König Rudolf I. und der Aufstieg des Hauses Habsburg im Mittelalter 3534271254, 9783534271252

Mit der Wahl Rudolfs zum römisch-deutschen König 1273 begann die große Geschichte der Habsburger. Als erster König seine

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German Pages 512 [527] Year 2019

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Titel
Impressum
Inhalt
Zum Geleit: Das Haus Habsburg und der
Kaiserdom zu Speyer
König Rudolf I. und der Aufstieg des Hauses Habsburg im Mittelalter. Zur Einführung
Rudolf von Habsburg. Geschichten vom Regieren im Reich und vom Sterben in Speyer
Die Erneuerung der Königsgewalt im Reich
Ehre und Wiederherstellung des Reiches: Neue Instrumente der Königspolitik unter Rudolf von Habsburg
Herrschaft gestalten. Die Anfänge der Habsburger
daz Riche im Besitz der Habsburger? Königtum und Reichskleinodien unter Rudolf, Albrecht und Friedrich (1273–1324)
Herrschaftsräume und Aufstieg der Habsburger zur europäischen Dynastie
Die Habsburger und Österreich (13. bis 15. Jahrhundert)
Der habsburgische Herrschaftsraum am Oberrhein (vorderösterreichische Lande) und die Eidgenossenschaft
Heirat als politisches Instrument. Die habsburgischen Ehen im 13. und 14. Jahrhundert
Die habsburgischen Universitätsgründungen im Spätmittelalter
Skulptur und Grablege im Dom zu Speyer
Das Stirnrunzeln des Königs. Rudolfs von Habsburgvermeintliches Grabbildnis im Speyerer Dom als interpretatorische Herausforderung
Der Dom zu Speyer als Memorialort des Reiches um 1500. Noch einmal zum unvollendeten Kaiserdenkmal Maximilians I. für den Speyrer Dom
Speyer, das Reich und die Habsburger
Wie es einem König gebührt? Die Beisetzung Rudolfs I. in Speyer in der Tradition königlicher Grablegen des 13./14. Jahrhunderts
Königliche Klienten – die Speyerer Kirche in der Zeit Rudolfs von Habsburg
König Rudolf von Habsburg und die Stadt Speyer
Der Speyerer Dom und seine Patrone im Mittelalter
Auferstehung der mittelalterlichen Herrscher? Die Habsburger im Museum
Habsburg auf dem Weg zur Weltmacht
Das habsburgische Kaisertum im Spätmittelalter. Erfolg im zweiten Versuch
Ostmitteleuropa als politische Region: Österreich, Ungarn und Böhmen im 15. Jahrhundert
Wege des Hauses Habsburg in den Westen Europas 1477 bis 1519
Habsburger und Osmanen bis zum Ende derZeit Maximilians I. († 1519)
Plus ultra? Von Kaiser Karl V. zu König Rudolf I. von Habsburg. Habsburgs Aufbrüche in die Welt, das Scheitern imperialer Weltherrschaft Kaiser Karls V. und die Zeichen dynastischer Erinnerungsbehauptung bis zu Kaiser Franz Joseph I. von Österreich am erneuerten Dom zu Speyer
Stammtafel: Die mittelalterlichen Habsburger (Auswahl)
Die Autorinnen und Autoren
Abbildungsverzeichnis
Namenregister
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König Rudolf I. und der Aufstieg des Hauses Habsburg im Mittelalter
 3534271254, 9783534271252

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Bernd Schneidmüller (Hrsg.) König Rudolf I. und der Aufstieg des Hauses Habsburg im Mittelalter

König Rudolf I. und der Aufstieg des Hauses Habsburg im Mittelalter Herausgegeben von Bernd Schneidmüller

Dieses Buch ging aus einem Symposium hervor, das von der Europäischen Stiftung Kaiserdom zu Speyer vom 11. bis 13. April 2018 veranstaltet wurde. Redaktion: Barbara Frenk, Isabel Kimpel, Sabine Elsässer (Abbildungen)

Titelbild des Umschlags: Epitaph König Rudolfs im Speyerer Dom, © Domkapitel Speyer, Foto: Renate Deckers-Matzko Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

Das Werk ist in allen seinen Teilen urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung in und Verarbeitung durch elektronische Systeme. wbg Academic ist ein Imprint der wbg. © 2019 by wbg (Wissenschaftliche Buchgesellschaft), Darmstadt Die Herausgabe des Werkes wurde durch die Vereinsmitglieder der wbg ermöglicht. Satz: Vollnhals Fotosatz, Neustadt a. d. Donau Umschlaggestaltung: Peter Lohse, Heppenheim Gedruckt auf säurefreiem und alterungsbeständigem Papier Printed in Germany Besuchen Sie uns im Internet: www.wbg-wissenverbindet.de

ISBN 978-3-534-27125-2 Elektronisch sind folgende Ausgaben erhältlich: eBook (PDF): 978-3-534-74504-3 eBook (epub): 978-3-534-74505-0

Zum Andenken an Stefan Weinfurter (1945–2018)

Inhalt Europäische Stiftung Kaiserdom zu Speyer Zum Geleit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XI Bernd Schneidmüller König Rudolf I. und der Aufstieg des Hauses Habsburg im Mittelalter. Zur Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Bernd Schneidmüller Rudolf von Habsburg. Geschichten vom Regieren im Reich und vom Sterben in Speyer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9

Die Erneuerung der Königsgewalt im Reich Martin Kaufhold Ehre und Wiederherstellung des Reiches: Neue Instrumente der Königspolitik unter Rudolf von Habsburg . . . . . . . . . . . . 43 Martina Stercken Herrschaft gestalten. Die Anfänge der Habsburger

. . . . . . . . 57

Andreas Büttner daz Riche im Besitz der Habsburger? Königtum und Reichskleinodien unter Rudolf, Albrecht und Friedrich (1273–1324) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83

Herrschaftsräume und Aufstieg der Habsburger zur europäischen Dynastie Christina Lutter Die Habsburger und Österreich (13. bis 15. Jahrhundert)

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Dieter Speck Der habsburgische Herrschaftsraum am Oberrhein (vorderösterreichische Lande) und die Eidgenossenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141

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Inhalt

Julia Hörmann-Thurn und Taxis Heirat als politisches Instrument. Die habsburgischen Ehen im 13. und 14. Jahrhundert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 Christian Lackner Die habsburgischen Universitätsgründungen im Spätmittelalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187

Skulptur und Grablege im Dom zu Speyer Matthias Müller Das Stirnrunzeln des Königs. Rudolfs von Habsburg vermeintliches Grabbildnis im Speyerer Dom als interpretatorische Herausforderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 Gabriele Köster Der Dom zu Speyer als Memorialort des Reiches um 1500. Noch einmal zum unvollendeten Kaiserdenkmal Maximilians I. für den Speyrer Dom . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237

Speyer, das Reich und die Habsburger Manuel Kamenzin Wie es einem König gebührt? Die Beisetzung Rudolfs I. in Speyer in der Tradition königlicher Grablegen des 13./14. Jahrhunderts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 Gerhard Fouquet Königliche Klienten – die Speyerer Kirche in der Zeit Rudolfs von Habsburg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295 Kurt Andermann König Rudolf von Habsburg und die Stadt Speyer Benjamin Müsegades Der Speyerer Dom und seine Patrone im Mittelalter

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Alexander Schubert Auferstehung der mittelalterlichen Herrscher? Die Habsburger im Museum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 349

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Inhalt

Habsburg auf dem Weg zur Weltmacht Martin Kintzinger Das habsburgische Kaisertum im Spätmittelalter. Erfolg im zweiten Versuch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 363 Julia Burkhardt Ostmitteleuropa als politische Region: Österreich, Ungarn und Böhmen im 15. Jahrhundert . . . . . . . . . . . . . . 393 Klaus Oschema Wege des Hauses Habsburg in den Westen Europas 1477 bis 1519 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 411 Claudia Märtl Habsburger und Osmanen bis zum Ende der Zeit Maximilians I. († 1519) . . . . . . . . . . . . . . .

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Heinz-Dieter Heimann Plus ultra? Von Kaiser Karl V. zu König Rudolf I. von Habsburg. Habsburgs Aufbrüche in die Welt, das Scheitern imperialer Weltherrschaft Kaiser Karls V. und die Zeichen dynastischer Erinnerungsbehauptung bis zu Kaiser Franz Joseph I. von Österreich am erneuerten Dom zu Speyer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 459 Stammtafel: Die mittelalterlichen Habsburger (Auswahl)

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Die Autorinnen und Autoren Abbildungsverzeichnis

Namenregister von Isabel Kimpel

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Dom zu Speyer

Zum Geleit: Das Haus Habsburg und der Kaiserdom zu Speyer König Rudolf I. von Habsburg wurde nach seinem Tod am 15. Juli 1291 in der Herrschergrablege des Kaiserdomes zu Speyer bestattet. Es war sein ausdrücklicher Wunsch, dort seine letzte Ruhe zu finden. Als Grabstätte der salischen und der nachfolgenden staufischen und habsburgischen Herrscher gilt dieser Ort als Wahrzeichen des mittelalter­ lichen Kaiser- und Königtums. In der Vorkrypta des Domes, vertikal an der Wand, befindet sich eine vermeintliche Grabplatte, die den Habsburger Herrscher darstellt. Bis zur Aufhängung im Zuge des Umbaus der Vorkrypta befand sie sich liegend auf einem Sockel in der Vierungskrypta. Die Tradition sagt, dass das Epitaph noch zu Lebzeiten des Herrschers gefertigt worden sei und daher dessen getreues Antlitz abbilde. Im 19. Jahrhundert galt Rudolf von Habsburg geradezu „als das Urbild des frommen Königs, an dem sich das ideale Verhältnis zwischen weltlicher und kirchlicher Macht beispielhaft demonstrieren ließ“ (Zink). Dem trägt die Vorhalle des Domes Rechnung. Die Ausgestaltung des Raum-Inneren mit Skulpturenschmuck, den das österreichische Kaiserhaus einst finanzierte, würdigt mehrfach den Habsburger Herrscher. Alle Bildwerke entstanden im Jahr der Fertigstellung des Westbaues 1858. In den Wandnischen stehen die Statuen der acht im Dom bestatteten Kaiser und Könige. Die Nischenfigur rechts vom Stufenportal stellt Rudolf I. in königlichem Ornat dar, in Stein gemeißelt von dem Schwanthaler-Schüler Anton Fernkorn (1813–1878). Geschichten aus dem Leben des Habsburgers erzählen drei der vier darüber angeordneten Lünetten-Reliefs. Nach der Darstellung der Grundstein­legung des Domes durch Konrad II. beginnt die Rudolph-Vita. Der König überlässt sein Pferd einem Geistlichen, der die Monstranz mit dem Allerheiligsten trägt (Nordseite, östliches Bogenfeld). Auf der gegenüberliegenden Seite folgt eine Szene, welche die deutschen Fürsten darstellt, die vor Rudolf den Lehenseid schwören. Da ihm dafür das Zepter Karls des Großen fehlt, greift er zum Altar und erhebt das Kreuz. Der Zyklus endet mit der Übertragung der Königswürde auf Rudolf (Südseite,

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Europäische Stiftung Kaiserdom zu Speyer

westliches Bogenfeld). Die vier Lünetten-Reliefs schuf der österreichische Bildhauer Vincenz Pilz (1816–1896). Den Blickfang der Vorhalle bildet heute das mächtige Kenotaph Rudolfs I. von Habsburg im Südflügel. Das Standbild, Ausdruck für die enge Beziehung des Hauses Habsburg zum Dom, stand ursprünglich im Innern des Domes auf der Südseite des sogenannten Königschores, mit Blickrichtung zum Hochaltar. Es wurde im Auftrag König Ludwigs I. von Bayern im Jahr 1843 von dem Münchner Bildhauer Ludwig Schwanthaler (1802–1848) geschaffen. Am 1. Mai 1218 wurde Rudolf von Habsburg geboren. Die 800. Wiederkehr des Geburtstags nahm die »Europäische Stiftung Kaiserdom zu Speyer« zum Anlass für ihr viertes internationales Wissenschaft­ liches Symposium vom 11. bis 13. April 2018 im Sitzungssaal des Stadt­ rates der Stadt Speyer. Titel und Thema waren: „König Rudolf I. und der Aufstieg des Hauses Habsburg im Mittelalter“. Mehr als zwanzig Referentinnen und Referenten aus Deutschland, Österreich und der Schweiz beleuchteten und diskutierten die verschiedensten Aspekte der Herrschaft des ersten Habsburgers im römisch-deutschen Reich, unter anderem die Beziehung Rudolfs zu Speyer und den Aufstieg des Hauses Habsburg im Mittelalter bis hin zu Weltgeltung. Öffentliche Aufmerksamkeit erregte die Debatte über die mittel­ alterliche Grabplatte Rudolfs von Habsburg. Die bisherige Annahme, bei dem europaweit geschätzten Denkmal handele es sich um die wirklichkeitsgetreue Darstellung Rudolfs geriet ins Wanken. Nach dem Auffinden der Platte 1811 wurde sie aufgrund ihrer starken Beschädigung mehrfach ausgebessert. An welchen Stellen genau sie ergänzt wurde und wieviel noch original erhalten ist, das wissen wir nicht. Auch ihre Funktion ist unklar. Um weiterführende Erkenntnisse über das Denkmal zu erhalten, wurde bei der Tagung angeregt, die Platte zu röntgen und die Binnenstruktur und insbesondere das Gesicht intensiv zu untersuchen. Die Grabplattenfrage ist eines von vielen Ergebnissen der Tagung der »Europäischen Stiftung Kaiserdom zu Speyer«, die uns weiter beschäftigen wird. Die »Europäische Stiftung Kaiserdom zu Speyer« hat die wissenschaftliche Erforschung des Domes zu Speyer als Aufgabe in ihrer Satzung verankert. Daher war es eine Selbstverständlichkeit, sich diesem wichtigen Thema zu widmen und die Tagung mit besonderem Enga­ gement zu organisieren und auszurichten. Bewusst veranstaltet die Stiftung in der Regel ihre Wissenschaftlichen Symposien öffentlich, um möglichst vielen interessierten Menschen eine Partizipation zu ermöglichen.

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Zum Geleit

Die Ergebnisse aller vier Wissenschaftlichen Symposien, die die »Europäische Stiftung Kaiserdom zu Speyer« realisierte, liegen nun als Tagungsbände bei der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft Darmstadt (WBG) vor: „Salisches Kaisertum und neues Europa in der Zeit Heinrichs IV. und Heinrichs V.“ (2007), „Der Dom zu Speyer. Konstruktion, Funktion und Rezeption zwischen Salierzeit und Historismus“ (2013) und „Johann Baptist Schraudolph, die Nazarener und die Speyerer Domfresken“ (2014). Unser Dank gilt den Referentinnen und Referenten dafür, dass sie ihre Vorträge schriftlich gefasst haben und die Aufsätze nun in dieser Publikation vorliegen. Wir sind sehr dankbar, dass Prof. Dr. Bernd Schneidmüller, Heidelberg, die Aufgabe übernahm, die Ergebnisse des Symposiums zusammenzutragen und in einem Tagungsband vorzulegen. Dank gilt der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft Darmstadt, mit der wir seit Jahren partnerschaftlich verbunden sind, für die erneute ver­ legerische Initiative. Wir wünschen dem Band eine weite Verbreitung und eine lebhafte Diskussion über die wissenschaftlichen Aufsätze. Für die »Europäische Stiftung Kaiserdom zu Speyer« Prof. Dr. Peter Frankenberg Vorsitzender des Vorstands

Karl-Markus Ritter Geschäftsf. Vorstandsmitglied

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Europäische Stiftung Kaiserdom zu Speyer

Muttergottes, Jesuskind, Doppeladler, Dom zu Speyer, Westportal, 19. Jahrhundert

Bernd Schneidmüller

König Rudolf I. und der Aufstieg des ­Hauses Habsburg im Mittelalter Zur Einführung Am 1. Mai 1218 wurde Rudolf von Habsburg als Grafensohn geboren. Im Juli 1291 fand er als römischer König seine letzte Ruhestätte in der Herrschergrablege der Kathedrale zu Speyer. Diese Beisetzung unterstrich programmatisch die monarchische Verbundenheit mit früheren salischen und staufischen Königen und Kaisern, die im Speyerer Mariendom bestattet waren. Rudolfs Entscheidung eröffnete dort eine letzte Phase herrscherlicher Bestattungen an der Wende vom 13. zum 14. Jahrhundert. Als gräflicher Aufsteiger setzte König Rudolf nach seiner Königswahl 1273 alles daran, seine Familie in der Gruppe der Reichsfürsten zu etablieren. Für seine Söhne und Töchter knüpfte er erfolgreich Eheverbindungen mit den führenden Fürstenfamilien des Reichs. Viele Dynastien Europas sollten sich später auf Rudolf von Habsburg als Vorfahren zurückführen. Zudem gab die Lehnsordnung des Reichs ihm als König im Bund mit den Fürsten die Möglichkeit, seine Söhne mit herzoglichen Würden auszustatten. Trotz aller gezielten Förderung lag die Regelung der Thronfolge aber nicht in der Handlungsmacht des Königs. Seit der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts hatten die Fürsten ihr Recht auf die Königswahl so erfolgreich etabliert, dass es zwischen 1254 und 1500 überhaupt nur zu zwei direkten Sohnesfolgen kam. Deshalb konnte Rudolf von Habsburg weder planen noch ahnen, zum ‚Stammvater‘ einer der berühmtesten europäischen Herrscherdynastien zu werden. Trotzdem erlangten bereits sein Sohn ­Albrecht I. (1298–1308)1 und sein Enkel Friedrich (‚der Schöne‘, 1314–1330) – wenn auch nach zeitlichen Zäsuren oder in politischen Anfechtungen – das römischdeutsche Königtum. 1 Diese Zahlen in Klammern nennen, wenn nicht anders angegeben, die Regierungsjahre. Auf Abkürzungen in den Quellen- und Literaturnachweisen wird verzichtet; einzige Ausnahme ist MGH = Monumenta Germaniae Historica.

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Bernd Schneidmüller

Danach sollte es mehr als ein Jahrhundert dauern, bis die Habsburger – nach der Königsherrschaft von Wittelsbachern und Luxemburgern – seit 1438 endgültig und nachhaltig die Königs- oder Kaiserwürde behaupteten. Ihre Kontinuität wurde bis zum Ende des Heiligen Römischen Reichs deutscher Nation 1806 nur kurz durch ein wittelsbachisches Intermezzo unter Kaiser Karl VII. (1742–1745) unterbrochen. Von 1804 bis 1918 regierten die Habsburger dann als Herrscher über das österreichische Kaiserreich wie über ein Konglomerat von Reichen und Würden in Mittel-, Ostmittel- und Südosteuropa. Dieses Buch verfolgt drei Ziele. Es will die Persönlichkeit Rudolfs von Habsburg würdigen und seinen Aufstieg zum Königtum in die Geschichte des 13. Jahrhunderts einbetten. Das besondere Verhältnis von Domkirche, Bistum und Stadt Speyer zu den habsburgischen Königen bildet den zweiten Schwerpunkt. Und schließlich wird der Aufstieg des Hauses Habsburg vom 13. Jahrhundert bis zur weltumspannenden Herrschaft Kaiser Maximilians I. (1486–1519) und Kaiser Karls V. (1519–1556/58, † 1558) im 16. Jahrhundert in den wichtigen Etappen präsentiert. Im Bund mit den Reichsfürsten propagierte Rudolf nach seiner Königswahl ganz programmatisch die Ehre und Wiederherstellung des Reichs (dazu Martin Kaufhold in diesem Band). Doch diese Kontinuitätsbehauptung verdeckte viele Sprünge und Andersartigkeiten. Tatsächlich wollte die Orientierung an den mittlerweile glorifizierten Staufern der Legitimation eines eher ungewöhnlichen Königtums dienen, das sich zudem im Kampf gegen den mächtigsten Rivalen bei der ­Königswahl, König Ottokar II. von Böhmen (1253–1278), erst behaupten musste. Dass Rudolf und die Fürsten beschlossen, das Jahr 1245 als ­Orientierungsmarke von Rechtmäßigkeit im Reich herauszustreichen, wollte alle späteren Vergaben von Reichsgut ohne Zustimmung der Fürsten brandmarken. Im Jahr 1245 hatte das Erste Konzil von Lyon auf Betreiben Papst Innocenz’ IV. (1243–1254) den staufischen Kaiser Friedrich II. (1212–1250) offiziell abgesetzt, mitten im Kampf zwischen Kaiser und Papst um Vorrang in der lateinischen Christenheit. Der Epochenkonflikt spaltete die Papstkirche und die Adelsgesellschaft im römischdeutschen Reich wie im süditalienischen Königreich Sizilien. Man bezeichnete diesen Zwist, der Familien zerriss und mit blutiger Schärfe ausgetragen wurde, etwas hochtrabend als ‚Endkampf der Staufer‘. Nach dem Tod Kaiser Friedrichs II. konnte sein Sohn Konrad IV. (1237/50–1254) tatsächlich nur kurzzeitig als römisch-deutscher König herrschen. Auch die anderen Behauptungsversuche der staufischen ­Familie scheiterten, zuletzt der Italienzug von Friedrichs Enkel Konradin, der 1268 in Neapel hingerichtet wurde.

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In den Auseinandersetzungen der 1240er Jahre hatten papsttreue Staufergegner Landgraf Heinrich Raspe von Thüringen (König 1246– 1247) und dann Graf Wilhelm von Holland (König 1248–1256) zu römischen Königen oder – je nach politischem Standpunkt – ‚Gegenkönigen‘ gewählt. Ihrer Opposition gegen die Staufer war keine dynastische Nachhaltigkeit beschert. Auch die strittige Königswahl von 1257, in der König Alfons X. von Kastilien und León († 1284) und der englische Königssohn Richard (von Cornwall, † 1272) zu Königen des römisch-deutschen Reichs erhoben wurden, löste die Frage einer rechtmäßigen Monarchie nicht. Früher wurden diese Jahre als ‚Interregnum‘ oder gar als die „kaiserlose, die schreckliche Zeit“ angesprochen. Einen Kaiser gab es tatsächlich seit 1245 (Absetzung Friedrichs II.) oder 1250 (Tod Friedrichs II.) nicht mehr. Doch die Bezeichnung als herrscherlose Zeit oder als Zwischenzeit ist falsch: Es gab eher zu viele als zu wenige Könige. Gleichwohl gelang ihnen die effektive Machtausübung im römischdeutschen Reich nicht. Wechselt man die Betrachtungsperspektiven von einer kraftvollen nationalen Monarchie zum Reiz offener imperialer Experimente oder zur Bedeutungssteigerung, welche die Glieder des Reichs damals erfuhren, so verschieben sich die historischen Urteile. In der Mitte des 13. Jahrhunderts lernten die Fürsten, Verantwortung für das Reich zu übernehmen und diese mit adligen Herren, Ministerialen oder mit städtischen Eliten zu teilen. Die königlichen Städte erlangten mit dem Untergang der Staufer endlich jene Autonomie, die sich Bischofsstädte schon Generationen zuvor erkämpft hatten. Die Spitzengruppe der Reichsministerialität, bisher in Abhängigkeit von ihren königlichen Herren gehalten, nahm nun selbstbewusst ihre Zukunft in die Hand und stieg in den niederen Adel auf. Unter solchen Vorzeichen darf man die Jahre zwischen 1245 und 1273 als innovationsfreudige Epoche in der Sozialgeschichte des Mittelalters ansprechen. Nur die Liebhaber der Zentralgewalt oder des Durchregierens vermochten in dieser Zeit keine Lichtblicke zu erkennen. Die ältere nationale Geschichtsschreibung verkannte zudem die interessante Neuausrichtung imperialer Ideen und Praktiken im 13. Jahrhundert. Kaiser Heinrich VI. (1190–1197), der Sohn Friedrich Barbarossas (1152–1190), hatte im ausgehenden 12. Jahrhundert das unteritalienische Königreich Sizilien als Erbe seiner Gemahlin Konstanze († 1198) erobert. Hier erschloss sich den letzten Herrschern aus staufischem Haus eine ganz neue Erfahrungs- und Lebenswelt. Das Mittelmeerkaisertum Friedrichs II. unterschied sich beträchtlich von der Imperialität römisch-deutscher Könige des 11. und 12. Jahrhunderts. Programmatisch fügte Friedrich II. dem Titel eines Kaisers der

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Bernd Schneidmüller

Römer in seinen urkundlichen Selbstaussagen den Königstitel von Sizilien und Jerusalem hinzu. Auch wenn sich seine Herrschaft weiterhin im Land nördlich der Alpen entfaltete, können die neue mediterrane Schwerpunktsetzung und die Universalisierung von Kaisertum und Reich kaum unterschätzt werden. Vor solchem Hintergrund standen die – durchaus auch verwandtschaftlich-dynastisch begründeten – Wahlentscheidungen von 1257 für Alfons (von Kastilien) oder für Richard (von Cornwall) in Traditionslinien staufischer Imperialität. Wer diese Herrscher als ‚Ausländer‘ ansprach, der verkannte die Denkwelten des 13. Jahrhunderts. Die Zäsur erfolgte tatsächlich erst mit den Königswahlen seit 1273. Jetzt erwuchs das römische Königtum endgültig zum Handlungsfeld des deutschen Adels. Deshalb war das Reich, das Rudolf und die Fürsten wiederherstellen wollten, kaum das Mittelmeerimperium Friedrichs II. Es handelte sich eher um eine vergangenheitsgestützte ­Neukonstruktion, die sich aus vagen Erinnerungen an das 10. bis 12. Jahrhundert speiste. Die Schaffung einer neuen, wenngleich traditionsgestützten oligarchischen Ordnung von König und Fürsten diente dann faktisch der habsburgischen Durchsetzung im Reich. Die neue Systematisierung von Rechtssprüchen über das Verhältnis von König und Reich oder die Fixierung einer Konsensherrschaft von König und Wahlfürsten stellten die Weichen für eine spätmittelalterliche Zukunft der Monarchie. Rudolf von Habsburg war wahrlich nicht der ‚kleine Graf‘, als den ihn sein königlicher Rivale Ottokar von Böhmen verspottete. Vielmehr gehörte er zu den gräflichen Eliten des Südwestens und durfte auf erhebliche Macht und beträchtlichen Besitz in der heutigen Nordschweiz und im Land beiderseits des südlichen Oberrheins bauen (dazu der Beitrag von Martina Stercken). Seine politische Prägung hatte der ­heran­wachsende Rudolf noch im Umfeld der Staufer erhalten. Ob die spätere Erinnerung des 14. Jahrhunderts, dass Friedrich II. 1218 als ­Rudolfs Taufpate fungierte, stimmt oder nur als nachträgliche Traditionskon­ struktion angesprochen werden muss, lässt sich auf Grund der vereinzelten Quellennennung nicht sicher klären. Die Geschichtsschreibung des 13. und des 14. Jahrhunderts ließ den neuen König Rudolf in ungewöhnlich zahlreichen Anekdoten als ganz besondere Persönlichkeit hervortreten (dazu der Beitrag von Bernd Schneidmüller). Ob diese Erzählstrategien Wirklichkeit einfingen oder der Propagierung endlich erreichter politischer Sicherheit dienten, kann nicht wirklich entschieden werden. Unstrittig bleibt, dass Rudolf beständig als ein König ‚zum Anfassen‘ begegnet. Damit entstand das Bild eines geradlinigen, gleichsam folgerichtigen Aufstiegs vom Grafen

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zum König. Diese Vernachlässigung von Kontingenz greift allerdings zu kurz. Rudolf war nach Landgraf Heinrich Raspe und Wilhelm von Holland zwar nicht der erste Graf, der zum Königtum aufstieg, und er sollte auch nicht der letzte bleiben. Noch seine Nachfolger Adolf (von Nassau, König 1292–1298) und Heinrich (von Luxemburg, König 1308– 1313) wurden als Grafen zu römisch-deutschen Königen gewählt. Der letzte Versuch einer Grafenwahl (Günther von Schwarzburg) scheiterte 1349. Und doch bleibt die erfolgreiche Durchsetzung eines Grafen aus dem Südwesten des Reichs im Jahr 1273 in einem von Fürsten dominierten Reich erstaunlich. Vielleicht war sie nur das Ergebnis einer sehr zufälligen Patt-Situation unter den Eliten des Reichs? Wie immer man den Zufall der Königswahl beurteilt – Rudolf nutzte beherzt die Spielräume der Monarchie zur Herstellung von Kontinuität und zeichenhafter Rechtmäßigkeit (dazu der Beitrag von Andreas Büttner) sowie zur Beförderung seiner Nachkommen zu herzoglichen Würden in Österreich (dazu der Beitrag von Christina Lutter). Speyer war und blieb in besonderer Weise mit Rudolfs Königtum verbunden, sowohl das Bistum und das Domkapitel (dazu der Beitrag von Gerhard Fouquet) als auch die Stadtgemeinde (dazu der Beitrag von Kurt Andermann). Deshalb ist das Historische Museum Speyer gut beraten, das historische Gedächtnis an Rudolf und an die Habsburger neu zu präsentieren (dazu der Beitrag von Alexander Schubert). 1291 wurde die Speyerer Königsgrablege als der angemessene Bestattungsort eines Königs angesprochen (dazu der Beitrag von Manuel Kamenzin). Die Patrone dieses Doms dienten den Herrschern seit Generationen als Fürsprecher vor Gott (dazu der Beitrag von Benjamin Müsegades). Mit dem Dom verbanden sich auch später besondere habsburgische Erinnerungsbilder. Ein einzigartiges Gedächtnismal der Kaiser gelangte unter Kaiser Maximilian I. nicht zur Vollendung, offenbart aber selbst in den erhaltenen Fragmenten noch die Kraft der Memoria (dazu der Beitrag von Gabriele Köster). Rudolfs (vermeintliche) Grabplatte, wie sie heute in der Krypta des Speyerer Doms steht, prägte seit langem das neuzeitliche Bild des Königs. Durch unzählige Abbildungen verbreitet und auch auf dem Umschlag dieses Buchs erneut abgedruckt, entstand das Image eines idealen habsburgischen Herrschers aus dem 13. Jahrhundert. Neuerdings steht aber fast alles wieder in Frage: der ursprüngliche Zweck der Bildnisplatte, ihre Geschichte und ihre ‚Echtheit‘ im Detail. Vielleicht modellierten erst neuzeitliche Restauratoren Rudolfs Bildnis aus späteren Versatzstücken seiner Nachkommen zusammen? Vielleicht erstand der ‚Rudolf im Dom‘ nur als Bild-Kollage? Vielleicht sehen wir das Herrschergesicht wie den Herrscherkörper nur als beständige Verformungen eines Originals, dessen

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Bernd Schneidmüller

mittelalterliche Wirklichkeit verloren ist (dazu der Beitrag von Matthias Müller)? Die neuesten Debatten verlangen geradezu nach exakten Materialuntersuchungen, die uns die imaginative Wucht neuzeitlicher ‚Zutaten‘ deutlich machen könnten. Rudolfs Königtum verwandelte seine Familie, machte sie langfristig königsfähig, ließ sie in die fürstlichen Eliten des Reichs aufsteigen, gab ihr neue Entfaltungsräume im Südosten wie im Südwesten des Reichs (dazu die Beiträge von Christina Lutter und Dieter Speck). Hier wie dort traten die Habsburger im 14. und im 15. Jahrhundert als Univer­ sitätsgründer hervor (dazu der Beitrag von Christian Lackner). Wie deutlich die Habsburger ganz oben angekommen waren, zeigen ihre Eheschließungen, deren bündnisstiftender Charakter immer wieder als glückliche Friedenspolitik angesprochen wurde (dazu der Beitrag von Julia Hörmann-Thurn und Taxis). Im 15. Jahrhundert gelang den Habsburgern seit Albrecht II. (1438– 1439) und Friedrich III. (1440–1493) dann die langfristige Sicherung des Throns (dazu der Beitrag von Martin Kintzinger). Dynastische Zufälle und Verwandtschaftsnetze ermöglichten den kühnen Ausgriff über etablierte Handlungsfelder hinaus. So gerieten die burgundischen Niederlande (dazu der Beitrag von Klaus Oschema) ebenso in den Sog habsburgischer Expansion wie die ostmitteleuropäischen Königreiche (dazu der Beitrag von Julia Burkhardt). Dort wuchs den Habsburgern in Auseinandersetzungen mit der osmanischen Expansion eine generationenlange Zukunftsaufgabe zu (dazu der Beitrag von Claudia Märtl). Wie nicht viele andere Herrschergeschlechter nutzten die Habsburger an der Wende vom Mittelalter zur Neuzeit die Kraft des dynastischen Prinzips. So stiegen sie zu einer ‚Weltmonarchie‘ auf, in der „die Sonne nicht unterging“ (dazu der Beitrag von Heinz-Dieter Heimann). Damals wurden sie erfolgreich, modern, scheinbar weit schauend. Jahrhunderte später sollte sich das dynastische Prinzip indes als Bürde der Monarchie erweisen, als Völker und Nationen ein bloßes herrscher­ liches Eigentumsrecht zurückwiesen und ihre eigene historische Gestaltungskraft einforderten. Bis dahin funktionierten die traditionellen Muster, die bereits Rudolf von Habsburg genutzt hatte, ziemlich gut. Man wird die Geschichte der Habsburger seit 1273 freilich niemals als lineare Erfolgsgeschichte schreiben. Zu viele Sprünge, zu viele Zufälle, zu viele Abwege blieben dann ausgeblendet. Immerhin stifteten die Prinzipien von Dynastie und Monarchie – über alle Kontingenz hinweg – für einige Jahrhunderte Dauerhaftigkeit. Das macht die Geschichte König Rudolfs I. und den Aufstieg seines Hauses Habsburg im Mittelalter historisch so interessant. Es war keine Heldengeschichte, keine Geschichte nur der großen Männer und Frauen, auch wenn

König Rudolf I. und der Aufstieg des Hauses Habsburg

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­ istorische Größe bisweilen aufscheinen mag. Der Reiz entsteht für uns h heute eher aus der Andersartigkeit von Handlungsmustern und Denkkategorien. Wir müssen sie uns – ein Jahrhundert nach dem Ende der mitteleuropäischen Monarchien – erst wieder neu erschließen, weil uns diese Vergangenheit fremd wurde. Die Erinnerungsmale der toten ­Könige und Kaiser umgeben heute dagegen die Wissenden wie die Unwissenden gleichermaßen. Die Europäische Stiftung Kaiserdom zu Speyer nahm die 800. Wiederkehr von Rudolfs Geburtstag zum Anlass für eine Tagung, die vom 11. bis 13. April 2018 unter Leitung von Stefan Weinfurter und mir im historischen Ratssaal der Stadt Speyer stattfand. Der öffentliche Abendvortrag durfte im Kaiser- und Mariendom zu Speyer gehalten werden. Dankbar denken die Referentinnen und Referenten sowie die sehr zahlreichen Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Tagung an die umsichtigen Planungen der Stiftung unter Leitung des geschäftsführenden Vorstandsmitglieds Karl-Markus Ritter und an die Speyerer Gastfreundschaft zurück. Die Europäische Stiftung ermöglichte auch die Drucklegung dieses Bands durch einen namhaften Druckkostenzuschuss. Meinem Freund und Kollegen Stefan Weinfurter war es nicht mehr vergönnt, die Realisierung dieses Buchs zu begleiten. Er starb wenige Monate nach der gemeinsamen Tagung am 27. August 2018. Voller Dankbarkeit für seine Impulse wird ihm dieser Band als Andenken gewidmet. Ich bin allen Autorinnen und Autoren des Buchs sehr verbunden, dass sie ihre wichtigen Beiträge zur Verfügung stellten. Große Verdienste bei der Textredaktion erwarben sich meine Heidelberger Mitarbeiterinnen Barbara Frenk und Isabel Kimpel. Die Sammlung der Abbildungen koordinierte Sabine Elsässer. Bei der Drucklegung bewährte sich erneut die gewohnt gute Zusammenarbeit mit der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft, wobei das Lektorat von Daniel Zimmermann eigens herausgehoben sei.

Bernd Schneidmüller

Rudolf von Habsburg Geschichten vom Regieren im Reich und vom Sterben in Speyer 1 „Graf Rudolf von Habsburg aus dem Geschlecht des Herzogs von Zähringen war im Jahr 1218 … an den Kalenden des Mai geboren, im selben Jahr also, in dem der Herzog von Zähringen den Weg allen Fleisches ging. Er war ein Mann von großer Gestalt, sieben Fuß lang, schlank, mit kleinem Kopf, bleichem Gesicht und langer Nase; er hatte wenig Haare, lange und schmale Hände und Füße. In Speise und Trank wie in anderen Dingen war er mäßig, ein weiser und umsichtiger Mann, doch selbst bei den reichsten Mitteln stets in größter Geldverlegenheit. Er hatte viele Söhne und Töchter, welche er alle zu großen Reichtümern und Ehren erhob. In Thüringen soll er im Laufe eines Jahres Hundertsechzigtausend ausgegeben haben; zweimal hat er Besançon belagert und das gallische Land schwer verwüstet.“2 Die Chronik von Colmar nennt den 1. Mai 1218 als Geburtsjahr König Rudolfs von Habsburg3, Spross bedeutender gräflicher Vorfah-

1 Erweiterter Text eines öffentlichen Abendvortrags am 11.04.2018 im Dom zu Speyer. 2 Chronicon Colmariense, in: Annales Colmarienses, Basileenses, Chronicon Colmariense, hg. von Philipp Jaffé, in: MGH. Scriptores, Bd. 17, Hannover 1861, S. 240–270, hier S. 240: Comes Rudolfus de Habisburch natus est de progenie ducis Zeringie anno 1218 … Kalendas Maii, eodem scilicet anno, quo dux Zeringie viam carnis ingreditur universe. Erat hic vir longus corpore, habens in longitudine 7 pedes, gracilis, parvum habens caput, pallidam faciem atque longum nasum, paucos habebat crines, extremitates vero habebat parvulas atque longas; vir in cibo et potu et in aliis moderatus, vir sapiens et prudens, et cum maximis divitiis in summa tamen semper extitit paupertate. Multos habuit filios et filias, quos omnes constituit in magnas divitias et honores. Hic existens in Turingia, sexaginta milia et centum milia dicitur expendisse infra unum annum; bis obsedit Bisuntium et Gallicos graviter devastavit. Die (leicht geglättete und modernisierte) deutsche Übersetzung folgt: Annalen und Chronik von Kolmar, übersetzt von H. Pabst, 2. Aufl. von Wilhelm Wattenbach (Die Geschichtschreiber der deutschen Vorzeit 75), Leipzig 1897, S. 145 f. 3 Zur Biographie Oswald Redlich, Rudolf von Habsburg. Das deutsche Reich nach dem Untergange des alten Kaisertums, Innsbruck 1903; Karl-Friedrich Krieger, Rudolf von Habsburg (Gestalten des Mittelalters und der Renaissance), Darmstadt 2003; Thomas Zotz, Rudolf von Habsburg (1273–1291), in: Die deutschen Herrscher des Mittelalters. Historische Portraits von Heinrich I. bis Maximilian I. (919–1519), hg. von Bernd Schneidmüller/Stefan Weinfurter, 2. Aufl. München 2018, S. 340–359 und 587 f.;

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ren im Südwesten des deutschen Reichs, und gibt eine knappe Personenbeschreibung. Im gleichen Jahr 1218 starben die Zähringer als die beherrschende Dynastie des deutschen Südwestens mit Herzog Bertold V. im Mannesstamm aus und machten den Weg frei für eine herrschaftliche Neuordnung am Ober- und am Hochrhein. Im Oktober 1273 erhoben die Wahlfürsten des Heiligen Römischen Reichs den Grafen Rudolf zum römisch-deutschen König.4 Am 15. Juli 1291 starb er in Speyer und wurde einen Tag später in der Herrschergrablege des Doms bestattet.5 In der westlichen Gräberreihe nimmt Rudolf den prominenten Mittelplatz ein.6 Heutige Besucher sehen ihn im Zentrum des Gräberfelds, direkt vor Kaiser Konrad II. als dem ersten Stifter des Doms. Für ein Gedenken an Rudolfs 800. Geburtstag ist der Dom zu Speyer der richtige Ort seiner Memoria, nahe den sterblichen Überresten des Königs. Nach turbulenten Jahrzehnten sorgte Rudolf für eine Reorganisation der Monarchie.7 Seine Nachfahren prägten als Fürsten, Könige und

Martin Kaufhold, Rudolf I., in: Neue Deutsche Biographie, Bd. 22, Berlin 2005, S. 167– 169. Vgl. Rudolf von Habsburg 1273–1291. Eine Königsherrschaft zwischen Tradition und Wandel, hg. von Egon Boshof/Franz-Reiner Erkens (Passauer Historische Forschungen 7), Köln/Weimar/Wien 1993. 4 Andreas Büttner, Der Weg zur Krone. Rituale der Herrschererhebung im spätmittelalterlichen Reich (Mittelalter-Forschungen 35), Ostfildern 2012, Teilbd. 1, S. 203–222. Siehe auch den Beitrag von Andreas Büttner in diesem Band. 5 Johann Friedrich Böhmer, Regesta Imperii, Bd. VI, 1: Die Regesten des Kaiserreiches unter Rudolf, Adolf, Albrecht, Heinrich VII. 1273–1313, neubearb. von Oswald Redlich, Innsbruck 1898, Nr. 2518a–b, S. 533 f. Zum Domstift Jürgen Keddigkeit/Charlotte Lagemann/Matthias Untermann/Martin Armgart/Ellen Schumacher, Speyer, St. Maria. Domstift, in: Pfälzisches Klosterlexikon. Handbuch der pfälzischen Klöster, Stifte und Kommenden, Bd. 4, hg. von Jürgen Keddigkeit/Matthias Untermann/Charlotte Lagemann/Lenelotte Möller, Kaiserslautern 2017, S. 133–238. 6 Rudolf J. Meyer, Königs- und Kaiserbegräbnisse im Spätmittelalter. Von Rudolf von Habsburg bis zu Friedrich III. (Forschungen zur Kaiser- und Papstgeschichte des Mittelalters. Beihefte zu J. F. Böhmer, Regesta Imperii 19), Köln/Weimar/Wien 2000, S. 19– 31. Vgl. Thomas Meier, Die Archäologie des mittelalterlichen Königsgrabes im christlichen Europa (Mittelalter-Forschungen 8), Stuttgart 2002; Caspar Ehlers, Metropolis Germaniae. Studien zur Bedeutung Speyers für das Königtum (751–1250) (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte 125), Göttingen 1996. Siehe die Beiträge von Manuel Kamenzin und Benjamin Müsegades in diesem Band. 7 Franz-Reiner Erkens, Zwischen staufischer Tradition und dynastischer Orientierung: Das Königtum Rudolfs von Habsburg, in: Rudolf von Habsburg 1273–1291 (wie Anm. 3), S. 33–58. Zur Folgewirkung: Habsburger Herrschaft vor Ort – weltweit (1300– 1600), hg. von Jeannette Rauschert/Simon Teuscher/Thomas Zotz, Ostfildern 2013; Gerald Schwedler, Ausgelöschte Autorität. Vergangenheitsleugnung und Bezugnahme Rudolfs von Habsburg zu Staufern, Gegenkönigen und der salischen Niederlage am Welfesholz, in: Autorität und Akzeptanz. Das Reich im Europa des 13. Jahrhunderts, hg. von Werner Bomm/Hubertus Seibert/Verena Türck, Ostfildern 2013, S. 237–252.

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Kaiser die Geschichte Europas und der ganzen Welt mit.8 Hier im Speyerer Dom läutete Rudolf eine zweite Welle königlicher Beisetzungen ein. Nach den salischen und staufischen Vorgängern fanden 1309 noch die beiden Nachfolger Rudolfs ihre letzte Ruhe im Dom, König Adolf von Nassau (1292–1298) und Rudolfs Sohn König Albrecht I. (1298– 1308).9 Deshalb steht Speyer am Beginn der Erinnerungsgeschichte habsburgischer Könige und Kaiser. 800 Jahre nach Rudolfs Geburtstag ist das ein guter Grund für eine historische Rückbesinnung, auch wenn die große Kaisergeschichte der Habsburger vor einem Jahrhundert in einer Zeit der abnehmenden Monarchien Europas zu Ende ging. Wie schon in der Speyerer Fachtagung 2018 zielt dieser Band nicht auf Heldenverehrung. Wir sind vielmehr einer besonderen mittelalterlichen Aufsteigergeschichte auf der Spur, mit all ihren Zufällen, Sprüngen, Rückschlägen und Varianten. Große Männer und Frauen werden hier in die Bedingungen ihrer Zeit eingefügt, als Produkt von Geschichte, als Gestalter oder als Opfer von Geschichte. In diesem Beitrag geht es nicht um eine ganze Dynastie, nicht um ihre Siege und Niederlagen, nicht um Schwerpunktverlagerungen oder um lange Verbindungen zwischen Speyer und den Habsburgern. Hier geht es um einen einzigen Mann, um König Rudolf. Zu seinem 800. Geburtstag loten wir aufs Neue seine historische Bedeutung aus. Dabei lösen wir – wie unsere historischen Quellen – Geschichte in Geschichten auf. Rudolfs Image wird auf zweierlei Weise geformt, von seiner berühmten Speyerer Bildplatte und von einer Fülle von Geschichten. Die einzigartige Skulptur steht heute beim Eingang in die Speyerer Kaisergruft. Sie präsentiert geradezu suggestiv das Bild eines mittelalterlichen Herrschers. Wie frühere Forschergenerationen denken wir immer noch darüber nach, ob die mittlerweile erheblich restaurierte und geschönte Personendarstellung einst als Deckel des königlichen Sargs diente oder als bloßes Erinnerungsbild im Johanniterhof aufgestellt wurde.10 8 Karl-Friedrich Krieger, Die Habsburger im Mittelalter. Von Rudolf I. bis Friedrich III. (Urban-Taschenbücher 452), Stuttgart/Berlin/Köln 1994; Michael Erbe, Die Habsburger 1493–1918. Eine Dynastie im Reich und in Europa (Urban-Taschenbücher 454), Stuttgart/Berlin/Köln 2000; Heinz-Dieter Heimann, Die Habsburger. Dynastie und Kaiserreiche, 5. Aufl. München 2016; Stephan Sander-Faes, Europas habsburgisches Jahrhundert 1450-1550 (Geschichte kompakt), Darmstadt 2018. 9 Rudolf J. Meyer, Königs- und Kaiserbegräbnisse (wie Anm.  6), S.  32–52; Caspar Ehlers, Ein Erinnerungsort im 12. Jahrhundert. Speyer, in: Deutsche Königspfalzen. Beiträge zu ihrer historischen und archäologischen Erforschung, Bd. 6: Geistliche Zentralorte zwischen Liturgie, Architektur, Gottes- und Herrscherlob: Limburg und Speyer, hg. von Caspar Ehlers/Helmut Flachenecker (Veröffentlichungen des MaxPlanck-Instituts für Geschichte 11/6), Göttingen 2005, S. 119–140. 10 Siehe den Beitrag von Matthias Müller in diesem Band.

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Dieser Aufsatz rückt die mittelalterlichen Geschichten um Rudolf ins Zentrum, die Anekdoten, die Schwänke, die Lobpreisungen, die Scheltworte. Zeitgenossen und Nachgeborene erzählten von manchen alten Herrschern allerlei Einprägsames oder Wunderliches. Doch Rudolfs Image erwuchs in besonderem Maß aus solchen Facetien – ich benutze hier bewusst das altertümliche Wort als Sammelbezeichnung für das, was wir heute eher als ‚stories‘ bezeichnen würden. Die narrative Lust des Spätmittelalters fand in der historischen Forschung große Aufmerksamkeit.11 Willi Treichler trug die ‚Erzählungen und Anekdoten um Rudolf von Habsburg‘ in 53 Nummern zusammen, gegliedert nach dem frommen König, dem kriegerischen König und dem Alltagskönig. Treichlers erster Satz aus dem Jahr 1971 ist jetzt allerdings nicht mehr aktuell: „Die Erzählungen um Rudolf von Habsburg gehören heute noch zum überkommenen Bildungsgut aller Schichten und sind deshalb in den meisten Schulbüchern vertreten.“12 Solches Erinnerungswissen ist bei den Jüngeren längst nicht mehr vorhanden. Deshalb lohnt sich die Neuentdeckung der alten Facetien und ihrer Nachahmer in der deutschen Lyrik der Neuzeit. Annette Kehnel schrieb dazu bereits einen wesentlichen quellenkritischen Aufsatz und arbeitete die Freude dominikanischer und franziskanischer Mönche an Beispielen und Denkwürdigkeiten heraus.13 Vor 100 Jahren hielt Oswald Redlich (1858–1944), der große Biograph Rudolfs von Habsburg, einen Festvortrag zum 700. Geburtstag Rudolfs von Habsburg. Dieser Text hat mich, der ich auf den wissenschaftlichen Leistungen anderer aufbaue, besonders berührt. Am 27. April 1918 handelte Oswald Redlich nämlich über ‚Rudolf von Habsburg in der volkstüm11 Hans-Henning Kortüm, Zur Typologie der Herrscheranekdote in der mittelalterlichen Geschichtsschreibung, in: Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung 105, 1997, S. 1–29; Claudia Brinker-von der Heyde, Die literarische Welt des Mittelalters, Darmstadt 2007. 12 Willi Treichler, Mittelalterliche Erzählungen und Anekdoten um Rudolf von Habsburg (Geist und Werk der Zeiten 26), Bern/Frankfurt am Main 1971, S. 11. Vgl. auch Erich Kleinschmidt, Herrscherdarstellung. Zur Disposition mittelalterlichen Aussageverhaltens, untersucht an Texten über Rudolf I. von Habsburg (Bibliotheca Germanica 17), Bern/München 1974; Alfred Ritscher, Literatur und Politik im Umkreis der ersten Habsburger. Dichtung, Historiographie und Briefe am Oberrhein (Freiburger Beiträge zur mittelalterlichen Geschichte 4), Frankfurt am Main/Bern/New York/Paris 1992; Adolf Hofmeister, Anekdoten von Rudolf von Habsburg und Friedrich III. (IV.), in: Annalen des Historischen Vereins für den Niederrhein 125, 1934, S. 12–22. 13 Annette Kehnel, Rudolf von Habsburg im Geschichtswerk der Colmarer Dominikaner, in: Studia monastica. Beiträge zum klösterlichen Leben im christlichen Abendland während des Mittelalters, hg. von Reinhardt Butz/Jörg Oberste (Vita regularis. Ordnungen und Deutungen religiösen Lebens im Mittelalter 22), Münster 2004, S. 211–234. 14 Oswald Redlich, Rudolf von Habsburg in der volkstümlichen Überlieferung, in: Oswald Redlich, Ausgewählte Schriften, Zürich/Leipzig/Wien 1928, S. 9–21 [Vortrag,

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lichen Überlieferung‘.14 Im Abstand von 100 Jahren klingen unsere Fragestellungen zwar ähnlich. Aber das historische Interesse hat sich mittlerweile gravierend gewandelt. Redlich sprach 1918 in der krisenhaften Anfechtung, denen das Kaiser­reich Österreich-Ungarn am Ende des Ersten Weltkriegs ausgesetzt war. Ein halbes Jahr vor dem Untergang der habsburgischen Monarchie beschwor Oswald Redlich die Bürgernähe und Leutseligkeit des Dynastiegründers Rudolf von Habsburg. Der König war sich nach Ausweis der mittelalterlichen Quellen in der Tat nicht zu fein, den beißenden Spott einer Mainzer Bäckersfrau auf seine grausame Soldateska zu ertragen,15 nicht zu fein, kaufmännische Ratschläge für profitablen Handel zu erteilen,16 nicht zu fein, Reklame für das gute Bier eines Erfurter Bürgers zu machen.17 So etwas hätte man über Otto den Großen oder Friedrich Barbarossa nicht erzählen können.18 Die Zeit war weitergegangen. Selbst Heldentode kamen damals aus der Mode. Rudolf schonte das Leben seiner Krieger bei aussichtslosen Burgbelagerungen19 und legte bei drei gleichzeitigen Fehden erst einmal zwei bei,20 um nicht im Heldenmut eines Vielfrontenkampfs unterzugehen. Mit Rudolf begann vielmehr die kluge Heiratspolitik der Habsburger, die später zum weisen Satz gerann: „Andere mögen Kriege führen, du, glückliches Österreich, heirate“ (Bella gerant alii, tu felix Austria nube).21 Zuvor hätte ein solches Image nicht zum Ideal des draufgängerischen, strahlenden Ritterkönigs gepasst, so wie wir ihn 2017/18 in der Speyerer Ausstellung über Richard Löwenherz erlebten.22

gehalten im Verein für Landeskunde am 27. April 1918, anläßlich der 700. Wiederkehr des Geburtstages Rudolfs von Habsburg]. Einen anderen Jubiläumsvortrag hielt Max Vancsa, Rudolf von Habsburg in der Dichtung, in: Österreichische Rundschau 55, 1918, S. 114–120. 15 Willi Treichler, Mittelalterliche Erzählungen (wie Anm. 12), Nr. 40, S. 107 f. 16 Ebenda, Nr. 47, S. 112 f. 17 Ebenda, Nr. 41, S. 108 f. Vgl. Thomas Martin, Das Bild Rudolfs von Habsburg als „Bürgerkönig“ in Chronistik, Dichtung und moderner Historiographie, in: Blätter für deutsche Landesgeschichte 112, 1976, S. 203–228. 18 Zur anderen Volkstümlichkeit Ottos des Großen Gerd Althoff, Schuhe für den Bischofshut. Anekdoten über die „großen“ Herrscher des Mittelalters. Karl der Große und Otto der Große im Vergleich (Magdeburger Museumshefte 16), Magdeburg 2001. Vgl. Gerd Althoff/Christel Meier, Ironie im Mittelalter. Hermeneutik – Dichtung – Politik, Darmstadt 2011. 19 Willi Treichler, Mittelalterliche Erzählungen (wie Anm. 12), Nr. 28, S. 79. 20 Ebenda, Nr. 29, S. 80. 21 Cyrille Debris, «Tu, felix Austria, nube». La dynastie de Habsbourg et sa politique matrimoniale à la fin du Moyen Âge (XIIIe–XVIe siècles) (Histoire de famille. La parenté au Moyen Âge 2), Turnhout 2005. Vgl. den Beitrag von Julia Hörmann-Thurn und Taxis in diesem Band. 22 Richard Löwenherz. König – Ritter – Gefangener, hg. von Alexander Schubert, Regensburg 2017. Zum Helden-Typus des Mittelalters vgl. die Forschungen des SFB 948

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1918 nannte Redlich die gleichen Facetien, die uns bis heute erfreuen. Doch anders als wir sprach er über „Gedenktage, die eigentlich tiefernst wirken, da wir sie mitten in einem Kampfe begehen, in dem es sich um den Bestand und die Zukunft des von den Habsburgern geschaffenen mächtigen Staatengebildes handelt.“ Redlichs Rudolf diente dem Durchhaltewillen eines untergehenden Imperiums und als Vorbild für Kaiser Karl I. (1916–1918), den letzten Herrscher der kaiserlichköniglichen Doppelmonarchie. Schon vor 100 Jahren jammerte Redlich, dass der Schulunterricht, „bedrängt von der Fülle des Stoffes und von den Anforderungen der Gegenwart […] leider gerade das Mittel­ alter“ opfere.23 Dabei entdeckte er Rudolfs Aufstieg „als eine wunderbare göttliche Fügung“: „hier setzt nun eine förmliche Sagenbildung ein. Rudolf von Habsburg, den die göttliche Vorsehung als ihr Werkzeug auserkoren, war von der Vorsehung selber schon geheimnisvoll vorbereitet worden auf seine künftige Sendung.“24 Als „deutscher Österreicher“ formulierte Redlich am Ende diese Bilanz von Rudolfs Herrscherleistung: „Was Rudolf von Habsburg mit dem Schwerte und mit meisterhafter Staatskunst geschaffen, das wollen wir auch heute, da außen und innen der Sturm tobt, mit dem Schwerte und in Treue wahren und verteidigen.“25 Die Menschen Mitteleuropas mussten im 20. Jahrhundert noch manche schreckliche Vorsehung über sich ergehen lassen. Das Wissen um frühere historische Instrumentalisierungen des Mittelalters macht uns nicht überheblich gegenüber den Fehlprognosen unserer Vorgänger, eher bescheiden und selbstironisch, aber auch ein wenig glücklich, dass wir Rudolfs 800. Geburtstag in einem Dom bedenken dürfen, in dem heute programmatisch die Idee des Friedens in Europa bewahrt wird.26 Wir lesen die Facetien also anders und wieder neu. Lassen wir uns von der mittelalterlichen Lust am Erzählen übermannen, ohne die wissenschaftliche Strukturierung aus den Augen zu verlieren. Das Changieren zwischen Geschichte und Geschichten will diesen Beitrag prägen.



‚Helden, Heroisierungen, Heroismen‘ der Universität Freiburg im Breisgau: https:// www.sfb948.uni-freiburg.de/de (08.08.2018). 23 Oswald Redlich, Rudolf von Habsburg in der volkstümlichen Überlieferung (wie Anm. 14), S. 9. 24 Ebenda, S. 11. 25 Ebenda, S. 21. Vgl. Thomas Winkelbauer, Oswald Redlich und die Geschichte der Habsburgermonarchie, in: Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung 117, 2009, S. 399–417. 26 Weltbühne Speyer. Die Ära der großen Staatsbesuche, hg. von Alexander Schubert, Heidelberg/Ubstadt-Weiher/Basel 2016.

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Auf nach Speyer Einen Monat nach Rudolfs Tod schrieb der päpstliche Kaplan Theodericus von Orvieto am 15. August 1291 einen Brief an Kardinalbischof Gerardus Blancus. Berichtet wird von der tödlichen Krankheit des Königs und seiner letzten Reise von Germersheim nach Speyer auf dem Rhein. Vergeblich hätte man gehofft, die bessere Luft in Speyer würde dem Herrscher bekommen. Nach seinem Tod seien Unruhen ausgebrochen.27 In seiner Dissertation über die Tode der römisch-deutschen ­Könige vergleicht Manuel Kamenzin28 diesen nüchternen Bericht mit den bekannteren Notizen deutscher Chronisten. Die zeitnahe Ellenhard-Chronik sah in Rudolfs letztem Reiseziel Speyer keinen Luftkurort, sondern programmatisch diejenige Stätte, an der seit alters die Könige der Römer bestattet wurden. Wegen dieser traditionsreichen Herrschergrablege sei der Habsburger nach Speyer gereist, um an der Seite seiner kaiserlichen und königlichen Vorgänger begraben zu werden.29 Im Rückblick erscheint Rudolfs Herrschaft als beispielhafte Friedenszeit: „In der Lebens- und Herrschaftszeit dieses Herrn Rudolf seligen Angedenkens herrschte ein so großer Frieden in allen Teilen Deutschlands […], dass ein solcher Friede in diesem Land niemals bestand oder gesehen wurde.“ Dagegen folgten dem Sterben des Königs – ganz in mittelalterlicher Zeichenhaftigkeit – Himmelserscheinungen und Erschütterungen menschlicher Ordnung: „Gebrochen und zerstört wurde der allgemeine Friede im ganzen Königreich Deutschland, und in solcher Weise bestand kein Friede mehr in diesem Land.“30 27 Hans Martin Schaller, Ein Brief über den Tod König Rudolfs von Habsburg, in: Forschungen zur Reichs-, Papst- und Landesgeschichte. Peter Herde zum 65. Geburtstag, hg. von Karl Borchardt/Enno Bünz, Teil 2, Stuttgart 1998, S. 575–581, hier S. 580: Noscat itaque vestre paternitatis reverentia dominum regem Romanorum XVo die mensis Iulii decessisse, quadam enim per dies plurimos debilitate detentus, ex quadam occulta intrinsecus infirmitate gravatus, ex qua in lecto egritudinis non iacebat, sedendo in suo quietis solio et loquendo astantibus, in confessione devota recepto salutis viatico in civitate Spiren(si), ad quam de Gemersichim per Renum, qui inibi labitur, venerat, credens invenire aerem meliorem, quem­ admodum placuit altissimo, exspiravit. 28 Manuel Kamenzin, Die Tode der römisch-deutschen Könige und Kaiser (1147–1349), Phil. Diss. (masch.) Heidelberg 2017 [in Druckvorbereitung], S. 316–325, Kap. „Der gute Tod im hohen Alter: König Rudolf“. 29 Ellenhard, Chronicon, hg. von Philipp Jaffé, in: MGH. Scriptores, Bd. 17, Hannover 1861, S. 118–141, hier S. 134: Dominus enim Ruodolfus rex predictus a castro Germersheim se transtulit Spiram, in qua civitate Spirensi reges Romanorum ab antiquo consueverunt inhumari. 30 Ebenda: Sub cuius domini Ruodolfi felicis memorie vita et regimine tanta fuit pax in omnibus partibus Alemanie, etiam usque quo dominus Rudolfus spiritum contineret vite, quod tanta et talis pax in ipsa terra numquam fuit habita vel visa. Adhuc quievit omnis Alemania in conspectu eius et a facie sua timuit omnis homo; et statim cum ipse dominus Rudolfus diem suum clausisset extremum, rupta et dissoluta fuit pax generalis per totum Alemanie regnum ac si in eadem terra numquam pax exstitisset.

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Ottokars Reimchronik spitzte (zwei Jahrzehnte später) Rudolfs letzte Reise zum berühmten Todesritt nach Speyer zu (hinz Spîre). Nachdem ihm beim Schachspiel der nahende Tod eröffnet worden sei, brach er sogleich auf, zu „den Vorfahren, die auch Könige waren“. Seinen Ritt nach Speyer säumten Menschen an den Straßen, damit sie ihn sahen und er sie sah (daz er si sach und si in). Versehen mit den Sterbesakramenten starb Rudolf schließlich einen guten Tod. Der Erzengel Michael, so hoffte der Reimchronist, sollte ihn in die Schar der Engel führen.31 Für das mittelalterliche Bildverständnis bedeutsam sind die Verse über die Kunstfertigkeit jenes klugen Steinmetzen, der Rudolfs Grabbild schuf. Niemals sei ein Bild so lebensnah gewesen wie der Speyerer Stein. Ganz genau und immer wieder hätte der Meister den König betrachtet. Die Runzeln in dessen Antlitz und die Gebrechen des Alters seien im Epitaphium festgehalten. Als der Meister von einer neuen Runzel hörte, sei er zur Prüfung des veränderten königlichen Gesichts sogar bis ins Elsass gelaufen. Nach Speyer zurückgekehrt, „warf er das Bild nieder und machte es Rudolf dem reichen König wieder ähnlich. Der Stein wurde nun sein Dach (der stein wart nû sîn dach).“32 Jahrhunderte später brachte Justinus Kerner „Kaiser Rudolfs Ritt zum Grabe“ in bekannte Verse: Auf der Burg zu Germersheim, Stark am Geist, am Leibe schwach, Sitzt der greise Kaiser Rudolf, Spielend das gewohnte Schach. Und er spricht: „Ihr guten Meister! Ärzte! sagt mir ohne Zagen: Wann aus dem zerbrochnen Leib Wird der Geist zu Gott getragen?“ Und die Meister sprechen: „Herr, Wohl noch heut erscheint die Stunde.“ Freundlich lächelnd spricht der Greis: „Meister! Dank für diese Kunde!“ „Auf nach Speyer! auf nach Speyer!“ Ruft er, als das Spiel geendet; „Wo so mancher deutsche Held Liegt begraben, sei‘s vollendet! 31 Ottokars Österreichische Reimchronik, 2 Teile, hg. von Joseph Seemüller (MGH. Deutsche Chroniken 5), Berlin 1890–1893, hier Teil 1, Verse 38995–39124, S. 507 f. 32 Ottokars Reimchronik (wie Anm. 31), Verse 39125–39172, S. 508 f.

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Abb. 1: Epitaph König Rudolfs im Speyerer Dom, Ausschnitt (Kopf und Brust)

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Blast die Hörner! bringt das Roß, Das mich oft zur Schlacht getragen!“ Zaudernd stehn die Diener all, Doch er ruft: „Folgt ohne Zagen!“ Und das Schlachtroß wird gebracht. „Nicht zum Kampf, zum ew’gen Frieden“, Spricht er, „trage, treuer Freund, jetzt den Herrn, den Lebensmüden!“ Weinend steht der Diener Schar, Als der Greis auf hohem Rosse, Rechts und links ein Kapellan, Zieht, halb Leich’, aus seinem Schlosse. Trauernd neigt des Schlosses Lind’ Vor ihm ihre Äste nieder, Vögel, die in ihrer Hut, Singen wehmutsvolle Lieder. Mancher eilt des Wegs daher, Der gehört die bange Sage, Sieht des Helden sterbend Bild Und bricht aus in laute Klage. Aber nur von Himmelslust Spricht der Greis mit jenen zweien, Lächelnd blickt sein Angesicht, Als ritt’ er zur Lust in Maien. Von dem hohen Dom zu Speyer Hört man dumpf die Glocken schallen. Ritter, Bürger, zarte Frau’n Weinend ihm entgegenwallen. In den hohen Kaisersaal Ist er rasch noch eingetreten; Sitzend dort auf goldnem Stuhl, Hört man für das Volk ihn beten. „Reichet mir den heil’gen Leib!“ Spricht er dann mit bleichem Munde, Drauf verjüngt sich sein Gesicht Um die mitternächt’ge Stunde.

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Da auf einmal wird der Saal Hell von überird’schem Lichte, Und entschlummert sitzt der Held, Himmelsruh’ im Angesichte. Glocken dürfen’s nicht verkünden, Boten nicht zur Leiche bieten, Alle Herzen längs des Rheins Fühlen, daß der Held verschieden. Nach dem Dome strömt das Volk Schwarz unzähligen Gewimmels. Der empfing des Helden Leib, Seinen Geist der Dom des Himmels.“33 Der neuzeitliche Dichter fand die Basis seiner Geschichte und den königlichen Ausruf „Auf nach Speyer“ auch in der Chronik des Mathias von Neuenburg († nach 1364): „Als der König altersschwach wurde und die Ärzte ihm sagten, dass er nur noch wenige Tage leben könnte, sprach er: ‚Wohlauf gen Speyer zu den übrigen dort begrabenen Königen!‘ (Eamus ergo Spiram ad alios reges sepultos!). Und während er sich in Germersheim bei Speyer aufhielt, starb er daselbst [nicht korrekt: Rudolf starb in Speyer]. Er wurde zu Speyer mit allen Ehren im königlichen Grab bestattet, im achtzehnten Jahr seiner Regierung, im Jahre des Herrn 1291 am 30. September. Sein Grabstein trägt folgende Inschrift: ‚Im Jahr des Herrn 1291 am 30. September [Datum ist falsch] starb der römische König Rudolf von Habsburg‘.“34

Geschichte aus Geschichten Der Vergleich des nüchternen Briefs eines italienischen Geistlichen mit der Erinnerungsstiftung in der lateinischen Chronik aus dem Elsass und der volkssprachlichen Reimchronik aus der Steiermark steckt unterschiedliche Erinnerungspotenziale und narrative Entfaltungen ab. 33 http://www.justinus-kerner.de/index.php/gedichte/141-kaiser-rudolfs-ritt-zum-grabe (05.08.2018). Weitere Hinweise bei Erwin Heinzel, Lexikon historischer Ereignisse und Personen in Kunst, Literatur und Musik, Wien 1956, S. 631–633. 34 Die Chronik des Mathias von Neuenburg, hg. von Adolf Hofmeister (MGH. Scriptores rerum Germanicarum, Nova Series 4), 2. Aufl. Berlin 1955, cap. 28, Fassung B, S. 45; WAU, S. 331. Die deutsche Übersetzung (geglättet und modernisiert) nach: Die Chronik des Mathias von Neuenburg, hg. von Georg Grandaur (Die Geschichtschreiber der deutschen Vorzeit 84), 3. Aufl. Leipzig 1892, S. 31 f.

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Zur Geschichtsschreibung gehörten von Anfang an das Erzählen und das Werten, die Lust am Detail und die Ordnung der großen Dinge. Die modernen Kognitionswissenschaften machen uns Historikerinnen und Historikern heute die unterschiedlichen Fähigkeiten des episodischen und des strukturierenden Gedächtnisses deutlich. Geschichten stabilisieren sich in ihrer Wiederholung, werden im Gehirn wieder neu gespeichert, verändern sich unmerklich mit der Zeit, halten Früheres lebendig und entfalten es weiter.35 Testen Sie es nach der Lektüre dieses Beitrags an sich selbst. Vielleicht werden Sie sich Rudolfs Todesritt nach Speyer besser merken als seine Schiffsreise auf dem Rhein, auch wenn diese quellenkritisch vielleicht höheren Wert besitzen mag. Und Kerners Verse „Alle Herzen längs des Rhein / Fühlen, daß der Held verschieden.“ bleiben in ihrem Rhythmus allemal eingängiger als das Todesdatum 15. Juli 1291. Die Geschichtswissenschaft nahm die Facetien der Dominikaner oder Franziskaner, der Reimdichter und der Spielleute gerne auf. Manchmal erzählen sogar Historiker gerne, insbesondere dann, wenn sie etwas von ihrer Wissenschaft an die Menschen weitergeben wollen. Doch in den gelehrten Köpfen blieb auch stets eine Sperre gegen die Auflösung von Geschichte in Geschichten. Als ich die vielen klugen Veröffentlichungen über den Wandel der Geschichtsschreibung vom Hoch- zum Spätmittelalter las, über veränderte Erzählstrategien, über die Bewältigung komplexer Wirklichkeiten, da stieß ich auf den Grundton einer Verfallsgeschichte. Die gelehrte Geschichtswissenschaft hat sich von den großen Ordnungsmodellen, den welterfassenden Theorien und den Komplexitätsreduktionen so sehr trainieren lassen, dass ihr die Runzel im Antlitz des Königs wie eine Mücke im Urwald erscheint. Seit 1100 hatten Chronisten beherzt die ganze Weltgeschichte in Büchern gebändigt.36 Sie orientierten sich an biblischen Entwürfen der ganz großen Menschheitsgeschichte. Nach mittelalterlichen Vorstellungen folgte diese den sechs Schöpfungstagen Gottes oder der Abfolge von vier Weltreichen. Otto von Freising schrieb im 12. Jahrhundert die Weltgeschichte von der Schöpfung bis in die Zukunft der Menschheit in der 35 Wolf Singer, Wahrnehmen, Erinnern, Vergessen, in: Eine Welt – Eine Geschichte? 43. Deutscher Historikertag in Aachen, 26. bis 29. September 2000. Berichtsband, hg. von Max Kerner, München 2001, S. 18–27; Johannes Fried, Der Schleier der Erinnerung. Grundzüge einer historischen Memorik, München 2004. 36 Anna-Dorothee von den Brincken, Studien zur lateinischen Weltchronistik bis in das Zeitalter Ottos von Freising, Düsseldorf 1957; Hans-Werner Goetz, Das Geschichtsbild Ottos von Freising. Ein Beitrag zur historischen Vorstellungswelt und zur Geschichte des 12. Jahrhunderts (Beihefte zum Archiv für Kulturgeschichte 19), Köln/Wien 1984; Hans-Werner Goetz, Geschichtsschreibung und Geschichtsbewußtsein im hohen Mittelalter (Orbis mediaevalis. Vorstellungswelten des Mittelalters 1), Berlin 1999.

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ewigen Sabbatruhe weiter. Joachim von Fiore ließ um 1200 die drei Zeitalter des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes in der Geschichte erstehen.37 Das Geschichtsverständnis der großen Buchreligionen, der Juden, der Christen wie der Muslime, war von linearen Entwicklungen bestimmt.38 Ihnen bleibt Weltgeschichte Heilsgeschehen,39 auf dem Weg in eine erträumte Zukunft mit Gott. Ganze Ateliers von Chronographen sammelten und ordneten im 13. Jahrhundert die Vielfalt der Dinge zu enzyklopädischem Wissen.40 Geschichte wurde ihnen zur Lehrmeisterin des Lebens, zum Schlüssel für das Verständnis vom Handeln Gottes an den Menschen. Vincenz von Beauvais baute ein riesiges Speculum historiale zusammen, in dem er der Geschichte eine Richtung und eine Ordnung gab.41 An solchen Großentwürfen arbeiteten sich moderne Theoretiker der Vergangenheit voller Hochachtung ab. Und dann kam der angebliche Absturz ins Spätmittelalter! Geschichtsschreiber schienen seit dem 13. Jahrhundert ohne klare Strukturen, ohne Fokussierungen auf die großen Dinge, ohne Richtungen auszukommen.42 Gewiss durchzog religiöse Fundierung auch die Texte 37 Grundlegend jetzt Hans-Werner Goetz, Gott und die Welt. Religiöse Vorstellungen des frühen und hohen Mittelalters, Teil 1, Band 1–3 (Orbis mediaevalis. Vorstellungswelten des Mittelalters 13.1–2, 16), Berlin 2011–2016. 38 Hans-Werner Goetz, Die Wahrnehmung anderer Religionen und christlich-abendländisches Selbstverständnis im frühen und hohen Mittelalter (5.–12. Jahrhundert), 2 Bde., Berlin 2013. Vgl. Markus Völkel, Geschichtsschreibung. Eine Einführung in globaler Perspektive, Köln/Weimar/Wien 2006; Hans Lehner, Prophetie zwischen Eschatologie und Politik. Zur Rolle der Vorhersagbarkeit von Zukünftigem in der hochmittelalterlichen Historiografie (Historische Forschungen 29), Stuttgart 2015; Mittelalterliche Zukunftsgestaltung im Angesicht des Weltendes. Forming the Future Facing the End of the World in the Middle Ages, hg. von Felicitas Schmieder (Beihefte zum Archiv für Kulturgeschichte 77), Köln/Weimar/Wien 2015; künftig: Zukunft im Mittelalter. Zeitkonzepte und Planungsstrategien, hg. von Klaus Oschema/Bernd Schneidmüller [in Druckvorbereitung]. 39 Karl Löwith, Weltgeschichte und Heilsgeschehen. Die theologischen Voraussetzungen der Geschichtsphilosophie, 6. Aufl. Stuttgart/Berlin/Köln/Mainz 1973 [erstmals 1953]. 40 Heinz Meyer, Die Enzyklopädie des Bartholomäus Anglicus. Untersuchungen zur Überlieferungs- und Rezeptionsgeschichte von ‚De proprietatibus rerum’ (Münstersche Mittelalter-Schriften 77), München 2000; Die Enzyklopädie im Wandel vom Hochmittelalter bis zur frühen Neuzeit, hg. von Christel Meier (Münstersche MittelalterSchriften 78), München 2002; Joachim Ehlers, Die Ordnung der Geschichte, in: Ordnungskonfigurationen im hohen Mittelalter, hg. von Bernd Schneidmüller/Stefan Weinfurter (Vorträge und Forschungen 64), Ostfildern 2006, S.  37–57; Bernd Schneidmüller, Die Ordnung von Welt und Geschichte, in: Aufbruch in die Gotik. Der Magdeburger Dom und die späte Stauferzeit, Bd. 1: Essays, hg. von Matthias Puhle, Mainz 2009, S. 446–457. 41 Vincenz von Beauvais: Speculum quadruplex sive speculum maius. Naturale, doctrinale, morale, historiale, 4 Bde., Douai 1624, Neudruck Graz 1964–1965. Vgl. Monique Paulmier-Foucart/Marie-Christine Duchesne, Vincent de Beauvais et le Grand miroir du monde (Témoins de notre histoire), Turnhout 2004. 42 Zum Narrativ Bernd Schneidmüller, Konsens – Territorialisierung – Eigennutz. Vom Umgang mit spätmittelalterlicher Geschichte, in: Frühmittelalterliche Studien 39, 2005,

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des 14. und 15. Jahrhunderts. Und gewiss gab es immer noch die großen, richtungsweisenden Geschichtsentwürfe.43 Aber daneben nisteten sich die Facetien ein, erzählt von einer bunteren Schar von Autorinnen und Autoren, die sich nicht mehr dem Korsett einer geschichtsschreibenden Leitkultur beugten. Jetzt wurde Institutionalität aus Beispielen entworfen. Überhaupt die Beispiele, die exempla! Dominikaner und Franziskaner nutzten sie in ihren Predigten nicht allein zur Erbauung der Gläubigen. Sie setzten sogar ihre Großmodelle aus Facetien zusammen und sparten dafür an gelehrter Strukturierung.44 Thomas von Cantimpré, das zeigt jetzt Julia Burkhardt, konnte das klösterliche Gefüge von Vorstehern und Untergebenen aus Beispielen entwerfen und es in Vergleichen mit der Bienengemeinschaft aus der Natur begründen.45 Die heute aktuelle Frage, wie eigentlich Kollektive entscheiden, ließ sich im 13. Jahrhundert durch die Rezeption der griechischen Philosophie ebenso beantworten wie durch die Aneinanderreihung pittoresker Geschichten. Nicht nur das Gedächtnis, sondern auch die Phantasie entfaltet sich episodisch oder strukturell. Diesen mittelalterlichen „stream of consciousness“ will ich mit einem Zitat aus der Geschichtsschreibung der Colmarer Dominikaner zum Jahr 1278 erläutern. Hier ging es auch um den Sieg König Rudolfs über König Ottokar II. von Böhmen, der später den Habsburgern den S. 225–246. Die traditionelle Denkrichtung markierte Johannes Haller, Die Epochen der deutschen Geschichte, 9. Aufl. Stuttgart/Urach 1950, S. 95: „Die Zeit, von der wir reden, erfreut sich bei den Gebildeten keiner hohen Wertschätzung. Man kann das niemand verargen. Der Mensch sucht auch in der Vergangenheit nach Erscheinungen – Personen und Vorgängen – die seine Aufmerksamkeit fesseln, sei es durch menschliche Züge oder durch die Größe und Folgenschwere des Geschehens. Das Kleine und Kleinliche stößt ab, es ermüdet und langweilt. Der deutschen Geschichte nach 1250 fehlt jeder große Zug. Wo er einmal sichtbar wird, wie etwa bei Albrecht I., da bleibt es bei einem Aufleuchten, hinter dem die Nacht nur um so dunkler erscheint. ‚Es kommt nichts dabei heraus‘ – das ist der Eindruck, den man bei all diesen fortwährenden Kämpfen und Streitigkeiten gewinnt.“ Vgl. Erich Meuthen, Gab es ein spätes Mittelalter?, in: Spätzeit. Studien zu den Problemen eines historischen Epochenbegriffs, hg. von Johannes Kunisch (Historische Forschungen 42), Berlin 1990, S. 91–135. 43 Im Überblick Willi Erzgräber, Europäisches Spätmittelalter (Neues Handbuch der Literaturwissenschaften 8), Wiesbaden 1978; Henning Ottmann, Geschichte des politischen Denkens, Bd.  2/2: Das Mittelalter, Stuttgart/Weimar 2005; Jürgen Miethke, Politiktheorie im Mittelalter. Von Thomas von Aquin bis Wilhelm von Ockham, Tübingen 2008; Handbuch Chroniken des Mittelalters, hg. von Gerhard Wolf/Norbert H. Ott, Berlin/Boston 2016. 44 Markus Schürer, Das Exemplum oder die erzählte Institution. Studien zum Beispielgebrauch bei den Dominikanern und Franziskanern des 13. Jahrhunderts (Vita regularis. Abhandlungen 23), Berlin 2005. 45 Julia Burkhardt, Von Bienen lernen. Das Bonum universale de apibus des Thomas von Cantimpré als Gemeinschaftsentwurf (Analyse, Edition, Übersetzung, Kommentar), Habilitationsschrift (masch.) Heidelberg 2018 [in Druckvorbereitung].

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Besitz Österreichs sicherte. Aber eben nicht nur! Man könnte sich endlos an aneinandergereihten Episoden vermischten Inhalts erfreuen. Sie werden das Miteinander von großer oder kleiner Vielfalt schon aus dieser einen Textpassage entdecken: „Ein Bauer aus Villingen trug ein glühendes Eisen in der bloßen Hand, ohne sich zu verletzen. Um den 1. Juni ließ der König von Frankreich Petrus, seinen getreuesten und reichsten Rat, aufknüpfen, weil er angeblich die Königin hatte erkennen wollen. Anfang Mai gab es reife Erdbeeren, acht Tage nach St. Johannis des Täufers Fest reife Gerste. In Kolmar fraßen Schweine ihren Hirten. Ebenda warfen zwei Ziegen sieben Junge. Ein Luzerner Schiffer behauptete, in einem Tag von Luzern nach Straßburg fahren zu können: da er es aber nicht auszuführen vermochte, hat er, wie wir glauben, dreißig Pfund verloren. Eine Hexe verhinderte sechs Jahre lang ihre eigene Entbindung; im siebenten Jahr aber gebar sie, wie wir vernommen haben, drei Kinder auf einmal. […]. Der König von Böhmen lieferte dem König Rudolf bei Wien eine Schlacht, in der er selbst blieb, und mit ihm wie insgemein gesagt wurde, vierzehntausend Menschen.“46 Wer weiterblättert, liest auch, dass König Rudolf 1288 nach Colmar kam: „mit sich führte er ein Kamel, ein großes Tier von drei Jahren von ungewöhnlicher Höhe“ (et duxit secum camelum, animal magnum trium annorum, altitudinis inconsuete).47 Ein Jahr später kaufte der König „in Basel für dreißig Pfund Silber einen Käfig für einen Papagei“ (pro triginta libris argenti caveam in Basilea avi psitaco comparavit).48 Die Colmarer Dominikaner notierten auch Prophezeiungen und Traumvisionen, die den Untergang von Rudolfs ärgstem Rivalen Ottokar oder die Königswahl Rudolfs vorhersagten. Nach der Colmarer Chronik hätte der Vagant Setzer angeblich geweissagt: „Sage dem Grafen Rudolf von Habsburg, er werde König der Römer werden: Könige wird er bekämpfen und besiegen, fünfzehn Jahre wird er herrschen, Frieden wird er auf Erden bringen und durch seine Kinder viele Freunde sich verbinden; seit den Zeiten des großen Karl war nicht einer ihm ähnlich an Ruhm, Macht, Ehre und Reichtum: die Kaiserkrone aber wird er nicht erlangen können“ (a tempore Caroli Magni non fuit ei similis gloria, potentia, honore et divitiis; sed imperialem coronam non poterit obtinere).49

46 Annales Colmarienses maiores, in: Annales Colmarienses (wie Anm. 2), S. 202–232, hier S. 208; deutsche Übersetzung (wie Anm. 2), S. 42 f. 47 Ebenda, a. 1289, S. 216; Übersetzung S. 76. 48 Ebenda, a. 1289, S. 216; Übersetzung S. 78. 49 Chronicon Colmariense (wie Anm. 2), S. 253; Übersetzung S. 180 f. Eine andere Traumvision des Herrn von Klingen S. 243; Übersetzung S. 154.

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War das wirklich ein historiographischer Absturz ins Spätmittelalter? Das kritische Urteil stammt von den Liebhabern der großmaßstäblichen Entwürfe. Leser, die heutzutage ihre Zeitungslektüre in der Rubrik ‚Vermischtes‘ oder ‚Deutschland und die Welt‘ beginnen, werden von der spätmittelalterlichen Geschichtsschreibung besser bedient als von früheren heilsgeschichtlichen Theorieentwürfen. Es ist eben Einstellung, ob man sich die Welt von oben oder von unten, in der Struktur oder in der Varianz zusammensetzt. Den historiographischen Wechsel betrachte ich freilich nicht als beliebig oder zufällig. Vielmehr deckten die Katastrophen, Spannungen und Widersprüche den Zeitgenossen des 13. Jahrhunderts das Ende ihrer Großmaßstäblichkeit schonungslos auf. Das lateinische Europa ließ sich eben nicht mehr als Abfolge von Weltreichen, als Fortsetzung des römischen Imperiums oder als Konkurrenz zweier universaler Gewalten begreifen. Neben Papst und Kaiser schoben sich kraftvoll die europäischen Monarchien. Und auch im Heiligen Römischen Reich entfalteten sich veränderte politische Willensbildungssysteme. Neben ­Könige und Fürsten traten neue Mitentscheider, Grafen und Herren, Städte und Bürger.50 Wir entdecken in unserer Gegenwart wieder neu, wie sich Verantwortung aus Breite und Tiefe und nicht aus binären Modellen von Befehl und Gehorsam speist.51 Solche Erfahrungen von Vielfalt weiten die Blicke auf mittelalterliche Pluralisierungen, auf die Lust am Mosaik, auf die Erfassung des Ganzen in Facetien. Der Chronist Mathias von Neuenburg packte im 14. Jahrhundert das Große und das Kleine in einer Geschichte von Rudolfs Feldzug 1289 nach Burgund zusammen. Mut und Demut, Welteroberung und Mangel lagen hier eng beieinander. „Der König soll auch bei dem Heer gesagt haben, er würde in jedem Teil der Welt (in qualibet mundi parte) mit viertausend auserlesenen Behelmten und vierzigtausend wohlbewaffneten deutschen Fußknechten unbesiegbar sein.“52 Neben dieser deutschen 50 Weiterführende Hinweise bei Bernd Schneidmüller, Grenzerfahrung und monarchische Ordnung. Europa 1200–1500 (C. H. Beck Geschichte Europas), München 2011, S. 80–125. Vgl. Autorität und Akzeptanz. Das Reich im Europa des 13. Jahrhunderts, hg. von Werner Bomm/Hubertus Seibert/Verena Türck, Ostfildern 2013. 51 Bernd Schneidmüller, Verantwortung aus Breite und Tiefe. Verschränkte Herrschaft im 13. Jahrhundert, in: König, Reich und Fürsten im Mittelalter. Abschlusstagung des Greifswalder „Principes-Projekts“. Festschrift für Karl-Heinz Spieß, hg. von Oliver Auge (Beiträge zur Geschichte der Universität Greifswald 12), Stuttgart 2017, S. 115–148; Bernd Schneidmüller, Verklärte Macht und verschränkte Herrschaft. Vom Charme vormoderner Andersartigkeit, in: Macht und Herrschaft transkulturell. Vormoderne Konfigurationen und Perspektiven der Forschung, hg. von Matthias Becher/Stephan Conermann/Linda Dohmen (Macht und Herrschaft 1), Bonn 2018, S. 91–121. 52 Die Chronik des Mathias von Neuenburg (wie Anm. 34), cap. 24, Fassung B, S. 42; WAU, S.  329; deutsche Übersetzung, S.  28. Zur Geschichtsschreibung des 14.  Jahrhunderts

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Zuversicht auf Welteroberung standen Beispiele der Bescheidenheit. Rudolf ließ „die zerrissenen Ärmel seines Wamses durch neue Flicken ausbessern und gab so den anderen ein Beispiel, es ebenso zu machen“ (ubi manicas wambasii sui fractas cum novis peciis reparans dedit exemplum aliis similiter faciendi). Dann ging dem Heer auch noch der Proviant aus. „Als nun der König Rüben auf dem Felde stehen sah, schabte er eine derselben und verzehrte sie, und als die Übrigen das gesehen, sättigten auch sie sich einigermaßen mit Feldrüben.“53

Der Grafenkönig Die Habsburg, eine Höhenburg in der Nähe von Brugg im schweizerischen Aargau, gab Rudolf und seinem Geschlecht den Namen.54 Bei seiner Königswahl durch die Mehrheit der Wahlfürsten im Heiligen Römischen Reich war er nicht der erste Graf des 13. Jahrhunderts, der zum Herrscher erhoben wurde. Er sollte auch nicht der letzte bleiben. Vor und nach ihm stiegen Graf Wilhelm von Holland, Landgraf Heinrich von Thüringen, Graf Adolf von Nassau und Graf Heinrich von Luxemburg zum römischen Königtum auf. Das erscheint deshalb erstaunlich, weil sich die Herzöge und Markgrafen mittlerweile als Reichsfürsten formiert und über die Gruppe der Grafen und Herren geschoben hatten. Das Paradox, dass ranghöhere Wahlfürsten einen Grafen zum König und Lehnsherrn erhoben, wurde durchaus schon von mittelalterlichen Beobachtern reflektiert. Mathias von Neuenburg berichtet von der Wahlentscheidung des Mainzer Erzbischofs 1273 mit folgenden Worten: „Als aber die Wahlfürsten versammelt waren, miteinander über die Gefahren der Thronvakanz und den Verlust aller fürstlichen Rechte klagten und sich über die Person eines zu wählenden Fürsten besprachen, rühmte der Mainzer den Mut und die Klugheit des Grafen Rudolf von Habsburg; und da viele mächtige Fürsten genannt waren, sagte er, Klugheit und Tapferkeit gingen über Macht und Reichtum, und stimmte für Rudolf.“55

über Rudolf vgl. jetzt Katharina Lichtenberger, Mathias von Neuenburg und die Gegenwartschronistik des 14. Jahrhunderts im deutschen Südwesten, Phil. Diss. (masch.) Heidelberg 2017 [in Druckvorbereitung]. 53 Die Chronik des Mathias von Neuenburg (wie Anm. 34), cap. 24, Fassung B, S.  40  f.; WAU, S. 329; deutsche Übersetzung (wie Anm. 34), S. 27. 54 Bruno Meier, Ein Königshaus aus der Schweiz. Die Habsburger, der Aargau und die Eidgenossenschaft im Mittelalter, Baden 2008; Peter Frey/Martin Hartmann/Emil Maurer, Die Habsburg (Schweizerische Kunstführer, Serie 43, Nr. 425), 6. Aufl. Bern 1999.

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Früher diskutierte man öfter, ob Rudolf von Habsburg ein großer oder ein kleiner Graf und später ein großer oder ein kleiner König war.56 Unstrittig besaß er im deutschen Südwesten als Graf hohe Be­ deutung, trat als Verbündeter oder Gegner großer Bischöfe oder Städte hervor und bewährte sich in verlässlicher Treue zu den letzten staufischen Herrschern.57 Seine später beschworene Königsnähe im mittleren 13. Jahrhundert täuscht aber nicht darüber hinweg, dass die Wahlfür­ sten 1273 den mächtigsten Thronanwärter im Reich dezidiert übergingen, nämlich König Ottokar von Böhmen. Wie Rudolf seinen Aufstieg bewältigte und wie das in den Facetien stilisiert wurde, gehört zu den Grundpfeilern der habsburgischen Erfolgsgeschichte. Bis weit ins 20. Jahrhundert hinein festigte sich ein klares Geschichtsbild von Untergang, Krise und Neubeginn. Das Ende der Staufer im Reich in der Mitte des 13. Jahrhunderts galt als Katastrophe der deutschen Geschichte. Ihm folgte das sogenannte Interregnum.58 Es ging als kaiserlose, schreckliche Zeit in die Mythenbildung ein. Die Fürsten entschieden sich in strittigen Wahlen für kleine oder gar ‚ausländische‘ Könige. Erst Rudolfs Königswahl habe die Monarchie wieder einigermaßen kraftvoll ins deutsche Reich zurückgeführt. Deshalb reihte Karl Hampe (1869–1936), ein früherer Amtsvorgänger auf meiner Heidelberger Professur, in seinem erfolgreichen Buch „Herrschergestalten des deutschen Mittelalters“ Rudolf von Habsburg in die erlauchte Schar von acht großen Männern ein, die er überhaupt für darstellungswürdig erachtete. Bei Hampe trat der Habsburger in eine Reihe mit

55 Die Chronik des Mathias von Neuenburg (wie Anm.  34), cap. 13, Fassung B, S.  21  f.; WAU, S. 320; deutsche Übersetzung (wie Anm. 34), S. 13. 56 Peter Moraw, Rudolf von Habsburg: Der ‚kleine‘ König im europäischen Vergleich, in: Rudolf von Habsburg 1273–1291 (wie Anm. 3), S. 185–208. Zum verfassungsgeschichtlichen Wandel des Spätmittelalters Peter Moraw, Von offener Verfassung zu gestalteter Verdichtung. Das Reich im späten Mittelalter 1250–1490, Frankfurt am Main/Berlin 1989; Peter Moraw, Über König und Reich. Aufsätze zur deutschen Verfassungsgeschichte des späten Mittelalters, hg. von Rainer Christoph Schwinges aus Anlaß des 60. Geburtstages von Peter Moraw am 31. August 1995, Sigmaringen 1995; Deutscher Königshof, Hoftag und Reichstag im späteren Mittelalter, hg. von Peter Moraw (Vorträge und Forschungen 48), Stuttgart 2002. Zu Moraws Entwürfen: Stand und Perspektiven der Sozial- und Verfassungsgeschichte zum römisch-deutschen Reich. Der Forschungseinfluss Peter Moraws auf die deutsche Mediävistik, hg. von Christine Reinle (Studien und Texte zur Geistes- und Sozialgeschichte des Mittelalters 10), Affalterbach 2016. Vgl. auch Ernst Schubert, König und Reich. Studien zur spätmittelalterlichen deutschen Verfassungsgeschichte (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte 63), Göttingen 1979. 57 Vgl. den Beitrag von Martina Stercken in diesem Band. 58 Martin Kaufhold, Interregnum (Geschichte kompakt), Darmstadt 2002; Martin Kaufhold, Deutsches Interregnum und europäische Politik. Konfliktlösungen und Entscheidungsstrukturen 1230–1280 (MGH. Schriften 49), Hannover 2000.

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Abb. 2: König Rudolf von Habsburg thronend, Frontalansicht, Denkmal in der Westvorhalle des Speyerer Doms (19. Jh.)

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Theoderich dem Großen, Karl dem Großen, Otto dem Großen, Heinrich IV., Friedrich Barbarossa, Heinrich dem Löwen und Karl IV. und erhielt folgende Würdigung: „Er war ein echter deutscher Mann, der nach schwerster Verwirrung und Auflösung aller staatlichen Verhältnisse berufen wurde, die darniederliegende Zentralgewalt des Reiches aufs neue zu festigen, der in nüchterner Einsicht und kluger Selbstbescheidung den allein noch gangbaren Weg zu solchem Ziele erkannt hat und mit einer bei seinem Alter erstaunlichen Energie unter Aufbietung aller Kräfte auf diesem Wege unbeirrt so weit vorangeschritten ist, wie es die innere und äußere Lage nur irgend gestatteten, – keine Figur, an der man die glanzvollen Seiten oder die unergründlichen Tiefen deutschen Wesens studieren könnte, wohl aber ein vorbildlicher Vertreter jener wackeren, selbstsicheren, allein auf Tat und Wirklichkeit gerichteten Art, wie sie gerade in Zeiten der Sammlung und des mühseligen Wiederaufbaues unserm Volke stets vonnöten gewesen sind.“59 Die nationale Rückbesinnung verdeckte die Chancen, die sich mit der Europäisierung des römischen Königtums in den ersten beiden Dritteln des 13. Jahrhunderts ergeben hatten. Die beiden königlichen Vorgänger Rudolfs aus England und Kastilien setzten jene imperiale Dehnung über die Enge des nordalpinen Reichs hinaus fort, die Kaiser Heinrich VI. oder Kaiser Friedrich II. begonnen hatten. Aus diesen neuen, mediterranen Perspektiven ergaben sich deutlichere Anknüpfungen an das Imperium Romanum der Antike und ein imperiales Herrschaftsverständnis, welches das römische Königtum ausgreifend mit den Königreichen von Sizilien und Jerusalem verknüpfte. Als die Wahlfürsten Alfons von Kastilien oder Richard von Cornwall zu römischen Königen erhoben wurden, folgten sie solchen neuen Mustern, die beherzt über das alte regnum Teutonicum hinauswiesen. Erst das faktische monarchische Vakuum der 1260er Jahre im römischdeutschen Reich eröffnete einem südwestdeutschen Grafen den Weg auf den Thron. Das universale römische Herrschaftsmodell dachte noch keineswegs in der Kategorie von Deutschen oder ‚Ausländern‘. Deshalb wurde erst mit dem imperialen Ende von 1272/73 der klar auf das römisch-deutsche Reich des Spätmittelalters reduzierte Verantwortungsverbund von römischem König und deutschen Fürsten hervorgebracht. Ob man das als vergebene Chance einer mittelalterlichen 59 Karl Hampe, Herrschergestalten des deutschen Mittelalters, 6. Aufl. Heidelberg 1955 [1. Aufl. Leipzig 1927; 1955 erschien eine 7. Aufl. unverändert zur 6., 1979 ein Nachdruck bei der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft], S. 216–247, Zitat S. 247. Vgl. Folker Reichert, Gelehrtes Leben. Karl Hampe, das Mittelalter und die Geschichte der Deutschen (Schriftenreihe der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften 79), Göttingen 2009.

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Universalisierung oder als endliche ‚Normalisierung‘ und Einfügung römisch-deutscher Geschichte in die Nationalisierung Europas beurteilen will, hängt heute vom Standpunkt ab. Dass Rudolfs Erhebung 1273 überraschte, überliefert eine Facetie über die Reaktion des Bischofs von Basel. Folgt man Mathias von Neuenburg, so platzte die Kunde von der Frankfurter Königswahl mitten in eine Fehde zwischen dem Bischof und dem Habsburger: „Der Bischof aber schlug sich, als er vernahm, was geschehen war, vor die Stirn und rief: ‚Herr Gott, sitze fest auf deinem Thron, sonst nimmt Rudolf deinen Platz ein.‘“60 Auch die Colmarer Chronik unterstrich, dass Rudolf inmitten seiner regionalen Fehden zum Königtum aufstieg: „Graf Rudolf von Habsburg hat, wie man weiß, mit verschiedenen Herren Fehden und Kriege (lites et guerrae) gehabt, mit dem Grafen von Savoyen, dem Grafen von Rapperschwyl, dem Grafen von Hohenberg oder Homberg, dem Abt von St. Gallen, dem Bischof Eberhard von Konstanz, mit den Bürgern von Bern, mit seinem Vetter, dem Bischof Heinrich von Basel. Während dieser Fehde wurde er zum römischen König gewählt im Jahre 1273.“61 Im monarchischen Amt entwickelte sich der gewaltbereite Habsburger weiter, baute die königliche Gerichtsgewalt wieder neu auf, forcierte die Bindungen zu den königlichen Städten, organisierte die Herrschaftsrechte des Königtums in den reichsnahen Regionen und betrieb eine ausgleichende Landfriedenspolitik.62 Rudolf und seine Wahlfürsten konstruierten seit 1273 die historischen Voraussetzungen ihres Handelns jedenfalls neu. Auf Hoftagen 60 Die Chronik des Mathias von Neuenburg (wie Anm. 34), cap. 14, Fassung B, S. 23; WAU, S. 321; deutsche Übersetzung (wie Anm. 34), S. 15. 61 Chronicon Colmariense (wie Anm. 2), S. 241. Deutsche Übersetzung: Annalen und Chronik von Kolmar (wie Anm. 2), S. 147. 62 Michael Menzel, Die Zeit der Entwürfe 1273–1347 (Gebhardt, Handbuch der deutschen Geschichte, Zehnte, völlig neu bearbeitete Auflage 7a), Stuttgart 2012; Ute Rödel, Königliche Gerichtsbarkeit und Streitfälle der Fürsten und Grafen im Südwesten des Reiches 1250–1313 (Quellen und Forschungen zur höchsten Gerichtsbarkeit im Alten Reich 5), Köln/Wien 1979; Urkundenregesten zur Tätigkeit des deutschen Königs- und Hofgerichts bis 1451, Band 3: Die Zeit Rudolfs von Habsburg 1273–1291, bearbeitet von Bernhard Diestelkamp/Ute Rödel (Quellen und Forschungen zur höchsten Gerichtsbarkeit im Alten Reich. Sonderreihe), Köln/Wien 1986; Alois Gerlich, Studien zur Landfriedenspolitik König Rudolfs von Habsburg, Mainz 1963; Ulrike Kunze, Rudolf von Habsburg. Königliche Landfriedenspolitik im Spiegel zeitgenössischer Chronistik (Europäische Hochschulschriften III 895), Frankfurt am Main 2001; Christel Maria von Graevenitz, Die Landfriedenspolitik Rudolfs von Habsburg (1273–1291) am Niederrhein und in Westfalen (Rheinisches Archiv 146), Köln/Weimar/Wien 2003; Fred Schwind, Die Landvogtei in der Wetterau. Studien zu Herrschaft und Politik der staufischen und spätmittelalterlichen Könige (Schriften des Hessischen Landesamtes für geschichtliche Landeskunde 35), Marburg 1972; Thomas Michael Martin, Die Städtepolitik Rudolfs von Habsburg (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte 42), Göttingen 1976.

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wurden die gemeinsame Verantwortung von König und Fürsten für das Reich und ihr inneres Verhältnis in neuen Ordnungen verschriftlicht.63 In tagespolitischen Herausforderungen entstanden Normen zur Vergabe von Reichslehen oder zum formalen Streitaustrag zwischen dem König und einem Reichsfürsten. Man muss dieser Formierungsphase systematisierter Ordnung im ersten Jahrzehnt von Rudolfs Herrschaft fundamentale Bedeutung für das politische Gefüge des Heiligen Römischen Reichs zusprechen. Aus bloßen Zufällen oder aktuellen Notwendigkeiten wuchsen dem rheinischen Pfalzgrafen besondere Befugnisse zu, in denen sich das überkommene konsensuale Herrschaftssystem des Reichs deutlicher formalisierte.64 Die Verabredungen des Nürnberger Hoftags vom November 1274 schufen die rechtlichen Grundlagen für Rudolfs Durchsetzung im Reich.65 Um Rudolfs größten Rivalen Ottokar von Böhmen zur Strecke zu bringen, wurde das Jahr 1245 als historischer Markstein für legitimes Regieren im Reich entdeckt. Es war das Jahr, in dem Papst Innocenz IV. Kaiser Friedrich II. auf dem Ersten Konzil von Lyon abgesetzt hatte. Was danach an Großem im Reich verfügt worden war, hatte nur dann rechtmäßigen Bestand, wenn es mit Zustimmung von König und Fürsten ausgehandelt worden war. Damit war die Jagd auf den böhmischen König eröffnet, der sich erst später die Herzogtümer Österreich und Steiermark angeeignet hatte. Zu Rudolfs größten Erfolgen gehörte sein Geschick, mit dem er die Reichsfürsten zur Übertragung der im Krieg gegen Ottokar eroberten Herzogtümer 1282/83 an seinen ältesten Sohn Albrecht bewog.

63 Bernd Schneidmüller, Konsensuale Herrschaft. Ein Essay über Formen und Konzepte politischer Ordnung im Mittelalter, in: Reich, Regionen und Europa in Mittelalter und Neuzeit. Festschrift für Peter Moraw, hg. von Paul-Joachim Heinig/Sigrid Jahns/Hans-Joachim Schmidt/Rainer Christoph Schwinges/Sabine Wefers (Historische Forschungen 67), Berlin 2000, S. 53–87; Egon Boshof, Hof und Hoftag König Rudolfs von Habsburg, in: Deutscher Königshof, Hoftag und Reichstag (wie Anm. 56), S. 387–415. Vgl. Gerhard Dilcher, Konsens, in: Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte, Bd. 3, 2. Aufl. Berlin 2016, Sp. 109–117. 64 Jörg Peltzer, Der Rang der Pfalzgrafen bei Rhein. Die Gestaltung der politisch-sozialen Ordnung des Reichs im 13. und 14. Jahrhundert (RANK. Politisch-soziale Ordnungen im mittelalterlichen Europa 2), Ostfildern 2013. 65 MGH. Constitutiones et acta publica imperatorum et regum, Bd. 3: 1273–1298, hg. von Jakob Schwalm, Hannover 1904–1906, Nr. 72, S. 59–61. Deutsche Übersetzung: Quellen zur Verfassungsgeschichte des römisch-deutschen Reiches im Spätmittelalter (1250– 1500), hg. von Lorenz Weinrich (Ausgewählte Quellen zur deutschen Geschichte des Mittelalters 33), Darmstadt 1983, Nr. 26, S. 108–115. Vgl. den Beitrag von Martin Kaufhold in diesem Band.

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Herkunft aus ‚alternativen Fakten‘ Rudolf und seine Chronisten hatten den Rangsprung vom Grafen zum König sehr wohl im Blick. Sie bewältigen ihn zweifach, durch die Erfindung von Traditionen und durch die dynastische Aufsaugung der fürstlichen Wähler in Eheverbindungen mit Kindern des neuen Herrschers. Gleich bei seinem Regierungsantritt stellte sich Rudolf in fürstliche Traditionen der 1218 im Mannesstamm ausgestorbenen zähringischen Herzogsfamilie. Rudolfs Gemahlin Gertrud von Hohenberg nahm seit der Aachener Königskrönung den neuen Namen Anna an; ihre Tochter Gertrud hieß seither Agnes. Im römisch-deutschen Königtum war ein solcher Namenwechsel kein üblicher Vorgang. Anna und Agnes hießen die Schwestern und Erbinnen des letzten zähringischen Herzogs Berthold V., und Anna war die Großmutter König Rudolfs.66 Damit griff der Habsburger beherzt zähringische Traditionen auf und zeigte sich fürstengleich.67 Die Colmarer Chronik betonte Rudolfs Abstammung aus dem Geschlecht des Herzogs von Zähringen. Rudolfs Geburtstag am 1. Mai 1218 fiel genau in das Jahr, in dem der letzte Zähringer im Mannesstamm starb.68 Diese Abstammung von den Zähringern lässt sich als einziges sicheres Herkunftswissen an Rudolfs Königshof nachweisen. Zusammen mit der Königswahl bot dies die Basis für ein ausgreifendes Netz dynastischer Hochzeiten, in denen Rudolf seine Kinder mit Wahlfürsten und anderen Dynasten verband. Seine sechs Töchter wurden mit den vier weltlichen Königswählern sowie mit dem Herzog von Bayern und dem Sohn des Königs von Neapel verheiratet.69 Eine Facetie der Colmarer Chronik leitet sogar die fürstliche Wahlentscheidung von 1273 aus der Fülle habsburgischer Königstöchter als ‚Heiratsobjekten‘ ab. Ein Bote sei zu Rudolf gereist und habe berichtet: „‚Die Wähler lassen euch melden, dass, wenn ihr eure Töchter den und den Herren zur Ehe geben wollt, sie euch zum römischen König wählen werden.‘ Rudolf antwortete: 66 Dieter Mertens, Die Habsburger als Nachfahren und als Vorfahren der Zähringer, in: Die Zähringer. Eine Tradition und ihre Erforschung, hg. von Karl Schmid (Veröffentlichungen zur Zähringer-Ausstellung 1), Sigmaringen 1986, S. 151–174, hier S. 156 f. 67 Thomas Zotz, Die Zähringer. Dynastie und Herrschaft (Urban Taschenbücher 776), Stuttgart 2018; Die Zähringer. Rang und Herrschaft um 1200, hg. von Jürgen Dendorfer/Heinz Krieg/R. Johanna Regnath (Veröffentlichungen des Alemannischen In­ stituts Freiburg i. Br. 85), Ostfildern 2018. 68 Siehe Anm. 2. 69 Zur Bedeutung der habsburgischen Tochterstämme für die spätmittelalterliche Dynastiegeschichte Armin Wolf, Verwandtschaft – Erbrecht – Königswahlen. Sieben neue und 26 aktualisierte Beiträge. Mit einem Geleitwort von Eckart Henning, 2 Halbbände (Studien zur europäischen Rechtsgeschichte 283.1–2), Frankfurt am Main 2013.

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‚Dies und alles andere werde ich erfüllen.‘“70. Auch Mathias von Neuenburg erklärte die fürstliche Bereitschaft zu Rudolfs Königswahl damit, „dass Rudolf sechs Töchter hätte.“71 So kamen der Habsburger und seine Kinder in kürzester Zeit im Reich wie in der fürstlichen Hocharistokratie an. Der neuen Macht genügte das zähringische Herkunftsbewusstsein bald nicht mehr. Es wurde mit ‚alternativen Fakten‘ weiterentwickelt. Um 1306 notierte der Dominikaner Tolomaeus von Lucca im Bericht zur Königswahl 1273: „Dieser Graf soll seinen Ursprung von einem italienischen Geschlecht hergeleitet haben. Er war ein tüchtiger Ritter, wenn auch ein armer Graf (licet pauper comes), dennoch immer bereit zum Kampf mit dem Grafen von Savoyen zur Verteidigung seiner Länder.“72 Im 14. Jahrhundert faltete Mathias von Neuenburg diese Herkunftssage aus und reicherte sie mit einer Ansippung an die Staufer an. Kaiser Friedrich II. sei der Taufpate Rudolfs gewesen. Patenschaft begründete eine compaternitas, eine geistliche Vaterschaft. Ein Astrologe soll dem Kaiser später in Italien geweissagt haben, Rudolf werde einst das Kaisertum und dieselbe Macht wie Friedrich II. besitzen: „Als Rudolf mit Kaiser Friedrich, der ihn aus der Taufe gehoben hatte, in der Lombardei war, erhob sich der Sterndeuter des Kaisers häufig vor demselben Rudolf, obgleich er noch ein junger Mann war, und zeichnete ihn vor allem anderen angesehenen und berühmten Männern aus. Da nun der Kaiser den Sterndeuter fragte, warum er diesem vor Anderen so viel Ehre erweise, antwortete er, demselben würde die Ehre des Kaisertums und dieselbe Macht, wie er sie besäße, zuteil werden. Und als sich der Kaiser darüber beunruhigte und ungehalten wurde, sprach der Sterndeuter: ‚Werdet ihm nicht gram, denn ehe seine Herrschaft beginnen wird, wird von euch, die ihr jetzt zehn Söhne habt, und auch von ihnen keiner mehr sein.‘ Rudolf aber entfernte sich von diesem Zeitpunkt an vom Hof.“73 Diese Staufernähe verband Mathias von Neuenburg mit einer angemessenen Ursprungserzählung, die von Mustern anderer mittelalter­ licher Wander- und Herkunftssagen geprägt war: „Rudolf Graf von Habsburg leitet seinen Stamm von alten Vorfahren aus der Stadt Rom 70 Chronicon Colmariense (wie Anm. 2), S. 243; Übersetzung: Annalen und Chronik von Kolmar (wie Anm. 2), S. 153. 71 Die Chronik des Mathias von Neuenburg (wie Anm. 34), cap. 13, Fassung B, S. 22, WAU, S. 320; deutsche Übersetzung (wie Anm. 34), S. 14. 72 Die Annalen des Tholomeus von Lucca in doppelter Fassung nebst Teilen der Gesta Florentinorum und Gesta Lucanorum, hg. von Bernhard Schmeidler (MGH. Scriptores rerum Germanicarum, Nova Series 8), Berlin 1930, S. 173 f. Dazu Dieter Mertens, Die Habsburger (wie Anm. 66), S. 154 f. 73 Die Chronik des Mathias von Neuenburg (wie Anm. 34), cap. 2, Fassung B, S. 9 f.; WAU, S. 314; deutsche Übersetzung (wie Anm. 34), S. 4.

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ab. Als nämlich einstmals zwei Brüder wegen Ermordung eines römischen Edlen aus der Stadt verbannt wurden, gab ihr Vater, ein Römer von hohem Adel, jedem von ihnen eine unermessliche Summe Geld mit und befahl ihnen, in abgelegene Gegenden zu ziehen. Sie gingen also nach Oberdeutschland. Der ältere war darauf bedacht, Güter und Burgen anzukaufen, der jüngere aber suchte sich recht viele Vasallen zu verschaffen. Als nun der Vater nach einigen Jahren seine Söhne besuchte und sah, was der ältere angekauft hatte, lobte er dessen Klugheit; als er aber den jüngeren fragte, was er getan hätte, antwortete dieser, er hätte Alles in einer einzigen, sehr festen Burg niedergelegt. Und nachdem er alle seine Vasallen und deren Söhne, aufs Beste bewaffnet, auf dem Berg, wo die Burg Habsburg steht, beschieden hatte, führte er seinen Vater dorthin, versicherte ihm, dass diese Menge wehrhafter Männer, welche er mit ihren männlichen Nachkommen dem Vater als seine getreuen Vasallen vorstellte, was diese auch bestätigten, seine Burg sei. Da dies der Vater sah, freute er sich seines hohen und adligen Sinnes und wies ihm einen großen Schatz an. Von diesen Brüdern stammen alle späteren Habsburger ab.“74 Römische Herkunft wurde im späteren Mittelalter auch für andere deutsche Adelsfamilien konstruiert. Die Historia Welforum leitete ­bereits im 12. Jahrhundert die Welfen (der Name Welf lateinisch als ­catulus) von einem römischen Senator Catilina ab.75 Levold von Northof begann in der Mitte des 14. Jahrhunderts seine Geschichte der Grafen von der Mark ebenfalls mit zwei Brüdern „aus adligem und vornehmem Geschlecht der Römer, nämlich der Orsini, die bis zum heutigen Tag zu den Vornehmeren und Mächtigeren in Rom zählen“. Diese seien um die Jahrtausendwende als Gefolgsleute Kaiser Ottos III. über die Alpen gekommen.76

74 Die Chronik des Mathias von Neuenburg (wie Anm. 34), cap. 1, Fassung B, S. 8 f.; WAU, S. 313 f.; deutsche Übersetzung (wie Anm. 34), S. 3 f. 75 Quellen zur Geschichte der Welfen und die Chronik Burchards von Ursberg, hg. von Matthias Becher (Ausgewählte Quellen zur deutschen Geschichte des Mittelalters 18b), Darmstadt 2007, cap. 2, S.  36/37; vgl. Bernd Schneidmüller, Die Welfen. Herrschaft und Erinnerung (819–1252) (Urban-Taschenbücher 465), 2. Aufl. Stuttgart 2014, S. 23–28. 76 Duo igitur erant fratres Ottoni imperatori tercio specialiter cari ex nobili et illustri Romanorum prosapia et progenie procreati, videlicet Ursinorum, qui usque in hodiernum diem inter nobiliores et potenciores in urbe Romana reputantur. Hii duo fratres cum predicto imperatore ad partes citramontanas venerunt. Die Chronik der Grafen von der Mark von Levold von Northof, hg. von Fritz Zschaeck (MGH. Scriptores rerum Germanicarum, Nova Series 6), Berlin 1929, S. 13; wiederholt von Levold von Northof, Genealogia comitum de Marka, ebenda, S. 100; vgl. Stefan Pätzold, Levold konstruiert ein Adelshaus. Die Grafen von der Mark in der Chronik des Levold von Northof, in: Westfälische Zeitschrift 166, 2016, S. 27–41.

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Solchen Mustern folgend waren die Habsburger nach drei Genera­ tionen Königtum auch in der römischen Welt angekommen. Kreativ schrieb man künftig solche Einpflanzungen in antiken Traditionen und trojanischen Vorfahrenreihen weiter. Bei Rudolfs Aufstieg 1273 war diese vornehme Herleitung noch nicht zu beobachten. Er überzeugte sein Reich mit bloßen zähringischen Traditionen, mit heiratsfähigen Kindern und mit einer persönlichen Mischung aus Mut, Verschlagenheit, Glück, Einfachheit und Menschennähe.

Hochmut und Demut Wiederholt betonten die Facetien Rudolfs beispielhafte Schlichtheit und Menschennähe. Die Erzählungen vom demütigen König dienten als Muster wahrhaft herrscherlichen Maßhaltens und als Beschämung für Hochmütige. Beispielhaft soll hier die Vorbereitung eines Heereszugs genannt werden, von der Mathias von Neuenburg in seinem Kapitel „Von der Klugheit (astucia) und dem Ansehen (honor) des Grafen Rudolf von Habsburg“ berichtet: „Als er aber einmal in der Absicht, eine Heerfahrt zu unternehmen, seine Leute in Ensisheim versammelt hatte, ließ er ihnen nur spärlich Roggenbrot und schlechten Wein vorsetzen; und da einige der Ritter sich für die gräfliche Tafel selbst weißes Brot und guten Wein kauften, verabschiedete er diese nach aufgehobener Tafel im Geheimen, indem er sagte, er wäre ihrer Dienstleistungen nicht mehr bedürftig. Als sie ihn aber um die Ursache befragten, beschämte er sie durch den Vorwurf, dass sie nicht mit dem zufrieden gewesen wären, womit sich bessere Leute begnügt hätten.“77 Welche Geschicklichkeit man dem Habsburger dann als König in der Nutzung von Ritualen zutraute, bezeugen die Geschichten über die Auseinandersetzungen mit König Ottokar II. von Böhmen. Nach einer ersten verlorenen Schlacht musste sich der Böhme 1276 dem vorher von ihm verspotteten ‚kleinen Grafen‘ unterwerfen, in einer zweiten verlor er 1278 sein Leben. Den Wechsel des Glücks zwischen Hochmut und Demut fing die Colmarer Chronik im Spiel der Worte und der Zeichen ein und notierte zu Ottokars Unterwerfung 1276: „Der König von Böhmen, mit vielen Rittern und Rossen, mit goldgeschmückten Gewändern und edlen Steinen geziert, bereitete sich, die Regalien sofort von dem römischen König zu empfangen. Als das die Fürsten König Rudolfs vernahmen, berichteten sie es dem König mit 77 Die Chronik des Mathias von Neuenburg (wie Anm.  34), cap. 8, Fassung B, S.  14  f.; WAU, S. 316 f.; deutsche Übersetzung (wie Anm. 34), S. 8.

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Freuden und sprachen: ‚Herr, bereitet euch mit kostbaren Gewändern, wie es einem König ziemt.‘ Da sprach der König: ‚Der König von Böhmen hat mein graues Wams mehr als einmal verlacht; jetzt aber wird mein graues Wams ihn verlachen.‘ Danach sprach er zu seinem Notar: ‚Gib mir deinen Mantel, damit der König von Böhmen meine Armut verspotte.‘ Als nun der König von Böhmen ankam, sprach der römische König zu seinen Rittern: ‚Zieht eure Rüstungen an, wappnet eure Streitrosse, und so zum Krieg bereit, so gut ihr vermögt, stellt euch in Ordnung zu beiden Seiten des Weges auf, auf welchem der König kommen wird, und zeigt den barbarischen Völkern den Glanz der deutschen Waffen.‘ Als dies alles nach dem Willen des Königs bereitet war, erschien der böhmische König mit goldgeschmückten Kleidern und in königlichem Glanze: Er fiel zu den Füßen des römischen Königs nieder und bettelte demütig bei ihm um seine Regalien. Überdies verzichtete er auf hunderttausend Mark Einkünfte sowie auf vierzigtausend Mark, die der Herzog von Österreich gehabt und der König von Böhmen von der Königin Margarete her besessen hatte. Da verlieh der römische König dem König von Böhmen das Königreich und die Regalien, und erklärte ihn vor allen Anwesenden für seinen werten Freund. Während der römische König dies tat, erschien er in seinem grauen Wams niedrig und gewöhnlich und saß auf einem Schemel.“78 Es gibt in der Geschichte manche Szenen, in denen ein überlegener Herr mit demonstrativer Einfachheit einen reich geschmückten Untergebenen beschämte. König Friedrich II. von Preußen (reg. 1740–1786) beherrschte triumphierend dieses Zeichenspiel mit seiner abgewetzten Uniform. Auch die Facetie von Rudolfs Wams und Schemel grub sich als Inversionsritual tief ins Gedächtnis ein. Sie wurde weitererzählt und dabei verändert. In der Mitte des 15. Jahrhunderts schrieb Aeneas Silvius Piccolomini von einer anderen Öffentlichkeit. Im Ausgang des Mittelalters mochten sich die großen Fürsten beim Lehnsakt nicht mehr einem König öffentlich und vor den Augen ihrer Krieger beugen. Deshalb, so Aeneas Silvius, wollte König Ottokar den Treueid nur im geschlossenen Zelt König Rudolfs leisten: „Eine hohe Tribüne wurde im Zelt aufgebaut und dort an herausragender Stelle ein goldener Thron errichtet. Rudolf, geschmückt mit der Krone und den kaiserlichen Insignien, um ihn herum sitzend die Kurfürsten und stehend die übrigen Großen des Reiches, erwartete, auf seinem Thron sitzend, die Ankunft des Königs. Jener trat in Begleitung weniger Adliger seines Reiches ein, stieg auf die Tribüne und machte 78 Chronicon Colmariense (wie Anm. 2), S. 248 f.; deutsche Übersetzung in Annalen und Chronik von Kolmar (wie Anm. 2), S. 169 f.

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zu Füßen des Kaisers [sic!] den Kniefall. Als man dann entsprechend alter Sitte das Buch der Heiligen Schrift herbeigebracht hatte, legte er den Treueid ab. Unterdessen fiel das Zelt, das man kunstvoll aufgebaut hatte, von oben bis unten in vier Teile geteilt herab und bot den König, wie er oben auf der Tribüne die Knie des Kaisers demütig umfasste, den Heeren zum Anblick. Die bewaffneten Schlachtreihen standen um das Zelt herum und warteten auf den Ausgang des Geschehens. Aber wie die Deutschen ihren glorreichen Kaiser fröhlich betrachteten, so nahmen die Böhmer traurig und betrübt die Torheit und Feigheit ihres Königs wahr, der lieber dem Kaiser untertan sein als den Kampf erproben wollte. Ottokar war verblüfft darüber, obwohl er genau wusste, dass das Zelt mehr durch List als durch Zufall heruntergefallen war. Dennoch glaubte er, für den Augenblick schweigen zu sollen. Als er vom Kaiser sich die Erlaubnis erbeten hatte, kehrte er voll Zorn nach Hause zurück.“79

Die großen und die kleinen Männer Vom Mittelalter bis zur Neuzeit war dieses Ringen zweier Helden der Stoff, aus dem man Dramen schrieb. Unter ihnen ragt Franz Grillparzers ‚König Ottokars Glück und Ende‘ (1825) heraus. Dieses österreichische Schicksalsstück wirkt über das Ende der Habsburgermonarchie bis in unsere Zeit. Es war kein Zufall, dass das Wiener Burgtheater nach der Zerstörung im Zweiten Weltkrieg mit ‚König Ottokars Glück und Ende‘ 1955 wiedereröffnet wurde. Neben dem berühmten Monolog Rudolfs an der Leiche des Böhmenkönigs behauptet die Rede Ottokars von Horneck bis heute hohe Berühmtheit. Es war ein bloßer Dienstmann, der den schwäbischen Habsburger mit ergreifenden Worten nach Österreich einlud: „Es ist ein guter Herr, es ist ein gutes Land, Wohl wert, daß sich ein Fürst sein unterwinde! Wo habt Ihr dessengleichen schon gesehn? Schaut rings umher, wohin der Blick sich wendet, Lacht’s wie dem Bräutigam die Braut entgegen. […] 79 Aeneas Silvius Piccolomini, Historia Bohemica. hg. von Joseph Hejnic/Hans Rothe. Bd. 1: Historisch-kritische Ausgabe des lateinischen Textes, besorgt von Joseph Hejnic, mit einer deutschen Übersetzung von Eugen Udolph (Bausteine zur slavischen Philologie und Kulturgeschichte NF B 20, 1), Köln/Weimar/Wien 2005, S. 171–175. Dort noch der Spott der Ehefrau, die den König schalt, er habe Böhmen zur Sklavin gemacht.

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Drum ist der Österreicher froh und frank, Trägt seinen Fehl, trägt offen seine Freuden, Beneidet nicht, läßt lieber sich beneiden! Und was er tut, ist frohen Muts getan, ’s ist möglich, daß in Sachsen und am Rhein Es Leute gibt, die mehr in Büchern lasen; Allein, was not tut und was Gott gefällt, Der klare Blick, der offne, richt’ge Sinn, Da tritt der Österreicher hin vor jeden, Denkt sich sein Teil und läßt die andern reden! O gutes Land! o Vaterland! Inmitten Dem Kind Italien und dem Manne Deutschland Liegst du, der wangenrote Jüngling, da; Erhalte Gott dir deinen Jugendsinn Und mache gut, was andere verdarben!“80 Mit der Figur des Ottokar von Horneck fing Grillparzer einen mittel­ alterlichen Verantwortungsverbund ein, dessen soziale Breite Rudolfs Regieren charakterisierte. An seinem Hof mischten sich die Reichsfürsten mit den Grafen, Herren und bürgerlichen Eliten. Mit persönlicher Tapferkeit und Schlagfertigkeit war der Habsburger Vorbild für Ritter und für Bürger. Wie umsichtige Aushandlungspraktiken und viele Mitspieler Rudolfs Herrschaft prägten, wird in der Vergabe der von Ottokar eroberten Reichslehen Österreich, Steiermark, Kärnten, Krain und Windische Mark an Rudolfs Söhne und deren Erhebung zu Reichsfürsten deutlich. Hier wie in zentralen anderen Stationen seines Regierungshandelns holte Rudolf beständig Konsensakte der Königswähler oder Fürsten, der Adligen und Herren ein.81 In seinen Urkunden nannte ­Rudolf immer wieder die allgemeine Zustimmung der Fürsten oder hob einzelne Herren namentlich heraus.82 Die Zugehörigkeit zur mit­ entscheidenden Gruppe der Königswähler konkretisierte sich im letzten Viertel des 13. Jahrhunderts. Bei einer Schenkung für das Bistum Basel verwies der König ausdrücklich auf „die Zustimmung des größeren Teils der Fürsten, deren Konsens in dieser Sache einzuholen ist.“83 Das erste Privileg Rudolfs über die Belehnung seiner Söhne Albrecht und Rudolf mit den Reichsfürstentümern vom Dezember 1282 betonte 80 Franz Grillparzer, König Ottokars Glück und Ende. Trauerspiel in fünf Aufzügen, benutzte Ausgabe: Universal-Bibliothek 4382, Stuttgart 1966, Dritter Aufzug, S. 67. 81 MGH. Constitutiones, Bd. 3 (wie Anm. 65), Nr. 164, 225–227, 229, 340–342, 356, 357, 374, 393, 657–663. 82 Ebenda, Nr. 44, 114, 144, 165, 223, 282, 286, 355, 422, 424, 438, 444. 83 Ebenda, Nr. 656.

