Kognitiv-behaviorale Psychotherapie von Ängsten: Kurztherapie mit Hypnose - die Praxisanleitung 3662623226, 9783662623220

In diesem Praxismanual erfahren Psychotherapeuten, wie sie mit Kurztherapie bei vielen Patienten mit Ängsten schnell und

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German Pages 295 [285] Year 2021

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Table of contents :
Geleitwort
Vorwort
Danksagung
Inhaltsverzeichnis
Über den Autor
1 Eine kurze Einleitungs-Geschichte
Literatur
Teil I Die Basics
2 Hypnose
2.1 Geschichte der Hypnose
2.1.1 Historische Anfänge und Naturvölker
2.1.2 Von der Aufklärung zur Romantik
2.1.3 Beginn der modernen Forschung
2.2 Naturwissenschaft – Hypnose-Forschung – Theorien
2.3 Hypnose in der Klinischen Praxis
2.4 Forschungsergebnisse und Definitionen
2.4.1 Was ist Hypnose?
2.4.1.1 Der Begriff „Hypnose“
2.4.1.2 Die als „Hypnose“ verwandten Begriffe
2.4.1.2.1 Hypnose als Einleitungsverfahren = Hypnose-Induktion
2.4.1.2.2 Hypnose als Entspannungsverfahren= Ruheszene
2.4.1.2.3 Hypnose als Therapieverfahren = Hypnosetherapie, Hypnotherapie
2.4.1.2.4 Hypnose als Erlebensform = Hypnosephänomene, Verhalten in Hypnose
2.4.2 Definition der Hypnose
2.4.3 Abgrenzungen
2.4.3.1 Schlaf
2.4.3.2 Entspannung
2.4.3.3 Alltagsverhalten
2.4.4 Formen der Hypnose – und Begrifflichkeiten
2.4.4.1 Autogenes Training
2.4.4.2 Selbsthypnose = Autohypnose:
2.4.4.3 Heterohypnose = Fremdhypnose
2.4.4.4 Spontanhypnose
2.4.4.5 Fraktionierte Hypnose
2.4.5 Wege zur modernen Hypnose
2.4.5.1 Von der Symptomtherapie zur Kausaltherapie
2.4.5.2 Von der autoritären zur non-direktiven Therapie
2.4.5.3 Hypnose als eigenständiges Therapieverfahren oder Zusatzmethode?
2.4.6 Das kognitiv-behaviorale Hypnosemodell
2.5 Die Grundfaktoren und Bestimmungselemente der Hypnose
2.5.1 Suggestion
2.5.1.1 Suggestionen ohne Hypnose
2.5.1.2 Negationen als Suggestion
2.5.1.3 Klare positive Handlungsanweisungen sind operationalisiert und zielorientiert
2.5.2 Hypnotisierbarkeit
2.5.2.1 Wissenschaftliche Ergebnisse
2.5.2.2 Faktoren der Hypnotisierbarkeit
2.5.2.2.1 Absorptionsfähigkeit
2.5.2.2.2 Imaginative Fähigkeit
2.5.2.2.3 Zielgerichtete Fantasien
2.5.2.2.4 Kognitiver Stil
2.5.2.3 Hypnotisierbarkeit – Persönlichkeit – Therapieerfolg
2.5.2.3.1 Persönlichkeitsmerkmale
2.5.2.3.2 Lernbarkeit
2.5.2.3.3 Gender, Gesundheit und Hypnotisierbarkeit
2.5.2.3.4 Therapieerfolge und Hypnotisierbarkeit
2.5.2.4 Therapieerfolg auch ohne Hypnotisierbarkeit
2.5.3 Induktion – das Einleitungsverfahren der Hypnose
2.5.3.1 Suggestionen zur Induktion – Wirkfaktoren
2.5.3.2 Methoden der Induktion
2.5.4 Hypnose als Entspannungsverfahren
2.5.4.1 Zum Begriff Ruhe-Szene
2.5.4.2 Funktion der Ruheszene
2.5.5 Hypnose als Erlebensform – das Verhalten in Hypnose – die „Hypnosephänomene“
2.5.6 Tiefe der Hypnose
2.5.7 Der Hypnose-Therapeut
2.5.7.1 Allgemein geltende Therapeutenvariablen
2.5.7.2 Besonderheiten einer Hypnose-Sitzung – und Anforderungen an den Hypnose-Therapeuten
2.5.8 Die Kommunikation in Hypnose
2.5.8.1 Wesentliche Aspekte der hypnotischen Kommunikation
2.5.8.2 Klare und konstante Sprach-Kommunikation in Hypnose
2.5.8.3 Persönlich nahe Sprachkommunikation
2.5.8.4 Kommunikationsverbesserung mit VAKOG
2.5.9 Anmerkungen für die Praxis
2.5.9.1 Anschaulichkeit – Erlebensnähe
2.5.9.2 Lebendigkeit, Glaubhaftigkeit
2.5.10 Vergleich von Hypnose und rationalem System
Literatur
3 Neuropsychologie der Hypnose
3.1 Induktion – Einleitung der Hypnose
3.2 Hypnose als Entspannungsmethode
3.2.1 Hypnotisierbarkeit und Entspannung
3.2.2 Anwendung von Entspannungsverfahren
3.3 Hypnose beinhaltet Aktivierung relevanter neurophysiologischer Systeme
Wirkung auf zentrale Steuer- und Filtersysteme
3.4 Hypnose als Beeinflussung?
3.4.1 Simulation
3.4.2 Das Wahrheitskonzept
3.4.3 Willensfreiheit, Fremdbeeinflussung, kriminelle Handlung in Hypnose
3.4.4 Hypnose und Willensbeeinflussung – subjektiv erlebt oder objektiv vorhanden?
3.4.5 Hypnose und Wahrnehmungsbeeinflussung – Realität der Innenbilder
3.4.6 Hypnose und die Wirklichkeit
3.5 Die Erstellung der Ruheszene
3.6 Die posthypnotische Aufgabe
3.7 Aspekte zur Instruktion der posthypnotischen Aufgabe
Literatur
4 Angst
4.1 Die Funktion der Angst
4.2 Klinische Klassifikation der Angststörungen
4.3 Angstkomponenten
4.3.1 Frühe Angstmodelle
4.3.1.1 Die neue Komponente: Kognitionen
4.3.1.2 Kurzdefinition der Kognitionen
4.3.1.3 Die Weiterentwicklung: Kognitive Theorien
4.3.1.3.1 Kognitionen und Emotionen können sich gegenseitig beeinflussen
4.3.1.3.2 Irrationale Gedanken und Schemata
4.3.1.3.3 Kognitive Verzerrungen und Absicherung
4.3.1.3.4 Negative automatische Gedanken
4.3.1.3.5 Differenzierte Analyse des Verhaltens
4.3.2 Das Modell der sieben-Verhaltens-Komponenten der Angst
4.3.2.1 Angst besteht aus einem Netzwerk von Wirkfaktoren
4.3.2.2 Die sieben Verhaltens-Komponenten der Angst mit ihren einzelnen Erscheinungsformen und Auswirkungen (s. Abb. )
4.3.2.2.1 Emotion
4.3.2.2.2 Physiologie
4.3.2.2.3 Motorik
4.3.2.2.4 Kognitionen
4.3.2.2.5 Attribution – Bewertungen
4.3.2.2.6 Motivation – Erwartungen – Ziele
4.3.2.2.7 Imaginationen
4.4 Praxishinweise zur Exploration und Diagnostik der Angst
4.4.1 Subjektive Verarbeitungsmöglichkeiten der Angst
4.4.2 Hinweise zur Exploration
4.4.3 Die Angstkomponenten als Auslöser im Netzwerk – Beispiele
Einige Kurzbeispiele
4.4.4 Auswirkungen der Angst in Lernen und Schule
4.4.4.1 Generalisierungen
4.4.4.2 Häufige Folgen von Angst und/oder Misserfolg im Schul-, Lern- und Leistungsbereich
Literatur
5 Neuropsychologie der Angst
5.1 Die hauptbeteiligten Gehirnareale bei Angst
5.1.1 Amygdala (Mandelkern, Corpus amygdaloideum)
5.1.2 Thalamus
5.1.3 Hypothalamus
5.1.4 Hippocampus
5.1.5 Präfrontaler Cortex
5.2 Neuronale Auswirkungen von Angst – kognitive Blockade
5.2.1 Wirkungen von Stress und Angst
5.2.2 Archaische Angstreaktionen – Vergleichende Verhaltensforschung
5.2.3 Auswirkungen der kognitiven Blockade auf das Lernen und Behalten
Literatur
6 Lerntheoretische Paradigmen
6.1 Verhaltenstheoretische Genese von Störungen
6.1.1 Der bedingte Reflex
6.1.2 Operantes Lernen
6.1.3 Lernen durch Beobachtung – Lernen am Modell – Imitationslernen
6.1.3.1 Faktoren und Eigenschaften von häufig kopierten Modellen
6.1.3.2 Verdecktes Verhalten in der Psychotherapie – Hypnose
6.1.4 Lernen durch kognitive Veränderungen
6.1.4.1 Das kognitive Modell von Ellis
6.1.4.2 Kognitive Therapie – Das Modell von Beck (1967)
6.1.4.3 Selbstinstruktionstraining – nach Meichenbaum (1969)
6.1.4.4 Selbstregulation – Kanfer (1977)
6.1.4.4.1 Selbstregulation
6.1.4.4.2 Selbstkontrolle
6.1.4.4.3 Selbstmanagement
6.1.4.5 Weitere Kognitive Therapieformen
6.2 Aufrechterhaltung der Angst
6.2.1 Vermeidungsverhalten und negative Verstärkung
6.2.2 Operante Verstärkung ist ein Lernprozess innerhalb eines Systems
6.2.3 Verstärkungen und Lernprozesse erfolgen in einem Verstärkungs- und Sozialsystem
6.2.4 Generalisierung
6.2.5 Dyskognitionen und Störungen der Selbstregulation
Literatur
7 Lerntheoretische Paradigmen und Neuropsychologie
7.1 Instrumentelles (klassisches) Konditionieren
7.2 Operantes Lernen – Lernen durch Erfolg
7.3 Lernen am Modell – Imitationslernen – Beobachtungslernen
7.4 Kognitions- und Emotionsregulationen
7.5 Konkrete Ursachen von Ängsten
Literatur
Teil II Die Methodenkombinationen – Theorie und Praxis von Hypnose und Verhaltenstherapie
8 Verhaltenstherapie – Methoden
8.1 Grundvoraussetzungen
8.1.1 Definition der Verhaltenstherapie
8.1.2 Die Verhaltensanalyse – Bedingungsmodelle des Verhaltens
8.1.3 Das diagnostische Interview – funktionale Verhaltensanalyse
8.1.4 Indikation einer Therapie
8.1.5 Therapieplanung
8.1.6 Praxis der Verhaltenstherapie
8.2 Therapieziele
8.2.1 Allgemeine Therapieziele
8.2.2 Therapieziele bei Angst
8.2.3 Individuelle Zielabsprachen
8.2.4 Therapieziel Selbstkontrollüberzeugung
8.2.5 Konkrete Ziele der Behandlung
8.2.6 Selbstwirksamkeitserwartung
8.2.6.1 Hypnose und Selbstwirksamkeitserwartung
8.2.6.2 Erklärung aus Sicht der Neuropsychologie
8.3 Klassische Therapiemethoden – zur Psychotherapie bei Ängsten
8.3.1 Klassische Konditionierung
8.3.1.1 Angstkonfrontation, Exposition
8.3.1.2 Desensibilisierung
8.3.1.3 Gegenkonditionierung
8.3.1.4 Stimulusveränderung
8.3.2 Operantes Lernen – Verlernen – Löschen
8.3.2.1 Abbau des Verhaltens: Wegfall operanter Verstärkung der Angst
8.3.2.2 Aufbau von Verhalten
8.3.2.3 Veränderungen durch Kontingenzmanagement
8.3.3 Lernen durch Beobachtung – Lernen am Modell – Imitationslernen
8.3.4 Kognitive Methoden zur Veränderung
8.3.4.1 Dyskognitionen verändern
8.3.4.2 Selbstwirksamkeit erwerben: das zentrale Ziel der Therapie
8.3.4.3 Reframing – Umdeutung
8.3.4.4 Priming – Bahnung
8.3.4.5 Imaginationen
8.3.4.6 Metaphern
8.4 Kognitiv-behaviorale Therapie in Kombination mit Hypnose – oder umgekehrt
8.4.1 Gemeinsamkeiten von Hypnose und Kognitiv-behavioraler Therapie
8.4.2 Ein zentrales Ziel der Therapie: Vermittlung der Selbstwirksamkeit und Selbstkontrollüberzeugung
8.4.3 Erforderliche Fertigkeiten zum Selbstmanagement und zur Selbstkontrollüberzeugung
8.4.3.1 Selbstbeobachtung
8.4.3.1.1 Ziele der Selbstbeobachtung
8.4.3.1.2 Positive Nebenwirkungen der Selbstbeobachtung
8.4.3.2 Selbstbewertung und Selbstverstärkung
8.4.3.3 Selbstkontrolle – Coping – Entscheidungen
8.4.3.4 Selbstinstruktion
8.4.3.5 Zielklärung – Zielsetzung
8.4.3.6 Evaluation der Bewältigungsstrategien
8.4.3.7 Therapeutische Hausaufgaben
8.5 Aufgaben und Grundeinstellungen des Therapeuten in der kognitiven Verhaltenstherapie
8.5.1 Aufgabe des Therapeuten
8.5.2 Relevante Grundeinstellungen des Therapeuten
8.5.3 Der Patient wird in drei Aspekten unterstützt
Literatur
9 Eine kleine Geschichte der Kombination von Hypnose mit Verhaltenstherapie
9.1 Pawlow und die Hypnose
9.2 Bedeutsam für die Gegenwart: Erklärung der Hypnose-Induktion nach Welch
9.3 Ergebnisse aus der frühen Hypnose-Forschung
9.4 Die frühe Anwendung der Verhaltenstherapie und Hypnose
9.5 Wege zur Kausaltherapie
9.6 Autobiografie – Beginn meiner Hypnoseerfahrungen
9.7 Die kognitive Wende in der Verhaltenstherapie
9.8 Gemeinsamkeiten von kognitiver Verhaltenstherapie und Hypnose
9.9 Die Kurztherapie
Literatur
Teil III Die Praxis – Das Fallseminar
10 Die Anwendung der Methode
10.1 Die Indikation der kognitiv-behavioralen Hypnose-Kurzform
10.2 Anforderungen an den Therapeuten
10.3 Vorbereitungen
10.3.1 Sitzanordnung
10.3.2 Das Vorbereitungsgespräch
10.3.2.1 Informationen zur Sitzung
10.3.2.2 Aufklärung über Hypnose
10.3.2.3 Aufbau von Erwartungen bezüglich der Hypnose-Wirkungen
10.4 Die Exploration des Patienten
10.4.1 Ziele der Exploration – Vorsichtsmaßnahmen
10.4.2 Ressourcen-Exploration – ist nicht nur Defizitorientierung
10.4.2.1 Exploration zur Ressourcenorientierung
10.4.2.2 Ressourcen helfen heilen
10.5 Diagnoseerstellung
10.6 Therapieplanung
Literatur
11 Die Intervention – Phasen der Intensiv-Kurztherapie
11.1 Induktion
11.1.1 Die Augenfixationsmethode/Punktfixationsmethode
11.1.2 Die Handlevitationsmethode
11.2 Die Ruheszene – Entspannung
11.3 Erlernen der Körpersignale für Entspannung
11.4 Erlernen der Überallmethode
11.4.1 Die Bedeutung der Gelenkberührung mit der Hand
11.4.2 Instruktion zur posthypnotischen Aufgabe (s. u.)
11.5 Die Therapieszene und ihr Auslösereiz – Differenzierungslernen
11.6 Wahrnehmung der Körpersignale für Anspannung
11.7 Aushalten der aversiven Situation – Vermeidungsverhalten abbauen
11.8 Erlernen des schnellen Umschaltens zwischen beiden Szenen
11.9 Suggestion der wahrgenommenen positiven Veränderung
11.10 Wahrnehmung der positiven Veränderung als Selbstwirksamkeit
11.11 Verstärkung der Selbstwirksamkeit und der Körpersignale
11.12 Wiederholungsschleifen
11.13 Selbstkontrolle – Selbstregulation
11.14 Selbststeuerung und Selbstverwaltung der Bewältigungsstrategien
11.15 Stabilisierung der Selbstwirksamkeit
11.16 Posthypnotische Aufgabe
11.17 Beendigung der Hypnose – positives Ende
11.18 Nachbesprechung
11.19 Therapeutische Hausaufgaben
Literatur
12 Das praktische Fallseminar
12.1 Einleitung
12.2 Zu den Falldarstellungen und Fallbesprechungen
12.3 Die Falldarstellungen
12.3.1 Fall 8 – Posttraumatische Belastungsstörungen nach Augenoperation
12.3.2 Fall 9 – Hundeangst seit der Kindheit
12.3.3 Fall 10 – Hundeangst – Opfer eines Hundeüberfalls
12.3.4 Fall 11 – Flugangst seit vielen Jahren
12.3.5 Fall 12 – Flugangst nach traumatisierendem Flugerlebnis
12.3.6 Fall 13 – Spinnenangst seit der Kindheit
12.3.7 Fall 14 – Zahnarztangst seit der Kindheit
12.3.8 Fall 15 – Angst vor der anstehenden Operation
12.3.9 Fall 16 – Angst nach einem ärztlichen Missgriff
12.3.10 Fall 17 – Panikattacken in der Straßenbahn
12.3.11 Fall 18 – Panikattacken – wirklich ohne erkennbaren Grund (?)
12.3.12 Fall 19 – Angst vor Versagen, Selbstzweifel, Sozialangst, Minderwertigkeitsgefühle
12.3.13 Fall 20 – Examensangst – Angst vor Übergriffen
12.3.14 Fall 21 Aggressionen bei mangelnder Selbstkontrolle
12.3.15 Fall 22 – Aggressionen nach krimineller Beeinflussung
12.3.16 Fall 23 Selbstwirksamkeitserwartung – Angst vor der praktischen Führerscheinprüfung
Literatur
13 Wirkungen, Anwendungsmöglichkeiten, Grenzbereiche
13.1 Spontane Wirkungen und Nebenwirkungen der Spezial-Kurz-Intervention
13.1.1 Erfolgsberichte
13.1.2 Keine Nebenwirkungen
13.1.3 Impulse von Fachkolleginnen und Fachkollegen
13.2 Modifikationen der Methode
13.2.1 Modifikationen von Therapieteilen
13.2.1.1 Imaginationsprobleme
13.2.1.2 Induktion – Schwierigkeiten
13.2.1.3 Ruheszene – Probleme, Wirksamkeit
13.2.1.4 Farb-Wahrnehmungen an der „negativen“ und der „positiven“ Körperstelle
13.2.1.5 Angstbewertung – Skalierung
13.2.2 Modifikationen der Therapieszene
13.3 Überlegungen zu Anwendungsmöglichkeiten und Grenzbereichen
13.3.1 Raucherentwöhnung
13.3.1.1 Reaktions- und Therapieformen
13.3.1.1.1 Aversion gegenüber dem Rauchen
13.3.1.1.2 Versuchungssituationen widerstehen
13.3.1.2 Grenzen der Raucherentwöhnung
13.3.2 Impulse zur Vorsicht bei sehr komplexen Störungen – Beispiel Prüfungsangst
13.3.3 Fall 24 – Prüfungsangst – fehlende Anerkennung
13.3.4 Fall 25 – Prüfungsangst – frühkindliches Verlusttrauma
13.3.5 Fall 26 – Prüfungsangst – Wissensdefizite
13.3.6 Fall 27 – Prüfungsangst – Angst vor sozialer Negativbewertung
13.3.7 Prüfungsangst – hat viele subtile und gravierende Ursachen
13.3.7.1 Prüfungsangst – mindestens drei Symptomzuordnungen
13.3.7.2 Prüfungsangst als Grenzsituation
13.3.7.3 Prüfungsangst als Ausdruck von u. a. Zukunftsangst
13.3.7.4 Prüfungsangst – Lampenfieber, Auftrittsangst
13.3.7.5 Folgerungen zur Indikation der Kurzform
13.4 Impulse aus der Psychiatrie
13.5 Erweiterung als vielfach nutzbare Selbstkontrollmethode
Literatur
14 Kautelen, Grenzen, Kontraindikationen, Effektivität
14.1 Kautelen – Vorsichtsmaßregeln
14.1.1 Mögliche Grundprobleme des Patienten beachten
14.1.2 Operante Verstärkungen der Angst beachten
14.1.3 Vermeidungsverhalten beachten
14.1.4 Die Gründe hinter der Angst berücksichtigen
14.1.5 Spätere Berührung der Schulter als erneuter Auslöser des Problemverhaltens?
14.1.6 Ähnlichkeit von Entspannungsszene und Therapieszene
14.2 Grenzen der Methode
14.3 Kontraindikationen
14.4 Effektivität
14.4.1 Umfang und Dauer der Intervention
14.4.2 Stabilität der Verhaltensänderungen
14.4.3 Therapeutische Wirkungen
14.4.3.1 Schneller Gewinn an Autonomie: generell und bezüglich Beruf, Leben
14.4.3.2 Schnelle Veränderung von Bezugssystemen, Netzwerken etc.
14.4.3.3 Zeitökonomie
14.4.3.4 Finanzökonomie
14.4.3.5 Dauerhaftigkeit des Therapieerfolges – Löschungsresistenz – Katamnesen
14.4.3.6 Generalisierung
14.4.4 Auswirkungen in der psychotherapeutischen Praxis und Kostenersparnis
14.5 Ausblick
Literatur
Weiterführende oder ergänzende Literatur des Autors zum Thema Hypnose in Kombination mit kognitiv-behavioraler Therapie
Stichwortverzeichnis
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Psychotherapie: Praxis

Hans-Christian Kossak

Kognitivbehaviorale Psychotherapie von Ängsten Kurztherapie mit Hypnose – die Praxisanleitung

Psychotherapie: Praxis

Die Reihe Psychotherapie: Praxis unterstützt Sie in Ihrer täglichen Arbeit – praxisorientiert, gut lesbar, mit klarem Konzept und auf dem neuesten wissenschaftlichen Stand. Weitere Bände in der Reihe http://www.springer.com/series/13540

Hans-Christian Kossak

Kognitiv-behaviorale Psychotherapie von Ängsten Kurztherapie mit Hypnose – die Praxisanleitung Mit einem Geleitwort von O. Bernd Scholz

Dr. Dipl.-Psych. Hans-Christian Kossak Psychologischer Psychotherapeut Bochum, Nordrhein-Westfalen, Deutschland

ISSN 2570-3285 ISSN 2570-3293  (electronic) Psychotherapie: Praxis ISBN 978-3-662-62322-0 ISBN 978-3-662-62323-7  (eBook) https://doi.org/10.1007/978-3-662-62323-7 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer-Verlag GmbH, DE, ein Teil von Springer Nature 2020 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung der Verlage. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von allgemein beschreibenden Bezeichnungen, Marken, Unternehmensnamen etc. in diesem Werk bedeutet nicht, dass diese frei durch jedermann benutzt werden dürfen. Die Berechtigung zur Benutzung unterliegt, auch ohne gesonderten Hinweis hierzu, den Regeln des Markenrechts. Die Rechte des jeweiligen Zeicheninhabers sind zu beachten. Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informationen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag, noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Der Verlag bleibt im Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutionsadressen neutral. Fotonachweis Umschlag: © ro9drigo/stock.adobe.com Planung: Monika Radecki Springer ist ein Imprint der eingetragenen Gesellschaft Springer-Verlag GmbH, DE und ist ein Teil von Springer Nature. Die Anschrift der Gesellschaft ist: Heidelberger Platz 3, 14197 Berlin, Germany

Ich behandle keine Angst. Ich behandle Frau Maier oder Herrn Müller mit ihrer Angst.

Für meine Frau und beste Freundin In großer Dankbarkeit für Deine Liebe, Geduld und Unterstützung in den vielen Jahrzehnten.

Geleitwort

Hypnotherapie hat zahlreiche Interessenten sowohl auf der Patientenseite als auch aufseiten derer, die sie anwenden. Wer Literatur zur Hand nimmt und dabei auch „über den Tellerrand schaut“, der vertieft nicht nur sein Wissen, sondern betreibt im besten Sinne des Wortes wissenschaftliche Praxis. Dass Hypnotherapeuten seit langer Zeit etablierte psychotherapeutische Methoden in die integrieren, ist keineswegs neu. Die Psychoanalyse oder das Neurolinguistische Programmieren seien dafür als Beispiel genannt. In Trance zu arbeiten, ist ihr größter gemeinsamer Teiler. Die Verhaltenstherapie tat sich zumindest bis am Beginn der Jahrtausendwende schwer, ihr umfangreiches Methodenarsenal systematisch im hypnotherapeutischen Kontext anzuwenden. Im Verlaufe der sogenannten dritten Welle fanden mit Trance arbeitende Methoden Eingang in den Überbau der Verhaltenstherapie. Das vorzügliche Buch von Kirn et al. (2015)1 ist dafür ein eindrückliches Exempel. Freilich wird darin nur zaghaft auf die methodische Breite der Hypnotherapie verwiesen. Das macht bereits der Titel des Buches deutlich. Kossak legt eine Monografie vor, in der beide methodischen Zugänge, die Hypnotherapie und die Verhaltenstherapie, in praxi integriert werden. Seit kurzer Zeit ist ein neues Psychotherapeutengesetz allseits verbindlich. Die darin formulierten Vorgaben sind so maßgeblich, dass selbst die Studienpläne im Master-Studiengang Klinische Psychologie und Psychotherapie an den Universitäten neu formuliert werden mussten. Man stelle sich vor, zum Curriculum dieses Studienganges hätte ein Modul zur Hypnotherapie Eingang gefunden. Welche Breite in Ausbildung und Forschung hätte Hypnose in ihren vielfältigen Varianten und praktischen Anwendungen binnen relativ kurzer Zeit erfahren! Es ist ein Unglück, dass die Vorstände deutscher Hypnosegesellschaften eine einzigartige Chance verschlafen haben, aus dem Schattendasein evidenzbasierter Hypnotherapie herauszufinden. Warum wird auf dieses Diktum hingewiesen und was hat es mit Kossaks neuestem Opus auf sich? Das vorliegende Buch schließt eine Lücke in der Absicht, die Kombination von Hypnose und Verhaltenstherapie zu lehren. Es

1Kirn T, Echelmeyer L, Engberding M (2015) Imagination in der Verhaltenstherapie. Springer, Berlin, Heidelberg.

IX

X

Geleitwort

ist eine Auffrischung des Grundlagenwissens für erfahrene Praktikerinnen und Praktiker, die verhaltenstherapeutische Methoden in ihr hypnotherapeutisches Arbeiten – und vice versa – integrieren möchten. Zum anderen kann es eine willkommene Anregung für Ärzte und Zahnärzte sein, die bereits hypnotherapeutisch arbeiten und vornehmlich Patienten mit Ängsten und Phobien behandeln. Und schließlich kann das Buch für sich in Ausbildung befindenden Psychotherapeutinnen und -therapeuten eine willkommene Anleitung sein. Oft stellen sich Aha-Erlebnisse ein, wenn derselbe Sachverhalt von einer Methode sprachlich in die andere übersetzt wird. Als Beispiel sei der sprachliche Transfer von kognitiver Umstrukturierung in Reframing oder Progression in Hypnose genannt. Der Leser wird bei der Lektüre des Buches mehrfach solche Aha-Erlebnisse haben, denn den größeren Teil machen lerntheoretische, verhaltenstherapeutische und hypnotherapeutische Ausführungen aus. Ebenso wird der Leser immer wieder auf Basisliteratur verwiesen gemäß der Devise „Zurück zu den Wurzeln!“. Das geht freilich auf Kosten neuer und neuester Literatur. – Ein Vergleich mit anderen (vornehmlich verhaltenstherapeutischen) Kurzzeittherapien fehlt. Geht es doch dem Autor darum, das von ihm entwickelte Vorgehen zu erläutern und an praktischen Fallbeispielen zu illustrieren. Dem Autor ist ein klare, schnörkellose Diktion eigen. Dadurch hat der Text stellenweise eine hohe Informationsdichte. Das wird kompensiert, indem verschiedene Informationen in unterschiedlichen Zusammenhängen wiederholt werden gemäß der These „Repetitio est mater sapientiae“. Alles in allem ist dem Buch eine breite Leserschaft und insbesondere eine extensive Anwendung der vom Autor erarbeiteten Behandlungskonzeption zu wünschen. O. Berndt Scholz Universität Bonn

Vorwort

Die Innovation der vorgestellten Methode beinhaltet, dass hier eine komplexe Kurz-Psychotherapie erarbeitet und in der Praxis erprobt wurde, die auf umfangreichen Ergebnissen der Therapieforschung der Verhaltenstherapie, besonders der kognitiv-behavioralen Therapie und der experimentellen und klinischen Hypnose basiert und auf einer langen Erfahrung und Erprobung beruht. Ziel des Buches ist, eine sehr effektive Kurztherapie der Angst vorzustellen, die für versierte Fachleute relativ schnell erlernbar und tatsächlich innerhalb einer Sitzung durchzuführen – und dauerhaft erfolgreich ist. Das Buch soll sowohl für Anfänger im Bereich der Verhaltenstherapie oder Hypnose als auch für Fortgeschrittene informativ sein und sie zur Anwendung der Methode motivieren. Die Methodenkombination aus kognitiv-behavioraler Therapie und Hypnose ist bislang kaum gebräuchlich, ist jedoch sehr schnell nachvollziehbar. Eine Kurzform kann dazu verleiten, sie schnell anzuwenden, ohne ihre gesamten Grundlagen in Theorie und Praxis ausreichend zu beherrschen. Dafür sind Wiederholungen jeweils unter verschiedenen Aspekten aufgeführt. Deshalb sind im Teil I – Die Basics – in den Kap. 1 bis 7 die Grundlagen sowohl der Hypnose, der Angst und der Verhaltenstheorien in ihren Grundprinzipien dargestellt, verbunden mit einer Anzahl von Praxisbeispielen. Sie können jedoch kaum Lehrbücher dieser Bereiche ersetzen. Die Darstellungen der Neuropsychologie in diesen drei Bereichen sollen zu ihrem übergeordneten Verständnis beitragen. Sie dienen Fortgeschrittenen als Wiederholung und den Anfängern als Einführungen in die jeweiligen Bereiche. Im Teil II – Die Kombinationen werden in den Kap. 8 und 9 die für die Angstbehandlung relevanten Methoden der kognitiven Verhaltenstherapie (KVT) primär in ihren Grundprinzipien vorgestellt. Im Vordergrund steht die Verbindung der KVT mit den Methoden der Hypnose. Zum besseren Verständnis wird gerade dieses Kapitel sehr ausführlich und ganz praxisorientiert abgehandelt. Der Teil III – Die Praxis – Das Fallseminar stellt in Kap. 10 die diagnostischen Voraussetzungen für die Anwendung der Therapiemethode vor. Das Kap. 11 beschreibt sehr detailliert und ebenfalls praxisnah die vier Phasen der Kurztherapie mit ihren einzelnen Schritten, sodass sie relativ schnell nachzuvollziehen sind, um bald angewandt werden können. Das Kap. 12 ist als praktisches

XI

XII

Vorwort

Fallseminar konzipiert. Es informiert anschaulich mit seinen 16 Falldarstellungen über die Diagnostik, Indikation und Durchführung der Methode. Dazu liegt eine spezielle Auswahl unterschiedliche Fälle vor, die jeweils verschiedene Diagnosen zur Genese der Angst beinhalten, damit verbunden auch differenzierte therapeutische Vorgehensweisen bzw. Modifikationen. Die Fälle sind in ihren wesentlichen Passagen zur Angst möglichst prägnant dargestellt. Den Leserinnen und Lesern wird es so ermöglicht, die einzelnen Überlegungen und Praxisschritte leichter nachzuvollziehen. Besonders Fall 8 (Abschn. 12.3.1) und Fall 19 (Abschn. 12.3.9) sind sehr ausführlich wiedergegeben und kommentiert, um die Vorgehensweise konkret zu verdeutlichen. Die Studienfragen in den Falldokumentationen beziehen die Leserinnen und Leser mit ein und sollen sie anregen, die Überlegungen anzustellen, wie sie im System der Kurztherapie der kognitiv-behavioralen Hypnosetherapie relevant sind. Sie werden dann sofort beantwortet. Falls diese Fragen zu simpel sind, dann sind Sie als Leserin oder Leser bereits Fortgeschrittene in VT oder Hypnose und überspringen diese einfach – oder sehen sie als Bestätigung ihrer Überlegungen an. Dann sind in Kap. 13 die spontan von den Patienten berichteten Wirkungen wiedergegeben. Ihnen folgen Überlegungen zu weiteren Anwendungsmöglichkeiten der Kurztherapie – und auch Gedanken zu möglichen methodischen Grenzen. Letztlich gibt Kap. 14 der Darstellung der Kautelen, Grenzen und Kontraindikationen der Methode ihren Raum. Die Effektivität der Methode und ihre Anwendungsbreite sind sehr hoch – gemessen an den zahlreichen erfolgreichen Behandlungen, sollte jedoch noch statistisch belegt werden. Da das Buch als Praxisbuch konzipiert ist, enthalten bereits auch die Theorieteile häufig Praxishinweise; insgesamt werden dazu 27 Fälle vorgestellt. Die Falldarstellungen sind durchnummeriert und erleichtern so das Wiederfinden und Vergleichen, wenn sie in mehreren Kapiteln zitiert sind. Unerwähnt darf nicht bleiben, dass alle Falldemonstrationen aus realen Therapiesitzungen entstammen. Ihre Darstellungen sind so anonymisiert, dass sie keine Rückschlüsse auf die jeweilige Person zulassen. Wenn eine Reihe von Fakten aufzuzählen ist, dann sind diese meist mehr tabellarisch wiedergegeben. Das verhindert lange und unüberschaubare Sätze und begünstigt die angestrebten Lernprozesse. Dazu dienen auch die unterschiedlichen eingefügten Kästen und Hervorhebungen, in denen auf besondere Fakten wie Praxishinweise, Fälle oder Beispiele hingewiesen wird, ebenso die insgesamt 22 Abbildungen und 6 Tabellen. Im vorliegenden Buch wurde fast immer die männliche Form für Therapeut/ Therapeutin und Patient/Patientin gewählt. Im vollen Bewusstsein, stets beide einzubeziehen und anzusprechen, diente die hier gewählte Form zur grammatikalischen Vereinfachung und Erleichterung der Darstellung und des Textverständnisses. Bochum Oktober 2020

Hans-Christian Kossak

Danksagung

Mein Dank gilt den vielen Patienten, die mir im Lauf der zurückliegenden vielen Jahrzehnte ihre Lebensgeschichten anvertrauten. Durch sie konnte ich meine Erfahrungen in der Psychotherapie, besonders hinsichtlich meiner Kurztherapie mit Hypnose, sammeln, die ich sowohl in den Theorieteilen als auch in den Falldarstellungen nutzen konnte. Besonderer Dank hier an die Klientinnen Frau S. und Frau W., die sich spontan zu einer Aufnahme ihrer Therapiesitzung bereit erklärten; diese sind hier als Fall 8 und Fall 19 detailliert wiedergegeben. Meinen Dank richte ich nun an Frau Monika Radecki, Senior Editor im Springer Verlag. Wir kennen uns durch meine Autorentätigkeiten seit mindestens dreißig Jahren. In einem Telefonat mit ihr erwähnte ich die Idee für dieses Buch. Spontan regte sie mich an, diese effektive Methode der Psychotherapie möglichst vielen Fachkolleginnen und Fachkollegen zugänglich zu machen. Wie gewohnt, beriet sie mich in den vielen Fragen, die sich einem Autor bei der Fertigstellung seines Werkes stellen. Auch danke ich Frau Hiltrud Wilbertz für ihre zahlreichen sehr geschätzten Ratschläge und die Verlagsbetreuung. Sie geleitete mich sicher durch die mannigfaltigen Formatierungs-Klippen und Anforderungen der modernen elektronischen Textverarbeitung. Dabei behielt sie stets die Geduld und Ruhe und gab weiterhin gute Hinweise zu meinen vielen Fragen zur Textverarbeitung und Textgestaltung, die ein Autor für die aktuellsten Computer- und Textverarbeitungstricks benötigt. Herrn Prof. Dr. O. Bernd Scholz danke ich sehr herzlich für sein umfangreiches Geleitwort und auch besonders für seine Empfehlungen zu Ergänzungen und Veränderungen des Manuskriptes. Sie haben zur Abrundung oder Pointierung verschiedener Darstellungen beigetragen. Seine Meinung als bekannter Hypnoseforscher und Hypnotherapeut war mir hierzu besonders wertvoll. Meinen Dank nun auch an Frau Dr. med. dent. Gisela Zehner. Seit vielen Jahrzehnten über Hypnose befreundet, hatten wir bei unserem gemeinsamen Buch „Hypnose beim Kinderzahnarzt“ im Springer-Verlag (2011) eine sehr gute menschliche und fachliche Zusammenarbeit. Sie las mein Buchmanuskript detailliert und sehr kritisch durch. Vielen Dank für die vielen hilfreichen Ratschläge und Impulse.

XIII

XIV

Danksagung

Dank an Hans-Joachim Wolf, Oberstudienrat i. R., mit dem ich seit 66 Jahren befreundet bin. Er hat mein Manuskript als Germanist und Pädagoge sachkundig korrigiert. Letztlich – wie immer – meinen herzlichen Dank an meine Frau Silke. Sie nahm mein neues Manuskript gelassen hin, als ich von vier Monaten der Bearbeitung sprach, las auch das Manuskript zur Korrektur und beriet mich bei der Textgestaltung. Nun, nachdem durch die vielen Textverarbeitungsbarrieren inzwischen zehn Monate erreicht waren, nahm sie auch das hin, weil sie wusste, dass es mir ein Anliegen ist, mit diesem Buch meine Praxiserfahrungen mit einer Hypnose-Kurztherapie an Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten weiterzugeben.

Inhaltsverzeichnis

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Eine kurze Einleitungs-Geschichte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4

Teil I  Die Basics 2 Hypnose. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 2.1 Geschichte der Hypnose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 2.1.1 Historische Anfänge und Naturvölker. . . . . . . . . . . . . . . 9 2.1.2 Von der Aufklärung zur Romantik. . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 2.1.3 Beginn der modernen Forschung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 2.2 Naturwissenschaft – Hypnose-Forschung – Theorien. . . . . . . . . . 11 2.3 Hypnose in der Klinischen Praxis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 2.4 Forschungsergebnisse und Definitionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 2.4.1 Was ist Hypnose?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 2.4.1.1   Der Begriff „Hypnose“. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 2.4.1.2 Die als „Hypnose“ verwandten Begriffe . . . . . 12 2.4.2 Definition der Hypnose. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 2.4.3 Abgrenzungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 2.4.3.1 Schlaf. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 2.4.3.2 Entspannung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 2.4.3.3 Alltagsverhalten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 2.4.4 Formen der Hypnose – und Begrifflichkeiten. . . . . . . . . 16 2.4.4.1 Autogenes Training . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 2.4.4.2 Selbsthypnose = Autohypnose:. . . . . . . . . . . . 16 2.4.4.3 Heterohypnose = Fremdhypnose. . . . . . . . . . . 16 2.4.4.4 Spontanhypnose. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 2.4.4.5 Fraktionierte Hypnose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 2.4.5 Wege zur modernen Hypnose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 2.4.5.1 Von der Symptomtherapie zur Kausaltherapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 2.4.5.2 Von der autoritären zur nondirektiven Therapie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 2.4.5.3 Hypnose als eigenständiges Therapieverfahren oder Zusatzmethode?. . . . . . . . . . . . . . . 17 XV

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XVI

2.4.6 Das kognitiv-behaviorale Hypnosemodell. . . . . . . . . . . . 18 Die Grundfaktoren und Bestimmungselemente der Hypnose. . . . 18 2.5.1 Suggestion. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 2.5.1.1 Suggestionen ohne Hypnose. . . . . . . . . . . . . . . 20 2.5.1.2 Negationen als Suggestion. . . . . . . . . . . . . . . . 20 2.5.1.3 Klare positive Handlungsanweisungen sind operationalisiert und zielorientiert . . . . . . 21 2.5.2 Hypnotisierbarkeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 2.5.2.1 Wissenschaftliche Ergebnisse. . . . . . . . . . . . . . 22 2.5.2.2 Faktoren der Hypnotisierbarkeit. . . . . . . . . . . . 22 2.5.2.3 Hypnotisierbarkeit – Persönlichkeit – Therapieerfolg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 2.5.2.4 Therapieerfolg auch ohne Hypnotisierbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 2.5.3 Induktion – das Einleitungsverfahren der Hypnose. . . . . 25 2.5.3.1 Suggestionen zur Induktion – Wirkfaktoren. . . 25 2.5.3.2 Methoden der Induktion. . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 2.5.4 Hypnose als Entspannungsverfahren. . . . . . . . . . . . . . . . 26 2.5.4.1 Zum Begriff Ruhe-Szene. . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 2.5.4.2 Funktion der Ruheszene. . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 2.5.5 Hypnose als Erlebensform – das Verhalten in Hypnose – die „Hypnosephänomene“. . . . . . . . . . . . . . . 27 2.5.6 Tiefe der Hypnose. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 2.5.7 Der Hypnose-Therapeut. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 2.5.7.1 Allgemein geltende Therapeutenvariablen. . . . 29 2.5.7.2 Besonderheiten einer HypnoseSitzung – und Anforderungen an den Hypnose-Therapeuten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 2.5.8 Die Kommunikation in Hypnose. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 2.5.8.1 Wesentliche Aspekte der hypnotischen Kommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 2.5.8.2 Klare und konstante SprachKommunikation in Hypnose. . . . . . . . . . . . . . . 34 2.5.8.3 Persönlich nahe Sprachkommunikation. . . . . . 35 2.5.8.4 Kommunikationsverbesserung mit VAKOG. . . 35 2.5.9 Anmerkungen für die Praxis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 2.5.9.1 Anschaulichkeit – Erlebensnähe. . . . . . . . . . . . 37 2.5.9.2 Lebendigkeit, Glaubhaftigkeit . . . . . . . . . . . . . 37 2.5.10 Vergleich von Hypnose und rationalem System . . . . . . . 37 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 2.5

3

Neuropsychologie der Hypnose. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 3.1 Induktion – Einleitung der Hypnose. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 3.2 Hypnose als Entspannungsmethode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 3.2.1 Hypnotisierbarkeit und Entspannung . . . . . . . . . . . . . . . 43 3.2.2 Anwendung von Entspannungsverfahren . . . . . . . . . . . . 44

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XVII

3.3

Hypnose beinhaltet Aktivierung relevanter neurophysiologischer Systeme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 3.4 Hypnose als Beeinflussung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 3.4.1 Simulation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 3.4.2 Das Wahrheitskonzept. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 3.4.3 Willensfreiheit, Fremdbeeinflussung, kriminelle Handlung in Hypnose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 3.4.4 Hypnose und Willensbeeinflussung – subjektiv erlebt oder objektiv vorhanden?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 3.4.5 Hypnose und Wahrnehmungsbeeinflussung – Realität der Innenbilder. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 3.4.6 Hypnose und die Wirklichkeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 3.5 Die Erstellung der Ruheszene. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 3.6 Die posthypnotische Aufgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 3.7 Aspekte zur Instruktion der posthypnotischen Aufgabe . . . . . . . . 51 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 4 Angst. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 4.1 Die Funktion der Angst. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 4.2 Klinische Klassifikation der Angststörungen. . . . . . . . . . . . . . . . . 56 4.3 Angstkomponenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 4.3.1 Frühe Angstmodelle. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 4.3.1.1 Die neue Komponente: Kognitionen . . . . . . . . 58 4.3.1.2 Kurzdefinition der Kognitionen. . . . . . . . . . . . 58 4.3.1.3 Die Weiterentwicklung: Kognitive Theorien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 4.3.2 Das Modell der sieben-Verhaltens-Komponenten der Angst. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 4.3.2.1 Angst besteht aus einem Netzwerk von Wirkfaktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 4.3.2.2 Die sieben Verhaltens-Komponenten der Angst mit ihren einzelnen Erscheinungsformen und Auswirkungen. . . . . . . . . . . . . . . . 60 4.4 Praxishinweise zur Exploration und Diagnostik der Angst. . . . . . 63 4.4.1 Subjektive Verarbeitungsmöglichkeiten der Angst . . . . . 63 4.4.2 Hinweise zur Exploration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 4.4.3 Die Angstkomponenten als Auslöser im Netzwerk – Beispiele. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 4.4.4 Auswirkungen der Angst in Lernen und Schule . . . . . . . 68 4.4.4.1 Generalisierungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 4.4.4.2 Häufige Folgen von Angst und/oder Misserfolg im Schul-, Lern- und Leistungsbereich. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69

XVIII

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5 Neuropsychologie der Angst. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 5.1 Die hauptbeteiligten Gehirnareale bei Angst. . . . . . . . . . . . . . . . . 72 5.1.1 Amygdala (Mandelkern, Corpus amygdaloideum). . . . . 72 5.1.2 Thalamus. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 5.1.3 Hypothalamus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 5.1.4 Hippocampus. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 5.1.5 Präfrontaler Cortex . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 5.2 Neuronale Auswirkungen von Angst – kognitive Blockade . . . . . 74 5.2.1 Wirkungen von Stress und Angst. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 5.2.2 Archaische Angstreaktionen – Vergleichende Verhaltensforschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 5.2.3 Auswirkungen der kognitiven Blockade auf das Lernen und Behalten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 6

Lerntheoretische Paradigmen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 6.1 Verhaltenstheoretische Genese von Störungen . . . . . . . . . . . . . . . 80 6.1.1 Der bedingte Reflex. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 6.1.2 Operantes Lernen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 6.1.3 Lernen durch Beobachtung – Lernen am Modell – Imitationslernen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 6.1.3.1 Faktoren und Eigenschaften von häufig kopierten Modellen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 6.1.3.2 Verdecktes Verhalten in der Psychotherapie – Hypnose. . . . . . . . . . . . . . . . 86 6.1.4 Lernen durch kognitive Veränderungen. . . . . . . . . . . . . . 87 6.1.4.1 Das kognitive Modell von Ellis . . . . . . . . . . . . 87 6.1.4.2 Kognitive Therapie – Das Modell von Beck (1967). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 6.1.4.3 Selbstinstruktionstraining – nach Meichenbaum (1969). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 6.1.4.4 Selbstregulation – Kanfer (1977). . . . . . . . . . . 88 6.1.4.5 Weitere Kognitive Therapieformen . . . . . . . . . 89 6.2 Aufrechterhaltung der Angst. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 6.2.1 Vermeidungsverhalten und negative Verstärkung . . . . . . 90 6.2.2 Operante Verstärkung ist ein Lernprozess innerhalb eines Systems. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 6.2.3 Verstärkungen und Lernprozesse erfolgen in einem Verstärkungs- und Sozialsystem. . . . . . . . . . . . . . 93 6.2.4 Generalisierung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 6.2.5 Dyskognitionen und Störungen der Selbstregulation. . . . 94 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94

7

Lerntheoretische Paradigmen und Neuropsychologie. . . . . . . . . . . . . 97 7.1 Instrumentelles (klassisches) Konditionieren . . . . . . . . . . . . . . . . 97 7.2 Operantes Lernen – Lernen durch Erfolg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98

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XIX

7.3 Lernen am Modell – Imitationslernen – Beobachtungslernen. . . . 98 7.4 Kognitions- und Emotionsregulationen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 7.5 Konkrete Ursachen von Ängsten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 Teil II Die Methodenkombinationen – Theorie und Praxis von Hypnose und Verhaltenstherapie 8

Verhaltenstherapie – Methoden. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 8.1 Grundvoraussetzungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 8.1.1 Definition der Verhaltenstherapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 8.1.2 Die Verhaltensanalyse – Bedingungsmodelle des Verhaltens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 8.1.3 Das diagnostische Interview – funktionale Verhaltensanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 8.1.4 Indikation einer Therapie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 8.1.5 Therapieplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 8.1.6 Praxis der Verhaltenstherapie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 8.2 Therapieziele. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 8.2.1 Allgemeine Therapieziele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 8.2.2 Therapieziele bei Angst. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 8.2.3 Individuelle Zielabsprachen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 8.2.4 Therapieziel Selbstkontrollüberzeugung. . . . . . . . . . . . . 108 8.2.5 Konkrete Ziele der Behandlung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 8.2.6 Selbstwirksamkeitserwartung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 8.2.6.1 Hypnose und Selbstwirksamkeitserwartung. . . . . . . . . . . . . . 109 8.2.6.2 Erklärung aus Sicht der Neuropsychologie . . . 109 8.3 Klassische Therapiemethoden – zur Psychotherapie bei Ängsten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 8.3.1 Klassische Konditionierung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 8.3.1.1 Angstkonfrontation, Exposition. . . . . . . . . . . . 111 8.3.1.2 Desensibilisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 8.3.1.3 Gegenkonditionierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 8.3.1.4 Stimulusveränderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 8.3.2 Operantes Lernen – Verlernen – Löschen. . . . . . . . . . . . 112 8.3.2.1 Abbau des Verhaltens: Wegfall operanter Verstärkung der Angst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 8.3.2.2 Aufbau von Verhalten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 8.3.2.3 Veränderungen durch Kontingenzmanagement. . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 8.3.3 Lernen durch Beobachtung – Lernen am Modell – Imitationslernen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114

Inhaltsverzeichnis

XX

8.3.4

Kognitive Methoden zur Veränderung. . . . . . . . . . . . . . . 114 8.3.4.1 Dyskognitionen verändern. . . . . . . . . . . . . . . . 114 8.3.4.2 Selbstwirksamkeit erwerben: das zentrale Ziel der Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 8.3.4.3 Reframing – Umdeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 8.3.4.4 Priming – Bahnung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 8.3.4.5 Imaginationen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 8.3.4.6 Metaphern. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 8.4 Kognitiv-behaviorale Therapie in Kombination mit Hypnose – oder umgekehrt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 8.4.1 Gemeinsamkeiten von Hypnose und Kognitivbehavioraler Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 8.4.2 Ein zentrales Ziel der Therapie: Vermittlung der Selbstwirksamkeit und Selbstkontrollüberzeugung. . . . . 118 8.4.3 Erforderliche Fertigkeiten zum Selbstmanagement und zur Selbstkontrollüberzeugung. . . . . . . . . . . . . . . . . 118 8.4.3.1 Selbstbeobachtung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 8.4.3.2 Selbstbewertung und Selbstverstärkung. . . . . . 119 8.4.3.3 Selbstkontrolle – Coping – Entscheidungen. . . 119 8.4.3.4 Selbstinstruktion. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 8.4.3.5 Zielklärung – Zielsetzung. . . . . . . . . . . . . . . . . 120 8.4.3.6 Evaluation der Bewältigungsstrategien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 8.4.3.7 Therapeutische Hausaufgaben. . . . . . . . . . . . . 121 8.5 Aufgaben und Grundeinstellungen des Therapeuten in der kognitiven Verhaltenstherapie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 8.5.1 Aufgabe des Therapeuten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 8.5.2 Relevante Grundeinstellungen des Therapeuten. . . . . . . 122 8.5.3 Der Patient wird in drei Aspekten unterstützt. . . . . . . . . 123 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 9

Eine kleine Geschichte der Kombination von Hypnose mit Verhaltenstherapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 9.1 Pawlow und die Hypnose. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 9.2 Bedeutsam für die Gegenwart: Erklärung der HypnoseInduktion nach Welch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 9.3 Ergebnisse aus der frühen Hypnose-Forschung. . . . . . . . . . . . . . . 126 9.4 Die frühe Anwendung der Verhaltenstherapie und Hypnose. . . . . 127 9.5 Wege zur Kausaltherapie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 9.6 Autobiografie – Beginn meiner Hypnoseerfahrungen. . . . . . . . . . 128 9.7 Die kognitive Wende in der Verhaltenstherapie. . . . . . . . . . . . . . . 128 9.8 Gemeinsamkeiten von kognitiver Verhaltenstherapie und Hypnose. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 9.9 Die Kurztherapie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133

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Teil III  Die Praxis – Das Fallseminar 10 Die Anwendung der Methode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 10.1 Die Indikation der kognitiv-behavioralen Hypnose-Kurzform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 10.2 Anforderungen an den Therapeuten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 10.3 Vorbereitungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 10.3.1 Sitzanordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 10.3.2 Das Vorbereitungsgespräch. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 10.3.2.1 Informationen zur Sitzung. . . . . . . . . . . . . . . . 139 10.3.2.2 Aufklärung über Hypnose . . . . . . . . . . . . . . . . 139 10.3.2.3 Aufbau von Erwartungen bezüglich der Hypnose-Wirkungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 10.4 Die Exploration des Patienten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 10.4.1 Ziele der Exploration – Vorsichtsmaßnahmen. . . . . . . . . 140 10.4.2 Ressourcen-Exploration – ist nicht nur Defizitorientierung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 10.4.2.1 Exploration zur Ressourcenorientierung . . . . . 141 10.4.2.2 Ressourcen helfen heilen. . . . . . . . . . . . . . . . . 142 10.5 Diagnoseerstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 10.6 Therapieplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 11 Die Intervention – Phasen der Intensiv-Kurztherapie . . . . . . . . . . . . 145 11.1 Induktion. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 11.1.1 Die Augenfixationsmethode/Punktfixationsmethode. . . . 147 11.1.2 Die Handlevitationsmethode. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 11.2 Die Ruheszene – Entspannung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 11.3 Erlernen der Körpersignale für Entspannung. . . . . . . . . . . . . . . . 151 11.4 Erlernen der Überallmethode. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 11.4.1 Die Bedeutung der Gelenkberührung mit der Hand . . . . 152 11.4.2 Instruktion zur posthypnotischen Aufgabe (s. u.) . . . . . . 152 11.5 Die Therapieszene und ihr Auslösereiz – Differenzierungslernen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 11.6 Wahrnehmung der Körpersignale für Anspannung. . . . . . . . . . . . 153 11.7 Aushalten der aversiven Situation – Vermeidungsverhalten abbauen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 11.8 Erlernen des schnellen Umschaltens zwischen beiden Szenen. . . 155 11.9 Suggestion der wahrgenommenen positiven Veränderung . . . . . . 156 11.10 Wahrnehmung der positiven Veränderung als Selbstwirksamkeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 11.11 Verstärkung der Selbstwirksamkeit und der Körpersignale. . . . . . 157 11.12 Wiederholungsschleifen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 11.13 Selbstkontrolle – Selbstregulation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159

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11.14 Selbststeuerung und Selbstverwaltung der Bewältigungsstrategien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 11.15 Stabilisierung der Selbstwirksamkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 11.16 Posthypnotische Aufgabe. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 11.17 Beendigung der Hypnose – positives Ende. . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 11.18 Nachbesprechung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 11.19 Therapeutische Hausaufgaben. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 12 Das praktische Fallseminar. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 12.1 Einleitung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 12.2 Zu den Falldarstellungen und Fallbesprechungen. . . . . . . . . . . . . 166 12.3 Die Falldarstellungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 12.3.1 Fall 8 – Posttraumatische Belastungsstörungen nach Augenoperation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 12.3.2 Fall 9 – Hundeangst seit der Kindheit. . . . . . . . . . . . . . . 178 12.3.3 Fall 10 – Hundeangst – Opfer eines Hundeüberfalls. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 12.3.4 Fall 11 – Flugangst seit vielen Jahren. . . . . . . . . . . . . . . 183 12.3.5 Fall 12 – Flugangst nach traumatisierendem Flugerlebnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 12.3.6 Fall 13 – Spinnenangst seit der Kindheit. . . . . . . . . . . . . 189 12.3.7 Fall 14 – Zahnarztangst seit der Kindheit. . . . . . . . . . . . 191 12.3.8 Fall 15 – Angst vor der anstehenden Operation. . . . . . . . 193 12.3.9 Fall 16 – Angst nach einem ärztlichen Missgriff. . . . . . . 196 12.3.10 Fall 17 – Panikattacken in der Straßenbahn. . . . . . . . . . . 198 12.3.11 Fall 18 – Panikattacken – wirklich ohne erkennbaren Grund (?). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 12.3.12 Fall 19 – Angst vor Versagen, Selbstzweifel, Sozialangst, Minderwertigkeitsgefühle. . . . . . . . . . . . . . 207 12.3.13 Fall 20 – Examensangst – Angst vor Übergriffen. . . . . . 225 12.3.14 Fall 21 Aggressionen bei mangelnder Selbstkontrolle. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 12.3.15 Fall 22 – Aggressionen nach krimineller Beeinflussung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 12.3.16 Fall 23 Selbstwirksamkeitserwartung – Angst vor der praktischen Führerscheinprüfung . . . . . . . . . . . . . . . 235 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 13 Wirkungen, Anwendungsmöglichkeiten, Grenzbereiche . . . . . . . . . . 239 13.1 Spontane Wirkungen und Nebenwirkungen der Spezial-Kurz-Intervention. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 13.1.1 Erfolgsberichte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 13.1.2 Keine Nebenwirkungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 13.1.3 Impulse von Fachkolleginnen und Fachkollegen. . . . . . . 241

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13.2 Modifikationen der Methode. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 13.2.1 Modifikationen von Therapieteilen. . . . . . . . . . . . . . . . . 242 13.2.1.1 Imaginationsprobleme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 13.2.1.2 Induktion – Schwierigkeiten. . . . . . . . . . . . . . . 242 13.2.1.3 Ruheszene – Probleme, Wirksamkeit. . . . . . . . 242 13.2.1.4 Farb-Wahrnehmungen an der „negativen“ und der „positiven“ Körperstelle . . . . . . . . . . . 243 13.2.1.5 Angstbewertung – Skalierung . . . . . . . . . . . . . 244 13.2.2 Modifikationen der Therapieszene. . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 13.3 Überlegungen zu Anwendungsmöglichkeiten und Grenzbereichen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 13.3.1 Raucherentwöhnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 13.3.1.1 Reaktions- und Therapieformen. . . . . . . . . . . . 245 13.3.1.2 Grenzen der Raucherentwöhnung . . . . . . . . . . 246 13.3.2 Impulse zur Vorsicht bei sehr komplexen Störungen – Beispiel Prüfungsangst. . . . . . . . . . . . . . . . 246 13.3.3 Fall 24 – Prüfungsangst – fehlende Anerkennung. . . . . . 247 13.3.4 Fall 25 – Prüfungsangst – frühkindliches Verlusttrauma. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 13.3.5 Fall 26 – Prüfungsangst – Wissensdefizite . . . . . . . . . . . 248 13.3.6 Fall 27 – Prüfungsangst – Angst vor sozialer Negativbewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 13.3.7 Prüfungsangst – hat viele subtile und gravierende Ursachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 13.3.7.1 Prüfungsangst – mindestens drei Symptomzuordnungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 13.3.7.2 Prüfungsangst als Grenzsituation. . . . . . . . . . . 249 13.3.7.3 Prüfungsangst als Ausdruck von u. a. Zukunftsangst. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 13.3.7.4 Prüfungsangst – Lampenfieber, Auftrittsangst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 13.3.7.5 Folgerungen zur Indikation der Kurzform. . . . 251 13.4 Impulse aus der Psychiatrie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 13.5 Erweiterung als vielfach nutzbare Selbstkontrollmethode . . . . . . 251 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 14 Kautelen, Grenzen, Kontraindikationen, Effektivität. . . . . . . . . . . . . 255 14.1 Kautelen – Vorsichtsmaßregeln. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 14.1.1 Mögliche Grundprobleme des Patienten beachten . . . . . 256 14.1.2 Operante Verstärkungen der Angst beachten. . . . . . . . . . 256 14.1.3 Vermeidungsverhalten beachten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 14.1.4 Die Gründe hinter der Angst berücksichtigen. . . . . . . . . 257 14.1.5 Spätere Berührung der Schulter als erneuter Auslöser des Problemverhaltens? . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 14.1.6 Ähnlichkeit von Entspannungsszene und Therapieszene. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258

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14.2 Grenzen der Methode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 14.3 Kontraindikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 14.4 Effektivität. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 14.4.1 Umfang und Dauer der Intervention. . . . . . . . . . . . . . . . 259 14.4.2 Stabilität der Verhaltensänderungen . . . . . . . . . . . . . . . . 259 14.4.3 Therapeutische Wirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 14.4.3.1 Schneller Gewinn an Autonomie: generell und bezüglich Beruf, Leben. . . . . . . . 260 14.4.3.2 Schnelle Veränderung von Bezugssystemen, Netzwerken etc. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 14.4.3.3 Zeitökonomie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 14.4.3.4 Finanzökonomie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260   14.4.3.5 Dauerhaftigkeit des Therapieerfolges –   Löschungsresistenz – Katamnesen. . . . . . . . . . 260 14.4.3.6 Generalisierung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 14.4.4 Auswirkungen in der psychotherapeutischen Praxis und Kostenersparnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 14.5 Ausblick. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261

Weiterführende oder ergänzende Literatur des Autors zum Thema Hypnose in Kombination mit kognitiv-behavioraler Therapie. . . . . . . . . . 263 Stichwortverzeichnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265

Über den Autor

Dr. Hans-Christian Kossak, Dipl.-Psych., Psychologischer Psychotherapeut und Kinder- und Jugendli­ chen­ psychotherapeut mit Ausbildungszertifikaten in Verhaltenstherapie, Gesprächspsychotherapie, Hypno­ setherapie. Studium der Psychologie, Universität Münster; Seminare als Lehrbeauftragter an der Ruhruniversität Bochum (Klinische Psychologie), Promotion zur Theorie und Kombination von Hypnose und moderner Verhaltenstherapie an der Universität Bremen (Kogni­ tionspsychologie). Von 1969 bis 2005 Leiter der Katholischen Beratungsstelle für Erziehungs- und Familienfragen, Caritasverband für Bochum e. V.; dort Gründer von „Pluspunkt“, der Fachtherapiestelle für Kinder und Ju­ gen­dliche, die von Behinderung bedroht oder betroffen sind. Arbeitsschwerpunkte: Ängste, Psychosomatik, Lern- und Leistungsstörungen – und natürlich Hypno­ seanwendungen in diesen Bereichen. Er ist Gründer der Psychotherapie in der Kombination von kognitiver Verhaltenstherapie und moderner Hypnose. Weiterhin tätig als Dozent und Ausbilder von Psychotherapeuten in Hypnose und Verhaltenstherapie; an der Zahnärztekammer Berlin Dozent für Kinderzahnheilkunde. Referent auf nationalen und internationalen Fachkongressen. Autor zahlreicher wissenschaftlicher Fachpublikationen und Fachbücher seines Spezialbereiches.

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Eine kurze Einleitungs-Geschichte

Es gibt wohl kaum einen Menschen, der nicht irgendwann zumindest einmal in seinem Leben große Angst erfahren hat, sei es beim Autofahren, bei einem Unfall, in einer schwierigen Situation, vor einem körperlichen Eingriff oder vor einer Prüfung. Allen ist deshalb das Gefühl der Angst mit all seinen Begleiterscheinungen nachvollziehbar bekannt. Mitunter ist das Erleben der Angst jedoch so intensiv gewesen, dass es heute immer noch unangenehme Erinnerungen weckt, wenn die entsprechenden Stichworte oder Bilder dazu wahrgenommen werden. Viele haben dann in der Zwischenzeit vom Ereignis bis heute für sie hilfreiche Strategien entwickelt, damit sie die Angst nicht mehr erleben oder an sie erinnert werden. Ist ein Ereignis sehr einschneidend oder sogar traumatisierend oder fehlen persönliche Bewältigungsmöglichkeiten, bleibt die Angst weiter bestehen. Diese kann dann so stark sein, dass sie in bestimmten Situationen als lebensbedrohlich erlebt wird, den Verhaltensspielraum der Person einschränkt und die Lebensqualität mindert. Betroffene sind dann hilflos, schämen sich, sind ratlos, verzweifelt. In solchen Fällen wurde die Angst pathologisch und bedarf einer Therapie, hier einer Psychotherapie. Infolge der starken Verbreitung von Angststörungen, ihrer relativ hohen Prävalenz, der Gefahr der Chronifizierung und der Komorbidität, verursachen sie Arbeitsausfälle wegen Krankheit und hohe Kosten im Gesundheitssystem (Narrow et al. 2002). Entsprechend befassten sich nahezu alle Therapierichtungen mit der Behandlung von Ängsten und waren mit ihren Methoden unterschiedlich schnell erfolgreich oder hatten hier ihre bestimmten Grenzen. Psychotherapie mit Verhaltenstherapie Erstmals nutzte Wolpe (1961) die Verhaltenstherapie, so bei der Behandlung von Ängsten; seit ungefähr 1970 wird auch in Deutschland die Verhaltenstherapie

© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer-Verlag GmbH, DE, ein Teil von Springer Nature 2020 H.-C. Kossak, Kognitiv-behaviorale Psychotherapie von Ängsten, Psychotherapie: Praxis, https://doi.org/10.1007/978-3-662-62323-7_1

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1  Eine kurze Einleitungs-Geschichte

(VT) mit ihren unterschiedlichen Methoden zur Angstbehandlung eingesetzt. Ihre Weiterentwicklung der letzten Jahrzehnte ist die kognitive Verhaltenstherapie (KVT) oder als Synonym die kognitiv-behaviorale Therapie (KBT). Es ist die sogenannte zweite Welle der Verhaltenstherapie. Die wissenschaftlichen Therapievergleichsstudien zeigen auf, dass gerade die KBT in der Behandlung von Angststörungen und Panikstörungen signifikant höhere Effektgrößen als andere Behandlungen aufweist (z. B. Barlow 2002). Entsprechend ist das Angebot an Therapie und Literatur dazu schnell gewachsen. Parallel dazu – ebenfalls in den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts – hat in Deutschland die Hypnose eine Renaissance erlebt und sich als moderne klinische Hypnose weiterentwickelt (Kossak 1991). Psychotherapie mit Verhaltenstherapie kombiniert mit Hypnose Sehr bald entdeckte ich dann, dass die Kombination von VT und Hypnose eine sehr wirkungsvolle Therapiemöglichkeit darstellt. (Und veröffentlichte dazu mehrere Artikel, hielt Seminare, schrieb mein Lehrbuch Hypnose (Kossak 1989). So befasste ich mich auch mit der damals neu entstandenen kognitiv-behavioralen Therapie, die mir sofort relativ bekannt war, da sie zahlreiche Elemente mit der Hypnose gemein hatte. Das führte mich dann dazu, spezielle kognitiv-behaviorale Hypnosetherapien für unterschiedliche Störungen zu entwickeln. Diese Entwicklung zur Imagination und Hypnose wurde erst wesentlich später als dritte Welle der VT benannt. Vorwiegend im Bereich der Behandlung von Angststörungen konnte ich die Methode dann so zur Kurzform komprimieren, dass sie von einem erfahrenen Fachmann in Psychotherapie bzw. Hypnose innerhalb einer knappen Stunde erfolgreich und dauerhaft wirkend anzuwenden ist, inclusive Diagnostik, Therapieplanung, Hypnoseeinleitung, Entspannung, Hypnosetherapie und Nachgespräch. Weiterentwicklungen Inzwischen haben sich aus den oben genannten Anfängen weltweit wissenschaftlich fundierte Hypnose-Gesellschaften mit – allein in Deutschland – insgesamt über tausend Mitgliedern gebildet. Die Grundlagen- und Therapieforschung haben im In- und Ausland zugenommen und immens viele seriöse Ergebnisse über die Wirkung und Erklärung der Hypnose produziert. Die wissenschaftliche Evidenz des Psychotherapieverfahrens Hypnotherapie ist bereits seit langem ausführlich untersucht und mit umfangreichen Studien belegt (z. B. Revenstorf 2006). Die Wirksamkeit und Effizienz der Hypnose wird auch im medizinischen Bereich bei bestimmten Erkrankungen bestätigt (Hefner 2010; Wark 2008), so auch bei akutem und chronischem Schmerz, der sowohl ein somatisches als auch ein psychisches Problem darstellt (z. B. Metaanalyse von Montgomery et al. 2000). Damit verbunden wuchsen die Publikationen der Hypnose-Fachliteratur und auch die Fachbücher zur Behandlung von Ängsten mit unterschiedlichen kognitivbehavioralen Methoden schnell an (z. B. Chapman 2006; Wells 2011, Becker und Margraf 2016). Ihre Kombination mit Hypnose zur Behandlung von Ängsten

1  Eine kurze Einleitungs-Geschichte

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wurde dabei meist nur kurz behandelt (z. B. Kirsch et al. 1999; Alladin 2008; Elkins 2017). Bereits in der Erstauflage des genannten Lehrbuches (Kossak 1989) ist die Angstbehandlung mit einer Kurzform von Hypnose und VT, erwähnt, die ich in den Folgejahren weiter verfeinerte und dann auf Seminaren und nationalen und internationalen Hypnose-Kongressen vorstellte. Die Erfolge bei den DemonstrationsPatienten traten dabei so wie in Einzeltherapien schnell ein und blieben dauerhaft, d. h. in Katamnesezeiträumen von bis zu 45 Jahren. Zahlreiche Teilnehmer mailten mir oder sprachen mich später in Kongress- oder Veranstaltungspausen spontan darauf an, da sie ehemalige Klienten waren oder meine Kurztherapiemethode auch als Therapeuten ebenfalls sehr erfolgreich erprobt hatten (Kossak 2013). Das ermutigte mich dann, die Methode nach so vielen Fällen und Erfolgsjahren zu verschriftlichen, sodass das vorliegende Buch entstand, in dem die kognitivbehaviorale Therapie mit Hypnose (KBTH) im Vordergrund steht. Die Therapieerfolge blieben innerhalb der langen Beobachtungszeiten konstant; deshalb erfolgten mitunter zwar kleine Veränderungen, aber das Grundgerüst blieb bestehen – trotz neuerer Theorieansätze – nach dem Motto „Never change a winning team“. Aufgrund meiner Erfahrungen als Dozent in Aus- und Weiterbildungsseminaren basiert die Therapiemethode bewusst weitgehend auf den Grundbegriffen der KBTH. Dadurch ist sie für Fachleute wie Ärzte, Psychotherapeuten und Zahnärzte relativ schnell zu erlernen. Wahrscheinlich, weil ich hier wie auch in den Psychotherapiesitzungen versuchte, nach Albert Einstein zu handeln: „Man muss die Dinge so einfach wie möglich machen. Aber nicht einfacher.“ Datenanalysen zeigen, dass Hypnose als Therapiemethode bei bestimmten (im ICD-10 codierbaren) Angststörungen ein hochwirksames Therapieverfahren und genauso effektiv ist wie die kognitive Verhaltenstherapie (Flammer 2006). Durch die in diesem Buch vorgegebenen Therapieschritte, und mit der darin propagierten Kombination beider Therapieverfahren, tritt eine erstaunlich schnelle und dauerhaft stabile Heilung der Angstproblematik ein. Deshalb ist berechtigt anzunehmen, dass die KBTH demnächst ebenfalls die Effektivitätstests der Wissenschaft bestehen wird. Zunehmender Therapiebedarf Die Nachfrage nach Psychotherapie hat in den Praxen der Psychotherapeuten, Psychiater, Psychologen und Ärzte deutlich zugenommen. Bei Zahnärzten sind Behandlungen mit Hypnose ebenfalls häufiger gefragt. Allgemein sind Menschen psychisch immer stärker belastet, sodass lange Wartezeiten bis zum Beginn einer Psychotherapie entstehen. Die Frage nach telefonischen oder Video-Therapiesitzungen ergeben sich daraus – oder sogar die Nachfrage nach computerunterstützten Therapieprogrammen. Deshalb bieten die Krankenkassen seit 2020 Bonuszahlungen bei Anwendung von Kurztherapie an (SGB V, § 87 Absatz 2c; PTK-Newsletter der Psychotherapeutenkammer NRW 1/2020).

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1  Eine kurze Einleitungs-Geschichte

Besonders in persönlichen, gesundheitlichen und wirtschaftlichen Krisenzeiten entstehen unterschiedliche existenzielle Ängste mit einem enorm hohen Bedarf an Beratung und Behandlung. Für diese Engpässe in den Versorgungskapazitäten bietet sich bei bestimmten Störungen, hier besonders bei Ängsten, das im Buch dokumentierte Kurztherapieprogramm an, das bereits innerhalb einer Sitzung erfolgreich und dauerhaft wirksam ist.

Literatur Alladin A (2008) Cognitive hypnotherapy. Wiley, Chichester Barlow DH (2002) Anxiety and its disorders: the nature and treatment of anxiety and panic, 2. Aufl. Guilford Press, New York Becker E, Margraf J (2016) Generalisierte Angststörungen. Beltz, Weinheim Chapman RA (2006) The clinical use of hypnosis in cognitive behavior therapy. Springer, New York Elkins GR (Hrsg) (2017) Handbook of medical and psychological hypnosis. Springer, New York Flammer E (2006) Die Wirksamkeit von Hypnotherapie bei Angststörungen. Hypnose. Zeitschrift für Hypnose und Hypnotherapie 1(1+2):173–198 Hefner J (2010) Hypnose in der Medizin ist wirksam – Evident und Effizienz. Hypnose. Zeitschrift für Hypnose und Hypnotherapie 5(1+2):217–235 Kirsch I, Capafons A, Cardena-Buelna E, Amigó S (1999) Clinical Hypnosis and self-regulation. Cognitive perspectives. American Psychologists Association, Washington Kossak H-C (1989) Hypnose. Psychologie Verlags Union, München Kossak H-C. (2013) Hypnose. Lehrbuch für Psychotherapeuten und Ärzte, 5. überarb. Aufl. Beltz, Weinheim Kossak H-C (1991) Historische Entwicklung der Hypnose. Psychomed 3(3):157–159 Montgomery GH, DuHamel KN, Redd WH (2000) A meta-analysis of hypnotically induced analgesia: how effective is hypnosis? Int J Clin Exp Hypn 48(2):138–153 Narrow WE, Rae DS, Robins LJ, Regier DA (2002) Revised prevalence based estimates of mental disorders in ther United States: using a clinical significance criterion to reconcile 2 surveys’ estimates. Arch Gen Psychiatry 59(2):115–123 Revenstorf D (2006) Expertise zur Beurteilung der wissenschaftlichen Evidenz des Psychotherapieverfahren Hypnotherapie. Hypnose. Zeitschrift für Hypnose und Hypnotherapie 1(1+2):4–172 Wark DM (2008) What we can do with hypnosis: a brief note. Am J Clin Hypn 51(1):29–36 Wells A (2011) Kognitive Therapie der Angststörungen. Beltz, Weinheim Wolpe J (1961) The systematic desensitization treatment of neuroses. J Nerv Ment Dis 112:189

Teil I

Die Basics

Hypnose Nach einer historischen Einführung der Hypnose folgen die wissenschaftlichen Fakten zu ihrer Abgrenzung und Definition. Dazu gehören Suggestionen, Hypnotisierbarkeit und ihre Induktion. Diskutiert werden die Willensfreiheit in Hypnose und die Anforderung an den Therapeuten. Im Abschnitt der Neuropsychologie wird aufgezeigt, durch welche Mechanismen im Gehirn Steuerung- und Filterprozesse mit Hypnose möglich sind. Angst Nach der Definition der klinisch bedeutsamen Angst und ihren Formen wird ein siebenteiliges Wirkmodell in der Verursachung der Angst vorgestellt, das besonders für die Praxis der Anamneseerhebung und Therapieplanung hilfreich ist. Dann werden die für die Angst relevanten neurophysiologischen und neuropsychologischen Gehirnareale mit ihren Funktionen und Netzwerken vorgestellt. Verhaltenstheorie Es folgen die grundlegenden Paradigmen der Lerntheorie, auf denen sich die Verhaltenstherapie aufbaut. Anhand von Beispielen werden die auslösenden und aufrechterhaltenden Bedingungen der klassischen und der kognitiven Verhaltenstheorien primär bei Ängsten dargestellt. Zuletzt werden auch hier die neuropsychologischen Faktoren und Wirkmodelle aufgezeigt. Die Wirklichkeit ist das, was wir wahrnehmen; die Wahrheit stimmt nicht immer mit der Wirklichkeit überein (Buddhistische Weisheit)

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Hypnose

Inhaltsverzeichnis 2.1 Geschichte der Hypnose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 2.1.1 Historische Anfänge und Naturvölker . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 2.1.2 Von der Aufklärung zur Romantik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 2.1.3 Beginn der modernen Forschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 2.2 Naturwissenschaft – Hypnose-Forschung – Theorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 2.3 Hypnose in der Klinischen Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 2.4 Forschungsergebnisse und Definitionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 2.4.1 Was ist Hypnose? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 2.4.1.1 Der Begriff „Hypnose“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 2.4.1.2 Die als „Hypnose“ verwandten Begriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 2.4.2 Definition der Hypnose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 2.4.3 Abgrenzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 2.4.3.1 Schlaf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 2.4.3.2 Entspannung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 2.4.3.3 Alltagsverhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 2.4.4 Formen der Hypnose – und Begrifflichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 2.4.4.1 Autogenes Training . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 2.4.4.2 Selbsthypnose = Autohypnose: . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 2.4.4.3 Heterohypnose = Fremdhypnose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 2.4.4.4 Spontanhypnose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 2.4.4.5 Fraktionierte Hypnose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 2.4.5 Wege zur modernen Hypnose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 2.4.5.1 Von der Symptomtherapie zur Kausaltherapie . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 2.4.5.2 Von der autoritären zur non-direktiven Therapie . . . . . . . . . . . . . . . 17 2.4.5.3 Hypnose als eigenständiges Therapieverfahren oder Zusatzmethode? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 2.4.6 Das kognitiv-behaviorale Hypnosemodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 2.5 Die Grundfaktoren und Bestimmungselemente der Hypnose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 2.5.1 Suggestion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 2.5.1.1 Suggestionen ohne Hypnose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 2.5.1.2 Negationen als Suggestion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20

© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer-Verlag GmbH, DE, ein Teil von Springer Nature 2020 H.-C. Kossak, Kognitiv-behaviorale Psychotherapie von Ängsten, Psychotherapie: Praxis, https://doi.org/10.1007/978-3-662-62323-7_2

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2 Hypnose

8 2.5.1.3

Klare positive Handlungsanweisungen sind operationalisiert und zielorientiert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 2.5.2 Hypnotisierbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 2.5.2.1 Wissenschaftliche Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 2.5.2.2 Faktoren der Hypnotisierbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 2.5.2.3 Hypnotisierbarkeit – Persönlichkeit – Therapieerfolg . . . . . . . . . . . 24 2.5.2.4 Therapieerfolg auch ohne Hypnotisierbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 2.5.3 Induktion – das Einleitungsverfahren der Hypnose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 2.5.3.1 Suggestionen zur Induktion – Wirkfaktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 2.5.3.2 Methoden der Induktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 2.5.4 Hypnose als Entspannungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 2.5.4.1 Zum Begriff Ruhe-Szene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 2.5.4.2 Funktion der Ruheszene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 2.5.5 Hypnose als Erlebensform – das Verhalten in Hypnose – die „Hypnosephänomene“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 2.5.6 Tiefe der Hypnose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 2.5.7 Der Hypnose-Therapeut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 2.5.7.1 Allgemein geltende Therapeutenvariablen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 2.5.7.2 Besonderheiten einer Hypnose-Sitzung – und Anforderungen an den Hypnose-Therapeuten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 2.5.8 Die Kommunikation in Hypnose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 2.5.8.1 Wesentliche Aspekte der hypnotischen Kommunikation . . . . . . . . . 32 2.5.8.2 Klare und konstante Sprach-Kommunikation in Hypnose . . . . . . . . 34 2.5.8.3 Persönlich nahe Sprachkommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 2.5.8.4 Kommunikationsverbesserung mit VAKOG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 2.5.9 Anmerkungen für die Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 2.5.9.1 Anschaulichkeit – Erlebensnähe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 2.5.9.2 Lebendigkeit, Glaubhaftigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 2.5.10 Vergleich von Hypnose und rationalem System . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38

Die Wirkungen der Hypnose basieren wahrscheinlich auf ureigenen menschliche Fähigkeiten, die man bereits vor tausenden von Jahren erkannte, so z. B. bei der Behandlung von Schmerz oder psychosomatischen Erkrankungen. So sind auch die modernen Behandlungsmethoden mit Hypnose den menschlichen Fähigkeiten angepasst. Die moderne Forschung der Medizin und Psychologie erkannte und belegte schon lange, dass zahlreiche Faktoren dabei wirksam sind, die sich heute mit modernen naturwissenschaftlichen Methoden finden und erforschen lassen. Dabei ist gerade die Wirkung der Hypnose auf sehr sensible zwischenmenschliche Aspekte wie die Therapeut-Patient-Beziehung, ihre Kommunikation und ihre Erwartung zur Hypnose-Wirkung entscheidend. In diesem Kapitel soll deutlich werden, wie sehr Hypnose der Gegenstand moderner Forschung ist, weit weg von den Vorurteilen der früheren Zeiten.

2.1 Geschichte der Hypnose Hypnose erlebt im Verlauf der Geschichte zahlreiche Entwicklungen.

2.1  Geschichte der Hypnose

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2.1.1 Historische Anfänge und Naturvölker Das, was wir heute in unserem Kulturkreis mit Hypnose bezeichnen, wurde bereits vor 4000 Jahren in der chinesischen Medizin angewandt. Auch bei den Sumerern, den alten Ägyptern und Indern sind Riten bekannt, die so etwas wie „Schlaf“ erzeugen, in dem dann der Lehrer oder Priester in die Seele des betreffenden Menschen eindringen könne, um dort Instruktionen zu erteilen (z. B. Eliade 1960). Im antiken Griechenland bewirkten Priester in den Asklepien, einer Art Arztzentren, einen Heilschlaf. Bei vielen Naturvölkern der Gegenwart sind auch noch heute ähnliche Vorgehensweisen oder Anwendungen zur Heilung gebräuchlich. Alle diese der Hypnose ähnlichen Methoden haben Gemeinsamkeiten  • Ein sozialer Konsens in der Kultur oder Subkultur über ein Krankheitsmodell, also über die Entstehung und Behandlung von Krankheiten. • Glaube an die Fähigkeit des Heilers und seines Rituals. • Erwartungshaltung an den Heiler – meist vom Heiler aufgebaut und dann kulturell tradiert. • Anwendung bestimmter Einleitungstechniken zur Herbeiführung eines veränderten (heilenden) Erlebens. Diese Einleitungen erfolgen meist ritualisiert durch z. B. rhythmische Tätigkeiten (Gesang, Tanz, Gebet), sensorische Deprivation (Wahrnehmungseinengungen), Anblick eines Fixationspunktes, Ermüdung, Meditation, Atemtechniken, Drogen. Gerade diese letztgenannten Aspekte sind in vielen religiösen Zeremonien wie z. B. im Zen-Buddhismus oder in Wiederholungsgebeten wie dem Rosenkranzgebet o.ä. zu finden. Meist wird die Wirkung dem Ritual und dessen Anleiter bzw. der damit verbundenen höheren Macht wie Geist, Gott usw. zugeschrieben. Später sind die Vertreter dieser Vorgehensweisen mit abgewandelten Methoden als „Heiler“ auf Jahrmärkten, als Fakir, Magier, Bader oder Zahnreißer zu finden.

2.1.2 Von der Aufklärung zur Romantik Aufklärung Im Zeitalter der Aufklärung befasste man sich dann damit, naturwissenschaftliche Erklärungen für diese Veränderungen zu finden. So hat Franz Anton Mesmer (1735–1815) diese Wirkungen anfangs auf den Magnetismus von Lebewesen (= animalischer Magnetismus) zurückgeführt und damit große Erfolge erzielt, sodass ein „Magnetisierfieber“ ausbrach, fast alle Gegenstände, so auch Bäume, magnetisiert wurden. Dadurch waren die Heilerfolge des Magnetisierens, später Mesmerisieren genannt, in Einzel- und Gruppenbehandlungen groß. Später bezeichnete er diese Wirkkraft als physikalisches Fluidum. Da die Methode schnelle Erfolge bei der Krankheitsheilung bewirkte, regte sie Forscher an, deren Wirkfaktoren herauszufinden.

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2 Hypnose

So experimentierte James Braid (1795–1860), ein schottischer Augenchirurg, mit der Methode und stellte fest, dass die Augenfixation eines glänzenden Gegenstandes eine „Hirnanämie“ auslöste, also Schläfrigkeit. Durch diese äußerlich starke Ähnlichkeit mit dem Schlaf nannte Braid (1843) den Zustand entsprechend „Hypnose“ – nach dem griechischen Gott des Schlafes, Hypnos. Er übernahm diesen Begriff von Simon Mialle (1826), der jedoch fortan ihm zugeschrieben und beibehalten wurde. Wenig später erkennt Hippolyte Bernheim (1840–1919), Professor für Innere Medizin in Nancy, dass dieses Verhalten nicht „bloße Einbildung“ oder Auswirkung von externen Mächten sei, sondern durch Suggestionen bedingt werde, also durch bestimmte Wortformulierungen, um einen Gedanken in eine Handlung umzuwandeln (Bernheim 1917). Romantik Parallel zum wissenschaftlichen Interesse wurden in der Zeit der Romantik der Magnetismus und die mit ihm erzielten Verhaltensweisen für viele ihrer Vertreter sehr interessant, so z. B. C.W. Hufeland, W.F. Hegel, F.W.J. von Schelling, Novalis (Friedrich Leopold Freiherr von Hardenberg). So wird das Interesse am geteilten Bewusstsein erweckt und in bedeutsamen literarischen Werken von z. B. E.T.A. Hoffman oder E.E. Poe bearbeitet (Kossak 1999).

2.1.3 Beginn der modernen Forschung Die Hypnose-Forschung des 19. Jahrhunderts begann nun über rein philosophische Ansätze hinausgehend langsam auch mit naturwissenschaftlichen Methoden zu arbeiten. Hier ist u. a. Heidenhain (1834–1897) bedeutsam, der in seinen Experimenten herausfindet, dass Reizmonotonie bei der Einleitung des Magnetismus bedeutsam ist (Heidenhain 1880). Seine Schüler, der Sowjetrusse Iwan Petrowitsch Pawlow und der Schweizer Ludwig Binswanger und dessen Assistent Oskar Vogt, gehören zu den wichtigsten moderneren Forschern. Auf unserem Zeitstrahl begegnen wir Jean-Martin Charcot (1825–1893), der Hypnose vorwiegend bei hysterischen Patientinnen vorfindet. Also ist Hypnose für ihn abnormes Verhalten, ein pathologischer Zustand. Es ist sehr wahrscheinlich, dass seine Assistenten ihrem Chef gefallen wollten und die Patientinnen entsprechend vorbereiteten. Der Praktikant von Bernheim und Charcot, Sigmund Freud (1856–1939), wendet zusammen mit seinem Freund, dem Internisten Josef Breuer (1842– 1925), bei der unter Krämpfen leidenden Patientin Anna O. erfolgreich Hypnose an (Breuer und Freud 1895). Dabei erkennt er, dass körperliche Krankheiten psychische Ursachen haben können, und wird dadurch Begründer der Psychotherapie. Leider konnte er nicht gut hypnotisieren und brach aus vielen anderen persönlichen Gründen die Anwendung der Hypnose ab, da sie nicht die Ursachen behandle. Leider übernahmen viele seiner Schüler über mehrere Generationen hinweg diese Fehlbeurteilung.

2.3  Hypnose in der Klinischen Praxis

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Verbots- und Gebotssuggestionen Dem damaligen Wissen um die Entstehung von Krankheiten entsprechend war die Behandlung mit Hypnose rein auf das Symptom ausgerichtet. So auch besonders über lange Zeit bei den später als psychosomatische oder psychische definierten Krankheiten. Hinzu kam das damals übliche hierarchische Denken und der damit verbundene autoritäre Stil in Erziehung, Politik, Bildung und Medizin. Also wandte man sich bei der Hypnose-Behandlung primäre sehr autoritär an Patienten und erteilte mit erhobener Stimme Verbotssuggestionen („Sie werden ab sofort nicht mehr ….“) oder Gebotssuggestionen („Sie werden ab sofort …).

2.2 Naturwissenschaft – Hypnose-Forschung – Theorien Im Zuge der zunehmenden naturwissenschaftlichen Forschungsmethoden in der Medizin und Psychologie begegnen wir wieder I.P. Pawlow (1923), der in Russland die Grundlagen für Erklärungsmodelle der Hypnose gibt (s. Kap. 6). In den USA ist es T.X. Barber, der als Student zum Gelderwerb Showhypnosen durchführte und dann durch zahlreiche kontrollierte Experimente herausfinden wollte, was dahintersteckt (1958, 1969). Ihm folgten viele Forscher bis in die Gegenwart hinein, die seinen kognitiv-behavioralen und sozial-kognitiven Theorien vertreten. Hinzu kommen im Laufe der Zeit auch Vertreter anderer Schulrichtungen, so z. B. aus der Psychoanalyse, der Sozialpsychologie, der Dissoziationstheorie, die Forschungen und Erklärungsmodelle aus ihrer Sicht aufstellen. Dies hat ein umfassendes Forschungsfeld zur Folge, das sich, bedingt durch die Technikentwicklung, auch des MRT bedient und dadurch immer mehr Be­schreibungen über die neurophysiologischen und neuropsychologischen Wir­ kungen der Hypnose vornehmen kann. Mit jedem neuen Forschungsergebnis erlangen wir somit mehr Wissen; es ergeben sich dadurch jedoch auch immer mehr und weiterführende Fragestellungen und Experimente. Dies zeigt die Anzahl der Fachartikel und Bücher dazu, die allein in der Datenbank pubmed z. B. in den Jahren von 2000 bis 2010 insgesamt 2200 Beiträge registrieren, davon über 400 reviews.

