist laut Winkler aus dem persönlichen Interesse daran entstanden, ob eine solche Initiativarbeit bei einem Anlassfall in nächster Nähe erfolgreich sein kann.47 Zeit ihres Bestehens wird die Initiative von Bruno Winkler koordiniert und umfasst zum Zeitpunkt ihrer Gründung neben Willi Säly als damaligem Bürgermeister sieben weitere Mitglieder, allesamt BürgerInnen der Gemeinde Silbertal. Im Laufe der Werkstattsarbeit kristallisiert sich allerdings relativ rasch eine Kerngruppe heraus, der neben Willi Säly zwei damalige Mitglieder des Silbertaler Gemeinderats, Hannes Boric und Heidi Bitschnau, sowie der Heimatforscher Hans Netzer angehören.48 Die anderen vier Gründungsmitglieder, wie die bereits genannten aus verschiedenen beruflichen Richtungen kommend,49 distanzieren sich im Laufe der anfänglichen Entwicklungen von der Geschichtswerkstatt und geben ihr Mitwirken auf Grund der dadurch für sie entstandenen familiären Probleme und/oder diverser Kritikäußerungen aus der Bevölkerung auf.50
2.3.1 Zielsetzungen, Gegenstand der Initiativarbeit sowie Arbeitsweise Das Team der Geschichtswerkstatt formuliert seine Zielsetzungen zu Beginn der Projektarbeit wie folgt: 1. „Entwicklung eines Prototyps dörflicher Erinnerungskultur in einer Montafoner Gemeinde. 2. Die Projektergebnisse sollten als wirkungsvoller und nachhaltiger Schutz gegen bisherige Imageschäden (insbesondere in den Medien) dienen, und den ramponierten Ruf des Dorfes in öffentliche Anerkennung und Respekt transformieren. 3. Das Projekt soll keine Gräben aufreißen, soll vielmehr Verständnis- und Wissensbrücken bauen. 4. Das Projekt soll sich als Beispiel einer gelebten und allseits geschätzten Erinnerungskultur etablieren.“51 46 Vgl. Interview mit Bruno Winkler und Willi Säly, geführt von Antonia Winsauer, 2. 1. 2010, Aufnahme bei der Autorin. 47 Vgl. Interview mit Bruno Winkler, geführt von Antonia Winsauer, 3. 2. 2011, Aufnahme bei der Autorin. 48 Vgl. Interview mit Hannes Boric und Heidi Bitschnau, geführt von Antonia Winsauer, 29. 1. 2011, Aufnahme bei der Autorin. 49 Vgl. Bruno Winkler mit Geschichtswerkstatt Silbertal, Information, Aspekte, Grundlagen, Geschichtswerkstatt Silbertal, URL: http://www.kath-kirche-vorarlberg.at/organisation/ka tholisches-bildungswerk-vorarlberg/links-dateien/Geschichtswerkstatt_Silbertal.pdf (abgerufen 6. 6. 2017). 50 Vgl. Interview mit Hannes Boric und Heidi Bitschnau, 29. 1. 2011. 51 Bruno Winkler mit Geschichtswerkstatt Silbertal, Aspekte, Internetauftritt Katholisches Bildungswerk.
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An diesen Zielsetzungen äußert der Nationalratsabgeordnete der Grünen und Vorarlberger Historiker Harald Walser Ende des Jahres 2007 Kritik: Sowohl in einem Gastkommentar in den „Vorarlberger Nachrichten“ vom 15. 10. 200752 als auch in der Radiosendung „Kultur nach 6“ des Regionalsenders Radio Vorarlberg53 hinterfragt Walser sowohl die seiner Auffassung nach zu vorsichtige Herangehensweise der Initiative als auch die offen formulierte Absicht der Geschichtswerkstatt, etwaige Imageschäden von der Gemeinde Silbertal abzuwenden. Walser stellt in diesem Zusammenhang ganz grundlegend das Ausformulieren von Zielsetzungen in Frage: Er hält im Vornhinein festgelegte Ziele für kontraproduktiv und sieht diese nicht als Aufgabe von Geschichtsforschung, da sich die Geschichte der Realität zu stellen habe und den Menschen zumutbar sei.54 Nach Gründung der Geschichtswerkstatt im Sommer 2007 kristallisieren sich zwei Bereiche als inhaltliche Schwerpunkte heraus: Den ersten Schwerpunkt bildet der Anlassfall Josef Vallaster und die damit verbundene Nennung eines NS-Täters als Kriegsopfer auf einem Kriegerdenkmal, den zweiten Schwerpunkt stellt die Auseinandersetzung mit den Opfern des NS-Regimes wie ZwangsarbeiterInnen und Euthanasieopfer als eine Art Gegengewicht dar.55 In einem Informationsblatt nennt die Geschichtswerkstatt drei Leitfragen, an denen sich die Initiative bei ihrer Arbeit orientieren will: „Wie lebt ein Dorf in Zeiten der Not?“, „Wie erlebt ein Dorf Krieg und Tod?“ und „Wie entwickelt ein Dorf Erinnerungskultur?“56 Als Hauptanliegen in Bezug auf die Arbeitsweise der Geschichtswerkstatt Silbertal gibt deren Koordinator Winkler die Verflechtung von Oral History bzw. des dörflichen Erinnerungswissens in der Gemeinde mit dem historischen Wissen bzw. dem Archivwissen an,57 wobei in puncto Arbeitsweise „Objektivität, Verantwortungsbewusstsein und Sensibilität“58 und eine „umsichtige und behutsame Herangehensweise“59 angestrebt werden sollen. Das heißt, die Initiative will die genannten Zielsetzungen durch Recherche in Archiven, Privatsamm52 53 54 55
56 57 58 59
Vgl. Nur nicht anecken!, Vorarlberger Nachrichten, 15. 10. 2007, A5. Vgl. Kultur nach 6, Radio Vorarlberg, Ö2, gesendet am 15. 10. 2007. Vgl. Kultur nach 6, Radio Vorarlberg, Ö2, gesendet am 15. 10. 2007. Vgl. Bruno Winkler, Erinnerungskultur in Silbertal, rund um eine Täterbiografie. Gedächtnislandschaft eines Dorfes in Vorarlberg im Jahr 2008, in: Andreas Rudigier (Hg.), Jahresbericht 2008 der Montafoner Museen, des Heimatschutzvereins Montafon und des Montafon Archivs, Schruns 2009, 97–99, 98. Bruno Winkler mit Geschichtswerkstatt Silbertal, Aspekte, Internetauftritt Katholisches Bildungswerk. Vgl. Interview mit Bruno Winkler, 3. 2. 2010. Bruno Winkler mit Geschichtswerkstatt Silbertal, Aspekte, Internetauftritt Katholisches Bildungswerk. Ebd.
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lungen und im Internet, durch Museums- und Gedenkstättenbesuche, durch Miteinbeziehen von historischen Beiräten, HeimatforscherInnen und ZeitzeugInnen, aber auch durch die Kooperation mit diversen Institutionen wie dem Jüdischen Museum Hohenems oder der Gedenkstätte Schloss Hartheim, erreichen. Ebenfalls sollen Veranstaltungen, bei denen Informationen zu Inhalten und Entwicklungen ihrer Arbeit offeriert werden, zum Erreichen der gesteckten Ziele beitragen.60 Als ständig begleitende historische ExpertInnen fungieren Wolfgang Weber, Dozent am Institut für Zeitgeschichte an der Universität Innsbruck und zum damaligen Zeitpunkt Mitarbeiter des Vorarlberger Landesarchivs, sowie Andreas Rudigier, der damalige Leiter des Heimatschutzvereines Montafon und seit April 2011 Leiter des Vorarlberger Landesmuseums. Weitere herangezogene ExpertInnen sind Hanno Loewy, Direktor des Jüdischen Museums Hohenems, und Florian Schwanninger von der Dokumentationsstelle Schloss Hartheim.61 In einem im September 2008, also etwa ein Jahr nach Beginn der Werkstattarbeit, veröffentlichten Zwischenbericht erläutert Winkler : „Die Arbeitsweise hat sich im Sinne einer Begegnung und eines Austauschs zwischen Forschungskompetenz und Erfahrungskompetenz entwickelt. Zusätzlich werden in jeder thematischen Phase inhaltliche Akzentuierungen auf eine breite Informationsund Diskussionsebene gestellt. Auch hier fungieren die Experten als maßgebliche Akteure.“62
Finanzielle Unterstützung erhält die Geschichtswerkstatt Silbertal zu Beginn ihrer Arbeit im Jahr 2007 von der Gemeinde Silbertal, vom Amt der Vorarlberger Landesregierung, der „Vorarlberger Illwerke AG“, der „Montafonerbahn AG“ sowie vom „Stand Montafon“, dem Regionalverband von zehn Montafoner Gemeinden.63 So steuerte beispielsweise der „Stand Montafon“ im Jahr 2007 für das Projekt 5.000 Euro bei, um die am Beginn der Geschichtswerkstattsarbeit mit 28.000 Euro veranschlagten Kosten für Veranstaltungen, Exkursionen etc. mitzufinanzieren.64 Im Folgenden kommen noch andere Finanzierungsquellen wie etwa die Stiftung „Impulse“ und internationale Privatspenden hinzu.65 60 Vgl. ebd. 61 Vgl. Bruno Winkler, Spurensuche in einer Gedächtnislandschaft. Zwischenbericht der Silbertaler Geschichtswerkstatt zum Stand der Arbeit, in: KULTUR – Zeitschrift für Kultur und Gesellschaft 23 (2008) 7, 38–44. 62 Ebd., 38. 63 Vgl. Bruno Winkler mit Geschichtswerkstatt Silbertal, Aspekte, Internetauftritt Katholisches Bildungswerk. 64 Vgl. Johann Vallaster (Schriftführer), Niederschrift der 25. Sitzung der Standesvertretung in der laufenden Funktionsperiode vom 18. 9. 2007, Stand Montafon, URL: http://standmontafon.at/stand/ueber-uns/standesvertretung-1/2005-2010/25.-standessitzung-18. 09. 2007 (abgerufen 1. 1. 2018). 65 Vgl. Interview mit Bruno Winkler, 3. 2. 2010.
