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German Pages 354 [360] Year 2022
Schriften zum Internationalen Recht Band 237
Kohärente Entwicklungszusammenarbeit durch Recht Das Für und Wider eines Gesetzes zur Steuerung der deutschen Entwicklungszusammenarbeit unter Berücksichtigung der Entwicklungsgesetze führender Geberstaaten
Von
Jan Stöhr
Duncker & Humblot · Berlin
JAN STÖHR
Kohärente Entwicklungszusammenarbeit durch Recht
Schriften zum Internationalen Recht Band 237
Kohärente Entwicklungszusammenarbeit durch Recht Das Für und Wider eines Gesetzes zur Steuerung der deutschen Entwicklungszusammenarbeit unter Berücksichtigung der Entwicklungsgesetze führender Geberstaaten
Von
Jan Stöhr
Duncker & Humblot · Berlin
Die Rechtswissenschaftliche Fakultät der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel hat diese Arbeit im Jahre 2022 als Dissertation angenommen.
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ISSN 0720-7646 ISBN 978-3-428-18680-8 (Print) ISBN 978-3-428-58680-6 (E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706
Internet: http://www.duncker-humblot.de
Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Frühling 2022 von der Juristischen Fakultät der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel als Dissertation angenommen. Sie wurde gefördert durch ein Landesgraduiertenstipendium der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel und befindet sich auf dem Stand von April 2022. Bei der Entstehung dieser Dissertation habe ich vielfältige Unterstützung erfahren, für die ich mich an dieser Stelle herzlich bedanken möchte. Hervorzuheben ist vor allem Frau Professorin Kerstin von der Decken, die diese Arbeit betreut hat, stets als Ansprechpartnerin zur Verfügung stand und durch zahlreiche Hinweise und Ratschläge wesentlich zu ihrem Gelingen beigetragen hat. Daneben danke ich Frau Professorin Nele Matz-Lück, LL. M. für die Erstellung des Zweitgutachtens und die darin enthaltenen Hinweise und Anmerkungen. Dank gebührt zudem Herrn Professor Philipp Dann, LL. M., der mit seiner Habilitationsschrift zum „Entwicklungsverwaltungsrecht“ wichtige Pionierarbeit geleistet hat, die maßgebliche Inspiration für die Idee zu diesem Werk war. Darüber hinaus gilt ein besonderer Dank meinen Freunden und meiner Familie, auf deren Unterstützung ich mich stets verlassen konnte. Dies gilt vor allem für meine Eltern und meine Schwester, die nicht nur diese Arbeit, sondern meine gesamte Ausbildung mit großem Interesse und liebevoller Unterstützung begleitet haben. Der größte Dank gilt meiner Frau. Ohne ihre Liebe und Unterstützung wäre dieses Projekt nicht denkbar gewesen. Ihr und unserem gemeinsamen Sohn ist diese Arbeit voller Dankbarkeit gewidmet. Kiel, Mai 2022
Jan Stöhr
Inhaltsübersicht Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23
Teil 1 Grundlagen
31
§ 1 Terminologien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 § 2 Recht und Kohärenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 A. Kohärenz in der Entwicklungszusammenarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 B. Entwicklungsrecht und Kohärenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 C. Das Entwicklungsrecht als Mehrebenensystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 § 3 Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 § 4 Untersuchungsumfang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 A. Inhaltliche Einschränkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 B. Die Vergleichsstaaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 § 5 Methodisches Vorgehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 § 6 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80
Teil 2 Einführung in die Entwicklungszusammenarbeit
82
§ 1 Genese der Entwicklungszusammenarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 A. Erste Erscheinungsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 B. Die Anfänge der modernen Entwicklungszusammenarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 C. Die Entwicklungszusammenarbeit im 21. Jahrhundert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 § 2 Sinn und Zweck der Entwicklungszusammenarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 § 3 Einführung in die deutsche Entwicklungszusammenarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 A. Akteure und Kompetenzverteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 B. Formen der Zusammenarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 C. Rechtsgrundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 § 4 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104
8
Inhaltsübersicht Teil 3 Der Begriff der Entwicklungszusammenarbeit
105
§ 1 Official Development Assistance (ODA) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 § 2 Einordnung der ODA-Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 § 3 Rechtsqualität der ODA-Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 A. Rechtliche Umsetzung in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 B. Rechtliche Umsetzung im Europa- und Völkerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 C. Rechtliche Umsetzung in den Entwicklungsgesetzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 § 4 Leitdefinition im Wandel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 § 5 Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128
Teil 4 Pflicht zur Entwicklungszusammenarbeit
130
§ 1 Bestehende Leistungsbeziehungen Deutschlands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 A. Die bilaterale Entwicklungszusammenarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 B. Die multilaterale Entwicklungszusammenarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 § 2 Abstrakte Leistungspflicht aus dem Völker- oder Europarecht? . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 A. Pflicht der Industriestaaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 B. Pflicht Deutschlands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 § 3 Entwicklungsgesetze als Rechtsgrundlage für Leistungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . 159 A. Abstrakte Pflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 B. Qualifizierte Pflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 § 4 Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164
Teil 5 Inhaltliche Steuerung der Entwicklungszusammenarbeit
167
§ 1 Das Interventionsverbot im Kontext der Entwicklungszusammenarbeit . . . . . . . . . . . 168 § 2 Auswahl der Empfängerstaaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 A. Steuerung der Auswahl in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 B. Ermessensreduktion durch das Völkerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 C. Ermessensreduktion durch das Europarecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 D. Rechtsvergleichende Untersuchung der Entwicklungsgesetze . . . . . . . . . . . . . . . . 185 E. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209
Inhaltsübersicht
9
§ 3 Auswahl der Entwicklungsprojekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 A. Steuerung der Auswahl in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 B. Ermessensreduktion durch das Völkerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 C. Ermessensreduktion durch das Europarecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 D. Rechtsvergleichende Untersuchung der Entwicklungsgesetze . . . . . . . . . . . . . . . . 222 E. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231
Teil 6 Interne Strukturierung der Geberstaaten
234
§ 1 Kompetenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 A. Kompetenzverteilung in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 B. Kompetenzrechtliche Bestimmungen in den Entwicklungsgesetzen . . . . . . . . . . . 239 C. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 § 2 Transparenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 A. Transparenz in der deutschen Entwicklungszusammenarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . 254 B. Transparenzpflichten im Völker- und Europarecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 C. Transparenzpflichten in den Entwicklungsgesetzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 D. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 § 3 Pflicht zur Erstellung politischer Leitdokumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 A. Leitdokumente der deutschen Entwicklungszusammenarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . 269 B. Entwicklungsgesetze als Grundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 C. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276
Teil 7 Gesamtbetrachtung
278
§ 1 Status Quo des Entwicklungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278 A. Entwicklungsvölkerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 B. Europäisches Entwicklungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 C. Deutsches Entwicklungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 D. Entwicklungsgesetze anderer Geberstaaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 § 2 Merkmale eines „guten“ Entwicklungsgesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 A. Der Begriff der Entwicklungszusammenarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 B. Pflicht zur Entwicklungszusammenarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290 C. Inhaltliche Steuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 D. Interne Strukturierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296 E. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299
10
Inhaltsübersicht
§ 3 Bisherige Gesetzgebungsbestrebungen in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301 A. Der Begriff der Entwicklungszusammenarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302 B. Leistungspflicht zur Entwicklungszusammenarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302 C. Inhaltliche Steuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302 D. Interne Strukturierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304 E. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306 Ergebnis und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308
Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312 Dokumentenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 338 Verzeichnis der Entwicklungsgesetze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 353 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 356
Inhaltsverzeichnis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23
Teil 1 Grundlagen
31
§ 1 Terminologien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 § 2 Recht und Kohärenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 A. Kohärenz in der Entwicklungszusammenarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 I. Stringenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 II. Synergien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 III. Langfristigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 IV. Objektivität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 V. Arbeitsdefinition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 B. Entwicklungsrecht und Kohärenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 C. Das Entwicklungsrecht als Mehrebenensystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 I. Völkerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 1. Prinzipien einer effektiven Entwicklungszusammenarbeit . . . . . . . . . . . . 51 a) Ownership . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 b) Alignment . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 c) Harmonisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 d) Managing for Results . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 e) Mutual Accountability . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 2. Die Millenniumserklärung und die Agenda 2030 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 II. Europarecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 III. Deutsches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 IV. Entwicklungsgesetze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 § 3 Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 § 4 Untersuchungsumfang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 A. Inhaltliche Einschränkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 B. Die Vergleichsstaaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 § 5 Methodisches Vorgehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 § 6 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80
12
Inhaltsverzeichnis Teil 2 Einführung in die Entwicklungszusammenarbeit
82
§ 1 Genese der Entwicklungszusammenarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 A. Erste Erscheinungsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 B. Die Anfänge der modernen Entwicklungszusammenarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 C. Die Entwicklungszusammenarbeit im 21. Jahrhundert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 § 2 Sinn und Zweck der Entwicklungszusammenarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 § 3 Einführung in die deutsche Entwicklungszusammenarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 A. Akteure und Kompetenzverteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 B. Formen der Zusammenarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 C. Rechtsgrundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 § 4 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104
Teil 3 Der Begriff der Entwicklungszusammenarbeit
105
§ 1 Official Development Assistance (ODA) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 § 2 Einordnung der ODA-Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 § 3 Rechtsqualität der ODA-Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 A. Rechtliche Umsetzung in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 I. Einzelplan 23 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 II. Einzelplan 05 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 III. ODA als Ermessensschranke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 B. Rechtliche Umsetzung im Europa- und Völkerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 C. Rechtliche Umsetzung in den Entwicklungsgesetzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 I. ODA als Anwendungsschranke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 II. ODA als Handlungsauftrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 III. ODA als Ausgangspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 IV. ODA als gemeinsame Grundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 § 4 Leitdefinition im Wandel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 § 5 Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128
Inhaltsverzeichnis
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Teil 4 Pflicht zur Entwicklungszusammenarbeit
130
§ 1 Bestehende Leistungsbeziehungen Deutschlands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 A. Die bilaterale Entwicklungszusammenarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 I. Vertragliche Ausgestaltung der finanziellen Zusammenarbeit . . . . . . . . . . . . 135 II. Vertragliche Ausgestaltung der technischen Zusammenarbeit . . . . . . . . . . . . 138 B. Die multilaterale Entwicklungszusammenarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 § 2 Abstrakte Leistungspflicht aus dem Völker- oder Europarecht? . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 A. Pflicht der Industriestaaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 I. Völkerrechtliche Verträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 1. UN-Charta . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 2. Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union . . . . . . . . . . . . . . 146 II. Völkergewohnheitsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 III. Menschenrechtliche Begründungsansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 B. Pflicht Deutschlands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 § 3 Entwicklungsgesetze als Rechtsgrundlage für Leistungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . 159 A. Abstrakte Pflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 B. Qualifizierte Pflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 § 4 Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164
Teil 5 Inhaltliche Steuerung der Entwicklungszusammenarbeit
167
§ 1 Das Interventionsverbot im Kontext der Entwicklungszusammenarbeit . . . . . . . . . . . 168 § 2 Auswahl der Empfängerstaaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 A. Steuerung der Auswahl in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 B. Ermessensreduktion durch das Völkerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 C. Ermessensreduktion durch das Europarecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 D. Rechtsvergleichende Untersuchung der Entwicklungsgesetze . . . . . . . . . . . . . . . . 185 I. Direkte Steuerung der Auswahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 1. Auswahlkriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 a) Das spanische Auswahlmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 b) Das belgische Auswahlmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 2. Geberkoordination . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 II. Indirekte Steuerung der Auswahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 1. Rechtliche Bedeutung von Zielnormen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 2. Zielnormen in den Entwicklungsgesetzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 a) Das Armutsmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198
14
Inhaltsverzeichnis b) Das Entwicklungsmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 c) Das differenzierte Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 d) Einordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 3. Rechtswirkung der Zielnormen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 E. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209
§ 3 Auswahl der Entwicklungsprojekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 A. Steuerung der Auswahl in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 B. Ermessensreduktion durch das Völkerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 C. Ermessensreduktion durch das Europarecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 D. Rechtsvergleichende Untersuchung der Entwicklungsgesetze . . . . . . . . . . . . . . . . 222 I. Auswahl durch die Empfängerstaaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 II. Auswahl durch die Geberstaaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 1. Direkte Steuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 2. Indirekte Steuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 E. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231
Teil 6 Interne Strukturierung der Geberstaaten
234
§ 1 Kompetenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 A. Kompetenzverteilung in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 B. Kompetenzrechtliche Bestimmungen in den Entwicklungsgesetzen . . . . . . . . . . . 239 I. Das zweigeteilte Kompetenzmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 II. Entwicklungszusammenarbeit als Aufgabengebiet des Außenministeriums 241 III. Entwicklungszusammenarbeit als eigenständiger Teilbereich des Außenministeriums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 IV. Keine kompetenzrechtlichen Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 C. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 § 2 Transparenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 A. Transparenz in der deutschen Entwicklungszusammenarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . 254 B. Transparenzpflichten im Völker- und Europarecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 C. Transparenzpflichten in den Entwicklungsgesetzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 I. Das belgische Transparenzmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 II. Das kanadische Transparenzmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 III. Das italienische Transparenzmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 IV. Das spanische Transparenzmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 V. Das südkoreanische Transparenzmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 VI. Das britische Transparenzmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 VII. Das US-amerikanische Transparenzmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264
Inhaltsverzeichnis
15
D. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 § 3 Pflicht zur Erstellung politischer Leitdokumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 A. Leitdokumente der deutschen Entwicklungszusammenarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . 269 B. Entwicklungsgesetze als Grundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 I. Abstrakte Pflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 II. Qualifizierte Pflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 C. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276
Teil 7 Gesamtbetrachtung
278
§ 1 Status Quo des Entwicklungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278 A. Entwicklungsvölkerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 B. Europäisches Entwicklungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 C. Deutsches Entwicklungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 D. Entwicklungsgesetze anderer Geberstaaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 § 2 Merkmale eines „guten“ Entwicklungsgesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 A. Der Begriff der Entwicklungszusammenarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 B. Pflicht zur Entwicklungszusammenarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290 C. Inhaltliche Steuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 I. Auswahl der Empfängerstaaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 II. Auswahl der Entwicklungsprojekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294 D. Interne Strukturierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296 I. Kompetenzverteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296 II. Transparenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297 III. Pflicht zur Erstellung politischer Leitdokumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298 E. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299 § 3 Bisherige Gesetzgebungsbestrebungen in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301 A. Der Begriff der Entwicklungszusammenarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302 B. Leistungspflicht zur Entwicklungszusammenarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302 C. Inhaltliche Steuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302 D. Interne Strukturierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304 E. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306 Ergebnis und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308
Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312 Dokumentenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 338
16
Inhaltsverzeichnis
Verzeichnis der Entwicklungsgesetze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 353 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 356
Abkürzungsverzeichnis AA ABlEU Abs. ADA AEMR AEUV AfD AJIL Alt. APSR APuZ Art. Aufl. AusAid AVR BAnz B. C. Int’l & Comp. L. Rev. Bd. BGBl. BHO BIP BMAP BMF BMI BMU BMVg BMWi BMZ
Auswärtiges Amt Amtsblatt der Europäischen Union Absatz Austrian Development Agency Allgemeine Erklärung der Menschenrechte Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union Alternative für Deutschland American Journal of International Law Alternative American Political Science Review Aus Politik und Zeitgeschichte Artikel Auflage Australian Aid Archiv des Völkerrechts Bundesanzeiger Boston College International and Comparative Law Review
Band Bundesgesetzblatt Bundeshaushaltsordnung Bruttoinlandsprodukt BMZ Mapping of Multilateral Organisations Bundesministerium der Finanzen Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit Bundesministerium der Verteidigung Bundeswirtschaftsministerium Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung BNatSchG Bundesnaturschutzgesetz BRICS Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika BT-Drucks. Deutscher Bundestag Drucksache BVerfG Bundesverfassungsgericht BVerfGE Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts ca. circa Case W. Res. J. Int’l L. Case Western Reserve Journal of International Law CDI Commitment to Development Index CDU Christlich Demokratische Union Deutschlands CESCR Committee on Economic, Social and Cultural Rights CFP Center of Fiscal Policy
18 CGD CHOC CICS CIDA CIDC CILJ CJE CJPE CLJ Contemp. Eur. Hist. Cornell L. Rev. CPA CRS CSAE CSU DAC DANIDA DESA DEval Dev. Change Devpol Dev. Policy Rev. DFID DGV Dick. J. Int’l L. D. I. E. Dt. E+Z ECDPM Econ. Model. Econ. Policy EER EJ EJDR EL EnzEuR Epl. EuGH Eur. Foreign Aff. Rev. EUTF for Africa EUV EZ FATAA FDP FES FW G. A. GATT
Abkürzungsverzeichnis Center for Global Development Contributions to the History of Concepts Comitato Interministeriale per la Cooperazione allo Sviluppo Canadian International Development Agency Committee for International Development Cooperation Cambridge International Law Journal Canadian Journal of Economics Canadian Journal of Program Evaluation Cambridge Law Journal Contemporary European History Cornell Law Review Country Programmable Aid Creditor Reporting System Centre for the Study of African Economies Christlich-Soziale Union Development Assistance Committee Danish International Development Agency United Nations Departmend of Economic and Social Affairs Deutsches Evaluierungsinstitut der Entwicklungszusammenarbeit Development and Change Development Policy Centre Development Policy Review Department for International Development Deutsch-Griechische Versammlung Dickinson Journal of International Law Deutsches Institut für Entwicklungspolitik Deutsch Entwicklung und Zusammenarbeit European Centre for Development Policy Management Economic Modelling Economic Policy European Economic Review Economic Journal European Journal of Development Research Ergänzungslieferung Enzyklopädie Europarecht Einzelplan Europäischer Gerichtshof European Foreign Affairs Review European Union Emergency Trust Fund for Africa Vertrag über die Europäische Union Entwicklungszusammenarbeit Foreign Aid Transparency and Accountability Act Freie Demokratische Partei Friedrich-Ebert-Stiftung Die Friedens-Warte General Assembly General Agreement on Tariffs and Trade
Abkürzungsverzeichnis gem. GG GGO GIZ GMF GPEDC GPI H. HC HC Deb HGrG HHRJ HPI HRQ Hrsg. Hs. IATI IBRD ICJ ICSID IDA IDB i. d. F. IfD Allensbach IFF IfW Kiel IGH IHDI ILC IMF Inst. Ir. Stud. Int’l Aff. i. S. d. i. V. m. IWF J. Econ. Growth JEI JEL JEP Jg. J. Int. Dev. JIRD JPE KfW LDCs LDR Leg. Stud. lit.
gemäß Grundgesetz Gemeinsame Geschäftsordnung der Bundesministerien Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit The German Marshall Fund of the United States Global Partnership for Effective Development Co-operation Global Perspectives Initiative Heft House of Commons Papers House of Commons Debates Haushaltsgrundsätzegesetz Harvard Human Rights Journal Human Poverty Index Human Rights Quarterly Herausgeber Halbsatz International Aid Transparency Initiative International Bank for Reconstruction and Development International Court of Justice International Centre for Settlement of Investment Disputes International Development Association Inter-American Development Bank in der Fassung Institut für Demoskopie Allensbach Institut für Förderalismus Institut für Weltwirtschaft Kiel Internationaler Gerichtshof Inequality-adjusted Human Development Index International Law Commission International Monetary Fund Institut Irish Studies in International Affairs im Sinne des in Verbindung mit Internationaler Währungsfonds Journal of Economic Growth Journal of Economic Issues Journal of Economic Literature Journal of Economic Perspectives Jahrgang Journal of International Development Journal of International Relations and Development Journal of Political Economy Kreditanstalt für Wiederaufbau Least Developed Countries Law and Development Review Legal Studies littera
19
20 LMICs MDGs MIGA MJIL Mod. Law Rev. MPEPIL NILR No. NQHR Nr. NSI ODA ODC ODI OECD ÖFSE Other LICs Oxf. Rev. Econ. Policy Pac. Rev. PCD PCIJ PCSD PDS PGF Prog. Dev. Stud. PSJ Public Admin. Dev. Res. Rev. Dev. Econ. Rev. Int. Organ. S. S. C. SC SCID SDGs SEF SJE SPD SWP SZ TIL TWQ u. a. UAbs. Udenrigsmin. UK UMICs UN
Abkürzungsverzeichnis Lower Middle Income Countries Millennium Development Goals Multilateral Investment Guarantee Agency Michigan Journal of International Law Modern Law Review Max Planck Encyclopedia of Public International Law Netherlands International Law Review Number Netherlands Quarterly of Human Rights Nummer The North-South Institute Official Development Assistance Overseas Development Council Overseas Development Institute Organisation for Economic Co-operation and Development Österreichische Forschungsstiftung für Entwicklungshilfe Other Low-Income Countries Oxford Review of Economic Policy The Pacific Review Policy Coherence for Development Permanent Court of International Justice Policy Coherence for Sustainable Development Partei des Demokratischen Sozialismus Programmorientiere Gemeinschaftsfinanzierung Progress in Development Studies The Policy Studies Journal Public Administration and Development Resolution Review of Development Economics Review of International Organizations Seite Security Council Statutes of Canada Studies in Comparative International Development Sustainable Development Goals Stiftung Entwicklung und Frieden The Scandinavian Journal of Economics Sozialdemokratische Partei Deutschlands Stiftung Wissenschaft und Politik Süddeutsche Zeitung Theoretical Inquiries in Law Third World Quaterly unter anderem Unterabsatz Undenrigsministeriet United Kingdom Upper Middle-Income Countries United Nations
Abkürzungsverzeichnis UNCTAD UNDP UNO Urt. USA v. VERW VerwArch vgl. v. H. VN Vol. VRÜ VVDStRL WBER WD WDM WHO World Dev. World Econ. WP-EFF WTO WVRK ZaöRV z. B. ZDDÜ ZfAS ZgS Ziff.
21
United Nations Conference on Trade and Development United Nations Development Programme United Nations Organization Urteil United States of America versus Die Verwaltung Verwaltungsarchiv vergleiche vom Hundert Vereinte Nationen Volume Verfassung und Recht in Übersee Veröffentlichungen der Vereinigung der deutschen Staatsrechtslehrer The World Bank Economic Review Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages World Development Movement World Health Organization World Development World Economy Working Party on Aid Effectiveness World Trade Organization Wiener Vertragsrechtskonvention Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht zum Beispiel Zentrale Dienststelle für Deutsche Übersetzungen Zeitschrift für Außen- und Sicherheitspolitik Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft Ziffer
Einleitung Das primäre Ziel der zwischenstaatlichen Entwicklungszusammenarbeit ist die Bekämpfung der Armut durch die Förderung einer nachhaltigen wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung der Empfängerstaaten.1 Daneben gehören u. a. der Schutz der Menschenrechte, der Umwelt und die Förderung demokratischer Regierungsstrukturen zu ihren offiziellen Zielen. Trotz dieser Bemühungen stehen viele der Empfängerstaaten noch immer vor zahlreichen Herausforderungen. Weiterhin leben beispielsweise in den am wenigsten entwickelten Staaten ca. 35 Prozent der Menschen von weniger als 1,90 Dollar am Tag und damit in extremer Armut.2 Das zentrale Ziel der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung, die vollständige Beseitigung der Armut bis 2030,3 scheint ohne eine sofortige und signifikante Steigerung der Bemühungen kaum erreichbar.4 Die Entwicklungszusammenarbeit steht deshalb für ihre unzureichende Effektivität in der Kritik.5 Die Ursachen für die mangelnden Erfolge der Entwicklungszusammenarbeit wurden lange Zeit vor allem in den Empfängerstaaten gesucht.6 Korruption,7 fehlende demokratische Strukturen und mangelnde Transparenz werden regelmäßig als Gründe für die geringen Fortschritte in vielen Staaten genannt.8 Und auch das Recht wird in der Entwicklungszusammenarbeit bisher insbesondere als Problem im Zusammenhang mit den Empfängerstaaten diskutiert.9 Unter Schlagwörtern wie Good 1 Ausführlich zu den Zielen, die mit der Entwicklungszusammenarbeit verfolgt werden, unten Teil 2, § 2. 2 UNCTAD, The Least Developed Countries in the post-COVID World, 2021, S. 41. 3 G. A., Res. 70/1 (2015), Transforming our World: the 2030 Agenda for Sustainable Development vom 25. September 2015, Ziel 1. 4 UN, The Sustainable Development Goals Report 2021, 2021, S. 26. 5 Statt vieler Boone, Politics and the effectiveness of foreign aid, EER 40 (1996), S. 289; Easterly, The White Man’s Burden, 2006; Stiglitz, Globalization and its Discontents, 2002; Moyo, Dead Aid, 2010; Rist/Camiller, The History of Development, 2019. 6 Brombacher, Geberstrukturen in der Entwicklungspolitik, SWP-Studie S 27, 2009, S. 8. 7 Siehe van Aaken, Korruption und Entwicklung, in: Dann/Kadelbach/Kaltenborn (Hrsg.), Entwicklung und Recht, 2014, S. 619. 8 Asche, Durch einen Big Push aus der Armutsfalle?, 2006, S. 50; Faust/Messner, Ordnungspolitische Herausforderung für eine wirksamere EZ, in: Faust/Neubert (Hrsg.), Wirksamere Entwicklungspolitik, 2010, S. 259 (259); Nuscheler, Weltprobleme, in: Stockmann/ Menzel/Nuscheler (Hrsg.), Entwicklungspolitik, 2016, S. 207 (398); Kingsbury, Politics and Governance, in: Kingsbury/McKay/Hunt/McGillivray/Clarke (Hrsg.), International Development, 2016, S. 138 (161); Kurer, Entwicklungspolitik heute, 2017, S. 139 – 161. 9 Kadelbach, Entwicklung als normatives Konzept, in: Dann/Kadelbach/Kaltenborn (Hrsg.), Entwicklung und Recht, 2014, S. 49 (57).
24
Einleitung
Governance10 und Rule of Law11 wird die Notwendigkeit von Politik- und Rechtsreformen für einen nachhaltigen Entwicklungsprozess hervorgehoben.12 Die Entwicklungszusammenarbeit ist dementsprechend regelmäßig mit der Förderung und Veränderung von Rechtssystemen in den Empfängerstaaten verknüpft.13 Das damit verbundene Postulat einer verantwortungsvollen Regierungsführung in den Empfängerstaaten lässt sich aber ebenso auf die Organisationsstrukturen der Geberstaaten übertragen.14 Die vorliegende Untersuchung nimmt deshalb einen Perspektivwechsel vor. Ohne die entwicklungshemmende Wirkung der genannten Probleme auf der Empfängerseite in Abrede zu stellen, konzentriert sie sich auf strukturelle Probleme auf der Geberseite. Mit Beginn des 21. Jahrhunderts hat eine zunehmende Bereitschaft zur Selbstreflexion auf Seiten der Geberstaaten bezüglich eigener Unzulänglichkeiten eingesetzt.15 Die daraus entstandenen Erkenntnisse sind bisher insbesondere Gegenstand politischer Absichtserklärungen, die nicht rechtlich verbindlich16 und zumeist derart unbestimmt formuliert sind, dass ihnen keine hinreichend konkreten Pflichten zu entnehmen sind.17 Obwohl die Notwendigkeit von Rechtsreformen in den Empfängerstaaten stets betont wird, spielt die Frage, wie rechtliche Strukturen auf
10 Statt vieler Kötter, Good Governance, in: Dann/Kadelbach/Kaltenborn (Hrsg.), Entwicklung und Recht, 2014, S. 553. 11 Ausführlich dazu Neumann, Die Förderung der Rule of Law in der Entwicklungszusammenarbeit, 2013. Kritisch bezüglich des Ziels der Förderung der Rule of Law bzw. der damit verbundenen Ausweitung des Entwicklungsverständnisses Pahuja, Decolonising International Law, 2013, S. 172 – 253. 12 Dann, Entwicklungsverwaltungsrecht, 2012, S. 11; Hauff, Nachhaltige Entwicklungspolitik, 2019, S. 148; Röhl, Entwicklungshilfe durch Recht und die Konvergenzthese, in: Bäuerle/Dann/Wallrabenstein (Hrsg.), Demokratie-Perspektiven, 2013, S. 676 (696 – 697); Schmidt, Good Governance als Entwicklungsvoraussetzung, in: Ihne/Wilhelm (Hrsg.), Einführung in die Entwicklungspolitik, 2013, S. 284 – 290. 13 Allgemein zur Bedeutung von Rechtssystemen für den staatlichen Entwicklungsprozess, Dam, The Law-growth Nexus, 2006; Trubek/Santos (Hrsg.), The New Law and Economic Development, 2006. 14 Brombacher, Geberstrukturen in der Entwicklungspolitik: Reformansätze für die Steuerung und Koordinierung der deutschen Entwicklungszusammenarbeit, SWP-Studie S 27, 2009, S. 8; Dann, Ideengeschichte von Recht und Entwicklung, in: Dann/Kadelbach/Kaltenborn (Hrsg.), Entwicklung und Recht, 2014, S. 19 (34); Faust/Messner, Ordnungspolitische Herausforderung für eine wirksamere EZ, in: Faust/Neubert (Hrsg.), Wirksamere Entwicklungspolitik, 2010, S. 259 (259); Faust, Donor Transparency and Aid Allocation, D. I. E. Discussion Paper No. 12, 2011, S. 17; Gulrajani, Dilemmas in Donor Design, Public Admin. Dev. 35 (2015), S. 152 (156). 15 Dann, Entwicklungsverwaltungsrecht, 2012, S. 107; Faust/Neubert, Entwicklungspolitik zwischen Fundamentalkritik und Radikaloptimismus, in: Faust/Neubert (Hrsg.), Wirksamere Entwicklungspolitik, 2010, S. 15 (15). 16 Ashoff, Die Global Governance-Qualität der internationalen Aid Effectiveness Agenda, 2015, S. 92. 17 Siehe unten Teil 1, § 2, C., I., 1.
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Seite der Geberstaaten zu einer nachhaltigen Entwicklungszusammenarbeit beitragen können, nur eine untergeordnete Rolle. Ein Kritikpunkt an der Arbeit der Geberstaaten ist, bedingt durch sich verändernde politische Ziele und Prioritäten, die fehlende Kohärenz ihrer Maßnahmen.18 Die Geberstaaten verfolgen mit der Entwicklungszusammenarbeit stets auch nationale Ziele.19 Die Entwicklungszusammenarbeit steht dementsprechend nicht nur ihrer selbst willen im Fokus, sondern auch im Kontext innenpolitischer Ziele.20 Sie wird beispielsweise als Mittel zur Bekämpfung von Fluchtursachen21 oder von Gefahren für die internationale Sicherheit22 angesehen. Untersuchungen haben gezeigt, dass Entwicklungszusammenarbeit, die zur Erreichung politischer Eigeninteressen geleistet wird, grundsätzlich ineffektiver zu sein scheint.23 Die Kontextualisierung der Entwicklungszusammenarbeit kann zu Verschiebungen der Priori-
18 Ashoff, Die Global Governance-Qualität der internationalen Aid Effectiveness Agenda, 2015, S. 167. Siehe in Bezug auf Deutschland Brombacher, Geberstrukturen in der Entwicklungspolitik, SWP-Studie S 27, 2009, S. 11; Kaltenborn/Lübben, Kohärenz und Kooperation im Organisationsrecht der Entwicklungszusammenarbeit, VERW 47 (2014), S. 125 (127); Kevenhörster, Entwicklungshilfe auf dem Prüfstand, 2014, S. 285; Stockmann, Entwicklungsstrategien und Entwicklungszusammenarbeit, in: Stockmann/Menzel/Nuscheler (Hrsg.), Entwicklungspolitik, 2016, S. 425 (428 – 429). Kritisch diesbezüglich auch Alesina/Dollar, Who Gives Foreign Aid to Whom and Why?, J. Econ. Growth 5 (2000), S. 33: „The allocation of bilateral aid across recipient countries provides evidence as to why it is not more effective at promoting growth and poverty reduction. Factors such as colonial past and voting patterns in the United Nations explain more of the distribution of aid than the political institutions or economic policy of recipients.“ 19 Messner/Scholz, Entwicklungspolitik als Beitrag zur globalen Zukunftssicherung, in: Faust/Neubert (Hrsg.), Wirksamere Entwicklungspolitik, 2010, S. 71 (73); Todaro/Smith, Economic Development, 2020, S. 768; Ihne/Wilhelm, Grundlagen der Entwicklungspolitik, in: Ihne/Wilhelm (Hrsg.), Einführung in die Entwicklungspolitik, 2013, S. 5 (13); Hunt, Aid and Development, in: Kingsbury/McKay/Hunt/McGillivray/Clarke (Hrsg.), International Development, 2016, S. 162 (169). 20 In Deutschland hat sich dies in jüngerer Vergangenheit am Beispiel der Fluchtursachenbekämpfung gezeigt, vgl. BMZ, Entwicklungspolitik als Zukunfts- und Friedenspolitik: 15. Entwicklungspolitischer Bericht der Bundesregierung, 2017, S. 114 – 117; Maihold, Entwicklungszusammenarbeit am Scheideweg: strategische Weichenstellungen und institutioneller Reformbedarf, in: Sangmeister/Wagner (Hrsg.), Die Entwicklungszusammenarbeit der Zukunft, 2019, S. 17 (21). 21 GPEDC, Nairobi Outcome Document, 2016, Ziff. 21; OECD, DAC High Level Communiqué: 31 October 2017, Ziff. 17; OECD, DAC High Level Meeting Communiqué: 19 February 2016, Ziff. 12. 22 Grundlegend zu den sicherheitspolitischen Aspekten der Entwicklungszusammenarbeit, Brown/Grävingholt (Hrsg.), The Securitization of Foreign Aid, 2016. 23 Bobba/Powell, Aid Effectiveness: Politics Matters, IDB Working Paper No. 601, 2007, S. 24; Dreher/Eichenauer/Gehring, Geopolitics, Aid and Growth, CESifo Working Paper No. 4299, 2013, S. 33; Dreher/Eichenauer/Gehring, Geopolitics, Aid and Growth, WBER 32 (2018), S. 268 (283 – 284); Faust/Ziaja, German Aid Allocation and Partner Country Selection, D. I. E. Discussion Paper No. 7, 2012, S. 1.
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täten24 und dadurch zu divergierenden Interessen zwischen Geber- und Empfängerstaaten führen.25 Die Erreichung einer größtmöglichen entwicklungspolitischen Kohärenz, die sich an den übergeordneten Zielen der Entwicklungszusammenarbeit ausrichtet, hat sich deshalb zu einem der zentralen Ziele in der Debatte um eine effektive und nachhaltige Entwicklungszusammenarbeit entwickelt.26 Die vorliegende Untersuchung widmet sich deshalb der Frage, welchen Beitrag rechtsverbindliche Normen leisten können, um dem Problem bestehender Inkohärenzen in der Entwicklungszusammenarbeit entgegenzuwirken. Den Ausgangspunkt bildet eine Untersuchung der Funktion des Rechts in der deutschen Entwicklungszusammenarbeit. Deutschland hat trotz seiner erheblichen Bedeutung für die internationale Entwicklungszusammenarbeit27 bisher kein Gesetz erlassen, das ihrer umfassenden Regelung dient.28 Dadurch unterscheidet sich die Bundesrepublik von einer Vielzahl anderer Geberstaaten, die teilweise ausführliche Gesetze zur Regelung dieses Bereichs erlassen haben.29 Es ist daher zunächst der Status Quo des deutschen Entwicklungsrechts zu bestimmen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die deutsche Entwicklungszusammenarbeit neben dem nationalen Recht auch durch das Völker- und Europarecht beeinflusst wird. Es wird deshalb zugleich der Status Quo der Steuerungsfunktion des Völker- und Europarechts in Bezug auf die untersuchten Aspekte bestimmt. 24 Beispielsweise wird die Entwicklungszusammenarbeit als ein Instrument zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie betrachtet. Dies hat zu Verschiebungen in der Verteilung der Haushaltsmittel, die für die Entwicklungszusammenarbeit zur Verfügung stehen, geführt, vgl. BT-Drucks. 19/19702 vom 02. 06. 2020, S. 2 – 3. 25 Barry/King/Matthews, Policy Coherence for Development: Five Challenges, Ir. Stud. Int’l Aff. 21 (2010), S. 207 (208); Kaltenborn/Lübben, Kohärenz und Kooperation im Organisationsrecht der Entwicklungszusammenarbeit, VERW 47 (2014), S. 125 (131); Messner/ Scholz, Entwicklungspolitik als Beitrag zur globalen Zukunftssicherung, in: Faust/Neubert (Hrsg.), Wirksamere Entwicklungspolitik, 2010, S. 71 (73); Schmidt, Entwicklungszusammenarbeit als strategisches Feld deutscher Außenpolitik, APuZ 65, Nr. 7 – 9 (2015), S. 29 (30). 26 G. A., Res. 70/1 (2015), Transforming our World: the 2030 Agenda for Sustainable Development vom 25. September 2015, Ziel 17.14; Kaltenborn/Lübben, Kohärenz und Kooperation im Organisationsrecht der Entwicklungszusammenarbeit, VERW 47 (2014), S. 125 (125); OECD, Recommendation of the Council on Policy Coherence for Sustainable Development, OECD/LEGAL/0381, 2019; G. A., Res. 69/313 vom 27. Juli 2015, Annex, Addis Ababa Action Agenda, Ziff. 103. Ausführlich zum Ansatz der Politikkohärenz für Entwicklung und dem Kohärenzbegriff im Sinne dieser Untersuchung unten Teil 1, § 2. 27 Deutschland hat seit dem Beginn der modernen Entwicklungszusammenarbeit in den 1960er-Jahren stets zu den vier größten Gebern von ODA gehört, OECD, OECD Data: Net ODA, https://data.oecd.org/oda/net-oda.htm (letzter Zugriff: 09. 05. 2022). 28 Wichtigste rechtliche Vorgabe auf der Gesetzesebene ist in Deutschland nach wie vor das jährliche Haushaltsgesetz, Dann, Entwicklungsverwaltungsrecht, 2012, S. 144. Zu den politischen und rechtlichen Grundlagen der deutschen Entwicklungszusammenarbeit unten Teil 2, § 3, C. 29 Von den Mitgliedstaaten des OECD-DAC haben 18 von 29 Staaten eines oder mehrere entsprechende Gesetze erlassen. Für eine Übersicht welche Staaten dies sind und welche bisher kein Entwicklungsgesetz erlassen haben unten Teil 1, § 4, B.
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Darüber hinaus werden im Rahmen einer rechtsvergleichenden Untersuchung führender Geberstaaten bestehende Entwicklungsgesetze analysiert. Diese werden als ein spezifisches Regelungsinstrument verstanden, das der abstrakten Steuerung der Entwicklungszusammenarbeit dient. Es soll bestimmt werden, welche Funktion diese Gesetze in den Vergleichsstaaten einnehmen, und ob ein solches Gesetz in Deutschland positiven Einfluss auf die Kohärenz der Entwicklungszusammenarbeit nehmen könnte. Obwohl Deutschland Ausgangspunkt dieser Arbeit ist, sind die Ergebnisse im Grundsatz auch auf andere Geberstaaten, die bisher keine Entwicklungsgesetze erlassen haben, übertragbar. Diese Staaten weisen überwiegend eine zu Deutschland vergleichbare Regelungsstruktur auf und steuern ihre Entwicklungszusammenarbeit – ähnlich wie Deutschland30 – vornehmlich über Haushaltsgesetze und politische Dokumente. Gleichzeitig wird diese Arbeit aufzeigen, dass die Gruppe der Geberstaaten, die Entwicklungsgesetze erlassen haben, keineswegs homogen ist. Die Gesetze folgen zwar einem ähnlichem Regelungszweck und weisen im Grundsatz eine einheitliche Struktur auf,31 in ihrem Regelungsgehalt und -umfang weichen sie jedoch zum Teil grundlegend voneinander ab. Die Erkenntnisse dieser Arbeit lassen sich mithin nicht nur auf die Staaten übertragen, die bisher keine Gesetze zur Entwicklungszusammenarbeit erlassen haben, sondern auch auf eine mögliche Weiterentwicklung bestehender Entwicklungsgesetze. In diesem Zusammenhang ist zu betonen, dass die vorliegende Untersuchung nicht als eine grundlegende Kritik an der deutschen Entwicklungszusammenarbeit zu verstehen ist. Deutschland wurde nicht deshalb ausgewählt, weil es eine im Vergleich zu anderen Geberstaaten besonders inkohärente Entwicklungszusammenarbeit aufweist. Vielmehr ist Deutschland in Teilbereichen der Entwicklungszusammenarbeit ein wichtiger Vorreiter.32 In dem jährlich veröffentlichten Commitment to Development Index (CDI), der einen Ansatz darstellt, die Kohärenz der Entwicklungspolitik führender Geberstaaten zu messen, hat Deutschland 2021 den siebten Platz erreicht.33 Dennoch lässt sich beobachten, dass auch die Bundesrepublik von entwicklungsfremden Motiven beeinflusst wird.34 Dementsprechend schneidet die 30
Siehe unten Teil 2, § 3, C. sowie Teil 6, § 3, A. Siehe unten Teil 1, § 2, C., IV. 32 OECD, DAC-Prüfbericht über die Entwicklungszusammenarbeit: Deutschland 2015, S. 15. Deutschland war beispielsweise der erste Geberstaat, der mit dem BMZ ein eigenständiges Ministerium für die Entwicklungszusammenarbeit gegründet hat, Lancaster, Foreign Aid: Diplomacy, Development, Domestic Politics, 2007, S. 31. 33 CGD, The Commitment to Development Index 2021 – Germany, https://www.cgdev.org/ cdi#/country-report/germany (letzter Zugriff: 09. 05. 2022). Es ist jedoch anzumerken, dass sich Deutschland beispielsweise 2018 noch auf einem geteilten dritten Platz befunden hat, CGD, The Commitment to Development Index 2018 – Germany, 2018, https://www.cgdev.org/sites/de fault/files/cdi2018-DEU.PDF (letzter Zugriff: 09. 05. 2022). 34 Dreher/Nunnenkamp/Schmaljohann, The Allocation of German Aid, Kiel Working Papers, IfW Kiel No. 1817, 2013, S. 17; Faust/Ziaja, German Aid Allocation and Partner Country Selection, D. I. E. Discussion Paper No. 7, 2012, S. 19. Die genauen Motive für die Durch31
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Bundesrepublik, wenn nur die Entwicklungszusammenarbeit als solche betrachtet wird,35 im CDI schlechter ab und nimmt lediglich den 12. Platz ein.36 Unabhängig davon müsste ein Entwicklungsgesetz nicht zwingend der Behebung von Problemen dienen, sondern könnte auch einen funktionierenden Status Quo zementieren. Die Festlegung bestimmter Grundsätze in einem Gesetz bedeutet, dass eine Abweichung von diesen durch nachfolgende Regierungen der Mitwirkung des Parlaments bedarf, um die bestehenden gesetzlichen Regelungen zu ändern oder aufzuheben. Ein Entwicklungsgesetz kann dementsprechend eine zusätzliche Hürde für nachfolgende Regierungen in Bezug auf eine grundlegende Neuausrichtung der Entwicklungszusammenarbeit darstellen.37 Regierungen wird durch ein solches Gesetz nicht das Recht genommen, ihre eigenen politischen Akzente zu setzen. Sie könnten die grundlegenden Prinzipien und Ziele dann aber nicht mehr ohne Zustimmung des Parlaments neu definieren.38 Eine dysfunktionale Entwicklungszusammenarbeit ist mithin keine Voraussetzung, um eine gesetzliche Regelung dieses Handlungsbereichs erstrebenswert erscheinen zu lassen. Die Untersuchung ist in sieben Teile untergliedert. Der erste Teil dient der Darstellung der Grundlagen. Es werden zunächst einige der zentralen Terminologien definiert. Anschließend werden der Begriff der Kohärenz aus dem Blickwinkel der Entwicklungszusammenarbeit erläutert, eine Arbeitsdefinition festgelegt und der Frage nachgegangen, ob eine stärkere rechtliche Ausgestaltung abstrakt geeignet ist, zu einer kohärenteren Entwicklungszusammenarbeit beizutragen. Im Anschluss werden der Untersuchungshergang und -umfang sowie das methodische Vorgehen erklärt. Der zweite Teil befasst sich mit einer kurzen Einführung in die Entwicklungszusammenarbeit. Anhand einer überblicksartigen Schilderung der Entstehungsgeschichte werden die verschiedenen Einflüsse, die während ihrer Genese auf sie eingewirkt haben und bis heute das Handeln der beteiligten Akteure beeinflussen, dargestellt. Ebenso werden die Ziele, die mit der Entwicklungszusammenarbeit verfolgt werden, aufgezeigt. Abschließend erfolgt eine kurze Darstellung der führung einzelner Entwicklungsprojekte sind nur schwer nachzuweisen, da die Entscheidungsprozesse nicht veröffentlicht werden. Die Kontextualisierung der Entwicklungszusammenarbeit, beispielsweise im Rahmen der Fluchtursachenbekämpfung, zeigt aber, dass die deutsche Entwicklungszusammenarbeit nach wie vor durch Motive beeinflusst wird, die maßgeblich im deutschen Eigeninteresse liegen. 35 Zur Differenzierung zwischen den Begriffen der Entwicklungspolitik und der Entwicklungszusammenarbeit unten Teil 1, § 1. 36 CGD, The Commitment to Development Index 2021 – Germany, https://www.cgdev.org/ cdi#/country-report/germany (letzter Zugriff: 09. 05. 2022). 37 Kaltenborn/Hermle, Entwicklungspolitische Kontinuität durch neues Gesetz, E+Z ePaper (September 2018), S. 15 (16). 38 Mit dieser Begründung wurde beispielsweise auch für die Verabschiedung des durch Großbritannien erlassenen International Development Act 2002 argumentiert, siehe Short, International Development Act 2002 – Second Reading – House of Commons, HC Deb Vol. 374 (07. November 2001), S. 274 (274).
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deutschen Entwicklungszusammenarbeit. Es werden sowohl die beteiligen Akteure und ihre jeweiligen Kompetenzen als auch die rechtlichen und politischen Grundlagen vorgestellt. Der dritte Teil widmet sich dem Begriff der Entwicklungszusammenarbeit als solchem. Es gibt bisher keine allgemeingültige Definition der Begriffe der Entwicklungszusammenarbeit und der Entwicklung.39 Es wird deshalb der Frage nachgegangen, wie die Geberstaaten die Entwicklungszusammenarbeit definieren und inwieweit dieses Verständnis in den verschiedenen Rechtsordnungen rechtsverbindlich festgeschrieben ist. Ausgangspunkt bildet diesbezüglich die durch das Entwicklungskomitee der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD-DAC) formulierte Definition der Official Development Assistance (ODA). Diese wird zunächst auf ihren Inhalt und ihre Bedeutung für die internationale Entwicklungszusammenarbeit untersucht. Anschließend wird bestimmt, ob die ODA-Definition einen rechtsverbindlichen Charakter hat. Der vierte Teil untersucht das Bestehen möglicher Leistungspflichten in der Entwicklungszusammenarbeit. Es wird zunächst dargestellt, welche Leistungsbeziehungen Deutschland eingegangen ist und wie diese vertraglich ausgestaltet sind. Ein besonderes Augenmerk wird dabei auf die bilateralen Verträge gelegt. Anschließend wird geprüft, ob sich aus dem Völker- und Europarecht abstrakte Leistungspflichten für die Industriestaaten im Allgemeinen oder für Deutschland im Besonderen ergeben. Abschließend wird dargestellt, wie andere Geberstaaten eine rechtsverbindliche Leistungspflicht in diesem Bereich mittels ihrer Entwicklungsgesetze begründet haben. Der fünfte Teil dient der Untersuchung der inhaltlichen Steuerung der Entwicklungszusammenarbeit. Dazu wird untersucht, ob und wie die Auswahl der Empfängerstaaten und die Auswahl der Entwicklungsprojekte durch das Entwicklungsrecht angeleitet wird. Durch die sich in einem stetigen Wandel befindenden Interessen der Geberstaaten kann es zu Verschiebungen in den prioritär geförderten Sektoren und Regionen kommen.40 Diese Entscheidungsebenen stellen deshalb die zentralen Einfallstore für Inkohärenzen dar. Eine rechtliche Steuerung dieser Bereiche könnte zu einer gesteigerten Kohärenz in der Entwicklungszusammenarbeit beitragen. Zu berücksichtigen ist, dass eine Regelung dieser Entscheidungsebenen im Umkehrschluss stets auch dazu führt, dass die Empfängerstaaten indirekt gebunden werden.41 Legt ein Geberstaat Kriterien fest, die erfüllt werden müssen, um Leistungen zu erhalten, bindet dies zwangsläufig auch den potentiellen Leistungs39 BMZ, Medienhandbuch Entwicklungspolitik 2008/2009, S. 447; Krajewski, Wirtschaftsvölkerrecht, 2021, S. 283; Menzel, Entwicklungstheorie, in: Stockmann/Menzel/Nuscheler (Hrsg.), Entwicklungspolitik, 2016, S. 13 (33); OECD, Perspectives on Global Development 2019, 2018, S. 31. 40 Klingebiel, Rahmenbedingungen und Eckpunkte von Entwicklungszusammenarbeit in der Zukunft, in: Sangmeister/Wagner (Hrsg.), Die Entwicklungszusammenarbeit der Zukunft, 2019, S. 41 (44). 41 Dann, Entwicklungsverwaltungsrecht, 2012, S. 193.
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empfänger. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob und in welcher Form die Geberstaaten in der Art und Weise, wie sie diese Kriterien ausgestalten, beschränkt sind. Eingeleitet wird der fünfte Teil deshalb mit einer Untersuchung des völkerrechtlichen Interventionsverbots im Kontext der Entwicklungszusammenarbeit. Der sechste Teil setzt sich mit der internen Strukturierung der Geberstaaten auseinander. Untersucht werden in diesem Teil drei Aspekte der innerstaatlichen Organisation der Geberstaaten, die von essenzieller Bedeutung für die Kohärenz sind. Erstens wird die Verteilung der Kompetenzen betrachtet. Darüber hinaus wird sich der Förderung der Transparenz aus zwei Perspektiven angenähert. Einerseits wird unter der Überschrift der Transparenz untersucht, inwieweit die Geberstaaten zur Veröffentlichung durchgeführter Entwicklungsmaßnahmen rechtlich verpflichtet sind. Andererseits wird geprüft, ob die Geberstaaten zur Erstellung politischer Leitdokumente und damit zu einer transparenten Vorausplanung der Entwicklungszusammenarbeit verpflichtet sind. Im siebten Teil werden sowohl der Status Quo des existierenden Entwicklungsrechts dargestellt als auch die Best Practices der untersuchten Entwicklungsgesetze herausgearbeitet. Diese Best Practices werden anschließend mit einem Gesetzesentwurf der SPD aus dem Jahr 1993,42 der bisher den umfassendsten Ansatz einer gesetzlichen Regelung der deutschen Entwicklungszusammenarbeit darstellt, verglichen. Dies dient dem Zweck, zu prüfen, wie sich die Vorstellungen in Bezug auf die gesetzliche Regelung dieses Bereichs in den dazwischenliegenden Jahrzehnten verändert haben. Gesetze sind starre Regelungsinstrumente, die im Regelfall der langfristigen Steuerung des Regelungsgegenstandes dienen. Gegen entsprechende Gesetzesvorhaben wurde deshalb in der Vergangenheit eingewendet, dass dieses Steuerungsinstrument mit der Entwicklungszusammenarbeit, die flexibel auf die sich stetig verändernden Herausforderungen reagieren können muss, unvereinbar sei.43 Würde der Gesetzesentwurf von 1993 im Wesentlichen mit den Best Practices der heutigen Gesetze vereinbar sein, könnte dieses Argument entkräftet werden. Abschließend werden die Untersuchungsergebnisse dargestellt. Zudem werden einige zukünftige Fragen, die sich im Rahmen des bisher kaum erforschten Gebiets der rechtlichen Steuerung der Entwicklungszusammenarbeit der Geberstaaten stellen, skizziert.
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BT-Drucks. 12/5960 vom 22. Oktober 1993. Aus diesem Grund hat beispielsweise die Fraktion der FDP den Gesetzentwurf der SPD damals abgelehnt und diesem die „Sinnhaftigkeit“ abgesprochen, BT-Drucks. 12/7603 vom 19. 05. 1994, S. 5. 43
Teil 1
Grundlagen § 1 Terminologien Terminologien spielen in der Entwicklungszusammenarbeit eine besondere Rolle. Geprägt von den divergierenden politischen Interessen, die auf sie einwirken, stehen sie stets in der Gefahr, Wertungen zu implizieren und Missverständnisse heraufzubeschwören. Eindrücklich zeigt sich dies am Begriff der Entwicklungszusammenarbeit selbst. Dieser hat, obwohl weitgehend synonym verwendet, den Begriff der Entwicklungshilfe fast vollständig abgelöst.1 Während die Entwicklungshilfe eine einseitige Hilfeleistung impliziert und die Empfängerstaaten begrifflich als Bittsteller positioniert,2 betont der Begriff der Entwicklungszusammenarbeit, dass der Entwicklungsprozess eine gemeinschaftliche Aufgabe der Geber- und Empfängerstaaten ist.3 Die Betonung des Aspekts der Zusammenarbeit findet sich auch in der Bezeichnung der Akteure wieder. Während die Empfänger von Entwicklungsleistungen auch in offiziellen Dokumenten lange Zeit lediglich als Entwicklungs-, Nehmeroder Empfängerstaaten bzw. -länder bezeichnet wurden, ist nunmehr regelmäßig von Kooperations- oder Partnerstaaten die Rede.4 Dennoch werden in der vorliegenden Arbeit die Begriffe der Empfänger- respektive Geberstaaten verwendet. Es geht gerade darum, eine Gegenüberstellung von Geber- und Empfängerstaaten vorzunehmen und die Frage, welche Probleme in diesem Verhältnis durch eine stärkere 1
Ihne/Wilhelm, Grundlagen der Entwicklungspolitik, in: Ihne/Wilhelm (Hrsg.), Einführung in die Entwicklungspolitik, 2013, S. 5 (8). 2 Der ehemalige deutsche Entwicklungsminister Gerd Müller, der dieses Amt bis Ende 2021 innehatte, hält den Begriff der „Hilfe“ im Kontext der Entwicklungszusammenarbeit gar für „herablassend“, vgl. Dostert, Die Wäsche des Ministers, SZ, 13. November 2019. 3 Dieser veränderte Terminus vermag aber nicht über die weiterhin bestehenden ungleichen Machtverhältnisse zwischen Geber- und Empfängerstaaten und den daraus resultierenden Konsequenzen für die Entscheidungsprozesse in der Entwicklungszusammenarbeit hinwegzutäuschen, siehe Keil, Machtstrukturen durch Partnerschaften überwinden, in: Sangmeister/ Wagner (Hrsg.), Die Entwicklungszusammenarbeit der Zukunft, 2019, S. 83 (88 – 89); Messner/Scholz, Entwicklungspolitik als Beitrag zur globalen Zukunftssicherung, in: Faust/Neubert (Hrsg.), Wirksamere Entwicklungspolitik, 2010, S. 71 (73). 4 Auch das BMZ bezeichnet die „klassische Zweiteilung in Geber- und Empfängerländer“ als ein überholtes Modell und sieht stattdessen eine „globale Partnerschaft […] bei der alle Länder und Akteure Verantwortung übernehmen“, vonnöten, BMZ, Zukunftscharta, Eine Welt – Unsere Verantwortung, 2015, S. 8.
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Teil 1: Grundlagen
Verrechtlichung abgeschwächt werden können, zu beantworten. Um auch sprachlich eine trennscharfe Differenzierung zwischen den Akteuren zu gewährleisten, wird deshalb auf diese weitgehend als überholt angesehenen Begriffe zurückgegriffen. Ebenso werden die in der Kritik stehenden Bezeichnungen der Industriestaaten als Synonym für die Gruppe der Geberstaaten sowie Entwicklungsländer5 als Synonym für die Empfängerstaaten verwendet.6 Auch dies geschieht alleine aus Gründen fehlender sprachlicher Alternativen, die eine ausreichende Differenzierung zwischen diesen Staatengruppen gewährleisten könnten. Da es keine international einheitliche Definition des Begriffes Entwicklungsland gibt,7 wird dieser für die vorliegende Arbeit dahingehend konkretisiert, dass er alle Staaten erfasst, die sich auf der OECDDAC-Länderliste befinden.8 Dabei handelt es sich um eine Liste derjenigen Staaten, an die Leistungen der Entwicklungszusammenarbeit als ODA angerechnet werden können.9 Zu unterscheiden ist zudem zwischen dem Begriff der Entwicklungszusammenarbeit und dem der Entwicklungspolitik. Letzterer wird nachfolgend als Überbegriff verstanden. Er erfasst alle Handlungen der Geberstaaten, die in dem Bewusstsein getroffen werden, Auswirkungen auf die Empfängerstaaten zu haben.10 Dies beinhaltet beispielsweise auch Investitionen in den Empfängerstaaten oder Handelsabkommen. Ersterer erfasst dagegen ausschließlich ein begrenztes Instrumentarium an Maßnahmen, mittels derer die Empfängerstaaten in ihrer „wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung“11 gefördert werden sollen. Im Rahmen dieser
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Es sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass der gebräuchliche Begriff der Entwicklungsländer auch aus Perspektive des deutschen Rechts fragwürdig ist, da er nicht Länder, sondern Staaten meint. Die Verwendung des Begriffes des Entwicklungslandes erklärt sich aber aus einer wörtlichen Übersetzung der Bezeichnung „Developing countries“ und wurde auch in dieser Arbeit verwendet, um Missverständnissen vorzubeugen. 6 Allgemein zur Problematik der Verwendung des Begriffes der Entwicklungsländer siehe Lepenies, An Inquiry into the Roots of the Modern Concept of Development, CHOC 4 (2008), S. 202. 7 Ihne/Wilhelm, Grundlagen der Entwicklungspolitik, in: Ihne/Wilhelm (Hrsg.), Einführung in die Entwicklungspolitik, 2013, S. 5 (7). 8 OECD-DAC, DAC List of ODA Recipients: Effective for reporting on 2022 and 2023 flows, https://www.oecd.org/dac/financing-sustainable-development/development-finance-stan dards/DAC-List-of-ODA-Recipients-for-reporting-2022-23-flows.pdf (letzter Zugriff: 09. 05. 2022). 9 Zur OECD-DAC-Länderliste und der ODA-Definition im Allgemeinen unten Teil 3, § 1. 10 So auch Ihne/Wilhelm, Grundlagen der Entwicklungspolitik, in: Ihne/Wilhelm (Hrsg.), Einführung in die Entwicklungspolitik, 2013, S. 5 (8); Stockmann, Entwicklungsstrategien und Entwicklungszusammenarbeit, in: Stockmann/Menzel/Nuscheler (Hrsg.), Entwicklungspolitik, 2016, S. 425 (426). 11 So die Formulierung in der ODA-Definition. Das Definitionsmerkmal der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung wird dabei extensiv ausgelegt und erfasst weite Teile des staatlichen Entwicklungsprozesses, siehe unten Teil 3, § 1.
§ 2 Recht und Kohärenz
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Arbeit orientiert sich der Begriff der Entwicklungszusammenarbeit an der ODADefinition, die in Teil 3 näher erläutert wird.12 Die ODA-Definition erfasst jedoch eine Vielzahl von Leistungen, die nicht planbar sind oder keine Transferleistungen in die Empfängerstaaten beinhalten. Solche Maßnahmen spielen für die Frage der Kohärenz der Entwicklungszusammenarbeit nur eine untergeordnete Rolle. Angelehnt an den Begriff der Country Programmable Aid (CPA), der ebenfalls durch das OECD-DAC entwickelt wurde, ist der in dieser Arbeit verwendete Begriff der Entwicklungszusammenarbeit nicht vollständig deckungsgleich mit der Definition der ODA. CPA definiert sich insbesondere über die Leistungen, die es im Vergleich zur ODA-Definition nicht berücksichtigt.13 Es erfasst keine Kosten, die unvorhersehbar sind oder die ausschließlich im Geberstaat anfallen. Ausgeklammert werden dadurch beispielsweise die humanitäre Hilfe, Schuldenerlasse, Verwaltungskosten und Kosten für die Versorgung von Geflüchteten. Diese Aspekte werden auch im Rahmen der vorliegenden Untersuchung nicht näher betrachtet. Ziel ist es ausschließlich, zu bestimmen, inwieweit Recht dazu geeignet ist, die Kohärenz des ODA-Anteils zu steigern, der sowohl langfristig planbar ist als auch ein Transferelement in die Empfängerstaaten aufweist. Soweit in dieser Arbeit der Begriff der Entwicklungszusammenarbeit verwendet wird, meint er mithin die Leistungen, die von der CPA-Definition erfasst werden.
§ 2 Recht und Kohärenz Im Zentrum der vorliegenden Arbeit steht die These, dass das Recht im Allgemeinen und ein Entwicklungsgesetz im Besonderen zu einer verbesserten Kohärenz in der deutschen Entwicklungszusammenarbeit beitragen könnten, und damit auch der Begriff der Kohärenz als solcher. Kohärenz leitet sich vom lateinischen cohaerere (zusammenhängen) ab und kann im Bereich der Politik als eine stringente, logisch aufeinander aufbauende Handlungsweise verstanden werden.14 Die Entwicklungszusammenarbeit dient nicht nur klassischen Entwicklungszielen wie der Armutsbekämpfung, sondern auch zahlreichen weiteren Zielen, die die Schwerpunktsetzung der Geberstaaten beeinflussen.15 Diese Ziele sind nicht 12 Die Verwendung der ODA-Definition findet sich auch in anderen Arbeiten, die sich mit Rechtsfragen in der Entwicklungszusammenarbeit auseinandersetzen, siehe Dann, Entwicklungsverwaltungsrecht, 2012, S. 3; Neumann, Die Förderung der Rule of Law in der Entwicklungszusammenarbeit, 2013, S. 28. 13 Siehe unten Teil 3, § 4. 14 Obrovsky, Entwicklungspolitische Kohärenz, ÖFSE Working Paper No. 16, 2007, S. 5; Picciotto, The Evaluation of Policy Coherence for Development, Evaluation 11 (2005), S. 311 (323). 15 Messner/Scholz, Entwicklungspolitik als Beitrag zur globalen Zukunftssicherung, in: Faust/Neubert (Hrsg.), Wirksamere Entwicklungspolitik, 2010, S. 71 (73); OECD, Effective
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Teil 1: Grundlagen
konstant, sondern verändern sich fortwährend mit der politischen Ausrichtung der Geberstaaten und den bestehenden Herausforderungen.16 Zudem ist die Entstehungsgeschichte der Entwicklungszusammenarbeit geprägt von verschiedenen Entwicklungstheorien, die Auswirkungen auf die Ausrichtung der Entwicklungszusammenarbeit nehmen.17 Dadurch ist die Entwicklungszusammenarbeit prädestiniert für Kursänderungen.18 Es wird davon ausgegangen, dass eben diese Kursänderungen sowie sich wandelnde und widersprechende politische Interessen und die damit verbundene Unvorhersehbarkeit der Leistungen die Effektivität der Entwicklungszusammenarbeit vermindern.19 Eine kohärente Politik, die sich stringent an übergeordneten Zielen ausrichtet, wird diese Ziele regelmäßig effizienter erreichen und glaubwürdiger sein.20 Die Steigerung der entwicklungspolitischen Kohä-
Aid Management: Twelve lessons from DAC Peer Reviews, 2008, S. 6; Hoeffler/Outram, Need, Merit or Self-Interest – What Determines the Allocation of Aid?, CSAE Working Paper Series No. 19, 2008, S. 17: „Roughly half of the predicted value of aid is determined by donor-specific factors, […] that recipient need accounts for about 36 percent […] while donor self-interest accounts for about 16 percent.“ Kritisch in Bezug auf die stetige Erweiterung der Aufgaben der deutschen Entwicklungszusammenarbeit und die dadurch drohende Selbstüberforderung der Entwicklungszusammenarbeit Maihold, Entwicklungszusammenarbeit am Scheideweg, in: Sangmeister/Wagner (Hrsg.), Die Entwicklungszusammenarbeit der Zukunft, 2019, S. 17. Allgemein zu den Zielen der Entwicklungszusammenarbeit unten Teil 2, § 2. 16 Klingebiel, Rahmenbedingungen und Eckpunkte von Entwicklungszusammenarbeit in der Zukunft, in: Sangmeister/Wagner (Hrsg.), Die Entwicklungszusammenarbeit der Zukunft, 2019, S. 41 (44); OECD, Perspectives on Global Development 2019, 2018, S. 31. Die Entwicklungszusammenarbeit wird regelmäßig in den Kontext neuer internationaler Herausforderungen gestellt. So wurde beispielsweise weniger als einen Monat nachdem die WHO COVID-19 als Pandemie eingestuft hat, die Bekämpfung dieser Krankheit zu einem Ziel der ODA erklärt, OECD, COVID-19 Global Pandemic, 2020, https://www.oecd.org/dac/develop ment-assistance-committee/DAC-Joint-Statement-COVID-19.pdf (letzter Zugriff: 09. 05. 2022). 17 Für eine Übersicht über die grundlegenden Entwicklungstheorien, siehe Menzel, Entwicklungstheorie, in: Stockmann/Menzel/Nuscheler (Hrsg.), Entwicklungspolitik, 2016, S. 13 (47 – 165); Todaro/Smith, Economic Development, 2020, S. 116 – 139. 18 Ashoff, Die Global Governance-Qualität der internationalen Aid Effectiveness Agenda, 2015, S. 167. Eine Studie aus dem Jahr 2014 zur Vorhersehbarkeit von ODA zieht beispielsweise das Fazit, dass „Aid flows continue to be volatile and unpredictable“, Canavire-Bacarreza/Neumayer/Nunnenkamp, Why Aid is Unpredictable, Kiel Working Papers, IfW Kiel No. 1933, 2014, S. 20. Auch in Deutschland kam es in den vergangenen Jahren immer wieder zu Neuausrichtungen der Entwicklungszusammenarbeit, Maihold, Entwicklungszusammenarbeit am Scheideweg, in: Sangmeister/Wagner (Hrsg.), Die Entwicklungszusammenarbeit der Zukunft, 2019, S. 17 (21). 19 Canavire-Bacarreza/Neumayer/Nunnenkamp, Why Aid is Unpredictable, Kiel Working Papers, IfW Kiel No. 1933, 2014, S. 2; Kharas, Measuring the Cost of Aid Volatility, Wolfensohn Center for Development Working Paper No. 3, 2008, S. 25; Kodama, Aid Unpredictability and Economic Growth, World Dev. 40 (2012), S. 266 (266). 20 Ashoff, Die Global Governance-Qualität der internationalen Aid Effectiveness Agenda, 2015, S. 166; Obrovsky/Schlögl, Politikkohärenz durch Kohärenzpolitik!, 2011, S. 12.
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renz der Geberstaaten ist dementsprechend zu einem der zentralen Leitziele der Debatte um eine effektivere Entwicklungszusammenarbeit geworden.21 In der Entwicklungszusammenarbeit spielt der Begriff der Kohärenz vor allem im Kontext des Ansatzes der Politikkohärenz für Entwicklung (Policy Coherence for Development, PCD), die zunehmend als Politikkohärenz für nachhaltige Entwicklung (Policy Coherence for Sustainable Development, PCSD) bezeichnet wird,22 eine Rolle.23 Nach diesem, insbesondere auf Bemühungen des OECD-DAC und der Europäischen Union zurückgehenden Ansatz,24 sollen die Geberstaaten ihre verschiedenen Politikbereiche an den Interessen der Empfängerstaaten ausrichten.25 Differenziert werden kann diesbezüglich zwischen einer negativen und einer positiven Definitionsweise.26 Einerseits wird Politikkohärenz für Entwicklung als ein Bestreben in allen Politikbereichen hin zu einer entwicklungsfördernden Handlungsweise verstanden.27 Andererseits wird es auch als das bloße Unterlassen entwicklungshemmender Handlungen in allen Politikbereichen durch die Geberstaaten definiert.28 Gemein ist diesen Definitionsweisen, dass die Entwicklung der Empfängerstaaten zu einem ganzheitlichen Entscheidungskriterium der Politiken der Geberstaaten erhoben wird. Auf rechtlicher Ebene hat das Prinzip der Politikkohärenz für Entwicklung erstmals 1992 im Europarecht im EUV in der Fassung von Maastricht Niederschlag gefunden.29 Die Europäische Union sieht sich bis heute in einer Vorreiterrolle im 21 Ashoff, Politikkohärenz, in: Faust/Neubert (Hrsg.), Wirksamere Entwicklungspolitik, 2010, S. 346 (347); OECD, DAC High Level Communiqué: 31 October 2017, Ziff. 3; OECD, Effective Aid Management: Twelve lessons from DAC Peer Reviews, 2008, S. 7. 22 G. A., Res. 70/1 vom 25. September 2015, Ziel 17.14; OECD, DAC High Level Communiqué: 31 October 2017, Ziff 2, 3. Diese Ansätze entsprechen sich in ihren Grundgedanken. Der Ansatz der PCSD stellt jedoch die Ziele der 2030 Agenda in den Fokus der Politikkohärenz, siehe OECD, Recommendation of the Council on Policy Coherence for Sustainable Development, OECD/LEGAL/0381, 2019, Ziff. 1, Abs. 1 – 2. 23 Ashoff, Politikkohärenz, in: Faust/Neubert (Hrsg.), Wirksamere Entwicklungspolitik, 2010, S. 346 (346 – 347). 24 Verschaeve/Orbie, Ignoring the Elephant in the Room? Assesing the Impact of the European Union on the Development Assistance Committee’s Role in International Development, Dev. Policy Rev. 36 (2018), S. O44 (O47 – O49). 25 G. A., Res. 70/1 vom 25. September 2015, Ziff. 63. 26 Ashoff, Der entwicklungspolitische Kohärenzanspruch, 2005, S. 11; Barry/King/Matthews, Policy Coherence for Development: Five Challenges, Ir. Stud. Int’l Aff. 21 (2010), S. 207 (207). 27 G. A., Res. 70/1 vom 25. September 2015, Ziff. 63. 28 Siehe OECD, The DAC Guidelines: Poverty Reduction, 2001, S. 104: „Policy consistency means ensuring that individual policies are not internally contradictory, and avoiding policies that conflict with reaching for a given policy objective, in this case international poverty reduction.“ 29 Eine Pflicht zur Politikkohärenz für Entwicklung ergab sich aus Art. 130 v EUV i. d. F. von Maastricht. Dieser hatte den nachfolgenden Wortlaut: „Die Gemeinschaft berücksichtigt
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Bereich der PCD und hatte dieses Prinzip auch im EGV in der Fassung von Amsterdam30 sowie nunmehr im AEUV in der Fassung von Lissabon aufgenommen.31 Deutschland hat 2015 in einer Umfrage der Europäischen Kommission zum Stand der Umsetzung der Politikkohärenz für Entwicklung in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union angegeben, dass sich PCD auch in Deutschland auf eine Rechtsgrundlage stützt.32 Genannt hat es diesbezüglich Art. 208 Abs. 1 UAbs. 2 S. 2 AEUV. Diese Norm besagt, dass „bei der Durchführung politischer Maßnahmen, die sich auf die Entwicklungsländer auswirken können, […] die Union den Zielen der Entwicklungszusammenarbeit Rechnung [trägt]“. Sie bezieht sich dem Wortlaut nach ausschließlich auf die Europäische Union und verpflichtet demnach grundsätzlich nicht Deutschland oder die anderen Mitgliedstaaten.33 Dass die Mitgliedstaaten nicht Normadressat des Art. 208 Abs. 1 UAbs. 2 S. 2 AEUV sind, ergibt sich zudem aus einer systematischen Auslegung. Sowohl in Art. 208 Abs. 1 UAbs. 1 S. 2 AEUV als auch in Art. 208 Abs. 2 AEUV werden ausdrücklich die Union und die Mitgliedstaaten als Normadressaten genannt. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass die Mitgliedstaaten gerade nicht als Normadressat des Art. 208 Abs. 1 UAbs. 2 AEUV in Betracht kommen.34
die Ziele des Artikels 130 u bei den von ihr verfolgten Politiken, welche die Entwicklungsländer berühren können.“ Art. 130 u EUV lautete wie folgt: „1. Die Politik der Gemeinschaft auf dem Gebiet der Entwicklungszusammenarbeit, die eine Ergänzung der entsprechenden Politik der Mitgliedstaaten darstellt, fördert. – die nachhaltige wirtschaftliche und soziale Entwicklung der Entwicklungsländer, insbesondere der am meisten benachteiligten Entwicklungsländer; – die harmonische, schrittweise Eingliederung der Entwicklungsländer in die Weltwirtschaft; – die Bekämpfung der Armut in den Entwicklungsländern. 2. Die Politik der Gemeinschaft in diesem Bereich trägt dazu bei, das allgemeine Ziel einer Fortentwicklung und Festigung der Demokratie und des Rechtsstaats sowie das Ziel der Wahrung der Menschenrechte und Grundfreiheiten zu verfolgen. 3. Die Gemeinschaft und die Mitgliedstaaten kommen den im Rahmen der Vereinten Nationen und anderer zuständiger internationaler Organisationen gegebenen Zusagen nach und berücksichtigen die in diesem Rahmen gebilligten Zielsetzungen.“ 30 Im Vertrag von Amsterdam ergibt sich die Pflicht der Union zur Politikkohärenz für Entwicklung aus Art. 177 Abs. 1 UAbs. 2 S. 2 EGV. Dieser lautete wie folgt: „Bei der Durchführung politischer Maßnahmen, die sich auf die Entwicklungsländer auswirken können, trägt die Union den Zielen der Entwicklungszusammenarbeit Rechnung.“ 31 Die Pflicht zur Politikkohärenz für Entwicklung wurde in Art. 210 Abs. 1 UAbs. 2 S. 2 AEUV wortgleich aus Art. 177 Abs. 1 UAbs. 2 S. 2 EGV übernommen. 32 Die Antworten der Mitgliedstaaten sind nicht offiziell veröffentlicht worden und sind online nicht mehr abrufbar. Sie liegen dem Verfasser aber vor. Der eigentliche Bericht findet sich unter Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Policy Coherence for Development 2015 EU Report vom 3. August 2015, SWD(2015) 159 final. 33 Odendahl, Art. 208, in: Pechstein/Nowak/Häde (Hrsg.), AEUV, 2017, Rn. 31; Streinz/ Kruis, Art. 208 AEUV, in: Streinz (Hrsg.), EUV/AEUV, 2018, Rn. 33. 34 Diese Auslegung wird auch dadurch bestätigt, dass abgesehen von Deutschland keiner der anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union in dieser Umfrage Art. 208 AEUV als Rechtsgrundlage für die PCD genannt hat.
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2019 haben die deutschen Vertreter dann auch lediglich drei politische Dokumente als Grundlage für die PCD in Deutschland genannt.35 Dies waren die Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie aus dem Jahr 2017,36 die Afrikapolitischen Leitlinien der Bundesregierung37 aus dem Jahr 2014 sowie die Leitlinien Krisen verhindern, Konflikte bewältigen, Frieden fördern38 aus dem Jahr 2017. Keines dieser Dokumente enthält eine umfassende politische Verpflichtung, die Interessen der Empfängerstaaten in allen Politikbereichen bei der Entscheidungsfindung zu berücksichtigen.39 Daran lässt sich eines der zentralen Probleme des Ansatzes der PCD erkennen. Während die Rücksichtnahme auf die Empfängerstaaten zwar ein hehres Ziel darstellt, scheint eine hinreichend konkretisierte und rechtsverbindliche Umsetzung durch die Geberstaaten kaum vorstellbar. Zu schwerwiegend wären die Einschränkungen des Handlungsspielraums, die damit verbunden sind. Die gesetzlichen Umsetzungen dieses Prinzips in anderen Geberstaaten beschränken sich deshalb zumeist auf abstrakte Bekenntnisse, die nicht mit konkreten Pflichten oder Kontrollmechanismen einhergehen. In der englischen Übersetzung des spanischen Law on International Development Cooperation40 (im Folgenden als spanisches Entwicklungsgesetz bezeichnet) heißt es in Art. 4 beispielsweise unter der Überschrift „Principle of coherence“, dass die in den vorangegangenen Artikeln genannten Prinzipien und Ziele Grundlage aller durch die öffentliche Verwaltung im Rahmen ihrer jeweiligen Kompetenzen ausgeführten Politiken, die die Empfän-
35 Auch die deutsche Antwort auf den Bericht von 2019 ist nicht offiziell veröffentlicht worden und online nicht mehr abrufbar. Sie liegt dem Verfasser aber ebenfalls vor. Der Bericht aus dem Jahre 2019 findet sich unter Kommission der Europäischen Gemeinschaften, 2019 EU Report on Policy Coherence for Development vom 28. Januar 2019, SWD(2019) 20 final. 36 Bundesregierung, Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie: Neuauflage 2016, Beschluss Bundeskabinett vom 11. Januar 2017. Die Nachhaltigkeitsstrategie wurde im Jahr 2018, siehe Bundesregierung, Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie – Aktualisierung 2018, Beschluss Bundeskabinett vom 7. November 2018 sowie im Jahr 2021 aktualisiert, siehe Bundesregierung, Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie – Weiterentwicklung 2021, Beschluss Bundeskabinett vom 10. März 2021. 37 Bundesregierung, Afrikapolitische Leitlinien der Bundesregierung, Beschluss Bundeskabinett vom 21. Mai 2014. Die Afrikapolitischen Leitlinien wurden im Jahr 2019 aktualisiert, siehe Bundesregierung, Afrikapolitische Leitlinien der Bundesregierung – Aktualisierung 2019, Beschluss Bundeskabinett vom 27. März 2019. 38 Bundesregierung, Leitlinien der Bundesregierung – Krisen verhindern, Konflikte bewältigen, Frieden fördern, 2017, Beschluss Bundeskabinett vom 14. Juni 2017. 39 Demensprechend wird kritisiert, dass es nach wie vor an einem deutschen Leitdokument fehlt, das einen hinreichenden Rahmen für eine umfassende Politikkohärenz für Entwicklung bietet, OECD, Germany Mid-term Review vom 7. November 2018, DCD/JMdS(2018)69, S. 3; OECD, OECD Development Co-operation Peer Reviews: Germany 2021, S. 47. 40 Soweit die in dieser Arbeit untersuchten Gesetze auf Englisch, Französisch oder Deutsch verfasst wurden, ist die jeweilige authentischen Fassung zitiert worden. Bei den Vergleichsgesetzen, die in anderen Sprachen verfasst worden sind, wurde auf eine vom jeweiligen Staat veröffentlichte englische Übersetzung zurückgegriffen. Zu den Fundstellen der einzelnen Gesetze, sowohl der authentischen Fassungen als auch der Übersetzungen, Teil 1, § 4, B.
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gerstaaten beeinflussen können, sind.41 Und in Art. 1 Abs. 1 des italienischen General Law on International Development Cooperation (im Folgenden als italienisches Entwicklungsgesetz bezeichnet) wird die Entwicklungszusammenarbeit zu einem integralen und qualifizierenden Bestandteil der italienischen Außenpolitik erklärt.42 Zudem unternimmt Italien gem. Art. 2 Abs. 2 des Gesetzes äußerste Anstrengungen, um sicherzustellen, dass auch die Politiken, die nicht unmittelbar im Zusammenhang mit der Entwicklungszusammenarbeit stehen, mit den Zielen und Grundprinzipien dieses Gesetzes übereinstimmen und so möglicherweise zur Erreichung der Entwicklungsziele beitragen.43 Es erscheint äußerst unwahrscheinlich, dass derart unbestimmte Rechtsnormen im Falle konkreter Interessenwidersprüche eine Steuerungswirkung entfalten.44 Bereits die für die Entwicklungszusammenarbeit zuständigen Ministerien sehen sich regelmäßig dem Druck ausgesetzt, Eigeninteressen der Geberstaaten zu verfolgen.45 Andere Politikbereiche sind diesem Druck noch ungleich stärker ausgesetzt.46 Es ist deshalb davon auszugehen, dass eine umfassende Politikkohärenz für Entwicklung nur durch konkrete Pflichten und Kontrollmechanismen erreicht werden kann.47 Bisherige Ansätze zur Förderung der PCD stellen bisher zumeist lediglich politische Versprechen dar, die Kohärenz der Entwicklungspolitik zu verbessern, ohne mit echten Verpflichtungen einherzugehen.48 Sollte jedoch bereits die Entwicklungszusammenarbeit selbst nicht hinreichend kohärent im Interesse der Empfängerstaaten durchgeführt werden, kann dies erst recht nicht für die übrigen Politikbereiche angenommen werden. Diese Arbeit widmet sich deshalb nicht dem erstrebenswerten Ziel einer gesamtpolitischen Kohärenz für Entwicklung, sondern 41
Entwicklungsgesetz Spanien, Art. 4: „The Principles and objectives stated in the above Articles shall underlie all policies applied by Public Administrations in the framework of their respective powers and which may impact developing countries.“ 42 Entwicklungsgesetz Italien, Art. 1 Abs. 1 S. 1: „International cooperation for sustainable development, human rights and peace, hereinafter referred to as development cooperation, is an integral and qualifying part of Italian foreign policy.“ 43 Entwicklungsgesetz Italien, Art. 2 Abs. 2: „Italy makes an utmost effort to gurantee that its policies, even when not directly linked to development cooperation, be consistent with the purposes and founding principles of this Law, so that they might foster the achievement of development goals.“ 44 Ebenso skeptisch bezüglich einer Kohärenz in der Entwicklungspolitik, die auch realpolitisch umgesetzt wird, Ihne/Wilhelm, Grundlagen der Entwicklungspolitik, in: Ihne/Wilhelm (Hrsg.), Einführung in die Entwicklungspolitik, 2013, S. 5 (31). 45 Gulrajani, Bilateral Donors and the Age of the National Interest, World Dev. 96 (2017), S. 375 (380); Stockmann, Entwicklungsstrategien und Entwicklungszusammenarbeit, in: Stockmann/Menzel/Nuscheler (Hrsg.), Entwicklungspolitik, 2016, S. 425 (427). 46 Barry/King/Matthews, Policy Coherence for Development: Five Challenges, Ir. Stud. Int’l Aff. 21 (2010), S. 207 (210 – 211). 47 OECD, Effective Aid Management: Twelve lessons from DAC Peer Reviews, 2008, S. 7. 48 Sliitonen, Theorising Politics Behind Policy Coherence for Development (PCD), EJDR 28 (2015), S. 1 (5).
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beschränkt sich auf eine Untersuchung des Zusammenhangs zwischen rechtlichen Normen und der Kohärenz der Entwicklungszusammenarbeit.
A. Kohärenz in der Entwicklungszusammenarbeit Der Kohärenzbegriff im Sinne dieser Arbeit weicht vom Ansatz der Politikkohärenz für Entwicklung ab. Es handelt sich in gewisser Weise um einen pessimistischeren Ansatz. Es wird die Frage aufgeworfen, ob es in Deutschland Rechtsgrundlagen gibt, die geeignet sind, verbindlich sicherzustellen, dass die Entwicklungszusammenarbeit selbst hinreichend kohärent durchgeführt wird. Es wird untersucht, wie die Entwicklungszusammenarbeit Deutschlands als solche in ihrer Kohärenz durch das geltende Recht gesteuert wird und welche Vor- und Nachteile in diesem Zusammenhang der Erlass eines Entwicklungsgesetzes haben könnte. Diese auf einen einzelnen Politikbereich beschränkte Kohärenz wird auch als „interne Kohärenz“ bezeichnet.49 Inwieweit auch andere Politikbereiche durch das Ziel der Entwicklung der Empfängerstaaten beeinflusst werden, ist dagegen nicht Untersuchungsgegenstand. Es gibt keine einheitliche Definition des Begriffes der Kohärenz.50 Dies führt dazu, dass eine kohärente Politik zwar gefordert wird, aber die Bestimmung, ob eine hinreichende Kohärenz gegeben ist, mit erheblichen Herausforderungen verbunden ist.51 Speziell in der Entwicklungszusammenarbeit ist der Begriff der Kohärenz mit weitgehenden Hoffnungen verbunden.52 Es soll nicht nur eine Kohärenz zwischen den Handlungsweisen der beteiligten Akteure herbeigeführt werden, sondern auch in Bezug auf die Verfolgung der Ziele und der konkreten Maßnahmen, die im Rahmen
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Ashoff, Politikkohärenz, in: Faust/Neubert (Hrsg.), Wirksamere Entwicklungspolitik, 2010, S. 346 (347); Hoebink, Coherence and Development Policy, in: ÖFSE (Hrsg.), EUEntwicklungspolitik Quo Vadis?, 2005, S. 37 (38); Keijzer/Oppewal, Learn to walk before you run? A review of methodological approaches for evaluating coherence in the field of international cooperation, ECDPM Discussion Paper No. 132, 2012, S. 4; Koch, Measuring Longterm Trends in Policy Coherence for Development, Dev. Policy Rev. 36 (2018), S. 87 (89); Laag, Die Kohärenz der deutschen Rohstoffpolitik, 2016, S. 134; Picciotto, The Evaluation of Policy Coherence for Development, Evaluation 11 (2005), S. 311 (312). 50 Bracker, Kohärenz und juristische Interpretation, 2000, S. 13; Keijzer/Oppewal, Learn to walk before you run? A review of methodological approaches for evaluating coherence in the field of international cooperation, ECDPM Discussion Paper No. 132, 2012, S. 30; Laag, Die Kohärenz der deutschen Rohstoffpolitik, 2016, S. 132; Obrovsky/Schlögl, Politikkohärenz durch Kohärenzpolitik!, 2011, S. 17. 51 Siehe May/Sapotichne/Workman, Policy Coherence and Policy Domains, PSJ 34 (2006), S. 381 (382). 52 Kritisch dazu Bretton Woods Project, Kohärenz als neues Zauberwort bei Weltbank, IWF, WTO und UNO, 12. 02. 2004, https://www.weed-online.org/meldungen/27973.html (letzter Zugriff: 09. 05. 2022); Maihold, Mehr Kohärenz in der Entwicklungspolitik durch Geberkoordination?, APuZ 60, Nr. 10 (2010), S. 34 (35).
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der Entwicklungszusammenarbeit umgesetzt werden.53 Dadurch soll sie zu einer effektiveren Entwicklungszusammenarbeit beitragen.54 Es ist deshalb zunächst der Begriff der Kohärenz im Sinne dieser Untersuchung zu definieren. Die Geber verfolgen mit ihrer Entwicklungszusammenarbeit neben den eigentlichen Entwicklungszielen auch Ziele, die im Eigeninteresse liegen.55 Dies kann zu Interessenswidersprüchen zwischen den Geber- und Empfängerstaaten führen. Der Begriff der Kohärenz soll deshalb ausgehend von dieser Problematik definiert werden. Ziel ist es, zu untersuchen, inwieweit das Entwicklungsrecht zu einer „Kohärenz der Interessenausrichtung im Geber-Empfänger-Verhältnis“56 beitragen kann. Es soll ergründet werden, wie rechtliche Normen dazu beitragen können, die Interessenswidersprüche zwischen Geber- und Empfängerstaaten auszugleichen und der Verwendung von Haushaltsmitteln, die für die Entwicklungszusammenarbeit vorgesehen sind, für entwicklungsfremde Motive vorzubeugen. Kohärenz wird im Rahmen dieser Arbeit ausgehend von diesem Untersuchungsziel anhand von vier Kriterien definiert. Im Zentrum des Kohärenzverständnisses im Sinne dieser Arbeit steht der Begriff der Stringenz. Ergänzt wird dieser durch die Aspekte der Förderung von Synergien, der Langfristigkeit der Ausrichtung der Entwicklungszusammenarbeit sowie der Objektivierung von Entscheidungsprozessen. Die Kriterien dienen dabei sowohl als Definitionsmerkmale der Kohärenz der Entwicklungszusammenarbeit, als auch als Qualitätsmerkmale für die Bewertung des Entwicklungsrechts in Bezug auf ihre Wirkung auf die Entwicklungszusammenarbeit. Nachfolgend werden diese Kriterien näher erläutert und es wird dargelegt, weshalb sie ausgewählt wurden.
I. Stringenz Im Zentrum der Kohärenz im Sinne der vorliegenden Untersuchung steht die Stringenz bzw. Konsistenz57 des politischen Handelns. Es soll untersucht werden, ob das in Deutschland geltende Entwicklungsrecht dazu geeignet ist, sicherzustellen, 53 Ihne/Wilhelm, Grundlagen der Entwicklungspolitik, in: Ihne/Wilhelm (Hrsg.), Einführung in die Entwicklungspolitik, 2013, S. 5 (30). 54 Ashoff, Politikkohärenz, in: Faust/Neubert (Hrsg.), Wirksamere Entwicklungspolitik, 2010, S. 346 (347); Dann, Entwicklungsverwaltungsrecht, 2012, S. 259. 55 Siehe unten Teil 2, § 2. 56 In dieser Form als eigenständige und „unterschätzte Dimension“ in der Diskussion um die Kohärenz der Entwicklungszusammenarbeit bezeichnet in Ihne/Wilhelm, Grundlagen der Entwicklungspolitik, in: Ihne/Wilhelm (Hrsg.), Einführung in die Entwicklungspolitik, 2013, S. 5 (30). 57 Im angelsächsischen Sprachraum wird der Begriff der Kohärenz teilweise auch mit „Consistency“ übersetzt, siehe dazu Laag, Die Kohärenz der deutschen Rohstoffpolitik, 2016, S. 132; Hertog/Stroß, Coherence in EU External Relations, Eur. Foreign Aff. Rev. 18 (2013), S. 373 (375).
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dass die Entwicklungszusammenarbeit im Sinne einer größtmöglichen Effektivität zielgerichtet durchgeführt wird. Dazu sollten die geförderten Maßnahmen sich in ihrer Ausrichtung nicht untereinander widersprechen. Einzelne Maßnahmen sollten stets mit den übergeordneten Zielen der Entwicklungszusammenarbeit vereinbar sein und zur Erfüllung dieser beitragen.58 Eine stringente Politik definiert sich mithin insbesondere durch eine größtmögliche Widerspruchsfreiheit.59 Die verantwortlichen Akteure müssen einerseits Maßnahmen, die die übergeordneten Ziele unterlaufen, vermeiden und andererseits sicherstellen, dass durchgeführte Projekte sich nicht gegenseitig beeinträchtigen. Es wird deshalb untersucht, ob das in Deutschland geltende Entwicklungsrecht dazu geeignet ist, eine solche Widerspruchsfreiheit der Entwicklungsprojekte herbeizuführen, und welche Vor- und Nachteile ein Entwicklungsgesetz in diesem Zusammenhang hätte. Es ist davon auszugehen, dass eine stringente Politik die ihr zugrunde liegenden Ziele regelmäßig effektiver erreicht als politisches Handeln, das von Widersprüchen geprägt ist.60 Zudem kann sie dazu beitragen, das Vertrauen in die Entwicklungszusammenarbeit zu stärken. Regierungen sind zuvorderst der Erfüllung der Interessen ihrer Bürger verpflichtet. Die Entwicklungszusammenarbeit kommt diesen jedoch nur indirekt zugute. Sie sieht sich deshalb einem besonderen Rechtfertigungsdruck ausgesetzt.61 Eine Entwicklungszusammenarbeit, die weitgehend frei von Widersprüchen ist, kann Vertrauen schaffen und das politische Handeln nachvollziehbar machen.
II. Synergien Das zweite Definitionsmerkmal stellt die Förderung von Synergieeffekten dar.62 Angelehnt an den Ansatz der Politikkohärenz für Entwicklung soll auch die Politikkohärenz in der Entwicklungszusammenarbeit nicht ausschließlich negativ defi58
Hoebink, Coherence and Development Policy, in: ÖFSE (Hrsg.), EU-Entwicklungspolitik Quo Vadis?, 2005, S. 37 (38). 59 Hertog/Stroß, Coherence in EU External Relations, Eur. Foreign Aff. Rev. 18 (2013), S. 373 (376 – 377); Hoebink, Coherence and Development Policy, in: ÖFSE (Hrsg.), EUEntwicklungspolitik Quo Vadis?, 2005, S. 37 (37); Obrovsky, Entwicklungspolitische Kohärenz, ÖFSE Working Paper No. 16, 2007, S. 5. 60 Ashoff, Politikkohärenz, in: Faust/Neubert (Hrsg.), Wirksamere Entwicklungspolitik, 2010, S. 346 (347). 61 In einer vom IfD Allensbach durchgeführten Studie aus dem Jahr 2017 haben beispielsweise nur 44 % der Befragten angegeben, dass sie darauf vertrauen, dass die durch den Staat durchgeführte Entwicklungszusammenarbeit wirksam ist, GPI Studie 2017 – Wie die Deutschen Entwicklung und die Zukunft Afrikas sehen, S. 20. 62 Keijzer/Oppewal, Learn to walk before you run? A review of methodological approaches for evaluating coherence in the field of international cooperation, ECDPM Discussion Paper No. 132, 2012, S. 3.
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niert werden. Bei der PCD geht es um die Förderung von Synergien durch abgestimmte und gleichgerichtete Handlungsweisen verschiedener Politikbereiche. Dieser Grundgedanke kann auch auf die Politikkohärenz in der Entwicklungszusammenarbeit übertragen werden. Empfängerstaaten und Entwicklungsprojekte sollten so ausgewählt werden, dass sie sich in ein übergeordnetes Entwicklungskonzept einfügen, die durchgeführten Maßnahmen sich gegenseitig fördern und die Entwicklungszusammenarbeit dadurch effektiver wird. Es gilt deshalb zu untersuchen, ob das in Deutschland geltende Entwicklungsrecht nicht nur dazu geeignet ist, Widersprüche zu verhindern, sondern darüber hinaus einen übergeordneten Rahmen schafft, der eine Planung ermöglicht, die dazu beiträgt, dass die Entwicklungsmaßnahmen sich in ihrer Wirkung gegenseitig verstärken.
III. Langfristigkeit Unmittelbar an diese Kriterien knüpft das Kriterium der Langfristigkeit an. Bedingt durch wechselnde Interessen der Geberstaaten ist es in der Vergangenheit regelmäßig zu Kursänderungen und Neuausrichtungen in der Entwicklungszusammenarbeit gekommen.63 Während bei einer langfristigen Betrachtung die übergeordneten Ziele der Geber- und Empfängerstaaten im Wesentlichen übereinstimmen, ist dies bei kurzfristigen Nebenzielen oftmals nicht der Fall.64 Die dadurch bedingten Kursänderungen, beispielsweise in der Wahl der Empfängerstaaten, können die Entwicklungszusammenarbeit negativ beeinflussen.65 Notwendig ist deshalb, dass die Stringenz des entwicklungspolitischen Handelns auch langfristig, über Legislaturperioden hinaus, gegeben ist.66 Das Entwicklungsrecht sollte dementsprechend geeignet sein, die genannten Kriterien der Stringenz und der Förderung von Synergieeffekten nicht nur kurz-, sondern auch langfristig herbeizuführen. Dabei ist es erforderlich, dass ein angemessener Ausgleich zwischen der demokratisch legiti63
Dies gilt auch für die deutsche Entwicklungszusammenarbeit, siehe Maihold, Entwicklungszusammenarbeit am Scheideweg, in: Sangmeister/Wagner (Hrsg.), Die Entwicklungszusammenarbeit der Zukunft, 2019, S. 17 (19 – 24). Teilweise wird in diesem Zusammenhang davon gesprochen, dass es in der Entwicklungszusammenarbeit Modeerscheinungen gibt, die in Zyklen auftreten und bestimmte Konzepte und Projekte besonders in den Mittelpunkt stellen, siehe Sangmeister/Schönstedt-Maschke, Entwicklungszusammenarbeit im 21. Jahrhundert, 2010, S. 49. 64 Barry/King/Matthews, Policy Coherence for Development: Five Challenges, Ir. Stud. Int’l Aff. 21 (2010), S. 207 (210). 65 Die Wahrscheinlichkeit, dass die Geberstaaten sich an den Strukturen der Empfängerstaaten ausrichten, steigt mit der Länge der bilateralen Entwicklungsbeziehung, OECD/UNDP, Making Development Co-operation More Effective, 2019, S. 117. Diese Ausrichtung an den Strukturen und Konzepten der Empfängerstaaten ist eine Kernforderung des Prinzips der Ownership, das das Leitprinzip einer effektiveren Entwicklungszusammenarbeit darstellt. Zu den Prinzipien einer effektiven Entwicklungszusammenarbeit, unten Teil 1, § 2, C., I., 1. 66 OECD, Policy Coherence for Sustainable Development 2018, 2018, S. 91.
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mierten Entscheidungshoheit der jeweiligen Regierung und einer größtmöglichen Stringenz der Entwicklungszusammenarbeit erreicht wird.
IV. Objektivität Die drei genannten Kriterien stellen gleichwohl keine absoluten Ziele dar. Eine vollständige Stringenz politischen Handelns ist weder erreichbar67 noch erstrebenswert68 und mit demokratischen Strukturen unvereinbar.69 Demokratisch legitimierte Regierungen müssen dazu befähigt sein, eigene Akzente in der politischen Ausrichtung setzen zu können. Zudem sieht sich politisches Handeln stets neuen Herausforderungen ausgesetzt, auf die es reagieren muss. In der Entwicklungszusammenarbeit bedarf es, abhängig von kulturellen und politischen Besonderheiten, auf die jeweiligen Empfängerstaaten angepasster Entwicklungskonzepte. Eine auf alle Staaten anwendbare Strategie gibt es nicht.70 Zudem sind sich die Entwicklungsakteure darüber einig, dass in Zukunft die Strukturen und Instrumente der Entwicklungszusammenarbeit weiter verbessert werden müssen.71 Es bedarf deshalb auch in einer kohärenten Entwicklungszusammenarbeit ein erhebliches Maß an Handlungsflexibilität. Soweit Kursänderungen notwendig sind, sollten diese jedoch auf möglichst objektiven Entscheidungskriterien beruhen. Dies kann einerseits dazu beitragen, die Glaubwürdigkeit der Entwicklungszusammenarbeit zu erhöhen, da entsprechende Kursänderungen nachvollziehbarer werden, und ermöglicht dadurch andererseits eine verbesserte Überprüfbarkeit des politischen Handelns. Das vierte Definitionsmerkmal einer kohärenten Entwicklungszusammenarbeit ist deshalb, dass Entscheidungen aufgrund objektiver Kriterien getroffen werden.
V. Arbeitsdefinition Unter einer kohärenten Entwicklungszusammenarbeit ist im Rahmen der vorliegenden Untersuchung dementsprechend eine langfristig stringente Politik zu verstehen, die Synergieeffekte zwischen den einzelnen Maßnahmen fördert und Entscheidungen auf Grundlage objektiver Kriterien trifft. Inkohärenzen werden 67
Hoebink, Coherence and Development Policy, in: ÖFSE (Hrsg.), EU-Entwicklungspolitik Quo Vadis?, 2005, S. 37 (41); Picciotto, The Evaluation of Policy Coherence for Development, Evaluation 11 (2005), S. 311 (322). 68 Ashoff, Der entwicklungspolitische Kohärenzanspruch, 2005, Fn. 74; Carbone, Mission Impossible: the European Union and Policy Coherence for Development, in: Carbone (Hrsg.), Policy Coherence and EU Development Policy, 2009, S. 1 (4). 69 Laag, Die Kohärenz der deutschen Rohstoffpolitik, 2016, S. 165. 70 Sangmeister/Schönstedt-Maschke, Entwicklungszusammenarbeit im 21. Jahrhundert, 2010, S. 177. 71 WP-EFF, Busan Partnership for effective Development Co-operation, 2011, Ziff. 7.
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Teil 1: Grundlagen
gleichwohl als notwendiger Bestandteil eines demokratischen Herrschaftssystems und als Konsequenz der Komplexität des staatlichen Entwicklungsprozesses angesehen. Die Aufgabe des politischen Handelns und dementsprechend auch das Ziel des Entwicklungsrechts ist es lediglich, Inkohärenzen, die nicht notwendig sind, zu verhindern.72 Soweit Kursänderungen erforderlich sind, sollten diese anhand festgelegter Kriterien durchgeführt werden und sich nicht nach politischen Eigeninteressen, sondern nach den Erkenntnissen der internationalen Entwicklungsforschung richten. Es ist dementsprechend nicht das Ziel dieser Arbeit, zu ergründen, wie eine idealtypische Entwicklungszusammenarbeit aussehen sollte, und ob das Entwicklungsrecht geeignet ist, diese herbeizuführen und festzuschreiben, sondern zu bestimmen, inwieweit es dazu beitragen kann, dass die Entwicklungszusammenarbeit weitestgehend frei von Widersprüchen durchgeführt wird und Haushaltsmittel, die für die Entwicklungszusammenarbeit bestimmt sind, nicht für entwicklungsfremde Motive verwendet werden.73 Ein rechtliches Fundament, das zur Erreichung der festgelegten Definitionsmerkmale einer kohärenten Entwicklungszusammenarbeit beiträgt, wäre geeignet, eben dieses Ziel herbeizuführen.
B. Entwicklungsrecht und Kohärenz Damit eine Politikkohärenz in diesem Sinne durch eine stärkere rechtliche Ausgestaltung herbeigeführt werden kann, müssten Rechtsnormen abstrakt dazu geeignet sein, diese zu steigern. Recht dient in seiner grundlegenden Funktion der Verhaltenslenkung.74 Dies gilt sowohl für das internationale Recht75 als auch für das nationale Recht.76 Bei der Entwicklungszusammenarbeit handelt es sich im Kern um 72 So auch Carbone, Mission Impossible: the European Union and Policy Coherence for Development, in: Carbone (Hrsg.), Policy Coherence and EU Development Policy, 2009, S. 1 (4). 73 In der Debatte um eine effektivere Entwicklungszusammenarbeit geht das Verständnis von Kohärenz zumeist über die bloße Vermeidung von negativen Effekten hinaus und wird regelmäßig im Zusammenhang mit einer idealtypischen Ausrichtung der Entwicklungszusammenarbeit verwendet, Ihne/Wilhelm, Grundlagen der Entwicklungspolitik, in: Ihne/Wilhelm (Hrsg.), Einführung in die Entwicklungspolitik, 2013, S. 5 (31). 74 Adomeit/Hähnchen, Rechtstheorie mit juristischer Methodenlehre, 2018, S. 14; Franzius, Modalitäten und Wirkungsfaktoren der Steuerung durch Recht, in: Hoffmann-Riem/ Schmidt-Aßmann/Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts Band 1, 2012, S. 179 (210); Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, 2022, S. 50. 75 von Arnauld, Völkerrecht, 2019, S. 2; Herdegen, Völkerrecht, 2022, S. 36; Ipsen, Regelungsbereich, Geschichte und Funktion des Völkerrechts, in: Epping/Heintschel von Heinegg (Hrsg.), Völkerrecht, 2018, S. 1 (40); Graf Vitzthum, Begriff, Geschichte und Rechtsquellen des Völkerrechts, in: Graf Vitzthum/Proelß (Hrsg.), Völkerrecht, 2019, S. 1 (29). 76 Hugger, Gesetze, ihre Vorbereitung, Abfassung und Prüfung, 1983, S. 12 – 13; Müller, Elemente einer Rechtssetzungslehre, 2006, S. 12.
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die Vergabe von öffentlichen Haushaltsmitteln zur Förderung anderer Staaten.77 Sie stellt mithin eine Ausformung der Leistungsverwaltung dar. Im Zentrum stehen dabei die Entscheidungen, ob Leistungen zur Verfügung gestellt werden, wer oder was diese Leistungen erhält und wie diese Leistungen auszugestalten sind. In Bezug auf diese Fragen können Rechtsnormen Vorgaben machen, die die jeweiligen Normadressaten binden. Formelle Gesetze stellen diesbezüglich das wichtigste Steuerungsinstrument des Rechtsstaats dar.78 Sie dienen dazu, das Verhalten der Normadressaten im Sinne der politischen Überzeugungen des Gesetzgebers zu steuern.79 Den Verwaltungsgesetzen kommt dabei regelmäßig eine Auftragsfunktion zu.80 Sie definieren Ziele, die die Verwaltung verwirklichen muss und lenken so ihre Handlungen.81 Dieser gesetzliche Auftrag stellt zugleich Handlungsermächtigung und Handlungsbegrenzung dar und muss bei der Ausübung des Ermessens, soweit das Gesetz ein solches belässt, berücksichtigt werden.82 Darüber hinaus kann das Recht eine Organisationsfunktion einnehmen.83 Es kann dazu verwendet werden, Kompetenzen zu bestimmen und damit Kompetenzstreitigkeiten, die mit Inkohärenzen einhergehen können,84 vorzubeugen. Ebenso kann es eine Definitionsfunktion ausfüllen und durch Legaldefinitionen eine einheitliche Auslegung wesentlicher Begriffe sicherstellen.85 Das Recht im Allgemeinen und Gesetze im Besonderen können mittels der genannten Funktionen Leitplanken schaffen, an denen die Verwaltung die Entwicklungsmaßnahmen ausrichten kann. Rechtsnormen können dadurch den Ermessen77 Dann, Entwicklungsverwaltungsrecht, 2012, S. 261; Dann, Grundfragen eines Entwicklungsverwaltungsrechts, in: Möllers/Voßkuhle/Walter (Hrsg.), Internationales Verwaltungsrecht, 2007, S. 7 (47). 78 Ipsen, Allgemeines Verwaltungsrecht, 2019, S. 30; Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, 2022, S. 149; Schmidt-Aßmann, Das allgemeine Verwaltungsrecht als Ordnungsidee, 2006, S. 183; Schuppert, Das Gesetz als zentrales Steuerungsinstrument des Rechtsstaates, in: Schuppert (Hrsg.), Das Gesetz als zentrales Steuerungsinstrument des Rechtsstaates, 1998, S. 105 (107 – 108). 79 Krings, Das Gesetz im demokratischen Verfassungsstaat, in: Kluth/Krings (Hrsg.), Gesetzgebung, 2014, S. 41 (49); Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, 2022, S. 53. 80 Hill, Einführung in die Gesetzgebungslehre, 1982, S. 20; Scheuner, Das Gesetz als Auftrag der Verwaltung, in: Scheuner/Listl/Rüfner (Hrsg.), Staatstheorie und Staatsrecht, 1978, S. 545 (562 – 563). 81 Lehr, Staatliche Lenkung durch Handlungsformen, 2010, S. 204; Müller, Elemente einer Rechtssetzungslehre, 2006, S. 12 – 13. 82 Scheuner, Das Gesetz als Auftrag der Verwaltung, in: Scheuner/Listl/Rüfner (Hrsg.), Staatstheorie und Staatsrecht, 1978, S. 545 (564). 83 Hellgardt, Regulierung und Privatrecht, 2016, S. 62. 84 Hoebink, Coherence and Development Policy, in: ÖFSE (Hrsg.), EU-Entwicklungspolitik Quo Vadis?, 2005, S. 37 (41); OECD, Building Blocks for Policy Coherence for Development, 2009, S. 28. 85 Kluth, Entwicklung und Perspektiven der Gesetzgebungswissenschaft, in: Kluth/Krings (Hrsg.), Gesetzgebung, 2014, S. 3 (33); Müller, Elemente einer Rechtssetzungslehre, 2006, S. 203.
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Teil 1: Grundlagen
spielraum beschränken oder auf Null reduzieren. Dies steigert die Vorhersehbarkeit des Verwaltungshandelns und mindert die Gefahr von Kursänderungen durch sachfremde Einflüsse. Eine kohärente Politik setzt zudem eine umfassende Planung voraus, die das zukünftige Verhalten steuert. Ein Gesetz kann in diesem Zusammenhang als verbindliches Planungsinstrument dienen, das die äußeren Konturen des politischen Handelns definiert und vorgibt.86 Es ist somit grundsätzlich geeignet, die Kohärenz des politischen Handelns zu steigern. Gesetze sind gleichwohl bei weitem nicht die einzigen Rechtsquellen der Verwaltung.87 Die bilaterale deutsche Entwicklungszusammenarbeit wird bisher insbesondere durch Verwaltungsvorschriften gesteuert.88 Diese besitzen ebenfalls Rechtsqualität und entfalten verwaltungsinterne Bindungswirkungen.89 Im Gegensatz zu formellen Gesetzen ist für den Erlass von Verwaltungsvorschriften grundsätzlich kein formelles Gesetzgebungsverfahren vorgeschrieben.90 Das Parlament ist dementsprechend nicht an ihrer Aufhebung oder Änderung beteiligt.91 Dadurch können Verwaltungsvorschriften einfacher aufgehoben oder geändert werden und sind ein im Vergleich zu Gesetzen weniger starres Steuerungsinstrument. Dies stellt in Bezug auf die in der Entwicklungszusammenarbeit notwendige Flexibilität einen Vorteil dar, in Bezug auf das Kohärenzkriterium der Langfristigkeit ist es dagegen von Nachteil. Im Rahmen dieser Untersuchung ist deshalb stets zu untersuchen, ob die Vorteile in Bezug auf die Langfristigkeit, die ein Entwicklungsgesetz mit sich bringen würde, die damit verbundenen Nachteile der Beschränkung der Flexibilität überwiegen. Rechtsverbindliche Normen sind zudem nicht die einzige Möglichkeit, zu einer erhöhten Kohärenz beizutragen. Die bisherigen Arbeiten, die sich mit Formen des Entwicklungsrechts92 auseinandergesetzt haben, konzentrieren sich vornehmlich oder zumindest zum Teil auf die Herausarbeitung von Grundprinzipien der Entwicklungszusammenarbeit, die bisher keine rechtliche Verbindlichkeit aufweisen.93 86 Badura, Planung durch Gesetz, in: Müller (Hrsg.), Recht als Prozeß und Gefüge, 1981, S. 15 (19). 87 Statt aller und mit weiteren Nachweisen sowie einer Darstellung der verschiedenen Rechtsquellen Ehlers, Verwaltung und Verwaltungsrecht im demokratischen und sozialen Rechtsstaat, in: Ehlers/Pünder (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, 2016, S. 1 (72 – 108). 88 Siehe unten Teil 2, § 3, C. 89 Ehlers, Verwaltung und Verwaltungsrecht im demokratischen und sozialen Rechtsstaat, in: Ehlers/Pünder (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, 2016, S. 1 (104); Erbguth/Guckelberger, Allgemeines Verwaltungsrecht, 2019, S. 94. 90 Lehr, Staatliche Lenkung durch Handlungsformen, 2010, S. 210. 91 Ehlers, Verwaltung und Verwaltungsrecht im demokratischen und sozialen Rechtsstaat, in: Ehlers/Pünder (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, 2016, S. 1 (107). 92 Zum Begriff des Entwicklungsrechts im Sinne dieser Arbeit unten Teil 1, § 2, C. 93 Siehe beispielsweise Bulajic´, Principles of International Development Law, 1993; Dann, Entwicklungsverwaltungsrecht, 2012; Feyter, World Development Law, 2001; Kaltenborn, Entwicklungsvölkerrecht und Neugestaltung der internationalen Ordnung, 1998; Müller, Das Kohärenzgebot im Entwicklungsrecht der Europäischen Union, 2015; Neumann, Die Förde-
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Diese Leitprinzipien werden dabei vor allem aus dem Soft Law, also politischen Dokumenten, die nicht rechtlich verbindlich sind,94 abgeleitet und stellen bisher regelmäßig kein verbindliches Recht dar.95 Sie werden gleichwohl, wie auch das Soft Law generell,96 als Instrumente verstanden, die zu einer Weiterentwicklung des Rechts beitragen97 und auch ohne Rechtsverbindlichkeit Einfluss auf die Entwicklungszusammenarbeit der Staaten nehmen.98 Diese Arbeiten spiegeln ein Verständnis des Völkerrechts wider, das sich nicht nur auf seine rechtsverbindliche Steuerungsfunktion beschränkt, sondern darüber hinaus gerade auch der Transformation und Weiterentwicklung des internationalen Miteinanders dient.99 Dem Völkerrecht kam stets auch eine programmatische Funktion zu,100 die mit einem gewissen Gerechtigkeitsversprechen verbunden ist.101 Es hat beispielsweise durch die Entwicklung der internationalen Menschenrechte maßgeblich zur Verbesserung der Lebenssituation der Menschen auf der ganzen Welt beigetragen. Vor allem die Entwicklungsländer entnehmen dem Völkerrecht ein Gerechtigkeitsversprechen, das sich auch auf ihre wirtschaftliche Situation bezieht.102 Gerade das Soft Law, beispielsweise in Form von Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen, kann in Bereichen, in denen sich die Staaten nicht auf rechtsverbindliche Regelungen einigen können, als Ausgangspunkt dieser programmatischen Funktion des Völkerrechts dienen.103 Diese Arbeit weicht dennoch von diesem prinzipienbasierten Ansatz ab und konzentriert sich vornehmlich auf rechtsverbindliche Normen. Dies geschieht nicht rung der Rule of Law in der Entwicklungszusammenarbeit, 2013; Sarkar, International Development Law, 2009. 94 Hobe, Einführung in das Völkerrecht, 2020, S. 183; Knauff, Soft Law, in: Schöbener (Hrsg.), Völkerrecht, 2014, S. 386 (387); Shaw, International law, 2021, S. 99; Graf Vitzthum, Begriff, Geschichte und Rechtsquellen des Völkerrechts, in: Graf Vitzthum/Proelß (Hrsg.), Völkerrecht, 2019, S. 1 (69). 95 von Arnauld, Völkerrecht, 2019, S. 418; Ashoff, Die Global Governance-Qualität der internationalen Aid Effectiveness Agenda, 2015, S. 92; Kadelbach, Entwicklung als normatives Konzept, in: Dann/Kadelbach/Kaltenborn (Hrsg.), Entwicklung und Recht, 2014, S. 49 (59 – 60). 96 Thürer, Soft Law (Updated 03/2009), www.mpepil.com (letzter Zugriff: 09. 05. 2022), Rn. 28. 97 Focarelli, International Law, 2019, S. 223; Shaw, International law, 2021, S. 99 – 100. 98 Dann, Entwicklungsverwaltungsrecht, 2012, S. 197. 99 Kaltenborn, Entwicklungs- und Schwellenländer in der Völkerrechtsgemeinschaft, AVR 46 (2008), S. 205 (208). 100 Mégret, The Liberation of Nelson Mandela, in: Johns/Joyce/Pahuja (Hrsg.), Events: The Force of International Law, 2011, S. 117 (118). 101 Pahuja, Decolonization and the Eventness of International Law, in: Johns/Joyce/Pahuja (Hrsg.), Events: The Force of International Law, 2011, S. 91 (92); Thürer, Modernes Völkerrecht, ZaöRV 60 (2000), S. 557 (602 – 603). 102 Pahuja, Decolonising International Law, 2013, S. 254. 103 Focarelli, International Law, 2019, S. 223; Odendahl, Völkerrecht, 2012, S. 69; Thürer, Soft Law (Updated 03/2009), www.mpepil.com (letzter Zugriff: 09. 05. 2022), Rn. 22.
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aufgrund einer Missachtung der Bedeutung des Soft Laws für die Entwicklung des Rechts und dessen Lenkungswirkung, sondern ist der Realität der Entwicklungszusammenarbeit geschuldet. Die Einhaltung von Soft Law hängt wesentlich vom Grad der Konkretisierung der Pflichten sowie der Festlegung außerrechtlicher Sanktionsmechanismen ab.104 Gerade an einer solchen Konkretisierung und Entwicklung von Sanktionsmechanismen mangelt es in den zentralen Dokumenten der internationalen Entwicklungszusammenarbeit bisher. Obwohl im Rahmen der Bemühungen um eine effektivere Entwicklungszusammenarbeit grundlegende Leitprinzipien entwickelt worden sind, zu denen sich die Geberstaaten bekannt haben,105 erscheint eine Beachtung dieser Versprechungen teilweise von Opportunitätsgründen abzuhängen.106 Selbst in Rechtssystemen, denen es bisher weitgehend an effektiven Durchsetzungsmechanismen fehlt, wie dem Völkerrecht,107 ist zu beobachten, dass rechtsverbindliche Normen grundsätzlich befolgt werden.108 Verbindliches Recht hat im Vergleich zu politischen Erklärungen eine erhöhte Autorität und demnach stärkere Lenkungswirkung. Diese Arbeit soll aber keinen Widerspruch zu den prinzipienbasierten Ansätzen darstellen. Vielmehr baut sie ausdrücklich auf diesen auf, berücksichtigt die in diesen Arbeiten herausgearbeiteten Ansätze, soweit diese für den Untersuchungsgegenstand relevant sind, und überprüft, ob und in welcher Form diese in den verschiedenen Rechtssystemen in rechtsverbindlicher Weise Eingang gefunden haben.
C. Das Entwicklungsrecht als Mehrebenensystem Recht ist mithin abstrakt geeignet, zu einer verbesserten Kohärenz im politischen Handeln beizutragen. In dieser Arbeit soll das Entwicklungsrecht genauer auf diese Funktion untersucht werden. Als Entwicklungsrecht sind nachfolgend die rechtlichen Normen zu verstehen, die der Steuerung der Entwicklungszusammenarbeit im Sinne der CPA-Definition109 dienen.110 Es ist dabei als ein Mehrebenensystem zu 104
Knauff, Soft Law, in: Schöbener (Hrsg.), Völkerrecht, 2014, S. 386 (390). Zu diesen Prinzipien unten Teil 1, § 2, C., I., 1. 106 Auch in der jüngeren Vergangenheit hat sich gezeigt, dass die Geber immer wieder von diesen Grundsätzen abweichen, siehe Ashoff, Die Global Governance-Qualität der internationalen Aid Effectiveness Agenda, 2015, S. 147 – 148; OECD/UNDP, Making Development Co-operation More Effective, 2019, S. 94 – 95. 107 von Arnauld, Völkerrecht, 2019, S. 16. Allgemein zu den Durchsetzungsmechanismen im Völkerrecht Tomuschat, Enforcement of International Law, ZaöRV 79 (2019), S. 579 (629). 108 Focarelli, International law, 2019, S. 7; Shen, The Basis of International Law, Dick. J. Int’l L. 17 (1999), S. 287 (353); Graf Vitzthum, Begriff, Geschichte und Rechtsquellen des Völkerrechts, in: Graf Vitzthum/Proelß (Hrsg.), Völkerrecht, 2019, S. 1 (28). 109 Zum Begriff der Entwicklungszusammenarbeit im Sinne dieser Untersuchung bereits oben Teil 1, § 1. 110 Der Begriff des Entwicklungsrechts entspricht im Rahmen dieser Arbeit im Grundsatz dem des „Entwicklungsverwaltungsrechts“, prägend Dann, Entwicklungsverwaltungsrecht, 105
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verstehen, das nicht nur das nationale Recht, sondern auch das Völker- und Europarecht erfasst.111 Diese Ebenen legen sodann auch den Prüfungsrahmen der Untersuchung fest. Es wird analysiert, welchen Einfluss die verschiedenen Ebenen des Entwicklungsrechts jeweils auf die festgelegten Rechtsfragen nehmen. Ergänzend wird, soweit diese für das Verständnis des Entwicklungsrechts relevant sind, auf zentrale Soft Law Dokumente eingegangen. Nachfolgend werden die verschiedenen Ebenen des Entwicklungsrechts kurz dargestellt. Eine Besonderheit dieser Arbeit stellt der rechtsvergleichende Aspekt dar. Es wird zum einen das in Deutschland geltende Entwicklungsrecht analysiert. Zum anderen werden aber auch Gesetze einiger festgelegter Geberstaaten, die speziell zur Regelung der Entwicklungszusammenarbeit erlassen wurden und nachfolgend als Entwicklungsgesetze bezeichnet werden, auf ihren Regelungsgehalt untersucht. Diese Vergleichsgesetze stellen im Rahmen der Arbeit eine eigenständige vierte Untersuchungsebene dar.
I. Völkerrecht Das Recht auf internationaler Ebene, das Einfluss auf die Entwicklungszusammenarbeit und den Entwicklungsprozess der Empfängerstaaten nimmt, wird vornehmlich unter dem Begriff des Entwicklungsvölkerrechts diskutiert.112 Während es ursprünglich teilweise als eine radikale Neuausrichtung des Völkerrechts verstanden wurde und dieses in weiten Teilen ersetzen sollte,113 wird es mittlerweile als Teilbereich des existierenden Völkerrechts interpretiert und setzt sich insbesondere aus Prinzipien des Wirtschafts- und Umweltvölkerrechts sowie der Menschenrechte
2012; Dann, Grundfragen eines Entwicklungsverwaltungsrechts, in: Möllers/Voßkuhle/Walter (Hrsg.), Internationales Verwaltungsrecht, 2007, S. 7; Dann/Riegner, Globales Entwicklungsverwaltungsrecht, in: Dann/Kadelbach/Kaltenborn (Hrsg.), Entwicklung und Recht, 2014, S. 723. Wie das „Entwicklungsverwaltungsrecht“ umschreibt auch das in dieser Arbeit untersuchte Entwicklungsrecht die Normen, die den Transfer von ODA regeln. Um die verschiedenen Rechtssysteme, die das Entwicklungsrecht im Rahmen dieser Untersuchung umfasst, auch sprachlich zu erfassen, wurde sich jedoch für die abstraktere Bezeichnung des Entwicklungsrechts entschieden. 111 So auch Dann, Grundfragen eines Entwicklungsverwaltungsrechts, in: Möllers/Voßkuhle/Walter (Hrsg.), Internationales Verwaltungsrecht, 2007, S. 7 (10 – 11); Kadelbach, Entwicklungsvölkerrecht, in: Fischer-Lescano/Gasser/Marauhn/Ronzitti (Hrsg.), Frieden in Freiheit, 2008, S. 625 (634); Neumann, Die Förderung der Rule of Law in der Entwicklungszusammenarbeit, 2013, S. 32. 112 Zur Entstehungsgeschichte des Entwicklungsvölkerrechts siehe Kaltenborn, Entwicklungs- und Schwellenländer in der Völkerrechtsgemeinschaft, AVR 46 (2008), S. 205 (205 – 212). 113 Siehe dazu Dann, Ideengeschichte von Recht und Entwicklung, in: Dann/Kadelbach/ Kaltenborn (Hrsg.), Entwicklung und Recht, 2014, S. 19 (25); Kaltenborn, Entwicklungs- und Schwellenländer in der Völkerrechtsgemeinschaft, AVR 46 (2008), S. 205 (207).
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zusammen.114 Es umfasst grundsätzlich alle völkerrechtlichen Prinzipien und Regeln, die der Begünstigung der wirtschaftlichen Entwicklung der Entwicklungsländer dienen sollen.115 Es regelt mithin nicht ausschließlich die Entwicklungszusammenarbeit und ist weiter gefasst als der in dieser Arbeit untersuchte Teil des Entwicklungsrechts, der der Steuerung der Entwicklungszusammenarbeit dient. Das Entwicklungsvölkerrecht beruht vor allem auf Soft Law Dokumenten und kennt bisher kaum rechtsverbindliche Normen.116 Aus diesen Dokumenten lassen sich allgemeine Prinzipien ableiten, die in der Entwicklungszusammenarbeit eine Leitfunktion einnehmen sollen und ihrer übergeordneten Strukturierung und Steuerung dienen. Auch diesen Prinzipien ist jedoch gemein, dass ihnen bisher ebenfalls keine rechtliche Verbindlichkeit zukommt.117 Dies führt dazu, dass von ihnen teilweise abgewichen wird und ihre Lenkungswirkung in Fällen bestehender Interessenwidersprüche fraglich erscheint.118 Ein Schwerpunkt dieser Untersuchung liegt deshalb auf der Betrachtung des Einflusses rechtsverbindlicher Normen des allgemeinen Völkerrechts auf die bilaterale Entwicklungszusammenarbeit. Allgemeine Völkerrechtsprinzipien, wie das Interventionsverbot und der Grundsatz der souveränen Gleichheit der Staaten, könnten die Geberstaaten in rechtsverbindlicher Weise in ihrem Handlungsspielraum einschränken. Ebenso könnten völkerrechtliche Normen als Grundlage einer rechtlichen Pflicht zur Entwicklungszusammenarbeit dienen. Wenngleich diese Arbeit sich maßgeblich auf rechtsverbindliche Normen des Entwicklungsrechts konzentriert, sind einige der Prinzipien, die dem Soft Law zuzuordnen sind, von zentraler Bedeutung für das Verständnis des Entwicklungsrechts. Dies wird auch bei einer Betrachtung der Entwicklungsgesetze einiger der führenden 114 Kaltenborn, Entwicklungsvölkerrecht und Neugestaltung der internationalen Ordnung, 1998, S. 25. Gerade in diesen Gebieten enthält das Völkerrecht Sonderregeln für die Entwicklungsländer, Kadelbach, Entwicklungsvölkerrecht, in: Fischer-Lescano/Gasser/Marauhn/ Ronzitti (Hrsg.), Frieden in Freiheit, 2008, S. 625 (629 – 632). 115 Mahiou, Development, International Law of (Updated 03/2013), www.mpepil.com (letzter Zugriff: 09. 05. 2022), Rn. 14 – 15. 116 von Arnauld, Völkerrecht, 2019, S. 418; Ashoff, Die Global Governance-Qualität der internationalen Aid Effectiveness Agenda, 2015, S. 95; Dann/Vierck, Paris Declaration on Aid Effectiveness (2005)/Accra Agenda for Action (2008) (Updated 07/2019), www.mpepil.com (letzter Zugriff: 09. 05. 2022), Rn. 14; Kadelbach, Entwicklungsvölkerrecht, in: FischerLescano/Gasser/Marauhn/Ronzitti (Hrsg.), Frieden in Freiheit, 2008, S. 625 (628); Krajewski, Wirtschaftsvölkerrecht, 2021, S. 281; Qureshi/Ziegler, International Economic Law, 2019, S. 683. 117 Dann, Entwicklungsverwaltungsrecht, 2012, S. 199. 118 Es besteht ein allgemeines Bewusstsein dafür, dass die Geberstaaten teilweise von den entwickelten Leitprinzipien einer effektiven Entwicklungszusammenarbeit abweichen, Ashoff, Die Global Governance-Qualität der internationalen Aid Effectiveness Agenda, 2015, S. 147 – 148; GPEDC, Mexico High Level Meeting Communique, 2014, Ziff. 7; OECD/UNDP, Making Development Co-operation More Effective, 2019, S. 94 – 95; Wood/Betts/Etta/Gayfer/Kabell/ Naomi/Sagasti/Samaranayake, The Evaluation of the Paris Declaration, Final Report, 2011, S. 54 – 55.
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Geberstaaten deutlich. Gem. Art. 2 Abs. 3 lit. a) des italienischen Entwicklungsgesetzes gewährleistet Italien bei der Durchführung von Maßnahmen der Entwicklungszusammenarbeit die Beachtung der „principles of effectiveness agreed upon at international level“. Gem. Art. 1 Abs. 3 des dänischen Entwicklungsgesetzes sollen die Ziele der dänischen Entwicklungszusammenarbeit „within the framework of internationally recognised principles and objectives for development cooperation“ verfolgt werden. Zweck des kanadischen Entwicklungsgesetzes ist es gem. Art. 2 Abs. 1 sicherzustellen, „that all Canadian official development assistance abroad is provided with a central focus on poverty reduction and in a manner that is consistent with […] the principles of the Paris Declaration on Aid Effectiveness“. Ebenfalls eine zentrale Bedeutung haben die Agenda 2030 und die Millenniumserklärung der Vereinten Nationen für die Entwicklungszusammenarbeit. Die belgische Entwicklungszusammenarbeit richtet sich gem. Art. 3 Abs. 2 S. 2 des belgischen Entwicklungsgesetzes „nach den Entwicklungszielen der Vereinten Nationen“ und das Ziel der dänischen Entwicklungszusammenarbeit ist es gem. Art. 1 Abs. 1 des dänischen Entwicklungsgesetzes „to fight poverty and promote human rights, democracy, sustainable development, peace and stability in accordance with […] the UN’s 2030 sustainable Development Agenda […]“. Die allgemeinen Prinzipien der internationalen Entwicklungszusammenarbeit und die Entwicklungsziele der Vereinten Nationen erhalten mithin durch die Entwicklungsgesetze in manchen Staaten eine rechtliche Dimension und haben das Zielsystem der Entwicklungszusammenarbeit entscheidend geprägt. Diese Prinzipien und Ziele der Entwicklungszusammenarbeit sollen deshalb nachfolgend kurz dargestellt werden. 1. Prinzipien einer effektiven Entwicklungszusammenarbeit Die zentralen Prinzipien einer effektiven Entwicklungszusammenarbeit wurden erstmals in der Paris Declaration on Aid Effectiveness festgeschriebenen. In dieser Erklärung wurden fünf grundlegende Prinzipien definiert.119 Diese sind die Eigenverantwortung (Ownership), die Ausrichtung auf die Entwicklungspartner (Alignment), die Abstimmung der Geberaktivitäten auf die Empfängerstaaten (Harmonisation), die Ausrichtung der Aktivitäten der Geber- und Partnerstaaten auf eine größtmögliche Wirksamkeit (Managing for Results) und eine Rechenschaftspflicht
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Dabelstein/Patton, The Paris Declaration on Aid Effectiveness, CJPE 27 (2013), S. 19 (20); Sangmeister/Schönstedt-Maschke, Entwicklungszusammenarbeit im 21. Jahrhundert, 2010, S. 45; Keeley, From Aid to Development, 2012, S. 106; Schmalenbach, Koordination und Netzwerke im Entwicklungsverwaltungsrecht, in: Dann/Kadelbach/Kaltenborn (Hrsg.), Entwicklung und Recht, 2014, S. 765 (768).
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sowohl gegenüber den Bürgern (Domestic Accountability) als auch gegenüber den Empfängerstaaten (Mutual Accountability).120 Obwohl die Paris Declaration on Aid Effectiveness bereits 2005 verabschiedet wurde, kann dieses Prinzipien-Quintett noch immer als Kern und Ausgangspunkt der Grundsätze einer effektiven Entwicklungszusammenarbeit angesehen werden.121 Seither wurden sie aber insbesondere 2008 durch die Accra Agenda for Action,122 2011 durch die Busan Partnership for effective Development Co-operation123 sowie durch die Abschluss-Dokumente der High-Level-Meetings der Global-Partnership for Effective Development Co-operation 2014 in Mexiko124 und 2016 in Nairobi125 weiter ausgeformt und präzisiert.126 Im Rahmen dieser Erklärungen wurden diese fünf Prinzipien zu vier Prinzipien verdichtet. Dass Prinzip der „Alingment“ wird nunmehr ebenfalls unter dem Prinzip der „Ownership“ gefasst, „Managing on Resultus“ wird als „Focus on Results“ bezeichnet, das Prinzip der „Harmonisation“ ist im Prinzip der „Inclusive Partnerships“ und das Prinzip der „Mutual Accountability“ ist im Prinzip der „Transparency and Accountability“ aufgegangen. Neben diesen Prinzipien haben sich weitere Entwicklungsgrundsätze herausgebildet, die die internationale Entwicklungszusammenarbeit beeinflussen. Dazu zählen beispielsweise der bereits beschriebene Ansatz der Politikkohärenz für Entwicklung, die Förderung der Rule of Law127 sowie der Schutz der Menschenrechte.128 Diese werden jedoch nicht zu den zentralen Grundprinzipien einer effektiven Entwicklungszusammenarbeit gezählt.129 Nachfolgend erfolgt eine Darstellung der Grundprinzipien unter den Bezeichnungen der Paris Declaration on Aid Effectiveness, da diese als eigenständige Begriffe Eingang in den Entwicklungsdiskurs gefunden haben. Deren Weiterentwicklung durch die genannten Dokumente wurde dabei berücksichtigt.
120 Diese Prinzipien werden in der vorliegenden Untersuchung vornehmlich mit ihren englischen Titeln verwendet. Dies begründet sich darin, dass sie unter diesen Titeln als eigenständige Begriffe Eingang in den entwicklungspolitischen Diskurs gefunden haben. 121 Dabelstein/Patton, The Paris Declaration on Aid Effectiveness, CJPE 27 (2013), S. 19 (32 – 33); Klingebiel, Entwicklungszusammenarbeit, 2013, S. 59. 122 WP-EFF, Accra Agenda for Action, 2008. 123 WP-EFF, Busan Partnership for effective Development Co-operation, 2011. 124 GPEDC, Mexico High Level Meeting Communique, 2014. 125 GPEDC, Nairobi Outcome Document, 2016. 126 Ashoff, Die Global Governance-Qualität der internationalen Aid Effectiveness Agenda, 2015, S. 101; Klingebiel, Entwicklungszusammenarbeit, 2013, S. 60. 127 Ausführlich dazu u. a. Neumann, Die Förderung der Rule of Law in der Entwicklungszusammenarbeit, 2013. 128 Ausführlich dazu u. a. Karimova, Human Rights and Development in International Law, 2016; Schläppi, Menschenrechte in der bilateralen Entwicklungszusammenarbeit, 1998; Wagner, Menschenrechte in der Entwicklungspolitik, 2017. 129 Siehe GPEDC, Nairobi Outcome Document, 2016, Ziff. 33.