2.3 Hypnose in der Klinischen Praxis Bedingt durch das zunehmende und abgesicherte Wissen um die Faktoren und Wirkungsweisen der Hypnose wird sie nun immer häufiger in der Psychotherapie, Zahnmedizin und (vorwiegend) psychosomatischen Medizin erfolgreich angewandt. Entsprechend wird Hypnose offiziell als wissenschaftlich abgesicherte Behandlung anerkannt: in England ist sie für klinische Berufe seit 1952 fester Ausbildungsbestandteil, in den USA seit 1961. Als Dachverband der späteren Hypnose-Gesellschaften gilt die 1958 gegründete International Society of Hypnosis.

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2 Hypnose

Ausbildung Im deutschsprachigen Raum werden den für klinische Berufe approbierten Fachleuten wie Ärzte, Zahnärzte, Psychologen, Psychotherapeuten HypnoseAusbildungen von wissenschaftlich fundierten deutschsprachigen Hypnosegesellschaften angeboten, so z. B. von: Milton Erickson Gesellschaft (M.E.G.), Société Médicale Suisse d´Hypnose/ Schweizerische Ärztegesellschaft für Hypnose (SMSH), Deutsche Gesellschaft für Hypnose und Hypnotherapie e. V. (DGH), Österreichische Gesellschaft für angewandte Tiefenpsychologie und allgemeine Psychotherapie (ÖGATAP), Deutsche Gesellschaft für Zahnärztliche Hypnose (DGZH), Milton Erickson Gesellschaft Österreich (MEG-Österreich), Deutsche Gesellschaft für ärztliche Entspannungsmethoden, Hypnose, autogenes Training und Therapie (DGÄHAT), Milton Erickson Gesellschaft Austria, (MEGA), Österreichische Gesellschaft für wissenschaftliche Hypnose (ÖGWH). Sie vertreten entsprechende ethische, fachliche und wissenschaftliche Standards (Hypnose 2019, S. 232).

2.4 Forschungsergebnisse und Definitionen Aus den vorhergehenden historischen Kurzdarstellungen ist zu erkennen, dass es umfangreiche Forschungen zur Hypnose gibt, die je nach Schulrichtung sehr unterschiedliche Ergebnisse erbringen und eine rege Diskussion herausfordern. Für unseren Zweck, ein bestimmtes kognitiv-behaviorales Behandlungsverfahren mit Hypnose vorzustellen, gehen wir pragmatisch vor und benutze im nachfolgenden Teil Kurzfassungen von z. B. Definitionen, die zur Darstellung und zum Verständnis der Hypnose und der hier dargelegten Behandlung sinnvoll sind.

2.4.1 Was ist Hypnose? Besonders in älteren Fallberichten und wissenschaftlichen Studien wird nicht immer genau definiert, was Hypnose ist. Dadurch wurde der Vergleich der Aussagen über ihre Wirkungen erschwert. Auf der Basis dieser Feststellungen wurden inzwischen exaktere Richtlinien zu ihrer Darstellung erarbeitet (Hagl 2019).

2.4.1.1 Der Begriff „Hypnose“ Unter dem Begriff „Hypnose“ kann man drei therapeutische Vorgehensweisen und zusätzlich eine Phänomenbeschreibung ansehen. Die vertiefenden Erklärungen dieser Begrifflichkeiten werden später in Kap. 9 zur Praxis des Kurztherapieverfahrens ausführlich dargestellt. 2.4.1.2 Die als „Hypnose“ verwandten Begriffe 2.4.1.2.1 Hypnose als Einleitungsverfahren = Hypnose-Induktion Es ist ein bestimmtes Vorgehen oder Anfangs-Ritual, mit dem Hypnose als Entspannung erreicht wird. Wirkfaktoren sind hier: Allgemeine monotone

2.4  Forschungsergebnisse und Definitionen

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Reizsituation der Umgebung und der Therapeutenstimme, Wahrnehmungseinengung. Dabei soll der Klient seine Wahrnehmung immer mehr fokussieren und dadurch mehr seine eigenen Körpervorgänge wie seine Atmung wahrnehmen, um schließlich tief zu entspannen. (Ausführliche Darstellungen dazu siehe Abschn. 11.1.1). 2.4.1.2.2 Hypnose als Entspannungsverfahren= Ruheszene Nun folgt die angeleitete Vorstellung eines für den Klienten angenehmen Bildes, meist eine Landschaft. Ziel ist, nach der Einleitung möglichst tiefe Entspannung zu bewirken, in der der Klient sich wohl und sicher fühlt. (Ausführliche Erklärungen und Instruktionen dazu siehe Abschn. 11.1.2.) 2.4.1.2.3 Hypnose als Therapieverfahren = Hypnosetherapie, Hypnotherapie Mit der nun folgenden dritten Phase ist die nach der Einleitung und Entspannung folgende Therapiephase gemeint, in der der Diagnose gemäß bestimmte Therapieund Hypnose-Methoden zur Anwendung kommen. 2.4.1.2.4 Hypnose als Erlebensform = Hypnosephänomene, Verhalten in Hypnose Die Erlebensform bezeichnet das Verhalten in Hypnose, das vorwiegend in Phase drei auftritt, so z. B. veränderte Wahrnehmung wie Halluzination, reduzierte Schmerzwahrnehmung, verändertes Zeitempfinden, physiologische Veränderungen usw. (Eine gut nachvollziehbare Beschreibung dazu gibt die Klientin in Abschn. 12.3.12, Fall 19, bei der Nachbesprechung, Therapieschritt 18.) Da diese Begriffe selbst in mancher Publikation nicht immer sauber getrennt werden, sind sie in Abb. 2.1 veranschaulicht. Hier wird besonders deutlich, dass Hypnose nicht mit Entspannung gleichzusetzen ist. Entspannung ist lediglich eine Phase des Gesamtgeschehens.

2.4.2 Definition der Hypnose Wie bereits dargestellt, ist je nach Theorienschule und Forschungsrichtungen nur schwer eine übergreifende Definition dieser vielgestaltigen Hypnose zu finden. Die Diskussion über die Definition von Hypnose wird – beginnend mit Hull (1933) – bis heute intensiv geführt, da sie unterschiedlich weit gefasst werden kann. Davon hängt wiederum die Definition der Hypnotisierbarkeit ab (Kirsch et al. 2011, s. u.).

2 Hypnose

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Abb. 2.1  Die als „Hypnose“ verwandten Begriffe

Definition der Hypnose

Unter den zahlreichen Versuchen sind nachfolgend die (hoffentlich) allgemein geltenden Aspekte daraus zusammengefasst. • Das auf die Induktion folgende Verhalten in Hypnose wird meist als Trance bezeichnet. • Hypnose ist eine soziale Interaktion, bei der eine Person (= Hypnotiseur) einer anderen Person = Versuchsperson, Patient) Instruktionen =Sug­ges­ tionen erteilt. • Mit diesen Suggestionen wird die Versuchsperson angeregt, bestimmte Erfahrungen zu machen wie z. B. Veränderungen der Wahrnehmung, des Gedächtnisses und der willkürlichen Handlungen (Kihlstrom 1985). • In Hypnose ist die Kritikfähigkeit der Versuchsperson herabgesetzt. Dadurch werden die Worte der Suggestionen akzeptiert, um z. B. Schmerzreize nicht oder verändert (z. B. erleichtert) wahrzunehmen. Dazu gehört u. a. auch, Objekte, Personen, Körperzustände oder Gefühle nicht oder verändert zu bewerten oder wahrzunehmen (= zu halluzinieren). • Die verbalen Informationen (= Suggestionen) haben in Hypnose Vorrang vor der kognitiven Kontrolle (Kossak 2013).

2.4  Forschungsergebnisse und Definitionen

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2.4.3 Abgrenzungen Zur Vermeidung von oft gehörten „Meinungen“ über Hypnose muss sie recht eindeutig abgegrenzt werden.

2.4.3.1 Schlaf • In Hypnose befindliche Personen machen oft den Eindruck zu schlafen, wenn sie in der Entspannungsphase sind. Aufgrund dieser vordergründigen Beobachtung wurde das komplexe Geschehen nach dem Schlafgott Hypnos benannt – und der so tradierte Name wurde beibehalten. • Im Schlaf sind REM-Phasen festzustellen, die Reflexerregbarkeit ist vermindert, Verhalten ist nicht beeinflussbar und das EEG ist schlaftypisch – nicht jedoch in Hypnose.

2.4.3.2 Entspannung • Viele Methoden bewirken Entspannung, so z.  B. autogenes Training, progressive Muskelrelaxation (Jacobson 1938) und div. Meditationstechniken. Dabei sind typische physiologische Parameter festzustellen, so auch in Hypnose – vorausgesetzt es wird von der Entspannungsphase gesprochen (Vaitl 2020; Kossak 2020). Im Vergleich zur allgemeinen Entspannung sinkt bei Hochsuggestiblen in Hypnose der Wachheitsgrad (Haipt et al. 2017). • Keinesfalls darf Hypnose mit Entspannung gleichgesetzt werden, denn in der nach der Entspannung folgenden Therapiephase werden u. a. posttraumatische Erlebnisse reaktiviert und bearbeitet, die keinesfalls viele Entspannungselemente enthalten.

2.4.3.3 Alltagsverhalten • In Hypnose sind im EEG und im Alltagsverhalten bei vergleichbarem Handeln oder Erleben ähnliche Muster festzustellen. • Die in Hypnose gezeigten Verhaltens- und Erlebensformen sind auch im normalen Alltagsleben vorzufinden – nur in Hypnose werden sie direkter und schneller bewirkt. Hier unterscheiden sich die Schulrichtungen. Die behavioristischen Theorien sehen Hypnose als etwas an, das auch unter bestimmten Bedingungen im Alltagsleben zu erfahren ist. Im Kontrast dazu stehen Theorien, die annehmen, dass in Hypnose ein veränderter Bewusstseinszustand (altered state of consciousness) vorliegt (Kirsch 2011). • Hypnose ist auch bei vollkommener Wachheit möglich, so z. B. im Sport, um sich auf die bald folgende Aktivität zu fokussieren (Tunnelblick) und die vorher trainierten Abläufe nun mit optimalem Erregungseinsatz nahezu reflexartig abzuarbeiten.

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2 Hypnose

2.4.4 Formen der Hypnose – und Begrifflichkeiten Die zahlreichen Wissenschaftsergebnisse der unterschiedlichen Forschungsrichtungen legen nahe, dass es nicht nur eine, sondern unterschiedliche HypnoseFormen gibt (Weitzenhoffer 1989). Man kann diese jedoch noch nicht klar voneinander trennen und definieren, sondern eher als Indikatoren für unterschiedliche Ergebnisse bei ähnlichen Bedingungen ansehen. Da dies noch ein Wissenschaftsstreit ist, wenden wir uns mehr den real bestehenden Formen zu.

2.4.4.1 Autogenes Training Autogenes Training wurde von Schultz (1932) als Selbsthypnose (s. u.) entwickelt und ist heute eine gebräuchliche Entspannungsmethode. Durch formelhafte Vorsatzbildung und Selbstsuggestionen erfolgt Entspannung und dadurch psychosomatische Beeinflussung. 2.4.4.2 Selbsthypnose = Autohypnose: Die unter Anleitung (s. o.) erlernte Autohypnose dient dazu, eigenständig und in relevanten bzw. beeinträchtigenden Situationen Entspannung herbeizuführen und Selbstkontrolle auszuüben. 2.4.4.3 Heterohypnose = Fremdhypnose Beinhaltet die unter Anleitung einer anderen Person (= hetero), also durch den Therapeuten, bewirkte Hypnose. 2.4.4.4 Spontanhypnose Spontanes Einsetzen der Hypnose, wenn bestimmte auslösende Stimuli vorliegen. Dies erfolgt entweder nach einer posthypnotischen Aufgabe (s. Abschn. 3.6) wie z. B. „Wenn Sie einen Hund sehen, dann reagieren Sie spontan mit Entspannung“. Bei anhaltender monotoner Sinnesreizung kann spontan Hypnose eintreten, wie es bei der sog. Autobahnhypnose bei langen und monotonen Straßenverhältnissen möglich ist. 2.4.4.5 Fraktionierte Hypnose Wird die Hypnose (vom Therapeuten) unterbrochen (fraktioniert), kann die dann erfolgende Wiedereinleitung eine Vertiefung der Entspannung bewirken (Vogt 1895a, b).

2.4.5 Wege zur modernen Hypnose Die Indikationen und Methoden der Hypnose haben vom Magnetismus bis zur Gegenwart einige Entwicklungen erfahren.

2.4  Forschungsergebnisse und Definitionen

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2.4.5.1 Von der Symptomtherapie zur Kausaltherapie Wie bereits dargestellt, wurde bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts „klassisch“ und damit direktiv am Symptom gearbeitet. Mit fortschreitenden Wissenschaftserkenntnissen stellte man in immer mehr Bereichen der Medizin und Psychotherapie immer öfter fest, dass es für die Symptome/Krankheit/Problemstellung mehr oder weniger klare Ursachen gibt, die es zu ergründen und zu behandeln gilt – und nicht blind und vordergründig monokausal das Symptom.  Wichtig  Die moderne Hypnose wird ausschließlich kausal, also an den

Ursachen wirkend, angewandt.

2.4.5.2 Von der autoritären zur non-direktiven Therapie Hinzu kam, dass sich parallel dazu ein neuer Zeitgeist in der Kommunikation, Kultur, Pädagogik etc. entfaltete, der eine Alternative zum bisher Autoritären war. Hervorgehoben ist hier Carles R. Rogers (1902–1987) zu nennen, der die nondirektive, klientenzentrierte Therapie entwickelte, in der die Therapeut-PatientBeziehung ein bestimmender Faktor ist. In diesem Zeitgeist entwickelte Milton H. Erickson (1901–1980) eine Hypnoseanwendung, die eine gute Patient-TherapeutBeziehung als mitbestimmenden Wirkfaktor voraussetzt. Wesentlich sind für seine Behandlungsform in Hypnose indirekte Suggestionen, die die Kooperation verbessern und Widerstände reduzieren. Hinzu kommen bestimmte Sprachmuster und die Nutzung der im Patienten liegenden oder von ihm angebotenen Ressourcen zur Veränderung – um nur wenige hier zu nennen. Man grenzt sich hier mit div. Methoden von der „anderen“ Hypnose ab – so auch durch den Begriff „Erickson-Hypnose“; ihre Effektivität ist jedoch vergleichbar. 2.4.5.3 Hypnose als eigenständiges Therapieverfahren oder Zusatzmethode? Nahezu durchgehend und von vielen Therapeuten, so z. B. im medizinischen Bereich angewandt, wird Hypnose als adjunct genutzt, also als Zusatzmethode (Kirsch et al. 1999; Hagl 2019). Der Begriff Hypnotherapie kann zur Fehlbeurteilung führen, Hypnose sei ein eigenständiger Behandlungstyp (Kirsch et al. 1999). Das heißt, dass eine bekannte und als wirksam erwiesene Grundtherapie wie Psychoanalyse, Verhaltenstherapie etc. mit Hypnose kombiniert und dadurch eine Anwendungs-Optimierung und Erhöhung der Therapiewirksamkeit erreicht wird. Dies setzt Kenntnisse und Ausbildung in dieser Grundtherapie und der Hypnose voraus. Im Kontrast dazu vertritt man in der Erickson-Hypnose weitgehend die Auffassung, Hypnose könne als eigenständige Therapieform gelten. Dazu sind jedoch die theoretischen wissenschaftlichen Voraussetzungen – wie eine eigene Theorie mit eigenem Krankheits-, Diagnose und Therapiemodell – noch nicht erfüllt. Unabhängig davon wird Hypnose, angewandt durch eine approbierte Fachkraft, von der Krankenkasse als Heilmethode anerkannt.

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2 Hypnose

2.4.6 Das kognitiv-behaviorale Hypnosemodell • Im kognitiv-behavioralen Hypnosemodell wird Hypnose als Zusatzmethode (adjunct) für die kognitiv-behavioralen Interventionen (Imaginationen, Verhaltensveränderungen, Annäherung, kognitive Umstrukturierung etc.) angesehen (Kirsch 1992). • In diesem Modell wird das Konstrukt eines veränderten Bewusstseinszustandes (altered state of consciousness) abgelehnt. • Ihre theoretische Grundlage wird dadurch gebildet, dass Hypnose mittels der Hypnose-Suggestionen eine Veränderung der Erlebens- und Verhaltensweisen der Person bewirkt. • Dabei steht die soziale Therapeut-Patient-Interaktion im Vordergrund, die u. a. durch Erwartungshaltungen und Glaubenssysteme bestimmt wird. Ebenfalls spielt in diesem Theoriegebäude der kognitiv-behavioralen Therapie (KBT) das Unterbewusstsein als Ursache und Löser von Problemen keine bedeutende Rolle, zu dem man nach dem Zustands-Modell (nur) mittels Hypnose Zugang finden kann (Chapman 2006). • In der Meta-Analyse von 18 Studien wurde die Wirksamkeit von KBT mit und ohne Hypnose-Kombination überprüft (Kirsch et al. 1995). Danach ist die Kombination von KBT mit Hypnose das effektivste Therapieverfahren, da sich hier die Effekte beider Methoden addieren (z. B. Alladin und Alibhai 2007). Praxis und Theorie Die zahlreichen und sehr unterschiedlichen Hypnose-Theorien sind von hohem akademisch-wissenschaftlichem Interesse, so auch die Diskussion, ob Hypnose ein anderer Bewusstseinszustand sei. Für den praktizierenden Therapeuten ist primär die Anwendung der Klinischen Hypnose von Bedeutung. Diese ist natürlich durch die jeweilige Therapieausrichtung des Therapeuten bedingt und dann mehr orientiert an z. B. der Psychoanalyse, der Ego-State-Therapie oder der Kognitiven Verhaltenstherapie (Heap 2001) und deren Öffnung zur Achtsamkeit (Orsillo et al. 2012).

2.5 Die Grundfaktoren und Bestimmungselemente der Hypnose Bei der Wirksamkeit der Hypnose mit ihrer Vielfalt an Phänomenen sind zahlreiche Faktoren beteiligt. Dabei sind drei Bereiche besonders bedeutsam (z. B. Mazzoni et al. 2013).

2.5  Die Grundfaktoren und Bestimmungselemente der Hypnose

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Abb. 2.2  Das Zusammenwirken der Komponenten der Hypnose

Drei Hauptfaktoren für die Wirksamkeit der Hypnose (s. Abb. 2.2)  • Die Hypnose-Suggestionen • Die interindividuelle Wirksamkeit der Hypnotisierbarkeit oder Susceptibilität, auf Suggestionen anzusprechen • Der Induktionsprozess

2.5.1 Suggestion In der Alltagskommunikation wird Suggestion mit der Anwendung einer bestimmten verbalen Geschicklichkeit verbunden, mit der man Macht und Mani­ pulation ausübt, um eine andere Person übers Ohr zu hauen, die man dann als dümmlich bezeichnet, da sie so etwas mit sich machen ließ. Die hier gemeinte Suggestion ist jedoch eine Kommunikationsform, in der man Alternativen anbietet und dadurch die Wahlfreiheit belässt, jedoch etwas anderes

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erreichen will, das sich dann der bewussten Kontrolle entzieht (Gheorghiu 1987, 1996, 2000). Sie beinhaltet z. B. die double-bind-Suggestion „Willst Du mittel, leicht oder tief entspannen?“ Der Klient kann sich hier zwischen drei Möglichkeiten frei entscheiden. Die Suggestion impliziert jedoch, dass der Klient sich unbemerkt für die Anwendung der Entspannung entscheidet, unabhängig von deren Tiefe. Es werden dadurch Erwartungshaltungen aufgebaut wie „gleich folgt Entspannung“, die dann weitgehend unreflektiert befolgt werden. In ähnlicher Weise bewirkt die Suggestion: „Was hat sich jetzt positiv verändert“ die Suchrichtung, dass sich etwas positiv verändert haben muss (s. Abschn. 11.9). Besonders gut wirken Suggestionen, wenn sie auf das Bezugssystem des Klienten abgestimmt sind wie z. B. in der Ruheszene. Dazu wird der Klient exploriert und seine meist plastischen Beschreibungen zu seiner Ruheszene werden aufgegriffen, um sie dann als Suggestionen formuliert zur Gestaltung seiner persönlichen Hypnose-Ruheszene zu nutzen, verbunden mit Entspannungsund Wohlfühlsuggestionen. Hans Christian Andersens Roman „Des Kaisers neue Kleider“ von 1835 gilt hier als klassisches Beispiel: Nur derjenige, der dumm oder für sein Amt untauglich sei, könne diese Kleider nicht sehen.

2.5.1.1 Suggestionen ohne Hypnose Deutlich wird auch, dass Suggestionen nicht unbedingt mit Hypnose verbunden sein müssen. Im Alltagsleben begegnen wir vielen nonverbalen Suggestionen wie z. B.: Zertifikate im Wartezimmer, Statussymbole wie Auto oder Rolexuhr, Uniformen usw. Nicht zu vergessen sind hier die Placebos (Scheinpräparate), auf die man in der angekündigten Weise reagiert, sogar mit den dazu gehörenden Nebenwirkungen. 2.5.1.2 Negationen als Suggestion Zu schnell neigt man dazu, das Ungewollte zu verneinen und bewirkt damit paradoxerweise das Gegenteil. 

Verneinung heben das Verneinte hervor  Verneinungen können wie Suggestionen wirken, indem gerade das Verneinte besonders hervorgehoben wahrgenommen wird.

Beispiele hierzu: „Sie werden im Examen keine Angst haben“ „Sie werden keine Schmerzen haben“ “Stelle dich vor eine Wand und denke an keinen Bären“.

Mit diesem Phänomen befasst sich die Psycholinguistik und befindet experimentell belegt: Durch die Verneinung wird der paradoxe Effekt der Gedankenunterdrückung bewirkt (Wegner et al. 1987). Dies beinhaltet, dass die Verneinung eine deutliche Hervorhebung des Negierten erzeugt. Dies wiederum bewirkt, dass bei zunehmendem Bemühen, den Gedanken zu unterdrücken,

2.5  Die Grundfaktoren und Bestimmungselemente der Hypnose

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dieser umso unangenehmer verhaftet bleiben wird (Trinder und Salkovskis 1994). Melodie-Ohrwürmer können hierfür ein Beispiel sein. Verneinungen formulieren nur, was ausgelassen, unbeachtet etc. bleiben soll, dazu sind sie oft sehr allgemein formuliert und fixieren zusätzlich noch mehr die Aufmerksamkeit auf das Verneinte. Dadurch lassen sich kaum hilfreiche Strategien für zukünftiges Handeln ableiten.

2.5.1.3 Klare positive Handlungsanweisungen sind operationalisiert und zielorientiert Geben wir jedoch klare Handlungsanweisungen, wie nun demnächst gehandelt oder empfunden werden soll, kann der Klient klar Verhaltensziele erkennen und nach ihnen handeln. Beispiele für positive/zielorientierte Suggestionen

• Zur Examensangst: „Sie sind gut vorbereitet für Ihre Prüfung. Sie können sich schnell und gut entspannen. Also können Sie beruhigt in die Prüfung gehen und entspannt auf die Fragen warten“. • Zur Hundeangst: „Sie sehen den Hund, können ihn in Ruhe ansehen und dabei ruhig bleiben (Ihre Entspannung anwenden), locker atmen und gelassen weitergehen“ • Amnesie der Zahl Fünf: „Die Zahl Fünf wird Ihnen gleichgültig sein…“ • Abschalten der Gedanken: „Ihre Gedanken kommen und gehen …. Werden Ihnen mit der Zeit gleichgültig“ Hinzu kommt bei Unterhaltungen, wie sie die Exploration darstellt, dass bei mehrmaliger Wiederholung einer Negation und der damit verbundenen Inhalte wie Gefühle, Handlungen, Aversionen diese umso intensiver in den Vordergrund der Aufmerksamkeit geraten und dann intensiver eingeprägt werden. So können auch konzentrierte Gespräche über Ängste diese sogar intensivieren. Demzufolge sollen diese negativen Themen in einer Therapie nur so lange wie erforderlich im Vordergrund stehen. Durch einen Themenwechsel ist dann eher die Chance gegeben, auch damit verbunden anderes zu erleben, wahrzunehmen etc. Im Alltag wäre das die abrupte Ablenkung durch Themen- und Handlungswechsel. ◄  Formulierungen von Instruktionen bzw. Suggestionen  • • • •

Müssen klar und eindeutig sein. Sollten nur positiv sein. Sollten kurz und überschaubar sein. Geben deutliche Handlungsanweisen vor, was konkret getan (motorisch, kognitiv, emotional etc.) werden soll. • Sind dadurch zielführend und handlungsorientiert. • Sind auch wirkungsvoll, wenn sie indirekt gegeben werden. Weitere Ausführungen zur Kommunikation s. Abschn. 1.5.8.

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2 Hypnose

2.5.2 Hypnotisierbarkeit Seit Beginn der experimentellen Erforschung der Hypnose stellten sich auch die Fragen, welche Personen hypnotisierbar sind, ob es etwa eine angeborene Fähigkeit ist, ob die Reaktion auf Hypnose-Instruktionen unfreiwillig-erzwungen, freiwillig, simuliert, Gefälligkeitsreaktionen usw. sind.

2.5.2.1 Wissenschaftliche Ergebnisse Auf der Basis zahlreicher Experimente und in Übereinstimmung unterschiedlicher Schulrichtungen können wir folgende Aussagen treffen: • Es muss unterschieden werden zwischen Suggestibilität und Hypnotisierbarkeit. Suggestionen können auch ohne Bezug zur Hypnose gegeben werden, so z. B. beim double-bind: „Willst Du die rote oder die grüne Mütze aufsetzen?“ • Dadurch ergeben sich nun Probleme bei der Definition und damit Konstruktion von Tests, die die Reaktionsfähigkeit auf Hypnose messen sollen, also die Hypnotisierbarkeit (Braffman und Kirsch 1999). • Letztlich geht man pragmatisch vor, indem den Versuchspersonen/Klienten Aufgaben vorgelegt werden, die hypnotisches Verhalten abfragen wie z. B. Item 9 des HGSHS: A (Harvard Group Scale of Hypnotic Susceptability Form A), die akustische Halluzination einer Fliege (Shor und Orne 1962). • Der bekannteste und meistbenutzte Test ist die Stanford Hypnotic Susceptability Scale (SHSS) mit 12 Items. Er wurde von Weitzenhoffer und Hilgard (1958) entwickelt, verfeinert (s. o. als HGSHS) und bis heute in nahezu alle gängigen Sprachen übersetzt und normiert. Übergreifend über Nation, Sprache und Kultur wurden bislang sehr übereinstimmende Ergebnisse erhoben. Tests und Alltagspraxis Die Testung der Hypnotisierbarkeit mit diversen Skalen wie z. B. dem SHSS hat primär akademische Bedeutung für experimentelle Vergleichsdaten. In der Praxis wird diese Testung sehr zeitaufwendig sein und letztlich kaum differenziertere Informationen erbringen als die Reaktion des Patienten auf die Induktion und die Suggestionen der Ruheszene (Woody und Sattler 2017). Vielmehr erhält der Therapeut bereits durch die Reaktionen bei der Induktion und bei der Ruheszene Informationen über die Kooperation seines Patienten in Hypnose, die man dann ganz pragmatisch als hypnotische Kooperationsfähigkeit bezeichnen und nutzen kann.

2.5.2.2 Faktoren der Hypnotisierbarkeit Es gibt recht klar definierbare Faktoren der Hypnotisierbarkeit. Menschen mit hoher Hypnotisierbarkeit besitzen folgende Faktoren bzw. Fähigkeiten:

2.5  Die Grundfaktoren und Bestimmungselemente der Hypnose

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2.5.2.2.1 Absorptionsfähigkeit Personen mit Absorptionsfähigkeit verfügen über eine stark nach innen gerichtete Aufmerksamkeit, sind dann kaum ablenkbar und primär nur auf das gewollte/ vereinbarte/suggerierte Geschehen ausgerichtet. Andere externale oder internale Reize werden dann ausgeblendet. Nur das fokussierte Ziel ihrer Aufmerksamkeit nehmen sie wahr. Tatsächlich können hochhypnotisierbare Personen sich so auf die Hypnose-Suggestionen einlassen, dass sie die Welt ringsum nicht mehr wahrnehmen und sich ausschließlich in der suggerierten Welt befindet wie „Grüne Wiese“ oder „Ich sitze als 6-Jährige auf dem Schoß meiner Großmutter, rieche ihr Parfum, spüre ihr Streicheln, höre ihre Stimme usw.“ Alltagsbeispiel: Ein spannendes oder faszinierendes Ereignis (Krimi, Fußballspiel, Film, Unfall) kann die unwillkürliche Aufmerksamkeit darauf so fokussieren, dass die Wahrnehmung des Umfeldes dabei in den Hintergrund tritt. 2.5.2.2.2 Imaginative Fähigkeit Vorstellungsfähigkeit, Imaginationsfähigkeit beinhaltet, sich Situationen oder Sinneseindrücke plastisch vorstellen zu können. Dazu gehören nicht nur – wie oft gemeint – statische Bilder wie z. B. „Urlaubs- oder Albumfotos“. Es ist eine Fähigkeit, sich auf nahezu allen Wahrnehmungsebenen Eindrücke vorzustellen bzw. sie dann sogar „real“ zu erleben (Barber 1999). Dies beinhaltet – je nach Bedeutung und Bevorzugung der Vorstellungen – die imaginierte Wahrnehmung eines sonst realen Geschehens oder Stimulus, also in Hypnose etwas wie real zu erleben, so die oben im Beispiel genannte Wärme auf Omas Schoß, der Duft beim ersten Kuss, der Brandgeruch beim Unfall usw. Manche Klienten öffnen nach der Hypnose dann ihre Augen, blinzeln leicht desorientiert und berichten z. B., dass sie gerade ihre (verstorbene) Großmutter getroffen hätten oder im Ort NN spazieren gingen. 2.5.2.2.3 Zielgerichtete Fantasien Die Vorstellung einer bestimmten Handlung kann bereits die dazugehörenden Bewegungen und physiologischen Korrelate bewirken. Demnach wirkt nicht nur die statische Vorstellung „Arm“, sondern die zielgerichtete Fantasie „ich hebe den Unterarm an, um zu greifen“. 2.5.2.2.4 Kognitiver Stil Hypnotisierbarkeit impliziert unterschiedliche kognitive Stile (McConkey und Barnier 2004). Personen mit hoher Hypnotisierbarkeit verfügen über einen holistischen Denkstil, also eine ganzheitliche kognitive Verarbeitung (z. B. Crawford 1988). Konkret beinhaltet es, in Hypnose vorgegebene Szenen wie „Sie sind bei der Großmutter auf dem Schoß“ als ganzheitliche Szene mit allen optischen, haptischen, gustatorischen usw. Eindrücken zu erleben. Personen mit einem mehr analytischen Denkstil tun sich bei diesen komplexen Erlebnissen in Hypnose etwas schwerer. Sie benötigen mehr Zeit zum Erleben einer so komplexen Szene; sie gehen von einzelnen vom Therapeuten vorgeschlagenen Details aus und fügen diese dann langsam zu einem komplexeren Erleben zusammen.

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2 Hypnose

Für den Hypnose-Therapeuten sind die holistisch erlebenden Patienten natürlich hilfreich. Sie erleben komplexe Szenerien und handeln darin. Das heißt jedoch nicht, dass die analytisch Denkenden weniger erfolgreiche Imaginationen bzw. Hypnose-Reaktionen zeigen. Sie müssen über das Wahrnehmen und Erleben der Details der Szene langsam an das komplexe Geschehen herangeführt werden.

2.5.2.3 Hypnotisierbarkeit – Persönlichkeit – Therapieerfolg Da Hypnotisierbarkeit durch mehrere individuelle Fähigkeiten bestimmt wird, wird ebenso danach geforscht, ob sie mit bestimmten Persönlichkeitsmerkmalen verbunden ist, ob sie erlernbar ist oder sogar den Therapieerfolg mitbestimmt. 2.5.2.3.1 Persönlichkeitsmerkmale • Hypnotisierbarkeit korreliert nicht mit irgendeinem messbaren Persönlichkeitsfaktor wie z. B. Extraversion/Introversion oder pathologischen Persönlichkeitsmerkmalen z. B. Neurotizismus. • Hypnotisierbarkeit ist primär ein stabiler Faktor, der auch über viele Jahrzehnte gemessen stabil bleibt. 2.5.2.3.2 Lernbarkeit • Nur unter bestimmten Bedingungen ist Hypnotisierbarkeit beeinflussbar, konditionierbar, so unter anderem durch die positive Erwartungshaltung gegenüber Hypnose (Kirsch 2001), den hohen Status des Hypnotiseurs (De Vogue und Sachs 1973) oder kontingentes Biofeedbacktraining bestimmter Hirnwellenparameter (Wickramasekera 1971). 2.5.2.3.3 Gender, Gesundheit und Hypnotisierbarkeit • Frauen haben tendenziell höhere Werte in der objektiven und subjektiven Hypnotisierbarkeit (Cardena et al. 2007). • Hochhypnotisierbare Personen haben im Vergleich zu Geringhypnotisierbaren weniger stressbedingte Dysfunktionen (Jambrik et al. 2005). 2.5.2.3.4 Therapieerfolge und Hypnotisierbarkeit • Es besteht kein signifikanter Zusammenhang zwischen Hypnotisierbarkeit und Therapieerfolg (Lynn et al. 2008). Das heißt, dass auch Personen mit geringer Hypnotisierbarkeit gute Therapieerfolge mit Hypnose erlangen können.

2.5.2.4 Therapieerfolg auch ohne Hypnotisierbarkeit Das letztgenannte Forschungsergebnis beinhaltet konkret als Folgerung für den Therapiealltag: Falls sich durch einen Test zur Hypnotisierbarkeit oder in der realen Hypnosesituation herausstellt, dass dieser Klient nicht gut auf Hypnose anspricht, stehen dann Therapeuten vor der Entscheidung, weiterzumachen

2.5  Die Grundfaktoren und Bestimmungselemente der Hypnose

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oder ggf. abzubrechen? Letzteres wäre für den Klienten fatal und ein Ausdruck dafür, dass der Therapeut wenig an Flexibilität bzw. Kompetenzen besitzt, mit schwierigeren Situationen umzugehen. Falls ein Klient tatsächlich wenig imaginieren kann und dadurch gering hypnotisierbar ist, hat er dennoch Anspruch auf eine kompetente Behandlung. Also liegt es am Therapeuten, Methoden anzuwenden, die weniger oder keine Imaginationen erfordern. Es kann auch. ggf. ein Imaginationstraining erfolgen, damit beginnend, sich z. B. einen Apfel vorzustellen (Kossak 2013, S. 347). Evtl. kann der Klient dann erkennen, was als Imagination gemeint ist und dies dann mental umsetzen. Er kann aber auch dadurch merken, dass er sich in Vorstellungen „fallen“ lassen kann, da er bislang damit assoziierte, ein Weichei, Träumer zu sein oder dabei die Kontrolle über seine Gefühle zu verlieren, die er bislang mühevoll zurückhalten konnte. Alternativ oder zusätzlich wäre in solchen Fällen die Progressive Muskelrelaxation nach Jacobson (1938) oder das Erzählen von Metaphern zur Entspannung zu empfehlen. Falls ein Patient auf all die vorgenannten Hilfen nicht ansprechen sollte, bleibt letztlich die Einsicht übrig, dass in diesem Fall eben keine Hypnose anzuwenden ist.

2.5.3 Induktion – das Einleitungsverfahren der Hypnose Die Einleitung (Induktion) der Hypnose beinhaltet, weiteren Vertrauensaufbau und Entspannung zu bewirken. Sie ist ein Ritual, mit dem der Patient seine Aufmerksamkeit und Wahrnehmung immer mehr fokussiert und so seine Aufmerksamkeitsrichtung von äußeren Reizen auf seine inneren Vorgänge der Atmung und Entspannung lenkt. Ziel ist die tiefe Entspannung des Patienten, in der er den Suggestionen des Therapeuten folgt. Dabei akzeptiert er auch solche Suggestionen, die evtl. objektiv nicht seinen Erfahrungen oder Wahrnehmungen entsprechen. Diese Erlebensweise wird meist als Trance bezeichnet.

2.5.3.1 Suggestionen zur Induktion – Wirkfaktoren • Glaubwürdigkeit und Sicherheit des Therapeuten als Hypnose-Fachmann • Langsame, monotone, beruhigende Sprache • Tonhöhe der Stimme sollte der Entspannung entsprechend tiefer sein und in angenehmer Lautstärke • Klarheit und Verständlichkeit der Sprache • Konkretheit und Bildhaftigkeit der Sprache (VAKOG, Abschn. 2.5.8.4). • Kurze Sätze mit vielen Wiederholungen, sehr einfache Grammatik • Rückmeldung aktueller Ereignisse, d. h. wenn Augenrötung beobachtet wird, die damit verbundene Empfindung als Suggestion rückmelden: „Ihre Augen beginnen zu brennen und werden immer müder…“

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2 Hypnose

2.5.3.2 Methoden der Induktion Manche Therapeuten glauben oder glaubten, dass sie mit einer Vielzahl von Induktionsmethoden ausgerüstet sein müssten, um dadurch endlich eine gute Induktion zu erreichen. Entsprechend gab oder gibt es Bücher, die sich vorwiegend mit Induktionen und Induktionstricks befassen. Wahrscheinlich kann das Grundrepertoire von ca. zwei bis vier Induktionsverfahren meist weitgehend ausreichen. Man sollte damit umfangreiche Erfahrungen sammeln und sie ggf. variieren, um sie den individuellen Bedürfnissen des Patienten anzupassen. Bei Befolgung der vorgenannten Empfehlungen wird der Therapeut mit seiner Induktion, Ruheszene und Hypnose-Konversation erfolgreich sein. Letztlich ist wahrscheinlich die Sicherheit und Glaubwürdigkeit des Therapeuten als Persönlichkeit und als Hypnose-Fachmann ausschlaggebend für eine gute Compliance. Damit verbunden ist die Sicherheit im Umgang mit dem verbalen „Handwerkszeug“. Falls trotz aller therapeutischer Bemühungen keine Induktion erfolgreich ist, dann sei auf die Grenzen verwiesen, die der Patient oder die Methode mit sich bringen (siehe dazu Kap. 12). Die Suggestionen zu zwei Induktionsmethoden sind im genauen Wortlaut in Kap. 11 (Interventionsphasen) angeführt.

2.5.4 Hypnose als Entspannungsverfahren Auf die Induktion der Hypnose folgt die sogenannte Ruheszene. Der Inhalt ist eine angenehme, ruhige Szene möglichst aus dem Erleben des Patienten. Sie sollte vor Beginn der Induktion exploriert werden, damit die Szene möglichst viele und vom Patienten als plastisch erfahrene Elemente enthält, die dann in Trance imaginiert werden. Bereits bei der Exploration der Ruheszene ist mitunter zu beobachten, dass der Patient auch nonverbale Signale über die Szene mitteilt wie z. B. lächeln, in die „Sonne“ räkeln, entspannte Schultern. Diese Kommunikation sollte dann mit entsprechenden Wortformulierungen zur entspannenden Wirkung genutzt werden. Nach kurzer Zeit wird sich der Patient dann subjektiv in dieser Ruheszene befinden und entspannen.

2.5.4.1 Zum Begriff Ruhe-Szene Mitunter wird der Begriff Ruhebild verwandt. Mit der Instruktion eines Bildes wird eher etwas Statisches wie eine Fotografie assoziiert. Da der Patient in Hypnose jedoch mehrdimensionale bzw. multimodale Erlebnisse, Wahrnehmungen und Empfindungen haben kann und dabei sogar selbst oder andere agierend erlebt, ist der Begriff der Ruheszene angemessener. Damit wird gleichsam indirekt die Suggestion gegeben, eine komplexe oder bewegte Szene zu erleben. Manche Therapeuten verwenden den Begriff Wohlfühlszene, was dieser Dynamik ebenfalls gut entspricht.

2.5  Die Grundfaktoren und Bestimmungselemente der Hypnose

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2.5.4.2 Funktion der Ruheszene • • • •

Entspannung des Patienten Vorbereitung auf die folgenden Interventionen Vertrauensaufbau zum Patienten und seiner Hypnose-Anwendung Sicherheit: falls in der Therapie zu stark belastende Erlebnisse auftreten, kann dem Patienten angeboten werden, sich dann der Ruheszene zu bedienen und dort wieder zu entspannen.

Oft wird als Standardszene die bereits genannte „Grüne Wiese“ oder „Am Strand“ gewählt. Dabei sollte jedoch zusätzlich exploriert werden, welche Aspekte der Gegend besonders angenehm sind, so z. B. eine Steilküste im Herbst – flacher Strand in der Karibik. Auf diese Weise erhält jeder Patient seine subjektiv für ihn entspannendes Ruheszene. Die Formulierungen dazu sind wie bei der Induktion: langsam, ruhig, VAKOG (s. Abschn. 2.5.8.2) nutzend. Während der Ruheszene sollte der Therapeut weiterhin mit dem Patienten verbal kommunizieren (= Rapport), um so Rückmeldungen über die Wirksamkeit seiner Suggestionen zu erhalten und sie entsprechend differentiell zu verstärken oder seine Suggestionen zu modifizieren. Erst wenn der Patient ausreichend entspannt ist, kann die nun folgende therapeutische Phase eingeleitet werden. Die praxisbezogenen Darstellungen dazu sind in Kap. 10 und 11, Therapie-Phase 4, aufgezeigt.

2.5.5 Hypnose als Erlebensform – das Verhalten in Hypnose – die „Hypnosephänomene“ Mit beginnender Entspannung in Hypnose (= Trance) erfolgen unter Anleitung durch den Therapeuten Suggestionen, die die Erlebensweisen des Patienten verändern und oft als Phänomene der Hypnose bezeichnet werden. Von den zahlreichen Möglichkeiten sollen hier nur wenige stichwortartig genannt sein (s. Tab. 2.1). Diese Vielfalt von Erlebensmöglichkeiten bietet die Anwendung in zahlreichen therapeutischen Bereichen. In unseren Darstellungen beschränken wir uns auf die Anwendung der Hypnose-Möglichkeiten bei der Behandlung von Ängsten. All die vorgenannten Verhaltensweisen sind umfangreich experimentell erforscht worden, um ihre neurophysiologischen und neuropsychologischen Wir­ kungen erklären zu können, um sie dann in der Therapie einzusetzen. Auch hier bestätigen zahlreiche Experimente die therapeutische Wirksamkeit der Hypnose mit ihren Möglichkeiten.

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2 Hypnose

Tab. 2.1  Das Verhalten in Hypnose und seine Beziehung zur Angsttherapie sog. Phänomene der Hypnose/Trance-Phänomene in der Angstbehandlung Verhalten in Hypnose Allgemeine Beschreibung

Relevanz für die Angstbehandlung Beispiele

Motorische Reaktionen: Katalepsie, Ideomotorik

Response prevention = Verhinderung von Vermeidungsverhalten

Psycho-physiologische Veränderungen: Entspannung, Herz-Kreislauf, Temperatur, Immunsystem, Histamin, Adrenalin etc.

Entspannung – Gegenkonditionierung Sensibilisierung: für Anspannung und Entspannung; physiologische Vorgänge

Veränderung von Gedächtnis und Zeiterleben: Amnesie, Altersregression, Zeitverzerrung als Zeitraffer oder Zeitlupe

Zeit der Anspannung (Angst) verkürzt erleben Ggf. die Zeit ohne Angst wie früher als Kind erleben

Halluzinationen: Veränderte Wahrnehmung von objektiven Reizen

Angstauslösenden Reiz verändert wahrnehmen (=als neutral)

Veränderung psychologischer Wirkungen: Dissoziation, Distraktion, Posthypnotische Suggestionen

Sich aus veränderter Perspektive beobachten und angstfrei erleben Aufmerksamkeit umlenken, weg von der Angst Suggestion, demnächst zu entspannen und angstfrei zu handeln

2.5.6 Tiefe der Hypnose In der Allgemeinsprache berichten wir davon, bei der Lektüre eines spannenden Buches oder Films oder in Hypnose „tief weg“ gewesen zu sein, also weit weg von der gegenwärtigen Situation und tief im dann Erlebten zu sein: „Ich war am Strand von NN“ und nicht „Ich habe mir vorgestellt, am Strand von NN zu sein“. So versuchte man schon seit langem, die Tiefe einer Hypnosewirkung zu erkunden und erfand dazu unterschiedliche Experimente und Fragebögen. Die erlebte Tiefe von Entspannung oder Hypnose lässt sich jedoch nur sehr schwer objektiv messen, also numerisch ausdrücken und damit statistisch verarbeiten. Personen reagieren mit ihrem Erleben äußerst unterschiedlich, sodass der Versuch, die Anwendung von Tiefenskalen zur Messung der Hypnose kaum wissenschaftlich-statistisch verwertbare Ergebnisse erbrachte, zumal sie zahlreiche methodische Probleme und Fehler im Versuchsdesign bedingen. Kann nun Hypnose und die Tiefe der Hypnose von außen durch Beobachter beurteilt werden? Das ergibt wiederum methodische Fehler, da ein subjektives Erleben (z. B. die Halluzination vom Duft einer Rose) nur schwer von außen her objektiv beobachtbar ist. Die Ableitung im EEG o.ä. zeigt evtl. spezifische Reaktionen an; sind diese jedoch ein Anzeichen der Tiefe?

2.5  Die Grundfaktoren und Bestimmungselemente der Hypnose

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2.5.7 Der Hypnose-Therapeut Nach früheren, also historischen, Annahmen, besaß der Therapeut (= Hypnotiseur) eine bestimmte Macht und Fähigkeit, seine Patienten zu beeinflussen. Historisch gesehen waren es vor Jahrhunderten die Priester (im Auftrag der Götter handelnd), bei Naturvölkern sind es weiterhin die Schamanen. Später sind es dem damaligen Heilerbild entsprechend z. B. Mesmer, Braid, Freud, die über eine gewisse Wissens- und Geistesmacht verfügen. Thomas Mann zeichnet in seinem Roman Mario und der Zauberer (1930) den Hypnose- und Zauberkünstler Cipolla als einen unsympathischen Mann, der mit Hypnose Macht ausübt, seinen Theatergäste seinen Willen aufzwingt und sie sogar gegen ihre Moral handeln lässt. Thomas Mann weist damit auf den nahenden Machtpolitiker Hitler hin. Auch Krimis oder Comics mit Hypnose zeichnen ein ähnliches Machtbild der Überlegenheit des Hypnotiseurs (Kossak 1999). Seine dort benutzten Attribute sind stechender Blick, beschwörende Handgesten und kurze, prägnante Suggestionen wie: „Du bist hypnotisiert, unterliegst meinem Willen“. Im Zeitgeist liegend begannen Rogers und Skinner (1956) die TherapeutPatient-Beziehung zu erforschen, die bis heute Forschungsgegenstand in der Medizin und Psychologie bzw. Psychotherapie ist. Im Bereich der Hypnose war es T.X. Barber (z. B. 1969), der diese Sozialbeziehung zu erforschen begann, die sich ebenfalls bis heute fortsetzt.

2.5.7.1 Allgemein geltende Therapeutenvariablen Wesentliche Variablen • Es gibt keine besonderen Persönlichkeitsmerkmale, die einen guten Hypnotiseur kennzeichnen, aber einen guten Therapeuten (Whitehead et al. 2008). • Empathie, Aktivität, Zugewandtheit, Wärme, Kommunikationsfähigkeit, Objek­ tivität. Authentizität (Bergin und Lambert 1978) • Kompetenzen im Fachbereich, d. h. entsprechende Ausbildung, die FachWissen und -Fertigkeiten vermittelt, aber auch die dazu gehörenden Werthaltungen, Einstellungen (Berven 1987). • Hypnotisierbarkeit. In der Fachliteratur lassen sich keine Hinweise dafür finden, dass ein Hypnose-Therapeut unbedingt gut hypnotisierbar sein müsste. Beispiel: Einer meiner Seminarteilnehmer erzielte als Therapeut gute Wirkungen bei der Induktion und der Ruheszene für seine Patienten, konnte es zu seinem Bedauern jedoch nicht selbst erleben. Dies zeigt: Hypnose ist nur ein klinisches „Handwerkszeug“, das man fachgerecht beherrschen muss, setzt also Fachkompetenz, aber nicht eigene Hypnotisierbarkeit voraus.

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2.5.7.2 Besonderheiten einer Hypnose-Sitzung – und Anforderungen an den Hypnose-Therapeuten Die nachfolgenden Aspekte orientieren sich vorwiegend an Kossak (2013, S. 287 ff.). • Induktion: Die Einleitung der Hypnose erfordert vom Therapeuten eine konzentrierte Wahrnehmung des Patientenverhaltens. Er muss sehr differenziert beobachten, um dadurch genau die für die Hypnoseeinleitung relevanten Verhaltensaspekte zu verstärken. (s. Abschn. 2.5.1). • Intimität: Die Hypnose-Sitzung stellt eine sehr intime Beziehung dar. Sie ist durch die sehr private Fragestellung bzw. Problemstellung des Patienten und dem damit verbundenen Anamnesegespräch gegeben. Hinzu kommt dann, dass der Patient von der Induktion der Hypnose an seine Augen geschlossen hat. • Vertrautheit: Die Situation bewirkt eine Art von Vertrautheit und psychischer sowie körperlicher Nähe, die es erleichtert, Probleme anzusprechen und zu bearbeiten. Gleichzeitig kann diese Situation auf beiden Seiten auch den Wunsch nach größerer Nähe aufkommen lassen, mit dem der Therapeut fachlich angemessen umgehen muss. • Reduktion von Aufmerksamkeit und Kritikfähigkeit: In Hypnose ist die Aufmerksamkeit des Patienten eingeengt (s. Abschn. 3.1), verbunden mit einer selektiv reduzierten Kritikfähigkeit gegenüber externalen und internalen Reizen (z. B. Umgebungsgeräusche; Angstgedanken, s. Abschn. 3.1). Dies legt nahe, dass die Verletzlichkeit des Patienten in dieser Situation sehr hoch ist und deshalb einen sehr sensiblen Umgang verlangt. • Suggestionen und Imaginationen: Die für die Therapie erforderlichen Suggestionen und Imaginationen müssen gut vorbereitet werden, um den individuellen Therapiezielen zu entsprechen; diese sind jedoch nur erfolgreich, wenn sie die Wünsche, Erfahrungen und Fähigkeiten des Patienten mit einbeziehen. • Reaktionsfähigkeit: Während der Therapie müssen Suggestionen und Imaginationen oft spontan formuliert werden. Dies setzt Fachwissen, Anamnesewissen, Flexibilität und auch Lebenserfahrung des Therapeuten voraus, um spontan reagieren zu können. • Sprachkommunikation: Die Kommunikation während der Hypnose-Sitzung erfolgt weitgehend durch die Sprache, also durch die Mitteilungen des Patienten über seine Befindlichkeiten und die dazu gehörenden Aussagen oder Suggestionen des Therapeuten. Diese kann nur dann gut gelingen, wenn der Therapeut sich der Sprache des Patienten anpasst und sorgfältig, kurz und klar spricht. • Einstellungen und Erwartungen an die Hypnose: Je nach Vorinformationen durch Funk, Fernsehen oder Printmedien schwanken die Einstellungen der Patienten zur Hypnose: haben sie Showhypnose gesehen oder einen Wissenschaftsbeitrag zur Hypnose, werden ihre Erwartungen und auch Ängste sehr unterschiedlich sein. Entsprechend sollte der Therapeut dazu informiert sein bzw. seine Patienten dazu befragen und aufklären bzw. informieren (Capafons

2.5  Die Grundfaktoren und Bestimmungselemente der Hypnose

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et al. 2006). Die Behandlung ist wirkungsvoller, wenn der Therapeut sein Vorgehen an Erwartungen und Anforderungen des Patienten anpasst (Lazarus 1973). • Multitasking des Therapeuten: Der Therapeut muss – wie in anderen Therapien auch – die Theorie und die davon abgeleiteten individuellen Therapieschritte in Anweisungen oder Suggestionen umsetzen. Dabei muss er die für den Patienten angemessenen Suggestionen spontan formulieren, ihn dabei differenziert beobachten und auf die von ihm gezeigten verbalen, besonders aber auch die nonverbalen Zeichen, reagieren und sie wieder in Wort-Formulierungen korrigierend oder verstärkend etc. weiterverarbeiten. All dieses muss möglichst spontan erfolgen und erfordert die synchrone Arbeit auf mehreren kognitiven und emotionalen Ebenen, d. h. hohe Konzentrations- und Imaginationsfähigkeit des Therapeuten (Brown und Fromm 1986). • Sicherheit des Therapeuten. Die Sicherheit des Therapeuten ist für die angestrebten Patientenreaktionen bzw. Kooperation von sehr großer Bedeutung. Danach erst ist die Induktionsmethode ein ausschlaggebender Faktor (Wolberg 1982).

2.5.8 Die Kommunikation in Hypnose Nachdem nun zahlreiche sehr bedeutsame Variablen und Faktoren der TherapeutPatient-Beziehung genannt wurden, stellt sich die Frage, was das Typische einer hypnotischen Kommunikation ist bzw. wie sie praktisch realisierbar ist (s. Abb. 2.3).

Abb. 2.3  Therapeut-Patient-Beziehung

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2 Hypnose

Die Kommunikation zwischen Therapeut und Patient wird bei HypnoseAnwendungen als Rapport bezeichnet, das ist einerseits der wechselseitige Beziehungsaspekt zwischen Therapeut und Patient. Andererseits ist Rapport die Ansprechbarkeit des Patienten auf die Instruktionen des Therapeuten und damit verbunden die Gewissheit, dass der Therapeut den Patienten verbal erreicht, dieser ihn also hört und angemessen darauf reagiert. Falls der Patient z. B. zu tief entspannt ist oder nicht weiter kooperiert oder nur seinen eigenen Gedanken oder Imaginationen folgt, ist der Rapport unterbrochen. Der Patient kann sich dann ggf. verlassen fühlen, seinen eigenen negativen Gedanken nachgehen, der Therapeut hat dann keine Informationen über seine Befindlichkeit. Näheres dazu im folgenden Abschnitt.

2.5.8.1 Wesentliche Aspekte der hypnotischen Kommunikation • Es muss ein Vertrauensverhältnis zwischen Therapeut und Patient bestehen (Rapport). • Hypnose besteht in dem verbalen und nonverbalen Austausch von Informationen. • Der Therapeut kommuniziert primär verbal. Dabei sind die Ruhe, Klarheit und Direktheit seiner Aussagen wesentlich. • Positive und indirekte Formulierungen (z. B. zur Amnesie der Zahl 5: „Die Zahl 5 wird für Sie gleichgültig.“ • Vermeidung von: Konjunktiv, Schachtelsätzen, komplizierter Grammatik, Fremdworten etc. Kurze präzise Sätze verwenden; dabei kommt es auf Klarheit im Verständnis an und weniger um hohe Sprachkunst, die in Hypnose mehr verwirrt, kaum verstanden oder fehlinterpretiert wird. Einfache Sätze mit Wortwiederholungen sind verständlicher. • Kommuniziere möglichst ressourcenorientiert, weniger defizitorientiert (s. Abschn. 8.1.2). • Nonverbale Informationen des Therapeuten sind: Sprechtempo (langsam = beruhigend und zu verstehen), Atemfrequenz (langsam = ruhig), Stimmlage (tief = entspannt) (z. B. Hermer und Klinzing 2004). • Körpersprache und Sprachdynamik: Suggestionen sollten die mit ihr einhergehenden (gewünschten) Reaktionen nahelegen. Beispiel: Die Suggestion „Der Ballon mit Ihrem Problem schwebt höher und damit fühlen Sie sich zunehmend erleichtert“ sollte so gesprochen werden wie evtl. in einem Hörspiel. Dabei wird „höher“ besonders betont und „erleichtert“ auch mit deutlich hörbarer Erleichterung gesprochen, ebenso „entspannt“ etc. Dabei sollte der so verbalisierende Therapeut auch mit der dazu gehörenden Gestik und Mimik kommunizieren. Auch wenn er dabei vom Patienten nicht gesehen wird, kommuniziert er nonverbal sehr viel und erteilt indirekte und nonverbale Suggestionen. • Nonverbale Informationen des Patienten: Hypnose befasst sich kaum mit den sehr hohen kognitiven und intellektuellen Anteilen des Patienten. Damit konnte

2.5  Die Grundfaktoren und Bestimmungselemente der Hypnose

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der Patient bislang pathologische Bewertungen vornehmen wie: „Alle Hunde beißen“ oder „Vaterprobleme sind doch nur ein Konstrukt der Psychoanalyse“. Mit Hypnose besteht die Möglichkeit, die zahlreichen emotionalen, bewertenden, ängstigenden etc. Anteile unseres Erinnerns, Erlebens und Lebens zu erkunden und daraus therapeutische Lösungen abzuleiten. Also sollten wir zusätzlich zu den (kognitiv gesteuerten) verbalen Informationen die nonverbalen Informationen des Patienten besonders beachten und daraus unsere Schlüsse ziehen. So kann die verbale und die nonverbale Information stark divergieren und unterschiedliche Informationen geben (s. Tab. 2.3).  Achtung  Die nachfolgenden Fallbeispiele 1 (s. u.) und 2 bis 7 (s. Kap. 3) sind sehr komprimiert dargestellt, da mit ihnen nur bestimmte methodische Vorgehensweisen in der Anamnese und Therapie oder Entstehungsbedingungen (= Lernprozesse in der Genese) der Problematik hervorgehoben werden sollen. Ausführliche Falldarstellungen sind dann in Kap. 12 zu finden.

Fallbeispiel 1 – Waschzwang

Zustandsbild und Diagnose Eine junge Frau mit starkem Waschzwang kann über die Genese ihres Zwangs nichts berichten. Sie erzählt dann im Verlauf der Exploration, dass sie sich von ihrem Freund getrennt hatte und wenig später dennoch mit ihm sexuellen Kontakt hatte. Sie wirkt dabei motorisch leicht unruhig, verbal jedoch stets sicher. Diese nonverbalen Mitteilungen sind ein Signal, sie darauf anzusprechen, ob dieser Kontakt für sie problematisch war. Sie berichtet dann, dass sie damit gegen die strengen Moralregeln ihrer Mutter verstoßen habe. Sie wird wieder unruhig, errötet, blinzelt mit den Augen. Das sind wiederum Signale, diese Schuldgefühle in der nun folgenden Hypnose-Intervention anzusprechen. Dabei erkennt sie nun, dass sie ein schlechtes Gewissen gegenüber ihrer Mutter habe. Therapie Im Dialog in Hypnose wird ihr nahegelegt, ob sie besser selbst entscheiden kann, was für sie richtig ist. Nach der Therapiesitzung fühlt sie sich entspannter. In der nächsten Sitzung berichtet sie, dass sie sich danach sofort noch entspannter fühlte und sich weniger gewaschen hat. Da gerade Zwänge sehr therapieresistent sind, empfehle ich ihr unterschiedliche Selbstkontrollmöglichkeiten zur weiteren Behebung. Nach wenigen Tagen berichtet sie davon, nun bezüglich ihrer Sexualkontakte ein gutes Gewissen zu haben, dass sie sich nun selbst dafür als Moralinstanz ansieht – und dass sie sich jetzt in normaler Häufigkeit und Intensität

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wasche. Ohne die Beobachtung dieser minimalen nonverbalen Regungen wäre ich wahrscheinlich kaum erfolgreich gewesen. Katamnese Die Patientin ist auch nach einer Katamnese von über 20 Jahren weiterhin beschwerdefrei. ◄

2.5.8.2 Klare und konstante Sprach-Kommunikation in Hypnose In manchen Hypnosebehandlungen wird (bedingt durch deren Theorieauffassung) dem Patienten die Suggestion zu einer Problemsituation gegeben (z. B. skizzenhaft-übertrieben formuliert: „Sie sind nun zehn Jahre alt, haben NN getan und stehen vor Ihrem Vater. Sie sehen sich die Situation an und Ihr Unterbewusstsein wird Ihnen sagen und Sie spüren lassen, was nun eine Lösung sein kann. Verlassen Sie sich auf Ihr Unterbewusstsein. Ich gebe Ihnen so lange Zeit, wie Sie brauchen und Sie melden sich dann wieder“. Hierbei ist der Patient mit einem Impuls über längere Zeit alleingelassen. Was denkt, fühlt er in dieser Zeit? Ist er nun hilflos, aggressiv, ratlos, depressiv? Verhält er sich wie damals als Kind? Hat er etwas erkannt? Hat er eine Lösung gefunden? Oder weicht er all diesen Belastungen oder Ängsten aus und imaginiert nun für ihn angenehme Szenen der Vergangenheit oder Gegenwart? Während dieser Sekunden oder Minuten kann sehr viel an Gefühlen aufkommen, denen der Patient sich evtl. ausgesetzt fühlt und wie früher oder kontraproduktiv reagiert. Als weitere Möglichkeit besteht auch, dass der Patient diese höchst aversive Situation in seinen Imaginationen verlässt, um sich z. B. zu schonen oder wieder wie bisher ohne konkrete Lösung auszuweichen. Gerade bei Ängsten oder Konfliktszenen neigt man gern zu Vermeidungsverhalten, nämlich aus der Szene bzw. der Situation herauszugehen zu anderen, schöneren Imaginationen oder Diskussionen. Gewährt der Therapeut während der Hypnose zu große Pausen, kann der Patient mit seinen Gedanken willentlich oder unwillentlich diese Szene/ Konfrontation vermeiden und in andere (= angenehmere, nicht belastende) Imaginationen ausweichen. Durch dieses – meist von ihm automatisch benutze Vermeidungsverhalten bewirkt er eine negative Verstärkung seiner Angstproblematik, d. h. es wird noch schlimmer (s. Abschn. 6.2).  Achtung  Bei zu langem Schweigen des Therapeuten in Hypnose kann der Patient verunsichert werden, dann die Kontrolle über seine Imaginationen und Kognitionen verlieren, gefolgt von eskalierenden Angstgefühlen (Aggressionsgefühlen etc.) und seinem generellen Kontrollverlust.

2.5  Die Grundfaktoren und Bestimmungselemente der Hypnose

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2.5.8.3 Persönlich nahe Sprachkommunikation Der Therapeut, der auf ruhige Weise den Patienten kontinuierlich daran gewöhnt, sich während der Hypnose mit ihm zu unterhalten, ist somit stets über dessen Befindlichkeiten, seine Reaktion oder Abwehr gegenüber bestimmten Instruktionen bzw. Suggestionen oder Imaginationsszenen informiert. Entsprechend kann er mit diesem Wissen mit Suggestionen etc. weiter vorwärtsgehen. • Immer wieder: Einfache Sprache. Diese Konversation während der Hypnose sollte in ganz einfachen kurzen Sätzen dem Prinzip VAKOG (s. Abschn. 2.5.8.2) folgen. Dadurch versteht der Patient die Mitteilungen besser und kann sich entsprechend äußern. Die Antwort des Patienten ist in Hypnose meist verzögert, verlangsamt, leicht verwaschen (wie in Entspannung), in einfachen, mitunter fragmentarischen Sätzen, nahezu leicht unwillig als ob man bei dieser Imaginationsszene nicht gestört werden will. • Selbstwirksamkeit, Selbstattribuierung: Suggestionen sollten stets so ausgerichtet sein, dass der Patient seine in Hypnose erarbeiteten Lösungen (durch Handlungen oder Erlebensweisen) als durch sich selbst verursacht erlebt. Er wird dadurch zukünftig besser kooperieren, mehr an seine Lösungsfähigkeiten glauben und so weiterhin noch besser kooperieren. Auf diese Weise bemerkt er zunehmend seine Selbstwirksamkeit in der Lösung seiner Probleme; er wird die dann erzielten imaginierten oder in Alltagsleben realisierten Verhaltensweisen mit seinen eigenen Fähigkeiten attribuieren (näheres dazu in Abschn. 8.2.4).

2.5.8.4 Kommunikationsverbesserung mit VAKOG Die Lern- und Gedächtnisforschung bestätigt seit langer Zeit, dass Lernen und Behalten optimiert werden kann, wenn beim Lernprozess möglichst viele Sinne beteiligt sind – und damit auch unterschiedliche Gehirnareale. Entsprechend wird das Erinnern an diese Lerninhalte deutlich erleichtert, wenn auch bei der Abfrage der Inhalte viele Sinne und Gehirnareale angesprochen werden. Wenn möglich, sollten sie sogar gezielt in die Instruktionen eingeflochten sein. Im Bereich der Hypnose wird ihre Induktion durch Formulierungen erleichtert wie: „Sie spüren deutlich, wie Ihre Augen müder werden, alles undeutlicher wird, wie verschwommen…“ Bei der Ruheszene ist das Ansprechen der Sinne sehr bedeutsam „Sie spüren die warme Sonne auf Ihrer Haut…“ und letztlich bei der Therapie selbst sind Halluzinationen besonders plastisch, wenn sie entsprechend angeregt werden: „Sie spüren deutlich, wie Sie als Kind auf dem Schoß Ihrer Oma sitzen und riechen ihren typischen Geruch nach Küchenkräutern…“ (Halsband 2004). Es sollen zur Induktion, zur Ruheszene und zu spezifischen Therapieszenen also möglichst viele damit verbundene Sinnesmodalitäten angesprochen werden. Nähere psychophysiologische Erklärungen zu VAKOG werden in Tab. 2.2 gegeben (Kossak 2013, S. 137 ff.).

2 Hypnose

36 Tab. 2.2  VAKOG – das Ansprechen zentral bedeutsamer Sinnesmodalitäten Wahrnehmungsbereich

Sinneskanal

Sehen V – Visuelle Wahrnehmung Hören A – Auditive Wahrnehmung Bewegung, Lage, Kraft, Richtung K – Kinästhetische Wahrnehmung Riechen O – Olfaktorische Wahrnehmung Schmecken G – Gustatorische Wahrnehmung Je nach Anamnese und Wahrnehmungsbevorzugung des Patienten können auch folgende Sinneskanäle genutzt werden: t – Taktiler Wahrnehmungsbereich t – Temperaturwahrnehmung s – Schmerzempfinden v – Vestibuläre Wahrnehmung v – Viszerale Wahrnehmung k – Körperempfinden

Tasten, Berühren Thermorezeption Nozizeption Gleichgewichtssinn Eingeweideempfindungen Propriorezeption

Nach Praxisbeobachtungen bevorzugen Patienten meist die unter VAKOG genannten Sinneskanäle, andere sind dann weniger bedeutsam für sie. So wird z. B. eine Turnerin oder Ballettdame wahrscheinlich mehr kinästhetischen Bildern und solchen mit vestibulären Reizen den Vorrang geben, während ein Musiker mehr auf akustische Reize anspricht

Tab. 2.3  Vergleich des bewussten rationalen Systems mit dem unbewussten Hypnose-Systems Rationales System (bewusst) Wirk- und Funktionsweisen

Hypnose-System (unbewusst)

Analytisch Logik

Steuerung, Kognition

Holistisch Emotion

Prozessorientiert

Orientierung, Zielrichtung

Ergebnisorientiert

Bewusste Bewertung, Abwägung von Argumenten

Bewertungen

Emotionale Bewertung, Bauchgefühl, Schwingungen, Anmutungen

Konstruktion Faktencheck Deduktion

Problemlösung Therapie

Imagination Gesamtsituation Inspiration

Beeinflussung der WahrRational: Durch abstrakte Symbole, Worte, Kognitionen, nehmung Fakten Bewusste Anstrengung, Bemühung

Anstrengung Aufwand

Emotional: Durch gezielte Imaginationen, Bilder, Metaphern, Erzählungen Automatisch wirksam ohne Anstrengung

Zeitabläufe Langsamer

Informationsverarbeitung

Schneller

Schneller

Veränderungen

Langsamer

Langsam, mehr im Detail – durch Logik und Beweis

Verständnis, Einsicht

Schnell, mehr ganzheitlich – durch Erfahren, Erleben

2.5  Die Grundfaktoren und Bestimmungselemente der Hypnose

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2.5.9 Anmerkungen für die Praxis Für die Kommunikation in Hypnose gilt Ähnliches wie für die Suggestion und Induktion.

2.5.9.1 Anschaulichkeit – Erlebensnähe Die Bevorzugung der einzelnen Wahrnehmungen oder Sinneskanäle müssen nicht mit einem genormten Test oder Fragebogen geprüft werden. Wenn der Klient gebeten wird, seine für ihn bedeutsame Ruheszene zu beschreiben, wird er dabei wahrscheinlich verbalisieren, welche Sinneskanäle er bevorzugt. Gleichzeitig wird er durch seine Beschreibung der Ruheszene seine Erinnerungen an diese Erlebnisse aktualisieren und dadurch die Bevorzugung seiner Sinneskanäle mitteilen. Viele Patienten wissen kaum, welche Informationen für den Anamneseerheber wichtig sind. Wiederum andere Patienten beschreiben die Ruheszene sehr abstrakt wie z. B. „Schöner Sonnenuntergang.“ Diese beiden Patientengruppen benötigt über die Explorationsfragen zur Szene leichte Anregungen wie z. B.: „Ist dann die Wärme/der Geruch/ der Geschmack usw. für Sie schön? Können Sie bitte beschreiben, wie dieser Eindruck (Wärme etc.) auf Sie wirkt? Was ist dabei besonders schön für Sie?“ 2.5.9.2 Lebendigkeit, Glaubhaftigkeit Je lebendiger Suggestionen gesprochen werden, umso glaubhafter sind sie und werden spontaner befolgt. Deshalb sollte der Therapeut die Suggestionen beim Sprechen vorstellen – so als ob er dabei sei. Das heißt, zwar ruhig und relativ monoton, aber engagiert sprechen. Konkret beinhaltet dies, dabei mit Händen und Füßen mitreden und in gewissen Grenzen mitagieren. Synchronsprecher und Hörspielsprecher lesen nicht nur Text, sondern agieren dabei in der Rolle der Figur und wirken dadurch authentisch, lassen den Hörer dadurch aktiv miterleben. Beispiele: Lebendigkeit

• • • •

„Der Ballon schwebt nach oben“ = Blick nach oben und Stimme heben. „Sie kommt Ihnen entgegen und breitet die Arme aus.“ = Arme ausbreiten. „Sie blicken vom hohen Turm herab.“ = nach unten sehen. „Sie sind beruhigt, erleichtert und atmen langsamer, entspannter.“ = lokere, entspannte Stimme und Aufatmen. ◄

2.5.10 Vergleich von Hypnose und rationalem System Die vorgenannten Aspekte machen deutlich, dass sich Hypnose mit ihren oft unbewussten emotionalen Anteilen und der rationale Disput in ihren Vorgehensweisen deutlich unterscheiden, da sie auf unterschiedlichen Vorgängen basieren. Also ist es nachvollziehbar, die Kommunikation in Hypnose darauf hin zu

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2 Hypnose

gestalten. Konkret bedeutet dies, in Hypnose keinesfalls logische Dispute zu führen. Sie sprechen damit nur die bereits aktiven Abwehrsysteme und Verteidigungsargumente an. Hypnose hilft, die nicht-rationalen und mehr emotionalen Empfindungen und Bewertungen anzusprechen (s. Tab. 2.3). Der Vergleich in dieser Tabelle wurde sehr polarisierend dargestellt, um die Unterschiede des gewohnten Problemlösens gegenüber der Hypnose betont hervorzuheben. Gleichzeitig kann man diese Tabelle auch als Gegenüberstellung von klassischer (kognitiver) Verhaltenstherapie und klassischer Hypnose ansehen, die sich scheinbar in einer Dichotomie gegenüberstehen. Abschn. 8.4 werden wir aufzeigen, dass sich beide Therapiemethoden jedoch in fließenden Übergängen ergänzen und dadurch äußerst effektiv sind.

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Neuropsychologie der Hypnose

Inhaltsverzeichnis 3.1 Induktion – Einleitung der Hypnose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 3.2 Hypnose als Entspannungsmethode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 3.2.1 Hypnotisierbarkeit und Entspannung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 3.2.2 Anwendung von Entspannungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 3.3 Hypnose beinhaltet Aktivierung relevanter neurophysiologischer Systeme . . . . . . . . . . 44 3.4 Hypnose als Beeinflussung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 3.4.1 Simulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 3.4.2 Das Wahrheitskonzept . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 3.4.3 Willensfreiheit, Fremdbeeinflussung, kriminelle Handlung in Hypnose . . . . . . . 47 3.4.4 Hypnose und Willensbeeinflussung – subjektiv erlebt oder objektiv vorhanden? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 3.4.5 Hypnose und Wahrnehmungsbeeinflussung – Realität der Innenbilder . . . . . . . 48 3.4.6 Hypnose und die Wirklichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 3.5 Die Erstellung der Ruheszene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 3.6 Die posthypnotische Aufgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 3.7 Aspekte zur Instruktion der posthypnotischen Aufgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52

Von zahlreichen Forschergruppen unterschiedlicher Schulrichtungen wird bestätigt, dass z. B. eine hypnotische Trance-Induktion plastische Veränderungen im menschlichen Gehirn bewirkt (z. B. Rainville et al. 2002; Spiegel und Kosslyn 2004; Halsband und Hinterberger 2010). Die zahlreichen von Laien mitunter als mysteriös bezeichneten Wirkungen der Hypnose lassen sich nun auch neuropsychologisch erklären. Die sehr umfassenden Ergebnisse aus der Fachliteratur dazu können hier nur in kleinen Beispielausschnitten aufgezeigt werden.

© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer-Verlag GmbH, DE, ein Teil von Springer Nature 2020 H.-C. Kossak, Kognitiv-behaviorale Psychotherapie von Ängsten, Psychotherapie: Praxis, https://doi.org/10.1007/978-3-662-62323-7_3

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3  Neuropsychologie der Hypnose

3.1 Induktion – Einleitung der Hypnose Die Wirkung der Hypnose-Einleitung wird durch Erwartungshaltungen des Klienten bestimmt, sich so zu verhalten wie er meint, dass man sich in Hypnose verhalten soll. Dazu gehört die tradierte Annahme, hypnotisiert sein habe etwas mit Schlafen, Müdigkeit und Augenschließen zu tun. Entsprechend erfolgen Instruktionen bzw. Suggestionen, immer müder zu werden und dann die Augen zu schließen und weiter entspannt zu werden. Dabei bedient sich der Therapeut seines Wissens, dass die Instruktion, einen Punkt lange zu fixieren, zur Augenermüdung, verbunden mit Trockenheit, Rötung der Skleren und Augenbrennen führt. Diesen Vorgang kann er genau beobachten und dem Patienten als Suggestion beschreiben. Dadurch nimmt der Patient an, der Therapeut verursache durch seine Suggestionen diese Veränderungen. Durch kontinuierliche Rückmeldung (= differentielle Verstärkung) wird dann Augenschluss und Entspannung bewirkt, verbunden mit der nun folgenden Konzentration auf die Atmung. Neuropsychologische Gehirnveränderungen Seit Beginn der naturwissenschaftlichen Untersuchungen der Hypnose und ihrer Wirkfaktoren sucht man nach deren neurophysiologischen Substraten, also spezifischen Hirnarealen, deren Aktivitäten, Funktionen und Kooperationen. Das monotone Sprechen des Therapeuten, rhythmische Geräusche (Metronom) oder rhythmische Augenbewegungen (durch Pendel) bewirken eine Synchronisierung der Formatio reticularis mit dem Kortex (Gellhorn und Loofbourrow 1963). Beim Augenschluss erfolgt dann eine zunehmende parietale und occipitale, danach dann frontale Alphawellenaktivität. Hypnose ist eng verbunden mit Power im Theta-Band und Wechsel der Gamma-Aktivitäten. Diese Oszillation spielt wahrscheinlich eine bedeutende Rolle bei der Aufnahme und Erinnerung im deklarativen Gedächtnis und emotional im Limbischen System (Jensen et al. 2015). Die im Test gemessene Hypnotisierbarkeit liegt in Form einer Normalverteilungskurve vor (Woody und Banier 2008). Die EEG-Phasensynchronisation zeigt wahrscheinlich sogar den Grad der Hypnotisierbarkeit an (Bagdadi und Nasrabadi 2012). In Hypnose ist die Theta-Band-Aktivität im EEG bei Hochhypnotisierbaren erhöht, was für ihre höhere fokussierte Aufmerksamkeit spricht (Graffin et al. 1995). Die Hypnose-Induktion bewirkt bei den Hochhypnotisierbaren im Gehirn wahrscheinlich eine qualitative Veränderung in der Organisation spezieller Kontrollsysteme (Jamieson und Burgess 2014). Abhängig von den gestellten Aufgaben werden in Hypnose unterschiedliche cortikale und subcortikale Prozesse aktiviert; dabei schneidet das Gehirn der Hochhypnotisierbaren in Hypnose jedoch ähnlich wie andere Gehirn ab, jedoch besser (Crawford 2001).

3.2  Hypnose als Entspannungsmethode

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Insgesamt kann Hypnose als eine angeleitete Einführung in verschiedene Zustände der Eigenwahrnehmung, des Bewusstseins oder der Kognitionen angesehen werden (Hinterberger et al. 2011).

3.2 Hypnose als Entspannungsmethode Aus den vorgenannten neuropsychologischen Daten geht hervor, dass Hypnose gerade bei Hochhypnotisierbaren besonders starke Entspannungseffekte bewirkt. Das erklärt, warum die durch Hypnose erzeugte Ruheszene wie „Grüne Wiese“ je nach Klient, Situation und Symptomatik tiefe Entspannung bewirkt (s. u.). Bei den Geringhypnotisierbaren dagegen unterscheidet sich Hypnose rein von den dafür relevanten physiologischen Messwerten kaum von anderen zur Entspannung dienlichen Methoden. Bei der Behandlung von Ängsten sind gerade Entspannungsmethoden besonders hilfreich, da sie zu einer allgemeinen Beruhigung, besonders des Alarmsystems der Amygdala, dienen. Dies hilft dann, dem Patienten immer mehr Sicherheit zu geben und eine Konfrontation mit dem realen oder imaginierten Angstinhalt zuzulassen und auszuhalten. Da der Patient ständig im verbalen Kontakt mit seinem Therapeuten bleibt, kann er darauf vertrauen, dass der Therapeut ihn in keine zu bedrohliche Situation führen wird und ihn dann damit allein lässt (Elkins 2017).

3.2.1 Hypnotisierbarkeit und Entspannung Bei Hochsuggestiblen sinkt im Vergleich zur Entspannung der Wachheitsgrad, ihre Herzratenvariabilität nimmt ab. Während der Trance sinken die Anteile hoher Frequenzen an der gesamten Herzrate. Dies lässt auf einen reduzierten parasympathischen Einfluss während der Trance schließen (Haipt et al. 2017). Hochhypnotisierbare haben eine höhere Alpha-Aktivität in Hypnose, was für einen stark entspannten Wachzustand spricht (z. B. Williams und Gruzelier 2001), ebenso ihre hohe Thetapower (Konrad et al. 2004). Die hypnotische Ansprechbarkeit ist stabil, was annehmen lässt, dass hier genetische Faktoren eine Rolle spielen könnten. So haben Hochhypnotisierbare ein größeres Rostrum, ein Areal im Corpus Callosum (Horton et al. 2004). Ihre Geschwindigkeit der Informationsverarbeitung lässt auf ein schnelleres neuronales Netz schließen. Ihr besserer dopaminerger Zustand weist auf ein effektiveres anterior frontales exekutives Kontrollsystem und höhere überwachende Aufmerksamkeit (Crawford et al. 2004).

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3.2.2 Anwendung von Entspannungsverfahren Konventionelle Entspannungsmethoden wie Autogenes Training oder Progressive Muskelrelaxation bewirken die gewünschte Entspannung, benötigen jedoch eine relativ lange Übungszeit von ca. 6–8 Sitzungen, bis die Patienten sich tief entspannt fühlen und die Einleitung und Aufrechterhaltung der Entspannung eigenständig vornehmen können. In der Alltagspraxis des Psychotherapeuten oder Arztes kann dies ein Hindernis sein, denn oft drängt die Zeit bis zur Heilung, so z. B. bei termingebundenen Problemstellungen wie Prüfungsängsten, Vorstellungsgesprächen, öffentlichen Auftritten. Nicht immer kann man zum erforderlichen Zeitpunkt sofort eine Entspannungsunterweisung geben bzw. kurzfristig terminlich einplanen. Die Teilnahme an diversen Gruppen ist zwar sinnvoll, jedoch selten wird gerade zum gewünschten Zeitpunkt in der eigenen oder einer befreundeten Praxis ein entsprechender Gruppen-Therapieplatz für ein Entspannungstraining frei sein. Vorteil der Hypnose-Entspannung: Zeitökonomie Die Hypnose-Entspannung bietet den großen Vorteil, sehr schnell wirksam zu sein. In meiner über fünf Jahrzehnte reichenden Praxiserfahrungen haben nahezu alle Patienten auf die von ihnen gewählte Hypnose-Ruheszene sofort mit Entspannung reagiert. Bereits nach der ersten Anwendung, in der die Ruheszene incl. Induktion ca. 10 min benötigten, fühlen sie sich meist tief entspannt, wohl und zufrieden. Diese Zeitökonomie ist bei sehr starken Ängsten oder bei zeitnahem Behandlungsbedarf von großem Wert. So kann ich von nur einer Ausnahme berichten; hier hatte der Klient starke Kontrollverlust-Ängste, obwohl großes Vertrauen zum Therapeuten bestand. Auch eine Entspannungs-CD half nicht dabei. Sein Beruf als Innenrevisor in einem großen Unternehmen hatte vielleicht zu dieser Haltung beigetragen.

3.3 Hypnose beinhaltet Aktivierung relevanter neurophysiologischer Systeme Mit Hypnose sind diverse Halluzinationen zu erzeugen, die bestimmte Netzwerke ansprechen und dadurch z. B. den Schmerz negieren lassen; sie beeinflussen die Histaminproduktion in der Haut, das Immunsystem, die periphere Durchblutung, die Blutkoagulation, Temperaturregulation, um nur einige wenige zu nennen. Diese Veränderungen sind bei zahlreichen Erkrankungen zur Heilung erforderlich, die über geeignete Suggestionen ansprechbar sind. In diesen Suggestionen nutzt der Therapeut die bisherigen Lernerfahrungen des Patienten.

3.3  Hypnose beinhaltet Aktivierung …

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Beispiel: Wärme- und Kältesuggestionen

Da jeder von uns mit seinen Händen die Wärme eines Kamins oder Ofens und die Kälte einer vereisten Fensterscheibe erfahren hat, wurden diese dermalen Erfahrungen von Temperatur, Wohlfühlen, Behaglichkeit in den Händen in unserem Gehirn in den dafür relevanten Netzwerken abgespeichert. Bei Wiedererleben weniger dieser Begleitbedingungen kann der Organismus auf diese Erinnerungen zurückgreifen. Vergleichbares ist bei der intensiven Betrachtung von z. B. Urlaubsfotos zu erreichen, da man dadurch angeregt wird, sich an die Urlaubserlebnisse zu erinnern, die die Begleitwahrnehmungen und -Stimmungen wachrufen. ◄ VAKOG Gute Suggestionen verwenden die vom Klienten abgespeicherten Erfahrungen, indem sie durch plastische Formulierungen und Verwendung von VAKOG (s. Tab. 2.2) diese Erfahrungen direkt ansprechen. Damit aktivieren sie die dazugehörenden Netzwerke der körperlichen und seelischen Erfahrungen. Derartige Suggestionen lösen dann z. B. durch eine Kaminsuggestion die Vasodilatation der Blutgefäße in der Hand aus. Bei der Suggestion, die Eisblumen an der Fensterscheibe mit der Handfläche zu berühren, wird die Hand ihren neuronalen Engrammen gemäß mit Vasokonstriktion reagieren. Beides ist jeweils sogar objektiv und signifikant in den Auswirkungen messbar. Die unvorbereitete Suggestion ohne Kontext: „Ihre Hand wird warm“ wird also kaum einen Einfluss auf die Durchblutung haben. Aber die Suggestion „Sie sitzen am Lagerfeuer/Kamin und strecken Ihre Hände der wohligen Wärme des Feuers entgegen und merken deutlich diese angenehme Wärme auf Ihren Handflächen …. usw.“ wird nach kurzer Zeit erfolgreich sein.  irkung auf zentrale Steuer- und Filtersysteme W Die zahlreichen und in den letzten Jahren erhobenen neurologischen Befunde geben zunehmend differenzierte Hypothesen zur Arbeit bestimmter GehirnAreale und ihre Verknüpfungen in einem, meist mehreren, Netzwerken. Mit diesen Grundkenntnissen wird die Auswirkung bestimmter Suggestionen auch auf neuronaler Ebene erkennbarer. Während man früher annahm, dass z. B. Suggestionen zur Schmerzreduktion direkt am betroffenen Organ wirken, konnte nachgewiesen werden, dass HypnoseSuggestionen zentral im Gehirn in dem dafür zuständigen Schmerzzentrum wirksam sind. Zentrale Wirkung der Suggestionen Die an ein System wie z. B. Schmerz gerichteten Suggestionen wirken weitergeleitet an den Hauptzentralen für Schmerz dezidierte Regelmechanismen. Auch bei zahlreichen anderen Suggestionen ist diese Top-Down-Wirkung der

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Suggestionen in Hypnose festzustellen. Hierdurch werden zentrale Filter- und Steuerprozesse angesprochen, die objektiv messbar ihre Wirkungen zeigen (z. B. Spiegel und Spiegel 1987; Kosslyn et al. 2001; Landry und Raz 2017).

3.4 Hypnose als Beeinflussung? Bei diesen neurologisch zentralen Wirkungen der Hypnose stellt sich die Frage, inwiefern man mit Hypnose auch kognitive Faktoren beeinflussen kann.

3.4.1 Simulation Letztlich kann Hypnose mit ihren ggf. nach außen hin sichtbaren Anzeichen so simuliert werden, dass sie auch von Fachleuten nicht von realen oder simulierten Verhaltensweisen unterschieden werden kann, so auch nicht deren Tiefe. Oft werden von Therapeuten als typische Hypnose-Anzeichen benannt: verlangsamtes Sprechen, verlangsamte Motorik, reduzierte Mimik mit tiefer Entspannung der Gesichtsmuskeln. Dies muss alles nicht zutreffen, wenn der Patient in Hypnose z. B. ein stark belastendes Erlebnis bearbeitet und dabei Angst oder Wut hat. Also hilft zur Sicherheit nur, sich auf die Aussagen des Patienten im Dialog während der Hypnose zu beziehen – und sich darauf zu verlassen, dass diese der subjektiven und objektiven Realität des Patienten entsprechen.

3.4.2 Das Wahrheitskonzept Wie deutlich wurde, begegnen wir hier dem Problem der Wahrheit zum Erleben in Hypnose: • Therapeut und Patient können unterschiedliche persönliche „Wahrheiten“ haben. • Die subjektive Wahrheit in Hypnose kann sich von der objektiven unterscheiden. • In der Hypnose-Wahrheit kann sich der Patient für ihn angemessen verhalten. • Gibt es eine objektive Wahrheit – in der Psychotherapie? • Gibt es eine Normalitätsdefinition, an der man Wahrheit beurteilen kann? • Wahrheit hat eine ethisch-moralische Grundlage, keine objektive (Stavemann 2014).

3.4  Hypnose als Beeinflussung?

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Glaubwürdigkeit – Simulation – Realität in Hypnose • Die in Hypnose getroffenen Aussagen müssen nicht der Realität entsprechen. • In Hypnose getroffene Aussagen können simuliert, konfabuliert und von anderen Erlebens- und Gedächtnisinhalten kontaminiert, also verändert sein. • In der Psychotherapie entsteht Leiden mitunter durch die subjektive Realität, so z. B. in bestimmter Weise von einer bestimmten Person/Situation beeinträchtigt/geschädigt worden zu sein. • Mitunter reicht es aus, diese subjektive Realität therapeutisch zu verändern, so z. B. durch Reframing (s. Abschn. 8.3.4). • Mitunter muss auch geklärt werden, ob das vorliegende Problem sich tatsächlich und real in der vom Patienten erlebten und dargestellten Form ereignet hat.  Wichtig  Als nachgewiesen zutreffende Folgerung der vorgenannten Darstellungen gilt: In Hypnose gewonnene Aussagen, die zur folgenschweren Belastung anderer Personen führen können – wie z. B. bei Verdacht auf Missbrauch oder anderen kriminellen Handlungen – können nicht als objektiv angesehenen werden. Sie dienen lediglich zur Hypothesenfindung und müssen stets durch objektive Befunde, Aussagen, Beweismittel etc. abgesichert werden.