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2.3.2 Die drei Arbeitsphasen der Initiative Hauptgegenstand der ersten Arbeitsphase (ab Frühsommer 2007) stellen die Orte der Vernichtung dar, an denen sich Josef Vallaster als Täter schuldig machte. Umgesetzt wird diese Betrachtung mithilfe von HistorikerInnen, ZeitzeugInnen, Nachkommen von Opfern der Shoah, wie etwa der in Sobibjr ermordeten Ethnologin Eugenie Goldstern, aber auch unter Mitarbeit des Sohnes von Josef Vallaster, Klaus Vallaster.66 Die Beschäftigung der Geschichtswerkstatt mit den genannten Themen begleitend finden zahlreiche Veranstaltungen mit bereits genannten ExpertInnen und Institutionen statt, dazu eingeladen werden alle BürgerInnen der Gemeinde Silbertal, Kulturschaffende, SchülerInnen und LehrerInnen, PolitikerInnen, und verschiedene Geschichtsvereine des Landes Vorarlberg.67 Silbertal selbst ist in der zweiten Arbeitsphase (Jahresende 2007 bis Herbst 2008) Gegenstand des Interesses der Geschichtswerkstatt, wobei die Situation innerhalb des Dorfes während der NS-Zeit, die „Euthanasie“ im Montafon sowie das ehemalige Zwangsarbeitslager in Silbertal wie auch das Dorf als Heimatort Vallasters thematisiert werden. Neben den inhaltlichen Schwerpunkten kommt es bei verschiedenen Anlässen zu Fragen hinsichtlich des Stellenwerts eines solchen Erinnerungsprojekts und den damit verbundenen Problematiken. Zudem zeigt sich bald, dass die Geschichtswerkstatt und ihre Tätigkeit durchgehend sehr unterschiedlich aufgefasst werden, wobei kritische Meinungsäußerungen hauptsächlich am Beginn der Initiative 2007 zu hören sind.68 In der dritten Arbeitsphase, die im Herbst 2008 beginnt, rückt der Umgang mit Erinnerung an Krieg und Nationalsozialismus in den Mittelpunkt. Zu Vorträgen eingeladen werden unter anderem ExpertInnen mit psychologischem69 bzw. psychiatrischem70 Fachwissen, die dabei helfen sollen, Persönlichkeiten von 66 Anm.: Klaus Vallaster entstammt der am 6. September 1940 direkt in der Tötungsanstalt Hartheim geschlossenen Ehe Josef Vallasters mit Elisabeth Vallaster geb. Gust. Diese war im Mai 1940 als so genannte Pflegerin nach Hartheim gekommen, kehrte 1941 in ihre Heimat Brandenburg zurück, wo sie im April 1942 den gemeinsamen Sohn Klaus gebar (Vgl. Weber, Über Josef Vallaster, 58–59). Klaus Vallaster, aufgewachsen und wohnhaft im Raum BerlinBrandenburg, hat nach eigenen Angaben bis zu seinem frühen Erwachsenenalter nichts von den Taten seines Vaters gewusst, die Aufarbeitung des „Falles Vallaster“ unterstützt und die Geschichtswerkstatt bei deren Exkursion nach Sobibjr begleitet (Vgl. E-Mail von Klaus Vallaster an die Verfasserin, 17. 6. 2010; Vorarlberg heute, 17. 10. 2008). 67 Vgl. E-Mail von Bruno Winkler an die Verfasserin, 24. 2. 2011. 68 Vgl. Winkler, Erinnerungskultur, 99. 69 Vgl. Stille Wahr-Nehmung. Gedanken zum Zweiten Weltkrieg und den Folgebelastungen, Einladungskarte, Geschichtswerkstatt Silbertal 2008. 70 Vgl. Das Böse im Menschen. Anfänge und Entwicklungen von Täterbiografien, Einladungskarte, Geschichtswerkstatt Silbertal 2008.
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TäterInnen wie Josef Vallaster zu beleuchten und der Frage nachzugehen, was Menschen zu TäterInnen macht. Ebenso wird nun damit begonnen, nach einer zukünftigen konkreten Erinnerungs- und Gedenkform in Silbertal zu suchen: Bereits am 9. November 2008 werden von der Geschichtswerkstatt in Auftrag gegebene Ideen und Konzepte in einer Veranstaltung interessierten BürgerInnen vorgestellt und zur Diskussion gebracht. Auch GegnerInnen der Arbeit der Initiative soll die Möglichkeit gegeben werden, Stellung zu den Ideen bezüglich Erinnern und Gedenken im öffentlichen Raum zu beziehen. Kurz darauf zieht die Geschichtswerkstatt in Form einer Abendveranstaltung Bilanz, wobei auch die Rohfassung eines Dokumentarfilms über die Arbeit der Geschichtswerkstatt, gestaltet von ORF-Mitarbeiter und Historiker Markus Barnay, gezeigt wird. Bei dieser Veranstaltung wird auch die bei Wolfgang Weber in Auftrag gegebene Publikation „Von Silbertal nach Sobibjr. Über Josef Vallaster und den Nationalsozialismus im Montafon“71 präsentiert.72
2.4
Der Neugestaltungsprozess des dörflichen Gedenkens im Zuge der Kriegerdenkmaldebatte
2.4.1 Der Auftrag für die Entwicklung eines Erinnerungskonzepts Die Frage, wie sich die Informationen über die Täterschaft Vallasters auf das 1967 errichtete Kriegerdenkmal auswirken sollen, beschäftigt seit den Berichten des Journalisten Dünser in den „Vorarlberger Nachrichten“ im Frühsommer 2007 in erster Linie die Gemeinde Silbertal in Gestalt des Gemeinderats und der Geschichtswerkstatt mitsamt des beauftragten Gestaltungsteams, bestehend aus der in Berlin lebenden Vorarlberger Künstlerin Sarah Schlatter, der Landschaftsarchitektin Elisabeth Gruber sowie dem Grafiker Reinhold Luger (beide in Vorarlberg ansässig), aber auch die Medien, Vorarlberger HistorikerInnen, Nachbargemeinden sowie Gremien auf landespolitischer Ebene, wobei zu Beginn der Bearbeitung der Thematik durch die Geschichtswerkstatt die bloße Entfernung des mit „Jos. Vallaster“ abgekürzten Namens vom Kriegerdenkmal im Raum steht.73 Im September 2008, als Sarah Schlatter von der Geschichtswerkstatt den direkten Auftrag für die Entwicklung eines neues Erinnerungskonzepts erhält (die 71 Vgl. Weber, Über Josef Vallaster. 72 Vgl. Bilanzpräsentation der Geschichtswerkstatt Silbertal (am 28. 11. 2008), Montafoner Museen, URL: http://montafonergeschichte.blogspot.co.at/2008/11/bilanzprsentation-der. html (abgerufen 2. 8. 2017). 73 Vgl. Zukunftsfrage fürs Silbertal, Vorarlberger Nachrichten, 4. 7. 2007, A6.
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beiden anderen GestalterInnen kommen später hinzu, ebenfalls durch einen direkten Auftrag der Geschichtswerkstatt), steht der Gemeinde die Entscheidung noch offen, was mit dem Schriftzug „Jos. Vallaster“ bzw. generell mit dem bisherigen Kriegerdenkmal geschehen soll, das heißt, ob und falls ja, wie es in dem umzusetzenden Konzept integriert wird. Nach der Präsentation und Diskussion von vier Konzeptansätzen durch Schlatter am 9. November 2008 und einem weiteren Beratungstreffen noch im selben Monat kommt es im Juni 2009 zur Formierung eines Gestaltungsteams, welchem neben Schlatter auch die Gartenarchitektin Elisabeth Gruber und der Grafiker Reinhold Luger angehören.74 Bald darauf steht fest, dass ein bodennahes Konzept umgesetzt werden und das Kriegerdenkmal von 1967/68 zuvor komplett entfernt werden soll. Die Entfernung wird am 23. Juni 2009 nach einem Antrag von Bürgermeister Säly in der Silbertaler Gemeindevertretung einstimmig beschlossen und bereits zwei Tage später in die Tat umgesetzt.75 Als Grund für diese rasche Umsetzung wird die Herabwürdigung und Bedrohung der Gemeinde Silbertal mitsamt GemeindevertreterInnen, und – namentlich erwähnt – des historischen Beirats der Geschichtswerkstatt, Wolfgang Weber, auf den neonazistischen Internetportalen „altermedia.info“ und „alpendonau.info“ im Juni 2009 angeführt.76 Auf diesen Seiten wurde unter anderem FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache dazu aufgefordert, gegen die „Vernichtung des Silbertaler Kriegerdenkmals durch politisch-korrekte Gutmenschen & Nationalmasochisten und Vaterlandsverräter zumindest öffentlich zu protestieren.“77 Säly beantragt die umgehende Entfernung des Kriegerdenkmals, weil er befürchtet, dieses könnte sich zu einer Pilgerstätte für Neonazis entwickeln, ebenfalls gibt er offen zu, eine Imageschädigung und einen Rückgang des Tourismus in Silbertal vermeiden zu wollen.78 Die nach Bekanntwerden der Drohungen aufgenommenen Ermittlungen durch die Sicherheitsdirektion und die Staatsanwaltschaft gegen unbekannte Rechtsextreme werden bereits Anfang August 2009 wieder eingestellt. Dies wird damit argumentiert, dass die Server, auf denen sich die Portale befinden, von den
74 Vgl. Interview mit Sarah Schlatter, geführt von Antonia Winsauer, 23. 12. 2010, Aufnahme bei der Autorin. 75 Vgl. Vorarlberg heute, ORF 2, gesendet am 23. 6. 2009; Kultur nach 6, Ö2, gesendet am 25. 6. 2009. 76 Vgl. Bruno Winkler, Textur des Erinnerns. Gestaltungskonzept für einen Erinnerungsplatz in Silbertal, in: Andreas Rudigier (Hg.), Jahresbericht 2010 der Montafoner Museen, des Heimatschutzvereins Montafon und des Montafon Archivs, Schruns 2009, 122–123, 122. 77 Zit. n.: Jutta Berger, Umstrittenes Kriegerdenkmal entfernt, Der Standard, URL: http:// derstandard.at/1245820078885/Silbertal-in-Vorarlberg-Umstrittenes-Kriegerdenkmal-entfernt (abgerufen 10. 8. 2017). 78 Vgl. ebd.
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USA aus betrieben werden, wo auch in solchen Fällen das Recht auf freie Meinungsäußerung besteht.79 Was mit dem beseitigten Kriegerdenkmal geschehen ist, ob es zerstört, der Granitblock zur anderweitigen Verwendung weiterverarbeitet wurde, oder aber im alten Zustand andernorts noch existiert, ist nicht bekannt und bleibt auch auf Nachfrage bei der Gemeindespitze am Ersten Vorarlberger Zeitgeschichtetag am 11. November 201680 ungeklärt: Der aktuelle Bürgermeister der Gemeinde Silbertal, Thomas Zudrell (ÖVP, freie KandidatInnen), beantwortet die im Plenum gestellte Frage damit, dass dies Geheimnis der Gemeinde bleibe. Ein Nachhaken ändert diese Antwort nicht.81 Eine Forderung nach Aufklärung über den Verbleib des ehemaligen Kriegerdenkmals von politischer Seite ist nicht bekannt.
2.4.2 Das Konzept für den Erinnerungsplatz Im Frühsommer 2009 werden vom Gestaltungsteam gemeinsam mit der Geschichtswerkstatt verschiedene Parameter festgelegt, welche der im Konzept der beauftragten Künstlerin vorgesehene Erinnerungsplatz erfüllen muss. Insgesamt ergeben sich sechs solcher Parameter : 1. Es soll eine Erklärung für die Neugestaltung integriert werden. 2. Bodennähe 3. Auch ZwangsarbeiterInnen, Flüchtlingen82 und Euthanasieopfern soll zukünftig gedacht werden. 4. Namentliche Nennung aller aus Silbertal stammenden und im Ersten und Zweiten Weltkrieg verstorbenen Soldaten. 5. Das ehemalige Kriegerdenkmal wird in die Neugestaltung nicht integriert. 6. Die Funktion des Platzes als ein zentraler Ortstreffpunkt soll berücksichtigt werden.83 Absicht der GestalterInnen ist eine Varianz bzw. Abwechslung der Sichtbarkeit von Steinplatten und Bepflanzung. Demnach sollen im Frühjahr Steinraster und 79 Vgl. Vorarlberg heute, ORF 2, 5. 8. 2010. 80 Vgl. 1. Vorarlberger Zeitgeschichtetag, Stand Montafon, URL: http://stand-montafon.at/stand/ medien/aktuelle-medieninfos/EinladungZeitgeschichteneu.pdf (abgerufen 23. 8. 2017). 81 Frage der Verfasserin an Bürgermeister Thomas Zudrell während einer Diskussionsrunde beim 1. Vorarlberger Zeitgeschichtetag am 11. 11. 2016, keine Aufnahme vorhanden. 82 Anm.: Auf einer Textplatte des 2010 eröffneten Erinnerungsplatzes Silbertal wird ein einziger Name unter der Überschrift „Flüchtling“ angeführt; Der Schriftzug lautet „Julja Serkals Riga 1862–Silbertal 1945“. Über die angeführte Person sowie Art und Grund ihrer Flucht ist weder am Erinnerungsplatz selbst noch andernorts etwas Schriftliches vermerkt. Vgl. Textplatten, Erinnerungsplatz Silbertal. 83 Vgl. Sarah Schlatter, Text Problematik Kriegerdenkmal 1, 2010 (unveröffentlichtes Manuskript), Kopie im Besitz der Verfasserin.