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a) Ownership Das Prinzip der Ownership, das im Deutschen mit dem Begriff der Eigenverantwortung übersetzt wird, ist das zentrale Leitprinzip der internationalen Entwicklungszusammenarbeit.130 Gem. der Paris Declaration on Aid Effectiveness sollen die Empfängerstaaten bei der „Konzipierung und Umsetzung ihrer nationalen Entwicklungsstrategien“ sowie bei der „Koordinierung der Entwicklungsleistungen“ die Führungsrolle übernehmen.131 Sie sollen eigene Entwicklungsziele definieren und Konzepte erstellen, um diese Ziele zu erreichen.132 Die Grundidee dahinter ist, dass eine effektive und nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung nur dann erreicht werden kann, wenn diese vom Empfängerstaaten selbst getragen und vorangetrieben wird.133 Der Entwicklungsprozess wird stets nur in dem Maße erfolgreich sein, in dem er durch die verantwortlichen Entscheidungsträger auf Empfängerseite mitgetragen wird.134 Seine rechtliche Grundlage hat das Prinzip der Ownership im Grundsatz der souveränen Gleichheit der Staaten.135 Demnach hat jeder Staat das Recht, wesentliche innere und äußere Angelegenheiten selbst zu bestimmen.136 Eine Entwicklungszusammenarbeit, die gegen oder ohne den Willen der Empfängerstaaten durchgeführt wird, ist mit dem Prinzip der souveränen Gleichheit der Staaten dementsprechend nicht vereinbar.137 Mit der Übertragung der Führungsrolle auf die Empfängerstaaten geht das Prinzip der Ownership aber über die rechtlichen Vorgaben der souveränen Gleichheit der Staaten hinaus. Die Verwendung der Entwicklungsmittel der Geberstaaten soll nicht nur mit den Empfängerstaaten abgestimmt werden, sondern von diesen wesentlich gesteuert werden.138 Im Rahmen dieser Arbeit wird das Ownership-Prinzip insbesondere im Kontext der Auswahl der Entwicklungsprojekte untersucht. Wesentlichen Einfluss nimmt es 130 Ashoff, Die Global Governance-Qualität der internationalen Aid Effectiveness Agenda, 2015, S. 101; Keeley, From Aid to Development, 2012, S. 106; WP-EFF, Accra Agenda for Action, 2008, Ziff. 8. 131 WP-EFF, Paris Declaration on Aid Effectiveness, 2005, Ziff. 14. 132 GPEDC, Nairobi Outcome Document, 2016, Ziff. 37; Keeley, From Aid to Development, 2012, S. 106. 133 WP-EFF, Busan Partnership for effective Development Co-operation, 2011, Ziff. 11 lit. a). 134 McCourt, Lost in Translation, Dev. Policy Rev. 36 (2018), S. 649 (651). 135 Dann, Entwicklungsverwaltungsrecht, 2012, S. 216; Dann/Vierck, Paris Declaration on Aid Effectiveness (2005)/Accra Agenda for Action (2008) (Updated 07/2019), www.mpe pil.com (letzter Zugriff: 09. 05. 2022), Rn. 15. 136 von Arnauld, Völkerrecht, 2019, S. 139; Krajewski, Völkerrecht, 2020, S. 169. 137 Dann/Sattelberger, Verrechtlichung in der Entwicklungszusammenarbeit – Zur normativen Verdichtung des Prinzips der Eigenverantwortung, in: Ziai (Hrsg.), Im Westen nichts Neues?, 2014, S. 261 (264). 138 Dann/Vierck, Paris Declaration on Aid Effectiveness (2005)/Accra Agenda for Action (2008) (Updated 07/2019), www.mpepil.com (letzter Zugriff: 09. 05. 2022), Rn. 7.
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zudem auf die in dieser Arbeit nicht untersuchte Durchführungsebene. Die Empfängerstaaten sollen nicht nur die übergeordneten Ziele und Strategien ihrer Entwicklungsbestrebungen definieren, sondern auch ihre Durchführung anleiten.139 b) Alignment Das Prinzip der Alignment, welches im Deutschen als Partnerausrichtung bezeichnet wird, besagt, dass die Geberstaaten ihre Entwicklungsleistungen an den von den Empfängerstaaten entwickelten Strategien ausrichten sollen.140 Die Empfängerstaaten können nur dann die Verantwortung für die Entwicklungszusammenarbeit übernehmen, wenn die Geberstaaten ihnen die Führungsrolle auch überlassen. Es stellt damit im Wesentlichen einen Bestandteil des Prinzips der Ownership dar141 und wird in neueren Dokumenten als Unterpunkt dieses Prinzips geführt.142 Eines der zentralen Probleme auf Seiten der Geber im Zusammenhang mit dem Prinzip der Alignment ist die fehlende Vorhersehbarkeit von Entwicklungsleistungen für die Empfängerstaaten.143 Nur wenn sie ausreichende Planungssicherheit bezüglich der Leistungen haben, ist es den Empfängerstaaten möglich, entsprechende Entwicklungsstrategien zu entwickeln, nach denen die Geberstaaten ihre Leistungen ausrichten können.144 In diesem Zusammenhang wird deshalb vor allem gefordert, dass die Geberstaaten Systeme zur Planung zukünftiger Maßnahmen entwickeln und die mittelfristige Planung mit den Empfängerstaaten teilen.145 Eine Umsetzung des Alignment-Prinzips setzt gleichwohl voraus, dass die Empfängerstaaten entsprechende Strategien ausgearbeitet haben und diese nachhaltig versuchen umzusetzen. Dies stellt gerade in den am wenigsten entwickelten Staaten der Erde (Least Developed Countries, LDCs), die oftmals keine entsprechenden Strukturen geschaffen haben, ein wesentliches Problem dar.146 Das Prinzip
139 Siehe Entwicklungsgesetz Belgien, Art. 21 S. 1: „Afin d’assurer la responsabilité la plus large possible du pays partenaire, la coopération gouvernementale privilégie l’exécution nationale de ses interventions par les procédures, instruments et systèmes de gestion du pays partenaire et les renforce si necessaire.“ 140 WP-EFF, Paris Declaration on Aid Effectiveness, 2005, Ziff. 16. 141 Das Prinzip der Alignment kann dementsprechend als „Herzstück“ der Ownership betrachtet werden, so auch OECD/UNDP, Making Development Co-operation More Effective, 2019, S. 95. 142 GPEDC, Nairobi Outcome Document, 2016, Ziff. 43 lit. j); GPEDC, Mexico High Level Meeting Communique, 2014. Ziff. 9. 143 Keeley, From Aid to Development, 2012, S. 109. 144 Killen, The Paris Declaration, OECD Journal: General Papers Issue 1 (2011), S. 15 (18). 145 Killen, The Paris Declaration, OECD Journal: General Papers Issue 1 (2011), S. 15 (18); WP-EFF, Accra Agenda for Action, 2008, Ziff. 58. Angestrebt wird, dass die Geber ihre geplanten Ausgaben drei bis fünf Jahre im Voraus veröffentlichen, GPEDC, Nairobi Outcome Document, 2016, Ziff. 43 lit. b). 146 Booth, Aid Effectiveness, ODI Working Paper No. 336, 2011, S. 3.
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der Alignment wird ebenfalls insbesondere bei der Untersuchung der Auswahl der Entwicklungsprojekte berücksichtigt. c) Harmonisation Eine zentrale Problematik der Entwicklungszusammenarbeit ist die fortschreitende Fragmentierung der Geber.147 Jeder Empfängerstaat muss mit einer Vielzahl von multilateralen Organisationen und Geberstaaten interagieren.148 Entwicklungszusammenarbeit geht so mit einem erheblichen Verwaltungsaufwand einher, der einen wesentlichen Teil der finanziellen Mittel bindet.149 Dieser Problematik soll das Prinzip der Harmonisation (Harmonisierung der Aktivitäten der Geberstaaten) entgegenwirken. Die Geber sollen soweit möglich „gemeinsame Vorkehrungen für Planung, Finanzierung (z. B. Gemeinschaftsfinanzierungen), Auszahlung, Monitoring, Evaluierung sowie Berichterstattung an die staatlichen Stellen über Geberaktivitäten und EZ-Leistungen“ treffen.150 Sie sollen mithin ihre Entwicklungsleistungen in den Empfängerstaaten besser aufeinander abstimmen und einheitliche Vergabe- und Evaluierungskriterien entwickeln.151 Darüber hinaus erfasst eine stärkere Harmonisierung der Entwicklungsleistungen das Ziel, die Fragmentierung der Geber zu verringern.152 Ziel dieses Prinzips ist es, sowohl eine verbesserte Koordination der Geber innerhalb der einzelnen Empfängerstaaten herbeizuführen als auch eine vorgelagerte Koordination zu fördern, die verhindert, dass die Empfängerstaaten einer zu großen Zahl an Entwicklungsakteuren gegenüberstehen.153
147
Easterly/Pfutze, Where Does the Money Go? Best and Worst Practices in Foreign Aid, JEP 22, No. 2 (2008), S. 29 (51); Pietschmann, Fragmentation’s Losers, in: Mahn/Negre/ Klingebiel (Hrsg.), The Fragmentation of Aid, 2016, S. 79 (79); OECD, The Architecture of Development Assistance, 2012, S. 110. 148 Teilweise sehen sich die Empfängerstaaten selbst im Rahmen der bilateralen Entwicklungszusammenarbeit mit einzelnen Geberstaaten mehreren Akteuren gegenüber. Ein Beispiel dafür ist die zweigliedrige Ausgestaltung der bilateralen Entwicklungszusammenarbeit Deutschlands, siehe unten Teil 2, § 3, B. 149 Stern, Thematic Study on the Paris Declaration, Aid Effectiveness and Development Effectiveness, 2008, S. 13. 150 WP-EFF, Paris Declaration on Aid Effectiveness, 2005, Ziff. 32. 151 Diese Ziele werden in den neueren Dokumenten unter dem Prinzip der „Inclusive Partnerships“ gefasst, GPEDC, Nairobi Outcome Document, 2016, Ziff. 59. 152 Faust/Messner, Ordnungspolitische Herausforderung für eine wirksamere EZ, in: Faust/ Neubert (Hrsg.), Wirksamere Entwicklungspolitik, 2010, S. 259 (281); Keeley, From Aid to Development, 2012, S. 110. 153 Es wird davon ausgegangen, dass eine Konzentration auf eine geringe Zahl an Empfängerstaaten pro Geberstaat, bei gleich bleibendem Umfang der Entwicklungsleistungen zu einer Steigerung der Wirksamkeit führt, OECD, The Architecture of Development Assistance, 2012, S. 110.
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Die zentralen Grundgedanken dieses Prinzips sind einerseits das Bestreben, den Verwaltungs- und Koordinationsaufwand in der internationalen Entwicklungszusammenarbeit und die damit verbundenen Kosten zu verringern.154 Andererseits soll eine verbesserte Abstimmung zwischen den Gebern zu einer ausgewogeneren Verteilung der Entwicklungsmittel führen und dem Entstehen von Entwicklungswaisen – Staaten, die vergleichsweise wenig Entwicklungsförderung erhalten – und Entwicklungslieblingen – Staaten, die besonders umfangreiche Unterstützung erhalten – entgegenwirken.155 Das Prinzip der Harmonisation wird im Kontext der Steuerung der Auswahl der Empfängerstaaten und der Entwicklungsprojekte unter dem Begriff der Geberkoordination untersucht. d) Managing for Results Managing for Results bedeutet im Wesentlichen, dass sowohl Geber- als auch Empfängerstaaten die Leistungen der Entwicklungszusammenarbeit in einer Weise verwalten sollen, „bei der die Realisierung der angestrebten Ergebnisse die Richtschnur bildet und vorhandene Informationen zur Verbesserung der Entscheidungsprozesse genutzt werden“.156 Es verlangt mithin von den Geberstaaten eine fortlaufende Überprüfung der Entwicklungsmaßnahmen und eine zukünftige Ausrichtung dieser anhand der Evaluationsergebnisse und kann im Deutschen als konsequente Wirkungsorientierung übersetzt werden.157 Die Orientierung an den zu erwartenden Ergebnissen wird dadurch zur übergeordneten Handlungsmaxime erklärt.158 Dieses Prinzip nimmt damit sowohl Einfluss auf die Auswahl der Entwicklungsprojekte als auch auf die Durchführungsebene. e) Mutual Accountability Das Prinzip der Mutual Accountability (gegenseitige Rechenschaftspflichten) dient zunächst vor allem dazu, die Positionen von Empfänger- und Geberstaaten anzugleichen.159 Lange Zeit galt in der Entwicklungszusammenarbeit der Grundsatz, dass die Geberstaaten bestimmte Bedingungen stellen und die Empfängerstaaten, sofern sie diese erfüllen, Entwicklungsleistungen erhalten.160 Rechenschaftspflichten waren mithin äußerst einseitig verteilt und trafen fast ausschließlich die Emp154
(92). 155
Deutscher, The Bigger Picture, OECD DAC Journal on Development 10 (2009), S. 89
Winters, The Obstacles to Foreign Aid Harmonization, SCID 47 (2012), S. 316 (319). WP-EFF, Paris Declaration on Aid Effectiveness, 2005, Ziff. 43. 157 GPEDC, Nairobi Outcome Document, 2016, Ziff. 14; Sangmeister/SchönstedtMaschke, Entwicklungszusammenarbeit im 21. Jahrhundert, 2010, S. 45. 158 Wolff, Was bedeutet Wirksamkeit für das Geber-Geber- und Geber-Partner-Verhältnis?, in: Faust/Neubert (Hrsg.), Wirksamere Entwicklungspolitik, 2010, S. 305 (317). 159 Hechler/Tostensen, Is Mutual Accountability Feasible?, U4 Issue 11 (2012), S. 1 (3). 160 Keeley, From Aid to Development, 2012, S. 111. 156
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fängerstaaten.161 Dies soll das Prinzip der Mutual Accountability ändern. Es verpflichtet die Empfängerstaaten dazu, die Rolle der Parlamente bei der Verabschiedung der Entwicklungsstrategien und -budgets zu stärken und die Geberstaaten und -organisationen bei der Ausarbeitung ihrer Entwicklungsstrategien einzubeziehen.162 Die Geberstaaten verpflichten sich im Gegenzug dazu, „zeitnahe, transparente und ausführliche Informationen über die EZ-Leistungen zu liefern“.163 Dies soll dazu beitragen, das Machtgefälle zwischen Geber- und Empfängerstaaten zu verringern.164 Kernelement dieses Prinzips ist eine größtmögliche Transparenz sowohl gegenüber den Empfängerstaaten als auch gegenüber der eigenen Bevölkerung.165 Inwieweit das Entwicklungsrecht die Geberstaaten zu einer stärkeren Transparenz verpflichtet, wird im Kontext der internen Strukturierung umfassend untersucht. 2. Die Millenniumserklärung und die Agenda 2030 Die Aufgabe, die offiziellen Ziele der internationalen Entwicklungszusammenarbeit zu formulieren, ist in der jüngeren Vergangenheit zunehmend durch die Vereinten Nationen ausgefüllt worden.166 Vor allem die Millenniumserklärung167 und die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung168 dienen als Zielkataloge der internationalen Entwicklungszusammenarbeit. Aus der Millenniumserklärung wurden acht zentrale Millenniums-Entwicklungsziele abgeleitet.169 Diese Ziele sind die Bekämpfung von extremer Armut und Hunger, eine Primärschulbildung für alle, die Gleichstellung der Geschlechter und Stärkung der Frauen, die Senkung der Kindersterblichkeit, die Verbesserung der Gesundheitsversorgung der Mütter, die Be161
Killen, The Paris Declaration, OECD Journal: General Papers Issue 1 (2011), S. 15 (23). WP-EFF, Paris Declaration on Aid Effectiveness, 2005, Ziff. 48. 163 WP-EFF, Paris Declaration on Aid Effectiveness, 2005, Ziff. 49. 164 Killen, The Paris Declaration, OECD Journal: General Papers Issue 1 (2011), S. 15 (23). 165 WP-EFF, Busan Partnership for effective Development Co-operation, 2011, Ziff. 11 lit. d). In neueren Dokumenten wird dieses Prinzip dementsprechend unter „Transparency and Accountability“ gefasst, GPEDC, Nairobi Outcome Document, 2016, Ziff. 72. 166 Maihold, Entwicklungszusammenarbeit am Scheideweg, in: Sangmeister/Wagner (Hrsg.), Die Entwicklungszusammenarbeit der Zukunft, 2019, S. 17 (22); Sangmeister/ Schönstedt-Maschke, Entwicklungszusammenarbeit im 21. Jahrhundert, 2010, S. 28. 167 Ashoff, Politikkohärenz, in: Faust/Neubert (Hrsg.), Wirksamere Entwicklungspolitik, 2010, S. 346 (356 – 357); Loewe, Entwicklungspolitik, Armutsbekämpfung und Millennium Development Goals, in: Faust/Neubert (Hrsg.), Wirksamere Entwicklungspolitik, 2010, S. 101 (101); Rist/Camiller, The History of Development, 2019, S. 233 – 234. 168 Klingebiel, Rahmenbedingungen und Eckpunkte von Entwicklungszusammenarbeit in der Zukunft, in: Sangmeister/Wagner (Hrsg.), Die Entwicklungszusammenarbeit der Zukunft, 2019, S. 41 (43); GPEDC, Nairobi Outcome Document, 2016, Ziff. 2 – 3; OECD, DAC High Level Meeting Communiqué: 19 February 2016, Ziff. 5; OECD, DAC High Level Communiqué: 10 November 2020, Ziff. 3. 169 Pleuger, United Nations, Millennium Declaration (Updated 03/2007), www.mpepil.com (letzter Zugriff: 09. 05. 2022), Rn. 6. 162
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kämpfung von HIV/AIDS, Malaria und anderen schweren Krankheiten, die ökologische Nachhaltigkeit sowie die Entstehung einer globalen Partnerschaft für Entwicklung.170 2015 wurden diese Ziele durch die Agenda 2030 erneuert und erweitert. Während sich die Millenniumserklärung vor allem auf die Entwicklungsländer bezog und im wesentlichen klassische Ziele der Entwicklungszusammenarbeit definierte, legt die Agenda 2030 den Fokus auf eine nachhaltige Entwicklung und bezieht sich in ihren Zielen nicht nur auf die Entwicklungsländer, sondern auch auf die Industriestaaten.171 Diese Erklärung enthält nunmehr 17 Sustainable Development Goals (SDGs).172 Diese umfassen sowohl klassische Entwicklungsziele, wie die vollständige Beseitigung der Armut bis 2030, als auch solche, beispielsweise die Förderung bezahlbarer und sauberer Energie oder die nachhaltige Gestaltung von Städten und Gemeinden, die ein durch die Gefahren der weltweiten Klimaveränderung beeinflusstes Entwicklungsverständnis verdeutlichen. Die SDGs spiegeln damit eine vor allem seit den 1990er Jahren wachsende Komplexität des Zielsystems der modernen Entwicklungszusammenarbeit wider.173 Entwicklung wird nicht mehr als ein rein wirtschaftlicher Prozess verstanden, sondern umfasst auch die wesentlichen Bereiche der Sozialpolitik.174 Obwohl die Millenniumserklärung und die Agenda 2030 als Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen nicht rechtsverbindlich sind, nehmen sie wesentlichen Einfluss auf die Ausrichtung der internationalen Entwicklungszusammenarbeit und spiegeln das bestehende Zielverständnis dieses Handlungsbereichs wider.175 Dies zeigt sich beispielsweise am Mandat, das die Mitgliedstaaten dem OECD-DAC erteilt haben. Dessen wesentliche Aufgabe ist nunmehr die Förderung der Entwicklungszusammenarbeit und anderer relevanter Politiken, um zur Um-
170 Sangmeister/Schönstedt-Maschke, Entwicklungszusammenarbeit im 21. Jahrhundert, 2010, S. 33. 171 Debiel, Entwicklungspolitik in Zeiten der SDGs, in: Debiel (Hrsg.), Entwicklungspolitik in Zeiten der SDGs, 2018, S. 5 (5); G. A., Res. 70/1 vom 25. September 2015, Ziff. 55; Klingebiel, Rahmenbedingungen und Eckpunkte von Entwicklungszusammenarbeit in der Zukunft, in: Sangmeister/Wagner (Hrsg.), Die Entwicklungszusammenarbeit der Zukunft, 2019, S. 41 (46 – 47). 172 G. A., Res. 70/1 vom 25. September 2015, Ziff. 18. 173 Messner/Scholz, Entwicklungspolitik als Beitrag zur globalen Zukunftssicherung, in: Faust/Neubert (Hrsg.), Wirksamere Entwicklungspolitik, 2010, S. 71 (71); Pahuja, Decolonising International Law, 2013, S. 232. 174 Kritisch in Bezug auf die zunehmende Ausweitung des Verständnisses der Entwicklung Rist/Camiller, The History of Development, 2019, S. 232. 175 Dies gilt auch für die deutsche Entwicklungszusammenarbeit, siehe BMZ, Entwicklungspolitik als Zukunfts- und Friedenspolitik: 15. Entwicklungspolitischer Bericht der Bundesregierung, 2017, S. 24; BMZ, EINEWELT – unsere Verantwortung. Globalisierung gerecht gestalten: 16. Entwicklungspolitischer Bericht der Bundesregierung, 2021, S. 7, 113, 138; BMZ, BMZ 2030 Umdenken – Umsteuern, 2020, S. 4.
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setzung der Agenda 2030 beizutragen.176 Dies soll gelingen, indem „quality, results and impact of development cooperation“ verbessert wird, „while upholding the integrity of ODA“.177 Die Definition eines übergeordneten Zielsystems ist für die Kohärenz der Entwicklungszusammenarbeit von entscheidender Bedeutung.178 Politiken können nur stringent umgesetzt werden, wenn die Ziele, an denen sie ausgerichtet werden, feststehen und nicht regelmäßig geändert werden.179 Diese Arbeit nimmt für sich nicht in Anspruch zu bestimmen, wie eine idealtypische Entwicklungszusammenarbeit aussehen sollte, und nimmt dementsprechend auch keine Wertung bezüglich des genauen Zielkatalogs, den Deutschland mit der Entwicklungszusammenarbeit verfolgen sollte, vor.180 Das Bestehen der SDGs zeigt aber, dass die internationale Staatengemeinschaft sich auf ein übergeordnetes Zielsystem verständigt hat, an dem sich die Entwicklungszusammenarbeit ausrichten kann und zu dem sich auch die Bundesregierung bekennt.181
II. Europarecht Die Europäische Union ist neben den Mitgliedstaaten selbst als Akteur auf Geberseite in der Entwicklungszusammenarbeit tätig. Die Entwicklungszusammenarbeit ist sowohl primärrechtlich im Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) als auch in verschiedenen sekundärrechtlichen Rechtsakten geregelt.182 Ergänzend beeinflussen bi- und multilaterale Verträge, die die Beziehungen
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OECD, Resolution of the Council to renew and revise the Mandate of the DAC up to 31 December 2022, approved at its 1363rd session held on 14 December 2017, C(2017)134 and C/M(2017)22. Die Förderung der SDGs als zentrale Aufgabenzuweisung für das OECD-DAC war das zentrale Ziel bei der Überarbeitung des Mandates, OECD, DAC High Level Communiqué: 31 October 2017, Ziff. 5. 177 OECD, DAC High Level Communiqué: 31 October 2017, Ziff. 3. 178 Der Einfluss eines Zielsystems auf die Politikkohärenz ist maßgeblich davon abhängig, wie präzise dieses definiert ist, May/Sapotichne/Workman, Policy Coherence and Policy Domains, PSJ 34 (2006), S. 381 (384). 179 Ashoff, Politikkohärenz, in: Faust/Neubert (Hrsg.), Wirksamere Entwicklungspolitik, 2010, S. 346 (361). Dies gilt gerade auch in Bezug auf das übergeordnete Ziel der Armutsbekämpfung und dessen was unter Armut zu verstehen ist, Clarke, Defining and Measuring Poverty, in: Kingsbury/McKay/Hunt/McGillivray/Clarke (Hrsg.), International Development, 2016, S. 190 (195). 180 Politische Kohärenz als solche ist wertneutral. Sowohl „schlechte“ als auch „gute“ Politik kann kohärent oder inkohärent umgesetzt werden, May/Sapotichne/Workman, Policy Coherence and Policy Domains, PSJ 34 (2006), S. 381 (400). 181 Bundesregierung, Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie – Weiterentwicklung 2021, Beschluss Bundeskabinett vom 10. März 2021, S. 12. 182 Dann, Entwicklungsverwaltungsrecht, 2012, S. 151.
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zu einzelnen Empfängerstaaten und multilateralen Organisationen regeln,183 sowie zahlreiche Dokumenten, die nicht rechtlich verbindlich sind, jedoch politische Zielsetzungen enthalten, das Handeln der EU in diesem Bereich.184 Primärrechtlich ist die Entwicklungszusammenarbeit der Europäischen Union in Titel III des fünften Teils des AEUV in den Art. 208 – 211 geregelt.185 Diese Artikel dienen u. a. der Festlegung der übergeordneten Ziele und Prinzipien der europäischen Entwicklungszusammenarbeit.186 Auf das europäische Entwicklungsrecht wird in dieser Arbeit nur insoweit eingegangen, als dass es Einfluss auf die bilaterale Entwicklungszusammenarbeit der Mitgliedstaaten nimmt. Zwischen der Europäischen Union und den Mitgliedstaaten besteht eine parallele Kompetenz gem. Art. 4 Abs. 4 i. V. m. Art. 208 – 211 AEUV.187 Entsprechend Art. 4 Abs. 4 AEUV beschränkt sich die Zuständigkeit der Union in den Bereichen der Entwicklungszusammenarbeit und der humanitären Hilfe darauf, „Maßnahmen zu treffen und eine gemeinsame Politik zu verfolgen, ohne dass die Ausübung dieser Zuständigkeit die Mitgliedstaaten hindert, ihre Zuständigkeit auszuüben“. Anders als bei der geteilten Kompetenz führt das Tätigwerden der Union mithin nicht zu einer Sperrwirkung.188 Die Maßnahmen der Union und der Mitgliedstaaten sollen nebeneinander durchgeführt werden können. Sie sollen ihre Maßnahmen zwar gem. Art. 210 Abs. 1 S. 1 AEUV aufeinander abstimmen.189 Die Entscheidung für diese Form der Kompetenz zeigt gleichwohl, dass die Mitgliedstaaten eine weitgehende Entscheidungsgewalt über diesen Politikbereich auf nationaler Ebene behalten wollten.190 Das Europarecht ist dementsprechend in Bezug 183 Siehe beispielsweise das Rahmenabkommen über die Partnerschaft und Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Mongolei andererseits, BGBl. II, Nr. 1 vom 14. Januar 2016, S. 3. 184 Siehe beispielsweise Gemeinsame Erklärung des Rates und der im Rat vereinigten Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten, des Europäischen Parlaments und der Kommission: Der neue Europäische Konsens über die Entwicklungspolitik, ABlEU Nr. C 210 vom 30. Juni 2017, S. 1. 185 Odendahl, Art. 208, in: Pechstein/Nowak/Häde (Hrsg.), AEUV, 2017, Rn. 1; Streinz/ Kruis, Art. 208 AEUV, in: Streinz (Hrsg.), EUV/AEUV, 2018, Rn. 2. 186 Bartelt, Art. 208, in: Becker/Hatje/Schoo/Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, 2019, Rn. 5; Odendahl, Art. 208, in: Pechstein/Nowak/Häde (Hrsg.), AEUV, 2017, Rn. 14; Schmalenbach, Art. 208 AEUV, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, 2022, Rn. 19. 187 Bartelt, Art. 208, in: Becker/Hatje/Schoo/Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, 2019, Rn. 20; Calliess, Art. 4 AEUV, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, 2022, Rn. 1; Müller, Europäisches Entwicklungsrecht, in: Dann/Kadelbach/Kaltenborn (Hrsg.), Entwicklung und Recht, 2014, S. 677 (694); Odendahl, Art. 208, in: Pechstein/Nowak/Häde (Hrsg.), AEUV, 2017, Rn. 13; Streinz/Kruis, Art. 208 AEUV, in: Streinz (Hrsg.), EUV/AEUV, 2018, Rn. 30. 188 Bartelt, Art. 208, in: Becker/Hatje/Schoo/Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, 2019, Rn. 20; Calliess, Art. 4 AEUV, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, 2022, Rn. 21; Odendahl, Art. 208, in: Pechstein/Nowak/Häde (Hrsg.), AEUV, 2017, Rn. 13. 189 Zimmermann, Art. 208 AEUV, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje (Hrsg.), Europäisches Unionsrecht, 2015, Rn. 80. 190 So auch Calliess, Art. 4 AEUV, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, 2016, Rn. 21.
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auf den Einfluss, den es auf die Entwicklungszusammenarbeit der Mitgliedstaaten nimmt, restriktiv auszulegen.
III. Deutsches Recht Auch das nationale Entwicklungsrecht ist für sich genommen als ein Mehrebenensystem zu verstehen, das durch verschiedene Rechtsquellen geprägt wird. Einfluss auf die Entwicklungszusammenarbeit kann sowohl durch die Verfassung des jeweiligen Staates191 als auch durch einfache Gesetze192 und untergesetzliche Rechtsnormen genommen werden. Das deutsche Entwicklungsrecht ist bisher vergleichsweise schwach ausgeprägt.193 Eine umfassende gesetzliche Regelung dieses Handlungsbereiches wurde bisher nicht erlassen.194 Auf gesetzlicher Ebene gibt einzig das jährliche Bundeshaushaltsgesetz und insbesondere der Einzelplan 23, der den Haushalt des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung festlegt, einen groben Rahmen für die Entwicklungszusammenarbeit des jeweiligen Haushaltsjahres vor. Wichtigstes Regelungsinstrument der bilateralen Entwicklungszusammenarbeit sind deshalb die Leitlinien für die bilaterale finanzielle und technische Zusammenarbeit mit Kooperationspartnern der deutschen Entwicklungszusammenarbeit. Bei diesen Leitlinien handelt es sich um Verwaltungsvorschriften, die ursprünglich 2007 in Kraft getreten sind und 2021 aktualisiert wurden. Sie richten sich an „die Bundesregierung und die deutschen Durchführungsorganisationen sowie an sonstige, auf deutscher Seite beteiligten Stellen“.195 Zwischen einer Verwaltungsvorschrift und einem Gesetz bestehen jedoch zentrale Unterschiede. Verwaltungsvorschriften entfalten im Gegensatz zu Gesetzen ausschließlich im Innenverhältnis Wirkung.196 Sie stellen anders als Gesetze keine Rechtsnormen dar, die für die
191 Ausdrücklich diesbezüglich die Bundesverfassung der Schweiz, die in Art. 54 Hs. 2 den Bund dazu verpflichtet „zur Linderung von Not und Armut in der Welt, zur Achtung der Menschenrechte und zur Förderung der Demokratie, zu einem friedlichen Zusammenleben der Völker sowie zur Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen“ beizutragen. 192 Regelungen finden sich auf dieser Ebene insbesondere in den Entwicklungsgesetzen im Sinne dieser Arbeit sowie im Rahmen der Haushaltsgesetze der Geberstaaten. 193 Dann, Entwicklungsverwaltungsrecht, 2012, S. 144. 194 Dann, Entwicklungszusammenarbeit, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Band XI, 2013, S. 913 (920 – 921); Neumann, Die Förderung der Rule of Law in der Entwicklungszusammenarbeit, 2013, S. 173. 195 BMZ, Leitlinien für die bilaterale finanzielle und technische Zusammenarbeit mit Kooperationspartnern der deutschen Entwicklungszusammenarbeit, BMZ Konzepte 165, S. 7. 196 Erbguth/Guckelberger, Allgemeines Verwaltungsrecht, 2019, S. 94; Lehr, Staatliche Lenkung durch Handlungsformen, 2010, S. 209.
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Verwaltungsgerichtsbarkeit bindend sind.197 Sie sind deshalb auch kein tauglicher Prüfungsgegenstand der abstrakten Normenkontrolle.198 Zudem können sie von einer Behörde selbstständig erlassen und müssen nicht im Rahmen eines formellen Gesetzgebungsverfahrens verabschiedet werden.199 Das Parlament ist somit nicht an der Aufhebung oder Änderung von Verwaltungsvorschriften beteiligt. Sie bilden dadurch ein im Vergleich zu formellen Gesetzen weniger starres Steuerungsinstrument.200 Insbesondere in Bezug auf das Kohärenzkriterium der Langfristigkeit könnte eine Regelung der Entwicklungszusammenarbeit in Form eines Gesetzes deshalb Vorteile haben. Es gilt mithin zu ergründen, ob und welche Vor- bzw. Nachteile ein Entwicklungsgesetz im Vergleich zu den bestehenden Verwaltungsvorschriften hätte.
IV. Entwicklungsgesetze Als eine zusätzliche Untersuchungsebene werden die Entwicklungsgesetze ausgewählter Geberstaaten betrachtet. Gemeint sind damit Gesetze, die der abstrakten Steuerung der Entwicklungszusammenarbeit dienen. Obwohl auch in diesen Staaten das nationale Entwicklungsrecht als ein Mehrebenensystem zu verstehen ist, werden die Entwicklungsgesetze nachfolgend als spezifische Regelungsinstrumente verstanden und isoliert betrachtet. Ziel ist es nicht, das geltende Entwicklungsrecht in den Vergleichsstaaten umfassend zu erfassen, sondern die Funktion, die die Entwicklungsgesetze in diesem Kontext einnehmen, zu bestimmen. Die Ergebnisse in Bezug auf die Regelungen in den Vergleichsstaaten beziehen sich mithin stets ausschließlich auf die Bestimmungen der ausgewählten Entwicklungsgesetze und schließen nicht aus, dass es auf anderen Ebenen des jeweiligen nationalen Entwicklungsrechts weitere rechtliche Normen zur Steuerung der Entwicklungszusammenarbeit gibt. Die Funktion der Entwicklungsgesetze ist ein bisher wenig erforschtes Gebiet. Insbesondere an rechtsvergleichenden Untersuchungen fehlt es bisher fast vollständig.201 Die vorliegende Untersuchung soll dazu beitragen, diese Forschungslücke 197
BVerfG, Beschluss vom 31. Mai 1988, 1 BvR 520/83, BVerfGE 78, 214 – 232 (227); Ipsen, Allgemeines Verwaltungsrecht, 2019, S. 43. 198 Ipsen, Allgemeines Verwaltungsrecht, 2019, S. 42. 199 Für den Erlass von Verwaltungsvorschriften gibt es grundsätzlich keine formell-rechtlichen Voraussetzungen Lehr, Staatliche Lenkung durch Handlungsformen, 2010, S. 210. 200 Die damit verbundene Flexibilität der Geber wird durchaus auch positiv gesehen, OECD, Managing Aid: Practices of DAC Member Countries, 2009, S. 16. 201 Ausnahmen stellen eine überblicksartige rechtsvergleichende Untersuchung aus dem Blickwinkel der australischen Entwicklungszusammenarbeit aus dem Jahr 2016 dar, Davies/ Burkot, Aid law, Devpol Policy Brief No. 14, 2016; sowie eine von der Law Library of Congress herausgegebene vergleichende Betrachtung ausgewählter Geberstaaten aus dem Jahr 2012, The Law Library of Congress (Hrsg.), Regulation of Foreign Aid in selected Countries, 2012,
§ 2 Recht und Kohärenz
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zu schließen und die verschiedenen Modelle, die die Geberstaaten in ihren Gesetzen zur Steuerung der jeweiligen Untersuchungsschwerpunkte gewählt haben, darzustellen. Neben den in dieser Arbeit untersuchten Schwerpunkten dienen die Entwicklungsgesetze der Regelung weiterer Bereiche der Entwicklungszusammenarbeit, die sich von Gesetz zu Gesetz unterscheiden. Dies umfasst beispielsweise die Gründung von Durchführungsorganisationen und die Regelung ihre Arbeitsweise.202 Ebenso enthalten mehrere Gesetze Bestimmungen bezüglich der Standards, die bei der Durchführung der Entwicklungsprojekte eingehalten werden müssen.203 Die Durchführungsebene hat einen wesentlichen Einfluss auf die Effektivität der jeweiligen Entwicklungsprojekte. Nur wenn die Projekte möglichst nachhaltig und zielgerichtet durchgeführt werden, können sie eine größtmögliche Effektivität entfalten. Ebenso ist auf der operativen Ebene die Einhaltung menschenrechtlicher und umweltrechtlicher Mindeststandards durchzusetzen. Sie ist mithin von entscheidender Bedeutung für die Entwicklungszusammenarbeit im Allgemeinen. Dennoch wird die Durchführungsebene im Rahmen dieser Arbeit ausgeklammert, da sie auf die Frage der übergeordneten Kohärenz der Entwicklungszusammenarbeit nur einen geringen Einfluss hat. Die Durchführungsorganisationen sind im Regelfall als weisungsgebundene Dienstleister des jeweiligen Geberstaates ausgestaltet und arbeiten innerhalb enger Grenzen.204 Auf die grundlegende Ausrichtung der Entwicklungszusammenarbeit in Bezug auf ihren Umfang sowie die Wahl der Empfängerstaaten und der Entwicklungsprojekte nimmt die Durchführungsebene deshalb grundsätzlich keinen Einfluss. Auch die humanitäre Hilfe ist ein Regelungsgegenstand der Mehrzahl der Entwicklungsgesetze.205 Sie wird als Unterkategorie der Entwicklungszusammenarbeit https://tile.loc.gov/storage-services/service/ll/llglrd/2018298791/2018298791.pdf (letzter Zugriff: 09. 05. 2022). 202 Ausführliche Regelungen enthalten diesbezüglich u. a. die Entwicklungsgesetze von Italien, Österreich und Spanien. 203 Das belgische Entwicklungsgesetz hat beispielsweise in Art. 14 eine Aufhebung von Lieferbindungen in der Entwicklungszusammenarbeit festgeschrieben: „En conformité avec les recommandations du CAD, la Coopération belge au Développement respecte les principes de déliement de l’Aide publique au développement.“ Entsprechende Lieferbindungen sehen sich in der Debatte um eine effektivere Entwicklungszusammenarbeit erheblicher Kritik ausgesetzt, da sie eine Steigerung der Effektivität nach verbreiteter Ansicht entgegen stehen, OECD, DAC Recommendation on Untying Official Development Assistance to the Least Developed Countries of 14 May 2001, DCD/DAC(2001)12/Final, 2001, Ziff. I. 204 Siehe Entwicklungsgesetz Österreich, § 8 Abs. 2 S. 4: „Wesentliche Änderungen des Arbeitsprogramms bedürfen der vorherigen Genehmigung des Bundesministers für auswärtige Angelegenheiten, der auch jederzeit die Vorlage eines neuen Arbeitsprogramms verlangen kann.“ Entwicklungsgesetz Italien, Art. 17 Abs. 2: „The Agency operates on the basis of directives issued by the Minister of Foreign Affairs and International Cooperation […].“ 205 Statt aller: Entwicklungsgesetz Italien, Art. 1 Abs. 3; Entwicklungsgesetz Schweiz, Art. 7; Entwicklungsgesetz Spanien, Art. 9, Abs. 1 lit. c).
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Teil 1: Grundlagen
angesehen und weist einen inneren Zusammenhang zu dieser auf.206 Gleichwohl verfolgt sie einen anderen Zweck als die Entwicklungszusammenarbeit. Sie dient der kurzfristigen Unterstützung eines Staates in besonderen Krisensituationen und soll vornehmlich den Ausgangszustand wiederherstellen.207 Die Entwicklungszusammenarbeit dient dagegen einer nachhaltigen Verbesserung der bestehenden Situation. Fragen der Kohärenz des politischen Handelns spielen dementsprechend in der humanitären Hilfe eine andere Rolle als in der klassischen Entwicklungszusammenarbeit. Sie wird deshalb im Rahmen dieser Arbeit ebenfalls ausgeklammert.
§ 3 Gang der Untersuchung Die vorliegende Arbeit konzentriert sich auf vier Untersuchungsschwerpunkte. Erstens wird der Begriff der Entwicklungszusammenarbeit untersucht und der Frage nachgegangen, inwieweit dieser durch das Entwicklungsrecht legaldefiniert wird (Teil 3). Eine Festlegung dieses Begriffes könnte in mehrfacher Hinsicht zu einer verbesserten Kohärenz beitragen. Zunächst würde eine entsprechende Legaldefinition zu einer Objektivierung der Entscheidung, ob eine Maßnahme Entwicklungszusammenarbeit darstellt, beitragen. Regierungen könnten nur solche Maßnahmen als Entwicklungszusammenarbeit bezeichnen, die tatsächlich der Definition unterfallen. Dies würde einen ersten Schutz gegen eine missbräuchliche Verwendung der Haushaltsmittel für die Entwicklungszusammenarbeit mit sich bringen. Gleichzeitig hätte eine solche Legaldefinition eine ermessensbeschränkende Funktion und damit Auswirkungen auf die Stringenz des politischen Handelns. Zweitens wird untersucht, ob dem Entwicklungsrecht Leistungspflichten zu entnehmen sind (Teil 4). Die Entwicklungszusammenarbeit stellt im Kern den Transfer von Haushaltsmitteln der Geberstaaten an die Empfängerstaaten dar. Die Grundvoraussetzung für eine stringente und langfristige Entwicklungszusammenarbeit ist deshalb eine ausreichende Verfügbarkeit von Haushaltsmitteln, um eine kontinuierliche Zusammenarbeit zu gewährleisten. Zudem ist auch die Quantität der Leistungen nach verbreiteter Auffassung von Bedeutung.208 Es besteht zwar Einigkeit darüber, dass die Entwicklungszusammenarbeit allein nur verhältnismäßig wenig ausrichten kann, jedoch kann sie positiven Einfluss auf den Entwicklungsprozess der Empfängerstaaten nehmen und ihn beschleunigen.209 Das Leitziel, auf 206
Leistungen der humanitären Hilfe sind beispielsweise auch als ODA anrechenbar. Zur ODA-Definition und den Ausgaben, die von ihr erfasst werden, unten Teil 3, § 1. 207 Vukas, Humanitarian Assistance in Cases of Emergency (Updated 03/2013), www.mpe pil.com (letzter Zugriff: 09. 05. 2022), Rn. 4 – 7. 208 G. A., Res. 70/1 vom 25. September 2015, Ziff. 43; UN, Monterrey Consensus, A/ CONF.198/11, 2002, Ziff. 41. 209 Mehrotra, International Development Targets and Official Development Assistance, Dev. Change 33 (2002), S. 529 (537); WP-EFF, Busan Partnership for effective Development Co-operation, 2011, Ziff. 28.
§ 3 Gang der Untersuchung
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das sich die Industriestaaten diesbezüglich geeinigt haben, ist es, 0,7 % des BIP für die öffentliche Entwicklungszusammenarbeit aufzuwenden.210 Im Rahmen des zweiten Schwerpunktes wird deshalb untersucht, ob die Industriestaaten im Allgemeinen und Deutschland im Besonderen rechtlich zur Entwicklungszusammenarbeit verpflichtet sind, und ob das 0,7 %-Ziel dabei eine rechtsverbindliche Mindestquote darstellt. Der dritte Schwerpunkt widmet sich zwei Kernentscheidungen der Verwaltung der Entwicklungszusammenarbeit (Teil 5). Es wird untersucht, wie einerseits die Auswahl der Empfängerstaaten und andererseits die Auswahl der Entwicklungsprojekte durch das Entwicklungsrecht angeleitet werden. Unter Berücksichtigung, dass die Entwicklungszusammenarbeit nicht ausschließlich den Interessen der Empfängerstaaten dient, sondern darüber hinaus auch der Verfolgung nationaler Eigeninteressen,211 stellen diese Entscheidungsebenen die zentralen Einfallstore für Inkohärenzen dar. Die Entwicklungszusammenarbeit der Geberstaaten ist wesentlich durch das innen- und weltpolitische Geschehen beeinflusst.212 Internationale Krisen, wie der Bürgerkrieg in Syrien seit 2011 und der damit verbundene Anstieg von Geflüchteten in den europäischen Geberstaaten, nehmen Einfluss auf die Allokation der ODA.213 Dabei kann es zu Verschiebungen in Bezug auf die geförderten Regionen und Sektoren kommen, die von nationalen Interessen geleitet sind. Während diese Verschiebungen zwar nicht per se negativ sein müssen, erscheint es aus Kohärenzperspektive wünschenswert, dass sie an verbindlichen und objektiven Kriterien ausgerichtet werden und mit einer größtmöglichen Transparenz erfolgen. Eine rechtliche Ausgestaltung dieser Auswahlprozesse könnte dazu beitragen, die Entscheidungen zu objektivieren und andererseits durch Beschränkungen des Ermessensspielraums zu einer gesteigerten Stringenz und Langfristigkeit führen. Der vierte und abschließende Schwerpunkt dient der Untersuchung der Organisationsfunktion des Entwicklungsrechts (Teil 6). Anhand von drei Teilfragen wird dargestellt, inwieweit diese einen Einfluss auf die interne Strukturierung der Ge210
Statt aller G. A., Res. 70/1 vom 25. September 2015, Ziff. 43; OECD, DAC High Level Communiqué: 31 October 2017, Ziff. 9. Für einen kurzen Überblick über die Entstehungsgeschichte dieses Ziels siehe OECD, History of the 0,7 % ODATarget, The DAC Journal 3, Issue 4 (2002), S. III-9 – III-11. 211 Dazu unten Teil 2, § 2. 212 Hunt, Aid and Development, in: Kingsbury/McKay/Hunt/McGillivray/Clarke (Hrsg.), International Development, 2016, S. 162 (169); Ihne/Wilhelm, Grundlagen der Entwicklungspolitik, in: Ihne/Wilhelm (Hrsg.), Einführung in die Entwicklungspolitik, 2013, S. 5 (13); Severino/Ray, The End of ODA, CGD Working Paper No. 167, 2009, S. 2; Todaro/Smith, Economic Development, 2020, S. 768. 213 BMZ, Entwicklungspolitik als Zukunfts- und Friedenspolitik: 15. Entwicklungspolitischer Bericht der Bundesregierung, 2017, S. 115; Krempin, Verändert die europäische Flüchtlingskrise die Arbeit der GIZ?, in: Sangmeister/Wagner (Hrsg.), Verändert die europäische Flüchtlingskrise die Entwicklungszusammenarbeit?, 2017, S. 37 (37); Maihold, Entwicklungszusammenarbeit am Scheideweg, in: Sangmeister/Wagner (Hrsg.), Die Entwicklungszusammenarbeit der Zukunft, 2019, S. 17 (21).
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Teil 1: Grundlagen
berstaaten nimmt. Dazu wird untersucht, welchen Einfluss das Entwicklungsrecht auf die Kompetenzverteilung und die Transparenz in der Entwicklungszusammenarbeit sowie auf die Erstellung politischer Leitdokumente in diesem Handlungsbereich hat. Die innerstaatliche Organisation der Geberstrukturen ist von besonderer Bedeutung für die Kohärenz des politischen Handelns. Damit die Geberstaaten auf die spezifischen Herausforderungen der Empfängerstaaten angemessen reagieren können, bedarf es eines hohen Maßes an Handlungsflexibilität in der Entwicklungszusammenarbeit. Dies führt dazu, dass das Entwicklungsrecht vielfach auf unbestimmte Rechtsbegriffe zurückgreift. Je abstrakter rechtliche Vorgaben sind, desto stärker ist ihre Auslegung vom jeweiligen Normanwender abhängig.214 Es ist deshalb in Bereichen, in denen ein erhöhter Handlungsspielraum notwendig ist, besonders wichtig, dass die Entscheidungsträger überprüft und bei sich abzeichnenden Missbräuchen dieses Spielraums zur Rechenschaft gezogen werden können. Die genannten Schwerpunkte werden nach einem einheitlichen Schema aus rechtlicher Perspektive analysiert. Der Begriff des Entwicklungsrechts wurde bewusst weit gefasst, um sämtliche Rechtssysteme, die Einfluss auf die deutsche Entwicklungszusammenarbeit haben, zu erfassen. Er umfasst sowohl das Völkerund Europarecht als auch das nationale Recht, das der Regelung der Entwicklungszusammenarbeit dient. Das Entwicklungsrecht stellt mithin ein Mehrebenensystem dar, das auch das Grundgerüst dieser Untersuchung vorgibt. Es wird jeweils in Bezug auf die vier Schwerpunkte der Status Quo der verschiedenen Rechtssysteme ermittelt. Dadurch ergibt sich ein Überblick über das in Deutschland geltende Entwicklungsrecht und über den Einfluss, den dieses auf die deutsche Entwicklungszusammenarbeit nimmt. Den untersuchten Rechtssystemen ist jedoch – so viel sei an dieser Stelle vorweggenommen – gemein, dass sie bisher nur eine eingeschränkte Steuerungsfunktion einnehmen. Es ist deshalb nicht das alleinige Ziel, den Status Quo des Einflusses des Entwicklungsrechts auf die deutsche Entwicklungszusammenarbeit zu bestimmen. Stattdessen wird zusätzlich erörtert, welche Vor- und Nachteile ein spezifisches Entwicklungsgesetz hätte, und ob es dazu geeignet wäre, zu einer kohärenteren deutschen Entwicklungszusammenarbeit beizutragen. Im Anschluss an die Untersuchung des Einflusses des Völker-, Europa- und nationalen Rechts auf die deutsche Entwicklungszusammenarbeit wird deshalb jeweils in Bezug auf die Teilfragen untersucht, ob und in welcher Form andere Geberstaaten diese Fragen in ihren Entwicklungsgesetzen geregelt haben, und ob diese Regelungen geeignet sind, zu einer kohärenteren Entwicklungszusammenarbeit beizutragen. Dies ermöglicht es, einerseits die Funktionen der Vergleichsgesetze und andererseits deren Best Practices in Bezug auf das Untersuchungsziel einer kohärenteren Entwicklungszusammenarbeit herauszuarbeiten und so zu bestimmen, an welchen Stellschrauben Deutschland auf rechtlicher Ebene drehen könnte, um eine Steigerung der Kohärenz der Entwicklungszusammenarbeit herbeizuführen. Eine 214 Jestaedt, Maßstäbe des Verwaltungshandelns, in: Ehlers/Pünder (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, 2016, S. 325 (343); Möllers, Juristische Methodenlehre, 2021, S. 278.
§ 4 Untersuchungsumfang
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solche rechtsvergleichende Untersuchung kann dazu beitragen, den Prozess der Verrechtlichung der deutschen Entwicklungszusammenarbeit zu beschleunigen und Fehler bei diesem Vorgang zu vermeiden.215
§ 4 Untersuchungsumfang Aus dem dargestellten Gang der Untersuchung leitet sich ein weit gefasster Untersuchungsumfang ab. Einerseits werden vier zentrale Fragen der Entwicklungszusammenarbeit im Kontext dreier verschiedener Rechtsordnungen untersucht. Andererseits wird zusätzlich dazu eine rechtsvergleichende Untersuchung nationaler Entwicklungsgesetze in Bezug auf diese Fragen vorgenommen. Es ist deshalb notwendig, Einschränkungen im Untersuchungsumfang vorzunehmen.
A. Inhaltliche Einschränkungen Die Ausgangsproblematik der vorliegenden Arbeit ist der teilweise Widerspruch zwischen den Interessen der Geberstaaten auf der einen und denen der Empfängerstaaten auf der anderen Seite. Dieser Interessenwiderspruch wirkt sich insbesondere im Kontext der bilateralen Entwicklungszusammenarbeit – der unmittelbaren Zusammenarbeit zwischen Geber- und Empfängerstaat – aus. Zwar stehen sich auch im Bereich der multilateralen Entwicklungszusammenarbeit – der Zusammenarbeit zwischen Geber- und Empfängerstaaten unter Zwischenschaltung einer multilateralen Organisation – die teilweise gegenläufigen Interessen der Entwicklungspartner gegenüber. Spezifische nationale Interessen entfalten jedoch aufgrund der Multilateralität in diesem Kontext keine vergleichbare Wirkung.216 Der Untersuchungsumfang ist deshalb auf Fragen der bilateralen Entwicklungszusammenarbeit begrenzt.217 Zudem wurde sich auf die vier bereits genannten Untersuchungsschwerpunkte und deren Unterpunkte beschränkt. Diese wurden ausgehend vom Untersuchungsziel aufgrund ihrer entscheidenden Bedeutung für eine kohärente Entwicklungszusammenarbeit ausgewählt. Es ist nicht das Ziel dieser Arbeit zu bestimmen, ob das 215
Sacco/Rossi, Einführung in die Rechtsvergleichung, 2017, S. 26. Eines der zentralen Argumente für die multilaterale Entwicklungszusammenarbeit ist deshalb auch, dass sie im Vergleich zur bilateralen Zusammenarbeit weniger stark durch politische Motive beeinflusst ist, Gulrajani, Bilateral versus Multilateral Aid Channels, ODI Report, 2016, https://odi.org/en/publications/bilateral-versus-multilateral-aid-channels-strate gic-choices-for-donors/ (letzter Zugriff: 09. 05. 2022), S. 10; Klingebiel, Multilaterale Entwicklungszusammenarbeit, ZfAS 7 (2014), S. 33 (39). 217 Einzige Ausnahme stellt eine beispielhafte Betrachtung der Leistungspflichten Deutschlands gegenüber der IDA und der Afrikanischen Entwicklungsbank dar, siehe Teil 4, § 1, B. 216
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Teil 1: Grundlagen
Entwicklungsrecht eine idealtypische Entwicklungszusammenarbeit herbeiführen kann, sondern zu einer verbesserten Kohärenz im Sinne der vier festgelegten Kriterien beitragen kann. Es wurden deshalb Schwerpunkte ausgewählt, die einen essenziellen Einfluss auf die Stringenz, die Förderung von Synergieeffekten, die Langfristigkeit der politischen Ausrichtung und die Objektivierung der Entscheidungsprozesse der Entwicklungszusammenarbeit haben. Die Untersuchung des Begriffes der Entwicklungszusammenarbeit sowie möglicher Leistungspflichten werden dabei als grundlegende Voraussetzungen verstanden, auf denen die weiteren Schwerpunkte aufbauen. Nur wenn die Entwicklungszusammenarbeit hinreichend definiert ist und Haushaltsmittel zu ihrer Umsetzung zur Verfügung stehen, ist eine rechtliche Steuerung möglich. Unter dem Untersuchungsschwerpunkt der inhaltlichen Ausrichtung werden sodann die Kernentscheidungen der Entwicklungszusammenarbeit, die Auswahl der Empfängerstaaten und der Entwicklungsprojekte als zentrale Einflussfaktoren auf die Kohärenz der Entwicklungszusammenarbeit untersucht. Im Zentrum der Kohärenz im Sinne dieser Arbeit steht die Stringenz des politischen Handelns. Wenn das Entwicklungsrecht einen Beitrag zu einer kohärenteren Entwicklungszusammenarbeit leisten soll, muss es deshalb die inhaltliche Ausrichtung der Entwicklungszusammenarbeit anleiten und Kursänderungen, die nicht auf entwicklungspolitischen Notwendigkeiten beruhen, entgegenwirken. Aufgrund der Komplexität der modernen Entwicklungszusammenarbeit bedürfen die Entscheidungsträger aber eines erheblichen Handlungsspielraums, um auf die sich verändernden Herausforderungen reagieren zu können. Auch eine auf die Förderung der Kohärenz ausgerichtete rechtliche Steuerung der Entwicklungszusammenarbeit würde deshalb keine absolute Stringenz des politischen Handelns anstreben, sondern einen entsprechenden Handlungsspielraum belassen. Um sicherzustellen, dass dieser Handlungsspielraum im Sinne der Empfängerstaaten konkretisiert wird, gilt es daher, auf der Geberseite Strukturen für eine kohärente Entwicklungszusammenarbeit zu schaffen.218 Die interne Strukturierung der Geberstaaten bildet dementsprechend den vierten Untersuchungsschwerpunkt. In diesem Zusammenhang werden drei Aspekte der internen Strukturierung untersucht. Das OECD-DAC betrachtet in ihren Peer Reviews, die der Überprüfung der Entwicklungszusammenarbeit der Mitgliedstaaten dienen, auch die Förderung der PCD bzw. der PCSD.219 Aus den Erkenntnissen dieser Peer Reviews hat das OECD-DAC drei Themenkomplexe herausgearbeitet, die einen entscheidenden Einfluss auf die Politikkohärenz für Entwicklung haben.220 Dies sind „Policy co-ordination mecha218 Faust/Messner, Ordnungspolitische Herausforderung für eine wirksamere EZ, in: Faust/ Neubert (Hrsg.), Wirksamere Entwicklungspolitik, 2010, S. 259 (259). 219 Ashoff, Politikkohärenz, in: Faust/Neubert (Hrsg.), Wirksamere Entwicklungspolitik, 2010, S. 346 (364); OECD, OECD Development Co-operation Peer Reviews: Austria 2020, S. 27. 220 OECD, Building Blocks for Policy Coherence for Development, 2009, S. 23 – 38; OECD, Managing Aid: Practices of DAC Member Countries, 2009, S. 25. In neueren Doku-
§ 4 Untersuchungsumfang
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nisms“, die in dieser Arbeit unter dem Begriff der Kompetenzen betrachtet wird, „monitoring, analysis and reporting Systems“, die unter dem Begriff der Transparenz untersucht werden sowie „political commitment and policy statements“, die als Pflicht zur Erstellung von politischen Leitdokumenten beleuchtet werden. Auch wenn der in dieser Arbeit untersuchte Ansatz der Kohärenz der Entwicklungszusammenarbeit vom Ansatz der PCD bzw. PCSD abweicht, wurden diese „Buildingblocks“ als Untersuchungsschwerpunkte der internen Strukturierung ausgewählt. Beide Ansätze gleichen sich insoweit, als dass sie eine möglichst stringente politische Handlungsweise zum Ziel haben, die im Ergebnis zu einer effektiveren Zielerreichung beitragen soll. Die Erkenntnisse des OECD-DAC bezüglich der Schaffung kohärenzfördernder Strukturen auf Geberseite lassen sich deshalb im Grundsatz auch auf die Förderung der Kohärenz der Entwicklungszusammenarbeit übertragen.
B. Die Vergleichsstaaten In Bezug auf den rechtsvergleichenden Teil der Arbeit musste eine Eingrenzung der untersuchten Staaten vorgenommen werden. Die internationale Entwicklungszusammenarbeit erschöpft sich mittlerweile nicht mehr in der klassischen Zusammenarbeit zwischen den reichen Industriestaaten, die insbesondere in der nördlichen Hemisphäre beheimatet sind, und den Entwicklungsländern, die vornehmlich in der südlichen Hemisphäre beheimatet sind, sondern erstreckt sich auf eine Vielzahl weiterer Staaten. Neben die klassische Nord-Süd-Kooperation ist die Süd-Süd-Kooperation getreten.221 Diese beschreibt die Entwicklungszusammenarbeit zwischen Schwellenländern, die zumeist selbst noch Empfänger von Entwicklungsleistungen sind, und anderen Entwicklungsländern. Eine zentrale Rolle spielen in diesem Zusammenhang die BRICS-Staaten (Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika). Diese wenden mit ansteigender Tendenz erhebliche Summen für die Entwicklungszusammenarbeit auf und werden damit selbst zu bedeutenden Faktoren auf der Geberseite.222 China setzt die Entwicklungszusammenarbeit beispielsweise als Inmenten wurden diese auf acht „Buildingblocks“ für eine kohärente Umsetzung der SDGs erweitert, siehe OECD, Policy Coherence for Sustainable Development 2018, 2018, S. 84; OECD, Policy Coherence for Sustainable Development 2019, 2019, S. 71 – 72. Diese acht „Buildingblocks“ lassen sich gleichwohl weiterhin jeweils einem der drei untersuchten Themenkomplexe zuordnen, so auch OECD, Policy Coherence for Sustainable Development 2019, 2019, S. 14. Aus Gründen der Übersichtlichkeit wurde sich deshalb bei der Untersuchung auf die drei übergeordneten Themenkomplexe der internen Strukturierung beschränkt. 221 G. A., Res. 69/313 vom 27. Juli 2015, Annex, Addis Ababa Action Agenda, Ziff. 56; Quadir, Rising Donors and the New Narrative of ,South-South‘ Cooperation, TWQ 34 (2013), S. 321 (321 – 322). 222 Dass Staaten, die sich aus wirtschaftlicher Sicht selbst noch in einem Entwicklungsprozess befinden, als Geberstaaten engagieren, ist kein neues Phänomen. So wird beispielsweise China bereits seit den 1950er-Jahren auch auf Geberseite tätig, Dreher/Fuchs, Rogue Aid? An Empirical Analysis of China’s Aid Allocation, CJE 48 (2015), S. 988 (990); Hilser,
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Teil 1: Grundlagen
strument der Außenpolitik ein und stellt für die afrikanischen Entwicklungsländer eine gewichtige Alternative zu den traditionellen Geberstaaten dar.223 Chinesische Entwicklungsmaßnahmen sind weniger stark an Bedingungen wie demokratische oder menschenrechtliche Mindeststandards gebunden und werden zumeist im Vergleich zu den traditionellen Gebern in vereinfachten und schnelleren Verfahren bereitgestellt.224 Gleichwohl wurde sich auf die Mitgliedstaaten des OECD-DAC beschränkt. Das OECD-DAC ist seit dem 23. Juli 1960 Bestandteil der OECD und das zentrale Organ für Fragen der Entwicklungszusammenarbeit.225 Entscheidende Bedeutung hat es durch die Festlegung einer offiziellen Definition der Entwicklungszusammenarbeit, die unter dem Titel Official Development Assistance bekannt ist, erlangt sowie der Entwicklung und Überwachung dieser Definition226 und der Erstellung regelmäßiger Peer-Reviews in denen die Entwicklungszusammenarbeit der Mitgliedstaaten evaluiert wird.227 Da es sich bei der OECD vornehmlich um einen Zusammenschluss der Industriestaaten handelt, sind auch die Mitgliedstaaten des OECD-DAC ausschließlich Geberstaaten. Dadurch erfasst diese Arbeit ausschließlich die traditionelle Entwicklungszusammenarbeit zwischen Industriestaaten und Entwicklungsländern. Grund dafür ist, dass die Mitgliedstaaten des OECD-DAC über viele Jahrzehnte gewachsene Strukturen aufweisen und einheitliche Grundsätze bei der Entwicklungszusammenarbeit befolgen bzw. sich zu diesen bekannt haben228 und so eine
China’s Foreign Aid – eine etwas andere Art der Entwicklungshilfe, in: Sangmeister/Wagner (Hrsg.), Die Entwicklungszusammenarbeit der Zukunft, 2019, S. 175 (176). 223 Teilweise erachten afrikanische Entwicklungsexperten die Entwicklungszusammenarbeit mit China im Vergleich sogar als vorzugswürdig. Begründet wird dies insbesondere damit, dass China die Entwicklungszusammenarbeit als Investition und nicht als reine Hilfsleistung ansieht. Dies führe dazu, dass beide Seiten ihre Entwicklungszusammenarbeit stärker auf eine nachhaltige Erreichung der Ziele ausrichten, siehe Moyo, Dead Aid, 2010, S. 111. In der westlichen Welt werden die entwicklungspolitischen Tätigkeiten Chinas jedoch häufig kritisch gesehen, stellvertretend Hilser, China’s Foreign Aid – eine etwas andere Art der Entwicklungshilfe, in: Sangmeister/Wagner (Hrsg.), Die Entwicklungszusammenarbeit der Zukunft, 2019, S. 175 (175); Klaver/Trebilcock, Chinese Investment in Africa, LDR 4 (2011), S. 166 (211 – 212). 224 Dreher/Fuchs, Rogue Aid? An Empirical Analysis of China’s Aid Allocation, CJE 48 (2015), S. 988 (993); Quadir, Rising Donors and the New Narrative of ,South-South‘ Cooperation, TWQ 34 (2013), S. 321 (325). 225 Führer, The Story of Official Development Assistance, 1996, S. 10. 226 OECD, DAC High Level Communiqué: 31 October 2017, Ziff. 3. 227 Zu den Aufgaben und Kompetenzen des OECD-DAC siehe OECD, Resolution of the Council to renew and revise the Mandate of the DAC up to 31 December 2022, approved at its 1363rd session held on 14 December 2017, C(2017)134 and C/M(2017)22. 228 Siehe WP-EFF, Busan Partnership for effective Development Co-operation, 2011, Ziff. 8.
§ 4 Untersuchungsumfang
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ausreichende Vergleichbarkeit gewährleistet ist.229 Die Mitgliedstaaten des OECDDAC sind eine in weiten Teilen parallele und sich gegenseitig beeinflussende Entwicklung ihrer Geberstrukturen durchlaufen und werden durch gemeinsame Werte und Überzeugungen geleitet. Das OECD-DAC hat Empfehlungen entwickelt, die vorgeben, wie die Mitgliedstaaten in der Entwicklungszusammenarbeit agieren sollen.230 Es handelt dabei nicht durch verbindliche Rechtsakte, sondern durch Empfehlungen, die für die Mitgliedstaaten nicht rechtlich bindend sind.231 Gleichwohl befolgen die Mitgliedstaaten diese Empfehlungen überwiegend und versuchen, ihre Entwicklungszusammenarbeit an diesen auszurichten.232 In der Staatengemeinschaft scheint ein Bewusstsein dafür vorhanden zu sein, dass an die sogenannten „neuen“ Geberstaaten nicht die gleichen Anforderungen gestellt werden können wie an die traditionellen Geberstaaten.233 So wurde beispielsweise in der Erklärung von Busan festgehalten, dass die Einhaltung der vereinbarten Prinzipien für die „neuen“ Geberstaaten nicht obligatorisch sind.234 Vielmehr soll die besondere Situation dieser in der Süd-Süd-Kooperation engagierten Staaten und ihr eigener noch andauernder Prozess der wirtschaftlichen Entwicklung sowie die damit verbundenen Herausforderungen berücksichtigt werden.235 Es fehlt den „neuen“ Geberstaaten sowohl an einem einheitlichen Verständnis dafür, wie Entwicklungszusammenarbeit zu definieren ist, als auch an einer Ausrichtung an allgemein anerkannten Grundsätzen einer effektiven Entwicklungszusammenarbeit.236 Sie sehen 229
Der Einfluss, der von der Mitgliedschaft im OECD-DAC ausgeht, lässt sich u. a. an der Präambel zum spanischen Entwicklungsgesetz erkennen. Dort heißt es, dass der Beitritt zum OECD-DAC im Jahre 1991 einen Meilenstein in der Konsolidierung der spanischen Entwicklungszusammenarbeit darstellt, da es dadurch notwendig war, die Entwicklungspolitik neu zu justieren und mit den politischen Zielen der anderen Geberstaaten abzustimmen. 230 Es hat damit wiederholt eine Vorreiterrolle in der Entwicklungszusammenarbeit eingenommen. Stellvertretend kann an dieser Stelle das bereits 1992 herausgebrachte Development Assistance Manual, das eine Anleitung für eine möglichst effektive Entwicklungszusammenarbeit darstellte, genannt werden, OECD, DAC Principles for effective Aid: Development Assistance Manual, 1993; zudem hat es u. a. 2001 die Empfehlung erteilt, Entwicklungsleistungen an die LDCs von Lieferbindungen zu befreien, OECD, DAC Recommendation on Untying Official Development Assistance to the Least Developed Countries, DCD/DAC(2001)12/Final, 2001; und ebenfalls bereits im Jahr 2001 Strategien entwickelt, die die Mitgliedsstaaten bei einer auf nachhaltige Entwicklung ausgerichteten Entwicklungszusammenarbeit anleiten sollten, OECD, The DAC Guidelines – Strategies for Sustainable Development, 2001. 231 Dann, Entwicklungsverwaltungsrecht, 2012, S. 186. 232 Ashoff, 50 Years of Peer Reviews by the OECD’s Development Assistance Committee, D. I. E. Briefing Paper No. 12, 2013, S. 3. 233 GPEDC, Mexico High Level Meeting Communique, 2014, Ziff. 6. 234 GPEDC, Mexico High Level Meeting Communique, 2014, Ziff. 6; Sondermann, Der Busan-Prozess, SEF Global Governance Spotlight Nr. 2, 2012, S. 3. 235 WP-EFF, Busan Partnership for effective Development Co-operation, 2011, Ziff. 8. 236 Bracho, The Troubled Relationship of the Emerging Powers and the Effective Development Cooperation Agenda, D. I. E. Discussion Paper No. 25, 2017, S. 38; Sondermann, Der Busan-Prozess, SEF Global Governance Spotlight Nr. 2, 2012, S. 3.
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Teil 1: Grundlagen
sich nicht an die, weitgehend ohne ihr Mitwirken entstandenen Gebergrundsätze des OECD-DAC gebunden.237 Hinzu kommt, dass nur in Bezug auf die Mitgliedstaaten des Komitees eine ausreichend gesicherte Quellenlage bezüglich der Entwicklungszusammenarbeit vorliegt. Das OECD-DAC führt jährliche Erhebungen über die ODA, die die einzelnen Mitgliedstaaten zur Verfügung gestellt haben, durch und bewertet die Strukturen und Konzepte der Geberstaaten in regelmäßigen Abständen mittels Peer-Reviews.238 Das OECD-DAC hat aktuell 30 Mitglieder. Von diesen 30 Mitgliedern sind 29 Staaten, die durch die Europäische Union komplettiert werden. Die EU ist zwar kein vollwertiges Mitglied der OECD, aber des OECD-DAC.239 Sie wird, trotz umfassender Regelungen zur Entwicklungszusammenarbeit, nachfolgend nicht näher untersucht. Dies liegt darin begründet, dass die EU als Staatenverbund anderen Herausforderungen ausgesetzt ist als einzelne Geberstaaten. Im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit der EU sind die Interessen der verschiedenen Mitgliedstaaten sowie der verantwortlichen Organe der EU mit den Interessen der Empfängerstaaten in Einklang zu bringen. Es besteht dementsprechend eine andere Ausgangssituation, die eine Vergleichbarkeit mit einzelnen Staaten erschwert. Außerdem ist die rechtliche Ausgestaltung der Entwicklungszusammenarbeit der EU im Gegensatz zu denen der einzelnen Staaten bereits Gegenstand umfassender Untersuchungen.240 Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wird das Europarecht mithin nur auf seine Auswirkungen auf die Entwicklungszusammenarbeit der Mitgliedstaaten der EU untersucht. Von den 29 Mitgliedstaaten des OECD-DAC haben mittlerweile 18 Staaten ein oder mehrere Gesetze erlassen, die explizit der Regelung der Entwicklungszusammenarbeit dienen. Die übrigen Staaten haben, wie Deutschland, bisher kein solches Gesetz erlassen und regeln die Entwicklungszusammenarbeit in erster Linie über 237 Siehe in Bezug auf China Hilser, China’s Foreign Aid – eine etwas andere Art der Entwicklungshilfe, in: Sangmeister/Wagner (Hrsg.), Die Entwicklungszusammenarbeit der Zukunft, 2019, S. 175 (175). 238 Siehe dazu Ashoff, 50 Years of Peer Reviews by the OECD’s Development Assistance Committee, D. I. E. Briefing Paper No. 12, 2013. 239 Grundlegend zur Beziehung zwischen der EU und dem OECD-DAC sowie der Herausforderung, die die wachsende Bedeutung der EU in der internationalen Entwicklungszusammenarbeit für das OECD-DAC darstellt, Verschaeve/Orbie, Ignoring the Elephant in the Room? Assesing the Impact of the European Union on the Development Assistance Committee’s Role in International Development, Dev. Policy Rev. 36 (2018), S. O44 – O58. 240 Statt aller: Bartelt/Dann (Hrsg.), Entwicklungszusammenarbeit im Recht der Europäischen Union, 2008; Dann, Europäisches Entwicklungsverwaltungsrecht, in: Terhechte (Hrsg.), Verwaltungsrecht der Europäischen Union, 2011, S. 1189; Dann/Wortmann, Entwicklungszusammenarbeit und Humanitäre Hilfe, in: Arnauld (Hrsg.), Europäische Außenbeziehungen (EnzEuR Bd. 10), 2014, S. 407; Müller, Europäisches Entwicklungsrecht, in: Dann/Kadelbach/Kaltenborn (Hrsg.), Entwicklung und Recht, 2014, S. 677; Schwimmbeck, Rechtliche Analyse der gegenwärtigen Struktur der regionalen Entwicklungszusammenarbeit der Europäischen Gemeinschaft, 2007.
§ 4 Untersuchungsumfang
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Haushaltsgesetze und umfassende politische Leitdokumente.241 Die Mitgliedstaaten, die noch kein Entwicklungsgesetz erlassen haben, sind Australien,242 Finnland,243 Deutschland,244 Griechenland,245 Irland,246 Japan,247 die Niederlande,248 Neuseeland,249 Norwegen,250 Portugal,251 und Schweden.252 Diese Staaten werden abgesehen von Deutschland nachfolgend nicht näher betrachtet. Gegenstand des rechtvergleichenden Teils dieser Arbeit ist ein Vergleich der Entwicklungsgesetze. Inwieweit andere Gesetze, beispielsweise die Haushaltsgesetze, Einfluss auf die jeweilige nationale Entwicklungszusammenarbeit nehmen, wird ausschließlich für die Bundesrepublik untersucht. In den Staaten, die sogleich als Vergleichsstaaten festgelegt werden, werden dementsprechend auch nur die Gesetze berücksichtigt, die in einem ganzheitlichen Ansatz die Entwicklungszusammenarbeit regeln. Damit ist gemeint, dass nur Gesetze berücksichtigt werden, die sowohl der Steuerung der Entwicklungszusammenarbeit mit einer Vielzahl von Empfängerstaaten dienen als auch verschiedene Aspekte der Entwicklungszusammenarbeit regeln. Dies führt dazu, dass Gesetze, die beispielsweise nur die Entwicklungszusammenarbeit mit einer einzelnen Region regeln oder ausschließlich der Gründung einer für die Entwicklungszusammenarbeit zuständigen Behörde dienen, nicht erfasst werden.253 Die Schlussfolgerungen in 241
Siehe OECD, Managing Aid: Practices of DAC Member Countries, 2009. OECD, OECD Development Co-operation Peer Reviews: Australia 2018, S. 40 – 42. Das Fehlen eines Entwicklungsgesetzes ergibt sich jeweils nicht ausdrücklich aus den Peer Reviews, sondern aus einem Umkehrschluss zu diesen. Sofern ein Staat ein entsprechendes Gesetz erlassen hat, wird dies durch das OECD-DAC im entsprechenden Abschnitt zum Rahmen der jeweiligen Entwicklungszusammenarbeit des Staates genannt, statt aller OECD, OECD Development Co-operation Peer Reviews: Italy 2019, S. 42. 243 OECD, OECD Development Co-operation Peer Reviews: Finland 2017, S. 33 – 34. 244 Groß, Deutsches Entwicklungsverwaltungsrecht, in: Dann/Kadelbach/Kaltenborn (Hrsg.), Entwicklung und Recht, 2014, S. 659 (660). 245 Griechenland hat als einziger der Mitgliedstaaten des OECD-DAC kein entwicklungspolitisches Programm verabschiedet, das die übergeordneten Ziele, Grundsätze und Vorgehensweise der griechischen Entwicklungszusammenarbeit definiert, OECD, OECD Development Co-operation Peer Reviews: Greece 2019, S. 38. 246 OECD, OECD Development Co-operation Peer Reviews: Ireland 2014, S. 33 – 34. 247 OECD, OECD Development Co-operation Peer Reviews: Japan 2020, S. 43 – 44. 248 OECD, OECD Development Co-operation Peer Reviews: The Netherlands 2017, S. 35 – 36. 249 OECD, OECD Development Co-operation Peer Reviews: New Zealand 2015, S. 33. 250 OECD, OECD Development Co-operation Peer Reviews: Norway 2019, S. 36 – 37. 251 OECD, OECD Development Co-operation Peer Reviews: Portugal 2016, S. 33 – 34. 252 OECD, OECD Development Co-operation Peer Reviews: Sweden 2019, S. 36 – 38. 253 Die Schweiz hat beispielsweise zusätzlich zu ihrem allgemeinen Entwicklungsgesetz ein Gesetz erlassen, das ausschließlich der Zusammenarbeit mit den Staaten Osteuropas dient: Schweiz, Bundesgesetz über die Zusammenarbeit mit den Staaten Osteuropas vom 30. September 2016, Bundesblatt der Schweiz vom 11. Oktober 2016, S. 7591 – 7598. Obwohl dieses 242
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Teil 1: Grundlagen
Bezug auf die einzelnen Vergleichsstaaten sind mithin ausschließlich auf die untersuchten Entwicklungsgesetze bezogen und schließen darüber hinausgehende Regelungen in anderen Gesetzen nicht aus. Gesetze, die einem solchen ganzheitlichen Regelungsansatz der Entwicklungszusammenarbeit dienen, haben Belgien,254 Dänemark,255 Frankreich,256 Großbritannien,257 Island,258 Italien,259 Kanada,260 Luxemburg,261 Österreich,262 Polen,263 Gesetz Aspekte der Entwicklungszusammenarbeit regelt, hat es im Rahmen dieser Arbeit aufgrund der Auswahlkriterien keine Berücksichtigung gefunden. 254 Belgien, Loi relative á la Coopération au Développement vom 19. März 2013, Nr. 2013000752, Moniteur Belge vom 12. April 2013, Ed. 2, S. 22563 – 22569, http://www. ejustice.just.fgov.be/cgi_loi/change_lg.pl?language=fr&la=F&cn=2013031906&table_na me=loi (letzter Zugriff: 09. 05. 2022). Die im Fließtext zitierte deutsche Übersetzung, die durch die zentrale Dienststelle für deutsche Übersetzungen (ZDDÜ) erstellt wurde, findet sich unter dem Titel „Gesetz über die belgische Entwicklungszusammenarbeit“, https://www.scta.be/Uber setzungen (letzter Zugriff: 09. 05. 2022). Eine durch das zuständige Ministerium autorisierte englische Übersetzung existiert bisher nicht. 255 Dänemark, Lov om internationalt udviklingssamarbedje, Lov Nr. 555 vom 16. Juni 2012, Lovtidende A vom 19. Juni 2012, Nr. 555, Udenrigsmin., j.nr. 104.Dan. 1., https://www. retsinformation.dk/eli/lta/2012/555 (letzter Zugriff: 09. 05. 2022). Die verwendete englische Übersetzung findet sich unter dem Titel „The International Development Cooperation Act“ auf der Internetseite des dänischen Außenministeriums, https://amg.um.dk/policies-and-strategies/ new-law-development-cooperation (letzter Zugriff: 09. 05. 2022). Das dänische Entwicklungsgesetz wurde durch Act No. 1464 vom 17. 12. 2013, Lovtidende A vom 18. Dezember 2013, Udenrigsmin., j.nr. 104.O.14.a.; Act No. 1741 vom 27. 12. 2016, Lovtidende A vom 28. Dezember 2016, Udenrigsmin., j.nr. 2016 – 26488 sowie Act No. 108 vom 26. 01. 2022, Lovtidende A vom 27. Januar 2022, Udenrigsmin., j.nr. 2020 – 42090 geändert. Diese Anpassungen sind in der englischen Übersetzung nicht eingearbeitet. Sie sind jedoch im Rahmen dieser Arbeit berücksichtigt worden. 256 Frankreich, Loi Nu 2021 – 1031 du 4 aout 2021 de programmation relative au développement solidaire et à la lutte contre les inégalités mondiales, Journal Officiel de la République Francaise vom 5. August 2021, Nu. 0180, https://www.legifrance.gouv.fr/jorf/id/ https://www.legifrance.gouv.fr/jorf/id/JORFTEXT000043898536/JORFTEXT000043898536/ (letzter Zugriff: 09. 05. 2022). Eine durch das zuständige Ministerium autorisierte englische oder deutsche Übersetzung existiert bisher nicht. 257 In Großbritannien sind drei Gesetze in Kraft, die den Auswahlkriterien dieser Arbeit unterfallen: Großbritannien, International Development Act 2002 vom 26. Februar 2002, UK Public General Acts 2002, c. 1; https://www.legislation.gov.uk/ukpga/2002/1/contents (letzter Zugriff: 09. 05. 2022); Großbritannien, International Development (Reporting and Transparency) Act 2006 vom 25. Juli 2006, UK Public General Acts 2006, c. 3, https://www.legislation. gov.uk/ukpga/2006/31 (letzter Zugriff: 09. 05. 2022); Großbritannien, International Development (Official Development Assistance Target) Act 2015 vom 26. März 2015, UK Public General Acts 2015, c. 12, https://www.legislation.gov.uk/ukpga/2015/12/enacted (letzter Zugriff: 09. 05. 2022). 258 Island, Lög um alþjóðlega þróunarsamvinnu Íslands, Lög nr. 121 vom 17. September 2008, Þingskjal 1350, 135, https://www.althingi.is/altext/stjt/2008.121.html (letzter Zugriff: 09. 05. 2022). Geändert durch Lög um breytingu á lögum um alþjóðlega þróunarsamvinnu Íslands o.fl. (skipulag), Lög nr. 122 vom 23. Dezember 2015, Þingskjal 661, 145, https://www.al thingi.is/altext/145/s/0661.html (letzter Zugriff: 09. 05. 2022). Es existiert bisher ausschließlich eine englische Übersetzung des ursprünglichen Gesetzes Nr. 121 vom 17. September 2008
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Schweiz,264 Slowenien,265 Slowakei,266 Südkorea,267 Spanien,268 Tschechien,269 Ungarn,270 und die USA271 erlassen. unter dem Titel „Act on Iceland’s International Development Cooperation“, https://www.govern ment.is/media/utanrikisraduneyti-media/media/MFA_pdf/Act-on-Icelands-International-Deve lopment-Cooperation.pdf (letzter Zugriff: 09.05. 2022). 259 Italien, Disciplina generale sulla cooperazione internazionale per lo sviluppo, Legge n. 125 vom 11. August 2014, Official Gazette n. 199 vom 28. 08. 2014, http://www.normattiva. it/uri-res/N2Ls?urn:nir:stato:legge:2014;125 (letzter Zugriff: 09. 05. 2022). Die verwendete englische Übersetzung des Gesetzes findet sich auf der Seite der italienischen Behörde für Zusammenarbeit und Entwicklung unter dem Titel „General law on international development cooperation“, Italien, Disciplina generale sulla cooperazione internazionale per lo sviluppo, Legge n. 125 vom 11. August 2014, Official Gazette n. 199 vom 28. 08. 2014, http://www.nor mattiva.it/uri-res/N2Ls?urn:nir:stato:legge:2014;125 (letzter Zugriff: 09. 05. 2022). Die verwendete englische Übersetzung des Gesetzes findet sich auf der Seite der italienischen Behörde für Zusammenarbeit und Entwicklung unter dem Titel „General law on international development cooperation“, https://www.aics.gov.it/wp-content/uploads/2016/07/LEGGE_11_ago sto_2014_n__125_ENG.pdf (letzter Zugriff: 09. 05. 2022). 260 Kanada, Official Development Assistance Accountability Act vom 29. Mai 2008, SC 2008, c. 17, http://laws-lois.justice.gc.ca/eng/acts/O-2.8/page-1.html (letzter Zugriff: 09. 05. 2022). 261 Luxemburg, Loi du 6 janvier 1996 sur la coopération au développement, Journal officiel du Grand-Douché de Luxembourg, A No. 2 vom 17. Januar 1996, S. 7 – 14, http://legilux.public. lu/eli/etat/leg/loi/1996/01/06/n1/jo (letzter Zugriff: 09. 05. 2022). Eine durch das zuständige Ministerium autorisierte englische oder deutsche Übersetzung existiert bisher nicht. 262 Österreich, Bundesgesetz über die Entwicklungszusammenarbeit, 49. Bundesgesetz, Bundesgesetzblatt für die Republik Österreich (BGBl.), Teil 1 vom 29. März 2002, S. 259 – 263, https://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnum mer=20001847 (letzter Zugriff: 09. 05. 2022). 263 Polen, Ustawa z dnia 16 wrzes´nia 2011 r. wrzes´nia 2011 r., Dziennik Ustaw, Nr. 1386 vom 03. November 2011, S. 13645 – 13648, https://dziennikustaw.gov.pl/D2011234138601.pdf (letzter Zugriff: 09. 05. 2022). Eine durch das zuständige Ministerium autorisierte englische oder deutsche Übersetzung existiert bisher nicht. 264 Schweiz, Bundesgesetz über die internationale Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe, SR 974.0 vom 19. März 1976, Bundesblatt der Schweiz vom 29. März 1976, S. 1057 – 1062, https://www.admin.ch/opc/de/classified-compilation/19760056/index.html (letzter Zugriff: 09. 05. 2022). 265 Slowenien, Zakon o mednarodnem razvojnem sodelovanju in humanitarni pomocˇ i republike slovenije, Uradni list RS, Sˇ t. 30 vom 26. 04. 2018, S. 4450 – 4453, https://www.uradnilist.si/_pdf/2018/Ur/u2018030.pdf (letzter Zugriff 09. 05. 2022). Eine durch das zuständige Ministerium autorisierte englische oder deutsche Übersetzung existiert bisher nicht. 266 Slowakei, Zákon z 18. novembra 2015 o rozvojovej spolupráci a o zmene a doplnení niektory´ch zákonov, Act No. 392/2015, Zbierka zákonov, No. 107, S. 4358 – 4369, https:// www.slov-lex.sk/pravne-predpisy/SK/ZZ/2015/392/20191001 (letzter Zugriff: 09. 05. 2022). Eine durch das zuständige Ministerium autorisierte englische oder deutsche Übersetzung existiert bisher nicht. 267 Südkorea, Framework Act on International Development Cooperation, Act No. 12767 vom 15. Oktober 2014. Auf das südkoreanische Gesetzesblatt („Kwanbo“) kann zurzeit nur aus Südkorea zugegriffen werden. Aufgrund dessen wurde sich für dieses Gesetz auf die Nennung der Fundstelle der verwendeten englischen Übersetzung beschränkt. Diese, durch das Korean
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Teil 1: Grundlagen
Als zusätzliches Auswahlkriterium wurde die entwicklungspolitische Relevanz der Staaten einbezogen. Sie bemisst sich nach dem Umfang der ODA-Leistungen im Jahr 2017. Es werden nur die Staaten berücksichtigt, deren ODA 2017 die Grenze von einer Milliarde US-Dollar überstiegen haben. Nicht berücksichtigt wurden deshalb die Gesetze der Staaten Island, Luxemburg, Polen, Slowenien, Slowakei, Tschechien und Ungarn. Die Entwicklungsgesetze dieser Staaten weisen aber in ihrer Ausrichtung keine grundlegenden Unterschiede zu den untersuchten Gesetzen auf und sind in ihrem Regelungsgehalt im Wesentlichen mit diesen vergleichbar. Das französische Entwicklungsgesetz wird nachfolgend ebenfalls nicht näher betrachtet. Anders als die übrigen Entwicklungsgesetze legte das sich zum Zeitpunkt der Auswahl der Vergleichsgesetze in Kraft befundene Gesetz gem. Art. 15 Abs. 4 die Ziele und Richtungen der internationalen Entwicklungs- und Solidaritätspolitik lediglich für einen Zeitraum von fünf Jahren fest. Danach sollte es überprüft werden und galt nur bis zum Inkrafttreten des neuen Programmplanungsgesetzes.272 Dieses Law Translation Center erstellte Übersetzung, ist abrufbar unter https://elaw.klri.re.kr/eng_ser vice/lawView.do?lang=ENG&hseq=33064 (letzter Zugriff: 09. 05. 2022). 268 Spanien, Ley 23/1998, de 7 de julio, de Cooperación Internacipnal para el Desarollo, Boletín Oficial del Estado, No. 162 vom 8. Juli 1998, S. 22755 – 22765, https://www.boe.es/eli/ es/l/1998/07/07/23/con (letzter Zugriff: 09. 05. 2022). Die verwendete englische Übersetzung ist auf der Internetseite der spanischen Behörde für Internationale Entwicklungszusammenarbeit unter dem Titel „Law 23/1998, of 7 July, on International Development Cooperation“ abrufbar, http://www.aecid.es/Centro-Documentacion/Documentos/Normativa/International%20Develop ment%20Cooperation%20Law.pdf (letzter Zugriff: 09. 05. 2022). 269 Tschechien, Zákon ze dne 21. dubna 2010 o zahranicˇ ní rozvojové spolupráci a humanitární pomoci poskytované do zahranicˇ í a o zmeˇ neˇ souvisejících zákonu˚ , Sbírka zákonu˚ , Nr. 53 vom 21. Mai 2010, S. 1963 – 1966, https://www.mzv.cz/file/1397915/zakon_o_ZRS.pdf (letzter Zugriff: 09. 05. 2022). Eine englische Übersetzung ist auf der Internetseite der tschechischen Entwicklungsbehörde unter dem Titel „151 Act of 21 April 2010 on Development Cooperation and Humanitarian Aid“ abrufbar, http://www.czechaid.cz/wp-content/uploads/2016/09/Act_on_ Development_Cooperation.pdf (letzter Zugriff: 09.05. 2022). 270 Ungarn, 2014. évi XC. törvény a nemzetközi fejlesztési együttmu|:ködésro|:l és a nemzetközi humanitárius segítségnyújtásról, Magyar Közlöny vol. 183 vom 23. 12. 2014, S. 25283 – 25286, https://magyarkozlony.hu/?year=2014&month=12&serial=183 (letzter Zugriff: 09. 05. 2022). Eine englische Übersetzung ist auf der Internetseite des ungarischen Außenund Handelsministeriums unter dem Titel „Act XC of 2014 concerning International Development Cooperation and International Humanitarian Aid“ abrufbar, https://nefe.kormany.hu/ download/b/b3/92000/Act%20XC%20of%202014%20on%20International%20Develop ment%20Cooperation%20and%20International%20Humanitarian%20Assistance.pdf (letzter Zugriff: 09. 05. 2022). 271 Die USA haben zwei Gesetze zur Regelung der Entwicklungszusammenarbeit erlassen: USA, Foreign Assistance Act of 1961, Public Law 87 – 195 vom 4. September 1961, as amended through Public Law 116 – 6, Enacted February 15, 2019, https://www.foreign.senate. gov/imo/media/doc/Foreign%20Assistance%20Act%20Of%201961.pdf (letzter Zugriff 09. 05. 2022); USA, Foreign Aid Transparency and Accountability Act of 2016, Public Law 114 – 191 vom 15. Juli 2016, 130 Stat. 666 – 671, https://www.congress.gov/bill/114th-congress/housebill/3766/text (letzter Zugriff: 09. 05. 2022). 272 Frankreich, Loi No 2014 – 773 du 7 juillet 2014 d’orientation et de programmation relative à la politique de développement et de solidarité internationale, Journal Officiel de la
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französische Entwicklungsgesetz diente mithin nicht der langfristigen Regelung der Entwicklungszusammenarbeit. Es verfolgt damit einen abweichenden Regelungszweck, der mit dem Aspekt der Langfristigkeit, der Bestandteil des hiesigen Kohärenzverständnisses ist, nicht vereinbar ist. Eine vergleichbare Regelung enthält nunmehr auch das neue französische Entwicklungsgesetz. Dieses regelt die Ziele der französischen Entwicklungszusammenarbeit bis zum Jahr 2025.273 Als Vergleichsgesetze dienen somit die Entwicklungsgesetze der Staaten Belgien, Dänemark, Großbritannien, Italien, Kanada, Österreich, Schweiz, Südkorea, Spanien und der USA. Diese Gesetze werden im Folgenden als Entwicklungsgesetz des jeweiligen Landes bezeichnet und nicht mit ihrem offiziellen Titel zitiert. Die einzelnen Gesetze haben teilweise ähnliche Namen, weshalb eine angemessene Lesbarkeit ansonsten nicht gewährleistet werden könnte. Eine Ausnahme stellt diesbezüglich Großbritannien dar, das drei der Regelung der Entwicklungszusammenarbeit dienende Gesetze erlassen hat. In diesem Fall werden die Gesetze mit ihrem Originaltitel zitiert, um zwischen ihnen differenzieren zu können. Der International Development (Reporting and Transparency) Act 2006 und der International Development (Official Development Assistance Target) Act 2015 dienen jeweils lediglich der Regelung eines Teilaspekts der Entwicklungszusammenarbeit, jedoch sind sie in Verbindung mit dem International Development Act 2002 als ein ganzheitliches Regelungssystem anzusehen274 und werden deshalb im Rahmen dieser Arbeit berücksichtigt. Die USA haben ebenfalls mehrere Gesetze zur Entwicklungszusammenarbeit erlassen. Davon dienen zwei Gesetze einer ganzheitlichen Regelung, wie sie in der vorliegenden Arbeit untersucht wird. Dies sind einerseits der Foreign Assistance Act, der ursprünglich bereits 1961 erlassen wurde, seither aber zahlreiche Gesetzesänderungen erfahren hat, und andererseits der Foreign Aid Transparency and Accountability Act (FATAA), der erst 2016 erlassen wurde. Der Foreign Assistance Act ist durch die zahlreichen Gesetzesänderungen zu einem erheblichen Ausmaß angewachsen. Schon 1989 legte er 33 Ziele und 75 Prioritäten für die US-amerikanische Entwicklungszusammenarbeit fest.275 Bereits damals wurde die Vielzahl an Prioritäten und Zielen kritisiert und als ungeeignet für eine effektive Lenkung der République Francaise vom 8. Juli 2014, Texte 4 sur 116, https://www.legifrance.gouv.fr/dossier legislatif/JORFDOLE000028315964/ (letzter Zugriff: 09. 05. 2022), Art. 15 Abs. 4: „La présente loi fixe les objectifs et les orientations de la politique de développement et de solidarité internationale pour une période de cinq ans, à l’issue de laquelle elle sera révisée. La présente loi s’applique jusqu’à l’entrée en vigueur de la nouvelle loi de programmation.“ 273 Entwicklungsgesetz Frankreich, Art. 2 Abs. 1: „Le présent titre fixe, jusqu’en 2025, les objectifs de la politique de développement solidaire et de lutte contre les inégalités mondiales et la programmation financière qui leur est associée.“ 274 Manji, The International Development (Official Development Assistance Target) Act 2015, Mod. Law Rev. 79 (2016), S. 655 (657). 275 U.S. House of Representatives, Report of the Task Force on Foreign Assistance to the Committee on Foreign Affairs, 1989, S. 27.
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Entwicklungszusammenarbeit bezeichnet.276 In den nachfolgenden Jahren hat die Zahl der gesetzlich verankerten Prioritäten und Ziele weiter zugenommen.277 Dies hat dazu geführt, dass das Gesetz heute vielfach als überaltert und durch seine Komplexität und Unübersichtlichkeit als ungeeignet angesehen wird, um eine effektive Steuerung der Entwicklungszusammenarbeit zu gewährleisten.278 Hinzu kommt, dass der Foreign Assistance Act zwar der umfassenden Regelung der USamerikanischen Entwicklungszusammenarbeit dient, dabei aber nicht dem gleichen Ansatz folgt wie die Entwicklungsgesetze der anderen Geberstaaten. Statt durch möglichst abstrakte Regelungen die nationale Entwicklungszusammenarbeit ganzheitlich zu regeln, differenziert das Gesetz sowohl nach verschiedenen Empfängerregionen als auch nach den Zielen, die die einzelnen Maßnahmen verfolgen. Diese abweichende Regelungsstruktur führt dazu, dass es sich nicht als Vergleichsobjekt eignet und deshalb nicht berücksichtigt wird. Soweit im Rahmen dieser Arbeit das US-amerikanische Entwicklungsgesetz genannt wird, ist dementsprechend der FATAA von 2016 gemeint. Dieses Gesetz behandelt zwar ausschließlich die Transparenz der US-amerikanischen Entwicklungszusammenarbeit. Dieser Aspekt wird aber ganzheitlich für die gesamte ODA der USA durch dieses Gesetz geregelt. Aufgrund der Bedeutung der USA für die internationale Entwicklungszusammenarbeit und des speziellen Regelungsansatzes, den das Gesetz verfolgt, wird es im Rahmen der Untersuchung der Transparenzpflichten berücksichtigt. Es werden mithin zwölf Entwicklungsgesetze aus zehn verschiedenen Geberstaaten untersucht. Diese Vergleichsstaaten verteilen sich von Amerika über Europa bis hin nach Asien. Sie spiegeln somit ein breites Spektrum der Geberstaaten wider und ermöglichen einen repräsentativen Überblick über die Bedeutung und die Ausgestaltung nationaler Entwicklungsgesetze.
276 U.S. House of Representatives, Report of the Task Force on Foreign Assistance to the Committee on Foreign Affairs, 1989, S. 27. 277 Ingram, Adjusting Assistance to the 21st Century, Global Economy and Development Working Paper No. 75, 2014, S. 9. Für eine Übersicht über die Vielzahl an US-amerikanischen Entwicklungsbehörden und der verschiedenen Ziele, die diese verfolgen, siehe Brainard, Organizing U.S. Foreign Assistance in the 21st Century, in: Brainard (Hrsg.), Security by other means, 2007, S. 33 (34). 278 Burall/White/Blick, The Impact of U.S. and U.K. Legislature on Aid Delivery, GMF Economic Policy Paper Series No. 09, 2009, S. 46; Ingram, Adjusting Assistance to the 21st Century, Global Economy and Development Working Paper No. 75, 2014, S. 9; OECD, OECD Development Co-operation Peer Reviews: United States 2016, S. 35; Rennack/Chesser, Foreign Assistance Act of 1961, S. 1; Veillette, Why we Need a New Foreign Assistance Act, 2011, https://www.cgdev.org/blog/why-we-need-new-foreign-assistance-act-hint-it’s-déjà-vuall-over-again (letzter Zugriff: 09. 05. 2022).
§ 5 Methodisches Vorgehen
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§ 5 Methodisches Vorgehen Während auf den Ebenen des deutschen sowie des Europa- und Völkerrechts neben den klassischen Auslegungsmethoden auf eine umfassende Literatur zurückgegriffen werden kann, ist die Analyse der Entwicklungsgesetze mit gewissen Herausforderungen in Bezug auf das methodische Vorgehen verbunden. Die analysierten Vergleichsgesetze sind vergleichsweise jung.279 Dies führt dazu, dass es bisher kaum Literatur zu selbigen gibt. Ebenso fehlt es an rechtsvergleichenden Untersuchungen der Gesetze und auch an juristischen Auseinandersetzungen auf Basis der Entwicklungsgesetze sowie einer damit verbundenen Konkretisierung der Gesetze durch die Gerichte.280 Es gibt somit zu keinem der Gesetze umfassende Gesetzeskommentare oder Gerichtsentscheidungen, die zu ihrer Auslegung beitragen könnten. Deshalb muss auf die Mittel der Gesetzesauslegung zurückgegriffen werden. Nach Savigny gibt es vier klassische Auslegungsmethoden. Dies sind die grammatische, die teleologische, die historische und die systematische Auslegung.281 Diese Auslegungsmethoden bilden das Grundgerüst der Analyse der Vergleichsgesetze. Zugleich werden die Gesetze im Lichte des geltenden Völkerrechts und, soweit die Vergleichsstaaten Mitglieder der Europäischen Union sind, des Europarechts ausgelegt. Ergänzend werden die zentralen politischen Dokumente der internationalen Entwicklungszusammenarbeit bei der Bestimmung des Inhalts der Entwicklungsgesetze berücksichtigt. Namentlich sind dies die Abschlussdokumente der vier High Level Foren der Working Group on Aid Effectiveness,282 die Abschlussdokumente der High Level Meetings der Global Partnership for Effective Development Co-operation283, die Abschlussdokumente der UN-Konferenzen über Entwicklungsfinanzierung284 sowie die Millenniumserklärung und die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung. Diese Dokumente vermitteln ein repräsentatives Bild 279 Die Gesetze Belgiens (2013), Dänemarks (2013), Italiens (2014), der USA (2016) sowie der britische International Development (Official Development Assistance Target) Act 2015 sind alle innerhalb des letzten Jahrzehnts erlassen worden. 280 Groß, Deutsches Entwicklungsverwaltungsrecht, in: Dann/Kadelbach/Kaltenborn (Hrsg.), Entwicklung und Recht, 2014, S. 659 (660). Eine Ausnahme stellt diesbezüglich der Pergau-Damm-Fall dar. Ausführlich zu den Hintergründen dieses Falles und dem Einfluss auf die britische Entwicklungszusammenarbeit, Lankester, The Politics and Economics of Britain’s Foreign Aid – The Pergau Dam Affair, 2013. 281 Savigny, System des heutigen Römischen Rechts, Bd. I, 1840, S. 213. 282 WP-EFF, Rome Declaration on Harmonisation, 2003; WP-EFF, Paris Declaration on Aid Effectiveness, 2005; WP-EFF, Accra Agenda for Action, 2008; WP-EFF, Busan Partnership for effective Development Co-operation, 2011. 283 GPEDC, Mexico High Level Meeting Communique, 2014; GPEDC, Nairobi Outcome Document, 2016. 284 UN, Monterrey Consensus, A/CONF.198/11, 2002; G. A., Res. 69/239 vom 24. Dezember 2008, Annex, Doha Declaration on Financing for Development; G. A., Res. 69/313 vom 27. Juli 2015, Annex, Addis Ababa Action Agenda.
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über die Entwicklung der Zusammenarbeit, die Ziele, die mit ihr verfolgt werden sollen, sowie die grundlegenden Prinzipien, auf die sich die Akteure geeinigt haben. Ausgangspunkt und Grenze der Auslegung rechtlicher Normen ist ihr Wortlaut.285 Dies ist im Rahmen der rechtsvergleichenden Untersuchung insoweit problematisch, als dass Sprache stets im Kontext ihres Kulturkreises betrachtet werden muss.286 Bedingt durch Eigenarten des jeweiligen Sprachgebrauchs können Wörter unterschiedliche Bedeutungen haben. Die Entwicklungszusammenarbeit beruht aber auf einem durch internationale Dokumente geprägten Vokabular, dass über die verschiedenen Kulturen hinweg einheitlich verstanden wird. Dies gilt speziell für die Mitgliedstaaten des OECD-DAC. Die in den Entwicklungsgesetzen verwendete Rechtssprache kann dementsprechend auch über die verschiedenen Kulturen und Sprachen hinweg verglichen werden. Ein weiteres Problem stellt die Vielfalt der Sprachen dar, in denen die untersuchten Gesetze verfasst sind. Grundsätzlich besitzt nur die in ihrer ursprünglichen Sprache verfasste Fassung eines Gesetzes Anspruch auf Verbindlichkeit. Im Rahmen der vorliegenden Untersuchung musste gleichwohl in Bezug auf einzelne Gesetze auf Übersetzungen zurückgegriffen werden. Dies ist mit der Gefahr von Übersetzungsfehlern verbunden. Es wurden jedoch ausschließlich Übersetzungen verwendet, die von den Staaten selbst veröffentlicht wurden. Zudem wird auch die Gefahr von Übersetzungsfehlern durch die internationale Prägung der Entwicklungssprache gemindert. Dennoch handelt es sich nicht um eine Auslegung der Gesetze, die die spezifischen Rechtskulturen der jeweiligen Staaten umfassend berücksichtigt. Stattdessen erfolgt die Betrachtung und Auslegung aus der Perspektive des deutschen Rechtsverständnisses.
§ 6 Zusammenfassung Mit der Jahrtausendwende ist der Ansatz der Kohärenz für Entwicklung zunehmend in den Mittelpunkt der Entwicklungszusammenarbeit gerückt.287 Es hat sich die Auffassung durchgesetzt, dass die Entwicklungszusammenarbeit allein nicht ausreichend ist, um den Entwicklungsprozess der Empfängerstaaten hinreichend zu fördern. Auch die weiteren Politikbereiche, die Einfluss auf die Empfängerstaaten haben, sollen an den offiziellen Zielen der Entwicklungszusammenarbeit ausgerichtet werden und diese wenn möglich fördern. Auch im Zentrum dieses Ansatzes steht jedoch die Entwicklungszusammenarbeit selbst. Es ist notwendig, dass sich diese an den Interessen der Empfängerstaaten ausrichtet und ihre Entwicklungs285
Reimer, Juristische Methodenlehre, 2019, S. 144; Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, 2022, S. 453. 286 Sacco/Rossi, Einführung in die Rechtsvergleichung, 2017, S. 54 – 55. 287 Fritz/Raza, Living up to Policy Coherence for Development? The OECD’s disciplines on tied aid financing, ÖFSE Working Paper No. 49, 2014, S. 6.
§ 6 Zusammenfassung
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prozesse nachhaltig fördert. In der folgenden Untersuchung soll der Frage nachgegangen werden, ob die deutsche Entwicklungszusammenarbeit hinreichend angeleitet wird, um sicherzustellen, dass sie kohärent im Interesse der Empfängerstaaten geleistet wird. Eine Möglichkeit, diese Kohärenz sicherzustellen, ist die rechtliche Steuerung der Entwicklungszusammenarbeit. Die rechtlichen Normen, die diesen Politikbereich anleiten, werden im Rahmen der vorliegenden Untersuchung als Entwicklungsrecht bezeichnet. Das Entwicklungsrecht wird dabei als ein Mehrebenensystem verstanden. Die Geberstaaten werden sowohl durch das Völker- und Europarecht als auch durch das nationale Recht beeinflusst. Ziel dieser Untersuchung ist es, den Status Quo des Entwicklungsrechts, das Einfluss auf Deutschland nimmt, anhand von vier Untersuchungsschwerpunkten zu bestimmen. Im Gegensatz zu zahlreichen anderen Geberstaaten hat die Bundesrepublik bisher kein spezifisches Gesetz zur Regelung der Entwicklungszusammenarbeit erlassen. Es wird deshalb untersucht, welche Vor- und Nachteile ein deutsches Entwicklungsgesetz als Regelungsinstrument im Vergleich zu den bestehenden Regelungen hätte. Um dies zu bestimmen, wurden zehn Vergleichsstaaten festgelegt, deren Entwicklungsgesetze auf ihren Regelungsgehalt in Bezug auf die festgelegten Schwerpunkte in rechtsvergleichender Weise untersucht werden. Der Untersuchungsgegenstand ist auf die bilaterale Entwicklungszusammenarbeit beschränkt. Auf dieser Ebene können sich die Eigeninteressen der Geberstaaten stärker auswirken als auf der Ebene der multilateralen Zusammenarbeit. Inhaltlich werden vier Regelungskomplexe näher betrachtet, die einen wesentlichen Einfluss auf die Kohärenz der Entwicklungszusammenarbeit nehmen. Es wird untersucht, ob das Entwicklungsrecht zur Konkretisierung des Begriffes der Entwicklungszusammenarbeit beiträgt, Leistungspflichten begründet, die Selektion der Nehmerstaaten und Entwicklungsprojekte anleitet und inwieweit es die interne Strukturierung der Geberstaaten regelt.
Teil 2
Einführung in die Entwicklungszusammenarbeit Der zweite Teil dieser Arbeit dient der Einführung in die Entwicklungszusammenarbeit. Nachfolgend wird die Entstehungsgeschichte der Entwicklungszusammenarbeit überblicksartig geschildet, die zentralen Ziele, die mit ihr verfolgt werden, dargestellt und auf die Grundlagen der deutschen Entwicklungszusammenarbeit eingegangen. Es werden sowohl die beteiligten Akteure und ihre Kompetenzen als auch die rechtlichen und politischen Grundlagen vorgestellt.
§ 1 Genese der Entwicklungszusammenarbeit Die Ausgangsproblematik dieser Untersuchung ist ein bestehender Interessenwiderspruch zwischen den Geber- und Empfängerstaaten. Gemeint ist damit nicht, dass die Regierungen der Empfängerstaaten teilweise nicht im Interesse ihrer Bürger handeln, sondern das bereits auf Geberseite bei der Entscheidung über die Vergabe von Entwicklungsmitteln nicht ausschließlich die wirtschaftliche Entwicklung und Armutsbekämpfung im Mittelpunkt stehen. Stattdessen nehmen auch verschiedene sich in einem stetigen Wandel befindende nationale Interessen Einfluss auf die Entwicklungszusammenarbeit.1 Gleichwohl heißt es in den Leitlinien für die bilaterale Finanzielle und Technische Zusammenarbeit mit Kooperationspartnern der deutschen Entwicklungszusammenarbeit, dass die Bundesregierung mit ihrer Entwicklungspolitik dazu beitragen möchte, „weltweit Armut zu bekämpfen, Frieden zu sichern und Demokratie zu verwirklichen, die Globalisierung gerechter zu gestalten und die Umwelt zu schützen“.2 Und auch in den Entwicklungsgesetzen werden die Armutsbekämpfung und die nachhaltige Entwicklung als zentrale Ziele der Zusammenarbeit festgeschrieben.3 Flankiert werden diese zentralen Zielsetzungen in den Gesetzen durch weitere 1 Klingebiel, Rahmenbedingungen und Eckpunkte von Entwicklungszusammenarbeit in der Zukunft, in: Sangmeister/Wagner (Hrsg.), Die Entwicklungszusammenarbeit der Zukunft, 2019, S. 41 (44); Todaro/Smith, Economic Development, 2020, S. 768. 2 BMZ, Leitlinien für die bilaterale finanzielle und technische Zusammenarbeit mit Kooperationspartnern der deutschen Entwicklungszusammenarbeit, BMZ Konzepte 165, S. 8. 3 Statt aller § 1 Abs. 3 Nr. 1 des österreichischen Entwicklungsgesetzes: „Die österreichische Entwicklungspolitik hat vor allem folgende Ziele zu verfolgen: 1. die Bekämpfung der Armut in den Entwicklungsländern durch Förderung der wirtschaftlichen und sozialen Ent-
§ 1 Genese der Entwicklungszusammenarbeit
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altruistische Ziele wie der Schutz der Menschenrechte und der Umwelt in den Empfängerstaaten.4 Ziele, die überwiegend im eigenen Interesse der Geberstaaten liegen, finden sich in den Gesetzen dagegen nicht.5 Sowohl die offiziellen Ziele der deutschen Entwicklungszusammenarbeit als auch die Ziele, die in den Vergleichsgesetzen festgeschrieben worden sind, stehen im Einklang mit den SDGs, die als offizielles Zielsystem der modernen Entwicklungszusammenarbeit angesehen werden können.6 Dies könnte den Eindruck erwecken, dass Interessenswidersprüche in der Entwicklungszusammenarbeit nicht länger ein Problem darstellen. Würden die Geberstaaten im alleinigen Interesse der Empfängerstaaten agieren, wäre eine größtmögliche Flexibilität erstrebenswert, um auf sich verändernde Herausforderungen und Unterschiede in den Entwicklungsprozessen bestmöglich reagieren zu können. Eine weitere Ausgestaltung des Entwicklungsrechts in Deutschland, die zu einer Beschränkung der Flexibilität führen würde, wäre dann möglicherweise nicht im Interesse einer effektiven Entwicklungszusammenarbeit. Es soll deshalb im Folgenden anhand einer kurzen Skizze der Genese sowie daran anknüpfend der Ziele der Entwicklungszusammenarbeit das Bestehen bestimmter Interessenswidersprüche dargestellt werden.7
wicklung, welche zu einem Prozess des nachhaltigen Wirtschaftens und des wirtschaftlichen Wachstums, verbunden mit strukturellem, institutionellem und sozialem Wandel führen soll.“ 4 Statt aller § 1 Abs. 3 Nr. 2, Nr. 3 des österreichischen Entwicklungsgesetzes: „Die österreichische Entwicklungspolitik hat vor allem folgende Ziele zu verfolgen: 2. die Sicherung des Friedens und der menschlichen Sicherheit, insbesondere durch die Förderung von Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechten und guter Regierungsförderung, sowie 3. die Erhaltung der Umwelt und den Schutz natürlicher Ressourcen als Basis für eine nachhaltige Entwicklung.“ 5 Unter den im Rahmen dieser Arbeit untersuchten Gesetzen weicht ausschließlich das südkoreanische Entwicklungsgesetz von diesem Grundsatz ab. In Art. 3 Abs. 1 des Gesetzes benennt es die Förderung der wirtschaftlichen Beziehungen zu den Empfängerstaaten und damit ein zumindest vornehmlich im eigenen Interesse liegendes Ziel. Jedoch geht beispielsweise das Entwicklungsgesetz Ungarns noch über diese Bestimmung hinaus und erklärt in Art. 3 Abs. 2 des Gesetzes, dass bei der bilateralen Entwicklungszusammenarbeit die möglichen Auswirkungen auf die Stärkung der inländischen Wirtschaft und des Handels berücksichtigt werden sollen. 6 Siehe dazu bereits oben Teil 1, § 2, C., I., 2. 7 Nachfolgend soll lediglich ein kurzer Überblick über die grundsätzlichen Einflüsse, die auf die Entwicklungszusammenarbeit eingewirkt haben, verschafft werden. Für eine umfassende historische Aufarbeitung der Entwicklungszusammenarbeit und der sich in einem fortlaufenden Wandel befindenden Entwicklungstheorien siehe u. a.: van Bilzen, The Development of Aid, 2015; Heffron, The Evolution of Development Thinking, 2016; Keeley, From Aid to Development, 2012; Rist/Camiller, The History of Development, 2019; sowie für die Geschichte der deutschen Entwicklungszusammenarbeit u. a.: Bohnet, Geschichte der deutschen Entwicklungspolitik, 2015; Lohmann, Von der Entwicklungspolitik zur Armenhilfe, 2010; Molt, Die Anfänge der Entwicklungspolitik der Bundesrepublik Deutschland in der Ära Adenauer, 2017.
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Teil 2: Einführung in die Entwicklungszusammenarbeit
A. Erste Erscheinungsformen Erste Erscheinungsformen der Entwicklungszusammenarbeit finden sich im Kontext der Kolonialisierung.8 Die Kolonialmächte agierten vor allem mit dem Ziel der größtmöglichen Ausbeutung ihrer Kolonien. Mit der Zeit bildete sich die Auffassung heraus, dass eine optimale wirtschaftliche Nutzung der kolonialisierten Gebiete nur dann möglich ist, wenn in einem gewissen Maße in ihre Entwicklung investiert wird.9 Diese Investitionen bezogen sich zunächst auf die Herstellung politischer Strukturen, um die Herrschaft über die Kolonien sicherzustellen, und wurden je nach Kolonialmacht nach und nach um Infrastrukturprojekte bis hin zu Alphabetisierungskursen und Berufsausbildungen für die Bevölkerungen der Kolonien erweitert.10 Die Kolonien waren jedoch im völkerrechtlichen Sinne keine eigenständigen Staaten, da es ihnen an der erforderlichen staatlichen Souveränität fehlte.11 Dies führte dazu, dass nicht die Förderung eines anderen, über Souveränität verfügenden Staates Gegenstand dieser frühen Form der Entwicklungszusammenarbeit war. Dass die Unterstützung der Kolonien nicht aus altruistischen Motiven erfolgte, lässt sich auch einem der ersten Entwicklungsgesetze entnehmen. Gem. § 1 des Colonial Development Act Großbritanniens von 1929 hatten Hilfen, die nach diesem Gesetz vergeben wurden, „the purpose of aiding and developing agriculture and industry in the colony or territory, and thereby promoting commerce with or industry in the United Kingdom […]“.12 Die Zusammenarbeit erfolgte dementsprechend auch ausschließlich zwischen den einzelnen Kolonialmächten und ihren jeweiligen Kolonien. Entwicklungszusammenarbeit außerhalb dieses Kontextes hat während dieser Zeit, abgesehen von einigen weitgehend unbedeutenden Ausnahmen, nicht stattgefunden. Dennoch wurden bereits in der Zusammenarbeit mit den Kolonien teilweise altruistische Motive vorgeschoben, um deren wirtschaftliche Förderung gegenüber der eigenen Bevölkerung zu rechtfertigen. Es wurde argumentiert, dass
8 van Bilzen, The Development of Aid, 2015, S. 46; Dann, Ideengeschichte von Recht und Entwicklung, in: Dann/Kadelbach/Kaltenborn (Hrsg.), Entwicklung und Recht, 2014, S. 19 (43); Stokke, International Development Assistance, 2019, S. 346 – 347. 9 Eckert, Geschichte der Entwicklungszusammenarbeit, APuZ 65, Nr. 7 – 9 (2015), S. 3 (5). 10 van Bilzen, The Development of Aid, 2015, S. 46. 11 Gemäß der von Georg Jellinek begründeten Drei-Elementen-Lehre gibt es drei Voraussetzungen, um von einem Staat sprechen zu können. Diese sind das Staatsgebiet, das Staatsvolk und die diese Elemente verbindende Staatsgewalt. Während die Voraussetzungen des Staatsgebiets und des Staatsvolks im Falle der Kolonien erfüllt waren, fehlte es an der erforderlichen Staatsgewalt. Diese wurde von den Kolonialmächten ausgeübt und den Kolonien wurde deshalb keine Rechtsfähigkeit zugesprochen, von Arnauld, Völkerrecht, 2019, S. 38; Anghie, Imperialism, Sovereignty, and the Making of International Law, 2005, S. 82. 12 Großbritannien, Colonial Development Act vom 26. Juli 1929, UK Public General Acts, 1929 c.5.
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die Bewohner der „unzivilisierten Welt“ die Möglichkeit erhalten sollten, an den Erkenntnissen der westlichen Welt teilzuhaben.13 Die moderne Entwicklungszusammenarbeit, die nach ihrer offiziellen Begründung vornehmlich der nachhaltigen wirtschaftlichen Entwicklung des jeweiligen Empfängerstaates dient, ist dagegen ein vergleichsweise junges Politikfeld. Nachdem die Alliierten den Zweiten Weltkrieg gewonnen hatten, gelangten die USA zu der Auffassung, dass es einer umfassenden Unterstützung der europäischen Staaten bedürfe, um für Stabilität und Frieden in Europa zu sorgen und zur Entwicklung demokratischer Strukturen beizutragen. Es wurde deshalb das European Recovery Program, das als „Marshall-Plan“ berühmt wurde, ins Leben gerufen.14 Dieses Programm sollte dem wirtschaftlichen Wiederaufbau der weitgehend zerstörten europäischen Staaten dienen und dadurch zugleich einen Absatzmarkt für die amerikanische Güterproduktion generieren.15 Erstmals war die wirtschaftliche Förderung anderer souveräner Staaten das vorrangige Ziel der Zusammenarbeit zwischen Staaten. Zugleich wurden aber auch die eigenen Ziele, die die USA mit diesem Programm verfolgte, offen kommuniziert. Beispielsweise wurden die Leistungen des Marshall-Plans als politisches Druckmittel eingesetzt und als Reaktion auf den beginnenden Kalten Krieg an die Voraussetzung gebunden, dass die politische und wirtschaftliche Ausrichtung der Leistungsempfänger den Überzeugungen der USA entsprach.16 Der Marshall-Plan diente so als Instrument, um die europäischen Staaten möglichst vor dem Einfluss des Kommunismus zu schützen. Die Verbindung entwicklungspolitischer Leistungen an bestimmte Voraussetzungen wird als Konditionalisierung bezeichnet und ist bis heute ein Bestandteil der modernen Entwicklungszusammenarbeit.17 Die Unterstützung der europäischen Staaten durch den Marshall-Plan führte zu einem unvergleichlichen wirtschaftlichen Aufschwung. Sie hat entscheidend zur schnellen Stabilisierung Europas und zum heutigen Reichtum der europäischen Staaten beigetragen.18 In Deutschland hat der Marshall-Plan die Grundlagen für den 13
Kämmerer, Colonialism (Updated 01/2018), www.mpepil.com (letzter Zugriff: 09. 05. 2022), Rn. 10; Rist/Camiller, The History of Development, 2019, S. 55. 14 Der heute gebräuchliche Name Marshall-Plan geht zurück auf den damaligen US-Außenminister George C. Marshall, der am 5. Juni 1947 eine Rede an der Havard-Universität gehalten hat und in dieser die Idee eines umfassenden Programms zum Wiederaufbau der europäischen Staaten vorstellte, siehe Jones/Talbott, The Marshall Plan and the Shaping of American Strategy, 2017, S. 19. 15 Marshall, Marshall Plan Speech vom 5. Juni 1947, https://www.marshallfoundation.org/ marshall/the-marshall-plan/marshall-plan-speech/ (letzter Zugriff: 09. 05. 2022); Rist/Camiller, The History of Development, 2019, S. 69; Zayas, Marshall Plan (European Recovery Program) (Updated 04/2009), www.mpepil.com (letzter Zugriff: 09. 05. 2022), Rn. 4. 16 van Bilzen, The Development of Aid, 2015, S. 118. 17 Allgemein zur Konditionalisierung der Leistungen in der Entwicklungszusammenarbeit Pinelli, Conditionality (Updated 11/2013), www.mpepil.com (letzter Zugriff: 09. 05. 2022). 18 Zayas, Marshall Plan (European Recovery Program) (Updated 04/2009), www.mpe pil.com (letzter Zugriff: 09. 05. 2022), Rn. 21.
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Teil 2: Einführung in die Entwicklungszusammenarbeit
wirtschaftlichen Aufschwung in Westdeutschland und die Wiedereingliederung der BRD in die internationale Staatengemeinschaft geschaffen.19 Der Marshall-Plan dient dementsprechend bis heute als Blaupause für das große Potential der Entwicklungszusammenarbeit.20
B. Die Anfänge der modernen Entwicklungszusammenarbeit „Fourth, we must embark on a bold new program for making the benefits of our scientific advances and industrial progress available for the improvement and growth of underdeveloped countries.“ Harry S. Truman, 20. Januar 1949
Ebenfalls erst nach Ende des Zweiten Weltkrieges hat sich die Auffassung entwickelt, dass es notwendig ist, auch die „wirtschaftlich rückständigen“ Staaten durch finanzielle und technische Hilfe zu unterstützen. Der Ursprung für die Entwicklungszusammenarbeit mit den ärmeren, vornehmlich auf der Südhalbkugel beheimateten Staaten, die heute gemeinhin unter dem Begriff der Entwicklungsländer bekannt sind, wird allgemein in der Antrittsrede von US-Präsident Harry S. Truman gesehen.21 Als er am 20. Januar 1949 die Antrittsrede zu seiner zweiten Amtszeit in einer Zeit, in der die Nachwehen des Zweiten Weltkriegs noch allgegenwärtig waren und sich mit dem Kalten Krieg bereits eine neue Krise der internationalen Gemeinschaft entwickelt hatte, hielt, sprach er sich für die Notwendigkeit aus, den „unterentwickelten“ Staaten die Vorteile der westlichen Welt zur Verfügung zu stellen und diese an den wissenschaftlichen Fortschritten und den wirtschaftlichen
19 Knapp/Stolper/Hudson, Reconstruction and West-Integration: The Impact of the Marshall Plan on Germany, ZgS 31 (1981), S. 415 (430 – 431). 20 Keeley, From Aid to Development, 2012, S. 70; Zayas, Marshall Plan (European Recovery Program) (Updated 04/2009), www.mpepil.com (letzter Zugriff: 09. 05. 2022), Rn. 23. Wie groß die Sehnsucht nach einem vergleichbaren Erfolg und der Einfluss des Marshall-Plans noch immer ist zeigt sich auch an der Namensgebung eines der Prestige-Projekte der deutschen Entwicklungszusammenarbeit, dem Marshall-Plan mit Afrika. Ziel dieses Plans „ist ein prosperierendes und friedliches Afrika, dessen Entwicklung alle einbezieht und von den Potentialen der eigenen Bevölkerung vorangetrieben wird“. Es sollen „afrikanische Lösungen für afrikanische Herausforderungen“ gefunden werden, BMZ, Afrika und Europa – Neue Partnerschaft für Entwicklung, Frieden und Zukunft: Eckpunkte für einen Marshallplan mit Afrika, 2017, S. 4. 21 Dann, Ideengeschichte von Recht und Entwicklung, in: Dann/Kadelbach/Kaltenborn (Hrsg.), Entwicklung und Recht, 2014, S. 19 (21); Hunt, Aid and Development, in: Kingsbury/ McKay/Hunt/McGillivray/Clarke (Hrsg.), International Development, 2016, S. 162 (163); Keeley, From Aid to Development, 2012, S. 69; Molt, Die Anfänge der Entwicklungspolitik der Bundesrepublik Deutschland in der Ära Adenauer, 2017, S. 13; Pahuja, Decolonising International Law, 2013, S. 61; Rist/Camiller, The History of Development, 2019, S. 71.
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Vorteilen teilhaben zu lassen.22 Diese Auffassung fand nachhaltigen Rückhalt in der amerikanischen Bevölkerung und führte zum ersten bilateralen Entwicklungsprogramm, das nicht in einem kolonialen Kontext stand.23 In den folgenden Jahren hat diese Idee, begünstigt durch den Kalten Krieg, dazu geführt, dass auch in den anderen Industriestaaten nach und nach Entwicklungsprogramme auf den Weg gebracht wurden.24 Der Kalte Krieg fungierte als entscheidender Motor dieses neuen Politikfeldes.25 Die beiden sich gegenüberstehenden Lager versuchten, durch Entwicklungsleistungen, die regelmäßig an Bedingungen geknüpft waren, die Empfängerstaaten zu beeinflussen und an sich zu binden.26 Auch die moderne Entwicklungszusammenarbeit stand so von Beginn an in einem politischen Kontext und beruhte nicht auf rein entwicklungspolitischen Erwägungen.27 Deutschland trat als Geberstaat erstmals 1956 in Erscheinung.28 1961 wurde dann das erste große Entwicklungsprogramm zeitgleich mit der Gründung des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung auf den Weg gebracht, das die Entwicklungsleistungen Deutschlands kurzfristig auf 1,17 % des BIP anhob.29 Auch die Anfänge der deutschen Entwicklungszusammenarbeit waren maßgeblich vom Kalten Krieg beeinflusst.30 Von 1955 bis 1969 verfolgte Deutschland die sogenannte Hallstein-Doktrin und setze diese auch im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit durch.31 Die Hallstein-Doktrin wurde am 29. Mai 1955 in einer Regierungserklärung zu einem übergeordneten Leitprinzip der deutschen Diplomatie erklärt.32 Nach dieser Doktrin stellte die Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit der DDR einen unfreundlichen Akt dar.33 Sie führte dazu, dass die Empfängerstaaten damit rechnen mussten, dass eine Anerkennung der DDR mit 22 Truman, Inaugural Speech, 20 January 1949, https://avalon.law.yale.edu/20th_century/ https://avalon.law.yale.edu/20th_century/truman.asptruman.asp (letzter Zugriff: 09. 05. 2022). 23 van Bilzen, The Development of Aid, 2015, S. 122. 24 van Bilzen, The Development of Aid, 2015, S. 181. 25 Klingebiel, Entwicklungszusammenarbeit, 2013, S. 14. 26 Stokke, International Development Assistance, 2019, S. 355. Kommunistische Empfängerstaaten wurden beispielsweise von der USA nur in Ausnahmefällen gefördert, Finney, Development Assistance – A Tool of Foreign Policy, Case W. Res. J. Int’l L. 15 (1983), S. 213 (228). 27 Rist/Camiller, The History of Development, 2019, S. 78. 28 Dumke, Anfänge der deutschen staatlichen Entwicklungspolitik, 1997, S. 46; Molt, Die Anfänge der Entwicklungspolitik der Bundesrepublik Deutschland in der Ära Adenauer, 2017, S. 31. 29 Schmidt, Pushed to the Front, Contemp. Eur. Hist. 12 (2003), S. 473 (481 – 482). 30 Bodemer, Entwicklungshilfe – Politik für wen?, 1974, S. 54. 31 Klingebiel, Zukunft der Entwicklungszusammenarbeit, APuZ 65, Nr. 7 – 9 (2015), S. 16 (16); Schmidt, Pushed to the Front, Contemp. Eur. Hist. 12 (2003), S. 473 (488). 32 Adenauer, Regierungserklärung vom 22. 09. 1955, https://www.konrad-adenauer.de/sei te/22-september-1955/ (letzter Zugriff: 09. 05. 2022). Hein, Die Westdeutschen und die Dritte Welt, 2005, S. 21. 33 Bohnet, Geschichte der deutschen Entwicklungspolitik, 2015, S. 39.
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einer Einstellung der Entwicklungszusammenarbeit durch die Bundesrepublik Deutschland einhergehen würde.34 Die Hallstein-Doktrin wurde 1970 unter dem damaligen Entwicklungsminister Erhard Eppler durch die Unterzeichnung des Grundlagenvertrags zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der DDR offiziell beendet.35 Die Entwicklungszusammenarbeit Deutschlands verfolgte mithin von Beginn an auch nationale Ziele, die keinen inneren Zusammenhang zu den Entwicklungsbestrebungen der Empfängerstaaten aufwiesen. Neben dem Einfluss des Kalten Krieges und der deutschen Teilung auf die Entwicklungszusammenarbeit nahmen in der Anfangszeit ökonomische Überlegungen eine wichtige Rolle ein. Die Sicherung von Rohstoffquellen und Absatzmärkten waren entscheidende Motive.36 Das Ende des Kalten Krieges läutete eine Zeitenwende in der Entwicklungszusammenarbeit ein.37 Erstmals war die moderne Entwicklungszusammenarbeit frei vom politischen Blockdenken des Kalten Krieges.38 Dennoch stellte das Ende dieses Konflikts zunächst mehr eine Herausforderung als eine Chance dar.39 Bereits mit Beginn der 1970er-Jahre wurden die fehlenden Erfolge der Entwicklungszusammenarbeit zunehmend sichtbar, und der Optimismus, ähnliche Erfolge wie in Europa nach dem zweiten Weltkrieg zu erreichen, schwand allmählich.40 Diese schwindende Zuversicht führte nach dem Kalten Krieg und dem damit verbundenen Wegfall eines der zentralen politischen Argumente für die Entwicklungszusammenarbeit41 zu einem rapiden Abfall der Entwicklungsleistungen. 1997 wendeten die Industriestaaten kombiniert nur noch 0,22 % ihres BIP für die Entwicklungszusammenarbeit auf. Dies war der niedrigste Wert seit Beginn der Erhebungen durch das OECDDAC.42 Das Ende des Kaltes Krieges brachte deshalb auch veränderte Zielsetzungen in der Entwicklungszusammenarbeit mit sich. Während das offizielle Ziel der modernen Entwicklungszusammenarbeit ursprünglich die Verkleinerung und letztlich 34 Bohnet, Geschichte der deutschen Entwicklungspolitik, 2015, S. 39; Hein, Die Westdeutschen und die Dritte Welt, 2005, S. 22; Lohmann, Von der Entwicklungspolitik zur Armenhilfe, 2010, S. 68. 35 Vertrag vom 21. Dezember 1972 über die Grundlagen der Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik, BGBl. II, Nr. 25 vom 09. Juni 1973, S. 423; Bohnet, Geschichte der deutschen Entwicklungspolitik, 2015, S. 65. 36 Bodemer, Entwicklungshilfe – Politik für wen?, 1974, S. 61; Lancaster, Foreign Aid, 2007, S. 174; Schmidt, Entwicklungszusammenarbeit als strategisches Feld deutscher Außenpolitik, APuZ 65, Nr. 7 – 9 (2015), S. 29 (32). 37 Ihne/Wilhelm, Grundlagen der Entwicklungspolitik, in: Ihne/Wilhelm (Hrsg.), Einführung in die Entwicklungspolitik, 2013, S. 5 (15); Rist/Camiller, The History of Development, 2019, S. 197. 38 van Bilzen, The Development of Aid, 2015, S. 493. 39 Keeley, From Aid to Development, 2012, S. 75. 40 Dijkstra, The New Aid Paradigm, DESA Working Paper No. 128, 2013, S. 1; Keeley, From Aid to Development, 2012. S. 73. 41 Severino/Ray, The End of ODA, CGD Working Paper No. 167, 2009, S. 3. 42 OECD, Development Co-operation Report 2003, S. 31.
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die Beseitigung der wirtschaftlichen Unterschiede zwischen den Empfänger- und Geberstaaten war,43 änderte sich dieses Ziel nun auch offiziell zunehmend hin zu einer Auslöschung absoluter Armut.44 Das Individuum wurde in den Mittelpunkt der Entwicklungszusammenarbeit gestellt, und es wurde verstärkt in soziale Infrastrukturen investiert.45 Zudem wurde mit zunehmender Nachdrücklichkeit die Ursachenforschung für die bisher fehlenden Erfolge der Entwicklungszusammenarbeit aufgenommen.46 Die Ursachen für die geringe Effizienz sind dabei vornehmlich bei den Empfängerstaaten gesucht worden, und es wurde versucht, mit einer weitreichenden Konditionalisierung der Leistungen die Entwicklungsprozesse positiv zu beeinflussen.47 Die Komplexität der staatlichen Entwicklung wurde stärker hervorgehoben und die Bereiche, auf die die Entwicklungszusammenarbeit aus Sicht der Geberstaaten und multilateralen Organisationen Einfluss nehmen muss, immer stärker ausgeweitet.48 Die Entwicklungshemmnisse, die bekämpft werden sollten, wurden so stetig erweitert, teilweise ohne ihre tatsächliche Entwicklungsrelevanz nachhaltig zu begründen.49 Die Entwicklungszusammenarbeit ist dadurch immer mehr zu einem Aufgabengebiet ohne klare Konturen geworden.50
C. Die Entwicklungszusammenarbeit im 21. Jahrhundert Die Geschichte der Entwicklungszusammenarbeit im 21. Jahrhundert lässt sich aus zwei verschiedenen Perspektiven erzählen. Die eine Version beginnt mit der 43 Siehe G. A., Res. 1710 (XVI) vom 19. Dezember 1961, United Nations Development Decade – A programme for international economic co-operation (I), 4. Abs. 44 Rist/Camiller, The History of Development, 2019, S. 226 – 227. 45 Severino/Ray, The End of ODA, CGD Working Paper No. 167, 2009, S. 3. 46 Collier/Dollar, Development Effectiveness, EJ 114 (2004), S. F244 – F271 (F244); Dann, Entwicklungsverwaltungsrecht, 2012, S. 107. 47 Ihne/Wilhelm, Grundlagen der Entwicklungspolitik, in: Ihne/Wilhelm (Hrsg.), Einführung in die Entwicklungspolitik, 2013, S. 5 (15). Die Empfängerstaaten erhielten beispielsweise unter dem Konzept des „structural adjustment“ nur dann ODA, wenn sie sich im Gegenzug zu weitreichenden Strukturreformen verpflichteten, Keeley, From Aid to Development, 2012, S. 74. 48 Carothers/Gramont, Development Aid confronts Politics, 2013, S. 56; Rist/Camiller, The History of Development, 2019, S. 232. 49 Untersuchungen zur Auswirkung von demokratischen Strukturen auf den Entwicklungsprozess haben z. B. ambivalente Ergebnisse hervorgebracht. Eine positive ökonomische Auswirkung entsprechender Strukturen auf den Entwicklungsprozess erscheint zumindest fraglich, siehe Daniels/Trebilcock, The Political Economy of Rule of Law Reform in Developing Countries, MJIL 26 (2004), S. 100 (103). Um diesem Problem zu begegnen, wird teilweise der Begriff der Entwicklung selbst neu definiert und derart ausgelegt, dass die Demokratisierung selbst Bestandteil des Entwicklungsprozesses ist, so z. B. Sen, Ökonomie für den Menschen, 2011, S. 193. 50 Dann, Entwicklungsverwaltungsrecht, 2012, S. 107; Lee, General Theory of Law and Development, LDR 12 (2019), S. 351 (357); Pahuja, Decolonising International Law, 2013, S. 235.