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programmatisch die Bindung des Königs an Gesetze und Rechte. Mit ausdrücklicher Zustimmung der Wahlfürsten (de libero et expresso consensu imperii principum ius in electione regis Romani ex longa consuetudine tenencium) belehnte Rudolf seine beiden Söhne gemeinsam. Die Fürstentümer sollten der Dynastie zu gesamter Hand zufallen.84 Doch schon ein halbes Jahr später beugte sich König Rudolf in seiner ‚Hausordnung von Rheinfelden‘ dem Widerstand der Beherrschten gegen eine doppelte Herzogsherrschaft. Albrecht war fortan der alleinige Herzog, während der Bruder nur als subsidiärer Erbe galt. Dessen fürstliche Ehre sollte anders gewahrt werden. Bemerkenswert ist die ­Begründung der zweiten Königsurkunde. Rudolf verwies erneut auf den Konsens der Reichsfürsten (in concessione terrarum Austrie, Styrie, Carniole et Marchie de consensu principum imperii), beugte sich aber mit der exklusiven Belehnung seines ältesten Sohns Albrecht dem massiven Widerstand niederer wie kleinerer Adliger und der ‚Gemeinschaft jener Länder‘ (nobiles mediocres et minores ac communitas ipsarum terrarum). Sie hatten die gemeinsame Belehnung zweier Herzöge nicht hingenommen, wollten ihren Nacken nicht unter eine doppelte Herrschaft beugen (duplicis dominii iugo colla submittere) und behaupteten mit einem Bibelzitat: ‚Niemand kann angemessen zwei Herren dienen‘ (Mt 6,24).85 Die Edlen, Mittleren und Kleineren aus der Gemeinschaft der neu beherrschten Länder hatten 1283 ihre Handlungsmacht durchgesetzt! Angesichts ausgreifender Teilungspraktiken in spätmittelalterlichen Fürstenhäusern86 ist auffällig, dass im 14. Jahrhundert normative Quellen wiederholt das Ideal herrschaftlicher Einheit beschworen. Das galt für die Goldene Bulle Kaiser Karls IV. und der Kurfürsten von 1356 ebenso wie für den Fürstenspiegel Levolds von Northof für den Grafen

84 Ebenda, Nr. 339. Die Willebriefe und Konsensakte der sechs Königswähler dort Nr. 340–342. 85 Ebenda, Nr. 344. Vgl. Max Weltin, König Rudolf und die österreichischen Landherren, in: Rudolf von Habsburg 1273–1291 (wie Anm. 3), S. 103–123. Vgl. den Beitrag von Christina Lutter in diesem Band. 86 Dietmar Willoweit, Landesteilungen, in: Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte, Bd. 3, 2. Aufl. Berlin 2016, Sp. 463–468; Gudrun Pischke, Die Landesteilungen der Welfen im Mittelalter (Veröffentlichungen des Instituts für Historische Landesforschung der Universität Göttingen 24), Hildesheim 1987; Heinz-Dieter Heimann, Hausordnung und Staatsbildung. Innerdynastische Konflikte als Wirkungsfaktoren der Herrschaftsverfestigung bei den wittelsbachischen Rheinpfalzgrafen und den Herzögen von Bayern. Ein Beitrag zum Normenwandel in der Krise des Spätmittelalters (Quellen und Forschungen aus dem Gebiet der Geschichte NF 16), Paderborn/München/Wien/Zürich 1993; Jörg Rogge, Herrschaftsweitergabe, Konfliktregelung und Familienorganisation im fürstlichen Hochadel. Das Beispiel der Wettiner von der Mitte des 13. bis zum Beginn des 16. Jahrhunderts (Monographien zur Geschichte des Mittelalters 49), Stuttgart 2002.

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von der Mark mit der Forderung, „dass die Einheit dieser Grafschaft Mark ungeteilt bewahrt bleibe“ (ut ipsius comitatus de Marka unitas indivisibiliter conservetur).87 Beide Texte zitieren wörtlich die berühmten Jesusworte aus dem Lukasevangelium: „Jedes Reich, das in sich selbst gespalten ist, wird veröden.“ (Omne regnum in seipsum divisum desolabitur, Lk 11,17). Karl IV. lässt die Goldene Bulle nach der Intitulatio sogar mit dieser programmatischen Aussage beginnen.88 Die Rücksicht König Rudolfs auf die Beherrschten in Österreich, die nur einem Herzog und nicht zweien dienen wollten, lässt uns eine besondere Verantwortungsgemeinschaft erkennen. Sie speiste sich aus hierarchischer wie konsensualer Breite und Tiefe und wurde im Spätmittelalter prägend für die Geschichte des Alten Reichs und seiner Stände.89 Die Liebhaber absoluter Macht oder hierarchischer Staatlichkeit wollten den Charme eines solchen Ordnungsgefüges nicht akzeptieren. Tatsächlich bewahrte es dem Heiligen Römischen Reich aber eine lange Stabilität. Die Nachhaltigkeit von Rudolfs Herrscherleistung verharrt also nicht nur in dynastischen Wegweisungen oder im Erwerb Österreichs für seine Nachkommen. Seine Aushandlungspraktiken mit großen und mit kleinen Leuten wirkten ebenso in die Zukunft wie die Idee von der ständischen Gemeinschaft des Landes90 oder wie die Wahrung von Rechtsgewohnheiten.91 Am Schluss dieses Beitrags steht die Begegnung des Königs mit einem alten Zürcher. Die Facetie findet sich bei Mathias von Neuenburg und führt uns zu mittelalterlichen Emotionen, deren öffentliche 87 Die Chronik der Grafen von der Mark von Levold von Northof (wie Anm. 76), S. 10. 88 MGH. Constitutiones, Bd. 11: Dokumente zur Geschichte des deutschen Reiches und seiner Verfassung 1354–1356, bearb. v. Wolfgang D. Fritz, Weimar 1978–1992, S. 535– 633, hier S. 562. 89 Bernd Schneidmüller, Verantwortung (wie Anm.  51); Bernd Schneidmüller, Verklärte Macht (wie Anm. 51). Zu fürstlichen Handlungsspielräumen Oliver Auge, Handlungsspielräume fürstlicher Politik im Mittelalter. Der südliche Ostseeraum von der Mitte des 12. Jahrhunderts bis in die frühe Reformationszeit (Mittelalter-Forschungen 28), Ostfildern 2009. Vgl. auch Christian Vogel, Zur Rolle der Beherrschten in der mittelalterlichen Herrschaftslegitimation (Studia humaniora 45), Düsseldorf 2011. 90 Folker Reichert, Landesherrschaft, Adel und Vogtei. Zur Vorgeschichte des spätmittelalterlichen Ständestaates im Herzogtum Österreich (Beihefte zum Archiv für Kulturgeschichte 23), Köln/Wien 1985; Maximilian Weltin, Das Land und sein Recht. Ausgewählte Beiträge zur Verfassungsgeschichte Österreichs im Mittelalter, hg. von Folker Reichert/Winfried Stelzer (Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung. Ergänzungsband 49), Wien/München 2006. Vgl. auch Herrschaft und Stand. Untersuchungen zur Sozialgeschichte im 13. Jahrhundert, hg. von Josef Fleckenstein (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte 51), Göttingen 1977. 91 Martin Pilch, Der Rahmen der Rechtsgewohnheiten. Kritik des Normensystemdenkens entwickelt am Rechtsbegriff der mittelalterlichen Rechtsgeschichte, Wien/Köln/ Weimar 2009.

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Inszenierung untrennbar zur politischen Performanzkultur gehörte.92 Angemessener als das Lachen waren dabei die Tränen, das Zähneklappern und die barfüßige Reue. Stefan Weinfurter zeigte in seinem Aufsatz ‚Der Papst weint‘, wie Papst Innocenz IV. 1245 bei der Absetzung Kaiser Friedrichs II. wiederholt laut und öffentlich weinte, um bedauernd die Unausweichlichkeit seines Handelns zu unterstreichen.93 Lautes Lachen war den Theologen dagegen häufig suspekt.94 Den rigorosen monastischen Kampf gegen das Lachen im 14. Jahrhundert machte Umberto Eco zum Thema seines Erfolgswerks ‚Der Name der Rose‘. Diese Geschichte über das diabolische Gelächter spielte in jener Zeit, in der Mathias von Neuenburg mit folgender Facetie – er nennt sie fabula – einen Kontrapunkt setzte: „Als der König eines Tages über die Brücke von Zürich ging, sah er einen Greis mit roten Wangen und vielen weißen Haaren stehen und sagte zu seinem Begleiter: ‚O wie viele glückliche Tage mag dieser Graukopf erlebt haben.‘ Dies hörend entgegnete jener mit sanfter Stimme: ‚Ihr täuschet euch, denn ich habe nicht einen guten Tag gehabt,‘ und da der König das vernahm, befragte er ihn um die Ursache. Dieser antwortete, er hätte als armer junger Mann des Geldes wegen ein hässliches altes Weib genommen, mit ihr, die sehr zornmütig gewesen und ihn durch Eifersucht viel gequält, hätte er lange gelebt und deshalb ein bedauernswürdiges Leben geführt; nachdem aber diese, als er selbst schon ein alter Mann war, gestorben war, hätte er sofort eine andere, noch junge Frau genommen, hätte sie aber nicht befriedigen können und so wäre sein Leben unter beständigen Händeln noch trauriger geworden. Darüber musste der König lachen (De quo rex in risum est provocatus).“95

92 Die Performanz der Mächtigen. Rangordnung und Idoneität in höfischen Gesellschaften des späten Mittelalters, hg. von Klaus Oschema/Cristina Andenna/Gert Melville/Jörg Peltzer (RANK. Politisch-soziale Ordnungen im mittelalterlichen Europa 5), Ostfildern 2015; Gerd Althoff, Die Macht der Rituale. Symbolik und Herrschaft im Mittelalter, Darmstadt 2003. 93 Stefan Weinfurter, Der Papst weint. Argument und rituelle Emotion von Innocenz III. bis Innocenz IV., in: Die Spielregeln der Mächtigen. Mittelalterliche Politik zwischen Gewohnheit und Konvention, hg. von Claudia Garnier/Hermann Kamp, Darmstadt 2010, S. 121–132. 94 Jacques Le Goff, Das Lachen im Mittelalter. Aus dem Französischen von Jochen Grube, Stuttgart 2004; Stefan Biessenecker, Das Lachen im Mittelalter. Soziokulturelle Bedingungen und sozial-kommunikative Funktionen einer Expression in den „finsteren Jahrhunderten“, Bamberg 2012; Seliges Lächeln und höllisches Gelächter. Das Lachen in Kunst und Kultur des Mittelalters, hg. von Winfried Wilhelmy (Publikationen des Bischöflichen Dom- und Diözesanmuseums Mainz 1), Regensburg 2012. 95 Die Chronik des Mathias von Neuenburg (wie Anm.  34), cap. 25, Fassung B, S.  42  f.; WAU, S. 330; deutsche Übersetzung (wie Anm. 34), S. 29.

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Abb. 3: König Rudolf von Habsburg thronend, Seitenansicht, Denkmal in der Westvorhalle des Speyerer Doms (19. Jh.)

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800 Jahre nach seinem Geburtstag schallt Rudolfs Lachen zu uns herüber. Wir haben hier auf die Geschichten gehört und dabei die Geschichte keineswegs vernachlässigt. Die Facetien vom Sterben in Speyer, vom Regieren im Reich und vom Lachen in Zürich wollen uns einen König als Menschen präsentieren. Diese Quellen stehen aber auch für einen historiographischen und für einen historischen Wandel im 13. Jahrhundert. Am Scheitelpunkt unserer modernen Großmaßstäblichkeit entdecken wir jene Welt wieder neu und lassen uns von ihr etwas erzählen.

Die Erneuerung der Königsgewalt im Reich

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Ehre und Wiederherstellung des Reiches: Neue Instrumente der Königspolitik unter Rudolf von Habsburg Die Ehre des Reiches „Deshalb bestätigen wir vor den Anwesenden und halten hier mit unverhülltem Angesicht fest, dass er für die Ehre der königlichen Majestät, damit er in vollem Umfang die Ernsthaftigkeit seiner Zuneigung zeige, die er jenem König gegenüber in bekannter Weise hegt, dieses Mal eine bemerkenswerte Nichtberücksichtigung übergangen hat, nichtsdestoweniger öffentlich bekundend, dass dem Besitz dieses Rechts oder der Tatsache des Sitzplatzes, den er hat, durch die Tatsache dieses Verzichts in Zukunft kein Abbruch dürfe, noch dürfe für ihn oder seine Mainzer Kirche daraus in irgendeiner Weise ein Nachteil entstehen.“1 Mit dieser etwas gedrechselten Feststellung trat der Pfalzgraf bei Rhein am Tag der Krönung Rudolfs von Habsburg für die Rechte des Erzbischofs von Mainz ein. Die unerschrockene Rechtswahrung galt dem Mainzer Anspruch auf einen Sitzplatz zur Rechten des Königs beim Krönungsmahl. Der Streit der Erzbischöfe um den Sitzplatz an der Tafel führte nach dem Bericht der Sächsischen Weltchronik zu 1 Charta Comitis Palatini, in: Rudolfi regis constitutiones, hg. von Jakob Schwalm, in: MGH. Constitutiones et Acta Publica Imperatorum et Regum, Bd. 3, Hannover/Leipzig 1904–1906, Nr. 13, S. 15f.

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einer Verschiebung des Krönungsmahls.2 Der Zwischenfall lässt ahnen, worauf Rudolf von Habsburg sich eingelassen hatte. Wenn der Erzbischof von Mainz, der die Königswahl umsichtig vorbereitet hatte, wegen eines Streites um den Sitzplatz bereit war, das Krönungsessen ausfallen zu lassen, und damit als bedeutendster Kirchenmann des Reiches immerhin ein zentrales christliches Ritual verweigerte, dann zeigte das, auf welch dornigen Weg der Graf von Habsburg sich begab. Sein Personal war der Aufgabe zu diesem Zeitpunkt noch nicht ganz gewachsen. Offenbar hatte er keinen umsichtigen Truchsess im Gefolge, der solche Rangeleien im Vorfeld diskret erledigte. Und das obwohl die Spezialisten für die Fragen des herrschaftlichen Rituals darauf verweisen, dass solche sensiblen Fragen durch vorherige Absprachen geklärt wurden.3 Damit sind wir bei Rudolfs tatsächlichem Pro­ blem – oder bei der Herausforderung, vor der er nun stand. Rudolf und die Habsburger – dies war eine Aufstiegsgeschichte. Das war das erste Instrument seiner beginnenden Herrschaft im Reich: Rudolf musste sich behaupten. Aber ein Wort braucht es noch zu dem neuen Umfeld, in dem Rudolf künftig seine Abendessen würde einnehmen müssen. Zumindest von Zeit zu Zeit.4 Der Streit um den Sitzplatz, der den König und den Pfalzgrafen bei Rhein nötigte, gleich zwei Urkunden auszustellen, die festhielten, dass die getroffene Sitzplatzentscheidung kein Präzedenzfall sei, zeigte, dass es im Kreis der Reichsfürsten keine Routine für solche Vorgänge gab. Tatsächlich hatten die wichtigsten Fürsten des Reiches seit Jahrzehnten keine Gelegenheit gehabt, in abgestimmter Ordnung gemeinsam am Tisch ihres Königs zu sitzen. Das letzte große Ereignis dieses Formats lag fast 40 Jahre zurück: der Hoftag Friedrichs II. in Mainz 1235,

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Sächsische Weltchronik, Sächsische Fortsetzung, Kap. 4, hg. von Ludwig Weiland, in: MGH. Deutsche Chroniken und andere Geschichtsbücher des Mittelalters, Bd. 2, Hannover 1877, S. 286; vergleiche auch Regesta Imperii VI. Die Regesten des Kaiserreichs unter Rudolf, Adolf, Albrecht, Heinrich VII. 1273–1313, Abt. 1, hg. von Johann Friedrich Böhmer/Oswald Redlich, Innsbruck 1898, n. 4d; vergleiche dazu Oswald Redlich, Rudolf von Habsburg. Das deutsche Reich nach dem Untergange des alten Kaisertums, Innsbruck 1903, 168 f. Zur Frage der Inszenierung öffentlicher Herrschaftshandlungen vgl. etwa: Gerd Althoff, Die Macht der Rituale. Symbolik und Herrschaft im Mittelalter, 2. Auflage Darmstadt 2013; Spektakel der Macht. Rituale im alten Europa 800–1800, hg. von Barbara Stollberg-Rilinger/Matthias Puhle/Jutta Götzmann/Gerd Althoff, Darmstadt 2008; Venedig als Bühne. Organisation, Inszenierung und Wahrnehmung europäischer Herrscherbesuche, hg. von Romedio Schmitz-Esser/Knut Görich/Jochen Johrendt, Regensburg 2017. Vgl. etwa Egon Boshof, Hof und Hoftag König Rudolfs von Habsburg, in: Deutscher Königshof, Hoftag und Reichstag im späteren Mittelalter, hg. von Peter Moraw (Vorträge und Forschungen 48), Stuttgart 2002, S. 387–415.

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Abb. 1: Speyer 1291: Bestätigung des Mainzer Reichslandfriedens Kaiser Friedrich II. von 1235 durch König Rudolf (Stadtarchiv Speyer, 1 U Nr. 17)

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wo der Kaiser den Reichslandfrieden verkündete.5 Seitdem hatten sich die Fürsten untereinander oder miteinander gegen den König, oder gegeneinander mit unterschiedlichen Königen bekämpft oder in verschiedenen Zusammensetzungen Bündnisse geschlossen.6 Diese Streiterfahrungen hatten die Fürsten ernüchtert. So rangen sie sich nach dem Tod Richards von Cornwall – des Engländers, der 1256 im Streit zum deutschen König gewählt worden war – dazu durch, eine einmütige Königswahl abzuhalten.7 Der Konsens der Fürsten stand vor dem Kandidaten. Rudolf von Habsburg kam dann aus der Tiefe des süddeutschen Raumes, wobei er wichtige Eigenschaften für einen möglichen Erfolg mit sich brachte. Er war zäh, und er war ein erfahrener Krieger. Er hatte die bewegten Verhältnisse des Interregnums für den Ausbau seines Hauses entschlossen und durchaus rücksichtslos genutzt. Und er verkörperte in vertretbarer Weise die staufische Tradition, ohne dadurch bei der Kurie Anstoß zu erregen. Seine Loyalität zu Konradin lag lange zurück und er konnte als ein treuer Sohn der Kirche gelten.8 Karl-Friedrich Krieger hat in diesem staufischen Image Rudolfs ein entscheidendes Moment für Rudolfs Nominierung gesehen.9 Das galt in zweifacher Weise. Einmal konnte dieses staufische Image Rudolf bei den Ministerialen und den Reichsstädten helfen und es bedeutete gleichzeitig, dass Rudolf kein junger Mann mehr war. Die Stauferzeit lag länger zurück. Rudolf war zum Zeitpunkt seiner Wahl mit 55 Jahren in einem Alter, in dem ­römisch-deutsche Könige in der Regel aus ihrem Amt schieden. Nur ­wenige Könige wurden älter. Sein Alter wird die Wahlentscheidung der Fürsten durchaus erleichtert haben. Die Wähler mussten nicht davon ausgehen, dass sie eine Entscheidung für Jahrzehnte trafen. Es kam 5 Zum Mainzer Hoftag 1235 vergleiche Wolfgang Stürner, Friedrich II. Der Kaiser, Darmstadt 2000, S.  309–316; Ernst Kantorowicz, Kaiser Friedrich II., Berlin 1927, S. 375–378 (allerdings nicht unproblematisch). 6 Für eine Übersicht über diese Jahre vergleiche etwa Wolfgang Stürner, Handbuch der Deutschen Geschichte, Bd. 6: Das 13. Jahrhundert 1198–1273, 10. Auflage Stuttgart 2006; Martin Kaufhold, Deutsches Interregnum und europäische Politik. Konfliktlösungen und Entscheidungsstrukturen 1230–1280 (MGH. Schriften 49), Hannover 2000; knapp: Martin Kaufhold, Die Könige des Interregnums: Konrad IV., Heinrich Raspe, Wilhelm, Alfons, Richard, in: Die deutschen Herrscher des Mittelalters. Historische Portraits von Heinrich I. bis Maximilian I. 919–1519, hg. von Bernd Schneidmüller/Stefan Weinfurter, München 2003, S. 315–339. 7 Vergleiche dazu Redlich, Rudolf von Habsburg (wie Anm. 2), S. 5–130; Peter Moraw, Von offener Verfassung zu gestalteter Verdichtung. Das Reich im späten Mittelalter 1250–1490 (Propyläen Geschichte Deutschlands 3), Berlin 1985, S. 211–218; Karl-Friedrich Krieger, Rudolf von Habsburg (Gestalten des Mittelalters und der Renaissance), Darmstadt 2003, S. 9–89; Kaufhold, Deutsches Interregnum (wie Anm. 6), S. 433–457. 8 Zu Rudolfs Person vergleiche etwa Redlich, Rudolf von Habsburg (wie Anm. 2), S. 77– 130; Krieger, Rudolf von Habsburg, S. 229–241 (wie Anm. 7). 9 Krieger, Rudolf von Habsburg (wie Anm. 7), S. 100.

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a­ nders, und damit kommen wir nun zu der ersten der drei Herrschaftstechniken, die Rudolf für seine Königsgeschichte nutzbar machte:

Selbstbehauptung und Behauptung des Königtums Um sich in seiner neuen Rolle höchst königlich zu bewähren, musste Rudolf zunächst einmal am Leben bleiben. Das ist nicht ganz so banal oder anthropologisch gemeint, wie es klingt. Auf dem Thron war Rudolf ein Aufsteiger. Und das Schicksal der Aufsteiger auf dem deutschen Königsthron deutet an, dass das Amt Risiken barg, wenn man nicht an einem Königshof geboren war. Und selbst dann war das Königtum im beginnenden Spätmittelalter eine gefahrvolle Aufgabe. Man denke an die Staufer Philipp von Schwaben (1198–1208), den Sohn eines Kaisers, der ermordet wurde, und Heinrich (VII.) (1220–1235), der wohl den Selbstmord wählte (1242), um dem väterlichen Kerker zu entkommen.10 Wilhelm von Holland (1248–1256) und Adolf von Nassau (1292– 1298) gelangten als Grafen auf den deutschen Königsthron und starben eines gewaltsamen Todes.11 Albrecht I. (1298–1308), der Sohn Rudolfs, den die Kurfürsten zunächst übergangen hatten, um ihm dann doch den Weg auf den Thron zu ebnen, wurde ermordet.12 Heinrich VII. (1308–1313), der als Graf von Luxemburg auf den Thron gelangte, starb nicht durch Gewalt, aber er starb jung auf einem Italienzug, den er angetreten hatte, um seine schwache Königsposition aufzuwerten. Seine Frau Margarete war auf demselben Zug noch vor ihm gestorben.13 10 Zu diesen Toden: Regesta Imperii V,1,1. Die Regesten des Kaiserreichs unter Philipp, Otto IV, Friedrich II, Heinrich (VII), Conrad IV, Heinrich Raspe, Wilhelm und Richard 1198–1272, hg. von Johann Friedrich Böhmer/Julius Ficker, Innsbruck 1881, n. 185a (Philipp von Schwaben, 21. Juni 1208); Regesta Imperii V,1,2. Die Regesten des Kaiserreichs unter Philipp, Otto IV, Friedrich II, Heinrich (VII), Conrad IV, Heinrich Raspe, Wilhelm und Richard 1198–1272, hg. von Johann Friedrich Böhmer/Julius Ficker, Innsbruck 1882, n. 4383n (Heinrich (VII.) 12. Februar 1242). Vergleiche dazu Stürner, Handbuch der deutschen Geschichte, Bd. 6 (wie Anm. 6), S. 175 f und S. 243. 11 Zu Wilhelms von Holland Tod: Regesta Imperii V,1,2. Die Regesten des Kaiserreichs unter Philipp, Otto IV, Friedrich II, Heinrich (VII), Conrad IV, Heinrich Raspe, Wilhelm und Richard 1198-1272, hg. von Johann Friedrich Böhmer/Julius Ficker, Innsbruck 1882, n. 5286b (28. Januar 1256); zum Tod Adolfs von Nassau: Regesta Imperii V,2. Die Regesten des Kaiserreichs unter Rudolf, Adolf, Heinrich VII. 1272–1313, hg. von Vincenz Samanek, Innsbruck 1948, n. 1002. 12 Zum Mord an Albrecht I. durch seinen Neffen: Die Chronik des Matthias von Neuenburg, hg. von Adolf Hofmeister, in: MGH. Scriptores Rerum Germanicarium, Nova Series, Bd. 4, Berlin 1924–1940, S. 344 f. (1. Mai 1308). 13 Zum Tod der Kaiserin (in Genua im November 1311) und zum Tod des Kaisers (in Buonconvento im August 1313) siehe die Chronik des Giovanni Villani, Buch 9, Kap. 28 und 52: Croniche di Giovanni, Matteo e Filippo Villani, Bd. 1 (Biblioteca Classica Italiana Secolo XIV 21), Triest 1857, S. 227 und S. 233.

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Alle diese Todesfälle hatten durchaus ihre individuellen Züge. Aber bei dem Blick auf diese Schicksale zeigt sich doch, dass der Griff nach der Krone Gefahren barg, wenn die Nachfolge nicht eindeutig war. Die neuen Könige mussten ihren Thron mit dem Abklingen der staufischen Dominanz und nach dem Ende der Dynastie in einem schwierigen Umfeld behaupten. Wir dürfen annehmen, dass Rudolf als ein gradliniger und frommer, aber eher handfester Graf sich in dem angedeuteten ­Milieu schwer tat.14 In einem Milieu, in dem auch die ranghöchsten Männer der Kirchen Sitzordnungen für wichtiger hielten als die direkten Vorgaben des Evangeliums. Als Sohn eines Grafen galt er dort nicht als ebenbürtig. Zwar waren auch die streitenden Erzbischöfe von Köln und von Mainz Söhne von Grafen, aber sie vertraten die höchsten ­geistlichen Fürstentümer des Reiches.15 Und in dieser Rolle legten sie besonderen Wert auf ihren Rang. Das Gerangel um die Sitzplätze war Ausdruck dieser spannungsreichen Situation.16 Neuzugänge wurden kritisch in Augenschein genommen. Und Rudolf als neuer König wurde besonders kritisch gesehen. Denn er hatte den geistlichen Fürsten gegenüber einen grundsätzlichen Vorteil: er konnte seine ganze Familie in den Fürstenstand erheben, indem er seine Söhne oder einen Sohn mit einem Fürstentum belehnte. Diese Möglichkeiten hatten die Erzbischöfe nicht. Sie konnten Familienangehörige protegieren, aber das Prinzip der Wahl in die hohen kirchlichen Ämter setzte ihrem ­familiären Engagement gewisse Grenzen. Daher gingen die Möglich14 Zu Rudolf von Habsburg vergleiche die bereits zitierte klassische Studie von Oswald Redlich, Rudolf von Habsburg (wie Anm.  2); Karl-Friedrich Krieger, Rudolf von Habsburg (wie Anm. 7); Rudolf von Habsburg 1273–1291. Eine Königsherrschaft zwischen Tradition und Wandel, hg. von Egon Boshof/Franz-Reiner Erkens (Passauer Historische Forschungen 7), Köln/Weimar/Wien 1993; knapp: Thomas Zotz, Rudolf von Habsburg, in: Schneidmüller/Weinfurter, Die deutschen Herrscher des Mittelalters (wie Anm. 6), S. 340–359, S. 587 f; Martin Kaufhold, Rudolf I, in: Neue deutsche Biographie, Bd. 22, Berlin 2005, S. 167–169. 15 Zu Engelbert von Valkenburg in Köln vergleiche etwa Wilhelm Janssen, Das Erzbistum Köln im späten Mittelalter 1191–1515, Teil 1, Köln 1995, S. 174–182; zu Werner von Eppstein in Mainz vergleiche Regina Schäfer, Werner von Eppstein. Erzbischof von Mainz (1259–1284), in: Neugestaltung in der Mitte des Reiches. 750 Jahre Langsdorfer Verträge. 1263/2013, hg. von Ursula Braasch-Schwersmann/Christine Reinle/Ulrich Ritzerfeld, Marburg 2013, S. 207–222. 16 Vergleiche zu den Rangfragen im fürstlichen Milieu etwa die Publikationen der Arbeitsgruppe von Jörg Peltzer in Heidelberg „Rang und Ordnung/RANK“: Princely Rank in Late Medieval Europe. Trodden Paths and Promising Avenues (Rank 1), hg. von Thorsten Huthwelker/Jörg Peltzer/Maximilian Wemhöfer, Ostfildern 2011; Jörg Peltzer, Der Rang der Pfalzgrafen bei Rhein. Die Gestaltung der politisch-sozialen Ordnung des Reiches im 13. und 14. Jahrhundert (Rank 2), Ostfildern 2013; Die Performanz der Mächtigen. Rangordnung und Identität in Gesellschaften des späten Mittelalters (Rank 5), hg. von Klaus Oschema/Cristina Andenna/Gerd Melville/Jörg Peltzer, Ostfildern 2015.

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keiten des königlichen Amtes aus dynastischer Perspektive deutlich über die Reichweite der geistlichen Fürsten hinaus. Im Grunde saß nun eine neue aufstrebende Familie mit an dem Tisch, um dessen Sitzordnung so entschieden gestritten wurde.17 Und Rudolf verfügte über einige Söhne, die er im Falle freiwerdender Lehen auf Fürstensitze berufen konnte, was ja schließlich auch geschah. Daher auch die frühen Vorbehalte. Die attraktiven Ländereien waren eine begrenzte Größe. In diesem konkurrierenden Milieu musste Rudolf bestehen. Wer in diesen Kreis reüssieren wollte, musste an Tischen und auch an Höfen zurechtkommen. Und er musste sich auf Kampfplätzen behaupten. Im Rückblick scheint Vieles für Rudolfs Wahl zum König zu sprechen. Aber im Oktober 1273 sah es wahrscheinlich anders aus. Ein Sohn und ein Enkel Kaiser Friedrichs II. hatten sich nicht auf dem deutschen Thron behaupten können, zwei Konkurrenten aus dem gräflichen Milieu waren vorzeitig im Amt gestorben und zwei gewählte Könige aus namhaften europäischen Königsfamilien hatten nicht überzeugt. Sie hatten in Deutschland keine Spuren hinterlassen. Seit dem Tod Friedrichs II. hatte es sechs Versuche gegeben, die ambitionierte staufische Tradition fortzuführen. Die Kandidaten konnten auf das Geld der Kurie oder die Mittel ihrer königlichen Familien zurückgreifen. Es hatte nicht geholfen. Nun kam ein Mann, der nach den Standards des Königtums in Deutschland im fortgeschrittenen Alter stand. Sein Blut mochte bei der richtigen Beleuchtung bläulich schimmern. Seine Mittel waren bescheiden. Seine Aussichten erscheinen im Rückblick besser, als sie es damals waren. Rudolfs Griff nach der Krone war ein Wagnis. Das Wagnis zahlte sich aus. Und Rudolfs Erfolg wurde zu einem bedeutenden Kapitel der europäischen Geschichte. Seine Selbstbehauptung wurde zur Selbstbehauptung eines neuen Königtums. Die Folgen seines Ausgreifens nach Österreich prägten die europäische Geschichte der Frühen Neuzeit tiefgehend.18 Das Königtum Rudolfs von Habsburg wurde zu einer Richtungsentscheidung. Es hatte ja

17 Vergleiche zur Dynamik des hohen Adels dieser Zeit Karl-Heinz Spiess, Familie und Verwandtschaft im deutschen Hochadel des Spätmittelalters. 13. bis Anfang des 16. Jahrhunderts, 2. Auflage Stuttgart 2015. 18 Die österreichische Geschichte dieser Zeit ist nicht das Thema dieser kurzen Skizze. Vergleiche dazu Heide Dienst, Geschichte Österreichs bis zum Ende der Babenberger, Wien 1991; Alphons Lhotsky, Geschichte Österreichs seit der Mitte des 13. Jahrhunderts 1281–1358, Wien 1967; Karl-Friedrich Krieger, Die Habsburger im Mittelalter, 2. Auflage Stuttgart 2004; Bernd Schneidmüller, Rang und Land. Bayern und Österreich vom 12. bis zum 14. Jahrhundert, in: Verbündet Verfeindet Verschwägert: Bayern und Österreich. Bayerisch-Oberösterreichische Landesausstellung 2012. Burghausen, Braunau, Mattighofen, 27. April bis 4. November 2012, hg. vom Haus der Bayerischen Geschichte, München 2012.

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­Alternativen gegeben. Karl von Anjou hatte Philipp III. von Frankreich ins Spiel gebracht, dabei allerdings keine Rücksicht auf die deutschen Verhältnisse genommen.19 Dennoch muss man darauf verweisen, dass das englische und das französische Königshaus in dieser Phase eine Verbindung eingingen, deren Folgen Frankreich bis weit in das 15. Jahrhundert viele blutige Kriegszüge bescherte.20 Edward I. von England, der seinen Sohn gegen Ende seiner Herrschaft mit der Tochter Philipps von Frankreich verheiratete und so die Voraussetzungen für den Hundertjährigen Krieg schuf, hatte seine Herrschaft ein Jahr vor Rudolf begonnen.21 Die europäische Bühne bot Möglichkeiten. Die deutschen Fürsten verzichteten 1273 auf einen weiteren Versuch mit einem europäischen Königshaus. Dabei zeigte ein goldener König, Ottokar von Böhmen, ein deutliches Interesse. Ottokar hätte dem Thron Glanz verliehen. Rudolf von Habsburg war für ihn nur ein „ungeeigneter Graf“. Als Wähler verweigerte Ottokar ihm seine Stimme, dann seine Huldigung und den Treueschwur. König Ottokar, Gebieter über einen strahlenden Hof in Prag, ignorierte die Entscheidung der Kurfürsten und die Mahnungen des Papstes.22 Er vermochte nicht zu akzeptieren, dass die Kurfürsten in Frankfurt ihre Stimmen einmütig auf einen wenig geeigneten Grafen vereint hatten.23 Der Papst könne es nicht hinnehmen, dass die Spitze des Reiches so einem Herabgestürzten und Niederen übertragen werde.24 Diese Einmütigkeit war auch nur zustande gekommen, weil man ihn übergangen hatte. Hier zeigt sich die Dimension von Rudolfs Aufgabe. Er hatte wenig in der Hand, und er hatte auch keinen königlichen Apparat, der ihn unterstützte, um seine Aufgabe als oberster Richter des Reiches wahrzunehmen. Von manchen Gegnern schlug ihm einfach Verachtung entgegen. Entsprechend vorsichtig ging er seine neue Aufgabe an. Die Formel von der „Ehre und Wiederherstellung des Reiches“ tritt uns in sehr bescheidener Aufmachung knapp vier Monate nach seiner Wahl

19 Vergleiche eine Zusammenfassung bei Redlich, Rudolf von Habsburg (wie Anm. 2), S. 151–153. 20 Zur Geschichte der ersten Jahrzehnte des Hundertjährigen Krieges vergleiche Jonathan Sumption, The Hundred Years War, Bd. 1: Trial by Battle, Philadelphia 1990; Anne Elizabeth Curry, The Hundred Years War, Basingstoke 2003; Joachim Ehlers, Der Hundertjährige Krieg, 2. Auflage, München 2012. 21 Caroline Burt, Edward I and the Governance of England. 1272–1307, Cambridge 2012. 22 Zu König Ottokar siehe Jörg K. Hoensch, Premysl Otakar II. von Böhmen. Der goldene König, Graz 1989. 23 Litterae Regis Bohemiae ad Papam, in: Rudolfi regis constitutiones, hg. von Jakob Schwalm, in: MGH. Constitutiones et Acta Publica Imperatorum et Regum, Bd. 3, Hannover/Leipzig 1904–1906, Nr. 16, S. 19 (Schreiben Ottokars an den Papst). 24 Ebenda, S. 20.

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entgegen.25 In Hagenau erwirkte Rudolf einen Fürstenspruch, dass kein Fürst ein Lehen des Reiches, das er von ihm und dem Königreich innehabe, dem Reich entfremden dürfe, nisi nostro interveniente consensu. Ohne die Einwilligung des Königs durften die Fürsten keine Reichsgüter an sich ziehen. Ein Verdikt war das nicht. Eher eine vorsichtige Einschränkung. So musste niemand beunruhigt sein. Auch Ottokar war es nicht. Diese Unterschätzung seines Gegners war Ottokars größter Fehler. Ottokar und Rudolf standen sich schließlich auf dem Schlachtfeld gegenüber. Denn Ottokar verlor seine Reichslehen am Ende durch seine konsequente Ablehnung von Rudolfs Amtsgewalt und die Verweigerung der Huldigung und Lehnsnahme. Ottokar akzeptierte Rudolfs Richterspruch in dieser Sache einfach nicht. Und so musste er nach ­Verhandlungen, Schlichtungen und neuem Zerwürfnis schließlich um seine Lehen kämpfen. Auf dem Schlachtfeld von Dürnkrut wurde im August 1278 die Frage entschieden, ob ein ungeeigneter Graf mit einem Königstitel über einen Goldenen König richten konnte.26 Es war ein Kampf in der Kategorie der Schlacht von Bouvines am Anfang des Jahrhunderts. Der Ausgang des Kampfes war ebenso eindeutig und seine historische Wirkung war es auch. Bei Dürnkrut verlor Ottokar Sieg und Leben. Es war eine blutige Schlacht. Rudolf behauptete sich als König, und er war nach diesem Sieg eine Größe, die Respekt einfordern konnte. Der Sieg eröffnete ihm die Möglichkeit, die frei gewordenen Lehen Österreich und Steiermark, Kärnten, Krain und Windische Mark schließlich feierlich an seine eigenen Söhne zu vergeben und damit seine Familie in den Reichsfürstenstand zu erheben.27 Dabei trat er mit fast staufischer Wortgewalt als Moderator Romani Imperii ab observantia

25 Sententia de Feudis Imperii non Alienandis, in: Rudolfi regis constitutiones, hg. von Jakob Schwalm, in: MGH. Constitutiones et Acta Publica Imperatorum et Regum, Bd. 3, Hannover/Leipzig 1904–1906, Nr. 26, S. 28: Volentes igitur ob honorem et reformationem collapsi status imperii principum nostrorum et hominum super hec audire sententiam […]. 26 Zur Schlacht bei Dürnkrut siehe etwa Karl-Friedrich Krieger, Die Schlacht bei Dürnkrut 1278, in: Höhepunkte des Mittelalters, hg. von Georg Scheibelreiter, Darmstadt 2004, S.  154–165; 700 Jahre Schlacht bei Dürnkrut und Jedenspeigen. Ausstellung im Schloss Jedenspeigen, 13.05—29.10.1978, hg. von Gottfried Stangler, Wien 1978; zur Vorgeschichte der Schlacht mit etwas unterschiedlichen Akzenten: Gerd Althoff, Rudolf von Habsburg und Ottokar von Böhmen. Formen der Konfliktaustragung und Beilegung im 13. Jahrhundert, in: Spielregeln der Politik im Mittelalter. Kommunikation in Frieden und Fehde, hg. von Gerd Althoff, Darmstadt 1996, S.  85–98; Martin Kaufhold, Deutsches Interregnum (wie Anm. 6), S. 357–401. 27 Privilegium Regis Primum, in: Rudolfi regis constitutiones, hg. von Jakob Schwalm, in: MGH. Constitutiones et Acta Publica Imperatorum et Regum, Bd. 3, Hannover/ Leipzig 1904–1906, Nr. 339.

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legis solutus auf. Aber ein Moderator Imperii war doch kein Imperator, auch wenn es so klingen sollte. Es soll an dieser Stelle nicht erneut um die Revindikationspolitik Rudolfs gehen, die schon eine Reihe kompetenter Bearbeiter gefunden hat.28 Die Auftritte Rudolfs in diesem Rahmen waren jeweils mit seinen Wählern abgestimmt. Doch in der Folge seiner Behauptung als König trat Rudolf seit etwa der Zeit, in der er seine Söhne in den Fürstenstand erhob, als Erneuerer des Reichslandfriedens von Friedrich II. auf. Er hatte nach dem Sieg ausreichend Statur gewonnen und es rundet sein Königtum eindrucksvoll ab, dass die letzte Urkunde aus dieser Serie der Erneuerungen kurz vor seinem Tod in Speyer vorgenommen wurde.

Die Politik der Einbindung Die Selbstbehauptung als König war indes nicht nur Schlachtenglück, sondern sie war die Konsequenz einer umsichtig organisierten Einbindungspolitik. Sie war in dieser Form das zweite neue Herrschaftsinstrument. Diese Einbindungspolitik zog maßgebliche Unterstützer von Ottokar ab und Rudolf gelang es, als Vollstrecker einer Allianz fürstlicher Interessen gegen den böhmischen König aufzutreten.29 Auf dem Nürnberger Hoftag, ein gutes Jahr nach seiner Wahl, eröffnete Rudolf die letzte Runde im Kreis zahlreicher Bischöfe, auch des Erzbischofs von Mainz und des Pfalzgrafen bei Rhein – mithin der ranghöchsten deutschen Fürsten. Die Fürsten richteten ein Ultimatum an Ottokar, der auch nach Jahr und Tag seine Lehen nicht aus der Hand des neuen ­Königs empfangen hatte.30 Sorgfältig, jeden Schritt durch den Konsens der Fürsten abgesichert, machte Rudolf seine Züge. Tatsächlich ließ er die Fürsten machen, allen voran seinen neuen Schwiegersohn, den Pfalzgrafen Ludwig. Ludwig überstellte das präzise berechnete Ultimatum an Ottokar. Das Nürnberger Dokument, das durch einen Speyerer Codex überliefert ist, ist frei von herrschaftlicher Rhetorik oder

28 Zu Rudolfs Revindikationspolitik vergleiche zuletzt etwa Franz-Reiner Erkens, Zwischen staufischer Tradition und dynastischer Orientierung. Das Königtum Rudolfs von Habsburg, in: Erkens/Boshof, Rudolf von Habsburg (wie Anm.  14), S.  33–58; Karl-Friedrich Krieger, Rudolf von Habsburg (wie Anm. 7) und Thomas Zotz, Rudolf von Habsburg (wie Anm. 14). 29 Zu Rudolfs Einbindungspolitik vergleiche etwa Kaufhold, Deutsches Interregnum (wie Anm. 6), S. 357–457. 30 Constitutiones editae, in: Rudolfi regis constitutiones, hg. von Jakob Schwalm, in: MGH. Constitutiones et Acta Publica Imperatorum et Regum, Bd. 3, Hannover/Leipzig 1904–1906, Nr. 72.

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rhetorischer Kraftmeierei. Das präzise Protokoll der Schritte gegen ­Ottokar erscheint geradezu formalistisch. Der König nahm sich selber in diesem Prozess nach außen weitgehend zurück. Er überließ den Richterspruch dem Pfalzgrafen bei Rhein, dessen Zuständigkeit er zunächst von den anwesenden Fürsten feststellen ließ. Dabei ging es um eine entscheidende Frage für seine Zukunft: Darum, die Kräfte des Reiches gegen Ottokar hinter sich zu versammeln. Mit diesem Vorgehen lieferte Rudolf sein Meisterstück als König ab. Es hätte Alternativen gegeben. Er hätte seine Rolle als König hervorheben können. Er verzichtete umsichtig darauf und organisierte so die Unterstützung der Fürsten und relevanter Großer wie des Grafen von Görz-Tirol.31 Diese Unterstützung entband ihn nicht davon, das Urteil über Ottokar mit eigenen Kräften zu vollstrecken. In Verbindung mit einer umsichtigen Heiratspolitik, die auf weitgespannte europäische Hochzeiten verzichtete und die die eigene Familie schon am Wahltag mit dem Pfalzgrafen und dem Herzog von Sachsen verknüpfte, schuf Rudolf so ein Modellkönigtum für eine Übergangsphase. Handlungsfähig aber zurückhaltend, zielorientiert aber nicht geltungsbedürftig. In einem sehr weitgefassten Vergleich war seine Situation mit der Heinrichs I. nach dem Ende der Karolinger im Osten des Frankenreichs vereinbar. In einer etwas modernistischen Formulierung wäre Rudolf nicht der Erste unter gleichen, nicht der primus inter pares, sondern der Gleichere unter Gleichen, der parior inter pares. Angesichts der Position, von der er begonnen hatte, war das ein enormer Erfolg.

Kommunikation auf der Höhe der Zeit Rudolf sicherte dieses Königtum durch eine besondere Strategie der Kommunikation ab, die ein drittes Instrument seiner Königspolitik war. Sie verband Rudolfs Möglichkeiten mit den Erfordernissen der ­sozialen Welt des 13. Jahrhunderts, denen der Staufer Friedrich II. sich mit einem herrscherlichen Gestus entzogen hatte, der bis heute eine ­eigentümliche Faszination entfaltet. Rudolf von Habsburg suchte da­ gegen die Nähe zu Franziskanern und Dominikanern. Er tat es darin dem französischen König Ludwig IX. gleich oder auch den englischen

31 Zu den Grafen von Görz-Tirol siehe etwa Josef Riedmann, Die Grafen von Görz-Tirol und Ottokar sowie der Einfluß des Böhmenkönigs auf Nordostitalien, in: Böhmischösterreichische Beziehungen im 13. Jahrhundert, hg. von Marie Bláhová/Ivan Hlavácek, Prag 1998, S.  147–162; Hermann Wiesflecker, Meinhard der Zweite. Tirol, Kärnten und seine Nachbarländer am Ende des 13. Jahrhunderts, Innsbruck 1955.

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Königen. Sie nutzten die Strukturen und die Vernetzungen der Bettelmönche, um in ihren Königreichen Untersuchungen der Lebensbedingungen durchzuführen. Es war ein Bündnis mit einer dynamischen Kraft des 13. Jahrhunderts, die die Herzen vieler Zeitgenossen erreichte und bewegte.32 Es war auch ein Brückenschlag in die bewegte Welt der Städte und ihrer Bewohner, die Friedrich II. eher gemieden hatte.33 Der Erfolg dieser Verbindung schlug sich in der von Bettelmönchen maßgeblich mitgeprägten Überlieferung von Rudolfs Königtum in der Chronistik und der Legendenbildung nieder, die Rudolfs Königtum ein Gesicht gab und eine Traditionsbildung ermöglichte. Für die Wirkung dieses neuen Königstypus war dies ein bedeutender Beitrag. Annette Kehnel hat diese Entwicklung überzeugend skizziert und dabei auch auf Rudolfs Rücksichtslosigkeit und Brutalität in der Zeit als aufsteigender Graf verwiesen.34 Das sollte man in der Tat im Hinterkopf behalten. Mit dem Blick auf das Königtum aber vollzog Rudolf den erfolgreichen Wandel vom harten Krieger zum umsichtigen Politiker. Ein Wandel, den die Geschichte von Heinrich I. bis zu Yitzak Rabin von manchem bedeutenden Akteur kennt. Die Verbindung Rudolfs zu den Franzis­ kanern schlug sich auch in einer weiteren bedeutenden Aufstiegsgeschichte nieder. Dass der Handwerkersohn Heinrich Knoderer aus Isny, der als Franziskaner zu einem engen Berater und Vertrauten Rudolfs wurde, erst Bischof von Basel, dann sogar Erzbischof von Mainz wurde, war eine untypische Karriere.35 Sie wurde möglich in Rudolfs Zeit. Das Königtum Rudolfs von Habsburg wird in der Regel aus der Perspektive der salisch-staufischen Tradition bewertet. Daher liegt das

32 Zu der Bewegung der Bettelmönche vergleiche etwa Clifford Hugh Lawrence, The Friars: the impact of the early mendicant movement on Western society, 2. Auflage London 2013. 33 Zum weiten Thema Bettelorden und Städte gibt es zahlreiche Einzelstudien, für eine allgemeine Perspektive vergleiche etwa Caroline Astrid Bruzelius, Preaching, building and burying: friars and the medieval city, New Haven 2014; vergleiche auch die ältere Studie: Thomas Michael Martin, Die Städtepolitik Rudolfs von Habsburg, Göttingen 1976. 34 Annette Kehnel, Rudolf von Habsburg im Geschichtswerk der Colmarer Dominikaner, in: Studia Monastica. Beiträge zum klösterlichen Leben im Mittelalter. Gert Melville zum 60. Geburtstag, hg. von Reinhard Butz/Jörg Oberste, Münster 2004, S. 211– 234. 35 Vergleiche Helmut Binder, Heinrich von Isny. Franziskaner, Erzbischof von Mainz, Erzkanzler des Reichs unter Rudolf von Habsburg um 1220–1288, in: Lebensbilder aus Schwaben und Franken, hg. von Max Miller/Robert Uhland/Gerhard Taddey, Bd. 16, Stuttgart 1986, S. 9–37; Alfred Ritscher, Heinrich von Isny. Spuren des Vertrauten König Rudolfs von Habsburg, Basler Bischofs und Mainzer Erzbischofs in der zeitgenössischen Publizistik, in: Quellen, Kritik, Interpretation. Festgabe zum 60. Geburtstag von Hubert Mordek, hg. von Thomas Martin Buck, Frankfurt am Main 1999, S. 219–235.

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Hauptaugenmerk auf der Rückgewinnung alter Größe, der Reformatio imperii oder der Revindicatio. In dieser Perspektive geht es dann um die Frage, ob Rudolf ein kleiner oder doch ein großer König gewesen sei.36 Man kann es auch anders sehen. Denn Rudolfs Geschichte zeigt den Versuch der deutschen Akteure, in Bezug auf das Königtum handlungsfähig zu bleiben. Das ist keine Feststellung in einem nationalen Sinne. Aber die Wahl des Grafen Rudolf war der bewusste Versuch der großen Familien im Reich nördlich der Alpen, trotz aller bestehenden Rivalitäten im eigenen Land einen König zu finden. Aus dem Kreis der fürstlichen Familien war das nicht möglich, die Konkurrenz ließ es nicht zu. So eröffnete die Wahl Rudolfs eine neue Perspektive. Sie war eine Aufstiegsgeschichte. Es gab diese Geschichten auch im Kreis der Fürsten. Der hohe Klerus rekrutierte sich auch aus Grafenfamilien. Aber beim Königtum ging es um einen weiteren Schritt. Ein König stieg als Individuum auf, aber wenn die Umstände günstig waren, konnte er seine Familie in den Fürstenstand erheben. Die Aufstiegsgeschichte Rudolfs von Habsburg hätte scheitern können. Dann wären möglicherweise schwerere Konflikte die Folge gewesen, wie der blutige Konflikt mit Ottokar zeigte. Dass Rudolf von Habsburg die geringe Chance, die man ihm bot, mit Umsicht und Entschlossenheit nutzte, eröffnete dem Königtum nördlich der Alpen eine arbeitsfähige Zukunft. Dass Rudolf nicht Kaiser wurde, war sicher nicht geplant. Aber für die deutsche Geschichte war es eher ein Glück. Durch die Einbindung der Fürsten in seine Politik, auch durch seine Heiratspolitik, beschränkte er den Radius des Königtums weitgehend auf Deutschland. Das war angesichts der bescheidenen Mittel von Vorteil. Er wuchs in die Rolle des Königs langsam hinein und zeigte sich lern­ fähig, obwohl er bei seiner Krönung vergleichsweise alt war. Die Erneuerung des Reichslandfriedens von Friedrich II. und das bewusste Sterben in Speyer rundeten diese erfolgreiche Aufsteigergeschichte ab. Rudolf konnte sein Schicksal bis zum Ende maßgeblich mitbestimmen. Seine Königsherrschaft zeigte anderen Familien der zweiten Reihe, dass das Königtum das Risiko wert war, das es mit sich brachte. Das späte Mittelalter verlief in Deutschland trotz seiner 36 Den Begriff des „kleinen Königs“ hat Peter Moraw für die Könige nach dem Interregnum in seiner magistralen Darstellung eingeführt: Von offener Verfassung zu gestalteter Verdichtung (wie Anm. 7), S. 211–218 und grundsätzlich zum Königtum, S. 149– 175, Seitdem nehmen die biographischen Arbeiten über Rudolf zu dieser Frage Stellung. Bei der Zurückweisung des Begriffs „kleiner König“, der mir nach wie vor nicht unpassend erscheint, sollte man auch bedenken, dass Moraw in demselben Band von den deutschen Königen grundsätzlich als den „überforderten Königen“ spricht: Von offener Verfassung, S. 155–169.

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Größe vergleichsweise unblutig, und damit friedlicher als in Frankreich oder England, wo der Kampf der Großen um das Königtum zu blutigen Jahrzehnten führte. Dass Deutschland nach dem Ende der großen Dynastien zu einer funktionsfähigen und vergleichsweise friedlichen Regierung fand, ging auch auf das Königtum Rudolfs von Habsburg zurück.

Martina Stercken

Herrschaft gestalten Die Anfänge der Habsburger Das Werden der habsburgischen Herrschaft ist ein Prozess, der besonders seit der Zeit Rudolfs von Habsburg als Erfolgsgeschichte gilt. Dieser wird nicht nur als Lichtgestalt der deutschen Geschichte nach dem Interregnum betrachtet, weil es ihm gelang, als Aufsteiger die Königswürde zu erlangen und – anknüpfend an die Staufer – die königliche Macht erfolgreich zu restituieren; er ist auch als derjenige in die Geschichte eingegangen, der die Herrschaftsbasis der Habsburger maßgeblich erweitert hat.1 Wesentliche Aspekte sind dabei der Erwerb des Herzogtums Österreich und die damit verbundene Ausdehnung habsburgischer Macht Richtung Osten gewesen, aber auch der Beitrag, den Rudolf zur Intensivierung der Herrschaft im Südwesten des Reiches geleistet hat und seine glückliche Hand, wenn es darum ging, Situationen des Machtvakuums auszunutzen und allfällige Konkurrenten auszuschalten.2 Mit den folgenden Überlegungen zu den Anfängen der Habsburger bis in die Zeit Rudolfs von Habsburg wird eine regionale Perspektive eingenommen. Referiert werden sollen indes nicht ältere Beobachtungen zur beeindruckenden Fülle akkumulierter Herrschaftstitel, mit denen die Habsburger vor allem über Ankauf, Lehen und Heirat ihre Herrschaftsschwerpunkte am Oberrhein und im Aargau ausdehnten sowie intensivierten; und auch soll es nicht um ihre Rolle als Akteure 1 Oswald Redlich, Rudolf von Habsburg. Das Deutsche Reich nach dem Untergange des alten Kaisertums, Innsbruck 1903; Rudolf von Habsburg 1273–1291. Eine Königsherrschaft zwischen Tradition und Wandel, hg. von Egon Boshof/Franz-Rainer Erkens (Passauer historische Forschungen 7), Köln/Weimar/Wien 1993; Karl-Friedrich Krieger, Die Habsburger im Mittelalter. Von Rudolf I. bis Friedrich III., Stuttgart 1994; KarlFriedrich Krieger, Rudolf von Habsburg, Darmstadt 2003. 2 Hans-Erich Feine, Die Territorialbildung der Habsburger im deutschen Südwesten, vornehmlich im späten Mittelalter, in: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte. Germanistische Abteilung 67, 1950, S. 176–308; Hans-Erich Feine, Entstehung und Schicksal der vorderösterreichischen Lande, in: Vorderösterreich. Eine geschichtliche Landeskunde, 2 Bde., hg. von Friedrich Metz, Freiburg 1959, S. 47–66; Martina Stercken, Shaping a dominion. Habsburg Beginnings, in: The Origins of the German Principalities, 1100–1350: Essays by German Historians, hg. von Graham A. Loud/Jochen Schenk, London 2017, S. 329–346; vgl. auch den Beitrag von Christina Lutter in diesem Band.

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in den immer ergebnisoffenen Aushandlungsprozessen um die Macht in dieser Region gehen (Abb. 1).3 Vielmehr werden gegenwärtige Interessen der Geschichtswissenschaft an den Prozessen und Phänomenen, die zur Gestaltung von politischer Ordnung beigetragen haben, aufgegriffen und die Kommunikation von Herrschaft zum Ausgangspunkt für die Frage nach der Herrschaftsbildung gemacht.4 Konkret wird an neueren Untersuchungen zur herrschaftlichen Praxis der Habsburger angeknüpft, die Formen der Vermittlung von Herrschaft nachgehen und dabei physische Anwesenheit, Stellvertreterschaft, familiäre Memoria und Schriftgebrauch als personale, materielle und immaterielle Präsenzformen von Herrschaft in Betracht ziehen.5 Diese sollen weiter akzentuiert werden, indem nach den frühen Formen der Vergegenwärtigung habsburgischer Herrschaft gefragt und der Blick so auf die Mittel gerichtet wird, mit denen politischen Ansprüchen zwischen Oberrhein und Alpenkamm Ausdruck verliehen wurde. Dabei sollen vor allem drei offensichtlich wesentliche Praktiken des Sicht-­­ bar­machens von Herrschaft erörtert und auf ihre Rolle im Rahmen des lang gestreckten Prozesses der Etablierung herrschaftlicher Strukturen 3 4

5

Dazu Anm. 2; vgl. auch Roger Sablonier, Adel im Wandel. Untersuchungen zur sozialen Situation des ostschweizerischen Adels um 1300, 2. Aufl. Zürich 2000. Vgl. dazu etwa Die Medien der Geschichte. Historizität und Medialität in interdisziplinärer Perspektive, hg. von Fabio Crivellari/Kay Kirchmann/Marcus Sandl/Rudolf Schlögl, Konstanz 2004; Rudolf Schlögl, Kommunikation und Vergesellschaftung unter Anwesenden, in: Geschichte und Gesellschaft 34, 2008, S. 155–224; Bernd Schneidmüller, Vor dem Staat. Neuere Versuche zur mittelalterlichen Herrschaft, in: Rechtsgeschichte. Zeitschrift des Max-Planck-Instituts für europäische Rechtsgeschichte 13, 2008, S. 178–186; Martina Stercken, Medien und Vermittlung gesellschaftlicher Ordnung. Beiträge der schweizerischen Geschichtsforschung zum Spätmittelalter, in: Traverse 1/2012, S.  212–225; Barbara Stollberg-Rilinger, Rituale (Campus Historische Einführungen 16), Frankfurt/M. 2013. Vgl. z. B. Thomas Zotz, Präsenz und Repräsentation. Beobachtungen zur königlichen Herrschaftspraxis im hohen und späten Mittelalter, in: Herrschaft als soziale Praxis, hg. von Alf Lüdtke, Göttingen 1991, S. 168–194; Thomas Zotz, Fürstliche Präsenz und fürstliche Memoria an der Peripherie der Herrschaft, in: Principes. Dynastien und Höfe im späten Mittelalter, hg. von Claudia Nolte/Karl-Heinz Spiess/Ralf-G. Werlich, Stuttgart 2002, S.  349–370; Alexander Sauter, Fürstliche Herrschaftsrepräsentation. Die Habsburger im 14. Jahrhundert, Ostfildern 2003; Martina Stercken, Herrschaftsinstrument, Statussymbol und Legitimation. Gebrauchsformen habsburgischer Privilegien im 13. und 14. Jahrhundert, in: Stadtgründung und Stadtplanung – Freiburg während des Mittelalters / Fondation et planification urbaine. Fribourg au moyen âge, hg. von HansJoachim Schmidt (Geschichte: Forschung und Wissenschaft 33), Freiburg/Fribourg 2009, S. 245–268; Martina Stercken, Formen herrschaftlicher Präsenz. Die Habsburger in ihren Städten im Gebiet der heutigen Schweiz, in: Habsburger Herrschaft vor Ort – weltweit (1300–1600), hg. von Simon Teuscher/Thomas Zotz/Jeannette Rauschert, Zürich 2013, S. 149–168; Martina Stercken, „saeldenrîche frowen“ und „gschwind listig wib“. Weibliche Präsenz Habsburgs im Südwesten des Reiches, in: Mächtige Frauen? ­Königinnen und Fürstinnen im europäischen Mittelalter 11.–14. Jahrhundert, hg. von Claudia Zey (Vorträge und Forschungen 81), Ostfildern 2015, S. 337–364.

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Abb. 1: Habsburgischer Machtbereich um 1282 (nach Krieger, Die Habs­ burger, S. 72, Ausschnitt)

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­ efragt werden: Dies sind zunächst einmal evidente Marker von Raumb herrschaft, wie Burgen und kleine Städte, aber auch Klöster, die als Stiftung des Adels oder als Ort adeliger Memoria auf herrschaftliche Verhältnisse verweisen. Dies ist ferner die Fixierung und Dokumentation von Herrschaft durch Urkunden und Urbare, die jeweils auf spezifische Art darauf hindeuten, dass die Verschriftlichung von Ansprüchen zu einem immer wichtigeren Mittel der Herrschaftsausübung wurde. Und dies sind schließlich historiographische Werke, mit denen adelige Herrschaft herausgestellt, narrativ gedeutet und legitimiert werden konnte.

Raummarker Mit den bisherigen Überlegungen zur frühen Herrschaftspraxis der Habsburger wurde durchaus auf Klöster, Burgen und Städte als Fixund Ansatzpunkte einer zunehmend auf die Fläche ausgelegten Herrschaft hingewiesen.6 Der jeweils unterschiedlichen Rolle und Halbwertszeit solcher Raummarker als Formen der Vergegenwärtigung des adeligen Geschlechts der Habsburger ist hingegen wenig Rechnung getragen worden. Zwar wurde beobachtet, dass diese zu bestimmten Zeiten aufkommen und in jeweils unterschiedlicher Weise zur Etablierung von Herrschaft beitragen, doch ist den Permanenzen und Brüchen ihrer Bedeutung im lang gestreckten Prozess der Herrschaftsbildung erst genauer nachzugehen.7 Als eine wesentliche Begründung für Stiftungen, Klostergründungen und Grablegen gilt die Sorge um das individuelle und familiäre Seelenheil, das durch die Geistlichkeit vor Ort gewährleistet werden 6 7

Vgl. Literatur unter Anm. 1 und 2. Zu überkommenen Deutungsmustern adeligen Handelns vgl. Jürgen Dendorfer, Gescheiterte Memoria? – Anmerkungen zu den „Hausklöstern“ des hochmittelalterlichen Adels, in: Zeitschrift für Württembergische Landesgeschichte 73, 2014, S. 17–38; Martina Stercken, Die Figur des Stadtgründers. Zähringer und Habsburger im Vergleich, in: Die Zähringer. Rang und Herrschaft um 1200, hg. von Jürgen Dendorfer/Heinz Krieg/R. Johanna Regnath (Veröffentlichung des Alemannischen Instituts Freiburg i. Br. 85), Freiburg i. Br. 2018, S. 141–156. 8 Heinrich Koller, Die Habsburger Gräber als Kennzeichen politischer Leitmotive in der österreichischen Historiographie, in: Historia mediaevalis. Studien zur Geschichtsschreibung und Quellenkunde des Mittelalters, hg. von Dieter Berg/Hans-Werner Goetz, Darmstadt 1988, S.  256–269; Johannes Gut, Memorialorte der Habsburger im Südwesten des Alten Reiches. Politische Hintergründe und Aspekte, in: Vorderösterreich nur die Schwanzfelder des Kaiseradlers? Die Habsburger im deutschen Südwesten, hg. vom Württembergischen Landesmuseum Stuttgart, Stuttgart 1999, S.  95–113; Brigitte Lauro, Die Grabstätten der Habsburger. Kunstdenkmäler einer europäischen Dynastie, Wien 2007; Bettina Schöller, Zeiten der Erinnerung. Muri und die Habsburger im Mittelalter (Murenser Monografien 2), Zürich 2018.

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Abb. 2: Abtei Muri, Johann Kaspar Winterlin, 1615 (Zentralbibliothek Zürich, Graphische Sammlung, Muri AG I, 4)

sollte.8 Wie andere adelige Geschlechter ihrer Zeit nutzten indes auch die Habsburger das Totengedächtnis nicht nur, um für das Jenseits vorzusorgen; die Vergegenwärtigung der Verstorbenen unter den Lebenden diente gleichzeitig dazu, Herkommen, Macht und Ansprüche zukunftsgerichtet zu legitimieren.9 Dafür stehen die benediktinischen

9 Otto Gerhard Oexle, Memoria als Kultur, in: Memoria als Kultur, hg. von Otto Gerhard Oexle (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte 121), Göttingen 1995, S. 9–78; Christine Sauer, Fundatio et memoria, Stifter und Klostergründer im Bild 1100–1350 (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte 109), Göttingen 1993; Michael Borgolte, Zur Lage der deutschen Memoria-Forschung, in: Memoria. Ricordare e dimenticare nella cultura del medioevo. Erinnerung und Vergessen in der Kultur des Mittelalters, hg. von Michael Borgolte/Cosimo Daminano Fonseca/ Hubert Houben (Annali dell’ Istituto storico italo-germanico in Trento 15), Bologna/ Berlin 2005, S. 21–28; Sépulture, mort et représentation du pouvoir au moyen âge. Tod, Grabmal und Herrschaftsrepräsentation im Mittelalter, hg. von Michel Margue, Luxemburg 2006, S. 613–636; Harald Winkel, Herrschaft und Memoria. Die Wettiner und ihre Hausklöster im Mittelalter (Schriften zur sächsischen Geschichte und Volkskunde 32), Leipzig 2010.

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Klöster von Muri und Ottmarsheim, die in die erste Hälfte des 11. Jahrhunderts datiert werden. Als Eigenkirchen und Grablegen der habsburgischen Ahnen Radbot beziehungsweise Rudolf, welche die alten habsburgischen Herrschaftsschwerpunkte des Geschlechts im Oberelsass und im Aargau markierten, deuten sie darauf hin, dass adelige Geschlechter ihre familiäre Memoria nicht notwendig an einem Ort konzentrierten, sondern diese bereits früh räumlich diversifizierten (Abb. 2 und 3).10 Die enge Verknüpfung von sakralen mit herrschaftlichen Interessen an solchen Orten findet in besonderer Weise im Kirchenbau des Benediktinerinnenklosters in Ottmarsheim ihren Ausdruck. Hier orientieren sich die als oktogonaler Zentralbau konzipierte Anlage und das Marienpatrozinium offensichtlich am Vorbild der kaiserlichen Pfalzkapelle in Aachen und lassen insofern hohe Ansprüche der Stifter erkennen. In dieselbe Richtung deutet die Weihe der Kirche im Jahre 1049, die durch einen Papst, den aus dem Elsass stammenden Leo IX., vollzogen wurde.11 Sind in dieser frühen Zeit die Stiftergräber bescheiden und die Überlieferung zur adeligen Schutzmacht begrenzt, so spiegeln die Orte habsburgischen Totengedächtnisses seit der Regierungszeit Rudolfs von Habsburg eine sich im 13. Jahrhundert entfaltende memoriale Kultur des Adels wider, die Verstorbene figural präsent werden lässt – und dies einmal mehr an verschiedenen Orten (Abb. 4).12 Dies zeigt sich nicht nur mit dem Grab König Rudolfs und der markant gestalteten Grabplatte in Speyer, deren Gestaltung bis in die Gegenwart diskutiert wird.13 Dies

10 Jean-Luc Eichenlaub/René Bornert, Abbaye Ste. Marie d‘Ottmarsheim, in: Les monastères d‘Alsace, Bd. 3, hg. von René Bornert, Strassburg 2010, S. 486–524; Die Regesten des Kaiserreiches unter Heinrich IV. 1056 (1050)–1106, Lfg. 1: 1056 (1050)–1065, neubearb. von Tilmann Struve (J. F. Böhmer, Regesta Imperii III/2), Köln/Weimar/Wien 1984, S.  145, Nr.  329; Helvetia Sacra Abt. III, Die Orden mit Benediktinerregel. Bd.  1: Frühe Klöster, Die Benediktiner und Benediktinerinnen in der Schweiz, red. von Elsanne Gilomen-Schenkel, Basel 1986, S. 896–952; Hans Jakob Wörner/Judith Ottilie Wörner-Hasler, Abteikirche Ottmarsheim, 8. Aufl. Lindenberg 2012; Lauro, Grabstätten (wie Anm. 8), S. 9–12; Bruno Meier, Das Kloster Muri, Baden 2011; Dendorfer, Gescheiterte Memoria? (wie Anm. 7), S. 35 f. 11 Eichenlaub/Bornert, Abbaye (wie Anm. 10), S. 487. 12 Vgl. Hans Körner, Grabmonumente des Mittelalters, Darmstadt 1997, S.  31, S.  106; Lauro, Grabstätten (wie Anm. 8), S. 242–244; Sauter, Herrschaftsrepräsentation (wie Anm. 5), S. 110. 13 Vgl. den Beitrag von Matthias Müller in diesem Band; s. auch Lauro, Grabstätten (wie Anm. 8), S. 29–38; Rudolf J. Meyer, Königs- und Kaiserbegräbnisse im Spätmittelalter. Von Rudolf von Habsburg bis Friedrich III. (Forschungen zur Kaiser- und Papstgeschichte des Mittelalters. Beihefte zu J. F. Böhmer, Regesta Imperii 19), Köln/ Weimar/Wien, 2000, S. 41–52; vgl. auch Barbara Schedl, Der König und seine Klosterstiftung in der Stadt Tulln (Beiträge zur Kirchengeschichte Niederösterreichs 14), St. Pölten 2004.

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Abb. 3: Abteikirche Ottmarsheim (Matthäus Merian, Topographia Alsatiae, Frankfurt a. M. 1643/44, S. 41, Ausschnitt, Zentralbibliothek Zürich, Graphische Sammlung T 137:a)

lässt bereits das Grabmal der ersten Gemahlin Rudolfs von Habsburg, Königin Anna, erkennen, die 1281 in Wien starb, jedoch – wohl aus politischen und familiären Gründen – nach 1282 im Basler Münster ihre letzte Ruhestätte fand.14 Ursprünglich vermutlich beim Hauptaltar und damit an einem zentralen liturgischen Ort im Basler Münster platziert, vergegenwärtigt die Grabplatte der Sandstein-Grabtumba die aufrecht stehend und gleichzeitig liegend konzipierten idealisierten Gestalten Königin Annas und ihres kleinen Sohnes Karl. Darüberhinaus macht das Grabmal durch die Wappen des Reiches, der Herzogtümer Österreich und Steiermark, der Grafen von Habsburg und der Herkunftsfamilie Annas, der Grafen von Hohenberg, auf königlich-landesherrlich und 14 Zusammenfassend: Stercken, „saeldenrîche frowen“ (wie Anm. 5), S. 347–350.

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Abb. 4: Grabmal der Anna von Habsburg im Basler Münster (Marquard Herrgott, Rusten Heer, Martin Gerbert, Monumenta Augustae domus Aus­ triacae, Tom. 4, 1–2: Taphographia Principum Austriae, St. Blasien 1772, Bd. 2, 1, Tab. IX)

auch dynastisch-familiäre Aspekte des habsburgischen Herrschaftsverständnisses aufmerksam.15 Die habsburgische Partizipation an der jeweils zeitspezifischen Memorialkultur wird überdies in besonderer Weise mit dem Kloster Königsfelden deutlich, das nach Muri zur familiären Grablege in den aargauischen Stammlanden wurde (Abb. 5). In Erinnerung an die Ermordung von Rudolfs Sohn Albrecht I. im Jahre 1308 gestiftet, entwickelte sich dieses – wenn auch nicht zur einer verbindlichen Familiengrablege – so doch zu einer spektakulären Stätte familiärer Memoria und herrschaftlichen Selbstverständnisses der Habsburger als könig­ liche Sippe.16 Durch familiäre Stiftungen ermöglicht, entstand hier ein 15 Vgl. Jean-Marie Moeglin, Dynastisches Bewusstsein und Geschichtsschreibung. Zum Selbstverständnis der Wittelsbacher, Habsburger und Hohenzollern im Spätmittelalter (Schriften des historischen Kollegs. Vorträge 34), München 1993, S. 40; Sauter, Herrschaftsrepräsentation (wie Anm. 5), S. 145 f.; Lauro, Grabstätten (wie Anm. 8), S. 244. 16 Vgl. dazu Heinz-Dieter Heimann, Mord – Memoria – Repräsentation. Dynastische Gedächtniskultur und franziskanische Religiosität am Beispiel der habsburgischen Grablege Königsfelden im späten Mittelalter, in: Imperios sacros, monarquias divinas. Heilige, Herrscher, göttliche Monarchen, hg. von Carles Rabassa/Ruth Stepper (Humanitats 10), Castello de la Plana 2002, S.  267–290; Brigitte Kurmann-Schwarz, Die mittelalterlichen Glasmalereien der ehemaligen Klosterkirche Königsfelden (Corpus Vitrearum Medii Aevi Schweiz 2), Bern 2008; Brigitte Kurmann-Schwarz, Zeichen der Frömmigkeit oder Bilder der Herrschaft, in: Habsburger Herrschaft vor Ort (wie Anm. 5), S. 137–148; Claudia Moddelmog, Stiftung als gute Herrschaft. Die Habsburger in Königsfelden, in: Die Habsburger zwischen Aare und Bodensee, hg. von Peter Niederhäuser (Mitteilungen der Antiquarischen Gesellschaft in Zürich 77), Zürich 2010, S. 209–222; Stercken, „saeldenrîche frowen“ (wie Anm. 5), S. 350–352.

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Abb. 5: Kloster Königsfelden, Albrecht Kauw, 1669

Ort des Gebetsgedenkens an verstorbene Habsburger durch die Ordensgemeinschaften der Klarissinnen und der Franziskaner vor Ort. Zugleich wurden mit einem zentral angelegten Grabmal (dem Zugang zur Gruft) und mit den für franziskanische Kirchen ungewöhnlich kostbaren Glasfenstern im Chor der Klosterkirche die Habsburger in den Landen westlich des Arlbergs als gute Herrscher präsent gemacht und ihre enge Verbindung zum franziskanischen Orden vor Augen geführt. In anderer Weise funktionieren Burgen als Kennzeichen früher habsburgischer Herrschaft. Dass den exponiert gelegenen, steinernen Anlagen als Ausdruck adeligen Standes sowie als Symbole von Macht und Wehrhaftigkeit eine wesentliche Bedeutung im Rahmen des hochmittelalterlichen Herrschaftsausbaus zukommt, ist vielfach her-

17 Vgl. dazu zusammenfassend: Joachim Zeune, Burgen. Symbole der Macht. Ein neues Bild der mittelalterlichen Burg, Regensburg 1996; s. auch Werner Meyer, Die Burg als repräsentatives Statussymbol. Ein Beitrag zum Verständnis des mittelalterlichen Burgenbaues, in: Zeitschrift für schweizerische Archäologie und Kunstgeschichte 33, 1976, S. 173–181.

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Abb. 6: Die Habsburg in Jakob Fuggers ‚Ehrenspiegel des Hauses Österreich‘, 1555 (München, Bayerische Staatsbibliothek, Cgm 895)

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vorgehoben worden.17 Auch die Habsburger markierten auf diese Weise die frühen Kernzonen ihres Besitzes weithin sichtbar, wenngleich wohl weniger systematisch und architektonisch einschlägig als dies die ältere Forschung angenommen hat.18 Beispiel dafür bietet vor allem die Habsburg, während die Burganlagen von Wildegg, Brunegg und Schenkenberg, die zusammen mit der Stammburg als habsburgisches ‚Burgensystem‘ begriffen wurden, offenbar später entstanden sind und von Ministerialen der Habsburger erbaut wurden. Zudem lassen sich Burgen und steinerne Türme an Flussübergängen – zum Beispiel in Laufenburg am Rhein, in Brugg am Zusammenfluss von Aare, Reuss und Limmat sowie in Freudenau an der Aare – mit dem Beginn des habsburgischen Herrschaftsausbaus verbinden. Besser belegt sind solche Burgen, die im 13. Jahrhundert von den Habsburgern errichtet oder von ihnen erworben wurden, wie die Neu-Habsburg am Nordwest-Ufer des Vierwaldstättersees, die Burg Lagenberg bei Laax/Graubünden, die Burg Hohlandsberg bei Colmar wie auch die Burgen in Baden und Lenzburg im Aargau sowie die Kyburg im Zürcher Hinterland.19 Als dauerhaft namengebende Burg für das Geschlecht spielt die Habsburg beim Zusammenfluss von Aare und Reuss eine besondere Rolle, deren Anfänge als Stammburg der Habsburger in der spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen regionalen Chronistik mit farbigen Erzählungen festgehalten werden (Abb. 6).20 Der Name dieser

18 Dazu und zum Folgenden vgl. Werner Meyer, Habsburgischer Burgenbau zwischen Alpen und Rhein – ein Überblick, in: Kunst+Architektur in der Schweiz 1996/2, S. 115–124. 19 Vgl. auch Martin Bundi, Laax (Herrschaft), in: Historisches Lexikon der Schweiz (http://www.hls-dhs-dss.ch/textes/d/D13126.php; [Zugriff 12.11.2018]); Werner Meyer, Neu-Habsburg, in: Historisches Lexikon der Schweiz: http://www.hls-dhs-dss.ch/ textes/d/D11165.php [Zugriff 12.11.2018]; Gilbert Charles Meyer/Christian Wilsdorf, Le château de Hohlandsberg près de Colmar, in: Kunst+Architektur in der Schweiz 1996/2, S. 125–136; Nicolas Mengus/Jean-Michel Rudrauf, Châteaux forts et fortifications médiévales d’Alsace. Dictionnaire d’histoire et d’architecture, Strassbourg 2013, S. 139−141. Zur schlecht belegten Limburg (Kaiserstuhl) vgl: Alfons Zettler/Thomas Zotz, Die Burgen im mittelalterlichen Breisgau. Nördlicher Teil Bd. I, Ostfildern 2006, S. 378–390. 20 Vgl. Bernhard Stettler, Die sog. Klingenberger Chronik des Eberhard Wüst, Stadtschreiber von Rapperswil (Mitteilungen zur vaterländischen Geschichte 53), St. Gallen 2007, S.  77  f.; vgl. Erich Kleinschmidt, Herrscherdarstellung. Zur Disposition mittelalterlichen Aussageverhaltens, untersucht an Texten über Rudolf I. von Habsburg, Bern/München 1974, hier S. 269–277; Dieter Mertens, Geschichte und Dynastie. Zu Methode und Ziel der Fürstlichen Chronik Jakob Mennels, in: Historiographie am Oberrhein im späten Mittelalter, hg. von Kurt Andermann (Oberrheinische Studien 7), Sigmaringen 1988, S.  121–153, hier S.  138–141; Meyer, Burg (wie Anm. 17), S. 173.

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Abb. 7: Habsburgische Stadtgründungen des 13. Jahrhunderts (nach Stercken, Städte der Herrschaft, S. 31, Ausschnitt)

Burg, deren Entstehung in das beginnende 11. Jahrhundert datiert wird,21 ist seit der Wende vom 11. zum 12. Jahrhundert erstmals urkundlich in Verbindung mit der Bezeichnung der Grafen bezeugt.22 Wie archäologische Ausgrabungen gezeigt haben, wurde die auf einem Felssporn angelegte Habsburg bis zum Beginn des 13. Jahrhunderts immer weiter ausgebaut und muss als Doppelburg ein beeindruckendes Bauwerk dargestellt haben, bevor sie in nachhabsburgischer Zeit verfiel.23 Warum sie als Familiensitz in den zwanziger und dreißiger Jahren des 13. Jahrhunderts aufgegeben und zu Lehen gegeben wurde, wird damit begründet, dass die Burganlage den Ansprüchen eines immer bedeutenderen Herrschergeschlechts nicht gerecht wurde. Dies mag zutreffen. Ebenso bemerkenswert aber erscheint die Tatsache, dass die Habsburger grundsätzlich wenige Burgen zum Ausgangspunkt der

21 Peter Frey, Die Habsburg im Aargau, in: Burgen der Salierzeit Bd. 2, hg. von Horst Wolfgang Böhme (Römisch-Germanisches Nationalmuseum. Monographien 26), Sigmaringen 1991, S. 331–350; Peter Frey, Die Habsburg. Berichte über die Ausgrabungen von 1994/95, in: Argovia 109, 1997, S. 123–175. 22 Acta Murensia. Die Akten des Klosters Muri mit der Genealogie der frühen Habsburger. Edition, Übersetzung, Kommentar, Digitalfaksimile nach der Handschrift StAAG AA/4947, bearb. von Charlotte Bretscher-Gisiger/Christian Sieber, Basel 2012, S. CXXV. 23 Dazu und zum Folgenden vgl. Anm. 21.

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räumlichen Fixierung ihrer Herrschaft gemacht haben. Ab der Mitte des 13. Jahrhunderts begannen sie vielmehr das Potential von Städten auszuschöpfen, die in der Folgezeit zunehmend als Großburgen und temporäre Residenzen im Herrschaftsgebiet, als Mittelpunkte der Verwaltung habsburgischen Besitzes in den neu entstehenden Ämtern, aber auch als wirtschaftlich interessante Märkte und als Reservoir an militärischer und finanzieller Unterstützung dienten (Abb. 7).24 Bezeichnend für die Habsburger erscheint, dass diese weniger als Städtegründer hervortraten, sondern – zumal ihr Herrschaftsausbau vergleichsweise spät erfolgte – sukzessive eine große Anzahl unter anderen Herrschaftsträgern entstandene, mehrheitlich junge Städte mit begrenzten Entwicklungschancen erwarben, die das Siedlungsnetz des Voralpenlandes um die Mitte des 13. Jahrhunderts verdichteten.25 Zu den habsburgischen Gründungen bis um 1300 gezählt werden Brugg, Bremgarten, Meienberg und Waldshut, die – wie viele Stadtgründungen anderer Herrschaftsträger auch – erst im Verlaufe der Zeit überhaupt als Städte in Erscheinung treten. Lediglich im Falle von Schwarzenbach lässt sich die gezielte Anlage einer Stadt nachweisen. Dieses wurde durch Rudolf von Habsburg als politisches Druckmittel im Rahmen einer Fehde mit dem Abt von St. Gallen vor 1289 gegründet und war als Gegengründung zu Wil, einem jungen Residenzstädtchen des Abtes, gedacht. Schwarzenbach entwickelte sich auch nur so lange auf Kosten Wils, bis der Konflikt 1301 beigelegt wurde. Die Anlage von Schwarzenbach ist Teil einer in besonderem Maße seit der Regierungszeit Graf Rudolfs IV. fassbaren Politik der Habsburger, über Erbe, Kauf und Reichspfandschaften die Stadtherrschaften westlich des Arlbergs auszubauen. Dieses Vorgehen war offenbar nicht nur mit geostrategischem Kalkül verbunden, sondern auch mit Geschick, wenn es darum ging Gelegenheiten auszunutzen.26 Ein

24 Vgl. dazu und zum Folgenden: Thomas M. Martin, Die Städtepolitik Rudolfs von Habsburg (Veröffentlichungen des Max Planck-Instituts für Geschichte 44), Göttingen 1976; Jürgen Treffeisen, Die Habsburger und ihre breisgauischen Städte im späten Mittelalter, in: Die Habsburger im deutschen Südwesten, hg. von Franz Quarthal/ Gerhard Faix, Stuttgart 2000, S.  115–136; Martina Stercken, Städte der Herrschaft. Kleinstadtgenese im habsburgischen Herrschaftsraum des 13. und 14. Jahrhunderts (Städteforschung A 68), Köln/Weimar/Wien 2006. 25 Stercken, Städte der Herrschaft (wie Anm. 24), S. 7–9; Martina Stercken, Stadtzerstörungen durch die Herrschaft und infolge städtischer Konfliktsituationen im 13. und 14. Jahrhundert. Beispiele aus den habsburgischen Herrschaftsräumen im Gebiet der heutigen Schweiz, in: Zerstörung und Wiederaufbau Bd. 2, hg. von Martin Körner (Veröffentlichungen der Commission Internationale pour l‘Histoire des Villes), Bern 2000, S. 53–76. 26 Dazu und zum Folgenden vgl. Stercken, Städte der Herrschaft (wie Anm. 24), S. 6–19.

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­ edeutender Vorgang in diesem Kontext war zum Beispiel die Aneigb nung einer Reihe von Städten im Aargau und Thurgau, die mit dem ­sogenannten Erbe der Grafen von Kyburg-Dillingen nach 1264 in den Besitz der Habsburger gelangten. Wie Urkunden, urbarielle Aufzeichnungen und Rödel um die Wende vom 13. zum 14. Jahrhundert deutlich werden lassen, konnte Rudolf den Besitzanspruch über die ehemals ­kyburgischen Güter und Rechte erfolgreich gegen die Ansprüche des Grafen Peter von Savoyen durchsetzen, der ebenfalls mit den Kyburgern verwandt war und auf die Erbschaft aspi­rierte. Dass Rudolf Möglichkeiten zur Erweiterung des Stadtbesitzes wahrnahm, lassen verschiedene Ankäufe von Städten aus dem Besitz finanziell unter Druck geratener Herrschaftsträger vermuten. So kaufte er 1274 von Gräfin Anna, Tochter des Grafen Hartmann d. J. von Kyburg, und Graf Eberhard von Habsburg-Laufenburg die ehemals kyburgischen Städte Mellingen, Aarau, Lenz­burg, Zug und Sursee sowie die habsburgisch-laufenburgischen Städte Willi­sau und Sempach. Und wenig später, nämlich 1277, veräußerte dasselbe Paar die von den Kyburgern ererbte, ehemals zähringische Stadt Freiburg im Üchtland an Albrecht, Hartmann und Rudolf, Söhne des nunmehrigen Königs Rudolf von Habsburg. Hingegen waren im Falle von Luzern vogteiliche Rechte Ausgangsbasis für den Ankauf der Stadt durch König Rudolf zu­handen seiner Söhne Albrecht und Rudolf aus der Hand des bisherigen Stadtherrn, des offenbar hoch verschuldeten Abts von Murbach, im Jahre 1291. Dass mit dem Stadtbesitz als raumwirksames Herrschaftsmittel auch Vorstellungen von der Herrschaft über Städte verbunden waren, lassen die habsburgischen Stadtrechtsprivilegien des ausgehenden 13. Jahrhunderts erkennen, die Stadtherrschaften zu vereinheitlichen tendierten. Die Rechtsausstattung von Winterthur durch Rudolf von Habsburg setzte den Standard für nachfolgende Privilegien für Städte, die ihrerseits den herrschaftlichen Zugriff auf die Schultheißen- und Leutpriesterwahl – und damit auf die bürgerlichen Gemeindevorstände – fixierten.27 Diese Haltung führte übrigens in den wenigen größeren Städten – zum Beispiel Freiburg i. Ue. und Luzern – um 1300 und in den kleinen Städten dann im ausgehenden 14. Jahrhundert zu Konflikten zwischen Bürgerschaft und habsburgischen Stadtherren. ­ Zugleich signalisieren die Stadtrechtsprivilegien ein weiteres, seit der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts wesentliches Gestaltungselement der frühen habsburgischen Herrschaft, nämlich die zunehmende schriftliche Fixierung von Ansprüchen. 27 Vgl. Stercken, Städte der Herrschaft (wie Anm. 24), S. 96–161; Stercken, Herrschaftsinstrument (wie Anm. 5), passim.

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Beurkundung Die Auseinandersetzung mit der vor allem in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts wachsenden Produktion von Schriftgut hat die zunehmende Bedeutung der Verschriftlichung von Ansprüchen in den Aushandlungsprozessen der politisch unruhigen Zeiten der ausgehenden Stauferzeit und des Interregnums ins Blickfeld gerückt. Gezeigt wurde, dass diese als Mittel der Herrschaftsstabilisierung gegenüber Beherrschten und Konkurrenten, aber auch als Instrument begriffen wurde, um die herrschaftliche Verfügungsgewalt über eine kulturelle Praktik materiell sichtbar zu machen.28 Versucht man nachzuvollziehen, wie die habsburgische Herrschaft bis ins 12. Jahrhundert in der schriftlichen Überlieferung fassbar wird, so muss man sich mit einer prekären Tradition befassen. Hauptquelle dafür nämlich sind die Acta Murensia, eine Sammel-Handschrift aus dem Kloster Muri, die in die Zeit um 1150 datiert wird, allerdings lediglich in einer spätmittelalterlichen Fassung erhalten ist.29 Auf diese Überlieferung, die unter anderem Quelle für frühe Besitzansprüche der Habsburger in der Region ist, wird noch einzugehen sein. Betrachtet man indes die davon unabhängige urkundliche Überlieferung zu den habsburgischen Grafen aus, so zeigt sich folgendes Bild: Die wachsende Bedeutung dieses Grafengeschlechts in der Region wird zunächst einmal über kaiserliche und königliche Urkunden aus

28 Vgl. dazu: Hagen Keller, Schriftgebrauch und Symbolhandeln in der öffentlichen Kommunikation. Aspekte des gesellschaftlich-kulturellen Wandels vom 5. bis zum 13.  Jahrhundert, in: Frühmittelalterliche Studien 37, 2003, S.  1–24; Hagen Keller, Mündlichkeit – Schriftlichkeit – symbolische Interaktion. Mediale Aspekte der Öffentlichkeit im Mittelalter, in: Frühmittelalterliche Studien 38, 2004, S. 277–286; Roger Sablonier, Schriftlichkeit, Adelsbesitz und adeliges Handeln im 13. Jahrhundert, in: Nobilitas. Funktion und Repräsentation des Adels in Alteuropa, hg. von Otto Gerhard Oexle/Werner Paravicini, Göttingen 1997, S. 67–100; Thomas Hildbrand, Der Tanz um die Schrift. Zur Grundlegung einer Typologie des Umgangs mit Schrift, in: Wirtschaft und Herrschaft. Beiträge zur ländlichen Gesellschaft in der östlichen Schweiz (1200–1800), hg. von Roger Sablonier/Thomas Meier, Zürich 1999, S. 439–460; Simon Teuscher, Erzähltes Recht. Lokale Herrschaft, Verschriftlichung und Traditionsbildung im Spätmittelalter (Campus Historische Studien 44), Frankfurt/Main 2007; Elisabeth Gruber/Christina Lutter, Oliver Jens Schmitt, Kulturgeschichte der Überlieferung im Mittelalter. Quellen und Methoden zur Geschichte Mittel- und Südosteuropas, Köln/Weimar/Wien 2017. 29 Dies wird etwa deutlich in den Regesta Habsburgica. Regesten der Grafen von Habsburg und der Herzoge von Österreich aus dem Hause Habsburg, hg. von Oswald ­R edlich, Bd. 1, bearb. von Harold Steinacker (Publikationen des Instituts für österreichische Geschichtsforschung), Innsbruck 1905. Hier bauen alle Angaben zur Frühgeschichte habsburgischer Herrschaft auf den Acta auf; vgl. S.  1–10, S.  15, Nr. 48–51, S. 17 f., Nr. 64–66.

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der ersten Hälfte des 12. und dem beginnenden 13. Jahrhunderts fassbar, die sie insbesondere als Zeugen von Schenkungen zu Gunsten von Klöstern – so etwa Einsiedeln, Engelberg, Kreuzlingen oder St. Blasien – ausweisen.30 Des Weiteren lässt die päpstliche Urkundenüberlieferung zu Beginn des 13. Jahrhunderts den Bedeutungszuwachs der Habsburger auf reichspolitischer Ebene erkennen, so im Thronstreit zwischen dem Welfen Otto und Philipp von Schwaben.31 Urkunden des Papstes Innozenz IV. aus den Jahren 1247/1248 an verschiedene geistliche Herren machen hingegen deutlich, dass die habsburgischen Grafen auch eine Rolle in den regionalen Parteiungen im Konflikt zwischen Papst und Kaiser um die Mitte des 13. Jahrhunderts spielten und zwar teils auf päpstlicher und teils auf kaiserlicher Seite.32 Erst aber seit der Wende vom 12. zum 13. Jahrhundert und in der Zeit Rudolfs II. († 1232), Albrechts IV. († 1239) und Rudolfs III. († 1249), also von Großvater, Vater und Onkel des späteren Königs Rudolf von Habsburg, treten die Habsburger immer mehr selbst als Aussteller von Urkunden in Erscheinung. In dieser Zeit sind es vor allem Stiftungen an klösterliche Gemeinschaften, die vom ansteigenden Bedarf an Schriftlichkeit bei der Dokumentation von Herrschaftstiteln zeugen und auf Herrschaftsansprüche in der Region schließen lassen.33 Zugleich werden die Habsburger mit den Urkunden anderer Herrschaftsträger in ihrer Rolle als Landgrafen im Elsass und als keineswegs unbedeutendes Adelsgeschlecht greifbar.34 In diesem Kontext erscheint eine Urkunde auffällig, die einen offenbar länger andauernden Teilungsprozess des habsburgischen Besitzes in den dreißiger Jahren des 13. Jahrhunderts markiert und eine sich sukzessive vollziehende Trennung der habsburgischen Familie in zwei Linien anzeigt.35 Diese hält die vor Bischof Lüthold von Basel, Graf Ludwig von

30 Vgl. Regesta Habsburgica I (wie Anm. 29), S. 13, Nr. 33–36, S. 16, Nr. 54, 55, S. 17, Nr. 57, 61 f., S. 19, vgl. auch Nr. 72, S. 25, Nr. 90, S. 29, Nr. 103, Nr. 104, S. 31, Nr. 111, Nr. 112. 31 Regesta Habsburgica I (wie Anm. 29), S. 24, Nr. 84 f. 32 Regesta Habsburgica I (wie Anm.  29), S.  29, Nr.  99; S.  54  f. Nr.  221  f., vgl. auch S.  57, Nr. 238; S. 64, Nr. 267. 33 Regesta Habsburgica I (wie Anm. 29), S. 14 f., Nr. 44 f.; S. 20 f., Nr. 75; S. 21, Nr. 77; S. 21 f., Nr. 78; S. 25, Nr. 88. 34 Vgl. z. B. Regesta Habsburgica I (wie Anm. 29), S. 13, Nr. 39; S. 14, Nr. 42, 43; S. 15, Nr. 45; S. 16 f., Nr. 56; S. 17, Nr. 58, Nr. 59; S. 20, Nr. 74; S. 21, Nr. 76; S. 22, Nr. 80; S. 23, Nr. 81; S. 24f., Nr. 86; S. 25 f., Nr. 93; S. 26 f., Nr. 94, 95, 97; S. 30 f. Nr. 110. 35 Archives de l‘ancien Evêché de Bâle 1238/1239; Regesta Habsburgica I (wie Anm. 29), S. 42, Nr. 171; Fontes Rerum Bernensium, Bd. 2, Bern 1877, Nr. 172, S. 181–183; Redlich, Rudolf von Habsburg (wie Anm. 1), S. 78 f.; vgl. Bruno Meyer, Studien zum habsburgischen Hausrecht, in: Zeitschrift für Schweizerische Geschichte 27, 1947, S. 38–60, hier S. 45 f.; Bruno Meyer, Habsburg und Habsburg-Laufenburg. Zeitschrift für Schweizerische Geschichte 28, 1948, S. 310–343.

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Abb. 8: Volkssprachliche (Teilungs-)Urkunde von 1238/1239 (Archives de l‘ancien Evêché de Bâle)

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Froburg und weiteren Edelleuten erfolgte Annahme eines Schiedsspruchs durch Albrecht IV. und Rudolf III. fest (Abb. 8). Aufschlussreich ist diese Urkunde nicht allein, weil sie zumindest in Bezug auf eine begrenzte Anzahl größerer und kleinerer Herrschaftsrechte recht detailreich festhält, was wem zusteht und was gemeinsam verwaltet wird: Da­ emeinsam runter wird die Landgrafschaft im Elsass genannt, die vorerst g durch die beiden Grafen gehalten werden soll; es werden ferner weniger bedeutende Ansprüche erwähnt, wie etwa der Besitz von Häusern und Türmen, Eigenkirchen, Vogteirechten oder Rechten über die Leute im Aargau. Der Urkunde kommt auch insofern ein besonderer Stellenwert zu, als die schriftlich fixierten Abmachungen zwischen den habsburgischen Grafen Albrecht IV. und Rudolf III. in deutscher Sprache verfasst sind. Sie dokumentiert damit die mit der wachsenden Bedeutung von Urkunden in Rechtsverkehr und Herrschaftspraxis insgesamt verbundene Tendenz, bei wichtigen Texten, die womöglich vorgelesen wurden, die Volkssprache und nicht die übliche lateinische Gelehrten- und Kanzleisprache zu nutzen.36 Sie deutet gleichermaßen darauf hin, dass sich dieser Prozess, der auf der Ebene des Reiches zum Beispiel mit dem in lateinischer sowie deutscher Fassung überlieferten Mainzer Reichslandfrieden von 1235 sichtbar wird, bereits früh im Südwesten des Reiches und im habsburgischen Kontext abspielte. Auffallend ist ebenso, dass die Dynamik der Urkundenproduktion in der Folgezeit, während der Regierung Graf Rudolfs IV., nochmals stark zunahm. Wie bereits die Zusammenstellung in den ‚Regesta Habsburgica‘ deutlich macht, wurde der Urkundengebrauch auf alle möglichen Rechtsgeschäfte ausgedehnt und waren auch die Frauen der habsburgischen Herrschaftsträger mehr und mehr am Handeln mit Schrift beteiligt.37 Nach wie vor ist insbesondere die Stiftung von Gütern und Rechten an regionale Klöster Gegenstand der habsburgischen Urkunden; doch wird nunmehr auch in anderen Kontexten begonnen, Anspruch auf ein vielfältiges Konglomerat an Herrschaftsrechten zu fixieren, das unter anderem Grafschaftsrechte, Klostervogteien, Grundbesitz, Burgen, Städte, Mühlen, Gerichts-, Zoll-, Münz-, und Marktrechte beinhaltet.38 36 Vgl. dazu und zum Folgenden: Eduard Studer, Sprachliche Stationen auf dem Weg zum Deutsch der Schilling Chronik, in: Die Schweizer Bilderchronik des Luzerners Diepold Schilling 1513, Sonderausgabe des Kommentarbandes zum Faksimile der Handschrift S. 23 fol. in der Zentralbibliothek Luzern, Luzern 1981, S. 585–601, hier S.  591  f.; Ruth Schmidt-Wiegand, Urkundensprache, in: Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte Bd.  5, Berlin 1998, Sp. 593–602; zuletzt Gruber/Lutter/ Schmitt, Kulturgeschichte (wie Anm. 28), S. 166. 37 Regesta Habsburgica I (wie Anm. 29), insbesondere beginnend mit S. 49, Nr. 197; Habsburgerinnen vgl. z. B. S. 62, Nr. 261–263; S. 64, Nr. 266. 38 Vgl. Regesta Habsburgica I (wie Anm. 29), vor allem ab S. 50, Nr. 202.

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Abb. 9: Habsburgischer Rodel über Einkünfte und Verpfändungen, um 1273 (Staatsarchiv Zürich, Stadt und Landschaft Nr. 3228)

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Mit diesem offensichtlich steigenden Interesse an einer Verschriftlichung und Systematisierung von Herrschaftstiteln im letzten Drittel des 13. Jahrhunderts fanden habsburgische Herrschaftsansprüche neue Formen des Ausdrucks: Ungefähr um die Zeit der Königswahl Rudolfs von Habsburg wurde begonnen, Einkünfte aufzuzeichnen und mit Verpfändungen auch eine immer üblicher werdende Form der Kommerzialisierung von Rechten und Besitz festzuhalten (Abb. 9).39 Vor allem aber lässt das augenscheinlich groß angelegte Projekt des sogenannten ‚Habsburgischen Urbars‘ zu Beginn des 14. Jahrhunderts eine neue Qualität der Herrschaftsorganisation erkennen. Hier werden detailreich Eigenleute und Besitz ausgewiesen und Anspruch auf finanzielle Erträge der Habsburger aus Gericht, Hoheits­rechten und Steuern fixiert. Auch wird mit diesem Urbar die Verfestigung einer in Ämter gegliederten Verwaltung herrschaftlicherseits beanspruchten Gebiets fassbar, die Streubesitz und verschiedenartige Rechte in eine Suprastruktur einpasste.40

Chronikalische Verankerung Die frühe regionale Chronistik lässt deutlich werden, dass habsburgische Herrschaft nicht nur über raumwirksamen Besitz und urkundlich beziehungsweise urbariell fixierte Ansprüche konstituiert wird, sondern auch über Darstellungen, die griffige Deutungen von Ursprüngen und Legitimation adeliger Geschlechter, mithin also Begründungs­ narrative für Herrschaft, zur Verfügung stellen.41 Es sind die im Kloster 39 Das Habsburgische Urbar, Bd. 2: Ältere habsburgische Aufzeichnungen, bearb. von Rudolf Maag (Quellen zur Schweizer Geschichte 15/2), Basel 1899, S.  47–229; Götz Landwehr, Mobilisierung und Konsolidierung der Herr­schaftsordnung im 14. Jahrhundert, in: Der deutsche Territo­rial­staat im 14. Jahrhundert, Bd. 2, hg. von Hans Patze (Vorträge und For­schungen 14), Sigmaringen 1971, S. 484–505. 40 Das Habsburgische Urbar, Bd 1: Das eigentliche Urbar über die Einkünfte, bearb. von Rudolf Maag (Quellen zur Schweizer Geschichte 14/1), Basel 1894; Marianne Bärt­ schi, Das Habsburger Urbar: Vom Urbarrödel zum Traditionscodex, Phil. Diss. Zürich 2008; Stercken, Städte der Herrschaft (wie Anm. 24), insbesondere S. 77–80. 41 Karl Schmid, Geblüt – Herrschaft – Geschlechterbewusstsein. Grundfragen zum Verständnis des Adels im Mittelalter, hg. von Dieter Mertens/Thomas Zotz (Vorträge und Forschungen 44), Sigmaringen 1998, insbesondere S.  50–158; Mertens, Geschichte und Dynastie (wie Anm. 20); Steffen Krieb, Erinnerungskultur und adeliges Selbstverständnis im Spätmittelalter, in: Zeitschrift für württembergische Landesgeschichte 60, 2001, S. 59–75; Klaus Graf, Ursprung und Herkommen. Funktionen vormoderner Gründungserzählungen, in: Geschichtsbilder und Gründungsmythen, hg. von Hans-Joachim Gehrke (Identitäten und Alteritäten 7), Würzburg 2001, S. 23–36; Hans Vorländer, Gründung und Geltung. Die Konstitution der Ordnung und die Legitimität der Konstitution, in: Geltungsgeschichten. Über die Stabilisierung und Legitimierung institutioneller Ordnungen, hg. von Gert Melville/Hans Vorländer Köln/Weimar/Wien 2002, S. 243–264; Hans-Werner Goetz, Geschichtsschreibung

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Abb. 10: Acta Murensia, Genealogia, um 1150, Abschrift um 1400 (Staatsarchiv Aarau AA/4947)

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Muri entstandenen und bereits kurz erwähnten ‚Acta Murensia‘, die erstmals die Frühgeschichte von Kloster und habsburgischer Stifterfamilie dokumentieren (Abb. 10).42 Diese wurden mit der Neuedition von 2012 in die Mitte des 12. Jahrhunderts datiert, sind aber lediglich in einer Handschrift aus der Zeit um 1400 überliefert, die genealogische, chronikalische und urbarielle Aufzeichnungen zusammenstellt. In ihrer Heterogenität bietet die Tradition der Acta das Material, das einem klösterlichen Interesse an einer Geltungsgeschichte entgegenkommt, die Anfänge und Rang des Klosters mit einem vielversprechenden Gründungsgeschlecht verbindet, und das zugleich adelige Geschlechter seit dem Hochmittelalter offenbar benötigen, um ihren Herrschaftsanspruch historisch zu begründen: Eine Genealogie führt die Ahnen der Habsburger auf und macht damit nicht nur Herkunft und Verbindungen einer adeligen Familie im regionalen, aber (mit Lothringern und Welfen) auch überregionalen Kontext namentlich fassbar, sondern bezeugt auch ihre Formierung zum bedeutenden Adelsgeschlecht.43 Eine detailreiche Geschichte der Klostergründung durch Ita und Radbot weist die Stiftung als Sühneleistung für vorangehende Missetaten vor Ort aus. Sie erzählt eingängig von den herrschaftlichen Verhältnissen in Muri und liefert darüber hinaus einen Kontext für die hier mit den genannten Stiftern einsetzende Herrscher-Memoria. Wie Kloster und Herrschergeschlecht von der Genealogie und der Gründungsgeschichte Gebrauch machten, lässt sich indes konkreter erst seit dem ausgehenden Mittelalter feststellen, also nach der spätmittelalterlichen Abschrift der Acta.44 Dann nämlich werden die Acta ­Murensia Bezugspunkt der klösterlichen Gemeinschaft vor Ort, die sie und Geschichtsbewusstsein im hohen Mittelalter (Orbis mediaevalis. Vorstellungswelten des Mittelalters 1), 2. Aufl. Berlin 2008; Bretscher-Gisiger/Sieber, Acta Murensia (wie Anm. 22), S. CXXV; Gert Melville, Zur Technik genealogischer Konstruktionen, in: Idoneität – Genealogie – Legitimation. Begründung und Akzeptanz von dynastischer Herrschaft im Mittelalter, hg. von Cristina Andenna/Gert Melville, Köln/Weimar/Wien 2015, S. 293–304; Schöller, Zeiten der Erinnerung (wie Anm. 8), S. 128–131; vgl. auch: Alexander Kagerer, Macht und Medien um 1500. Selbstinszenierungen und Legitimationsstrategien von Habsburgern und Fuggern (Deutsche Literatur. Studien und Quellen 23), Berlin/Boston 2017, S. 215–266. 42 Bretscher-Gisiger/Sieber, Acta Murensia (wie Anm. 22); Krieger, Rudolf von Habsburg (wie Anm. 1), S. 32–37. 43 Bretscher-Gisiger/Sieber, Acta Murensia (wie Anm. 22); S. CXXV; Schmid, Geblüt (wie Anm.  41), S.  117  f.; vgl. dazu zuletzt Dendorfer, Gescheiterte Memoria? (wie Anm. 7), S. 24 f. 44 Dazu und zum Folgenden vgl.: Schöller, Zeiten der Erinnerung (wie Anm. 8), S. 70– 72; Martina Stercken, Herrschaftswechsel und Friedensordnung. Die landsässigen Akteure 1415, in: Eroberung und Inbesitznahme. Die Eroberung des Aargaus 1415 im europäischen Vergleich, hg. von Christian Hesse/Regula Schmid/Roland Gerber, Ostfildern 2017, S. 127–142, hier S. 137 f.

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in prekären Zeiten nutzten, um auf die alte Beziehung des Klosters zu den habsburgischen Schutzherren hinzuweisen, welche zwar in der Region nunmehr an Macht verloren hatten, aber im europäischen Kontext immer mehr an Bedeutung gewannen. Noch in der Mitte des 18. Jahrhunderts deutet ein emphatisch angelegter Kupferstich auf die überkommenen Herrschaftsbeziehungen und verschiedene Aspekte habsburgischer Gestaltung von Herrschaft hin. Der ‚Prospectus Monasterii Murensis‘, von Leodegar Mayer in Muri konzipiert, verbindet die Darstellung der aktuell bestehenden, nunmehr barock um- und ausgebauten Klosteranlage von Muri nicht nur über Wappendarstellungen mit der Stifterfamilie, sondern auch, indem sie verschiedene Dimensionen der habsburgischen Ursprungsgeschichte zusammenführt: zum einen durch eine Burganlage, die offenbar auf die Habsburg als Stammburg des Geschlechts verweisen soll, zum anderen durch die von einem Engel mit Posaune gehaltenen Acta Murensia, mit der wiederum eine Kette verbunden ist, deren Glieder die in dieser Überlieferung fixierten Namen habsburgischer Ahnen bis hin zu König Rudolf I. ausweisen (Abb. 11).45 Die Acta werden aber auch mit der humanistischen Geschichtsschreibung im Umfeld der Habsburger seit dem 16. Jahrhundert rezipiert, wenn es darum ging, frühe Ursprünge und die Bedeutung des adeligen Geschlechts herzuleiten.46 Von den Acta Murensia, die die habsburgische Herrschaft genealogisch zu begründen, historisch zu legitimieren und regional zu verankern ermöglichen, unterscheidet sich die chronikalische Bewertung der habsburgischen Herrschaft seit dem ausgehenden 13. Jahrhundert in mehrfacher Hinsicht. Nicht nur nimmt die Produktion von Historiographie zu und wird zum städtischen Phänomen, auch richtet die Geschichtsschreibung ihr Interesse nunmehr in erster Linie auf die Figur des Grafen und Königs Rudolf von Habsburg.47 Sowohl die Chronistik

45 Vgl. auch Abb. 2, die im Titel die Gründung durch Radbot und Ita erwähnt. Der abgebildete Posaunenengel verweist offenbar auf die Skulptur, die das Dach des neu gebauten Zentralbaus bekrönt. 46 Kleinschmidt, Herrscherdarstellung (wie Anm. 20), S. 269–277; Bretscher-Gisiger/ Sieber, Acta Murensia (wie Anm. 22), S. XLI–XLIX; Schöller, Zeiten der Erinnerung (wie Anm. 8), S. 37–41; Kagerer, Macht und Medien (wie Anm. 41), S. 215–266. 47 Vgl. dazu: Oswald Redlich, Rudolf von Habsburg in der volkstümlichen Überlieferung, Sonderdruck aus dem Jahrbuch des Vereins für Landeskunde von Niederösterreich 17, 1918, S.  1–11; Willi Treichler, Mittelalterliche Erzählungen und Anekdoten um Rudolf von Habsburg, Bern 1971; Thomas M. Martin, Das Bild Rudolfs von Habsburg als „Bürgerkönig“ in Chronistik, Dichtung und moderner Historiographie, in: Blätter für deutsche Landesgeschichte 112, 1976, S. 203–228; Ulrike Kunze, Rudolf von Habsburg. Königliche Landfriedenspolitik im Spiegel zeitgenössischer Chronistik, Frankfurt a. M. 2001; Krieger, Rudolf (wie Anm. 1), S. 3–5, S. 177/181.

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Abb. 11: Prospectus Monastery Murensis, Kupferstich nach Leodegar Mayer, Muri 1750 (Staatsarchiv Aargau GS/00644-2)

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im herrschaftlichen Umfeld wie auch die Geschichtsschreibung der oberdeutschen Städte und der dort beheimateten, Habsburg nahen Bettelorden entwerfen im Wesentlichen das langfristig gültig bleibende Bild eines strengen, weisen und friedliebenden Königs. Gleichzeitig setzt mit Gedichten, Liedern und anderer volkstümlicher Überlieferung eine Popularisierung solcher Zuschreibungen ein. Verbreitung finden damit Vorstellungen von einem zur Königswürde aufgestiegenen Grafen, der die Bodenhaftung einfacherer Herkunft mit königlichen Fähigkeiten verbindet.48 Kleine Begebenheiten schildernd, bringen sie das Ideal eines schlichten, frommen und bürgernahen Herrschers mit Witz in die Erinnerungskultur ein, lassen aber auch panegyrische Formen der Herrschaftsinszenierung erkennen. So zeichnen Gedichte des wohl im Kloster Muri erzogenen Konrad von Mure († 1281), Leiter der Schule am Zürcher Großmünsterstift, das verklärende Bild Rudolfs als eines christlichen Königs von ausnehmender Rechtschaffenheit, der die Armen beschützt.49 Sie machen aber auch deutlich, dass Rudolf von Habsburg durchaus bereits von den Zeitgenossen als Retter-Gestalt verstanden wurde, die in wirren Zeiten für Sicherheit sorgt. Konrad von Mure vergleicht ihn mit einem strahlenden Gestirn, das dem Volk, das Schiffbruch erleidet, einen sicheren Hafen zu finden ermöglicht.50

Vermittlungsformen von Herrschaft Mit dem Fokus auf Formen der Vermittlung von Herrschaft lässt sich der Beginn der habsburgischen Machtentfaltung im Südwesten des Reiches als ein Prozess der Vervielfältigung und Intensivierung von Medien der Herrschaftsstabilisierung beschreiben, der offenbar in Zeiten erhöhten Konkurrenzdrucks an Fahrt aufnimmt. Klöster und Memorialstätten, Burgen und Städte, Schrifttum und Historiographie haben sich dabei als pragmatische oder artifiziell angelegte Präsenzformen von Herrschaft erwiesen, die in unterschiedlicher Herrschaftsnähe 48 Vgl. Literatur in Anm.  47; Kleinschmidt, Herrscherdarstellung (wie Anm. 20), S. 278–288. 49 Charlotte Bretscher-Gisiger/Rudolf Gamper, Katalog der mittelalterlichen Handschriften der Klöster Muri und Hermetschwil, Dietikon/Zürich 2005, S. 163–166: Sarnen, Benediktinerkollegium, Cod. membr. 10: 9rb–9vb Conradus de Mure: Commendaticia Rudolfi regis; 9vb–9vc Conradus de Mure (?): Carmen coronationis Rudolfi regis; 9vc Versus in laudem Rudolfi regis. Zur zitierten Textstelle vgl. Kleinschmidt, Herrscherdarstellung (wie Anm. 20), S. 291–312, insbes. S. 300, S. 302 f. 50 Leta sit et iubilet felix Alemannia tali/ Fato tam miro, tam magno, tam speciali./Eximium sidus, radiosa luce subortum/Genti naufragium pacienti vult dare portum. Vgl. die Edition bei Kleinschmidt, Herrscherdarstellung (wie Anm. 20), S. 303.

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e­ ntstanden sind, die über ein je verschiedenes Potential an Öffentlichkeit und Wirkung verfügten und die in ihrer Bedeutung für die Habsburger eine jeweils andere Halbwertszeit besaßen. Der Wandel im Gebrauch von Herrschaftsmitteln – die Ablösung von Burgen durch Städte als Herrschaftsmarker, die Verschriftlichung von Ansprüchen, die zunehmend aufwändig personalisierten Inszenierungen von Stiftergräbern und die Diversifizierung chronikalischer Deutungen – charakterisiert sicher nicht nur die habsburgische Sphäre. Doch scheinen die Habsburger vergleichsweise früh und – in besonderem Maße mit der Regierungszeit und dem Königtum Rudolfs – gezielter als andere Grafengeschlechter zeitspezifische Formen der Stabilisierung von Herrschaft eingesetzt zu haben. Dies gilt mit Blick auf die Verschriftlichung von Herrschaftsansprüchen und die Memorialpraktiken, vor allem wohl aber auf die Einbeziehung von Städten in die Herrschaftspraxis. Zwar lassen sich die Wirkmöglichkeiten solcher Vermittlungsformen habsburgischer Ansprüche im Einzelnen nur annähernd einschätzen und bleiben Momente ihrer Wahrnehmung durch die Zeitgenossen, wie sie weniger in der urkundlichen als vielmehr in chronikalischer und dichterischer Überlieferung tradiert sind, begrenzt. Doch hat die für viele Zeitgenossen augenscheinlich erstaunliche Wahl Graf Rudolfs zum König offenbar einen gewissen Boom in der Produktion von Schriftgut ausgelöst, welches auch Deutungen der habsburgischen Herrschaft anbot. Von offenbar nachhaltiger Wirkung waren insbesondere die über populäre Verbreitungsformen zirkulierenden Vorstellungen von Rudolfs pragmatisch-bodenständiger, in der göttlichen Ordnung aufgehobener Herrschaftspraxis, zugleich aber auch verklärte Idealbilder seiner Person als eines christlichen Königs und Retters in politisch prekären Zeiten.

Andreas Büttner

daz Riche im Besitz der Habsburger? Königtum und Reichskleinodien unter ­ udolf, Albrecht und Friedrich (1273–1324) R Es gehört zu einer der zahlreichen Ironien der Geschichte, dass die Habsburger erst dann in den fortdauernden Besitz der Reichskleinodien1 gelangten, als sich das dazugehörige Reich bereits in Auflösung befand: In Folge des Vordringens französischer Revolutionstruppen kamen die in Aachen und Nürnberg aufbewahrten Insignien 1800/01 nach Wien, wo sie heute in der Schatzkammer der Hofburg besichtigt werden können. Mit dem Ende des alten Reichs endete auch ihre aktive Verwendung als Zeichen monarchischer Herrschaft: Nicht die Karl dem Großen zugeschriebene mittelalterliche Krone, sondern die Privatkrone Kaiser Rudolfs II. vom Beginn des 17. Jahrhunderts wurde 1804 die österreichische Kaiserkrone. 1 Maßgebliche Arbeiten stammen von Hermann Fillitz, beispielsweise Die Insignien und Kleinodien des Heiligen Römischen Reiches, Wien/München 1954; Die Schatzkammer in Wien. Symbole abendländischen Kaisertums, Salzburg/Wien 1986. Für einen Überblick über die Literatur bis in die 1960er Jahre (einschließlich des späteren Mittelalters) vgl. Nikolaus Grass, Reichskleinodien. Studien aus rechtshistorischer Sicht (Sitzungsberichte. Akademie der Wissenschaften in Wien, Philosophisch-Historische Klasse 248,4), Wien 1965, S. 5–16. Die Reichskleinodien werden in zahlreichen Publikationen berührt, und auch mehrere Sammelbände widmen sich ihnen explizit, beispielsweise Die Reichskleinodien. Herrschaftszeichen des Heiligen Römischen Reiches, hg. von der Gesellschaft für staufische Geschichte e.V. (Schriften zur staufischen Geschichte und Kunst 16), Göppingen 1997; Nobiles Officinae. Die königlichen Hofwerkstätten zu Palermo zur Zeit der Normannen und Staufer im 12. und 13. Jahrhundert. Eine Ausstellung des Kunsthistorischen Museums Wien und der Regione Siciliana, hg. von Wilfried Seipel, Wien 2004; „…die keyserlichen zeychen…“. Die Reichskleinodien – Herrschaftszeichen des Heiligen Römischen Reiches, hg. von Jan Keupp et al., Regensburg 2009. Gerade die Reichskrone und die strittige Frage ihrer Datierung erfuhr besondere Aufmerksamkeit, vgl. Hermann Fillitz, Bemerkungen zur Datierung und Lokalisierung der Reichskrone, in: Zeitschrift für Kunstgeschichte 56, 1993, S. 331–334; Arno Mentzel-Reuters, Die goldene Krone. Entwicklungslinien mittelalterlicher Herrschaftssymbolik, in: Deutsches Archiv für Erforschung des Mittelalters 60, 2004, S. 135–182; Sebastian Scholz, Die Wiener Reichskrone: Eine Krone aus der Zeit Konrads III.?, in: Grafen, Herzöge, Könige. Der Aufstieg der frühen Staufer und das Reich (1079–1152), hg. von Hubertus Seibert/Jürgen Dendorfer (MittelalterForschungen 18), Ostfildern 2005, S. 341–362.

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Über ein halbes Jahrtausend zuvor standen die Insignien dem ersten habsburgischen König unmittelbar nach seiner Wahl hingegen nicht zur Verfügung: Als Rudolf die Belehnungen der Kurfürsten vornehmen wollte, so überliefert es die Fortsetzung der Annalen von Niederaltaich, hätten sich die Kurfürsten zunächst verweigert, da das Zepter gefehlt habe. Der König griff jedoch nach einem Kreuz, küsste es, und schritt mit den Worten „Seht das Zeichen, in dem wir und die ganze Welt erlöst sind. Dieses Zeichen gebrauchen wir anstelle des Zepters“ zur Lehnsvergabe.2 Die hier zum Ausdruck kommende Pragmatik sollte bald vom Streben Rudolfs und seiner Nachkommen, die Reichskleinodien faktisch in ihren Besitz zu bringen, abgelöst werden. Ganz in diesem Sinne überliefert die Colmarer Chronik eine Vision, in der die Kurfürsten um die goldene Königskrone (corona regis aurea) standen und übereinkamen, dass derjenige von ihnen, der sie aufheben könne, König sein solle. Jeder von ihnen habe es vergeblich versucht (auch die geistlichen Fürsten?, fragt man sich), worauf Rudolf erschienen sei, diese aufgehoben und sich selbst mit ihr gekrönt habe.3 Ausgehend von diesen stilisierten Darstellungen des ersten habsburgischen Königs soll im Folgenden danach gefragt werden, welche Bedeutung den Reichskleinodien unter Rudolf, Albrecht und Friedrich zukam. Es geht dabei um ihre Verwendung bei Herrschaftsritualen (insbesondere der Krönung), ihre legitimatorische Wirkung und ihren Einsatz als politische Verhandlungsmasse. Im Zentrum stehen diejenigen Stücke unterschiedlichen Alters und Herkunft, die von 1424 bis 1796 in Nürnberg aufbewahrt wurden,4 also einerseits Reichskrone, Apfel, Zepter, Reichs- und Zeremonienschwert und mehrere Kleidungsstücke und andererseits das Reichskreuz, die Heilige Lanze und diverse Reliquien. Zur Differenzierung dieser zusammenfassend als „Reichskleinodien“ (so der allgemeine Sprachgebrauch der Forschung)

2 Hermanni Altahensis Annales. Continuatio Altahensis, hg. von Philipp Jaffé, in: MGH. Scriptores, Bd. 17, Hannover 1861, S. 408–416, hier S. 408. Die Darstellung könnte trotz der Stilisierung auf wahren Begebenheiten beruhen, vgl. Andreas Büttner, Der Weg zur Krone. Rituale der Herrschererhebung im spätmittelalterlichen Reich (Mittelalter-Forschungen 35), Ostfildern 2012, S. 208. 3 Chronicon Colmariense, hg. von Philipp Jaffé, in: MGH. Scriptores, Bd. 17, Hannover 1861, S. 240–270, hier S. 243. Zu Erzählungen und Prophezeiungen über Rudolfs Königs­erhebung vgl. Annette Kehnel, Rudolf von Habsburg im Geschichtswerk der Colmarer Dominikaner, in: Studia monastica. Beiträge zum klösterlichen Leben im Mittelalter, Gert Melville zum 60. Geburtstag, hg. von Reinhardt Butz/Jörg Oberste (Vita regularis 22), Münster 2004, S. 211–234, hier S. 224–227. 4 Weitere Insignien und Reliquien befanden sich in Aachen, von denen das so genannte Krönungsevangeliar, die Stephansbursa und der Karl dem Großen zugeschriebene Säbel später nach Wien gelangten.