3.4.3 Willensfreiheit, Fremdbeeinflussung, kriminelle Handlung in Hypnose Richtig geführte Psychotherapie wird stets klientenzentriert vorgehen und die Wünsche und Grenzen des Patienten berücksichtigen. Dabei kann es jedoch auch zu Grenzsituationen kommen, in denen der Patient mit seiner Angstsituation konfrontiert werden muss. Dies scheint in diesem Moment gegen seinen Willen gerichtet, stimmt jedoch mit dem mit ihm vereinbarten Therapievertrag überein. Dabei wird der Therapeut gewiss vorhandene psychische, physische und moralische Grenzen berücksichtigen. Bei der reduzierten Kritikfähigkeit des Patienten in Hypnose kann er jedoch seine selbst generierten Handlungen als fremdgesteuert erleben. Das kann er ggf. bei geringer Vorbereitung oder bei ungünstiger Konstellation als übergriffig erleben und bemängeln. Die neuropsychologischen Befunde hierzu sind in Abschn. 3.4.4 ausführlich dargestellt. Kriminelle Handlungen in Hypnose Es gibt durchaus Fälle, in denen Laienhypnotiseure die soziale Situation ihrer Klientin nutzten oder in Hypnose andere Umfeldbedingungen suggerierten (z. B. heißer Sommer erfordert Ausziehen der Kleidung). Diese Fehlgriffe stellen eindeutig den Missbrauch von Hypnose und Klientin dar. Dies ist jedoch nicht typisch oder einzigartig für Hypnose, sondern kann in vielen engen Beziehungen

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wie der Therapie vorkommen (Orne 1983). Die Personen in Hypnose verlieren nicht die Kontrolle über ihr Verhalten, wenn die Behandlung korrekt durchgeführt wird (American Psychological Association 1994). Sie können somit auch in Hypnose nicht zu kriminellen Handlungen veranlasst werden, auch wenn es Krimis und Filme suggerieren.

3.4.4 Hypnose und Willensbeeinflussung – subjektiv erlebt oder objektiv vorhanden? Eine seit Bestehen der Hypnose auftretende Frage und damit Befürchtung ist die nach der Willensbeeinflussung und dem Realitätsverlust in Hypnose. • Bei starker Fokussierung auf einen Reiz wird die Aufmerksamkeit nur auf ihn gerichtet. Dabei selegiert und beachtet das Gehirn die Reize so, dass parallel zu diesen besonders betonten Reizen andere Reize nicht oder kaum bewusst wahrgenommen werden (Simons und Chabris 1999). • Der Glaube an die Realität des in Hypnose Erlebten hängt von der Stärke der Hypnotisierbarkeit, also von der Fähigkeit ab, stark vom inneren Erleben absorbiert zu werden (Sutcliffe et al. 1979). • Die oben genannten in Hypnose erzeugten Filter- und Steuerprozesse greifen objektiv in Wahrnehmungen ein (z. B. die Schmerzen). • Bei willentlichen Handlungen erfolgt die Aktivierung des dafür zuständigen frontalen Cortex (Crawford 1996, s.o). Durch Hypnose wird die Verbindung zwischen dem dorsolateralen Cortex und dem anterioren Cingulum reduziert, was verminderte Kritikfähigkeit bewirkt (Nordby et al. 1999; Gruzelier 1998), die sich in der Einschränkung der verbalen Gewandtheit und der reduzierten Fehlerentdeckung zeigt. • Identische aktive Bewegungen werden vom Gehirn im parietalen Cortex und im Cerebellum anders verarbeitet, abhängig davon, ob sie als selbstverursacht oder als durch eine externe Kraft verursacht bewertet werden. Hypnotische Suggestionen führen zur Überaktivität des cerebellar-parietal Netzwerks; dies bewirkt dann, dass selbsterzeugte Handlungen als external verursacht erlebt werden (Blakemore et al. 2003).  Wichtig  Hypnose beeinflusst zahlreiche Hirnaktivitäten, die dann als

von außen gesteuert erlebt werden, obwohl sie durch Suggestionen initiiert von der Versuchsperson selbst erzeugt wurden (Kirsch 2011).

3.4.5 Hypnose und Wahrnehmungsbeeinflussung – Realität der Innenbilder Zahlreiche Experimente zeigen auf, dass Innenbilder für das Gehirn ebenso real sind wie objektiv gesehene Bilder. Die MRT-Ergebnisse verdeutlichen das: real

3.5  Die Erstellung der Ruheszene

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gesehene Objekte aktivieren im Gehirn bestimmte Areale, die identisch mit den Gehirnaktivitäten sind, die entstehen, wenn dieses Objekt nur vorgestellt wird (Kosslyn et al. 2000). Das heißt einerseits, das Gehirn kann nicht zwischen real „erlebt“ und „bloß vorgestellt“ unterscheiden. So werden auch die kleinen bunten Pixel, aus denen ein Fernsehbild zusammengesetzt ist, werden als real erlebt. Sie lösen ähnlich wie die Realsituation die intendierten Emotionen wie Hass, Liebe, Sehnsucht aus.  Wichtig  Die in Hypnose befindliche Person erlebt sich bei aus-

reichender Kooperation und Hypnotisierbarkeit subjektiv real in der ihr suggerierten Szene z. B. der Ruheszene bzw. in ihrer Therapieszene.

3.4.6 Hypnose und die Wirklichkeit Neuropsychologische Wirkungen:  Hypnose und Realitätsempfindung (nach Spiegel und Kosslyn 2004): • Intensive Fokussierung auf internal erzeugte Vorstellungsbilder. • Es werden Erwartungen während der Wahrnehmungsverarbeitung erzeugt, welche ihrerseits die Wahrnehmung beeinflussen. Dies führt u. a. zu stabilen Illusionen. • Hypnose-Instruktionen (Suggestionen), die Wahrnehmung zu verändern, führen zu entsprechenden Veränderungen in den dafür relevanten Cortices. Dadurch wird die wahrgenommene Veränderung als real erlebt. • Durch die spezifische Verarbeitung in Hypnose reagieren Personen auf die Wörter der Suggestion und manipulieren darauf ihre Wahrnehmung. Ohne Hypnose wird auf die Wahrnehmung als Realität reagiert und danach werden die Wörter manipuliert.  Wichtig  Hypnose schafft im Gehirn Wirklichkeit (Peter 2008).

3.5 Die Erstellung der Ruheszene Diese wissenschaftlich fundierten Erkenntnisse sind bei der Entwicklung der Ruheszene unbedingt zu nutzen. Wird der Patient nur befragt, was für eine Ruheszene er möchte, wird er ratlos sein, da er mit dem Begriff spontan wenig verbinden kann. Wird ihm jedoch plastisch-konkret erklärt, dass wir nachher eine angenehm entspannende Vorstellungsszene benötigen, so z. B. ein schönes Urlaubserlebnis, in dem der Klient viel Zeit hat und die Ruhe dort genießt, dann kann diese Szene eine Urlaubserinnerung an einen schönen Strand, eine angenehme Landschaft, einen Waldspaziergang oder eine schöne Wiese sein.

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Dadurch bekommt der Patient ein Suchmodell von dem, was nachfolgend benötigt wird, und kann relativ schnell eine ihm angenehme Szene anbieten. Diese sollte der Klient möglichst plastisch – mit VAKOG-Unterstützung durch den Therapeuten berichten. Bei genauer Beobachtung seiner Mimik ist dann oft schon zu erkennen, welche Eindrücke angenehm sind und für die Ruheszene verwandt werden sollten. Beispiel: Individuelle Gestaltung der Ruheszenes

Falls sich der Patient z. B. für die „Standardszene“ entscheidet, kann man nicht davon ausgehen, dass sowohl Patient als auch Therapeut gleiche Entspannungsvorstellungen vom Strand haben. Deshalb sollte nachgefragt werden, so z. B. beim „Strand“: in welchem Land, Steilküste oder flacher Sand, Jahreszeit, typische Pflanzen, Geräusche, windig oder windstill usw. Bereits bei dieser plastischen Unterhaltung entwickelt der Patient zunehmend mehr Erinnerungen an die dazugehörenden schönen, entspannenden Eindrücke. Der Therapeut erhält dazu immer mehr Informationen, die er dann als Suggestionen von Wärme, Ruhe, Entspannung etc. verwenden wird. Durch die Exploration der Ruheszene befindet sich der Patient zunehmend mehr in Entspannung, sodass die nach der Induktion erfolgenden Suggestionen zur Ruheszene recht schnell wirksam werden. ◄

3.6 Die posthypnotische Aufgabe Dieser Terminus beinhaltet, dass in Hypnose eine Instruktion bzw. Suggestion gegeben wird, sich nach der Hypnose zu einem bestimmten Zeitpunkt oder bei einer definierten Gelegenheit in einer bestimmten Weise zu verhalten, zu empfinden oder zu erinnern. Die posthypnotische Aufgabe mit seinen Wirkungen wird als für Hypnoseverhalten typisch angesehen und ist dadurch ein Item im SHSS: A (s. Abschn. 2.5.2.1). Scholz et al. (2008, S. 117) merken kritisch an: „Eine Posthypnotische Aufgabe ist kein Auftrag im Sinne einer Aufforderung oder gar eines Befehls, denn mit der Einwilligung in die klinische Hypnose erklärt der Patient sein ausdrückliches Einverständnis damit, dass der Hypnotherapeut die impliziten, also automatisch ablaufenden (unbewussten) informationsverarbeitenden Prozesse des Patienten fokussiert.“ Mitunter verhalten sich Versuchspersonen bei der Ausführung ihrer Aufgabe automatenhaft, aber nur dann, wenn sie annehmen, dass das zum „hypnotischen“ Verhalten gehöre (Spanos et al. 1987). Da die Posthypnotische Aufgabe automatisch, also ohne bewusstes Kooperieren des Patienten erfolgt, werden das explizite und das implizite Gedächtnis angesprochen (Scholz et al. 2008). Insgesamt sind die Wirkungen der Posthypnotischen Aufgabe Auswirkungen von Erwartungen und sozialen und kognitiven Bedingungen. Die Wirkdauer hängt von vielen Faktoren ab, so u. a. von der Suggestibilität (Berrigan et al. 1991).

3.7  Aspekte zur Instruktion der posthypnotischen Aufgabe

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Im klinischen Bereich finden die Posthypnotischen Suggestionen ihre Anwendung z. B. zur Schmerzreduktion, zur Compliance bei der verordneten Medikamenteneinnahme, zum Angstabbau in der betreffenden Situation, in Versuchungssituation bei der Esskontrolle, Diäteinhaltung und zur Raucherentwöhnung. Bei Prüfungs- und Leistungsangst bewirken sie die Reduktion von Aufgeregtheit, Angst und Sorge zum erforderlichen Zeitpunkt der Prüfung (Scholz 2009). Der experimentell geprüfte Zeitraum zwischen Auftragserteilung und seiner Durchführung kann bis zu mehreren Monaten betragen. Neuropsychologische Erklärungen hierzu sind noch sehr rar. Klar ist, dass hier Instruktionen an den Hippocampus (Arbeitsgedächtnis, Kurzzeitgedächtnis) und den Präfrontalen Kortex (Langzeitgedächtnis) gegeben werden (s. Abschn. 5.1). Meine Vermutung ist, dass sich bei genauer Formulierung der Auslöser und Ziele des relevanten Erinnerns gleiche Prozesse abspielen wie beim konzentrierten Lernen. Gestaltung der Formulierungen der Posthypnotischen Aufgabe (Scholz et al., 2008; Barnier und McConkey 1996)  • • • • • •

Vereinbarkeit mit den Einstellungen und Haltungen der Person Aktionale Formulierungen wirken besser als rezeptive Nutzung einer vorhandenen Änderungsmotivation Positive Formulierungen Kurze, prägnante Formulierungen Konkrete Formulierungen

Scholz (2013) benutzt einen Formulierungsalgorithmus für die Posthypnotische Aufgabe, dem wir weitgehend bzw. in leicht abgewandelter Form in der Therapie folgen werden (s. Abschn. 11.16). Zum Aufbau von Selbstsicherheit, Autonomie, Selbstwirksamkeit und Selbstkontrolle bei z. B. der Kontrolle von Angstverhalten wird in der posthypnotischen Suggestion genau festgelegt, unter welchen Reizbedingungen (z. B. Hund sehen) kognitive Selbstkontrolle erfolgen soll (s. Abb. 3.1).

3.7 Aspekte zur Instruktion der posthypnotischen Aufgabe • Die Instruktion zur Ausführung des betreffenden (emotionalen, motorischen etc.) posthypnotischen Verhaltens muss klar mit einem Auslösereiz verbunden werden. • Die für posthypnotische Aufgaben genutzten Auslösestimuli sollten sehr genau und differenziert formuliert werden, ebenso das dann zu folgende Verhalten. • Externale Reizbedingung zur Auslösung posthypnotischen Verhaltens sind: sehen, hören, fühlen bestimmter Reize bei Phobikern wie z. B. Hund, Chef, hohes Gebäude, Injektionsnadel.

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3  Neuropsychologie der Hypnose

Abb. 3.1  Posthypnotische Aufgabe: Stimulus-Definition und -Diskriminierung Mit dem posthypnotischen Auftrag werden die Anweisungen für die Auslöser und ihre Reaktionen in der Handlungskette genau definiert. Dabei sind die einzelnen Handlungen ihrerseits wieder auslösenden Stimuli für das nächste Verhalten in der Kette. Wie bei allen komplexeren Aufträgen werden auch hier die Unterziele ebenfalls genau definiert. „Wenn … dann.“ Die Instruktion lautet hier: „Leihe mir bitte das Buch NN. Wenn Du am Montag im Büro bist, dann suchst Du bitte das Buch, wenn Du am Schreibtisch bist. Dann steckst Du das Buch in Deine Aktentasche. Wenn Du mich am nächsten Tag siehst, dann wirst Du mir das Buch geben.“ Anmerkung zu diesen und den folgenden grafischen Darstellungen der operanten Verhaltensweisen: Es wurde versucht, jeweils eine möglichst einfache und anschauliche Darstellung der teilweise komplexen Verhaltensabläufe zu realisieren. Das soll nicht dazu verleiten, Verhaltenstherapie als reduktionistisch einzuordnen und Verhalten allein als reine Reiz-Reaktions-Abläufe anzusehen.

• Internale Reize: – kognitive Reize (= Gedanken) wie z. B.: „Immer, wenn Sie an NN denken“. – emotionaler Reize: „Wenn Sie das Gefühl NN spüren, dann…“ – physiologische Reize: „Wenn Sie diese Anspannung im Körper spüren, dann.“ • So können nahezu jegliche Stimuli bestimmte Verhaltensweisen auslösen und somit auch für die posthypnotische Aufgabe als Auslöser dienen. • Letztlich können auch Zeitangaben als Auslöser genutzt werden „Am nächsten Mittwoch, wenn sich NN ereignet, dann…“

Literatur American Psychological Association (APA) (1994) Statement on memories of sexual abuse. Int J Clin Exp Hypn 42(4):261–264 Baghdadi G, Nasrabadi AM (2012) EEG phase synchronization during hypnosis induction. J Med Eng Tech 36(4):222–229 Barnier AJ, McConkey KM (1996) Action and desire in posthypnotic responding. Int J Clin Exp Hyp 44(2):120–139 Berrigan LP, Kurtz RM, Stabile J und Strube (1991) Durability of „posthypnotic suggestions“ as a function of type of trance depth. Int J Clin Exp Hypn 39(1): 24–38

Literatur

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3  Neuropsychologie der Hypnose

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Angst

Inhaltsverzeichnis 4.1 Die Funktion der Angst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 4.2 Klinische Klassifikation der Angststörungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 4.3 Angstkomponenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 4.3.1 Frühe Angstmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 4.3.1.1 Die neue Komponente: Kognitionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 4.3.1.2 Kurzdefinition der Kognitionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 4.3.1.3 Die Weiterentwicklung: Kognitive Theorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 4.3.2 Das Modell der sieben-Verhaltens-Komponenten der Angst . . . . . . . . . . . . . . . . 59 4.3.2.1 Angst besteht aus einem Netzwerk von Wirkfaktoren . . . . . . . . . . . . . 60 4.3.2.2 Die sieben Verhaltens-Komponenten der Angst mit ihren einzelnen Erscheinungsformen und Auswirkungen . . . . . . . . . . . . . . . 60 4.3.2.2.1 Emotion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 4.4 Praxishinweise zur Exploration und Diagnostik der Angst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 4.4.1 Subjektive Verarbeitungsmöglichkeiten der Angst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 4.4.2 Hinweise zur Exploration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 4.4.3 Die Angstkomponenten als Auslöser im Netzwerk – Beispiele . . . . . . . . . . . . . . 65 4.4.4 Auswirkungen der Angst in Lernen und Schule . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 4.4.4.1 Generalisierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 4.4.4.2 Häufige Folgen von Angst und/oder Misserfolg im Schul-, Lern- und Leistungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69

Über das bedrohliche Grundgefühl der Angst wurde bislang intensiv geforscht, da es ein bedeutsamer Aspekt in der Existenz nahezu aller (höheren) Lebewesen ist.

© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer-Verlag GmbH, DE, ein Teil von Springer Nature 2020 H.-C. Kossak, Kognitiv-behaviorale Psychotherapie von Ängsten, Psychotherapie: Praxis, https://doi.org/10.1007/978-3-662-62323-7_4

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4 Angst

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4.1 Die Funktion der Angst In der Evolution ist Angst besonders bedeutsam, da sie ein Mechanismus zum Schutz und Überleben des Individuums und der Art ist. In realen oder nur angenommenen Situationen hat Angst die Funktion, besonders wachsam zu machen und erhöhte Körperkraft zu aktivieren, um der Gefahrensituation entweder zu entkommen oder sich zur Verteidigung zu stellen, also Fight-or-Flight (Warwitz 2016). Damit das Individuum in der Evolutionsgeschichte eine hohe Überlebensrate hat, reagiert es relativ schnell und evtl. sogar auf minimale Bedrohungen (Nesse 2001). Dadurch können leicht Fehlalarme ausgelöst werden. Über Angst wurde in der Philosophie, Psychologie und Physiologie sehr viel publiziert, experimentiert und letztlich wurden zahlreiche Theorien dazu aufgestellt. Die spezielle Diskussion darüber soll hier unberücksichtigt bleiben. Vielmehr wollen wir primär die für unsere Methode relevanten Aspekte ansprechen.

4.2 Klinische Klassifikation der Angststörungen Die Kenntnis der Diagnostik nach dem ICD-10-GM-2020 voraussetzend folgt hier nur eine kurze Zusammenfassung der für uns relevanten Angststörungen (s. Tab. 4.1). Die nachfolgenden Angaben sind ebenfalls dem ICD-10 (2020) entnommen. Epidemiologie: Angststörungen zählen zu den häufigsten psychischen Erkrankungen (Kessler et al. 2005a, b). Die Lebenszeitprävalenz liegt international bei 14 % bis 29 %, in Deutschland bei 15 % (Jacobi et al. 2014). Differentialdiagnosen – Beispiele (ICD-10): • Organische Angststörungen (F06.4) • Substanzbedingte Störungen (F1) • Schizophrenie (F20) • Anfallsleiden

Tab. 4.1  Klassifizierung der Angststörungen nach ICD-10-GM-2020 F40. Phobische Störungen F40.0 Agoraphobie F40.00 Ohne Angabe einer Panikstörung F40.01 Mit Panikstörung F40.1Soziale Phobie F40.2Spezifische (isolierte) Phobie F40.8Sonstige phobische Störungen F40.9Phobische Störung, nicht näher bezeichnet

F41. Andere Angststörungen F41.0Panikstörungen (episodisch paroxysmale Angst) F41.1Generalisierte Angststörung F41.2Angst und depressive Störung, gemischt F41.3Andere gemischte Angststörungen F41.8Sonstige spezifische Angststörungen F41.9Angststörungen; nicht näher bezeichnet

4.3 Angstkomponenten

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• Angstsymptome, die im Rahmen körperlicher Erkrankungs- oder Störungszustände auftreten können wie z.  B.: Hyperthyreose, hypoglykämische Zustände, Phäochromozytom, Anfallsleiden, Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Komorbidität: Es besteht ein erhöhtes Risiko, auch an anderen Angststörungen, Depressionen, somatoformen Störungen, Suchtproblemen und Persönlichkeitsstörungen zu erkranken (Flick et al. 1993). Therapie: Im Vordergrund steht ein multimodales Therapiekonzept, das kognitive Verhaltenstherapie bevorzugt, gefolgt von Pharmakotherapie und Psychodynamischer Psychotherapie (Kessler et al. 2005a, b).

4.3 Angstkomponenten Angst ist mehrdimensional, da sie sich in sehr unterschiedlichen Formen und Komponenten des Organismus zeigt. Nachfolgend sollen diese – so weit es geht – jeweils kurz umrissen sein. Gerade zur Entstehung, Beschreibung, Aufrechterhaltung und Therapie der Angst gibt es zahlreiche Theorien auf der Basis sehr unterschiedlicher Theorierichtungen. Da wir uns hier primär mit der Therapie und besonders mit der Praxisvermittlung einer Kombinationsform von Hypnose und Verhaltenstherapie befassen, sollen die komplexen Theoriediskussionen hier unberücksichtigt bleiben. Vielmehr wollen wir uns den in der Verhaltenstheorie wesentlichen Modellen zuwenden.

4.3.1 Frühe Angstmodelle In den frühen Anfängen der naturwissenschaftlichen Erforschung nahm man an, die Angst werde durch drei Faktoren bestimmt. Das Drei-Komponenten-Modell – z. B. von Lang (1968) • Physiologie  = Herzrasen, Schwitzen, Atemnot etc. • Verhalten  = Flucht und Vermeidung (Motorik) • Kognition  = Einengung der Wahrnehmung und des Denkens – vor allem auf für Gefahren relevante Reize In dieser Definition wird nur Flucht und Vermeidung als Verhalten definiert, also motorisch sichtbares und registrierbares Verhalten. Dies entspricht der damaligen Auffassung, dass nur direkt und objektiv feststellbare und registrierbare Reaktionen als (offenes) Verhalten angesehen wurden.

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4 Angst

 Beachte  Mit Erweiterung der frühen und orthodoxen Ansichten der Verhaltenstheorie erkannte man, dass über diese sichtbaren Ver­haltensweisen hinausgehend auch Emotionen, Imaginationen und Kognitionen als (verdecktes) Verhalten zu bezeichnen sind, auch wenn sie allein subjektiv und nicht direkt feststellbar sind.

4.3.1.1 Die neue Komponente: Kognitionen In der Weiterentwicklung der Verhaltenstheorie erkannte man, dass auch nicht sichtbares Verhalten (covert behavior) wirksam ist. Dazu gehören die Kognitionen mit ihren Attributionen, Motivation, Imagination. 4.3.1.2 Kurzdefinition der Kognitionen • Geistige Prozesse wie Gedanken, Urteile, Meinungen, Einstellungen, Absichten. • Informationsverarbeitungsprozesse: Lernen, Wissensverarbeitung, Denken, Problemlösen. • Kognitionen sind das, was man über sich selbst, die soziale und physikalische Umwelt denkt – in Bezug auf deren Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. 4.3.1.3 Die Weiterentwicklung: Kognitive Theorien Entsprechend entwickelten sich Forschungszweige wie z. B. die Motivationsforschung und die Attributionsforschung. Damit befinden wir uns direkt im Bereich der kognitiv-behavioralen Verursachung von Störungen und deren Therapie, die in Abschn. 6.1.4 vertieft dargestellt werden. 4.3.1.3.1 Kognitionen und Emotionen können sich gegenseitig beeinflussen Entsprechend können emotionale Störungen durch Denkstörungen entstehen und aufrechterhalten werden (Beck 1963, 1967; Ellis 1994; Wells 2011), also durch eine Dysfunktion in der Informationsverarbeitung. Diese bewirken Annahmen und Überzeugungen, so z.  B. Selbstherabsetzung, Unfähigkeit und automatische Gedanken. Ihre Schwerpunkte in der Kontrollverarbeitung werden von Meichenbaum (1985/2003) betont (s. Abschn. 6.1.4). 4.3.1.3.2 Irrationale Gedanken und Schemata Bei Angststörungen erfolgt eine Überbewertung der Gefahr, erzeugt dadurch emotionale Erregung, die in einer wiederkehrenden Rückmeldeschleife ihrerseits wiederum als Bestätigung der Angst interpretiert wird. Damit wird dann oft Gefahr assoziiert und daraus werden weitere Negativereignisse „abgeleitet“(= irrationale Gedanken). Schließlich entstehen komplexe kognitive „Schemata“, unfähig, ungeliebt, abgelehnt zu sein oder Verallgemeinerungen wie „immer, keine, nie“, wo Differenzierungen erforderlich sind. Diese führen dann zu generellen negativen Überzeugungen zu der eigenen Person und dann z. B. zum sozialen Zurückzug.

4.3 Angstkomponenten

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4.3.1.3.3 Kognitive Verzerrungen und Absicherung Wird bei Angstpatienten Gefahr nur in kleinen Ansätzen vermutet, wird das „Gefahr-Schema“ aktiviert, das die Verzerrungen (= biases) der Informationsverarbeitung bewirkt und dann Vorsichtsmaßnahmen einleitet wie das dafür typische Absicherungsverhalten (Salkovskis 1991), das seinerseits das Angstverhalten weiter aufrechterhält. Hinzu kommen dann die für Angst kennzeichnenden physiologischen und motorischen Verhaltensweisen. 4.3.1.3.4 Negative automatische Gedanken Wesentlich sind auch die meist unkontrollierbarennegativen automatischen Gedanken (negative automatic thoughts – NATs) und Grübeleien, die sich in verbaler und bildhafter Form (= Imaginationen) aufdrängen (Borkovec et al. 1983). Versuche, diese nahezu zwanghaften Gedanken zu unterdrücken oder zu kontrollieren, verstärken diese paradoxerweise. Sie werden dadurch in den Aufmerksamkeitsfocus gestellt und umso mehr beachtet. Hier sind identische Mechanismen wirksam wie bei Negativsuggestionen (vergleiche hierzu Abschn. 2.5.1.2). 4.3.1.3.5 Differenzierte Analyse des Verhaltens Eine feinere Unterscheidung von Verhaltenskomponenten hilft, besonders psychische Vorgänge, Krankheiten, Symptome – hier primär Angst – wesentlich differenzierter zu betrachten. Diese Vielfalt von möglichen Komponenten bleibt nach den alten Drei-Komponenten-Modellen unberücksichtigt bleiben. Zur besonderen Berücksichtigung der zahlreichen kognitiven Faktoren des Verhaltens, besonders des Angstverhaltens, habe ich versucht, eine überschaubare Systematik zu entwickeln (Kossak 1989). Daraus lassen sich dann leichter die Einzelaspekte der Diagnostik erkennen und Therapieplänen ableiten. Hierbei sind nur die Ängste ICD-10 F40x und F41x gemeint.

4.3.2 Das Modell der sieben-Verhaltens-Komponenten der Angst Das Drei-Komponenten-Modell der Angst wurde von mir (1989) aus praktischen Erwägungen überarbeitet und wird hier auf sieben Komponenten erweitert. 

Die Komponenten 

Im Vergleich zu den gebräuchlichen früheren drei Komponenten wurden folgende Veränderungen bzw. Erweiterungen vorgenommen:

• Neu: Aufnahme der Emotionen als wichtige Steuer- und Regelglieder des Verhaltens. • Neu: Aufnahme der Imaginationen als Orientierungs- und Regelglieder des Verhaltens.

4 Angst

60

• Neu: Aufteilung der Kognition in ihre operationalen Komponenten: Kognitionen (Gedanken), Attributionen (Bewertungen) und Motivation (Erwartungen, Ziele). • Beibehaltung von: Motorik und Physiologie. Vorteile des Modells: • Veranschaulichung der Komponentenwirkung in einem komplexen Netzwerk. • Erleichterte Anamneseerhebung: Gibt Impulse, diese Komponenten und ihre gegenseitige Beeinflussung/Steuerung zu berücksichtigen und zu analysieren. • Hilfe bei der Therapieplanung: Aus der sichtbaren Vernetzung der WirkKomponenten der Angst lassen sich leichter Folgerungen für die Therapieplanung ableiten.

4.3.2.1 Angst besteht aus einem Netzwerk von Wirkfaktoren Es gibt unterschiedliche Formen und Komponenten des Angstverhaltens. Diese wirken jedoch nicht jede für sich, unabhängig von den anderen. Das heißt, sie wirken insgesamt als System oder Netzwerk der Angst in die verschiedenen Komponenten hinein und beeinflussen sich gegenseitig in der Zunahme der Angst mit ihren sehr vielfältigen Erscheinungsformen. Besonders in der Praxis der Diagnostik haben sich die sieben Komponenten der Angst als besonders wichtig herausgestellt (Kossak 1993, 2015; Kossak und Zehner 2011). Dabei hat zwar jede dieser Komponenten ihre typischen Wirkungen, die sie zusätzlich durch ihre Vernetzung mit den anderen Komponenten auf diese Komponenten ausübt. Diese Wirkungen sind je nach Vorgeschichte, Auslöseerlebnis und gegenwärtiger Situation unterschiedlich stark und werden vom Individuum jeweils subjektiv unterschiedlich bewertet. 4.3.2.2 Die sieben Verhaltens-Komponenten der Angst mit ihren einzelnen Erscheinungsformen und Auswirkungen (s. Abb. 4.1) 4.3.2.2.1 Emotion • Angst als Gefühl: Ängste, Befürchtungen, Ablehnungen. Meist als Angst vor oder bei etwas. Hier wird die seit vielen Jahrhunderten bestehende Sprachbedeutung erkennbar, da Angst vom indogermanischen anghu „beengt“ herrührt, eng verwandt mit lateinisch angustus/angustina Enge, Beengtheit, Bedrängnis. 4.3.2.2.2 Physiologie • Stressreaktionen: Adrenalinausschüttung • Sympathicusaktivierung: erhöht sind Herzfrequenz und Blutdruck, Blässe oder Erröten • Energiebereitstellung für die Muskeln

4.3 Angstkomponenten

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Abb. 4.1  Die sieben Verhaltenskomponenten der Angst in einem Netzwerk wirkend Die ursprünglichen „klassischen“ drei Faktoren Kognition, Motorik und Physiologie sind durch die Faktor Emotion und Imagination ergänzt. Der Faktor Kognition ist erweitert durch Motivation und Attribution – hier als punktierte Linie veranschaulicht.

• Flachere und schnellere Atmung • Erhöhte Schweißsekretion, verbunden mit Absonderung von Geruchsstoffen, die von anderen Menschen und auch Tieren riechbar sind und bei ihnen unbewusst Alarmbereitschaft auslösen (Mujica-Parodi et al. 2009). • Parasympathicusaktivierung: Erhöhte Magen- und Darm-Motilität, Durchfall, Übelkeit, Erbrechen, Harndrang 4.3.2.2.3 Motorik • • • • •

Typische Gestik (Flucht und des Hilfesuchens), Pantomimik, Mimik Fluchtbereitschaft und Flucht, insges. Vermeidungsverhalten Zittern der Stimme, veränderte Stimmlage, schnelles, leises Sprechen Zittern der Hände – ggf. Erstarren oder Tonusverlust, weiche Knie haben Motorische Verspannung, Unruhe, fahrige Bewegungen

Es können in der akuten Angstsituationen verschiedene Verhaltensweisen auftreten (s. unten): • Unterwerfung – „ich ergebe mich – ich tue alles, was Sie wollen.“ • Flucht – weglaufen, Prüfung verschieben, Schule abbrechen. • Totstellreflex – Verspannung, Sprachhemmung, Blockade „Brett vor dem Kopf“ (kommt real selten vor). • Aggression – als Verteidigungsmechanismus, verbal, körperlich – z. B. Attacke gegenüber dem Prüfer.

62

4 Angst

4.3.2.2.4 Kognitionen • Erwartungen bezgl. der realen oder vorgestellten Situation: „Der Hund wird gleich auf mich zukommen“ – „Der Hund schaut mich böse an; er will mir was.“ • Evtl. Steigerung sorgenvoller und negativer Gedanken, die bis zur Kata­ strophisierung führen: „Wenn ich das nicht schaffe, dann werden mich alle auslachen, es wird in der Zeitung stehen, alle Leute werden es wissen, dass ich die NN Angst habe…“, • Dysfunktionale Gedanken: „Ich werde dann verarmen, man wird mich meiden.“ • Automatische Gedanken an die Angstsituation: „Immer denke ich an meine Prüfung in Mathe.“ • Beeinträchtigung von Lern- und Denkprozessen durch automatisch wiederkehrende Angstgedanken oder physiologische Angstreaktionen • Wahrnehmungen werden verzerrt und interpretiert: „Das ist ein großer Hund mit langen Zähnen.“ • Selbstverbalisierungen: „Ich sollte auf die andere Straßenseite gehen, wenn ich einen Hund sehe, denn ich bin eine Flasche.“ – „Ich will jetzt stehenbleiben und beobachten, wie lange ich die Angst in dieser Situation aushalten kann.“ • Verhaltensziele (realistisch/unrealistisch): „Ich werde dem Chef wie Superman begegnen.“ 4.3.2.2.5 Attribution – Bewertungen • Eigenbewertung: „Ich bin ein Versager“ – „Mir gelingt selten etwas“ – „Ich sollte abhauen …“ • Fremdbewertung: real oder (meist) nur vermutet: „Er ist eine Pflaume“ – „Er ist ein Versager“ – „Ihm gelingt nichts.“ – „Ich hätte mir eine erfolgreichere Tochter gewünscht.“ 4.3.2.2.6 Motivation – Erwartungen – Ziele • Etwas mögen/ablehnen/bevorzugen; „Ich will hier abhauen; es hat alles keinen Sinn; ich gebe die Schule auf.“ -„Da werde ich nie wieder hingehen.“ – „Lieber mache ich jetzt was anderes.“ • Interesse/Desinteresse: „Ich wäre gern NN geworden.“ – „Das liegt mir nicht.“ • Hier setzen evtl. die Fragen nach den persönlichen Ressourcen zur Bewältigung der Angst an.

4.4  Praxishinweise zur Exploration und Diagnostik der Angst

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4.3.2.2.7 Imaginationen • Vorstellungen, Innenbilder – (sehen, hören, riechen, schmecken, tasten …) zu den Angstobjekten oder Angstsituationen, die meist sehr plastisch und auch irreal sein können wie: „Dann hänge ich mit meiner Flugangst draußen in 1000 m Höhe am Fahrgestell und bin hilflos.“

4.4 Praxishinweise zur Exploration und Diagnostik der Angst Gerade bei sehr „eindeutigen“ Angstverhaltensweisen und ihren Auslösern kann es sehr verführerisch werden, seinen Blick nur darauf zu fokussieren. Gerade die individuellen Verarbeitungsmöglichkeiten der Angst und ihre Auswirkungen im Gesamtnetzwerk physiologischer und psychologischer können wertvolle diagnostische Hinweise liefern, die es in der Exploration zu berücksichtigen gilt.

4.4.1 Subjektive Verarbeitungsmöglichkeiten der Angst Bei der Exploration begegnet man mitunter widersprüchlichen Angaben des Patienten. Diese wurden nicht unbedingt willentlich so geäußert. Da Angstgefühle mit ihren Auswirkungen unangenehm sind, berühren sie auch das Selbstwertgefühl. Entsprechend versucht die betroffene Person ihr Angsterleben unterschiedlich zu verarbeiten und zu beschreiben. Kognitive Einstellungstendenzen und Strategien des Individuums im Umgang mit Angst • Bewältigung: Man ist bemüht, ein unauffälliges Maß an Angst zu zeigen, sodass man also normal und nicht von der Norm oder den Umwelterwartungen gemäß abweicht. • Vermeidungsverhalten: Den mit Angst verbundenen oder vermuteten Situationen, Reizen, Personen, Ereignissen wird ausgewichen. Das sind: Verschweigen, Weglaufen, nicht annähern, nicht daran denken. In Hypnose in andere, harmlose, Imaginationen ausweichen. • Bagatellisieren: Es werden die für das Individuum als peinlich erlebten Angstgefühle vor ihm und anderen Personen heruntergespielt, als ob sie bedeutungslos seien. • Verdrängung: Es wird versucht, die mit einer Aufgabenstellung verbundenen Angstgefühle zu unterdrücken oder wegzuschieben. • Leugnung: Die Anzeichen von Angst werden aus dem Bewusstsein ausgeblendet. Als empfundene Schwäche können sie auch vor anderen versteckt, verheimlicht werden.

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4 Angst

• Übertreibung: Die als Sicherheitsvorkehrung empfundenen oder empfohlenen Maßnahmen zum Angstabbau werden übermäßig oft wiederholt und übertrieben. Hierzu gehört wahrscheinlich auch, seine Angst wie in einem Comic karikiert dazustellen, um dadurch die Angst und vermeintliche Angstbewältigung als Möglichkeit der Anerkennung zu operationalisieren. • Generalisierung: Das Erleben der Angst wird als „normal“ und für alle geltend dargestellt, um dadurch seine erlebte oder reale Sonderstellung zu reduzieren. • Heroisierung: Die Angstemotionen werden akzeptiert oder sogar aufgesucht, um sich selbst als Helden zu erleben oder von der Umwelt als solcher wahrgenommen zu werden. Ohne Berücksichtigung dieses Hintergrundwissens wird die Exploration sehr veränderte, also falsche Informationen enthalten, aus denen irreführende Schlüsse gezogen würden.

4.4.2 Hinweise zur Exploration Während einer ruhigen Gesprächssituation wird der Klient sich behütet fühlen, sich mehr Zeit geben und immer differenzierter über sich berichten. Wie in vielen Erlebensbereichen kommen mit der Konfrontation und dem Erzählen darüber die Erinnerung vom Ereignis und die damit verbundenen Erlebnisse, Auslöser etc. Diese können wir dann in der Therapie nutzen. • Gerade bei der Exploration sollte deshalb auf die Aspekte von VAKOG und den hier dargestellten sieben Faktoren geachtet werden. • Der Patient wird dann leichter seine potenziellen Verarbeitungsmöglichkeiten der Angstprobleme berichten (s. o.). Auslöser von Verhaltensketten finden Abhängig vom Angstobjekt (Person, Situation etc.) und wahrscheinlich auch vom individuellen Reaktionstyp in diesen Situationen wird der Auslöser einer langen Kette innerhalb des Wirksystems damals sehr unterschiedlich gewesen sein – ebenso in der Gegenwart. Die hohe Kunst der Exploration und Anamneseerhebung besteht nun darin, den anfänglichen Auslöser dieser Verhaltenskette zu finden. Falls dieser glückliche Fall eintreten sollte, könnte sogar die Behandlung mit dem Wirkabbau dieser primären Komponente ausreichen, die bislang ihr folgende Kette und somit das gesamte Wirksystem der Angst zusammenbrechen und unwirksam werden zu lassen. Das gelingt jedoch nicht immer. Also sollten wir uns auf die vom Patienten als die stärksten erlebten Wirkfaktoren konzentrieren und hier mit der Therapie beginnen. Erfahrungsgemäß werden dadurch die anderen Faktoren im System durch die Abnahme dieser Hauptwirkfaktoren beeinflusst und reduzieren sich in ihrer subjektiven Wirkung merklich.

4.4  Praxishinweise zur Exploration und Diagnostik der Angst

65

4.4.3 Die Angstkomponenten als Auslöser im Netzwerk – Beispiele Das hier verwandte Sieben-Komponenten-Modell zeigt die Wirkungen der Einzelkomponenten in ihrem Netzwerk. Zu ihrer Veranschaulichung folgen Praxisbeispiele. An dem Beispiel ist nicht zu erkennen, dass diese Abfolgen nicht in zeitlich nachvollziehbarer Reihenfolge ablaufen, sondern innerhalb von evtl. Millisekunden. Im ICD-10 sind die Folgen der Angst sehr abstrakt dargestellt. Die konkreten Auswirkungen sind mannigfaltig und differenziert.

Einige Kurzbeispiele Die folgenden Beispiele sollen die Unterschiedlichkeit der Auslöse-Stimuli der Angst und ihrer sehr unterschiedlichen Reaktionen, Folgeerscheinungen und Bewältigungsversuche konkretisieren. Dazu erfolgen Überlegungen zu einer möglichen Prognose bei Weiterbestehen der Störung ohne Therapie. Die Therapievorschläge danach sind ebenfalls idealtypische Interventionen, die die grundsätzlichen Behandlungsmöglichkeiten der kognitiv-behavioralen Kurztherapie mit Hypnose stichwortartig darstellen sollen. Dadurch wird hoffentlich deutlich, dass die Methode zwar meist bereits in kurzer Zeit und dauerhaft wirkt, aber nur dann, wenn dabei der komplexe Hintergrund der Störung berücksichtigt wird – und ihre Komplexität innerhalb des Systems von Emotion, Physiologie, Imagination etc. wirkt. Falls Leser mit der kognitiv-behavioralen Diagnostik und Therapieplanung nicht vertraut sind, dann bitte ich, das Kap. 8 vorzuziehen. Fallbeispiel 2 – Hundeangst

Zustandsbild Der Klient sieht einen Hund, bemerkt, wie er Angst bekommt, verbunden mit Herzklopfen und Atembeschleunigung. Er will dieser aversiven Situation entkommen und geht nun auf die andere Straßenseite. Gleichzeitig hat er die Vorstellung, dass ihm viele dabei zusehen. Er nimmt von „den anderen“ an, dass sie über ihn lachen – und bezeichnet sich selbst als Waschlappen, da er vor so einem kleinen Hund Angst hat – und schämt sich. Diese angenommene Fremdbewertung erzeugt wiederum Sozialangst. Durch das Vermeidungsverhalten (weggehen) wird das Weglaufen negativ verstärkt, da der Klient dadurch seine Angst und Erregung reduziert. Seine negative Selbstbewertung und die antizipierte Fremdattribution, gefolgt von Scham, bleiben jedoch bestehen (s. Abb. 4.2). Prognose Durch die angenommene Fremdattribuierung und Scham kann eine Reaktionsgeneralisierung entstehen, d. h. der Klient wird demnächst entweder andere Wege ohne Hunde und Leute gehen (Ist das immer möglich?) oder er wird

4 Angst

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Abb. 4.2  Hundeangst beinhaltet das Auslösen einer Verhaltenskette Der Anblick des Hundes (S) löst die anderen Angstkomponenten des Netzwerkes aus. Die Lerngeschichte und die folgenden Erfahrungen bewirken, auf welche Weisen auf ein Erlebnis (Stimulus) reagiert wird.

zunehmend öfter Wege in die Öffentlichkeit vermeiden und dadurch sekundär folgende Störungen erleiden können: Selbstzweifel, Angst vor der Öffentlichkeit, soziale Isolation, Depression, usw. Therapie Als Therapie bietet sich hier die Kurztherapie an, in der der Anblick des Hundes auszuhalten ist und durch Gegenkonditionierung (s. Abschn. 8.3.2) die Angst abgebaut wird. Dadurch sind sofort seine Eigen- und Fremdattribuierungen grundlos, ebenso seine Scham darüber. Sein Verhaltensspielraum ist wieder erweitert, dadurch seine sozialen Kontaktmöglichkeiten und seine Selbstsicherheit. Sein Selbstwert ist wiederhergestellt. Katamnese Bericht der Angstfreiheit auch Jahrzehnte später. ◄ Fallbeispiel 3 – Flugangst

Zustandsbild Die Klientin denkt an den zukünftigen Flug und bekommt Angst, wird nervös mit Magenkribbeln. Sie versucht, sich durch körperliche Aktivitäten wie z. B. Abwasch, Staubputzen, zu beruhigen. Dabei hat sie die Imaginationen, im engen Flugzeug zu sitzen und dass die Türen sich schließen. Da sie mit ihren Kindern fliegen will, bewertet sie sich als schlechte Mutter, die ein Negativvorbild für Angst und Angstbewältigung ist. Dies erzeugt bei ihr ein schlechtes Gewissen (s. Abb. 4.3). Prognose Dies kann dazu führen, dass sie für ihre Angstbewältigung weiterhin intensive körperliche Aktivitäten aufsucht, die sich zum Zwangsverhalten generalisieren

4.4  Praxishinweise zur Exploration und Diagnostik der Angst

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Abb. 4.3  Flugangst mit ihren individuell ablaufenden Verhaltenskomponenten Der Gedanke an die Flugreise löst die anderen Angstkomponenten des Netzwerkes aus, bis hin zum schlechten Gewissen den Kindern gegenüber.

können. Oder sie kompensiert ihr schlechtes Gewissen den Kindern gegenüber und wird überfürsorglich, was ein kognitives Vermeidungsverhalten für ihr schlechtes Gewissen ist. Therapie Die Therapie sollte also an den initialen Kognitionen ansetzen, gefolgt, von physiologischer Entspannung, die evtl. die Überaktivität reduziert. Bedeutsam ist nun, die ängstigenden Imaginationen und Kognitionen abzubauen, z. B. durch Gegenkonditionierung (s. Abschn. 8.3.2) mit weiterer Entspannung und imaginierten angstreduzierenden Tätigkeiten im Flugzeug. Da ihre Angst dann mit großer Wahrscheinlichkeit abnimmt, wird sie nun für ihre Kinder zunehmend mehr ein Modell für Angstbewältigung. Da sie zu Überaktivität neigt, kann sie diese nutzen, indem sie den Kindern beim Kofferpacken hilft. Dadurch bekommt sie ein besseres Gewissen, da sie nun eine gute und hilfreiche Mutter ist – und ihr gesamtes Erregungsniveau nimmt ab. Dadurch wiederum verbessert sich ihre negative Selbstbewertung „Mutter“, ihr Angstpegel sinkt und damit nehmen die angstbesetzten Imaginationen ab bzw. verlieren ihre Negativbedeutung. Dadurch wiederum nehmen ihr Kognitionen ab und sie denkt nicht mehr an den Flug bzw. die Flugangst. ◄ In Kap.  11 „Fallseminar“ wird das Thema der Flugangst in Fall 11 (s. Abschn. 12.3.4) und Fall 12 (s. Abschn. 12.3.5) differenziert dargestellt. Fallbeispiel 4 – Prüfungsangst

Zustandsbild Die Studentin hat plötzlich das Bild „vor Augen“, dass sie in der Prüfung sei und der Professor schwere Fragen stelle. Daraufhin hat sie Magendrücken und denkt: „Hoffentlich weiß ich das.“ Es kommen Zweifel in der Selbstbewertung

4 Angst

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Abb. 4.4  Der Vorstellung der Prüfungssituation löst die anderen Angstkomponenten des Netzwerkes aus Die Vorstellung der Prüfungssituation löst die anderen Angstkomponenten des Netzwerkes aus, bis hin zum Entschluss, mehr zu lernen.

auf „Bin ich zu dumm?“ und nun merkt sie Furcht und Angst vor der Prüfung. Das motiviert sie, mehr zu lernen (s. Abb. 4.4). Prognose Das Ergebnis mag vordergründig positiv sein, da sie nun mehr lernt. Aber Lernen unter Angstmotivation ist nicht immer sinnvoll und so erfolgreich wie gewünscht. Deshalb sollte eine Analyse des Lern- und Arbeitsverhaltens erfolgen, ob hier effektiv und ökonomisch gelernt wird. Dazu gehört auch, die Lernmotivation zu explorieren. Therapie Falls sie gut lernt und sie dabei die Angst beeinträchtigt, sollten die angstauslösenden negativen Imaginationen in Hypnose abgebaut werden, indem die Studentin die Effektivität ihres Lernens erkennt und schätzt (= kognitive Umstrukturierung). Falls unangemessen, weil zu zeitraubend gelernt wird, sollte hier ein Training im akademischen und ökonomischen Lernverhalten erfolgen (s. Kossak 2016), worauf dann Sicherheit eintritt und die Negativimaginationen, gefolgt von Angst etc. zugunsten von Selbstwirksamkeit, abnehmen. ◄

4.4.4 Auswirkungen der Angst in Lernen und Schule 4.4.4.1 Generalisierungen Zur Verdeutlichung der Systemwirkung von Angst folgen wenige Beispiele aus dem Lern- und Schulbereich. Negative Selbstkonzepte haben Auswirkung auf Schulleistungen und Prüfungsängste (Schilling et al. 2005), so bewirkt ein geringes Fähigkeitsselbstkonzept nach Misserfolgen deutlich schlechtere Konzentrationsleistungen (Eckert et al. 2006). Personen mit einem hohen Selbstkonzept nehmen eine optimistische und

Literatur

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positive Attribution ihrer Leistungen vor und zeigen weniger Vermeidungsverhalten im Lernen (Lazarus 2007). Leistungsmotivation steht in engem Zusammenhang mit Lern- und Leistungsemotionen, ebenso Emotionen in der Aufnahmephase des Lernens (Laukenmann et al. 2003). Kognitionen wie Selbstkonzept, Selbstwirksamkeitsüberzeugungen und Anstrengungsbereitschaft fördern Leistungen (Götz, Zirngibl und Pekrun 2004) bzw. hemmen sie.

4.4.4.2 Häufige Folgen von Angst und/oder Misserfolg im Schul-, Lern- und Leistungsbereich • Stimulusgeneralisierung und Reaktionsgeneralisierung bis zur Hilflosigkeit und Depression (Seligman 1983). • Vermeidungsverhalten: Arbeitsbeginn verzögern, Schuleschwänzen, Beruf- und Studienabbruch, Leistungsverweigerung, usw. Weiteres zur Entstehung von Ängsten ausführlich in Abschn. 6.1.

Literatur Beck AT (1963) Thinking and depression I. Ideosyncratic content and cognitive distorsions. Arch Gen Psychiatry 9:324–333 Beck AT (1967) Kognitive Therapie der Depression. PVU, Weinheim Borkovec TD, Wilkinson L, Folensbee R, Lerman C (1983) Stimulus control applications to the treatment of worry. Behav Res Ther 21:247–251 Eckert C, Schilling D, Stiensmeier-Pelster J (2006) Einfluss des Fähigkeitsselbstkonzepts auf die Intelligenz- und Konzentrationsleistung. Zeitschrift für Pädagogische Psychologie 20(1– 2):41–48 Ellis A (1994) Reason and emotion in psychotherapy: comprehensive method of treating human disturbances: revised and updated. Citadel Press, New York Flick SN, Roy-Byrne PP, Cowley DS, Shores MM, Dunner DL (1993) DSM-III-R Personality disorders in a mood and anxiety disorders clinic: prevalence, comorbidity, and clinical correlates. J Affect Disord 27(2):71–79 Götz T, Zirngibl A, Pekrun R (2004) Lern- und Leistungsemotionen von Schülerinnen und Schülern. In: T. Hascher (Hrsg) Schule positiv erleben. Ergebnisse und Erkenntnisse zum Wohlbefinden von Schülerinnen und Schülern, Bern, Haupt, S 49–66 Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme 10. Revision. ICD-10. Dilling H, Mombour W, Schmidt MH (Hrsg) (2019) German Modification, Version 2020. Hogrefe, Göttingen Jacobi F, Höfler M, Strehle J et al (2014) Psychische Störungen in der Allgemeinbevölkerung Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland und ihr Zusatzmodul Psychische Gesundheit (DEGS1-MH). Nervenarzt 85(1):77–87 Kessler RC, Berglund P, Demle O, Jin R, Merikangas KR, Walters EE (2005a) Lifetime prevalence and age-of-onset distributions of DSM-IV disorders in the National Comorbidity Survey Replication. Arch Gen Psychiatry 62(6):593–602 Kessler RC, Demler O, Frank RG et al (2005b) Prevalence and treatment of mental disorders, 1990 to 2003. N Engl J Med 352(24):2515–2523

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4 Angst

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Neuropsychologie der Angst

Inhaltsverzeichnis 5.1 Die hauptbeteiligten Gehirnareale bei Angst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 5.1.1 Amygdala (Mandelkern, Corpus amygdaloideum) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 5.1.2 Thalamus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 5.1.3 Hypothalamus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 5.1.4 Hippocampus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 5.1.5 Präfrontaler Cortex . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 5.2 Neuronale Auswirkungen von Angst – kognitive Blockade . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 5.2.1 Wirkungen von Stress und Angst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 5.2.2 Archaische Angstreaktionen – Vergleichende Verhaltensforschung . . . . . . . . . . 75 5.2.3 Auswirkungen der kognitiven Blockade auf das Lernen und Behalten . . . . . . . . 76 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77

Zur Arterhaltung bzw. Erhaltung des Individuums muss das Lebewesen gefährliche Reize von sicheren unterscheiden können. Es muss also ein Lernen erfolgen, nach dem das Individuum bestimmte Reize seiner Umwelt als gefährlich oder ungefährlich unterscheiden kann. Demnach muss es die Gefahr, die mit bestimmten Reizen verbunden sein kann, vorhersagen können. Ist dieser LernMechanismus, ganz spezifische Stimuli auf ihren Outcome hin zu prüfen, nicht vorhanden, reagiert der Organismus auf viele Stimuli und Situationen ganz allgemein mit Angst- oder Vermeidungsverhalten, was zu pathologischer Angst führen kann. Bei diesen Verarbeitungs- und Lernprozessen sind umfassende neuronale Netzwerke und Strukturen beteiligt, so besonders die Amygdala, der Thalamus, der Hippocampus und der präfrontale Cortex (s. Abb. 5.1).

© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer-Verlag GmbH, DE, ein Teil von Springer Nature 2020 H.-C. Kossak, Kognitiv-behaviorale Psychotherapie von Ängsten, Psychotherapie: Praxis, https://doi.org/10.1007/978-3-662-62323-7_5

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5  Neuropsychologie der Angst

Abb. 5.1  Gehirn, sagittaler Schnitt Das Gehirn mit seinen für Angst primär relevanten Arealen bzw. Funktionsbereichen: Thalamus, Amygdala, Hypothalamus, Hippocampus und Präfrontaler Cortex.

5.1 Die hauptbeteiligten Gehirnareale bei Angst Im Wesentlichen sind bei der Auslösung und Verarbeitung der Angst fünf Hauptbereiche von Bedeutung.

5.1.1 Amygdala (Mandelkern, Corpus amygdaloideum) Als Doppelkern ist die Amygdala ein Teil des Endhirns. Hier laufen die sensorischen Informationen aus zahlreichen Hirnregionen zusammen, so aus Thalamus, Hippocampus und Cortex. Ebenso gehen hier aus vielen Kortexarealen Signale der Sinnesempfindungen wie z. B. Sehen, Schmecken, Hören, Fühlen ein. Die Funktion der Amygdala ist die Bewertung von Gedächtnisleistungen wie die Erinnerung mit emotionalen Inhalten und damit der Entstehung von Angstgefühlen, Wut, Freude. Sie bewertet ankommende Signale und gibt sie durch ihre zentrale Vernetzung mit zahlreichen Hirnregionen zur Großhirnrinde. Bei z. B. Stress werden in bestimmten Situationen Neurotransmitter wie Adrenalin ausgeschüttet, die dem Körper mitteilen, dass eine gefährliche oder wichtige Situation vorliegt. Die Amygdala bewertet diesen Input, indem sie ihn mit ihren Erinnerungen vergleicht und signalisiert dann, ob Gefahr vorliegt; falls ja, entsteht Angst und der Gesamtorganismus reagiert mit erhöhter Achtsamkeit und ggf. mit Fluchtreaktionen. Bei „positiver Bewertung“ der Inputs werden der Sexualtrieb und die Fortpflanzung aktiviert. Im amerikanischen Sprachgebrauch werden hier (leicht zu behalten) die 4 Fs verwaltet: Fear, Fight, Flight und F… Sexualverhalten (Sapolsky 2018).

5.1  Die hauptbeteiligten Gehirnareale bei Angst

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Bei häufigen Angstereignissen sinkt die Auslöseschwelle für diese Reize ab und bewirkt eine Reiz-Generalisierung. Die Amygdala ist dann übererregt und löst in ähnlichen Situationen (oft unbewusste) Erinnerungen an das primäre Ereignis und damit Reaktionen wie Angst, Panik, Übelkeit aus, ohne dass die Person sie einem Geschehen zuordnen kann. Wird die Angst mit bislang als positiv erlebten Reizen verbunden, kann die Erinnerung an den ehemals aversiven Reiz gelöscht werden, was als Gegenkonditionierung zu bezeichnen ist (Kandel et al. 2000; s. Abschn. 8.3.2).

5.1.2 Thalamus Aus spezifischen Kernen bestehend sitzt der Thalamus am Zwischenhirn, ist zum Teil mit dem Hypothalamus verwachsen und zählt zu den größten und ausdifferenzierten Kernansammlungen des Zentralnervensystems. Als Tor zum Bewusstsein laufen bei ihm alle Sinneseindrücke wie Sehen Hören etc. ein (außer Geruchssinn) und werden auf dem Weg zur Großhirnrinde verteilt und gefiltert. Der Thalamus entscheidet dabei, welche davon ins Bewusstsein kommen und welche an weitere Schaltzentren weitergeleitet werden. Dabei wird auch gefiltert, was im Moment für den Organismus wichtig, also vorrangig ist, um dies mit der Gesamtsituation wie z. B. Paarung, Schlaf abzugleichen. Der Thalamus reguliert höhere psychische Tätigkeiten, so kognitive und emotionale Funktionen. Thalamus und Amygdala sind in ihren Eingängen quasi parallelgeschaltet.

5.1.3 Hypothalamus Gilt als wichtigstes Steuerzentrum der inneren Organe und deren Funktionen, sowie biologischer Rhythmen. Er verwaltet und steuert feste Verhaltensprogramme zur Reproduktion, Brutpflege, Flucht- und Abwehrreaktionen und ist die wichtige Schnittstelle zwischen bewussten psychischen Prozessen (z. B. Emotionen) und den damit zusammenhängenden Körpervorgängen (Schandry 2016; s. Abb. 5.2).

5.1.4 Hippocampus Während die Amygdala die emotionalen Inhalte der eingehenden Reize vergleicht und bewertet, ist der Hippocampus für deren Abspeicherung, also die Erinnerung an sie zuständig. Der Hippocampus beinhaltet mehrere am Endhirn (Telencephalon) liegende Strukturen, wo Informationen aus den sensorischen Systemen zusammenlaufen, verarbeitet und vom Cortex zurückgesandt werden. Die Funktion des Hippocampus besteht darin, Gedächtnisinhalte aus dem Kurzzeit- in das Langzeitgedächtnis zu transportieren. Er ist eine Art Arbeitsspeicher. Hier werden auch verschiedene Gedächtnisinhalte koordiniert.

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5  Neuropsychologie der Angst

Abb. 5.2  Kooperation der einzelnen für Angst relevanten Gehirnareale (vereinfachte Blockdarstellung) Ankommende externe Stimuli (Sinnesreize) und interne Stimuli (Gedanken) werden durch Thalamus und Amygdala kontrolliert und bewertet. Danach gelangen sie zum Hippocampus und zum präfrontalen Cortex. Im Hypothalamus erfolgt die Weiterleitung an die Körperorgane.

Der Hippocampus gehört zu den wenigen Gehirnbereichen, in denen lebenslang neue Nervenzellen gebildet werden können, die neue Verbindungen mit bestehenden Nervenzellen herstellen können (= synaptische Plastizität), d. h. Erwerb neuer Gedächtnisinhalte. Der Hippocampus ist wichtig für die Einspeicherung und den Abruf von Lerninhalten. Ist der dort befindliche Lerninhalt unwichtig, wird er gelöscht, d. h. vergessen. Ist der Lerninhalt bedeutsam, wird er in den präfrontalen Cortex weitergeleitet.

5.1.5 Präfrontaler Cortex Im vorderen Gehirnareal, dem Präfrontalen Cortex, findet die Langzeitspeicherung statt. Es werden die einzelnen Gedächtnisinhalte sinnvoll verbunden, sodass übergeordnete steuernde Geistesprinzipien wie Ethik, Moral und Persönlichkeit hier verortet sind, entsprechend auch das Planen und Kontrollieren sinnvoller Handlungen (s. Abb. 5.2).

5.2 Neuronale Auswirkungen von Angst – kognitive Blockade Neben den vielen oben aufgezeigten neuronalen Auswirkungen der Angst ist deren beeinträchtigende und blockierende Wirkung bei Angst oder Stress zu nennen. Unter diesen Bedingungen muss die Amygdala schnell und zuverlässig

5.2  Neuronale Auswirkungen von Angst – kognitive Blockade

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Abb. 5.3  Funktion der einzelnen Gehirnareale bei Angst (vereinfachte Blockdarstellung) Werden externale oder internale Stimuli als gefährlich bewertet (schwarz), dann werden automatische Rettungs- und Fluchtprogramme aktiviert und es erfolgt eine Blockade höherer (kognitiver) Funktionen.

z. B. Fluchtprogramme zur Verfügung stellen und dafür die Kapazität des Arbeitsspeichers Hippocampus nutzen. Alle anderen höheren Funktionen sind nun nebensächlich. Also blockiert die Amygdala dazu für ihre Nutzung den Arbeitsspeicher und höhere kognitive Funktionen. Diese sind bei akuter Gefahr unnütz, evtl. sogar störend (Abb. 5.3).

5.2.1 Wirkungen von Stress und Angst Stress und Angst desynchronisieren die Aktivierung in verschiedenen Regionen des präfrontalen Cortex und unterbrechen die Signalverbindung vom Hippocampus zum präfrontalen Cortex. Durch Stress und Angst wird der Hippocampus von der Amygdala „beherrscht“, wodurch Furchtassoziationen erlernt und im Langzeitgedächtnis abgespeichert werden, diese wiederum erhöhen über Glukokortikoide die Erregbarkeit der Amygdala (s. Abb. 5.3). Dies zeigt, dass Stress es erschwert, Furcht zu verlernen (Sapolsky 2018).

5.2.2 Archaische Angstreaktionen – Vergleichende Verhaltensforschung Bei starker Anspannung, wie sie bei hohem Stress und bei Angst aufkommt (z. B. in Prüfungen), ist die Person von Natur aus auf diese archaischen Reaktionsweisen eingerichtet. Viele solcher Stress- und Angstsituationen sind einerseits durch Angst, andererseits durch Aggression gekennzeichnet; es ist dann oft eine typische Konfliktsituation, in der sehr unterschiedlich und archaisch reagiert wird

5  Neuropsychologie der Angst

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(Eibl-Eibesfeldt 1997). Hierbei werden die von der Amygdala und dem Thalamus als Stress, Bedrohung, Angst codierten Reize über den Hypothalamus durch feste Programme sehr unterschiedlich beantwortet: • Verwirrtheit – Fahriges, nicht immer kontrolliertes und logisches Verhalten. Inhalte, Sätze und Worte durcheinanderbringen. Dies verliert sich meist nach den ersten Minuten des Angsterlebens, wenn die Ursachen beseitig sind, besonders bei Beruhigung. • Unterwerfung – Passives Verhalten, vermeiden von Konflikten; z. B. „Ich mache alles, was du willst. – Bitte verschone mich.“ • Totstellen – Motorische Schreckreaktion; z. B. „Ich bin gar nicht anwesend und reize dadurch nicht zum Angriff.“ • Verlegenheit – äußert sich oft mit archaischen Verhaltensweisen aus dem Putzund Körperpflegebereich: sich kratzen besonders im Bart oder auf dem Kopf, Haare ordnen, an der Kleidung rumnesteln, gähnen, rumräkeln. • Flucht – Weglaufen, aus dem Konfliktfeld gehen; „Ich entziehe mich der Gefahr.“ Aus der Prüfung gehen oder sogar nicht erscheinen. • Aggressionen – Verteidigungsverhalten; „Angriff ist die beste Verteidigung“. z. B. den Kontrahenten (z. B. Prüfer) beschimpfen, ihm Schläge androhen, provozieren etc. Miniaggressionen sind bei Kindern: Lippenbeißen, Hypermotorik, Nägelkauen, Anschreien, Gegenstände zerstören. Diese Verhaltensweisen sind relativ oft bei ängstlichen Kindern z. B. während des Zahnarztbesuches zu finden (Kossak und Zehner 2011). Die erworbene soziale Kontrolle des präfrontalen Cortex sagt dann jedoch meist, in der Situation angemessen zu reagieren. Das kann jedoch je nach Disposition (z. B. bei „Vaterproblematik“) und Kumulation einiger ungünstiger Variablen nicht immer gelingen. Die kognitiven Einstellungstendenzen und Strategien im Umgang mit der Angst werden von diesen archaischen Angstreaktionen beeinflusst und machen sich indirekt in der Anamnese bemerkbar (s. Abschn. 4.4.1.1) Beispiel: „Vaterproblematik“

Ein Klient mit „Vaterproblematik“ reagiert in der Prüfung aufgrund seiner Sozialisation mit trotziger Verweigerung auf die Fragen des Professors. Ein anderer Klient mit einer anderen Genese seiner „Vaterproblematik“ reagiert dem Prüfer gegenüber unterwürfig – und wieder ein anderer mit Schuldgefühlen und Verlegenheit usw. ◄

5.2.3 Auswirkungen der kognitiven Blockade auf das Lernen und Behalten Wirkungen dieser Alarmschaltung in Verbindung mit Angst (Schandry 2016; Kolb and Whishaw 2019):

Literatur

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• Das im Hippocampus befindliche Lernmaterial wird bei Angst oder Stress automatisch entfernt, um genug Kapazität im Arbeitsspeicher zu bekommen. • Unter Angst kann nur unzureichend und mit schlechten Ergebnissen gelernt werden. • Unter Angst gegebene kognitive Erklärungen wie „Das ist ungefährlich“ oder „Handhabe diese Mathe-Formel anders …“ usw. werden kaum abgespeichert. Der unter Angst und Schmerzen leidende Patient im Zahnarztstuhl wird die wohlmeinenden Ratschläge seines Zahnarztes kaum behalten (Kossak und Zehner 2011). • Unter den Nachwirkungen von starker Angst wie bei den Posttraumatischen Belastungsstörungen (PTBS) sind u. a. die Erinnerung, das Lernen und die Konzentration betroffen. • Letztlich ist anzumerken, dass ähnliche kognitive Blockaden auch während des Werbungs- und Paarungsverhaltens auftreten, denn diese werden ja ebenfalls über ähnliche Schaltkreise wie die Angst geregelt. Vorläufige Konsequenzen für die Angstbehandlung Aus diesen unterschiedlichen biopsychologischen Funktionen ist abzuleiten, dass oft eine Therapiemethode anzuwenden ist, die anfangs primär zur Beruhigung und Entspannung dient, d. h. die so auf die Amygdala wirkt, dass sie „entspannt“ ist und nicht mehr Warnsignale aussendet und Fluchtverhalten ansteuert. Dazu bietet sich ein Entspannungsverfahren an wie Autogenes Training, Progressive Muskelrelaxation oder Hypnoseentspannung (s. u.). Daraufhin können sich je nach Indikation sehr unterschiedliche Interventionsmethoden (mit oder ohne Hypnose) wie z. B. zur Selbstkontrolle anschließen.

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Lerntheoretische Paradigmen

Inhaltsverzeichnis 6.1 Verhaltenstheoretische Genese von Störungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 6.1.1 Der bedingte Reflex . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 6.1.2 Operantes Lernen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 6.1.3 Lernen durch Beobachtung – Lernen am Modell – Imitationslernen . . . . . . . . . 85 6.1.3.1 Faktoren und Eigenschaften von häufig kopierten Modellen . . . . . . . . 86 6.1.3.2 Verdecktes Verhalten in der Psychotherapie – Hypnose . . . . . . . . . . . . 86 6.1.4 Lernen durch kognitive Veränderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 6.1.4.1 Das kognitive Modell von Ellis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 6.1.4.2 Kognitive Therapie – Das Modell von Beck (1967) . . . . . . . . . . . . . . . 88 6.1.4.3 Selbstinstruktionstraining – nach Meichenbaum (1969) . . . . . . . . . . . 88 6.1.4.4 Selbstregulation – Kanfer (1977) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 6.1.4.5 Weitere Kognitive Therapieformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 6.2 Aufrechterhaltung der Angst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 6.2.1 Vermeidungsverhalten und negative Verstärkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 6.2.2 Operante Verstärkung ist ein Lernprozess innerhalb eines Systems . . . . . . . . . . 91 6.2.3 Verstärkungen und Lernprozesse erfolgen in einem Verstärkungs- und Sozialsystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 6.2.4 Generalisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 6.2.5 Dyskognitionen und Störungen der Selbstregulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94

Die hier vorgestellte Kurztherapie ist eine Kombination von Hypnose und Verhaltenstherapie. Als Kurztherapie enthält sie die zahlreichen Elemente dieser beiden Methoden in komprimierter Form. Auf keinen Fall soll der Eindruck entstehen, dass die Kurzform eine reine Symptommanipulation sei. Deshalb wird nachstehend eine kleine Einführung in die dafür relevanten Lerntheorien erfolgen. Diese schließt auch eine kurze historische Darstellung zu dieser Methodenkombination mit ein.

© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer-Verlag GmbH, DE, ein Teil von Springer Nature 2020 H.-C. Kossak, Kognitiv-behaviorale Psychotherapie von Ängsten, Psychotherapie: Praxis, https://doi.org/10.1007/978-3-662-62323-7_6

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6  Lerntheoretische Paradigmen

Die Lerntheorien gehen davon aus, dass Verhalten erlernt ist, sowohl das normale Verhalten als auch abnormes Verhalten – und dass es deshalb mit geeigneten Methoden wieder verlernt werden kann. Die hier dargestellten Methoden sind lediglich die Basisbausteine von Diagnostik und Therapie. Verhaltenstheorien und Verhaltenstherapie bestehen jedoch aus wesentlich mehreren dieser Elemente. Für unsere Zwecke soll die Darstellung der Basistheorien und -Methoden jedoch ausreichen, denn sie sind auch die Hauptelemente der Kurztherapie. Somit werden zumindest Basis-Erfahrungen in Hypnose und Verhaltenstherapie voraussetzen. Wie bereits einleitend in Abschn. 4.3 erwähnt, wollen wir bei der Genese und Aufrechterhaltung von Ängsten nur die in der Verhaltenstherapie wesentlichen theoretischen Aspekte darstellen und uns mehr auf ihre praktische Relevanz beziehen.

6.1 Verhaltenstheoretische Genese von Störungen Mit den Lerntheorien begegnen wir anfänglichen Tierexperimentieren, deren Ergebnisse dann auf menschliches Verhalten übertragen wurden. Die daraus abgeleiteten Lerngesetze wurden deshalb anfänglich als Rattenpsychologie abgewertet. Mit der Zeit erkannte man jedoch, dass hier Lerngesetzte gefunden wurden, die für alle Lebewesen gelten. Alle (höheren) Lebewesen haben eine angeborene Lerndisposition (Eibl-Eibesfeldt und Wickler 1962). Der bedingte Reflex ist beim Gelbrandkäfer ebenso zu beobachten wie bei Fischen, Ratten und Affen. Lernen am Erfolg ist bei Kröten ebenso wirksam wie bei Fischen, Schildkröten und Affen. Lernen durch Beobachtung ist z. B. bei Eichhörnchen, Raben, Delfinen, Elefanten und Affen nachweisbar (Eibl-Eibesfeldt 1967). Lediglich die kognitiv-behavioralen Methoden bleiben den Hominiden vorbehalten, zu denen wir nun mal zählen. Die Darstellung der Lerntheorien erweckt mitunter den Eindruck, sie seien unbeseelte technische Manipulationen von Menschen. Ihre Erklärungen sind tatsächlich sehr abstrakt, verweisen auf Konzepte, Komponenten, abhängige und unabhängige Variablen etc. Ihre Durchführung dagegen nutzt zwar diese Theoriegebäude, setzt aber stets Empathie, Verständnis, Respekt, oft auch Einsicht des Gegenübers (Therapeut, Klient, Patient, Kind etc.) voraus. Für unsere Darstellungszwecke können die mitunter sehr komplexen Lerntheorien nur in ihren wesentlichen Grundzügen dargestellt werden. Auch deren zusätzliche Theoriendiskussionen sollen hier zur Vereinfachung unberücksichtigt bleiben.  Wichtig  Die Kurzfassungen der Lerntheorien dienen sozusagen als

Wiederholung für diejenigen, die sich bislang damit weniger befassen mussten. Für sie sind auch jeweils Alltagsbeispiele eingefügt. Die in den Lerntheorien Bewanderten werden diese Abschnitte wahrscheinlich überspringen.

6.1  Verhaltenstheoretische Genese von Störungen

81

6.1.1 Der bedingte Reflex Nahezu Allgemeinwissen ist der „Pawlowsche Hund“. Der Physiologe I.P. Pawlow hatte 1923 durch seine Experimente mit Hunden herausgefunden, dass durch einen Lernprozess bei ihnen bewirkt werden konnte, auf einen Glockenton hin Speichel zu produzieren. Das heißt, die sonst unwillkürliche Speichelproduktion beim Anblick oder Geruch von Futter war nun willkürlich durch den Signalton abrufbar. Revolutionär daran war, dass entdeckt wurde, wie durch einen bislang für das Tier unbedeutenden Reiz (Glockenton) eine reflexartige physiologische Reaktion (Speichelfluss) bewirkt werden konnte. Dieser erlernte Vorgang wurde als bedingter Reflex bezeichnet. Er ist nicht nur eine im Labor geschaffene künstliche Reaktion. Im Alltag ist der bedingte Reflex relativ häufig zu beobachten.

Abb. 6.1  Klassische Konditionierung – Beispiel. 1. In der bislang neutralen Stimulus-Situation Dunkelheit reagiert man neutral-gelassen. 2. Bei einem unerwarteten lauten Reiz (Knall, Hupe, Reifenplatzen, Glasbruch, Blitz) reagiert man natürlicherweise reflektorisch mit Erschrecken (Schweißausbruch etc. = Alarm durch Amygdala). 3. Erfolgt während der Dunkelheit der laute Schreckreiz, dann bewirkt dies die Konditionierung. 4. Allein der Stimulus „Dunkelheit“ (sehen, daran denken) löst nun demnächst reflektorisch die Schreckreaktion aus: Die Dunkelangst wurde konditioniert

6  Lerntheoretische Paradigmen

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Beispiel: Klassische Konditionierung

Eine Person erfährt in der Dunkelheit ein Schreckerlebnis. Das kann beim Abendspaziergang ein platzender Autoreifen oder das Erleben eines Unfalls sein; es kann auch sein, dass es im Keller plötzlich knallt (Kurzschluss, Katze wirft eine Flasche vom Regal etc.). Durch das gemeinsame Erleben von Dunkelheit und Schreckreiz erfolgt eine Konditionierung, dass nun allein die Dunkelheit wahrzunehmen (oder an dunkle Räume etc. denken) die Schreckreaktion auslöst. Von nun an kann dann lang andauernde Dunkelangst beginnen (s. Abb. 6.1). Wenn diese Dunkelangst über längere Zeit andauert und unangenehm intensiv bleibt, kann sie sogar den Freiraum der betroffenen Person einengen und ist als Phobie zu bezeichnet. Auf diese Weise entstehen viele Ängste. Ein harmloses positives Alltagsbeispiel wäre, dass uns beim Lesen der Speisekarte der Mund wässrig wird – oder dass wir bereits beim Anblick des Restaurantlogos (der Burgerkette, der Kekspackung usw.) Appetit bekommen. Das wird von der Reklame und speziellen Werbedesigns ausgenutzt. ◄ Viele Phobien und psychosomatische Krankheiten sind meist durch zufällige klassische Konditionierungen entstanden. Oft werden sie dann durch Zuwendung = „Krankheitsgewinn“ operant aufrechterhalten (s.u).

6.1.2 Operantes Lernen In der historischen Betrachtung der Lerntheorien begegnen wir Skinners Entdeckung des operanten Lernens (Skinner 1938). Aus seinen Tierversuchen geht als Lerngesetz hervor, dass unter einer bestimmten Reizkonstellation (S) ein dann gezeigtes Verhalten (R) häufiger gezeigt wird, wenn es dafür sofort eine Belohnung (C +  = Bekräftigung) bekommt (s. Abb. 6.2). Auch hier werden nur die grundsätzlichen Faktoren aufgezeigt – im vollen Bewusstsein, dass zahlreiche von ihnen Differenzierungen aufweisen.

S

----------

Stimulus Antecedence Hinweisreiz

R

---------

Reaktion Behavior Verhalten

C+

Konsequenz Consequence Folgen

Abb. 6.2  Operante Verstärkung. Durch einen bestimmten Reiz (S) wird ein Verhalten (R) ausgelöst. Falls ihm eine positive Konsequenz (C +) folgt, wird es dadurch häufiger = positiv verstärkt. Die Darstellung dieses prinzipiellen Ablaufes ist sehr vereinfacht veranschaulicht

6.1  Verhaltenstheoretische Genese von Störungen

83

Zum besseren Verständnis der späteren Kurzformen in den Skizzen zu den Auslösern und Konsequenzen des Verhaltens sind diese in Tab. 6.1 zusammengestellt. Hier muss verdeutlicht werden, dass es sich um die grundlegenden Elemente des operanten Lernens handelt, die je nach weiterführender Theorieentwicklung modifiziert wurden.  Wichtig  Die sofortige Belohnung des relevanten Verhaltens (=

Kontingenz) ist dabei unbedingt erforderlich (= kontingente Verstärkung), damit dadurch nur das gewünschte Verhalten genau und differenziert verstärkt wird und nicht ein anderes, gerade zufällig auftretendes. Beispiel: Verstärkung unerwünschten Verhaltens

Mitunter können auch unangemessene bzw. pathologische Verhaltensweisen durch operante Verstärkung bewirkt werden. Im folgenden Beispiel entsteht eine Hundeangst, jedoch nicht durch instrumentelles Lernen (s. o.), sondern durch operant verstärkende Zuwendung (s. Abb. 6.3). ◄ Alltagsbeispiele Viele unserer alltäglichen Verhaltensweisen sind operant erlernt: schreiben, lesen, sprechen, Werkzeuggebrauch, Fahrradfahren usw., so auch Ängste. Verstärkungen können sein: Zuwendung, Leckereien, gute Körpergefühle (wie streicheln), Schulnoten, Geld, aber auch Lob, Anerkennung. Diese Verstärkungen müssen kontingent, also sofort erfolgen, damit nun das gerade gezeigte Verhalten aufgebaut wird und nicht ein anderes ungewolltes, das zufällig dazwischen auftritt s.o). Auf diese Weise verstärkt der Therapeut die Kooperation des Patienten. Bereits kleinste Reaktionen, die in die gewünschte Richtung gehen, müssen so verstärkt werden, bis schließlich ein komplexes – und für Hypnose relevantes – Verhalten vorliegt.

Abb. 6.3  Durch operante Verstärkung bewirkte Angst. Das Kind sieht einen Hund und weint dann (weil: es sich erschrickt, der Hund unbekannt ist etc., zufällig). Die Mutter tröstet das Kind sofort. Da die Mutter dem Kind in dieser Situation Zuwendung gibt, kann sie dadurch das Weinen ihres Kindes verstärken, also häufiger machen, wenn es demnächst einen Hund sehen wird. Damit wurde die Entstehung einer operant verstärken Angst möglich

6  Lerntheoretische Paradigmen

84 Tab. 6.1  Grundbegriffe des operanten Lernens – S – R – C

Symb. Erklärung C+

Dem Verhalten folgt eine positive Konsequenz.

C-

Die Konsequenzen eines Verhaltens sind negativ, unangenehm, aversiv. Als Folge des Verhaltens wird eine positive Konsequenz entfernt (Verstärkerentzug). Durch das Verhalten wird eine aversive Situation beendet.

-C +

-C -

Benennung Positive Verstärkung, Belohnung (z.B. Lob, Zuwendung, Leckerchen) Direkte Bestrafung (z.B. Schläge, Schmerz).

Wirkungen auf das Verhalten Zunahme der Häufigkeit Abnahme der Häufigkeit

Indirekte Bestrafung (z.B. Liebensentzug)

Abnahme der Häufigkeit

Negative Verstärkung (s. Vermeidungsverhalten)

Zunahme der Häufigkeit

Anmerkung: Der Begriff der negativen Verstärkung wird oft falsch verstanden als Bestrafung. „Negativ“ bezieht sich hier auf die Entfernung/Beendigung einer aversiven/negativen Konsequenz. (Negativ ist also nicht moralisch-bewertend.) Arten der Verstärker (teilweise kulturell, sozial, ökonomisch bedingt) sozial: Zuwendung, Lächeln, Lob, Beförderung, Kooperation verbal: Lob, Anerkennung, Zensuren kognitiv: Eigenlob, Selbstverstärkung, positive Gedanken materiell: Geld, Spielzeug, Gegenstände, Gold, Geschmeide nutritiv: Ernährung, Leckerei, Lieblingsessen, Getränke sexuell: Triebbefriedigung (in div. Ausprägungen) Formen der Verstärkung kontinuierlich: stets intermittierend: gelegentlich, zufällig planvoll: nach bestimmten Regeln zufällig Quellen der Verstärkung extrinsisch = external durch eine Person (Partner, Therapeut) vermittelt intrinsisch = selbst durch Selbstbelohnung/Selbstverstärkung/Selbstlob/Zufriedenheit usw.

In der Weiterentwicklung der Verhaltenstherapie erkannte man dann auch die Wirksamkeit sozialer und kognitiver Variablen bzw. Verstärker in der Entstehung und Aufrechterhaltung von Verhaltensweisen.  Wichtig  In der Alltagsrealität sind mitunter Mischformen von z. B. instrumentellen und operanten Lernprozessen vorzufinden. Dabei sind auch weiterhin die Bestimmungsfaktoren wie Attribution, Emotion, Motivation und Imagination mitbestimmend.

6.1  Verhaltenstheoretische Genese von Störungen

85

6.1.3 Lernen durch Beobachtung – Lernen am Modell – Imitationslernen Bandura (1969) stellte bei seiner experimentellen Beobachtung von Kindern fest, dass viele Verhaltensweisen durch Beobachtung anderer Personen (= Modelle) erlernt werden. Diese Modelle können als Ursachen von Ängsten wirken; sie können aber auch zur Behandlung von Ängsten eingesetzt werden. Fallbeispiel 5 – Höhenangst

Zustandsbild Frau K., 37 Jahre alt, bittet um Therapie ihrer Tochter Mechthild, 14 Jahre, 8. Klasse Gymnasium, die unter starken Höhenängsten leide und insgesamt recht unsicher sei. Andere Probleme z. B. in schulischen sozialen Bereichen habe sie nicht. Anamnese Stets sollte man in Anamnesen nachfragen, welches Familienmitglied oder welche Person im näheren sozialen Umfeld ähnliche wie die genannten Probleme habe, um ein mögliches Modelllernen mit zu berücksichtigen. Die Mutter berichtet, dass sie als Kind während des Krieges über eine schmale Brücke über einen Abgrund fliehen musste, während sie von Jagdfliegern beschossen wurde. Sie bezeichnet es „wie in einem gruseligen Agentenfilm“. Die Tochter macht einen aufgeschlossenen, aber leicht unsicheren Eindruck, besonders wenn sie in Sport vor allen Mitschülern eine Übung turnen soll. Zusätzlich habe sie Höhenangst. Diagnose Mutter und Tochter wirken auf sich gegenseitig als Modellpersonen für Angstverhalten und begünstigen nicht gelingende Angstbewältigung. Prognose Diese gegenseitige Modellwirkung erzeugt eine dauerhafte Aufrechterhaltung der Angst. Ohne entsprechende Behandlungen wird die Höhenangst, gefolgt von der Unsicherheit der Tochter, weiter fortbestehen. Therapieplanung und -durchführung Danach folgt der Entschluss, die Mutter in Behandlung zu nehmen; da sie als Modell für Angstverhalten wirkte, soll sie nun als Modell für Angstabbau dienen, indem sie ihrer Tochter von ihren Erfolgen berichtet. Parallel dazu erfolgen Beratungen der Tochter, besser mit ihren Unsicherheiten umgehen zu

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6  Lerntheoretische Paradigmen

können. Mit der Mutter erfolgt eine Desensibilisierung in Hypnose, in der sich Angstvorstellungen in steigender Stärke mit Entspannungsszenen abwechseln. Nach ca. 3 Sitzungen kommt die Mutter überraschenderweise zusammen mit ihrer Tochter zum Termin. Vor Freude strahlend erzählt sie, dass sie am vergangenen Wochenende Kaffee trinken waren: in dem drehenden Café des Dortmunder Fernsehturms in ca. 200 m Höhe! Sie haben die schöne Aussicht bei Kaffee und Kuchen genossen (= Gegenkonditionierung). Der Therapieplan war somit schneller realisiert als je gedacht – und Mutter sowie Tochter blieben weiterhin angstfrei. Katamnese Auch nach vielen Jahren sind diese positiven Veränderungen bei Mutter und Tochter stabil geblieben. ◄ Alltagsbeispiele Viele unserer gewünschten oder unerwünschten Verhaltensweisen werden so operant oder durch Modellwirkung erlernt wie z. B. Tischsitten, Umgang mit Moral, Wahrheit, Gerechtigkeit, Motivation – so auch Ängste. Öfter werden Kinder mit Angstproblemen vorgestellt, die durch ihre Mütter als Angstvorbilder verursacht waren. Die in den Medien auftretenden Influencer sind besonders stark wirkende Modelle zur Nachahnung von Mode, Konsum und Einstellungen.

6.1.3.1 Faktoren und Eigenschaften von häufig kopierten Modellen Die ausführlichen Forschungen nach Bandura ergeben, dass Personen (= Modelle) am häufigsten nachgeahmt werden, wenn sie bestimmte Eigenschaften aufweisen: • Gleiches Alter, Geschlecht, angenommene Ähnlichkeit (peer group) • Macht, Dominanz, hoher Status (Familienmitglieder) • Kompetenz • Begeisterungsfähigkeit, Freundlichkeit (z. B. Lehrer) • Erfolg haben, Belohnung erhalten (Zuwendung, Anerkennung, Statusgewinn. Lob, Süßigkeiten etc.) Dadurch können auch nicht wünschenswerte Verhaltensweisen wie Bandentum, Überfälle etc. von entsprechenden Modellen kopiert werden, da diese durch ihr Handeln Anerkennung und Status erlangen, der zwar zweifelhaft oder kriminell ist, aber zum Ruhm in ihrer Subkultur verhilft.

6.1.3.2 Verdecktes Verhalten in der Psychotherapie – Hypnose All diese verhaltenstherapeutischen Methoden, auch die kognitiv-behavioralen, sind in Hypnose durchführbar, wenn man sie in ihren Grundfunktionen belässt und sie den Möglichkeiten der Hypnose anpasst, also dem Bereich der Imaginationen. Da es sich hierbei primär nicht um sichtbares Verhalten (overt behavior) handelt, spricht man hier auch von verdecktem (covert behavior). In ihren Auswirkungen

6.1  Verhaltenstheoretische Genese von Störungen

87

und in der Therapiepraxis unterscheiden sie sich erfahrungsgemäß kaum. Hypnose arbeitet somit ausschließlich mit verdecktem, also imaginiertem Verhalten.

6.1.4 Lernen durch kognitive Veränderungen Anfänglich stellte sich die kognitive Therapie mit ihren Theorien und Methoden als eigenständige Theorie- und Therapieform dar. Bedingt durch Praxis fanden relativ schnell Kombinationen beider Formen statt, die sich optimal ergänzten und sehr effektive und gute Therapieergebnisse mit sich brachten. Durch diesen funktionalen Eklektizismus entstand dann rein pragmatisch die kognitiv-behaviorale Therapie (KBT) – bzw. als Synonym die Kognitive Verhaltenstherapie (KVT). In diesem Bereich wurden zahlreiche neue genannt werden Methoden entwickelt. Im Rahmen des vorliegenden Buches können nur die wesentlichen als Pioniere oder Basistheorien der KVT genannt werden. Es sind auch die, die besonders leicht mit Hypnose verbunden werden können. Die Kognitive Therapie erfolgt besonders bei Angststörungen u. a. durch Sokratische Gespräche, Reframing, Angstkonfrontation, Abbau von Absicherungsverhalten Stressimpfungstrainings (Meichenbaum 1986).