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Teil 2: Einführung in die Entwicklungszusammenarbeit
Millenniumserklärung der Vereinten Nationen.51 Im Jahr 2000 wurde die Millenniumserklärung verabschiedet, die als Richtschnur für das neue Jahrtausend dienen sollte.52 Sie stellte den Menschen endgültig ins Zentrum der Entwicklungszusammenarbeit.53 In dieser Erklärung wurden acht zentrale Entwicklungsziele festgelegt, die bis 2015 erreicht werden sollten. Diese Ziele umfassen sowohl klassische Entwicklungsziele, wie die Beseitigung extremer Armut und Hunger sowie die Senkung der Kindersterblichkeit, als auch Ziele, die das vorherrschende weite Verständnis der Entwicklungszusammenarbeit widerspiegeln, wie die Gleichstellung der Geschlechter und die ökologische Nachhaltigkeit. Die acht Entwicklungsziele der Millenniumserklärung wurden 2015 durch die Agenda 2030 auf insgesamt 17 Entwicklungsziele erweitert.54 Auch wenn diese Resolutionen nicht rechtlich bindend sind, zeigen sie doch, wie weit das Zielverständnis der Entwicklungszusammenarbeit mittlerweile ist. Themen wie die Geschlechtergerechtigkeit, Umweltschutz, Nachhaltigkeit, gute Regierungsführung und Bildung für alle sind mittlerweile feste Bestandteile des allgemeinen Verständnisses von Entwicklung und Gebiete, auf die die Geberstaaten im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit in den Empfängerstaaten Einfluss nehmen.55 Gleichzeitig haben die Geberstaaten mit der Öffnung des Entwicklungsbegriffs die Analyse der fehlenden Effektivität ihrer Leistungen ausgeweitet und die Ursachen zunehmend auch in der eigenen Vergabepraxis gesucht.56 Die Frage, wie die Entwicklungszusammenarbeit effektiver gestaltet werden kann, hat mit dem Beginn des 21. Jahrhunderts erheblich an Bedeutung gewonnen.57 Auf verschiedenen internationalen Konferenzen und Foren wurden Aktionspläne und Grundsätze erarbeitet, um ihre Effektivität zu steigern. Zu nennen sind diesbezüglich die durch die Working Party on Aid Effectiveness (WP-EFF) abgehaltenen Foren zur Wirksamkeit der Entwicklungszusammenarbeit, die 2003 in Rom, 2005 in Paris, 2008 in Accra und 2011 in Busan stattgefunden haben, und ihre jeweiligen Abschlussdokumente sowie die High-Level-Meetings der Global Partnership for Effective Development Co-operation (GPEDC), die im Rahmen des Forums in Busan als Nachfolgeorganisation der WP-EFF gegründet wurde.58 Während das Forum in Rom noch fast 51 Ausführlich zum Einfluss der Millenniumserklärung auf die deutsche Entwicklungszusammenarbeit siehe Loewe, Die Millennium Development Goals, 2005. 52 G. A., Res. 55/2 (2000) vom 8. September 2000, United Nations Millennium Declaration, Ziff. 32. 53 Malhotra, The Purpose of Development, MJIL 26 (2004), S. 13 (18). 54 Zur Funktion dieser Ziele als übergeordnetem Zielsystem der Entwicklungszusammenarbeit bereits oben Teil 1, § 2, C., I., 2. 55 Rist/Camiller, The History of Development, 2019, S. 232. 56 Dann, Entwicklungsverwaltungsrecht, 2012, S. 107; Faust/Neubert, Entwicklungspolitik zwischen Fundamentalkritik und Radikaloptimismus, in: Faust/Neubert (Hrsg.), Wirksamere Entwicklungspolitik, 2010, S. 15 (15). 57 Sondermann, Der Busan-Prozess, SEF Global Governance Spotlight Nr. 2, 2012, S. 1. 58 WP-EFF, Busan Partnership for effective Development Co-operation, 2011, Ziff. 36 lit. a).
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ausschließlich durch die Geberstaaten beeinflusst war und die Eigenverantwortung der Empfängerstaaten in den Mittelpunkt gestellt wurde,59 änderte sich dies bereits mit dem zweiten Treffen der WP-EFF in Paris.60 Die in Paris ausgearbeitete Declaration on Aid Effectiveness ist von zentraler Bedeutung für die Debatte um eine effektivere Entwicklungszusammenarbeit.61 An ihrer Ausarbeitung haben neben 30 Geberstaaten und 30 Entwicklungsorganisationen auch 60 Entwicklungsländer mitgewirkt.62 Sie haben sich auf zentrale Leitprinzipien einer effektiveren Entwicklungszusammenarbeit geeinigt.63 Die Empfängerstaaten sollten nun noch stärker als gleichberechtigte Partner behandelt werden. Mit der Accra Agenda for Action64 und der Busan Partnership for Effective Development Co-operation65 wurde dieser Weg fortgeführt. Zudem ersetzte der Begriff der Entwicklungszusammenarbeit nach und nach den zuvor gebräuchlichen Begriff der Entwicklungshilfe, um dieses neue Verständnis zu betonen.66 Durch die Gründung der GPEDC ist im Rahmen der Busan Partnership for Effective Development Co-operation ein Forum geschaffen worden, das weniger stark auf den Strukturen des OECD-DAC beruht als die Working Party on Aid Effectiveness und dadurch eine gleichberechtigte Beteiligung der Empfängerstaaten an der zukünftigen Entwicklung des Verständnisses einer effektiven Entwicklungszusammenarbeit ermöglichen soll.67 Die Millenniums-Entwicklungsziele, eine verstärkte Suche nach einer effektiveren Entwicklungszusammenarbeit verbunden mit einer selbstkritischen Reflexion der Geberstaaten und die Betonung der Gleichberechtigung der Empfängerstaaten vermitteln den Eindruck, dass der internationalen Entwicklungszusammenarbeit mit der Jahrtausendwende ein Neubeginn, frei von nationalen Interessen und geopolitischen Erwägungen der Geberstaaten, gelungen sein könnte. 59 60
S. 55.
WP-EFF, Rome Declaration on Harmonisation, 2003. Abdel-Malek, The Global Partnership for Effective Development Co-operation, 2015,
61 Sondermann, Der Busan-Prozess, SEF Global Governance Spotlight Nr. 2, 2012, S. 1. Siehe auch Entwicklungsgesetz Kanada, Art. 2 Abs. 1: „The purpose of this Act is to ensure that all Canadian official development assistance abroad is provided with a central focus on poverty reduction and in a manner that is consistent with […] the principles of the Paris Declaration on Aid Effectiveness of March 2, 2005 […].“ 62 Abdel-Malek, The Global Partnership for Effective Development Co-operation, 2015, S. 77. 63 Siehe dazu bereits oben Teil 1, § 2, C., I., 1. 64 WP-EFF, Accra Agenda for Action, 2008, Ziff 8. 65 WP-EFF, Busan Partnership for effective Development Co-operation, 2011, Ziff. 11. 66 Ihne/Wilhelm, Grundlagen der Entwicklungspolitik, in: Ihne/Wilhelm (Hrsg.), Einführung in die Entwicklungspolitik, 2013, S. 5 (8). Während die WP-EFF in der Accra Agenda for Action noch ausschließlich den Begriff „Aid“ verwendete, wurde dieser in der Busan Partnership for effective Development Co-operation zunehmen durch den der „Co-operation“ ersetzt. Trotz des veränderten Terminus werden die Begriffe der Entwicklungshilfe und der Entwicklungszusammenarbeit inhaltlich weitgehend synonym verwendet. 67 Kharas, The Global Partnership for Effective Development Cooperation, Global Economy and Development at Brookings – Policy Paper No. 04, 2012, S. 3.
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Teil 2: Einführung in die Entwicklungszusammenarbeit
Ebenso kann die Geschichte der Entwicklungszusammenarbeit des 21. Jahrhunderts aber auch mit den Terroranschlägen am 11. September 2001 eingeleitet werden, um die erheblichen Auswirkungen zu illustrieren, die dieses Ereignis auf die internationale Entwicklungspolitik hatte.68 2002 stiegen die Ausgaben für die Entwicklungszusammenarbeit im Vergleich zum Vorjahr um 7,2 %. Ursächlich dafür waren insbesondere die Anschläge am 11. September 2001.69 Der internationale Terrorismus wurde zur Bedrohung für die internationale Sicherheit erklärt70 und Entwicklungsdefizite als idealer Nährboden für die Entstehung terroristischer Organisationen ausgemacht. Dadurch wurden Entwicklungsprojekte schlagartig noch stärker als zuvor Bestandteil der Sicherheitspolitik71 und wurden erneut durch entwicklungsfremde, politische Interessen beeinflusst.72 Heute ist die Bedeutung der Bekämpfung der Armut für den Frieden und die internationale Sicherheit allgemein anerkannt.73 Ein weiteres Beispiel für die Verschiebungen der Prioritäten in der Entwicklungszusammenarbeit aufgrund von politischen Interessen ist die Bekämpfung von Fluchtursachen.74 Als Reaktion auf die sogenannte Flüchtlingskrise, die einen Anstieg von Geflüchteten seit dem Jahr 2015 in Europa und die daraus resultierenden politischen Folgen umschreibt, ist die Bekämpfung der Ursachen für diese Flüchtlingsströme zu einem der zentralen Fokuspunkte der internationalen Entwicklungszusammenarbeit geworden.75 So hat beispielsweise die EU einen EU-NothilfeTreuhandfonds für Afrika (European Union Emergency Trust Fund for Africa (EUTF for Africa)) gegründet, dessen ausdrücklicher Zweck die Bekämpfung von Fluchtursachen und illegaler Migration ist.76 Und auch Deutschland hat im Rahmen von 68
van Bilzen, The Development of Aid, 2015, S. 566; Ihne/Wilhelm, Grundlagen der Entwicklungspolitik, in: Ihne/Wilhelm (Hrsg.), Einführung in die Entwicklungspolitik, 2013, S. 5 (16). 69 OECD, Development Co-operation Report 2003, S. 30. 70 S. C., Res. 1368 vom 12. September 2001, Ziff. 1. 71 BMZ, Medienhandbuch Entwicklungspolitik 2008/2009, S. 38; Brown/Grävingholt/ Raddatz, The Securitization of Foreign Aid, in: Brown/Grävingholt (Hrsg.), The Securitization of Foreign Aid, 2016, S. 237 (237); McKay, Security and Development, in: Kingsbury/McKay/ Hunt/McGillivray/Clarke (Hrsg.), International Development, 2016, S. 291 (294); Morgenstern/Lawson, Foreign Aid, Updated January 10, 2022, https://crsreports.congress.gov/product/ pdf/R/R40213 (letzter Zugriff: 09. 05. 2022), S. 1. 72 Keeley, From Aid to Development, 2012, S. 79; Thede, Policy Coherence for Development and Securitisation, TWQ 34 (2013), S. 784 (795). 73 S. C., Res. 2282 vom 27. April 2016, Ziff. 12. 74 Allgemein zum Einfluss der Migration auf die Entwicklungszusammenarbeit am Beispiel Spaniens bereits 2014 und damit vor dem Beginn der sogenannten Flüchtlingskrise Vázquez/Sobrao, Reshaping Geographical Allocation of Aid, JIRD 19 (2014), S. 333. 75 Für einen Überblick über den Einfluss dieser „Flüchtlingskrise“ auf die Entwicklungszusammenarbeit aus verschiedenen Perspektiven siehe Sangmeister/Wagner (Hrsg.), Verändert die europäische Flüchtlingskrise die Entwicklungszusammenarbeit?, 2017. 76 Castillejo, The European Union Trust Fund for Africa, D. I. E. Discussion Paper No. 22, 2016, S. 4.
§ 1 Genese der Entwicklungszusammenarbeit
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Sonderinitiativen des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) erhebliche Mittel für diesen Bereich aufgewendet.77 Zwar entspricht die Bekämpfung von Fluchtursachen in ihren Grundgedanken den offiziellen Motiven der Entwicklungszusammenarbeit, sie führt aber dennoch zu einer Verschiebung der Prioritäten hinsichtlich der geförderten Entwicklungsprojekte und Empfängerstaaten.78 Sie dient unter dem Deckmantel der Entwicklungszusammenarbeit zumindest auch der Lösung eines innenpolitischen Problems der Geberstaaten und kann dazu führen, andere Ziele zu verdrängen.79 Auch im 21. Jahrhundert ist die Entwicklungszusammenarbeit mithin weiterhin wesentlich von nationalen Interessen der Geberstaaten beeinflusst.80 Die Realität der heutigen Entwicklungszusammenarbeit liegt irgendwo zwischen dem Ziel der Armutsbekämpfung und der Verwendung als politischem Instrument zur Durchsetzung von politischen Eigeninteressen.81 Einerseits ist die Entwicklungszusammenarbeit des 21. Jahrhunderts wahrscheinlich transparenter und reflektierter als jemals zuvor, andererseits ist sie, wie sogleich aufgezeigt wird, maßgeblich von der Heterogenität der Ziele, die mit ihr verfolgt werden, geprägt. Nach wie vor ist eine Diskrepanz zwischen der verwendeten Rhetorik der Geberstaaten, die fast ausschließlich altruistische Ziele benennen, und der entwicklungspolitischen Realität zu beobachten. Entwicklungszusammenarbeit war von Beginn an82 und ist auch heute noch ein elementarer Bestandteil der Außenpolitik83 und damit prädestiniert für die Beeinflussung durch entwicklungsfremde Motive.
77 BMZ, Entwicklungspolitik als Zukunfts- und Friedenspolitik: 15. Entwicklungspolitischer Bericht der Bundesregierung, 2017, S. 115. 78 In Deutschland wurden beispielsweise als Reaktion auf die wachsende Zahl der Geflüchteten spezifische Konzepte entwickelt, die mit zusätzlichen Haushaltsmitteln für die Fluchtursachenbekämpfung verbunden waren, BMZ, Entwicklungspolitik als Zukunfts- und Friedenspolitik: 15. Entwicklungspolitischer Bericht der Bundesregierung, 2017, S. 114 – 117. 79 Maihold, Entwicklungszusammenarbeit am Scheideweg, in: Sangmeister/Wagner (Hrsg.), Die Entwicklungszusammenarbeit der Zukunft, 2019, S. 17 (29). 80 Hunt, Aid and Development, in: Kingsbury/McKay/Hunt/McGillivray/Clarke (Hrsg.), International Development, 2016, S. 16 (169); Todaro/Smith, Economic Development, 2020, S. 768. 81 Ihne/Wilhelm, Grundlagen der Entwicklungspolitik, in: Ihne/Wilhelm (Hrsg.), Einführung in die Entwicklungspolitik, 2013, S. 5 (12 – 13). 82 Morgenthau, A Political Theory of Foreign Aid, APSR 56 (1962), S. 301 (309). 83 Schmidt, Entwicklungszusammenarbeit als strategisches Feld deutscher Außenpolitik, APuZ 65, Nr. 7 – 9 (2015), S. 29 (29). So auch ausdrücklich das Entwicklungsgesetz Italiens, Art. 1 Abs. 1 S. 1: „International cooperation for sustainable development […] is an integral and qualifying part of Italian foreign policy.“
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Teil 2: Einführung in die Entwicklungszusammenarbeit
§ 2 Sinn und Zweck der Entwicklungszusammenarbeit Die Genese der Entwicklungszusammenarbeit verdeutlicht, dass sie zu keiner Zeit ein rein altruistisches Vorhaben war und stets von nationalen Interessen und dem weltpolitischen Geschehen beeinflusst wurde.84 Es stellt sich deshalb die Frage, welche konkreten Ziele die Geberstaaten heute verfolgen. Im Mittelpunkt steht die Armutsbekämpfung in den Empfängerstaaten.85 Sie ist das übergeordnete Ziel, wird in allen offiziellen Dokumenten betont und findet sich auch in den Vergleichsgesetzen als ausdrückliche Zielsetzung wieder.86 Die Armutsbekämpfung hat somit den anfänglichen Grundgedanken, die wirtschaftliche Entwicklung der Empfängerstaaten und die Schließung der wirtschaftlichen Lücke zu den Geberstaaten, als zentrales Leitmotiv abgelöst.87 Das ursprüngliche Motiv der wirtschaftlichen Angleichung von Geber- und Empfängerstaaten findet sich als ausdrückliches Ziel nur noch in einem der untersuchten Entwicklungsgesetze wieder.88 Im Zentrum der modernen Entwicklungszusammenarbeit steht der Mensch als Einzelner bzw. in seiner Eigenschaft als Bestandteil einer Gruppe und nicht die Empfängerstaaten selbst.89 Um die Lebensumstände des Individuums zu verbessern, wird aber weiterhin eine nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung der Empfänger84 Klingebiel, Zukunft der Entwicklungszusammenarbeit, APuZ 65, Nr. 7 – 9 (2015), S. 16 (17); Severino/Ray, The End of ODA, CGD Working Paper No. 167, 2009, S. 2. 85 Statt vieler: G. A., Res. 70/1 vom 25. September 2015, Ziel 1; GPEDC, Nairobi Outcome Document, 2016, Ziff. 8. 86 Statt aller: Entwicklungsgesetz Italien, Art. 1 Abs. 2 lit. a): „[…] development cooperation […] pursues the fundamental objectives of: a) uprooting poverty and narrowing inequalities, improving the living conditions of peoples […].“ Entwicklungsgesetz Österreich, § 1 Abs. 3 Nr. 1: „Die österreichische Entwicklungspolitik hat vor allem folgende Ziele zu verfolgen: 1. die Bekämpfung der Armut in den Entwicklungsländern durch Förderung der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung.“ 87 Rist/Camiller, The History of Development, 2019, S. 226. Die Problematik der wachsenden Schere zwischen den armen und reichen Staaten der Welt bleibt aber dennoch eines der Leitthemen der Entwicklungszusammenarbeit. So hieß es beispielsweise im Koalitionsvertrag der 19. Wahlperiode des Bundestages, dass die „Schere zwischen arm und reich weltweit […] nicht weiter auseinander gehen“ darf, CDU/CSU/SPD, Koalitionsvertrag der 19. Wahlperiode des Bundestages – 2017, S. 159. 88 Entwicklungsgesetz Schweiz, Art. 5 Abs. 1 S. 3: „Langfristig erstrebt [die Entwicklungszusammenarbeit] besser ausgewogene Verhältnisse in der Völkergemeinschaft.“ 89 Siehe G. A., Res. 55/2 (2000) vom 8. September 2000, Ziff. 11. Besonders deutlich wird dies auch bei einer Betrachtung der Formulierung der SDGs, Hauff, Nachhaltige Entwicklungspolitik, 2019, S. 121; Launsky-Tieffenthal/Werther-Pietsch, Das neue Entwicklungsparadigma für alle Länder, in: Bayer/Giner-Reichl (Hrsg.), Entwicklungspolitik 2030, 2017, S. 33 (41). Dieses Verständnis von der Zielrichtung der Entwicklungszusammenarbeit spiegelt sich auch in den Vergleichsgesetzen wider, siehe Entwicklungsgesetz Spanien, Art. 2 lit. a): „The recognition of the human being from an individual and collective dimension as the protagonist and final recipient of development cooperation.“ Entwicklungsgesetz Italien, Art. 2 Abs. 1: „Italy’s development cooperation action is addressed to the peoples, civil society associations and organisations, the private sector […].“
§ 2 Sinn und Zweck der Entwicklungszusammenarbeit
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staaten angestrebt.90 Neben diesem übergeordneten Ziel gibt es eine Reihe weiterer vornehmlich altruistischer Ziele, die die Geberstaaten mit der Entwicklungszusammenarbeit verfolgen. Diese lassen sich mit den SDGs zusammenfassen.91 Insbesondere der Schutz der Umwelt92 und der Menschenrechte93 sowie die Herstellung von Geschlechtergerechtigkeit94 und die Förderung demokratischer Herrschaftsstrukturen95 sind heute fester Bestandteil des Entwicklungsverständnisses. Neben diesen Zielen, die vor allem der Verbesserung der Lebensumstände in den Empfängerstaaten dienen, verfolgen die Geberstaaten mit ihrer Entwicklungszusammenarbeit auch nationale Interessen. Die Ziele, die vorrangig im Eigeninteresse der Geber liegen, werden zumindest durch Deutschland zumeist nicht offiziell artikuliert.96 Dazu gehört zunächst die enge Verwobenheit zwischen nationaler Sicherheitspolitik und internationaler Entwicklungszusammenarbeit.97 Die nachhaltige Entwicklung der Empfängerstaaten ist als wesentliche Voraussetzung für eine sicherere Welt anerkannt und wird dementsprechend regelmäßig als Bestandteil der Sicherheitspolitik angesehen.98 Weitere Ziele, die vor allem nationalen Belangen 90
GPEDC, Nairobi Outcome Document, 2016, Ziff. 15. Siehe oben Teil 1, § 2, C., I., 2. 92 Siehe Entwicklungsgesetz Österreich, Art. 1, Abs. 3 Nr. 3: „Die österreichische Entwicklungspolitik hat vor allem folgende Ziele zu verfolgen: […] Die Erhaltung der Umwelt und den Schutz natürlicher Ressourcen als Basis für eine nachhaltige Entwicklung.“ 93 Siehe Entwicklungsgesetz Spanien, Art. 1 Abs. 2 lit. a: „[…] development cooperation […] pursues the fundamental objectives of: defending and upholding human rights, the dignity of the individual, gender equality, equal opportunities and the principles of democracy under the rule of law.“ 94 Siehe Großbritannien, Art. 1 Abs. 1 A des International Development Act 2002: „Before providing development assistance under subsection (1), the Minister shall have regard to the desirability of providing development assistance that is likely to contribute to reducing poverty in a way which is likely to contribute to reducing inequality between persons of different gender.“ 95 Siehe Entwicklungsgesetz Dänemark, Art. 1 Abs. 1: „The objective of Denmark’s development cooperation is to fight poverty and promote human rights, democracy, sustainable development, peace and stability […].“ 96 Dann, Entwicklungsverwaltungsrecht, 2012, S. 147; Hoeffler/Outram, Need, Merit or Self-Interest – What Determines the Allocation of Aid?, CSAE Working Paper Series No. 19, 2008, S. 3. 97 Allgemein zum Zusammenhang zwischen Entwicklungszusammenarbeit und Sicherheit Brown/Grävingholt, Security, Development and the Securitization of Foreign Aid, in: Brown/ Grävingholt (Hrsg.), The Securitization of Foreign Aid, 2016, S. 1; McKay, Security and Development, in: Kingsbury/McKay/Hunt/McGillivray/Clarke (Hrsg.), International Development, 2016, S. 291. Insbesondere in den USA spielte der sicherheitspolitische Aspekt der Entwicklungszusammenarbeit von Beginn an eine entscheidende Rolle, Morgenstern/ Lawson, Foreign Aid, Updated January 10, 2022, https://crsreports.congress.gov/product/pdf/R/ R40213 (letzter Zugriff: 09. 05. 2022), S. 3 – 4. 98 Siehe Entwicklungsgesetz Italien, Art. 1 Abs. 2 lit. c): „[…] development cooperation […] pusues the fundamental objectives of: c) preventing conflicts, supporting peacebuilding and reconciliation processes, as well as post-conflict stabilisation […].“; Entwicklungsgesetz 91
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Teil 2: Einführung in die Entwicklungszusammenarbeit
dienen und nicht zuvorderst der Entwicklung der Empfängerstaaten, sind die Pflege bilateraler Beziehungen sowie die Sicherung von Absatzmärkten und anderen ökonomischen Interessen.99 In Bezug auf die ehemaligen Kolonialmächte ist zudem auffällig, dass diese ihren ehemaligen Kolonien im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit besondere Aufmerksamkeit zukommen lassen.100 So vermag es auch nicht zu überraschen, dass die Mehrzahl der Geberstaaten ihre Entwicklungsleistungen nicht ausschließlich nach entwicklungsrelevanten Kriterien, wie der Bedürftigkeit der Leistungsempfänger und der Wirksamkeit der Maßnahmen, zur Verfügung stellen, sondern maßgeblich von geopolitischen Erwägungen und nationalen Interessen geleitet werden.101 Entwicklungszusammenarbeit ist integraler Bestandteil der Außenpolitik der Geberstaaten und wird dementsprechend von außenpolitischen Interessen beeinflusst.102 Die genannten Ziele stellen keine abschließende Aufzählung dar. Die Motive, die mit der Entwicklungszusammenarbeit verfolgt werden, unterliegen einem stetigen Wandel und verändern sich mit den Interessen der Geberstaaten und den Herausforderungen an die internationale Staatengemeinschaft.103 Auch in Deutschland spielen geopolitische Einflüsse eine Rolle bei der Allokation der Mittel.104 Aufgrund der Heterogenität der Ziele der Entwicklungszusammenarbeit lassen sich aber für Österreich, § 1, Abs. 2 Nr. 2: „Die österreichische Entwicklungspolitik hat vor allem folgende Ziele zu verfolgen: 2. Die Sicherung des Friedens und der menschlichen Sicherheit […].“ 99 Ihne/Wilhelm, Grundlagen der Entwicklungspolitik, in: Ihne/Wilhelm (Hrsg.), Einführung in die Entwicklungspolitik, 2013, S. 5 (13); Lancaster, Aid to Africa, S. 3; Stokke, International Development Assistance, 2019, S. 371. 100 Alesina/Dollar, Who Gives Foreign Aid to Whom and Why?, J. Econ. Growth 5 (2000), S. 33 (37). Auch in Deutschland stellen diese „historischen Bindungen […] zum jeweiligen Land“ weiterhin ein Auswahlkriterium bei der Auswahl der Empfängerstaaten dar, BT-Drucks. 19/20436 vom 26. 06. 2020, S. 3. 101 Hoeffler/Outram, Need, Merit or Self-Interest – What Determines the Allocation of Aid?, CSAE Working Paper Series No. 19, 2008, S. 17; Radelet, A Primer on Foreign Aid, CGD Working Paper No. 92, 2006, S. 6 – 7; World Bank Group, Global Monitoring Report 2010: The MDGs after the Crisis, S. 134. 102 Siehe Entwicklungsgesetz Dänemark, Art. 1, Abs. 2 S. 2: „Consequently, development policy is a central and integral element of Danish foreign policy […].“; Entwicklungsgesetz Italien, Art. 1, Abs. 1 S. 1: „International cooperation for sustainable development, human rights and peace, […] is an integral and qualifying part of Italian foreign policy.“ 103 Klingebiel, Rahmenbedingungen und Eckpunkte von Entwicklungszusammenarbeit in der Zukunft, in: Sangmeister/Wagner (Hrsg.), Die Entwicklungszusammenarbeit der Zukunft, 2019, S. 41 (44); Todaro/Smith, Economic Development, 2020, S. 768. 104 Dreher/Nunnenkamp/Schmaljohann, The Allocation of German Aid, Kiel Working Papers, IfW Kiel No. 1817, 2013, S. 17; Faust/Ziaja, German Aid Allocation and Partner Country Selection, D. I. E. Discussion Paper No. 7, 2012, S. 19; Nunnenkamp/Öhler, Aid Allocation Through various Offical and Private Channels, Kiel Working Papers, IfW Kiel No. 1536, 2009, S. 16. Die damalige Bundesregierung hat beispielsweise ausdrücklich angegeben, dass bei der Auswahl der bilateralen Partner im Rahmen des Reformkonzepts BMZ 2030 Umdenken – Umsteuern auch strategische Kriterien wie ein „geopolitisches Interesse“ eine Rolle gespielt haben, BT-Drucks. 19/20436 vom 26. 06. 2020, S. 7.
§ 2 Sinn und Zweck der Entwicklungszusammenarbeit
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fast jedes Projekt in jedem Entwicklungsland entwicklungspolitische Argumente finden.105 Entsprechend schwierig ist der Nachweis der Verfolgung von Zielen, die nicht in erster Linie der Entwicklung der Empfängerstaaten dienen. Gleichwohl konnte für Deutschland in der Vergangenheit beispielsweise eine Korrelation zwischen einem Anstieg der Entwicklungsleistungen an Empfängerstaaten während ihrer zeitweisen Mitgliedschaft im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen nachgewiesen werden.106 Dies kann als Beleg dafür gewertet werden, dass geopolitische Überlegungen bei der Verteilung der Entwicklungsmittel eine Rolle spielen.107 Die Verfolgung nationaler Interessen durch die Geberstaaten ist nicht per se negativ zu bewerten. Die Begründung der Entwicklungsausgaben mit positiven Effekten für den eigenen Staat kann zu einer höheren Akzeptanz innerhalb der Bevölkerung in den Geberstaaten führen und zugleich dafür sorgen, dass die Entwicklungsleistungen, unabhängig von etwaigen Leistungspflichten, auf einem hohen Niveau verbleiben.108 Problematisch ist aber, dass Untersuchungen gezeigt haben, dass Entwicklungszusammenarbeit, die aus politischen Motiven geleistet wird, grundsätzlich ineffektiver zu sein scheint.109 Zugleich führt eine solche Vermischung eigener und fremder Interessen dazu, dass die Entwicklungszusammenarbeit anfällig für Kursänderungen und eine missbräuchliche Verwendung der zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel ist.110 Dies gilt umso mehr, wenn die Allokation der Mittel nicht nach feststehenden und transparenten Kriterien erfolgt. Es ist deshalb notwendig, dass die Geberstaaten diese bestehenden Interessenwidersprüche offenlegen
105
Rist/Camiller, The History of Development, 2019, S. 232. Dreher/Nunnenkamp/Schmaljohann, The Allocation of German Aid, Kiel Working Papers, IfW Kiel No. 1817, 2013, S. 11. Eine entsprechende Korrelation zeigte sich u. a. auch in der Vergabepraxis der Entwicklungsleistungen der USA, siehe Kuziemko/Werker, How Much Is a Seat on the Security Council Worth? Foreign Aid and Bribery at the United Nations, JPE 114 (2006), S. 905 (924). 107 Dreher/Nunnenkamp/Schmaljohann, The Allocation of German Aid, Kiel Working Papers, IfW Kiel No. 1817, 2013, S. 17. 108 Es wird beispielsweise davon ausgegangen, dass die wachsende „Securitization“ der britischen Entwicklungszusammenarbeit dazu beigetragen hat, dass Großbritannien ein Gesetz erlassen hat, in dem es sich dazu verpflichtet, 0,7 % des BIP für ODA-Leistungen aufzuwenden, siehe Wild/Elhawary, The UK’s Approach to Linking Development and Security, in: Brown/ Grävingholt (Hrsg.), The Securitization of Foreign Aid, 2016, S. 42 (59). Ausführlich zu diesem Gesetz unten Teil 4, § 3, B. 109 Bobba/Powell, Aid Effectiveness, IDB Working Paper No. 601, 2007, S. 24; Dreher/ Eichenauer/Gehring, Geopolitics, Aid and Growth, CESifo Working Paper No. 4299, 2013, S. 33; Dreher/Eichenauer/Gehring, Geopolitics, Aid and Growth, WBER 32 (2018), S. 268 (283 – 284). 110 Die zunehmende Bedeutung des Aspekts der Förderung der internationalen Sicherheit durch die Entwicklungszusammenarbeit hat beispielsweise dazu geführt, dass bestimmte Empfängerstaaten sowie das Ziel der Armutsbekämpfung teilweise weniger im Fokus stehen, Brown/Grävingholt/Raddatz, The Securitization of Foreign Aid, in: Brown/Grävingholt (Hrsg.), The Securitization of Foreign Aid, 2016, S. 237 (237). 106
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Teil 2: Einführung in die Entwicklungszusammenarbeit
und aktiv versuchen, diese in Einklang mit den offiziellen Zielen der Entwicklungszusammenarbeit zu bringen, um Synergieeffekte zu fördern.111 Die Entwicklungszusammenarbeit ist in den vergangenen Jahren zunehmend vielschichtiger geworden.112 Immer mehr Akteure113 verfolgen immer vielfältigere Ziele114 mittels einer größeren Anzahl an Instrumenten.115 Dies führt zu einer wachsenden Komplexität der Entwicklungszusammenarbeit, die das Entstehen von Inkohärenzen begünstigt.116
§ 3 Einführung in die deutsche Entwicklungszusammenarbeit Die vorliegende Untersuchung nähert sich der Frage des Entwicklungsrechts aus der deutschen Perspektive. Nachfolgend werden deshalb kurz die zentralen Akteure, die grundlegenden Strukturen und Erscheinungsformen der deutschen Entwicklungszusammenarbeit sowie ihre bestehenden Rechtsgrundlagen dargestellt.
A. Akteure und Kompetenzverteilung Die Entwicklungszusammenarbeit im Sinne der ODA-Definition ist zuvorderst eine Aufgabe des Bundes und wird insbesondere durch das 1961 gegründete BMZ definiert und angeleitet.117 Es verwaltet den Großteil der ODA-Leistungen 111
Theurer, Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, in: Sangmeister/Wagner (Hrsg.), Die Entwicklungszusammenarbeit der Zukunft, 2019, S. 65 (65). 112 Messner/Scholz, Entwicklungspolitik als Beitrag zur globalen Zukunftssicherung, in: Faust/Neubert (Hrsg.), Wirksamere Entwicklungspolitik, 2010, S. 71 (71); Severino/Ray, The End of ODA, CGD Working Paper No. 167, 2009, S. 1. 113 Janus/Klingebiel/Paulo, Beyond Aid, J. Int. Dev. 27 (2015), S. 155 (158 – 159); Klingebiel, Entwicklungszusammenarbeit, 2013, S. 22 – 24; WP-EFF, Busan Partnership for effective Development Co-operation, 2011, Ziff. 5. 114 Rist/Camiller, The History of Development, 2019, S. 233. 115 Schirl/Sieler, Official Development Assistance (ODA) – is the concept still in step with the times?, KfW-Development Research – Focus on Development No. 7, 2012, S. 4; Severino/ Ray, The End of ODA, CGD Working Paper No. 167, 2009, S. 1. 116 Schmidt, Entwicklungszusammenarbeit als strategisches Feld deutscher Außenpolitik, APuZ 65, Nr. 7 – 9 (2015), S. 29 (30). 117 BMZ, Leitlinien für die bilaterale finanzielle und technische Zusammenarbeit mit Kooperationspartnern der deutschen Entwicklungszusammenarbeit, BMZ Konzepte 165, S. 14; Hüging/Klinnert, Staatliche Akteure in der Entwicklungspolitik, in: Ihne/Wilhelm (Hrsg.), Einführung in die Entwicklungspolitik, 2013, S. 381 (381). Die Kompetenz des Bundes ergibt sich aus Art. 32 Abs. 1 GG. Danach ist die „Pflege der Beziehungen zu auswärtigen Staaten“ Sache des Bundes. Ausführlich zur Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern in der Entwicklungszusammenarbeit Athenstaedt, Die Kompetenzverteilung in der deutschen staatlichen Entwicklungszusammenarbeit, 2011.
§ 3 Einführung in die deutsche Entwicklungszusammenarbeit
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Deutschlands118 und erarbeitet die übergeordneten Strategien und Ziele. Neben dem BMZ sind zahlreiche weitere Ministerien in der Entwicklungszusammenarbeit tätig.119 Im Jahr 2018 verwalteten 15 Ministerien Haushaltsmittel, die als ODA angerechnet werden konnten.120 Dies ergibt sich einerseits aus der Weite der in Deutschland geltenden Definition der Entwicklungszusammenarbeit121 und andererseits aus der Vielfalt der Ziele, die mit ihr verfolgt werden. Von zentraler Bedeutung ist neben dem BMZ vor allem das Auswärtige Amt (AA), das federführend für die Koordinierung humanitärer Hilfeleistungen verantwortlich ist.122 Die übrigen Ministerien sind für die grundsätzliche Ausrichtung der deutschen Entwicklungszusammenarbeit dagegen von untergeordneter Bedeutung.123 Die Umsetzung bilateraler Entwicklungsprojekte in den Empfängerstaaten wird dementsprechend vornehmlich durch das BMZ verantwortet. Das BMZ ist nicht mit einem behördlichen Unterbau ausgestattet. Daher führt es die Entwicklungsprojekte nicht selbst durch, sondern bedient sich zu diesem Zweck sogenannter Durchführungsorganisationen.124 Diese sind in einem zweigliedrigen System aufgebaut, das zwischen der finanziellen und der technischen Zusammenarbeit differenziert.125 Die Durchführung der finanziellen Zusammenarbeit unterliegt dem Aufgabengebiet der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW).126 Sie handelt im Auftrag der Bundesregierung und vergibt in Abstimmung mit dieser Darlehen und Zuschüsse an Entwicklungsländer.127 Für die Durchführung der technischen Zusammenarbeit ist die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) zuständig.128 Die Durchführungsorganisationen handeln selbstständig und eigenverantwortlich. Sie müssen dabei jedoch die inhaltlichen und finanziellen Vorgaben der Bundesregierung be118
BMF, Bundeshaushaltsplan 2021, Epl. 23 – BMZ, S. 68. Bohnet/Klingebiel/Marschall, Die Struktur der deutschen öffentlichen Entwicklungszusammenarbeit, D. I. E. Discussion Paper No. 15, 2018, S. 12. 120 BMF, Bundeshaushaltsplan 2021, Epl. 23 – BMZ, S. 68. 121 Ausführlich zum Begriff der Entwicklungszusammenarbeit unten Teil 3. 122 AA/BMZ, Leitfaden zur Erläuterung der Aufgaben des Auswärtigen Amtes (AA) und des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) in den Bereichen der Humanitären Hilfe und der Entwicklungsfördernden und strukturbildenden Übergangshilfe, 2012. 123 Siehe allgemein zur Rolle der einzelnen Ministerien für die Entwicklungszusammenarbeit, Bohnet/Klingebiel/Marschall, Die Struktur der deutschen öffentlichen Entwicklungszusammenarbeit, D. I. E. Discussion Paper No. 15, 2018, S. 12 – 16. 124 Dann, Entwicklungsverwaltungsrecht, 2012, S. 142. 125 Groß, Deutsches Entwicklungsverwaltungsrecht, in: Dann/Kadelbach/Kaltenborn (Hrsg.), Entwicklung und Recht, 2014, S. 659 (663). 126 Stockmann, Entwicklungsstrategien und Entwicklungszusammenarbeit, in: Stockmann/ Menzel/Nuscheler (Hrsg.), Entwicklungspolitik, 2016, S. 425 (527). 127 Hüging/Klinnert, Staatliche Akteure in der Entwicklungspolitik, in: Ihne/Wilhelm (Hrsg.), Einführung in die Entwicklungspolitik, 2013, S. 381 (385). 128 Stockmann, Entwicklungsstrategien und Entwicklungszusammenarbeit, in: Stockmann/ Menzel/Nuscheler (Hrsg.), Entwicklungspolitik, 2016, S. 425 (527). 119
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Teil 2: Einführung in die Entwicklungszusammenarbeit
achten und, soweit sie von der geplanten Konzeption abweichen wollen, die Erlaubnis der Bundesregierung einholen.129 Die Aufgabe der übergeordneten Steuerung verbleibt somit beim BMZ. Die Zweiteilung der deutschen Entwicklungszusammenarbeit zwischen finanzieller und technischer wird teilweise kritisiert: Oftmals seien die Grenzen zwischen diesen Formen der Zusammenarbeit schwimmend, da sie sich gegenseitig ergänzen sollen.130 Die deutsche Struktur erschwere das Entstehen entsprechender Synergieeffekte und schränke die Handlungsflexibilität ein.131 Außerdem führe sie dazu, dass die Empfängerstaaten im Falle Deutschlands regelmäßig zwei Durchführungsorganisationen gegenüber stünden und mithin ein erhöhter Verwaltungsaufwand entstehe.132 Die Struktur der bilateralen deutschen Entwicklungszusammenarbeit steht damit in gewisser Weise im Widerspruch mit dem entwicklungspolitischen Prinzip der Harmonisation.133
B. Formen der Zusammenarbeit Die Entwicklungszusammenarbeit Deutschlands lässt sich, wie auch in den anderen Geberstaaten, in die multi- und die bilaterale Zusammenarbeit unterteilen. Während Erstere hauptsächlich den Transfer von Geldern an multilaterale Organisationen umschreibt, denen dann die weitere Durchführung der Entwicklungsprojekte obliegt, findet im Rahmen der bilateralen Zusammenarbeit eine unmittelbare Unterstützung einzelner Empfängerstaaten statt.134 Die bilaterale Zusammenarbeit hat 2019 mit ca. 79 % den Großteil der deutschen ODA ausgemacht.135 2017 lag dieser Anteil noch bei 75 %.136 Aus der Perspektive der Geberstaaten hat sie den 129 BMZ, Leitlinien für die bilaterale finanzielle und technische Zusammenarbeit mit Kooperationspartnern der deutschen Entwicklungszusammenarbeit, BMZ Konzepte 165, S. 15. 130 Scholz/Wolff, Was bedeutet Wirksamkeit für die technische und finanzielle Entwicklungszusammenarbeit?, in: Faust/Neubert (Hrsg.), Wirksamere Entwicklungspolitik, 2010, S. 320 (320). 131 OECD, DAC-Prüfbericht über die Entwicklungszusammenarbeit: Deutschland 2015, S. 56. 132 Stockmann, Entwicklungsstrategien und Entwicklungszusammenarbeit, in: Stockmann/ Menzel/Nuscheler (Hrsg.), Entwicklungspolitik, 2016, S. 425 (537). 133 Siehe dazu bereits oben Teil 1, § 2, C., I., 1., c). 134 Entsprechend der Reporting-Directives des OECD-DAC werden auch Leistungen an multilaterale Organisationen, die an einen bestimmten Zweck gebunden sind und nicht der allgemeinen Finanzierung der Maßnahmen der jeweiligen Organisation dienen, als bilaterale Entwicklungszusammenarbeit gewertet, OECD, Converged Statistical Reporting Directives for the Creditor Reporting System (CRS) and the Annual DAC Questionnaire of 20 April 2021, DCD/DAC/STAT(2020)44/FINAL, S. 7 – 8. 135 OECD, Development Co-operation Report 2021, 2021, S. 407. 136 OECD, Development Co-operation Report 2019: A Fairer, Greener, Safer Tomorrow, 2020, S. 73.
§ 3 Einführung in die deutsche Entwicklungszusammenarbeit
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Vorteil der unmittelbaren Zurechenbarkeit zu den jeweiligen Gebern im Empfängerstaat.137 Die bilaterale Entwicklungszusammenarbeit stellt dementsprechend im „In- und Ausland das Gesicht der deutschen Entwicklungspolitik“ dar.138 In der vorliegenden Arbeit wird sich auf die bilaterale Zusammenarbeit konzentriert. Diese beruht auf unmittelbaren Verhandlungen zwischen dem Geberstaat auf der einen und dem Empfängerstaat auf der anderen Seite. Interessenwidersprüche und das Ungleichgewicht der Verhandlungspositionen entfalten deshalb in diesem Zusammenhang ihre maximale Wirkung. Der multilateralen Entwicklungszusammenarbeit wird dagegen gemeinhin zugesprochen, dass sie weniger interessengeleitet und politisiert ist. Aufgrund der Vielzahl der beteiligten Akteure können sich spezifische Eigeninteressen weniger stark auswirken.139 Wie sich bereits aus der Darstellung der beteiligten Akteure ergeben hat, wird in Deutschland zudem zwischen der finanziellen und der technischen Zusammenarbeit differenziert. Primäre Aufgabe der finanziellen Zusammenarbeit ist die Finanzierung von Projekten in „ODA-relevanten Bereichen“ durch Bereitstellung von Finanzmitteln und ergänzenden Maßnahmen.140 Die technische Zusammenarbeit hat dagegen die Aufgabe, „die Fähigkeiten von Menschen, Organisationen und Gesellschaften zu erhöhen“ und die Staaten so in die Lage zu versetzen, ihre Entwicklungsziele eigenständig zu erreichen.141 Die Leistungen der technischen Entwicklungszusammenarbeit umfassen sowohl den Einsatz beratender Fachkräfte bzw. die Finanzierung entsprechender Beratungsleistungen, um Arbeitskräfte auszubilden, als auch die Lieferung von Sachgütern und die Erstellung von Anlagen. Während diese Leistungen ausschließlich unentgeltlich geleistet werden,142 sind die Leistungen der finanziellen Entwicklungszusammenarbeit als Zuschüsse oder Kredite ausgestaltet, deren jeweilige Konditionen vom Entwicklungsstand des Empfängerstaates abhängig sind.143 Die am wenigsten entwickelten Staaten erhalten auch diese
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Klingebiel, Multilaterale Entwicklungszusammenarbeit, ZfAS 7 (2014), S. 33 (38). BMZ, Der direkte Weg zum Partner, https://www.bmz.de/de/ministerium/arbeitsweise/bi laterale-entwicklungszusammenarbeit-19654 (letzter Zugriff: 09. 05. 2022); Fues, Bi oder Multi?, 2010, S. 2. 139 Gulrajani, Bilateral versus Multilateral Aid Channels, ODI Report, 2016, https://odi.org/ en/publications/bilateral-versus-multilateral-aid-channels-strategic-choices-for-donors/ (letzter Zugriff: 09. 05. 2022), S. 10; Klingebiel, Multilaterale Entwicklungszusammenarbeit, ZfAS 7 (2014), S. 33 (39). 140 BMZ, Leitlinien für die bilaterale finanzielle und technische Zusammenarbeit mit Kooperationspartnern der deutschen Entwicklungszusammenarbeit, BMZ Konzepte 165, S. 9. 141 BMZ, Leitlinien für die bilaterale finanzielle und technische Zusammenarbeit mit Kooperationspartnern der deutschen Entwicklungszusammenarbeit, BMZ Konzepte 165, S. 10. 142 BMZ, Leitlinien für die bilaterale finanzielle und technische Zusammenarbeit mit Kooperationspartnern der deutschen Entwicklungszusammenarbeit, BMZ Konzepte 165, S. 39. 143 BMZ, Leitlinien für die bilaterale finanzielle und technische Zusammenarbeit mit Kooperationspartnern der deutschen Entwicklungszusammenarbeit, BMZ Konzepte 165, S. 30. 138
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Teil 2: Einführung in die Entwicklungszusammenarbeit
Leistungen deshalb als „Zuschüsse“, die nicht zurückgezahlt werden müssen.144 Obwohl die finanzielle und die technische Zusammenarbeit unterschiedliche Instrumentarien erfassen, handelt es sich im Kern jeweils um die Verwendung von Haushaltsmitteln, die nach ähnlichen Kriterien verteilt werden. Eine rechtliche Steuerung dieser Bereiche macht deshalb auf den in dieser Arbeit untersuchten Ebenen keine grundlegenden Abweichungen erforderlich. Gesondert betrachtet werden die finanzielle und die technische Zusammenarbeit ausschließlich in Bezug auf die Untersuchung der vertraglichen Ausgestaltung.145
C. Rechtsgrundlagen Die deutsche Entwicklungszusammenarbeit wird bisher nicht durch ein spezifisches Bundesgesetz gesteuert,146 und auch das Grundgesetz enthält diesbezüglich keine Regelungen.147 Auf gesetzlicher Ebene spielt bisher ausschließlich das jährliche Bundeshaushaltsgesetz eine Rolle. Das Haushaltsgesetz stellt gem. Art. 110 Abs. 2 S. 1 GG den Haushaltsplan fest. Gem. § 13 Abs. 1 BHO besteht dieser Haushaltsplan aus den Einzelplänen und einem Gesamtplan. Für die Entwicklungszusammenarbeit ist vorrangig der Einzelplan 23, der den Haushalt des BMZ regelt, von Bedeutung. Dieser leitet jedoch nicht die Entwicklungszusammenarbeit an, sondern legt ausschließlich die zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel fest. Der Einzelplan 23 gibt beispielsweise nicht vor, welche Staaten oder Maßnahmen mit diesen Mitteln gefördert werden sollen.148 Die eigentliche Steuerung erfolgt deshalb durch Verwaltungsvorschriften und politische Dokumente. Zentrale verwaltungsrechtliche Vorschrift in der bilateralen Entwicklungszusammenarbeit sind die Leitlinien für die bilaterale finanzielle und technische Zusammenarbeit mit Kooperationspartnern in der deutschen Entwicklungszusammenarbeit.149 Adressaten dieser Leitlinien sind „die Bundesregierung und die deutschen Durchführungsorganisationen sowie […] sonstige auf deutscher 144 BMZ, Leitlinien für die bilaterale finanzielle und technische Zusammenarbeit mit Kooperationspartnern der deutschen Entwicklungszusammenarbeit, BMZ Konzepte 165, S. 30. 145 Siehe unten Teil 4, § 1. 146 In Bezug auf die deutsche Entwicklungsverwaltung wird deshalb teilweise auch von einer „gesetzlosen Fondsverwaltung“ gesprochen, so Pitschas, Recht und Gesetz in der Entwicklungszusammenarbeit, VerwArch 81 (1990), S. 465 (465). In jüngerer Vergangenheit wurde diese Bezeichnung aufgegriffen von Dann, Entwicklungsverwaltungsrecht, 2012, S. 144; Groß, Deutsches Entwicklungsverwaltungsrecht, in: Dann/Kadelbach/Kaltenborn (Hrsg.), Entwicklung und Recht, 2014, S. 659 (660). 147 Dann, Entwicklungsverwaltungsrecht, 2012, S. 144; Neumann, Die Förderung der Rule of Law in der Entwicklungszusammenarbeit, 2013, S. 173. 148 Neumann, Die Förderung der Rule of Law in der Entwicklungszusammenarbeit, 2013, S. 160. 149 Groß, Deutsches Entwicklungsverwaltungsrecht, in: Dann/Kadelbach/Kaltenborn (Hrsg.), Entwicklung und Recht, 2014, S. 659 (665).
§ 3 Einführung in die deutsche Entwicklungszusammenarbeit
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Seite beteiligten Stellen“.150 Sie regeln den administrativen Ablauf der Vergabe von bilateralen Entwicklungsleistungen151 und konkretisieren u. a. die übergeordneten Ziele, die Formen, die die Entwicklungsmaßnahmen annehmen können, und verschiedene Fragen der Durchführung. Die Leitlinien definieren dagegen weder den Begriff der Entwicklungszusammenarbeit noch nehmen sie Bezug auf mögliche Leistungspflichten oder legen Regeln für die Auswahl der Empfängerstaaten fest. Bezüglich der Auswahl der Entwicklungsprojekte heißt es in den Leitlinien: „Die Entwicklungsmaßnahmen setzen bei Schlüsselbereichen an, um einen möglichst wirksamen Beitrag zur Überwindung von Engpässen und zur Lösung der Entwicklungsprobleme zu leisten und um den Zielgruppen wirklich zugute zu kommen.“152 Diese abstrakte Formulierung führt dazu, dass die Auswahl der Maßnahmen nicht wesentlich eingeschränkt wird. Die Leitlinien betonen aber die besondere Bedeutung des Prinzips der Ownership in diesem Zusammenhang. Die Entwicklungsmaßnahmen sollen mit dem Leistungsempfänger einvernehmlich ausgewählt und nach dem Grundsatz des geringsten Eingriffs durchgeführt werden.153 In Bezug auf die Aspekte der internen Strukturierung regeln die Leitlinien ausschließlich kompetenzrechtliche Fragen.154 Darüber hinaus wird die deutsche Entwicklungszusammenarbeit durch zahlreiche politische Dokumente angeleitet.155 Dazu gehören Strategiepapiere, die der grundsätzlichen Ausrichtung der Handlungen des BMZ und der deutschen Entwicklungszusammenarbeit im Allgemeinen dienen. Zu nennen sind das BMZ-Strategiepapier Entwicklungspolitik 2030: Neue Herausforderungen – neue Antworten,156 die alle vier Jahre erscheinende Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung157 sowie Maßnahmen- und Aktionspläne, die auf einzelne Herausforderungen des Entwicklungsprozesses eingehen.158 Die genannten Dokumente dienen 150 BMZ, Leitlinien für die bilaterale finanzielle und technische Zusammenarbeit mit Kooperationspartnern der deutschen Entwicklungszusammenarbeit, BMZ Konzepte 165, S. 7. 151 Dann, Entwicklungsverwaltungsrecht, 2012, S. 144. 152 BMZ, Leitlinien für die bilaterale finanzielle und technische Zusammenarbeit mit Kooperationspartnern der deutschen Entwicklungszusammenarbeit, BMZ Konzepte 165, S. 17. 153 BMZ, Leitlinien für die bilaterale finanzielle und technische Zusammenarbeit mit Kooperationspartnern der deutschen Entwicklungszusammenarbeit, BMZ Konzepte 165, S. 17. 154 Zu der Kompetenzverteilung in der deutschen Entwicklungszusammenarbeit unten Teil 6, § 1, A. 155 Groß, Deutsches Entwicklungsverwaltungsrecht, in: Dann/Kadelbach/Kaltenborn (Hrsg.), Entwicklung und Recht, 2014, S. 659 (667). 156 BMZ, Entwicklungspolitik 2030: Neue Herausforderungen – neue Antworten, BMZ Strategiepapier (2018). 157 Bundesregierung, Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie – Weiterentwicklung 2021, Beschluss Bundeskabinett vom 10. März 2021. 158 Statt aller: BMZ, Entwicklungspolitischer Aktionsplan zur Gleichberechtigung der Geschlechter 2016 – 2020, BMZ-Papier 03/2016; BMZ, BMZ Wasserstrategie: Schlüssel zur Umsetzung der Agenda 2030 und des Klimaabkommens, BMZ Strategiepapier 08/2017; BMZ, Sektorstrategie Finanzsystementwicklung, BMZ-Papier 01/2016.
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Teil 2: Einführung in die Entwicklungszusammenarbeit
aber weniger einer verbindlichen Steuerung der Entwicklungszusammenarbeit als vielmehr der Darstellung der zugrundeliegenden Visionen. So enthält keines der verabschiedeten und der Öffentlichkeit zugänglichen Dokumente verbindliche Vorgaben für die Auswahl der Empfängerstaaten oder der Entwicklungsprojekte.159 Es fehlt mithin sowohl auf rechtlicher als auch auf politischer Ebene an einem umfassenden Rahmen, der sämtliche an der Entwicklungszusammenarbeit beteiligten Akteure bindet und diese in ihrem Handeln leitet.160
§ 4 Zusammenfassung Die Entstehungsgeschichte der modernen Entwicklungszusammenarbeit zeigt, dass diese sich stets im Spannungsverhältnis zwischen den Eigeninteressen der Geberstaaten und dem altruistischen Motiv der Unterstützung der Empfängerstaaten befunden hat. Sie ist ein elementarer Bestandteil der Außen- und Sicherheitspolitik der Geberstaaten und wird von sich verändernden politischen Interessen beeinflusst. Zudem zeichnet sie sich durch eine besondere Heterogenität der Ziele, die mit ihr verfolgt werden, aus. Im Zentrum der Entwicklungszusammenarbeit steht das Ziel der Armutsbekämpfung. Dieses Leitziel wird flankiert von zahlreichen Nebenzielen. So sind u. a. der Schutz der Umwelt und der Menschenrechte sowie die Herstellung von Geschlechtergerechtigkeit und die Förderung demokratischer Herrschaftsstrukturen zu einem festen Bestandteil des Zielsystems der Entwicklungszusammenarbeit geworden. Daneben nehmen aber auch nationale Interessen, weiterhin einen entscheidenden Einfluss auf die Verteilung der ODA. Dadurch ist die Entwicklungszusammenarbeit prädestiniert für Kursänderungen und damit verbundene Inkohärenzen in der politischen Ausrichtung. Eine Möglichkeit dem entgegenzuwirken, könnte die rechtliche Steuerung der Entwicklungszusammenarbeit sein. Auf nationaler Ebene ist das Entwicklungsrecht in Deutschland bisher nur schwach ausgeprägt. Im Gegensatz zu zahlreichen anderen Geberstaaten hat die Bundesrepublik kein spezifisches Gesetz zur umfassenden Regelung der Entwicklungszusammenarbeit erlassen. Stattdessen erfolgt die Steuerung dieses Handlungsbereichs bisher vornehmlich über Verwaltungsvorschriften und politische Dokumente. Anhand der festgelegten Untersuchungsschwerpunkte wird nachfolgend geprüft, ob diese Grundlagen ausreichend sind, um eine kohärente Entwicklungszusammenarbeit sicherzustellen, oder ob es einer weiteren Ausformung des deutschen Entwicklungsrechts bedarf.
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Siehe unten Teil 6, § 3, A. OECD, Germany Mid-term Review vom 7. November 2018, DCD/JMdS(2018)69, S. 3; OECD, OECD Development Co-operation Peer Reviews: Germany 2021, S. 47. 160
Teil 3
Der Begriff der Entwicklungszusammenarbeit Eine Konkretisierung der Entwicklungszusammenarbeit stellt aufgrund der Vielzahl der beteiligten Akteure, der Heterogenität der Ziele sowie der sie auszeichnenden Interdisziplinarität eine gewisse Herausforderung dar. Während Einigkeit darüber besteht, dass das Bestreben nach wirtschaftlicher Entwicklung und Verbesserung der Lebenssituation der Menschen in den Entwicklungsländern ihren Kern bildet, sind ihre äußeren Konturen nur schwer bestimmbar und befinden sich in einem stetigen Wandel.1 Auch die Begriffe der Entwicklung und der Entwicklungsländer unterliegen bisher keinem einheitlichen Verständnis.2 Eine Definition der Entwicklungszusammenarbeit, die zu einem besseren und einheitlicheren Verständnis beiträgt, muss somit zugleich die zentralen Unterbegriffe konkretisieren. Das OECD-DAC hat mit der 1969 entwickelten ODA-Definition den bisher bedeutendsten Lösungsansatz dieses Problems entwickelt.3 Sie gilt als Maßeinheit für die Entwicklungsbemühungen der Geberstaaten und hat erheblich zu einer Verbesserung der Transparenz und Vergleichbarkeit dieser Bemühungen beigetragen. Sie wird deshalb im Folgenden näher erläutert und auf ihre rechtliche Umsetzung untersucht.
1 Dann, Entwicklungsverwaltungsrecht, 2012, S. 106 – 107; Dann, Autonomie trotz Asymmetrie? Selbstbestimmung und Eigenverantwortung im Entwicklungsverwaltungsrecht, in: Bäuerle/Dann/Wallrabenstein (Hrsg.), Demokratie-Perspektiven, 2013, S. 549 (549); Lee, General Theory of Law and Development, LDR 12 (2019), S. 351 (357); Mazidi, Die gesetzlichen Grundlagen der schweizerischen Entwicklungszusammenarbeit, IFF Working Paper No. 17, 2017, S. 4 – 5; Rist/Camiller, The History of Development, 2019, S. 13. 2 BMZ, Medienhandbuch Entwicklungspolitik 2008/2009, S. 447; Hirsch, Developing Countries (07/2017), www.mpepil.com (letzter Zugriff: 09. 05. 2022), Rn. 3; Mazidi, Die gesetzlichen Grundlagen der schweizerischen Entwicklungszusammenarbeit, IFF Working Paper No. 17, 2017, S. 5. Auch im Bereich des Entwicklungs- und Wirtschaftsvölkerrechts werden diese Begriffe nicht hinreichend definiert, um ein einheitliches Verständnis sicherzustellen, Krajewski, Wirtschaftsvölkerrecht, 2021, S. 283. 3 Hynes/Scott, The Evolution of Official Development Assistance, OECD Development Co-operation Working Papers No. 12, 2013, S. 2. Ausführlich zur Entstehungsgeschichte der ODA-Definition: Führer, The Story of Official Development Assistance, 1996; Scott, The accidental Birth of „Official Development Assistance“, OECD Development Co-operation Working Paper No. 24, 2015.
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§ 1 Official Development Assistance (ODA) Die ODA umfasst alle Leistungen öffentlicher Stellen an Staaten und Territorien, die sich auf der Liste der ODA-Empfänger des OECD-DAC befinden, sowie an festgelegte multilaterale Organisationen, die maßgeblich der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung der Empfängerstaaten dienen und ein Zuschusselement aufweisen.4 Staatliche Maßnahmen müssen mithin vier Kriterien erfüllen, um als ODA angerechnet werden zu können. Zunächst werden entsprechend des ersten Wortes „official“ nur solche Leistungen berücksichtigt, die durch öffentliche Stellen veranlasst wurden. Dabei ist unerheblich, ob die öffentliche Stelle eine Bundes- oder Landesbehörde ist.5 Dieses Merkmal dient dem Ausschluss von Leistungen durch Nichtregierungsorganisationen und Privatpersonen. Die ODA-Statistiken eines jeweiligen Staates erfassen dementsprechend stets nur die staatlichen Leistungen. Finanzströme aus privaten Quellen werden nicht als ODA angerechnet. Zweitens müssen die Leistungen an bestimmte Empfänger gerichtet sein. Dies sind zunächst die Empfängerstaaten. Das OECD-DAC erstellt alle drei Jahre eine Liste mit den Staaten, die als Leistungsempfänger berücksichtigt werden dürfen.6 Während diese Liste offiziell ausschließlich statistischen Zwecken dient und „not as a guidance for conferring aid or other preferential treatment“7, wird sie in der Praxis auch als Entscheidungsgrundlage verwendet, um zu bestimmen, ob ein Staat als Empfängerstaat im Sinne der internationalen Entwicklungszusammenarbeit anzusehen ist.8 Ebenso erstellt das OECD-DAC eine Liste multilateraler Organisationen, die als Leistungsempfänger im Sinne der ODA-Definition für den jeweiligen Zeit-
4 OECD, Converged Statistical Reporting Directives for the Creditor Reporting System (CRS) and the Annual DAC Questionnaire of 20 April 2021, DCD/DAC/STAT(2020)44/ FINAL, S. 17. 5 Dann, Entwicklungsverwaltungsrecht, 2012, S. 5. 6 OECD, Converged Statistical Reporting Directives for the Creditor Reporting System (CRS) and the Annual DAC Questionnaire of 20 April 2021, DCD/DAC/STAT(2020)44/ FINAL, S. 20. Die für die Jahre 2022 und 2023 gültige Liste umfasst insgesamt 140 Entwicklungsländer, siehe OECD, DAC List of ODA Recipients Effective for Reporting on 2022 and 2023 flows, https://www.oecd.org/dac/financing-sustainable-development/development-fi nance-standards/DAC-List-of-ODA-Recipients-for-reporting-2022-23-flows.pdf (letzter Zugriff: 09. 05. 2022). 7 OECD, Converged Statistical Reporting Directives for the Creditor Reporting System (CRS) and the Annual DAC Questionnaire of 20 April 2021, DCD/DAC/STAT(2020)44/ FINAL, S. 20. 8 Das südkoreanische Entwicklungsgesetz definiert beispielsweise in Art. 2 Abs. 2 Entwicklungsländer als die Staaten, die sich auf der vom OECD-DAC erstellten Länderliste befinden. Eine entsprechende Regelung findet sich in Art. 2 Abs. 3 des belgischen Entwicklungsgesetzes.
§ 1 Official Development Assistance (ODA)
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raum anerkannt werden.9 ODA erfasst mithin sowohl die bilaterale als auch die multilaterale Entwicklungszusammenarbeit. Das Definitionsmerkmal „official“ bezieht sich zudem ausschließlich auf die Leistungsgeber. Als Leistungsempfänger treten zwar primär Staaten und multilaterale Organisationen in Erscheinung. Es können aber beispielsweise auch Leistungen an Nichtregierungsorganisationen, die in den Ländern, die in der OECD-DAC-Liste aufgeführt werden, tätig sind, als ODA angerechnet werden. Drittens müssen die Leistungen ein Zuschusselement enthalten. Dies lag bis 2018 unabhängig vom Empfängerstaat bei 25 %. 2014 haben die OECD-DAC-Mitgliedstaaten eine Überarbeitung der ODA-Definition und eine Anpassung des notwendigen Zuschusselements beschlossen.10 Seit 2018 ist die Höhe des erforderlichen Zuschusselements abhängig vom jeweiligen Leistungsempfänger. Im Bereich der bilateralen finanziellen Entwicklungszusammenarbeit gibt es festgelegte Grenzwerte, die erfüllt werden müssen. Bei Staaten, die zum oberen Segment der mittleren Einkommensgruppe gezählt werden (Upper Middle Income Countries, UMICs), ist ein Zuschusselement in Höhe von 10 Prozentpunkten und bei Staaten, die zum unteren Segment mit mittlerem Einkommen (Lower Middle Income Countries, LMDCs) gezählt werden, von 15 Prozentpunkten erforderlich. Bei den am wenigsten entwickelten Staaten (Least Developed Countries, LDCs) und den sonstigen Staaten mit niedrigem Einkommen (Other Low Income Countries, other LICs) ist ein Zuschusselement in Höhe von mindestens 45 % notwendig.11 Die Höhe des gewährten Zuschusselements berechnet sich im Bereich der bilateralen finanziellen Entwicklungszusammenarbeit nach einem Vergleich zwischen den gewährten Konditionen und den Konditionen, zu denen der Empfängerstaat am Markt ein entsprechendes Darlehen erhalten würde.12 Zudem werden seit 2018 Entwicklungsleistungen nur noch in Höhe ihres Zuschusselements als ODA angerechnet.13 Während zuvor Kredite in ihrer vollen Höhe als ODA berücksichtigt wurden, sofern die Voraussetzung des Zuschusselements in Höhe von mindestens 25 % erfüllt war, würde ein solcher Kredit nunmehr nur zu 25 % als ODA angerechnet werden. Dies führt zu einer besseren Vergleichbarkeit zwischen den einzelnen Geberstaaten, deren Zuschusselemente sich in der Höhe teilweise erheblich 9 OECD, Converged Statistical Reporting Directives for the Creditor Reporting System (CRS) and the Annual DAC Questionnaire of 20 April 2021, DCD/DAC/STAT(2020)44/ FINAL, S. 20. 10 OECD, DAC High Level Meeting Communiqué: 16 December 2014, S. 2. 11 OECD, Converged Statistical Reporting Directives for the Creditor Reporting System (CRS) and the Annual DAC Questionnaire of 20 April 2021, DCD/DAC/STAT(2020)44/ FINAL, S. 20 – 21. 12 OECD, Converged Statistical Reporting Directives for the Creditor Reporting System (CRS) and the Annual DAC Questionnaire of 20 April 2021, DCD/DAC/STAT(2020)44/ FINAL, S. 21. 13 OECD, Converged Statistical Reporting Directives for the Creditor Reporting System (CRS) and the Annual DAC Questionnaire of 20 April 2021, DCD/DAC/STAT(2020)44/ FINAL, S. 21.
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Teil 3: Der Begriff der Entwicklungszusammenarbeit
unterscheiden.14 Generell gilt, dass der Großteil der ODA als Zuschuss gewährt wird, den die Empfängerstaaten nicht zurückzahlen müssen.15 Viertes und abschließendes Definitionselement ist die wirtschaftliche und soziale Entwicklung des Leistungsempfängers als primärer Leistungszweck.16 Ob diese Voraussetzung gegeben ist, bestimmt sich zunächst nach dem der jeweiligen Leistung offiziell zugrundeliegenden Motiv. Dies öffnet die Definition für unterschiedliche Interpretationen.17 Sinn und Zweck der ODA-Definition war und ist es jedoch gerade, die Anstrengungen der Mitgliedstaaten des OECD-DAC in diesem Bereich quantifizierbar und vergleichbar zu machen.18 Deshalb wurden, um eine einheitliche Auslegung der Definition zu gewährleisten, Richtlinien durch das OECD-DAC angefertigt, die detailliert festlegen, welche Leistungen als ODA anrechenbar sind.19 Die ODA-Definition ist deshalb stets in Verbindung mit den Reporting Directives des OECD-DAC zu betrachten. Erst durch sie entfaltet die Definition ihre eigentliche Bedeutung für die internationale Entwicklungszusammenarbeit. Soweit im Rahmen der vorliegenden Untersuchung die ODA-Definition genannt wird, ist stets die Definition in Verbindung mit den Reporting Directives gemeint. Die Reporting Directives sind kein starres Instrument, sondern werden fortlaufend weiterentwickelt. So kann auf die sich in einem stetigen Wandel befindlichen Herausforderungen und Inhalte der Entwicklungsprozesse reagiert werden. Sie bestimmen u. a., welche grundlegenden Geldströme erfasst werden, und definieren die zentralen finanziellen Instrumente der Entwicklungszusammenarbeit. Zudem greifen sie die ODA-Definition auf, konkretisieren die einzelnen Definitionselemente und legen Sonderregeln für bestimmte Bereiche fest, die in der Vergangenheit für besondere Kontroversen gesorgt haben.20 Darüber hinaus erläutern sie, wie die Leistungen zu bemessen sind, die Konzepte, nach denen die Geldströme erfasst 14 Colin, A Matter of High Interest – Assessing how Loans are Reported as Development Aid, 2014, https://www.eurodad.org/a_matter_of_high_interest (letzter Zugriff: 09. 05. 2022), S. 12. 15 Keeley, From Aid to Development, 2012, S. 49. 16 OECD, Converged Statistical Reporting Directives for the Creditor Reporting System (CRS) and the Annual DAC Questionnaire of 20 April 2021, DCD/DAC/STAT(2020)44/ FINAL, S. 17. 17 Dann, Entwicklungsverwaltungsrecht, 2012, S. 7; Hynes/Scott, The Evolution of Official Development Assistance, OECD Development Co-operation Working Papers No. 12, 2013, S. 8. 18 Dann, Entwicklungsverwaltungsrecht, 2012, S. 5. 19 OECD, Converged Statistical Reporting Directives for the Creditor Reporting System (CRS) and the Annual DAC Questionnaire of 20 April 2021, DCD/DAC/STAT(2020)44/ FINAL, S. 23 – 43. 20 Sie präzisieren beispielsweise die Voraussetzungen unter denen die Kosten für die Versorgung von Geflüchteten im Geberstaat als ODA angerechnet werden können, siehe OECD, Converged Statistical Reporting Directives for the Creditor Reporting System (CRS) and the Annual DAC Questionnaire of 20 April 2021, DCD/DAC/STAT(2020)44/FINAL, S. 30 – 35.
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werden, und wie Maßnahmen, die als ODA anrechenbar sind, gemeldet werden sollen. Die Berichterstattung über die ODA erfolgt nach einem Kennzahlensystem. Die einzelnen Leistungen werden anhand von Förderbereichsschlüsseln erfasst. Die Geberstaaten müssen in Bezug auf die bilateralen Leistungen die Maßnahmen u. a. nach Empfängerstaat, Art der Leistung und Ziel der Maßnahme konkretisieren und den jeweiligen Förderbereichsschlüsseln zuordnen.21 Sie müssen zudem eine Kurzbeschreibung der Maßnahme beifügen, die erläutert, warum das Vorhaben unter den jeweiligen Schlüssel fällt. Dies ermöglicht eine transparente Nachverfolgung der einzelnen Leistungen und trägt zu einer Objektivierung der Zuordnung von Maßnahmen als ODA bei. Um den Zuordnungsprozess der einzelnen Maßnahmen zu den jeweiligen Schlüsseln noch weiter zu vereinfachen, wird durch das OECD-DAC eine Onlinedatenbank gepflegt, in der Vergleichsprojekte als Referenzpunkte dargestellt werden.22 Die Reporting Directives schränken so den Ermessensspielraum der Geberstaaten ein und tragen zu einem objektiveren Verständnis der Entwicklungszusammenarbeit bei. Die Reporting Directives belassen den Geberstaaten, gleichwohl einen erheblichen Spielraum und erfassen ein breites Instrumentarium an Entwicklungsmaßnahmen, die als ODA angerechnet werden können. Sie spiegeln damit die Heterogenität des Zielsystem der Entwicklungszusammenarbeit wider. Es ist die ausdrückliche Aufgabe des OECD-DAC, zur Verwirklichung der Agenda 2030 beizutragen.23 Die ODA-Definition erfasst dementsprechend neben Maßnahmen, die der wirtschaftlichen Entwicklung der Empfängerstaaten dienen, ebenso Maßnahmen, die z. B. dem Schutz der Umwelt, der Förderung der Menschenrechte, der Gleichberechtigung von Frau und Mann oder der Demokratie dienen. Darüber hinaus werden auch Leistungen erfasst, die zwar einen inneren Zusammenhang zur Entwicklungszusammenarbeit aufweisen, jedoch nicht unmittelbar dem Entwicklungsprozess der Empfängerstaaten zugutekommen. Dazu zählen beispielsweise anfallende Verwaltungskosten, die im Zusammenhang mit der Durchführung von Entwicklungsmaßnahmen stehen.24 Der ODA-Definition liegt damit grundsätzlich ein weites Verständnis der Entwicklungszusammenarbeit zugrunde. Dennoch nimmt sie wichtige Einschränkun21
Siehe für die Förderbereichsschlüssel, OECD, Converged Statistical Reporting Directives for the Creditor Reporting System (CRS) and the Annual DAC Questionnaire of 20 April 2021, Annexes – modules A, B, C, DCD/DAC/STAT(2020)44/ADD1/FINAL. 22 OECD, ODA eligibility database, http://www.oecd.org/dac/financing-sustainable-devel opment/development-finance-standards/oda-eligibility-database/ (letzter Zugriff: 09. 05.2022). 23 OECD, Resolution of the Council to renew and revise the Mandate of the DAC up to 31 December 2022, approved at its 1363rd session held on 14 December 2017, C(2017)134 and C/M(2017)22. 24 OECD, Converged Statistical Reporting Directives for the Creditor Reporting System (CRS) and the Annual DAC Questionnaire of 20 April 2021, DCD/DAC/STAT(2020)44/ FINAL, S. 23.
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Teil 3: Der Begriff der Entwicklungszusammenarbeit
gen vor. Sie stellt sich beispielsweise der wachsenden „Securitization“25 der Entwicklungszusammenarbeit entgegen, indem sie die Anrechenbarkeit militärische Leistungen als ODA weitgehend ausschließt.26
§ 2 Einordnung der ODA-Definition Die ODA-Definition, insbesondere in der Gesamtbetrachtung mit den Reporting Directives, trägt zu einem einheitlichen Verständnis der Entwicklungszusammenarbeit unter den OECD-DAC-Mitgliedstaaten bei. Sie hat es ermöglicht, die Leistungen der Mitgliedstaaten quantifizierbar und damit vergleichbar zu machen. Dies hat den Weg für konkrete Leistungsziele bereitet, wie dem Ziel, 0,7 % des BIP für die öffentliche Entwicklungszusammenarbeit aufzuwenden.27 Auch Deutschland hat sich wiederholt zu diesem Ziel bekannt und es erstmals 2016 erreicht.28 Zudem hat die Definition durch einen weitgehenden Ausschluss von militärischen Leistungen29 zu einer teilweisen Entpolitisierung der Entwicklungszusammenarbeit beigetragen. Während die Definition also unstreitig wertvolle Beiträge geleistet hat, sieht sie sich dennoch vielfältiger und anhaltender Kritik ausgesetzt. Diese umfasst zunächst die von der Definition erfassten Leistungen.30 Zentrales Definitionsmerkmal der ODA ist die wirtschaftliche und soziale Entwicklung der Leistungsempfänger. Gleichwohl werden auch Leistungen erfasst, die keinen unmittelbaren Entwicklungszweck haben. Dies sind beispielsweise Verwaltungskosten oder Kosten für Schüler- und Studienaufenthalte von Staatsbürgern aus Empfängerstaaten in den 25
Grundlegend dazu Brown/Grävingholt (Hrsg.), The Securitization of Foreign Aid, 2016. OECD, Converged Statistical Reporting Directives for the Creditor Reporting System (CRS) and the Annual DAC Questionnaire of 20 April 2021, DCD/DAC/STAT(2020)44/ FINAL, S. 36 – 39. 27 Dieses Ziel wurde auf internationaler Ebene vielfach bestätigt, statt aller G. A., Res. 70/1 vom 25. September 2015, Ziff. 43; OECD, DAC High Level Communiqué: 31 October 2017, Ziff. 9; G. A., Res. 69/313 vom 27. Juli 2015, Annex, Addis Ababa Action Agenda, Ziff. 51. Für einen kurzen Überblick über die Entstehungsgeschichte dieses Ziels siehe OECD, History of the 0,7 % ODA Target, The DAC Journal 3, Issue 4 (2002), S. III-9 – III-11. 28 Das Erreichen der Quote im Jahr 2016 war jedoch insbesondere auf erhöhte Ausgaben für die Versorgung von Geflüchteten aus Entwicklungsländern zurückzuführen, die als ODA anrechenbar waren, BMZ, Deutsche ODA-Quote verharrt bei 0,51 Prozent ohne InlandsFlüchtlingskosten, 2019, https://www.bmz.de/de/aktuelles/archiv-aktuelle-meldungen/deut sche-oda-quote-2018-stagniert-86926 (letzter Zugriff: 09. 05. 2022). Bereits 2017 ist die ODAQuote Deutschlands wieder auf 0,66 % des BIP abgesunken, OECD, Development Co-operation Report 2018, 2018, S. 323. 2020 erreichte Deutschland dieses Ziel mit einer ODA-Quote von 0,73 Prozent erneut, OECD, Development Co-operation Report 2021, 2021, S. 407. 29 OECD, Converged Statistical Reporting Directives for the Creditor Reporting System (CRS) and the Annual DAC Questionnaire of 20 April 2021, DCD/DAC/STAT(2020)44/ FINAL, S. 36. 30 Roodman, Straightening the Measuring Stick, CGD Policy Papers No. 44, 2014, S. 4 – 8; Severino/Ray, The End of ODA, CGD Working Paper No. 167, 2009, S. 17. 26
§ 2 Einordnung der ODA-Definition
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jeweiligen Geberstaaten.31 Obwohl diese Leistungen in einem erweiterten Zusammenhang mit der Entwicklungszusammenarbeit stehen, haben sie keinen unmittelbaren Einfluss auf die Entwicklung der Empfängerstaaten. Es wird deshalb kritisiert, dass die ODA Leistungen erfasse, die nicht der Entwicklungszusammenarbeit in ihrem eigentlichen Sinne dienen.32 Ebenso wird argumentiert, dass Leistungen, die nach dem Sinn der Definition berücksichtigt werden sollten, nicht erfasst werden.33 Dies gelte beispielsweise für wirtschaftliche Investitionen oder Kredite, die kein Zuschusselement aufweisen, die die Empfängerstaaten an den internationalen Finanzmärkten gleichwohl nicht erhalten würden.34 Ein weiterer Kritikpunkt ist, dass durch die ODA grundsätzlich nur die Entwicklungsleistungen der Mitgliedstaaten des OECD-DAC erfasst werden.35 Es melden zwar mittlerweile auch weitere Staaten, die nicht Mitglied sind, ihre Maßnahmen als ODA.36 Aber es werden bei weitem nicht alle Geberstaaten erfasst. Eine Definition, die unabhängig vom OECD-DAC ist und in der auch Staaten ein Mitspracherecht haben, die sowohl Empfänger als auch Geber von Entwicklungsleistungen sind, könnte die Bereitschaft der „neuen“ Geberstaaten erhöhen, ihre Entwicklungszusammenarbeit transparenter zu gestalten. Diesen Kritikpunkten kann entgegengehalten werden, dass die Konkretisierung der ODA ein fortlaufender Prozess ist, der an die sich verändernden Herausforderungen angepasst wird.37 So wurde beispielsweise auf die Problematik der Anrechnung von Kosten für die Versorgung von Geflüchteten reagiert und die Reporting Directives in dieser Frage überarbeitet sowie durch Präzisierungen versucht, die Anrechnung dieser Kosten einzuschränken.38 Gleiches gilt nunmehr für die An31
Hynes/Scott, The Evolution of Official Development Assistance, OECD Development Co-operation Working Papers No. 12, 2013, S. 8 – 9; Severino/Ray, The End of ODA, CGD Working Paper No. 167, 2009, S. 18. Kritisch zur Anrechnung der Kosten von Stipendien für Schüler und Studenten Legault, Beyond Busan 2, 2011, https://gemreportunesco.wordpress. com/2011/11/28/beyond-busan-2-should-imputed-student-costs-and-scholarships-be-countedas-aid/ (letzter Zugriff: 09. 05. 2022). 32 Desai/Kharas, The California Consensus, Survival 50, No. 4 (2008), S. 155 (157); Obrovsky, Ausgaben für Flüchtlingshilfe: Aufputz der ODA-Statistik oder reale Erhöhung der EZA?, ÖFSE Policy Notes Nr. 17, 2015, S. 2. 33 Roodman, Straightening the Measuring Stick, CGD Policy Papers No. 44, 2014, S. 9 – 13. 34 Severino/Ray, The End of ODA, CGD Working Paper No. 167, 2009, S. 19. 35 Severino/Ray, The End of ODA, CGD Working Paper No. 167, 2009, S. 19. 36 OECD, Development Co-operation by Countries Beyond the DAC – towards a more complete picture of international development finance, 2015, https://www.oecd.org/dac/dac-glo bal-relations/Development%20Co-operation%20by%20Countries%20beyond%20the%20DAC. pdf (letzter Zugriff: 09. 05. 2022), S. 4. 37 Hynes/Scott, The Evolution of Official Development Assistance, OECD Development Co-operation Working Papers No. 12, 2013, S. 2. 38 OECD, Converged Statistical Reporting Directives for the Creditor Reporting System (CRS) and the Annual DAC Questionnaire of 20 April 2021, DCD/DAC/STAT(2020)44/ FINAL, S. 30 – 35.
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rechnung von Kosten die im Zusammenhang mit der Bekämpfung der COVID-19Pandemie anfallen. Nach vorläufigen Zahlen dienten im Jahr 2021 10,5 % der kombinierten ODA der Mitgliedstaaten der OECD-DAC diesem Zweck.39 Das OECD-DAC hat darauf reagiert und Vorgaben in Bezug auf die Anrechnung des Spendens von Impfdosen erarbeitet.40 Die ODA-Definition ist dementsprechend nicht als feststehende Definition, sondern unter Berücksichtigung der Reporting Directives als ein fortlaufender Prozess, der bei weitem nicht fehlerfrei ist, aber erhebliche Vorteile mit sich bringt, zu verstehen. Da Veränderungen an den Reporting Directives auf Konsensentscheidungen beruhen, stellen die Leistungen, die sie erfassen, stets nur den kleinsten gemeinsamen Nenner der Mitgliedstaaten des OECD-DAC dar. Sie werden deshalb nie den vorherrschenden Idealvorstellungen entsprechen. Dies führt aber im Gegenzug dazu, dass die ODA-Definition von den führenden Geberstaaten akzeptiert und bereitwillig verwendet wird. Dadurch können die Bemühungen der Geberstaaten besser miteinander verglichen werden, und es entsteht ein gewisser Druck, bestimmte, beispielsweise militärische, Leistungen auch auf nationaler Ebene nicht als Entwicklungszusammenarbeit zu bezeichnen.
§ 3 Rechtsqualität der ODA-Definition Die ODA-Definition beruht bisher nicht auf einer verbindlichen Rechtsgrundlage. Den Mitgliedstaaten des OECD-DAC steht es aus rechtlicher Perspektive frei, wie sie die Entwicklungszusammenarbeit auf nationaler Ebene definieren. Die erhebliche Strahlkraft einer möglichst hohen ODA-Quote hat jedoch dazu geführt, dass die ODA-Definition eine Lenkungswirkung in der Entwicklungszusammenarbeit entfaltet. Nachfolgend soll untersucht werden, ob diese Lenkungswirkung möglicherweise über das Entwicklungsrecht eine rechtliche Dimension erhalten hat.
A. Rechtliche Umsetzung in Deutschland Auf Gesetzesebene wird die deutsche Entwicklungszusammenarbeit bisher ausschließlich durch die jährlichen Haushaltsgesetze entscheidend beeinflusst. Die ODA-Definition hat in den letzten Jahren zunehmend Eingang in die durch diese Gesetze festgestellten Haushaltspläne gefunden. In den Jahren vor 2012 wurde auf die ODA-Definition nur im Einzelplan 23 des jährlichen Haushaltsplans Bezug genommen. Ihre Berücksichtigung beschränkte sich auf eine kurze Darstellung der Quellen, aus denen die deutsche ODA stammt, sowie der Empfänger dieser Leis39 OECD, ODA Levels in 2021 – Preliminary Data, 2022, https://www.oecd.org/dac/finan cing-sustainable-development/development-finance-standards/ODA-2021-summary.pdf?mc_ cid=09d477d436&mc_eid=b0c77f6602 (letzter Zugriff: 09. 05. 2022). 40 OECD, Valuation of Donations to excess COVID-19 Vaccine Doses to Developing Countries in ODA, DCD/DAC/STAT(2021)29/REV1 of 24 January 2022.
§ 3 Rechtsqualität der ODA-Definition
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tungen.41 Die Ministerien waren aber bis dahin auf gesetzlicher Ebene nicht dazu verpflichtet, die ODA-Definition bei der Ausgestaltung der Entwicklungszusammenarbeit zu berücksichtigen. 2012 hat der Bundesrechnungshof in Bezug auf die „Zusammenarbeit mit Regionen“ kritisiert, dass diese in ihrer bisherigen Ausgestaltung nicht vollständig als ODA angerechnet werden können.42 Der Haushaltsgesetzgeber hat darauf mit einem Haushaltsvermerk im Einzelplan 23 für das Jahr 2012 reagiert und das BMZ dazu verpflichtet, die „finanzielle Zusammenarbeit mit Regionen“ derart auszugestalten, dass die in diesem Zusammenhang anfallenden Ausgaben und Verpflichtungsermächtigungen als ODA anrechenbar sind.43 Die Aufnahme der ODA-Definition in den Einzelplan führte mithin für diesen konkreten Fall zu einer Ermessensbeschränkung. Begründet wurde die Einfügung des Haushaltsvermerks mit dem damaligen Ziel, bis 2015 0,7 % des BIP für die öffentliche Entwicklungszusammenarbeit aufzuwenden.44 Der Grund für das Risiko, dass bestimmte Leistungen der finanziellen Zusammenarbeit mit Regionen nicht als ODA anrechenbar waren, war, dass in dem durch den Bundesrechnungshof untersuchten Fallbeispiel, der Fonds, der die Leistungen erhalten sollte, seinen Sitz nicht in einem Entwicklungsland hatte und die Leistungen dadurch nicht die Voraussetzungen der ODA erfüllten. Der grundsätzliche Sinn oder die Effektivität der Maßnahmen wurde hingegen nicht in Frage gestellt. Die Einfügung des Haushaltsvermerks diente dementsprechend der Sicherstellung der Steigerung der ODA-Quote Deutschlands und nicht entwicklungstheoretischen Aspekten. In den Folgejahren wurde der Einfluss der ODA-Definition im Haushaltsplan zunehmend ausgeweitet. Dies gilt vornehmlich für den Einzelplan 23 sowie den Einzelplan 05, der den Haushalt des Auswärtigen Amtes regelt. Im Folgenden soll deshalb aufgezeigt werden, wie sich die Rolle der ODA in diesen Einzelplänen seit 2012 entwickelt hat.
41 Statt aller: BMF, Bundeshaushaltsplan 2009, Epl. 23 – BMZ, S. 52; BMF, Bundeshaushaltsplan 2010, Epl. 23 – BMZ, S. 23; BMF, Bundeshaushaltsplan 2011, Epl. 23 – BMZ S. 68. Die Einzelpläne werden im Gegensatz zum Bundeshaushaltsgesetz nicht im Bundesgesetzblatt veröffentlicht. Stattdessen sind die Bundeshaushaltspläne mit den jeweiligen Einzelplänen auf der Internetseite „https://www.bundeshaushalt.de“ (letzter Zugriff: 09. 05. 2022), die durch das Bundesministerium der Finanzen betrieben wird, unter dem Reiter „Datenportal“ abrufbar. 42 Bundesrechnungshof, Bemerkungen 2012 zur Haushalts- und Wirtschaftsführung des Bundes, S. 306. 43 BMF, Bundeshaushaltsplan 2012, Epl. 23 – BMZ, S. 30. 44 Bundesrechnungshof, Bemerkungen 2012 zur Haushalts- und Wirtschaftsführung des Bundes, S. 306.
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I. Einzelplan 23 Die ODA-Definition wurde, wie bereits dargestellt, erstmals 2012 in einer ermessensbeschränkenden Funktion in den Einzelplan 23 aufgenommen. Auch im Haushaltsjahr 2013 wurde das BMZ verpflichtet, die „finanzielle Zusammenarbeit mit Regionen“ so auszugestalten, dass die Ausgaben und Verpflichtungsermächtigungen in diesem Bereich als ODA anrechenbar sind.45 Ein wortgleicher Haushaltsvermerk wurde zudem für die „internationale Zusammenarbeit mit Regionen für nachhaltige Entwicklung“ eingefügt.46 Im Haushaltsplan 2014 wurde erstmals bereits im Vorwort des Einzelplan 23 Bezug auf die ODA-Definition genommen. Das BMZ hatte danach die „Koordinierungsfunktion für die öffentliche Entwicklungszusammenarbeit (ODA)“ innerhalb der Bundesregierung und sollte mit seinem Haushalt entscheidend dazu beitragen, „Deutschland weiter auf dem Finanzierungspfad zu führen, 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens (BNE) für ODA aufzuwenden“.47 Im Einzelplan selbst fanden sich erneut die Haushaltsvermerke, die das BMZ dazu verpflichten, die Leistungen der „finanziellen Zusammenarbeit mit Regionen“ und der „internationalen Zusammenarbeit mit Regionen für nachhaltige Entwicklung“ ODA-anrechenbar auszugestalten.48 In den Einzelplänen der Jahre 2015 und 2016 fanden sich sowohl der wortgleiche Bezug auf die ODA-Definition in der Einleitung als auch die gleichen Haushaltsvermerke.49 Der Einzelplan 23 für das Jahr 2017 beinhaltete die Haushaltsvermerke in Bezug auf die „finanzielle Zusammenarbeit mit Regionen“ und die „internationale Zusammenarbeit mit Regionen für nachhaltige Entwicklung“ erstmals nicht mehr. Dies bedeutete jedoch keine Abkehr von der ODA-orientierten Ausgestaltung der deutschen Entwicklungszusammenarbeit des BMZ. Vielmehr enthielt der Einzelplan 23 für das Jahr 2017 nunmehr einen den Einzelposten des Einzelplans vorangestellten Haushaltsvermerk. Dieser besagte, dass „die Haushaltsmittel des Einzelplan 23 […] ODA-wirksam eingesetzt [werden] mit Ausnahme des […] Titels: Kap. 2310 Tit. 532 04“.50 Bei Titel 532 04 des Kapitel 2310 handelte es sich um Ausgaben für Maßnahmen und Projekte des Beauftragten der Bundeskanzlerin für die DeutschGriechische Versammlung (DGV).51 Diese Versammlung ist ein Forum für die „Zusammenarbeit zwischen deutschen und griechischen Kommunen, Regionen und Bürgern“.52 Da Griechenland nicht auf der DAC-Länderliste für 2017 stand und damit Leistungen der Zusammenarbeit mit Griechenland ohnehin nicht als ODA 45
BMF, Bundeshaushaltsplan 2013, Epl. 23 – BMZ, S. 35. BMF, Bundeshaushaltsplan 2013, Epl. 23 – BMZ, S. 38. 47 BMF, Bundeshaushaltsplan 2014, Epl. 23 – BMZ, S. 2. 48 BMF, Bundeshaushaltsplan 2014, Epl. 23 – BMZ, S. 12, 14. 49 BMF, Bundeshaushaltsplan 2015, Epl. 23 – BMZ, S. 2, 12, 14; BMF, Bundeshaushaltsplan 2016, Epl. 23 – BMZ, S. 2, 13, 15. 50 BMF, Bundeshaushaltsplan 2017, Epl. 23 – BMZ, S. 5. 51 BMF, Bundeshaushaltsplan 2017, Epl. 23 – BMZ, S. 50. 52 DGV, Über uns, https://www.grde.eu/ueber-uns (letzter Zugriff: 09. 05. 2022). 46
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angerechnet werden konnten, war diese Einschränkung lediglich deklaratorischer Natur. Der Haushaltsvermerk war deshalb als eine Generalverpflichtung für das BMZ zu verstehen. Das BMZ war dazu verpflichtet, die Haushaltsmittel so zu verwenden, dass sie als ODA angerechnet werden konnten. Gem. des Wortlauts, der besagte, dass „die Haushaltsmittel des Epl. 23 […] ODA-wirksam eingesetzt [werden]“, stand dem BMZ diesbezüglich auch kein Ermessensspielraum zu. Das Haushaltsgesetz 2017 begründete somit erstmals eine umfassende Verpflichtung des BMZ, die ODA-Definition zu berücksichtigen und die Leistungen anhand dieser auszurichten. Im Haushaltsplan für das Jahr 2018 wurde diese Entwicklung bestätigt und der Haushaltsvermerk wortgleich übernommen.53 Gleiches gilt für die Einzelpläne 23 der Jahre 201954 202055 und 2021.56 Die ODA-Definition hat damit nachhaltig und umfassend Eingang in das jährliche Haushaltsgesetz gefunden. Der Einzelplan 23 dient ganz wesentlich dem Ziel, 0,7 % des BIP für ODA aufzuwenden.57 Maßnahmen, die nicht von dieser Definition erfasst werden, dürfen grundsätzlich nicht durch das BMZ umgesetzt werden. Bevor Entwicklungsprojekte durchgeführt werden, muss deshalb stets geprüft werden, ob diese als ODA anrechenbar sind. Dies führt beispielsweise dazu, dass das BMZ ausschließlich Staaten im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit unterstützen darf, die sich auf der OECD-DAC-Länderliste befinden.58
II. Einzelplan 05 Der Einzelplan 05 regelt den Haushalt des Auswärtigen Amtes. Das AA ist nach dem BMZ die zweitgrößte Quelle der deutschen ODA.59 Die ODA-Definition wurde ebenso wie im Einzelplan 23 erstmals 2012 in den Einzelplan 05 aufgenommen. In einem Haushaltsvermerk wurde festgelegt, dass die Ausgaben für den Titel „Transformationspartnerschaften Nordafrika/Naher Osten“ vollständig ODA-anrechenbar sind.60 Ebenso wurde festgelegt, dass die Ausgaben des Titels „Wirtschaftspartnerschaften in Transformationsländern Nordafrika/Nahost (Stipendien)“ 53
BMF, Bundeshaushaltsplan 2018, Epl. 23 – BMZ, S. 5. BMF, Bundeshaushaltsplan 2019, Epl. 23 – BMZ, S. 5. 55 BMF, Bundeshaushaltsplan 2020, Epl. 23 – BMZ, S. 5. 56 BMF, Bundeshaushaltsplan 2021, Epl. 23 – BMZ, S. 5. 57 Diese Funktion nimmt der Einzelplan 23 jedoch nicht erst ein, seitdem die ODA-Definition ausdrücklich in diesem als Leitdefinition festgelegt wird, siehe BT-Drucks. 15/4626 vom 06. Januar 2005, S. 2. 58 BT-Drucks. 19/21201 vom 22. 07. 2020, S. 5. 59 Statt aller: BMF, Bundeshaushaltsplan 2015, Epl. 23 – BMZ, S. 68; BMF, Bundeshaushaltsplan 2017, Epl. 23 – BMZ, S. 71; BMF, Bundeshaushaltsplan 2019, Epl. 23 – BMZ, S. 66. 60 BMF, Bundeshaushaltsplan 2012, Epl. 05 – AA, S. 30. 54
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vollständig ODA-anrechenbar sind.61 Diese Haushaltsvermerke finden sich wortgleich auch in den Einzelplänen 05 für die Jahre 201362 und 2014.63 2014 wurden zusätzlich drei weitere Haushaltsvermerke eingefügt, nach denen nunmehr die Ausgaben für den „Ausbau der Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft der Ukraine, Moldawiens, Georgiens und Belarus“64 vollständig, die Ausgaben für „Humanitäre Hilfsmaßnahmen im Ausland“ zu mindestens 80 %65 und die Ausgaben zur „Energie- und Klimaaußenpolitik“ zu mindestens 60 % ODA-anrechenbar sein mussten.66 Die Einzelpläne 05 der Jahre 2015, 2016 und 2017 enthielten die gleichen Haushaltsvermerke wie im Jahr 2014.67 Im Haushaltsjahr 2018 wurde die Relevanz der ODA-Definition auch im Einzelplan 05 deutlich ausgeweitet. Die Abkürzung wurde nun 40 Mal in diesem Einzelplan genannt.68 2019 wurde die Abkürzung an 43 Stellen69 und 202070 sowie 202171 jeweils an 41 Stellen erwähnt. Aufgrund des abweichenden Aufgabengebiets des AA enthält der Einzelplan 05 zwangsläufig keine entsprechende allumfassende ODA-Klausel wie der Einzelplan 23. Auch im Einzelplan 05 zeigt sich gleichwohl, dass die ODA-Definition seit 2012 kontinuierlich an Bedeutung gewonnen hat. Das AA soll ebenso wie das BMZ zum 0,7 %-Ziel beitragen und wird deshalb durch die Haushaltsgesetze jeweils dazu verpflichtet, zahlreiche Maßnahmen an der ODADefinition auszurichten.
III. ODA als Ermessensschranke Die ODA-Definition hat nachhaltig Eingang in den jährlichen Haushaltsplan gefunden. Die Untersuchungen haben gezeigt, dass ihre Bedeutung in den Jahren seit 2012 erheblich zugenommen hat und heute fester Bestandteil der Einzelpläne 23 und 05 ist. Die Definition findet sich zudem auch im Einzelplan 16 wieder. Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU) wird beispielsweise durch den Bundeshaushaltsplan 2021 verpflichtet, Ausgaben für den „Internationalen Klima- und Umweltschutz sowie den Export von Technologien 61
BMF, Bundeshaushaltsplan 2012, Epl. 05 – AA, S. 54. BMF, Bundeshaushaltsplan 2013, Epl. 05 – AA, S. 34, 60. 63 BMF, Bundeshaushaltsplan 2014, Epl. 05 – AA, S. 13, 46. 64 BMF, Bundeshaushaltsplan 2014, Epl. 05 – AA, S. 44. 65 BMF, Bundeshaushaltsplan 2014, Epl. 05 – AA, S. 16. 66 BMF, Bundeshaushaltsplan 2014, Epl. 05 – AA, S. 19. 67 BMF, Bundeshaushaltsplan 2015, Epl. 05 – AA, S. 12, 14, 17, 38, 42; BMF, Bundeshaushaltsplan 2016, Epl. 05 – AA, S. 11, 13, 16, 37, 40; BMF, Bundeshaushaltsplan 2017, Epl. 05 – AA, S. 11, 13, 16, 39, 42. 68 BMF, Bundeshaushaltsplan 2018, Epl. 05 – AA. 69 BMF, Bundeshaushaltsplan 2019, Epl. 05 – AA. 70 BMF, Bundeshaushaltsplan 2020, Epl. 05 – AA. 71 BMF, Bundeshaushaltsplan 2021, Epl. 05 – AA. 62
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gegen die Vermüllung der Meere“ so auszugestalten, dass diese zu mindestens 90 %72 und „Investitionen zum Schutz des Klimas und der Biodiversität“ zu mindestens 92 %73 ODA-anrechenbar sind. Die Aufnahme der Definition in die Einzelpläne ist nicht nur eine Formalie, sondern hat eine ermessensbeschränkende Funktion. Die jeweiligen Ministerien müssen bestimmte Ausgaben nunmehr so ausgestalten, dass diese als ODA angerechnet werden können. Das dies auch praktische Auswirkungen auf die Leistungsgestaltung hat, zeigt bereits das Motiv für die erste Aufnahme der ODA-Definition in den Einzelplan 23 im Haushaltsjahr 2012.74 Bestimmte Fonds wurden nunmehr bei der Mittelvergabe nicht weiter berücksichtigt. Der zentrale Grund für die fortschreitende Aufnahme der ODA-Definition in die Haushaltsgesetze ist die Steigerung der ODA-Quote Deutschlands. Die Erhöhung dieser Quote sollte jedoch nicht zum Selbstzweck werden.75 Ob die stärkere Konzentration auf diese Definition zu einer Verbesserung der deutschen Entwicklungszusammenarbeit beiträgt, scheint bisher kein entscheidender Faktor bei dieser Entwicklung zu sein. Zudem ist das jährliche Haushaltsgesetz ein kurzfristiges Steuerungsinstrument, das nicht für die langfristige Steuerung der Entwicklungszusammenarbeit geeignet ist. Es steht dem Haushaltsgesetzgeber frei, die Haushaltsvermerke zur ODA in den künftigen Haushaltsjahren wieder zu streichen. Haushaltsvermerke sind dementsprechend nicht geeignet, eine langfristige ODAAusrichtung der deutschen Entwicklungszusammenarbeit sicherzustellen. Um dies zu erreichen, wäre es notwendig, die Definition auch auf anderer Ebene für rechtsverbindlich zu erklären. Nachfolgend wird deshalb untersucht, ob dies durch das Europa- und Völkerrecht geschieht und welche Regelungen die Entwicklungsgesetze der Vergleichsstaaten in Bezug auf diese Frage enthalten.
B. Rechtliche Umsetzung im Europa- und Völkerrecht Die Entwicklungszusammenarbeit der Europäischen Union ist primärrechtlich in Titel III des Fünften Teils des AEUV in den Art. 208 – 211 AEUV geregelt.76 In diesen Artikeln wird weder der Begriff der Entwicklungszusammenarbeit legaldefiniert noch ausdrücklich auf die ODA-Definition eingegangen. Der Begriff der „Entwicklungszusammenarbeit der Union“ im Sinne des AEUV ist nach überwie72
BMF, Bundeshaushaltsplan 2021, Epl. 16 – BMU, S. 16. BMF, Bundeshaushaltsplan 2021, Epl. 16 – BMU, S. 25. 74 Das BMZ hat sich gleichwohl bereits vor 2012 maßgeblich an der DAC-Länderliste orientiert, BMZ, Medienhandbuch Entwicklungspolitik 2008/2009, S. 447. 75 Maihold, Entwicklungszusammenarbeit am Scheideweg, in: Sangmeister/Wagner (Hrsg.), Die Entwicklungszusammenarbeit der Zukunft, 2019, S. 17 (24). 76 Odendahl, Art. 208, in: Pechstein/Nowak/Häde (Hrsg.), AEUV, 2017, Rn. 1; Streinz/ Kruis, Art. 208 AEUV, in: Streinz (Hrsg.), EUV/AEUV, 2018, Rn. 2. 73
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Teil 3: Der Begriff der Entwicklungszusammenarbeit
gender Ansicht nicht deckungsgleich mit dem der ODA.77 Ebenso wenig schreibt das Europarecht den Mitgliedstaaten an einer anderen Stelle vor, wie diese den Begriff der Entwicklungszusammenarbeit zu interpretieren haben.78 Dennoch spielt die ODA-Definition in der Europäischen Union eine entscheidende Rolle. Die EU ist ein eigenständiges Mitglied des OECD-DAC. Sie wirkt dementsprechend an der Entwicklung der Reporting Directives mit und nimmt dadurch unmittelbar Einfluss auf die ODA-Definition. Gem. Art. 208 Abs. 1 UAbs. 2 S. 1 AEUV ist das übergeordnete Ziel der Entwicklungspolitik der Union die Beseitigung der Armut.79 Dieses Ziel wird gem. Art. 208 Abs. 1 UAbs. 1 S. 1 AEUV durch die Ziele und Grundsätze des auswärtigen Handelns, die bei der Durchführung der Entwicklungspolitik der Europäischen Union zu berücksichtigen sind, ergänzt. Die Ziele und Grundsätze des auswärtigen Handelns umfassen gem. Art. 21 Abs. 2 lit. b) EUVu. a. die Förderung und Festigung der Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit und der Menschenrechte. Das Ziel der Entwicklungszusammenarbeit der EU wird mithin nicht auf die Bekämpfung der Armut in einem wirtschaftlichen Sinne verdichtet, sondern umfasst, wie auch die ODA-Definition, weitere Gebiete, auf denen die Empfängerstaaten gefördert werden sollen.80 Aus einer Gesamtbetrachtung dieser Ziele wird deutlich, dass das Verständnis des Zwecks der Entwicklungszusammenarbeit dem der ODA-Definition weitestgehend entspricht. Dies zeigt sich nunmehr auch durch das 2021 in Kraft getretene Instrument für Nachbarschaft, Entwicklungszusammenarbeit und internationale Zusammenarbeit der Europäischen Union, dass für die Jahre 2021 – 2027 ein Budget von 79,5 Milliarden Euro zur Verfügung stellt, welches gem. Art. 3, Abs. 4 zu mindestens 93 % für Ausgaben verwendet werden muss, die „die Kriterien für öffentliche Entwicklungszusammenarbeit erfüllen, die vom Entwicklungshilfeausschuss der OECD aufgestellt werden […]“.81
77 Bartelt, Art. 208, in: Becker/Hatje/Schoo/Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, 2019, Rn. 17; Odendahl, Art. 208, in: Pechstein/Nowak/Häde (Hrsg.), AEUV, 2017, Rn. 22. 78 Dies entspricht auch dem Grundgedanken der Kompetenzverteilung zwischen der Europäischen Union und den Mitgliedstaaten in der Entwicklungszusammenarbeit. Gem. Art. 4 IV i. V. m. Art. 208 – 211 AEUV besteht in diesem Bereich eine parallele Kompetenz. Siehe dazu bereits oben Teil 1, § 2, C., II. 79 Odendahl, Art. 208, in: Pechstein/Nowak/Häde (Hrsg.), AEUV, 2017, Rn. 28; Bartelt, Art. 208, in: Becker/Hatje/Schoo/Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, 2019, Rn. 5; Streinz/ Kruis, Art. 208 AEUV, in: Streinz (Hrsg.), EUV/AEUV, 2018, Rn. 15. 80 Bartelt, Art. 208, in: Becker/Hatje/Schoo/Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, 2019, Rn. 7; Odendahl, Art. 208, in: Pechstein/Nowak/Häde (Hrsg.), AEUV, 2017, Rn. 30; Streinz/ Kruis, Art. 208 AEUV, in: Streinz (Hrsg.), EUV/AEUV, 2018, Rn. 17. 81 Verordnung (EU) Nr. 947/2021 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. Juni 2021 zur Schaffung des Instruments für Nachbarschaft, Entwicklungszusammenarbeit und internationale Zusammenarbeit und Europa in der Welt, zur Änderung und Aufhebung der Verordnung (EU) 2017/1601 und der Verordnung (EG, Euratom) Nr. 480/2009 des Rates, ABlEU Nr. L 209 vom 14. 06. 2021.
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Auch den Begriff der Entwicklungsländer definiert das Europarecht nicht.82 Die Europäische Union richtet ihre Entwicklungszusammenarbeit gem. Art. 208 Abs. 1 UAbs. 2 AEUV an die Entwicklungsländer, ohne diese näher zu bestimmen.83 Ein Bezug auf die OECD-DAC-Länderliste wurde bewusst nicht im AEUV inkorporiert, um eine ausreichende Flexibilität zu gewährleisten.84 Gem. der Verordnung zur Schaffung eines Finanzierungsinstruments für die Entwicklungszusammenarbeit für den Zeitraum 2014 – 2020 richtete sich die Entwicklungszusammenarbeit gleichwohl an „Entwicklungsländer, die in der von der OECD/DAC erstellten Liste der Empfänger öffentlicher Entwicklungshilfe angeführt sind […]“.85 Im Rahmen des Instruments für Nachbarschaft, Entwicklungszusammenarbeit und internationale Zusammenarbeit der Europäischen Union ist die Länderliste indirekt ebenfalls zu berücksichtigen. Nur wenn an Staaten auf dieser Liste Entwicklungszusammenarbeit geleistet wird, kann diese als ODA angerechnet werden und damit das oben genannte Ziel, 93 % der Ausgaben für ODA-anrechenbare Leistungen aufzuwenden, erreicht werden. Die Entwicklungszusammenarbeit der Europäischen Union ist mithin wesentlich durch die ODA-Definition und die OECD-DAC-Länderliste beeinflusst.86 Das Völkerrecht definiert den Begriff der Entwicklungszusammenarbeit ebenfalls nicht in rechtsverbindlicher Weise. Die Reporting Directives stellen keine rechtsverbindliche Vorgabe dar, wie die Mitgliedstaaten des OECD-DAC die Entwicklungszusammenarbeit zu interpretieren haben. Den Geberstaaten steht es mithin auch unter Berücksichtigung des Völker- und Europarechts frei, wie sie die Entwicklungszusammenarbeit definieren. Die ODA-Definition ist vornehmlich eine Maßeinheit, die einen bestimmten Katalog an Entwicklungsmaßnahmen erfasst. Ob die Geberstaaten Entwicklungszusammenarbeit synonym zu diesem Katalog verstehen, bleibt ihnen aus rechtlicher Perspektive selbst überlassen.
82 Bartelt, Art. 208, in: Becker/Hatje/Schoo/Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, 2019, Rn. 18; Odendahl, Art. 208, in: Pechstein/Nowak/Häde (Hrsg.), AEUV, 2017, Rn. 19. 83 Schmalenbach, Art. 208 AEUV, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, 2022, Rn. 2. 84 Müller, Das Kohärenzgebot im Entwicklungsrecht der Europäischen Union, 2015, S. 60; Streinz/Kruis, Art. 208 AEUV, in: Streinz (Hrsg.), EUV/AEUV, 2018, Rn. 7. Der EuGH hat diesbezüglich entschieden, dass „der Begriff der Entwicklungsländer Gegenstand einer eigenständigen gemeinschaftlichen Auslegung sein [muss]. Dies ergibt sich daraus, dass die Kategorie der Entwicklungsländer in dem Sinne dynamisch ist, als sie nach Maßgabe kaum vorhersehbare Ereignisse Änderungen unterliegen kann.“ Gleichwohl erkennt er aber die „besondere Bedeutung“ der OECD-DAC-Länderliste an, EuGH, Urteil vom 6. November 2008, C-155/07, EU:C:2008:605, Rn. 52. 85 Verordnung (EU) Nr. 233/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. März 2014 zur Schaffung eines Finanzierungsinstruments für die Entwicklungszusammenarbeit für den Zeitraum 2014 – 2020, ABlEU Nr. L 77 vom 15. März 2014, S. 44, Art. 1, Abs. 1, lit. a). 86 Bartelt, Art. 208, in: Becker/Hatje/Schoo/Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, 2019, Rn. 19; Odendahl, Art. 208, in: Pechstein/Nowak/Häde (Hrsg.), AEUV, 2017, Rn. 19 – 20; Schmalenbach, Art. 208 AEUV, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, 2022, Rn. 2; Streinz/ Kruis, Art. 208 AEUV, in: Streinz (Hrsg.), EUV/AEUV, 2018, Rn. 6.
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Teil 3: Der Begriff der Entwicklungszusammenarbeit
C. Rechtliche Umsetzung in den Entwicklungsgesetzen Die ODA-Definition spielt in den Entwicklungsgesetzen eine zentrale Rolle. Die Mehrzahl dieser Gesetze bezieht sich entweder ausdrücklich oder indirekt auf sie. Nachfolgend wird am Beispiel der Vergleichsgesetze untersucht, welche Funktion diese Definition in den Gesetzen einnimmt. Die untersuchten Gesetze werden dabei nach vier Ansätzen gruppiert. In Belgien und Österreich findet sich eine umfassende Berücksichtigung der Definition, die jedoch vornehmlich als Anwendungsschranke fungiert. Dem spanischen Entwicklungsgesetz, das einen eigenständigen Ansatz verfolgt, ist ein Handlungsauftrag zu entnehmen, die Entwicklungszusammenarbeit im Sinne der ODA-Definition auszugestalten. Auch das kanadische Entwicklungsgesetz verfolgt einen eigenständigen Ansatz. In diesem Gesetz dient die Definition als Ausgangspunkt des nationalen Verständnisses der Entwicklungszusammenarbeit. Sie wird aber durch weitere Voraussetzungen ergänzt. In den übrigen Gesetzen wird teilweise Bezug auf die Definition des OECD-DAC genommen. Die Entwicklungszusammenarbeit wird dabei aber nicht ausdrücklich in ihrem Sinne definiert.
I. ODA als Anwendungsschranke Gem. Art. 2 Abs. 1 des belgischen Entwicklungsgesetzes bedeutet Entwicklungszusammenarbeit im Sinne des Gesetzes, „föderale Politik und Aktionen im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit […], die vom Ausschuss der für Entwicklungshilfe (Development Assistance Committee – DAC) der Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) als öffentliche Entwicklungshilfe angerechnet werden und wurden.“87
Gem. Art. 2 Abs. 3 des Gesetzes ist zudem ein „Entwicklungsland ein Land, das vom Ausschuss für Entwicklungshilfe der Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung als Entwicklungsland angesehen wird“.88 Das Gesetz bezieht sich damit nicht nur auf die ODA-Definition, sondern stellt durch die offene Formulierung sicher, dass die fortlaufenden Anpassungen der anrechenbaren Leistungen und der DAC-Länderliste berücksichtigt werden. Entwicklungszusammen-
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Entwicklungsgesetz Belgien, Art. 2 Abs. 1: „Dans la présente loi, on entend par: 18 ,la Coopération belge au Développement‘: la politique et les actions fédérales en matière de coopération au développement menées par des canaux gouvernementaux, multilatéraux et non gouvernementaux et au moyen des autres instruments qui sont ou ont été comptabilisés comme de l’Aide publique au développement par le Comité d’aide au développement (CAD) de l’Organisation de Coopération et de Développement économiques (OCDE).“ 88 Entwicklungsgesetz Belgien, Art. 2 Abs. 3: „Dans la présente loi, on entend par: 38 ,le pays partenaire‘: le pays considéré comme pays en développement par le CAD de l’OCDE et reconnu comme partenaire de la coopération gouvernementale.“
§ 3 Rechtsqualität der ODA-Definition
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arbeit im Sinne des belgischen Entwicklungsgesetzes sind dementsprechend nur die Leistungen, die das OECD-DAC zum jeweiligen Zeitpunkt als ODA anerkennt. Eine ähnlich weitgehende Berücksichtigung dieser Definition enthält das österreichische Entwicklungsgesetz. Gem. § 2 des Gesetzes umfasst Entwicklungszusammenarbeit „alle Maßnahmen des Bundes, die Bestandteil der öffentlichen Entwicklungsleistungen sind und die an den Entwicklungsausschuss (DAC) der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) gemeldet werden“. Entwicklungszusammenarbeit im Sinne des österreichischen Entwicklungsgesetzes liegt mithin nur dann vor, wenn die Maßnahmen an das OECD-DAC gemeldet werden. Damit sie gemeldet werden können, müssen sie den jeweils geltenden Voraussetzungen der Reporting Directives unterfallen. Im Gegensatz zu Belgien bestimmt Österreich jedoch gem. § 3 des Entwicklungsgesetzes im Anhang zum Dreijahresprogramm der österreichischen Entwicklungspolitik89 selbstständig, welche Staaten als Entwicklungsländer im Sinne des Gesetzes angesehen werden und „berücksichtigt“ dabei lediglich die durch das OECD-DAC erstellte Liste der Entwicklungshilfeempfänger. Die Listen müssen dementsprechend nicht deckungsgleich sein. Darin unterscheidet sich das österreichische Gesetz von den übrigen Vergleichsgesetzen. Soweit die anderen Vergleichsgesetze eine Definition der Entwicklungsländer enthalten, ist diese deckungsgleich mit der Länderliste des OECD-DAC. Sowohl dem belgischen als auch dem österreichischen Entwicklungsgesetz ist jedoch kein Handlungsauftrag zu entnehmen, der die Normadressaten dazu verpflichtet, die Entwicklungszusammenarbeit im Sinne der ODA-Definition auszugestalten. In beiden Gesetzen wird die Entwicklungszusammenarbeit lediglich im Sinne des jeweiligen Entwicklungsgesetzes definiert. Das Gesetz ist mithin nur auf Maßnahmen anwendbar, die die Kriterien der ODA-Definition erfüllen. Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass Maßnahmen, die im weitesten Sinne Entwicklungszusammenarbeit darstellen, aber nicht unter die ODA-Definition subsumiert werden können, nicht dem Anwendungsbereich des Gesetzes unterfallen.90 Die Definition hat in diesen Gesetzen dementsprechend keine ermessensbeschränkende Funktion, sondern beschränkt den Anwendungsbereich der Gesetze.
89
Im Dreijahresprogramm für die Jahre 2019 bis 2021 fand sich ein solcher Anhang gleichwohl nicht. Stattdessen legte das Programm die geografischen Schwerpunkte der österreichischen Entwicklungszusammenarbeit fest, Österreichisches Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres, Gemeinsam. Für unsere Welt. Dreijahresprogramm der österreichischen Entwicklungspolitik 2019 bis 2021, 2018, S. 20 – 22. Auch eine Anfang 2021 erfolgte Aktualisierung dieses Programms enthält keinen entsprechenden Anhang. Ein Programm für die Jahre ab 2021 liegt bisher nicht vor. 90 So auch in Bezug auf das kanadische Entwicklungsgesetz, McKee, The Official Development Assistance Accountability Act, UBC Law Review 48 (2015), S. 447 (482).
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Teil 3: Der Begriff der Entwicklungszusammenarbeit
II. ODA als Handlungsauftrag Dem spanischen Entwicklungsgesetz ist ein weites Verständnis der Entwicklungszusammenarbeit zu entnehmen. Gem. Art. 1 Abs. 1 S. 2 des Gesetzes besteht die internationale Entwicklungszusammenarbeit aus „all the ressources and capacities placed by Spain at the disposal for developing countries with the purpose of enabling and fostering their economic and social progress and to contribute to the eradication of all manifestations of poverty in the world“. Um sicherzustellen, dass diese Leistungen als ODA angerechnet werden können, sollen sie gem. Art. 1 Abs. 2 S. 3 die Voraussetzungen, die das OECD-DAC für die Anrechenbarkeit etabliert hat, erfüllen.91 Die Maßnahmen der spanischen Entwicklungszusammenarbeit müssen also derart ausgestaltet werden, dass sie den Voraussetzungen der ODA-Definition entsprechen. Die Definition dient mithin in diesem Gesetz als Handlungsauftrag. Durch die weite Definition der Entwicklungszusammenarbeit wird sichergestellt, dass das spanische Entwicklungsgesetz auch solche Leistungen erfasst, die theoretisch nicht als ODA angerechnet werden könnten, und verpflichtet die zuständigen Entscheidungsträger, diese an die Vorgaben des OECD-DAC anzupassen. Durch dieses Regelungsmodell entfaltet die ODA-Definition in der spanischen Entwicklungszusammenarbeit eine Steuerungsfunktion. Die spanischen Haushaltsmittel, die für die Förderung der Entwicklungsländer zur Verfügung gestellt werden, müssen ODA-effektiv verwendet werden. Dadurch wird das Ermessen der zuständigen Entscheidungsträger beschränkt und die Entscheidung, ob eine Maßnahme als Entwicklungszusammenarbeit angesehen werden kann, objektiviert.
III. ODA als Ausgangspunkt Das kanadische Entwicklungsgesetz definierte Entwicklungszusammenarbeit ursprünglich im Sinne der Definition des OECD-DAC. Gem. Art. 3 Abs. 9 lit. a) bedeutete der Begriff „official development assistance“ internationale Hilfe, „that is administered with the principal objective of promoting the economic development and welfare of developing countries, that is concessional in character, that conveys a grant element of at least 25 %, and that meets the requirements set out in section 4 […].“
Diese Definition wurde 2018 durch den Budget Implementation Act geändert.92 Die bisherige Definition wurde durch Art. 3.1 ersetzt. Danach gilt nunmehr, dass „for the purposes of this Act, the Governor in Council may make regulations defining the expression ,official development assistance‘, in which case, the Governor in Council must 91 Entwicklungsgesetz Spanien, Art. 1 Abs. 2 S. 3: „For these resources to be considered Official Development Aid (ODA), the requirements established by the Development Assistance Committee (DAC) of the OECD shall be met.“ 92 Diese Definition wurde 2018 durch den Budget Implementation Act geändert, Budget Implementation Act, 2018, No. 2 (S. C. 2018, c. 27), S. 656.
§ 3 Rechtsqualität der ODA-Definition
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take into account, among other things, the most recent definition of ,official development assistance‘ formulated by the Development Assistance Committee of the Organisation for Economic Co-operation and Development.“
Diese Gesetzesänderung hat die Definition der Entwicklungszusammenarbeit in Kanada in gewisser Weise von der ODA-Definition gelöst. Sie ist nichtmehr unmittelbar an diese gebunden, sondern wird vom Governor in Council festgelegt. Dies ist jedoch nicht als eine generelle Abkehr zu interpretieren. Vielmehr hat sich der Governor in Council weiterhin an der jeweils aktuellen ODA-Definition zu orientieren. Das Verständnis der „Official Development Assistance“ im Sinne des kanadischen Gesetzes ist damit weiterhin im Wesentlichen deckungsgleich mit der offiziellen ODA-Definition. Das kanadische Gesetz legt jedoch in Art. 4 Abs. 1 des Gesetzes drei zusätzliche Kriterien fest, die kanadische Entwicklungsmaßnahmen erfüllen müssen.93 Danach dürfen Entwicklungsleistungen nur vergeben werden, wenn der zuständige Minister der Auffassung ist, dass diese zur Armutsreduktion beitragen (Art. 4 Abs. 1 lit. a)), die Situation der Armen berücksichtigt wird (Art. 4 Abs. 1 lit. b)) und die Leistungen mit internationalen Menschenrechtsstandards vereinbar sind (Art. 4 Abs. 1 lit. c)). Diese drei Kriterien müssen mithin zusätzlich zur eigentlichen ODA-Definition kumulativ erfüllt sein, um als offizielle Entwicklungszusammenarbeit im Sinne des kanadischen Gesetzes zu gelten. Dadurch sollte der Kritik, dass ODA auch Leistungen erfasst, die nicht für die Entwicklung der Empfängerstaaten zur Verfügung stehen, begegnet werden.94 Im Ergebnis wird die Definition im kanadischen Entwicklungsgesetz gleichwohl annähernd deckungsgleich mit der ODA-Definition interpretiert.95 Zudem dient die Definition auch in diesem Gesetz als Anwendungsschranke und nicht als Handlungsauftrag.96
IV. ODA als gemeinsame Grundlage In den übrigen Vergleichsgesetzen finden sich teilweise Bezüge auf die ODADefinition. Eine Legaldefinition der Entwicklungszusammenarbeit, die deckungs-
93
Entwicklungsgesetz Kanada, Art. 4 Abs. 1: „Official development assistance may be provided only if the competent minister is of the opinion that it. (a) contributes to poverty reduction; (b) takes into account the perspectives of the poor; and (c) is consistent with international human rights standards.“ 94 McKee, The Official Development Assistance Accountability Act, UBC Law Review 48 (2015), S. 447 (511). 95 McKee, The Official Development Assistance Accountability Act, UBC Law Review 48 (2015), S. 447 (512). 96 McKee, The Official Development Assistance Accountability Act, UBC Law Review 48 (2015), S. 447 (482).
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Teil 3: Der Begriff der Entwicklungszusammenarbeit
gleich mit der Definition des OECD-DAC ist, findet sich in diesen Gesetzen dagegen nicht. Großbritannien hat drei Gesetze zur Entwicklungszusammenarbeit erlassen. Im International Development Act 2002 wird „development assistance“ als Hilfe definiert, die mit dem Zweck geleistet wird, die nachhaltige Entwicklung in einem oder mehreren Staaten außerhalb des Vereinigten Königreichs zu fördern (Art. 1 Abs. 2 lit. a)) oder das Wohlergehen der Bevölkerung einer oder mehrerer dieser Staaten zu verbessern (Art. 1 Abs. 2 lit. b)).97 Die Definition ist damit nicht synonym mit der ODA-Definition, richtet sich jedoch mit dem Ziel der Förderung der nachhaltigen Entwicklung nach einem gemeinsamen Kernelement. Zudem spielt die ODA in den drei Gesetzen an verschiedenen Stellen eine wichtige Rolle. So sieht der International Development (Reporting and Transparency) Act 2006 die Pflicht vor, in den jährlichen Berichten die Summe der bilateralen (Schedule to the International Development (Reporting and Transparency) Act 2006, Ziff. 1, lit. e)) sowie der multilateralen (Schedule to the International Development (Reporting and Transparency) Act 2006, Ziff. 1, lit. f)) ODA-Leistungen darzustellen.98 Zudem mussten die Berichte darlegen, welche Fortschritte Großbritannien in Bezug auf das 0,7 %-Ziel gemacht hat. Diese Pflicht wurde 2015 durch den International Development (Official Development Assistance Target) Act 2015, der Großbritannien seither verpflichtet, jedes Jahr mindestens 0,7 % des BIP für die Entwicklungszusammenarbeit aufzuwenden, aufgehoben. Entwicklungszusammenarbeit ist in diesem Zusammenhang als ODA im Sinne der Definition des OECD-DAC zu verstehen.99 Auch in Großbritannien spielt die Definition der ODA somit eine zentrale Rolle und hat über die bestehenden Gesetze eine rechtsverbindliche Dimension erhalten. Das südkoreanische Entwicklungsgesetz erwähnt die ODA-Definition ebenfalls nicht ausdrücklich. Es definiert aber in Art. 2 Abs. 2 des Gesetzes die Entwicklungsländer als die Staaten, die sich auf der vom OECD-DAC erstellten Länderliste befinden,100 sowie in Art. 2 Abs. 4 die internationalen Organisationen, als die Organisationen, die sich auf der entsprechenden Liste des OECD-DAC befinden.101 97
International Development Act 2002, Art. 1 Abs. 2: „In this Act ,development assistance‘ means assistance provided for the purpose of: (a) furthering sustainable development in one or more countries outside the United Kingdom, or (b) improving the welfare of the population of one or more such countries.“ 98 Ausführlich zu den Transparenzpflichten, die sich aus dem International Development (Reporting and Transparency) Act 2006 ergeben unten Teil 6, § 2, C., VI. 99 Ausführlich zu diesem Gesetz und der sich daraus ableitenden Leistungspflicht Teil 4, § 3, B. 100 Entwicklungsgesetz Südkorea, Art. 2, Nr. 2: „The term ,developing nations‘ means nations (including regions) entitled to receive official development assistance, which are determined by the Development Assistance Council of the Organization for Economic Cooperation and Development.“ 101 Entwicklungsgesetz Südkorea, Art. 2, Nr. 4: „The term ,international organizations‘ means international organizations with which the Republic of Korea cooperates by making financial contribution or implementing collaborative projects, from among development-re-
§ 4 Leitdefinition im Wandel
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Das italienische Entwicklungsgesetz enthält gleichfalls keinen ausdrücklichen Bezug. In Art. 2 Abs. 5 des Gesetzes wird jedoch festgelegt, dass die Haushaltsmittel, die für die Entwicklungszusammenarbeit zur Verfügung gestellt werden, weder direkt noch indirekt für militärische Aktivitäten verwendet werden.102 Daran lässt sich erkennen, dass auch das Verständnis der Entwicklungszusammenarbeit im italienischen Entwicklungsgesetz wesentlich von der ODA-Definition beeinflusst ist. Die Gesetze Dänemarks und der Schweiz definieren den Begriff der Entwicklungszusammenarbeit nicht. Sie richten die Entwicklungszusammenarbeit aber anhand von Zielnormen, insbesondere auf das Ziel der Armutsbekämpfung durch nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung, aus. Entwicklungsleistungen nach diesen Gesetzen dienen dementsprechend ebenfalls dem Ziel der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung der Empfängerstaaten und sind damit mit der ODA-Definition vereinbar. Die Entwicklungsgesetze sind mithin durch die Definition der ODA beeinflusst und gestehen dieser teilweise eine rechtliche Dimension zu. Anders als den deutschen Haushaltsgesetzen ist den untersuchten Gesetzen aber, mit Ausnahme des spanischen Gesetzes, keine Pflicht zu entnehmen, die Entwicklungszusammenarbeit im Sinne der Voraussetzungen der Reporting Directives auszugestalten.
§ 4 Leitdefinition im Wandel Es ist stets mit einer Missbrauchsgefahr verbunden, wenn Wohltäter selbst bestimmen, welche Handlungen Wohltaten darstellen.103 Die ODA-Quote hat mittlerweile eine derart große Strahlkraft erworben, dass die Geberstaaten geneigt sind, diese möglichst hoch zu halten.104 Es wurde deshalb in der Vergangenheit kritisiert, dass sie mehr „Phantomleistungen“, also Leistungen, die den Empfängerstaaten nie
lated international organizations (including non-governmental organizations) determined by the Development Assistance Council of the Organization for Economic Cooperation and Development.“ 102 Entwicklungsgesetz Italien, Art. 2 Abs. 5: „The funds allocated to development cooperation shall not be used, either directly or indirectly, to fund or carry out military activities.“ 103 Hirvonen, Stingy Samaritans, 2005, https://archive.globalpolicy.org/social-and-econo mic-policy/financing-for-development-1-45/international-aid-1-126/45056.html?msclkid= e759356acfa111ec8da934b6fd22684a (letzter Zugriff: 09. 05. 2022); Severino/Ray, The End of ODA, CGD Working Paper No. 167, 2009, S. 22. 104 Obrovsky, Ausgaben für Flüchtlingshilfe, ÖFSE Policy Notes Nr. 17, 2015, S. 2; Roodman, On measuring loan Concessionality in Official Development Assistance, Oxf. Rev. Econ. Policy 31 (2015), S. 396 (397); Severino/Ray, The End of ODA, CGD Working Paper No. 167, 2009, S. 17.