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bezeichneten Bestandteile wird – wo aufgrund der Quellen möglich oder analytisch nötig – zwischen den Reichsinsignien und den Reichs­ reliquien unterschieden.5 Die rechts- und verfassungsgeschichtlich ausgerichtete Forschung konzentrierte sich vor allem auf die Verwendung der Reichsinsignien bei der Krönung. Lange Zeit als ein zentrales Kriterium der Legitimation angesehen, wurde diese Bedeutungszuschreibung Anfang der 1990er Jahre durch Jürgen Petersohn als „Forschungsstereotyp“ entlarvt.6 Wichtig war der Gebrauch von Insignien im Allgemeinen, nicht von den Reichsinsignien im Besonderen: „die Benutzung der Reichsinsignien [konnte] einer Krönung nichts hinzuzufügen, ihr Fehlen ihr nichts nehmen“.7 Petersohn wies ebenfalls darauf hin, dass den Reichsinsignien noch im Spätmittelalter eine herrschaftslegitimierende Funktion zukam, nur eben nicht am Herrschaftsbeginn, sondern im weiteren Verlauf und im Hinblick auf die angestrebte

5 Vgl. zum mittelalterlichen Sprachgebrauch schon Ferdinand Frensdorff, Zur Geschichte der deutschen Reichsinsignien, in: Nachrichten von der Gesellschaft der Wissenschaften zu Göttingen. Philologisch-Historische Klasse 1897, S. 43–86, hier S. 61–63, mit dem Hinweis, dass die Bezeichnung „Kleinodien, Reichskleinodien“ sich erst nach der Reformation gegenüber anderen Begriffen durchsetze, die den Fokus auf den Reliquiencharakter bzw. -anteil legten (vgl. dazu auch unten bei Anm. 142). Zu prüfen wäre allerdings, wie oft bei der Bezeichnung als heil(ig)tum o. ä. tatsächlich nur Reliquien und nicht auch Insignien gemeint waren. Der beide Elemente vereinende Quellenbegriff „das Reich“ (dat rike, das [heilige] reich etc.) lässt sich ebenso wie „Reichszeichen“ (als Bildung nach signa regalia/imperialia bzw. die kaiserlichen zeichen) aufgrund naheliegender Missverständnisse nicht als analytischer Sammelbegriff verwenden. 6 Jürgen Petersohn, „Echte“ und „falsche“ Insignien im deutschen Krönungsbrauch des Mittelalters? Kritik eines Forschungsstereotyps (Sitzungsberichte der Wissenschaftlichen Gesellschaft an der Johannes-Goethe-Universität Frankfurt am Main 30,3), Stuttgart 1993, mit mehreren Folgepublikationen: Jürgen Petersohn, Die Reichsinsignien im Herrscherzeremoniell und Herrschaftsdenken des Mittelalters, in: Die Reichskleinodien. Herrschaftszeichen des Heiligen Römischen Reiches (wie Anm. 1), S.  162–183; Jürgen Petersohn, Über monarchische Insignien und ihre Funktion im mittelalterlichen Reich, in: Historische Zeitschrift 266, 1998, S.  47–96; Jürgen Petersohn, Die Reichsinsignien im Krönungsbrauch und Herrschaftszeremoniell des Mittelalters, in: Krönungen. Könige in Aachen – Geschichte und Mythos, hg. von Mario Kramp, Mainz 2000, Bd. 1, S. 151–160. Petersohn konnte sich für seine Studie auf die umfassende Zusammenstellung von Albert Huyskens, Die Aachener Krone der Goldenen Bulle, das Symbol des alten deutschen Reiches, in: Deutsches Archiv für Erforschung des Mittelalters 2, 1938, S. 401–497, hier S. 417–479, stützen. Für die Rezeption Petersohns vgl. beispielsweise Dankwart Leistikow, Aufbewahrungsorte der Reichskleinodien in staufischer Zeit, in: Selbstbewusstsein und Politik der Staufer. Vorträge der Göppinger Staufertage in den Jahren 1972, 1973 und 1975, hg. von der Gesellschaft für staufische Geschichte e.V. (Schriften zur staufischen Geschichte und Kunst 3), Göppingen 1977, S. 41–62, hier S. 41, mit Dankwart Leistikow, Die Aufbewahrungsorte der Reichskleinodien – vom Trifels bis Nürnberg, in: Die Reichskleinodien. Herrschaftszeichen des Heiligen Römischen Reiches (wie Anm. 1), S. 184–213, hier S. 185. 7 Petersohn, Krönungsbrauch (wie Anm. 6), S. 112.

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Kaiserkrönung.8 Allerdings sei „die herrschaftszusichernde Kraft der Reichsinsignien insgesamt im Vorfeld verbindlicher Rechtsgrundsätze“ geblieben, mit ihnen habe sich „auf einer irrationalen Verständnisebene an Gruppenmentalitäten und politische Zusammengehörigkeitsgefühle“ appellieren lassen. Zu diskutieren wäre allerdings, ob im späteren Mittelalter und insbesondere während der Thronkämpfe nicht doch die „Argumente von eher anspruchshaft-propagandistischem Charakter“ eine größere Wirkung entfalteten als ihre nicht gegebene „juristische Verbindlichkeit“ dies verhinderte.9 Wie im Folgenden gezeigt werden soll, war auch die Erlangung der Reichskleinodien nach der Königserhebung keineswegs ein Automatismus,10 sondern sie waren ein Gegenstand politischer Verhandlungen, der durchaus seinen Preis hatte.

Rudolf: Ein Neuanfang unter der Reichskrone Über die Vorgänger Rudolfs berichtet die Colmarer Chronik, dass sie anders als dieser die Reichskleinodien „mit sehr viel Geld“ nicht oder kaum (je nach Handschrift) erlangen konnten.11 Noch weiter ging der Minnesänger Rumelant von Sachsen: Seit Friedrich II. habe keiner der fünf Könige vor Rudolf auf dem Thron Karls des Großen gesessen und die Reichskleinodien erhalten, so viel finanziellen Aufwand sie auch betrieben hätten.12 In Wirklichkeit hatte jedoch Wilhelm von Holland 8

Ebenda, S. 110: „Für den Krönungsakt in Rom waren die Reichsinsignien rechtlich belanglos. Erstrebenswert war ihr Besitz, um auszudrücken, daß die Position des betreffenden Königs politisch hinreichend gefestigt sei, um die deutsche Königswürde um den Kaisertitel zu erweitern.“ 9 Ebenda, S. 110f. 10 Dagegen Petersohn, Herrscherzeremoniell (wie Anm. 6), S. 182: „Nicht Besitz oder Benutzung der Reichsinsignien machten den König, sondern die Königswürde und die angestammten Herrschaftszeichen fielen demjenigen zu, der durch Wahl und Erfolg seine Idoneität bewies.“ 11 Chronicon Colmariense (wie Anm. 3), S. 243: Venit rex in Mogunciam, ibique presentantur ei signa regalia que predecessores sui reges cum pecunia maxima vix [Lesart: non] poterant obtinere. 12 Rumelant von Sachsen, Edition – Übersetzung – Kommentar, hg. von Holger Runow (Hermaea N.F. 121), Berlin/New York 2011, V,7, S. 109 (Kommentar S. 247f.): Nu sêt, daz wunder Got vermac: / sper unde krône ûf Drivels was vil manigen tac / behalten, ê sich ieman sîn vermæze. / nâch keiser Vriderîches zît / wâren kuninge viunve, der nie keiner sît / zu Âke, wæn ich, kuninges stuol besæze. / swie vil sie trugen arebeit / mit kost, mit koufe unde ouch mit gâbe, / daz rîche was in unbereit. / nu hab ez im von Havekesburch der grâbe, / der milte Ruodolf unverzaget. / în alsô grôzen êren wart nie kuninc betaget. / kum heil dem gotes ûz erwelten Swâbe! Vgl. zu dieser Edition, die eine sprachliche Angleichung zu einem normalisierten Mittelhochdeutsch vornimmt, diejenige von Peter Kern: Die Sangspruchdichtung Rumelants von Sachsen. Edition – Übersetzung – Kommentar, hg. von Peter Kern, Berlin/Boston 2014, V,7, S. 150 (Kommentar S. 497–500).

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nach dem Tod Konrads IV. die Kontrolle über die Burg Trifels mit den dort verwahrten Reichskleinodien erlangt.13 Auch Richard von Cornwall konnte zum Zeitpunkt seiner Krönung über sie verfügen,14 nachdem er zuvor dem für ihre Verwahrung zuständigen Reichsministerialen Philipp von Falkenstein vier Mark gegeben hatte.15 Bei der Wahl Rudolfs 1273 befanden sich die Insignien in der Obhut Reinhards von Hoheneck. Dieser versprach zehn Tage später Pfalzgraf Ludwig II., die Reichskleinodien dem König auf dessen Aufforderung hin sofort zu übergeben. Im Gegenzug sicherte der Pfalzgraf die Zahlung von 1000 Mark Silber innerhalb von zweieinhalb Monaten zu.16 Reinhard verpflichtete sich außerdem für den Fall, dass der König vorzeitig versterben sollte, den eventuell bereits empfangenen Teil des ­Betrags zurückzuerstatten und die Bürgen von ihren Verpflichtungen

13 Die Urkunden Heinrich Raspes und Wilhelms von Holland 1246–1252, bearbeitet von Dieter Hägermann/Jaap G. Kruisheer (MGH. Diplomata regum et imperatorum Germaniae 18,1), Hannover 1989, Nr. 356, S. 424: quod castrum Driesvelt et insignia imperialia, dyadema videlicet cum multis sanctuariis et ornatu ineffabili, lanceam etiam et coronam in nostro dominio iam habemus et pacifice possidemus. 14 Ob er sie bei der Krönung verwendete, muss offen bleiben. Die Urteile der Forschung hängen letztlich davon ab, welchen Stellenwert man dem Gebrauch der Reichsinsi­ gnien bei der Krönung zumisst: Kam Philipp von Falkenstein nach Aachen, um Richard den Besitz der auf dem Trifels belassenen Reichsinsignien zu versichern oder brachte er diese dorthin mit? Vgl. zur Überlieferung Büttner, Weg zur Krone (wie Anm. 2), S. 197f., ergänzend die Überlegungen bei Fritz Trautz, Zur Reichsministerialität im pfälzischen Raum im späteren 13. Jahrhundert, in: Geschichtliche Landeskunde 17, 1978, S. 20–37, hier S. 32–34. 15 Wormser Chronik von Friedrich Zorn. Mit den Zusätzen von Franz Bertholds von Flersheim, hg. von Wilhelm Christoph Friedrich Arnold (Bibliothek des literarischen Vereins in Stuttgart 43), Stuttgart 1857, S. 105: der zeit hat ihm die königlichen regalia Philips von Falkenstein, dem sie Wilhelm vertraut hatte, der gab sie Richarden, als er ihme 4 mark verehret hat. Mit der nicht näher spezifizierten Mark dürfte dem allgemeinen Sprachgebrauch der Chronik wohl die Mark Silber gemeint sein; vgl. insbesondere S.  85. Zur Glaubwürdigkeit der Nachricht vgl. Huyskens, Aachener Krone (wie Anm. 5), S. 430 mit Anm. 1, zur Zeit der Staufer und des Interregnums insgesamt besonders Leistikow, Aufbewahrungsorte der Reichskleinodien in staufischer Zeit (wie Anm.  6); Trautz, Zur Reichsministerialität im pfälzischen Raum im späteren 13. Jahrhundert (wie Anm. 14), S. 21–35. 16 MGH. Constitutiones et acta publica imperatorum et regum, Bd. 3: 1273–1298, hg. von Jakob Schwalm, Hannover 1904–1906, Nr. 11, S. 14: recepta ab eodem caucione de mille marcis argenti, quas michi in festo nativitatis Domini et ante persolvet, sicut in privilegio super hoc confecto plenius continetur, promisi fide data, quandocunque super hoc litteras domini mei regis recepero, sine mora et captione qualibet insignia imperialia assignare sic integre et conplete, sicut michi sunt a domino Ritschardo rege recolende memorie assignata. Die diesbezügliche Urkunde, die nicht erhalten ist, sah also die Zahlung von Raten vor. Die Ausgaben des Pfalzgrafen dürfte Rudolf diesem durch einen Aufschlag auf die übliche Mitgift erstattet haben, die der König ihm für die bei der Krönung geschlossene Ehe mit seiner Tochter entrichtete; Nürnberger Urkundenbuch, Bd. 1, bearb. von Stadtarchiv Nürnberg (Quellen und Forschungen zur Geschichte der Stadt Nürnberg 1), Nürnberg 1959, Nr. 462, S. 287f.

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zu lösen. Sollte er sich entscheiden, das Geld zu behalten, musste der Pfalzgraf ihm auch den Rest bezahlen, wofür er die Reichskleinodien und dessen Pflegschaft (procuratio mea, Burg Trifels sowie Burg und Stadt Lautern) erhielt.17 Der Pfalzgraf sicherte sich also einerseits gegen den Verlust seiner Auslagen ab und wahrte sich andererseits die Chance, selbst über die Reichskleinodien verfügen zu können.18 Dass gerade er in dieser Sache tätig wurde, ließe sich durch die Lage des Trifels wie durch die von ihm beanspruchte Stellung als Vikar für die Dauer der Reichsvakanz erklären.19 Die ausführlichen Bestimmungen verwundern angesichts der Tatsache, dass die Übergabe etwa eine Woche später in Mainz erfolgte,20 die Aufforderung Rudolfs also sehr bald nach dem Abkommen ergangen sein muss. Es ist denkbar, dass sich der Pfalzgraf nur für alle Eventualitäten absichern wollte. Die detaillierte Regelung für den Todesfall ­Rudolfs lassen jedoch auch die Vermutung zu, dass mit der Übergabe erst zu einem späteren Zeitpunkt gerechnet wurde.21 Rudolf legte jedoch großen Wert darauf, nicht nur mit seiner Frau,22 sondern auch mit 17 MGH. Constitutiones, Bd. 3 (wie Anm. 16), Nr. 11, S. 14, mit den ausführlichen Bestimmungen, auf die Huyskens, Aachener Krone (wie Anm. 5), S. 434, nicht weiter eingeht. 18 Die Entscheidung lag jedoch nach Ausweis der Urkunde bei Reinhard von Hoheneck: Si vero peccuniam michi datam reservare volo; MGH. Constitutiones, Bd. 3 (wie Anm. 16), Nr. 11, S. 14. Siehe dagegen Vincenz Samanek, Studien zur Geschichte König Adolfs. Vorarbeiten zu den Regesta imperii VI 2 (1292–1298) (Sitzungsberichte der Akademie der Wissenschaften in Wien. Philosophisch-historische Klasse 207,2), Wien/Leipzig 1930, S. 71: Der Pfalzgraf „hätte die Befugnis gehabt, bei etwa früherem Ableben des Königs Burg und Insignien selber für diese Summe an sich zu bringen“. Anders Jörg Peltzer, Der Rang der Pfalzgrafen bei Rhein. Die Gestaltung der politisch-sozialen Ordnung des Reichs im 13. und 14. Jahrhundert (RANK. Politisch-soziale Ordnungen im mittelalterlichen Europa 2), Ostfildern 2013, S. 75f., der neben der Aussicht, sich „weiterer Krongüter zu bemächtigen“, vor allem den Versuch, sich für eine neue ­Königswahl zu positionieren und „am symbolischen Kapital des Königtums zu partizipieren“, hervorhebt. 19 Vgl. zur Stellung als Vikar Anuschka Holste-Massoth, Ludwig II., Pfalzgraf bei Rhein und Herzog von Bayern (1229–1294). Felder fürstlichen Handelns in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts, Diss. Heidelberg 2017, S. 228–249. 20 Zur Diskussion über Zeitpunkt und Ort der Übergabe vgl. Büttner, Weg zur Krone (wie Anm. 2), S. 210f. sowie unten, Anm. 30. Die ältere Forschung war mehrheitlich von einer Übergabe zu einem etwas früheren Zeitpunkt in Boppard ausgegangen. Die beiden Zeugnisse sind: Sächsische Weltchronik. Sächsische Fortsetzung, hg. von Ludwig Weiland, in: MGH. Deutsche Chroniken, Bd. 2, Hannover 1877, S. 280–287, hier S. 286 (wart ime geentwert daz heilige sper unde die crone zu Bobarden. Da fur der konig zu Ache […]); Chronicon Colmariense (wie Anm. 3), S. 243 (siehe oben, Anm. 11). 21 Andererseits deutet der explizite Verweis auf einen Teilbetrag des Geldes (si quit de predicta recepi peccunia; MGH. Constitutiones, Bd. 3 [wie Anm. 16], Nr. 11, S. 14) darauf hin, dass man von einer Übergabe bis Weihnachten 1273, dem Termin für die letzte Rate, ausging. 22 Diese war nach der Wahl mit großem Gefolge den Rhein hinab zu ihm gereist; Büttner, Weg zur Krone (wie Anm. 2), S. 210.

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den Reichskleinodien nach Aachen zu ziehen und dort gekrönt zu werden. Für die Krönung selbst lässt die große Mehrheit der historiographischen Quellen nicht erkennen, dass die Verwendung der Reichsinsignien bekannt oder erwähnenswert war.23 Die Sächsische Weltchronik hebt allerdings die Krönung mit der heiligen Romischin cronen hervor und betont die Einzigartigkeit dieses Vorgangs seit Karl dem Großen.24 Auch das Königspaar selbst führte in einer am Krönungstag ausgestellten Urkunde aus, sie seien mit den Fürsten „nach Aachen gekommen, um dort die Insignien unserer Krönung zu empfangen“.25 Dies sollte nicht als blumigere Variante des im unmittelbaren Anschluss bloß als coronatio bezeichneten Akts abgetan, sondern als Hervorhebung der Insignien – in diesem Fall eben der Reichsinsignien – gewertet werden. Deren besondere Wertschätzung durch Rudolf zeigen die Datierungsgewohnheiten in den ersten Jahren seiner Herrschaft. Rudolfs Vorgänger Wilhelm und Richard hatten ihre Regierungsjahre von der Krönung an gezählt.26 Unter Rudolf bezog man sich auf den Tag der Wahl, der sich jedoch erst nach 1279 gegenüber der Krönung als Epochentag durchsetzte.27 Im Jahr nach der Herrschererhebung kam hingegen einem anderer Termin entscheidende Bedeutung zu: Die Erhöhung des Regierungsjahres fand in mehreren Urkunden zu einem Zeitpunkt

23 Zur Krönung vgl. ebenda, S. 212–219. Die Darstellung des etwa siebzig Jahre später schreibenden Johanns von Viktring ließe sich in diesem Sinne lesen. Iohannis abbatis Victoriensis Liber certarum historiarum, hg. von Fedor Schneider (MGH. Scriptores rerum Germanicarum [36]), 2 Bde., Hannover/Leipzig 1909–1910, Bd. 1, Rec. B. D. A2, l. II, c. 1, S. 268: cum regina de palacio, sceptro, paludamento et palla ac aliis insigniis et regalibus decoratus, in sedem locatus Karoli coronatur (ähnlich Rec. A, l. II, c. 3, S. 217f.: Rex autem cum regina paludamento sceptro, palla ac aliis insigniis regalibus exornatus de palacio ad ­ecclesiam beate virginis producitur, corona ei sollempniter imponitur). Petersohn, Krönungsbrauch (wie Anm. 6), erwähnt diese Stelle nicht. 24 Sächsische Weltchronik. Sächsische Fortsetzung (wie Anm. 20), S. 286: Da fur der konig zu Ache unde wart gewihet zu konige unde sin wip Anne zu einer koniginne von dem bischofe Engelbrechte von Colne des andern tages sente Severines mit der heiligen Romischin cronen, daz ni konige geschach, so man sait, sidder konige Karle deme grossin. Petersohn, Krönungsbrauch (wie Anm. 6), S. 96, Anm. 115, übergeht den Hinweis auf die zugeschriebene Einzigartigkeit der Insignienverwendung. 25 MGH. Constitutiones, Bd. 3 (wie Anm. 16), Nr. 12, S. 15: Cum nos ad oppidum Aquense cum principibus nostris dilectis ad recipiendum coronacionis nostre insignia venissemus et coronacione nostra felici cum debita celebritate peracta […]. Anlass der Urkunde war der Sitzstreit zwischen den Erzbischöfen von Mainz und Köln. Eine gleichlautende Formulierung findet sich in der Urkunde des Pfalzgrafen über dieselbe Angelegenheit (ebenda, Nr. 13, S. 16). 26 Vgl. Büttner, Weg zur Krone (wie Anm. 2), S. 705f. Die ungekrönten Könige Heinrich Raspe (in nur einer Urkunde) und Alfons von Kastilien datierten hingegen von der Wahl an, Konrad IV. nach dem Tod seines Vaters von diesem Ereignis an. 27 Vgl. ebenda, S. 706f.

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statt, der nach dem Wahltag (1. Oktober), aber noch vor dem Krönungstag (24. Oktober) lag. Während die Urkunden vom 15. und 16. Oktober 1274 noch die Datierung regni nostri anno primo aufweisen,28 haben diejenigen des 18. und 23. Oktobers bereits anno secundo.29 Die Umstellung erfolgte folglich zum 17. oder 18. Oktober, also just dann, als Rudolf ein Jahr zuvor die Reichskleinodien übergeben worden waren. Statt wie noch Oswald Redlich von einer „nachlässigkeit der kanzlei“ auszugehen,30 muss daher betont werden, dass zumindest zu Beginn der Regierung Rudolfs die Erlangung der Herrschaftszeichen und nicht Wahl oder Krönung als der Zeitpunkt angesehen wurde, an dem die Königsherrschaft des Habsburgers begonnen hatte. Das weitere Schicksal der Reichskleinodien ist, trotz der in der Forschung zumeist unhinterfragt angenommenen Verwahrung auf der Kyburg, alles andere als sicher.31 Nach seiner Krönung hatte Rudolf Erzbischof Siegfried von Köln wohl als Pfand eine Krone überlassen müssen, 28 Joseph Frhr. von Hormayr von Hortenburg, Die goldene Chronik von Hohenschwangau der Burg der Welfen, der Hohenstauffen und der Scheyren, München 1842, Urkunden Nr. 8, S. 11; Johann Christian Lünig, Das teutsche Reichs-Archiv. Aus den berühmtesten Scribenten, raren Manuscriptis, und durch kostbare Correspondez zusammen getragen, Bd. 18, Leipzig 1720, S. 328, Nr. 7 (= Johann Friedrich Böhmer, Regesta Imperii VI. Die Regesten des Kaiserreiches unter Rudolf, Adolf, Albrecht, Heinrich VII. 1273–1313, Abt. 1 (Rudolf), neubearb. von Oswald Redlich, Innsbruck 1898, Nr. 235 und 237, ebenso Nr. 236 und 238 nach unedierter Quelle). 29 Regesta Imperii VI,1 (wie Anm. 28), Nr. 240 und 241. 30 Ebenda, Nr. 238: „Wahrscheinlich ist dieser umsatz nur auf nachlässigkeit der kanzlei zurückzuführen, sonst liesse sich diese epoche höchstens mit dem 16. oct. 1273 in beziehung bringen, wo Rudolf die reichsinsignien übernahm.“ Die Umstellung zeigt jedoch gerade, dass die Übergabe nicht am 16. Oktober in Boppard erfolgte, sondern erst kurz darauf in Mainz. 31 Vgl. z. B. Arpad Weixlgärtner, Geschichte im Widerschein der Reichskleinodien. Historisches Geleite durch die Wiener Schatzkammer, Baden bei Wien 1938, S. 47: „Er ward mit ihnen […] gekrönt und ließ sie dann auf seine Veste Kyburg bei Winterthur bringen“; Hans Reither, Aufbewahrungsorte der Reichskleinodien, in: „…die keyserlichen zeychen…“ (wie Anm. 1), S. 97–105, hier S. 100, unter der Überschrift „Kyburg 1273“: „Nach seiner Wahl ließ König Rudolf von Habsburg die Reichsinsignien auf die Kyburg in der Schweiz bringen“. Die Problematik solcher Aussagen liegt nicht zuletzt darin, dass Nachrichten vom Lebensende Rudolfs auf die gesamte Regierungszeit ausgedehnt werden. Fratri Felicis Fabri Descriptio Sveviae, hg. von Hermann Escher, in: Conradi Türst De situ confoederatorum descriptio […] (Quellen zur Schweizer Geschichte 6), Basel 1884, S. 107–229, hier c. 13, S. 147f., berichtet im Kontext von Rudolfs Herrschaftsantritt, jedoch erst etwa zwei Jahrhunderte später und ohne genauere Datierung: Electus autem in regem, tradita sunt ei insignia imperialia cum imperii reliquiis, quae omnia transtulit in castrum suum Kiburg, ubi hodie capsa bene ferrata est, in qua aliquamdiu cunclusa manserunt. Von der in der älteren Forschung angeführten Nachricht der Annalen von Colmar, die Insignien seien 1290 auf die Kyburg gekommen (so Hermann von Liebenau, Hundert Urkunden zu der Geschichte der Königin Agnes, Witwe von Ungarn 1280–1364, Regensburg 1869, S. 31), findet sich hingegen nichts in dieser Quelle; vgl. Annales Colmarienses maiores, hg. von Philipp Jaffé, in: MGH. Scriptores, Bd. 17, Hannover 1861, S. 202–232, hier S. 217f.

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bei der es sich vielleicht um die Reichskrone selbst handelte.32 Wenn dies der Fall war, befand sie sich wohl spätestens 1284 wieder in seinem Besitz und wurde auf der Burg Stein im Rhein (bei Rheinfelden) verwahrt. Der dortige Burggraf Hartmann von Baldegg führte nämlich in diesem Jahr als ersten seiner Titel die Bezeichnung ein gehalter des heiligen Richez.33 Für Anfang 1291 nennen die Sindelfinger Annalen ebenfalls diesen Aufbewahrungsort.34 Wenn sich der Vogt der Kyburg in einer Urkunde aus dem Jahr 1289 hovemeister der phallenze des Romeshen Chunges Rudolfes nennt und man dies als Hinweis auf die dortige Verwahrung der Reichskleinodien bezieht,35 hätten diese also mehrfach den Ort gewechselt.

Albrecht: Verhandlungsmasse und unsichere Überlieferung Nach Rudolfs Tod besaß sein Sohn Albrecht die Reichskleinodien, doch bleibt unklar, wie es dazu kam. Nach Johann von Viktring, dem die Forschung gerne folgt,36 hatte Rudolf noch zu Lebzeiten seinem Sohn die

32 Regesten der Erzbischöfe von Köln im Mittelalter, Bd. 3, bearb. von Richard Knipping (Publikationen der Gesellschaft für Rheinische Geschichtskunde 21), Bonn 1913, Nr. 2690, S. 84, über die Weiterverpfändung wohl im Jahr 1276 für 1050 Mark. Der hohe Betrag und die Bezeichnung als corona Romani regis können als Indiz dafür gewertet werden, dass es sich hierbei um die Reichskrone selbst handelte. Zurückhaltender ­Samanek, Studien zur Geschichte König Adolfs (wie Anm. 18), S. 44 („wissen wir nicht“). Huyskens, Aachener Krone (wie Anm. 5), S. 435, Anm. 3, will die Verpfändung in die Zeit Adolfs verlegen, ohne aber mit seiner Argumentation über die Wahlversprechen überzeugen zu können. 33 Joseph Eutych Kopp, Geschichte der eidgenössischen Bünde. Mit Urkunden. Bd. 2: König Rudolf und seine Zeit. Zweite Abtheilung: Die besonderen Zustände der obern Lande. Erste Hälfte, Leipzig 1847, Nr. 28, S. 734 (26. Oktober 1284). Im Januar 1275 nannte er sich hingegen Burggraf von Rheinfelden, Vogt von Basel und procurator R. dei gracia Romanorum regis; ebenda, Nr. 23, S. 729. In diesem Sinne auch die Interpretation bei Liebenau, Hundert Urkunden zu der Geschichte der Königin Agnes (wie Anm. 31), S. 30f. Vgl. zum Zeitpunkt der Rückgabe die Vermutung bei Samanek, Studien zur Geschichte König Adolfs (wie Anm. 18), S. 44, dies könne im Zuge der Sühne von 1282 geschehen sei (zu dieser vgl. Regesten der Erzbischöfe von Köln, Bd. 3 [wie Anm. 32], Nr. 2947, S. 126–129, jedoch ohne Hinweis auf eine solche Übergabe). 34 Siehe unten, Anm. 41. 35 So die Auslegung bei Liebenau, Hundert Urkunden zu der Geschichte der Königin Agnes (wie Anm. 31), S. 30. Die Urkunde bei Kopp, Geschichte der eidgenössischen Bünde, Bd. 2 (wie Anm. 33), Nr. 32, S. 736. 36 Arnold Busson, Beiträge zur Kritik der steyerischen Reimchronik und zur Reichsgeschichte im XIII. und XIV. Jahrhundert. Teil 2: Die Wahl Adolfs von Nassau, in: Sitzungsberichte der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften. Philosophisch-historische Classe 114, 1887, S.  9–85, hier S.  62; Reither, Aufbewahrungsorte der Reichskleinodien (wie Anm. 31), S. 100.

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Reichskleinodien überantwortet (so in einer der beiden Rezensionen), die auf der Kyburg verwahrt wurden (so beide Rezensionen).37 Hier dürfte jedoch Ottokars Österreichischer Reimchronik der Vorzug zu geben sein,38 wonach Herzog Albrecht nach dem Tod seines Vaters Boten zum Trifels geschickt und so die Insignien erlangt habe, die Rudolf dort deponiert hatte, als er seine Kräfte schwinden spürte.39 Denkbar wäre, dass Albrecht nach dem Tod seines Vaters die kurzzeitig auf dem Trifels verwahrten Reichskleinodien in seinen Besitz brachte und auf die Kyburg bringen ließ.40 Für Anfang 1291 berichten nämlich die Annalen aus Sindelfingen, dass diese auf der Burg Stein im Rhein (bei Rheinfelden) verwahrt wurden.41 Die Königin könnte sie daher (im Einklang mit Ottokars Darstellung) mit sich geführt haben, als sie sich zu ihrem Mann nach Speyer begab,42 falls sie nicht (mit Jo-

37 Iohannis abbatis Victoriensis Liber certarum historiarum (wie Anm. 23), Bd. 1, Rec A., l. III, c. 2, S. 310f., mit dem Aufbewahrungsort als Randeintrag: Adolfus autem ad Albertum nuncios destinavit, postulans imperialia sibi restitui insignia, que sibi a patre fuerant ad custodiam consignata et in castro, quod Kyburch dicitur habebantur. Rec. B. D. A2, S. 268, l. III, c. 1, S. 347: Insignia imperialia, que in castro Kibruch fuerant, Adolfus peciit ab Alberto, quibus redditis et hominio, sicut dicitur, regi facto feodisque susceptis, in illis partibus negocia sua fecit. 38 Hierfür sprechen neben der späteren Abfassungszeit schon die beiden unterschiedlichen Rezensionen. Johann, für den Ottokar eine wichtige Vorlage bildete (vgl. Helmut Weihnacht, Ottokar von Steiermark [O. aus der Geul], in: Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon, Bd. 7, Berlin/New York 1989, Sp. 238–245, hier S. 243f.), berichtet hiervon außerdem erst – gewissermaßen als Erklärung – zur späteren Aufforderung König Adolfs nach der Herausgabe der Reichskleinodien. 39 Ottokars Österreichische Reimchronik, hg. von Joseph Seemüller (MGH. Deutsche Chroniken 5), Hannover 1893, S. 511, Vers 39281–39294: der herzog Albreht / boten ûf sant, / Trivels er sich underwant: / kriuze, sper unde nagel, / unsers ungeluckes hagel, / Karles swert und krône, / des hete man vil schône / dâ gephlegen die stunt, / sît dem kunic wart kunt / sînes lîbes âmaht. 40 Vgl. in diesem Sinne auch eine Züricher Chronik vom Beginn des 15. Jahrhunderts, die zum Tod Rudolfs vermerkt: In dem selben jare do was das heilig rich uf dem hus zG Kiburg; Chronik der Stadt Zürich, hg. von Johannes Dierauer (Quellen zur Schweizer Geschichte 18), Basel 1900, S. 33, Anm. b, Handschrift 8. Vgl. zur Darstellung in anderen Fassungen (Handschrift 4 und 5: Ouch ist Zúrich die statt damit geeret, das das heilig rich Zúrich was uf dem hof, krúz und sper, und ließ man es da offenlich schowen und sechen. Darnach gehielt man es uf Kibúrg die vesti) Karl Grunder, Die Kyburg zur Zeit der Habsburger: 1264–1424, in: Kunst + Architektur in der Schweiz = Art + architecture en Suisse = Arte + architettura in Svizzera 47, 1996, S. 137–151, hier S. 149, Anm. 31. 41 Annales Sindelfingenses. 1083–1482, hg. von Hermann Weisert, Sindelfingen 1981, S. 62, nach Schilderung der einzelnen Etappen der gemeinsamen Reise von Rudolf und seiner Frau: Et tunc reliquit reginam Rinvelden, ubi regalia regni servata sunt. Zur Lokalisierung vgl. Albert Bühler, Zur Geschichte der deutschen Reichskleinodien, in: Das Münster. Zeitschrift für christliche Kunst und Kunstwissenschaft 27, 1974, S. 405–409, hier S. 407. 42 Annales Sindelfingenses (wie Anm. 41), S. 66: rex Rudolfus venit ad civitatem Spiram, et regina et filii uxor, soror regis Boemi, et dux Ludovicus de Bauwaria et multi alii barones cum eo venerunt.

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hann von Viktring) nur von der Burg Stein zur Kyburg gebracht wurden. Sollte der Weg der Reichskleinodien über den Trifels geführt haben, erhielt Albrecht bei der Erlangung möglicherweise die Unterstützung des Pfalzgrafen Ludwig II.: Er war nicht nur beim Begräbnis Rudolfs in Speyer zugegen gewesen, auch im darauffolgenden Herbst kam Albrecht mit ihm in München zusammen.43 Ludwig hatte zudem schon zwei Jahrzehnte zuvor für Rudolf die Reichskleinodien beschafft und nach dessen Tod als einziger Kurfürst dezidiert für Albrechts Nachfolge Position bezogen.44 Die Insignien blieben jedoch nicht lange in den habsburgischen Stammlanden: Ein halbes Jahr nach Wahl und Krönung Adolfs von Nassaus kam Albrecht Ende November 1292 nach Hagenau zum neuen König. Möglicherweise hatten schon im Juni durch den Erzbischof von Mainz Verhandlungen stattgefunden,45 die nun zum Abschluss kamen: Herzog Albrecht übergab König Adolf die Reichskleinodien und erhielt die Belehnung mit den Reichslehen.46 Von den verschiedenen Quellen erwähnen wiederum nur Ottokar und Johann von Viktring die Insignienübergabe, letzterer nur in sehr kurzer Form.47 Ottokar überliefert dagegen eine ausführliche Ermahnung an Albrecht, dass es Unrecht sei, wenn jemand anderes als der König über die Reichskleinodien verfüge und so „das Reich gefangen halte“ (der hiete daz rîch gevangen).48 Die herauf­ beschworene allgemeine Gefahr (des wær manigem missegangen / an lîbe

43 Regesten der Pfalzgrafen am Rhein, Bd. 1, bearb. von Adolf Koch/Jakob Wille, Innsbruck 1894, Nr. 1239 und Nr. 1262, S. 73f. 44 Vgl. Büttner, Weg zur Krone (wie Anm. 2), S. 223. 45 Gerhard II. von Mainz befand sich noch bis mindestens zum 10. Mai beim König in Frankfurt und spätestens ab dem 24. Juni wieder bei diesem in Aachen. Am 3. Juni ist er hingegen in Speyer nachweisbar, was zu Albrechts Aufenthalt im Elsass Mitte bis spätestens Ende Mai passen würde; Regesten der Erzbischöfe von Mainz von 1289– 1396, Bd. 1,1, bearb. von Ernst Vogt, Leipzig 1913, Nr. 261, 263, 265, S. 44f. Zu den Verhandlungen siehe Ottokars Österreichische Reimchronik (wie Anm. 39), S. 798f., Vers 60021–60054. 46 Vgl. Johann Friedrich Böhmer, Regesta Imperii VI. Die Regesten des Kaiserreichs unter Rudolf, Adolf, Albrecht, Heinrich VII. 1272–1313. Abt. 2. Die Regesten des Kaiserreiches unter Adolf von Nassau: 1291–1298, neubearb. von Vincenz Samanek, Innsbruck 1948, Nr. 130; ausführlich Samanek, Studien zur Geschichte König Adolfs (wie Anm. 18), S. 68–79. 47 Siehe oben, Anm. 37. 48 Ottokars Österreichische Reimchronik (wie Anm. 39), S. 800f., Vers 60200–60230, wo das Treffen in Oppenheim stattfindet: ouch wart verriht sider, / swaz zwischen in lac uneben, / sô daz dem kunic wart gegeben / daz rîch und alle die veste, / die man gehôrende weste / von alter dem rîche zuo, / wand man spâte unde fruo / sagte in sîn ôr / dem herzogen vor, / für daz der ersturbe, / der mit rehte daz erwurbe, / daz er des hordes solde phlegen, / der ûf Trivels ist gelegen, / sper, nagel unde krône / vil wirdiclieh und schône, / ob ez iemen ander het, / daz er unrehte tet, / swer sîn niht ze rehte wielte / und ez darüber inne hielte; / der hiete daz rîch gevangen: / des wær manigem missegangen / an lîbe und an guote. / daz er sich dâvor huote, / dem

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und an guote) war für den Herzog durchaus real, hatte der König doch mit Wenzel II. von Böhmen ein Ehebündnis geschlossen und ein Entgegenkommen hinsichtlich der strittigen Herzogtümer Österreich, Steiermark und Kärnten signalisiert.49 Albrecht konnte und musste daher neben seiner Anerkennung Adolfs auch die Reichskleinodien als Verhandlungsmasse einbringen, um drohendes Unheil von der noch vergleichsweise jungen Herrschaft der Habsburger im Osten abzuwenden. Adolf ließ die Reichskleinodien erneut auf den Trifels bringen, wie sich aus einer Urkunde von 1296 für das nahe gelegene Zisterzienserkloster Eußerthal ergibt.50 Ob Albrecht nach seinem Sieg über Adolf in der Schlacht von Göllheim am 2. Juli 1298 in den Besitz der Reichskleinodien kam ist nicht überliefert. Auffallend ist jedoch, dass sich Albrecht nach seiner zweiten Wahl in Frankfurt zunächst nach Straßburg und dann erst den Rhein hinab nach Aachen begab.51 Ein Aufsuchen des Trifels ist daher gut möglich und würde erklären, warum Albrecht vor seiner Krönung zunächst 200 Kilometer nach Süden zum Bischof von Straßburg zog, um bei seinem treuen Verbündeten Belehnungen vorzunehmen.52 Die Quellen zur Krönung selbst sind aufgrund ihres summarischen Charakters nicht in der Lage diese Annahme zu bestätigen.53 Einzig

herzogen wart gerâten. / sîn beste friunde daz tâten, / die ez verrihten sâ, / daz im der kunic dâ / lêch Stîr und Ôsterrîche / und swaz er het von dem rîche, / swâ daz gelegen wære, / an alle gevære. Die nicht leicht zu deutende Ansprache, die an den Herzog gerichtet worden sein soll, ist meines Wissens bisher noch nicht näher behandelt worden. Eine alternative Interpretation wäre, dass im Wissen um die späteren Ereignisse die Herausgabe als Vorzeichen auf Albrechts späteres Königtum präsentiert wurde. 49 Vgl. Alois Gerlich, Adolf von Nassau (1292–1298). Aufstieg und Sturz eines Königs, Herrscheramt und Kurfürstenfronde, in: Territorium, Reich und Kirche. Ausgewählte Beiträge zur mittelrheinischen Landesgeschichte. Festgabe zum 80. Geburtstag, hg. von Christiane Heinemann/Regina Schäfer/Sigrid Schmitt (Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Nassau 74), Wiesbaden 2005, S. 564–640, hier S. 592. 50 Nova Subsidia Diplomatica Ad Selecta Iuris Ecclesiastici Germaniae Et Historiarum Capita Elucidanda, hg. von Stephan Alexander Würdtwein, Bd. 12, Heidelberg 1789, Nr. 129, S. 270: quod religiosi viri abbas et conventus predicti regalibus obsequiis et imperialium insigniorum custodiis ab antiquo a nostris predecessoribus atque nobis sunt specialiter deputati. 51 Vgl. Büttner, Weg zur Krone (wie Anm. 2), S. 246–250. Petersohn, Krönungsbrauch (wie Anm. 6), S. 116, geht in seinem Exkurs „Zu Besitz und Gebrauch der Reichskrone unter Albrecht I. und Heinrich VII.“ hierauf nicht ein. 52 Bei Alfred Hessel, Jahrbücher des Deutschen Reichs unter König Albrecht I. von Habsburg (Jahrbücher der Deutschen Geschichte), München 1931, S. 63, heißt es hierzu lediglich: „Der Wahl folgte die Krönung. Vorher stattete der König noch dem getreuen Straßburg einen Besuch ab.“ Hiernach Otto Volk, Von Grenzen ungestört – auf dem Weg nach Aachen. Die Krönungsfahrten der deutschen Könige im späten Mittelalter, in: Grenzen erkennen – Begrenzungen überwinden. Festschrift für Reinhard Schneider zur Vollendung seines 65. Lebensjahrs, hg. von Wolfgang Haubrichs/Kurt-Ulrich Jäschke/Michael Oberweis, Sigmaringen 1999, S. 263–297, hier S. 266. 53 Vgl. Büttner, Weg zur Krone (wie Anm. 2), S. 247f., mit Nachweisen.

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Jean de Hocsem weicht mit dem Verweis auf die „Krone des deutschen Reichs“ (regni Alamanie dyadema) von den sonstigen Formulierungen ab.54 Im Allgemeinen bleibt auch Albrechts Aussage vier Jahre später, er sei in Aachen „mit den königlichen Insignien versehen worden“.55 Ähnlich verhält es sich mit Albrechts erstem Hoftag im November 1298, an dem alle sieben Kurfürsten teilnahmen und seine Frau Elisabeth gekrönt wurde.56 Die zahlreichen Quellen geben keinen eindeutigen Hinweis auf die Verwendung der Reichsinsignien, obgleich die vom König getragene Krone mehrfach hervorgehoben und die Belehnung mit dem Zepter berichtet wird.57 Es liegt jedoch nahe, dass Albrecht bei der Demonstration seines allgemein anerkannten ­Königtums nicht auf die Reichsinsignien verzichtete, zumal bei dem Festessen, dem das Königspaar gekrönt beiwohnte,58 die Kurfürsten erstmals ihre Tischdienste leisteten.59 Die anschließende Aufbewahrung der Reichskleinodien ist nicht eindeutig zu klären. Für den Trifels spricht, dass eine Übergabe an Hein-

54 La Chronique de Jean de Hocsem, hg. von Godefroid Kurth (Recueil de textes pour servir à l’étude de l’histoire de Belgique), Brüssel 1927, c. 22, S. 67: Igitur monoculus iste eodem anno in festo beati Bartholomei Aquisgrani suscipit regni Alamanie dyadema. 55 MGH. Constitutiones et acta publica imperatorum et regum, Bd. 4: 1298–1313, hg. von Jakob Schwalm, Hannover/Leipzig 1906–1911, Nr. 116, S. 94, § 7, im Schreiben an Papst Bonifaz VIII., in dem Albrecht um die Rechtfertigung seines Herrschaftsantritts bemüht war: Cui eleccioni devotis electorum supplicacionibus annuentes assensimus ac postmodum per eos Aquisgrani iuxta morem regiis insigniis insigniti regnum et regiminis curam sus­ cepimus. 56 Vgl. Büttner, Weg zur Krone (wie Anm. 2), S. 252–260. 57 Bemerkenswert ist, dass die Urkunde Albrechts für die Belehnung seiner Söhne mit den Herzogtümern Österreich und Steiermark gegenüber der Verwendung der Fahnen (cum vexillis) in der Vorurkunde den Zusatz ac ipsos ceptro regio investivimus de eisdem aufweist; MGH. Constitutiones, Bd. 4 (wie Anm. 55), Nr. 41, S. 35, § 2 (21.11.1298). Vgl. hierzu MGH. Constitutiones, Bd. 3 (wie Anm. 16), Nr. 339, S. 325, § 2 (27.12.1282), doch findet sich der Zusatz schon in späteren diesbezüglichen Urkunden Rudolfs; ebenda, Nr. 343, S. 328 (29.12.1282; ohne Fahnen), erneuert Nr. 413, S. 407 (26.04.1288). Auch spätere Herrscher folgten diesem Sprachgebrauch, während ansonsten die Verwendung des Zepters und insbesondere des „königlichen“ Zepters nur gelegentlich und zumeist in außergewöhnlichen Fällen vorkommt (z. B. bei der Erhebung Kärntens oder Savoyens zum Fürstentum); vgl. die Zusammenstellung bei Julius Bruckauf, Fahnlehn und Fahnenbelehnung im alten deutschen Reiche, Leipzig 1907, S. 51f. und 64f. 58 MGH. Constitutiones, Bd. 4 (wie Anm. 55), Nr. 35, S. 32, Urkunde Albrechts: nobis […] sedentibus in corona. Ottokars Österreichische Reimchronik (wie Anm. 39), S. 969, Vers 73451–73452: dâ der kunic nû was gesezzen / und gekrônet wolde ezzen. Johannes Stetter, Chronik, hg. von Philipp Ruppert, in: Die Chroniken der Stadt Konstanz, Konstanz 1891, S. 1–269, hier S. 37: do ward gekrönt und gewicht die römisch küngin Elisabet, und sassent baide mit iren kronen uff iren höptern ze tisch des selbigen tags. 59 Vgl. so auch Huyskens, Aachener Krone (wie Anm. 5), S. 436f. Die prinzipiell richtige Vorsicht bei Petersohn, Krönungsbrauch (wie Anm. 6), S. 116, scheint mir in diesem Fall zu weit zu gehen.

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rich VII. nach Albrechts Tod nicht überliefert ist.60 Hinzu kommt, dass Al­brecht im Januar 1303 dem Kloster Eußerthal dessen Privilegien bestätigte, in denen zuvor Adolf auf die Sorge um die Reichskleinodien verwiesen hatte.61 Allerdings bezog Albrecht die Obhut nicht auf seine eigene Herrschaft, sondern bestätigte lediglich die entsprechende Urkunde.62 In der Forschung überwiegt dagegen die Ansicht, dass erneut die Kyburg als Aufbewahrungsort diente.63 Noch Mitte des 15. Jahrhunderts befand sich dort eine Truhe, in der die Reichskleinodien einst gelegen haben sollen,64 und auch der Umbau der Burgkappelle unter Al­ brechts Tochter Agnes wird mit der Aufbewahrung der Insignien in Verbindung gebracht.65 Die Zuweisung dieser aus deutlich späterer Zeit stammenden Lokaltradition in die Regierungszeit König Albrechts bleibt jedoch fraglich.66 60 Huyskens, Aachener Krone (wie Anm.  5), S.  437; Petersohn, Krönungsbrauch (wie Anm. 6), S. 116. 61 Siehe oben, Anm. 50. 62 Nova Subsidia Diplomatica, Bd. 12 (wie Anm. 50), Nr. 137, S. 281 (1303). So verfuhr auch Heinrich VII. im März 1309 mit der Urkunde Albrechts; ebenda, Nr. 141, S. 286f., siehe dazu Johann Friedrich Böhmer, Regesta Imperii VI. Die Regesten des Kaiserreichs unter Rudolf, Adolf, Albrecht, Heinrich VII. 1273–1313. Abt. 4. Heinrich VII. 1288/1308– 1313, 1. Lief.: 1288/1308 – August 1309, bearb. von Kurt-Ulrich Jäschke/Peter Thorau, Köln/Weimar/Wien 2006, Nr. 88. 63 Vgl. z. B. Heinrich Zeller-Werdmüller, Mittelalterliche Burganlagen der Ostschweiz (Mitteilungen der Antiquarischen Gesellschaft in Zürich 23,5), Leipzig 1893, S. 332 („zur Zeit der Könige Rudolf und Albrecht“); Leistikow, Die Aufbewahrungsorte der Reichskleinodien – vom Trifels bis Nürnberg (wie Anm. 6), S. 197f. Siehe auch unten, Anm. 66. Zum angeblichen Aufenthalt in Wien vgl. schon die berechtigte Skepsis bei Weixlgärtner, Geschichte im Widerschein der Reichskleinodien (wie Anm. 31), S. 101f. 64 Siehe oben, Anm. 31. 65 Fratri Felicis Fabri Descriptio Sveviae (wie Anm. 31), c. 13, S. 152: Hanc capellam construxit propter imperiales reliquias, quae hodie Nurembergae conservantur, quae tunc in Kiburg servabantur tanquam in loco tutissimo. Zur Glaubwürdigkeit vgl. Grunder, Die Kyburg zur Zeit der Habsburger (wie Anm. 40), S. 150, Anm. 33. Noch 1792 wurde die Burgkapelle als „Reichskammer“ bezeichnet; Zeller-Werdmüller, Mittelalterliche Burganlagen der Ostschweiz (wie Anm. 63), S. 332, ohne Nachweis, nach diesem die spätere Literatur. Bezeichnenderweise spricht die Quelle von einem Neubau der Kapelle (construxit), während die Forschung eher eine Erweiterung und Ausschmückung annimmt (so schon Weixlgärtner, Geschichte im Widerschein der Reichskleinodien [wie Anm. 31], S. 102). 66 Grunder, Die Kyburg zur Zeit der Habsburger (wie Anm. 40), S. 141, datiert den Umbau „zwischen 1301 und 1308“, doch steht nur das erste Datum durch den Tod von Agnes’ Ehemann Andreas III. von Ungarn fest. Grunder selbst bemerkt S. 150, Anm. 33: „Leider liegt die Baugeschichte der Kapelle bis ins 15. Jahrhundert beinahe völlig im Dunkeln.“ Hans Martin Gubler, Die Kunstdenkmäler des Kantons Zürich. Bd. 3: Die Bezirke Pfäffikon und Uster (Die Kunstdenkmäler der Schweiz), Basel 1978, S. 177, nennt als Datum ohne genauere Begründung „um 1308“. Zeller-Werdmüller, Mittelalterliche Burganlagen der Ostschweiz (wie Anm. 63), S. 332, sprach zuvor nur allgemein von „zu Anfang des XIV. Jahrhunderts“, Weixlgärtner, Geschichte im Widerschein der Reichskleinodien (wie Anm. 31), S. 47, von „wahrscheinlich im Jahr 1307“.

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Dies gilt auch für die Urkunde der Witwe des kyburgischen Vogts Rudolf von Landenberg vom 4. Dezember 1316, in der sich diese mit Herzog Leopold auf die Begleichung ausstehender Schulden einigte. Hierzu gehörten 20 Mark Silber, der er mir schuldig was von der koste wegen do daz rich bi mir ze Kyburg was.67 Da Rudolf von Landenberg nur zwischen Sommer 1314 und November 1315 als Vogt fungierte,68 kann sich dies weder auf die Regierungszeit König Albrechts69 noch auf die Zeit seines Nachfolgers Heinrich VII. beziehen. Hinzu kommt, dass Rudolfs Witwe Margarethe hier von sich in der ersten Person sprach, für andere Zahlungen aber auf weitere Urkunden verwies und noch ausstehende Gelder für die Burghut explizit ihrem Mann zuordnete.70 Offenbar lag nur ein Teil der Schulden länger zurück, nicht aber die besagten 20 Mark. Diese beziehen sich möglicherweise eher auf eine kurzfristige als auf eine permanente Verwahrung auf der Kyburg,71 die auch erst nach dem Tod des Vogts geschehen sein kann. 67 Urkundenbuch der Stadt und Landschaft Zürich, Bd. 9, bearb. von Jakob Escher, Zürich 1915, Nr. 3443, S. 288. Zuvor: Urkunden zur Schweizer Geschichte aus österreichischen Archiven, Bd. 1, hg. von Rudolf Thommen, Basel 1899, Nr. 248, S. 147. 68 Vgl. Werner Meyer, Die Verwaltungsorganisation des Reiches und des Hauses Habsburg-Österreich im Gebiete der Ostschweiz 1263–1460, Diss. Zürich 1933, S. 290. Die dortigen Verweise auf die bloßen Jahreszahlen lassen sich wie folgt präzisieren: Ein nicht näher spezifizierter Nikolaus ist nicht nur für 1302, sondern auch für November 1304 nachweisbar (Urkundenbuch der Stadt und Landschaft Zürich, Bd. 8, bearb. von Jakob Escher, Zürich 1911, Nr. 2763, S. 31). Am 30. Dezember 1312 wird Rudolf von Trostberg als Vogt genannt (ebenda, Bd. 9 [wie Anm. 67], Nr. 3184, S. 55), im Juni und August 1314 dann Eberhard von Eppenstein (ebenda, Nr. 3287, S. 152; Nr. 3302, S. 168; erneut belegt ab Oktober 1324: ebenda, Bd. 10, bearb. von Jakob Escher, Zürich 1916, Nr. 3913, S. 278). Rudolf von Alten-Landenberg ist im September 1315 bei König Friedrich und Herzog Leopold nachweisbar, am 15. November fiel er in der Schlacht am Morgarten; Ernst Diener, Das Haus Landenberg im Mittelalter. Mit besonderer Berücksichtigung des 14. Jahrhunderts, Zürich 1898, S. 23, der S. 24, Anm. 2, in Betracht zieht, dass Rudolf von Alten-Landenberg nur der Stellenvertreter Eberhards von Eppenstein gewesen sein könnte. 69 So die Zuordnung bei Grunder, Die Kyburg zur Zeit der Habsburger (wie Anm. 40), S. 141 („zwischen 1303 und 1313“), seltsamerweise gerade unter Bezugnahme auf Meyer, Verwaltungsorganisation (wie Anm. 68). Möglicherweise übersah Grundner die Unterscheidung zwischen „Rudolf v. Trostberg“ (nach 1303, 1313) und „Rudolf v. Alten-Landenberg“ (vor 1315). 70 Urkundenbuch der Stadt und Landschaft Zürich, Bd. 9 (wie Anm. 67), Nr. 3443, S. 288: hundert und zweinzig march silbers, darumb ich von dem vorgenanten minem herren brgen und briefe hatte. Ich han in och lidig verlan sechzig march silbers, darumbe ich och sine briefe hatte. […, zu den Reichsinsignien, siehe oben bei Anm. 67] Ich han in och lidig gelassen drndert phunt phenninge Zricher mntze, die man minem wirte seligen solte ze burghGte uf die burg ze Kyburg. 71 Vgl. so auch die Vermutung bei Regesta Habsburgica. Regesten der Grafen von Habsburg und der Herzoge von Österreich aus dem Hause Habsburg. III. Abteilung: Die Regesten der Herzoge von Österreich sowie Friedrichs des Schönen als deutschen Königs von 1314–1330, bearb. von Lothar Gross (Publikationen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung), Innsbruck 1922–1924, Nr. 536, S. 68, wo die Stelle allerdings auf einen Aufenthalt Friedrichs (und nicht nur der Reichsinsignien) auf der Kyburg bezogen wird, für den Ende 1315 als wahrscheinlichstes Datum angenommen wird.

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Friedrich: Die Reichskleinodien als Ausweis des wahren Königs Eine Aufbewahrung der Reichskleinodien auf der Kyburg ist folglich erst für die Frühzeit des Königtums Friedrichs „des Schönen“ anzunehmen. Dieser hatte nach dem Tod seines Vaters zusammen mit seinem Bruder Leopold die Führung des habsburgischen Hauses übernommen und war als einer der zahlreichen Kandidaten für Albrechts Nachfolge gehandelt worden. Die Kurfürsten entschieden sich letztlich jedoch für den Luxemburger Heinrich VII.,72 der schon im Vorfeld der Wahl den Ausgleich mit den Habsburgern gesucht hatte: Als eine seiner ersten Regierungshandlungen drei Tage nach der Wahl versicherte er diesen, alle ihre Reichslehen bestätigen zu wollen.73 Zum persönlichen Zusammentreffen kam es erst neuen Monate später im August 1309 auf dem Hoftag in Speyer,74 als Heinrich die Leichname seiner beiden Vorgänger Adolf und Albrecht dort feierlich beisetzen ließ.75 Zwei Wochen später erfolgte die Belehnung Friedrichs und seiner Brüder, die dem König zuvor finanzielle und militärische Unterstützung zugesagt hatten. Im Gegenzug verpfändete dieser ihnen die Markgrafschaft Mähren für 50.000 Mark Silber und versprach die Verfolgung der Mörder ihres Vaters.76 Der auffällig große Zeitraum zwischen der feierlichen Beisetzung Albrechts und der Belehnung seiner Söhne ist erklärungsbedürftig77 und wirft die Frage auf, ob man vielleicht erst das Eintreffen der Reichskleinodien abwarten musste, bevor die zuvor erzielte Einigung in die Tat umgesetzt wurde. Gewisse Parallelen zwischen Speyer 1309 und Hagenau 1292 sind nicht zu verkennen. Die historiographischen Quellen selbst ziehen diese jedoch nicht, was gerade bei Ottokar und Johann von Viktring bemerkenswert ist, die beide über die vertraglichen Vereinbarungen des 72 Vgl. Büttner, Weg zur Krone (wie Anm. 2), S. 269–283. 73 Regesta Imperii VI,4,1 (wie Anm. 62), Nr. 6, eine Woche nach der Königskrönung unter Majestätssiegel erneuert (Nr. 17). 74 Vgl. auch zur Datierung ebenda, Nr. 260. 75 Ebenda, Nr. 275#. Vgl. Rudolf J. Meyer, Königs- und Kaiserbegräbnisse im Spätmittelalter. Von Rudolf von Habsburg bis zu Friedrich III. (Forschungen zur Kaiser- und Papstgeschichte des Mittelalters. Beihefte zu J. F. Böhmer, Regesta Imperii 19), Köln/ Weimar/Wien 2000, S. 45–47 und S. 51f. sowie den Beitrag von Manuel Kamenzin in diesem Band. 76 Johann Friedrich Böhmer, Regesta Imperii VI. Die Regesten des Kaiserreichs unter Rudolf, Adolf, Albrecht, Heinrich VII. 1273–1313. Abt. 4. Heinrich VII. 1288/1308–1313, 2. Lief.: 1. September 1309 – 23. Oktober 1310, bearb. von Kurt-Ulrich Jäschke/Peter Thorau, Köln/Weimar/Wien 2014, Nr. 292–300. 77 Vgl. ebenda, Nr. 293, mit Verweis auf den Konflikt Heinrichs VII. mit Eberhard I. von Württemberg und Kontakten des aufständischen Wiens mit dem König.

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Jahres 1309 gut unterrichtet waren: Bei Ottokar ist die Überführung und Beisetzung Albrechts das leitende Motiv,78 während Johann in seiner deutlich kürzeren Darstellung die monetäre Gegenleistung der Habsburger erwähnt,79 von deren Forderung er schon zu 1292 berichtete.80 Wahrscheinlicher ist daher, dass nicht die Übergabe der Reichskleinodien, sondern die intensiven Verhandlungen über die zukünftigen gegenseitigen Verpflichtungen dafür verantwortlich waren, dass die Belehnung erst Mitte September erfolgte.81 Hinzu kommt, dass zwischen Heinrichs Wahl und Krönung etwas mehr als ein Monat verging, für den keine urkundlichen und nur sehr wenige historiographische Nachrichten vorliegen.82 Wurde in diesem Zeitraum mit den Habsburgern oder mit den Reichsministerialen auf dem Trifels über die Herausgabe der Reichskleinodien verhandelt? Eine Antwort könnten die Quellen zur Aachener Krönung liefern,83 die immerhin von der „Krone Karls des Großen“ (corona magnifici Karoli; corona Karoli) beziehungsweise der „Reichskrone“ (corona regni) sprechen.84 Während Albert Huyskens die tatsächliche Verwendung der Reichsin78 Ottokars Österreichische Reimchronik (wie Anm. 39), S. 1262–1272, Vers 97435–98171, verbunden mit dem Aufstand der Wiener (ab S. 1266, Vers 97746). Auf die Insignien wird nur allgemein bezüglich der drei an einem Ort vereinten Könige und ihrer Ehefrauen Bezug genommen: zwâr ez was ouch wunderlich / under ander wunder zal, / daz ze einem mâl / rômischer kunige drî, / die des niht wâren frî, / si heten bî iren tagen / des rîches krône tragen, / mit einander sach man die / ze Spîre in dem munster hie: / den einen sach man gên, / die zwêne ûf gebârt stên. / ouch sach man hie ensamt, / die wîle man begie daz amt, / ir aller drî frouwen, / der ieglich sich hât lâzen schouwen / vor den fursten schône / gekrônet mit des rîches krône (S. 1265, Vers 97665–97681). Wie bei Johann von Viktring wird außerdem der große habsburgische Anhang von mehreren hundert Rittern hervorgehoben. 79 Iohannis abbatis Victoriensis Liber certarum historiarum (wie Anm. 23), Bd. 2, Rec A., l. IV, c. 5, S. 11; Rec. B. D. A2, l. IV, c. 2, S. 35. 80 Ebenda, Bd. 1, Rec A., l. III, c. 3, S. 312f.; Rec. B. D. A2, l. III, c. 2, S. 348f., inhaltlich nicht gänzlich gleich, als Forderungen König Adolfs gegen Albrecht von Habsburg und Meinhard II. von Kärnten. Parallelquellen hierzu existieren nicht, vgl. Samanek, Studien zur Geschichte König Adolfs (wie Anm. 18), S. 75. 81 Vgl. Alphons Lhotsky, Geschichte Österreichs seit der Mitte des 13. Jahrhunderts (1281– 1358) (Veröffentlichungen der Kommission für Geschichte Österreichs 1; Geschichte Österreichs 2,1), Wien 1967, S. 190f., gestützt auf Ottokars Österreichische Reimchronik. 82 Vgl. Büttner, Weg zur Krone (wie Anm. 2), S. 281–283. 83 Vgl. zu dieser ebenda, S. 283–290. 84 Imperator Heinricus, hg. von Kurt-Ulrich Jäschke, in: Imperator Heinricus. Ein spätmittelalterlicher Text über Kaiser Heinrich VII. in kritischer Beleuchtung (Hémecht. Beiheft), Luxemburg 1998, S. 117–131, hier § 3, S. 118 (corona magnifici Karoli); Bilderchronik Balduins von Trier: Der Weg zur Kaiserkrone. Der Romzug Heinrichs VII. in der Darstellung Erzbischofs Balduins von Trier, hg. von Michel Margue et al. (Publications du Centre Luxembourgeois de Documentation et d’Études Médiévales [CLUDEM] 24), Trier 2009, S. 41 (corona Karoli); Gesta Baldewini, hg. von Johann H. Wyttenbach/Michael F. J. Müller, in: Gesta Trevirorum. Integra lectionis varietate et animadversionibus illustrata ac indice duplici instructa. Bd. 2: Ab anno 1259 usque ad mortem archiepiscopi Richardi a Greifenclau anno 1531, Trier 1838, S. 179–271, hier l. II, c. 2, S. 205: cum corona regni fuerat solemniter coronatus.

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signien annahm,85 wurden von Petersohn bezüglich jeder der drei Nachrichten Zweifel vorgebracht.86 Fehler, Abhängigkeiten oder Rückprojektionen sind in der Tat nicht ausgeschlossen. Auffallen muss jedoch, dass diese Angaben eben nur für Heinrich VII. und nicht für seine beiden Vorgänger überliefert sind, während sich für Rudolf, bei dem das Verfügen über die Reichskleinodien gesichert ist, eine entsprechende Nachricht in den Quellen findet. Auszuschließen ist hingegen, dass Heinrich VII. die Reichsinsignien auf seinem Italienzug mitführte.87 Die Berichte und Urkunden erlauben zwar auch hier keine eindeutigen Aussagen.88 Klarheit schafft jedoch ein Verzeichnis, das drei Tage nach dem Tod des Kaisers über dessen Wertgegenstände (inventorium de iocalibus et clenodiis) angefertigt wurde. An erster Stelle nennt es einen goldenen Apfel mit goldenem Kreuz, an zweiter ein goldenes Zepter mit einem Adler darauf. Als drittes Herrschaftszeichen folgt eine „kleine goldene Krone mit Lilienformen“ und verschiedenen Edelsteinen,89 womit unmöglich die ‚Wiener‘ Reichskrone gemeint sein kann. Eine gewisse Übereinstimmung ergibt sich hingegen mit der in der Bilderchronik Balduins von Trier90 dargestellten Kaiserkrone91 85 Siehe z. B. Huyskens, Aachener Krone (wie Anm. 5), S. 437, aufgrund der Nennung der corona Karoli in der Bilderchronik Balduins von Trier, deren bildliche Darstellung allerdings keinen Bezug zur ‚Wiener‘ Reichskrone aufweist (siehe unten, Anm. 93). Aloys Schulte, Die Kaiser- und Königskrönungen zu Aachen. 813–1531 (Rheinische Neujahrsblätter 3), Bonn 1924, S. 34, und Weixlgärtner, Geschichte im Widerschein der Reichskleinodien (wie Anm. 31), S. 48, vertreten hingegen die Ansicht, dass die Reichskleinodien nie an Heinrich VII. übergeben wurden. 86 Vgl. Petersohn, Krönungsbrauch (wie Anm. 6), S. 116f., bes. Anm. 203–205. 87 Vgl. so auch ebenda, S. 117f., mit Beschränkung auf die Reichskrone. Anders Huyskens, Aachener Krone (wie Anm. 5), S. 438 (Mitführung „wahrscheinlich“). 88 Vgl. Petersohn, Krönungsbrauch (wie Anm. 6), S. 117, Anm. 209. 89 MGH. Constitutiones, Bd. 4 (wie Anm. 55), Nr. 1050, S. 1089, § 1–3: Primo pomum aureum cum cruce aurea. Item ceptrum aureum cum aquila superstante. Item unam parvam coronam auream cum formis lilyorum et safiris, esmeraldis et margaritis, balays. 90 Vgl. zu Werk und Datierung Christoph Winterer, Die kunsthistorische Einordnung der Bilderchronik, in: Der Weg zur Kaiserkrone (wie Anm. 84), S. 23–32, anders Verena Kessel, Il manoscritto del „Viaggio a Roma“ dell’imperatore Enrico VII, in: Il viaggio di Enrico VII in Italia, hg. von Mauro Tosti-Croce, Città di Castello 1993, S.  13–27; Wolfgang Schmid, Kaiser Heinrichs Romfahrt. Zur Inszenierung von Politik in einer Trierer Bilderhandschrift des 14. Jahrhunderts, in: Kaiser Heinrichs Romfahrt. Zur Inszenierung von Politik in einer Trierer Bilderhandschrift des 14. Jahrhunderts, hg. von Wolfgang Schmid (Mittelrheinische Hefte 21), Koblenz 2000, S. 23–127. 91 Petersohn, Krönungsbrauch (wie Anm. 6), S. 117, Anm. 209, vergleicht die abgebildete Krone hingegen nur mit der Reichskrone, mit dem Schluss, die Darstellung sei „eher utopisch als realitätsabbildend zu verstehen“. Zur Krönung siehe jetzt Knut Görich, Die Kaiserkrönung Heinrichs VII. Tradition und Improvisation, in: Rom 1312. Die Kaiserkrönung Heinrichs VII. und die Folgen. Die Luxemburger als Herrscherdynastie von gesamteuropäischer Bedeutung, hg. von Peter Thorau/Sabine Penth (Forschungen zur Kaiser- und Papstgeschichte. Beihefte zu J. F. Böhmer, Regesta Imperii 40), Köln/ Weimar/Wien 2016, S. 75–111, ohne näheres Eingehen auf die verwendeten Insignien.

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und dem Reichsapfel, während das dortige Zepter an seiner Spitze nicht einen Adler, sondern eine Lilie trägt.92 Ein Vergleich mit der bei der Krönung in Aachen verwendeten deutschen Königskrone und der italienischen ‚Eisernen‘ Krone zeigt jedoch, dass bei den diesbezüglichen Darstellungen nicht von einem engen Bezug auf die realen Insi­ gnien auszugehen ist, sondern diese vor allem den gegenwärtigen Status Heinrichs anzeigen.93 Eine deutlichere Übereinstimmung besteht hingegen mit den ‚Aachener‘ Insignien: Richard von Cornwall hatte der Aachener Marienkirche ein Adlerzepter, einen Reichsapfel und eine Krone geschenkt, die mit ähnlichen Edelsteinen versehen war.94 Eine edelsteinbesetzte Lilienkrone (ohne Bügel) wurde allerdings auch Heinrich mit ins Grab gegeben, ebenso wie ein goldener Reichsapfel und ein Blattzepter.95 Letzteres 92 Der Weg zur Kaiserkrone (wie Anm. 84), S. 81. Vgl. dagegen auch das zweite im Inventar erwähnte Stabsymbol: Item unam virgam argenteam esmaltata, cum aquila lapidis preciosi blavi in capite; MGH. Constitutiones, Bd. 4 (wie Anm. 55), Nr. 1050, S. 1089, § 5. 93 Alle drei Kronen sind als Lilienkronen dargestellt, die durch die Farbgebung (deutsche Königskrone: golden; italienische Königskrone: silbern) beziehungsweise durch die sonstige Gestalt (Königskrone: ohne Bügel; Kaiserkrone: mit Bügel) eindeutig voneinander abgegrenzt sind. Während die eiserne Krone (corona ferrea), die Heinrich in Mailand empfing, nur zu diesem Anlass dargestellt wird (Der Weg zur Kaiserkrone [wie Anm. 84], S. 51), trägt Heinrich ansonsten immer als König die goldene Lilienkrone, die bei und seit seiner Kaiserkrönung mit einem Bügel und – nur in einzelnen, detaillierten Darstellungen – mit Edelsteinen versehen ist (ebenda, S. 81 gegenüber den Juden nach der Kaiserkrönung, S. 103 beim Tod und S. 107 bei der Grablege). Auch der Reichsapfel tritt nach der Kaiserkrönung einmalig in Erscheinung (ebenda, S. 81). Zu der bei Heinrichs Krönung in Mailand verwendeten Krone vgl. Hannelore Zug Tucci, Henricus coronatur corona ferrea, in: Il viaggio di Enrico VII in Italia (wie Anm. 90), S. 29–42, hier S. 36. Die Eiserne Krone, die in Monza aufbewahrt wurde, war bei Heinrichs Krönung nicht auffindbar, weshalb der König eine neue anfertigen ließ. Diese war tatsächlich aus Eisen und nicht aus Gold, allerdings in Form eines Lorbeerkranzes und mit Perlen verziert. Das Urteil von Wolfgang Schmid, Zur Inszenierung von Politik in der Bilderhandschrift, in: Der Weg zur Kaiserkrone (wie Anm. 84), S. 139–152, S. 149, es gebe „schwerverständliche ‚Fehler‘ wie die falschen Kronen“ dürfte der Intention der Darstellungen nicht gerecht werden. 94 Heinrich Schiffers, Die deutsche Königskrönung und die Insignien des Richard von Cornwallis (Veröffentlichungen des Bischöflichen Diözesanarchivs Aachen 2), Aachen 1936, S. 85f., aus der Urkunde Richards von 1262: una corona aurea cum rubinis, smaragdis, saffiris, margaritis et aliis preciosissimis lapidibus pulcherrime ornata. Vgl. zu den Schenkungen Richards besonders ebenda, S. 85–98 und 131–144. Obgleich gewisse Zweifel an manchen Thesen geäußert wurde (zum Beispiel zur Gleichsetzung der von Richard gestifteten Krone mit der heute noch erhaltenen Krone der Karlsbüste; Mentzel-Reuters, Die goldene Krone (wie Anm. 1), S. 136, Anm. 4), so berührt dies nicht die Tatsache der von Richard getätigten Stiftung. 95 Vgl. zur Öffnung des Grabmals 2013 die Pressemitteilung der Università di Pisa, samt Video und Fotos: https://www.unipi.it/index.php/tutte-le-news/item/4198-un-tesoromedievale-nella-tomba-di-arrigo-vii (letzter Zugriff: 16.08.2018). Zur Öffnung von 1920/21 vgl. Friedrich Schneider, Die Öffnung des Grabmales Kaiser Heinrichs VII. in Pisa 1920/21, in: Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung 41, 1926, S. 136–140, zu den Insignien jedoch nur kurz S. 137.

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wiederum weist gewisse Ähnlichkeiten zur Darstellung in der Bilderchronik auf, kann jedoch mit keinem der beiden im Inventar genannten Zepter gleichgesetzt werden. Heinrich führte also eine größere Anzahl an Insignien mit sich, jedoch nicht die (‚Wiener‘) Reichsinsignien.96 Auch nach Heinrichs Tod fehlen für den Verbleib der Reichskleinodien zunächst eindeutige Hinweise.97 So mag der Kaisersohn Johann von Böhmen, der als Konkurrent Friedrichs von Habsburg um das Königtum auftrat, im Februar 1314 für seine erhoffte Krönung mit der „Krone des Römischen Reichs“ an die Reichsinsignien gedacht haben.98 Andererseits umschrieb Friedrichs Frau Isabella/Elisabeth Ende Juni desselben Jahres gegenüber ihrem Vater die Hoffnung ihres Mannes auf die Herrschaft gerade mit der Erlangung der Insignien des Königsund dann des Kaiserreichs.99 Eine ähnliche Formulierung gebrauchte auch die Stadt Barcelona gegenüber Friedrich bezüglich seiner Königwahl, während dieser selbst bezeichnenderweise hierauf verzichtet hatte.100 Hier war also – anders als möglicherweise 1273101 – nicht an konkrete Insignien, sondern an die Herrschaft selbst gedacht.102 Eindeutig anders verhält es sich mit einem Abkommen, das Friedrich Mitte November 1314 mit dem Grafen von Geldern schloss: Etwa einen Monat nach seiner Wahl und eine Woche vor der geplanten Krönung versprach er diesem, er wolle sich wenn möglich im Insula Dei genannten Ort krönen lassen und dort die Reichskleinodien aufbewahren.103 96 Seine Krone (oder eine seiner Kronen) musste Heinrich in Rom zeitweise für 2500 Floren verpfänden: Item a Rustic le XX. jour d’Aoust en deniers de Sezile a Rome, qui furent delivret a Gile par Baduin canon de Nivelle a Tybre pour rachater une corone II MVC flor.; Nr. 1155, S. 1191: Item que li tresoriers delivrat pour rachater une corone a Rome II MVC flor; MGH. Constitutiones, Bd. 4 (wie Anm. 55), Nr. 1154, S. 1187. 97 Die These, Herzog Leopold von Österreich habe diese nach dem Tod des Kaisers in seinen Besitz gebracht, wurde schon von Petersohn, Krönungsbrauch (wie Anm. 6), S. 118, zurückgewiesen, ohne jedoch zu erklären, wie diese stattdessen in den Besitz der Habsburger gelangten. 98 MGH. Constitutiones et acta publica imperatorum et regum, Bd. 5: 1313–1324, hg. von Jakob Schwalm, Hannover/Leipzig 1909–1913, Nr. 18, S. 15, in einem Abkommen mit dem Grafen von Berg bezüglich des Zeitpunkts der Zahlung des Restbetrags: postquam corona regni Romani Aquis coronati fuerimus. 99 MGH. Constitutiones, Bd. 5 (wie Anm. 98), Nr. 44, S. 42: sic quod speratur firmiter, quod ad insignia dicti regni et postea imperii deveniet feliciter auctore Domino pro constanti. So auch das Antwortschreiben Jakobs II. von Aragón: Nr. 83, S. 79, § 2. 100 Vgl. ebenda, Nr. 229, S. 201 (Magnificentie vestre litteras recepimus continentes, quod […] electus canonice ad prefati regni insignia extitistis) mit Nr. 210, S. 187f. (ad idem regnum canonice fuissemus electi). 101 Siehe oben, Anm. 25. 102 So auch Petersohn, Krönungsbrauch (wie Anm. 6), S. 118, Anm. 212. 103 MGH. Constitutiones, Bd. 5 (wie Anm. 98), Nr. 117, S. 113, § 8: Et si commode et absque preiudicio iuris nostri fieri poterit, in eodem loco Insula Dei volumus coronari quodque ibidem corona et lancea cum imperialibus insignibus reponantur. Zur Lokalisierung Büttner, Weg zur Krone (wie Anm. 2), S. 314, Anm. 750.

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Da Friedrich eine solche Zusage kaum gemacht hätte, wenn er nicht faktisch im Besitz der Insignien war, muss er sie irgendwann nach dem Tod Heinrichs erhalten haben. Dies geschah möglicherweise im Frühjahr 1314, als sein Bruder Leopold an den Rhein gereist war, um möglichst viele Kurfürsten für die Wahl Friedrichs zu gewinnen.104 Dabei traf er auch in Speyer und Bacharach Pfalzgraf Rudolf I.105 Sollte dieser, wie sein Vater vier Jahrzehnte zuvor, für den Habsburger die Reichskleinodien erlangt haben? Quellen hierzu fehlen, doch sind auch die Vorgänge von 1273 nur durch eine Urkunde des zuständigen Reichsministerialen überliefert, während die des Pfalzgrafen verloren ist.106 Die Beschaffung im Vorfeld der Wahl scheint außerdem wahrscheinlicher als unmittelbar nach der Doppelwahl. Leopold könnte die Reichskleinodien anschließend in die habsburgischen Stammlanden gebracht haben, wo sie für die mit Nachdruck betriebene Königserhebung seines Bruders zur Verfügung standen. Ob sie bei Friedrichs Krönung in Bonn am 25. November tatsächlich verwendet wurden, ist von der Forschung meist bejaht worden.107 Die hiermit verbundene Bedeutungszuschreibung der Rechtmäßigkeit108 findet jedoch keine Entsprechung in den Quellen, in denen allein Ort und Koronator für die Legitimierung herangezogen werden.109 Dem Bezug auf die „königliche Krone“ (corona regia; dyadema regale) in Briefen Friedrichs110 104 Vgl. Büttner, Weg zur Krone (wie Anm. 2), S. 297. 105 Für das Itinerar der beiden Fürsten siehe Regesta Imperii inde ab anno 1246 usque ad annum 1313. Die Regesten des Kaiserreiches unter Heinrich Raspe, Wilhelm, Richard, Rudolf, Adolf, Albrecht und Heinrich VII. Zweites Ergänzungsheft, bearb. von Johann Friedrich Böhmer, Stuttgart 1857, S.  512; Regesten der Pfalzgrafen am Rhein (wie Anm. 43), Bd. 1, Nr. 1731–1733, S. 104. 106 Siehe oben, Anm. 16. 107 Als sicher nehmen dies beispielsweise an: Huyskens, Aachener Krone (wie Anm. 5), S. 438; Grass, Reichskleinodien (wie Anm. 1), S. 24; Petersohn, Krönungsbrauch (wie Anm. 6), S. 83, Anm. 47 („mit größter Wahrscheinlichkeit“). Vgl. auch die folgende Anmerkung. 108 Siehe z. B. Lhotsky, Geschichte Österreichs seit der Mitte des 13. Jahrhunderts (wie Anm. 81), S. 227 („Ludwig […] ohne die die geheiligten Insignien, Friedrich […] mit den echten Reichskleinodien“); Ernst Schubert, Die deutsche Königswahl zur Zeit Johanns von Böhmen, in: Johann der Blinde. Graf von Luxemburg, König von Böhmen, 1296–1346. Tagungsband der 9es Journées Lotharingiennes, 22.–26. Oktober 1996, Centre Universitaire de Luxembourg, hg. von Michel Pauly (Publications de la Section Historique de l’Institut G.-D. de Luxembourg 115; Publications du CLUDEM 14), Luxemburg 1997, S. 135–166, hier S. 146 („Die Krönung Ludwigs […] ohne die Reichsinsignien […], die Friedrichs […] mit den wahren Reichsinsignien“). 109 Vgl. Büttner, Weg zur Krone (wie Anm. 2), S. 317–328; Andreas Büttner, Rituale der Königserhebung im Konflikt. Die Doppelwahl von 1314 – Verlauf, Deutung und Folgen, in: Die Königserhebung Friedrichs des Schönen im Jahr 1314. Krönung, Krieg und Kompromiss, hg. von Matthias Becher/Harald Wolter-von dem Knesebeck, Köln/ Weimar/Wien 2017, S. 27–66, hier S. 37–48. 110 MGH. Constitutiones, Bd. 5 (wie Anm. 98), Nr. 172, S. 164; Nr. 210, S. 188; aufgegriffen im Antwortschreiben Barcelonas, Nr. 229, S. 201.

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steht bei Ludwig IV. dieselbe (corona regia; dyadema regia) in einem Schreiben und die „gebührende Krone“ (debita corona) in einer Chronik gegenüber.111 Dies verdeutlicht, wie wenig eindeutig solche Formulierungen im Hinblick auf konkrete Insignien sein können. Hinzu kommt, dass der Transport der Reichsinsignien nach Bonn wegen der Doppelwahl ein erhebliches Risiko bedeutet hätte. Schon vor Frankfurt hatte Ludwig bei der Versorgung seines zahlenmäßig etwas größeren Heeres die Oberhand gehabt, so dass Friedrich einen großen Teil seiner Streitmacht nach Hause schicken musste.112 Er dürfte daher die Gefahr, die Reichskleinodien zu verlieren, höher eingeschätzt haben als ihren Nutzen bei der Krönung. Im März 1315 folgte das Aufeinandertreffen der beiden Könige bei Speyer, das mit dem kampflosen Abzugs Ludwigs endete. Hiermit ­fielen das Elsass und Schwaben weitgehend an Friedrich, der seinen Erfolg durch einen Hoftag in Basel an Pfingsten (11. Mai) abrundete.113 Hier fand die Krönung der Königin statt, wie es der Kölner Erzbischof schon Anfang April ihrem Vater Jakob II. von Aragón angekündigt hatte. Die Formulierung, dies werde „mit den für diese Festlichkeit gebührenden und festgesetzten Insignien“ geschehen,114 lässt an die Reichsinsignien denken. Weitere Schreiben, die kurz nach dem Ereignis verfasst wurden, heben jedoch allein den Vollzug der Weihe durch den Kölner Erzbischof hervor.115 Die historiographischen Quellen

111 Ebenda, Nr. 824, S. 644f., § 13 und 14 (allerdings erst von 1323); Chronica Ludovici imperatoris quarti, hg. von Georg Leidinger, in: Bayerische Chroniken des XIV. Jahrhunderts, in: MGH. Scriptores rerum Germanicarum Bd. [19], Hannover 1918, S. 105–138, hier S. 125. 112 Vgl. Büttner, Weg zur Krone (wie Anm. 2), S. 305 und 313f. Nach der Sächsischen Weltchronik. Erste Bairische Fortsetzung, hg. von Ludwig Weiland, in: MGH. Deutsche Chroniken, Bd. 2, Hannover 1877, S. 319–336, hier c. 28, S. 336, führte Friedrichs Bruder Leopold die abziehenden habsburgischen Truppen an. In der Tat ist er im November zunächst in Ulm und dann in Diessenhofen nachweisbar; Regesta Imperii inde ab anno 1246 usque ad annum 1313. Zweites Ergänzungsheft (wie Anm. 105), S. 512. 113 Vgl. Büttner, Weg zur Krone (wie Anm. 2), S. 328f. Zuvor hatte Friedrich in Ravensburg erneut die Hochzeit mit seiner Gemahlin Elisabeth gefeiert, was ursprünglich erst für den Basler Hoftag geplant gewesen war. In Basel wurden dann Friedrichs Bruder Leopold und Katharina von Savoyen vermählt. 114 MGH. Constitutiones, Bd. 5 (wie Anm. 98), Nr. 254, S. 218, § 3: Insuper noverit excellencia vestra, quod in instanti festo Penthecostes illustrissimam dominam nostram dominam Elizabet filiam vestram cum debitis et preordinatis ad hoc festivitatum insigniis in Basiliensi coronabimus in reginam Romanorum. 115 Ebenda, Nr. 281, S. 241, § 1 (Friedrich an Jakob von Aragón): Et prefatam conthoralem nostram ibidem in die sancto Pentecoste per manus venerabilis Henrici sancte Coloniensis ecclesie archiepiscopi principis nostri dilecti, cui soli hoc de iure competit, procuravimus cum sollempnitatibus consuetis et debitis coronari. Fast gleichlautend die Königin an ihren Vater, mit dem Zusatz et pertinet, adhibitis omnibus solempnitatibus consuetis et debitis coronate nach competit; Acta Aragonensia. Quellen zur deutschen, italienischen, französischen, spanischen,

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schreiben sogar Friedrich die Hauptrolle zu, ebenfalls ohne den Reichsinsignien zu gedenken.116 Diese wurden also nicht bei der Krönung verwendet,117 wohl aber öffentlich zur Schau gestellt: Der Andrang bei dieser Heiltumsweisung (sanctuariorum insignia que ‚regnum‘ dicuntur) war offenbar so groß, dass das hierfür eigens konstruierte Gerüst zusammenbrach und etliche Menschen zu Tode kamen.118 Eine königliche Dienerin berichtet, der Kölner Erzbischofs habe hierzu gepredigt, dass nur dem Besitzer der Reichskleinodien die Königsherrschaft zustehe, während der, der sie nicht besitze, sich nicht König nennen dürfe (e qui no les te, negun hom nol deu apellar rey).119 Friedrich setzte die Reichskleinodien also gezielt zur Legitimierung ein: Sie verliehen seinem ersten Hoftag und der Weihe seiner Frau besonderen Glanz und wurden von einem der Kurfürsten als entscheidendes Kriterium für die Rechtmäßigkeit der Herrschaft deklariert. In

zur Kirchen- und Kulturgeschichte aus der diplomatischen Korrespondenz Jaymes II. (1291–1327), hg. von Heinrich Finke, 3 Bde., Berlin/Leipzig 1908–1922, hier Bd. 3, Nr. 127, S. 287. Eine Dienerin der Königin legte den Fokus hingegen auf die Anwesenheit zahlreicher Adeliger: la senyora nostra fo coro­nada en publich devant tuyt, sowie: fo coronada la seyora nostra ab gran solemnitat e ab grans gens, qui foren a la cort, comptes e duchs e prelats e daltres moltes gens; Ebenda, Nr. 126, S. 285f., ähnlich Bd. 1, Nr. 242, S. 362 = MGH. Constitutiones, Bd. 5 (wie Anm. 98), Nr. 291, S. 254f. 116 Größere Basler Annalen (238–1416), hg. von August Bernoulli, in: Basler Chroniken, Bd. 5, Leipzig 1895, S. 15–41, hier S. 18: Anno 1315 hielt hertzog Friderich von Osterrich, ein erwelter Rom­scher kung, hoff zG Basel und liesz sin husfrow, frow Elisabeth des kung Jocob von Arrigonia dochter, zG Basel zG einer kungenen cronen; Iohannis abbatis Victoriensis Liber certarum historiarum (wie Anm. 23), Bd. 2, l. V, c. 1, Rec. B. D. A2, S. 106 und 107: Fridericus consortem suam in Basileam vexit ibique […] eam cum maximo tripudio populorum circumquaque confluencium coronavit (verkürzt Rec. A, S. 66: eaque in civitate Basilensium cum magno tripudio coronata). 117 So hingegen Weixlgärtner, Geschichte im Widerschein der Reichskleinodien (wie Anm. 31), S. 48: „Die echten Insignien wurden auch bei der Krönung seiner jungen Frau Elisabeth von Aragon in Basel benützt.“ 118 Die Chronik des Mathias von Neuenburg, hg. von Adolf Hofmeister (MGH. Scriptores rerum Germanicarum, Nova Series 4), Berlin 1924–1940, c. 38, S. 100f.: Monstrabantur autem inibi sanctuariorum insignia, que ‚regnum‘ dicuntur, scilicet lan­cea, clavus, pars crucis Salvatoris, corona Karoli, gladii et alia per quendam Cisterciensem, et cecidit ma­china pre multitudine hominum, ex quo plurimi sunt oppressi. Die auch für die Turniere errichteten Tribünen scheinen ge­nerell von mangelhafter Qualität gewesen zu sein, heißt es hierzu doch ebenda: Cecidit et tempore hastiludii alia machina, ubi lese sunt plurime dominarum, multaque clenodia sunt subtracta. 119 Acta Aragonensia (wie Anm. 115), Bd. 3, Nr. 126, S. 285: E ha preycat lo archabisbe de Colunya devant tuyt, que aquell, qui te les reliquies de nostre senyor, quis pertanyen al regne, aquell deu esser e es rey, e qui no les te, negun hom nol deu apellar rey, e si u fa, es vedat (verkürzt im Fragment Bd. 1, Nr. 242, S. 361 = MGH. Constitutiones, Bd. 5 [wie Anm. 98], Nr. 291, S. 254). Die Liste der Reichskleinodien ist hier vollständiger als bei Mathias von Neuenburg: lo ferre de la lansa, ab que nostre senyor fo ferit al costat, e la corona del rey Carles e la espaa, qui fo tramesa per langel a Carles, e la espaa de sent Mauriç, e la I clau daquells, que fo crucificat nostre senyor, e I troç de la vera creu de nostre senyor ben gran e I dent de sent Johan Batiste.

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diesem Sinne schrieb auch die königliche Dienerin nach Hause, Friedrich habe den größeren Anspruch auf die Herrschaft, weil er über „die Reliquien des Reichs“ verfüge.120 In der Historiographie wurde den Insignien jedoch kaum gedacht, und auch der König selbst ließ sie in der Schilderung seines Herrschaftsantritts einschließlich des Hoftags unerwähnt.121 Dass die Insignien schließlich nicht bei der Krönung der Königin Verwendung fanden, könnte bedeuten, dass Friedrich seiner Frau nicht zugestehen wollte, was ihm selbst versagt geblieben war. So hebt auch die Dienerin der Königin hinsichtlich Friedrichs Krönung allein den Erzbischof von Köln als Koronator hervor, während sie die Insi­ gnien nur auf den anschließenden Hoftag in Basel bezog.122 Auch der Erzbischof von Köln hätte ansonsten wohl in seinen Schreiben zur Bonner Krönung123 in der Weise argumentiert, wie er es später in der öffentlichen Predigt in Basel tat. Der Basler Hoftag mag Friedrichs Herrschaft in der Region gefestigt haben, einen allgemeinen Abfall von Ludwig löste er nicht aus. Die Entscheidung des Thronstreits brachten erst der Sieg Ludwigs auf dem Schlachtfeld und die Gefangennahme Friedrichs. In den anschließenden Verhandlungen soll Ludwig gegenüber Herzog Leopold die Auslieferung der Reichskleinodien zur Bedingung für Gespräche gemacht haben.124 Laut Johann von Viktring habe Leopold dies verweigert, so dass die Insignien erst im Zuge der Trausnitzer Sühne vom März 1325 übergeben wurden.125 Dem widerspricht jedoch nicht nur 120 Acta Aragonensia (wie Anm. 115), Bd. 3, Nr. 126, S. 285: Item ha major part en lo emperi, per ço com ell te les reliquies del emperi e ha les mostrades a les corts en la ciutat de Basilea, on la senyora nostra fo coronada en publich devant tuyt. 121 MGH. Constitutiones, Bd. 5 (wie Anm. 98), Nr. 281, S. 241f., an seinen Schwiegervater Jakob von Aragón (siehe bes. oben, Anm. 115). 122 Acta Aragonensia (wie Anm. 115), Bd. 3, Nr. 126, S. 285: que aquest nostre ha melor elecio hauda, per ço com ell es coronat per lo archabisbe de Colunya, qui ha poder ab cartes, lonch de temps ha, per tots los papes confermades, que ell puga coronar e no altre, e encara que ha aytants de veus com laltre, e laltre es se coronat per I abat, per la qual cosa no val la sua coronacio. 123 Vgl. Büttner, Rituale der Königserhebung im Konflikt (wie Anm. 109), S. 37–41. 124 Chronica de gestis principum, hg. von Georg Leidinger, in: Bayerische Chroniken des XIV. Jahrhunderts, in: MGH. Scriptores rerum Germanicarum Bd. [19], Hannover 1918, S. 1–104, hier S. 98: Leupoldus […] sciens difficile fore contra stimulum calcitrare convertit gladium in vaginam et apud regem temptat pro fratre suo placitare. Qui super eo ipsum audire noluit, sed prius sibi regni insignia resignaret. 125 Iohannis abbatis Victoriensis Liber certarum historiarum (wie Anm. 23), Bd. 2, Rec. B. D. A2, l. V, c. 5, S. 121, zu 1323: Leupoldus spirans adhuc minarum et cedis imperialia insignia reddere recusavit et necdum se victum propter fratrum angariam affimiavit. Ebenda, S. 125, zu 1325: Officium sacre misse prior celebrat et ambos sacra communione de una hostia corroborat, sacramento Fridericum Ludewico ac pacis osculo conciliat, per pacta subiectionis et obedicionis fratres implicat, ut imperialia insignia restituant et regnum amplius non offendant. Ebenso ebenda, Rec. A, l. V, c. 6, S. 87, zur Sühne hingegen ohne Erwähnung der Reichsinsignien: […] sacramento Fridericum LGdewico ac pacis osculo conciliat. Per pacta subiectionis et

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die Darstellung bei Mathias von Neuenburg,126 sondern auch die zwar parteiische, aber bestens informierte Fürstenchronik aus Fürstenfeld: Die Reichskleinodien wurden Ludwig in Nürnberg ausgehändigt, wo dieser sie vor einer bewusst hergestellten großen Öffentlichkeit in Empfang nahm. Anschließend wurden sie nach München gebracht, wo seitdem vier Mönche des Klosters in ihrer Gegenwart täglich Messen lasen.127 Als Zeitpunkt der Übergabe nahm die ältere Forschung das Jahresende 1323 an,128 was sich noch in aktuellen Darstellungen findet.129 Dagegen konnte schon Georg Leidinger zeigen, dass die Übergabe der Reichskleinodien im Juni/Juli 1324 in Nürnberg stattfand, worauf Ludwig sie noch einmal in Regensburg zeigen ließ.130 Anders als in früheren Fällen wurde durch die Übergabe eine Verständigung und Einigung nicht sofort erreicht,131 erst neun Monate später wurde Friedrich freigelassen.132



voluntarie obedicionis fratres ad idem implicat, per eos amplius regnum non offendatur, et ut civitates in reliquum Ludewico pareant, eas a iuramentis debitis sibi laxat (ebenda, S. 91). 126 Die Chronik des Mathias von Neuenburg (wie Anm. 118), c. 52, S. 130: Tractabatur autem sepe de liberacione Friderici, et impediente liberacionem, quod dux insignia sanctuariorum imperii, lanceam videlicet et alia, noluit resignare, dicentibusque suis, quod frater eius esset captivus, dux prenoscens astuciam Ludowici dixit tractatoribus: ‚Ecce, ne hic michi inpingatur a vobis, trado vobis ea, et scio, quod nec adhuc, prout tractastis, fratrem habebo.‘ Quod et cum factum esset […]. 127 Chronica de gestis principum (wie Anm. 124), S. 98f.: Ideo habito super eo maturo consilio omni cum reverencia transmisit ei ad civitatem NFrmberch. Ubi rex accepit ea in potestatem suam omni cum honore et multis milibus hominum illic confluentibus, ut viderent ea. Viderunt et gavisi sunt pariter et compuncti. Post hec delata sunt in Bawariam, ubi in civitate Monacensi loco tutissimo servantur, quatuor monachis de cenobio FFrstenvelt presentibus iuxta sacrosancta sacramenta, divino cultui dediti, qui preter alia pia obsequia singulis diebus missarum sollempnia solvere non obmittunt. 128 Vgl. so auch Regesta Habsburgica (wie Anm. 71), Nr. 1325, S. 163. 129 Siehe beispielsweise Alois Niederstätter, Österreichische Geschichte 1278–1411: Die Herrschaft Österreich. Fürst und Land im Spätmittelalter, Wien 2001, S. 127, basierend auf den Regesta Habsburgica. 130 Chronica de gestis principum (wie Anm. 124), S. 98, Anm. 6. Insofern könnte die ursprüngliche Darstellung Johanns von Viktring (siehe oben, Anm. 125, Rec. A.) durchaus korrekt sein, berichtet dieser doch nur zu 1323 von einer Weigerung Leopolds. 131 Die Chronica de gestis principum (wie Anm. 124), S. 99f., führt dies auf die von Ludwig nach der Übergabe als weitere Bedingung für Friedensverhandlungen erhobene Forderung zurück, Leopold solle die Reichstädte, die ihm gehuldigt hatten, von ihrem Eid entbinden. Darauf soll dieser zornig erwidert haben: ‚Si integre […] non fuerint adimpleta, que michi promissa sunt, quando regni insignia resignavi, non erit pax nec concordia, quamdiu eius carebo et necdum frater meus de captivitate fuerit liberatus‘. 132 Regesta Habsburgica (wie Anm. 71), Nr. 1512, S. 187. Vgl. hierzu Claudia Garnier, Im Zeichen von Krieg und Kompromiss. Formen der symbolischen Kommunikation im frühen 14. Jahrhundert, in: Die Königserhebung Friedrichs des Schönen im Jahr 1314 (wie Anm. 109), S. 229–253, hier S. 243–253.

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Zusammenfassung und Ausblick Die Habsburger als Besitzer der Reichskleinodien: Was als eine Geschichte Jahrhunderte langer Kontinuität von Rudolf bis zu seinen Nachfahren im 19. und beginnenden 20. Jahrhundert erscheint, ist in Wirklichkeit ein auf eben jene Anfangs- und Endpunkte beschränktes Phänomen. Der Zugriff, der den ersten drei habsburgischen Königen auf die Reichskleinodien gelang, sollte nach der Niederlage Friedrichs im Thronstreit mit Ludwig IV. keine Fortsetzung finden. Und auch für diese frühe Zeit treten die Reichskleinodien in unterschiedlichem Maß und Form in Erscheinung, so dass feste Wegmarken und hypothetische Annahmen nebeneinanderstehen. Fügt man diese einzelnen Mosaiksteine zu seinem Gesamtbild zusammen, lassen sich fragwürdige Annahmen der Forschung korrigieren, unsicher scheinende Überlegungen auf festeren Boden stellen und neue Thesen vorbringen.133 Am Beginn des habsburgischen Aufstiegs von Grafen zu Königen spielten die Reichskleinodien eine besondere Rolle: Sie dienten dazu, der neuen Herrschaft eine besondere Aura zu verschaffen und an die staufischen Herrscher vor dem Interregnum anzubinden.134 So bemühte sich Rudolf sofort nach seiner Wahl durch den Pfalzgrafen darum, die Reichskleinodien nicht nur in seine prinzipielle Verfügungsgewalt, sondern in seinen unmittelbaren Besitz zu bringen: Er führte sie mit sich zu seiner Krönung nach Aachen, um dort mit der heiligen Romischin cronen gekrönt zu werden. Während ein Chronist die Außergewöhnlichkeit dieses Aktes hervorhob (daz ni konige geschach, so man sait, sidder konige Karle deme grossin), erhob für andere – in bewusster oder unbewusster Verzerrung der jüngeren Vergangenheit – das Verfügen über die Reichskleinodien an sich den Habsburger über seine unmittelbaren Vorgänger. Auch Rudolf selbst scheint dies so gesehen zu haben: Nicht 133 Dies gilt nicht zuletzt für die anzunehmenden Aufbewahrungsorte der Reichskleinodien, wie sie beispielsweise bei Albert Bühler, Reichskleinodien – Geschichte im Überblick, Karlsruhe 1953, S. 4f., Leistikow, Die Aufbewahrungsorte der Reichskleinodien – vom Trifels bis Nürnberg (wie Anm. 6), S. 197f., oder Reither, Aufbewahrungsorte der Reichskleinodien (wie Anm. 31), S. 100f., dargestellt sind. Gegenüber Petersohn, Krönungsbrauch (wie Anm. 6), S. 118, sei die Hoffnung geäußert, dass für die Zeit Albrechts und Heinrichs VII. zwar nicht durch „neue Quellenfunde“, wohl aber nur eine neue Kombination der Belege unter Ausweitung des Betrachtungszeitraums etwas Licht in das „Dickicht“ „der zahlreichen Unklarheiten und widersprüchlichen Hypothesen“ gebracht werden konnte. 134 Vgl. hierzu allgemein Franz-Reiner Erkens, Zwischen staufischer Tradition und dynastischer Orientierung: Das Königtum Rudolfs von Habsburg, in: Rudolf von Habsburg 1273–1291. Eine Königsherrschaft zwischen Tradition und Wandel, hg. von Egon Boshof/Franz-Reiner Erkens (Passauer historische Forschungen 7), Köln/Weimar/ Wien 1993, S. 33–58.

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Wahl oder Krönung, sondern die Erlangung der Reichskleinodien markierten zunächst den Zeitpunkt seines Herrschaftsbeginns. Der Verbleib der Reichskleinodien unter Rudolf ist unklar, alle expliziten diesbezüglichen Nachrichten beziehen sich auf das Ende seiner Herrschaft. Als er den Zisterziensern von Eußerthal im Sommer 1274 frühere Privilegien bestätigte, geschah dies ohne Erwähnung der von ihnen ausgeübten Hut der Insignien.135 Aus dem Schweigen lassen sich keine eindeutigen Schlüsse ziehen,136 doch erscheint es fraglich, wieso Rudolf anders als Adolf zwei Jahrzehnte später hierauf hätte verzichten sollen. Wahrscheinlicher ist, dass die Eußerthaler Mönche diesen Passus 1296 aufnehmen ließen, um ihren zeitweise übergangenen Ansprüchen neue Legitimation für die Zukunft zu geben. Sollten die Reichskleinodien zu Rudolfs Lebensende zunächst zu diesem nach Speyer und dann auf den Trifels gebracht worden sein, spielte möglicherweise erneut Pfalzgraf Ludwig II. die entscheidende Rolle bei deren Beschaffung für die Habsburger. Wenn die Indizien in Form von Itinerar und Analogieschluss sich nicht durch urkundliche Belege erhärten lassen, so gilt es zu bedenken, dass die pfalzgräfliche Urkunde von 1273 ebenfalls nicht erhalten ist, sondern nur die diesbezügliche Erklärung des Reichsministerialen. Sollte die Erlangung 1291 ohne Geldzahlung geschehen sein, die aufgrund der Begleichung in Raten Eventualbestimmungen für den Fall des vorzeitigen Todes des Königs notwendig machten, wäre damit auch die Notwendigkeit einer urkundlichen Fixierung hinfällig geworden. Wenig später musste Albrecht die Reichskleinodien an den neuen König Adolf ausliefern, wofür er die Belehnung mit den Herzogtümern Österreich und Steiermark erlangte. Nach seinem Schlachtensieg 1298 dürfte Albrecht die wieder auf dem Trifels verwahrten Reichskleinodien möglicherweise noch vor seiner Krönung in seine Gewalt gebracht haben, obgleich für die Folgezeit keine eindeutigen Hinweise über die Verwendung der Reichsinsignien vorliegen. Glaubt man der vom Dominikaner Felix Fabri in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts überliefer135 Nova Subsidia Diplomatica, Bd. 12 (wie Anm. 50), Nr. 94, S. 206–208 (= Regesta Imperii VI,1 [wie Anm. 28], Nr. 187; vgl. auch Nr. 2223). 136 Auch die von Rudolf bestätigten Privilegien Friedrichs I. und Heinrichs (VII.), die sich allerdings auf konkrete Rechtsstreite beziehen, erhalten keinen solchen Verweis (Johann Friedrich Böhmer, Regesta Imperii IV. Lothar III. und ältere Staufer 1125–1197. 2. Abt.: Die Regesten des Kaiserreichs unter Friedrich I. 1152 (1122)–1190. 4. Lief.: 1181– 1190, bearb. von Ferdinand Opll, Köln/Weimar/Wien 2011, Nr. 3026; Johann Friedrich Böhmer, Regesta Imperii V. Jüngere Staufer 1198–1272. Die Regesten des Kaiserreichs unter Philipp, Otto IV, Friedrich II, Heinrich (VII), Conrad IV, Heinrich Raspe, Wilhelm und Richard. 1198–1272, 3 Bde., bearb. von Julius Ficker/Eduard Winkelmann, Innsbruck 1881–1901, hier Bd. V,1,2, Nr. 4127).

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ten Lokaltradition, befanden sich diese für längere Zeit auf der Kyburg, wo Albrechts Tochter Agnes von Ungarn für sie die Burgkapelle umbauen ließ. Dies dürfte allerdings nicht wie bisher angenommen während der Regierungszeit ihres Vaters geschehen sein, sondern erst unter dessen Sohn König Friedrich. Wahrscheinlicher als eine Herausgabe an Heinrich VII. ist daher, dass die Reichskleinodien sowohl unter Albrecht als auch unter Heinrich auf dem Trifels blieben.137 Nach Heinrichs Tod sicherten die Habsburger sich die Reichskleinodien wohl bereits im Vorfeld der Königserhebung Friedrichs, um sie dann beim Hoftag in Basel gezielt für die Legitimierung des Königtums einzusetzen. Da Friedrichs Frau Elisabeth (wie seine gleichnamige Mutter 1298) zunächst in den sicheren Stammlanden verblieben war, bot ihre Krönung den Anlass eines Hoftags und dem damit verbundenen Zeigen der Reichskleinodien. Friedrich holte nun nach, was ihm bei seiner Krönung in Bonn verwehrt geblieben war. Dass er offenbar nicht bereit war, das Risiko eines Verlusts einzugehen, unterstreicht die von Petersohn herausgestellte Bedeutungslosigkeit der Reichsinsignien für die Königskrönung, gleichzeitig aber auch die hohe Bedeutung ihres Besitzes. Dies zeigen auch die Bemühungen Ludwigs IV., nach seinem Sieg bei Mühldorf die Aushändigung zu erreichen und so sein umstrittenes Königtum abzusichern – erst anschließend war eine Freilassung Friedrich möglich. In diesem Sinne führte der Italiener Albertino Mussato unter den verschiedenen Faktoren, die für Ludwigs legitime Herrschaft sprächen, auch den Besitz der Reichskleinodien an, beziehungsweise genauer: „die Reliquien unseres Herrn Jesu Christi, nämlich die Lanze und die Nägel, die gleichsam als gewisses Unterpfand für einen wahren Kaiser und römischen König angesehen werden“.138 Dass hier gerade die Heilige Lanze herausgegriffen wurde, verweist auf die religiöse Komponente der Reichskleinodien, die durch den Fokus auf die hierzu gehörenden Insignien gelegentlich in den Hintergrund zu treten scheint. Die Urkunde Adolfs für die Zisterzienser in Eußerthal macht jedoch deutlich, dass der weltlichen Hut der Reichskleinodien stets eine geistliche Hut zur Seite stand, wie es schon für die 137 Für die engen Beziehungen des Eußerthaler Abtes Heinrich zu beiden Herrschern (u. a. 1303 Gesandter an die Kurie, 1309 Kanzler) vgl. Martin Armgart/Heribert Feldhaus, Eußerthal, St. Maria, Zisterzienserabtei, zeitweise Zisterzienserpriorat, in: Pfälzisches Klosterlexikon (Beiträge zur pfälzischen Geschichte 26), Kaiserslautern 2014, Bd. 1, S. 405–461, hier S. 412f. 138 Albertino Mussato, Ludovicus Bavarus, hg. von Johann F. Böhmer, in: Fontes rerum Germanicarum, Bd. 1, Stuttgart 1843, S. 170–192, hier S. 188: Reliquiasque domini nostri Iesu Christi, lanceam scilicet et clavos, que veluti pignora quedam veri imperatoris et Romani regis habentur, ab illo [= Fridericus Austrie dux] eodem bello quesita potenter, sicut vera sunt, indubitanter asserimus.

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salische und staufische Zeit belegt ist.139 Wie auf dem Trifels140 wurden sie daher auf der Kyburg in einer Kapelle aufbewahrt, und es kann kein Zufall sein, dass die Heiltumsweisung 1315 gerade von einem Zisterzienser durchgeführt wurde. Dementsprechend sollte in der Diskussion um die Bedeutung der Reichskleinodien stets ihre Zusammensetzung aus Insignien und Reliquien bedacht werden,141 wobei durch die Zuschreibung zahlreicher Stücke an Karl den Großen eine Verschränkung eintrat. Der Doppelcharakter des Reichsschatzes wurde Mitte des 14. Jahrhunderts in der Paarung das heiligtum und dy cleynot des heiligen Reichs zum Ausdruck gebracht, mit den Insignien eindeutig in der untergeordneten Rolle (reliquiae sacri imperii una cum aliis adiunctis cimeliis).142 139 Vgl. Max Buchner, Die Hut der Krönungsinsignien in Frankreich und in Deutschland im Mittelalter, in: Festschrift Eduard Eichmann zum 70. Geburtstag. Dargebracht von seinen Freunden und Schülern in Verbindung mit Wilhelm Laforet, hg. von Martin Grabmann/Karl Hofmann, Paderborn 1940, S.  21–67, hier S.  62–64; Grass, Reichskleinodien (wie Anm. 1), S. 19–23. 140 Vgl. Ulrich Burkhart, Burgkapellen in der Pfalz, in: Mitteilungen des Historischen Vereins der Pfalz 107, 2009, S. 615–663, hier S. 659–661. 141 Fillitz, Die Insignien und Kleinodien des Heiligen Römischen Reiches (wie Anm. 1), S. 37–43, beispielsweise thematisiert „Reliquien und Reliquiencharakter“ der Reichskleinodien und vertritt dabei für das Spätmittelalter die Ansicht, „die staatspolitische Bedeutung der Reliquien“ sei „zur Gänze ihrem religiösen Charakter“ gewichen (S. 39). Dies dürfte für die Reichsreliquien zutreffen, nicht jedoch für die bei der Krönung verwendeten Reichsinsignien. 142 So in den beiden Urkunden über die Aushändigung der Reichskleinodien an Karl IV. im März 1350 durch die Wittelsbacher. Zuerst wird das Kreuz mit der Heiligen Lanze, einem Teil des Heiligen Kreuzes, einem Zahn des heiligen Johannes des Täufers und einem Arm der heiligen Anna genannt, dann die beiden Schwerter des heiligen Mauritius und des heiligen Karls des Großen, dann beginnend mit der Krone die übrigen Insignien und anschließend der Ornat; MGH. Constitutiones et acta publica imperatorum et regum, Bd. 10: Dokumente zur Geschichte des deutschen Reiches und seiner Verfassung 1350–1353, bearb. von Margarete Kühn, Weimar 1979–1991, Nr. 68, S. 51f. (Karl IV., deutsch); Codex diplomaticus Brandenburgensis. Sammlung der Urkunden, Chroniken und sonstigen Geschichtsquellen für die Geschichte der Mark Brandenburg und ihrer Regenten, hg. von Adolph Friedrich Riedel, 2. Teil, Bd. 2, Berlin 1843, Nr. 926, S. 294 (Markgrafen Ludwig von Brandenburg, lateinisch). Mathias von Neuenburg nahm hingegen zu 1315 noch keine solche Scheidung vor, obgleich auch er unter den sanctuariorum insignia, que ‚regnum‘ dicuntur zuerst die Reliquien nannte (siehe oben, Anm. 118). Bei der Heiltumsweisung in Nürnberg wurden die Insignien (mit der Krone in qua recluse sunt diverse reliquie zu Beginn) und Kleidungsstücke im zweiten Umgang gezeigt, die Kreuzpartikel, die Heilige Lanze und das Reichskreuz (zusammen mit anderen Herrenreliquien) hingegen im dritten Umgang; siehe den Ausrufzettel, zwischen 1438 und 1459 im Gebrauch, im Anhang bei Julia Schnelbögl, Die Reichskleinodien in Nürnberg. 1424–1523, in: Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg 51, 1962, S. 78–159, hier S. 154–159, das Zitat S. 158. Dies übersieht Mentzel-Reuters, Die goldene Krone (wie Anm. 1), S. 179 („Der erste Transitus präsentierte die Zeugnisse aus der Kindheit Jesu, der zweite die Reichskleinodien und der dritte die Reliquien des Leidens Christi.“). Ein eigenes Fest war seit 1354 der Heiligen Lanze und der Nägel vom Kreuz Christi gewidmet, während die diesbezügliche päpstliche Bulle die übrigen Reichskleinodien nur kursorisch erwähnte; vgl. Schnelbögl, Die Reichskleinodien in Nürnberg (wie diese Anm.), S. 85.

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Das Verfügen über die Reichskleinodien bedeutete den Besitz des durch sie symbolisierten Reichs: Daher konnte man Albrecht 1292 vorhalten, bei Verweigerung der Herausgabe hielte er „das Reich gefangen“. Daher war ihre Herausgabe nach 1322 die Voraussetzung für die Freilassung Friedrichs und eine gütliche Einigung mit Ludwig IV. Gleichzeitig verfügte der König mit den Reichskleinodien über exzeptionelle Reliquien, die ihn in besondere Verbindung zu Gott brachten, vergleichbar mit der Dornenkrone, die Ludwig IX. (ebenso wie die Lanzenspitze des Longinus, den heiligen Schwamm und einen Großteil des heiligen Kreuzes) für das französische Königtum erwarb.143 Die in Gegenwart der Reichskleinodien gefeierten Messen werden die Bitte um das Wohl des Herrschers enthalten haben, was für die Zeitgenossen einen besonderen Ertrag hatte, der über die moderne analytische Erfassung als symbolisches Kapital weit hinausging. Wenn die Rolle der Reichskleinodien nur vereinzelt explizit hervorgehoben wurde, dürfte damit also nur die Spitze des Eisbergs fassbar werden – nicht unbedingt oder vornehmlich was die Überlieferung betrifft, wohl aber was die zugeschriebene Wirkung und Bedeutung für das Königtum angeht. Mit der Übergabe der Reichskleinodien an die Wittelsbacher nach der Schlacht von Mühldorf endete vorerst die von den Habsburgern angestrebte feste Verbindung mit den Reichkleinodien wie mit der diesbezüglichen Herrschaft.144 In der Folgezeit versuchte sich Herzog Rudolf IV. eigene Insignien zu schaffen, um den besonderen Rang seiner Familie und seine Ambitionen auf das Königtum zu untermauern. Er scheiterte damit jedoch am Widerstand Karls IV.145 Erst etwa ein Jahrhundert später sollte mit Friedrich III. wieder ein Habsburger mit den

143 Guillaume de Nangis, Vita Sancti Ludovici Regis Franciae, hg. von Pierre-Claude-François Daunou/Joseph Naudet, in: Recueil des historiens des Gaules et de la France, Bd. 20, Paris 1840, S. 310–465, hier S. 326. Vgl. Jacques Le Goff, Ludwig der Heilige, Stuttgart 2000, S. 119–125. 144 Die ältere Forschung sah die Abkehr vom Trifels als Aufbewahrungsort unter Rudolf als Rettung der Reichsinsignien aus den Händen egoistischer und geldgieriger Reichsministerialen (Huyskens, Aachener Krone [wie Anm. 5], S. 435, in diesem Sinne abgeschwächt auch Grass, Reichskleinodien [wie Anm. 1], S. 24). Die Motive Rudolfs dürften freilich keineswegs rein selbstloser Natur gewesen sein. Die Deutung im Sinne eines hiermit verbundenen Versuchs, mit der Kontrolle über die Reichsinsignien den Anspruch seiner Nachkommen auf die Königsherrschaft zu festigen, hängt jedoch wesentlich davon ab, wie man die Ereignisse an seinem Lebensende rekonstruiert und deutet (vgl. oben bei Anm. 37–44). 145 Vgl. Erkens, Thronfolge und Herrschersakralität (wie Anm. 141), S. 433f., mit weiterer Literatur; zu Rudolf  IV. insgesamt Lukas Wolfinger, Die Herrschaftsinszenierung Rudolfs IV. von Österreich. Strategien, Publikum, Rezeption (Symbolische Kommunikation in der Vormoderne), Köln/Weimar/Wien 2018.

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Reichskleinodien in Kontakt kommen. Diese gingen jedoch nicht mehr wie noch unter den luxemburgischen Vorgängern in die Verfügungsgewalt des Königs über, sondern verblieben – trotz intensiver Bemühungen Friedrichs – in der Reichsstadt Nürnberg.146 Das Reich als Abstraktum wie als symbolische Repräsentation in seinen Insignien, die nun zusammen mit dem Ornat dem heiligen Karl dem Großen zugeschrieben wurden,147 hatte sich endgültig von seinem Herrscher gelöst. Erst in dieser Zeit erlangten die Reichsinsignien bei der Krönung besondere Bedeutung, jetzt allerdings getrennt von den Reichsreliquien. Letztere waren während der Krönungsfahrt Friedrichs III. im Sommer 1441 auf Verlangen des Königs in Nürnberg gezeigt worden.148 Für die Aachener Krönung ein Jahr später ist hingegen nur die Verwendung von die cron, dalmatica, die alben, die stolen, sandalia, die schuch, auch das swert, das cepter und der apfel überliefert,149 die der Nürnberger Rat nach mehrfacher Aufforderung übersandt hatte.150 Dieser Teil der Reichskleinodien fand auch bei der Kaiserkrönung Friedrichs 1452 und bei der Königskrönung Maximilians 1486 Verwendung, ebenso wie bei Karl V. 1520 und Ferdinand I. 1531.151 An die Stelle der in Nürnberg belassenen

146 Vgl. Frensdorff, Zur Geschichte der deutschen Reichsinsignien (wie Anm. 5), S. 67– 86; Schnelbögl, Die Reichskleinodien in Nürnberg (wie Anm.  142); Rudolf Endres, Nürnberg. „Carissima civitas“ – Kaiserstadt und Aufbewahrungsort der Reichsinsignien, in: Hauptstadt. Zentren, Residenzen, Metropolen in der deutschen Geschichte, hg. von Bodo-Michael Baumunk, Köln 1989, S. 72–87, hier S. 79–85, einschließlich der Frühen Neuzeit. 147 Siehe so beispielsweise zu 1442: Deutsche Reichstagsakten unter Kaiser Friedrich III. Zweite Abteilung 1441–1442, hg. von Hermann Herre/Ludwig Quidde (Deutsche Reichstagsakten 16), Stuttgart/Gotha 1928, Nr. 111, S. 203f.: keiser Karls gotlicher gedechtnuß klennet, die zu zirheit eins Romischen kung gehoren, so er in seiner majestat sizet; Nr. 107, S. 189, § 3e: la sainte coronne Charlemagne. Eine solche Zuschreibung findet sich vereinzelt bereits zu Heinrich VII. und Friedrich von Habsburg, vgl. oben, Anm. 84, 118 und 119. Auch 1350 wurden zahlreiche Stücke Karl dem Großen zugeordnet; MGH. Constitutiones, Bd. 10 (wie Anm. 142), Nr. 68, S. 51f.; Codex diplomaticus Brandenburgensis, 2. Teil, Bd. 2 (wie Anm. 142), Nr. 926, S. 295. 148 Vgl. Büttner, Weg zur Krone (wie Anm. 2), S. 531f. 149 Deutsche Reichstagsakten 16 (wie Anm. 147), Nr. 111, S. 204. 150 Vgl. Büttner, Weg zur Krone (wie Anm. 2), S. 549. Friedrich hatte dies neben der bloßen Notwendigkeit (der bis zur Krönung nicht rechtzeitigen Fertigstellung seines in Nürnberg in Auftrag gegebenen clennet) mit seiner besonderen Verehrung begründet (wan er besunder andacht zu denselben clennetten hette; Deutsche Reichstagsakten 16 [wie Anm. 147], Nr. 111, S. 204). 151 Vgl. Frensdorff, Zur Geschichte der deutschen Reichsinsignien (wie Anm. 5), S. 77f. (1452) und S. 80 (fälschlich mit „1530“); Büttner, Weg zur Krone (wie Anm. 2), S. 600 (zu 1486); Paul-Joachim Heinig, Die letzten Aachener Krönungen: Maximilian I., Karl V. und Ferdinand I., in: Krönungen. Könige in Aachen (wie Anm. 6), Bd. 2, S. 563– 572, hier S.  564 und 568 (zu 1486 und 1520); Schnelbögl, Die Reichskleinodien in Nürnberg (wie Anm. 142), S. 102–105 (1452, 1486, fälschlich mit „1521“).

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Andreas Büttner

Reliquien traten nun die Aachener Heiltümer, die – wie schon Sigismund 1414 durchgesetzt hatte – anlässlich der Krönung außerhalb ihres üblichen Siebenjahresrhythmus gezeigt wurden.152 So behielt die Krönung auch ohne die in Nürnberg verbleibenden Reichsreliquien eine zusätzliche sakrale Dimension, zumindest bis zu ihrer Verlegung nach Frankfurt im 16. Jahrhundert.153

152 Vgl. Büttner, Weg zur Krone (wie Anm. 2), S. 688f. 153 Zur Diskussion um die Auswirkungen der Reformation in Nürnberg auf die Reichsinsignien vgl. Harriet Rudolph, Kontinuität und Dynamik – Ritual und Zeremoniell bei Krönungsakten im Alten Reich. Maximilian II., Rudolf II. und Matthias in vergleichender Perspektive, in: Investitur- und Krönungsrituale. Herrschaftseinsetzungen im kulturellen Vergleich, hg. von Marion Steinicke/Stefan Weinfurter, Köln/Weimar/Wien 2005, S. 377–399, hier S. 389f. Allerdings wurden aus Aachen neben dem Säbel und dem ‚Krönungsevangeliar‘ auch die Stephansbursa, die angeblich mit dem Blut des heiligen Stephan getränkte Erde enthielt, nach Frankfurt gebracht. Zur Rolle Aachens und Nürnbergs im 17. und 18. Jahrhundert und dem Streit um die Aufbewahrung der Insignien vgl. Hans Joachim Berbig, Der Krönungsritus im Alten Reich 1648-1806, in: Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte 38, 1975, S. 639–700, hier S. 642–649.

Herrschaftsräume und Aufstieg der Habsburger zur europäischen Dynastie

Christina Lutter

Die Habsburger und Österreich (13. bis 15. Jahrhundert) Er ist ein guter Herr, es ist ein gutes Land, Wohl wert, daß sich ein Fürst sein unterwinde! So lässt Franz Grillparzer zu Beginn seiner berühmten Lobrede auf Österreich im dritten Akt von „König Ottokars Glück und Ende“ Rudolf I. von Habsburg ansprechen, und den König später die vom Böhmenkönig Ottokar beherrschten Länder zurück fordern: Die Lande Österreich und Steiermark, Mit Kärnten und mit Krain, der Wind‘schen Mark, Als ungerecht dem Reiche vorenthalten, Gebt wieder Ihr zurück in meine Hand! Ist hier nicht Feder und Papier? wir wollen Die Handfest gleich in Ordnung bringen lassen!1 Die rechtliche Lösung hatte bekanntlich keinen Bestand; es folgte das große Finale auf dem Schlachtfeld, wo Ottokar 1278 endgültig Reich und Leben verlor.2 Franz Grillparzer vollendete seine monumentale

1

Franz Grillparzer, König Ottokars Glück und Ende (entstanden 1823, Erstdruck: Wien (Wallishausser) 1825, zitiert nach Franz Grillparzer: Sämtliche Werke. Ausgewählte Briefe, Gespräche, Berichte, hg. von Peter Frank/Karl Pörnbacher, München 1960– 1965, Bd. 1, die Zitate auf S. 1035 und 1038, online unter http://www.zeno.org/ nid/20004898761 (letzter Zugriff am 19.9.2018). 2 Andreas Kusternig, Studien zur Schlacht bei Dürnkrut und Jedenspeigen 1278. Quellenproblematik und Schlachtrekonstruktion, Wien/Köln 1982. Zusammengefasst bei

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Christina Lutter

Parabel von Aufstieg und Fall des maßlosen Königs, die eigentlich Napoleon galt, 1823 unter den strengen Zensurbedingungen der habsburgischen Restauration.3 Grillparzer selbst war Beamter im kaiserlich-königlichen Hofkammerarchiv in Wien.4 Er hat ausführlich recherchiert, Mittelhochdeutsch gelernt und mit seinem Stück eigene Zeitgeschichte reflektiert wie historische Mythen bedient: Das Lobgedicht auf Österreich jedenfalls gehörte bis vor wenigen Jahrzehnten zum Kanon der Schulkinder des Landes. Doch welchen Landes sollte sich der historische Rudolf denn eigentlich „unterwinden“, wie Grillparzer so eingängig formuliert? In welchem Land übernahmen er und bald seine Söhne nach Ottokars spektakulärem Ende tatsächlich die Herrschaft, und was hat man sich darunter konkret vorzustellen? Den Organisatoren der Tagung, auf deren Grundlage dieser Band beruht, ging es um neue Perspektiven auf Wohlbekanntes: In diesem Beitrag betrifft das den habsburgischen Aufstieg zu einer „europäischen Dynastie“ und die Räume, in denen er sich vollzog. „Die Habsburger und Österreich“ über drei Jahrhunderte und knapp zwei Dutzend nominell Herrschaft ausübende Herzöge prägnant zu diskutieren, zwingt auch rein pragmatisch zur Schwerpunktsetzung. Daher zunächst eine Skizze wichtiger Rahmenbedingungen: Im Zeitraum zwischen den Anfängen des habsburgischen Königtums in den Jahrzehnten um 1300 und der Wiedererlangung dieser Würde durch die Dynastie rund 100 Jahre später vollzog sich die Etablierung und Konsolidierung der habsburgischen Herrschaft in einem Raum, den Zeitgenossen und Forschung als „österreichische Erbländer“ bezeichnen.5 „Österreich“ selbst meinte zunächst nur das ehemals

Heinz Dopsch u. a., Die Länder und das Reich. Der Ostalpenraum im Hochmittelalter, hg. von Herwig Wolfram (Österreichische Geschichte im Hochmittelalter 1122–1278), Wien 2003, S.  468–481; sowie Alois Niederstätter, Die Herrschaft Österreich. Fürst und Land im Spätmittelalter, hg. von Herwig Wolfram (Österreichische Geschichte 1278–1411), Wien 2001, S. 67–86. Vgl. Karl-Friedrich Krieger, Rudolf von Habsburg, Darmstadt 2003, S. 115–154. 3 Das Stück durfte erst zwei Jahre später gezeigt werden: Uraufführung am 19. Februar 1825 in Wien. Vgl. dazu Helmut Rumpler, Eine Chance für Mitteleuropa. Bürgerliche Emanzipation und Staatsverfall in der Habsburgermonarchie, hg. von Herwig Wolfram (Österreichische Geschichte 1804–1914), Wien 1997, S. 210 f. und 217. 4 Franz Grillparzer – ein Finanzbeamter und Archivdirektor. Festschrift zum 200. Geburtstag, hg. von Gottfried Mraz, Landsberg 1991. 5 Niederstätter, Herrschaft Österreich (wie Anm. 2) sowie Alois Niederstätter, Das Jahrhundert der Mitte. An der Wende vom Mittelalter zur Neuzeit, hg. von Herwig Wolfram (Österreichische Geschichte 1400–1522), Wien 1996; Christian Lackner, Das Haus Österreich und seine Länder im Spätmittelalter, in: Fragen der politischen Integration im mittelalterlichen Europa, hg. von Werner Maleczek (Vorträge und Forschungen 63), Ostfildern 2005, S. 273–302.