6.1.4.1 Das kognitive Modell von Ellis Vereinfacht dargestellt beinhaltet das Modell von Ellis (1970), dass Interpretationen und Annahmen über eine Wahrnehmung Verhalten und Gefühle bestimmen (s. Abb. 6.4). Bei dieser Verarbeitung kann es zu Fehlannahmen und Glaubensgrundsätzen kommen, den irrationalen Annahmen, die das Leben bestimmen. Die irrationalen Annahmen beinhalten (Ellis 1970): • Alles- oder Nichts-Denken • Fokussierung auf negative Aspekte • Nicht-Beachten positiver Aspekte • Personalisieren • Perfektionismus

Abb. 6.4  Das ABC-Modell von Ellis (Dryden und Ellis 1988). Auf die Wahrnehmung (A) bestimmter Ereignisse hin werden diese Ereignisse individuell beurteilt, interpretiert. Es entstehen Annahmen über die Ereignisse (B) – und mitunter die gesamte damit verbundene Umwelt. Durch diese Annahmen werden Emotionen oder motorisches Verhalten, weitere Handlungen und Wahrnehmungen, beeinflusst (C)

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6  Lerntheoretische Paradigmen

6.1.4.2 Kognitive Therapie – Das Modell von Beck (1967) Nach der Annahme von Beck (1967) sind kognitive Aspekte die wesentlichen Komponenten in einer depressiven Entwicklung (und auch anderen psychischen/ kognitiven Störungen). Diese sind Attributionen, also z. B. Annahmen über Kausalitäten, dysfunktionale Schemata, also auftretende automatische Sichtweisen – und kognitive Fehler, also spezielle Denkmuster. Beispiele: Kognitive Fehler (DeRubeis und Beck 1988)

• Willkürliche Schlussfolgerungen: symptombezogene Schlussfolgerungen ohne hinreichende Begründung • Selektive Abstraktion: nur Details beachten, ohne den relevanten Kontext zu berücksichtigen • Übergeneralisierung: „Allgemein gültige“ Regeln aufstellen, ohne Informationshintergrund oder aufgrund eines einzelnen (irrelevanten) Ereignisses., • Personalisierung: Alles auf sich beziehen, ohne objektiven Hintergrund. • Dichotomes Denken: schwarz-weiß, alles oder nichts – ohne Abstufungen; der Patient erlebt sich am Ende der Negativskala. Alltagsbeispiele Aussagen und Eigenattributionen (Selbstbewertungen) sind: „Ich bin ein Pechvogel; immer ich werde benachteiligt; alle sehen mich immer so mitleidig an; niemand beachtet mich.“ Angenommene Fremdattributionen sind: „Die mögen mich sowieso nicht; am liebsten würden die mich auslachen; die meinen, ich sei ein Angsthase.“ ◄

6.1.4.3 Selbstinstruktionstraining – nach Meichenbaum (1969) Meichenbaum berücksichtigt als Kognitionen neben gedanklichen auch sprachliche Prozesse, die das Verhalten steuern, denn sie sind Begleitphänomene menschlichen Handelns. Auf entwicklungspsychologische Beobachtungen basierend entwickelte er das Selbstinstruktionstraining (1986). Bei Kindern dient es häufig zur Selbstkontrolle. Bei Erwachsenen ist es ein Baustein von komplexen Therapiestrategien, so z.  B. zur Selbstermutigung, Motivation, Emotionsregulation. Fliegel (1978) verwendet die Selbstinstruktion innovativ bei der Behandlung von Ängsten. 6.1.4.4 Selbstregulation – Kanfer (1977) In der Weiterentwicklung der nun als kognitiv-behavioral bezeichneten Theorien und Behandlungsmethoden ist für unsere Betrachtungen die Selbstregulation mit ihren unterschiedlichen Aspekten von großer Bedeutung. Sie beinhaltet den mentalen Umgang mit eigenen Stimmungen, Gefühlen und die Absichten und

6.2  Aufrechterhaltung der Angst

89

Fähigkeiten mittels zielgerichteter und realitätsbezogener Handlungen zu verwirklichen (Kanfer et al. 2000). Wie bereits beim Modelllernen wird hier deutlich, dass kognitive Prozesse bei der Steuerung menschlichen Verhaltens von zentraler Wichtigkeit sind. „Die Rolle bewusster Handlungen, das bewusste Erleben von Konflikten und Fähigkeiten, eigene Entscheidungen auch gegen eine offensichtlich externe Kontrolle setzen zu können, sind entscheidende Prinzipien der Selbstkontrolle.“ (Reinecker 1999, S, 301). Dabei bestimmt eine Hierarchie von Präferenzen, Zielen und motivationalen Bestrebungen unsere Entscheidungen und Handlungen. Sind diese Regulationsprozesse durch sich selbst oder andere Symptome beeinträchtigt, kommt es zu Fehlsteuerungen, die sich in Störungen wie Depressionen, Hypochondrie, Sozialängsten äußern. 6.1.4.4.1 Selbstregulation Sie setzt meist dann ein, wenn auf dem Weg zum angestrebten Ziel Hindernisse auftreten, oder wenn gewohnte Verhaltensweisen gestört, unterbrochen werden. In diesen Bereich fallen auch: Emotionskontrolle, Impulskontrolle, Frustrationstoleranz. 6.1.4.4.2 Selbstkontrolle Sie ist ein Spezialfall der Selbstregulation, bei der eine Verhaltenskette unterbrochen wird, weil der Konflikt zwischen zwei Verhaltensweisen vorliegt. Die Konflikte sind entweder das Widerstehen einer Versuchungssituation oder heldenhaftes Verhalten: d. h. ein Verhalten ausführen, obwohl es kurzfristig aversive Konsequenzen bewirkt. 6.1.4.4.3 Selbstmanagement Dies ist die Fähigkeit, eigenes Verhalten vermittels konkreter Strategien zu verändern, zu steuern.

6.1.4.5 Weitere Kognitive Therapieformen Die Kognitive Therapie erfolgt besonders bei Angststörungen u.  a. durch Sokratische Gespräche, Reframing, Angstkonfrontation, Abbau von Absicherungsverhalten Stressimpfungstrainings (Meichenbaum 1986).

6.2 Aufrechterhaltung der Angst Einmal durchlebte Angstsituationen können über lange Zeiträume anhalten und bei einer gewissen Stärke und Häufigkeit die Verhaltensspielräume eines Menschen stark einengen. In solchen Fällen sind es meist sog. Phobien: Angst vor Hunden, Katzen, Spinnen, Zahnarzt, Spritzen, freie Plätze, enge Räume, Menschenmengen, hohe Gebäude, Bazillen, Flüge usw.

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6  Lerntheoretische Paradigmen

Glücklicherweise hat hierzu die Verhaltenstherapie unterschiedliche Erklärungsmodelle und Behandlungsmethoden entwickelt. Die häufigsten der Bedingungen, die ein Verhalten (hier Angst) weiter aufrechterhalten können, sind nachfolgend dargestellt.

6.2.1 Vermeidungsverhalten und negative Verstärkung Besonders Ängste können sehr lange, über viele Jahre weiterbestehen. Das kann einerseits durch ein sehr stark wirkendes traumatisierendes Erlebnis bewirkt sein; andererseits oft durch Vermeidungsverhalten. Dies bedeutet, dass man der unangenehmen (= aversiven) Angst nicht wieder begegnen möchte, um nicht schon wieder Angst zu erleben. Somit vermeidet man solche mit Angst verbundenen Situationen, also die Angst auslösenden Stimuli. Dadurch spürt man natürlich eine Erleichterung und ist froh, der aversiven Situation (C-) entgangen zu sein, aber die Angst wird dadurch nicht abgebaut, sondern häufiger (s. Abb. 6.5). 

Vermeidung – oft negative Verstärkung  Mögliche Angstsituationen oder aversive Stimuli werden oft vermieden. Durch die Flucht davor (oder ihre Vermeidung) sinkt der Anspan­ nungspegel und Entspannung setzt ein. Das ist natürlich sehr angenehm. Deshalb wird das Vermeidungs- oder Fluchtverhalten häufiger, da es durch den Wegfall der negativen Konsequenz negativ verstärkt wird.

Abb. 6.5  Wirkung des Vermeidungsverhaltens – negative Verstärkung – Beispiel Hundeangst. Durch das Vermeiden des Hundeanblicks und der dadurch auftretenden Angst geht die Person z. B. auf die andere Straßenseite. Dadurch reduziert sie ihr aversives Gefühl (Angst), was kurzfristig Erleichterung bewirkt. Deshalb wird dann ihr Weggehen auf die andere Straßenseite häufiger werden: Es erfuhr durch den Abbruch der Angst eine negative Verstärkung. Aber langfristig bleibt die Angst bestehen oder wird sogar stärker, da weiterhin die Angstsituation vermieden wird und Gegenerfahrungen wie „Hund ist harmlos“ nicht gemacht werden können

6.2  Aufrechterhaltung der Angst

91

Hinzu kommt, dass eine positive Gegenerfahrung durch das Vermeidungsverhalten nicht möglich ist, nämlich den auslösenden Stimulus (S = Hund sehen) und die Angstsituation (R) können dadurch niemals als ungefährlich bzw. neutral erlebt werden. Also zielen viele verhaltenstherapeutische Methoden der Angstbehandlung darauf ab, das Vermeidungsverhalten abzubauen und die Angst auszuhalten. Damit werden über lange Zeiträume eingeschliffene Handlungen und Gefühle verändert und die bisherigen Auslöser als neutral erlebt. Das ist für Patienten nicht immer einfach, diese eingeschliffenen angstbesetzten Verhaltensmuster zu unterbrechen, auch wenn sie darunter leiden.

6.2.2 Operante Verstärkung ist ein Lernprozess innerhalb eines Systems Das Beispiel in Abb. 6.5 ist eine Vertiefung der in Abb. 6.3 dargestellten operant verstärkten Hundeangst. Es zeigt auf, dass die scheinbar einfache operante Verstärkung nur vordergründig eine eindimensionale Verstärkung ist. Vielmehr handelt sich hier oft um komplexe Verstärkungssysteme innerhalb eines sozialen Systems. Auswertung und Ergänzungen des Fallbeispiels (s. Abb. 6.5 und 6.6) Folgende Aspekte werden hier deutlich: • Eine operante Konditionierung ist nie einseitig ausgerichtet, da auch Verstärkungen meist von Sozialpartnern (Eltern, Geschwister, Peergroup etc.) gegeben werden. • Die verstärkenden Personen haben Motive, warum sie sich so (verstärkend) verhalten. • Hierbei sind Emotionen, Attributionen, Motivationen als Wirkfaktoren (Stimuli und/oder Reaktionen) etc. bedeutsam (s. Abschn. 5.3.2). • Da hier oft innerhalb eines sozialen Systems von Familie, Partnerschaft, Freundschaft gehandelt wird, müssen auch deren Motive, Verhalten etc. und Verstärkungen mitberücksichtigt werden. • So kann für das eine Kind das Trösten des Geschwisters Auslöser dafür sein, sich zurückgesetzt zu fühlen, also ein Zuwendungsdefizit zu haben (C + ). Dann kann das Kind Symptome entwickeln, um ebenfalls Zuwendung zu bekommen (C + ). • Ähnlich kann sich der Ehemann zurückgesetzt fühlen (C + oder C-) und dann auf sein Kind eifersüchtig werden. Das kann z. B. in Aggressionen gegenüber diesem Kind resultieren, was dann oberflächlich als Vater-Sohn-Problematik abgetan werden könnte – ohne die Verursachungen zu erforschen.

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6  Lerntheoretische Paradigmen

Abb. 6.6  Operante Verstärkung der Angst in einem System – Beispiel Familie. Die Abfolgen der einzelnen Auslöser, Verhaltensweisen und Verstärkungen im Diagramm sind nachstehend in ihrer zeitlichen Reihenfolge erklärt. 1. Das Kind weint bei Anblick eines Hundes. 2. Das Weinen ist für die Mutter der Stimulus, Schuldgefühle zu haben und sich z. B. als Rabenmutter zu fühlen. 3. Die Schuldgefühle sind Auslösereize für die Mutter, das Kind sofort zu trösten. Da die Mutter dem Kind in dieser Situation Zuwendung gibt, kann sie dadurch das Weinen ihres Kindes operant verstärken, also häufiger machen, wenn es demnächst einen Hund sehen wird. 4. Die Mutter vermeidet die drei aversiven Zustände, das Kind weinen zu sehen und Schuldgefühle zu haben, und sich als eine Rabenmutter zu bewerten. Dies ist die negative Verstärkung ihres Verhaltens, das Kind weiterhin zu trösten. 5. So wird das Kind weiterhin darin verstärkt, Angst vor einem Hund zu haben. Falls eine Generalisierung erfolgt, wird das Kind bei vermeintlichen Angst- oder Anspannungssituationen oder beim Anblick von Tieren, Fell etc. stets weinerlich sein oder Angst haben

Deutlich wird, dass in diesem Beispiel die Kette der Verstärkungen möglichst früh unterbrochen werden muss: • Die Mutter sollte von ihrem Mann darin unterstützt werden, keine Schuldgefühle beim Weinen ihres Kindes zu haben, sondern die Perspektive erkennen, dem Kind dann durch Nichtbeachtung zu helfen (Wegfall von Verstärkung C + ) und dadurch das Weinen abzubauen = löschen. • Da hierdurch für das Kind ein emotionales Defizit entsteht, könnte es nun andere Symptome oder Verhaltensweisen produzieren, um weiterhin die gewohnte Zuwendung zu erhalten.

6.2  Aufrechterhaltung der Angst

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• Also sollte es dann zum Ausgleich für alternative angemessene Verhaltensweise vermehrt Beachtung und Zuwendung erfahren = verstärkt werden. • Wenn der Vater dabei seine Frau unterstützt, sie für ihr geändertes Verhalten verstärkt und ihr mehr partnerschaftliche Zuwendung gibt, gelingt dies leichter. • Gleichzeitig bekommt er mehr Zuwendung von seiner Frau und die Beziehung zu seinem Sohn wird besser, da er nun nicht mehr eifersüchtig auf ihn sein muss.

6.2.3 Verstärkungen und Lernprozesse erfolgen in einem Verstärkungs- und Sozialsystem • Operante Verstärkungen erfolgen in einem Sozialraum, in dem Menschen Verstärkungen geben oder zurückhalten. • Ihr Verhalten wird durch externale Stimuli (sehen hören etc.) ausgelöst, aber auch durch internale Stimuli (Attribution, Emotion, Motivation, Emotion). • Dadurch werden sehr viele Kommunikationen oder Verhaltensweisen in einem Sozialsystem „gesteuert“, geregelt, bestimmt, verstärkt. • Durch unangemessene Verstärkungen und oft durch Vermeidungsverhalten werden unangemessene Verhaltensweisen (meist Verhaltensstörungen) aufgebaut und aufrechterhalten. • Veränderungen im Sinne einer Therapie der Störungen müssen innerhalb des auslösenden und aufrechterhaltenden Systems erfolgen. Das heißt Einbeziehung der beteiligten Personen in diesem System (Eltern, Geschwister, Freunde, Partner etc.) und deren Verhaltensänderung, indem sie ihre aufrechterhaltenden Systeme von Verstärkung, Belohnung, Vermeidung oder Bestrafung verändern. • Insgesamt kann sich dadurch das gesamte Familien- und Beziehungsgeflecht ändern. Die daraus resultierenden positiven und negativen Folgen und Wirkungen sollten bei der Behandlung mitbedacht werden. Differenzierte Diagnostik durchführen Bei Ängsten kann die direkte verhaltenstherapeutische Behandlung des Kindes genauso effektiv sein wie ein Spezialtraining von deren Eltern (Lebowitz et al. 2020). Diese Ergebnisse dürfen jedoch nicht verallgemeinert werden, da die kausalen und aufrechterhaltenden Bedingungen von Ängsten sehr unterschiedlich sind. Entsprechend sollten diese Verhaltenskontingenzen durch eine sehr differenzierte Diagnostik, evtl. auch durch Verhaltensbeobachtungen und Videoaufnahmen, abgeklärt werden. Siehe dazu auch die Fallbeispiele 5 (Abschn. 6.1.3 Höhenangst) und 10 (s. Abschn. 12.3.3 Angst als Opfer eines Hundeüberfalls).

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6  Lerntheoretische Paradigmen

6.2.4 Generalisierung Stimulusgeneralisierung. Lang oder intensiv erlebte Angstkonfrontation kann dazu führen, dass die Angst von immer mehr Stimuli ausgelöst wird, die dem ursprünglichen Auslösereiz ähnlich sind. Beispiel: Nicht nur der Hund Pluto löst die Angst aus, sondern alle Hunde, alle Tiere, generalisiert alle Felltiere – Felle, Pelze usw. Reaktionsgeneralisierung. Die Reaktion oder Vermeidungsreaktion nimmt in Stärke oder Häufigkeit zu. Aus Angst wird dann Panik bis hin zu Angstanfällen, Hilflosigkeit, Depression (Seligman 1983). Oder das Vermeiden ist dann nicht nur ruhiges Abwarten oder Weggehen, sondern schreiend, weinend wegrennen etc.

6.2.5 Dyskognitionen und Störungen der Selbstregulation Mit zunehmender Angstdauer können die damit verbundenen Kognitionen immer negativer werde und immer weiter von realen Gedanken abweichen. Derartige Dyskognitionen können z. B. sein: „Das ist ein gefährlicher Hund. Er guckt so blutrünstig. Ob sein Herrchen ihn wohl im Griff hat? Der kann sich schnell losreißen und mich anfallen!“ Auch können Fehl-Regulationen erfolgen, die die Störung weiter verfestigen, so z. B. in der Selbstbewertung oder in Kompensationsversuchen.

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Literatur

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Lerntheoretische Paradigmen und Neuropsychologie

Inhaltsverzeichnis 7.1 Instrumentelles (klassisches) Konditionieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 7.2 Operantes Lernen – Lernen durch Erfolg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 7.3 Lernen am Modell – Imitationslernen – Beobachtungslernen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 7.4 Kognitions- und Emotionsregulationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 7.5 Konkrete Ursachen von Ängsten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100

7.1 Instrumentelles (klassisches) Konditionieren Der für die Erhaltung des Individuums wesentliche Lernprozess ist die klassische, instrumentelle Konditionierung (Pawlow 1938). Es ist eine elementare Form des Lernens, nach der Lebewesen bestimmte Verbindungen zwischen einem Stimulus und den Folgen speichern und so codieren, dass sie in Gegenwart des Stimulus entsprechendes adaptives Verhalten zeigen. Bei der Synapsenübertragung von konditionierten Stimuli (CS) an die Amygdala (s. u.) erfolgt eine (klassische) Angstkonditionierung. Dabei wird das einst neutrale Vermeidungsverhalten durch eine spezifische synaptische Übertragung auf die Amygdala zum konditionierten Verhalten (CR). Es gibt also eine gewisse „Input-Spezifität“ bei der Reizverarbeitung, die zur Selektivität konditionierter Angstreaktionen dienen kann. Bei der Löschung der Angst kann das Extinktionslernen die Depolarisierung der durch Konditionierung veränderten Synapsen bewirken. Dabei behalten die durch Konditionierung veränderten Synapsen ihre Verbindungen jedoch weiterhin aufrecht (Kim und Cho 2017). Das erklärt die potenzielle Rückfallgefährdung, wenn das behandelte kritische Verhalten nicht hinreichend stabilisiert wurde.

© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer-Verlag GmbH, DE, ein Teil von Springer Nature 2020 H.-C. Kossak, Kognitiv-behaviorale Psychotherapie von Ängsten, Psychotherapie: Praxis, https://doi.org/10.1007/978-3-662-62323-7_7

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7  Lerntheoretische Paradigmen und Neuropsychologie

7.2 Operantes Lernen – Lernen durch Erfolg Ein Netzwerk neuronaler Verbindungen, das primär im präfrontalen Cortex angesiedelt ist, reagiert besonders auf Dopamin, ein Neurotransmitter für positive Gefühle, für Belohnung. Es besteht ein Belohnungs-Suchsystem, mit bestimmten Verhaltensweisen eine Dopaminausschüttung zu bewirken. Da auch hier eine enge Verknüpfung mit der Amygdala und dem Hippocampus vorliegt, werden die Ergebnisse relevanter Ereignisse im Gedächtnis abgespeichert. Somit kann erklärt werden, warum ein Verhalten durch Belohnung häufiger wird und man es bei Bedarf (Defiziten) aktiviert, d. h. mit diesem typischen erlernten Verhalten wieder aktiv Belohnungen zu bekommen.  Wichtig  Reize, die eine Belohnung vorhersagen, also z. B. die Vorfreude auf eine Belohnung, bewirken bereits die Ausschüttung von Dopamin, auch wenn das entsprechende Ereignis nicht eintritt (Panksepp 2004; Schultz 2006, 2007).

Da dieses Lernen hier nicht unbewusst von Reflexen (also unbeeinflussbar, sofort) ausgelöst wird, sondern gezielt eingesetzt wird, um einen positiven Zustand zu erreichen, wird es auch als operant bezeichnet. Dies beinhaltet, dass auch pathologische Verhaltensweisen durch operante Lernprozesse entstehen und aufrechterhalten werden können. Beilpiel: Aufbau von Problemverhalten durch Verstärkung

Sekundäres Trotzverhalten z. B. durch Zuwendung, sekundärer Krankheitsgewinn z. B. durch Kopfschmerz, Krankheit, Behinderung Zuwendung erhalten, Vorteile bekommen, geschont werden. ◄

7.3 Lernen am Modell – Imitationslernen – Beobachtungslernen Die Grundlage für das Imitationslernen bilden die Spiegelneuronen, eine Gruppe von Nervenzellen im prämotorischen Cortex (Rizzolatti und Sinigaglia 2008). Sie nehmen in Verbindung mit anderen Regionen, so auch mit Amygdala und präfrontalem Cortex, eine unbewusste Verarbeitung von Reizen und Emotionen vor. Die Befunde führen zur Annahme, durch die Spiegelneuronen Bewusstseinsvorgänge wie z. B. Gefühle, Bedürfnisse, Erwartungen in anderen Personen wahrzunehmen und diese in der eigenen Person ebenfalls zu erkennen, was die Theory of Mind beinhaltet. Sie befähigt zu sozialem Handeln, bei dem man sich auch in die Rollen anderer hineinversetzen kann (Bender und Beller 2013).

7.5  Konkrete Ursachen von Ängsten

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7.4 Kognitions- und Emotionsregulationen Zusätzlich zu diesen Bottom-up-Systemen liegt ein Top-down-Regulierungssystem vor, das in der Großhirnrinde angesiedelt ist und kognitive Kontrolle ausübt, indem es Emotionen beurteilt, kontrolliert und bei Erfordernis auch neu bewertet. Genau das ist die Grundlage der kognitiven Verhaltenstherapie. Der präfrontale Cortex ist direkt mit der Amygdala und dem Hypothalamus verbunden; er kann die Auffälligkeit von Reizen beurteilen und dann auch Neubewertungen der Reize vornehmen, also auch Emotionskontrolle ausüben. Dabei gibt es unterschiedliche Regulierungssysteme, die ihrerseits unterschiedliche Gefühlskategorien steuern und somit auf ein gemeinsames Ziel im präfrontalen Cortex oder der Amygdala unterschiedlich einwirken, also Top-down tätig sind (Kandel et al. 2000; Kandel 2014; Fonagy et al. 2004). Die Entdeckung der Neubewertungen beinhaltet auch, dass man die Ursache von Gefühlen bewusst erkennen muss, also kognitive Kontrollstrategien zur Emotionskontrolle benutzen muss.

7.5 Konkrete Ursachen von Ängsten Eine kurze exemplarische Übersicht über die konkreten Ursachen von Ängsten. Beispiel: Zahnarztängste (nach Kossak und Zehner 2011)

Die am Beispiel der Zahnarztangst konkretisierten Ursachen treffen auch auf alle anderen Ängste zu. Klassische Konditionierungen • Traumatische Erlebnisse bei der Zahnbehandlung (Lindsey und Jackson 1993) • Intensive Schmerzerfahrung in der frühen Kindheit (Thompson 1999) • Häufigkeit der Konfrontation mit der aversiven Zahnarzterfahrung • Physiologische Erregungszunahme während der Behandlung, unterstützt durch spezifische Gerüche, damit verbunden oft Stimulus-Generalisierung (Vermetten et al. 2007) Operante Verstärkung • Krankheitsgewinn durch Zuwendung, Verstärkung Lernen durch Angstmodelle • Angstmodelle durch Eltern, Geschwister (Jöhren et al. 2009) • Hören von Schauerberichten über Zahnarzterlebnisse etc. Kognitive Lernprozesse • Subjektive Bewertung der Situation ◄

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7  Lerntheoretische Paradigmen und Neuropsychologie

Literatur Bender A, Beller S (2013) Die Welt des Denkens – Kognitive Einheit, kulturelle Vielfalt. Huber, Bern Fonagy P, Gergely G, Jurist EL, Target M (2004) Affektregulierung, Mentalisierung und die Entwicklung des Selbst. Klett-Cotta, Stuttgart Jöhren HP, Enkling N, Heinen R, Sartory G (2009) Klinischer Erfolg einer verhaltenstherapeutischen Kurzintervention zur Behandlung von Zahnbehandlungsphobie. Deutsche Zahnärztliche Zeitschrift (DZZ) 64(6):377–382 Kandel ER (2014) Das Zeitalter der Erkenntnis. Pantheon, München Kandel ER, Schwartz JH, Jessell TM (2000) Principles of neural science, 4. Aufl. McGraw Hill Medical, New York Kim WB, Cho J-H (2017) Encoding of discriminating fear memory by input-specific LTP in the amygdala. Neuron 95(3):1129–1146 Kossak H-C, Zehner G (2011) Hypnose beim Kinderzahnarzt. Verhaltensführung und Kommunikation. Springer, Berlin Lindsey S, Jackson C (1993) Fear of routine dental treatment in adults: its nature and management. Psychol Health 8:135 Panksepp J (2004) Affective neuroscience: the foundations of human and animal emotions. University Press, Oxford Pawlow IP (1938) Versuch einer physiologischen Interpretation der Symptomatologie bei der Hysterie. In Pawlow (Hrsg), Zwanzigjährige Erfahrungen mit dem objektiven Studium der höheren Nerventätigkeiten (des Verhaltens) der Tiere, Leningrad Rizzolatti G, Sinigaglia C (2008) Empathie und Spiegelneurone: Die biologische Basis des Mitgefühls. Suhrkamp, Frankfurt a .M. Schultz W (2006) Verhaltenstheorien und die Neurophysiologie der Belohnung. Annu Rev Psychol 57:87–115 Schultz W (2007) Behavioral dopamine signals. Trends Neurosci 30(5):203–210 Thompson S (1999) Hypnose bei der Behandlung von Zahnbehandlungsängsten. Hypnose und Kognition 16(1+2):73–90 Vermetten E, Schmahl C, Southwick SM, Bremner JD (2007) Positron tomographic emission study of olfactory induced emotional recall in veterans with and without combat-related posttraumatic stress disorder. Psychopharmacol Bull 40:8–30

Teil II

Die Methodenkombinationen – Theorie und Praxis von Hypnose und Verhaltenstherapie Verhaltenstherapie – Methoden Nach der Definition der Verhaltenstherapie und der von ihr abgeleiteten Verhaltensanalyse werden ihre Therapieziele vorgestellt, die zur Selbstkontrollüberzeugung führen. Auch hier werden die einzelnen Methoden der Verhaltenstherapie (VT) nur sehr kurz und in den für die hier vorgestellte Kurztherapie bedeutsamen Aspekten vorgestellt. Die Methoden-Kombinationen Im Vordergrund steht die Kombination von Hypnose und moderner kognitivbehavioraler Therapie mit ihren Praxisanwendungen. Autobiografie In einem historischen Abriss wird die Entwicklung der Methodenkombination dargestellt. Sie ist ein Teil der Autobiografie des Autors ist, sozusagen seine Vita der Hypnose. Das Leben ist, was unser Denken daraus macht. (Marc Aurel)

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Verhaltenstherapie – Methoden

Inhaltsverzeichnis 8.1 Grundvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.1.1 Definition der Verhaltenstherapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.1.2 Die Verhaltensanalyse – Bedingungsmodelle des Verhaltens . . . . . . . . . . . . . . . 8.1.3 Das diagnostische Interview – funktionale Verhaltensanalyse . . . . . . . . . . . . . . 8.1.4 Indikation einer Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.1.5 Therapieplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.1.6 Praxis der Verhaltenstherapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.2 Therapieziele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.2.1 Allgemeine Therapieziele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.2.2 Therapieziele bei Angst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.2.3 Individuelle Zielabsprachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.2.4 Therapieziel Selbstkontrollüberzeugung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.2.5 Konkrete Ziele der Behandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.2.6 Selbstwirksamkeitserwartung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.2.6.1 Hypnose und Selbstwirksamkeitserwartung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.2.6.2 Erklärung aus Sicht der Neuropsychologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.3 Klassische Therapiemethoden – zur Psychotherapie bei Ängsten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.3.1 Klassische Konditionierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.3.1.1 Angstkonfrontation, Exposition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.3.1.2 Desensibilisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.3.1.3 Gegenkonditionierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.3.1.4 Stimulusveränderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.3.2 Operantes Lernen – Verlernen – Löschen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.3.2.1 Abbau des Verhaltens: Wegfall operanter Verstärkung der Angst . . . . . 8.3.2.2 Aufbau von Verhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.3.2.3 Veränderungen durch Kontingenzmanagement . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.3.3 Lernen durch Beobachtung – Lernen am Modell – Imitationslernen . . . . . . . . . 8.3.4 Kognitive Methoden zur Veränderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.3.4.1 Dyskognitionen verändern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.3.4.2 Selbstwirksamkeit erwerben: das zentrale Ziel der Therapie . . . . . . . . 8.3.4.3 Reframing – Umdeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer-Verlag GmbH, DE, ein Teil von Springer Nature 2020 H.-C. Kossak, Kognitiv-behaviorale Psychotherapie von Ängsten, Psychotherapie: Praxis, https://doi.org/10.1007/978-3-662-62323-7_8

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8  Verhaltenstherapie – Methoden

8.3.4.4 Priming – Bahnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.3.4.5 Imaginationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.3.4.6 Metaphern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.4 Kognitiv-behaviorale Therapie in Kombination mit Hypnose – oder umgekehrt . . . . . . 8.4.1 Gemeinsamkeiten von Hypnose und Kognitiv-behavioraler Therapie . . . . . . . . 8.4.2 Ein zentrales Ziel der Therapie: Vermittlung der Selbstwirksamkeit und Selbstkontrollüberzeugung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.4.3 Erforderliche Fertigkeiten zum Selbstmanagement und zur Selbstkontrollüberzeugung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.4.3.1 Selbstbeobachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.4.3.2 Selbstbewertung und Selbstverstärkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.4.3.3 Selbstkontrolle – Coping – Entscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.4.3.4 Selbstinstruktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.4.3.5 Zielklärung – Zielsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.4.3.6 Evaluation der Bewältigungsstrategien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.4.3.7 Therapeutische Hausaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.5 Aufgaben und Grundeinstellungen des Therapeuten in der kognitiven Verhaltenstherapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.5.1 Aufgabe des Therapeuten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.5.2 Relevante Grundeinstellungen des Therapeuten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.5.3 Der Patient wird in drei Aspekten unterstützt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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8.1 Grundvoraussetzungen Gerade die Verhaltenstherapie ist ein äußerst umfassendes Wissenschaftsfeld, das eine ständige Entwicklung erfährt. Für unsere Zwecke wollen wir uns nur auf die Grundaussagen und Grundannahmen beschränken.

8.1.1 Definition der Verhaltenstherapie Unterschiedliche therapeutische Verfahren, die sich an Lerntheorien orientieren, werden unter dem Begriff der Verhaltenstherapie zusammengefasst. Mit diesen Verfahren werden Verhaltensweisen einschließlich kognitiver, emotionaler und körperlicher Reaktionen aufgebaut, reduziert und modifiziert (Schulte 1999, S. 45). Dabei bedient sich die Verhaltenstherapie durchaus auch Methoden anderer Schulrichtungen, ganz pragmatisch und aus dem jeweiligen Interventionsbedarf heraus, was bereits von Lazarus (1973) als methodischer Eklektizismus vorgeschlagen wurde. Abgrenzung In Abgrenzung zu anderen Psychotherapiemethoden wird hier nicht mit z. B. „Persönlichkeit“ oder Konstrukten wie „Verdrängung“ oder „Unbewusstes“ gearbeitet, sondern mit dem sichtbaren und unsichtbaren Verhalten wie Emotionen, Gedanken, Imaginationen und deren Veränderungen.

8.1 Grundvoraussetzungen

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8.1.2 Die Verhaltensanalyse – Bedingungsmodelle des Verhaltens Die vorgenannten Modelle operanten menschlichen Lernens scheinen für sich genommen relativ einfach zu sein. Sie bestehen jedoch nicht absolut für sich, sondern haben sich durch bestimmte Faktoren im oder außerhalb des Individuums entwickelt. Entsprechend gilt es, den Ist-Zustand dazu genau zu erkunden. Das ist die horizontale oder situative Verhaltensanalyse. Zusätzlich ist auch die Genese, also auch die vertikale oder kontextuelle Verhaltensanalyse zur Lerngeschichte erforderlich. Dazu gehört die Exploration zahlreicher weiterer Bestimmungselemente des Verhaltens, erstmalig von Kanfer und Saslow (1969) als Verhaltensgleichung SORKC aufgestellt, die Bestandteil der Verhaltensanalyse ist (Abb. 8.1). Sie wurde später mehrfach ergänzt und modifiziert (Batra et al. 2000; Margraf und Schneider 2018; Schulte 1999). Zur Grundorientierung ist hier nur das Ursprungsmodell wiedergegeben.

8.1.3 Das diagnostische Interview – funktionale Verhaltensanalyse Die Diagnostik des gestörten oder abweichenden Verhaltens erfolgt über die Verhaltensanalyse. Ziel ist u. a., über die Feststellung eines Symptoms – wie im DSM – hinausgehend die auslösenden Ursachen der Störungen und ihre weiteren aufrechterhaltenden Bedingungen zu erkunden. Diese können im Individuum selbst

Abb. 8.1  Die Verhaltensgleichung nach Kanfer (1969) Bestimmte Stimuli bewirken (emotionale, motorische, kognitive etc.) Verhaltensweisen (R). Dabei sind zahlreiche Organismusvariablen (O) wirksam. Auf dieser Basis werden diese Verhaltensweisen dann durch bestimmte Gegebenheiten verstärkt (C), abhängig von deren Kontingenz (K), d. h. deren Häufigkeit, Regelmäßigkeit und zeitlich nahen Einwirkungen. S = innere und äußere Reizsituation, die das fragliche Verhalten (R) auslöst. 0 = individuelle biologische und lerngeschichtliche Ausgangsbedingungen der Person (Krankheit, Körper, psychosoziales Umfeld, Medikamente, Drogen etc.). R = Reaktion auf den Stimulus (S) nach der kognitiven, vegetativen, affektiven und motorischen Verarbeitung des Organismus. K = Art der Regelmäßigkeit der auf das Verhalten folgenden Konsequenzen (C). C = die als Folge des Verhaltens einsetzende Verstärkung (Belohnung, Bestrafung oder deren Entzug)

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8  Verhaltenstherapie – Methoden

liegen, z. B. bei Imaginationen oder Gedanken zur Angst oder in der sozialen oder physikalischen Umwelt. Somit handelt es sich hier um eine funktionale Analyse. Weitere Ziele liegen darin, mit der Verhaltensanalyse auch Ressourcen und Defizite, frühere und gegenwärtige Kompetenzen zu erkunden usw. (z. B. Schaller und Schemmel 2013). Aspekte der funktionalen Verhaltensanalyse (Kurzfassung der Verhaltensexploration) • Auslösende und aufrechterhaltende Bedingungen des kritischen Verhaltens, • Genese und Weiterentwicklungen der Problematik • Emotion, Kognition, Physiologie etc. (siehe hierzu das sieben-Faktoren-Schema, Abschn. 3.3.2). • Selbstregulation (z.  B. Kompetenzen, Selbst-beobachtung, -verstärkung, -be­wertung), • Ressourcen – Stärken, Kompetenzen (früher, heute) • Defizite (z. B. kognitiv, sozial) • Soziale Bedingungen (z. B. Normen, Regeln) • Umwelt (z. B. Stressoren, Beruf, Verstärkungsmöglichkeiten) • Organismus (z. B. Krankheit, Medikamente, Behinderung). Aus diesen Daten und ihrer Funktion untereinander lassen sich dann die Therapieziele und die Indikation bestimmter Interventionen ableiten, gefolgt von der differenzierten Therapieplanung der einzelnen Behandlungsschritte.

8.1.4 Indikation einer Therapie Die Indikation und damit die Zielbestimmung einer der vielen Interventionsmethoden setzt an verschiedenen Punkten an (Kossak 2015a): • An den auslösenden Ursachen und/oder den aufrechterhaltenden Bedingungen. • An den klinischen Diagnosen des DSM und deren Kriterien. • An den Verhaltensproblemen (target responses), die am ehesten Veränderungen und deren Generalisierung erwarten lassen. • Je nach Störung oder Interventionsmethode sind Unterziele (z. B. eine Entspannungsmethode erlenen) zu definieren, die es zu erreichen gilt.

8.1.5 Therapieplanung In Ergänzung zur Indikation einer Methode erfolgt die Planung der dann konkreten Vorgehensweisen, der Therapieziele. Diese sollen – basierend auf der theoretischen Erwägung der Indikation – nun so gestaltet sein, dass sie nach Prüfung des real Machbaren anwendbar sind. D. h. sie sollen die Situation, die Möglichkeiten und Fähigkeiten des Klienten berücksichtigend

8.2 Therapieziele

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e­rfolgsversprechend durchführbar sein und sollten mit ihm abgestimmt und abgesprochen werden.

8.1.6 Praxis der Verhaltenstherapie Die Verhaltenstherapie (VT) beinhaltet eine praktisch orientierte Form der Diagnostik und Behandlung, die sich jedoch streng an ihren grundlegenden Theorien orientiert. Durch ihre Vielfalt an Behandlungsformen und durch ihre relativ schnelle Wirksamkeit hat sie schnell den Zugang zu zahlreichen Anwendungsbereichen gefunden. Die VT hat sich primär als Zweig der Klinischen Psychologie entwickelt und ist inzwischen die häufigste Therapieform in der psychosozialen Versorgung: in der ambulanten und stationären Psychotherapie, Beratungsstellen, der kurativen Gesundheitsversorgung, der Prävention und Gesundheitsförderung, Rehabilitation, Pädagogik usw.

8.2 Therapieziele 8.2.1 Allgemeine Therapieziele Unabhängig von der Störung, Problematik oder Krankheit besteht das Ziel der kognitiven Verhaltenstherapie zwar darin, die Ursachen zu behandeln – oder falls nicht immer möglich wie z. B. bei Schmerzen nach Operationen – zumindest aber Kontrolle über die Lebensbedingungen oder eigenen Gedanken, Gefühle zu bekommen.

8.2.2 Therapieziele bei Angst Bei Angststörungen ist vordergründig und sehr evident das Ziel, in bestimmten Situationen angstfrei zu sein, sich auf eine bestimmte Weise verhalten zu können und seinen Verhaltensspielraum zu erweitern. Bereits hier können individuell sehr große Unterschiede in den Erwartungen des Patienten liegen. Mitunter sind zum Erreichen dieses Zieles „Angstfreiheit etc.“ sogar Zwischenziele zu vereinbaren wie z. B. Anerkennung durch den Vater (Fall 23), Fähigkeiten zu erwerben (Fall 18) oder Grenzen zu erkunden (Fall 21 und 22). Viele Personen fühlen sich ihrer Angst-Problematik ausgeliefert, was bis zur Hilflosigkeit (Seligman 1983) führen kann. Das lässt sie glauben, sie würden ausschließlich durch ihr Symptom kontrolliert: also external durch Lebensumstände oder andere Personen oder internal durch ihre eigenen Gedanken oder Gefühle: „Die Angst bestimmt mich.“ So ist oft das Haupt-Therapieziel die Rückgewinnung an Autonomie, Wohlbefinden, Selbstbestimmung, Leistungsmotivation und Verbesserung des Verhaltensspielraums usw.

8  Verhaltenstherapie – Methoden

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8.2.3 Individuelle Zielabsprachen Vor Beginn der Therapie sollten die vom Patienten gewünschten Ziele besprochen werden, um folgendes abzuklären: • • • • • •

Haben Patient und Therapeut die gemeinsamen Zielvorstellungen? Sind die gewünschten Ziele des Patienten realistisch? Sind die Wege und Methoden zu seiner Zielerreichung realistisch? Werden zur Zielerreichung Hilfen z. B. von anderen Personen erforderlich? Sind die Wege und Ziele vereinbar mit anderen Personen, Situationen? Ggf. müssen im Verlauf der Therapie neue Definitionen der Ziele und ihrer Erreichung erfolgen.

8.2.4 Therapieziel Selbstkontrollüberzeugung  Wichtig  Das weiterführende therapeutische Ziel der kognitiv-beha­

vioralen Therapie liegt meistens darin, nicht nur selbst aktiv ein Verhalten zu erreichen bzw. zu ändern, sondern dies auch als selbst bewirkt zu erleben und zu bewerten und davon zukünftig überzeugt zu sein. Nach der Attributionstheorie (Rotter 1966) hängt der Erfolg einer Therapie davon ab, ob das Individuum glaubt, dass die Veränderung durch äußere Faktoren (andere Personen, Ereignisse) oder durch sie selbst bewirkt werde. Der erlebte Ort der Kontrolle (locus of control) ist danach dann external oder internal und wird später als Kontrollüberzeugung bezeichnet (Reinecker 1999, 2000). In der Weiterentwicklung dieser Theorien wird weiter differenziert zwischen sozial-externaler Kontrollüberzeugung (Kontrolle durch andere Personen) und fatalistisch-externaler Kontrollüberzeugung (Kontrolle durch Zufall, Schicksal, Pech, Glück, Sterne…). Besonders depressive Patienten oder Patienten mit langer Störungs- und Leidensgeschichte geben sich ihrem „Schicksal“ passiv hin, erleben sich als ausgeliefert und hilflos. Oder sie bewerten, dass das Problem nur durch andere Personen lösbar ist, jedoch nicht durch sie selbst (= Fremd-Kausalattribuierung). Diese Kontrollüberzeugungen des Patienten wiederum müssen ebenfalls sehr differenziert betrachtet werden. Denn er kann durchaus der Überzeugung sein, dass das Problem zwar kontrollierbar = lösbar ist, aber nur durch andere Personen oder durch sonstige Ereignisse oder Interventionen. Das können Einsichten sein, die mitunter evtl. richtig sind und möglicherweise als Einsicht ein Unterziel der Behandlung darstellen können (s. Abschn. 8.2).

8.2 Therapieziele

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8.2.5 Konkrete Ziele der Behandlung • Der Patient soll sich selbst als den Verursacher seiner Handlungen bzw. Lösungen ansehen. Er erlebt dann seine Selbstwirksamkeit (self-efficacy). • Diese Selbstattribution beinhaltet nun: zu wissen, sein Problem selbst lösen zu können. • Ergebnis: Der Patient allein hat (mithilfe der Therapie) die Veränderungen in seinen Einstellungen etc. bewirkt. • Diese erlebte Selbstwirksamkeit führt dann zur Selbstkontrollüberzeugung und letztlich zu Selbstwirksamkeitserwartung (s. Abb. 8.2) – und bewirkt dadurch eine realistische Zukunftsperspektive (Frank 2017).

8.2.6 Selbstwirksamkeitserwartung • Wie deutlich wird, sind bei zahlreichen seelischen Störungen die Kau­sa­lat­ tribuierungen (internal vs. external) zur Verursachung des Problems bedeutsam. • Wichtig sind dann für die Lösung des Problems die Kontrollüberzeugungen des Patienten. Es soll von ihm die Überzeugung erreicht werden, dass das Problem kontrollierbar ist. • Danach ist ausschlaggebend, dass der Patient seine Selbstwirksamkeit erlebt und erprobt. • Schließlich ist er von seiner Wirksamkeit zur Veränderung so überzeugt, dass er eine Selbstwirksamkeitserwartung entwickelt, auf die er sich verlassen kann.

8.2.6.1 Hypnose und Selbstwirksamkeitserwartung In Hypnose kann diese Selbstwirksamkeit relativ schnell erlebt werden. Patienten sind immer wieder sehr erstaunt darüber, wie schnell oder leicht sie ihre Angst kontrollieren können. Deshalb ist in der Kurztherapie die Erlangung von Selbstwirksamkeit ein Zwischenziel, bis das Hauptziel Selbstwirksamkeitserwartung und ihre Realisierung im konkreten Handeln erreicht ist. 8.2.6.2 Erklärung aus Sicht der Neuropsychologie Die neuropsychologische Erklärung zur schnellen Veränderung dieser Angstbedingten bislang löschungsresistenten Selbstwirksamkeitserwartung ist wahrscheinlich in folgendem begründet: • Angeleitet durch den Therapeuten erlebt der Patient, dass er durch seine Mitarbeit positive Veränderungen selbst erreichen kann. • Er erlebt dies als Erfolg (C + ) und ist motiviert, weiterhin in dieser Weise zu kooperieren. • Dies beinhaltet, dass er weitere Erfolge erwartet, also Vorfreude auf weitere Belohnungen erlebt (C + ).

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8  Verhaltenstherapie – Methoden

Abb. 8.2  Therapieziel: Selbstkontrollüberzeugung Kausalattribuierungen zu Lösungsmöglichkeiten von psychischen Störungen: Ein Ereignis (Störung, Angst) wird nach seiner Verursachung bewertet. Danach gibt es verschiedene realistische und unrealistische Lösungsmöglichkeiten. Realistisch sind dabei z. B. Aussprachen mit Sozialpartnern, konkrete Handlungen oder kognitive Umstrukturierungen. Sind eines oder mehrere dieser Ziele durch den Patienten erreicht worden, erlebt er seine Selbstwirksamkeit, die seine Selbstkontrollüberzeugung bewirkt. Dadurch erfolgen die neue oder rückgewonnene Selbstbestimmung und Autonomie, denn er ist nun nicht mehr in seinem (emotionalen, motorischen, kognitiven) Spielraum eingeengt und kann seinem Lebensentwurf entsprechend frei handeln

8.3  Klassische Therapiemethoden – zur Psychotherapie bei Ängsten

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• Durch diese Erwartungen werden Dopamin oder Endorphine ausgeschüttet, die als Glückshormone positiv verstärkend wirksam sind – und die Selbstwirksamkeitserwartung bleibt aufrechterhalten (Schultz 2006, 2007, s. Abschn. 7.2).

8.3 Klassische Therapiemethoden – zur Psychotherapie bei Ängsten Von der Vielzahl der verhaltenstherapeutischen Interventionen sollen hier nur die wesentlichen genannt werden, die seit langem wissenschaftlich erprobt, erfolgreich und für die Kurztherapie bedeutsam sind. Dabei bilden die kognitivbehavioralen Therapiemethoden den Schwerpunkt, gefolgt von ihrer Kombination mit Hypnose. Ihre neuropsychologischen Wirkweisen sind relativ leicht aus den Darstellungen zur Neuropsychologie der Lerntheorien abzuleiten (s. Kap. 7). Bei der Vielfalt von verhaltenstherapeutischen Methoden erfolgt hier themenbezogen nur die Kurzdarstellung von Behandlungsmethoden bei Ängsten.

8.3.1 Klassische Konditionierung Als wesentliche Methoden sind zu nennen: Vermeidungsverhalten abbauen, unterbinden. Der Patient wird in solchen Fällen in einem längeren Prozess z. B. durch Annäherung dazu herangeführt, diese erweiterten Stimuli als ungefährlich zu erleben. Als Therapie bietet sich z. B. an, die angstauslösenden Stimuli in langsamer Steigerung auszuhalten und dabei ruhiger zu werden.

8.3.1.1 Angstkonfrontation, Exposition Durch eine Konfrontation mit den auslösenden Stimuli (Objekten, Situation) wird langsam ihre Ungefährlichkeit erkannt. Dazu dient die graduelle Annäherung, verbunden mit Entspannung. Je nach Phobie ist eine Exposition mit dem aversiven Reiz sehr schwer therapeutisch zu realisieren (Höhenangst, Flugangst, Tunnelangst). Dabei ist die physiologische und emotionale Belastung des Patienten recht hoch. Ziel der Expositions-Behandlung ist, die Situation so lange auszuhalten, bis sie vom Patienten als ungefährlich bewertet wird Mitunter müssen die Patienten sogar am Abbruch, also am Vermeidungsverhalten, gehindert werden (response prevention). Als hilfreich haben sich bei dieser Behandlungsform Selbstverbalisierungen erwiesen (Fliegel 1978). Diese waren wahrscheinlich der Übergang zur kognitiven Umstrukturierung. Moderne Konfrontation der Szenen erfolgen heute über 3D-Datenbrillen. Die langsame Gewöhnung an die Situation ist die Habituation.

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8  Verhaltenstherapie – Methoden

8.3.1.2 Desensibilisierung Lange bekannt aus der Geschichte der Verhaltenstherapie und Hypnose ist hier die systematische Desensibilisierung (Wolpe 1961). Sie wirkt durch die gestufte Abfolge im Wechsel von Entspannung und Phobiesituation – entweder in der Realsituation (= in vivo) oder in der Vorstellung bzw. Hypnose (= in sensu). 8.3.1.3 Gegenkonditionierung Bereits in den Anfängen der Lerntheorien entdeckte man durch Life-Experimente, dass durch klassische Konditionierung erlernte Verhaltensweisen wie Angst abgebaut werden können, wenn bei der Anwesenheit des auslösenden Stimulus gleichzeitig ein damit unvereinbares neues Verhalten (N) gekoppelt wird. Dadurch nimmt die Angst ab (extinction) und wird reziprok gehemmt.  Gegenkonditionieren– die Definition  Eliminierung einer Stimulus-ReaktionsVerbindung durch die Koppelung einer alternativen Reaktion an den Stimulus, wobei die neue Reaktion größere Stärke als die ursprüngliche Reaktion besitzt (Reinecker 1999, S. 164).

Das klassische Beispiel von Jones (1924, 1975)

Das Kind mit Angst vor einem Kaninchen bekommt bei dessen Anblick kontingent (also zeitgleich) etwas Schokolade zu essen. Das Verhalten „Schokolade essen“ (= Süßes) ist inkompatibel mit der Angst, die dadurch abgebaut wird. In Abschn. 6.1.1, Abb. 6.1 ist das Beispiel der Konditionierung einer Dunkelangst dargestellt. Hier in Abb. 8.3 wird es aufgegriffen, um nun daran die therapeutische Wirkung der Gegenkonditionierung zu veranschaulichen. ◄

8.3.1.4 Stimulusveränderung Diese Methode kann sowohl bei klassisch konditionierten als auch operant verstärkten Ängsten hilfreich sein: Der Stimulus, der bislang das Problemverhalten auslöste, wird objektiv oder in der Imagination verändert und kann dadurch seine auslösende Wirkung verlieren.

8.3.2 Operantes Lernen – Verlernen – Löschen Hier finden wir oft relativ einfache erscheinende Methoden, die jedoch mitunter die Kooperation anderer Personen erfordern, die bislang verstärkend wirkten und das Symptom dadurch aufrechterhielten. Es sollen nur die wesentlichen genannt sein.

8.3  Klassische Therapiemethoden – zur Psychotherapie bei Ängsten

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Abb. 8.3  Gegenkonditionieren – Beispiel Dunkelangst 1 Der Stimulus Dunkelheit (sehen, daran denken) löst Angst und ein erhöhtes Erregungsniveau aus = Dunkelangst, 2 Durch den Auslöser mentale und physiologische Entspannung wird als Reaktion das Erregungsniveau (in Amygdala) gesenkt, 3 Wird Entspannung bei realer oder imaginierter Dunkelheit durchgeführt, wird die Angst blockiert und nun setzt in Gegenwart des ehemaligen Angstauslösers (Dunkelheit) Beruhigung ein, 4 Der Stimulus Dunkelheit löst nun nicht mehr Angst aus, sondern neutrale Gefühle

8.3.2.1 Abbau des Verhaltens: Wegfall operanter Verstärkung der Angst Wie oben dargestellt, können Ängste auch durch positive Verstärkungen aufrechterhalten werden. In diesen Fällen muss diese positive Konsequenz (C + ) entfallen (C + ). In unserem Beispiel in Abschn. 6.1.2, Abb. 6.3 sollte die Mutter das Kind nicht mehr wie gewohnt sofort trösten. Das hört sich vordergründig gesehen und je nach gesellschaftlicher Erziehungsnorm rabiat an – deshalb sollte die Mutter Zuwendung (Verstärkung) dann geben, wenn das Kind die Konfrontation mit dem Hund etwas länger ohne Weinen aushalten kann. Dadurch kann das Kind langsam und schonend die Ungefährlichkeit des Hundes erleben und wird immer weniger weinen, bis es schließlich den Hund als für es angstfrei bewertet.

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8  Verhaltenstherapie – Methoden

8.3.2.2 Aufbau von Verhalten Hier bieten sich systematische Verstärkungen des gewünschten oder alternativen Verhaltens an wie z. B. das shaping besonders bei fehlenden Kompetenzen. Hierbei müssen – je nach Anzahl und Intensität der Defizite – langsam in kleinen Schritten Verstärkungen erfolgen. Später werden mögliche Einzelkomponenten miteinander verbunden (chaining). 8.3.2.3 Veränderungen durch Kontingenzmanagement Hier wird der Patient in die Lage versetzt, selbst die Kontingenzen (= auslösenden und verstärkenden Wirkungen) zu erkennen und zu steuern. Hierbei kommen wir zum Bereich der Selbstkontrolle und des Selbstmanagement (s. Abschn. 6.1.4 und 8.4.3).

8.3.3 Lernen durch Beobachtung – Lernen am Modell – Imitationslernen In ähnlicher Weise wie Angstvorbilder in ihrem motorischen und emotionalen Verhalten von anderen Personen kopiert werden, können diese wieder nach ihrer eigenen Angsttherapie als Modelle für Angstbewältigung und dadurch Angstfreiheit eingesetzt werden (Bandura 1969). Dazu dienen entweder direkte Beobachtung im Alltag, in der Therapiesituation, in der Imagination, also Hypnose.

8.3.4 Kognitive Methoden zur Veränderung Nachfolgend sollen nur die wesentlichen Aspekte genannt werden.

8.3.4.1 Dyskognitionen verändern Bei dysfunktionalen Gedanken ist therapeutisch hilfreich, entweder den Sokratischen Dialog zu führen (Beck 1986; Beck et al. 1996) oder die imaginative/ reale Gegenerfahrung z. B. durch Annäherung zu machen.  Praxistipp  In Hypnose sollte jedoch kein kognitiv-intellektueller Disput wie der Sokratische Dialog geführt werden. Hypnose soll mehr die mit dem Problem verbundenen Gefühle, Bewertungen und bildlichen Assoziationen begünstigen (s. Abschn. 2.5.8.4).

8.3  Klassische Therapiemethoden – zur Psychotherapie bei Ängsten

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8.3.4.2 Selbstwirksamkeit erwerben: das zentrale Ziel der Therapie Das Konzept der Selbstwirksamkeit aus der kognitiven Therapie bedeutet, dass die Person der Überzeugung ist, auch schwierige Situationen und Herausforderungen selbständig, aus eigener Kraft, erfolgreich bewältigen kann. Das beinhaltet, eine Selbstwirksamkeitserwartung selbst zu haben (Bandura 1977, 1997). Dieses Gefühl eigener Fähigkeiten beeinflusst ihre Wahrnehmung und ihre Leistung in vielfacher Weise (Zimbardo und Gerrig 2018). 8.3.4.3 Reframing – Umdeutung Watzlawick et al. (1974) prägten den Begriff Reframing, der von Virginia Satir in ihre systemische Familientherapie eingeführt und auch von der Hypnotherapie übernommen wurde (Satir und Baldwin 1991). Im Deutschen wäre er mit Umdeutung (Neurahmung) am besten zu bezeichnen. Da ein Bilderrahmen nur einen Ausschnitt einer Gesamtszene zeigt und den Blick eingrenzt, werden dadurch nur bestimmte Sichtweisen und Perspektiven möglich. Analog dazu wird durch Erlebnisse etc. unsere Sicht eingeengt. Indem wir diesen Betrachtungsrahmen verlassen, sind neue Deutungsmöglichkeiten und Vorstellungen oder Denkweisen möglich, z. B. Angstverhalten aus anderer Sicht erscheinen lassen. Formen des Reframing (Beispiele) Bedeutungsreframing: Für das entsprechende erlebte Problemverhalten wieder eine angemessene Bedeutung finden, ggf. durch Perspektivenwechsel. Kontextreframing: Erkennen, dass das Verhalten in einem anderen Kontext angemessen wäre. Fallbeispiel 6 – Todesangst

Zustandsbild Nach einem großen Konflikt bekam ein junger Mann auf der Autobahn einen Kreislaufkollaps. Als er im Krankenhaus ist, denkt er vorwiegend an Tod und Sterben. Die zahlreichen am Fenster vorbeifliegenden schwarzen Krähen sieht er als Vorboten des Todes. Diagnose Durch den Kreislaufkollaps und die damit verbundenen bedrohlichen Umstände haben sich reale Ängste (da Herzprobleme) und irreale Ängste in Form von Dyskognitionen entwickelt. Prognose Bei Weiterbestehen der Problemsituation sind bleibende und sogar zunehmende psychosomatische Beschwerden, bis hin zu Herzrhythmusstörungen anzunehmen.

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8  Verhaltenstherapie – Methoden

Therapie An erster Stelle stand nun, erst einmal die Dyskognitionen zu verändern, ggf. dann danach die Realängste zu behandeln. Nun wurde ihm vom Therapeuten in Hypnose eine Imaginationsszene angeboten, dass es gerade Karnevalszeit bei den Krähen sei und sie sich ulkig kostümieren, so z. B. die eine mit einer roten Pappnase, die andere mit einem Turban usw. Nach kurzer Zeit begann der Patient über diese verrückte Gesellschaft zu lachen, war entspannt und die Krähen wurden von da an von ihm als normale Vögel angesehen, die mitunter verrückt angezogen sind. Seine Todesängste waren im wahrsten Sinn des Wortes verflogen. Katamnese Wie viele der erhobenen Katamnesen basierte diese hier ebenfalls auf späteren Zufallsbegegnungen oder Berichten aus dem Freunde- und Bekanntenkreis. Der therapeutisch erzielte Angstabbau hielt auch hier über Jahrzehnte an. ◄

8.3.4.4 Priming – Bahnung Durch bewusst gesetzte oder zufällige Reize (cues) werden vorhandene Gedächtnisinhalte aktiviert und beeinflussen die nachfolgenden Ziel-Reize (targets) positiv oder negativ. Dadurch werden Kontextinformationen aktiviert, die top-down bestimmen, ob der Reiz erkannt und angemessen interpretiert wird (Mayr und Buchner 2007; Tipper 1985). Dieser Mechanismus ist in der Hypnose gut zu nutzen, indem der Therapeut Reizwörter, Imaginationen oder Metaphern verwendet, die darauf abzielen, bestimmte Erinnerungen, Gefühle oder ihrerseits wieder Imaginationen wachzurufen. Dieses psychologische Phänomen nannte M.H. Erickson (1966) „seeding“. 8.3.4.5 Imaginationen Früher waren Imaginationen „unwissenschaftliche subjektive“ Faktoren, werden dann jedoch in zahlreichen Therapieformen, so auch in der modernen VT, vielfach in unterschiedlichen Methoden angewandt, beginnend bei Wolpe (1961) bis zu Gegenwart (Kirn et al. 2009). Imaginationen, bildhafte Vorstellungen, sind ein Teil unseres Lebens, leiten u. a. kreative Vorgänge ein, zeigen Perspektiven auf und haben steuernde Funktionen in der Handlungsregulation, positive und negative Affekte, Details und ihre Zusammenhänge zu erkennen und zu lenken. 8.3.4.6 Metaphern Der Begriff der Metapher (meta = jenseits, über; pherein = bringen, tragen) beinhaltet, einen Sprachinhalt, Begriff, Impuls oder eine Idee indirekt über ein Bild oder einen bildlichen Vergleich zu kommunizieren. Dabei werden unterschiedliche Ebenen des Bewusstseins oder des Unbewussten angesprochen, die indirekten Zugang zu Erinnerungen oder Lösungen ermöglichen (Lakoff und Johnson 2018; Gordon 1978). „Ältere Schemata werden dabei auf neuere und komplexere Sachverhalte übertragen“ (Schmitt und Heidenreich 2020, S. 115), was auch in der kognitiven Verhaltenstherapie gebräuchlich wurde (Heidenreich und Michalak 2014); siehe auch Abschn. 9.7.

8.4  Kognitiv-behaviorale Therapie in Kombination mit Hypnose – ...

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8.4 Kognitiv-behaviorale Therapie in Kombination mit Hypnose – oder umgekehrt Alle vorgenannten und die folgenden Methoden der klassischen VT und der kognitiven Verhaltensmodifikation lassen sich in Hypnose anwenden und erleichtern dadurch zahlreiche Veränderungen, denn in Hypnose lassen sich unterschiedliche Szenarien und Problemsituationen ansprechen und plastisch erleben. Dadurch kann der Patient im geschützten Therapierahmen wichtige Teilaspekte des Selbstmanagements (s. u.) analysieren, erlernen und erproben, was ihm dann die Umsetzung in seine reale Problemsituation des Alltagslebens erleichtert.

8.4.1 Gemeinsamkeiten von Hypnose und Kognitivbehavioraler Therapie Die mehr emotional orientierten Methoden der Hypnose und die rationalen Methoden der kognitiv-behavioralen Therapie haben zahlreiche Gemeinsamkeiten. • Entspannung und Imagination als wichtige Elemente. • Verwendung kognitiver Strategien wie Reframing, Priming, Verstärkung. • Der Patient wird schrittweise in seiner Kooperation verstärkt (shaping). • Der Angstpatient wird langsam an die Angstsituation herangeführt (ggf. Habituation). • Rollenspiele bzw. Agieren in bestimmten Rollen mit bestimmten Handlungen. Fazit: Die beiden Methoden Hypnose und Kognitiv-behaviorale Therapie ergänzen oder überlappen sich sogar in ihren praktischen Vorgehensweisen. Sie sind gerade dadurch auf breiter Ebene schnell und effektiv anwendbar (vergleiche hierzu auch Tab. 2.3).  Praxistipp  Bei der Kombination der Selbstregulations-Therapie mit Hypnose ist es empfehlenswert, auch in Hypnose nur kurze und für den Patienten überschaubare Handlungssequenzen zu betrachten bzw. zu bearbeiten (= Microteaching). Dadurch behält der Patient stets den Überblick und wird nicht überfordert. Der Therapeut kann sofort (= kontingent) das Verhalten differentiell loben (= verstärken). Zusätzlich kann er den Patienten dazu ermutigen, sich selbst bei diesem Erfolg zu beobachten (seine Gefühle der Freude etc.) und sich dann selbst zu loben.

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8  Verhaltenstherapie – Methoden

8.4.2 Ein zentrales Ziel der Therapie: Vermittlung der Selbstwirksamkeit und Selbstkontrollüberzeugung Die Selbstwirksamkeit und die damit verbundene Selbstwirksamkeit-Überzeugung kann auf unterschiedlichem Weg vermittelt oder erlangt werden. Auch diese Methoden der Vermittlung sind leicht in Hypnose anzuwenden: • Erfolgserlebnisse – führen zur Stärkung der Selbstwirksamkeit (experience of mastery). • Beobachtung erfolgreicher Modellpersonen – besonders, wenn diese für ihr Verhalten (öffentlich) belohnt werden (vicarious experience). • Verbale Ermutigung – in bestimmten Situationen, sich diese Aufgabelösung zuzutrauen (verbal persuation). • Einfluss sozialer Gruppen – je nach Unterstützung und Gruppenerfahrungen wird die Selbstwirksamkeit-Überzeugung unterstützt oder geschwächt (social experience). • Interpretation eigener Emotionen und Empfindungen – physiologische und nonverbale Signale (Handschwitzen, Herzklopfen, Anspannung, Angst usw.) auf eine Anforderungssituation hin angemessen bewerten (emotional arousal).

8.4.3 Erforderliche Fertigkeiten zum Selbstmanagement und zur Selbstkontrollüberzeugung 8.4.3.1 Selbstbeobachtung Fähigkeit, das eigene Verhalten und dessen situationale Bedingungen zu beobachten. Nur auf dieser Basis wird der Klient in der Lage sein, später sein Verhalten situationsadäquat zu steuern. Der Patient soll bei der Selbstbeobachtung seine Aufmerksamkeit gleichzeitig auf die Ausführung der Handlung richten und dabei auch auf ihren Ablauf (z. B. sein Verhalten bei der Begrüßung einer schönen Frau; seine Gedanken beim Anblick seiner leeren Geldbörse; Angst, depressive Gedanken, Selbstmordgedanken, Versuchungen). 8.4.3.1.1 Ziele der Selbstbeobachtung Das Ziel Differenzierung beinhaltet: • Unterscheidungen zu erlernen zwischen objektiven Wahrnehmungen (Hund, Person, Prüfung) und subjektiven/kognitiven Verhaltensaspekten (Gedanke, Wünsche, Gefühl). • Unterschiedliche Aspekte oder Elemente eines Geschehens zu beobachten. • Auslöser für seine Verhaltensketten zu analysieren. • Kritische Situationen von unkritischen zu unterscheiden. • Entscheidungen zu treffen, ob eine Intervention erforderlich ist. • Eigene Fortschritte in der Differenzierung, Schnelligkeit und Sicherheit seiner Wahrnehmungen zu erleben.

8.4  Kognitiv-behaviorale Therapie in Kombination mit Hypnose – ...

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8.4.3.1.2 Positive Nebenwirkungen der Selbstbeobachtung Sehr häufig bewirkt die genaue Selbstbeobachtung, dass der Patient bereits nun schon selbst Schlüsse über seine Verhaltensabläufe und Reaktionsmuster ziehen kann. Daraus resultieren oft schon eigene Schritte des Patienten, sein Verhalten zu verändern (Kanfer et al. 2012).

Hypnose-Methoden: Distanzierung, Dezentrierung

• Sich selbst aus der Perspektive des „Kontrahenten“ zu beobachten • Die Gesamtszene aus der Sicht einer dritten Person sehen = Dezentrierung (Feffer und Suchotliff 1966). • Sich selbst in der Situation, aber als neutraler verborgener Beobachter sehen (Hidden Observer; Knox et al. 1974; Hilgard 1989). • Sich selbst innerhalb einer Altersregression erleben, z. B. frühere Ressourcen oder bessere Reaktions- oder Bewertungsmöglichkeiten zu erkennen.

8.4.3.2 Selbstbewertung und Selbstverstärkung Alle Änderungsprozesse im Leben werden durch die ständige Bewertung von Veränderungen initiiert und stabilisiert. Der Patient erlernt in der Therapie, das eigene Verhalten wahrzunehmen und im Hinblick auf seine Auslöser und Verstärker zu analysieren. Dabei wird er lernen, seine persönlichen schädigenden Bewertungen zu verändern (Misserfolg, Scham, Ärger, Stolz, Freude). Dies ist die Basis dafür, zu erkennen, in welchen Situationen und nach welchen geänderten Verhaltensweisen sich der Patient nun differenziert selbst verstärken soll. Hypnose-Methoden: Selbstverstärkung

• Oft müssen Patienten recht suggestiv auf ihre positive Selbstbewertung und Selbstverstärkung hingewiesen werden. • Die Handlungssequenzen sollten besonders in Hypnose ausreichend klein (= überschaubar, Microteaching) gewählt sein, da gerade in Hypnose kein kognitiv-intellektueller Austausch erfolgen soll, sondern Erkennen von Gefühlen und darauf aufbauendem Handeln (s. Abschn. 2.5.8.4).

8.4.3.3 Selbstkontrolle – Coping – Entscheidungen Therapeutische Aspekte sind hier: • Entscheidung: Aktives Eingreifen (= Veränderung der äußeren Situation) oder passives „emotionales Coping“ im Sinne einer Anpassung an die äußere Situation. • Aufbau/Einsatz konkreter Bewältigungsstrategien: „Muss ich die Welt ändern – oder muss ich mich ändern?“

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8  Verhaltenstherapie – Methoden

Wir begegnen hier Verhaltensweisen, die konflikthaft sein können: • Widerstehen von Versuchungen • Ertragen von aversiven Situationen Erforderlich ist hier, kontrollierende Reaktionen aufzubauen.

Hypnose-Methoden: Erproben und Einüben von Handlungen

• In der Hypnose-Szene lernt der Patient anhand unterschiedlicher realer Szenen, seine Möglichkeiten des Coping einzuschätzen und als konkretes Verhalten während und nach der Hypnose durchzuführen (behavior rehearsal). • Dabei kann er ebenfalls kleine Handlungssequenzen zur Übung nutzen – oder zur Vorbereitung des posthypnotischen Verhaltens in der Realsituation. • Gerade bei Versuchungssituationen kann in Hypnose eingeübt werden, alternative Verhaltensweisen zu erkennen, mental und dann real durchzuführen.

8.4.3.4 Selbstinstruktion Da der Patient dazu befähigt werden soll, sich selbst zu beobachten, zu bewerten und angemessen zu handeln, muss er es lernen, die bisherigen Instruktionen des Therapeuten zu internalisieren, d. h. sich in den einzelnen Stufen der Therapie Selbstinstruktionen zu erteilen. • Definitionen finden: Er muss sein Handeln (auch Kognitionen, Emotionen etc.) klar und präzise definieren lernen. • Ziele: Er muss in der Lage sein, die Verhaltensziele und Unterziele positiv zu formulieren.

Hypnose-Methoden: Selbstinstruktionen und posthypnotische Aufgaben

• Der Patient lernt es, die anfänglich vom Therapeuten gegebenen Instruk­ tionen/­Suggestionen sich selbst zu erteilen. • Dazu gehören auch mögliche posthypnotische Aufgaben zu erledigen. Er gewinnt dadurch Handlungssicherheit und eine bessere Zielorientierung.

8.4.3.5 Zielklärung – Zielsetzung Gemeinsam mit dem Patienten werden (nach erfolgten intensiven Verhaltensanalysen) seine Ziele, Zielerwartungen, Wünsche etc. abgeklärt. Dabei muss eine Prüfung erfolgen: • Realitätsgehalt, dieses Ziel erreichen zu können – bei gegebenen Möglichkeiten, sozialen, finanziellen und persönlichen Grenzen.

8.4  Kognitiv-behaviorale Therapie in Kombination mit Hypnose – ...

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• Umsetzbarkeit: Kann das (realistische) Ziel bei den gegebenen (sozialen, intellektuellen, materiellen, usw.) Grenzen umgesetzt und erreicht werden? • Sozialrahmen: Müssen andere Personen hinzugezogen oder „entfernt“ werden, um diese Ziele zu erreichen?

Hypnose-Methoden: Zielerprobung

• In unterschiedlichen Szenen kann der Patient erleben, welche seiner Ziele angemessen sind und dann die von ihm gewünschten realen Effekte erbringen. • Ggf. muss der Patient aus der Sicht Dritter beobachten, dass seine Fähigkeiten begrenzt sind und umdefiniert werden müssen. • Gleichzeitig kann er erfahren, dass ggf. Dritte hinderlich, aversiv, noxisch sind und andere wiederum supportiv, wohlwollend, verstärkend, guttun.

8.4.3.6 Evaluation der Bewältigungsstrategien Effektivitätsbeurteilung eigener Handlungen in der Realität („Mache ich es richtig, d. h. effektiv?“). Hypnose-Methoden: Bewertung

• Aus der Sicht Dritter (z. B. Modellperson, andere Perspektive) erlebt der Patient seine Veränderung und erkennt deren Effektivität (Dezentrierung). • Mittels z. B. der „Videorecordermethode“ erlebt er seine früheren Verhaltensweisen und im Kontrast dazu seine neu erworbenen und effektiven Kompetenzen. Er kann mit dieser Methode Szenen ansehen, langsamer oder wiederholt ablaufen lassen bzw. beobachten.

8.4.3.7 Therapeutische Hausaufgaben Der Patient bekommt stets klar formulierte therapeutische Hausaufgaben. Entsprechend seinen Fortschritten und Möglichkeiten wird mit ihm vereinbart, bestimmte überschaubare Situationen aufzusuchen und gemäß den gerade erforderlichen Fähigkeiten (s.o.: Selbstbeobachtung, Coping, Selbstbewertung etc.) zu erproben bzw. anzuwenden. Hypnose-Methoden: Hausaufgaben, Selbsthypnose

Hausaufgaben mit Hypnose können z. B. sein: • Erlernen und Anwenden einer Entspannungs- oder Ruheszene (Überallmethode, s. Abschn. 11.4). • Einüben von Selbsthypnose

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8  Verhaltenstherapie – Methoden

• Beobachtung des eigenen Verhaltens in Selbsthypnose und ggf. notieren für das nächste Therapiegespräch. • In Selbsthypnose Durchführung bestimmter Aufgaben wie: Beobachtung von Eigenbewertung, Selbstbeeinflussung von Gefühlen und/oder Verhaltensweisen. • In Selbsthypnose Selbstinstruktionen als posthypnotisch wirkende Aufgaben an sich selbst. • Ausführen und erproben der neu erworbenen Handlungen oder Einstellungen in der relevanten Alltagssituation.

8.5 Aufgaben und Grundeinstellungen des Therapeuten in der kognitiven Verhaltenstherapie Bedingt durch die kognitiv-behavioralen Theorien und ihre sehr unterschiedlichen Anwendungsmethoden werden an die Arbeitsweisen des Therapeuten bestimmte Anforderungen gestellt. Diese unterscheiden sich in vielen Aspekten jedoch kaum von denen anderer Therapierichtungen.

8.5.1 Aufgabe des Therapeuten • Aufgabe des Therapeuten ist u. a., eine doppelte Blickrichtung zu haben: bestimmte Verhaltensweisen zu isolieren und trotz einer möglichen künstlichen Zergliederung den Gesamtkontext angemessen zu berücksichtigen: „Global denken, lokal handeln.“ • Darin wird auch der Systemansatz deutlich: „Systeme“ wie Freunde, Partner, Familienmitglieder und deren Bedeutung (z. B. als kognitive Auslöser) für den Patienten (z. B. als Verstärker/Bestrafer) zu erkennen.

8.5.2 Relevante Grundeinstellungen des Therapeuten • Aktive Beteiligung des Patienten, so bei Handlungen, Problemlösungen, Selbstbeobachtung, Entscheidungen. Aufgabe des Therapeuten ist es, den Patienten so zu unterstützen, dass er zunehmend mehr/öfter selbständige Strategien zur Problemlösung in Gang setzt. • Ziele werden in jedem Einzelfall konkretisiert. Der Patient wird darin angeleitet, positive und realistische Therapieziele zu entwickeln und zu realisieren. Konkretisierung beinhaltet auch, dass der Patient es lernt, die Auslöser seines Verhaltens bei sich und im Umfeld zu erkennen und zu differenzieren. • Zukunftsorientierung. Der Patient soll seine Probleme vor seinem psychologischen Hintergrund verstehen und kann dann Änderungsschritte erkennen und planen. Der Patient macht so die Einsicht in sein Leben für sich zukünftig nutzbar.

Literatur

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8.5.3 Der Patient wird in drei Aspekten unterstützt • Lernen, das eigene Verhalten in speziellen Situationen (z. B. Reaktionen in Konfliktsituationen) in Richtung der persönlichen Ziele zu steuern. • Lernen, spezielle physiologische Erregungsmuster und Emotionen zu erkennen, zu beeinflussen oder ggf. zu verhindern (z. B. Angst, Schmerzerfahrung). • Lernen, mit kognitiven (gedachten, imaginierten) Prozessen (z. B. selbstabwertende Gedanken) zielführender umzugehen und die kognitiven Prozesse in Einklang mit den eigenen Zielvorstellungen zu bringen. Zu weiteren Ausführungen siehe Kanfer et al. (2012).

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8  Verhaltenstherapie – Methoden

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Eine kleine Geschichte der Kombination von Hypnose mit Verhaltenstherapie

Inhaltsverzeichnis 9.1 Pawlow und die Hypnose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.2 Bedeutsam für die Gegenwart: Erklärung der Hypnose-Induktion nach Welch . . . . . . . 9.3 Ergebnisse aus der frühen Hypnose-Forschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.4 Die frühe Anwendung der Verhaltenstherapie und Hypnose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.5 Wege zur Kausaltherapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.6 Autobiografie – Beginn meiner Hypnoseerfahrungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.7 Die kognitive Wende in der Verhaltenstherapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.8 Gemeinsamkeiten von kognitiver Verhaltenstherapie und Hypnose . . . . . . . . . . . . . . . . 9.9 Die Kurztherapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Dieser Kurzabriss soll aufzeigen, welchen gemeinsamen historischen Weg Hypnose und Verhaltenstherapie gegangen sind. Da ich an dieser Entwicklung mitbeteiligt war und auch weiterhin daran arbeite, ist der Abschnitt eine Art Autobiographie. Was heute durch differenzierte moderne Curricula der etablierten Hypnose-Gesellschaften und zahlreiche Fachbücher zur Hypnose und Verhaltenstherapie selbstverständlich ist, wurde historisch entwickelt. Es fand in beiden Wissenschaftsbereichen eine deutliche Entwicklung statt, die Basisarbeit und Begeisterung verlangte.

9.1 Pawlow und die Hypnose Aufgrund seiner Forschungsergebnisse entwickelte Pawlow (1923, 1938) auch eine Theorie zur Erklärung des Schlafes und der ihm ähnlichen Hypnose. Im Mittelpunkt steht dabei ein neuro-physiologisches Modell der Inhibition. Danach werden durch Hemmung und Erregung bestimmter dafür zuständiger © Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer-Verlag GmbH, DE, ein Teil von Springer Nature 2020 H.-C. Kossak, Kognitiv-behaviorale Psychotherapie von Ängsten, Psychotherapie: Praxis, https://doi.org/10.1007/978-3-662-62323-7_9

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Zentren im Gehirn Schlaftiefe und Hypnosetiefe geregelt. Diese von Pawlow als Rapportzonen benannten Bereiche werden durch verbale Suggestionen erreicht und bedingen die physiologischen Mechanismen der Hypnose. Worte werden hier zu bedingten Reizen für Verhalten bzw. Erleben in Hypnose. Weiterführend kann Hull (1933) schon sehr früh nachweisen, dass in Hypnose Konditionierungen, also Lernprozesse, möglich sind – und hypnotische Phänomene den gleichen Lerngesetzen folgen wie z. B. motorische Handlungen. Welch (1947) sieht Hypnose als abstraktes Konditionieren an, denn eine spezielle Lernphase zur Koppelung der Reize sei nicht erforderlich, da allein die Vorstellung relevanter Reize die dazu gehörende Empfindung, Reaktion auslöse. Er übersieht dabei, dass die Vorstellungen ihrerseits meist bereits konditionierte Verhaltensweisen (wie Bilder, Gefühle) sind.

9.2 Bedeutsam für die Gegenwart: Erklärung der Hypnose-Induktion nach Welch Der Therapeut gibt Instruktionen (= verbale Reize „Sie betrachten den Punkt“), auf die der Patient mit Compliance reagiert und der Instruktion gemäß den Punkt fixiert (= Reaktion). Dies ist wiederum für den Therapeuten ein Hinweisreiz, weiter zu formulieren wie „Ihre Augenlider werden immer schwerer“, was wiederum für den Patienten der Stimulus ist, die Augen zu schließen usw. Dies beinhaltet, dass Therapeut und Patient sich in einem gegenseitig bedingenden Regelkreis befinden, bis das Ziel der Induktion (Augenschluss, Entspannung) erreicht ist (Welch 1947). Hier wird operante Verstärkung mit klassischer Konditionierung kombiniert. Ausführliche Darstellungen zur Induktion befinden sind in Abschn. 3.1.

9.3 Ergebnisse aus der frühen Hypnose-Forschung Schon bald erfolgen zahlreiche Experimente, die Bedingungsfaktoren, Merkmale und Wirkungen der Hypnose naturwissenschaftlich erkunden. Die damaligen einfachen Anfangsuntersuchungen erbringen Befunde, die zur Anwendung von Hypnose – besonders in Kombination mit Verhaltenstherapie – ermutigten (Kossak 1991). Die frühen Ergebnisse sind u. a. • Unter Hypnose erworbene Konditionierungen (Lernprozesse) sind löschungsresistenter als ohne Hypnose (z. B. Hudgins 1933; Barrios 1973). • Die Dauerhaftigkeit des in Hypnose Erlernten ist damit klar nachgewiesen (Smolenskii-Ivanow 1955). • Die Generalisierung von in Hypnose erlerntem Verhalten auf ein Verhalten außerhalb der Hypnose ist nachgewiesen (z. B. Welch 1947).

9.5  Wege zur Kausaltherapie

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9.4 Die frühe Anwendung der Verhaltenstherapie und Hypnose Wolberg (1948) war wahrscheinlich der Erste, der gezielt Verhaltenstherapie mit Hypnose kombinierte, indem er in Hypnose Desensibilisierungen und Rekonditionierungen vornahm. Wolpe (1961) ist ein weiterer Begründer der VT; er machte Wolbergs Methode als Systematische Desensibilisierung bekannt. Die dabei geforderten abwechselnden Vorstellungen der belastenden Szene und der Ruheszene führte er bereits in Hypnose durch. Nicht zu vergessen ist Salter (1973). Als strikter Gegner der Psychoanalyse, die primär subjektiv-interpretierend arbeitet, weist er mit Konditionierungen in Hypnose naturwissenschaftlich begründbare Therapieerfolge auf. Die berühmte Fachzeitschrift International Journal of Clinical and Experimental Hypnosis widmet Band 1 (1973), ausschließlich dem Thema Hypnose und Verhaltensmodifikation. Viele Autoren verwenden anstatt konventioneller Vorstellungen Hypnose-Bilder; erzielt werden dadurch verbesserte Entspannung, Verbesserung der Imaginationen und erleichterte Anwendung bei schwierigen Patienten (Dengrove 1973, 1976). Auf der Basis dieser neuen Erkenntnisse publizierten Kroger und Fezler (1976) ihr Standardwerk Hypnosis and Behavior Modification. Es gab wunderbare Anregungen durch plastische Hypnoseszenerien wie „Shangrila, Rotkehlchenszene etc.“. Diese waren jedoch – wie damals dem Stand der VT entsprechend – primär auf die Symptomveränderung ausgerichtet.

9.5 Wege zur Kausaltherapie Die neu entstandene VT hat erkannt, dass Konditionierungen körperliche und seelische Krankheiten und Störungen verursachen können. Entsprechend bestand die Behandlung primär in Lernprozessen und Konditionierungsmaßnahmen, die diese Symptome beseitigten. So ist in den damals publizierten Büchern primär zu finden, bei welchen Symptomen bestimmte Konditionierungen/Lernmethoden einzusetzen sind. Hier begegnen wir den Parallelen zu den früheren Hypnose-Suggestionen, die ebenfalls darauf ausgerichtet waren, Symptome zu entfernen. Die für Medizin, Psychotherapie und Hypnose bedeutsamen Forschungen zur Verursachung von Störungen begannen zu diesen Zeiten langsam. So wurden in den vorgenannten Bereichen auch erkannt, dass allein die kausale Therapie sinnvoll und effektiv ist (vgl. Abschn. 2.4.5). Ungefähr zeitparallel zeigte die Verhaltenstherapie-Forschung auf, dass man sehr wohl unterschiedliche Ursachen (Lernprozesse) für bestimmte Störungen/ Verhaltensweisen aufdecken kann. Dazu wurde die funktionale Verhaltensanalyse entwickelt, mit der Auslöser, aufrechterhaltende Bedingungen etc. exploriert

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werden und darauf aufbauend die Verhaltens-Diagnose erstellt werden konnte, die die Grundlage für differenzierte Therapieplanungen bildeten (Kanfer und Saslow 1969). Das war die Entstehung der Kausalbehandlung in der Verhaltenstherapie. Wenig später greift T.X. Barber diese behavioristischen Ansätze auf und entwickelt zusammen mit seinen Nachfolgern kognitiv-behaviorale Modelle der Hypnose (Barber und Wilson 1972), später kognitiv-behaviorale Theorien (Spanos 1991), gefolgt von sozial-kognitiven (Kirsch 1992; Kirsch und Lynn 1999). Inzwischen finden wir im Zeitraum der 1970er Jahre immer mehr Publikationen zur Kombination von Hypnose und VT, aber dennoch relativ wenige im Vergleich zu anderen Therapiekombinationen. Dabei fällt auf, dass vorwiegend Desensibilisierungen und relativ einfache Konditionierungen vorgenommen wurden, die noch in der alten Tradition der Symptomveränderung verankert waren.

9.6 Autobiografie – Beginn meiner Hypnoseerfahrungen Meine Berufserfahrungen beginnen direkt nach meinem Diplom in Psychologie (Nebenfächer Medizin, Philosophie, Humangenetik) 1969 in der Erziehungsberatungsstelle des Caritasverbandes in Bochum. Hier lag damals ein großer Bedarf an Beratung und Therapie vor, so z. B. für Enuresis, Ängste, Leistungsstörungen, Anorexie, Schulprobleme usw. Schnell begann ich eine Ausbildung als Verhaltenstherapeut und Gesprächspsychotherapeut. In den frühen 1970er Jahren begann dann die Phase, in der sich – weg von der Symptomtherapie – die Kausaltherapie der VT mit unterschiedlichen neuen Methoden entwickelte. Als damals einer der ersten ausgebildeten Verhaltenstherapeuten in Deutschland, folgte ich auch weiterhin den neuen Richtungen und Entwicklungen dieser nun neuen Verhaltenstherapie. Es war eine Art Pionierzeit, in der sich nennenswerte Therapien entwickelten. Bald merkte ich jedoch, dass bei manchen Fällen auch die gepriesene Verhaltenstherapie ihre Grenzen hatte. So suchte ich nach ihren Ergänzungen und kam aus Neugier zur Hypnose, die ich bislang belächelt hatte. Ich las die vielfältigen Befunde von T.X. Barber (1969) und das dicke und sehr umfassende Lehrbuch von Kroger (1977). Je mehr ich darüber las, umso neugieriger wurde ich. Diese wissenschaftlich fundierten Berichte überzeugten mich so, dass ich eine Hypnoseausbildung begann. Wir waren damals etwa zwanzig von Hypnose Beeindruckte voller Begeisterung und verbreiteten die moderne Hypnose im deutschsprachigen Raum.

9.7 Die kognitive Wende in der Verhaltenstherapie Im Laufe der Jahre wurde dann in der Verhaltenstherapie erkannt, dass auch Imaginationen, Gedanken, Emotionen, Motivation und Attribution wesentliche Bestimmungselemente des Verhaltens sind und in der Verursachung, Aufrechterhaltung und Therapie sehr bedeutsame Rollen einnehmen. Es ist die sog. zweite Welle.

9.7  Die kognitive Wende in der Verhaltenstherapie

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Durch die Therapieanwendung der Hypnose war es für mich jedoch bereits selbstverständlich geworden, diese kognitiven Aspekte in die Diagnostik und Therapie mit VT zu integrieren. Die Nutzung von Imaginationen war damals nur im Bereich der erwähnten Desensibilisierung bekannt. Denn bislang wollte man gegenüber der philosophisch ausgerichteten Psychoanalyse eine streng naturwissenschaftlich fundierte, erklärbare und fassbare Therapie einführen. Imaginationen hatten hierbei natürlich kaum eine Existenzberechtigung. Ebenso waren Metaphern unkontrollierbare, naturwissenschaftlich nicht objektiv messbare Faktoren. Fallbeispiel 7 – Beinspastik

Zustandsbild und Diagnose Im Laufe dieser Entwicklungen von moderner Hypnose mit indirekten Ansätzen und moderner kausalorientierter Verhaltenstherapie wurde ich vom Psychiater einer Klinik gebeten, einen Jugendlichen zu behandeln. Er hatte von Geburt an eine Beinspastik, die ihn sehr einschränkte. Nach einer orthopädischen Operation wollte er nicht mehr gehen und seinen Rollstuhl nicht verlassen. Anfangs ratlos, entnahm ich seiner Exploration, dass er Angst vor Bewegungen hatte, die Schmerz bewirken könnten. Therapie Also entschloss ich mich, Hypnose anzuwenden, indem ich ihm mit indirekten Suggestionen und Bildern Vorstellungen von angenehmen Beinbewegungen anbot. Er reagierte auf den Hypnosetest SHSS: A mit 10 von 11 Punkten, war also hoch hypnotisierbar, was mich damals als Verhaltenstherapie-Fachmann mit wenig Hypnose-Erfahrung beruhigte. Bereits nach einer Sitzung reagierte er positiv und erzählte sehr stolz von einem langen schmerzfreien Spaziergang mit seinen Eltern. Zu diesem Anfangserfolg kamen nun in der Familie zahlreiche verhaltenstherapeutische Veränderungen, um seine Eigenständigkeit weiter zu fördern. Katamnese Auch Jahrzehnte nach der Therapie blieb das Gangbild deutlich verbessert und schmerzfrei. ◄ Die Kombination von moderner kognitiver Verhaltenstherapie und moderner Hypnose Wenig später berichtete ich auf einem Kongress über diesen Fall und wurde von Prof. W. Bongartz, einem der „Urväter“ der modernen Hypnose in Deutschland, gebeten, den Fall in der Fachzeitschrift Experimentelle und Klinische Hypnose zu publizieren (Kossak 1983). Mit ihm stand ich von da an in regem Austausch. Bei der theoretischen Überlegung zu diesem Fall und den entsprechenden Literaturrecherchen zu Hypnose und Verhaltenstherapie stellte ich fest, dass ich in der deutschsprachigen und auch in der internationalen Fachliteratur zur Hypnose und Verhaltenstherapie wohl der Erste war, der einen Fall berichtete, in dem man moderne Hypnose mit moderner kausalorientierter kognitiver Verhaltenstherapie

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erfolgreich kombinierte. Es wurde mir somit erst im Nachhinein deutlich, was mir vorher als selbstverständlich erschienen war: beide Methoden optimal zu verbinden. Der Anfangserfolg mit diesem schwierigen Fall motivierte mich, Hypnose nun öfter im Kontext von Verhaltenstherapie anzuwenden und damit gute Ergebnisse zu erlangen. Entsprechend folgten dann in den späteren Jahrzehnten auch zahlreiche Publikationen (s. Literaturverzeichnis). 1987 lud mich Prof. V.A. Gheorghiu zu seinem „First Symposium on Suggestion and Suggestibility“ ein. Dort begegnete ich fast allen wissenschaftlichen Größen der damaligen Hypnosewelt und habe im direkten Austausch mit ihnen intensiv und viel über Hypnose lernen können. Unter anderem ergab sich die Gelegenheit, mich mit dem berühmten Prof. Hans Jürgen Eysenck, einem der Begründer der Verhaltenstherapie, zu unterhalten, der meine Kombination von VT und Hypnose begrüßte. In dem Zusammenhang fragte ich ihn, warum er in letzter Zeit nichts mehr über Hypnose veröffentlicht hatte. Darauf erklärte er mir, dass er einige Zeit im Maudsley Hospital (als Direktor der psychologischen Abteilung) gearbeitet habe und man ihm dort untersagt habe, in ihrem christlich geführten Hause weiterhin ausgerechnet mit Hypnose zu behandeln. Nun bemerkte ich besonders deutlich, wie tolerant mein Arbeitgeber als katholischer Geistlicher, Caritasdirektor Prälat Josef Ernesti, war. Vertrauensvoll akzeptierte er meine Hypnose-Tätigkeiten und Publikationen. Relativ häufig hatte ich als Teilnehmende in meinen späteren Hypnose-Seminaren auch Kolleginnen oder Kollegen aus kirchlichen Therapieeinrichtungen. Sie baten mich dann oft, zur Vorlage für ihre Arbeitgeber die wissenschaftliche und therapeutische Bedeutung der Hypnose und ihre Unschädlichkeit in Bezug auf Religion, christlichen Glauben und Anwendung bei Klienten zu bescheinigen. Weiterentwicklungen Wenig später entstand dann die Erstauflage meines Lehrbuch Hypnose (1989) als erstes deutschsprachiges Werk zur modernen Hypnose, dem innerhalb der nun über 30 Jahre fünf jeweils überarbeitete Auflagen folgten. Konsequent war dann die Einladung zu meiner Promotion zur Theorie und Praxis der Methodenkombination von Hypnose und kognitiver Verhaltenstherapie am Lehrstuhl Kognitionspsychologie der Universität Bremen (1992). Die Anwendung von Imaginationen wurde später als die dritte Welle der VT benannt. Für mich war sie bereits seit ca. 1970 eine selbstverständliche Methode. Seit der o.g. Falldarstellung folgten ca. 75 Publikationen, Fachbuchbeiträge und 5 Fachbücher zur Hypnose bzw. VT. Ebenso hielt ich seitdem als Referent zahlreiche Vorträge und Seminare u. a. zu der Methodenkombination auf unterschiedlichen nationalen und internationalen Kongressen und an Ausbildungsinstituten für Psychologen, Psychotherapeuten, Ärzte und an Zahnärztekammern. Heute befassen sich immer mehr Therapeuten mit der Kombination von VT und Hypnose, die Literatur dazu ist jedoch noch relativ rar, ebenso im englischsprachigen Sprachraum. Zu erwähnen sind hier Alladin (2008) und Chapman (2006), speziell zu Ängsten Golden (2006).