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Teil 3: Der Begriff der Entwicklungszusammenarbeit
tatsächlich zur Verfügung gestellt werden, als tatsächliche Entwicklungsleistungen erfasse.105 Dennoch ist sie die zentrale Definition der internationalen Entwicklungszusammenarbeit. Während die ODA-Definition ursprünglich als Vergleichsindikator für die Bemühungen der Mitgliedstaaten geschaffen worden ist, hat sie heute in einigen Staaten auch eine rechtliche Dimension. Sowohl den deutschen Haushaltsplänen als auch dem spanischen Entwicklungsgesetz ist eine Pflicht zu entnehmen, Haushaltsmittel, die für die Entwicklungszusammenarbeit bereitgestellt werden, entsprechend der Kriterien der Reporting Directives auszugestalten. Großbritannien hat sich zudem durch den International Development (Official Development Assistance Target) Act 2015 rechtlich dazu verpflichtet, mindestens 0,7 % des BIP als ODA auszugestalten. Da es sich bei der Definition um eine Schöpfung des OECD-DAC handelt und die Vergleichsstaaten Mitglieder dieser Organisation sind, vermag dieses Ergebnis zunächst wenig überraschend erscheinen. Dennoch ist diese Entwicklung beachtlich. Die ODA-Definition hat als solche keine rechtliche Dimension. Die Staaten bekommen zwar nur die Maßnahmen als ODA angerechnet, die den jeweils geltenden Reporting Directives unterfallen. Dies beeinträchtigt jedoch nicht ihr Recht, die Entwicklungszusammenarbeit auf nationaler Ebene eigenständig zu definieren.106 Gleichwohl haben mehrere Staaten der Definition des OECD-DAC im Rahmen ihrer Gesetze eine rechtliche Dimension zugestanden. Dies kann, wie die Untersuchungen zu Deutschland gezeigt haben, dazu führen, dass die Geberstaaten ihre Entwicklungszusammenarbeit teilweise anpassen müssen. Die Ursache für die zunehmende Verrechtlichung der Definition ist vor allem in der Strahlkraft, die eine hohe ODAQuote mit sich bringt, zu sehen. Es besteht Einigkeit darüber, dass es ein erstrebenswertes Ziel ist, diese Quote möglichst hoch zu halten.107 Sie gilt als Zeichen für einen besonders ausgeprägten Einsatz in der Entwicklungszusammenarbeit. Leistungen, die einen inneren Zusammenhang zur Entwicklungszusammenarbeit aufweisen, aber nicht als ODA angerechnet werden können, sind dementsprechend nicht erstrebenswert, da sie keine vergleichbare Außenwirkung haben. Die Berücksichtigung der ODA-Definition sorgt dafür, dass den Entwicklungsbestrebungen der Geberstaaten ein einheitliches und objektiviertes Verständnis der Entwicklungszusammenarbeit zu Grunde liegt. Dies trägt zur Transparenz der Entwicklungszusammenarbeit bei und schafft eine grundsätzliche Basis für eine verbesserte Koordination zwischen den Geberstaaten. Die fortwährende Kritik an der 105
Action Aid, Real Aid, 2005, S. 4. Beispielsweise soll die OECD-DAC-Länderliste ausdrücklich keine verbindliche Vorgabe bezüglich der Staaten, mit denen die Geberstaaten Entwicklungszusammenarbeit durchführen, sein, siehe OECD, Converged Statistical Reporting Directives for the Creditor Reporting System (CRS) and the Annual DAC Questionnaire of 20 April 2021, DCD/DAC/ STAT(2020)44/FINAL, S. 20. 107 G. A., Res. 70/1 vom 25. September 2015, Ziff. 43; G. A., Res. 69/313 vom 27. Juli 2015, Annex, Addis Ababa Action Agenda, Ziff. 51. 106
§ 4 Leitdefinition im Wandel
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ODA-Definition drängt dennoch die Frage nach Alternativen auf. Eine Möglichkeit wäre die Festlegung nationaler Definitionen. Entsprechende Bestrebungen gab es beispielsweise in Großbritannien.108 Eine Definition der Entwicklungszusammenarbeit, die grundlegend von der des OECD-DAC abweicht, würde jedoch die Bestrebungen einer größtmöglichen Transparenz in der Entwicklungszusammenarbeit unterlaufen.109 ODA hat gerade nicht nur die Aufgabe, die internationalen Entwicklungsleistungen zu quantifizieren, sondern trägt darüber hinaus zu einem einheitlichen Verständnis bei. Statt einzelnen nationalen Definitionen sollte deshalb die Konzentration darauf gerichtet werden, die Reporting Directives stetig weiterzuentwickeln und zu fördern. Ein wichtiger Ansatz in diesem Zusammenhang ist die Erfassung des Anteils der CPA an der ODA. Die Erfassung der CPA stellt die wichtigste alternative Messweise zur Bestimmung öffentlicher Entwicklungsleistungen dar.110 Unter CPA wird der Anteil der ODA verstanden, den die Empfängerstaaten tatsächlich zur Verfügung gestellt bekommen. Es werden ausschließlich die Leistungen erfasst, die ein grenzüberschreitendes Element aufweisen und auf die die Empfängerstaaten, zumindest zu einem gewissen Grad, Einfluss nehmen können.111 CPA definiert sich mithin insbesondere über die Leistungen, die sie nicht erfasst. Sie berücksichtigt im Gegensatz zur ODA keine Leistungen, die nicht vorhersehbar sind, z. B. humanitäre Hilfe und Schuldenerlasse, und keine Kosten, die ausschließlich im Geberstaat anfallen, beispielsweise Kosten für die Versorgung von Geflüchteten oder administrative Kosten. Zudem werden Leistungen, die zwischen den Entwicklungspartnern nicht diskutiert werden, beispielsweise Nahrungsmittelhilfen, nicht erfasst.112 Der Ansatz der CPA adressiert dadurch zentrale Kritikpunkte der ODA und führt zu einer zusätzlichen Transparenz.113 Der Anteil der CPA an der ODA wird auch in den Development Co-operation Reports erfasst und wird somit ebenso wie die ODAQuote in transparenter Weise bestimmt.114 108
Conservative and Unionist Party, Forward, Together: Our Plan for a Stronger Britain and a Prosperous Future, 2017, S. 39. 109 OECD, Submission to the UK International Development Committee: In response to Select Committee Announcement No. 10 of 3 November 2017, http://data.parliament.uk/writte nevidence/committeeevidence.svc/evidencedocument/international-development-committee/de finition-and-administration-of-oda/written/76170.html (letzter Zugriff: 09. 05. 2022). 110 Bohnet/Klingebiel/Marschall, Die Struktur der deutschen öffentlichen Entwicklungszusammenarbeit, D. I. E. Discussion Paper No. 15, 2018, S. 23. 111 OECD, Country Programmable Aid (CPA): Frequently Asked Questions, https://www. oecd.org/dac/aid-architecture/countryprogrammableaidcpafrequently askedquestions.htm (letzter Zugriff: 09. 05. 2022). 112 Benn/Rogerson/Steensen, Getting closer to the Core – measuring Country Programmable Aid, OECD Development Brief Issue 1, 2010, S. 1. 113 Klingebiel, Multilaterale Entwicklungszusammenarbeit, ZfAS 7 (2014), S. 33 (43). 114 2019 hat der Anteil der CPA an den deutschen ODA-Leistungen 41,8 % ausgemacht. Damit lag Deutschland unter dem Durchschnitt der OECD-DAC-Mitgliedstaaten von 48 %, OECD, Development Co-operation Profiles 2020 – Germany, https://doi.org/10.1787/0079f63
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Teil 3: Der Begriff der Entwicklungszusammenarbeit
§ 5 Fazit Die Untersuchungen haben gezeigt, dass die ODA-Definition die zentrale Leitdefinition der staatlichen Entwicklungszusammenarbeit ist. Sie trägt zu einem einheitlichen Verständnis und dadurch zu einer stärkeren Transparenz bei. In Deutschland hat die ODA-Definition über das jährliche Bundeshaushaltsgesetz eine rechtliche Dimension erfahren. Seit dem Jahr 2017 verpflichtet der Einzelplan 23 durch einen Haushaltsvermerk das BMZ jeweils umfassend dazu, die zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel ODA-wirksam zu verwenden. Diese Orientierung an der ODA-Definition führt dazu, dass der Ermessensspielraum bezüglich der Entwicklungsprojekte und der Empfängerstaaten eingeschränkt wird. Eine Verrechtlichung der ODA-Definition führt aber lediglich zu einer ersten Beschränkung des Auswahlermessens. Aufgrund ihrer Weite nimmt sie keine grundlegende Steuerungsfunktion ein. Dementsprechend ist der Einfluss der ODADefinition auf die Stringenz der Entwicklungszusammenarbeit begrenzt. Durch den Ausschluss bestimmter Leistungen, beispielsweise militärischer Art, ist sie dennoch geeignet, gewisse Kursänderungen zu verhindern.Zudem trägt sie, wenn sie als Handlungsauftrag ausgestaltet wird, zu einer Objektivierung der Entscheidungsprozesse bei. Ob eine geplante Maßnahme mit den für die Entwicklungszusammenarbeit bereitgestellten Haushaltsmitteln gefördert werden darf, hängt, wenn die Definition als Maßstab verwendet wird, nicht von der subjektiven Auffassung der zuständigen Entscheidungsträger ab, sondern richtet sich nach den Vorgaben der Reporting Directives. Fraglich ist, ob eine gesetzliche Normierung der ODA-Definition in Form eines deutschen Entwicklungsgesetzes einen Mehrwert im Vergleich zur bestehenden Regelung durch Haushaltsvermerke mit sich bringen würde. Aus den Vergleichsgesetzen lassen sich zwei zentrale Qualitätsmerkmale ableiten, damit die Definition eine Lenkungswirkung in Bezug auf die Kohärenz entfaltet. Zunächst ist darauf zu achten, dass die entsprechenden Normen derart offen formuliert werden, dass sie die fortlaufende Entwicklung der Reporting Directives erfassen. Vor allem sollte die Definition aber nicht als Beschränkung des Anwendungsbereichs eines möglichen Gesetzes fungieren, sondern als Auftrag an den Normadressaten formuliert werden, die für die Entwicklungszusammenarbeit zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel ODA-effizient zu verwenden. Ein Beispiel für diese Form der Regelung stellt das spanische Entwicklungsgesetz dar. Es kombiniert eine weite Definition der Entwicklungszusammenarbeit, die auch Maßnahmen erfasst, die nicht zwingend als ODA angerechnet werden können, und verpflichtet die Normadressaten dazu, die Entwicklungszusammenarbeit derart auszugestalten, dass es den Voraussetzungen
6-en (letzter Zugriff: 09. 05. 2022). Im Vergleich dazu lag der Anteil der CPA an den deutschen ODA-Leistungen 2016 noch bei lediglich 38 %, OECD, Development Co-operation Report 2018, 2018, S. 323.
§ 5 Fazit
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der Reporting Directives entspricht. Nur so erfährt die ODA-Definition durch die Entwicklungsgesetze eine rechtsverbindliche ermessensbeschränkende Funktion. Die bestehende Regelungsform Deutschlands erfüllt diese Anforderungen im Wesentlichen. Sie verpflichtet das BMZ in rechtsverbindlicher Weise abstrakt zu einer ODA-wirksamen Verwendung der Haushaltsmittel. Damit ist diese Verpflichtung sowohl unabhängig von Veränderungen in den Reporting Directives als auch als Auftrag formuliert. Schwächen weist die bestehende Regelungsform jedoch in Bezug auf das festgelegte Kohärenzkriterium der Langfristigkeit auf. Da die Bundeshaushaltspläne nur für das jeweilige Haushaltsjahr erlassen werden, dienen die Haushaltsvermerke nicht einer langfristigen Steuerung. Im Vergleich dazu könnte ein Entwicklungsgesetz als starres Steuerungsinstrument eine langfristige Ausrichtung an der ODA-Definition sicherstellen. Im Umkehrschluss würde dies jedoch auch bedeuten, dass die deutsche Entwicklungszusammenarbeit noch stärker an die „Zwangsjacke“115 der ODA-Definition gebunden wäre und sich einer gewissen Flexibilität berauben würde. Unter Berücksichtigung der dargestellten Kritik an der Definition stellt dies ein gewichtiges Argument gegen eine gesetzliche Normierung in Form eines Entwicklungsgesetzes dar. Es ist aber zu berücksichtigen, dass die Kritik vor allem gegen die Weite der Definition gerichtet ist. Auch unter Berücksichtigung der Vorgaben der Reporting Directives verbleibt den deutschen Entscheidungsträgern ein umfassender Handlungsspielraum, um auf die verschiedenen Anforderungen der unterschiedlichen staatlichen Entwicklungsprozesse reagieren zu können. Die ODA-Definition würde lediglich die äußere Grenze dessen definieren, wofür die Haushaltsmittel, die für die Entwicklungszusammenarbeit zur Verfügung gestellt werden, aufgewendet werden dürfen. Dadurch würde sichergestellt werden, dass Maßnahmen, die keinen inneren Zusammenhang zu den übergeordneten Zielen der Entwicklungszusammenarbeit aufweisen, von der Förderung ausgeschlossen sind. Zudem ist Deutschland als Mitgliedstaat des OECD-DAC unmittelbar an der Weiterentwicklung der Reporting Directives beteiligt. Die Bundesrepublik würde sich mithin nicht einem Verständnis der Entwicklungszusammenarbeit unterwerfen, auf das es keinen Einfluss nehmen kann. Es ist deshalb zu erwarten, dass die mit einer langfristigen Ausrichtung an der ODA-Definition verbundenen Vorteile in Bezug auf die Kohärenz der Entwicklungszusammenarbeit, die mit den dadurch entstehenden Beschränkungen des Ermessensspielraums verbundenen Nachteile überwiegen würden. Aus dem in dieser Untersuchung gewählten Blickwinkel der Kohärenz sollte ein mögliches Entwicklungsgesetz mithin eine, als Handlungsauftrag ausgestaltete, gesetzliche Normierung der ODA-Definition, die Deutschland langfristig an deren Vorgaben bindet, enthalten.
115 Als solche bezeichnet in Maihold, Entwicklungszusammenarbeit am Scheideweg, in: Sangmeister/Wagner (Hrsg.), Die Entwicklungszusammenarbeit der Zukunft, 2019, S. 17 (27).
Teil 4
Pflicht zur Entwicklungszusammenarbeit Seit der Entstehung der modernen völkerrechtlichen Ordnung nach dem Zweiten Weltkrieg und der damit einhergehenden schrittweisen Entlassung der ehemaligen Kolonien in die Souveränität versucht die Staatengemeinschaft mithilfe des Völkerrechts eine gerechtere Welt zu schaffen. Mit dem Völkerrecht verbinden viele Staaten auch ein wirtschaftliches Gerechtigkeitsversprechen, das sich in einer Vielzahl von Resolutionen der Vereinten Nationen widerspiegelt.1 Die Entwicklungsländer nutzten ihre durch den Prozess der Dekolonialisierung entstandene Mehrheit in der Staatengemeinschaft insbesondere in den 1960er und 1970er-Jahren, um Resolutionen der UN-Generalversammlung zu verabschieden, die eine wirtschaftlich gerechtere Welt zum Ziel hatten.2 Die 1960er-Jahre wurden durch die UNGeneralversammlung zur ersten Entwicklungsdekade erklärt.3 Das Völkerrecht und die Vereinten Nationen im Speziellen sollten zu einem Forum und Hebel für eine gerechtere Welt werden.4 Vor allem die Entwicklungsländer strebten nach einer „New International Economic Order based on equity, sovereign equality, interdependence, common interest and cooperation among all States, irrespective of their economic and social systems which shall correct inequalities and redress existing injustices, make it possible to eliminate the widening gap between the developed and the developing countries and ensure steadily accelerating economic and social development and peace and justice for present and future generations […].“5
Die rechtliche Bedeutung dieser Bestrebungen ist bis heute nicht abschließend geklärt. Die verabschiedeten Resolutionen sind rechtlich nicht bindend und regelmäßig gegen die Stimmen wichtiger Geberstaaten zustande gekommen.6 Die Frage, 1
Pahuja, Decolonising International Law, 2013, S. 254. Ihne/Wilhelm, Grundlagen der Entwicklungspolitik, in: Ihne/Wilhelm (Hrsg.), Einführung in die Entwicklungspolitik, 2013, S. 5 (14 – 15); Krajewski, Wirtschaftsvölkerrecht, 2021, S. 280. 3 G. A., Res. 1710 (XVI) vom 19. Dezember 1961, United Nations Development Decade – A programme for international economic co-operation (I). 4 Mahiou, Development, International Law of (Updated 03/2013), www.mpepil.com (letzter Zugriff: 09. 05. 2022), Rn. 2. 5 G. A., Res. 3201 (S-VI) vom 1. Mai 1974, Declaration on the Establishment of a new International Economic Order, 3. Abs. 6 So stimmten beispielsweise mit den USA, Großbritannien, der Bundesrepublik Deutschland, Belgien, Luxemburg und Dänemark sechs Staaten gegen die Charta der wirtschaftlichen Rechte und Pflichten der Staaten und mit Österreich, Kanada, Frankreich, Irland, 2
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ob das Völkerrecht eine Pflicht zur Entwicklungszusammenarbeit beinhaltet, ist deshalb bis heute umstritten. Die Entwicklungszusammenarbeit ist eine Form der Leistungsverwaltung. Notwendige Handlungsvoraussetzung für die zuständigen Ministerien sind zur Verfügung stehende Haushaltsmittel, die für Entwicklungsmaßnahmen verwendet werden können. Eine Leistungspflicht, insbesondere wenn diese mit einem Mindestumfang verbunden ist, würde zu einer erhöhten Planungssicherheit beitragen und eine langfristige Konzipierung der Entwicklungszusammenarbeit ermöglichen. Nachfolgend wird zunächst untersucht, wie Deutschland seine Leistungsbeziehungen in der Entwicklungszusammenarbeit vertraglich ausgestaltet, und ob es sich in diesem Zusammenhang zu langfristigen Leistungen verpflichtet. In einem zweiten Schritt wird geprüft, ob dem Völker- oder Europarecht darüberhinausgehende abstrakte Leistungspflichten entnommen werden können. Dabei wird zwischen einer Pflicht der Industriestaaten im Allgemeinen und einer Pflicht Deutschlands im Besonderen differenziert. Abschließend wird untersucht, ob die Vergleichsstaaten in ihren Entwicklungsgesetzen Leistungspflichten begründet haben. In der rechtswissenschaftlichen Debatte wird zwischen einer Leistungspflicht zur Entwicklungszusammenarbeit und einer Pflicht zur Hilfe bei humanitären Katastrophen differenziert.7 Während Erstere der nachhaltigen Entwicklung des Empfängers dient, stellt Letztere regelmäßig nur eine kurzfristige Unterstützung in Ausnahmesituationen dar. Dadurch beruhen die Leistungen auf unterschiedlichen Begründungen und könnten auf unterschiedliche Rechtsgrundlagen gestützt werden.8 Diese Arbeit trifft deshalb keine Aussage darüber, ob eine rechtliche Pflicht zur humanitären Hilfe existiert.
§ 1 Bestehende Leistungsbeziehungen Deutschlands Der Umfang der ODA ist Gegenstand fortlaufender Diskussionen in Deutschland. Wiederholt hat sich die Bundesrepublik zu dem Ziel, 0,7 % des BIP für die Ent-
Israel, Italien, Japan, Niederlande, Norwegen und Spanien enthielten sich weitere wichtige Staaten der Stimme, siehe Tomuschat, Die Charta der wirtschaftlichen Rechte und Pflichten der Staaten, ZaöRV 36 (1976), S. 444 (444); G. A., Res. 3281 (XXIX) vom 12. Dezember 1974, Charter of Economic Rights and Duties of States. 7 Krajewski, Wirtschaftsvölkerrecht, 2021, S. 281; Vukas, Humanitarian Assistance in Cases of Emergency (Updated 03/2013), www.mpepil.com (letzter Zugriff: 09. 05. 2022), Rn. 7. 8 Wagner, Menschenrechte in der Entwicklungspolitik, 2017, S. 88. Für eine Übersicht der in Betracht kommenden Rechtsgrundlagen einer möglichen rechtlichen Pflicht zur humanitären Hilfe am Beispiel von Naturkatastrophen, die jedoch im Ergebnis abgelehnt wird, Matz-Lück, Solidarität, Souveränität und Völkerrecht, in: Hestermeyer/König/Matz-Lück/Röben/SeibertFohr/Stoll/Vöneky (Hrsg.), Coexistence, Cooperation and Solidarity, 2012, S. 141.
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wicklungszusammenarbeit aufzuwenden, bekannt.9 2016 hat Deutschland dieses Ziel erstmals erreicht. Wesentlich dazu beigetragen hatte ein erheblicher Anstieg der Kosten für die Versorgung von Geflüchteten aus den Empfängerstaaten, die als ODA anrechenbar waren.10 Bereits im Folgejahr sank die ODA-Quote wieder auf 0,66 % des BIP.11 2019 lag die ODA-Quote nur noch bei 0,60 %, 2020 stieg sie dagegen wieder auf 0,73 %.12 Trotz dieser Schwankungen stellt die nachhaltige Steigerung des Entwicklungsetats weiterhin ein offizielles politisches Ziel dar. Im Koalitionsvertrag der damaligen Bundesregierung aus CDU, CSU und SPD aus dem Jahr 2017 wurden „mehr Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit, zivile Krisenprävention, humanitäre Hilfe, Verteidigung und Bundeswehr [gefordert] – zusätzliche finanzielle Mittel für diese Bereiche sollen im Verhältnis 1:1 prioritär erhöht werden“.13 Im Koalitionsvertrag der derzeitigen Bundesregierung aus SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP wird dieses Versprechen noch konkreter formuliert und zugesagt, dass „eine ODA-Quote von mindestens 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens (BNE)“ eingehalten werden soll.14 Ein Koalitionsvertrag begründet jedoch keine rechtsverbindliche Verpflichtung zur Erhöhung des Entwicklungsetats.15 Leistungspflichten begründet Deutschland für die Entwicklungszusammenarbeit grundsätzlich nur durch bilaterale völkerrechtliche Verträge mit einzelnen Entwicklungspartnern. Diese Verträge werden nachfolgend auf ihre inhaltliche Ausgestaltung und die Leistungspflichten, die sie begründen, untersucht.
9
Ausdrücklich diesbezüglich beispielsweise Merkel, Rede von Bundeskanzlerin Merkel bei der Eröffnung des UN-Gipfels zur Verabschiedung der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung am 25. September 2015, https://www.bundesregierung.de/breg-de/aktuelles/redevon-bundeskanzlerin-merkel-bei-der-eroeffnung-des-un-gipfels-zur-verabschiedung-der-agen da-2030-fuer-nachhaltige-entwicklung-am-25-september-2015-321140 (letzter Zugriff: 09. 05. 2022). Auf der Ebene der Europäischen Union hatte sich Deutschland gemeinschaftlich mit den anderen Mitgliedstaaten im Jahr 2005 in einem Stufenplan politisch dazu verpflichtet, dieses Ziel bis zum Jahr 2015 zu erreichen, Europäischer Rat, Schlussfolgerungen des Vorsitzes, Dok 10244/1/05 Rev. 1 vom 15. Juli 2005, Rn. 27. 10 BMZ, Deutsche ODA-Quote verharrt bei 0,51 Prozent ohne Inlands-Flüchtlingskosten, 2019, https://www.bmz.de/de/aktuelles/archiv-aktuelle-meldungen/deutsche-oda-quote-2018stagniert-86926, 2019 2019 (letzter Zugriff: 09. 05. 2022). 11 OECD, Development Co-operation Report 2018, 2018, S. 323. 12 OECD, Development Co-operation Report 2021, 2021, S. 407; OECD, Development Cooperation Profiles 2021 – Germany, https://doi.org/10.1787 /0079f636-en (letzter Zugriff: 09. 05. 2022). 13 CDU/CSU/SPD, Koalitionsvertrag der 19. Wahlperiode des Bundestages – 2017, S. 17. 14 SPD/Bündnis 90/Die Grünen, FDP, Koalitionsvertrag der 20. Wahlperiode des Bundestages – 2021, S. 119. 15 Hermes, Art. 63, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, 2015, Rn. 15; Gräfin von Schlieffen, Koalitionsvereinbarungen und Koalitionsgremien, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Band III, 2005, S. 683 (696 – 697).
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A. Die bilaterale Entwicklungszusammenarbeit Die bilaterale Entwicklungszusammenarbeit der Bundesrepublik ist seit jeher geprägt durch eine starke Streuung der Empfängerstaaten.16 Zeitweise haben 140 Staaten Leistungen aus Deutschland erhalten.17 Die Vielzahl der Empfängerstaaten wurde in der Vergangenheit wiederholt durch das OECD-DAC gerügt.18 Kritisiert wurde, dass die Bundesrepublik auf diese Weise nur begrenzt Einfluss auf einzelne Staaten nehmen und deshalb nicht ausreichend zu einer nachhaltigen Entwicklung beitragen könne. Deutschland und die Geberstaaten im Allgemeinen sind stattdessen dazu angehalten, ihre Leistungen stärker zu konzentrieren. Deutschland ist dieser Aufforderung nachgekommen. Das BMZ arbeitet in der Entwicklungszusammenarbeit mit 85 Staaten direkt zusammen.19 2019 fokussierte sich die bilaterale Entwicklungszusammenarbeit Deutschlands vor allem auf asiatische und afrikanische Empfängerstaaten, die 24,7 % bzw. 17,6 % der bilateralen ODA Deutschlands erhalten haben.20 Trotz der Reduzierung der Partnerstaaten bleibt die deutsche Entwicklungszusammenarbeit aber in allen Entwicklungsregionen dieser Erde in erheblichem Maße engagiert und sichtbar.21 Anfang 2020 wurde das Reformkonzept BMZ 2030 Umdenken – Umsteuern vorgestellt, das einen begonnen Reformprozess des BMZ beschreibt, der zu einer grundlegenden Neuausrichtung der deutschen Entwicklungszusammenarbeit beitragen soll. Im Rahmen dieses Reformprozesses soll die Zahl der Staaten, die Deutschland in der Entwicklungszusammenarbeit direkt unterstützt, auf 60 Staaten weiter reduziert werden.22 Der Fokus der deutschen Entwicklungszusammenarbeit lag lange Zeit auf sogenannten Ankerländern. Dabei handelt es sich nicht um eine feststehende Ländergruppe, sondern „beschreibt den Charakter einzelner Entwicklungsländer aus der Sicht der deutschen Entwicklungszusammenarbeit“.23 Der Begriff der Ankerländer erfasst die Entwicklungsländer, die aufgrund ihres wirtschaftlichen Gewichts und politischen Einflusses von besonderer Bedeutung für die politische und wirt-
16 Athenstaedt, Die Kompetenzverteilung in der deutschen staatlichen Entwicklungszusammenarbeit, 2011, S. 8. 17 OECD, OECD Development Co-operation Peer Reviews: Germany 2010, S. 51. 18 OECD, OECD Development Co-operation Peer Reviews: Germany 2010, S. 17. 2015 hat das OECD-DAC zwar eine deutliche Reduktion der Partnerländer festgestellt, jedoch noch immer keine hinreichende Konzentration der Leistungen, OECD, OECD Development Cooperation Peer Reviews: Germany 2015, S. 17. 19 BMZ, BMZ 2030 Umdenken – Umsteuern, 2020, S. 6. 20 OECD, Development Co-operation Profiles 2021 – Germany, https://doi.org/10.1787/ 0079f636-en (letzter Zugriff: 09. 05. 2022). 21 OECD, Development Co-operation Profiles 2021 – Germany, https://doi.org/10.1787/ 0079f636-en (letzter Zugriff: 09. 05. 2022). 22 BMZ, BMZ 2030 Umdenken – Umsteuern, 2020, S. 6. 23 BMZ, Medienhandbuch Entwicklungspolitik 2008/2009, S. 448.
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schaftliche Stabilität in ihren Regionen sind.24 Ausdrücklich als Ankerländer wurden China, Indien, Indonesien, Pakistan, Ägypten, Nigeria, Südafrika, Brasilien und Mexiko bezeichnet.25 Mit Ägypten, China, Indien und Mexiko waren 2019 vier dieser Staaten unter den zehn größten Leistungsempfängern deutscher ODA.26 Mittlerweile wird der Fokus gleichwohl zunehmend auf sogenannte Reformchampions gelenkt.27 Dies sind Staaten, die besonders große Anstrengungen für eine nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung unternehmen. In diesen Staaten ist davon auszugehen, dass die Maßnahmen der Entwicklungszusammenarbeit regelmäßig besonders effektiv umgesetzt werden und sich zeitnah Erfolge nachweisen lassen. Kritisiert wird, dass durch diese Ansätze die LDCs regelmäßig nicht ausreichend berücksichtigt werden.28 Die Geberstaaten haben sich darauf verständigt, 0,2 % des BIP für die Entwicklungszusammenarbeit mit den am wenigsten entwickelten Staaten der Welt zur Verfügung zu stellen.29 Deutschland hat dieses Ziel im Jahr 2019 deutlich verfehlt.30 Es wird aber weiterhin angestrebt, das 0,2 %-Ziel „im Zeitraum der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung zu erreichen“.31 Die Bundesregierung hat sich dementsprechend im Koalitionsvertrag dazu bekannt, „0,2 Prozent des BNE für die ärmsten Länder des Globalen Südens (LDC) einzusetzen“.32 Inhaltlich wird die bilaterale Entwicklungszusammenarbeit insbesondere durch die Leitlinien für die bilaterale finanzielle und technische Zusammenarbeit mit Kooperationspartnern der deutschen Entwicklungszusammenarbeit gesteuert. Wie sich bereits aus dem Titel ergibt, wird dabei zwischen der finanziellen und der technischen Zusammenarbeit differenziert.33 Die Ausgestaltung der Zusammen24 BMZ, Medienhandbuch Entwicklungspolitik 2008/2009, S. 448; Kevenhörster, Entwicklungshilfe auf dem Prüfstand, 2014, S. 281. 25 BMZ, Medienhandbuch Entwicklungspolitik 2008/2009, S. 448. 26 OECD, Development Co-operation Report 2021, 2021, S. 407. 27 BMZ, BMZ 2030 Umdenken – Umsteuern, 2020, S. 6. Der ehemalige deutsche Entwicklungsminister Gerd Müller behielt sich beispielsweise ausdrücklich vor, die Zusammenarbeit mit Staaten zu beenden, die keinen ausreichenden Reformwillen aufweisen, siehe Dörries, „Ohne Reformwillen keine Zusammenarbeit“ – Interview mit Entwicklungshilfeminister Gerd Müller, SZ, 6. September 2018. 28 BT-Drucks. 19/3134 vom 02. 07. 2018, S. 2. 29 UN, Monterrey Consensus, A/CONF.198/11, 2002, Ziff. 42; OECD, DAC High Level Communiqué: 31 October 2017, Ziff. 9. 30 2019 gingen nur 12,8 % der bilateralen deutschen ODA an die LDCs. Deutschland liegt damit deutlich unter dem Durchschnitt der OECD-DAC-Mitgliedstaaten, die im Schnitt 23,8 % der bilateralen ODA an die LDCs vergeben, OECD, Development Co-operation Profiles 2021 – Germany, https://doi.org/10.1787/0079f636-en (letzter Zugriff: 09. 05. 2022). 31 BT-Drucks. 19/20436 vom 26. 06. 2020, S. 10. 32 SPD/Bündnis 90/Die Grünen, FDP, Koalitionsvertrag der 20. Wahlperiode des Bundestages – 2021, S. 119. 33 Siehe dazu bereits oben, Teil 2, § 3, B. Kritisch zu der in Deutschland üblichen Unterscheidung zwischen finanzieller und technischer Zusammenarbeit, OECD, OECD Development Co-operation Peer Reviews: Germany 2010, S. 19.
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arbeit erfolgt über bilaterale Verträge. Auch in diesen Verträgen spiegelt sich die Zweiteilung der deutschen Entwicklungszusammenarbeit wider. Die technische Zusammenarbeit weist eine im Vergleich zur finanziellen Zusammenarbeit vereinfachte Vertragsstruktur auf. Im Folgenden werden deshalb sowohl die Vertragsstrukturen der finanziellen als auch der technischen Zusammenarbeit dargestellt.
I. Vertragliche Ausgestaltung der finanziellen Zusammenarbeit Die bilaterale Entwicklungszusammenarbeit erfolgt im Bereich der finanziellen Zusammenarbeit vornehmlich durch die Förderung einzelner Projekte. Die vertragliche Ausgestaltung der Zusammenarbeit unterteilt sich dabei in drei Schritte. Zunächst wird dem jeweiligen Empfängerstaat „entweder bei Regierungsverhandlungen oder durch offizielle Mitteilung die Förderung geeigneter Entwicklungsmaßnahmen“ in Aussicht gestellt.34 Diese Vereinbarungen begründen noch keine völkerrechtlichen Ansprüche der Empfängerstaaten, sondern stehen „unter dem Vorbehalt des Abschlusses einer völkerrechtlichen Übereinkunft“ und „eines positiven Prüfungsergebnisses durch die Durchführungsorganisationen“.35 Die Vereinbarungen dienen der Abstimmung der gemeinsamen Ziele, die mit der Zusammenarbeit verfolgt werden, und legen im Regelfall bereits das Gesamtvolumen der verschiedenen Projekte für einen bestimmten Zeitraum fest. Während der bilateralen Zusammenarbeit finden entsprechende Regierungsverhandlungen im Regelfall in einem Abstand von ca. zwei Jahren statt.36 Sie geben den Partnern die Möglichkeit, die Zusammenarbeit an sich verändernde Umstände anzupassen und aufeinander abzustimmen. In Protokollen zu diesen Regierungsverhandlungen verpflichten sich die Empfängerstaaten zudem regelmäßig zu „Rechenschaft und Integrität, zur Gewährleistung von Transparenz sowie dem Ausschluss korrupter Praktiken bei der Verwendung öffentlicher Mittel“.37 In einem zweiten Schritt werden dann entsprechende völkerrechtliche Abkommen über konkrete Entwicklungsprojekte geschlossen. Diese Übereinkünfte richten sich nach Mustertexten und beschränken sich in ihrem Inhalt insbesondere auf „Zielsetzung, Verwendungszweck und Umfang des deutschen Beitrags sowie die Leistungen des Kooperationspartners einschließlich der Steuer- und Abgabenfreiheit der Durchführungsorganisationen“.38 Diese bilateralen Verträge weisen dement34 BMZ, Leitlinien für die bilaterale finanzielle und technische Zusammenarbeit mit Kooperationspartnern der deutschen Entwicklungszusammenarbeit, BMZ Konzepte 165, S. 21. 35 BMZ, Leitlinien für die bilaterale finanzielle und technische Zusammenarbeit mit Kooperationspartnern der deutschen Entwicklungszusammenarbeit, BMZ Konzepte 165, S. 21. 36 BMZ, Der direkte Weg zum Partner, https://www.bmz.de/de/ministerium/arbeitsweise/bi laterale-entwicklungszusammenarbeit-19654 (letzter Zugriff: 09. 05. 2022). 37 BT-Drucks. 19/1086 vom 06. 03. 2018, S. 3. 38 BMZ, Leitlinien für die bilaterale finanzielle und technische Zusammenarbeit mit Kooperationspartnern der deutschen Entwicklungszusammenarbeit, BMZ Konzepte 165, S. 22.
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sprechend eine einheitliche Struktur auf,39 die seit den Anfängen der deutschen Entwicklungszusammenarbeit keine wesentlichen Änderungen erfahren hat.40 In Art. 1 des jeweiligen Vertrages werden der Leistungsumfang und das Projekt definiert. Art. 2 Abs. 1 besagt jeweils, dass die Bedingungen, unter denen der in Art. 1 genannte Betrag zur Verfügung gestellt wird, durch einen, sich nach deutschem Recht richtenden, zivilrechtlichen Vertrag zwischen dem Empfängerstaat und der KfW näher geregelt werden. Art. 2 Abs. 2 bestimmt die Frist, innerhalb derer die Empfängerstaaten den Finanzierungsvertrag mit der KfW geschlossen haben müssen. Verstreicht diese Frist, entfällt die Finanzierungszusage. Abschließend enthält Art. 2 eine Verpflichtung des Empfängerstaates, dass dieser, soweit er nicht „Empfänger der Finanzierungsbeiträge ist, […] etwaige Rückzahlungsansprüche, die aufgrund der nach Absatz 1 zu schließenden Finanzierungsverträge entstehen können, gegenüber der KfW“ garantiert. Art. 3 regelt eine Freistellung der KfW von sämtlichen Abgaben und Steuern, die im Zusammenhang mit dem Finanzierungsvertrag im Empfängerstaat erhoben werden. Gem. Art. 4 verpflichtet sich der Empfängerstaat zudem „bei den sich aus der Gewährung der Finanzierungsbeiträge ergebenden Transporten von Personen und Gütern im See-, Land- und Luftverkehr den Passagieren und Lieferanten die freie Wahl der Verkehrsunternehmen“ zu überlassen und „keine Maßnahmen [zu treffen], welche die gleichberechtige Beteiligung der Verkehrsunternehmen mit Sitz in der Bundesrepublik Deutschland ausschließen oder erschweren“. Art. 5 regelt abschließend den Zeitpunkt des Inkrafttretens des Abkommens. Den dritten Schritt der vertraglichen Ausgestaltung der bilateralen finanziellen Zusammenarbeit stellt der gem. Art. 2 Abs. 1 der bilateralen völkerrechtlichen Verträge zu schließende Vertrag zwischen dem jeweiligen Empfängerstaat und der KfW dar. Diese Verträge werden als Durchführungsvereinbarungen bezeichnet. Es handelt sich um Kreditverträge, die den in der Bundesrepublik Deutschland gel39 Statt aller: Abkommen zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Republik Mosambik über Finanzielle Zusammenarbeit, BGBl. II, Nr. 3 vom 25. Januar 2022, S. 55; Abkommen zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Republik Ruanda über Finanzielle Zusammenarbeit, BGBl. II, Nr. 5 vom 02. 04. 2020, S. 203; Abkommen zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Republik Namibia über Finanzielle Zusammenarbeit, BGBl. II, Nr. 23 vom 30. 11. 2018, S. 583. Von dieser Grundstruktur wird in Einzelfällen abgewichen, um Einzelfallregelungen zu treffen. Die Verträge können beispielsweise Fristen enthalten, bis zu denen ein bestimmtes Projekt abgeschlossen sein muss, wenn der Anspruch auf die finanziellen Mittel nicht verfallen soll, siehe Art. 2, Abs. 3 des Abkommen zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Republik Malawi über Finanzielle Zusammenarbeit, BGBl. II, Nr. 5 vom 20. Februar 2017, S. 163. 40 Statt aller: Abkommen zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Tunesischen Republik über finanzielle Zusammenarbeit, BGBl. II, Nr. 36 vom 20. Juni 1972, S. 647; Abkommen zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung des Königreichs Marokko über finanzielle Zusammenarbeit, BGBl. II, Nr. 50 vom 17. August 1972, S. 871.
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tenden Rechtsvorschriften unterliegen.41 Die Kreditverträge werden nicht veröffentlicht. Sie richten sich aber nach einem einheitlichen Muster, das mit der Bundesregierung abgestimmt ist, und regeln die Konditionen, zu denen die finanziellen Mittel zur Verfügung gestellt werden, die Rechtsfolgen einer missbräuchlichen Verwendung der ausgezahlten Beiträge42 sowie den „zeitlichen, organisatorischen und technischen Ablauf der Entwicklungsmaßnahme“.43 Zudem können die Verträge im Einzelfall Bestimmungen zu menschen- und umweltrechtlichen Fragen enthalten, die im direkten Zusammenhang mit den jeweiligen Projekten stehen. Bei einer Gesamtbetrachtung dieser drei Schritte, wird die niedrige Regelungsdichte und die kaum vorhandene Konditionalisierung der Leistungen deutlich. Auf den vertraglichen Ebenen werden ausschließlich projektbezogene Vorgaben gemacht. Der Partnerstaat muss sich nicht in rechtsverbindlicher Weise abstrakt zu einem bestimmten Handeln, beispielsweise in Fragen der Menschenrechte, des Umweltschutzes oder der Demokratieförderung, verpflichten.44 Dies steht u. a. im Gegensatz zur vertraglichen Ausgestaltung der Entwicklungszusammenarbeit der Europäischen Union, die in den jeweiligen Rahmenabkommen mit den Partnerstaaten bereits in Art. 1 Abs.1 lit. f) die Grundsätze der Demokratie und die Achtung der Menschenrechte zum wesentlichen Element der Zusammenarbeit erklärt. Ein Verstoß gegen diese Grundsätze stellt nach den Rahmenverträgen eine „erhebliche Verletzung des Abkommens“ dar.45 Darüber hinaus bekräftigen die Vertragsparteien innerhalb dieser Verträge ihren Willen, den Internationalen Strafgerichtshof zu unterstützen, sich für die Bekämpfung der Verbreitung von Massenvernichtungswaffen einzusetzen und im Kampf gegen den Terrorismus zusammenzuarbeiten. 41 BMZ, Leitlinien für die bilaterale finanzielle und technische Zusammenarbeit mit Kooperationspartnern der deutschen Entwicklungszusammenarbeit, BMZ Konzepte 165, S. 23. 42 Die finanziellen Mittel, die Deutschland für die bilaterale Entwicklungszusammenarbeit zur Verfügung stellt, werden grundsätzlich in Tranchen ausgezahlt und sind in ihrer Auszahlung an Fortschritte bei der Fertigstellung der Projekte gebunden. Die ausgezahlten Mittel dürfen ausschließlich für die vertraglich vereinbarten Projekte genutzt werden. Eine missbräuchliche Verwendung der Beträge kann zu einer Einstellung der Auszahlung weiterer Tranchen führen. Als „schärfstes Schwert“ steht der KfW ein Recht zur sofortigen Rückforderung der ausgezahlten Beträge zu, wenn der Empfängerstaat in erheblicher Weise gegen die vertraglichen Pflichten verstoßen hat. Darüberhinausgehende Konsequenzen werden grundsätzlich vertraglich nicht geregelt und sind damit eine Frage des allgemeinen Völkerrechts. 43 BMZ, Leitlinien für die bilaterale finanzielle und technische Zusammenarbeit mit Kooperationspartnern der deutschen Entwicklungszusammenarbeit, BMZ Konzepte 165, S. 23. 44 Neumann, Die Förderung der Rule of Law in der Entwicklungszusammenarbeit, 2013, S. 194. 45 Statt aller: Rahmenabkommen über die Partnerschaft und Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Mongolei andererseits, BGBl. II, Nr. 1 vom 14. Januar 2016, S. 3; Rahmenübereinkommen über umfassende Partnerschaft und Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Indonesiens andererseits, BGBl. II, Nr. 20 vom 13. Juli 2016, S. 894; Rahmenabkommen über Partnerschaft und Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik der Philippinen andererseits, BGBl. II, Nr. 3 vom 13. Februar 2013, S. 114.
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Staaten, die in den Genuss von ODA durch die Europäische Union kommen wollen, müssen dementsprechend deutlich weitgehendere vertragliche Zugeständnisse machen, als dies in Bezug auf Deutschland der Fall ist. Die fehlende Konditionalisierung in den bilateralen Verträgen der finanziellen Zusammenarbeit Deutschlands bedeutet nicht, dass die deutsche Entwicklungszusammenarbeit frei von Bedingungen ist. So hat Deutschland z. B. 2012 zeitweise die Zusammenarbeit mit Ruanda aufgrund dessen Unterstützung der Rebellengruppe M23 im Kongo eingestellt.46 Ebenso wurde die bilaterale Entwicklungszusammenarbeit mit Nicaragua aufgrund wachsender Demokratiedefizite neu ausgerichtet47 und die Zusammenarbeit mit Myanmar aufgrund fortwährender Menschenrechtsverstöße auf Eis gelegt.48 Das BMZ behält sich vor, sich aus Staaten, die keinen ausreichenden Reformwillen zeigen, zurückzuziehen.49 Deutschland stellt also durchaus Anforderungen an die Empfängerstaaten. Diese werden jedoch nicht innerhalb der Verträge geregelt, sondern in den Regierungsverhandlungen artikuliert und führen bei fehlender Berücksichtigung zu einer Neuausrichtung, Unterbrechung oder Beendigung der Zusammenarbeit. Bezüglich der Leistungspflichten in der finanziellen Entwicklungszusammenarbeit wird deutlich, dass die Form der vertraglichen Ausgestaltung der Vermeidung abstrakter Leistungspflichten dient. Rechtsverbindliche Pflichten sollen stets nur für konkrete Projekte begründet werden. In den Regierungsvereinbarungen werden zwar langfristige Entwicklungsbeziehungen angestrebt, diese beruhen aber ausdrücklich nicht auf rechtlichen Verpflichtungen. So behält sich Deutschland eine größtmögliche Flexibilität vor.
II. Vertragliche Ausgestaltung der technischen Zusammenarbeit Die vertragliche Ausgestaltung der technischen Zusammenarbeit erfolgt im Vergleich zur finanziellen Zusammenarbeit in einem vereinfachten Verfahren. Zwischen dem jeweiligen Empfängerstaat und der Bundesrepublik Deutschland wird ein Abkommen geschlossen, das die Rahmenbedingungen der technischen Zu46 Johnson, Deutschland gibt gesperrtes Geld frei, 01. 02. 2013, http://www.taz.de/!5074 085/ (letzter Zugriff: 09. 05. 2022). 47 EntwicklungspolitikOnline, BMZ kürzt Entwicklungshilfe für Nicaragua, https://www. epo.de/index.php?option=com_content&view=article&id=8033:bmz-kuerzt-entwicklungshil fe-fuer-nicaragua&catid=99:topnews&Itemid=100028 (letzter Zugriff: 09. 05. 2022). 48 Schwarte, Mehr Entwicklungshilfe für weniger Länder, 29. 04. 2020, https://www.tages schau.de/inland/entwicklungshilfe-kriterien-101.html (letzter Zugriff: 09. 05. 2022). Die völkerrechtlich vereinbarten Zusagen an Myanmar werden noch eingehalten aber es wird darauf verzichtet neue Finanzierungszusagen zu tätigen, BT-Drucks. 19/21035 vom 13. 07. 2020, S. 5. 49 BMZ, BMZ 2030 Umdenken – Umsteuern, 2020, S. 6; Dörries, „Ohne Reformwillen keine Zusammenarbeit“ – Interview mit Entwicklungshilfeminister Gerd Müller, SZ, 6. September 2018.
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sammenarbeit festlegt.50 Diese basieren auf einem einheitlichen Muster und konkretisieren vornehmlich die Bereiche, die die technische Zusammenarbeit erfassen kann, die Pflichten, die der Empfängerstaat erfüllen muss, und die Rechte und Pflichten der eingesetzten Fachkräfte.51 Diese Abkommen werden zunächst jeweils für einen Zeitraum von fünf Jahren geschlossen und verlängern sich in der Folgezeigt um ein Jahr, sofern sie nicht mit einer Frist von drei Monaten vor Ablauf der Geltungsdauer von einer der jeweiligen Vertragsparteien gekündigt werden. Dadurch können sie über einen langen Zeitraum in Kraft bleiben. So beruht die technische Entwicklungszusammenarbeit mit Indien auf einem Rahmenabkommen von 197152 sowie zwei Änderungen dieses Abkommens aus dem Jahr 1979.53 Durch diese Rahmenabkommen werden, wie auch in der finanziellen Zusammenarbeit, noch keine Leistungspflichten Deutschlands begründet. In einem zweiten Schritt werden Übereinkünfte über konkrete Entwicklungsmaßnahmen der technischen Zusammenarbeit geschlossen. Diese werden aus „Gründen der Verwaltungsvereinfachung“ grundsätzlich nicht veröffentlicht.54 Auch in der technischen Zusammenarbeit wurde mithin ein mehrstufiges Vertragssystem gewählt. Auf der ersten Ebene, den Rahmenabkommen, wird das Ziel einer langfristigen Zusammenarbeit vereinbart, ohne konkrete Leistungspflichten zu begründen. Erst auf der zweiten Ebene werden dann Leistungspflichten begründet. Deutschland behält dadurch auch in der technischen Entwicklungszusammenarbeit eine weitgehende Flexibilität. Die Bundesrepublik hält sich nach Aussage des, damaligen Entwicklungsministers Gerd Müller, der dieses Amt bis Ende 2021 innehatte, offen, sich „aus Ländern zurück[zu]ziehen, die sich bei guter Regierungsführung, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Kampf gegen Korruption verschlechtern“, und die Entwicklungszusammenarbeit mit Staaten, bei denen „kein Reformwille vorhanden ist“,
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BMZ, Leitlinien für die bilaterale finanzielle und technische Zusammenarbeit mit Kooperationspartnern der deutschen Entwicklungszusammenarbeit, BMZ Konzepte 165, S. 22. 51 Statt aller: Abkommen zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Sozialistischen Republik Vietnam über Technische Zusammenarbeit, BGBl. II, Nr. 6 vom 27. April 2018, S. 147; Abkommen zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Argentinischen Republik über Technische Zusammenarbeit, BGBl. II, Nr. 11 vom 26. Juni 2018, S. 272. 52 Abkommen zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung von Indien über Technische Zusammenarbeit, BGBl. II, Nr. 75 vom 20. Dezember 1972, S. 1621. 53 BT-Drucks. 19/13976 vom 11. 10. 2019, S. 4; Vereinbarung zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung von Indien über die Änderung des Abkommens über Technische Zusammenarbeit, BGBl. II, Nr. 39 vom 6. September 1979, S. 972. 54 BMZ, Leitlinien für die bilaterale finanzielle und technische Zusammenarbeit mit Kooperationspartnern der deutschen Entwicklungszusammenarbeit, BMZ Konzepte 165, S. 23.
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Teil 4: Pflicht zur Entwicklungszusammenarbeit
zu beenden.55 Die durch Deutschland gewählten Vertragsstrukturen ermöglichen es mithin, sowohl in der finanziellen als auch in der technischen Zusammenarbeit die ODA an Bedingungen zu knüpfen, ohne dass diese in den Verträgen ausdrücklich geregelt werden müssen.
B. Die multilaterale Entwicklungszusammenarbeit Die multilaterale Entwicklungszusammenarbeit wurde in der vorliegenden Untersuchung ausgeklammert. Dennoch soll an dieser Stelle kurz auf die Frage eingegangen werden, inwieweit Deutschland zu Beitragszahlungen gegenüber den in der Entwicklungszusammenarbeit tätigen multilateralen Organisationen verpflichtet ist. Beitragszahlungen an multilaterale Organisationen sind, soweit sie sich auf der geltenden OECD-DAC-Liste befinden, teilweise oder vollständig als ODA anrechenbar. Nachfolgend wird die vertragliche Ausgestaltung der Finanzierung dieser Organisationen am Beispiel der Weltbankengruppe und der Afrikanischen Entwicklungsbank dargestellt. Die Weltbank wurde 1944 in Bretton Woods gemeinsam mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) gegründet.56 Nach der Gründung standen zunächst der Wiederaufbau Europas und die Beseitigung der wirtschaftlichen Folgen des Zweiten Weltkrieges im Zentrum der Arbeit der Bank.57 Die Internationale Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (International Bank for Reconstruction and Development, IBRD)58 entsprach und entspricht bis heute in ihrer Arbeit maßgeblich einer klassischen Bank. Dies bedeutet insbesondere, dass sie ihre Kredite zu marktüblichen Konditionen vergibt und das operative Geschäft über Finanzgeschäfte am Kapitalmarkt finanziert.59 Das hat dazu geführt, dass es den Entwicklungsländern regelmäßig verwehrt bleibt, Leistungen der Bank in Anspruch zu nehmen. Die 55 Dörries, „Ohne Reformwillen keine Zusammenarbeit“ – Interview mit Entwicklungshilfeminister Gerd Müller, SZ, 6. September 2018. 56 Die Bundesrepublik Deutschland ist der IBRD am 14. August 1952 beigetreten, Gesetz über den Beitritt der Bundesrepublik Deutschland zu den Abkommen über den Internationalen Währungsfonds (International Monetary Fund) und über die Internationale Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (International Bank for Reconstruction and Development), BGBl. II, Nr. 13 vom 1. August 1952, S. 637. 57 Malone/Medhora, Development, in: Cogan/Hurd/Johnstone (Hrsg.), The Oxford Handbook of International Organizations, 2016, S. 405 (410). 58 Die Weltbankengruppe setzt sich aus der Internationalen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung, der Internationalen Entwicklungsorganisation (International Development Association, IDA), der Internationalen Finanz-Corporation (International Finance Corporation, IFC), der multilateralen Investitions-Garantie-Agentur (Multilateral Investment Guarantee Agency, MIGA) sowie dem Internationalen Zentrum für die Beilegung von Investitionsstreitigkeiten (International Centre for Settlement of Investment Disputes, ICSID) zusammen, siehe Ragazzi, World Bank Group (Updated 10/2017), www.mpepil.com (letzter Zugriff: 09. 05. 2022), Rn. 1. 59 Herdegen, Principles of International Economic Law, 2016, S. 532.
§ 1 Bestehende Leistungsbeziehungen Deutschlands
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Kredite werden vornehmlich an Staaten vergeben, die zur Kategorie der MiddleIncome-Countries gezählt werden und dementsprechend ausreichend kreditwürdig sind.60 Damit konnte das in Art. 1 Abs. 1 der Articles of Agreement61 genannte Ziel der IBRD, die „Förderung der Entwicklung von Produktionsanlagen und Hilfsquellen in weniger entwickelten Ländern“, nicht effektiv umgesetzt werden. Deshalb wurde 1960 die International Development Association (IDA) gegründet.62 Anders als die IBRD wird die IDA vornehmlich durch Beiträge der Mitgliedstaaten finanziert und kann so unabhängig von der Kreditwürdigkeit der Kreditnehmer Kredite vergeben.63 Sie ist damit innerhalb der Weltbankengruppe für die Entwicklungszusammenarbeit im Sinne der ODA zuständig und gewährt den ärmeren Mitgliedstaaten Kredite zu vorteilhaften Konditionen oder als Zuschüsse.64 Für die Frage, ob Deutschland zu Beitragszahlungen, die als ODA angerechnet werden können, verpflichtet ist, ist in Bezug auf die Weltbankengruppe somit vornehmlich die rechtliche Ausgestaltung der Finanzierung der IDA relevant. Die IDA wird durch sogenannte „Replenishment-Rounds“ finanziert.65 Das bedeutet, dass die finanziellen Mittel alle drei Jahre durch die Mitgliedstaaten wieder aufgefüllt werden. Diesen Wiederauffüllungen gehen Treffen voraus, in denen die Beitragszahler die Höhe der Beiträge aushandeln.66 Ein Beitrag zu diesen Wiederauffüllungen ist jedoch nicht rechtlich verpflichtend. In Art. 3 Abs. 1 lit. c) der IDA Articles of Agreement67 wird ausdrücklich festgelegt, dass eine Beteiligung an der Finanzierung freiwilliger Natur ist.68 Die Finanzierung der Arbeit der IDA ist demzufolge stets von
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von Engelhardt, International Development Organizations and Fragile States, 2018, S. 106; Schlemmer-Schulte, International Bank for Reconstruction and Development (IBRD) (Updated 10/2014), www.mpepil.com (letzter Zugriff: 09. 05. 2022), Rn. 56. 61 Articles of Agreement of the International Bank for Reconstruction and Development, UNTS 2 (1947), S. 134. 62 Die Bundesrepublik Deutschland ist Gründungsmitglied der IDA, Gesetz zu dem Abkommen vom 26. Januar 1960 über die Internationale Entwicklungsorganisation, BGBl. II, Nr. 43 vom 23. August 1960, S. 2137 – 2157. 63 Dann, Entwicklungsverwaltungsrecht, 2012, S. 34; Pahuja, Decolonising International Law, 2013, S. 69. 64 Qureshi/Ziegler, International Economic Law, 2019, S. 727. 65 Siehe IDA, Report from the Executive Directos of the International Development Association to the Board of Governors vom 17. Februar 2022, Additions to IDA Resources: Twentieth Replenishment. 66 Guder, International Development Association (IDA) (Updated 04/2011), www.mpe pil.com (letzter Zugriff: 09. 05. 2022), Rn. 22. 67 Articles of Agreement of the International Development Association vom 26. Januar 1960, UNTS 439 (1962), S. 249 – 311. 68 IDA, Articles of Agreement, Art. 3 Abs. 1 lit. c): „When any additional subscription is authorized, each member shall be given an opportunity to subscribe, under such conditions as shall be reasonably determined by the Association, an amount which will enable it to maintain its relative voting power, but no member shall be obliged to subscribe.“
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freiwilligen Beitragszahlungen der Mitgliedstaaten abhängig69 und Deutschland durch den Gründungsvertrag der IDA nicht rechtlich zu Beiträgen verpflichtet. Eine vergleichbare Regelungsstruktur weist die Afrikanische Entwicklungsbank auf.70 Diese Bank wurde zum Zweck der Entwicklung des afrikanischen Kontinents gegründet. Sie umfasst 80 Mitgliedstaaten, die sich aus 54 afrikanischen Staaten – also regionalen Staaten – und 26 nicht regionalen Staaten zusammensetzt. Auch Deutschland ist ein nicht regionaler Mitgliedstaat.71 Die afrikanische Entwicklungsbank besteht zudem aus dem afrikanischen Entwicklungsfonds, dem Deutschland ebenfalls angehört,72 sowie dem nigerianischen Treuhandfonds. Die Aufteilung der Aufgaben zwischen der Entwicklungsbank und dem afrikanischen Entwicklungsfonds ist mit der Struktur der Weltbankengruppe vergleichbar.73 Während die Entwicklungsbank Investitionen im Sinne einer klassischen Bank tätigt und Kredite an Staaten vergibt, die eine ausreichende Kreditsicherheit bieten, ist der afrikanische Entwicklungsfonds für die Förderung der wirtschaftlich schwächeren Staaten zuständig. Dementsprechend finanziert sich die afrikanische Entwicklungsbank im Wesentlichen durch ihr Handeln als eine klassische Bank, während der Entwicklungsfonds auf Beitragszahlungen der Mitgliedstaaten zur Finanzierung des operativen Geschäfts angewiesen ist. Auch diese Beitragszahlungen erfolgen in „Replenishment-Rounds“. Ebenso wie bei der IDA sind die Beitragszahlungen nicht verpflichtend. Gem. Art. 7 Abs. 3 des Agreements Establishing the African Development Fund74 soll „no State participant […] be obliged to subscribe additional amounts in the case of general or individual increases in subscriptions“. Auch der afrikanische Entwicklungsfonds ist mithin wie die IDA abhängig von freiwilligen Zahlungen der Mitgliedstaaten, um seine Maßnahmen durchführen zu können. Obwohl es sich im Vergleich zur vorhandenen Zahl an multilateralen Entwicklungsorganisationen um eine sehr kleine Stichprobe handelt, wird deutlich, dass die Staaten verbindliche Beitragspflichten meiden. Dies führt dazu, dass die verschiedenen multilateralen Organisationen in einem stetigen Wettbewerb um finanzielle Mittel stehen.75 Die multilateralen Organisationen sind dadurch zu Innovations69
Dann, Solidarity and the Law of Development Cooperation, in: Wolfrum/Kojima (Hrsg.), Solidarity, 2010, S. 55 (69). 70 Suzuki, Regional Development Banks (Updated 04/2011), www.mpepil.com (letzter Zugriff: 09. 05. 2022), Rn. 15. 71 Gesetz zu dem Übereinkommen vom 4. August 1963 zur Errichtung der Afrikanischen Entwicklungsbank, BGBl. II, Nr. 15 vom 4. Juni 1981, S. 253. 72 Gesetz zu dem Übereinkommen vom 29. November 1972 über die Errichtung des Afrikanischen Entwicklungsfonds, BGBl. II, Nr. 69 vom 22. Dezember 1973, S. 1793. 73 Suzuki, Regional Development Banks (Updated 04/2011), www.mpepil.com (letzter Zugriff: 09. 05. 2022), Rn. 28. 74 Agreement Establishing the African Development Fund, UNTS 1197 (1987), S. 13 – 73. 75 Deutschland hat beispielsweise begonnen, die Effektivität der verschiedenen multilateralen Organisationen zu evaluieren, und will in Zukunft die Verteilung der zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel an diesen Ergebnissen ausrichten, BMZ, Mapping of Multilateral Organisations engaged in Development (BMAP), BMZ Paper 05/2016.
§ 2 Abstrakte Leistungspflicht aus dem Völker- oder Europarecht?
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motoren der Entwicklungszusammenarbeit geworden. Gleichzeitig hat das damit verbundene Streben nach einer möglichst effektiven Förderung der Empfängerstaaten dazu geführt, dass die Entwicklungsbanken besonders stark Einfluss auf die Entwicklungsländer nehmen und wesentlich zu der wachsenden Heterogenität der Ziele, die mittels der Entwicklungszusammenarbeit verfolgt werden, beigetragen haben.76 Ein zusätzliches Problem fehlender Leistungspflichten ist die Gefahr der Beeinflussung durch die Mitgliedstaaten, die ihre Leistungen von Bedingungen abhängig machen können. Dies spiegelt sich auch in den Vertragswerken der Organisationen wider. So heißt es z. B. in Art. 4 der IDA Articles of Agreement, dass die „Finanzierungsmittel nur für die Zwecke verwendet werden, für die sie bereitgestellt wurden; hierbei sind Wirtschaftlichkeit, Leistungsfähigkeit und der Wettbewerb im Welthandel gebührend zu berücksichtigen und politische oder sonstige nichtwirtschaftliche Einflüsse oder Erwägungen außer Betracht zu lassen.“
Die vertragliche Ausgestaltung der Leistungsbeziehungen Deutschlands ist im Ergebnis sowohl in der bilateralen als auch in der multilateralen Entwicklungszusammenarbeit nicht auf die Begründung langfristiger Leistungspflichten gerichtet. Deutschland behält dadurch die Entscheidungshoheit darüber, ob mit den einzelnen Vertragspartnern weiter zusammengearbeitet wird und in welchem Umfang dies geschieht.
§ 2 Abstrakte Leistungspflicht aus dem Völker- oder Europarecht? Nachfolgend wird untersucht, ob Deutschland durch das Europa- oder Völkerrecht langfristig zur Leistung von ODA verpflichtet ist. Dazu werden im Folgenden verschiedene Rechtsgrundlagen untersucht. Es wird dabei zwischen einer allgemeinen Pflicht der Industriestaaten, die Deutschland als Teil dieser Staatengruppe zur Entwicklungszusammenarbeit verpflichten würde, und einer spezifischen Pflicht Deutschlands, also Rechtsgrundlagen, die nur für Deutschland eine entsprechende Pflicht begründen würden, differenziert.
A. Pflicht der Industriestaaten Zunächst wird untersucht, ob die Industriestaaten in ihrer Gesamtheit zur Leistung von ODA verpflichtet sind. Die Geberstaaten haben sich in internationalen Dokumenten wiederholt dazu bekannt, dass sie durch die ODA zur Entwicklung der
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Rist/Camiller, The History of Development, 2019, S. 232.
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Teil 4: Pflicht zur Entwicklungszusammenarbeit
Empfängerstaaten beitragen wollen.77 Es ist jedoch umstritten, ob diese Versprechungen zu einer rechtlichen Pflicht erstarkt sind.
I. Völkerrechtliche Verträge Eine Pflicht zur Entwicklungszusammenarbeit würde zunächst dann bestehen, wenn die Industriestaaten eine entsprechende vertragliche Verpflichtung eingegangen wären. Es gibt bisher keinen rechtsverbindlichen völkerrechtlichen Vertrag, der eine explizite Pflicht zur Leistung von ODA begründet.78 Eine Leistungspflicht könnte sich aber konkludent aus der Charta der Vereinten Nationen oder für die Mitgliedstaaten der Europäischen Union aus dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union ergeben. 1. UN-Charta Gem. Art. 2 Abs. 1 der UN-Charta basieren die Vereinten Nationen auf dem Prinzip der souveränen Gleichheit. Teilweise wurde argumentiert, dass dies die Staaten verpflichte, auch aus ökonomischer Perspektive zu einer Angleichung der Staaten beizutragen.79 Die in Art. 2 Abs. 1 UN-Charta verankerte Gleichheit ist jedoch in einem formellen und nicht in einem ökonomischen Sinne zu verstehen. In der Friendly-Relations-Declaration der Generalversammlung der Vereinten Nationen heißt es beispielsweise: „All States enjoy sovereign equality. They have equal rights and duties and are equal members of the international community, notwithstanding differences of an economic, social, political or other nature.“80 Die souveräne Gleichheit besteht mithin gerade trotz ökonomischer Unterschiede und ist keine Voraussetzung für diese. Dementsprechend wird der Ansatz, dass das Prinzip der souveränen Gleichheit einen Anspruch auf ODA begründet, heute überwiegend nicht mehr vertreten.81
77 Statt aller GPEDC, Mexico High Level Meeting Communique, 2014, Ziff. 4; OECD, DAC High Level Communiqué: 31 October 2017, Ziff. 1; G. A., Res. 69/313 vom 27. Juli 2015, Annex, Addis Ababa Action Agenda, Ziff. 22. 78 Fakuda-Parr, Millennium Development Goal 8, HRQ 28 (2006), S. 966 (967 – 968). 79 Seidel, Souveräne Gleichheit und faktische Ungleichheit der Staaten, in: Breuer/Epiney/ Haratsch/Schmahl/Weiß (Hrsg.), Der Staat im Recht, 2013, S. 897 (903); Zieger, Völkerrechtliche Fragen einer „Neuen Weltwirtschaftsordnung“, in: Universität Göttingen, Institut für Völkerrecht (Hrsg.), Wirtschaft und Technik im Völkerrecht, 1982, S. 121 (153). 80 G. A., Res. 2625 (XXV) vom 24. Oktober 1970, Annex, Declaration on Principles of International Law concerning Friendly Relations and Co-operation among States in accordance with the Charter of the United Nations, Prinzip (f). 81 Dann, Entwicklungsverwaltungsrecht, 2012, S. 203; Graf Vitzthum, Begriff, Geschichte und Rechtsquellen des Völkerrechts, in: Graf Vitzthum/Proelß (Hrsg.), Völkerrecht, 2019, S. 1 (31); Wagner, Menschenrechte in der Entwicklungspolitik, 2017, S. 82.
§ 2 Abstrakte Leistungspflicht aus dem Völker- oder Europarecht?
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Eine Pflicht zur Leistung von ODA könnte sich zudem aus Art. 1 Abs. 3 i. V. m. Art. 55 lit. a), lit. b), 56 UN-Charta ergeben.82 Nach Art. 1 Abs. 3 der UN-Charta haben die Vereinten Nationen das Ziel, „eine internationale Zusammenarbeit herbeizuführen, um internationale Probleme wirtschaftlicher, sozialer, kultureller und humanitärer Art zu lösen […]“. Gem. Art. 55 lit. a) UN-Charta fördern die Vereinten Nationen „die Verbesserung des Lebensstandards, die Vollbeschäftigung und die Voraussetzungen für wirtschaftlichen und sozialen Fortschritt und Aufstieg“ und gem. Art. 55 lit. b) „die Lösung internationaler Probleme wirtschaftlicher, sozialer, gesundheitlicher und verwandter Art sowie die internationale Zusammenarbeit auf den Gebieten der Kultur und der Erziehung“. Art. 56 UN-Charta verpflichtet die Mitgliedstaaten darüber hinaus, „gemeinsam und jeder für sich mit der Organisation zusammenzuarbeiten, um die in Art. 55 UN-Charta dargelegten Ziele zu erreichen“. Aus einer Gesamtbetrachtung dieser Normen könnte sich ein Grundsatz der Solidarität im Völkerrecht ableiten lassen, der mit einer materiellen Leistungspflicht verbunden ist. Der Ausschuss für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte der Vereinten Nationen (Committee on Economic, Social and Cultural Rights, CESCR) hat bereits 1991 argumentiert, dass unter Berücksichtigung von Art. 55, 56 UNCharta „international cooperation for development and thus for the realization of economic, social and cultural rights […] an obligation of all states“ ist.83 Art. 55, 56 UN-Charta verpflichte demnach die Mitgliedstaaten zu einer Kooperation, die auch die Entwicklungszusammenarbeit erfasse.84 Gegen eine solche Auslegung spricht zunächst, dass es sich bei Art. 1 Abs. 3 UNCharta um eine Zielsetzung der Vereinten Nationen als multilaterale Organisation und nicht der einzelnen Mitgliedstaaten handelt.85 Gleiches gilt für die Ziele in Art. 55 UN-Charta. Die Mitgliedstaaten werden aber durch Art. 56 UN-Charta zur Zusammenarbeit verpflichtet, um diese Ziele zu erreichen. Die Mitgliedstaaten sind mithin durch Art. 56 UN-Charta auch Normadressaten des Art. 55 UN-Charta86 und dementsprechend untereinander zur Kooperation verpflichtet.87 Dieser Kooperationsbegriff wird in der Charta allerdings nicht näher konkretisiert. Die UN-Charta geht nicht darauf ein, wie die in Art. 55 genannten Ziele erreicht werden sollen.88 Während Art. 55, 56 UN-Charta ein allgemeines Gebot entnommen 82
Dann, Entwicklungsverwaltungsrecht, 2012, S. 203. CESCR, General Comment No. 3: The Nature of States Partie’s Obligations vom 14. Dezember 1990, UN Doc. E/1991/23, Ziff. 14. 84 Bryde, Von der Notwendigkeit einer neuen Weltwirtschaftsordnung, in: Bryde/Kunig/ Oppermann (Hrsg.), Neuordnung der Weltwirtschaft?, 1986, S. 29 (35). 85 Karimova, Human Rights and Development in International Law, 2016, S. 176. 86 Stoll, Art. 56, in: Simma/Khan/Nolte/Paulus (Hrsg.), The Charter of the United Nations – A Commentary, 2012, S. 1601, Rn. 5. 87 Winkler, Die Vereinten Nationen im Gefüge der internationalen Organisationen, 2019, S. 134. 88 Stoll, Art. 56, in: Simma/Khan/Nolte/Paulus (Hrsg.), The Charter of the United Nations – A Commentary, 2012, S. 1601, Rn. 11. 83
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werden kann, jegliche Maßnahmen zu unterlassen, die die Ziele des Art. 55 UNCharta unterlaufen,89 macht die UN-Charta keine Vorgaben, wie sie konkret gefördert werden sollen. Die Entwicklungszusammenarbeit stellt unter verschiedenen Möglichkeiten nur eine Option dar, wie die Staaten miteinander kooperieren können. Die Entwicklung der ärmeren Staaten kann ebenso durch Investitionen, Handelsverträge, Schuldenerlasse und Kredite gefördert werden. Eine Pflicht zur Leistung von ODA kann deshalb nicht aus der UN-Charta abgeleitet werden. 2. Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union Für die Mitgliedstaaten der Europäischen Union könnte sich eine Pflicht zur Entwicklungszusammenarbeit aus dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union ergeben. Gem. Art. 208 Abs. 2 AEUV kommen „die Union und die Mitgliedstaaten […] den im Rahmen der Vereinten Nationen und anderer zuständiger internationaler Organisationen gegebenen Zusagen nach und berücksichtigten die in diesem Rahmen gebilligten Zielsetzungen“. Unter „anderen internationalen Organisationen“ sind in diesem Zusammenhang die Organisationen zu verstehen, die im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit tätig sind. Dies umfasst auch die Vereinten Nationen und die OECD. Damit könnten die Mitgliedstaaten der Europäischen Union durch Art. 208 Abs. 2 AEUV unionsintern rechtlich zur Umsetzung der politischen Zusagen, die beispielsweise in Resolutionen der Vereinten Nationen und Vereinbarungen des OECD-DAC getroffen wurden, verpflichtet sein. Es wird diesbezüglich die Auffassung vertreten, dass Art. 208 Abs. 2 AEUV über den Grundsatz pacta sunt servanda hinausgeht.90 Durch Art. 208 Abs. 2 AEUV sei beispielswiese die wiederholte Erklärung der Mitgliedstaaten der Europäischen Union, 0,7 % des BIP für die Entwicklungszusammenarbeit aufzuwenden, zu einer unionsinternen Rechtspflicht erstarkt.91 Eine entsprechende Rechtspflicht entstehe dabei für die Mitgliedstaaten, die sich auf politischer Ebene zu diesem Leistungsziel bekannt haben.92 Während der Wortlaut der Norm zwar mit dieser Auffassung vereinbar scheint, steht sie im Widerspruch zur Kompetenzregelung im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit. Die Europäische Union ist neben den Mitgliedstaaten auch selbst in der Entwicklungszusammenarbeit tätig. Es besteht gem. Art. 4 Abs. 4 i. V. m. 89 Winkler, Die Vereinten Nationen im Gefüge der internationalen Organisationen, 2019, S. 134. 90 Streinz/Kruis, Art. 208 AEUV, in: Streinz (Hrsg.), EUV/AEUV, 2018, Rn. 37; Zimmermann, Art. 208 AEUV, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje (Hrsg.), Europäisches Unionsrecht, 2015, Rn. 87. 91 Schmalenbach, Art. 208 AEUV, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, 2016, Rn. 41; Streinz/Kruis, Art. 208 AEUV, in: Streinz (Hrsg.), EUV/AEUV, 2018, Rn. 38. 92 Streinz/Kruis, Art. 208 AEUV, in: Streinz (Hrsg.), EUV/AEUV, 2018, Rn. 37; Zimmermann, Art. 208 AEUV, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje (Hrsg.), Europäisches Unionsrecht, 2015, Rn. 90.
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Art. 208 – 211 AEUVeine parallele Kompetenz.93 Die Maßnahmen der Europäischen Union und der Mitgliedstaaten werden gem. Art. 210 Abs. 1 S. 1 AEUV aufeinander abgestimmt.94 Dennoch haben die Mitgliedstaaten durch diese Form der Kompetenzregelung zum Ausdruck gebracht, dass die Entscheidungsgewalt über ihre nationale Entwicklungszusammenarbeit weitgehend bei ihnen verbleiben soll. Eine unionsinterne Pflicht zur Entwicklungszusammenarbeit, die sich auf Art. 208 Abs. 2 AEUV stützt, würde einen erheblichen Eingriff in die Entscheidungshoheit der Mitgliedstaaten bedeuten und dem Grundgedanken der Kompetenzregelung widersprechen. Es ist deshalb streng zwischen dem Begriff der „Zusage“ und den „gebilligten Zielsetzungen“ zu differenzieren.95 Während „Zusagen“ i. S. d. Art. 208 Abs. 2 AEUV als rechtlich verbindliche Pflichten gegenüber multilateralen Organisationen zu verstehen sind, erfassen „gebilligte Zielsetzungen“ politische Absichtserklärungen, z. B. Resolutionen der Vereinten Nationen.96 Das bedeutet, dass rechtliche Pflichten gegenüber multilateralen Organisationen im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit durch Art. 208 Abs. 2 AEUV auch unionsrechtlich verpflichtend sind.97 Politische Erklärungen sind dagegen von der Union und den Mitgliedstaaten zu berücksichtigen, erstarken jedoch auch durch Art. 208 Abs. 2 AEUV nicht zu einer rechtlichen Pflicht. Der Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union begründet somit keine rechtsverbindliche Pflicht zur Entwicklungszusammenarbeit.98
II. Völkergewohnheitsrecht Eine weitere Rechtsquelle, auf die sich eine Pflicht der Industriestaaten zur Leistung von ODA stützen könnte, ist das Völkergewohnheitsrecht. Gewohnheitsrecht entsteht, wenn die Staaten objektiv ein einheitliches Verhalten aufweisen und dieses Verhalten subjektiv von einer entsprechenden Rechtsüberzeugung getragen 93 Calliess, Art. 4 AEUV, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, 2022, Rn. 1; Müller, Europäisches Entwicklungsrecht, in: Dann/Kadelbach/Kaltenborn (Hrsg.), Entwicklung und Recht, 2014, S. 677 (694). 94 Zimmermann, Art. 208 AEUV, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje (Hrsg.), Europäisches Unionsrecht, 2015, Rn. 80. Zu den kompetenzrechtlichen Bestimmungen in der Entwicklungszusammenarbeit bereits oben Teil 1, § 2, C., II. 95 Odendahl, Art. 208, in: Pechstein/Nowak/Häde (Hrsg.), AEUV, 2017, Rn. 37 – 38; Streinz/Kruis, Art. 208 AEUV, in: Streinz (Hrsg.), EUV/AEUV, 2018, Rn. 37. 96 Benedek, Art. 208 AEUV, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim (Hrsg.), Das Recht der Europäischen Union, 74. EL (09/2021), Rn. 74. 97 Benedek, Art. 208 AEUV, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim (Hrsg.), Das Recht der Europäischen Union, 74. EL (09/2021), Rn. 74; Streinz/Kruis, Art. 208 AEUV, in: Streinz (Hrsg.), EUV/AEUV, 2018, Rn. 37. 98 So auch in Bezug auf das 0,7 %-Ziel Odendahl, Art. 208, in: Pechstein/Nowak/Häde (Hrsg.), AEUV, 2017, Rn. 38.
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wird.99 Aufgrund des Engagements der Industriestaaten über einen langen Zeitraum sowie der zahlreichen Dokumente und Resolutionen, die die Bedeutung der Entwicklungszusammenarbeit anerkennen, wird teilweise vertreten, dass diese Voraussetzungen erfüllt seien.100 In Bezug auf die Staatenpraxis ist dieser Auffassung zuzustimmen. Die Industriestaaten haben sich seit dem Beginn der modernen Entwicklungszusammenarbeit beständig in diesem Bereich engagiert und ihre Leistungen stetig ausgeweitet. Und auch Staaten, die in den vergangenen Jahrzehnten von Entwicklungsländern zu Industriestaaten geworden sind, haben im Anschluss begonnen, selbst als Geberstaaten tätig zu werden.101 Es besteht dementsprechend eine umfassende und langfristig gewachsene Staatenübung unter den Industriestaaten. Es fehlt jedoch an der Überzeugung der Industriestaaten, dass es sich bei der Entwicklungszusammenarbeit um die Erfüllung einer rechtlichen Pflicht handelt. Im Rahmen des subjektiven Elements ist zwischen Handlungen zu unterscheiden, die lediglich auf politischen Überlegungen beruhen und solchen, die aus Sicht der Staaten auf Grund rechtlicher Pflichten vorgenommen werden.102 Die Geberstaaten haben stets betont, dass die Entwicklungszusammenarbeit zwar aus einem moralischen Pflichtgefühl erfolgt, aber nicht auf rechtlichen Pflichten beruht.103 Bei der Bestimmung des subjektiven Elements kommt es vornehmlich auf die Auffassung der Staaten an, die diese Pflicht betreffen würde.104 Die Geberstaaten handeln nach eigener Auffassung nicht in Erfüllung einer Pflicht,105 sondern aufgrund humanitärer, 99 ICJ, Military and Paramilitary Activities in and against Nicaragua (Nicaragua v. United States), Judgment of 27 June 1986, ICJ Reports 1986, S. 14, Ziff. 207; Dörr, Weitere Rechtsquellen des Völkerrechts, in: Epping/Heintschel von Heinegg (Hrsg.), Völkerrecht, 2018, S. 536 (537); Focarelli, International Law, 2019, S. 116 – 117; Herdegen, Völkerrecht, 2022, S. 156; Hobe, Einführung in das Völkerrecht, 2020, S. 164 – 168; Odendahl, Völkerrecht, 2012, S 58; Shaw, International Law, 2021, S. 63. 100 Weber, Der Anspruch auf Entwicklungshilfe und die Veränderungen des internationalen Wirtschaftsrechts, VRÜ 11 (1978), S. 5 (25). 101 Beispiele dafür sind Japan und Korea, die zu Anfang der modernen Entwicklungszusammenarbeit selbst in erheblichen Maße Entwicklungsleistungen erhalten haben und heute Industriestaaten und zugleich wichtige Geberstaaten sind, Heffron, The Evolution of Development Thinking, 2016, S. 133. 102 Eckart, Promises of States under International Law, 2012, S. 38; Krajewski, Völkerrecht, 2020, S. 94; Odendahl, Völkerrecht, 2012, S. 60; Shaw, International Law, 2021, S. 63. 103 So beispielsweise auch das BMZ in Bezug auf eine mögliche Pflicht aus dem Recht auf Entwicklung, BMZ, Stellungnahme der Bundesregierung zur Arbeitsgruppe zum Recht auf Entwicklung, 2005, http://www2.ohchr.org/english/issues/development/docs/germany.pdf (letzter Zugriff: 09. 05. 2022). 104 von Arnauld, Völkerrecht, 2019, S. 108; Byers, Custom, Power, and the Power of Rules, 1999, S. 38; Odendahl, Völkerrecht, 2012, S. 59; Roberts, Traditional and modern approaches to Customary International Law, AJIL 95 (2001), S. 757 (767). 105 Alston, Ships Passing in the Night, HRQ 27 (2005), S. 755 (776). Insbesondere im Kontext des Rechts auf Entwicklung haben zahlreiche Geberstaaten betont, dass sie eine rechtsverbindliche Pflicht zur Entwicklungszusammenarbeit, die mit materiellen Ansprüchen
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sicherheitspolitischer und moralischer Motive.106 Aus diesen Gründen ist das Bestehen der notwendigen opinio iuris abzulehnen. Es besteht deshalb keine völkergewohnheitsrechtliche Pflicht zur Leistung von ODA.
III. Menschenrechtliche Begründungsansätze Von besonderer Bedeutung in der Debatte um eine Pflicht zur Entwicklungszusammenarbeit sind die Menschenrechte. Es kann in diesem Zusammenhang zwischen zwei Begründungsansätzen differenziert werden. Einerseits wird versucht, eine rechtliche Pflicht auf die allgemeinen Menschenrechtsverträge zu stützen. Andererseits wird argumentiert, dass sich eine Leistungspflicht aus dem Recht auf Entwicklung ableitet. Gem. Art. 22 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte (AEMR) hat jedes Mitglied der Gesellschaft „das Recht auf soziale Sicherheit und Anspruch darauf […], durch innerstaatliche Maßnahmen und internationale Zusammenarbeit sowie unter Berücksichtigung der Organisation und der Mittel jedes Staates in den Genuss der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte zu gelangen, die für seine Würde und die freie Entwicklung seiner Persönlichkeit unentbehrlich sind.“
Die internationale Zusammenarbeit wird zu einem Anspruch des Einzelnen erklärt, der die Staaten dazu verpflichtet, zusammenzuarbeiten, um so den Genuss der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte sicherzustellen.107 Unterstrichen wird dies durch Art. 28 AEMR, der einen Anspruch „auf eine soziale und internationale Ordnung, in der die in dieser Erklärung verkündeten Rechte und Freiheiten voll verwirklicht werden können“, begründet. Auch der Internationale Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte verpflichtet in Art. 2 Abs. 1 die Vertragsstaaten, „sich einzeln und durch internationale Hilfe und Zusammenarbeit, insbesondere wirtschaftlicher und technischer Art, unter Ausschöpfung aller seiner Möglichkeiten Maßnahmen zu treffen, um nach und nach mit allen geeigneten Mitteln, […] die volle Verwirklichung der in diesem Pakt anerkannten Rechte zu erreichen.“
der Empfängerstaaten einhergeht, nicht anerkennen, Arts/Tamo, The Right to Development in International Law, NILR 63 (2016), S. 221 (224); Karimova, Human Rights and Development in International Law, 2016, S. 147; Salomon, Global Responsibility for Human Rights, 2007, S. 99. 106 Fakuda-Parr, Millennium Development Goal 8, HRQ 28 (2006), S. 966 (668). 107 Wagner, Menschenrechte in der Entwicklungspolitik, 2017, S. 84 – 85.
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Entsprechende Kooperationspflichten, die eine extraterritoriale Pflicht zum Schutz der Menschenrechte formulieren,108 finden sich ebenso in der Kinderrechtskonvention109 und der Behindertenrechtskonvention.110 Umstritten ist jedoch, ob diese Normen eine positive Leistungspflicht der reicheren Mitgliedstaaten begründen.111 Die in den Vereinbarungen verankerten Menschenrechte sind teilweise als Bestandteil des Völkergewohnheitsrechts anerkannt.112 Aus der Verbindlichkeit einzelner Rechte kann aber nicht die Verbindlichkeit der gesamten Erklärungen abgeleitet werden.113 Eine völkergewohnheitsrechtliche Bindungswirkung der extraterritorialen Pflichten, die mit einer materiellen Leistungspflicht der Industriestaaten verbunden ist, ist deshalb aus den in Bezug auf die Frage der völkergewohnheitsrechtlichen Geltung genannten Gründen abzulehnen.114 108
Ausführlich zum Begriff der extraterritorialen Pflichten, Gibney, On Terminology: Extraterritorial Obligations, in: Langford/Vandenhole/Scheinin/van Genugten (Hrsg.), Global Justice, State Duties, 2013, S. 32. 109 Gem. Art. 4 des Übereinkommens über die Rechte des Kindes treffen die Vertragsstaaten „alle geeigneten Gesetzgebungs-, Verwaltungs- und sonstigen Maßnahmen zur Verwirklichung der in diesem Übereinkommen anerkannten Rechte. Hinsichtlich der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte treffen die Vertragsstaaten derartige Maßnahmen unter Ausschöpfung ihrer verfügbaren Mittel und erforderlichenfalls im Rahmen der internationalen Zusammenarbeit.“ Convention on the Rights of the Child, UNTS 1577 (1990), S. 3 – 178. 110 Gem. Art. 32 des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderung erkennen die Vertragsstaaten „die Bedeutung der internationalen Zusammenarbeit und deren Förderung zur Unterstützung der einzelstaatlichen Anstrengungen für die Verwirklichung des Zwecks und der Ziele des Übereinkommens [an] und treffen diesbezüglich geeignete und wirksame Maßnahmen, zwischenstaatlich sowie, soweit angebracht, in Partnerschaft mit den einschlägigen internationalen und regionalen Organisationen und der Zivilgesellschaft, insbesondere Organisationen von Menschen mit Behinderungen.“ Convention on the Rights of Persons with Disabilities, UNTS 2515 (2008), S. 3 – 192. 111 Wagner, Menschenrechte in der Entwicklungspolitik, 2017, S. 133. 112 Dies gilt insbesondere für Teile der AEMR von Arnauld, Völkerrecht, 2019, S. 271 – 272; Darrow/Arbour, The Pillar of Glass, AJIL 103 (2009), S. 446 (470); Nettesheim, Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte und ihre Rechtsnatur, in: Merten/Papier/Dederer (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte in Deutschland und Europa, Band VI/2, 2009, S. 191 (222 – 223). 113 Kau, Der Staat und der Einzelne als Völkerrechtssubjekte, in: Vitzthum/Proelß (Hrsg.), Völkerrecht, 2019, S. 159 (270); Langford/Coomans/Isa, Extraterritorial Duties in International Law, in: Langford/Vandenhole/Scheinin/van Genugten (Hrsg.), Global Justice, State Duties, 2013, S. 51 (69). 114 So im Ergebnis auch Langford/Coomans/Isa, Extraterritorial Duties in International Law, in: Langford/Vandenhole/Scheinin/van Genugten (Hrsg.), Global Justice, State Duties, 2013, S. 51 (73). In Bezug auf mögliche Leistungspflichten, die sich aus dem Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte ableiten, haben sich auch Vertreter von Tschechien, Frankreich, Kanada, Großbritannien und Portugal eindeutig ablehnend geäußert, siehe Report of the open-ended working group to consider options regarding the elaboration of an optional protocol to the International Convenant on Economic, Social and Cultural Rights (2nd session, 2005), UN Doc. E/CN.4/2005/52 vom 10. Februar 2005, Ziff. 76.
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Einen Einfluss auf die Debatte um eine rechtliche Pflicht zur Entwicklungszusammenarbeit hat zudem das Recht auf Entwicklung.115 Dieses geht auf eine Resolution der Generalversammlung der Vereinten Nationen aus dem Jahr 1986 zurück116 und wurde in der Folgezeit mehrfach bestätigt.117 Es handelt sich um ein Menschenrecht der dritten Generation. Dies bedeutet, dass es sich um ein kollektives Recht handelt, das nicht dem Individuum, sondern einer Gruppe zugeordnet ist.118 Gleichwohl soll im Ergebnis gerade auch das Individuum von diesem Recht profitieren.119 Gem. Art. 1 Abs. 1 der Erklärung über das Recht auf Entwicklung ist es „an inalienable human right by virtue of which every human person and all peoples are entitled to participate in, contribute to, and enjoy economic, social, cultural and political development, in which all human rights and fundamental freedoms can be fully realized“.120 Inhaltlich gewährt es mithin ein Recht auf eine umfassende Teilhabe an den Vorzügen des Entwicklungsprozesses. Es hat wesentlich dazu beigetragen, dass Entwicklung nicht mehr ausschließlich unter wirtschaftlichen Aspekten, sondern auch als Verwirklichung von elementaren Rechten der Bürger und Bürgerinnen betrachtet wird.121 Die genaue Bestimmung des Inhalts des Rechts auf Entwicklung ist gleichwohl bis heute umstritten und von einer fortlaufenden politischen Debatte geprägt.122 Aus völkerrechtlicher Sicht stützt es sich lediglich auf eine Resolution der Generalversammlung und ist damit grundsätzlich nicht rechtlich bindend. Bezüglich der Diskussion um das Recht auf Entwicklung und seiner völkergewohnheitsrechtlichen 115 Ausführlich zum Recht auf Entwicklung u. a.: Andreassen/Marks (Hrsg.), Development as a Human Right: Legal, Political and Economic Dimensions, 2010; Bunn, The Right to Development and International Economic Law, 2012; von Bernstoff, Das Recht auf Entwicklung, in: Dann/Kadelbach/Kaltenborn (Hrsg.), Entwicklung und Recht, 2014, S. 71; Odendahl, Das Recht auf Entwicklung, 1997; Scharpenack, Das „Recht auf Entwicklung“, 1996; Salomon/Sengupta, The Right to Development, 2003; Schorlemer, Recht auf Entwicklung – Quo Vadis?, FW 72, H. 2 (1997), S. 121. 116 G. A., Res. 41/128 vom 4. Dezember 1986, Annex, Declaration on the Right to Development. Gegen diese Resolution haben nur die USA gestimmt. Darüber hinaus haben sich acht Staaten, mit Großbritannien und der Bundesrepublik Deutschland auch wichtige Geberstaaten, der Stimme enthalten. 117 Das Recht auf Entwicklung findet in zahlreichen internationalen Dokumenten Erwähnung. Statt aller G. A., Res. 55/2 (2000) vom 8. September 2000, Ziff. 11; GPEDC, Nairobi Outcome Document, 2016, Ziff. 68; UN, Monterrey Consensus, A/CONF.198/11, 2002, Ziff. 11; G. A., Res. 69/313 vom 27. Juli 2015, Annex, Addis Ababa Action Agenda, Ziff. 1. 118 von Arnauld, Völkerrecht, 2019, S. 274; Herdegen, Völkerrecht, 2022, S. 408; Odendahl, Völkerrecht, 2012, S. 94 – 95. 119 Salomon/Sengupta, The Right to Development, 2003, S. 7; Sengupta, On the Theory and Practice of the Right to Development, HRQ 24 (2002), S. 837 (846). 120 G. A., Res. 41/128 vom 4. Dezember 1986, Annex, Declaration on the Right to Development, Art. 1, Abs. 1. 121 Salomon/Sengupta, The Right to Development, 2003, S. 4. 122 Arts/Tamo, The Right to Development in International Law, NILR 63 (2016), S. 221 (221); Marks, The Human Right to Development. Between Rhetoric and Reality, HHRJ 17 (2004), S. 137 (137); Wagner, Menschenrechte in der Entwicklungspolitik, 2017, S. 201.
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Anerkennung ist zwischen zwei Adressatengruppen zu unterscheiden.123 Dies sind einerseits die jeweiligen Staaten selbst, die gegenüber ihren Bevölkerungen verpflichtet sein könnten, einen Entwicklungsprozess anzuleiten, der dem Einzelnen zugutekommt und dabei insbesondere auch die Rechte von Minderheiten berücksichtigt.124 Andererseits sind es die Industriestaaten als Staatengruppe, die gegenüber den Bürgern der Empfängerstaaten verpflichtet sein könnten, diesen Entwicklungsprozess zu unterstützen.125 Für die untersuchte Frage einer Leistungspflicht der Industriestaaten ist nur letzterer Aspekt relevant. Die Erklärung über das Recht auf Entwicklung betont an mehreren Stellen eine Pflicht der Staatengemeinschaft zur Zusammenarbeit. Beispielsweise haben die Staaten gem. Art. 3 Abs. 3 der Erklärung die Pflicht „to co-operate with each other in ensuring development and eliminating obstacles to development“. Unabhängig davon, ob dieser Wortlaut auch eine materielle Leistungspflicht umfasst – eine Frage die nach wie vor umstritten ist126 –, ist die gewohnheitsrechtliche Anerkennung eines Rechts auf Entwicklung, das eine solche Pflicht beinhaltet, abzulehnen. Bereits vor der Verabschiedung der Erklärung über das Recht auf Entwicklung haben die USA deutlich gemacht, dass dieses Recht aus ihrer Sicht keinesfalls mit einem Anspruch der Entwicklungsländer auf materielle Leistungen einhergeht.127 Auch andere wichtige Geberstaaten haben stets artikuliert, dass sie das Recht auf Entwicklung nicht als Rechtsgrundlage einer verbindlichen Leistungspflicht in der Entwicklungszusammenarbeit anerkennen.128 Ebenso haben Vertreter Deutschlands in einer Stellungnahme zum Recht auf Entwicklung erklärt, dass es aus Sicht der Bundesrepublik keine Leistungspflicht der Geberstaaten begründet, sondern lediglich eine abstrakte Pflicht mit sich bringt, ein wirtschaftliches Umfeld zu schaffen, in dem die Entwicklungsländer die Möglichkeit haben, sich zu entwickeln.129 Dieser 123 Salomon, Legal Cosmopolitanism and the Normative Contribution of the Right to Development, in: Marks (Hrsg.), Implementing the Right to Development, 2008, S. 17 (24); Wagner, Menschenrechte in der Entwicklungspolitik, 2017, S. 202. 124 Salomon/Sengupta, The Right to Development, 2003, S. 7. 125 Bunn, The Right to Development and International Economic Law, 2012, S. 112; Scharpenack, Das „Recht auf Entwicklung“, 1996, S. 109. 126 Arts/Tamo, The Right to Development in International Law, NILR 63 (2016), S. 221 (224). 127 Marks, The Human Right to Development. Between Rhetoric and Reality, HHRJ 17 (2004), S. 137 (143). 128 Arts/Tamo, The Right to Development in International Law, NILR 63 (2016), S. 221 (224); Karimova, Human Rights and Development in International Law, 2016, S. 147; Salomon, Global Responsibility for Human Rights, 2007, S. 99. 129 BMZ, Stellungnahme der Bundesregierung zur Arbeitsgruppe zum Recht auf Entwicklung, 2005, http://www2.ohchr.org/english/issues/development/docs/germany.pdf (letzter Zugriff: 09. 05. 2022): „Furthermore, we would like to make clear that the Right to Development does not entail any specific legal obligation of individual states vis-à-vis any other particular state but only establishes the obligation of the international community as a whole, eventually presented by groups of states, to support and promote the development efforts of developing
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Protest der Geberstaaten spricht eindeutig gegen eine völkergewohnheitsrechtliche Geltung des Rechts auf Entwicklung in einer Form, die eine materielle Leistungspflicht der Geberstaaten umfasst. Dementsprechend kann auch aus dem Recht auf Entwicklung keine rechtsverbindliche Pflicht zur Leistung von ODA abgeleitet werden.130
B. Pflicht Deutschlands Neben den bisher untersuchten Rechtsgrundlagen, die eine Pflicht zur Entwicklungszusammenarbeit Deutschlands als Bestandteil der Industriestaaten begründet hätten, gibt es weitere völkerrechtliche Rechtsgrundlagen, die speziell für die Bundesrepublik eine solche Pflicht begründen könnten. In Betracht kommen zunächst mögliche Vertrauenstatbestände zwischen Deutschland und einzelnen Empfängerstaaten. Deutschland ist bereits seit den 1960er-Jahren in der Entwicklungszusammenarbeit tätig. In dieser Zeit haben sich mit einer Vielzahl von Empfängerstaaten langfristige Entwicklungsbeziehungen entwickelt. Diese über Jahrzehnte gewachsenen Beziehungen könnten zu einem rechtlich geschützten Vertrauen erstarkt sein.131 Entsprechende Vertrauenstatbestände können im Völkerrecht in engen Grenzen rechtliche Pflichten begründen.132 Dafür müsste Deutschland einen entsprechenden Rechtsschein gesetzt haben.133 Die bereits dargestellte Vertragsstruktur in der bilateralen Entwicklungszusam-
countries, particularly by creating an enabling international environment regarding issues such as trade, debts and human rights.“ 130 So auch Kunig, Die innere Dimension des Rechts auf Entwicklung – Rechtspolitische Überlegungen zur Inpflichtnahme von Entwicklungsländern, VRÜ 19 (1986), S. 383 (390); Marong, Development, Right to, International Protection (Updated 08/2010), www.mpepil.com (letzter Zugriff: 09. 05. 2022), Rn. 23; Seidel, Souveräne Gleichheit und faktische Ungleichheit der Staaten, in: Breuer/Epiney/Haratsch/Schmahl/Weiß (Hrsg.), Der Staat im Recht, 2013, S. 897 (906); Schläppi, Menschenrechte in der bilateralen Entwicklungszusammenarbeit, 1998, S. 151; Schütz, Solidarität im Wirtschaftsvölkerrecht, 1994, S. 130. Für eine Leistungspflicht u. a. G. Odendahl, der aus dem Recht auf Entwicklung eine Pflicht für die Industrie- und Schwellenländer ableitet, „effektive Entwicklungsleistungen ,lege artis‘ zu erbringen und diese bis zur Erreichung eines angemessenen Umfangs kontinuierlich zu steigern“. Aus dieser Pflicht lasse sich aber nicht „ein spezieller Leistungsanspruch eines Entwicklungslandes gegenüber einer einzelnen Industrienation […] ableiten“, Odendahl, Das Recht auf Entwicklung, 1997, S. 274. 131 Bleckmann, Anspruch auf Entwicklungshilfe?, VRÜ 12 (1979), S. 5 (5). 132 ICJ, Right of Passage over Indian Territory (Merits) (Portugal v. India), 12. 4. 1960, ICJ Reports 1960, S. 6 (39). Grundlegend zur Bedeutung von Vertrauenstatbeständen im Völkerrecht Müller, Vertrauensschutz im Völkerrecht 1971. 133 Cottier/Müller, Estoppel (Updated 09/2021), www.mpepil.com (letzter Zugriff: 09. 05. 2022), Rn. 1.
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menarbeit stützt ein solches Vertrauen jedoch nicht.134 Ansprüche entstehen für die Empfängerstaaten stets nur unter der Voraussetzung, dass bilaterale Verträge geschlossen werden. Diese Verträge werden über konkrete Projekte geschlossen und begründen über diese hinaus keine weitergehenden Leistungspflichten. Dies wird den Empfängerstaaten bereits zu Beginn der Zusammenarbeit in den Regierungsverhandlungen mitgeteilt. Die von Deutschland gewählte Vertragsstruktur führt mithin dazu, dass die Entstehung von Vertrauenstatbeständen ausgeschlossen ist.135 Deutschland könnte sich zudem mittels eines einseitigen Rechtsakts zur Entwicklungszusammenarbeit verpflichtet haben. Dass Staaten auch durch einseitige Akte völkerrechtliche Rechtsfolgen herbeiführen können, ist allgemein anerkannt.136 Der Internationale Gerichtshof (IGH) leitet dies aus dem Rechtsgrundsatz von Treu und Glauben ab.137 Es bedarf der Erfüllung dreier grundlegender Voraussetzungen, um eine Rechtswirkung durch einseitigen Akt herbeizuführen:138 Das versprechende Staatsorgan muss zuständig sein, die Erklärung muss hinreichend bestimmt sein, und das erklärende Organ muss mit einem Rechtsbindungswillen handeln.139 Die Äußerung muss dagegen keine besonderen Formerfordernisse erfüllen.140 Die Entwicklungszusammenarbeit im Allgemeinen und das 0,7 %-Ziel im Besonderen spielen in der deutschen Politik seit langer Zeit eine bedeutende Rolle.141 134 Zu den Vertragsstrukturen in der deutschen bilateralen Entwicklungszusammenarbeit bereits oben Teil 4, § 1, A. 135 So im Ergebnis auch Dann, Entwicklungsverwaltungsrecht, 2012, S. 208. 136 ICJ, Nuclear Tests (Australia & New Zealand v. France), Judgment of 20 December, ICJ Rep 1974, S. 267, Ziff. 42: „It is well recognized that declarations made by way of unilateral acts […] may have the effect of creating legal obligations.“; von Arnauld, Völkerrecht, 2019, S. 116; Eckart, Promises of States under International Law, 2012, S. 183; Herdegen, Völkerrecht, 2022, S. 173; Odendahl, Völkerrecht, 2012, S. 65; Graf Vitzthum, Begriff, Geschichte und Rechtsquellen des Völkerrechts, in: Vitzthum/Proelß (Hrsg.), Völkerrecht, 2019, S. 1 (68). 137 ICJ, Nuclear Tests (Australia & New Zealand v. France), Judgment of 20 December, ICJ Rep 1974, S. 267, Ziff. 46: „Just as the very rule of pacta sunt servanda in the law of treaties is based on good faith, so also is the binding character of an international obligation assumed by unilateral declaration.“ 138 Ausführlich zur rechtlichen Bedeutung und den Voraussetzungen der Rechtswirkung einseitiger Akte Eckart, Promises of States under International Law, 2012. 139 von Arnauld, Völkerrecht, 2019, S. 117; Hobe, Einführung in das Völkerrecht, 2020, S. 187; Odendahl, Völkerrecht, 2012, S. 65. 140 Dörr, Weitere Rechtsquellen des Völkerrechts, in: Epping/Heintschel von Heinegg (Hrsg.), Völkerrecht, 2018, S. 536 (576); Suy/Angelet, Promise (Updated 12/2007), www. mpepil.com (letzter Zugriff: 09. 05. 2022), Rn. 16. 141 Seit dem Koalitionsvertrag der 14. Wahlperiode, war das 0,7 %-Ziel Bestandteil jedes Koalitionsvertrages: SPD/Bündnis 90/Die Grünen, Koalitionsvertrag der 14. Wahlperiode des Bundestages – 1998, S. 47; SPD, Koalitionsvertrag der 15. Wahlperiode des Bundestages – 2002, S. 83; CDU/CSU/SPD, Koalitionsvertrag der 16. Wahlperiode des Bundestages – 2005, S. 162 – 163; CDU/CSU/FDP, Koalitionsvertrag der 17. Wahlperiode des Bundestages – 2009, S. 129; CDU/CSU/SPD, Koalitionsvertrag der 18. Wahlperiode des Bundestages – 2013, S. 63; CDU/CSU/SPD, Koalitionsvertrag der 19. Wahlperiode des Bundestages – 2017, S. 162; SPD/
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Bereits der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl hat im Rahmen der im Jahr 1992 in Rio de Janeiro stattgefundenen Konferenz der Vereinten Nationen über Umwelt und Entwicklung zugesagt, 0,7 % des BIP für die Entwicklungszusammenarbeit aufzuwenden, und dieses Ziel 1994 erneut bestätigt.142 Auch unter dem ehemaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder wurde diese Zusage erneuert und sich erstmals zu einem konkreten Zeitplan bekannt.143 Ebenso hat die ehemalige Bundeskanzlerin Angela Merkel dieses Ziel wiederholt bestätigt. Sie hat beispielsweise im Rahmen ihrer Rede zur Eröffnung des UN-Gipfels zur Verabschiedung der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung gesagt, dass Deutschland „zu der Verpflichtung 0,7 Prozent des Bruttonationalprodukts für Entwicklungshilfe einzusetzen [steht]. Unser Etat für Entwicklungshilfe wird in den nächsten Jahren jeweils substanziell steigen.“144 Sowohl die Voraussetzung der Zuständigkeit als auch der Bestimmtheit sind mithin erfüllt. Es fehlt gleichwohl am Rechtsbindungswillen. Dieser ist durch Auslegung zu bestimmen.145 Dabei ist auf einen objektiven Empfängerhorizont abzustellen,146 und die besonderen Umstände sowie der jeweilige Kontext sind zu berücksichtigen.147 Grundsätzlich gilt, dass entsprechende Erklärungen restriktiv zu interpretieren sind und im Zweifelsfall eine entsprechende Verpflichtungsabsicht abzulehnen ist.148 Eine Pflicht zur Leistung von ODA wäre mit einer monetären Leistungspflicht verbunden, die keinen festgelegten Endzeitpunkt hat. An den Rechtsbindungswillen sind deshalb in diesem Fall besonders hohe Anforderungen zu stellen. Dass mit den jeweiligen Aussagen der Bundeskanzler bzw. der Bundeskanzlerin eine entsprechende rechtsverbindliche Pflicht eingegangen werden sollte, kann deshalb nicht angenommen werden. Das gleiche gilt im Ergebnis für den sogenannten EU-Stufenplan. Dabei handelt es sich um einen 2005 aufgestellten Plan des Europäischen Rates, nach dem die Bündnis 90/Die Grünen/FDP, Koalitionsvertrag der 20. Wahlperiode des Bundestages – 2021, S. 119. 142 van Bilzen, The Development of Aid, 2015, S. 512. 143 Vgl. SPD, Koalitionsvertrag der 15. Wahlperiode des Bundestages – 2002, S. 83. 144 Merkel, Rede von Bundeskanzlerin Merkel bei der Eröffnung des UN-Gipfels zur Verabschiedung der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung am 25. September 2015, https: //www.bundesregierung.de/breg-de/aktuelles/rede-von-bundeskanzlerin-merkel-bei-der-eroeff nung-des-un-gipfels-zur-verabschiedung-der-agenda-2030-fuer-nachhaltige-entwicklung-am-2 5-september-2015-321140 (letzter Zugriff: 09. 05. 2022). 145 Dörr, Weitere Rechtsquellen des Völkerrechts, in: Epping/Heintschel von Heinegg (Hrsg.), Völkerrecht, 2018, S. 536 (576). 146 von Arnauld, Völkerrecht, 2019, S. 117; Eckart, Promises of States under International Law, 2012, S. 210. 147 Suy/Angelet, Promise (Updated 12/2007), www.mpepil.com (letzter Zugriff: 09. 05. 2022), Rn. 21. 148 Eckart, Promises of States under International Law, 2012, S. 213; Graf Vitzthum, Begriff, Geschichte und Rechtsquellen des Völkerrechts, in: Graf Vitzthum/Proelß (Hrsg.), Völkerrecht, 2019, S. 1 (68).
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Mitgliedstaaten der Europäischen Union ihre ODA-Leistungen bis 2015 auf 0,7 % des BIP erhöhen sollten.149 Dieses Ziel wurde 2008 durch den Europäischen Rat bestätigt.150 Bei Schlussfolgerungen dieses Organs handelt es sich aber um politische und nicht um rechtsverbindliche Entschlüsse.151 Auch dieser Stufenplan stellt deshalb keine rechtsverbindliche Selbstverpflichtung der Mitgliedstaaten dar.152 Abschließend kommt die Vergangenheit Deutschlands als ehemalige Kolonialmacht als Anknüpfungspunkt für eine Leistungspflicht in Betracht. Es wird vertreten, dass den ehemaligen Kolonien aufgrund der Nachteile, die sie während der Kolonialzeit erlitten haben, ein Anspruch auf ODA gegen die ehemaligen Kolonialmächte als Wiedergutmachung zusteht.153 Ein solcher Anspruch könnte sich auf das allgemeine Prinzip der völkerrechtlichen Verantwortlichkeit stützen. Danach haben Völkerrechtssubjekte für Schäden, die aus einer völkerrechtswidrigen Handlung entstehen, Wiedergutmachung zu leisten.154 Das Prinzip der völkerrechtlichen Verantwortlichkeit ist Bestandteil des Völkergewohnheitsrechts.155 Zentrale Voraussetzung für einen Anspruch aus diesem Prinzip ist eine völkerrechtswidrige Handlung.156 Dabei kommt es auf die zum jeweiligen Zeitpunkt geltende Völkerrechtsordnung an.157 Zu der Zeit, als Deutschland sich als Kolonialmacht betätigt hat, war dies durch das geltende Völkerrecht noch nicht verboten.158 Noch nach dem Zweiten Weltkrieg war aus Sicht von Staaten wie Großbritannien und Frankreich die
149 Europäischer Rat, Schlussfolgerungen des Vorsitzes, Dok 10244/1/05 Rev. 1 vom 15. Juli 2005, Rn. 27. 150 Europäischer Rat, Schlussfolgerungen des Vorsitzes, Dok 11018/1/08 Rev. 1 vom 17. Juli 2008, Rn. 59. 151 Calliess, Art. 15 EUV, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, 2022, Rn. 14; Lenski, Art. 15 EUV, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje (Hrsg.), Europäisches Unionsrecht, 2015, Rn. 24. 152 Dann, Entwicklungsverwaltungsrecht, 2012, S. 208. 153 Weber, Der Anspruch auf Entwicklungshilfe und die Veränderungen des internationalen Wirtschaftsrechts, VRÜ 11 (1978), S. 5 (24). 154 Dörr, Völkerrechtliche Verantwortlichkeit, in: Epping/Heintschel von Heinegg (Hrsg.), Völkerrecht, 2018, S. 625 (625); Hobe, Einführung in das Völkerrecht, 2020, S. 266; Schöbener, Völkerrechtliche Verantwortlichkeit, in: Schöbener (Hrsg.), Völkerrecht, 2014, S. 483 (484); Shaw, International Law, 2021, S. 677. 155 Crawford, State Responsibility (Updated 09/2006), www.mpepil.com (letzter Zugriff: 09. 05. 2022), Rn. 31; Schröder, Verantwortlichkeit, Völkerstrafrecht, Streitbeilegung und Sanktionen, in: Vitzthum/Proelß (Hrsg.), Völkerrecht, 2019, S. 691 (699). 156 von Arnauld, Völkerrecht, 2019, S. 168; Hobe, Einführung in das Völkerrecht, 2020, S. 265; Odendahl, Völkerrecht, 2012, S. 137; Shelton, Reparations (Updated 08/2015), www.mpepil.com (letzter Zugriff: 09. 05. 2022), Rn. 2. 157 Fabricius, Aufarbeitung von in Kolonialkriegen begangenem Unrecht, 2017, S. 39; Kämmerer, Das Völkerrecht des Kolonialismus: Genese, Bedeutung und Nachwirkungen, VRÜ 39 (2006), S. 397 (423 – 424); Odendahl, Völkerrecht, 2012, S. 137. 158 Bleckmann, Anspruch auf Entwicklungshilfe?, VRÜ 12 (1979), S. 5 (11).
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Kolonialisierung nicht völkerrechtswidrig,159 und selbst der UN-Charta konnte dahingehend kein eindeutiges Verbot entnommen werden.160 Unabhängig von der Frage der Rechtswidrigkeit spricht gegen einen Anspruch aus diesem Prinzip zudem die problematische Nachweisbarkeit der Kausalität zwischen kolonialer Vergangenheit und Entwicklungsdefizit161 sowie die kaum mögliche Quantifizierung eines entsprechenden Schadens.162 Der Umfang eines Anspruches aufgrund völkerrechtlicher Verantwortlichkeit beschränkt sich auf einen Ausgleich der Folgen, die kausal auf den Rechtsverstoß zurückzuführen sind.163 Es kann aber weder mit ausreichender Sicherheit bewiesen werden, dass die Entwicklungsdefizite einiger ehemaliger Kolonien unmittelbar auf die Kolonialisierung zurückzuführen sind, noch kann der daraus entstandene Schaden quantifiziert werden. Auch das Prinzip der völkerrechtlichen Verantwortlichkeit begründet mithin keine Pflicht zur Leistung von ODA.164 Eine Pflicht zur Entwicklungszusammenarbeit, die mit materiellen Leistungspflichten für Deutschland einhergeht,165 kann somit weder dem Völker- noch dem Europarecht entnommen werden.166 Dies gilt insbesondere für das 0,7 %-Ziel.167 Im Völkerrecht gibt es, anders als im nationalen Recht, keine übergeordnete Autorität, 159
Pahuja, Decolonising International Law, 2013, S. 78. Pahuja, Decolonization and the Eventness of International Law, in: Johns/Joyce/Pahuja (Hrsg.), Events: The Force of International Law, 2011, S. 91 (94). 161 Bleckmann, Anspruch auf Entwicklungshilfe?, VRÜ 12 (1979), S. 5 (12). 162 Wulff, Entwicklungshilfe zwischen Völkerrechtsordnung und Weltwirtschaftssystem, 1986, S. 45. 163 Dörr, Völkerrechtliche Verantwortlichkeit, in: Epping/Heintschel von Heinegg (Hrsg.), Völkerrecht, 2018, S. 625 (678). 164 Bleckmann, Anspruch auf Entwicklungshilfe?, VRÜ 12 (1979), S. 5 (678). 165 Für das Bestehen einer solchen Pflicht u. a.: Odendahl, Das Recht auf Entwicklung, 1997, S. 274; Weber, Der Anspruch auf Entwicklungshilfe und die Veränderungen des internationalen Wirtschaftsrechts, VRÜ 11 (1978), S. 5 (25). 166 So auch: Alston, Ships Passing in the Night, HRQ 27 (2005), S. 755 (776 – 778); Bleckmann, Anspruch auf Entwicklungshilfe?, VRÜ 12 (1979), S. 5 (14); Dann, Solidarity and the Law of Development Cooperation, in: Wolfrum/Kojima (Hrsg.), Solidarity, 2010, S. 55 (77); Dann/Riegner, Globales Entwicklungsverwaltungsrecht, in: Dann/Kadelbach/Kaltenborn (Hrsg.), Entwicklung und Recht, 2014, S. 723 (738); Focarelli, International Law, 2019, S. 505; Kunig, Die innere Dimension des Rechts auf Entwicklung – Rechtspolitische Überlegungen zur Inpflichtnahme von Entwicklungsländern, VRÜ 19 (1986), S. 383 (390); Riedel, Menschenrechte der dritten Dimension, in: Riedel/Koenig/Lorz (Hrsg.), Die Universalität der Menschenrechte, 2003, S. 329 (352); Schütz, Solidarität im Wirtschaftsvölkerrecht, 1994, S. 130; Seidel, Souveräne Gleichheit und faktische Ungleichheit der Staaten, in: Breuer/Epiney/Haratsch/Schmahl/Weiß (Hrsg.), Der Staat im Recht, 2013, S. 897 (910 – 911); Wolfrum, Cooperation, International Law of (Updated 04/2010), www.mpepil.com (letzter Zugriff: 09. 05. 2022), Rn. 25. 167 von Arnauld, Völkerrecht, 2019, S. 420; Dann, Entwicklungsverwaltungsrecht, 2012, S. 208; Krajewski, Wirtschaftsvölkerrecht, 2021, S. 281; Sengupta, On the Theory and Practice of the Right to Development, HRQ 24 (2002), S. 837 (880). 160
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die das geltende Recht durchsetzt.168 Die Geltung des Völkerrechts stützt sich deshalb nach der vorherrschenden Konsenstheorie darauf, dass die Staaten völkerrechtliche Normen übereinstimmend als verbindlich anerkennen.169 Insbesondere an materielle Leistungspflichten müssen deshalb hohe Erfordernisse gestellt werden. Bei der Entstehung einer völkerrechtlichen Pflicht, sei es durch einen Vertrag oder das Gewohnheitsrecht, bedarf es des Konsenses der beteiligten Subjekte.170 Die Entstehung einer rechtlichen Pflicht einer bestimmten Gruppe von Staaten zu einer materiellen Leistung gegen ihren ausdrücklichen Willen, die maßgeblich durch die Mehrheit der potentiellen Leistungsempfänger begründet wird, würde diesem Gedanken fundamental widersprechen und ist deshalb nicht mit geltendem Völkerrecht vereinbar.171 Das Soft Law und insbesondere Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen können einen Hinweis auf entstehendes Gewohnheitsrecht darstellen.172 Jedoch scheint in dieser Frage das beharrliche Zurückziehen der Geberstaaten auf unverbindliche Dokumente und die fehlende Bereitschaft, eine entsprechende Leistungspflicht in einem rechtsverbindlichen Vertrag zu normieren, die Auffassung zu bestätigen, dass die Geberstaaten gerade keine Pflicht begründen wollen. Die Geberstaaten sehen sich, trotz der Betonung des Aspekts der Zusammenarbeit, noch immer als Wohltäter in der Entwicklungszusammenarbeit. Dies zeigt sich auch daran, dass in offiziellen Dokumenten zur Entwicklungszusammenarbeit der Aspekt der Eigeninteressen kaum Erwähnung findet. Die Geberstaaten haben kein Interesse daran, die Entwicklungszusammenarbeit als eine Aufgabe anzuerkennen, zu deren Erfüllung sie rechtlich verpflichtet sind.173 Sie stellen die Entwicklungszusammenarbeit deshalb nicht in den Kontext der Erfüllung einer
168 Funke, Rechtscharakter, Geltungsgrund und Legitimität des Völkerrechts, in: Schöbener (Hrsg.), Völkerrecht, 2014, S. 334 (335). 169 von Arnauld, Völkerrecht, 2019, S. 4; Ipsen, Regelungsbereich, Geschichte und Funktion des Völkerrechts, in: Epping/Heintschel von Heinegg (Hrsg.), Völkerrecht, 2018, S. 1 (15); Ipsen, Entwicklungspolitik und Völkerrecht, in: Ringer/Renesse/Uhlig (Hrsg.), Perspektiven der Entwicklungspolitik, 1981, S. 99 (100); Stein/Buttlar/Kotzur, Völkerrecht, 2017, S. 4. 170 Ipsen, Regelungsbereich, Geschichte und Funktion des Völkerrechts, in: Epping/ Heintschel von Heinegg (Hrsg.), Völkerrecht, 2018, S. 1 (15). 171 Kaltenborn, Entwicklungs- und Schwellenländer in der Völkerrechtsgemeinschaft, AVR 46 (2008), S. 205 (225); Wolfrum, Cooperation, International Law of (Updated 04/2010), www.mpepil.com (letzter Zugriff: 09. 05. 2022), Rn. 40. 172 ICJ, Military and Paramilitary Activities in and against Nicaragua (Nicaragua v. United States), Judgment of 27 June 1986, ICJ Reports 1986, S. 14, Ziff. 188; ICJ, Legality of the Threat or Use of Nuclear Weapons, Advisory Opinion of 8 July 1996, ICJ Reports 1996, S. 226, Ziff. 71; Dörr, Weitere Rechtsquellen des Völkerrechts, in: Epping/Heintschel von Heinegg (Hrsg.), Völkerrecht, 2018, S. 536 (545); Herdegen, Völkerrecht, 2022, S. 162. 173 Marks, Obligations to Implement the Right to Development: Political, Legal, and Philosophical Rationales, in: Andreassen/Marks (Hrsg.), Development as a Human Right, 2010, S. 73 (89).
§ 3 Entwicklungsgesetze als Rechtsgrundlage für Leistungspflichten
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völkerrechtlichen Leistungspflicht.174 Stattdessen werden die Leistungen stets mit einer moralischen Pflicht begründet.175 Eine allgemeine rechtliche Leistungspflicht kann den untersuchten Rechtsgrundlagen dadurch nicht entnommen werden. Deutschland ist mithin aus rechtlicher Sicht nicht zur Entwicklungszusammenarbeit verpflichtet. Die Leistungspflichten beschränken sich auf die Pflichten, die im Rahmen bilateraler und multilateraler Verträge begründet werden. Dennoch stellt die Höhe des Entwicklungsetats in Deutschland auf den ersten Blick kein zentrales Problem dar.176 Das Volumen der deutschen ODA ist das zweitgrößte unter den OECD-DAC-Mitgliedstaaten,177 das 0,7 %-Ziel wurde nach bisher vorläufigen Zahlen sowohl im Jahr 2020178 als auch im Jahr 2021 erreicht.179 Eine gesetzlich festgelegte Pflicht zur Leistung von ODA könnte gleichwohl einerseits dazu beitragen, dass Deutschland seinem politischen Versprechen, 0,7 % des BIP für die ODA aufzuwenden, auch in Zukunft nachhaltig nachkommt und andererseits sicherstellen, dass auch zukünftige Regierungen ausreichend Haushaltsmittel für die Entwicklungszusammenarbeit aufwenden. Nachfolgend wird deshalb dargestellt, ob und in welcher Form diese Frage in den Vergleichsgesetzen geregelt wurde.
§ 3 Entwicklungsgesetze als Rechtsgrundlage für Leistungspflichten Die vertragliche Ausgestaltung der deutschen bilateralen Entwicklungszusammenarbeit und der beispielhaft untersuchten Vertragsgestaltung der Finanzierung der IDA sowie der afrikanischen Entwicklungsbank zeigen, dass die Geberstaaten mit der Begründung von langfristigen Leistungspflichten zurückhaltend sind. Diese Beobachtung spiegelt sich auch in den Entwicklungsgesetzen wider. Leistungspflichten spielen in diesen nur eine untergeordnete Rolle. Zumeist wird die Frage des „Ob“ der Entwicklungszusammenarbeit in den Gesetzen nicht thematisiert. Stattdessen werden ausschließlich für den Fall, dass Entwicklungszusammenarbeit geleistet wird, inhaltliche Regeln festgelegt. Eine Ausnahme bilden die Entwicklungsgesetze Österreichs, der Schweiz und der britische International Development (Official Development Assistance Target) Act 2015. In diesen Gesetzen ist jeweils 174
Alston, Ships Passing in the Night, HRQ 27 (2005), S. 755 (775 – 778). Fakuda-Parr, Millennium Development Goal 8, HRQ 28 (2006), S. 966 (968). 176 Maihold, Entwicklungszusammenarbeit am Scheideweg, in: Sangmeister/Wagner (Hrsg.), Die Entwicklungszusammenarbeit der Zukunft, 2019, S. 17 (18). 177 OECD, Development Co-operation Profiles 2021 – Germany, https://doi.org/10.1787/ 0079f636-en (letzter Zugriff: 09. 05. 2022). 178 OECD, Development Co-operation Report 2021, 2021, S. 407. 179 OECD, ODA Levels in 2021 – Preliminary Data, 2022, https://www.oecd.org/dac/finan cing-sustainable-development/development-finance-standards/ODA-2021-summary.pdf (letzter Zugriff: 09. 05. 2022). 175
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eine explizite Pflicht zur Entwicklungszusammenarbeit normiert. Zu unterscheiden ist diesbezüglich zwischen einer abstrakten Pflicht, die nicht an bestimmte Mindestwerte gebunden ist, und einer qualifizierten Pflicht, die mit der Erfüllung einer Mindestquote verbunden ist.
A. Abstrakte Pflicht Die Gesetze der Schweiz und Österreichs enthalten Regelungen, die als abstrakte Leistungspflichten, die nicht mit einem verbindlichen Mindestanteil am BIP verbunden sind, ausgelegt werden können. Gem. Art. 1 des schweizerischen Entwicklungsgesetzes „trifft [der Bund] Maßnahmen der internationalen Entwicklungszusammenarbeit und humanitären Hilfe“. Das Wort „trifft“ weist darauf hin, dass der jeweiligen schweizerischen Regierung kein Ermessenspielraum bezüglich der Frage zukommen soll, ob sie überhaupt entsprechende Maßnahmen durchführt. Dem Wortlaut nach ist sie damit zur Durchführung von Entwicklungsmaßnahmen verpflichtet. Für eine solche Interpretation dieser Norm spricht auch eine verfassungskonforme Auslegung. Gemäß Art. 54 Abs. 2 der schweizerischen Bundesverfassung trägt der Bund „zur Linderung von Not und Armut in der Welt, zur Achtung der Menschenrechte und zur Förderung der Demokratie […]“ bei. Diese Zielformulierung kann als ein innerstaatlicher Auftrag zur Hilfeleistung durch Entwicklungszusammenarbeit interpretiert werden.180 Welchen Umfang die Leistungen in der Entwicklungszusammenarbeit haben müssen, lässt sich dem Gesetz dagegen nicht entnehmen. Eine vergleichbare Regelung weist auch das österreichische Entwicklungsgesetz auf. Gem. § 1 Abs. 1 dieses Gesetzes „hat [der Bund] Entwicklungszusammenarbeit im Rahmen seiner internationalen Entwicklungspolitik zu leisten“. Der jeweiligen österreichischen Regierung wird dem Wortlaut nach kein Ermessenspielraum bezüglich der Frage, ob sie in der Entwicklungszusammenarbeit tätig wird, zugesprochen.181 Das Wort „hat“ spricht dafür, dass die Regierung dazu verpflichtet ist, Entwicklungszusammenarbeit zu leisten. Im Falle Österreichs lässt sich diese Interpretation darüber hinaus durch eine historische Auslegung belegen. Das unmittelbare Vorgängergesetz des aktuellen österreichischen Entwicklungsgesetzes, das Bundesgesetz vom 10. Juli 1974 über die Hilfe an Entwicklungsländer (Entwicklungshilfegesetz), hatte in § 2 Abs. 1 des Gesetzes dem Bund ausdrücklich ein Ermessen bezüglich der Frage, ob Maßnahmen zur Entwicklungszusammenarbeit
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Siehe Mazidi, Die gesetzlichen Grundlagen der schweizerischen Entwicklungszusammenarbeit, IFF Working Paper No. 17, 2017, S. 18. 181 Krause, Österreich, in: Gieler (Hrsg.), Entwicklungszusammenarbeit im europäischen Vergleich, 2012, S. 153 (156).
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ergriffen werden sollen, zugesprochen.182 Dort hieß es: „der Bund kann unter Bedachtnahme auf das Entwicklungshilfeprogramm (§ 8) Entwicklungsländern unmittelbar oder im Zusammenwirken mit anderen Staaten […] Entwicklungshilfe gewähren […].“ Das Wort „kann“ weist in diesem Zusammenhang auf einen Ermessensspielraum hin. Dass dieses Wort im aktuellen Gesetz durch das Wort „hat“ ersetzt wurde, zeigt, dass der Gesetzgeber bewusst das ursprüngliche Ermessen zu einer Pflicht gewandelt hat. Für diese Auslegung spricht auch die damalige Gesetzesbegründung. So wurde das Gesetz im Lichte des, durch Österreich bereits 1970 im Rahmen der Vereinten Nationen erstmals anerkannten und in der Folgezeit wiederholt bestätigten Ziels 0,7 % des BNP für die Entwicklungszusammenarbeit aufzuwenden sowie, da Österreich nunmehr seit 1995 Mitglied der Europäischen Union war, im Lichte der bestehenden Erwartungshaltung sich an der „gemeinschaftlichen Entwicklungszusammenarbeit und ihrer Finanzierung zu beteiligen und an ihrer Umsetzung mitzuarbeiten“, erlassen.183 Entsprechende abstrakten Leistungspflichten spielen jedoch aus praktischer Sicht nur eine untergeordnete Rolle. Beide Gesetze machen keine Vorgaben bezüglich des Umfangs der Leistungen. Den Gesetzen kann dementsprechend keine Pflicht entnommen werden, eine bestimmte Mindestquote im Verhältnis zum BIP für die Entwicklungszusammenarbeit aufzuwenden.184 Zudem entfalten die Gesetze keine Außenwirkung. Den Empfängerstaaten erwachsen aus diesen Gesetzen keine Ansprüche auf Entwicklungsleistungen. Die Ermessensbeschränkung dieser Normen erschöpft sich dementsprechend darin, dass die Regierungen die Entwicklungszusammenarbeit nicht vollständig einstellen dürfen. Dies erscheint aufgrund des politischen Nutzens der Entwicklungszusammenarbeit auch für die Geberstaaten aber ohnehin annähernd ausgeschlossen.
182 Österreich, Bundesgesetz von 10. Juli 1974 über die Hilfe an Entwicklungsländer (Entwicklungshilfegesetz), Bundesgesetzblatt für die Bundesrepublik Österreich (BGBl.) vom 8. August 1974, 474. Bundesgesetz, S. 2072 – 2073. 183 Österreich, Regierungsvorlage – Bundesgesetz mit dem ein Bundesgesetz über die Entwicklungszusammenarbeit (Entwicklungszusammenarbeitsgesetz, EZA-G) erlassen und das Urlaubsgesetz geändert werden, 724 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXI.GP, S. 7. 184 Sowohl die Schweiz als auch Österreich haben in der Vergangenheit das 0,7 %-Ziel stets deutlich verfehlt. OECD, Development Co-operation Report 2018, 2018, S. 291, 395. Österreich hat im Jahr 2019 0,27 % des BIP für die ODA aufgewendet, OECD, Development Cooperation Profiles 2021 – Austria, https://doi.org/10.1787/bd516a04-en (letzter Zugriff: 09. 05. 2022). Die Schweiz hat im Jahr 2019 0,44 % des BIP für die ODA aufgewendet, OECD, Development Co-operation Profiles 2021 – Switzerland, https://doi.org/10.1787/00eb9f0b-en (letzter Zugriff: 09. 05. 2022).
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B. Qualifizierte Pflicht Eine ungleich weitergehende Leistungspflicht hat Großbritannien mit dem 2015 verabschiedeten International Development (Official Development Assistance Target) Act 2015 normiert. Sinn und Zweck dieses Gesetzes ist es gem. Art. 1 Abs. 1, sicherzustellen, dass die Haushaltsmittel Großbritanniens, die für die öffentliche Entwicklungszusammenarbeit aufgewendet werden, ab 2015 und in allen nachfolgenden Kalenderjahren mindestens 0,7 % des BIP ausmachen.185 Der verwendete Begriff der „official development assistance“ ist dabei deckungsgleich mit der ODADefinition des OECD-DAC.186 Großbritannien war damit der erste187 und ist bis heute der einzige Staat, der sich auf nationaler Ebene gesetzlich zur Einhaltung des 0,7 %Ziels verpflichtet hat. Über diese Selbstverpflichtung hinaus wird u. a. im Rahmen des Gesetzes die Verantwortlichkeit für die Erfüllung dieses Ziels, die Voraussetzungen, unter denen es als erfüllt anzusehen ist, die Rechtsfolgen im Falle der Nichterfüllung sowie die Sicherstellung einer größtmöglichen Transparenz geregelt. Gem. Art. 1 Abs. 1 des Gesetzes ist es die Pflicht des „Secretary of State“, sicherzustellen, dass das Ziel erreicht wird.188 Es gibt mithin eine eindeutige Zuweisung der Verantwortlichkeit. Ob das Ziel erreicht wurde, richtet sich gem. Art. 1 Abs. 2, Abs. 3 des Gesetzes nach dem gem. Art. 1 des International Development (Reporting and Transparency) Act 2006 zu erstellenden jährlichen Bericht über die Entwicklungszusammenarbeit Großbritanniens.189 In diesem Bericht ist die britische ODA detailliert darzustellen. Dadurch wird sichergestellt, dass die Erreichung dieses Ziels auf transparente Art und Weise nachvollzogen werden kann. Sollte das Ziel in einem Jahr nicht erreicht werden, ist der Minister gem. Art. 2 Abs. 1, Abs. 3 des International Development (Official Development Assistance Target) Act 2015 dazu verpflichtet, dem Parlament darüber Bericht zu erstatten, 185 Art. 1 Abs. 1 des International Development (Official Development Assistance Target) Act 2015: „It is the duty of the Secretary of State to ensure that the target for official development assistance (referred to in this Act as ,ODA‘) to amount to 0,7 % of gross national income (in this Act referred to as ,the 0,7 % target‘) is met by the United Kingdom in the year 2015 and each subsequent calendar year.“ 186 Großbritannien, International Development (Official Development Assistance Target) Act 2015 – Explanatory Notes, http://www.legislation.gov.uk/ukpga/2015/12/notes (letzter Zugriff: 09. 05. 2022), Rn. 4. 187 Anderson, UK passes bill to honour pledge of 0.7 % foreign aid target, 09. 03. 2015, https: //www.theguardian.com/global-development/2015/mar/09/uk-passes-bill-law-aid-target-percen tage-income (letzter Zugriff: 09. 05. 2022). 188 Welcher Minister dies ist ergibt sich nicht unmittelbar aus dem Gesetz. Großbritannien hat aber mit dem Secretary of State for International Development einen Minister der ausdrücklich für die Entwicklungszusammenarbeit zuständig ist und der Secretary of State im Sinne dieses Gesetzes ist. Zu den kompetenzrechtlichen Bestimmungen der britischen Entwicklungsgesetze bzw. der fehlenden gesetzlichen Regelung dieses Aspekts unten Teil 6, § 1, B., IV. 189 Zu diesem Gesetz unten Teil 6, § 2, C., VI.
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warum das Ziel in dem jeweiligen Jahr nicht erreicht wurde.190 Gem. Art. 2 Abs. 4 des Gesetzes muss er in diesem Fall ebenso darlegen, welche Schritte er eingeleitet hat, damit das Ziel in dem auf den Bericht folgenden Kalenderjahr wieder erreicht wird. Darüberhinausgehende Rechtsfolgen hat ein Verfehlen dieses Ziels jedoch ausdrücklich nicht.191 Während das Gesetz dementsprechend eine Rechenschaftspflicht gegenüber dem Parlament begründet, ist eine gerichtliche Durchsetzung der normierten Pflicht nicht möglich.192 Um sicherzustellen, dass Großbritannien nicht nur das quantitative Ziel erreicht, sondern darüber hinaus auch eine ausreichende Qualität der Entwicklungsmaßnahmen gewährleistet bleibt, ist der zuständige Minister gem. Art. 5 Abs. 1 des Gesetzes dazu verpflichtet, zu gewährleisten, dass die Entwicklungszusammenarbeit einer unabhängigen Evaluation unterzogen wird.193 Ziel dieser Evaluation ist es, zu bestimmen, inwieweit die Maßnahmen in Bezug auf die Ziele der britischen Entwicklungszusammenarbeit kosteneffektiv sind. Es wird vertreten, dass diese Evaluationspflicht in ihrer Bedeutung für die britische Entwicklungszusammenarbeit über die Normierung der Pflicht selbst hinausgehen könnte.194 Eine ausdrückliche Pflicht, die Evaluationsergebnisse umzusetzen, lässt sich dem Gesetz gleichwohl nicht entnehmen. Dieses Gesetz begründet, ebenso wie die Gesetze Österreichs und der Schweiz, lediglich eine interne Verpflichtung. Die normierten Leistungspflichten der Gesetze entfalten keine Außenwirkung in dem Sinne, dass sie Ansprüche einzelner Empfängerstaaten begründen. Ebenso kann allen drei Gesetzen kein Rechtsbindungswille bezüglich einer Selbstverpflichtung gegenüber der internationalen Staatengemeinschaft als Ganzem entnommen werden. Es handelt sich bei den Gesetzen Österreichs und der Schweiz sowie dem International Development (Official Development Assistance Target) Act 2015 mithin nicht um einseitige Verpflichtungsakte im Sinne des Völkerrechts. 190 Aufgrund der finanziellen und wirtschaftlichen Folgen der COVID-19-Pandemie reduzierte Großbritannien den für die ODA zur Verfügung stehenden Haushaltsetat für das Jahr 2021 auf 0,5 % des BNP und verfehlt damit erstmals seit Erlass des Gesetzes das 0,7 %-Ziel. Dabei handelt es sich jedoch ausdrücklich nur um eine temporäre Maßnahme, Loft/Brien, The 0,7 % Aid Target, 2022, S. 12. 191 Art. 3 Abs. 2 des International Development (Official Development Assistance Target) Act 2015: „Accordingly, the fact that the duty in section 1 has not been, or will or may not be, complied with does not affect the lawfulness of anything done, or omitted to be done, by any person.“ 192 Manji, The International Development (Official Development Assistance Target) Act 2015, Mod. Law Rev. 79 (2016), S. 655 (665). 193 Art. 5 Abs. 1 des International Development (Official Development Assistance Target) Act 2015: „The Secretary of State must make arrangements for the independent evaluation of the extent to which ODA provided by the United Kingdom represents value for money in relation to the purposes for which it is provided.“ 194 Manji, The International Development (Official Development Assistance Target) Act 2015, Mod. Law Rev. 79 (2016), S. 655 (666).