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Gruppierung der Textsteine, ab dem Frühsommer die gepflanzten Bergkräuter, welche über die Textplatten wachsen, sichtbar sein. Sarah Schlatter über die Ziele des Gestaltungsteams bei der Konzeptentwicklung: „Wir haben versucht, die Vergangenheit in der Gegenwart zu integrieren. Wir möchten mit der Form der Gestaltung weder Betroffenheit noch Verehrung auslösen. Die Informationen sind reduziert auf die Fakten […] Unsere Gestaltung möchte Silbertal einen Platz ermöglichen, an dem über Geschichte nachgedacht und an dem heute gelebt wird.“84
Auch soll den BetrachterInnen durch die Art der Platzgestaltung die Möglichkeit gegeben werden, ihre eigene Wahrnehmung von Zeit und Erinnerung zu erfahren.85
Abb. 2: Übersichtsplan Erinnerungsplatz Silbertal. Auf der oberen Seite der Abbildung ist der Treppenaufgang zum Friedhof und der Pfarrkirche zu sehen, das Oktogon stellt den Dorfbrunnen dar. (Quelle: Sarah Schlatter)
Der Silbertaler Erinnerungsplatz befindet sich auf dem Kirchenvorplatz in unmittelbarer Nähe des Dorfbrunnens. Bis zum Jahr 2008 ist diese Stelle in Privatbesitz und wird dann, um das neue Erinnerungskonzept überhaupt umsetzen zu können, der Besitzerfamilie von der Gemeinde Silbertal abgekauft. Auch der damalige Pfarrer der Gemeinde, Dekan Peter Bitschnau, verfolgt dieses Vorhaben, kommt allerdings zu spät. Als Gegner des neuen Gedenkens will er, nach
84 Ebd., 2. 85 Vgl. ebd.
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Auskunft der Mitglieder der Geschichtswerkstatt, eine entsprechende Veränderung am Kirchenvorplatz verhindern.86 Begehbar ist der neue Erinnerungsplatz über eines seiner beiden Gestaltungselemente, die Steinplatten: Diese sind gleich proportioniert, haben aber zwei unterschiedliche Größen: 105 Steinplatten sind in den Maßen 90x40 Zentimeter, drei Stück auf die Größe 70x160 Zentimeter zugeschnitten. Am Platz sind sie in vier verschiedenen Winkeln angeordnet, an mit Text versehenen Platten gibt es vier (drei große sowie eine kleineren Formats). Die knapp hundert textlosen Steinplatten sind als potenzielle Träger für Informationen gedacht, die in Zukunft noch auftauchen könnten. Auf den drei großen Textplatten sind Namen von im Ersten sowie im Zweiten Weltkrieg verstorbenen Soldaten, ZwangsarbeiterInnen, eines Flüchtlings sowie von Euthanasieopfern, die aus Silbertal stammten oder dort gelebt/gearbeitet haben, eingraviert. Der betextete Stein kleineren Formats ist mit der Erklärung zur erneuerten Gestaltung des Platzes sowie zu Josef Vallaster versehen:87 „2010. Hier stand seit 1968 [sic!] das Ehrenmal für Soldaten. 2009 wurde es entfernt, weil der als gefallen verzeichnete SS-Scharführer Josef Vallaster an der Ermordung tausender Menschen in der Tötungsanstalt Hartheim und im Vernichtungslager Sobibjr aktiv beteiligt war. Dort wurde er 1943 bei einem Häftlingsaufstand getötet. Eine Auseinandersetzung mit der Zeit des Nationalsozialismus hat in unserer Gemeinde eingesetzt.“88
Die Differenzierung der beiden Weltkriege durch ihre jeweiligen, sehr verschiedenen Kontexte sollen nach Vorstellungen des Gestaltungsteams durch eine Abstandhaltung der beiden Textplatten deutlich gemacht werden.89 Die beschrifteten Gedenktafeln befinden sich an jener Stelle, an der zuvor seit 1967 das ehemalige Kriegerdenkmal stand. Entgegen des Gefallenenkults und der Verehrung der im Krieg gefallenen Soldaten als Helden, die an den in Österreich vorwiegend in den 1950er-Jahren errichteten Kriegerdenkmälern abzulesen waren und großteils noch sind, wird die zuvor auf das Soldatengedenken beschränkte Erinnerung in Silbertal um weitere Personengruppen, die während des Zweiten Weltkriegs ihr Leben ließen, erweitert. Die aus Silbertal stammenden Soldaten sind zudem auf der jeweiligen Steinplatte (Erster bzw. Zweiter Weltkrieg) nicht mehr als Gefallene verzeichnet, sondern aus dem Opferkontext herausgelöst in ihrer im Krieg zugekommenen Funktion als Soldaten entsprechend auch als solche angeführt. Abgesehen von 86 Vgl. Interview mit Hannes Boric und Heidi Bitschnau, 29. 1. 2011. 87 Vgl. Sarah Schlatter, Präsentation für die Eröffnung des Erinnerungsplatzes im November 2010, 2010 (unveröffentlichtes Manuskript), 1, Kopie im Besitz der Verfasserin. 88 Erklärungstafel Erinnerungsplatz Silbertal. 89 Vgl. Schlatter, Problematik Kriegerdenkmal, 1.
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Abb. 3: Texttafeln Erinnerungsplatz Silbertal. (Quelle: Sarah Schlatter)
den im Ersten Weltkrieg gestorbenen Silbertaler Soldaten sind alle auf den Gedenktafeln verzeichneten Personengruppen mit Geburts- sowie Sterbeort angegeben.90 Im Gegensatz zur Beschriftung des ehemaligen Kriegerdenkmals sind die Namen der im Zweiten Weltkrieg vermissten Soldaten nicht mehr gesondert angeführt, sondern auf der entsprechenden Steinplatte in die alphabetisch geordnete Liste der Soldatennamen eingeordnet.91 Die Steinplatten als zweites Gestaltungselement des Erinnerungsplatzes ergänzend sind sechs verschiedene Sorten regionaler Nutz- und Heilpflanzen (Gelber Enzian, Johanniskraut, Meisterwurz, wilder Thymian, Storchenschnabel und Frauenmantel) zwischen die Steinplatten gepflanzt. Dem Konzept folgend soll es im Laufe der Zeit durch stetiges Versämen und durch Wachstum zu einer Veränderung des Platzes kommen. Der Zustand des Platzes soll so von der Aufmerksamkeit und Pflege durch die Gemeinde Silbertal abhängig gemacht werden. Erreicht werden soll dadurch das grundlegende Anliegen der GestalterInnen, nämlich die Wahrnehmbarmachung der Zeit durch den Erinnerungsplatz. Zudem ist beabsichtigt, dass das Verdecken bzw. Verdrängen von Vergangenheit durch eine mögliche Überwucherung der Stein- und Textplatten mangels entsprechender Pflege sichtbar wird,92 durch Zustand sowie Pflegegrad 90 Vgl. ebd. 91 Vgl. Textplatten, Erinnerungsplatz Silbertal. 92 Vgl. Sarah Schlatter, Text Problematik, 2.
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des Erinnerungsplatzes soll es demnach also zu einer Widerspiegelung der dörflichen Erinnerung kommen. Ein zusätzlicher Symbolcharakter wird der Bepflanzung des Platzes von der Geschichtswerkstatt und den GestalterInnen zugewiesen: „Wunden, körperliche wie seelische, die während der Zeit des Nationalsozialismus und auch in aktuellen Kriegsgebieten verursacht wurden und werden, können nicht ungeschehen gemacht werden. Pflanzen wirken auf der psychischen und physischen Ebene und können durch ihr Wesen einen Beitrag zur Linderung der seelischen und körperlichen Verwendung leisten.“93
Die im Konzept vorhandene Intention, seelische und körperliche Leiden durch die Verwendung von Heilpflanzen mit Symbolkraft bekämpfen zu wollen, wird bereits vor Bau des Erinnerungsplatzes von verschiedenen Seiten als verharmlosend und naiv kritisiert. So ist beispielsweise der symbolträchtige Einsatz von Heilkräutern in diesem Kontext auch für die zu der Kulturabteilung des Landes Vorarlberg gehörenden „Kommission für Kunst und Bau“ fragwürdig, die Opferthematik gehe dabei unter und weiche einer Harmonisierung.94 2.4.3 Zur Finanzierung des Erinnerungsplatzes Nach der Entwicklung eines Gesamtkonzepts für einen Erinnerungsplatz im Juni 2009 und dessen Präsentation im November 2009 wird das Konzept in Hinblick auf die Finanzierung im Frühjahr 2010 von Säly bei der Vorarlberger „Kommission für Kunst im öffentlichen Raum/Kunst und Bau“ eingereicht, dessen Vorsitz der Leiter der Kulturabteilung im Amt der Vorarlberger Landesregierung, Werner Grabher, innehat. Noch im Frühjahr/Sommer 2010 erfolgt eine Umgestaltung des zuvor eingereichten Konzepts, vor allem zur Kostenreduzierung und auf Grund einer vorzunehmenden Flächeneinschränkung, die vor allem auf den Einspruch der Pfarre Silbertal zurück zu führen ist. Das kostensowie platzreduzierte Konzept wird wieder an die Kommission übergeben, und nach mehreren Treffen der Kunstkommission mit VertreterInnen des Silbertaler Erinnerungsprojekts95 kommt es im August 2010 zu einer Tagung der Kommissionsmitglieder, des Gestaltungsteams, des Leiters der Geschichtswerkstatt, des Bürgermeisters Säly96 und dessen Nachfolgers Thomas Zudrell in Bregenz. Die Ansichten zwischen der Kommission und den VertreterInnen aus Silbertal über das Erinnerungskonzept divergieren stark: Kritikpunkte der Kom93 Winkler, Textur des Erinnerns, 122. 94 Vgl. E-Mail von Susanne Fink/Kulturabteilung des Landes Vorarlberg an die Verfasserin, 28. 4. 2011. 95 Vgl. ebd. 96 Anm.: seit den Gemeinderatswahlen im März 2010 Altbürgermeister.