9.8  Gemeinsamkeiten von kognitiver Verhaltenstherapie und Hypnose

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9.8 Gemeinsamkeiten von kognitiver Verhaltenstherapie und Hypnose Beginnend mit der damals rein pragmatischen Kombination beider Methoden liegen bei kritischer wissenschaftlicher Betrachtungsweise zahlreiche Gemeinsamkeiten vor. Gemeint ist hier nicht eine Sammlung der Methodenkombinationen unterschiedlicher Theorien, die eher zu einer synkretischen Konfusion führen kann und inkonsistent ist. Vielmehr handelt es sich bei der Methodenkombination um einen technischen Eklektizismus, bei dem systematisch und nachvollziehbar gezielte Methoden dem Interventionsbedarf angepasst ausgewählt werden (Lazarus und Beutler 1993). Durch die nachfolgende mehr tabellarische Übersicht wird deutlich, wie ähnlich sich beide Therapiemethoden sind und sich teilweise nur durch andere, aber synonyme Fachtermini oder theoretische Einordnungen unterscheiden. (Zur besseren Überschaubarkeit entfallen hier bewusst die Querverweise zu anderen Kapiteln und Literaturangaben, die dort bereits enthalten sind). Gemeinsamkeiten von Hypnose und kognitiver Verhaltenstherapie – Grobübersicht • Anforderungen an den Therapeuten – in den relevanten Faktoren sind bei beiden Methoden identisch. • Entspannung – Zur Beruhigung des physiologischen Systems (z.B. Amygdala) und dadurch Reduktion von Gedankeneinengung bzw. Erweiterung von Denkund Handlungsmöglichkeiten, Lösungsmöglichkeiten. • Imaginationen – Plastische Innenbilder als lebendige Szenen (VAKOG) von ausgewählten Inhalten zur Diagnostik oder als Therapiemethode. • Metaphern – Indirekte Ansprache von verborgenen, unbewussten Gedanken, Problemstellungen, Lösungen. • Zugang zu unbewussten Prozessen – durch therapeutische Dialoge, Innenbilder, Metaphern, Impulse. • Herstellung und Veränderung komplexer Situationen – Realitätsbezogene Problemszenen (Innenbilder) erstellen, die im alltäglichen realen Therapiesetting nicht oder kaum zu ermöglichen sind oder zu aufwändig sind. Beispiel: Realszenen imaginieren bei Flugangst, Höhenangst, Tunnelangst, Redeangst, Auftrittsangst, Prüfungsangst oder bei sehr privaten Ereignissen wie z. B. bei Sexualängsten, Operationen, Prüfungen. • Auslöser und aufrechterhaltende Bedingungen – leichter erkennen, differenzierter analysieren, bewerten und ggf. verändern. • Konfrontation und Annäherung – In der Vorstellung können Annäherungen und Konfrontationen von mit Angst oder Problemen beladenen Situationen, Personen oder Objekten erfolgen.

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• Systematische Verstärkung – von Therapie-Kooperation und div. motorischen, emotionalen oder kognitiven etc. Verhaltensänderungen (Symptomveränderung). • Lenkung der Aufmerksamkeit – Die Aufmerksamkeit kann auf relevante Inhalte (Gedanken, Wahrnehmungen etc.) fokussiert oder von ihnen abgelenkt (distrahiert, dezentriert, dissoziiert) werden. • Perspektivenwechsel – Nach Bedarf die Sicht aus einer anderen Perspektive (anderen Person) = Dezentrierung – übernehmen (Hidden observer). • Förderung der Selbstbeobachtung, Selbstwahrnehmung bestimmter Verhaltensweisen (Handlungen, Gedanken, Gefühle etc.). • Verhaltensübungen – Komplexe oder kritische Situationen können erlebt, durchgespielt und erprobt werden. Dabei kann eine Aufteilung in einzelne überschaubare und beherrschbare Verhaltenssegmente erprobt und eingeübt werden (Microteaching). Dann erfolgen die Korrektur und Verstärkung der gewünschten Verhaltensänderungen und Einstellungen. • Aktivitätsförderung – von Handlungen, Gedanken, Lösungsansätzen. Weg vom Verharren hin zum Erproben. • Ressourcennutzung – Erkennen, anwenden und erproben von bekannten oder neuen Ressourcen und dadurch Verhaltensänderungen. • Priming – Durch bewusst gesetzte Reize (Worte, Metaphern, Geschichten, Gefühle, Gerüche usw.) können komplexe oder lange vergessene (bzw. unbewusst wirkende) Erinnerungen an Ereignisse ausgelöst werden – in Hypnose gezielt mittels z. B. Altersregression. • Kognitive Umstrukturierung – Reframing – Den Gedanken, Gefühlen etc. einen geänderten, hilfreichen Rahmen geben bzw. den früheren gewohnten positiven wiederzugewinnen. • Motivationsverbesserung in der Therapiekommunikation und der Umsetzung erarbeiteter Lösungsmöglichkeiten. • Erkennen und akzeptieren – von Einstellungen und Erwartungen, Befürchtungen – anderer Personen oder der eigenen Person. • Aufbau, Erleben und Erproben von Selbstwirksamkeit – Der Patient kann sofort seine neu erworbenen emotionalen oder kognitiven etc. Veränderungen in imaginierten Szenen erproben, um sie dann später in der realen Alltagssituation einzusetzen. • Handlungs- und Einstellungstransfer – Therapeutische oder imaginierte Handlungsübungen schaffen im Gehirn entsprechende neuronale Veränderungen und können dann später in der Realsituation als bereits gelernt und erfolgreich erprobt sicherer abgerufen und real abgehandelt werden. • Hohe Erfolgsquote, Effektivität und Ökonomie jeweils von VT und Hypnose. Zusammen eine Synergie, also Steigerung ihrer Effektivität.

Literatur

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 Wichtig  Die Vielfältigkeit der Hypnosemethoden bietet sehr viel Freiräume dafür, Bilder, Szenen, Metaphern etc. zu entwerfen und anzuwenden, also innerhalb der Therapie Kreativität zu entwickeln. Diese Kreativität ist aber nur dann sinnvoll, wenn sie nicht ihrem Selbstzweck dient, sondern in ein klares wissenschaftliches Therapiekonzept eingebunden ist. Das ist der große Vorteil der Methodenkombination von Hypnose und kognitiv-behavioraler Therapie.

9.9 Die Kurztherapie Im weiteren Verlauf meiner Hypnose-Erfahrungen wurde ich in ihrer Anwendung sicherer und lernte auch meine Fähigkeiten in dem Verfahren zu erkennen. Das führte zur Entwicklung der hier vorgestellte Kurztherapie von Ängsten, erstmals öffentlich vorgestellt und angewandt auf dem Jahrestag der SMSH (1989). Die hier im Seminar in Demonstrationen unter Fachleuten spontan erzielten Therapieerfolge bestätigten mich in der Richtigkeit meiner theoretischen Überlegungen und deren praktischen Umsetzungen. Hinzu kamen die zahlreichen positiven Rückmeldungen dazu in späteren Fachbegegnungen wie z. B. an Kongressen. Das verstärkte mich darin, die Methode in den späteren Auflagen meines Buches in differenzierterer Form darzustellen (Kossak 2013). Inzwischen habe ich sie mit sehr vielen Patienten stets erfolgreich durchgeführt und von ihnen auch nach Monaten und Jahren positive Rückmeldungen über die Wirkungen und den dauerhaften Erfolg der Methode erhalten.

Literatur Alladin A (2008) Cognitive Hypnotherapy. An integrated approach to the treatment of emotional disorders. John Wiley & Sons, Ltd., Chichester Barber TX, Wilson SC (1972) An experimental evaluation of the new cogitive-behavioral theory and the traditional trance-state theory of „hypnosis“. Ann N Y Acad Sci 296:34–47 Barrios AA (1973) Posthypnotic suggestion as higher order conditioning: A methodological and experimental analysis. Int J Clin Exp Hypn 21(1):32–50 Dengrove E (1973) The use of hypnosis in behavior therapy. Int J Clin Exp Hypn 21(1):13–17 Dengrove E (1976) Hypnosis and behavior therapy. C.C, Thomas, Springfield Golden WL (2006) Hypnotherapy for anxiety, phobias and psychophysiologigal disorders. In: R.A. Chapman (Hrsg) Hypnosis in Cognitive Behavior Therapy. Springer Publ., New York, NY, Comp., S 101–137 Hudgins CV (1933) Conditioning and the voluntary control of the pupillary light reflex. J Gen Psychol 8:3–51 Hull CJ (1933) Hypnosis and suggestibility: an experimental approach. Appleton Century Crofts, New York Kanfer FH, Saslow G (1969) Behavioral diagnosis. In: Franks CM (Hrsg) Behavior therapy: Appraisal and status. McGraw-Hill, New York, S 417–444

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Kirsch I, Lynn SJ (1999) Hypnotic involuntariness and the automaticy of everyday life. In: Kirsch I, Capafons A, Cardena-Buelna E, Amigó S (Hrsg) Clinical hypnosis and selfregulation: Cognitive-behavioral perspective. American Psychological Association, Washington, S 49–72 Kirsch I (1992). The social learning theory of hypnosis. In: Bongartz W (Hrsg) Hypnosis, 175 years after Mesmer; recent developments in theory and application. Universitätsverlag Konstanz, Konstanz, S 173–186 Kossak H-C (1983) Integration der Hypnose in das Konzept der Verhaltenstherapie. Experimentelle und Klinische Hypnose 1:45–56 Kossak H-C (1991) Hypnose und Verhaltenstherapie: Ein kurzer Rückblick. In: Peter B, Kraiker C, Revenstorf D (Hrsg) Hypnose und Verhaltenstherapie. Huber, Bern, S 40–45 Kossak H-C (2013) Hypnose. Ein Lehrbuch für Psychotherapeuten und Ärzte, 5. überarb. Aufl., Beltz, Weinheim Kroger WS, Fezler WD (1976) Hypnosis and behavior modification: imagery conditioning. Lippincott, Philadelphia Kroger WS (1977) Clinical and experimental hypnosis in medicine, dentistry and psychology. Lippincott, Philadelphia Lazarus AA, Beutler LE (1993) On technical eclecticism. J Couns Dev 71:381 Pawlow IP (1923) The identity of inhibition with sleep and hypnosis. Sci Monogr 17:603–608 Pawlow IP (1938) Versuch einer physiologischen Interpretation der Symptomatologie bei der Hysterie. In Pawlow IP (Hrsg) Zwanzigjährige Erfahrungen mit dem objektiven Studium der höheren Nerventätigkeiten (des Verhaltens) der Tiere. Leningrad Salter A (1949/1961) Conditioned reflex therapy. Capricorn, New York Smolenskii-Ivanoy AG (1955) Works of the institute of higher nervous activity. Pathophysiological series. Vol. l. The Academy of Sciences of the U.S.S.R., Moscow Spanos NP (1991) A sociocognitive approach to hypnosis. In: Lynch SJ, Rhue JW (Hrsg) Theories of hypnosis: current models and perspectives. Guilford Press, New York, S 324–361 Welch LA (1947) A behavioristic explanation of the mechanism of suggestion and hypnosis. J Abnorm Soc Psychol 42:359–364 Wolberg LR (1948) Medical Hypnosis (2 Vols.) Grune & Stratton, NewYork

Teil III

Die Praxis – Das Fallseminar

Nach den theoretischen und praktischen Grundlagen folgt nun die rein praktische Anwendung. Beschreibung der Methode Ausführlich und in kleinen Lernschritten und sehr praxisnah wird die Methode in allen Schritten und Details dargestellt. Fallvorstellungen Von den insgesamt 27 Falldarstellungen werden nun 16 sehr ausführlich dokumentiert: Mit Anamnese, Überlegungen zur Diagnostik und Therapieplanung, bis hin zur Therapiedurchführung mit anschließender Diskussion. Die eingefügten Studienfragen erlauben ein interaktives Lernen. Mit aufsteigenden Schwierigkeitsgraden in der Diagnostik und Therapieanforderung kommen wir zu den Grenzbereichen der Methode. Höhepunkt ist die Transkription des Videomittschnitts einer Therapiesitzung. Effektivität, Grenzen, Kontraindikationen, Effektivität Abschließend wird zusammenfassend die Effektivität und Anwendungsvielfalt der Methode aufgezeigt, gefolgt von Überlegungen zu ihren Grenzen und möglichen Kontraindikationen. Ich muss bereit sein, das aufzugeben, was ich bin, um das zu werden, was ich sein kann. (Albert Einstein)

Die Anwendung der Methode

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Inhaltsverzeichnis 10.1 Die Indikation der kognitiv-behavioralen Hypnose-Kurzform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.2 Anforderungen an den Therapeuten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.3 Vorbereitungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.3.1 Sitzanordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.3.2 Das Vorbereitungsgespräch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.3.2.1 Informationen zur Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.3.2.2 Aufklärung über Hypnose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.3.2.3 Aufbau von Erwartungen bezüglich der Hypnose-Wirkungen . . . . 10.4 Die Exploration des Patienten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.4.1 Ziele der Exploration – Vorsichtsmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.4.2 Ressourcen-Exploration – ist nicht nur Defizitorientierung . . . . . . . . . . . . . . 10.4.2.1 Exploration zur Ressourcenorientierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.4.2.2 Ressourcen helfen heilen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.5 Diagnoseerstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.6 Therapieplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Nach all den erforderlichen Einführungen und Theorien zur Hypnose, Angst und VT kommen wir nun zum praktischen Teil, der Anwendung der Methode der kognitiv-behavioralen Hypnose-Kurztherapie. Diese ist jedoch nur mit diesem Vorwissen möglich, denn eine Kurzform setzt das komplexe Wissen voraus, aus dem dann als Essenz die Kurzform herausgearbeitet, gewissermaßen abstrahiert wurde. Nun erfolgen konkrete Anleitungen und direkte Erklärungen zu den einzelnen Behandlungsschritten. Diese relativ große Anzahl mag anfangs verwirrend und vielleicht sogar überflüssig erscheinen. Da die Methode insgesamt sehr komplex ist, ist sie in einzelne überschaubare Behandlungsschritte unterteilt.

© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer-Verlag GmbH, DE, ein Teil von Springer Nature 2020 H.-C. Kossak, Kognitiv-behaviorale Psychotherapie von Ängsten, Psychotherapie: Praxis, https://doi.org/10.1007/978-3-662-62323-7_10

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10  Die Anwendung der Methode

Diese Schritte ergeben sich u. a. durch die dahinter liegenden Theorieanforderungen. Entsprechend werden die Inhalte und Vorgehensweisen der Einzelschritte oder Einzelmethoden jeweils ausführlich erklärt. Dadurch sind sie schnell nachzuvollziehen und dann leichter in konkretes therapeutisches Handeln umzusetzen. Die Falldarstellungen zeigen dann die real-konkreten Vorgehensweisen. Besonders die beiden Transkripte einer Therapiesitzung veranschaulicht die Methode plastisch.

10.1 Die Indikation der kognitiv-behavioralen HypnoseKurzform Der Anwendungsbereich der hier vorgestellten Intensiv-Kurztherapie bezieht sich zurzeit noch primär auf im ICD-10 (2020) codierbaren „klassischen“ Ängste und Phobien (ICD-10 F 40.x) und die anderen Angststörungen (ICD-10 F41.x), also auch Panikattacken (s. Kap. 4). Aber auch zur Raucherentwöhnung wurden damit dauerhafte Erfolge erreicht. Es ist anzunehmen, dass die Methode auch bei Versuchungssituationen wie z. B. zur Diäteinhaltung bei Adipositas hilfreich sein kann. Die EinzelfallErfolge mit kognitiv-behavioralen Hypnose-Methoden bei der Angstkontrolle bei Schizophrenie (Maurer 1992; s. Abschn. 13.3.3) und der Kontrolle der Anfallshäufigkeit bei Epilepsie (Heinz 1994; s. Abschn. 13.3.3) lassen annehmen, dass auch hier die Intensiv-Kurztherapie anwendbar wäre.

10.2 Anforderungen an den Therapeuten Die Methode ist eine Kurztherapie, die Erfahrungen in der Langtherapie von Ängsten voraussetzt, um als solche effektiv zu sein. Die Methode stellt folgende Anforderungen an den Therapeuten • Ausbildung als Arzt, Zahnarzt, Psychologe, Psychotherapeut und darauf aufbauend eine Zusatzausbildung in Hypnose. • Ausreichende Erfahrung in der Diagnostik, Therapieplanung und Behandlung von Ängsten – auch ohne Hypnose. • Ausreichende Erfahrung in der Anwendung der Hypnose und deren Kombination mit bekannten kognitiv-behavioralen Behandlungsmethoden. • Diese Kurztherapie benötigt Übung und Erfahrung mit den o.g. Methoden; deshalb wird anfangs mehr als eine Zeitstunde dafür erforderlich sein. Hier ist es empfehlenswert, eine gesamte Sitzung für die Anamneseerhebung zu verwenden, sie danach in Ruhe auszuwerten und die Therapieplanung zu erstellen. In der nächsten Sitzung ist nun genug Zeit für die dann geplante und vorbereitete Anwendung der empfohlenen Kurzintervention. • Mit ausreichender Erfahrung wird dann die Methode schnell zum Erfolg führen, wie es viele Therapeuten und Patienten berichten. Die Behandlung wird dann tatsächlich in einer Sitzungseinheit von ca. 50 min erfolgreich sein.

10.3 Vorbereitungen

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10.3 Vorbereitungen Zur Vorbereitung der Therapiesitzung seien die Sitzordnung von Therapeut und Patient und sein Vorbereitungsgespräch erwähnt.

10.3.1 Sitzanordnung Zur Sitzanordnung ist eine Platzierung über Eck zu empfehlen. Diese hat den Vorteil, sich auf beiden Seiten nicht immer angeschaut fühlen zu müssen. Die Nähe sollte Freiraum lassen, aber gleichzeitig so nah sein, dass der Therapeut bei ausgestrecktem Arm mit seiner Fingerspitze die Schulter des Patienten berühren kann und später dessen linkes Handgelenk – wenn das von ihm so akzeptiert wird. Andernfalls muss die Berührung von Schulter und Handgelenk entfallen und stattdessen die verbale Instruktion zum schnellen Szenenwechsel entsprechend strikt sein. Die Normaldistanz beträgt bei (therapeutischen) Gesprächen ca. 1–2 m; die hier empfohlene Sitzordnung liegt bei ca. 35–40 cm Stuhlabstand. Damit gelangt der Therapeut in den Bereich der „Intimdistanz“, überschreitet damit möglicherweise die gewohnte (angeborene) kritische Distanz des Patienten (Altman 1975; Hall 1966) und kann beim Patienten evtl. unangenehme Gefühle bewirken. Dass sollte ruhig abgeklärt werden.

10.3.2 Das Vorbereitungsgespräch Das Vorbereitungsgespräch dient zum Kennenlernen, zur Information und zur Exploration bzw. Anamneseerhebung, ggf. folgt dann bereits die therapeutische Intervention. Bereits bei der Begrüßung beginnt der Beziehungsaufbau zwischen Therapeut und Patient, der besonders für Hypnose wichtig ist.

10.3.2.1 Informationen zur Sitzung Wie bei allen therapeutischen Vorbereitungsgesprächen werden Informationen zum Ablauf der geplanten Behandlung, ihrer Methode, Dauer, Sitzungshäufigkeit und zur Mitarbeit des Patienten etc. gegeben. 10.3.2.2 Aufklärung über Hypnose Ist dem Patienten Hypnose unbekannt oder bestehen beim ihm Fragen oder Ängste, sollten diese beantwortet werden. Das fördert das Vertrauensverhältnis und gibt dem Patienten Sicherheit, wenn er u. a. zugesichert bekommt, dass er die Hypnose jederzeit unterbrechen und mit dem Therapeuten darüber sprechen wird.

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10  Die Anwendung der Methode

10.3.2.3 Aufbau von Erwartungen bezüglich der HypnoseWirkungen Zahlreiche Untersuchungen zeigen, dass gerade die Erwartungshaltung der Patienten für die Kooperation in Hypnose wichtig ist (z. B. Kirsch et al. 1992). Zum Aufbau dieser Erwartungshaltungen trägt bei, die Induktionsprozedur als Hypnose anzukündigen und entsprechend Suggestionen des Schlafens, der Entspannung und Müdigkeit zu verwenden. Dazu muss auch die Erwartung der Hypnosewirkung bedient werden, die Augen zu schließen und geschlossen zu halten.

10.4 Die Exploration des Patienten Es ist selbstverständlich, dass eine „konventionelle“ Anamnese i.S. einer Verhaltensanalyse erfolgt (s. Kap. 8).

10.4.1 Ziele der Exploration – Vorsichtsmaßnahmen In der Exploration sollte auch abgesichert sein, dass die Indikation der Methode zutrifft. Das heißt, dass eine klare Differentialdiagnose erfolgen muss, um andere, ebenfalls mit Angst verbundene Störungen, auszuschließen. Diese sind im ICD-10 klar definiert (s. o.). In der Exploration werden vom Patienten die Informationen abgefragt, die zur Erklärung des Symptoms, seiner Genese und Aufrechterhaltung bedeutsam sind. Dabei sind in der KVT u. a. besonders die Auslöseereignisse und die damit verbundenen Bewältigungsstrategien (s. Abschn. 4.4.1) relevant. So soll erkundet werden, welche Umgebungsreize der Patient wahrnimmt, wie er diese organisiert, dann interpretiert und bewertet. Weiterführend ist es wichtig, zu erkunden, auf welche Weise diese Reize sein emotionales Erleben und Handeln beeinflussen. Dies beinhaltet, dysfunktionale Konzepte und Denkstile und Lernprozesse zu identifizieren. Hinzu kommt, welche Anteile dabei die Eigenverantwortlichkeit des Patienten hat, sein Leben mit eigenen Entscheidungsprozessen zu gestalten. Vorsichtsmaßnahmen Es sollte darauf geachtet werden, dass nicht schon bei der Exploration der Angstszene ein hohes Angstniveau aufkommt. Das könnte evtl. die nachfolgende Kooperation erschweren oder zur Vermeidung weiterer Therapieschritte führen, von denen der Patient eine Angstzunahme befürchtet. Falls Angst aufkommt, wäre es im Sinne der geplanten Behandlung (= Gegenkonditionierung) jetzt schon erforderlich, den Patienten zu bitten, die Angst ein paar Sekunden auszuhalten – und ihn dann dafür zu loben, bereits einen guten Anfang gemacht zu haben.

10.4  Die Exploration des Patienten

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10.4.2 Ressourcen-Exploration – ist nicht nur Defizitorientierung Die klassische Definition von Problemen, Störungen, Krankheiten, Symptomen und deren Erkundung erfolgt oft über eine Defizitanalyse. So ist jede Anamnese im klinischen Bereich der Medizin und Psychotherapie defizitorientiert. Auf diese Weise kann das Problem/Symptom etc. näher eingegrenzt werden, um daraus eine Diagnose zu formulieren. So sind auch die gängigen Diagnoseschemata wie der ICD-10 und DSM5 konzipiert. Krankheiten sind nun mal durch Verlust oder Fehlfunktion bestimmter physiologischer, anatomischer, neurologischer oder psychischer Balancen bedingt. Dabei sind die Grenzen zur Norm bzw. zum Normalen fließend. Ressourcen sind hilfreiche Fähigkeiten, Erinnerungen, Bewertung, Gedanken, Handlungen (s. Abschn. 8.1.3, 8.4.3.1, 9.8). Nach der Diagnoseerstellung lassen sich daraus Therapiepläne erstellen, diese Veränderungen durch geeignete Maßnahmen und zum Wohl des Patienten zu „normalisieren“, also zu heilen. Dabei wird je nach Erkrankung selten berücksichtigt, über welche Selbstheilungskräfte, eigene Potenziale oder Mechanismen der Patient selbst verfügt. Der Übergang zur Gesundheitserziehung und Salutogenese ist hier fließend. Besonders in den Selbstmanagement-Ansätzen (s. Abschn. 8.4.3) der Verhaltenstherapie ist Ressourcenorientierung bzw. Ressourcenmanagement bedeutsam (Kanfer et al. 1996) und beinhaltet das Erkennen und Stützen bereits vorhandener positiver Seiten und Fähigkeiten eines Patienten (Armbruster 2015; Fiedler 2017).

10.4.2.1 Exploration zur Ressourcenorientierung Bei körperlichen Erkrankungen kann der Patient aktiv an seiner Genesung beteiligt sein, so z. B. durch Gymnastik, Diät, konsequente Medikamenteneinnahme, Physiotherapie usw. Im Bereich der Psychotherapie beinhalten diese Ressourcen z. B.: • die Anwendung von Entspannungsverfahren, z. B. mit der Überallmethode (s. Abschn. 11.4) • Anwendung hilfreicher Gedanken • die Anwendung regulierender Maßnahmen wie Tagesstrukturierung, • Aufstellen und Einhalten bestimmter Übungen und Regelungen • Selbstinstruktionen, bestimmtes Verhalten zu unterlassen bzw. besonders intensiv auszuführen • Mithilfe von Partnern und Partnerinnen Also sollte gerade hier in der Anamnese und im Verlauf der Therapie die Erkundung von früheren oder gegenwärtigen Fähigkeiten einen großen Stellenwert einnehmen.

10  Die Anwendung der Methode

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10.4.2.2 Ressourcen helfen heilen Die Ressourcen sind für die Therapieplanung besonders wichtig, da sie Fähigkeiten oder Erfolge sind, mit denen der Patient bereits positive Erfahrungen sammeln konnte, um mehr oder weniger große Problemsituationen zu bewältigen. Somit sollten sie ein Bestandteil in der Planung und Therapie sein. Unter dem Einfluss ihrer Krankheit sind Patienten oft in ihrer Wahrnehmung und in ihrer Selbsteinschätzung ihrer bisherigen Handlungs- und Lösungsfähigkeiten fokussiert, sodass sie sich vorwiegend dem Symptom/Problem ausgeliefert fühlen. Der Ort ihrer Kontrolle befindet sich in ihrer Eigenwahrnehmung nicht mehr ihrem Willen und ihrer Beeinflussung untergeordnet, sondern sie fühlen sich kontrolliert durch z. B. die Angst, den Zwang, die Depression, den Schmerz (s. Abschn. 8.2.3). Das engt ihre Wahrnehmung sehr stark auf diese Symptome ein, sodass sie andere Erlebensinhalte verändert oder als unbedeutend wahrnehmen bzw. beurteilen. Ihr Leben besteht dann vorwiegend aus dieser Perspektive ihrer Symptomsicht. 

Praxistipps zur Ressourcenexploration  • In der Anamnese sollten also zur Verfügung stehende Ressourcen erkundet werden. • Falls diese in der Gegenwart nicht oder nicht mehr zur Verfügung stehen oder als solche wahrgenommen werden, ist das Wissen um frühere Erfolge und Ressourcen hilfreich. • Die direkte Frage nach den zur Verfügung stehenden Ressourcen wird in dieser Form kaum verstanden. Denn der Patient kann diese Fragestellung erfahrungsgemäß kaum einordnen. • Die Operationalisierung dieser Frage wird jedoch verstanden wie z. B.: „Was können/konnten Sie gut, trauen Sie sich zu, ist für Sie hilfreich, gelingt Ihnen, welche Personen sind für Sie hilfreich usw.“ – entsprechend auch die vergleichbaren Fragen in Bezug auf frühere Fähigkeiten. • Mitunter führen Fragen zur besseren Erinnerung wie: „Haben Sie schon mal etwas ausprobiert, das zumindest etwas bei NN geholfen hat? Welche Tricks wenden Sie an, um NN zu erreichen/zu reduzieren usw.?“ Mit diesen Fragen werden relativ häufig brauchbare Hinweise auf frühere oder derzeitige Ressourcen oder Selbstkontrollversuche erzielt (s. Abschn. 6.1.4.2).

10.5 Diagnoseerstellung Wie in Kap. 8 dargestellt, erfolgt eine funktionale Verhaltensanalyse zu den auslösenden und aufrechterhaltenden Bedingungen des relevanten Verhaltens. Dazu gehören auch die Defizite, Ressourcen, Sozialbedingungen etc.

10.6 Therapieplanung

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Deren Auswirkungen und Funktionen werden dann so zusammengefasst, dass sich daraus ein Bedingungsmodell ergibt, aus dem sich dann Folgerungen für die folgenden Behandlungsziele und -schritte ableiten lassen.

10.6 Therapieplanung Die hier dargestellte Kurz-Intensivtherapie als eine Kombination aus KVT und Hypnose kann in der vorliegenden Form nahezu standarisiert angewandt werden – so wie die einzelnen Schritte und Phasen nachfolgend beschrieben sind. Dennoch kann es vorkommen, dass bei bester Absicht des Therapeuten die Explorationsdaten andere als die hier aufgezeigten therapeutischen Vorgehensweisen erfordern. Hierfür in Kurzform Vorschläge. Fragen und Impulse für den Therapeuten zur Therapieplanung Für den Anfänger in diesem Bereich kann das Formblatt „Indikation und Therapieplanung der Hypnosebehandlung“ (Kossak 2015, S. 545 ff.) helfen. • Diagnose Stimmt die erstellte Diagnose oder müssen Ergänzungen durch weitere Explorationsgespräche erfolgen? Werden dazu externe Daten z. B. durch Verhaltensprotokolle oder Befragung anderer Personen erforderlich? • Grenzen Liegen Grenzen des Patienten, der Therapiemethode oder des Therapeuten vor, die geplanten Methoden durchzuführen? • Ist Hypnose indiziert? Bei der Therapieplanung sollte berücksichtigt werden, ob die Anwendung der Hypnose hier sinnvoll ist – oder ob andere kognitiv-behaviorale Methoden wie z. B. Modelllernen, alleiniges Gegenkonditionieren, Systematische Desensibilisierung ohne Hypnose gleich wirksam sein können. Dabei wäre dann evtl. eine bessere Zeitökonomie erreicht. • Planung der einzelnen Vorgehensweisen mit den kognitiv-behavioralen Methoden Bevor überhaupt Hypnose in die Planung einbezogen wird, sollte überlegt werden, bei welchen Stimuli, Kognitionen und ihren Verarbeitungsmodi des Patienten usw. Interventionen erforderlich sind – und welche Interventionen aus dem kognitivbehavioralen oder anderen Bereichen. Ist evtl. eine Intervention ohne Hypnose sogar zeitökonomischer? • Planung der Kombination mit Hypnose Nun erst sollte überlegt werden, mit welchen Methoden der KVT Hypnose kombiniert werden sollte. Dazu gehört auch, welche Hypnose-Methoden zu verwenden sind.

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10  Die Anwendung der Methode

Literatur Altman I (1975) The environmental and social behavior. Brooks, Monterey Armbruster M (2015) Selbermachen! Mit Empowerment aus der Krise. Herder, Freiburg Fiedler P (2017) Ressourcenorientierte Psychotherapie. In: Frank R (Hrsg) Therapieziel Wohlbefinden, 2. Aufl., Springer, Berlin, S 21–34 Hall ET (1966) The hidden dimension. Doubleday, New York Heinz A (1994) Hypnose bei einem Patienten mit szenischen Halluzinationen als Aura. Experimentelle und Klinische Hypnose 10(1):73–82 Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme 10. Revision. ICD-10. Dilling H, Mombour W, Schmidt MH (Hrsg) (2019) German Modification, Version 2020. Hogrefe, Göttingen Kanfer FH, Reinecker H, Schmelzer D (1996) Selbstmanagement-Therapie (2. Überarb. Aufl.) Springer, Berlin Kirsch I, Mobayed CP, Council JR, Kenny DA (1992) Expert judgement of hypnosis from subjective state reports. J Abnorm Psychol 101:657–662 Kossak H-C (2015) Wichtige Aspekte bei der Hypnose-Induktion und Lernziele des Therapeuten. In: Stavemann HH (Hrsg) Therapie-Tools. Integrative KBT, Beltz, Weinheim, S 547 f. Maurer J (1992) Anwendung hypnotherapeutischer Techniken bei schizophrenen Patienten. Experimentelle und Klinische Hypnose 8(1):11–21

Die Intervention – Phasen der Intensiv-Kurztherapie

11

Inhaltsverzeichnis 11.1 Induktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.1.1 Die Augenfixationsmethode/Punktfixationsmethode . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.1.2 Die Handlevitationsmethode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.2 Die Ruheszene – Entspannung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.3 Erlernen der Körpersignale für Entspannung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.4 Erlernen der Überallmethode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.4.1 Die Bedeutung der Gelenkberührung mit der Hand . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.4.2 Instruktion zur posthypnotischen Aufgabe (s. u.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.5 Die Therapieszene und ihr Auslösereiz – Differenzierungslernen . . . . . . . . . . . . . . . . 11.6 Wahrnehmung der Körpersignale für Anspannung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.7 Aushalten der aversiven Situation – Vermeidungsverhalten abbauen . . . . . . . . . . . . . 11.8 Erlernen des schnellen Umschaltens zwischen beiden Szenen . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.9 Suggestion der wahrgenommenen positiven Veränderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.10 Wahrnehmung der positiven Veränderung als Selbstwirksamkeit . . . . . . . . . . . . . . . . 11.11 Verstärkung der Selbstwirksamkeit und der Körpersignale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.12 Wiederholungsschleifen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.13 Selbstkontrolle – Selbstregulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.14 Selbststeuerung und Selbstverwaltung der Bewältigungsstrategien . . . . . . . . . . . . . . 11.15 Stabilisierung der Selbstwirksamkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.16 Posthypnotische Aufgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.17 Beendigung der Hypnose – positives Ende . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.18 Nachbesprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.19 Therapeutische Hausaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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In diesem Kapitel erfolgen Instruktionen zur praktischen Anwendung der Kurztherapiemethode, die Kombination von kognitiver Verhaltenstherapie und Hypnose. Die in den Vorkapiteln dazu einführenden und theoretischen Darstellungen werden also als bekannt vorausgesetzt. © Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer-Verlag GmbH, DE, ein Teil von Springer Nature 2020 H.-C. Kossak, Kognitiv-behaviorale Psychotherapie von Ängsten, Psychotherapie: Praxis, https://doi.org/10.1007/978-3-662-62323-7_11

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11  Die Intervention – Phasen der Intensiv-Kurztherapie

Kognitiv-behaviorale Psychotherapie von Ängsten – Kurztherapie mit Hypnose – die Praxisanleitung

Die vier Therapiephasen

Die gesamte Therapie umfasst vier Phasen mit insgesamt 19 Schritten. • Erste Therapiephase: Hypnose – Einleitung – Entspannung – Überallmethode Differenzierungslernen • Zweite Therapiephase: Hypnose – Gegenkonditionieren – positive Suggestionen – Selbstwirksamkeit • Dritte Therapiephase: Autohypnose – Übernahme von Bewältigungsstrategien – Stabilisierung • Vierte Therapiephase: Hypnose – Beendigung – Transfer von der Therapie in den Alltag – Therapeutische Hausaufgaben Nun folgen differenziert die einzelnen Phasen mit ausführlichen Erklärungen und Anleitungen.

Erste Therapiephase: Hypnose – Einleitung – Entspannung – Überallmethode – Differenzierungslernen: Schritte

• 1: Induktion • 2: Die Ruheszene – Entspannung • 3: Erlernen der Körpersignale für Entspannung • 4: Erlernen der Überallmethode • 5: Die Therapieszene – ihre Auslösereize – Differenzierungslernen • 6: Wahrnehmung der Körpersignale für Entspannung

11.1 Induktion Die Einführung zur Induktion erfolgte bereits in Abschn. 2.5.3. Für unsere Zwecke sollen hier nur die am meisten benutzten zwei Induktionsmethoden genannt werden. Zur Vertiefung und zu Übungszwecken sei empfohlen: „Wichtige Aspekte bei der Hypnose-Induktion und Lernziele des Therapeuten“ (Kossak 2015, S. 547 f.). Praxis der Hypnose-Induktion – eine kleine Wiederholung Im Abschn. 9.2 zur Geschichte der Verhaltenstherapie in Kombination mit Hypnose (oder auch umgekehrt) wurde dargestellt, dass die Induktion als eine zwischen Therapeut und Patient ablaufende wechselseitige Verhaltenskette anzusehen ist (Welch 1947). Aus der sozial-kognitiven Sicht wird genau dieses

11.1 Induktion

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­ orgehen weiter in der Gegenwart bestätigt, indem der Therapeut Suggestionen (= V Vorschläge) gibt, den Pat. dabei beobachtet und dann das vom Patienten anfangs nur leicht angedeutete Verhalten wie z. B. Augenflackern aufgreift, bestätigt und durch weitere Suggestionen in die gewünschte Richtung lenkt. Für den Patienten ist dieses Verhalten wahrnehmbar und dadurch ein Beweis für die Wirkung der Hypnose, die er zunehmend in die gewünschte Richtung gehend übernimmt. Wesentlich ist dabei, dass vom Therapeut Erwartungshaltungen aufgebaut werden, sich weiterhin so zu verhalten, wie es die Hypnose von ihm typischerweise verlange (Kirsch und Lynn 1999). Evtl. müssen auch Erwartungshaltungen des Patienten bedient werden.  Wichtig  Der Therapeut hat als Hypnotiseur keinerlei Macht über den Patienten. Vielmehr ist er auf die Patienten-Reaktionen angewiesen, auf die er sofort verstärkend reagieren muss (s. Abschn. 9.2).

Von den zahlreichen Induktionsmethoden sind hier die beiden wohl am häufigsten angewandten vorgeschlagen. Die Induktion dauert vom Beginn der ersten Instruktion bis zum Augenschließen ca. 2–5 min.

11.1.1 Die Augenfixationsmethode/Punktfixationsmethode Der Patient sitzt bequem angelehnt, seine Hände ruhen auf seinen Oberschenkeln. An der relativ nahen Wand oder an der Decke befindet sich ein Punkt (= Papierschnipsel). Zur Einleitung gehört im Normalfall ein weitgehend reizarmes Umfeld. Dadurch wird die Konzentration des Patienten bereits auf die Wahrnehmung der Stimme des Therapeuten eingeengt.

Instruktion: Induktion mit Punktfixation

Nun folgen Suggestionen, die diese Fokussierung der Wahrnehmung weiter vertiefen. „Sie sitzen bequem … ich möchte Sie nun bitte, auf diesen Punkt an der Wand zu sehen. Lassen Sie bitte den Kopf gerade und sehen diesen Punkt an. Versuchen Sie dabei, die Augen offen zu halten – ohne Blinzeln. Ja, prima, schauen Sie einfach weiter auf diesen Punkt, der mehr oder weniger interessant sein kann.“ Der Therapeut beobachtet nun leichte Augenrötung und reagiert kontingent auf die gewünschten Veränderungen. „Schauen Sie bitte weiter auf den Punkt … und merken nun …, dass Ihre Augen müder werden … Ihre Augenlider schwerer werden. Mit jedem Atemzug werden Ihre Augen müder und müder… Sie müssen richtig Kraft

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11  Die Intervention – Phasen der Intensiv-Kurztherapie

aufwenden, sie offen zu halten. Und mit Ihrer Atmung merken Sie, wie die Augen noch schwerer werden … bis sie schließlich so schwer geworden sind, dass es viel Kraft kostet … Sie dann einfach die Augen zufallen lassen … wenn Sie es wollen … früher oder später… Prima, Sie haben Ihre Augen nun geschlossen … und spüren nun umso mehr Ihre Atmung …das ruhige Auf und Ab Ihrer Atmung … es ist richtig wohltuend und entspannend … mit jedem Atemzug tiefer und tiefer entspannt zu werden. Sie sind jetzt ganz entspannt und genießen es. ….. Nun wechseln wir zu Ihrer Ruheszene. …“

11.1.2 Die Handlevitationsmethode Die Hände des sitzenden Patienten liegen auf seinen Oberschenkeln. Zur Einleitung der Entspannung werden sehr anschauliche Suggestionen zur Leichtigkeit oder Schwere einer Hand verwandt. Die Reaktionstendenzen des Patienten darauf verstärkt der Therapeut systematisch. Auf diese Weise werden vom Patienten eine oder beide Hände als schwerer oder leichter erlebt. Die leichtere Hand beginnt sogar, sich aufwärts zu bewegen. Das ist dann sowohl für den Patienten als auch für den Patienten ein deutliches Zeichen für wie Wirkung der Suggestionen bzw. der Hypnose.

Instruktion: Induktion mit der Handlevitationsmethode

Auch hierzu gibt es zahlreiche Varianten, von denen hier nur eine zitieren sein sollen. „Bitte schließen Sie Ihre Augen, damit Sie sich besser konzentrieren und entspannen können …. Ihre Hände und Arme, Ihre Schultern sind ganz locker und entspannt. Nun werde ich gleich Ihre beiden Hände anfassen und leicht anheben.“ Therapeut: ergreift mit beiden Händen die entsprechenden Handgelenke des Patienten und hebt sie leicht an, sodass sie sich ungefähr in Brusthöhe des Pat. befinden und die Hände locker herabhängen. „Nun beobachten Sie bitte, welcher von den beiden Armen besonders leicht oder besonders schwer wird, spüren Sie deutlich Ihre Hände und Arme und deren Schwere oder Leichtigkeit.“ Therapeut: bewegt nun mehrmals abwechselnd das eine Handgelenk sachte etwas nach oben (ca. 10–20 cm) und dann das andere nach unten. „Beobachten Sie nun, wie eine Hand oder ein Arm leichter wird, immer leichter und die andere Hand mit Ihrem Arm sich immer schwerer anfühlt.“ Therapeut: erspürt die Bewegungstendenzen und verstärkt sie durch jeweils leichten Handdruck nach oben oder unten. Er lässt dann bei ausreichender Bewegungstendenz einer Hand beide los und gibt dabei der Hand noch einen kleinen Stups in die gezeigte Richtung.

11.2  Die Ruheszene – Entspannung

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„Ah! Sie merken, wie sich die rechte Hand nun leicht hebt und Sie sich dabei immer entspannter fühlen. Die Hand ist ganz leicht geworden und steigt höher … so als ob sich daran ein unsichtbarer Faden befindet, der die Hand sachte höher zieht …. Und dabei schalten Sie ganz ab, werden immer tiefer und tiefer entspannt ….“ Nun kann die Instruktion erfolgen, die levitierte Hand schwebend zu lassen als Beweis für ihre tiefe Entspannung – bzw. die sich senkende Hand als immer schwerer spüren. Die Alternative wäre, die Hand bis zur Wange schweben zu lassen. Es folgt die Suggestion: „Die Hand berührt gleich Ihre Wange. Sobald sie die Wange berührt, fällt sie nach unten und Sie werden dann ganz tief entspannen.“

11.2 Die Ruheszene – Entspannung Wird Hypnose als Entspannungsverfahren bezeichnet (s. Abschn. 2.4.1), so ist stets die Ruheszene damit gemeint. Sie ist eine für den Patienten ruhige und entspannende Imaginations-Szene, bei der er sich wohlfühlt, die Ruhe und die angenehmen Eindrücke dort genießt. Planung der Ruheszene Wichtig ist, in der Exploration genaue Informationen über die Ruheszene, d. h. die Entspannungsimaginationen, einzuholen. Sie sollen später möglichst schnell und plastisch abrufbar sein. Das Sprechtempo richtet sich nach der Zeit, die der Patient jeweils benötigt, das Bild bzw. die Szenen zu imaginieren. Die Ruheszene benötigt deshalb ca. 5–10 min. Bei mehreren Sitzungen und häuslichen Übungen mit Selbsthypnose ist die Ruheszene mit ihren Entspannungswirkungen binnen 1–2 min hergestellt.

Instruktion: Ruheszene – Grüne Wiese

„Nun stellen Sie sich eine Wiese an einem schönen Sommertag vor. … Es scheint die Sonne und es ist schön warm … Sie stehen nun auf einer schönen grünen Wiese, sehen die Gräser und sogar ein paar Blumen … die Sonne scheint schön warm … Sie spüren die warmen Sonnenstrahlen in Ihrem Gesicht angenehm warm … Es weht ein leichter Wind … die Blätter eines nahen Baumes rauschen leicht … Sie spüren diesen angenehmen leicht kühlen Wind erfrischend in Ihrem Gesicht. …. Hören vielleicht sogar einen Vogel im nahen Baum zwitschern … und Sie schauen sich um … die Wiese ist auf einer leichten

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11  Die Intervention – Phasen der Intensiv-Kurztherapie

Anhöhe und Sie können ganz weit ins Land schauen … runter ins Tal mit Feldern und einigen Häusern … sie sind klein und weit weg … und ein Fluss fließt dort ruhig und gemächlich … Während Sie das alles gemütlich betrachten, merken Sie, … wie Sie immer lockerer und entspannter werden … ganz locker … Sie atmen ganz ruhig und entspannt … Ihre Gedanken kommen und gehen … Sie werden auch weiter so ruhig bleiben, … Spüren Sie deutlich Ihre Entspannung auf der Stirn … im Gesicht … in den lockeren Schultern … in den Armen … im Brustkorb … und im Bauch. …“

Instruktion Ruheszene – Am Strand

„Sie haben viel Zeit und verbringen etwas davon am Strand. Es ist wunderbar warmes Wetter … die Sonne scheint Ihnen angenehm warm ins Gesicht … auch auf die Schultern … und den Rest des Körpers … Sie können sich richtig reinkuscheln in diese angenehme Wärme … ab und zu weht eine kühlere Brise … sie ist auch sehr angenehm und wohlig. Sie schauen sich um … es ist ein schöner Sandstrand … mit hellem, weichem Sand … das Meer ist blau und ruhig … Es riecht hier so schön nach Meerwasser …. Sie riechen es mit jedem Atemzug … vielleicht spüren Sie dabei auch den salzigen Geschmack dieser Meeresluft auf Ihrer Zunge … probieren Sie es mal aus … so gehen Sie am Strand entlang … am Wassersaum entlang … und spüren beim Gehen deutlich das Wasser, das um Ihre Füße spült … es ist angenehm kühl … unter Ihren Zehen spüren Sie dabei deutlich, wie dass Wasser mit dem Sand kitzelt, wenn es abfließt … So gehen Sie weiter … hören dabei vielleicht Möwen rufen … sehen eventuell ein Segelschiff mit vollen Segeln … … Nach einiger Zeit setzten Sie sich vielleicht auf Ihr Handtuch oder direkt auf den Sand … Sie spüren nun die angenehme Wärme des Sandes, auf dem Sie sitzen … und Sie blicken dabei hinaus aufs Meer … Die Wellen kommen …und gehen … und kommen … und gehen … und mit jedem Kommen und Gehen der Wellen werden Sie entspannter … und entspannter.“ Evtl. als Zusatz zur weiteren Vertiefung: „Sie fassen nun mit einer Hand in den Sand … er ist warm … und Sie merken das Gewicht des Sandes in Ihrer Hand … während Sie den Sand in Ihrer Hand spüren … rieselt er langsam zwischen Ihren Fingern runter … und Sie spüren dabei das leichte Kitzeln des Sandes zwischen Ihren Fingern … und dabei merken Sie, wie Ihre Hand immer leichter wird … der Sand in Ihrer Hand rieselt immer weiter raus und Sie merken, wie Sie weiter und tiefer entspannen….“

11.4  Erlernen der Überallmethode

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11.3 Erlernen der Körpersignale für Entspannung Nun erfolgt die Instruktion, eine Hand auf die Körperstelle zu legen, an der der Patient die Entspannung deutlich spüren kann.

Instruktion: Körpersignal der Entspannung

„Sie spüren jetzt schon eine angenehme Entspannung. Bitte legen Sie nun eine Hand auf die Körperstelle, an der Sie die Entspannung an deutlichsten spüren. … Das kann der Bauch sein … der Magen, der Brustkorb, der Hals oder die Stirn… Bitte nehmen Sie an dieser Stelle Ihre angenehme Entspannung deutlich körperlich wahr… und halten dieses angenehme Gefühl für sich fest …. für einige Zeit.“

11.4 Erlernen der Überallmethode In vielen anspannenden Situationen wie Stress oder Angst benötigen wir entspannende Methoden, um in diesen Situationen ruhig zu bleiben oder ruhig werden zu können und dadurch Stress und Angst zu reduzieren oder sogar ganz abzubauen. Dazu wird eine Entspannungsmethode erforderlich, die zeitnah, also sofort, und möglichst diskret anzuwenden ist, also nicht erkennbar für Außenstehende ist wie z. B. bei Auftritten im kleinen Kreis oder öffentlich in großer Runde, bei Prüfungen usw. Diese Entspannung erlernt der Patient durch die Ruheszene. Dabei ist eine sehr einfach zu erlernende Selbstkontrollmethode äußerst hilfreich. Ich habe sie „Überallmethode“ genannt (Kossak 2013), weil sie tatsächlich überall und sehr diskret anwendbar ist, da sie von Außenstehenden nicht als Entspannungsmethode o.ä. wahrzunehmen ist. Die oft gebräuchlichen bloßen Absichten, sich dann zu entspannen, bleiben meist auf der kognitiven Ebene der Vornahme stecken. D. h. die rein kognitive Ebene der Absichten reicht oft nicht aus, die erforderlich Entspannung zuverlässig auszulösen. Das führte zur Idee, einen körperlichen Auslösereiz dafür einzusetzen, der diskret anwendbar und einfach zu handhaben war. Naheliegend war hier, sich selbst an einer Stelle zu berühren, die von anderen nicht als therapeutische Hilfe zu erkennen ist. Nach Eigenversuchen war es dann sinnvoll, die Berührung des eigenen Handgelenks als Auslöser für Entspannung etc. einzusetzen. Sehr oft im Alltagsleben sitzen oder stehen wir und berühren uns dabei am Handgelenk, so bei Unterhaltungen, beim Einkaufen usw. Diese Handgelenkberührung ist also überall dann diskret anzuwenden, wenn Stress oder Angst auftreten könnten: in mündlichen Prüfungen, bei Vorträgen, Präsentationen, Fallvorstellungen, Auftritten usw.

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11  Die Intervention – Phasen der Intensiv-Kurztherapie

11.4.1 Die Bedeutung der Gelenkberührung mit der Hand Die körperliche Aktivität des Handgriffs am Handgelenk sowie die Wahrnehmung der Berührung etc. sind nun Auslösereize für Entspannung und Selbstkontrolle. Zum Pflegen von Psychohygiene sei die Methode sehr empfohlen, da sie in „brenzligen“ Situationen (s. o.) schnell zur Entspannung runterregeln kann. Diese erlernte Methode der Schnellhypnose wirkt durch die konditionierte Verbindung Handberührung-Entspannung. Esoterikern sei mitgeteilt, dass durch die Berührung des Handgelenks keinesfalls zufällig oder geplant Strahlungen, Energiefelder etc. wirksam sind, sondern reine Konditionierungen beabsichtigt und wirksam sind. Bei einer längeren Therapie wird dem Patienten meist Selbsthypnose und Selbstkontrolle beigebracht, wodurch er seine zahlreichen Systeme und Netzwerke darin trainiert, entspannter, gelassener zu werden, besonders beim Auftreten symptomrelevanter Reize (Ereignisse, Personen, Empfindungen).

11.4.2 Instruktion zur posthypnotischen Aufgabe (s. u.) Durch diese einfache Handlung bei der Überallmethode werden der Körper bzw. das physiologische System und die damit in Netzwerken verkoppelten Verhaltensweisen darin konditioniert, mit der Hypnose-Suggestion entspannt und angstfrei zu werden (= Gegenkonditionierung, s.u.; s. Abschn. 8.3.1.3, Abb. 8.3).

Instruktion: Überallmethode

Die Überallmethode demnächst anwenden zur Entspannung „Immer, wenn Sie entspannt werden wollen, dann berühren Sie mit Ihrer (rechten) Hand Ihr (linkes) Handgelenk. Sie erleben dann Ihre Ruheszene am Strand, wo es angenehm warm ist und … (nähere Beschreibung der Ruheszene). Sie werden dann recht schnell merken, dass Sie entspannter werden, ruhiger werden – ruhiger und langsamer atmen und sich immer mehr wohl fühlen. Das genießen Sie ganz in Ruhe. Und wenn Sie demnächst mal Ruhe und Entspannung brauchen, dann fassen Sie sich einfach an Ihr Handgelenk und werden dann ganz schnell Ihre Entspannung und Gelassenheit bemerken – in Ihrem Körper und in Ihren Gedanken.“ Die Überallmethode anwenden, sobald Auslösereize auftreten „Sie beherrschen Ihre Entspannung so prima, dass Sie sie auch demnächst anwenden werden, wenn Sie (dem bislang Angst auslösenden Reiz wie z. B. einen Hund sehen, dem Chef begegnen etc.) begegnen. Sie umfassen dann Ihr Handgelenk und merken, wie sie dabei ruhig werden und die Situation gut ertragen können …. usw.“

11.6  Wahrnehmung der Körpersignale für Anspannung

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11.5 Die Therapieszene und ihr Auslösereiz – Differenzierungslernen Zur Benennung der Problemszene Im Wechsel mit der Entspannung erfolgt die Imagination der Problemszene. In der Instruktion, sie nun vorzustellen, sollte dieses Wort jedoch nie benutzt werden, da es stets an das Problem erinnert und schnell negative Imaginationen bewirken kann – ähnlich wie bei der Verneinung (s. Abschn. 2.5.1.2). Bei der ersten Aufforderung sollte sie knapp mit einem Stichwort benannt werden wie z. B. bei einer Hundeangst: „Nun stellen Sie sich bitte die Szene mit dem Hund vor; er kommt also auf Sie zu …“ oder bei der Angst vor dem Zahnarztbesuch: „Nun stellen Sie sich bitte die Szene mit dem Zahnarzt vor. Es ist ein Tag vor Ihrem Termin ….“ Bei den dann folgenden weiteren Therapieszenen sollte sie unbedingt neutral benannt werden: „Nun stellen Sie sich bitte wieder die andere Szene vor.“ Dadurch werden die Erinnerungen an negative Szeneninhalte indirekt reduziert. Sie wird dadurch in ihrer bisherigen Wichtigkeit relativiert.

11.6 Wahrnehmung der Körpersignale für Anspannung Diese Therapieszene sollte durch einen klaren Reiz ausgelöst werden, der in einem späteren Schritt, der Selbstregulation, wegfallen wird. Auslöser: Die Berührung der Schulter Als ein solcher Auslösereiz soll die Berührung der Schulter fungieren. Es ist eine „neutrale“ Körperstelle, die nahezu jede Person akzeptieren kann. Hinzu kommt, dass diese Stelle räumlich recht weit entfernt ist von der späteren Berührung des Handgelenkes zur Entspannungseinleitung. Dadurch kann kaum eine Vermischung der Auslöser erfolgen. Also ist die Reaktion „Imagination der Therapieszene“ anfangs eindeutig auszulösen. Eine klare Verbalinstruktion als Stimulus, sich diese Szene nun vorzustellen, soll dabei durch einen spürbaren taktilen Auslösereiz unterstützt werden, indem der Therapeut nun eine Stelle auf der Schulter des Patienten mit spürbarem Fingerdruck berührt und dabei sofort die Instruktion gibt, sich die Szene nun vorzustellen (s. o.). Sobald also nach der Ruheszene die Therapieszene beginnen soll, erfolgt der Fingerdruck und die Instruktion dazu. Im weiteren Verlauf wird dieses Auslösesignal so lange gegeben, bis der Patient selbst die weiteren Vorstellungswechsel zwischen Entspannung und Therapiebild vornimmt.

154

11  Die Intervention – Phasen der Intensiv-Kurztherapie

Zweite Therapiephase: Hypnose – Gegenkonditionieren Suggestionen – Selbstwirksamkeit: Schritte



positive

• 7: Aushalten der aversiven Situation • 8: Erlernen des schnellen Umschaltens zwischen beiden Szenen • 9: Suggestion der wahrgenommenen positiven Veränderung • 10: Wahrnehmung der positiven Veränderung der Selbstwirksamkeit • 11: Verstärkung der Selbstwirksamkeit und der der Körpersignale • 12: Wiederholungsschleifen – beginnend mit Schritt 7

11.7 Aushalten der aversiven Situation – Vermeidungsverhalten abbauen Der Therapeut tauscht sich ständig während der Therapie- und der Entspannungsszene mit dem Patienten über seine Empfindungen, Gedanken etc. aus. Dann bemerkt er auch wie und was der Patient plastisch imaginiert, wann der Patient dabei Anspannung, Aufregung etc. verspürt.

Instruktion: Aufmerksamkeitsfokussierung und Distraktion – Abbau des Vermeidungsverhaltens

Nun erfolgt die Instruktion durch den Therapeuten: „Legen Sie nun bitte eine Hand auf die Körperstelle, wo Sie dieses Gefühl am deutlichsten verspüren. Können Sie es bitte beschreiben.“ Diese Aufmerksamkeitsfokussierung richtet sich nun primär auf das Körpergeschehen, und distrahiert zumindest einen Teil der Aufmerksamkeit von ihren bisherigen emotionalen oder kognitiven Bewertungen. Die Beschreibung der Patienten für ihr Angstgefühl (o.ä.) ist oft: „Es ist so ein Druck, Unwohlsein, wie leichtes Brennen, Unruhe.“ Dann folgt die Therapie-Instruktion: „Bitte halten Sie dieses Gefühl (Anspannung, Angst, Druck), noch etwas länger aus. Sie merken, dass das möglich ist.“ Das Aushalten sollte ca. 30 s andauern. Nun erfolgt die Instruktion: „Bitte nehmen Sie Ihre Hand nun von der Stelle, lassen Sie sie einfach wieder runtersinken auf Ihren Schoß.“ Dabei bitte beachten, dass der Patient diese belastende Szene für ca. 30 s aushält, um nicht Vermeidungsverhalten negativ zu verstärken (s. Abschn. 6.2). Dieses Aushalten kann dann bereits als Gegenkonditionierung wirksam sein (s. Abschn. 8.3.1). Dadurch wird weiter das Vermeidungsverhalten verhindert (response prevention) und gleichzeitig eine Gewöhnung an das Körpergefühl bewirkt (Habituation).

11.8  Erlernen des schnellen Umschaltens zwischen beiden Szenen

155

11.8 Erlernen des schnellen Umschaltens zwischen beiden Szenen Der Patient muss es nun lernen, zwischen der Therapieszene und der Entspannungsszene – und umgekehrt – schnell umzuschalten. Gründe für das schnelle Umschalten • Ziel ist, dass der Patient es lernt, die Therapieszene abzuschalten und sofort sowohl kognitiv als auch emotional und körperlich umzuschalten auf die Entspannungsszene. • Je besser und schneller er in der Therapie umschalten kann, umso besser wird das Umschalten in der Realsituation im Alltag möglich sein, sofort seine unangemessenen Gedanken etc. zu unterbrechen. So wird bereits der Beginn der Verhaltenskette „Angst“ unterbrochen. Damit ihre gesamten folgenden Verhaltensweisen nicht mehr weiter ausgelöst. • Durch das sofortige Umschalten auf die Entspannungsszene erfolgt eine Blockierung der Negativgedanken etc., somit wird Gegenkonditionierung bewirkt. Das heißt: Abbau der Negativkognitionen (Gefühle etc.) durch damit unvereinbare positive Gedanken, Gefühle, also Entspannung. • Der Patient erhält anfangs vom Therapeuten die Instruktionen zum Umschalten, verbunden mit den Auslösestimuli Fingerberührung und Handgelenkberührung.. • Nach einer Lernphase wird er in der Lage sein, dieses Umschalten selbst vorzunehmen, d. h. eigenständig seine Gedanken (Gefühle etc.) zu regulieren. • Da dieses eigenständige Switchen relativ schnell erfolgreich gehandhabt wird, bekommt der Patient eine deutliche Verstärkung seines Änderungsverhaltens: Negativgedanken unterbrechen – positive Gedanken produzieren – sich wohlfühlen. Umschalten auf die Entspannungsszene – Gegenkonditionierung Nun wird sofort der Fingerdruck auf der Schulter beendet und stattdessen umfasst der Therapeut nun das Handgelenk des Patienten.

Instruktion: Umschalten

Nun erfolgt die Instruktion: „Bitte schalten Sie nun sofort um auf Ihre angenehme Entspannungsszene. Ihre schöne Ruheszene von der grünen Wiese (oder Strand etc.). Sie merken deutlich dort den Geruch … usw.“ Diese Anleitung wird bei späteren Wiederholungen der Entspannungsszene immer weiter reduziert, damit der Patient ihre Steuerung zunehmend selbst übernimmt.

156

11  Die Intervention – Phasen der Intensiv-Kurztherapie

Sobald die Szene vom Patienten als „optimal entspannt“ beschrieben wird, wird er gebeten: „Nun legen Sie Ihre Hand auf diese Körperstelle, die für Sie Entspannung, Wohlgefühl oder Geborgenheit bedeutet. Spüren Sie deutlich dieses angenehme Gefühl und halten Sie dieses schöne Gefühl ebenfalls für Sie fest. … Wir werden es nachher noch öfter wiederholen. … Was spüren Sie so dabei…? Meist berichten die Patienten von einem angenehmen Gefühl, mitunter verbunden mit Worten wie „frei, warm etc.“ Danach: „Bitte lassen Sie Ihre Hand dann wieder runtersinken.“

Berührung der positiven Körperstelle Diese Eigenberührungen der Körperstellen für angenehme und unangenehme Gefühle fokussiert die Aufmerksamkeit auch auf die körperlichen und damit verbundenen physiologischen Missempfindungen bzw. Entspannungsempfindungen. Dadurch wird das Differenzierungslernen zwischen den beiden Gefühlen bewirkt und wahrscheinlich die beabsichtigte Gegenkonditionierung begünstigt.

11.9 Suggestion der wahrgenommenen positiven Veränderung Die Berührung des Handgelenkes wird beendet. Nun erfolgt wieder abrupt die Instruktion zum Umschalten auf „die andere Szene“, verbunden mit sofortigem Fingerdruck auf die Schulter,

Instruktion: Die positive Überraschungssuggestion

Der Hauptteil der Behandlung besteht in einer Überraschungssuggestion: „Was hat sich nun positiv für Sie verändert!?“ Die Suggestionsfrage: „Was hat sich jetzt positiv verändert!?“ ist ein double-bind (s. Abschn. 2.5.1) und beinhaltet fast: „Dir bleibt nichts anderes übrig als etwas Positives zu berichten.“ Entsprechend sind Klienten ohne Ausnahme davon so überrascht, dass sie spontan positive Änderungen benennen können wie z. B.: „Ich bin ruhiger. Meine Schultern sind leichter. Ich kann den Hund ruhiger ansehen. Ich merke, wie mir das egal wird. Ich denke einfach weniger daran usw.“ Falls Patienten trotzdem von keinen oder negativen Veränderungen berichten wie „Mir tut es da und da weh“, sollte man freundlich-unerbittlich weiterfragen: „Aber ein Fitzel positiver Veränderung wird schon zu finden sein. Lassen Sie uns mal weiter nachfühlen.“ Sonst verfolgen wir praktisch wieder die kognitiven Muster des Patienten, bei denen doch Veränderungen stattfinden sollen. Mitunter muss insistieren: „Na, ganz wenig positiv wird es da schon sein.“ – Auch bei großen Phobien ist trotz allem eine minimale Veränderung festzustellen.

11.11  Verstärkung der Selbstwirksamkeit und der Körpersignale

157

11.10 Wahrnehmung der positiven Veränderung als Selbstwirksamkeit Diese durch die positiven Suggestionen bewirkten Änderungs-Ansätze werden sofort positiv verstärkt – verbunden mit dem Hinweis, dass der Patient das konnte:

Instruktion: Positive Verstärkung

„Toll, Sie haben es erreicht, dass Sie ruhiger sein konnten, anders denken konnten, nämlich: Ich kann das aushalten. Das ist ein Erfolg! Sie haben den Anfang gemacht! Und nachher werden Sie weiter merken, dass Sie diesen Gedanken NN (dieses Gefühl NN etc.) selbst weiter gut beeinflussen können.“ (Verstärkung von Selbstwirksamkeit). Seltene Ausnahmen Ganz selten bemerken Patienten in diesem ersten Durchgang, dass sie kaum etwas spüren und bei dieser Mitteilung zögerlich sind. Wahrscheinlich sind sie dann darin verunsichert, worauf die Frage abzielt, worauf sie nun achten sollten. Meist reicht es aus, freundlich darauf zu beharren und nachzufragen, ob sich vielleicht etwas verändert hat, auch wenn es wenig ist, so z. B. ob sie weniger Anspannung (in der Schulter etc.) spüren. Nun können auch die zögerlichen Patienten von kleinen Veränderungen berichten, die dann vom Therapeuten differentiell verstärkt werden. Auch sollte man dann nachfragen, ob sich an der „Problem-“ Körperstelle etwas verändert hat.

11.11 Verstärkung der Selbstwirksamkeit und der Körpersignale Instruktion: Verstärkung

„Nun legen Sie bitte die Hand auf die Körperstelle, an der Sie eine positive Veränderung spüren.“ Halten Sie dieses Gefühl der positiven Veränderung fest, das Sie bewirkt haben.“ Falls ein veränderter Gedanke (Einstellung, Bewertung) erzielt wurde: „Ja, prima, halten Sie diesen guten Gedanken NN (Gefühl, Bewertung) bitte fest: Sie haben NN bewirkt!“

158

11  Die Intervention – Phasen der Intensiv-Kurztherapie

Hierbei soll kein intellektuell-kognitiver Disput geführt werden, sondern der Hypnose gemäß ein Austausch in einfachen Sätzen über Befindlichkeiten erfolgen (s. Abschn., Tab. 2.5.8.4).

11.12 Wiederholungsschleifen Anschließend erfolgt wieder das Umschalten auf die Therapieszene mit Auslösen durch den Fingerdruck auf der Schulter. Die Schritte 7 bis 10 werden mehrfach durchlaufen.

Instruktion: Wiederholungen

„Bitte stellen Sie sich nun wieder Ihre Szene vor … Sie befinden sich NN … und nun schauen Sie bitte wieder nach, was sich weiterhin positiv verändert hat! Merken Sie deutlich, was sich von vorhin auf jetzt noch mehr verändert hat!“ Der Patient beschreibt seine weiteren emotionalen (kognitiven, motivationalen etc.) Veränderungen und wird gebeten, nun wahrzunehmen, wodurch er das erreichen konnte. Falls er an dieser Stelle zögert, werden seine als Veränderungen beschriebenen Empfindungen aus der vorherigen Szene aufgegriffen und als Thema angeboten. Auch hier arbeitet der Patient mit den Szenen und den empfundenen positiven Veränderungen weiter. Veränderungen Während der abwechselnden Wiederholungen von Therapieszene und Entspannungsszene sind deutliche positive Veränderungen festzustellen: • Die bislang angstbesetzte Therapieszene wird immer mehr neutraler wahrgenommen. • Patienten berichten meist von ihren nun erlebten Änderungen ihrer Einstellungen oder Bewertungen. • Teilweise erkennen sie beim Angstabbau, dass sie bestimmte Handlungen vollziehen sollten wie: einfach stehen bleiben und den Hund negieren; mit dem Chef sprechen; in den Zahn-Behandlungsstuhl setzen und mit der Überallmethode ruhig bleiben; denken „dabei bleibe ich ruhig … atme entspannt … denke an etwas Schöne etc.“ (s. Abschn. 2.5.1.2 zur Negation). • Die Körperstelle für unangenehme Gefühle wird kleiner und wird zunehmend als neutral erlebt. • Die Körperstelle für positive Gefühle wird als wachsende Stärke und Selbstsicherheit empfunden. • Mitunter verschwimmt die negative Körperstelle und geht in die positive restlos über.

11.13  Selbstkontrolle – Selbstregulation

159

Wenn die Veränderungen der vorgenannten Schritte 7 bis 10 innerhalb von ca. 5–8 Wiederholungen zuverlässig erreicht wurden, beginnt die zweite TherapiePhase. Die Häufigkeit der Wiederholungen richtet sich nach dem Fortschritt der Umstrukturierung. Je nach Patient kann evtl. bereits nach 3 Wiederholungen die nächste Phase beginnen. Bei sehr großen oder komplexen Problemstellungen sind wahrscheinlich mehrere Therapiesitzungen erforderlich, in denen Einzelbereiche des Problems behandelt werden müssen.

Dritte Therapiephase: Autohypnose – Übernahme von Bewältigungsstrategien – Stabilisierung: Schritte

• 13: Selbstkontrolle – Selbstregulation • 14: Selbststeuerung der Bewältigungsstrategie • 15: Stabilisierung der Selbstwirksamkeit

11.13 Selbstkontrolle – Selbstregulation Nach den externalen Anweisungen durch den Therapeuten soll der Patient die Selbstkontrolle und Selbstregulation eigenständig übernehmen und die Vorgehensweise dadurch internalisieren. Positive Szene selbst auslösen

Instruktion: Aufbau der Selbstkontrolle

Der Patient wird nun gebeten, die positive Szene selbst zu verwalten: „Nun schalten Sie bitte wieder um auf Ihre angenehme Szene und berühren nun selbst mit Ihrer einen Hand Ihr Handgelenk so wie ich es vorher tat. … Sie machen es genauso wie vorhin: Sie stellen sich Ihre Entspannungsszene so lange vor, bis Sie gut entspannt sind. Wenn Sie vollkommen entspannt sind, dann geben Sie mir bitte ein kleines Fingerzeichen oder nicken Sie.“

Stabilisierung der Selbstkontrolle Der Therapeut gibt weiterhin durch den Fingerdruck auf die Schulter den Hinweisreiz für die Imagination der Therapieszene – und die Suggestivfrage nach der weiteren positiven Veränderung und deren positive Verstärkung und der immer intensiver werdenden Selbstkontrolle und Emotionskontrolle des Patienten. Diese Abfolge: Fingerdruck, Imagination und positive Veränderung der Therapieszene wird nun ca. 4–6 Mal wiederholt, bis der Patient diese Abfolge immer positiver und selbständiger bewältigt.

160

11  Die Intervention – Phasen der Intensiv-Kurztherapie

11.14 Selbststeuerung und Selbstverwaltung der Bewältigungsstrategien Der Patient soll nun die neu erlernten und erfolgreich erlebten Therapieschritte selbst durchführen. Er soll dadurch besonders deutlich seine neu erworbene Selbstwirksamkeit wahrnehmen und stabilisieren.

Instruktion: Selbstverwaltung

„Wechseln Sie nun bitte selbständig zwischen den beiden Szenen. Halten Sie bitte jede Szene ungefähr so lange fest wie gerade mit mir geübt. Merken Sie dabei immer wieder, wie schnell Sie umschalten können und wie Sie immer mehr positive Veränderungen bewirken können, Sie dabei immer sicherer werden.“ Die Schulterberührung entfällt nun.

11.15 Stabilisierung der Selbstwirksamkeit Der Patient hat nun direkt erfahren, dass er mit seinen Gedanken, Emotionen, Einstellungen und Steuerung seiner therapeutischen Abfolgen etc. Selbstwirksamkeit erreicht hat. Er hat diese Veränderungen eigenständig erarbeitet und sie in Hypnose mehrfach gemeistert. Dadurch ist seine Zuversicht groß, demnächst in der Realsituation angemessen zu reagieren.

Vierte Therapiephase: Hypnose – Beendigung – Transfer von der Therapie in den Alltag – Therapeutische Hausaufgaben: Schritte

• 16: Posthypnotischer Aufgabe • 17: Beendigung der Hypnose – positives Ende • 18: Nachbesprechung • 19: Therapeutische Hausaufgaben

11.16 Posthypnotische Aufgabe Nach den zahlreichen Wiederholungen und besonders nach der wiederholten und stabilen Erfolgsmeldung des Patienten folgt die Posthypnotische Aufgabe, in den für ihn bisherigen relevanten problemauslösenden Situationen (Reizen, Auslösern) sofort die erlernte Selbstkontrolle anzuwenden (s. Abschn. 3.6).

11.16  Posthypnotische Aufgabe

161

In dieser posthypnotischen Suggestion werden die relevanten Auslöser für die Selbstkontrolle und das emotionsregulierende Verhalten genau formuliert, um sicher wirksam zu werden. Ein neuer Formulierungsalgorithmus für eine Posthypnotische Aufgabe (nach Scholz 2006; Scholz et al. 2008) • Die Aufgabe wird direkt aus dem Hypnoseauftrag des Patienten abgeleitet. Was will der Patient durch diese Hypnose für einen Nutzen haben? – Konkrete Formulierung. • Der Therapeut lässt dieses im Auftrag enthaltene Ziel imaginieren. – Bildhaftigkeit, VAKOG. • Die Lösung – das Zielverhalten – wird zu einem Stichwort verdichtet. – Anschaulichkeit. • Koppelung der Lösung an externale und internale Auslösebedingungen. – Wenn-Dann-Formulierungen. Nachfolgende Instruktionen Formulierungsalgorithmus.

orientieren

sich

weitgehend

an

diesem

Instruktion: Posthypnotische Aufgabe

„Immer, wenn Sie an Ihr Problem NN denken oder sich in ähnlichen Situationen befinden – oder wenn wie früher unangenehme Gefühle auftreten, werden Sie sofort an Ihr Handgelenk fassen und sofort umschalten zu Ihrer schönen Entspannungsszene. Sie werden dann sofort umschalten auf Entspannung und Ihre positiven Gedanken (benennen) benutzen.“

Posthypnotische Aufgabe am Beispiel einer Hundeangst

„Immer, wenn Sie demnächst irgendwo einen Hund sehen oder hören werden (evtl. noch plastischer formulieren), dann wenden Sie die Überallmethode an und entspannen sofort. Dabei werden Sie dann bemerken, dass der Anblick des Hundes für Sie ganz uninteressant geworden ist. Sie schauen ihn dann an und merken, wie gleichgültig Ihnen ein Hund geworden ist. Das merken Sie ganz deutlich daran, dass Sie ganz ruhig sind, stehen bleiben und sich locker, entspannt fühlen. Sie merken ganz deutlich, dass Sie dann ganz ruhig bleiben. Auch demnächst, wenn Sie mal wieder einen Hund sehen werden, können Sie ihn nahe herankommen lassen, während Sie stehen bleiben. Sie merken dabei, dass Sie ruhig bleiben und Ihnen der Hund zunehmend gleichgültig geworden ist. …“ (Abb. 11.1) ◄ Anmerkung zu dieser posthypnotischen Aufgabe Diese Formulierung setzt voraus, dass der Patient demnächst vorwiegend mit gut erzogenen Hunden Kontakt haben wird, wie später in Fall 9 dargestellt. Im Kontrast dazu steht Fall

162

11  Die Intervention – Phasen der Intensiv-Kurztherapie

Abb. 11.1  Posthypnotische Aufgabe: Reiz – Reaktion – Wirkungen (sehr vereinfachte Darstellung) Die Posthypnotische Suggestion, demnächst beim Anblick (Sehen) eines Hundes entspannt zu sein. Hier der Ablauf der einzelnen Phasen als Abfolge definierter Reize (S) und ZwischenReaktionen (R) zum Erinnern an das dann zukünftig folgende gewünschte Ziel-Verhalten (R) und es dann auszuführen

10, in dem der Hund bösartig und unbewacht den kleinen Patienten überfiel. Hier ist die obige posthypnotische Suggestion nicht anwendbar und muss durch andere Interventionen ersetzt werden.

11.17 Beendigung der Hypnose – positives Ende Die Hypnose-Sitzung sollte möglichst immer mit einem positiven Ausgang abgeschlossen werden. Meist ist das der Fall, da fast alle Patienten die positive Veränderung deutlich bemerken und erleichtert darüber sind. Falls jedoch ausnahmsweise Anspannungen oder Ängste etc. zu bemerken sind oder vom Patienten berichtet werden und die Sitzung beendet werden muss, dann sollte sie mit der Ruheszene abgeschlossen werden. Dadurch wird die gesamte Sitzung rückwirkend als positiver erlebt. Bei erfolgreichem Ende der Sitzung wirkt sich der dann folgende positive Abschluss der Sitzung erst recht erfolgsverstärkend aus. Die Beendigung der Hypnose erfolgt – wie meist praktiziert – durch Rückwärtszählen und Rückorientierung, so wie meist praktiziert:

Instruktion: Beendigung der Hypnose

„Wir können jetzt die Bearbeitung der Szenen erfolgreich beenden. Sie waren sehr erfolgreich…. … Ich werde gleich rückwärts zählen von 3 bis 1 und Sie werden dann Ihre Augen öffnen und ganz entspannt sein, sich wohlig aktiv dabei fühlen. … 3 – Sie sind ganz entspannt und sind sehr erfolgreich … 2 – Sie befinden sich hier in diesem Raum, auf diesem Stuhl … 1 – Sie sind ganz entspannt, fühlen sich wohlig aktiv und werden gleich Ihre Augen öffnen – 0 – Sie öffnen nun Ihre Augen, sind ganz entspannt, fühlen sich wohlig aktiv. …“

Literatur

163

Der Therapeut schweigt. Der Patient hat nun Zeit zur Rückorientierung, die ca. 2–3 min in Anspruch nimmt. Mitunter beginnt er spontan von seinen Eindrücken zu berichten.

11.18 Nachbesprechung Falls auf beiden Seiten Fragen auftraten, können diese nun besprochen werden. Dazu gehört nun auch, dass der Therapeut sich danach erkundigt, wie der Patient seine Entwicklung der Befreiung erlebt hat. Dabei erfolgt nochmals die positive Verstärkung seiner Kooperation und seiner mitentwickelten Selbstkontrollmethoden und Ressourcennutzung.

11.19 Therapeutische Hausaufgaben Letztlich wird auch nochmals die Anwendung der Überallmethode und der Selbstkontrollmethoden in den bislang kritischen Situationen besprochen. Zur Sicherheit soll der Patient seine Überallmethode mindesten einmal täglich anwenden. Falls hier noch Unklarheiten oder ein weiterer Behandlungsbedarf besteht, soll die Behandlung weiter fortgeführt werden. Die gesamte Sitzung sollte ebenfalls wie die vorhergehenden Phasen und Schritte positiv abgeschlossen werden. Kontrolltermine Auf jeden Fall werden weitere Kontrolltermine vereinbart, um festzustellen, wie sehr die Veränderungen sich tatsächlich im Alltagsleben zeigen.

Literatur Kirsch I, Lynn SJ (1999) Hypnotic involuntariness and the automaticy of everyday life. In: Kirsch I, Capafons A, Cardena-Buelna E, Amigó S (Hrsg) Clinical hypnosis and selfregulation: Cognitive-behavioral perspective. American Psychological Association, Washington, S 49–72 Kossak H-C (2013) Hypnose. Ein Lehrbuch für Psychotherapeuten und Ärzte, 5. überarb. Aufl., Beltz, Weinheim Kossak H-C (2015) Wichtige Aspekte bei der Hypnose-Induktion und Lernziele des Therapeuten. In: Stavemann HH (Hrsg) Therapie-tools. Integrative KBT, Beltz, Weinheim, S 547f Scholz OB (2006) Hypnotherapie bei chronischen Schmerzerkrankungen. Huber, Bern Scholz OB, Bleek B, Schlien A (2008) Suggestionen, die erst nach der Hypnose wirken sollen: Präsentation einer Posthypnose-Aufgabe. Zeitschrift für Hypnose und Hypnotherapie 3(1+2):117–126 Welch LA (1947) A behavioristic explanation of the mechanism of suggestion and hypnosis. J Abnorm Soc Psychol 42:359–364

Das praktische Fallseminar Demonstration der kognitiv-behavioralen Hypnose-Kurztherapie zur Behandlung von Ängsten – und weiteren Störungen

12

Inhaltsverzeichnis 12.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.2 Zu den Falldarstellungen und Fallbesprechungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.3 Die Falldarstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.3.1 Fall 8 – Posttraumatische Belastungsstörungen nach Augenoperation . . . . . 12.3.2 Fall 9 – Hundeangst seit der Kindheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.3.3 Fall 10 – Hundeangst – Opfer eines Hundeüberfalls . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.3.4 Fall 11 – Flugangst seit vielen Jahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.3.5 Fall 12 – Flugangst nach traumatisierendem Flugerlebnis . . . . . . . . . . . . . . 12.3.6 Fall 13 – Spinnenangst seit der Kindheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.3.7 Fall 14 – Zahnarztangst seit der Kindheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.3.8 Fall 15 – Angst vor der anstehenden Operation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.3.9 Fall 16 – Angst nach einem ärztlichen Missgriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.3.10 Fall 17 – Panikattacken in der Straßenbahn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.3.11 Fall 18 – Panikattacken – wirklich ohne erkennbaren Grund (?) . . . . . . . . . 12.3.12  Fall 19 – Angst vor Versagen, Selbstzweifel, Sozialangst, Minderwertigkeitsgefühle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.3.13 Fall 20 – Examensangst – Angst vor Übergriffen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.3.14 Fall 21 Aggressionen bei mangelnder Selbstkontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.3.15 Fall 22 – Aggressionen nach krimineller Beeinflussung . . . . . . . . . . . . . . . . 12.3.16  Fall 23 Selbstwirksamkeitserwartung – Angst vor der praktischen Führerscheinprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

165 166 169 169 178 180 183 186 189 191 193 196 198 202 207 225 228 232 235 237

12.1 Einleitung In diesem Kapitel haben Fallvorstellungen ihren breiten Darstellungsraum. Sie sind so knapp, so ausführlich und anschaulich wie möglich wiedergegeben. An erster Stelle wird die Hypnose-Kurzintervention in ihrer Anwendungsbreite demonstriert und soll als Handlungsmodell für die Leser dienen. Es sind Fälle, die © Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer-Verlag GmbH, DE, ein Teil von Springer Nature 2020 H.-C. Kossak, Kognitiv-behaviorale Psychotherapie von Ängsten, Psychotherapie: Praxis, https://doi.org/10.1007/978-3-662-62323-7_12

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166

12  Das praktische Fallseminar

die erstaunlich schnellen und dauerhaft wirkenden Therapieerfolge aufzeigen. Sie hatten mich ermutigt, diese Therapieform weiterzuentwickeln, zu verfeinern und auf das Wesentlichste zu komprimieren. In diesem Teil erfolgen die Darstellungen realer Fälle aus meiner Behandlungstätigkeit mit unterschiedlichen Angststörungen und Behandlungsmethoden. In Fall 8 und Fall 19 liegt sogar ein Transskript einer realen Therapiesitzung vor, die während der Therapie aufgezeichnet wurde. Dadurch können die Leserin und der Leser quasi live die Sitzung mit ihren Details miterleben.

12.2 Zu den Falldarstellungen und Fallbesprechungen Durch die Falldarstellung wird der Leser in die Überlegungen zur Diagnostik, Therapieplanung und Therapiedurchführung mit einbezogen. Er soll die Überlegungen des Autors nachvollziehen können, um daraus Anregungen für seine zukünftigen Fälle zu entnehmen. Studienfragen Deshalb werden besonders die Studienfragen z. B. zur Diagnostik oder Therapieplanung gestellt. Diese sollte man möglichst sofort beantworten, da ihre Lösungen oder Beantwortungen als feedback sofort danach erfolgen. Manches davon scheint für Fortgeschrittene vielleicht selbstverständlich zu sein; so werden sie sich umso schneller in die Anwendung der Methode einfinden. Die Studienfragen beziehen sich hier weniger auf die genaue Einordnung nach dem ICD-10, sondern vielmehr auf die Verhaltensanalyse der Störung, das heißt ihre auslösenden und aufrechterhaltenden Bedingungen (Verstärkungen etc.). Die Auswahl der Fälle Derartige Demonstrationsfälle sollen auch sehr realistisch sein und dem Therapiealltag entsprechen. Dafür erfolgte die Auswahl von nicht nur einfachen oder besonders gut verlaufenden Fällen, sondern auch solchen, die mögliche Schwierigkeiten in der Diagnostik, Therapieplanung oder Therapiedurchführung beinhalten oder sogar ihre Grenzen aufzeigen. Mitunter geben gerade schwierige oder vermeintlich unlösbare Fälle oder Fehlentscheidungen in der Planung und Behandlung mehr Impulse als besonders glatt verlaufende Fälle. Wir beginnen mit der wörtlichen Niederschrift von Fall 8 (Abschn. 12.3.1). Seine Durchführung ist leicht nachzuvollziehen, da hier die klassische Abfolge der 19 Therapieschritte möglich war. Zur besseren Übersicht über die 19 ablaufenden Schritte der Therapie sind diese in Tab. 12.1 nochmals zusammengestellt. Das soll den Vergleich der Textphasen mit den Therapieschritten in den einzelnen Fällen erleichtern – und den Lernvorgang unterstützen, sich diese Vorgehensweise anzueignen.

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12.2  Zu den Falldarstellungen und Fallbesprechungen Tab. 12.1  Kognitiv-behaviorale Psychotherapie von Ängsten – Kurztherapie mit Hypnose

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Die Praxisanleitung

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Übersicht der einzelnen Therapiephasen Die gesamte Therapie umfasst vier Phasen mit insgesamt 19 Schritten

Erste Therapiephase Hypnose - Einleitung – Entspannung - Differenzierungslernen 1. Die Induktion Praxis der Hypnose-Induktion – Eine kleine Wiederholung Die Augenfixationsmethode/Punktfixationsmethode Induktion mit der Handlevitationsmethode 2. Die Ruheszene – Entspannung 3. Erlernen der Körpersignale für Entspannung 4. Erlernen der Überall-Methode 5. Die Therapieszene – ihr Auslösereize - Differenzierungslernen 6. Wahrnehmung der Körpersignale für Anspannung Zweite Therapiephase Hypnose - Gegenkonditionieren – positive Suggestionen - Selbstwirksamkeit 7. Aushalten der aversiven Situation – Vermeidungsverhalten abbauen 8. Erlernen des schnellen Umschaltens zwischen beiden Szenen - Gegenkonditionierung 9. Suggestion der wahrgenommenen positiven Veränderung 10. Wahrnehmung der positiven Veränderung als Selbstwirksamkeit 11. Verstärkung der Selbstwirksamkeit und der Körpersignale 12. Wiederholungsschleifen

Dritte Therapiephase Autohypnose - Übernahme von Bewältigungsstrategien - Stabilisierung 13. Selbstkontrolle – Selbstregulation 14. Selbststeuerung der Bewältigungsstrategien 15. Stabilisierung der Selbstwirksamkeit

Vierte Therapiephase Hypnose – Beendigung – Transfer in den Alltag – Therapeutische Hausaufgaben 16. Posthypnotische Aufgabe 17. Beendigung der Hypnose 18. Nachbesprechung 19. Therapeutische Hausaufgaben

Die dann folgenden Falldarstellungen beginnen mit einfachen Diagnosen und Behandlungen, bis dann kompliziertere Überlegungen und Vorgehensweisen erforderlich werden, bis wir auch zu den Überlegungen zu den Grenzbereichen der Methode gelangen. Die Fälle beinhalten teilweise einfache durch simple Konditionierungen entstandene Ängste bzw. Problemstellungen.