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§ 4 Fazit Die vorangegangenen Untersuchungen haben gezeigt, dass es bisher an rechtsverbindlichen Leistungspflichten in der Entwicklungszusammenarbeit fehlt. Trotz der erheblichen Bedeutung des 0,7 %-Ziels begründet es bisher weder auf europanoch auf völkerrechtlicher Ebene eine rechtliche Verpflichtung. Es liegt im Ermessen und der Verantwortung der Geberstaaten, sicherzustellen, dass sie in einem ausreichenden Maße finanzielle Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit zur Verfügung stellen. Von den untersuchten Entwicklungsgesetzen enthalten nur drei Gesetze eine Leistungspflicht.195 Österreich und die Schweiz haben in ihren Entwicklungsgesetzen eine abstrakte Pflicht festgelegt, die nicht mit einem festgelegten Leistungsumfang einhergeht. Großbritannien hat sich als einziger Staat durch den 2015 in Kraft getretenen International Development (Official Development Assistance Target) Act 2015 zur Erfüllung des Ziels, 0,7 % des BIP für die Entwicklungszusammenarbeit aufzuwenden, gesetzlich verpflichtet. Deutschland hat sich dagegen bisher weder in Form einer abstrakten noch in Form einer qualifizierten Pflicht zur langfristigen Leistung von ODA rechtsverbindlich verpflichtet.196 Dies bringt den Vorteil mit sich, dass Deutschland die Höhe der Haushaltsmittel, die für die ODA zur Verfügung gestellt werden sollen, flexibel an die Haushaltssituation anpassen kann. Es hat aber auch dazu geführt, dass es Deutschland bisher nicht geschafft das eigene Leistungsversprechen, 0,7 % des BIP für die ODA aufzuwenden, kontinuierlich nachzukommen. Stattdessen ist die Höhe des Haushaltsetats für die Entwicklungszusammenarbeit weiterhin maßgeblich von politischen Erwägungen abhängig.197 Eine rechtliche Pflicht zur Leistung von ODA würde eine langfristigere Planung ermöglichen und könnte dadurch zu einer kohärenteren Entwicklungszusammenarbeit beitragen. Je langfristiger geplant werden kann, desto stärker kann die Ausrichtung der Entwicklungszusammenarbeit langfristig strukturiert werden und dadurch sowohl eine höhere Stringenz der Leistungen erreicht als auch mögliche 195
Auch die übrigen Entwicklungsgesetze der OECD-DAC-Mitgliedstaaten, die im Rahmen der vorliegenden Arbeit nicht genauer dargestellt werden, enthalten keine Pflicht zur Entwicklungszusammenarbeit, die mit materiellen Leistungspflichten einhergeht. 196 Im Jahr 2002 hat die damalige PDS einen entsprechenden Gesetzesentwurf zur „Sicherung der öffentlichen Entwicklungshilfe des Bundes“ in den Bundestag eingebracht. Dieser Gesetzesentwurf sah eine verbindliche Pflicht zur Erfüllung des 0,7 %-Ziels ab dem Jahr 2007 vor, BT-Drucks. 14/8338 vom 21. 02. 2002. Der Gesetzesentwurf fand jedoch keine Mehrheit. Die damals in Regierungsverantwortung befindlichen Parteien SPD und Bündnis 90/Die Grünen lehnten eine solche Verpflichtung insbesondere in Hinblick auf eine notwendige Konsolidierung des Bundeshaushalts ab. Die Fraktion der FDP lehnte den Entwurf ebenfalls aufgrund haushaltspolitischer Überlegungen ab. Die Fraktion der CDU/CSU vertrat dagegen die Auffassung, dass sie den Gesetzesentwurf, sofern „die eine oder andere Formulierung geändert würde und […] alle Fraktionen dem Gesetzesentwurf zustimmten, […] durchaus interessant finden“ könnte, BT-Drucks. 14/9312 vom 07. 06. 2002, S. 4. 197 Bohnet, Politische Ökonomie der deutschen Entwicklungszusammenarbeit, 2017, S. 26.
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Synergieeffekte berücksichtigt werden. Zudem würde die Entscheidung, ob ODA geleistet wird, objektiviert werden. Unabhängig von politischen Überzeugungen und Interessen stünde fest, dass Haushaltsmittel für die Entwicklungszusammenarbeit bereitgestellt werden. Dies könnte dazu beitragen, dass sich der Fokus in der Entwicklungsdebatte stärker von der Frage der Höhe der Leistungen zur Frage des Inhalts und der Effektivität der Maßnahmen verschiebt.198 Ein Entwicklungsgesetz wäre als starres Regelungsinstrument dazu geeignet, eine solche Leistungspflicht langfristig festzusetzen. Damit die gesetzliche Normierung einer Leistungspflicht einen Mehrwert in Bezug auf die Kohärenz der deutschen Entwicklungszusammenarbeit bietet, müsste sie gewisse Kriterien erfüllen. Ein Entwicklungsgesetz sollte zunächst eine Mindestquote festlegen. Es ist nicht ersichtlich, dass Deutschland in absehbarer Zeit die Leistung von ODA vollständig einstellen wird. Eine abstrakte Pflicht zur Entwicklungszusammenarbeit hätte dementsprechend in Bezug auf die Planungssicherheit keine Vorteile. Der International Development (Oficcial Development Assistance Target) Act 2015 kann insoweit als Blaupause für die gesetzliche Umsetzung einer solchen Pflicht angesehen werden. Der Erlass dieses Gesetzes war jedoch nur aufgrund einer günstigen Ausgangssituation möglich. Einerseits hatte Großbritannien bereits seit dem Jahr 2013 jeweils das Ziel erreicht, 0,7 % des BIP für die ODA aufzuwenden,199 und zum anderen bestand ein breiter überparteilicher Konsens,200 dass eine entsprechende Leistungspflicht rechtlich normiert werden sollte.201 Ohne diesen überparteilichen Konsens wäre ein solches Gesetz mit einem hohen politischen Risiko verbunden, da sich der jeweilige Staat dazu verpflichtet, Haushaltsmittel in einem erheblichen Umfang für Projekte zu verwenden, die nicht unmittelbar 198 Durch den Erlass des International Development (Official Development Assistance Target) Act 2015 rückte in Großbritannien die Frage, inwieweit die Haushaltsmittel für die Entwicklungszusammenarbeit effektiv eingesetzt werden, zunehmend in den Fokus und es wird seither u. a. darüber debattiert, ob eine solche Mindestquote dazu führt, dass auch ineffektive Maßnahmen gefördert werden, um das Ziel zu erfüllen, vgl. House of Lords – Select Committee on Economic Affairs, The Economic Impact and Effectiveness of Development Aid, HL Paper No. 278 (2012), S. 38. Unabhängig davon, ob diese Sorge berechtigt ist, trägt diese Debatte dazu bei, dass die Qualität der ODA genauer geprüft wird. 199 OECD, OECD Development Co-operation Peer Reviews: United Kingdom 2020, S. 48. 200 Ein solcher überparteilicher Konsens bezüglich des 0,7 %-Ziels scheint auch in Deutschland zu bestehen. Abgesehen von der FDP und der AfD hatten sich beispielsweise im Wahlkampf für die Bundestagswahl 2017 alle Parteien, die in den Bundestag eingezogen sind, in ihren Wahlprogrammen ausdrücklich zu diesem Ziel bekannt: CDU/CSU, Für ein Deutschland in dem wir gut und gerne leben. Regierungsprogramm 2017 – 2021, Regierungsprogramm der Union für die Bundestagswahl 2017, S. 66; SPD, Zeit für mehr Gerechtigkeit. Unser Regierungsprogramm für Deutschland, Regierungsprogramm der SPD für die Bundestagswahl 2017, S. 109; Die Linke, Sozial. Gerecht. Frieden. Für Alle – Die Zukunft für die wir kämpfen!, Regierungsprogramm der Linken für die Bundestagswahl 2017, S. 98; Bündnis 90/Die Grünen, Zukunft wird aus Mut gemacht., Bundestagswahlprogramm der Grünen für die Bundestagswahl 2017, S. 82, 87. 201 Manji, The International Development (Official Development Assistance Target) Act 2015, Mod. Law Rev. 79 (2016), S. 655 (661).
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der eigenen Bevölkerung zu Gute kommen. Es bleibt deshalb abzuwarten, ob die Regierungen anderer Geberstaaten dem britischen Beispiel folgen und den politischen Willen aufbringen, ein entsprechendes Gesetz zu erlassen. Zudem hat das britische Gesetz gerade keine rechtlichen Konsequenzen für eine Verfehlung des Ziels festgelegt, sondern nur eine Rechenschaftspflicht gegenüber dem britischen Parlament. Die zentrale Schwäche dieser Verpflichtung ist mithin, dass sie nicht rechtlich durchsetzbar ist. Darüber hinaus müsste ein solches Gesetz sicherstellen, dass die Erfüllung der Mindestquote nicht zu Lasten der Qualität der Leistungen geht. Das britische Gesetz verpflichtet Großbritannien dazu, die ODA-Quote im jeweiligen Haushaltsjahr zu erreichen. Dies kann dazu führen, dass, um diese Vorgabe zu erfüllen, Maßnahmen gefördert werden, ohne dass diese den üblichen Qualitätsansprüchen genügen.202 Die Entscheidungsträger könnten dazu verleitet sein, geplante Leistungen zu verschieben, wenn sie auch ohne diese das festgelegte Leistungsziel erreichen bzw. Leistungen vorziehen, um das Ziel im jeweiligen Haushaltsjahr zu erreichen.203 Dies kann negative Auswirkungen auf die Effektivität der Entwicklungszusammenarbeit haben.204 Diesem Nachteil könnte jedoch durch eine Einschränkung entgegengewirkt werden. Statt die Pflicht derart zu normieren, dass die Mindestquote jeweils im Haushaltsjahr erreicht werden muss, sollte festgelegt werden, dass lediglich die durchschnittlichen Ausgaben über eine festgelegte Zahl an Haushaltsjahren diesen Wert erreichen müssen. Dadurch könnten die Entscheidungsträger auch nach Erlass einer entsprechenden gesetzlichen Verpflichtung, flexibel auf Ausnahmesituationen reagieren. Unter Berücksichtigung dieser Voraussetzungen würde eine gesetzlich normierte Leistungspflicht einen Mehrwert für eine kohärentere Entwicklungszusammenarbeit leisten, ohne dass dies zu Lasten der Qualität der ODA gehen würde. Eine gesetzliche Selbstverpflichtung wäre isoliert betrachtet gleichwohl nicht geeignet, eine kohärente Entwicklungszusammenarbeit sicherzustellen. Ebenso wie eine Legaldefinition der Entwicklungszusammenarbeit kann eine Leistungspflicht nur Grundlage und Ausgangspunkt einer kohärenten Politik sein. Es ist darüber hinaus erforderlich, dass die Staaten auch auf inhaltlicher und organisatorischer Ebene angeleitet werden. Eine rechtliche Pflicht zur Leistung von ODA wäre dementsprechend insbesondere dann erstrebenswert, wenn sie in ein umfassendes Regelungskonzept eingebettet wird.
202
OECD, Managing Aid: Practices of DAC Member Countries, 2009, S. 62. Manji, The International Development (Official Development Assistance Target) Act 2015, Mod. Law Rev. 79 (2016), S. 655 (667 – 668). 204 National Audit Office, Managing the Official Development Assistance Target, HC 950 Session 2014 – 15 (2015), S. 7. 203
Teil 5
Inhaltliche Steuerung der Entwicklungszusammenarbeit Der dritte Schwerpunkt der vorliegenden Untersuchung widmet sich der Frage, welchen Beitrag das Entwicklungsrecht zur inhaltlichen Steuerung der Entwicklungszusammenarbeit leistet. Eine Besonderheit des Entwicklungsrechts besteht darin, dass Regelungen, die auf der Geberseite erlassen werden, mittelbar auch Auswirkungen auf die Empfängerstaaten haben.1 Sobald ein Geberstaat Voraussetzungen für die Auswahl der Empfängerstaaten oder der Entwicklungsprojekte festlegt, sind die Leistungsempfänger, sofern sie entsprechende Leistungen erhalten wollen, mittelbar an diese Voraussetzungen gebunden.2 Da im vorangegangenen Kapitel festgestellt wurde, dass die Entwicklungsleistungen der Geberstaaten weiterhin nicht auf einer rechtlichen Leistungspflicht beruhen, vermag es zunächst unproblematisch erscheinen, dass bestimmte Bedingungen erfüllt werden müssen, um Leistungen zu erhalten. Zwischen Geber- und Empfängerstaaten besteht jedoch regelmäßig ein erhebliches Machtgefälle, das mit ungleichen Verhandlungspositionen einhergeht.3 Die Heterogenität der Ziele der Entwicklungszusammenarbeit hat dazu geführt, dass die Geberstaaten ihre Leistungen auch an Bedingungen knüpfen, die zu Änderungen in Bereichen führen, die zu der domaine réservé der Staaten gezählt werden. Beispielsweise wird die Wahl des politischen Systems traditionell als eine alleinige Entscheidung des jeweiligen Staates angesehen.4 Dennoch spielt die Demokratieförderung in der Entwicklungszusammenarbeit eine bedeutende Rolle.5 1
Dann, Entwicklungsverwaltungsrecht, 2012, S. 193. Kritisch in Bezug auf diese Konditionalisierung der Leistungen Pahuja, Decolonising International Law, 2013, S. 236 – 237. 3 Dann, Autonomie trotz Asymmetrie? Selbstbestimmung und Eigenverantwortung im Entwicklungsverwaltungsrecht, in: Bäuerle/Dann/Wallrabenstein (Hrsg.), Demokratie-Perspektiven, 2013, S. 549 (555); Messner/Scholz, Entwicklungspolitik als Beitrag zur globalen Zukunftssicherung, in: Faust/Neubert (Hrsg.), Wirksamere Entwicklungspolitik, 2010, S. 71 (73). 4 von Arnauld, Völkerrecht, 2019, S. 155; Dann, Autonomie trotz Asymmetrie? Selbstbestimmung und Eigenverantwortung im Entwicklungsverwaltungsrecht, in: Bäuerle/Dann/ Wallrabenstein (Hrsg.), Demokratie-Perspektiven, 2013, S. 549 (565); Odendahl, Völkerrecht, 2012, S. 82; Stein/Buttlar/Kotzur, Völkerrecht, 2017, S. 237. 5 Steinroth, Demokratie, Frieden und Entwicklung, in: Dann/Kadelbach/Kaltenborn (Hrsg.), Entwicklung und Recht, 2014, S. 527 (527). Siehe u. a. Entwicklungsgesetz Dänemark, 2
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Teil 5: Inhaltliche Steuerung der Entwicklungszusammenarbeit
Das völkerrechtliche Interventionsverbot scheint im Kontext der Entwicklungszusammenarbeit zu einem Gebot der Einmischung umgekehrt zu werden. Die Geber versuchen, durch die Konditionalisierung ihrer Leistungen umfassenden Einfluss auf die Empfängerstaaten zu nehmen.6 Dem Völkervertragsrecht kann gegen dieses Vorgehen kein spezifischer Schutz entnommen werden.7 Schutzkonzepte wie die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entstandene Rechtsfigur der „ungleichen Verträge“ konnten sich in der Völkerrechtslehre nicht durchsetzen.8 Ein völkerrechtlicher Schutz könnte sich aber aus dem Interventionsverbot ergeben. Einleitend betrachtet dieses Kapitel deshalb die Bedeutung und Auswirkungen des völkerrechtlichen Interventionsverbots im Kontext der Entwicklungszusammenarbeit. Anschließend wird untersucht, wie geltendes Recht die Auswahl der Empfängerstaaten und der Entwicklungsprojekte anleitet.
§ 1 Das Interventionsverbot im Kontext der Entwicklungszusammenarbeit Das völkerrechtliche Interventionsverbot dient dem Schutz der Staaten vor Einmischung in ihre inneren Angelegenheiten durch andere Staaten und internationale Organisationen. Es leitet sich aus dem Prinzip der souveränen Gleichheit der Staaten ab9 und ist als Bestandteil des Völkergewohnheitsrechts allgemein anerkannt.10 Der Bereich, in den nicht eingegriffen werden darf, wird als domaine réservé
Art. 1 Abs. 1: „The objetive of Denmark’s development cooperation is to fight poverty and promote […] democracy […].“; Entwicklungsgesetz Österreich, § 1 Abs. 3 Nr. 2: „Die österreichische Entwicklungspolitik hat vor allem folgende Ziele zu verfolgen: 2. die Sicherung des Friedens und der menschlichen Sicherheit, insbesondere durch die Förderung der Demokratie […].“; Entwicklungsgesetz Spanien, Art. 3 lit. d): „Favouring the installation and consolidation of democratic systems and respect for human rights and fundamental freedoms.“ 6 Asongu/Nwachukwu, Is the Threat of Foreign Aid Withdrawal an Effective Deterrent to Political Oppression? Evidence from 53 African Countries, JEI 51 (2017), S. 201 (202); Pinelli, Conditionality (Updated 11/2013), www.mpepil.com (letzter Zugriff: 09. 05. 2022), Rn. 1. 7 Dann, Entwicklungsverwaltungsrecht, 2012, S. 225. 8 Dann, Autonomie trotz Asymmetrie? Selbstbestimmung und Eigenverantwortung im Entwicklungsverwaltungsrecht, in: Bäuerle/Dann/Wallrabenstein (Hrsg.), Demokratie-Perspektiven, 2013, S. 549 (559). Allgemein zur Rechtsfigur der ungleichen Verträge und mit weiteren Nachweisen Peters, Treaties, Unequal (Updated 02/2018), www.mpepil.com (letzter Zugriff: 09. 05. 2022). 9 von Arnauld, Völkerrecht, 2019, S. 155; Hobe, Einführung in das Völkerrecht, 2020, S. 239; Schöbener, Interventionsverbot, in: Schöbener (Hrsg.), Völkerrecht, 2014, S. 236 (239); Stein/Buttlar/Kotzur, Völkerrecht, 2017, S. 237. 10 Herdegen, Völkerrecht, 2022, S. 305; Kunig, Intervention, Prohibition of (Updated 04/ 2008), www.mpepil.com (letzter Zugriff: 09. 05. 2022), Rn. 7; Schöbener, Interventionsverbot, in: Schöbener (Hrsg.), Völkerrecht, 2014, S. 236 (239); Shaw, International Law, 2021, S. 1008; Stein/Buttlar/Kotzur, Völkerrecht, 2017, S. 237.
§ 1 Das Interventionsverbot im Kontext der Entwicklungszusammenarbeit
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bezeichnet und erfasst alle Bereiche, in denen der jeweilige Staat sich keiner völkerrechtlichen Bindung unterworfen hat.11 Das Interventionsverbot verbietet jedoch nicht generell die Beeinflussung anderer Staaten.12 Damit ein Verstoß gegen das Interventionsverbot vorliegt, muss einerseits eine Einmischung in die inneren Angelegenheiten vorliegen, und andererseits muss diese Einmischung mit einem Zwangselement, also der Anwendung oder Androhung von Zwang, einhergehen.13 Das Tatbestandsmerkmal des Zwangselements stellt das maßgebliche Unterscheidungskriterium zwischen rechtmäßiger und unrechtmäßiger Einmischung dar.14 Umstritten ist, ob ein solches Zwangselement im Fall einer Androhung der Beendigung von Entwicklungszusammenarbeit bestehen kann. Die Frage, ob und in welcher Form wirtschaftliche Zwangsmittel unter den Tatbestand des Interventionsverbots fallen, ist eine der zentralen Streitfragen dieses Rechtsprinzips.15 Wenngleich die genauen Grenzen, ab derer wirtschaftliche Zwangsmaßnahmen dem Interventionsverbot unterfallen, bis heute umstritten sind, ist weitgehend anerkannt, dass das Interventionsverbot unter engen Voraussetzungen auch diese Maßnahmen erfassen kann.16 Es ist fraglich, welche Schwelle wirtschaftliche Maßnahmen erreichen müssen, um die Anforderungen an das Zwangselement zu erfüllen. Es wird argumentiert, dass aufgrund der Freiwilligkeit der Leistungen in der Entwicklungszusammenarbeit kein Verstoß gegen das Interventionsverbot vorliegen kann.17 Das Völkerrecht kennt gerade keinen umfassenden Schutz vor wirtschaftlicher Einmischung.18 Ein Staat, der die Bedingungen, unter denen er freiwillige Leistungen von einem anderen Staat 11 von Arnauld, Völkerrecht, 2019, S. 156; Odendahl, Völkerrecht, 2012, S. 82; Schöbener, Interventionsverbot, in: Schöbener (Hrsg.), Völkerrecht, 2014, S. 236 (239); Stein/Buttlar/ Kotzur, Völkerrecht, 2017, S. 240. 12 Kunig, Intervention, Prohibition of (Updated 04/2008), www.mpepil.com (letzter Zugriff: 09. 05. 2022), Rn. 25; Graf Vitzthum, Begriff, Geschichte und Rechtsquellen des Völkerrechts, in: Graf Vitzthum/Proelß (Hrsg.), Völkerrecht, 2019, S. 1 (33). 13 von Arnauld, Völkerrecht, 2019, S. 155; Hobe, Einführung in das Völkerrecht, 2020, S. 240; Seidel, Völkerrechtliches Interventionsverbot, in: Dupuy/Fassbender/Shaw/Sommermann (Hrsg.), Völkerrecht als Wertordnung, 2006, S. 829 (837); Stein/Buttlar/Kotzur, Völkerrecht, 2017, S. 240. 14 Athen, Der Tatbestand des völkerrechtlichen Interventionsverbots, 2017, S. 244. 15 Kunig, Intervention, Prohibition of (Updated 04/2008), www.mpepil.com (letzter Zugriff: 09. 05. 2022), Rn. 25; Stein/Buttlar/Kotzur, Völkerrecht, 2017, S. 242. Es gibt Stimmen, die eine Anwendbarkeit des Interventionsverbotes auf wirtschaftliche Zwangsmaßnahmen generell ablehnen, so Dicke, Die Intervention mit wirtschaftlichen Mitteln im Völkerrecht, 1978, S. 162. 16 von Arnauld, Völkerrecht, 2019, S. 162; Bryde, Die Intervention mit wirtschaftlichen Mitteln, in: Münch (Hrsg.), Staatsrecht – Völkerrecht – Europarecht, 1981, S. 227 (233); Kunig, Intervention, Prohibition of (Updated 04/2008), www.mpepil.com (letzter Zugriff: 09. 05. 2022), Rn. 25 – 26; Seidel, Völkerrechtliches Interventionsverbot, in: Dupuy/Fassbender/Shaw/ Sommermann (Hrsg.), Völkerrecht als Wertordnung, 2006, S. 829 (840 – 841). 17 von Arnauld, Völkerrecht, 2019, S. 162. 18 Tzanakopoulos, The Right to be Free from Economic Coercion, CILJ 4 (2015), S. 616 (633).
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erhalten würde, nicht erfüllt, bekomme deshalb schlicht keine Entwicklungsleistungen, ohne dass dies eine völkerrechtliche Relevanz hätte.19 Das Vorenthalten einer Leistung, auf die ohnehin kein Anspruch bestehe, stelle keinen Zwang im Sinne des Interventionsverbots dar.20 Problematisch an dieser Ansicht ist, dass regelmäßig eine gewisse wirtschaftliche Abhängigkeit der Empfängerstaaten von ODA besteht.21 Auch wenn im Fall Deutschlands, über die projektbezogenen Verträge hinaus, keine langfristigen Leistungspflichten gegenüber den Empfängerstaaten bestehen, sind die Entwicklungsbeziehungen oftmals über Jahrzehnte gewachsen. Die Empfängerstaaten vertrauen deshalb regelmäßig darauf, dass die Zusammenarbeit auch in der Zukunft fortgesetzt wird. Zudem vergeben die verschiedenen Geber ihre Leistungen nach ähnlichen Kriterien. Der Verhandlungsspielraum und die Möglichkeit, auf andere Geber auszuweichen, ist für die Empfängerstaaten dementsprechend gering.22 Eine Vorenthaltung dieser Leistungen übt deshalb auf die Empfängerstaaten und insbesondere auf die LDCs, die besonders stark von Entwicklungsleistungen abhängig sind, einen erheblichen Druck aus.23 Das Zwangselement im Kontext der Entwicklungszusammenarbeit stets zu verneinen, ist aus diesen Gründen nicht überzeugend.24 Ebenso vermag es aber nicht zu überzeugen, den Anwendungsbereich des Interventionsverbots derart extensiv auszulegen, dass dieser im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit ein umfassendes Verbot der Eimischung in die politische,
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Herdegen, Internationales Wirtschaftsrecht, 2020, S. 105. Dicke, Die Intervention mit wirtschaftlichen Mitteln im Völkerrecht, 1978, S. 227. 21 Dann, Entwicklungsverwaltungsrecht, 2012, S. 228; UNDP, Towards Human Resilience: Sustaining MDG Progress in an Age of Economic Uncertainty, 2011, S. 146. Dies gilt insbesondere für die LDCs, UNCTAD, The Least Developed Countries Report 2019, 2019, S. 17; UNCTAD, The Least Developed Countries in the post-COVID World, 2021, S. 103. 22 Das Argument, dass die Empfängerstaaten in dem Fall, dass sie die Bedingungen von Entwicklungsleistungen als interventionistisch ansehen, schlichtweg weiterverhandeln können verkennt dementsprechend die Realität der internationalen Entwicklungszusammenarbeit, so noch argumentiert von Dicke, Die Intervention mit wirtschaftlichen Mitteln im Völkerrecht, 1978, S. 228. 23 Noch immer machen in diesen Staaten Entwicklungsleistungen bis zu 70 % der externen Finanzierungszuflüsse aus, Klingebiel, Rahmenbedingungen und Eckpunkte von Entwicklungszusammenarbeit in der Zukunft, in: Sangmeister/Wagner (Hrsg.), Die Entwicklungszusammenarbeit der Zukunft, 2019, S. 41 (45). Vertreter von Staaten wie Palästina, die vergleichsweise stark von diesen Leistungen abhängig sind, haben in der Vergangenheit die Androhung der Einstellung von Entwicklungsleistungen zum Teil ausdrücklich als politische Erpressung bezeichnet, Kershner, Palestinians Blast Trump’s Aid Cut as Political ,Blackmail‘, 25. 08. 2018, https://www.nytimes.com/2018/08/25/world/middleeast/israel-palestian-aid-cut. html (letzter Zugriff: 09. 05. 2022); Zomlot, Trump is giving Palestinians a Choice. We’ll Choose Dignity, 25. 09. 2018, https://www.nytimes.com/2018/09/25/opinion/trump-palestini ans-ambassador-aid.html (letzter Zugriff: 09. 05. 2022). 24 So auch Dann, Entwicklungsverwaltungsrecht, 2012, S. 228. 20
§ 1 Das Interventionsverbot im Kontext der Entwicklungszusammenarbeit
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wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung der Empfängerstaaten erfasst.25 Ein generelles Verbot der Einmischung in Fragen des politischen Systems ist einerseits mit der fortschreitenden Globalisierung26 und andererseits mit der entwicklungspolitischen Realität unvereinbar. Die Entwicklungszusammenarbeit hat in den letzten Jahrzehnten stets auch auf Bereiche Einfluss genommen, die traditionell der domaine réservé zugeordnet werden. Eine solche Auslegung würde dementsprechend bedeuten, dass die Geberstaaten in diesem Zusammenhang über Jahrzehnte systematisch gegen das Interventionsverbot verstoßen haben. Die Annahme eines derart systematischen Verstoßes, der ungesühnt bleibt, würde sowohl die Bedeutung des Interventionsverbots als auch des Völkerrechts im Ganzen untergraben.27 Stattdessen muss das Interventionsverbot im Kontext der Eigenarten der Entwicklungszusammenarbeit betrachtet werden. Diese ist sowohl durch ein starkes Machtgefälle zwischen den Akteuren als auch durch das Ziel der Beeinflussung der Empfängerstaaten geprägt. Eine Anwendbarkeit des Interventionsverbots in diesem Kontext aufgrund des fehlenden Zwangselements generell auszuschließen, würde den Empfängerstaaten ein wichtiges rechtliches Schutzargument nehmen. Gleichzeitig ist das berechtigte Interesse der Geberstaaten zu berücksichtigen, dass diese ihre Leistungen nur an Staaten vergeben möchten, die bestimmte Anforderungen erfüllen. In Bezug auf die Entwicklungszusammenarbeit ist deshalb insbesondere auf die Zweck-Mittel-Relation abzustellen.28 Bedingungen im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit können trotz der Freiwilligkeit der Leistungen Zwang darstellen.29 Dieser ist aber nur dann völkerrechtswidrig, wenn er dazu eingesetzt wird, in die souveränen Rechte eines anderen Staates einzugreifen.30 Nach Auffassung des IGH sind Interventionen unzulässig, wenn sie unter Anwendung von Zwang Entscheidungen beeinflussen, die dem Staat selbst überlassen bleiben müssen.31 In der Entwicklungszusammenarbeit ist es vertretbar, dass die Geber ein derartiges Interesse daran haben, dass die geförderten Entwicklungsmaßnahmen effektiv und 25 So G. A., Res. 36/103 vom 9. Dezember 1981, Annex, Declaration on the Inadmissibility of Intervention and Interference in the Internal Affairs of States, Ziff. 2, I., (b). 26 Kokott, Souveräne Gleichheit und Demokratie im Völkerrecht, ZaöRV 64 (2004), S. 517 (521). 27 Breuer, Effektivitätsprinzip, in: Schöbener (Hrsg.), Völkerrecht, 2014, S. 69 (72). 28 Dann, Autonomie trotz Asymmetrie? Selbstbestimmung und Eigenverantwortung im Entwicklungsverwaltungsrecht, in: Bäuerle/Dann/Wallrabenstein (Hrsg.), Demokratie-Perspektiven, 2013, S. 549 (563 – 564); Kunig, Intervention, Prohibition of (Updated 04/2008), www.mpepil.com (letzter Zugriff: 09. 05. 2022), Rn. 25. 29 Dann, Entwicklungsverwaltungsrecht, 2012, S. 228. 30 Schöbener, Interventionsverbot, in: Schöbener (Hrsg.), Völkerrecht, 2014, S. 236 (240). 31 ICJ, Military and Paramilitary Activities in and against Nicaragua (Nicaragua v. United States), Judgment of 27 June 1986, ICJ Reports 1986, S. 14, Ziff. 205: „Intervention is wrongful when it uses methods of coercion in regard to such choices, which must remain free ones.“
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nachhaltig umgesetzt werden, dass bestimmte Entscheidungen, auch solche die grundsätzlich der domaine réservé zugeordnet werden, in diesem Kontext nicht mehr den Empfängerstaaten alleine überlassen sind, sofern diese Entwicklungsleistungen erhalten möchten. Die Konditionalisierung von Leistungen ist im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit mithin dann zulässig, wenn sie der Förderung des Entwicklungsprozesses dienen.32 Dafür spricht beispielsweise auch, dass die Förderung der Demokratie regelmäßig nicht mit dem Bestehen eines entsprechenden völkerrechtlichen Demokratiegebots begründet wird,33 sondern mit den Vorzügen, die diese Regierungsform auf den staatlichen Entwicklungsprozess hat.34 Problematisch ist diesbezüglich jedoch die Konturlosigkeit der Entwicklungszusammenarbeit. Die Geber nehmen Einfluss auf verschiedenste Bereiche der Empfängerstaaten und begründen dies stets mit dem entwicklungspolitischen Nutzen, teilweise ohne dass deren tatsächlicher Zusammenhang hinreichend bewiesen ist35 bzw. erweitern den Entwicklungsbegriff derart, dass dieser z. B. menschenrechtliche oder demokratische Mindeststandards erfasst.36 Es wird argumentiert, dass bereits die Frage, ob menschenrechtliche Mindeststandards zur Armutsbekämpfung und Entwicklung beitragen, falsch sei, da sie gerade selbst Gradmesser der Entwicklung sind.37 Während es kaum überzeugende Argumente gegen die Aufnahme der Menschenrechte, der Rule of Law oder des Umweltschutzes in das Entwicklungsverständnis gibt, ist die damit verbundene Erweiterung der Bereiche, in die die Entwicklungszusammenarbeit einwirkt, durchaus problematisch.38 Sie legitimiert immer weitergehende Einmischungen in die politischen Entscheidungen der Empfängerstaaten. Die völkerrechtliche Praxis zeigt dennoch, dass die Beeinflussung der Empfängerstaaten in der Entwicklungszusammenarbeit solange als zulässig angesehen wird, wie ihr Nutzen für den Entwicklungsprozess nicht vollständig implausibel ist und es rationale Argumente gibt, die für einen inneren Zusammenhang 32 So auch Bryde, Die Intervention mit wirtschaftlichen Mitteln, in: Münch (Hrsg.), Staatsrecht – Völkerrecht – Europarecht, 1981, S. 227 (241); Dann, Entwicklungsverwaltungsrecht, 2012, S. 228; Seidel, Völkerrechtliches Interventionsverbot, in: Dupuy/Fassbender/ Shaw/Sommermann (Hrsg.), Völkerrecht als Wertordnung, 2006, S. 829 (841). 33 Teilweise wird vertreten, dass aufgrund eines sich entwickelnden Demokratiegebots im Völkerrecht das Interventionsverbot in Bezug auf demokratiefördernde Einwirkungen nur in eingeschränkter Form Anwendung findet, Ehm, Das völkerrechtliche Demokratiegebot, 2013, S. 268. 34 Siehe Steinroth, Demokratie, Frieden und Entwicklung, in: Dann/Kadelbach/Kaltenborn (Hrsg.), Entwicklung und Recht, 2014, S. 527 (530). 35 Pahuja, Decolonising International Law, 2013, S. 223. 36 So z. B. Sen, Ökonomie für den Menschen, 2011, S. 193. Das von Sen vertretene Verständnis des Entwicklungsbegriffes hat einen wesentlichen Einfluss auf die internationale Entwicklungszusammenarbeit genommen, Chimni, The Sen Conception of Development and Contemporary International Law Discourse, LDR 1 (2008), S. 3 (18); Dann, Entwicklungsverwaltungsrecht, 2012, S. 94; Pahuja, Decolonising International Law, 2013, S. 228. 37 Wagner, Menschenrechte in der Entwicklungspolitik, 2017, S. 139. 38 Pahuja, Decolonising International Law, 2013, S. 235.
§ 1 Das Interventionsverbot im Kontext der Entwicklungszusammenarbeit
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sprechen.39 Eine Anwendbarkeit des Interventionsverbots auf diese Bereiche scheint deshalb nicht überzeugend. Das Interventionsverbot ist dementsprechend ein denkbar schwaches Instrument im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit und hat einen sehr begrenzten Anwendungsspielraum.40 Dennoch gibt es Bereiche, in denen das Interventionsverbot im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit von Bedeutung ist. Die Androhung der Beendigung der Entwicklungszusammenarbeit wird auch als politisches Druckmittel außerhalb des Entwicklungskontextes verwendet. Die Geberstaaten nutzen die Entwicklungszusammenarbeit als zusätzliches Mittel des diplomatischen Instrumentariums, mit dem die Empfängerstaaten belohnt oder bestraft werden.41 Dies ist aus völkerrechtlicher Sicht solange unproblematisch, wie es der Durchsetzung geltenden Völkerrechts dient.42 Problematisch wird es jedoch, wenn die Geberstaaten mittels einer solchen Androhung auf Bereiche Einfluss nehmen, die keinen inneren Zusammenhang zur wirtschaftlichen Entwicklung haben und der domaine réservé zugeordnet werden. Beispielsweise haben die USA in jüngerer Vergangenheit unter dem damaligen Präsidenten Trump die Entwicklungszusammenarbeit als Druckmittel zur Durchsetzung der heimischen Migrationspolitik eingesetzt43 und um das Abstimmungsverhalten einiger Empfängerstaaten im Rahmen der Vereinten Nationen zu beeinflussen.44 Präsident Trump sagte diesbezüglich: „All of these nations that take our money and then they vote against us at the Security Council or they vote against us, potentially, at the Assembly, they take hundreds of dollars
39 So im Ergebnis auch Dann, Autonomie trotz Asymmetrie? Selbstbestimmung und Eigenverantwortung im Entwicklungsverwaltungsrecht, in: Bäuerle/Dann/Wallrabenstein (Hrsg.), Demokratie-Perspektiven, 2013, S. 549 (566). 40 Dann, Entwicklungsverwaltungsrecht, 2012, S. 230; Dann, Autonomie trotz Asymmetrie? Selbstbestimmung und Eigenverantwortung im Entwicklungsverwaltungsrecht, in: Bäuerle/Dann/Wallrabenstein (Hrsg.), Demokratie-Perspektiven, 2013, S. 549 (566). 41 Dreher/Fuchs, Rogue Aid? An Empirical Analysis of China’s Aid Allocation, CJE 48 (2015), S. 988 (989). 42 Sofern in einem Bereich eine völkerrechtliche Bindung besteht, ist dieser nicht mehr zur domaine réservé zu zählen. Durch die fortschreitende Internationalisierung des Rechts ist der Schutzbereich des Interventionsverbots dementsprechend im Ganzen abnehmend, von Arnauld, Völkerrecht, 2019, S. 156; Hobe, Einführung in das Völkerrecht, 2020, S. 241; Schöbener, Interventionsverbot, in: Schöbener (Hrsg.), Völkerrecht, 2014, S. 236 (239). 43 Klingebiel, Rahmenbedingungen und Eckpunkte von Entwicklungszusammenarbeit in der Zukunft, in: Sangmeister/Wagner (Hrsg.), Die Entwicklungszusammenarbeit der Zukunft, 2019, S. 41; Semple, Trump Threatens to Punish Honduras Over Immigrant Caravan, 16. 10. 2018, https://www.nytimes.com/2018/10/16/world/americas/trump-immigrant-caravan.html (letzter Zugriff: 09. 05. 2022). 44 Wetzel, Dollars als Druckmittel, SZ, 22. Dezember 2017.
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and even billions of dollars and then they vote against us. […] Well, we’re watching those votes. Let them vote against us; we’ll save a lot. We don’t care.“45
Es wird damit Staaten, die in den Gremien der Vereinten Nationen gegen die USA abstimmen, in Aussicht gestellt, dass sie weniger ODA erhalten.46 Die Freiheit im Sicherheitsrat und in der Generalversammlung nach den eigenen Überzeugungen abzustimmen, zählt zum Kernbereich der domaine réservé. Gerade die Generalversammlung dient mit ihren rechtlich unverbindlichen Resolutionen als völkerrechtliches Instrument, durch das speziell die Entwicklungsländer versuchen, die völkerrechtliche Ordnung zu ihren Gunsten zu beeinflussen und weiterzuentwickeln.47 Eine Beeinflussung dieses Abstimmungsverhaltens stellt dementsprechend einen erheblichen Eingriff in die Rechte der betroffenen Staaten dar. Wenn der Zweck, der mit der Androhung der Aussetzung bzw. Verringerung der Entwicklungszusammenarbeit erreicht werden soll, derart im Widerspruch mit den Grundfesten der internationalen Ordnung steht, ist auch im Kontext der Entwicklungszusammenarbeit das Interventionsverbot anwendbar. Die Verwendung von ODA als Druckmittel gegenüber den Empfängerstaaten ist damit im Ergebnis dann zulässig, wenn ein innerer Zusammenhang zur Entwicklungszusammenarbeit und ihren offiziellen Zielen besteht. Das Interventionsverbot steht damit einer Festlegung von Kriterien für die Auswahl der Empfängerstaaten und Entwicklungsprojekte nur in Ausnahmefällen im Wege. Die bestehenden deutschen Rechtsgrundlagen der Entwicklungszusammenarbeit sowie die untersuchten Entwicklungsgesetze – so viel sei an dieser Stelle vorweggenommen – enthalten keine grundlegend entwicklungsfremden Entscheidungskriterien. Sie stehen mithin auch dann nicht mit dem Interventionsverbot im Widerspruch, wenn man das Zwangselement im Kontext der Entwicklungszusammenarbeit nicht generell ausschließt. Die Festlegung von Auswahlkriterien mittels nationaler Entwicklungsgesetze in Bezug auf die Empfängerstaaten und die Entwicklungsprojekte wird somit nicht durch das Interventionsverbot ausgeschlossen.
45
Landler, Trump Threatens to End American Aid: ,We’re Watching Those Votes‘ at the U. N., 20. 12. 2017, https://www.nytimes.com/2017/12/20/world/middleeast/trump-threatens-toend-american-aid-were-watching-those-votes-at-the-un.html (letzter Zugriff: 09. 05. 2022). 46 Die Verwendung der Entwicklungszusammenarbeit zur Beeinflussung des Abstimmungsverhalten der Empfängerstaaten wurde in den Vereinigten Staaten unter Präsident Trump zwar besonders eindeutig formuliert, ist aber kein neues Phänomen. Kritisch zu dieser Praxis Rose, Linking US Foreign Aid to UN Votes: What are the Implications?, 2018, https://www. cgdev.org/sites/default/files/linking-us-foreign-aid-un-votes-what-are-implications_0.pdf (letzter Zugriff: 09. 05. 2022). 47 Krajewski, Wirtschaftsvölkerrecht, 2021, S. 280.
§ 2 Auswahl der Empfängerstaaten
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§ 2 Auswahl der Empfängerstaaten Sobald ein Staat entschieden hat, Haushaltsmittel für die Entwicklungszusammenarbeit zur Verfügung zu stellen, stellt sich die Frage, für welche Empfänger diese Leistungen aufgewendet werden sollen. Insbesondere in der bilateralen Entwicklungszusammenarbeit spielen auch nationale Interessen der Geberstaaten bei dieser Entscheidung eine Rolle.48 Objektive und entwicklungsbezogene Kriterien, wie das in der Entwicklungszusammenarbeit naheliegende Kriterium der Bedürftigkeit,49 sind im Auswahlprozess vieler Geberstaaten nicht alleine ausschlaggebend für die Allokation der ODA.50 Auch wechselnde geo- und wirtschaftspolitische Interessen beeinflussen diese Entscheidungsebene.51 Verschieben sich diese Interessen, kann dies dazu führen, dass die Empfängerstaaten ausgewechselt oder in ihrer Gewichtung verändert werden. Dies trägt zu einer gewissen Inkohärenz der Entwicklungszusammenarbeit bei. Einige Entwicklungsländer, die aus entwicklungspolitischer Perspektive besondere Aufmerksamkeit benötigen würden, werden bei der Verteilung übergangen oder zu wenig berücksichtigt.52 Hinzu kommt, dass die führenden Geberstaaten oftmals vergleichbare Kriterien bei der Vergabeentscheidung haben und ähnliche Interessen verfolgen.53 Dies kann zum Entstehen sogenannter „Entwicklungslieblinge“, die überproportional viel ODA erhalten, und „Entwicklungswaisen“, die verhältnis48 Dreher/Nunnenkamp/Schmaljohann, The Allocation of German Aid, Kiel Working Papers, IfW Kiel No. 1817, 2013, S. 17. 49 Utz, Will Countries that Receive Insufficient Aid Please Stand Up?, CFP Working Paper Series No. 7, 2010, S. 2 – 3. 50 Faust/Ziaja, German Aid Allocation and Partner Country Selection, D. I. E. Discussion Paper No. 7, 2012, S. 19; Hoeffler/Outram, Need, Merit or Self-Interest – What Determines the Allocation of Aid?, CSAE Working Paper Series No. 19, 2008, S. 17; Todaro/Smith, Economic Development, 2020, S. 772; World Bank Group, Global Monitoring Report 2010: The MDGs after the Crisis, S. 134. 51 Es wurde u. a. eine Korrelation zwischen der zeitweisen Mitgliedschaft der Empfängerstaaten und einem Anstieg des Umfangs der deutschen ODA-Leistungen für diese Staaten nachgewiesen, Dreher/Nunnenkamp/Schmaljohann, The Allocation of German Aid, Kiel Working Papers, IfW Kiel No. 1817, 2013, S. 11. Ein entsprechender Zusammenhang wurde auch in Bezug auf die ODA der USA nachgewiesen, Kuziemko/Werker, How Much Is a Seat on the Security Council Worth? Foreign Aid and Bribery at the United Nations, JPE 114 (2006), S. 905 (924). 52 Dies gilt vor allem für fragile Staaten, Utz, Will Countries that Receive Insufficient Aid Please Stand Up?, CFP Working Paper Series No. 7, 2010, S. 23. Auch der Umfang der ODA für die LDCs im Allgemeinen bleibt weiterhin deutlich hinter den selbst gesetzten Zielen der OECD-DAC-Mitgliedstaaten zurück, OECD, Development Co-operation Profiles 2021 – Trends and Insides on Development Co-operation, https://doi.org/10.1787/16bc821c-en (letzter Zugriff: 09. 05. 2022). 53 Davies/Klasen, Darlings and Orphans, SJE 121 (2019), S. 243 (244); Pietschmann, Fragmentation’s Losers, in: Mahn/Negre/Klingebiel (Hrsg.), The Fragmentation of Aid, 2016, S. 79 (84).
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mäßig wenig Unterstützung erfahren, führen.54 Eine Steuerung der Auswahl der Empfängerstaaten könnte dazu beitragen, dass der Auswahlprozess objektiviert wird und Kursänderungen bezüglich der Empfängerstaaten verringert werden.
A. Steuerung der Auswahl in Deutschland Die Auswahl der Empfängerstaaten wird in Deutschland auf gesetzlicher Ebene durch das Bundeshaushaltsgesetz eingeschränkt. Die sich aus dem Einzelplan 23 ergebende umfassende Verpflichtung des BMZ, die zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel ODA-effizient einzusetzen, führt dazu, dass Entwicklungszusammenarbeit nur mit den Staaten der OECD-DAC-Länderliste betrieben werden darf.55 Diese Liste umfasst derzeit 140 Staaten und spiegelt damit ein weites Verständnis des Begriffes der Entwicklungsländer wider. Die Beschränkung des Auswahlermessens auf die Staaten der OECD-DAC-Länderliste stellt damit in der Praxis kaum eine Einschränkung dar. Weitere Einschränkungen oder gar konkrete Auswahlkriterien finden sich in Deutschland auf Gesetzesebene nicht. Der Einzelplan 23 spezifiziert zwar die für die bilaterale Zusammenarbeit zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel, differenziert dabei aber nicht zwischen einzelnen Ländern und Regionen.56 Und auch die Leitlinien für die bilaterale finanzielle und technische Zusammenarbeit mit Kooperationspartnern der deutschen Entwicklungszusammenarbeit treffen keine konkreten Aussagen zur Auswahl der Empfängerstaaten. Gleiches gilt für die politischen Grundsatzpapiere zur deutschen Entwicklungszusammenarbeit.57 Im Reformkonzept BMZ 2030 Umdenken – Umsteuern heißt es lediglich, dass die „Partnerländer, mit denen wir künftig bilateral zusammenarbeiten, […] anhand von objektiven Kriterien in einem mehrstufigen Verfahren ausgewählt“ wurden.58 Als Auswahlkriterien wurden „globale Indikatoren verwendet, unter anderem zur Regierungsführung, zur Korruptionsbekämpfung und zur Bedürftigkeit“ sowie „strategische Kriterien wie die Reformorientierung sowie die Relevanz und der Umfang der bisherigen Zusammenarbeit“.59 Dieser Auswahlprozess wird gleichwohl nicht veröffentlicht.60 Auf der Internetpräsenz des BMZ wurden vor der Veröffentlichung des Reformkonzepts ebenfalls einige Auswahlkriterien genannt.61 Dies waren: 54 55
A., I. 56
Rogerson/Steensen, Aid Orphans, OECD Development Brief Issue 1, 2009, S. 1. BT-Drucks. 19/21201 vom 22. 07. 2020, S. 5. Ausführlich dazu bereits oben Teil 3, § 3,
Neumann, Die Förderung der Rule of Law in der Entwicklungszusammenarbeit, 2013, S. 663. 57 Baydag/Klingebiel/Marschall, Shaping the Patterns of Aid Allocation, 2018, S. 10. 58 BMZ, BMZ 2030 Umdenken – Umsteuern, 2020, S. 6. 59 BMZ, BMZ 2030 Umdenken – Umsteuern, 2020, S. 6. 60 Die damalige Bundesregierung hat aber angegeben, dass „die Auswahl der bilateralen Partner […] in einem zweistufigen Verfahren unter Anwendung von technischen und strate-
§ 2 Auswahl der Empfängerstaaten
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- Die entwicklungspolitische Notwendigkeit (Bewertung der ökonomischen, sozialen, ökologischen und politischen Situation im Kooperationsland sowie die Armutsrelevanz) - Die Entwicklungsorientierung des Kooperationslandes (demokratische Entwicklung im Sinne einer verantwortungsvollen Regierungsführung, Rechtsstaatlichkeit, Reformorientierung und Leistungsfähigkeit des Staates sowie Gewährleistung und Schutz von Menschenrechten) - Besondere deutsche Interessen, wie der Schutz globaler öffentlicher Güter und die Umsetzung der Agenda 2030, sowie - Die Signifikanz des deutschen Beitrags und die Arbeitsteilung zwischen den Gebern.
Diese ohnehin weit gefassten Kriterien wurden zudem zusätzlich eingeschränkt. Zum einen waren sie nur eine Auswahl „verschieden[er] wichtig[er] Kriterien“ und zum anderen wurden sie lediglich „berücksichtigt“. Die wirtschaftliche Situation der Empfängerstaaten scheint bei der Auswahl nur eine untergeordnete Rolle zu spielen. So hat Deutschland 2019 für die am wenigsten entwickelten Staaten nur 12,8 % der bilateralen ODA-Leistungen aufgewendet und lag damit deutlich unter dem Geberdurchschnitt von 23,8 %.62 Zudem wird die Zusammenarbeit mit Empfängerstaaten grundsätzlich nicht bereits deshalb eingestellt, weil diese eine gewisse wirtschaftliche Leistungsfähigkeit erreicht haben.63 Dies soll sich mit dem Reformkonzept BMZ 2030 Umdenken – Umsteuern ändern. Die Zusammenarbeit mit Empfängerstaaten, die sich derart entwickelt haben, dass sie die deutsche Unterstützung nicht mehr benötigen, soll eingestellt werden und der „Anteil der LDCs an der Gesamtzahl der Partnerländer […] von 39 Prozent auf 42 Prozent“ erhöht werden. Daraus ergibt sich gleichwohl nicht der Anteil des Volumens der ODA, der an die LDCs geleistet wird.64 gischen Kriterien [erfolgte]: Im Rahmen der technischen Betrachtung wurde die DAC-Länderliste aufgrund von globalen Indizes nach den Kriterien ,Regierungsführung und Menschenrechte‘, ,Signifikanz des deutschen Engagements‘ (u. a. im Vergleich zum Engagement anderer Geber) sowie ,Bedürftigkeit‘ (Human-Development-Index) geordnet. Anhand strategischer Kriterien (historische Bindung, geopolitisches Interesse, Reformorientierung und Qualität der Zusammenarbeit, sowie uni-, bi- und multilaterale Verpflichtungen) wurde eine weitere, qualitative Bewertung der DAC-Länderliste vorgenommen.“, BT-Drucks. 19/20436 vom 26. 06. 2020, S. 7. 61 Diese Internetseite wurde auch von der damaligen Bundesregierung in Bezug auf die Frage, nach welchen Kriterien sich die Länderauswahl in der zwischenstaatlichen Entwicklungszusammenarbeit richtet, genannt, BT-Drucks. 19/13259 vom 17. 09. 2019, S. 5, bzw. wortgleich als handlungsleitende Kriterien des Auswahlprozesses bezeichnet, BT-Drucks. 19/ 1086 vom 06. 03. 2018, S. 3; BT-Drucks. 19/13657 vom 27. 09. 2019, S. 5 – 6. 62 OECD, Development Co-operation Profiles 2021 – Germany, https://doi.org/10.1787/ 0079f636-en (letzter Zugriff: 09. 05. 2022). 63 Dies gilt solange, wie diese Staaten nicht von der OECD-DAC-Länderliste entfernt werden, BT-Drucks. 19/13259 vom 17. 09. 2019, S. 5. 64 Die aktuelle Bundesregierung bekennt sich aber im Koalitionsvertrag für die Legislaturperiode 2021 – 2025 ausdrücklich dazu 0,2 Prozent des BNE für die LDCs aufzuwenden, SPD/Bündnis 90/Die Grünen, FDP, Koalitionsvertrag der 20. Wahlperiode des Bundestages – 2021, S. 119.
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Teil 5: Inhaltliche Steuerung der Entwicklungszusammenarbeit
In Deutschland gibt es mithin, über die Beschränkung auf die Länder der OECDDAC-Länderliste hinaus, keine verbindliche Ermessensbeschränkung bezüglich der Auswahl der Empfängerstaaten. Im Rahmen des Reformkonzepts BMZ 2030 Umdenken – Umsteuern wurde beschlossen, die Zahl der Empfängerstaaten, mit denen auf bilateraler Ebene direkt zusammengearbeitet wird, auf 60 Staaten zu reduzieren.65 Jedoch stellt auch dieses Ziel keine rechtsverbindliche Verpflichtung dar. Zudem hat die Untersuchung der vertraglichen Ausgestaltung der bilateralen Entwicklungszusammenarbeit66 gezeigt, dass Deutschland keine langfristigen Verpflichtungen eingeht und die Zusammenarbeit mit einzelnen Empfängerstaaten dementsprechend auch kurzfristig auslaufen lassen kann. Die Bundesrepublik behält sich bei der Auswahl der Empfängerstaaten mithin eine größtmögliche Flexibilität vor.67
B. Ermessensreduktion durch das Völkerrecht Eine Beschränkung des Auswahlermessens Deutschlands könnte durch das Völkerrecht herbeigeführt werden. Das zentrale Strukturprinzip des Völkerrechts ist der Grundsatz der souveränen Gleichheit der Staaten.68 Kernelement der Souveränität ist, dass die Staaten frei in ihrem Handeln sind, soweit geltendes Völkerrecht diesem nicht entgegensteht.69 Die Staaten dürfen dementsprechend grundsätzlich selbst entscheiden, mit welchen Staaten sie diplomatische Beziehungen pflegen und Entwicklungszusammenarbeit betreiben. Auch die Existenz des Gewalt- und Interventionsverbots beinhaltet im Umkehrschluss die Wertung, dass Interaktionen zwischen Staaten nur in Ausnahmefällen beschränkt werden sollen. In Bezug auf die Entwicklungszusammenarbeit enthält das Völkerrecht entsprechende Ausnahmen weder auf vertraglicher noch auf anderer Ebene. Es trifft mithin grundsätzlich keine rechtsverbindlichen Aussagen dazu, mit welchen Staaten einzelne Geber Entwicklungszusammenarbeit betreiben sollen oder dürfen. Insbesondere führt das Tätigwerden anderer Akteure, beispielsweise der Vereinten Nationen, nicht zu einer Sperrwirkung, die es Geberstaaten verbietet, ebenfalls Entwicklungsmaßnahmen in diesen Staaten durchzuführen. Bei der Entwicklungszusammenarbeit handelt es sich
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BMZ, BMZ 2030 Umdenken – Umsteuern, 2020, S. 6. Oben Teil 4, § 1, A. 67 Kritisch dazu OECD, DAC-Prüfbericht über die Entwicklungszusammenarbeit: Deutschland 2015, S. 37. 68 Besson, Sovereignty (Updated 04/2011), www.mpepil.com (letzter Zugriff: 09. 05. 2022), Rn. 2; Bleckmann, Das Souveränitätsprinzip im Völkerrecht, AVR 23 (1985), S. 450 (464); Winkler, Gleichheitsprinzip, in: Schöbener (Hrsg.), Völkerrecht, 2014, S. 133 (133). 69 PCIJ, The Case of the S. S. „LOTUS“ (France v. Turkey), Judgment of 7. September 1927, Series A No. 10, S. 18. 66
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um ein heterarchisches System, in dem die einzelnen Akteure gleichberechtigt nebeneinander tätig sind.70 Im Grundsatz erhebt das Völkerrecht demnach keinen Steuerungsanspruch bezüglich der Auswahl der Empfängerstaaten. Eine Ausnahme bilden Wirtschaftssanktionen durch den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen. Sanktionen stellen Maßnahmen dar, die einem Staat einen Nachteil zufügen sollen, um diesen zu einer Verhaltensänderung zu bewegen.71 Diese Sanktionen können beispielsweise den Transfer von Finanzmitteln verbieten und damit in Einzelfällen dazu führen, dass die Interaktion mit bestimmten Staaten nur in einem eingeschränkten Umfang zulässig ist.72 Im Regelfall führen entsprechende Wirtschaftssanktionen aber nicht zu einem vollständigen Verbot der Entwicklungszusammenarbeit mit den betroffenen Staaten. Im Mittelpunkt der Entwicklungsbestrebungen steht nicht der Staat selbst, sondern der Mensch als Individuum. Negative Auswirkungen auf die Zivilbevölkerung sollen im Rahmen von Sanktionen möglichst vermieden bzw. abgeschwächt werden.73 Selbst Musterbeispiele für Pariastaaten wie Nordkorea haben deshalb auch in Zeiten größter Verwerfungen mit der Staatengemeinschaft ODA erhalten.74 Diese Leistungen können sich jedoch im Falle umfassender Wirtschaftssanktionen auf einzelne Aspekte der Entwicklungszusammenarbeit beschränken.75 Durch Sanktionen des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen werden die Empfängerstaaten mithin nicht
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Dann, Institutional Law and Development Governance, LDR 12 (2019), S. 537 (542). Bungenberg, Art. 215 AEUV, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje (Hrsg.), Europäisches Unionsrecht, 2015, Rn. 1; Hafner, Völkerrechtliche Grenzen und Wirksamkeit von Sanktionen gegen Völkerrechtssubjekte, ZaöRV 76 (2016), S. 391 (396); Schneider, Wirtschaftssanktionen, 1999, S. 34. 72 Siehe S. C., Res. 661 vom 6. August 1990, Ziff. 4. In dieser Resolution hat der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen u. a. beschlossen, dass „alle Staaten es unterlassen werden, der Regierung Iraks oder irgendeinem Handels-, Industrie- oder öffentlichen Versorgungsunternehmen in Irak oder Kuwait Gelder oder andere finanzielle oder wirtschaftliche Mittel zur Verfügung zu stellen […] oder irgendwelche anderen Gelder an natürliche oder juristische Personen in Irak oder Kuwait zu überweisen, ausgenommen Zahlungen, die ausschließlich für rein medizinische oder humanitäre Zwecke bestimmt sind, sowie, in humanitären Fällen, Nahrungsmittel.“ 73 Siehe S. C., Res. 2397 vom 22. Dezember 2017, Ziff. 25: „Reaffirms that the measures imposed by resolutions 1718 (2006), 1874 (2009), 2087 (2013), 2094 (2013), 2270 (2016), 2321 (2016), 2356 (2017), 2371 (2017), 2375 (2017) and this resolution are not intended to have adverse humanitarian consequences for the civilian population of the DPRK or to affect negatively or restrict those activities, including economic activities and cooperation, food aid and humanitarian assistance, that are not prohibited by resolutions 1718 (2006), 1874 (2009), 2087 (2013), 2094 (2013), 2270 (2016), 2321 (2016), 2356 (2017), 2371 (2017), 2375 (2017) and this resolution […].“ Siehe auch Pyka, Wirtschaftssanktionen der Vereinten Nationen und der Europäischen Union, 2015, S. 36. 74 Jang/Suh, Development and Security in International Aid to North Korea, Pac. Rev. 30 (2017), S. 729 (738 – 742). 75 Jang/Suh, Development and Security in International Aid to North Korea, Pac. Rev. 30 (2017), S. 729 (735 – 736). 71
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vollständig als Empfänger von Entwicklungsleistungen ausgeschlossen, sondern es wird das entwicklungspolitische Instrumentarium eingeschränkt. Darüberhinausgehende Einschränkungen enthält das Völkerrecht nicht. Es existiert beispielsweise kein völkerrechtliches Verbot, ODA an Staaten zu leisten, die demokratische oder menschenrechtliche Mindeststandards nicht erfüllen. Gerade im Bereich der Verletzung von Menschenrechten sind die Geberstaaten zwar berechtigt, die entsprechenden Staaten zu sanktionieren,76 jedoch ergibt sich daraus im Umkehrschluss kein allgemeines Verbot, diese Staaten zu unterstützen. Das in der Entwicklungszusammenarbeit zur Verfügung stehende Instrumentarium ermöglicht es den Gebern, auf die jeweiligen Umstände in den Empfängerstaaten zu reagieren, und soll gerade dazu beitragen, negativen Entwicklungen entgegenzuwirken. Aus dem Völkerrecht könnte sich aber eine Pflicht zur Koordination der Entwicklungszusammenarbeit ergeben, die Einfluss auf die Auswahl der Empfängerstaaten hätte. Das Prinzip der Harmonisation77 umfasst das Ziel, die Zahl der Geber je Empfängerstaat durch eine bessere Koordination zu verringern.78 Eine entsprechende rechtsverbindliche Pflicht zur Koordination könnte sich aus der UN-Charta ergeben. Diese verpflichtet die Geberstaaten zwar nicht dazu, ODA zu leisten,79 gleichwohl könnte sie die Staaten, die entsprechende Leistungen bereitstellen, dazu verpflichten, diese derart aufeinander abzustimmen, dass eine Verteilungsgerechtigkeit besteht. Gem. Art. 2 Abs. 1 der UN-Charta handeln die Organisation und ihre Mitgliedstaaten nach dem Grundsatz der souveränen Gleichheit ihrer Mitglieder. Dieser Grundsatz dient der Festlegung einer formalen Chancengleichheit der Staaten.80 Diese Chancengleichheit umfasst aber nicht einen Anspruch auf wirtschaftliche Gleichbehandlung der Staaten,81 sondern auf Gleichbehandlung trotz wirtschaftlicher Unterschiede. Eine Pflicht zur gerechten Verteilung der ODA kann deshalb aus diesem Grundsatz nicht abgeleitet werden. 76 Teile der Menschenrechte sind heute derart auf internationaler Ebene verankert, dass ihre Einhaltung nicht mehr der domaine réservé zugeordnet werden kann und dementsprechend nicht alleine der Entscheidungsgewalt der jeweiligen Staaten überlassen ist, von Arnauld, Völkerrecht, 2019, S. 134 – 135; Dann, Autonomie trotz Asymmetrie? Selbstbestimmung und Eigenverantwortung im Entwicklungsverwaltungsrecht, in: Bäuerle/Dann/Wallrabenstein (Hrsg.), Demokratie-Perspektiven, 2013, S. 549 (565); Nettesheim, Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte und ihre Rechtsnatur, in: Merten/Papier/Dederer (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte in Deutschland und Europa, Band VI/2, 2009, S. 191 (222 – 223). 77 WP-EFF, Paris Declaration on Aid Effectiveness, 2005, Ziff. 14. 78 Siehe oben Teil 1, § 2, C., I., 1., c). 79 Siehe oben Teil 4, § 2, A., I., 1. 80 Kokott, Souveräne Gleichheit und Demokratie im Völkerrecht, ZaöRV 64 (2004), S. 517 (520); Winkler, Gleichheitsprinzip, in: Schöbener (Hrsg.), Völkerrecht, 2014, S. 133 (133). 81 Tietje, Begriff, Geschichte und Grundlagen des Internationalen Wirtschaftssystems und Wirtschaftsrechts, in: Tietje (Hrsg.), Internationales Wirtschaftsrecht, 2015, S. 1 (43); Graf Vitzthum, Begriff, Geschichte und Rechtsquellen des Völkerrechts, in: Graf Vitzthum/Proelß (Hrsg.), Völkerrecht, 2019, S. 1 (31); Winkler, Gleichheitsprinzip, in: Schöbener (Hrsg.), Völkerrecht, 2014, S. 133 (135).
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Weder aus der UN-Charta noch aus anderen Rechtsquellen des Völkerrechts ergibt sich eine Rechtspflicht zur Koordination, die das Auswahlermessen der Geber bezüglich der Empfängerstaaten einschränkt. Das „Selektionsrecht“ in dieser Frage verbleibt auch unter Berücksichtigung des geltenden Völkerrechts bei den Geberstaaten.82
C. Ermessensreduktion durch das Europarecht Eine weitergehende Beschränkung des Ermessens könnte durch das Europarecht erfolgen. Wie bereits ausgeführt gilt im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit gem. Art. 4 Abs. 4 i. V. m. Art. 208 – 211 AEUV eine parallele Kompetenz.83 Diese berechtigt die Europäische Union gem. Art. 4 Abs. 4 AEUV dazu, in den Bereichen der Entwicklungszusammenarbeit und humanitären Hilfe „Maßnahmen zu treffen und eine gemeinsame Politik zu verfolgen, ohne dass die Ausübung dieser Zuständigkeit die Mitgliedstaaten hindert, ihre Zuständigkeit auszuüben.“ Die Tätigkeiten der EU im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit sollen dementsprechend die Handlungen der Mitgliedstaaten in diesem Bereich nicht beschränken.84 Nach wie vor wird ein Großteil der europäischen ODAvon den Mitgliedstaaten selbst und nicht von der EU geleistet.85 Diesem Grundgedanken entsprechend gibt es im Europarecht keine ausdrücklichen Vorgaben, die zu einer Beschränkung des Auswahlrechts der Mitgliedstaaten führen. Eine Beschränkung der Auswahl der Empfängerstaaten könnte sich für die Mitgliedstaaten dennoch aus Art. 210 Abs. 1 S. 1 AEUV ergeben. Danach sind sie dazu verpflichtet, ihre Politik auf dem Gebiet der Entwicklungszusammenarbeit zu koordinieren und ihre Hilfsprogramme aufeinander abzustimmen. Diese Koordinationspflicht könnte die Mitgliedstaaten zu einer Abstimmung bezüglich der Auswahl der der Empfängerstaaten verpflichten. Im AEUV findet sich keine Präzisierung dieser Koordinationspflicht.86 Es ist deshalb fraglich, welchen Inhalt die Koordinationspflicht nach Art. 210 Abs. 1 S. 1 AEUV hat.
82 Dann, Entwicklungsverwaltungsrecht, 2012, S. 180. In Deutschland werden die Empfängerstaaten dementsprechend auch nicht in „die Entscheidung des BMZ über die Liste der Partnerländer für die EZ […] einbezogen“, BT-Drucks. 19/20436 vom 26. 06. 2020, S. 2. 83 Siehe oben Teil 1, § 2, C., II. 84 Klamert, The Principle of Loyalty in EU Law, 2014, S. 163. Dies entspricht auch dem Grundgedanken des heterarchischen Systems der Entwicklungszusammenarbeit, Dann, Institutional Law and Development Governance, LDR 12 (2019), S. 537 (542). 85 OECD, OECD Development Co-operation Peer Reviews: European Union 2018, S. 55 – 56; OECD, Development Co-operation Profiles 2021 – European Union Institutions, https://doi. org/10.1787/c0ad1f0d-en (letzter Zugriff: 09. 05. 2022). 86 Streinz/Kruis, Art. 210 AEUV, in: Streinz (Hrsg.), EUV/AEUV, 2018, Rn. 2.
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Teil 5: Inhaltliche Steuerung der Entwicklungszusammenarbeit
Auf politischer Ebene ist eine Konkretisierung u. a. durch den Europäischen Konsens über die Entwicklungspolitik von 200587 sowie dessen überarbeitete Fassung von 201788 vorgenommen worden. Zudem hat die Europäische Kommission einen Verhaltenskodex für Komplementarität und Arbeitsteilung in der Entwicklungspolitik erarbeitet.89 Diese Dokumente haben jedoch gemein, dass es sich bei ihnen um politische Absichtserklärungen handelt, die nicht rechtsverbindlich sind. Das Europäische Parlament hat das Problem der fehlenden Konkretisierung der Koordinationspflicht auf rechtlicher Ebene erkannt und 2013 die Kommission dazu aufgefordert, „auf Grundlage von Art. 209 und Art. 210 AEUV einen Vorschlag für einen Rechtsakt über die Regelungsakte der Geberkoordinierung in der Entwicklungshilfe […] vorzulegen“.90 Diese Aufforderung hat es 2017 erneuert.91 Eine entsprechende rechtliche Umsetzung hat bisher nicht stattgefunden. Unter Berücksichtigung der kompetenzrechtlichen Regelungen in der Entwicklungszusammenarbeit und der bisher weitgehend fehlenden Bereitschaft der Mitgliedstaaten, zusätzliche Kompetenzen in diesem Bereich aufzugeben, ist dies auch für die nähere Zukunft nicht zu erwarten. Es ist deshalb nach wie vor fraglich, welche Rechtsfolgen die Koordinationspflicht nach Art. 210 Abs. 1 S. 1 AEUV für die Mitgliedstaaten hat. Mindestbestandteil ist eine Informationspflicht gegenüber der Europäischen Union und zwischen den Mitgliedstaaten.92 Ohne einen entsprechenden Informationsaustausch wäre eine Koordination zwischen den einzelnen Akteuren von vornherein nicht möglich.93 Eine darüberhinausgehende Pflicht zur Koordination für die Mitgliedstaaten, die sie in ihrer Wahl der Empfängerstaaten beschränkt, lässt sich in seiner bisherigen Form aber nicht aus Art. 210 Abs. 1 S. 1 AEUV ableiten. Die Form der 87 Gemeinsame Erklärung des Rates und der im Rat vereinigten Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten, des Europäischen Parlaments und der Kommission zur Entwicklungspolitik der Europäischen Union: „Der Europäische Konsens“, ABlEU Nr. C 46/1 vom 24. 2. 2006, S. 1. 88 Gemeinsame Erklärung des Rates und der im Rat vereinigten Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten, des Europäischen Parlaments und der Kommission: Der neue Europäische Konsens über die Entwicklungspolitik, ABlEU Nr. C 210 vom 30. Juni 2017, S. 1. 89 Kommission der Europäischen Gemeinschaften, EU Code of Conduct on Divison of Labour in Development Policy, Annex to the Communication from the Commission to the Council and the European Parliament vom 28. Februar 2007, SEC(2007) 248. 90 Europäisches Parlament, Abstimmung der EU-Geberländer im Bereich der Entwicklungshilfe, ABlEU Nr. C 468 vom 15. Dezember 2016, S. 73, Ziff. 14. 91 Europäisches Parlament, Entschließung vom 14. Februar 2017 zu der Überarbeitung des Europäischen Konsenses über die Entwicklungspolitik, ABlEU Nr. C 252 vom 18. Juli 2018, S. 62, Ziff. 42. 92 Müller, Europäische Entwicklungspolitik zwischen gemeinschaftlicher Handelspolitik, intergouvernementaler Außenpolitik und ökonomischer Effizienz, 2007, S. 67; Schmalenbach, Art. 210 AEUV, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, 2022, Rn. 2; Zimmermann, Art. 210 AEUV, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje (Hrsg.), Europäisches Unionsrecht, 2015, Rn. 2. 93 Schwimmbeck, Rechtliche Analyse der gegenwärtigen Struktur der regionalen Entwicklungszusammenarbeit der Europäischen Gemeinschaft, 2007, S. 168.
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Umsetzung der Kooperationspflicht des Art. 210 I S. 1 AEUV bleibt den beteiligten Akteuren weitgehend selbst überlassen.94 Während also auf rechtlicher Ebene keine Konkretisierung stattgefunden hat, gibt es auf der Ebene des Soft Law Bestrebungen, mittels der genannten Dokumente, die Kooperation zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union in der Entwicklungszusammenarbeit nachhaltig zu stärken. Bereits im Europäischen Konsens aus dem Jahr 2005 haben sich die Europäische Union und die Mitgliedstaaten zu einer verbesserten Koordination und Komplementarität in der Entwicklungszusammenarbeit bekannt.95 Der EU-Verhaltenskodex für Komplementarität und Arbeitsteilung in der Entwicklungspolitik schlägt Leitprinzipien der Entwicklungszusammenarbeit vor, die zu einer verbesserten Koordinierung zwischen den EU-Mitgliedstaaten beitragen sollen. Dabei handelt es sich jedoch ausdrücklich um ein nicht verbindliches Instrument.96 Und auch im neuen Europäischen Konsens über die Entwicklungspolitik bekennen sich die Mitgliedstaaten zu einer stärkeren „Koordinierung und Kohärenz“ und wollen Konzepte entwickeln, die eine bessere Zusammenarbeit herbeiführen.97 Auf der Ebene des Soft Law gibt es mithin umfassende Bestrebungen, die Koordination zwischen der Europäischen Union und den Mitgliedstaaten zu verbessern.98 Das in Art. 210 Abs. 1 S. 1 AEUV normierte Kooperationsgebot wird auch als eine Konkretisierung des in Art. 4 Abs. 3 EUV verankerten Treuegebots gegenüber der Europäischen Union angesehen.99 Dieses vom EuGH als „Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit“100 bezeichnete Prinzip verpflichtet die Mitgliedstaaten gem. Art. 4 Abs. 3 UAbs. 1, UAbs. 2, UAbs. 3 Var. 1 EUV sowohl zur Unterstützung der 94
Bartelt, Art. 210, in: Becker/Hatje/Schoo/Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, 2019, Rn. 4; Müller, Das Kohärenzgebot im Entwicklungsrecht der Europäischen Union, 2015, S. 167. 95 Gemeinsame Erklärung des Rates und der im Rat vereinigten Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten, des Europäischen Parlaments und der Kommission zur Entwicklungspolitik der Europäischen Union: „Der Europäische Konsens“, ABlEU Nr. C 46/1 vom 24. 2. 2006, S. 1, Ziff. 30. 96 Kommission der Europäischen Gemeinschaften, EU Code of Conduct on Divison of Labour in Development Policy, Annex to the Communication from the Commission to the Council and the European Parliament vom 28. Februar 2007, SEC(2007) 248, S. 3: „The Code is voluntary and self-policing. It is a dynamic document that establishes targets towards which EU donors will strive to work progressively and accordingly.“ 97 Gemeinsame Erklärung des Rates und der im Rat vereinigten Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten, des Europäischen Parlaments und der Kommission: Der neue Europäische Konsens über die Entwicklungspolitik, ABlEU Nr. C 210 vom 30. Juni 2017, S. 1, Ziff. 73 – 82. 98 Bartelt, Art. 210, in: Becker/Hatje/Schoo/Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, 2019, Rn. 4 – 6. 99 Bartelt, Art. 210, in: Becker/Hatje/Schoo/Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, 2019, Rn. 3; Odendahl, Art. 210, in: Pechstein/Nowak/Häde (Hrsg.), AEUV, 2017, Rn. 1; Streinz/ Kruis, Art. 210 AEUV, in: Streinz (Hrsg.), EUV/AEUV, 2018, Rn. 1; Zimmermann, Art. 210 AEUV, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje (Hrsg.), Europäisches Unionsrecht, 2015, Rn. 2. 100 Siehe EuGH, Urteil vom 14. November 1989, C-14/88, EU:C:1989:421, Rn. 20.
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Maßnahmen und Aufgaben der Europäischen Union als auch gem. Art. 4 Abs. 3 UAbs. 3 Var. 2 EUV zur Unterlassung von Maßnahmen, „die die Verwirklichung der Ziele der Union gefährden könnten“. Es verpflichtet die Mitgliedstaaten vor allem zur Einhaltung der Pflichten gegenüber der Europäischen Union und dazu, deren Rechtsetzungen umzusetzen. Diesbezüglich kommt dem Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit vornehmlich eine deklaratorische Funktion zu.101 Er geht jedoch über eine bloße Bestätigung des völkerrechtlichen Grundsatzes pacta sunt servanda102 oder des Grundsatzes von Treu und Glauben hinaus.103 Die Mitgliedstaaten müssen beispielsweise in Bezug auf Richtlinien bereits vor Ablauf der Umsetzungsfrist Maßnahmen, die geeignet sind, das „in dieser Richtlinie vorgeschriebene Ziel ernstlich in Frage zu stellen“, unterlassen.104 Gleichwohl ist die rechtliche Bedeutung des Loyalitätsgebots beschränkt.105 Es verpflichtet die Europäische Union und die Mitgliedstaaten zwar dazu, gegenseitig Rücksicht aufeinander zu nehmen.106 Es steht den Mitgliedstaaten aber grundsätzlich frei, im Rahmen der rechtlichen Bestimmungen ihre eigenen Interessen zu verfolgen.107 Das Prinzip der loyalen Zusammenarbeit verpflichtet sie dementsprechend nicht zu einer umfassenden politischen Ausrichtung an den Handlungen der Europäischen Union, sondern insbesondere „zum Schutz der Integrität der Resultate europäischer Rechtsetzung“.108 Die Mitgliedstaaten sind auch unter Berücksichtigung dieses Prinzips berechtigt, eigene Interessen in der Entwicklungszusammenarbeit zu verfolgen und müssen sich nicht den Handlungen der Europäischen Union oder anderer Mitgliedstaaten unterordnen.109 Die Handlungsfreiheit der Mitgliedstaaten in der Entwicklungszusammenarbeit ist aber zumindest insoweit durch Art. 210 AEUV i. V. m. Art. 4 Abs. 3 EUV beschränkt, als dass eine Maßnahme die Tätigkeiten der Organe der Europäischen Union in der Entwicklungszusammenarbeit unterlaufen würde.110 Es ist jedoch kaum denkbar, dass bereits das generelle Tätigwerden eines Mitgliedstaats in einem Empfängerstaat im Widerspruch mit der Entwicklungszusammenarbeit der Europäischen Union steht. Durch Art. 210 AEUV i. V. m. Art. 4 Abs. 3 EUV wird das 101
Streinz, Art. 4 EUV, in: Streinz (Hrsg.), EUV/AEUV, 2018, Rn. 28. Obwexer, Art. 4 EUV, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje (Hrsg.), Europäisches Unionsrecht, 2015, Rn 67. 103 Benrath, Die Konkretisierung von Loyalitätspflichten, 2019, S. 60. 104 EuGH, Urteil vom 18. Dezember 1997, C-129/96, EU:C:1997:628, Rn. 45. 105 Müller, Das Kohärenzgebot im Entwicklungsrecht der Europäischen Union, 2015, S. 166. 106 Benrath, Die Konkretisierung von Loyalitätspflichten, 2019, S. 142. 107 EuGH, Urteil vom 14. März 1973, C-57/72, EU:C:1973:30, Rn. 17. 108 Bogdandy, Grundprinzipien, in: Bogdandy/Bast (Hrsg.), Europäisches Verfassungsrecht, 2009, S. 13 (55). 109 Benrath, Die Konkretisierung von Loyalitätspflichten, 2019, S. 152. 110 Schmalenbach, Art. 210 AEUV, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, 2022, Rn. 4. 102
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Auswahlrecht in Bezug auf die Empfängerstaaten dementsprechend nicht rechtsverbindlich beschränkt. Die Europäische Union kann aber gem. Art. 215 AEUV Wirtschaftssanktionen verhängen.111 Die Union hat diesbezüglich eine ausschließliche Kompetenz.112 Diese Sanktionen binden die Mitgliedstaaten113 und können dadurch im Ausnahmefall auch zu einer Einschränkung der Auswahl der Empfängerstaaten führen. Wie auch die Sanktionen des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen, deren Umsetzung die Sanktionen nach Art. 215 AEUV vornehmlich dienen, beschränken sich die Sanktionen der Europäischen Union im Regelfall auf Teilbereiche der Interaktion mit den sanktionierten Staaten und schließen eine Entwicklungszusammenarbeit nicht vollständig aus.114 Auch das Europarecht schränkt den Ermessensspielraum der Geberstaaten in dieser Frage mithin nur geringfügig ein.
D. Rechtsvergleichende Untersuchung der Entwicklungsgesetze Weder das Völker- noch das Europarecht nehmen eine wesentliche Einschränkung des Ermessens bezüglich der Auswahl der Empfängerstaaten vor. Zugleich besteht weitgehende Einigkeit darüber, dass eine Reduzierung der Empfängerstaaten je Geberstaat zu einer Steigerung der Effektivität der Entwicklungszusammenarbeit beitragen kann.115 Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass die Geberstaaten ihre Leistungen nicht gleichmäßig auf alle Empfängerstaaten aufteilen sollten, sondern zwischen diesen wählen müssen. Die Entwicklungsgesetze könnten eine Möglichkeit bieten, diesen Prozess anzuleiten und an objektiven Kriterien auszurichten. Im Folgenden wird deshalb untersucht, inwieweit die Geberstaaten die Entwicklungsgesetze für diesen Zweck verwenden. Es wird dabei zwischen einer direkten 111
Cremer, Art. 215 AEUV, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, 2022, Rn. 1. Cremer, Art. 215 AEUV, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, 2022, Rn. 29; Kokott, Art. 215 AEUV, in: Streinz (Hrsg.), EUV/AEUV, 2018, Rn. 7. 113 Cremer, Art. 215 AEUV, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, 2022, Rn. 14; Sick, Das Kohärenzgebot bei Wirtschaftssanktionen der EU, 2001, S. 63. 114 So überrascht es auch nicht, dass die Bundesrepublik im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit auch mit Staaten arbeitet, die durch die EU sanktioniert sind, siehe dazu WD, Sanktionen Deutschlands und der Europäischen Union gegenüber Drittstaaten und bestehende Entwicklungszusammenarbeit mit diesen Drittstaaten, WD 2 – 3000 – 152/18 vom 29. Oktober 2018. 115 Faust/Messner, Ordnungspolitische Herausforderung für eine wirksamere EZ, in: Faust/ Neubert (Hrsg.), Wirksamere Entwicklungspolitik, 2010, S. 259 (281); OECD, Effective Aid Management: Twelve lessons from DAC Peer Reviews, 2008, S. 16; OECD, OECD Development Co-operation Peer Reviews: Switzerland 2019, S. 22; OECD, OECD Development Co-operation Peer Reviews: Germany 2015, S. 17. Mit einer Einschränkung der Empfängerstaaten je Geberstaat ist u. a. die Erwartung verbunden, erhebliche Verwaltungskosten zu sparen, Bigsten/Tengstam, International Coordination and The Effectiveness of Aid, World Dev. 69 (2015), S. 75 (82). 112
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Teil 5: Inhaltliche Steuerung der Entwicklungszusammenarbeit
Steuerung der Auswahl und einer Steuerung durch abstrakte Zielnormen, die mittelbaren Einfluss auf die Auswahl nehmen könnten, differenziert.
I. Direkte Steuerung der Auswahl Eine direkte Steuerung der Auswahl der Empfängerstaaten durch gesetzliche Bestimmungen ist insbesondere auf zwei Wegen denkbar. Einerseits könnten die Geberstaaten verbindliche Auswahlkriterien festlegen. Dies würde sowohl zu einem objektiveren als auch zu einem transparenteren Auswahlprozess beitragen. Außenstehende könnten die festgelegten Kriterien mit den tatsächlich geförderten Empfängerstaaten abgleichen und so überprüfen, ob die Regierung die gesetzlichen Vorgaben einhält. Außerdem würden festgelegte Kriterien sowohl zu einer erhöhten Stringenz als auch zu einer langfristigeren Ausrichtung der Entwicklungszusammenarbeit führen. Eine Neuausrichtung bezüglich der geförderten Empfängerstaaten wäre dann nur noch zu erwarten, wenn die festgelegten Kriterien nicht mehr erfüllt werden. Andererseits könnten sich die Staaten zu einer stärkeren Geberkoordination verpflichten. Dies hätte insbesondere den Vorteil, dass das Entstehen der „Entwicklungswaisen“ abgeschwächt werden würde und eine verbesserte Verteilung der ODA zu erwarten wäre. Diese zweite Vorgehensweise spielt in der Debatte um eine effektivere Entwicklungszusammenarbeit unter dem Prinzip der Harmonisation eine Rolle.116 Eine fehlende Abstimmung der Geberstaaten in der Entwicklungszusammenarbeit kann zu schwankenden Leistungen für die Empfängerstaaten führen und dadurch einen negativen Einfluss auf den Entwicklungsprozess nehmen.117 Eine verbesserte Koordination könnte zudem die Stringenz und Langfristigkeit der Entwicklungszusammenarbeit erhöhen. Sie könnte dazu führen, dass den einzelnen Geberstaaten bestimmte Empfängerstaaten, in denen sie besondere komparative Vorteile haben, beispielswiese aufgrund besonderer kultureller Beziehungen, zugeordnet werden. Ein Wechsel der jeweiligen Empfängerstaaten wäre dann ebenfalls nur noch in Ausnahmefällen zu erwarten. Beide Vorgehensweisen sind für die Geberstaaten mit einer erheblichen Einschränkung ihres Auswahlermessens verbunden. Gesetze sind starre Steuerungsinstrumente, die im Regelfall der langfristigen Regelung eines Bereichs dienen. Die Festlegung konkreter Auswahlkriterien würde mithin die Geberstaaten in ihrer Flexibilität beeinträchtigen und es ihnen erschweren, die Entwicklungszusammenarbeit an sich verändernde politische Interessen anzupassen. Eine Verpflichtung zu einer Geberkoordination würde in der Ermessensbeschränkung noch über diese erste Variante hinaus gehen. Die Geberstaaten könnten in diesem Fall nicht länger autark entscheiden, welche Staaten sie unterstützen. Entsprechend schwach sind diese 116 117
Siehe zum Prinzip der Harmonisation bereits oben Teil 1, § 2, C., I., 1., c). Bulír/Hamann, Volatility of Development Aid, World Dev. 36 (2008), S. 2048 (2049).
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Formen der unmittelbaren Steuerung in den Entwicklungsgesetzen vertreten. Dennoch lassen sich für beide dargestellten Varianten Beispiele in den untersuchten Entwicklungsgesetzen finden. Diese werden nachfolgend dargestellt. 1. Auswahlkriterien Zwei Staaten haben in ihren Gesetzen konkrete Kriterien zur Auswahl der Empfängerstaaten festgelegt. Dies sind Spanien und Belgien. Die Staaten haben dazu zwei unterschiedliche Auswahlmodelle gewählt. Nachfolgend werden diese verschiedenen Ansätze näher dargestellt. a) Das spanische Auswahlmodell Die spanische Entwicklungszusammenarbeit richtet sich gem. Art. 5 S. 1 an zwei Achsen aus: einerseits an einer geografischen und andererseits an einer sektoralen Achse.118 Die in Art. 7 des spanischen Entwicklungsgesetzes festgelegten sektoralen Prioritäten sind grundsätzlich auf alle Empfängerstaaten anwendbar und stellen deshalb kein Kriterium für die Auswahl der Empfängerstaaten dar.119 Gem. Art. 5 S. 1 lit. a) soll dagegen die geografische Achse dazu dienen, dass sich die spanische Entwicklungszusammenarbeit auf bestimmte Regionen und Staaten konzentriert. Diese sind in der bilateralen Entwicklungszusammenarbeit gem. Art. 6 Abs. 1 die iberoamerikanischen Staaten, die arabischen Staaten Nordafrikas und des Mittleren Ostens sowie „other less-developed countries with which Spain has special links of a historical or cultural nature“.120 Die in Art. 6 Abs. 1 genannten Regionen zeichnen sich dadurch aus, dass sie entweder eine räumliche Nähe zu Spanien aufweisen oder eine besondere Verbindung zu diesen Staaten, beispielsweise aufgrund ihrer Eigenschaft als ehemalige Kolonie, besteht. Verdeutlicht wird dies durch den Zusatz, dass über die festgelegten Regionen hinaus auch einzelne Staaten gefördert werden können, die eine besondere Verbindung zu Spanien haben. Spanien versteht die Entwicklungszusammenarbeit mithin auch als Pflege bestehender staatlicher Beziehungen. 118 Entwicklungsgesetz Spanien, Art. 5 S. 1: „As a reflection of the diversity of situations in which it acts and the varying degrees of urgency involved in the specific intervention actions, Spanish development cooperation policy is structured around two priority axes determined by its preferential action lines: a) Geographical, focussing on the priority regions and countries for Spanish cooperation. b) Sector-based, targeting certain priority action areas.“ 119 Die sektorale Achse nimmt jedoch Einfluss auf die Auswahl der Entwicklungsprojekte. Siehe dazu unten Teil 5, § 3, D., II., 1. 120 Entwicklungsgesetz Spanien, Art. 6 Abs. 1: „Bilateral Framework. Notwithstanding the creation of other territorial areas pursuant to Article 5, the priority geographical areas shall be: the Ibero-American countries, the Arab countries of the North of Africa and the Middle East, and other less-developed countries with which Spain has special links of a historical or cultural nature.“
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Bei den festgelegten Regionen handelt es sich um Schwerpunkte, die durch weitere Staaten und Regionen erweitert werden können. Gem. Art. 5 S. 2 sollen die geografischen und sektoralen Prioritäten in dem nach Art. 8 zu erstellenden spanischen „Master-Plan“ der Entwicklungszusammenarbeit in einem VierjahresRhythmus definiert werden.121 Diese können gem. Art. 5 S. 2 i. V. m. Art. 6 Abs. 1 weitere geografische Bereiche bestimmen, in denen Spanien tätig wird. Die in Art. 6 Abs. 1 genannten Regionen sind mithin nicht abschließend. Bei ihrer Festlegung soll gem. Art. 5 S. 2 besondere Rücksicht auf die wirtschaftlich und sozial am wenigsten entwickelten Staaten sowie auf die Ziele der allgemeinen spanischen Außenpolitik genommen werden. Das spanische Auswahlmodell ist dadurch nicht auf geografische Kriterien beschränkt, sondern wird auch durch das Kriterium der Bedürftigkeit der Empfängerstaaten beeinflusst. In dem bis 2021 geltenden fünften „Master-Plan“ wurde Asien als zusätzliche Region festgelegt, die in der bilateralen Zusammenarbeit gefördert werden soll. Die Zusammenarbeit auf bilateraler Ebene in Asien ist aber auf die Philippinen beschränkt.122 Die Philippinen sind eine ehemalige spanische Kolonie und lassen sich deshalb aufgrund der besonderen historischen Verbindung auch unter Art. 6 Abs. 1 fassen. Die Festlegung der geografischen Regionen stellt somit eine grundsätzliche Ausrichtung der spanischen Entwicklungszusammenarbeit sicher. Die zehn wichtigsten Empfängerstaaten der spanischen ODA des Jahres 2019 können alle einer der in Art. 6 Abs. 1 genannten Gruppen zugeordnet werden.123 b) Das belgische Auswahlmodell Das belgische Entwicklungsgesetz verfolgt einen abweichenden Ansatz. Es beschränkt zunächst gem. Art. 16 § 1124 die Anzahl der Empfängerstaaten, zu denen 121 Entwicklungsgesetz Spanien, Art. 5 S. 2: „The definition of these priorities which are to be provided regularly in the successive four-year Master Plans described in Article 8, shall reflect the targets of the State’s foreign policy, take in account the considerations provided in the preceding Articles, and pay special attention to cooperation with the least economically and socially developed countries, and to the most underprivileged sectors within such countries.“ 122 Spanien, V Plan Director de la cooperación Española 2018/2021, 2018, S. 54. Der VI. Master-Plan der spanischen Entwicklungszusammenarbeit wurde bisher nicht veröffentlicht. 123 OECD, Development Co-operation Profiles 2021 – Spain, https://doi.org/10.1787/ 26d68de7-en (letzter Zugriff: 09. 05. 2022). 124 Entwicklungsgesetz Belgien, Art. 16 § 1: „Le Roi établit, par arrêté délibéré en Conseil des ministres, une liste de dix-huit pays partenaires au maximum, avec lesquels une relation durable est recherchée, sur la base des critères suivants: 18 le degré de pauvreté et d’inégalités du pays partenaire, mesuré sur la base du niveau de développement socioéconomique, de l’indicateur du développement humain ajusté aux inégalités (IDHI) et de l’indice de la pauvreté humaine (IPH) et/ou son degré de fragilité; 28 l’avantage comparatif actuel de la Coopération belge au Développement et le rôle qu’elle peut jouer dans le pays partenaire;
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durch die belgische Entwicklungszusammenarbeit „eine langfristige Beziehung aufgebaut werden soll“, auf höchstens 18 Staaten.125 Damit kommt Belgien der in der Entwicklungszusammenarbeit vorherrschenden Auffassung nach, dass die Geberstaaten die Anzahl der Empfängerstaaten auf einem niedrigen Niveau halten sollten, um die Wirksamkeit zu erhöhen. Der Zusatz „zu denen eine langfristige Beziehung aufgebaut werden soll“ ist derart zu verstehen, dass Belgien über diese 18 Staaten hinaus auch mit weiteren Staaten in der Entwicklungszusammenarbeit tätig werden kann, jedoch nicht in einem vergleichbaren Umfang. Die nachfolgend dargestellten Auswahlkriterien beziehen sich mithin ausschließlich auf diese 18 Staaten. Belgien behält sich so das Recht vor, mit weiteren Empfängerstaaten zusammen zu arbeiten und diese nach anderen Kriterien auszuwählen. Die 18 Staaten im Sinne des Art. 16 § 1 des belgischen Gesetzes sind nach fünf Kriterien auszuwählen. Diese sind dem Wortlaut nach nicht eingeschränkt. Es handelt sich mithin um verbindliche Kriterien, die bei der Auswahl der Empfängerstaaten alleinig zu berücksichtigen sind. Das erste Kriterium kann unter der Frage der Bedürftigkeit zusammengefasst werden. Gem. Art. 16 § 1 Nr. 1 Alt. 1 ist der Grad der Armut und Ungleichheit sowie gem. Art. 16 § 1 Nr. 1 Alt. 2 und/oder der Grad der Fragilität zu berücksichtigen. Dieses Kriterium bringt grundsätzlich die Problematik mit sich, dass es verschiedene Methoden gibt, um zu bestimmen, welche Staaten besonders bedürftig sind. Belgien begegnet diesem Problem, indem es in Art. 16 § 1 zugleich auch die Kriterien festlegt, nach denen zu bestimmen ist, wie hoch der Grad der Armut und Ungleichheit ist. Dies bestimmt sich einerseits nach dem Inequality-adjusted Human Development Index (IHDI) und anderseits nach dem Human Poverty Index (HPI). Diese Indizes beruhen auf wissenschaftlichen Kriterien und können so zur Objektivierung der Bewertung der Bedürftigkeit in der Entwicklungszusammenarbeit beitragen. Eine Wirkung zeigt dieses Kriterium in-
38 les efforts accomplis par le pays partenaire en vue de son développement socioéconomique; 48 les efforts du pays partenaire relatifs à la bonne gouvernance et aux droits humains, y compris par rapport à l’élimination de la discrimination et à la promotion de l’égalité des chances; 58 l’importance relative de la Coopération belge au Développement dans le pays partenaire en termes de volume et l’existence, dans le pays partenaire, d’une division du travail avec d’autres bailleurs de fonds, notamment les autres états membres de l’Union européenne. La Belgique vise à se placer parmi les principaux donateurs.“ 125 In dem Vorgängergesetz zur Regelung der belgischen Entwicklungszusammenarbeit war die Zahl der Staaten, mit denen Belgien Projekte der bilateralen Entwicklungszusammenarbeit durchführen durfte, noch auf maximal 25 Staaten beschränkt, Belgien, Loi relative à la Coopération Internationale Belge vom 25. Mai 1999, Nr. 1999015128, Moniteur Belge vom 1. Juli 1999, S. 24836 – 24840, Art. 6 Abs. 1. Anders als in dem in Kraft befindlichen Gesetz handelte es sich dem Wortlaut nach dabei aber um eine absolute Grenze, die nicht auf eine Auswahl der Staaten beschränkt war, mit denen eine langfristige Zusammenarbeit angestrebt wird.
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soweit, als dass Belgien einen überdurchschnittlichen Anteil der ODA an die ärmsten Staaten der Welt vergibt.126 Das zweite Kriterium ist gem. Art. 16 § 1 Nr. 2 der „komparative Vorteil der belgischen Entwicklungszusammenarbeit und ihre mögliche Rolle im Partnerland“. Dieses Kriterium soll sicherstellen, dass Belgien vornehmlich in Staaten tätig wird, in denen es beispielsweise aufgrund einer langjährigen Beziehung besondere Vorteile im Vergleich zum durchschnittlichen Geberstaat hat und so eine erhöhte Wirksamkeit der belgischen Maßnahmen zu erwarten ist. Dieser „komparative Vorteil“ dürfte beispielsweise in den ehemaligen belgischen Kolonien zu finden sein.127 Ergänzt wird dieses Kriterium durch Art. 16 § 1 Nr. 5 S. 1, der die „relative Gewichtung der Belgischen Entwicklungszusammenarbeit im Partnerland in Bezug auf Umfang und Bestehen einer Arbeitsteilung zwischen den Gebern im Partnerland, insbesondere mit den anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union“ als zusätzliches Auswahlkriterium normiert. Belgien strebt gem. Art. 16 § 1 Nr. 5 S. 2 danach, in dem jeweiligen Partnerland „zu den wichtigsten Gebern zu gehören“. Es wählt die Empfängerstaaten mithin nicht nur aufgrund der wirtschaftlichen Bedingungen in den Staaten aus, sondern berücksichtigt ebenso die Rolle, die es in den Staaten einnehmen kann. Darüber hinaus werden die Anstrengungen der Empfängerstaaten in den Auswahlprozess mit einbezogen. Gem. Art. 16 § 1 Nr. 3 sind zunächst deren Anstrengungen „in Hinblick auf die sozioökonomische Entwicklung“ zu berücksichtigen. Gem. Art. 16 § 1 Nr. 4 wird dieses vornehmlich wirtschaftliche Entwicklungsverständnis durch das belgische Verständnis einer wünschenswerten Entwicklung erweitert. Es sind die „Anstrengungen des Partnerlandes hinsichtlich der verantwortungsvollen Staatsführung und der Menschenrechte einschließlich der Beseitigung der Diskriminierung und der Förderung der Chancengleichheit“ zu berücksichtigen. Dies verdeutlicht, dass Belgien nicht ausschließlich einen wirtschaftlichen Entwicklungsprozess fördert, sondern darüber hinaus weitere grundlegende Entwicklungen in den Empfängerstaaten erwartet. Belgien hat mithin verbindliche Kriterien für die Auswahl der Empfängerstaaten festgelegt. Jedoch führt das belgische Gesetz ebenso wie das spanische Auswahlmodell nicht zu einer umfassenden Steuerung des Auswahlprozesses. Belgien bleibt 126
2019 sind 33,3 % der bilateralen ODA Belgiens an die am wenigsten entwickelten Staaten dieser Erde geflossen. Es lag damit deutlich über dem Durchschnitt der OECD-DACMitgliedstaaten, der im gleichen Jahr bei 23,8 % lag, OECD, Development Co-operation Profiles 2021 – Belgium, https://doi.org/10.1787/58873fc4-en (letzter Zugriff: 09. 05. 2022). Das Ziel 50 % der ODA an die LDCs zu vergeben, das sich Belgien selbst auferlegt hat, konnte es dennoch bisher noch nicht erreichen, siehe OECD, Belgium Mid-term Review vom 28. März 2018, DCD/BK(2018)01. 127 Mit der demokratischen Republik Kongo war 2019 eine ehemalige Kolonie der größte Leistungsempfänger bilateraler ODA der belgischen Entwicklungszusammenarbeit, OECD, Development Co-operation Profiles 2021 – Belgium, https://doi.org/10.1787/58873fc4-en (letzter Zugriff: 09. 05. 2022).
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es unbenommen, mit weiteren Staaten Entwicklungsbeziehungen aufzubauen, die nach anderen Kriterien ausgewählt werden können. Es wird aber sichergestellt, dass die Staaten, die die belgische Entwicklungszusammenarbeit prioritär fördert, nach diesen Kriterien ausgewählt werden.
2. Geberkoordination Als zweite Form der direkten Steuerung der Auswahl der Empfängerstaaten kommt eine Verpflichtung zur Geberkoordination in Betracht. Diese kann in der Entwicklungszusammenarbeit auf zwei Arten interpretiert werden. Einerseits kann sie als eine Abstimmung zwischen den in dem jeweiligen Empfängerstaat tätigen Geberstaaten verstanden werden. Diese sollen ihre Maßnahmen miteinander koordinieren und so Synergieeffekte begünstigen und Überschneidungen vermeiden. Andererseits kann sie auch als eine der eigentlichen Entwicklungszusammenarbeit vorgelagerte Abstimmung interpretiert werden. Geberstaaten würden dann von vornherein nur in den Staaten tätig werden, in denen sie operative Vorteile haben, z. B. aufgrund eines langjährigen Engagements oder besonderer Beziehungen. Der Auswahlprozess würde so zu einer gemeinschaftlichen Abstimmungsaufgabe der Geberstaaten werden. Für die vorliegende untersuchte Auswahl der Empfängerstaaten ist nur letztere Ausformung relevant. Eine Geberkoordination setzt stets das Mitwirken mindestens eines weiteren Gebers, im Idealfall aller relevanten Geber eines Empfängerstaates, voraus. Dadurch wird eine Regelung auf gesetzlicher Ebene erschwert. Dies spiegelt sich auch in den Entwicklungsgesetzen wider. Nur drei der untersuchten Gesetze gehen auf die Geberkoordination ein, obwohl sie zu den grundlegenden Prinzipien einer effektiven Entwicklungszusammenarbeit gehört. Die Schweiz koordiniert gem. Art. 4 Alt. 2 des schweizerischen Entwicklungsgesetzes seine Maßnahmen „nach Möglichkeit mit den gleichgerichteten Leistungen anderer nationaler und internationaler Herkunft“. Dies stellt zwar eine ausdrückliche Verpflichtung zur Geberkoordination dar, wenngleich diese auch durch den Vorbehalt der bestehenden Möglichkeit einer solchen eingeschränkt ist. Die Verpflichtung bezieht sich dem Wortlaut nach aber ausschließlich auf „gleichgerichtete Leistungen“. Die vorgelagerte Entscheidung, ob ein Staat überhaupt ODA von der Schweiz erhalten soll, ist von dieser Norm dagegen nicht erfasst. Auch das österreichische Entwicklungsgesetz geht auf die Koordination ein. Gem. § 22 S. 2 dieses Gesetzes hat der Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten „die Koordination der internationalen Entwicklungspolitik sowohl in Österreich wie auch im Hinblick auf Art. 180 EGV sicherzustellen“. Bei dieser Norm handelt es sich aber nicht um eine Verpflichtung zur Geberkoordination Österreichs, sondern lediglich um eine Aufgabenzuweisung. Der Bundesminister soll einerseits die Koordination innerhalb Österreichs, also der auf nationaler Ebene beteiligten Akteure, sowie anderseits etwaige Koordinationspflichten, die sich aus Art. 210
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AEUV ex Art. 180 EGV ergeben, sicherstellen. Dies begründet keine zusätzlichen Koordinationspflichten, die Auswirkungen auf die Auswahl der Empfängerstaaten haben. Am weitgehendsten ist auch in Bezug auf die Geberkoordination das belgische Entwicklungsgesetz. Gem. Art. 10 dieses Gesetzes strebt die belgische Entwicklungszusammenarbeit zunächst abstrakt die Stärkung der „Harmonisierung mit anderen Gebern“ an.128 Diese Harmonisierung wird in Art. 20 Abs. 1 dahingehend präzisiert, dass die belgische Entwicklungszusammenarbeit in jedem Empfängerstaat eine „gemeinsame Länderstrategie der Geber“ anstrebt.129 Diese Strategie soll nach Art. 20 Abs. 2 „den Rahmen für das Zusammenarbeitsprogramm mit dem Partnerland“ bilden. Dem Wortlaut nach erfasst auch diese Norm ausschließlich die Abstimmung zwischen verschiedenen in einem Empfängerstaat tätigen Gebern. Für den eigentlichen Auswahlprozess der Empfängerstaaten ist dagegen Art. 16 § 1 Nr. 5 des belgischen Entwicklungsgesetzes von Bedeutung. Diese bereits oben erwähnte Norm legt fest, dass ein zentrales Entscheidungskriterium die „relative Gewichtung der Belgischen Entwicklungszusammenarbeit im Partnerland in Bezug auf Umfang und Bestehen einer Arbeitsteilung zwischen den Gebern im Partnerland, insbesondere mit den anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union“, ist. Belgien strebt gem. Art. 16 § 1 Nr. 5 S. 2 danach, „zu den wichtigsten Gebern“ im jeweiligen Empfängerstaat zu gehören.130 Es trägt mit dieser Norm der Problematik Rechnung, dass sich eine Pflicht zur Geberkoordination nicht einseitig umsetzen lässt. Belgien verpflichtet sich deshalb einseitig, vor allem in solchen Staaten tätig zu werden, in denen es eine im Vergleich zu den anderen Geberstaaten große Rolle einnehmen kann. Es macht dementsprechend die Auswahl von den anderen Geberstaaten abhängig. Insgesamt spielt die Geberkoordination in Bezug auf die Auswahl der Empfängerstaaten in den Gesetzen aber nur eine untergeordnete Rolle. Das Beispiel Belgiens 128 Entwicklungsgesetz Belgien, Art. 10: „En vue de l’efficacité de l’aide, la Coopération belge au Développement vise le renforcement de l’appropriation démocratique par les partenaires, l’alignement sur leurs politiques, procédures et systèmes de gestion, l’harmonisation avec les autres bailleurs, la gestion axée sur les résultats, la responsabilité mutuelle, une meilleure prévisibilité des ressources, et se concentre sur un nombre limité de pays, de thèmes et de secteurs.“ 129 Entwicklungsgesetz Belgien, Art. 20: „Dans chaque pays partenaire, la coopération gouvernementale vise une stratégie-pays commune des donateurs, de préférence au niveau de l’Union européenne et respectant l’alignement et l’appropriation démocratique par le pays partenaire. Cette stratégie commune constitue le cadre du programme de coopération avec le pays partenaire. Ce programme précise notamment les choix sectoriels et les modalités d’exécution retenues. La stratégie et le programme sont communiqués au Parlement fédéral belge et au parlement du pays partenaire.“ 130 Auch bei der Auswahl der Empfängerstaaten durch das BMZ ist die „Signifikanz des deutschen Engagements im Vergleich zum Engagement anderer Geber im jeweiligen Land“ ein Kriterium, BT-Drucks. 19/20436 vom 26. 06. 2020, S. 5.
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zeigt, dass es möglich ist, dem Ziel einer verstärkten Koordination in diesem Bereich auch einseitig auf gesetzlicher Ebene Rechnung zu tragen. Gerade im Bereich der Geberkoordination scheint dennoch eine multilaterale Lösung Voraussetzung für eine effektive Umsetzung zu sein.
II. Indirekte Steuerung der Auswahl Die Geberstaaten haben eine direkte gesetzliche Steuerung der Auswahl der Empfängerstaaten weitgehend unterlassen. Eine Ermessensbeschränkung in dieser Frage könnte sich aber aus gesetzlich festgelegten Zielen ergeben. Die untersuchten Gesetze haben die Ziele, die mittels der Entwicklungszusammenarbeit verfolgt werden sollen, definiert. Kleinster gemeinsamer Nenner der Entwicklungsgesetze ist das Ziel der Armutsbekämpfung. Dieses findet sich in unterschiedlichen Formen in allen Vergleichsgesetzen wieder.131 Neben diesem übergeordneten Ziel finden sich in den Gesetzen weitere ergänzende Ziele. Namentlich sind dies u. a. der Schutz der Menschenrechte und der Umwelt sowie die Stärkung der Demokratie und der Geschlechtergerechtigkeit. Fraglich ist, ob die Normierung dieser Ziele einen rechtlichen Einfluss auf die Auswahl der Empfängerstaaten nimmt. Entsprechende Zielnormen, wie sie in den Entwicklungsgesetzen zu finden sind, stellen zunächst keine unmittelbare Handlungsanweisung an den Normadressaten dar, die entweder erfüllt oder nicht erfüllt ist. Sie begründen mithin keine konkreten Handlungspflichten. Dies führt gleichwohl nicht dazu, dass den Zielnormen ihr Normcharakter als solcher abzusprechen ist. Denkbar wäre es, dass die Ziele als Gebote zu verstehen sind, die die Normadressaten dazu verpflichten, diese unter Berücksichtigung weiterer Faktoren in einem möglichst umfassenden Maße zu realisieren. Nachfolgend wird deshalb dargestellt, welche Rechtsfolgen Zielnormen generell begründen, in welcher Form die Staaten die übergeordneten Ziele ihrer Entwicklungszusammenarbeit in den Gesetzen normiert haben und welchen Einfluss dies auf die Auswahl der Empfängerstaaten hat.
131 Die einzigen Ausnahmen unter den untersuchten Gesetzen stellen diesbezüglich der Foreign Aid Transparency and Accountability Act of 2016 der USA, der International Development (Reporting and Transparency) Act 2006 und der International Development (Offical Development Assistance Target) Act 2015 Großbritanniens dar. Dies ist der Tatsache geschuldet, dass diese Gesetze nicht der ganzheitlichen Regelung der Entwicklungszusammenarbeit dienen, sondern in ihrem Regelungsgehalt auf spezifische Aspekte beschränkt sind. Großbritannien hat in dem, ebenfalls in dieser Arbeit untersuchten, International Development Act 2002 die grundlegenden Ziele der britischen Zusammenarbeit definiert sowie die USA in dem, in dieser Arbeit nicht untersuchten, Foreign Assistance Act of 1961.
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1. Rechtliche Bedeutung von Zielnormen Zielnormen, wie sie in den Entwicklungsgesetzen zu finden sind, sind keine Eigenart dieser Gesetze. Sie finden sich in einer Vielzahl weiterer Gesetze und völkerrechtlicher Verträge. Zu nennen sind beispielsweise die im deutschen Grundgesetz enthaltenen Staatszielbestimmungen132 sowie die im Vertrag über die Europäische Union enthaltenen Zielbestimmungen133 und auf einfachgesetzlicher Ebene § 1 des Bundesnaturschutzgesetzes.134 Zielnormen sind zunächst von Zwecknormen abzugrenzen.135 Gemeint sind damit Normen, die das Grundanliegen eines Gesetzes festlegen. Eine solche Norm findet sich in dem Entwicklungsgesetz Südkoreas. Gem. Art. 1 ist der Zweck dieses Gesetzes, „to enhance the appropriateness of policies for international development cooperation and the effectiveness of implementation thereof, and effectively achieve the policy objectives of international cooperation by providing for basic matters concerning international development cooperation, thus contribution to the co-prosperity of humanity and to world peace.“
Diese Normen enthalten keine Handlungsanweisungen, sondern dienen vornehmlich der Präzisierung der Idee, die der Gesetzgeber mit dem Gesetz verfolgt.136 Sie dienen dementsprechend als Auslegungshilfe für die übrigen Normen des Gesetzes.137 Zielnormen legen dagegen fest, welche Wirkung mit bestimmten Maßnahmen oder Handlungsbereichen erreicht werden sollen. Sie stellen insoweit eine Konkretisierung der Zwecknormen dar.138 Die Staatszielbestimmungen des deutschen Grundgesetzes stellen beispielsweise rechtliche Grundsätze dar, die in rechtsverbindlicher Weise das Handeln des Staates leiten.139 Auch Verwaltungsgesetze ver132 Ausführlich zu den Staatszielbestimmungen u. a. Hahn, Staatszielbestimmungen im integrierten Bundesstaat, 2010; Rode, Rechtsbindung und Staatszielbestimmung, 2010; Sommermann, Staatsziele und Staatszielbestimmungen, 1997. 133 Siehe zur Bedeutung dieser Zielbestimmungen Pechstein, Art. 3 EUV, in: Streinz (Hrsg.), EUV/AEUV, 2018, Rn. 2 – 4; Ruffert, Art. 3 EUV, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/ AEUV, 2022, Rn. 2 – 5. 134 Gesetz über Naturschutz und Landschaftspflege (Bundesnaturschutzgesetz – BNatSchG), BGBl. I, Nr. 51 vom 6. August 2009, S. 2542 – 2579, § 1 Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege. 135 Allgemein zu Zweckbestimmungen am Beispiel der Umweltschutzgesetze Nusser, Zweckbestimmungen in Umweltschutzgesetzen, 2007. 136 Lehr, Staatliche Lenkung durch Handlungsformen, 2010, S. 263. 137 Kluth, Entwicklung und Perspektiven der Gesetzgebungswissenschaft, in: Kluth/Krings (Hrsg.), Gesetzgebung, 2014, S. 3 (31); Lehr, Staatliche Lenkung durch Handlungsformen, 2010, S. 263; Müller, Elemente einer Rechtssetzungslehre, 2006, S. 198 – 199. 138 Nusser, Zweckbestimmungen in Umweltschutzgesetzen, 2007, S. 28. 139 Hahn, Staatszielbestimmungen im integrierten Bundesstaat, 2010, S. 64.
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pflichten den jeweiligen Normadressaten regelmäßig zu einem bestimmten Handeln. Den Gesetzen kommt insoweit eine Auftragsfunktion zu.140 Die Festlegung der Ziele dient diesbezüglich der Konkretisierung dieses Auftrags. Die Zielnormen weisen jedoch eine denkbar geringe Bestimmtheit auf und überlassen die Mittel ihrer Umsetzung den zuständigen Normadressaten.141 Sie stehen damit im Widerspruch zu einigen der Grundmaximen der Rechtspolitik. Gesetze sollen ein möglichst hohes Maß an Bestimmtheit und Klarheit aufweisen.142 Die Klarheit und Bestimmtheit der Normen dient „insbesondere auch dazu, die Verwaltung zu binden und ihr Verhalten nach Inhalt, Zweck und Ausmaß zu begrenzen“.143 Der Adressat eines Gesetzes muss aus den Normen ableiten können, „was er zu tun oder zu lassen hat“.144 Damit Gesetze eine Steuerungsfunktion einnehmen können, müssen sie dementsprechend hinreichend bestimmt sein.145 Zielnormen führen dagegen nicht zu einer konkreten Verpflichtung, die nach objektiver Betrachtung entweder erfüllt oder nicht erfüllt ist, sondern geben dem Normadressaten lediglich eine abstrakte Handlungsrichtung vor und überlassen diesem bei der Umsetzung einen umfassenden Ermessensspielraum. Es wird deshalb die Auffassung vertreten, dass es sich bei Zielnormen um programmatische Normen handelt, die lediglich einen symbolischen Charakter haben. Sie seien vornehmlich deklaratorischer Natur und dienen dazu, das Tätigwerden des Gesetzgebers zu verdeutlichen und dafür zu werben.146 Die Lenkungswirkung von Zielnormen sei deshalb aufgrund ihrer Unbestimmtheit nur beschränkt vorhanden.147 Trotz der Unbestimmtheit von Zielnormen ist ihnen entgegen dieser Auffassung eine normative Wirkung nicht abzusprechen.148 Die Verwendung unbestimmter 140 Böhret/Hugger, Der Beitrag von Gesetzestests zur Optimierung der Zielverwirklichung, in: Schreckenberger/Baden (Hrsg.), Gesetzgebungslehre, 1986, S. 135 (135); Franzius, Modalitäten und Wirkungsfaktoren der Steuerung durch Recht, in: Hoffmann-Riem/SchmidtAßmann/Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts Band 1, 2012, S. 179 (181); Scheuner, Das Gesetz als Auftrag der Verwaltung, in: Scheuner/Listl/Rüfner (Hrsg.), Staatstheorie und Staatsrecht, 1978, S. 545 (562 – 563). 141 Franzius, Modalitäten und Wirkungsfaktoren der Steuerung durch Recht, in: HoffmannRiem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts Band 1, 2012, S. 179 (190); Müller, Elemente einer Rechtssetzungslehre, 2006, S. 153. 142 Middelschulte, Unbestimmte Rechtsbegriffe und das Bestimmtheitsgebot, 2007, S. 255; Singer, Rechtsklarheit und Dritte Gewalt, 2010, S. 67 – 68; Handbuch der Rechtsförmlichkeit vom 22. September 2008, BAnz (2008), G 1990, Nr. 160a, Rn. 54; § 42 Abs. 5, S. 1 GGO. 143 BVerfG, Beschluss vom 13. Juni 2017, 1 BvR 1550/03, BVerfGE 118, S. 168 – 211 (95). 144 Depenheuer, Sprache und Stil der Gesetze, in: Kluth/Krings (Hrsg.), Gesetzgebung, 2014, S. 137. 145 Schuppert, Das Gesetz als zentrales Steuerungsinstrument des Rechtsstaates, in: Schuppert (Hrsg.), Das Gesetz als zentrales Steuerungsinstrument des Rechtsstaates, 1998, S. 105 (112). 146 Schober, Der Zweck im Verwaltungsrecht, 2007, S. 107. 147 Schober, Der Zweck im Verwaltungsrecht, 2007, S. 236. 148 Müller, Elemente einer Rechtssetzungslehre, 2006, S. 170.
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Rechtsbegriffe ist in einigen Regelungsbereichen, hier ist beispielsweise an die Generalklauseln im Polizei- und Ordnungsrecht zu denken, vielmehr gerade notwendig, um den Normadressaten den notwendigen Handlungsspielraum zu geben.149 In einem Bereich wie der Entwicklungszusammenarbeit, in der die Flexibilität eine wesentliche Handlungsvoraussetzung ist und in der die Gesetzgebung stets im Spannungsverhältnis zwischen Steuerungsanspruch und größtmöglichem Handlungsspielraum steht,150 stellen abstrakte Zielnormen eine wichtige Regelungsoption dar. Ihnen kommt u. a. insoweit eine normative Wirkung zu, als dass sie bestimmte Maßnahmen von vornherein ausschließen. Handlungen, die nicht mit den festgelegten Zielen vereinbar sind, stehen im Widerspruch zu dem gesetzlichen Handlungsauftrag und sind dementsprechend rechtlich unzulässig. Zielnormen präzisieren dadurch den gesetzlichen Auftrag an die Normadressaten und stellen zugleich eine Handlungsbegrenzung dar.151 Sie dienen mithin als eine Ermessensschranke.152 Besonders plastisch lässt sich die Bedeutung von Zielnormen für die Entwicklungszusammenarbeit am Beispiel des Pergau-Damm-Falles verdeutlichen.153 Dieser stellt einen der seltenen Fälle dar, in denen es zu einem Rechtsstreit über die Auslegung eines Entwicklungsgesetzes gekommen ist. Das World Development Movement (WDM), eine britische Entwicklungsorganisation, hatte die Regierung Großbritanniens wegen der Förderung des Pergau-Damms verklagt. Dabei handelt es sich um ein Wasserkraftwerk in Malaysia, dessen Bau im Rahmen der britischen Entwicklungszusammenarbeit durch Großbritannien vorangetrieben wurde. Bereits zu Beginn des Projekts war bekannt, dass es wirtschaftlich nicht rentabel ist und insbesondere aus Gründen der Förderung der bilateralen Beziehungen zwischen Großbritannien und Malaysia durchgeführt wird.154 Erschwerend kam hinzu, dass die Durchführung des Projekts eine indirekte Voraussetzung für den Abschluss eines Waffenverkaufs von Großbritannien an Malaysia war.155 Das zum damaligen Zeit-
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Garn, Das Problem der Gesetzesbestimmtheit und die Bedeutung einer allgemeinen juristischen Begründungstheorie, in: Schreckenberger/Merten (Hrsg.), Grundfragen der Gesetzgebungslehre, 2000, S. 99 (101). 150 Burall/White/Blick, The Impact of U.S. and U.K. Legislature on Aid Delivery, GMF Economic Policy Paper Series No. 09, 2009, S. 45. 151 Scheuner, Das Gesetz als Auftrag der Verwaltung, in: Scheuner/Listl/Rüfner (Hrsg.), Staatstheorie und Staatsrecht, 1978, S. 545 (564). 152 Höger, Die Bedeutung von Zweckbestimmungen in der Gesetzgebung der Bundesrepublik Deutschland, 1976, S. 115. 153 England and Wales High Court (Administrative Court) Decisions, Regina v Secretary of State for Foreign and Commonwealth Affairs, ex parte World Development Movement LTD, BAILL 11, Citation Number: [1994] EWNHC Admin 1. 154 Lankester, The Politics and Economics of Britain’s Foreign Aid – The Pergau Dam Affair, 2013, S. 2. 155 Barder, Reforming Development Assistance, CGD Working Paper No. 70, 2005, S. 32; Lankester, The Politics and Economics of Britain’s Foreign Aid – The Pergau Dam Affair, 2013, S. 57.
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punkt geltende Entwicklungsgesetz, der Overseas Development and Co-operation Act of 1980, legte in Art. 1 Abs. 1 fest: „The Secretary of State shall have power, for the purpose of promoting the development or maintaining the economy of a country or territory outside the United Kingdom, or the welfare of its people, to furnish any person or body with assistance, whether financial, technical or of any other nature.“156
Der zuständige Minister war mithin nur dann berechtigt, Entwicklungsleistungen zur Verfügung zu stellen, wenn diese das Ziel hatten, die Entwicklung oder Aufrechterhaltung der Wirtschaft eines Landes oder Gebiets außerhalb Großbritanniens oder das Wohlergehen deren Bevölkerungen zu fördern. Das WDM stützte die Klage im Wesentlichen auf zwei Argumente: einerseits auf die Tatsache, dass es sich bei dem Pergau-Damm nicht um ein wirtschaftlich nachhaltiges Projekt handelte und es daher nicht förderungsfähig im Sinne des Art. 1 Abs. 1 des Overseas Development and Co-operation Act of 1980 war, und andererseits darauf, dass die Förderung nicht auf entwicklungspolitischen Erwägungen beruht hatte.157 Das Gericht folgte dieser Argumentation und erklärte das Projekt für unvereinbar mit Art. 1 Abs. 1 des Gesetzes. Die Förderung des Pergau-Damms war im Vergleich zu anderen Formen der Energiegewinnung wirtschaftlich nicht sinnvoll und diente daher nicht der wirtschaftlichen Förderung Malaysias.158 Dem Argument der Regierung, dass dieses Projekt der Förderung der allgemeinen Beziehung zwischen Großbritannien und Malaysia diente, und deshalb zulässig im Sinne des Art. 1 Abs. 1 des Gesetzes war, folgte das Gericht ebenfalls nicht. Auch über das einzelne Projekt hinausgehende wirtschaftliche oder politische Argumente waren nach Auffassung des Gerichts nur dann relevant, wenn sie maßgeblich auf entwicklungspolitischen Überlegungen beruhten.159 Das Gericht hat mithin die Förderung eines Entwicklungsprojekts aufgrund der abstrakten Zielnorm für unrechtmäßig erklärt. Entwicklungsprojekte waren nur dann mit dem damaligen Gesetz vereinbar, wenn diese auf wirtschaftlich soliden Füßen standen und einen inneren Zusammenhang zur Entwicklung des Empfängerstaates aufwiesen. Dieses Beispiel zeigt, dass Zielnormen einen praktischen Einfluss auf die Entwicklungszusammenarbeit nehmen können. Sie schließen die Durchführung von Maßnahmen, die mit den festgelegten Zielen nicht vereinbar sind, aus. Gerade in Entwicklungsgesetzen, die in einem Spannungsverhältnis zwischen Steuerungsfunktion und größtmöglicher Flexibilität stehen, sind Zielbestimmungen von entscheidender Bedeutung. Sie ermöglichen es, Leitplanken für das politische Handeln 156
Großbritannien, Overseas Development and Co-operation Act of 1980, UK Public General Acts 1980, c. 63. 157 Lankester, The Politics and Economics of Britain’s Foreign Aid – The Pergau Dam Affair, 2013, S. 109. 158 Hare, Judicial Review and the Pergau Dam, CLJ 54 (1995), S. 227 (227). 159 Hare, Judicial Review and the Pergau Dam, CLJ 54 (1995), S. 227 (227).
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festzulegen, ohne die Fähigkeit des Normadressaten, auf sich verändernde Gegebenheiten und wissenschaftliche Erkenntnisse zu reagieren, zu stark einzuschränken. 2. Zielnormen in den Entwicklungsgesetzen Nachfolgend sollen die Zielnormen der Entwicklungsgesetze auf ihre jeweilige Ausformung untersucht werden. Die Gesetze lassen sich dafür in drei Gruppen einteilen. Die erste Gruppe stellen die Staaten Großbritannien und Kanada dar, die sich in ihren Gesetzen auf das Ziel der Armutsbekämpfung konzentrieren und dabei einen subjektivierten Armutsbegriff zugrunde legen. Der zweiten Gruppe ist ausschließlich das Gesetz der Schweiz zuzuordnen. Diese nachfolgend als Schweizer Zielmodell bezeichnete Ausformung der gesetzlichen Festsetzung der Ziele zeichnet sich dadurch aus, dass sie ebenfalls eine Konzentration auf ein einzelnes Ziel vornimmt. Dabei handelt es sich allerdings nicht um die Armutsbekämpfung, sondern um die Entwicklung der Empfängerstaaten im Allgemeinen. In der dritten Gruppe sind die verbleibenden Entwicklungsgesetze zusammengefasst. Diese weisen erhebliche Parallelen in der Ausgestaltung ihrer Zielnormen auf. In diesen Gesetzen wurde nicht ein einzelnes Ziel festgelegt, sondern der Heterogenität der modernen Entwicklungszusammenarbeit durch Normierung verschiedener Ziele Rechnung getragen. a) Das Armutsmodell Die Gesetze Großbritanniens und Kanadas stellen jeweils das Ziel der Armutsbekämpfung ins Zentrum ihrer Zielnormen. Im Gegensatz zu den übrigen Staaten wird dabei ein subjektivierter Armutsbegriff zugrunde gelegt. Die jeweils zuständigen Minister erhalten dem Wortlaut nach die Kompetenz zu bestimmen, welche Maßnahmen der Armutsreduktion dienen.160 Großbritannien hat das Ziel der Armutsbekämpfung im International Development Act 2002, das wesentlich durch den Pergau-Damm-Fall beeinflusst ist,161 normiert. Art. 1 Abs. 1 dieses Gesetzes lautet: „The Secretary of State may provide any person or body with development assistance if he is satisfied that the provision of the assistance is likely to contribute to a reduction in poverty.“ Der zuständige Minister ist mithin nur dann berechtigt, Entwicklungsleistungen zu vergeben, wenn er überzeugt ist, dass diese zur Reduktion von Armut beitragen. Die Bewertung erfolgt dem Wortlaut nach ex ante. Es ist ausreichend, wenn der Beitrag eines Entwicklungsprojekts zur Armutsreduzierung wahrscheinlich ist. Im 160
Der International Development Assistance Act 2002 wird deshalb auch als zentrale Inspiration für das kanadische Entwicklungsgesetz angesehen, siehe McKee, The Official Development Assistance Accountability Act, UBC Law Review 48 (2015), S. 447 (465). 161 Cullen/Manji, Why the UK needs a stronger legal framework for aid spending, 19. 06. 2016, https://www.theguardian.com/global-development-professionals-network/2016/jun/19/ uk-needs-stronger-legal-framework-aid-spending (letzter Zugriff: 09. 05. 2022).
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Umkehrschluss bedeutet dies, dass ein Projekt nur dann gefördert werden kann, wenn zuvor die zu erwartende Wirkung des Projekts analysiert worden ist. Eine Betrachtung der Entstehungsgeschichte des International Development Act 2002 zeigt, dass die Zielbestimmung der Armutsbekämpfung nicht nur Bestandteil, sondern gerade Grund für die Verabschiedung dieses Gesetzes war. Clare Short, die damals zuständige Ministerin für die britische Entwicklungszusammenarbeit, spezifizierte den Zweck des Gesetzes beispielsweise wie folgt: „The purpose of the Bill is legislatively to entrench poverty reduction as the overriding aim of United Kingdom development assistance and to ensure that with two exceptions, which I shall come to, money for development assistance is spent for that reason alone.“162 Das Gesetz ist zudem wesentlich durch das Strategiepapier Eliminating World Poverty – A Challenge for the 21st Century beeinflusst.163 Dieses Dokument stellt die Auslöschung der Armut in den Mittelpunkt der entwicklungspolitischen Bestrebungen Großbritanniens und erwähnt bereits das Ziel des Erlasses eines neuen Gesetzes, das sicherstellt, dass Haushaltsmittel, die für die Entwicklungszusammenarbeit zur Verfügung gestellt werden, einzig zum Zweck der Bekämpfung der Armut verwendet werden.164 Die Zielnorm stellt mithin den zentralen Fokuspunkt des Gesetzes dar. Sie dient dazu, sicherzustellen, dass keine Haushaltsmittel für die Entwicklungszusammenarbeit im Widerspruch zu diesem Ziel vergeben werden. Der Ermessensspielraum in Bezug auf die Auswahl der Entwicklungsprojekte wird so durch diese Norm beschränkt. Dennoch weist die Zielnorm elementare Schwächen in Bezug auf eine Steigerung der Kohärenz der Entwicklungszusammenarbeit auf. Der Begriff der Armut ist im Gesetz nicht legaldefiniert. Eine solche Legaldefinition wurde bewusst nicht in das Gesetz aufgenommen, um die Flexibilität nicht zu stark einzuschränken.165 Stattdessen beinhaltet die Norm einen subjektiven Armutsbegriff. Dem Wortlaut nach ist es nicht notwendig, dass die jeweilige Maßnahme objektiv der Armutsreduzierung zuträglich ist, sondern lediglich, dass diese Voraussetzung aus Sicht des zuständigen Ministers erfüllt ist.166 Dies ist insoweit problematisch, als dass es kein einheitliches Verständnis des Begriffes der Armut gibt. Armut wird zwar regelmäßig aus einer wirtschaftlichen Perspektive definiert, jedoch setzen sich zunehmend Ansätze durch, die weitere Komponenten wie die Achtung der Men162
Short, International Development Act 2002 – Second Reading – House of Commons, HC Deb Vol. 374 (07. November 2001), S. 274 (274). 163 Großbritannien, International Development Act 2002 – Explanatory Notes, http://www. legislation.gov.uk/ukpga/2002/1/notes (letzter Zugriff: 09. 05. 2022). 164 Großbritannien, Eliminating World Poverty: A Challenge for the 21 Century – White Paper on International Development, 1997, S. 78. 165 Großbritannien, International Development Act 2002 – Explanatory Notes, http://www. legislation.gov.uk/ukpga/2002/1/notes (letzter Zugriff: 09. 05. 2022). 166 McAuslan, The International Development Act, 2002, Mod. Law Rev. 66 (2003), S. 563 (583 – 584).
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schenrechte berücksichtigen.167 Der Ermessenspielraum des Ministers ist mithin wesentlich davon abhängig, wie dieser den Begriff der Armut interpretiert. Abgesehen von dem International Development Assistance Act 2002 enthält nur das kanadische Entwicklungsgesetz einen solchen subjektiven Armutsbegriff.168 Im Falle des kanadischen Gesetzes ist der zuständige Minister aber gem. Art. 4 Abs. 2 dazu verpflichtet, sich mit „governments, international agencies and Canadian civil society organizations at least once every two years“ abzustimmen und ihre Perspektiven und Empfehlungen zu berücksichtigen. Der Minister ist mithin in seiner Kompetenz bezüglich der Bestimmung des Armutsbegriffes eingeschränkt und hat diesen an dem in der internationalen Zusammenarbeit vorherrschenden Verständnis auszurichten. Diese Einschränkung ergibt sich durch Auslegung auch für den britischen International Development Assistance Act 2002. Im Pergau-Damm-Fall hat das Gericht entschieden, dass Projekte, die keinen inneren Zusammenhang zur Entwicklungszusammenarbeit aufweisen, mit dem damaligen Gesetz nicht vereinbar waren. Es wird argumentiert, dass durch die subjektive Komponente des Armutsbegriffes im International Development Assistance Act 2002 diese Einschränkung aufgehoben wurde und es nunmehr im alleinigen Ermessen des Ministers liegt, welche Maßnahmen der Entwicklung dienen.169 Diese Argumentation vermag jedoch nicht zu überzeugen. Auch im International Development Assistance Act 2002 hat Großbritannien geregelt, dass die Entwicklungszusammenarbeit der Armutsreduktion dienen soll. Hätte der Gesetzgeber dem Minister die Kompetenz übertragen wollen, Maßnahmen, die nicht in einem inneren Zusammenhang mit der Armutsreduktion stehen, zu fördern, wäre dies ausdrücklich geregelt worden.170 Vielmehr ist die Definitionskompetenz des Ministers dahingehend zu verstehen, dass sie dem dynamischen Element des Armutsbegriffs Rechnung trägt und dieser auf sich verändernde Entwicklungen in dessen Verständnis reagieren können soll. Eine Definition 167 Vgl. G. A., Res. 51/178 vom 16. Dezember 1996, First United Nations Decade for the Eradication of Poverty, Ziff. 5; Nuscheler, Weltprobleme, in: Stockmann/Menzel/Nuscheler (Hrsg.), Entwicklungspolitik, 2016, S. 207 (302). Das BMZ hat Armut beispielsweise „nicht nur als geringes Einkommen, sondern auch geringe Beteiligungsmöglichkeiten im wirtschaftlichen und politischen Leben, Gefährdung durch Risiken, Missachtung der Menschenwürde und der Menschenrechte sowie fehlender Zugang zu Ressourcen“ definiert, siehe BMZ, Medienhandbuch Entwicklungspolitik 2008/2009, S. 186 – 187. 168 Entwicklungsgesetz Kanada, Art. 4 Abs. 1: „Official development assistance may be provided only if the competent minister is of the opinion that it (a) Contributes to poverty reduction; (b) Takes into account the perspectives of the poor; and (c) Is consistent with international human rights standards.“ 169 McAuslan, The International Development Act, 2002, Mod. Law Rev. 66 (2003), S. 563 (585). 170 So auch Harrington/Manji, Judicial Review and the Future of UK Development Assistance, Leg. Stud. 38 (2018), S. 320 (324).