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babenbergische Herzogtum an der Donau.6 Wie dieses Kernland hatten auch alle anderen „österreichischen Länder“ ihre eigene wechselvolle Geschichte der Landeswerdung, die jeweils in vorhabsburgische Zeit datiert.7 Diesem Umstand trägt übrigens auch Grillparzer in seiner Aufzählung jener Länder Rechnung, die Rudolf von Ottokar zurückforderte. Dass Kärnten schließlich Teil dieser Ländergruppe blieb und später auch Tirol habsburgisch wurde, war in den 1280er Jahren alles andere als klar und ist einer Reihe dynastischer Zufälle geschuldet. Denn mit den Grafen von Görz-Tirol hatte sich im 13. Jahrhundert eine weitere starke Dynastie im Ostalpenraum etabliert, die diese beiden für die Verbindung zu Italien so zentralen Länder kontrollierte.8 Ungeachtet ihrer Zusammenführung unter habsburgischer Herrschaft behielten alle „österreichischen Länder“ ihre Traditionen und Eigenheiten und nicht zuletzt ihre Namen. „Österreich“ im umfassenden Sinn wird erst gegen Ende des hier behandelten Zeitraums zu einem relevanten Begriff: Das „Haus Österreich“, Domus Austriae (belegt erstmals 1326, verstärkt seit 1438/9 in Verbindung mit der Königswürde) benennt aber bezeichnender Weise vor allem die Dynastie und 6

Eine Auswahl aus den einschlägigen Darstellungen zur Begriffsgeschichte, chronologisch gereiht: Erich Zöllner, Der Österreichbegriff. Formen und Wandlungen in der Geschichte, München 1988; Probleme der Geschichte Österreichs und ihrer Darstellung, hg. von Herwig Wolfram/Walter Pohl (Veröffentlichungen der Kommission für die Geschichte Österreichs 18), Wien 1991; Was heißt Österreich? Inhalt und Umfang des Österreichbegriffs vom 10. Jahrhundert bis heute, hg. von Richard G. Plaschka/Gerald Stourzh/Jan Paul Niederkorn, Wien 1995; Was heißt „österreichische“ Geschichte?, hg. von Martin Scheutz/Arno Strohmeyer (Wiener Schriften zur Geschichte der Neuzeit 6), Innsbruck 2008. 7 Vgl. Karl Brunner, Herzogtümer und Marken. Vom Ungarnsturm bis ins 12. Jahrhundert, hg. von Herwig Wolfram (Österreichische Geschichte 907–1156), 2. Aufl. Wien 2003 und Dopsch, Die Länder und das Reich (wie Anm. 2), besonders der Abschnitt „Herrschaftsbildung und Landwerdung im Ostalpenraum“, S. 209–440. Vgl. Enno Bünz, Das Land als Bezugsrahmen von Herrschaft, Rechtsordnung und Identitätsbildung. Überlegungen zum spätmittelalterlichen Landesbegriff, in: Spätmittelalterliches Landesbewusstsein in Deutschland, hg. von Matthias Werner (Vorträge und Forschungen 61), Ostfildern 2005, S. 53–92; für die österreichischen Länder Winfried Stelzer, Landesbewußtsein in den habsburgischen Ländern östlich des Arlbergs bis zum frühen 15. Jahrhundert, ebenda S. 157–222, sowie den konzisen Überblick bei Othmar Hageneder, Das Werden der österreichischen Länder, in: Der österreichische Föde­ ralismus und seine Grundlagen, Wien 1970, S. 21–42. 8 Wilhelm Baum, Die Grafen von Görz in der europäischen Politik des Mittelalters, Klagenfurt 2000; Josef Riedmann, Mittelalter, in: Geschichte des Landes Tirol von den Anfängen bis 1490, hg. von Josef Fontana/Peter W. Haider, Bozen/Innsbruck/Wien 1985, S. 265–641, hier S. 399–410; Niederstätter, Herrschaft Österreich (wie Anm. 2), S. 222–252, außerdem Josef Riedmann, Das entscheidende Jahrhundert in der Geschichte Tirols (1259–1363), in: Eines Fürsten Traum. Meinhard II. – Das Werden Tirols. Tiroler Landesausstellung 1995, 2. Aufl. Dorf Tirol/Innsbruck 1995, S. 27–58, hier S. 38– 42; Christoph Haidacher, Die Verwaltungsorganisation Meinhards II. und seiner Nachfolger, ebenda S. 113–118.

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erst in zweiter Linie die von ihr beherrschten Länder.9 Ihre Grenzen fungierten als Nahtstellen wie als „Sollbruchstellen“, die in innerdynastischen Konflikten und über die Erbländer hinausgehenden Koalitionen regelmäßig erneut aktiviert wurden – im Übrigen weit über die „Epochengrenze“ hinaus: Nach der seit den Herrschaftsteilungen ab 1379 erstmals wieder gemeinsamen Regierung aller Erbländer unter Maximilian I. und seinem Enkel Ferdinand I. wurden die österreichischen Ländergruppen seit 1564 abermals und weitere 100 Jahre lang (bis 1665) von drei verschiedenen habsburgischen Linien regiert.10 Dennoch war das „lange 14. Jahrhundert“ entscheidend für die Etablierung der „Erbländer“ als Basis für die habsburgische Familien- und Hausmachtpolitik. In Wechselwirkung mit diesen jeweils unterschiedlichen Prozessen wurden die Habsburger zusammen mit den Wittelsbachern und Luxemburgern in diesem Zeitraum auch eine der drei „königsfähigen“ Familien im römisch-deutschen Reich. Beide Entwicklungen waren weder linear noch stellten sie eine ungebrochene Erfolgsgeschichte dar. Die großen Krisen in den Jahrzehnten um 1400 und das „Desintegrationspotential“, das sie sichtbar machen, verdeutlichen die Problematik von „Präfigurations“-Vorstellungen habsburgischer Herrschaft in Europa. Sie zeigen, wie sehr dynastische und territoriale Politik erst im Nachhinein folgerichtig und kohärent erscheint und wie offen ihr Ausgang in der Gegenwart der zeitgenössischen Akteure letztlich war.11

Für einen Einstieg siehe den konzisen Überblick von Christian Lackner, Vom Herzogtum Österreich zum Haus Österreich (1278–1519), in: Geschichte Österreichs, hg. von Thomas Winkelbauer, Wien 2015, S. 110–158, zur Begriffsbildung besonders S. 111, S. 117, S. 157. Vgl. Alphons Lhotsky, Was heißt „Haus Österreich“?, in: Aufsätze und Vorträge, Bd. 1, München 1970, S. 344–364. 10 Niederstätter, Jahrhundert der Mitte (wie Anm. 5) sowie Thomas Winkelbauer, Ständefreiheit und Fürstenmacht. Länder und Untertanen des Hauses Habsburg im konfessionellen Zeitalter, zwei Teilbände, hg. von Herwig Wolfram (Österreichische Geschichte 1522–1699), Wien 2003, hier besonders Bd. 1, S. 44–47. 11 Diesem Zeitraum widmet sich die detaillierte Darstellung von Niederstätter, Herrschaft Österreich (wie Anm. 2); zu den durch den frühen Tod Herzog Rudolfs IV. im Jahr 1365 ausgelösten Auseinandersetzungen und Länderteilungen vgl. ebenda S. 172– 200 und Niederstätter, Jahrhundert der Mitte (wie Anm.  5), S.  140–163; für den reichspolitischen und europäischen Hintergrund vgl. die Beiträge in: Europäische Governance im Spätmittelalter. Heinrich VII. von Luxemburg und die großen Dynastien Europas. Gouvernance européenne au bas moyen âge. Henri VII de Luxembourg et l´Europe des grandes dynasties, hg. von Michel Pauly, Luxembourg 2010. Dort auch jeweils grundlegende Überlegungen zur Kontingenz politisch-dynastischer Entwicklungen gegen ältere Präfigurations-Thesen, etwa Alois Niederstätter, Der – zögerliche  – Aufstieg der Habsburger zu europäischen Herrschern, ebenda S.  269–286; so auch pointiert die Einleitung von Mark Mersiowsky, Der Weg zum Übergang Tirols an Österreich 1363. Anmerkungen zur Politik im 14. Jahrhundert, in: 1363–2013. 650 Jahre Tirol mit Österreich, hg. von Christoph Haidacher/Mark Mersiowsky, Innsbruck 2015, S. 9–53, hier besonders S. 13 f. 9

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Gleichzeitig führten die fortwährenden Konflikte und mit ihnen einhergehende Ausverhandlungsprozesse zu einer grundlegenden strukturellen Veränderung – der zunehmend institutionalisierten Formierung der Stände als Vertretungen der einzelnen Länder, deren Eigenheiten sie repräsentierten.12 Auf der territorialen Basis, die nun zunehmend auch durch die Landesvertretungen repräsentiert war, wurde die Dynastie seit dem 15. Jahrhundert in neuerlicher Verbindung mit dem Königtum zu einem zentralen Faktor europäischer Mächtepolitik. Ihr ist der dritte Teil des Tagungsbandes gewidmet. Einen kleinen Ausblick aus „österreichischer“ Perspektive möchte ich am Ende dieses Beitrags geben. Wie erzählt man die Geschichte einer Dynastie und der mit ihrem Namen verbundenen Länder im Jahr 2018? Drei Jahrzehnte „Neue Politikgeschichte“ und „Kulturgeschichte des Politischen“ haben uns für die Langwierigkeit und Nicht-Linearität der Prozesse sensibilisiert, in denen Vorstellungen und Praxis von Herrschaft wirksam wurden, ebenso wie für die Bedeutung des Faktors „Zufall“, der gerade für dynastische Politik so zentral ist und die Handlungsspielräume von Akteuren grundlegend, wenn auch immer situativ veränderte. Nicht zuletzt haben sie uns einen begrifflich-methodologischen Baukasten zur Verfügung gestellt, den ich für die Beantwortung folgender Fragen nutzen möchte:13 Wie wird herrschaftliche Autorität und Kontrolle etabliert, strukturiert und ausgeübt? Welche personellen, kommunikativen und institutionellen Mittel kommen dabei zum Einsatz? Welche Bedeutung hat das Sichtbarmachen herrschaftlicher Macht und durch welche Medien erfolgt es?14

12 Niederstätter, Jahrhundert der Mitte (wie Anm. 5), Abschnitt „Fürst und Länder“, S. 215–268. 13 Zum konzeptionellen Hintergrund vgl. Achim Landwehr, Diskurs – Macht – Wissen. Perspektiven einer Kulturgeschichte des Politischen, in: Archiv für Kulturgeschichte 85, 2003, S. 71–117; Was heißt Kulturgeschichte des Politischen?, hg. von Barbara Stollberg-Rilinger (Zeitschrift für Historische Forschung, Beiheft 35), Berlin 2005, besonders die Einleitung der Herausgeberin, S. 9–24. 14 Für eine Anwendung dieser Konzepte auf die hier zur Diskussion gestellten Fragen vgl. eine Auswahl rezenter einschlägiger Bände: Pauly, Europäische Governance im Spätmittelalter (wie Anm. 11); Habsburger Herrschaft vor Ort – weltweit (1300–1600), hg. von Jeanette Rauschert/Simon Teuscher/Thomas Zotz, Zürich 2013; Haidacher/Mersiowsky, 650 Jahre Tirol mit Österreich (wie Anm.  11); The Origins of the German Principalities 1100–1350, hg. von Graham A. Loud/Jochen Schenk, London 2017, für den hier relevanten Zusammenhang: Martina Stercken, Shaping a Dominion: Habsburg Beginnings, ebenda S. 329–346 und Christina Lutter, The Babenbergs: Frontier March to Principality, ebenda S. 312–328 für eine „Vorgeschichte“ aus dieser Perspektive.

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Neue Könige – fremde Fürsten Rudolfs I. Politik in den Herzogtümern Österreich und Steiermark unterschied sich, einmal abgesehen von ihrer rechtlichen Legitimation, pragmatisch zunächst nicht wesentlich von jener Ottokars von Böhmen, als dieser nach dem Tod des letzten Babenbergers (1246) die politisch maßgeblichen „Landherren“ auf seine Seite zu bringen getrachtet hatte.15 Die Bedeutung politischer Elitenvertreter ist auch für die Formierung der habsburgischen Herrschaft kaum zu überschätzen. Die miteinander in personellen, oft auch über die Landesgrenzen nach Böhmen und Mähren ausgreifenden Netzwerken verbundenen Angehörigen adeliger, städtischer und geistlicher Eliten hatten von der Privilegien-Politik Ottokars in der ersten Phase seiner Herrschaft in Österreich (und bald auch der Steiermark) profitiert. Als der Böhmenkönig später nach Festigung seiner Position diese Privilegien wieder zurücknahm und Widerstand mit Gewalt niederschlug, gingen sie folgerichtig zunehmend in Opposition zu ihm.16

15 Die klassische Studie ist Alphons Lhotsky, Geschichte Österreichs seit der Mitte des 13. Jahrhunderts (1281–1358) (Veröffentlichungen der Kommission für Geschichte Österreichs 1), Wien 1967. Die großen Überblicksdarstellungen zur Landesgeschichte sind Dopsch u. a., Die Länder und das Reich (wie Anm. 2), hier v. a. S. 441–481 und Niederstätter, Herrschaft Österreich (wie Anm.  2); siehe auch die rezente Synthese von Lackner, Vom Herzogtum Österreich zum Haus Österreich (wie Anm. 9). Grundlegend zur Rechts- und Verfassungsgeschichte ist Maximilian Weltin, Das Land und sein Recht. Ausgewählte Beiträge zur Verfassungsgeschichte Österreichs im Mittelalter, hg. von Folker Reichert/Winfried Stelzer (Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung. Ergänzungsband 49) Wien/München 2006. Das Wechselverhältnis von Konfliktaustragung und symbolischer Politik diskutieren an diesem Beispiel: Gerd Althoff, Rudolf von Habsburg und Ottokar von Böhmen: Formen der Konfliktaustragung und -beilegung im 13. Jahrhundert, in: Spielregeln der Politik im Mittelalter, hg. von Gerd Althoff, Darmstadt 1997, S. 85–99; Klaus van Eickels, Tradierte Konzepte in neuen Ordnungen. Personale Bindungen im 12. und 13. Jahrhundert, in: Ordnungskonfigurationen im hohen Mittelalter, hg. von Bernd Schneidmüller/Stefan Weinfurter (Vorträge und Forschungen 64), Ostfildern 2006, S. 93–125. 16 Grundlegend sind die Beiträge in Ottokar-Forschungen, hg. von Max Weltin/Andreas Kusternig, Jahrbuch für Landeskunde von Niederösterreich und Wien, Neue Folge 44/45, Wien 1978/79; vgl. Weltin, Das Land und sein Recht (wie Anm. 15), besonders „Landesherr und Landherren. Zur Herrschaft Ottokars Přemysl in Österreich“, ebenda S. 130–187 sowie „König Rudolf und die österreichischen Landherren“, ebenda S. 421–435; Marie Bláhová, Österreich in der böhmischen Geschichtsschreibung der späten Přemyslidenzeit, in: Kontakte und Konflikte: Böhmen, Mähren und Österreich. Aspekte eines Jahrtausends gemeinsamer Geschichte, hg. von Thomas Winkelbauer, Horn 1993, S.  79–88; zuletzt unter besonderer Berücksichtigung der Sozial- und Kulturgeschichte regionaler Eliten: Christina Lutter, Negotiated Consent: Power Policy and the Integration of Regional Elites in late 13th Century Austria, in: Policies of Disciplined Dissent in the 12th to Early 16th Centuries, hg. von Fabrizio Titone, Roma 2016, S. 41–64.

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Maßgebliche Vertreter dieser Gruppen hinter sich zu bringen, war Rudolf I. schon bei der Vorbereitung seiner militärischen Aktionen gegen Ottokar gelungen. Mit Ausnahme einer überschaubaren Zahl allerdings einflussreicher Leute in Wien und Umgebung gewann Rudolf nach seinem reichsrechtlichen und militärischen Erfolg gegen Ottokar die meisten Großen abermals durch rechtliche und ökonomische Privilegien. Ihre Unterstützung benötigte der König nicht zuletzt, um realpolitisch die Kontrolle über Besitz und Rechte im Land zurückzuerlangen. Friedenswahrung durch den Erlass eines Landfriedens, die zügige Kodifikation des Landrechts und die Besetzung der wichtigsten Ämter (etwa Landmarschälle und Landeshauptleute) aus vor-habsburgischer Zeit gingen Hand in Hand mit der mühseligen Wiedergewinnung des ehemals babenbergischen Besitzes und dessen Dokumentation im sogenannten „Landbuch“ als ökonomischer Basis für das weitere Herrschaftshandeln.17 Später zeugt im Osten wie im Westen der habsburgischen Länder die zunehmende Verwaltungsüberlieferung von einer planvollen Erweiterungs- und Arrondierungspolitik, finanziert durch Steuern und Verkauf oder Verpfändung von Rechten und Besitz.18 All diese Maßnahmen wären ohne die Unterstützung wichtiger „Landherren“-Vertreter allerdings deutlich weniger effektiv umsetzbar gewesen. Gleichzeitig engten die ihnen dafür gemachten Zugeständnisse den landesfürstlichen Handlungsspielraum empfindlich ein. Sie zurückzunehmen blieb Rudolfs Sohn Albrecht I. vorbehalten, den der König 1282 zunächst mit seinem Bruder Rudolf II. „zur gesamten Hand“ mit den österreichischen Ländern belehnt und gleichzeitig beide Söhne in den Reichsfürstenstand erhoben hatte und der bereits seit König Rudolfs „Rheinfeldener Hausordnung“ (1283) allein

17 Babenbergische Genealogie und Babenbergisches Landbuch, in: Jansen Enikels Werke, Weltchronik, Fürstenbuch, hg. von Philipp Strauch, in: MGH. Deutsche Chroniken, Bd. 3, Neudruck München 1980, S. 680–729; zur Überlieferung Fritz P. Knapp, Die Literatur des Spätmittelalters in den Ländern Österreich, Steiermark, Kärnten, Salzburg und Tirol von 1273–1439, Band 2/1, Graz 1999, S. 252–253. Zu diesen und weiteren rechtlichen Maßnahmen vgl. im Detail: Weltin, König Rudolf (wie Anm. 16); zur habsburgischen Landfriedenspolitik im Westen vgl. Martina Stercken, Herrschaftsausübung und Landesausbau. Zu den Landfrieden der Habsburger in ihren westlichen Herrschaftsgebieten, in: Landfriede – Anspruch und Wirklichkeit, hg. von Arno Buschmann/Elmar Wadle, Paderborn 2002, S. 185–211. 18 Aktuelle Zusammenfassung mit präziser Bibliographie: Stercken, Shaping a Dominion (wie Anm. 14) sowie die Beiträge in Rauschert/Teuscher/Zotz, Habsburger Herrschaft vor Ort (wie Anm. 14), besonders Christian Lackner, Zwischen herrschaftlicher Gestaltung und regionaler Anpassung. Pfandschaften, Ämterkauf und Formen der Kapitalisierung in der Verwaltung der spätmittelalterlichen Länder Österreich und Steiermark, ebenda S. 35–48.

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regierte.19 Es verwundert nicht, dass Rudolf, bevor er das Land verließ, um sich nun primär der Reichspolitik zuzuwenden, es nicht versäumte, eine Reihe von „Treuebriefen“ politisch besonders prekär eingeschätzter Personen ausstellen zu lassen, um den Herrschaftsübergang zu Albrecht I. abzusichern. Denn selbstverständlich war die Position der neuen Herrscher noch alles andere als stabil.20 Albrecht führte die rudolfinische Politik konsequent weiter, nun allerdings abermals unter sukzessiver Rücknahme von Privilegien – etwa Gerichtsrechten – und mit einer Personalpolitik, die herzogliche Vertraute außerhalb der etablierten Netzwerke zur Durchsetzung der landesfürstlichen Politik heranzog, wie den Züricher Heinrich von Landenberg, die Herren von Wallsee oder Heinrich, den Abt des steirischen Klosters Admont. Besonderen Widerstand erregte die harte Vorgehensweise Heinrichs von Admont im herzoglichen Auftrag; ebenso der Umstand, dass Albrecht diesen einflussreichen Geistlichen auch zum steirischen Landschreiber und zum Landeshauptmann des Herzogtums Steier machte, was der steirische Reimchronist wie folgt kommentierte: daz was den herren swaere, daz ein phaffe lantschrîbaere unde houbtman solde wesen! Im Jahr 1288 verfügte schließlich die Salzburger Provinzialsynode, Geistlichen die Bekleidung weltlicher Ämter zu untersagen.21 Albrechts Politik resultierte letztlich in einer Reihe von Aufständen: Zunächst in Wien 1287/88, dann 1291/1292 – im Jahr nach Rudolfs Tod und der gescheiterten Königswahl Albrechts gegen Adolf von Nassau – in der Steiermark. Schließlich erhoben sich 1295/6 nach Gerüchten vom Tod des Herzogs die Landherren des Herzogtums Österreich gegen ihren Herrn.22 An diesen Konflikten zeigen sich mehrere strukturelle 19 Krieger, Rudolf von Habsburg (wie Anm. 2), S. 160; Niederstätter, Herrschaft Österreich (wie Anm. 2), S. 96–104. 20 Karl Uhlirz, Die Treubriefe der Wiener Bürger aus den Jahren 1281 und 1288 (Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung. Ergänzungsband 5), Wien 1896–1903, S. 76–110 mit ausführlicher urkundlicher Dokumentation. Dazu Peter Csendes, König Ottokar II. Přemysl und die Stadt Wien, in: Ottokar-Forschungen (wie Anm.  16), S.  142–158, hier S.  154; zuletzt Lutter, Negotiated Consent (wie Anm. 16), hier S. 49–54, besonders S. 53 f. 21 Ottokars Österreichische Reimchronik, hg. von Joseph Seemüller, in: MGH. Deutsche Chroniken, Bd. 5, Hannover 1890–1893, Nachdruck 1980, S. 321, Vers 24.314–24.316. Zu den einzelnen Maßnahmen im Detail siehe Lhotsky, Geschichte Österreichs (wie Anm. 15), S. 57–72, zu Heinrich von Admont v. a. S. 67–70, S. 76–79, S. 86–88, S. 95 zu dessen Ermordung; zur Provinzialsynode, ebenda S. 87 mit urkundlichen Belegen; vgl. außerdem Karel Hruza, Die Herren von Wallsee. Geschichte eines schwäbisch-österreichischen Adelsgeschlechts (1171–1331) (Forschungen zur Geschichte Oberösterreichs 18), Linz 1995. 22 Eine gute Übersicht über die einzelnen Aufstände bietet Niederstätter, Herrschaft Österreich (wie Anm. 2), S. 99–102.

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Konstanten: Erstens, Herrschaftsdurchsetzung war permanenten Verhandlungsprozessen mit den regional maßgeblichen Großen geschuldet. Zweitens, diese Elitengruppen waren heterogen zusammengesetzt. Sie stellten um 1300 keine geschlossenen sozialen oder politischen Entitäten dar. Vielmehr gingen ihre Vertreter ihrerseits unterschiedliche, oft nur temporäre Allianzen ein, die Statusgruppen, adeliges und städtisches Milieu ebenso wie die Grenzen zwischen den Erbländern und über diese hinaus überschritten. Drittens, in den Prozessen von sowohl gewalttätig ausgetragenen Konflikten als auch diese begleitenden Verhandlungen begannen sich allmählich Formen der sozialen Differenzierung zwischen den sie tragenden Gruppen abzuzeichnen, die später in der Formierung der Stände ihren Ausdruck finden sollten. Ein besonders eindrucksvolles Beispiel für die Überschneidung dieser Ebenen ist der abermals durch den steirischen Reimchronisten besonders gut dokumentierte Wiener Aufstand (1287/88) gegen den Habsburger Stadt- und Landesherrn: Wiener Stadteliten und Handwerker hatten sich, unterstützt durch regionale Adelige in der Umgebung, gegen Herzog Albrecht verbündet, sodass sich dieser mit dem Hof nach Klosterneuburg zurückziehen musste und von dort aus die Nahrungszufuhr nach Wien unterband. Diese Blockade sprengte die Allianz, denn nun wandten sich die einfachen Leute, der povel – Vertreter diverser Handwerke, die hier erstmals genannt werden – gegen die reichen Bürger. Nur das Eingreifen der Herzogin Elisabeth und des Abtes des Schottenklosters verhinderte Blutvergießen, so die Chronik.23 Albrecht konnte sich durchsetzen; Rudolfs Stadtrechtsprivileg wurde teilweise kassiert und erst nach dem Aufstand der österreichischen Landherren (1295), an dem sich die Wiener bezeichnender Weise dann nicht beteiligten, wieder erneuert (1296).24 Aber nur ein Jahr nach

23 Ottokars Österreichische Reimchronik (wie Anm. 21), S. 867–871, zum Eingreifen des Abtes und der Herzogin, S. 871, Vers 65.798–65.815. Zur dort falschen Datierung vgl. Nachrichten aus dem mittelalterlichen Wien. Zeitgenossen berichten, hg. von Ferdinand Opll, Wien 1995, S. 55–57. Inhaltlich im Detail: Ferdinand Opll, Vom frühen 13. bis zum Ende des 14. Jahrhunderts, in: Wien. Geschichte einer Stadt, Band 1: Von den Anfängen bis zur Ersten Wiener Türkenbelagerung (1529), hg. von Peter Csendes/Ferdinand Opll, Wien/Köln/Weimar 2001, S. 95–144, hier S. 109–117. Ausführlich im hier argumentierten Sinn der gruppenübergreifenden Allianzen und sozialen Durchlässigkeit vgl. Christina Lutter, Ways of Belonging to Medieval Vienna, in: Medieval Vienna in Context, hg. von Elisabeth Gruber/Susana Zapke (Brill`s Companions to European History), Leiden 2019 [in Druckvorbereitung]. 24 Die Rechtsquellen der Stadt Wien, hg. von Peter Csendes (Fontes rerum Austriacarum III/9) Wien/Köln/Graz 1986, Nr. 16 und 17; Opll, Nachrichten (wie Anm. 23), S. 60; Richard Perger, Beiträge zur Wiener Verfassungs- und Sozialgeschichte im Spätmittelalter, in: Jahrbuch des Vereins für Geschichte der Stadt Wien 32/33, 1976/77, S. 11–41, besonders S. 28–30 und S. 33 zu den sozialen Gruppen in der Stadt.

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Albrechts Ermordung (1308) gab es eine erneute Konflikt-Konstellation unter dessen Nachfolger Friedrich I., wenn auch mit veränderten Parteiungen: Einige städtische Elitenvertreter schlossen sich diesmal mit österreichischen Landherren gegen den Herzog zusammen, in dessen Reihen nun aber neben regionalen Rittern auch Vertreter wichtiger Handwerkergruppen waren. Nachdem auch dieser Aufstand niedergeschlagen wurde, ließ Friedrich dessen städtische Anführer hinrichten, andere mussten die Stadt verlassen. Der Herzog erneuerte das Stadtrechtsprivileg, ebenso wie einflussreiche Handwerker und herzogliche Gefolgsleute ad personam mit Besitz und Würden für ihre Loyalität belohnt wurden.25

Stabilisierung und Herrschaftsrepräsentation Ähnliche Beispiele lassen sich auch für die übrigen habsburgischen Herrschaftsgebiete anführen.26 Charakteristisch ist dabei jeweils die nahezu „strukturelle Situativität“ dieser Konstellationen. Erst die Herrschaft Albrechts II. brachte eine Stabilisierung der Verhältnisse. Sie ist wohl nicht zuletzt dem Umstand geschuldet, dass Albrecht im Unterschied zu seinen Vorgängern im Herzogtum, die auf Reichsebene in aufwändigen Doppelwahl-Konstellationen gebunden waren, nicht auch gleichzeitig das Königtum im römisch-deutschen Reich anstrebte.27 Umgekehrt gilt: So sehr die ersten Generationen der Habsburger Herzöge immer wieder mit derartigen Widerständen konfrontiert waren, so wenig koordiniert war das Handeln der einzelnen oppositionellen Gruppen. Längerfristig bestand auch ihr Erfolg daher weniger in grundlegenden Änderungen der jeweiligen Ausgangslagen als in ihrer zunehmend institutionalisierten Präsenz seit etwa Mitte des 14. Jahrhunderts und einer damit nachhaltigeren Wirksamkeit ihrer Einflussnahme in den einzelnen Erbländern. Machtausübung hat konkrete räumliche Dimensionen. Zugleich werden politische Räume kommunikativ geschaffen. Die Interaktionen

25 Opll, Vom frühen 13. bis zum Ende des 14.  Jahrhunderts (wie Anm.  23), S.  116–117; Oppl, Nachrichten (wie Anm. 23), S. 60 und S. 65; Richard Perger, Die politische Rolle der Wiener Handwerker im Spätmittelalter, in: Wiener Geschichtsblätter 38, 1983, S. 1–36. 26 Detailliert und mit vielen Quellenbelegen diskutiert bei Lhotsky, Geschichte Österreichs (wie Anm. 15), S. 78–81 und 94 f. 27 Niederstätter, Herrschaft Österreich (wie Anm. 2), S. 132–146; Lhotsky, Geschichte Österreichs (wie Anm. 15), S. 310–375. Für den reichsgeschichtlichen Hintergrund siehe Karl-Friedrich Krieger, Die Habsburger im Mittelalter. Von Rudolf I. bis Friedrich III., 2. Aufl. Stuttgart 2004.

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zwischen Landesfürsten und Elitenvertretern fanden an konkreten Orten statt, deren Lagen in derselben Weise wie personale Netzwerke Reichweite und Tiefe von Herrschaft erfassen lassen. Neben den militärischen Auseinandersetzungen um einzelne Burgen spielten Städte und Klöster eine zentrale Rolle in der pragmatischen und symbolischen Politik der Habsburger wie anderer Familien auch.28 Die Memorialpolitik der neuen Herzöge in den Erbländern knüpfte einerseits an die Tradition ihrer babenbergischen Vorgänger an.29 Neben der Namensgebung (Friedrich, Leopold, Heinrich hießen drei von Albrechts I. Söhnen) gilt das besonders für die Förderung der österreichischen Zisterzienserklöster, allen voran Heiligenkreuz bei Wien. Hier befand sich der Großteil der babenbergischen Grablegen, und auch zwei Enkel König Rudolfs I. wurden hier beigesetzt.30 Andererseits setzte die Familie der neuen Landesfürsten bewusst neue Akzente, die ihrerseits geeignet waren, zwischen Land und Stadt sowie Länder übergreifend integrativ zu wirken. Herausragend ist die habsburgische Förderung der Mendikanten, wie sie sich auch andere mitteleuropäische Herrscher angelegen sein ließen, allen voran die ungarische Königsfamilie.31 König Rudolf selbst inszenierte nach seinem Sieg über Ottokar die wochenlange öffentliche Aufbahrung von dessen Leichnam im Konvent der Wiener Minoriten und gründete um 1280 das Dominikanerinnenkloster in Tulln; eine Wiener Niederlassung (St. Laurenz) folgte noch vor der Jahrhundertwende. Eine erste Gründung für 28 Vgl. dazu Stercken, Shaping a Dominion (wie Anm. 14), besonders S. 330–337. 29 Alexander Sauter, Fürstliche Herrschaftsrepräsentation. Die Habsburger im 14. Jahrhundert (Mittelalter-Forschungen 12), Ostfildern 2003, hier S. 21–36. Grundlegend sind: Memoria in der Gesellschaft des Mittelalters, hg. von Dieter Geuenich/Otto Gerhard Oexle (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte 111), Göttingen 1994 sowie Memoria als Kultur, hg. von Otto Gerhard Oexle (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte 121), Göttingen 1995. 30 Sauter, Fürstliche Herrschaftsrepräsentation (wie Anm. 29), S. 30–33; Brigitta Lauro, Die Grabstätten der Habsburger. Kunstdenkmäler einer europäischen Dynastie, Wien 2007, hier S. 13–18. 31 Für einen aktuellen Überblick siehe Beatrix F. Romhányi, Mendicant Networks and Population in a European Perspective, in: Medieval East Central Europe in a Comparative Perspective. From Frontier Zones to Lands in Focus, hg. von Gerhard Jaritz/ Katalin Szende, London/New York 2016, S. 99–122; Gábor Klaniczay, The Mendicant Orders in East-Central Europe and the Integration of Cultures, in: Hybride Kulturen im mittelalterlichen Europa, hg. von Michael Borgolte/Bernd Schneidmüller, Berlin 2010, S. 245–260 sowie Julia Burkhardt, Allerchristlichste Könige und Mindere Brüder. Franziskanische Klöster als Begegnungsräume im angevinischen Königreich Ungarn, in: Abrahams Erbe. Konkurrenz, Konflikt und Koexistenz der Religionen im europäischen Mittelalter, hg. von Ludger Lieb/Klaus Oschema/Johannes Heil, München 2014, S. 40–57; Queens, Princesses and Mendicants. Close Relations in a European Perspective, hg. von Nikolas Jaspert/Imke Just (Vita regularis. Ordnungen und Deutungen religiösen Lebens im Mittelalter. Abhandlungen 75), Zürich 2019.

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Klarissen erfolgte 1289 in Dürnstein an der Donau.32 Rudolf III. und Blanche von Valois etablierten die großzügige Stiftung für eine weitere Klarissengemeinschaft nahe der Wiener Burg (1304/05), deren Gründung wenige Jahre vor jener in Königsfelden (1311) erfolgte und die in den folgenden Jahrzehnten besonders von den Habsburgerinnen tatkräftig unterstützt wurde.33 Während Herzog Friedrich I. mit der Übersiedlung der Gemeinschaft der Augustiner-Eremiten an einen dem Hof nahen Standort (1327) diesem urbanen Trend folgte, steht er gleichzeitig auch exemplarisch für eine scheinbar gegenläufige Tendenz: Er ließ sich schließlich in der von ihm gegründeten Kartause Mauerbach begraben, während Albrecht II. die niederösterreichische Kartause Gaming in der geografischen Mitte der beiden neuen Herzogtümer großzügig als Grablege ausstattete und einen der größten zusammenhängenden Besitzkomplexe in den Erbländern schuf.34 Sein Sohn Rudolf IV. hingegen erwarb die Patronatsrechte über die Pfarrkirche St. Stephan in Wien, stattete sie als Trägerin der herrscherlichen memoria mit einem Kollegiatkapitel aus und bestimmte sie zur 32 Zu Ottokars Aufbahrung siehe Peter Csendes, König Ottokar und die Stadt Wien (wie Anm.  20), S.  158; zuletzt zu Tulln: Barbara Schedl, Der König und seine Klosterstiftung in der Stadt Tulln. Eine Selbstinszenierung Rudolfs I. im Herzogtum Österreich, in: Beiträge zur Kirchengeschichte Niederösterreichs 14, 2004, S. 9–17. Überblick: Gottfried Friess, Geschichte der österreichischen Minoritenprovinz (Archiv für österreichische Geschichte 64), Wien 1882; Ernst Englisch, Bettelorden in Österreich von den Anfängen bis in die Mitte des 14. Jahrhunderts unter besonderer Berücksichtigung ihrer Beziehungen zu den Habsburgern. Im Anhang der „Index Universalis“ des Wiener Dominikanerklosters herausgegeben und erläutert, ungedr. phil-hist. Diss. Wien 1969; Herta Hageneder, Die Minoriten in den österreichischen Städten, in: Stadt und Kirche, hg. von Franz-Heinz Hye (Beiträge zur Geschichte der Städte Mitteleuropas 13), Linz 1995, S. 257–268. 33 Barbara Schedl, Herzogshof und Frauenkloster. Repräsentative Bettelordensarchitektur im Herzogtum Österreich, in: Bettelorden in Mitteleuropa. Geschichte, Kunst, Spiritualität, hg. von Heidemarie Specht/Ralph Andraschek-Holzer (Beiträge zur Kirchengeschichte Niederösterreichs 15), St. Pölten 2008, S. 433–448 sowie die umfassende Studie: Barbara Schedl, Klosterleben und Stadtkultur im mittelalterlichen Wien. Zur Architektur religiöser Frauenkommunitäten, Innsbruck 2009; zu Königsfelden siehe Claudia Moddelmog, Königliche Stiftungen des Mittelalters im historischen Wandel. Quedlinburg und Speyer, Königsfelden, Wiener Neustadt und Andernach (StiftungsGeschichten 8), Berlin 2012 sowie Königsfelden. Königsmord, Kloster, Klinik, hg. von Simon Teuscher/Claudia Moddelmog, Baden 2012. 34 Zur Wiener Sakraltopographie grundlegend Richard Perger/Walther Brauneis, Die mittelalterlichen Kirchen und Klöster Wiens (Wiener Geschichtsbücher 19/20), Wien/ Hamburg 1977; zu den hier genannten Wiener Klöstern vgl. Sauter, Fürstliche Herrschaftsrepräsentation (wie Anm.  29), S.  52–63; zu den niederösterreichischen Gründungen Mauerbach, Neuberg an der Mürz und Gaming, ebenda S.  38–52; außerdem Martin Haltrich, Die Kartause Gaming im Spiegel von Archivwesen, Verwaltungspraxis und Handschriftenproduktion, ungedr. phil. Diss. Wien 2010; zu den Grablegen vgl. Lauro, Grabstätten, S.  39–64: Minoritenkirche Wien; Dominikanerinnenkloster Tulln; Kartause Mauerbach; Zisterzienserstift Neuberg; Kartause Gaming.

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fürstlichen Grablege.35 Die beiden auf den ersten Blick so unterschied­ lichen Orte und Institutionen wurden jeweils als Instrumente zur Stabilisierung von Machtverhältnissen genutzt, die sowohl Kontinuitäten als auch Verschiebungen der politisch-dynastischen Interessen der Habsburger erkennen lassen. Doch ebenso wenig wie Gaming „nur“ Ort der habsburgischen memoria war, sondern in ein kirchenpolitisches Beziehungsgeflecht integriert, in dem sich Interessen und Rechte von Diözese, Orden und Landesfürsten überlagerten, war St. Stephan nicht nur die Kirche des Landesfürsten und Ort seiner Repräsentation.36 Sie war zudem eine der ältesten Pfarrkirchen Wiens und seit dem 14. Jahrhundert – gleichzeitig mit der Sicherung des Patronatsrechts für den Herzog – auch Ort der städtischen Gedächtniskultur. Dies äußerte sich nicht zuletzt in der Bedeutung der Wiener Eliten bei der Finanzierung des riesigen Bauprojekts, und besonders in der Vielzahl unterschied­ licher Stiftungen, die ab dem 15. Jahrhundert in der Überlieferung des Kirchmeisteramts dokumentiert sind.37 Der langwierige Prozess des Kirchenbaus wurde durch das Zusammenwirken verschiedener Personengruppen ermöglicht und spielte so eine wichtige integrative und Gemeinschaft stiftende Rolle in der und für die Stadt.38

35 850 Jahre St. Stephan. Symbol und Mitte in Wien 1147–1997, hg. von Renata KassalMikula/Rainer Pohanka (226. Sonderausstellung. Historisches Museum der Stadt Wien. Dom- und Metropolitankapitel Wien), Wien 1997; Renate Kohn, Eine Fürstengrablege im Wiener Stephansdom, in: Archiv für Diplomatik 59, 2013, S. 555–602; Lukas Wolfinger, Die Stephanskirche zu Wien als Bühne und Medium fürstlicher Selbstdarstellung unter Herzog Rudolf IV. von Österreich (1358–1365), in: Ecclesia als Kommunikationsraum in Mitteleuropa (13.–16. Jahrhundert), hg. von Eva Doležalová/Robert Šimuº nek (Veröffentlichungen des Collegium Carolinum 122), München 2011, S. 119– 146; Lauro, Grabstätten, S. 70–83. 36 Viktor Flieder, Stephansdom und Wiener Bistumsgründung. Eine diözesan- und rechtsgeschichtliche Untersuchung (Veröffentlichungen des Kirchenhistorischen Instituts der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien 6), Wien 1968. 37 Die Rechnungen des Kirchmeisteramtes von St. Stephan zu Wien. Über die Jahre 1404, 1407, 1408, 1415–1417, 1420, 1422, 1426, 1427, 1429, 1430, 1476, 1535, im Auftrage des Stadtrathes der K. K. Reichshaupt- und Residenzstadt, Bd. 1 und 2, hg. von Karl Uhlirz, Wien 1901–1902. Eine Auswertung aller Schriftquellen zum Bau liegt nun mit der Studie von Barbara Schedl, St. Stephan in Wien. Der Bau der gotischen Kirche (1200– 1500), Wien 2018 vor. Aus der aktuellen kunsthistorischen Literatur siehe v. a. Johann Josef Böker, Der Wiener Stephansdom. Architektur als Sinnbild für das Haus Österreich, Salzburg 2007 sowie Der Dombau von St. Stephan. Die Originalpläne aus dem Mittelalter, Ausstellungskatalog Wien Museum, hg. von Michaela Kronberger/Barbara Schedl, Wien 2011. 38 Renate Kohn, Stadtpfarrkirche und landesfürstlicher Dom. Der Interpretationsdualismus der Wiener Stephanskirche im 14. Jahrhundert, in: Der Hof und die Stadt. Konfrontation, Koexistenz und Integration in Spätmittelalter und früher Neuzeit, hg. von Werner Paravicini/Jörg Wettlaufer (Residenzenforschung 23), Ostfildern 2006, S. 181–203; Christina Lutter/Elisabeth Gruber, (K)Ein Bischof für Wien? Die österreichischen Herzöge und ihre Bischöfe, in: Bischofsstadt ohne Bischof? Präsenz,

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Während Albrecht bei der wirtschaftlichen Absicherung der Kartause in Gaming auf Grundbesitz und Immobilien zurückgriff und die Stiftung als exklusiven Ort für die Herzogsfamilie und enge Vertraute etablierte, band Rudolf eine Reihe an der Pfarrkirche interessierter sozialer Gruppen ein, allen voran die Geistlichkeit und die Angehörigen der ebenfalls frisch gegründeten Universität (1365).39 Das hatte auch ganz pragmatische Gründe. Zur Finanzierung des Betriebs des Kolle­ giatkapitels übertrug der Herzog zwar einige Mauten und Steuerprivi­ legien an St. Stephan, die Kosten für den Bau selbst trugen aber vor allem die Bürger der Stadt. Für diese Kombination aus Förderung urbaner Prosperität und Repräsentation und gleichzeitig intensivierter Rückbindung an die fürstlichen Interessen ist Wien sicher das herausragende Beispiel in den östlichen Erbländern.40 Neben Herzog Rudolfs bekannten Maßnahmen betreffend St. Stephan und die Wiener Universität wird diese verschränkte Politik besonders an seinen steuerpolitischen Initiativen und jenen zur Dynamisierung des städtischen Immobilienmarktes deutlich.41 Martina Stercken weist in ihrem Beitrag zu diesem Band auf die große politische und ökonomische Bedeutung der habsburgischen Städtepolitik in ihren westlichen Stammländern hin.42 Die österreichischen Länder wiesen demgegenüber ein Ost-West-Gefälle auf – der überwiegende Anteil der Stadtgründungen erfolgte in den Herzogtümern Österreich und Steiermark und zwar vor 1300, also in vorhabsburgischer 39

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Interaktion und Hoforganisation in bischöflichen Städten des Mittelalters (1300–1600), hg. von Andreas Bihrer/Gerhard Fouquet (Residenzenforschung. Neue Folge: Stadt und Hof 4), Kiel 2017, S. 199–234, besonders S. 212–221. Vgl. den Beitrag von Christian Lackner in diesem Band, sowie Karl Ubl, Anspruch und Wirklichkeit: Die Anfänge der Universität Wien im 14. Jahrhundert, in: Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung 113, 2005, S.  63–89; Wolfgang Eric Wagner, Universitätsstift und Kollegium in Prag, Wien und Heidelberg. Eine vergleichende Untersuchung spätmittelalterlicher Stiftungen im Spannungsfeld von Herrschaft und Genossenschaft (Europa im Mittelalter. Abhandlungen und Beiträge zur historischen Komparatistik 2), Berlin 1999. Vgl. Symbolische Interaktion in der Residenzstadt des Spätmittelalters und der Frühen Neuzeit, hg. von Gerrit Deutschländer/Marc von der Höh/Andreas Ranft (Hallische Beiträge zur Geschichte des Mittelalters und der Frühen Neuzeit 9) Berlin 2013 sowie Kurt Andermann, Sakrale Funktionen der Hauptstadt, in: Krakau, Prag und Wien. Funktionen von Metropolen im frühmodernen Staat, hg. von Marina Dmitrieva/Karen Lambrecht (Forschungen zur Geschichte und Kultur des östlichen Mitteleuropa 10), Stuttgart 2000, S. 13–25. Dazu aktuell Thomas Ertl/Thomas Haffner, The Property Market of Late Medieval Vienna, in: Gruber/Zapke, Medieval Vienna in Context (wie Anm. 23) [in Druckvorbereitung]. Siehe auch grundlegend Martina Stercken, Städte der Herrschaft. Kleinstadtgenese im habsburgischen Herrschaftsraum des 13. und 14. Jahrhunderts, Köln/Weimar/ Wien 2006.

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Zeit.43 Doch gerade auch Rudolfs Zuwendungen für die Städte Hall und Innsbruck im Zuge der Auseinandersetzungen um seine Herrschaftsübernahme in Tirol dokumentieren eindrucksvoll das herzogliche Bewusstsein für die Bedeutung urbaner Ressourcen für Herrschaftsstabilisierung und, im konkreten Fall, für die Integration der westlichen und östlichen Gebiete der habsburgischen Länder.44 Zudem ist der exemplarische Vergleich albertinischer und rudolfinischer Memorialpolitik signifikant für Gemeinsamkeiten wie Unterschiede der Nutzung herrschaftsrelevanter Ressourcen durch Vater und Sohn, deren Herrschaftsauffassungen und -praxis lange primär als Gegensatz aufgefasst wurden. Fraglos ist das „Projekt“ St. Stephan zusammen mit der öffentlich zur Schau gestellten Heiligen- und Reliquien­ verehrung ein herausragendes Beispiel für die Verschränkung von demonstrativer Frömmigkeit und Symbolpolitik, welche die sakrale Dimension von Rudolfs Herrschaftsprogramm insgesamt kennzeichnete.45 Dass es sich dabei um ein „Maximalprogramm“ handelt – am prominentesten dokumentiert wohl in den spektakulären Fälschungen des sogenannten Privilegium Maius – steht ebenfalls außer Frage.46 Wie sehr aber Rudolfs Politik nicht nur seinem viel zitierten Selbstbewusstsein und 43 Vgl. Herbert Knittler, Städtelandschaften in Österreich im Spätmittelalter und in der Frühneuzeit, in: Städtelandschaft, réseau urbain, urban network. Städte im regionalen Kontext in Spätmittelalter und früher Neuzeit, hg. von Holger Th. Gräf/Katrin Keller, Köln 2004, S. 111–133; Herwig Weigl, Die unauffälligen Städte. Österreichs Kleinstädte im Dunkel der Historiographie, in: Österreich im Mittelalter. Bausteine zu einer revidierten Gesamtdarstellung, hg. von Willibald Rosner, St. Pölten 1999, S. 119–166 und Herwig Weigl, Große Herren und kleine Städte im spätmittelalterlichen Österreich, in: Mittler zwischen Herrschaft und Gemeinde. Die Rolle von Funktions- und Führungsgruppen in der mittelalterlichen Urbanisierung Zentraleuropas, hg. von Elisabeth Gruber/Susanne Claudine Pils/Sven Rabeler u. a. (Forschungen und Beiträge zur Wiener Stadtgeschichte 56), Innsbruck/Wien/Bozen 2013, S. 49–79. 44 Vgl. Mersiowsky, Der Weg zum Übergang (wie Anm. 11), besonders S. 46–53, der anhand zahlreicher urkundlicher Belege auf die besondere Bedeutung der Städte in der politischen Dynamik des Jahres 1363 um die habsburgische Herrschaftsübernahme in Tirol verweist. Damit korrespondierend Julia Hörmann-Thurn und Taxis, Die Entscheidung von 1363 oder Macht und Ohnmacht einer Fürstin, in: Haidacher/Mersiowsky, 650 Jahre Tirol mit Österreich (wie Anm. 11), S. 55–89, besonders S. 72 f, wo sie die Handlungsspielräume Margaretes von Tirol anhand ihrer Urkundenpraxis dokumentiert. 45 Wolfinger, Stephanskirche als Bühne (wie Anm.  35); Lukas Wolfinger, Die Herrschaftsinszenierung Rudolfs IV. von Österreich. Strategien – Publikum – Rezeption (Symbolische Kommunikation in der Vormoderne), Wien/Köln/Weimar 2018, Kapitel III.2.1. Vgl. auch Patrick Fiska, Das älteste Reliquienverzeichnis von St. Stephan in Wien, in: Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung 121, 2013, S. 325–351. Zur Reliquienpolitik Karls IV. vgl. Martin Bauch, Divina favente clemencia. Auserwählung, Frömmigkeit und Heilsvermittlung in der Herrschaftspraxis Kaiser Karls IV. (Forschungen zur Kaiser- und Papstgeschichte des Mittelalters. Beihefte zu J. F. Böhmer, Regesta Imperii 36), Köln/Weimar/Wien 2015. 46 Die klassischen bzw. die wichtigsten neueren Arbeiten zu diesen bemerkenswerten Dokumenten in chronologischer Reihenfolge ihres Erscheinens: Wilhelm Watten-

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der daraus resultierenden Konkurrenz zu seinem Schwiegervater Karl IV., sondern auch intergenerationellem Familienhandeln im Rahmen der zeitgenössischen dynastischen Kräfteverhältnisse geschuldet ist, hat jüngst etwa Lukas Wolfinger betont.47

Strategien und Grenzen der Machterweiterung Die wechselvolle Geschichte der Länder Kärnten, besonders aber Tirol in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts macht das besonders deutlich. Spätestens seit dem Tod Meinhards II. von Görz-Tirol (1295) standen beide, den strategisch zentralen Durchgang nach Italien markierenden Länder im Zentrum der Interessen jener Dynastien, die sich in den folgenden Jahrzehnten als „königsfähig“ konstituieren sollten – der Luxemburger, Wittelsbacher und Habsburger.48 Umgekehrt bemühten sich zu Beginn des Jahrhunderts nach dem Ende der přmyslidischen Dynastie in Böhmen sowohl die Meinhardiner als auch die Habsburger, letztlich erfolglos gegen die Luxemburger, um die böhmische Krone.49 Eine Generation später (1330) heiratete Johann Heinrich von Luxemburg

bach, Die österreichischen Freiheitsbriefe. Prüfung ihrer Echtheit und Forschungen über ihre Entstehung (Archiv für österreichische Geschichte 8), Berlin 1852, S.  77–119; Alphons Lhotsky, Privilegium maius. Die Geschichte einer Urkunde (Österreich Archiv. Schriftenreihe des Arbeitskreises für österreichische Geschichte), Wien 1957; Peter Moraw, Das Privilegium maius und die Reichsverfassung, in: Fälschungen im Mittelalter (Schriften der MGH 33/3), Hannover 1988, S. 201–224; Sauter, Fürstliche Herrschaftsrepräsentation (wie Anm. 29), S. 159–186; Eva Schlotheuber, Das Privilegium maius – eine habsburgische Fälschung im Ringen um Rang und Einfluss, in: Die Geburt Österreichs. 850 Jahre Privilegium minus, hg. von Peter Schmid/Heinrich Wanderwitz (Regensburger Kulturleben 4), Regensburg 2007, S. 143–165 sowie aktuell die Beiträge in: Privilegium maius. Autopsie, Kontext und Karriere der Fälschungen Rudolfs IV. von Österreich, hg. von Thomas Just/Kathrin Kininger/Andrea sommerlechner/Herwig Weigl (Veröffentlichungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung 69 / Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs, Sonderband 15), Wien 2018. 47 Lukas Wolfinger, Albrecht II. und Rudolf IV. von Österreich. Zur Interpretation des Herrschaftsstils zweier spätmittelalterlicher Habsburger, in: Heilige, Helden, Wüteriche. Herrschaftsstile der Luxemburger (1308–1437), hg. von Martin Bauch/Julia Burkhardt/Tomáš Gaudek/Václav Zurek, Köln/Weimar/Wien 2017, S. 285–303, mit umfangreichen Beispielen und Quellenbelegen. 48 Überblick wie oben Anm. 8. Zum Folgenden vgl. die Beiträge in: Pauly, Europäische Governance im Spätmittelalter (wie Anm. 11), dort besonders Niederstätter, Der zögerliche Aufstieg, S. 269–286 und Michael Menzel, Aufstieg ohne Dauer. Die Wittelsbacher bis ins luxemburgische Zeitalter, ebenda S. 287–323; Michael Menzel, Die Wittelsbacher Hausmachterweiterungen in Brandenburg, Tirol und Holland, in: Deutsches Archiv 61, 2005, S.  103–159; Herrschaftsstile der Luxemburger (wie Anm.  47); Mersiowsky, Der Weg zum Übergang (wie Anm. 11). 49 Niederstätter, Herrschaft Österreich (wie Anm.  2), S.  113–117 und S.  234–238; mit Schwerpunktsetzung auf symbolische Politik, Rang- und Standesdenken diskutiert bei Mersiowsky, Der Weg zum Übergang (wie Anm. 11), S. 18–22.

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die Tiroler Erbtochter Margarete. 1335 wurde mit dem Tod ihres Vaters Heinrich die Erbfolge virulent und die latent vorhandenen dynastischen Konflikte aktualisiert. Während die Habsburger Brüder Albrecht II. und Otto ihre Ansprüche auf Kärnten fast problemlos durchsetzen konnten, fanden Margarete und ihr Gatte nur anfangs Rückhalt bei den Tiroler Adeligen. Maßgeblich war auch die militärische Unterstützung von Johann Heinrichs Bruder Karl (IV.), der zudem Schlüsselpositionen wie die Bistümer von Brixen und Trient mit böhmischen Gefolgsleuten besetzte.50 Beide Fälle – wenn auch in Tirol schärfer konturiert – verdeutlichen das Spektrum der Faktoren, die bei der Gestaltung von dynastischer Politik und besonders in Momenten ihrer Krisen eine Rolle spielten. Bei der Nachfolge in Kärnten zählten dazu Vorabsprachen der habsburgischen Herzöge mit König Ludwig von Bayern hinsichtlich der Belehnung, besitzrechtliche Vereinbarungen mit dem Erzbischof von Salzburg und dem Bischof von Bamberg sowie enge Verbindungen zwischen steirischen und Kärntner Elitenvertretern. Dazu wurde wieder an alte symbolische Traditionen angeknüpft, hier in Form der ritualisierten Herzogseinsetzung durch die Kärntner Großen am Fürstenstein in Karnburg, der sich Herzog Otto für die Habsburger unterzog.51 50 Julia Hörmann-Thurn und Taxis, Der fremde Fürst im Land. Zur Regierung Johann Heinrichs von Böhmen in Tirol, in: Die Erbtochter, der fremde Fürst und das Land. Die Ehe Johanns des Blinden und Elisabeths von Böhmen in vergleichender europäischer Perspektive, hg. von Michel Pauly, Luxemburg 2013, S. 135–181; Ellen Widder, Vergessene Zeiten. Luxemburger und Wittelsbacher als Herren Tirols, in: Anno 1363. Tatort Tirol. Es geschah in Bozen (Runkelsteiner Schriften zur Kulturgeschichte 5), Bozen 2013, S. 15–38; Margarete „Maultasch“. Zur Lebenswelt einer Landesfürstin und anderer Frauen des Mittelalters, hg. von Julia Hörmann-Thurn und Taxis (Schlern-Schriften 399), Innsbruck 2007; besonders Ellen Widder, Margarete „Maultasch“. Zu Spielräumen von Frauen im Rahmen dynastischer Krisen des Spätmittelalters, ebenda S.  51–79; Ellen Widder, Überlegungen zur politischen Wirksamkeit von Frauen im 14. Jahrhundert. Margarete Maultasch und Agnes von Ungarn als Erbtöchter, Ehefrauen und Witwen, in: Haidacher/Mersiowsky, 650 Jahre Tirol mit Österreich (wie Anm. 11), S. 91–133; aus der umfangreichen Literatur zum Herrschaftshandeln mittelalterlicher Fürstinnen vgl. hier nur: Fürstin und Fürst. Familienbeziehungen und Handlungsmöglichkeiten von hochadeligen Frauen im Mittelalter, hg. von Jörg Rogge, Ostfildern 2004; Mächtige Frauen? Königinnen und Fürstinnen im europäischen Mittelalter (11.–14. Jahrhundert), hg. von Claudia Zey (Vorträge und Forschungen 81), Ostfildern 2015; Überblick zu den Ereignissen: Wilhelm Baum, Margarete Maultasch. Ein Frauenschicksal im späten Mittelalter zwischen Eros und Politik, 2. Aufl. Klagenfurt/ Wien 2007, hier S. 20–25; Die Quellenberichte im Detail diskutiert mit umfangreichen bibliographischen Angaben Mersiowsky, Weg zum Übergang (wie Anm. 11), S. 25–30. 51 Zuletzt Christoph Paulus, Ein seltzamme gewonheit …. Die Zeremonien an Fürstenstein und Herzogstuhl in der Sicht des Spätmittelalters und der Frühen Neuzeit, in: Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung 122, 2014, S. 22–39; Peter Štih, Suche nach der Geschichte oder wie der Fürstenstein das Nationalsymbol der Slowenen geworden ist, in: Vergangenheit und Vergegenwärtigung, Frühes Mittelalter und europäische Erinnerungskultur, hg. von Helmut Reimitz/Bernhard Zeller, Wien 2009, S. 29–40 sowie Peter Štih, Die Nationswerdung der Slowenen und damit verknüpfte Geschichtsvorstellungen und Geschichtsmythen, in: Carinthia 197, 2007, S. 365–381.

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Für Tirol war die königliche Anerkennung des Luxemburger Konkurrenten zögerlicher erfolgt. Dazu kamen Widerstände vor Ort gegen die prononcierte Praxis der Herrschaftsdurchsetzung. Die Balance kippte endgültig, als Erben ausblieben und Margarete, unterstützt von den Tiroler Großen, ihren zeugungsunfähigen Gatten der Burg und schließlich samt Gefolge des Landes verwies (1341). Die spektakuläre Geschichte, die schon die zeitgenössische Historiographie bewegte, fokussiert mit der Frage der hier fehlenden Nachkommenschaft ein Schlüssel-Element ­dynastischer Politik, das als Scharnier pragmatischer und symbolischer Aspekte von Herrschaftsausübung fungierte:52 Die Wiederverheiratung Margaretes mit dem Wittelsbacher Ludwig von Brandenburg führte zu einer raschen Belehnung des Paares durch Ludwigs königlichen Vater. Die Interessen von Land und Leuten wurden umgehend verbrieft. Die durch den Macht- und Ehrverlust bedingte dynastische Auseinandersetzung zwischen Luxemburgern und Wittelsbachern, innerhalb derer eine Vielzahl von Akteuren regional spezifische Interessen mitverhandelten, entspannte sich allerdings erst Ende der 1340er Jahre.53 Doch die Belehnung von Margarete und Ludwig betraf nicht nur Tirol, sondern auch Kärnten, und beruhte abermals auf erbrechtlichen Vorabsprachen. Wie reagierten die Habsburger, die ja ihrerseits legitime Herzöge des Landes waren? Albrecht II. reiste umgehend und trotz seiner physischen Beeinträchtigung nach Kärnten, um dort mit der Wiederholung der Herzogseinsetzung die wesentlichen zeremoni52 So etwa bei Johann von Viktring: quod causa fuerit in eo impotencia coeundi, ipsaque sua consors Margareta, cupiens esse mater, hoc sepius familiaribus patefecit et heredem ardenter desideravit, quod per eius consorcium fieri penitus desperavit: Iohannis abbatis Victoriensis liber certarum historiarum, Libri 1–3, hg. von Fedor Schneider, in: MGH. Scriptores rerum Germanicarum in usum scholarum, Bd. 36, 2 Bände, Hannover/Leipzig 1909/1910, Bd. 2, S. 222. Dazu Ellen Widder, Margarete „Maultasch“. Zu Spielräumen von Frauen im Rahmen dynastischer Krisen des Spätmittelalters, in: HörmannThurn und Taxis, Margarete „Maultasch“ (wie Anm. 50), S. 51–79, hier S. 63 f. und Mersiowsky, Weg zum Übergang (wie Anm. 11), S. 31 f. Zusammenstellung: Wilhelm Baum, Margarete „Maultasch“ im Urteil der Zeitgenossen und der Nachwelt, in: Hörmann-Thurn und Taxis, Margarete „Maultasch“ (wie Anm. 50), S. 99–116. Grundlegend ist Jean-Marie Moeglin, Dynastisches Bewußtsein und Geschichtsschreibung: Zum Selbstverständnis der Wittelsbacher, Habsburger und Hohenzollern im Spätmittelalter (Schriften des Historischen Kollegs, Vorträge 34), München 1993. 53 Details bei Mersiowsky, Weg zum Übergang (wie Anm. 11), S. 35–39. Zu einer kulturhistorisch motivierten Sensibilisierung für die Bedeutungen von Rang und Ehre vgl. grundlegend Karl-Heinz Spiess, Rangdenken und Rangstreit im Mittelalter, in: Zeremoniell und Raum, hg. von Werner Paravicini (Residenzenforschung 6), Sigmaringen 1997, S. 39–61; Principes. Dynastien und Höfe im späten Mittelalter, hg. von Cordula Nolte/Karl-Heinz Spiess/Rolf-Gunnar Werlich, Stuttgart 2002 sowie zum Beispiel die rezenten Bände: Fürstlicher Rang im spätmittelalterlichen Europa. Stand und Perspektiven der Forschung. Princely Rank in Late Medieval Europe. Trodden Paths and Promising Avenues, hg. von Thorsten Huthwelker/Jörg Peltzer/Maximilian Wemhöner, Ostfildern 2011; Herrschaftsstile der Luxemburger (wie Anm. 47).

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ellen Zeichen zu setzen. Dessen ungeachtet unterstützte er das Tiroler Herrscherpaar (und damit die Wittelsbacher) bei seinen Bemühungen um päpstliche Anerkennung der Ehe, und schon in den 1350er Jahren fand man zu einem pragmatischen Ausgleich in Kärnten. Etwa gleichzeitig erfolgte die verstärkte Annäherung an die Luxemburger, befestigt durch die Heirat von Albrechts ältestem Sohn Rudolf und des nunmehrigen Königs Karls IV. Tochter Katharina in Prag (1353).54 Albrechts Vermittlungspolitik zielte auf Stabilisierung und Integration der habsburgischen Länder. Die Angleichung der Landrechte von Kärnten, Krain und der Steiermark sind dafür ebenso aussagekräftig wie das bei Karl IV. erwirkte Privilegium de non evocando zur Stärkung der herzoglichen Gerichtshoheit und eine Hausordnung, die zwar die gemeinsame Regierung seiner Söhne vorsah, aber die Teilung der Länder untersagte und für ihre Einheit die Landherren als Garanten nannte.55 Es dürfte in keinem Widerspruch dazu stehen, dass Albrecht seinen erstgeborenen Sohn Rudolf auf dieser Grundlage als Nachfolger aufbaute. Der junge Herzog erweiterte sie sowohl ideell als auch praktisch. Mit den im Privilegium Maius artikulierten Ansprüchen, die eine weitere Stärkung der Landesherrschaft ebenso wie eine Position auf Augenhöhe mit dem Kaiser vorsahen, und seinem dieser Programmatik geschuldeten Auftreten brachte er sich zeitweilig in eine prekäre Lage, gleichzeitig entsprach sein Verhalten den zeitspezifischen Kategorien von Rang und Ehre.56 In Tirol allerdings konnte Rudolf die Vorlage seines Vaters optimal umsetzen: Knapp eineinhalb Jahre nacheinander starben Margaretes zweiter Gemahl Ludwig (17. September 1361) und der gemeinsame Sohn 54 Niederstätter, Herrschaft Österreich (wie Anm. 2), S. 242 f.; Lackner, Vom Herzogtum Österreich zum Haus Österreich (wie Anm. 9), S. 122 f.; Dieter Veldtrup, Zwischen Eherecht und Familienpolitik. Studien zu den dynastischen Heiratsprojekten Karls IV. (Studien zu den Luxemburgern und ihrer Zeit 2), Warendorf 1988, hier S. 354 f. sowie Uwe Tresp, Karl IV., das Haus Luxemburg und die Erbeinungen der böhmischen Krone im späten Mittelalter, in: Erbeinungen und Erbverbrüderungen in Spätmittelalter und Früher Neuzeit. Generationsübergreifende Verträge und Strategien im europäischen Vergleich, hg. von Mario Müller/Karl-Heinz Spiess/Uwe Tresp (Studien zur brandenburgischen und vergleichenden Landesgeschichte 17), Berlin 2014, S. 157. 55 Im Detail mit Quellenbelegen Lhotsky, Geschichte Österreichs (wie Anm. 15), S. 353 sowie S. 368–370; Niederstätter, Herrschaft Österreich (wie Anm. 2), S. 144 f.; Lackner, Vom Herzogtum Österreich zum Haus Österreich (wie Anm. 9), S. 123. 56 Vgl. die in Anm. 46 angegebene Literatur, außerdem Wilhelm Baum, Rudolf IV. der Stifter. Seine Welt und seine Zeit, Graz 1996 und jetzt die auf der Basis eingehender Studien zur urkundlichen Überlieferung neue differenzierte Einschätzung von Wolfinger, Albrecht II. und Rudolf IV. (wie Anm. 47), hier besonders S. 288 f. sowie Wolfinger, Die Herrschaftsinszenierung Rudolfs IV. (wie Anm. 45); ähnlich Jörg Peltzer, Personae publicae. Zum Verhältnis von fürstlichem Rang, Amt und politischer Öffentlichkeit im Reich des 13. und 14. Jahrhunderts, in: Politische Öffentlichkeit im Spätmittelalter, hg. von Martin Kintzinger/Bernd Schneidmüller (Vorträge und Forschungen 75), Ostfildern 2011, S. 147–182, hier S. 176.

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Meinhard III. (13. Januar 1363). Rudolf war binnen weniger Tage vor Ort präsent und traf die Landesfürstin zu ersten Verhandlungen. Durch Geschwindigkeit, Entschlossenheit und eine flexible, das heißt auch ­ wechselnde Bündnispolitik mit Margarete und unterschiedlichen Adelsgruppen, Städtevertretern sowie den Bischöfen von Brixen und Trient gelang es ihm, Tirol für die Habsburger zu gewinnen und dauerhaft zu sichern: Bereits am 26. Januar 1363 wurden die Urkunden über die Übergabe Tirols an die drei Habsburger Brüder Rudolf, Albrecht und Leopold ausgestellt, jeweils mitbesiegelt durch vierzehn führende Adelige des Landes.57 Im Laufe des Jahres 1363 wurde der Herrschaftswechsel dann durch intensive und aufwändige Kommunikation mit den führenden adeligen und städtischen Eliten befestigt, um die neue Lage auch sichtbar, sinnfällig und wirksam zu machen – ein Prozess, in dem sich Rudolf auch gegen Widerstände durchsetzen musste, so etwa anlässlich eines Aufstandes in der Stadt Hall. In diesen Monaten wird auch Margarete nochmals deutlich im Spiegel einiger Huldigungsurkunden für Rudolf ebenso wie in ihrer eigenen Urkundenpraxis als politisch handelnde Akteurin sichtbar, bis sie schließlich im September 1363 vollständig zugunsten ihrer Neffen auf die Herrschaft in Tirol verzichtete.58 Karl IV. belehnte die Habsburger Brüder bereits im Februar 1364 mit der Grafschaft; gleichzeitig schloss man einen wechselseitigen Erbvertrag.59 Familie, Verwandtschaft, Freundschaft waren einander überlappende soziale Felder, auf denen territoriale, ökonomische und symbolische Ansprüche verhandelt wurden.60 Diese sichtbar zu machen, gerade dort, wo sie abstrakt waren oder (noch) nicht eingelöst, war zentral, um sie wirksam werden zu lassen. Pragmatik und Präsenz kam daher eine ebenso eminente Rolle zu wie der symbolischen Repräsentation von Status, Rang und Ehre, um Erwartungen an Rollen und Funktionen 57 Josef Riedmann, „Wohl ein Dokument von weltgeschichtlicher Wichtigkeit“. Die Urkunden der Tiroler Landesfürstin Margarete für die Herzöge von Österreich vom 26. Jänner 1363, in: Tiroler Heimat 77, 2013, S. 5–32. 58 Zum Ablauf der Ereignisse vgl. Julia Hörmann-Thurn und Taxis, Entscheidung (wie Anm. 44), hier S. 68 f. und S. 72 f. sowie S. 76–89 die tabellarische Übersicht der urkundlichen Überlieferung seit 1342 inkl. Abschriften und Notizen. Für eine Interpretation, die v. a. die vielfältigen Ausverhandlungsprozesse zwischen allen relevanten Akteuren (unter besonderer Hervorhebung der Tiroler Städte) unterstreicht, vgl. Mersiowsky, Der Weg zum Übergang (wie Anm. 11), S. 42–52. 59 Heinz-Dieter Heimann, Die luxemburgisch-habsburgischen Erbverbrüderungen von 1364 und 1366. Ein inner- und inter-dynastisches Rechtswerk, in: Erbeinungen (wie Anm. 54), S. 133–149. 60 Grundlegend sind Karl-Heinz Spiess, Familie und Verwandtschaft im deutschen Hochadel des Spätmittelalters. 13. bis Anfang des 16. Jahrhunderts (Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, Beihefte 111), Stuttgart 1993 und Gert Althoff, Verwandte, Freunde und Getreue. Zum politischen Stellenwert der Gruppenbindungen im früheren Mittelalter, Darmstadt 1990.

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genügen zu können.61 Rudolfs IV. Herrschaftsprogramm und seine vielfältigen Initiativen zu dessen Umsetzung bieten dafür besonders eindrucksvolle Beispiele. Dennoch zeigt sowohl die Kontinuität zwischen seinem Vater Albrecht II. und dem jungen Herzog als auch später das Anknüpfen Friedrichs III. an Rudolfs Programmatik, dass es hier nicht nur um je persönliche Herrschaftsstile ging. Vielmehr wurden jeweils nachhaltig wirksame kulturelle Muster wie etwa die innerdynastische Rollenverteilung angeeignet, die nach Maßgabe der Möglichkeiten und im Rahmen eines umfassenden familienpolitischen Denkens bestätigt ebenso wie dynamisch verändert werden konnten.62 Fragen nach Herrschaftsrepräsentation lassen sich also von jenen nach Herrschaftspraxis nicht trennen. In allen genannten dynastisch mehr oder weniger prekären, jedenfalls aber offenen Konstellationen wird gleichzeitig auf der Mikroebene die regional differenzierte und zunehmend wichtige Rolle der führenden Elitenvertreter – Geistlichen und Weltlichen, Adeligen und Städten, im Westen auch der ländlichen Gerichtsgemeinden – deutlich.63 Charakteristisch für diese Entwicklung sind einerseits klare Tendenzen zur Verstetigung eines durch politische Notwendigkeit bedingten gemeinsamen Handelns. Zunehmend bildeten sich Muster der personellen Zusammensetzung sowie von Ort, Zeit und Abläufen der Zusammenkünfte und Entscheidungsprozesse heraus. Ebenso vermittelt die Überlieferung nun Äußerungen eines Bewusstseins für die Bedeutung gemeinschaftlichen Entscheidens. Andererseits blieb das Maß an situativen Allianzen und kurzfristigen Bündniswechseln ebenso wie der Grad informellen Handelns hoch. Sichtbar werden – auch bei gemeinsamem Auftreten – weniger 61 Vgl. Anm. 53 sowie Thomas Zotz, Präsenz und Repräsentation. Beobachtungen zur königlichen Herrschaftspraxis im hohen und späten Mittelalter, in: Herrschaft als soziale Praxis. Historische und sozial-anthropologische Studien, hg. von Alf Lüdtke, Göttingen 1991, S. 168–194; Christine Reinle, Herrschaft durch Performanz? Zum Einsatz und zur Beurteilung performativer Akte im Verhältnis zwischen Fürsten und Untertanen im Spätmittelalter, in: Historisches Jahrbuch 126, 2006, S. 25–64; Spielregeln der Mächtigen. Mittelalterliche Politik zwischen Gewohnheit und Konvention, hg. von Claudia Garnier/Hermann Kamp, Darmstadt 2010; Die Performanz der Mächtigen: Rangordnung und Idoneität in höfischen Gesellschaften des späten Mittelalters, hg. von Klaus Oschema/Christina Andenna/Gert Melville/Jörg Peltzer (Rank. Politisch-soziale Ordnungen im mittelalterlichen Europa 5), Ostfildern 2015. 62 Wolfinger, Albrecht II. und Rudolf IV. (wie Anm. 47). 63 Für das Tiroler Beispiel vgl. die Beiträge in Haidacher/Mersiowsky, 650 Jahre Tirol mit Österreich, besonders Mersiowsky, Der Weg zum Übergang (wie Anm. 11); Hörmann-Thurn und Taxis, Entscheidung von 1363 (wie Anm. 44) und Christian Lackner, Die Integration Tirols in den habsburgischen Herrschaftsbereich, ebenda S. 135– 145 sowie Martin P. Schennach, „cum consilio nobilium et ignobilium huius terre“. Zu Willensbildungs- und Partizipationsprozessen im spätmittelalterlichen Tirol: Die Übergabe des Landes an das Haus Habsburg 1363, in: Tiroler Heimat 77, 2013, S. 33–50.

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fest gefügte Einheiten, die Begriffe wie Adel, Städte, Stände oder Dynastie nahelegen, sondern vor allem einzelne Akteure mit ihren jeweiligen Interessen, die innerhalb und über die Grenzen dieser offenen Felder hinaus tätig waren.64 Das Wechselspiel zwischen diesen beiden Komponenten wird für die habsburgischen Länder besonders in den auf Rudolfs IV. frühen Tod (1365) folgenden Jahrzehnten deutlich. Die erbrechtlichen Auseinandersetzungen seiner jüngeren Brüder Albrecht III. und Leopold III. und der nächsten Generation führten zwischen 1379 und 1411 in Verbindung mit den heterogenen Interessenskonstellationen der regionalen Führungsgruppen und deren Allianzen mit einzelnen Familienmitgliedern zu einer Serie an Herrschaftsteilungen. Sie resultierten schließlich in zwei dynastischen Linien – der albertinischen und der leopoldinischen – und drei Ländergruppen: „Niederösterreich“ (Herzogtum ob und unter der Enns); „Innerösterreich“ (Steiermark, Kärnten, Krain); „Oberösterreich“ (Tirol, Vorlande).65 Zwar betonten die jeweiligen Verträge die Einheit der Familie durch Erbvereinbarungen und Vormundschaftsregelungen ebenso wie durch gemeinsame Titel und Herrschaftszeichen. Dem stand allerdings die jeweils unterschiedliche überregionale Orientierung der einzelnen Ländergruppen entgegen, in der sich wiederum, und verstärkt seit dem ausgehenden 14. Jahrhundert, Interessen der Führungsschichten mit den vielfältigeren Optionen verschränkten, die sich den Landesfürsten durch ihre Heirats- und Bündnispolitik eröffneten.

Überregionale Perspektiven Persönliche Bindungen und zunehmend wirksame institutionelle Instrumente der Herrschaftsorganisation zeigen sich auch hier nicht als Gegensatz, sondern als einander verstärkende, komplementäre Faktoren. Diese Komplexität ebenso wie ihre europäische Dimension möchte ich abschließend am Beispiel jener Konstellation erläutern, welche die Habsburger ab 1438 wieder auf den römisch-deutschen Königsthron brachte. Die Schlüsselfigur beim Herrschaftswechsel vom letzten Luxemburger König Sigis64 Mersiowsky, Der Weg zum Übergang (wie Anm. 11), S. 39 spricht von einer „Gemengelage von Motiven und Handlungen“ und deren Umsetzung durch unterschiedliche Akteure, die den „kommunikativ konstituierten politischen Raum“ schaffen und verändern. 65 Überblick: Lackner, Vom Herzogtum Österreich zum Haus Österreich (wie Anm. 9), S. 129–145; Niederstätter, Jahrhundert der Mitte (wie Anm. 5), S. 140–162; im Detail: Lackner, Das Haus Österreich und seine Länder im Spätmittelalter (wie Anm.  5); Christian Lackner, Hof und Herrschaft. Rat, Kanzlei und Regierung der österreichischen Herzöge (1365–1406) (Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung. Ergänzungsband 41), Wien 2002.

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mund zu seinem Schwiegersohn Albrecht V. (II.) war Elisabeth, die als Erbtochter die Ansprüche auf die Nachfolge in den Königreichen Ungarn, Böhmen und im römisch-deutschen Reich in einer Person vereinigte.66 Ihre Ehe mit dem Habsburger Herzog war schon früh vereinbart worden, und während dessen Cousins in den anderen beiden Ländergruppen unterschiedlich lange und heftige Konflikte mit dem König austrugen, blieb Albrecht stets an der Seite seines Schwiegervaters.67 Obwohl bei Sigismunds Tod die politisch-sozialen und religiösen Gegensätze infolge der jahrelangen militärischen Auseinandersetzungen um die hussitische Bewegung sowie der Interessen der böhmischen und ungarischen Großen durchaus beträchtlich waren, wurde Albrechts Nachfolge in allen drei Ländern zwar nicht problemlos, aber doch recht rasch akzeptiert.68 Was die deutschsprachige Literatur weniger erwähnt als die ungarische, sind die umfangreichen Zugeständnisse, die Albrecht gegenüber dem ungarischen Landtag machen musste; und auch sie sorgten nur ein paar Monate für Ruhe, zumal das gleichzeitige Vorrücken der Osmanen die Lage zusätzlich verschärfte.69 1439 war das Königspaar unterwegs nach Buda zu Verhandlungen mit den Großen; von dort zog Albrecht weiter in den Süden zu den Kriegsvorbereitungen, erkrankte bald an der Ruhr und starb bereits im Oktober desselben Jahres. Elisabeth war mit dem dritten Kind schwanger, und nun folgte der dramatische Wettstreit der Königin, die von einigen mächtigen westungarischen Großen unterstützt wurde, um die Erbfolge ihres ungeborenen erhofften Sohnes gegen die Vorstellungen der übrigen Magnaten. Diese bevorzugten schon aus 66 Jetzt v. a. Julia Burkhardt, Das Erbe der Frauen. Elisabeth von Luxemburg und Elisabeth von Habsburg, in: Herrschaftsstile der Luxemburger (wie Anm. 47); vgl. Sigismund von Luxemburg: Ein Kaiser in Europa, hg. von Michel Pauly/François Reinert, Mainz 2006; Kaiser Sigismund 1368–1437. Zur Herrschaftspraxis eines europäischen Monarchen, hg. von Karel Hruza/Alexandra Kaar (Forschungen zur Kaiser- und Papstgeschichte des Mittelalters. Beihefte zu J. F. Böhmer, Regesta Imperii 31), Wien/Köln/Weimar 2012; Ruling Composite Monarchies. King and Emperor Sigismund of Luxemburg 1368–1437, hg. von Suzana Miljan/Alexandra Kaar (Cursor Mundi), Turnhout 2016. 67 Heinz-Dieter Heimann, Herrscherfamilie und Herrschaftspraxis. Sigismund, Barbara, Albrecht und die Gestalt der luxemburgisch-habsburgischen Erbverbrüderung, in: Sigismund von Luxemburg. Kaiser und König in Mitteleuropa 1387–1437. Beiträge zur Herrschaft Kaiser Sigismunds und der europäischen Geschichte um 1400, hg. von Josef Macek/Erno” Marosi/Ferdinand Seibt (Studien zu den Luxemburgern und ihrer Zeit 5), Warendorf 1994, S. 53–66. 68 Paul-Joachim Heinig, Albrecht II. (1438–1439), in: Die deutschen Herrscher des Mittelalters. Historische Portraits von Heinrich I. bis Maximilian I. (919–1519), hg. von Bernd Schneidmüller/Stefan Weinfurter, München 2003, S. 486–494, hier S. 488 f. 69 Zum Folgenden vgl. Burkhardt, Das Erbe der Frauen (wie Anm. 66), S. 266–273; Pál Engel, The Realm of St. Stephen. A History of Medieval Hungary 895–1526, London 2001, S.  278–283; Elisabeth Gruber/Christina Lutter/Oliver Schmitt, Kulturgeschichte der Überlieferung im Mittelalter. Quellen und Methoden zur Geschichte Mittel- und Südosteuropas (UTB 4554), Wien 2017, S. 427–434.

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Gründen der militärischen Raison einen erwachsenen König und fanden im 15-jährigen Wladyslaw III. Jagiełło von Polen einen geeigneteren Kandidaten. Die Auseinandersetzung ist mehrfach dokumentiert: aus polnischer Perspektive in der Chronik des János Thuróczy, aus habsburgischer Sicht in den spektakulären Denkwürdigkeiten von Elisabeths Kammerfrau Helene Kottannerin.70 Sie entwendete auf Geheiß ihrer Herrin in einer abenteuerlichen Aktion die Stephanskrone aus Višegrad und sorgte gemeinsam mit der Königin, die pünktlich beim Eintreffen der Krone den kleinen Ladislaus gebar, für dessen rasche Krönung (15. Mai 1440) am richtigen Ort (Stuhlweißenburg/Székesfehérvár) und durch die richtige Person, den Erzbischof von Gran/Esztergom.71 Mit Ausnahme der Krone konnte auch Wladyslaw III. alle symbolischen Legitimitäts-Kriterien auf sich vereinen; allerdings erfolgte seine Krönung erst zwei Monate später (17. Juli 1440). Der Streit um die Herrschaftszeichen und ihre korrekte Inszenierung als zentrale Momente von Idoneität und Legitimität, der beide Überlieferungen trägt, ist signifikant. Schließlich stach aber eine andere Karte: Die ungarischen Adelsver­ treter beharrten auf ihrem Zustimmungsrecht und erklärten Ladislaus´ Wahl für ungültig. Die folgenden Auseinandersetzungen zwischen den Kontrahenten und ihren Parteien wurden in wechselnden Allianzen parallel zu den Konflikten mit den Osmanen geführt.72 Sowohl Elisabeth als auch Wladyslaw starben innerhalb weniger Jahre. Elisabeth hatte bereits 1440 die Vormundschaft für Ladislaus an dessen habsburgischen Onkel Friedrich V. (III.) übertragen und ihm die Stephanskrone verpfändet. Auch jenseits der Grenze in Österreich setzten sich die Kämpfe um Vor70 Die Denkwürdigkeiten der Helene Kottannerin 1439–1440, hg. von Karl Mollay (Wiener Neudrucke 2), Wien 1971; János Thuróczy, Chronicle of the Hungarians, bearb. von Frank Mantello/Pál Engel (Indiana University Uralic and Altaic Series; Medievalia Hungarica Series 2), Bloomington 1991; vgl. Andreas Rüther, Königsmacher und Kammerfrau im weiblichen Blick. Der Kampf um die ungarische Krone 1439/40 in der Wahrnehmung von Helene Kottanner, in: Fürstin und Fürst (wie Anm. 50), S. 225–247; zuletzt mit umfangreicher bibliographischer Übersicht: Graeme Dunphy, Perspicax ingenium mihi collatum est: Strategies of Authority in Chronicles written by Women, in: Authority and Gender in Medieval and Renaissance Chronicles, hg. von Juliana Dresvina/Nicholas Sparks, Cambridge 2012, S. 166–201, hier S. 190–196. 71 Mollay, Denkwürdigkeiten (wie Anm. 70), S. 19, 38–40: In derselben stuend, als die heiligen kron von der Plintenburg kam zu Gamaren [= Komorn], in derselbigen stuend do ward kung Lasla geborn, sowie S. 27, 17–21: Wann Si habent drew gesecz in dem Kungreich zu Vngeren. Vnd wo der ains abgeet, da mainen Sie, daz der nicht rechtleich Kung sey. Das ain gesecz ist daz, vnd das haisst, daz ain Kung zu Vngern sol gekroent werden mit der heilig kron. Das ander, daz in sol kroenen der Ercz Bischoue zu Gran. Das dritt, daz die kronung sol beschehen zu Weissenburgk. 72 Julia Dücker, Una gens, unum regnum, unus populus? „Grenzüberschreitende“ Politik im spätmittelalterlichen Polen und Ungarn, in: Faktum und Konstrukt. Politische Grenzziehungen im Mittelalter: Verdichtung – Symbolisierung – Reflexion, hg. von Nils Bock/Georg Jostkleigrewe/Bastian Walter, Münster 2011, S. 237–257. Vgl. dazu den Beitrag von Claudia Märtl in diesem Band.

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mundschaft und Erbfolge in Kombination mit innerdynastischen Konflikten in den folgenden Jahrzehnten fort und waren begleitet von verheerenden Fehden, die eine enorme Belastung für die bäuerliche Bevölkerung darstellten.73 Auch in den österreichischen Ländern wirkte diese Entwicklung als Katalysator für das zunehmend organisierte Auftreten der Ständevertreter gegenüber den Landesfürsten. Das augenfälligste Beispiel ist der „Mailberger Bund“ (14. Oktober 1451), in dem sich etwa 250 von ihnen zusammenschlossen und Friedrich III., der sein Mündel Ladislaus 1452 auf den Krönungszug nach Rom mitgenommen hatte, nach der Rückkehr zur Entlassung des jungen Herzogs aus der Vormundschaft zwangen. Strukturell bildeten sich in diesen Jahrzehnten in den habsburgischen Ländern wie im römisch-deutschen Reich und ebenso in den ostmitteleuropäischen Königreichen institutionalisierte Formen des fürstlich-ständischen Kräfteverhältnisses heraus, die – regional je unterschiedlich – die Machtbalance der politisch relevanten Akteure und deren politische Gemeinschaftsbildung artikulierten.74 Die Situation der Habsburger als Landesfürsten in ihren geteilten Erbländern, als ­Könige im römisch-deutschen Reich und als Interessenten an den böhmischen und ungarischen Kronen multiplizierte diese Spannung auf allen Ebenen ihrer Herrschaft. Friedrichs III. lange Amtszeit macht die damit verbundene Diskrepanz von programmatischem Einheitsbestreben und realpolitischen Zentrifugaltendenzen besonders deutlich.75 Dieses Problem konnte auch sein Sohn Maximilian für die seit 1490 tatsächlich wieder vereinigten habsburgischen Länder nicht lösen. Die Vereinbarkeit seiner Funktionen auf allen genannten Ebenen seiner Haus-, Reichs- und Europapolitik scheiterte oft nicht nur an deren Anspruch und Umfang, sondern auch am strukturellen Mangel an adäquaten Ressourcen, effizienter Organisation und zielgerichteter Kommunikation. Dessen ungeachtet war das Wissen um die Bedeutung dieses Defizits und der Wille, es mit neuen politischen Mechanismen, 73 Dazu und zum Folgenden: Niederstätter, Jahrhundert der Mitte (wie Anm. 5), S. 245–257, S. 247 f. zum „Mailberger Bund“. 74 In vergleichender Perspektive: Julia Dücker, Reichsversammlungen im Spätmittelalter. Politische Willensbildung in Polen, Ungarn und Deutschland (Mittelalter-Forschungen 37), Ostfildern 2011; Bernd Schneidmüller, Rule by Consensus. Forms and Concepts of Political Order in the European Middle Ages, in: The Medieval History Journal 16/2, 2013, S. 449–471; Julia Burkhardt, Procedure, Rules and Meaning of Political Assemblies in Late Medieval Central Europe, in: Parliaments, Estates and Representation 35, 2015, S. 153–170. 75 Paul-Joachim Heinig, Friedrich III. (1440–1493), in: Die deutschen Herrscher des Mittelalters. Historische Portraits von Heinrich I. bis Maximilian I. (919–1519), hg. von Bernd Schneidmüller/Stefan Weinfurter, München 2003, S.  495–517, hier S.  496; Heinrich Koller, Kaiser Friedrich  III., Darmstadt 2005; Vgl. dazu die Beiträge von Martin Kintzinger, Klaus Oschema und Julia Burkhardt in diesem Band.

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Medien und Technologien zu beheben, vorhanden: Was Maximilian und seine Leute für die Erbländer grundlegten, war eine neue Form institutioneller und administrativer Verschränkung, die es erlaubte, die österreichischen Länder bis zu einem gewissen Grad unabhängig von den Personen der jeweiligen Landesfürsten als politische Einheiten wahrzunehmen.76 Auf dieser Grundlage konnte Ferdinand I. später radikaler und konsequenter aufbauen und eine Herrschaftsverwaltung etablieren, die bis zu den Theresianischen Reformen Bestand hatte.77 Die quantitativ bereits hervorragende und doch strukturell unausgewogene Überlieferung, die das Bemühen der maximilianeischen Politik um mehr Kohärenz und Planbarkeit widerspiegelt, macht einmal mehr die Vielzahl an Faktoren deutlich, welche die Matrix der Bedingungen und Möglichkeiten habsburgischer Herrschaftsausübung konstituierte. Politische Muster, soziale Rollenbilder und kulturelle Traditionen zeigen sich in permanenter Wechselwirkung mit den situativen Interaktionen der jeweiligen Akteure. Herrschaft musste unter Nutzung vorhandener Spielräume immer wieder neu ausgehandelt werden. Die Frage nach dem Profil und den Handlungsmöglichkeiten spezifischer Akteure beiderlei Geschlechts (wie die Beispiele Margaretes von Tirol und Elisabeths von Luxemburg schön zeigen) lässt sich besonders gut in vergleichender Perspektive stellen. Im konkreten Fall stand – der Fragestellung geschuldet – die diachrone Perspektive im Vordergrund: Ihre Erweiterung über die Grenzen der habsburgischen Erbländer hinaus macht wichtige strukturelle Ähnlichkeiten der Länder in einer „politischen Region“ deutlich, die Julia Burkhardt in ihrem Beitrag zu diesem Band genauer konturiert. Die Formation der habsburgischen Herrschaft zu einer „zusammengesetzten“ Monarchie im 16. Jahrhundert in eben dieser „politischen Region“ und ihre spezifischen Bedingungen für herrschaftliches Handeln bieten ein wichtiges Feld für künftige vergleichende Analysen des Profils von Herrschaft in diesem Raum. 76 Überblick: Manfred Hollegger, Maximilian I. (1459–1519), Herrscher und Mensch an der Zeitenwende, Stuttgart/Berlin/Köln 2001; Christina Lutter, Maximilian I. (1486–1519), in: Die deutschen Herrscher des Mittelalters (wie Anm. 75), S. 518–599; vgl. die rezenten Bände: Maximilian I. (1459–1519). Wahrnehmung – Übersetzung – Integration, hg. von Heinz Noflatscher/Michael A. Chisholm/Bertrand Schnerb (Innsbrucker Historische Studien 27/28), Innsbruck/Wien/Bozen 2011 sowie Maximilians Welt. Kaiser Maximilian I. im Spannungsfeld zwischen Innovation und Tradition, hg. von Johannes Helmrath/Ursula Kocher/Andrea Sieber (Berliner Mittelalter- und Frühneuzeitforschung 22), Berlin 2018, außerdem Gregor M. Metzig, Kommunikation und Konfrontation. Diplomatie und Gesandtschaftswesen Kaiser Maximilians I. (1486–1519) (Bibliothek des Deutschen Historischen Instituts in Rom 130), Berlin/Boston 2016, für alle Details siehe das monumentale Werk von Hermann Wiesflecker, Kaiser Maximilian I., Das Reich, Österreich und Europa an der Wende zur Neuzeit, 5 Bände, Wien 1971–1986. 77 Winkelbauer, Ständefreiheit und Fürstenmacht (wie Anm. 10), Band 1, S. 25–41.

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Der habsburgische Herrschaftsraum am Oberrhein (vorderösterreichische Lande) und die Eidgenossenschaft Als Rudolf die Stadt Basel belagerte, erreichte ihn die Nachricht von ­seiner Königswahl. Die Stadt öffnete dem Gewählten die Tore und ­huldigte ihm als König, nicht aber dem habsburgischen Belagerer und Grafen. Trotzdem war Basel in der Folgezeit weiterhin Objekt der habsburgischen Begierde, worauf nicht zuletzt das Grabmal von Rudolfs Gemahlin Anna mit ihrem Söhnchen Karl im Chor des Basler Münsters hinweist.1 Dennoch gelang es den Habsburgern nie, Basel zu erwerben und eine territoriale Brücke zwischen dem Elsass und dem Aargau zu schlagen. Dies ist genauso wenig eine neue Erkenntnis, wie das Verdikt Theodor Mayers von der gescheiterten habsburgischen Territorialstaats­ bildung am Oberrhein oder das Bild des politischen Trümmerfeldes hinterfragt wurde. Der Mediävist Mayer urteilt vom unvollendeten Territorialstaat ausgehend und projiziert seine Bewertung ins Hochmittelalter zurück.2 Das eidgenössisch-vaterländische Geschichtsbild scheint das Scheitern der Habsburger seit Rudolfs Zeiten ebenso fast unverändert bis heute zu sehen, obwohl seit den 1970er Jahren mit den Schweizer Heldengeschichten gründlich aufgeräumt wurde, die teleologische Entwicklung von den heldenhaften Befreiungskämpfen freier Bauern bis zur glorreichen Eidgenossenschaft mit den konsequenten Niederlagen der habsburgischen Tyrannen der Jahre 1315, 1386 und 1415 entzaubert wurde.3 Mythen sind eben doch unsterblich, fast 1

Zum Basler Grabmal: Die Habsburger zwischen Rhein und Donau, hg. von Christoph Döbeli, Aarau 1996, insbes. S. 116–123. 2 Theodor Mayer, Die Habsburger am Oberrhein im Mittelalter, in: Gesamtdeutsche Vergangenheit. Festgabe für Heinrich Ritter von Srbik zum 60. Geburtstag, München 1938, S. 47–54. 3 Thomas Maissen, Schweizer Heldengeschichten – und was dahinter steckt, 4. Auflage Baden 2015; Thomas Maissen, Geschichte der Schweiz, Stuttgart 2015; hier und zum Folgenden: Karl Schaufelberger, Die Entstehung der Eidgenossenschaft, in: Handbuch der Schweizer Geschichte, Band 1, Zürich 1972, insbes. S. 184–233.

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jedenfalls. Die Entwicklung der habsburgischen Lande kann aufgrund neuer Forschungen durchaus differenzierter interpretiert werden.4

Von König Rudolf bis zu Albrecht II. und seinen Söhnen In der Zeit Rudolfs ist eine habsburgische Expansions- und Erwerbungsstrategie im Elsaß, Südschwarzwald, Aargau und Zürichgau zu beobachten, wofür insbesondere die Erwerbung des Weilertals im mittleren Elsaß (1250), der Vogtei über Kloster St. Blasien mit großen Teilen des Südschwarzwaldes (1254), der Grafschaften Kiburg (1264) und Rapperswyl (1283) nördlich von Zürich zu nennen sind.5 Diese Ambitionen spielen sich fast ausschließlich im ehemaligen Herrschaftsbereich der Zähringer ab, als deren Nachfolger sich Rudolf und die Habsburger dieser Zeit wohl verstanden. Das Ausgreifen auf das Herzogtum Schwaben scheint nach dem Tode von Rudolfs früh verstorbenem gleichnamigen Sohn († 1290) wahrscheinlich oder zumindest beabsichtigt gewesen zu sein. In der Realität dürften die Bestrebungen aber überwiegend auf die Reichslandvogteien beschränkt gewesen sein. Auch die Konzentration auf eine eigene Verwaltung der oberrheinischen Gebiete unter Hartmann von Baldegg schien sich anzudeuten.6 Sicher scheint nur, Otto Stolz, Geschichtliche Beschreibung der ober- und vorderösterreichischen Lande (Quellen- und Forschungen zur Siedlungs- und Volkstumsgeschichte der Oberrheinlande 4 Karlsruhe 1943; Vorderösterreich. Eine geschichtliche Landeskunde hg. von Friedrich Metz, 2. Aufl. Freiburg 1967; Hans Maier/Volker Press, Vorderösterreich in der frühen Neuzeit, Sigmaringen 1989; Vorderösterreich  – nur die Schwanzfeder des Kaiseradlers? Die Habsburger im deutschen Südwesten, hg. vom Württembergischen Landesmuseum Stuttgart, Stuttgart 1999; Franz Quarthal/Gerhard Faix, Die Habsburger im deutschen Südwesten. Neue Forschungen zur Geschichte Vorderösterreichs, Stuttgart 2000; Wilhelm Baum, Die Habsburger in den Vorlanden 1386–1486, Wien/Köln/Weimar 1993; Wilhelm Baum, Reichs- und Territorialgewalt (1273–1437). Königtum, Haus Österreich und Schweizer Eidgenossenschaft im späten Mittelalter, Wien 1994; Bruno Meier, Ein Königshaus aus der Schweiz. Die Habsburger, der Aargau und die Eidgenossenschaft im Mittelalter, Baden im Aargau 2008; Dieter Speck, Kleine Geschichte Vorderösterreichs, Karlsruhe 2010. 5 Zu den territorialen Erwerbungen und der Entwicklung vor allem Hans Erich Feine, Die Territorialbildung der Habsburger im deutschen Südwesten, in: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte, Germanistische Abteilung 67, 1950, S. 176–308; Joseph Kerkhoff, Territorialentwicklung der österreichischen Länder bis 1797, Historischer Atlas von Baden-Württemberg, Beiwort zur Karte VI,4, Stuttgart 1976. 6 Franz Quarthal, Königslandschaft, Herzogtum oder fürstlicher Territorialstaat: Zu den Zielen und Ergebnissen der Territorialpolitik Rudolfs von Habsburg im schwäbisch-nordschweizerischen Raum, in: Rudolf von Habsburg 1273–1291. Eine Königsherrschaft zwischen Tradition und Wandel, hg. von Egon Boshof/Franz-Reiner Erkens, Köln/Weimar/Wien 1993, S.  125–138, insbesondere 134–135; Karl Meyer, Über die habsburgische Verwaltung des Landes Schwyz 1273–1291, in: Mitteilungen des Historischen Vereins des Kantons Schwyz 33, 1926, S. 141–179, insbesondere S. 152–153; Carl Gössgen, Die Beziehungen König Rudolfs von Habsburg zum Elsass (Beiträge zur Landes- und Volkskunde von Elsass-Lothringen 24), Straßburg 1899. 4

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dass schon zu dieser Zeit die namengebende Habsburg in ihrer Bedeutung von den Städten Brugg und Baden übertroffen worden war und sich eine strukturelle Veränderung in der Verwaltung anbahnte.7 Mit dem Erwerb der österreichischen Herzogtümer 1282 gelang den Habsburgern der kometenhafte Aufstieg in die erste Liga der Reichsfürsten, womit aber keinesfalls eine sogenannte „Ostwendung“ oder gar eine Abwendung von den „uralten Patrimoniallanden“ am Oberrhein, wie sie um 1600 genannt wurden, einhergingen, auch wenn mit den österreichischen Herzogtümern natürlich ranghörere und bedeutendere Machtzentren erworben werden konnten.8 Neuere Forschungen von Marianne Bärtschi haben gezeigt, dass gerade mit dem Erwerb des Königtums offenbar auch die Abfassung des Habsburger Urbars in Beziehung steht, bildet es doch den Besitzstand bzw. den Anspruch der habsburgisch-landesherrschaftlichen Herrschaft über das Elsaß, den Aargau und schweizerischen Raum ab.9 Auch durch dieses Urbar wird somit der Besitz- und Herrschaftsanspruch am Oberrhein untermauert und bekräftigt, keinesfalls aufgegeben. Nach dem Tod König Rudolfs bilden sich während des Streites zwischen Adolf von Nassau und Albrecht um das Königtum erste Bündnisse von Schwyz und Uri, die aber allenfalls als wenig spektakuläre Landfriedenseinungen zu sehen sind und den grundsätzlichen Herrschaftsanspruch der Habsburger nicht in Frage stellten. Auch in diesem Zusammenhang ist die Formulierung der Territorialansprüche im sogenannten Habsburger Urbar als eine Bestandsaufnahme der Ansprüche und der Herrschaftsverdichtung zu sehen, ohne dass eindeutig wäre, ob in diesem Urbar die Innerschweiz als faktischer Besitz inventarisiert war oder ob dies aufgrund der späteren Zerstörung nicht mehr überliefert ist. Die habsburgische Expansion griff aber schon in dieser Zeit mit Riedlingen, Sigmaringen, Veringen und Burgau in die Donauregion und den schweizerischen Raum nach Nordosten aus. In der Innerschweiz erlitt die habsburgische Ordnungsmacht im lokalen Zur Habsburg von Alois Niederstätter, in: Höfe und Residenzen im spätmittelalterlichen Reich. Ein dynastisch-topographisches Handbuch, hg. von Werner Paravicini im Auftrag der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen, Ostfildern 2003, S. 245– 246; zu Baden und Brugg Dieter Speck, ebenda, S. 27–28 und S. 85–86. 8 Zur generellen Bedeutung der Vorlande siehe auch Franz Quarthal, Österreichs Verankerung im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation. Die Historische Bedeutung der österreichischen Vorlande, in: Was heißt Österreich? Inhalt und Umfang des Österreichbegriffs vom 10. Jahrhundert bis heute, hg. von Richard G. Plaschka/Gerold Stourzh/Jan Paul Niederkorn (Archiv für österreichische Geschichte 136), Wien 1995, S. 109–133. 9 Marianne Bärtschi, Das Habsburger Urbar: Vom Urbar-Rodel zum Traditionscodex, Diss. Zürich 2006, insbesondere S.  267; Das Habsburgische Urbar, hg. von Rudolf Maag/Paul Schweizer/Walter Glättli, 2 Bände, Basel 1894–1904. 7

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Konflikt bei Morgarten 1315 nur eine punktuelle militärische Niederlage, ohne aber ihre Herrschaftsansprüche aufzugeben, ihre Politik zu verändern oder infolge dieser Niederlage politisch verdrängt worden zu sein.10 Gerade nach der Niederlage von Morgarten scheinen die habsburgischen Rechtsansprüche intensiver denn je aufgezeichnet worden zu sein, was alles andere als einen Rückzug aus der Innerschweiz bedeutet. Man darf annehmen, dass diese Rechtsaufzeichnungen als Bekräftigung der eigenen Position zu deuten sind, als eine Behauptung der landesherrschaftlichen Stellung der Habsburger in der Innerschweiz während des harten Konkurrenzkampfes um das Königtum zwischen dem Habsburger Friedrich und dem Wittelsbacher Ludwig.11 Die Morgartenschlacht wurde in ihrer Bedeutung als militärischer Niederlage und ihres Stellenwertes als Freiheitskampf erst retrospektiv zum Mythos und zu einer schweizerischen Heldengeschichte hochstilisiert; zeitgenössisch wurde ihr wohl kaum diese Bewertung zugemessen. Ansonsten fällt in dieser Zeit eine besondere Quellenarmut auf, die eine Beurteilung der schweizerischen und der habsburgischen Geschichte nicht einfach macht und eher zu Spekulationen verleitet. Nach dem Tod Albrechts I. (1308), Friedrichs des Schönen und dem Ende des Doppelkönigtums (1330) scheint gerade das für die Habsburger verlorene Königtum sich nicht nur negativ für die oberrheinischen Besitzkomplexe ausgewirkt zu haben.12 Eine Ära der territorialen Erfolge begann mit der Heirat Albrechts II. und Johannas von Pfirt, Erbtochter der gleichnamigen Grafschaft im Sundgau. Mit dem Erwerb der Grafschaft Pfirt (1324) setzte sich unter Albrechts Söhnen Rudolf und Leopold die territoriale Expansion am Oberrhein fort. Es war eine Phase enormer territorialer Ausdehnung über den Rhein in den Breisgau, in den Schwarzwald, in den mittleren Neckarraum hinein, die im 10 Oliver Landolt, Neue Sicht(en) auf Morgarten 1315? Beiträge der wissenschaftlichen Fachtagung des Historischen Vereins Zentralschweiz vom 24. Januar 2015, in: Der Geschichtsfreund. Mitteilungen des Historischen Vereins Zentralschweiz 168, 2015. Darin insbesondere die Beiträge von Alois Niederstätter, Das Morgarten-Geschehen aus österreichischer Sicht: Erinnerungen und Historiographie, S. 45–56, und Peter Niederhäuser, 1315  – ein Schicksalsjahr der habsburgischen Herrschaft?, S.  175–188; Roger Sablonier, Gründungszeit ohne Eidgenossen. Politik und Gesellschaft in der Innerschweiz um 1300, Baden 2008, unter anderem S. 141–162. 11 Roland Gerber, Erobert, entführt und makuliert. Das vorländische Archiv der Herzöge von Österreich als Herrschaftsinstrument und Kriegsbeute, in: Die Habsburger zwischen Aare und Bodensee, hg. von Peter Niederhäuser (Mitteilungen der Antiquarischen Gesellschaft in Zürich 77, Neujahrsblatt der Antiquarischen Gesellschaft in Zürich 174), Zürich 2010, S. 95–123, insbesondere 106; Bärtschi, Das Habsburger Urbar (wie Anm. 9), S. 270; Die Briefe der Feste Baden, hg. von Rudolf Thommen, Basel 1941. 12 Peter Moraw, Reich, König und Eidgenossen im späten Mittelalter, in: Jahrbuch der Historischen Gesellschaft Luzern 4, 1986, S. 15–33, insbesondere S. 25, sieht hier einen Einschnitt.

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Wesentlichen nach dem Tod Friedrichs des Schönen (1330) nahezu explosionsartig einsetzte, was zur These verleiten kann, dass sich nun der Wittelsbacher Ludwig in seiner Rolle als unumstrittener König nicht mehr gegen eine territoriale Expansion seiner habsburgischen Konkurrenten und gegen die Ambitionen auf das Herzogtum Schwaben sperrte. War diese Expansion nach Rheinfelden (1330), Neuenburg und Breisach (1331) sowie Schaffhausen (1331), allesamt Städte des Reichs, ein Entgegenkommen Ludwigs des Bayern, eine Kompensation für den Verzicht auf weitere Ansprüche der Habsburger im Reich? Kann man darin ein Politikgeschäft erkennen: Anerkennung des Königtums Ludwigs gegen Einkunftsquellen (Städte) und territoriale Expansion? Von der Hand zu weisen sind solche Überlegungen sicher ebensowenig, wie sie stichhaltig zu belegen sind. Aber damit war der habsburgische Expansionsdrang noch lange nicht beendet, sondern mit der Stadt Münster im Schwarzwald um 1330,13 Triberg 1355, Kenzingen, Waldkirch, Endingen 1365–1369, Freiburg und dem Breisgau 1368,14 Haigerloch 1375, Grafschaft Hohenberg 1381 geradezu erst entfacht, ohne dass den Habsburgern hier irgendein Widerstand entgegengesetzt worden wäre. In der Innerschweiz hingegen bauten die Waldstätte ihren Einfluss aus und vereinnahmten Luzern gegen Habsburg. Letztlich war die Katas­ trophe von Sempach und der Tod Leopolds III. 1386 das Ergebnis der lokal begrenzten territorialen Konkurrenz zwischen der Stadt Luzern und den Habsburgern.15 Die territorialen Verluste in der Gotthardregion durch die Waldstätte im Verlauf des 14. Jahrhunderts riefen aber territorial keine nennenswerten Reaktionen der Habsburger hervor, was zur Annahme verleitet, dass die Städte entlang der Flussläufe und die österreichischen Regionen als schon weitaus bedeutender eingeschätzt wurden.16 Auch in den Folgejahren richtete sich das habsburgische Interesse offensichtlich weniger auf den ländlichen Raum der Innerschweiz als vielmehr 13 André Bechthold, Die Bergstadt Münster und die habsburgische Herrschaftsbildung am Oberrhein im 14. und 15. Jahrhundert, in: Das Markgräfler Land 2, 2003, S. 81–91. 14 Dieter Speck, 23. Juni 1368: Freiburg wird habsburgisch, in: Auf Jahr und Tag, hg. von Jürgen Dendorfer/R. Johanna Regnath/Hans-Peter Widmann (Schlaglichter regionaler Geschichte 1), Freiburg 2013. S. 83–99. 15 Guy P. Marchal, Sempach 1386. Von den Anfängen des Territorialstaates Luzern, Basel 1986; Willy Schulze, Der Freiburger Herrschaftswechsel 1368 als finanzielle Großtransaktion, in: Schau-ins-Land 114, 1995, S. 27–55. 16 Martina Stercken, Städte der Herrschaft. Kleinstadtgenese im habsburgischen Herrschaftsraum des 13. und 14. Jahrhunderts, Köln/Weimar/Wien 2006; Peter Niederhäuser, Damit si bei dem Haus Osterrich beleiben – eidgenössische Kleinstädte und ihre Beziehungen zum Reich und zu Habsburg, in: Außenpolitisches Handeln im ausgehenden Mittelalter: Akteure und Ziele, hg. von Sonja Dünnebeil/Christine Otter, Wien/Köln/Weimar 2007, S. 259–276; Sablonier, Gründungszeit (wie Anm. 10), S. 104.

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auf Zürich, Bern und Solothurn. Hier dürfte auch die Abschrift und Neufassung des Habsburger Urbars und sein Bedeutungswandel als Traditionskodex anzusiedeln sein, mit dem Albrecht II. demonstrativ seinen umfangreichen Besitz, seine Stellung, seinen Machtanspruch am Oberrhein im Kontext der Landfriedensbündnisse und dem städtischen Anspruch von Basel, Konstanz, Zürich, St. Gallen, Bern, Solothurn und anderen manifestiert. Hinzu kam mit dem Erwerb Tirols der Bedeutungsrückgang der Gotthardregion für die Habsburger, hatte man doch mit der Grafschaft Tirol andere Alpentransversalen und beider­ seitige Stützpunkte. In Zürich schienen die Habsburger bis in die 1350er Jahre in Einklang mit der Oberschicht und auf Erfolgskurs zu sein.17 Nach sozialen Umwälzungen und Kommunalisierung wurden die habsburgischen Eliten jedoch zunehmend verdrängt, was natürlich auch zu Machtverlusten der Habsburger führte, zumal die permanente Präsenz der Dynastie vor Ort nicht sichergestellt war. Bis dahin waren die Habsburger dynastisch und kontinuierlich in ihren Stammlanden fast allgegenwärtig, meist waren sie hier sogar stärker vertreten als in den österreichischen Herzogtümern. Bernhard Stettler bezeichnet die Habsburger in dieser Zeit als eindeutige Vormacht.18 Daneben waren mit dem Ausbau der Lenzburg als Residenz sowie mit der demonstrativen Präsenz mindestens eines Habsburgers in Wien und eines Habsburgers im Aargau zwei habsburgische Pole jeweils vor Ort. Aber auch dies verschob sich in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts zumindest zeitweise und ging zu Lasten der unumstrittenen Herrschaftsposition der Habsburger vor Ort. Nach dem Tod Johannas von Pfirt und der Übersiedlung Albrechts nach Wien wirkten sich in Zürich und anderen Städten diese Veränderungen und Einflussverluste aus. Sicherlich nicht zufällig spricht Matthias von Neuenburg gerade zu dieser Zeit von den Habsburgern als „Australes“, die zum Haus Österreich mutierten, wie es Thomas Zotz treffend interpretierte und deren Name wieder auf die Stammlande rückübertragen wurde.19 Rudolf IV. setzte mit seinen ausformulierten 17 Moraw, Reich, König und Eidgenossen (wie Anm. 12), S. 26. 18 Christian Sieber, Die Reichsstadt Zürich zwischen der Herrschaft Österreich und der werdenden Eidgenossenschaft, in: Geschichte des Kantons Zürich. Band 1, Frühzeit bis Spätmittelalter, hg. von Ulrich Ruoff, Zürich 1995, S.  471–498; Bernhard Stettler, Habsburg und die Eidgenossenschaft um die Mitte des 14. Jahrhunderts, in: Schweizerische Zeitschrift für Geschichte 23, 1973, S. 750–764, beispielsweise S. 755. 19 Thomas Zotz, Fürstliche Präsenz und fürstliche Memoria an der Peripherie der Herrschaft. Die Habsburger in den vorderen Landen im Spätmittelalter, in: Principes, Dynastien und Höfe im späten Mittelalter, hg. von Cordula Nolte/Karl-Heinz Spiess/ Ralf-Gunnar Werlich (Residenzenforschung 14), Stuttgart 2002, S. 349–370, insbesondere S. 353 ff.

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Ambitionen auf den Titel eines Herzogs von Schwaben zwar neue Impulse, wurde er doch von seinem Schwiegervater und Reichoberhaupt Karl IV. zum Reichsvogt über Bern, Solothurn, Zürich und St. Gallen gekürt. So bezeichnete er sich als sacri imperii gubernator per sueviam et alsatiam generalis. Dies ergänzte Rudolf mit seinem Anspruch auf das von ihm kreierte (erfundene) Erzherzogtum, um seine Kränkung und Hintansetzung hinter den Kurfürsten wettzumachen. Rudolf versuchte so sich und seine österreichischen Herzogtümer den Inhabern der Erzämter des Reiches gleichzustellen und eine Gleichrangigkeit zu den Kurfürsten zu erreichen.20 Mit seiner Fiktion als „Pfalzerzherzog“ hatte er aber den Bogen seines Ehrgeizes überspannt. Es folgte die erzwungene Unterwerfung Rudolfs unter den Kaiser und fast genauso unausweichlich Rudolfs Trotzreaktion, sein Zofinger Lehenstag im Jahr 1361. Ziel Rudolfs war ein reichsrechtlicher Überbau über die Stammlande gewesen, der mit dem Titel eines Herzogs von Schwaben zum Greifen nahe schien.21 Die massive Expansionspolitik in Breisgau, Schwarzwald, mittlerem Neckarraum, zwischen Bodensee und Donau schien den Weg dazu von unten her zu bereiten, das Herzogtum Schwaben schien in greifbare Nähe zu rücken. Der Erwerb Tirols gelang Rudolf nach langer Vorbereitung durch seinen Vater Albrecht schließlich 1363. Auch wenn das territoriale Ziel einer integrativen schwäbischen Herzogswürde nicht erreicht werden konnte, waren die Habsburger in Südwestdeutschland dennoch außergewöhnlich erfolgreich, unübersehbar die beherrschende Macht, die Bedeutung des schweizerischen Voralpenlandes verblasste, was sicher auch umgekehrt die innerschweizerischen Mächte in ihrer Gegnerschaft zu Habsburg stärkte und enger zusammenrücken ließ. Diese Entwicklung strebte auf eine Polarisierung territorialer Konkurrenten, einer Konstellation von Städten contra Fürsten zu. Die künftigen „Eidgenossen“ stießen also zu einer Zeit, als die prohabsburgischen Eliten in den Städten in die Defensive gerieten, in ein entstehendes Machtvakuum vor und nutzen das sich auf Reichsebene verschlechternde Verhältnis zwischen Rudolf IV. und Karl IV. für sich 20 Christian Lackner, Vom Herzogtum zum Erzherzogtum Österreich, in: Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung 112, 2004, S. 290–305, insbesondere S. 294–297 mit weiterführenden Literaturhinweisen zum Privilegium maius, Erzherzogtitel und Erzherzogskronen, die in dieser Entwicklungsskizze nicht genannt werden können. 21 Alois Niederstätter, Princeps Suevie et Alsacie. Herzog Rudolf IV. von Österreich und die habsburgischen Vorlande, in: Die Habsburger zwischen Aare und Bodensee, hg. von Peter Niederhäuser (Mitteilungen der Antiquarischen Gesellschaft in Zürich 77, Neujahrsblatt der Antiquarischen Gesellschaft in Zürich 174), Zürich 2010, S. 125– 135; Helmut Maurer, Karl IV. und die Erneuerung des Herzogtums Schwaben, in: Blätter für deutsche Landesgeschichte 114, 1978, S. 645–657.

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aus. Die habsburgischen Ambitionen und Vorstöße in Schwaben machten aber auch den schweizerischen Waldstätten erst den Weg in Rudolfs Rücken, in das unmittelbare Alpenvorland, frei. Herzog Leopold III. setzte zwar eine expansive habsburgische Politik fort und die Neuberger Teilung (1379), die Leopold in den ober- und vorderösterreichischen Landen die alleinigen Herrschaftsbefugnisse zusicherte, schien den alten „Stammlanden“ einen neuen Bedeutungsschub nicht zuletzt durch einen jungen dynamischen Habsburger „vor Ort“ zu versetzen, bis Leopolds Tod bei Sempach 1386 diese Entwicklung abrupt beendete. Die Niederlagen und die dynastischen Ausfälle (Sempach 1386, Näfels 1388) verursachten ein verstärktes habsburgisches Machtvakuum und bewirkten eine partielle Paralysierung der Dynastie in den Vorlanden. Familiäre Streitigkeiten zwischen 1386 und 1411 verstärkten die dynastischen Defizite der Habsburger bei gleichzeitig erstarkendem Selbstbewusstsein und gesteigertem Expansionsdrang der Städte Luzern, Zürich und Bern auf Kosten der Habsburger. Es war die Zeit der Bünde, in denen die Städte dominierten, denen die Habsburger schließlich auch nichts entgegensetzen konnten. Das politische Gewicht in der Region verschob sich seit der Sempacher Schlacht nahezu unaufhaltsam zuungunsten der Habsburger. Auch in Appenzell und in der Nordostschweiz konnte Habsburg, das durch Auseinandersetzungen mit dem Adel in Tirol gebunden war, nur punktuell statt flächendeckend eingreifen und sich bei oft fehlender Herrschaftspräsenz schon gar nicht durchsetzen.

Zwischen Sempach und Erbeinigung (1386–1477) Das Jahrhundert zwischen der Niederlage bei Sempach (1386) und der Erbeinung zwischen den Habsburgern und den Eidgenossen (1477) ist für den oberrheinischen Herrschaftsraum von fundamentaler Bedeutung. Schien mit den Initiativen Friedrichs IV. am Oberrhein, dem 50-jährigen Friedensschluss mit den Eidgenossen (1412) frischer Wind in der vorländischen Politik aufzukommen, führte sein Konflikt mit König Sigmund zum Tiefpunkt habsburgischer Herrschaft am Oberrhein. Friedrich verhalf Papst Johannes XXIII. zur Flucht vom Konzil und bot König Sigmund die Chance, ihn mit einer faktischen Reichsacht und einer Allianz der Habsburg-Gegner abzustrafen. Sigmund rief eidgenössische Verbündete und Geister, die schließlich auch er nicht mehr los wurde. Der Aargau wurde zur Beute der eidgenössischen Konkurrenten der Habsburger, Kooperation mit dem König gegen die territoriale Konkurrenz der Habsburger. Die Schnelligkeit, mit der die eidgenössischen Nachbarn 1415 zur Stelle waren, deutet auf Sigmund

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als besseren Ränkeschmied hin, der dem Habsburger Friedrich keine Chance ließ. Im Ergebnis gingen die Gebiete im Aargau dauerhaft verloren. Nach Jahren zähen Ringens gelang es Friedrich aber immerhin Elsass, Sundgau, Breisgau, Schwarzwald und die Gebiete an der Donau wieder zu restituieren.22 Diese Rekuperation und die Erhaltung seiner Basis Tirol ist nach diesem gravierenden Fehler und der katastrophalen Verluste am Oberrhein keine zu unterschätzende Leistung. Dem Zusammenbruch der Herrschaft am Oberrhein und dem Rückerwerb bis etwa 1427 folgten bisher kaum beachtete parallele Entwicklungen in den habsburgischen und eidgenössischen Gebieten. Die Erwerbungen und kriegerischen Auseinandersetzungen setzten sich zwar fort und erhielten mit der Krönungsreise König Friedrichs 1442 noch einmal neue Impulse.23 König Friedrich bestimmte als Senior der Dynastie die Politik, durch die Konstellation als Reichsoberhaupt und Vormund verschiedener (unmündiger) Habsburger rührte er in mehreren Töpfen zugleich. Doch schon seit 1444 hatte er mit seinem Bruder Albrecht VI. am Oberrhein und schließlich mit Sigmund von Tirol zu rechnen, die andere politische Akzente setzten. Dennoch schien bis etwa 1450 territorialpolitisch für Habsburger und Eidgenossen noch vieles offen. Erst mit dem Ende des Alten Zürichkrieges und der definitiven Hinwendung Zürichs zur Eidgenossenschaft war eine Entscheidung gegen Habsburg gefallen.24 Symptomatisch für diese lang währende Unentschiedenheit zwischen Eidgenossen und Habsburg war auch das Wirken des regionalen Adels auf beiden Seiten, eine verständliche Schaukelpolitik aus Gründen der Existenzsicherung im damals noch nicht entschiedenen Machtkampf.25 Albrecht VI. (1444–1458), 22 Krise, Krieg und Koexistenz. 1415 und die Folgen für Habsburg und die Eidgenossenschaft, hg. von Peter Niederhäuser, Baden 2018 mit vielfältigen Aspekten. 23 Joseph Seemüller, Friedrichs III. Aachener Krönungsreise, in: Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichte 17, 1896, S. 584–665. 24 Roland Gerber, Herrschaftswechsel mit Misstönen: der Übergang der Herrschaft Aargau von Habsburg an Bern zwischen 1415 und 1458, in: Argovia. Jahresschrift der Historischen Gesellschaft des Kantons Aargau 120, 2008, S. 131–155, insbesondere S. 142; Hans Berger, Der Alte Zürichkrieg im Rahmen der europäischen Politik, Zürich 1978; Heidi Schuler-Alder, Reichsprivilegien und Reichsdienste der eidgenössischen Orte unter König Sigismund 1410–1437, Bern 1985; Alois Niederstätter, Der Alte Zürichkrieg. Studien zum österreichisch-eidgenössischen Konflikt sowie zur Politik König Friedrichs III. in den Jahren 1440–1446 (Beihefte zu J. F. Böhmer, Regesta Imperii 14), Wien/Köln/Weimar 1995. 25 Ein Beispiel hierfür bei Bettina Leeman Lüpold, Hin- und hergerissen zwischen Habsburg und Bern?: die Herren von Hallwyl, das Jahr 1415 und seine Folgen, in: Argovia. Jahresschrift der Historischen Gesellschaft des Kantons Aargau 120, 2008, S.  33–54; Peter Niederhäuser, Verdrängung, Mobilität oder Beharrung? Adel im 15. Jahrhundert zwischen dem Aargau und Tirol, in: Argovia. Jahresschrift der Historischen Gesellschaft des Kantons Aargau 120, 2008, S. 18–32.

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Bruder Friedrichs III. und Exponent der vorderösterreichischen Habsburger, gelangen einige territoriale Wiederbelebungsversuche der oberrheinischen Politik durch seine Präsenz, Residenzenbildung und der Gründung der Universität in Freiburg.26 Er knüpfte an Rudolf IV. an und titulierte sich wie dieser als Erzherzog zu Österreich, Herzog zu Schwaben. Erst ab Albrecht führten schließlich alle Habsburger nach ihm den Titel eines Erzherzogs. Albrechts Ehrgeiz und seine Ambitionen waren mit seinem Streben nach der böhmischen Krone fast nicht mehr zu bremsen, seine vorderösterreichischen Lande tauschte er dafür ein. Danach folgte die glücklose Politik seines Nachfolgers Sigmunds von Tirol, die zum Verlust des Thurgaus (1460) an die Eidgenossen führte. In territorialer Hinsicht wurden diese Verluste südlich des Oberrheins aber durch die Erwerbung der Grafschaft Nellenburg (1456) und der Landvogtei Schwaben (1486), also einer Expansion im nördlichen Bodenseeraum und in Oberschwaben, bei weitem aufgewogen, womit sich der habsburgische Besitz weiter nach Südwestdeutschland hinein verlagerte. Der lokal relativ begrenzte Waldshuterkrieg (1468/69) mit seinen Reparationszahlungen führte zur Verpfändung großer Teile der oberrheinischen Lande an Burgund. Sigmund glaubte, einen großen Schachzug getan und sich Burgund mit der Pfandschaft verpflichtet zu haben. Doch Sigmunds Fehleinschätzung erzeugte einen derartigen außenpolitischen Druck, dass Habsburger und Eidgenossen sich plötzlich in der gemeinsamen Gegnerschaft zu Burgund wiederfanden, was beide zu einer territorialen Koexistenz und fast zum Erfolg zwang. Als Verbündete besiegten Habsburger und Eidgenossen schließlich Burgund, das Ergebnis waren aber auch die Erbeinigungen von 1477 und 1511.27 Die Ausgleichsverhandlungen erreichten die gegenseitige Anerkennung der Existenz von Eidgenossen und oberrheinischen Landen. Dies gelang letztlich der pragmatischen tirolisch-vorderösterreichischen Linie der Habsburger, während der habsburgische König als Herr des

26 Dieter Speck, Fürst, Räte und die Anfänge der Freiburger Universität, in: Attempto – oder wie stiftet man eine Universität, hg. von Sönke Lorenz, Stuttgart 1999, S. 55–111. 27 Claudius Sieber-Lehmann/Bettina Braun, „Ewige Richtung“, in: Historisches Lexikon der Schweiz, URL: [http://www.hls-dhs-dss.chD8886.php] (1.1.2017); Claudius Sieber-Lehmann, „Ewige Richtung“, Erbeinung und die Legitimierung der eidgenössischen Eroberungen, in: Eroberung und Inbesitznahme, hg. von Christian Hesse/ Regula Schmid/Roland Gerber, Ostfildern 2017, S. 223–236; Wilhelm Baum, Niklaus von Flüe und Sigmund der Münzreiche von Österreich. Zur Geschichte der Überwindung der Erbfeindschaft zwischen Österreich und den Schweizer Eidgenossen, in: Zeitschrift für Schweizerische Kirchengeschichte 81, 1987, S. 5–29; Bettina Braun, Die Eidgenossen, das Reich und das politische System Karls V., Berlin 1997, insbesondere S. 205–311.