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12  Das praktische Fallseminar

Bei Fall 8 ist die akute Posttraumatische Belastungsstörung zwar sehr komplex, ihre Behandlung dagegen in Reinform „klassisch“ durchführbar und war deshalb sehr klar gegliedert darzustellen. Dadurch ist die Methode der Kurztherapie hier gut nachzuvollziehen. Die folgenden beiden Fälle von Hundeangst (Fall 9, Abschn. 12.3.2, und Fall 10, Abschn. 12.3.3) und Flugangst (Fall 11, Abschn. 12.3.4 und Fall 12, Abschn. 12.3.5) verdeutlichen, wie unterschiedlich die Genese von Ängsten sein kann – und wie unterschiedlich Patienten mit ihnen umgehen. Dem folgen dann Fälle mit Spinnenangst (Fall 13, Abschn. 12.3.6) und Zahnarztangst (Fall 14, Abschn. 12.3.7) mit einfacheren Genesen. In den beiden dann folgenden Fällen handelt es sich um reale zukunftsbezogene Ängste, so bei der Angst vor den Vorbereitungsfehlern bei einer Hüftoperation, die umfangreichere Therapieplanungen erfordert (Fall 15, Abschn. 12.3.8). Bei der Realangst vor Verletzungen reicht die kognitive Umstrukturierung aus (Fall 16, Abschn. 12.3.9). Bei den drei nächsten Fällen sind jeweils relativ dramatische Angstsituationen festzustellen, so Panikattacken nach Konflikten (Fall 17, Abschn. 12.3.10) und nach scheinbar unerkannten Ursachen (Fall 18, Abschn. 12.3.11). Bei der Patientin mit Angst vor Versagen, Selbstzweifel, Sozialangst, Minderwertigkeitsgefühle (Fall 19, Abschn. 12.3.12) liegt wieder eine wörtliche Mitschrift der Gesamten Therapie vor. Die beiden vorletzten Fälle wurden ausgewählt, weil ihre Anamnese besonders problematische Anwendungen erforderte; sie zeigen die Modifikationsmöglichkeiten der Therapiemethode auf, so bei der Examensangst einer Studentin als Verbrechensopfer (Fall 20, Abschn. 12.3.13), bei unbeherrschten Aggressionen eines Schülers (Fall 21, Abschn. 12.3.14) und einer jungen Frau mit Aggressionen infolge von kriminellen Einwirkungen (Fall 22, Abschn. 12.3.15). Der Fall 22, Abschn. 12.3.15, dagegen ist ein besonderes Beispiel dafür, dass trotz einer vorgesehenen Kurztherapie eine umfassende Exploration der Patienten unbedingt erforderlich ist, um dann über eine Therapie zu entscheiden.  Wichtig  Es ist hier zu betonen, dass sich bei zahlreichen der dargestellten Fälle die Behandlung direkt oder indirekt auch an die Partner in deren Sozialsystem wendet. Das verdeutlicht besonders, dass diese Therapiekurzformform sich keinesfalls nur mit dem Symptom befasst, sondern dessen Stellenwert in der Auslösung oder Aufrechterhaltung – also deren Ursachen – auch in der Therapie berücksichtigt. Zu nennen sind hier besonders die Fälle: 8, 7, 9, 11, 15, 16, 17.

Die angegebenen Katamnesezeiträume sind unterschiedlich lang. Nur sehr selten sind in der laufenden Psychotherapie-Praxis systematische Nachbefragungen möglich. So ist man auf die freien Rückmeldungen der Patienten angewiesen. Dadurch können in seltenen Fällen keine Angaben dazu gemacht werden. In zahlreichen Fällen ergaben sich jedoch lange Befragungszeiträume, da die Patienten über ihre Angstreduktion und die darauffolgende Verbesserung ihrer Lebensqualität sehr froh waren und mir das gern mitteilen wollten.

12.3  Die Falldarstellungen

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Wie in den vorhergehenden Kapiteln sind die Fälle nummeriert, um sie bei Erwähnungen schneller aufzufinden. Zur Erinnerung In Fall 1 (s. Abschn. 2.5.8.1) handelte es sich um einen Waschzwang, in dem die nonverbalen und zum Problem inkongruenten Mitteilungen relevant waren. Fall 2 (s. Abschn. 4.4.3.1) beschreibt das Grundschema einer Hundeangst, Fall 3 (s. Abschn. 4.4.3.1) komplexere Kognitionen bei einer Flugangst. Im Fall 4 (s. Abschn. 4.4.3.1) entsteht die Examensangst durch negative Selbstbewertung. Der Fall 5 verdeutlicht, wie eine Höhenangst (s. Abschn. 6.1.3) durch Modelllernen erworben und behandelt werden kann. Im Fall 6 (s. Abschn. 8.3.4.3) war die kognitive Umstrukturierung der angstbesetzten Krähen am Krankenhausfenster spontan wirksam. In Fall 7 (s. Abschn. 9.7) hilft bei einer sehr komplexen Angstsituation nach einer Operation die Suggestion von Zuversicht in die eigenen Fähigkeiten (alle s. Abschn. 3).

12.3 Die Falldarstellungen Diese und die nachfolgenden Falldarstellungen folgen natürlich dem Grundkonzept der kognitiv-behavioralen Psychotherapie mit Hypnose. Je nach individuellen Erfordernissen werden dann ihre Variationen eingesetzt. Das soll deutlich machen, dass trotz vieler einheitlicher Methodenvorgaben immer noch die individuelle Diagnose, gefolgt von der individuellen Therapieplanung und -durchführung, im Vordergrund stehen. Bei allen Fällen wurden Organismusvariablen wie Erkrankungen oder Medikamente exploriert. Da sie jedoch bei keinem der Fälle hier für die Angstproblematik relevant waren, wurden sie nicht extra aufgezeichnet bzw. erwähnt.

12.3.1 Fall 8 – Posttraumatische Belastungsstörungen nach Augenoperation Notfallsprechstunde In der Notfallsprechstunde ca. drei Stunden nach Rückkehr aus einer ambulanten Augenoperation in einer Klinik ist die Patientin immer noch wie zuvor von ihrem Ehemann beschrieben verstört, mimisch erstarrt, wirkt fassungslos, spricht in Satzbruchteilen von ihrem Erlebnis. Besonders wiederholt sie immer wieder, dass sie so starke Schmerzen hatte, der Arzt auf ihre starken Klagen nicht reagierte und sie nicht weinen durfte, um das Medikament nicht aus dem Auge zu spülen.

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12  Das praktische Fallseminar

Anamnese Frau S. (71 J.) musste sich einer Katarakt-Operation am rechten Auge unterziehen und wurde von ihrem Ehemann zur entfernt liegenden Klinik begleitet. Dem Arzt war bekannt, dass das betreffende Auge durch häufige Entzündungen vorgeschädigt war und deshalb eine stärker als übliche Lokalanästhesie erfolgen musste – oder alternativ eine Vollnarkose. Frau S. hatte von vielen Bekannten gehört, dass diese Operation ein harmloser Routineeingriff ohne Schmerzen sei. Vor der Operation wurde sie nicht über die Möglichkeit der Vollnarkose aufgeklärt und ohne Absprache erfolgte eine Lokalanästhesie in normaler Dosierung. Während der Operation traten dann am betroffenen Augapfel plötzlich extreme, anhaltende und kaum auszuhaltende Schmerzen auf. Obwohl der Operateur das von seiner Patientin sofort rückgemeldet bekam, schnitt er unbeirrt und wortlos weiter. Auch nach der Operation klagte Frau S. über die extremen Schmerzen; der Operateur bemerkte im Vorbeigehen ruppig „Na, das haben Sie ja überlebt.“ Als Frau S. von ihrem Mann vom Behandlungsraum abgeholt wurde, war sie nach seiner beeindruckenden Schilderung vollkommen verstört, sehr blass, im Gesichtsausdruck eingefallen und mimisch erschreckend erstarrt so verändert, wie man es sonst nur als Reaktion auf Katastrophen kennt. Sie beklagte leise und ständig wiederholend ihre Schmerzen. Dabei sei es sehr schlimm für sie, dass sie nicht einmal weinen dürfe, da sonst das Medikament aus dem Auge gespült werde. Sie beklagte sich auch immer wieder fassungslos, dass man sie überrumpelt habe, sie vollkommen machtlos war, ausgeliefert, als Objekt misshandelt wurde. Nach ca. 40 min Autofahrt zuhause angekommen war sie immer noch kaum ansprechbar, berichtete immer wieder und weiterhin fassungslos über ihre Schmerzen und das rabiate Vorgehen des Operateurs. Die Konsultation zur Psychotherapie konnte im Rahmen eines Notfallkonzeptes nach zwei Stunden erfolgen. Diagnose Die Diagnose einer akuten Belastungsreaktion i. S. einer Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) ist hier naheliegend. Da es sich um eine akute Situation handelt, können typische Symptome wie z. B. Hypervigilanz oder Ein- und Durchschlafstörungen (noch) nicht beobachtet werden. Prognose PTBS haben meist gute Heilungschancen, wenn schnell eine geeignete Therapie beginnt. Bei längerer Dauer ist ein chronischer Verlauf möglich. Therapieplanung Die Patientin war der traumatisierenden Situation nahezu hilflos ausgeliefert, verbunden mit sehr starken körperlich bedingten Augenschmerzen und der psychischen Anstrengung, trotz der Schmerzen den Tränenfluss zu verhindern. An dieser objektiven Tatsache lässt sich nichts rückwirkend verändern – auch nicht in dem subjektiven Erleben.

12.3  Die Falldarstellungen

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In der zeitlich nahen Notfalltherapie soll versucht werden, die Patientin so zu stabilisieren, dass sie ihre Autonomie, ihre Bestimmung über sich selbst, wiedergewinnt, die ihr vom Operateur rabiat genommen worden war. Im therapeutischen positiven Sinn ist wesentlich, dass die Patientin sich trotz aller starker Schmerzen so gezielt kontrollieren konnte, sich während der Operation nicht zu bewegen und Tränen zurückzuhalten, die schädigend gewesen wären. Genau diese besondere Stärke soll als Ressource beachtet und genutzt werden. Dabei soll sie stets in ihren Bemühungen um Selbstwirksamkeit bestärkt werden, ihre Tränen zurückzuhalten, dass nur sie das allein mit ihrer Stärke und ohne ärztliche Hilfe oder sonstigen Beistand so gut schaffen konnte. Es ist bekannt, dass die von PTSD betroffenen Personen schockartig ihre Hilflosigkeit erfahren mussten, und gerade bei Posttraumatischen Belastungsstörungen die Wahrscheinlichkeit des Fortbestehens und späterer Flashbacks besonders hoch ist (ICD-10). Danach richten sich dann die zeitlich und inhaltlich gestaffelten Therapieziele. Kurzfristiges Therapieziel Für die Gegenwart gilt es, die massiven Ängste, die physiologische Erregung abzubauen und zu erreichen, dass sie wieder möglichst bald ruhiger wird und ihr gewohntes Alltagsleben fortführen kann – möglichst ohne intensive Erinnerungen an das traumatisierende Erlebnis. Weitere methodische Überlegung werden zwar jetzt schon getroffen, sollen jedoch hier im Buch zur besseren Übersicht an den dafür relevanten Therapieabschnitten eingefügt werden. Langfristige Therapieziele Auch wenn diese kurzfristigen auf die Gegenwart gerichteten Ziele erfolgreich realisiert werden, bleiben starke Erwartungsängste bestehen, demnächst in neun Monaten bei der erforderlichen Operation des zweiten Auges ähnlichen Prozeduren und Schmerzen ausgeliefert zu sein – auch wenn ein anderer Operateur tätig wäre. Deshalb sollen die Therapie-Suggestionen auf die gelungene Selbstkontrolle während der OP gerichtet werden und auch auf den Behalt der Autonomie in der Gegenwart. Da das Selbstbild auch mit Eigenbewertungen für zukünftige Handlungen verbunden ist, werden hierzu Impulse gegeben: Sie soll auch demnächst bei der nächsten Operation selbstsicher ihre Beschwerde über ihre Misshandlung vortragen. Somit soll sie sich sicherer fühlen, nun über ein „Werkzeug“ zu verfügen, mit dem sie gewappnet ist und (relativ) ruhig der zweiten OP entgegensehen, sich frei von Angst und Stress erleben – soweit es eine derartige Situation ermöglicht. Sie soll dann auch in der Lage sein, eine andere Art der Narkose zu fordern. Therapiedurchführung Die Patientin wird über die Kurztherapie informiert, so über die Grundzüge der Hypnose, die ihr allerdings theoretisch schon bekannt sind. Ebenfalls bekannt ist, dass eine Ruheszene zur Entspannung benötigt wird. Von den Vorschlägen dazu wählt sie die „Grüne Wiese“ aus.

12  Das praktische Fallseminar

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• Schritt 1: Induktion Die Patientin ist von VHS-Kursen und entsprechenden Instituten mit Entspannungsmethoden vertraut. So kann sie sich erstaunlich schnell auf die Hypnose-Induktion einlassen. Hierbei wird auf die häufig angewandte Finger- oder Punktfixation verzichtet. Denn ihr operiertes Auge ist abgedeckt und eine Punktfixation würde zu einer starken Augenermüdung bzw. Belastung der Augen führen. Denn gerade das beinhaltet ja das ursächliche Belastungsproblem. Entsprechend wird mit indirekten Suggestionen gearbeitet, nun tiefer und tiefer entspannt zu werden. Sie reagiert darauf sofort mit tiefer Entspannung. • Schritt 2: Ruheszene – in Entspannung wohl fühlen Die Patientin ist vertraut mit der Anwendung von Entspannungsbildern und -szenen, die sie bislang gern und sofort wirksam bei Stress etc. einsetzen konnte. Somit kann sie ihre Ruheszene „Grüne Wiese“ nach wenigen Sekunden erleben und sich darauf mimisch deutlich erkennbar einlassen. Während dieser Szene berührt der Therapeut wie vorher angekündigt als Entspannungssignal ihr Handgelenk, indem er es leicht umfasst. • Schritt 3: Erlernen der Körpersignale für Entspannung T  Merken Sie nun bitte ganz deutlich Ihre Entspannung in der Natur, auf der Wiese. Sie fühlen sich dort, sehr wohl und entspannt… Hören deutlich einen Vogel zwitschern … P 

… Ja, schön.

T   (Wiederholt im Sinne von VAKOG entsprechende Entspannungssuggestionen.) Nun schauen Sie bitte, an welcher Stelle des Körpers Sie diese angenehme Entspannung, das Wohlfühlen, besonders intensiv spüren. Das kann im Gesicht sein, im Nacken, auf dem Brustkorb, den Armen, im Bauch oder an einer anderen Stelle… Bitte fühlen Sie die Entspannung dort und legen Ihre Hand da drauf. … Spüren Sie dann an dieser Stelle ganz deutlich Ihre Entspannung. Das ist Ihre persönliche Stelle für Wohlfühlen. … Halten Sie dort bitte dieses schöne Gefühl fest, spüren es dort ganz deutlich … und konzentrieren sich darauf: das ist Ihre Stelle des Wohlfühlens. … Bitte halten Sie das für ein paar Sekunden fest. P 

(Legt ihre rechte Hand flach auf ihren Brustkorb.)

• Schritt 4 Erlernen der Überallmethode T  (Nach ca. 30 s). Nun zeige ich Ihnen eine Entspannungsmethode, mit der Sie überall ganz schnell Ihr für Sie wichtiges Entspannungsgefühl erreichen können. Das ist ganz einfach. … Sie berühren nun bitte mit Ihrer rechten Hand Ihr linkes Handgelenk – dort, wo ich es gerade berührt habe. … und Sie spüren weiterhin Ihre tiefe angenehme Entspannung. Und immer, wenn Sie demnächst entspannen wollen, werden Sie sich daran erinnern und wie jetzt gerade mit Ihrer einen Hand Ihr Handgelenk umfassen sofort locker und entspannt sein.

12.3  Die Falldarstellungen

P 

173

(Das ist natürlich eine posthypnotische Aufgabe, bei Anspannung mit Entspannung sofort gegenzusteuern = Gegenkonditionieren.) Probieren Sie es mal selbst aus. … Ja, habe ich verstanden.

• Schritt 5: Die Therapieszene – ihre Auslösereize – Differenzierungslernen T  Nun schalten Sie bitte um. (Umfasst ihr Handgelenk.) (Methodische Überlegungen: Da die Patientin immer noch unter ihrer Schocksituation leidet, soll die geplante Imagination der Therapieszene „Geschehnisse im OP“ nur jeweils kurz realisiert werden, d. h. die traumatisierenden Elemente (Schmerz, ausgeliefert sein usw.) werden nur kurz erwähnt; es ist sonst zu befürchten, dass diese Gefühle wieder aufleben und ein Flashback der Situation mit all ihrer belastenden Dramatik eintritt. Vielmehr werden nun ihre Fähigkeiten betont, trotz dieser Situation mit so viel an Selbstkontrolle ihrer Gedanken und Gefühle ausüben zu können, damit es nicht noch schlimmer wurde = Ressourcennutzung.) T  (Berührt mit seinem Finger ihre Schulter). Die Operation wurde im Nebenraum vorbereitet. Sie befinden sich nun im Operationsraum. … Dort liegen Sie auf dem Operationstisch … das Tuch wird über Ihr Gesicht gelegt … es ist ein Schlitz darin. Der wird über das entsprechende Auge gelegt. … Die Operation beginnt … und Sie erleben Ihre stechenden Schmerzen am Auge? P 

(Verspannt sich sichtbar.)

• Schritt 6: Wahrnehmung der Körpersignale für Anspannung T  Sie erleben deutlich Ihre Anspannung, Ihren Schmerz. Spüren Sie nun deutlich, an welcher Stelle am Körper Sie das besonders merken. Das muss nicht unbedingt nur das Auge sein. Legen Sie auf diese Körperstelle Ihre Hand. P 

(Legt ihre Hand auf den Brustkorb, wirkt mimisch angespannt.)

• Schritt 7: Aushalten der aversiven Situation – Vermeidungsverhalten abbauen T  Ja. Ich weiß, dass das unangenehm ist, sogar sehr unangenehm, das so zu erleben. Aber es ist nun ganz wichtig, dass Sie das bitte noch einmal für ein paar Sekunden aushalten. Dann erinnert sich Ihr Körper daran, dass Sie nicht davor weglaufen, sondern, dass Sie das steuern können. OK? P 

Ja.

• Schritt 8: Erlernen des schnellen Umschaltens zwischen beiden Szenen T  Bitte halten Sie das noch etwas aus. Es ist wichtig. (Nach ca. 20 s). Ganz prima, dass Sie das Gefühl aushalten konnten. Das ist eine große Leistung. Das ist Ihre Stärke! (Positive Verstärkung von Kooperation und Aushalten der aversiven Situation  =  Reizkonfrontation, gleichzeitig Abbau des Vermeidungsverhaltens.) P 

(Nickt zögerlich.)

12  Das praktische Fallseminar

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T  N  un schalten Sie bitte um (nimmt Finger von der Schulter). Sie schalten nun bitte um zu Ihrer schönen Entspannungswiese (umfasst ihr Handgelenk). Sie befinden sich nun wieder auf Ihrer schönen grünen Wiese, … hören die Vögel singen, …. riechen das Grün der Wiese. … Spüren Sie das? P 

Ja.

T  Was gefällt Ihnen davon am besten? P 

Das Vogelgezwitscher.

(Die verbale Kommunikation mit der Patientin soll gewährleisten, dass sie den Suggestionen des Therapeuten in der gewünschten Weise folgt und der Rapport dadurch aufrechterhalten bleibt. Gleichzeitig bekommt er durch die verbalen Rückmeldungen Informationen darüber, welche Erlebnisse weiter besonders förderlich für die Entspannung sind und weiter genutzt werden sollten. Ebenso hat der Therapeut durch diese Kommunikation die Information, dass die Patientin mit ihren Imaginationen weiterhin seinen Suggestionen folgt und nicht eigenständig unangenehme Szene imaginiert und damit in ihrer Angst eskaliert – oder durch ihre Imaginationen aus anderen Bereichen den therapeutischen Rahmen verlässt und dadurch kognitives Vermeidungsverhalten zeigt.) T  N  un schalten Sie bitte wieder um auf die andere Szene (Fingerberührung auf ihrer Schulter): P 

Ja … ist unangenehm.

T  B  itte halten Sie es dennoch ein paar Sekunden aus. Später wird es immer weniger unangenehm werden. … Prima! … Und nun schalten Sie bitte wieder um auf Ihre angenehme „Grüne Wiese“ (Entfernt Finger von der Schulter, umfasst ihr Handgelenk). Sie spüren, wie schön das dort ist auf der Wiese … mit dem Vogelgezwitscher … und den Gerüchen der Blumen (= Gegenkonditionierung). • Schritt 9: Suggestion der wahrgenommenen positiven Veränderung Positive Suggestionen T  Schauen Sie jetzt mal in sich hinein, was sich jetzt schon positiv verändert hat. Ja, fühlen Sie mal in sich nach, was sich Positives getan hat. P 

(leise, erstaunt) … Ich bin ruhiger. … Nicht mehr ganz so angespannt.

T  J a! Sehr gut! Spüren Sie ganz klar diese positive Veränderung: Sie sind nun ruhiger, entspannter. • Schritt 10: Wahrnehmung der positiven Veränderung als Selbstwirksamkeit T  Spüren Sie weiter ganz deutlich, dass sich etwas positiv geändert hat. Sie sind entspannter! Sie haben das erreicht! Durch Ihre Gedanken und Gefühle! Sie haben das selbst bewirkt. Sie haben die Situation beherrscht. Merken Sie das? P 

Ja … ich fühle mich besser.

12.3  Die Falldarstellungen

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• Schritt 11: Verstärkung der Selbstwirksamkeit und der Körpersignale T  Sie haben die Situation beherrscht. Das ist ganz wichtig: Sie sollen merken, dass Sie wieder Ihre Gefühle selbst bestimmen können. Bitte spüren Sie das ganz deutlich: Sie haben Ihre Entspannung bewirkt. • Schritt 12: Wiederholungsschleifen Es folgt die Wiederholung der Schritte 7 bis 11, bis die Patientin nach vier Wiederholungen deutlich berichtet, wie sehr sie sich entspannt fühlt und die OP-Szene für sie bedeutungslos wurde; sie kann sie nun ansehen, ohne dabei angespannt, ängstlich oder erregt zu sein. • Schritt 13: Selbstkontrolle – Selbstregulation T  Was haben Sie durch Selbstkontrolle in der Situation verbessern können? Sie haben die Situation beherrscht! Sie haben durch Ihre Entspannung und Ihr Umschalten in der Vorstellung immer mehr Selbstsicherheit bekommen und können nun Ihre Gedanken, Vorstellungen und Gefühle wieder selbst bestimmen, selbst regulieren. Das ist für Sie ganz wichtig, dass Sie das alles wieder selbst in den Griff bekommen. Sie haben die Stärke, trotz dieser misslichen Situation weiterhin Ihre Selbstbestimmung beizubehalten.“ (= Kognitive Umstrukturierung, Reframing). P  J a! (Deutlich ist mimische Erleichterung zu beobachten, da sie nun sogar die eigene Fähigkeit erkennen kann, mit der sie sich geholfen hat.) (Methodische Hinweise: Nachdem das glaubhaft von der Patientin angenommen wurde, musste nun ein Weg gefunden werden, ihren gegenwärtigen Schockzustand zu verändern. Da Sie stets selbstbewusst und selbstbestimmt lebte, war der empfundene und objektive Verlust an Autonomie eine sehr schmerzhafte Erfahrung für sie. Deshalb sollten dazu Suggestionen für die Gegenwart und Zukunft erfolgen.) • Schritt 14: Selbststeuerung der Bewältigungsstrategien T  Nun haben Sie in der Vorstellung der Szenen und im Umschalten so viel Erfahrung, dass Sie das selbst durchführen können: Wechseln Sie nun bitte selbständig zwischen den beiden Szenen. Halten Sie bitte jede Szene ungefähr so lange fest wie gerade mit mir geübt. Merken Sie dabei immer wieder, wie schnell Sie umschalten können und wie Sie immer mehr positive Veränderungen bewirken können, Sie dabei immer sicherer werden. (Die Schulterberührung entfällt nun.) T  Wiederholen Sie nun bitte diese Wechsel so oft, bis Sie sich ganz wohl fühlen. Zur Entspannung berühren Sie sich, indem Sie Ihr Handgelenk umfassen – wie vorhin bei der Überallmethode. Geben Sie mir bitte dann ein Zeichen, wenn Sie sich ausreichend entspannt fühlen. P 

(Gibt nach vier Wiederholungen ihr Handzeichen.)

12  Das praktische Fallseminar

176

T 

Sehr gut. … Wie fühlen Sie sich nun dabei?

P 

Gut. Ganz entspannt und ruhig. Prima.

• Schritt 15: Stabilisierung der Selbstwirksamkeit T  Sie sind immer sehr selbstbestimmt und haben es auch unter diesen erschwerten Schmerzbedingungen geschafft, Ihre Situation für sich zu kontrollieren. Das heißt, Sie haben Power. Das erleben Sie auch jetzt gerade, wie Sie Ihre Selbstbestimmung, Ihre Autonomie im Griff haben. Spüre Sie ganz deutlich, welchen Erfolg Sie erzielt haben. Diese Autonomie haben Sie beibehalten. Merken deutlich, wie Sie Ihre Kraft und Ihre Autonomie wieder nutzen können. Sie ist ein Teil von Ihnen und bleibt es auch. • Schritt 16: Posthypnotische Aufgabe T  Falls Sie demnächst durch irgendetwas an diese Operation erinnert werden, dann schalten Sie bitte sofort um, indem Sie die Überallmethode anwenden, indem Sie Ihr Handgelenk berühren und dann wie hier gelernt sofort entspannen und abschalten von dieser Szene. Sie werden dann ruhig und entspannt sein. Die vorherigen Vorstellungen oder Gedanken dazu werden dann gleichgültig sein. Auch wenn demnächst in neun Monaten die zweite Operation ansteht, werden Sie dafür ebenfalls entspannt sein und bei Bedarf die Überallmethode anwenden. Sie werden sehen, dass das gut klappen wird. • Schritt 17: Beendigung der Hypnose Standardmäßig erfolgt die Rücknahme der Hypnose durch Rückwärtszählen Drei bis Null von und die Suggestion, sich nun entspannt und wohlig aktiv zu fühlen. • Schritt 18: Nachbesprechung Wirkungen: Bereits während der Intervention ist eine deutliche positive Veränderung zu beobachten, da Mimik, Gestik und Gesichtsfarbe nun wieder wie gewohnt sind. Die Patientin fühlt sich sehr erleichtert, befreit, schmerzfrei und betont, dass sie nun wieder ihre Selbstsicherheit und Autonomie hat. Sie kann nun anderen Personen von ihrem Negativerlebnis engagiert berichten, jedoch mit einem gewissen Abstand und mit Sicherheitsgefühl. Wie die Patientin nun berichtet, waren genau die Suggestionen der beibehaltenen und gegenwärtigen Selbstbestimmung besonders hilfreich, sodass sie sich nun stark fühlt und merkt, das Problem zu beherrschen. Dies ist sofort deutlich an ihrem entspannteren Gesichtsausdruck und ihrer Körperhaltung sichtbar. • Schritt 19: Therapeutische Hausaufgaben Überlegungen zu den langfristigen Therapiezielen: Die durch die Kurzintervention wiedergewonnene Autonomie soll die Patientin nicht nur allein für sich passiv wahrnehmen, sondern zusätzlich auch aktiv ausleben. Deshalb wird ihr empfohlen, ihren ambulanten überweisenden Augenarzt über die Misshandlung zu informieren, damit er dies dem Operateur mitteilt. Weiter wird angesprochen,

12.3  Die Falldarstellungen

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ob sie für die zweite Operation den Arzt zu wechseln möchte. Da der bisherige Arzt allgemein als guter Operateur bekannt ist, will sie jedoch weiterhin von ihm behandelt werden. Letztlich wird ihr nahegelegt bzw. empfohlen diesem Operateur demnächst vor der Operation des anderen Auges deutlich die Meinung zu sagen. Wie angenommen, ist dieser Gedanke für sie zusätzlich entlastend. Sie möchte das demnächst gerne tun können. Posthypnotische Aufgabe Da dieser Gedanke für die Patientin besonders angenehm ist, erfolgt dazu noch abschließend eine posthypnotische Aufgabe, eingeleitet durch eine kurze Augenfixation: T  W  enn Sie demnächst wieder in die NN-Klinik zur zweiten Operation gehen, werden Sie ganz zuversichtlich sein, denn Sie wissen, dass Sie alles in den Griff bekommen werden. Besonders wenn Sie den Dr. NN sehen, werden Sie ihm ganz ruhig, aber mit klarer Stimme Ihre Meinung über sein damaliges Verhalten sagen. Stellen Sie sich bitte diese Szene nun ganz ruhig und gelassen vor. Sie begegnen dem Arzt in der Klinik zum Vorgespräch und Sie werden ihm Ihre Meinung sagen. Das können Sie jetzt mal ausprobieren. Was können Sie ihm sagen? P  „Sie! Das war damals bei der Operation sehr rücksichtslos von Ihnen; Sie haben nicht die richtige Dosierung des Lokalanästhetikums vorgenommen und mir großen Schmerz zugefügt. Das war nicht richtig.“ (behavior rehearsal). (Die Patientin ist nach dieser Formulierung noch weiter erleichterter.) T  Wunderbar, super! Das haben Sie gut gekonnt! Und genau so werden Sie dem Operateur locker Ihre Meinung sagen. Das haben Sie gut formuliert. Katamnese Das Gespräch wenige Wochen nach der zweiten Operation ergibt: Neun Monate nach der Kurztherapie erfolgte wie geplant die Operation des linken Auges. Die Patientin konnte in der Klinik selbstbewusst und angstfrei auftreten. Der Operateur, inzwischen informiert über den ambulanten Augenarzt vor Ort, entschuldigte sich nun sogar spontan für sein Verhalten. Auf ihren nachdrücklichen Wunsch erhielt die Patientin die erforderliche Vollnarkose. In der Folge direkt nach der Operation und nach Berichten viele Jahre später ist sie weiterhin stabil, angstfrei und kann in Ruhe und sachlich über das Geschehen sprechen. Auf Einzelheiten der damaligen Therapiesitzung und ihren damaligen psychischen Zustand kann sie sich dann nicht mehr erinnern. Es ist für sie gleichgültig und unbedeutend geworden. Möglicherweise ist das dann die Wirkung der Posthypnotischen Aufgabe von Schritt 16.

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12  Das praktische Fallseminar

Diskussion Die erfolgreiche und über viele Jahre andauernde Wirkung der Kurztherapie macht deutlich: Erfolg konnte nur dadurch erreicht werden, dass zusätzlich zum Therapieziel Angstabbau auch das Ziel Wiedergewinnung an Selbstwirksamkeit bedeutsam waren. Dazu gehörte auch, die zukünftige Situation bei der Zweitoperation mit einzubeziehen.

12.3.2 Fall 9 – Hundeangst seit der Kindheit Exploration In einem meiner Seminare zur Intensiv-Kurztherapie meldet sich ein Zahnarzt, ca. 40 J. alt, 1,85 m groß, 90 kg schwer; also ein stattlicher Mann, dem man viel an Kraft und Energieeinsatz zutraut. Er beschreibt zögerlich und etwas zurückhaltend seine nahezu „klassische“ Angst vor Hunden: sobald er einen Hund sieht, wird er nervös, ängstlich und vermeidet die Annäherung, indem er abwartet, bis das Tier vorüber ist oder er geht auf die andere Straßenseite. Diese für alle offensichtlich erkennbare Angst ist ihm peinlich, er schämt sich dann vor der Abwertung durch die Zuschauer. Sich selbst erlebt er als hilflos, ausgeliefert und erlebt sich als Schwächling, wo er sonst recht mutig ist. Er leidet darunter, bislang keine wirksame Behandlung gefunden zu haben. Die Hundeangst besteht seit seiner Kindheit. An ursächliche Auslöser seiner Hundeangst kann er sich nicht erinnern. Diagnose Mit großer Wahrscheinlichkeit wird die Angst durch den optischen Reiz „Sehen eines Hundes“ ausgelöst. Die Angst wurde bislang durch a) seine Eigenattribuierung und antizipierte Fremdattribuierung „Schwächling“ aufrechterhalten und b) durch sein permanentes Vermeidungsverhalten (auf die andere Straßenseite gehen) negativ verstärkt (s. Abschn. 6.2.1, Abb. 6.5). Prognose Wie die Lebensgeschichte des Patienten zeigt, trat keine Spontanremission auf, da auch positive Gegenerfahrungen nicht zugelassen wurden. Die Therapie wird gerade hier eine probate Intervention gegen die lang andauernde Angst zu sein.

Studienfragen

• Erstellen Sie eine Verhaltensanalyse zu den auslösenden und aufrechterhaltenden Bedingungen der Problematik. • Sollte diese Instruktion zum Anschauen und Fixieren des Hundes für den Patienten ausreichen, um zu entspannen und seine Angst zu reduzieren? • Müssen evtl. das Verhalten des Hundes und seine Bedürfnisse ebenfalls berücksichtigt werden? • Erstellen Sie einen Therapieplan.

12.3  Die Falldarstellungen

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Therapieplanung Hier ist meist eine Angstkonfrontation angezeigt, damit erlebt wird, dass der Anblick des Hundes und der Hund selbst ungefährlich ist. Dabei wirkt die Entspannung durch die Überallmethode als Gegenkonditionierung. Die Induktion wirkt sofort; als Hypnose-Fachmann ist er darin geübt. Ruheszene Die „Grüne Wiese“ kann er gut realisieren, ebenso die Problemszenen „Ich begegne einem Hund“. Die Suggestion der positiven Veränderung erlebt er sehr schnell: Er kann den Hund ruhig anschauen und beobachtet, wie dieser ruhig bleibt. Therapiedurchführung Er wird nun instruiert, dass es erforderlich sein wird, gleich in Hypnose den Anblick des Hundes auszuhalten. Aber manche Hunde können es als Herausforderung, Kampfansage oder Bedrohung erleben, wenn sie direkt angeschaut werden. Deshalb soll er sie auch demnächst nicht direkt mit den Augen fixieren, sondern an ihnen „desinteressiert“ vorbeisehen. So kann er gefahrfrei erleben, dass der Hund ebenfalls desinteressiert an ihm ist. Bei der Konfrontation ist er erstaunt. Er erlebt als positive Veränderung, wie gut er die Nähe und den Anblick des Hundes ertragen kann. Nach ca. vier Wiederholungen kann er selbst zu seiner Selbstkontrolle und Selbstwirksamkeit den Szenenwechsel übernehmen und erleichtert erleben, wie seine Angst weiterhin abnimmt und er entspannt den Hund ansehen kann. Als Posthypnotische Aufgabe gilt es, die Überallmethode regelmäßig, ca. 2–3 Mal in der Woche, zu üben, um sie immer dann anzuwenden, wenn er einen Hund sieht – er dann ganz entspannt bleiben wird. Nach weiteren ca. 4 Wiederholungen fühlt er sich entspannt und angstfrei. Katamnese In den darauffolgenden Jahren begegnen wir uns regelmäßig auf dem HypnoseKongress und freuen uns stets darauf, uns in einer Gruppe Gleichgesinnter nett zu unterhalten. Nach ca. 15 Jahren nimmt er mich zur Seite und berichtet, dass er seit der Intervention immer noch vollkommen angstfrei sei, es sei denn, ein sehr großer Hund begegne ihm. Dann fühle er sich unwohl, aber nicht ängstlich. Ich kann ihn beruhigen, denn dieses Erleben teilt er wahrscheinlich nicht nur mit mir, sondern mit vielen Menschen. Nun legt er etwas zögerlich nahezu ein „Geständnis“ ab, denn er habe damals bei der Exploration für die Falldemonstration gelogen, habe damals untertrieben. Da er als großer kräftiger Mann bereits vor sehr kleinen Hunden Angst hatte und sich deshalb schämte. Diskussion Die Kooperation des Patienten war gut, die angestrebten Therapiewirkungen traten sofort ein und hielten mindestens über 15 Jahre an. Die späte „Beichte“, dass er als so großer Mann bereits bei so kleinen Hunden Angst hatte, zeigt, wie stark seine

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12  Das praktische Fallseminar

gefürchtete Fremdbewertung war, als er sich damals in einer Gruppe offenbaren sollte. In einer Einzelbehandlung wäre diese Verleugnung oder Untertreibung möglicherweise nicht aufgetreten. Mitunter können Angstthemen für den Patienten jedoch so belastend sein, dass er nur Fragmente davon berichtet, um sein Selbstbild zu bewahren – oder weil er Negativ-Bewertungen durch den Therapeuten befürchtet. Andererseits zeigt das Beispiel auch, wie schnell eine Generalisierung der Angstbehandlung eintrat, die sich sofort auf alle Auslöser (= Hundegrößen) bezog und normale Freiheiten im Verhaltensspielraum bewirkte. Gleichzeitig wird deutlich, dass das Vertrauen zum Therapeuten in der Exploration und Behandlung eine große Rolle spielt. Die Studienfrage zielt darauf ab, dass mitunter die Partner in dieser (nonverbalen) „Angstkommunikation“ in die Therapieüberlegungen mit einbezogen werden müssen. So ist zu überlegen: Werden diese Partner (wie hier der Hund) im Sinne des Therapieziels kooperativ reagieren? Benötigen sie dazu Zusatzinformationen? Benötigt der Patient dafür Zusatzinformationen? Haben die Kooperationspartner ebenfalls Grenzen, die es zu berücksichtigen gilt?

12.3.3 Fall 10 – Hundeangst – Opfer eines Hundeüberfalls Exploration Jens, 6 Jahre alt, geht gern in die erste Klasse Grundschule. Er hat eine massive Hundeangst und geht deshalb kaum noch aus dem Haus, macht bereits dann schon große Umwege, falls er nur einen kleinen Hund sehen sollte oder nur einen Hund vermutet, und muss deshalb mit dem Auto zur Schule gebracht werden. Genese Vor wenigen Wochen hatte die Familie auf einer Wiese Picknick gemacht, als ein großer Hund Jens plötzlich und für alle grundlos anfiel und ihm den Großteil seiner Kopfhaut mit einem Ruck abriss. Diese starke Verletzung mit hohem Blutverlust hat viele Aufregungen bewirkt. Die Operation verlief erfolgreich und mit wenig sichtbaren Narben.

Studienfragen

• Bitte erstellen Sie eine Verhaltensanalyse bez. der Entstehung und Aufrechterhaltung der Hundeangst. • Entwerfen Sie einen Therapieplan. Verhaltensanalyse Durch den Hundeangriff erfolgt eine klassische Konditionierung der Hundeangst, gefolgt vom meist typischen Vermeidungsverhalten, das die Angst operant aufrechterhält. Damit verbunden ist eine starke Einschränkung des Verhaltensspielraums.

12.3  Die Falldarstellungen

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Prognose Bei einer derartig starken Traumatisierung sind lang andauernde Folgeerscheinungen wie Ängste sehr wahrscheinlich. Da das Kind dem Überfall machtlos ausgeliefert war, kann das in der längeren Perspektive gesehen zu gemindertem Selbstvertrauen und Hilflosigkeit führen. Eine Behandlung mit Angstabbau wird die psychische Entwicklung des Kindes fördern. Therapieplan Der Angstabbau durch Gegenkonditionierung oder Habituation ist hier die erste Wahl. Eine dazu gehörende Konfrontation mit einem Hund kann nur eine theoretische Lösung sein, da einerseits praktisch kaum realisierbar, sie andererseits eine starke Belastung für Jens darstellen kann. Also ist die Therapie in sensu = in Hypnose angemessen. Es ist nicht unbedingt anzunehmen, dass mit dieser Intervention die Angst vollkommen abgebaut ist. Deshalb soll das in Hypnose erworbene Bewältigungsverhalten in der Realität auf dem Schulweg erprobt werden. Dazu ist die Kooperation der Mutter als Cotherapeutin erforderlich, um ihn zur Schule zu begleiten und dann langsam ihre Hilfe abbaut. Letztlich soll Jens seine Selbstsicherheit und Vertrauen in die eigenen Kompetenzen wiedergewinnen. Es wäre abzuklären, ob er im Alter von 6 Jahren angemessen auf die Kurztherapie reagieren kann. Weiter ist zu überlegen, ob er danach – falls er dann angstfrei ist – bereits sofort allein zur Schule gehen kann bzw. sollte. Therapiedurchführung Jens ist sehr aufgeweckt, kooperativ; man kann sich gut mit ihm unterhalten. Somit können wir zumindest ausprobieren, ob in diesem Alter bereits die Anwendung der Intensiv-Kurztherapie möglich und hilfreich ist. Auf die kindgerechte Induktion reagiert er gut. (Sie und die gesamte Kommunikation muss in kindgerechter einfacher Sprache durchgeführt werden.) Als Ruheszene wird in Absprache mit ihm der Besuch eines Zauberwaldes gewählt, in dem es bunte Blumen, liebe Tiere usw. gibt (Kossak und Zehner 2011). Er spricht auch darauf spontan gut mit Entspannung an. In der Therapieszene kommt von weitem ein kleiner Hund, der Jens als lieb bekannt ist. Jens kann den Hund mit Entspannung ansehen und muss kein Vermeidungsverhalten zeigen. Schließlich kann er nach wenigen Wiederholungen in Hypnose auch größeren Hunden angstfrei begegnen (= Desensibilisierung). Er ist sehr erstaunt, wie schnell sich (nach der positiven Suggestion) Verbesserungen i.S. von Entspannung einstellen. Zur Verbesserung seiner Selbstkontrolle rate ich ihm, Hunde nie anzustarren und sich ruhig zu bewegen etc. Wir üben dieses Vorbeisehen ebenfalls in Hypnose ein. Die Posthypnotische Aufgabe besteht darin, sofort die Überallmethode anzuwenden, wenn er einen Hund sehen, hören etc., sollte. Beratung der Mutter Parallel wird die Mutter darin angeleitet, im Alltag z. B. auf dem Schulweg im gleichen Sinne als Cotherapeutin zu handeln, so bei Erscheinen eines Hundes die

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12  Das praktische Fallseminar

gewohnten Entspannungsinstruktionen zu geben, was ihr gut gelingt. Jens ist nach der ersten Sitzung nahezu angstfrei und die Mutter kann sich nun langsam zurückziehen, indem sie wieder Jens den Schulweg eigenständig zurücklegen lässt, was er früher bereits gut konnte. Letztlich erwähnt die Mutter erst nach ca. drei paarsitzungen, dass der Täterhund einem Nachbarn gehört und immer noch außerhalb des Grundstücks unbeaufsichtigt und ohne Leine herumlaufen darf. Jens fühlt sich zu Recht immer noch real bedroht.

Studienfrage

• Ist die Behandlung hier abgeschlossen oder sollten weitere Interventionen erfolgen? Welche empfehlen Sie? Da der Täterhund weiterhin bedrohlich sein kann, müssen nun weitere Interventionen erfolgen. Zum Schutz des Kindes müssen hier vom Hundehalter (auch juristisch) klare Regelungen gefordert werden. Da Jens damals beim Hundeüberfall (von seinem Vater) nicht beschützt werden konnte, kann er evtl. das Vertrauen an seinen Vater als Beschützer verloren haben, ggf. generell das Vertrauen in Erwachsene. Deshalb ist es wichtig, dass der Vater in Gegenwart seines Sohnes den Hundehalter eindeutig zur Rechenschaft zieht. Gespräch mit beiden Eltern Nun soll es Aufgabe des Vaters sein, den Nachbarn klar aufzufordern, den Hund laut geltender Verordnungen anzuleinen, da er sonst gerichtlich gegen ihn vorgehen werde. Dem Vater ist das Ansinnen sehr unangenehm und er möchte diese Forderung vermeiden, da der Nachbar auch ein Geschäftsfreund ist. Ihm wird jedoch verdeutlicht, dass er dieses ernste Gespräch klar, deutlich und fordernd und in Gegenwart seines Sohnes führen muss. Nur so kann sich Jens von seinem Vater weiterhin aktiv beschützt und behütet fühlen, was er vorher nicht erfahren konnte. Wirkungen Nach diesen Interventionen, besonders nach der gemeinsamen Ermahnung des Nachbarn, fühlen sich alle Familienmitglieder erleichtert. Jens fühlt sich nun wie früher beschützt und seine Ängste sind bald vollkommen abgebaut. Schwester mit Hundeangst Wenige Wochen später wird seine zwei Jahre ältere Schwester auf ihr Bitten hin mit ihrer Hundeangst vorgestellt. Bei der damaligen Anamnese hatte sie keine Angst zu beklagen. Durch ein kürzlich zurückliegendes relativ harmloses Hundeerlebnis wurde sie plötzlich an den Unfall ihres Bruders erinnert. Es war das Flashback ihres eigenen Schocktraumas ausgelöst worden. Sie hatte die gesamte Überfallszene von nahem beobachten können, so das Blut, die Aufregung, die

12.3  Die Falldarstellungen

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Notärzte im Einsatz usw. Diese als Posttraumatische Belastungsstörung einzuordnen. Entsprechend wird bei ihr die Hypnose-Kurztherapie angewandt. Schnell verändern sich ihre Trauma-bezogenen Innenbilder und Bewertungen. Allerdings benötigt sie ca. drei Sitzungen, um nachhaltig angstfrei und selbstsicher zu sein. Katamnese In einem Folgezeitraum von einem Jahr wird die weitere Stabilität des angstfreien Verhaltens beider Kinder bestätigt. Diskussion Hier ist der klassische Konditionierungsfall durch ein Trauma zu erkennen, das generalisierte Auswirkungen hat. Wie deutlich wurde, wirkt auch bei einem relativ jungen Kind die Intensivmethode. Selbstkontrollmethoden werden von Kindern nicht immer konsequent angewandt. Um sicher zu gehen, dass vollkommene Angstfreiheit besteht, waren mehrere Sitzungen angeraten, auch um der Mutter Vertrauen in die Methode zu geben. Im Vordergrund steht nun die Behandlung des Familiensystems mit seinen die Angst aufrechterhaltenden Bedingungen (s. Abschn. 6.2). Hier wurde in der Behandlung auch die Rolle des Vaters bedeutsam. Der Vater hätte als Beschützer tätig sein müssen. Da er jedoch Konflikte mit dem Hundebesitzer vermeiden wollte, war er somit ein sehr schlechtes Modell für Selbstsicherheit, Konfliktlösung und Beschützer der Familie. Das konnte er nur allein korrigieren, indem er in Gegenwart seines Sohnes dem Hundebesitzer gegenüber fordernd auftrat. Nun wusste und fühlte Jens, dass er auch auf dieser Ebene Stabilität hat und weiterhin bekommen wird. Gleichzeitig zeigt die Angst der Schwester, wie verdeckt Angstentwicklungen verlaufen können, ja anfangs sogar verleugnet werden, bis sie zum bewussten Ausbruch kommen (s. Abschn. 4.4.1). Dabei reichen dann bereits kleine Auslöser aus; mitunter können es sogar sehr unterschwellige Stimuli sein, die von der betreffenden Person nicht als solche wahrgenommen werden, aber dennoch „wie aus heiterem Himmel“ Angst auslösen (Priming, s. Abschn. 8.3.4.4).

12.3.4 Fall 11 – Flugangst seit vielen Jahren Exploration Die ca. 37 Jahre alte Frau, MTA, hat Angst vor dem Fliegen. Sie will in ca. 2 Wochen mit ihrem Mann und ihren zwei kleinen Kindern eine Ferien-Flugreise nach Südeuropa machen. Seit einigen Wochen muss sie nun sehr oft daran denken, welch große Angst sie vor dem Fliegen hat. Sie will mit ihrer Angst für ihre Kinder keinesfalls eine Modellperson für Angst sein. Sie erlebt sich allgemein als recht selbstsicher und selbstbestimmt, sowohl in ihrem Teilzeitberuf als MTA, als auch im Freundeskreis und in anderen Gruppen. Von traumatisierenden Erlebnissen in ihrer Vorgeschichte kann sie nichts berichten. Ihre Flugangst besteht seit

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12  Das praktische Fallseminar

vielen Jahren. Sie habe nur Angstgedanken, wahrscheinlich bedingt durch entsprechende Berichte und Dokumentationen im Fernsehen.

Studienfragen

• Erstellen Sie eine Verhaltensanalyse zu den auslösenden und aufrechterhaltenden Bedingungen der Problematik. • Entwerfen Sie die einzelnen Schritte für eine Therapie. Verhaltensanalyse A (Auslöser: Gedanken an den Flug) bewirkt – B (Belief/Dyskognition: Angst ist gefährlich) bewirkt – C (Consequences: Gedanke: „Ich bin ein Negativbeispiel für meine Kinder.“). Durch den bevorstehenden Flugtermin und den Anblick der Kinder werden die Angstgedanken aufrechterhalten. Sie hat ein schlechtes Gewissen, ein Negativvorbild für ihre Kinder zu sein (s. Abschn. 6.1.3). Prognose Bei Weiterbestehen der Angst könnte die Mutter durch ihr schlechtes Gewissen den Kindern gegenüber überfürsorglich werden, was ein kognitives Vermeidungsverhalten für ihr schlechtes Gewissen ist. Die Patientin will wieder ein positives Vorbild für ihre Kinder sein. Deshalb hat sie eine starke Änderungsmotivation, was sich günstig für den Therapieverlauf auswirkt. Therapieplan Da es sich um kognitiv bedingte Ängste handelt, soll die Patientin selbst erleben und selbst beurteilen, bei welchen Gedanken sie Angst verspürt. Da bis zum Flug selbst zahlreiche Ereignisse als Verhaltensketten (wie z. B. Kofferpacken, Fahrt zum Flughafen) eintreten, die mit Angst verbunden sein können, soll die Patientin diese in Hypnose ebenfalls erleben und dabei weiterhin Angstfreiheit spüren. Dabei soll dann durch Entspannung in Hypnose eine Gegenkonditionierung erfolgen. Gleichzeitig soll sie in Hypnose erleben und einüben, wie sie entspannt die Reisevorbereitungen mit den Kindern trifft. Sie erfährt dann Entspannung, damit verbunden Angstfreiheit und kann ihre Dyskognition aufgeben. Therapiedurchführung Die Induktion erfolgt sofort erfolgreich durch Punktfixation. Die Ruheszene „Grüne Wiese“ wird gut imaginiert, erzeugt gut Entspannung. Therapieszene Bei der Imagination der Angstszenen und der Aufforderung, positive Veränderungen zu bewirken, bemerkt sie, dass sie eigentlich grundlose Angstphantasien hat, denn ein Flugzeug sei stabil. Diese nun als grundlos erkannten Innenbilder kann sie nach wenigen Wiederholungen als neutral erleben und selbständig mit der Überallmethode steuern (Selbstwirksamkeit).

12.3  Die Falldarstellungen

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Studienfrage

• Wie sollte die Therapiesitzung weitergeführt werden? D. h. welche Methoden oder Suggestionen sollten nun folgen? Weiterführung der Therapiesitzung Zur Unterstützung sollen Posthypnotische Aufgaben helfen: Da bis zum Abflugtermin noch zwei Wochen zu überbrücken sind, soll sie die Überallmethode zur Entspannung und Aufrechterhaltung der kognitiven Umstrukturierung anwenden. Die Posthypnotischen Aufgaben bestehen darin, diese Kurztherapie-Methode mit der Überallmethode zu üben. Dazu wird sie ein ruhiges und selbstsicheres Vorbild sein, sowohl in den Flug-Reisevorbereitungen als auch beim Flug selbst: In einzelnen Szenen erlebt sie, wie sie in Ruhe die Koffer packt, sich und ihre Kinder in Ruhe im Flugzeug anschnallt, sie aus dem Fenster sehen etc. Es wird ihr mit dem Auftrag auch vorgeschlagen, für sich und ihre Kinder ein Feriengetränk zu bestellen und es zu genießen (= Gegenkonditionierung). Zwischenzeitlich soll sie in den zwei Wochen bis zum Abflug die Hypnose-Handlungen in Realhandlungen umsetzen und dabei auch motorisch ihre Angstfreiheit erleben. Katamnese Wenige Wochen nach Reiserückkehr berichtet die Klientin, dass sie sehr entspannte Flugvorbereitungen traf, sie sich insgesamt dabei wohl fühlte und den Flug incl. Ausblick und Getränken genossen hat – so auch ihre Kinder. Bei Begegnungen nach mehreren Jahren berichtet sie: Von nun an war auch in den nächsten Jahren Fliegen für sie nicht nur angstneutral, sondern positiv besetzt, von Flugangst keine Rede mehr. Sie genießt es sogar, während des Fluges Kaffee zu trinken und rauszuschauen. Diskussion Hier wird deutlich, dass allein kognitive Elemente wie Negativberichte und die daraus resultierenden Erwartungen Angst bewirkt haben. Bei dieser rein kognitiven Verursachung kann schnell (als kognitive Steuerung) die Verantwortung für die Kinder aufkommen – so wie im vorgenannten Fall. Deshalb ist es wahrscheinlich, dass dadurch die Angst nun größer wird. Also richten sich die posthypnotischen Suggestionen an die Patientin selbst, ruhig sein zu können – und gleichzeitig an ihre Verantwortung den Kindern gegenüber. Da dies starke Abstraktionen sind, beinhalten die Suggestionen nun konkrete und klare Handlungsanweisungen (Koffer packen, Kinder anschnallen etc.), verbunden mit Entspannungsemotionen. Durch diese posthypnotische Aufgabe konnte die Patientin sehr schnell erleben, wie sie diese Verhaltenskette von Befürchtungen sehr schnell unterbrechen konnte. Anhand der neutralen Reaktionen ihrer Kinder konnte sie sofort erkennen, dass sie sich angemessen verhielt (= positive Verstärkung), und ihre Ängste sehr schnell abbauen.

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12  Das praktische Fallseminar

12.3.5 Fall 12 – Flugangst nach traumatisierendem Flugerlebnis Anamnese Die Klientin ist 20 Jahre alt, Kaufmännische Angestellte und Studentin, ledig. Sie will mit ihren Eltern in den Ferien in 14 Tagen in die Türkei fliegen, hat jedoch Flugangst. Genese: Als sie 11 Jahre alt war, befand sie sich mit ihren Eltern auf einem Flug zurück von den USA nach Deutschland, auf dem es zu starken und wahrscheinlich bedrohlichen Turbulenzen kam. Alle Passagiere hatten damals so wie sie große Angst und schrien. Nun ist sie nach diesem traumatisierenden Erlebnis ängstlich, will aber dennoch – nach einer hoffentlich erfolgreichen Therapie – den Flug wagen. Jahre später trat auf einem Mallorcaflug wieder Angst auf und vergrößerte sich nach dem Ansehen eines Katastrophenfilms. Gegenwärtige Situation: Sie meint, sie gebe ihre Kontrolle ab, wenn sie im Flugzeug Geräusche wie Piepen hört, sodass sie dann ausgeliefert sei. Deshalb muss sie auf einem Platz am Gang sitzen, damit sie das Gefühl der Kontrolle beibehalten kann, der Fluchtweg frei sei und sie stets die Stewardesse sehen kann. Sie hatte den Gedanken: „Ich werde nun für vier Stunden eingesperrt sein.“ Insgesamt sei sie bei Autofahrten sehr empfindlich, verträgt in der Bahn kein Rückwärtsfahren, steht oft auf, muss raussehen können und dann einen Fixationspunkt haben, damit ihr nicht schlecht wird. Zusätzlich habe sie in Bahn, Bus, Flugzeug, Boot eine große Geräuschempfindlichkeit. Höhenangst liege nicht vor. Die Klientin kann man nach ihren Beschreibungen (und auch nach den von ihr geschilderten Kollegeneinschätzungen) als normal selbstsichere und sonst generell angstfreie Person bezeichnen. Ihre damals erworbene Flugangst hat sich nicht auf andere Bereiche generalisiert, sondern sie tritt nun erneut erst wieder bei der realen Planung ihrer Flugreise auf. Die früheren ca. 6 Termine bei einer Psychologin waren erfolglos; dort sollte sie die Vor- und Nachteile ihrer Angst aufschreiben und machte Übungen zur Atem-Entspannung. Auch das vom Arzt verschriebene Tavor habe keine Erfolge erbracht.

Studienfragen

• Bitte erstellen Sie eine Diagnose im Sinn der Verhaltensanalyse. • Überlegen Sie einen Behandlungsplan. Verhaltensdiagnose/Verhaltensanalyse Durch ein traumatisierendes Flugerlebnis besteht bei der Patientin die konditionierte klassische Flugphobie, die generalisierte, da die Patientin danach Angst vor Kontrollverlust und Klaustrophobie hat. Zusätzlich zu den physiologischen Angstkomponenten kommen Kognitionen wie Negativerwartungen und Dyskognitionen, ggf. auch Hilflosigkeit.

12.3  Die Falldarstellungen

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Prognose Es ist fraglich, ob nach einem derartigen Trauma-Erlebnis Spontanremissionen auftreten. Die Patientin hat eine starke Veränderungsmotivation, die sehr günstig für einen Therapieerfolg ist. Da sie damals der Situation ausgeliefert war, die generalisierte Dyskognitionen bewirkte, scheint die Kurztherapie mit kognitiver Umstrukturierung eine günstige Prognose zu beinhalten. Therapieplan Bei den bestehenden Kontrollverlustängsten soll die Patientin ihre Selbstwirksamkeit und dadurch ihre erlebte Selbstkontrolle wiedererlangen und damit ihre Dyskognitionen abbauen. Die Entspannung in Hypnose dient zur Gegenkonditionierung der physiologischen Komponenten der Angst. Entsprechend sollen in Hypnose unterschiedliche Erfahrungen im Flugzeug gemacht werden, die sie positiv bewältigen kann – oder die sogar zur Gegenkonditionierung dienen können wie z. B. etwas Leckeres essen. Damit verbunden soll sie ihre nun realisierte Selbstkontrolle und ihre Selbstwirksamkeit zur Angstbewältigung kontingent wahrnehmen. Zur Unterstützung sollen posthypnotische Aufgaben gestellt werden, die Entspannung und Selbstwirksamkeit beinhalten. Therapiedurchführung Induktion Es erfolgt die Punktfixation, die Patientin reagiert darauf sofort mit Entspannung. Als Ruheszene wird „Sandstrand“ gewählt: Strand, weißer Sand, türkisfarbenes Wasser, Hängematte und Palmen wie auf den Malediven. Sie berichtet während und nach der Hypnose von sehr lebhaften und realistischen Imaginationen. Dabei erlebt sie zunehmend Entspannung und als Wirkung davon spürt sie warme Hände und Füße. Therapieszene In der nun folgenden Problemszene sitzt sie anfangs im Flugzeug am Gang. Als sie sich dort nach mehreren Entspannungsdurchgängen und entsprechenden positiven Suggestionen wohlfühlt, erfolgt eine Habituation, indem sie eigenständig unterschiedliche Sitzplätze ausprobiert, auf dem Gang umhergeht etc. (= Selbstwirksamkeit) und zunehmend mehr entspannt. Der nun in der Szene plötzlich von ihr wahrgenommene unangenehme Essensgeruch erzeugt bei ihr Magendrücken. Als sie dann dazu wieder zur Entspannungsszene wechselt, fühlt sie sich im Magen wohler, entspannter. Nach drei Wiederholungen empfindet sie den Essensgeruch angenehm als Spaghetti Bolognese, hat ein Hungergefühl und isst mit Appetit (= Gegenkonditionierung). Nun kann sie auf meinen Vorschlag hin eine Cola bestellen und sie genussvoll trinken (= Selbstkontrolle, Gegenkonditionieren). Zusätzlich stellt sie sich auf meinen Vorschlag hin eine Szene vor, die die Entspannung und ihre Selbstwirksamkeit dabei verstärken: Flugvorbereitungen wie Kofferpacken, Einchecken, Start und Abflug und dabei mit der Überallmethode entspannt sein. Die Patientin ist überrascht über die Realität ihrer Innenbilder und die positiven Veränderungen von Magengefühlen, Geruch etc.

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12  Das praktische Fallseminar

Therapeutische Hausaufgaben: Sie soll die Überallmethode in unterschiedlichen Situationen anwenden, verbunden mit den Posthypnotischen Aufgaben zur Entspannung und Selbstkontrolle. Zu ihrer Sicherheit bittet sie um zwei weitere Termine. Wirkungen Zum realen Abflug hat sie leichtes Reisefieber, fühlt sich aber während des Fluges entspannt. Beim Rückflug war sie noch entspannter, ohne jegliche Negativgedanken. Therapiewiederholung Vier Jahre später bittet die Patientin nochmals um Therapietermine, da sie nun Büroärger habe und im inzwischen begonnenen Studium und wegen einer Bachelorarbeit unter Stress stehe. Hinzu kommen familiäre Belastungen durch Todesfälle und schwere Stürze. Sie hat Bedenken, dass sich das alles negativ auf ihre Gefühle auf ihrem Flug nach New York in zwei Wochen auswirken könne, besonders beim Start. Somit hat sie Bedenken, dass dieser Flug die damals erlebten Angstgefühle auslösen könnte, da damals ihr erstes Flugerlebnis mit Angst ebenfalls ein langer Transatlantikflug war. Deshalb führen wir eine Wiederholung der damaligen Behandlung durch. Hinzu kommt eine kognitive Umstrukturierung: sie wird nach vorheriger Absprache gebeten, an den ihr bekannten Albatros aus dem Disneyfilm zu denken, was ihr Freude macht, sodass sofort die Angstgedanken etc. aufhören (= Gegenkonditionierung). Posthypnotische Aufgabe: Sie soll die Überallmethode immer dann anwenden, wenn sie bereits kleine Anzeichen von Angst spürt: als Gedanken, Nervosität oder Magendrücken. Katamnese Sie konnte beim Hin- und Rückflug die Überallmethode und die entspannenden Imaginationen vom Meeresstrand hilfreich anwenden, das Essen an Bord genießen usw. – keinerlei Probleme traten auf. Vereinbart wurde nach Therapieende, dass die Patientin sich wieder meldet, falls Behandlungsbedarf besteht. Da sie bereits für die zweite Flugreise eine Auffrischung der Behandlung erbat, ist davon auszugehen, dass es ihr weiterhin angstfrei gut geht. Diskussion Diese Patientin reagiert nach einer traumatisierenden Flugerfahrung mit konditionierter Flugangst, gefolgt von Kontrollverlustängsten. Die Psychotherapie-Behandlungen bei einer Kollegin zielten nach den Beschreibungen der Patientin wahrscheinlich auf kognitive Umstrukturierungen ab und waren sicherlich angemessen. Wahrscheinlich waren diese Interventionen nicht hilfreich, da sie die Patientin mehr passiv ließen, keine Alternativhandlungen anboten und die körperlichen Reaktionen unberücksichtigt ließen.

12.3  Die Falldarstellungen

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Die plötzlichen in Hypnose auftretenden Essensgerüche waren nicht ungewöhnlich. In Hypnose können relativ leicht und spontan Halluzinationen aufkommen, deren Ursache so schnell nicht zu erkennen ist. Im vorliegenden Fall sind es wahrscheinlich die Gerüche während des Fluges, wenn Essen vorbereitet und serviert wird. Sie gehörten dann zum holistischen Erleben des Fluges (VAKOG). Dabei stellt sich für den Therapeuten die Frage, wie er damit umgehen soll: negieren oder einbeziehen? So folgt der Entschluss, sie als normale Wahrnehmung mit einzubeziehen und wenn möglich therapeutisch zu nutzen (= Utilisation), indem sie ggf. Appetit auf diese Speise hat, was dann sogar zutraf. Falls der Geruch aversiv gewesen wäre, so wäre eine Suggestion vorzuschlagen gewesen, dass der Geruch gleichgültig, also negiert wird. Insgesamt ist wieder erstaunlich, wie schnell und direkt die Kurztherapie wirkt, obwohl hier starke Angstkonditionierungen vorliegen. Die Wirkfaktoren bestehen hier in dem mehrdimensionalen Vorgehen, indem die Patientin ausprobieren kann, unter welchen Reizbedingungen sie sich im Flugzeug wohlfühlt (Umhergehen etc.), ihre Geruchshalluzinationen körperlich einbezogen werden und auch die Vorbereitungen für den Flug für sie überschaubar und durch die Überallmethode angstfrei zu bewältigen sind. Insgesamt sind dies Abfolgen von Selbstkontrolle und spontan erlebter Selbstwirksamkeit.

12.3.6 Fall 13 – Spinnenangst seit der Kindheit Exploration Auf einem Kongressseminar in der Schweiz meldet sich eine 71-jährige Teilnehmerin, Ärztin, Psychotherapeutin und Hypnoseexpertin. Wir kennen uns seit mehreren Jahren durch diese Hypnose-Fachkongresse. Nun hat sie nach eigenen Aussagen den Mut gefunden, sich zur Behandlung ihrer starken Spinnenangst zu melden. Seit ihrer Kindheit leidet sie darunter, hielt es jedoch möglichst geheim, da es ihr peinlich war, solche Ängste zu haben. Sie lebt in einem Haus mit Garten; Spinnen unterschiedlicher Größe sind hier normal. Sie hat besonders Angst vor den dicken großen Exemplaren mit den langen haarigen Beinen. Wenn sie diese schon von weitem sieht (ca. 3 m Entfernung), ist sie dann gehemmt in ihren Handlungen, z. B. daran vorbeizugehen, sie mit einem Besen wegzuscheuchen etc. So macht sie Umwege im Haus, um nicht an ihnen vorbeigehen zu müssen. Spinnen sind ihr unheimlich und sie graust sich vor ihnen; allein schon, wenn sie daran denkt, bekommt sie eine Gänsehaut. Andere Tiere wie z. B. die in ihrem Garten vorkommenden (ungiftigen) Schlangen kann sie angstfrei beobachten und akzeptieren.

Studienfragen

• Bitte erstellen Sie eine Verhaltensanalyse bez. der Auslöser und verstärkenden Bedingungen • Leiten Sie davon einen Therapieplan ab.

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12  Das praktische Fallseminar

Verhaltensdiagnose/Verhaltensanalyse Hier liegt eine klassische Angstkonditionierung vor, sodass bereits der Anblick oder der Gedanke an Spinnen starke Angstreaktionen auslöst. Das Vermeidungsverhalten bewirkt eine negative Verstärkung der Angst und führt in Verbindung mit den Dyskognitionen („Spinnen sind unheimlich etc.“) zur Aufrechterhaltung der Angstproblematik. Prognose Da die konditionierte Angst mit starkem Vermeidungsverhalten bereits seit sieben Jahrzehnten besteht, haben sich wahrscheinlich gerade die kognitiven und motorischen Verhaltensweisen sehr verfestigt. Da die Therapiemotivation hoch ist – und auch der Glaube an die positive Wirkung der Hypnose, kann von einer günstigen Therapieprognose ausgegangen werden. Therapieplanung Es soll eine Angstkonfrontation zum Angstabbau erfolgen, verbunden mit Gegenkonditionierung durch Entspannung. Diese Konfrontation erfolgt in sensu, also in Hypnose. Damit verbunden soll durch Beobachtung des eigenen Änderungsverhaltens eine kognitive Umstrukturierung erreicht werden, Spinnen als harmlos zu bewerten. Posthypnotische Aufgaben sollen zur Stabilisierung der Verhaltensänderungen (Angstfreiheit) beitragen. Therapiedurchführung Induktion Als in Hypnose geübte Fachfrau reagiert sie auf die Induktion sehr schnell. Ruheszene Sie wünscht sich ihren Garten als Ruheszene, aber ohne Spinnen; kann diese Ruheszene sehr gut realisieren. Therapieszene Bereits nach zwei Konfrontationen kann sie die Vorstellung einer Spinne aus relativer Nähe mit relativer Ruhe betrachten. Sie ist sehr erstaunt, wie sich nach der positiven Suggestion plötzlich ihre Einstellung gegenüber Spinnen änderte. Nach mehreren Wiederholungen und eigenständiger Übernahme der Intervention kann sie sogar Spinnen unterschiedlicher Größe gelassen als typische Bewohner oder sogar Mitbewohner ihres Hauses ansehen. Da sie so gut und schnell mit Angstreduktion reagiert, wird ihr nun mit der Posthypnotischen Aufgabe geraten, die Überallmethode bei Bedarf anzuwenden, d. h. bei Anblick einer Spinne im Garten oder im Haus.

Studienfrage

• Ist damit die Behandlung abgeschlossen oder sollten weitere Methoden oder Suggestionen folgen?

12.3  Die Falldarstellungen

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Weitere posthypnotische Suggestionen sollen folgen. Bislang beinhalteten die Suggestionen rein mentale Bewältigung durch Ansehen der Spinne. Sie soll darüber hinaus aber auch konkret handlungsfähig sein, z. B. wenn die Spinne auf sie zukommt oder nicht aus dem Haus geht. Also beinhalten die posthypnotischen Suggestionen auch konkrete Szenen, in denen sie aktiv ist, z. B. mit einem Besen die Spinne verscheucht. Sie nimmt diesen Vorschlag schnell an und handelt entsprechend positiv. Katamnese Nach wenigen Wochen teilt sie mir telefonisch ihre anhaltenden Erfolge mit: Sie kann ruhig und entspannt an Spinnen vorbeigehen oder ihnen sogar ein Wasserglas überstülpen und sie raustragen. Die Dame ist inzwischen 88 Jahre und weiterhin aktiv tätig. Sie ist meine liebe Hypnosefreundin in der Schweiz. Mehrmals im Jahr tauschen wir unsere Hypnose-Fall-Erfahrungen aus und sie berichtet dann auch voller Freude, wie egal ihr Spinnen sind. Sie kann sie mit einem Glas einfangen und in den Garten tragen oder an ihrem Spinnfaden dort hinbringen. Sie kann mit ihnen „in einer friedlichen Koexistenz leben“, wie sie es zufrieden bezeichnet. Diskussion Auch hier werden über die rein kognitive und passive Lösung (ansehen der Spinne) hinausgehend in Hypnose konkrete Handlungsmodelle bearbeitet. Mit diesen in Hypnose gemachten motorischen Erfolgserfahrungen kann die Patientin umso leichter in der Realsituation konkret handeln, denn sie muss „nur“ die in der Hypnose erstellten motorischen Engramme in der Realsituation abrufen und abarbeiten. Ihr nun angstfreies Verhalten ist in sich selbstverstärkend. Das Beispiel (siehe auch Fall 8) zeigt auch, dass das Alter eines Klienten für eine Psychotherapie und Hypnose-Anwendung nicht begrenzt sein muss, wie man es evtl. noch vor wenigen Jahrzehnten annahm. Ausschlaggebend ist die kognitive Flexibilität.

12.3.7 Fall 14 – Zahnarztangst seit der Kindheit Anamnese Ein ca. 23-jähriger Student leidet seit seiner Kindheit unter großer Angst vor dem Zahnarzt. Es ist primär die Angst vor den Spritzen. Die Angst beginnt bereits Tage vor dem Arzttermin. Sobald er daran denkt, wird er unruhig, merkt Magendrücken und beginnende Nervosität. Sobald er im Behandlungsstuhl sitze, beginne er, sich zu verspannen, zu schwitzen usw. Von weiteren möglichen Ängsten oder Belastungen weiß er nichts zu berichten.

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12  Das praktische Fallseminar

Studienfragen

• Geben die bisherigen Explorationsinformationen bereits Hinweise auf eine Diagnose und mögliche Behandlungselemente? • Erstellen Sie eine Verhaltensanalyse zu den auslösenden und aufrechterhaltenden Bedingungen der Problematik. • Mit welchen Interventionen sollte am besten begonnen werden? Diagnose Da die Angst bereits Tage vor dem Zahnarzttermin beginnt, sobald er daran denkt, ist wohl die Kognition „Zahnarzt“ der auslösende Stimulus für die dann folgende Verhaltenskette, die an ihrem Ende starke physiologische Reaktionen bewirkt. Die Kognitionen sind hier: Erwartungsängste, Dyskognitionen über Zahnarztinterventionen, Angstphantasien etc. Prognose Da keine erkennbaren/erinnerbaren traumatischen auslösenden Ereignis zur Angstgenese vorliegen, sind die Ängste primär kognitiv bedingt. Die Angstgedanken beziehen sich begrenzt nur auf die zu erwartende Zahnbehandlung. Der Verhaltensspielraum des Patienten wird dadurch nicht eingeengt. Aber die Gesundheitspflege könnte davon betroffen sein, wenn er aufgrund seiner Ängste Kontroll- und Behandlungstermine verzögert oder vernachlässigt. Da es sich um sehr begrenzte Ängste i.S. von Schmerzerwartung handelt, ist eine günstige Therapieprognose mit der Kurztherapie anzunehmen. Therapieplan Eine Intervention zum Angstabbau beinhaltet hier primär Abbau der Erwartungsängste und Dyskognitionen. Demnach soll die Intervention am Anfang der Verhaltenskette „Gedanken an…“ ansetzen. Diese auslösenden Gedanken soll der Patient in Hypnose erleben (= Reizkonfrontation) und bewältigen lernen, um „emotionsfrei“ bzw. sogar entspannt im Behandlungsstuhl zu sein. Letztendlich erlebt er dadurch Selbstwirksamkeit, die ihrerseits verstärkend für das neue Veränderungsverhalten wirkt. Diese in Hypnose erworbene kognitive Umstrukturierung soll er dann in der Realsituation anwenden. Therapiedurchführung Auf die Induktion reagiert er schnell mit intensiver Entspannung. Als Ruheszene wählt er einen Waldspaziergang und erlebt es plastisch-intensiv. Therapieschritte Zur Reizkonfrontation beginnen wir mit der Vorstellung, dass es wenige Tage vor dem Termin ist und er an den Zahnarztbesuch denkt. Es entsteht nun Unbehagen, das es auszuhalten gilt (= Habituation und Verhindern des Vermeidungsver-

12.3  Die Falldarstellungen

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haltens). Das Umschalten zur Ruheszene gelingt schnell. Beim nächsten Vorstellungsbild (und der Suggestion der positiven Veränderung) erwähnt er erstaunt, dass seine Gedanken gleichgültiger wurden und er ruhiger wurde, bis er nach ca. sechs Durchgängen incl. Eigenkontrolle vollkommen entspannt ist. Auch die folgende Vorstellung, im Behandlungsstuhl zu sitzen und auf die Injektion zu warten, löst nun Gleichgültigkeit aus. Entsprechend lautet die posthypnotische Aufgabe, die Überallmethode täglich zu üben und dann im Behandlungsstuhl anzuwenden. Katamnese Tage später berichtet der Klient vereinbarungsgemäß, dass er die Methode erfolgreich anwandte. Er fühlt sich nun fit für weitere Zahnarztbehandlungen, hat keine Erwartungsangst mehr, da er nun mit der Überallmethode eine Methode an der Hand hat, seine weiteren evtl. möglichen Angstgefühle und seine Aufregung zu steuern. Insgesamt liegt der Fall ca. 15 Jahre zurück. Diskussion Der Fall zeig deutlich, dass allein der kognitive Auslöser (Denken an..) für die Angstentstehung verantwortlich ist. Auch bei der weiteren potenziellen Angstkonfrontation „Sitzen im Behandlungsstuhl“ wirken primär Erwartungsängste, also Kognitionen. Es kann durchaus sein, dass dieser Patient vorwiegend kognitiv gesteuert ist und deshalb auch kognitive Problemlösungen bevorzugt. Man kann jedoch nicht davon ausgehen, dass er eine generelle oder ausschließliche kognitive Steuerung benutzt. Bei anderen Ängsten, Problemen oder Erlebnissen wird er möglicherweise andere für die Situation bzw. bei entsprechendem Auslöser angemessene Lösungen anwenden.

12.3.8 Fall 15 – Angst vor der anstehenden Operation Anamnese Ein ca. 55-jähriger seit vielen Jahren praktizierender Arzt hat Angst vor seiner in einem Vierteljahr anstehenden Hüftoperation. Primär ist es die Angst, dann ausgeliefert zu sein und die Kontrolle über sich und die Handlungen im OP zu verlieren, die in der Zeit zwischen OP-Vorbereitung und Narkose vergeht. Als Arzt wisse er, wie viel Unerwünschtes dabei passieren könne, gepfuscht werde. Weitere Ängste kann er nicht berichten. Der Patient beschreibt klar seine konkrete Angst vor einem begründeten Kontrollverlust in der konkreten präoperativen Phase – Auslöser ist somit die Kognition „Kontrollverlust“. In der Angstgenese sind die konkreten medizinischen Erfahrungen und angstbesetzten Kognitionen des Patienten begründet. Durch sein Insiderwissen ist er auf die kritischen Zeitpunkte im Ablauf der Operationsvorbereitung fokussiert. Entsprechend weiß er genau, bis zu welchem Zeitpunkt er die Kontrolle behalten will, um ggf. korrigierend eingreifen zu können.

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12  Das praktische Fallseminar

Studienfragen

• Definieren Sie die primären Auslöser und Komponenten der beschriebenen Angstproblematik. • Welche Form der Behandlung schlagen Sie hier vor? Diagnose Es handelt sich also nicht um Dyskognitionen, sondern um objektiv begründete Kontrollwünsche. Der Patient hat klar Vorstellungen von seinem zukünftigen Verhalten, bis zuletzt die Kontrolle zu behalten und handlungsfähig zu bleiben. Prognose Da der Patient sehr klar seine Ziele und gewünschten realen Verhaltensweisen formulieren kann und die Operation durchgeführt werden soll, besteht kein Vermeidungsverhalten. Somit wird bei der bestehenden hohen Behandlungsmotivation ein günstiger Therapieverlauf zu erwarten sein. Therapieplanung Der Patient soll kognitiv und emotional in die Lage versetzt werden, im fraglichen Zeitraum der Operationsvorbereitung bis zur Einleitung der Narkose seine Umwelt weiterhin kritisch wahrzunehmen, im Bedarfsfall kritisch nachzufragen und zu intervenieren. Entsprechend soll die Therapieszene gestaltet werden, in der der Patient so lange wie möglich seine Kontrolle behält. Gleichzeitig soll er dabei mental und körperlich ruhig sein, um für die anschließende Operation vorbereitet zu sein. Zur Aufrechterhaltung dieser Entspannung und des Kontrollbewusstseins vor der Operation in einem Vierteljahr sollen posthypnotische Aufgaben helfen. Therapiedurchführung Auf die Induktion reagiert er „normal“ mit Entspannung. Er benutzt die geläufige Ruheszene „Strand“ und reagiert sehr gut mit Entspannung auf die Suggestionen dazu. In der Therapieszene in Hypnose befindet der Patient sich im Vorbereitungsraum zum OP auf der Liege. Er kann die Anspannung aushalten und ist – wie viele – erfreut darüber, als das Umschalten auf die Ruheszene erfolgt. Er empfindet es als angenehm. Nach der Suggestion positiver Veränderungen ist er erstaunt, wie ruhig er geworden ist. Es ist für ihn besonders beruhigend, zu erleben, dass es, wie er es gerade erfahren hat, eine zufriedenstellende Kontrollmethode gibt. Somit erhält er nach wenigen Wiederholungen die Instruktion, die nächste Ruheszene selbst durch Berühren seines Handgelenks auszulösen. D. h. er erhält sehr bald die von ihm gewünschte Möglichkeit, aktiv Kontrolle über die Situation zu bekommen und sein Empfinden selbst zu regulieren. Nach wenigen Wiederholungen fühlt er sich ausreichend fit, die Ruheszene mit ihrer Entspannungswirkung selbst und zufriedenstellend herbeizuführen. Da die erzielte Wirkung der Selbstregulation

12.3  Die Falldarstellungen

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zur OP erst in einem Vierteljahr genutzt werden soll, ist es erforderlich, dass der Klient in dieser Zwischenzeit regelmäßig die Überallmethode anwendet, sowohl in vergleichbaren mit Stress oder Aufregung verbundenen Situationen, aber auch zu reinen Übungszwecken. Zur Stabilisierung erfolgen hier Posthypnotische Suggestionen, diese Übung möglichst jeden oder jeden zweiten Tag in Ruhe und mit ausreichend Zeit durchzuführen – und vor oder bei aufregenden oder ähnlichen Situationen. Dann später wird er – natürlich mit diesem Übungserfolg – diese Überallmethode auch im Vorbereitungsraum zum OP erfolgreich durchführen und ruhig und gelassen sein. Katamnese Ein Jahr nach dieser Behandlung berichtet der Patient beim nächsten HypnoseKongress voller Freude und auch mit einer gewissen Ehrfurcht gegenüber der Wirkung der Methode von seinem zwischenzeitlichen Vorgehen und Erfolgen: Er übte die Überallmethode relativ regelmäßig und wandte sie auch in „kritischen“ Situationen (z. B. bei Aufregung) erfolgreich an. Das gab ihm die Sicherheit, dadurch weiterhin Kontrolle über seine Gefühle der Angst und Aufgeregtheit behalten zu können. Als er dann zur OP-Vorbereitung kam, nutzt er die Übung wirksam. Nun fragte die Anästhesistin zur Routine-Sicherheit nach, dass es wohl seine rechte Hüfte sei, die operiert werden sollte. Der Klient widersprach heftig, da es seine linke Hüfte betraf. Es war nun die von ihm befürchtete Situation eingetreten. Sofort erinnerte sich der Klient an meine Instruktion bzw. die Posthypnotische Aufgabe, nun sofort die Entspannung mittels Überallmethode einzuleiten, was ihm durch seine vorherigen Übungserfahrungen sofort gelang. Er bemerkte sofort, dass er dadurch die sehr notwendige Kontrolle über diese kritische Situation behalten hatte. Aufgrund des Röntgenbildes wurde die Richtigkeit seiner Intervention von der Ärztin (kleinlaut) bestätigt, was ihn zusätzlich in seinem Handeln ebenfalls bestätigte. Zur Verwunderung der Anästhesistin hatte er zwar deutlich seine Meinung zu dieser Schlamperei gesagt, aber trotzdem die Ruhe behalten. Somit sagte er ihr auch deutlich, dass er nun auch mental in der Lage für die Operation sei und man auf eine Prämedikation verzichten soll. Also wurde dann seinem Wunsch gemäß die Narkose sofort eingeleitet. Die OP erfolgte komplikationslos und die anschließenden Reha-Maßnahmen ebenso. Jetzt, neun Monate danach, ist diese OP für ihn vergessen und er kann sich beschwerdefrei bewegen. Er hatte mich schon vor längerer Zeit darüber informieren wollen, jedoch meine Adresse verlegt. Insgesamt ist er sehr froh über diese für ihn so hilfreiche Intervention. Diskussion Auch in diesem Fall kann der Patient sehr klare Angaben über seine Angst und die erforderlichen Therapieziele machen. Seine Angst ist durch seine Kognitionen bedingt „Ich weiß, was schief gehen kann.“ und bleibt vorwiegend auf diesen Bereich beschränkt, generalisiert nicht in andere Lebensbereiche oder Steuerungsfunktionen. Deshalb ist es vielleicht einfach, hier Entspannungs- und Bewertungsänderungen vorzunehmen. Hinzu kommt, dass er weiter kognitive Kontrolle in der

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12  Das praktische Fallseminar

von ihm definierten Situation behalten will. Durch dieses eng und klar definierte Verhaltensziel ist es ihm und dem Therapeuten leichter, mit darauf abgestimmten posthypnotischen Aufgaben umzugehen. Schwierig war, die Motivation aufrecht zu erhalten, innerhalb des anstehenden Vierteljahres bis zur OP weiter zuverlässig die Überallmethode anzuwenden und von der Entspannung zu profitieren. Seine in Hypnose rein mental erlebten Erfolge, die präoperative Kontrolle selbst zu steuern, gab ihm die Sicherheit, sie auch in der Realsituation erfolgreich einzusetzen. Bemerkenswert ist, dass er nach der Nachricht über die Hüftverwechslung ruhig bleiben konnte, nicht wütend wurde oder sogar dekompensierte. Es kann sein, dass er genau diese von ihm befürchtete Szenerie mental bereits mehrfach erfolgreich durchgespielt hat. Es kann aber auch sein, dass die erfolgreiche Erfüllung seines Zieles nun erreicht war, da er die Kontrolle klar ausüben konnte. Lerntheoretisch ist hier eine Erleichterung und Bestätigung seines Bemühens der letzten Monate anzunehmen, die eine Verstärkung seines gesamten Vorgehens und damit Entspannung bewirkte. Der posthypnotische Auftrag war nun zur vollkommenen Zufriedenheit erfüllt, er konnte dann seine Verantwortung wieder an andere Personen wie die Chirurgen abgeben.

12.3.9 Fall 16 – Angst nach einem ärztlichen Missgriff Zustandsbild Michael ist 8 Jahre alt, besucht die zweite Klasse der Grundschule. Er hat Angst vor Verletzungen, Schmerzen und medizinischen Geräuschen. Arztkontakte werden deshalb von ihm strikt verweigert. Genese Vor ca. vier Jahren sollte nach einem Beinbruch sein Gipsverband am Bein endlich geöffnet werden. Dabei benutzte der Arzt eine spezielle Motorfräse sehr ungeschickt, sodass er Michael am Bein schmerzhaft-blutend verletzte und so die o.g. beklagten Ängste klassisch konditionierte. Michael ist sehr aufgeschlossen und mitteilungsfreudig, so ist es möglich zu explorieren, dass er primär Angst davor hat, vom Arzt (wie damals) unangekündigt "überfallen" zu werden. Er benötigt also Sicherheit und möchte Kontrolle über sich behalten.

Studienfragen

• Erstellen Sie eine Verhaltensanalyse zur Entstehung der Angst • und machen Sie Therapievorschläge. Diagnose Wie bereits dargestellt, ist die Angst vor Schmerzen, Verletzungen und medizinischen Geräuschen durch den Unfall klassisch konditioniert.

12.3  Die Falldarstellungen

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Bedingt durch diese real konditionierten Angsterfahrungen bestehen Erwartungsängste, die nicht nur mögliche Schmerzen betreffen könnten, sondern Ängste, vom behandelnden Arztes wieder unvorbereitet überfallen zu werden, also hilflos zu sein, die Selbstkontrolle zu verlieren. Prognose Trotz der klassischen Konditionierung erfolgte keine Angstgeneralisierung. Auch waren zwischenzeitlich bislang keine problematischen Erlebnisse festzustellen. D. h. dass Vermeidungsverhalten und sonstige Verstärkungen nicht erfolgten. Das sind Anzeichen, dass sich die Angst und die damit verbundenen Kognitionen etc. noch nicht „verfestigt“ haben. Somit ist mit einer guten Wirkung durch die Kurztherapie zu rechnen. Michael kann seine Problematik erstaunlich genau beschreiben. Auch besteht eine gute und vertraute Kommunikation mit ihm. Das sind Faktoren, die eine gute Zusammenarbeit und damit einen günstigen Therapieverlauf erwarten lassen. Therapieplan Im Vordergrund der Behandlung sollte die Wiedergewinnung der Selbstkontrolle sein, verbunden mit dem Abbau der Erwartungsangst, diese Kontrolle und Sicherheit zu verlieren. Aus der Exploration geht hervor, dass Michael sehr mitteilungs- und diskussionsfreudig ist. Deshalb soll versucht werden, eine kognitive Umstrukturierung i.S. einer Umbewertung der Ereignisse und damit die die Wiedergewinnung der Selbstkontrolle bewirken, so durch den Sokratischen Dialog. Somit bietet sich die Hypnose-Kurztherapie an. Evtl. ist der junge Michael aufgrund seines Alters überfordert, wenn er nur rein kognitive Veränderungen vornehmen soll. Entsprechend wird nach Tätigkeiten gesucht, die ihm Freude machen, aber mit Lärm verbunden sind, um dadurch selbstkontrollierend Lärm angstfrei zu erleben. Aufgrund seines Alters sollte berücksichtigt werden, auch die Eltern als Cotherapeuten mit einzubeziehen (s. u.). Therapiedurchführung In sehr engagierten Gesprächen mit mir erkennt er, dass sein Ereignis damals ein Zufall war. Da er so sehr gut auf Argumente eingeht, wird die Methode des Sokratischen Dialogs versucht (s. Abschn. 6.1.4.2 und 7.3.4). Wir erarbeiten, dass man sich nicht vor allen Zufällen absichern kann – und es gibt auch angenehme Zufälle wie z. B. Geburtstagüberraschung. Nach dieser kognitiven Umstrukturierung hat seine Angst vor einem plötzlichen Eingriff abgenommen. Zusätzlich wird ihm nun vorgeschlagen, demnächst in die befürchtete Situation selbst verbal einzugreifen und die Situation dann aktiv mitzugestalten. Er soll dem Arzt sagen, dass er bei plötzlichen Handlungen nervös und ängstlich wird. Deshalb soll der Arzt ihm alles, was er vorhat, schrittweise erklären. Allein der Gedanke an diese aktive Mitgestaltung gibt Michael Zuversicht. Zur weiteren Verbesserung seiner für ihn zentral wichtigen Selbstkontrolle üben wir Vorstellungsbilder zur Entspannung, die er bereits vor der zukünftigen Arztkonsultation anwenden kann (= posthypnotische Aufgaben).

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Wirkungen Durch diese therapeutischen Anleitungen merkt Michael die Wirksamkeit seiner Selbstkontrollmaßnahmen sehr schnell. Da Michaels Angst (8 Jahre jung!) auch ein Teil seines Familiensystems ist, müssen die Eltern therapeutisch unterstützend eingesetzt werden, besonders dafür, dass es Michael bewusst wird, mit seinem Problem nicht allein gelassen zu werden. Zusätzlich kann sich der Vater therapeutisch mit einbringen. (Siehe hierzu auch Abschn. 6.2 und Fall 10) In den Elternberatungen in Anwesenheit Michaels werden seine erfolgreichen Selbstkontrollen zusätzlich von den einfühlsamen Eltern verstärkt. Er hat dabei auch die Gewissheit, dass er sich unabhängig von seinen eigenen Bemühungen immer der Unterstützung seiner Eltern sicher sein kann. Empfohlen wird nun zusätzlich, die Angst vor „ärztlichen Geräuschen“ abzubauen, indem Vater und Sohn demnächst gemeinsam basteln und handwerkeln und dabei z. B. die Bohrmaschine benutzen. So kann Michael unangenehme Geräusche selbst kontrollieren und sich dadurch wohl am schnellsten an sie gewöhnen. Eine Generalisierung der Wirkungen auf ärztliche Geräusche ist anzunehmen. Beide stimmen dem zu. Nach wenigen Sitzungen ist Michael angstfrei und kann entspannt die nächste ärztliche Intervention angstfrei ertragen. Katamnese In einem vereinbarten Berichtszeitraum von ca. einem Jahr ist das Verhalten weiterhin stabil. Mit den Eltern war vereinbart worden, dass sie sich bei erneuten Problemen melden werden – was wohl nicht erforderlich war. Diskussion Auch hier erfolgt eine Schmerz-Traumatisierung, die sich generalisierte. Bei diesem Kind sind durch das Gespräch mit ihm kognitive Umstrukturierung und Selbstkontrollstrategien so erfolgreich, dass sich weitere Behandlungsmethoden erübrigen.