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der Armut, die unabhängig vom Verständnis der internationalen Gemeinschaft und der Wissenschaft ist und auch Maßnahmen erfassen würde, die nach diesem Verständnis nicht der Bekämpfung der Armut in den Empfängerstaaten dienen, ist unter Berücksichtigung der Entstehungsgeschichte nicht mit dem Gesetz vereinbar. Die Zielnormen dienen damit der Sicherstellung einer Entwicklungszusammenarbeit, die auf die Armutsbekämpfung ausgerichtet ist. Sie können nicht verhindern, dass die Allokation der ODA auch durch andere politische Ziele beeinflusst wird.171 Die Zielnormen verhindern aber, dass Maßnahmen, die keinen inneren Zusammenhang zur Armutsbekämpfung aufweisen, nicht mit Haushaltsmitteln gefördert werden, die für die ODA gedacht sind. Neben dem übergeordneten Ziel der Armutsbekämpfung nennt der International Development Assistance Act 2002 in Art. 1 Abs. 1 A, der durch den International Development (Gender Equality) Act 2014 eingefügt wurde,172 die Bekämpfung der Geschlechterungerechtigkeit als Ziel.173 Der zuständige Minister soll vornehmlich Entwicklungsmaßnahmen fördern, die nicht nur zur Reduzierung der Armut beitragen, sondern darüber hinaus einen Beitrag zur Geschlechtergerechtigkeit leisten. Zudem legen sowohl das kanadische als auch das britische Gesetz Ausnahmen fest, in denen der Aspekt der Armutsbekämpfung nicht berücksichtigt werden muss. Gem. Art. 2 des International Development Assistance Act 2002 dürfen Entwicklungsmaßnahmen in den britischen Überseegebieten auch dann gefördert werden, wenn der Minister nicht der Überzeugung ist, dass sie zur Reduktion der Armut beitragen.174 Damit soll der besonderen Beziehung und Verantwortung Großbritanniens gegenüber diesen Gebieten Rechnung getragen werden.175 Zudem enthält das Gesetz in Art. 3 Abs. 1 eine Ausnahme in Bezug auf Leistungen, die der humanitären Hilfe zuzurechnen sind.176 Diese Leistungen müssen ebenfalls nicht zwingend der Ar-
171 Burall/White/Blick, The Impact of U.S. and U.K. Legislature on Aid Delivery, GMF Economic Policy Paper Series No. 09, 2009, S. 17. 172 Großbritannien, International Development (Gender Equality) Act 2014, UK Public General Acts 2014, c. 9, http://www.legislation.gov.uk/ukpga/2014/9/section/1 (letzter Zugriff: 09. 05. 2022). 173 Großbritannien, International Development Act 2002, Art. 1 Abs. 1 A: „Before providing development assistance under subsection (1), the Minister shall have regard to the desirability of providing development assistance that is likely to contribute to reducing poverty in a way which is likely to contribute to reducing inequality between persons of different gender.“ 174 Großbritannien, International Development Act 2002, Art. 2: „The Secretary of State may also provide any person or body with development in a case where the requirement of section 1(1) is not met, if the assistance is provided in relation to one or more of the territories for the time being mentioned in Schedule 6 to the British Nationality Act 1981 (c.61) (British overseas territories).“ 175 Großbritannien, International Development Act 2002 – Explanatory Notes, http://www. legislation.gov.uk/ukpga/2002/1/notes (letzter Zugriff: 09. 05. 2022). 176 Großbritannien, International Development Act 2002, Art. 3:
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mutsreduktion dienen.177 Auch das kanadische Entwicklungsgesetz enthält eine solche Ausnahme für die humanitäre Hilfe. Gem. Art. 4 Abs. 1.1 des Gesetzes darf humanitäre Hilfe auch dann geleistet werden, wenn die Voraussetzungen des Art. 4 Abs. 1 nicht erfüllt sind.178 Die Festlegung dieser Ausnahmen verdeutlicht im Umkehrschluss, dass ODA, sofern nicht die genannten Ausnahmefälle vorliegen, in Großbritannien und Kanada nur dann geleistet werden darf, wenn sie dem Ziel der Armutsbekämpfung dienen und dazu auch geeignet sind. b) Das Entwicklungsmodell Einen weiteren Sonderfall stellt das Entwicklungsgesetz der Schweiz dar. Dieses legt das Ziel der schweizerischen Entwicklungszusammenarbeit in Art. 5 Abs. 1 fest. Danach unterstützt diese „die Entwicklungsländer im Bestreben, die Lebensbedingungen ihrer Bevölkerung zu verbessern. Sie soll dazu beitragen, dass diese Länder ihre Entwicklung aus eigener Kraft vorantreiben.“ Das Ziel der Zusammenarbeit ist damit denkbar unbestimmt. Es dient nicht spezifisch der Armutsbekämpfung, sondern der Entwicklung als solcher. Die Entwicklungsländer sollen in dem Bestreben, die Lebensbedingungen ihrer Bevölkerung zu verbessern, unterstützt werden, ohne dass definiert wird, welche Bereiche dies umfasst. Die Untersuchungen zum Sinn und Zweck der Entwicklungszusammenarbeit179 haben ergeben, dass der Begriff der Entwicklung in seiner Bedeutung eine zunehmende Ausweitung erfahren hat, die teilweise als holistisch bezeichnet wird.180 Das Ziel der Armutsbekämpfung stellt dementsprechend eine, wenn auch äußerst abstrakte, Konkretisierung des allgemeinen Ziels der Entwicklung dar181 und entfaltet dadurch eine größere Lenkungswirkung. Diese Unbestimmtheit des schweizerischen Zielmodells schlägt sich in der praktischen Umsetzung nieder. Die Schweiz hat 16 weitgefasste thematische Be„(1) The Secretary of State may provide any person or body with assistance for the purpose of alleviating the effects of a natural or man-made disaster or other emergency on the population of one or more countries outside the United Kingdom. (2) Before providing assistance under subsection (1), the Secretary of State shall have regard to the desirability of providing assistance under that subsection in a way that takes account of any gender-related differences in the needs of these affected by the disaster or emergency.“ 177 Großbritannien, International Development Act 2002 – Explanatory Notes, http://www. legislation.gov.uk/ukpga/2002/1/notes (letzter Zugriff: 09. 05. 2022). 178 Entwicklungsgesetz Kanada, Art. 4 Abs. 1.1: „Notwithstanding subsection (1), official development assistance may be provided for the purposes of alleviating the effects of a natural or artificial disaster or other emergency occurring outside Canada.“ 179 Siehe Teil 2, § 2. 180 Bradlow, Development Decision-Making and the Content of International Development Law, B. C. Int’l & Comp. L. Rev. 27 (2004), S. 195 (212); Lee, General Theory of Law and Development, LDR 12 (2019), S. 351 (357); Pahuja, Decolonising International Law, 2013, S. 235. 181 Dann, Entwicklungsverwaltungsrecht, 2012, S. 209.
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reiche herausgebildet, in denen sie tätig wird, und arbeitet mit 54 Empfängerstaaten zusammen.182 Dementsprechend sieht das OECD-DAC die Gefahr, dass die schweizerische Entwicklungszusammenarbeit sich nicht ausreichend auf eine nachhaltige und langfristige Zusammenarbeit mit den Empfängerstaaten konzentriert und empfiehlt Schutzvorkehrungen zu implementieren, die sicherstellen, dass die Entwicklungszusammenarbeit der Schweiz weiterhin auf eine langfristige Armutsreduktion und nachhaltige Entwicklung der Empfängerstaaten abzielt.183 Auch das OECD-DAC sieht mithin eine Normierung des Ziels der Verbesserung der Lebensbedingungen und der Entwicklung im Allgemeinen nicht als hinreichend bestimmt an, um eine ausreichende Stringenz der Leistungen sicherzustellen.184 c) Das differenzierte Modell Die Gesetze Spaniens, Koreas, Dänemarks, Österreichs, Italiens und Belgiens sind in Bezug auf die Normierung der Ziele, die mittels der Entwicklungszusammenarbeit verfolgt werden sollen, im Wesentlichen einheitlich strukturiert und werden deshalb nachfolgend gemeinsam dargestellt. Auch diese Gesetze stellen die Bekämpfung der Armut in den Mittelpunkt, jedoch definieren sie darüber hinaus eine Reihe weiterer Ziele. Damit tragen sie der Heterogenität der Entwicklungszusammenarbeit Rechnung. Sie differenzieren auch in den Gesetzen zwischen den einzelnen Aspekten des Entwicklungsprozesses. Beispielhaft wird nachfolgend die Zielnorm des Entwicklungsgesetzes Italiens dargestellt: Entwicklungsgesetz Italien, Art. 1 Abs. 2 „Acknowledging the centrality of human beings, both as individuals and as members of community, development cooperation, in compliance with the international programms and strategies defined by international organisations and by the European Union, pursues the fundamental objectives of: a) Uprooting poverty and narrowing inequalities, improving the living conditions of peoples and promoting sustainable development; b) defending and upholding human rights, the dignity of the individual, gender equality, equal opportunities and the principles of democracy under the Rule of Law; c) preventing conflicts, supporting peacebuilding and reconciliation processes, as well as post-conflict stabilisation and the consolidation and reinforcement of democratic institutions.“
182
OECD, OECD Development Co-operation Peer Reviews: Switzerland 2019, S. 22. OECD, OECD Development Co-operation Peer Reviews: Switzerland 2019, S. 22. 184 Kritisch bezüglich des schweizerischen Modells auch Mazidi, der die „Umschreibung der Formen und Ziele, wie man sie in Art. 5 und Art. 6 [des schweizerischen Entwicklungsgesetzes] findet“ als „weitgehend inhaltsleer“ bezeichnet hat, Mazidi, Die gesetzlichen Grundlagen der schweizerischen Entwicklungszusammenarbeit, IFF Working Paper No. 17, 2017, S. 25. 183
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Die Norm leitet mit der Feststellung ein, dass Menschen sowohl als Individuum als auch als Teil einer Gemeinschaft im Zentrum der italienischen Entwicklungszusammenarbeit stehen. Es greift damit das veränderte Verständnis der Entwicklungszusammenarbeit bezüglich ihres übergeordneten Ziels auf. Primäres Ziel sind nicht die Empfängerstaaten selbst, sondern deren Bevölkerung.185 Die Ziele sind in drei Kategorien eingeteilt. Art. 2 Abs. 1 lit. a) erfasst das Ziel der Armutsbekämpfung. Dies umfasst die Verringerung von bestehenden Ungleichheiten, die Verbesserung der Lebenssituation der Bevölkerungen sowie die Förderung einer nachhaltigen Entwicklung. Die Armutsbekämpfung steht auch im Mittelpunkt der Zielnormen des belgischen,186 dänischen,187 österreichischen,188 spanischen189 und südkoreanischen190 Entwicklungsgesetzes. Eine Legaldefinition des Begriffes der Armut oder der Armutsbekämpfung enthält gleichwohl keines der untersuchten Gesetze. Anders als die Gesetze Großbritanniens und Kanadas enthalten diese Gesetze aber keinen subjektiven Armutsbegriff, der es den zuständigen Ministern überlässt zu bestimmen, ob eine Maßnahme geeignet ist, zur Armutsreduktion beizutragen. Stattdessen ist objektiv zu bestimmen, ob eine Maßnahme geeignet ist, die Armut in den Empfängerstaaten zu reduzieren. Ein entsprechendes Verfahren zur Prüfung der Geeignetheit wird aber in keinem der Gesetze festgelegt. Art. 2 Abs. 2 lit. b) des italienischen Entwicklungsgesetzes spiegelt das vorherrschende weite Verständnis der internationalen Entwicklungszusammenarbeit wider und legt zentrale Nebenziele fest. Ausdrücklich nennt das Gesetz den Schutz der Menschenrechte, der Menschenwürde, der Geschlechtergerechtigkeit und der Prinzipien der Demokratie. Die italienische Entwicklungszusammenarbeit dient demnach nicht nur der Armutsbekämpfung, sondern verfolgt darüber hinaus weitere 185
Ausdrücklich diesbezüglich auch das belgische Entwicklungsgesetz, Art. 3 Hs. 1: „La Coopération belge au Développement a comme objectif général le développement humain durable[…].“ 186 Entwicklungsgesetz Belgien, Art. 3 Hs. 2: „[…] et entreprend, pour atteindre cet objectif, des actions qui contribuent à une croissance économique durable et inclusive pour une amélioration des conditions de vie de la population dans les pays en développement et à leur développement socioéconomique et socioculturel, afin d’éradiquer la pauvreté, l’exclusion et les inégalités“. 187 Entwicklungsgesetz Dänemark, Art. 1 Abs. 1: „The objective of Denmark’s development cooperation is to fight poverty […].“ 188 Entwicklungsgesetz Österreich, § 1 Abs. 3 Nr. 1: „Die österreichische Entwicklungspolitik hat vor allem folgende Ziele zu verfolgen: 1. die Bekämpfung der Armut in den Entwicklungsländern […].“ 189 Entwicklungsgesetz Spanien, Art. 3 S. 3: „International development cooperation policy shall provide strategies and actions targeted at fostering sustainable human, social and economic development in order to contribute eradication of poverty worldwide through the following objectives […].“ 190 Entwicklungsgesetz Südkorea, Art. 3 Abs. 2 Nr. 1: „The objectives of international development cooperation shall lie in achieving the following matters to pursue the basic ideas under paragraph (1): 1. Reduction of poverty in developing nations and the improvement of the quality of life.“
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Ziele. Dies gilt auch für die Gesetze Österreichs, Belgiens, Südkoreas, Spaniens und Dänemarks. Während die jeweiligen Ziele, die in den Gesetzen genannt werden, zum Teil voneinander abweichen, haben sie alle dem Ziel der Armutsbekämpfung weitere Ziele an die Seite gestellt. Neben den im italienischen Gesetz genannten Zielen wird beispielsweise im österreichischen Entwicklungsgesetz ergänzend auch der Schutz der Umwelt genannt.191 Art. 2 Abs. 2 lit. c) des italienischen Entwicklungsgesetzes verdeutlicht abschließend den Zusammenhang zwischen Sicherheits- und Entwicklungspolitik und erklärt die Vermeidung von Konflikten zum Ziel der italienischen Entwicklungszusammenarbeit. Die Förderung des Friedens und der internationalen Sicherheit wird auch in den Gesetzen Dänemarks,192 Österreichs193, Spaniens194 und Südkoreas195 ausdrücklich als Ziel festgelegt. Die Entwicklungsgesetze der Staaten Belgien, Dänemark, Italien, Österreich, Spanien und Südkorea beschränken die Zielsetzung ihrer Entwicklungszusammenarbeit mithin nicht auf die Bekämpfung der Armut in den Empfängerstaaten. Bereits bei der Armutsbekämpfung handelt es sich um einen denkbar unbestimmten Rechtsbegriff, der einen weiten Ermessensspielraum belässt und in seiner Lenkungswirkung beschränkt ist. Durch die Ergänzung weiterer abstrakter Ziele, wie der Förderung der Demokratie, der Gleichberechtigung der Geschlechter und dem Schutz der Umwelt, die ebenfalls jeweils auslegungsbedürftig sind, könnte die Lenkungswirkung der Zielnormen grundsätzlich weiter reduziert werden. Es ist aber zu berücksichtigen, dass das Ziel der Armutsbekämpfung nicht auf einer feststehenden Definition beruht. Armut wird in der modernen Entwicklungszusammenarbeit oftmals nicht mehr nur aus einer wirtschaftlichen, sondern auch aus einer politischen, sozialen und menschenrechtlichen Perspektive definiert.196 Das Ziel der Armutsbekämpfung kann dadurch dahingehend ausgelegt werden, dass es auch Ziele erfasst, die nicht unmittelbar einer wirtschaftlichen Armut entgegenwirken. Dadurch kann die Armutsbekämpfung sämtliche Maßnahmen umfassen, die nach dem Verständnis der Geberstaaten einen positiven Einfluss auf die Lebensqualität der Bevölkerung der Empfängerstaaten haben. 191 Entwicklungsgesetz Österreich, § 1 Abs. 3 Nr. 3: „Die österreichische Entwicklungspolitik hat vor allem folgende Ziele zu verfolgen: […] 3. die Erhaltung der Umwelt und den Schutz der natürlichen Ressourcen als Basis für eine nachhaltige Entwicklung.“ 192 Entwicklungsgesetz Dänemark, Art. 1 Abs. 1. 193 Entwicklungsgesetz Österreich, § 1 Abs. 3 Nr. 2. 194 Entwicklungsgesetz Spanien, Art. 3 lit. b). 195 Entwicklungsgesetz Südkorea, Art. 3 Abs. 1. 196 Carothers/Gramont, Development Aid confronts Politics, 2013, S. 100; OECD, The DAC Guidelines: Poverty Reduction, 2001, S. 38; Deutscher, The Bigger Picture, OECD DAC Journal on Development 10 (2009), S. 89 (90); Lee, General Theory of Law and Development, LDR 12 (2019), S. 351 (356 – 357); Nuscheler, Weltprobleme, in: Stockmann/Menzel/ Nuscheler (Hrsg.), Entwicklungspolitik, 2016, S. 207 (302). Wegweisend diesbezüglich Sen, Ökonomie für den Menschen, 2011.
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Entwicklungszusammenarbeit ist nach diesem Verständnis nur dann effektiv, wenn es einen an bestimmte Werte gebundenen Entwicklungsprozess fördert.197 Die übrigen in den Gesetzen dieser Gruppe aufgeführten Ziele wären gem. dieser Auffassung, die unter den Mitgliedstaaten der OECD-DAC und damit auch unter den Vergleichsstaaten vorherrschend ist,198 bereits durch das Ziel der Armutsbekämpfung erfasst. Die Nennung der weiteren Ziele wäre demnach ausschließlich deklaratorischer Natur. Sie sind deshalb nicht als eine zusätzliche Erweiterung des Zielsystems zu verstehen, sondern als eine Konkretisierung des übergeordneten Ziels der Armutsbekämpfung. Der Begriff der Armut ist im Umkehrschluss in den Gesetzen des differenzierten Modells insbesondere als wirtschaftliche Armut zu interpretieren, der durch die weiteren Ziele andere Entwicklungsaspekte an die Seite gestellt werden. Eine beliebige Ausweitung der Ziele unter dem Begriff der Armutsbekämpfung ist dagegen unter Berücksichtigung der Gesetzessystematik und der Struktur der Zielnormen nicht mit den Gesetzen vereinbar. Das differenzierte Modell stellt dementsprechend nicht eine Erweiterung der Ziele im Vergleich zu dem britischen und kanadischen Modell, sondern eine Präzisierung des Entwicklungsverständnisses und damit eine weitergehende Ermessensbeschränkung dar. d) Einordnung Damit eine rechtliche Norm eine Steuerungsfunktion entfalten kann, muss sie hinreichend bestimmt sein.199 Diese Funktion können Zielnormen deshalb aufgrund ihrer Unbestimmtheit nur in eingeschränkter Form ausfüllen.200 Die Verwendung solcher abstrakten Normen bringt aber in der Entwicklungszusammenarbeit zugleich entscheidende Vorteile mit sich. Zwischen den Entwicklungsprozessen der Empfängerstaaten gibt es wesentliche Unterschiede, die jeweils mit spezifischen Herausforderungen verbunden sind.201 Die Geberstaaten benötigen folglich eine erhebliche Flexibilität, um auf die jeweiligen Besonderheiten angemessen reagieren zu 197
(90). 198
Deutscher, The Bigger Picture, OECD DAC Journal on Development 10 (2009), S. 89
Das Armuts- und Entwicklungsverständnis unter den Mitgliedstaaten des OECD-DAC ist wesentlich von den SDGs geprägt. Dies zeigt sich u. a. daran, dass das OECD-DAC entsprechend seines Mandats vornehmlich die Aufgabe hat, durch die Entwicklungszusammenarbeit und andere Politiken die Erreichung der SDGs zu fördern, OECD, Resolution of the Council to renew and revise the Mandate of the DAC up to 31 December 2022, approved at its 1363rd session held on 14 December 2017, C(2017)134 and C/M(2017)22. Allgemein zum Einfluss der SDGs auf das Zielsystem der Entwicklungszusammenarbeit bereits oben Teil 1, § 2, C., I., 2. 199 Schuppert, Das Gesetz als zentrales Steuerungsinstrument des Rechtsstaates, in: Schuppert (Hrsg.), Das Gesetz als zentrales Steuerungsinstrument des Rechtsstaates, 1998, S. 105 (112). 200 Schober, Der Zweck im Verwaltungsrecht, 2007, S. 236. 201 Honig/Gulrajani, Making Good on Donors’ Desire to Do Development Differently, TWQ 39 (2018), S. 68 (70).
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können, und haben bewusst eine Form der Steuerung gewählt, die den Entscheidungsträgern einen umfassenden Handlungsspielraum belässt. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Zielnormen keinen Einfluss auf die Entwicklungszusammenarbeit haben. Sie definieren den Auftrag, den die Normadressaten mit den zur Verfügung gestellten Haushaltsmitteln erfüllen sollen. Trotz ihrer Unbestimmtheit lassen sich aus den Zielbestimmungen Kernbereiche der Entwicklungszusammenarbeit ableiten, die rechtsverbindliche Vorgaben darstellen.202 Maßnahmen, die nicht mit diesen Kernbereichen in Einklang zu bringen sind, dürfen grundsätzlich nicht gefördert werden. Die Zielbestimmungen stellen insoweit eine Ermessensschranke dar und sind bei der Umsetzung der Entwicklungszusammenarbeit verbindlich zu berücksichtigen.203 Zielnormen zeichnen sich speziell dadurch aus, dass sie auf die Zukunft gerichtet sind und ein dynamisches Element enthalten, das lediglich eine abstrakte Handlungsrichtung vorgibt.204 Ihre Steuerungsfunktion füllen sie mithin nicht durch konkrete Handlungsanweisungen aus, sondern durch den Ausschluss bestimmter Maßnahmen aus dem Ermessensspielraum. Der Rechtsstreit um die Förderung des Pergau-Damms zeigt, dass dies dazu beitragen kann, einer inkohärenten Verwendung der Haushaltsmittel vorzubeugen. Dennoch sind Zielnormen ein vergleichsweise schwaches Steuerungsinstrument. Dies gilt auch im Kontext der untersuchten Entwicklungsgesetze. Die Mehrzahl dieser Gesetze hat dem Ziel der Armutsbekämpfung weitere abstrakte Ziele an die Seite gestellt. Die Geberstaaten verdeutlichen dadurch, dass der Entwicklungsprozess längst nicht mehr als rein wirtschaftlicher Prozess verstanden wird. Je unbestimmter eine Norm ist, desto stärker hängt die Auslegung und Anwendung dieser Norm vom Rechtsanwender ab.205 Dieser muss, wenn die Bedeutung einer Norm sich nicht durch die klassischen Auslegungsmethoden hinreichend bestimmen lässt, deren Aussagegehalt im notwendigen Umfang selbst konkretisieren.206 Aufgrund des holistischen Verständnisses der Entwicklungszusammenarbeit, das in vielen Geberstaaten vorherrschend ist, geht dies mit einer erheblichen Rechtsunsicherheit einher. Dies ist auch in Hinblick auf die Kohärenz der Entwicklungszusammenarbeit problematisch. Stringentes politisches Handeln setzte voraus, dass die Ziele, auf die die Maßnahmen hinarbeiten sollen, eindeutig definiert sind.
202
Sommermann, Staatsziele und Staatszielbestimmungen, 1997, S. 384. Scheuner, Das Gesetz als Auftrag der Verwaltung, in: Scheuner/Listl/Rüfner (Hrsg.), Staatstheorie und Staatsrecht, 1978, S. 545 (564). 204 Hahn, Staatszielbestimmungen im integrierten Bundesstaat, 2010, S. 64. 205 Jestaedt, Maßstäbe des Verwaltungshandelns, in: Ehlers/Pünder (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, 2016, S. 325 (343); Möllers, Juristische Methodenlehre, 2021, S. 278. 206 Möllers, Juristische Methodenlehre, 2021, S. 278. 203
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3. Rechtswirkung der Zielnormen In den vorangegangenen Abschnitten wurde die Funktion der Zielnormen dargestellt. Fraglich ist, ob diese Normen auch zu einer Ermessensreduktion in Bezug auf die Auswahl der Empfängerstaaten führen. Denkbar wäre, dass z. B. das Ziel der Armutsbekämpfung die Normadressaten dazu verpflichtet, ihre Auswahl vornehmlich an dem Kriterium der Bedürftigkeit der Empfängerstaaten auszurichten. Eine solche Interpretation widerspricht aber dem allgemeinen Verständnis der internationalen Entwicklungszusammenarbeit. Unter den Vergleichsstaaten ist ein weites Verständnis der Entwicklungsländer, das von der Länderliste des OECD-DAC vorgegeben wird, vorherrschend.207 Zudem steht im Mittelpunkt der Bemühungen der Entwicklungszusammenarbeit primär der einzelne Mensch als Individuum sowie als Bestandteil der Gemeinschaft und nicht der Empfängerstaat als solcher. Die staatliche Entwicklung stellt keinen Selbstzweck dar, sondern ist ein Mittel, um die Lebensbedingungen der Bevölkerungen nachhaltig zu verbessern. Die meisten Menschen, die in absoluter Armut leben, sind in den Ländern mit mittlerem Einkommen beheimatet.208 Auch diese Staaten sehen sich mithin einer Vielzahl an Herausforderungen ausgesetzt, zu deren Lösung die Entwicklungszusammenarbeit beitragen soll.209 Statt diese Staaten von vornherein aus der Entwicklungszusammenarbeit auszuschließen, wird ihrem fortgeschrittenen Entwicklungsprozess im Rahmen der Konditionen der Entwicklungszusammenarbeit Rechnung getragen.210 Den allgemein formulierten Zielnormen kann dementsprechend kein generelles Gebot zur Bevorzugung einzelner Untergruppen der Empfängerstaaten entnommen werden. Eine Ausnahme stellen diesbezüglich die Gesetze der Schweiz, Spaniens und Belgiens dar. Diese enthalten Präferenznormen, die festlegen, dass weniger entwickelte Staaten bevorzugt unterstützt werden sollen. Gem. Art. 16 § 1 Nr. 1 des belgischen Entwicklungsgesetzes stellt der „Grad der Armut und Ungleichheit im Partnerland“ ein wesentliches Auswahlkriterium dar. Gem. Art. 5 Abs. 2 des spanischen Entwicklungsgesetzes soll den wirtschaftlich und sozial am wenigsten entwickelten Staaten besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden, und gem. Art. 5 207
Siehe GPEDC, Mexico High Level Meeting Communique, 2014, Ziff. 23. GPEDC, Mexico High Level Meeting Communique, 2014, Ziff. 23; GPEDC, Nairobi Outcome Document, 2016, Ziff. 94; World Bank Group, Piecing together the Poverty Puzzle, 2018, S. 29. 209 Alonso/Glennie/Sumner, Recipients and Contributors, DESA Working Paper No. 135, 2014, S. 22; GPEDC, Nairobi Outcome Document, 2016, Ziff. 94 – 97; G. A., Res. 69/313 vom 27. Juli 2015, Annex, Addis Ababa Action Agenda, Ziff. 8, 71. Eindeutig diesbezüglich auch das spanische Entwicklungsgesetz, Art. 1 Abs. 1 S. 3: „Spanish cooperation shall foster development processes […] in countries with high levels of poverty and in those in transition towards the full consolidation of their democratic institutions and their integration into the international economy.“ 210 GPEDC, Nairobi Outcome Document, 2016, Ziff. 95; G. A., Res. 69/313 vom 27. Juli 2015, Annex, Addis Ababa Action Agenda, Ziff. 71 – 72. 208
§ 2 Auswahl der Empfängerstaaten
209
Abs. 2 S. 1 des Entwicklungsgesetzes der Schweiz unterstützt die Entwicklungszusammenarbeit „in erster Linie die ärmeren Entwicklungsländer, Regionen und Bevölkerungsgruppen“. Diesen Normen kann das Gebot entnommen werden, einen Schwerpunkt auf die Förderung der am wenigsten entwickelten Staaten der Erde zu legen. Diese Präferenznormen schließen gleichwohl eine Unterstützung der anderen Entwicklungsländer nicht generell aus.211 Auch die weiteren Ziele, die sich in den Entwicklungsgesetzen finden, haben keine ermessensbeschränkende Funktion in Bezug auf die Auswahl der Empfängerstaaten. Bei der staatlichen Entwicklung handelt es sich um einen nichtlinearen Prozess, der von Rückschlägen verschiedenster Art geprägt ist. Es ist gerade der Sinn der Entwicklungszusammenarbeit, diesen Entwicklungsprozess zu unterstützen und positiv zu beeinflussen. Übertragen auf das Ziel der Demokratieförderung bedeutet dies beispielsweise nicht, dass die Geberstaaten, die dieses Ziel in ihre Gesetze aufgenommen haben, ausschließlich Demokratien fördern, sondern einen dahingehenden Prozess. Das Ziel der Demokratieförderung steht damit im Grundsatz auch nicht im Widerspruch zur verbreiteten Unterstützung von autoritär regierten Staaten. Vor allem Staaten, die wachsende Demokratiedefizite aufweisen, benötigen in diesem Bereich Unterstützung durch die Geberstaaten. Gleiches gilt für das Ziel des Umweltschutzes oder der Geschlechtergerechtigkeit. Ein Ausschluss von Empfängerstaaten, die in den jeweiligen Bereichen Defizite aufweisen, würde die Grundidee der Entwicklungszusammenarbeit dementsprechend ad absurdum führen. Auch unter Berücksichtigung der Zielnormen verbleibt die Entscheidungskompetenz bezüglich der Auswahl der Empfängerstaaten mithin im Ermessen der zuständigen Entscheidungsträger und wird nicht durch die Zielnormen vorgegeben.212
E. Fazit Staaten sind aus rechtlicher Perspektive frei in der Entscheidung, mit welchen Staaten sie diplomatische Beziehungen eingehen. Diese Freiheit wird auch im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit im Regelfall weder durch das Völker- noch das Europarecht beschränkt. Soweit Beschränkungen durch diese Rechtsgebiete 211 Mit der Schweiz und Belgien haben dementsprechend auch nur zwei dieser Staaten einen überdurchschnittlichen Anteil ihrer ODA an die LDCs vergeben. Die Schweiz hat im Jahr 2019 25 % der ODA an die LDCs vergeben und lag damit knapp über dem Durchschnitt der OECDDAC-Mitgliedstaaten der bei 23,8 % lag, OECD, Development Co-operation Profiles 2021 – Switzerland, https://doi.org/10.1787/00eb9f0b-en (letzter Zugriff: 09. 05. 2022); Belgien lag mit einem Anteil von 33,3 % deutlicher über dem Durchschnitt OECD, Development Co-operation Profiles 2021 – Belgium, https://doi.org/10.1787/ 58873fc4-en (letzter Zugriff: 09. 05. 2022). Spanien wendete dagegen im gleichen Jahr mit 12,4 % einen deutlich unterdurchschnittlichen Anteil der ODA für die LDCs auf, OECD, Development Co-operation Profiles 2021 – Spain, https://doi.org/10.1787/26d68de7-en (letzter Zugriff: 09. 05. 2022). 212 So auch in Bezug auf das britische Entwicklungsgesetz: McAuslan, The International Development Act, 2002, Mod. Law Rev. 66 (2003), S. 563 (596).
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Teil 5: Inhaltliche Steuerung der Entwicklungszusammenarbeit
vorliegen, handelt es sich um Ausnahmefälle, die den Kreis der potenziellen Leistungsempfänger nicht wesentlich einschränken. Die Steuerung der Auswahl der Empfängerstaaten bleibt somit den Geberstaaten überlassen. Eine Möglichkeit der Eingrenzung, die auch in Deutschland umgesetzt wurde, ist die Verrechtlichung der ODA-Definition und eine damit verbundene Beschränkung der Auswahl auf die Staaten der OECD-DAC-Länderliste. Diese Liste ist von einem weiten Verständnis des Begriffes Entwicklungsland geprägt und führt dementsprechend nicht zu einer wesentlichen Beschränkung des Auswahlermessens. Darüber hinaus spielt eine Eingrenzung oder Steuerung dieser Auswahl in den Vergleichsgesetzen nur eine untergeordnete Rolle. Die Geberstaaten behalten sich weiterhin eine größtmögliche Flexibilität vor. Dies gilt auch für Deutschland. Es bestehen weder auf rechtlicher noch auf politischer Ebene konkrete Vorgaben, die die Auswahl der Empfängerstaaten anleiten. Die zuständigen Entscheidungsträger können so flexibel entscheiden, welche Staaten und Regionen durch die Entwicklungszusammenarbeit unterstützt werden sollen. Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass es nach bestehender Rechtslage kein Steuerungsinstrument gibt, das geeignet ist, Kursänderungen bezüglich der Empfängerstaaten, die gefördert werden, zu verhindern. Dies ist in Hinblick auf die Kohärenz der Entwicklungszusammenarbeit problematisch. Langfristige Entwicklungsbeziehungen tragen zudem dazu bei, dass die Geberstaaten die Allokation der ODA stärker an den Strukturen der Empfängerstaaten ausrichten.213 Dies ist eine der Kernforderungen der Grundprinzipien einer effektiveren Entwicklungszusammenarbeit.214 Eine langfristige Zusammenarbeit mit einzelnen Empfängerstaaten ist dementsprechend als erstrebenswert anzusehen. Die Untersuchungen haben aber gezeigt, dass die Wahl, mit welchen Staaten Beziehungen in der Entwicklungszusammenarbeit eingegangen werden, auch bei den Geberstaaten, die Entwicklungsgesetze erlassen haben, vor allem eine politische Entscheidung bleibt. Insbesondere dienen die Zielnormen der Gesetze nach ihrer grundsätzlichen Konzeption nicht der Steuerung dieses Auswahlprozesses. Die in den Gesetzen erfassten Ziele lassen sich auf alle Empfängerstaaten, unabhängig von ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, anwenden. Sie dienen nicht dem Ausschluss einzelner Staaten aus dem Auswahlprozess und enthalten regelmäßig kein Gebot, bestimmte Gruppen der Entwicklungsländer bevorzugt zu fördern. Dies entspricht dem Sinn und Zweck der Entwicklungszusammenarbeit. Diese soll die Entwicklungsländer angepasst an ihren jeweiligen Entwicklungsstand unterstützen. Es bedarf deshalb eines umfassenden Ermessensspielraums bezüglich der Auswahl der Empfängerstaaten. Dennoch finden sich auch in Bezug auf die Auswahl der Empfängerstaaten vielversprechende Regelungsansätze in den Vergleichsgesetzen. Einerseits könnte ein Entwicklungsgesetz die Obergrenze für Empfängerstaaten, mit denen einen 213 214
OECD/UNDP, Making Development Co-operation More Effective, 2019, S. 94 – 95. Siehe dazu oben Teil 1, § 2, C., I., 1.
§ 2 Auswahl der Empfängerstaaten
211
Zusammenarbeit angestrebt wird, festlegen,215 und andererseits dafür Sorge tragen, dass die zentralen Leistungsempfänger nach entwicklungsbezogenen Kriterien ausgewählt werden.216 Das belgische Entwicklungsgesetz enthält beispielsweise Kriterien, an denen die Auswahl der Empfängerstaaten auszurichten ist, und beschränkt die Zahl der Staaten mit denen langfristig zusammengearbeitet werden soll, auf 18. Die Kriterien werden durch das Gesetz derart konkretisiert, dass deren Erfüllung weitgehend objektiv bestimmbar ist. Die Verbindlichkeit dieser Auswahlkriterien beschränkt sich auf die 18 Staaten, „zu denen eine langfristige Beziehung aufgebaut werden soll“. Dies ermöglicht es Belgien, neben diesen Staaten auch andere Staaten in geringerem Umfang durch die Entwicklungszusammenarbeit zu unterstützen. Die Regelung stellt so einen Kompromiss zwischen einer werteorientierten und kohärenten Entwicklungszusammenarbeit auf der einen Seite und einer größtmöglichen Flexibilität auf der anderen Seite dar. Eine entsprechende Regelung in Deutschland würde sicherstellen, dass die zentralen Empfängerstaaten mit dem Ziel einer langfristigen Zusammenarbeit nach entwicklungsbezogenen Kriterien ausgewählt werden. Dies würde zunächst dazu beitragen, dass die Auswahl der Empfängerstaaten objektiviert werden würde. Darüber hinaus wäre eine langfristige Stringenz bezüglich der Empfängerstaaten zu erwarten. Nachfolgende Bundesregierungen müssten, wenn sie die Entwicklungszusammenarbeit mit diesen Staaten einstellen wollen, zumindest begründen, warum diese die Kriterien nicht mehr erfüllen oder die Kriterien durch eine Gesetzesänderung anpassen. Eine solche gesetzliche Regelung führt jedoch nicht zu einer verbesserten Koordination zwischen den Geberstaaten. Verschiedene Studien haben in der Vergangenheit gezeigt, dass die Geberstaaten sich in der Entwicklungszusammenarbeit ungenügend untereinander abstimmen.217 Diese fehlende Koordination zwischen den Gebern kann sich negativ auf die Wirksamkeit der Entwicklungszusammenarbeit auswirken.218 Die gesetzliche Festlegung von Auswahlkriterien könnte zwar zu einer
215 Dass die Zahl der Empfängerstaaten, die durch die bilaterale Entwicklungszusammenarbeit unterstützt werden, weiter reduziert werden soll wird auch vom BMZ anerkannt, BMZ, BMZ 2030 Umdenken – Umsteuern, 2020, S. 6. 216 Dadurch könnte beispielsweise der ungenügenden Ausrichtung der deutschen Entwicklungszusammenarbeit auf die LDCs entgegengewirkt werden, OECD, DAC-Prüfbericht über die Entwicklungszusammenarbeit: Deutschland 2015, S. 17; OECD, OECD Development Co-operation Peer Reviews: Germany 2021, S. 13. 217 Bourguignon/Platteau, The Hard Challenge of Aid Coordination, World Dev. 69 (2015), S. 86 (95); Chanboreth/Hach, Aid Effectiveness in Cambodia, Wolfensohn Center for Development Working Paper No. 7, 2008, S. 30; Mascarenhas/Sandler, Do Donors cooperatively fund Foreign Aid?, Rev. Int. Organ. 1 (2006), S. 337 (356). 218 Bulír/Hamann, Volatility of Development Aid, World Dev. 36 (2008), S. 2048 (2049); Kharas, Trends and Issues in Development Aid 1 (2007), S. 17; OECD, The Architecture of Development Assistance, 2012, S. 114. Diese negativen Effekte sind gleichwohl abhängig von den geförderten Sektoren und Geberstaaten und können sich in spezifischen Kontexten auch in
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Teil 5: Inhaltliche Steuerung der Entwicklungszusammenarbeit
Objektivierung des Auswahlprozesses und damit zu einer gesteigerten Kohärenz beitragen, sie würde jedoch nicht dem Problem der Entstehung von „Entwicklungswaisen“ und „-lieblingen“ entgegenwirken. Gerade im Bereich der Auswahl der Empfängerstaaten erscheint deshalb weniger eine nationale Lösung im Rahmen von Entwicklungsgesetzen als vielmehr eine internationale Lösung, die rechtsverbindliche Regeln bezüglich der Koordination zwischen den Gebern festlegt, erstrebenswert. Für eine solche internationale Lösung müsste die Staatengemeinschaft und insbesondere die Mitgliedstaaten des OECD-DAC sich darauf einigen, die Entwicklungszusammenarbeit als notwendige Handlungsweise zur Wahrung von Eigeninteressen einzustufen. In diesem Zusammenhang wurden Ansätze entwickelt, die ein internationales Finanzinstrument in den Mittelpunkt der Entwicklungszusammenarbeit stellen, in das die Geber einzahlen, und diese Mittel dann unbeeinflusst von nationalen Interessen für eine nachhaltige Entwicklung der Empfängerstaaten verwendet werden können.219 Unter Berücksichtigung des bestehenden Einflusses nationaler Interessen auf die Entwicklungszusammenarbeit ist die praktische Umsetzung eines solchen Ansatzes in naher Zukunft nicht zu erwarten. Die Festlegung von rechtsverbindlichen Auswahlkriterien auf nationaler Ebene, die zu einer schrittweisen Entpolitisierung dieses Auswahlprozesses beitragen, sowie einseitige Selbstverpflichtungen zur Berücksichtigung der Aktivitäten der anderen Geberstaaten bei der Auswahl der Empfängerstaaten können jedoch einen ersten Schritt in diese Richtung darstellen, ohne die Flexibilität zu stark einzuschränken. Das belgische Entwicklungsgesetz enthält diesbezüglich wichtige Ansätze, an denen sich die anderen Staaten orientieren können.
§ 3 Auswahl der Entwicklungsprojekte Sobald ein Geberstaat die Auswahl der Empfängerstaaten vorgenommen hat, ist auf der nächsten Ebene zu entscheiden, wie diese Zusammenarbeit ausgestaltet werden soll. Ebenso wie die Auswahl der Empfängerstaaten ist auch die Auswahl der Entwicklungsprojekte von politischen Interessen beeinflusst. Als ab dem Jahr 2015 eine größere Zahl an Geflüchteten nach Europa kam, hat beispielsweise Deutschland den Fokus der Entwicklungsmaßnahmen stärker auf die Bekämpfung von Fluchtursachen gesetzt.220 Es wurden verschiedene Sonderinitiativen gestartet, die als Instrumente zur Bekämpfung der Fluchtursachen dienen sollen und „die Mittel für positive Effekte umkehren, Gehring/Michaelowa/Dreher/Spörri, Aid Fragmentation and Effectiveness, World Dev. 99 (2017), S. 320 (332). 219 Anand, Financing the Provision of Global Public Goods, World Econ. 27 (2004), S. 215. Siehe zu diesem Ansatz auch Kanbur/Sandler/Morrison, The Future of Development Assistance, ODC Policy Paper No. 25, 1999. 220 Maihold, Entwicklungszusammenarbeit am Scheideweg, in: Sangmeister/Wagner (Hrsg.), Die Entwicklungszusammenarbeit der Zukunft, 2019, S. 17 (21).
§ 3 Auswahl der Entwicklungsprojekte
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Maßnahmen im Bereich Flucht und Entwicklung signifikant erhöht und konzentriert“.221 Die Entwicklungszusammenarbeit soll mithin auch dazu beitragen, nationale Herausforderungen zu lösen.222 Dies kann dazu führen, dass sich Vergabeentscheidungen teilweise nicht hinreichend an den Entwicklungszielen ausrichten. Auch auf dieser Entscheidungsebene könnte eine rechtliche Steuerung dementsprechend eine kohärenzsteigernde Funktion haben. Die Geberstaaten können in der bilateralen Zusammenarbeit zwischen der Förderung einzelner Projekte und der Budgethilfe, also der Unterstützung des allgemeinen Haushalts der Empfängerstaaten, wählen.223 Die Geber können mithin entweder durch Förderung konkreter Projekte detailliert Einfluss darauf nehmen, wie die Leistungen konkret verwendet werden, oder den Empfängerstaaten diese Entscheidung weitgehend selbst überlassen. Die Budgethilfe, die als Unterstützung des gesamten Haushaltes des Empfängerstaates oder als Unterstützung eines bestimmten Sektors ausgestaltet werden kann,224 hat den Vorteil, dass sie dem Prinzip der Ownership besonders umfassend Rechnung trägt.225 Sie überlässt die Verantwortung für die Verwendung der finanziellen Mittel dem Empfängerstaat. Die Budgethilfe kann so dazu beitragen, die Entwicklungsleistungen für die Empfängerstaaten vorhersehbarer zu machen und die politischen Strukturen zu stärken.226 Die Empfängerstaaten erhalten die Möglichkeit, selbst zu bestimmen, an welchen Stellen die Mittel am dringendsten benötigt werden, um die eigenen Entwicklungsprogramme nachhaltig umzusetzen. Obwohl es Hinweise darauf gibt, dass die Budgethilfe im Vergleich zur Projektförderung effektiver ist,227 macht sie nur einen geringen Anteil der bilateralen Zusammenarbeit aus. In den USA lag der Anteil der Budgethilfe an der ODA im Jahr
221 BMZ, Entwicklungspolitik als Zukunfts- und Friedenspolitik: 15. Entwicklungspolitischer Bericht der Bundesregierung, 2017, S. 115. 222 Eindeutig diesbezüglich BMI, Masterplan Migration, 2018, S. 5. 223 Dann, Entwicklungszusammenarbeit, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Band XI, 2013, S. 913 (955). 224 BMZ, Medienhandbuch Entwicklungspolitik 2008/2009, S. 192. 225 BMZ, Konzept zur Budgetfinanzierung im Rahmen der Programmorientierten Gemeinschaftsfinanzierung (PGF), BMZ Konzepte 146, 2008, S. 6; Orth/Schmitt/Krisch/Oltsch, What we know about the effectiveness of Budget Support, 2017, S. 68. 226 OECD, Managing Aid: Practices of DAC Member Countries, 2009, S. 78. Allgemein zu den Erwartungen, die mit der Budgethilfe verbunden sind, Küblböck/Langthaler/Six, Budgethilfe als Entwicklungspolitische Strategie – Grundlagenpapier zur internationalen Diskussion, ÖFSE Working Paper Nr. 14, 2006, S. 11 – 17. 227 Alavuotunki/Sandström, General budget support as an aid instrument – impact on economic growth, Rev. Dev. Econ. 23 (2019), S. 231 (245); UNDP, Towards Human Resilience: Sustaining MDG Progress in an Age of Economic Uncertainty, 2011, S. 173. Diese positiven Effekte der Budgethilfe sind gleichwohl von den Strukturen im jeweiligen Empfängerstaat abhängig, Orth/Schmitt/Krisch/Oltsch, What we know about the effectiveness of Budget Support, 2017, S. 66.
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Teil 5: Inhaltliche Steuerung der Entwicklungszusammenarbeit
2019 beispielsweise bei lediglich zwei Prozent,228 und auch in der Bundesrepublik spielt sie im Vergleich zur projektbezogenen Zusammenarbeit eine stark untergeordnete Rolle.229 Dies ist auf einige Schwächen der Budgethilfe zurückzuführen.230 Zunächst erfordert das Instrument der Budgethilfe ein hohes Maß an Vertrauen zwischen dem Geber- und dem Empfängerstaat. Es wird grundsätzlich nur dann verwendet, wenn der jeweilige Leistungsempfänger umfassende Entwicklungskonzepte erarbeitet hat und davon ausgegangen werden kann, dass diese nachhaltig umgesetzt werden.231 Erforderlich sind vor allem funktionstüchtige Finanz- und Kontrollsysteme.232 Die Budgethilfe ist dementsprechend vornehmlich für die Zusammenarbeit mit Staaten geeignet, die sich in einem fortgeschrittenen Stadium der Entwicklung befinden.233 Zudem ist die Budgethilfe im Vergleich zur Projekthilfe in den Empfängerstaaten weniger sichtbar.234 Die Geberstaaten müssen mithin nicht nur die zu fördernden Projekte auswählen, sondern zuvor entscheiden, ob sie diese Entscheidung selbst vornehmen oder in Form von Budgethilfe den Empfängerstaaten überlassen.
A. Steuerung der Auswahl in Deutschland Die Auswahl der Entwicklungsprojekte ist in Deutschland auf gesetzlicher Ebene nicht geregelt. Auch der Einzelplan 23 trifft diesbezüglich, zumindest in seinen bisherigen Ausformungen, keine Aussagen.235 Entwicklungszusammenarbeit beruht 228 Morgenstern/Lawson, Foreign Aid, Updated January 10, 2022, https://crsreports.con gress.gov/product/pdf/R/R40213 (letzter Zugriff: 09. 05. 2022), S. 14. 229 Im Jahr 2019 lag der Anteil der CPA an der deutschen ODA bei 41,8 %. Von diesen 41,8 % wurden lediglich 8,3 % für die Budgethilfe verwendet, OECD, Development Cooperation Profiles 2021 – Germany, https://doi.org/10.1787/0079f636-en (letzter Zugriff: 09. 05. 2022). 230 Allgemein zu den Risiken, die mit der Budgetfinanzierung verbunden sind, BMZ, Konzept zur Budgetfinanzierung im Rahmen der Programmorientierten Gemeinschaftsfinanzierung (PGF), BMZ Konzepte 146, 2008, S. 7. 231 BMZ, Konzept zur Budgetfinanzierung im Rahmen der Programmorientierten Gemeinschaftsfinanzierung (PGF), BMZ Konzepte 146, 2008, S. 9 – 10; Dann, Entwicklungsverwaltungsrecht, 2012, S. 379; Neumann, Die Förderung der Rule of Law in der Entwicklungszusammenarbeit, 2013, S. 184. 232 BMZ, Konzept zur Budgetfinanzierung im Rahmen der Programmorientierten Gemeinschaftsfinanzierung (PGF), BMZ Konzepte 146, 2008, S. 7. 233 Es ist gleichwohl anzumerken, dass mögliche negative Effekte der Budgethilfe, insbesondere in Bezug auf die Korruption in den Empfängerstaaten bisher nur unzureichend erforscht sind, Orth/Schmitt/Krisch/Oltsch, What we know about the effectiveness of Budget Support, 2017, S. 53. 234 Die Förderung von konkreten Entwicklungsprojekten ist mit einem „Flaggeneffekt“ verbunden und ermöglicht den Geberstaaten die Erfolge in der Entwicklungszusammenarbeit nach außen darzustellen, Fues, Bi oder Multi?, 2010, S. 2. 235 Neumann, Die Förderung der Rule of Law in der Entwicklungszusammenarbeit, 2013, S. 160.
§ 3 Auswahl der Entwicklungsprojekte
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auf der Verwendung von Haushaltsmitteln für entwicklungspolitische Zwecke. Der Haushaltsgrundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit könnte deshalb eine ermessensbeschränkende Funktion in diesem Auswahlprozess einnehmen.236 Dieser Grundsatz, der sowohl in § 6 I Haushaltsgrundsätzegesetz (HGrG) als auch in § 7 I S.1 Bundeshaushaltsordnung (BHO) wortgleich normiert ist, besagt, dass „bei Aufstellung und Ausführung des Haushaltsplans […] die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zu beachten [sind]“. Im Kern bedeutet dies, dass die Haushaltsmittel in Bezug auf den verfolgten Zweck möglichst effektiv verwendet werden müssen.237 Ziele sollen entweder entsprechend des Minimalprinzips unter Aufwendung möglichst geringer Haushaltsmittel oder entsprechend des Maximalprinzips durch einen festgelegten Mitteleinsatz bestmöglich erreicht werden.238 Im Mittelpunkt der deutschen Entwicklungszusammenarbeit steht das übergeordnete Ziel der Armutsbekämpfung.239 Aus dem haushaltsrechtlichen Grundsatz der Wirtschaftlichkeit könnte sich deshalb eine Pflicht ergeben, Haushaltsmittel, die für die Entwicklungszusammenarbeit bereitgestellt worden sind, anhand des Kriteriums der möglichst effektiven Armutsbekämpfung auszuwählen. Damit wäre beispielsweise das BMZ dazu verpflichtet, stets diejenige Entwicklungsmaßnahme zu fördern, die in Relation zu den aufgewendeten Haushaltsmitteln den größtmöglichen Effekt im Kampf gegen die Armut verspricht. Dem widerspricht jedoch die Heterogenität der Ziele der Entwicklungszusammenarbeit, die wesentlich von der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung geprägt sind.240 Die Entwicklungszusammenarbeit dient gerade nicht nur der Armutsbekämpfung, sondern beispielsweise auch der Demokratieförderung, dem Schutz der Umwelt, der Stärkung von Menschenrechten und Gleichberechtigung sowie der Bekämpfung von Fluchtursachen. Dementsprechend vielfältig sind auch die Ziele, die Deutschland mit der Entwicklungszusammenarbeit verfolgen kann, ohne konträr zum Grundsatz der Wirtschaftlichkeit zu handeln. Dies zeigt auch eine Betrachtung der Jahresberichte des Bundesrechnungshofes. Dieser hat die Kontrollkompetenz über die Ausgaben, die aufgrund des Bundeshaushalts getätigt werden.241 Insbesondere die jährlich veröffentlichten Bemerkun236 Groß, Deutsches Entwicklungsverwaltungsrecht, in: Dann/Kadelbach/Kaltenborn (Hrsg.), Entwicklung und Recht, 2014, S. 659 (674). 237 von Lewinski/Burbat, § 7 BHO, in: von Lewinski/Burbat (Hrsg.), Bundeshaushaltsordnung, 2013, Rn. 5. 238 BMF, Das System der öffentlichen Haushalte, 2015, S. 81; Stober, Bundesverfassungsrechtliche Grundentscheidungen für die Verwaltung, in: Stober/Kluth/Korte/Eisenmenger (Hrsg.), Verwaltungsrecht, 2017, S. 156 (171). 239 BMZ, Leitlinien für die bilaterale finanzielle und technische Zusammenarbeit mit Kooperationspartnern der deutschen Entwicklungszusammenarbeit, BMZ Konzepte 165, S. 8; BMZ, Entwicklungspolitik als Zukunfts- und Friedenspolitik: 15. Entwicklungspolitischer Bericht der Bundesregierung, 2017, S. 28; Dann, Entwicklungsverwaltungsrecht, 2012, S. 261. 240 Siehe oben Teil 1, § 2, C., I., 2. sowie Teil 2, § 2. 241 Diese Kontrollkompetenz bleibt auch von den kompetenzrechtlichen Bestimmungen in der deutschen Entwicklungszusammenarbeit unberührt, BMZ, Leitlinien für die bilaterale fi-
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gen zur Haushalts- und Wirtschaftsführung des Bundes dienen der öffentlichen Kritik der Verwendung der Haushaltsmittel. Die einzige grundlegende Beanstandung am Ausgabeverhalten des BMZ bezüglich der geförderten Projekte in den Berichten der vergangenen zehn Jahre war, dass bestimmte Ausgaben nicht als ODA anrechenbar waren. Soweit die Haushaltsmittel, die für die Entwicklungszusammenarbeit bereitgestellt werden, ODA-effektiv verwendet werden, dürften sie nach bestehender Rechtslage nicht im Widerspruch mit dem Haushaltsgrundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit stehen. Es sind mithin nur solche Leistungen verboten, die keinem der Ziele der Entwicklungszusammenarbeit dienen. Entsprechende Leistungen sind aber bereits weitgehend über die ODA-Klausel des Einzelplan 23 ausgeschlossen. Dem Grundsatz der Wirtschaftlichkeit kann somit in der Entwicklungszusammenarbeit keine wesentlich handlungslenkende Funktion beigemessen werden. Die Leitlinien für die bilaterale finanzielle und technische Zusammenarbeit mit Kooperationspartnern der deutschen Entwicklungszusammenarbeit beinhalten ebenfalls keine konkreten Vorgaben bezüglich der Auswahl der Entwicklungsprojekte. Die Entwicklungsmaßnahmen sollen lediglich abstrakt bei Schlüsselbereichen ansetzen und durch die Bundesregierung und die jeweiligen Kooperationspartner einvernehmlich ausgewählt werden.242 Besonders hervorgehoben wird in den Leitlinien der Grundsatz der Ownership. Die Empfängerstaaten sollen sowohl bei der Projektauswahl als auch bei der Durchführung der verschiedenen Maßnahmen federführend sein. Dies äußerst sich u. a. in dem durch Deutschland praktizierten Antragsprinzip. Danach sollen Maßnahmen der finanziellen Zusammenarbeit von den Empfängerstaaten vorgeschlagen, gemeinsam mit dem BMZ konzipiert und von der KfW auf ihre Erfolgsaussichten geprüft werden.243 Dieses Antragsprinzip ergibt sich gleichwohl nicht unmittelbar aus den Leitlinien, sondern stellt lediglich eine Ausformung des Grundsatzes der Ownership dar, die jedoch nicht auf einer rechtsverbindlichen Grundlage beruht. Es gibt zudem keine veröffentlichten Kriterien, die festlegen, welche Projekte angenommen werden. In Bezug auf die Budgethilfe ist dem deutschen Recht weder ein Gebot noch ein Verbot dieser Form der Entwicklungszusammenarbeit zu entnehmen.244 Ein durch das BMZ erstelltes Konzept zur Budgetfinanzierung im Rahmen der Programmorientierten Gemeinschaftsfinanzierung (PGF) legt Einstiegskriterien fest, nach
nanzielle und technische Zusammenarbeit mit Kooperationspartnern der deutschen Entwicklungszusammenarbeit, BMZ Konzepte 165, S. 15. 242 BMZ, Leitlinien für die bilaterale finanzielle und technische Zusammenarbeit mit Kooperationspartnern der deutschen Entwicklungszusammenarbeit, BMZ Konzepte 165, S. 9, 17. 243 BMZ, Wege der bilateralen Zusammenarbeit – Finanzielle Zusammenarbeit, https: //www.bmz.de/de/ministerium/wege/bilaterale_ez/zwischenstaatliche_ez/finanz_zusammenar beit/index.html (letzter Zugriff: 09. 05. 2022). 244 Dann, Entwicklungsverwaltungsrecht, 2012, S. 384.
§ 3 Auswahl der Entwicklungsprojekte
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denen Deutschland sich an Budget- oder Sektorhilfen beteiligt.245 Die Budgethilfe nimmt in der deutschen Entwicklungszusammenarbeit bisher aber nur eine untergeordnete Bedeutung ein.246 Die Auswahl der Entwicklungsmaßnahmen wird dementsprechend insbesondere durch politische Dokumente angeleitet. Dabei spielen weniger übergeordnete Leitdokumente eine Rolle, die die deutsche Entwicklungszusammenarbeit ganzheitlich regeln, als vielmehr sektor- oder regionenbezogene Konzeptpapiere des BMZ. Gemäß der deutschen Nachhaltigkeitsstrategie bilden „die Agenda 2030 mit den 17 SDGs und die vorangestellten handlungsleitenden Prinzipien Mensch, Planet, Wohlstand, Frieden und Partnerschaft […] die Richtschnur für die Entwicklungszusammenarbeit der Bundesregierung“.247 Diese Begriffe sind derart weit gefasst, dass sie faktisch jegliche Maßnahmen, die im weitesten Sinne der Entwicklungszusammenarbeit zugeordnet werden, erfassen können. Sie nehmen dementsprechend keine Steuerungsfunktion ein. Stattdessen konkretisiert das BMZ in Positions-, Strategie- und Konzeptpapieren in Bezug auf einzelne Sektoren248 oder Regionen249 die geplanten Vorgehensweisen. Speziell die sogenannten Sektor-250 und Länderstrategien251 dienen der Steuerung der Auswahl der Entwicklungsprojekte innerhalb eines bestimmten Landes oder Sektors.252 Diese Papiere werden aber weitgehend unbeeinflusst von rechtlichen Bestimmungen entwickelt253 und sind nicht veröf-
245 BMZ, Konzept zur Budgetfinanzierung im Rahmen der Programmorientierten Gemeinschaftsfinanzierung (PGF), BMZ Konzepte 146, 2008, S. 15 – 18. 246 OECD, Development Co-operation Profiles 2021 – Germany, https://doi.org/10.1787/ 0079f636-en (letzter Zugriff: 09. 05. 2022). 247 Bundesregierung, Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie – Weiterentwicklung 2021, Beschluss Bundeskabinett vom 10. März 2021, S. 12. 248 Siehe BMZ, Globale Gesundheit – Eine Investition in die Zukunft, 02/2019 02/2019; BMZ, Wasser – Die Quelle von Entwicklung, BMZ-Papier 08/2019; BMZ, BMZ Wasserstrategie: Schlüssel zur Umsetzung der Agenda 2030 und des Klimaabkommens, BMZ Strategiepapier 08/2017. 249 Siehe BMZ, Die neue Asien-Politik des BMZ, BMZ-Papier 05/2015. 250 Eindeutig diesbezüglich BMZ, Sektorkonzept Nachhaltige Energie für Entwicklung, BMZ Konzepte 145, 2007, S. 8. Dieses Konzept soll als „Orientierungs- und Entscheidungshilfe zur Auswahl, Prüfung und Beurteilung sowie als sektorpolitisch verbindliche Vorgabe für die Planung und Durchführung von energierelevanten Vorhaben der deutschen Entwicklungszusammenarbeit“ dienen. 251 2016 wurden die „Länderkonzepte durch Länderstrategien als zentrales Instrument zur strategischen Planung und politischen Steuerung der bilateralen Entwicklungszusammenarbeit (EZ) ersetzt“, BT-Drucks. 19/16828 vom 28. 01. 2020, S. 5. 252 Dann, Entwicklungsverwaltungsrecht, 2012, S. 315; Hüging/Klinnert, Staatliche Akteure in der Entwicklungspolitik, in: Ihne/Wilhelm (Hrsg.), Einführung in die Entwicklungspolitik, 2013, S. 381 (382); Neumann, Die Förderung der Rule of Law in der Entwicklungszusammenarbeit, 2013, S. 180. 253 Dann, Entwicklungsverwaltungsrecht, 2012, S. 316; Neumann, Die Förderung der Rule of Law in der Entwicklungszusammenarbeit, 2013, S. 180.
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fentlichungspflichtig.254 Auf Basis der Strategiepapiere findet dann ein komplexer Auswahlprozess statt,255 der ebenfalls nicht veröffentlicht wird. Gemäß des Reformkonzepts BMZ 2030 Umdenken – Umsteuern soll sich die deutsche Entwicklungszusammenarbeit zukünftig auf fünf Kernthemen und zehn Initiativthemen konzentrieren. „Die Kernthemen sind: Friedenssicherung; Ernährungssicherung; Ausbildung und nachhaltiges Wachstum; Klima und Energie sowie Umwelt und natürliche Ressourcen.“ Zudem werden die „Maßnahmen im Gesundheitsbereich“ ausgebaut. Die Initiativthemen werden in dem Reformkonzept nicht vollständig genannt. Sie beinhalten aber u. a. die „Bevölkerungsentwicklung und Familienplanung, Nachhaltige Lieferketten sowie Digitalisierung“. Zudem soll der „Bereich der Gesundheit von Mensch und Tier […] mit einer eigenen Einheit Global Health/One Health“ ausgebaut werden.256 Auch dieses Reformkonzept zieht sich mithin auf eine Vielzahl denkbar unbestimmter Themenkomplexe zurück. Der deutschen Entwicklungszusammenarbeit fehlt es auch in der Projektauswahl an übergeordneten Steuerungsinstrumenten, die eine hinreichende Kohärenz sicherstellen.257 Es werden zwar durch das BMZ verschiedene politische Dokumente erstellt, die für die Durchführungsorganisationen zum Teil verbindliche Vorgaben enthalten,258 jedoch können diese eigenständig durch das BMZ abgeändert oder ersetzt werden, ohne dass dafür ein formelles Verfahren vorgeschrieben ist. Das BMZ ist zudem nicht zur Planung verpflichtet259 und weicht teilweise von den jeweiligen Vorgaben der Papiere ab.260
B. Ermessensreduktion durch das Völkerrecht Das Völkerrecht spielt auch bei der Auswahl der Entwicklungsprojekte insoweit keine aktive Rolle, als dass es keine rechtsverbindlichen Vorgaben macht, welche Projekte die Geberstaaten zu fördern haben.261 Es hat aber eine ermessensbe254
Dann, Entwicklungsverwaltungsrecht, 2012, S. 316. Dazu Neumann, Die Förderung der Rule of Law in der Entwicklungszusammenarbeit, 2013, S. 184 – 191. 256 BMZ, BMZ 2030 Umdenken – Umsteuern, 2020, S. 4. 257 Dies hat dazu geführt, dass dem BMZ empfohlen worden ist zu prüfen, „wie anstatt kleiner Einzelprojekte mehrjährige Programme gefördert werden können“, OECD, DACPrüfbericht über die Entwicklungszusammenarbeit: Deutschland 2015, S. 19. 258 Siehe BMZ, Sektorstrategie Finanzsystementwicklung, BMZ-Papier 01/2016, S. 5. 259 Dann, Entwicklungsverwaltungsrecht, 2012, S. 316. 260 Neumann, Die Förderung der Rule of Law in der Entwicklungszusammenarbeit, 2013, S. 180. 261 Teilweise wird vertreten, dass sich aus den Menschenrechten ein spezifisches Gebot ableiten lässt, diese im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit prioritär zu fördern. Danach seien „sämtliche im Zuge von Entwicklungspolitik formulierte Anliegen, wie das häufig genannte Wirtschaftswachstum, […] kein Selbstzweck, sondern müssen sich zuvorderst daran 255
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schränkende Funktion. Das Völkerrecht hat in zahlreichen entwicklungsrelevanten Bereichen rechtliche Pflichten und Verbote herausgebildet, die die Geber bei der Durchführung der Entwicklungszusammenarbeit berücksichtigen müssen. Speziell die Rolle der Menschenrechte hat in diesem Zusammenhang in der wissenschaftlichen Literatur umfassende Beachtung gefunden.262 Diskutiert wird vor allem, inwieweit die völkerrechtlichen Menschenrechtsverträge eine extraterritoriale Wirkung entfalten und so die Geberstaaten auch in den Empfängerstaaten an diese binden. Grundsätzlich ist gem. Art. 29 WVK davon auszugehen, dass sofern „keine andere Absicht aus dem Vertrag hervorgeht oder anderweitig festgestellt ist, […] ein Vertrag jede Vertragspartei hinsichtlich ihres gesamten Hoheitsgebietes“ bindet.263 Sofern nichts anderes geregelt wurde, ist die Bindungswirkung mithin auf das eigene Hoheitsgebiet beschränkt.264 Keiner der völkerrechtlichen Menschenrechtsverträge enthält eine ausdrückliche Pflicht, die Menschenrechte in Bezug auf die Bevölkerungen anderer Staaten bei ihrem außenpolitischen Handeln zu schützen.265 Es muss jedoch differenziert werden zwischen der menschenrechtlichen Bindung bei der Umsetzung der Entwicklungsprojekte und bei der Auswahl der Projekte. Während es bei der vorgelagerten Auswahl der Projekte um die Frage geht, ob ein Projekt bereits von der grundsätzlichen Konzeption mit den Menschenrechten vereinbar ist, geht es bei der Umsetzung der Projekte insbesondere um die Frage, ob die Geberstaaten sicherstellen müssen, dass die Durchführung mit den Menschenrechten vereinbar ist. An dieser Stelle ist mithin ausschließlich zu fragen, ob die Förderung eines Projektes, das bereits als solches nicht mit den Menschenrechten vereinbar ist, aus der Perspektive der Geberstaaten völkerrechtlich zulässig ist.
messen lassen, ob sie zur Umsetzung der Menschenrechte beitragen“, Wagner, Menschenrechte in der Entwicklungspolitik, 2017, S. 138. Diese Ansicht vermag nicht zu überzeugen. Während es zwar gewichtige Argumente dafür gibt, dass die Geber auf der Durchführungsebene zur Achtung der Menschenrechte in den Empfängerstaaten verpflichtet sind, lässt sich aus ihnen bisher keine spezifische rechtliche Pflicht zur Fokussierung auf Projekte ableiten, die zur Sicherstellung bestimmter menschenrechtlicher Mindeststandards beitragen. 262 Allgemein zum Verhältnis von Menschenrechten und der internationalen Entwicklungszusammenarbeit u. a. Karimova, Human Rights and Development in International Law, 2016; Schläppi, Menschenrechte in der bilateralen Entwicklungszusammenarbeit, 1998; Wagner, Menschenrechte in der Entwicklungspolitik, 2017. Insbesondere das Recht auf Entwicklung bildet einen Schwerpunkt dieses Teilgebiets, siehe dazu u. a.: Bunn, The Right to Development and International Economic Law, 2012; Odendahl, Das Recht auf Entwicklung, 1997; Salomon/Sengupta, The Right to Development, 2003; Scharpenack, Das „Recht auf Entwicklung“, 1996; Schorlemer, Recht auf Entwicklung – Quo Vadis?, FW 72, H. 2 (1997), S. 121. 263 Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge vom 23. Mai 1969, UNTS 1155 (1980), S. 331 – 512. 264 Herdegen, Völkerrecht, 2022, S. 137. 265 Karimova, Human Rights and Development in International Law, 2016, S. 290.
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Menschenrechte regeln zuvorderst das Verhältnis zwischen einem Staat und seinem jeweiligen Staatsvolk. Die grundlegende Idee der internationalen Menschenrechtsverträge ist es aber gerade, einen möglichst umfassenden Schutz der Menschenrechte auf der ganzen Welt sicherzustellen.266 Während es zunächst vor allem die Aufgabe der jeweiligen Staaten ist, die Einhaltung dieser Rechte in ihrem Herrschaftsbereich sicherzustellen, würde ein aktives Unterlaufen dieser Rechte durch die anderen Vertragsstaaten der Grundidee der Verträge widersprechen.267 Es mag fraglich sein, ob die Geberstaaten dazu verpflichtet sind, die Einhaltung dieser Rechte durch den Empfängerstaat bei der Umsetzung der Projekte sicherzustellen.268 Dies gilt jedoch nicht für Projekte, die von vornherein nicht mit den Menschenrechten vereinbar sind. Diese dürfen nach dem Sinn und Zweck der Verträge durch die Geberstaaten nicht gefördert werden.269 Gleiches gilt für alle Pflichten, die sich aus anderen Bereichen des Völkerrechts ergeben. Die Geberstaaten dürfen Projekte, die dem geltenden Völkerrecht bereits aufgrund ihrer grundsätzlichen Konzeption widersprechen und die sie dementsprechend nicht auf ihrem eigenen Hoheitsgebiet umsetzen dürften, auch in den Empfängerstaaten nicht fördern.270 Dies ergibt sich auch aus dem allgemeinen Rechtsprinzip von Treu und Glauben. Eine aktive Unterstützung von Rechtsbrüchen trägt, ebenso wie der Rechtsbruch selbst, dazu bei, das Vertrauen in das Rechtssystem zu erschüttern. Die vorsätzliche Förderung eines Verstoßes gegen das geltende Recht im Bewusstsein, dass es sich um einen solchen Verstoß handelt, stellt stets auch selbst einen Rechtsbruch dar.271 Art. 16 des Berichts der International Law Commission (ILC) zur Responsibility of States for Internationally Wrongful Acts,272 der eben diesen Grundsatz enthält, wird deshalb vom IGH als Bestandteil des Völkergewohnheitsrechts angesehen.273
266
Herdegen, Völkerrecht, 2022, S. 407. Wagner, Menschenrechte in der Entwicklungspolitik, 2017, S. 138. 268 So u. a. Wagner, Menschenrechte in der Entwicklungspolitik, 2017, S. 139. 269 So im Ergebnis auch Dann/Riegner, Globales Entwicklungsverwaltungsrecht, in: Dann/ Kadelbach/Kaltenborn (Hrsg.), Entwicklung und Recht, 2014, S. 723 (754); Schläppi, Menschenrechte in der bilateralen Entwicklungszusammenarbeit, 1998, S. 220 – 221. 270 Vgl. ICJ, Legal Consequences of the Construction of a wall in the occupied Palestinian Territory, Advisory Opinion of 9 July 2004, I. C. J. Reports 2004, S. 136, Ziff. 146. 271 Statt vieler und mit weiteren Nachweisen Lanovoy, Complicity (Updated 12/2015), www.mpepil.com (letzter Zugriff: 09. 05. 2022). 272 Yearbook of the International Law Commission, 2001, Vol. II, Part 2, A/CN/Ser.A/2001/ Add.1 (Part 2), S. 65: „A State which aids or assists another State in the commission of an internationally wrongful act by the latter is internationally responsible for doing so if: (a) that State does so with the knowledge of the internationally wrongful act; and (b) the act would be internationally wrongful commited by that State.“ 273 ICJ, Application of the Convention on the Prevention and Punishment of the Crime of Genocide (Bosnia and Herzegovina v. Serbia and Montenegro), Judgment of 26 February 2007, ICJ Reports 2007, S. 43, Ziff. 420. 267
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Darüber hinaus wirken sich auf dieser Entscheidungsebene Wirtschaftssanktionen durch den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen deutlich stärker aus als bei der Auswahl der Empfängerstaaten. Teilweise erfolgen die Sanktionen zwar in gezielter Form, beispielsweise Reiserestriktionen oder Finanzsanktionen einzelner Personen, die keinen Einfluss auf die Zusammenarbeit mit dem Staat im Ganzen haben,274 jedoch werden sie im Regelfall zumindest die Budgethilfe sowie weitere Teilbereiche der Entwicklungszusammenarbeit ausschließen. Wirtschaftssanktionen führen mithin dazu, dass die Geberstaaten in diesen Fällen auf die Förderung der Sektoren beschränkt sind, die nicht von den Sanktionen erfasst sind. Im Ergebnis sind aber auch die Einschränkungen, die das Völkerrecht vornimmt, nicht ausreichend, um eine umfassende Kohärenz in der Projektauswahl sicherzustellen. Es steht weder Kursänderungen noch der Verfolgung von Eigeninteressen entgegen, stattdessen wird lediglich das Instrumentarium, das den Geberstaaten in der Entwicklungszusammenarbeit zur Verfügung steht, geringfügig eingeschränkt.
C. Ermessensreduktion durch das Europarecht Das Europarecht schreibt den Mitgliedstaaten der Europäischen Union ebenfalls nicht vor, welche Entwicklungsprojekte sie fördern sollen. Auch in dieser Frage gilt die grundlegende Wertung der kompetenzrechtlichen Bestimmungen der Europäischen Union in Bezug auf die Entwicklungszusammenarbeit.275 Die Mitgliedstaaten sind berechtigt, ihre Leistungen anhand eigener Kriterien auszurichten und müssen diese nicht von den Aktivitäten der Europäischen Union und den anderen Mitgliedstaaten abhängig machen. Dennoch führt das Europarecht zu einer gewissen Einschränkung des Ermessensspielraums. Die Untersuchung des Einflusses des Europarechts auf die Auswahl der Empfängerstaaten hat gezeigt, dass die Mitgliedstaaten durch den Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit insoweit in ihrem Ermessensspielraum eingeschränkt sind, als dass sie Maßnahmen, die die Bemühungen der Union konterkarieren würden, unterlassen müssen. Während diese Pflicht aufgrund der fehlenden Konkretisierung im Rahmen der Auswahl der Empfängerstaaten grundsätzlich keine Rolle spielt, ist dies auf der Ebene der Projektauswahl abweichend zu bewerten. Im Gegensatz zum ganzheitlichen Ausschluss einzelner Empfängerstaaten aus der Entwicklungszusammenarbeit bedeutet eine Einschränkung bezüglich der konkreten Maßnahmen, die in einem Staat durchgeführt werden dürfen, einen weitaus schwächeren Eingriff in die Hoheitsrechte der Mitgliedstaaten. Die Bemühungen auf der Ebene der Europäischen Union für eine verbesserte Koordination 274 Allgemein zu Smart Sanctions, Pyka, Wirtschaftssanktionen der Vereinten Nationen und der Europäischen Union, 2015, S. 38 – 43; Pellet/Miron, Sanctions (Updated 08/2013), www.mpepil.com (letzter Zugriff: 09. 05. 2022), Rn. 34 – 38. 275 Siehe oben Teil 1, § 2, C., II. sowie im Kontext der Auswahl der Empfängerstaaten Teil 5, § 2, C.
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zwischen den Mitgliedstaaten und der EU konzentrieren sich dementsprechend auch auf die nachgeordnete Koordination in den Empfängerstaaten.276 Bereits 1995 hat die Kommission eine Mitteilung veröffentlicht und angeregt, dass „Sektorpolitiken […] festgelegt und/oder überarbeitet werden [sollten], die der Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten in ihrer praktischen Entwicklungsarbeit als Leitschnur dienen“.277 Es haben sich zwar auch auf dieser Entscheidungsebene bisher keine rechtsverbindlichen Konkretisierungen der Koordinationspflicht aus Art. 210 Abs. 1 S. 1 AEUV herausgebildet,278 jedoch dürfte in Bezug auf die Auswahl der Entwicklungsmaßnahmen die Schwelle zur Unterlassungspflicht, die diese Norm begründet,279 deutlich früher anzunehmen sein. Entwicklungsprojekte sind aufgrund dieser Koordinationspflicht zumindest dann unzulässig, wenn sie geeignet sind, die Ziele des Art. 208 AEUV oder Maßnahmen der Europäischen Union bzw. der übrigen Mitgliedstaaten zu unterlaufen.280 Dennoch gilt auch auf dieser Entscheidungsebene, dass es bisher keine hinreichende Konkretisierung des Koordinationsgebots aus Art. 210 Abs. 1 S. 1 AEUV gibt. Ob ein Entwicklungsprojekt gegen dieses Gebot verstößt, ist deshalb stets eine Einzelfallentscheidung, die im Rahmen der Interessenabwägung zu bestimmen ist. Eine umfassende Steuerung der Auswahl der Entwicklungsprojekte, die zu einer wesentlichen Verbesserung der Kohärenz beiträgt, ergibt sich deshalb auch aus dem Europarecht nicht.
D. Rechtsvergleichende Untersuchung der Entwicklungsgesetze Das Europa- und Völkerrecht nehmen einen stärkeren Einfluss auf den Auswahlprozess der Entwicklungsprojekte als auf den der Empfängerstaaten. Auch in diesem Zusammenhang gilt aber, dass die genannten Rechtssysteme den Ermessensspielraum nur geringfügig einschränken. Eine aktive Steuerung der Auswahl lässt sich aus ihnen nicht ableiten. Auch auf der Entscheidungsebene der Projektauswahl sind somit die Staaten in der Verantwortung, einen geeigneten Auswahlprozess auszugestalten.
276 Benedek, Art. 208 AEUV, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim (Hrsg.), Das Recht der Europäischen Union, 74. EL (09/2021), Rn. 58. 277 Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament über die gegenseitige Ergänzung der Politik der Gemeinschaft auf dem Gebiet der Entwicklungszusammenarbeit und der entsprechenden Politik der Mitgliedstaaten vom 03. 05. 1995, Kom/95/160 endg, Ziff. 4. 278 Bartelt, Art. 210, in: Becker/Hatje/Schoo/Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, 2019, Rn. 4. 279 Schmalenbach, Art. 210 AEUV, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, 2022, Rn. 4. 280 Bartelt, Art. 210, in: Becker/Hatje/Schoo/Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, 2019, Rn. 3; Schmalenbach, Art. 210 AEUV, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, 2022, Rn. 4.
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In der Debatte um eine effektivere Entwicklungszusammenarbeit wird insbesondere die Bedeutung der Eigenverantwortung der Empfängerstaaten hervorgehoben. Dieses unter dem Begriff der „Ownership“ firmierende Grundprinzip der Entwicklungszusammenarbeit kann als Mittel- und Ausgangspunkt der Debatte angesehen werden.281 Es ist Ausfluss des Prinzips der souveränen Gleichheit und besagt, dass die Empfängerstaaten für ihren Entwicklungsprozess vornehmlich selbst verantwortlich sind und diesbezüglich eine Führungsfunktion einnehmen müssen. Sie sollen den Weg ihrer Entwicklung selbst bestimmen und Konzepte erschaffen, an denen die Geberstaaten ihre Entwicklungszusammenarbeit ausrichten können.282 Bei einer umfassenden Befolgung dieses Prinzips wäre die Auswahl der Entwicklungsprojekte demnach Aufgabe der Empfängerstaaten. Die nachfolgende Prüfung ist deshalb zweigeteilt. Im ersten Teil wird der Frage nachgegangen, ob die Geberstaaten in den Entwicklungsgesetzen diesem übergeordneten Prinzip der Eigenverantwortung Rechnung tragen und rechtliche Grundlagen für eine Übertragung der Auswahl auf die Empfängerstaaten schaffen. Im zweiten Teil wird untersucht, in welchem Umfang die Geberstaaten die Entwicklungsgesetze nutzen, um die eigenständige Auswahl der zu fördernden Projekte anzuleiten.
I. Auswahl durch die Empfängerstaaten Die Bedeutung der Eigenverantwortung der Empfängerstaaten in der Debatte um eine effektivere Entwicklungszusammenarbeit spiegelt sich in den Entwicklungsgesetzen der Geber nur in Ansätzen wider. Das Prinzip der Ownership wird zwar in einigen der untersuchten Gesetze ausdrücklich oder indirekt erwähnt, jedoch ist die Förderung der Eigenverantwortung in der Entwicklungszusammenarbeit differenziert zu betrachten. Einerseits kann sie sich in einer Stärkung der Souveränität der Empfängerstaaten und einer Ausweitung ihres Mitspracherechts in der Entwicklungszusammenarbeit äußern. Andererseits führt sie, wenn sie nicht mit tatsächlichen Kompetenzerweiterungen für die Empfängerstaaten verbunden ist, lediglich zu einer verstärkten Zuweisung der Verantwortlichkeit für fehlende Erfolge im Entwicklungsprozess. Gem. § 1 Abs 4 Nr. 1 des österreichischen Entwicklungsgesetzes sind beispielsweise bei allen Maßnahmen der Entwicklungszusammenarbeit „die Zielsetzungen der Regierungen und der betroffenen Bevölkerung in den Entwicklungsländern in Bezug auf die Geschwindigkeit und Form des Entwicklungsprozesses sowie deren Recht auf Wahl des eigenen Entwicklungsweges“ zu berücksichtigen. Diese Norm hebt die Bedeutung des Mitspracherechts der Empfängerstaaten bei der Entwicklungszusammenarbeit hervor, ohne diesen eine Entscheidungsgewalt zu 281
Ashoff, Die Global Governance-Qualität der internationalen Aid Effectiveness Agenda, 2015, S. 101; Keeley, From Aid to Development, 2012, S. 106; WP-EFF, Accra Agenda for Action, 2008, Ziff. 8. 282 Zum Prinzip der Ownership bereits oben Teil 1, § 2, C., I., 1., a).
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übertragen. Die Interessen werden zwar berücksichtigt, gleichwohl verbleibt die grundlegende Entscheidung, welche Entwicklungsprojekte gefördert werden sollen, auch unter Berücksichtigung dieser Norm, auf österreichischer Seite. Auch die Schweiz berücksichtigt gem. Art. 2 Abs. 2 ihres Entwicklungsgesetzes „die Verhältnisse der Partnerländer und die Bedürfnisse der Bevölkerung“ und koordiniert nach Art. 4 Alt. 1 seine „Maßnahmen mit den Anstrengungen der Partner“.283 Diese Norm führt dem Wortlaut nach ebenfalls nicht zu einer Kompetenzerweiterung der Empfängerstaaten. Gleiches gilt für das italienische Entwicklungsgesetz. Gem. Art. 2 Abs. 3 lit. a) dieses Gesetzes gewährleistet Italien die Befolgung der Prinzipien der Effektivität, auf die sich auf internationaler Ebene geeinigt wurden. Ausdrücklich hervorgehoben wird diesbezüglich das Prinzip der Ownership.284 Dieses Prinzip wird aber nicht derart konkretisiert, dass die Befolgung mit einer Übertragung wesentlicher Entscheidungskompetenzen auf die Empfängerstaaten einhergeht. Ausschließlich das belgische Entwicklungsgesetz geht über eine solche abstrakte Regelung hinaus. Gem. Art. 10 dieses Gesetzes strebt Belgien zunächst die Stärkung der demokratischen Eigenverantwortung der Empfängerstaaten an.285 Gem. Art. 18 S. 1 des Gesetzes konzentriert sich die staatliche Zusammenarbeit auf höchstens drei Bereiche pro Empfängerstaat. Diese Bereiche werden gem. Art. 18 S. 2 in Übereinstimmung mit den Prinzipien der Abstimmung und der Harmonisierung auf der Grundlage der politischen Prioritäten des Empfängerstaates und in Absprache mit dem Empfängerstaat und den anderen Gebern ausgewählt.286 Belgien verpflichtet 283 Der Begriff Partner in Art. 4 Alt. 1 des schweizerischen Entwicklungsgesetzes meint die jeweiligen Empfängerstaaten. Dies ergibt sich aus einem Umkehrschluss zu Art. 4 Alt. 2. Danach sollen nach Möglichkeit die Maßnahmen mit den „gleichgerichteten Leistungen anderer nationaler und internationaler Herkunft“ koordiniert werden. Es wird mithin zwischen einer Koordination mit den Empfängerstaaten, die nicht unter dem Vorbehalt der Möglichkeit steht, und einer Koordination mit den anderen Gebern differenziert. 284 Entwicklungsgesetz Italien, Art. 2 Abs. 3 lit. a): „In implementing development cooperation initiatives, Italy warrants compliance with the following: a) the principles of effectiveness agreed upon at international level, especially those concerning Partner Countries taking full ownership of the development process, the alignment of interventions with the priorities established by the Partner Countries themselves and in line with local usage and customs, harmonisation and coordination between donors, result-based management and mutual responsibility.“ 285 Entwicklungsgesetz Belgien, Art. 10: „En vue de l’efficacité de l’aide, la Coopération belge au Développement vise le renforcement de l’appropriation démocratique par les partenaires, l’alignement sur leurs politiques, procédures et systèmes de gestion, l’harmonisation avec les autres bailleurs, la gestion axée sur les résultats, la responsabilité mutuelle, une meilleure prévisibilité des ressources, et se concentre sur un nombre limité de pays, de thèmes et de secteurs.“ 286 Entwicklungsgesetz Belgien, Art. 18: „La coopération gouvernementale est concentrée sur un maximum de trois secteurs par pays partenaire. Le choix des secteurs est fait en conformité avec les principes d’alignement et d’harmonisation, sur la base des priorités politiques du pays partenaire et en concertation avec le pays partenaire et les autres bailleurs.“
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sich mithin dazu, die zu fördernden Sektoren anhand der politischen Prioritäten der Empfängerstaaten sowie in Absprache mit diesen auszuwählen. Dies führt dazu, dass Belgien zwar weiterhin die Entscheidungsgewalt über die konkreten Maßnahmen behält, jedoch in der Auswahl der Sektoren, aus denen es wählen kann, beschränkt ist. Der Rechtsgehalt der Betonung des Prinzips der Ownership in den untersuchten Entwicklungsgesetzen erschöpft sich im Wesentlichen in einer einfachgesetzlichen Bestätigung des völkerrechtlichen Prinzips der Souveränität. Bereits dieser Grundsatz führt dazu, dass die Geberstaaten den Willen der Empfängerstaaten bei der Entwicklungszusammenarbeit berücksichtigen müssen. Die Förderung von Projekten gegen den Willen der Leistungsempfänger lässt sich mit der staatlichen Souveränität nur in Ausnahmefällen vereinbaren. Keines der untersuchten Gesetze begründet eine umfassende Selbstverpflichtung zur Übertragung der Auswahl der Entwicklungsprojekte auf die Empfängerstaaten. Zugleich schließt aber auch keines der Entwicklungsgesetze eine Führungsrolle der Empfängerstaaten bei dieser Auswahl aus. Eine indirekte Stärkung der Ownership der Empfängerstaaten würde sich vor allem aus einer verstärkten Verwendung des Instruments der Budgetfinanzierung ergeben. Die Programm- und Budgetfinanzierung spielt in den Gesetzen aber nur eine untergeordnete Rolle. Ausdrücklich erwähnt wird dieses Instrument nur im italienischen Entwicklungsgesetz. Gem. Art. 7 Abs. 2 S. 1 des Gesetzes können bilaterale Entwicklungsmaßnahmen ausdrücklich auch durch direkte finanzielle Beiträge zum öffentlichen Haushalt des Partnerlandes realisiert werden.287 Daraus lässt sich lediglich ableiten, dass die Budgethilfe rechtlich zulässig ist. Ein Gebot, die finanzielle Zusammenarbeit vornehmlich in dieser Form auszugestalten, kann der Norm dagegen nicht entnommen werden. Zudem sind gem. Art. 7 Abs. 2 S. 2 des Gesetzes bestimmte Kriterien durch die Empfängerstaaten zu erfüllen, um für diese Form der Zusammenarbeit in Betracht zu kommen.288 Die übrigen Gesetze erwähnen die Budgetfinanzierung nicht ausdrücklich. Sie schließen die Budgetfinanzierung mithin weder aus noch enthalten sie ein Gebot zur Verwendung dieses Instruments.
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Entwicklungsgesetz Italien, Art. 7 Abs. 2 S. 1: „The initiatives described in the preceding Paragraph 1 are also realised through direct financial contributions to the public budget of the Partner Country.“ 288 Entwicklungsgesetz Italien, Art. 7 Abs. 2 S. 2: „In order to assure the quality of interventions and reinforce the responsibility of Partner Countries in respect of the effectiveness of aid, as defined at European and international level, said budget support interventions must comply with criteria aimed at maintaining the macroeconomic stability of its regulatory and institutional framework, and imply control procedures on the correct use of funds and on the results achieved.“
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II. Auswahl durch die Geberstaaten Eine rechtsverbindliche Übertragung der Auswahlkompetenz auf die Empfängerstaaten lässt sich somit aus keinem der Entwicklungsgesetze ableiten. In der Realität stellt der Auswahlprozess bereits aus faktischen Gründen zumindest ein gemeinschaftliches Vorhaben dar. Die Parteien einigen sich im Regelfall auf grundsätzliche Bereiche, in denen eine Zusammenarbeit angestrebt werden soll. Daraufhin werden bei der Projektförderung einzelne Maßnahmen festgelegt, die zumeist von den Empfängerstaaten vorgeschlagen und von den Geberstaaten bestätigt oder abgelehnt werden.289 Dieses Vorgehen führt dazu, dass die Souveränität der Empfängerstaaten aus völkerrechtlicher Sicht ausreichend gewürdigt wird und die Geberstaaten zugleich die abschließende Entscheidungsgewalt über die zu fördernden Projekte behalten. Die Auswahl der Entwicklungsprojekte ist somit keine einseitige Handlung, sondern beruht auf Verhandlungen und wird an den jeweiligen Einzelfall angepasst. Diese Vorgehensweise macht einen weiten Handlungsspielraum der beteiligten Akteure erforderlich, um einerseits auf die Vorstellungen der Empfängerstaaten reagieren und andererseits eigene Schwerpunkte setzen zu können. Die Entscheidung, welche Projekte gefördert werden sollen, kann dabei entweder durch direkte oder indirekte Steuerungsmechanismen angeleitet werden. 1. Direkte Steuerung Der erhebliche Bedarf an Flexibilität in der Entwicklungszusammenarbeit spiegelt sich auch bei der Regelung der Projektauswahl in den Gesetzen wider. Eine ausdrückliche Steuerung dieser Entscheidungsebene findet sich lediglich im belgischen und spanischen Entwicklungsgesetz. Das spanische Gesetz legt in Art. 7 Sektoren fest, auf die sich die spanische Entwicklungszusammenarbeit konzentrieren soll.290 Diese Sektoren erfassen u. a. die 289
Dieses Vorgehen lässt sich für Italien beispielsweise aus Art. 7 des italienischen Entwicklungsgesetzes ableiten. Gem. Art. 7 Abs. 1 S. 3 müssen Entwicklungsmaßnahmen auf einer entsprechenden Anfrage eines Empfängerstaates beruhen: „They are required to correspond to a specific request by a Partner Country and be in line with the principles whereby Partner Countries must take full ownership of the development process, involving local communities therein.“ 290 Entwicklungsgesetz Spanien, Art. 7: „Spanish international development cooperation policy, with the objective of combating all manifestations of poverty, shall specifically target the following sector priorities: a) Basic social services, with a particular focus on health, sanitation, education, attaining food security and training of human resources. b) Provision, improvement or extension of infrastructures. Development of a productive base and fostering of the private sector. c) Protection of and respect for human rights, equal opportunities, non-discrimination and universal accessibility of persons with disabilities, participation and social integration of women and defence of the most vulnerable population groups (minors, with special attention to
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Förderung der sozialen Grundversorgung, der demokratischen Strukturen und der Kultur des jeweiligen Landes. Sie spiegeln das vorherrschende holistische Verständnis der Entwicklungszusammenarbeit wider und sind derart weit gefasst, dass sie im Vergleich zur ODA-Definition keine praxisrelevante Einschränkung des Ermessensspielraums darstellen. Das belgische Entwicklungsgesetz beschränkt gem. Art. 18 S. 1 die Zusammenarbeit je Empfängerstaat auf höchstens drei Handlungsbereiche.291 Bei der Auswahl dieser Bereiche konzentriert sich die Entwicklungszusammenarbeit gem. Art. 19 Abs. 1 insbesondere auf vier Sektoren.292 Diese Sektoren sind die Gesundheitspflege, Unterricht und Ausbildung, Landwirtschaft und Ernährungssicherheit sowie die grundlegende Infrastruktur. Darüber hinaus können gem. Art. 19 Abs. 2 die in Art. 11 § 1 benannten Themen der Menschenrechte, der menschenwürdigen und langfristigen Beschäftigung sowie der gesellschaftliche Aufbau Gegenstand spezifischer Initiativen sein.293 Wenngleich die Einschränkungen der Bereiche, in denen die belgische Entwicklungszusammenarbeit vornehmlich tätig werden soll, im Vergleich zum spanischen Gesetz enger gefasst wurden, sind sie dennoch derart unbestimmt, dass sie nicht zu einer aktiven Steuerung des Auswahlprozesses ge-
the eradication of child labour exploitation, refuges, displaced persons, returning immigrants, indigenous population, minorities). d) Strengthening of the democratic structures and civil society and support to institutions, in particular those closest to citizens. e) Protection and improvement of quality of the environment, rational preservation and renewable and sustainable use of biodiversity. f) Culture, with a special focus on defence of aspects defining cultural identity, targeted at development from within, and those benefiting cultural promotion and free access to cultural equipment and services by all sectors of the population who can potentially be beneficiaries. g) Development of scientific and technological research and the application thereof to development cooperation projects.“ 291 Entwicklungsgesetz Belgien, Art. 18 S. 1: „La coopération gouvernementale est concentrée sur un maximum de trois secteurs par pays partenaire.“ 292 Entwicklungsgesetz Belgien, Art. 19: „Dans le choix de ces secteurs, la coopération gouvernementale se concentre principalement sur les quatre secteurs suivants ou leur équivalent dans les pays partenaires: 18 les soins de santé, en ce compris l’accès à la santé pour tous, la santé reproductive et la lutte contre les grandes endémies, y compris une approche transversale du VIH/SIDA; 28 l’enseignement et la formation; 38 l’agriculture et la sécurité alimentaire; 48 l’infrastructure de base. Les thèmes visés à l’article 11, § 1er, peuvent faire l’objet d’initiatives spécifiques. Les thèmes visés à l’article 11, § 2, sont intégrés transversalement dans tous les secteurs.“ 293 Entwicklungsgesetz Belgien, Art. 11 § 1: „Conformément aux articles 4 et 5, la Coopération belge au Développement intègre comme thématiques prioritaires: 18 les droits humains, en ce compris les droits des enfants; 28 le travail décent et durable; 38 la consolidation de la société.“
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eignet sind.294 Auch unter Berücksichtigung der in Art. 19 genannten Sektoren verbleibt der belgischen Entwicklungszusammenarbeit ein erheblicher Handlungsspielraum. Zudem wird die vorgenommene Beschränkung in Art. 19 gleichzeitig relativiert. Die belgische Entwicklungszusammenarbeit soll sich hauptsächlich („principalement“) auf die in Art. 19 genannten Sektoren konzentrieren. Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass in Ausnahmefällen auch andere Sektoren gefördert werden können. In den übrigen Gesetzen fehlt es an einer direkten Steuerung der Auswahl der Entwicklungsprojekte. Dies scheint aus Sicht der Perspektive der Kohärenzsteigerung problematisch, ist jedoch unter Berücksichtigung des Regelungszwecks der Gesetze nur konsequent. Sie dienen gerade nicht einer detaillierten Steuerung, sondern sollen lediglich die grundlegenden Konturen der Entwicklungszusammenarbeit festlegen. Eine gesetzliche Einschränkung der förderungsfähigen Sektoren wäre mit einer Einschränkung der Flexibilität der Geberstaaten verbunden. Dies wäre aus Sicht der Geber, unter Berücksichtigung der stetigen Ausweitung der als entwicklungsrelevant angenommenen Bereiche, nicht wünschenswert. 2. Indirekte Steuerung Im Gegensatz zur Auswahl der Empfängerstaaten könnten die in den Gesetzen festgelegten Ziele die Auswahl der Entwicklungsprojekte anleiten. Die Untersuchung der Zielnormen295 hat gezeigt, dass diese die Normadressaten nicht zu einer konkreten Handlungsweise verpflichten. Sie belassen ihnen jeweils einen weitreichenden Ermessenspielraum. Das in diesem Zusammenhang dargestellte Beispiel des Pergau-Damm-Falles zeigt aber, dass sie dennoch eine Steuerungsfunktion einnehmen können. In Bezug auf die Zielbestimmungen in den Entwicklungsgesetzen wurde zwischen drei Modellen unterschieden.296 Kanada und Großbritannien richten ihre Entwicklungszusammenarbeit an dem Ziel der Armutsbekämpfung aus und legen dabei einen durch den jeweils zuständigen Minister zu konkretisierenden Armutsbegriff zugrunde. Aus der Gesetzessystematik ergibt sich, dass diese Gesetze einen subjektivierten Armutsbegriff beinhalten, die Minister aber dennoch nicht frei entscheiden können, wie sie diesen auslegen. Geförderte Maßnahmen müssen einen objektiven Zusammenhang zur Armutsbekämpfung aufweisen. Das in der Entwicklungszusammenarbeit vorherrschende holistische Verständnis der Armut ermöglicht eine Auslegung des Begriffes der Armutsbekämpfung, die nicht auf eine wirtschaftliche Dimension beschränkt ist. Das
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OECD, OECD Development Co-operation Peer Reviews: Belgium 2015, S. 34; OECD, OECD Development Co-operation Peer Reviews: Belgium 2021, S. 37. 295 Ausführlich zu den Zielnormen, ihrer rechtlichen Funktion und den unterschiedlichen Modellen, in denen sie Eingang in die Gesetze gefunden haben, bereits oben Teil 5, § 2, D., II. 296 Siehe oben Teil 5, § 2, D., II., Nr. 2.
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Regelungsmodell Kanadas und Großbritanniens führt deshalb nur in Ausnahmefällen zum Ausschluss der Förderungsfähigkeit von Entwicklungsmaßnahmen. Das zweite Modell, das als Entwicklungsmodell bezeichnet wird, legt als Ziel die Verbesserung der Lebensbedingungen der Bevölkerung der Empfängerstaaten fest. Dieses Ziel ist denkbar unbestimmt und lässt sich kaum anhand objektiver Kriterien konkretisieren. Es ist dadurch in seinem Aussagegehalt wesentlich vom subjektiven Verständnis dessen, was Lebensqualität ausmacht, abhängig. Es erscheint deshalb ungeeignet, um die Auswahl der Entwicklungsprojekte anzuleiten. Das dritte Modell, dem die übrigen Vergleichsgesetze zugeordnet wurden, stellt ebenfalls die Armutsbekämpfung in den Mittelpunkt der Zielnormen. Dieses Ziel wird jedoch im Gegensatz zu den vorangegangenen Modellen von weiteren Zielen, wie der Förderung der Menschenrechte, der Demokratie und der Gleichberechtigung der Geschlechter, flankiert. Dies ist nicht als eine Erweiterung des Zielsystems zu interpretieren, sondern als eine Konkretisierung des eigentlichen Ziels der Armutsbekämpfung. Die weiteren Ziele erfüllen nur dann einen eigenständigen Zweck, wenn im Umkehrschluss die Armut vornehmlich aus einer wirtschaftlichen Perspektive definiert wird. Das Ziel der Armutsbekämpfung kann deshalb in seinem Aussagegehalt in diesen Gesetzen nicht beliebig erweitert werden. Das dritte Modell nimmt deshalb im Vergleich zu den anderen Modellen die weitgehendsten Beschränkungen des Handlungsspielraums vor. Auch dieses Modell ist aber derart unbestimmt, dass der konkrete Aussagegehalt wesentlich von der Auslegung durch den jeweiligen Normanwender abhängig ist. Trotz der Unbestimmtheit der Zielnormen lassen sich aus ihnen gleichwohl einige grundsätzliche rechtliche Aussagen in Bezug auf die Auswahl der Entwicklungsprojekte entnehmen. Die Zielnormen dienen der Definition des Handlungsauftrags, der den Gesetzen innewohnt. Sie präzisieren in abstrakter Form, für welche Ziele die Normadressaten die zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel aufwenden dürfen. Sofern eine geplante Maßnahme nicht geeignet ist, eines der im Gesetz genannten Ziele zu fördern, ist diese dementsprechend unzulässig. Die Zielnormen erfüllen insoweit eine Ausschlussfunktion. Damit sie diese Funktion ausfüllen können, bedarf es einer ex ante Prüfung der zu fördernden Entwicklungsprojekte. Nur so kann sichergestellt werden, dass Haushaltsmittel tatsächlich nur für solche Maßnahmen verwendet werden, die der Umsetzung der normierten Ziele dienen. Die Zielnormen beinhalten dementsprechend die Pflicht, Maßnahmen auf ihre Geeignetheit zu überprüfen. Die ex ante Prüfung hat nicht nur die generelle Geeignetheit einer Maßnahme, sondern auch eine Auswirkungsanalyse zu erfassen. Entwicklungsprojekte, die negative Auswirkungen auf die übrigen Ziele haben, dürfen im Regelfall ebenfalls nicht gefördert werden. Darüber hinaus ergibt sich aus dem Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit, der kein spezifisch deutsches Haushaltsprinzip ist, sondern sich auch in
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Teil 5: Inhaltliche Steuerung der Entwicklungszusammenarbeit
anderen Rechtssystemen wiederfindet,297 i. V. m. den gesetzlich festgelegten Zielen, dass im Vorhinein die Nachhaltigkeit und Effektivität der Maßnahmen geprüft werden muss. Soweit der Gesetzgeber Ziele festlegt, sind die Haushaltsmittel auch zur Erfüllung dieser Ziele zu verwenden. Dabei müssen sie nach dem Minimalprinzip entweder mit einem möglichst geringen Aufwand oder entsprechend des Maximalprinzips durch einen im Voraus bestimmten Mitteleinsatz bestmöglich erreicht werden. Aus den Zielnormen kann mithin eine Pflicht zu einer ex ante Prüfung der Entwicklungsprojekte abgeleitet werden, die in ihrem Ablauf in gewisser Weise an eine Verhältnismäßigkeitsprüfung298 erinnert. Auf der ersten Ebene ist der Aussagegehalt der Ziele zu konkretisieren. Dabei ist ein objektiver Empfängerhorizont zugrunde zu legen und der Stand der Entwicklungsforschung und der internationalen Entwicklungsdebatte zu berücksichtigen. Auf der zweiten Ebene ist zu prüfen, ob eine Maßnahme geeignet ist, eines oder mehrerer dieser Ziele zu fördern. Nur wenn dies der Fall ist, kommt eine Finanzierung in Betracht. Auf der dritten Ebene ist sicherzustellen, dass die Maßnahme nicht in Bezug auf etwaige andere gesetzliche Ziele schädigende Auswirkung hat. Abschließend ist zu prüfen, ob die jeweilige Maßnahme, unter Berücksichtigung des Haushaltsgrundsatzes der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit, im Vergleich zu anderen Maßnahmen hinreichend effektiv der Förderung des jeweiligen Ziels dient. Ob die Geberstaaten, die entsprechende Ziele normiert haben, in der Praxis ein solches Prüfungsverfahren durchführen, lässt sich jedoch kaum überprüfen. Auch die Staaten, die weitgehende Transparenzpflichten in der Entwicklungszusammenarbeit bestimmt haben,299 legen den Auswahlprozess der Entwicklungsprojekte nicht offen. Zudem nehmen die Zielbestimmungen zwar Einfluss auf den Auswahlprozess und schränken den Ermessenspielraum der jeweiligen Geberstaaten weiter ein. Die Umsetzung der Zielnormen bedarf aber der Konkretisierung der Ziele durch die zuständigen Ministerien.300 Das Ergebnis der ex ante Prüfung der Maßnahmen hängt deshalb maßgeblich davon ab, wie die Normadressaten die Zielnormen auslegen. Der Begriff der Armut wird beispielsweise in keinem der Gesetze legaldefiniert. Dies führt dazu, dass auch in den Gesetzen, in denen kein subjektivierter Armutsbegriff aufgenommen wurde, der Konkretisierung ein subjektives Element innewohnt.301 297
Dann/Riegner, Globales Entwicklungsverwaltungsrecht, in: Dann/Kadelbach/Kaltenborn (Hrsg.), Entwicklung und Recht, 2014, S. 723 (747). 298 Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit besagt, dass im Rahmen des staatlichen Handelns stets ein angemessenes Verhältnis zwischen den Folgen der Maßnahme und dem verfolgten Zweck bestehen muss. Die jeweilige Maßnahme muss einen legitimen Zweck verfolgen, zur Verfolgung dieses Zwecks geeignet und erforderlich sein sowie verhältnismäßig im engeren Sinne sein. Verhältnismäßig im engeren Sinne ist eine Maßnahme dann, wenn die durch sie herbeigefügte Beeinträchtigung im Vergleich zum Nutzen nicht unangemessen ist. 299 Dazu unten Teil 6, § 2. 300 McKee, The Official Development Assistance Accountability Act, UBC Law Review 48 (2015), S. 447 (485). 301 Koskenniemi, Constitutionalism as Mindset, TIL 8 (2006), S. 9 (11).
§ 3 Auswahl der Entwicklungsprojekte
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Eine umfassende Objektivierung der Entscheidungsprozesse, wie sie für eine größtmögliche Kohärenz im Sinne der Arbeitsdefinition erstrebenswert wäre, kann durch die Zielnormen dementsprechend nicht herbeigeführt werden. Dennoch sind die Zielnormen von entscheidender Bedeutung für die Kohärenz der Entwicklungszusammenarbeit. Die Stringenz des politischen Handelns kann nur bestimmt werden, wenn das Zielsystem, an dem es ausgerichtet werden soll, definiert ist. Das Zielsystem der Entwicklungszusammenarbeit hat insbesondere seit der Jahrtausendwende u. a. durch die Millenniumsentwicklungsziele eine erhebliche Erweiterung erfahren. Diese Entwicklung hat sich 2015 durch die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung fortgesetzt. Zusätzlich soll die Entwicklungszusammenarbeit regelmäßig zur Erreichung weiterer nationaler Ziele der Geberstaaten beitragen. Dem Zielsystem der Entwicklungszusammenarbeit fehlt es deshalb an klaren Konturen. Durch die Zielnormen kann dem Prozess der fortschreitenden Erweiterung des Zielsystems entgegengewirkt werden. Die Entscheidungsträger müssen ihr Handeln an den gesetzlich festgelegten Zielen ausrichten und an diesen messen lassen.302 Die Zielnormen stellen so einen Schutz gegen die Beeinflussung durch entwicklungsfremde Motive dar303 und schränken den Handlungsspielraum ein, ohne eine aktive Steuerung vorzunehmen. Sie verhindern dadurch zwar nicht, dass es zu Kurswechseln bezüglich der geförderten Sektoren kommen kann, stellen aber sicher, dass sämtliche Maßnahmen langfristig an den gesetzlichen Zielen ausgerichtet werden und mit diesen im Einklang stehen.
E. Fazit Sowohl das Völkerrecht als auch das Europarecht nehmen nur in Ausnahmefällen Einfluss auf die Auswahl der Entwicklungsprojekte. Den Geberstaaten bleibt es aus rechtlicher Perspektive weitgehend selbst überlassen, welche Projekte sie fördern und wie sie den entsprechenden Auswahlprozess anleiten. In Deutschland fehlt es auch auf nationaler Ebene bisher gänzlich an einer übergeordneten Steuerung auf dieser Entscheidungsebene. Die Entscheidung, welche Projekte und Sektoren in welchem Umfang gefördert werden, ist maßgeblich von den politischen Überzeugungen der zuständigen Entscheidungsträger abhängig.304 Dies ist insoweit vorteilhaft, als dass die deutsche Entwicklungszusammenarbeit flexibel in ihrer Ausrichtung bleibt und auf neue Herausforderungen reagieren kann. In Bezug auf das Untersuchungsziel der Sicherstellung einer kohärenten Entwicklungszusammenarbeit ist die bestehende Rechtslage gleichwohl unbefriedigend. 302 Soweit der Gesetzgeber einen gesetzlichen Handlungsauftrag definiert, ist diesbezüglich eine „optimale Zweckerreichung anzustreben“, Hill, Einführung in die Gesetzgebungslehre, 1982, S. 20. 303 McKee, The Official Development Assistance Accountability Act, UBC Law Review 48 (2015), S. 447 (465). 304 Bohnet, Politische Ökonomie der deutschen Entwicklungszusammenarbeit, 2017, S. 2.
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Teil 5: Inhaltliche Steuerung der Entwicklungszusammenarbeit
Die Untersuchung der Vergleichsgesetze hat gezeigt, dass die Auswahl der Entwicklungsprojekte in den Entwicklungsgesetzen vornehmlich durch Zielnormen gesteuert wird. Aus diesen Normen lässt sich eine Pflicht zur ex ante Prüfung geplanter Maßnahmen ableiten. Sie verpflichten die Normadressaten dazu, nur Maßnahmen zu fördern, die geeignet sind, zur Verwirklichung der Ziele beizutragen. Darüber hinaus ergibt sich aus diesen Normen i. V. m. dem Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit das Gebot, insbesondere die Maßnahmen zu fördern, die nach den Gesichtspunkten der Wirtschaftlichkeit am effektivsten sind. Diese Form der Steuerung hat den Vorteil, dass die Normadressaten einen weitgehenden Handlungsspielraum behalten und dadurch flexibel auf neue Herausforderungen reagieren können. Dafür sind die Zielnormen aber mit einer schwachen Lenkungswirkung verbunden. Eine umfassende Kohärenz der Ausrichtung der Entwicklungszusammenarbeit in Bezug auf die geförderten Entwicklungsprojekte können sie nicht sicherstellen. Die Zielnormen sorgen aber dafür, dass die Projekte langfristig an übergeordneten Zielen ausgerichtet werden und es ein verbindliches Zielsystem gibt, an dem sich die Entwicklungszusammenarbeit des jeweiligen Geberstaates messen lassen muss. Auffällig ist, dass das Prinzip der Ownership trotz seiner erheblichen Bedeutung in der internationalen Debatte um eine effektivere Entwicklungszusammenarbeit in den untersuchten Entwicklungsgesetzen nur wenig Beachtung gefunden hat. Soweit dieses Prinzip in die Gesetze aufgenommen wurde, beschränkt sich der Regelungsgehalt im Wesentlichen auf eine einfachgesetzliche Bestätigung des völkerrechtlichen Grundsatzes der souveränen Gleichheit der Staaten. Eine umfassende Übertragung der Auswahl der Entwicklungsprojekte auf die Empfängerstaaten lässt sich keinem der Gesetze entnehmen. Unter Berücksichtigung der schwindenden Abhängigkeit der Empfängerstaaten von der ODA sowie der wachsenden Bedeutung neuer Geberstaaten305 könnte hier ein Ansatzpunkt für zukünftige Entwicklungsgesetze liegen. Die weitgehenden Einmischungen der Geberstaaten und internationalen Organisationen stellen einen zentralen Kritikpunkt an der internationalen Entwicklungszusammenarbeit dar306 und sind mitursächlich für eine wachsende Zurückhaltung einiger Empfängerstaaten in der Annahme von ODA.307 Eine stärkere Übertragung der Entscheidungskompetenz auf die Empfängerstaaten könnte dieser Entwicklung entge305
Dann, Ideengeschichte von Recht und Entwicklung, in: Dann/Kadelbach/Kaltenborn (Hrsg.), Entwicklung und Recht, 2014, S. 19 (34 – 35). 306 Ausführlich dazu am Beispiel der Poverty Reduction Strategy Papers der IBRD und des IMF, Tan, Governance through Development, 2012. 307 Siehe Borchers, Ghanas Präsident Akufo-Addo: Afrikas selbstbewusster Hoffnungsträger, 30. 08. 2018, https://www.deutschlandfunk.de/ghanas-praesident-akufo-addo-afrikasselbstbewusster.1773.de.html?dram:article_id=426810 (letzter Zugriff: 09. 05. 2022); Venkataraman/Raj/Abi-Habib, After worst Kerala Floods in a Century, India rejects Foreign Aid, 23. 08. 2018, https://www.nytimes.com/2018/08/23/world/asia/india-kerala-floods-aid-unitedarab-emirates.html (letzter Zugriff: 09. 05. 2022).
§ 3 Auswahl der Entwicklungsprojekte
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genwirken. Denkbar wäre diesbezüglich eine gesetzliche Verpflichtung zu dem in Deutschland und anderen Geberstaaten praktizierten Antragsprinzip. Danach müssen die Empfängerstaaten grundsätzlich die Förderung bestimmter Entwicklungsprojekte beantragen, damit diese durch den Geber finanziert werden können. Der Auswahlprozess würde so an die Empfängerstaaten übertragen werden, während die Entscheidungsgewalt bei den Geberstaaten verbleibt. Das Antragsprinzip weist aber einige entscheidende Schwächen auf. Zunächst setzt es eine funktionierende Verwaltung in den jeweiligen Empfängerstaaten voraus, die in der Lage ist, umfassende und überzeugende Entwicklungskonzepte zu erstellen. Dies könnte dazu führen, dass Empfängerstaaten, die bereits ein fortschrittliches Verwaltungssystem aufgebaut haben, bevorzugt gefördert werden, während fragile Staaten und die LDCs weniger Berücksichtigung finden könnten.308 Außerdem lässt sich dieses Prinzip in der Praxis vergleichsweise einfach umgehen. Die Geberstaaten können in den Regierungsverhandlungen den Empfängerstaaten bestimmte Bereiche nennen, in denen Anträge bevorzugt angenommen werden, und könnten so den Grundgedanken des Antragsprinzips unterlaufen.309 Des Weiteren würde dieses Prinzip zwar der Eigenverantwortung der Empfänger umfassend Rechnung tragen, aber es würde nicht zwingend der Sicherstellung einer größtmöglichen Kohärenz zuträglich sein. Die Ausrichtung wäre im Falle der Umsetzung des Antragsprinzips von den Empfängerstaaten abhängig, die selbst Rechtsgrundlagen für einen stringenten und langfristigen Entwicklungsprozess schaffen müssten, um eine umfassende Kohärenz sicherzustellen. In den untersuchten Vergleichsgesetzen zeigt sich das herrschende Primat der Flexibilität in der Entwicklungszusammenarbeit. Ein Entwicklungsgesetz darf nicht dazu führen, dass die Geberstaaten nicht mehr flexibel auf neue Herausforderungen reagieren können. Dennoch bringt bereits die abstrakte Steuerung der Entwicklungszusammenarbeit durch Zielnormen erhebliche Vorteile in Bezug auf die Kohärenz mit sich. Das Beispiel des Pergau-Damm-Falls zeigt, dass sie der missbräuchlichen Verwendung von ODA entgegenwirken. Zudem führt die verbindliche Festsetzung übergeordneter Ziele dazu, dass die Exekutive bei der Auswahl der Entwicklungsprojekte an eben diesen Zielen gemessen werden kann. Die Zielnormen können dadurch zu einer langfristigen Stringenz in Bezug auf die übergeordneten Ziele beitragen und dadurch sicherstellen, dass die Entwicklungszusammenarbeit an den Interessen der Empfängerstaaten ausgerichtet wird. Gleichzeitig ist der Eingriff in den Handlungsspielraum der Normadressaten minimal. Diese werden lediglich dazu verpflichtet, die geplanten Entwicklungsprojekte einer ex-ante Prüfung zu unterziehen und die Förderung von Projekten, die nicht der effektiven Förderung der entwicklungspolitischen Ziele dienen, zu unterlassen. Die rechtsverbindliche Definition eines übergeordneten Zielsystems sollte deshalb Bestandteil eines möglichen deutschen Entwicklungsgesetzes sein. 308 309
May, Japans neue Entwicklungspolitik, 1989, S. 121. Hein, Die Westdeutschen und die Dritte Welt, 2005, S. 56.
Teil 6
Interne Strukturierung der Geberstaaten Den abschließenden Schwerpunkt der vorliegenden Arbeit bildet eine Untersuchung der internen Strukturierung der Geberstaaten durch das Entwicklungsrecht. In diesem Teil wird analysiert, inwieweit die Geberstaaten das geltende Recht dazu verwenden, ihre innerstaatliche Organisation so auszurichten, dass diese geeignet ist, eine kohärente Entwicklungszusammenarbeit zu fördern. Die vorangegangene Prüfung der inhaltlichen Steuerung hat gezeigt, dass die Entscheidung der Geberstaaten, mit welchen Staaten sie in der Entwicklungszusammenarbeit kooperieren und wie sie diese ausgestalten, weitgehend unbeeinflusst von verbindlichem Europaund Völkerrecht geschieht. Die Entwicklungsgesetze steuern die inhaltliche Ausrichtung insbesondere durch Zielnormen, die einen weiten Ermessensspielraum belassen. Die Form ihrer Umsetzung bleibt, abgesehen von gewissen äußeren Handlungsgrenzen, dadurch weiterhin maßgeblich dem politischen Willen der zuständigen Akteure überlassen.1 Es ist deshalb notwendig, dass auch auf organisatorischer Ebene die Grundlagen für eine kohärente Entwicklungszusammenarbeit geschaffen werden.2 Die Ministerien, die für die Vergabe von ODA zuständig sind, befinden sich in einer widersprüchlichen Situation. Sie sind eingegliedert in die jeweilige staatliche Regierung, deren oberstes Ziel die Wahrung der nationalen Interessen und das Wohlergehen der eigenen Bevölkerung ist, während sie die Aufgabe haben, andere Staaten und deren Bevölkerung zu unterstützen.3 Diese ambivalente Position prädestiniert sie geradezu für die Beeinflussung durch entwicklungsfremde Interessen.4 Im Folgenden sollen deshalb drei Aspekte der internen Strukturierung auf ihre rechtliche Umsetzung untersucht werden, die geeignet sind, positiven Einfluss auf
1
So beispielsweise auch in Bezug auf das schweizerische Entwicklungsgesetz Mazidi, Die gesetzlichen Grundlagen der schweizerischen Entwicklungszusammenarbeit, IFF Working Paper No. 17, 2017, S. 26. 2 Brombacher, Geberstrukturen in der Entwicklungspolitik, SWP-Studie S 27, 2009, S. 12; Faust/Messner, Ordnungspolitische Herausforderung für eine wirksamere EZ, in: Faust/Neubert (Hrsg.), Wirksamere Entwicklungspolitik, 2010, S. 259 (259). 3 Gulrajani, Bilateral Donors and the Age of the National Interest, World Dev. 96 (2017), S. 375 (375). 4 Gulrajani, Bilateral Donors and the Age of the National Interest, World Dev. 96 (2017), S. 375 (376); Stockmann, Entwicklungsstrategien und Entwicklungszusammenarbeit, in: Stockmann/Menzel/Nuscheler (Hrsg.), Entwicklungspolitik, 2016, S. 425 (427).
§ 1 Kompetenzen
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die Kohärenz der Entwicklungszusammenarbeit zu nehmen.5 Dies ist erstens die Zuweisung der Kompetenzen für die Durchführung der Entwicklungszusammenarbeit, zweitens die Transparenz und drittens, ob und in welcher Form die Geberstaaten dazu verpflichtet sind, ihre Strategien in politischen Leitdokumenten zu konkretisieren. Diese drei Aspekte der internen Strukturierung bilden das Grundgerüst für eine transparente und koordinierte Politik und damit die Basis für eine kohärente Entwicklungszusammenarbeit. Zudem führt die Regelung der internen Strukturierung nicht zu einer grundlegen Einschränkung des Ermessensspielraums der Geberstaaten. Das Argument, dass ein Entwicklungsgesetz die in der Entwicklungszusammenarbeit notwendige Flexibilität zu stark einschränken würde, spielt deshalb in diesem Zusammenhang nur eine untergeordnete Rolle. Entsprechende gesetzliche Bestimmungen greifen weniger stark in die demokratisch legitimierte Souveränität nachfolgender Regierungen ein, als dies Regeln bezüglich der Auswahlprozesse der Empfängerstaaten und der Entwicklungsprojekte oder mögliche Leistungspflichten tun würden. Es ist deshalb weniger wahrscheinlich, dass entsprechende Normen später wieder aufgehoben werden.6
§ 1 Kompetenzen Ein wesentlicher Faktor in der kohärenten Umsetzung eines jeden Politikbereichs ist die hinreichende Bestimmung und Zuordnung von Kompetenzen. Sind diese nicht genau definiert, kann es zu Kompetenzstreitigkeiten und Handlungsüberschneidungen kommen, die mit Inkohärenzen einhergehen können.7 Die Zuweisung der Kompetenzen bestimmt darüber, wer die Empfängerstaaten sowie die Entwicklungsprojekte auswählt und damit über die grundsätzliche Ausrichtung der Entwicklungszusammenarbeit entscheidet. Die jeweiligen Ministerien können entweder zentrale Fürsprecher für eine werteorientiere Entwicklungszusammenarbeit sein oder zur Beeinflussung durch entwicklungsfremde Motive beitragen.8 Die Zuweisung von Kompetenzen ist somit ein wesentlicher Faktor in der Sicherstellung einer kohärenten Politik.9 Aufgrund des weiten Verständnisses des Begriffes der Entwicklungszusammenarbeit unterfällt die Durchführung der Entwicklungszusam5 Die drei Aspekte orientieren sich an den ursprünglichen „Buildingblocks“ der Förderung des Ansatzes der PCD, OECD, Building Blocks for Policy Coherence for Development, 2009, S. 23 – 38. 6 Davies/Burkot, Aid law, Devpol Policy Brief No. 14, 2016, S. 9. 7 Siehe Bauer/Weinlich, Lorbeeren und Leviten – Deutschland in der Umwelt- und Entwicklungspolitik der Vereinten Nationen, VN 6 (2013), S. 258 (262). 8 Lancaster, Foreign Aid, 2007, S. 22. 9 OECD, The DAC Guidelines: Poverty Reduction, 2001, S. 90; Maihold, Mehr Kohärenz in der Entwicklungspolitik durch Geberkoordination?, APuZ 60, Nr. 10 (2010), S. 34 (34 – 35).
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Teil 6: Interne Strukturierung der Geberstaaten
menarbeit regelmäßig dem Aufgabenbereich mehrerer Ministerien.10 Notwendig ist deshalb nicht nur die Zuordnung übergeordneter Kompetenzen, sondern auch entsprechender Koordinationskompetenzen bzw. die Gründung eines für die Koordination der Entwicklungszusammenarbeit zuständigen Organs.11 Weder dem Völker- noch dem Europarecht sind Vorgaben in Bezug auf die innerstaatliche Kompetenzverteilung zu entnehmen. Nachfolgend wird deshalb ausschließlich dargestellt, ob und in welcher Form in Deutschland die Kompetenzen in der Entwicklungszusammenarbeit geregelt sind und welche Regelungsmodelle die Vergleichsstaaten in ihren Entwicklungsgesetzen gewählt haben.
A. Kompetenzverteilung in Deutschland Die Bedeutung der Regelung der Kompetenzen wird am Beispiel der Entstehungsgeschichte des BMZ deutlich.12 Als dieses 1961 gegründet wurde, war es zunächst kaum mit eigenen Kompetenzen ausgestattet und erfüllte fast ausschließlich Koordinationsaufgaben.13 Die eigentlichen Kompetenzen verblieben insbesondere beim AA und dem Bundeswirtschaftsministerium (BMWi).14 In der Folgezeit kam es deshalb zu langwierigen Streitigkeiten zwischen diesen Ministerien.15 Das BMZ musste sich eigene Aufgabenbereiche regelrecht erkämpfen und suchte nach Politikbereichen, in denen weder das AA noch das BMWi bisher Führungsansprüche erhoben hatten und es dementsprechend selbst federführend tätig werden konnte.16 In diesem Zusammenhang kam es wiederholt zu eigennützigen Blockaden entwicklungspolitischer Maßnahmen durch das BMZ, um die eigene Stellung in der deutschen Entwicklungszusammenarbeit zu unterstreichen.17 Erst in den 1970er-Jahren wurden die Zuständigkeiten des BMZ nachhaltig ausgeweitet. So erhielt es bei10 Brombacher, Geberstrukturen in der Entwicklungspolitik, SWP-Studie S 27, 2009, S. 13 – 14; Schmidt, Entwicklungszusammenarbeit als strategisches Feld deutscher Außenpolitik, APuZ 65, Nr. 7 – 9 (2015), S. 29 (29). In Deutschland verwalten 15 Ministerien Haushaltsmittel, die als ODA angerechnet werden können, BMF, Bundeshaushaltsplan 2020, Epl. 23 – BMZ, S. 68. 11 OECD, The DAC Guidelines: Poverty Reduction, 2001, S. 90; OECD, Recommendation of the Council on Policy Coherence for Sustainable Development, OECD/LEGAL/0381, 2019, Ziff. III; OECD, Policy Coherence for Sustainable Development 2019, 2019, S. 81. 12 Ausführlich zur Entstehungsgeschichte des BMZ Lohmann, Von der Entwicklungspolitik zur Armenhilfe, 2010, S. 50 – 63. 13 Lohmann, Von der Entwicklungspolitik zur Armenhilfe, 2010, S. 63; Stockmann, Entwicklungsstrategien und Entwicklungszusammenarbeit, in: Stockmann/Menzel/Nuscheler (Hrsg.), Entwicklungspolitik, 2016, S. 425 (521). 14 Bohnet, Geschichte der deutschen Entwicklungspolitik, 2015, S. 38. 15 Molt, Die Anfänge der Entwicklungspolitik der Bundesrepublik Deutschland in der Ära Adenauer, 2017, S. 110 – 120. 16 Lohmann, Von der Entwicklungspolitik zur Armenhilfe, 2010, S. 65. 17 Lohmann, Von der Entwicklungspolitik zur Armenhilfe, 2010, S. 66.
§ 1 Kompetenzen
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spielsweise die Kompetenz für Kapitalhilfen vom BMWi erst 1972.18 Seither wurde die Bedeutung des BMZ nach und nach weiter ausgeformt.19 Heute soll es die Führungsrolle in der deutschen Entwicklungszusammenarbeit einnehmen.20 Dies äußert sich u. a. darin, dass es den mit Abstand größten Anteil der ODA verwaltet.21 Im Gegensatz zum Bundesministerium der Verteidigung (Art. 65a GG), dem Bundesministerium der Justiz (Art. 96 Abs. 2 S. 4 GG) und dem Bundesministerium der Finanzen (Art. 108 Abs. 3 S. 2 GG) wird das BMZ vom Grundgesetz nicht vorausgesetzt und ist in seinem Fortbestehen nicht rechtlich garantiert.22 Gem. Art. 64 Abs. 1 GG hat der Bundeskanzler die Kompetenz, Bundesminister vorzuschlagen. Diese Kompetenz umfasst das Recht, Ministerien, abgesehen von den im Grundgesetz ausdrücklich vorausgesetzten, abzuschaffen bzw. neue zu gründen.23 Dementsprechend steht es dem Bundeskanzler grundsätzlich frei, das BMZ wieder abzuschaffen. Im Wahlkampf für die Bundestagswahl 2005 hatte sich dann auch die FDP dafür ausgesprochen, das BMZ abzuschaffen und deren Aufgaben in das Auswärtige Amt einzugliedern.24 Diese Forderung wurde im Wahlkampf für die Bundestagswahl 2009 bekräftigt. Obwohl die FDP nach der Bundestagswahl den zuständigen Entwicklungsminister stellte, konnte sie sich gegen den Koalitionspartner, die CDU, mit dieser Forderung nicht durchsetzen. Nach geltendem Recht wäre eine Abschaffung des Ministeriums gleichwohl möglich gewesen. Die Debatte um die Abschaffung eines Fachministeriums für die Entwicklungszusammenarbeit ist keine rein deutsche Erscheinung. Beispielsweise wurde sowohl in Australien als auch in Kanada eine entsprechende Entscheidung umgesetzt.25 In Deutschland besteht zwar mit dem BMZ weiterhin ein spezifisches Ministerium für die Entwicklungszusammenarbeit. Dennoch weist die Verteilung des Haushaltsetats bezüglich der Mittel, die als ODA angerechnet werden können, eine
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Bohnet, Geschichte der deutschen Entwicklungspolitik, 2015, S. 67. Hüging/Klinnert, Staatliche Akteure in der Entwicklungspolitik, in: Ihne/Wilhelm (Hrsg.), Einführung in die Entwicklungspolitik, 2013, S. 381 (381). 20 BMZ, Leitlinien für die bilaterale finanzielle und technische Zusammenarbeit mit Kooperationspartnern der deutschen Entwicklungszusammenarbeit, BMZ Konzepte 165, S. 15. 21 BMF, Bundeshaushaltsplan 2020, Epl. 23 – BMZ, S. 68. 22 Herzog, Art. 64, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, 2019, Rn. 4. 23 Epping, Art. 64 GG, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK Grundgesetz, 2022, Rn. 3; Herzog, Art. 64, in: Herzog/Scholz/Herdegen/Klein (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, 2021, Rn. 4 – 5. 24 Volkery, FDP und Union streiten über Entwicklungshilfe, 23. 06. 2005, https://www.spie gel.de/politik/deutschland/wahlkampf-fdp-und-union-streiten-ueber-entwicklungshilfe-a-361 724.html (letzter Zugriff: 09. 05. 2022). 25 Faure/Long/Prizzon, Do Organisational and Political Models for Development Cooperation Matter for Development Effectiveness?, ODI Working Paper, April 2015, S. 7; Troilo, Inside the takedowns of AusAID and CIDA, 2015, https://www.devex.com/news/insidethe-takedowns-of-ausaid-and-cida-85278 (letzter Zugriff: 09. 05. 2022). 19
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Teil 6: Interne Strukturierung der Geberstaaten
wachsende Fragmentierung auf.26 Mittlerweile erfassen die Haushalte von 15 verschiedenen Ministerien Leistungen, die als ODA anrechenbar sind.27 Dies führt dazu, dass es für das BMZ zunehmend schwieriger wird, seine Koordinationsfunktion in der deutschen Entwicklungszusammenarbeit einzunehmen.28 Die bloße Existenz des BMZ als eigenständiges Ministerium für die Entwicklungszusammenarbeit stellt eine ausreichende Koordination zwischen den verschiedenen Ministerien nicht sicher.29 Es sind zwar verschiedene Koordinationsmechanismen geschaffen worden;30 diese gehen aber bisher nicht mit formellen Kompetenzen des BMZ über die als ODA anrechenbaren Maßnahmen der anderen Ministerien einher.31 Durch eine gesetzliche Regelung der Kompetenzen des BMZ oder einen Organisationserlass könnte dieser Entwicklung entgegengewirkt und die Koordinationsfunktion des BMZ stärker herausgestellt werden. Das BMZ könnte dadurch auch aus rechtlicher Sicht zu einem übergeordneten „ODA-Koordinator“ werden32 und darauf Einfluss nehmen, dass der Anteil der ODA, der von den weiteren Ministerien verwaltet wird, an den übergeordneten Zielen der Entwicklungszusammenarbeit ausgerichtet wird. Nachfolgend wird deshalb untersucht, wie die Vergleichsstaaten kompetenzrechtliche Fragen in den Entwicklungsgesetzen geregelt haben und welche Rolle in diesem Zusammenhang ein deutsches Entwicklungsgesetz spielen könnte.
26 Bohnet/Klingebiel/Marschall, Die Struktur der deutschen öffentlichen Entwicklungszusammenarbeit, D. I. E. Discussion Paper No. 15, 2018, S. 11; Maihold, Entwicklungszusammenarbeit am Scheideweg: strategische Weichenstellungen und institutioneller Reformbedarf, in: Sangmeister/Wagner (Hrsg.), Die Entwicklungszusammenarbeit der Zukunft, 2019, S. 17 (25). 27 BMF, Bundeshaushaltsplan 2021, Epl. 23 – BMZ, S. 68. 28 Maihold, Entwicklungszusammenarbeit am Scheideweg, in: Sangmeister/Wagner (Hrsg.), Die Entwicklungszusammenarbeit der Zukunft, 2019, S. 17 (25). 29 Brombacher, Geberstrukturen in der Entwicklungspolitik, SWP-Studie S 27, 2009, S. 13. 30 Bohnet/Klingebiel/Marschall, Die Struktur der deutschen öffentlichen Entwicklungszusammenarbeit, D. I. E. Discussion Paper No. 15, 2018, S. 29 – 33; Kaltenborn/Lübben, Kohärenz und Kooperation im Organisationsrecht der Entwicklungszusammenarbeit, VERW 47 (2014), S. 125 (142 – 143); WD, Politikkohärenz im Interesse der Entwicklungszusammenarbeit im europäischen Vergleich, WD 2 – 3000 – 048/15 vom 26. März 2015, 12 – 13. Ausführlich dazu auch BT-Drucks. 19/13251 vom 04. 09. 2019. 31 Kaltenborn/Lübben, Kohärenz und Kooperation im Organisationsrecht der Entwicklungszusammenarbeit, VERW 47 (2014), S. 125 (143). 32 Bohnet/Klingebiel/Marschall, Die Struktur der deutschen öffentlichen Entwicklungszusammenarbeit, D. I. E. Discussion Paper No. 15, 2018, S. 33.