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­ chwäbischen Bundes noch 1499 einen Konflikt mit den Eidgenossen S führte. Schließlich waren die regionalen Konflikte definitiv auf einer anderen Ebene angelangt, auch wenn damit Sigmund von Tirol noch lange nicht die Hoffnung auf Wiederherstellung der alten habsburgischen Gebiete aufgegeben hatte. Dafür sprechen gerade die während seiner Regierungszeit gepflegten Sempacher Totenlisten.28

Zur Parallelität in der Entwicklung der vorderösterreichischen Lande und der Eidgenossenschaft (1415 bis 1511) Mit der Besetzung des Aargaus durch die Eidgenossen entfiel auch der oberrheinische Herrschafts- und Verwaltungsmittelpunkt der Habsburger in Baden.29 Ersatz wurde 1427 in Ensisheim gefunden, das 1507/1510 mit der Einrichtung einer vorderösterreichischen Regierung zum Zentralort für Elsaß, Sundgau, Breisgau und Schwarzwald aufstieg, während die schwäbisch-österreichischen Besitzungen direkt Innsbruck unterstanden. Friedrich IV. hatte sich seit Beginn seiner Regentschaft bevorzugt in Baden, Schaffhausen, Rheinfelden, Freiburg, Neuenburg und Ensisheim aufgehalten. Ensisheim bot sich in verschiedener Hinsicht an, da die Habsburger Landgrafen im Elsass waren, das Landgericht des Elsass innehatten und in Ensisheim spätestens seit König Rudolfs Zeiten ein Schloss vorhanden war. Die Häufung von Funktionen und der Erwerb von Privilegien für Ensisheim zeigen einen Weg auf, der mit der Restitution der habsburgischen Herrschaft am Oberrhein zum Ausbau Ensisheims zum neuen Zentralort führte. Zwischen 1404 und 1424 war Ensisheim immer wieder Witwensitz Katharinas von Burgund, 1420/21 auch Aufenthaltsort von Anna von Braunschweig. Friedrich IV. selbst hielt sich hier mindestens 1404 und 1415 auf30 28 Wien, Haus-, Hof- und Staatsarchiv, HS Blau 138, fol. 250v. Gottfried Boesch, Die Gefallenen der Schlacht bei Sempach aus dem Adel des deutschen Südwestens, in: Alemannisches Jahrbuch 1959, S. 233 ff.; Dieter Speck, Die vorderösterreichischen Landstände. Entstehung, Entwicklung und Ausbildung bis 1595/1602, 2 Bände (Veröffentlichungen aus dem Archiv der Stadt Freiburg im Breisgau 29), Freiburg/ Würzburg 1994, insbesondere S. 42–44. 29 Dieter Speck, «Baden» und «Brugg» in: Höfe und Residenzen im spätmittelalterlichen Reich (wie Anm. 7), S. 27 f.; siehe auch Peter Niederhäuser, «Der Landvogt kam nie gen Baden…». Baden – ein habsburgisches Verwaltungszentrum nach 1400?, in: Badener Neujahrsblätter 78, 2003, S. 139–149. 30 Zu den Itinerarien siehe Dieter Speck, Elsass, Sundgau, Breisgau und Schwarzwald in der politischen Krise von Friedrich IV. (1415–1427) in: Krise, Krieg und Koexistenz. 1415 und die Folgen für Habsburg und die Eidgenossenschaft, hg. von Peter Niederhäuser, Baden 2018, S. 173–220, insbesondere S. 208–213 mit den weiterführenden Hinweisen.

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und in diesen Jahren wurden Arbeiten an den Gräben der Stadt und der Infrastruktur vorgenommen.31 Spätestens mit der Ernennung Hans von Thiersteins zum Landvogt 1427 wurde Ensisheim auch dessen Dienstsitz.32 Gab es vor 1415 immer mehrere sich konkurrierende Landvögte am Oberrhein nebeneinander, wurden nun nach der Besetzung des Aargaus alle Gebiete in einer Hand unter einem einzigen Landvogt zusammengefasst. Die bedeutendste Rolle dabei fiel dem elsässischen Landgericht zu. Herzog Friedrich nutzte das Gericht, das anfangs auf freiem Feld vor Ensisheim tagte, um den Herrschaftsvertrag zwischen ihm und seiner Schwägerin Katharina zu garantieren (1423 Dez. 5) und schrittweise legte Friedrich IV. das Landgericht mit dem Sitz seines Landvogtes und dem Verwaltungsmittelpunkt Ensisheim zusammen. 1429 durfte das Landgericht definitiv vor die Tore der Stadt verlegt werden. Zwei Jahre später wurden Zusammensetzung und Tagungsdauer des Gerichts angepasst. In diese Phase fiel das Auftreten der entstehenden vorderösterreichischen Landstände unter dem Siegel des Landgerichts im Jahr 1433. Wenige Jahre später ist die Territoriali­ sierung von Adelsgesellschaften unter dem Landvogt Realität,33 die noch einmal aus einer anderen Perspektive die Neuformierung der oberrheinisch-vorderösterreichischen Lande belegen. Kaiser Friedrich III. konfirmierte 1454 diese Rechte und fixierte die Verschmelzung von Landvogt, Verwaltung und Hofgericht, sodass ab 1456 der Landvogt den Vorsitz des Landgerichts führte.34 Endpunkt dieser Entwicklung war die vorderösterreichische Regierung in Ensisheim als Verwaltungsmittelpunkt für Elsass, Sundgau, Breisgau und Schwarzwald 1510.35 Nicht zufällig dürfte gerade am Beginn dieser Phase die kumulative Bezeichnung als „vorderösterreichische Lande“ üblich geworden sein, ein aus österreichischer Perspektive 31 Jean-Jacques Schwien, Ensisheim, le lieu du glaive, 3 Teile, Strasbourg 1984, insbesondere III, S. 31 mit den Regesten 1404 Febr. 6, 1406 Mai 22; S. 32 mit den Regesten 1421 Mai 27 und 1426 Dez. 10. 32 Stolz, Geschichtliche Beschreibung (wie Anm. 4), S. 183 f. (1427 Aug. 26). 33 Dieter Speck, St. Georg- und Wilhelmschild am Oberrhein – ein Mittel habsburgischer Politik bei der Umstrukturierung des Personenverbandes zum modernen Territorialstaat, in: Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins 139 Neue Folge 100, 1991, S. 95– 122. 34 Schwien, Ensisheim (wie Anm. 31), I, S. 68–71, und III, S. 36; Christian Lackner, Die Verwaltung der Vorlande im späteren Mittelalter, in: Vorderösterreich – nur die Schwanzfeder des Kaiseradlers? (wie Anm. 4), S. 61–71, insbesondere S. 68–71. 35 Dieter Speck, Elsass, Sundgau, Breisgau und Schwarzwald (wie Anm. 30), insbesondere S. 205 zur Entwicklung der Verwaltungsstrukturen als Folge der Krise. Zur Verwaltungsgeschichte vor allem bis ins 15. Jahrhundert siehe Lackner, Die Verwaltung der Vorlande (wie Anm. 34), S. 61–71.

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entstandener, gemeinsamer Name für den oberrheinischen Territorialbesitz, der als Ersatz für fehlende Herrschaftstitel und Rechtstitel dienen musste.36 Diese fehlende Klammer um die oberrheinischen Lande versuchte Albrecht VI. wie auch Sigmund in den 1450er und 1470er Jahren verschiedentlich, aber immer wieder vergeblich, mit ihren Ambitionen auf den Titel eines Herzogs von Schwaben auszugleichen.37 Der Kaiser verhinderte dies letztlich mit der Gründung des schwäbischen Bundes, da er der Überzeugung war, dass das Herzogtum Schwaben allein dem Kaiser unmittelbar unterstehe. Maximilian I. dachte in anderen Sphären und bezeichnete sich gerne als Fürst in Schwaben. Die territoriale Wunschkonstellation eines neuen Komplexes aus Burgund, den Oberrheingebieten, Schwaben und Tirol, zudem noch mit dem österreichisch-württembergischen Herzogtum 1519–1534, passt hier mehr als gut zusammen. In diesem Zusammenhang ist auch darauf hinzuweisen, dass schon Maximilian I. neue Abschriften des Habsburger Urbars anfertigen ließ und seine Ansprüche auf den alten habsburgischen Herrschaftsraum am Oberrhein nie fallen ließ, sondern diese eher dokumentierte, um sie bei Bedarf neu und wirksam zum weiteren Ausbau seiner landesfürstlichen und territorialen Macht zukunftsorientiert einsetzen zu können. Noch bis weit in den Dreißigjährigen Krieg hinein war es üblich, diese „uralten Patrimoniallande“ am Oberrhein als ein „besonderes Fürstentum“ zu betrachten. Dies machte Isaak Volmar noch 1637 deutlich, als er für Erzherzogin Claudia und ihre Vormundschaftsregierung über die beiden Prinzen mit ‚Informatio de Principatus Antaustriaci Statu‘ eine Schrift verfasste, die den beiden Prinzen die Bedeutung der oberrheinischen Lande inmitten des Dreißigjährigen Krieges und der Existenzkrise der vorderösterreichischen Lande nahebringen wollte.38 Und die Eidgenossenen? Die 1415 eroberten Gebiete, die rechtlich zu Reichspfandschaften umgewandelten ehemaligen habsburgischen Besitzungen im Aargau, wurden als gemeinschaftliche Beute von den 36 Stolz, Geschichtliche Beschreibung (wie Anm.  4), S.  24 ff.; Speck, Landstände (wie Anm. 28), insbesondere Band 1, S. 21–27. 37 Hans-Georg Hofacker, Die schwäbische Herzogswürde. Untersuchungen zur landesfürstlichen und kaiserlichen Politik im deutschen Südwesten im Spätmittelalter und in der frühen Neuzeit, in: Zeitschrift für württembergische Landesgeschichte 47, 1988, S. 71–148, insbesondere S. 106–139; Maurer, Karl IV und die Erneuerung des Herzogtums Schwaben (wie Anm. 21), S. 656–657. 38 Isaak Volmar, Informatio de Principatus Antaustriaci Statu, 1637, im Haus-, Hof- und Staatsarchiv Wien, Handschrift Blau 142 und auch Stadtarchiv Freiburg B 1 (Handschriften) 21, fol. 1–88; dazu siehe auch Stolz, Geschichtliche Beschreibung (wie Anm. 4), S. 21, S. 40 f., S. 56; Speck, Landstände (wie Anm. 28), S. 108–130.

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untereinander verbundenen Eidgenossen verwaltet. Die iterativen Jahresrechnungen und die Tagsatzungen trugen wesentlich zur Verstetigung, zur Institutionalisierung des noch relativ lockeren eidgenössischen Bündnissystems bei. Die gemeinschaftlichen Interessen verbanden, die militärischen Konflikte gegen gemeinsame Gegner dienten als Katalysatoren und festigten das innere Gefüge der Eidgenossen. Allmählich wurde es auch fast Routine, dass sich habsburgische Vertreter zu Beginn des 17. Jahrhunderts bei den Tagsatzungen in Baden aufhielten und sich mit den eidgenössischen Politikern austauschten.39 In den vorderösterreichischen Landen wirkte die kollektive Er­ fahrung der Niederlage und die Memoria des vorländischen Adels aber dennoch dauerhaft prägend. Die Sempacher Totenlisten wurden identitätsstiftend, die Erinnerungen an Sempach stimulierten Treueschwüre auf Habsburg, was zunächst für den Adel, dann für das ­Gesamtkorpus der Stände extrem wichtig wurde und für die vorderösterreichischen Lande schon im Verlauf des 15. Jahrhunderts gewissermaßen fast staatstragende Bedeutung erlangte.40 Das Symbol Sempach kompensierte für die Stände in ihrem Verhältnis zu Habsburg beinahe den fehlenden integrativen Herrschaftstitel über die vorderösterreichischen Lande. Die Herrschaftsferne der Dynastie stärkte seit dem frühen 16. Jahrhundert eine spezielle habsburgische Herrschaft mit den regionalen Ständen, Sempach wurde auf Landtagen beschworen und die Sempacher Totenlisten wurden Ständematrikeln vorangestellt.41

39 Bernhard Stettler, Die Eidgenossenschaft im 15. Jahrhundert. Die Suche nach einem gemeinsamen Nenner, Zürich 2004; Bruno Meier, Gemeine Herrschaften und Tagsatzung: Die Folgen von 1415 für die Eidgenossenschaft, in: Krise, Krieg und Koexistenz. 1415 und die Folgen für Habsburg und die Eidgenossenschaft, hg. von Peter Niederhäuser, Baden 2018, S. 233–245. 40 Heinrich Koller, Die Schlacht bei Sempach im Bewusstsein Österreichs, in: Jahrbuch der Historischen Gesellschaft Luzern 4, 1986, S. 48–60; Steffen Krieb, Vom Totengedenken zum politischen Argument: Die Schlacht bei Sempach (1386) im Gedächtnis des Hauses Habsburg und des südwestdeutschen Adels im 15. Jahrhundert, in: Kriegsniederlagen. Erfahrungen und Erinnerungen, hg. von Horst Carl/Hans-Henning Kortüm/Dieter Langewiesche/Friedrich Lenger, Berlin 2004, S.  70–88; Speck, Landstände (wie Anm. 27), Band 1, insbesondere S.42–44, S. 94. 41 Dieter Speck, Ständemacht und Herrschaftsferne. Die vorderösterreichischen Landstände vor dem Dreißigjährigen Krieg, in: Habsburg und der Oberrhein. Gesellschaftlicher Wandel in einem historischen Raum. hg. von Saskia Durian-Rees/Heribert Smolinsky, Waldkirch 2002, S. 77–100.

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Habsburgische Katastrophen und eidgenössische Triumphe? Eine retrospektive Sichtweise, wie die von Theodor Mayer, die eingangs zitiert wurde, ist zu plakativ und aus zeitgenössischer Sicht unzutreffend. Eher ist eine Perspektive sich mehrfach verlagernder Interessen und gegenseitigem Wachsen von Eidgenossen und Vorderösterreichern in einer langandauernden Konkurrenz zueinander die Realität. Bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts war Habsburg am Oberrhein territorial unbestritten dominant. Habsburgische Expansionsbestrebungen waren aber noch bis ins 15. Jahrhundert am Oberrhein permanent existent, wenn auch mit eingeschränktem Erfolg. Mit den österreichischen Herzogtümern kamen für die Habsburger weitere Handlungsräume hinzu, was immer dann zu Konflikten führte, wenn die Dynastie nicht über genügend Herrscherpersönlichkeiten und die notwendige Einigkeit für die Herrschaftspräsenz vor Ort verfügte. Die habsburgischen Interessen am Oberrhein verschoben sich seit 1330 konstant in den deutschen Südwesten hinein, der Wegfall der herrschaftsstützenden Eliten der Habsburger im Süden – also im Züricher und innerschweizerischen Raum – und dynastische Zufälle wie der Tod Leopolds bei Sempach verhinderten hier eine permanente Präsenz der Dynastie, die für eine konstante Herrschaft unverzichtbar war. Das Herrschaftsvakuum seit 1386 verschaffte dem Bund der innerschweizerischen Städte den sich ergebenden Spielraum für ihre eigenen Expansionsinteressen. Und die Proto-Eidgenossen, allen voran Bern, wussten den sich zufällig ergebenden Spielraum 1415 – punktuell auch mit Hilfe des Königs – geschickt für sich zu nutzen. Im 15. Jahrhunderts ist die eidgenössisch-militärische Dominanz unbestreitbar, ebenso die Formierung der Alten Eidgenossenschaft in der Mitte des 15. Jahrhundert.42 Die gemeinsame Verwaltung der eroberten habsburgischen Herrschaften perpetuierte und institutionalisierte eine Eidgenossenschaft, die habsburgische Kriegsbeute Aargau war ihre ideale Grundlage. „Das in gewisser Gemeinsamkeit Eroberte musste in gewisser Gemeinsamkeit verwaltet werden; diese Notwendigkeit führte gleichsam absichtslos zu wachsender Zusammenarbeit, vor allem zur Begegnung führender Vertreter der Orte in geringen Zeitabständen. Insofern war das 15. Jahrhundert – nach langer, jedoch mehrdeutiger Vorbereitungszeit – das Entstehungszeitalter der Schweiz.“43

42 Sablonier, Gründungszeit (wie Anm. 10), S. 195 ff. 43 Moraw, Reich, König, Eidgenossen (wie Anm. 12), S. 28.

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In den sich neu formierenden vorderösterreichischen Landen mit dem Ensisheimer Zentrum (seit 1427) hatte die Niederlage von Sempach, der Treuemythos bis in den Tod, für Adel und Stände fast staatstragende Bedeutung. Die identitätsstiftende Kriegserfahrung von 1386 zementierte die Loyalität zur fernen Dynastie und stabilisierte das Territorium. Für das Ringen um eine Koexistenz zwischen Habsburg und Eidgenossenschaft stehen der 50-jährige Frieden 1412 und die Erbeinigungen von 1477 und 1511 exemplarisch. Die Gleichzeitigkeit von Erbeinigung 1511 und Installation einer vorderösterreichischen Regierung in Ensisheim 1510 ist so auch ganz sicher kein Zufallsprodukt, das auf Druck der Stände installiert wurde, der gleichen Stände, die das Sempacher Totengedenken so intensiv pflegten.44 Letztlich waren dies alles eher regionale Entwicklungen in den habsburgischen Landen, jedenfalls keine Entwicklungen, die fundamentalen Einfluss auf den habsburgischen König oder das Reich gehabt hätten. Abschließend erwähnt sei noch eine Symbolhandlung aus dem frühen 17. Jahrhundert: Als die Habsburger mit dem ehrgeizigen Erzherzog Leopold V. (1618-1632) als Landesfürst über Tirol und die vorderösterreichischen Lande eine neue, bis dahin nicht gekannte Machtfülle am Oberrhein, dem Bistum Straßburg und der Reichslandvogtei im Unterelsaß erlangten, wählte man bei seinen Hochzeitsfeierlichkeiten mit Claudia de´Medici (am 23.4.1626) sicher nicht zufällig das Theaterschauspiel „Rudolphus Habspurgicus“ zur Erinnerung an den ersten Habsburger als König.45 Eine Abwendung vom Oberrhein oder eine „Ostwendung“ der Habsburger ist damals bei weitem noch nicht zu konstatieren. Das wäre schon allein aufgrund der Existenz einer vorderösterreichisch-tirolischen Linie, die Leopold V. neu begründete und erst mit seinen Söhnen 1665 endete, ein Widerspruch. Nach 1648 sah die habsburgische Welt am Oberrhein freilich vollkommen anders aus, als es nur noch eine „deutsche“ habsburgische Linie gab, die auch die ­Kaiserkrone innehatte.

44 Dieter Speck, Die vorderösterreichische Regierung und ihre Kanzler, in: Florilegium Suevicum. Beiträge zur südwestdeutschen Landesgeschichte. Festschrift für Franz Quarthal zum 65. Geburtstag, hg. von Gerhard Fritz/Daniel Kirn (Stuttgarter historischer Studien zur Landes- und Wirtschaftsgeschichte 12), Stuttgart 2008, S.  55–78; Wilhelm Beemelmanns, Die Organisation der vorderösterreichischen Behörden in Ensisheim im 16. Jahrhundert, in: Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins 61 Neue Folge 22, 1907, S. 52–92, S. 627–656; 62 Neue Folge 23, 1908, S. 195–220. 45 Sabine Weiss, Claudia de‘ Medici: Eine italienische Prinzessin als Landesfürstin von Tirol (1604–1648), Innsbruck 2004, insbesondere S. 77.

Julia Hörmann-Thurn und Taxis

Heirat als politisches Instrument Die habsburgischen Ehen im 13. und 14. Jahrhundert Das Forschungsinteresse an adeligen Eheverbindungen liegt traditionell auf ihrer politischen Komponente und hat aus dieser Perspektive vor allem die Rechts- und Verfassungsgeschichte beschäftigt. Die Bedeutung, die Verwandtschaftsbeziehungen für das Netzwerksystem der führenden Adels- und Dynastenfamilien spielten, rechtfertigt diese Positionierung und die Rekonstruktion der politischen Strategien, die hinter mittelalterlichen Eheschließungen stecken. Dass aber Ehen auch andere Aufgaben, Folgen und Funktionen erfüllten, die eine Aufwertung in der historischen Forschung verdienten, hat in den 1970er Jahren schon Peter Moraw erkannt.1 Mittlerweile haben die sozial- und kulturgeschichtlichen Aspekte mittelalterlicher Heiratsund Verwandtschaftssysteme allgemeine Akzeptanz gefunden und ergänzen in einer differenzierten Betrachtung Ehen und Eheabsprachen unter politischen Gesichtspunkten. Zu diesen Themen, die neben der weiterhin in der Forschung präsenten familialen und dynas­ tischen Ebene vermehrt in den Fokus genommen werden, gehören etwa der große Bereich der Emotionalität und des affektiven Verhaltens innerhalb von familiären Beziehungsfeldern2 oder die aktuelle Frage des durch internationale Heiraten einhergehenden Kultur­

1 Peter Moraw, Landesgeschichte und Reichsgeschichte im 14. Jahrhundert, in: Jahrbuch für westdeutsche Landesgeschichte 3, 1977, S.  175–191; vergleiche dazu auch ­Oliver Auge, Handlungsspielräume fürstlicher Politik im Mittelalter. Der südliche Ostseeraum von der Mitte des 12. Jahrhunderts bis in die frühe Reformationszeit (Mittelalter-Forschungen 28), Ostfildern 2009, S. 3. 2 Zum Beispiel Roger Sablonier, Die Aragonesische Königsfamilie um 1300, in: Emotionen und materielle Interessen. Sozialanthropologische und historische Beiträge zur Familienforschung, hg. von Hans Medick/David Sabean (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte 75), Göttingen 1984, S. 282–317; Cordula Nolte, „Ir seyt ein frembs weib, das solt ir pleiben, dieweil ihr lebt“. Beziehungsgeflechte in fürstlichen Familien des Spätmittelalters, in: Geschlechterdifferenz im interdisziplinären Gespräch, hg. von Doris Ruhe, Würzburg 1998, S. 11–43, hier S. 12–41.

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austauschs3 und Kulturtransfers. Für die fürstlichen Ehestrategen waren solche Überlegungen freilich von geringer Bedeutung. Andere Motive waren ausschlaggebend. Ein allgemein gehaltener Überblick über die Motivkonstellationen, die dynastischen – auch den habsburgischen – Eheprojekten zugrunde lagen, soll daher am Anfang stehen. Damit ist aber auch die Richtung dieses Beitrages vorgegeben, die nicht nur die altbekannten habsburgischen Eheverbindungen abarbeitet, sondern vor allem nach dem „warum“ frägt. Es soll dabei auch um den Versuch gehen, anhand der ehelichen Verbindungen politische Schwerpunktverlagerungen abzulesen, das heißt die Frage zu stellen, inwiefern sich etwa der Aufstieg der Habsburger zu römisch-deutschen Königen bzw. zu Herzögen von ­Österreich und Steiermark auf den Radius der Wahl und die „Qualität“ ihrer Ehepartner auswirkte. Dafür reicht es freilich nicht, nur die Ehefrauen der Herzöge von Österreich zu beachten, auch die habsbur­gischen Töchter sind hier zu berücksichtigen, denn nur an der Gesamtheit der Eheallianzen lassen sich Tendenzen und politische Schwerpunktsetzungen habsburgischer Politik ablesen. Es kann hier jedoch weniger um eine detaillierte Vorstellung aller Etappen der jeweiligen Eheanbahnungsprozesse gehen,4 vielmehr sollen Tendenzen herausgefiltert werden, die illustrieren, wie weitgespannt die ehelichen Allianzen waren, welche politischen Bedürfnisse primär dahinter standen und welche Rolle der Papst als „Dispensgeber“ bei zu naher Verwandtschaft einnahm. Es soll aber gleichzeitig auch deutlich werden, dass die Gründe und Absichten, die hinter mittelalterlichen Dynastenehen stehen, zwar die einflussreiche Basis eines Ehelebens bilden, dass dieses selbst aber doch auch anderen und sehr vielfältigen Faktoren unterlag, die aber Gegenstand anderer Studien sein müssten.5 3

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Zum Beispiel Karl-Heinz Spiess, Familie und Verwandtschaft im deutschen Hochadel des Spätmittelalters. 13. bis Anfang des 16. Jahrhunderts (Vierteljahrschrift für Sozialund Wirtschaftsgeschichte, Beihefte 111), Stuttgart 1993; Karl-Heinz Spiess, Europa heiratet. Kommunikation und Kulturtransfer im Kontext europäischer Königsheiraten des Spätmittelalters, in: Europa im späten Mittelalter. Politik – Gesellschaft – Kultur, hg. von Rainer C. Schwinges/Christian Hesse/Peter Moraw (Historische Zeitschrift Beiheft 40), München 2006, S. 435–464; Karl-Heinz Spiess, Internationale Heiraten und Brautschätze im Spätmittelalter, in: Die Visconti und der deutsche Südwesten. Kulturtransfer im Spätmittelalter, hg. von Peter Rückert/Sönke Lorenz (Tübinger Bausteine zur Landesgeschichte 11), Ostfildern 2008, S. 115–130. Das heißt, es wird hier auch nicht jede einzelne Ehe erwähnt. Tabellen im Anhang gewährleisten aber den Überblick über die eingegangenen Verbindungen. Die Ehen der angeheirateten Fürstinnen von Österreich und von Tirol habe ich unter anderem diesbezüglich untersucht. Julia Hörmann-Thurn und Taxis, Angepasst oder selbstbestimmt? Zur Sozial- und Kulturgeschichte spätmittelalterlicher Fürstinnen im Herzogtum Österreich und in der Grafschaft Tirol im 13. und 14. Jahrhundert, ungedruckte Habilitationsschrift Innsbruck 2016. Dieser Beitrag fußt auf den Ergebnissen

Die habsburgischen Ehen im 13. und 14. Jahrhundert

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Um trotzdem nicht „nur“ die politische Komponente im Blick zu haben, sondern auch ein bisschen in die menschliche Dimension vorzustoßen, soll abschließend die Frage nach möglichen Mesalliancen und nach dem Konsens der betroffenen Eheleute angerissen werden, die ­zumindest zeigen soll, dass hinter diesen kalkulierten Verbindungen Menschen standen, die zurecht kommen mussten, was gewiss nicht immer einfach war. Zunächst aber zu den Motivkonstellationen, die für fürstliche Eheprojektanten von Interesse sein konnten. Bündnisnotwendigkeiten stehen an erster Stelle, aber es können noch eine Reihe weiterer Kriterien für rentable Eheabschlüsse verantwortlich gewesen sein:6 So spielen etwa finanzielle Motive eine tragende Rolle. Eine entscheidende Basis

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meiner ausführlicheren Darstellung in der Habilitationsschrift, die vor der Drucklegung steht. Eine wichtige Basis bilden weiter die gründlichen Arbeiten von Cyrille Debris, „Tu, felix Austria, nube“. La dynastie de Habsbourg et sa politique matrimoniale á la fin du Moyen Âge (XIIIe–XVIe siècles) (Histoires de famille. La parenté au Moyen Âge 2), Turnhout 2005; Cyrille Debris, Stratégies matrimoniales de Rodolphe Ier et Albert Ier de Habsbourg, in: Les Stratégies matrimoniales (IXe–XIIIe siècle), hg. von Martin Aurell (Histoires de famille. La parenté au Moyen Âge 14), Turnhout 2013, S. 211–230, sowie der „Klassiker“ Alphons Lhotsky, Geschichte Österreichs seit der Mitte des 13. Jahrhunderts (1281–1358) (Veröffentlichungen der Kommission für Geschichte Österreichs 1), Wien 1967. Spiess, Familie und Verwandtschaft (wie Anm. 3), S. 36–82; Peter Moraw, Das Heiratsverhalten im hessischen Landgrafenhaus ca. 1300 bis ca. 1500 – auch vergleichend betrachtet, in: Hundert Jahre Historische Kommission für Hessen 1897–1997. Festgabe dargebracht von Autorinnen und Autoren der historischen Kommission. Erster Teil, hg. von Walter Heinemeyer (Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Hessen 61/1), Marburg 1997, S. 115–140, hier S. 119–122. Zur Partnerwahl der Wettiner in der Frühen Neuzeit Anne-Simone Knöfel, Dynastie und Prestige. Die Heiratspolitik der Wettiner (Dresdner Historische Studien 9), Köln/Weimar/Wien 2009, S. 42–47. Zu den Motiven der habsburgischen Heiraten bis in die Frühe Neuzeit Walter Höflechner, Zur Heiratspolitik der Habsburger bis zum Jahr 1526, in: Festschrift Hermann Wiesflecker zum sechzigsten Geburtstag, hg. von Alexander Novotny/Othmar Pickl, Graz 1973, S. 115–121, hier S. 118–120; Karl Vocelka, Habsburgische Hochzeiten. 1550–1600. Kulturgeschichtliche Studien zum manieristischen Repräsentationsfest (Veröffentlichungen der Kommission für neuere Geschichte Österreichs 65), Wien/ Köln/Graz 1976; vergleiche auch den Sammelband Les Stratégies matrimoniales (IXe– XIIIe siècle), hg. von Martin Aurell (Histoires de famille. La parenté au Moyen Âge 14), Turnhout 2013. Die politischen Absichten der Ehepläne unterlagen nicht zwingend strikter Geheimhaltung. Offen schrieb Friedrich der Schöne an die Stadt Treviso, dass er Karl von Kalabrien – und dessen Vater König Robert von Sizilien – durch die geplante Heirat mit seiner Schwester Katharina atrahere, allicere et nuptiarum placare probabili blandimento, also durch die Lockung der Ehe an sich binden wolle. Acta regni Ludewici IV. et Friderici III., hg. von Jakob Schwalm, in: MGH. Constitutiones et acta publica imperatorum et regum, Bd. 5, Hannover/Leipzig 1909–1911, S. 304 f., Nr. 364; Regesta Habsburgica. Regesten der Grafen von Habsburg und der Herzöge von Österreich aus dem Hause Habsburg, Bd. III: Die Regesten der Herzöge von Österreich sowie Friedrichs des Schönen als deutschen König von 1314–1330, hg. von Lothar Gross (Publikationen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung III/2), Innsbruck 1924, S. 59, Nr. 465 (1316 Juni 30).

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mittelalterlicher Eheabsprachen sind daher die ehegüterlichen Vereinbarungen, deren Abschluss sich entsprechend hinziehen konnte. Mitgiften boten außerdem die Möglichkeit friedlicher territorialer Expansionen, was in die Überlegungen stets miteinbezogen wurde.7 Das soziale Prestige und die Möglichkeiten des sozialen Aufstiegs durch Eheallianzen waren wichtige Faktoren,8 wobei zumindest bei den Habsburgern bezüglich des sozialen Status der ausgewählten Ehepartner keine Unterschiede zwischen Töchtern und Söhnen festzustellen sind, das heißt Töchter wurden nicht eher unter Rang verheiratet als Söhne.9 Ein zentrales Element mittelalterlicher Ehen – das gilt nicht nur für die dynastischen – waren die daraus entstehenden legitimen und möglichst männlichen Nachkommen, die den familiären Fortbestand garantierten. Bei Fürstenehen kam die Verantwortung dem Land gegenüber hinzu, denn ohne männlichen Erben brach auch die herrschaftliche Kontinuität ab. Damit wurde fehlende Fertilität zu einem öffentlichen und außerfamiliären Problem, das je nach Perspektive auch zum eigenen Vorteil genutzt werden konnte. So wurde Kaiser Karl IV. schon von den Zeitgenossen unterstellt, er habe seine verwitwete und kinderlose Tochter Katharina in zweiter Ehe mit Otto von 7

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Ein gutes Beispiel dafür ist die Ehe Annas von Habsburg mit Graf Johann Heinrich von Görz, der 1338 nach drei Jahren Ehe kinderlos gestorben ist. Das Witwengut Annas in der Windischen Mark und im Herzogtum Kärnten wurde daraufhin von der habsburgischen Verwandtschaft eingezogen. Martin Wutte, Die Erwerbung der Görzer Besitzungen durch das Haus Habsburg, in: Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung 38/2, 1920, S. 282–311, hier S. 286. Zur Rangordnung in der Adelswelt und ihrer Bedeutung vergleiche zum Beispiel die Sammelbände Princely Rank in Late Medieval Europe. Trodden Paths and Promising Avenues, hg. von Thorsten Huthwelker/Jörg Peltzer/Maximilian Wemhöner (RANK. Politisch-soziale Ordnungen im mittelalterlichen Europa 1), Ostfildern 2011; Die Performanz der Mächtigen. Rangordnung und Idoneität in höfischen Gesellschaften des späten Mittelalters, hg. von Klaus Oschema/Cristina Andenna/Gert Melville/Jörg Peltzer (RANK. Politisch-soziale Ordnungen im mittelalterlichen Europa 5), Ostfildern 2015; am Beispiel der Pfalzgrafen bei Rhein Jörg Peltzer, Der Rang der Pfalzgrafen bei Rhein. Die Gestaltung der politisch-sozialen Ordnung des Reichs im 13. und 14. Jahrhundert (RANK. Politisch-soziale Ordnungen im mittelalterlichen Europa 2), Ostfildern 2013; und der Wettiner Jörg Rogge, Die Wettiner. Aufstieg einer Dynastie im Mittelalter, Ostfildern 2005; weiter Karl-Heinz Spiess, Rangdenken und Rangstreit im Mittelalter, in: Zeremoniell und Raum, hg. von Werner Paravicini (Residenzenforschung 6), Sigmaringen 1997, S.  39–61; Lukas Wolfinger, Die Herrschaftsinszenierung Rudolfs IV. von Österreich. Strategien – Publikum – Rezeption (Symbolische Kommunikation in der Vormoderne), Wien/Köln/Weimar 2018; Jörg Peltzer, Rudolf IV. – ein willkommener Kollege? Das Privilegium maius im Kontext der Vereindeutlichung (kur)fürstlichen Rangs, in: Privilegium maius. Autopsie, Kontext und Karriere der Fälschungen Rudolfs IV. von Österreich, hg. von Thomas Just/ Kathrin Kininger/Andrea Sommerlechner/Herwig Weigl (Veröffentlichungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung 69), Wien/Köln/Weimar 2018, S. 173–192. Moraw, Heiratsverhalten (wie Anm. 6), S. 121.

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Brandenburg verheiratet, weil er mit ihrer Unfruchtbarkeit rechnete und darauf hoffte, selbst die Mark Brandenburg übernehmen zu können, sollten aus dieser Ehe keine Söhne entstehen. Dies ist eingetreten und 1379 kam Brandenburg an den König von Böhmen.10 Ehen dienten also dem Erhalt der dynastischen Existenz und der Befriedigung des dynastischen Ehrgeizes auf sozialer und territorialer Ebene.11 Jedoch ist damit nicht zwangsläufig verbunden, dass Eheabsichten längerfristig angelegten Plänen gehorchten. Zu unmittelbar konnten sich die politischen und dynastischen Voraussetzungen ändern, auf die sofort und flexibel zu reagieren war. Eine adäquate Reaktion setzte einen fundierten Überblick über die vorhandenen menschlichen Ressourcen am Heiratsmarkt voraus. Eine wichtige Voraussetzung für das Gelingen von Eheplänen waren gute „Verhandler“, die außerdem auch die finanzielle Seite in den Präliminarien vorteilhaft durchsetzen konnten. Nicht selten zerstörte der Tod die dynastischen Visionen. Diese Erfahrung mussten die Habsburger bei der geplanten Ehe Katharinas, Tochter König Albrechts I., mit Kaiser Heinrich VII. machen. Sie war schon auf dem Weg zur Hochzeit nach Italien, als sie vom Ableben ihres Bräutigams erfuhr und sich die attraktive Allianz Habsburg-Luxemburg zerschlug.12 Aber auch eine geglückte Eheschließung war kein Garant für das Gelingen politisch-dynastischer Pläne, denn der Partner konnte früh sterben und/oder es gab keine Kinder. Auch für diese Variante halten die Habsburger eindrucksvolle Beispiele bereit: Herzog Rudolf III. wurde mit der böhmischen Königswitwe Rixa von Polen verheiratet mit dem Ziel, der Dynastie das Königreich Böhmen zu verschaffen und durch diese Heirat diesem Anspruch Legitimität zu verleihen. Rudolf starb aber schon ein Jahr nach der Hochzeit13 und die Pläne der Habsburger im europäischen Osten zerschlugen sich für lange Zeit. Ausreichende Fertilität war eine wichtige Voraussetzung, bot aber keine Sicherheit für den Familienerhalt; die Natur hatte auch hier ihre Hände im Spiel. Die Todesfälle unter den zahlreichen Nachkommen König 10 Dieter Veldtrup, Zwischen Eherecht und Familienpolitik. Studien zu den dynastischen Heiratsprojekten Karls IV. (Studien zu den Luxemburgern und ihrer Zeit 2), Warendorf 1988, S. 386. 11 Moraw, Heiratsverhalten (wie Anm. 6), S. 117. 12 Werner Maleczek, Katharina von Österreich (1295–1323), Tochter König Albrechts I., Ehefrau Prinz Karls von Kalabrien, in: Quellen und Forschungen aus italienischen Archiven und Bibliotheken 92, 2012, S.  33–84, hier S.  38  f.; Lhotsky, Geschichte Österreichs (wie Anm. 5), S. 205 f. 13 Ein posthum geborenes Kind starb kurz nach der Geburt. Iohannis Abbatis Victoriensis Liber certarum historiarum, hg. von Fedor Schneider (MGH. Scriptores rerum Germanicarum in usum scholarum 36), Hannover/Leipzig 1909–1910, S. 339, S. 380 f.; Lhotsky, Geschichte Österreichs (wie Anm. 5), S. 153. Eine Tochter aus Rixas erster Ehe mit König Wenzel II. von Böhmen spielte in der habsburgischen Heiratspolitik keine Rolle.

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­Albrechts I. und Elisabeths von Tirol-Görz waren so einschneidend, dass der Fortbestand des Hauses Habsburg gefährdet war. Lediglich die Linie Albrechts II., des jüngsten Sohnes, war mit Kindern gesegnet, die auch das Erwachsenenalter erreichten und das befürchtete dynastische Ende der Familie abwenden konnten.14 Mit Todesfällen war also immer zu rechnen. Sie brachten Pläne zum Scheitern, was durch Eheverträge, die Erbschaftsfragen und die Witwenversorgung regelten, in den Griff zu bekommen versucht wurde. Nach diesen allgemeinen Bemerkungen zu den Motivkonstellationen mittelalterlicher Heiraten in Dynastenfamilien soll nun der Versuch unternommen werden, die politisch-dynastischen Absichten anhand der habsburgischen Ehen zu erschließen. Insgesamt sind es, beginnend mit den Nachkommen König Rudolfs I. und Gertruds/Annas von Hohenberg bis zu den Kindern Albrechts II. und Johannas von Pfirt 13 Mädchen und 11 Knaben, mit denen aussichtsreiche Heiraten arrangiert werden konnten. Rangdenken hatte in den Heiratsplänen des 1273 zum römischdeutschen König gewählten Habsburgers Rudolf einen hohen Stellenwert, galt es doch, seine neue Rolle auch im Netzwerk des europäischen Adels zu positionieren. Es gelang ihm, seine Kinder mit fürstlichen Familien des Reiches zu verbinden.15 Eine Ausnahme bildet nur die Ehe seines Sohnes Albrecht, der sich mit der Gräfin Elisabeth von TirolGörz verheiratete, die aber über ihre Mutter mit den Wittelsbachern und Staufern verwandt war. Das Heiratsverhalten dieser Generation änderte sich deutlich gegenüber der noch von regionalpolitischen Interessen geleiteten Politik der Grafen von Habsburg. So war Rudolfs erste Frau Gertrud (1225–1281; Heirat 1253), die sich nach der Königskrönung Anna nannte,16 eine Tochter des Grafen Burkhard III. von Hohenberg 14 Zum Beispiel Lhotsky, ebenda, S.  328–331; Ellen Widder, Überlegungen zur politischen Wirksamkeit von Frauen im 14. Jahrhundert. Margarete Maultasch und Agnes von Ungarn als Erbtöchter, Ehefrauen und Witwen, in: 1363–2013. 650 Jahre Tirol mit Österreich, hg. von Christoph Haidacher/Mark Mersiowsky (Veröffentlichungen des Tiroler Landesarchivs 20), Innsbruck 2015, S. 91–134, hier S. 120 f. 15 Die für den Sohn Hartmann vorgesehene Ehe mit einer englischen Prinzessin scheiterte am Unfalltod des Bräutigams 1281. Dazu vor allem Fritz Trautz, Die Könige von England und das Reich. 1272–1377. Mit einem Rückblick auf ihr Verhältnis zu den Staufern, Heidelberg 1961, S. 121–123; Ruth Köhler, Die Heiratsverhandlungen zwischen Eduard I. von England und Rudolf von Habsburg. Ein Beitrag zur englisch-deutschen Bündnispolitik am Ausgang des 13. Jahrhunderts, Meisenheim am Glan 1969. 16 „Bei der als Gertrud von Hohenberg geborenen Anna ist insbesondere der Namenswechsel als Signal für eine neue Lebensphase zu werten, der zum einen auf die Erbtochter Herzog Bertholds IV. von Zähringen (Anna von Kyburg) zurückgeführt und mit einem Anspruch auf die schwäbische Herzogswürde verbunden wird und zum anderen in den Kontext des sich zu Ende des 13. Jahrhunderts verbreitenden AnnaKults gestellt wird. Wie ihre Siegel dokumentierten, vollzog sich dieser Namenswechsel

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und der Mechthild, Tochter des Pfalzgrafen Rudolf von Tübingen. Die Grafen von Hohenberg waren zwar eine materiell und sozial bestens im schwäbischen Raum und im Elsass verankerte Familie und diese Verbindung sicherte dem Grafen Rudolf von Habsburg seine Stellung in dem vom ihm ausgebauten familiären Herrschaftsbereich im Südwesten des Reiches. Aber diese Ehe brachte bestimmt keine Aufwertung im internationalen Adelsranking. Vor seiner Wahl zum römisch-deutschen König war eine solche Ambition auch noch von untergeordneter Bedeutung und das Interesse an habsburgischen Verbindungen war bescheiden, was sich in der Folge signifikant änderte. Rudolf selbst verheiratete sich in zweiter Ehe mit der – erst 14-jährigen – Kapetingerin Isabella von Burgund17 und auch die Allianzen für seine Kinder wurden am ­europäischen Heiratsmarkt geschmiedet. Dem Habsburger kam dabei der glückliche Umstand zugute, dass, trotz seines fortgeschrittenen ­Alters von 55 Jahre bei seiner Königswahl, seine Töchter und Söhne noch jung und vor allem unverheiratet waren, was sie disponibel für die neuen Verwandtschaftsperspektiven machte.18 Die nun geplanten und großteils auch realisierten Verbindungen orientierten sich außerdem an den territorialen Expansionsinteressen der Dynastie. Die Verlagerung des familiären Wirkungsschwerpunktes von den westlichen Stammlanden in die neuen Gebiete im Osten wird seit der Belehnung der Söhne Rudolfs I. mit den Herzogtümern Österreich und Steiermark 1282 auch in den Eheallianzen sichtbar. In der Generation nach Rudolf wurde keine einzige Verbindung mit einer im Westen des Reiches verankerten Familie geschlossen. Auch die Ehe Albrechts I. von Gertrud von Habsburg und Kyburg sowie Landgräfin des Elsasses zu Anna Dei Gratia Regina Romanorum, im Gefolge der Königswahl 1273.“ Martina Stercken, „saeldenrîche frowen und gschwind listig wib“. Weibliche Präsenz Habsburgs im Südwesten des Reiches, in: Mächtige Frauen? Königinnen und Fürstinnen im europäischen Mittelalter (11.–14. Jahrhundert), hg. von Claudia Zey (Vorträge und Forschungen 81), Ostfildern 2015, S. 337–364, hier S. 342. 17 Wie Gertrud von Hohenberg so änderte auch Isabella ihren Namen nach der Hochzeit. Sie nannte sich nun Agnes. Die Gründe dafür sind nicht erkennbar. Zu ihr zum Beispiel Heide Dienst, Art. „Agnes (Isabelle) von Burgund“, in: Die Habsburger. Ein biographisches Lexikon, hg. von Brigitte Hamann, 4. Auflage Wien 1988, S. 29; Karl-Friedrich Krieger, Rudolf von Habsburg (Gestalten des Mittelalters und der Renaissance), Darmstadt 2003, S.  208–215; Alois Niederstätter, Die Herrschaft Österreich. Fürst und Land im Spätmittelalter (Österreichische Geschichte 1278–1411), Wien 2001, S. 93; zu Rudolfs Frankreichpolitik siehe auch zusammenfassend Thomas Zotz, Rudolf von Habsburg (1273–1291), in: Die deutschen Herrscher des Mittelalters. Historische Portraits von Heinrich I. bis Maximilian I. (919–1519), hg. von Bernd Schneidmüller/ Stefan Weinfurter, München 2003, S. 340–359, hier S. 354 f. 18 Ausschlaggebend war seine „späte“ Heirat im Jahr 1253. Damals zählte Rudolf bereits 35 Jahre. Seine älteste Tochter war 20, als sie 1273 den Wittelsbacher Ludwig ehelichte. Es folgte 1274 Albrecht und dann erst ab 1278/79 die weiteren Geschwister (siehe Tabellenanhang).

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mit Elisabeth von Tirol-Görz diente in erster Linie der habsburgischen Ostpolitik, ebenso die Verbindung, die Katharina, eine der Töchter Rudolfs, mit Herzog Otto von Niederbayern (1290–1312)19 einging. Nach dem Sieg Rudolfs über König Ottokar von Böhmen, seinen schärfsten Kontrahenten im Reich, in der Schlacht von Dürnkrut 1278 wurde die neue politische Situation mit den neuen Nachbarn gleich durch zwei Heiraten „befriedet“. Rudolf II. wurde mit der PřemyslTochter Agnes verehelicht, seine Schwester Guta mit dem noch kind­ lichen böhmischen Thronerben Wenzel. Hedwig, noch eine Schwester, heiratete 1279 den Markgrafen von Brandenburg aus dem Haus der ­Askanier, den Rudolf I. damit als wichtige Bündnispartner für seine böhmischen Ambitionen gewinnen wollte. Eine weitere Tochter des römisch-deutschen Königs, Clementia, ging eine Ehe mit dem Anjou Karl Martell, Sohn des Königs von Sizilien, ein. Da er über seine Mutter ein Arpade und damit ein potentieller Erbe des Königreiches Ungarn war, wollte Rudolf sich durch diese Allianz dafür die Chancen sichern. Diese Vision realisierte sich nicht, da die Anjou in Ungarn diesmal nicht zum Zug kamen.20 Auch in der Enkelgeneration Rudolfs I. wurden die Heiraten der Festigung der Hausmacht in den neuen Herzogtümern untergeordnet und dienten in erster Linie dem Aufbau eines dafür hilfreichen verwandtschaftlichen Netzwerkes. Jedoch erweiterte sich der heiratspolitische Radius wieder Richtung Westen und auch in den europäischen Süden, wo eine zweifache Eheachse zustandekam: Katharina mit dem Anjou Karl von Kalabrien, Friedrich mit der Prinzessin Isabella von Aragón. Die beiden Familien Aragón und Anjou waren allerdings verfeindet, was dem Charakter dieser Verbindung zumindest einen komplizierten Anstrich gab. Da aber die Mutter Karls von Kalabrien eine Aragónesin war und diese Habsburg-Anjou-Ehe auch von König Jakob II. von Aragón, dem maßgeblichen player in dieser Region Europas, akzeptiert worden war, erwiesen sich diese heiratspolitischen Entscheidungen als deutlich weniger pikant.21 19 Bernhard Huesmann, Die Familienpolitik der bayerischen Herzöge von Otto I. bis auf Ludwig den Bayern. 1130–1347, Diss. phil. München 1940, S. 9, S. 47 f.; zu Otto vergleiche Felix Escher, Art. „Otto III.“, in: Neue Deutsche Biographie 19, Berlin 1999, S. 676 f.; Ludwig Schnurrer, Urkundenwesen, Kanzlei und Regierungssystem der Herzöge von Niederbayern 1255–1340 (Münchener Historische Studien, Abt. Geschichtliche Hilfswissenschaften 8), Kallmünz/Oberpfalz 1972, S. 36–39. 20 Annie M. Huffelmann, Clemenza von Ungarn, Königin von Frankreich (Abhandlungen zur Mittleren und Neueren Geschichte 30), Berlin/Leipzig 1911, S. 1–6. 21 Zur Diplomatie des Königs von Aragón, der sich im verwinkelten Machtapparat des avignonesischen Papsttums virtuos bewegte, vergleiche Günther Hödl, Herzog Leopold I. von Österreich (1290–1326), ungedruckte Diss. phil. Wien 1964, S. 119 f., S. 131, S. 135 f.

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Die wiederbelebte Attraktivität der westlichen Besitzungen unter den Nachkommen König Albrechts I. resultierte daraus, dass die jüngeren Söhne dort erste Verwaltungserfahrungen sammeln konnten bzw. in den alten habsburgischen Stammlanden ihre herrschaftspolitische Chance bekamen, die ihnen in den für den Familienältesten „reservierten“ östlichen Herzogtümern, also Österreich und Steiermark, verwehrt war. Herzog Leopold I., der dritte Sohn Albrechts, schöpfte die Möglichkeiten, die ihm die südwestdeutschen Territorien eröffneten, aus und entwickelte eine intensive Erwerbspolitik in den südwestdeutschen Territorien, zu der auch der erfolgreiche Abschluss von Eheverbindungen zählte. Er selbst heiratete mit Katharina eine Tochter des Grafen von Savoyen, eines seiner mächtigsten Konkurrenten in der „Nachbarschaft“.22 Für seinen jüngeren Bruder Albrecht arrangierte er die Verbindung mit der Pfirter Erbtochter Johanna, die den Habsburgern die wichtige Grafschaft Pfirt im Oberelsass und in der Burgundischen Pforte einbrachte,23 und seine Schwester Elisabeth gab er Herzog Friedrich von Lothringen zur Frau. Der Griff nach Lothringen war der Versuch, das Netzwerk nach Frankreich auszudehnen, womit ­Leopold an die politischen Pläne seines Vaters anschloss. Denn Al­ brecht I. hatte mit der ersten Verheiratung seines Sohnes Rudolf III. mit der französischen Prinzessin und Kapetingerin Blanche in eben diese Richtung gezielt,24 wenngleich deren früher kinderloser Tod seine Pläne durchkreuzten. Ebenso erwies sich die Ehe, die später die

22 Zum Aufstieg Savoyens im Mittelalter zum Beispiel Giovanni Tabacco, Il trattato matrimoniale Sabaudo-Austriaco del 1310 e il suo significato politico, in: Bollettino storico-bibliografico subalpino 49, 1951, S. 5–62, hier S. 3–9; Guido Castelnuovo, Lo spazio sabaudo medievale fra nord e sud delle Alpi. Specificità e confronti (X–XV secolo), in: Kommunikation und Mobilität im Mittelalter. Begegnungen zwischen dem Süden und der Mitte Europas (11.–14. Jahrhundert), hg. von Siegfried W. de Rachewiltz/Josef Riedmann, Sigmaringen 1995, S. 277–289; Bernhard Demotz, La politique internationale des comtes de Savoie, in: Revue savoisienne 149, 2009, S. 211–218; Bernhard Demotz, Art. „Savoyen“, in: Lexikon des Mittelalters 7, Stuttgart/Weimar 1995, Sp. 1415–1422. 23 Allgemein zur Grafschaft Stephanie Haarländer, Art. „Pfirt“, in: Neue Deutsche Biographie 20, Berlin 2001, S. 335 f.; zu Johanna vergleiche Gabrielle Claerr-Stamm, Johanna von Pfirt, Gattin des Habsburgers Albrecht II. Herzog von Österreich oder das europäische Schicksal einer Elsässerin (Sundgaugeschichtsverein), Riedisheim 1996; und auch Debris, „Tu, felix Austria“ (wie Anm. 5), S. 103–105. 24 Dazu ausführlich Jakob Eschler, Die Heirat zwischen Herzog Rudolf III. von Österreich und Blanca, der Schwester Philipps IV. von Frankreich, in: Sechsundzwanzigster Jahresbericht der niederösterreichischen Landes-Oberrealschule und der Fachschule für Maschinenwesen in Wiener-Neustadt, 1891, S. 3–27. Mit dieser Eheschließung war auch ein deutlicher sozialer Prestigegewinn für die Habsburger verbunden. Die Kapetinger zählten zweifelsohne zu den exklusivsten Familien Europas.

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jüngere Tochter Leopolds mit dem französischen Königsvertrauten Enguerrand de Coucy schloss, als für die politische Zukunft Habsburgs und die Frankreich-Achse bedeutungslos.25 Herzog Leopold hatte aber sehr viele Geschwister; seine Eltern, Al­ brecht I. und Elisabeth, hatten mindestens 11 überlebende Kinder, davon sechs Knaben und fünf Mädchen.26 Sie eröffneten vielfältige Ehearrangements, vor allem aber mit den Wittelsbachern, Luxem­ burgern und Arpaden. Primäres Ziel war wieder die Festigung und Fortsetzung der politischen Visionen im östlichen Herrschaftskomplex der Habsburger. Auch die Ehe Annas, der ältesten Tochter, mit dem Piasten Heinrich von Schlesien-Breslau ist vor diesem Hintergrund zu sehen, wie schon ihre erste Ehe mit Markgraf Hermann von Brandenburg.27 Am besten aber reflektiert die Ehe der Agnes mit Andreas III. von Ungarn die Strategien, die auf die jeweilige Situation sofort reagierten. Andreas war der letzte Ungarnkönig aus der Dynastie der Arpaden; diesen in die Familie zu bringen, bedeutete die realistische Aussicht auf das Erbe Ungarn, das für Habsburg stets Ziel blieb, wenn sich auch 25 Zum Leben ihres Sohnes Enguerrand VII. vergleiche zusammengefasst Heinrich Fichtenau, Persönliche Kontakte zwischen Österreichern und Franzosen im Mittelalter, in: Österreich in Geschichte und Literatur 5, 1961, S. 501–507, hier S. 505; und Béat Fidel Anton Baron de Zurlauben, Abrégé de la vie d’Enguerrand VII du nom, sire de Couci, in: Bibliotheque militaire, historique et politique, tom. 2, Paris 1760, S. 146–402; weiter zu den Erbansprüchen ihres einzigen Sohnes an die Herzöge von Österreich Franz Viktor Effinger, Abhandlung über die Ansprüche des Herrn von Coucy an das Haus Österreich, in: Der Schweizerische Geschichtsforscher 2, 1817, S. 1–20; auch Christian Lackner, Die landesfürstlichen Pfandschaften in Österreich unter der Enns im 13. und 14. Jahrhundert, in: Österreich im Mittelalter. Bausteine zu einer revidierten Gesamtdarstellung, hg. von Willibald Rosner (Studien und Forschungen aus dem Niederösterreichischen Institut für Landeskunde 26 = Niederösterreichische Schriften 109 Wissenschaft), St. Pölten 1999, S. 187–204, hier S. 196 Anm. 50 (mit weiterer Literatur). 26 Insgesamt sollen es 21 gewesen sein. Das berichtet das Chronicon Koenigsfeldense, in: De translatis habsburgo-austriacorum principum, eorumque coniugum cadaveribus ex ecclesia cathedrali Basileensi et monasterio Koenigsveldensi in Helvetia ad conditorum novum monasterii S. Blasii in silva nigra, ed. Martin Gerbert (nach der Abschrift von Clevi Fryger, 1442) St. Blasien 1772, S. 86–113, hier S. 93; und die Österreichische Chronik von den 95 Herrschaften, hg. von Joseph Seemüller, in: MGH. Deutsche Chroniken, Bd. 6, Hannover/Leipzig 1909, Nachdruck München 1980, S. 217. 27 Die Absicht ging nicht auf, die Askanier und Piasten erwiesen sich als wenig brauchbare Partner. So gab Markgraf Woldemar von Brandenburg, der eine Tochter Annas von Habsburg aus der Ehe mit dem schlesischen Herzog geheiratet hatte, bei der Königswahl von 1314 nicht Friedrich dem Schönen seine Stimme, obwohl dieser der Bruder seiner Schwiegermutter war. Johannes Schultze, Die Mark Brandenburg, Bd. 2: Die Mark unter der Herrschaft der Wittelsbacher und Luxemburger (1319–1415), Berlin 1961, S. 222 f.; Andreas Büttner, Rituale der Königserhebung im Konflikt. Die Doppelwahl von 1314 – Verlauf, Deutung und Folgen, in: Die Königserhebung Friedrichs des Schönen im Jahr 1314. Krönung, Krieg und Kompromiss, hg. von Matthias Becher/ Harald Wolter-von dem Knesebeck, Köln/Weimar/Wien 2017, S. 27–66, hier S. 30 f.

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die Hoffnungen zerschlugen. Denn die Ehe blieb kinderlos und Andreas starb bereits 1301.28 Es fanden jedoch nicht nur weitreichende territoriale Überlegungen Eingang in die habsburgische Heiratspolitik. Zuweilen entsprangen die Ideen unmittelbaren tagespolitischen Notwendigkeiten. Dafür ist die Ehe Herzog Heinrichs von Österreich mit Gräfin Elisabeth von Virneburg ein gutes Beispiel. Ihr Onkel Heinrich war als Erzbischof von Köln einer der drei geistlichen Kurfürsten, dessen Stimme Herzog Friedrich der Schöne in der Doppelwahl von 1314 dringend benötigte. Dafür wurden Gegenleistungen erwartet, zu denen auch diese Eheallianz zählte.29 Weiter waren damit keine „Vorteile“ verbunden, auch Kinder entstanden keine aus dieser Verbindung. Die Ehe Gutas von Habsburg mit dem Grafen Ludwig von Öttingen diente der Bündnisabsicherung im Zusammenhang mit der Königswahl von 1314. Ludwig positionierte sich auf der habsburgischen Seite.30 Eine Konstante im habsburgischen Heiratsverhalten blieben die Wittelsbacher. In jeder Generation gab es eine oder mehrere Eheschließungen, auch wenn das Verhältnis dieser beiden Dynastien zwischen Freund- und Feindschaft ständig wechselte. In Rudolfs Enkelgeneration war es Anna, eine der zwei Töchter Friedrichs des Schönen, die den 28 Zum Beispiel Widder, Überlegungen (wie Anm. 16), S. 102 f.; Debris, „Tu, felix Austria“ (wie Anm. 5), S. 140 f. 29 Zu den Wahlversprechungen der beiden Kandidaten vgl. Heinz Thomas, Ludwig der Bayer (1282–1347). Kaiser und Ketzer, Graz/Wien/Regensburg 1993, S. 56–58. Zu Friedrichs Versprechungen und den Verhandlungen, die Herzog Leopold von Österreich mit dem Erzbischof von Köln führte: Die Regesten der Erzbischöfe von Köln im Mittelalter, Bd. 4: 1304–1332, bearb. von Wilhelm Kisky (Publikationen der Gesellschaft für rheinische Geschichtskunde XXI/4), Bonn 1915, 4, Nr. 816–818, Nr. 820–821 (1314 Mai 9; die Urkunden beinhalten diverse Zusagen für den Fall der positiven Stimme für Herzog Friedrich an den Erzbischof von Köln, der dafür auch Wahlwerbung zu machen hatte), und ebenda, Nr. 849 (1314 Juli 24). Siehe auch Tractatus de electione regis annis MCCCXIII– MCCCXIV habiti, hg. von Jakob Schwalm, in: MGH. Constitutiones et acta publica imperatorum et regum, Bd. 5, Hannover/Leipzig 1909–1911, S. 23–32, Nr. 25–27, S. 33, Nr. 29, S. 34, Nr. 30 (alle 1314 Mai 9). Zur Bedeutung Heinrichs von Virneburg als Koronator Friedrichs des Schönen Andreas Büttner, Der Weg zur Krone. Rituale der Herrschererhebung im spätmittelalterlichen Reich (Mittelalter-Forschungen 35/1–2), Ostfildern 2012, S.  725–727; Hans-Dieter Homann, Kurkolleg und Königtum im Thronstreit von 1314– 1330 (Miscellanea Bavarica Monacensia 56, Neue Schriftenreihe des Stadtarchives München), München 1974, S. 157–162; Manfred Groten, Die Rolle der nördlichen Rheinlande und des Kölner Erzbischofs bei der Wahl Friedrichs des Schönen, in: Die Königserhebung Friedrichs des Schönen im Jahr 1314. Krönung, Krieg und Kompromiss, hg. von Matthias Becher/Harald Wolter von dem Knesebeck, Wien 2017, S. 181–191. 30 Dieter Kuhdorfer, Die Grafschaft Oettingen. Territorialer Bestand und innerer Aufbau (um 1140 bis 1806), in: Historischer Atlas von Bayern, Teil Schwaben, Reihe II/3 (München 1985), S.  2–12 (zur staufischen Verwandtschaft); Dieter Kuhdorfer, Art. „Öttingen, Grafen/Fürsten von“, in: Historisches Lexikon Bayerns, http://www.historisches-lexikon-bayerns.de/artikel/artikel_45256 (Zugriff am 09.11.2018).

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nieder­bayerischen Herzog (Heinrich III.) ehelichte.31 Diese Ehe war ein Produkt des kurzzeitigen „Tauwetters“ zwischen den Konkurrenten um die römisch-deutsche Königskrone, Ludwig dem Bayern und Friedrich dem Schönen von Österreich.32 Dies wurde 1327 gleich mit zwei Eheabsprachen bekräftigt: Neben Anna sollte auch Elisabeth einen Wittelsbacher heiraten. Dieser Plan zerschlug sich.33 Der ausbleibende Kindersegen bzw. der frühe Tod der Kinder war, wie schon erwähnt, ein allgemeines Phänomen bei den so zahlreichen Nachkommen Albrechts und Elisabeths, die mit Ausnahme Albrechts II. ihrer „Verpflichtung“, männliche Deszendenten in die Welt zu setzen, nicht nachkommen konnten. Denn die Söhne Herzog Ottos starben früh und kinderlos, Friedrich der Schöne und Leopold bekamen je zwei Töchter, die für den Fortbestand des eigenen Hauses wegfielen. Albrecht und Johanna hingegen hatten immerhin sechs Kinder, darunter vier Söhne. Auch anhand der Heiraten dieser Nachkommen lassen sich gut die politischen Interessen der Habsburger ablesen: So wird die Annäherung an die Luxemburger, die neue Königsdynastie in Böhmen, gleich durch drei Ehen verdeutlicht und war im Interesse beider Familien, was sich 1364 in der Erbeinigung zwischen Rudolf IV. von Österreich und Karl IV., römisch-deutscher Kaiser und König von Böhmen, endgültig manifestieren sollte. Die Absichten und Zukunftshoffnungen, für die beide Seiten damit eine gute Grundlage schaffen wollten, rea­lisierten sich aber nicht, da die drei Ehen ohne Kinder blieben. Rudolf IV. wurde mit Katharina von Böhmen und sein Bruder Albrecht III. mit deren jüngerer Halbschwester Elisabeth verheiratet. Margarethe, eine der Schwestern der beiden Habsburger, schloss 1364 ihre zweite Ehe mit Johann Heinrich von Mähren, dem jüngeren Sohn König Johanns von Böhmen. Sie verstarb aber schon zwei Jahre später. In ihrer ersten Ehe hatte sie mit Meinhard III. von Tirol und Bayern ebenfalls einen aussichtsreichen Erben zum Mann. Er war der einzige Sohn aus der Ehe Ludwigs von Brandenburg mit der Tiroler Erbtochter Margarete. Diese Ehe hätte ­zunächst der Festigung des Verhältnisses zu den in Tirol regierenden Wittelsbachern 31 Veldtrup, Eherecht (wie Anm. 10), S. 243, Anm. 1450; Heinrich Ritter von Zeissberg, Elisabeth von Aragonien, Gemahlin Friedrich‘s des Schönen von Oesterreich (1314– 1330) (Sitzungsberichte der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, phil. hist. Kl. 137), Wien 1898, S. 122–124. Ihre zweite ebenfalls kinderlos gebliebene Ehe mit Johann Heinrich von Görz war dann den südöstlichen Interessen der Habsburger verpflichtet. Wutte, Erwerbung (wie Anm. 7), S. 286. 32 Zum Beispiel Martin Clauss, Ludwig IV. und Friedrich der Schöne, in: Die Königserhebung Friedrichs des Schönen im Jahr 1314. Krönung, Krieg und Kompromiss, hg. von Matthias Becher/Harald Wolter von dem Knesebeck,Wien 2017, S. 255–270. 33 Lhotsky, Geschichte Österreichs (wie Anm. 5), S. 288–290 (Friede von Trausnitz-München), S.  328; Veldtrup, Eherecht (wie Anm.  10), S.  61; Zeissberg, Elisabeth (wie Anm. 31), S. 115 f.

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dienen sollen. Längerfristig war sicher auch der Erbfall Tirols an Habsburg eine Möglichkeit. Diese Ehe konnte wegen des frühen Todes des jungen Ehemannes dazu freilich wenig beitragen.34 Die seit Rudolf I. konstant verfolgten und auch realisierten Ehepläne mit Nachkommen der Wittelsbacher und der Könige von Böhmen – Přemysliden und nachfolgend die Luxemburger – wurden in der Generation nach Albrecht I. und Elisabeth ergänzt durch zwei in diesem Kontext ungewöhnliche Verbindungen: Der Witwer Albrecht III. ehelichte Beatrix, eine Tochter des Burggrafen von Nürnberg. Diese Ehe bedeutete eine weitere Vernetzung im Kreis der politisch aufstrebenden Familien, denn vor allem die (Hohen)zollern sollten sich neben den Habsburgern als die Dynastie der Zukunft erweisen. Die unmittelbaren politischen Vorteile daraus waren dennoch zunächst kaum erkennbar, wie auch diese Ehe die einzige mittelalterliche Allianz der Habsburger mit den Nürnberger Zollern, den späteren Markgrafen von Brandenburg, blieb. Der Bruder Albrechts III. hingegen verheiratete sich, nachdem er 1373 Witwer geworden war, mit einer mailändischen Viscontitochter. Diese Ehe wiederum war die einzige, die im 14. Jahrhundert mit einer der führenden Familien Oberitaliens geschlossen wurde.

Mesalliancen Im Allgemeinen dienten fürstliche Eheschließungen dem Ansehen und dem Erhalt der Dynastie. Daneben kamen aber dennoch immer wieder Ehen zustande, die den gegenteiligen Effekt hatten.35 Ein Beispiel dafür ist die zweite Ehe Katharinas, der zweiten Tochter Herzog Leopolds und Katharinas von Savoyen. Nachdem ihr erster Mann, der schon erwähnte Graf Enguerrand VI. de Coucy, in der Schlacht von Crecy 1346 34 Aus der reichhaltigen Literatur vergleiche dazu nur den Sammelband Haidacher/ Mersiowsky, 1363–2013 (wie Anm.  14); Heinz-Dieter Heimann, Die luxemburgischhabsburgischen Erbverbrüderungen von 1364 und 1366. Ein inner- und interdynastisches Rechtswerk, in: Erbeinungen und Erbverbrüderungen in Spätmittelalter und Früher Neuzeit. Generationsübergreifende Verträge und Strategien im europäischen Vergleich, hg. von Mario Müller/Karl-Heinz Spiess/Uwe Tresp (Studien zur brandenburgischen und vergleichenden Landesgeschichte 17), Berlin 2014, S. 133–149. 35 Weitere Beispiele für Mesalliancen in Fürstenhäusern Cordula Nolte, Die Familie im Adel. Haushaltsstrukturen und Wohnverhältnisse im Spätmittelalter, in: Die Familie in der Gesellschaft des Mittelalters, hg. von Karl-Heinz Spiess (Vorträge und Forschungen 71), Ostfildern 2009, S. 77–107, S. 274, Anm. 436, S. 282–284 (zu Barbara von Brandenburg und ihren unstandesgemäßen Heiratsplänen); Jörg K. Hoensch, Přemysl Otakar II. von Böhmen. Der goldene König, Graz 1989; Marie Bláhová, Böhmen in der Politik Rudolfs von Habsburg, in: Rudolf von Habsburg. 1273–1291. Eine Königsherrschaft zwischen Tradition und Wandel, hg. von Egon Boshof/Franz-Reiner Erkens (Passauer historische Forschungen 7), Köln 1993, S. 59–78, hier S. 66 f.

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gefallen war, heiratete sie 1348 den Grafen Konrad II. von Hardegg,36 der im französischen Heer diente und den sie während der Belagerung von Calais (1346 September bis 1347 August) kennengelernt hatte. Diese Allianz stand natürlich nicht auf der „Liste“ des pater familias Herzog Albrecht II. und war ohne sein Wissen geschlossen worden. Die Liebesheirat wurde zum innerfamiliären Skandal, wobei der Ärger Albrechts einerseits die unstandesgemäße Herkunft des Bräutigams betraf und andererseits in der Befürchtung von Erbansprüchen der Hardegger ­begründet war. Seine Reaktion fiel daher heftig aus: Konrad und seine drei Brüder mussten das Land verlassen. Sie wurden von König Karl IV., in dessen Diensten sie sich bereits hervorgetan hatten,37 in Prag aufgenommen und brachten damit kurzzeitig das freundschaftliche Verhältnis zwischen diesen beiden Dynastien ins Wanken. Bereits 1349 starben Katharina und Konrad von Hardegg beide an der Pest, womit sich das Problem dieser Mesalliance von selbst löste.38 36 Die Grafschaft Hardegg im heutigen Niederösterreich (Waldviertel) war das herrschaftliche Zentrum der 1260 im Mannesstamm ausgestorbenen Grafen von Plain-Hardegg. Die Witwe des letzten Plain- Hardeggers Otto heiratete in dritter Ehe den Thüringer Berthold von Rabenswalde. Dessen Großneffe war Burggraf Berthold von Magdeburg, der 1312 das Erbe der Plain-Hardegger antrat. Berthold stammte aus der Familie der Herren von Querfurt, die nur bis 1261 Burggrafen von Magdeburg waren, den Titel aber behielten. Die Querfurter hatten 200 Jahre lang die Grafschaft Hardegg inne und nannten sich weiterhin Burggrafen von Magdeburg (Maidburg) und Grafen von Hardegg (und Retz). Konrad war der jüngste Sohn jenes Berthold und machte Karriere im französischen Heer. Roman Zehetmayer, Das Urbar des Grafen Burkhard III. von Maidburg-Hardegg aus dem Jahre 1363. Mit einer Einleitung zur Struktur der Grafschaft Hardegg im 14. Jahrhundert (Fontes Rerum Austriacarum III/15), Wien/Köln/Weimar 2001, S. 39–53; Günther Marian/Roman Zehetmayer, Hardegg, in: Höfe und Residenzen im spätmittelalterlichen Reich. Grafen und Herren. Teilband 2, hg. von Werner Paravicini/Jan Hirschbiegel/Anna Paulina Orlowska/Jörg Wettlaufer (Residenzenforschung 15/IV/2), Ostfildern 2012, S. 559–582, hier S. 559–573 und besonders S. 562 f.; zu den Burggrafen von Magdeburg aus dem Hause Querfurt vergleiche allgemein Helmut Lötzke, Die Burggrafen von Magdeburg aus dem Querfurter Haus, Diss. phil. Greifswald 1950, Nachdruck Bad Langensalza 2005, zu Konrad, S. 156. 37 Konrads Bruder Burkhard war viele Jahre Hofmeister Karls IV., was sich nun als hilfreich erwies. Gerhard Seeliger, Das deutsche Hofmeisteramt im späteren Mittelalter, Innsbruck 1885, S. 26–28. 38 Weiter dazu Alois Niederstätter, Herrschaft Österreich (wie Anm. 17), S. 140f., und Lhotsky, Geschichte Österreichs (wie Anm.  5), S.  353 Anm.  199; Max Vancsa, Geschichte Nieder- und Oberösterreichs, Bd. 2: 1283 bis 1522 (Deutsche Landesgeschichten 6/2), Stuttgart/Gotha 1927, S.  127; vergleiche auch Veldtrup, Eherecht (wie Anm. 10), S. 204, S. 290 f., und Acta Pataviensia Austriaca. Vatikanische Akten zur Geschichte des Bistums Passau und der Herzöge von Österreich (1342–1378), Bd. 1: Klemens VI. 1342–1352, hg. von Josef Lenzenweger (Publikationen des Historischen Instituts beim österreichischen Kulturinstitut in Rom II/4/1), Wien 1974, S. 185 f. Zum Todesjahr vergleiche Die Chronik des Mathias von Neuenburg, hg. von Adolf Hofmeister (MGH. Scriptores rerum Germanicarum, Nova Series 4), München 1924–1940, Nachdruck Hannover 1984, S. 288, Anm. 7 und 8. Katharina starb am 28. September und Konrad am 25. September 1349.

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Das eheliche Konsensrecht So sehr mittelalterliche Fürstenehen von den Plänen und Entscheidungen der Dynastie bzw. des Dynastieoberhauptes abhingen, sah das Kirchenrecht doch die Zustimmung der Betroffenen, also von Braut und Bräutigam, zur Ehe als zentrale Voraussetzung an, ohne die eine rechtmäßige Eheschließung nicht möglich war. Diese Einwilligung konnte aber erst mit Erreichung der Minderjährigkeit, also mit sieben Jahren, gegeben werden, weshalb nach kanonischem Recht erst dann Eheabsprachen gültig werden konnten (desponsatio impuberum). Das hinderte die Familien aber nicht daran, schon davor für ihre Kinder Pläne zu schmieden und verbindlich zu regeln.39 Das Konsensrecht spielte in der Praxis allerdings kaum eine Rolle. Dazu nur ein Beispiel: Nachdem Katharina von Böhmen, Tochter Kaiser Karls IV. und Ehefrau Herzog Rudolfs IV., 1365 Witwe geworden war, sollte sie anstelle ihrer viel jüngeren Halbschwester Elisabeth von Böhmen den Wittelsbacher Otto von Brandenburg in zweiter Ehe heiraten, da für diese die Pläne geändert worden waren. Karl IV. sah Elisabeth lieber als Ehefrau Albrechts III. von Österreich. Der Tausch kam zustande: Otto ehelichte 1366 die etwa gleichaltrige Katharina, und Elisabeth zum selben Termin Albrecht und festigte damit die wichtige Allianz Habsburg-Luxemburg. Katharina hatte sich nicht dagegen gewehrt und musste mit einer wenig glücklichen zweiten Ehe umgehen lernen. Das Beispiel zeigt, wie prioritär die Ziele bei Fürstenheiraten verfolgt wurden und wie sehr die Protagonisten in den meisten Fällen zu Schachfiguren reduziert wurden. Die kirchenrechtlich vorgeschriebene Zustimmung von Braut und Bräutigam wurde wohl vorausgesetzt, zumal Eigeninitiative nicht erwartet werden konnte; Heiratsabsprachen wurden ja bereits im Kindesalter der Brautleute getroffen, und als sie heirateten, waren sie oft auch nicht viel älter. Dennoch gibt es immer wieder Fälle, die zeigen, dass das zugewiesene Schicksal nicht konfliktfrei angenommen wurde und es Möglichkeiten gab, sich diesem zu widersetzen. 39 Zur Konsensehe zum Beispiel Paul Mikat, Art. „Ehe“, in: Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte 1, Berlin 1971, Sp. 809–833, hier Sp. 818 f.; Rudolf Köstler, Die väterliche Ehebewilligung. Eine kirchenrechtliche Untersuchung auf rechtsvergleichender Grundlage (Kirchenrechtliche Abhandlungen 51), Stuttgart 1908, S.  116  f.; Christina Deutsch, Konsensehe oder Zwangsheirat? Zur mittelalterlichen Rechtsauffassung „consensus facit matrimonium“, in: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 53/8, 2005, S.  677–690; zusammenfassend Spiess, Familie und Verwandtschaft (wie Anm.  3), S.  28–35 (mit der älteren Literatur); Peter Landau, Ehetrennung als Strafe. Zum Wandel des kanonischen Eherechts im 12. Jahrhundert, in: Europäische Rechtsgeschichte und kanonisches Recht im Mittelalter. Ausgewählte Aufsätze aus den Jahren 1967–2006, Badenweiler 2013, S. 673–709, hier S. 675 (Consensus facit nuptias); Veldtrup, Eherecht (wie Anm. 10), S. 23 f., S. 33–51, S. 62 f.

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Elisabeth, eine der Töchter Friedrichs des Schönen und Isabellas von Aragón, wählte den radikalen Weg. Als die 1317/18 geborene Habsburgerin nach drei gescheiterten Verlobungen den Zaren Stephan VII. Dušan von Serbien heiraten sollte, führte sie selbst die Entscheidung herbei und starb kurz vor der Hochzeit 1336. Ihren Tod sieht Johann von Viktring in Zusammenhang mit der geplanten Ehe mit dem serbischen Fürsten, die Elisabeth nicht eingehen wollte.40 Elisabeths Schwester Anna erging es nur wenig besser. Aus ihren zwei Ehen hatte sie keine Kinder und ihre Ehemänner machten sie früh zur Witwe. Nach dem Tod ihres zweiten Mannes, Graf Johann Heinrich von Görz, kehrte sie 1338 nach Wien zurück. Um sich einer neuerlichen Ehe zu entziehen, wählte sie den Weg ins Kloster und trat bei den Wiener Klarissen ein, wo sie schon 1343 verstarb. Möglicherweise steht ihre Lähmung (Nervenleiden?), von der wiederum Johann von Viktring berichtet, in Zusammenhang mit ihren Eheerfahrungen und den Verlusten.41 Immerhin war sie erst zwanzig, als sie ihren zweiten Ehemann verlor. Subtiler ging es Agnes, Tochter Königs Albrechts I. und Elisabeths von Tirol-Görz, an. Sie weigerte sich, bereits einmal Witwe, einen römischen Colonna zu heiraten und gab vor, keinen Verwandten ehelichen zu wollen.42 Diese Beispiele ließen sich zwar noch erweitern, sind aber insgesamt gering an Zahl und bestätigen eigentlich nur,43 dass die von der Kirche

40 Allerdings geht er nicht so weit zu behaupten, Elisabeth wäre freiwillig aus dem Leben geschieden. Iohannis Abbatis Victoriensis (wie Anm. 13), Bd. II/IV–VI (Rec. A), S. 172 (ähnlich Rec. D, S. 202 f.): Eodem anno (1336) infirmata est filia regis Friderici Elizabeth infirmitate, qua et mortua est; nam dum Servie regi diceretur matrimonialiter copulanda, in tantum abhorruit hominis scismatici fidem erroneam ita ut cottidianis Deum gemitibus exoraret, multis ieiuniis corpus affligeret, suam semper Domino pudiciam commendaret (et mortem pocius quam nuptum huiusmodi exoptaret = nur Rec. D, S. 202 f.); Margit Kamptner, Die Darstellung der Zeitgeschichte bei Johann von Viktring, in: Studien zur Geschichtsschreibung Johanns von Viktring, hg. von Urban Bassi/Margit Kamptner (Das Kärntner Landesarchiv 22), Klagenfurt 1997, S. 42–166, hier S. 139–142; Zeissberg, Elisabeth (wie Anm. 31), S. 111–122; Huesmann, Familienpolitik (wie Anm. 19), S. 19, S. 51 f.; Lhotsky, Geschichte Österreichs (wie Anm. 5), S. 290, S. 293, S. 328 f. (der nicht an diese Zusammenhänge glaubt), und auch Jörg Rogge, Nur verkaufte Töchter? Überlegungen zu Aufgaben, Quellen, Methoden und Perspektiven einer Sozial- und Kulturgeschichte hochadeliger Frauen und Fürstinnen im deutschen Reich während des Mittelalters und am Beginn der Neuzeit, in: Principes. Dynastien und Höfe im späten Mittelalter, hg. von Cordula Nolte/Karl-Heinz Spiess/Ralf-Gunnar Werlich (Residenzenforschung 14), Stuttgart 2002, S. 235–276, hier S. 256. 41 Lhotsky, Geschichte Österreichs (wie Anm. 5), S. 329 f.; Iohannis Abbatis Victoriensis (wie Anm. 13), Bd. II/4–6 (Rec. A), S. 181 (ähnlich Rec. D, S. 203 f.). 42 Lhotsky, Geschichte Österreichs (wie Anm. 5), S. 119 Anm. 92; Debris, „Tu, felix Austria“ (wie Anm. 5), S. 476; Alphons Lhotsky, Apis Colonna. Fabeln und Theorien über die Abkunft der Habsburger, in: Das Haus Habsburg, hg. von Alphons Lhotsky (Aufsätze und Vorträge 2), München 1971, S. 7–102, hier S. 28–32. 43 Weitere Beispiele bei Claudia Opitz, Vom Familienzwist zum sozialen Konflikt. Über adlige Eheschließungspraktiken im Hoch- und Spätmittelalter, in: Weiblichkeit in

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verlangte Konsensehe in der Realität zweitrangig war und in den seltensten Fällen ein Hindernis darstellte. Denn vor allem das jugendliche Alter der Betroffenen und auch die Erziehung standen einem Protest entgegen, weshalb Widerstand nicht zu erwarten, und wenn, in der Regel auch nicht erfolgreich war. Die Fälle gelungener Widersetzung44 sind deshalb besonders in der historischen Erinnerung verankert.

Die päpstliche Dispens als wichtiger Faktor in der europäischen Heiratspolitik Nach dem kanonischen Eherecht waren Verwandtschaften bis zum vierten Grad nicht ehefähig, bei Schwägerschaft galt der dritte Grad als Ehehindernis.45 Aber insbesondere bei Fürstenehen ist die Zahl der Ausnahmen hoch zu veranschlagen; so ist es durchaus auch zu Heiraten zwischen Cousin und Cousine46 oder Onkel und Nichte gekommen.47

geschichtlicher Perspektive. Fallstudien und Reflexionen zu Grundproblemen der historischen Frauenforschung, hg. von Ursula A. J. Becher/Jörn Rüsen, Frankfurt am Main 1988, S. 116–149, hier S. 126 f., S. 132; und Anna Skýbová, Agnes von Böhmen. Eine Přemysliden-Prinzessin als Verfechterin einer neuen Spiritualität, in: Fürstinnen und Städterinnen. Frauen im Mittelalter, hg. von Gerald Beyreuther/Barbara Pätzold/ Erika Uitz, Freiburg/Basel/Wien, S. 40–64. Allgemein zu Eheverweigerungen zum Beispiel Claudia Opitz, Frauenalltag im Mittelalter. Biographien des 13. und 14. Jahrhunderts (Ergebnisse der Frauenforschung 5), 2. Aufl. Weinheim 1987, S. 79 f., S. 99–114. 44 Vergleiche die Beispiele für heiratsunwillige Töchter in der Hagiographie bei Opitz, Familienzwist (wie Anm. 43), S. 128 f. Der Tiroler Landesfürst und böhmische Exkönig Heinrich war allerdings gleich zweimal mit der Weigerung seiner potentiellen Braut konfrontiert: Maria von Luxemburg argumentierte, sie plane den Klostereintritt, und Beatrix von Löwen-Gaesbeck wollte ihre Eltern nicht verlassen. Beide „Ausreden“ wurden akzeptiert und brüskierten den Brautwerber. Veldtrup, Eherecht (wie Anm. 10), S. 191–193; Dieter Veldtrup, Ehen aus Staatsräson. Die Familien- und Heiratspolitik Johanns von Böhmen, in: Johann der Blinde, Graf von Luxemburg, König von Böhmen (1296–1346), hg. von Michel Pauly (CLUDEM 14), Luxembourg 1997, S.  483–543, hier S.  492–494, S.  518  f.; Jürgen Miethke, Die Eheaffäre der Margarete „Maultasch“, Gräfin von Tirol (1341/42). Ein Beispiel hochadliger Familienpolitik im Spätmittelalter, in: Päpste, Pilger, Pönitentiarie. Festschrift für Ludwig Schmugge zum 65. Geburtstag, hg. von Andreas Meyer/Constanze Rendtel/Maria WittmerButsch, Tübingen 2004, S. 353–391, hier S. 367 f. 45 Dazu mit der entsprechenden Literatur Spiess, Familie und Verwandtschaft (wie Anm. 3), S. 40–49; Veldtrup, Eherecht (wie Anm. 10), S. 51–57, S. 96–112; Gerhard Albert Schormann, Beiträge zur Ehepolitik der Päpste von Benedikt XII. bis Gregor XII., Diss. phil. Bonn 1969; Landau, Ehetrennung (wie Anm. 39), S. 705. Zum Inzestverbot im Frühmittelalter vergleiche Karl Ubl, Inzestverbot und Gesetzgebung. Die Konstruktion eines Verbrechens (300–1100) (Millennium-Studien zu Kultur und Geschichte des ersten Jahrtausends n. Chr. 20), Berlin 2008. 46 Beispiele dafür bei Veldtrup, Eherecht (wie Anm. 10), S. 360 f. 47 Zum Beispiel Rogge, Wettiner (wie Anm. 8), S. 75 (Markgraf Heinrich von Meißen und Thüringen [1221–1288] heiratete seine Nichte Agnes von Böhmen).

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Derartige Verbindungen bedurften einer päpstlichen Dispens vom Ehehindernis der zu nahen Verwandtschaft. Voraussetzung dafür waren allerdings gute Kontakte zum Papst,48 dem mit dieser Entscheidungs­ hoheit ein einsatzfähiges Machtinstrument zur Verfügung stand. Zum Beispiel war Johannes XXII. sehr großzügig in der Erteilung von Dispensen bei kanonisch nicht einwandfreien ehelichen Verbindungen in europäischen Königs- und Fürstenhäusern, wenn es ihm politisch opportun erschien.49 Andererseits konnten mit einer Dispensverweigerung unerwünschte Eheallianzen verhindert werden.50 Diese Erfahrung mussten auch die Habsburger machen, deren Ehen natürlich politische Bündnisse begründeten, die die europapolitischen Interessen des Papstes berührten, weshalb dieser eingriff, wenn er es für sinnvoll hielt bzw. jemand ihn darum bat. Ein Beispiel dafür sind die Verhandlungen des Witwers Herzog Otto von Österreich mit König Johann von Böhmen um die Hand von dessen Tochter Anna. Die Brautleute waren aber im dritten Grad verwandt, weshalb ihre Verbindung eine päpstliche Dispens nötig hatte. An der Weigerung des Papstes drohte das Vorhaben zu scheitern – beide Seiten überlegten sich schon Alternativen.51 Nach vier Jahren gewährte Papst Johannes XXII. endlich 48 Zur Geschichte der päpstlichen Dispenspolitik vergleiche zusammenfassend Veldtrup, Eherecht (wie Anm. 10), S. 30–33; S. 54 f., und zu den Ehehindernissen und Dispensarten ebenda, S. 96–132. 49 Anneliese Esch, Die Ehedispense Johanns XXII. und ihre Beziehung zur Politik (Historische Studien 183), Berlin 1929, hier S. 17–19; Karl-Heinz Spiess, Unterwegs zu einem fremden Ehemann. Brautfahrt und Ehe in europäischen Fürstenhäusern des Spätmittelalters, in: Fremdheit und Reisen im Mittelalter, hg. von Irene Erfen/Karl-Heinz Spiess, Stuttgart 1997, S. 17–36, hier S. 21 Anm. 23 (mit weiteren Literaturangaben). 50 Zum Beispiel war die Verlobung König Jakobs II. von Aragón mit Isabella von Kastilien wegen der nicht erteilten päpstlichen Dispens gelöst worden, wobei dies in diesem Fall mit Einverständnis und vielleicht auch auf Wunsch des Bräutigams geschah. Zeissberg, Elisabeth (wie Anm. 31), S. 9. Zum Ehedispensverfahren als Machtinstrument der päpstlichen Politik vergleiche zum Beispiel auch die Bemerkungen bei Heinrich Finke, Acta Aragonensia. Quellen zur deutschen, italienischen, französischen, spanischen, zur Kirchen- und Kulturgeschichte aus der Diplomatischen Korrespondenz Jaymes  II. (1291–1327), 3. Bd., Berlin/Leipzig 1908, Nachdruck 1966, S.  LVII–LX; Michael Schröter, „Wo zwei zusammenkommen in rechter Ehe …“. Sozio- und psychogenetische Studien über Eheschließungsvorgänge vom 12. bis 15. Jahrhundert, Frankfurt am Main 1985, S.  350–354; Hubert Kroppmann, Ehedispensübung und Stauferkampf unter Innozenz IV. Ein Beitrag zur Geschichte der päpstlichen Ehedispensrechte (Abhandlungen zur Mittleren und Neueren Geschichte 79), Berlin 1937. 51 Dazu allgemein Josef Lenzenweger, Albrecht II., der Lahme, Herzog von Österreich und die Päpste von Avignon, in: Römische Historische Mitteilungen 6/7, 1962/64, S. 29–71, hier S. 42. Für die Luxemburgerin trat ihr Vater in – wohl nicht ganz ernst gemeinte – Verhandlungen mit dem Gegner Ludwig dem Bayern und Otto probierte sein Glück bei Maria von Aragón, einer Schwester seiner Schwägerin Isabella, und bei Konstanze von Schweidnitz, Witwe Herzog Primkos von Schlesien-Glogau. Auch diese Ehepläne zwischen den eng verwandten Kandidaten scheiterten an der Dispensverweigerung des Papstes. Veldtrup, Eherecht (wie Anm. 10), S. 197–199.

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Dispens und 1334 kam es doch noch zur Heirat, die einer erneuten Annäherung Habsburg-Luxemburg dienen sollte. Bereits die erste Ehe Herzog Ottos war dispenspflichtig gewesen, denn auch mit Elisabeth von Niederbayern war er im dritten Grad verwandt. In diesem Fall hatte die Dispenserteilung nicht auf sich warten lassen.52 Johann von Viktring sah aber dennoch die Gründung der Zisterze Neuberg an der Mürz als Sühneleistung Herzog Ottos für diese unrechtmäßige Ehe.53

Zusammenfassung und Ergänzungen Insgesamt wurden in den Generationen nach König Rudolf I. 32 Ehen realisiert, mindestens 21 Projekte kamen zu keinem Abschluss. Nur zwei Mitglieder der Familie gingen keine Ehe ein. Am häufigsten wurden Ehen mit böhmischen Prinzen und Prinzessinnen geschlossen; so gab es Ende des 13. Jahrhunderts zwei Přemysliden-Ehen, und Anfang des 14. Jahrhunderts noch eine dritte mit der Witwe des vorletzten Přemyslidenkönigs. Diesen folgten insgesamt vier Ehen mit Luxemburgern, Söhnen und Töchtern der böhmischen Könige Johann und Karl. Drei Ehen wurden mit Askaniern geschlossen, davon zwei mit Markgrafen von Brandenburg und eine mit einem Herzog von Sachsen aus der Linie Wittenberg, weiters eine mit einem Piastenherzog der Linie Schlesien-Breslau. Die ungarischen Interessen wurden durch eine Ehe mit einem Arpaden und einer Anjou-Verbindung abgedeckt. Darin spiegeln sich die zentralen politischen Interessen der Habsburger wider, die darauf abzielten, ihre neuen Territorien im Osten durch Allianzen mit den benachbarten Dynastie einerseits außenpolitisch zu stabilisieren und andererseits sich damit mögliche Expansionschancen zu sichern. Diese ließen sich zwar nicht sofort verwirklichen, längerfristig 52 Zur Dispens siehe Acta Salzburgo-Aquilejensia. Quellen zur Geschichte der ehemaligen Kirchenprovinzen Salzburg und Aquileja, Bd. I/1: Die Urkunden über die Beziehungen der päpstlichen Kurie zur Provinz und Diözese Salzburg (mit Gurk, Chiemsee, Seckau und Lavant) in der Avignonischen Zeit: 1316–1378, bearb. von Alois Lang (Quellen und Forschungen zur österreichischen Kirchengeschichte, Serie 1), Graz 1903–1906, Nr. 98; und Regesta Habsburgica III (wie Anm. 6), S. 200, Nr. 1620 (1325 Nov. 22 Avignon). 53 Iohannis Abbatis Victoriensis 2 (wie Anm. 13), S. 131: Dux autem Otto, dispensacione habita super cognacione carnali inter se et consortem, quia ei in tercia consanguinitatis linea coherebat, monasterium fundare disposuit propter illicitam coniugii commixturam. Ottos Neffe, Herzog Albrecht III., hatte für die Ehe mit Elisabeth von Böhmen ebenfalls eine Dispens nötig. Diese Verbindung beruhte vor allem auf den Plänen König Karls IV., dessen gutes Einvernehmen mit Papst Urban V. bekannt ist. In diesem Fall wurde die Dispens problemlos erteilt. Veldtrup, Eherecht (wie Anm. 10), S. 385–387; Acta Pataviensia 3, Nr. 244 (1366 Febr. 23, Avignon).

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sollten sich die verwandtschaftlichen Bindungen zu Böhmen und Ungarn aber als vorteilhaft für die habsburgische Großmacht auswirken. Immerhin fünf Ehen wurden mit den Wittelsbachern geschlossen,54 was in Anbetracht des angespannten Verhältnisses der beiden Dynastien zumindest erstaunlich erscheint. Durch die innerfamiliären Zerwürfnisse unter den Wittelsbacher Linien – Oberbayern, Niederbayern, die Pfälzer – wurden damit aber vor allem auch deren Allianzbedürfnisse gedeckt. Die kurzzeitige Aussöhnung mit Ludwig dem Bayern, dem Hauptkonkurrenten im „Kampf“ um das römisch-deutsche Königtum, nach der Trausnitzer Sühne von 1325 wurde gleich mit zwei Eheabsprachen bekräftigt, wovon aber nur eine realisiert wurde. Mit den Grafen von Tirol-Görz gab es eine Ehe im 13. Jahrhundert (Elisabeth von Tirol-Görz) und eine zweite im 14. Jahrhundert mit dem Tiroler Erbsohn Meinhard, der aber nur mütterlicherseits dieser Familie angehörte. Sein Vater war ein Wittelsbacher. Nach der Belehnung der Söhne Rudolfs I. mit den Herzogtümern Österreich und Steiermark verlagerten sich die heiratspolitischen Interessen in den Osten. Diese Fokussierung wurde in der nächsten Generation wieder etwas gelockert und der Radius weiter gefasst; der Westen gewann wieder stärkere Bedeutung und auch an reichspolitischer Relevanz. Das gilt ebenso für die Heiratsverbindungen im Süden Europas, wo im Laufe des 14. Jahrhunderts auch die politische Verankerung der Habsburger deutlich zunahm. Es mag überraschen, dass sich die Eheschließungen der Kinder König Albrechts I. und Elisabeths von Tirol-Görz nicht auf gleichrangige Fürstenfamilien beschränkten. So standen die Grafen von Öttingen, von Pfirt und von Virneburg mit den Herzögen von Österreich gesellschaftlich nicht auf einer Stufe. Aber sie dienten den politischen Interessen der Habsburger und waren daher heiratsfähig. Katharina von Savoyen, die Frau Herzog Leopolds I., war als Gräfin und Tochter eines im regionalpolitischen Kontext zwar wichtigen, auf europäischer Ebene aber nicht allzu einflussreichen Fürsten. Über ihre Mutter, die eine Nichte Kaiser Heinrichs VII. war, war sie aber auch von ihrem gesellschaftlichen Profil eine anerkannte Partie.55 Grundsätzlich ist aber 54 Zum Beispiel Michael Menzel, Aufstieg ohne Dauer. Die Wittelsbacher bis ins luxemburgische Zeitalter, in: Europäische Governance im Spätmittelalter. Heinrich VII. von Luxemburg und die großen Dynastien Europas, hg. von Michel Pauly (CLUDEM 27), Luxembourg 2010, S. 287–324, hier S. 304 f. (zur Hochzeit Mechthilds von Habsburg mit Ludwig von Bayern als Dank für die Unterstützung Rudolfs I. bei der Königswahl), S. 305–315. 55 Johann von Viktring charakterisiert sie cum pro sanguinis nobilitate, tum pro actuum probitate. Iohannis Abbatis Victoriensis 2 (wie Anm. 13), S. 20.

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festzuhalten, dass die Habsburger nach der Wahl Rudolfs I. zum römisch-deutschen König in ihrem Konnubium im europäischen Dynastenadel angekommen waren. Den wenigen strategischen und tagespolitischen Interessen verpflichteten Ausnahmen stehen überwiegend Heiraten mit führenden Fürstenfamilien gegenüber. Heiratspläne blieben indes oft Pläne und scheiterten aus den unterschiedlichsten Gründen. Neben plötzlichen Todesfällen waren dafür häufig geänderte politische Konstellationen verantwortlich. Immerhin wurden die meisten Ehen schon im Kleinkindalter arrangiert, manchmal sogar schon kurz nach der Geburt.56 Ein hohes Maß an Flexibiliät war Voraussetzung, um auf geänderte Bedingungen lösungsorientiert reagieren zu können.

56 Zum Beispiel wurde Katharina von Mähren bereits kurz nach ihrer Geburt von ihrem Onkel Karl IV. auf einem Fürstenkongress in Wien als Braut für den ebenfalls noch sehr jungen Herzog Albrecht III. von Habsburg vorgeschlagen. Veldtrup, Eherecht (wie Anm. 10), S. 354 f.

Askanier

Wittelsbacher

Wittelsbacher

Ankunfts­ familie

nicht wiederholt. Nicht aufgenommen sind die Ehepläne für früh verstorbenen Kinder und Eheüberlegungen, die nicht über ein Anfangsstadium hinauskamen und in den Quellen nur undeutlich erkennbar sind. Die Tabellen stammen aus meiner Habilitationsschrift. 58 Seine zweite, 1284 geschlossene Ehe mit Isabella/Agnes von Burgund (1270–1323) blieb kinderlos.

Elisabeth Anna Rudolf Otto Albert Wenzel

∞ um 1273 Albrecht II., Herzog von Sachsen-Wittenberg (1250–1298)

Agnes (1257–1322)

57 Die Nachkommen sind nicht nach den Geburtsjahren gereiht. Töchter rangieren hier vor den Söhnen. Die Angaben sind den entsprechenden Tafeln der Europäischen Stammtafeln entnommen, dem Lexikon des Mittelalters und der Neuen Deutschen Biographie sowie der Zusammenstellung von Debris, „Tu, felix Austria“ (wie Anm. 5). Seine umfassenden Literaturangaben und Quellenzitate sind hier

Rudolf (früh verst.) Heinrich (früh verst.)

∞ um 1279 Otto III., Herzog von Niederbayern (1261–1312)

Mechthild Agnes Anna Rudolf Ludwig

Kinder

Katharina (1256/63–1282)

Ehe ∞ 1273 Ludwig II., Herzog von Oberbayern, Pfalzgraf bei Rhein (1229–1294; zweifacher Witwer)

Verlobung (ohne Heirat

Mechthild (1253–1304)

Kinder

Tabellen 57 Tabelle 1: Rudolf I. und Gertrud/Anna von Hohenberg58

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Johanna, Prinzessin von England (gelöst 1281)

Hartmann (1263–1281)

59 Debris, „Tu, felix Austria“ (wie Anm. 5), S. 547.

Rudolf II. (1270–1290)

1265 mit Iolanthe, Gräfin Bar ∞ 1274 Elisabeth, Gräfin von Tirol-Görz (um 1262–1313)

Albrecht I. (1255–1308)

∞ 1278/79 bzw. 1289 Agnes, Prinzessin von Böhmen (1269–1296)

∞ 1278/79 bzw. 1285 Wenzel II., König von Böhmen (1271–1305)

Karl Martell, Titularkönig von Ungarn

Guta (1271–1297)

∞ 1279 Otto IV., Markgraf von Brandenburg (1264–1303)59

Ehe

Andreas, Herzog von Slawo- ∞ 1281 Karl Martell von Anjou, nien und Kroatien Titularkönig von Ungarn (1271–1295)

Verlobung (ohne Heirat

Clementia (1262/68–1295)

Hedwig (1257/59–1285/86)

Kinder

Johann Parricida (1290–1313; unverheiratet)

Přemysliden

Görz-Tirol

Přemysliden

Agnes Anna Elisabeth Margarete Wenzel (und fünf früh verstorbene Kinder) s. Tabelle 2

Anjou

Askanier

Keine Kinder Karl Robert Beatrix Clementia

Ankunfts­ familie

Kinder

Die habsburgischen Ehen im 13. und 14. Jahrhundert

179

∞ 1319 Ludwig VII., Graf von Heinrich II., Öttingen (1273–1346; zweifaHerzog von Niederbayern62 cher Witwer)

Guta (1302–1329)

60 Im Gespräch war auch eine Ehe mit einem Colonna. Das Projekt ist aber nicht weiter verfolgt worden. Siehe hier Anm. 42. 61 Debris, „Tu, felix Austria“ (wie Anm. 5), S. 523, gibt die Geburt mit „um 1293“ an.

∞ 1306 Friedrich IV., Herzog von Lothringen (1282–1328)

Johann, König von Böhmen

Elisabeth (128561–1352)

∞ 1310 Heinrich VI., Herzog von SchlesienBreslau (1294–1335)

Ehe 2 Elisabeth Eufemia Margarete

Kinder

Öttingen

Lothringen

Arpaden

Piasten (2)

Askanier (1)

Ankunfts­ familie

62 Veldtrup, Eherecht (wie Anm.  10), S.  108, S.  244; Lhotsky, Geschichte Österreichs (wie Anm. 5), S. 208, Anm. 182, S. 221 und natürlich Debris, „Tu, felix Austria“, S. 506 f.; eine Eheabrede mit Markgraf Woldemar von Brandenburg hatte nur kurz Bestand. Johannes Schultze, Die Mark Brandenburg, Bd. 1: Entstehung und Entwicklung unter den askanischen Markgrafen (bis 1319), Berlin 1961, S. 200.

Anna Margarete Elisabeth Blanche Rudolf Friedrich Thibaud Albert

∞ 1296 Andreas III., König von Stieftochter Ungarn (1265–1301) Elisabeth

Philipp, Graf von Savoyen60

Keine Kinder

Kinder

Agnes (1280/81–1364)

Ehe 1

∞ 1295 Hermann II., Markgraf von Brandenburg (1275/80– 1308)

Verlobung (ohne Heirat)

Anna (1275/80–1327)

Kinder

Tabelle 2: Albrecht I. und Elisabeth von Tirol-Görz

180 Julia Hörmann-Thurn und Taxis

Peter II., König von Sizilien

∞ 1300 Blanche, Prinzessin von Frankreich (um 128564 –1305)

∞ 1316 Karl, Herzog von Kalabrien (1298–1328)

Ehe 1

63 Lhotsky, Geschichte Österreichs (wie Anm. 5), S. 206. Die von Debris, „Tu, felix Austria“, S. 510, erwähnte Eheabredung einer Tochter Albrechts mit Jakob, dem ältesten aragonesischen Königssohn, meint nicht sicher Katharina. Sie ist bald zugunsten des Projektes Isabella und Friedrich aufgegeben worden. Acta Aragonensia. Quellen zur deutschen, italienischen, französischen, spanischen, zur Kirchenund Kulturgeschichte aus der Diplomatischen Korrespondenz Jay-

Rudolf III. (1281–1307)

Johann, Graf von Brabant63

Katharina (1295–1323)

Kaiser Heinrich VII. (gelöst 1313)

Verlobung (ohne Heirat)

Kinder

∞ 1306 Rixa, Königin von Böhmen und von Polen (1288–1335)65

Ehe 2

Stieftochter Agnes (aus der ersten Ehe Rixas mit Wenzel II. von Böhmen)

Kinder

Piasten (2)

Kapetinger (1)

Anjou

Ankunfts­ familie

mes II. (1291–1327), Bd. 1, hg. von Heinrich Finke, Berlin/Leipzig 1908, Nachdruck 1966, Nr. 230 ([1304] Mai 23, Perugia). 64 Vgl. Debris, „Tu, felix Austria“ (wie Anm. 5), S. 602, der die Geburt mit „um 1278“ angibt. 65 Zu ihrem Geburtsjahr vgl. Kazimierz Jasin’sky, Genealogia Piastów wielkopolskich. Potomstwo Władysława Odonica, Posen 1995, S. 61– 63, S. 66.

Ein früh verst. Kind

Maria (früh verst.)

Kinder

Die habsburgischen Ehen im 13. und 14. Jahrhundert

181

Keine Kinder

∞ 1314 Elisabeth, Gräfin von Virneburg (1303–1343)

∞ 1325 Elisabeth, Herzogin von Niederbayern (1305–1330)67

Heinrich I. (129966 –1327)

Otto I. (1301–1339)

66 Dazu Zeissberg, Elisabeth (wie Anm. 31), S. 80–83; vgl. das Jahr „1298“ bei Debris, „Tu, felix Austria“ (wie Anm. 5), S. 548. 67 Nach ihrem Tod waren kurzzeitig eheliche Verbindungen Ottos mit Eleonore von Sizilien, der Tochter König Peters II. von Sizilien und Elisabeths von Kärnten-Tirol, sowie mit Margarete-Kunigunde von Polen, Witwe Herzog Bernhards von Schweidnitz, im Gespräch. Dazu Veldtrup, Eherecht (wie Anm. 10), S. 189 f., und Debris, „Tu,

s. Tabelle 3b

∞ 1324 Johanna, Gräfin von Pfirt (1300–1351)

Albrecht II. (1298–1358)

∞ 1335 Anna, Prinzessin von Böhmen (1323–1338)

Ehe 2

Keine Kinder

Kinder

Wittels­ bacher (1) Luxem­ burger (2)

Virneburg

Pfirt

Savoyen

Aragón

Ankunfts­ familie

felix Austria“ (wie Anm. 5), S. 590 f. Parallel zu den Verhandlungen für die Hochzeit Annas von Böhmen sind Eheprojekte mit weiteren drei Kandidatinnen verfolgt worden (Guta von Böhmen, Yolande/ Maria von Aragón, Konstanze von Schweidnitz). Veldtrup, Eherecht (wie Anm. 10), S. 198 f., S. 483 f. und Debris, „Tu, felix Austria“ (wie Anm. 5), S. 594 f.

Friedrich Leopold s. Tabelle 3a

Agnes Katharina s. Tabelle 3a

∞ 1315 Katharina Elisabeth, Gräfin von Savoyen (um 1298–1336)

Leopold I. (1290/93–1326)

Kinder Friedrich († 1322 unverheiratet) Elisabeth Anna s. Tabelle 3a

Felicitas (?), Gräfin von Luxemburg

Friedrich I. (1289–1330)

Ehe 1

∞ 1314 Isabella, Prinzessin von Aragón (1300/02–1330)

Verlobung (ohne Heirat)

Kinder

182 Julia Hörmann-Thurn und Taxis

Anna (1318–1343)

Stephan II., Herzog von Bayern

Elisabeth (1317–1336)

Kasimir III., König von Polen

Stephan VII., Dušan, Zar von Serbien

Johann, König von Böhmen

Verlobung (ohne Heirat)

Friedrich I. Kinder (s. Tabelle 2)

∞ 1328 Heinrich III., Herzog von Niederbayern (1312–1333)

Unverheiratet

Ehe 1

Keine Kinder

Kinder Ehe 1

Tabelle 3a: Kinder Friedrichs des Schönen, Leopolds I. und Ottos I.

∞ 1336 Johann Heinrich, Graf von Görz (1322/23–1338)

Ehe 2

Keine Kinder

Kinder Ehe 2

Görzer (2)

Wittelsbacher (1)

Ankunfts­ familie Die habsburgischen Ehen im 13. und 14. Jahrhundert

183

∞ 1338 Enguerrand VI., Graf von Coucy (1312/23–1346)

Ehe 1

Verlobung (ohne Heirat)

Johanna, Prinzessin von England69

Margarete, Herzogin von Bayern70

Katharina (1320–1349)

Otto I. Kinder (s. Tabelle 2)

Friedrich (1327–1344)

Leopold (1328–1344)

68 Nach Debris, „Tu felix Austria“ (wie Anm. 5), S. 478, ist sie 1320/21 geboren.

Unverheiratet

Unverheiratet

Keine Kinder

∞ (nach 1338 Juni 1) Bolko II., Graf von SchweidnitzJauer (1308–1368)

Agnes (131568 –1392)

Ehe 2

∞ 1348 Konrad II., Graf von Hardegg (1322/28–1349)

Ehe 2

Kinder Ehe 2

Keine Kinder

Kinder Ehe 2

Ankunfts­ familie

Haus Gent (1) Hardegg (2)

Piasten

Ankunfts­ familie

69 Trautz, Könige von England (wie Anm. 15), S. 279 f. 70 Huesmann, Familienpolitik (wie Anm. 19), S. 55.

Kinder Ehe 1

Enguerrand VII.

Kinder Ehe 1

Verlobung (ohne Heirat)

Ehe 1

Leopold I. Kinder (s. Tabelle 2)

184 Julia Hörmann-Thurn und Taxis

unverheiratet

Friedrich III. (1347–1362)72

∞ 1364 Johann Heinrich, Markgraf von Mähren (1322–1375)

Ehe 2

Keine Kinder

Kinder

Luxemburger

Luxemburger (1)

Wittelsbacher und Tirol-Görzer (1)

Ankunftsfamilie

72 Debris, „Tu, felix Austria“ (wie Anm. 5), S. 536 zitiert einen Eheplan mit Margarete von Kärnten-Tirol, die die Mutter Friedrichs hätte sein können.

Keine Kinder

∞ 1356 Katharina von Luxemburg, Prinzessin von Böhmen (1342–1395)71

Rudolf IV. (1339–1365)

71 Der Plan, Rudolf mit einer englischen Prinzessin zu verheiraten, war fallen gelassen worden. Debris, „Tu, felix Austria“ (wie Anm. 5), S.  606; Trautz, Könige von England (wie Anm.  15), S.  340, S.  353; Veldtrup, Eherecht (wie Anm. 10), S. 473.

Keine Kinder

∞ 1358/59 Meinhard III., Herzog von Bayern, Graf von Tirol-Görz (1344/48– 1363)

Kinder

Margarete (1346–1366)

Ehe 1

Unverheiratet (Klarissin)

Verlobung (ohne Heirat)

Katharina (1342–1381)

Kinder

Tabelle 3b: Albrecht II. und Johanna von Pfirt

Die habsburgischen Ehen im 13. und 14. Jahrhundert

185

Katharina Gräfin von Görz

Violante Visconti (1374)

∞ 1365 Viridis Visconti (um 1350–um 1405/1414

73 Veldtrup, Eherecht (wie Anm. 10), S. 474 f.

Leopold III. (1351–1386)

∞ 1366 Elisabeth von Luxemburg, Prinzessin von Böhmen (1358–1373)

Katharina von Luxemburg, Markgräfin von Mähren (1365)

Albrecht III. (1348–1395)

Elisabeth, Prinzessin von Ungarn (1366)73

Ehe 1

Verlobung (ohne Heirat)

Kinder

Margarete Elisabeth Katharina Wilhelm Leopold Ernst Friedrich

Keine Kinder

Kinder ∞ 1375 Beatrix von Zollern, Burggräfin von Nürnberg (1362–1414)

Ehe 2 Albrecht IV.

Kinder

Visconti

Zollern (2)

Luxemburger (1)

Ankunftsfamilie

186 Julia Hörmann-Thurn und Taxis

Christian Lackner

Die habsburgischen Universitätsgründungen im Spätmittelalter Gegenstand dieser kleinen Skizze sollen die habsburgischen Universitätsgründungen im Spätmittelalter sein. Die Themenstellung scheint weitgehend unproblematisch. In der einschlägigen universitätsgeschichtlichen Literatur werden stets zwei habsburgische Universitätsgründungen aus dem Spätmittelalter genannt. Es sind dies – in der Reihenfolge ihrer Entstehung – die Universitäten von Wien und Freiburg im Breisgau. Zu einer ersten Annäherung an das Thema könnte sich etwa folgendes Narrativ anbieten: Die Dynastie der Habsburger, oder besser das Haus Österreich, hatte an beiden Universitätsgründungswellen auf dem Gebiet des Heiligen Römischen Reichs1 gleichermaßen Anteil, an der ersten des 14. Jahrhunderts mit der Wiener Alma Mater 1365, gestiftet durch Herzog Rudolf IV., und an der zweiten im 15. Jahrhundert mit Freiburg im Breisgau, Gründung von Rudolfs Großneffen Erzherzog Albrecht VI. in den Jahren 1455/58. Tatsächlich lässt sich nur von den Wittelsbachern, der neben Habsburgern und Luxemburgern dritten königsfähigen Großdynastie des Reiches, Ähnliches behaupten. Auch sie haben unzweifelhaft Anteil an beiden Gründungswellen, mit Heidelberg an der ersten und Ingolstadt (1472) an der zweiten, wobei der zeitliche Vorrang des Hauses Österreich doch ins Auge fällt. Schon recht groß erscheint der Abstand zu den Wettinern, der dritten Dynastie des Reichs, die mit der Gründung von zwei spätmittelalterlichen Universitäten in Verbindung zu bringen ist. Auf Leipzig, den Nachzügler der ersten Gründungswelle (1409), folgte als zweite wettinische Universitätsstiftung 1502 Wittenberg, verspäteter fast schon neuzeitlicher Ausläufer der jüngeren mittelalterlichen Gründungswelle.

1 Zur zweiten, jüngeren Universitätsgründungswelle auf dem Gebiet des Heiligen Römischen Reiches vgl. grundlegend die Beiträge in dem Sammelband: Attempto – oder wie stiftet man eine Universität. Die Universitätsgründungen der sogenannten zweiten Gründungswelle im Vergleich, hg. von Sönke Lorenz (Contubernium. Tübinger Beiträge zur Universitäts- und Wissenschaftsgeschichte 50), Stuttgart 1999.

188

Christian Lackner

Man wird nun allerdings mit Recht fragen: Trägt eine solche auf die dynastiepolitische Dimension verengte Betrachtungsweise? Was die Wittelsbacher betrifft, so hat die Forschung eine dynastische Verschränkung der beiden Gründungsvorgänge in Heidelberg bzw. Ingolstadt bisher kaum vorgenommen. Ganz eindeutig bestimmt im Falle Ingolstadts die Zuordnung zum Paradigma „Landesuniversität“ das Bild. Demgegenüber tritt der gesamtwittelsbachische Kontext ganz in den Hintergrund. So konstatierte Rainer A. Müller 1999 in Bezug auf Ingolstadt: „Neben humanistischen Impulsen waren es vor allem utilitaristische sowie ökonomische Erwägungen, die Ludwig eine eigene Landesuniversität ins Leben rufen ließ“. Er spricht von einer „bayerischen Hochschulerrichtung 1472 in Ingolstadt“ und einem damit verbundenen „Qualitätssprung im Modernisierungsprozeß des bayerischen Landesstaates“, um schließlich zu resümieren, Bayern habe mit der Ingolstädter Universität „zum Kreis der ‚Universitätsländer‘ aufgeschlossen“.2 Dem Paradigma „Landesuniversität“ ordnet die universitätsgeschichtliche Forschung auch die wettinische Gründung Wittenberg zu, stärker als im Falle Ingolstadts zeichnen sich hier aber die dynastiepolitischen Bezüge zur älteren Universität Leipzig ab. Die vorausgehende große wettinische Teilung von 1485, durch die Leipzig dem albertinischen Landesteil zugefallen war, mochte das eigentliche Motiv für die Stiftung von Wittenberg durch den Ernestiner Friedrich den Weisen gewesen sein. Dieter Stievermann stand zuletzt nicht an, in der Gründung der Wittenberger Hochschule den „Ausdruck einer als dauerhaft empfundenen äußeren Trennung sowie auch einer wachsenden inneren Entfremdung und Konkurrenzsituation der beiden Sachsen“ zu erkennen.3 Damit sind auch schon die zentralen Aspekte angeklungen. Naturgemäß kann es hier nicht darum gehen, die Gründungsvorgänge der beiden Universitäten von Wien4 und Freiburg5 umfassend zu diskutieren. Ich will mich auf zwei Fragenkomplexe konzentrieren. Der erste zielt auf die habsburgischen Stifter. Waren diese allein Stifter oder gab

2 Rainer A. Müller, Ludwig IX. der Reiche, Herzog von Bayern-Landshut (1450–1479) und die Gründung der Universität Ingolstadt 1472, in: Attempto (wie Anm. 1), S. 129– 145, hier S. 143f. 3 Dieter Stievermann, Friedrich der Weise und seine Universität Wittenberg, in: At­ tempto (wie Anm. 1), S. 175–207, hier S. 178. 4 Die Literatur zur Wiener Universitätsgründung ist mittlerweile ziemlich umfangreich. Aus der Fülle seien hier nur genannt: Paul Uiblein, Die österreichischen Landesfürsten und die Wiener Universität im Mittelalter, in: Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung 72, 1964, S. 382–408, wiederabgedr. in: Paul Uiblein, Die Universität Wien im Mittelalter. Beiträge und Forschungen (Schriftenreihe des Universitätsarchivs. Universität Wien), Wien 1999, S. 45–73; Frank Rexroth, Deutsche Universitätsstiftungen von Prag bis Köln. Die Intentionen des Stifters und die Wege

Die habsburgischen Universitätsgründungen im Spätmittelalter

189

es daneben andere Beteiligte am Stiftungsprozess? Und weiter wird in diesem Zusammenhang zu fragen sein: Haben wir es mit Universitätsgründungen eines einzelnen Familienmitgliedes oder gleichsam mit Familienstiftungen zu tun? Der zweite Teil meines Beitrags soll dann dem Verhältnis der beiden Universitäten zueinander gelten. Erfolgte die Freiburger Stiftung nach dem Vorbild der Wiener? Begriff man sich in Freiburg als filia, als Tochter, der Wiener Alma Mater und wie sah man das an der spätmittelalterlichen Rudolfina? Zunächst der Fragenkomplex rund um Stifter und Stiftungsprozess: Ich gehe von einigen Beobachtungen bzw. Bemerkungen aus, die Michael Borgolte vor rund drei Jahrzehnten zu einem Vergleich der Universitäts

5

und Chancen ihrer Verwirklichung im spätmittelalterlichen deutschen Territorialstaat (Archiv für Kulturgeschichte. Beiheft 34), Köln/Weimar/Wien 1992; Wolfgang Eric Wagner, Universitätsstift und Kollegium in Prag, Wien und Heidelberg. Eine vergleichende Untersuchung spätmittelalterlicher Stiftungen im Spannungsfeld von Herrschaft und Genossenschaft (Europa im Mittelalter 2), Berlin 1999, hier S. 91–202; Kurt Mühlberger, Die Gemeinde der Lehrer und Schüler – Alma Mater Rudolphina, in: Wien. Geschichte einer Stadt, Bd. 1: Von den Anfängen bis zur Ersten Wiener Türkenbelagerung (1529), hg. von Peter Csendes/Ferdinand Opll, Wien 2001, S. 319–410; Karl Ubl, Anspruch und Wirklichkeit: Die Anfänge der Universität Wien im 14. Jahrhundert, in: Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung 113, 2005, S.  63–89; Christian Lackner, Möglichkeiten und Perspektiven diplomatischer Forschung. Zum Privileg Herzog Albrechts III. für die Universität Wien vom Jahr 1384 (Stabwechsel 4), Wien/Köln/Weimar 2013; und zuletzt Frank Rexroth, Planskizze für ein Luftschloss. Die Rudolfinische Stiftungsurkunde von 1365 und die Entstehung der Wiener Universität, in: Wien 1365: eine Universität entsteht, hg. von Heidrun Rosenberg/Michael Viktor Schwarz, Wien 2015, S. 14–27. Zur Freiburger Gründung siehe Michael Borgolte, Die Rolle des Stifters bei der Gründung mittelalterlicher Universitäten, erörtert am Beispiel Freiburgs und Basels, in: Basler Zeitschrift für Geschichte und Altertumskunde 85, 1985, S.  85–119; Michael Borgolte, Freiburg als habsburgische Universitätsgründung, in: Zeitschrift des Breisgau-Geschichtsvereins Schau-ins-Land 107, 1988, S. 33–50; Frank Rexroth, Deutsche Universitätsstiftungen (wie Anm. 4); Frank Rexroth, Städtisches Bürgertum und landesherrliche Universitätsstiftung in Wien und Freiburg, in: Stadt und Universität, hg. von Heinz Duchhardt (Städteforschung A 33), Köln/Weimar/Wien 1993, S. 13–31; Frank Rexroth, Karriere bei Hof oder Karriere an der Universität? Der Freiburger Gründungsrektor Matthäus Hummel zwischen Selbst- und Fremdbestimmung, in: Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins 141, 1993, S. 155–183; Frank Rexroth, Die Gründung der Universität, in: Geschichte der Stadt Freiburg im Breisgau, Bd. 1: Von den Anfängen bis zum „Neuen Stadtrecht“ von 1520, hg. von Heiko Haumann/Hans Schadek, Stuttgart 1996, S. 231–237; Dieter Speck, Fürst, Räte und die Anfänge der Freiburger Universität, in: Attempto (wie Anm. 1), S. 55–111; Dieter Speck, Freiburg – eine (vorder-)österreichische Universität, in: Vorderösterreich – nur die Schwanzfeder des Kaiseradlers? Die Habsburger im deutschen Südwesten, Stuttgart 1999, S. 237–251; Dieter Mertens, Von der Supplik zur Eröffnungsfeier. Das Gründungsjahrfünft der Universität Freiburg, in: 550 Jahre Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, Bd. 2: Von der hohen Schule zur Universität der Neuzeit, hg. von Dieter Mertens/Heribert Smolinsky, Freiburg/München 2007, S. 11–45; Konstantin Moritz A. Langmaier, Erzherzog Albrecht VI. von Österreich (1418–1463) (Beihefte zu J. F. Böhmer, Regesta Imperii 38), Köln/Weimar/Wien 2015, hier bes. S. 424–435.

190

Christian Lackner

gründungen von Wien und Freiburg beisteuerte.6 Borgolte betonte damals, Wien sei „stärker als Habsburger Universitätsgründung“ anzusprechen als Freiburg und er begründete dies damit, dass die gesamte Dynastie in die Wiener Stiftung eingebunden gewesen sei. „Die Gründungsurkunde von 1365“, so Borgolte, „stellten, anders als später bei Freiburg, die drei Habsburger Brüder Rudolf IV., Albrecht III. und Leopold III. zusammen aus“. Stärkere Einbindung der Universität Wien „in die Habsburgerherrschaft“ wollte Borgolte auch in der Bestimmung der Rudolfinischen Stiftbriefe erkennen, dass ye der eltist herczog zu Oester(reich) nach Empfang und Gehorsamsleistung durch die Universität geloben sollte in des rector hant, diz allez stêt ze haben. Dem stehe die viel weichere Formulierung Albrechts VI. in der sogenannten Albertina vom 21. September 1457 gegenüber, wonach jeder Erbe oder Nachfolger, dem unser stat Fryburg wurt zu regieren, künftig auf die Freiburger Stiftungsurkunde zu verpflichten sei. Ferner meinte Borgolte in Wien deutlich mehr Eingriffsbzw. Zugriffsmöglichkeiten für die habsburgischen Landesfürsten festmachen zu können als in Freiburg. Hinsichtlich Freiburgs resümiert er: „Habsburgisch war die Gründung der Universität Freiburg im Sinne ihrer Abhängigkeit von hausinternen Regelungen, albertinisch aber nach der Stifterpersönlichkeit“.7 Dass dieser Vorrang des Einzelstifterwillens vor der Dynastie im Falle Freiburgs durch den prekären Charakter habsburgisch-österreichischer Herrschaft am Oberrhein zumindest mitbedingt war, stand auch für Borgolte außer Zweifel. Dennoch scheint für ihn ganz wichtig festzuhalten: „Die Universität Freiburg war in besonderem Maße eine Stiftungsuniversität, in der vor allem der Stifterwille die Körperschaft der Lehrenden und Lernenden binden sollte“.8 Zunächst zur Wiener Alma Mater: Niemand wird daran zweifeln, dass die Stiftung der Rudolfina 1365 ganz der Gedankenwelt und politischen Programmatik Herzog Rudolfs IV. angehört, sein ureigenstes Projekt darstellt. Dennoch geben sich die beiden Stiftungsbriefe, der deutsche und der lateinische, idealiter als gemeinsames Werk aller drei habsburgischen Brüder Rudolf, Albrecht und Leopold. Sie alle sind Aussteller und haben mit eigenhändiger Unterfertigung den Vollzug des Gründungswillens gewährleistet.9 Die weiteren Geschicke der

6 Borgolte, Freiburg als habsburgische Universitätsgründung (wie Anm. 5), S. 43f. 7 Borgolte, Freiburg als habsburgische Universitätsgründung (wie Anm. 5), S. 43. 8 Ebenda, S. 44. 9 Druck: Peter Csendes, Die Rechtsquellen der Stadt Wien (Fontes rerum Austriacarum III/9), Wien/Köln/Graz 1986, Nr. 29, S. 141–156 u. Nr. 30, S. 156–173; zur jüngsten Diskussion um die Stiftbriefe vgl. Rexroth, Planskizze für ein Luftschloss (wie Anm. 4). – Dass der deutsche Stiftbrief im Unterschied zum lateinischen von Rudolfs jüngstem Bruder Leopold nicht unterfertigt wurde, tut hier wenig zur Sache.