12.3.10 Fall 17 – Panikattacken in der Straßenbahn Exploration Die Patientin ist 23 Jahre alt, Studentin mit eigener Wohnung. Sie hatte in den letzten Monaten mehrfach in der Straßenbahn so starke Panikattacken, dass der sofortige Einsatz eines Rettungswagens erforderlich war. Nachdem sie sich dann im Krankenhaus innerhalb kurzer Zeit wieder beruhigt hatte, konnte sie sofort wieder entlassen werden. Sie wird von den Attacken plötzlich und scheinbar grundlos überfallen und fühlt sich ihnen hilflos ausgeliefert. Dadurch bleibt ihr keine Zeit, an mögliche Gegenmaßnahmen zu denken. Die weitere Exploration zeigt, dass sie vor der ersten Attacke erstmalig einen starken Streit mit ihren Eltern hatte. Bislang waren alle in der Familie miteinander

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gut und harmonisch ausgekommen. Es kamen nur selten kleinere Meinungsdifferenzen auf; dann waren sowohl sie als auch ihre Eltern bemüht, sie möglichst schnell zu klären oder zu beschwichtigen. Bei dem oben geschilderten auslösenden Vorfall waren sich jedoch beide Parteien so uneins, dass keine Lösung gefunden werden konnte und man im Streit auseinanderging. Auf der Straßenbahnfahrt zu ihrer Wohnung überfiel sie dann die Panikattacke, gefolgt vom Blaulichteinsatz des Notarztwagens.

Studienfragen

• Erstellen Sie eine Verhaltensanalyse zu den auslösenden und aufrechterhal­ tenden Bedingungen der Problematik. • Durch welches Verhalten, welche Konstellation, entstand die Panikattacke? Diagnose Es ist eindeutig, dass durch den unlösbaren Streit mit den Eltern starke Emotionen in Form von Schuldgefühlen ausgelöst wurden. Diese lösten dann ein erhöhtes physiologisches Erregungsniveau aus, das dann zu den geschilderten Panikattacken und zur Notaufnahme im Krankenhaus führte. Das erste Auftreten der Attacken erfolgte in der Straßenbahn, wodurch eine Konditionierung erfolgte, sodass nun das Fahren in der Straßenbahn, verbunden mit den spezifischen Gerüchen, allg. Wahrnehmungen und Erinnerungen an die Emotionen und Kognitionen zum damaligen Ereignis die physiologischen Angstreaktionen auslösten. Der Auslöser ihrer Panikattacke war der Streit mit ihren Eltern, bei dem keine gemeinsame friedliche Lösung gefunden werden konnte. Die Familie wird von der Patientin indirekt als harmoniebedürftig, lieb und stets auf Ausgleich bedacht beschrieben. Demnach haben sie und ihre Familie es nie gelernt, Konflikte auszutragen und auch bestehende Differenzen oder Disharmonien auszuhalten oder später aufzulösen. Also konnten nur Schuldgefühle, Frustration, Verzweiflung, Angst vor Liebesverlust oder Depression als daraus resultierende Verhaltensweisen folgen. Prognose Panikattacken sind oft schlecht zu behandeln, da per Definition Ursachen kaum oder nicht zu finden sind. Da die Patientin relativ schnell nach der ersten Attacke zur Therapie kommt, konnten konkrete Auslöser wie die Schuldgefühle angenommen werden. Das weist auf eine relativ günstige Prognose hin. Andererseits sind an der Problematik mehrere Familienmitglieder beteiligt. Hier erscheint es problematisch, ob allein durch die Behandlung dieser Patientin Veränderungen möglich sind. Ggf. muss eine längere Therapie oder sogar Familientherapie erfolgen.

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Therapieplan Da es sich bei dem familiären Konflikt primär um die Regulierung von Attributionen und Emotionen, verbunden mit Dyskognitionen handelt, sollte hier eine kognitive Methode genutzt werden. Die Patientin soll die Konfliktszene mit den Eltern nochmals erleben, um dann unterschiedliche Lösungen durchzuarbeiten. Entsprechend sollen eine Konfrontation mit den Eltern und Verhaltensübungen zur Konfliktlösung in Hypnose erfolgen. Demnach sollte die Patientin nun eine Therapieszene erhalten, nach der sie entscheiden soll: a) z. B. den Eltern eine Lösung anbieten oder b) sich entschuldigen oder c) Erklärungen für ihr Verhalten geben. Um diese alternativen Möglichkeiten abzuwägen, erlebt sie nun in Hypnose die Auseinandersetzung nochmals und entscheidet sich dann, den Eltern ihr Anliegen zu erklären. (Die anderen o.g. Therapiemöglichkeiten sollen bei gegebenem Anlass genannt werden.) Therapiedurchführung Induktion Die Induktion wird zögerlich befolgt, von ihr sogar unterbrochen, da sie sich nicht vorstellen kann, „durch so was“ die Kluft zu ihren Eltern wieder schließen zu können. Deshalb wird ihr erklärt, dass es sich hier lediglich um eine Anfangsprozedur handelt, mit der wir gleich entspannter Lösungen finden und ausprobieren werden. Darauf kann sie sich dann einlassen. Ruheszene Die angebotenen Bilder wie „Wald“ und „Sandstrand“ behagen ihr nicht. Die von mir kurz beschriebene Ruheszene „Bergszene“ sagt ihr zu, da sie die Berge, die Ruhe dort und den Schnee auf den Bergen und Hängen von einem Ferienaufenthalt kennt und seitdem liebt. Entsprechend reagiert sie darauf sehr entspannt. Wahrscheinlich hat sie inzwischen Vertrauen zu mir und der angekündigten Methode gefunden und kann nun leichter kooperieren.

Studienfrage

• Aufgrund welcher Informationen sollten die weiteren Vorgehensweisen geplant und durchgeführt werden? Therapieszene Der Therapieplanung entsprechend erlebt sie in Hypnose die drei relevanten Verhaltensalternativen und wird danach befragt, ob ihr das ausreicht, denn schließlich hatte sie in diesem Streitfall eindeutig Recht. Nun entscheidet sie, sich für ihr ruppiges Verhalten zu entschuldigen, aber dennoch ohne Schuldgefühle bei ihrer Meinung zu bleiben. Und sie bittet ihre Eltern sachlich, dies zu akzeptieren. Entsprechend trägt sie das ihren Eltern in dieser Hypnose-Szene ruhig und bestimmt vor.

12.3  Die Falldarstellungen

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Suggestion der positiven Veränderung Sie erlebt nun (ohne Impuls des Therapeuten), wie die Eltern sich mit ihrer Meinung schwertun, sie diese aber letztlich akzeptieren und alle in der Familie relativ froh sind über die Aussprache und ihr letztlich positives Ende. Posthypnotische Aufgabe Die Patientin hat nun mental eine Lösung erarbeitet, mit der sie und ihre Eltern zufrieden sein können. Diese Lösung sollte nun auch in konkretes Handeln umgesetzt werden, da ja sonst die Differenz beider Meinungen und damit der ungelöste Konflikt als Angstauslöser bestehen bleiben. Also erfolgt die posthypnotische Aufgabe, zu einem mit der Patientin vereinbarten Zeitpunkt das klärende Gespräch mit ihren Eltern zu führen. Nachgespräch Die Patientin ist sehr froh, den Grund ihrer Panikattacken und auch Möglichkeiten für klärende Gespräche mit ihren Eltern gefunden zu haben. Sie weiß auch, dass dies schwierig sein wird, da ihre Eltern sehr konservativ und harmoniebedürftig sind. Sie fühle sich jetzt jedoch stark und fähig dazu, auch darüber Gespräche führen zu können.

Studienfragen

• Ist die Therapie damit erfolgreich beendet? • Welche weiteren Schritte wären evtl. erforderlich? Sinnvoll wäre es, wenn die Patientin ihre lang andauernden Konflikte und Meinungsverschiedenheiten mit ihren Eltern lösen könnte. Ggf. wären familientherapeutische Gespräche sinnvoll. Dazu werden ihr weitere Termine angeboten. Katamnese Die Patientin meldete sich nach dieser Sitzung trotz vereinbarten Termins nicht mehr. Diskussion Der Fall zeigt, wie dramatisch sich scheinbar kleine Meinungsdifferenzen auswirken können, wenn keine Streitkultur vorhanden ist, (deshalb) die Empfindlichkeit des Familiensystems groß ist bzw. die Frustrationstoleranz niedrig ist. Daraus können sich oft nur pathologische Folgen entwickeln. Ebenso wird hier deutlich, dass das Zusammenkommen von Elementen wie Kognition, Emotion und Attribution starke Angstanfälle bewirken können, wahrscheinlich, wenn die Situation als aussichtslos bewertet wird bzw. man selbst sich als hilflos erlebt. Die in Hypnose vorgeschlagenen Lösungen (entschuldigen/erklären/beharren/ etc.) sind keine bedingungslosen festen Konzepte. Sie geben nur aus den

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Patientenschilderungen abgeleitete Lösungsmöglichkeiten vor, die der Patient dann selbst auswählen und in einer Hypnose-Szene ausprobieren soll. Oft ist man in solchen Situationen für Lösungen oder Denkimpulse blockiert oder man konnte bislang in diesem Konfliktbereich keine Lösungen lernen und muss es nun unter therapeutischer Anleitung erlernen. Denn am Anfang der Therapie muss erst eine für den Patienten mögliche und akzeptable Lösung gefunden werden. Falls diese jedoch zu simpel oder nur vordergründig ist, sollte der Therapeut dies anmerken, dann angemessenere Lösungen vorschlagen und sie dann mit dem Patienten in Hypnose erproben. Eine vordergründige Lösung wäre z. B., wenn der Patient aus lauter Schuldgefühlen bedingungslos nachgibt oder die Kontakte zum Konfliktpartner ohne Aussprache abbricht. Die Ursachen für weitere Panikattacken oder ähnliches physiologische Verhalten würden dann weiterbestehen. Gemäß den Überlegungen zur Prognose war es relativ unwahrscheinlich, dass die Patientin nach einer Sitzung so viel an sozialen Kompetenzen erwerben könnte, um lang bestehende und damit verfestigte Familienstrukturen und Konfliktpotenziale zu verändern.

12.3.11 Fall 18 – Panikattacken – wirklich ohne erkennbaren Grund (?) Zustandsbild Nach einem Jahr erfolgloser Gesprächspsychotherapie seiner Patientin mit Panikattacken bittet der behandelnde Arzt mich um baldige Fallübernahme, um meine Spezialmethode bei der Angsttherapie anzuwenden. Leider ist bis zu einem Therapiebeginn nur ein kurzes Erstgespräch möglich. Exploration Die Patientin ist ca. 25 Jahre alt, gelernte Zahnarzthelferin, hat ihre Berufstätigkeit jedoch nach wenigen Jahren aufgegeben, weil sich bei ihr immer mehr Ängste zeigten, die sie nicht bewältigen konnte, sodass sie seit ca. 2 Jahren krank und deshalb arbeitsunfähig ist. Sie macht einen sehr verschüchterten Eindruck und kann mir nichts über die Art, Entstehung und Auswirkungen ihrer Ängste sagen. Letztendlich entwickelt sich der Verdacht, dass sie ihre Ängste selbst durch negative Gedanken auslöst.

Studienfragen

• Wäre hier evtl. schon die Kurztherapie sinnvoll angewandt? • Reichen diese Informationen, um eine angemessene Diagnose zu erstellen? Beginn einer Kurztherapie? Der Leidensdruck der Patientin durch ihre Ängste und ihre lange dauernde Arbeitslosigkeit mag die Hilfsbereitschaft des Therapeuten motivieren, nun

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endlich eine Intervention zum Angstabbau anzuwenden. Eine Behandlung mit Hypnose oder sogar eine Kurztherapie mit geeigneten Hypnose-Suggestionen kann hier verführerisch sein. Da der bislang behandelnde Therapeut mit seiner Methode erfolglos war, kann das umso mehr ein Anreiz sein, sofort eine Angstbehandlung zu beginnen. Aber Hypnose und Suggestionen sind nur dann dauerhaft hilfreich, wenn sie kausal angewandt werden. Das heißt nach dem Auffinden und Erstellen einer Diagnose, also nach Erkennen der wirkenden Ursachen. Weitere Diagnoseplanung Die bisherigen Angaben der Patientin erschienen nicht ausreichend, um daraus eine eindeutige Diagnose, geschweige denn Indikation für eine Therapiemethode abzuleiten. So sollte abgeklärt werden, worin ihre Ängste konkret bestehen und wodurch ihre Ängste ausgelöst werden. Um die Zeit bis zum nächstmöglichen Termin in ca. 6–8 Wochen zu nutzen, wird schnell für sie am PC ein individueller „Fragebogen“ entworfen. Er enthält Fragen zu Auslösern, Kognitionen, Emotionen, Bewältigungsstrategien. Folgendes ist einzuragen: • Uhrzeit, wann die Angst beginnt • Angstinhalt: warum, wovor besteht Angst? • Skalierung der Angststärke auf einer Skala von 0 bis 100. • Angstskalierung vor und nach dieser (möglichen) Bewältigung • Kann die Angst bewältigt werden? Womit? • Gesamtbewertung ihrer Situation Sie bekommt dafür zahlreiche dieser „Formulare“ ausgehändigt, die sie ausfüllen und jeweils nach einer Woche zusenden soll. Sie ist damit einverstanden, leicht skeptisch, aber froh, weil nun endlich etwas konkret aktiv und bezüglich ihrer Ängste getan wird. (Nebenbemerkung: Bei derartigen Ängsten, die sogar als Panik zu bezeichnet wären, ist eine Gesprächstherapie ziemlich kontraindiziert. Denn die Gefahr besteht gerade bei dieser Behandlungsform, dass man bei Ängsten immer um sich selbst kreist, was die Patientin über ein Jahr Behandlungsdauer tat.) Wie vereinbart, schickt die Patientin mir die ausgefüllten Protokolle wochenweise zur Auswertung zu. Dabei wird im Lauf der Wartepause bis zum Therapiebeginn deutlich: • Vor einer Handlung allgemein besteht große Angst (ca. 80–90 Skalenpunkte) und nimmt nach Durchführung der Handlung deutlich um ca. 30–40 Skalenpunkte ab. • Die mit Angst besetzten Handlungen sind sehr einfacher Natur wie: Den Vogelkäfig des Wellensittichs reinigen; Lebensmittel einkaufen usw.

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12  Das praktische Fallseminar

Die Folgerungen und Fragen daraus: • Es handelt sich um sehr einfache Tätigkeiten – warum hat die Patientin davor Angst? • Es bestehen bei ihr immer Erwartungsängste vor einer Handlung. • Nach der Handlung sinkt ihr Erregungsniveau sofort deutlich. • Fazit: Es kann sich hier mit großer Wahrscheinlichkeit nicht um Panikattacken handeln. Exploration Als die Behandlung dann endlich beginnen kann, erfolgt ein Gespräch mit der Patientin über diese Folgerungen aus ihren Protokollen. Dabei wird zur Reduzierung ihrer möglichen Versagensängste betont, dass ihre Selbstbeobachtungen und Protokollierungen sehr hilfreich sind und nun Licht in die Entstehung der Angstproblematik bringen können. Sie ist darüber sehr erleichtert. Warum aber hat sie Angst vor so relativ einfachen Handlungen? So erfolgt die weiter Exploration dazu, welche Handlungen ihr so viel Ängste bereiten. Nun wird langsam folgendes deutlich: Die Ehe ihrer Eltern wurde geschieden, als sie ca. 10 Jahre alt war. Nun nahm die Mutter ihr alle Tätigkeiten im Haushalt ab, um sie wenigstens dadurch zu schonen. Im Einverständnis mit der Patientin erfolgte nun ein Gespräch mit ihrer Mutter. Diese gab sehr angespannt zu, dass sie wegen der Scheidung der Tochter gegenüber Schuldgefühle hatte und sie in allem entlasten und verwöhnen wollte.

Studienfragen

• Erstellen Sie eine Verhaltensanalyse zu den auslösenden und aufrechterhaltenden Bedingungen der Problematik. • Welche therapeutischen Interventionen schlagen Sie vor? Diagnose Nun wird deutlich, dass die Patientin in vielen Bereichen des Alltagslebens Verhaltenslücken hat. Das heißt: Sie hat wenige Handlungskompetenzen erworben und dadurch stets Angst davor, den Anforderungen des Alltags nicht gerecht werden zu können, zu versagen. So konnte sie z. B. nicht einmal Spiegeleier braten oder entspannt im Supermarkt einkaufen gehen. Die Mutter hat bislang ihre Schuldgefühle gegenüber der Tochter reduziert, indem sie ihre Tochter überfürsorglich unterstützte. Somit wurden die Schuldgefühle negativ verstärkt und blieben bestehen, incl. Verwöhnung der Tochter. Die Diagnose „Panikattacken ohne erkennbaren Grund“ ist klar widerlegt (siehe dazu Abb. 6.6 zur ähnlichen Konstellation). Prognose Eine Angstbehandlung kann nur dann erfolgreich sein, wenn sie ihre starken Verhaltenslücken (= geringe Alltagskompetenzen) bearbeitet. Dies wird nur mit der

12.3  Die Falldarstellungen

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Hilfe und Kooperation der Mutter gelingen. Von ihr wird es also abhängen, ob die Patientin die erforderliche Selbständigkeit erlangen wird. Davon abhängig werden dann weitere Schritte wie Berufseingliederung etc. möglich sein.

Studienfragen

• Welche Therapiemethoden sind nun sinnvoll – für welche Person? • Wann sollte die Kurztherapie zur Behandlung der Angst indiziert sein? Therapieplan und Therapiemethoden Im Vordergrund der Behandlung stehen nun eindeutig Methoden zur Gewinnung von Verhaltenskompetenzen, um die bestehenden Verhaltensdefizite abzubauen, die bislang Angst bewirkten. Hierbei ist Shaping sinnvoll, also der schrittweise Aufbau von Alltags-Kompetenzen. Therapieplan Die Tochter muss unbedingt alltägliche Tätigkeiten (z. B. einkaufen, kochen) erlernen, um ihre Angst davor zu verlieren = schließen der Verhaltenslücken durch Kompetenzerwerb und dadurch zunehmende Eigenverstärkung. Gleichzeitig verliert die Tochter Annehmlichkeiten: sie hat weniger „Freizeit“, denn sie muss nun im Haushalt mithelfen. Am Ende dieser relativ langen Prozedur steht jedoch, sich angstfrei für eine Bewerbung anzumelden. Die Mutter hätte dadurch den Verlust, ihre Tochter nicht mehr zu verwöhnen, um dadurch ihre Schuldgefühle zu reduzieren. Das könnte Probleme geben, denn mit zunehmender Eigenständigkeit der Tochter würde sie „überflüssig“ werden. D. h.: die Schuldgefühle bleiben bestehen, die Zuwendung der Tochter nimmt ab = sehr starke Verluste für die Mutter, sogar Verlust ihres Lebenssinns, möglich bis hin zu Depressionen. Dies kann mitunter dazu führen, dass die Betroffene (Mutter) diese Verluste verhindern will und dadurch überstark mit Verwöhnung reagieren kann – oder die Therapie abbricht, um das gewohnte System aufrechtzuerhalten. Entsprechend soll die Mutter nun von ihrer Tochter (und dem Therapeuten) dafür verbale Zuwendung erhalten, wenn sie diese darin anleitet, ihre Verhaltenslücken zu schließen. Sie kann dann stolz sein, wie eigenständig ihre Tochter wird, um dann angstfrei für eine Berufsbewerbung fit zu sein. Therapiedurchführung Kompetenztraining Die Therapie beginnt demnach mit einem Training von Alltagskompetenzen, z. B. im Haushalt. Im Einvernehmen mit Mutter und Tochter wird ein Plan erstellt, nach dem die Mutter ihre Tochter in diesen Tätigkeiten unterweist, die mit der Zeit langsam in den Anforderungen gesteigert werden (= Habituation). Entsprechend

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zieht sich die Mutter mit zunehmender Eigenständigkeit ihrer Tochter immer mehr aus ihrer Verantwortung heraus. Die Mutter ist bei der Durchführung dieser Übungsschritte zunehmend motivierter, denn nun kann sie ein gutes Gewissen entwickeln, da sie ihrer Tochter dabei hilft, lebenstüchtig und angstfrei zu werden. Die Tochter zeigt – wie zu erwarten war – anfängliche Widerstände, da sie nun mehr im Haushalt tun und Eigenverantwortung übernehmen muss. Mit der Zeit erkennt sie jedoch die großen Vorteile, Selbstwirksamkeit und Autonomie zu entwickeln; dies gelingt ihr bereits nach wenigen Wochen. Entsprechend hat sie die früher auftretenden Erwartungsängste vollkommen abgebaut. Sie fühlt sich nun sogar fit genug, um sich wieder bei einem Zahnarzt als Helferin zu bewerben. Nun sind die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass die Patientin ohne „Panikattacken“ ihren Alltag gestalten kann und fit für weitere Maßnahmen ist. Berufseingliederung – Therapie mit der Hypnose-Kurzmethode Nach diesen erfolgreich absolvierten Behandlungsschritten bestehen jedoch nun weiterhin „normale“ Ängste vor einem Bewerbungsgespräch bei einem Zahnarzt. Dafür kommt nun die Kurztherapie zur Geltung: In Hypnose ist sie entspannt und führt ein Bewerbungsgespräch. Sie erlebt sich dabei als selbstsicher, kompetent und selbstwirksam. Die Induktion und die Ruheszene werden gut realisiert; in Hypnose erfolgt ein behavior rehearsal, d. h. ein Verhaltenstraining zum Vorstellungsgespräch. Diese Form der „Hypnose-Kurztherapie“ wirkt sofort; die Patientin ist zuversichtlich und selbstsicher. Die Patientin geht nun entspannt zum Vorstellungsgespräch und wird sofort angenommen. Sie beendet ihr Arbeitsverhältnis jedoch nach 1–2 Wochen, da ihr der Arzt nicht sauber genug und ausreichend hygienisch arbeite. Die Exploration hierzu ergibt, dass sich bei der Patientin in der Zahnarztpraxis keine Ängste oder Vermeidungsverhaltensweisen zeigten, was nach so vielen Monaten wieder aufgenommener Arbeit möglich wäre. Ihre Entscheidung, dort abzubrechen, war eindeutig objektiv richtig, wohl überlegt und klar. Sie konnte darin nur bekräftigt werden. Glücklicherweise hatte sie nach wenigen Wochen ein neues Arbeitsangebot, das ihr vom Zahnarzt und seinem Team her sehr zusagte. Sie war hoch motiviert und wurde nach wenigen Wochen aufgrund ihrer guten Fähigkeit befördert, nun einen eigenständigen Arbeitsbereich zu übernehmen! Katamnese Eine spätere Besprechung liegt nicht vor; da die Patientin jedoch durch ihre so erfolgreich abgeschlossene Verhandlung großes Vertrauen in ihre Kompetenzen und in ihren Therapeuten hatte, hätte sie sich bestimmt wieder gemeldet, falls es Probleme gegeben hätte. Diskussion Öfter wird die Diagnose „Panikattacke“ gestellt, wenn man nicht sofort nachvollziehbare Ursachen der Ängste finden kann. Diese können so weit

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z­ urückliegen, dass sie nicht mehr erinnert werden, man sich in der Gegenwart mit der Angst arrangiert hat, oder die Auslöser so subtil sind, dass sie nur mit sehr viel Geduld und Feinarbeit in der Exploration aufzufinden sind. Die Mutter-Tochter-Konstellation ist nahezu klassisch, denn ihre Störungen und sozialen Abhängigkeiten bedingen sich gegenseitig und halten sich dadurch in einer Dauerschleife aufrecht. Also muss hier eine Unterbrechung gefunden werden, die meist mit Verstärkerverlusten verbunden ist. Diese Defizite müssen – wie im obigen Fall – unbedingt aufgefüllt werden, um Therapieerfolge zu erzielen. Dann ergibt sich sogar eine Win–Win-Situation für beide Personen. Die Kurztherapie zum Abbau der relativ kleinen Angst vor dem Vorstellungsgespräch hatte hier eine wichtige, aber nur nebengeordnete Funktion.

12.3.12 Fall 19 – Angst vor Versagen, Selbstzweifel, Sozialangst, Minderwertigkeitsgefühle Vorbemerkung Der Fall 19 (s. u.) bildet hier die angekündigte Ausnahme, denn die Angstprobleme der Klientin liegen primär im Bereich der Selbstattribution und der antizipierten Fremdattribution. Auch die Reihenfolge der Therapieschritte wurde den Befindlichkeiten der Klientin und den daraus resultierenden methodischen Anforderungen angepasst. Die Kommentare im Text begründen dieses dann. Die genaue Wiedergabe des Therapiedialogs zeigt auch, dass manche Schritte durch ihre Wiederholungen redundant erscheinen mögen. Da die Methode impliziert, die Beziehung zwischen den einzelnen Angstkomponenten abzuklären und zu verändern, kann dies jedoch nur behutsam und in kleinen sich wiederholenden Schritten erfolgen, die dann stets jeweils eine Verbesserung zum Therapieziel hin beinhalten. Das wörtliche Transkript meiner Therapiesitzung zeigt die Ergebnisse der Exploration (ca. 30 min) und dann life die konkrete Kommunikation bei der gesamten Therapiedurchführung (60 min). Der Therapieteil enthält den kompletten Text von Klientin und Therapeut. Der geschrieben Text kann leider nicht wiedergeben, wie ruhig und akzeptierend, aber zielorientiert der Therapeut spricht, aber der Klientin dabei ihre Freiheit für ihre Antworten lässt. Zum besseren Verständnis sind die einzelnen Phasen bzw. Schritte der Methode im Text gekennzeichnet, sodass Leserinnen und Leser die Vorgehensweise detailliert nachvollziehen können. Ergänzend sind dazu noch Kommentare eingefügt. Exploration Klientin (K): Frau W., 56 Jahre alt, Akademikerin mit eigener Praxis/Kanzlei. Geschieden; in Partnerschaft lebend.

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Sie hat berufliche Versagensängste, „obwohl ich mich ständig fortbilde“. Hat stets das Gefühl, sowohl privat als auch beruflich nicht zu genügen. Sie denkt oft: „Das hättest du besser machen können. Das reicht noch nicht.“ Ist dann sehr bedrückt über Fehler, meint, sie mache mehr Fehler als andere, was nach ihrer Bewertung „natürlich nicht stimmt.“ Sie meint, sie sei nicht liebenswert, genüge den Anforderungen anderer nicht. Zusammenfassung des Berichts der Klientin Meine Mutter war Hausfrau. Als ein Kind kam, gab sie das Studium auf und was sie nicht erreicht hatte, sollte ich erreichen. Ich hatte eine behütete Kindheit, geordnete Verhältnisse. Bis zum Schulbeginn war ich ausgesprochen temperamentvoll, lebenslustig. Und das ist dann verloren gegangen. Da ist dann Bedrückung und Traurigkeit geblieben. … Jetzt bin ich schon so alt und möchte mir die Unbeschwertheit zurückholen. Mit Beginn der Schulzeit wurden an mich Anforderungen gestellt, die ich als Druck erlebt habe. Von mir wurde immer Leistung oder Bestleistung gefordert. Mehr als bei anderen. Ich habe die Anforderungen immer erfüllt, aber dann wurde die Latte immer höher gelegt – so hatte ich den Eindruck. Mutters Anforderungen blieben auch nach der Schulzeit, auch im Studium. Durch das Behütete hatte ich engen Kontakt zur Mutter und dadurch viel Kommunikation mit ihr. Wir haben häufig telefoniert. Dadurch konnte sie auch immer Druck ausüben. Wenn man so ein enges Verhältnis hat, möchte man auch geliebt werden, gelobt werden, dem nachkommen. Rebellion war nicht; habe versucht, den Anforderungen zu genügen. Das fiel mir erst mit 30 auf mit dem ersten Partner, weil meine Mutter mit ihm nicht zufrieden war, mit seinem Abschluss, seiner Persönlichkeit. Sie hat das ja nie direkt gemacht, sondern diffiziler. … Wenn ich gut über meinen Partner sprach, schwieg sie und wollte nichts weiter darüber hören. Sehr subtil. Habe mich dann von ihm getrennt. Einen anderen Partner fand meine Mutter gut. Ich habe dann gemerkt, dass wir nicht zusammenpassen und habe mich von ihm getrennt. Das hat meine Mutter sehr übelgenommen; sie hat mich dann deswegen enterbt. Da merkte ich so, dass sich das durch das ganze Leben zog und ich mich da bedrückt fühlte. Ich konnte ihr nie genügen, werde abgelehnt. Meine Mutter wurde dann schwer krank, ich habe mich dann um sie gekümmert. Sie hat sich, als sie starb, bei mir entschuldigt. Ich habe es auch angenommen, denn ich wollte, dass sie einen guten Tod hat. Mein Partner, mit dem ich seit zehn Jahren zusammen bin, ist meine Stütze. Er akzeptiert mich voll und ganz, unterstützt mich. Er hört sich alles an.

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Bisherige Lösungsversuche Sie konsultierte eine Gruppen-Psychotherapie. Habe gesehen, dass jeder Mensch sein Paket trägt. „Das hat mich aufgebaut. Das war erleichternd zu sehen. Das hat mir geholfen. Ich hatte dann für ein halbes Jahr den Kontakt zur Mutter abgebrochen. Dann ging es mir außerordentlich gut. Habe versucht, mit ihr zu sprechen. Sie ist dann ausgewichen, hat es auf den Vater abgeschoben.“ T  W  as würden Sie heute am liebsten zu Ihrer Mutter sagen? Oder was würden Sie heute am liebsten anders machen? Wenn Sie für damals einen Zauberwunsch frei gehabt hätten. Was hätten Sie sich damals mal gewünscht? K  Ich hätte mir gewünscht, dass sie in der Schule keinen Druck ausgeübt hätten. Sie hätte sagen sollen: „Hab´ Spaß, musst nicht immer Einsen schreiben, habe Freunde. Suche Dir den Beruf aus, der dir Spaß macht, an dem dein Herz hängt. Lebe in deinem Leben, leiste nicht nur.“ T  Mein Vorschlag: Sollen wir uns das mal anschauen, was Sie Ihrer Mutter hätten am liebsten sagen wollen? K  Ja. Überlegungen zur Diagnose Bedingt durch die überhöhten Leistungsansprüche ihrer Mutter internalisierte die Patientin deren Bewertungssystem, ihren und fremden Anforderungen beruflich oder privat zu genügen, Sozialängste, Versagensängste und Minderwertigkeitsgefühle zu entwickeln. Sie lernte es nie, sich gegen diese Ansprüche durchzusetzen und eine eigene positive Selbstbewertung zu entwickeln. Daraus resultieren ihre Versagens- und Misserfolgsängste mit Tendenzen zur Verzweiflung und Depression. Es entsteht der Eindruck, dass sie sich kaum selbst als Person oder körperlich wahrnehmen kann (Abb. 12.1). Prognose Die Probleme bestehen schon sehr lange und sind mit zahlreichen Erwartungsmustern, Bewertungen etc. im Familiensystem verbunden. Deshalb wird die Kurztherapie wahrscheinlich nur neue Sichtweisen von Zusammenhängen oder

Abb. 12.1  Ablauf der einzelnen Angstphasen. Die Angst besteht nur aus Attributionen, Emotionen und Motivation; Imaginationen und physiologische Reaktionen scheinen nicht wahrgenommen zu werden

210

12  Das praktische Fallseminar

Bewertungen ermöglichen. Das kann dann der Anfang einer längeren Behandlung werden. Therapieplanung – Therapieziele Die Klientin soll erkennen, welche emotionalen, kognitiven und körperlichen Auswirkungen ihre negativen Selbstbewertungen und Sozialängste vor negativen Fremdbewertungen haben. Ihre Lösungsversuche waren bislang zu schwach und sehr selten, um eine positive Selbstbewertung zu bewirken. Deshalb soll sie die Möglichkeit erhalten, in Hypnose zu erleben, wie sie selbst befreiende Lösungen erzielt und empfindet. Demnach soll sie erkennen, dass sie ihre Leistungen und Leistungsansprüche an sich selbst neu bewerten sollte. Dazu soll sie erkennen, dass sie ihre Anforderungen – auch im Vergleich mit anderen Personen – erfüllt und akzeptieren kann, sich als wertvoll erlebt. Da sie bislang nur nach den Bewertungen und Erwartungen ihrer Mutter und nach den von ihr angenommenen Bewertungen anderer Personen gelebt hatte, soll sie in Hypnose ggf. im Dialog mit ihrer Mutter ihre Eigenwerte erkennen und danach frei aktiv leben. Vorbereitung – Erklärungen T  Ich erkläre Ihnen nun einmal, wie ich nachher vorgehen werde, wie wir nachher zusammenarbeiten. Ich werde Sie gleich befragen, welche Szene für Sie entspannend ist. Und dann eine Szene, die für Sie damals bedrückend war. Dann werde ich Ihnen bei dieser Szene auf die Schulter tippen. Ist o.k.? (Als K zustimmt, berührt er kurz ihre Schulter). Im anderen Fall, wenn Sie nachher entspannen, dann werde ich einfach hier so ein bisschen drücken (fasst an ihr Handgelenk). Einverstanden? (K nickt.). Exploration zur Ruheszene Für Frau W. ist der Ostseestrand angenehm, da sie schon öfter dort war: flaches Ufer, Sandstrand, angenehm warme Sonne. Zusätzlich wird exploriert, ob sie mit den Füßen im Wasser gehen kann. Damit wird erkundet, ob ggf. Angst vor dem Wasser, vor Gleichgewichtsverlust oder kalten Füßen vorliegt – ist hier jedoch nicht der Fall. Bereits bei dieser Exploration (mit VAKOG, s. Abschn. 2.5.8) wird an den mimischen Reaktionen der Klientin deutlich, dass sie sich diese Szenen plastisch vorstellen kann. Therapiedurchführung • Schritt 1: Induktion Es erfolgt die Fingerfixationsmethode; die Klientin reagiert darauf sofort und ist nach drei Minuten in tiefer Entspannung. Dieser Schritt dauert 3 min. • Schritt 2: Die Ruheszene – Entspannung Die Klientin erlebt tiefe Entspannung am Ostseestrand; am besten gefällt ihr, im warmen Sand zu sitzen, was dann besonders betont wird. Dieser Schritt dauert 4:12 min.

12.3  Die Falldarstellungen

211

• Schritt 3: Erlernen der Körpersignale für Entspannung Die Kl. kann keine bestimmte Körperstelle für Entspannung benennen, fühlt sich jedoch insgesamt sehr wohl und entspannt. • Schritt 4: Erlernen der Überallmethode Die Klientin hat bis hier her sehr viel in der Exploration berichtet. Zu ihrer Entlastung wird deshalb die Überallmethode erst später in Schritt 13 eingeführt, wenn sie diese direkt anwenden soll. • Schritt 5: Die Therapieszene – ihre Auslösereize – Differenzierungslernen T  (Legt Finger auf die Schulter.) Sie sitzen nun Ihrer Mutter gegenüber und können nun ihr endlich das sagen, was Sie schon immer wollten. Sie sehen sie plastisch vor sich. Ihre typische Frisur und Kleidung. … K 

Mir wird ein bisschen schlecht, wenn ich mir das vorstelle.

T  Wo merken Sie das am stärksten? K 

Am Bauch.

T 

Ja. Halten Sie mal die Hand da drauf. … Beschreiben Sie das mal bitte näher.

K 

Ich will ihr was sagen, aber bevor ich es sage, wird mir einfach schlecht.

T  K  önnen Sie das bitte etwas aushalten. … Was würden Sie am liebsten tun, jetzt? … Abhauen? • Schritt 6: Wahrnehmung der Körpersignale für Entspannung (Diesen Schritt sofort nach Schritt 5 einzusetzen, hätte die in Schritt 5 erlebte aversive Körperbefindlichkeit unterbrochen. Damit wäre ein symptomförderliches Vermeidungsverhalten begünstigt worden. Deshalb erfolgt dieser Schritt erst nach Schritt 8.) • Schritt 7: Aushalten der aversiven Situation K  Ja. T  S  ie versuchen es jetzt mal auszuhalten. … Wie geht es Ihnen dabei. Ich bin bei Ihnen und Sie versuchen, das Gefühl im Magen eine Weile auszuhalten. Und wie ist es dabei? K 

Es geht. (Insgesamt ca. 60 s)

• Schritt 8: Erlernen des schnellen Umschaltens zwischen beiden Szenen T   Ja, prima. Jetzt schalten wir wieder um. Ich nehme die Hand da (oben) weg und Sie schalten um auf den Strand (Handgelenkberührung). … Das ist wichtig, dass Sie schnell umschalten können. Sie befinden sich jetzt wieder am Strand an der Ostsee. Es ist schönes, sonniges Wetter, Sie hören die Wellen und fühlen sich rundum wohl. … Und schauen Sie jetzt mal am Körper nach. An welcher Stelle merken Sie etwas, das Ihnen guttut und bei

12  Das praktische Fallseminar

212

dem Sie sich wohlfühlen? … Das kann die Stirn sein, das Gesicht, der Hals, der Brustkorb, der Bauch, die Beine. Je nachdem, wie Sie es merken. …. K 

Wärme.

• Schritt 6: Wahrnehmung der Körpersignale für Entspannung (Es wird nun nochmals versucht, die Körpersignale für Entspannung zu lokalisieren.) T  Wo merken Sie die? … K 

Insgesamt.

T  I nsgesamt. Hm. … Können Sie irgendwo die Hand draufhalten, wo Sie sagen: „Da merke ich sie besonders gut, die Wärme“? Da tut es mit gut. …. Insgesamt? K 

Hm.

(Anmerkung: Die Klientin kann keine bestimmte Lokalisierung ihres positiven Gefühls vornehmen. Das kommt zwar selten vor, wird aber den weiteren Verlauf nicht beeinträchtigen.) • Schritt 8: Erlernen des schnellen Umschaltens zwischen beiden Szenen • Schritt 9: Suggestion der wahrgenommenen positiven Veränderung T  V  ersuchen Sie dann bitte, dieses schöne Gefühl der Wärme festzuhalten: „Das ist mein schönes Gefühl. Da tut es mit gut.“ Das werden wir auch nachher wieder gebrauchen. … O.k.? Das ist mein schönes Gefühl. Da fühle ich mich wohl. Das halten Sie bitte auch eine Weile für sich fest. … Prima. … Jetzt schalten wir wieder um auf die andere Szene. Und halten Sie bitte die Hand auf die Stelle, die vorhin wichtig war. Und jetzt merken Sie, was sich jetzt schon mal inzwischen positiv verändert hat. K  Also, im Moment ist mir nicht übel. T 

Prima! … Sondern – wie ist es jetzt?

K 

Ruhig.

T 

Locker im Bauch?

K 

Hm.

T  G  ut. … Und … Sie sitzen oder stehen Ihrer Mutter gegenüber. Was können Sie ihr jetzt sagen? Was können Sie jetzt tun oder sagen, was Sie hätten schon längst tun wollen? K 

(20 Sek) Warum hast du mich immer getrieben?

T  D  as klingt so ziemlich ängstlich? … Aber Sie können es immerhin sagen! Nicht wahr?

12.3  Die Falldarstellungen

K 

Hm.

T 

Ist das schon ein Fortschritt? Ich glaube, ja.

K 

Hm.

213

• Schritt 10: Wahrnehmung der positiven Veränderung und der Selbstwirksamkeit T  Ja, gut. Merken Sie: Sie haben sich jetzt getraut, das zu sagen, was Sie früher vielleicht nicht konnten. … Und wie fühlt sich das jetzt am Bauch an? K 

Gut.

T  G  ut, ne? Prima! … (Nimmt Finger von der Schulter.) Und jetzt schalten wir wieder um auf die Entspannungsszene (greift nun an das Handgelenk).… und merken: am ganzen Körper ist das Wohlbefinden. Sie fühlen sich wohl, entspannt und genießen es. … Es ist wunderbar, so abzuschalten. Da zu sitzen oder zu stehen am Meer. Die Wärme zu spüren und wunderbar zu entspannen. Sie merken am ganzen Körper die Wärme … Ja? K 

Hm.

T  G  ut. Halten Sie das für einige Sekunden fest, dass Ihr Körper sich das auch merkt. Dass Sie ganz entspannt sind. … (Berührt die Schulter) Jetzt schalten wir wieder um auf die andere Szene. Und jetzt schauen Sie mal, was sich noch weiter positiv verändert hat. … Fühlen Sie mal wieder auf Ihrem Bauch und auch in Ihren Gedanken. … Was hat sich weiterhin positiv verändert? K 

Ich würde sagen: „Ich will hier weg. Ich will weg von euch.“

T  S  agen Sie das ihr doch mal: Ihre Mutter sitzt Ihnen gegenüber und Sie sagen es ihr. K 

(Etwas zögerlich.) „Ich möchte keine Einmischung mehr.“

T 

Ja. … Wie fühlen Sie sich dabei, wenn Sie das so sagen?

K 

Gut!

• Schritt 11: Wahrnehmung der Selbstwirksamkeit und der Körpersignale T  Ja. Wo spüren Sie das am deutlichsten? K 

Der Körper ist leicht, leichter.

T  Ja. Super! Genießen Sie das Gefühl, denn Sie merken, Sie haben das jetzt ausgesprochen. Ich habe zwar Stichworte gegeben, aber Sie haben es jetzt ausgesprochen. … Sie haben sich getraut, das zu sagen. Ja? … Halten Sie das Gefühl bitte fest. … Dann schalten wir um (Finger von der Schulter; Berührung am Handgelenk.). Sie merken: Sie sind wieder in der Entspannung, spüren die Wärme wieder am Körper und genießen es, in der

12  Das praktische Fallseminar

214

Sonne zu sein, die Wärme zu spüren … das Meer zu hören … vielleicht auch die salzige Luft zu schmecken … am ganzen Körper… Geht es Ihnen gut dabei? K 

Hm.

T 

Sie genießen es so. Super.

K 

(Nickt.)

• Schritt 12: Wiederholungsschleifen, beginnend mit Schritt 7 T  (Schulterberührung) Dann schalte ich wieder um auf die andere Szene. … Sie sind wieder Ihrer Mutter gegenüber. Was hat sich jetzt weiter positiv verändert? … Schauen Sie mal weiter nach. … Schauen Sie mal, wie Sie sich verhalten und wie Sie sich fühlen dabei. K 

Distanz.

T 

Ja, Distanz. … Und tut die Distanz Ihnen gut?

K 

(spontan) Ja.

T 

Prima. … Wo spüren Sie das?

K 

Fühle mich leichter.

T  L  eichter. Prima. … Und was wollen Sie jetzt noch tun? Wollen Sie etwas sagen oder irgendwas tun? K 

Weggehen.

T  Weggehen. Ja. … Einfach so umdrehen oder noch etwas sagen? K 

Ne. Nix sagen.

T  U  nd was macht das mit Ihnen, wenn Sie jetzt sagen: „O.k., ich will einfach weggehen.“? Was für ein Gefühl haben Sie dabei? K 

… Freier. …

T  F  reier. Super. … Merken Sie das auch irgendwo körperlich? Schauen Sie mal, ob Sie das irgendwo körperlich merken. Das Gefühl von Freiheit, Lockerheit. … Ist das o.k., das Gefühl? K 

(nickt.)

T  G  ut, prima. Dann halten Sie das wieder fest. Das haben Sie ja selbst erreicht. Indem Sie sich so verhalten haben wie gerade, haben Sie dieses Freiheitsgefühl bei sich bewirkt. … Dann können wir wieder umschalten auf die Entspannung (Handgelenkberührung.) Können dazu wieder Distanz bekommen, indem Sie sich ganz entspannt fühlen, wohlfühlen und wunderbar abschalten können. … Spüren die Wärme im Gesicht, auf den Schultern, auf dem Brustkorb … wenn die Wellen kommen und gehen … setzen sich vielleicht in den

12.3  Die Falldarstellungen

215

Sand und spüren die Wärme beim Sitzen und genießen es, so einfach in den Tag reinzugucken. … Ja? … Ist das angenehm so? K 

(Nickt.)

T  Ja. Prima. Ganz wichtig, dass Sie sich dabei ganz wohl fühlen und es toll genießen. … So, jetzt schalte ich wieder um auf die andere Szene (Finger auf der Schulter.) Und was merken Sie, was sich noch weiter positiv verändert hat? … K 

Meine Mutter ist gar nicht mehr da.

T  J a. Wo ist die geblieben? … Ist die weggegangen oder hat sich einfach in Luft aufgelöst? K 

Sie ist weg.

T  Uninteressant geworden? K 

Wahrscheinlich. (zögerlich).

T  Ja? Aber Sie trauen dem Braten nicht so richtig? … Aber es ist für Sie ein Stückchen erleichternd zu merken, Sie sehen sie nicht mehr. K 

Hm.

T  J a? Ist das vielleicht so – ich will Ihnen jetzt aber nichts einreden – „Ich habe das so hingekriegt, dass ich das Bild verschwinden lassen kann – Ich kann das selbst steuern, dass das Bild nicht da ist, was mich sonst belastet hat?“ K 

(Nickt.)

• Schritt 11: Verstärkung der Selbstwirksamkeit T  Ja, super. Das ist schon ein weiterer Erfolg. Dass Sie das Bild selbst steuern können … und damit Ihr Wohlbefinden selbst steuern können. … Halten Sie das mal fest: „Das ist mein Erfolg. Ich habe das erreicht. Das kann mir keiner nehmen. Das ist meine Leistung, die ich persönlich erbringe. … Ich konnte mich durchsetzen. Ich konnte mich so verhalten wie ich es selbst will und kann Abstand nehmen zu dem Bild meiner Mutter. … Ist das so? K 

(Nickt.)

T 

Und was macht das mit Ihnen. Wo spüren Sie das?

K 

Ungewohnt.

T  U  ngewohnt … In welche Richtung: ungewohnt-angenehm oder ungewohntfremd oder bedrohlich? K 

Erleichternd.

T 

Ist das was Neues, was Schönes?

12  Das praktische Fallseminar

216

K 

(Nickt.)

T  J a, prima. Halten Sie das fest. Das ist etwas, das Sie bewirkt haben. Mit Ihren Vorstellungen. Mit Ihren Gedanken. Halten Sie das bitte auch für sich ganz deutlich fest. … Ja, ganz deutlich festhalten. (Handgelenkberührung). Das ist Ihr Erfolg. Das ist genauso schön wie die Entspannungsszene. Ja … „Es geht mir zunehmend wohler damit, dass ich Gutes bei mir bewirken kann.“ Ja? K 

Ja.

• Schritt 9: Suggestion der wahrgenommenen positiven Veränderung • Schritt 10: Wahrnehmung der positiven Veränderung und der Selbstwirksamkeit T  M  ein Vorschlag: Schauen wir uns die Szene nochmals an (Schulterberührung). … Was hat sich weiter positiv verändert? K 

Ich schwebe.

T 

So wie auf Wolke sieben?

K 

Nicht so extrem.

T  Aber erleichtert – so ungefähr? K 

Hm.

T  W  enn Sie früher häufig hörten „Ich kann nicht genügen“ oder sich die Frage stellen: „Reicht das?“ Was könnten Sie sich jetzt anstatt sagen? … Mit diesem positiven Gefühl, das Sie gerade erlebt haben: „Ich kann selbst meine Gefühle steuern und mich loslösen von den negativen.“ … Was für einen Satz könnten Sie sich dann selbst sagen? K 

(10 Sek.) Weiß nicht.

T  Ist ja auch eine schwierige Frage. Ein Vorschlag, den ich machen könnte: Könnten Sie vielleicht sagen: „Mit dem, was ich alles getan habe oder kann, das ist o.k. … Das reicht. Das ist o.k., das ist sogar gut.“ … Schauen Sie mal, ob Sie das denken oder von sich sagen könnten. K 

Schwierig.

T 

Das ist etwas ganz Neues für Sie?

K 

Hm.

T  Was wäre da besonders schwierig dabei? K 

… Ich denke, es geht immer noch besser.

12.3  Die Falldarstellungen

217

• Schritt 11: Verstärkung der Selbstwirksamkeit T  … Kann eventuell sein. Das kann jeder von sich sagen. … Wir schalten mal wieder um auf die Entspannung (Handgelenkberührung). … Dass Sie wieder am Meer sind und sich rundum wohl und ausgeglichen fühlen. … Dabei wieder ein bisschen Abstand kriegen von Ihren Zweifeln … und am Strand sind und entspannt – und es genießen. … Und jetzt schauen wir einfach noch einmal die Szene an (Schulterberührung). … Und mein Vorschlag ist, dass Sie mal so einen kurzen Blick in die Vergangenheit machen und mal schauen, was Sie alles erreicht haben. … Sie haben Ihr Gymnasium geschafft – Sie haben Ihr Studium geschafft – und wie ich es so erahne, auch vernünftig geschafft … Sie haben Ihre Berufsausbildung, sind in der Praxis tätig, haben Ihre Klienten und Sie beherrschen Ihren Beruf prima. … Können Sie das so sagen? K 

90 %.

T  G  ut. Aber 90 % ist doch gut! … Aber das ist Ihnen auch nicht gut genug? … Wo merken Sie das jetzt so an Ihrem Bauch? Wie fühlt sich der an im Moment? • Schritt 7: Aushalten der aversiven Situation und Versuch einer kognitiven Umstrukturierung der Selbstbewertung K  Bisschen übel. T 

… Was macht jetzt Stress dabei für Sie?

K 

… Dass ich nicht lügen will.

T  J a, gut. Das sollen Sie ja nicht. Sonst würden Sie sich ja selbst belügen. Um Himmels Willen; das will keiner. … Ich trete jetzt in Verhandlungen mit Ihnen ein. Vorhin haben Sie gesagt, 90 % sind in Ordnung. Was würde denn passieren, wenn Sie sagen würden: „Ich probiere mal 95 % in Ordnung.“? Was würde dann passieren? … Wäre das schon Lügen? Oder wäre das mehr so ein Ausprobieren – und damit kann ich auch leben? K 

… Hm. … Jeder darf Fehler machen, denke ich ab und zu.

T  J a, o.k. So ist es auch richtig, sonst wären wir alle Übermenschen. … Und das können Sie sich auch gestatten, dass Sie auch ab und zu mal Fehler machen. Ja? Gut! K 

… Hm.

T 

Und das könnten Sie von sich auch akzeptieren?

K 

Hm.

T  J a, gut. Und bei wieviel Prozent wären wir dann? …. Wie würden Sie sich bei 95 % fühlen? K 

… Ich weiß nicht.

12  Das praktische Fallseminar

218

T  W  äre das so etwas Kampf, das zuzulassen? Ja? … Mein Vorschlag: Halten Sie das auch einmal ein bisschen aus, ob Sie besser als 90 % sein könnten. Ob das Hochstapelei für Sie wäre. Oder könnten Sie das so hinnehmen? K 

Schwierig. …

• Schritt 9: Suggestion der wahrgenommenen positiven Veränderungen T  O.k. … Schalten wir einfach mal wieder um auf die Entspannung (Handgelenkberührung). Es soll ja auch kein Stress werden für Sie. … Schalten Sie wieder um. Merken wieder Ihre Entspannung … an der Ostsee, wo Sie sich wohlfühlen, wo es Ihnen gut geht. … Und jetzt schalten wir mal wieder um (Schulterberührung) und schauen, was sich weiter positiv verändert hat. … Oder ob Sie sagen können „90 %! Das ist schon eine Menge. So viel traue ich mir doch zu. Mensch, prima. 90 % ist auch ganz viel. Damit kann ich auch gut zufrieden sein“. K 

Ja!

T  W  äre das so ein Erfolg? … Im Vergleich zu früher – wie hätten Sie es da eingeschätzt? K 

Es ist in Ordnung.

T  D  ass Sie also sagen können: „Jeder macht mal Fehler. Ich auch. Aber ich traue es mir zu. 90 % sind eine gute Quote. Da kann ich gut vor mir bestehen. Gut. Prima. Damit bin ich einverstanden. Damit kann ich zufrieden sein.“ K 

Hm!

• Schritt 11: Verstärkung der Selbstwirksamkeit T  … Was macht das mit Ihnen, wenn Sie das so wahrnehmen? Für sich denken? Oder eventuell sogar so aussprechen können? K 

So ein leichtes Glücksgefühl.

T  S  uper! Und das halten Sie bitte fest…. „Ich merke, 90 % meiner Tätigkeiten sind in Ordnung. Damit bin ich zufrieden … Nicht nur zufrieden, sondern damit kann ich für mich auch glücklich sein. 90 % ist eigentlich ´ne Menge!“ … Ja, … nicht resignierend, sondern … ich glaube, da wäre jeder neidisch und zufrieden, wenn er sagen könnte, 90 % seiner Tätigkeiten sind in Ordnung. Oder. K 

(Nickt.) …

• Schritt 13: Selbstkontrolle, Selbstregulation • Schritt 4: Erlernen der Überallmethode

12.3  Die Falldarstellungen

219

(Nun kann – wie nach Schritt 6 erklärt – die Überallmethode im Gesamtbezug eingebettet angewandt werden.) T  Versuchen Sie mal, das auch für sich selbst zu akzeptieren. … Vielleicht sogar, dass Sie es für sich als Satz formulieren können. … (Entfernt Finger von der Schulter). Jetzt machen wir etwas Neues: Fassen Sie sich nun mal selbst an Ihr Handgelenk. So ungefähr wie ich es getan habe. Und schalten nun von sich aus um auf Ihre schöne Entspannungsszene. … Sie sind am Meer, fühlen sich wohl … es ist ungefähr das Gleiche wie vorhin, nur jetzt machen Sie es selber, lösen die Entspannung selbst mit Ihrer Hand aus. Das werden Sie demnächst, wenn Sie das wieder haben wollen, auch selbst können … Immer, wenn Sie entspannt sein wollen, können Sie auf diese Weise Ihre Entspannung praktisch für sich einschalten. … Das heißt, Sie können überall, wenn Sie es wollen, dass Sie sich sicher fühlen, so ans Handgelenk fassen. Deshalb habe ich die Methode „Überallmethode“ genannt; sie funktioniert überall, damit Sie entspannen können. … Und wenn Sie genug entspannt sind und sich wohl fühlen, lassen Sie wieder am Gelenk locker. Das ist für mich das Signal, dass ich dann wieder dran bin. K  (ca. 20 Sek.) T  J etzt gebe ich wieder das Signal zum Umschalten (Schulterberührung). Dass Sie wieder wissen, was Sie sagen, was Sie denken konnten. … „Ich kann für mich zufrieden und glücklich sein, 90 % meiner Tätigkeit sind in Ordnung. … Das ist vielleicht etwas Neues für mich, dass ich für mich so viel Positives sehen kann. Aber ich merke es: das bin ich, die das so sehen kann. … Glauben Sie das mal für sich … dass Sie so ein Bild haben: 90 %. Ganz, ganz viele meiner Sachen, die sind gut und die finden auch andere gut.“ … Wie fühlen Sie sich dabei? K 

Ungewohnt.

T  U  ngewohnt – aber so wie ich es verstehe, angenehm. … Genießen Sie das Gefühl: Es ist ungewohnt angenehm.“ … Auch ein Stück befreiend? K 

Ja (nickt).

T 

Ganz wichtig! … Suchen Sie das Gefühl auf Ihrem Körper.

K  Auf dem Bauch. • Schritt 11: Verstärkung der Selbstwirksamkeit und der Körpersignale T  Gut. Vorschlag: Halten Sie auch die Hand drauf, auf diese Stelle. … Dass Sie merken: Auch mein Bauch hat es kapiert. Ich kann mich positiv sehen, kann mich positiv bewerten. Ich für mich bin mir eine Menge wert! … Ich kann Abstand nehmen zur Vergangenheit. Ich bin mir eine Menge wert. Nicht, weil es nur andere sagen, sondern ich habe meinen Selbstwert für mich. … Stimmt’s?

12  Das praktische Fallseminar

220

K 

(Nickt lebhaft,)

T  E  in neues Gefühl, ein schönes Gefühl. Festhalten. „Das bin ich. Ich kann das denken und fühlen.“ … K 

Ja.

• Schritt 14: Selbststeuerung der Bewältigungsstrategie • Schritt 15: Stabilisierung der Selbstwirksamkeit T  D  ann schalten Sie bitte wieder um, greifen Sie an Ihr Handgelenk, schalten wieder um auf die andere Szene, dass Sie wieder entspannen können, denn auch schöne Sachen können mitunter etwas anstrengend sein. Deshalb schalten Sie um auf die Entspannungssituation. K 

(Greift ihr Handgelenk).

T  D  as halten Sie bitte so ungefähr 20 bis 30 s an, damit Sie merken, dass Sie wieder entspannt sind. … Wichtig ist, dass Sie dabei jeweils umschalten können. … K 

(Hebt Hand = Szene ist beendet.)

T  N  un legen Sie Ihre Hand wieder auf den Bauch, sodass Sie selbst Ihr schönes Gefühl produzieren. Nun können Sie sagen: „Jawohl. Ich kann selbst mein angenehmes Gefühl herstellen. Ich traue mir selbst. Ich kann mir genügen. Für mich ist das in Ordnung, was ich tue. Das Gefühl ist neu für mich und schön und erleichternd.“ … Stimmt’s? K 

(Nickt.)

T  …  und merken Sie, dass sich weiter etwas positiv verändert? Etwas immer ein Stückchen besser wird? K 

(Nickt).

T 

Und was merken Sie jetzt, was sich positiv verändert hat?

K 

… Angenehm.

T  A  ngenehm. Jawohl. … Können Sie das auch so in den Alltag mit reinnehmen? K 

Ich hoffe.

T  D  a das neu für Sie ist, sollten Sie es irgendwie in Ihren Tagesablauf mit einbeziehen, damit Sie für sich auch öfter am Tag dieses schöne Gefühl heranholen. Damit Sie es merken, dass das Neue, Schöne zu Ihnen gehört. … Wo könnten Sie das ungefähr 1–2 Mal oder öfter in Ihren Tagesablauf integrieren? K  Vor dem Einschlafen ….

12.3  Die Falldarstellungen

221

• Schritt 16: Posthypnotische Aufgabe T  Super. … Dann stellen Sie sich mal bitte eine Situation vor: Sie sind dann im Bad, machen sich bettfertig. Haben Sie dann ein bestimmtes Bettgehritual? K 

Ich lese Gartenbücher.

T  P  rima. Damit Sie schön abschalten können. … Wie wäre es, wenn Sie entweder vor, während oder nach dem Gartenbuch sich sagen: „Prima, mir geht es gut. In dem und dem Umfang habe ich eine neue Erfahrung mit mir gemacht. Ich kann positiv von mir denken. Ist das schön!“ … Wann wäre es am besten? Bevor Sie mit dem Gartenbuch anfangen oder zwischendurch, wenn Sie sich sagen: „Jetzt stell ich mir noch mal schön vor, welche neue Erfahrung ich habe.“ Oder, nachdem Sie gelesen haben, Sie das Buch zuklappen und sich sagen: „Jetzt denke ich noch mal an meine schöne Erfahrung. Und dann drehe ich mich auf meine Seite und kuschle mich ein.“ K 

Ja, so.

T  D  ann stellen Sie sich das bitte genau so vor. Dass Sie abends, wenn Sie zu Bett gehen, aus dem Badezimmer kommen, sich zu Bett legen, Ihr Gartenbuch nehmen oder Ihre Bücher … und da bestimmte Sachen nachschauen über bestimmte Pflanzen oder Blüten oder Behandlungen der Pflanzen. Das ist ja per se schon eine schön entspannende Sache. … Stellen Sie sich das mal plastisch vor. K 

(Nickt.)

T  U  nd dann sagen Sie sich: „Jetzt habe ich genug gelesen darüber. Jetzt lege ich mein Buch oder die Zeitschrift zur Seite und jetzt stelle ich mir noch mal schön meine neue Erfahrung vor. … Ich kann mich positiv sehen. Das ist was ganz Neues. Und das genieße ich jetzt noch mal. Ich merke, ich kann das, was ich tue, akzeptieren. Das ist prima. Das kann ich für mich als gut bewerten … und mich, so wie ich bin, akzeptieren. Das ist ein schönes, neues Gefühl. Damit kann ich mich einkuscheln und gut schlafen.“ … Ja? K 

Ja.

T  D  ann schalten Sie bitte noch mal um auf die Entspannungssituation, fassen noch mal an Ihr Handgelenk … spüren Ihre Entspannung … das kennen Sie ja schon. … Wir kommen dann langsam auch zum Schluss. … Mir wäre es nun lieb, dass Sie noch mal umschalten und an Ihre Abendszene denken: dass Sie zu Bett gehen … Ihr Kopfkissen zurechtschütteln, Ihr Gartenbuch nehmen und da interessante Sache lesen, sich dabei wohlfühlen und … wenn Sie genug gelesen haben und müde sind, sich einkuscheln und sagen: „Prima, ich habe eine neue positive Erfahrung mit mir gemacht. Ich habe bei mir gesehen, dass der Großteil meiner Sachen gut und richtig ist. Das kann ich für mich akzeptieren … und das ist schön, dieses neue Lebensgefühl.“ … Stellen sich das bitte nochmals ganz plastisch vor … gut?

12  Das praktische Fallseminar

222

K 

Hm.

T  U  nd dann drehen Sie sich mit diesem schönen Gefühl rum auf Ihre Einschlafseite. Machen das Licht aus … und schlafen. K 

(Nickt.)

• Schritt 17 Beendigung der Hypnose – positives Ende T  Ich werde gleich rückwärts zählen von Drei bis Null und Sie werden sich dann entspannt und wohlig aktiv fühlen. … Drei; Sie hören deutlich meine Stimme wie gerade. Zwei: Sie befinden sich hier in diesem Raum, auf diesem Stuhl. Eins: Sie werden sich gleich, wenn ich es sage, wohlig entspannt und aktiv fühlen. Und sich zuversichtlich fühlen in Bezug auf das, was Sie demnächst von sich denken und spüren. Und Null: Sie öffnen die Augen. (= Posthypnotische Suggestion). K 

(Öffnet die Augen.)

T 

Jetzt schweige ich etwas, damit Sie hier ankommen können.

K  (Nach ca. 1 min.) War gut. …Ich hatte so was noch nie. So als ob man ins Innere hineingeguckt hat. Aber ich habe noch gespürt, dass ich hier bin. War nicht komplett weg. So als ob man mit den Augen nach innen schaut, nicht nach außen schaut. So ein Gefühl war das. … • Schritt 18: Nachbesprechung T   Angenehm? (Therapeut will die Wahrnehmungsfokussierung auf positive Inhalte lenken.) K  M  ir war ein bisschen schlecht. Ich hatte so ein bisschen Ängste. Ich dachte: „Oh“, hatte anfangs das Gefühl: „Geht das überhaupt?“ Da ich zwischendurch wieder Angst bekam und mir wieder übel wurde. Aber dann wurde es mit der Zeit besser. T  S  ie haben dabei auch gemerkt: „Ich habe nicht lockergelassen!“. … Am Anfang haben viel diese Angst. Wenn man die aber eine gewisse Zeit aushält – ich war ja die ganze Zeit bei Ihnen – dann merkt man: die Angst wird weniger. K  G  enau. Ich hatte anfangs das Gefühl, das funktioniert gar nicht. Da war ja immer die Angst. Aber dann wurde es ja schrittweise besser. T  W  issen Sie, da muss der Therapeut Geduld haben. Aber der weiß ja, wie es funktioniert. K 

Hm.

T  D  as haben Sie ja auch gemerkt; da war ich freundlich-unerbittlich. Das Aushalten bewirkt etwas.

12.3  Die Falldarstellungen

K 

Hm.

T 

Das haben Sie dann ebenfalls gemerkt.

K 

Ja!

223

T  W  enn Sie gesagt hätten, dass es weh tut und ich dann aufgehört hätte, dann hätten wir schon verloren. K 

Hm.

T  S  ie haben das Gegenteil von sonst gemacht: Aushalten. … Was haben Sie sonst noch gemerkt? K  Ich war verblüfft, dass man trotzdem noch die Umwelt spürt. Ich habe gedacht, wenn man das so im Fernsehen sieht, dass man so wie in einer Vollnarkose ist. Aber das stimmt nicht. Man hat immer noch ein Gefühl für die Umwelt und hat trotzdem einen Fuß woanders. Aber man ist nicht komplett woanders. … Anfangs wollte ein Drittel der Zeit die Angst immer dagegen sein. … Dass man ganz schön braucht, dazu irgendwie hinzukommen. Aber zum Schluss war das gut. T 

Können Sie die Angst mit Namen benennen?

K  W  eiß nicht, kann ich nicht. Ne. Die war dagegen. Gegen das Geschehen. Sie wollte sich nicht einlassen, die Angst. Irgendwie so. T 

Ich sage es mal so: Das gewohnte Schema zu verlassen tut auch weh?

K 

Ja, vielleicht.

T  A  uch wenn es unangenehm war. Das haben Sie bestimmt schon mal gelesen; vom Kanarienvogel, der immer im Käfig war und dann die Türe auf hat und dann Angst bekommt. Weil es etwas Neues ist, etwas Ungewohntes. K  Vielleicht deswegen. Genau! T  S  ie haben ja gemerkt, ich habe nicht lockergelassen. Wie haben Sie sich dabei gefühlt? K  Ich konnte es manchmal gar nicht richtig beschreiben. Ich konnte mir zwar den Raum vorstellen. Aber was ich da für ein Gefühl hatte. … Sich in die Situation zu hundert Prozent einlassen, ist gar nicht so einfach. Man merkt zwar, dass man da drin ist, aber es ist dann in dem Moment, in dem man es beschreibt oder was sagen muss, ist man ja noch mehr drin. Das ist gar nicht so einfach. Da hatte ich dann ein bisschen Mühe. T 

Mühe, sich zu erinnern oder weil es dann mulmig wird?

K  S  o als ob ich immer zurückschrecke zu hundert Prozent in die Situation zu gehen. So als ob ich versuche, mich da ein bisschen zu entziehen. T  Weil es so weh tun könnte wie früher?

12  Das praktische Fallseminar

224

K 

Ich weiß nicht. …

T 

Sie haben gemerkt, ich habe nicht lockergelassen. Wie war das für Sie?

(Der Therapeut insistiert hier, um das Prinzip des Vermeidungsverhaltens bzw. die Wirkung des Aushaltens als Gegenkonditionierung oder Habituation so zu erklären, dass die Klientin die Wirkung des Aushaltens nachvollziehen und internalisieren kann.) K  War in Ordnung. Sonst hätte ich mich wieder insgesamt rausgezogen aus dem Geschehen. So war ich gezwungen, weiterzumachen. Das war gut. Besonders zum Schluss war es gut. Ich habe richtig gemerkt, wie es mir besser ging. Also gab es ja ein positives Gefühl. Von daher war es gut, nicht locker zu lassen. T  W  issen Sie, mitunter erlebe ich es so, dass manche verärgert sind, wenn ich nicht lockerlasse. Aber ich weiß ja, worauf es ankommt. Als Therapeut macht man sich halt nicht immer beliebt, wenn man nicht immer an den Stellen, wo der Andere „Aua“ sagt, aufhört. … Mir würde es aber andersrum genauso gehen. K 

Gut.

• Schritt 19: Therapeutische Hausaufgaben T  Nun zu den Hausaufgaben, die ich Ihnen aufgeben möchte. Versuchen Sie, diese Überallmethode, paarmal am Tag zu machen. K 

Doch ein paarmal?

T  Ja, einfach, um Ihre Entspannung aufzufrischen. Sie haben gemerkt, es ist ganz simpel. Einfach die Hand drücken. … Sie können das in nahezu jeder Situation anwenden. … Auf diese Weise bleiben Sie im Training. Meine Bitte wäre, dass Sie mindestens einmal am Tag, spätestens beim Einschlafen, das so machen wie vorhin besprochen. Das Sie das ritualisieren, an sich zu glauben. K 

Hm. Ich musste mich dazu überwinden. …

T 

Kamen Sie sich irgendwie unter Druck vor?

K  A  nfang ja. Hinterher ging es mir gut. … Ich denke, wenn ich da am Ball bleibe, dass das bestimmt gut ist. T  I ch glaube auch. … Mein Vorschlag, dass Sie sich gerne weiter telefonisch an mich wenden können, wenn Fragen sind. K 

Ich schreibe mir die Sätze auf. Sonst vergesse ich sie.

T 

Sehr gute Idee!

K 

Es sind ja nur vier Sätze.

12.3  Die Falldarstellungen

225

T  D  ie kann man fast so wie Lebensformeln verwenden. Die helfen kolossal. … Können wir an dieser Stelle dann Schluss machen? K 

Ja.

K  D  as sind die Sätze: „Ich bin mir wert. – 90 % sind richtig – Das ist in Ordnung für mich.“ Das lege ich mir auf den Nachttisch. (Anmerkung: Einen besseren positiven Abschluss der Therapiesitzung, der sogar Selbstinstruktionen enthält, kann man sich kaum wünschen.) Katamnese Für diesen Fall liegt ein Katamnesezeitraum von nur 6 Monaten vor. Die Klientin ist weiterhin bemüht, sich positiv wahrzunehmen. Nach der sehr ausführlichen Falldemonstration wurde die Vorgehensweise und Gesprächsmethodik des Therapeuten in den einzelnen Therapiephasen deutlich. Deshalb sollen die nun nachfolgenden Fallbeispiele wieder in komprimierter Form vorgestellt werden.

12.3.13 Fall 20 – Examensangst – Angst vor Übergriffen Anamnese Die Psychologie-Studentin, ca. 22 J., ist wegen Traumatisierung durch eine Vergewaltigung vor wenigen Jahren bei der Kollegin in psychotherapeutischer Behandlung. Sie hat seit diesem Übergriff in vielen Situationen Angst besonders vor Männern, traut ihnen nicht mehr. Sie steht wenige Wochen vor ihrem Zwischenexamen, hat Angst davor und bittet im Verlauf ihrer Traumabehandlung um psychologische Unterstützung auch dafür. Für die Therapie der Examensangst bittet die Kollegin mich, diesen Behandlungsteil zu übernehmen, da ich damit umfangreiche Erfahrungen habe, so auch mit der dafür geeigneten Intensiv-Kurztherapie. Die Patientin zögert anfänglich, da sie nun vorübergehend die Therapie bei einem Mann akzeptieren soll. Nachdem sie von der Kollegin über mein Spezialgebiet „Therapie von Examensängsten“ informiert wurde und damit eine Beschleunigung ihrer Behandlung in diesem Bereich anzunehmen ist, stimmt sie zu. Mit der Kollegin kläre ich ab, dass sie wahrscheinlich abrupte Bewegungen und zu große räumliche Nähe eines männlichen Therapeuten verunsichern könnten.

Studienfrage

• Wie sollte sich der männliche Therapeut in einer derart vorbelasteten Situation verhalten?

226

12  Das praktische Fallseminar

Diagnose Es handelt sich hier um häufig auftretende Examensängste, die nicht generalisierten und nur situationsbedingt sind. Prognose Nach der bestehenden Diagnose sind die Behandlungsaussichten günstig (auch auf den Behandlungserfahrungen des Therapeuten basierend). Erschwerend für eine Behandlung kann zusätzlich zu den bestehen Anspannungen von Prüfung und Traumatisierung die Anwesenheit des männlichen Therapeuten sein, also ein physiologisch erhöhtes Erregungsniveau. Therapieplanung So wird überlegt, dass es sinnvoll wäre, den Sitzabstand zu ihr möglichst groß zu halten. Zusätzlich ist es mir wichtig, die Berührungen an der Schulter und am Handgelenk nicht vorzunehmen; sie könnten bei einer Klientin mit dieser Hintergrundproblematik Angst, zumindest aber Misstrauen bewirken – beides kontraproduktiv für die geplante Behandlung. So ist auch geplant, der Patientin alle Details der Behandlung vorher mitzuteilen und deren Auswirkungen genau zu erklären. D. h. sie wird nicht nur stets informiert sein, sondern sie bekommt ausdrücklich die Aufforderung, sofort zu intervenieren oder nachzufragen, falls sie etwas beunruhigen könnte. So erfolgt die Erklärung der einzelnen Schritte und auch die Grundinformationen über Hypnose und der Erlebensformen beim Patienten. Gerade sie als Psychologiestudentin wird sehr kritisch sein, besonders jedoch der Hypnose gegenüber. Bei Erwartungsängsten ist der zeitliche Abstand zum relevanten Ereignis (Prüfung) wesentlich; mit zeitlicher Nähe zum Ereignis steigt meist die Angst. Entsprechend soll die Patientin die Überallmethode erlernen, die sie bereits dann schon anwenden soll, wenn kleine Angstanzeichen wie Unruhe auftreten. Therapiedurchführung Sie ist in der ersten Sitzung zu mir relativ schroff und einsilbig, wirkt etwas feindselig. So erwähnt sie, wie viele, viele Seiten sie für die Prüfung zu lesen habe, viel mehr als das vor Jahren wohl so (bei mir) üblich war. Das war ein mehr oder weniger direkter Angriff auf den Therapeuten und seine damaligen Studienkompetenzen. (Derartige Aggressionen gegenüber Therapeuten gehören mit zum Abwehrverhalten der Patienten (s. Abschn. 4.4.1.1). Auch sollte im Sinne der gesamten Therapieziele der Therapeut von ihr als positive und nicht aggressive männliche Person erlebt werden.) Diese Attacke wird einfach ignoriert. Da für die Patientin jede Art von Annäherungen als potenziell bedrohlich anzunehmen war, erfolgte eine Modifikation: Anstatt meines Fingerdrucks auf ihre Schulter, soll sie sich selbst auf der Schulter berühren; auch das Umschalten durch Umfassen des Handgelenkes soll sie selbst vornehmen. So kooperierte sie gut. Die Patientin benötigte aufgrund ihrer extremen Negativerfahrungen mit einem Mann zusätzlich mein kontinuierliches und zuverlässiges, ja vorhersagbares Handeln. Wie konnte sie nun ihre Augen für die Hypnose schließen und mir

12.3  Die Falldarstellungen

227

während dieser Zeit vertrauen, dass ich als Mann nicht in irgendeiner Form übergriffig werde, zu nahekommen könnte? Zum einen ließ ich ihr wie bei allen anderen Patienten mit Misstrauen oder Angst vor Hypnose, Kontrollverlust etc. die Möglichkeit, die Augen offen zu halten oder zu schließen, wann immer sie es selbst entscheiden wird. Allein diese Entscheidungsfreiheit gestattet nahezu allen Patienten, nach einer Weile die Augen zu schließen. Weiter war mein Plan, mich während ihres Augenschlusses nicht mehr zu bewegen bzw. auch keine Geräusche zu verursachen wie sie z. B. durch Armbewegungen Kleiderrauschen zu bewirken – und dadurch bei dieser Patientin Angst oder Beunruhigung auszulösen. Das war für den Therapeuten der anstrengende Teil, während der ca. 30 min dauernden Intervention ohne die geringste Bewegung sitzen zu müssen. So aber konnte die Patientin nach Öffnen ihrer Augen erleben, dass er Therapeut nun genauso dasaß wie vor ihrem Augenschluss und somit zuverlässig war. Anamnese zur Examensangst Die Anamnese ergab, dass sie sich für das Examen gut vorbereiten konnte und nur relativ wenige Lerntipps benötigte. Im Vordergrund stand also meine SpezialKurztherapie, ihre Erwartungsangst vor der Prüfungssituation zu mindern.

Studienfrage

• Nennen Sie Ihre Verhaltensanalyse und die davon abgeleiteten Therapiemethoden.

Diagnose und Therapieplanung Da das Lernen und Vorbereiten für die Prüfung gut realisiert wird, handelt es sich hier um einfache Erwartungsängste, die bei Gedanken an die Prüfung oder an Teile von ihr auftreten und leichtes Unbehagen mit sich bringen. Eigenbewertungen und Motivation sind davon nicht betroffen. Entsprechend soll mit ihr die Entspannung mit der Überallmethode und das schnelle Umschalten von Negativgedanken auf Entspannung geübt werden. Dabei steht die Ausübung der aktiv von ihr herbeigeführten Selbstkontrolle im Vordergrund. Therapiedurchführung Induktion Sie reagiert relativ schnell auf die Induktion, kann ihre Augen schließen und entspannen. Ruheszene Es wird die Ruheszene „Waldspaziergang“ gewünscht. Da ein Wald gerade für eine Patientin mit Übergriffserfahrung angstauslösend sein könnte, erfolgte die genaue Exploration dazu, wie dieser Wald aussehen muss etc., um entspannend zu sein. Die darauf abgestimmten Suggestionen bewirken bei ihr gute Entspannung.

228

12  Das praktische Fallseminar

Studienfrage

• Nehmen Sie die Planung der weiteren Therapieschritte vor. Therapieszene Da die Patientin primär Erwartungsängste bis zum Prüfungsbeginn hat, wird ihren Beschreibungen entsprechend eine Szene ausgewählt, in der sie sich lange Zeit, dann kurze Zeit vor der Prüfung befindet und durch die Überallmethode ruhig bleiben kann: sie merkt deutlich, dass sie in der Situation Selbstkontrolle üben kann und ihr nicht ausgeliefert ist. Bei ihrer starken Grundproblematik erhält sie viel Zeit bei der Übung, die auch öfter wiederholt werden. Wirkung Die gesamte Behandlung der Examensangst nahm ca. 5 Sitzungen in Anspruch, in denen sie allmählich zu ihren Selbstkontrollfähigkeiten Vertrauen fand, die sie während ihrer Vergewaltigung vollkommen verloren hatte. Katamnese Die Patientin bestand ihr Zwischenexamen mit Ruhe und guten Noten. Wie die überweisende Kollegin danach dann mitteilte, waren für die Patientin wohl die wichtigsten Erfahrungen, dass sich ein Mann zuverlässig, berechenbar verhielt, sie ihm zunehmend mehr vertrauen konnte und er sogar für sie fördernd und therapeutisch hilfreich war. Gleichzeitig war ihr Erleben, wieder Selbstkontrolle in einer Stresssituation auszuüben, sehr wichtig für sie. Das beschleunigte insgesamt ihre Behandlung der PTBS deutlich. Diskussion Bei der vorhandenen gravierenden Vorgeschichte und Grundproblematik stand weniger die Planung und Durchführung der Kurztherapie im Vordergrund, als vielmehr das Planen des methodischen Vorgehens in der Gesamtsituation „Gegenwart eines Mannes“ – „Vertrauensbildung“ – „Kontrolle abgeben bzw. zulassen“ und „Selbstkontrolle wiedergewinnen“. Dies zeigt, wie komplex eine vermeintliche Kurztherapie mitunter angelegt werden muss.

12.3.14 Fall 21 Aggressionen bei mangelnder Selbstkontrolle Vorbemerkung Von diesem Fall wurde bereits früher berichtet (Kossak 1993, 2001); er soll nachfolgend mit anderen Schwerpunkten und im Rahmen des hier vermittelten Konzeptes dargestellt werden.

12.3  Die Falldarstellungen

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Vorgeschichte Der Rektor einer Hauptschule bittet um Hilfe für seinen Schüler Thorsten, 15 J., Klasse 8. Er fühle sich schnell und grundlos angegriffen und prügle sich dann mit seinen Mitschülern. Da er zusätzlich Lehrer aggressiv mit Fäkalausdrücken beschimpfe, sei er mehrfach von der Gesamtschule verwiesen worden und befindet sich nun als letzte Chance in der Hauptschule, obwohl er durchaus den Anforderungen der höheren Schule gewachsen wäre. Der Vater sei sehr unkooperativ, die Mutter ggf. gesprächsbereit. Thorsten selbst wolle gern Hilfe erhalten, da er unglücklich über seine unkontrollierten Aggressionen sei. Die Schule sei dazu bereit, Thorsten zu unterstützen. Da Thorsten minderjährig ist, kann eine Therapie nur mit Einwilligung eines Elternteils erfolgen. Seine Mutter kommt nur widerstrebend zum Gespräch – heimlich ohne Wissen ihres Mannes, der sie und Thorsten sonst schlagen würde. Der Vater sei sehr autoritär, einfach strukturiert, dulde keine Widerworte. Er sei früher Boxer gewesen und kenne nur spontan harte Strafen und Schläge als Erziehungsmethoden. Die beiden jüngeren Schwestern würden von ihm bevorzugt, während Thorsten in einem unbeheizten einem Verschlag ähnlichen „Zimmer“ lebe, das Wohnzimmer nicht betreten dürfe usw. Die Mutter habe inzwischen resigniert und lasse ihren Mann gewähren. Sie stimmt zu, dass ihr Sohn zur Therapie kommen darf, lehnt aber weitere Termine aus Angst vor ihrem Mann ab. Auf Druck der Schule erfolgten früher bereits die Konsultation einer Erziehungsberatungsstelle. Weil die Eltern Thorsten als Symptomträger und damit als Verursacher aller Probleme ansahen, brachen sie die Beratungskontakte dort ab. Da die Lehrer die Familie aus anderen Berichten kennen, überlegen wir, dass das Einschalten des Jugendamtes mit großer Gewissheit Thorsten Schläge einbringen würde und keine Veränderungen bewirken könne. Exploration Thorsten ist sehr aufgeschlossen und möchte gern auf der Schule bleiben, um einen Schulabschluss zu erlangen. Er fühlt sich stets sehr schnell angegriffen und meint dann, dass er sich mit aggressiven Reaktionen verteidigen muss. Er merkt erst danach, wie unkontrolliert er war und wie stark er überreagiert habe. Er ist darüber sehr unglücklich, dass ihm die Selbstkontrolle nur sehr selten gelingt, die er dann jedoch nicht als Erfolg, sondern eher als Verlieren erlebt. Beispiele zu einer möglichen oder versuchten Selbstkontrolle kann er nicht nennen.

Studienfragen

• Bitte stellen Sie Überlegungen zur Genese des ungesteuerten Aggres­ sions­verhaltens an. • Überlegen Sie einen Therapieplan. • Welche Methoden der kognitiv-behavioralen Verhaltenstherapie könnten hier mit Hypnose kombiniert werden?

230

12  Das praktische Fallseminar

Diagnose Sehr deutlich wird, dass Thorsten es nicht gelernt hat, Konflikte gewaltfrei zu lösen. In der Familie verursacht der Vater durch sein herrisches Verhalten, Ungerechtigkeiten etc. stets einen erhöhten Erregungspegel bei Thorsten, den dieser nicht in der Familie oder beim Sport abbauen kann. Er befindet sich deshalb stets in Verteidigungshaltung und ist auf Abwehr eingestellt (s. Abschn. 5.2.2). Kleine Bemerkungen überbewertet er negativ und auf sich gerichtet und reagiert dann seit dem Kindergartenalter unkontrolliert und aggressiv – wie im Elternhaus vorgelebt. Deutlich liegt hier Modelllernen vor, das auch geringe Emotionskontrolle, Frustrationstoleranz und Selbstkontrolle beinhaltet. Prognose Bei der seit vielen Jahren bestehenden Problematik sind keinen Änderungs- aus Besserungsansätze zu erkennen. Die lang bestehende Lerngeschichte basiert auf Defiziten in der Selbstkontrolle, Emotionskontrolle etc. Die unterstützenden Möglichkeiten der Schule sind begrenzt. Da bereits mehrere Schulverweise wegen der Aggressionen erfolgen mussten, muss von einer Vertiefung der Aggressionen ausgegangen werden. Die Behandlung von Aggressionen ist erschwert, da durch sie ein angestauter Erregungspegel reduziert wird, d. h. es erfolgt ihre negative Verstärkung und dadurch ihre Zunahme. Gleichzeitig steht der Aggressor stets im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit und erhält dadurch zusätzlich eine operante Verstärkung seines Verhaltens, besonders, wenn große Zuwendungsdefizite vorliegen. Dem gegenüber steht die recht große Veränderungsmotivation Thorstens, der auch von seiner Familie keine Hilfen zu erwarten hat. Dies führte zur Entscheidung, Thorsten eine neue Chance zu geben. Therapieplan Die heute weit bekannten relevante Trainingsprogramme zur Behandlung von Aggressionen (Petermann 2001) waren damals noch nicht publiziert und galten nur für Kinder. Das Elternhaus als Kooperationspartner schied aus. Es mussten relativ schnelle Erfolge erzielt werden, da trotz des Wohlwollens der Lehrer bei weiteren Aggressionsausbrüchen ein weiterer Schulverweis nicht mehr zu vermeiden wäre. Bei der Therapieplanung ist weiter zu bedenken, dass der Patient bislang bereits auf kleine Auslösereize stark reagierte und ihm da schon Regulierungsmechanismen fehlten. Also sollte eine graduelle Gewöhnung an die bisherigen Auslöser erfolge, verbunden mit konkreten Anweisungen zum angemessenen Verhalten. Da die Aggressionen nahezu reflexartig auftraten, konnte ggf. eine Gegenkonditionierung hilfreich sein. Gleichzeitig musste dabei ein neues selbstregulierendes Verhalten aufgebaut werden. Mit Hypnose könnte es ggf. gelingen, neues Verhalten zu erlernen (behavior rehearsal), und in Trance dann auch noch Selbstkontrolle zu bewirken. Auf eine Fingerberührung der Schulter als Auslöser für die Therapieszene soll verzichtet werden, da diese zu leicht vom Patienten als körperliche Provokation hätte missverstanden werden können.

12.3  Die Falldarstellungen

231

Therapiedurchführung Induktion Die Induktion erfolgt über die Punktfixation, auf die er sehr schnell mit Entspannung reagiert. Ruheszene Da er noch nie verreist war, fällt es ihm schwer, eine schöne Landschaft o.ä. zu nennen. Spontan fällt ihm dann ein, dass er einmal eine Farbpostkarte vom Strand von Ibiza gesehen habe; der war so schön, dass er öfter davon schwärme. Als er davon berichtet, ist ihm deutlich anzumerken, wie sehr er sich dabei mental und emotional in der Szene befindet und sie in der folgenden Hypnose genießen wird. Therapieszene Er befindet sich in Hypnose am Strand von Ibiza, fühlt sich sehr wohl und entspannt. Dann erscheint seine Lehrerin in einiger Entfernung und bittet ihn, weniger zu schwatzen (Auslöser). Nun erfolgt die Suggestion des gewünschten Alternativverhaltens: er soll ihr freundlich zulächeln, zunicken und schweigen (behavior rehearsal, Probehandeln). Es gelingt ihm sofort. Als Belohnung erhält er nun ein großes Eis mit seinem Lieblingsgeschmack, das er genüsslich verzehrt (= Gegenkonditionierung + positive Verstärkung). Gleichzeit wird er für sein ruhiges Verhalten gelobt, gefolgt von der posthypnotischen Suggestion, auch demnächst in ähnlichen Situationen ruhig und beherrscht sein zu können. Nach der Sitzung ist er über sein ruhiges und kontrolliertes Verhalten sehr erstaunt. In der nächsten Sitzung berichtet er, dass seine Klassenkameraden sein ruhiges und angemessenes Verhalten bemerkten und ihn fragten, was mit ihm los sei. Er bittet deshalb darum, dass er nicht ganz so ruhig sein möchte, da seine Kameraden sonst meinen, er spiele Theater. Nun werden die Versuchungsszenen in der Schule immer realistischer und provokativer, indem er sich in der Klasse befindet, angemessen kritisiert wird und darauf ruhig und sachlich reagiert. Gerade als ich von der externalen zur intrinsischen Verstärkung übergehen will, grinst er und berichtet, dass er nun (in Hypnose) seinen Erfolg bemerkt habe, sich bückte und sein imaginiertes Eis heimlich unter der Schulbank schleckte. Besprochen wird, dass er in der Schule seine Erfolge ebenfalls mit seinem imaginierten Eis belohnen soll. Auch das gelingt ihm vortrefflich. Nach diesen zwei bis drei Hypnosesitzungen erfolgt eine weitere Unterstützung: zusammen mit dem Klassenlehrer wird ein Gespräch mit der gesamten Klasse geführt. Dazu wende ich meine Methode TASS (Training angemessenen schulischen Sozialverhaltens) an (Kossak 1978). Da er in seiner Klasse bislang nur Aufmerksamkeit für seine Aggressionen erhalten hatte, wird der Klasse erklärt, ihn bei unangemessenem Verhalten nicht zu beachten (= Verstärkerentzug, Löschung, s. Abschn. 6.1.2, Tab. 6.1) oder ihm zu helfen, ruhiger zu werden. Sobald er in kritischen Situationen angemessen reagiert, bekommt er Zuwendung (Anerkennung, Schulterklopfen  =  Verstärkung) von den Mitschülern. Sie kooperieren erstaunlich gut.