§ 1 Kompetenzen
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B. Kompetenzrechtliche Bestimmungen in den Entwicklungsgesetzen Im Gegensatz zu Deutschland haben die wenigsten Geberstaaten ein eigenes Fachministerium für die Entwicklungszusammenarbeit eingerichtet.33 Stattdessen finden sich in den Gesetzen unterschiedliche Kompetenzmodelle. Überwiegend wird die Verantwortung für die Entwicklungszusammenarbeit dem Außenministerium übertragen.34 Diese Vorgehensweise hat den Vorteil, dass sie in der Theorie zu einer umfassenden Kohärenz zwischen der Außenpolitik und der Entwicklungszusammenarbeit beitragen kann. Sie birgt aber zugleich die Gefahr, dass die ODA zu einem Spielball von außen- und sicherheitspolitischen Interessen wird.35 Um dieser Problematik zu begegnen, haben einige Staaten die Verantwortung für die Entwicklungszusammenarbeit im Außenministerium eingegliedert, dort jedoch einer eigenständigen Abteilung zugeordnet. Unabhängig davon, welchem Ministerium in den Geberstaaten die übergeordnete Kompetenz in der Entwicklungszusammenarbeit zugeteilt ist, haben aufgrund des weiten Verständnisses der Entwicklungszusammenarbeit stets auch andere Ministerien Kompetenzen in diesem Bereich. Dadurch kann es in diesem Zusammenhang zu Kompetenzüberschneidungen oder -streitigkeiten kommen. Nachfolgend werden die verschiedenen kompetenzrechtlichen Modelle, die sich in den Gesetzen finden, dargestellt. Dafür wurden diese in vier Gruppen unterteilt. Südkorea hat als einziger Vergleichsstaat ein zweigeteiltes Kompetenzmodell gewählt. Mit Spanien und Österreich haben zwei der Vergleichsstaaten die Entwicklungszusammenarbeit unmittelbar dem Außenministerium unterstellt. Dänemark und Italien haben die Kompetenzen für die Entwicklungszusammenarbeit ebenfalls auf das Außenministerium übertragen. Dort ist es jedoch jeweils einem eigenständigen Verantwortungsbereich zugewiesen. In den Entwicklungsgesetzen der übrigen Vergleichsstaaten, finden sich keine kompetenzrechtlichen Regelungen.
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Klassischerweise wird in der Entwicklungszusammenarbeit zwischen vier Organisationsmodellen unterschieden. Die übergeordnete Verantwortung wird entweder dem Außenministerium (Model 1), einer eigenständigen Abteilung innerhalb des Außenministeriums (Model 2), einer ausgelagerten Durchführungsorganisation, die vom Außenministerium überwacht wird (Model 3) oder einem spezifischen Entwicklungsministerium (Model 4) übertragen, siehe OECD, Managing Aid: Practices of DAC Member Countries, 2009, S. 31. 34 OECD, Managing Aid: Practices of DAC Member Countries, 2009, S. 32 – 34; OECD, Effective Aid Management: Twelve lessons from DAC Peer Reviews, 2008, S. 10; Stockmann, Entwicklungsstrategien und Entwicklungszusammenarbeit, in: Stockmann/Menzel/Nuscheler (Hrsg.), Entwicklungspolitik, 2016, S. 425 (520). 35 Carothers/Gramont, Development Aid confronts Politics, 2013, S. 94; Faure/Long/ Prizzon, Do Organisational and Political Models for Development Cooperation Matter for Development Effectiveness?, ODI Working Paper, April 2015, S. 8; Gulrajani, Organising for Donor Effectiveness, Dev. Policy Rev. 32 (2014), S. 89 (102); OECD, OECD Development Cooperation Peer Reviews: Canada 2018, S. 67.
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Teil 6: Interne Strukturierung der Geberstaaten
I. Das zweigeteilte Kompetenzmodell Südkorea hat in der Entwicklungszusammenarbeit ein eigenständiges Kompetenzmodell gewählt. Diese, nachfolgend als zweigeteiltes Kompetenzmodell bezeichnete, Regelungsform ist durch eine zweigeteilte Struktur in der bilateralen Entwicklungszusammenarbeit geprägt. Gem. Art. 9 Abs. 1 des südkoreanischen Entwicklungsgesetzes werden Kredite („loans“) durch den Minister of Strategy and Finance und Zuschüsse („grant aid“) durch den Minister of Foreign Affairs überwacht.36 Diese Kompetenzaufteilung auf zwei Ministerien ist ein Alleinstellungsmerkmal Südkoreas.37 Der damit verbundenen Gefahr von Inkohärenzen zwischen den einzelnen Ministerien trägt Südkorea auf besondere Weise Rechnung. Statt die übergeordnete Kompetenz für die Entwicklungszusammenarbeit einem einzelnen Ministerium zuzuordnen, wurde gem. Art. 7 Abs. 1 des südkoreanischen Entwicklungsgesetzes ein Komitee für die Internationale Entwicklungszusammenarbeit (Committee for International Development Cooperation (CIDC)) gegründet. Die Aufgabe des CIDC ist es, „to moderate, deliberate on and decide major matters to ensure that policies on international development cooperation are implemented in a comprehensive and systematic manner“. Es wurde mithin ein spezifisches Komitee gegründet, das der Koordinierung von zentralen Fragen der Entwicklungszusammenarbeit dient. Es besteht gem. Art. 7 Abs. 2 aus höchstens 25 Mitgliedern und setzt sich gem. Art. 7 Abs. 3 aus dem Premierminister als Vorsitzendem sowie „the Minister of Strategy and Finance, the Minister of Foreign Affairs, the Minister of the Office for Government Policy Coordiniation, the heads of central administrative agencies and related agencies or organizations determined by Presidential Decree, and persons commissioned by the Chairperson from among those with profound knowledge and experience“
zusammen. Diese hochrangige Besetzung unterscheidet das Komitee von vergleichbaren Organen anderer Staaten38 und verleiht ihm dadurch eine erhebliche Autorität. Das CIDC spielte zu Beginn seiner Arbeit dennoch nur eine untergeordnete Rolle. Es beschränkte sich auf die Koordinierung und Begutachtung der südkoreanischen Entwicklungszusammenarbeit.39 Durch eine Änderung des süd36 Entwicklungsgesetz Südkorea, Art. 9 Abs. 1: „Loans, among bilateral development cooperation, shall be supervised by the Minister of Strategy and Finance, and grant aid by the Minister of Foreign Affairs.“ Auch die Zusammenarbeit mit den internationalen Organisationen weist eine Zweiteilung auf. Entwicklungsgesetz Südkorea, Art. 9 Abs. II: „Cooperation with international financial institutions under the Act on the Measures for the Admission to International Financial Institutions, among multilateral development cooperation, shall be supervised by the Minister of Strategy and Finance and cooperation with other organizations by the Minister of Foreign Affairs.“ 37 Faure/Long/Prizzon, Do Organisational and Political Models for Development Cooperation Matter for Development Effectiveness?, ODI Working Paper, April 2015, S. 11. 38 OECD, OECD Development Co-operation Peer Reviews: Korea 2018, S. 58. 39 OECD, OECD Development Co-operation Peer Reviews: Korea 2018, S. 58.
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koreanischen Entwicklungsgesetzes im Jahr 201440 wurden die Kompetenzen jedoch erweitert, und das CIDC nimmt nunmehr die ihm zugedachte Leitfunktion stärker ein.41 Es entscheidet u. a. gem. Art. 7 Abs. 5 Nr. 1 über die gem. Art. 8 zu erstellenden „Basic plans for international development cooperation“ und nimmt damit unmittelbar Einfluss auf die Ausrichtung der Entwicklungszusammenarbeit.
II. Entwicklungszusammenarbeit als Aufgabengebiet des Außenministeriums Ein erstes Beispiel für die Staaten, die die Entwicklungszusammenarbeit dem Außenministerium unterstellen, ist Spanien. Gem. Art. 17 des spanischen Entwicklungsgesetzes ist der Außenminister „tasked with the management of international development cooperation policy, and the coordination of the bodies of the General State Administration which, within the scope of their respective powers, carry out activities in this area, observing the principle of unity of action abroad“. Er überwacht und leitet mithin die Kernbereiche der spanischen Entwicklungszusammenarbeit. Der Außenminister ist aber nicht für die Entwicklungszusammenarbeit als Ganzes zuständig. Gem. Art. 18 des Gesetzes führen auch andere Ministerien Maßnahmen im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit durch und sind „responsible for the implementation of the programmes, projects and actions within the scope of their resperctive powers […]“. Im Umkehrschluss ergibt sich daraus, dass der Außenminister für Maßnahmen der Entwicklungszusammenarbeit, die den spezifischen Themenbereichen der einzelnen Ministerien zugeordnet sind, nicht zuständig ist.42 Dies bedeutet, dass es, um einer Fragmentierung der spanischen Entwicklungszusammenarbeit entgegen zu wirken, eines Koordinationsorgans in der spanischen Regierung bedarf. Dazu wurde entsprechend Art. 19 des spanischen Entwicklungsgesetzes das Secretariat of State for International Cooperation and Ibero-America gegründet. Es stellt gem. Art. 19 Abs. 1 ein Unterorgan des Außenministeriums dar und „coordinates development cooperation policy, administers the resources defined in Art. 28.1, ensures Spanish participation in international development aid organisations, and 40
Südkorea, Addendum Act No. 12767 vom 15. Oktober 2014, https://elaw.klri.re.kr/eng_ service/lawView.do?lang=ENG&hseq=33064 (letzter Zugriff: 09. 05. 2022). 41 OECD, OECD Development Co-operation Peer Reviews: Korea 2018, S. 58. 42 An der spanischen Entwicklungszusammenarbeit sind eine Vielzahl an Ministerien und regionalen Behörden beteiligt, die ein komplexes System bilden, das mit erheblichen Herausforderungen für die Koordination verbunden ist, OECD, OECD Development Co-operation Peer Reviews: Spain 2016, S. 56. Die spanische Regierung plant jedoch sowohl eine Überarbeitung des spanischen Entwicklungsgesetzes als auch dieser Strukturen. Es bleibt abzuwarten, welche Auswirkungen dies auf die spanische Entwicklungszusammenarbeit haben wird, OECD, OECD Development Co-operation Peer Reviews: Spain 2022, S. 18 – 20.
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defines the position of Spain in the formulation of Community development policy“. Es soll die Führungsrolle in der spanischen Entwicklungszusammenarbeit einnehmen.43 Um diese Rolle auszufüllen, entwirft es u. a. gem. Art. 19 Abs. 3 des spanischen Entwicklungsgesetzes die Master-Pläne für die Entwicklungszusammenarbeit und legt die territorialen und sektoralen Prioritäten fest.44 Ergänzend wurden drei weitere Koordinationsorgane zur Entwicklungszusammenarbeit geschaffen.45 Diese werden in Art. 21 des Gesetzes als Koordinations- und Beratungsorgane bezeichnet46 und sind namentlich der Development Cooperation Council,47 die Inter-territorial Development Cooperation Commission48 und die 43 Vgl. Entwicklungsgesetz Spanien, Art. 19 Abs. 2: „The Secretariat of State for International Cooperation and Ibero-America, as a high-ranking body of the Ministry of Foreign Affairs, assists the Minister in the design and implementation of development cooperation policy and takes responsibility for programming, managing, monitoring and controlling the activities relating thereto.“ 44 Entwicklungsgesetz Spanien, Art. 19 Abs. 3: „The Secretariat of State for International Cooperation and Ibero-America, having heard the opinion of the Development Cooperation Council and the Inter-territorial Cooperation Commission, puts forward the draft Master Plan, in addition to definition the territorial and sector-based priorities described in Article 5.“ 45 OECD, OECD Development Co-operation Peer Reviews: Spain 2016, S. 56. 46 Entwicklungsgesetz Spanien, Art. 21: „The Advisory and coordination bodies for development cooperation are as follows: a) The Development Cooperation Council. b) The Inter-territorial Development Cooperation Commission. c) The Inter-ministerial International Cooperation Commission. The composition, powers, organisation and functions of the above are provided by the corresponding implementing legislation.“ 47 Entwicklungsgesetz Spanien, Art. 22: „1. The Development Cooperation Council is the advisory body of the General State Administration and the participation body defining international development cooperation policy. 2. The Development Cooperation Council, in addition to the Administration, enjoys the participation of social partners, experts, specialised non-governmental organisations and institutions and bodies of a private nature which operate in the field of development assistance. 3. The Development Cooperation Council issues its opinion on the draft Master Plan and the Annual Communication concerning the implementation of the Master Plan and it shall be informed of cooperation results and evaluation. 4. Draft bills and any other general provisions of the State Administration concerning matters relating to development cooperation shall be submitted to the prior report of the Council. These reports shall be forwarded to the International Development Cooperation Commission of Congress. 5. The Development Cooperation Council shall enjoy the necessary resources to fulfil its mission.“ 48 Entwicklungsgesetz Spanien, Art. 23: „1. The Inter-territorial Cooperation Commission is the body for coordination, arrangement and collaboration between Public Administrations making expenditure that is chargeable as official development aid. 2. The duties of the Commission shall aim to further the following objectives: a) Coherence and complementarity of the activities conducted by Public Administrations in the scope of development cooperation. b) A greater degree of efficiency and effectiveness in the identification, design and implementation of development cooperation programmes and projects promoted by the various
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Inter-ministerial International Cooperation Commission.49 Sie haben jeweils spezifische Aufgaben und sollen u. a. dazu beitragen, die Koordination zwischen den verschiedenen Akteuren, die an der spanischen Entwicklungszusammenarbeit beteiligt sind, zu verbessern. Diese Vielzahl an beteiligten Akteuren zeigt, dass auch die Eingliederung der Verantwortung für die Entwicklungszusammenarbeit in das Außenministerium nicht zwangsläufig mit einer Vereinfachung der Organisationsstrukturen einhergeht und dem Problem der innerstaatlichen Koordination auch in diesem Fall begegnet werden muss. Österreich hat die übergeordnete Kompetenz für die Entwicklungszusammenarbeit ebenfalls auf das Außenministerium übertragen. Gem. § 28 S. 1 des österreichischen Entwicklungsgesetzes ist im Grundsatz der Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten mit der Vollziehung des Gesetzes betraut.50 Das Gesetz soll jedoch gem. § 28 S. 3 die Angelegenheiten der anderen Bundesminister auch dann nicht berühren, wenn diese Entwicklungszusammenarbeit darstellen können. Es gibt dementsprechend in Österreich eine Vielzahl an Ministerien, die Maßnahmen, die als ODA angerechnet werden können, durchführen und betreuen.51 Im Gegensatz zu Spanien gründet oder benennt das österreichische Entwicklungsgesetz aber kein spezifisches Koordinationsorgan. Stattdessen hat der Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten gem. § 22 S. 2 des Gesetzes „die Koordination der internationalen Entwicklungspolitik sowohl in Österreich wie auch im Hinblick auf Art. 180 EGV sicherzustellen“. Diese Koordinationsaufgabe wird im Gesetz nicht näher konkre-
Public Administrations, which are fully autonomous for these purposes, in the scope of their respective powers. c) Participation of Public Administrations in the creation of the Master Plan and the definition of its priorities. 3. A regulation shall govern its composition and operation, guaranteeing the presence and participation of Autonomous Regions, Local Authorities or the instances of supra-municipal coordination to which such local bodies expressly delegate authority.“ 49 Entwicklungsgesetz Spanien, Art. 24: „1. The Inter-ministerial International Cooperation Commission is the inter-ministerial technical coordination body of the General State Administration for development cooperation. 2. The Inter-ministerial International Cooperation Commission, following the opinion of the Congress and the Senate, shall submit to the approval of the Government, through the Minister of Foreign Affairs and Cooperation, the draft Master Plan and be informed on cooperation results and evaluation.“ 50 Entwicklungsgesetz Österreich, § 28: „Mit der Vollziehung dieses Bundesgesetzes ist der Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten, hinsichtlich des § 23 im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Finanzen, betraut. Mit der Vollziehung des § 7 Abs. 1 ist der Bundesminister für Finanzen betraut. Mit der Vollziehung des § 1, § 12 Abs. 1 bis 3 und § 22 ist der jeweils zuständige Bundesminister betraut. Im Übrigen bleibt die Zuständigkeit des jeweiligen Bundesministers für Angelegenheiten, die auch Entwicklungszusammenarbeit darstellen können, abgesehen von der Kompetenz des Bundesministers für auswärtige Angelegenheiten für Entwicklungszusammenarbeit und für die Koordination der internationalen Entwicklungspolitik, vom vorliegenden Gesetz unberührt.“ 51 OECD, OECD Development Co-operation Peer Reviews: Austria 2015, S. 51.
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tisiert und ist nicht mit einer formellen Autorität über die übrigen an der Entwicklungszusammenarbeit beteiligten Ministerien verbunden.52
III. Entwicklungszusammenarbeit als eigenständiger Teilbereich des Außenministeriums Das dänische Kompetenzmodell stellt ein Beispiel für die Variante dar, in der das Aufgabengebiet der Entwicklungszusammenarbeit in das Außenministerium eingegliedert, dort jedoch einem eigenständigen Verantwortungsbereich zugewiesen ist.53 Dänemark hat einen Minister für die Entwicklungszusammenarbeit, der aber wie auch der Außenminister dem Außenministerium zugeordnet ist. Gem Art. 2 des dänischen Entwicklungsgesetzes hat dieser die Aufgabe, „to coordinate Denmark’s participation in international negotiations relating to development policy issues and to administer the Danish State’s bilateral and multilateral development cooperation“. Entsprechend Art. 3 des Gesetzes ist er berechtigt „technical and financial support to partners in developing countries, including through relevant development actors such as multilateral institutions, international organisations, multilateral development banks […]“ zu vergeben. Gem. Art. 4 Abs. 1 ist es zudem seine Aufgabe, „to ensure openness in the administration of the development assistance“ und nach Art. 4 Abs. 2 soll er in diesem Zusammenhang detaillierte Regeln erstellen. Darüber hinaus wird er durch Art. 5 des Gesetzes verpflichtet, einmal im Jahr einen Vier-Jahres-Plan zu erstellen und diesen dem dänischen Parlament zu präsentieren. Das dänische Entwicklungsgesetz überträgt dem Entwicklungsminister mithin umfassende Aufgaben im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit. Es stattet den Minister zwar nicht ausdrücklich mit den dafür erforderlichen Kompetenzen aus. Aus dem Sinn und Zweck der Normen ergibt sich gleichwohl, dass der Minister auch die dafür erforderlichen Kompetenzen hat.54
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OECD, OECD Development Co-operation Peer Reviews: Austria 2020, S. 62; OECD, OECD Development Co-operation Peer Reviews: Austria 2015, S. 51. 53 OECD, OECD Development Co-operation Peer Reviews: Denmark 2016, S. 55; Ministry of Foreign Affairs of Denmark, About Danida, https://um.dk/en/danida/about-danida (letzter Zugriff: 09. 05. 2022). 54 Dieser Schluss von den Aufgaben auf die Kompetenzen ist im Völkerrecht unter der Implied-Powers-Lehre bekannt. Sie stellt im Ergebnis aber lediglich eine Ausformung der teleologischen Auslegung dar und ist in ihrem Grundgedanken auch auf Gesetze anwendbar. Die gesetzliche Übertragung von Aufgaben ist nur dann schlüssig, wenn sie konkludent die Übertragung der Kompetenzen zur Erfüllung dieser Pflichten auf den Normadressaten erfasst. Soweit Normadressaten zu einem bestimmten Verhalten gesetzlich verpflichtet werden, ist mithin davon auszugehen, dass diese konkludent die dafür erforderlichen Kompetenzen erhalten. Allgemein zu der Implied-Powers-Lehre und mit weiteren Nachweisen Blokker, International Organizations or Institutions, Implied Powers (Updated 12/2021), www.mpepil.com (letzter Zugriff: 09. 05. 2022).
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Der dänische Entwicklungsminister ist für die Verwaltung der bilateralen und multilateralen Entwicklungszusammenarbeit zuständig und dadurch das Leitorgan der dänischen Entwicklungszusammenarbeit. Aus dem Gesetz ergeben sich aber keine umfassenden Koordinationskompetenzen oder eine formelle Autorität über andere Ministerien, und es wird auch kein anderes Ministerium oder Organ mit einer entsprechenden Kompetenz ausgestattet. Gem. Art. 10 Abs. 1 des dänischen Entwicklungsgesetzes wurde ein Rat für die Entwicklungspolitik gegründet.55 Dieser soll gem. Art. 10 Abs. 2 einen Rahmen für einen fortlaufenden strategischen Dialog bieten und den Minister für Entwicklungszusammenarbeit bei der Erfüllung, der durch das Gesetz begründeten Aufgaben, beraten. Der Rat wird jedoch nicht mit spezifischen Kompetenzen ausgestattet, und das Gesetz macht keine Vorgaben bezüglich besonderer Voraussetzungen, die die Mitglieder des Rates erfüllen müssen. Es handelt sich mithin ausschließlich um ein Beratungsorgan ohne darüberhinausgehende Kompetenzen. Ebenso wie Dänemark hat auch Italien die Verantwortung für die Entwicklungszusammenarbeit in das Außenministerium eingegliedert. Gem. Art. 11 Abs. 1 des italienischen Entwicklungsgesetzes trägt der Außenminister die politische Verantwortung für die Entwicklungszusammenarbeit.56 Er soll die politische Richtung vorgeben und die Koordination der Entwicklungsmaßnahmen sicherstellen. Gem. Art. 11 Abs. 3 S. 1 überträgt der Außenminister „the powers for development cooperation to a Deputy Minister“. Dieser hat gem. Art. 11 Abs. 3 S. 2 u. a. das Recht, „to participate, without the right to vote, to the meeting of the Council of Ministers dealing with subject matters that may directly or indirectly effect the coherence and effectiveness of development cooperation policies“. Dadurch wird sichergestellt, dass auch in Themenbereichen, die nur indirekt Einfluss auf die Entwicklungszusammenarbeit nehmen, die Belange der Entwicklungspolitik zumindest angehört werden. 55 Entwicklungsgesetz Dänemark, Art. 10: „(1). A Council for Development Policy shall be established. (2). The Council for Development Policy shall provide the framework for an ongoing strategic dialogue with and advice to the Minister for Development Cooperation in connection with the completion of the tasks for which the Minister for Development Cooperation is responsible in pursuance of this Act. (3). The Minister for Development Cooperation shall appoint the members of the Council for Development Policy. (4). The Council for Development Policy shall have up to 15 members appointed for a period of three years at a time, reappointment for one additional three-year period being possible. (5). The Minister for Development Cooperation shall appoint one chairman from among the members of the Council for Development Policy. (6). The Minister for Development Cooperation shall lay down the rules of procedure for the council mentioned in Subsection (1) above.“ 56 Entwicklungsgesetz Italien, Art. 11 Abs. 1: „The political responsibility of development cooperation is attributed to the Minister of Foreign Affairs and International Cooperation, who sets forth the policy orientation and assures unity and coordination of all national cooperation initiatives pursuant to the decisions of the Committee indicated in Article 15.“
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Wie in den anderen Staaten verantworten auch in Italien weitere Ministerien erhebliche Anteile der ODA.57 Ergänzt wird die kompetenzrechtliche Norm deshalb durch Art. 15, der die Gründung eines interministeriellen Komitees für die Entwicklungszusammenarbeit (Interministerial Development Cooperation Committee, CICS (Comitato Interministeriale per la Cooperazione allo Sviluppo)) regelt, und Art. 16, der die Gründung eines nationalen Rates für Entwicklungszusammenarbeit (National Development Cooperation Council) bestimmt. Der National Development Cooperation Council ist gem. Art. 16 Abs. 2 auf eine beratende Funktion beschränkt. Er hat die Aufgabe, „to express its opinion on development cooperation issues, and especially on the consistency of policy choices, strategies, orientations, programming, form of intervention and their effectiveness and on the evaluation thereof“. Der CICS ist dagegen mit weitgehenden Kompetenzen ausgestattet. Gem. Art. 15 Abs. 1 ist er mit der Aufgabe, „of assuring the programming and coordination of all the activities set forth in Article 4 and the coordination of national development cooperation policies“ gegründet worden. Art. 4 des Gesetzes nennt die verschiedenen Ausformungen mittels derer Entwicklungszusammenarbeit durchgeführt werden kann.58 Die Koordinationsaufgabe umfasst mithin sämtliche Varianten der italienischen Entwicklungszusammenarbeit. Gem. Art. 15 Abs. 2 des Gesetzes ist der CICS „chaired by the President of the Council of Ministers and comprises the Minister of Foreign Affairs and International Cooperation, who shall be deputy chairman, the Deputy Minister of Development Cooperation, to whom the Minister of Foreign Affairs and International Cooperation can delegate his powers, and by the Ministers of the Interior, of Defence, of Economy and Finance, of Economic Development, of Agricultural, Food and Forestry Policies, of Labour and Social Policies, of Health and of Education, Universities and Research.“
Der CICS setzt sich mithin ebenso wie das südkoreanische CIDC aus hochrangigen Mitgliedern zusammen und entfaltet bereits aufgrund seiner Zusammensetzung eine erhebliche Autorität. Soweit auf der Agenda der Treffen des CICS Themen stehen, die die Aufgabenbereiche andere Ministerien betreffen, werden gem. Art. 15 Abs. 5 zudem die jeweils zuständigen Minister oder andere politische Vertreter eingeladen. Diesem Komitee gehören mithin alle hochrangigen Regierungsmit57
OECD, OECD Development Co-operation Peer Reviews: Italy 2019, S. 65. Entwicklungsgesetz Italien, Art. 4: „All the development cooperation activities addressing the subjects indicated in Article 2, Paragraph 1, hereinafter named ,public development cooperation (PDC)‘, aimed at supporting the balanced development of the areas of intervention through actions reinforcing the autonomous human and material resources, shall be divided into: a) Multilateral initiatives; b) Participations in European Union cooperation programmes; c) Donorship initiatives, as laid down in Article 7, in bilateral relations; d) Initiatives financed through concessionary loans; e) Territorial partnership initiatives; f) International humanitarian relief interventions; g) Contributions to the civil society initiatives laid down in Chapter VI.“ 58
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glieder an, deren Politikbereiche einen direkten oder indirekten Einfluss auf die Entwicklungszusammenarbeit nehmen. Der CICS koordiniert sämtliche öffentliche Entwicklungsleistungen Italiens und versucht diese in Einklang mit den nationalen Programmplänen zu bringen. Es wird davon ausgegangen, dass gerade die Schaffung eines solchen hochrangig besetzten Komitees zu einer allgemeinen Steigerung der Kohärenz in der Entwicklungszusammenarbeit beitragen kann.59
IV. Keine kompetenzrechtlichen Regelungen Das kanadische Entwicklungsgesetz enthält keine ausdrückliche Regelung der Kompetenz. Gem. Art. 3 Abs. 3 wird der Begriff des zuständigen Ministers als „Minister for International Development, the Minister of Finance, the Minister of Foreign Affairs or any other minister who is providing official assistance“ definiert. Es gibt dementsprechend keinen einzelnen Minister, der für die gesamte Entwicklungszusammenarbeit zuständig ist. Der Begriff des Ministers als solcher im Sinne des Gesetzes ist jedoch gem. Art. 3 Abs. 8 als „Minister for International Development or any other minister designated by the Governor in Council as the Minister for the purposes of this Act“ definiert. Seit der Abschaffung des Entwicklungsministeriums ist nunmehr der Deputy Minister of International Development, der dem Außenministerium zugeordnet ist, für die kanadische Entwicklungszusammenarbeit zuständig.60 Diese Zuständigkeit wird aber nicht durch das kanadische Entwicklungsgesetz bestimmt, sondern durch den Governor in Council. Eine zum kanadischen Gesetz vergleichbare Regelung findet sich im britischen International Development Act 2002. In diesem werden die verschiedenen Aufgaben und Kompetenzen dem „Minister“ übertragen.61 Gem. Art. 1 Abs. 4 des Gesetzes meint „Minister“ den „Secretary of State or the Treasury“. Zuständig für die britische Entwicklungszusammenarbeit ist zur Zeit der Secretary of State for International Development. Durch die abstrakte Formulierung der Zuständigkeit im International Development Act 2002 würde dieses Gesetz gleichwohl der Übertragung der Kompetenz für die Entwicklungszusammenarbeit auf ein anderes Ministerium nicht entgegenstehen. Zudem überträgt es dem zuständigen Minister keine umfassende Kompetenz zur Koordination der Entwicklungszusammenarbeit und begründet auch kein spezifisches Koordinationsorgan. 59 OECD, Recommendation of the Council on Policy Coherence for Sustainable Development, OECD/LEGAL/0381, 2019, Ziff. III, Nr. 1, lit. a); OECD, The DAC Guidelines: Poverty Reduction, 2001, S. 93. 60 OECD, OECD Development Co-operation Peer Reviews: Canada 2018, S. 68. 61 Vgl. Großbritannien, International Development Act 2002, Art. 1 Abs. 1: „The Minister may provide any person or body with development assistance if the Minister is satisfied that the provision of the assistance is likely to contribute to reduction in poverty.“
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Das schweizerische Entwicklungsgesetz bezeichnet die Entwicklungszusammenarbeit als Aufgabe des Bundes. Entsprechend Art. 1 des Gesetzes trifft der Bund Maßnahmen der internationalen Entwicklungszusammenarbeit und gem. Art. 4 koordiniert er seine Maßnahmen mit den Anstrengungen der Partner. Zudem wacht nach Art. 9 Abs. 3 S. 1 der Bundesrat über die wirksame Verwendung der nach diesem Gesetz bewilligten Mittel und sorgt gem. Art. 13 S. 1 außerdem für die verwaltungsinterne Koordination der internationalen Entwicklungszusammenarbeit. In der Praxis wird die Entwicklungszusammenarbeit sodann auch als Querschnittsaufgabe verstanden, die insbesondere durch die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit, die im eidgenössischen Department für auswärtige Angelegenheiten eingegliedert ist, dem Staatssekretariat für Wirtschaft, das dem eidgenössischen Department für Wirtschaft, Bildung und Forschung zugeordnet ist, sowie dem Staatssekretariat für Migration, dass dem eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement zugeordnet ist, durchgeführt wird.62 Zusätzlich sieht das Gesetz eine „Beratende Kommission für internationale Zusammenarbeit“ vor, die jedoch nicht mit Weisungskompetenzen ausgestattet ist.63 Belgien regelt die Frage der Zuordnung der Kompetenzen in der Entwicklungszusammenarbeit ebenfalls nicht im Entwicklungsgesetz. Gem. Art. 2 Nr. 2 des belgischen Entwicklungsgesetzes bezeichnet der Ausdruck Minister im Sinne des Gesetzes das für die belgische Entwicklungszusammenarbeit zuständige Regierungsmitglied.64 Es wird jedoch im Gesetz nicht konkretisiert, welches Regierungsmitglied dies ist. In der Praxis hat Belgien die übergeordnete Zuständigkeit für die Entwicklungszusammenarbeit ebenfalls in das Außenministerium eingegliedert.65 Das Gesetz setzt diese Struktur aber nicht voraus und stünde einer Änderung nicht entgegen. Zudem stattet das Gesetz den jeweils zuständigen Minister auch nicht mit Koordinationskompetenzen aus und begründet keine Pflicht zur Schaffung eines Koordinationsorgans.
C. Fazit Die Koordination zwischen den verschiedenen Politikbereichen, die Auswirkungen auf die Entwicklung der Empfängerstaaten haben, und deren Orientierung an 62
OECD, OECD Development Co-operation Peer Reviews: Switzerland 2019, S. 58. Entwicklungsgesetz Schweiz, Art. 14: „Der Bundesrat ernennt eine Beratende Kommission für internationale Zusammenarbeit. Die Kommission prüft namentlich Ziele und Rangfolge der Massnahmen. Fragen die auch die Aussenwirtschaftspolitik berühren werden an gemeinsamen Sitzungen mit der Konsultativen Kommission für die Handelspolitik beraten.“ 64 Entwicklungsgesetz Belgien, Art. 2 Nr. 2: „Dans la présente loi, on entend par: […] 28 ,le ministre‘: le membre du gouvernement qui a la Coopération belge au Développement dans ses attributions.“ 65 OECD, OECD Development Co-operation Peer Reviews: Belgium 2015, S. 49; OECD, OECD Development Co-operation Peer Reviews: Belgium 2021, S. 55. 63
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den Entwicklungszielen ist eines der zentralen Anliegen des Ansatzes der Politikkohärenz für Entwicklung.66 Die Zuweisung von (Koordinations-)Kompetenzen spielt auch eine entscheidende Rolle für die Förderung der Kohärenz der Entwicklungszusammenarbeit. Die Haushaltsmittel, die als ODA angerechnet werden können, werden in keinem Geberstaat ausschließlich durch ein einzelnes Ministerium verwaltet. Es bedarf deshalb einer Organisationsstruktur, die nicht nur sicherstellt, dass das für die Entwicklungszusammenarbeit vornehmlich zuständige Ministerium diese Haushaltsmittel kohärent im Interesse der Empfängerstaaten verwaltet, sondern auch die übrigen Ministerien. Deutschland hat mit dem BMZ ein Ministerium, dessen primäre Aufgabe es ist, die Entwicklungszusammenarbeit der Bundesregierung anzuleiten. Zu diesem Zweck verwaltet es den größten Teil der deutschen ODA. Dennoch sind zahlreiche weitere Ministerien mit der Durchführung von Projekten betraut, die als ODA angerechnet werden können. Das BMZ ist gegenüber diesen Ministerien nicht mit einer formellen Koordinationskompetenz ausgestattet. Ebenso fehlt es in Deutschland an einem übergeordneten Koordinationsorgan für die Entwicklungszusammenarbeit. Dies führt dazu, dass es in Deutschland keine Instanz gibt, die die formelle Kompetenz hat, sicherzustellen, dass die verschiedenen Ministerien ihre Entwicklungsprojekte an den übergeordneten Leitzielen der Entwicklungszusammenarbeit ausrichten und diese sich in einen übergeordneten Plan zur nachhaltigen Entwicklung der Empfängerstaaten einfügen.67 Dies ist insbesondere aus der Perspektive der Stringenz der Entwicklungszusammenarbeit sowie der Förderung von Synergieeffekten zwischen den einzelnen Entwicklungsprojekten problematisch. In den untersuchten Entwicklungsgesetzen erfolgt die Regelung der Kompetenzen in der Entwicklungszusammenarbeit nicht nach einem einheitlichen System. Die Schaffung eines dediziert für die Entwicklungszusammenarbeit zuständigen Ministeriums, vergleichbar mit dem BMZ in Deutschland, bleibt unter den Geberstaaten die Ausnahme. Soweit die Kompetenzen in den Gesetzen geregelt sind, wurden diese überwiegend dem Außenministerium übertragen. Es lässt sich nicht abstrakt bestimmen, welche dieser Varianten vorzuziehen ist.68 Während die Gründung eines Entwicklungsministeriums dazu beiträgt, dass die Entwicklungszusammenarbeit stets einen Fürsprecher hat, kann eine Eingliederung in das Außenministerium dazu beitragen, dass Synergieeffekte genutzt werden können und die Entwicklungspolitik in die außenpolitischen Gesamtbestrebungen eingegliedert wird.69 Die Gründung eines Entwicklungsministeriums ist insbesondere dann sinnvoll, wenn es mit einer übergeordneten Leitfunktion in Bezug auf die gesamtstaatliche ODA ausgestattet ist. 66
OECD, Policy Coherence for Sustainable Development 2019, 2019, S. 81. Bohnet/Klingebiel/Marschall, Scope and Structure of German Official Development Assistance, D. I. E. Briefing Paper No. 16, 2018, S. 3. 68 Gulrajani, Dilemmas in Donor Design, Public Admin. Dev. 35 (2015), S. 152 (162); OECD, Effective Aid Management: Twelve lessons from DAC Peer Reviews, 2008, S. 11. 69 Gulrajani, Organising for Donor Effectiveness, Dev. Policy Rev. 32 (2014), S. 89 (102). 67
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Die Eingliederung der Kompetenzen für die Entwicklungszusammenarbeit in das Außenministerium ist dagegen dann sinnvoll, wenn sichergestellt wird, dass die Entwicklungszusammenarbeit nicht der Außenpolitik untergeordnet wird.70 Die Beispiele Kanadas und Australiens zeigen, dass auch in Staaten, die ein Entwicklungsministerium geschaffen haben, Systemwechsel stattfinden können. In Kanada hatte sich beispielsweise das Versprechen, dass ein Entwicklungsministerium einen starken Fürsprecher für eine kohärente Entwicklungszusammenarbeit darstellt, nicht ausreichend bewahrheitet, um das Fortbestehen dieses Ministeriums zu rechtfertigen.71 Bei den kompetenzrechtlichen Bestimmungen geht es mithin weniger darum, welches Ministerium die Kompetenzen zugewiesen bekommt, als vielmehr dass dies in hinreichend bestimmter Form geschieht.72 Wenngleich es empirisch nur schwer nachweisbar ist, welchen Einfluss die Zuweisung der Kompetenzen zu einem einzelnen Ministerium auf die Entwicklungszusammenarbeit hat, so gibt es dennoch Anzeichen dafür, dass die Festlegung eines Leitministeriums positiven Einfluss auf die Kohärenz der Entwicklungszusammenarbeit nimmt.73 Zugleich berücksichtigen einige der Vergleichsgesetze, dass die Entwicklungszusammenarbeit ein Bereich ist, der stets die Kompetenzbereiche verschiedener Ministerien berührt. Es sollte deshalb entweder das jeweilige Leitministerium mit einer Koordinationskompetenz ausgestattet werden oder ein Organ geschaffen werden, das die Koordinationsaufgaben übernimmt.74 Allein die Tatsache, dass es ein für die Entwicklungszusammenarbeit zuständiges Ministerium gibt, genügt, aufgrund der geringen Bedeutung die ein solches Ministerium im Vergleich zu den anderen Ministerien regelmäßig hat, nicht, um eine ausreichende Koordination der Maßnahmen sicherzustellen.75 Kompetenzrechtliche Bestimmungen sind in der Entwicklungszusammenarbeit mithin insbesondere an zwei Qualitätsmerkmalen zu messen: einerseits müssen sie hinreichend bestimmt sein und die Kompetenzen eindeutig zuweisen, andererseits sollten sie der Tatsache Rechnung tragen, dass in der Entwicklungszusammenarbeit stets auch weitere Ministerien involviert sind.76 Dies macht es notwendig, dass 70 Brombacher, Geberstrukturen in der Entwicklungspolitik: Reformansätze für die Steuerung und Koordinierung der deutschen Entwicklungszusammenarbeit, SWP-Studie S 27, 2009, S. 6. 71 Gulrajani, Organising for Donor Effectiveness, Dev. Policy Rev. 32 (2014), S. 89 (101). 72 OECD, Effective Aid Management: Twelve lessons from DAC Peer Reviews, 2008, S. 11. 73 Faure/Long/Prizzon, Do Organisational and Political Models for Development Cooperation Matter for Development Effectiveness?, ODI Working Paper, April 2015, S. 20. 74 OECD, Recommendation of the Council on Policy Coherence for Sustainable Development, OECD/LEGAL/0381, 2019, Ziff. III, Nr. 1; OECD, Managing Aid: Practices of DAC Member Countries, 2009, S. 18. 75 Brombacher, Geberstrukturen in der Entwicklungspolitik, SWP-Studie S 27, 2009, S. 13. 76 OECD, Building Blocks for Policy Coherence for Development, 2009, S. 29 – 30.
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entweder das für die Entwicklungszusammenarbeit zuständige Ministerium eine Koordinationsfunktion erhält, oder dass für diese Aufgabe ein zusätzliches Instrument geschaffen wird. Es wird davon ausgegangen, dass insbesondere die Schaffung eines hochrangig besetzten Gremiums, das ausdrücklich für die Koordination der Entwicklungszusammenarbeit gegründet wird, wie es beispielsweise die Entwicklungsgesetze von Südkorea und Italien vorsehen, geeignet ist, Kompetenzstreitigkeiten zwischen den beteiligten Ministerien entgegenzuwirken und dadurch die Kohärenz zu fördern.77 Die Einrichtung eines solchen Gremiums sollte deshalb auch in Deutschland angestrebt werden.78 Die Entstehungsgeschichte des südkoreanischen CIDC zeigt, dass es dabei nicht nur mit entsprechenden Kompetenzen ausgestattet werden sollte, sondern auch einen ausdrücklichen Koordinationsauftrag zugewiesen bekommen sollte. Die Zuordnung von (Koordinations-)Kompetenzen spielt eine entscheidende Rolle für die Kohärenz der Entwicklungszusammenarbeit. Die Betrachtung der Vergleichsgesetze hat gezeigt, dass Entwicklungsgesetze in diesem Zusammenhang eine wichtige Organisationsfunktion einnehmen können. Ein mögliches deutsches Entwicklungsgesetz sollte deshalb ebenfalls die kompetenzrechtlichen Fragen der Entwicklungszusammenarbeit adressieren.
§ 2 Transparenz Eine größtmögliche Transparenz stellt eines der zentralen Ziele der internationalen Entwicklungszusammenarbeit dar.79 Sie wird als Grundbedingung für eine effektive Entwicklungszusammenarbeit angesehen.80 Auf Seiten der Geberstaaten ist sie insbesondere in zwei Konstellationen von Bedeutung: einerseits gegenüber den eigenen Parlamenten, der Zivilbevölkerung und den Nichtregierungsorganisationen. Diese wird im Folgenden als interne Transparenz bezeichnet. Andererseits ist sie gegenüber den Empfängerstaaten sowie den anderen Gebern, nachfolgend als externe Transparenz bezeichnet, von Bedeutung. 77 OECD, Recommendation of the Council on Policy Coherence for Sustainable Development, OECD/LEGAL/0381, 2019, Ziff. III, Nr. 1, lit. a); OECD, The DAC Guidelines: Poverty Reduction, 2001, S. 93. 78 So auch Bohnet/Klingebiel/Marschall, Scope and Structure of German Official Development Assistance, D. I. E. Briefing Paper No. 16, 2018, S. 3; Brombacher, Geberstrukturen in der Entwicklungspolitik, SWP-Studie S 27, 2009, S. 25. 79 GPEDC, Nairobi Outcome Document, 2016, Ziff. 77; OECD/UNDP, Making Development Co-operation More Effective, 2019, S. 142; OECD/UNDP, Making Development Cooperation more Effective, 2016, S. 100; Sarkar, International Development Law, 2009, S. 107. 80 Easterly/Williamson, Rhetoric versus Reality, World Dev. 39 (2011), S. 1930 (1932); Ghosh/Kharas, The Money Trail, World Dev. 39 (2011), S. 1918 (1925); OECD, DAC High Level Communiqué: 31 October 2017, Ziff. 24.
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Teil 6: Interne Strukturierung der Geberstaaten
Die interne Transparenz ist eine notwendige Voraussetzung, um die Entwicklungszusammenarbeit zu kontrollieren.81 Sie ermöglicht es, Regierungen im Falle von Fehlentwicklungen zur Rechenschaft zu ziehen, und trägt dadurch dazu bei, entsprechenden Fehlentwicklungen vorzubeugen.82 Außerdem stärkt sie das Vertrauen der Bürger in das politische Handeln.83 Gerade in einem Bereich wie der Entwicklungszusammenarbeit, in dem die Ausgaben nicht unmittelbar der eigenen Bevölkerung zugutekommen, aber durch Steuergelder von dieser finanziert und deshalb teilweise skeptisch betrachtet werden, ist eine größtmögliche Transparenz notwendig, um die Akzeptanz zu stärken.84 Das Bundesverfassungsgericht hat dementsprechend allgemein festgestellt, dass „die Schaffung von Transparenz […] einen Beitrag zum öffentlichen Meinungsbildungsprozess [leistet] […] und einen eigenständigen legitimen Zweck der Gesetzgebung darstellt“.85 Zudem kann eine umfassende Transparenz dazu beitragen, dass Informationsdefizite zwischen den verschiedenen auf Geberseite beteiligten Akteuren, die ein Grund für Inkohärenzen sein können,86 vermieden werden.87 Diese Faktoren führen dazu, dass Geberstaaten, die die Entwicklungszusammenarbeit in einer transparenten Art und Weise durchführen, diese stärker anhand objektiver Kriterien wie der Bedürftigkeit der Empfängerstaaten ausrichten.88 Eine Stärkung der internen Transparenz kann mithin zu einer Objektivierung der Entscheidungsprozesse beitragen und einer entwicklungsfremden Verwendung der Haushaltsmittel, die für die Entwicklungszusammenarbeit zur Verfügung gestellt werden, vorbeugen. Kursänderungen in der politischen Ausrichtung können nachvollzogen werden und sind deshalb mit einem erhöhten Rechtfertigungsbedürfnis verbunden. Ohne eine weitgehende Transparenz ist zudem eine umfassende Evaluation der ODA kaum möglich. Regelmäßige Evaluationen sind notwendig, um neue Erkenntnisse über die 81
Ostermann, Transparenz und öffentlicher Meinungsbildungsprozess, 2019, S. 2. Lancaster, Foreign Aid, 2007, S. 20. 83 BVerfG, Urteil vom 5. November 1975, 2 BvR 193/74, BVerfGE 40, S. 296 – 352 (327); OECD, DAC High Level Communiqué: 31 October 2017, Ziff. 24. Gerade in Bezug auf die Entwicklungszusammenarbeit besteht in der Bevölkerung eine erhebliche Skepsis. In einer vom IfD Allensbach durchgeführten GPI Studie aus dem Jahr 2017 haben 54 % der befragten angegeben, dass die Entwicklungszusammenarbeit (in der Umfrage als Entwicklungshilfe bezeichnet) nur zu einem gewissen Teil dort ankommt wo sie benötigt wird und nur 44 % der befragten vertrauen darauf, dass die durch den Staat durchgeführte Entwicklungszusammenarbeit wirksam ist und zur Verbesserung der Verhältnisse in den Entwicklungsländern beiträgt, GPI Studie 2017 – Wie die Deutschen Entwicklung und die Zukunft Afrikas sehen, S. 19 – 20. 84 Ghosh/Kharas, The Money Trail, World Dev. 39 (2011), S. 1918 (1919). 85 BVerfG, Urteil vom 24. November 2010, 1 BvF 2/05, BVerfGE 128, S. 1 – 90 (3. Leitsatz). 86 Ashoff, Politikkohärenz, in: Faust/Neubert (Hrsg.), Wirksamere Entwicklungspolitik, 2010, S. 346 (362 – 363). 87 Stockmann, Entwicklungsstrategien und Entwicklungszusammenarbeit, in: Stockmann/ Menzel/Nuscheler (Hrsg.), Entwicklungspolitik, 2016, S. 425 (429). 88 Faust, Donor Transparency and Aid Allocation, D. I. E. Discussion Paper No. 12, 2011, S. 17. 82
§ 2 Transparenz
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Effektivität der durchgeführten Maßnahmen zu gewinnen, Ressourcenverschwendungen zu vermeiden89 und potenzielle Synergieeffekte zu fördern.90 Die interne Transparenz hat dementsprechend erhebliche Auswirkungen auf die Kohärenz der Entwicklungszusammenarbeit. Die externe Transparenz ist ebenfalls von großer Bedeutung für die Kohärenz der Entwicklungszusammenarbeit. Nur wenn die Geberstaaten hinreichend transparent in Bezug auf ihre Vergabekriterien und ihre geplanten Ausgaben sind, können einerseits die Empfängerstaaten ihren Entwicklungsprozess planen und Entwicklungskonzepte aufstellen und andererseits die übrigen Geber ihre Leistungen auf diese abstimmen.91 In der Debatte um eine effektivere Entwicklungszusammenarbeit spielen diese Varianten der externen Transparenz ebenfalls eine entscheidende Rolle.92 Ein umfassender Informationsaustausch wird als eine der Grundvoraussetzungen für eine effektive Entwicklungszusammenarbeit angesehen.93 Im Rahmen der externen Transparenz geht es dementsprechend vor allem auch um die Übermittlung von Informationen bezüglich geplanter Entwicklungsmaßnahmen. Eine notwendige Voraussetzung für die externe Transparenz ist deshalb eine umfassende Vorausplanung der ODA durch die Geberstaaten. In dieser Arbeit wird zwischen einer Pflicht zur Transparenz und einer Pflicht zur Erstellung von politischen Leitdokumenten unterschieden. Obwohl es sich dabei um zwei Seiten der gleichen Medaille handelt94 und auch die Erstellung von politischen Leitdokumenten einer verbesserten Transparenz dient, wurde sich aus Gründen der Übersichtlichkeit für eine getrennte Darstellung entschieden. Im Rahmen dieses Untersuchungsabschnittes wird sich unter dem Titel der Transparenz insbesondere mit der Veröffentlichung von Informationen bezüglich bereits durchgeführter Projekte auseinandergesetzt. Die Veröffentlichung der geplanten Entwicklungszusammenarbeit als Grundbedingung für die externe Transparenz wird dagegen im nachfolgenden Abschnitt (§ 3) untersucht.
89
Ghosh/Kharas, The Money Trail, World Dev. 39 (2011), S. 1918 (1919). OECD, Recommendation of the Council on Policy Coherence for Sustainable Development, OECD/LEGAL/0381, 2019, Ziff. IV. 91 OECD/UNDP, Making Development Co-operation More Effective, 2019, S. 142. 92 GPEDC, Nairobi Outcome Document, 2016, Ziff. 77; WP-EFF, Paris Declaration on Aid Effectiveness, 2005, Ziff. 49. 93 Ghosh/Kharas, The Money Trail, World Dev. 39 (2011), S. 1918 (1919). 94 Das italienische Entwicklungsgesetz (Art. 12) und das spanische Entwicklungsgesetz (Art. 15) regeln beispielweise sowohl die Pflicht zur Erstellung eines entsprechenden Dokuments zur Vorausplanung der Entwicklungszusammenarbeit als auch eine Berichtspflicht zu den Entwicklungsmaßnahmen des vorangegangenen Jahres jeweils in einem Artikel. 90
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Teil 6: Interne Strukturierung der Geberstaaten
A. Transparenz in der deutschen Entwicklungszusammenarbeit In Deutschland spielen rechtsverbindliche Transparenzpflichten nur eine untergeordnete Rolle. Der Bundeshaushaltsplan sorgt mit dem Einzelplan 23 für eine gewisse Grundtransparenz. Er schlüsselt die Haushaltsmittel für die Entwicklungszusammenarbeit nach dem Leistungszweck auf und ermöglicht es, die Verteilung der Haushaltsmittel für die Entwicklungszusammenarbeit nachzuvollziehen. Es wird jedoch weder nach einzelnen Empfängerstaaten noch nach Sektoren differenziert.95 Aus dem Einzelplan 23 lässt sich somit zwar ablesen, welche Anteile der Haushaltsmittel des BMZ für die bilaterale und die multilaterale Entwicklungszusammenarbeit aufgewendet werden, aber nicht, welche Staaten und Projekte Deutschland konkret fördert und inwieweit diesbezüglich eine ausreichende Kohärenz besteht. In Bezug auf die Transparenz ist bezeichnend, dass teilweise die vertraulichen Erläuterungen innerhalb des Einzelplans 23, die gerade nicht veröffentlicht werden, als wichtigstes Steuerungselement der deutschen Entwicklungszusammenarbeit angesehen werden.96 Zudem dienen die Einzelpläne der Darstellung der geplanten Haushaltsausgaben und nicht der bereits durchgeführter Maßnahmen. In den Leitlinien für die bilaterale finanzielle und technische Zusammenarbeit mit Kooperationspartnern der deutschen Entwicklungszusammenarbeit wird der Begriff der Transparenz ausschließlich als Prüfkriterium für programmorientierte Gemeinschaftsfinanzierungen erwähnt.97 Eine Transparenzverpflichtung für die Entwicklungszusammenarbeit Deutschlands lässt sich diesen Leitlinien dagegen nicht entnehmen. Auf politischer Ebene hat sich Deutschland aber sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene wiederholt zu einer transparenten Entwicklungszusammenarbeit bekannt. Das BMZ bezeichnet die Transparenz als eines der „Leitprinzipien der deutschen Entwicklungspolitik“.98 Es veröffentlicht u. a. Projektdaten nach dem Standard der International Aid Transparency Initiative (IATI). Dabei handelt es sich um eine im Jahr 2008 im Rahmen des dritten hochrangigen Forums zur Wirksamkeit der Entwicklungszusammenarbeit in Accra gegründeten Initiative, die zu mehr Transparenz in der Entwicklungszusammenarbeit beitragen soll.99 Deutschland ist ein Gründungsmitglied dieser Initiative.100 Die GIZ101 und die 95 Neumann, Die Förderung der Rule of Law in der Entwicklungszusammenarbeit, 2013, S. 160. 96 Groß, Deutsches Entwicklungsverwaltungsrecht, in: Dann/Kadelbach/Kaltenborn (Hrsg.), Entwicklung und Recht, 2014, S. 659 (662). 97 BMZ, Leitlinien für die bilaterale finanzielle und technische Zusammenarbeit mit Kooperationspartnern der deutschen Entwicklungszusammenarbeit, BMZ Konzepte 165, S. 25. 98 BMZ, Transparenz für mehr Wirksamkeit, https://www.bmz.de/de/ministerium/zahlenfakten/transparenz-projekt-und-organisationsdaten (letzter Zugriff: 09. 05. 2022). 99 Ghosh/Kharas, The Money Trail, World Dev. 39 (2011), S. 1918 (1918). 100 BMZ, Internationale Transparenzstandards, https://www.bmz.de/de/ministerium/zahlenfakten/internationale-transparenzstandards-59280 (letzter Zugriff: 09. 05. 2022). 101 GIZ, Projektdaten, https://www.giz.de/projektdaten/index.action?request_locale=de_ DE (letzter Zugriff: 09. 05. 2022).
§ 2 Transparenz
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KfW102 haben zu ihrer Umsetzung Transparenzportale eingerichtet, in denen nähere Informationen zu den geförderten Projekten abgerufen werden können. Die Projekte werden in diesen Portalen näher beschrieben, und es wird eine Wertung bezüglich ihrer bisherigen Erfolge in der Umsetzung und Wirkung vorgenommen. Dies ermöglicht es Außenstehenden, nachzuvollziehen, welche Projekte gefördert werden und wie deren Wirksamkeit eingeschätzt wird. Die Daten spiegeln die deutsche Entwicklungszusammenarbeit dementsprechend detailliert wider. Aufgrund der Vielzahl einzelner Projekte ist es für Außenstehende gleichwohl schwierig, durch die Transparenzportale einen Überblick über die grundlegende Ausrichtung der deutschen Entwicklungszusammenarbeit zu erhalten.103 Das BMZ versucht aber, durch ein Visualisierungsportal für die IATI-Daten die Darstellung übersichtlicher zu gestalten.104 Die Gesamtentwicklung der deutschen Entwicklungszusammenarbeit wird insbesondere in den entwicklungspolitischen Berichten, die einmal pro Legislaturperiode erscheinen, dargestellt. Dabei handelt es sich um ausführliche Berichte über den Stand der deutschen Entwicklungszusammenarbeit. Sie beruhen jedoch nicht auf festgelegten Kriterien und haben keine einheitliche Struktur. Dies führt dazu, dass sich die inhaltlichen Schwerpunkte von Bericht zu Bericht unterscheiden können. Sie sind im Wesentlichen eine Darstellung der bestehenden Herausforderungen, der zentralen Ziele sowie der bisherigen Erfolge der deutschen Entwicklungszusammenarbeit.105 Die Untersuchungen zum Auswahlprozess der Empfängerstaaten haben gezeigt, dass es grundsätzlich in Bezug auf alle potenziellen Leistungsempfänger Argumente gibt, die für eine Förderung sprechen. Ein Zusammenhang zwischen Verschiebungen innerhalb der Allokation der ODA und den sich verändernden Eigeninteressen des Geberstaates lässt sich dadurch nur schwer erkennen. Dies gilt umso mehr, wenn abweichende Strukturen der einzelnen Berichte die Vergleichbarkeit verringern. Die entwicklungspolitischen Berichte sind deshalb nicht geeignet, um einen Überblick über die Kohärenz der Entwicklungszusammenarbeit zu
102 KfW, KfW-Transparenz-Portal, https://www.kfw.de/microsites/Microsite/transparenz.kfw.de/#/start (letzter Zugriff: 09. 05. 2022). 103 Die aktuellen IATI Projektdaten „umfassen die zum Stichtag 19. 05. 2021 laufenden sowie die im Zeitraum 01. 01. 2013 – 19. 05. 2021 beendeten Maßnahmen der bilateralen Entwicklungszusammenarbeit, die vom BMZ finanziert werden“. Dies umfasst 16.161 Projekte und Programme, BMZ, Visualisierungsportal IATI-Daten, http://www.bmz.de/de/ministerium/zah len_fakten/transparenz-fuer-mehr-Wirksamkeit/iati/index.jsp (letzter Zugriff: 09. 05. 2022). 104 BMZ, Visualisierungsportal IATI-Daten, http://www.bmz.de/de/ministerium/zahlen_fak ten/transparenz-fuer-mehr-Wirksamkeit/iati/index.jsp (letzter Zugriff: 09. 05. 2022). 105 Statt aller: BMZ, EINEWELT – unsere Verantwortung. Globalisierung gerecht gestalten: 16. Entwicklungspolitischer Bericht der Bundesregierung, 2021; BMZ, Entwicklungspolitik als Zukunfts- und Friedenspolitik: 15. Entwicklungspolitischer Bericht der Bundesregierung, 2017; BMZ, 14. Entwicklungspolitischer Bericht: Weißbuch zur Entwicklungspolitik, 2013.
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erhalten. Die deutsche Entwicklungszusammenarbeit weist dementsprechend gewisse Defizite in Bezug auf die Transparenz auf.106
B. Transparenzpflichten im Völker- und Europarecht Das Völker- und Europarecht verpflichten die Geberstaaten nicht in rechtsverbindlicher Weise zur internen Transparenz. Aus der in Art. 210 AEUV normierten Koordinationspflicht lässt sich zwar als Mindestbestandteil eine Pflicht zum Informationsaustausch ableiten.107 Diese Pflicht dient jedoch der Ermöglichung einer Koordination zwischen den europäischen Mitgliedstaaten. Sie erfasst lediglich eine zwischenstaatliche Transparenz zwischen den einzelnen Mitgliedstaaten und der Europäischen Union und verpflichtet die Staaten nicht dazu, Daten über die durchgeführten Projekte der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Dies bedeutet gleichwohl nicht, dass der Grundsatz der Transparenz auf völkerund europarechtlicher Ebene keine Rolle spielt. Transparenz ist eines der zentralen Strukturprinzipien der internationalen Entwicklungszusammenarbeit,108 und es gibt auf völkerrechtlicher Ebene eine Vielzahl von rechtlich unverbindlichen Dokumenten, die das Ziel einer größtmöglichen Transparenz ausdrücklich festhalten. Bereits in der Paris Declaration on Aid Effectiveness wurde die Bedeutung der Transparenz für die Entwicklungszusammenarbeit auch auf Seiten der Geber wiederholt betont.109 Die Accra Agenda for Action bestätigte die Bedeutung der Transparenz.110 Zudem wurde im Rahmen dieses High Level Meetings der Working Party on Aid Effectiveness die IATI ins Leben gerufen.111 Ebenso enthalten beispielsweise die Busan Partnership for Effective Development Co-operation,112 das Mexico High Level Meeting Communiqué113 und das Nairobi Outcome Document114 ausdrückliche Bekenntnisse zur Transparenz in der Entwicklungszusammenarbeit. Insbesondere die IATI, aber auch andere Initiativen wie die Publish What You Fund106 So auch Groß, Deutsches Entwicklungsverwaltungsrecht, in: Dann/Kadelbach/Kaltenborn (Hrsg.), Entwicklung und Recht, 2014, S. 659 (675); Publish What You Fund, Aid Transparency Index 2020, S. 27. Es ist gleichwohl festzuhalten, dass Deutschland im Rahmen des Aid Transparency Index für das Jahr 2022 erhebliche Fortschritte in dieser Hinsicht nachgewiesen werden konnten, Publish What you Fund, Aid Transparency Index 2022, S. 17. 107 Dazu bereits oben Teil 5, § 2, C. 108 GPEDC, Nairobi Outcome Document, 2016, Ziff. 72 – 82; WP-EFF, Busan Partnership for effective Development Co-operation, 2011, Ziff. 11 lit. d). 109 WP-EFF, Paris Declaration on Aid Effectiveness, 2005, Ziff. 16, 32, 49. 110 WP-EFF, Accra Agenda for Action, 2008, Ziff. 24. 111 Ghosh/Kharas, The Money Trail, World Dev. 39 (2011), S. 1918 (1918); McGee, Aid Transparency and Accountability, Dev. Policy Rev. 31, Issue s1 (2013), S. s107 (s107). 112 WP-EFF, Busan Partnership for effective Development Co-operation, 2011, Ziff. 23. 113 GPEDC, Mexico High Level Meeting Communique, 2014, Ziff. 18. 114 GPEDC, Nairobi Outcome Document, 2016, Ziff. 72.
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Kampagne, die jährlich einen Transparenz-Index zur Entwicklungszusammenarbeit herausbringt,115 tragen zu einer verbesserten Transparenz und einem gesteigerten Informationsaustausch bei. Aus diesen Bestrebungen haben sich bisher aber keine rechtsverbindlichen Transparenzpflichten entwickelt. Auch die Mitgliedstaaten der Europäischen Union haben sich beispielsweise im Rahmen des neuen europäischen Konsens über die Entwicklungspolitik gemeinschaftlich zu einer größtmöglichen Transparenz bekannt.116 Diesbezüglich handelt es sich jedoch ebenfalls ausschließlich um politische Versprechungen, die bisher nicht mit rechtsverbindlichen Pflichten einhergehen.
C. Transparenzpflichten in den Entwicklungsgesetzen Auf der Ebene der Entwicklungsgesetze nimmt der Aspekt der Transparenzförderung eine wichtige Rolle ein. Mit Großbritannien und den USA haben gleich zwei der wichtigsten Geberstaaten Gesetze zur Entwicklungszusammenarbeit erlassen, die bereits im Titel den Begriff der Transparenz aufgreifen. Sowohl der International Development (Reporting und Transparency) Act 2006 Großbritanniens als auch der Foreign Aid Transparency and Accountability Act of 2016 der USA enthalten ausdrückliche Rechtspflichten zur Transparenz in der Entwicklungszusammenarbeit. Neben Großbritannien und den USA haben sechs weitere Vergleichsstaaten Aspekte der Transparenz in ihren Entwicklungsgesetzen geregelt. Deren genaue Umsetzung wird nachfolgend untersucht. Es kann in Bezug auf die interne Transparenz zwischen drei Regelungsmodellen differenziert werden. Die erste Option stellt ein abstraktes Bekenntnis zur Transparenz, das nicht mit weitergehenden inhaltlichen Vorgaben verbunden ist, dar. Zweitens können die Entwicklungsgesetze die Normadressaten abstrakt zur Erstellung von Entwicklungsberichten verpflichten, ohne die Anforderungen an den Inhalt näher zu spezifizieren.117 Drittens können die Entwicklungsgesetze eine konkretisierte Pflicht zur internen Transparenz begründen. Gesetze, die dieser Gruppe zuzuordnen sind, enthalten nicht nur eine Pflicht, regelmäßige Berichte über die Entwicklungszusammenarbeit zu erstellen, sondern konkretisieren darüber hinaus auch die Informationen, die diese Berichte enthalten müssen.
115
Siehe Publish What You Fund, Aid Transparency Index 2022. Siehe Gemeinsame Erklärung des Rates und der im Rat vereinigten Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten, des Europäischen Parlaments und der Kommission: Der neue Europäische Konsens über die Entwicklungspolitik, ABlEU Nr. C 210 vom 30. Juni 2017, S. 1, Ziff. 16, 18, 113, 115. 117 Diese Ebene findet sich in keinem der Vergleichsgesetze. Ein Beispiel für diese Form der Transparenz findet sich aber im ungarischen Entwicklungsgesetz. Gem. Art. 15 S. 1 dieses Gesetzes werden die zuständigen Minister zur Erstellung eines Entwicklungsberichts verpflichtet. Der Inhalt dieses Berichts wird jedoch nicht näher konkretisiert. 116
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Teil 6: Interne Strukturierung der Geberstaaten
Von den untersuchten Gesetzen treffen nur die Entwicklungsgesetze der Schweiz und Österreichs keine Aussage zur Förderung der Transparenz. In diesen Gesetzen ist weder ein allgemeines Bekenntnis enthalten noch verpflichten sie die zuständigen Behörden zur Erstellung von Entwicklungsberichten. Die übrigen Gesetze sind, abgesehen vom dänischen Entwicklungsgesetz, der dritten Gruppe zuzuordnen. Das dänische Gesetz verpflichtet gem. Art. 4 Abs. 1 den zuständigen Minister zur Sicherstellung der Transparenz in der Verwaltung der Entwicklungszusammenarbeit.118 Dazu soll er gem. Art 4. Abs. 2 detaillierte Regeln festlegen. Das Gesetz macht jedoch weder Vorgaben bezüglich der Ausgestaltung dieser Regelungen noch konkretisiert es die Anforderungen an die Transparenz in der Verwaltung. Das dänische Gesetz verpflichtet den Minister lediglich gem. Art. 5 dazu, dem dänischen Parlament jährlich einen Bericht über die geplanten Entwicklungsmaßnahmen der nachfolgenden Jahre zu präsentieren.119 Diese Berichte stellen aber eine Darstellung der geplanten Ausgaben dar und keine transparenten Informationen darüber, ob diese auch praktisch umgesetzt wurden. Entsprechende Pflichten zur Erstellung von Dokumenten, die der zukünftigen Entwicklungszusammenarbeit dienen, sind separat untersucht worden.120 In Bezug auf die an dieser Stelle untersuchte interne Transparenz enthält das Gesetz dagegen keine, über die abstrakte Verpflichtung des zuständigen Ministers zur Sicherstellung der Transparenz hinausgehende, Vorgaben. Mit Belgien, Großbritannien, Italien, Kanada, Spanien und Südkorea enthalten sechs der untersuchten Entwicklungsgesetze Transparenzpflichten, die dem dritten Regelungsmodell zuzuordnen. Hinzu kommt der Foreign Aid Transparency and Accountability Act of 2016 der USA, der an dieser Stelle in die Untersuchung mit einbezogen wird und dessen Regelungen ebenfalls der dritten Gruppe zuzuordnen ist. Nachfolgend werden die verschiedenen Modelle der Berichtspflichten, die den Gesetzen dieser Gruppe zu entnehmen sind, näher dargestellt.
I. Das belgische Transparenzmodell Die belgische Entwicklungszusammenarbeit wird durch das Entwicklungsgesetz umfassend zur Transparenz verpflichtet. Das Gesetz enthält zunächst in Art. 12 ein
118 Entwicklungsgesetz Dänemark, Art. 4: „(1). It is the responsibility of the Minister for Development Cooperation to ensure openness in the administration of the development assistance. (2). The Minister for Development Cooperation shall lay down detailed rules in this regard.“ 119 Entwicklungsgesetz Dänemark, Art. 5: „Once a year, the Minister for Development Cooperation shall present a four-year plan to the Folketing (Danish Parliament) covering expenditure on bilateral as well as multilateral development activities for the following financial year and the subsequent years covered by the budget estimations of the finance bill.“ 120 Unten Teil 6, § 3.
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abstraktes Bekenntnis zur Transparenz.121 Danach soll sowohl die Verwirklichung der in Kapitel 2 genannten Ziele als auch die Beachtung der in Kapitel 3 genannten Grundprinzipen in transparenter Weise geschehen. Die in Kapitel 2 und 3 genannten Ziele und Grundprinzipen gelten für die „Belgische Entwicklungszusammenarbeit“. Diese ist gem. Art. 2 an die ODA-Definition angelehnt und erfasst alle Leistungen, die vom OECD-DAC als ODA angerechnet werden. Die Transparenzverpflichtung des Art. 12 des belgischen Entwicklungsgesetzes ist mithin nicht auf einzelne Ministerien beschränkt, sondern gilt für alle Akteure auf belgischer Seite, die Maßnahmen verantworten, die als ODA anrechenbar sind. Diese abstrakte Transparenzpflicht wird in Art. 35 des Entwicklungsgesetzes durch eine Berichtspflicht konkretisiert.122 Der zuständige Minister ist gem. Art. 35 S. 1 dazu verpflichtet, bis zum 15. Mai des jeweiligen Jahres einen Bericht über die belgische Entwicklungszusammenarbeit des vorangegangenen Jahres an das Parlament zu übermitteln. Dieser Bericht muss gem. Art. 35 S. 2 Nr. 1 die Ergebnisse der belgischen Entwicklungszusammenarbeit unter Berücksichtigung der in Kapitel 2 und 3 definierten Ziele und Prinzipien erläutern. Gem. Art. 35 S. 2 Nr. 2 muss er zudem Empfehlungen in Bezug auf die Politikkohärenz im Interesse der Entwicklung enthalten. Der Bericht dient mithin einerseits einer Darstellung der Ergebnisse der belgischen Entwicklungszusammenarbeit und andererseits der Frage, wie die Politikkohärenz für Entwicklung in der belgischen Politik verbessert werden kann.
II. Das kanadische Transparenzmodell Das kanadische Entwicklungsgesetz wurde ebenfalls mit dem Ziel erlassen, die Transparenz in der kanadischen Entwicklungszusammenarbeit zu erhöhen.123 Es verpflichtet den zuständigen Minister in Art. 5 Abs. 1 dazu, beiden Kammern des Parlaments einen jährlichen Bericht über die Entwicklungszusammenarbeit vorzulegen.124 Dieser Bericht muss gem. Art. 5 Abs. 1 lit. a) die Gesamtsumme, die die 121
Entwicklungsgesetz Belgien, Art. 12: „La réalisation des objectifs mentionnés au chapitre 2 er l’application des principles de base mentionnés au chapitre 3 se font dans la transparente et en concertation avec les actuers concernés visés à l’article 2, 58, 68 et 78.“ 122 Entwicklungsgesetz Belgien, Art. 35: „Au plus tard le 15 mais de chaque année, le ministre présente au Parlement fédéral le rapport de la Coopération belge au Développement de l’année antérieure. Ce rapport mentionne: 18 les résultats de la Coopération belge au Développement par rapport aux objectifs défins au chapitre 2 et aux principe defines au chapitre 3; 28 des recommandations concernant la coherence des politiques en faveur du développement visée aux articles 2, 168, 8 et 31.“ 123 Dufresne, Notes on Bill C-293, 2008, http://publications.gc.ca/collections/collection_2 009/bdp-lop/prb/prb0631-3e.pdf (letzter Zugriff: 09. 05. 2022), S. 1. 124 Entwicklungsgesetz Kanada, Art. 5 Abs. 1: „The Minister or the competent minister shall cause to be submitted to each House of Parliament, within six months after termination of each fiscal year or, if that House is not then sitting, on any of the first five days next thereafter that the House is sitting, a report containing
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kanadische Regierung für ODA im jeweiligen Haushaltsjahr aufgewendet hat, gem. Art. 5 Abs. 1 lit. b) eine Zusammenfassung aller Aktivitäten und Initiativen, die dem Gesetz unterfallen, gem. Art. 5 Abs. 1 lit. c) eine Zusammenfassung der Aktivitäten die dem Bretton Woods and Related Agreements Act unterfallen.125 Der Minister wird zudem durch Art. 5 Abs. 2 verpflichtet, einen statistischen Bericht über die getätigten Auszahlungen für die öffentliche Entwicklungszusammenarbeit zu erstellen.126 Auch das Entwicklungsgesetz Kanadas legt mithin Informationen fest, die die Berichte enthalten müssen. Gleichzeitig beziehen diese Berichte die Aktivitäten innerhalb der Bretton-Woods-Institutionen mit ein und ermöglichen es dadurch zu überprüfen, ob diese Aktivitäten mit den Zielen der kanadischen Entwicklungszusammenarbeit konsistent sind.
III. Das italienische Transparenzmodell Gem. Art. 12 Abs. 4 des italienischen Entwicklungsgesetzes ist der italienische Minister für äußere Angelegenheiten und internationale Zusammenarbeit dazu verpflichtet, unter Absprache mit dem Minister für Wirtschaft und Finanzen, einen Bericht über die im vorangegangenen Jahr durchgeführten Entwicklungsmaßnahmen zu erstellen.127 Dieser Bericht muss gem. Art. 12 Abs. 4 S. 2 alle Entwick(a) the total amount spent by the Government of Canada on official development assistance in the previous year; (b) a summary of any activity or initiative taken under this Act; (c) a summary of Canada’s activities under the Bretton Woods and Related Agreements Act that have contributed to carrying out the purpose of this Act.“ 125 Bretton Woods and Related Agreements Act (R. S. C., 1985, c. B-7), Art. 13. 126 Entwicklungsgesetz Kanada, Art. 5 Abs. 2: „The Minister shall issue a statistical report on the disbursement of official development assistance within one year after the end of each fiscal year.“ 127 Entwicklungsgesetz Italien, Art. 12 Abs. 4: „The Minister of Foreign Affairs and International Cooperation, in agreement with the Minister of Economy and Finance, drafts a report on the development cooperation activities performed during the previous year, highlighting the results achieved, measured through a system of qualitative and quantitative indicators in accordance with the effectiveness indicators developed by the Development Assistance Committee (DAC-OECD). The report reviews the development cooperation activities performed by all public administrations and Italy’s participation in development banks and funds and multilateral organisations indicating, among other things, Italy’s financial contribution to single organisations, the number and job title of Italian officials involved and an evaluation of the ways in which said institutions contributed to achieving the goals of multilateral agreements. The report also gives a detailed list of the projects financed and their results, the projects still under way, the efficacy, cost-effectiveness, consistency and uniformity criteria adopted, as well as the companies and organisations receiving the funds. The report also indicates the remuneration of all the public administrations officials involved in cooperation activities and of the people under collaboration or consulting contracts engaged for the same activities in accordance with Article 15 of Legislative Decree no. 33 of 14 March 2013. The report, after being approved by the Committee indicated hereunder in Article 15, is sent to the
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lungsmaßnahmen erfassen, die durch öffentliche Stellen durchgeführt wurden, sowie die Beteiligung Italiens an den internationalen Entwicklungsbanken und anderen in der Entwicklungszusammenarbeit tätigen Entwicklungsorganisationen darstellen. Art. 12 Abs. 4 S. 3 stellt zudem weitere Anforderungen an die Informationen, die in Bezug auf bereits abgeschlossene sowie laufende Projekte enthalten sein müssen. Die Berichte sollen u. a. auch die Wirksamkeit und Kosteneffektivität der eingesetzten Mittel darstellen. Dadurch wohnt ihnen auch eine Evaluationskomponente inne.
IV. Das spanische Transparenzmodell Das spanische Entwicklungsgesetz verpflichtet das Parlament, jährlich über die internationale spanische Entwicklungspolitik zu diskutieren und einen jährlichen Bericht über die Umsetzung des Master-Plans, der das zentrale Dokument der politischen Vorausplanung der spanischen Entwicklungszusammenarbeit darstellt,128 anzufertigen.129 Im März 2014 wurde durch eine Gesetzesänderung zudem die Pflicht aufgenommen, einen jährlichen Evaluationsbericht zu erstellen. Dieser Bericht soll die Transparenz und Rechenschaftspflicht der spanischen Entwicklungszusammenarbeit weiter stärken. Zusätzlich wird gem. Art. 15 Abs. 3 des Gesetzes sowohl im Kongress als auch im Senat eine parlamentarische Kommission für die internationale Entwicklungszusammenarbeit gegründet, die der Regierung fortlaufend über die Umsetzung und Einhaltung der Vorgaben des Master-Plans sowie der Evaluierung der Zusammenarbeit berichtet.130 Auch das spanische Entwicklungsgesetz begründet mithin umfassende Berichtspflichten gegenüber dem Parlament. Dabei ist sowohl ein Evaluationsbericht als auch ein allgemeiner Bericht über die Entwicklungszusammenarbeit anzufertigen. Der Inhalt des allgemeinen Berichts richtet sich nach den Vorgaben des spanischen Master-Plans, da er dessen Umsetzung überprüft. Dieser Plan bestimmt Chamber of Parliament and to the Unified Conference as an annex to the draft three-year cooperation programming and policy orientation plan.“ 128 Zu den Master-Plänen der spanischen Entwicklungszusammenarbeit unten Teil 6, § 3, B., II. 129 Entwicklungsgesetz Spanien, Art. 15 Abs. 2: „On an annual basis, the Houses of Parliament shall also discuss Spanish international development cooperation policy in the manner and using the system established, and following the motion and initiative of the Government, and they shall produce the Annual Report concerning the implementation of the Master Plan and the Annual Evaluation Report, pursuant to the Regulations of the Houses.“ 130 Entwicklungsgesetz Spanien, Art. 15 Abs. 3: „A Parliamentary Commission on International Development Cooperation shall be established in Congress and the Senate, pursuant to the Regulations of the Houses. The Government shall report to this Commission on the level of implementation and the degree of compliance with the programmes, projects and actions included in the Master Plan and the evaluation of cooperation, in addition to the results of the preceding year.“
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gem. Art. 8 Abs. 2 des spanischen Entwicklungsgesetzes u. a. die „objectives, priorities, and indicative budgetary resources which will guide the actions of Spanish cooperation in that period, including strategy documents concerning each sector of cooperation, geographical area and the countries which are to be preferential focus of cooperation“. Er legt mithin die grundsätzliche Ausrichtung der spanischen Zusammenarbeit für die jeweils nachfolgenden vier Jahre fest und bestimmt diesbezüglich konkrete Informationen, die er enthalten muss. Auch das spanische Transparenzmodell enthält somit nicht nur eine abstrakte Berichtspflicht, sondern verbindet diese über den Bezug auf die Master-Pläne mit konkreten Anforderungen.
V. Das südkoreanische Transparenzmodell Das südkoreanische Entwicklungsgesetz versucht, die Transparenz der Entwicklungszusammenarbeit einerseits durch regelmäßige Evaluationen der Maßnahmen (Art. 13) und andererseits durch statistische Erhebungen (Art. 18) zu fördern. Gem. Art. 13 Abs. 2 des Gesetzes131 sind die Durchführungsorganisationen dazu verpflichtet, jährlich einen Evaluationsbericht zu erstellen und diesen an das Committee for International Development Cooperation zu übermitteln. Die Ergebnisse dieser Evaluationen werden entsprechend Art. 13 Abs. 4 des Gesetzes veröffentlicht. Das Gesetz enthält keine konkreten Vorgaben bezüglich des Inhalts der Evaluationsberichte. Stattdessen soll gem. Art. 13 Abs. 1 das Komitee Richtlinien für die Evaluation erarbeiten, nach denen sich die Durchführungsorganisationen richten sollen. Zudem sind die Durchführungsorganisationen nach Art. 18 Abs. 1 des Gesetzes132 dazu verpflichtet, jährlich Statistiken über die internationale Entwicklungszusam131 Entwicklungsgesetz Südkorea, Art. 14: „(1) The Committee shall prepare guidelines on the evaluation of international development cooperation and evaluate the outcomes of the implementation of related policies and programs, so as to raise public awareness on the achievements of international development cooperation programs and enhance the transparency in the implementation of international development cooperation programs. (2) Each implementing agency shall formulate an annual self-evaluation plan according to the guidelines under paragraph (1) and submit it to the Committee, and evaluate the outcomes and achievements of the implementation of programs based on such plan and submit the results to the Committee. (3) Each implementing agency may involve external experts in evaluating the outcomes and achievements of the programs under paragraph (2). (4) The Committee shall make public the results of evaluation concerning the international development cooperation under paragraph (1) and (2). (5) The Committee shall report the results of evaluation under paragraph (1) to the National Assembly by June 30 of every year. (6) Necessary matters concerning the standards for and methods of evaluation, the objects and scope of and standards for the release of the results of evaluation, reporting to the National Assembly, etc. under paragraphs (1), (4) and (5), shall be prescribed by Presidential Decree.“ 132 Entwicklungsgesetz Südkorea, Art. 18: „(1) An implementing agency shall submit statistics on the status of international development cooperation for the previous year to in-
§ 2 Transparenz
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menarbeit zu erheben und diese an, durch das Komitee zu bestimmende, Institutionen zu übermitteln. Gem. Art. 18 Abs. 2 sollen die Aufsichtsbehörden die Statistiken der Bereiche, die unter ihre Zuständigkeit fallen, auswerten. Darüber hinaus soll gem. Art. 18 Abs. 3 die durch das Komitee nach Art. 18 Abs. 1 festgelegte Institution eine jährliche Statistik erarbeiten. Diese Statistik wird u. a. an das Komitee übermittelt und ist von diesem gem. Art. 18 Abs. 4 des Gesetzes an ständige Ausschüsse der Nationalversammlung Südkoreas weiterzuleiten, wenn diese dies verlangen. Somit beinhaltet auch das südkoreanische Gesetz umfassende Transparenzpflichten.
VI. Das britische Transparenzmodell Großbritannien hat ein spezifisches Gesetz zur Steigerung der Transparenz in der Entwicklungszusammenarbeit erlassen. Der International Development (Reporting and Transparency) Act 2006 verpflichtet gem. Art. 1 Abs. 1 den zuständigen Minister, beiden Kammern des Parlaments jährlich einen Bericht über die Entwicklungszusammenarbeit vorzulegen.133 Der Inhalt dieses Berichts wird durch das Gesetz genau festgelegt. Gem. Art. 2 des Gesetzes muss dieser zunächst alle Informationen enthalten, die der Schedule zum Gesetz benennt. Dieser stellt eine detaillierte Auflistung der Informationen dar, die der Bericht enthalten muss. Erfasst sind u. a. die Höhe der Beträge, die für die verschiedenen Bereiche der Entwicklungszusammenarbeit aufgewendet worden sind.
stitutions designated by the Committee each year, after consulting with a relevant supervising agency. (2) A supervising agency shall prepare, analyse and mange statistics on the status of international development cooperation programs for areas under its jurisdiction. (3) An institution designated under paragraph (1) shall prepare annual statistics regarding international development cooperation by integrating statistics on the status of international development cooperation programs submitted by implementing agencies and submit them to the Committee and a relevant supervising agency. (4) The Committee shall submit statistics under paragraph (3) when a standing committee of the National Assembly requests it to do so.“ 133 Großbritannien, International Development (Reporting and Transparency) Act 2006, Art. 1: „(1) It shall be the duty of the Secretary of State to lay before each House of Parliament each year a report about international aid pursuant to the provision of this Act (an ,annual report‘). (2) In this Act, ,relevant perio‘ means – (a) a period of 12 months ending with 31st December, in the case of information which is normally produced by reference to calendar years, (b) in any other case, a period of 12 months ending with 31st March. (3) An annual report shall, subject to subsection (5), be laid before each House of Parliament as soon as practicable after 31st March each year. (4) An annual report may revise anything contained in a previous annual report. (5) Nothing in this Act shall be read as preventing an annual report being combined with any other report which the Secretary of State lays before either House of Parliament.“
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Teil 6: Interne Strukturierung der Geberstaaten
Der Bericht geht jedoch über eine reine statistische Wiedergabe der Entwicklungszusammenarbeit Großbritanniens hinaus. Gem. Art. 4 Abs. 1 lit. a) des International Development (Reporting and Transparency) Act 2006 muss der Minister eine Beurteilung bezüglich der Fortschritte hin zur Verwirklichung der MillenniumsEntwicklungsziele eins bis sieben abgeben. Gem. Art. 5 Abs. 1 des Gesetzes soll der Bericht zudem Beobachtungen zu den Auswirkungen der Politiken und Programme der Ministerien auf die Förderung der nachhaltigen Entwicklung in Ländern außerhalb des Vereinigten Königreichs (Art. 5 Abs. 1 lit. a)) und der Reduktion der Armut in diesen Ländern (Art. 5 Abs. 1 lit. b)) enthalten. Art. 5 Abs. 2 des Gesetzes legt fest, dass entsprechende Beobachtungen auch für die Verwirklichung des achten Millenniums-Entwicklungsziel in den Bericht aufgenommen werden. Der Bericht enthält mithin über die statistische Betrachtung hinaus eine Einschätzung des zuständigen Ministers in Bezug auf die Ausrichtung der Zusammenarbeit an den übergeordneten Zielen. Diese umfassenden Anforderungen tragen dazu bei, dass die Berichte eine einheitliche Struktur aufweisen134 und grundlegende Veränderungen in der britischen Entwicklungszusammenarbeit nachvollzogen werden können.
VII. Das US-amerikanische Transparenzmodell Ein spezifisches Gesetz für die Transparenz in der Entwicklungszusammenarbeit haben auch die USA mit dem Foreign Aid Transparency and Accountability Act of 2016 erlassen. Die USA sind nach absoluten Zahlen der mit weitem Abstand größte ODA-Geber.135 Entsprechend komplex ist die US-amerikanische Struktur der Entwicklungszusammenarbeit.136 Diese Komplexität trägt dazu bei, dass sie seit jeher besonders stark von nationalen Interessen beeinflusst ist.137 Eine möglichst umfassende Transparenz der Entwicklungszusammenarbeit könnte dazu beitragen, dass auch in den USA in Zukunft entwicklungspolitische Ziele stärker in den Fokus der Zusammenarbeit rücken. Der FATAA verpflichtet den US-Präsidenten, Richtlinien für die Berichterstattung über die Entwicklungszusammenarbeit der USA zu erstellen.138 Es legt dabei 134 Vgl. DFID, Annual Report and Accounts 2016 – 17, HC 8, 2017; DFID, Annual Report and Accounts 2017 – 18, HC 1215, 2018; DFID, Annual Report and Accounts 2018 – 19, HC 2390, 2019; DFID, Annual Report and Accounts 2019 – 20, HC 517, 2020. 135 Dies gilt jedoch nur in Bezug auf die absoluten Zahlen. Der Anteil der ODA am BNP liegt in den USA regelmäßig unter 0,2 %, Morgenstern/Lawson, Foreign Aid, Updated January 10, 2022, https://crsreports.congress.gov/product/pdf/R/R40213 (letzter Zugriff: 09. 05. 2022), S. 26. 136 OECD, OECD Development Co-operation Peer Reviews: United States 2016, S. 58. 137 Finney, Development Assistance – A Tool of Foreign Policy, Case W. Res. J. Int’l L. 15 (1983), S. 213 (226); Morgenstern/Lawson, Foreign Aid, Updated January 10, 2022, https://crs reports.congress.gov/product/pdf/R/R40213 (letzter Zugriff: 09. 05. 2022), S. 3 – 4. 138 FATAA, Art. 3 (b): „Not later than 18 months after the date of the enactment of this Act the President shall set forth guidelines, according to best practices of monitoring and evaluation
§ 2 Transparenz
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umfassende Anforderungen an diese Richtlinien fest. Die Transparenzpflichten treffen alle Ministerien, die Entwicklungsmittel verwalten,139 und umfasst nicht nur die Veröffentlichung statistischer Daten, sondern darüber hinaus auch die Durchführung von Evaluationen. Jede Entwicklungsmaßnahme, deren Kosten den Mittelwert der Größe der durch die USA durchgeführten Entwicklungsprojekte entspricht oder übersteigt, soll mindestens einmal evaluiert werden.140 Zudem spezifiziert der FATAA die Form, in der die Ergebnisse der Evaluationen sowie die allgemeinen Statistiken zur Entwicklungszusammenarbeit veröffentlicht werden sollen. Die statistischen Erhebungen zur US-amerikanischen Entwicklungszusammenarbeit sowie die Ergebnisse der Evaluationen sind auf der Internetseite Foreignassistance.gov zu veröffentlichen.141 Dadurch wird sichergestellt, dass sämtliche Informationen zur Entwicklungszusammenarbeit an einem einheitlichen Ort gebündelt und für die Öffentlichkeit zugänglich sind. Ebenso legt das Gesetz Rechtsfolgen fest, falls ein Ministerium die Daten zur Entwicklungszusammenarbeit nicht übermittelt. Der Pflicht zur Erstellung der Richtlinien wurde am 11. Januar 2018 nachgekommen und als Monitoring and Evaluation Guidelines for Federal Departments and Agencies that Administer United States Foreign Assistance veröffentlicht.142 Diese Richtlinien setzen die durch den FATAA definierten Anforderungen um und machen spezifische Vorgaben in Bezug auf die Art und Weise, wie die Ministerien ihre Entwicklungsprojekte überwachen und evaluieren sollen.
D. Fazit Die interne Transparenz hat den Zweck, die Entwicklungszusammenarbeit nachvollziehbar und überprüfbar zu machen. Zentrale Instrumente zur Herbeiführung einer größtmöglichen Transparenz sind einerseits die Pflege von Datenbanken, studies and analyses, for the establishment of measurable goals, performance metrics, and monitoring and evaluation plans that can be applied with reasonable consistency to covered United States foreign assistance.“ 139 FATAA, Art. 4 (a) (2): „Not later than 2 years after the date of the enactment of this Act, and quarterly thereafter, the head of each Federal department or agency that administers covered United States foreign assistance shall provide the Secretary of State with comprehensive information about the covered United States foreign assistance programs carried out by such department or agency.“ 140 FATAA, Art. 3 (c) (2) (F): „evaluate, at least once in their lifetime, all programs whose dollar value equals or exceeds the median program size for the relevant office or bureau or an equivalent calculation to ensure majority of program resources are evaluated“. 141 FATAA, Art. 4 (a) (3): „[…] the Secretary of State shall publish on the ,ForeignAssistance.gov‘ website or through a successor online publication, the information provided under subsection (b).“ 142 Monitoring and Evaluation Guidelines for Federal Departments and Agencies that Administer United States Foreign Assistance, 11. Januar 2018, https://www.whitehouse.gov/ wp-content/uploads/2017/11/M-18-04-Final.pdf (letzter Zugriff: 09. 05. 2022).
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Teil 6: Interne Strukturierung der Geberstaaten
in denen die geförderten Entwicklungsprojekte veröffentlicht werden, und andererseits die Erstellung von Berichten, in denen die übergeordnete Ausrichtung der Entwicklungszusammenarbeit dargestellt wird. In Deutschland werden die durchgeführten Entwicklungsprojekte entsprechend des Standards der IATI veröffentlicht und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Es stellt sich deshalb die Frage, welchen Mehrwert ein deutsches Entwicklungsgesetz in Bezug auf die interne Transparenz bieten könnte. In den Vergleichsgesetzen werden insbesondere Berichtspflichten zur Steigerung der internen Transparenz normiert. Diese Berichte beziehen sich in den Geberstaaten zumeist auf die Leistungen der Entwicklungszusammenarbeit des vorangegangenen Kalenderjahres und werden in Bezug auf die Informationen, die sie beinhalten müssen, konkretisiert. Um eine möglichst umfassende Transparenz sicherzustellen, sind drei Kriterien von besonderer Bedeutung. Erstens sollten die Informationen, die in den Berichten enthalten sein müssen, definiert werden, zweitens sollte die Struktur, in der die Informationen dargestellt werden, konkretisiert werden und drittens ist der Zugang zu diesen Berichten für die Öffentlichkeit sicherzustellen. Aufgrund der Komplexität der Entwicklungszusammenarbeit genügt die schlichte Bereitstellung der Informationen nicht, um eine hinreichende Transparenz sicherzustellen. Gerade in hochkomplexen Politikbereichen ist es notwendig, dass der Gesetzgeber die Informationen zusätzlich strukturiert und dadurch für den Bürger nachvollziehbar macht.143 Ebenso ist es von entscheidender Bedeutung, dass es möglich ist, auf die Informationen zuzugreifen. In diesem Zusammenhang spielt die Nutzung des Internets eine entscheidende Rolle.144 Die untersuchten Gesetze weisen in Bezug auf die Förderung der internen Transparenz unterschiedliche Ansätze auf. Insbesondere der International Development (Reporting and Transparency) Act 2006 bestimmt detailliert, welche Informationen der britische Entwicklungsbericht enthalten muss. Dies trägt zu einer einheitlichen Struktur der Berichte bei und führt so dazu, dass Verschiebungen in der Entwicklungszusammenarbeit weniger einfach verschleiert werden können. Die USA haben mit der Einrichtung einer ausschließlich für die Darstellung der USamerikanischen Entwicklungszusammenarbeit geschaffenen Internetseite eine für den Bürger besonders komfortable Form der Darstellung entwickelt. Anders als die übrigen Gesetze verpflichtet der FATAA nicht zur Erstellung eines Berichts, sondern zu regelmäßigen Updates bezüglich der Daten auf der eingerichteten Internetseite. Dies führt dazu, dass zwar umfassende Daten in Bezug auf die Entwicklungsmaßnahmen zur Verfügung stehen, diese aber nicht in einer einheitlichen und übersichtlichen Struktur präsentiert werden.145
143
Bröhmer, Transparenz als Verfassungsprinzip, 2004, S. 18. Ostermann, Transparenz und öffentlicher Meinungsbildungsprozess, 2019, S. 26. 145 Paxton/Ingram, Three Years after FATAA, 2019, http://modernizeaid.net/2019/05/threeyears-fataa-whats-current-state-u-s-foreign-assistance-data/ (letzter Zugriff: 09. 05. 2022). 144
§ 3 Pflicht zur Erstellung politischer Leitdokumente
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Neben der Pflicht zur Erfassung der abstrakten Statistiken verbinden einige der Gesetze die Berichtspflicht mit einer Pflicht zur Evaluation. Die Berichte tragen so nicht nur dazu bei, die Zusammenarbeit transparenter zu machen, sondern schaffen auch die Grundlage für die Erarbeitung nachhaltiger Verbesserungen. Problematisch ist diesbezüglich, dass die Gesetze, die eine Pflicht zur Evaluation vorsehen, diese Aufgabe überwiegend nicht einer unabhängigen Institution übertragen. Dadurch besteht die Gefahr, dass der Evaluationsprozess durch politische Interessen beeinflusst wird. Erstrebenswert wäre in diesem Zusammenhang eine rechtliche Verpflichtung zur Evaluation der Entwicklungszusammenarbeit durch eine eigens dafür eingerichtete und unabhängige Behörde. In Deutschland fehlt es bisher an rechtsverbindlichen Verpflichtungen zur Förderung der internen Transparenz. Das BMZ veröffentlicht umfassende Informationen zu den durchgeführten Maßnahmen. Diese werden aber nicht in einer einheitlichen Berichtsstruktur veröffentlicht. Jährliche Berichte über die Entwicklungszusammenarbeit, die derart strukturiert sind, dass wesentliche Kursänderungen unmittelbar nachvollzogen werden können, würden eben diesen entgegenwirken. Dadurch könnten entsprechende Berichte zu einer erhöhten Stringenz der Entwicklungszusammenarbeit beitragen. Darüber hinaus beruhen die bisherigen Transparenzbestrebungen Deutschlands nicht auf rechtlichen Pflichten. Künftige Bundesregierungen wären dementsprechend aus rechtlicher Sicht berechtigt von der Veröffentlichung der Daten zu den Entwicklungsprojekten nach dem IATI-Standard Abstand zu nehmen. Eine umfassende gesetzliche Transparenzpflicht, die auch eine Pflicht zur Erstellung entwicklungspolitischer Berichte umfasst, würde sicherstellen, dass der Öffentlichkeit hinreichende Informationen über die Entwicklungszusammenarbeit zur Verfügung stehen, um die Verantwortungsträger bei etwaigen Fehlentwicklungen zur Rechenschaft ziehen zu können.146 Einer missbräuchlichen Verwendung der für die Entwicklungszusammenarbeit bereitgestellten Haushaltsmittel für entwicklungsfremde Ziele könnte dadurch vorgebeugt werden. Auch umfassende Transparenzpflichten sollten deshalb Bestandteil eines möglichen deutschen Entwicklungsgesetzes sein.
§ 3 Pflicht zur Erstellung politischer Leitdokumente Politik kann nur dann kohärent umgesetzt werden, wenn ein entsprechender politischer Wille existiert und sie Gegenstand hinreichender Planung ist.147 Ein Instrument zur Planung der Entwicklungszusammenarbeit ist die Erstellung politischer 146
Burall/White/Blick, The impact of U.S. and U.K. legislature on aid delivery, GMF Economic Policy Paper Series No. 09, 2009, S. 21. 147 Ashoff, Politikkohärenz, in: Faust/Neubert (Hrsg.), Wirksamere Entwicklungspolitik, 2010, S. 346 (365).
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Teil 6: Interne Strukturierung der Geberstaaten
Leitdokumente.148 Sie können ergänzend oder alternativ zu Entwicklungsgesetzen eine Steuerungsfunktion einnehmen und die Entwicklungszusammenarbeit anleiten. Sie erfüllen dadurch zwei wesentliche Funktionen, die Auswirkungen auf die Kohärenz der Entwicklungszusammenarbeit haben: Einerseits stellen sie als Bestandteil der externen Transparenz die Kehrseite zur internen Transparenz dar und steigern die Transparenz in Bezug auf zukünftige Entwicklungsleistungen.149 Andererseits führt eine Pflicht zur Erstellung eines politischen Konzepts dazu, dass eine Vorausplanung stattfinden muss. Leitdokumente können im Idealfall innerstaatlichen Interessenkonflikten vorbeugen und ein umfassendes Bekenntnis der ganzen Regierung zu den Zielen der Entwicklungszusammenarbeit darstellen.150 In der Debatte um den Ansatz der PCSD wird insbesondere gefordert, dass entsprechende Leitdokumente langfristig angelegt sind und über einzelne Legislaturperioden hinausgehen.151 Diese Forderung ist in Hinblick auf den Ansatz der Kohärenz der Entwicklungszusammenarbeit gleichwohl differenziert zu betrachten. Fehlt es im Geberstaat an einem Entwicklungsgesetz, bedarf es eines Leitdokuments, das die übergeordneten Ziele und Grundsätze definiert und diese langfristig festlegt. Existiert dagegen ein Entwicklungsgesetz, ist im Widerspruch zum festgelegten Kriterium der Langfristigkeit im Rahmen der Leitdokumente ihre regelmäßige Erneuerung von besonderer Bedeutung. Es entspricht dem Grundgedanken der Demokratie, dass die jeweils gewählte Regierung eigene Akzente in den verschiedenen Politikbereichen setzt. Der Demokratie sind politische Kursänderungen dementsprechend inhärent. Eine absolute Kohärenz über mehrere Legislaturperioden ist in keinem Politikbereich zu erwarten oder erstrebenswert. Je langfristiger ein Leitdokument angelegt ist, desto abstrakter müssen dementsprechend die darin enthaltenen Regelungen sein. Die regelmäßige Erstellung von politischen Leitdokumenten kann eine transparente Konkretisierung der bereits in den Gesetzen festgelegten übergeordneten Grundsätze, Ziele und Prinzipien darstellen, während sie zugleich die notwendige Flexibilität der nachfolgenden Regierungen aufrechterhalten. Dies führt dazu, dass Kursänderungen durch die periodische Erneuerung der Leitdokumente zwar nicht vollständig verhindert werden, jedoch sichergestellt wird, dass diese sich an den gesetzlichen Leitplanken orientieren und in transparenter Weise geschehen. Weder das Völker- noch das Europarecht Einfluss auf die Entscheidung, ob ein Staat politische Leitdokumente zu diesem Zweck erlässt. Nachfolgend wird deshalb ausschließlich dargestellt, ob und in welcher Form Deutschland dieses Regelungs148
Der in dieser Arbeit verwendete Begriff der Leitdokumente basiert nicht auf einer feststehenden Definition. Er dient zur Umschreibung politischer Papiere, die zu dem Zweck erlassen werden, die nationale Entwicklungszusammenarbeit des jeweiligen Erstellers möglichst ganzheitlich anzuleiten. 149 G. A., Res. 69/313 vom 27. Juli 2015, Annex, Addis Ababa Action Agenda, Ziff. 53. 150 OECD, Managing Aid: Practices of DAC Member Countries, 2009, S. 17. 151 OECD, Recommendation of the Council on Policy Coherence for Sustainable Development, OECD/LEGAL/0381, 2019, Ziff. II, Nr. 2; OECD, Policy Coherence for Sustainable Development 2019, 2019, S. 75.
§ 3 Pflicht zur Erstellung politischer Leitdokumente
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instrument verwendet und welche Bedeutung eine Verpflichtung zur Erstellung entsprechender Dokumente in den Gesetzen der Vergleichsstaaten einnimmt.
A. Leitdokumente der deutschen Entwicklungszusammenarbeit Alle untersuchten Geberstaaten steuern ihre Entwicklungszusammenarbeit zumindest auch durch politische Dokumente. Im Gegensatz zu den übrigen Vergleichsstaaten fehlt es in Deutschland jedoch an einem Entwicklungsgesetz, das die übergeordneten Ziele und Prinzipien definiert. Diese Aufgabe muss dementsprechend durch politische Leitdokumente ausgefüllt werden. Es existiert keine Rechtsgrundlage, die die Bundesregierung zur Erstellung entsprechender Dokumente verpflichtet. Dennoch spielen sie in der deutschen Entwicklungszusammenarbeit eine Rolle. Das wichtigste Leitdokument der deutschen Entwicklungszusammenarbeit ist die Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie. Sie wurde 2002 erstmals erstellt und wird seit 2004 alle vier Jahre erneuert; heute dient sie vor allem der Umsetzung der Agenda 2030.152 Dementsprechend werden als zentrale Aufgabe und Richtschnur der Entwicklungszusammenarbeit der Bundesregierung die „Agenda 2030 mit den 17 SDGs und die vorangestellten handlungsleitenden Prinzipien Mensch, Planet, Wohlstand, Frieden und Partnerschaft“, genannt.153 Die deutsche Nachhaltigkeitsstrategie definiert damit das übergeordnete Zielsystem der deutschen Entwicklungszusammenarbeit im Sinne der SDGs. Die Ziele sind aber derart weit gefasst, dass sie in Bezug auf die Auswahl der Empfängerstaaten und der Entwicklungsprojekte auch auf politischer Ebene keine ermessensbeschränkende Funktion über die Ausrichtung an der ODA-Definition hinaus haben.154 Vielmehr ist die deutsche Nachhaltigkeitsstrategie im Wesentlichen als eine Erklärung der entwicklungspolitischen Bestrebungen der Bundesregierung anzusehen. Eine Steuerungsfunktion im eigentlichen Sinne nehmen sie gleichwohl nicht ein. Ein weiteres regelmäßig erscheinendes politisches Dokument ist der entwicklungspolitische Bericht der Bundesregierung. Auch dabei handelt es sich mehr um eine Darstellung der „Breite und Vielfalt entwicklungspolitischer Arbeit“155 als um ein Leitdokument, das die deutsche Entwicklungszusammenarbeit steuern soll. Im DAC-Prüfbericht über die Entwicklungszusammenarbeit aus dem Jahr 2015 wurden dementsprechend auch der damalige Koalitionsvertrag und die auf diesem aufbau152 Bundesregierung, Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie – Weiterentwicklung 2021, Beschluss Bundeskabinett vom 10. März 2021, S. 11. 153 Bundesregierung, Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie – Aktualisierung 2021, Beschluss Bundeskabinett vom 10. März 2021, S. 12. 154 Siehe oben Teil 5, § 3, A. 155 BMZ, Entwicklungspolitik als Zukunfts- und Friedenspolitik: 15. Entwicklungspolitischer Bericht der Bundesregierung, 2017, S. 5.
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Teil 6: Interne Strukturierung der Geberstaaten
ende vom BMZ ausgearbeitete Zukunftscharta156 als wichtigste Leitdokumente bezeichnet und das Fehlen eines verbindlichen Dokuments, das strategische Empfehlungen beinhaltet und eine ganzheitliche Steuerung der deutschen Entwicklungszusammenarbeit zum Ziel hat, kritisiert.157 Ein übergeordnetes politisches Leitdokument, das die deutsche Entwicklungszusammenarbeit ganzheitlich anleitet und einen Steuerungsanspruch erhebt, wurde auch bisher nicht verabschiedet. Stattdessen existieren eine Vielzahl von themenspezifischen Strategie- und Positionspapieren.158 Diese dienen gleichwohl nicht der ganzheitlichen Steuerung der Entwicklungszusammenarbeit, sondern der Regelung spezifischer Themenkomplexe und der Zusammenarbeit mit einzelnen Ländern bzw. Regionen. Sie beruhen zudem nicht auf gesetzlichen Vorgaben159 und weisen keine einheitliche Struktur auf. Darüber hinaus gibt es keine rechtliche Verpflichtung, diese Steuerungsform zu verwenden oder in regelmäßigen Abständen zu erneuern.160 Die Strategie- und Positionspapiere haben dementsprechend ein politisches Gewicht, binden die Adressaten jedoch nicht auf rechtsverbindliche Art und Weise.161 Es fehlt mithin nicht nur auf rechtlicher, sondern auch auf politischer Ebene an einem übergeordneten Steuerungsinstrument für die deutsche Entwicklungszusammenarbeit, das der ganzheitlichen Planung dient. Die SDGs als übergeordnetem Zielsystem der Entwicklungszusammenarbeit werden durch die Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie auch auf nationaler Ebene bestätigt. Es fehlt jedoch an einer transparenten Konkretisierung dieser Ziele, die mit einem inhaltlichen Steuerungsanspruch verbunden ist.
B. Entwicklungsgesetze als Grundlage In den untersuchten Entwicklungsgesetzen fehlt es überwiegend an einer direkten Steuerung der Auswahl der Empfängerstaaten und der Entwicklungsprojekte. Stattdessen wird die inhaltliche Ausrichtung vornehmlich über abstrakte Zielnormen, die den Normadressaten einen erheblichen Ermessensspielraum zugestehen, gesteuert.162 Dies ist grundsätzlich mit dem Sinn und Zweck der Entwicklungsge156
BMZ, Zukunftscharta, Eine Welt – Unsere Verantwortung, 2015. OECD, DAC-Prüfbericht über die Entwicklungszusammenarbeit: Deutschland 2015, S. 35; OECD, Germany Mid-term Review vom 7. November 2018, DCD/JMdS(2018)69, S. 3; OECD, OECD Development Co-operation Peer Reviews: Germany 2021, S. 47. 158 Siehe zu den Grundlagen der deutschen Entwicklungszusammenarbeit bereits oben Teil 2, § 3, C. 159 Neumann, Die Förderung der Rule of Law in der Entwicklungszusammenarbeit, 2013, S. 180. 160 Dann, Entwicklungsverwaltungsrecht, 2012, S. 316. 161 Dann, Entwicklungsverwaltungsrecht, 2012, S. 316; Neumann, Die Förderung der Rule of Law in der Entwicklungszusammenarbeit, 2013, S. 183. 162 Siehe oben Teil 5, § 2, D., II. und § 3, D., II., 2. 157
§ 3 Pflicht zur Erstellung politischer Leitdokumente
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setze vereinbar. Sie dienen nicht der umfassenden Regelung der Entwicklungszusammenarbeit, sondern leiten diese lediglich an und definieren Leitplanken, an denen die Zusammenarbeit ausgerichtet werden soll. Es ist deshalb notwendig, die gesetzlichen Vorgaben in hinreichend transparenter Weise zu konkretisieren, um eine kohärente Entwicklungszusammenarbeit sicherzustellen.163 Die Erstellung regelmäßiger entwicklungspolitischer Leitdokumente, die auf Basis der Entwicklungsgesetze erstellt werden, stellen eine Möglichkeit dar, um die gesetzlichen Vorgaben zu konkretisieren. Entsprechende Dokumente ermöglichen es, nachzuvollziehen, wie die Regierungen die Vorgaben der Entwicklungsgesetze auslegen und umzusetzen planen. Sie sind dementsprechend nicht als Alternative zur Steuerung durch Gesetze anzusehen, sondern als Ergänzung zu diesen.164 In den untersuchten Entwicklungsgesetzen ist die Pflicht zur Erstellung politischer Leitdokumente ein wiederkehrendes Element. In fünf Gesetzen findet sich eine entsprechende Verpflichtung. Diese reichen von einer allgemeinen Pflicht zur Erstellung entwicklungspolitischer Programme bis hin zur Erstellung spezifischer Dokumente, die festgelegte Anforderungen erfüllen müssen. Differenziert wird deshalb nachfolgend zwischen dem Modell einer abstrakten Pflicht, das keine spezifischen Anforderungen an den Inhalt stellt, sowie dem Modell der qualifizierten Pflicht, das zusätzliche Regeln in Bezug auf den Inhalt festlegt. Den Gesetzen der Schweiz, Kanadas, Großbritanniens und Belgiens ist eine Pflicht zur Erstellung politischer Leitdokumente nicht zu entnehmen. Auch in diesen Staaten werden gleichwohl politische Dokumente verwendet, um die Ausrichtung der Entwicklungszusammenarbeit darzustellen.165 Sie beruhen in diesen Staaten jedoch nicht auf Verpflichtungen, die sich unmittelbar aus den Entwicklungsgesetzen ergeben, und werden deshalb nachfolgend nicht näher dargestellt.
I. Abstrakte Pflicht Das dänische Entwicklungsgesetz verpflichtet in Art. 5 den Minister für Entwicklungszusammenarbeit, einen Vierjahres-Plan für die Entwicklungszusammenarbeit an das dänische Parlament zu übermitteln.166 Bezüglich des Inhalts beschränkt 163
OECD, Effective Aid Management: Twelve lessons from DAC Peer Reviews, 2008, S. 7. Auch das OECD-DAC hält die Erstellung von solchen politischen Leitdokumenten unabhängig davon, ob in dem jeweiligen Staat ein Gesetz zur Entwicklungszusammenarbeit erlassen wurde, für unverzichtbar, OECD, Managing Aid: Practices of DAC Member Countries, 2009, S. 17. 165 Siehe beispielsweise Global Affairs Canada, Canada’s Feminist International Assistance Policy, 2017. 166 Entwicklungsgesetz Dänemark, Art. 5: „Once a year, the Minister for Development Cooperation shall present a four-year plan to the Folkening (Danish Parliament) covering 164
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Teil 6: Interne Strukturierung der Geberstaaten
sich das Gesetz auf die Vorgabe, dass der Plan die geplanten Ausgaben erfassen und strukturieren soll. Es ist damit das einzige der fünf Gesetze, das lediglich eine abstrakte Pflicht zur Erstellung eines Leitdokuments begründet, ohne den Inhalt genauer zu spezifizieren. In der Praxis legt der Plan entsprechend der abstrakten Vorgaben insbesondere fest, wie die für die Entwicklungszusammenarbeit geplanten Haushaltsausgaben aufgeteilt werden.167 Diese Zuordnung der Haushaltsmittel zu bestimmten Themenkomplexen und Regionen führt im Ergebnis ebenfalls zu einer Strukturierung und Steuerung der Zusammenarbeit. Zudem führt diese Pflicht dazu, dass Dänemark den Umfang der Haushaltsmittel, die für die Entwicklungszusammenarbeit aufgewendet werden sollen, und die Verteilung dieser Mittel bereits im Voraus planen muss.168 Eine solche Vorausplanung der ODA ist eine zentrale Forderung in der Debatte um eine effektive Entwicklungszusammenarbeit, da sie zwingende Voraussetzung für eine umfassende Koordination zwischen den beteiligten Akteuren ist.169
II. Qualifizierte Pflicht Gem. § 23 S. 1 des österreichischen Entwicklungsgesetzes ist „zur längerfristigen Planung […] vom Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Finanzen ein Dreijahresprogramm der österreichischen Entwicklungspolitik zu erstellen und nach Anhörung der ADA (§ 6) und des Beirates (§ 7) jährlich der Bundesregierung vorzulegen und dem Nationalrat zur Kenntnisnahme zu übermitteln.“
Dieses Programm hat gem. § 23 S. 2 des Gesetzes „alle öffentlichen Entwicklungsleistungen des Bundes (§ 2 Abs. 1), die Schwerpunkte der Entwicklungszusammenarbeit sowie die dafür jeweils erforderliche Finanzierung anzuführen“. Gem. § 23 S. 3 des Gesetzes sind darin zudem „die Leitlinien für die Mitwirkung des Bundes an der Entwicklungszusammenarbeit der Europäischen Union und in den einschlägigen internationalen Organisationen und Finanzinstitutionen festzulegen“. Das Gesetz verpflichtet den Bundesminister somit nicht nur abstrakt zur Erstellung eines Programms der österreichischen Entwicklungspolitik, sondern legt darüber hinaus den Rhythmus, in dem dieses zu erstellen ist, das übergeordnete Ziel dieses Dokuments sowie konkrete Anforderungen an den Inhalt fest. expenditure on development activities for the following financial year and the subsequent years covered by the budget estimations of the finance bill.“ 167 Vgl. Ministry of Foreign Affairs of Denmark, The Government’s Priorities for Danish Development Cooperation 2019, Expenditure framework for Danish development cooperation, 2019 – 2022, 2018. 168 OECD, OECD Development Co-operation Peer Reviews: Denmark 2016, S. 65; OECD, OECD Development Co-operation Peer Reviews: Denmark 2021, S. 15. 169 WP-EFF, Busan Partnership for effective Development Co-operation, 2011, Ziff 24.
§ 3 Pflicht zur Erstellung politischer Leitdokumente
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Insbesondere hat das Programm jeweils die Schwerpunkte der Entwicklungszusammenarbeit anzuführen. Dies äußert sich in dem Dreijahresprogramm der österreichischen Entwicklungspolitik für die Jahre 2019 – 2021170 sowohl in einer Konkretisierung der thematischen171 als auch der geographischen Schwerpunkte172 für diesen Zeitraum. Während die thematischen Schwerpunkte derart weit gefasst sind, dass sie auf den Auswahlprozess der Entwicklungsprojekte nur sehr beschränkt ermessensreduzierend wirken,173 enthalten die geographischen Schwerpunkte präzise Vorgaben.174 Die österreichische Entwicklungszusammenarbeit konzentriert sich gem. des Dreijahresprogramms auf drei Ländergruppen.175 Dies sind erstens die ärmsten Entwicklungsländer mit einem besonderen Fokus auf Afrika, zweitens die Entwicklungsländer in Südosteuropa und dem Südkaukasus sowie drittens Krisenregionen und fragile Staaten. Außenstehenden ist es somit möglich nachzuvollziehen, wie die österreichische Regierung die abstrakten Ziele des Gesetzes für den jeweiligen Zeitraum in Bezug auf die Empfängerstaaten konkretisiert. Die Bestimmungen des Dreijahresprogramms stellen nicht nur eine politische Verpflichtung dar, sondern entfalten eine Rechtswirkung. Entsprechend § 4 Abs. 1 des Gesetzes kann „der Bund […] unter Bedachtnahme auf das Dreijahresprogramm Entwicklungszusammenarbeit im Sinne des § 2 Abs. 2 unmittelbar entweder allein oder im Zusammenwirken mit anderen Völkerrechtssubjekten leisten […]“. Gem. § 22 S. 1 sind zudem „alle vom Bund erbrachten und an den Entwicklungshilfeausschuss (DAC) der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) gemeldeten Leistungen, die Bestandteil der öffentlichen Entwicklungsleistungen sind, […] entsprechend den Zielen und Prinzipien der Entwicklungspolitik (§ 1 Abs. 3 und 4) und gemäß den im Dreijahresprogramm der österreichischen Entwicklungspolitik festgelegten Leitlinien zu gestalten.“
170 Das entsprechende Dreijahresprogramm für die Zeit nach 2021 ist bisher nicht verabschiedet worden. 171 Österreichisches Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres, Gemeinsam. Für unsere Welt. Dreijahresprogramm der österreichischen Entwicklungspolitik 2019 bis 2021, 2018, S. 11 – 19. 172 Österreichisches Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres, Gemeinsam. Für unsere Welt. Dreijahresprogramm der österreichischen Entwicklungspolitik 2019 bis 2021, 2018, S. 20 – 22. 173 OECD, OECD Development Co-operation Peer Reviews: Austria 2020, S. 40. So auch bereits auf das Dreijahresprogramm für die Jahre 2013 – 2015 bezogen OECD, OECD Development Co-operation Peer Reviews: Austria 2015, S. 34. 174 OECD, OECD Development Co-operation Peer Reviews: Austria 2020, S. 39. 175 Österreichisches Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres, Gemeinsam. Für unsere Welt. Dreijahresprogramm der österreichischen Entwicklungspolitik 2019 bis 2021, 2018, S. 20.
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Teil 6: Interne Strukturierung der Geberstaaten
Die Leitlinien des Dreijahresprogramm entfalten mithin Rechtswirkung und sind vom Bund bei der Durchführung der Entwicklungszusammenarbeit verbindlich zu beachten.176 Das spanische Entwicklungsgesetz beinhaltet in Art. 8 Abs. 1 ebenfalls eine Pflicht zur Erstellung politischer Programme für die Entwicklungszusammenarbeit, die in der englischen Übersetzung als Master-Pläne bezeichnet werden.177 Diese sollen gem. Art. 8 Abs. 2 des Gesetzes eine Periode von vier Jahren erfassen, die generellen Richtungen und Richtlinien der spanischen Entwicklungspolitik für diesen Zeitraum bestimmen und zudem Strategiedokumente zu jedem Bereich der Kooperation, der geografischen Gebiete sowie den Staaten, die einen Schwerpunkt der Zusammenarbeit darstellen, beinhalten. Gem. Art. 5 dienen diese Pläne insbesondere dazu, die geografischen und sektoralen Prioritäten der spanischen Entwicklungszusammenarbeit zu definieren. In dem Master-Plan für die Jahre 2018 – 2021 wurden beispielsweise die Zahl der Staaten, mit denen in der bilateralen Zusammenarbeit kooperiert werden soll, auf 21 reduziert178 und die Regionen eingegrenzt, aus denen diese ausgewählt werden.179 Das italienische Entwicklungsgesetz legt in Art. 12 Abs. 1 fest, dass ein „threeyear cooperation programming and policy orientation plan by 31 March of every year“ erstellt werden soll.180 Dieser Plan dient mithin jeweils der Vorausplanung der 176 Kritisiert wird jedoch, dass diese Dreijahresprogramme nicht alle Ausgaben Österreichs erfassen und nicht alle Ministerien, die Entwicklungsmaßnahmen durchführen, durch diese gebunden werden, OECD, OECD Development Co-operation Peer Reviews: Austria 2015, S. 33. 177 Entwicklungsgesetz Spanien, Art. 8: „1. Spanish international development cooperation policy of the General State Administration shall be established in Master Plans. 2. The Master Plan, a basic element in planning Spanish international development cooperation policy of the General State Administration, shall be drawn up on a four-yearly basis and shall contain the general lines and basic guidelines of Spanish international development cooperation policy, stating its objectives, priorities, and indicative budgetary resources, which will guide the actions of Spanish cooperation in that period, including strategy documents concerning each sector of cooperation, geographical area and the countries which are to be the preferential focus of cooperation.“ 178 Spanien, V. Plan Director de la cooperación Española 2018/2021, 2018, S. 47. Der IV. Master-Plan der spanischen Entwicklungszusammenarbeit hatte die Zahl der Empfängerstaaten noch auf 23 beschränkt und ist damit bereits einer Empfehlung des OECD-DAC nachgekommen, siehe OECD, OECD Development Co-operation Peer Reviews: Spain 2016, S. 35. Der VI. Master-Plan der spanischen Entwicklungszusammenarbeit ist bisher nicht veröffentlicht worden. 179 Spanien, V. Plan Director de la cooperación Española 2018/2021, 2018, S. 51 – 54. 180 Entwicklungsgesetz Italien, Art. 12, Abs. 1 – 2: „1. At the suggestion of The Minister of Foreign Affairs and International Cooperation, in agreement with the Minister of Economy and Finance in respect of the competences laid down in Art. 5, Paragraph 5, the Council of Ministers approves the three-year cooperation programming and policy orientation plan by 31 March of every year, having heard the opinions of Parliamentary Commissions, as laid down in Article 13, Paragraph 1, and after approval by the Committee indicated in Article 15.
§ 3 Pflicht zur Erstellung politischer Leitdokumente
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kommenden drei Jahre, wird jedoch in jedem Jahr erneuert.181 Gem. Art. 12 Abs. 2 S. 1 gibt dieser Plan die „strategic vision, the action targets and the intervention criteria, the priorities chosen for the geographical areas of single Countries and the different sectors targeted by development cooperation policies“ vor. Die Pläne legen dementsprechend die Prioritäten der Entwicklungszusammenarbeit sowie die strategischen Richtlinien, nach denen sich die Zusammenarbeit richten soll, fest.182 Sie binden zudem die Italian Development Cooperation Agency, die gem. Art. 17 Abs. 1 zur Durchführung der italienischen Entwicklungszusammenarbeit gegründet wurde, in rechtsverbindlicher weise. Gem. Art. 17 Abs. 2 handelt diese „in line with the general orientations outlined in the Plan considered in Article 12“. Art. 8 Abs. 1 des südkoreanischen Entwicklungsgesetzes verpflichtet die Aufsichtsbehörden, in einem Fünfjahresrhytmus Basispläne für die jeweiligen Bereiche der internationalen Entwicklungszusammenarbeit, die unter ihrer Kontrolle stehen, zu entwerfen.183 In der bilateralen Entwicklungszusammenarbeit ist gem. Art. 9 2. In consideration of the Report provided for in Paragraph 4, the Plan described in the preceding Paragraph 1 indicates the strategic vision, the action targets and the intervention criteria, the priorities chosen for the geographical areas of single Countries and the different sectors targeted by development cooperation policies. The plan also defines the policy orientations and strategies relative to Italy’s participation in European and international organisations and multilateral financial institutions.“ 181 Kritisch bezüglich dieser jährlichen Erneuerung OECD, OECD Development Cooperation Peer Reviews: Italy 2019, S. 19. 182 Beispielhaft und in englischer Übersetzung: Italian Agency for Development Cooperation, Three-Year Programming and Policy Planning Document 2017 – 2019, https://www.este ri.it/mae/resource/doc/2018/07/pro_triennale_2017-2019_en.pdf (letzter Zugriff: 09. 05. 2022). 183 Entwicklungsgesetz Südkorea, Art. 8: „(1) Agencies supervising international development cooperation under Article 9 (hereinafter referred to as ,supervising agency‘) shall prepare drafts of basic plans for international development cooperation for each area under their control (hereinafter referred to as ,draft of a basic plan for each area‘) every five years and submit them to the Committee, after undergoing review by the working committee. (2) The Committee shall integrate drafts of basic plans for each area submitted under paragraph (1) and determine basic plans for international development cooperation including the following matters: 1. Basic directions of polices for international development cooperation; 2. Scale for international development cooperation and operating plans; 3. Mid-term assistance strategies for priority cooperation partners under Article 12; 4. Plans for enhancement of transparency concerning provision of international development cooperation and utilization of provided international development cooperation. (3) Notwithstanding the provisions of paragraph (2), matters deemed important by the Committee, among matters included in drafts of basic plans for each area, may be determined by the President after deliberation by the State Council. (4) The Committee may revise basic plans finalized under paragraphs (2) and (3) (hereinafter referred to as ,basic plans‘) after the moderation, deliberation and decision by the Committee within five years, when deemed necessary. (5) When the Committee determines a basic plan or modifies any important matter prescribed by Presidential Decree, it shall report it to the National Assembly without delay. (6) The Committee shall convey basic plans to supervising agencies, which, in turn, shall convey matters falling under the purview of implementing agencies to the relevant implementing
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Teil 6: Interne Strukturierung der Geberstaaten
Abs. 1 des Gesetzes der Finanzminister die Aufsichtsbehörde für bilaterale Darlehen und der Außenminister für Beihilfen. Auf Grundlage dieser Entwürfe erstellt gem. Art. 8 Abs. 2 ein Komitee Basispläne für die internationale Entwicklungszusammenarbeit. Diese geben die grundsätzlichen Richtungen der Maßnahmen vor (Art. 8 Abs. 2 Nr. 1) und bestimmen den Umfang der Leistungen (Art. 8 Abs. 2 Nr. 2). Zudem beinhalten sie mittelfristige Strategien für die Unterstützung der Schwerpunktpartner nach Art. 12 (Art. 8 Abs. 2 Nr. 3) und Pläne für die Steigerung der Transparenz in Bezug auf die Bereitstellung von Entwicklungsleistungen und die Verwendung der zur Verfügung gestellten Entwicklungsmittel (Art. 8 Abs. 2 Nr. 4). Somit müssen auch diese Pläne umfassende inhaltliche Anforderungen erfüllen.
C. Fazit Eine kohärente Entwicklungszusammenarbeit setzt eine an einem übergeordneten Zielsystem ausgerichtete Planung voraus. Gerade in Staaten, die kein Entwicklungsgesetz erlassen haben, können Leitdokumente dieses Zielsystem definieren und eine Steuerungsfunktion einnehmen. Die Leitdokumente der deutschen Entwicklungszusammenarbeit stellen diese in den Kontext der Erreichung der SDGs. Sie definieren dadurch ein langfristiges Zielsystem, an dem sich das BMZ und die weiteren Akteure der deutschen Entwicklungszusammenarbeit orientieren können. Die bestehenden Dokumente sind aber derart abstrakt gefasst, dass aus ihnen keine hinreichend konkrete entwicklungspolitische Strategie abgeleitet werden kann. Es fehlt dementsprechend bisher an einem hinreichend definierten Zielsystem für die deutsche Entwicklungszusammenarbeit. In den Vergleichsstaaten wurden die Entwicklungsgesetze teilweise verwendet, um eine Pflicht zur Erstellung von Leitdokumenten zu normieren. Die Ausgestaltung dieser Pflicht variiert zwischen den Gesetzen. Ob eine differenzierte Ausgestaltung, die verschiedene Leitdokumente erfasst, wie sie dem koreanischen Gesetz zu entnehmen ist, oder aber eine ganzheitliche Lösung eines einzelnen umfassenden Leitdokuments vorzuziehen ist, lässt sich nicht abstrakt bestimmen. Es lassen sich aus den Vergleichsgesetzen aber drei Merkmale ableiten, die besonders geeignet scheinen, zu einer verbesserten Kohärenz beizutragen. Dies ist zunächst die Vorgabe eines Zeitraumes, in dem die Leitdokumente erneuert werden müssen. Die Beschränkung der Geltung eines solchen Dokuments auf einen begrenzten Zeitraum, beispielsweise die jeweilige Legislaturperiode, ermöglicht es, einerseits den nachfolgenden Regierungen eigene Akzente und Schweragencies and diplomatic and consular missions (referring to overseas diplomatic and consular missions of the Republic of Korea under the Act on the Establishment of Overseas Diplomatic and Consular Missions of the Republic of Korea; hereinafter the same shall apply). (7) Other than those as provided in paragraphs (1) through (6), necessary matters concerning the procedures for formulating basic plans and reporting them to the National Assembly shall be prescribed by Presidential Decree.“
§ 3 Pflicht zur Erstellung politischer Leitdokumente
277
punkte zu setzen und andererseits in diesen Programmpapieren auf sich verändernde Herausforderungen zu reagieren.184 Zudem können sie dadurch im Vergleich zu langfristigen Steuerungsinstrumenten weniger abstrakt formuliert werden. Das zweite Qualitätsmerkmal sind gesetzliche Vorgaben bezüglich des Inhalts. Die Mehrzahl der untersuchten Gesetze stellt konkrete Anforderungen an den Inhalt der zu erstellenden Leitdokumente. Insbesondere die Auswahlprozesse der Empfängerstaaten und der Entwicklungsprojekte, die in den Gesetzen vor allem durch abstrakte Ziele angeleitet werden, sollen durch diese gesteuert werden. Die Dokumente dienen so dazu, die abstrakten gesetzlichen Vorgaben in transparenter Weise zu konkretisieren. Drittens können die Gesetze die zu erstellenden Leitdokumente für rechtlich verbindlich erklären. Das österreichische Entwicklungsgesetz legt beispielsweise ausdrücklich fest, dass die Bestimmungen des zu erstellenden Dreijahresprogrammes bei der Ausgestaltung der Entwicklungszusammenarbeit berücksichtigt werden müssen. Dies führt dazu, dass die Dokumente nicht nur politische Versprechungen darstellen, sondern die auf Geberseite beteiligten Akteure auch rechtlich binden. Die Entwicklungsgesetze und Leitdokumente sind mithin im Idealfall nicht als Alternativen, sondern als sich gegenseitig verstärkende und ergänzende Steuerungsinstrumente zu verstehen. Während die Gesetze die abstrakten Leitplanken bestimmen und die grundsätzliche Richtung vorgeben, dienen die Leitdokumente dazu, diese abstrakten Vorgaben für einen festgelegten Zeitraum verbindlich zu konkretisieren. Den starren Gesetzen wird so ein flexibles, aber dennoch verbindliches Steuerungsinstrument an die Seite gestellt. Bereits die Verabschiedung eines politischen Leitdokuments, das der übergeordneten und ganzheitlichen Steuerung der deutschen Entwicklungszusammenarbeit dienen würde und mit konkreten Vorgaben bezüglich der inhaltlichen Ausrichtung verbunden ist, dürfte mit einem erheblichen Mehrwert für die Kohärenz einhergehen. Eine gesetzliche Verpflichtung zur Erstellung eines solchen Leitdokuments könnte darüber hinaus definieren, welche Aspekte durch diese Dokumente geregelt werden sollen, und sie für rechtlich verbindlich erklären. Dadurch könnte die Lenkungswirkung eines solchen übergeordneten Leitdokuments weiter verstärkt werden. Auch eine Pflicht zur Erstellung politischer Leitdokumente sollte mithin Bestandteil eines Entwicklungsgesetzes sein.
184 Dennoch sollten die Dokumente nicht auf die Regelung eines zu kurzen Zeitraums gerichtet sein. Dies könnte dazu führen, dass eine langfristige Planung unterlassen wird, da davon auszugehen ist, dass bereits nach kurzer Zeit neue Vorgaben bestehen, so auch OECD, OECD Development Co-operation Peer Reviews: Italy 2019, S. 19.
Teil 7
Gesamtbetrachtung Die vorangegangenen Untersuchungen haben gezeigt, dass die deutsche Entwicklungszusammenarbeit nicht in einem rechtsfreien Raum stattfindet. Sowohl auf nationaler Ebene als auch auf den Ebenen des Europa- und Völkerrechts bestehen Regelungen, die die Entwicklungszusammenarbeit anleiten. Dennoch fehlt es in vielen Bereichen, die für die Kohärenz der Entwicklungszusammenarbeit von essenzieller Bedeutung sind, an hinreichenden rechtlichen Strukturen. Gleichzeitig konnte aufgezeigt werden, dass im Gegensatz zur Bundesrepublik mittlerweile die Mehrzahl der OECD-DAC-Mitgliedstaaten spezifische Gesetze zur Steuerung der Entwicklungszusammenarbeit erlassen haben. Entsprechende Entwicklungsgesetze haben sich in vielen führenden Geberstaaten als Steuerungsinstrument etabliert. Diesen Gesetzen konnten vielversprechende Regelungsansätze entnommen werden, die geeignet sind, zu einer verbesserten Kohärenz in der Entwicklungszusammenarbeit beizutragen. Es stellt sich deshalb die Frage, ob auch Deutschland ein solches Gesetz erlassen sollte. In diesem abschließenden Teil wird deshalb der Status Quo der verschiedenen Ebenen des in Deutschland geltenden Entwicklungsrechts rekapituliert und bestimmt, unter welchen Voraussetzungen ein deutsches Entwicklungsgesetz anzustreben wäre. Darüber hinaus werden die Best Practices der untersuchten Entwicklungsgesetze in Bezug auf die Untersuchungsschwerpunkte herausgearbeitet und mit einem Gesetzesentwurf der SPD aus dem Jahr 1993 verglichen. Sollte dieser Gesetzesentwurf im Grundsatz mit den Best Practices der heutigen Entwicklungsgesetze im Einklang stehen, würde dies das zentrale Argument gegen den Erlass eines Entwicklungsgesetzes, dass ein solches als starres Steuerungsinstrument nicht mit der notwendigen Flexibilität in der Entwicklungszusammenarbeit vereinbar ist, weiter entkräften.
§ 1 Status Quo des Entwicklungsrechts Nachfolgend wird der Status Quo der verschiedenen Ebenen des Entwicklungsrechts zusammengefasst. Entgegen der Untersuchungsstruktur wird dabei zunächst das Völker- und Europarecht dargestellt und erst anschließend das deutsche Entwicklungsrecht.