Die habsburgischen Universitätsgründungen im Spätmittelalter

191

Wiener Universität stehen dann im Zeichen wachsender Spannungen innerhalb der habsburgischen Dynastie, die schließlich zur Durchsetzung des Teilungsprinzips führten. Schon in die Phase der Herrschaftsteilungen fällt das Albertinum von 1384, jenes große Universitätsprivileg, mit dem die Wiener Universität endlich auf eine solide Grundlage gestellt werden konnte. Herzog Albrecht III. ist formal alleiniger Aussteller, doch betont ein eigener Schlussabsatz die Mitwirkung des jüngeren Bruders Leopold III., der auch mitsiegelte.10 Dass die Universität selbst auf diese gesamthabsburgische Agenda gedrängt haben könnte, wird angesichts dessen, was die neuere Forschung über die Genese des Albertinums zutage gefördert hat, als durchaus wahrscheinlich anzusehen sein. Tatsächlich mögen beim Universitätsprivileg wesentliche Akzente vom Empfänger, der Rudolfina, ausgegangen sein. Das Albertinum darf mit hoher Wahrscheinlichkeit als Empfängerausfertigung gelten – nach dem Diktat des Theologieprofessors Heinrich von Langenstein von einem Artistenmagister, Paul von Geldern, mundiert.11 Als 1396 die immer noch nicht hinreichend geklärte Dotationsfrage der Wiener Universität erneut angegangen wurde, handelten alle damals lebenden Herzöge des Hauses Österreich de­ monstrativ gemeinsam. Die Urkunde vom 24. April 1396 für die Wiener Universität hat fünf Habsburger als Aussteller12, ein klares Bekenntnis zur Bedeutung der Rudolfina als Projekt der Gesamtdynastie jenseits aller innerdynastischen Konflikte und Bruchlinien. Ein Bekenntnis, das möglicherweise von der Universität eingefordert worden, aber in der Folge immer schwerer zu erlangen war, je stärker die Linien und Zweige des habsburgischen Hauses auseinanderdrifteten! Wie stellt sich die habsburgische Gründerfrage nun in Freiburg dar? Haben wir es tatsächlich im Unterschied zu Wien mit einem habsburgischen Einzelstifter, Erzherzog Albrecht VI., zu tun, wie Borgolte es sah? Die mit der Gründung in Verbindung stehenden Privilegien vom 28. August 1456 und 21. September 1457 haben formal nur einen Aussteller, eben Erzherzog Albrecht, der allerdings ausdrücklich im Namen seines Bruders Kaiser Friedrich III. und seines Vetters Sigmund, der bei10 Zum Albertinum vgl. Christian Lackner, Diplomatische Bemerkungen zum Privileg Herzog Albrechts III. für die Universität Wien vom Jahre 1384, in: Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung 105, 1997, S. 114–129 u. zuletzt Lackner, Möglichkeiten und Perspektiven (wie Anm. 4), S. 15–49. 11 Lackner, Diplomatische Bemerkungen (wie Anm. 10), S. 121–125; Lackner, Möglichkeiten und Perspektiven (wie Anm. 4), S. 31–41. 12 Zu diesem Dotationsprivileg ausführlich Paul Uiblein, Zur ersten Dotation der Universität Wien, in: Jahrbuch des Stiftes Klosterneuburg. Neue Folge 16, 1997, S. 353–367; wiederabgedruckt in: Uiblein, Die Universität Wien im Mittelalter (wie Anm. 4), S. 101–120.

192

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der wir gannczen gewalt hierinn haben, urkundete.13 Allein darin drückt sich bereits eine klare Einbindung des Gesamthauses aus. Albrecht stiftete die Universität für sie alle drei zusammen, zu lobe ouch dem ganczen huse Osterreich.14 Besondere Bedeutung bei der Klärung der Stifterfrage kommt aber der Bestätigung durch Kaiser Friedrich III. vom 18. Dezember 1456 zu. Ihre Beurteilung in der Forschung ist durchaus uneinheitlich. Das Privileg selbst spricht davon, Erzherzog Albrecht habe seinen Bruder, den Kaiser, gebeten, dass wir unsern gunst und willen als furst von Osterreich von newes zu geben und als Romischer keyser zu confirmiren und zu bestettigen gnediclich geruchten.15 Stellt das Fridericianum also die kaiserliche Bestätigung einer Universitätsstiftung dar, wie sie im 15. Jahrhundert zunehmend für den Vollzug des Gründungsvorganges als notwendig erachtet, freilich noch keinesfalls regelmäßig eingeholt wurde?16 Oder aber dokumentiert das Privileg die Mitwirkung des habsburgischen Bruders, dessen Zustimmung erforderlich war, weil Güter des Hauses Österreich, namentlich Kirchenlehen, für die Dotation der neuen Universität in Anspruch genommen werden sollten? Einiges scheint für Letzteres zu sprechen, wie Dieter Speck zuletzt betonte.17 Auffällig erscheint vor allem der Hinweis darauf, dass Friedrich seine Zustimmung zu weiteren Vergabungen des Bruders an die Freiburger Universität aus Gütern des Hauses Österreich seiner regierung, also nur aus Gebieten seiner, Albrechts Herrschaft, erteile.18 Das spricht klar für

13 Freiburg, Universitätsarchiv: Sign. A1/120 (1456 VIII 28) u. Sign. 1/1506 (1457 IX 21); Druck: Hans Gerber, Der Wandel der Rechtsgestalt der Albert-Ludwigs-Universität zu Freiburg im Br. seit dem Ende der vorderösterreichischen Zeit: II, Freiburg 1957, d) S. 17–19 (1456 VIII 28) u. h) S. 27–35 (1457 IX 21). – Die auf Friedrich und Sigmund bezügliche Passage ist in beiden Urkunden wortgleich. 14 Gerber, Wandel (wie Anm. 13), g) S. 26f. (1457 IX 21); im Libell heißt es ganz ähnlich: […] ouch unserm loblichen huse Oesterich, allen unsern landen und lüten und in sunderheit unser statt Freybuorg im Briszgow lob nucz und ere (Freiburg Universitätsarchiv: Sign. A1/1506 [1457 IX 21]; Druck: Gerber, Wandel, S. 28). Vgl. dazu Speck, Fürst, Räte und die Anfänge der Freiburger Universität (wie Anm. 5), 69f. 15 Freiburg, Universitätsarchiv: Sign. A1/1505 (1456 XII 18); Druck: Gerber, Wandel (wie Anm. 13), S. 24. 16 Mertens, Von der Supplik zur Eröffnungsfeier (wie Anm. 5), S. 22: „Die Kaiser haben sich erst seit dem 14. Jahrhundert als Legitimierungsinstanz für Universitäten betätigt, darin von den universalistischen Theorien der Postglossatoren bestärkt“. 17 Speck, Fürst, Räte und die Anfänge der Freiburger Universität (wie Anm. 5), S. 71 erinnert daran, dass schon Hermann Mayer 1913 die „fridericianische Konfirmation nicht als rechtsnotwendige, kaiserliche Bestätigung, sondern als Zustimmung zur Stiftung seines Bruders“ interpretierte. 18 […] und darzu auch ob derselb unser bruder und furst hinfur ausz unsers hawsz Osterreich herlicheitten, nuczen, gulten und zugehorungen seiner regierung icht mer zu merung und bleiblichem wesen der benanten universitet machen und ordnen wirdett, unsern gunst und willen als furste zu Osterreich gegeben […], (Freiburg, Universitätsarchiv: Sign. A1/1505 [1456 XII 18]; Druck: Gerber, Wandel [wie Anm. 13], S. 24).

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die innerdynastische Dimension der friderizianischen Konfirmation.19 Dennoch möchte ich nicht so weit gehen, dass die kaiserliche Komponente der Urkunde gleichsam zufällig, akzidentiell gewesen sei. Gewiss hatte die Legitimierung einer Universitätsgründung durch kaiserliche Privilegierung noch nicht notwendigen Charakter, ihr im gegenständlichen Fall aber jede Bedeutung abzusprechen, scheint mir problematisch zu sein. Kaiser und Senior des Hauses Österreich sind in der friderizianischen Bestätigungsurkunde für die Universität Freiburg wohl in unauflöslicher Weise miteinander verschränkt.20 Eine gewisse Parallele zwischen Wien und Freiburg könnte sich hinsichtlich der Rolle ergeben, die Stadt und Bürgerschaft bei der Universitätsgründung und den ersten Jahren des Universitätsbetriebes gespielt haben. Im Falle der Wiener Alma Mater ist hier insbesondere von den prekären Jahren nach dem Tod Herzog Rudolfs IV. 1365 zu sprechen, als ein Scheitern des Universitätsprojektes im Raum stand. Der Lehrbetrieb in Wien startete schleppend, eine finanzielle Basis fehlte und die österreichischen Landesfürsten, die überlebenden Brüder des Universitätsgründers, Albrecht III. und Leopold III., überließen das, was an rudimentärem Universitätsbetrieb in Wien in engem Verbund mit der Bürgerschule von St. Stephan bestand, weitgehend sich selbst. In dem schwierigen ersten Jahrzehnt der Wiener Universität war es die Stadt Wien, die der Hohen Schule das finanzielle Überleben ermöglichte, wiewohl die Bürgerschaft die großzügige Privilegierung der Universität durch Rudolf IV. mit einigem Argwohn verfolgt hatte.21 19 Speck, Fürst, Räte und die Anfänge der Freiburger Universität (wie Anm. 5) S. 71. 20 Ebenda, S. 71f.; Speck beschäftigte sich intensiv mit der Frage nach dem Charakter der Urkunde Kaiser Friedrichs III. Entgegen älterer universitätsgeschichtlicher Anschauungen, wonach das Freiburger Beispiel als Wendepunkt von einer päpstlichen zur kaiserlichen Privilegiendominanz gelten könne, sieht Speck die kaiserliche Bestätigung „aufgrund der ungeteilten Herrschaft und der Identität von habsburgischem Senior und Kaiser [als] zufällig“. Er resümiert: „Das Kaisertum hatte […] entgegen der bislang vorherrschenden Meinung nur eine untergeordnete Bedeutung. Wichtiger waren die umstrittenen Herrschaftsbedingungen im Haus Habsburg, in dem Friedrich aufgrund seines Senioratsanspruches zustimmte“. – Etwas vorsichtiger argumentierte zuletzt Mertens, Von der Supplik zur Eröffnungsfeier (wie Anm. 5), S. 22–24. 21 Zum Verhältnis von Universität und Stadt in Wien im Spätmittelalter vgl. jetzt zusammenfassend: Kurt Mühlberger, Universität und Stadt im 14. und 15. Jahrhundert am Beispiel Wiens. Wesentliche Grundlagen und ausgewählte Szenen einer „konfliktbeladenen Harmonie“, in: Die Universität Wien im Konzert europäischer Bildungszentren. 14.–16. Jahrhundert, hg. von Kurt Mühlberger/Meta Niederkorn-Bruck (Veröffentlichungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung 56), Wien/ München 2010, S. 54–83. – Von einer grundsätzlichen Gegnerschaft der Wiener Bürgerschaft gegenüber der neuen Universität ging vor allem Frank Rexroth aus. Ausdruck dessen scheint ihm die Suspendierung des Gründungsprivilegs nach dem Tod Herzog Rudolfs IV. zu sein. Die Bürgergemeinde, so Rexroth, habe namentlich um die Oberaufsicht über das Bildungswesen in der Stadt gefürchtet (vgl. Rexroth, Deutsche

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Wie die Wiener Stadtrechnungen erkennen lassen, wurden etwa 1376 vier Lehrer der Universität von der Bürgerschaft besoldet, und dies durchaus anständig: Thomas von Kleve erhielt 72 Pfund, Gerhard Vischbeck 45½, der Kanonist Johannes 10 und ein nicht näher bekannter Magister Pilgrim 5 Pfund.22 Von einer Mitstifterschaft der Stadt Wien bei der Rudolfina hat freilich bisher niemand gesprochen, und das zu Recht, wie ich meine. Anders in Freiburg, wo der Stadt aufgrund ihrer zweifellos wichtigen, ja geradezu überlebenswichtigen Rolle in den schwierigen Gründungsjahren bisweilen so etwas wie die Stellung eines Mitgründers zugebilligt wurde. Machtvakuum im habsburgischen Westen, Absenz des Landesfürsten und scharfe Kon­kurrenz der Basler städtischen Universitätsgründung ließen die Stadt Freiburg tatsächlich aktiv werden und die Vorfinanzierung des Universitätsbetriebes übernehmen. Die ersten akademischen Lehrer wie Johann Pfeffer aus Weidenberg (1464) oder Konrad Stürzel (1465) wurden denn auch von der Stadt besoldet und reversierten dieser über ihre Anstellung.23 Wie es Dieter Speck schon vor längerer Zeit ausdrückte: „Die Freiburger Universitätsgründung stand […] seit 1458 zwischen landesfürstlicher und städtischer Dominanz“. Indes wenn auch zuzugeben ist, dass „der landesfürstliche Charakter“ der Freiburger Universität „real durch eine subsidiäre Beteiligung der Stadt in der Umsetzung durchbrochen“ wurde, berührt dies nicht deren „ideell“ landesfürstlichen StiftungsUniversitätsstiftungen [wie Anm. 4], S. 136–138; Rexroth, Städtisches Bürgertum [wie Anm. 4], S. 19f. u. 31). Zuletzt hat Rexroth, Planskizze für ein Luftschloss (wie Anm. 4), S. 26 hier etwas abgeschwächt, meint aber dennoch in Bezug auf die Pläne des Universitätsstifters für eine „Pfaffenstadt“, „alle diese Vorhaben müssen sich aus der Bürgerschaft heraus so ausgenommen haben, als ob Rudolf IV. seine bisherige städtefreundliche Politik dem Universitätsprojekt zuliebe beiseitegeschoben hätte.“ – Differenziert sieht Karl Ubl das Verhältnis zwischen Universität und Stadt im Wien des 14. Jahrhunderts. Er betont, dass es gerade die Stadt war, die der jungen Universität in den ersten zwei Jahrzehnten prekärer Existenz, als die fürstlichen Gründer sich ganz desinteressiert an dem Bestand der Hohen Schule zeigten, das finanzielle Überleben ermöglichte. Vgl. Karl Ubl, Die Stellung der Stadt Wien zur Universität im 14. Jahrhundert, in: Les universités et la ville au Moyen Âge. Cohabitation et tension, hg. von Patrick Gilli/Jacques Verger/Daniel Le Blévec (Education and Society in the Middle Ages and Renaissance 30), Leiden/Boston 2007, S. 297–307, hier bes. S. 301–304. 22 Otto Brunner, Die Finanzen der Stadt Wien von den Anfängen bis ins 16. Jahrhundert (Studien aus dem Archiv der Stadt Wien I/2), Wien 1929, S. 219; zuletzt Kurt Mühlberger, Finanzielle Aspekte der Universitätsreformen Ferdinands I. in Wien (1521–1564), in: Finanzierung von Universität und Wissenschaft in Vergangenheit und Gegenwart, hg. von Rainer Christoph Schwinges (Veröffentlichungen der Gesellschaft für Universitäts- und Wissenschaftsgeschichte 6), Basel 2005, S. 115–142, hier S. 119 u. Anm. 15; Ubl, Anspruch und Wirklichkeit (wie Anm. 4), S. 81f. und Ubl, Die Stellung der Stadt Wien (wie Anm. 21), S. 302f. 23 Speck, Fürst, Räte und die Anfänge der Freiburger Universität (wie Anm. 5), S. 104. – Zur Rolle der Stadt in der Frühphase der Freiburger Universität siehe auch Rexroth, Städtisches Bürgertum (wie Anm. 4), S. 27 u. Anm. 71.

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charakter.24 Der Unterschied zu Wien scheint damit graduell, nicht aber substantiell. Auch in Freiburg wird man nicht von einem städtischen Mitgründer auszugehen haben.

„Filia universitatis Wiennensis“. Schon die Supplik Erzherzog Albrechts VI. an den Papst, als deren Überbringer Dieter Speck den Johannes Gemminger, Basler Offizial und fürstlichen Rat, identifizieren konnte25, hatte festgehalten, dass das in Freiburg zu errichtende studium generale nach Wiener Vorbild gestaltet sein sollte (quodque legentes […] omnibus et singulis priuilegiis, libertatibus, honoribus, exemptionibus et inmunitatibus concessis magistris, Doctoribus ac studentibus commorantibus siue residentibus in studio generali Viennensi patauiensis dioecesis gaudeant et vtantur).26 Und auch das zum 20. April 1455 datierte, an den Bischof von Konstanz adressierte Mandat, das den Inhalt der Supplik wohlwollend referierte, nahm diese Formulierung auf.27 Die Albertina, der Stiftungsbrief der Freiburger Universität vom 21. September 1457, berief sich sodann auf das Vorbild der Hohen Schulen in Paris, Heidelberg und Wien28, wobei die Bedeutung derartiger 24 Speck, Fürst, Räte und die Anfänge der Freiburger Universität (wie Anm. 5), S. 104. 25 Ebenda, S. 92f. – Der Identifizierung sind seither gefolgt: Mertens, Von der Supplik zur Eröffnungsfeier (wie Anm. 5), S. 19 und zuletzt Langmaier, Erzherzog Albrecht VI. (wie Anm. 5) S. 426 u. Anm. 508. 26 Repertorium Germanicum VII/1, bearb. von Ernst Pitz, Tübingen 1989, S.  4 Nr.  33; Druck: Gerber, Wandel (wie Anm. 13), a) S. 13. – Zur Supplik und ihrer zeitlichen Einordnung vgl. jetzt Speck, Fürst, Räte und die Anfänge der Freiburger Universität (wie Anm. 5), S. 69 und Mertens, Von der Supplik zur Eröffnungsfeier (wie Anm. 5), S. 19 u. Anm. 25. 27 Littera Kalixts III. vom 20. April 1455 (Freiburg, Universitätsarchiv: Sign. A1/91): […] quodque legentes et studentes ibidem omnibus et singulis privilegiis, libertatibus, honoribus, exemptionibus et immunitatibus concessis magistris, doctoribus ac studentibus commorantibus sive residentibus in studio generali Viennensi, Patauiensis diocesis gaudeant et utantur (Druck: Gerber, Wandel [wie Anm. 13], b) S. 13f.). Vgl. Speck, Fürst, Räte und die Anfänge der Freiburger Universität (wie Anm. 5), S. 69 und Mertens, Von der Supplik zur Eröffnungsfeier (wie Anm. 5), S. 19f., der auch einen in der einschlägigen Literatur bis Langmaier, Erzherzog Albrecht VI. (wie Anm. 5), S. 424 wiederkehrenden Fehler korrigiert. Der in der Papsturkunde auf den Herrschaftsbereich Albrechts VI. bezogene Ausdruck temporale dominium bezeichnet tatsächlich standardmäßig die weltliche Herrschaft und kann nicht, wie immer wieder geschehen, als Hinweis auf den temporären, ungefestigten Charakter der Herrschaft Albrechts VI. im Westen gedeutet werden. 28 Freiburg, Universitätsarchiv: Sign. A1/1506: […] Zuo dem ersten wellen wir alle meister und schuler die yetz hie in unserm studio zu Fryburg sind oder hienach herkomen und alle die hinweg zyehen in was stats wirden oder wesen die syen in allen unsernn landen, stetten, dorffern und gebieten zu schirmen und zu hanthaben in allen den gnaden und fryheiten, rechten und gewonheiten, wie die in gemein oder in sunderheit von den durchluchtigen hochgebornen kungen,

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Genealogien wohl je im Einzelfall zu bewerten sein dürfte. Der Text der Albertina gilt als das Werk des Gründungsrektors Matthäus Hummel, der dabei ein Stück weit auf die Ordnung seiner Heimatuniversität Heidelberg rekurrierte. Es scheint tatsächlich, dass er die alljährlich in der Universität Heidelberg verlesene deutsche Zusammenfassung ihrer Freiheiten zugrunde legte, vermehrt allerdings um einige wichtige Passagen.29 Bei den Stiftermotiven könnte, so meinte Dieter Mertens zuletzt, auch ein Nachhall der Wiener Stiftbriefe erkennbar sein.30 Doch insgesamt überwog von Anfang an der Heidelberger Einfluss in Freiburg. Obwohl die Bedeutung des Gründungsrektors Matthäus Hummel in der jüngeren Forschung deutlich gemindert erscheint31, wird man gerade hinsichtlich des Heidelberger Übergewichts seine Rolle keinesfalls geringschätzen dürfen. Als es 1459/60 darum ging, Lehrer für die Freiburger Universität zu rekrutieren und Hummel nach Wien abgeordnet wurde, scheint seine Rolle in einem gewissen Zwielicht. Zwar brachte Hummel drei Wiener Magistri für die Artistenfakultät (Johann Seulnhofer aus Nabburg in der Oberpfalz, Johannes Mölfeld aus Meiningen und Konrad Arnold von Schorndorf) mit nach Freiburg – letzterer, Konrad von Schorndorf, wird Hummel zehn

fursten und herren kunigen von Franckenrich zu Paris, fursten von Peyern und pfalentzgraven by Rin zu Heydelberg, und auch von unsern vorfarn loblicher gedeachtnusz fursten von Osterrich zu Wienn irenn schulen und universiteten und in allen iren landen den meistern und schülern derselben gnedenclich gegeben syen und verluhen in allem fuog, als ob solich gnade, freyheit und recht der vorgenanten dryer hohenn schulen Paris, Heidelberg und Wienn hierinn alle und yeclich in sunderheit von wort zu wort gantz eigentlich verschriben und vergriffen weren […]. (Druck: Gerber, Wandel [wie Anm. 13], S. 29); vgl. Speck, Fürst, Räte und die Anfänge der Freiburger Universität (wie Anm. 5), S. 95f. 29 Eine detaillierte Analyse bei Mertens, Von der Supplik zur Eröffnungsfeier (wie Anm. 5), S. 29f. 30 Mertens, Von der Supplik zur Eröffnungsfeier (wie Anm. 5), S. 29 u. Anm. 62. 31 Über Matthäus Hummel vgl. vor allem Rexroth, Karriere (wie Anm. 5) und Dieter Mertens, Codex im Diskurs der Universität am Beispiel der Anfänge der Universität Freiburg, in: Codex im Diskurs, hg. von Thomas Haye/Johannes Helmrath (Wolfenbütteler Mittelalter-Studien 25), Wiesbaden 2014, S. 195–229, hier bes. S. 196–210. – Speck, Fürst, Räte und die Anfänge der Freiburger Universität (wie Anm. 5), S. 79–81 wies schon vor längerem darauf hin, dass Hummel zum Zeitpunkt, als die Stiftung der Freiburger Universität initiiert wurde, noch nicht zum engeren Umfeld Erzherzog Albrechts zählte. Er dürfte „kaum etwas mit der Idee und der Anfangsphase der Gründung zu tun gehabt haben“, so Speck, der in Bezug auf Hummel auch ausdrücklich von „Selbstüberschätzung“ spricht und diesen einen „willige[n] Rat im Schlepptau des Adeligen“ Türing von Hallwil nennt. Und er widerspricht auch Rexroth, Die Gründung der Universität (wie Anm. 5), S. 235, der vermutete, die Datierung der albertinischen Stiftungsurkunde auf den Matthäustag, den Geburts- und Namenstag Hummels, sei mit Rücksicht auf diesen zustandegekommen. Hummel, so Speck, habe, entgegen seiner eigenen Darstellung nicht zur „ersten Garnitur“ der Räte Albrechts gehört und wird deshalb kaum derartige Freiheiten und Möglichkeiten der Terminwahl gehabt haben, zumal es gewichtige politische Gründe für die Wahl des 21. September 1457 für das albertinische Gründungsprivileg gab.

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Jahre später vorwerfen, er habe 1459 in Wien trotz dringender Bitten weder Theologen noch Kanonisten rekrutiert, habe vielmehr verschiedenste Ausflüchte gebraucht und sei schließlich überstürzt aus Wien abgereist, um zu Erzherzog Albrecht VI. nach Linz zu eilen.32 So kam der erste Theologe in Freiburg, Johannes Pfeffer, dann aus Heidelberg, und neben den drei eben genannten Wiener Magistern nahmen drei Heidelberger, darunter der nachmalige Kanzler Maximilians Konrad Stürtzel, ihre Lehrtätigkeit an der Freiburger Artistenfakultät auf.33 ­Dominanz Heidelbergs allenthalben. Doch der ehemalige Wiener Magister Konrad von Schorndorf gab sich nicht so schnell geschlagen. Als 1469 dank einer verbesserten Dotationssituation eine Vermehrung der Zahl der Lehrkräfte in Freiburg möglich wurde, erreichte es Konrad, dass er und nicht etwa Hummel, dessen universitäre Position mittlerweile einigermaßen erschüttert war, im Auftrag Herzog Sigmunds, des Landvogts und der Stadt Freiburg nach Wien geschickt wurde.34 Während sich über die undurchsichtigen Machenschaften Hummels zur Jahreswende 1459/60 aus Wiener Aktenbeständen nichts erkennen ließ, hat die Mission Schorndorfs von 1469 dort deutliche Spuren hinterlassen. Laut den Angaben des Artistendekans fand am 25. Februar dieses Jahres eine Universitätsversammlung statt, in der Magister Konrad von Schorndorf im Auftrag Herzog Sigmunds, des Markgrafen Karl von Baden und der Stadt Freiburg im Breisgau verschiedene Anliegen vorbrachte. Zum einen erbat Schorndorf Abschriften der Wiener Universitätsprivilegien sowie der Universitäts- und Fakultätsstatuten, zum anderen wünschten seine Auftraggeber Lehrkräfte für die Freiburger Universität zu gewinnen, namentlich einen Theologen, einen Kanonisten und drei 32 Rexroth, Karriere (wie Anm. 5), S. 161; Speck, Fürst, Räte und die Anfänge der Freiburger Universität (wie Anm. 5), S. 100–102; Mertens, Von der Supplik zur Eröffnungsfeier (wie Anm. 5), S. 36. 33 Neben Stürtzel waren dies Johannes Kerer und Kilian Wolf. Vgl. Speck, Fürst, Räte und die Anfänge der Freiburger Universität (wie Anm. 5), S. 102f.; Mertens, Von der Supplik zur Eröffnungsfeier (wie Anm. 5), S. 36f. und Dieter Mertens, Konrad Stürtzel, Hofkanzler und Rat Kaiser Maximilians I., in: Zeitschrift des Breisgau-Geschichtsvereins Schau-ins-Land 130, 2011, S. 13–33, hier S. 15f. und zuletzt Dieter Speck, Johannes Kerer, Bilder aus dem Universitätsleben, in: Auf Jahr und Tag. Leben im mittelalterlichen Freiburg, hg. von Heinz Krieg/R. Johanna Regnath/Hans Peter Widmann/ Stephanie Zumbrink (Schlaglichter regionaler Geschichte 3), Freiburg i. Br. u. a. 2017, S. 121–143, hier bes. S. 121f. 34 Heinrich Schreiber, Geschichte der Stadt und Universität Freiburg im Breisgau. Lieferung 2: Geschichte der Albert-Ludwigs-Universität zu Freiburg im Breisgau. Teil 1: Von der Stiftung der Universität bis zur Reformation, Freiburg im Breisgau 1857, S. 40f.; Johannes Joseph Bauer, Zur Frühgeschichte der Theologischen Fakultät der Universität Freiburg i. Br. (1460–1620), Freiburg im Breisgau 1957, S. 21f. und Mertens, Von der Supplik zur Eröffnungsfeier (wie Anm. 5), S. 37.

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Artistenmagister mit theologischem Bakkalaureat. Bezahlung und Karriereaussichten in Freiburg seien blendend. Und Schorndorf lehnte sich weit aus dem Fenster, indem er betonte, seine Auftraggeber, die Fürsten Sigmund von Tirol und Karl von Baden wollten Freiburg ganz nach Wiener Vorbild einrichten (instar nostre universitatis instaurare), ja die Breisgauer Universität, wie es in den Wiener Akten formuliert wurde, filiam nostre subicere.35 Die Wiener Reaktion fiel merkwürdig lau aus und muss für den ehemaligen Wiener Magister Schorndorf ernüchternd gewirkt haben. Die Fakultäten zogen sich zunächst einmal zu Einzelberatungen über die Freiburger Ansinnen zurück. Von den Artisten wurde die Bitte um Privilegien- und Statutenabschriften positiv beschieden, wiewohl die Mehrheit der Magister dies gerne von der Zustimmung des Kaisers als princeps actu regens abhängig gemacht hätte. Hinsichtlich der Vermittlung von Lehrkräften replizierte die Artistenfakultät trocken, die Wiener Universität könne niemanden zwingen 35 Wien, Universitätsarchiv: Acta Facultatis Artium III fol. 196r–v: […] Primus fuit ad audiendum supplicationem pro parte illustrium principum et dominorum domini ducis Sigismundi ducis Austrie etc. et domini Caroli marchionis in Paden necnon circumspectorum virorum consulum opidi Fridburgensis in Prisgew porrigendam, […] ubi coram conspectu universitatis lecte sunt littere credencie per prefatos principes et consules universitati transmisse desiderantes, ut fides creditiva adhiberetur magistro Conrado de Schar(e)ndorff, cui ipsi aliqua pro incremento universitatis eorum Fridburgensis proponenda ac petenda commisissent. Quibus his litteris prefatus m(agister) Conradus dictorum principum ac consulum nuncius cepit sibi commissa coram universitate exponere, ubi nomine prefatorum principum duo p(uncta) petivit: primum ut universitas nostra dignaretur eis communicare copias privilegiorum statutorum universitatis ac singularum facultatum; 2m. est quod petivit, ut universitas dignaretur etiam eis communicare certas personas scienciis et moribus pollentes, puta unum doctorem in theologia et unum in iure canonico et duos artium magistros in theologia qualificatos scilicet baccalarios, si quovis modo tales possent haberi. Proposuitque ibidem dictus magister, quod prefati principes vellent omnino suam universitatem Fridburgensem instar nostre universitatis instaurare eamque filiam nostre subicere, spondentes doctoribus ac magistris certissima stipendia ad prefatam universitatem venientibus ac graciosas promociones indubie impendendas. – Ein kurzer Auszug wurde zuerst im Conspectus Historiae Universitatis Viennensis ex actis, veteribusque documentis erutae, Bd. II, hg. von Friedrich Tillmetz, sine loco 1724, hier S. 9 publiziert; auf der Grundlage des Conspectus dann auch Bauer, Zur Frühgeschichte (wie Anm. 34), S. 21 Anm. 66 u. 67. Nur ein knapper Verweis auf Johannes Josef Bauers Arbeit findet sich bei Paul Uiblein, Zu den Beziehungen der Wiener Universität zu anderen Universitäten im Mittelalter, in: The Universities in the Late Middle Ages, ed. Jozef Ijsewijn/Jacques Paquet, Leuven 1978, S. 168–189, hier S. 189 Anm. 100, wiederabgedr. in: Uiblein, Die Universität Wien im Mittelalter (wie Anm. 4), S. 123–142, hier S. 142 Anm. 100. 36 Wien, Universitätsarchiv: Acta Facultatis Artium III fol. 196v: […] deliberavit facultas artium circa primum petitum scilicet de dandis copiis privilegiorum etc., quod possint et deberent dictis principibus tales copie communicari, licet plurimorum magistrorum vota fuerint, quod sine consensu principis actu regentis scilicet domini nostri domini imperatoris tales copie non deberent alicui impartiri. Sed circa 2m petitum scilicet circa mittendas personas pensavit facultas, quod universitas neminem posset cogere ad transeundum ad prefatam universitatem et res ista indigeret inductione circa doctores et magistros, si qui vellent se ad prefatam universitatem conferre.

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nach Freiburg zu gehen, wenn er das nicht wolle.36 Man entschied sich schließlich, die heikle Frage der erbetenen Lehrkräfte einer Kommission aus Dekan und vier älteren Magistern zuzuweisen. In den oberen Fakultäten sah es für Schorndorf kaum besser aus, auch hier waren die Meinungen in beiden Materien gespalten.37 Der weitere Gang der Ereignisse lässt sich aus den Wiener Artisten­ akten nicht rekonstruieren.38 Einen Theologen, Johannes Mösch aus Altheim, konnte Schorndorf nach Freiburg jedenfalls mitnehmen. Seit 29. Juli 1469 in Freiburg immatrikuliert, wurde der schon ein halbes Jahr später, im Wintersemester 1469/70, Universitätsrektor, zwei Jahre später 1471/72 nochmals.39 Groß mag die Enttäuschung im Übrigen für Schorndorf aber auch in Freiburg bei seiner Rückkehr gewesen sein, als der Freiburger Senat am 17. Juli 1469 beschloss, die bisherigen Statuten beizubehalten. An eine Übernahme der Wiener sei nicht gedacht. Allenfalls wolle man sich dieser für nötige Ergänzungen und Korrekturen bedienen, den Wiener Statuten also nur eine subsidiäre Stellung einräumen.40 Die aus Wien gekommenen Doktoren und Magister fühlten sich getäuscht, weshalb sie den Eid auf die Freiburger Statuten zunächst verweigerten und so eine neuerliche Befassung des Freiburger Senats mit der Frage der nach Wiener Muster zu korrigierenden Statuten erzwangen.41 Ohne greifbare Ergebnisse, wird man feststellen müssen. Aus der Wiener Filiation wurde trotz der fürst­ lichen Willensbekundungen und Schorndorfs redlichem Bemühen letztlich nichts.42 37 Wien, Universitätsarchiv: Acta Facultatis Artium III fol. 196v. 38 Bauer, Zur Frühgeschichte (wie Anm. 34), S. 21 äußerte die Vermutung, die Universität Wien habe die „Abhängigkeit der Freiburger Hohen Schule im Sinne einer Tochterschule, d. h. auf der Basis gleicher Statuten, geradezu zur Voraussetzung der Überlassung von Lehrern gemacht“. Die Wiener Artistenakten lassen eine solche Deutung allerdings schwerlich zu. Denn der Vorschlag, Freiburg als Tochterschule nach dem Vorbild Wiens zu organisieren, erscheint eindeutig als von Freiburger Seite vorgebracht. 39 Bauer, Zur Frühgeschichte (wie Anm. 34), S. 16 und S. 66; Karl-Heinz Braun, Zur Geschichte der Theologischen Fakultät von 1460 bis 1620, in: 550 Jahre Albert-LudwigsUniversität Freiburg II (wie Anm. 5), S. 92–120, hier S. 98f. – Aus Wien kamen damals 1469 neben Johann Mösch auch noch der Kanonist Friedrich Meckenlocher von Wendelstein, Magister Hieronymus Kälbecker und Magister Nikolaus Matz aus Michelstadt, Bakkalar der Theologie. 40 Schreiber, Geschichte (wie Anm. 34), S. 40. Vgl. dazu Bauer, Zur Frühgeschichte (wie Anm. 34), S. 21f. u. Mertens, Von der Supplik zur Eröffnungsfeier (wie Anm. 5), S. 37. 41 Bauer, Zur Frühgeschichte (wie Anm. 34), S. 22. 42 Statutenüberarbeitungen fanden ab 31. Juli 1469 statt und betrafen insbesondere die Statuten der Artistenfakultät. Eine erste Publikation erfolgte am 17. Dezember. Siehe Bauer, Zur Frühgeschichte (wie Anm. 34), S. 22. – Die von Schorndorf 1469 aus Wien mitgebrachten Privilegien- und Statutenabschriften zu identifizieren, ist bislang nicht gelungen.

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Gleichsam als Resümee kann festgehalten werden: Die Geschichte der habsburgischen Universitätsgründungen im Spätmittelalter beginnt in Wien 1365 mit der Stiftung Herzog Rudolfs IV. Von diesem als dynastisches Prestigeprojekt konzipiert, der hohen Stellung der habsburgischen Dynastie nach Rudolfs Selbstverständnis entsprechend, findet sich die Rudolfina schon bald in einem stark veränderten dynastischen Umfeld wieder, das von massiven Teilungsprozessen und Brüchen geprägt erscheint. Bezeichnend für die Situation im 15. Jahrhundert ist das überaus komplizierte Verhältnis Kaiser Friedrichs III. zur Wiener Alma Mater.43 Den Senior des Hauses Österreich interessierte 1443 sicherzustellen, dass im Collegium ducale (Herzogskolleg), jenem harten Kern der Wiener Universität, ohne den der Betrieb der Hohen Schule im Spätmittelalter nicht denkbar war, neben solchen aus dem Herzogtum Österreich auch Magister aus der Steiermark, Kärnten und Tirol eine angemessene Zahl von Plätzen zugewiesen erhielten.44 Dass Wien auch ihm als die Universität des Hauses Österreich galt, wird man unterstellen dürfen. Was wollte nun Friedrichs Bruder Albrecht mit seinen Universitätsplänen in Freiburg? Hat er vielleicht an seinem Großonkel Rudolf IV. Maß genommen und ein ähnliches Prestigeprojekt verfolgt, das freilich nur ansatzweise gesamtdynastisch, viel eher auf die Persönlichkeit Albrechts zugeschnitten erscheint? Wahrscheinlich hat die innerdynastische Konfliktsituation den entscheidenden Hintergrund für die Freiburger Universitätspläne abgegeben. Dass sich daneben auch schon die Idee einer „vorderösterreichischen“ Landesuniversität in manchen Köpfen festgesetzt haben könnte, wird, wie wenig Rückhalt ein solches Projekt auch immer im „politischen Trümmerfeld“ habsburgische Vorlande finden mochte, nicht ganz von der Hand zu weisen sein. Ganz gewiss hat man im Falle Freiburgs aber

43 Siehe Uiblein, Die österreichischen Landesfürsten (wie Anm. 4), S. 405–408 ( = Uiblein, Die Universität Wien im Mittelalter [wie Anm. 4], S. 70–73). 44 Heiligenkreuz, Stiftsarchiv: Urk.: 1443 III 8 (http://monasterium.net/mom/AT-StiAH/ HeiligenkreuzOCist/1443_III_08/charter; abgerufen zuletzt am 30. August 2018): […] Uns ist angelanngt, wie unser vetter kunig Albrecht loblicher gedechtnuss ein freyhait geben hab, daz in unserm furstlichen collegii zu Wienn albeg am mynnisten sechs maister, der drey aus unserm furstentumb Österreich und die anndern drey aus anndern unsern erblannden ­geboren sind, sein sullen, dieselb freyhait aber yecz nicht gehalten werde und sunder von der ­maister wegen aus Steir, Kernden und von der Etsch etc. […] – Zu den Konflikten um die Besetzung der Kollegiatstellen im Collegium ducale vgl. jetzt Wagner, Universitätsstift und Kollegium (wie Anm. 4), S. 149–154; Karl Ubl, La fondation du collège ducal en 1384 et l’essor de l’Université de Vienne au début du XVe siècle, in: Die universitären Kollegien im Europa des Mittelalters und der Renaissance/Les collèges universitaires en Europe au Moyen Âge et à la Renaissance, hg. von Andreas Sohn/Jacques Verger (Aufbrüche. Interkulturelle Perspektiven auf Geschichte, Politik und Religion 2), ­Bochum 2011, S. 175–184, hier S. 178–182.

Die habsburgischen Universitätsgründungen im Spätmittelalter

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mit einem konzeptuellen Bruch in der Entwicklung zu rechnen, der spätestens durch den Tod Erzherzog Albrechts 1463, wahrscheinlich aber schon früher beim Übergang der Herrschaft in den Vorlanden von Albrecht auf Sigmund 1458 geschah. Nur noch der Weg zur Landesuniversität vermochte jetzt das Überleben der jungen Universitätsstiftung zu gewährleisten, und zwar der Weg zur „vorderösterreichischen“ Landesuniversität. Die mögliche dynastische Alternative einer Landesuniversität für die Tiroler Linie des Hauses Österreich fand offenkundig nicht den nötigen Rückhalt bei Herzog/Erzherzog Sigmund, und Tiroler, die wie der bekannte Humanist Johannes Fuchsmagen aus Hall im Inntal Ende der 1460er Jahre ein Studium in Freiburg aufnahmen45, anstatt Wien als Studienort zu wählen, blieben die große Ausnahme.

45 Zum Freiburger Studium Fuchsmagens Paul Uiblein, Die Kanonisation des Markgrafen Leopold und die Wiener Universität, in: Jahrbuch des Stiftes Klosterneuburg, Neue Folge 13, 1986, S. 21–58, wiederabgedr. in: Paul Uiblein, Die Universität Wien im Mittelalter (wie Anm. 4), S. 489–536, hier S. 53f. (530f.) und zuletzt Jörg Schwarz, Auf dem Weg in die res publica litteraria. Johannes Fuchsmagen (um 1450–1510) und die Gelehrtenkultur am Habsburgerhof im Zeitalter Friedrichs III. und Maximilians I., in: Zwischen Konflikt und Kooperation. Praktiken der europäischen Gelehrtenkultur (12.– 17. Jahrhundert), hg. von Jan-Hendryk de Boer/Marian Füssel/Jana Madlen Schütte (Historische Forschungen 114), Berlin 2016, S. 371–401, hier S. 378f.

Skulptur und Grablege im Dom zu Speyer

Matthias Müller

Das Stirnrunzeln des Königs Rudolfs von Habsburg vermeintliches Grabbildnis im Speyerer Dom als inter­pretatorische Herausforderung Prolog: Johann Caspar Lavater analysiert die Physiognomie Rudolfs I. Meine Ausführungen und Überlegungen zum Grabbildnis Rudolfs I. von Habsburg im Speyerer Dom1 möchte ich mit einem Umweg über Johann Caspar Lavater und dessen Konzept der Physiognomik beginnen! Als der Schweizer Theologe und Philosoph 1776 den zweiten Band seiner „Physiognomischen Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe“ der Öffentlichkeit vorlegte, tat er dies mit der Absicht, „Gottes Wahrheit im Besten, Schönsten, was auf Erden ist, im Menschen; im Besten, Schönsten, was des Menschen ist, im

1 Ich danke Hermann-Josef Schwab (Bellheim) für das Gespräch über die Ergebnisse seiner akribischen Quellenanalysen zur Geschichte von Rudolfs I. Grabbildnis im 19. und 20. Jahrhundert sowie für die freundliche Überlassung seines im Frühjahr/Sommer 2018 noch im Druck befindlichen Aufsatzmanuskriptes (Hermann-Josef Schwab, Die Grabplatte Rudolfs von Habsburg in Speyer im 19. und 20. Jahrhundert, in: Mitteilungen des Historischen Vereins der Pfalz 116, 2018, S. 139–194). Für den Gedankenaustausch und die Unterstützung bei der Quellen- und Literaturrecherche meines Beitrags möchte ich weiterhin Jennifer Konrad M. A. (Mainz/Frankfurt) danken.

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Menschengesichte, wo nicht darstellen, doch ahnden lassen“ zu wollen.2 Wie bereits im ersten Band trieb Lavater die Hoffnung, aus dem akribischen Studium einer möglichst großen Vielzahl an Gesichtern unterschiedlicher Menschen aus verschiedenen Zeitaltern jene spezifischen physiognomischen Merkmale herauszudestillieren, die auf die edle, göttliche Natur des Menschen und seine Teilhabe an der Ebenbildlichkeit Gottes hindeuten. Letztendlich, so resümiert die Kunsthistorikern Karin Althaus in ihrer Dissertation über die Bedeutung des Porträts in Lavaters Kunstsammlung, war es das Ziel Lavaters, in den Menschengesichtern die Spuren des wahren Antlitz Christi selbst wiederzuentdecken und mit Hilfe dieser Spurenelemente so weit wie möglich eine Vorstellung von der vollkommenen menschlichen Gestalt Christi zu gewinnen.3 Unter den Gesichtern, die für Lavater hierüber Auskunft geben können und daher für würdig befunden wurden, genauer analysiert zu werden, ist auch dasjenige König Rudolfs I. von Habsburg. Lavater beschreibt es im „XXII. Fragment“ des zweiten Bandes seiner physiognomischen Studien, wo er „Eine Reihe von Fürsten und Helden“ analysiert. Den Beschreibungen sind jeweils ganzseitige, stark schematisierte Porträtzeichnungen beigegeben, deren Vorlagen zumeist gedruckte bzw. in Kupfer gestochene Bildnisse aus der enorm umfangreichen Kunstsammlung Lavaters bilden. Diese Vorlagen ließ Lavater durch eigens beauftragte Künstler, darunter Nikolaus Daniel Chodowiecki, in Strichzeichnungen umwandeln und so auf ihre wesentlichen physiognomischen Merkmale reduzieren. Das Porträt Rudolfs I. von Habsburg (Abb. 1) erscheint in der „Reihe von Fürsten und Helden“ auf Tafel 3, deren Vorlage ein um 1640 entstandenes Kupferstichbildnis von P. van Sompel nach einem Entwurf von P. Soutmann bildet (Abb. 2). Lavater charakterisiert die anhand der beiden Abbildungen gewonnene Physiognomik des ersten Königs (bei Lavater „Kaiser“) aus dem Hause Habsburg folgendermaßen: „XXII. Fragment. Eine Reihe von Fürsten und Helden Dritte Tafel. Rudolph I. Kaiser. Ein Gesicht, das sogleich Theilnehmung erweckt, das aber im bloßen unschattirten Umrisse von seinem sanftern Adel viel verloren hat. Die Stirn ist voll Entwürfe. Augenbraunen und Raum zwischen den Augen voll kräftig würkender Gedanken. Die Augen sind mehr des 2 Johann Caspar Lavater, Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe, Bd. 2., Leipzig/Winterthur 1776, S. 4. 3 Karin Althaus, „Die Physiognomik ist ein neues Auge“. Zum Porträt in der Sammlung Lavater, Diss. Frankfurt 2010, S. 12, S. 163–172 (Volltextzugriff am 18.11.2018: http://archiv.ub.uni-heidelberg.de/artdok/volltexte/2010/1201/).

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Abb. 1: König Rudolf I. von Habsburg (Zeichnung aus Lavaters „Physiognomischen Fragmenten“, Bd. 2, 1776)

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Abb. 2: König Rudolf I. von Habsburg (Kupferstich von Pieter van Sompel nach Pieter Claesz Soutman, um 1640)

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hell- als tiefsehenden, und voll sinnlicher Reizbarkeit. Die Nase ist nicht ganz gemein; nicht sonderlich edel; nicht erhaben. Der Mund, im schattirten Originale, nach Soutmann und Van Sompel, viel ruhiger, edler und fester — Hier hat er in der Mitte, und in der allzu hart abgeschnittenen Unterlippe etwas schwach wollüstiges. Die Stellung des Kopfes ist [die, Erg. M.M.] des staunenden Entwurf­ machers — Entwurf, der sich aus Thaten, nicht Worten, formt“.4

In der physiognomischen Analyse Lavaters erweist sich Rudolf I. somit als ein „staunender Entwurfmacher“, dessen hier auch politisch zu verstehenden „Entwürfe“ sich „aus Taten, nicht Worten“ formen. Darauf deuten die Stirn, die Augenpartie, die „nicht sonderlich edel“ Nase und der „schwach wollüstige“ Mund. Nicht nur moderne Rezipienten, sondern auch schon Zeitgenossen wie der Naturwissenschaftler Georg Christoph Lichtenberg empfanden angesichts solcher Charakterisierungsversuche Befremden. Dieses wird noch größer, wenn wir uns die Grundlage von Lavaters Analyse verdeutlichen. Denn auf welche porträthafte Darstellung Rudolfs I. bezieht sich das für Lavaters Zeichnung maßgebliche Kupferstichbildnis von Sompel und Soutmann? An dieser Stelle muss jetzt auch das berühmte, im Speyerer Dom ausgestellte Grabbildnis Rudolfs I. (Abb. 3) zur Sprache kommen, wenn auch vorerst nur im Negativen, Absenten: Denn auf dieses in Stein gemeißelte Bildnis konnten sich die Künstler zur Zeit Lavaters noch nicht beziehen, da die Grabplatte erst 1810/11 in einem Kellergewölbe auf dem Gelände des ehemaligen, im pfälzischen Erbfolgekrieg 1689 zerstörten Speyerer Johanniterhofes5 wiederaufgefunden wurde.6 Der von Eduard Freiherr 4 Lavater, Physiognomische Fragmente (wie Anm. 2), S. 201. 5 Zum Johanniterhof siehe Martin Amgart/Andreas Diener/Matthias Untermann, Speyer, St. Johann Baptist, in: Pfälzisches Klosterlexikon. Handbuch der pfälzischen Klöster, Stifte und Kommenden, Bd. 4: Speyer, Kaiserslautern 2017, S. 560–574. 6 Regine Körkel-Hinkfoth, Das Grabmal Rudolfs von Habsburg im Speyrer Dom, in: Kunst + Architektur in der Schweiz, Heft 47, 1996, S. 161–168, hier: S. 161, nennt korrekt 1811 als Jahr der Wiederentdeckung, während alle anderen Autoren – von Eduard Freiherr von Sacken, Über die authentischen Porträts Rudolfs von Habsburg und seine Grabsteine, in: Festschrift zur sechshundertjährigen Gedenkfeier der Belehnung des Hauses Habsburg mit Oesterreich, Wien 1882, S. 117–129, S. 123 bis Grete Tiemann, Die Grabplatte Rudolfs von Habsburg in der Krypta zu Speyer, in: Pfälzisches Museum 44, 1927, S. 99–102, S. 99 – von 1812 ausgehen. Der Speyerer Lokalhistoriker Hermann-Josef Schwab konnte jetzt durch akribische Archivforschungen nachweisen, dass die Platte spätestens im April 1811 und frühestens Ende 1810 wiederaufgefunden wurde; diese und weitere seiner Forschungsergebnisse zur Provenienz und zum materiellen Zustand der Grabplatte sollen in einer eigenständigen Publikation erscheinen, die als grundlegend für die weitere Forschungsdiskussion gelten kann und dem Verfasser dankenswerterweise bereits vorab zugänglich gemacht wurde, siehe Schwab, Grabplatte (wie Anm. 1). Zum „Kuhstall“ siehe von Sacken, Über die authentischen Porträts (ebenda), S. 123 sowie Alphons Lhotsky, Zur Geschichte des Grabmals König Rudolfs I., in: Festschrift Edmund E. Stengel, Münster/Köln 1952, S. 425–427, hier S. 425.

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Abb. 3: Grabbildnis König Rudolfs I. von Habsburg (um 1290, Speyer, Dom)

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von Sacken eingebrachte Hinweis, dass die Platte daraufhin von einem – wie es Grete Tiemann 1927 formulierte – „Liebhaber“7 in den vielzitierten Kuhstall überführt worden sei, besitzt wohl eher anekdotischen Aussagewert.8 Erst 1815 – nach einem kurzen Zwischenstopp beim Grafen von Dalberg in Herrnsheim – gelangte die Platte schließlich in den Speyerer Dom.9 Von dort wurde sie auf Anweisung des Regierungspräsidenten Stichaner spätestens 1828 in die zwei Jahre zuvor neu errichtete Antikenhalle im Domgarten verbracht, um von dort 1846 schließlich wieder in den Dom zurücktransportiert zu werden.10 Hier hat sie offensichtlich noch bis in die 1850er Jahre hinein „als trauriges Überbleibsel bei anderem Gerümpel und Material unten in der Crypta auf dem Boden“ gelegen, wie es Friedrich Wilhelm Fröhlich 1856 schildert.11 Damit fehlte Lavater – ohne es vermutlich zu wissen – die wichtigste bildliche Referenz für seine physiognomische Analyse des ersten habsburgischen Königs. Denn es ist kaum anzunehmen, dass er das überwiegend erst im 19. Jahrhundert rezipierte bildliche wie archivalische Quellenmaterial zum Speyerer Grabbildnis und damit zur vermeintlichen äußeren Gestalt des Königs kannte. Wahrscheinlich war ihm noch nicht einmal die in der Innsbrucker Hofkirche aufgestellte Bronzefigur Rudolfs I. (Abb. 4) aus dem frühen 16. Jahrhundert bekannt, die dort zusammen mit vielen weiteren Bronzefiguren das Grabmal Kaiser Maximilians I. flankiert. Denn hätte Lavater gewusst, dass das Gesicht der Bronzefigur auf eine von Maximilian I. 1507/08 (im Rahmen seines „Gedechtnus“-Projekts) persönlich angeordnete bildliche Reproduktion (Abb. 5) der Speyerer Grabplatte zurückgeht (es handelt sich um Hans Tiemann, Grabplatte (wie Anm. 6), S. 99. Der „Kuhstall“ wurde zuerst durch von Sacken, Über die authentischen Porträts (wie Anm. 6), S. 123 in die wissenschaftliche Literatur eingeführt, nachdem er selbst diese Information einem Artikel von Alban Loew („Der Grabstein Rudolphs von Habsburg“) in der Beilage zur Grazer Zeitung „Der Aufmerksame“, Nr. 155, 30.12.1815 entnommen hatte (ebenda, S. 130, Anm. 18). Siehe hierzu auch Schwab, Grabplatte (wie Anm. 1). 9 Tiemann, Grabplatte (wie Anm. 6), S. 99. Eingehend hierzu mit weiteren Quellenbelegen Schwab, Grabplatte (wie Anm. 1). 10 Johann Geissel, Der Kaiser-Dom zu Speyer. Eine topographisch-historische Monographie. Dritter Band, Mainz 1828, S. 249. Siehe hierzu auch Schwab, Grabplatte (wie Anm. 1). 11 Friedrich Wilhelm Fröhlich, Die Kaisergräber im Dom zu Speier, deren theilweise Zerstörung im Jahre 1689 und Eröffnung im Jahre 1739. Eine Untersuchung nach geschichtlichen Quellen und Akten des vormals Fürstbischöflich Speier’schen Archivs, Karlsruhe 1856, S. 20 beschreibt den Aufbewahrungsort der Grabplatte im Präsens: „[…] und letzterer liegt, auch beschädigt und verstümmelt, als trauriges Überbleibsel bei anderem Gerümpel und Material unten in der Crypta auf dem Boden.“ Von daher ist anzunehmen, dass um 1856 Rudolfs I. Bildnis noch nicht restauriert worden war, was durch das Wiederauffinden der auf 1858 datierten Rechnung über die Restaurierungsarbeit jetzt bestätigt wird (siehe hierzu Anm. 13).

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Abb. 4: Bronzestatue König Rudolfs I. von Habsburg (Ausschnitt, 1516/17, Innsbruck, Hofkirche)

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Abb. 5: Hans Knoderer: Gemälde der Grabplatte König Rudolfs I. von Habsburg (1508, Wien, Kunsthistorisches Museum)

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Abb. 6: Erzherzog Rudolf IV. von Habsburg, der Stifter (ca. 1360/65, Wien, Dommuseum)

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Knoderers 1508 angefertigtes Gemälde12), hätte er mit Sicherheit dieses gewissermaßen „authentische“ Gesicht Rudolfs I. als Grundlage für seine Studien genommen. Doch auf welche Bildnisse Rudolfs I. bezieht sich der von Lavater verwendete Kupferstich von Sompel und Soutmann (vgl. Abb. 2) dann? Bei genauerem Hinsehen müssen wir feststellen: auf viele verschiedene Bildnisse, nur nicht von Rudolf I. selbst! Denn das Kupferstichbildnis ist das Ergebnis einer Collagierung der Bildnisse von ganz anderen berühmten Habsburgern, und zwar zum einen von Erzherzog Rudolf IV., dem Stifter (Abb. 6), dessen in Wien aufbewahrtes Memorialbildnis von ca. 1360/65 zu den frühesten mimetischen Herrscherdarstellungen der deutschen Kunstgeschichte zählt und von dem die recht ungebändigten Haupt- und Barthaare entlehnt sein dürften, und zum anderen von Kaiser Maximilian I. (Abb. 7), dessen von Bernhard Strigel in den 1490er Jahren entwickeltes Schema sich in seinen Grundzügen wiederum auf das Bildnis Erzherzogs Rudolfs IV. bezieht. Damit ist die bildliche Grundlage von Lavaters physiognomischer Charakterstudie König Rudolfs I. (vgl. Abb. 1) nichts anderes als eine Konstruktion und Fiktion, genauso wie auch Lavaters charakterliche Deutung, was unser Augenmerk nun endgültig auf das Speyerer Grabbildnis selbst lenken soll.

Fiktionen und Konstruktionen: Die Physiognomie Rudolfs I. in seinem Speyerer Grabbildnis und das Problem der restauratorischen Eingriffe des 19. Jahrhunderts Denn auch dieses Bildnis ist das Ergebnis von Fiktionen und Konstruktionen, was sowohl die materielle Substanz und künstlerische Form als auch das mit diesen verbundene historische Narrativ sowie die ursprüngliche Funktion des Bildwerks betrifft. Denn wenn wir ehrlich sind, wissen wir über die Entstehungsbedingungen des Grabbildnisses und die ihm ursprünglich zugedachte Funktion recht wenig. Sicher ist nur, dass die Platte zu Beginn des 16. Jahrhunderts noch in Speyer vorhanden und sichtbar war, worauf einerseits das bereits genannte Gemälde von Hans Knoderer von 1508 (vgl. Abb. 5) und andererseits ein Eintrag in einem ebenfalls aus dem frühen 16. Jahrhundert stammenden Notizbuch mit lateinischen antiken Inschriften (der sog. Codex Vindobonensis Palat. Nr. 3540) hindeutet. Das lange Zeit von der 12 Für das Gemälde erhielt Hans Knoderer 1508 von Kaiser Maximilian I. einen Rechnungsbetrag angewiesen (Jahrbuch der kunsthistorischen Sammlungen des allerhöchsten Kaiserhauses, 1894, Teil II, Reg. Nr. 905).

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Abb. 7: Bernhard Strigel: Bildnis Kaiser Maximilians I. (1507, Wien, Kunsthistorisches Museum)

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Kunstgeschichte unbeachtete und erst 1952 in einem Beitrag von Alphons Lhotsky für die kunsthistorische Forschung ins Bewusstsein gerückte Notizbuch birgt auf Seite 16 – inmitten der antiken Inschriftensammlung – eine flüchtige Skizze der Speyerer Grabplatte (Abb. 8), auf der neben den Inschriften zumindest der Kopf mit Krone und das Szepter Rudolfs I. abgebildet wurden. Die linke Hand fehlt, genauso wie ein von ihr gehaltener Gegenstand. Schenken wir dem Gemälde von Hans Knoderer (vgl. Abb. 5) Glauben, dann hielt Rudolf I. in seiner Linken ursprünglich ein Salbgefäß. Der heute dort befindliche Reichsapfel (vgl. Abb. 3) ist eine freie Erfindung von 1858 – und damit einige Zeit nach 1810/11, dem Jahr der Wiederauffindung in einem Keller auf dem Gelände des ehem. Speyerer Johanniterhofs – vorgenommenen Restaurierung durch Gottfried Renn.13 Als die Platte von dem in Speyer ansässigen Bildhauer Gottfried Renn14 restauriert wurde, muss sie – und mit ihr auch Rudolf I. – einen geradezu jämmerlichen Anblick geboten haben. „Bei dem Zustande, in welchem der Grabstein aufgefunden wurde“, so resümierte 1882 Eduard Freiherr von Sacken in der Festschrift zur sechshundertjährigen Gedenkfeier der Belehnung des Hauses Habsburg mit Österreich, „ist er nicht geeignet, uns eine deutliche Vorstellung von dem Aussehen König Rudolfs, besonders von seiner Physiognomie, zu geben“.15 Nach den noch heute bei genauer Inaugenscheinnahme sichtbaren Beschädigungen zu urteilen, fehlten dem König nicht nur beide Hände, das Szepter und das Salbgefäß, sondern überdies die Nase, Teile des Mundes und das halbe Kinn. Darüber hinaus war die gesamte Bildnisplatte in der Horizontalen im Bereich der Schulterpartie bzw. unterhalb des Halses Rudolfs I. auseinandergebrochen, wobei die noch heute sichtbare Bruchkante von der linken Schulterpartie über den Hals bis zur rechten Schulterpartie in einer bogenförmigen Linie verläuft. Doch wie 13 Zumindest 1856 scheint der Grabstein noch nicht restauriert gewesen zu sein, wie eine Beschreibung und Formulierung von Fröhlich, Kaisergräber (wie Anm. 11), S. 20, nahelegt. Siehe hierzu auch oben Anm.  11; Franz Xaver Remling gibt in seiner Denkschrift zum Speyerer Dom das Jahr 1858 für die Restaurierung an, siehe Franz Xaver Remling, Der Speyerer Dom, zunächst über dessen Bau, Begabung, Weihe unter den Saliern. Eine Denkschrift zur Feier seiner achthundertjährigen Weihe, Mainz/Kirchheim/Speyer 1861. Dieses Datum vermag nun ein von Hermann-Josef Schwab vor kurzem wiederentdeckter Rechnungsbeleg zu bestätigen. Zu genaueren Angaben und Hinweisen zu dieser Quelle siehe Schwab, Grabplatte (wie Anm. 1), S. 164. 14 Gottfried Renn wird als Restaurator der Grabplatte von Eduard Freiherr von Sacken, Über die authentischen Porträts (wie Anm. 6), S. 124 genannt. In den biographischen Artikeln zu Renn (vgl. Anm. 25) taucht diese Arbeit jedoch nicht auf. Umso wichtiger ist jetzt der Rechnungsfund von Hermann Josef Schwab mit dem Namen Renns und dem Datum der Fertigstellung der Arbeit (siehe Anm. 13). 15 von Sacken, Über die authentischen Porträts (wie Anm. 6), S. 125.

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Abb. 8: Blatt 16 aus dem Codex Vindobonensis Palat. Nr. 3540 mit einer Skizze der Grabplatte König Rudolfs I. von Habsburg (1. H. 16. Jh.)

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stark beschädigt war die Platte nach ihrer Auffindung tatsächlich und wie glaubwürdig sind sowohl die textlichen als auch bildlichen Beschreibungen, die den Zustand der Platte nach ihrer Wiederauffindung angeblich exakt wiederzugeben beanspruchen? Eine genaue Analyse aller derzeit überlieferten historischen Beschreibungen und Zeichnungen der Bildnisplatte im Zustand vor ihrer Restaurierung führt zunächst zu der ernüchternden Feststellung, dass wir diesen Quellen nur sehr bedingt trauen dürfen, da sie offensichtlich stets einen mehr oder minder großen Anteil an Interpretationen, Auslassungen oder – was die Bildquellen betrifft – ungenauen Übertragungen oder gar Retouchen enthalten. Vor allem besitzen wir von den frühen Zeichnungen keine einzige im Original, sondern nur in Form von Nachzeichnungen, Radierungen oder Kupferstichen.16 Die Fehlerquelle bzw. der Hang zur Vereinfachung ist bei solchen Übertragungen bekanntermaßen groß. Wenn also in den Beschreibungen – etwa von Johann Michael König – behauptet wird, „diese Zeichnung […] trift [!] ganz genau mit dem vorhandenen Grabstein überein“, so besitzen solche Aussagen keinesfalls den behaupteten Zeugniswert, wie bereits ein relativ oberflächlicher Vergleich mit der Original-Bildnisplatte zu zeigen vermag.17 Die größte Unsicherheit ergibt sich jedoch aus dem Umstand, dass wir zwar schriftliche Hinweise besitzen, dass Rudolfs I. Bildnisplatte zwischen 1810/11, dem Jahr ihrer Wiederentdeckung, und 1815, dem Jahr der Aufstellung im Dom aus Anlass des Besuchs Kaiser Franz’ I. von Österreich, in Zeichnungen festgehalten wurde, wir aber keine der aus dem ersten Viertel des 19. Jahrhunderts überlieferten Zeichnungen der Bildnisplatte diesen schriftlich bezeugten frühen Zeichnungen sicher zuordnen können.18 Die derzeit früheste bekannte Abbildung, für die aufgrund ihrer Publikation im Jahr 1817 ein gesicherter terminus ante quem besteht, ist der Kupferstich bzw. die Radierung in 16 Zu den historischen Zeichnungen bzw. Abbildungen siehe auch Schwab, Grabplatte (wie Anm. 1). 17 M. Georg Litzel, Historische Beschreibung der kaiserlichen Begräbniß in dem Dom zu Speyer, wie solche vom Jahr 1030 bis 1689 beschaffen gewesen ist, u.s.w., neu aufgelegt und hg. von Johann Michael König, Speyer 1825 [1. Aufl. 1751], S. 148. Gleiches gilt im übrigen für die in derselben Beschreibung Johann Michael Königs vorgenommenen Schilderung des Aussehens der Bildnisplatte: „Der Stein ist sehr schön gearbeitet. Das Bildnis des Kaisers liegt ganz erhaben auf der Oberfläche des Steins und die Inschrift ist deutlich zu lesen. Nur ist zu bedauern, dass die Hände an dem Bildniß, und das Rohr des Zepters weg, und der ganze Stein gewaltsamer Weise in zwei Theile zerschlagen ist“ (ebenda, S. 149). In dieser die Qualität der Steinmetzarbeit betonenden Schilderung wird offensichtlich nur auf die gröbsten Beschädigungen (wie die fehlenden Hände und das Szepter) eingegangen, während partielle Fehlstellen (wie etwa im Bereich des Gesichtes) nicht unbedingt genannt worden sein müssen. 18 Hierzu und zu den entsprechenden (Brief-)Quellen siehe Schwab, Grabplatte (wie Anm. 1), S. 146–153.

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Franz Joseph Mones „Geschichte und Beschreibung von Speyer. Kleine Geschichte von Speyer“.19 Darauf folgt die 1821 in Alexandre de Labordes „Voyage pittoresque en Autriche“ als Kupferstich bzw. Radierung veröffentlichte Zeichnung der Bildnisplatte von Bance20 und eine 1825 erstmals in Form eines Kupferstichs bzw. einer Radierung von Johann Michael König publizierte Nachzeichnung nach einer nicht erhaltenen Zeichnung des Speyerer Bildhauers Peter Anton Linck, die dieser irgendwann zwischen 1810/11 und 1824 angefertigt hat.21 Und dann gibt es schließlich noch jene undatierte Zeichnung des Speyerer Künstlers Johannes Ruland bzw. seines Sohnes Johann Gerhard Ruland, die erstmals 1927 in der Zeitschrift „Pfälzisches Museum“ veröffentlicht wurde und die alleine schon wegen der fehlenden Datierung nur eingeschränkten Aussagewert besitzt.22 Als terminus ante quem können nur die Todesdaten von Vater (1830) und Sohn (1854) Ruland herhalten. Allen Zeichnungen ist gemeinsam, dass sie die heute im Speyerer Dom befindliche Originalplatte in keinem einzigen Fall ohne Abänderungen, Vereinfachungen oder gar grobe Verfälschungen wiedergeben, womit die Abbildungen übrigens in einer langen Tradition stehen, da diese Feststellungen auch schon für die gemalte Darstellung der Bildnisplatte von Hans Knoderer aus dem Jahr 1508 Gültigkeit besitzen. Von daher ist auch der Aussagewert der Zeichnungen für die uns hier interessierende Frage nach dem Zustand des Gesichtes Rudolfs I. von Habsburg nach der Wiederauffindung der Bildnisplatte 1810/11 mit größter Vorsicht zu bewerten. Denn wenn in jeder dieser Zeichnungen Fehler bzw. Vereinfachungen enthalten sind, die nicht nur die genaue Transkription der umlaufenden lateinischen Inschrift, sondern vor allem die exakte Wiedergabe der Figur Rudolfs I., die teilweise sehr frei abgezeichnet wurde, betreffen, dann fällt es schwer, ausgerechnet der Darstellung des Gesichtes zu vertrauen. Dieses wird zwar – anders als die fehlenden Hände – in nahezu allen Zeichnungen als unbeschädigt abgebildet, woraus man schließen könnte, dass die noch heute sichtbaren Schadstellen erst nach 1810/11 entstanden, doch sind die Gesichtszüge gegenüber dem Original selbst in den als unbeschädigt gesicherten Partien entweder 19 Franz Joseph Mone, Geschichte und Beschreibung von Speyer. Kleine Geschichte von Speyer, Speyer/Heidelberg 1817. 20 Alexandre de Laborde, Voyage pittoresque en Autriche, Tome Premier, Paris 1821, S. 1. 21 Als terminus ante quem muss der Tod Linckes am 9. Mai 1824 gelten. Der nach der Zeichnung angefertigte Kupferstich ist abgedruckt bei Litzel/König, Historische Beschreibung (wie Anm. 17), Bildseite gegenüber von S. 148. Die Behauptung von Fritz Klotz, Der Speyerer Bildhauer Peter Anton Linck, in: Pfälzer Heimat 11, 1960, S. 141–144, hier: S. 142, dass die dem Kupferstich zugrunde liegende Zeichnung bereits 1812 entstanden sei, ist reine Spekulation. 22 Abb. in: Pfälzisches Museum 44, 1927, Bildtafel nach S. 104.

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sehr skizzenhaft vereinfacht oder sogar frei interpretierend wiedergegeben. Es ist daher nicht ausgeschlossen, dass jene Zeichnungen, die das Gesicht Rudolfs I. unversehrt zeigen, den damals vorhandenen tatsächlichen Zustand beschönigen und die entstellten Gesichtspartien retouchiert wurden. Der Grund für solche Retouchen könnte durchaus die Pietät gegenüber dem berühmten Ahnherrn des Habsburger Kaiserhauses gewesen sein, entstanden die frühesten Zeichnungen doch teilweise als Erinnerungsbilder für den österreichischen Kaiser Franz I., dem man das entstellte Gesicht seines Vorfahren in der Erinnerung stiftenden Zeichnung möglicherweise nicht zumuten wollte.23 Dass bei der Bildnisplatte nach der Wiederauffindung nicht nur Rudolfs I. Hände fehlten, sondern spätestens 1817 auch sein Gesicht nicht unbeschädigt war, legt zumindest der Kupferstich in Franz Joseph Mones „Geschichte und Beschreibung von Speyer. Kleine Geschichte von Speyer“ nahe.24 Denn hier wurden im Gesicht vor allem die Nase und das Kinn eindeutig als ‚abgeschlagen‘ wiedergegeben und damit bemerkenswerterweise jene Partien, die beim Original neben den Lippen eindeutig durch spätere Anfügungen ergänzt wurden. Angesichts dieser quellenkundlichen Widersprüche und Unsicherheiten wäre es umso wünschenswerter, dass die Grabplatte im Hinblick auf die späteren Ergänzungen in naher Zukunft einer materialtechnischen Analyse unterzogen würde, um größere Klarheit 23 Ein vergleichbares Verfahren konnte der Verfasser übrigens bei der im frühen 19. Jahrhundert erfolgten zeichnerischen Wiedergabe der berühmten Schnitzaltäre in der Marburger Elisabethkirche nachweisen, siehe Matthias Müller, Von der Kunst des calvinistischen Bildersturms. Das Werk des Bildhauers Ludwig Juppe in der Marburger Elisabethkirche als bisher unerkanntes Objekt calvinistischer Bildzerstörung (Marburger Stadtschriften zur Geschichte und Kultur 43), Marburg 1993; Matthias Müller, Bildzerstörung als Bildüberschreibung. Zum ästhetischen Konzept eines calvinistischen Bildersturms in der Marburger Elisabethkirche, in: Calvin und Calvinismus. Europäische Perspektiven, hg. von Irene Dingel/Herman J. Selderhuis (Veröffentlichungen des Instituts für Europäische Geschichte Mainz 84), Göttingen 2011, S. 431–462. Diese Altäre wurden um 1619 im Rahmen eines calvinistischen Bildersturms, den der hessische Landgraf Moritz der Gelehrte in der damaligen Deutschordenskirche durchführen ließ, partiell zerstört, was besonders auch die Gesichter einzelner Figuren betraf. Radierungen bzw. Lithographien der Altäre, die 1878 in der Neuauflage der vom französischen Politiker und Historiker Charles Forbes René Comte de Montalembert (1810–1870) 1836 erstmals veröffentlichten „Histoire de Sainte Elisabeth de Hongrie“ abgedruckt wurden, zeigen jedoch nur unversehrte Figuren und Gesichter. Dabei sind noch auf historischen Fotografien, die ebenfalls gegen 1880 aufgenommen wurden und die sogar teilweise als Vorlagen für die Radierungen und Lithographien bei Montalembert dienten, die Beschädigungen gut zu erkennen. Zu den Abbildungen der Altäre bei Montalembert vgl. z. B. folgende Ausgabe: Ch. F. R. Comte de Montalembert, Sainte Élisabeth de Hongrie, par le Comte de Montalembert de l‘ Académie Française, avec une préface par Léon Gautier, Tours 1878; Titel der deutschen Ausgabe: Charles Forbes de Montalembert, Leben der heiligen Elisabeth von Ungarn, Landgräfin von Thüringen und Hessen (1207–1231), nach dem Französischen übers. von Jean Philippe Staedtler, Einsiedeln 1880. 24 Mone, Geschichte (wie Anm. 19).

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über die restauratorischen Zutaten und Veränderungen zu erhalten. Schwierig wird es jedoch sein, anhand einer solchen Materialuntersuchung und den überlieferten Quellen den genauen Zeitpunkt der noch heute sichtbaren Beschädigungen im Bereich von Kinn, Mund, Nase und evtl. auch der Augenbrauen zu bestimmen, so dass weiterhin offen bleiben muss, ob die Schäden bereits bei der Wiederentdeckung vorhanden waren oder erst zu einem späteren Zeitpunkt zwischen 1810/11 und der nachweisbaren Restaurierung 1858 entstanden – beispielsweise beim Transport der Bildnisplatte zunächst zum Grafen von Dalberg nach Herrnsheim und dann, 1815, in den Speyerer Dom. Wie dem auch sei: Spätestens 1858 sah sich Gottfried Renn, der Restaurator, jedenfalls zu durchaus tiefergehenden gesichtschirurgischen Eingriffen veranlasst, die er jedoch mit großer Hingabe an das ihm anvertraute Objekt durchgeführt haben dürfte. Denn Gottfried Renn war Österreicher und durch die glückliche Vermittlung u. a. von Johann Schraudolph, der im Auftrag des bayerischen Königs damals den Speyerer Dom mit einem neuen Bildprogramm ausstattete, nach Speyer gekommen.25 Dort war er sowohl in die Restaurierungsarbeiten am Dom eingebunden als auch für Teile der figürlichen und ornamentalen Innenausstattung sowie der Verzierungen des 1854–1858 neu errichteten Westbaus verantwortlich. Renn begründete in Speyer eine feste Bildhauerwerkstatt und blieb dort bis zu seinem Tode am 3. Oktober 1900. Sein Grab befindet sich noch heute auf dem Speyerer Hauptfriedhof, für den seine Werkstatt auch zahlreiche Grabsteine anderer Speyerer Bürger anfertigte. Dass Renn auch für die Restaurierung der Grabplatte König Rudolfs I. verantwortlich war und diesem ein in weiten Teilen neues Gesicht geschaffen hat, ist hingegen selbst in Speyer nur noch Wenigen bekannt. Für den Österreicher Renn muss diese Aufgabe wie ein Geschenk des Himmels erschienen sein, konnte er doch seine restauratorisch-bildhauerischen Fähigkeiten in Speyer nun direkt in den Dienst des ersten Königs der Habsburger Dynastie stellen. Und er sollte diese Aufgabe mit durchaus kreativem Sinn bewältigen, wobei man gerne wüsste, wer ihm evtl. noch als Berater zur Seite stand. Denn am Ende besaß König Rudolf I. ein Gesicht (Abb. 9), dass 25 Zu Gottfried Renn siehe Constantin von Wurzbach, Art.: Renn, Gottfried, in: Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich, 25. Theil. Kaiserlich-königliche Hofund Staatsdruckerei, Wien 1873, S. 290–291; Hyacinth Holland, Art.: Renn, Gottfried, in: Biographisches Jahrbuch und Deutscher Nekrolog Bd.  5, Berlin 1903, S.  135–136; Josef Ringler, Art.: Renn, Gottfried, in: Allgemeines Lexikon der Bildenden Künstler von der Antike bis zur Gegenwart, hg. von Hans Vollmer, begründet von Ulrich Thieme/Felix Becker, Band 28, Leipzig 1934, S. 167; Günther Groh, Gottfried Renn, in: Speyer. Vierteljahresheft des Verkehrsvereins, Herbst 1968, S. 14. Siehe auch Schwab, Grabplatte (wie Anm. 1).

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Abb. 9: Grabbildnis König Rudolfs I. von Habsburg (um 1290, Speyer, Dom): Ausschnitt mit der Kopfpartie

er so noch nie zuvor besessen hatte, das aber erkennbar vom Bemühen geleitet war, ihn zu einem ‚echten‘ Habsburger werden zu lassen. Ähnlich wie beim Kupferstichbildnis von Sompel und Soutmann aus dem 18. Jahrhundert, das Lavater verwendete, ist auch das von Renn ergänzte Gesicht Rudolfs I. eine Collage. Anstatt, wie es nahe gelegen hätte und in der Literatur – beispielsweise im Festschriftbeitrag von Eduard Freiherr von Sacken aus dem Jahr 1882 – behauptet wird, die einzige einigermaßen glaubwürdige (wenn auch bei genauerem Hinsehen durchaus frei interpretierende) Abbildung der unbeschädigten Grabplatte von Hans Knoderer aus dem Jahr 1508 (vgl. Abb. 5) für die zerstörten Partien zu kopieren, ignorierte Renn diese wichtige Bildquelle weitgehend, um sich statt dessen ganz andere Vorbilder zu ­suchen. Diese zeigen aber nicht Rudolf I., sondern Maximilian I.,26 so etwa Albrecht Dürers berühmtes Gemälde Kaiser Maximilians I. 26 Eine Ähnlichkeit mit den Gesichtszügen Maximilians I. erkannte auch schon Regine Körkel-Hinkfoth, Grabmal (wie Anm. 6), S. 162, ohne aber diesen Gedanken weiter auszuführen und an Beispielen zu verifizieren. Daher zieht sie auch nicht Dürers berühmtes Bildnis Maximilians I. zu einem genauen Vergleich heran.

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von 1519 (Abb. 10). Von dieser Darstellung könnte Renn die komplette Mund- und Kinnpartie übernommen haben. Denn sowohl das markante, plastisch herausgearbeitete Kinn als auch der gerade verlaufende Mund mit seinen vollen Lippen finden sich nicht im Gemälde Knoderers. Dort ist das Kinn zurückhaltender moduliert und besitzt der Mund nach unten herabhängende Mundwinkel, Merkmale die übrigens auch in der Bronzefigur Rudolfs I. (vgl. Abb. 4) in der Innsbrucker Hofkirche vorhanden sind, die ja tatsächlich nach der Vorlage Knoderers angefertigt wurde. Die im Speyerer Grabbildnis ergänzte Nase hingegen könnte Renn durchaus dem Gemälde Knoderers von 1508 entlehnt haben,27 doch benötigte er dieses Bild eigentlich gar nicht dafür. Denn die von Knoderer für Rudolfs Grabbildnis verwendete Nase war 1508 längst zum charakteristischen Typus der „Habsburgernase“ avanciert, wozu ganz wesentlich die Porträtserien von Bernhard Strigel (vgl. Abb. 7) beitrugen, die dieser Maler ab ca. 1507 für Maximilian I. anfertigte. Diesen Serien liegt im Wesentlichen ein bestimmtes, von Strigel speziell für Maximilian I. entwickeltes antikisierendes Bildnisschema zugrunde, zu dessen Charakteristika neben der klassisch-antiken Profilansicht und dem halblangen Haar die markante adlerartige Hakennase gehört. Diese Adlernase übernahm schließlich auch 1518/19 Dürer in sein Porträt des Kaisers (vgl. Abb. 10)28 und – diese Annahme liegt nahe – zuvor schon Hans Knoderer, als er 1508 die Grabplatte Rudolfs I. in seinem Gemälde darstellte (vgl. Abb. 5). Möglicherweise hat Renn diese durch Strigel und Dürer bildlich verbreitete und popularisierte Habsburger-Nase aber auch von einer Darstellung Rudolfs I. aus dem 19. Jahrhundert übernommen, eine Möglichkeit, auf die erstmals Hermann-Josef Schwab hingewiesen hat: Ludwig Schwanthalers zwischen 1839 und 1843 im Auftrag König Ludwigs I. von Bayern betriebenes Projekt für ein neues Grabmonument Rudolfs I. im Speyerer Dom.29 In jedem Fall erweist sich auch Hans Knoderers Darstellung, die in der Literatur immer wieder als authentisches Abbild der von der französischen Soldateska 1689 noch nicht beschädigten Grabplatte bewertet wurde, zumindest in den Gesichtspartien als Fiktion, was auch an der im Original so nicht vorhandenen Fülligkeit der Gesichtszüge und an der Kopfdrehung des Königs deutlich wird. Diese im Gemälde 27 So auch Harald Keller, Die Entstehung des Bildnisses am Ende des Hochmittelalters, in: Römisches Jahrbuch für Kunstgeschichte, Bd. 3, 1939, S. 229–356, hier: S. 264 f. 28 Die Adlernase erscheint bereits 1518 in Dürers Porträtskizze von Maximilian I., die heute in der Albertina aufbewahrt wird und von einem Teil der Forschung als Vorlage für das 1519 ausgeführte Ölgemälde angesehen wird. 29 Siehe hierzu ausführlich Schwab, Grabplatte (wie Anm. 1).

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Abb. 10: Albrecht Dürer: Bildnis Kaiser Maximilians I. (1519, Wien, Kunsthistorisches Museum)

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vollzogene Drehung besitzt m. E. aber einen klaren Sinn, bindet sie doch das Speyerer Bildnis Rudolfs I. unverkennbar an die Tradition des herrschaftlichen Dreiviertelporträts zurück, so wie es auch in dem schon mehrfach erwähnten Wiener Memorialbildnis für Erzherzog Rudolf IV. (vgl. Abb. 6) Verwendung fand. Was Renn betrifft, so hat er das immer wieder als Vorlage postulierte Gemälde Knoderers noch in einem anderen Punkt schlichtweg ignoriert: bei der Rekonstruktion der Fehlstelle der linken Hand Rudolfs I. (vgl. Abb. 3). Statt hier – wie von Knoderer gemalt – eine Hand mit Salbgefäß zu rekonstruieren, gab er dem König einen Reichsapfel in die Hand, was die Bildaussage natürlich signifikant verändert.30 Auch hier wüsste man gerne, wer Gottfried Renn beraten hat oder ob er einfach den bereits nach der Auffindung der Bildnisplatte vorgenommenen bildlichen Rekonstruktionen (z. B. in einer Silbermedaille auf die Wiederentdeckung der Platte31) folgte.32 Denn mit dieser Abänderung wird Rudolf I. vollends der traditionellen Ikonographie von Königen und Kaisern des Reiches unterworfen und die ursprüngliche Programmatik bis zur Unkenntlichkeit verunklärt, worauf zum Abschluss noch zurückzukommen sein wird.

Die Stirnfalten des Königs: Rudolfs I. Physiognomie im Kontext der zeitgenössischen Skulptur Nach der Dekonstruktion von Rudolfs I. Speyerer Grabbildnis, das sich im Bereich des Gesichtes in zentralen Teilen als Versuch des 19. Jahrhunderts erweist, den mittelalterlichen Urahnen auch physiognomisch zu einem ‚echten‘ Habsburger umzugestalten, bleiben vom Gesicht noch die Haare, Augen (deren Brauen allerdings nach Ausweis des andersartigen Materials ebenfalls ergänzt wurden) und vor allem die Stirnfalten als authentische Überreste des im ausgehenden 13. Jahrhundert gemeißelten Sandsteinbildnisses für den 1291 verstorbenen König übrig. Besonders die Stirnfalten wurden in der Literatur als physiognomisches Charakteristikum Rudolfs I. angesehen, sind sie doch bereits 30 Einem Teil selbst der jüngeren Literatur ist diese Tatsache unbekannt, so dass auch Rudolf J. Meyers Darstellung und Deutung des Grabmals in diesem Punkt in die Irre geht, siehe Rudolf J. Meyer, Königs- und Kaiserbegräbnisse im Spätmittelalter. Von Rudolf von Habsburg bis zu Friedrich III. (Forschungen zur Kaiser- und Papstgeschichte des Mittelalters. Beihefte zu J. F. Böhmer, Regesta Imperii 19), Köln/Weimar/ Wien 2000, S. 30. 31 Abb. in: Pfälzisches Museum, 44, 1927, Bildseite nach S. 104. 32 Siehe hierzu auch die Überlegungen von Schwab, Grabplatte (wie Anm. 1).

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um 1310/20 in dem berühmten Reimgedicht von Ottokar zum Gegenstand einer höchst anschaulichen, geradezu anekdotenhaften Erzählung geworden.33 Demnach habe jener Meister, der für den König das Grabbild in Speyer schon zu dessen Lebzeiten angefertigt habe, ein so getreues Abbild des Königs schaffen wollen, dass er sogar dessen Gesichtsfalten gezählt habe. Der Bildhauer sei dem König sogar in das Elsaß nachgereist, als er gerüchtweise hörte, in Rudolfs Gesicht hätten sich neue Falten eingegraben. Als er sah, dass dies stimmte, kehrte er, so berichtet Ottokar in seinem Gedicht, umgehend nach Speyer zurück, zerstörte das bereits fertiggestellte Grabbild und ersetzte es durch ein neues mit der korrekten Anzahl der Falten. Dass diese Schilderung kaum der historischen Realität entspricht, sondern erkennbar topische Züge aufweist, liegt auf der Hand.34 Der Sinn der topischen Schilderung erschließt sich aus dem damals ganz und gar einzigartigen Grabbildnis eines deutschen Herrschers, dessen für ein Königsbildnis ungewöhnlichen pathognomischen Merkmale eine Erklärung verlangten. Die Erklärung dieser Besonderheit, durchaus auch im Sinne einer Kuriosität, ist m. E. ein wesentliches Anliegen von Ottokars Reimgedicht, nicht aber die Beschreibung der tatsächlichen physiognomischen Realität des Gesichtes Rudolfs I. Entscheidend ist, dass weder zuvor noch danach ein König genauso wenig wie ein Fürst im mittelalterlichen Europa mit solchen Gesichtszügen auf einem Grabmal abgebildet wurde. Dies kann ein kurzer Seitenblick auf die französischen Königsgrabmäler in St.-Denis (Abb. 11) aus dem späten 13. und frühen 14. Jahrhundert und die hessischen Landgrafengrab­mäler (Abb. 12) in der Marburger Elisabethkirche aus den ersten Jahren des 14. Jahrhunderts vor Augen führen, da hier die Gesichter erkennbar die ideale, jugendliche und im theologischen Sinne transzendente göttliche

33 Das vollständige Reimgedicht findet sich abgedruckt bei von Sacken, Über die ­authentischen Porträts (wie Anm. 6), S. 121–122. 34 Den Realitätsgehalt der Schilderung zog bereits Robert Suckale mit guten Argumenten in Zweifel: Robert Suckale, Zur Ikonografie der deutschen Herrscher des 14. Jahrhunderts. Rudolf I. – Ludwig IV. – Karl IV., in: Die Goldene Bulle, Band 1: Politik, Wahrnehmung, Rezeption, hg. von Ulrike Hohensee u. a. (Berichte und Abhandlungen. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Sonderband 12), Berlin 2009, S. 327–348, hier S. 327–330. In der geschichtswissenschaftlichen Literatur ist allerdings die Tendenz zu beobachten, der Schilderung einen beträchtlichen Wahrheitsgehalt zuzubilligen, obwohl dagegen sowohl die Form der romanhaften Schilderung als auch der nicht unbeträchtliche zeitliche Abstand zum Tode Rudolfs I. von ca. 20–30 Jahren sprechen. Mit durchaus kritischem Bewusstsein für die mögliche Fiktionalität der Aussagen begegnet zwar Karl-Friedrich Krieger, Rudolf von Habsburg (Gestalten des Mittelalters und der Renaissance), Darmstadt 2003, S. 227–228 der Reimchronik, um dann aber doch den Wahrheitsgehalt der Schilderung über die Entstehung von Rudolfs I. Grabplatte für hoch einzuschätzen (vgl. ebenda, S. 228 mit Anm. 51).

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Abb. 11: Grabbildnis des französischen Königs Philippe III. (1285, Saint-­ Denis, Abteikirche)

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Abb. 12: Grabmal für die hessischen Landgrafen Heinrich I. und Heinrich d. J. (um 1310, Marburg, Elisabethkirche)

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Schönheit des Fürstenkörpers versinnbildlichen sollen.35 Wenn wir uns Rudolfs I. Grabbildnis genau ansehen, dann erkennen wir, dass auch dessen Gesichtsform im Prinzip auf der Grundlage dieses idealisierten Typus’ entwickelt wurde, der Bildhauer also die französischen Standards hochadliger Grabmalkunst des späten 13. Jahrhunderts sehr gut kannte. Dies gilt auch für andere Merkmale des Speyerer Grabbildes, so die hohe, hagere Gestalt mit der langen Nase und die volutenartig eingedrehten Haare. Erst durch die flachere, ‚dünnere‘ Modulation der Haare sowie der Wangenpartie, die Ausformung der für ein Königsporträt ungewöhnlichen hochgezogenen Augenbrauen und die Hinzufügung der markanten Stirnfalten verwandelt sich Rudolfs I. Grabbildnis in das Bildnis eines individuellen, gealterten Königs mit vermeintlichen Porträtzügen. Auch wenn viele diese Merkmale recht gut mit der Beschreibung in der Colmarer Chronik übereinstimmen (longus corpore, longum nasum, paucos crines etc.),36 so sind sie in der künstlerischen Ausführung der Grabplatte am Ende doch nicht mehr als abgewandelte zeittypische Stilmerkmale, die im Prinzip auch andere Herrscherbildnisse in Mitteleuropa um 1300 kennzeichnen.37 Außergewöhnlich für ein Königsbildnis bleiben allerdings die Stirnfalten, die auf der Ebene des Herrscherbildnisses bis ins ausgehende 13. Jahrhundert eher ein Charakteristikum für dessen Pervertierung, den Tyrannen, darstellen,38 sowie die hochgezogenen Augenbrauen, die als hervorstechendes pathognomisches Merkmal ebenfalls nach einer Erklärung verlangen. Doch außergewöhnlich sind diese Merkmale nur solange, wie wir uns im Bereich von Herrscherbildnissen bewegen.

35 Siehe hierzu für die französischen Königsgräber in St.-Denis zuletzt Tanja Praske, Ludwig IX. der Heilige – eine Zäsur für die monumentale französische Königsdarstellung. Bildkonzepte der Zeit Philipps IV., Diss. Frankfurt 2007, Online-Publikation: Universitätsbibliothek Frankfurt a. M. 2015, S. 162–164 (http://publikationen.ub.uni-frankfurt.de/frontdoor/index/index/docId/36543; letzter Zugriff: 18.11.2018); Praske folgt hier Martin Büchsel, Nur der Tyrann hat sein eigenes Gesicht. Königsbilder im 12. und 13. Jahrhundert in Frankreich und Deutschland, in: Das Porträt vor der Erfindung des Porträts, hg. von Martin Büchsel/Peter Schmidt, Mainz 2003, S. 123–140, hier: S. 127, S. 131–133. Siehe auch Hans Körner, Grabmonumente des Mittelalters, Darmstadt 1997, S. 119. Zu den Marburger Landgrafengrabmälern siehe ebenda, S. 53–54 sowie S. 119. 36 Siehe hierzu Willi Treichler, Mittelalterliche Erzählungen und Anekdoten um Rudolf von Habsburg (Geist und Werk der Zeiten 26), Bern/Frankfurt am Main 1971, S. 129: Erat hic vir longus corpore, habens in longitudine 7 pedes, gracilis, parvum habens caput, pallidam faciem atque longum nasum, paucos habebat crines, extremitates vero habebat parvulas atque longas. 37 Zum Problem der Porträtähnlichkeit im mittelalterlichen Herrscherbildnis und der Frage nach dem Verhältnis von Typisierung und Individualisierung siehe auch Praske, Ludwig IX. (wie Anm. 35), S. 160–174. 38 Siehe hierzu Büchsel, Tyrann (wie Anm. 35), S. 128–133.

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Verlassen wir diesen Bereich, dann wird sehr schnell deutlich, wie sehr die Speyerer Darstellung auch hier gut eingeführten mittelalterlichen Stereotypen folgt, wie zuletzt Martin Büchsel plausibel aufzeigen konnte.39 So rezipieren die Stirnfalten Rudolfs I. weniger die Merkmale eines altersweisen Herrschers, wie Harald Keller 1939 erstmals als Deutung vorschlug,40 sondern aller Wahrscheinlichkeit nach einen Typus, der mit einem König auf den ersten Blick nicht viel zu tun hat, da er vor allem für Propheten- und Aposteldarstellungen Verwendung fand und hier innere Anteilnahme oder auch Erregung ausdrücken sollte.41 Zeitlich nahe Beispiele sind etwa die Prophetenfiguren der Straßburger Westfassade, auf die bereits die ältere Literatur als stilistische Vorbilder hingewiesen hat.42 Allerdings stehen die Falten bei Rudolf I. nicht für sich, sondern sind Teil einer Bewegung der Gesichtsmuskulatur, die von den auffälligen hochgezogenen Augenbrauen ausgeht. Auch dies ist, wie Martin Büchsel darlegt, eine mittelalterliche Gesichtsformel, die jedoch weniger „ängstlich oder verzichtend“ (Kurt Bauch)43 wirken, als vielmehr Trauer und Schmerz artikulieren soll. In dieser Bedeutung kennzeichnet die Kombination aus hochgezogenen Augenbrauen und Stirnfalten in mittelalterlichen Darstellungen nicht zuletzt den trauernden Apostel Johannes unter dem Kreuz. Ein besonders beeindruckendes Beispiel hierfür liefert der für seine expressive Formensprache berühmte Naumburger Westlettner von ca. 1240, in dessen Durchgangsportal Johannes als Gewändefigur (Abb.  13) geradezu verzweifelt die Hände ringt angesichts des Todes Jesu am Kreuz in der Mitte des Portals. Martin Büchsel schlägt daher auch vor, in dem Speyerer Grabbildnis Rudolfs I. den König im eschatologisch 39 Büchsel, Tyrann (wie Anm. 35), S. 124–125. Büchsel widerspricht auch zu Recht der Ansicht Kurt Bauchs, dass es sich bei Rudolfs I. Speyerer Bildnis um eine Verbindung von Typus und Individuum handeln würde und „solche Züge persönlicher Charakterisierung, eingefügt in ein überkommenes Schema […], neu [sind]“, siehe Kurt Bauch, Das mittelalterliche Grabbild. Figürliche Grabmäler des 11. bis 15. Jahrhunderts in Europa, Berlin/New York 1976, S. 98. Vollkommen abwegig vor dem Hintergrund mittelalterlicher Typisierung und Physiognomik ist die Ansicht von Regine Körkel-Hinkfoth, Grabmal (wie Anm. 6), S. 162, wonach das Bildnis „Porträthaftigkeit“ besitze, die sich „zahlreicher individueller Züge“ verdanke. Zwei Seiten später (ebenda, S. 164) relativiert die Verfasserin ihre Einschätzung allerdings indirekt wieder, indem sie Harald Kellers Beobachtungen und Überlegungen zu Formen der Typisierung zitiert. Vgl. Keller, Entstehung (wie Anm. 27). 40 Keller, Entstehung (wie Anm. 27), S. 264 f. 41 Büchsel, Tyrann (wie Anm. 35), S. 124. 42 Otto Schmitt, Straßburg und die süddeutsche Monumentalplastik im 13. und 14. Jahrhundert, in: Städel-Jahrbuch 2, 1922, S. 109–144, hier: S. 141; Tiemann, Grabplatte (wie Anm. 6), S. 101. 43 Bauch, Grabbild (wie Anm. 39), S. 97.

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Abb. 13: Hl. Johannes aus der Kreuzigungsgruppe des Westlettners im Naumburger Dom (um 1250)

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tiefsinnigen Rollenbild bzw. Typus des trauernden Johannes zu erkennen. Bedeutsam ist für Büchsel dabei das im Gemälde Hans Knoderers (vgl. Abb. 5) überlieferte Salbgefäß, das Rudolf I. ursprünglich anstelle des von Gottfried Renn 1858 frei erfundenen Reichsapfels in seiner linken Hand hielt. Denn dieses Salbgefäß, das für einen König, der doch durch einen Bischof gesalbt wird, als Attribut unpassend ist,44 findet seine Begründung, so Büchsel, in der Absicht der Bildkonzepteure, den verstorbenen König typologisch an jene in der Bibel überlieferten Personen anzunähern, die sich mit Salbgefäßen in der Hand dem vom Kreuz abgenommenen Leichnam Christi nähern. Dazu gehört neben den drei Marien, Nikodemus oder Joseph von Arematia auch der Apostel Johannes. Damit würde in der Logik der Speyerer Darstellung Rudolf I. als ein in Christus gesalbter König auf imaginäre Weise selbst an der Salbung Christi teilnehmen.45 Diese Deutung Büchsels mag sehr spekulativ klingen, doch sie wird durch ein gestalterisches Motiv unterstützt, das bislang wenig Beachtung gefunden hat und auch bei Büchsel unberücksichtigt blieb: der Versuch des leider unbekannten Bildhauers, auf der längsrechteckigen, relativ schmalen Grundfläche der Sandsteinplatte die Gestalt des Königs nicht einfach nur in statischer Erstarrung zu präsentieren, sondern – entgegen dem Zustand eines eigentlich Toten – diesen in einer zwar bescheidenen, aber deutlich erkennbaren Bewegung seines Körpers zu zeigen (vgl. Abb. 3). Diese Bewegung findet vor allem im Bereich des Kopfes statt, der um einiges aus der Mittelachse nach links bzw. heraldisch rechts verschoben wird und bezeichnenderweise auch auf keinem für Grabbildnisse üblichen Toten-

44 Hans Körners Interpretation des Salbgefäßes – und von hier ausgehend der gesamten Figur Rudolfs I. – als manifestartiges Sinnbild für den Anspruch des verstorbenen Königs, für seinen Sohn und das Haus Habsburg die Königswürde zu sichern und von daher im Medium des Grabbildnisses „die Salbung des Nachfolgers selbst in die Hand“ zu nehmen, vermag nicht zu überzeugen, da sie – nicht zuletzt mit Blick auf das Salbungs- und Krönungsrecht des Kölner Erzbischofs – keine historische Grundlage besitzt, Körner, Grabmonumente (wie Anm. 35), S. 132. Hierzu kritisch auch Krieger, Rudolf (wie Anm. 34), S. 228–229 (Anm. 51). 45 Büchsel, Tyrann (wie Anm. 35), S. 125. Büchsel widerspricht damit einer Deutung von Hans Körner, Grabmonumente (wie Anm. 35), S. 132, der in der Darstellung Rudolfs I. mit dem Salbgefäß „ein politisches Vermächtnis“ erkennen möchte und in dem Salbgefäß das Salböl der Königskrönung vermutet: „Die Salbbüchse enthält das Salböl der Königskrönung. Rudolf nimmt, so wird man dieses Attribut lesen müssen, im wörtlichen wie im übertragenen Sinne die Salbung des Nachfolgers [d. i. sein eigener Sohn, Anm. M. M.] in die Hand“, ebenda. Dieser Ansicht hat auch der Historiker KarlFriedrich Krieger vehement widersprochen und diese Vorstellung als politisch nicht möglich und „zu weitgehend“ zurückgewiesen, siehe Krieger, Rudolf (wie Anm. 34), S. 228–229, Anm. 51.

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kissen ruht.46 Nach unten setzt sich die Bewegung bis in die Gewandfalten fort, die nicht einfach in starren Bahnen nach unten fallen, sondern in ein leichtes, aber deutlich wahrnehmbares Schwingen versetzt wurden. In dieses Bewegungsmotiv fügt sich schließlich die Stellung der Füße, die zwar auch durch den darunter befindlichen Löwen bedingt ist, insgesamt aber eine Schrittbewegung andeutet. Könnte der Grund für diese Bewegtheit des Königs nicht evtl. die narrativ intendierte Bewegung hin auf das Corpus Christus sein, um dieses – wiederum narrativ-imaginär – zu salben? In diesem Fall hätte der Konzepteur des Grabbildes die in der theologischen Deutung bereits postulierte besondere Nähe des gesalbten irdischen Königs zu seinem himmlischen Urbild47 auf neuartige Weise zum Ausdruck gebracht. Doch passt, so ist zu fragen, eine solche Programmatik zu einer repräsentativen Grabplatte in einer königlich-kaiserlichen Grablege? Und passt sie speziell zur königlich-kaiserlichen Grablege im Speyerer Dom, wo die Gräber sämtlicher dort bestatteter Amtsvorgänger Rudolfs I. mit schlichten, unfigürlichen bzw. figürlich nichtplastischen, nur mit Ritzbildern versehenen Grabplatten bedeckt wurden?48 Ist es denkbar, dass die Verantwortlichen für Rudolfs I. Begräbnis in Speyer – vom König selbst bis hin zu Bischof und Domkapitel – für den ersten Habsburger auf dem Königsthron eine Ausnahme zuließen und ihm im Speyerer Dom das erste vollplastisch-figürliche Grabmal eines (rechtmäßigen) deutschen Königs zubilligten49 und damit die in Speyer gepflegte Tradition der schlichten Grabplatte durchbrachen?

46 Überlegungen zu einem evtl. ursprünglich geplanten, dann jedoch nicht ausgeführten bzw. nachträglich abgemeißelten Kissen stellte Suckale an: „Jedenfalls sieht man auf der seitlichen Ansicht des Kopfes, dass am Hinterkopf ein breiter Streifen abgearbeitet ist, wahrscheinlich war dort einst ein Kissen“, siehe Suckale, Ikonographie (wie Anm. 34), S. 330, Anm. 6. Die im Dezember 2018 u. a. auf Anregung des Verfassers vorgenommenen restauratorischen und materialtechnischen Untersuchungen haben diese These jedoch nicht bestätigen können. Der Befund zeigt vielmehr eindeutig, dass kein Kissen geplant oder vorhanden war, da die Steinplatte im Kopfbereich Rudolfs von Habsburg aus der Nahsicht weder Spuren von Bossierungen noch von nachträglichen Abarbeitungen aufweist (Näheres hierzu in der geplanten Publikation zur restauratorischen und materialtechnischen Untersuchung). 47 Siehe hierzu die Literatur bei Büchsel, Tyrann (wie Anm. 35). 48 Vgl. hierzu die Zeichnung der Speyerer Königsgrablege aus der Sammlung Chigi aus dem Jahr 1648 (Rom, Bibliotheca Apostolica Vaticana, MSS Chigiani I. VI. 205 p. 241). Die Zeichnung findet sich abgedruckt bei Kubach/Haas, Dom zu Speyer (wie Anm. 52), Abbildungsband, Abb. 1390. 49 Von dem einzigen Vorläufer einer figürlichen Grabplatte eines deutschen Königs, dem im Merseburger Dom aufgestellten Bronzegrabmal Rudolfs von Schwaben, müssen wir hier absehen, da dieser Herrscher ja ein nicht allseits anerkannter Gegenkönig war.

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Epilog: Keine Grabplatte, sondern ein Epitaph? Zur Frage von Standort und Funktion der Speyerer Bildnisplatte Rudolfs I. Damit bin ich bei meinem letzten Punkt angelangt: der Frage nach dem ursprünglichen Aufstellungsort des Grabbildes Rudolfs I. Nach allem, was ich bisher ausgeführt habe und was wir über die Provenienz der Platte wissen, spricht nicht mehr viel für den Speyerer Dom als ursprünglichen Aufstellungsort,50 jedoch sehr viel für die Kapelle des 1689 zerstörten Speyerer Johanniterhofes, für die bereits 1901 der Speyerer Museumskonservator Georg Berthold plädierte51 (und ihm 1972 Hans Erich Kubach und Walter Haas folgten52) und die jüngst auch von Gerhard Fouquet als Ort postuliert wurde.53 In diesem Hof war vermutlich nicht nur Rudolf I. am 15. Juli 1291 verstorben (wenn auch der letzte quellenkundliche Beweis für diese Annahme noch aussteht54), sondern befand sich auch spätestens zu Beginn des 16. Jahrhunderts das Grabbild 50 In diesem Zusammenhang müsste auch nochmals geklärt werden, aus welcher Zeit die von Georg Litzel 1751 beschriebene und – wie auch die anderen Grabplatten – nur mit einer Inschrift versehene Platte über dem Grab Rudolfs I. im Speyerer Dom stammt. Litzel nennt Platte und Inschrift in Litzel/König, Historische Beschreibung (wie Anm. 17), S. 84. 51 Siehe Georg Berthold, Jahresbericht des Historischen Museums der Pfalz für das Jahr 1901, in: Mitteilungen des Historischen Vereins der Pfalz XXV, Speier 1901, S. 129, Anm. 3. 52 Der Dom zu Speyer, Textband, bearb. von Hans Erich Kubach/Walter Haas (Die Kunstdenkmäler von Rheinland-Pfalz 5.1), München 1972, S. 912. Hans Erich Kubach und Walter Haas erwähnen allerdings nicht den Jahresbericht des Historischen Museums der Pfalz für das Jahr 1901, obwohl dies mutmaßlich ihre Quelle bzw. Anregung zu diesem Gedanken gewesen war. 53 Ganz aktuell (2017) hat sich den Schlüssen von Berthold, Jahresbericht (wie Anm. 51) sowie Kubach/Haas (wie Anm. 52) jetzt auch der Historiker Gerhard Fouquet angeschlossen, dessen Beitrag sich mit den Bemühungen Kaiser Maximilians I. um die Speyerer Königs- und Kaisergrablege im Rahmen seines „Gedechtnus“-Programms befasst. Siehe Gerhard Fouquet, „Gedechtnus“ – Kaiser Maximilian I., das Domkapitel und ein vergessenes Grabmal der Königinnen und Könige im Dom zu Speyer, in: Entdeckungen des Evangeliums. Festschrift für Johannes Schilling, hg. von Jan Lohrengel/Andreas Müller (Forschungen zur Kirchen- und Dogmengeschichte 107), Göttingen 2017, S. 95–105. Insgesamt hat diese Option in der Literatur aber bislang keinen nachhaltigen Niederschlag gefunden und wurde daher auch nur sehr vereinzelt diskutiert. Nur Regine Körkel-Hinkfoth, Grabmal (wie Anm. 6), S. 161 und Krieger, Rudolf (wie Anm. 34), S. 231 folgten vor Fouquet der von Berthold 1901 aufgeworfenen und von Kubach und Haas 1972 aufgegriffenen These, während Büchsel, Tyrann (wie Anm. 35), S. 124, Anm. 14, immerhin auf die bestehende Unklarheit und die Möglichkeit des Johanniterhofes als ursprünglichen Aufstellungsort verweist. 54 Siehe hierzu Meyer, Königs- und Kaiserbegräbnisse (wie Anm. 30), S. 20 (mit Anm. 15). Den Johanniterhof als Sterbeort erwähnt Eugen Guglia, Die Geburts-, Sterbe- und Grabstätten der römisch-deutschen Kaiser und Könige, Wien 1914, S. 85 f., ohne jedoch die dafür maßgebliche Quelle zu benennen.

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des Königs. Denn die im ersten Teil meines Beitrags erwähnte, in einem Notizbuch mit antiken Inschriften (der sog. Codex Vindobonensis Palat. Nr. 3540) enthaltene Zeichnung der Platte (vgl. Abb. 8) nennt als Verwahrungsort ausdrücklich nicht den Speyerer Dom, sondern einen „Haimpacher Hoff“, womit, wie bereits Alphons Lhotsky 1952 feststellte, nur der zur Komturei Haimbach zugehörige Johanniterhof in Speyer gemeint gewesen sein kann. Könnte es sein, dass die Bildnisplatte eigentlich für die Johanneskapelle des Johanniterhofes konzipiert wurde und hier, aufrecht stehend in der Nähe des Altars angebracht, als Epitaph bzw. Memorialtafel an den dort verstorbenen König, dessen Leichnam aber im Dom bestattet wurde, erinnern sollte?55 In diesem Fall würde nicht nur das Motiv des im Typus des trauernden Johannes dargestellten Königs, der mit dem Salbgefäß in seiner Hand das im Altar der Johanneskapelle präsente Corpus Christi verehrt, einen Sinn ergeben, sondern sich die Bildnisplatte möglicherweise auch als Memorialstiftung der Johanniter selbst erweisen. Keine Grabplatte, sondern eine memoriales Königsdenkmal der Johanniter in Speyer – ein verführerischer Gedanke, aber vielleicht auch nur eine neue, weitere Fiktion beim Versuch, das Geheimnis des berühmtesten und legendenumwobensten plastischen Abbildes eines verstorbenen deutschen Königs aus dem Mittelalter zu enthüllen! Dass dieses Szenario aber wesentlich realistischer ist, als die Annahme einer Lokalisierung der Platte im Speyerer Dom soll ein abschließender kurzer Blick auf die Pläne für eine Neugestaltung der Kaisergräber im Dom, wie sie ab 1503 von Bischof und Domkapitel und – ab 1512 – vor allem von Kaiser Maximilian I. verfolgt wurden, verdeutlichen.56 Diese Pläne umfassten spätestens ab November 1512, 55 Auch Kubach/Haas, Dom zu Speyer (wie Anm. 52) erwägen eine solche Funktion und verweisen zusätzlich auf die Möglichkeit einer Bestattung der Eingeweide Rudolfs I. an dieser Stelle. 56 Zu diesen Plänen siehe die 1913 bei Pfeiffer, Besuch (wie Anm. 58), S. 40–48 zusammengestellten Regesten, die belegen, dass 1503 erstmals der Speyerer Bischof Ludwig einen solchen Wunsch gegenüber dem Domkapitel äußerte, bevor sich dann ab 1512 massiv Kaiser Maximilian I. dieses Vorhaben zu eigen machte. Siehe auch Fröhlich, Kaisergräber (wie Anm. 11), S. 2–20 sowie Hermann Grauert, Ein vergessenes Kaiserdenkmal, in: Internationale Wochenschrift für Wissenschaft, Kunst und Technik 5, 14. Januar 1911, Nr. 2, Sp. 33–56. Der Vertrag des Kaisers mit dem Salzburger Bildhauer Hans Valkenauer und einer teilweise recht genauen Beschreibung der projektierten Anlage findet sich bei Heinrich Zimerman, Urkunden und Regesten aus dem K. u. K. Haus-, Hof- und Staats-Archiv in Wien, hg. von Heinrich Zimerman unter Mitwirkung von Joseph Ritter von Fiedler/Johann Paukert, in: Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des allerhöchsten Kaiserhauses 1, 1883, Teil II, S. I– LXXVIII, hier: S. LV, Nr. 316. Verschiedene sich potenzierende unglückliche Umstände – wie der mangelnde Wille des Speyerer Domkapitels aus Sorge um die Finanzierung, fehlende Zahlungseingänge des Kaisers, ein auch deswegen nur bedingt motivierter Salzburger Steinmetz

Rudolfs von Habsburg vermeintliches Grabbildnis im Speyerer Dom

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Abb. 14: Hans Valkenauer: Königsfigur für Maximilians I. Denkmal für den Speyerer Dom (1514, Salzburg, Salzburg Museum)

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als Maximilian I. durch seinen Geheimschreiber Peter Stoß Details seines Vorhabens dem Speyerer Domkapitel erläutern ließ, eine Grabanlage mit „zwölf Bildern“ (vermutlich ganzfigurige Skulpturen der bestatteten Kaiser, wie die im Salzburg Museum in Salzburg erhaltenen Königsfiguren [Abb. 14] nahelegen), die an zwölf möglicherweise über kreisförmigem Grundriss errichteten und mit Rundbögen verbundenen Marmorsäulen angebracht werden sollten. Der überwiegende Teil der Forschung hat daraus seit Alphons Lhotsky geschlossen, dass im Zuge dieser Umgestaltungspläne das Grabbildnis Rudolfs I. in den Johanniterhof verbracht worden sei.57 Doch was berechtigt zu dieser Annahme? Eigentlich nichts! Denn weder war es für die Umbaumaßnahmen notwendig, die nicht gerade kompakte Steinplatte aus dem Dom an einen anderen Ort zu verbringen, noch entsprach es dem Verhalten Maximilians I., die von ihm hochgeschätzten und im Rahmen seines „Gedechtnus“-Projekts akribisch recherchierten und restaurierten Zeugnisse seiner Vorfahren von ihren angestammten Plätzen entfernen zu lassen.58



und schließlich der Tod des Kaisers sowie das fehlende Interesse seines Enkels Karl V., den ein nun hochmotiviertes Domkapitel zur Umsetzung der Pläne drängte – ließen das ehrgeizige Projekt am Ende nicht über die Planungsphase hinausgelangen. Zu dem Umgestaltungsprojekt und allen derzeit verfügbaren Quellen siehe jüngst Fouquet, Gedechtnus (wie Anm. 53) sowie auch Gabriele Köster, Zwischen Grabmal und Denkmal. Das Kaiserdenkmal in Speyer und andere Grabmonumente für mittelalterliche Könige und Kaiser im 15. und 16. Jahrhundert, in: Heiliges Römisches Reich Deutscher Nation 962 bis 1806. Von Otto dem Großen bis zum Ausgang des Mittelalters, Bd. 1: Katalog, hg. von Matthias Puhle/Claus-Peter Hasse, Dresden 2006, S. 399– 409, der wir den Anstoß zur Wiederaufnahme der Forschungen zum geplanten Grabmal verdanken. Vgl. den Beitrag von Gabriele Köster in diesem Band. 57 Lhotsky, Geschichte des Grabmals (wie Anm. 6), S. 426. 58 Noch gegen 1518 befiehlt Maximilian I. seinem Schatzmeister Jakob Villinger, 200 rheinische Gulden für „kunig Ruedolfs Grab“ anzuweisen. Siehe Maximilian Pfeiffer, Der Besuch König Maximilians I. in Speier 1494. Mit einem verschollenen authentischen Bericht, in: Mitteilungen des Historischen Vereins der Pfalz 32, 1912, S. 61–108, hier: Sonderdruck Speyer 1913, S. 47. Diese Summe war vermutlich für die neu anzufertigende Marmortafel im Dom gedacht, während im Johanniterhof die aller Wahrscheinlichkeit nach unabhängig von der Grablege im Dom angefertigte mittelalterliche Bildnisplatte Rudolfs I. – wie schon in den Jahrhunderten davor – weiterhin als Epitaph diente.

Gabriele Köster

Der Dom zu Speyer als Memorialort des Reiches um 1500 Noch einmal zum unvollendeten Kaiserdenkmal ­Maximilians I. für den Speyrer Dom Vergessen und Erinnern Seit mehr als hundert Jahren wird von Historikern und Kunsthistorikern das von Kaiser Maximilian I. und dem Domkapitel von Speyer zu Beginn des 16. Jahrhunderts geplante Grabdenkmal für die dort bestatteten mittelalterlichen Kaiser, Könige, Kaiserinnen und Kaisertochter als das „vergessene Kaiserdenkmal“ bezeichnet.1 Wie kommt es, dass dem Denkmal der Begriff des Vergessens permanent anhaftet, obwohl es spätestens seit dem frühen 20. Jahrhundert erneut bekannt ist, seither Gegenstand von zahlreichen Forschungen war und die zu ihm gehörenden Skulpturen im Museum Salzburg ebenso wie in viel beachteten Sonderausstellungen präsentiert wurden?2

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Benennung durch Hermann Grauert, Ein vergessenes Kaiserdenkmal, in: Internationale Wochenschrift für Wissenschaft, Kunst und Technik, Jg. 5, Heft 2, 1911, aufgegriffen von Peter Husty, Ein vergessenes Kaiserdenkmal. Kaiser Maximilians Auftrag an Hans Valkenauer für den Dom in Speyer, in: Ars Sacra. Kunstschätze des Mittelalters aus dem Salzburg Museum, hg. von Peter Husty/Peter Laub, Salzburg 2010 und Gerhard Fouquet, „Gedechtnus“ – Kaiser Maximilian I., das Domkapitel und ein vergessenes Grabmal der Königinnen und Könige im Dom zu Speyer, in: Entdeckung des Evangeliums. Festschrift für Johannes Schilling, hg. von Jan Lohrengel/Andreas Müller (Forschungen zur Kirchen- und Dogmengeschichte 107), Göttingen 2017, S. 95–105. Zur Forschungsliteratur s. Wolfgang Czerny, Totengedenken im Spätmittelalter. Überlegungen zum Werk Hans Valkenauers, insbesonders zu dem nicht vollendeten Kaisermonument für den Dom zu Speyer, in: Österreichische Zeitschrift für Kunst und Denkmalpflege 65, 2011, S. 295–311 mit ausführlicher Bibliographie in Anm. 9 und Fouquet, Gedechtnus (wie Anm. 1). Unter den großen Sonderausstellungen seien genannt: Maximilian I., Ausstellung, Innsbruck 1969; Kunst um 1492. Hispania  – Austria. Die Katholischen Könige, Maximilian I. und die Anfänge der Casa de Austria in Spanien, Innsbruck 1992 und Heiliges Römisches Reich Deutscher Nation (962–1806). Von Otto dem Großen bis zum Ausgang des Mittelalters, Magdeburg 2006.

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Wirft man einen Blick auf die Beachtung, die die Memorialprojekte Kaiser Maximilians I. erfahren, so fällt das Speyrer Kaiserdenkmal in der Tat weit hinter die Ehrenpforte oder sein eigenes Grabmal in Innsbruck zurück, auch wenn der Kunsthistoriker Harald Keller es 1940 gar als das „erste umschreitbare Freimonument der deutschen Plastik“ proklamierte, wäre es denn vollendet und aufgestellt worden.3 Doch reicht die geringere Beachtung im Vergleich zu den vollendeten Projekten Maximilians aus, um weiterhin von einem vergessenen Denkmal zu sprechen? 1969 sagte Erich Egg über die Statuen der Kaiser, Könige, Kaiserinnen und Kaisertochter des Denkmals, dass sie tiefste Trauer und Todesmüdigkeit um das große Reich verkörperten, an das Maximilian I. anknüpfen wollte (Abb. 1–3).4 Das Vergessen und das Erinnern ist dem Monument inhärent, sollte es doch bereits zur Zeit seiner Projektierung und teilweisen Umsetzung im frühen 16. Jahrhundert an längst vergangene und ferne Zeiten erinnern. Der Stifter des Domes und älteste der in ihm bestatteten Herrscher, Kaiser Konrad II., war seit beinahe 500 Jahren tot, der jüngste in der Grablege Bestatteten, König Albrecht I., seit mehr als 200 Jahren.5 Es verwundert daher nicht, dass die von Egg so trefflich charakterisierte Darstellungsweise der Porträtierten an zeitgleiche schriftliche Darstellungen der frühen mittelalterlichen Kaiser erinnert: an den Traum des Hans Luppold von Hermannsgrün, in dem die drei „uralten Männer“ Kaiser Karl der Große, Kaiser Otto der Große und Kaiser Friedrich Barbarossa oder Friedrich II. auftraten, um auf dem Wormser Reichstag von 1495 die gegenwärtigen politischen Akteure des Reiches zu mahnen und für Reformen zu gewinnen, oder an den im Berg schlafenden Friedrich Barbarossa, von dem das in acht Auflagen erschienene Volksbüchlein vom Kaiser Friedrich von 1519 erzählt, dessen Wiederkunft erwartet wurde.6 Hier wie da erscheint die Zeit der großen Kaiser des frühen und hohen Mittelalters als Sehnsuchtsort, dessen mit Wehmut gedacht wurde. 3 Harald Keller, Das Geschichtsbewußtsein des Deutschen Humanismus und die Bildende Kunst, in: Historisches Jahrbuch im Auftrag der Görres-Gesellschaft 60, 1940, S. 664–684, zum Kaiserdenkmal S. 682–684, Zitat S. 683. 4 Erich Egg, Das Kaiserdenkmal im Dom zu Speyer, in: Maximilian I., Ausstellungskatalog, Innsbruck 1969, Objekt-Nr. 583, S. 156. 5 Die Zahl der zwölf geplanten Säulen mit Porträtfiguren stimmt mit der Zahl der Bestattungen in Speyer überein: Kaiser Konrad II. und Kaiserin Gisela, Kaiser Heinrich III., Kaiser Heinrich IV. und Kaiserin Bertha, Kaiser Heinrich V. und Kaiserin Beatrix sowie ihre Tochter Agnes, König Philipp von Schwaben, König Rudolf von Habsburg, König Adolf von Nassau und König Albrecht I. Zu Möglichkeiten der Identifizierung und Vorschlägen zur Anordnung der Figuren vgl. Czerny, Totengedenken, S. 300–306. 6 Zu Hans Luppold von Hermannsgrün: Claudia Märtl, Hans Luppold von Hermannsgrün, Somnium (Kat.-Nr. VII.1), in: Heiliges Römisches Reich Deutscher Nation 962– 1806. Von Otto dem Großen bis zum Ausgang des Mittelalters, Ausstellungskatalog

Der Dom zu Speyer als Memorialort des Reiches um 1500

Abb. 1: Standbild eines Kaisers vom ­Kaiserdenkmal für Speyer, Salzburg ­Museum, Salzburg

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Abb. 2: Standbild einer Kaiserin vom Kaiserdenkmal für Speyer, Salzburg Museum, Salzburg

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Abb. 3: Standbild eines Königs vom Kaiserdenkmal für Speyer, Salzburg Museum, Salzburg

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In Speyer waren die hier Bestatteten nicht vergessen. Dem Dom­ kapitel selbst oblag die Pflicht des Gedenkens, das es auch im 16. Jahrhundert mit Modifikationen erfüllte.7 Maximilian I. suchte Speyer und die Grablege seiner Vorgänger, von denen zwei, Rudolf von Habsburg und Albrecht I. auch zu seinen Ahnen gehörten, zum ersten Mal 1494 auf und wurde hier bekanntlich von dem Humanisten Jakob Wimpfeling über die Bedeutung des Domes als Memorialort in einer Predigt im Rahmen eines von Maximilian gewünschten Festgottesdienstes für die verstorbenen Herrscher informiert.8 Kaiser und Domkapitel waren sich einig, dass die visuelle Erfahrbarkeit der Grablege im Königschor zu wünschen übrig ließ. Ob bereits bei dem Besuch Maximilians 1494 über eine Neugestaltung nachgedacht wurde, ist nicht bekannt. Zum ersten Mal berichten die Quellen 1503 über Überlegungen des Bischofs und des Domkapitels, ob man nicht Maximilian für eine solche gewinnen könne.9 Neun Jahre später ergriff dann der Kaiser selbst die Initiative, was zu diesem Zeitpunkt zunächst nicht auf die vorbehaltlose Zustimmung des Domkapitels stieß, wie zuletzt Gerhard Fouquet ausführlich dargestellt hat.10 Die wesentlichen Schritte seien noch einmal referiert: Am 16. Dezember 1512 berichtet der Domdechant dem Kapitel über den Wunsch des Kaisers, der konig begrebnus im creutzgang mit eym marmorstain zuerheben Magdeburg 2006, hg. von Matthias Puhle/Claus-Peter Hasse, Dresden 2006, Katalogband, S. 588 f. Vgl. auch Bernd Schneidmüller, Magdeburg und das geträumte Reich des Mittelalters, in: Heilig – Römisch – Deutsch. Das Reich im mittelalterlichen Europa, hg. von Bernd Schneidmüller/Stefan Weinfurter, Dresden 2006, S.  10-43; Bernd Schneidmüller, Römisches Kaisertum und ostfränkisch-deutsches Reich, in: Heiliges Römisches Reich Deutscher Nation 962–1806. Von Otto dem Großen bis zum Ausgang des Mittelalters, Ausstellungskatalog Magdeburg 2006, hg. von Matthias Puhle/ Claus-Peter Hasse, Dresden 2006, Essayband, S. 47–58, hier S. 57 f.; Caspar Hirschi, Wettkampf der Nationen. Konstruktionen einer deutschen Ehrgemeinschaft an der Wende vom Mittelalter zur Neuzeit, Göttingen 2005, S. 322; Zum Volksbüchlein vom Kaiser Friedrich Barbarossa s. Bodo Gotzkowsky, Untersuchungen zur BarbarossaBiographie (1520) des Johannes Adelphus und ihr Verhältnis zum Volksbuch (1519) vom Kaiser Friedrich, in: Daphnis 3, 1974, S. 129–146 und Camilla G. Kaul, Friedrich Barbarossa im Kyffhäuser. Bilder eines nationalen Mythos im 19. Jahrhundert (Atlas. Bonner Beiträge zur Kunstgeschichte 4/1), Köln/Weimar/Wien 2007, S. 43 f. mit älterer Literatur. 7 Caspar Ehlers, Unendliche Gegenwart. Speyer zwischen Konrad II. und Stefan George, in: Stiftungen und Stiftungswirklichkeiten. Vom Mittelalter bis zur Gegenwart, hg. von Michael Borgolte (StiftungsGeschichten 1), Berlin 2000, S. 11–37. 8 Maximilian Pfeiffer, Der Besuch König Maximilians I. in Speyer 1494. Mit einem verschollenen authentischen Bericht, in: Mitteilungen des Historischen Vereins der Pfalz 32, 1912, S. 61–108; Ehlers, Unendliche Gegenwart (wie Anm. 7), S. 17–28. 9 Manfred Krebs, Die Protokolle des Speyerer Domkapitels, Bd. I (1500–1517) (Veröffentlichungen der Kommission für geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg A 17), Stuttgart 1968 (im Folgenden: Protokolle, Bd. I), S. 97, Nr. 926. 10 Fouquet, Gedechtnus.