232

12  Das praktische Fallseminar

Wirkungen Nach insgesamt zehn Sitzungen in immer weiteren Zeitabständen werden sowohl sein Sozialverhalten, seine Selbstkontrolle und seine Schulleistungen von allen Lehrern als sehr positiv bewertet. Er kann an dieser Schule verbleiben. Katamnese Nach einem Jahr, zweieinhalb und fünf Jahren erfolgen Befragungen bzw. Spontanbegegnungen. In der Schule fällt er mitunter nur durch leicht gestörte Konzentration und Zwischenrufe auf. Sieht er mich vom Mofa aus, winkt er von weitem und erzählt von seiner Weiterentwicklung: Er absolvierte seinen Schulabschluss mit guten Noten, ist mit 17 Jahren Leiter einer Pfadfindergruppe, sozial sehr engagiert; nahm eine Mechanikerlehre auf und schloss sie erfolgreich ab. Mit Freuden berichtet er weiter: Als er seinen Vater einmal freundlich um Taschengelderhöhung bat, begann der Vater eine körperliche Auseinandersetzung. Darauf reagierte Thorsten mit einem Fausthieb und landete einen sog. „lucky punch“, der seinen Vater k.o. schlug. Seine Mutter reagierte darauf mit starker Belustigung. Der Vater erholte sich, stand auf und ist seitdem kooperativ, umgänglich und zahlt die Taschengelderhöhung freundlich. So wurde die Familiendynamik spontan positiv verändert. Das Alpha-Männchen trat zurück. Diskussion Im vorliegenden Fall konnte nicht auf bekannte bzw. erprobte Therapie­ maßnahmen zurückgegriffen werden, zumal die Erprobungszeit drängte, innerhalb derer ein weiterer Schulverweis erfolgen konnte. Eine Heimeinweisung wäre aus juristischen Gründen problematisch geworden. Da wir uns in den Gesprächen gut verstanden, fasste Thorsten Vertrauen zu mir. Wahrscheinlich war diese gute Beziehung zwischen uns auch ein bedeutsamer therapeutischer Faktor. Die Modifikation der Therapiemethode macht deutlich, dass über die Grenzen konventioneller Therapiemethoden hinausgehend Hypnose immer noch Möglichkeiten bieten kann. Seine starke Ruhe und Angepasstheit nach der ersten Sitzung ist verwunderlich, da diese Intensität keinesfalls in posthypnotischen Suggestionen intendiert war. Wahrscheinlich erlebte Thorsten die Strandszene und die ihm nun möglichen positiven Reaktionsmöglichkeiten als Erleichterung, die sich dann in großer Ruhe äußerte. Erstaunlich ist, dass Thorsten bei dieser negativen Erziehungskonstellation nicht dissozial oder kriminell wurde und durchgängig an seiner positiven schulischen Entwicklung interessiert war, also Leistungsmotivation besaß, evtl. Resilienz besaß. Zu Ursachen der Resilienz wird bis heute weiterhin geforscht (Welter-Enderlin 2006).

12.3.15 Fall 22 – Aggressionen nach krimineller Beeinflussung Exploration Eine junge Frau, ca. 22 Jahre alt, reagiert aus kaum erkennbaren Gründen schnell und unkontrolliert mit körperlichen Aggressionen, indem sie auf ihre Gesprächspartner

12.3  Die Falldarstellungen

233

massiv zugeht und sie schlagen will. Die behandelnde Kollegin ist nach mehreren Sitzungen – und der Kenntnis der Lebensgeschichte – mit ihr der Auffassung, dass sie in den letzten Jahren für längere Zeit einem aggressiven Sekten- oder Okkultismus-Milieu ausgesetzt war, in dem man mit starken Beeinflussungsmethoden auf die vorhandenen oder potenziellen Mitglieder einwirkte, um sie in der Gruppe zu halten, damit sie sich den aggressiven Regeln anpassten und sich gegen Kritiker und Abweichler massiv zur Wehr setzten. Die Patientin kann sich gegen die plötzlichen Aggressionsanfälle kaum wehren, obwohl sie schon seit längerem nicht mehr Mitglied in der Gruppierung ist. Auch auslösende Ursachen nimmt sie nicht wahr. Eine ursächliche psychiatrische Hintergrunderkrankung für die Aggressionen konnte ausgeschlossen werden. Die Kollegin bittet nun um Mithilfe im Fall, mit der Frage, ob man mit Hypnose dieses Verhalten beeinflussen könne, da sie gern die weitere Therapie mit der Patientin fortführen möchte, sich aber potenziell durch sie körperlich bedroht fühle und sich dem nicht gewachsen sehe. So führen wir die folgenden zwei Sitzungen gemeinsam durch.

Studienfragen

• Welche Verhaltensanalyse können Sie erstellen? • Leiten Sie bitte einen Therapieplan davon ab. Verhaltensanalyse Über die Ursachen der Aggressionsanfälle liegen keine Informationen vor. Eine Konditionierung durch posthypnotische Suggestionen, mittels Drogen oder Hypnose-ähnlichen Praktiken ist nicht auszuschließen. Prognose Bei den teilweise sehr spärlich bekannten ungünstigen Bedingungen ist derzeitig keine besonders günstige Prognose zu stellen, zumal Behandlungserfahrungen zu dieser Problematik nicht bekannt sind. Dem steht die Therapiemotivation der Patientin gegenüber, die wieder ein normales und aggressionsfreies Leben führen möchte. Die Kurztherapieform kann hier nur ein Modul in einer langen und umfassenden Psychotherapie sein. Therapieplan So soll versucht werden, in Hypnose ähnliche Aggressionen auslösende Emotionen zu provozieren und sie dann durch geeignete Interventionen zu unterbrechen und Selbstkontrolle zu erlernen. Bei derartig starken Aggressionshandlungen ist zusätzlich zur kognitiven Kontrolle auch ein starkes Signal zur Handlungsunterbrechung erforderlich. Das soll durch „Stopp“-Rufen erfolgen. Evtl. muss die Handlung auch durch körperlichen Einsatz des Therapeuten unterbrochen werden. Wenn das gelingt, soll die Kollegin diese Methoden übernehmen und in ihre weiteren Therapiesitzungen einbeziehen.

234

12  Das praktische Fallseminar

Therapiedurchführung Induktion und Ruheszene Die Patientin reagiert darauf relativ schnell und angemessen. Therapieszene Es wird eine Szene erarbeitet, in der die Patientin den Drang verspürt, angespannt und aggressiv zu werden. Leider können wir dabei nichts Näheres über die auslösenden Reize oder das Spezifische der Situation erfahren. Es kann sein, dass man in der „Sekten-Szene“ eine allgemeine Aggression erzeugte, die gegen alle als „Angreifer“ empfundenen Personen gerichtet war; eine Generalisierung der Aggressionen ist ebenfalls anzunehmen. In dieser Szene erhält sie – verbunden mit dem Auslösen der Entspannungsszene durch die Handgelenkberührung – die Suggestion, das Wort „Stopp“ zu hören und daraufhin gleich lockerer zu werden und wieder zurückzugehen. Nach mehreren Wiederholungen kann sie sich diese Instruktion selbst geben und wir probieren das in Hypnose. Also erhält sie die Instruktion, die Therapieszene zu imaginieren. Sie steht dann plötzlich auf und erhält dann die StoppInstruktion. Sie geht dabei auf mich recht entschlossen zu. Hört meinen Stopp-Ruf und nimmt nur mit einem Rempler gegen die Schulter des Therapeuten Körperkontakt auf. Wirkung Nun erfolgen öfter die positiven Suggestionen: „Was haben Sie nun als positiv verändert erlebt, was ist jetzt besser!?“ Sie kann dies nicht verbalisieren, aber nach mehreren dieser Durchgänge reagiert sie kontrollierter, zögerlicher, weniger aggressiv. Im nächsten Schritt ist die Kollegin ihre Übungs-Partnerin. Anfänglich ist die Patientin noch körperlich robust, reagiert aber auf den „Stopp-Ruf“, bis sie nach mehreren Wiederholungen lockerer bleiben kann. Sowohl die Patientin als auch die behandelnde Kollegin sind mit diesem Erfolg zufrieden, da man nun für die weiteren Gespräche eine entspanntere Basis gefunden habe. Katamnese Die Kollegin berichtet Wochen nach der Intervention, dass die Gespräche nun ruhiger und produktiver ablaufen können. In einem Gespräch mit der Therapeutin nach 19 Jahren kann folgendes ergänzt werden. In der weiteren Therapie war damals festgestellt worden, dass die Patientin in der Sekte selbst dazu angehalten wurde, Personen zu foltern und aggressiv zu behandeln, woran sie sich kaum oder nur diffus erinnern kann. In dieser Therapie wurden die Fremd- und Autoaggressionen der Patientin immer geringer. Sie benötigt jedoch immer noch therapeutische Unterstützung.

12.3  Die Falldarstellungen

235

Diskussion In diesem Fall konnten wir keine Auslöser der Aggressionen ausfindig machen, also nicht kausal daran arbeiten, was wahrscheinlich auch die Absicht der Verursacher war. Also waren nur direkt am Symptom Veränderungen möglich, um so konditionierte Verhaltensweisen zu reduzieren. Wie deutlich wurde, ist auch das möglich, jedoch nicht so schnell und effektiv wirksam. Hier ist die Kurztherapie nur ein kleiner, aber nicht unwesentlicher Baustein in der Gesamtbehandlung.

12.3.16 Fall 23 Selbstwirksamkeitserwartung – Angst vor der praktischen Führerscheinprüfung Exploration Die Klientin (59 J. alt, geschieden) hat Angst vor ihrer Führerscheinprüfung. Die theoretische Prüfung hat sie bereits vor mehreren Monaten bestanden, aber nun bei der Vorbereitung zur praktischen Prüfung entwickelt sie zunehmend mehr Ängste. Nachdem sie in der praktischen Prüfung mehrfach versagte, ist sie noch unsicherer geworden. Sie hat schon viel Geld in zahlreiche Fahrstunden investiert und weiß nicht, was sie tun soll. Bei näherer und entspannter exploratorischer Unterhaltung wird deutlich, dass sie primär Angst vor dem zunehmenden Autoverkehr hat, besonders in den Städten und auf der Autobahn. Ihre Abneigung dazu wird dabei auch mimisch und gestisch immer deutlicher. Auf den Vorschlag, in kompetenter Begleitung den Verkehrsübungsplatz zu nutzen, reagiert sie spontan mit Abwehr. Schließlich bricht es zögerlich aus hier heraus, dass sie eigentlich nie einen Führerschein machen wollte. Aber Freundinnen und Bekannte drängten sie dazu, da es zu einer modernen Frau mit Unabhängigkeit gehöre, Auto zu fahren.

Studienfragen

• Was schlagen Sie als weiteres Vorgehen vor? • Welche methodischen und inhaltlichen Ziele sollten angesteuert bzw. erreicht werden? • Welche (potenziellen) Hindernisse können dabei auftreten? Diagnose Es handelt sich hier um keine Angst im Sinn einer Phobie, sondern mehr um Befürchtungen, in ihrer Peergroup abgelehnt zu werden. Sie erlebt so einen Konflikt zwischen ihren eigenen Wünschen „nicht Auto fahren“ und denen im Freundeskreis „Auto fahren“.

236

12  Das praktische Fallseminar

Prognose Durch den o.g. Konflikt steht die Patientin unter einer hohen Erwartungsangst, der auch Versagens- und Verlustängste auslöst. Diese sind nur erfolgreich abzubauen, indem der bestehende Konflikt gelöst wird. Therapieplanung, Therapieschritte Im Vordergrund soll hier eine kognitive Umstrukturierung stehen, die Bedeutung des Führerscheinerwerbs für sie persönlich angemessen zu erkennen und zu bewerten. Hier bietet sich der Sokratische Dialog an (s. Abschn. 6.1.4), die Vorund Nachteile, Befürchtungen und Emotionen abzuwägen und daraus für sich zu erkennen, ob der Erwerb des Führerscheins für sie wichtig ist – oder die Freiheit, keinen Druck zu erleben und sich auch ohne Führerschein wohl zu fühlen. Therapiedurchführung Das vorsichtige Gespräch zielt nun darauf ab, Näheres über ihre Anerkennung in diesen Gruppen zu erfahren, also über ihren empfundenen Gruppendruck und ihre soziale Abhängigkeit von den Gruppen. Nach kurzem Zögern erkennt sie, dass sie gute Gruppenkontakte habe und auch ohne Auto bzw. Führerschein weiterhin ihren Platz in den Gruppen behalte. Somit erfolgt der Vorschlag, eine Kosten- Nutzenaufstellung vorzunehmen. Auf der einen Seite ggf. Imageverlust – auf der anderen Seite Kosten und Anstrengung. So rechnen wir durch, welche weiteren Kosten auf sie zukommen würden bei: Fahrstunden, Prüfungsgebühren, Autoanschaffung, laufenden Kosten usw. Das ist für sie eine hohe Summe, die sie nachdenklich stimmt, so viel weiterhin investieren zu wollen, um am Wohnort und in seiner relativen Nähe rumfahren zu können. So wird ihr vorgerechnet, dass sie in dem vorhin kalkulierten Rechnungszeitraum täglich ca. 5 € für Taxifahrten ausgeben könne – ohne Angst und Aufregung. Dieses Argument nimmt sie sehr erleichtert an, fühlt sich sichtlich entlastet, nun endlich nach ihren eigenen Vorstellungen ohne Auto und dem damit verbundenen Stress auszukommen – und bei Bedarf mit gutem Gewissen ein Taxi nutzen zu können. Katamnese Nach mehreren Monaten berichtet die Klientin bei einer Zufallsbegegnung, wie froh sie ist, diese Torturen der Fahrstunden abgebrochen zu haben und sie nun als freier Mensch leben könne. Sicherlich nehme sie bei Bedarf ein Taxi und genieße es. Von ihren Freundinnen etc. wurde sie weiterhin gemocht. Diskussion Die Anwendung der Kurztherapie zur Angstbehandlung wäre hier nicht indiziert. Die Angst ist primär ein kognitives Problem, ein Entscheidungsproblem. Da sie auch ohne Führerschein die Anerkennung in ihrer bedeutsamen Bezugsgruppe beibehalten würde, geht sie also kein Risiko ein, wenn sie den Führerschein nicht erwirbt. Sie erkennt, dass sie sich nur nach dem von ihr antizipierten Wunsch ihrer

Literatur

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Freundinnen verhalten wollte, ohne dessen Realitätsgehalt zu überprüfen, was jedoch in der Therapie erfolgte. Da weiterhin eine kognitive Dissonanz besteht („Ich habe bislang so viel Geld ausgegeben – soll ich dann lieber weitermachen oder gerade deswegen aufhören?“), erfolgte mit ihr die sehr konkrete Berechnung ihrer zukünftigen Ausgaben und der daraus ableitbare Gewinn, sich häufiger ohne Verluste ein Taxi leisten zu können. Diese Kosten-Nutzen-Analyse reduzierte sofort ihre kognitive Dissonanz.

Literatur Kossak H-C, Zehner G (2011) Hypnose beim Kinderzahnarzt. Verhaltensführung und Kommunikation. Springer, Berlin Kossak H-C (1978) TASS - Training angemessenen schulischen Sozialverhaltens. Unveröff. Therapiemanual Kossak H-C (1993) Lehrbuch Hypnose, Kap. 31., 2. überarb u. erw. Aufl., Beltz/PVU, Weinheim Kossak H-C (2001) Hypnose in der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie. In: Borg-Laufs M (Hrsg.) Lehrbuch der Verhaltenstherapie mit Kindern und Jugendliche. Bd. II: Interventionsmethoden, dgvt-Verlag, Tübingen, S 727–767 Petermann F (1978/2012) Training mit aggressiven Kindern, 13. Aufl., Beltz, Weinheim Welter-Enderlin R (2006) Resilienz. Gedeihen trotz widriger Umstände. Carl-Auer-Verlag, Heidelberg

Wirkungen, Anwendungsmöglichkeiten, Grenzbereiche

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Inhaltsverzeichnis 13.1 Spontane Wirkungen und Nebenwirkungen der Spezial-Kurz-Intervention . . . . . . . . . 240 13.1.1 Erfolgsberichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 13.1.2 Keine Nebenwirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 13.1.3 Impulse von Fachkolleginnen und Fachkollegen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 13.2 Modifikationen der Methode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 13.2.1 Modifikationen von Therapieteilen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 13.2.1.1 Imaginationsprobleme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 13.2.1.2 Induktion – Schwierigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 13.2.1.3 Ruheszene – Probleme, Wirksamkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 13.2.1.4 Farb-Wahrnehmungen an der „negativen“ und der „positiven“ Körperstelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 13.2.1.5 Angstbewertung – Skalierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 13.2.2 Modifikationen der Therapieszene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 13.3 Überlegungen zu Anwendungsmöglichkeiten und Grenzbereichen . . . . . . . . . . . . . . . 244 13.3.1 Raucherentwöhnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 13.3.1.1 Reaktions- und Therapieformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 13.3.1.2 Grenzen der Raucherentwöhnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 13.3.2 Impulse zur Vorsicht bei sehr komplexen Störungen – Beispiel Prüfungsangst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 13.3.3 Fall 24 – Prüfungsangst – fehlende Anerkennung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 13.3.4 Fall 25 – Prüfungsangst – frühkindliches Verlusttrauma . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 13.3.5 Fall 26 – Prüfungsangst – Wissensdefizite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 13.3.6 Fall 27 – Prüfungsangst – Angst vor sozialer Negativbewertung . . . . . . . . . . 248 13.3.7 Prüfungsangst – hat viele subtile und gravierende Ursachen . . . . . . . . . . . . . 249 13.3.7.1 Prüfungsangst – mindestens drei Symptomzuordnungen . . . . . . . . 249 13.3.7.2 Prüfungsangst als Grenzsituation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 13.3.7.3 Prüfungsangst als Ausdruck von u. a. Zukunftsangst . . . . . . . . . . . 250 13.3.7.4 Prüfungsangst – Lampenfieber, Auftrittsangst . . . . . . . . . . . . . . . . 250 13.3.7.5 Folgerungen zur Indikation der Kurzform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 13.4 Impulse aus der Psychiatrie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 13.5 Erweiterung als vielfach nutzbare Selbstkontrollmethode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 © Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer-Verlag GmbH, DE, ein Teil von Springer Nature 2020 H.-C. Kossak, Kognitiv-behaviorale Psychotherapie von Ängsten, Psychotherapie: Praxis, https://doi.org/10.1007/978-3-662-62323-7_13

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13  Wirkungen, Anwendungsmöglichkeiten, Grenzbereiche

13.1 Spontane Wirkungen und Nebenwirkungen der Spezial-Kurz-Intervention 13.1.1 Erfolgsberichte Direkt nach der Therapie, also bei der Nachbesprechung, äußern sich die Patienten über ihre Erlebnisse in Hypnose und die gesamte Therapie wie folgt. • Es werden sofort, spontane, deutliche positive Veränderungen auf allen sieben Ebenen (der Angstkomponenten, s. Abschn. 4.3.2) erlebt und berichtet. • Patienten sind oft erstaunt und verwundert über die schnellen und konkreten deutlich wahrnehmbaren Veränderungen. • Sie sind besonders verwundert und erfreut, dass sie eine derartige Einstellungsänderung erfahren haben. • Besonders sind sie fast immer über ihre neu erworbene Selbstkontrolle und Selbstwirksamkeit verwundert. • Gleichzeitig ist es für sie nahezu selbstverständlich, von jetzt an von den Ängsten befreit zu sein und sich wie schon immer gewünscht in der Situation angemessen verhalten zu können. • Die Patienten fühlen sich nach der Therapie entspannt, erlöst, motiviert, die empfohlenen Interventionen weiter durchzuführen. Beispiele: Aussagen von Patienten

• „Ich habe Erleichterung gespürt, das Objekt einfach ansehen zu können.“ • „Ich konnte in der Situation plötzlich handeln – so wie ich es schon immer wollte.“ • „Ich merkte, dass ich plötzlich wieder handlungsfähig war, und der Schmerz dann nachließ.“ • „Ich musste lachen, weil mir plötzlich eine einfache Lösung einfiel, die sofort half.“ ◄

13.1.2 Keine Nebenwirkungen Von keinem der zahlreichen Patienten werden negative Nebenwirkungen berichtet. Auch später, nachdem die oft erlebte Euphorie über die positiven Wirkungen (s. o.) abgeklungen war und nach größerer Zeitdistanz wurden keine unangenehmen Nebenwirkungen der Methode berichtet.

13.2  Modifikationen der Methode

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13.1.3 Impulse von Fachkolleginnen und Fachkollegen Wie bereits oben erwähnt, habe ich diese Methode der Kurztherapie sehr häufig Fachkolleginnen und Fachkollegen in Seminaren im In- und Ausland vorgestellt und mit Teilnehmenden demonstriert. Sie trugen ihre relativ vielgefächerten Probleme vor und waren von der Kurztherapie sehr angetan. Auch in den darauffolgenden realen Gruppenübungen mit Anwendung der Methode wurden von ihnen schnell Erfolge erzielt. Dies bestätigt eine schnelle Erlernbarkeit der Methode. Bei den erwähnten Kongressen kamen häufig ehemalige Seminarteilnehmerinnen und -teilnehmer spontan auf mich zu, um mir ihre Erfolge mit der Kurztherapiemethode zu berichten. Grobübersicht der Rückmeldungen von Fachkolleginnen und Fachkollegen • Altersbereich: vom Kindes- bis zum hohen Erwachsenenalter. • Dauer: Wird meist als Kurztherapie angewandt, teilweise auch als Modul innerhalb komplexer Behandlungen. • Indikationen – Beispiele: Angst vor Zystoskopie, Flugängste, Prüfungsängste, Schlafstörungen, berufliche Überbelastung, Schlangenphobie seit Kindheit (danach in Sri Lanka entspannter Besuch eines Marktes mit Schlangen). • Bewertung durch die Patienten: Nahezu alle sind sehr beeindruckt und erstaunt über die schnelle Wirkung der Methode – und über die Impulse in der Therapie, ihre Situation anders bewerten und erleben zu können (s. o.). • Bewertung durch die Therapeuten: Alle sind über die genannten schnellen und stabilen Wirkungen erstaunt und beeindruckt. • Katamnese, Rückfälle: In den bekannten Katamnesezeiträumen blieben die Therapieerfolge stabil bestehen. Weder Symptomverschiebungen noch Rückfälle wurden berichtet. • Effektivität: Wird von allen Therapeuten und Patienten als hoch bis sehr hoch eingestuft. • Ökonomie: Zeitökonomie sehr hoch, da die Methode fast immer innerhalb einer Sitzung erfolgreich abgeschlossen werden kann.

13.2 Modifikationen der Methode Die hier dargestellte Vorgehensweise ist nahezu ein Standardablauf, der bei fast allen Patienten in der hier dargestellten Form wirksam war. Mitunter werden jedoch je nach Patient und dessen Vorgeschichte bzw. Problemlage Modifikationen einzelner Therapieteile erforderlich, wie auch aus den Fallvorstellungen in Kap. 12 hervorging. Zu möglichen Modifikationen der Methode folgen einige Vorschläge.

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13  Wirkungen, Anwendungsmöglichkeiten, Grenzbereiche

13.2.1 Modifikationen von Therapieteilen 13.2.1.1 Imaginationsprobleme Ist für Patienten die Imagination von Szenen erschwert, so kann das ggf. mit kleinen Übungen trainiert oder veranschaulicht werden. Beispiel: Imaginationsübung

Einen realen Apfel betrachten, dann die Augen schließen und ihn imaginieren. Augen öffnen und das optisch wahrgenommene Realbild mit der Imagination vergleichen. Dann in der Imagination den Apfel drehen, sein Gewicht spüren, seinen typischen Duft riechen, seine Schale betasten usw. = VAKOG üben. (Näheres siehe Kossak 2013, S. 347). Beachte: • Bei solchen Übungen beginnt man meist mit einem einfachen Bild wie z. B. Apfel. Später wird es sich oft zu einer komplexen Szene weiterentwickeln. • Je nach Imaginations-„Typ“ sind für manche Personen Klänge, Geräusche bedeutsam, für andere Farben, Bewegungen usw. Entsprechend sollten darauf die plastischen Therapeuteninstruktionen ausgerichtet sein. ◄

13.2.1.2 Induktion – Schwierigkeiten Manche Patienten benötigen aufgrund ihrer Lebensgeschichte besondere oder individuelle Induktionen der Hypnose. Dies wird man spätestens dann erfahren, wenn die Standardversion „Punktfixation“ oder „Handlevitation“ nicht ausreichend wirkt bzw. nicht akzeptiert wird. Die nähere Exploration dazu wird bestimmt konkrete Hinweise zu dem erbringen, was dabei als unangenehm empfunden wurde. Entsprechend sollte die Induktion dann modifiziert werden. Mitunter wollen Patienten zu ihrer Kontrolle die Augen offen behalten. Dann sollte zu Beginn der Standardinstruktion (s. Abschn. 11.1) folgende Instruktion angeboten werden: „Von vielen Patienten wird das Augenschließen als angenehm empfunden. Falls Sie aber wünschen, die Augen offen zu halten, so ist das ebenfalls in Ordnung. Sie können es selbst entscheiden, ob Sie Ihre Augen offen behalten oder lieber schließen wollen…“ Dazu sollte dann jedoch die Anweisung zum Augenschluss entfallen. 13.2.1.3 Ruheszene – Probleme, Wirksamkeit Die Ruheszene sollte sorgfältig exploriert sein, damit sie den Entspannungswünschen des Patienten entspricht. Falls dennoch während der Ruheszene Irritationen aufkommen, kann sie der Patient mitteilen, damit sie spontan modifiziert werden.

13.2  Modifikationen der Methode

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Beispiel: Ruheszene

• „Ich will nicht nah ans Wasser … die Möwenrufe stören …“ entsprechend wird eine Änderung erfolgen. • Ein Patient in einer Gruppendemonstration reklamierte: „Auf der Wiese könnten ekelige Insekten sein.“ Ihm wurde angeboten zu entscheiden, ob er nun lieber im Gras auf einer Decke sitzen möchte. Er konnte diese Modifikation akzeptieren und dann der Ruheszene genießen. • Ein 12jähriger Junge bekommt im tiefen Winter auf der „Grünen Wiese“ einen heftigen Niesanfall mit einer stark laufenden Nase. Nach sofortigem Abbruch der Ruheszene berichtet er, dass er unter Heuschnupfen leide. In der vorhergehenden Exploration hatte er die Frage nach Heuschnupfen verneint. Sie war ihm im Winter als irrelevant vorgekommen. Entsprechend erfolgt eine Änderung der Ruheszene auf eine Gegend ohne potenzielle Allergene. Dieser Fall zeigt deutlich, dass Suggestionen imaginierte Szenen auslösen, die klassische Konditionierungsreaktionen beinhalten. ◄ Diese Beispiele zeigt sehr anschaulich, wie sehr einzelne Worte komplexe physiologische und immunologische Reaktionen auslösen können.

13.2.1.4 Farb-Wahrnehmungen an der „negativen“ und der „positiven“ Körperstelle Wie dargestellt, soll der Patient entsprechend seiner Therapiephase eine Körperstelle des Wohlbefindens berühren und alternativ eine Körperstelle für Anspannung, um das jeweilige dazugehörende Gefühl auch körperlich zu spüren und somit noch intensiver zu erfahren. Bei manchen Patienten kann dieses jeweilige Gefühl verstärkt werden, wenn es mit einer weiteren Sinneswahrnehmung verbunden wird. Dazu wird der Patient zu diesem Berührungszeitpunkt exploriert: s. folgender Kasten. Beispiel: Modifikationen – Farbzuordnung als Ausdruck unterschiedlicher Gefühle

Für das negative Gefühl der Anspannung oder Angst kann der Patient sich eine Farbe aussuchen, die Ausdruck für das Gefühl ist. Diese Farbe soll dann die Körperstelle ausfüllen und auch so lange zu spüren bzw. zu sehen sein, bis das Umschalten erfolgt. Sobald nun zur Entspannungsszene umgeschaltet wird und der Patient hier ebenfalls seine Hand auf die dafür zuständige Stelle legt, soll sich der Patient die dazugehörende positive Farbe vorstellen. Wirkungen: Während des mehrfachen Szenenwechsels wird die „negative“ Farbe als immer schwächer werdend erlebt oder sie verändert sich hin zu der „positiven“ Farbe, bis nur noch das positive Gefühl und die dazugehörende Farbe wahrgenommen werden.

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13  Wirkungen, Anwendungsmöglichkeiten, Grenzbereiche

Die Patienten sind meist sehr beeindruckt von dieser deutlich „sichtbaren“ Farbveränderung, was wiederum eine Verstärkung des Änderungsverhaltens bewirkt. ◄

13.2.1.5 Angstbewertung – Skalierung Die Reaktionen nach der Therapie sind so eindeutig positiv, dass stets von einer starken Angstreduktion, fast immer von einer vollkommenen Angstabnahme berichtet wurde. Falls man als Therapeut dennoch sicher gehen will, kann man die Stärke der empfunden Angst vor und nach der Therapie auf einer sog. SUD-Skala von 0 (keine Angst) bis 100 (maximale Angst) einschätzen lassen (SUD = Subjective Units of Disturbance).

13.2.2 Modifikationen der Therapieszene Falls erforderlich, kann die Therapieszene modifiziert werden, indem der Patient dazu angeleitet wird, in Hypnose noch stärker aktiv Veränderungen zu erleben oder selbst durchzuführen. Hierbei sind bestimmte nachfolgend genannte Methoden der VT oder der Hypnose sehr hilfreich. Siehe hierzu auch Therapievorschläge in Abschn. 6.4.2. Beispiele: Modifikationen von Therapiemethoden

• Stimulusveränderungen: die bisherigen (akustischen, optischen etc.) Auslösereize für die Angst als verändert zu erleben oder selbst die Veränderung vorzunehmen. Beispiel: Den Angstauslöser Hund als kariert wahrzunehmen oder mit einer Clownsnase (s. Fall 6) kann eine kognitive Umstrukturierung bewirken. • Modellperson beobachten: Der Patient beobachtet eine für ihn bedeutsame Person, die sein Vorbild für angstfreies Verhalten ist, dabei, wie sie in dieser Situation handelt (modelling). • Probehandeln: Der Patient wird dazu angeleitet, in Hypnose selbst Handlungen und Lösungswege auszuprobieren (behavior rehearsal). • Perspektivenwechsel: Sich selbst aus der Perspektive einer anderen Person distanziert zu beobachten, wie symptombezogen und wie man problemlösend handelt. • Altersregression: In der Hypnose-Altersregression handelt der Patient so, wie er es früher erfolgreich konnte (Ressourcenaktivierung). ◄

13.3 Überlegungen zu Anwendungsmöglichkeiten und Grenzbereichen An erster Stelle soll die Kurzform selbst kritisch betrachtet werden.

13.3  Überlegungen zu Anwendungsmöglichkeiten und Grenzbereichen

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Vorbemerkung: Grenzen der kognitiv-behavioralen Hypnosetherapie-Kurzform Gerade eine Kurzform verlangt gute Kompetenzen, um daraus wesentliche Schritte zu abstrahieren oder zu komprimieren. • Die Kurzform kann dazu verleiten, auch die Anamnese verkürzt aufzunehmen und dadurch nur oberflächliche, wenig zielführende oder sogar irreführende Informationen zu erhalten. • Dies kann dazu führen, dass die Überlegungen zur Therapieplanung oberflächlich werden. • Die Therapiephase kann dann zu voreilig als Schnellverfahren lückenhaft und unvollständig realisiert werden. • „Psychodynamische“, bislang verborgene Ursachen, vom Pat. nicht erwähnte Partnerprobleme, Kindheitstrauma, Zusatzbelastungen (z. B. bei Raucherentwöhnung, s. u.) können im Hintergrund wirken und die Therapie behindern.

13.3.1 Raucherentwöhnung Die Methode der Kurztherapie wurde von mir auch zur Raucherentwöhnung benutzt.

13.3.1.1 Reaktions- und Therapieformen Grob eingeordnet lassen sich bei der Raucherentwöhnung zwei Gruppen unterschieden. 13.3.1.1.1 Aversion gegenüber dem Rauchen Je nach Wunsch des Klienten sollte der für sie unangenehme Rauch und Geschmack des Tabakrauchens vermieden werden; also erlebte er in Hypnose diese unangenehmen Wahrnehmungen und konnte ihnen mit Entspannung begegnen, wenn er Selbstkontrolle mit ihrer Selbstwirksamkeit erlebten, also die unangenehme Rauchsituation mit gutem Gefühl verlässt. Entsprechend sind damit die posthypnotischen Aufgaben formuliert. 13.3.1.1.2 Versuchungssituationen widerstehen Andere Klienten wollten in der Versuchungssituation, wieder rauchen zu wollen, widerstehen können. Für sie wurde eine Therapieszene formuliert, in der sie einen bestimmten Stimulus wahrnehmen, bei dem sie bislang das Verlangen nach einer Zigarette hatten. Das kann der seit langem konditionierte Gefühlszustand „Stress, gemütlich, satt, Ärger“ sein oder Stimulus „sehen einer Zigarette“ – „riechen von Tabakrauch“ – „In der Kneipe, auf einer Fete sein“ etc. Sobald die Versuchung besteht, eine Zigarette haben zu wollen, kann der Klient nun die Stimuluswirkung „Wunsch nach Zigarette“ unterbrechen, indem er z. B. mit der Überallmethode gegensteuert, mit Entspannung gegenkonditioniert und Alternativen zum Rauchen anbietet.

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13  Wirkungen, Anwendungsmöglichkeiten, Grenzbereiche

Wirkungen Viele Patienten fühlten sich bereits nach dieser einen Sitzung entspannt und befreit, von nun an nicht mehr situativ abhängig von der Zigarette zu sein. Bei zahlreichen Rauchern konnte die Intervention eine lange bis dauerhafte Entwöhnung vom Zigarettenrauchen bewirken. Eine Klientin blieb sogar Nichtraucherin, obwohl ihr Mann weiterhin auch zu Hause rauchte.

13.3.1.2 Grenzen der Raucherentwöhnung Während die bisherige Erfolgsquote der Kurztherapiemethode bei Ängsten bei nahezu 100 % lag, lag sie bei der Raucherentwöhnung bei ca. 50 % nicht oder nur kurz erfolgreich. Bei den Klienten ohne Behandlungserfolg war der gemeinsame Nenner, dass alle diese Klienten nur allein auf die Lösung ihres Raucherproblems fixiert waren und sie andere Probleme mir willentlich oder unwillentlich verschwiegen hatten. So war es einmal der lang bestehende Stress mit der Freundin; bei anderen ebenfalls Partnerprobleme mit Außenbeziehungen und entsprechenden emotionalen Belastungen, bis hin zur nahenden Scheidung, dem bereits bevorstehenden Wohnungsauszug usw. In wieder einem anderen Fall zeigte sich bei der Raucherexploration die Angst vor schließenden Türen und die damit verbundene Flugangst – später stellten sich dann auch hier Partnerprobleme mit der Nachbarin heraus. Meine vorläufige Annahme: Viele dieser Klienten wollten durch die Anmeldung zur Raucherentwöhnung nur vordergründig eine Rechtfertigung haben, nun aktiv an ihrem Problem zu arbeiten – evtl. vor sich selbst oder als Alibi vor ihrem Partner bzw. ihrer Partnerin. Die Verbesserung der Situation sollte symbolisch über die „Raucherentwöhnung“ erfolgen und man hatte vorübergehend ein besseres Gewissen. Selbstkritisch zur Methode der Kurztherapie ist ebenso anzunehmen, dass sie nicht immer spezifisch auf die Raucherentwöhnung ausgerichtet ist – aber warum bewirkte sie dann auch stabile und langanhaltende Erfolge? Die umfassende Wirksamkeit der Methode zur Raucherentwöhnung muss noch überprüft werden.

13.3.2 Impulse zur Vorsicht bei sehr komplexen Störungen – Beispiel Prüfungsangst Es kann durchaus vorkommen, dass man in seinen Verursachungshypothesen zu einer Störung fehlgeleitet wird; davor sind selbst erfahrene Therapeuten nicht geschützt. Die im Vorkapitel zitierten Fälle mit ihren Diagnosen und methodischen Vorgehensweisen können somit nur Beispiele von vielen Möglichkeiten sein. Als Beispiel für besondere Aufmerksamkeit bei der Anamneseerhebung und mögliche Grenzbereiche der Hypnose-Kurztherapie seien hier – stellvertretend für viele andere Problemstellungen – Prüfungsängste erwähnt. Normalerweise sind sie sehr ähnlich und mit relativ einfachen Suggestionen in der Kurztherapie

13.3  Überlegungen zu Anwendungsmöglichkeiten und Grenzbereichen

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erfolgreich zu behandeln. Einige sind mitunter nicht klar abgrenzbar; andererseits können sie sich in einer langen Kette von Verursachungen äußern wie z. B. in Ängsten, haben jedoch tiefgreifende und lang bestehende Ursachen in der Biographie des Betroffenen.

13.3.3 Fall 24 – Prüfungsangst – fehlende Anerkennung Ein beruflich tätiger Akademiker hat starke Lernprobleme und Prüfungsängste beim Studium der Medizin. Er müht sich damit seit vielen Semestern ab und hat nur mäßige Erfolge. Nun, nahe am Endexamen, bittet er um Unterstützung. Auffallend ist sein extremes Vermeidungsverhalten, da er jede Tätigkeit als wichtiger als das Lernen erachtet. Es dauert Wochen intensiver Unterstützung, das Lernen angemessen zu betreiben. Schließlich ergibt ein Gespräch (trotz vorheriger intensiver Anamneseerhebung), dass er sich von seinem Vater nie akzeptiert fühlte, da für ihn nur das Examen als Arzt etwas galt. Deshalb nahm er das Studium der Medizin auf, das ihm eigentlich gar nicht lag und deshalb für ihn eine Qual war. Nach seinem Examen wird er hoffentlich von seinem Vater akzeptiert. Hier wurde die Kurztherapiemethode nicht angewandt, sondern nach dieser Erkenntnis eine intensive und lange Therapie aufgenommen, die sich mit seiner Vaterbeziehung befasste. Da der Klient nach dem bestandenen Medizinexamen wegzog, verpflichtete er sich, an seinem neuen Wohnort eine weiterführende Therapie aufzunehmen. Anmerkung Hier wird deutlich, dass die Prüfungsangst zwar real ist, da die Lernmotivation gering ist. Im Vordergrund steht jedoch die Angst, vom Vater immer noch nicht anerkannt zu werden. In diesem komplexen Fall kann unsere Kurztherapie wenig oder nur punktuell als Teil einer umfassenden Therapie hilfreich sein.

13.3.4 Fall 25 – Prüfungsangst – frühkindliches Verlusttrauma Die Studentin der Psychologie kommt wegen Examensängsten, da sie in der Vordiplomprüfung (heute Bachelor) in einem mündlichen Fach durchgefallen war, weil sie kaum etwas sprach. Die ausführliche Anamnese ergibt: nach einem sozialen Verlusttrauma in der frühen Kindheit reagierte die Klientin mit Mutismus: auf jegliche Anforderungen, besonders sprachliche, reagierte sie mit Schweigen. Deshalb wurde sie nahezu als dumme Sonderschülerin eingestuft. Nach einer Lehre bestand sie auf der Abendschule das Abitur und studierte, stets mit der Selbstattribution, eigentlich eine dumme Sonderschülerin zu sein. In der fraglichen o.g. Prüfung wurde sie vom Prüfer, der als autoritär, zynisch und frauenfeindlich bekannt war, durch seine Fragen sehr hart gefordert, die sie zwar inhaltlich beherrschte. Aber gerade diese Situation war ein Auslösereiz für ihren kindlichen Mutismus.

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13  Wirkungen, Anwendungsmöglichkeiten, Grenzbereiche

In zahlreichen Therapiesitzung arbeiteten wir an ihrem kindlichen Trauma, ihrem emotional kalten Elternhaus etc. – und auch mit der Desensibilisierung in Hypnose, auf mündliche Anforderungen entspannt zu reagieren und entsprechend locker zu antworten. Ihr Lernen für die Prüfung und die div. Vorbereitungen waren optimal, sodass wir dafür kaum Zeit verwenden mussten. Nach erfolgreich bestandener Prüfung war nun die gesamte Familienproblematik zu bearbeiten, deren Gewicht und Ausbreitung sich jetzt erst zeigten, da sie nun von der Klientin zugelassen wurden. Jahrzehnte später begegneten wir uns zufällig, freuten und über die Begegnung und sie stellte sich als eine nette und kompetente Kollegin heraus. Anmerkung Die Prüfungsangst basiert hier auf einem Kindheitstrauma. Sie ist somit nur ein Teilaspekt des Gesamtproblems von Anerkennung und negativer Selbstbewertung. Entsprechend ist die Angstbehandlung ebenfalls nur ein Teil der gesamten, langen und umfassenden Therapie.

13.3.5 Fall 26 – Prüfungsangst – Wissensdefizite Hat eine Person große Lücken im Wissen, geforderten Fertigkeiten oder Fähigkeiten, dann ist ihre Angst vor Nichtbestehen einer Prüfung berechtigt, also eine Realangst. Sie kann nur dadurch gemindert werden, wenn durch die gezielte Aneignung bestimmter Lerne- und entsprechender Arbeitstechniken etc. die Lücken aufgearbeitet und geschlossen werden, so auch die Anfertigung schriftlicher Arbeiten und Vorbereitung der Examina (Kossak 2006). Falls dann noch Ängste bestehen, wäre die Spezialmethode bestimmt hilfreich. Anmerkung Die Therapie besteht hier z. B. in einem Motivationstraining, dem Abbau von externalen und internalen Hemmfaktoren und einem Training in relevanten Lernund Arbeitstechniken.

13.3.6 Fall 27 – Prüfungsangst – Angst vor sozialer Negativbewertung Ein Student mit Prüfungsangst berichtet bei der Anamneseerhebung, dass er vorher wegen seiner Angst in einer Praxis eine Gruppentherapie absolvierte. Gefragt, warum er nun eine Einzeltherapie wünsche, kann er sehr zögerlich berichten, dass am Ende jeder Gruppentherapiesitzung reihum gefragt wurde, welche Erfolge oder Verbesserungen zu berichten waren. Da alle nur Positives berichteten, schämte er sich, simulierte Besserungen, die unbemerkt blieben, und wurde danach als erfolgreich therapiert entlassen. Nun in der Einzeltherapie erzählt er offen von seinen

13.3  Überlegungen zu Anwendungsmöglichkeiten und Grenzbereichen

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Ängsten, da er nun nicht die Angst vor negativer Fremdattribuierung hat. Er kann mit der Kurztherapie behandelt werden und besteht sein Examen. Anmerkung Bei diesem Studierenden steht die Angst vor Negativbewertungen und sozialer Missachtung bei Abweichung durch schlechte Leistungen im Vordergrund. Entsprechend wurde die Angst vor negativen Fremdattribuierungen in der Kurztherapie berücksichtigt.

13.3.7 Prüfungsangst – hat viele subtile und gravierende Ursachen Diagnose und Klassifizierung der Prüfungsangst sind erschwert. Synonyme für Prüfungsangst sind: Leistungsangst, Schulangst, Testangst. Ihre diagnostische Einordnung ist auch im Diagnosesystem DSM-IV und im ICD-10 nicht eindeutig. Entsprechend ist die eindeutige Auswahl einer Therapie erschwert, also auch bei der Indikation der Hypnose-Kurztherapie.

13.3.7.1 Prüfungsangst – mindestens drei Symptomzuordnungen Prüfungsangst kann einerseits als Symptom einer sozialen Phobie gelten, gekennzeichnet durch anhaltende Angst vor Leistungssituationen oder Bewertungen durch andere Personen. Diese trifft jedoch nur für tatsächlich sozial bezogene Angstbereiche bei Prüfungen zu, so z. B. Angst davor, sich vor anderen Personen zu blamieren. Ist eine Prüfung (unabhängig von sozialen Bewertungen) Angst auslösend, dann handelt es sich um eine „spezifische Phobie“ vor schulischen etc. Bewertungssituationen. Es kann sich aber auch um eine generalisierte Angststörung handeln, wenn eine intensive zeitlich andauernde Sorge, verbunden mit furchtsamen Erwartungen vorliegt, die sich auf mehrere Ereignisse oder alltägliche Tätigkeiten bezieht. Da für Kinder die Schule von zentraler Bedeutung ist, beziehen sich ihre häufigsten Befürchtungen auf Hausaufgaben, Klassenarbeiten, Zensuren, schulischen Erfolg oder Misserfolg. Analoges gilt für Studenten und allgemein Lernende. Meist ist eine Mischform aller drei Phobien anzutreffen. Bei jüngeren Kindern ist bei Prüfungsangst sehr häufig die Diagnose einer spezifischen Phobie zu stellen. 13.3.7.2 Prüfungsangst als Grenzsituation Im Vergleich mit nahezu allen anderen vorgenannten Ängsten bzw. Phobien sind reale Konfrontationen mit der Angstsituation oder dem Angstauslöser fast beliebig oft wiederholbar, ohne dass davon eine weitere Lebensplanung beeinträchtigt wird, so z. B. bei Hundeangst, Höhenangst, Spritzenangst etc.:

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13  Wirkungen, Anwendungsmöglichkeiten, Grenzbereiche

• Bei Prüfungen dagegen gibt es bei Versagen klar festgelegte Wiederholungsmöglichkeiten. • Falls die Prüfung nach Wiederholungen nicht bestanden wird, ist das gesamte vorhergehende Studium fast bedeutungslos. • Man steht dann vor existenziellen Fragen und Angst vor der Zukunft. • Demnach ist die Angst vor einem Versagen in einer Prüfung besonders hoch einzustufen. • Hier ist die existenzielle Angst behandlungsbedürftig. Es muss erarbeitet werden, welche Alternativen möglich sind, falls die letzte Prüfungsmöglichkeit nicht erfolgreich absolviert würde.

13.3.7.3 Prüfungsangst als Ausdruck von u. a. Zukunftsangst Bei Prüfungsangst steht nicht unbedingt immer die Angst vor dem Nichtbestehen der Prüfung oder vor der Blamage im Vordergrund, sondern verborgen die Angst vor dem, was danach kommen könnte: • Nach mehreren Jahren Verlassen eines gewissen Schutzrahmens an der Uni. • Übergang vom frei gestalteten Studentenleben zur Arbeitswelt mit zeitlichen und inhaltlichen Ansprüchen. • Verlassen eines relativ ungebundenen Twen- und Studentenlebens – „vom freien Cliffhanger und Surfer zum festgebundenen etablierten Arbeitnehmer“. • Übernahme von weitreichender externaler Verantwortung für Arbeit, Produktion und Personal. • Existenzangst, nicht mehr frei zu sein, sich beruflich festlegen zu müssen, sich nun mehr in einer Lebensphase zu befinden in der man sich partnerschaftlich orientiert, Familiengründung plant/erduldet. • Suche nach einer Tätigkeit, die „Spaß macht“, da man unwillig ist, beruflichen Stress und Frust zu ertragen. • Nicht umsonst besteht der Wunsch nach work-life-ballance. So unberechtigt ist dieser ja gar nicht …

13.3.7.4 Prüfungsangst – Lampenfieber, Auftrittsangst Die Angst vor öffentlichen Auftritten als Sportler, Musiker oder Schauspieler ist mit besonderen Merkmalen verbunden, da ihre Angst die vom Akteur verlangte Aufführung stark beeinträchtigen kann. Beispiele: Auftrittsangst

Der Athlet hat Fehlstarts, der Musiker steife Finger oder Handtremor, der Schauspieler verpatzt seinen Text und seine Einsätze. Allen ist gemeinsam, dass sie ein bestimmtes Timing erfüllen müssen (beim Start, bei Musikeinsätzen, Rollenspielen), das sie nicht beeinflussen können. Mit der Angst vor dem Auftritt ist meist die Angst vor Versagen verbunden und auch die Angst vor negativer Kritik, Missfallen, Karriereknick etc. Deshalb ist beim Lampenfieber der Übergang zur Sozialangst zur Prüfungsangst und Existenzangst fließend. ◄

13.5  Erweiterung als vielfach nutzbare Selbstkontrollmethode

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13.3.7.5 Folgerungen zur Indikation der Kurzform Diese vorgenannten tiefgreifenden Verursachungen und Auswirkungen sehr unterschiedlicher Ängste können bei nahezu allen körperlichen oder psychischen Problemen, Symptomen, Problemstellungen ursächlich wirken oder zur Aufrechterhaltung der Problematik beitragen. • Demnach sind Kurzformen wie die hier dargestellte nur für bestimmte Bereiche in der Diagnostik und Therapie konzipiert und erfolgreich anwendbar. • Mit Sicherheit sind sie dann als Bausteine innerhalb eines komplexeren Therapiesystems sehr hilfreich.

13.4 Impulse aus der Psychiatrie Bei Schizophrenieerkrankungen wurde früher häufig eine Kontraindikation von Hypnose angenommen. Wenn sich der Therapeut mit dieser Problematik auskennt und die ihr eigenen Grenzen und Vorsichtsmaßnahmen berücksichtigt, lassen sich mit Hypnose gute Ergebnisse erzielen, so z. B. zur Selbstkontrolle (z. B. Lavoie et al. 1978), sogar bei chronisch paranoiden Schizophrenen (Gafner und Young 1998). Wesentlich ist: Klarheit der Bilder, Strukturierung und Ruhebetonung; Verwirrtechniken und indirekte Techniken sind kontraindiziert (Ebers 1987; Vas 1992). Maurer (1992) berichtet von der Angstbehandlung eines Schizophrenen, der Angst vor halluzinierten schwarzen Löchern hat, in die er fallen könnte. Maurer verwendet verhaltenstherapeutische Selbstkontrollmaßnahmen. Heinz (1994) muss einen epilepsiekranken Patienten wegen seiner Anfälle, die häufig durch Aufregungen ausgelöst werden, sehr oft stationär aufnehmen. In der Therapie erfolgen posthypnotische Aufgaben, bereits die Aufregung durch Entspannung zu reduzieren oder spätestens auf Vorboten der Anfälle mit Entspannung zu reagieren und dadurch Kontrolle über das Auftreten und die Häufigkeit der Anfälle zu gewinnen. Diese beiden Beispiele für Selbstkontrolle können als Impuls gelten, ähnliche psychiatrische Problemstellungen ebenfalls mit der Kurztherapie mit Hypnose zu behandeln.

13.5 Erweiterung als vielfach nutzbare Selbstkontrollmethode Allen vorhergehenden klinischen Beispielen und Anwendungsbereichen ist gemeinsam, dass die vorgestellten Störungen in hohem Maße Selbstkontrollüberzeugung, Selbstkontrolle, Selbstregulation und Selbstwirksamkeit erfordern.

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13  Wirkungen, Anwendungsmöglichkeiten, Grenzbereiche

Somit könnte die für die Selbstkontrolle von Angststörungen erforderliche Therapiemethode auch für folgende Störungen denkbar sein: • Verbesserung der allg. Krankheitseinsicht und Änderung von Lebensweisen. • Einhaltung erforderlicher Diät bei Adipositas zur Gewichtskontrolle und Gesundheitserziehung (Pittler und Ernst 2005). • Störungen der Impulskontrolle. • Bei Lern- und Arbeitsstörungen kognitive Umstrukturierung zum Aufstellen und Einhalten von Arbeitsplänen, Arbeitsmotivation. • Stress- und Arbeitsmanagement • Schlafstörungen, Affektive Störungen • Überstarke Sorgen und Ungeduld alter Menschen • Sport: Trainingsunterstützung bei Versagensängsten, Gewinn von mehr Selbstvertrauen. • Beispiel Diabetes: Gewichtkontrolle und Selbstkontrolle von Insulin produ­ zie­renden Imaginationen (Woods und Kulkowsky 1967), sowie Attributions­ veränderungen zur Übernahme selbstverantwortlichen Handelns (Haisch und Braun 1999) und Compliance (Ratner et al. 1990; Blevis et al. 2020; Delamater und Marrero 2020). Die weiteren Praxisanwendungen werden darüber berichten und entscheiden.

Literatur Blevis L, Gonzales JS, Wagner J (2020) Depression and anxiety in adults with diabetes. In Delamater AM, Marrero AM (Hrsg) Behavioral Diabetes, S 329–352. Springer, New York. Delamater AM, Marrero AM (2020) Behavioral diabetes. Springer, New York Ebers W (1987) Überlegungen zum Einsatz von Hypnose bei Patienten mit psychotischer Symptomatik. Experimentelle und Klinische Hypnose 4(2):159–169 Gafner G, Young C (1998) Hypnosis as an adjunct treatment in chronic paranoid schizophrenia. Contemp Hypnosis 15(4):223–226 Gonzales JS, Tannenbaum ML, Commissariat PV (2018) Psychosocial factors in medication adherence and diabetes self-management. Implications für research and practice. Am Psychol 2016 (71):539-551 Haisch J, Braun S (1999) Suggestion von Selbstverantwortung im Rahmen stationärer und ambulanter Diabetikerschulungen. Experimentelle und Klinische Hypnose 15(2):89–104 Heinz A (1994) Hypnose bei einem Patienten mit szenischen Halluzinationen als Aura. Experimentelle und Klinische Hypnose 10(1):3–82 Kossak H-C (2006) Lernen leicht gemacht. Gut vorbereitet und ohne Prüfungsangst zum Erfolg. Carl-Auer, Heidelberg Kossak H-C (2013) Hypnose. Ein Lehrbuch für Psychotherapeuten und Ärzte, 5. überarb. Aufl., Beltz, Weinheim Lavoie G, Liberman J, Sabourin M, Brisson A (1978) Individual and group assessment of hypnotic responsity in coerced voluteer chronic schizophrenics. In: Frankel FH, Zamansky SH (Hrsg) Hypnosis at its bicentennial: selected papaers. Plenum Press, New York, S 09–124 Maurer J (1992) Anwendung hypnotherapeutischer Techniken bei schizophrenen Patienten. Experimentelle und Klinische Hypnose 8(1):11–21

Literatur

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Pittler MH, Ernst E (2005) Contemporary therapies for reducing body weight: A systematic review. Int J Obes 25(9):1030–1038 Ratner H, Gross L, Casas J, Castells S (1990) A hypnotherapeutic approach to the improvement of compliance in andolescent diabetes. Am J Clin Hypn 32(3):154–159 Vas J (1992) Hypnotherapie bei Psychosen. Quintessenz, München Woods SC, Kulkowsky PJ (1967) Classically conditioned changes of blood glucose level. Psychosom Med 38:201–219

Kautelen, Grenzen, Kontraindikationen, Effektivität

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Inhaltsverzeichnis 14.1 Kautelen – Vorsichtsmaßregeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.1.1 Mögliche Grundprobleme des Patienten beachten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.1.2 Operante Verstärkungen der Angst beachten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.1.3 Vermeidungsverhalten beachten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.1.4 Die Gründe hinter der Angst berücksichtigen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.1.5 Spätere Berührung der Schulter als erneuter Auslöser des Problemverhaltens? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.1.6 Ähnlichkeit von Entspannungsszene und Therapieszene . . . . . . . . . . . . . . . . 14.2 Grenzen der Methode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.3 Kontraindikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.4 Effektivität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.4.1 Umfang und Dauer der Intervention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.4.2 Stabilität der Verhaltensänderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.4.3 Therapeutische Wirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.4.3.1 Schneller Gewinn an Autonomie: generell und bezüglich Beruf, Leben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.4.3.2 Schnelle Veränderung von Bezugssystemen, Netzwerken etc. . . . . 14.4.3.3 Zeitökonomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.4.3.4 Finanzökonomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.4.3.5 Dauerhaftigkeit des Therapieerfolges – Löschungsresistenz – Katamnesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.4.3.6 Generalisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.4.4 Auswirkungen in der psychotherapeutischen Praxis und Kostenersparnis . . . 14.5 Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Letztlich soll auf die Anwendungsprobleme der Hypnose und der VT hingewiesen werden, die evtl. besonders durch eine Kurzform bedingt sein können. Das sind die jeweiligen Vorsichtsmaßnahmen (Kautelen), Grenzen und Kontraindikationen.

© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer-Verlag GmbH, DE, ein Teil von Springer Nature 2020 H.-C. Kossak, Kognitiv-behaviorale Psychotherapie von Ängsten, Psychotherapie: Praxis, https://doi.org/10.1007/978-3-662-62323-7_14

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14  Kautelen, Grenzen, Kontraindikationen, Effektivität

Da diese von der VT und Hypnose hinreichend bekannt sind, werden sie nachfolgend nur stichwortartig aufgeführt. Abschließend sei noch die Effektivität der Kurztherapie aufgezeigt, verbunden mit einem Ausblick auf mögliche Weiterentwicklungen.

14.1 Kautelen – Vorsichtsmaßregeln 14.1.1 Mögliche Grundprobleme des Patienten beachten • Multiple Ängste können sich gegenseitig bedingen; sie sollten deshalb jeweils einzeln bearbeitet werden. • Subjektive Angstauslöser beachten! Nur dann ist eine erfolgreiche Behandlung möglich. • Deutliche Differenzierung von Stimulus für Problem und Stimulus für Entspannung vornehmen. Nur so können die mentalen und physiologischen Unterschiede bemerkt und erlernt werden. • Zusätzlich zur Emotion „Angst“ auch die Gedanken, Imaginationen, Bewertungen, Motivationen, Kognitionen in ihrer Systemwirkung beachten und entsprechend berücksichtigen (siehe Kap. 4). • Je nach Vorproblematik kann große körperliche Nähe des Therapeuten unangenehm sein – ggf. sogar kontraindiziert. • Richtige individuell wirksame Entspannungsszenen wählen.

14.1.2 Operante Verstärkungen der Angst beachten • Operante Aufrechterhaltung der Angst durch Krankheitsgewinn beachten. • Die im Sozialsystem das Problem verstärkenden Personen in die Therapie einbeziehen. • Falls Zuwendungsdefizite etc. bestehen, kann durch die Therapie das Angstsymptom als die Ursache der Zuwendung entfallen. Dadurch entsteht zusätzlich ein Zuwendungsverlust. Entsprechend muss der Patient aus anderen Quellen Zuwendung erhalten, die das positive Problemlösungsverhalten verstärken. Dies erfordert eine Kosten-Nutzen-Analyse bezüglich der aufzugebenden und der zu gewinnenden Zuwendungen etc. • Operant aufrechterhaltene Angst sollte nur mit Vorbehalten und in relevanten Abschnitten mit der Methode behandelt werden. • Bei entsprechenden Zuwendungsdefiziten kann die Zuwendung des Therapeuten ggf. die Angst des Patienten deutlich vergrößern, da er durch eine Heilung diese Zuwendungen verlieren könnte.

14.1  Kautelen – Vorsichtsmaßregeln

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14.1.3 Vermeidungsverhalten beachten • Kognitives Vermeidungsverhalten beachten wie z. B.: ablenken, polemisieren. Deshalb z. B. Diskutieren besonders in Hypnose nicht zulassen. • Eskalationen von Angst verhindern durch Führung und ggf. durch Fraktionierung, d. h. Unterbrechung der Trance und anschließend wieder damit weitermachen. • Immer Angst aushalten lassen, bevor eine Imagination evtl. abgebrochen wird! Sonst erfolgt negative Verstärkung, d. h. Verschlimmerung. • Falls der Sprachkontakt (Rapport) während der Hypnose nicht aufrechterhalten wird, kann der Patient nun Vermeidung mit seiner Problemkonfrontation bewirken, indem er im günstigen Fall in andere, harmlose Imaginationen ausweicht.

14.1.4 Die Gründe hinter der Angst berücksichtigen • Inwieweit ist die Angst ein Symptom für die Vermeidung einer Lebensplanung, Angst vor Verantwortung, der Zukunft mit ihren Anforderungen? • Psychodynamische/tiefenpsychologisch erklärbare Ursachen bedenken wie frühkindliche Traumatisierungen, Vaterprobleme (s. Fall 24). • Bei generalisierten Angststörungen und Depressionen kann starke Entspannung zu Grübeleien und zur intensiven Beschäftigung mit negativen Gedanken führen (Kim und Newman 2019).

14.1.5 Spätere Berührung der Schulter als erneuter Auslöser des Problemverhaltens? Ganz selten wird von Seminarteilnehmer nachgefragt, ob die Berührung der Schulter (Phase 6) nach Abschluss der Therapie weiterhin ein Auslösestimulus für das Auftreten des Problemverhaltens (Angst) bleiben wird. Damit ist gemeint, ob die zufällige Schulterberührung später plötzlich wieder die Angst auslösen könnte. Das ist in der Praxis noch nie aufgetreten. Durch die Gegenkonditionierung (Umschalten auf die positive, entspannende Imagination, s. Abschn. 8.3.2), den Abbau des Vermeidungsverhaltens und die folgenden positiven Veränderungserfahrungen (Phase 8) ist auch die ehemals auslösende Wirkung der Schulterberührung und der Folgeszene (= Problemszene) vollkommen abgebaut. Der Stimulus hat seine Wirkung verloren und ist nun eine neutrale Wahrnehmung.

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14  Kautelen, Grenzen, Kontraindikationen, Effektivität

14.1.6 Ähnlichkeit von Entspannungsszene und Therapieszene Falls sich die Therapieszene und die Entspannungsszene zu ähnlich sind, dann kann keine therapeutische Wirkung bzw. Entspannung erreicht werden. Eine Differenzierung zwischen Stimulus für Entspannung und Stimulus für Anspannung ist durch deren Ähnlichkeit erschwert (s. o.). Beispiel: Ähnliche Stimuli verhindern Therapiewirkung

Aus einem Seminar bei der Partnerübung: Der Patient hat Angst vor öffentlichen Reden; als Entspannungsszene wurde gewählt, dass der Patient eine humorige Rede im Familienkreis hält. Hierbei kann keine emotionale Differenzierung vorgenommen oder entspannt werden, da in beiden Szenen eine Rede enthalten ist, also sehr ähnliche Stimuli vorliegen. Die Entspannungsszene „Grüne Wiese“ etc. hat dafür eine wesentlich bessere Entspannungswirkung. ◄

14.2 Grenzen der Methode Bei der vorgestellten Methode gelten all jene Grenzen, die allgemein in der Psychotherapie und Hypnosetherapie gültig sind. • Unklare Genese der Problematik – erfordert weitere Explorationen. • Fachkompetenz des Therapeuten (s. o.). • Kommunikationsfähigkeit des Patienten, z.  B. bei kognitiven, sozialen, psychischen Defiziten. • Bei Kontrollverlustängsten z. B. bei Psychosen oder Borderlineproblematik sollte abgewogen werden, ob Einzelelemente der Therapie sinnvoll einsetzbar sind. • Überstarke Selbstkontrolle, bis hin zur Angst vor Kontrollverlust, Realitätsverlust in Hypnose. • Passivität des Patienten; er will Lösungen bekommen, ohne selbst an seinem Problem aktiv mitzuarbeiten. • Realitätsflucht (Drogen, Sucht, häufige Meditation) kann durch die Entspannung in Hypnose ggf. vergrößert werden. • Tagträume können zwanghaft werden, um aus der äußeren Welt von Schmerzen oder Stress zu entfliehen oder um menschliche Interaktionen zu vermeiden (Bigelsen et al. 2016). • Angst vor Hypnose allgemein oder speziell, dann etwas ungewollt auszuplaudern etc. – erfordert intensive Aufklärung und Aufbau von Vertrauen. • Unfreiwilligkeit des Patienten, sich einer Behandlung bzw. Hypnose zu unterziehen.

14.4 Effektivität

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• Geringe Hypnotisierbarkeit: dann Methoden nutzen, die allein mit Imagination arbeiten. Sie könnten in ähnlicher Weise erfolgreich sein. • Geringe Imaginationsfähigkeit kann evtl. ein Hindernis für eine HypnoseAnwendung sein. Ggf. hilft hier ein Imaginationstraining; sonst sollte dann zu einer anderen Therapiemethode gewechselt werden (s. Abschn. 2.5.2.2.2).

14.3 Kontraindikationen Hier gelten alle Kontraindikationen, die allgemein für die Anwendung der Hypnose und der VT zutreffen. Besonders zu beachten sind: • Starkes Vermeidungsverhalten • Ablehnung von Therapie oder Hypnose • Psychodynamischer bzw. sehr komplexer Hintergrund der Problematik (s. o.) kann die Methode überfordern. Ggf. muss die Gesamtproblematik hierfür untergliedert werden; ggf. ist die Methode in Teilbereichen der Problematik einsetzbar.

14.4 Effektivität 14.4.1 Umfang und Dauer der Intervention Bisherige Methoden wie Reizkonfrontation oder Desensibilisierung real oder in sensu erfordern viel Vorbereitungs- und Durchführungszeit. Meist sind dagegen in der Kurztherapie-Sitzung insgesamt nur wenige Szenenwechsel erforderlich, inkl. der vom Patienten selbst gesteuerten (Phasen 2–12). Der Zeitaufwand für die gesamte Intervention (ohne Exploration) beträgt insgesamt 25 bis 40 min. • Die Methode ist meist bereits nach einer Sitzung dauerhaft wirksam. • Selten, meist nur bei sehr schweren Angstproblemen, sind mehrere Sitzungen erforderlich.

14.4.2 Stabilität der Verhaltensänderungen • Katamnesezeiträume von bis zu 45 Jahren liegen vor, in denen der Therapieerfolg stabil blieb. Rückfälle sind nicht bekannt. • Die Verhaltensänderungen sind demnach ein fester Bestandteil im Alltagsleben der Betroffenen, sind also löschungsresistent. • Es sind keine Anzeichen von Symptomverschiebung festzustellen, obwohl teilweise massive kognitive etc. Umstrukturierungen erfolgten.

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14  Kautelen, Grenzen, Kontraindikationen, Effektivität

14.4.3 Therapeutische Wirkungen 14.4.3.1 Schneller Gewinn an Autonomie: generell und bezüglich Beruf, Leben Der Patient ist oft durch seine Ängste so beeinträchtigt, dass er im Beruf oder Privatleben behindert sein kann. Dadurch können für ihn negative Konsequenzen entstehen. Durch die Kurztherapie findet er schneller und verlustfrei seine angemessenen beruflichen und privaten Lebensformen wieder. 14.4.3.2 Schnelle Veränderung von Bezugssystemen, Netzwerken etc. Die spontanen positiven Erlebensweisen des Patienten noch während der Hypnose und auch danach zeigen deutlich an, dass hier nicht nur ein Symptom verändert wurde, sondern ein komplexes Bezugssystem von Kognitionen, Attributionen etc. 14.4.3.3 Zeitökonomie Die Therapiekürze bedeutet ein hohes Maß an Zeitökonomie. Dies beinhaltet für den Patienten eine möglichst schnelle Behandlung, verbunden mit einem baldigen Gewinn an Autonomie und Wohlbefinden. Gerade bei termingebundenen Anforderungen wie bei Prüfungsängsten, Vorstellungsgesprächen oder öffentlichen Auftritten kann schnell eine Lösung erfolgen. Letztlich bedeutet dies für die Therapiepraxis eine Reduktion von Wartezeiten. 14.4.3.4 Finanzökonomie Wie von der Kassenärztlichen Vereinigung angesagt, sollen Kurztherapien mit einen Honorarbonus vergütet werden (s. u.). 14.4.3.5 Dauerhaftigkeit des Therapieerfolges – Löschungsresistenz – Katamnesen Die Katamnesen zeigen sehr deutlich, dass durch die Therapie eine nachhaltige und stabile Veränderung der Bezugssysteme erfolgte. Sie ist in ihren Wirkungen löschungsresistent gegenüber bisherigen angstauslösenden Situationen bzw. Reizen. Die einfachen Experimente aus den Anfängen der Hypnose und Verhaltenstherapie bewiesen schon damals, dass die Veränderungen in Hypnose stabil bleiben (s. Kap. 13, Fall 25). 14.4.3.6 Generalisierung Die Nachbefragung der Patienten macht sehr deutlich, dass durch die Kurztherapie nicht nur Angst beseitigt und das mit ihr verbundene Bezugssystem verändert wurde. Meist ist eine Generalisierung des selbstsicheren und problemlösenden Verhaltens festzustellen, das auch in anderen Problemsituationen – auch zukünftigen – erfolgreich eingesetzt wird.

Literatur

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14.4.4 Auswirkungen in der psychotherapeutischen Praxis und Kostenersparnis Insgesamt sprechen die umfangreichen erfolgreichen Fallerfahrungen von einer hohen Anwendbarkeit in der psychotherapeutischen Praxis als Kurztherapie. Hier können dadurch Wartezeiten verkürzt werden – abgesehen von der schnellen Hilfe bei häufig großem Leidensdruck. Die Krankenkassen drängen auf Kostenersparnis und möglichst kurze Wartezeiten. Sie begünstigen Kurztherapien in besonderem Maße, indem Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten mit reduzierten Behandlungsstunden einen Zuschlag von 15 % auf die ersten zehn Sitzungen einer Kurztherapie gewähren (SGB V, § 87 Absatz 2c; PTK-Newsletter der Psychotherapeutenkammer NRW 1/2020). Hinzu kommt, dass ab 1. April 2020 der einheitliche Bewertungsmaßstab (EBM) der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) in Bezug auf Autogenes Training, Progressive Muskelrelaxation und Hypnose um mehr als 40 % höher bepunktet und damit aufgewertet wurde.

14.5 Ausblick Die Effektivität der Methode wurde bislang an weit über 60 Klienten direkt erfolgreich festgestellt. Zusätzlich kommt ungefähr die gleiche Zahl von Anwendern, die als Fachkolleginnen und Fachkollegen Seminarteilnehmer im In- und Ausland waren, diese Methode schnell erlernen und erfolgreich anwenden. Die große und stabile Erfolgsrate sollte noch statistisch überprüft werden, um die Methode als Standardverfahren zu deklarieren. Es ist anzunehmen, dass die Methode außer bei Angststörungen erfolgreich ist, so z. B. bei Versuchungssituationen (Essstörungen, Diät für Diabetiker, Rauchen), sondern auch zur Intervention und Selbstkontrolle von Schmerzanfällen, Aggressionen, epileptischen Anfällen. Bestimmt sind auch bei Lern- und Arbeitsstörungen und „einfachen“ Prüfungsängsten entsprechende Modifikationen dieser Kurzform wirkungsvoll.

Literatur Bigelsen J, Lehrfeld JM, Jopp DS, Somer E (2016) Maladaptive daydreaming: Evidence for an under-researched mental health disorder. Conscious Cogn 42:254–266 Kim H, Newman MG (2019) The paradox of relaxation training: Relaxation induced anxiety and mediation effects of contrast avoidance in generalized anxiety disorder and major depressive disorder. J Affect Disord 259:271–278 Newsletter der Psychotherapeutenkammer NRW, 1/2020

Weiterführende oder ergänzende Literatur des Autors zum Thema Hypnose in Kombination mit kognitiv-behavioraler Therapie

Die Literatur kann evtl. Anregung geben, sich mehr mit Hypnose zu befassen, evtl. sogar mit der Kombination von kognitiv-behavioraler Therapie und Hypnose. Kossak H-C (1985) VT – Verhaltenstherapie unter Hypnose. Selbstkontrolltraining mit dem „hypnotischen Begleiter“. Experimentelle und klinische Hypnose 1(2):113–142 Kossak H-C (1987) Verhaltenstherapie nächtlicher Asthmaanfälle. Kognitive Umstrukturierung unter Hypnose. Hyp Kognit 4:41–57 Kossak H-C (1990a) VT – Behavior therapy and hypnosis: Methods of self-management. Kongressvortrag und Seminar. 5th European Congress of Hypnosis in Psychotherapy and Psychosomatic Medicine. Konstanz Kossak H-C (1990b) Verhaltenstherapeutische Selbstkontrolle unter Hypnose. Verhaltensther & Psychosoziale Praxis 2(90):199–224 Kossak H-C (1991a) Hypnose. Modetrend oder berechtigte Renaissance. Psychomed 3(3):150–155 Kossak H-C (1991b) Fallbeschreibung: Brechdurchfälle, Depressionen und Examensprobleme. In: Peter P, Kraiker C, Revenstorf D (Hrsg) Hypnose und Verhaltenstherapie. Hans, Bern, S 81–92 Kossak H-C (1991c) Hypnose-Behandlung bei Colitis ulcerosa – Ein Fallbericht. Psychomed 3(3):170–171 Kossak H-C (1992a) Verhaltenstherapeutische Selbstkontrolle durch Hypnose bei schulischen Lernund Leistungsstörungen – Fallbericht. Experimentelle und Klinische Hypnose 8(1):23–42 Kossak H-C (1992b) Behavior therapy and hypnosis: methods of selfmanagement. In: Bongarzt W, Bongartz B, Gheorghiu V (Hrsg) Hypnosis: 175 years after Mesmer. Recent developments in theory and application. Proceedings of the 5th European Congress of Hypnosis, S 189–199 Kossak, H-C (1994) Selbstmanagement-Therapie unter Hypnose. Sexueller Missbrauch oder stellvertretende Ängste. Fallbericht. Experimentelle und klinische Hypnose 10(1), 1–22 Kossak H-C (2001) Hypnose in der Kinder- und Jugendlichenverhaltenstherapie. In: Borg-Laufs M (Hrsg), Lehrbuch der Verhaltenstherapie mit Kindern und Jugendlichen. Dgvt, Tübingen, S 727–767 Kossak H-C (2008) Ängste im schulischen Lern- und Leistungsprozess und bei Prüfungen. Ganzheitliche Diagnostik und Therapie – Impulse aus der Praxis für die Praxis. Zeit-schrift für integrative Lerntherapie, 8(2), Beitrag auf CD. Zeitschrift für Integrative Lerntherapie, Heft 2. auf CD. Kossak H-C (2009a) Aversive Handlung endlich beginnen. In: Fliegel S, Kämmerer A (Hrsg) Psychotherapeutische Schätze II. dgvt, Tübingen, S 27

© Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch SpringerVerlag GmbH, DE, ein Teil von Springer Nature 2020 H.-C. Kossak, Kognitiv-behaviorale Psychotherapie von Ängsten, Psychotherapie: Praxis, https://doi.org/10.1007/978-3-662-62323-7

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Weiterführende oder ergänzende Literatur des Autors zum Thema …

Kossak H-C (2009b) Erfolg vorwegnehmen und dann endlich handeln. In: Fliegel S, Kämmerer A (Hrsg) Psychotherapeutische Schätze II. dgvt, Tübingen, S 63 Kossak H-C (2009c) Roter Ballon. In: Fliegel S, Kämmerer A (Hrsg) Psychotherapeutische Schätze II. dgvt, Tübingen, S 157 Kossak H-C (2009d) Weggabelung zur Entscheidung. In: Fliegel S, Kämmerer A (Hrsg) Psychotherapeutische Schätze II. dgvt, Tübingen, S 200–202 Kossak H-C (2011) Hypnose. In: Linden M, Hautzinger M (Hrsg) Verhaltenstherapiemanual, 7. Aufl. Springer, Berlin, S 175–181 Kossak H-C (2014) KVT und Hypnose: Die Rekonstruktion, Konstruktion und Bearbeitung problemrelevanter Kognitionen in Hypnose. In: Stavemann HH (Hrsg) KVT-Praxis. Strategien und Leitfäden für die Integrative KVT, 3. Aufl. Beltz, Weinheim, S 648–673 Kossak H-C (2015) Patienteninformationen zur Hypnose. In: Stavemann HH (Hrsg) TherapieTools. Integrative KBT. Beltz, Weinheim, S 548 Kossak H-C (2020) Hypnose. In: Petermann F, Vaitl D (Hrsg) Entspannungsverfahren, 5. Aufl. BeltzPVU, S 99–115

Stichwortverzeichnis

A Abbau des Verhaltens, 113 Absorptionsfähigkeit, 23 Abstraktion, Selektive, 88 adjunct, 17 Aggression, 61, 76, 228, 232 altered state of consciousness, 18 Am Strand, 150 Amygdala, 43, 71–77, 97–99, 131 Anforderung an den Hypnose-Therapeuten, 30 Angst Aufrechterhaltung, 89 Auswirkungen, 68 Drei-Komponenten-Modell, 57 Funktion, 56 nach Operation, 196 Verarbeitungsmöglichkeiten, 63 vor Operation, 193 Wirkfaktoren, 60 Wirkungen, 75 Angstbehandlung, 77 Angstbewertung, Skalierung, 244 Angstkomponente, 57, 65 Angstkonditionierung, 97 Angstkonfrontation, 89, 111 Angstreaktion, archaische, 75 Angststörung, Klassifikation, 56 Annahme, irrationale, 87 Anwendung der Methode, 137 Attribution, Angstfaktor, 62 Attributionen, 60 Aufbau von Verhalten, 114 Aufgabe, posthypnotische, 16, 50, 52, 120, 152, 160–162, 179, 185, 188, 190, 191, 193, 195, 196, 201, 243, 249

Aufmerksamkeit, 30, 132 Augenfixationsmethode, 147 Auslösereiz, 152 Autobahnhypnose, 16 Autobiografie, 128 Autogenes Training, 16 Autohypnose, 16, 159 B Bagatellisieren, 63 Beeinflussung, 46 Beendigung der Hypnose, 162 behavior rehearsal, 120 Beinspastik, 129 Beobachtungslernen s. Imitationslernen Bernheim, H., 10 Bestimmungselement der Hypnose, 18 Bewältigungsstrategie, 140, 160 Bewusstseinszustand, veränderter, 15, 18 Blockade, kognitive, 74, 76 Braid, J., 10 Breuer, J., 10 C chaining, 114 Charcot, J.-M., 10 Cortex dorsolateraler, 48 parietaler, 48 präfrontaler, 48, 71–76, 98, 99 covert behavior, 58, 86

© Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch SpringerVerlag GmbH, DE, ein Teil von Springer Nature 2020 H.-C. Kossak, Kognitiv-behaviorale Psychotherapie von Ängsten, Psychotherapie: Praxis, https://doi.org/10.1007/978-3-662-62323-7

265

266 D Denken, dichotomes, 88 Desensibilisierung, 112, 127 Dezentrierung, 121 Diabetes, 252 Diagnoseerstellung, 142 Diät, 252 Differentialdiagnosen, Angst, 56 Differenzierungslernen, 146, 153 Distanzierung, Dezentrierung, 119 Distraktion, 154 double-bind, 22, 156 double-bind-Suggestion, 20 Dyskognition, 94, 114 E Effektivität, 2, 3, 17, 68, 132, 135, 241, 259, 261 Eigenattribution, 88 Einstellungstransfer, 132 Einüben von Handlungen, 120 Eklektizismus, 104 Emotion, 59 Angstfaktor, 60 Emotionsregulation, 99 Empathie, 29, 80 Entspannung, 12, 13, 15, 16, 20, 21, 25, 27, 28, 35, 42–44, 46, 50, 67, 77, 111, 112, 117, 126, 127, 131, 140, 146, 148–153, 155, 156, 161, 179, 181, 184, 186–188, 192, 194–197, 227, 231, 245, 251, 256–258 Entspannungsverfahren, Hypnose, 13 Epidemiologie, Angst, 56 Epilepsie, 138, 251 Erwartung an die Hypnose, 30 Evaluation, 121 Examensangst, 225 Exploration, 21, 26, 33, 50, 63, 64, 129, 139–141, 149, 168, 178–180, 183, 189, 198, 202, 204, 207, 229, 232, 235, 242, 243, 259 Exposition, 111 F Fähigkeit, imaginative, 23 Fallseminar, 165 Fantasie, zielgerichtete, 23 Fehler, Kognitive, 88 Finanzökonomie, 260 Fluchtbereitschaft, 61

Stichwortverzeichnis Fluchtreaktion, 72, 76 Flugangst, 66, 183, 186 Fluidum, 9 Formulierung, indirekte, 32 Fremdattribution, 88 Freud, S., 10 G Gebotssuggestion, 11 Gedanke automatischer, 59 irrationale, 58 negativer automatischer, 59 Gedankenunterdrückung, 20 Gegenkonditionierung, 66, 67, 73, 86, 112, 140, 152, 154–156, 179, 185, 187, 230, 231, 257 Definition, 112 Gelenkberührung, 152 Gemeinsamkeiten-Hypnose-VT, 117 Gemeinsamkeiten-kognitive VT und Hypnose, 131 Generalisierung, 64, 69, 73, 94, 99, 106, 126, 180, 198, 234, 260 Angst, 68 Genese von Störungen, 80 Geschichte der Hypnose, 8 Gesundheitserziehung, 252 Gesundheitssystem, 1 Glaubwürdigkeit, 47 Grenzbereich, 244 Grenze der Methode, 258 Grüne Wiese, 149 H Halluzinationen, 44 Handgelenkberührung, 234 Handlevitationsmethode, 148 Hausaufgabe, therapeutische, 121, 160, 163, 188, 249 Heroisierung, 64 Heterohypnose, 16 Hippocampus, 73 Hundeangst, 65, 178, 180 Hypnose Abgrenzungen, 15 Ausbildung, 12 Definition, 12, 13 Forschungsergebnisse, 12 fraktionierte, 16 Hypnose-Form, 16

Stichwortverzeichnis Hypnose-Forschung, 11, 126 Hypnose-Induktion, 12 Hypnose-Method, 13, 119–121, 138, 143 Hypnosemodell, kognitiv-behaviorales, 18 Hypnosephänomen, 13, 27 Hypnose-Therapeut, 29 Hypnotherapie, 13, 17 Hypnotisierbarkeit, 22, 29, 43 Faktoren, 22 Persönlichkeit, 24 Therapieerfolge, 24 Hypothalamus, 73, 76, 99 I ICD-10, 3, 56, 59, 65, 138, 140, 141, 166, 249 Imagination, 18, 24, 25, 30, 32, 34, 59, 63, 67, 68, 86, 104, 106, 116, 127–129, 131, 153, 252, 256, 257 Imaginationsproblem, 242 Imitationslernen, 85, 98, 114 Impulskontrolle, 252 Indikation, 138 Verhaltenstherapie, 106 Induktion, 5, 14, 22, 25–27, 29, 30, 35, 37, 41, 42, 44, 50, 126, 146–148, 163, 179, 181, 184, 187, 190, 192, 194, 200, 227, 231, 234, 242 K Katamnesezeitraum, 168, 259 Kausaltherapie, 17, 127 Kautelen Vorsichtsmaßnahmen, 256 Klassische Konditionierung, 81, 99, 111 Kognitione Angstfaktor, 62 Kurzdefinition, 58 Kombination-Hypnose-VT, 2, 3, 18, 79, 101, 111, 117, 126, 128, 130, 131, 138, 143, 145, 146 Kommunikation in Hypnose, 31 Komorbidität, Angst, 57 Konditionieren, 97 Kontingenzmanagement, 114 Kontraindikationen, 259 Körpersignale, 146, 151, 153, 154, 157 Kostenersparnis, 261 Krankenkasse, 3, 261 Kriminalhandlung in Hypnose, 47 Kritikfähigkeit, 30, 48

267 Kurztherapie, 3, 65, 66, 79, 101, 109, 111, 133, 137, 138, 146, 165, 168, 178, 181, 183, 185, 189, 197, 202, 205, 207, 225, 227, 228, 235, 236, 241, 245–247, 251, 256, 259–261 L Lernen, 77 am Modell, 85, 98, 114 durch Beobachtung, 85 operantes, 82, 98, 112 locus of control, 108 Löschen, 112 M Magnetismus, 9, 10 Mesmer, F.A., 9 Meta-Analyse, 18 Metapher, 116, 131 Methode, kognitive, 114 Misserfolg im Schulbereich, 69 Modell Eigenschaften, 86 kognitives, 88 Modelllernen s. Imitationslernen Modifikation der Methode, 239 Motivation, 132 Angstfaktor, 62 Motorik, Angstfaktor, 61 Multitasking, 31 N Nachbesprechung, 163 Naturvölker, 9 Nebenwirkungen, 240 Negation als Suggestion, 20 Neuropsychologie Angst, 71 Hypnose, 41 Lerntheorien, 97 O Operante Verstärkung, 82 overt behavior, 86 P Panikattacke, 198, 202

268 Paradigma, lenrtheoretisches, 79 Patient-Therapeut-Beziehung, 17 Pawlow, I.P., 10, 11, 81, 97, 125, 126 peer group, 86 Personalisierung, 88 Perspektivenwechsel, 132 Physiologie, Angstfaktor, 60 Planung, Therapie, 106 Plastizität, synaptische, 74 positive Verstärkung, 157 posthypnotischer Auftrag, 161 Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS), 169 Priming, 116, 183 Prüfungsangst, 67, 235, 247–249 Vorsicht, 246 Punktfixationsmethode, 147 R Rapport, 32 Raucherentwöhnung, 245 Reaktionsfähigkeit, 30 Realität, 48 in Hypnose, 47 Reflex, bedingter, 81 Reframing, 87, 89, 115, 132 REM-Phasen, 15 response prevention, 111, 154 Ressource, 17, 32, 62, 106, 119, 132, 141, 142 Romantik, 10 Ruheszene, 13, 20, 22, 26, 27, 29, 35, 37, 43, 44, 49, 50, 121, 127, 146, 148–153, 155, 162, 179, 181, 184, 187, 190, 192–194, 200, 227, 231, 234, 242, 243 Funktion, 27 S Schemata, 58 Schizophrenie, 56, 138, 251 Schlaf, 15 seeding, 116 Selbstattribution, 35, 109 Selbstbeobachtung, 118, 119, 121, 122, 132 Selbstbewertung, 119 Selbsthypnose = Autohypnose, 16 Selbstinstruktion, 120 Selbstinstruktionstraining, 88 Selbstkontrolle, 16, 51, 77, 89, 119, 152, 159–161, 173, 175, 179, 181, 187–189, 197, 227–230, 232, 245, 251, 252, 258, 261

Stichwortverzeichnis Selbstkontrollmethode, 251 Selbstkontrollüberzeugung, 101, 108–110, 118, 251 Selbstmanagement, 89 Selbstregulation, 88, 89, 94, 106, 159, 194, 251 Selbstverstärkung, 119 Selbstwirksamkeit, 35, 51, 68, 109, 115, 118, 132, 146, 154, 157, 159, 160, 179, 184, 187, 189, 206, 245, 251 Selbstwirksamkeitserwartung, 109, 111, 115 self-efficacy, 109 shaping, 114 Simulation, 46 Sitzanordnung, 139 Sokratisches Gespräch, 87, 237 SORKC, 105 Spinnenangst, 189 Spontanhypnose, 16 Sprach-Kommunikation in Hypnose, 34 Steuer- und Filtersystem, 45 Stil, kognitiver, 23 Stimulusveränderung, 112 Strategien des Individuums, 63 Studienfragen, 135, 166, 178, 180, 182, 184–186, 189, 192, 194, 196, 199, 201, 202, 204, 205, 228, 229, 233, 235 Suggestion, 19, 25, 26, 32, 34, 37, 42, 45, 49, 51, 130, 149, 152, 154, 156, 161, 162, 169, 179, 189, 193, 194, 201, 231, 234 Formulierung, 21 indirekte, 17 ohne Hypnose, 20 zielorientierte, 21 Sympathicusaktivierung, 60 Symptomtherapie, 17 Synapsenübertragung, 97 System, neurophysiologisches, 44 T Thalamus, 71–73, 76 Therapeut Anforderungen, 138 Aufgaben, 122 Therapeutenvariable, 29 Therapeut-Patient-Beziehung, 8, 17, 29, 31, 32 Therapie kognitiv-behaviorale, 2, 3, 87 kognitive, 88 Therapieplanung, 60, 143 Therapieziel, 101, 106, 107, 122, 195, 226 Tiefe der Hypnose, 28

Stichwortverzeichnis Todesangst, 115 Top-Down-Wirkung, 45 Totstellen, 76 Totstellreflex, 61 Trauma, 186 U Überallmethode, 146, 151, 152, 158, 161, 163, 179, 181, 184, 185, 187–190, 193, 195, 196, 227, 228, 245 Übergeneralisierung, 88 Umschalten, 155, 156, 158, 193, 194, 226, 227, 243, 257 Umstrukturierung, kognitive, 132, 188 Unterwerfung, 76 V VAKOG, 25, 27, 35, 36, 45, 50, 64, 131, 189, 242 Veränderung, positive, 154, 156, 157 Verbotssuggestion, 11 Verdrängung, 63 Vergleich von Hypnose, 37 Verhalten in Hypnose, 13, 27 verdecktes, 58 Verhaltensanalyse funktionale, 105, 127 Verhaltensforschung, vergleichende, 75 Verhaltenslücke, 204 Verhaltenstherapie Definition, 104 kognitive, 2, 3, 57

269 und Hypnose, 127 Vermeidungsverhalten, 34, 61, 63, 65, 67, 69, 71, 90, 91, 93, 97, 111, 154, 178, 181, 184, 247, 257, 259 Verneinung, 20 Verstärkung negative, 34, 90, 230, 257 operante, 91, 92, 99, 256 Sozialsystem, 93 Verzerrung, kognitive, 59 Videorecordermethode, 121 Vorbereitung der Sitzung, 139 Vorsichtsmaßnahme, 140 W Wahrheitskonzept, 46 Wahrnehmungsbeeinflussung, 48 Waschzwang, 33 Wende, kognitive, 128 Wiederholungsschleife, 158 Willensbeeinflussung, 48 Willensfreiheit, 47 Wirklichkeit, 49 Wirksamkeit der Hypnose, 19 Wirkung der Kurztherapie, 240 Z Zahnarztangst, 99, 191 Zeitökonomie, 44, 143, 241, 260 Ziel der Behandlung, 109 Zielklärung, 120 Zusatzmethode Hypnose, 17