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mission sind unter anderem dessen Bodennähe, die Hervorhebung von Vallaster in Form einer schriftlichen Erklärung und die fehlende klare Aussage des Erinnerungsplatzes.97 Entsprechende Änderungen am Konzept werden als Voraussetzung für den Erhalt von finanzieller Unterstützung durch die Kunstkommission des Landes gefordert, mangels Kompromissbereitschaft kommt es zu keiner Einigung.98 Aus dem Ergebnisprotokoll der Tagung: „Die Kunstkommission würdigt wiederholt die Initiative und den bisherigen Prozess der Aufarbeitung der jüngeren Geschichte in der Gemeinde Silbertal anlässlich des Falles Vallaster. Auf Basis der in dieser Sitzung zusätzlich erhaltener [sic!] Informationen und der anschließenden intensiven Diskussion wird folgendes festgehalten: Die Kunstkommission wurde zu einem Zeitpunkt mit der Thematik befasst, an dem das Projekt schon weit fortgeschritten war und durch einen Gemeindebeschluss in seiner Ausführung terminisiert ist. Die Diskussion hat ergeben, dass die grundsätzlich vorgebrachten Bedenken nicht entkräftet werden konnten. Aus diesen Gründen überwiegt der landeskundliche den künstlerischen Aspekt des Projektes. Im Dialog mit den Projektanten gewann die Kunstkommission den Eindruck, dass der mit dem Projekt verbundene Prozess noch im Gange ist.“99
Den Verantwortlichen des Silbertaler Projektes wird von der Kommission eine zweistufige Weiterarbeit empfohlen: Erst nach einer Präsentation und Formalisierung des Aufarbeitungsprozesses soll mit dessen Visualisierung begonnen werden.100 Die VertreterInnen aus Silbertal entscheiden sich jedoch gegen die von der Kommission geforderten Änderungen und beharren auf der Umsetzung des präsentierten Konzeptes. Trotz der ausgebliebenen Einigung setzt sich der Vorsitzende der Kommission und damalige Leiter der Kulturabteilung des Landes Vorarlberg, Werner Grabher, für eine anderweitige Unterstützung des Silbertaler Vorhabens ein,101 wodurch seitens des Landes Vorarlberg Gelder aus dem „Topf für Strukturförderung“ und dem „landeskundlichen Topf“ zur Verfügung gestellt werden. Insgesamt handelt es sich dabei um 16 800 Euro,102 etwas mehr als ein Viertel der sich nach der Kosteneinschränkung im Frühjahr 2010 auf etwa 60 000 Euro belaufenden Gesamtkosten für den Erinnerungsplatz. Schlussendlich trägt etwa die Hälfte des finanziellen Aufwandes die Gemeinde Silbertal selbst,103 eine weitere öffentliche Förderung erhält das Projekt vom „Stand Montafon“. Für den Rest der Kosten, etwa 13 000 Euro, welche die Neuerrichtung des Erinnerungsplatzes mit sich bringt, kommen Firmen aus der 97 98 99 100 101 102 103
Vgl. E-Mail Fink, 28. 4. 2011. Vgl. Interview mit Bruno Winkler, 3. 2. 2011. Zitiert in: E-Mail Fink, 28. 4. 2011. Vgl. ebd. Vgl. Interview mit Bruno Winkler, 3. 2. 2011. Vgl. Kultur nach 6, Radio Vorarlberg, Ö2, gesendet am 15. 9. 2010. Vgl. E-Mail von Bruno Winkler an die Verfasserin, 8. 4. 2011.
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Region, etwa die „Montafonerbahn AG“ und die „Vorarlberger Illwerke“ sowie eine während der Erinnerungsarbeit entstandene und von Winkler als „Interessensnetzwerk“ bezeichnete Gemeinschaft von PrivatinvestorInnen auf: Vor allem innerhalb des Bekanntenkreises der überall auf der Welt verstreuten Nachkommen der Ethnologin Eugenie Goldstern, mit deren Geschichte sich die Geschichtswerkstatt auseinandergesetzt hatte,104 wird eine regelrechte „Sammelaktion“ in Kraft gesetzt.105
2.5
Die Rolle der Medien innerhalb der Debatte
Während der Debatte um das Silbertaler Kriegerdenkmal nehmen die Medien zwei verschiedene Funktionen ein: Die erste Funktion entspricht ihrer Grundfunktion als berichtende Instanz, wobei vor allem in Printmedien106 und Radiosendungen107 über die jüngsten Entwicklungen in Silbertal berichtet wird, aber auch im Fernsehen108 und auf diversen Internetseiten. Die bis zur Eröffnung des Erinnerungsplatzes im November 2010 dreieinhalb Jahre andauernde Berichterstattung beschränkt sich hinsichtlich der Reichweite auf Vorarlberg, Ausnahmen bilden nur die Tageszeitung „Der Standard“ sowie das auf ORF2 ausgestrahlte Wochenmagazin „Report“, das im Herbst 2008 die Ereignisse in der Gemeinde Silbertal schildert.109 Die berichtende Funktion wird im Zuge der Debatte ergänzt durch eine wertende und mitgestaltende Funktion der Medien: Untersucht man die Zeitungsartikel, Fernseh- und Radioberichte, die seit Juni 2007 bis hin zur Eröffnung des Erinnerungsplatzes im November 2010 veröffentlicht wurden, stellt man fest, dass ab Ende 2007/Anfang 2008 keine kritischen Stimmen von Seiten der Medien mehr laut werden: Werden zu Beginn der Debatte noch Reaktionen aus der Gemeinde Silbertal bezüglich der veröffentlichten Informationen zu Vallaster und dessen Nennung auf dem Kriegerdenkmal öffentlich gemacht,110 die Qualifikation der Geschichtswerkstatt als aufarbeitende Instanz angezweifelt und auch die Entscheidungsmacht in der Behandlung der Thematik auf Ge-
104 Anmerkung: Es besteht kein direkter Bezug zu Josef Vallaster. 105 Vgl. Interview mit Bruno Winkler, 3. 2. 2011. 106 Anm. Tageszeitungen „Vorarlberger Nachrichten“ und „Neue“, „Zeitschrift für Kultur und Gesellschaft“, amtliche Mitteilungsblätter wie „Montafoner Standpunkt“ und „Gemeindeblatt Silbertal“. 107 Anm. „Vorarlberger Landesrundschau“, „Kultur nach 6“. 108 Anm. Vorarlberg heute, ORF2. 109 Vgl. Report, ORF2, 21. 10. 2008. 110 Vgl. „Das ist einfach kein Thema“,Vorarlberger Nachrichten.
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meindeebene hinterfragt,111 wandelt sich die erst sehr kritische Berichterstattung über die Entwicklungen in Silbertal und die Arbeit der Geschichtswerkstatt hin zu einem anerkennenden, unterstützenden Moment. Was die Mitgestaltung der Debatte angeht, ist der Aspekt offener Kooperation der Medien mit der Silbertaler Initiative zu nennen: So sind im Oktober 2008 mit Jutta Berger von „Der Standard“, Markus Barnay vom ORF und Laura Schmidt von den „Vorarlberger Nachrichten“ drei MedienvertreterInnen Teil der Reisegruppe, die eine von der Geschichtswerkstatt veranstaltete Exkursion in die polnische Stadt Lublin112 und ins ehemalige Vernichtungslager Sobibjr macht.113 Bruno Winkler selbst bezeichnet die starke Einbindung der JournalistInnen in die Aktivitäten der Geschichtswerkstatt als eine Form von „bewusstem Lobbying“, welches bei der Verwirklichung der Ziele helfen soll.114 Die Medien eröffnen der Geschichtswerkstatt die Möglichkeit einer Zusammenarbeit als „funktionierendes Netzwerk“,115 was auch die Analyse der während der Debatte veröffentlichten Zeitung,- Fernseh- und Hörfunkberichte belegt.116 Jutta Berger sieht die Rolle der Medien als die Diskussion auslösende und den damaligen Bürgermeister die Relevanz des Themas erkennen lassende Instanz, und bestärkt Winklers Beschreibung eines „funktionierenden Netzwerks“.117
III.
Ein Rückblick auf die Debatte sowie Folgen der Neukontextuierung des dörflichen Gedenkens in Silbertal
Die von der Geschichtswerkstatt Silbertal im Jahr 2007 angestrebte Arbeitsweise, der Einsatz von historischem Fachwissen mit einem Fokus auf Oral History, wurde in der intensiven Bearbeitung der beiden inhaltlichen Schwerpunkte umgesetzt: Einerseits in der Auseinandersetzung mit der Tatsache, dass bis zu dessen Entfernung auf dem örtlichen Kriegerdenkmal einem NS-Verbrecher als 111 Vgl. „Nur nicht anecken“, Vorarlberger Nachrichten ; Diskussionsgespräch in Kultur nach 6, Ö2, 11. 12. 2007. 112 Die Dienststelle des SS- und Polizeiführers Odilo Globocnik in Lublin war von Reichsführer-SS Heinrich Himmler mit der Durchführung der „Aktion Reinhardt“ beauftragt. Vgl. Bertrand Perz, The Austrian Connection. SS and Police Leader Odilo Globocnik and His Staff in the Lublin District, in: United States Holocaust Memorial Museum (Hg.), Holocaust and Genocide Studies 29 (2015) 3, 400–430. 113 Vgl. Vorarlberg heute, 17. 10. 2008. 114 Vgl. Interview mit Bruno Winkler, 3. 2. 2011. 115 Interview mit Bruno Winkler, 3. 2. 2011. 116 Vgl. Antonia Winsauer, Hartheim, Sobibjr und Josef Vallaster. Die Silbertaler Kriegerdenkmaldebatte als Folge einer Konfrontation mit der nationalsozialistischen Vergangenheit, Dipl. Arb., Wien 2011, 131–138 (Verzeichnis der analysierten Medienberichte). 117 Vgl. E-Mail von Jutta Berger an die Verfasserin, 24. 8. 2017.
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Gefallener gedacht wurde, und andererseits in der Thematisierung der Opfer des NS-Regimes. Zudem kommt es zur Beantwortung der den historischen Kontext betreffenden Fragen durch die Geschichtswerkstatt, etwa der Situation in Silbertal während der NS-Zeit. Das von der Silbertaler Initiative selbstgesteckte Ziel, eine Etablierung des Erinnerungsprojektes „als Beispiel einer gelebten und allseits geschätzten Erinnerungskultur“,118 erfüllt sich nur in der bis zur Eröffnung des Erinnerungsplatzes andauernden vielschichtigen Zusammenarbeit sowie im öffentlichen Zuspruch von außen: Der positiven Reaktion auf die durch den Bau des Erinnerungsplatzes erfolgte und an den Wissensstand von 2010 angeglichene Neukontextuierung des dörflichen Gedenkens, die sich am Platz selbst nicht mehr über die Heldenverehrung definiert, steht innerhalb der Gemeinde Silbertal bereits während der Debatte ein Meinungsbild gegenüber, welches sich im Zuge der dreieinhalb Jahre andauernden Entwicklungen vor allem durch mehrschichtige Widerstände und Kritik seitens der Silbertaler Bevölkerung119 und des damaligen Ortsvertreters der katholischen Kirche, Dekan Peter Bitschnau, welcher der Eröffnung des Erinnerungsplatzes demonstrativ fernblieb, äußert. An Hand des Beispiels Silbertal bestätigt sich der seit den 1980er-, frühen 1990erJahren abzeichnende Entwicklungsprozess, dass die österreichische Gedenkkultur immer mehr von privaten bzw. zivilgesellschaftlichen Initiativen getragen wird, und im Gegensatz dazu die katholische Kirche neben Kameradschaftsbund und Bundesheer als bisherige die Gedenkkultur prägende Körperschaften zurücktreten. So waren auch Bundesheer und Vertreter des Vorarlberger Kameradschaftsbundes in den Erinnerungsprozess nicht involviert und blieben wie die VertreterInnen der katholischen Kirche der Eröffnung des Platzes fern.120 Fungiert die Gemeinde Silbertal bzw. deren Spitze nach der Einweihung des Kriegerdenkmals 1968 auch im Zuge der Neukontextuierung des dörflichen Gedenkens von 2007 bis 2010 als hauptgestaltende und entscheidende Instanz, so lässt sich im Jahr 2017 an Hand des von der Gemeinde umgesetzten Erinnerungsplatzes eine Kehrtwendung bzw. ein Stillstand innerhalb der dörflichen Erinnerungskultur Silbertals feststellen:
118 Bruno Winkler mit Geschichtswerkstatt Silbertal, Aspekte, Internetauftritt Katholisches Bildungswerk. 119 Anm.: Von Seiten Bruno Winklers und der Geschichtswerkstattmitglieder Heidi Bitschnau und Hannes Boric wurden dorfinterne Widerstände, angetrieben beispielsweise von einer Angst um eine Thematisierung belasteter Familien aus der Gemeinde, der Distanzierung mancher BürgerInnen von den Geschichtswerkstattmitgliedern sowie der Forderung, die Vergangenheit ruhen zu lassen, geschildert. Diese Widerstände erhielten jedoch nie Öffentlichkeitscharakter. Vgl. dazu Interview mit Hannes Boric und Heidi Bitschnau, 29. 1. 2011; Interview mit Bruno Winkler, 3. 2. 2011. 120 Anm.: Die Verfasserin war bei den Eröffnungsfeierlichkeiten im November 2010 anwesend.