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und mit zwolf bilden uf das zirlichst machen zulassen.11 Ein gutes Jahr später konnte Maximilian an Bischof und Kirche von Speyer schreiben, dass für das Begräbnis seiner vorfaren am reich Romische kaiser, kunig und kaiserin mit Hans Valkenauer (1459–1519) in Salzburg ein fähiger Bildhauer gewonnen sei.12 Dieser hatte den Auftrag erhalten, auf eigene Kosten besten sogenannten Adneter Rotmarmor, eigentlich Sedimentkalkstein, für das Grab zu beschaffen und gemäß einer ihm übergebenen Zeichnung auszuarbeiten.13 Über die Gestalt dieses Grabmals wird im Vertrag festgehalten, dass zwölf Säulen mit Porträtfiguren der Kaiser, Könige und Kaiserinnen eine kaiserliche, durchsichtige cron tragen sollten. Valken­ auer sollte die Bildhauerarbeiten lediglich grob anlegen und dann zum Weitertransport nach Speyer bis an die Salzach liefern. Dort sollte die Bezahlung des Materials und der Arbeit durch den Kaiser erfolgen. Die Fertigstellung der Bildhauerarbeiten sollte in Speyer auf Kosten des Domkapitels erfolgen. Der Kaiser übermittelte dem Kapitel das Angebot Valkenauers, selbst nach Speyer zu reisen und das Werk dort zu vollenden, und stellte es frei, dieses anzunehmen oder auch nicht.14 Offenbar hatte sich das Domkapitel zu einer Annahme des Angebots entschieden, denn im Januar 1516 ist in den Protokollen des Kapitels von einem Gebäude die Rede, das man Valkenauer zum Ausarbeiten der Steine angeboten habe.15 Noch im Juni 1521 wird das Haus nur unter der Bedingung vergeben, dass der Nutzer sich verpflichtet, es zurückzugeben, falls das Domkapitel es für sich selbst oder zu dem baw der greber benötige.16 Im Januar 1521 hatte das Kapitel Gesandte zu dem von Kaiser Karl V. einberufenen Reichstag in Worms geschickt, um unter anderem auf die Ausführung des Grabmalprojekts zu drängen.17 Der Initiator des 11 Protokolle, Bd. I (wie Anm. 9), S. 347 f., Nr. 3683. 12 1514 Februar 11, Rattenberg, in: Urkunden und Regesten aus dem K. u. K. Haus-, Hofund Staats-Archiv in Wien, hg. von Heinrich Zimermann unter Mitwirkung von Joseph von Fiedler/Johann Paukert, in: Jahrbuch der Kunsthistorischen Kunstsammlungen 1, 1883 (im Folgenden: Urkunden und Regesten), S. LV f., Nr. 317. 13 1514 Februar 5, in: Urkunden und Regesten (wie Anm. 12), S. LV, Nr. 316. Ein Foto der Originalseite im Reichsregister bei Husty, Ein vergessenes Kaiserdenkmal (wie Anm. 1), S. 201, Abb. 2. Zu dem für Grabmäler sehr beliebten Material vgl. Philipp Stastny, Material und Technik. Neue Erkenntnisse zum Kaiserdenkmal, in: Der Kaiser und sein Grabmal 1517–2017. Neue Forschungen zum Hochgrab Friedrichs III. im Wiener Stephansdom, hg. von Renate Kohn, Wien/Köln/Weimar 2017, S. 427–449, hier S. 427–437. 14 Urkunden und Regesten (wie Anm. 12), S. LV f., Nr. 317. 15 1516 Januar 12, in: Protokolle, Bd I. (wie Anm. 9), S. 425, Nr. 4443. 16 1521 Juni 7, in: Manfred Krebs, Die Protokolle des Speyerer Domkapitels, Bd. II (1518– 1531) (Veröffentlichungen der Kommission für geschichtliche Landeskunde in BadenWürttemberg A 21), Stuttgart 1969, Regesten, Bd II. (im Folgenden: Protokolle, Bd. II), S. 61, Nr. 5643. 17 1521, Januar 18, in: Protokolle, Bd. II (wie Anm. 16), S. 53, Nr. 5549.

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Kaiserdenkmals für Speyer, Kaiser Maximilian, war im Januar 1519 verstorben. Auf den inzwischen ebenfalls verstorbenen Hans Valkenauer war Wolfgang Kaltenperger als ausführender Bildhauer gefolgt.18 Nach erstem Zögern war es das Domkapitel, das in all den Jahren, als die Arbeiten durch ausbleibende Zahlungen Maximilians ins Stocken gerieten und der Bildhauer seine Arbeit unterbrach, immer wieder versucht hatte, die Arbeiten in Schwung zu bringen.19 Doch 1521 scheinen die Bemühungen endgültig versiegt zu sein und die unvollendeten Bildhauerarbeiten verblieben bekanntlich in Salzburg.20 Für mehr als drei Jahrhunderte geriet das nicht vollendete Kaiserdenkmal Kaiser Maximilians für Speyer nun in Vergessenheit.

Entdecken und Erinnern im frühen 20. Jahrhundert Als das Kaiserdenkmal für Speyer wiederentdeckt wurde, lag das Ende des Alten Reiches hundert Jahre zurück. Speyer war nun Kreishauptstadt der bayerischen Pfalz im Königreich Bayern, eines Bundesstaates des Deutschen Reiches, das als zweites Kaiserreich neben die Doppelmonarchie Österreich getreten war. Die Wiederentdeckung des Kaiserdenkmals stand in enger Verbindung mit der Öffnung der Kaisergräber im Sommer 1900, dem nachfolgenden Bau der Gruft und der Neugestaltung des Königschores, deren Fertigstellung am 10. Juli 1906 mit einem Pontifikalamt begangen wurde. Es lohnt, einen Blick auf den Prozess der Wiederentdeckung und der beteiligten Akteure zu werfen, da wir seither eine nie infrage gestellte Vorstellung von Gestalt und Aussehen des nie vollendeten Grabmals haben. Die Öffnung und Neugestaltung der Kaisergräber in Speyer hatten auch eine geschichtspolitische Komponente. Hatte sich Kaiser Maximilian I. in der Tradition der römischen Kaiser, Könige und Kaiserinnen gesehen, als die er auch die in Speyer Bestatteten ansah, nannte nun der Historiker Hermann Grauert (1850–1924), der die Untersuchungskommission 18 Vgl. Grauert, Kaiserdenkmal (wie Anm. 1), S. 49; Wolfgang Czerny, Hans Valkenauer und die spätgotische Grabmalplastik in der Diözese Salzburg. Ein Beitrag zur Salzburgischen Sepulkral- und Denkmalplastik in der zweiten Hälfte des 15. und zu Beginn des 16. Jahrhunderts, Diss. (masch.) Wien 1982, S. 110. 19 Vgl. Fouquet, Gedechtnus (wie Anm. 1). 20 Heute befinden sich im Salzburg Museum Teilstücke der Säulen und elf Figuren ganz oder in Bruchstücken, eine figürliche Konsole, eine Säulenbasis, elf vollständige Teilstücke des Kronreifs und Bruchstücke sowie zwei vollständige Blattaufsätze und Fragmente von weiteren (Mitteilung Peter Husty vom 24.11.2005). Zu der Wiederauffindung der einzelnen Teile zu verschiedenen Zeiten vgl. Husty, Ein vergessenes Kaiserdenkmal (wie Anm. 1), S. 203–205 mit älterer Literatur.

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geleitet hatte und die Festrede zur Eröffnung der Kaisergruft hielt, die Kaisergräber „in Wahrheit ein nationales Heiligtum des deutschen Volkes“.21 Nirgends anderswo ließe sich, so führt er aus, eine große Manifestation zugunsten des nationaldeutschen Gedankens und der engen brüderlichen Verbindung zwischen dem neuen Deutschen Reich und dem österreichischen Kaiserstaate eindrucksvoller gestalten als im Schatten des Kaiserdomes zu Speyer. Die Versammlung derjenigen, die in der Tradition der in Speyer Bestatteten stehen, stellt er sich folgendermaßen vor: die beiden Kaiser Wilhelm II. und Franz Joseph, sämtliche deutsche Bundesfürsten, der Großherzog von Luxemburg als Repräsentant des Hauses Nassau nebst den Vertretern der drei freien deutschen Städte, dazu auch die parlamentarischen Vertreter des Deutschen Reiches, der deutschen Einzelstaaten und des österreichischen Reichsrates. Ihre Einigkeit war für Grauert, der auch an die Auflösung des Reiches hundert Jahre zuvor und die Gründung des Rheinbundes unter dem Einfluss Napoleons erinnerte, nicht zuletzt auch eine Demonstration gegenüber Frankreich. Wenn es bei ihm heißt, dass in den Kaisergräbern zu Speyer in einer ganz besonderen Weise die Idee von der Größe und dem Weltberuf der deutschen Nation lebe und sich verkörpere, sieht man in der Rückschau bereits die Katastrophen des 20. Jahrhunderts sich ankündigen.22 In seiner Darstellung der Ereignisse von dem Entschluss, die Kaisergräber zu öffnen, bis zur feierlichen Eröffnung der Kaisergruft, die vom 23. bis 26. Oktober in der Beilage zu der in München gedruckten Allgemeinen Zeitung publiziert worden war, hatte Grauert auch die Planungen Kaiser Maximilians und des Domkapitels für ein Kaiserdenkmal erwähnt und damit dieses nie vollendete Projekt erneut in das Bewusstsein der Fachkreise und der interessierten Öffentlichkeit gerückt.23 Diesen Artikel las der Leiter des Salzburger Landesarchives Franz Martin (1882–1950) und erkannte den Zusammenhang einiger bereits seit 1850 im Salzburger Museum Carolino Augusteum aufbewahrter Gewände­ figuren mit dem Speyrer Projekt. Wie so oft in der Geschichte der Wissenschaften war es der günstige Augenblick, der eine Entdeckung 21 Hermann Grauert, Die Kaisergruft im Dom zu Speyer, in: Beilage zur Allgemeine Zeitung, München 23.–26. Oktober 1906, Nr. 246–249, Zitat in Beilage vom 26. Oktober 1906, Nr. 249, S. 179. 22 Grauert, Kaisergruft (wie Anm. 21), Beilage vom 26. Oktober 1906, Nr. 249, S. 178 f. 23 Vgl. die Darstellung bei Grauert, Ein vergessenes Kaiserdenkmal (wie Anm. 1), Sp. 33 f., Anm. *. Vom Kaiserdenkmal Maximilians I. für Speyer handelt Grauert, Kaisergruft (wie Anm. 21) in Beilage vom 23. Oktober 1906, Nr. 246, S. 155. Grauert hatte zuvor bereits in seinem Bericht „Die Kaisergräber im Dom zu Speyer“, in: Sitzungsberichte der philosophisch-philologischen und historischen Classe der königlich bayerischen Akademie der Wissenschaften zu München, Jg. 1900, München 1901, S. 535–616, hier S. 570–572, auf das Denkmalsprojekt Kaiser Maximilians I. hingewiesen.

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­ eförderte, für die die Voraussetzungen bereits Jahrzehnte zuvor zuerst b durch den Hinweis von Friedrich Fröhlich in seiner Monographie über die Kaisergräber in Speyer von 1856 auf die Nachrichten über das Denkmalsprojekt in den Archivalien des Speyrer Domkapitels im damaligen Großherzoglichen Generallandesarchiv in Karlsruhe und dann durch die Publizierung des Vertrages Maximilians I. mit dem Salzburger Bildhauer Hans Valkenauer 1883 geschaffen worden waren.24 Martin Franz informierte dann auch sogleich Hermann Grauert über seine Erkenntnis, der bereits zwei Wochen später gemeinsam mit dem Kunsthistoriker des Bayerischen Nationalmuseums Dr. Wolfgang M. Schmid, der ebenfalls der Speyrer Ausgrabungskommission angehört hatte, nach Salzburg reiste.25 Die daraufhin einsetzende Erforschung des Denkmals und der Entdeckung weiterer Bestandteile im Stadtraum Salzburgs darf mit Fug und Recht als Salzburg-Speyrer Kooperationsprojekt gelten. Bereits im Herbst 1907 reiste Grauert erneut nach Salzburg, diesmal in Begleitung des Münchner Kunsthistorikers Berthold Riehl (1858– 1911).26 Durch die Aufmerksamkeit, die die Entdeckung in Salzburg hervorrief, gelang es 1909 weitere Fragmente des Denkmals zu identifizieren. Über Hermann Grauert wurde auch der renommierte Münchner Architekt Gabriel von Seidl (1848–1913) mit in die Erforschung des Kaiserdenkmals einbezogen. Seidl war an der Neugestaltung von Königschor und Domkrypta des Speyrer Domes nach den Ausgrabungen beteiligt gewesen. Durch die zusätzliche Beauftragung mit dem Neubau des Historischen Museums der Pfalz wurde die Beziehung zu Speyer noch enger und trug ihm schließlich auch die Ehrenbürgerschaft der Stadt ein.27 Es lag daher nahe, dass Grauert sich der Unterstützung Seidls für eine erste Rekonstruktion des Speyrer Kaiserdenkmals versicherte. 1910 fertigte Seidl auf Grundlage von Aufnahmen von Schmid eine „wohlgelungene“ Rekonstruktionszeichnung des ganzen Denkmals, wie Grauert in seinem Aufsatz von 1911, in dem er das „vergessene Kaiserdenkmal“ und die

24 Friedrich Wilhelm Fröhlich, Die Kaisergräber im Dom zu Speier, deren theilweise Zerstörung im Jahre 1689 und Eröffnung im Jahre 1739. Eine Untersuchung nach geschichtlichen Quellen und Akten des vormaligen Fürstbischöflich Speier’schen Archivs, Karlsruhe 1856, S. 17–19; Urkunden und Regesten (wie Anm. 12), S. LV, Nr. 316. 25 Grauert, Ein vergessenes Kaiserdenkmal (wie Anm. 1), Sp. 33, Anm.* und Sp. 37. Zu Schmids Mitarbeit in der Kommission s. Grauert, Kaisergruft (wie Anm. 21), Beilage Nr. 247, S. 163. 26 Grauert, Ein vergessenes Kaiserdenkmal (wie Anm. 1), Sp. 41, Anm.**. 27 Hans Bössl, Gabriel v. Seidl (Oberbayerisches Archiv Bd.  28), München 1966, S.  105; Sigrid Epp, Von Bad Tölz über Worms nach Berlin: Die auswärtigen Bauten, in: Gabriel von Seidl. Architekt und Naturschützer, hg. von Veronika Hofer, München 2002, S. 157 f.

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Abb. 4: Gabriel von Seidl, Rekonstruktion des Kaiserdenkmals für Speyer, 1910, historische Fotoaufnahme, Salzburg Museum, Fotoarchiv, Salzburg

Geschichte seiner Wiederentdeckung darstellte, stolz vermerkte.28 Die Zeichnung ist durch eine Aufnahme im Fotoarchiv des Salzburg Museums überliefert und wurde 2000 publiziert (Abb. 4).29 Auf der Rekonstruktion Seidls beruht bis heute unsere Vorstellung von dem Speyrer Kaiserdenkmal, obwohl sie verschiedene Modifikationen und Anpassungen an den überlieferten Originalbestand erfahren hat.30 28 Grauert, Ein vergessenes Kaiserdenkmal (wie Anm. 1), Sp. 41, Anm.**. 29 Urd Dagmar Vaelske, Ein Denkmal aus Salzburg für den Kaiserdom in Speyer. Teil 2, in: Das Kunstwerk des Monats (Die Monatsblätter des Carolino Augusteum), Jänner 2000, 13. Jg., Blatt 141. 30 Sie wurde auch von mir in meiner ersten Beschäftigung mit dem Speyrer Kaiserdenkmal nicht infrage gestellt. Vgl. Gabriele Köster, Zwischen Grabmal und Denkmal. Grabmonumente für mittelalterliche Könige und Kaiser im 15. und 16. Jahrhundert, in: Heiliges Römisches Reich Deutscher Nation 962–1806. Von Otto dem Großen bis zum Ausgang des Mittelalters, Ausstellungskatalog Magdeburg 2006, hg. von Matthias Puhle/Claus-Peter Hasse, Dresden 2006, Katalogband, S. 399–409, bes. S. 406 f.

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Noch in demselben Jahr, in dem Grauert seinen Aufsatz zum Kaiserdenkmal veröffentlichte, publizierte der am Bayerischen Nationalmuseum tätige Kunsthistoriker Philipp Maria Halm (1866–1933), wohl in Kenntnis der Rekonstruktion Seidls, eine modifizierte Rekonstruktion, in der er vor allem auf die bei Seidl prominent hervortretende, aber durch keine Originalfragmente belegte Sockelzone verzichtete und diese durch eine schlichte Bodenplatte ersetzte.31 Seit 2010 verfügen wir über eine vom Salzburg Museum und dem für die Fragmente des Kaiserdenkmals zuständigen Kurator Mag. Peter Husty initiierte lasergestützte Dokumentation und Rekonstruktion, die eine perspektivisch und maßstäblich stimmige, auf den Originalbestandteilen beruhende Visualisierung des Kaiserdenkmals im Königschor des Speyrer Doms ermöglicht.32 Bei dieser Rekonstruktion wurde berücksichtigt, dass die aufgefundenen Fragmente einen Wechsel von Säulen und achteckigen Stützen belegen. Einbezogen wurde in sie auch eine inzwischen aufgefundene Basis. Durch diese wurde deutlich, dass – wenn man die Maßangaben des Vertrages berücksichtigt – die Figuren mit ihren Baldachinen einen wesentlich kürzeren Abstand zum Kronreif hatten, als Seidl und Halm angenommen hatten, und damit die von beiden angenommene und durch kein Fragment belegte Kapitellzone obsolet geworden war.33

Architektur und Bauschmuck Beschreibt man das Ergebnis der Rekonstruktionen architekturtypologisch, so würde man wohl von einem Kolonnadenring ohne Kapitelle, aber mit waagerechtem Architrav und Aufsätzen sprechen (Abb. 5–6). Entfernt erinnert die Architektur an antike Monumente, wie das Siegesmonument des Lysikrates in Athen aus dem vierten vorchristlichen Jahrhundert. Seine engsten Verwandten findet eine solche Architektur erst in Kleinarchitekturen, wie sie seit dem späten 18. Jahrhundert bis in das frühe 20. Jahrhundert Garten und Parkanlagen schmückten.34 31 Philipp Maria Halm, Hans Valkenauer und die Salzburger Marmorplastik, in: Kunst und Kunsthandwerk 14, 1911, S. 145–193, hier S. 193. 32 Michael T. Moser/Albert Grimm-Pitzinger/Klaus Hanke, Das unvollendete Kaiserdenkmal für den Dom zu Speyer. Lasergestützte Dokumentation zur 3D-Analyse und Rekonstruktion, in: Ars sacra. Kunstschätze aus dem Salzburg Museum, hg. von Peter Husty/Peter Laub, Salzburg 2010, S. 209–214, hier bes. S. 213. 33 Auf den Stützenwechsel und die offene Frage, ob Kapitelle vorgesehen waren, hat bereits Czerny, Hans Valkenauer (wie Anm. 18), S. 112 hingewiesen. 34 Zu nennen wären beispielsweise die Apollo-Kolonnade im Park von Schloss Pavlovsk in St. Petersburg von Charles Cameron aus den 80er Jahren des 18. Jahrhunderts, KarlFriedrich Schinkels Große Neugier in Schloss Glienicke in Berlin von 1835 oder der Kaiserin-Auguste-Viktoria-Brunnen in Bad Homburg von 1910/11.

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Abb. 5: Teilstück des Kronreifs vom Kaiserdenkmal für Speyer, Salzburg ­Museum, Salzburg

Hingegen ist eine solche Architektur im frühen 16. Jahrhundert singulär, auch wenn gerade in Rom mit dem Tempietto di San Pietro in Montorio von Bramante ein an der Antike orientierter Rundbau errichtet worden war, bei dem es sich jedoch um einen Monopteros mit einfachem Säulenumgang handelt.35 Ohne die Möglichkeit zur Singularität für das 16. Jahrhundert in Abrede stellen zu wollen, drängt sich doch die Beobachtung auf, dass eine solche Kleinarchitektur für Gabriel von Seidl und Philipp Maria Halm selbstverständlicher war als für Kaiser Maximilian und die Speyrer Domkanoniker 1512. Der Blick auf den Bauschmuck bietet keinen Anhaltspunkt für einen derartigen neuartigen, sich außerhalb der althergebrachten und zeittypischen Konventionen bewegenden Entwurf. Er zeigt keinen Antikenbezug, sondern führt in die aktuelle spätgotische Praxis, wie sie auch dem uns bekannten Werk Hans Valkenauers entspricht.36 Die mit einer Höhe von 130–150 cm deutlich unterlebensgroßen Skulpturen stehen auf zum Teil figürlichen Konsolen und werden von Baldachinen bekrönt (Abb. 1–3).37 Sie sind aus einem Stück mit den wechselnd runden und polygonalen Säulen gearbeitet, an denen sie stehen, so dass es sich um säulengebundene Figuren handelt, wie sie seit dem 12. Jahrhundert üblich waren.38 35 Von Czerny, Hans Valkenauer (wie Anm. 18), S. 112 und Czerny, Totengedenken (wie Anm. 2), S. 298 zum Vergleich herangezogen. 36 Zu bildhauerischen Œuvre vgl. Czerny, Hans Valkenauer (wie Anm. 18) und Czerny, Totengedenken (wie Anm. 2), bes. S. 306–311. 37 Vgl. Husty, Ein vergessenes Kaiserdenkmal (wie Anm. 1), S. 206. 38 Vgl. Czerny, Totengedenken (wie Anm. 2), S. 298.

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Abb. 6: Blattaufsatz vom Kaiserdenkmal für Speyer, Salzburg Museum, ­Salzburg

Die Konsolen und Baldachine sind nur grob angelegt, doch zeigen die bereits ausgeführten architektonischen und figürlichen Schmuckformen, dass eine reiche und komplexe Gliederung geplant war. Aus den Protokollen des Speyrer Domkapitels wissen wir, dass die Konsolen 1516 noch mit den Wappen der in den Skulpturen Dargestellten versehen werden sollten.39 Da dieses vermutlich nicht für alle Skulpturen gelang, wurde wohl die Konsolenform gefunden, von der ein Beispiel erhalten ist: die Halbfigur eines bärtigen Mannes hält ein Spruchband, auf dem möglicherweise Name und Rang des Dargestellten hätte ­verzeichnet werden sollen (Abb. 7). 39 1516 März 31, in: Protokolle, Bd. I (wie Anm. 9), S. 433, Nr. 4513.

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Abb. 7: Figürliche Konsole des Kaiserdenkmals, Salzburg Museum, Salzburg

Die vorkragenden Teile der Baldachine werden durch kielbogenförmig geschwungene Wulste und Kehlen unterfangen. Seitliche oder mittlere turmartige Auszüge, wie sie auch an dem Epitaph Hans Valkenauers für Kunz Horn Verwendung finden, sind architektonisch gegliedert und lassen eine weitere Vermittlung zum oberen Abschluss des Denkmals erwarten.40 Engelsköpfe und bereits angelegte Füße menschlicher Gestalten zeigen, dass auch die Baldachine in ein figürliches Programm eingebunden waren (Abb. 8). Die erst 1994 aufgefundene Basis auf polygonalem Sockel zeigt außerdem die Verwendung des zeittypischen Astwerks als Bauschmuck (Abb. 9).41 Der spätgotische Bauschmuck führt zu einigen Memorialprojekten im engeren Umkreis Kaiser Maximilians, die bisher nicht in einen Bezug zum Kaiserdenkmal gesetzt wurden. Dies ist zunächst die erst kürzlich umfangreich untersuchte auf ihn zurückgehende Erweiterung des ebenfalls aus Adneter Rotmarmor errichteten Grabmals für seinen Vater, Friedrich III., im Stephansdom in Wien.42 An den wohl zwischen 40 St. Lorenz, Nürnberg. Vgl. zu dem Relief Czerny, Hans Valkenauer (wie Anm. 18), S. 93–103 und Czerny, Totengedenken (wie Anm. 2), S. 306 mit älterer Literatur. 41 Zur Auffindung des Sockels s. Husty, Ein vergessenes Kaiserdenkmal (wie Anm. 1), S. 204. Zum Astwerk vgl. Stephan Hoppe, Stildiskurse, Architekturfiktionen und Relikte, in: Werkmeister der Spätgotik. Position und Rolle der Architekten im Bauwesen des 14. bis 16. Jahrhunderts, hg. von Stefan Bürger/Bruno Klein, Darmstadt 2009, S. 69–91, hier S. 78 mit älterer Literatur. 42 Der Kaiser und sein Grabmal 1517–2017. Neue Forschungen zum Hochgrab Friedrichs III. im Wiener Stephansdom, hg. von Renate Kohn, Wien/Köln/Weimar 2017. Für den Hinweis auf die Neuerscheinung danke ich Prof. Dr. Ferdinand Oppl.

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Abb. 8: Skulpturenbaldachin des Kaiserdenkmals, Salzburg Museum, ­Salzburg

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Abb. 9: Basis des Kaiserdenkmals, Salzburg Museum, Salzburg

1508 und 1517 entstandenen Seiten der Tumba sind vor allem die Pfeilerfiguren, die die szenischen Reliefs voneinander trennen, zu nennen.43 Ebenso wie am Kaiserdenkmal die Statuen mit ihren Säulen den mächtigen Kronreif tragen, dienen hier die Pfeilerfiguren an den Bündelpfeilern als Stützen der monumentalen Grabplatte (Abb. 10). Wie beim Speyrer Kaiserdenkmal sind die Baldachine der Skulpturen in die Kapitellzone einbezogen. Gleichzeitig sind sie in das Maß- und Rankenwerk einbezogen, das zwischen Reliefs und Tumba vermittelt. 43 Zu Bildprogramm und Datierung s. Renate Kohn, Fürstenrepräsentation an unauffälliger Stelle. Die Seiten der Tumba Kaiser Friedrichs III. als Informationsvermittler, in: Der Kaiser und sein Grabmal (wie Anm. 42), S. 179–217.

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Abb. 10: Seitenwandung des Grabmals für Kaiser Friedrich III., 1508–1517, Stephansdom, Wien

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Erinnert sei auch an die prächtigen spätgotischen Grablegen in der Stiftskirche von Brou bei Bourg-en-Bresse, die Maximilians Tochter Margarete von Österreich für ihren Ehemann Philibert von Savoyen und dessen Mutter Margarethe von Bourbon sowie für sich selbst ab 1505 errichten ließ und die zwei Jahre nach ihrem Tod 1530 fertiggestellt wurden. Wie Thomas Schauerte bereits 2011 anmerkte, werden sie viel zu selten im Zusammenhang mit Kaiser Maximilians Memorialprojekten diskutiert, obwohl – wie er nachweisen konnte – Vater und Tochter im Austausch über ihre Memorialprojekte miteinander standen.44 Während Philibert von Savoyen eine freistehende Grabtumba in der Mitte des Chores und seine Mutter ein überwölbtes Wandnischengrab erhielten, wählte die Statthalterin der Niederlande für ihre eigene Grablege den Typos des Baldachingrabes (Abb. 11). Als eine Bauform, die einen Innenraum bildet, ist das Baldachingrab dem Speyrer Kaiserdenkmal typologisch enger verwandt als die Tumbengrabmäler. Im Fall des Baldachingrabmals der Margarete von Österreich wird der von einer mit Maßwerk und Fialen reich geschmückten Attikazone bekrönte Baldachin von Pfeilerbündeln getragen. Auch an diesen stehen Figuren auf Konsolen, deren Baldachine sich auf einer Höhe mit der Gewölbezone des Baldachins befinden.45 Während jedoch das Baldachingrab für Margarete von Österreich erst nach dem Tod Kaiser Maximilians ausgeführt wurde, ist an ein anderes Baldachingrabmal zu erinnern, das eben in den Jahren entstand, in denen die Idee zum Speyrer Kaiserdenkmal Profil gewann und um seine Ausführung gerungen wurde und an dem Kaiser Maximilian großen Anteil nahm. Es handelt sich um das Sebaldusgrab in Nürnberg von Peter Vischer d. Ä. und seinen Söhnen.46 Nachdem ein erster Entwurf von 1488 eine Gesamthöhe von 13 Metern vorgesehen hatte, wurde es zwischen 1508 und 1519 mit einer Höhe von über 4 Metern ausgeführt (Abb. 12–13). 44 Thomas Schauerte, Annäherung an ein Phantom. Maximilians I. Grabmalspläne im Kontext europäischer Traditionen, in: Maximilian I. (1459–1519). Wahrnehmung – Übersetzungen – Gender, hg. von Heinz Noflatscher/Michael A. Chisholm/ Bertrand Schnerb (Innsbrucker Historische Studien 27), Innsbruck/Wien/Bozen 2011, S. 373–400, bes. S. 384–388. 45 Vgl. Ulrich Schäfer/Conrat Meit, Das Grabmal der Margarete von Österreich, in: Geschichte der bildenden Kunst in Deutschland, Bd. 4. Spätgotik und Renaissance, hg. von Katharina Krause, München/Berlin/London/New York 2007, S. 370 f., Nr. 127 mit älterer Literatur. 46 Zu dem zwischen 1507 und 1519 ausgeführten Sebaldusgrab und dem in der Akademie der Bildenden Künste in Wien aufbewahrten ersten Entwurf von 1488 vgl. Gerhard Weilandt, Die Sebalduskirche in Nürnberg. Bild und Gesellschaft im Zeitalter der Gotik und Renaissance (Studien zur internationalen Architektur- und Kunstgeschichte 47), Petersberg 2007, S. 363–418.

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Abb. 11: Konrad Meit, Baldachingrab für Margarete von Österreich, Statthalterin der Niederlande, 1526-1532, Kloster Brou, Bourg-en-Bresse

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Abb. 12: Entwurfszeichnung für das Sebaldusgrab, 1488, Akademie der ­Bildenden Künste, Wien

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Abb. 13: Vischer d.Ä . und Söhne, Sebaldusgrab,1507-1519, St. Sebald, Nürnberg

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Seit 1512 war eben jener kaiserliche Sekretär Melchior Pfinzing (1481–1535) Propst von St. Sebald, an den das Speyrer Domkapitel im Dezember desselben Jahres seine Verpflichtung sendete, dass es sich – wie vom Kaiser gewünscht – am Kaiserdenkmal beteiligen werde.47 Pfinzing, der aus einer Nürnberger Patrizierfamilie stammte, plante während seiner Amtszeit seine eigene Grablege vor dem Hochaltar von St. Sebald und ließ hierfür eine ebenfalls aus Messing gegossene Muttergottes ausführen.48 Auch der Kaiser selbst nahm großen Anteil an der Ausstattung der Nürnberger Sebalduskirche. Er nahm – wohl auf Anregung Melchior Pfinzings – den hl. Sebald 1512/13 in die Reihe der Habsburger Sipp-, Mag- und Schwägerschaft auf und stiftete für St. ­Sebald das Kaiserfenster im Chorscheitel.49 Auch am Sebaldusgrab sind bereits im ersten Entwurf und auch in der Ausführung die Stützen des Baldachins mit Figuren besetzt, auf die die tragende Funktion sinnbildlich übertragen wird. Es sind die zwölf Apostel, die so das Grab des hl. Sebaldus umstehen und den Baldachin tragen. Erneut lässt sich beobachten, dass die Baldachine der Figuren in die Kapitellzone hinein gezogen sind. Die Kleinarchitekturen über den Wölbungen der Baldachine, auf denen Putten sitzen, sind den turmartigen Auszügen der Baldachine des Kaiserdenkmals, bei denen ebenfalls Figuren vorgesehen waren, recht ähnlich. Die architektonische Bildung der Figurenbaldachine korrespondiert mit der Bildung der komplexen Überdachung des gesamten Baldachingrabmals durch drei architektonisch gegliederte Kuppelaufbauten. In dieser engen Abstimmung des Dekors mit der Architektur entspricht das Sebaldusgrab den beiden anderen aufgeführten Beispielen. Vor diesem Hintergrund ist die isolierte und unverbundene Auffassung der einzelnen Schmuckelemente in den bisherigen Rekonstruktionen des Kaiserdenkmals für Speyer nicht zufriedenstellend. Der bisher nie eingehender analysierte spätgotische Bauschmuck gibt einen deutlichen Hinweis, auch bei der Rekonstruktion des Kaiserdenkmals über komplexere architektonische Systeme nachzudenken und zu überlegen, ob

47 Fouquet, Gedechtnus (wie Anm. 1), S. 99. Vgl. zu Pfinzing und dem Sebaldusgrab Christian Kuhn, Generation als Grundbegriff einer historischen Geschichtskultur. Die Nürnberger Tucher im langen 16. Jahrhundert, Göttingen 2010, S. 417. 48 Vgl. Weilandt, Sebalduskirche (wie Anm. 46), S. 363 f. und S. 516. Zu Pfinzing vgl. auch Rosemarie Aulinger, Pfin(t)zing, Melchior, in: Neue Deutsche Biographie, Bd. 19, Berlin 1999, S. 438 f. 49 Vgl. Berthold Sutter, Landeswappen und Landesbewußtsein. Das Landeswappen als Symbol territorialer Selbständigkeit, in: Zeitschrift des Historischen Vereins für Steiermark 93, 2002, S. 57–146, hier S. 124. Zum Kaiserfenster und der Fensterstiftung der Familie Pfinzing vgl. Weilandt, Sebalduskirche (wie Anm. 46), S. 111–132, S. 347–355.

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mit den im Vertrag genannten Bauteilen und den überlieferten Fragmenten tatsächlich alle Elemente des geplanten Denkmals erfasst sind. Für eine komplexere Architektur sprechen außerdem auch statische Überlegungen. Auch wenn eine statische Untersuchung des Denkmals noch aussteht, erscheint es doch sehr fraglich, dass das immense Gewicht des rotmarmornen Kronreifs und seiner Aufsätze von über 11 Tonnen von den relativ dünnen Säulen hätte getragen werden können.50 Zwar wird auch beim Sebaldusgrabmal der gewaltige Aufbau des Baldachins von relativ schmalen Stützen getragen. In dem Entwurf von 1488 hätte dieser aus einem mehrgeschossigen Gesprenge bestanden, in der Ausführung wird er aus dann bereits erwähnten drei kuppelartigen Aufbauten gebildet. Doch im Unterschied zum Kaiserdenkmal in Speyer ist das Sebaldusgrab aus Messing gegossen und unterliegt ganz anderen statischen Bedingungen. Indes sind die Baldachingräber – ungeachtet aller Unterschiede in Grundform, Material, Aufgabenstellung und Ausführung – als Kleinarchitekturen mit Säulen oder Stützen bautypologisch dem Kaiserdenkmal am nächsten. Sie geben den Anstoß, auch das Kaiserdenkmal architektonisch als Gehäuse zu denken, und in der Vorstellung der möglichen Komplexität einer solchen Architektur auch frühere Beispiele spätgotischer Kleinarchitekturen wie beispielsweise den Schönen Brunnen in Nürnberg und das Sakramentshaus im Ulmer Münster von Nikolaus von Hagenau (1445–1526 erwähnt) nicht außer Acht zu lassen.

Grab und Krone Der Planungsprozess des Kaiserdenkmals für Speyer wurde von Anbeginn an von Zeichnungen begleitet. Bereits als der Domdekan dem Kapitel am 23. November 1512 zum ersten Mal von dem Wunsch berichtet, der konig begrebnus im creutzgang [sic] mit eym marmorstain zuerheben und mit zwolf bilden uf das zirlichst machen zulassen, ist von einer visirung die Rede.51 Am 4. Dezember begründen die Domherren ihre Schwierigkeit, dem Projekt zuzustimmen, unter anderem mit dem Umstand, dass si die visir nit gesehen.52 Im Vertrag mit Hans Valkenauer vom 5. Februar 1514 50 In Vorbereitung der Europaratsausstellung „Heiliges Römisches Reich Deutscher Nation. Von der Antike zum Mittelalter“ wurden die einzelnen Teile gewogen. Ein Segment des Abschlusskranzes wiegt 560 kg, ein Blattaufsatz 380 kg (Mitteilung des Bildhauers Walter Paulus vom 2. Februar 2006). Den von mir 2006 geäußerten Zweifeln an der statischen Durchführbarkeit (Köster, Grabmal [wie Anm. 30], S. 407) folgt Czerny, Totengedenken (wie Anm. 2), S. 301. 51 Protokolle, Bd. I (wie Anm. 9), S. 347 f., Nr. 3683. 52 Protokolle, Bd. I, S. 348, Nr. 3691.

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heißt es, dass er den von ihm bestellten Adneter Rotmarmor laut der visierung ime überantwurt ausarbeiten solle.53 Und auch in der Mitteilung des Kaisers an das Domkapitel vom 11. Februar 1514 über den Vertragsschluss mit Valkenauer wird ausdrücklich auf unser visirung ime uberantwortet Bezug genommen.54 Da diese Zeichnungen verloren sind oder zumindest bis heute nicht identifiziert wurden, können Rekonstruktionen nur auf der Grundlage der Aussagen über das Monument im Vertragstext und auf den aufgefundenen ausgeführten Werkstücken vorgenommen werden. Dies ist auch die Vorgehensweise, die seit der Wiederentdeckung der Salzburger Skulpturen und Architekturfragmente praktiziert wurde. Es ist jedoch darüber hinaus zu fragen, welche Informationen in einem Vertragstext zu erwarten sind, der durch eine Zeichnung ergänzt wurde. Tatsächlich werden in dem Vertrag nur die Säulen, die Statuen und die auf diesen aufruhende Krone, nicht jedoch Details, wie die Basen, Konsolen und Baldachine, geschweige denn ihr Dekor oder der Wechsel zwischen Rundsäulen und achteckigen Stützen erwähnt. Die Maßangaben zu Säulen, Statuen und Krone ermöglichen, die Hauptbestandteile des Monuments in ein Verhältnis zueinander zu stellen, in die sich alle anderen, nur aus der Zeichnung hervorgehenden Details, mühelos einfügen ließen. Wieviele weitere Bauteile in der Zeichnung möglicherweise auch noch vorgesehen waren, aber nicht erwähnt wurden oder durch aufgefundene Fragmente belegt sind, bleibt daher ungewiss. Eindeutig formuliert ist jedoch die Funktion des Monuments. Valkenauer erhielt den Auftrag ain grab zu Speyr zu machen und wurde ausgewählt, wie Kaiser Maximilian dem Domkapitel mitteilte, weil er seine Eignung für die Aufgabe durch das von ihm geschaffene Grabmal für den Erzbischof von Salzburg, Leonhard von Keutschach (amt. 1495–1519), unter Beweis gestellt hatte.55 Und bereits im November 1512 hatte der Kaiser seinem Wunsch Ausdruck gegeben, der konig begrebnus im creutzgang mit eym marmorstain zuerheben.56 Eben diese Funktion des Grabmals lässt sich jedoch an der bisherigen Rekonstruktion des Kaiserdenkmals nicht ablesen. An ihm sind zwar die Verstorbenen porträtiert, aber es gibt keinen Hinweis auf eine Grablege. Nicht von ungefähr wurde das Kaiserdenkmal daher – wie eingangs erwähnt – von Harald Keller als das „erste umschreitbare Freimonument der deutschen Plastik“ bezeichnet.57 53 54 55 56 57

Urkunden und Regesten (wie Anm. 12), S. LV, Nr. 316. Urkunden und Regesten, S. LV f., Nr. 317. Urkunden und Regesten, S. LV f., Nr. 316 und 317. Protokolle, Bd. I (wie Anm. 9), S. 347 f., Nr. 3683. Keller, Geschichtsbewußtsein (wie Anm. 3), S. 683.

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Abb. 14: Heiliges Grab in der Mauritiusrotunde, um 1260, Münster Unserer Lieben Frau, Konstanz

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Rundbauten sind in der Grabarchitektur seit der Antike verbreitet, allerdings in aller Regel als freistehende Bauten.58 Als Kleinarchitekturen im Kirchenraum wurden sie bekanntlich vor allem für Nachbildungen des Heiligen Grabes in der Grabeskirche in Jerusalem verwendet (Abb. 14). Ein genauerer Blick auf das Heilige Grab des Konstanzer Münsters aus dem 13. Jahrhundert erscheint lohnend, da in der Besetzung der den Bau gliedernden Dienstbündel mit Skulpturen sowie der Bekrönung des Baus durch spitze Dreiecksgiebel gewisse Parallelen zum Kaiserdenkmal bestehen.59 Ohne eine direkte Vorbildfunktion annehmen zu wollen, sei darauf hingewiesen, dass sich Maximilian I. mehrfach in Konstanz aufhielt, darunter für den Konstanzer Reichstag 1507 für mehrere Monate. Ein Rundbau, wie der des Heiligen Grabes von Konstanz, könnte dem Kaiser oder seinem Berater in dieser Angelegenheit durchaus als Anregung gedient haben, die Grablege der Kaiser, Könige, Kaiserinnen und Kaisertochter im Dom zu Speyer mit einem Rundbau auszuzeichnen. Ein derartiger Rundbau hätte den Vorteil geboten, nicht jede Grablege der zwölf hier Bestatteten einzeln darstellen zu müssen, jedoch von außen gleich als Grabbau erkenntlich zu sein. Ebenso eindeutig wie die Funktion des Monuments ist in dem Vertrag auch seine bildhafte Grundidee formuliert. Die Kaiser, Könige, Kaiserinnen und Kaisertochter sollen gemeinschaftlich die Krone tragen. Wörtlich heißt es: Item auf den zwelf sewln soll sten ain kaiserliche durchsichtige Kron.60 Ausdrücklich ist im Vertrag von einer kaiserlichen Krone die Rede. Dagegen nehmen die bisherigen Rekonstruktionen des Kaiserdenkmals lediglich einen Kronreif mit Aufsätzen an. Es fehlt somit der Bügel, der die Kaiserkrone von Königskronen unterscheidet und als Zeichen der universalen Herrschaft längst von den benachbarten Königen in Ungarn, Frankreich, England und Polen übernommen worden war, um ihre Gleichrangigkeit mit dem Kaiser zu betonen.61 58 So in der Antike die Tumulusgräber von Augustus und Hadrian oder das stark rezipierte Grabmal der Caecilia Metella in Rom oder die Zentralbauten des Maxentius an der Via Appia, der oktogonale Grabbau Diokletians in Split oder der dodekale Grabbau des Theoderich in Ravenna. Für die Spätantike und das Mittelalter sei an die Mausoleen der Kaisermutter Helena und der Kaisertochter Constantia, die Grabkapelle Bischof Hartwigs am Regensburger Dom aus dem 12. Jahrhundert oder die oktogonale Grabkapelle für die Herzöge von Mecklenburg in der Zisterzienserkirche von Bad Doberan aus dem 13 Jahrhundert erinnert. 59 Vgl. Gerhard Lutz, Heiliges Grab. Konstanz, Münster Unser Lieben Frau, in: Geschichte der bildenden Kunst in Deutschland, Bd. 3. Gotik, hg. von Bruno Klein, München/Berlin/London/New York 2007, S. 350, Nr. 92 mit älterer Literatur. 60 Urkunden und Regesten (wie Anm. 12), S. LV, Nr. 316. 61 Zu der Übernahme der Bügelkrone vgl. Wolfgang Reinhard, Geschichte der Staatsgewalt. Eine vergleichende Verfassungsgeschichte Europas von den Anfängen bis zur Gegenwart, 2. Aufl. München 2000, S. 94.

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Abb. 15: Großes Majestätssiegel Kaiser Maximilians I., 1500, Galvano­ plastische Kopie, Germanisches Nationalmuseum, Nürnberg

Ebenso fehlt die Mitra als Hinweis auf die sakrale Würde des Kaisers (Abb. 15). Bei den Skulpturen am Kaiserdenkmal für Speyer wird die Kronenform – wie offenbar auch bei den übrigen Projekten Kaiser Maximilians – in der Tat streng nach Rang und Würde des Einzelnen unterschieden: neben den alt-ehrwürdigen Kaisern mit kombinierten Bügel- und Mitrenkronen gibt es auch den Typus des Königs mit einfacher Krone in Rüstung und auch bei den Frauenfiguren gibt es neben den Kaiserinnen auch eine Statue mit einfachem Kronreif, die wohl Agnes, die Tochter von Kaiserin Beatrix, darstellt.62 Es stellt sich daher die Frage, ob der Betrachter des Kaiserdenkmals in seiner derzeitigen Rekonstruktion tatsächlich in dem edelsteinbesetzten Kronreif mit Blattaufsätzen eine Kaiserkrone erkannt hätte. 62 Bei dem gerüsteten König handelt es sich möglicherweise um Rudolf von Habsburg. Zu ihm und zu der Kaisertochter Agnes vgl. Czerny, Totengedenken (wie Anm. 2), bes. S. 297 und S. 304 f.

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Auszeichnende Bekrönungen, die immer wieder auch in einen Bedeutungsbezug zu der Herrschaftsinsignie „Krone“ gesetzt wurden, sind eine zentrale Aufgabe der Architektur, unabhängig von Zeit und Stil. Die oben aufgeführten Baldachingrabmäler, alle Formen von Gesprenge und Überwölbungen, insbesondere auch Kuppeln zeugen davon, dass dies auch in der Planungs- und Ausführungsphase des Kaiserdenkmals nicht anders war. Die von Madern Gerthener 1415 entworfene Rippenkuppel des Frankfurter Doms, des Wahlorts der römisch-deutschen Könige, wurde in alter Tradition als Kaiserkrone gedeutet und im fernen Schottland hatte der Turm der Pfarrkirche St. Giles in der Königsstadt Edinburgh um 1500 eine ebenfalls als Krone gedeutete Rippenkuppel erhalten (Abb. 16–17).63 Es stellt sich daher die Frage, warum der zentrale Bildgedanke des Monuments ohne Not hätte infrage gestellt werden sollen. Die Dekorationsformen der erhaltenen Architekturfragmente: Maßwerk, Rankenund Astwerk hätten als Grundformen zur Bildung einer Bügel- oder gar einer kombinierten Mitren- und Bügelkrone zur Verfügung gestanden, um eine kaiserliche durchsichtige cron zu bilden, wie sie der Kaiser in Auftrag gegeben hatte.64

Ein Memorialort des Reiches Die Anregung, das Kaiserdenkmal für Speyer als spätgotisches, komplexes Gehäuse, überwölbt von einer Kaiserkrone neu zu denken, muss bis auf weiteres Spekulation bleiben. Wie und welcher gestalt Kaiser Maximilian die begrebnus, so unser vorfaren am reich Romische kaiser, kunig und kaiserin im Dom zu Speyer anders zu zieren und aufzurichten willens war, ist jedoch ungewisser, als es nach der Vorlage der ersten Rekonstruktion den Anschein hatte.65 Nach wie vor ungeklärt ist auch die Autorenschaft der Idee und des Entwurfs für das Denkmal. Harald Keller hat bereits 1940 als erster Kaiser Maximilian selbst als Urheber des zugrunde liegenden Sinnbildes angesehen.66 Wer hingegen 63 Zum Turmbau der Pfarr- und Stiftskirche St. Bartholomäus, dem sogenannten Frankfurter Dom, vgl. Christian Freigang, Madern Gerthener in Frankfurt am Main. Vom Aufstieg einer Reichsstadt zum Architekturzentrum um 1400, in: Werkmeister der Spätgotik. Personen, Amt und Image, hg. von Stefan Bürger/Bruno Klein, Darmstadt 2010, S. 85–105. Für den Hinweis danke ich Prof. Dr. Michael Müller. Zu St. Giles, Edinburgh s. John Gifford/Colin McWilliam/David Walker, Edinburgh (The Buildings of Scotland), Harmondsworth 1984, S. 103. 64 Urkunden und Regesten (wie Anm. 12), S. LV, Nr. 316. 65 Urkunden und Regesten (wie Anm. 12), S. LV, Nr. 317. 66 Keller, Geschichtsbewußtsein (wie Anm. 3), S. 683. Vgl. auch Köster, Grabmal (wie Anm. 30), S. 407.

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Gabriele Köster

Abb. 16: Madern Gerthener, Turmbekrönung der Stiftskirche St. Bartholomäus in Frankfurt am Main (sogenannter ‚Kaiserdom‘), entworfen 1415

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Abb. 17: Turmbekrönung der Pfarrkirche St. Giles in der Königsstadt ­Edinburgh, um 1500

die Zeichnung und den Gesamtentwurf geliefert hat, den Valkenauer umsetzte, bleibt vollkommen ungeklärt. Sicher ist jedoch, dass mit dem Kaiserdenkmal der gemeinsamen Verantwortung der in Speyer bestatteten Kaiser, Könige und Kaiserinnen verschiedener Zeiten für das Reich durch die kaiserliche Krone, die von ihnen gemeinsam getragen werden sollte, Ausdruck gegeben werden sollte. Durch die gemeinsam getragene Krone wurde das Monument über das Erinnerungsdenkmal der einzelnen Herrscher und ihrer Dynastien hinaus zum Memorialort des Reiches. Sie ist das Überpersönliche, für das die einzelnen Herrscher Verantwortung getragen haben. Das Kaiserdenkmal wird damit nicht zuletzt auch zur Ordnungsfigur der Pflicht und des Dienens. Zu Recht wurde daran erinnert, dass es zum Beispiel Vorprägungen dieses Sinnbildes gibt, zum Beispiel in den zwölf Aposteln, die gemeinsam das himmlische Jerusalem tragen.67 Zahlreich sind die Beispiele, in denen Apostel oder Propheten als Säulenfiguren sinnbildlich einen

67 Czerny, Totengedenken (wie Anm. 2), S. 306.

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­ irchenbau oder ein Kirchenportal tragen.68 Auch auf die Zwölfzahl K der Dargestellten, die der Zwölfzahl der Apostel, aber auch der Herrscher in antiken Herrscherzyklen entspricht und damit den autoritativen Anspruch des Denkmals unterstreicht, wurde hingewiesen.69 Schaut man nun noch einmal auf die deutlich unterlebensgroßen Figuren mit ihrer in sich gekehrten Mimik und verhaltenen Gestik, so ist das hier erinnerte Reich ein ganz anderes als das Reich, für das ­Hermann Grauert 1906 eine Manifestation seiner Größe wünschte. Es ist ein Denkmal, das in den Porträtfiguren ebenso wie in seinem Bauschmuck auf Anciennität und Historizität verweist. Schaut man auf das Astwerk an den Sockeln des Denkmals, so verweisen diese ebenso auf Vitruvs Urhütte als Ursprung der Architektur als auch auf Tacitus Schilderungen germanischer Holzbauten und fundieren so das Reich in mythischen Zeiten.70 So einzigartig das Kaiserdenkmal auch in Größe und Form ist, so reiht es sich doch ein in die Sichtbarmachung der Grablegen heiliger und nicht heiliggesprochener Kaiser und Kaiserinnen im Kirchenraum um 1500. Insbesondere sei an das Grabmal für das Kaiserpaar Heinrich II. und Kunigunde von Tilman Riemenschneider in Bamberg oder die Errichtung eines Grabmals für Königin Editha durch Erzbischof Ernst von Sachsen im Magdeburger Dom erinnert, das in einer Achse mit dem Grabmal Kaiser Ottos des Großen und dem Grabmal des Erzbischofs selbst steht.71 Sie alle unterstreichen die Anciennität des Kaisertums ebenso wie seine Sakralität.

68 An dieser Stelle sei beispielhaft an das Bamberger Fürstenportal aus dem 12. Jahrhundert oder den Apostelzyklus an den Chorpfeilern des Kölner Doms aus dem 13. Jahrhundert erinnert. 69 Czerny, Totengedenken (wie Anm. 2), S. 306. 70 Zu dieser Bedeutungsebene von Astwerk vgl. Hoppe, Stildiskurse (wie Anm. 41), S. 78 mit älterer Literatur. 71 Vgl. Köster, Grabmal (wie Anm. 30).

Speyer, das Reich und die Habsburger

Manuel Kamenzin

Wie es einem König gebührt? Die Beisetzung Rudolfs I. in Speyer in der Tradition königlicher Grablegen des 13./14. Jahrhunderts Mitten in der einzigartigen Phase gemeinsamer Herrschaft Ludwigs IV. und Friedrichs des Schönen beschrieb ein namentlich nicht bekannter Mönch 1327/28 im bayerischen Zisterzienserkloster Fürstenfeld den Tod des gemeinsamen Großvaters dieser Könige in bemerkenswerter Form:1 „Inzwischen machten sich bei dem römischen König Rudolf die Beschwerden des Alters geltend und hochbetagt neigte er, nachdem er viele Jahre dahinschwinden gesehen, seinem Ende zu. Endlich im achtzehnten Jahr seiner Herrschaft wurde er von einem Fieber ergriffen, dem er aus natürlicher Schwäche erlag und so mit der kirchlichen Wegzehrung versehen und nach Aufsetzen eines Testaments ein rühmliches Ende nahm. Eine Gnade, die nur sehr wenigen Königen gewährt wurde. Denn wir sahen fast alle Könige durch Gift oder durch das Schwert sterben. König Rudolf aber wird neben den früheren Herrschern in der Stadt Speyer beigesetzt, wo sein Leib den 1

Im Folgenden greife ich auf Ergebnisse meiner Dissertation zurück: Die Tode der römisch-deutschen Könige und Kaiser (1247–1349), Phil. Diss. (masch.) Heidelberg 2017. Die Drucklegung ist in Vorbereitung. – Zum sogenannten Doppelkönigtum siehe Michael Menzel, Die Zeit der Entwürfe. 1273–1347 (Gebhardt, Handbuch der deutschen Geschichte, Zehnte völlig neu bearbeitete Auflage 7a), Stuttgart 2012, S. 153–191.

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jüngsten Tag erwartet. Inzwischen möge seine Seele der himmlischen Freuden teilhaftig werden.“2 Die Schilderung entspricht zunächst dem Tenor der zeitgenössischen Überlieferung zum Tod Rudolfs I.:3 In hohem Alter starb der erste Habsburger auf dem Königsthron einen guten Tod. Ein weiteres Kennzeichen der Überlieferung ist die Betonung der besonderen Grablege in Speyer bei den Königen und Kaisern.4 Gottfried von Ensmingen, Chronist eines Teils der sogenannten Ellenhards Chronik, ging soweit die Beisetzung König Rudolfs in Speyer mit den Worten sicut decuit Romanorum regem zu kommentieren – wie es sich für einen König der Römer gehört.5 Doch die Fürstenfelder Beschreibung weist ebenfalls Besonderheiten auf: Die bei anderen Chronisten geschilderte Reise des schwerkranken Königs nach Speyer – der sogenannte Grabesritt – wird hier nicht angesprochen. Im Gegensatz zur gesamten sonstigen Überlieferung wird darüber hinaus ein Testament des Habsburgers erwähnt. Schließlich wird der Tod König Rudolfs als Besonderheit in der Geschichte des Reichs im späten 13. und beginnenden 14. Jahrhundert erkannt – keinem anderen König sei ein solch rühmliches Ende vergönnt gewesen. Dies soll hier zum Anlass genommen werden, um die Beisetzung Rudolfs I. in Speyer 1291 in der Tradition königlicher Grablegen zu verorten. Hierzu wird zunächst ein Blick auf die letzten 2 Cronica de gestis principum a tempore Rudolfi regis usque ad tempora Ludovici imperatoris, hg. von Georg Leidinger, in: MGH. Scriptores rerum Germanicarum, Bd. [19], Hannover 1918, S. 27–104, hier S. 45: Igitur Romanorum rex Rudolfus cum senuisset et provecte etatis esset, post multorum annorum curricula iam vergeret ad occasum, XVIII. anno regni sui plenus dierum correptus febre languore naturali ecclesiasticis receptis sacramentis et facto testamento viam universe carnis ingrediens finem laudabilem est sortitus, gracia perpaucis regibus est concessa. Nam fere omnes reges aut veneno aut gladio videmus crebrius interire. Hic in civitate Spirea cum aliis regibus honestius sepelitur. Ubi exanime corpus eius diem novissimum est expectans. Interim spiritus eius mereatur celestia gaudia possidere. Übersetzung: Die Fürstenfelder Chronik von den Thaten der Fürsten, übers. von Walther Friedensburg, in: Quellen zur Geschichte Kaiser Ludwigs des Baiern, Bd. 1 (Geschichtsschreiber der deutschen Vorzeit 81), Leipzig 1898, S. 1–88, hier S. 21. Gemeint sind wohl die Tode König Adolfs (Schlachtentod), Albrechts I. (Mord) und Heinrichs VII. (vermeintlicher Giftmord). Zur Quelle Michael Menzel, Quellen zu Ludwig dem Bayern, in: Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte 60, 1997, S. 71–86, hier S. 78. 3 Die Überlieferung ist zusammengestellt in: Regesta Imperii VI,1 Nr. 2518b, URI: http:// www.regesta-imperii.de/id/1291-07-15_1_0_6_1_0_2854_2518b. Die Regesten der Regesta Imperii werden im Folgenden nach der digitalen Version zitiert, da sie hier teilweise um Nachträge ergänzt wurden. Alle Regesten und Internetseiten wurden zuletzt am 27.09.2018 aufgerufen. Siehe auch: Anton Doll, Schriftquellen, in: Der Dom zu Speyer. Textband, hg. von Hans Erich Kubach/Walter Haas (Die Kunstdenkmäler von Rheinland-Pfalz 5.1), München 1972, S. 11–71, hier S. 49–51. 4 Zum Tod Rudolfs I. siehe Kamenzin, Tode (wie Anm. 1), S. 316–325. 5 Ellenhardi chronicon, hg. von Philippe Jaffé, in: MGH. Scriptores, Bd. 17, Hannover 1861, S. 118–141, hier S. 134.

Die Beisetzung Rudolfs I. in Speyer

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­ uhestätten der Könige im 13. und 14. Jahrhundert geworfen, bevor R die Beisetzung König Rudolfs 1291 in Speyer aufgearbeitet wird. Abschließend werden weitere Entwicklungen des späteren Mittelalters und der Neuzeit skizziert.

Königliche Grablegen im 13./14. Jahrhundert Im Jahr 1291 war seit mehr als 150 Jahren keine Erstbestattung eines Königs in Speyer erfolgt.6 Zuletzt hatte der Salier Heinrich V. 1125 seine letzte Ruhestätte in der auf Wunsch seines Urgroßvaters Konrad II. errichteten Kirche gefunden.7 Mit den Beisetzungen Konrads II. 1039 und seiner Frau Gisela vier Jahre darauf war – ob intendiert oder nicht – der Startschuss für die erste und einzige kontinuierliche Königsgrablege im Reich gefallen.8 Vier Generationen salischer Könige sollten ihre letzte Ruhestätte in der Domkirche in Speyer finden.9 Doch bereits Lothar III. wandte sich von dieser Tradition ab und stiftete mit dem ‚Kaiserdom‘ in Königslutter eine andere Grablege für sich 6 Bei (königlichen) Beisetzungen muss zwischen Erstgrablege und späteren Grablegen aufgrund von Umbettungen unterschieden werden. Die zugrundeliegenden Motive treten bei Umbettungen ungleich deutlicher zutage, siehe Kamenzin, Tode (wie Anm. 1), S. 440–442. 7 Grundlegend zum Folgenden: Caspar Ehlers, Metropolis Germaniae. Studien zur Bedeutung Speyers für das Königtum (751–1250) (Veröffentlichungen des Max-PlanckInstituts für Geschichte 125), Göttingen 1996, zur Beisetzung Heinrichs V. S. 124–128; Olaf B. Rader, Erinnern für die Ewigkeit. Die Grablegen der Herrscher des Heiligen Römischen Reichs, in: Heiliges Römisches Reich Deutscher Nation 962 bis 1806. Von Otto dem Großen bis zum Ausgang des Mittelalters. Katalog der 29. Ausstellung des Europarates in Magdeburg und Berlin vom 28. August bis 10. Dezember 2006, Bd. 2: Essays, hg. von Matthias Puhle/Claus-Peter Hasse, Dresden 2006, S. 167–178; Thomas Meier, Die Archäologie des mittelalterlichen Königsgrabes im christlichen Europa (Mittelalter-Forschungen 8), Stuttgart 2002. Mit Vorsicht zu behandeln aufgrund der unkritischen, positivistischen Lesart der Quellen: Rudolf J. Meyer, Königs- und Kaiserbegräbnisse im Spätmittelalter. Von Rudolf von Habsburg bis zu Friedrich III. (Forschungen zur Kaiser- und Papstgeschichte des Mittelalters. Beihefte zu J. F. Böhmer, Regesta Imperii 19), Köln/Weimar/Wien 2000. Bislang kam den Grablegen von Königinnen oder Königswitwen nur wenig Aufmerksamkeit zu, einen Anfang macht nun Anne Foerster, Die Witwe des Königs. Zu Vorstellung, Anspruch und Performanz im englischen und deutschen Hochmittelalter (Mittelalter-Forschungen 57), Ostfildern 2018, S. 270–278. 8 Zur Beisetzung: Ehlers, Metropolis (wie Anm. 7), S. 84–88 sowie Gerold Bönnen, Zu den Voraussetzungen für die Wahl Speyers als Grablege durch König Konrad II. aus Wormser Sicht, in: Deutsche Königspfalzen, Bd. 6: Geistliche Zentralorte zwischen Liturgie, Architektur, Gottes- und Herrscherlob: Limburg und Speyer, hg. von Caspar Ehlers/Helmut Flachenecker (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte 11,6), Göttingen 2005, S. 141–156. 9 Zu den Patrozinien des Domes siehe den Beitrag von Benjamin Müsegades in diesem Band.

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Manuel Kamenzin

und seine Frau Richenza.10 Unter den Staufern änderte sich dies nicht: Kein einziger staufischer König wurde in Speyer erstbestattet. Die Grablege geriet allerdings auch nicht in Vergessenheit, hiervon zeugen zunächst die Beisetzungen Beatrix’ von Burgund, der zweiten Frau Friedrichs I., und der gemeinsamen Tochter Agnes’ 1184.11 In der Forschung wird vermutet, dass der Kaiser beabsichtigte, selbst auch in Speyer beigesetzt zu werden. Mit Sicherheit bestätigen lässt sich diese Vermutung allerdings nicht.12 Schließlich wurde Philipp II. 1213 durch seinen Neffen Friedrich II. nach Speyer umgebettet. Als einziger staufischer König fand er seine letzte Ruhestätte in Speyer – nachdem er zuvor fünf Jahre in Bamberg bestattet gewesen war. Hierbei scheint allerdings weniger das Seelenheil des Onkels oder das Ansehen des Speyerer Doms ausschlaggebend gewesen zu sein; vielmehr muss diese Umbettung in Zusammenhang mit der Position Friedrichs II. in den 1210er Jahren gesehen werden.13 In dieser strittigen Phase betonte der junge Staufer durch die Umbettung seine Abstammung aus königlichem Geschlecht und damit auch sein eigenes Königtum.14 Wohl im Rahmen dieser Umbettung wurde mit den Stuhlbrüdern eine für die Memoria der Könige und Kaiser bedeutende Institution eingerichtet.15 Es handelte sich allerdings um die letzte königliche Beisetzung in Speyer vor König Rudolf. 10 Zur Beisetzung Lothars III.: Regesta Imperii IV,1,1 Nr. 656, URI: http://www.regestaimperii.de/id/1137-12-31_1_0_4_1_1_673_656 sowie Gudrun Pischke, Lothar III.: Von Breitenwang nach Königslutter. Tradition und Neuerung um Tod und Beisetzung römisch-deutscher Könige und Kaiser (936–1256/82), in: „Nicht Ruh‘ im Grabe ließ man euch …“. Die letzte Heimat Kaiser Lothars III. im Spiegel naturwissenschaftlicher und historischer Forschungen, hg. von Tobias Henkel (Schriftenreihe der Stiftung Braunschweigischer Kulturbesitz), Braunschweig 2012, S. 98–125. Zur Beisetzung Richenzas: Foerster, Witwe (wie Anm. 7), S. 185 f. 11 Zu den Beisetzungen siehe Regesta Imperii IV,2,4 Nr. 2818, URI: http://www.regestaimperii.de/id/1184-11-15_5_0_4_2_4_239_2818 (Beatrix von Burgund) und Regesta Imperii IV,2,4 Nr. 2788, URI: http://www.regesta-imperii.de/id/1184-10-08_1_0_4_2_4_209_2788 (Prinzessin Agnes) sowie Ehlers, Metropolis (wie Anm. 7), S. 175–177. 12 Ebenda, S. 177–179; Odilo Engels, Die kaiserliche Grablege im Speyrer Dom und die Staufer, in: Papstgeschichte und Landesgeschichte. Festschrift für Hermann Jakobs zum 60. Geburtstag, hg. von Joachim Dahlhaus/Armin Kohnle (Archiv für Kulturgeschichte Beiheft 39), Köln/Weimar/Wien 1995, S. 227–254, hier S. 240; Sven Gütermann, Die Stuhlbrüder des Speyerer Domstifts. Betbrüder, Kirchendiener und Almosener des Reichs (Bensheimer Forschungen zur Personengeschichte 2), Frankfurt a. M. 2014, S. 43 f. sowie Kamenzin, Tode (wie Anm. 1), S. 448 f. 13 Quellenzusammenstellung bei: Doll, Schriftquellen (wie Anm. 3), S. 44 f. Ebenfalls zur Umbettung: Olaf B. Rader, Der umgebettete Onkel. Der Leichnam Philipps von Schwaben und die „Reichsgrablege“ Speyer, in: Philipp von Schwaben. Beiträge der internationalen Tagung anlässlich seines 800. Todestages, Wien, 29. bis 30. März 2008, hg. von Andrea Rzihacek/Renate Spreitzer (Forschungen zur Geschichte des Mittelalters 20), Wien 2009, S. 59–69. 14 Kamenzin, Tode (wie Anm. 1), S. 423–429. 15 Maßgeblich zu den Stuhlbrüdern Gütermann, Stuhlbrüder (wie Anm. 12).

Die Beisetzung Rudolfs I. in Speyer

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Die Grablege im Speyerer Dom wurde dabei nicht durch eine andere Kirche ersetzt, sondern durch eine ganze Vielzahl. Zwischen den Bestattungen Heinrichs V. und Rudolfs I. wurden römisch-deutsche Könige in zehn Kirchen beigesetzt – und an zwei unbekannten Orten.16 Die Motive für die Auswahl dieser Grablegen müssen größtenteils Vermutungen bleiben, da lediglich Friedrich II. in seinem Testament Bestimmungen über seine letzte Ruhestätte getroffen hat.17 Otto IV. legte wohl kurz vor seinem Tod fest, dass er in Braunschweig bestattet werden sollte.18 Für die Mehrheit der römisch-deutschen Könige sind wir auf Informationen aus historiographischen Quellen angewiesen. Dieser Umstand ist aus mehreren Gründen bemerkenswert: Zunächst spielte die letzte Ruhestätte in der christlichen Sterbeliturgie und in der späteren Memoria eine große Rolle. Und schließlich galt eine angemessene Grablege als Anzeichen eines guten Todes.19 Gerade Könige und Kaiser dürften die Wahl der Grablege daher nicht dem Zufall überlassen haben. Dennoch muss festgehalten werden, dass sich von einem Großteil der römischdeutschen Könige keine schriftlichen Regelungen bezüglich ihrer Grablege erhalten haben. Die schließlich genutzten Grablegen dürfen 16 Stiftskirche St. Peter und Paul, Königslutter (Lothar III.), Kloster Lorch (Heinrich [VI.]), Dom St. Peter und St. Georg, Bamberg (Konrad III./Philipp II.), Kathedrale Maria S. Assunta, Messina (Heinrich VI./Konrad IV.), Stiftskirche St. Blasius, Braunschweig (Otto IV.), Dom von Cosenza (Heinrich [VII.]), Zisterzienserinnenkloster St. Katharina, Eisenach (Heinrich Raspe), Kathedrale von Palermo (Friedrich II.), Abtei Middelburg (König Wilhelm), Zisterze Hailes (König Richard). Nicht bekannt sind die Grablege Friedrichs I. im Orient sowie die erste Grablege König Wilhelms in Friesland. Quellen und Literatur zu diesen Beisetzungen sind zusammengestellt bei Kamenzin, Tode (wie Anm. 1), S. 389–410. Nicht berücksichtigt wird hier Alfons von Kastilien, da er zum Zeitpunkt seines Todes bereits auf das römisch-deutsche Königtum verzichtet hatte. 17 MGH. Constitutiones et acta publica imperatorum et regum, Bd. 2: 1198–1272, hg. von Ludwig Weiland, Hannover 1896, Nr. 274, S. 382–389, hier S. 387 § 18: Item statuimus, ut si de presenti infirmitate nos mori contigerit, in maiori ecclesia Panormitana, in qua divi imperatoris Henrici et dive imperatricis Constantie, parentum nostrorum memorie recolende, tumulata sunt corpora, corpus nostrum debeat sepeliri. 18 Origines Guelficae […], Bd. 3, hg. von Christian Ludwig Scheidt/Gottfried Leibniz, Hannover 1750, Nr. 126, S. 661 f.: Siegfried von Hildesheim bezeugt eine Schenkung Ottos IV. an den Dekan und Konvent von St. Johannes und St. Blasius in Braunschweig. Ebenda, S. 661 hält er fest, dass der Körper des Kaisers in der Stiftskirche St. Blasius in Braunschweig bestattet werden sollte. Zu Scheverlingenburg siehe auch Anm. 27. In seinem ,Testament‘ (bei der berühmten Urkunde handelt es sich genau genommen um ein Mandat) legt Otto IV. lediglich fest, dass in Braunschweig Messen für sein Seelenheil gefeiert werden sollten. Die Grablege wird hier nicht explizit bestimmt, siehe Const. et Acta, Bd. 2 (wie Anm. 17), Nr. 42, S. 51–53. In der Narratio de morte Ottonis IV. imperatoris, in: Thesaurus novus anecdotorum […], Bd. 3, hg. von Edmond Martène/ Ursinus Durand, Paris 1717, Sp. 1373–1378, hier Sp. 1378 findet sich jedoch die Angabe: De loco sepulturae et forma exiequiarum ex toto ordinavit. Zum Tod Ottos IV. Kamenzin, Tode (wie Anm. 1), S. 86–95, zur Grablege ebenda, S. 394 f. 19 Ebenda, S. 48 f.

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Manuel Kamenzin

nicht schlicht als intendiert gesehen werden, da es Gegenbeispiele gibt, die bezeugen, dass Könige und auch Kaiser gegen ihren bekundeten Willen an anderen Orten beigesetzt wurden.20 Dies führt zur Frage, welche Faktoren bei der Auswahl einer könig­ lichen Grablege relevant waren. Hier müssen zunächst äußere Umstände beachtet werden. Gerade was die Erstgrablege betrifft, hatte der Sterbeort einen überraschend großen Einfluss. Maßgeblicher Grund für die Beisetzungen Konrads III. und Philipps II. in Bamberg war wohl der Umstand, dass diese Könige in Bamberg verstarben.21 Auch bei den unbekannten (Erst)Grablegen Friedrichs I. und König Wilhelms war der Sterbeort entscheidend.22 Schließlich muss noch die Grablege Heinrichs (VII.) im Dom von Cosenza mit der Nähe zum Sterbeort begründet werden.23

20 Ein bekanntes Beispiel ist Karl der Große, der in einer Urkunde festhielt, dass er in St. Denis bestattet werden sollte, von seinen Getreuen jedoch in Aachen beigesetzt wurde, hierzu Stefan Weinfurter, Karl der Grosse. Der heilige Barbar, München/Zürich 2013, S. 258 f. Ein weiteres Beispiel stellt Konrad III. dar, siehe hierzu Anm. 21. 21 Weitere Faktoren dürften die guten Beziehungen beider Könige zu Bamberg gewesen sein, siehe Sven Pflefka, Das Bistum Bamberg, Franken und das Reich in der Stauferzeit. Der Bamberger Bischof im Elitengefüge des Reichs 1138–1245 (Darstellungen aus der fränkischen Geschichte 49), Volkach 2005, S. 202–214 (Konrad III.), S. 225–228 (Philipp II.). Philipp II. hatte darüber hinaus 1201 die Translation Kaiserin Kunigundes im Bamberger Dom genutzt, um seine Rechtmäßigkeit angesichts der gerade ausgesprochenen päpstlichen Exkommunikation zu betonen, siehe hierzu Bernd Schneid­ müller, Heinrich II. und Kunigunde. Das heilige Kaiserpaar des Mittelalters, in: Kunigunde – consors regni, hg. von Stefanie Dick/Jörg Jarnut/Matthias Wemhoff, München 2004, S. 29–46, hier S. 44. Es ist allerdings fraglich, ob diese Bezüge unter anderen Umständen für Beisetzungen in Bamberg ausgereicht hätten. – Otto von Freising scheint die Grablege Konrads III. in Bamberg rechtfertigen zu müssen, er überliefert die Anekdote, dass der Bamberger Klerus es für das Schicklichste und Ehrenhafteste gehalten habe, wenn Konrad neben dem heiligen Kaiser Heinrich II. beigesetzt werde, während die familiares des verstorbenen Königs behauptet hätten, es sei der Wunsch des Königs gewesen, in Lorch bestattet zu werden, Otto von Freising/Rahewin, Gesta Friderici I imperatoris, hg. von Bernhard von Simson/Georg Waitz, in: MGH. Scriptores rerum Germanicarum Bd. [46], Hannover/Leipzig 1912, lib. II, cap. 71, S. 98. Die Beisetzung Konrads in Bamberg erklärt sich jedoch schlüssig aus der Situation, in der sich sein Nachfolger Friedrich I. 1152 befand, Knut Görich, Friedrich Barbarossa. Eine Biographie, München 2011, S. 92. 22 Zur Grablege Friedrichs I. jetzt Romedio Schmitz-Esser, Ertrinken, Kochen, Bestatten: Der Leichnam Friedrich Barbarossas, in: Friedrich Barbarossa, hg. von der Gesellschaft für staufische Geschichte e. V. (Schriften zur staufischen Geschichte und Kunst 36), Göppingen 2017, S. 158–172. Zu König Wilhelm siehe Jan W. J. Burgers, Eer en Schande van Floris V. Twee oude twistpunten over de geschiedenis van een Hollandse graaf, in: Holland 30, 1998, S.  1–21; Erich H. P. Cordfunke, Willem II. graf van Holland en roomskoning. Een zoektocht naar het koningsgraf in Middelburg, Zutphen 2013 und Kamenzin, Tode (wie Anm. 1), S. 249–272. 23 Der genaue Todesort Heinrichs (VII.) lässt sich nicht bestimmen, die Quellen geben Neocastro, Martirano oder den Weg zwischen diesen Orten an, Regesta Imperii V,1,2 Nr. 4383n, URI: http://www.regesta-imperii.de/regesten/5-1-2-staufer/nr/1242-0212_1_0_5_1_2_700_4383n.html. Zum Tod Heinrichs (VII.) siehe Kamenzin, Tode (wie

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Als zweiter Faktor müssen dynastische Gepflogenheiten genannt werden: Heinrich (VI.), Otto IV. und Heinrich Raspe wurden jeweils in einer Grablege mit familiärer Tradition beigesetzt.24 Auch die süditalienischen (Erst)Grablegen der Staufer Heinrich VI., Friedrich II. und Konrad IV. lassen sich auf diesen Faktor zurückführen.25 Den dritten

Anm. 1), S. 50–63. – Friedrich II. hatte 1222 an der Weihe des Doms von Cosenza teilgenommen (Regesta Imperii V,1,1 Nr. 1371a, URI: http://www.regesta-imperii.de/ regesten/5-1-1-staufer/nr/1222-01-30_1_0_5_1_1_2062_1371a.html). Allerdings verstarb 1241 Abt Obizio von Cosenza, zu dem der Staufer ein gutes Verhältnis hatte, und es ist nicht bekannt, wer 1242 Abt war, Norbert Kamp, Kirche und Monarchie im staufischen Königreich Sizilien, Bd. 1,2: Apulien und Kalabrien (Münstersche Mittelalter-Schriften 1,2), Münster 1975, S. 840–844. 24 Zur Grablege Heinrichs (VI.) in Lorch siehe Rader, Grablegen (wie Anm. 7), S. 25; zu Otto IV. in Braunschweig siehe Caspar Ehlers, Die Bestattung Ottos IV. in der Braunschweiger Stiftskirche St. Blasius im Kontext der deutschen Königsgrablegen. Tradition oder Innovation?, in: Otto IV. Traum vom welfischen Kaisertum, hg. von Bernd Ulrich Hucker/Stefanie Hahn/Hans-Jürgen Derda, Petersberg 2009, S.  289–296; zu Heinrich Raspe Volker Graupner, Eisenach, St. Katharinen, in: Die Mönchs- und Nonnenklöster der Zisterzienser in Thüringen und Hessen, hg. von Friedhelm Jürgensmeier/Regina Elisabeth Schwerdtfeger (Germania Benedicta 4,1), St. Ottilien 2011, S. 580–599, hier S. 581 f. 25 Die Kathedrale Maria S. Assunta in Messina als (Erst)Grablege Heinrichs VI. und Konrads IV. stellt dabei genaugenommen eine Vermischung der Faktoren dar: Heinrich VI. hatte am 25. September 1197, kurz vor seinem Tod, festgelegt, dass die seit langer Zeit ungeweihte Kirche geweiht werden sollte, Regesta Imperii IV,3 Nr. 611, URI: http:// www.regesta-imperii.de/regesten/4-3-1-heinrich-vi/nr/1197-09-25_1_0_4_3_1_707_ 611.html. Drei Tage später starb der Kaiser in einem nahegelegenen Waldgebiet (ein Teil der Überlieferung ist erfasst bei Regesta Imperii IV,3 Nr. 614a, URI: http://www. regesta-imperii.de/regesten/4-3-1-heinrich-vi/nr/1197-09-28_1_0_4_3_1_711_614a. html; zum Tod Heinrichs VI. siehe Kamenzin, Tode [wie Anm. 1], S. 73–85.) und wurde zunächst in Messina beigesetzt, was durch die Nähe zum Todesort und die oben skizzierte Bindung erklärt werden kann. 1198 wurde Heinrich VI. auf Betreiben seiner Frau Konstanze nach Palermo, in die Krönungskirche der sizilianischen Könige und Grablege ihres Vaters Roger II. umgebettet, siehe hierzu Josef Deér, The Dynastic Porphyry Tombs of the Norman Period in Sicily (Dumbarton Oaks Studies 5), Cambridge 1959, S. 83 f. sowie Joachim Poeschke, Regum Monumenta. Kaiser Friedrich II. und die Grabmäler der normannisch-staufischen Könige von Sizilien im Dom von Palermo (Römische Forschungen der Bibliothek Hertziana 35), München 2011, S. 29 f., 39 f. Konstanze selbst legte in ihrem fragmentarisch überlieferten Testament fest, dass auch sie in Palermo beigesetzt werden sollte, Die Urkunden der Kaiserin Konstanze, hg. von Theo Kölzer (MGH. Diplomata 11.3), Hannover 1990, Deperditum 71, S. 279–281. Siehe auch Foerster, Witwe (wie Anm. 7), S.  187–189. In diese nunmehr familiäre Tradition reihte sich Friedrich II. in seinem Testament unter expliziter Bezugnahme auf seine Eltern ein, siehe Anm. 17. Konrad IV. starb 1254 im Heerlager bei Lavello in der Nähe von Melfi (Regesta Imperii V,1,2 NR. 4632a, URI: http://www.regesta-imperii.de/ regesten/5-1-2-staufer/nr/1254-05-21_1_0_5_1_2_1105_4632a.html; zum Tod Konrads IV. siehe Kamenzin, Tode [wie Anm. 1], S. 131–142). Von seinem Testament ist nur ein Fragment überliefert, die Grablege wird hierin nicht bestimmt, MGH. Constitutiones 2 (wie Anm. 17), Nr. 345, S. 452 f. Höchst wahrscheinlich fand er seine letzte Ruhestätte in einem heute zerstörten Teil der Kathedrale von Messina. Ob ein Weitertransport nach Palermo geplant war, kann nicht sicher ausgemacht werden (siehe hierzu das oben zitierte Regest Regesta Imperii V,1,2 Nr. 4632a sowie Kamenzin, Tode [wie Anm. 1], S. 401–404.). Allerdings wies auch die Kathedrale von Messina als Erstgrablege Heinrichs VI. eine familiäre Tradition auf.

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wichtigen Faktor stellten schließlich eigene Gründungen dar, wie die bereits angesprochene Grablege Lothars III. und seiner Gattin in Königslutter, aber auch die letzte Ruhestätte König Richards in der von ihm gestifteten Zisterze in Hailes bezeugen.26 Die zweite Grablege König Wilhelms in der von ihm zur Abteikirche erhobenen Kirche des Norbertinerklosters in Middelburg ist ebenfalls als Grablege aufgrund eigener Gründung zu werten, auch wenn König Wilhelm hier nicht seine erste Ruhestätte fand und sein Sohn Floris V. für seine Umbettung verantwortlich war.27 Während äußere Umstände, familiäre Traditionen und eigene Gründungen somit mehr als anderthalb Jahrhunderte dafür sorgten, dass die römisch-deutschen Könige nicht in Speyer beigesetzt wurden, herrschte bei einzelnen Chronisten eine andere Sicht vor: So gab Otto von St. Blasien an, Konrad III. sei in Speyer bestattet, ein Mönch des Klosters auf dem Petersberg bei Halle berichtete, die Knochen Friedrichs I. seien ebenfalls dort beigesetzt und ein Erfurter Minorit ver­ ortete auch die Grablege Heinrichs VI. in Spira.28

Zusammen, was zusammengehört? Die Beisetzung Rudolfs von Habsburg in Speyer Während die Grablegetradition somit de facto seit geraumer Zeit unterbrochen war, blieb Speyer zumindest in der Vorstellung einiger 26 Zu Königslutter siehe Anm. 10. Zur Zisterze Hailes: Danielle Westerhof, Death and the Noble Body in Medieval England, Woodbridge 2008, S. 59–64. 27 Siehe Anm. 22. – Es gibt Spekulationen, ob Otto IV. bis kurz vor seinem Tod plante, in seiner eigenen Gründung Kloster Scheverlingenburg beigesetzt zu werden, zur Diskussion siehe Bernd Ulrich Hucker, Kaiser Otto IV. (MGH. Schriften 34), Hannover 1990, S. 255. Es lassen sich allerdings keine konkreten Bestimmungen ausmachen. Das einzige Indiz ist die in Anm. 18 zitierte Urkunde. 28 Ottonis de Sancto Blasio Chronica, hg. von Adolf Hofmeister (MGH. Scriptores rerum Germanicarum Bd. [47]), Hannover 1912, cap. 4, S. 5: […] Chounradus rex moritur, eodem videlicet anno, quo hospitatus est in civitate Friburgensi, Spiramque deportatus obsequiis regalibus sepelitur […]. Chronica minor auctore Minorita Erphordensi, hg. von Oswald Holder-Egger, in: MGH. Scriptores rerum Germanicarum, Bd. [42], Hannover 1899, S. 524–704, hier S. 643: Iste imperator Heinricus veneno interiit et sepultus est in Spira. Chronicon Montis Sereni, hg. von Ernst Ehrenfeuchter, in: MGH. Scriptores, Bd. 23, Hannover 1874, S. 130–226, hier S. 162: Translatus est autem a militibus in civitatem Seleph, ubi et intestina eius humata sunt, corpus vero Antiochiam delatum ibique elixatum est et caro quidem in ipsa civitate terre tradita, ossa vero Spiram reportata et tumulata sunt. Zu diesen Verortungen: Ehlers, Metropolis (wie Anm. 7), S. 231; Caspar Ehlers, Ein Erinnerungsort im 12. Jahrhundert. Speyer, in: Deutsche Königspfalzen, Bd. 6 (wie Anm. 8), S. 119–140, hier S. 138; Olaf B. Rader, Die Grablegen der Staufer als Erinnerungsorte, in: Verwandlungen des Stauferreichs. Drei Innovationsregionen im mittelalterlichen Europa, hg. von Bernd Schneidmüller/Stefan Weinfurter/Alfred Wieczorek, Darmstadt 2010, S. 20–33, hier S. 27; Rader, Onkel (wie Anm. 13), S. 60 f.; Rader, Erinnern (wie Anm. 7), S. 178 f.; Gütermann, Stuhlbrüder (wie Anm. 12), S. 62–64.

Die Beisetzung Rudolfs I. in Speyer

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Chronisten der Ort, an dem Könige schlicht bestattet sein mussten. Erst mit der Beisetzung König Rudolfs wurde diese Tradition wirklich wieder aufgegriffen. Es kann nicht mit Sicherheit festgestellt werden, wann diese Entscheidung getroffen wurde und ob dies dem Willen des Habsburgers entsprach, da, wie bereits erwähnt, kein Testament König Rudolfs erhalten ist.29 Eine Reihe späterer Chronisten hat mit dem Grabesritt des kranken Habsburgers von Germersheim nach Speyer eine Erklärung für die Grablege gefunden:30 In Germersheim habe der kranke König erkannt, dass er nicht mehr lange leben werde und daher sei er nach Speyer geritten, um bei den römisch-deutschen Königen und Kaisern zu sterben und bestattet zu werden. Die Forschung ordnet dies Rudolfs Bestrebungen zu, an die salischen und vor allem staufischen Könige anzuknüpfen.31 29 Das erste erhaltene Testament eines Habsburgerherrschers ist das Testament Friedrichs des Schönen. Auch er wählte in seinem letzten Willen jedoch nicht explizit seine Grablege aus, er legte lediglich den Abt der von ihm gegründeten Kartause Mauerbach als Testamentsvollstrecker fest – später wurde Friedrich in der Kartause beigesetzt. Auch hier war somit die Bindung an die eigene Gründung ausschlaggebend. Das Testament ist ediert bei: Karin Proetel, Großes Werk eines „kleinen Königs“. Das Vermächtnis Friedrichs des Schönen zwischen Disposition und Durchführung, in: Stiftungen und Stiftungswirklichkeiten. Vom Mittelalter bis zur Gegenwart, hg. von Michael Borgolte (StiftungsGeschichten 1), Berlin 2000, S. 59–95, hier S. 78–86. 30 Es gibt kaum Vergleichsbeispiele für solches Verhalten vor dem Tod. Einzig Pippin der Jüngere soll 768 nach St. Denis geritten sein, um dort zu sterben, hierzu Achim Thomas Hack, Alter, Tod, Krankheit und Herrschaft im frühen Mittelalter. Das Beispiel der Karolinger (Monographien zur Geschichte des Mittelalters 56), Stuttgart 2009, S. 316. Michael Borgolte, Der Leichenschändung frische Trümmer, 09.01.2001, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, URL: http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/buecher/rezension-sachbuch-der-leichenschaendung-frische-truemmer-11269740.html (Rezension zu Meyer, Königs- und Kaiserbegräbnisse [wie Anm. 7]), weist auf die französischen Könige Philipp IV. und Philipp V. als Vergleichsbeispiele hin. Diese Vergleiche tragen allerdings nur bedingt: Philipp IV. wurde 1314 zu seiner Geburtsstätte, dem Schloss Fontainebleau, gebracht und verstarb dort. Sein Körper wurde in St. Denis, sein Herz und seine Eingeweide im Kloster Poissy beigesetzt, siehe Charles Baudon de Mony, La mort et les funérailles de Philippe le Bel d‘après un compte rendu à la cour de Majorquein, in: Bibliothèque de l‘École des chartes 58, 1897, S. 5–14. Philipp V. wurde 1322 zur Abtei Longchamp in der Nähe von Paris transportiert, wo er nach drei Monaten verstarb. Sein Körper wurde in St. Denis beigesetzt, sein Herz im Couvent des Cordeliers (Paris) und seine Eingeweide im Couvent Saint-Jacques (Paris), siehe Elizabeth A. R. Brown, The Ceremonial of Royal Succession in Capetian France. The Funeral of Philip V, in: Speculum 55, 1980, S. 266–293. Es handelte sich somit nicht um Reisen zur beabsichtigten Grabstätte, wenn auch beide Herrscher ihren Sterbeorten eine besondere Bedeutung beimaßen und weite Reisen in Kauf nahmen, um diese zu erreichen. 31 Franz-Reiner Erkens, Zwischen staufischer Tradition und dynastischer Orientierung: Das Königtum Rudolfs von Habsburg, in: Rudolf von Habsburg (1273-1291). Eine Königsherrschaft zwischen Tradition und Wandel, hg. von Egon Boshof/Franz-Reiner Erkens (Passauer historische Forschungen 7), Köln 1997, S. 33–58, hier S. 36. Ihm folgend: Martin Kaufhold, Deutsches Interregnum und europäische Politik. Konfliktlösungen und Entscheidungsstrukturen 1230–1280 (MGH. Schriften 49), Hannover 2008, S. 129 sowie Meyer, Königs- und Kaiserbegräbnisse (wie Anm. 7), S. 19–30/S. 215 f.

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Vor der Beisetzung hatte König Rudolf keine besondere Beziehung zur Stadt Speyer und der Grablege.32 Verbindungen zu anderen potentiell in Frage kommenden Grablegen hatte der Habsburger aber durchaus: 1260 wurde seine Mutter Hedwig von Kyburg in der ältesten Grablege der Habsburger im Kloster Muri beigesetzt.33 Wichtiger dürfte allerdings das Münster von Basel gewesen sein, hier ließ Rudolf seine erste Frau Anna sowie seine Söhne Karl und Hartmann beisetzen.34 Und schließlich muss noch Rudolfs eigene Gründung, das nach dem Sieg über Ottokar II. gestiftete Dominikanerkloster Tulln, genannt werden. Hier ließ der König wohl einen Sohn namens Friedrich bestatten.35 Es mangelte somit nicht an Alternativen und dennoch wurde der König in der seit geraumer Zeit nicht mehr genutzten Grablege in der Speyerer Kirche beigesetzt, zu der er keine besondere Bindung aufgebaut hatte. 32 Abgesehen von den Streitigkeiten mit Bischof Friedrich von Bolanden, siehe Anm. 66. Zum Verhältnis Rudolfs I. zu Speyer siehe den Beitrag von Kurt Andermann in diesem Band. – Es muss zudem festgehalten werden, dass Rudolf I. nicht in den Speyerer Nekrolog II eingetragen wurde, Wolfgang Metz, Das älteste Nekrolog des Speyerer Domstifts, in: Archiv für Diplomatik 29, 1983, S. 193–208, hier S. 199. Zur Quelle siehe Hansjörg Grafen, Spuren der ältesten Speyrer Necrologüberlieferung. Ein verlorenes Totenbuch aus dem 11. Jahrhundert, in: Frühmittelalterliche Studien 19, 1985, S. 379– 431. Es gibt jedoch ein Zeugnis von Memorialpflege: In einer Urkunde vom 3. November 1300 übertrug Albrecht I. eine Pfründe an einen von ihm für das Seelenheil König Rudolfs und seiner eigenen Nachfahren gestifteten Altar im Speyerer Dom, Regesta episcoporum Constantiensium. Regesten der Bischöfe von Constanz, Bd. 2: 1293–1383, bearb. von Alexander Cartellieri, Innsbruck 1905, Nr. 3200, S. 36. Ich danke Benjamin Müsegades (Heidelberg) für den Hinweis. 33 Zu den Grablegen der Habsburger siehe Brigitta Lauro, Die Grabstätten der Habsburger. Kunstdenkmale einer europäischen Dynastie, Wien 2007, hier S. 11. Darüber hinaus sei auf das Projekt „Dynastie im Raum“ von Mark Sven Hengerer, Isabella Hödl-Notter und Julian Schulz (alle München) zur epochenübergreifenden Darstellung der Habsburgergrablegen verwiesen. Einen Eindruck vermittelt: http:// www.habsburg.gwi.uni-muenchen.de/. Albrecht IV. von Habsburg, König Rudolfs Vater, verstarb 1239 auf Kreuzzug im Heiligen Land, zu seiner Grablege gibt es keine gesicherten Informationen, siehe Paul Kläui, Albrecht IV., der Weise, in: Neue Deutsche Biographie, Bd. 1, Berlin 1953, S. 164. Auch die traditionelle Grablege der Babenberger als Vorgänger der Habsburger in den Herzogtümern Österreich und Steiermark in der Abtei Heiligenkreuz wurde von Rudolf I. genutzt, er ließ hier 1280 seine beiden Enkel Rudolf und Heinrich beisetzen, Lauro, Grabstätten (wie Anm. 33), S. 18. 34 Thomas Zotz, Zentren und Peripherien des habsburgischen Imperiums im Mittelalter, in: Habsburger Herrschaft vor Ort – weltweit (1300–1600), hg. von Jeanenette Rauschert/Simon Teuscher/Thomas Zotz, Ostfildern 2013, S. 19–34, hier S. 23 betont die Funktion von Basel als Memorialzentrum der Habsburger. 35 Im 19. Jahrhundert kam die Legende auf, das Herz König Rudolfs sei in Tulln bestattet, allerdings gibt es hierfür keine zeitgenössischen Belege, siehe Barbara Schedl, Der König und seine Klosterstiftung in der Stadt Tulln. Eine Selbstinszenierung Rudolfs I. im Herzogtum Österreich (Beiträge zur Kirchengeschichte Niederösterreichs 14), St. Pölten 2004, S. 29. Zu Tulln als Grablege: Lauro, Grabstätten (wie Anm. 33), S. 44.

Die Beisetzung Rudolfs I. in Speyer

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Bei den bisherigen Untersuchungen von Sterben und Beisetzung Rudolfs I. wurde das früheste erhaltene Zeugnis bislang kaum beachtet.36 Noch im Juli 1291 schrieb Theodericus von Orvieto, päpstlicher Kaplan und Prior von Santa Anna, an Kardinalbischof Gerardus Blancus einen Brief, in dem er auch von der Krankheit und dem Tod Rudolfs I. berichtete.37 Dieser Brief bietet eine von den späteren Chronisten abweichende Sicht auf die Ereignisse: Der an einer unbekannten Krankheit leidende König sei nicht auf dem Landweg, sondern über den Rhein – mit einem Schiff – nach Speyer gereist und auch nicht, um dort zu sterben, sondern in der Hoffnung durch die bessere Luft gesund zu werden. Nach dem Empfang der Sterbesakramente sei er dort verstorben.38 Kein Grabesritt und auch kein Anknüpfen an Traditionen, sondern wieder einmal äußere Umstände führten nach diesem Brief zur ersten Erstbestattung eines römisch-deutschen Königs in Speyer nach anderthalb Jahrhunderten. In der chronikalischen Tradition etablierte sich indes eine andere Version, deren Ausgangspunkt die Ausführungen Gottfrieds von Ensmingen in der sogenannten Ellenhards Chronik bilden. Der Chronist soll diese Schilderung dabei als Nachtrag im Jahr 1291 verfasst haben:39 König Rudolf sei während eines Aufenthalts in Straßburg seine Krankheit bewusst geworden, woraufhin er sich von der Stadt und den Bürgern verabschiedet habe und nach Germersheim gereist sei. Dort habe

36 Regesta Imperii VI,1 Nr. 2518b (wie Anm. 3); Oswald Redlich, Rudolf von Habsburg. Das Deutsche Reich nach dem Untergange des alten Kaisertums, Innsbruck 1903, S. 730 sowie Meyer, Königs- und Kaiserbegräbnisse (wie Anm. 7), S. 19 f. nehmen den Brief nicht zur Kenntnis. Karl-Friedrich Krieger, Rudolf von Habsburg (Gestalten des Mittelalters und der Renaissance), Darmstadt 2003, S. 227 f., Anm. 48 führt den Brief in den Anmerkungen an, bindet ihn allerdings nicht in seine Interpretation ein. 37 Erstmals hat Georg Heinrich Pertz, Italienische Reise vom November 1823 bis August 1824, in: Archiv der Gesellschaft für ältere deutsche Geschichtskunde 5, 1824/25, S. 1–514, hier S. 396 auf den Brief im Codex Vat. lat. 5985 aufmerksam gemacht. Der Codex bietet eine Abschrift des Briefbuches des Petrus von Vienna, auf die der Brief folgt. Der Brief wurde eingehender vorgestellt und ediert von Hans-Martin Schaller, Ein Brief über den Tod König Rudolfs von Habsburg, in: Forschungen zur Reichs-, Papst- und Landesgeschichte. Peter Herde zum 65. Geburtstag von Freunden, Schülern und Kollegen dargebracht, Bd. 2, hg. von Karl Borchardt/Enno Bünz, Stuttgart 1998, S. 575–581. Siehe auch den Beitrag von Bernd Schneidmüller in diesem Band. 38 Schaller, Brief (wie Anm. 37), S. 580: Noscat itaque vestre paternitatis reverentia dominum regem Romanorum XVo die mensis Iulii decessisse, quadam enim per dies plurimos debilitate detentus, ex quadam occulta intrinsecus infirmitate gravatus, ex qua in lecto egritudinis non iacebat, sedendo in suo quietis solio et loquendo astantibus, in confessione devota recepto salutis viatico in civitate Spiren[si], ad quam de Germesichin per Renum, qui inibi labitur, venerate, credens invenire aerem meliorem, quemadmodum placuit altissimo, exspiravit. 39 Dieter Mertens, Art. „Gottfried von Ensmingen“, in: Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon, Bd. 3, 2. Aufl. Berlin/New York 1981, Sp. 123–125, hier Sp. 124.

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er erkannt, dass ihm nur noch wenig Zeit bleibe, weshalb er seine Angelegenheiten geregelt und sich von den Seinigen verabschiedet habe. Es folgt die Reise nach Speyer, das als altehrwürdige Königsgrablege charakterisiert wird. Am Tag nach seiner Ankunft sei König Rudolf verstorben und im Dom beigesetzt worden – „wie es sich für einen König der Römer gehört“.40 Bei dieser lebhaften Schilderung müssen einige Besonderheiten beachtet werden: Die von Gottfried von Ensmingen überlieferten Details sind nicht über Zweifel erhaben, so ist beispielsweise der Straßburg-Aufenthalt einzig in dieser Chronik überliefert und mit dem Itinerar Rudolfs I. nur schwer in Einklang zu bringen.41 Darüber hinaus liegt die Erzählabsicht hier klar darauf, den Habsburger einen guten Tod sterben zu lassen – mit dem Erkennen des herannahenden Todes, mehrfachen Verabschiedungen, der Regelung der irdischen Angelegenheiten und der auf den Tod folgenden Beschreibung übernatürlicher Zeichen werden klassische Topoi eines guten Todes angeführt.42 Schließlich muss betont werden, dass in dieser frühen Schilderung der Schwerpunkt nicht auf dem Grabesritt nach Speyer liegt, sondern auf den Anzeichen eines guten Todes. Die Erzähltradition vom Grabesritt nahm wohl ihren Anfang mit der Chronik Ellenhards, wirkmächtiger sollte allerdings eine andere Version werden. Nach 1309 baute Ottokar von Geul die Vorlage in seiner Steierischen Reimchronik deutlich aus.43 Seine ausführlichen Verse prägten die weitere Überlieferung. Der Dichter fügte dem Narrativ zahlreiche Details hinzu, beispielsweise wird der herannahende Tod 40 Ellenhardi chronicon (wie Anm. 5), S. 134: Dominus enim Ruodolfus rex predictus a castro Germersheim se transtulit Spiram, in qua civitate Spirensi reges Romanorum a antiquo consueverunt inhumari, die videlicet sabbathi, cum die dominico sequenti esset moriturus.[…] Feria autem secunda sequenti corpus recolende memorie domini Rudolfi regis cum magna sollempnitate, sicut decuit Romanorum regem, traditum fuit ecclesiastice sepulture in ecclesia Spirensi. 41 Ebenda: Gottfried von Ensmingen berichtet von einem achttägigen Aufenthalt in Straßburg. Dies wäre lediglich zwischen dem Aufenthalt in Germersheim am 13. Juni (Regesta Imperii VI,1 Nr. 2486, URI: http://www.regesta-imperii.de/regesten/6-1-0-rudolf-i/nr/1291-06-13_3_0_6_1_0_2819_2486.html) und dem Aufenthalt in Hagenau am 17. Juni (Regesta Imperii VI,1 Nr. 2487, URI: http://www.regesta-imperii.de/regesten/61-0-rudolf-i/nr/1291-06-17_1_0_6_1_0_2821_2487.html) möglich, was sich nicht mit den Angaben in der Ellenhards Chronik in Einklang bringen lässt. 42 Ellenhardi chronicon (wie Anm. 5), S. 134. Die Anzeichen guter und schlechter Tode in der mittelalterlichen Historiographie werden aufgearbeitet bei Kamenzin, Tode (wie Anm. 1), S. 20–49. 43 Zur Chronik Ellenhards als Vorlage der Reimchronik: Alphons Lhotsky, Quellenkunde zur mittelalterlichen Geschichte Österreichs (Mitteilungen des Instituts für österreichische Geschichtsforschung. Ergänzungsband 19), Graz/Köln 1963, S. 288 f. Maja Loehr, Der Steirische Reimchronist: her Otacher oûz der Geul, in: Mitteilungen des Instituts für österreichische Geschichtsforschung 51, 1937, S. 89–130, hier S. 119 vermutet, Ottokar hätte die Chronik Ellenhards zwischen 1287 und 1297 während seiner Wanderschaft in Straßburg einsehen können.

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dem König hier nicht mehr selbst bewusst, sondern vielmehr wird ihm dies von seinen Ärzten beim Schachspiel mitgeteilt.44 In der Reimchronik wird auch erstmals der Ausruf des Königs wiedergegeben, er wolle nach Speyer zu seinen königlichen Vorfahren reisen, aus eigener Kraft, denn er wolle selbst reiten und nicht später von anderen gebracht werden.45 Als einzige Quelle bietet die Steierische Reimchronik dabei auch Details zum Grabesritt von Germersheim nach Speyer.46 Am Ziel habe sich der König niedergelegt, ihm sei vorgelesen worden und er habe die letzte Kommunion und Ölung empfangen. Schließlich sei König Rudolf zum von den Ärzten angekündigten Zeitpunkt verstorben.47 Es folgen ein Appell des Dichters an den Erzengel Michael, er solle seines Amtes walten und die Seele des Königs in die Reihen der Engel führen, sowie eine Beschreibung des Grabmals.48 Es lässt sich nicht sicher ausmachen, woher Ottokar seine zusätzlichen Informationen nahm, allerdings gibt es Hinweise. Zwei Bestandteile hat er aus seinem eigenen Repertoire übernommen: Auch der Staufer Konradin soll der Reimchronik zufolge beim Schachspiel von seinem bevorstehenden Tod erfahren haben und die Rede des Arztes, der König Rudolf ebendiese Nachricht mitteilt, weist starke Ähnlichkeiten zu einer Ansprache auf, die König Rudolf selbst am Sterbebett seiner Frau Anna in den Mund gelegt wird.49 Dass es sich bei der Reaktion des Habsburgers auf die Nachricht der Ärzte um ein herausragendes Beispiel handeln soll, machte der Dichter zu Beginn mit mahnenden Worten klar: Auf die Zeilen Nû prüevet unde merket/ ein dinc, daz übersterket/ all die manheit,/ von der ich ê hân geseit: […] ich hân gehôret vil/ und hân ez ouch gesehen,/ daz ez ist geschehen,/ swen man den liuten seit/ solich hezenleit,/ daz si verzagent sô sêre,/ daz si sich sîn niht mere/ an ir kraft envollen/ mugen erhollen/ und vor zagheit verderbent,/ daz si dâvon sterbent./ der kunic 44 Ottokars Österreichische Reimchronik, hg. von Joseph Seemüller (MGH. Deutsche Chroniken 5), 2 Bde., Hannover 1890, Bd. 1, S. 506, V. 38905–38916. Im Folgenden als „Steierische Reimchronik“ zitiert. 45 Ebenda, S. 507, V. 38986–39000: zuo den andern hin, will ich/ […] an dieser frist,/ hinz Spîre, dâ ir mêre ist/ mîner vovarn,/ die ouch kunige wârn;/ den will ich in belîbens siten/ zuo komen geriten,/ so daz mich nieman darf füeren dar. 46 Ebenda, V. 39041–39046: darnâch begunden werben, die sin tugent erkanden, allenthalben in den landen/ begundens an den wîlen/ zuo den strâzen ilen,/ daz er si sach und si in. 47 Ebenda, S. 508, V. 39047–39073. 48 Ebenda, S. 508 f., V. 39077–39233. 49 Konradin: Ebenda, S. 43, V. 3175–3179. Zu Königin Anna: vgl. ebenda, S. 506, V. 38928– 38957 (mit Anm. 1) mit ebenda, S. 251, V. 18928–18960. – Bereits Arnold Busson, Beiträge zur Kritik der steyerischen Reimchronik und zur Reichsgeschichte im 13. und 14. Jahrhundert. 4: Die letzten Staufer (Sitzungsberichte. Akademie der Wissenschaften in Wien, Philosophisch-Historische Klasse 126,10), Wien 1892, S. 22 f. hat nachgewiesen, dass Ottokar das Detail des Schachspiels bei Konradin aus der Chronik des Riccobaldus von Ferrara übernommen hat.

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des niht entet50 folgt der Ausruf, der König wolle nach Speyer reiten. König Rudolf zeigt somit gerade kein Verzagen und keinen Mangel an Schaffenskraft. Auch der Ritt nach Speyer wird mit ähnlichen Worten eingeleitet: Nû prüevet unde nemet war,/ob iwer dheiner hab gesehen,/ daz ez mêre sî geschehen,/ daz ein kunic geriten hab/ mit verdâhtem muote zuo dem grab.51 Ausdrücklicher könnte die Einzigartigkeit des Grabesritts nicht betont werden. Aus welcher Perspektive Ottokar diese Erzählung konstruierte, ist im Ausspruch des Königs angedeutet: Rudolf will eigenmächtig nach Speyer reiten, so dass er nicht dorthin gebracht werden muss.52 Hierin kann eine direkte Anspielung auf die Umbettung der Könige Adolf und Albrecht I. nach Speyer durch Heinrich VII. im Jahr 1309 gesehen werden, von der die Reimchronik ausführlich berichtet.53 Da die Verse der Reimchronik zu Tod und Beisetzung König Rudolfs gerade (kurz) nach 1309 abgefasst wurden,54 muss im Abfassungszeitraum der Schlüsselmoment der Ausgestaltung gesehen werden: Unter dem direkten Eindruck der Umbettungen von 1309 baute Ottokar die Schilderung aus Ellenhards Chronik aus. Aus den Anzeichen eines guten Todes in der Schilderung Gottfrieds von Ensmingen wurden Bestandteile einer Erzählung vom einzigartigen, intentionalen Grabesritt. Im Gegensatz zu König Adolf und Albrecht I. gelangte Rudolf I. laut Ottokar aus eigener Kraft nach Speyer. Ottokars Schilderung hatte großen Einfluss – wenn spätere Chronisten ausführlich von Tod und Beisetzung König Rudolfs berichteten, griffen sie diese Variante auf. So schuf der anonyme Schreiber der Öster­ reichische Chronik der 95 Herrschaften in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts eine kürzere Version der Geschichte, in welcher die Frömmigkeit des Königs besonders betont wurde.55 Zwischen 1330 und 50 51 52 53 54

Ottokar, Steierische Reimchronik (wie Anm. 44), S. 504 f., V. 38958–38980. Ebenda, S. 507, V. 39001–39005. Siehe Anm. 45. Siehe Anm. 80. Zur Datierung der Verse siehe Joseph Seemüller, Einleitung, in: Ottokars Österreichische Reimchronik (wie Anm. 44), S. VII–CXXV, hier S. LXXXVII sowie Eberhard Kranzmayer, Die steierische Reimchronik Ottokars und ihre Sprache (Sitzungsberichte. Österreichische Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-historische Klasse 226/4), Wien 1950, S. 21. 55 Österreichische Chronik der 95 Herrschaften, hg. von Joseph Seemüller (MGH. Deutsche Chroniken 6), Hannover/Leipzig 1909, S. 155. Datiert auf 1349–1394. Die Zuschreibung an Leopold von Wien (unter anderem zu finden bei Paul Ubilein, Art. „Leopold von Wien“, in: Verfasserlexikon 5 [wie Anm. 39], Sp. 716–723, hier Sp. 719 f.) wurde durch Fritz Peter Knapp, Die Literatur des Spätmittelalters in den Ländern Österreich, Steiermark, Kärnten, Salzburg und Tirol von 1273–1439, Bd. 2: Die Literatur zur Zeit der habsburgischen Herzöge von Rudolf IV. bis Albrecht V. (1358–1439) (Geschichte der Literatur in Österreich 2,2), Graz 2004, S. 286 f. in Frage gestellt.

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1370 griff Mathias von Neuenburg in seiner Chronik die Benachrichtigung durch die Ärzte auf und legte dem König auch ähnliche Worte in den Mund: „Daher gehen wir nach Speyer zu den anderen begrabenen Königen!“56 Der Straßburger Chronist zeigt dabei allerdings auch, dass nicht alle Details unstrittig waren: Er berichtete zwar von einem Grabesritt, gab allerdings an, der König sei in Germersheim verstorben und erst posthum nach Speyer gebracht worden.57 Dieser Sterbeort findet sich zudem auch in der Chronik des Stiftes St. Simon und Judas in Goslar.58 Wenn somit auch in Form des Briefes ein frühes Zeugnis einer ,nüchternen‘ Sichtweise auf die Geschehnisse überliefert ist, dominiert doch der Grabesritt in der zeitgenössischen chronikalischen Überlieferung. Die Beisetzung des Königs in Speyer musste für die Chronisten auf seinen eigenen Willen zurückgehen, galt doch Speyer als der Ort, an dem Könige beigesetzt werden. Der Dom war in der Vorstellung schlicht die passende Grablege, schließlich stilisierte sich König Rudolf als der erste legitime König seit den Staufern.59 Ob der Grabesritt dabei einen Teil seiner Selbststilisierung oder ein nachträgliches, weil passendes, Detail darstellt, lässt sich nicht herausarbeiten. Auch das berühmte ‚Grabmal‘ des Königs in Speyer hilft hier nicht weiter: Einziger Gewährsmann für die Entstehung dieser Figur ist wiederum Ottokar, dessen Anekdote vom geflissentlichen Bildhauer, der um ein genaues Abbild des Herrschers bemüht war, von der kunsthistorischen

56 Die Chronik des Mathias von Neuenburg, hg. von Adolf Hofmeister (MGH. Scriptores rerum Germanicarum, Nova Series 4), 2. Aufl. Berlin 1955, cap. 28, Rez. B, S. 45/Rez. WAU, S. 331: Eamus ergo Spiram, ad alios reges sepultos! Zu Mathias von Neuenburg künftig Katharina Lichtenberger, Mathias von Neuenburg und die Gegenwartschronistik des 14. Jahrhunderts im deutschen Südwesten, Diss. Phil. (masch.) Heidelberg 2017. 57 Mathias von Neuenburg, Chronik (wie Anm. 56), cap. 28, Rez. B., S. 45/Rez. WAU, S. 331: Et manens in Germersheim iuxta Spiram ibique moriens […]. 58 Chronik des Stiftes SS. Simon und Judas in Goslar, hg. von Ludwig Weiland, in: MGH. Deutsche Chroniken, Bd. 2, Hannover 1877, S. 591–604, hier S. 597: In der sulven tid, alse dut slod sus wart belegen, so sterf de konnig to Germersem in aller apostelen dage und licht begraven to Spire. 59 Beispiele dieser Sichtweise aus der Historiographie finden sich bei Andreas Büttner, Der Weg zur Krone. Rituale der Herrschererhebung im spätmittelalterlichen Reich, Bd. 1 (Mittelalter-Forschungen 35.1), Ostfildern 2010, S. 219 sowie bei Kamenzin, Tode (wie Anm. 1), S. 130. Die Selbstinszenierung zeigt sich in einem Erlass aus dem Jahr 1281: Rudolf I. legte fest, dass alle Schenkungen von Reichsgut seit der Absetzung Friedrichs II. 1245 ungültig seien, sollte in den einzelnen Fällen nicht die Mehrheit der Kurfürsten zugestimmt haben, MGH. Constitutiones et acta publica imperatorum et regum, Bd. 3: 1273–1298, hg. von Jacob Schwalm, Hannover/Leipzig 1904–1906, Nr. 284, S. 290. Zu diesem Rückbezug siehe Erkens, Tradition (wie Anm. 31) sowie Gerald Schwedler, Ausgelöschte Autorität. Vergangenheitsleugnung und Bezugnahme Rudolfs von Habsburg zu Staufern, Gegenkönigen und der salischen Niederlage am Welfesholz, in: Autorität und Akzeptanz. Das Reich im Europa des 13. Jahrhunderts, hg. von Hubertus Seibert/Werner Bomm/Verena Türck, Ostfildern 2013, S. 237–252.

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Forschung stark in Frage gestellt wird.60 Angesichts dieser Zweifel reicht Ottokars Schilderung nicht aus, um zu attestieren, König Rudolf habe Speyer bereits frühzeitig als Grablege ausgewählt und sein Grabmal anfertigen lassen.61 Unsicherheit herrscht ebenfalls in Bezug auf den vermeintlichen Sterbeort in Speyer: Seit einer Monographie Eugen Guglias aus dem Jahr 1914 wird oftmals der Johanniterhof angegeben.62 Guglia bietet keinen Beleg für diese Angabe. In den zeitgenössischen Quellen zum Tod König Rudolfs kommt der Johanniterhof nicht vor. Sicher fassbar ist das Gebäude darüber hinaus erst ab 1318.63 Möglicherweise liegt dem Ganzen auch eine Verwechslung zugrunde: Zu Günther von Schwarzburg, der 1347 nach Aussage des Johann Latomus in Frankfurt im Johanniterhof verstarb,64 gab Guglia lediglich an „in Frankfurt, wo, ist nicht überliefert“.65 Es könnte sein, dass Eugen Guglia die Aussage des Frankfurter Stadtchronisten zu Günther von Schwarzburg irrtümlich auf König Rudolf bezog. Auch zur Beisetzungszeremonie lässt sich nur wenig sagen. Der Reimchronik kann entnommen werden, dass die Speyerer Stadt­ bevölkerung an der Beisetzung teilgenommen haben soll.66 Darüber 60 Die gesamte Entstehungs- und Überlieferungsgeschichte der Figur wirft Fragen auf. Nach Ottokars Beschreibung wurde ein Grabmal für Rudolf I. von keinem weiteren mittelalterlichen Schreiber erwähnt. Zum Grabmal siehe den Beitrag von Matthias Müller in diesem Band. 61 Wie beispielsweise Heinrich Koller, Die Habsburgergräber als Kennzeichen politischer Leitmotive in der österreichischen Historiographie, in: Historiographia Mediaevalis. Studien zur Geschichtsschreibung und Quellenkunde des Mittelalters. Festschrift für F.-J. Schmale zum 65. Geburtstag, hg. von Dieter Berg /Hans-Werner Goetz, Darmstadt 1988, S. 256–269, hier S. 257. 62 Eugen Guglia, Die Geburts-, Sterbe- und Grabstätten der römisch-deutschen Kaiser und Könige, Wien 1914, S. 87 f. Übernommen bei Hans Erich Kubach, Vorkrypta, Grablege, Königschor. Baugeschichte, in: Der Dom zu Speyer (wie Anm. 3), S. 839–922, hier S. 912; zweifelnd Meyer, Königs- und Kaiserbegräbnisse (wie Anm. 7), S. 20, Anm. 15. 63 Renate Engels, Palatia sacra. Tl. 1: Bistum Speyer. Der Archidiakonat des Dompropstes von Speyer, Bd. 1: Die Stadt Speyer. Teilbd. 2: Pfarrkirchen, Klöster, Ritterorden, Kapellen, Klausen und Beginenhäuser (Quellen und Abhandlungen zur mittelrheinischen Kirchengeschichte 61, 1,2), Mainz 2005, S. 472. 64 Johannes Latomus, Antiquitates quaedam civitatis et potissimum ecclesiae Francfordensis, hg. von Richard Froning, in: Frankfurter Chroniken und annalistische Aufzeichnungen des Mittelalters (Quellen zur Frankfurter Geschichte 1), Frankfurt am Main 1884, S. 67–136, hier S. 90. Zum Tod Günthers von Schwarzburg siehe Kamenzin, Tode (wie Anm. 1), S. 167–174. 65 Guglia, Geburts-, Sterbe- und Grabstätten (wie Anm. 62), S. 107. 66 Ottokar, Steierische Reimchronik (wie Anm. 44), S. 508, V. 39107–39112. – Ebenda, V. 39113–39116 findet sich die Aussage, Rudolf sei von mehr als einem Bischof (die bischolf) zu Grabe getragen worden. Meyer, Königs- und Kaiserbegräbnisse (wie Anm. 7), S. 22 hält hierzu fest, es sei nicht mehr zu entscheiden, wer neben dem Speyerer Bischof Friedrich II. von Bolanden beteiligt gewesen sein könnte. Friedrich von Bolanden war allerdings 1286 von König Rudolf verbannt worden und konnte erst nach dem Tod des

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­hinaus lassen sich keine Details herausarbeiten – die Chronisten begnügten sich mit pauschalen Aussagen, dass der König sich seinen Platz selbst ausgesucht und es sich dabei um den Platz neben Philipp II. gehandelt habe.67 Damit stellt die Beisetzung König Rudolfs allerdings keinesfalls einen Sonderfall dar, da kaum eine königliche Beisetzung auf der Grundlage chronikalischer Quellen detailliert aufgearbeitet werden kann.68 Eine minutiöse Rekonstruktion der Beisetzung Rudolfs I. 1291 in Speyer ist somit nicht möglich. Es kann nicht einmal mit Sicherheit festgestellt werden, ob die Wahl dieser Grablege seinem Willen entsprach. Die von Gottfried von Ensmingen ausgehende Erzähltradition vom Grabesritt gerät durch den früheren Brief des Theodericus von Orvieto in den Verdacht, eine Ausschmückung zu sein. Eine solche Ausgestaltung wäre gerade bei König Rudolf nichts Ungewöhnliches, denn es sind viele Anekdoten über sein Leben überliefert.69 Ebenso ist der Sterbeort in Speyer nicht bestimmbar und auch Details zu den Bestattungsfeierlichkeiten liefern die Quellen nicht. Doch auch, wenn dem kritischen Blick des modernen Historikers Risse in der Fassade auffallen mögen, war für die mittelalterlichen Chronisten klar, dass 1291 in



Königs nach Speyer zurückkehren. Während seiner Abwesenheit wurde das Bistum von den Mainzer Erzbischöfen Heinrich II. von Isny († 1288) und Gerhard von Eppstein († 1305) verwaltet. Sollten mehrere Bischöfe gemeint sein, ist die Frage somit vielmehr, wer neben Gerhard von Eppstein beteiligt war. Zu Friedrich II. von Bolanden: Hans Ammerich, Art. „Friedrich von Bolanden“, in: Die Bischöfe des Heiligen Römischen Reichs 1198 bis 1448. Ein biographisches Lexikon, hg. von Erwin Gatz/Clemens Brodkorb, Berlin 2001, S. 745–746. 67 Ottokar, Steierische Reimchronik (wie Anm. 44), S. 508 f., V. 39117–39120: daz hette der kunic kluoc/ ûz gezeigt und gegeben/ dô er noch was bî dem leben, daz er dâ wolde ligen. Annales Sindelfingenses. 1083–1482, hg. von Hermann Weisert, Sindelfingen 1981, ad a. 1291, S. 66: […] gloriose et honorifice sepultus fuit in monasterio sanctae Mariae, apud sepulchra regum aliorum prope sepulchrum regis Philippi. Das Auswählen des eigenen Grabplatzes passt dabei vollkommen in das Bild vom selbstbestimmten Sterben, das Ottokar auch unter Nutzung von Ausschmückungen zeichnen will. Diese lediglich in der Steierischen Reimchronik überlieferte Information sollte daher nicht als vollkommen wahrheitsgetreu eingestuft werden. – Wenig Aufmerksamkeit kam bislang dem Bauzustand des Speyerer Doms im Jahr 1291 zu: Nach Franz Xaver Remling, Geschichte der Bischöfe zu Speyer, Bd. 1, Mainz 1852, S. 539 lag die Kirche 1289 durch einen Brand in „Schutt und Asche“. Eine Urkunde im Urkundenbuch zur Geschichte der Bischöfe zu Speyer, Bd. 1: Ältere Urkunden, hg. von Franz Xaver Remling, Mainz 1852, S. 386, Nr. 421 aus dem Dezember 1289 zeugt von den Versuchen, Geld für die Reparaturen aufzubringen. Der Brand wird in modernen Darstellungen allerdings nicht angeführt, siehe beispielsweise Jürgen Keddigkeit/Charlotte Lagemann/Matthias Untermann/Martin Armgart/Ellen Schumacher, Art. „Speyer, St. Maria, Domstift“, in: Pfälzisches Klosterlexikon 4 (Beiträge zur pfälzischen Geschichte 26,4), Kaiserslautern 2017, S. 133–238. 68 Kamenzin, Tode (wie Anm. 1), S. 463–465. 69 Siehe den Beitrag von Bernd Schneidmüller in diesem Band.

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Speyer zusammenkam, was zusammengehörte: Der erste ,richtige‘ König seit den Staufern hatte seine letzte Ruhestätte dort gefunden, wo Könige schlicht bestattet sein mussten. Angesichts dieser Übereinstimmung war es unbedeutend, dass die Tradition bereits seit mehr als einem Jahrhundert unterbrochen war und Grablege und Sterbeort möglicherweise gar nicht dem Willen des Verstorbenen entsprachen.

Entwicklungen des späteren Mittelalters und der Neuzeit Die direkten Nachfolger Rudolfs im Königtum starben unter außergewöhnlichen Umständen: König Adolf kam 1298 in der Schlacht bei Göllheim am Hasenbühl ums Leben und sein Kontrahent, Rudolfs Sohn Albrecht I., wurde 1308 von seinem eigenen Neffen ermordet. Sie hinterließen wiederum keine Anweisungen, an welchem Ort sie beigesetzt werden wollten. Es gibt zwei zeitgenössische Quellen, die berichten, nach der Schlacht hätten die Angehörigen König Adolfs den Verstorbenen in Speyer beisetzen wollen, König Albrecht habe dies allerdings verhindert.70 Ohne Speyer zu nennen, brachte die Österreichische Chronik der 95 Herrschaften es dabei auf den Punkt: Hie ist ze wissen, daz bey chünig Albrechts zeiten weilent chünig Adolf mochte nicht begraben werden mit chünigleichen eren durch die vorchte chünig Albrechts, der in auf dem verlde het erslagen.71 Trotz Bemühungen, dies zu verhindern, stand Albrecht I. nach 1298 teilweise im Ruf, seinen eigenen Lehnsherrn und rechtmäßigen König Adolf getötet zu haben. Albrecht verteidigte sich gegen diese Vorwürfe unter anderem, indem er betonte, dass Adolf 1298 als König abgesetzt gewesen sei.72 In dieser Situation konnte der Habsburger eine Beisetzung seines Kontrahenten in der Grablege der Könige und Kaiser nicht erlauben, obwohl Speyer in unmittelbarer Nähe zum Schlachtenort lag. König Adolf wurde daher zunächst im Zisterzienserinnenkloster St. Maria im Rosenthal bestattet. Hier kamen wiederum die äußeren Umstände des Todes zum Tragen: Nur die Nähe zum Sterbeort qualifizierte das Kloster als letzte Ruhestätte.73 Die Grablege erhielt dabei keine große Aufmerksamkeit und entfaltete dementsprechend auch keine Strahlkraft. 70 Ottokar, Steierische Reimchronik (wie Anm. 44), S. 961 f., V. 72800–72830; Chronicon Osterhoviense, hg. von Wilhelm Wattenbach, in: MGH. Scriptores, Bd. 17, Hannover 1861, S. 538–558, hier ad a. 1292, S. 551. 71 Chronik der 95 Herrschaften (wie Anm. 55), S. 187. 72 Zum Tod König Adolfs siehe Kamenzin, Tode (wie Anm. 1), S. 272–293. 73 Zur Memoria König Adolfs: Jana Madlen Schütte, Gedenken – Erinnern – Rühmen. Zur Memoria König Adolfs von Nassau, in: Nassauische Annalen 124, 2013, S. 75–110.