§ 1 Status Quo des Entwicklungsrechts
279
A. Entwicklungsvölkerrecht Das Völkerrecht nimmt bisher nur in geringem Maße Einfluss auf die Entwicklungszusammenarbeit der Geberstaaten. Es beruht fundamental auf dem Prinzip der souveränen Gleichheit.1 Danach sind die Staaten grundsätzlich in ihrem Handeln frei, sofern das Völkerrecht kein ausdrückliches Verbot enthält.2 Das Völkerrecht ist nach wie vor maßgeblich durch das westfälische System, das sich grundlegend auf dieses Prinzip stützt, beeinflusst.3 Es enthält nach seinem traditionellen Verständnis keine rechtsverbindliche moralische Komponente,4 die die Staaten zur Schaffung einer wirtschaftlich gerechteren Welt verpflichten würde.5 Entsprechende Bestrebungen der Entwicklungsländer konnten sich in der im Wesentlichen durch die Industriestaaten begründeten modernen Völkerrechtsordnung bisher nicht durchsetzen.6 Das Völkerrecht beinhaltet unter dem Begriff des Entwicklungsvölkerrechts eine besondere Rücksicht auf die Entwicklungsländer.7 Diese Regelungen beschränken sich jedoch entweder auf die Möglichkeit einer Sonderbehandlung dieser Staaten8 oder stellen bisher lediglich rechtlich unverbindliches Soft Law dar.9 Rechtsver1 Besson, Sovereignty (Updated 04/2011), www.mpepil.com (letzter Zugriff: 09. 05. 2022), Rn. 2; Odendahl, Völkerrecht, 2012, S. 79. Gerade auch die Empfängerstaaten legen Wert auf den Schutz vor externen Einmischungen, der durch das Prinzip der souveränen Gleichheit sowie dem sich daraus ableitenden Interventionsverbot garantiert wird, von Arnauld, Souveränität als fundamentales Konzept des Völkerrechts, FW 89, H. 3 – 4 (2014), S. 51 (65 – 66). 2 Siehe PCIJ, The Case of the S. S. „LOTUS“ (France v. Turkey), Judgment of 7. September 1927, Series A No. 10, S. 18. 3 Breuer, Souveränität in der Staatengemeinschaft, in: Breuer/Epiney/Haratsch/Schmahl/ Weiß (Hrsg.), Der Staat im Recht, 2013, S. 747 (747); Grote, Westphalian System (Updated 06/ 2006), www.mpepil.com (letzter Zugriff: 09. 05. 2022), Rn. 6. 4 von Arnauld, Völkerrecht, 2019, S. 15. 5 Campanelli, Principle of Solidarity (Updated 03/2011), www.mpepil.com (letzter Zugriff: 09. 05. 2022), Rn. 21; Graf Vitzthum, Begriff, Geschichte und Rechtsquellen des Völkerrechts, in: Graf Vitzthum/Proelß (Hrsg.), Völkerrecht, 2019, S. 1 (31). 6 Herdegen, Völkerrecht, 2022, S. 28. 7 Hobe, Einführung in das Völkerrecht, 2020, S. 349; Kadelbach, Entwicklungsvölkerrecht, in: Fischer-Lescano/Gasser/Marauhn/Ronzitti (Hrsg.), Frieden in Freiheit, 2008, S. 625 (629 – 632). 8 Siehe Herdegen, Principles of International Economic Law, 2016, S. 69 – 74. Vor allem der Grundsatz der besonderen und differenzierten Behandlung von Entwicklungsländern nimmt im WTO-Recht eine zentrale Stellung ein. In Teil IV des General Agreement on Tarifs and Trade (GATT), der die Überschrift „Trade and Development“ trägt, ist beispielsweise vorgesehen, dass die Entwicklungsländer im Vergleich zu den Industriestaaten stärker an Handelsschranken festhalten dürfen (Art. XXXVI Abs. 8 GATT). Zudem können entgegen des in Art. I GATT festgelegten Grundsatzes der Meistbegünstigung, nach dem alle WTO-Mitglieder gleich zu behandeln sind, entsprechend der Enabling Clause Entwicklungsländer bevorzugt behandelt werden, WTO, Differential and more favourable treatment reciprocity and fuller participation of Developing Countries, Decision of 28 November 1979, L/4903. 9 von Arnauld, Völkerrecht, 2019, S. 418; Ashoff, Die Global Governance-Qualität der internationalen Aid Effectiveness Agenda, 2015, S. 95; Kadelbach, Entwicklungsvölkerrecht,
280
Teil 7: Gesamtbetrachtung
bindliche Leistungspflichten, die mit materiellen Leistungen in der Entwicklungszusammenarbeit verbunden sind oder Ansprüche auf eine besondere Behandlung begründen, ergeben sich durch das Völkerrecht bisher nicht.10 Eine grundlegende inhaltliche Steuerung der Entwicklungszusammenarbeit ist dem Völkerrecht dementsprechend in seiner heutigen Form nicht zu entnehmen. Dies bedeutet aber nicht, dass die Entwicklungszusammenarbeit in einem völkerrechtsfreien Raum stattfindet. Das allgemeine Völkerrecht spielt auch in diesem Kontext eine Rolle. Hervorzuheben sind diesbezüglich das Interventionsverbot und der Grundsatz der souveränen Gleichheit. Obwohl die Interdependenzen zwischen den Staaten durch die fortschreitende Globalisierung stetig wachsen und auch die Geberstaaten zunehmend von den Empfängerstaaten, beispielsweise als Absatzmärkte, abhängig sind, besteht regelmäßig ein erhebliches Ungleichgewicht der Verhandlungspositionen.11 Die Abhängigkeit der Empfängerstaaten von der ODA ist in den vergangenen Jahren überwiegend gesunken.12 Dennoch stellt sie in vielen Staaten weiterhin einen derart wesentlichen Wirtschaftsfaktor dar, dass eine Reduktion dieser Leistungen wirtschaftliche Auswirkungen hätte.13 Dies führt dazu, dass das für die Anwendbarkeit des Interventionsverbots erforderliche Zwangselement auch im Kontext der Entwicklungszusammenarbeit unter engen Voraussetzungen angenommen werden kann.14 Die Geberstaaten dürfen ODA-Leistungen deshalb nicht beliebig als Druckmittel einsetzen. Ebenso entfaltet der Grundsatz der souveränen Gleichheit in der Entwicklungszusammenarbeit eine gewisse Schutzwirkung für die Empfängerstaaten. Die Durchführung von Entwicklungsprojekten ohne die Zustimmung der Empfängerstaaten ist unter Berücksichtigung dieses Grundsatzes völkerrechtlich nicht zulässig. Er steht einer einseitigen Einmischung der Geber, auch unter dem Deckmantel der Entwicklungszusammenarbeit, in Angelegenheiten der Empfängerstaaten entgegen. Dies ist jedoch nicht gleichbedeutend mit einem Auswahlrecht der Empfängerin: Fischer-Lescano/Gasser/Marauhn/Ronzitti (Hrsg.), Frieden in Freiheit, 2008, S. 625 (628); Qureshi/Ziegler, International Economic Law, 2019, S. 683. 10 Krajewski, Wirtschaftsvölkerrecht, 2021, S. 281; Sarkar, International Development Law, 2009, S. 100. 11 Dann, Autonomie trotz Asymmetrie? Selbstbestimmung und Eigenverantwortung im Entwicklungsverwaltungsrecht, in: Bäuerle/Dann/Wallrabenstein (Hrsg.), Demokratie-Perspektiven, 2013, S. 549 (555); Messner/Scholz, Entwicklungspolitik als Beitrag zur globalen Zukunftssicherung, in: Faust/Neubert (Hrsg.), Wirksamere Entwicklungspolitik, 2010, S. 71 (73). 12 Alonso/Glennie/Sumner, Recipients and Contributors, DESA Working Paper No. 135, 2014, S. 8. Dies gilt auch für die traditionell besonders von der ODA abhängigen LDCs, UNCTAD, The Least Developed Countries Report 2019, 2019, S. 27. 13 Alonso/Glennie/Sumner, Recipients and Contributors, DESA Working Paper No. 135, 2014, S. 9. In den LDCs ist die ODA auch heute noch die wichtigste externe Finanzquelle, UNCTAD, The Least Developed Countries Report 2019, 2019, S. 17; UNCTAD, The Least Developed Countries in the post-COVID World, 2021, S. 103. 14 Siehe oben Teil 5, § 1.
§ 1 Status Quo des Entwicklungsrechts
281
staaten in Bezug auf die durchzuführenden Entwicklungsprojekte. Auch unter Berücksichtigung des Grundsatzes der souveränen Gleichheit verbleibt dieses Recht bei den Geberstaaten. Die Empfänger können lediglich ein Veto gegen die Durchführung der Maßnahmen einlegen. Sie sind dann aber der Gefahr ausgesetzt, dass sie die entsprechenden Mittel nicht erhalten. Sowohl das Interventionsverbot als auch der Grundsatz der souveränen Gleichheit bilden mithin einen gewissen Schutz für die Empfängerstaaten, der in seiner Wirkung aber stark begrenzt ist und nicht mit Auswahlrechten oder Leistungsansprüchen einhergeht. Daneben ist das Entwicklungsvölkerrecht durch zahlreiche Dokumente, die dem Soft Law zuzuordnen sind, von kaum zu überschätzender Bedeutung für die stetige Weiterentwicklung der Entwicklungszusammenarbeit. Auch wenn diese aufgrund ihrer rechtlichen Unverbindlichkeit bei Interessenkonflikten teilweise keine ausreichende Steuerungswirkung entfalten, haben sie dazu beigetragen, dass die Entwicklungszusammenarbeit sich grundsätzlich an übergeordneten Leitprinzipien ausrichtet, die die Interessen der Empfängerstaaten und eine möglichst effektive Verwendung der zur Verfügung stehenden Leistungen ins Zentrum stellen.
B. Europäisches Entwicklungsrecht Die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten verwalten gemeinsam über die Hälfte der ODA.15 Die Institutionen der Europäischen Union waren für sich betrachtet 2020 der drittgrößte Geber von ODA.16 Dementsprechend sind sowohl die Mitgliedstaaten als auch die Europäische Union von zentraler Bedeutung für die internationale Entwicklungszusammenarbeit. Die EU sieht sich selbst als wichtigen Förderer des Prinzips der PCD bzw. PCSD und hat dieses Prinzip in Art. 208 Abs. 1 UAbs. 2 S. 2 AEUV rechtlich verankert. Dennoch wird die Umsetzung der Politikkohärenz im Rahmen der Politiken der Europäischen Union, insbesondere mit Blick auf die Agrarpolitik, durchaus kritisch gesehen.17 Auch der Einfluss des Europarechts auf die Kohärenz der Entwicklungszusammenarbeit der Mitgliedstaaten ist von begrenzter Bedeutung. Die Europäische Union ist als supranationale Organisation mit weitreichenden Kompetenzen ausgestattet. Diese sind aber stets auf die Bereiche beschränkt, die ihr von den Mitgliedstaaten übertragen worden sind. In der Entwicklungszusammenarbeit herrscht gem. Art. 4 15 OECD, OECD Development Co-operation Peer Reviews: European Union 2018, S. 55; OECD, Development Co-operation Profiles 2021 – European Union institutions, https://doi. org/10.1787/c0ad1f0d-en (letzter Zugriff: 09. 05. 2022). 16 OECD, Development Co-operation Profiles 2021 – European Union institutions, https: //doi.org/10.1787/c0ad1f0d-en (letzter Zugriff: 09. 05. 2022). 17 Carbone/Keijzer, The European Union and Policy Coherence for Development, EJDR 28 (2015), S. 30 (37); Carbone, The European Union and Policy Coherence for Development, in: Maurizio/Furness (Hrsg.), EU Policy Coherence for Development, 2016, S. 18 – 19; OECD, OECD Development Co-operation Peer Reviews: European Union 2018, S. 32.
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Teil 7: Gesamtbetrachtung
Abs. 4 i. V. m. Art. 208 – 211 AEUV eine parallele Kompetenz. Die Mitgliedstaaten bringt damit zum Ausdruck, dass sie weiterhin möglichst autark über die Ausrichtung ihrer nationalen Entwicklungszusammenarbeit entscheiden möchten. Die Regelungen zur Entwicklungszusammenarbeit sind deshalb in Bezug auf ihre Auswirkungen auf die Entwicklungszusammenarbeit der Mitgliedstaaten restriktiv auszulegen. Die Entwicklungsmaßnahmen der Europäischen Union sollen durch die Mitgliedstaaten, soweit dies möglich ist, ergänzt werden. Die Mitgliedstaaten sind gleichwohl auch unter Berücksichtigung des Europarechts berechtigt, sowohl eine eigenständige Auswahl der Empfängerstaaten und Entwicklungsprojekte vorzunehmen als auch eigene Ziele zu verfolgen. Das Europarecht macht den Mitgliedstaaten mithin im Grundsatz keine rechtsverbindlichen Vorgaben bezüglich der inhaltlichen oder strukturellen Ausgestaltung ihrer Entwicklungszusammenarbeit. Einzig Maßnahmen, die im Widerspruch zu Projekten der Europäischen Union oder anderer Mitgliedstaaten stehen bzw. die Ziele des Art. 208 AEUV konterkarieren würden, sind entsprechend des Treuegebots nicht mit dem Europarecht vereinbar.18 Dies führt jedoch nur in Ausnahmefällen zu Beschränkungen und bildet keinen ausreichenden rechtlichen Rahmen, um eine kohärente Entwicklungszusammenarbeit der Mitgliedstaaten zu garantieren. Bestrebungen, die bestehenden Koordinationspflichten zwischen den Mitgliedstaaten und der Europäischen Union in rechtsverbindlicher Weise zu konkretisieren, konnten sich bisher nicht durchsetzen. Auch auf die in dieser Arbeit untersuchten Aspekte der internen Strukturierung nimmt das Europarecht keinen wesentlichen Einfluss. Ebenso wie das Völkerrecht entfaltet das Europarecht dementsprechend im Bereich der Kohärenz der Entwicklungszusammenarbeit insbesondere über das Soft Law eine Lenkungswirkung. Die teilweise mangelnde Umsetzung der in diesen Dokumenten enthaltenen Versprechungen, beispielsweise die fehlende Einhaltung des ODA-Stufenplans, der die Europäische Union und die Mitgliedstaaten dazu verpflichtet hatte, ihre ODA-Quote bis zum Jahr 2015 auf 0,7 % des BIP zu erhöhen,19 verdeutlicht die Grenzen dieser Lenkungswirkung.
C. Deutsches Entwicklungsrecht Auch unter Berücksichtigung des Völker- und Europarechts verbleibt den Geberstaaten mithin ein erheblicher Handlungsspielraum. Aus der Perspektive der Kohärenz der Entwicklungszusammenarbeit macht dies die Ausarbeitung eines rechtlichen Rahmens durch die Geberstaaten wünschenswert. Gleichwohl spielt das 18 Bartelt, Art. 210, in: Becker/Hatje/Schoo/Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, 2019, Rn. 3; Schmalenbach, Art. 210 AEUV, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, 2022, Rn. 4. 19 Europäischer Rat, Schlussfolgerungen des Vorsitzes, Dok 10244/1/05 Rev. 1 vom 15. Juli 2005, Rn. 27; Europäischer Rat, Schlussfolgerungen des Vorsitzes, Dok 11018/1/08 Rev. 1 vom 17. Juli 2008, Rn. 59.
§ 1 Status Quo des Entwicklungsrechts
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Entwicklungsrecht in der deutschen Entwicklungszusammenarbeit bisher nur eine untergeordnete Rolle. Nicht zu Unrecht wird deshalb teilweise die Frage aufgeworfen, ob es ein spezifisches deutschen Entwicklungs- bzw. Entwicklungsverwaltungsrecht überhaupt gibt.20 Auf gesetzlicher Ebene ist nach wie vor einzig das jährliche Bundeshaushaltsgesetz und diesbezüglich insbesondere der Bundeshaushaltsplan mit dem Einzelplan 23 für die Entwicklungszusammenarbeit von Bedeutung. Die vorliegende Untersuchung hat aufgezeigt, dass dieser vor allem insoweit Einfluss auf das Handeln des BMZ nimmt, als dass er die Pflicht enthält, die zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel ODA-anrechenbar zu verwenden. Durch die Aufnahme dieser Definition insbesondere in den Einzelplan 23 gibt es erstmals gesetzliche Vorgaben in Bezug auf die inhaltliche Gestaltung und die potenziellen Empfängerstaaten. Dies führt zu einer gewissen Beschränkung des Handlungsspielraums des BMZ, dient aber vornehmlich der Steigerung der ODA-Quote Deutschlands. Der Handlungsspielraum bleibt auch unter Berücksichtigung dieser Definition denkbar weit. Zudem beziehen sich die Einzelpläne nur auf das jeweilige Haushaltsjahr. Die Steuerung der Entwicklungszusammenarbeit durch das Haushaltsgesetz erscheint deshalb aus Kohärenzperspektive ungeeignet. Im Übrigen wird die deutsche Entwicklungszusammenarbeit vornehmlich durch Verwaltungsvorschriften und politische Dokumente angeleitet. Die wichtigste Rechtsgrundlage im Bereich der bilateralen Zusammenarbeit sind die Leitlinien für die bilaterale finanzielle und technische Zusammenarbeit mit Kooperationspartnern der deutschen Entwicklungszusammenarbeit. Sie sollen einige Steuerungsfunktionen erfüllen, die in anderen Staaten durch Entwicklungsgesetze ausgefüllt werden. Verwaltungsvorschriften sind im Gegensatz zu Gesetzen jedoch nur mittelbar demokratisch legitimiert und können ohne die Mitwirkung des Parlaments abgeändert und aufgehoben werden. Dies macht sie aus der Kohärenzperspektive zu einem schwächeren Steuerungsinstrument. Darüber hinaus regeln die Leitlinien nicht alle untersuchten Schwerpunkte und sind in vielen Bereichen derart unbestimmt, dass sie lediglich in Ansätzen eine Steuerungsfunktion einnehmen können. Neben den Leitlinien gibt es eine Vielzahl von politischen Dokumenten, die zu einer Regelung der deutschen Entwicklungszusammenarbeit beitragen sollen. Es fehlt jedoch auch auf politischer Ebene an einem übergeordneten Leitdokument, das der ganzheitlichen Steuerung der deutschen Entwicklungszusammenarbeit dient. Dem deutschen Entwicklungsrecht ist dadurch weder eine Pflicht zur Entwicklungszusammenarbeit noch eine Steuerung der zentralen inhaltlichen Auswahlprozesse zu entnehmen. Und auch bei der internen Strukturierung weist Deutschland im Vergleich zu anderen Geberstaaten Defizite auf. Es fehlt sowohl an einer Pflicht zur Erstellung eines politischen Leitdokuments, das die deutsche Entwicklungszusammenarbeit ganzheitlich anleitet, als auch an einer umfassenden Berichtspflicht zur 20 Groß, Deutsches Entwicklungsverwaltungsrecht, in: Dann/Kadelbach/Kaltenborn (Hrsg.), Entwicklung und Recht, 2014, S. 659 (659).
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Teil 7: Gesamtbetrachtung
Steigerung der Transparenz. Es gibt dementsprechend verschiedene Bereiche, in denen ein spezifisches Entwicklungsgesetz ansetzen und auch in Deutschland eine wichtige Rolle einnehmen könnte. Der zentrale Vorteil der bisherigen Regelungsstrukturen ist die damit verbundene umfassende Flexibilität. Die Entwicklungszusammenarbeit wird sowohl als Instrument zur Unterstützung der Empfängerstaaten als auch als Beitrag zur Lösung internationaler Probleme verstanden. Dadurch findet sie sich stets in neuen Kontexten wieder. ODA soll beispielsweise genauso zur Bekämpfung von Fluchtursachen wie zum Kampf gegen Pandemien beitragen.21 Die Mischung aus moralischen und pragmatischen Motiven22 ist prägend für die Entwicklungszusammenarbeit und legitimiert diese auch gegenüber den Bürgern in den Geberstaaten. Eine hinreichende Flexibilität ist deshalb notwendig. Die deutsche Entwicklungszusammenarbeit kann durch die bestehende Rechtslage stets auf neue Herausforderungen reagieren und sich an neue Gegebenheiten anpassen. Im Umkehrschluss bedeutet dies aber auch, dass die Ausrichtung der Entwicklungszusammenarbeit wesentlich von den politischen Überzeugungen der zuständigen Entscheidungsträger abhängig ist. Es gibt bisher keine rechtlichen Strukturen, die geeignet sind, sicherzustellen, dass die Entwicklungszusammenarbeit kohärent im Sinne der vier in dieser Arbeit festgelegten Kohärenzkriterien durchgeführt wird. Im Zuge der geplanten Neustrukturierung der deutschen Entwicklungszusammenarbeit im Rahmen des Reformkonzepts BMZ 2030 Umdenken – Umsteuern, in dem sich das BMZ „eine neue Qualität der Zusammenarbeit“ zum Ziel setzt,23 sollten deshalb auch die fehlenden rechtlichen Strukturen der deutschen Entwicklungszusammenarbeit betrachtet werden. Es sollte der Frage nachgegangen werden, wie rechtliche Strukturen geschaffen werden können, die einerseits sicherstellen, dass die Entwicklungszusammenarbeit vornehmlich im Sinne der Empfängerstaaten umgesetzt wird, und andererseits den deutschen Entscheidungsträgern einen hinreichenden Entscheidungsspielraum belassen.
D. Entwicklungsgesetze anderer Geberstaaten Dem in Deutschland geltenden Entwicklungsrecht wurden die Entwicklungsgesetze ausgewählter Vergleichsstaaten gegenübergestellt. Diese Gesetze wurden auf 21 Bereits am 9. April 2020, und damit weniger als einen Monat nachdem die WHO COVID-19 zu einer weltweiten Pandemie erklärt hat, bezeichnete das OECD-DAC beispielsweise die ODA in einer gemeinsamen Stellungnahme als „an important means of supporting national responses to the COVID-19 crisis […]“, OECD, COVID-19 Global Pandemic, 2020, https://www.oecd.org/dac/development-assistance-committee/DAC-Joint-StatementCOVID-19.pdf (letzter Zugriff: 09. 05. 2022), Ziff. 8. 22 Ihne/Wilhelm, Grundlagen der Entwicklungspolitik, in: Ihne/Wilhelm (Hrsg.), Einführung in die Entwicklungspolitik, 2013, S. 5 (12). 23 BMZ, BMZ 2030 Umdenken – Umsteuern, 2020, S. 3.
§ 2 Merkmale eines „guten“ Entwicklungsgesetzes
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ihre Steuerungsfunktion in Bezug auf die Untersuchungsschwerpunkte analysiert. Es hat sich gezeigt, dass die Entwicklungsgesetze kaum konkrete Rechtspflichten begründen. Die Auswahl der Empfängerstaaten wird überwiegend nicht geregelt, und die Auswahl der Entwicklungsprojekte wird zumeist über abstrakte Zielnormen angeleitet. Die Entwicklungsgesetze dienen dadurch nicht der detaillierten Steuerung der Entwicklungszusammenarbeit. Dennoch tragen die Gesetze durch die Festlegung zentraler Definitionen und übergeordneter Ziele zu einer Schärfung der Konturen der Entwicklungszusammenarbeit bei und nehmen Einfluss auf deren inhaltliche Ausrichtung. Sie stellen sicher, dass das übergeordnete Zielsystem nicht ohne die Mitwirkung des jeweiligen Parlaments geändert werden kann und dadurch langfristig verfolgt wird. Eine wichtige Funktion der untersuchten Gesetze ist darüber hinaus die interne Strukturierung. Die Entwicklungsgesetze weisen im Idealfall Kompetenzen zu, verpflichten zu einer größtmöglichen Transparenz und stellen sicher, dass die abstrakten Vorgaben der Gesetze in regelmäßigen Abständen durch politische Leitdokumente konkretisiert werden. Dadurch können die Entwicklungsgesetze sicherstellen, dass die für die Entwicklungszusammenarbeit zuständigen Entscheidungsträger zur Rechenschaft gezogen werden können und nachvollzogen werden kann, wie sie die abstrakten Zielnormen konkretisieren. Die Untersuchung hat aber zugleich gezeigt, dass die Entwicklungsgesetze der Vergleichsstaaten nicht homogen sind. Der in dieser Arbeit verwendete Begriff des Entwicklungsgesetzes beschreibt nicht eine einheitliche Regelungsstruktur, sondern Gesetze, die als Instrument zur abstrakten Steuerung der Entwicklungszusammenarbeit verwendet werden. In Bezug auf die Untersuchungsschwerpunkte konnten in den Vergleichsgesetzen jeweils unterschiedliche Regelungsmodelle nachgewiesen werden, die abweichende Auswirkungen in Bezug auf die Kohärenz der Entwicklungszusammenarbeit erwarten lassen. Das Bestehen eines Entwicklungsgesetzes ist dementsprechend für sich genommen kein Qualitätsmerkmal für eine kohärente Entwicklungszusammenarbeit. Stattdessen kommt es maßgeblich darauf an, welche Regelungsmodelle mit dem Entwicklungsgesetz verfolgt werden. Nachfolgend werden deshalb die Merkmale eines aus Kohärenzperspektive „guten“ Entwicklungsgesetzes und die Best Practices der Vergleichsgesetze herausgearbeitet.
§ 2 Merkmale eines „guten“ Entwicklungsgesetzes Das zentrale Argument gegen den Erlass eines Entwicklungsgesetzes ist die verminderte Flexibilität, die mit einem solchen Gesetz einhergeht.24 Die Entwick24 Davies/Burkot, Aid law, Devpol Policy Brief No. 14, 2016, S. 8; Finney, Development Assistance – A Tool of Foreign Policy, Case W. Res. J. Int’l L. 15 (1983), S. 213 (252). OECD, Effective Aid Management: Twelve lessons from DAC Peer Reviews, 2008, S. 5; Pellens, Entwicklungshilfe Deutschlands und der Europäischen Union, 1995, S. 50.
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Teil 7: Gesamtbetrachtung
lungszusammenarbeit befindet sich weiterhin in einem ständigen Wandel.25 Die beteiligten Akteure sind sich bewusst, dass es eine idealtypische Form, die in jedem Empfängerstaat anwendbar ist, nicht gibt. Die Geberstaaten müssen stets auf regionale Besonderheiten,26 politische Eigenarten und neue Erkenntnisse der Entwicklungsforschung reagieren.27 Nur durch einen umfassenden Ermessensspielraum können die Geberstaaten auf die sich stetig verändernden Herausforderungen angemessen reagieren. Bei der Bewertung von Entwicklungsgesetzen ist deshalb die Frage der verbleibenden Flexibilität der Normadressaten von entscheidender Bedeutung. Das allgemeine Postulat der Bestimmtheit und Allgemeinverständlichkeit der Gesetzgebungslehre28 kann nicht uneingeschränkt als Qualitätsmerkmal der Entwicklungsgesetze dienen. Bei der Gestaltung eines Entwicklungsgesetzes steht der Gesetzgeber mithin vor der Herausforderung, dass diese Gesetze einerseits eine ausreichende Flexibilität belassen und andererseits die ihnen zugedachte Steuerungsfunktion ausfüllen sollen. Die Balance zwischen diesen beiden Anforderungen zu finden, ist sodann auch das Kernelement eines guten Entwicklungsgesetzes. Es hat sich gezeigt, dass die Vergleichsgesetze kaum einen direkten Einfluss auf die zentralen Entscheidungen der Entwicklungszusammenarbeit nehmen und den Normadressaten weitgehende Flexibilität in Bezug auf die Auswahl der Empfängerstaaten und Entwicklungsprojekte belassen. Teilweise wird deshalb vertreten, dass sich die Entwicklungsgesetze auf programmatische Bestimmungen beschränken, die in ihrer Regelungswirkung kaum über politische Dokumente hinaus gehen.29 Dieser Auffassung kann nach eingehender Analyse der Gesetze nicht zugestimmt werden. Gleichwohl ist den untersuchten Gesetzen gemein, dass sie einen hinreichenden Handlungsspielraum belassen. Keines der Vergleichsgesetze schränkt die Geberstaaten im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit in einer Art und Weise ein, die dazu führt, dass sie nicht länger auf neue Herausforderungen reagieren oder eigene Interessen berücksichtigen könnten. Die Anforderung an eine ausreichende Flexibilität erfüllen mithin alle untersuchten Entwicklungsgesetze. Zugleich darf die Wahrung des notwendigen Handlungsspielraums nicht zu einem Selbstzweck werden. Die gesetzlichen Bestimmungen müssen, zumindest einen gewissen Grad an Bestimmbarkeit aufweisen, um ihrer Steuerungsfunktion nachkommen zu können. Dies gilt insbesondere in Hinblick auf die in dieser Arbeit gewählte Kohärenzperspektive. Für die Bewertung der Entwicklungsgesetze ist 25
Hilser/Sangmeister, Ist Entwicklungszusammenarbeit noch zeitgemäß?, in: Sangmeister/Wagner (Hrsg.), Die Entwicklungszusammenarbeit der Zukunft, 2019, S. 55 (59). 26 Honig/Gulrajani, Making Good on Donors’ Desire to Do Development Differently, TWQ 39 (2018), S. 68 (70). 27 Rodrik, Goodbye Washington Consensus, Hello Washington Confusion? A Review of the World Bank’s Economic Growth in the 1990 s, JEL 44 (2006), S. 973 (976). 28 Middelschulte, Unbestimmte Rechtsbegriffe und das Bestimmtheitsgebot, 2007, S. 255; Handbuch der Rechtsförmlichkeit vom 22. September 2008, BAnz (2008), G 1990, Nr. 160a, Rn. 54; § 42 Abs. 5 S. 1 GGO. 29 Davies/Burkot, Aid law, Devpol Policy Brief No. 14, 2016, S. 3.
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dementsprechend weiterhin von Bedeutung, welchen Umfang diese Steuerungsfunktion haben soll. Im Kern des Ansatzes der Kohärenz in der Entwicklungszusammenarbeit, wie er im Rahmen der vorliegenden Untersuchung verstanden wird, steht die Stringenz des politischen Handelns. Ergänzt wird dieser Aspekt durch die Förderung von Synergien, der Langfristigkeit der Ausrichtung der Entwicklungszusammenarbeit sowie der Objektivierung von Entscheidungsprozessen. Die Maßnahmen der Entwicklungszusammenarbeit sollten demnach langfristig ausgerichtet sein, logisch aufeinander aufbauen und sich gegenseitig fördern. Soweit Kursänderungen notwendig sind, sollen diese anhand objektiver Kriterien erfolgen und sich nicht nach politischen Eigeninteressen, sondern nach Erkenntnissen der internationalen Entwicklungsforschung richten. Betrachtet man die Ergebnisse dieser Arbeit zeigt sich, dass in Bezug auf die Kohärenz der Entwicklungszusammenarbeit zwischen zwei Ebenen unterschieden werden muss. Die erste Ebene kann als eine Zielkohärenz in dem Sinne, dass sämtliche für die Entwicklungszusammenarbeit zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel ausschließlich zur Erreichung festgelegter Ziele verwendet werden, bezeichnet werden. Die zweite Ebene umschreibt die nachgeordnete Kohärenz, die auch Detailfragen wie die geförderten Sektoren und Empfängerstaaten erfasst. Letztere wäre aus dem Blickwinkel einer möglichst kohärenten Entwicklungszusammenarbeit vorzuziehen. Unter Berücksichtigung des holistischen Verständnisses der Aufgaben der Entwicklungszusammenarbeit, ihrer fortbestehenden Instrumentalisierung für Eigeninteressen der Geberstaaten und den Ergebnissen der Untersuchungen zu den Vergleichsgesetzen erscheint dieses Ziel aus Kohärenzperspektive zwar wünschenswert, mit der entwicklungspolitischen Realität jedoch weitgehend unvereinbar. Die Anforderungen an ein aus der kohärenzperspektive betrachtetes gutes Entwicklungsgesetz dürfen deshalb nicht überstrapaziert werden. Bereits eine Sicherstellung der übergeordneten Zielkohärenz hätte einen erheblichen Mehrwert für die Kohärenz der Entwicklungszusammenarbeit. Dies bedeutet, dass die Gesetze insbesondere das übergeordnete Zielsystem definieren und Mechanismen enthalten sollten, die sicherstellen, dass diese möglichst kohärent verfolgt werden. Dies ermöglicht eine langfristige Planung, an der die Entwicklungszusammenarbeit ausgerichtet werden kann. Die nachgeordnete Kohärenz der Entwicklungszusammenarbeit kann im Rahmen der Entwicklungsgesetze insbesondere durch eine Regelung der internen Strukturierung der Geberstaaten gefördert werden.30 Ausgehend von diesen Überlegungen lassen sich aus den Untersuchungsergebnissen entsprechend der vier Schwerpunkte dieser Arbeit vier Aspekte ableiten, die ein Entwicklungsgesetz regeln sollte, um zu einer kohärenten Entwicklungszusammenarbeit beizutragen. Erstens sollte es die zentralen Begrifflichkeiten und vor allem die Entwicklungszusammenarbeit selbst definieren und so das Verständnis und 30
Siehe oben Teil 6.
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Teil 7: Gesamtbetrachtung
die äußeren Grenzen dieses Handlungsbereiches verbindlich objektivieren.31 Zweitens sollte es sicherstellen, dass der jeweilige Geberstaat politische Zusagen in Bezug auf den Leistungsumfang langfristig einhält.32 Dies ermöglicht es, den zuständigen Ministerien langfristig zu planen und kann so zu einer langfristigeren und stringenteren Entwicklungszusammenarbeit beitragen. Drittens sollte es den Ermessenspielraum bezüglich der Auswahl der Entwicklungsprojekte und der Empfängerstaaten einschränken.33 Dabei bedarf es nicht notwendigerweise konkreter Vorgaben, die mit einer demokratischen Regierungsstruktur nur schwer vereinbar sind, sondern vor allem abstrakter Leitplanken in Form von Zielnormen, die dazu beitragen, Missbräuche zu verhindern. Eine Regelung dieser drei Aspekte stellt sicher, dass das Verständnis dessen, was Entwicklungszusammenarbeit ist, nicht beliebig ausgeweitet werden kann, langfristig Haushaltsmittel für entsprechende Maßnahmen zur Verfügung stehen und diese für Ziele verwendet werden, die einen inneren Zusammenhang zu den Entwicklungszielen aufweisen. Die Geberstaaten können dadurch auf neue Herausforderungen reagieren und die Ausrichtung der Entwicklungszusammenarbeit anpassen. Sie sind bei entsprechenden Neuausrichtungen aber stets an das durch die Gesetze definierte Zielsystem gebunden und dürfen neue Entwicklungsprojekte nur dann fördern, wenn diese geeignet sind, zur Erreichung der Ziele beizutragen. Viertens bedarf es der Regelung der internen Strukturierung der Entwicklungszusammenarbeit, um die Kohärenz der Entwicklungszusammenarbeit hinreichend sicherzustellen. Die in der Entwicklungszusammenarbeit erforderliche Flexibilität macht bei der Regelung der drei ersten Aspekte die Verwendung abstrakter Vorgaben notwendig. Dies führt dazu, dass die Auslegung der Gesetze maßgeblich vom jeweiligen Normadressaten abhängig ist. Die eindeutige Zuweisung von Kompetenzen34 und eine größtmögliche Transparenz sowohl in Bezug auf bereits durchgeführte35 als auch auf geplante Entwicklungsprojekte kann dazu beitragen, dass die abstrakten Vorgaben der Gesetze im Sinne einer möglichst effektiven und kohärenten Politik konkretisiert werden. Insbesondere durch eine Pflicht zur Erstellung von Leitdokumenten, die eine transparente Konkretisierung der abstrakten gesetzlichen Vorgaben darstellen, kann für den jeweiligen Zeitraum auch die nachgeordnete Stringenz der geförderten Projekte und Empfängerstaaten sichergestellt werden.36 Unter den untersuchten Gesetzen ist keines, dass diese herausgearbeiteten Qualitätsmerkmale in Gänze erfüllt und in seiner Gesamtheit als Blaupause für zukünftige Entwicklungsgesetze dienen kann. Stattdessen weisen alle Gesetze in einzelnen Bereichen Schwächen und Stärken auf. Nachfolgend werden deshalb in 31 32 33 34 35 36
Siehe oben Teil 3, § 5. Siehe oben Teil 4, § 4. Siehe oben Teil 5, § 2, E. und § 3, E. Siehe oben Teil 6, § 1, C. Siehe oben Teil 6, § 2, D. Siehe oben Teil 6, § 3, C.
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Bezug auf die einzelnen Untersuchungsschwerpunkte die Best Practices der Vergleichsgesetze dargestellt.
A. Der Begriff der Entwicklungszusammenarbeit Eine erste wichtige Funktion, die ein Entwicklungsgesetz einnehmen kann, ist die Definitionsfunktion. Durch Legaldefinitionen können ein einheitliches und verbindliches Verständnis zentraler Begrifflichkeiten sichergestellt und Entscheidungsprozesse objektiviert werden. In dieser Arbeit wurde dies am Beispiel des Begriffes der Entwicklungszusammenarbeit dargestellt. Dieser richtet sich in den untersuchten Gesetzen vornehmlich an der ODA-Definition des OECD-DAC aus. ODA stellt trotz der umfassenden und teilweise berechtigten Kritik, die an ihr geäußert wird, die zentrale Definition der staatlichen Entwicklungszusammenarbeit dar und ermöglicht sowohl ein einheitliches Verständnis zwischen den beteiligten Akteuren als auch eine Vergleichbarkeit der Leistungen der Geberstaaten.37 Die ODADefinition sollte in den Entwicklungsgesetzen deshalb stets die äußere Grenze der Definition der Entwicklungszusammenarbeit darstellen. Entscheidend ist, dass die Definition dabei nicht als Anwendungsschranke des Gesetzes formuliert wird, sondern als Handlungsauftrag. Das spanische Entwicklungsgesetz enthält diesbezüglich beispielsweise eine weite Definition der Entwicklungszusammenarbeit (Art. 1 Abs. 1 S. 2), die mit dem Auftrag verbunden ist, die erfassten Maßnahmen als ODA auszugestalten (Art. 1 Abs. 2 S. 3).38 Nur so füllt die ODA-Definition eine ermessensbeschränkende Funktion aus. Die Entwicklungsgesetze sollten mithin eine, den Einzelplänen 23 der deutschen Haushaltspläne vergleichbare,39 Bestimmung enthalten, die die Normadressaten dazu verpflichtet, die für die Entwicklungszusammenarbeit bereitgestellten Haushaltsmittel ODAeffizient zu verwenden. Dadurch wird einerseits die Entscheidung, ob eine Maßnahme Entwicklungszusammenarbeit darstellt, objektiviert, und andererseits der missbräuchlichen Verwendung von Haushaltsmitteln für entwicklungsfremde Zwecke vorgebeugt. Um der Kritik, die an der ODA-Definition geäußert wird, zu begegnen, können in Bezug auf diese Definition Einschränkungen vorgenommen werden.40 Als Beispiel 37
Siehe oben Teil 3, § 2 und § 4. Siehe oben Teil 3, § 3, C., II. 39 Siehe oben Teil 3, § 3, A., I. 40 Sowohl die SPD als auch Bündnis 90/Die Grünen hatten beispielsweise in ihren Wahlprogrammen für die Bundestagswahl 2017 argumentiert, dass die Bundesrepublik das 0,7 %Ziel erfüllen soll und dabei die Ausgaben für die Versorgung von Geflüchteten nicht angerechnet werden sollten, SPD, Zeit für mehr Gerechtigkeit. Unser Regierungsprogramm für Deutschland, Regierungsprogramm der SPD für die Bundestagswahl 2017, S. 109; Bündnis 90/ Die Grünen, Zukunft wird aus Mut gemacht., Bundestagswahlprogramm der Grünen für die Bundestagswahl 2017, S. 82. Beide Parteien vertraten damit die Auffassung, dass auf nationaler 38
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ist das Entwicklungsgesetz Kanadas zu nennen.41 Es definiert in Art. 3 den Begriff der „official development assistance“ in Anlehnung an die Definition des OECDDAC. Darüber hinaus müssen die Maßnahmen aber zusätzliche Voraussetzungen erfüllen, um als „official development assistance“ im Sinne des kanadischen Gesetzes angesehen werden zu können. Die Maßnahmen müssen gem. Art. 4 Abs. 1 zur Armutsbekämpfung beitragen, die Perspektive der Armen berücksichtigen und mit den internationalen Menschenrechtsstandards vereinbar sein. Das Gesetz stellt dadurch sicher, dass nicht sämtliche Maßnahmen, die grundsätzlich als ODA anrechenbar sind, auch als „official development assistance“ im Sinne des kanadischen Gesetzes bezeichnet werden, sondern nur solche, die auch tatsächlich zur Armutsbekämpfung beitragen.42 Die Geberstaaten können durch diese Regelungsform auf nationaler Ebene ein progressiveres Verständnis der Entwicklungszusammenarbeit normieren und Maßnahmen, die grundsätzlich als ODA anrechenbar sind, vom nationalen Verständnis der Entwicklungszusammenarbeit ausschließen und so die Steuerungsfunktion der Definition verstärken. Gleichzeitig wahrt dieser Ansatz die durch die ODA definierten äußeren Grenzen des Verständnisses der Entwicklungszusammenarbeit. Anders als im kanadischen Entwicklungsgesetz sollten entsprechende Einschränkungen aber nicht als Anwendungsschranken, sondern als Handlungsauftrag formuliert werden.
B. Pflicht zur Entwicklungszusammenarbeit Weder dem Völker- noch dem Europarecht kann eine Pflicht der Geberstaaten zur Leistung von ODA entnommen werden. Den Geberstaaten steht es mithin aus rechtlicher Perspektive frei, ob und in welchem Umfang sie in der Entwicklungszusammenarbeit tätig werden. Aufgrund der erheblichen politischen Bedeutung dieses Handlungsfeldes auch für die Geberstaaten ist eine vollständige Einstellung der Entwicklungszusammenarbeit, die nicht durch unvorhergesehene wirtschaftliche Belastungen des Haushaltsbudgets bedingt ist, nicht zu erwarten. Damit eine Rechtsnorm in diesem Zusammenhang einen Mehrwert bietet, muss sie deshalb nicht nur eine abstrakte Pflicht enthalten, sondern darüber hinaus auch eine Mindestquote bestimmen. Das einzige der untersuchten Gesetze, das eine solche qualifizierte Pflicht begründet, ist der britische International Development (Official Development AssistEbene zusätzliche Einschränkungen in Bezug auf die ODA-Definition vorgenommen werden sollten. 41 Siehe oben Teil 3, § 3, C., III. 42 Diese Definition spielt aber lediglich auf nationaler Ebene eine Rolle. An das OECDDAC meldet die kanadische Regierung sämtliche Leistungen, die nach der offiziellen Definition als ODA angerechnet werden können.
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ance Target) Act 2015.43 Dieser trägt dem Versprechen Rechnung, 0,7 % des BIP für die öffentliche Entwicklungszusammenarbeit aufzuwenden, und verpflichtet Großbritannien, diesen Wert seit 2015 in jedem Haushaltsjahr zu erreichen. Aus diesem Gesetz lassen sich einige Qualitätsmerkmale einer entsprechenden gesetzlichen Verpflichtung ableiten. Zunächst bindet das Gesetz die Mindestquote an die ODA-Definition. Dies trägt zu einer erhöhten Transparenz der Pflichterfüllung bei und verhindert, dass der Staat diese Mindestquote lediglich durch eine Erweiterung des Verständnisses der Entwicklungszusammenarbeit erreicht. Des Weiteren bestimmt das Gesetz einen Verantwortlichen, der dafür Sorge zu tragen hat, dass das festgelegte Ziel eingehalten wird, und legt Rechtsfolgen fest, sofern es verfehlt wird. Darüber hinaus regelt das Gesetz, dass die Entwicklungsmaßnahmen regelmäßig evaluiert werden müssen. Damit begegnet es dem Vorbehalt, dass eine verbindliche Verpflichtung zur Einhaltung des 0,7 % -Ziels zu Lasten der Qualität der Leistungen geht. Der International Development (Official Development Assistance Target) Act 2015 hat aber zugleich einige Schwächen. Das Gesetz legt ausdrücklich fest, dass ein Verfehlen des Leistungsziels nicht die „lawfulness of anything done, or omitted to be done, by any person“ beeinflusst. Eine gerichtliche Durchsetzung der Erfüllung dieses Ziels ist mithin nicht möglich. Zudem verpflichtet es Großbritannien, das Ziel in jedem Haushaltsjahr zu erreichen. Dies führt dazu, dass die Entscheidungsträger nicht flexibel auf Ausnahmesituation reagieren können und dazu verleitet sind, bestimmte Maßnahmen zu verschieben oder vorzuziehen, um das Leistungsziel in einem bestimmten Haushaltsjahr zu erreichen.44 Trotz dieser Schwächen hatte Großbritannien seit Erlass des Gesetzes bis zum Jahr 2021 stets 0,7 % des BIP für die öffentliche Entwicklungszusammenarbeit aufgewendet.45 Aufgrund der finanziellen und wirtschaftlichen Folgen der COVID19-Pandemie reduzierte Großbritannien den für die ODA zur Verfügung stehenden Haushaltsetat für das Jahr 2021 auf 0,5 % des BNP und verfehlt damit erstmals seit Erlass des Gesetzes das 0,7 %-Ziel.46 Dabei soll es sich jedoch ausdrücklich nur um eine temporäre Maßnahme handeln und das Ziel voraussichtlich 2023 wieder erreicht werden.47 Obwohl die Erfüllung dieser Pflicht mithin nicht gerichtlich durchsetzbar ist und in wirtschaftlichen Ausnahmesituationen von ihr abgewichen wird, scheint das Bestehen einer solchen rechtlichen Pflicht geeignet, sicherzustellen, dass hinreichende Haushaltsmittel für die Entwicklungszusammenarbeit zur Verfügung gestellt 43
Siehe oben Teil 4, § 3, B. Diesem Problem kann jedoch dadurch begegnet werden, dass die ODA-Quote lediglich über einen festgelegten Zeitraum in Durchschnitt erreicht werden muss und nicht in jedem Haushaltsjahr. Siehe dazu bereits oben Teil 4, § 4. 45 OECD, OECD Development Co-operation Peer Reviews: United Kingdom 2020, S. 12. 46 Loft/Brien, The 0,7 % Aid Target, 2022, S. 12. 47 Loft/Brien, The 0,7 % Aid Target, 2022, S. 16. 44
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werden. Dies ermöglicht eine langfristige Vorausplanung der Entwicklungszusammenarbeit, die sowohl die Stringenz der Maßnahmen fördern als auch mögliche Synergieeffekte berücksichtigen kann.
C. Inhaltliche Steuerung In Hinblick auf die inhaltliche Steuerung der Entwicklungszusammenarbeit wurde untersucht, ob die Gesetze Einfluss auf die Auswahl der Empfängerstaaten und der Entwicklungsprojekte nehmen. Diese Entscheidungen stehen im Mittelpunkt des Konflikts zwischen der notwendigen Flexibilität in der Entwicklungszusammenarbeit und dem Steuerungsanspruch der Entwicklungsgesetze.
I. Auswahl der Empfängerstaaten Die Steuerung der Auswahl der Empfängerstaaten ist mit besonderen Herausforderungen verbunden. Die Geberstaaten wollen mit der Entwicklungszusammenarbeit regelmäßig nicht einzelne Untergruppen der Empfängerstaaten fördern, sondern Entwicklungsländer, die sich in verschiedenen Entwicklungsstadien befinden, durch an den jeweiligen Entwicklungsstand angepasste Maßnahmen in ihrem Entwicklungsprozess begleiten. Dies führt dazu, dass Staaten, die beispielsweise defizitäre demokratische Strukturen aufweisen, nicht von der Entwicklungszusammenarbeit ausgeschlossen werden, sondern gerade in diesem Bereich besondere Unterstützung erhalten. Eine Steuerung der Auswahl anhand von objektiven Auswahlkriterien, die zum Ausschluss einzelner Untergruppen der Empfängerstaaten führen würden, ist mit diesem Grundgedanken nur bedingt vereinbar. Die übergeordneten Ziele der Steuerung dieses Auswahlprozesses sollten deshalb einerseits die Vermeidung der Entstehung von sogenannten Entwicklungswaisen respektive -lieblingen sein und andererseits die Begrenzung der Zahl der Empfängerstaaten je Geberstaat. Dies ließe sich insbesondere über eine umfassende Geberkoordination erreichen, die sicherstellt, dass die einzelnen Staaten im Verhältnis zu ihrem Entwicklungsstand einen angemessenen Anteil der ODA erhalten. Voraussetzung dafür wäre, dass möglichst alle auf Geberseite tätigen Akteure an einer solchen Koordination beteiligt werden. Diese Voraussetzung erschwert eine Steuerung der Auswahl der Empfängerstaaten auf nationaler Ebene. Das belgische Entwicklungsgesetz zeigt jedoch, dass auch die Entwicklungsgesetze zu einer Förderung der Koordination zwischen den Geberstaaten beitragen können: „Le Roi e´tablit, par arreˆ te´ de´libe´re´ en Conseil des ministres, une liste de dix-huit pays partenaires au maximum, avec lesquels une relation durable est recherche´e, sur la base des crite`res suivants:
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18 le degre´ de pauvrete´ et d’ine´galite´s du pays partenaire, mesure´ sur la base du niveau de de´veloppement socioe´conomique, de l’indicateur du de´veloppement humain ajuste´ aux ine´galite´s (IDHI) et de l’indice de la pauvrete´ humaine (IPH) et/ou son degre´ de fragilite´ ; 28 l’avantage comparatif actuel de la Coope´ration belge au De´veloppement et le roˆ le qu’elle peut jouer dans le pays partenaire; 38 les efforts accomplis par le pays partenaire en vue de son de´veloppement socioe´conomique; 48 les efforts du pays partenaire relatifs a` la bonne gouvernance et aux droits humains, y compris par rapport a` l’e´limination de la discrimination et a` la promotion de l’e´galite´ des chances; 58 l’importance relative de la Coope´ration belge au De´veloppement dans le pays partenaire en termes de volume et l’existence, dans le pays partenaire, d’une division du travail avec d’autres bailleurs de fonds, notamment les autres e´tats membres de l’Union europe´enne. La Belgique vise a` se placer parmi les principaux donateurs.“ Entwicklungsgesetz Belgien, Art. 16 Abs. 1
In diesem Absatz normiert es eine Kombination aus entwicklungsspezifischen Auswahlkriterien und Kriterien, die zu einer einseitigen Koordination verpflichten.48 Die Empfängerstaaten sind zunächst nach dem Grad der Armut und Ungleichheit (Nr. 1), den Anstrengungen, die sie in Bezug auf ihre sozioökonomische Entwicklung unternehmen (Nr. 3), sowie nach ihren Anstrengungen in Bezug auf eine „verantwortungsvolle Staatsführung und der Menschenrechte einschließlich der Beseitigung der Diskriminierung und der Förderung der Chancengleichheit“ (Nr. 4) auszuwählen. Bei diesen Kriterien handelt es sich um entwicklungsrelevante Merkmale, die eine Differenzierung zwischen den einzelnen Staaten ermöglichen. Von zentraler Bedeutung ist in diesem Zusammenhang, dass die Kriterien Nr. 3 und Nr. 4 nicht feststehende Eigenschaften voraussetzen, sondern dass die diesbezüglichen Anstrengungen des Empfängerstaates bewertet werden. Es wird mithin ein Entwicklungsprozess gefördert und nicht ein bereits bestehendes Ergebnis vorausgesetzt. Andererseits werden in Nr. 2 und Nr. 5 Kriterien festgelegt, die einen inneren Zusammenhang zur Koordination aufweisen. Gem. Art. 16 Abs. 1 Nr. 2 soll der „komparative Vorteil der Belgischen Entwicklungszusammenarbeit und ihre mögliche Rolle“ im jeweiligen Land berücksichtigt werden. Zudem ist gem. Art. 16 Abs. 1 Nr. 5 S. 1 die „relative Gewichtung der belgischen Zusammenarbeit im Partnerland in Bezug auf Umfang und Bestehen einer Arbeitsteilung zwischen den Gebern im Partnerland, insbesondere mit den anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union“, zu berücksichtigen, da Belgien gem. Art. 16 Abs. 1 Nr. 5 S. 2 danach strebt, „zu den wichtigsten Gebern“ in den geförderten Empfängerstaaten zu gehören. Das Element des komparativen Vorteils ist eines der zentralen Argumente für eine stärkere Koordination zwischen den Geberstaaten. Langfristig gewachsene Partnerschaften und kulturelle, sprachliche oder andere Verbindungen können dazu 48
Zum belgischen Auswahlmodell oben Teil 5, § 2, D., I., 1., a).
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beitragen, dass die Entwicklungszusammenarbeit effektiver gestaltet werden kann. Darüber hinaus macht Belgien die Auswahl der Empfängerstaaten davon abhängig, ob es zu den wichtigsten Gebern im jeweiligen Empfängerstaat gehören würde. Die Auswahl der Empfängerstaaten steht dadurch in Abhängigkeit zu den Tätigkeiten der übrigen Geberstaaten. Diese Vorgehensweise ermöglicht es einerseits, auf nationaler Ebene erste rechtsverbindliche Schritte hin zu einer verbesserten Koordination zwischen den Geberstaaten vorzunehmen. Andererseits wird durch die Festlegung dieser Auswahlkriterien der Entscheidungsprozess objektiviert. Zudem beschränkt die Norm die Zahl der Empfängerstaaten, die nach diesen Kriterien ausgewählt werden, auf 18 und legt fest, dass mit diesen Staaten eine langfristige Zusammenarbeit angestrebt werden soll. Eine Änderung der primär geförderten Empfängerstaaten ist dadurch mit einem besonderen Rechtfertigungsaufwand verbunden. Gleichzeitig steht der Wortlaut des Gesetzes der Zusammenarbeit mit weiteren Empfängerstaaten in einem kleineren Umfang, die unabhängig von den normierten Kriterien ausgewählt werden können, nicht entgegen. Das belgische Auswahlmodell stellt dadurch einen angemessenen Ausgleich zwischen dem Steuerungsanspruch der Entwicklungsgesetze auf der einen und der notwendigen Handlungsflexibilität auf der anderen Seite dar.
II. Auswahl der Entwicklungsprojekte Auch die rechtliche Steuerung der Auswahl der Entwicklungsprojekte ist unter dem Aspekt einer größtmöglichen Flexibilität mit erheblichen Herausforderungen verbunden. Die Geberstaaten verstehen die Entwicklungszusammenarbeit als ein flexibles Instrument, das zur Bekämpfung sich stetig wandelnder Probleme verwendet werden soll. Die Festlegung konkreter Sektoren durch die Entwicklungsgesetze ist deshalb nur eingeschränkt möglich. Dementsprechend erfolgt die Regelung dieser Entscheidungsebene in den untersuchten Entwicklungsgesetzen vornehmlich durch abstrakte Zielnormen. Diese sind als Handlungsauftrag zu verstehen, der die Normadressaten dazu verpflichtet, die festgelegten Ziele bestmöglich zu erreichen. Die Zielnormen stellen damit keine konkreten Handlungsanweisungen dar, sondern geben die übergeordnete Ausrichtung der Entwicklungszusammenarbeit vor. Das Beispiel des Pergau-Damm-Falls zeigt, dass sie einer Verwendung von Haushaltsmitteln für Entwicklungsprojekte, die keinen inneren Zusammenhang zu den festgelegten Zielen aufweisen, entgegenstehen und dadurch Missbräuche verhindern können. Die Festlegung eines übergeordneten Zielsystems, an dem sich das politische Handeln ausrichten kann, ist eine Grundvoraussetzung für eine kohärente Entwicklungszusammenarbeit. Die Stringenz politischen Handelns kann nur beurteilt werden, wenn die Ergebnisse, die mit diesem Handeln erreicht werden sollen, definiert sind. Die Zielnormen begründen eine Pflicht zu einer mehrstufigen ex ante Prüfung geplanter Entwicklungsprojekte. Auf der ersten Stufe sind die Ziele und ihr Aus-
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sagegehalt zu konkretisieren. Auf der zweiten Stufe ist zu prüfen, ob eine Maßnahme geeignet ist, eines oder mehrere dieser Ziele zu fördern. Nur wenn dies der Fall ist, kommt eine Finanzierung in Betracht. Auf der dritten Stufe ist sicherzustellen, dass die Maßnahmen keine negativen Auswirkungen auf die übrigen Ziele haben. Abschließend verpflichtet der Haushaltsgrundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit die Normadressaten dazu, zu prüfen, ob das geplante Projekt im Vergleich zu anderen Maßnahmen hinreichend effektiv der Förderung des jeweiligen Ziels dient. Die Zielnormen verpflichten die Normadressaten mithin zu einer strukturierten Prüfung der Förderungsfähigkeit von Entwicklungsprojekten. Dies stellt sicher, dass die zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel langfristig stringent im Sinne der übergeordneten Zielkohärenz verwendet werden. Die Gesetze sollten dabei nicht nur das übergeordnete Ziel der Armutsbekämpfung normieren, sondern auch die zentralen Nebenziele, die der jeweilige Staat mit der Entwicklungszusammenarbeit erreichen möchte. Dies trägt, unter Berücksichtigung des unter den Geberstaaten vorherrschenden holistischen Verständnisses der Armut, zu einer Konkretisierung des übergeordneten Ziels der Armutsbekämpfung bei. Als Umsetzungsbeispiel kann die Zielnorm des italienischen Entwicklungsgesetzes dienen: „2. Acknowledging the centrality of human beings, both as individuals and as members of a community, development cooperation, in compliance with the international programmes and strategies defined by international organisations and by the European Union, pursues the fundamental objectives of: a) uprooting poverty and narrowing inequalities, improving the living conditions of peoples and promoting sustainable development; b) defending and upholding human rights, the dignity of the individual, gender equality, equal opportunities and the principles of democracy under the Rule of Law; c) preventing conflicts, supporting peacebuilding and reconciliation processes, as well as post-conflict stabilisation and the consolidation and reinforcement of democratic institutions.“ Entwicklungsgesetz Italien, Art. 1 Abs. 2
Für eine weitergehende Konkretisierung des Ziels der Armutsbekämpfung können die Geberstaaten darüber hinaus durch das Gesetz Sektoren definieren, in denen die Entwicklungszusammenarbeit vornehmlich tätig werden soll. Dies trägt ebenfalls dazu bei, das Verständnis des Begriffes der Armut zu konkretisieren. Eine entsprechende gesetzliche Umsetzung dieses Ansatzes findet sich im belgischen Entwicklungsgesetz: „Dans le choix de ces secteurs, la coopération gouvernemen tale se concentre principalement sur les quatre secteurs suivants ou leur équivalent dans les pays partenaires: 18 les soins de santé, en ce compris l’accès à la santé pour tous, la santé reproductive et la lutte contre les grandes endémies, y compris une approche transversale du VIH/SIDA; 28 l’enseignement et la formation; 38 l’agriculture et la sécurité alimentaire;
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48 l’infrastructure de base.“ Entwicklungsgesetz Belgien, Art. 19 Abs. 1
Die belgische Entwicklungszusammenarbeit ist auf die genannten Bereiche zu konzentrieren. Der Wortlaut steht einer Förderung weiterer Bereiche, sofern dafür besondere Gründe sprechen, gleichwohl nicht entgegen. Dies trägt zu einem angemessenen Ausgleich zwischen der notwendigen Flexibilität und der Steuerung der Auswahl der Entwicklungsprojekte bei.
D. Interne Strukturierung Einen Schwerpunkt der untersuchten Entwicklungsgesetze bildet die interne Strukturierung der jeweiligen Geberstaaten. Diesbezüglich belassen das Völker- und Europarecht den Staaten ein vollständiges Regelungsmonopol. Den Staaten steht es aus rechtlicher Perspektive frei, wie sie die interne Ordnung ihrer Entwicklungszusammenarbeit strukturieren. Aufgrund der abstrakten Regelungen der inhaltlichen Steuerung ist dieser Bereich für die Sicherstellung einer kohärenten Entwicklungszusammenarbeit von besonderer Bedeutung.
I. Kompetenzverteilung An die kompetenzrechtlichen Bestimmungen in den Entwicklungsgesetzen können aus den bestehenden Regelungen der Vergleichsgesetze zwei Kernanforderungen abgeleitet werden. Erstens sollten die Gesetze die Führungskompetenz eindeutig zuordnen. Es sollte ein Ministerium bestimmt werden, das für die Durchführung der Entwicklungszusammenarbeit federführend zuständig ist und die grundsätzliche Richtung vorgibt. Ob in diesem Zusammenhang die Gründung eines spezifischen Entwicklungsministeriums oder die Eingliederung der Zuständigkeit in das Außenministerium vorzuziehen ist, lässt sich nicht abstrakt bestimmen. Um sicherzustellen, dass das jeweilige Ministerium der Leitfunktion auch nachkommt, sollten die Kompetenzen als Aufgaben formuliert werden. Das spanische Entwicklungsgesetz überträgt die Führungskompetenz beispielsweise auf den Außenminister, indem es ihm zentrale Aufgaben der Entwicklungszusammenarbeit überträgt: „The Minister of Foreign Affairs, responsible for the implementation of the State’s foreign policy, is also tasked with the management of international development cooperation policy, and the coordination of the bodies of the General State Administration which, within the scope of their respective powers, carry out activities in this area, observing the principle of unity of action abroad.“ Entwicklungsgesetz Spanien, Art. 17
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Andererseits sollte der Tatsache Rechnung getragen werden, dass die Entwicklungszusammenarbeit, bedingt durch die Heterogenität der Ziele, die mit ihr verfolgt werden, stets auch Gegenstand des Kompetenzbereichs anderer Ministerien ist. Es ist dementsprechend zugleich erstrebenswert, dass ein Entwicklungsgesetz das zuständige Leitministerium mit umfassenden Koordinationskompetenzen ausstattet oder ein eigenständiges Organ mit entsprechenden Kompetenzen gründet. Das Koordinationsorgan sollte mit hochrangigen Mitgliedern ausgestattet sein, um eine hinreichende Autorität sicherzustellen. Dabei sollten diesem Organ nicht nur die notwendigen Kompetenzen zugeordnet werden, sondern auch eine positive Verpflichtung auferlegt werden, diese Kompetenzen auszuüben. Die Gründung eines solchen hochrangig besetzen Leitorgans findet sich beispielsweise in Art. 7 des südkoreanischen Entwicklungsgesetzes sowie in Art. 15 des italienischen Entwicklungsgesetzes. Eine entsprechende verbindliche Regelung der Kompetenzverteilung und Zuweisung der Koordinationskompetenzen kann Kompetenzstreitigkeiten zwischen den an der Entwicklungszusammenarbeit beteiligten Ministerien entgegenwirken und dazu beitragen, dass die Entwicklungsprojekte aufeinander abgestimmt durchgeführt werden. Dies lässt sowohl eine höhere Stringenz der Entwicklungszusammenarbeit als auch die Förderung möglicher Synergieeffekte erwarten.
II. Transparenz Eine transparente Politik bildet die Grundlage dafür, dass die Öffentlichkeit die Handlungen der Regierungen nachvollziehen und bei Fehlentwicklungen zur Rechenschaft ziehen kann. Eine umfassende Transparenz beugt dadurch einer missbräuchlichen Verwendung von Haushaltsmitteln vor und fördert so die Kohärenz des politischen Handelns. Es wurden drei Qualitätsanforderungen herausgearbeitet, die an die Regelung der internen Transparenz zu stellen sind. Eine Transparenzpflicht sollte erstens alle zentralen Informationen der Entwicklungszusammenarbeit erfassen. Zweitens sollten die erfassten Daten in einer verständlichen und übersichtlichen Weise strukturiert und präsentiert werden und drittens die Ergebnisse der breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Sichergestellt wird die interne Transparenz in den untersuchten Gesetzen vor allem durch eine Berichtspflicht. Eine besonders weitgehende Pflicht begründet in diesem Zusammenhang der britische International Development (Reporting and Transparency) Act 2006. Dieses Gesetz enthält nicht nur die abstrakte Pflicht, jährlich einen umfassenden Bericht über die Entwicklungszusammenarbeit zu erstellen, sondern normiert darüber hinaus detaillierte Anforderungen an den Inhalt dieses Berichts. Zudem verpflichtet das Gesetz den für die Entwicklungszusammenarbeit zuständigen Minister dazu, eine Einschätzung bezüglich der Fortschritte in der Erreichung spezifischer Ziele vorzunehmen. Der Bericht erhält dadurch auch eine Evaluationskomponente und kann so zu einer stetigen Verbesserung der briti-
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Teil 7: Gesamtbetrachtung
schen Entwicklungszusammenarbeit beitragen. Der International Development (Reporting and Transparency) Act 2006 kann deshalb als Orientierungshilfe für die gesetzliche Umsetzung von Transparenzpflichten in der Entwicklungszusammenarbeit herangezogen werden.
III. Pflicht zur Erstellung politischer Leitdokumente Die Notwendigkeit eines weiten Handlungsspielraums in der Entwicklungszusammenarbeit macht es in vielen Bereichen erforderlich, im Rahmen der Entwicklungsgesetze mit unbestimmten Rechtsbegriffen zu arbeiten. Dies gilt insbesondere für die inhaltliche Steuerung. Weitgehende Teile der Gesetze sind deshalb auslegungsbedürftig und ihre Konkretisierung wesentlich vom jeweiligen Normanwender abhängig. Eine Möglichkeit, die rechtlichen Vorgaben in transparenter Weise näher zu bestimmen, ist die Erstellung politischer Leitdokumente. Diese können dazu dienen, die gesetzlichen Vorgaben für einen beschränkten Zeitraum zu konkretisieren. An die rechtliche Umsetzung einer solchen Verpflichtung sind insbesondere drei Anforderungen zu stellen: Zunächst sollten die Leitdokumente im Widerspruch zum Kohärenzkriterium der Langfristigkeit regelmäßig erneuert werden. Dies trägt dazu bei, dass nachfolgende Regierungen zwar an die abstrakten Vorgaben des Gesetzes gebunden sind, aber die in den Leitdokumenten geregelten Detailfragen selbst bestimmen und so eigenständige Akzente in der Entwicklungszusammenarbeit setzen können. Zudem bedeutet die Beschränkung der Regelungswirkung auf einen begrenzten Zeitraum, dass die enthaltenen Vorgaben stärker konkretisiert werden können. Zweitens sollten die Gesetze Vorgaben in Bezug auf die Aspekte, die mit den Leitdokumenten geregelt werden, enthalten. Dies sollte insbesondere auch die Auswahl der Empfängerstaaten und die in diesem Zeitraum schwerpunktmäßig zu fördernden Sektoren umfassen. So wird sichergestellt, dass diese Entscheidungsebenen zumindest für die jeweilige Geltungsdauer des Leitdokuments nicht nur im Sinne der übergeordneten Zielkohärenz ausgestaltet werden, sondern auch im Sinne der nachgeordneten Kohärenz. Als Regelungsbeispiel für diese zwei Aspekte kann Art. 8 Abs. 2 des spanischen Entwicklungsgesetzes genannt werden, der u. a. bestimmt, dass die spanischen Master-Pläne jeweils für vier Jahre verabschiedet werden und die Sektoren, geografischen Bereiche und Staaten, die im jeweiligen Zeitraum prioritär gefördert werden sollen, definieren müssen: „The Master Plan, a basic element in planning Spanish international development cooperation policy of the General State Administration, shall be drawn up on a four-yearly basis and shall contain the general lines and basic guidelines of Spanish international development cooperation policy, stating its objectives, priorities, and indicative budgetary resources, which will guide the actions of Spanish cooperation in that period, including strategy
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documents concerning each sector of cooperation, geographical area and the countries which are to be the preferential focus of cooperation.“ Entwicklungsgesetz Spanien, Art. 8 Abs. 2
Drittens sollten die zu erstellenden Leitdokumente über die Gesetze für verbindlich erklärt werden. Die Dokumente sollten nicht nur auf politischer Ebene verpflichtend sein, sondern das Handeln der zuständigen Ministerien und Durchführungsorganisationen auch in rechtsverbindlicher Weise anleiten. Bezüglich dieses Aspekts kann das österreichische Entwicklungsgesetz als Beispiel dienen: „Alle vom Bund erbrachten und an den Entwicklungshilfeausschuss (DAC) der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) gemeldeten Leistungen, die Bestandteil der öffentlichen Entwicklungsleistungen sind, sind entsprechend den Zielen und Prinzipien der Entwicklungspolitik (§ 1 Abs. 3 und 4) und gemäß den im Dreijahresprogramm der österreichischen Entwicklungspolitik festgelegten Leitlinien zu gestalten.“ Entwicklungsgesetz Österreich, § 22 S. 1
Erfüllen politische Leidokumente diese Anforderungen, stellen sie ein Steuerungsinstrument dar, das die Entwicklungsgesetze in ihrer Steuerungsfunktion ergänzen kann. Während die Gesetze die abstrakten Leitplanken bestimmen und die grundsätzliche Richtung vorgeben, dienen die Leitdokumente der verbindlichen Konkretisierung dieser äußeren Grenzen für einen festgelegten Zeitraum. Den starren Gesetzen wird so ein flexibles und dennoch verbindliches Steuerungsinstrument an die Seite gestellt.
E. Fazit Gegen den Erlass eines Entwicklungsgesetzes sprechen vor allem zwei Argumente: Einerseits schränkt es die Flexibilität in der Entwicklungszusammenarbeit ein.49 Andererseits stellt es einen Eingriff in die außenpolitischen Befugnisse nachfolgender Regierungen dar. Das erste Argument stützt sich auf die Komplexität von staatlichen Entwicklungsprozessen. Diese sind stets geprägt von spezifischen Eigenarten der jeweiligen Staaten.50 Es gibt dementsprechend nicht die eine Entwicklungsstrategie, die sich auf alle Empfängerstaaten übertragen lässt.51 Es muss den Gebern deshalb möglich sein, auf diese variierenden Herausforderungen reagieren zu können. Dieses Argument ist jedoch durch die vorliegende Untersuchung weitgehend entkräftet worden. Das Spannungsverhältnis zwischen der notwendigen Flexibilität der Geberstaaten und 49
OECD, Managing Aid: Practices of DAC Member Countries, 2009, S. 16. Sangmeister/Schönstedt-Maschke, Entwicklungszusammenarbeit im 21. Jahrhundert, 2010, S. 177. 51 A Porrata-Doria Jr, Approaches to Economic Development (Updated 07/2017), www.mpepil.com (letzter Zugriff: 09. 05. 2022), Rn. 64. 50
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der Steuerungsfunktion der Entwicklungsgesetze ist kein für Deutschland spezifisches Problem. Die Vergleichsgesetze zeigen, dass es Wege gibt, äußere Grenzen der Entwicklungszusammenarbeit gesetzlich zu bestimmen, die geeignet sind, zu einer kohärenteren Entwicklungszusammenarbeit beizutragen, ohne die notwendige Flexibilität zu stark zu beschränken. Auch das zweite Argument schließt den Erlass eines Entwicklungsgesetzes nicht generell aus. Es hat sich gezeigt, dass die Entwicklungsgesetze bisher vornehmlich dazu verwendet werden, die äußeren Konturen zu bestimmen, das übergeordnete Zielsystem zu definieren und eine interne Strukturierung der Entwicklungszusammenarbeit vorzunehmen. Dies stellt keine umfassende Einschränkung des Handlungsspielraums nachfolgender Regierungen dar. Sie sind auch unter Berücksichtigung der gesetzlichen Bestimmungen berechtigt, eigene Akzente zu setzen und die Entwicklungszusammenarbeit nach ihren eigenen Vorstellungen auszugestalten. Zudem bedeutet der Erlass eines Gesetzes nicht, dass nachfolgende Regierungen nicht das Recht haben, ihre Politik zu ändern. Es bedeutet aber, dass sie, wenn sie von den Grundsatzentscheidungen des Entwicklungsgesetzes abweichen wollen, die Zustimmung des Parlaments benötigen, um das Gesetz aufzuheben oder zu ändern.52 Ein Entwicklungsgesetz kann dementsprechend dazu beitragen, grundlegende Kursänderungen zu verhindern oder abzuschwächen bzw. diese nur unter Beteilung des Parlaments zuzulassen. Es trägt dadurch zu einer Disziplinierung der Politik bei. Ein entsprechendes Gesetz wäre deshalb auch dann erstrebenswert, wenn es nicht zur Verbesserung der Entwicklungszusammenarbeit beiträgt, sondern ausschließlich der Erhaltung und Absicherung des Status Quo dient. Die herausgearbeiteten Best Practices zeigen, dass es möglich ist, die untersuchten Bereiche gesetzlich zu regeln und gleichzeitig einen angemessenen Ausgleich zwischen notwendiger Flexibilität und Steuerung der Entwicklungszusammenarbeit zu finden. Ein Entwicklungsgesetz, das sich an diesen Best Practices orientiert, kann zwar nicht eine allumfassende Kohärenz der Entwicklungszusammenarbeit sicherstellen, es verpflichtet aber zu einer weitgehenden Zielkohärenz, ohne zu stark in den Handlungsspielraum der zuständigen Entscheidungsträger einzugreifen. Es kann dazu beitragen, dass ausreichend Haushaltsmittel für die Entwicklungszusammenarbeit zur Verfügung stehen und diese nicht für entwicklungsfremde Motive verwendet werden. Ebenso kann es für eine transparentere und damit nachvollziehbare sowie überprüfbare Entwicklungszusammenarbeit sorgen und Kompetenzstreitigkeiten entgegenwirken.
52 So auch in Bezug auf den Erlass eines Entwicklungsgesetzes Kaltenborn/Hermle, Entwicklungspolitische Kontinuität durch neues Gesetz, E+Z e-Paper (September 2018), S. 15 (16); Short, International Development Act 2002 – Second Reading – House of Commons, HC Deb Vol. 374 (07. November 2001), S. 274 (274).
§ 3 Bisherige Gesetzgebungsbestrebungen in Deutschland
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§ 3 Bisherige Gesetzgebungsbestrebungen in Deutschland Die Idee, ein Gesetz zur Regelung der deutschen Entwicklungszusammenarbeit zu erlassen, das der Förderung der Kohärenz der Entwicklungszusammenarbeit dient, ist nicht neu. Der bisher weitgehendste Ansatz ist ein Gesetzesentwurf, der bereits 1993 durch die SPD in den Bundestag eingebracht wurde. Ziel dieses Gesetzesentwurfes war es, „Kontinuität und Kohärenz der deutschen Entwicklungspolitik sicherzustellen“ und dabei gleichzeitig „Parlament und Regierung den nötigen Spielraum für eine Anpassung an wechselnde Anforderungen“ zu belassen.53 Die Fraktion der CDU/CSU hatte damals im Grundsatz zwar zugestimmt, dass eine gesetzliche Regelung der Entwicklungszusammenarbeit erstrebenswert sei, jedoch den Entwurf der SPD mit der Begründung abgelehnt, dass dieser noch nicht ausgereift genug sei.54 Die Fraktion der FDP hatte die „Sinnhaftigkeit“ eines Entwicklungsgesetzes aufgrund der dadurch eingeschränkten Flexibilität der Entwicklungspolitik gänzlich in Abrede gestellt.55 Dementsprechend hatte das Gesetz keine Mehrheit gefunden und wurde nicht verabschiedet. Auch nachdem die SPD 1998 in Koalition mit Bündnis 90/Die Grünen die Regierungsverantwortung übernommen hatte, wurde dieser Entwurf nicht weiterverfolgt.56 Dennoch soll der Gesetzesentwurf nachfolgend mit den herausgearbeiteten Best Practices verglichen werden. Gesetze sind im Grundsatz starre Regelungsinstrumente, die zur langfristigen Steuerung eines Handlungsbereiches verwendet werden. Es wird argumentiert, dass aufgrund der fortwährenden Veränderungen, die die Entwicklungszusammenarbeit durchläuft, und der erforderlichen Flexibilität Gesetze in diesem Bereich kein geeignetes Steuerungsinstrument sind.57 Sollte aber der Gesetzesentwurf aus dem Jahr 1993 bzw. dessen nachfolgend dargestellte überarbeitete Fassung vom 8. März 199458 in den Grundzügen mit den Best Practices der Entwicklungsgesetze der führenden Geberstaaten im Jahr 2020 vereinbar sein, würde dies dafür sprechen, dass bestimmte Aspekte auch mittels eines solch starren Steuerungsinstruments wie einem Gesetz langfristig geregelt werden können.
53
BT-Drucks. 12/5960 vom 22. Oktober 1993, S. 2. BT-Drucks. 12/7603 vom 19. 05. 1994, S. 4. Zur Debatte um diesen Gesetzesentwurf siehe auch Pellens, Entwicklungshilfe Deutschlands und der Europäischen Union, 1995, S. 49. 55 BT-Drucks. 12/7603 vom 19. 05. 1994, S. 5. 56 Groß, Deutsches Entwicklungsverwaltungsrecht, in: Dann/Kadelbach/Kaltenborn (Hrsg.), Entwicklung und Recht, 2014, S. 659 (661). 57 Skeptisch diesbezüglich auch OECD, Effective Aid Management: Twelve lessons from DAC Peer Reviews, 2008, S. 5. 58 BT-Drucks. 12/7603 vom 19. 05. 1994, S. 6 – 10. 54
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Teil 7: Gesamtbetrachtung
A. Der Begriff der Entwicklungszusammenarbeit § 3 Abs. 1 des damaligen Gesetzesentwurfs definierte Entwicklungspolitik im Sinne des Gesetzes als „alle staatlichen, gesellschaftlichen und privaten Maßnahmen, die auf die Verwirklichung der in diesem Gesetz genannten Grundsätze und Ziele gerichtet sind“. Das Gesetz verbindet mithin eine Regelung der staatlichen mit der privaten Entwicklungszusammenarbeit und weicht damit grundlegend von der ODA-Definition sowie den Regelungsansätzen in den untersuchten Entwicklungsgesetzen ab. Ein erster Bezug auf das OECD-DAC fand sich aber in der Definition der potenziellen Leistungsempfänger. In § 3 Abs. 3 des Gesetzesentwurfs wurden Entwicklungsländer, als Länder, „auf welche die Kriterien zutreffen, die vom Entwicklungshilfeausschuss der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) definiert sind“, konkretisiert. In Bezug auf die potenziellen Empfängerstaaten bezog sich der Entwurf mithin ausdrücklich auf das OECD-DAC und zeigte erste Ansätze, die Zusammenarbeit an ihren Vorgaben auszurichten.
B. Leistungspflicht zur Entwicklungszusammenarbeit Auch auf eine qualifizierte Leistungspflicht ging der Gesetzesentwurf bereits ein. Gem. § 22 Abs. 1 hätte die Bundesrepublik angestrebt, „spätestens binnen zehn Jahren für die entwicklungspolitische Zusammenarbeit Mittel in Höhe von mindestens 0,7 v. H. des Bruttosozialprodukts im Bundeshaushalt bereitzustellen“. Dieses Ziel hätte gem. § 22 Abs. 2 des Entwurfs „durch eine jährliche Aufstockung der Verpflichtungsermächtigungen um mindesten 10 v. H. erreicht werden“ sollen. Bereits der damalige Gesetzesentwurf hat sich somit ausdrücklich zu dem Ziel bekannt, 0,7 % des BIP für die Entwicklungszusammenarbeit aufzuwenden, und hätte sowohl einen konkreten Zeitplan definiert als auch dieses Ziel nach dem zehnten Jahr nach Erlass des Gesetzes für rechtsverbindlich erklärt. Deutschland wäre damit der erste Staat gewesen, der eine solche qualifizierte Leistungspflicht gesetzlich normiert hätte. In dieser Frage wäre das Gesetz auch nach heutigen Ansprüchen an ein gutes Entwicklungsgesetz noch immer in einer Vorreiterrolle.
C. Inhaltliche Steuerung Die inhaltliche Steuerung wäre wie auch in den untersuchten Vergleichsgesetzen insbesondere durch die Normierung übergeordneter Ziele erfolgt. Der Gesetzesentwurf sah in § 1 das nachfolgende Zielsystem vor: „§ 1 Ziele (1) Die Entwicklungspolitik soll zu einer auf Dauer tragfähigen, sozial gerechten, wirtschaftlich produktiven, ökologisch verträglichen und menschenwürdigen Entwicklung beitragen. Armutsbekämpfung durch Selbsthilfe, vorbeugende Friedensförderung, der
§ 3 Bisherige Gesetzgebungsbestrebungen in Deutschland
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Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen und Verwirklichung der Menschenrechte sind vorrangige Ziele der Entwicklungspolitik. (2) Die Entwicklungspolitik soll der breiten Bevölkerung zugutekommen und ihr helfen, aus eigener Kraft ihre Lebensbedingungen zu verbessern. Dazu zählen: Ernährung und Gesundheit; eine lebenswerte Umwelt und soziale Gerechtigkeit; Arbeit, Wohnung und Energie, Bildung und Ausbildung, Meinungsfreiheit, Rechtssicherheit und demokratische Teilhabe an der politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklung, Gleichstellung von Frau und Mann. (3) Die Entwicklungspolitik soll dazu beitragen, das Bevölkerungswachstum in Einklang zu bringen mit den globalen Ressourcen. (4) Zu den Aufgaben der Entwicklungspolitik gehört es, den Ursachen zwischenstaatlicher Konflikte und internationaler Wanderungsbewegungen zu begegnen, Rüstungsausgaben zu senken sowie Konflikten vorzubeugen und zu ihrer gewaltfreien Lösung beizutragen. (5) Die Entwicklungspolitik zielt darauf ab, die internationalen wirtschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen für Entwicklungsländer zu verbessern, insbesondere die regionale Zusammenarbeit zu stärken und das internationale Wirtschafts- und Finanzsystem so zu reformieren und weiterzuentwickeln, dass für alle Länder faire Wettbewerbsbedingungen, Rechtsgleichheit und Rechtssicherheit, der Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen und des menschlichen Lebens gewährleistet ist. (6) Die Entwicklungspolitik unterstützt Entwicklungsländer darin, einen selbstbestimmten Weg zu gehen, der die natürlichen Lebensgrundlagen erhält, soziale Sicherheit schafft sowie die Kulturen der Völker und das Völkerrecht achtet. Angesichts der hohen Bedeutung entwicklungsfördernder gesellschaftlicher, politischer, wirtschaftlicher und kultureller Rahmenbedingungen in den Entwicklungsländern selbst und des prinzipiellen Vorrangs ihrer Eigenverantwortung unterstützt die Entwicklungspolitik den Aufbau entsprechender demokratischer und subsidiär gestalteter Strukturen und Institutionen. (7) Die Entwicklungspolitik unterstützt Struktur-, Verhaltens- und Bewusstseinsveränderungen im eigenen Lande, die globaler Verantwortung verpflichtet sind.“
Die in dieser Norm festgelegten Ziele stimmen in weiten Teilen mit dem heutigen Verständnis der Entwicklungszusammenarbeit überein. Die Maßnahmen der Entwicklungszusammenarbeit hätten nicht einer rein wirtschaftlichen Entwicklung gedient, sondern weitere Ziele wie die Gleichstellung von Frau und Mann, die Berücksichtigung ökologischer Aspekte und die Förderung demokratischer Strukturen, die auch heute noch zum Kernverständnis der internationalen Entwicklungszusammenarbeit gehören, berücksichtigt. Ebenso hätte die Zielnorm des Gesetzesentwurfs bereits dem Gedanken Rechnung getragen, dass im Zentrum der Entwicklungsbemühungen die Bevölkerung der Empfängerstaaten steht. Gem. § 1 Abs. 2 S. 1 des Entwurfs sollte die Entwicklungspolitik „der breiten Bevölkerung zugutekommen und ihr helfen, aus eigener Kraft ihre Lebensbedingungen zu verbessern“. § 1 des Gesetzesentwurfs entspricht damit in seiner Struktur und dem Aussagegehalt den Zielnormen der heutigen Entwicklungsgesetze. Darüber hinaus wurde in dem Gesetzesentwurf bereits die Notwendigkeit einer möglichst umfassenden Koordination zwischen den beteiligten Entwicklungsakteuren sowie die Eigenverantwortung der Empfängerstaaten berücksichtigt:
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Teil 7: Gesamtbetrachtung
„§ 14 Internationale Koordination (1) Die Maßnahmen der Entwicklungspolitik sollen mit den Entwicklungsländern und mit anderen Trägern der Entwicklungszusammenarbeit hinsichtlich ihrer Zwecke und ihrer Durchführung bereits im Stadium der Planung abgestimmt werden. (2) Die Bundesrepublik Deutschland koordiniert ihre Entwicklungspolitik mit der Europäischen Gemeinschaft und den anderen europäischen Staaten. Sie stimmt ihre Maßnahmen international ab. (3) Die Bundesregierung ist verpflichtet, in den internationalen Organisationen die in diesen Gesetzen verankerten Grundsätze und Ziele sowie die Beschlüsse des Deutschen Bundestages mit Nachdruck zu vertreten und dem Deutschen Bundestag darüber regelmäßig zu berichten.“
§ 14 Abs. 1 des Entwurfs überträgt den Empfängerstaaten nicht die Entscheidungskompetenz bezüglich der Entwicklungsprojekte. Die deutschen Entscheidungsträger wären aber dazu verpflichtet gewesen, diese bereits im Stadium der Planung in den Entscheidungsprozess mit einzubeziehen. Darüber hinaus hätte die deutsche Entwicklungspolitik gem. § 14 Abs. 2 mit der Politik der Europäischen Gemeinschaft und den anderen europäischen Staaten koordiniert, und die Maßnahmen international abgestimmt werden müssen. Dem Wortlaut nach hätte sich die Koordinationspflicht darüber hinaus nicht auf die Projektkoordination beschränkt, sondern grundsätzlich auch die Auswahl der Empfängerstaaten erfasst. Der Gesetzesentwurf wäre mithin auch in Bezug auf die inhaltliche Steuerung mit den Anforderungen an ein gutes Entwicklungsgesetz vereinbar gewesen.
D. Interne Strukturierung Zu den drei Aspekten der internen Strukturierung, die untersucht wurden, enthielt der Gesetzesentwurf ebenfalls Regelungen. In Bezug auf die Kompetenzen ist auffällig, dass das BMZ keine ausdrückliche Erwähnung gefunden hatte. Stattdessen wurde vornehmlich die Bundesregierung im Allgemeinen als Adressat der Regelungen benannt. Der Entwurf setzte mithin das Fortbestehen des BMZ nicht voraus. Als spezifisches Organ nannte er aber in § 16 die Schaffung eines entwicklungspolitischen Beauftragten: „§ 17 Entwicklungspolitischer Beauftragter (1) Als Hilfsorgan des Deutschen Bundestages bei der Ausübung der parlamentarischen Kontrolle wählt der Deutsche Bundestag eine entwicklungspolitisch erfahrene Persönlichkeit zum entwicklungspolitischen Beauftragten. (2) Der entwicklungspolitische Beauftragte legt jährlich dem Deutschen Bundestag einen Bericht vor, in dem er darlegt, in welcher Weise die Bundesregierung dieses Gesetz ausführt und welche Vorschläge und Beschwerden hinsichtlich der Erfüllung der gesetzlichen Verpflichtungen und Bundestagsbeschlüsse von außerhalb des Parlaments an ihn herangetragen wurden. Das Nähere regeln vom Deutschen Bundestag zu beschließende Ausführungsbestimmungen.“
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Der entwicklungspolitische Beauftragte wäre mithin eine Kontrollinstanz gewesen, die in Form von jährlichen Berichten dargelegt hätte, ob die gesetzlichen Vorgaben hinreichend umgesetzt werden. Die weiteren Kompetenzen dieses Hilfsorgans wären nicht durch das Gesetz definiert worden, sondern durch Ausführungsbestimmungen, die durch den Deutschen Bundestag zu bestimmen gewesen wären. Der entwicklungspolitische Beauftragte hätte somit keine umfassende Leit- oder Koordinationskompetenz gehabt. Zusätzlich sah der Entwurf in § 20 einen entwicklungspolitischen Beirat vor, der eine Beratungsfunktion hätte einnehmen sollen: „§ 20 Entwicklungspolitischer Beirat (1) Der Deutsche Bundestag beruft einen entwicklungspolitischen Beirat. Er setzt sich aus Vertretern aus Wissenschaft, Gesellschaft, Nichtregierungsorganisationen, Kirchen, Wirtschaft und Gewerkschaften sowie Persönlichkeiten aus Entwicklungsländern zusammen. (2) Der entwicklungspolitische Beirat berät den Deutschen Bundestag in Grundsatzfragen der Entwicklungspolitik und bei der mittelfristigen Planung entwicklungspolitischer Maßnahmen. Der entwicklungspolitische Beirat veröffentlicht seine Beratungsergebnisse in eigener Verantwortung. (3) Die Zusammensetzung, die Rechte und die Arbeitsweise des Beirats regeln vom Deutschen Bundestag zu beschließende Ausführungsbestimmungen. (4) Der entwicklungspolitische Beirat soll zur Führung seiner Geschäfte sich der beim entwicklungspolitischen Beauftragten vorhandenen personellen und sachlichen Ressourcen bedienen.“
Auch dieser Beirat wäre nicht mit spezifischen Kompetenzen ausgestattet worden, sondern auf seine Beratungsfunktion beschränkt gewesen. Diesbezüglich hätten die weiteren Rechte und die Arbeitsweise gem. § 20 Abs. 3 des Gesetzesentwurfs ebenfalls durch Ausführungsbestimmungen des Bundestages geregelt werden sollen. In Bezug auf den Aspekt der Regelung der Kompetenzen hätte der Gesetzesentwurf demnach Defizite im Vergleich zu den herausgearbeiteten Best Practices aufgewiesen. Weder hätte er ein Leitministerium für die Entwicklungszusammenarbeit festgelegt noch die Problematik der erforderlichen Koordination zwischen den beteiligten Ministerien hinreichend adressiert. Die Fragen der Transparenz wurden in § 18 und § 19 des Gesetzesentwurfs geregelt. Ebenso wie die Mehrzahl der untersuchten Entwicklungsgesetze wäre die interne Transparenz durch eine Berichtspflicht sichergestellt worden: „§ 19 Entwicklungspolitischer Bericht (1) Die Bundesregierung legt dem Deutschen Bundestag alle zwei Jahre einen entwicklungspolitischen Bericht vor. (2) Der entwicklungspolitische Bericht umfasst u. a. eine Evaluierung (Soll-Ist-Vergleich) der Entwicklungspolitik und der einzelnen Maßnahmen der entwicklungspolitischen Zusammenarbeit der Bundesregierung und die Darstellung bedeutsamer Wirkungen ihrer Politik auf die Entwicklungsländer sowie das Verhalten der Bundesregierung in entwicklungspolitisch relevanten internationalen Institutionen.“
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Teil 7: Gesamtbetrachtung
Diese Berichtspflicht wäre über eine rein statistische Wiedergabe der durchgeführten Maßnahmen hinausgegangen und hätte u. a. auch eine Evaluierung der durchgeführten Maßnahmen erfasst. Die Transparenz bezüglich zukünftiger Leistungen wäre nach § 18 des Gesetzesentwurfs durch die Schaffung politischer Leitdokumente adressiert worden. „§ 18 Mittelfristige Planung (1) Die Bundesregierung legt dem Deutschen Bundestag zur Beschlussfassung zweijährlich ein mittelfristiges entwicklungspolitisches Programm vor. Daraus soll auch die Politik der Bundesregierung in den internationalen Institutionen deutlich werden. (2) Gleichzeitig mit dem Entwicklungsetat des Bundeshaushaltes legt die Bundesregierung dem deutschen Bundestag zur Beschlussfassung jährlich eine Jahresplanung mit sektoralen, regionalen und instrumentellen Schwerpunkten und Eckwerten vor. Wesentlich darüber hinausgehende entwicklungspolitische Entscheidungen bedürfen der Zustimmung des Deutschen Bundestages. (3) Im Falle bedeutsamer einzelner multilateraler Maßnahmen soll die Bundesregierung den Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit in getrennten Vorlagen rechtzeitig unterrichten, damit – vor allem auch im Hinblick auf Prioritäten für einzelne Länderprogramme – die Kompetenz des Ausschusses in die Entscheidungsfindung der Regierung Eingang finden kann. (4) Die Federführung bei der Vorbereitung der Beschlüsse des Deutschen Bundestages obliegt dem Fachausschuss.“
Dieses entwicklungspolitische Programm hätte zwar der Regelung der „mittelfristigen“ Planung der deutschen Entwicklungszusammenarbeit gedient. Der Begriff mittelfristig wäre jedoch nicht näher konkretisiert worden. Darüber hinaus hatte der Entwurf die Pflicht enthalten, dieses Programm jährlich zu erneuern sowie die Planung der Länder und Sektoren auf eine Jahresplanung beschränkt. Dies erscheint unter Berücksichtigung der Aspekte der Stringenz und der Langfristigkeit für eine kohärente Entwicklungszusammenarbeit nicht förderlich. Ebenso wenig hätte das Gesetz den Inhalt dieser entwicklungspolitischen Programme hinreichend konkretisiert. Gleichwohl hätte auch eine solche, im Vergleich zu den herausgearbeiteten Best Practices abgeschwächte, Pflicht zur Erstellung von politischen Leitdokumenten, einen Mehrwert zur bestehenden Situation in Deutschland geboten.
E. Fazit Der Gesetzesentwurf zeigt wesentliche Ansätze eines guten Entwicklungsgesetzes im Sinne der herausgearbeiteten Best Practices. Insbesondere in den Bereichen der Leistungspflicht und der inhaltlichen Steuerung würde ein entsprechendes Gesetz noch heute eine Vorreiterrolle einnehmen. Aber auch die übrigen in dieser Arbeit untersuchten Regelungsaspekte finden sich bereits in dem Gesetzesentwurf wieder und würden mit dem heutigen Verständnis der Entwicklungszusammenarbeit nicht in Widerspruch stehen.
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Neben den untersuchten Schwerpunkten hatte darüber hinaus das Prinzip der Politikkohärenz für Entwicklung unter dem Begriff der Entwicklungsverträglichkeit in § 21 Eingang in den Gesetzesentwurf gefunden. Gem. § 21 Abs. 1 S. 1 hätte „die Politik der Bundesregierung […] nicht im Widerspruch zu den in diesem Gesetz verankerten Zielen und Maßstäben stehen“ dürfen. Gem. § 21 Abs. 1 S. 2 wären „die Bundesregierung sowie alle Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts und juristische Personen des privaten Rechts, deren Kapital sich ausschließlich oder überwiegend in öffentlicher Hand befinden, [verpflichtet gewesen,] sicherzustellen, dass ihr Entscheidungen mit den Grundsätzen und Zielen“
des Gesetzesentwurfs in Einklang gestanden hätten. Damit wären alle öffentlichen Stellen an die im Entwurf festgelegten Ziele und Maßstäbe gebunden gewesen. Dies hätte gem. § 21 Abs. 2 des Entwurfs „insbesondere alle Vorhaben im Bereich der Finanz- und Währungs-, der Wirtschafts-, Landwirtschafts- und Handelspolitik, der Umwelt- und Technologiepolitik“ erfasst und die Bundesregierung dazu verpflichtet, diese „auf ihre wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Auswirkungen auf die Entwicklungsländer“ zu prüfen. Das Gesetz hätte mithin alle zentralen Politikbereiche, die Einfluss auf die Entwicklungsländer nehmen, ausdrücklich erfasst. Die öffentlichen Stellen wären nicht nur dazu verpflichtet gewesen, in Übereinstimmung mit den Zielen und Maßstäben zu handeln, sondern auch eine entsprechende Vereinbarkeitsprüfung durchzuführen. Der Gesetzesentwurf enthält trotz seines Alters überraschend fortschrittliche Ansätze. Wenngleich beispielsweise eine Verpflichtung zur Erstellung politischer Leitdokumente fehlt und auch der Frage der Kompetenzverteilung in der Entwicklungszusammenarbeit nicht hinreichend begegnet wurde, zeigt sich, dass es gewisse Grundsätze in der Entwicklungszusammenarbeit gibt, die sich auch über einen Zeitraum von drei Jahrzehnten nicht verändern. Der Entwurf enthält keine Regelungen, die unvereinbar mit dem heutigen Verständnis der Entwicklungszusammenarbeit sind. Es gibt mithin Aspekte, die trotz der in diesem Handlungsbereich notwendigen Flexibilität und der stetigen Weiterentwicklung der Entwicklungszusammenarbeit in einem starren und langfristigen Steuerungsinstrument wie einem Gesetz festgeschrieben werden können.
Ergebnis und Ausblick Die deutsche Entwicklungszusammenarbeit umschreibt die Maßnahmen, mit denen die Bundesrepublik sich selbst hilft, indem sie anderen Staaten hilft.1 Die Entwicklungszusammenarbeit wird als Bestandteil der Außenpolitik stets von einer Mischung aus kurzfristigen Eigeninteressen und altruistischen Motiven geleitet.2 Dies ist im Grundsatz nicht verwerflich. Die Verfolgung pragmatischer Motive kann die Entwicklungszusammenarbeit gegenüber der eigenen Bevölkerung legitimieren und sicherstellen, dass ausreichend Haushaltsmittel für Entwicklungsprojekte zur Verfügung gestellt werden. Gleichzeitig liegt aber auch eine Erreichung der Ziele, die nicht vornehmlich als egoistisch zu klassifizieren sind, ganz wesentlich im Interesse der Geberstaaten. Armut als Nährboden für Terrorismus und Krieg, Demokratiedefizite und Menschenrechtsverstöße als Fluchtursachen sowie veraltete und dadurch klimaschädliche Industrien sind Beispiele für Probleme, die sich nicht nur auf die betroffenen Entwicklungsländer auswirken, sondern globale Herausforderungen darstellen, deren Lösung im Interesse der gesamten Staatengemeinschaft liegt. Eine effektive Entwicklungszusammenarbeit, die nachhaltig zur Lösung dieser Probleme beiträgt, ist mithin sowohl im Interesse der Empfängerstaaten als auch der Geberstaaten. Im Zentrum der Debatte um eine effektivere Entwicklungszusammenarbeit steht das Prinzip der Ownership. Die damit verbundene Betonung der Eigenverantwortung der Empfängerstaaten ist ebenso richtig wie selbsterklärend. Nur wenn die Empfängerstaaten die Grundbedingungen für einen nachhaltigen Entwicklungsprozess schaffen, kann dieser gelingen. Die Entwicklungszusammenarbeit stellt lediglich einen verstärkenden Faktor dar, der im Idealfall den Entwicklungsprozess beschleunigen und positiv beeinflussen kann. Diesen positiven Effekt hat sie jedoch nur dann, wenn sie im Sinne der Empfängerstaaten eingesetzt wird. Die Entwicklungszusammenarbeit im Allgemeinen und das Prinzip der Ownership im Besonderen beruhen auf der Annahme, dass Empfänger- und Geberstaaten übereinstimmende Ziele verfolgen.3 Die Geberstaaten stehen deshalb in der Verantwortung, die Entwicklungszusammenarbeit möglichst kohärent an dem Ziel einer nachhaltigen Entwicklung der Empfängerstaaten auszurichten. 1 So bereits 1953 in Bezug auf die Entwicklungszusammenarbeit der USA Cardozo, Foreign Aid Legislation, Cornell L. Rev. 38 (1953), S. 161 (161). 2 Ihne/Wilhelm, Grundlagen der Entwicklungspolitik, in: Ihne/Wilhelm (Hrsg.), Einführung in die Entwicklungspolitik, 2013, S. 5 (12); Messner/Scholz, Entwicklungspolitik als Beitrag zur globalen Zukunftssicherung, in: Faust/Neubert (Hrsg.), Wirksamere Entwicklungspolitik, 2010, S. 71 (73). 3 Dijkstra, The New Aid Paradigm, DESA Working Paper No. 128, 2013, S. 15.
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Untersuchungsziel dieser Arbeit war es deshalb einerseits zu bestimmen, ob das in Deutschland geltende Entwicklungsrecht geeignet ist, eine solche kohärente Entwicklungszusammenarbeit im Interesse der nachhaltigen Entwicklung der Empfängerstaaten sicherzustellen, und anderseits, sofern dies nicht der Fall ist, ob eine gesetzliche Regelung dieses Handlungsbereichs anzustreben ist. Die Betrachtung des in Deutschland geltenden Entwicklungsrechts hat gezeigt, dass dieses für die Sicherstellung einer solchen Entwicklungszusammenarbeit, die sich kohärent an den Interessen der Empfängerstaaten ausrichtet, bisher nicht ausreichend ausgestaltet ist. Die Bundesregierung hat auch unter Berücksichtigung des geltenden Rechts einen umfassenden Ermessensspielraum. Sie kann sowohl über den Umfang der Haushaltsmittel, die für die ODA bereitgestellt werden, als auch über die inhaltliche Ausrichtung der Entwicklungszusammenarbeit weitgehend unbeeinflusst von rechtlichen Vorgaben entscheiden. Im Gegensatz zu Deutschland hat die Mehrzahl der Mitgliedstaaten des OECDDAC mittlerweile Gesetze erlassen, die den Zweck haben, der Entwicklungszusammenarbeit einen rechtlichen Rahmen zu geben. Diese Gesetze stehen in einem Spannungsverhältnis zwischen einem Steuerungsanspruch und der in der Entwicklungszusammenarbeit notwendigen Flexibilität. Dieses Spannungsverhältnis spiegelt sich in den Gesetzen wider. Sie dienen in ihrer heutigen Form vornehmlich der Festsetzung übergeordneter Ziele und der internen Strukturierung. Die Normierung der übergeordneten Ziele hat einen abstrakt steuernden Einfluss. Durch sie werden äußere Leitplanken definiert und der Handlungsspielraum der zuständigen Entscheidungsträger begrenzt. Entwicklungsgesetze sind unter Berücksichtigung der herausgearbeiteten Best Practices geeignet, sicherzustellen, dass die missbräuchliche Verwendung von Haushaltsmitteln für die Entwicklungszusammenarbeit für entwicklungsfremde Motive erschwert wird und die ODA in hinreichend transparenter Weise durchgeführt und geplant wird. Dennoch behalten die Geberstaaten auch unter Berücksichtigung der jeweiligen Entwicklungsgesetze einen weitgehenden Ermessensspielraum bezüglich der inhaltlichen Ausrichtung ihrer Entwicklungszusammenarbeit. Keines der untersuchten Gesetze schränkt das zur Verfügung stehende Instrumentarium derart ein, dass der jeweilige Staat nicht weiterhin auf sich verändernde Herausforderungen und neue Erkenntnisse reagieren könnte. Das zentrale Argument gegen entsprechende Gesetze, die daraus resultierende Einschränkung der Flexibilität, konnte mithin entkräftet werden. Diese Arbeit kommt deshalb zu dem Ergebnis, dass sich Entwicklungsgesetze berechtigterweise in vielen Geberstaaten als übergeordnetes Steuerungsinstrument etabliert haben. Die Geberstaaten sollten sicherstellen, dass ihre Vergabestrukturen auf einem rechtlichen Fundament beruhen, das sie zu einer kohärenten Entwicklungszusammenarbeit verpflichtet. Gesetze sind als starre Steuerungsinstrumente, die nur in einem formellen Gesetzgebungsverfahren geändert und aufgehoben werden können, besonders geeignet, die äußeren Konturen dieses rechtlichen Fundaments zu definieren. Sie können zu einer Disziplinierung der Politik beitragen und sicherstellen, dass diese sich an den übergeordneten Entwicklungszielen ausrichtet.
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Auch in Deutschland sollte deshalb der Erlass eines Gesetzes zur Steuerung der Entwicklungszusammenarbeit angestrebt werden.4 Aus dieser Forderung nach einem deutschen Entwicklungsgesetz leiten sich Anschlussfragen für das Forschungsgebiet des Entwicklungsrechts ab. Die untersuchten Gesetze weisen erhebliche Unterschiede in Bezug auf die gewählten Regelungsmodelle auf. Eine umfassende Untersuchung einzelner Entwicklungsgesetze und ihre Stellung innerhalb der jeweiligen Rechtssysteme würde zu einer weiteren Verbesserung des Verständnisses des Entwicklungsrechts und der Wirkung dieser Gesetze beitragen. Dänemark verwendet beispielsweise, trotz des bestehenden Entwicklungsgesetzes, das Haushaltsgesetz zur Festlegung der Bereiche, die prioritär durch die Entwicklungszusammenarbeit gefördert werden sollen.5 Es ist dementsprechend davon auszugehen, dass u. a. die jeweiligen Haushaltsgesetze ebenso wie in Deutschland auch in den Geberstaaten, die Entwicklungsgesetze erlassen haben, Einfluss auf die Entwicklungszusammenarbeit nehmen. Ein umfassendes Verständnis des Entwicklungsrechts in den Vergleichsstaaten kann deshalb nur erlangt werden, wenn auch das übrige nationale Recht berücksichtigt wird. Diese Arbeit hat das in Deutschland geltende Entwicklungsrecht sowie die Vergleichsgesetze zudem vornehmlich aus Kohärenzperspektive betrachtet. Während die Sicherstellung einer größtmöglichen Kohärenz der Entwicklungszusammenarbeit die Kernaufgabe eines Entwicklungsgesetzes darstellt, sind die Gesetze in ihrer Steuerungsfunktion nicht auf diesen Aspekt beschränkt. Die Funktion der Entwicklungsgesetze sollte deshalb auch aus anderen Blickwinkeln betrachtet werden. Aus Perspektive der Effektivitätsdebatte stellt sich beispielsweise die Frage, ob der Erlass eines Entwicklungsgesetzes stets mit einer Steigerung der Effektivität der ODA einhergeht. Der Begriff der Kohärenz ist keinesfalls gleichbedeutend mit dem der Effektivität. Inkohärenzen im politischen Handeln sind eine zentrale Ursache für Ineffektivität, jedoch kann auch eine kohärente Entwicklungszusammenarbeit ineffektiv sein. Es existieren bisher keine empirischen Untersuchungen, die den Zusammenhang zwischen einer effektiven Entwicklungs-zusammenarbeit einzelner Geberstaaten und dem Bestehen eines Entwicklungsgesetzes erforschen. Diesbezüglich gilt es mithin zu untersuchen, welche weiteren Funktionen ein Entwicklungsgesetz einnehmen kann, um zu einer Steigerung der Effektivität der Entwicklungszusammenarbeit beizutragen. Ein weiterer Aspekt, der weitergehender Erforschung bedarf, ist die Steuerung der Durchführungsebene durch die Entwicklungsgesetze. Es ist der Frage nachzugehen, welche normativen Vorgaben die existierenden Entwicklungsgesetze in Bezug auf 4 So in jüngerer Vergangenheit im Ergebnis auch Kaltenborn/Hermle, Entwicklungspolitische Kontinuität durch neues Gesetz, E+Z e-Paper (September 2018), S. 15 (16). 5 Ministry of Foreign Affairs of Denmark, The Government’s Priorities for Danish Development Cooperation 2019, Expenditure framework for Danish development cooperation, 2019 – 2022, 2018, S. 4.
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die Durchführung der Entwicklungsprojekte machen. Inwieweit verpflichten sich die Geberstaaten beispielsweise zur Durchsetzung der Beachtung menschenrechtlicher und umweltrechtlicher Vorgaben bei der Durchführung der Entwicklungsprojekte und in welcher Form sollten entsprechende Pflichten Bestandteil eines deutschen Entwicklungsgesetzes sein?
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Dokumente der Bundesrepublik Deutschland Abkommen zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Tunesischen Republik über finanzielle Zusammenarbeit, BGBl. II, Nr. 36 vom 20. Juni 1972, S. 647 – 648.
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Dokumente der Europäischen Union Europäischer Rat, Schlussfolgerungen des Vorsitzes, Dok 10244/1/05 Rev. 1 vom 15. Juli 2005. Europäischer Rat, Schlussfolgerungen des Vorsitzes, Dok 11018/1/08 Rev. 1 vom 17. Juli 2008. Europäisches Parlament, Abstimmung der EU-Geberländer im Bereich der Entwicklungshilfe, ABlEU Nr. C 468 vom 15. Dezember 2016, S. 73 – 79. Europäisches Parlament, Entschließung vom 14. Februar 2017 zu der Überarbeitung des Europäischen Konsenses über die Entwicklungspolitik, ABlEU Nr. C 252 vom 18. Juli 2018, S. 62 – 77. Gemeinsame Erklärung des Rates und der im Rat vereinigten Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten, des Europäischen Parlaments und der Kommission zur Entwicklungspolitik der Europäischen Union: „Der Europäische Konsens“, ABlEU Nr. C 46 vom 24. 2. 2006, S. 1 – 19. Gemeinsame Erklärung des Rates und der im Rat vereinigten Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten, des Europäischen Parlaments und der Kommission: Der neue Europäische Konsens über die Entwicklungspolitik, ABlEU Nr. C 210 vom 30. Juni 2017, S. 1 – 24. Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament über die gegenseitige Ergänzung der Politik der Gemeinschaft auf dem Gebiet der Entwicklungszusammenarbeit und der entsprechenden Politik der Mitgliedstaaten vom 03. 05. 1995, Kom/95/160 endg.
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Kommission der Europäischen Gemeinschaften, EU Code of Conduct on Divison of Labour in Development Policy, Annex to the Communication from the Commission to the Council and the European Parliament vom 28. Februar 2007, SEC(2007) 248. Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Policy Coherence for Development 2015 EU Report vom 3. August 2015, SWD(2015) 159 final. Kommission der Europäischen Gemeinschaften, 2019 EU Report on Policy Coherence for Development vom 28. Januar 2019, SWD(2019) 20 final. Rahmenabkommen über die Partnerschaft und Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Mongolei andererseits, BGBl. II, Nr. 1 vom 14. Januar 2016, S. 3 – 16. Rahmenabkommen über Partnerschaft und Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik der Philippinen andererseits, BGBl. II, Nr. 3 vom 13. Februar 2013, S. 114 – 127. Rahmenübereinkommen über umfassende Partnerschaft und Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Indonesiens andererseits, BGBl. II, Nr. 20 vom 13. Juli 2016, S. 894 – 903. Verordnung (EU) Nr. 233/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. März 2014 zur Schaffung eines Finanzierungsinstruments für die Entwicklungszusammenarbeit für den Zeitraum 2014 – 2020, ABlEU Nr. L 77 vom 15. März 2014, S. 44 – 76. Verordnung (EU) Nr. 947/2021 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. Juni 2021 zur Schaffung des Instruments für Nachbarschaft, Entwicklungszusammenarbeit und internationale Zusammenarbeit – und Europa in der Welt, zur Änderung und Aufhebung der Verordnung (EU) 2017/1601 und der Verordnung (EG, Euratom) Nr. 480/2009 des Rates, ABlEU Nr. L 209 vom 14. 06. 2021, S. 1 – 78.
Dokumente der Vergleichsstaaten Belgien, Loi relative à la Coopération Internationale Belge vom 25. Mai 1999, Nr. 1999015128, Moniteur Belge vom 1. Juli 1999, S. 24836 – 24840. Conservative and Unionist Party, Forward, Together: Our Plan for a Stronger Britain and a Prosperous Future, 2017. DFID, Annual Report and Accounts 2016 – 17, HC 8, London, 2017. DFID, Annual Report and Accounts 2017 – 18, HC 1215, London, 2018. DFID, Annual Report and Accounts 2018 – 19, HC 2390, London, 2019. DFID, Annual Report and Accounts 2019 – 20, HC 517, London, 2020. Frankreich, Loi No 2014 – 773 du 7 juillet 2014 d‘orientation et de programmation relative à la politique de développement et de solidarité internationale, Journal Officiel de la République Francaise vom 8. Juli 2014, Texte 4 sur 116, https://www.legifrance.gouv.fr/dossierlegislatif/ JORFDOLE000028315964/ (letzter Zugriff: 09. 05. 2022). Global Affairs Canada, Canada’s Feminist International Assistance Policy, Ottawa, 2017. Großbritannien, Eliminating World Poverty: A Challenge for the 21 Century – White Paper on International Development, 1997.
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Truman, Harry S., Inaugural Speech, 20 January 1949, https://avalon.law.yale.edu/20th_cen tury/truman.asp (letzter Zugriff: 09. 05. 2022). U.S. House of Representatives, Report of the Task Force on Foreign Assistance to the Committee on Foreign Affairs, Washington, DC, 1989.
Sonstige Dokumente ActionAid, Real Aid: An Agenda for making Aid work, 2005. Agreement Establishing the African Development Fund, United Nations Treaty Series 1197 (1987), S. 13 – 73. Articles of Agreement of the International Bank for Reconstruction and Development, United Nations Treaty Series 2 (1947), S. 134 – 199. Articles of Agreement of the International Development Association vom 26. Januar 1960, United Nations Treaty Series 439 (1962), S. 249 – 311. Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge vom 23. Mai 1969, United Nations Treaty Series 1155 (1980), S. 331 – 512. Bündnis 90/Die Grünen, Zukunft wird aus Mut gemacht., Bundestagswahlprogramm der Grünen für die Bundestagswahl 2017. CDU/ CSU, Für ein Deutschland in dem wir gut und gerne leben. Regierungsprogramm 2017 – 2021, Regierungsprogramm der Union für die Bundestagswahl 2017. CGD, The Commitment to Development Index 2018 – Germany, 2018, https://www.cgdev.org/ sites/default/files/cdi2018-DEU.PDF (letzter Zugriff: 09. 05. 2022). CGD, The Commitment to Development Index 2021 – Germany, https://www.cgdev.org/cdi#/ country-report/germany (letzter Zugriff: 09. 05. 2022). DGV, Über uns, https://www.grde.eu/ueber-uns (letzter Zugriff: 09. 05. 2022). Die Linke, Sozial. Gerecht. Frieden. Für Alle – Die Zukunft für die wir kämpfen!, Regierungsprogramm der Linken für die Bundestagswahl 2017. GPEDC, Mexico High Level Meeting Communique: First High-Level Meeting of the Global Partnership for Effective Development Co-operation, 2014. GPEDC, Nairobi Outcome Document: Second High-Level Meeting of the Global Partnership for Effective Development Co-operation, 2016. GPI Studie 2017 – Wie die Deutschen Entwicklung und die Zukunft Afrikas sehen: Eine repräsentative Studie der Global Perspectives Iniative durchgeführt vom Institut für Demoskopie Allensbach, November 2017. IDA, Report from the Executive Directos of the International Development Association to the Board of Governors vom 17. Februar 2022, Additions to IDA Resources: Twentieth Replenishment – Building Back Better from the Crisis: Toward a Green, Resilient and Inclusive Future, Washington, D.C. Publish What You Fund, Aid Transparency Index 2020. Publish What you Fund, Aid Transparency Index 2022.
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Verzeichnis der Entwicklungsgesetze Nachfolgend finden sich die Fundstellen der aktuellen Entwicklungsgesetze der OECD-DACMitgliedstaaten. Belgien, Loi relative á la Coopération au Développement vom 19. März 2013, Nr. 2013000752, Moniteur Belge vom 12. April 2013, Ed. 2, S. 22563 – 22569, http://www.ejustice.just.fgov. be/cgi_loi/change_lg.pl?language=fr&la=F&cn=2013031906&table_name=loi (letzter Zugriff: 09. 05. 2022). Die im Fließtext zitierte deutsche Übersetzung, die durch die zentrale Dienststelle für deutsche Übersetzungen (ZDDÜ) erstellt wurde, findet sich unter dem Titel „Gesetz über die belgische Entwicklungszusammenarbeit“, https://www.scta.be/Ubersetzun gen (letzter Zugriff: 09. 05. 2022). Eine durch das zuständige Ministerium autorisierte englische Übersetzung existiert bisher nicht. Dänemark, Lov om internationalt udviklingssamarbedje, Lov Nr. 555 vom 16. Juni 2012, Lovtidende A vom 19. Juni 2012, Nr. 555, Udenrigsmin., j.nr. 104.Dan. 1., https://www.rets information.dk/eli/lta/2012/555 (letzter Zugriff: 09. 05. 2022). Die verwendete englische Übersetzung findet sich unter dem Titel „The International Development Cooperation Act“ auf der Internetseite des dänischen Außenministeriums, https://amg.um.dk/policies-and-stra tegies/new-law-development-cooperation (letzter Zugriff: 09. 05. 2022). Das dänische Entwicklungsgesetz wurde durch Act No. 1464 vom 17. 12. 2013, Lovtidende A vom 18. Dezember 2013, Udenrigsmin., j.nr. 104.O.14.a.; Act No. 1741 vom 27. 12. 2016, Lovtidende A vom 28. Dezember 2016, Udenrigsmin., j.nr. 2016 – 26488 sowie Act No. 108 vom 26. 01. 2022, Lovtidende A vom. 27. Januar 2022, Udenrigsmin., j.nr. 2020 – 42090 geändert. Diese Anpassungen sind in der englischen Übersetzung nicht eingearbeitet. Sie sind jedoch im Rahmen dieser Arbeit berücksichtigt worden. Frankreich, Loi No 2021 – 1031 du 4 août 2021 de programmation relative au développement solidaire et à la lutte contre les inégalités mondiales, Journal Officiel de la République Francaise vom 5. August 2021, Nu. 180, https://www.legifrance.gouv.fr/jorf/id/JORF TEXT00004 3898536/ (letzter Zugriff: 09. 05. 2022). Eine durch das zuständige Ministerium autorisierte englische oder deutsche Übersetzung existiert bisher nicht. Großbritannien, International Development (Official Development Assistance Target) Act 2015 vom 26. März 2015, UK Public General Acts 2015, c. 12, https://www.legislation.gov. uk/ukpga/2015/12/enacted (letzter Zugriff: 09. 05. 2022). Großbritannien, International Development (Reporting and Transparency) Act 2006 vom 25. Juli 2006, UK Public General Acts 2006, c. 3, https://www.legislation.gov.uk/ukpga/2 006/31 (letzter Zugriff: 09. 05. 2022). Großbritannien, International Development Act 2002 vom 26. Februar 2002, UK Public General Acts 2002, c. 1; https://www.legislation.gov.uk/ukpga/2002/1/contents (letzter Zugriff: 09. 05. 2022). Island, Lög um alþjóðlega þróunarsamvinnu Íslands, Lög nr. 121 vom 17. September 2008, Þingskjal 1350, 135, https://www.althingi.is/altext/stjt/2008.121.html (letzter Zugriff: 09. 05.
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2022). Geändert durch Lög um breytingu á lögum um alþjóðlega þróunarsamvinnu Íslands o.fl. (skipulag), Lög nr. 122 vom 23. Dezember 2015, Þingskjal 661, 145, https://www.al thingi.is/altext/145/s/0661.html (letzter Zugriff: 09. 05. 2022). Es existiert bisher ausschließlich eine englische Übersetzung des ursprünglichen Gesetzes Nr. 121 vom 17. September 2008 unter dem Titel „Act on Iceland’s International Development Cooperation“, https://www.government.is/media/utanrikisraduneyti-media/media/MFA_pdf/Act-on-Ice lands-International-Development-Cooperation.pdf (letzter Zugriff: 09. 05. 2022). Italien, Disciplina generale sulla cooperazione internazionale per lo sviluppo, Legge n. 125 vom 11. August 2014, Official Gazette n. 199 vom 28. 08. 2014, http://www.normattiva.it/urires/N2Ls?urn:nir:stato:legge:2014;125 (letzter Zugriff: 09. 05. 2022). Eine englische Übersetzung des Gesetzes findet sich auf der Seite der italienischen Behörde für Zusammenarbeit und Entwicklung unter dem Titel „General law on international development cooperation“, https://www.aics.gov.it/wp-content/uploads/2016/07/LEGGE_11_agosto_2014_n__125_ ENG.pdf (letzter Zugriff: 09. 05. 2022). Kanada, Official Development Assistance Accountability Act vom 29. Mai 2008, SC 2008, c. 17, http://laws-lois.justice.gc.ca/eng/acts/O-2.8/page-1.html (letzter Zugriff: 09. 05. 2022). Luxemburg, Loi du 6 janvier 1996 sur la coopération au développement, Journal officiel du Grand-Douché de Luxembourg, A No. 2 vom 17. Januar 1996, S. 7 – 14, http://legilux.public. lu/eli/etat/leg/loi/1996/01/06/n1/jo (letzter Zugriff: 09. 05. 2022). Eine durch das zuständige Ministerium autorisierte englische oder deutsche Übersetzung existiert bisher nicht. Österreich, Bundesgesetz über die Entwicklungszusammenarbeit, 49. Bundesgesetz, Bundesgesetzblatt für die Republik Österreich (BGBl.), Teil 1 vom 29. März 2002, S. 259 – 263, https://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnum mer=20001847 (letzter Zugriff: 09. 05. 2022). Polen, Ustawa z dnia 16 wrzes´nia 2011 r. wrzes´nia 2011 r., Dziennik Ustaw, Nr. 1386 vom 03. November 2011, S. 13645 – 13648, https://dziennikustaw.gov.pl/D2011234138601.pdf (letzter Zugriff: 09. 05. 2022). Eine durch das zuständige Ministerium autorisierte englische oder deutsche Übersetzung existiert bisher nicht. Schweiz, Bundesgesetz über die internationale Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe, SR 974.0 vom 19. März 1976, Bundesblatt der Schweiz vom 29. März 1976, S. 1057 – 1062, https://www.admin.ch/opc/de/classified-compilation/19760056/index.html (letzter Zugriff: 09. 05. 2022). Slowakei, Zákon z 18. novembra 2015 o rozvojovej spolupráci a o zmene a doplnení niektory´ch zákonov, Act No. 392/2015, Zbierka zákonov, No. 107, S. 4358 – 4369, https://www.slov-lex. sk/pravne-predpisy/SK/ZZ/2015/392/20191001 (letzter Zugriff: 09. 05. 2022). Eine durch das zuständige Ministerium autorisierte englische oder deutsche Übersetzung existiert bisher nicht. Slowenien, Zakon o mednarodnem razvojnem sodelovanju in humanitarni pomocˇ i republike slovenije, Uradni list RS, Sˇ t. 30 vom 26. 04. 2018, S. 4450 – 4453, https://www.uradni-list.si/_ pdf/2018/Ur/u2018030.pdf (letzter Zugriff 09. 05. 2022). Eine durch das zuständige Ministerium autorisierte englische oder deutsche Übersetzung existiert bisher nicht. Spanien, Ley 23/1998, de 7 de julio, de Cooperación Internacipnal para el Desarollo, Boletín Oficial del Estado, No. 162 vom 8. Juli 1998, S. 22755 – 22765, https://www.boe.es/eli/es/l/1 998/07/07/23/con (letzter Zugriff: 09. 05. 2022). Eine englische Übersetzung ist auf der In-
Verzeichnis der Entwicklungsgesetze
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ternetseite der spanischen Behörde für Internationale Entwicklungszusammenarbeit unter dem Titel „Law 23/1998, of 7 July, on International Development Cooperation“ abrufbar, http://www.aecid.es/Centro-Documentacion/Documentos/Normativa/International%20Deve lopment%20Cooperation%20Law.pdf (letzter Zugriff: 09. 05. 2022). Südkorea, Framework Act on International Development Cooperation, Act No. 12767 vom 15. Oktober 2014. Auf das südkoreanische Gesetzesblatt („Kwanbo“) kann zurzeit nur aus Südkorea zugegriffen werden. Aufgrund dessen wurde sich für dieses Gesetz auf die Nennung der Fundstelle der englischen Übersetzung beschränkt. Diese, durch das Korean Law Translation Center erstellte Übersetzung, ist abrufbar unter https://elaw.klri.re.kr/eng_ser vice/lawView.do?lang=ENG&hseq=33064 (letzter Zugriff: 09. 05. 2022). Tschechien, Zákon ze dne 21. dubna 2010 o zahranicˇ ní rozvojové spolupráci a humanitární pomoci poskytované do zahranicˇ í a o zmeˇ neˇ souvisejících zákonu˚ , Sbírka zákonu˚ , Nr. 53 vom 21. Mai 2010, S. 1963 – 1966, https://www.mzv.cz/file/1397915/zakon_o_ZRS.pdf (letzter Zugriff: 09. 05. 2022). Eine englische Übersetzung ist auf der Internetseite der tschechischen Entwicklungsbehörde unter dem Titel „151 Act of 21 April 2010 on Development Cooperation and Humanitarian Aid“ abrufbar, http://www.czechaid.cz/wp-content/ uploads/2016/09/Act_on_Development_Cooperation.pdf (letzter Zugriff: 09. 05. 2022). Ungarn, 2014. évi XC. törvény a nemzetközi fejlesztési együttmu˝ ködésro˝ l és a nemzetközi humanitárius segítségnyújtásról, Magyar Közlöny vol. 183 vom 23. 12. 2014, S. 25283 – 25286, https://magyarkozlony.hu/?year=2014&month=12&serial=183 (letzter Zugriff: 09. 05. 2022). Eine englische Übersetzung ist auf der Internetseite des ungarischen Außenund Handelsministeriums unter dem Titel „Act XC of 2014 concerning International Development Cooperation and International Humanitarian Aid“ abrufbar, https://nefe.kormany. hu/download/b/b3/92000/Act%20XC%20of%202014%20on%20International%20Develop ment%20Cooperation%20and%20International%20Humanitarian%20Assistance.pdf (letzter Zugriff: 09. 05. 2022). USA, Foreign Aid Transparency and Accountability Act of 2016, Public Law 114 – 191 vom 15. Juli 2016, 130 Stat. 666 – 671, https://www.congress.gov/bill/114th-congress/house-bill/3 766/text (letzter Zugriff: 09. 05. 2022). USA, Foreign Assistance Act of 1961, Public Law 87 – 195 vom 4. September 1961, as amended through Public Law 116 – 6, Enacted February 15, 2019, https://www.foreign.senate.gov/imo/ media/doc/Foreign%20Assistance%20Act%20Of%201961.pdf (letzter Zugriff 09. 05. 2022).
Stichwortverzeichnis 0,7 %-Ziel
63, 152 – 157, 160 – 163, 289
Abhängigkeit der Empfängerstaaten 278 Accra Agenda for Action 50, 88 – 89 Afrikanische Entwicklungsbank 140 Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung 55 – 57 Aid Effectiveness siehe Prinzipien einer effektiven EZ Alignment 52 Ankerländer 131 – 132 Antragsprinzip 214, 231 Armut, Bekämpfung von 21, 92, 196 – 199 Auslegungsmethoden 77 – 78 Auswahlkriterien, deutsche – Empfängerstaaten 174 – 176 – Entwicklungsprojekte 212 – 216 Auswärtiges Amt (AA) 97 Bilaterale Entwicklungszusammenarbeit 65, 98 – 99 – vertragliche Ausgestaltung 131 – 138 BMZ-Strategiepapiere 101 – 102 Bretton-Woods-Institutionen 138, 258 BRICS-Staaten 67 Budgethilfe 211 – 212 Bundeshaushaltsgesetz 100, 110 Bundeshaushaltsplan 110 – 111, 114 – 115 – Einzelplan 05 113 – 114 – Einzelplan 16 114 – 115 – Einzelplan 23 112 – 113 Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) 96 – 98 Bundesrechnungshof 111, 213 – 214 Busan Partnership for effective Development Co-operation 50, 69, 88 – 89 China 67 – 68 Commitment to Development Index (CDI) 25 – 26
Country Programmable Aid (CPA) COVID-19-Pandemie 110
31, 125
Demokratieförderung 165 – 166, 170, 207 Deutsche Demokratische Republik (DDR) 85 – 86 Domaine Réservé 165 – 167 Durchführungsorganisationen 97 Effektivität 32, 49 – 50, 88 Eigeninteressen der Geberstaaten 90 – 91 Eigenverantwortung siehe Ownership Empfängerstaat 29 – 30 Entwicklungsgesetze 60 – 62 – Best Practices 287 – 297 – die untersuchten Gesetze 72 – 76 – Funktion 283 Entwicklungshilfe 29 Entwicklungsland 30 Entwicklungslieblinge 54 Entwicklungspolitik 30 Entwicklungsprozess 149 – 150, 207, 221 Entwicklungsrecht siehe auch Entwicklungsvölkerrecht, Europarecht – deutsches 280 – 282 – Mehrebensystem 46 – 47 Entwicklungsstrategien 297 Entwicklungsverwaltungsrecht 46 – 47 Entwicklungsvölkerrecht 47 – 48, 277 – 279 Entwicklungswaisen 54 Entwicklungszusammenarbeit (EZ) – Definition 30 – Genese 82 – 91 – Sinn und Zweck 92 – 96 – Ziele siehe Ziele der EZ Europarecht – Definition der EZ 115 – 117 – Einfluss auf die Selektion der Empfängerstaaten 179 – 183
Stichwortverzeichnis – Einfluss auf die Selektion der Entwicklungsprojekte 219 – 220 – Funktion im Kontext der EZ 57 – 59, 279 – 280 – Pflicht zur Entwicklungszusammenarbeit 144 – 145 – Politikkohärenz für Entwicklung 33 – 34 – Transparenzpflichten 254 – 255 European Recovery Program siehe MarshallPlan Evaluation 250 – 251, 259 – 260, 263 Finanzielle Zusammenarbeit 97, 99 – 100, 105 – 106 – Vertragliche Ausgestaltung 133 – 136 Fluchtursachen, Bekämpfung von 90 – 91 Focus on Results 50 Fragile Staaten 231 Fragmentierung, der Geber 53 – 54, 235 – 236 Funktionen des Rechts 42 – 45 Geberkoordination 184, 189 – 191 Geschlechtergerechtigkeit 55, 88, 199, 202 Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) 97 Gesetzesentwurf 299 – 305 Global Partnership for Effective Development Co-operation (GPEDC) 50, 88 – 89 Good Governance 21 – 22 Hallstein-Doktrin 85 – 86 Harmonisation 53 – 54 Humanitäre Hilfe 61 – 62 Human Poverty Index (HPI)
187
Inclusive Partnerships 50 Industriestaaten 30 Inequality-adjusted Human Development Index (IHDI) 187 Interessenwidersprüche zwischen Geber- und Empfängerstaaten 80 – 81 International Aid Transparency Initiative (IATI) 252 – 253 International Bank for Reconstruction and Development (IBRD) 138 – 139
357
International Development Association (IDA) 139 – 141 Interventionsverbot 166 – 172 Investitionen 30, 109 Kalter Krieg 83 – 85 Klimaschutz 56 Kohärenz in der EZ 37 – 42 – Abgrenzung zum Ansatz der PCD 37 – 38 – Arbeitsdefinition 41 – 42 – Definitionsmerkmale 38 – 41 – Politikkohärenz für Entwicklung siehe Policy Coherence for Development Kohl, Helmut 153 Kolonialzeit 82, 94, 154 – 155 Kommunismus 83 Konditionalisierung 83, 87, 135 – 136, 166, 170 Koordination, der Geber 178 – 182, 184, 189 – 191, 220; siehe auch Harmonisation Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) 97, 134 – 135 Länderliste des OECD-DAC 104, 174 Least Developed Countries (LDCs) 105, 132, 168 Leistungspflicht, ODA 141 – 157 Lower Middle Income Countries (LMDCs) 105 Managing for Results 54 Marshall-Plan 83 – 84 Menschenrechte 93, 147 – 151, 217 – 218 Merkel, Angela 153 Mexico High Level Meeting Communique 50, 254 Millenniumserklärung 55 – 56, 88 Müller, Gerd 137 Multilaterale EZ 65, 98 – 99, 138 – 141 Multilaterale Organisationen 65, 104 – 105, 138 – 141 Mutual Accountability 54 – 55 Nachhaltigkeit 56, 88 Nairobi Outcome Document Neue Geberstaaten 69 Nord-Süd-Kooperation 67
50, 254
358
Stichwortverzeichnis
Objektivität 41 OECD Development Assistance Committee (OECD-DAC) 68 – 69 – Mitgliedstaaten 70 – 73 Official Development Assistance (ODA) – Leistungsempfänger 104 – 105 – Leistungszweck 106 – Zuschusselement 105 – 106 Ökonomische Interessen 94 Organisation for Economic Co-operation and Development (OECD) 68 Organisationsfunktion 43, 249 Other Low-Income Countries (Other LICs) 105 Ownership 51 – 52, 214, 221 – 223 Paris Declaration of Aid Effectiveness 49 – 50 Partnerausrichtung siehe Alignment Partnerstaaten der deutschen EZ 131 – 132 Pergau-Damm-Fall 194 – 195 Policy Coherence for Development (PCD) 33 – 36, 66 Policy Coherence for Sustainable Development (PCSD) 33, 66 Prinzipien einer effektiven EZ 49 – 55 Projektauswahl siehe Selektion der Entwicklungsprojekte Projekthilfe 211 – 212 Rahmenabkommen 133 – 137 Rechenschaftspflichten 54 – 55, 250, 259 Recht auf Entwicklung 149 – 151 Rechtsgrundlagen der deutschen EZ 100 – 102 Rechtsquellen 43 – 45 Reformchampions 132 Reporting Directives 106 – 110, 117 Rule of Law 22, 50 Sanktionen 177 – 178, 183, 219 Schröder, Gerhard 153 Schwellenländer 67 Sektorhilfe 211 – 212, 215 Sektorkonzepte/-strategien 215 Selektion der Empfängerstaaten – Einfluss des Europarechts 179 – 183 – Einfluss des Völkerrechts 176 – 179
– Regelungsmodelle in den Entwicklungsgesetzen 183 – 207 – Steuerung in Deutschland 174 – 176 Selektion der Entwicklungsprojekte – Einfluss des Europarechts 219 – 220 – Einfluss des Völkerrechts 216 – 219 – Regelungsmodelle in den Entwicklungsgesetzen 220 – 229 – Steuerung in Deutschland 212 – 216 Sicherheitspolitik 90 Soft Law 45 – 46, 48 – 49, 279 Souveräne Gleichheit 51, 142, 176 – 178, 277 – 279 Souveränität 82, 223 – 224 Status Quo – Deutsches Entwicklungsrecht 280 – 282 – Entwicklungsvölkerrecht 277 – 279 – Europäisches Entwicklungsrecht 279 – 280 Steuerungsinstrumente, rechtliche 43 – 45 Stringenz 38 – 39 Süd-Süd-Kooperation 67 Supranationale Organisation 279 – 280 Sustainable Development Goals (SDGs) 56 – 57, 267 – 268 Synergieeffekte 39 – 40 Technische Zusammenarbeit 97, 99 – vertragliche Ausgestaltung 136 – 138 Terroranschläge am 11. September 2001 90 Transparency and Accountability 50 Transparenz 249 – 251 – europarechtliche Transparenzpflichten 254 – externe 251 – in der deutschen EZ 252 – 254 – interne 250 – Transparenzmodelle in den Entwicklungsgesetzen 255 – 263 Truman, Harry S. 84 Umweltschutz 88, 114 – 115, 135 Upper Middle Income Countries (UMICs) 105
Stichwortverzeichnis Völkergewohnheitsrecht 145 – 147 Völkerrecht siehe auch Entwicklungsvölkerrecht – Einfluss auf die Auswahl der Empfängerstaaten 176 – 179 – Einfluss auf die Auswahl der Entwicklungsprojekte 216 – 219 – Funktion im Kontext der EZ 47 – 49 – Pflicht zur EZ 141 – 157 Weltbankgruppe 138 Westfälisches System 277 Wirkungsorientierung siehe Managing for Results Wirtschaftspolitische Interessen 173
359
Working Party on Aid Effectiveness (WP-EFF) 50, 88 – 89 Ziele der Entwicklungszusammenarbeit 55 – 57 Zielnormen – Funktion 192 – 196 – Rechtswirkung in Bezug auf die Auswahl der Empfängerstaaten 206 – 207 – Rechtswirkung in Bezug auf die Auswahl der Entwicklungsprojekte 226 – 230 – Umsetzungsmodelle in den Entwicklungsgesetzen 196 – 204 Zuschusselement siehe Official Development Assistance