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Blickt man im Sommer 2017, bald sieben Jahre nach Eröffnung des Platzes, auf die bisherige Entwicklung der beiden Gestaltungselemente Steinplatten und Pflanzen zurück, so ist zwar keine Änderung auf inhaltlich-textueller Ebene zu nennen, jedoch im Bereich der Bepflanzung: Von der einst befürchteten Überwucherung der (Text-)Platten durch die mitkonzipierten regionalen Pflanzen kann nicht die Rede sein, vielmehr ist beim Begehen des Platzes in den Frühlingsund Sommermonaten keine der sechs gepflanzten heimischen Heilpflanzensorten mehr zu sehen, stattdessen Klee, Gras und Löwenzahn. Demzufolge zeigt sich, dass das Anliegen des Gestaltungsteams, nämlich die Wahrnehmbarmachung der Zeit durch den Erinnerungsplatz und die mögliche Überwucherung der Bepflanzung bei Vernachlässigung der Pflege, nicht planmäßig verläuft: Nicht ein Gestaltungselement ergänzt oder überwuchert das zweite, sondern das eine ist komplett verloren gegangen und der Erinnerungsplatz so, wie er nur wenige Jahre zuvor konzipiert war, zur Hälfte verschwunden. Möchte man nun die dörfliche Erinnerungskultur, wie von der Geschichtswerkstatt Silbertal und seinem Gestaltungsteam gewünscht, am Zustandes des Platzes messen, so ist die Bilanz wohl auf die falsche bzw. mangelnde Pflege der Bepflanzung zurück zu führen: Durch Beobachtung der Entwicklungen am Erinnerungsplatz, von Sarah Schlatter fotografisch festgehalten, ist ersichtlich, dass die Heilpflanzen durch Einsatz des Rasenmähers und versäumtes Jäten durch die Silbertaler Gemeindearbeiter verschwunden sind. Genauso wenig wachstumsfördernd ist die Benutzung des Erinnerungsplatzes für die Ablage von Schneemassen in den Wintermonaten der ersten Jahre seit seiner Errichtung, eine leichte Schädigung der Steinplatten durch die Schneeketten des Traktors ist bereits vorhanden.121 Das von der Geschichtswerkstatt 2007 formulierte Ziel, „die Projektergebnisse sollten als wirkungsvoller und nachhaltiger Schutz gegen bisherige Imageschäden (insbesondere in den Medien) dienen, und den ramponierten Ruf des Dorfes in öffentliche Anerkennung und Respekt transformieren“,122 wurde im Rahmen der Werkstattarbeit bis zu deren Ende im November 2010 hingegen erreicht. Eine öffentliche Anerkennung erhielt Silbertal nicht zuletzt auch von der Vorarlberger Landesregierung, welche trotz Scheitern des bodennahen Konzepts bei der „Kommission für Kunst und Bau“ finanzielle Mittel beisteuerte, und mit der damaligen Landesrätin für Kultur, Andrea Kaufmann (ÖVP), eine Vertreterin der Landespolitik im November 2010 die Eröffnungsrede in Silbertal halten ließ. 121 Vgl. Sarah Schlatter, Zur visuellen Erfahrung des Erinnerungsplatzes Silbertal, URL: http:// www.sarahschlatter.com/Erinnerungsplatz%20Silbertal/Ueberblick%20von%202011%20 bis%202015.html (abgerufen 18. 8. 2017); mehrfache Besichtigung des Platzes durch die Verfasserin. 122 Bruno Winkler mit Geschichtswerkstatt Silbertal, Aspekte, Internetauftritt Katholisches Bildungswerk.
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Die Tatsache, dass das Konzept in der Weiterentwicklung des Erinnerungsplatzes durch dessen fehlende Pflege teilweise gescheitert ist, zeigt: Die Gefahr einer von der Berggemeinde Silbertal und der Initiative Geschichtswerkstatt so gefürchteten „Imageschädigung“ der Gemeinde in ihrem Umgang mit der NSVergangenheit ist nicht gebannt. „Wahrscheinlich müssen die Medien erneut tätig werden“123 – falls diese Einschätzung von Journalistin Berger in Zukunft eintreten sollte, wäre ein erneuter Aufruhr in und um die Gemeinde Silbertal gut möglich. Aber ist es die Angst um den Ruf eines Dorfes, die nach Beendigung des Projekts 2010 antreibende Motivation sein sollte, die Funktion des Erinnerungsplatzes als Ort des Gedenkens aufrechtzuerhalten bzw. aufleben zu lassen? Seit der Eröffnung des Platzes kann jedenfalls nicht mehr von einer dorfintern „gelebten und allseits geschätzten Erinnerungskultur“124 gesprochen werden, nach Abklingen des Medieninteresses herrscht Stillstand am Erinnerungsplatz Silbertal. Wie wird zukünftig in Silbertal erinnert werden, ohne aktives Weitertragen des so insistierend umgesetzten bodennahen Konzepts? Wie lange noch wird das in Stein gemeißelte Erinnern an die Opfer des NS-Regimes, an die Soldaten des Ersten und Zweiten Weltkriegs, und die ebenfalls auf einer Steinplatte angebrachte Information zu Josef Vallaster mit fortschreitender Abnutzung der Platten lesbar sein? Nicht zuletzt stellt sich am Beispiel Silbertal die Frage, ob bei einer radikalen Umgestaltung der Formensprache örtlichen Gedenkens, bei der die beteiligten und fördernden Institutionen die gesamte Verantwortung für ein aktives Weitertragen und die Instandhaltung des Erinnerungszeichens an die Gemeinde delegieren, nicht auch die Gefahr besteht, dass aus einer neu definierten Erinnerungskultur eine Kultur des Vergessens wird.125
123 E-Mail Berger, 24. 8. 2017. 124 Bruno Winkler mit Geschichtswerkstatt Silbertal, Aspekte, Internetauftritt Katholisches Bildungswerk. 125 Der Artikel basiert auf der gleichnamigen Diplomarbeit der Verfasserin. Antonia Winsauer, Hartheim, Sobibjr und Josef Vallaster, Dipl. Arb., Univ. Wien 2011.
Abstracts
War and Photography. New aspects of an old relationship in a transnational and postcolonial perspective, edited by Markus Wurzer and Birgit Kirchmayr Diana M. Natermann White Masculinity/ies during the Maji-Maji-War. A Post-Colonial Discussion on German-Tanzanian Colonial Photography This article aims at presenting how colonial photography from the former colony of German East Africa helped construct and maintain the whiteness and masculinity/ies of white German colonisers. Furthermore, the author uses visual history and photographic sources to highlight the necessity of applying postcolonial theories for the re-evaluation of colonial sources from the late nineteenth and early twentieth centuries with the goal of changing the existing narrative. White culture was often practiced in order to maintain the idea(l) of European supremacy, for example by upholding white military cultures. By combining colonial history with whiteness studies in an African setting the author provides a different understanding of imperial realities as they were experienced by colonisers in situ.
David Low Resistance and Renewal: Ottoman Armenian ‘Soldiers’ Photography’ during the First World War Looking beyond the photographs of Armenians as victims of genocide, this article addresses images in which Ottoman Armenians actively engaged in the First World War addressed the camera in order to forge their own representations of themselves, their experiences and their aspirations. The author examines
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photographs produced by the small number of Ottoman Armenians who volunteered in Russian battalions, before continuing by looking at photographs produced by those who took up arms in response to the state’s genocidal campaign. The author argues that, through the performances of idealised selves, Armenians endeavoured to position themselves not as the objects of violence but as the subjects of history. Finally, the author examines the varied roles of these self-fashionings, from private tokens to public communications, and their participation in wartime tropes and specific themes of resistance and renewal.
Markus Wurzer The (Re-)Production of Differences in a Colonial Regime of Violence. Private Photographic Practice from the 1935–1941 Italo-Abyssinian War This article presents a case study of a colonial officer, who served in the Italian colonies in East Africa from 1939 to 1941. During his war deployment he took dozens of photographs, which he sent home via field post to his family in Northern Italy. Drawing on this historical material, the author investigates the visual (and textual) practises the colonial officer used to express his feelings of belonging by writing himself into categories such as race, gender, and nation. Concepts of un/doing difference (Hirschauer) and performance theory provide the theoretical frameworks for the analysis of the visual sources. By investigating these sources, complex and contradictory patterns of difference on which perceived colonial hegemonies depended become evident.
Olli Kleemola Killed Soviet female soldiers and civilian women photographed by Finnish and German soldiers at the Eastern front 1941–1945 The subject of this article are photos, which were taken by Finnish and German soldiers during the Second World War. They portray dead Soviet women, both civilian and soldiers. By analyzing these photographs from a comparative viewpoint, the author seeks to discuss the different meanings soldiers gave to these photos as well as the different ways of photographing dead women in both countries. The article shows that photographing dead women was often caused by fear, hatred or sexual needs – or all of them together. The reasons to capture such motifs may have been unclear even for the photographers themselves. In addition to discussing the meanings and reasons of these photographs, the author also discusses the ethical problems that may arise by using such photographs.
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Antonia Winsauer Hartheim, Sobibjr and Josef Vallaster. The Silbertal war memorial debate as a consequence of a confrontation with the National Socialist past The focus of this paper is the debate on the war memorial established in 1967 in Silbertal/Vorarlberg as well as the changes concerning the commemoration within the village resulting therefrom. Due to a media report, it was revealed that Josef Vallaster, listed as a “soldier killed in action” on the memorial, had been involved in the foundation and operation of the killing facility Hartheim and had also held a key position within “Aktion Reinhardt”. The paper describes the developments of the debate lasting from 2007 until 2010, analyses the role of municipality, regional politics, media and the initiative “Geschichtswerkstatt” and deals with the consequences of the commemoration’s new contextualisation in Silbertal.
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Albert Manke/Katerˇina Brˇevinov# (Hg.), Kleinstaaten und sekundäre Akteure im Kalten Krieg. Politische, wirtschaftliche, militärische und kulturelle Wechselbeziehungen zwischen Europa und Lateinamerika, Bielefeld 2016, 340 Seiten. Die Rolle von Kleinstaaten in der internationalen Politik des Kalten Krieges beschäftigt vor allem PolitologInnen seit den 1960er-Jahren. Aufgrund der Dynamik postkolonialer Allianzbildung und der Formierung der Blockfreien Bewegung stellte sich die Frage nach den Einflussmöglichkeiten der sogenannten „small powers“ immer stärker. Von der Mitte der 1960er- bis zur Mitte der 1970er-Jahre gelang es einem aus Staaten des Globalen Südens gebildeten Abstimmungsblock, Richtungsentscheidungen der Vereinten Nationen so stark zu beeinflussen, dass Akteure des Atlantischen Nordens zu einer Gegenoffensive ansetzten, die – manch überzeugender Analyse zufolge1 – in die neoliberale Hegemonie unserer Gegenwart führte. Neben tonangebenden Akteuren des Globalen Südens wie Indien, Ägypten und China entwickelten Kleinstaaten wie Kuba ihre eigenen Politiken, die teils nachhaltigen Einfluss auf die Weltpolitik haben sollten. Der Frage, wie sich die Kleinstaaten Zentraleuropas an dieser Dynamik beteiligten, geht nun ein faszinierender Sammelband nach, der sich auf die Achse Europa – Lateinamerika konzentriert. Der Löwenanteil der empirischen Beiträge stammt aus dem Umfeld des Iberoamerikanischen Zentrums an der Metropolitanen Universität Prag. Dessen äußerst rege Forschungsarbeit zu transatlantischen Beziehungen mit Lateinamerika brachte in den letzten Jahren schon einige für HistorikerInnen des „globalen Kalten Krieges“2 bereichernde Publikationen in spanischer3 und englischer4 Sprache hervor. Nun liegen diese Ergebnisse, bereichert um Fallstudien zu beiden deutschen Staaten und Österreich und konzeptionell mit dem Begriff der Kleinstaatlichkeit gefasst, auch in deutscher Sprache vor. Auf die einleitende Einordnung des Themas in die rezenten Forschungsansätze zum Kalten Krieg folgt denn auch ein Bestimmungsversuch des Leitbegriffes Kleinstaat. Mitchell Belfer betont zwei Elemente: Bevölkerungszahl und Territorium unter Berücksichtigung der nachhaltigen Ressourcengrundlage. Die 1 Siehe: David Harvey, A Brief History of Neoliberalism, New York 2005; Vijay Prashad, The poorer Nations. A possible history of the Global South, New York 2012. 2 Odd Arne Westad, The global Cold War. Third World interventions and the making of our times, Cambridge 2005. 3 Josef Opatrny´/Michal Zourek/Lucia Majl#tov#/Maty#sˇ Pelant, Las relaciones entre Checoslovaquia y Am8rica Latina 1945–1989 en los archivos de la Repfflblica Checa, Prag 2015. 4 Mitchell Belfer/Katerˇina Brˇezinova (Hg.), Sondernummer des Central European Journal of International and Security Studies 7 (2013) 3.
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militärische Schlagkraft spielt für Belfer keine zentrale Rolle, was insofern erstaunt, als Kubas Ausnahmerolle im Kalten Krieg nicht zuletzt durch seine militärischen Interventionen in Afrika definiert wird; und weil – freilich außerhalb Lateinamerikas – eine der aktuell brisantesten weltpolitischen Spannungen darin besteht, dass Nordkorea durch sein Atomwaffenprogramm den Status des „small power“ hinter sich gelassen hat und nun Großmächten in gewisser Weise auf Augenhöhe begegnet.5 Den Anfang der Fallstudien macht eine historische Untersuchung der tschechoslowakischen Lateinamerikanistik, insbesondere seit der Gründung des Zentrums für Iberoamerikanische Studien 1967, aus der Feder von Mark8ta Krˇ&zˇov#. Knapp zehn Jahre nach der Kubanischen Revolution und ein Jahr nach der Trikontinentalen Konferenz von Havanna gegründet, war es das erste „Area Studies“-Institut außerhalb Moskaus in der sogenannten Zweiten Welt. Krˇ&zˇov# zeigt, wie dieses Forschungsinteresse sich auch in anderen sozialistischen Bruderländern (DDR, Ungarn, Polen) verstärkte und transnationale Verbindungen zeitigte. Josef Opatrny´ fügt dieser wissenschaftshistorischen Analyse ihre Vorgeschichte hinzu, indem er die politischen Kontakte zu Lateinamerika in der Zwischenkriegszeit und die ökonomischen Verbindungen nach 1945 miteinander verschränkt. Die berühmte Waffenlieferung an Guatemala, die der CIA als Anlass für den ersten Regimesturz des Kalten Krieges in Lateinamerika diente, wird hier in einen regionalen Kontext gestellt. Freilich steht diese Schlüsselepisode des Kalten Krieges auch im Mittelpunkt eines eigenen Aufsatzes: Luk#sˇ Perutka legt eine mit neuen Quellen saturierte diplomatiegeschichtliche Einschätzung des Falles vor. Zwei Aufsätze widmen sich der kubanisch-tschechoslowakischen Geschichte. Mitherausgeber Alfred Manke erklärt die militärischen Beziehungen der frühen 1960er-Jahre, in denen Prag auch eine Verbindungsstelle zwischen dem gegenüber sowjetischer Machtpolitik oft aufsässigen Kuba und Moskau war. Daran wird die komplexe Zuordnungsmatrix des Kalten Krieges deutlich, in der Kleinstaaten des Globalen Südens sowohl der Zweiten als auch der Dritten Welt angehören und sich daher paradoxe Allianzkonstellationen ergeben konnten. Deren Entwicklung zeichnet Hana Bortlov#-Vondr#kov# anhand der Handelskontakte nach. Sie zeigt die unterschiedlichen Bedingungen in den beiden Ländern, die diese Beziehungen beeinflussten: der revolutionäre Gestus Kubas als Kontrapunkt zu reformistischen Tendenzen im Prag der späten 1960er-Jahre ebenso wie die unterschiedliche Handelsdisziplin der beiden Volkswirtschaften. Einen noch wechselhafteren Fall stellt das von Maty#sˇ Pelant behandelte 5 Siehe: Virginie Grzelczyk, Going it alone? North Korea’s adaptability as a small power in a changing world, in: Third World Thematics 1 (2016) 1, 63–78.
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brasilianisch-tschechoslowakische Verhältnis dar, das nach dem Militärputsch in Brasilien massiv abkühlte, letztlich aber von diplomatischem Pragmatismus bestimmt war – anders als im von Michal Zourek behandelten Fall Chiles, wo der Putsch Pinochets am 11. September 1973 ein klares Feinbild für eine Prager Außenpolitik schuf, die sich zudem seit 1968 streng an die Moskauer Linie hielt. Brasilien und Kuba sind auch Gegenstand zweier jener Artikel, die sich mit anderen europäischen Akteuren beschäftigen. Steve Cushion steuert eine konzise Analyse der frühen britischen Diplomatie gegenüber dem revolutionären Kuba bei, eine auf Foreign Office-Akten basierende Mikrogeschichte mit Blick aus der britischen Botschaft in Havanna. Der Fokus von Carlo Patti hinsichtlich der brasilianisch-westdeutschen Beziehungen ist die Nuklearpolitik des südamerikanischen Landes, entwickelt mit deutscher Hilfe. Hier stellt sich freilich die Frage, weshalb Brasilien oder die BRD als Kleinstaaten kategorisiert werden – eine Einordnung, die nachvollziehbarer ist im Falle der DDR und Argentiniens, deren Verhältnis vor der Aufnahme offizieller diplomatischer Beziehungen 1973 nicht zuletzt durch Spionageskandale bestimmt war (V&ctor Lafuente). Laurin Blechas Aufsatz über die Beziehungen zwischen dem neutralen Österreich und dem sandinistischen Nikaragua fügt dem Buch nicht nur eine weitere Dimension des Kalten Krieges hinzu, sondern durch die Analyse österreichischer Mediendiskurse auch ein zeitgeschichtlich höchst ergiebiges Quellengenre. Letzteres gilt auch für den Beitrag der Mitherausgeberin Katerˇina Brˇevinov# über die Präsenz der „Kino-Nation“ Tschechoslowakei in Lateinamerika, womit die Kulturhistorikerin an ihre Arbeiten über die tschechoslowakische Radiopropaganda anschließt. Sämtliche Beiträge bestechen durch die Erschließung neuer Quellenbestände. Aber auch aufgrund seiner Perspektivenvielfalt – diplomatische, ideologische, militärische, wirtschaftliche und kulturelle Beziehungen – und seines Fokus auf internationale Politik abseits der Großmächte stellt dieser Band eine Bereicherung für die Globalgeschichte des Kalten Krieges dar. Dr. Berthold Molden
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Herbert Dachs/Michael Dippelreiter/Franz Schausberger (Hg.), Radikale Phrase, Wahlbündnisse und Kontinuitäten. Landtagswahlkämpfe in Österreichs Bundesländern 1919 bis 1932 (Schriftenreihe des Forschungsinstituts für politisch-historische Studien der Dr. Wilfried-Haslauer-Bibliothek, Salzburg 57), Wien/Köln/Weimar 2017, 607 Seiten. In Anbetracht der personellen (Fast-nicht-)Ausstattung der Salzburger Haslauer-Bibliothek ist deren ungebremste Produktivität an publizierten geistes-, politik- und kulturwissenschaftlichen Monografien und Sammelbänden im selben Maß bemerkenswert,1 wie es ihr nicht nur gelingt, Forschungsdefizite und neue Forschungsfelder zu erkennen, sondern diese auch zu füllen. Wurde die Erste Republik auf Bundes- und somit auf Makroebene über Jahrzehnte sowohl historisch als auch politikwissenschaftlich auf breiter Basis erforscht,2 so gilt dies für die Mesoebene, also die Bundesländer, unter dem bundespolitischen Aspekt bzw. Paradigma von „massiven Spannungen und tiefgreifenden Sach- und Ideologiekonflikten“ (S. 7) keineswegs. 1 Mittlerweile ist Band 63 der Schriftenreihe erschienen. Vgl. http://http://www.boehlau-verlag. com/newbuchliste.aspx?id=5 (abgerufen 1. 9. 2017). 2 Vgl. als Überblicksdarstellungen Emmerich T#los/Herbert Dachs/Ernst Hanisch/Anton Staudinger (Hg.), Handbuch des politischen Systems Österreichs. Erste Republik 1918–1933, Wien 1995; Erika Weinzierl/Kurt Skalnik (Hg.), Österreich 1918–1938. Geschichte der Ersten Republik. 2 Bde., Graz/Wien/Köln 1983; Rolf Steininger, 12. November 1918 bis 13. März 1938: Stationen auf dem Weg zum „Anschluss“, in: Rolf Steininger/Michael Gehler (Hg.), Österreich im 20. Jahrhundert. Bd. 1: Von der Monarchie bis zum Zweiten Weltkrieg, Wien/ Köln/Weimar 1997, 99–151 sowie die punktuellen Analysen in Isabella Ackerl (Hg.), Geistiges Leben in Österreich der Ersten Republik. Auswahl der bei den Symposien in Wien am 11. und 13. November 1980 und am 27. und 28. Oktober 1982 gehaltenen Referate (Veröffentlichungen der wissenschaftlichen Kommission zur Erforschung der Geschichte der Ersten Republik 10), Wien 1986; Isabella Ackerl (Hg.), Österreich November 1918. Die Entstehung der Ersten Republik. Protokoll des Symposiums in Wien am 24./25. Oktober 1978 (Veröffentlichungen der wissenschaftlichen Kommission zur Erforschung der Geschichte der Ersten Republik 9), Wien 1986; Ludwig Jedlicka (Hg.), Österreich 1927 bis 1938. Protokoll des Symposiums in Wien, 23.–28. Oktober 1972 (Wissenschaftliche Kommission des Theodor-Körner-Stiftungsfonds und des Leopold-Kunschak-Preises zur Erforschung der Österreichischen Geschichte der Jahre 1918 bis 1938 1), Wien 1973; Rudolf Neck (Hg.), Die Ereignisse am 15. Juli 1927. Protokoll des Symposiums in Wien am 15. Juli 1977 (Wissenschaftliche Kommission des Theodor-Körner-Stiftungsfonds und des Leopold-Kunschak-Preises zur Erforschung der Österreichischen Geschichte der Jahre 1918 bis 1938, Bd. 5), Wien 1979; Rudolf Neck (Hg), Koalitionsregierungen in Österreich. Ihr Ende 1920 und 1966. Protokoll des Symposiums „Bruch der Koalition“ in Wien am 28. April 1980 (Wissenschaftliche Kommission des Theodor-Körner-Stiftungsfonds und des Leopold-Kunschak-Preises zur Erforschung der Österreichischen Geschichte der Jahre 1918 bis 1938 8), Wien 1985; Rudolf Neck/Isabella Ackerl (Hg.), Österreich im Jahr 1918. Berichte und Dokumente, Wien 1968; Rudolf Neck/ Isabella Ackerl (Hg.), Saint Germain 1919. Protokoll des Symposiums am 29./30. Mai 1979 in Wien (Wissenschaftliche Kommission zur Erforschung der Geschichte der Republik Österreich, Veröffentlichungen 11), Wien 1989.
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Insgesamt elf Autoren, die sich entweder der Geschichts- oder der Politikwissenschaft zuordnen lassen, analysieren in Summe 34 – und nicht, wie Dolezal fälschlicherweise schreibt, 36 (vgl. S. 571) – Wahlkämpfe als „Phasen verdichteter Kommunikation“ (S. 14) auf Landesebene. Sieht man von Oberösterreich (drei) und der Steiermark (fünf) ab, so wurden pro Bundesland vier Wahlkämpfe geführt, die – abgesehen von Tirol – von den Autoren (und es sind, von den Herausgebern nicht verschuldet, ausschließlich Autoren) analysiert werden. Die einzelnen Beiträge, auch wenn dies nicht konsequent durchgehalten wird, stecken eingangs den jeweiligen landespolitischen Rahmen (Parteien- und Medienlandschaft, Landesspezifika usw.) ab, bevor sie sich chronologisch den einzelnen Wahlkämpfen widmen. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass außer Salzburg alle Bundesländer von den Auswirkungen des Ersten Weltkrieges (territoriale Veränderungen, Trennung von Bundesländern etc.) betroffen waren. Ein weiterer zentraler Aspekt, der unmittelbar auf die Ergebnisse – allerdings, zumindest in den ersten Jahren, nicht so sehr auf die Wahlkampfführung – durchschlug und die doch beträchtlichen politischen Neukonfigurationen und veränderten Mehrheits- und Machtverhältnisse kausal beeinflusste, war das Wahlrecht. Dieses führte zum dramatischen Bedeutungsverlust des – historisch bedingt – ohnedies schon heterogenen „Dritten Lagers“, wovon sich dieses, auch wenn sich die politische Repräsentation in den einzelnen Landesregierungen nicht dermaßen massiv widerspiegelte, nicht mehr erholen sollte, bis es ab den frühen 1930er-Jahren schließlich von den anstürmenden und „das System“ sturmreifschießenden Nationalsozialisten3 völlig aufgesogen wurde. Als (unterschiedlich) intensiv konsultierte und durchdrungene Quellen dienen den Verfassern primär Zeitungs- bzw. Zeitschriftenbeiträge, die in zweiter Linie (auch quellenbedingt) durch Werbemittel wie Plakate, Filme, Kabarettprogramme, Schmähgedichte, Versammlungen und (im Zeichen der Militarisierung der Innenpolitik) Aufmärsche und Flugschriften sowie Bestände aus Landes- und Pfarrarchiven, autobiografische Materialen und stenografische Landtagsprotokolle ergänzt werden. Dieselbe Heterogenität gilt zum einen für die methodisch-theoretische Fundierung (von einer solchen kann eigentlich nur im Beitrag von Ernst Bezemek zu Niederösterreich – vgl. S. 135–182 – gesprochen werden) sowie zum anderen für die Verwendung und Integration der Sekundärliteratur.4 3 Vgl. Franz Schausberger, Ins Parlament, um es zu zerstören. Das parlamentarische Agi(ti)eren der Nationalsozialisten in den Landtagen von Wien, Niederösterreich, Salzburg und Vorarlberg nach den Landtagswahlen 1932 (Schriftenreihe des Forschungsinstituts für politischhistorische Studien der Dr. Wilfried-Haslauer-Bibliothek, Salzburg 1), Wien/Köln/Weimar 1995. 4 So schreibt Grilj im Steiermark-Beitrag (S. 385–428), es fehle „eine politische Biografie des Langzeit-Landeshauptmannes Anton Rintelen“ (S. 386). Diesbezüglich wäre er bei der,
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Charakteristisch für die Wahlkämpfe auf Landesebene bzw. die landespolitischen Spielräume war, dass die „Kernkompetenz und Gestaltungsspielräume […] für die Landespolitiker der Zwischenkriegszeit eng bemessen und die Aussichten auf positive landespolitische Entwicklungen überwiegend trist“ waren. „Dieses Ausweichen ins ideologisch Grundsätzliche wurde noch durch den Umstand befördert, dass in einer Reihe von Bundesländern die Landtagswahlen vielfach“, exakt 16 Mal (vgl. S. 572), und im krassen Gegensatz zur Zweiten Republik5 „mit den Terminen der bundesweiten Wahlen zum Nationalrat zusammengelegt wurden. Der damals, in der stark polarisierten Bundespolitik beobachtbare rhetorisch-ideologische ,Bürgerkrieg‘ dominierte dann auch weitgehend die Wahlwerbung in diesen Ländern.“ (S. 17f.) Allerdings wirke bei aller Schärfe der punktuellen, wahlkampfbedingten Auseinandersetzungen der – bis auf Vorarlberg und Wien – verfassungsmäßig verankerte Regierungsproporz (zumindest in der politischen Alltagspraxis) einigermaßen deeskalierend und konsensbildend, weshalb die bundespolitisch ab 1920 geltende und lediglich punktuell (z. B. Schulgesetzgebung 1925 und Verfassungsreform 1929)6 unterbrochene Polarität von bürgerlich-konservativ versus sozialdemokratisch bzw. von antimarxistisch versus (austro-)marxistisch für die Bundesländer in diesem Ausmaß und in dieser Schärfe nicht galt. Ein weiterer für die Länderebene zu konstatierender Unterschied sind die relative Stabilität der Regierungsbündnisse7 auf der einen Seite und die – wenn auch unterschiedlich ausgeprägten – personellen Kontinuitäten in der Person des jeweiligen Landeshauptmannes auf der anderen Seite. Ebenfalls von der Bundesebene unterscheiden sich die jeweiligen Wahlbündnisse auf Seiten des antimarxistischen Konservativismus, wobei die Christlich-Sozialen im Bundesländervergleich ein erstaunliches Maß an politisch-punktueller „Situationselastizität“ zeigten. Diese, bei allen mit den Sozialdemokraten verfassungsrechtlich erzwungenen landespolitischen Kooperationen zeigen eindeutig, dass der Feind (Gegner wäre für die Wahlkampfphasen fast schon zu euphemistisch) nicht im Zweifel, sondern grundsätzlich links stand. wenngleich nur teilweise überzeugenden, Dissertation von Peter Gorke fündig geworden. Vgl. Peter Gorke, Anton Rintelen (1876–1946). Eine polarisierende steirische Persönlichkeit. Versuch einer politischen Biografie, Graz 2002. 5 Zu den Landtagswahlkämpfen zwischen 1945 und 1970 vgl. Herbert Dachs (Hg.), Zwischen Wettbewerb und Konsens. Landtagswahlkämpfe in Österreichs Bundesländern 1945–1970 (Schriftenreihe des Forschungsinstituts für politisch-historische Studien der Dr. WilfriedHaslauer-Bibliothek, Salzburg 28), Wien/Köln/Weimar 2017. 6 Vgl. bspw. Ernst Hanisch, Der lange Schatten des Staates. Österreichische Gesellschaftsgeschichte im 20. Jahrhundert, Wien 1994, 285. 7 Je nach Zählweise waren es auf Bundesebene 20 bzw. 21 (Dollfuß I: 20. Mai 1932 bis 21. September 1933) Kabinette unter zehn bzw. elf Bundeskanzlern. Vgl. Walter Kleindel, Österreich. Daten zur Geschichte und Kultur, o.O. o. J., 486–487.
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Zu bemängeln bzw. einzumahnen ist abseits der weiter oben punktuell angebrachten Kritik ein sorgfältiges inhaltlich-formales Lektorat. Eigennamen werden gelegentlich kursiv gesetzt, mit und ohne Ein- und Ausführungszeichen versehen und die (Kurz-)Belege weisen ein hohes Maß an Individualität (teilweise in ein und demselben Beitrag) auf. Einen Bundeskanzler Otto Bauer (vgl. S. 387) hat es ebenso wenig gegeben wie die Abschaffung des Regierungsproporzes in der Steiermark in den 1990er-Jahren (vgl. S. 565). Zudem – und das betrifft nicht nur diesen Sammelband, sondern eine Vielzahl vergleichbarer Publikationen – ist der Unterschied zwischen Prozent und Prozentpunkten bei Wahlergebnissen nicht nur ein semantischer, sondern ein fundamentaler. Formulierungen wie „Zusammenbruch der Demokratie“ (S. 586), „,Selbstauflösung‘ des österreichischen Parlaments im März 1933“ (S. 430) oder das „kleine Land hatte kaum Industrie, keine nennenswerten Bodenschätze“ (S. 520) changieren zwischen missverständlich und blankem Unsinn. Weiters ist es eine nicht notwendige, den Lesefluss störende Fleißaufgabe (bzw. unter dem Aspekt der formal richtigen Wiedergabe von Zitaten schlicht und einfach falsch), die korrekte, „alte“ Rechtschreibung mit einer Unzahl an „[sic]“ (und das auch noch ohne Rufzeichen) zu versehen.8 Darüber hinaus verweist Dolezal in seinem lesenswerten Resümee zurecht auf die über weite Strecken nicht ausgewerteten Wahlprogramme, auf den potenziell produktiven Einsatz quantifizierender Methoden bei den Medienanalysen und eine tieferschürfende Analyse der Wahlergebnisse (vor allem unter dem Aspekt, dass diese – teilweise – für Frauen und Männer getrennt vorliegen). (Vgl. S. 593f.). Trotz dieser Schwächen liegt ein äußerst informatives Werk vor, das von sich zurecht in Anspruch nehmen kann, einen „von der landeskundlichen Forschung weitgehend vernachlässigten Themenbereich“ (S. 152) nicht nur in Ansätzen, sondern über weite Strecken äußerst befriedigend abzudecken. Mag. Dr. Heinz P. Wassermann
8 Vgl. bspw. „Daß [sic] heißt aber auch, daß [sic] die Religion nicht von der Kirche zu politischen Zwecken mißbraucht [sic] werden darf.“ (S. 413)
Autor/innen
Birgit Kirchmayr, Assoz. Univ. Prof., Dr. Historikerin, Assoziierte Professorin am Institut für Neuere Geschichte und Zeitgeschichte der Johannes Kepler Universität Linz, [email protected] Olli Kleemola, Dr. Historiker, Universität Turku, Abteilung für Philosophie, Zeitgeschichte und Politikwissenschaft, [email protected] David Low, Dr. Art Historian, Visiting Scholar, BibliothHque Nubar de l’UGAB, Paris, dljlow55@ gmail.com Diana M. Natermann, Assistant Prof. Dr. Historikerin, Universiteit Leiden, History Department, d.m.s.m.natermann@ hum.leidenuniv.nl Antonia Winsauer, Mag.a Historikerin und Gymnasiallehrerin, 2017 Abschluss des Lehrgangs „Holocaust. Erinnerungskulturen. Geschichtsunterricht“ an der PH Salzburg und in Yad Vashem/Israel in Kooperation mit erinnern.at., [email protected] Markus Wurzer, Mag. Historiker, Karl-Franzens-Universität Graz, Institut für Geschichte, 2017/18 Junior Fellow am Internationalen Forschungszentrum Kulturwissenschaften (IFK) Wien, [email protected]
Zitierregeln Bei der Einreichung von Manuskripten, über deren Veröffentlichung im Laufe eines doppelt anonymisierten Peer Review Verfahrens entschieden wird, sind unbedingt die Zitierregeln einzuhalten. Unverbindliche Zusendungen von Manuskripten als word-Datei an: [email protected]
I.
Allgemeines
Abgabe: elektronisch in Microsoft Word DOC oder DOCX. Textlänge: 60.000 Zeichen (inklusive Leerzeichen und Fußnoten), Times New Roman, 12 pt, 1 12-zeilig. Zeichenzahl für Rezensionen 6.000–8.200 Zeichen (inklusive Leerzeichen). Rechtschreibung: Grundsätzlich gilt die Verwendung der neuen Rechtschreibung mit Ausnahme von Zitaten.
II.
Format und Gliederung
Kapitelüberschriften und – falls gewünscht – Unterkapiteltitel deutlich hervorheben mittels Nummerierung. Kapitel mit römischen Ziffern [I. Literatur], Unterkapitel mit arabischen Ziffern [1.1 Dissertationen] nummerieren, maximal bis in die dritte Ebene untergliedern [1.1.1 Philologische Dissertationen]. Keine Interpunktion am Ende der Gliederungstitel. Keine Silbentrennung, linksbündig, Flattersatz, keine Leerzeilen zwischen Absätzen, keine Einrückungen; direkte Zitate, die länger als vier Zeilen sind, in einem eigenen Absatz (ohne Einrückung, mit Gänsefüßchen am Beginn und Ende). Zahlen von null bis zwölf ausschreiben, ab 13 in Ziffern. Tausender mit Interpunktion: 1.000. Wenn runde Zahlen wie zwanzig, hundert oder dreitausend nicht in unmittelbarer Nähe zu anderen Zahlenangaben in einer Textpassage aufscheinen, können diese ausgeschrieben werden. Daten ausschreiben: „1930er“ oder „1960er-Jahre“ statt „30er“ oder „60er Jahre“. Datumsangaben: In den Fußnoten: 4. 3. 2011 [Leerzeichen nach dem Punkt, nicht 04. 03. 2011 oder 4. März 2011]; im Text den Monat ausschreiben [4. März 2011]. Personennamen im Fließtext bei der Erstnennung immer mit Vor- und Nachnamen. Namen von Organisationen im Fließtext: Wenn eindeutig erkennbar ist, dass eine Organisation, Vereinigung o. Ä. vorliegt, können die Anführungszeichen weggelassen werden: „Die Gründung des Öesterreichischen Alpenvereins erfolgte 1862.“ „Als Mitglied im Womens Alpine Club war ihr die Teilnahme gestattet.“ Namen von Zeitungen/Zeitschriften etc. siehe unter „Anführungszeichen“.
Anführungszeichen im Fall von Zitaten, Hervorhebungen und bei Erwähnung von Zeitungen/Zeitschriften, Werken und Veranstaltungstiteln im Fließtext immer doppelt: „“ Einfache Anführungszeichen nur im Fall eines Zitats im Zitat: „Er sagte zu mir : ,….‘“ Klammern: Gebrauchen Sie bitte generell runde Klammern, außer in Zitaten für Auslassungen: […] und Anmerkungen: [Anm. d. A.]. Formulieren Sie bitte geschlechtsneutral bzw. geschlechtergerecht. Verwenden Sie im ersteren Fall bei Substantiven das Binnen-I („ZeitzeugInnen“), nicht jedoch in Komposita („Bürgerversammlung“ statt „BürgerInnenversammlung“). Darstellungen und Fotos als eigene Datei im jpg-Format (mind. 300 dpi) einsenden. Bilder werden schwarz-weiß abgedruckt; die Rechte an den abgedruckten Bildern sind vom Autor/von der Autorin einzuholen. Bildunterschriften bitte kenntlich machen: Bild: Spanische Reiter auf der Ringstraße (Quelle: Bildarchiv, ÖNB). Abkürzungen: Bitte Leerzeichen einfügen: vor % oder E/zum Beispiel z. B./unter anderem u. a. Im Text sind möglichst wenige allgemeine Abkürzungen zu verwenden.
III.
Zitation
Generell keine Zitation im Fließtext, auch keine Kurzverweise. Fußnoten immer mit einem Punkt abschließen. Die nachfolgenden Hinweise beziehen sich auf das Erstzitat von Publikationen. Bei weiteren Erwähnungen Kurzzitat. Wird hintereinander aus demselben Werk zitiert bitte den Verweis „Ebd.“ bzw. mit anderer Seitenangabe „Ebd., 12.“ gebrauchen. Kein „Ders./ Dies.“ Zwei Belege in einer Fußnote mit „;“ trennen: Gehmacher, Jugend, 311; Dreidemy, Kanzlerschaft, 29. Bei Übernahme von direkten Zitaten aus der Fachliteratur „Zit. n.“ verwenden. Monografien: Vorname und Nachname, Titel, Ort und Jahr, Seitenangabe [ohne „S.“]. Beispiel Erstzitat: Johanna Gehmacher, Jugend ohne Zukunft. Hitler-Jugend und Bund Deutscher Mädel in Österreich vor 1938, Wien 1994, 311. Beispiel Kurzzitat: Gehmacher, Jugend, 311. Bei mehreren AutorInnen/HerausgeberInnen: Dachs/Gerlich/Müller (Hg.), Politiker, 14. Reihentitel: Claudia Hoerschelmann, Exilland Schweiz. Lebensbedingungen und Schicksale österreichischer Flüchtlinge 1938 bis 1945 (Veröffentlichungen des LudwigBoltzmann-Institutes für Geschichte und Gesellschaft 27), Innsbruck/Wien [bei mehreren Ortsangaben Schrägstrich ohne Leerzeichen] 1997, 45. Dissertation: Thomas Angerer, Frankreich und die Österreichfrage. Historische Grundlagen und Leitlinien 1945–1955, phil. Diss., Universität Wien 1996, 18–21 [keine ff. und f. für Seitenangaben, von–bis mit Gedankenstrich ohne Leerzeichen]. Diplomarbeit: Lucile Dreidemy, Die Kanzlerschaft Engelbert Dollfuß’ 1932–1934, Dipl. Arb., Universit8 de Strasbourg 2007, 29.
Ohne AutorIn, nur HerausgeberIn: Beiträge zur Geschichte und Vorgeschichte der Julirevolte, hg. im Selbstverlag des Bundeskommissariates für Heimatdienst, Wien 1934, 13. Unveröffentlichtes Manuskript: Günter Bischof, Lost Momentum. The Militarization of the Cold War and the Demise of Austrian Treaty Negotiations, 1950–1952 (unveröffentlichtes Manuskript), 54–55. Kopie im Besitz des Verfassers. Quellenbände: Foreign Relations of the United States, 1941, vol. II, hg. v. United States Department of States, Washington 1958. [nach Erstzitation mit der gängigen Abkürzung: FRUS fortfahren]. Sammelwerke: Herbert Dachs/Peter Gerlich/Wolfgang C. Müller (Hg.), Die Politiker. Karrieren und Wirken bedeutender Repräsentanten der Zweiten Republik, Wien 1995. Beitrag in Sammelwerken: Michael Gehler, Die österreichische Außenpolitik unter der Alleinregierung Josef Klaus 1966–1970, in: Robert Kriechbaumer/Franz Schausberger/ Hubert Weinberger (Hg.), Die Transformation der österreichischen Gesellschaft und die Alleinregierung Klaus (Veröffentlichung der Dr.-Wilfried Haslauer-Bibliothek, Forschungsinstitut für politisch-historische Studien 1), Salzburg 1995, 251–271, 255–257. [bei Beiträgen grundsätzlich immer die Gesamtseitenangabe zuerst, dann die spezifisch zitierten Seiten]. Beiträge in Zeitschriften: Florian Weiß, Die schwierige Balance. Österreich und die Anfänge der westeuropäischen Integration 1947–1957, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 42 (1994) 1, 71–94. [Zeitschrift Jahrgang/Bandangabe ohne Beistrichtrennung und die Angabe der Heftnummer oder der Folge hinter die Klammer ohne Komma]. Presseartikel: Titel des Artikels, Zeitung, Datum, Seite. Der Ständestaat in Diskussion, Wiener Zeitung, 5. 9. 1946, 2. Archivalien: Bericht der Österr. Delegation bei der Hohen Behörde der EGKS, Zl. 2/pol/57, Fritz Kolb an Leopold Figl, 19. 2. 1957. Österreichisches Staatsarchiv (ÖStA), Archiv der Republik (AdR), Bundeskanzleramt (BKA)/AA, II-pol, International 2 c, Zl. 217.301-pol/ 57 (GZl. 215.155-pol/57); Major General Coleman an Kirkpatrick, 27. 6. 1953. The National Archives (TNA), Public Record Office (PRO), Foreign Office (FO) 371/103845, CS 1016/205 [prinzipiell zuerst das Dokument mit möglichst genauer Bezeichnung, dann das Archiv, mit Unterarchiven, -verzeichnissen und Beständen; bei weiterer Nennung der Archive bzw. Unterarchive können die Abkürzungen verwendet werden]. Internetquellen: Autor so vorhanden, Titel des Beitrags, Institution, URL: (abgerufen Datum). Bitte mit rechter Maustaste den Hyperlink entfernen, so dass der Link nicht mehr blau unterstrichen ist. Yehuda Bauer, How vast was the crime, Yad Vashem, URL: http://www1.yadvashem.org/ yv/en/holocaust/about/index.asp (abgerufen 28. 2. 2011). Film: Vorname und Nachname des Regisseurs, Vollständiger Titel, Format [z. B. 8 mm, VHS, DVD], Spieldauer [Film ohne Extras in Minuten], Produktionsort/-land Jahr, Zeit [Minutenangabe der zitierten Passage]. Luis BuÇuel, Belle de jour, DVD, 96 min., Barcelona 2001, 26:00–26:10 min.
Interview: InterviewpartnerIn, InterviewerIn, Datum des Interviews, Provenienz der Aufzeichnung. Interview mit Paul Broda, geführt von Maria Wirth, 26. 10. 2014, Aufnahme bei der Autorin. Es können nur jene eingesandten Aufsätze Berücksichtigung finden, die sich an die Zitierregeln halten!