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Albrecht I. sollte es selbst zunächst ähnlich ergehen. Nachdem er 1308 bei Brugg ermordet worden war,74 wurde er im Kloster Wettingen beigesetzt. Testamentarische Verfügungen des Königs sind wieder einmal nicht erhalten. Eine besondere Beziehung zum Kloster hatte er wohl nicht.75 Auch in diesem Fall war die Grablege vielmehr schlicht in der Nähe. Nachträglich sollte die Beisetzung als vorübergehend bezeichnet werden76 und Chronisten fanden Erklärungen dafür, warum der König nicht in Speyer erstbestattet worden war. In Erfurt wurde notiert, Albrecht habe als Mordopfer in Speyer nicht bestattet werden können.77 Die Österreichische Chronik der 95 Herrschaften gab hingegen an, dass Albrecht eine Beisetzung Adolfs in Speyer verhindert habe, weswegen die Stadt Speyer wiederum verhindert habe, dass Albrecht in begrebde der chünig beigesetzt wurde, aus gunst und liebe zu König Adolf.78 Erst 1309 sollte die durch die Beisetzung König Rudolfs erneuerte Tradition ein letztes Mal aufgegriffen werden: Im Rahmen eines großen Hoftags in Speyer ließ der Luxemburger Heinrich VII. seine beiden Vorgänger Adolf und Albrecht in die Königsgrablege umbetten.79 Die Initiative für dieses Unternehmen wird in den Quellen meist den Hinterbliebenen der Toten zugeschrieben – der König steht allerdings in allen Schilderungen der Umbettungen im Mittelpunkt.80 Heinrich VII. nutzte 74 Zum Mord an Albrecht I. siehe Kamenzin, Tode (wie Anm. 1), S. 211–245. 75 Das Kloster war 1264 aus dem Besitz der Kyburger an die Habsburger gelangt. Rudolf I. war ein großer Förderer des Klosters, aber sein Sohn Albrecht setzte dies nicht fort, siehe André Hägler/Anton Kottmann, Wettingen, in: Die Zisterzienser und Zisterzienserinnen, die Reformierten Bernhardinerinnen, die Trappisten und Trappistinnen und die Wilhelmiten in der Schweiz, Bd. 1, hg. von Cécile Sommer-Ramer/ Patrick Braun (Helvetia Sacra. Abteilung III: Die Orden mit der Benediktinerregel 3.1), Bern 1982, S. 425–491, hier S. 430 f. 76 Johann von Viktring, Liber certarum historiarum, hg. von Fedor Schneider (MGH. Scriptores rerum Germanicarum Bd. [36]), 2 Bde., Hannover 1909/1910, Bd. 1, lib. III, Rez. B/D/A2, S. 386/Bd. 2, lib. IV, Rez. A, S. 5 bezeichnet die Beisetzung in Wettingen aus der Retrospektive heraus als lediglich pro tempore. Gegen eine als vorübergehend ausgelegte Bestattung in Wettingen spricht die Existenz des sogenannten Habsburgersargs in der Klosterkirche. Zum Sarg siehe Peter Hoegger, Die Kunstdenkmäler des Kantons Aargau, Bd. 7: Der Bezirk Baden III: Das ehemalige Zisterzienserkloster Mariastella in Wettingen (Die Kunstdenkmäler der Schweiz), Basel 1998, S. 182–185. 77 Cronica S. Petri Erfordensis moderna, hg. von Oswald Holder-Egger, in: MGH. Scriptores rerum Germanicarum, Bd. [42], Hannover 1899, S. 117–369, hier S. 341: Postea idem Albertus a suo patruo fraudulenter occisus nec ipse sepulturam Spire meruit […]. 78 Chronik der 95 Herrschaften (wie Anm. 55), S. 187. 79 Die Überlieferung ist dokumentiert bei Regesta Imperii VI,4,1 Nr. 275#, URI: http:// www.regesta-imperii.de/id/1309-08-29_1_0_6_4_1_317_275. 80 Chronik der 95 Herrschaften (wie Anm. 55), S. 187 f. (Witwe Albrechts I.); Ottokar, Steierische Reimchronik (wie Anm. 44), S. 1265, V. 97650–97661 (Angehörige beider Verstorbenen). Einzigartig ist die Darstellung bei Ferreti Vicentini, Historia Rerum in Italia Gestarum, hg. von Carlo Cipollina (Fonti per la storia d’Italia 42), Rom 1908, Bd. 1,

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den Hoftag, um sich nach außen als um die Memoria seiner Vorgänger besorgter, frommer Herrscher zu inszenieren. Diplomatische Quellen zeigen allerdings auch, wie der Luxemburger im Rahmen des Hoftags hinter den Kulissen Spannungen unter den Fürsten zu seinem Nutzen beseitigte.81 Unter anderem durch die Beisetzungen seiner Vorgänger konnte er die Anliegen der Fürsten erfüllen und somit den Konsens herstellen, den er benötigte, um nach Rom ziehen zu können.82 Das Verhältnis zwischen den beiden Ereignissen 1291 und 1309 muss dabei als wechselseitig betrachtet werden: Sicherlich hat die Beisetzung Rudolfs I. die Grablege in Speyer im Bewusstsein der Zeitgenossen erneuert und damit überhaupt erst für die Umbettungen von 1309 gesorgt. Allerdings ist die Überlieferung zu 1291 auch durch die immense Strahlkraft des Aktes von 1309 verfälscht. Auch Heinrich VII. schaffte es allerdings nicht, Speyer wieder dauerhaft als Grablege zu etablieren.83 Der Luxemburger selbst wurde in Pisa beigesetzt. Wiederum gibt es kein Testament, die zeitgenössischen Quellen betonen das besondere Verhältnis des Kaisers zur Stadt als

lib. 3, S. 273: Heinrich sei von den Kurfürsten aufgefordert worden, König Adolf in Speyer zu bestatten und der König selbst habe die Gebeine in einem silbernen Sarg auf seinen Schultern zu Grabe getragen. Die Beisetzung Albrechts I. habe Heinrich hingegen nur nach Drängen der Söhne erlaubt, allerdings ohne königliche Zeremonie. Ottokar, Steierische Reimchronik (wie Anm. 44), Bd. 2, S. 1265, V. 97652–97675 sieht in den Umbettungen ein Wunder, wie es sich seit hundert Jahren nicht ereignet habe. 81 Zum Hoftag siehe die Regesten Regesta Imperii VI,4,2 Nr. 258–302. 82 Ein weiterer wichtiger Punkt war die Ächtung der Mörder König Albrechts I. Als Resultat der Verhandlungen auf dem Hoftag hatte Heinrich VII. die Unterstützung der Habsburger und diese ließen ihre Ansprüche auf Böhmen fallen, so dass Heinrich wenig später seinen Sohn Johann mit dem vakanten Königtum belehnen und mit der böhmischen Erbtochter verheiraten konnte. Aus dem Gefolge König Adolfs folgte Pfalzgraf Rudolf I. dem König wenig später auf dem Italienzug. Somit scheint auch mit dieser Partei eine Einigung erzielt worden zu sein. Der Hoftag wurde bislang in seiner vollen Bedeutung nicht gewürdigt, einen Anfang macht Kamenzin, Tode (wie Anm. 1), S. 435–440. Zum Konsens der Fürsten siehe Bernd Schneidmüller, Konsensuale Herrschaft. Ein Essay über Formen und Konzepte politischer Ordnung im Mittelalter, in: Reich, Regionen und Europa in Mittelalter und Neuzeit. Festschrift für Peter Moraw, hg. von Paul-Joachim Heinig/Sigrid Jahns/Hans-Joachim Schmidt/Rainer Christoph Schwinges/Sabine Wefers (Historische Forschungen 67), Berlin 2000, S. 53–87. 83 Es wird vermutet, dass Heinrich VII. plante, in Speyer beigesetzt zu werden, Gütermann, Stuhlbrüder (wie Anm. 12), S. 66 f. Neben den Umbettungen 1309 ist eine Bestätigungsurkunde der alten Rechte und Freiheiten der Stadt Speyer durch Heinrich VII. hierfür ein Indiz: Es wird betont, dass in der Kirche die Körper seiner Vorgänger, die Kaiser, Kaiserinnen und Könige der Römer, ruhen würden, Urkundenbuch Bischöfe Speyer, Bd. 1 (wie Anm. 68), Nr. 488, S. 462. Es handelt sich hierbei um eine Formulierung, die in den vorangegangenen Bestätigungen nicht vorkam und von Heinrichs Nachfolgern später übernommen wurde, siehe Lydia Haydt, Arengen zwischen Tradition und Originalität. Das Privileg Heinrichs VII. für Speyer vom 7. März 1309, in: Vom luxemburgischen Grafen zum europäischen Herrscher. Neue Forschungen zu Heinrich VII., hg. von Wolfgang Krauth/Ellen Widder (Publications du Centre luxembourgeois de Documentation et d’Etudes Médiévales 23), Luxemburg 2008, S. 45–67, hier S. 63 f.

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­ egründung für die Auswahl der Grablege.84 Seine Nachfolger FriedB rich der Schöne und Ludwig IV. wurden in der Kartause Mauerbach und der Marienkirche in München bestattet – wiederum Orte mit besonderer Bindung zu den Verstorbenen.85 Günther von Schwarzburg fand seine letzte Ruhestätte an seinem Sterbeort Frankfurt in der Bartholomäuskirche. Sein ehemaliger Kontrahent Karl IV. nutzte die Beisetzung wohl zur Selbstinszenierung.86 Der Luxemburger selbst wurde in seiner Gründung, dem Veitsdom in Prag, beigesetzt.87 Als endgültige Abkehr von einer aktiven Nutzung der Speyerer Grablege kann allerdings das Königtum Ruprechts gesehen werden: Trotz enger Bindung an Speyer zog der Wittelsbacher es vor, im nahegelegenen Heidelberg mit der Heilig-Geist-Kirche eine eigene dynastische Grablege aufzubauen, in der er schließlich seine letzte Ruhestätte fand.88 Wenn auch Maximilian I. dem Speyerer Dom nochmals besondere Aufmerksamkeit zukommen ließ,89 scheinen auch die spätmittelalterlichen Habsburger kein Interesse verspürt zu haben, an die Speyerer Grablegetradition anzuknüpfen, in der der erste König aus ihrem Geschlecht eine so bedeutende Rolle eingenommen hatte. Unter anderem mit dem Kloster Königsfelden, dem Stephansdom in Wien und verschiedenen Kirchen in der Wiener Neustadt hatten sich zwischenzeitlich bedeutende dynastische Memorialorte und Grablegen etabliert.90 Zwischen 84 Johannes de Cermenate, Historia, hg. von Luigi Alberto Ferrai (Fonti per la Storia d’Italia 2), Rom 1889, S. 133 gibt an, die Pisaner hätten darum gebeten, den Kaiser in ihrer Stadt beisetzen zu dürfen. Hierzu: Meyer, Königs- und Kaiserbegräbnisse (wie Anm. 7), S. 52–66; Kamenzin, Tode (wie Anm. 1), S. 413–416. 85 Hierzu: Anm. 29; Meyer, Königs- und Kaiserbegräbnisse (wie Anm. 7), S. 67–87; Kamenzin, Tode (wie Anm. 1), S. 416–420. Koller, Habsburgergräber (wie Anm. 61), S. 260 sieht im Spätmittelalter bei den Habsburgern die Tendenz, durch die Wahl der Grablege weniger die politische Orientierung anzuzeigen und mehr das eigene Seelenheil in den Vordergrund zu stellen. 86 Hierzu: Meyer, Königs- und Kaiserbegräbnisse (wie Anm.  7), S.  88–99; Kamenzin, Tode (wie Anm. 1), S. 421 f. 87 Meyer, Königs- und Kaiserbegräbnisse (wie Anm. 7), S. 100–118. 88 Zu Sterben und Tod König Ruprechts siehe Thorsten Huthwelker, Tod und Grablege der Pfalzgrafen bei Rhein im Spätmittelalter (1327–1508) (Heidelberger Veröffentlichungen zur Landesgeschichte und Landeskunde 14), Heidelberg 2009, S. 86–105. 89 Siehe hierzu Maximilian Pfeiffer, Der Besuch König Maximilians I. in Speyer 1494. Mit einem verschollenen authentischen Bericht, in: Mitteilungen des Historischen Vereins der Pfalz 32, 1912, S.  61–108; Gerhard Fouquet, „Gedechtnus“ – Kaiser Maximilian I., das Domkapitel und ein vergessenes Grabmal der Königinnen und Könige im Dom zu Speyer, in: Entdeckungen des Evangeliums. Festschrift für Johannes Schilling, hg. von Jan Lohrengel/Andreas Müller (Forschungen zur Kirchen- und Dogmengeschichte 107), Göttingen 2017, S. 95–105 sowie den Beitrag von Gabriele Köster in diesem Band. 90 Zu Königsfelden siehe die Beiträge in Königsfelden. Königsmord, Kloster, Klinik, hg. von Simon Teuscher/Claudia Moddelmog, Baden-Baden 2012. Zum Stephansdom und der Wiener Neustadt siehe Lauro, Grabstätten (wie Anm. 33), S. 65–83, 89–96.

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Abb. 1: König Rudolf in seinem Krankenbett zu Erfurt. Österreichische Chronik der 95 Herrschaften (1479/80) (Burgerbibliothek Bern, Cod. A 45, fol. 75v)

1479 und 1480 entstand in einem dieser Zentren – dem Kloster Königsfelden – ein einzigartiges und bislang in der Forschung nicht beachtetes Zeugnis zu den letzten Tagen König Rudolfs – die einzige bislang bekannte bildliche Darstellung. Sie findet sich in einer Abschrift der Österreichischen Chronik der 95 Herrschaften, die der Minorit Clemens Specker auf Papier anfertigte.91 Nach Anweisungen des Schreibers wurde die Handschrift von zwei Malern mit Miniaturen versehen.92 Auf fol. 75v findet sich auch eine Darstellung des erkrankten Königs. In den wenigen Arbeiten zur Bilderfolge in dieser Handschrift, die mit der Darstellung vom Mord an Albrecht I. auch ein äußerst bekanntes Bildnis enthält,93 wird die Abbildung König Rudolfs fälschlicherweise als „Krankheit und Tod König Rudolfs zu Erfurt“ angeführt.94 Doch auch wenn der Foliant mit dem Aufenthalt Rudolfs I. in Erfurt beginnt und die Miniatur des Königs mit der ruhigen Haltung und dem seligen 91 Burgerbibliothek Bern, Codex A45, fol. 75v. 92 Siehe hierzu Christoph von Steiger, Clemens Speckers illustrierte Handschrift der Österreichischen Chronik von den 95 Herrschaften, in: Zeitschrift für schweizerische Archäologie und Kunstgeschichte 43, 1986, S. 135–140 sowie Katalog der deutschsprachigen illustrierten Handschriften des Mittelalters. Begonnen von Hella FrühmorgenVoss, fortgeführt von Norbert H. Ott zusammen mit Ulrike Bodemann und Gisela Fischer-Heetfeld, Bd. 3: Chroniken, München 2001, S. 252–256. 93 Burgerbibliothek Bern, Codex A45, fol. 97r. 94 Dies geht wohl auf von Steiger, Handschrift (wie Anm. 92), S. 139 zurück.

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Abb. 2: Anweisungen des Minoriten Moritz Specker für den unbekannten Maler der Miniatur. Österreichische Chronik der 95 Herrschaften (1479/80) (Burgerbibliothek Bern, Cod. A 45, fol. 75v)

Gesichtsausdruck an einen bereits Verstorbenen erinnert,95 zeigen die Anweisungen des Schreibers an den Maler doch klar, was hier dargestellt werden sollte: Da mach wie küng ruodolff zuo erfurt mach ain statt er in bett krank lag nabind [= von morgens bis abends] und ein krön uff hat und mach ain schönen sal da er ihm litt.96 [Abb. 2] Nicht der Tod, sondern die Krankheit König Rudolfs sollte somit dargestellt werden. Auch im Text bietet die Handschrift die oben besprochene Variante aus der Österreichischen Chronik der 95 Herrschaften vom guten Tod des frommen Königs in Speyer und folgt somit der skizzierten mittelalterlichen Tradition.97 Das Narrativ vom Grabesritt wurde auch über das Mittelalter hinaus weitergetragen, jedoch mit einer auffälligen Besonderheit: Wie im 14. Jahrhundert noch Mathias von Neuenburg berichtete beispielsweise im 16. Jahrhundert der von Johann Jakob Fugger in Auftrag gegebene „Ehrenspiegel des Hauses Österreich“ (Augsburg 1555) vom Ausruf des Königs, er wolle nach Speyer zu den Königen reiten, gab als Sterbeort 95 Die Bildsprache mittelalterlicher Sterbeminiaturen ist bislang nicht systematisch aufgearbeitet. Zur Haltung und dem Gesichtsausdruck vergleiche die Abbildungen bei Meier, Archäologie (wie Anm. 7), S. 22–25. 96 Burgerbibliothek Bern, Codex A45, fol. 97r. 97 Siehe Anm. 55.

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Manuel Kamenzin

Abb. 3: Moritz von Schwind, Kaiser Rudolfs Ritt zum Grabe (1857) (Öl auf Leinwand, 150 x 295 cm. Kunsthalle zu Kiel, Inv. 35)

allerdings aber nicht Speyer, sondern Germersheim an.98 Der auf Grundlage von Fuggers „Ehrenspiegel“ erarbeitete „Spiegel der Ehren des Höchstlöblichsten Kayser- und Königlichen Erzhauses Oesterreich“ von Sigmund von Birken aus dem 17. Jahrhundert drückte es noch deutlicher aus: „Er [König Rudolf] konte aber Speyr nicht gar erlangen / sondern muste unterwegs zu Germersheim sich zu bette legen: alda er den 15. Julii […] seinen edlen Geist in die hand Gotttes uoberlieferte.“99 Auch Zedlers Universallexikon verkündete im 18. Jahrhundert diese Variante: „So ubereilte ihn 1291 zu Germersheim der Tod, ehe noch die Stadt Speyer, in welcher er sterben wollte, von ihm konte erreicht werden.“100 In Darstellungen aus dem 19. Jahrhundert findet sich ebenfalls zu einem großen Teil diese Variante.101 Erst der von Oswald Redlich 98 Jakob Fugger, Ehrenspiegel des Hauses Österreich, Augsburg 1555, Bayerische Staatsbibliothek München Hss Cgm 895, fol. 125r. 99 Sigmund von Birken, Spiegel der Ehren des Höchstlöblichsten Kayser- und Königlichen Erzhauses Oesterreich […], Nürnberg 1668, S. 136. 100 Universal-Lexicon aller Wissenschaften und Künst, hg. von Johann Heinrich Zedler, Bd. 32, Leipzig/Halle 1742, Sp. 1477. So auch Leonard Meister, Kayser Rudolph von Habsburg. Eine Scizze, Nürnberg 1783, S. 92. 101 Beispielsweise Christian Ferdinand Schulze, Historischer Bildersaal […], Bd. 4, Gotha 1819, S. 72; Johann Graf Mailath, Geschichte des österreichischen Kaiserstaates (Geschichte der europäischen Staaten), Bd. 1, Hamburg 1843, S. 60; Carl Strahlheim, Das Welttheater […], Bd. 4, Frankfurt a. M. 1838, S. 633; Friedrich Steger, Allgemeine Weltgeschichte für das deutsche Volk, Bd. 1, Leipzig 1843, S. 511; Eduard Duller, Die Geschichte des deutschen Volkes, Bd. 1, 3. Aufl. Berlin 1848, S. 435. Als Gegenbeispiele: Eduard Maria von Lichnowsky, Geschichte des Hauses Habsburg, Bd. 1: von den frühesten Nachrichten bis zum Tode König Rudolf des Ersten, Wien 1836, S.  379;

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herausgegebene Band der Regesta Im­perii sowie seine Biographie zu Rudolf I. legten hingegen Speyer als Todesort fest.102 In der populären Wahrnehmung dürfte allerdings einem gereimten Text großer Einfluss zugekommen sein. Im Jahr 1820 veröffentlichte der Arzt und Dichter Justinus Andreas Christian Kerner das Gedicht „Kaiser Rudolfs Ritt zum Grabe“. Kerner arbeitete wesentliche Merkmale aus Ottokars Schilderung in der Steierischen Reimchronik in das Gedicht ein: die Mitteilung der Ärzte beim Schachspiel, der Ausruf „Nach Speyer!“ und der – in diesem Fall geglückte – Grabesritt nach Speyer.103 Das Gedicht wiederum inspirierte den Maler Moritz von Schwind zu seinem Motiv für ein von der „Verbindung für Historische Kunst“ bei ihm bestelltes Bild. So entstand mit „Kaiser Rudolfs Ritt zum Grab“ das erste und bislang einzige Gemälde vom Grabesritt.104 [Abb. 3] Auch wenn der Speyerer Dom nur als Silhouette am Horizont erkennbar ist, verweist der herbeieilende Bildhauer doch stark auf die Variante aus der Steierischen Reimchronik. Wie bereits im 14. Jahrhundert, sorgte so auch im 19. Jahrhundert die Schilderung Ottokars dafür, dass sich das Bild vom Grabesritt König Rudolfs verbreitete. Die Beisetzung Rudolfs I. 1291 in Speyer ist somit ein einzigartiges Ereignis in der Tradition königlicher Grablegen. Es handelt sich um die einzige Erstbestattung eines Königs in der Grablege nach den Saliern. Mit Sicherheit kann allerdings nicht gesagt werden, ob es sich dabei um den Willen des Verstorbenen oder Zufall handelte. Der Brief des Theodericus von Orvieto als früheste Quelle legt nahe, dass eine zufällige Begebenheit in der späteren historiographischen Überlieferung narrativ zum Grabesritt ausgestaltet wurde. Auch die Details der Beisetzung sind fraglich. Wenn auch das letzte Aufgreifen der Tradition königlicher Grablegen in Speyer im Jahr 1309 durch Heinrich VII. sicherlich im Zusammenhang mit der Beisetzung König Rudolfs in Speyer steht, kann letztlich nicht von einer dauerhaften Erneuerung der Tradition gesprochen werden. Doch dies ändert nichts an der Ansicht der Zeitgenossen, dass König Rudolf in Speyer am passenden Ort beigesetzt wurde – wie es einem König gebührt. Ernst Freiherr von Sacken, Ueber die authentischen Portraits König Rudolfs von Habsburg und dessen Grabsteine, in: Festschrift zur sechshundertjährigen Gedenkfeier der Belehnung des Hauses Habsburg mit Oesterreich, hg. von den historischen Vereinen Wiens, Wien 1882, S. 117–132, hier S. 123. 102 Regesta Imperii VI,1 Nr.  2518b (wie Anm.  3); Redlich, Rudolf von Habsburg (wie Anm. 36), S. 730. 103 Justinus Kerner, Kaiser Rudolfs Ritt zum Grabe, in: Ausgewählte Werke, Stuttgart 1981, S. 17–19. 104 Joachim Kruse, Schwinds „Kaiser Rudolfs Ritt zum Grabe“ in der Kieler Kunsthalle, in: Nordelbingen 28/29, 1960, S. 167–180 sowie Hans-Werner Schmidt, Die Förderung des vaterländischen Geschichtsbildes durch die Verbindung für Historische Kunst 1854–1933 (Studien zur Kunst- und Kulturgeschichte 1), Marburg 1985, S. 41–49.

Gerhard Fouquet

Königliche Klienten – die Speyerer Kirche in der Zeit Rudolfs von Habsburg I. Im Frühjahr 1276 entführte Wolfram von Fleckenstein gewaltsam den Speyerer Bischof Friedrich von Bolanden und „warf“ ihn „in die eine Stunde südlich von Schönau bei Dahn auf einem freien Bergkegel thronende Burg Fleckenstein“.1 Rex obsedit dominum de Fleckenstein, steht als Folge der Tat lapidar in den vor 1287 durch einen Colmarer Dominikaner verfassten ‚Annales Basileenses‘ zu lesen. König Rudolf I. belagerte die Fleckenstein nicht nur, er warf auch den Burgherrn nieder: Dominus de Fleckenstein se et sua in regis tradidit potestatem.2 Was den „kühnen Ritter“, der sich am 7./8. April 1276 so schmachvoll dem König hatte ergeben müssen, zum Kidnapping eines Reichsfürsten getrieben haben mochte, reihte Oswald Redlich in die seit 1268 tobenden machtpolitischen Auseinandersetzungen um den Rheinzoll im elsässischen Seltz ein, einen Kleinkrieg zwischen der Stadt Straßburg, einem regionalen Bund aus den Bischöfen von Speyer und Straßburg, den Markgrafen von Baden, den Grafen von Leiningen, Eberstein und Zweibrücken, den Ritteradelsgeschlechtern Bolanden und Fleckenstein sowie dem König als Wahrer des Reichsguts und Friedensstifter.3 Im Gegensatz zu dem 1 Franz Xaver Remling, Geschichte der Bischöfe zu Speyer, 2 Bde., Mainz 1852–1854, Nachdruck Pirmasens 1975, hier Bd. I, S. 524. Nach Remling auch: Thomas Martin, Die Städtepolitik Rudolfs von Habsburg (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte 44), Göttingen 1976, S. 84; Lawrence G. Duggan, Bishop and Chapter. The Governance of the Bishopric of Speyer to 1552 (Studies presented to the International Commission for the History of Representative and Parliamentary Institutions 62), New Brunswick/NJ 1978, S. 90 f.; Ernst Voltmer, Reichsstadt und Herrschaft. Zur Geschichte der Stadt Speyer im hohen und späten Mittelalter (Trierer Historische Forschungen 1), Trier 1981, S. 48 f. 2 Annales Basileenses, a. 1266–1277, hg. von Philipp Jaffé, in: MGH. Scriptores, Bd. 17, Hannover 1861, S. 193–202, hier S. 199. Dazu Josefine Schmid, Studien zu Wesen und Technik der Gegenwartschronistik in der süddeutschen Historiographie des ausgehenden 13. und 14. Jahrhunderts, Diss. phil. Heidelberg 1963, S. 31–33. 3 Oswald Redlich, Rudolf von Habsburg. Das Deutsche Reich nach dem Untergange des alten Kaisertums, Innsbruck 1903, S. 513.

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Gerhard Fouquet

Rudolf-Biographen Redlich suchte der zitierte Dominikanerchronist aus Colmar die Gründe für die von ihm als Zeitgenossen wahrgenommene Gewalttat gegen Bischof Friedrich nicht in der waffenklirrenden Realpolitik des deutschen Südwestens. Für ihn lag der Anlass im ­verborgenen Beziehungsgeflecht innerhalb des Adels. Es bestimmte gleichfalls den Gang der großen Politik. Wolfram von Fleckenstein habe den Speyerer Bischof gefangen genommen pro pecunia, quam pro adiutorio promiserat.4 Wie so häufig mithin: Geld war für eine bestimmte Unterstützung versprochen, doch nie gezahlt worden. Aber – die Episode ist nicht nur in dieser Hinsicht typisch. Sie verweist auch auf die zeitgenössischen Möglichkeiten und Grenzen der Konsensfindung zwischen den vielfach miteinander verflochtenen Akteuren:5 dem regionalen Adel, dem Bischof und seinem Domkapitel von Speyer, dem Königtum und nicht zuletzt der Stadt Speyer. Das Königtum war dabei für die Speyerer Kirche während des gesamten Spätmittelalters trotz der im 15. Jahrhundert zunehmenden Entfremdung ein wichtiger Faktor für die machtpolitische Balance gerade im Verhältnis zum Systemführer der Pfalzgrafen bei Rhein. Doch die Beziehungen zum Königtum blieben insgesamt eher situativ divers: Sie waren vor allem ausgeprägt in der Zeit Kaiser Karls IV., als das Domkapitel zur Versorgungsstätte einiger Kleriker am Hof des Luxemburgers geriet, und im Dezennium König Ruprechts I., als der Speyerer Bischof Raban von Helmstatt zum Kanzler des Königs kreiert wurde und zahlreiche Mitglieder des Stiftsadels am königlichen Hof präsent waren.6 Die Verbindungen zum Königshof waren schwer gestört in den Zeiten Kaiser Friedrichs III., als Thron und Altar seit den Tagen Bischofs Siegfried von Venningen (1456–1459) bis in die 1480er Jahre hinein mehrfach auch vor dem Kammergericht ergebnislos darum stritten, wem die Stuhlbruderpfründen am Speyerer Dom zustünden.7 4 Annales Basileenses, S. 199 (wie Anm. 2). 5 Bernd Schneidmüller, Konsensuale Herrschaft. Ein Essay über Formen und Konzepte politischer Ordnung im Mittelalter, in: Reich, Regionen und Europa in Mittelalter und Neuzeit. Festschrift für Peter Moraw, hg. von Paul-Joachim Heinig/Sigrid Jahns/Hans-Joachim Schmidt/Rainer C. Schwinges/Sabine Wefers, Berlin 2000, S.  53–87; Sven Rabeler, Interaktion, Herrschaft, Konkurrenz. Könige und Bischofsstädte in der Zeit um 1300, in: Bischofsstadt ohne Bischof? Präsenz, Interaktion und Hoforganisation in bischöflichen Städten des Mittelalters (1300–1600), hg. von Andreas Bihrer/Gerhard Fouquet (Residenzenforschung, Neue Folge: Stadt und Hof 4), Ostfildern 2017, S. 153–197. 6 Zum Verhältnis des Domkapitels zu Karl IV. und Ruprecht I.: Fouquet, Domkapitel (wie Anm. 12), I, S. 210–233 u. 235–249. 7 Karl-Friedrich Krieger, Die Reise des Speyerer Domvikars Bernhard Russ an den Kaiserhof in Wien (1482). Zur Praxis kaiserlicher Herrschaftsübung im Spätmittelalter, in: Archiv für mittelrheinische Kirchengeschichte 38, 1986, S. 175–223.

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Sie sollten endlich bis in die Spätzeit Maximilians I. ambivalent bleiben. Denn der Kaiser versuchte zum einen, bei der Bischofswahl von 1513 seinen obersten Sekretär Niklas Ziegler gegen Pfalzgraf Georg, den Sohn des Kurfürsten Philipp des Aufrichtigen, durchzusetzen.8 Zum anderen plante Maximilian I. schon seit 1503, ein Königsgrabmal im Speyerer Dom als Erinnerungsort des Kaisertums errichten zu lassen – beides vergebliche Projekte des Habsburgers.9 Die nun auf das Königtum Rudolfs von Habsburg bezogenen regionalen Akteursbeziehungen der Speyerer Kirche werfen gleich den anderen genannten Kommunikationskonstellationen sowohl spezifische wie strukturelle Fragen auf, die exemplarisch in dieser Studie zumindest plausiblen Antworten nähergebracht werden sollen: Wofür hatte Friedrich von Bolanden die genannte Hilfe des Fleckensteiners benötigt? Inwieweit war möglicherweise das Speyerer Domkapitel angesichts des Umstandes, dass zwei Brüder Wolframs von Fleckenstein dort bepfründet waren, in die Aktion involviert? Waren noch andere Akteure aus dem Domstift, vielleicht aus der Verwandtschaft der Fleckenstein und Bolanden, in jene Finanzabsprachen einbezogen? Überhaupt – welche Rolle jenseits der heroischen Tat der Befreiung eines Fürstengenossen vermochten König und Hof im letzten Drittel des 13. Jahrhunderts noch in der Speyerer Kirche zu spielen? Gab es nach dem Interregnum im Domkapitel noch eine königsnahe Adelsgruppe? Hatte man dort angesichts der Entwicklung regionaler Machtkonstellationen gerade unter dem Vorgänger Friedrichs von Bolanden, Bischof Heinrich Graf von Leiningen (1245–1272),10 ein fortwährendes Interesse am Königtum? Ist es vergleichbar mit den Bindungen, die unter den Bischöfen Konrad von Scharfenberg (1200–1224), Beringer von Entringen (1224–1232) und Konrad von Thann/Dahn (1233–1236) zu den Staufern in der ersten Hälfte des Säkulums vorherrschten?11

8 Gerhard Fouquet, Kaiser, Kurpfalz, Stift: Die Speyerer Bischofswahl von 1513 und die Affäre Ziegler, in: Mitteilungen des Historischen Vereins der Pfalz 83, 1985, S. 193–271. 9 Gerhard Fouquet, „Gedechtnus“ – Kaiser Maximilian I., das Domkapitel und ein vergessenes Grabmal der Königinnen und Könige im Dom zu Speyer, in: Entdeckungen des Evangeliums. Festschrift für Johannes Schilling, hg. von Jan Lohrengel/Andreas Müller (Forschungen zur Kieler Kirchen- und Dogmengeschichte 107), Göttingen 2017, S. 95–105. Vgl. den Beitrag von Gabriele Köster in diesem Band. 10 Hans von Malottki, Heinrich von Leiningen. Bischof von Speyer und Reichskanzler, Kallmünz 1977; Karl-Albert Zölch, Die Bischöfe von Speyer zur Zeit Kaiser Friedrichs II., Diss. phil. Heidelberg 2014, S. 221–296. 11 Friedrich Bienemann, Conrad von Scharfenberg, Bischof von Speier und Metz und kaiserlicher Hofkanzler 1200–1224, Diss. phil. Straßburg 1886; Zölch, Bischöfe (wie Anm. 10), S. 43–195.

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Solche Fragen seien exemplarisch für die sozialen Verhältnisse im Speyerer Domkapitel und die sich darin ausdrückenden Verbindungen zum Königtum im Spätmittelalter behandelt.12 Ihnen steht für das ausgehende 13. Jahrhundert eine schwierige, weil unzureichende, aber immerhin weitgehend erschlossene Überlieferungslage gegenüber,13 zudem ein Forschungsstand, der einzig für die Stadt Speyer, die in dieser Studie allerdings einen Nebenpart spielen wird, als gut zu bezeichnen ist.14 Der regionale Adel ist für diese Zeit nur partiell untersucht,15

12 Vgl. zu diesen sehr situativen Verbindungen die oben in den Anmerkungen 5–9 genannte Literatur. 13 Wesentlich: Urkundenbuch zur Geschichte der Bischöfe von Speier, 2 Bde., hg. von Franz Xaver Remling, Mainz 1852–1854, Nachdruck Aalen 1970; Urkunden zur Geschichte der Stadt Speyer, hg. von Alfred Hilgard, Straßburg 1885; Regesten der Pfalzgrafen bei Rhein. 1214–1508, hg. von Adolf Koch/ Jakob Wille/Lambert Graf von Oberndorff/Manfred Krebs, 2 Bde., Innsbruck 1894–1939; Chorregel und jüngeres Seelbuch des alten Speierer Domkapitels, hg. von Konrad von Busch/Franz Xaver Glasschröder (Historisches Museum der Pfalz: Veröffentlichungen 1–2), Speyer 1923–1926; Hansjörg Grafen, Forschungen zur älteren Speyerer Totenbuchüberlieferung. Mit einer Textwiedergabe der Necrologanlage von 1273 (Quellen und Abhandlungen zur mittelrheinischen Kirchengeschichte 74), Mainz 1996; Sven Gütermann, Das Seelbuch der Stuhlbrüder des Speyerer Domstifts. Edition und Kommentar (Quellen und Abhandlungen zur mittelrheinischen Kirchengeschichte 136), Mainz 2015. 14 Vgl. nur Voltmer, Reichsstadt (wie Anm. 1). Dazu Gerhard Fouquet, Speyer und Lübeck – zwei Beispiele für Bischofs- und Königsstädte in salischer und staufischer Zeit, in: Von der mittelalterlichen ‚Kuhstadt Speyer‘ bis zur Dom-Restaurierung 1957/61, hg. von Armin Schlechter/Joachim Kemper/Anja Rasche (Beiträge zur Geschichte der Stadt Speyer und ihrer Umgebung 1), Ubstadt-Weiher 2018, S. 19–53 mit weiterer einschlägiger Literatur. 15 Vor allem Hermann Schreibmüller, Pfälzer Reichsministerialen, Kaiserslautern 1911; Fritz Trautz, Noblesse allemande et noblesse anglaise. Quelques points de comparison, in: Famille et parenté dans l’occident medieval, Rom 1977, S. 63–81; Volker Rödel, Reichslehenswesen, Ministerialität, Burgmannschaft und Niederadel. Studien zur Rechts- und Sozialgeschichte des Adels in den Mittel- und Oberrheinlanden während des 13. und 14. Jahrhunderts (Quellen und Forschungen zur hessischen Geschichte 38), Darmstadt/Marburg 1979; Kurt Andermann, Studien zur Geschichte des pfälzischen Niederadels im späten Mittelalter. Eine vergleichende Untersuchung an ausgewählten Beispielen (Schriftenreihe der Bezirksgruppe Neustadt im Historischen Verein der Pfalz 10), Speyer 1982; Das Seelbuch des Dominikanerinnenklosters St.  Lambrecht (13.–14. Jahrhundert), hg. von Gerhard Fouquet in Verbindung mit Andreas Bingener/Detlef vom Bovert u. a. (Schriften des Diözesan-Archivs Speyer 12), Speyer 1990; Kunigunde Paetsch-Wollschläger, Die Ritter von Altdorf. Ein Beitrag zur pfälzischen Adels- und Dorfgeschichte im Mittelalter, Kaiserslautern 1997; Kurt Andermann, Die Mauern liegen nieder, die Hallen sind zerstört …: Zur Geschichte der Reichsministerialen im Pfälzer Raum, in: Mitteilungen des Historischen Vereins der Pfalz 102, 2004, S. 121–138; Kurt Andermann, „Ein furnem und namhafts Geschlecht in unsern Landen“: Glanz und Niedergang der Grafen von Eberstein, in: Grafen und Herren in Südwestdeutschland vom 12. bis ins 17. Jahrhundert, hg. von Kurt Andermann/Clemens Joos, Epfendorf 2006, S. 195–215; Kurt Andermann, Die Schliederer von Lachen. Eine untypische Familie des Pfälzer Ritteradels, in: Mitteilungen des Historischen Vereins der Pfalz 108, 2010, S. 433–473; Gerhard Fouquet, Pfälzer Niederadel am Königshof und an Fürstenhöfen im späten Mittelalter, in: ebenda, S. 399–413.

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die Personengeschichte des Speyerer Domkapitels16 und die des königlichen Hofes Rudolfs von Habsburg sind so gut wie nicht erforscht.17 Eine moderne Geschichte des Hochstifts unter Bischof Friedrich von Bolanden fehlt. Die Bistumsgeschichte Franz Xaver Remlings aus der Mitte des 19. Jahrhundert bleibt daher unentbehrlich.18

II. Geld habe Friedrich von Bolanden den Fleckensteinern um einer Gefälligkeit willen versprochen, behauptete der Colmarer Dominikanerchronist. Handelte es sich bei dem lateinischen Begriff adiutorium um die feine Umschreibung dessen, was im Mittelhochdeutschen mit miete gemeint ist, als die unerwünschte, ja allerorten verbotene Beförderung einer Aushandlung unter Gleichen mit Geld?19 In der ersten für Speyer überlieferten Wahlkapitulation, welche die anwesenden Domherren am 3. März 1272, einen Tag vor der Bischofswahl, beschworen, hat man neben vielen

16 Franz Haffner/Werner von Bolanden, Domherr und Probst zu Speyer und Mainz, in: Pfälzer Heimat 19, 1968, S. 51–54. Hinweise auf die Domkapitulare sowie auf die Speyerer Stiftspröpste und Archidiakone, die zugleich Domherren waren, finden sich verstreut in Busch/Glasschröder, Chorregel (wie Anm.  13), I; Hermann Issle, Das Stift St. German vor Speyer (Quellen und Abhandlungen zur mittelrheinischen Kirchengeschichte 20), Mainz 1974; Karl Heinz Debus, Studien zur Personalstruktur des Stiftes St. Guido in Speyer (Quellen und Abhandlungen zur mittelrheinischen Kirchengeschichte 51), Speyer 1984. Für die spätere Zeit: Gerhard Fouquet, Das Speyerer Domkapitel im späten Mittelalter (ca. 1350–1540). Adlige Freundschaft, fürstliche Pa­ tronage und päpstliche Klientel, 2 Bde. (Quellen und Abhandlungen zur mittelrheinischen Kirchengeschichte 57), Mainz 1987. 17 Egon Boshof, Hof und Hoftag König Rudolfs von Habsburg, in: Deutscher Königshof, Hoftag und Reichstag im späten Mittelalter, hg. von Peter Moraw (Vorträge und Forschungen 48), Stuttgart 2002, S.  387–415; Franz-Reiner Erkens, Der Hof Rudolfs von Habsburg, in: Höfe und Residenzen im spätmittelalterlichen Reich. Ein dynastischtopographisches Handbuch, Teil 1, hg. von Werner Paravicini (Residenzenforschung 15,1), Stuttgart 2003, S. 276–282. 18 Remling, Geschichte (wie Anm. 1), I, S. 516–553; Hans Ammerich, Friedrich von Bolanden (gest. 1302). 1272–1302 Bischof von Speyer, in: Die Bischöfe des Heiligen Römischen Reiches 1198–1448. Ein biographisches Lexikon, Bd. I, hg. von Erwin Gatz, Berlin 2001, S. 745–746. Vorarbeiten verweisen zumindest auf das endende 13. Jahrhundert: Kurt Andermann, Das älteste Lehnbuch des Hochstifts Speyer von 1343/47 bzw. 1394/96, in: Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins 130, 1982, S. 1–70; Kurt Andermann, Die Hofämter der Bischöfe von Speyer, in: Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins 140, 1992, S. 127–187. 19 Valentin Groebner, Gefährliche Geschenke. Ritual, Politik und die Sprache der Korruption in der Eidgenossenschaft im späten Mittelalter und am Beginn der Neuzeit (Konflikte und Kultur. Historische Perspektiven 3), Konstanz 2000; Gerhard Baader, Lemma: ‚adiutorium‘, in: Mittellateinisches Wörterbuch bis zum ausgehenden 13. Jahrhundert, Bd. I: A–B, München 1967, Sp. 200 f.

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anderen normativen Verabredungen, die den innerstiftischen Alltag mit seinem schwierig verzahnten herrschaftlichen Gemenge befrieden sollten, auch der Korruption eine klare Richtung gesetzt. Der zu wählende und zu promovierende Bischof, heißt es, nec […] dabit alicui spem futuri doni vel muneris (wird niemandem Hoffnung auf ein zukünftiges Geschenk oder eine Gefälligkeit geben). Überdies war wohl das Verbot der Vergabe von Lehen ohne Einwilligung des Domkapitels mit der Unterbindung von derlei Vorteilsnahmen verbunden.20 „Gefährliche Geschenke“21 könnten in der speziellen personellen Konstellation Bolanden – Fleckenstein bei der Wahl Friedrichs von Bolanden zum Speyerer Bischof am 4. März 1272 versprochen worden sein. Der Nachweis der Plausibilität dieser Hypothese basiert auf einer an dieser Stelle äußerst günstigen Quellenlage. Denn die Wahlkapitulation am Tag vor der Bischofswahl hatten 23 der 26 zu diesem Zeitpunkt im Speyerer Domkapitel admittierten Domherren beschworen (s. Übersicht). Sie wurden am Ende der darüber ausgefertigten Urkunde nach dem Domdekan Albert von Mußbach ihrer Anciennität nach gereiht, ein für die gesamte spätmittelalterliche Überlieferung Speyers außergewöhnliches Dokument, das spezifische Konstellationen unter den Anwesenden, ihre institutionelle und informelle Teilhabe an der Macht und ihre personalen Verflechtungen mehr oder minder offenlegt. Friedrich von Bolanden war der letztgeborene Sohn des Reichstruchsess Werner IV. von Bolanden (1220–1258) und in Speyer nicht nur seinem Rang in der Hierarchie der Kapitulare halber einer der jüngsten Domherren. Im bekannten Rechnungsfragment der Bolanden, das Wolf-Heino Struck auf die Jahre 1258/62 datierte, werden der domicellus Fridericus sowie seine Brüder Philipp V. (1248–1288) und Werner V. (1248–1288), dem nach dem Tod des Vaters 1258 die Rolle des Regenten zufiel, in ihrem Alltag auf Burg Bolanden bezeugt.22

20 Remling, Urkundenbuch (wie Anm. 13), I, Nr. 360, S. 324–329, hier S. 328. Dazu Remling, Geschichte (wie Anm.  1), I, S.  517–519; Karl Kloe, Die Wahlkapitulationen der Bischöfe von Speyer (1272–1802), Speyer 1928, S. 25–28; Duggan, Bishop (wie Anm. 1), S. 11 f. u. 57–83; Voltmer, Reichsstadt (wie Anm. 1), S. 46. Die Wahlkapitulation von 1272 war nicht die erste Regelung in Speyer, wie das künftige Verhältnis zwischen zu wählendem Bischof und Kapitel zu gestalten ist. Am 15. Dezember 1265 wird in einer Urkunde Bischof Heinrichs von Leiningen ausgeführt, dass die Domkapitulare nullum in episcopum et pastorem eligant, nisi idem inter alia, que per iuramentum servare promittet, prius iuret sentencias contra malefactores predictos editas inviolabiliter observare. Remling, Urkundenbuch (wie Anm. 13), I, Nr. 342, S. 307–310, hier S. 309. 21 Groebner, Geschenke (wie Anm. 19). 22 Wolf-Heino Struck, Aus den Anfängen der territorialen Finanzverwaltung. Ein Rechnungsfragment der Herren von Bolanden um 1258/62, in: Archivalische Zeitschrift 70,

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Wieso also die Wahl des Sprosses eines wenn auch bedeutenden Geschlechtes aus der ehemaligen Mainzer und königlichen Ministerialität? Denn Domherren mit älteren Anwartschaften, längeren Erfahrungen, höheren Graduierungen, vor allem als Grafen und Edelfreie auch mit größerer adliger Legitimation und Reputation hatten sich in der Kapitelstube genug versammelt. Zu den Führungspersönlichkeiten unter den Speyerer Domherren gehörten, soweit sie bei der mangelnden personengeschichtlichen Erforschung des Domkapitels im letzten Drittel des 13. Jahrhunderts sichtbar werden, der Dompropst Werner von Horneck, der Domdekan Albert von Mußbach, der Domkantor Berthold von Scharfenberg sowie die Stiftspröpste der drei Speyerer Kollegiatkirchen, Adelvolk von Lachen, zugleich auch Domscholaster, Raugraf Gerhard von Baumburg und Otto von Bruchsal. Unter den Domherren wären als mögliche Kandidaten für das Bischofsamt Beringer von Entringen, Raugraf Friedrich und Eberhard von Strahlenberg zu nennen. Der Edelfreie Werner von Horneck, schon 1232 als Speyerer Domherr nachweisbar, von 1251 bis 1258 als Domdekan fungierend und seit 1259 als Dompropst der würdigste Prälat des Stifts, überdies Stiftspropst von St. Peter in Wimpfen und Domherr in Worms, schied wohl aufgrund seines hohen Alters als Bewerber für die bischöfliche sedes ebenso aus23 wie sein seit 1249 als Speyerer Domkapitular bezeugter mutmaßlicher Verwandter, der Edelfreie Magister Otto von

1974, S. 1–21, hier S. 8, 12 f. u. passim; Walther Möller, Stamm-Tafeln westdeutscher Adels-Geschlechter im Mittelalter, 3 Bde. und 2 Bde., Neue Folge Darmstadt 1922– 1951, hier Bd. I, Tafel XXV. Zur Entwicklungsgeschichte von Geschlecht und Besitz: Erwin Jacob, Untersuchungen über Herkunft und Aufstieg des Reichsministerialengeschlechts Bolanden, Gießen 1936. Zuletzt Sven Rabeler, Falkenstein (A, B), in: Höfe und Residenzen im spätmittelalterlichen Reich, Bd. IV: Grafen und Herren, hg. von Werner Paravicini, bearb. von Jan Hirschbiegel, Ostfildern 2012, Teilband 1, S. 412–418. 23 Einzelnachweise für Werner von Horneck: Busch/Glasschröder, Chorregel (wie Anm. 13), I, S. 371 f., Anm. 2; Debus, St. Guido (wie Anm. 16), S. 106, Nr. 263; Fouquet, Seelbuch (wie Anm. 15), S. 136 f., Nr. 263. Dessen Bruder, Konrad von Horneck, wird im jüngeren Seelbuch des Speyerer Domkapitels explizit als nobilis bezeichnet: Grafen, Forschungen (wie Anm. 13), S. 190 f. Zu dem Geschlecht Horneck, das bereits 1250 die von ihm oberhalb von Gundelsheim erbaute Burg Horneck dem Deutschen Orden geschenkt hatte, wobei Konrad von Horneck mit zwei Söhnen in den Orden eingetreten war: Art. Gundelsheim, in: Baden-Württemberg, hg. von Max Miller/Gerhard Taddey (Handbuch der Historischen Stätten Deutschlands 6), 2. verb. Aufl. Stuttgart 1980, S. 275–277; Hartmut Boockmann, Das Hornecker Stifterbild und die Anfänge der Deutschordenskommende Horneck. Beiträge zu einer Ikonographie des Deutschen Ordens, in: Hartmut Boockmann, Wege ins Mittelalter. Historische Aufsätze, hg. von Dieter Neitzert/Uwe Israel/Ernst Schubert, München 2000, S. 215–226.

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Gerhard Fouquet

Bruchsal d.Ä., Propst des Speyerer Stifts St. Guido,24 sowie Raugraf Gerhard, der seit 1241 als Propst der Speyerer Kollegiatkirche St. German präsidierte.25 Gleichwohl war Raugraf Gerhard von Baumburg fünf Jahre später, 1277, als Nachfolger seines Bruders Eberhard für den Wormser Bischofsstuhl im Gespräch.26 Dem Greisenalter gehörten überdies der Domkantor Berthold von Scharfenberg sowie der Domscholaster und Propst des Speyerer Allerheiligenstiftes, Adelvolk von Lachen, an. Berthold von Scharfenberg, der aus dem Geschlechterverband der königlichen Ministerialität um den Trifels stammte und der den Speyerer Bischof Konrad von Scharfenberg zu seinen Vorfahren zählte, ist bereits 1232 als Domherr, 1235 als Domkantor bezeugt.27 Adelvolk von Lachen, 1241 als Domscholaster genannt, ging wie sein

24 Die edelfreie Herkunft des Magisters Otto von Bruchsal ergibt sich aus folgendem Eintrag im jüngeren Seelbuch des Speyerer Domkapitels: Richwin von Schönberg sei gestorben und habe als Seelgerät 5 Pfund Heller jährlich an die Präsenz gestiftet, von denen 5,5 Heller jährlich in Bruchsal von Zinsen fällig werden, die er ab Ottone [von Bruchsal], nato quondam nobilis viri Ottonis erworben habe: Busch/Glasschröder, Chorregel (wie Anm. 13), I, S. 263. Dies gegen Mutmaßungen der Forschung, Otto stamme aus dem Speyerer Stadtbürgertum. Dazu Debus, St. Guido (wie Anm. 16), S. 62 f., Nr. 65. Überdies zu Otto von Bruchsal: Busch/Glasschröder, Chorregel (wie Anm. 13), I, S. 263, Anm. 4; Debus, St. Guido (wie Anm. 16), S. 62 f., Nr. 65. Die mutmaßliche Verwandtschaft erschließt sich möglicherweise aus dem Gedenkbucheintrag für Meinlach von Horneck: Meinlach miles obiit, cuius filius Cunradus de Hornegge legauit nobis XX libras hall. pro quibus Gerhardus miles de Bruchsella dabit IIIJ modios tritici et quartam de curia in Bruchsella et omnibus bonis eidem curie attinentibus: Grafen, Forschungen (wie Anm. 13), S. 296 (21. März). 25 Zu Raugraf Gerhard von Baumburg: Issle, St. German (wie Anm. 16), S. 109 f., Nr. 12. Vgl. auch Peter Schnepp, Die Raugrafen, in: Mitteilungen des Historischen Vereins der Pfalz 37/38, 1918, S.  147–206, hier S.  167  f.; Möller, Stamm-Tafeln (wie Anm. 22), I, Tafel X. 26 Schnepp, Raugrafen (wie Anm. 25), S. 168. 27 Er ist wie Werner von Horneck 1275 gestorben. Der Domkantor Berthold war ein „Vetter“, so ausdrücklich in einer Papsturkunde für den Mainzer Erzbischof (1245 September 15; Johann Friedrich Böhmer, Regesta Imperii, Bd. V, 2, 3: Die Regesten des Kaiserreichs unter Philipp, Otto IV., Friedrich II., Heinrich (VII.), Conrad IV., Heinrich Raspe, Wilhelm und Richard 1198-1272, neu hg. von Julius Ficker/Eduard Winkelmann, Innsbruck 1892, Nachdruck Hildesheim/New York 1971, Nr. 7576) des Speyerer Bischofs Konrad von Scharfenberg. Er könnte aber auch ein Neffe des Bischofs gewesen sein. Denn der Bischof hatte Brüder, die Laien Berthold und Heinrich. Es ist daher denkbar, dass ein Sohn der beiden Scharfenberger für die kirchliche Laufbahn bestimmt worden war. Dazu Remling, Geschichte (wie Anm. 1), I, S. 421. Wenige Belege: Busch/Glasschröder, Chorregel (wie Anm. 13), I, S. 560, Anm. 1. Zu der königlichen Ministerialengruppe in der Südpfalz: Karl Bosl, Die Reichsministerialität der Salier und Staufer. Ein Beitrag zur Geschichte des hochmittelalterlichen deutschen Volkes, Staates und Reiches, 2 Bde. (Schriften der MGH 10), Stuttgart 1950–1951, hier Bd. I, S. 230 f.; Meinrad Schaab, Die Ministerialität der Kirchen, des Pfalzgrafen, des Reiches und des Adels am unteren Neckar und im Kraichgau, in: Ministerialität im Pfälzer Raum, hg. von Friedrich Ludwig Wagner (Veröffentlichungen der Pfälzischen Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften 64), Speyer 1975, S. 95–121, hier S. 111–114.

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kurz vor 1272 admittierter Neffe, der Magister Albert von Lachen,28 aus der bischöflichen Ministerialität Speyers hervor.29 Aus Ministerialität und Lehnsmannschaft der Speyerer Bischöfe kam auch die Familie des Domdekans Albert von Mußbach – im ältesten, von Kurt Andermann auf 1343/47 datierten Lehnsbuch besaßen die Mußbach das Speisemeisteramt als bischöfliches Lehen.30 Albert war seit 1262 admittierter Domherr in Speyer.31 Ab 1269 leitete er als Domdekan die Amtsgeschäfte des Stifts, war mithin der Kopf und damit das personalisierte Objekt des zunehmenden Hasses einer Mehrheit in Rat und Stadt Speyer. Es ging um nichts anderes seit 1260/65, als das städtisch usurpierte Recht der Ungelderhebung auch gewaltsam gegenüber den vier Stiften als größte Landbesitzer durchzusetzen.32 Albert von Mußbach galt wohl durch diesen Dauerkonflikt als politisch zu exponiert, um ihn zum Bischof zu küren. Er sei jemand gewesen, qui se murum posuit pro domo Domini (der sich einer Mauer gleich für das Haus des Herrn erhob), heißt es in einer Art Nachruf. Am Morgen des Karfreitags (23. März) 1277 fiel nämlich der streitbare Domdekan, als er allein zur Frühmesse eilte, einem Attentat zum Opfer. Die Mörder massakrierten ihn regelrecht, trennten ihm die linke Hand ab, malträtierten seinen ganzen Körper mit zahlreichen Stichen, schlugen ihm den Kopf ein, sodass das Gehirn herausfloss, einem Schwein zum Fraß, und sie schnitten ihm die Gurgel durch, „wie man Schafe zu schlachten pflegt“. All diese grässlichen Details sind versammelt im Bannfluch, der über die Attentäter verhängt wurde. Die Mörder blieben davon unberührt, man konnte sie niemals dingfest machen.33 Die übrigen Domherren, die sich am 4. März 1272 im Kapitelsaal zur Bischofswahl eingefunden hatten, besaßen keine Chancen, zum

28 Nachweise für Adelvolk von Lachen (1241 – gest. 1274; 1241 Domscholaster) und Magister Albert von Lachen (1272 – gest. vor 1307; 1292 Domcellerar; 1296 Domportenarius): Busch/Glasschröder, Chorregel (wie Anm. 13), I, S. 87, Anm. 2 u. S. 392 f., Anm. 1. Zu den Mitgliedern des Geschlechterverbandes von Lachen im Domkapitel: Grafen, Forschungen (wie Anm. 13), S. 216–225. 29 Andermann, Schliederer (wie Anm. 15). 30 Belege für Albert von Mußbach: Fouquet, Seelbuch (wie Anm. 15), 135 f., Nr. 261. Darüber hinaus Andermann, Lehnsbuch (wie Anm. 18), S. 48 f., Nr. 119 f. 31 Nachweise: Busch/Glasschröder, Chorregel (wie Anm. 13), I, S. 153 f., Anm. 4. 32 Voltmer, Reichsstadt (wie Anm. 1), S. 31–44. 33 Remling, Urkundenbuch (wie Anm. 13), I, Nr. 387, S. 350–352; Remling, Geschichte (wie Anm. 1), I, S. 526 f.; Voltmer, Reichsstadt (wie Anm. 1), S. 49. Die Tat blieb wohl noch lange im Gedächtnis zumindest der Verwandtschaftsfamilie. Jedenfalls bestimmte Alberts Neffe, der Speyerer Domherr Johannes von Mußbach, am 25. August 1315 testamentarisch seinen Hof in Speyer zu einer eigenen Stiftung für sich und das Seelenheil seines Onkels Albert: Remling, Urkundenbuch (wie Anm. 13), I, Nr. 508, S. 477.

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Bischof gewählt zu werden, oder sie hatten keine Ambitionen: Raugraf Friedrich von Baumburg, dessen Familie zum nichtfürstlichen Hochadel zählte, gehörte zu einer in ihrer Reichweite noch unerforschten Geschlechtergruppe, die das Wormser Domstift beherrschte. Raugraf Friedrich wurde in der Konsequenz des in Worms herrschenden familiären Nepotismus 1277 zum Bischof gewählt.34 Die schwäbischen Edelfreien Beringer und Eberhard von Entringen besaßen zwar durch die Tradition ihres Vorfahren, des Speyerer Bischofs Beringer von Entringen, hohe Reputation,35 sie kamen aber wie der gleichfalls edelfreie Domherr Werner von Weiler (bei Bruchsal)36 aus unbekannten Gründen nicht in Betracht. Eberhard von Strahlenberg (an der Bergstraße), der die um 1272 noch nahezu ungebrochene Vorherrschaft des nichtfürstlichen Hochadels im Speyerer Stift komplettierte, war wohl wie Raugraf Friedrich Teil des führenden Geschlechterverbandes an der Wormser Domkirche. Er sollte 1291 zum Bischof von Worms promoviert werden.37 Nicht zu den Favoriten für die Speyerer sedes gehörten auch Hugo von Spiegelberg mit alten engen Bindungen zum Königtum38 sowie Albert von Remchingen aus

34 Burkard Keilmann, Das Bistum vom Hochmittelalter bis zur Frühen Neuzeit, in: Das Bistum Worms von der Römerzeit bis zur Auflösung 1801, hg. von Friedhelm Jürgensmeier (Beiträge zur Mainzer Kirchengeschichte 5), Würzburg 1997, S. 44–193, hier S. 74. 35 Nachweise für Beringer und Eberhard von Entringen: Remling, Urkundenbuch (wie Anm. 13), I, Nr. 360, S. 328 f. u. Nr. 368, S. 335. Im Testament des in Speyer von 1232 bis 1257 bepfründeten Domherrn Konrad von Entringen wird Beringer als avunculus des Erblassers genannt: Busch/Glasschröder, Chorregel (wie Anm. 13), I, S. 542–545, hier S. 544. Zur Herkunft der Entringen (bei Tübingen): Schaab, Ministerialität (wie Anm. 27), S. 106. 36 Zu Werner von Weiler (1272–1299), der auch als sacerdos bezeichnet wird: Busch/Glasschröder, Chorregel (wie Anm. 13), I, S. 248, Anm. 2. Zu dem Edelfreiengeschlecht bei Bruchsal: Schaab, Ministerialität (wie Anm. 27), S. 112. 37 Zu Eberhard von Strahlenberg (Domherr: 1263–1291; Domscholaster: 1277; Bischof von Worms: 1291 – gest. 1293): Busch/Glasschröder, Chorregel (wie Anm. 13), S. 606, Anm. 1. Sein Nachfolger auf dem Kanonikat in Speyer wird 1291 Friedrich von Strahlenberg. Interessanterweise behaupteten die Gegner Bischofs Eberhard in Worms unter Führung des Domscholasters Berlewinus an der päpstlichen Kurie, Eberhard sei bei der Bischofswahl im Zustand der Exkommunikation gewesen, weil er in Speyer eine Revolte gegen den dortigen Bischof Friedrich von Bolanden angestiftet habe: Keilmann, Bistum (wie Anm. 34), S. 77. Zum Edelfreiengeschlecht Strahlenberg: Schaab, Ministerialität (wie Anm. 27), S. 102 u. S. 106. 38 Hugo von Spiegelberg (1275 Domkantor und 1280 Stiftspropst von St. Guido), möglicherweise wie der ab 1276 als Domherr amtierende Eberhard von Offenbach (1276– 1289) (Busch/Glasschröder, Chorregel (wie Anm. 13), I, S. 152, Anm. 2) ein Nachkomme Hugos von Offenbach als Burggraf auf der Spiegelburg und als königlicher Landvogt im Speyergau, stammte aus einer Familie der bischöflich-speyerischen Ministerialität, die wie so oft auch enge Beziehungen zum Königtum pflegte: Fouquet, Seelbuch (wie Anm. 15), S. 120 f., Nr. 160 mit Nachweisen. Zu Hugo von Spiegelberg: Debus, St. Guido (wie Anm. 16), S. 165 f., Nr. 523.

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dem badischen39 und Richwin von Schönberg aus dem mittelrheinischen Ritter­adel40, gleichwohl sie noch zum engeren Kreis des Speyerer Stiftsadels aus der bischöflich-speyerischen Dienstmannschaft oder aus anderen ehemaligen Ministerialitäten rechneten, der sich anschickte, die Macht im Stift zu übernehmen. Zum weiteren Rand des domstiftischen Rekrutierungsschleiers zählten dagegen die dem elsässischen Ritteradel angehörenden Domherren Konrad Kago, wohl aus dem Geschlecht der Kage von Schäffolsheim,41 und Eglof von Landsberg.42 Und gänzlich am Rand stand wohl Magister Dieter, Sohn des Speyerer Schultheißen Sigulo, gleichwohl Cellerar des Stifts.43 Auch ein gewisser canonicus Dippertus, überdies Walther Klein, Rudger und Werner de Annenvelth könnten aus städtischen, im Falle Dipperts sogar aus speyerischen Bürgergeschlechtern stammen. Sie waren während der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts im Domkapitel allenfalls noch geduldet.44

39 Albert von Remchingen wird 1256 als in annis adolescentiae constitutus beim Verkauf des Zehnten zu Heidelsheim an das Speyerer Domkapitel durch die Brüder Berthold und Konrad von Remchingen bezeichnet: Remling, Urkundenbuch (wie Anm. 13), I, Nr. 295, S. 270. 1279 als Dompförtner und 1281 als Domkustos erwähnt, erlangte er 1290 die Stiftspropstei von Allerheiligen zu Speyer: Busch/Glasschröder, Chorregel (wie Anm. 13), I, S. 36, Anm. 2. Zum Geschlecht: Julius Kindler von Knobloch, Oberbadisches Geschlechterbuch, Bd. III, Heidelberg 1919, S. 491 u. 494. 40 Richwin von Schönberg (1272–1299), dessen Familie als Reichslehen die Schönenburg im Oberweseler Königsgutbezirk besaß, war ab 1296 Domcellerar: Busch/Glasschröder, Chorregel (wie Anm. 13), I, S. 263. Sein Pfründnachfolger war wohl Friedrich von Schönberg (Remling, Urkundenbuch (wie Anm. 13), I, Nr. 451, S. 422) wie überhaupt die Familie während des 14. und 15. Jahrhunderts sehr aktiv im Speyerer und Mainzer Domkapitel war: Fouquet, Domkapitel (wie Anm.  12), II, S.  787–792; Michael Hollmann, Das Mainzer Domkapitel im späten Mittelalter (1306–1476) (Quellen und Abhandlungen zur mittelrheinischen Kirchengeschichte 64), Mainz 1990, S. 440–442. 41 Zu Konrad Kago gibt es nur den Nachweis der Teilnahme an der Wahlkapitulation vom 3. März 1272: Remling, Urkundenbuch (wie Anm. 13), I, Nr. 360, S. 328 f. Zum Geschlecht: Rödel, Reichslehnswesen (wie Anm. 15), S. 313. 42 Zu Eglof von Landsberg (1270–1283/91): Busch/Glasschröder, Chorregel (wie Anm. 13), I, S. 74, Anm. 1. Zum Geschlecht: Guy Bronner/Bernhard Metz/Bernadette Schnitzler, Un château double au XIIIe siècle: Le Landsberg à la lumière des travaux récents, in: Cahiers alsaciens d’archéologie, d’art et d’histoire 24, 1981, S. 71–94. 43 Magister Dieter (1248–1280) besaß 1280 kurzfristig auch die Stiftspropstei von St. German: Busch/Glasschröder, Chorregel (wie Anm.  13), I, S.  446  f., Anm.  3; Issle, St. German (wie Anm. 16), S. 124 f., Nr. 46. 44 Zu Dippert: Busch/Glasschröder, Chorregel (wie Anm. 13), I, S. 341, Anm. 1. dominus Dippertus, canonicus Spirensis, ist Zeuge vor dem bischöflichen Gericht unter Speyerer Bürgern (1272–1277): Hilgard, Urkunden (wie Anm. 13), Nr. 129, S. 94 f. Rudger ist nur bei der Wahlkapitulation als Speyerer Domherr benannt: Remling, Urkundenbuch (wie Anm. 13), I, Nr. 360, S. 328 f. Zu Walter Klein (1262–1273), dessen Kurie in der Hintergasse lag und 1273 eine tägliche Messe in St. Paulskapelle des Domes stiftete, ein Vorgang, den u. a. Domherr Beringer von Entringen bezeugte: Remling, Urkundenbuch (wie Anm. 13), I, Nr. 371, S. 338; Busch/Glasschröder, Chorregel (wie Anm. 13), I, S. 443 f., Anm. 2.

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Es bleiben Friedrich von Bolanden sowie die beiden Brüder Peter und Heinrich von Fleckenstein: Heinrich begegnet wie Friedrich von Bolanden bei der Beschwörung der Wahlkapitulation vom 3. März 1272 zum ersten Mal als Speyerer Domherr; Peter ist dort gerade einmal zwei Jahre früher zu finden.45 Das Geschlecht Fleckenstein, zu Beginn des 12. Jahrhunderts als Ministerialen des elsässischen Klosters Hohenburg auf dem Odilienberg bezeugt und zur Hagenauer Burgmannschaft gehörend, konnte sich in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts mit Gottfried III. und Heinrich in das Hofpersonal der staufischen Könige einreihen, sein neuerrungenes Sozialprestige in Verschwägerungen mit den Scharfeneck und Bolanden ummünzen und um 1250 sozial die Reste der alten Unfreiheit abstreifen. Die Fleckenstein waren wie die Bolanden Teil der absoluten Spitzengruppe im südwestdeutschen Ritteradel. In ihrer Dagstuhler Linie rechneten sie ab 1375 zum edelfreien Adel.46 Das Geschlecht war auch aufgrund seiner generativen Situation hoch aktiv in den Domstiften von Straßburg, Speyer, Mainz und Trier, es besetzte während des 15. Jahrhunderts Bischofsämter in Worms und Basel.47 Die Bolanden selbst waren gewiss herausragend durch Reichtum, königliche Ämter sowie ein edelfreies und gräfliches Konnubium, mithin schätzte man sie in der sozialen Tarifierung ihrer Verwandtschaft sogar als grafengleich.48 Ihr Adel aber galt den Zeitgenossen, wie der aller Ritterschaft, als prekär. Erinnert sei nur an den Aufwand, den der Edelfreie Reinhard von Hanau just im Oktober 1273 veranstaltete, um seine Ehefrau Adelheid, Tochter Ulrichs von Münzenberg, vom Gerücht zu befreien, die Dame sei nicht frei geboren. Dem neugewählten König Rudolf rang der Hanauer die Erklärung ab, dass Adelheid von Münzenberg und ihre Nachkommen von aller servitus, von aller Knecht-

45 Zu Heinrich von Fleckenstein (1272–1295): Busch/Glasschröder, Chorregel (wie Anm. 13), I, S. 295 f., Anm. 1. Zu Peter von Fleckenstein (1270–1314; 1276 Dompropst): ebenda, S. 610–613, Anm. 1. 46 Bosl, Reichsministerialität (wie Anm.  27), I, S.  203  f.; Rödel, Reichslehnswesen (wie Anm. 15), S. 31, 95, 135 u. passim; Peter Müller, Die Herren von Fleckenstein im späten Mittelalter. Untersuchungen zur Geschichte eines Adelsgeschlechts im pfälzisch-elsässischen Grenzgebiet (Geschichtliche Landeskunde 34), Stuttgart 1990, S. 109–115 u. 358–361. Im Jahre 1467 wurde diese Linie der Fleckenstein förmlich in den Freiherrenstand erhoben. 47 Fouquet, Domkapitel (wie Anm. 12), II, S. 495–499; Hollmann, Mainzer Domkapitel (wie Anm.  40), S.  366  f.; Rudolf Holbach, Stiftsgeistlichkeit im Spannungsfeld von ­Kirche und Welt. Studien zur Geschichte des Trierer Domkapitels und Domklerus im Spätmittelalter, 2 Teile (Trierer Historische Forschungen 2), Trier 1982, hier Bd. II, S. 479 f. 48 Kurt Andermann, Die Bolanden – Ministerialen der Staufer, in: Vor-Zeiten. Geschichte in Rheinland-Pfalz, Bd. IV, hg. von Dieter Lau/Franz-Josef Heyen, Mainz 1988, S. 69–86.

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schaft der Ministerialen, befreit seien, und ließ sich dies in den Wille­ briefen von fünf anwesenden Kurfürsten bestätigen.49 Und schließlich galt Kunigunde von Bolanden den Zeitgenossen selbst noch des Jahres 1331 rechtlich als dinstweybe.50

III. Warum also wurde im März 1272 Friedrich von Bolanden, jung, unerfahren, der erste und übrigens auch der letzte Bolanden im Speyerer Stift, zum Bischof gewählt, zumal bei der bis dahin im Stift vorherrschenden sozialen Exklusivität, unter deren Schirm die Geschlechter aus dem regionalen nichtfürstlichen Hochadel den Bischofssitz unter sich aufgeteilt hatten? Das reichsfürstlich-bischöfliche Amt Konrads von Scharfenberg (1200–1224), siebzig Jahre zuvor, war neben dem kurzen Episkopat Konrads von Dahn (1233–1236) eine Ausnahme gewesen und Ausfluss königlicher Patronage gegenüber fähigen Klerikern aus der eigenen Klientel.51 Verwandtschaftsbindungen, Begünstigungen durch materielle Bestechung und politische Korruption sowie traditionelle Verflechtungen zum staufischen Königtum waren zeitgenössisch vielfach beschrittene Wege der Konsensfindung. Sie dürften auch der Entscheidung über die Speyerer Bischofswahl von 1272 die Richtung vorgegeben haben. Ich folge zunächst der Spur der Verwandtschaft und Freundschaft und damit der potentiell stärksten Kohäsionslinie zur Herstellung von Konsens und Entscheidung in den verschiedenen Milieus des mittelalterlichen Sozialen Ganzen. Verwandt war Friedrich von Bolanden, was die

49 Hessisches Urkundenbuch, 2. Abteilung: Urkundenbuch zur Geschichte der Herren von Hanau und der ehemaligen Provinz Hanau 767–1400, hg. von Heinrich Reimer (Publikationen aus dem Königlich-Preußischen Staatsarchiv 48), Bd. I, Leipzig 1891, Nachdruck Osnabrück 1965, Nr. 471–476, S. 348–350. Zusätzlich noch eine Urkunde vom 26.3.1287 (ebenda, Nr. 653, S. 468). Dazu Trautz, Noblesse allemande (wie Anm. 15), S. 64 f.; Karl-Heinz Spiess, Ständische Abgrenzung und soziale Differenzierung zwischen Hochadel und Ritteradel im Spätmittelalter, in: Rheinische Vierteljahresblätter 56, 1992, S. 181–205, hier S. 181 f. Zum Geschlecht: Hans Otto Keunecke, Die Münzenberger. Quellen und Studien zur Emancipation einer Reichsdienstmannenfamilie (Quellen und Forschungen zur hessischen Geschichte 35), Darmstadt 1978. 50 Spiess, Ständische Abgrenzung (wie Anm. 49), S. 189 (mit dem Nachweis der Über­ lieferungslage). 51 Siehe Anm. 11. Überdies Jan Ulrich Keupp, Dienst und Verdienst. Die Ministerialen Friedrich Barbarossas und Heinrichs VI. (Monographien zur Geschichte des Mittel­ alters 48), Stuttgart 2002, S. 106–151. Zur Einschätzung: Schaab, Ministerialität (wie Anm. 27), S. 111–115; Andermann, Reichsministerialen (wie Anm. 15), S. 124–126.

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Bindungen ins Speyerer Domstift anbelangt, mit dem Vorgänger im Bischofsamt, Graf Heinrich von Leiningen. Friedrichs Mutter Kunigunde war die Schwester des Bischofs.52 Spekulation bleibt der Nepotismus des bischöflichen Onkels für die Admittierung Friedrichs von Bolanden in Speyer, ein gewisser Einfluss scheint aber plausibel, zumal, wie erwähnt, Verwandtschaft der stärkste Kit war, die Hefe im Teig, aus dem kirchliche Pfründen und Karrieren geformt wurden. Da ist darüber hinaus das besondere verwandtschaftliche Verhältnis zwischen Bolanden und Fleckenstein am Ende des 13. Jahrhunderts. Agnes von Bolanden, die Schwester des Domherrn Friedrich, war mit Friedrich von Fleckenstein, dem Bruder des Kidnappers Wolfram und der Domherren Heinrich und Peter, verheiratet.53 Agnes von Bolanden trat übrigens nach dem Tod ihres Mannes 1275 zusammen mit ihren beiden Töchtern als große Stifterin in das Dominikanerinnenkloster St. Lambrecht ein, eines der Klöster, wohin der pfälzisch-unterelsässische Ritteradel, darunter in vorderster Linie die Fleckenstein, seine Töchter als fromme Bräute Christi abschichtete. Die Bolanden rechneten sich mithin trotz ihres nichtfürstlich hochadligen Konnubiums zu diesem Adel und wurden entsprechend akzeptiert.54 Und auch in anderer Hinsicht zeigte sich die mehrfache verwandtschaftliche Kreuzverbindung Bolanden-Fleckenstein als hoch aktiv – man setzte sich gegenseitig als Vormünder ein: Im April 1270 traten jedenfalls Philipp von Bolanden-Falkenstein, der Onkel Friedrichs von Bolanden, und der Domherr Peter von Fleckenstein als Vormünder für die Söhne der Fleckenstein-Brüder Rudolf und Friedrich auf.55 Bei einer so engen, nicht allein durch Konnubium, sondern auch aufgrund aktiver Mehrfachbindung befestigten Verwandtschaft scheint es nun naheliegend, dass es bei der Speyerer Bischofswahl von 1272 zu Absprachen zwischen Bolanden und Fleckenstein und wahrscheinlich ebenso mit manchen anderen Wählern gekommen sein könnte, die man durch aktive materielle Bestechung und politische Begünstigung – die zweite Spur – beförderte. Denn Wahl heißt gemeinhin auch im Mittelalter: Bildung einer Mehrheit. Das wusste z. B. Rudolf von Habsburg, als er am 24. Oktober 1273, am Tag der Aachener Krönung, seine Töchter mit zweien seiner Wähler vermählte: Mathilde mit Pfalzgraf Lud52 Möller, Stamm-Tafeln (wie Anm. 22), I, Tafel XVII. Dazu Ingo Toussaint, Die Grafen von Leiningen. Studien zur leiningischen Genealogie und Territorialgeschichte bis zur Teilung von 1317/18, Sigmaringen 1982, S. 248. 53 Möller, Stamm-Tafeln (wie Anm. 22), I, Tafel XVII u. XXV. Dazu Müller, Fleckenstein (wie Anm. 46), S. 298 f. u. 701. 54 Fouquet, Seelbuch (wie Anm. 15), S. 98 f., Nr. 41 u. passim. 55 Remling, Urkundenbuch (wie Anm. 13), I, Nr. 358, S. 322 f.

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wig II. und Agnes mit Herzog Albrecht von Sachsen. Die versprochenen Mitgiften, 10.000 Mark Silber allein für Mathilde, und zusätzliche 5000 Mark Handsalbe für Ludwig, den Sohn des Pfalzgrafen, waren dabei ebenso wie die noch nicht einmal als Aufwandsentschädigungen getarnten hohen Geldzahlungen an andere Wahlfürsten nur über umfangreiche Verpfändungen aufzubringen.56 Bestechung kannte man aber auch im Speyerer Domkapitel. Von allen denkbaren Maßnahmen zur Mehrheitsbeschaffung allerdings ist nur die erwähnte Abmachung Bolanden-Fleckenstein durch den glücklichen Zufall des gewaltsamen Eintreibens nicht fristgerecht gezahlter Schulden und aufgrund der journalistischen Neugier eines Dominikaner-Chronisten, der ein offenes Ohr für die Gerüchte aus den Hinterzimmern der Macht besaß, zumindest indirekt überliefert worden. Dass derartige Ehrenverpflichtungen gleich wie beglichen werden mussten, ergibt sich aus der sozialen Logik des do-ut-des in jenen Milieus: Über verspätete Geldflüsse ist nichts bekannt. Freilich – Peter von Fleckenstein wurde wenige Wochen nach der Befreiung Bischof Friedrichs von Bolanden mit der Dompropstei entlohnt – er urkundete bereits am 24. Juni 1276 als Dompropst. Die erste Prälatur des Speyerer Stifts war im September 1275 durch den Tod Werners von Horneck freigeworden.57 Auffallend erscheint zudem, dass am 14. März 1272, zehn Tage nach der Bischofswahl, Pröpste, Dekane und Kapitel der vier Speyerer Stifte sehr schmallippig ihren sozialen numerus clausus aus dem Jahre 1264 kassierten.58 Damals hatten die Stiftskirchen in den Konflikten mit der Stadt den Nachkommen der Ratsherren und Bürger Speyers die Aufnahme in die Kapitel bis in die vierte Generation verweigert. Das kann aber nur heißen: Die Bolanden-Faktion kaufte mit diesem Versprechen die Stimmen der wenigen, noch vor 1264 im Domkapitel bepfründeten Domherren aus dem Stadtbürgertum. Und in diese Faktion müssen sich dann auch die Pröpste aller Speyerer Stifte, Werner von Horneck als Dom-

56 Regesten Pfalzgrafen (wie Anm. 13), I, Nr. 908, 911 u. 915 (Willebriefe des Erzbischofs von Köln für die Verpfändungen der Burgen und Städte Altdorf, Nürnberg, Ravensburg und Memmingen). Dazu Redlich, Rudolf (wie Anm. 3), S. 169. Zu den Verhandlungen um die Königswahl: Karl-Friedrich Krieger, Rudolf von Habsburg, Darmstadt 2003, S. 89–102. 57 Zuerst 1276 VI 24: Remling, Urkundenbuch (wie Anm. 13), I, Nr. 113, S. 220. Darüber hinaus Busch/Glasschröder, Chorregel (wie Anm. 13), I, S. 610–613, Anm. 1. 58 Hilgard, Urkunden (wie Anm. 13), Nr. 107, S. 78 f. u. Nr. 121, S. 90. Ähnliches geschah in Worms: Thomas Zotz, Bischöfliche Herrschaft, Adel, Ministerialität und Bürgertum in Stadt und Bistum Worms (11.–14. Jahrhundert), in: Herrschaft und Stand. Untersuchungen zur Sozialgeschichte im 13. Jahrhundert, hg. von Josef Fleckenstein (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte 51), Göttingen 1977, S. 92–136, hier S. 131 f.

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propst sowie die Pröpste der Kollegiatkirchen (Otto von Bruchsal, Adelvolk von Lachen und Raugraf Gerhard von Baumburg) eingereiht haben. Denn ohne die Unterstützung der Prälaten wäre die politisch höchst konfliktträchtige Frage der Aufgabe landadliger Exklusivität nicht durchzusetzen gewesen. Die Entscheidung von 1272 blieb situativ, 1309 wendete sich das Blatt wieder, diesmal bis zum Ende des Alten Reiches.59 Wahlentscheidend dürfte insgesamt gewesen sein, dass Friedrich von Bolanden zu den Stauferfreunden im Kapitel zählte – die dritte Spur. Darüber scheinen die Reihen geschlossen worden zu sein. Neben Friedrich selbst, der die Königsnähe schon durch die Familientradition verkörperte, dürfte Magister Otto von Bruchsal, der Stiftspropst von St. Guido in Speyer, in den 1260/70er Jahren diese Interessen sehr aktiv im Speyerer Stift vertreten haben. Freilich – bei der Beschwörung der Wahlkapitulation am 3. März 1272 fehlte der Magister. Ob er bei der Bischofswahl am Tag darauf gleichfalls abwesend war, steht dahin, aber er sei neben den Bolanden exemplarisch als einer der königsnahen Mitglieder des Domkapitels näher vorgestellt. Die Edelfreien von Bruchsal waren in ihrem regionalen Beziehungssystem sowohl eng mit dem Speyerer Stift als auch mit dem Hof der Pfalzgrafen bei Rhein verbunden, seit 1214 die entscheidenden Akteure am nördlichen Oberrhein. Otto von Bruchsal60 gehörte in der Nachfolge wohl seines gleichnamigen Vaters61 zusammen mit seinem Neffen Otto zum Hofpersonal und zur Lehnsmannschaft Pfalzgraf Ludwigs II. Gemeinsam trugen Onkel und Neffe Pfalzgraf Ludwig II. im November 1262 Güter in Sandhausen und Leimen zu Lehen auf. Anstehende Erbfragen im Falle des Todes des laikalen Lehnsträgers wurden so geregelt, dass sein Onkel, der Stiftspropst, die pfälzischen Lehen sein Lebtag besitzen sollte. Bei einer eventuellen Promotion auf einen Bischofsstuhl, so heißt es, bestünde der Pfalzgraf allerdings auf seinem Heimfallrecht.62 Propst Otto von Bruchsal konnte zwar diesen selbst gesetzten oder ihm

59 In der weiteren Entwicklung schloss der Speyerer Rat 1287 bischöfliche Amtleute von den Ratsherrensitzen aus und 1309 traf das Domkapitel eine erneute und diesmal endgültige Exklusiventscheidung gegen Speyerer Bürgersöhne: ebenda, Nr.  159, S.  119; Nr.  248, S.  192  f.; Duggan, Bishop (wie Anm.  1), S.  47; Voltmer, Reichsstadt (wie Anm. 1), S. 54 u. 62. 60 Einzelnachweise bei Debus, St. Guido (wie Anm. 16), S. 62 f., Nr. 65. Vgl. auch oben Anm. 24. 61 Ein Otto von Bruchsal wird als Zeuge einer Urkunde Pfalzgraf Ottos III. direkt nach dem Marschall Zurno aufgeführt: Regesten Pfalzgrafen (wie Anm. 13), I, Nr. 394. Zu diesem Amtsträger: Kurt Andermann, Der pfalzgräfliche Marschall Berlewin Zurno. Versuch einer Würdigung, in: Alzeyer Geschichtsblätter 18, 1983, S. 71–98. 62 Regesten Pfalzgrafen (wie Anm. 13), I, Nr. 742. Zu weiteren Geschäften zwischen der Familie von Bruchsal und Pfalzgraf Ludwig II.: ebenda I, Nr. 779.

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aufgrund seiner Persönlichkeit zugeschriebenen episkopalen Anspruch nie umsetzen, aber er rückte am Heidelberger Hof des Pfalzgrafen – sein Neffe Otto ist dort ebenfalls von 1265 bis mindestens 1286 zu finden63 – zu hohen Ehren auf. Der Staufer Konradin, der am Hof Pfalzgraf Ludwigs II. aufwuchs, ließ Propst Otto, der ihm am 31. März 1267 die Bitte vortrug, das Speyerer Domkapitel vom Ungeld auf den Einkünften der Esslinger Pfarrkirche zu befreien, als specialiter dilectus ac familiaris noster bezeichnen. Aufgrund seiner Verdienste, die Otto von Bruchsal ihm durch fides et devotio bewiesen habe, gewährte ihm Konradin das Anliegen.64 Als sich nach dem Ende des letzten Staufers in Neapel im Oktober 1268 und dem Tod Richards von Cornwall im April 1272 am Beginn des folgenden Jahres die vier rheinischen Wahlfürsten unter Führung des Mainzer Erzbischofs Werner von Eppstein, auch mit tatkräftiger Hilfe etwa des Burggrafen Friedrich von Nürnberg oder des verwandten Grafen Friedrich IV. von Leiningen, gegen ihre Interessen zu einem Konsens über die Königswahl einigten, um im Sinne staufischer Traditionen alle böhmischen, ghibellinischen und französischen Ambitionen abzuwehren, wurde Magister Otto von Bruchsal, der Stiftspropst von St. Guido, gebraucht. Der Trierer Erzbischof Heinrich von Finstingen nutzte im Mai 1273 dessen Kontakte nach Rom, um Pfalzgraf Ludwig II. vom Bann lösen zu lassen, mit dem er als Freund Konradins belegt worden war. Nur so war der Pfalzgraf zu gewinnen gewesen. Otto von Bruchsal fungierte bei dieser Legation als pfalzgräflicher Gesandter an die Kurie.65 Zusammen mit Burggraf Friedrich von Nürnberg soll der St. Guido-Stiftspropst auch Ende August 1273 bei der Belehnung des Grafen von Sayn in Bacharach auf Pfalzgraf Ludwig eingewirkt haben, seine königlichen Ambitionen aufzugeben.66 Otto von Bruchsal, Werner von Bolanden, der Reichstruchsess, und sein Bruder Philipp suchten sofort nach der Wahl Rudolfs von Habsburg Kontakt zum Hof des neuen Königs. Für sie verkörperte der Graf von Habsburg offenbar die Wiedergeburt staufischer Tradition. Gefordert waren die Bolanden schon am Krönungstag in Aachen, dem 63 Regesten Pfalzgrafen (wie Anm. 13), I, Nr. 774, 793 f., 797, 841 f., 993 u. 1141. 64 Johann Friedrich Böhmer, Regesta Imperii, Bd. V, 1,2: Die Regesten des Kaiserreichs unter Philipp, Otto IV., Friedrich II., Heinrich (VII.), Conrad IV., Heinrich Raspe, Wilhelm und Richard 1198–1272, neu hg. von Julius Ficker/Eduard Winkelmann, Innsbruck 1882, Nr. 4827. 65 Regesten Pfalzgrafen (wie Anm. 13), I, Nr. 884 u. 891. 66 Carl Ludwig Tolner, Historia Palatina, Frankfurt am Main 1700, Bd. II, Nr. 87, S. 71 (beide als Zeugen). Interpretation nach: Johann Friedrich Böhmer, Regesta Imperii, Bd. VI, 1: Die Regesten des Kaiserreiches unter Rudolf, Adolf, Albrecht, Heinrich VII. 1273–1313, neubearb. von Oswald Redlich, Innsbruck 1898, Nachdruck Hildesheim/ New York 1969, S. 5.

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1. Oktober 1273. Denn als es dort um Sicherheiten für das Wahlgeschenk in Höhe von 1555 Mark Silber Frankfurter Währung an den Trierer Erzbischof ging, reihten sie sich u. a. neben den Grafen von Katzenelnbogen sowie den Herren von Eppstein und Hanau unter die Bürgen für den König ein.67 Werner und Philipp, gelegentlich erweitert um ihren Bruder, den Speyerer Bischof Friedrich von Bolanden, auch um die Falkensteiner und Hohenfelser Vettern, blieben beim königlichen Hof, bis er im Februar 1274 Hagenau erreichte.68 Noch in Aachen begegnet Magister Otto von Bruchsal am 29. Oktober 1273 als Zeuge bei der Bestätigung der Privilegien der Krönungsstadt.69 Er reiste mit dem königlichen Hoflager weiter nach Köln. Am 19. November ließ dort Rudolf von Habsburg den Kölnern in einer Urkunde per manus Ottonis prepositi ecclesiae sancti Guidonis Spirensis, cancellarii curie nostre ebenfalls ihre Rechte konfirmieren.70 Dem Magister aus Speyer war als Leiter der Kanzlei der Zutritt zum Hof des Königs wahrscheinlich mit der tatkräftigen Hilfe des Pfalzgrafen und dessen Netzwerk aus dem stauferfreundlichen Adel gelungen. Über Speyer, das Mitte Dezember dem neuen König huldigte, wo auch das Domkapitel durch den Domdekan Werner von Horneck und den Kanzler Otto von Bruchsal am Hoflager präsent war,71 gelangte Rudolf von Habsburg noch vor Weihnachten nach Hagenau. Dort wurde am 22. Dezember 1273 Otto von Bruchsal mit der Wahlanzeige für die Kardinäle an die römische Kurie entsandt. Das Beglaubigungsschreiben für Otto, nostrum secretarium et conscium mentis nostre, cancellarium nostre curie, bezeugt diese ehrenvolle, vom besonderen Vertrauen des Königs geprägte diplomatische Mission.72 Und die war angesichts der komplexen politischen Konstellation sehr erfolgreich. Rudolf von Habsburg dankte jedenfalls im März 1274 einem ungenannt bleibenden Bischof am Papsthof für die zuvorkommende Aufnahme, die seinem Kanzler in Rom bereitet worden sei.73 Papst Gregor X. hob in seinem Schreiben an den „erwählten“ römischen König hervor, dass er seinen Kanzler mit Wohlwollen aufgenommen habe. Propst Otto habe ihm und seinen Kardinälen nach Prüfung seiner Vollmacht in einer Rede das politische Programm Rudolfs verständig auseinandergesetzt.74

67 Regesta Imperii VI, 1, Nr. 2. 68 Regesta Imperii VI, 1, Nr. 18, 21, 36, 47, 49, 93, 100, 102 u. 114. 69 Regesta Imperii VI, 1, Nr. 18. Auch bei der Privilegienbestätigung für Kaiserswerth: ebenda, Nr. 21. 70 Regesta Imperii VI, 1, Nr. 36. 71 Regesta Imperii VI, 1, Nr. 49. 72 Regesta Imperii VI, 1, Nr. 59. 73 Regesta Imperii VI, 1, Nr. 129. 74 Regesta Imperii VI, 1, Nr. 97.

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Der Mann war für die Diplomatie zu gebrauchen. Und so sandte Rudolf von Habsburg seinen Kanzler zusammen mit Burggraf Friedrich von Nürnberg und Graf Gottfried von Sayn im Mai 1274 auch zum Konzil von Lyon.75 Im Gepäck des Gesandten befand sich noch ein Beglaubigungsschreiben an Margarethe von Provence, die Ehefrau des 1270 verstorbenen französischen Königs Ludwig IX., des Heiligen. Rudolf wünschte, dass sie vor seiner Gesandtschaft persönlich den Lehnseid für die Grafschaften Provence und Forcalquier ablegen sollte.76 Auf dem Konzil hatte Otto von Bruchsal Anfang Juni die Aufgabe, im päpstlichen Konsistorium, an dem auch die Erzbischöfe von Mainz, Köln und Trier, weitere Bischöfe aus dem Reich sowie Burggraf Friedrich von Nürnberg und Graf Gottfried von Sayn teilnahmen, die von den Königen Otto IV. und Friedrich II. für die römische Kirche ausgestellten Eide und Privilegien zu verlesen. Er hatte zudem Erklärungen König Rudolfs über seine Politik gegenüber Karl von Anjou und dem Patrimonium Petri abzugeben. Den deutschen Laienfürsten übersetzte Otto diese Rede, da sie, wie es heißt, nec litteras nec linguam latinam konnten.77 Es war Ottos von Bruchsal letzter großer Auftritt als königlicher Kanzler. Am 4. August 1274 ist er in Lyon gestorben.78 Der „traurige“ Tod Ottos „seligen Angedenkens“, schrieb wenig später Rudolf von Habsburg vermutlich an Rudolf von Hoheneck, den Nachfolger im Kanzleramt, habe „eine für ihn höchst schmerzliche und empfindliche Lücke gerissen, und er wisse nun keinen anderen, dem er die Last der Geschäfte mit mehr Vertrauen übertragen könnte, als ihn.“79

IV. Staufisch-königsnahe Traditionen und Zuordnung zum königlichen Hof oder dessen Peripherie bedeuteten keineswegs eine auf Dauer gestellte Fortschreibung der inneren sozialen Ordnung im Speyerer Domkapitel, welche die Freunde Friedrichs von Bolanden nutzen konnten, um ihn zum Bischof wählen zu lassen. Sie begründeten auch nicht den fried­lichen Austrag von Konflikten innerhalb der regionalen

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Regesta Imperii VI, 1, Nr. 140 u. 172. Regesta Imperii VI, 1, Nr. 141. Regesta Imperii VI, 1, Nr. 171 f. Busch/Glasschröder, Chorregel (wie Anm.  13), I, S.  263, Anm.  3; Debus, St. Guido (wie Anm. 16), S. 63, Nr. 65. 79 Regesta Imperii VI, 1, Nr. 247 (Teile der Übersetzung); Text: Franz Joseph Bodmann, Codex epistolaris Rudolfi I. Rom. Regis, epistolas CCXXX. anecdotas continens, Leipzig 1806, S. 223, Nr. 83.

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Adelsfronde im deutschen Südwesten und ihres Verhältnisses zum Königtum. Zum Domkapitel fanden schon in der Regierungszeit Rudolfs von Habsburg immer mehr Mitglieder aus dem Ritteradel Zutritt. Im Jahre 1282 sind unter den 20 bislang nachzuweisenden Domherren nur noch vier Kanoniker aus Familien des nichtfürstlichen Hochadels (s. Übersicht). Dieser gravierende soziale Wandel in Speyer gab sich analog zur sozialen Festigung des Ritteradels dem Tempo einer Schnecke gleich. Es wird noch bis zu den 1330er Jahre dauern, dass bei der Wahl zum Bischof Überlegungen innerhalb des Stiftsadels, wer den besseren Adelsrang einnehme und damit überhaupt für das Bischofsamt infrage komme, keine Rolle mehr spielten. Das Verhalten nach Rangordnung werden bis zur Reformation Gruppeninteressen innerhalb des Ritteradels und netzwerkartige Verflechtungen zum Heidelberger Hof der Pfalzgrafen ersetzen.80 Die Bolanden entwickelten wie so manche Familien aus dem südwestdeutschen Adel ein gespaltenes Verhältnis zu König und Hof. Nach der Triumphtour des neugekrönten Königs Rudolf, die ihn von Aachen nach Hagenau geführt hatte, besuchten die Bolanden nur noch situativ das königliche Hoflager – dann nämlich, wenn sich Rudolf von Habsburg am nördlichen Oberrhein aufhielt. Allein Philipp V. von Bolanden begab sich im Jahre 1277 während der Monate Juli bis November andauernd in die Nähe des Habsburgers in Wien und Wiener Neustadt.81 Möglicherweise ging es dabei um die Aushandlung von Heiratsplänen. Denn im Juni 1284 wurde auf dem Hoftag in Basel die Vermählung Graf Albrechts von Löwenstein, eines illegitimen Sohnes des Königs, mit Lukardis, der Tochter des inzwischen verstorbenen Philipp V. von Bolanden, gefeiert.82 Bischof Friedrich von Bolanden spielte noch bis zu Beginn der 1280er Jahre die politische Karte Rudolfs von Habsburg. Danach überdehnten die Brüche, die sich aus der königlichen Revindikationspolitik, insbesondere gegenüber den Städten Speyer und Lauterburg, ergaben, die Loyalität des Speyerer Bischofs zum Königtum.83

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Fouquet, Domkapitel (wie Anm. 16). Regesta Imperii VI, 1, Nr. 811, 821, 865, 873 f., u. 891 f. Regesta Imperii VI, 1, Nr. 1841a; Möller, Stamm-Tafeln (wie Anm. 22), I, Tafel XVII. Zu Speyer: Andreas Christoph Schlunk, Königsmacht und Krongut. Die Machtgrundlage des deutschen Königtums im 13. Jahrhundert – und eine neue historische Methode, Wiesbaden 1988, S. 102–104. Zu Lauterburg: Bernhard Metz, Lauterbourg. Jusqu’au milieu de 13e siècle. Remarques critiques, in: L‘outre-forêt 70, 1990, S.  7–14; Bernhard Metz, Lauterburg, in: Pfälzisches Burgenlexikon, Bd. 3, hg. von Jürgen Keddigkeit/Ulrich Burkhardt/Rolf Übel (Beiträge zur pfälzischen Geschichte 12,3), Kaiserslautern 2005, S. 327–331.

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Doch Bischof Friedrich von Bolanden war offenbar immer gut für eine Skandalgeschichte: Im September 1282 wurde er möglicherweise erneut ein Opfer adligen Kidnappings, als ihn Graf Gerhard von Katzenelnbogen in Kelsterbach am Main verschleppte und ihn gegen Lösegeld wieder freigab. Die Quellenlage ist dunkel, und so stehen die Gründe für diese Tat dahin.84 Nicht ganz so düster bleibt das gewaltsame Vorgehen König Rudolfs von Habsburg gegen den Speyerer Bischof. Sechs harte Wochen seit Anfang April 1286 belagerte der König nach der besten Überlieferung in der zeitgenössischen Chronik des Straßburgers Ellenhard castrum et op[p]idum Lauterburg, da Rudolf die Stadt ad Romanum imperium beansprucht habe.85 König Wilhelm von Holland gestattete 1252 seinem Kanzler, dem Speyerer Elekten Graf Heinrich von Leiningen, apud Luterburg, tue diocesis, einen fünfzehntägigen Jahrmarkt, beginnend in der Woche nach der Osteroktav, zu errichten, nahm die Besucher unter seinen besonderen Schutz und ließ mit diesen Formulierungen den Status Lauterburgs als königlicher Stadt zumindest offen.86 Und so entzog König Rudolf nach der Ero­ berung der civitas parvula, wie sie in den Colmarer Annalen genannt wird,87 mit einer gewissen Konsequenz Bischof Friedrich die wohl inzwischen usurpierte Stadtherrschaft. Nec solo hoc contentus – der König verbannte den Speyerer Bischof auch noch extra Regnum Romanorum. Und dieses Urteil sei bis zum Tod des Königs nicht widerrufen worden, so die Chronisten, was tatsächlich der Fall war. Die Mainzer Erzbischöfe Heinrich von Isny (1286–1288) und Gerhard von Eppstein (1288– 1305) administrierten bis 1291 Hochstift und Diözese. Aber die Freunde

84 Remling, Geschichte (wie Anm. 1), I, S. 533 f. Außer in der Speyerer Stadtgeschichte Eysengreins gibt es dafür keine Überlieferung: Wilhelm Eysengrein, Chronologicarum rerum amplissimae clarissimaeque urbis Spirae, Speyer 1564, S. 239. 85 Ellenhardi Chronicon, hg. von Philipp Jaffé, in: MGH. Scriptores, Bd. 17, Hannover 1861, S. 118–141, hier S. 127. Dazu und zur Datierung der Belagerung: Regesta Imperii VI, 1, Nr. 2010a u. 2011; Redlich, Rudolf (wie Anm. 3), S. 542. Zu Ellenhards Chronik: Norbert Warken, Mittelalterliche Geschichtsschreibung in Straßburg. Studien zu ihrer Funktion und Rezeption bis zur frühen Neuzeit, Saarbrücken 1995, S. 62–80. 86 Remling, Urkundenbuch (wie Anm. 13), I, Nr. 272, S. 253; Malottki, Heinrich von Leiningen (wie Anm. 6), S. 202, Nr. 105. Dazu Metz, Lauterbourg (wie Anm. 83), S. 7 u. 9. Die königliche Politik gegenüber den Städten am Oberrhein bei: Martin, Städtepolitik (wie Anm. 1), S. 114 u. S. 181–185. 87 Annales Colmarienses maiores, hg. von Philipp Jaffé, in: MGH. Scriptores, Bd. 17, Hannover 1861, S. 202–232, hier S. 212. Schwierigkeiten bereitet der zum 19. April 1286 in die Chronik eingerückte Satz: Ruodolphus rex accepit episcopo Spirensis civitatem parvulam fraudulenter, wenn sich das genannte Städtchen auf Lauterburg bezieht, im Vergleich mit der im Mai geschilderten Belagerung und Übergabe Lauterburgs freilich offenbar durch die Stadtbewohner selbst: Rex Ruodolphus obsedit opidum Lutreburch episcopi Spirensis sex septimanis, qui regi resistere non valentes se regis gracie tradiderunt.

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des Bolanden-Bischofs am Königshof sorgten dafür, dass er das Exil gleichsam als Hausarrest auf der Kästenburg verbringen durfte.88 In die Mühlen der Revindikationspolitik Rudolfs waren im Südwesten auch andere wie zum Beispiel die Fleckenstein geraten, die u. a. die Burgen Löwenstein und Guttenberg dem König abtreten mussten.89 Aufsehen erregt der Chronist Ellenhard daher mit dem Hörensagen (dicebatur), das er aufschrieb: Bischof Friedrich habe dem König auf dem Rückweg von der Hinrichtung Tile Kolups, des „falschen Friedrichs“, in Wetzlar (7. Juli 1285) manu armata nach dem Leben getrachtet.90 Ob Friedrich von Bolanden tatsächlich in die Verschwörung des Dieter Nessel von Mauer (bei Heidelberg) verstrickt war, wie jenes Gerücht es nahelegte,91 ist ungewiss, obwohl der Chronist behauptet, die veritas sei erwiesen.92 Ins Reich der Mären gehört dagegen die höchst amüsante Anekdote, die der erste Fortsetzer der sächsischen Weltchronik und die Wormser Annalen zu erzählen wissen: Bischof Friedrich habe den Zorn König Rudolfs erregt, weil er bei einer Gelegenheit der zweiten Ehefrau des Habsburgers, Agnes-Isabelle von Burgund, zwar elegant vom Wagen geholfen, sie dann aber höchst unhöfisch uber iren danch auf den Mund geküsst habe – also liuf pei den zeiten der gemain leumte.93 Gerüchte und einige Plausibilitäten um Domkapitel, Bischof und König in einem der vielen Hochstifte des Reiches am Ende des 13. Jahrhunderts!

88 Remling, Geschichte (wie Anm. 1), I, S. 537–540. Gleichwohl behaupten die Wormser Annalen, der Bischof sei nach Gallia geflohen und erst nach dem Tod des Königs wieder zurückgekehrt: Annales breves Wormatienses, hg. von Ludwig Konrad Bethmann, in MGH. Scriptores, Bd. 17, Hannover 1861, S. 74–79, hier S. 78. Burg und Stadt Lauterburg fielen nach dem Tod König Rudolfs endgültig an den Speyerer Bischof. „Spätestens 1295“ amtierte dort ein bischöflicher Vogt: Metz, Lauterburg (wie Anm. 83), S. 329. 89 Müller, Fleckenstein (wie Anm. 46), S. 120 u. passim. 90 Ellenhardi Chronicon (wie Anm. 85), S. 127. Dazu Redlich, Rudolf (wie Anm. 3), S. 542 f.; Krieger, Rudolf (wie Anm. 56), S. 184, Anm. 91. Zu Tile Kolup zuletzt: Alexander Schubert, Heilserwartung und Wiederkehrglaube, in: Die Staufer und Italien. Drei Innovationsregionen im mittelalterlichen Europa. Bd. 1: Essays, hg. von Alfried Wieczorek/Bernd Schneidmüller/Stefan Weinfurter (Publikationen der ReissEngelhorn-Museen 37), Stuttgart 2010, S. 33–38. 91 Regesta Imperii VI, 1, Nr. 1999. 92 Schon Redlich hielt die Stelle aus Ellenhards Chronik für „nicht ganz klar“: munitus ad enudandam veritatem et malitiam convincendam se absentativit, et inventum fuit, ad litteram sic velle fecisse. Ellenhardi Chronicon (wie Anm. 85), S. 127. Dazu Redlich, Rudolf (wie Anm. 3), S. 543, Anm. 1. 93 Sächsische Weltchronik, Erste Bairische Fortsetzung, hg. von Ludwig Weiland, in: MGH. Deutsche Chroniken, Bd. 2, Hannover 1877, S. 319–336, S. 329; Annales breves Wormatienses (wie Anm. 88), S. 78. Dazu auch Willi Treichler, Mittelalterliche Erzählungen und Anekdoten um Rudolf von Habsburg (Geist und Werk der Zeiten 26), Bern/Frankfurt am Main 1971, Nr. 35, S. 104.

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Das Domkapitel von Speyer in der Zeit Königs Rudolf von Habsburg Domkapitel 1272

Domkapitel 1282

+Werner von Horneck, Dompropst (1258–1275), edelfrei Albert von Mußbach, Domdekan (1269– 1277) Berthold von Scharfenberg, Domkantor (1235–1273) Adelvolk von Lachen, Domscholaster (1241–1274) Walram, Domkustos (1272) Mag. Diether, Domcellerar (1248–1280) [Adelvolk von Lachen, Stiftspropst Allerheiligen (1248–1274)] Gerhard Raugraf von Baumburg, Stiftspr. St. German (1241–1282) +Otto von Bruchsal d. Ä., Stiftspropst St. Guido (1249–1274), edelfrei Beringer von Entringen (1257–1273), edelfrei Dippertus (1272–1277) Walther Klein (1262–1273) Friedrich Raugraf von Baumburg (1272– 1277), edelfrei Richwin von Schönberg (1272–1296) Rudger (1272) Mag. Albert von Lachen (1272–1307) Eberhard von Entringen (1272), edelfrei Albert von Remchingen (1272–1302) Peter von Fleckenstein (1270–1314) Werner de Annenvelth (1272) Eberhard von Strahlenberg (1263–1291), edelfrei Konrad Kago (1272) Hugo von Spiegelberg (1262–1284) Friedrich von Bolanden (1272–1273) Heinrich von Fleckenstein (1272–1295) Werner de Wilre (Weiler) (1272–1299), edelfrei +Egenolf (Eglof) von Landesberg (1270– 1291)

Peter von Fleckenstein, Dompropst (1270–1314) Alexander, Domdekan (1277–1290) Hugo von Spiegelberg, Domkantor (1262–1284) Eberhard von Strahlenberg (1277–1291), edelfrei Albert von Remchingen (1281–1302) Helfrich von Talheim, Domcellerar (1276–1291) Heinrich Gf. von Zweibrücken, St. German (1277–1305) Hugo von Spiegelberg, St. Guido (1262– 1284) Heinrich von Dahn (1277–1308) Rüdiger von Dürn (1280–1315), edelfrei Heinrich von Fleckenstein (1272–1295) Richwin von Schönberg (1272–1296) Mag. Albert von Lachen (1272–1307) Heinrich von Fleckenstein (1272–1295) Werner de Wilre (Weiler) (1272–1299), edelfrei Egenolf (Eglof) von Landesberg (1270– 1291) Siboto von Lichtenberg (1277–1303) Otto von Mühlhofen (1281–1310) Eberhard von Offenbach (1276–1289) Engelhard Schenk von Erbach (?–1285)

Die mit + gekennzeichneten Domherren waren bei der Beurkundung der Wahlkapitulation am 3. März 1272 nicht zugegen.

Kurt Andermann

König Rudolf von Habsburg und die Stadt Speyer Mit dem von Kaiser Konrad II. gegründeten Dom und vor allem mit seiner salisch-staufischen Königsgrablege nahm Speyer seit dem dritten Jahrzehnt des 11. Jahrhunderts unter den Bischofsstädten entlang des Rheins eine Sonderstellung ein.1 In ihrer reichsweiten, ja europaweiten Außenwirkung wird diese deutlich in der von dem normannischen Chronisten Ordericus Vitalis formulierten Charakterisierung der Stadt als metropolis Germaniae.2 In der Innenwirkung kommt die Sonderstellung zum Ausdruck in einer ganzen Reihe von Vergünstigungen sowohl der salischen als auch der staufischen Herrscher zugunsten der Bewohner der Stadt, die sich unter diesen Voraussetzungen schon früh zu Bürgern im Rechtssinn entwickeln und alsbald kommunale Strukturen herausbilden konnten, wodurch sie eine immer größere Autonomie gegenüber dem bischöflichen Stadtherrn erlangten. Erinnert sei in diesem Zusammenhang nur an die von Kaiser Heinrich V. gewährten, ebenso weitreichenden wie wegweisenden Privilegien von 1111.3 Gewiss nicht zu Unrecht meint Ernst Voltmer, die Bischofsstadt Speyer habe damit „bisweilen geradezu den Charakter einer königlichen Stadt oder auch ‚Reichslandstadt‘“ angenommen.4 Das infolge solcher Entwicklungen mit der Zeit generierte Konfliktpotential zwischen einer immer selbstbewusster auftretenden Stadtgemeinde und ihrem bischöflichen Stadtherrn sowie nicht zuletzt dem Klerus der Speyrer Kollegiatstifte nahm während des Interregnums immer mehr zu und erreichte in der Regierungszeit Rudolfs von Habs1 Hans Erich Kubach/Walter Haas, Der Dom zu Speyer (Die Kunstdenkmäler von Rheinland-Pfalz), 3 Bde., München 1972. 2 Caspar Ehlers, Metropolis Germaniae. Studien zur Bedeutung Speyers für das Königtum (751–1250) (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte 125), Göttingen 1996. 3 Kurt Andermann, Bürgerrecht. Die Speyrer Privilegien von 1111 und die Anfänge persönlicher Freiheitsrechte in deutschen Städten des hohen Mittelalters, in: Historische Zeitschrift 295, 2012, S. 593–624. 4 Ernst Voltmer, Reichsstadt und Herrschaft. Zur Geschichte der Stadt Speyer im hohen und späten Mittelalter (Trierer Historische Forschungen 1), Trier 1981, S. 26.

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burg5 einen ersten Höhepunkt. Schon mehr als ein Menschenalter zuvor war die Stadt mit ihrer Parteinahme für den vom Papst gebannten Kaiser Friedrich II. zu Bischof und Domkapitel in Opposition getreten, und der hergebrachte Anspruch der Geistlichkeit auf Abgabenfreiheit machte die direkte Konfrontation bald unausweichlich.6 Konkret ging es um das 1238 der Stadt von Bischof Konrad von Eberstein bewilligte und 1262 von dessen Nachfolger Heinrich von Leiningen noch einmal bestätigte Ungeld,7 eine Verbrauchssteuer, die vor allem vom Weinausschank erhoben wurde. Weil es sich bei diesem Ungeld um die damals noch einzige der Kommune zufließende Steuer handelte und die Geistlichkeit – nicht allein das Domstift, sondern auch die drei Nebenstifte St. German, St. Guido und Allerheiligen – darauf beharrte, ihren Wein ungeldfrei auszuschenken, ergab sich daraus nicht nur eine handfeste Benachteiligung der bürgerlichen Wirte in der Stadt, sondern auch eine schwere Belastung der kommunalen Finanzen. Darüber hinaus wurde um das Recht des Klerus zu Getreideausfuhren aus der Stadt gestritten.8 Eine Vorladung der Domgeistlichkeit vor das städtische Gericht zur Entscheidung über die bestehenden Differenzen empfand diese als grobe Verletzung ihrer Standesrechte9 und ließ deshalb gegen den Stadtkämmerer

5 Oswald Redlich, Rudolf von Habsburg. Das deutsche Reich nach dem Untergang des alten Kaisertums, Innsbruck 1903; Karl Hampe, Herrschergestalten des deutschen Mittelalters, 6. Aufl. Heidelberg 1955, S. 216–247; Hermann Heimpel, Deutschland im späteren Mittelalter 1200 bis 1500, Konstanz o. J. [1957], S. 18–35; Heinz Thomas, Deutsche Geschichte des Spätmittelalters 1250 bis 1500, Stuttgart u. a. 1983, S.  29–85; Peter Moraw, Von offener Verfassung zu gestalteter Verdichtung. Das Reich im späten Mittelalter 1250 bis 1490, Berlin 1989, S. 211–218; Rudolf von Habsburg 1273–1291. Eine Königsherrschaft zwischen Tradition und Wandel (Passauer Historische Forschungen 7), hg. von Egon Boshof/Franz-Reiner Erkens, Köln/Weimar/Wien 1993; Karl-Friedrich Krieger, Rudolf von Habsburg (Gestalten des Mittelalters und der Renaissance), Darmstadt 2003; Franz-Reiner Erkens, Rudolf von Habsburg (1273–1291), in: Höfe und Residenzen im spätmittelalterlichen Reich. Ein dynastisch-topographisches Handbuch (Residenzenforschung 15,1), hg. von Werner Paravicini, bearb. von Jan Hirschbiegel/Jörg Wettlaufer, 2 Bde., Ostfildern 2003, S. 276–282; Thomas Zotz, Rudolf von Habsburg (1273–1291), in: Die deutschen Herrscher des Mittelalters. Historische Portraits von Heinrich I. bis Maximilian I. (919–1519), hg. von Bernd Schneidmüller/ Stefan Weinfurter, München 2003, S. 340–359. 6 Voltmer, Reichsstadt (wie Anm. 4); Ernst Voltmer, Von der Bischofsstadt zur Reichsstadt. Speyer im Hoch- und Spätmittelalter (10. bis Anfang 15. Jahrhundert), in: Geschichte der Stadt Speyer, hg. von der Stadt Speyer, red. von Wolfgang Eger, 2. Aufl. Stuttgart 1983, S. 249–368. 7 Alfred Hilgard, Urkunden zur Geschichte der Stadt Speyer, Straßburg 1885, Nr. 60 und 102. 8 Hilgard (wie Anm. 7), Nr. 133. 9 Helen Wanke, Zwischen geistlichem Gericht und Stadtrat. Urkunden, Personen und Orte der freiwilligen Gerichtsbarkeit in Straßburg, Speyer und Worms im 13. und 14. Jahrhundert (Quellen und Abhandlungen zur mittelrheinischen Kirchengeschichte 119), Mainz 2007.

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Siegfried Retschel den Kirchenbann verhängen.10 Zu einem traurigen Eklat kam es am frühen Morgen des Karfreitags 1277, als der Dom­ dekan Albert von Mußbach, der Wortführer der Speyrer Stiftsgeistlichkeit, auf dem Weg zur Messe bestialisch ermordet wurde.11 In diesen Auseinandersetzungen intervenierte wiederholt der Speyrer Bischof Friedrich von Bolanden, dem seinerseits in dem mittlerweile autonom gewordenen Domkapitel12 ein Gegenspieler mit durchaus eigenen Interessen erwachsen war. Auch der Papst intervenierte.13 Aber König Rudolf war mit diesem Streit, wie es scheint, zunächst überhaupt nicht befasst, obgleich er doch zu der Stadt Speyer und ihrem Dom ganz offensichtlich ein besonderes Verhältnis hatte. Gemeint ist mit diesem besonderen Verhältnis gar nicht in erster Linie sein bekannter, wohl schon früh gehegter Wunsch, dereinst in Speyer begraben zu werden.14 Zwar ist ein solcher Wunsch zunächst noch nicht ausdrücklich bezeugt, doch wird man bei einem Mann, der im bereits fortgeschrittenen Alter von 55 Jahren zum König gewählt wurde und nach mittelalterlichen Maßstäben mit einer allzu langen Lebenserwartung nicht mehr zu rechnen hatte, davon ausgehen können, dass er sich über den Ort seiner Beisetzung frühzeitig Gedanken machte. Derartige Überlegungen wird man einer machtbewussten und von klaren dynastischen Interessen geleiteten Persönlichkeit wie Rudolf von Habsburg sicher unterstellen dürfen, zumal dieser anlässlich seiner Krönung in Aachen seiner Gemahlin und seiner Tochter neue, wohlerwogene Vornamen gab, die traditionsbewusste Rückbesinnung mit herrscherlichem Anspruch verbanden.15 Desgleichen war es gewiss kein Zufall, dass Rudolf nach der Krönung sogleich den Rhein hinauf zog und Mitte Dezember 1273 seinen allerersten Hoftag ausgerechnet in Speyer hielt,16 und er Mitte März 1275 hier auch noch seinen zweiten Hoftag hielt;17 insgesamt waren es in Speyer schließlich drei Hoftage.18 Gleich beim ersten Mal bestätigte 10 Hilgard (wie Anm. 7), Nr. 127 f. 11 Franz Xaver Remling, Urkundenbuch zur Geschichte der Bischöfe zu Speyer, Bd. 1, Mainz 1852, Nr. 387. 12 Rudolf Schieffer, Die Entstehung von Domkapiteln in Deutschland (Bonner historische Forschungen 43), Bonn 1976, S. 151–153 und S. 264–269. 13 Hilgard (wie Anm. 7), Nr. 133 und 137. 14 Die Chronik des Mathias von Neuenburg, hg. von Adolf Hofmeister (MGH. Scriptores rerum Germanicarum, Nova Series 4,1), Hannover 1924–1940, S. 45. 15 Zotz (wie Anm. 5), S. 343. 16 Johann Friedrich Böhmer, Regesta Imperii, Bd. 6,1: Die Regesten des Kaiserreichs unter Rudolf 1273 bis 1291, bearb. von Oswald Redlich, Innsbruck 1898, Nr. 50–55. 17 Böhmer/Redlich (wie Anm. 16), Nr. 338–339. 18 Redlich (wie Anm. 5), S. 482; Thomas Michael Martin, Die Städtepolitik Rudolfs von Habsburg (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte 44), Göttingen 1976, S. 186.

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Abb. 1: Majestätssiegel König Rudolfs, 1275 (Generallandesarchiv Karlsruhe D Nr. 87)

er die der Stadt einst von Kaiser Friedrich Barbarossa unter Berufung auf die Privilegien von 1111 verbrieften Freiheiten.19 Abgesehen von Basel, Hagenau, Straßburg und Mainz sind von König Rudolf während der Zeit seiner Regierung für keinen Ort so viele Aufenthalte bezeugt wie für Speyer: insgesamt vierzehn Besuche mit alles in allem 59 Aufenthaltstagen. Zugegeben: Was die Zahl der Tage betrifft, wird Speyer von Nürnberg, Ulm, Augsburg und einigen anderen Städten zum Teil noch deutlich übertroffen.20 Aber in mehreren Jahren war der 19 Hilgard (wie Anm. 7), Nr. 126; Böhmer/Redlich (wie Anm. 16), Nr. 49; vgl. dazu Die Urkunden Friedrichs I., hg. von Heinrich Appelt unter Mitarbeit von Rainer Maria Herkenrath/Walter Koch/Bettina Pferschy (MGH. Diplomata 10), Hannover 1990, Bd. 4, Nr. 827. 20 Martin (wie Anm. 18), S. 196 f.; vgl. auch Sven Rabeler, Interaktion, Herrschaft und Konkurrenz. Könige und Bischofsstädte in der Zeit um 1300, in: Bischofsstadt ohne Bischof? Präsenz, Interaktion und Hoforganisation in bischöflichen Städten des Mittel-

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König sogar zwei- oder dreimal in Speyer, was ganz zweifellos nicht zuletzt mit der günstigen Verkehrslage der Stadt in einer zentralen Durchgangslandschaft des Reiches zu tun hatte. Aber abgesehen davon scheinen Rudolfs Präferenzen für die Domstadt doch offenkundig zu sein; mindestens einmal – 1288 – feierte er in Speyer auch Weihnachten. 21 Aus Speyer hatte der König nicht zuletzt – wie einst die Könige Philipp von Schwaben22 und Wilhelm von Holland23 – seinen ersten Kanzler berufen, Otto von Bruchsal, der zwar nicht Bischof war, wohl aber einflussreicher Speyrer Domherr und Propst des Stifts St. Guido.24 Otto war dem letzten Stauferspross Konradin verbunden und stand in seiner Staufertreue Rudolfs Wahlpromotoren, dem Pfalzgrafen Ludwig und dem Nürnberger Burggrafen Friedrich, nahe.25 Freilich starb Otto von Bruchsal bereits ein Dreivierteljahr nach Rudolfs Thronbesteigung. Begraben wurde er übrigens im Zisterzienserkloster Maulbronn.26 Zwischen März 1275 und Juli 1284, das heißt mehr als neun Jahre lang, kam Rudolf von Habsburg freilich gar nicht mehr nach Speyer, obgleich er auch in diesen Jahren wiederholt in den Landschaften am nördlichen Oberrhein unterwegs war, so beispielsweise im Frühjahr 1276, als er – vermutlich im Konflikt mit den Markgrafen von Baden27 – die Felsenburg Fleckenstein im Wasgau belagerte und den dort gefangen gehaltenen Speyrer Bischof Friedrich von Bolanden befreite.28 alters (1300–1600), hg. von Andreas Bihrer/Gerhard Fouquet (Residenzenforschung Neue Folge 4), Ostfildern 2017, S. 153–197, hier v. a. S. 177 f. 21 Böhmer/Redlich (wie Anm. 16), Nr. 2202. 22 Hans Martin Schaller, Konrad von Scharfenberg, Bischof von Speyer und Metz, in: Neue Deutsche Biographie, Bd. 12, Berlin 1979, S. 528. 23 Hans von Malottki, Heinrich von Leiningen, Bischof von Speyer und Reichskanzler. Ein Beitrag zur Geschichte der deutschen Reichskanzlei und des Bistums Speyer im 13. Jahrhundert (Münchener Historische Studien, Abt. Geschichtliche Hilfswissenschaften 14), Kallmünz 1977. 24 Konrad von Busch/Franz Xaver Glasschröder, Chorregel und jüngeres Seelbuch des alten Speierer Domkapitels (Historisches Museum der Pfalz e. V. – Historischer Verein der Pfalz, Veröffentlichungen 1–2), 2 Bde., Speyer 1923–1926, hier Bd. 1, S. 263 Anm. 3; Kurt Baumann, Ein Reichskanzler Rudolfs von Habsburg. Propst Otto von St. Guido zu Speyer, in: Pfälzer Heimat 1, 1950, S. 94–96; Karl-Heinz Debus, Studien zur Personalstruktur des Stiftes St. Guido in Speyer (Quellen und Abhandlungen zur mittelrheinischen Kirchengeschichte 51), Mainz 1984, S.  62  f.; Kurt Andermann, O(tto) v(on) Speyer (von Bruchsal), in: Lexikon des Mittelalters, Bd. 6, München/Zürich 1993, Sp. 1586. 25 Redlich (wie Anm. 5), S. 205; vgl. auch den Beitrag von Gerhard Fouquet in diesem Band. 26 Renate Neumüllers-Klauser, Die Inschriften des Enzkreises bis 1650 (Die Deutschen Inschriften 22 – Heidelberger Reihe 8), München 1983, Nr. 8. 27 Richard Fester, Regesten der Markgrafen von Baden und Hachberg, Bd. 1, Innsbruck 1900, Nr. 501. 28 Böhmer/Redlich (wie Anm. 16), Nr. 554b; Franz Xaver Remling, Geschichte der Bischöfe zu Speyer, Bd. 1, Mainz 1852, S. 524; Redlich (wie Anm. 5), S. 513.

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Dann war der König zwar im Osten durch seine Kriege gegen Ottokar von Böhmen gebunden,29 ritt dazwischen aber doch immer wieder einmal an den Rhein, nach Mainz, Worms, Weißenburg, Hagenau und Straßburg, aber Zwischenaufenthalte in Speyer, wie sie auf dieser Route eigentlich nahegelegen hätten, lassen sich dabei nicht nachweisen. Indes erscheint es nicht abwegig, daran zu denken, dass ein kurzer, nur beiläufiger Aufenthalt dem Blick des Historikers auch einmal verborgen bleiben kann. Genügt es doch, dass eine auf der Durchreise ausgestellte Urkunde verlorenging oder dass der König in der Eile vielleicht einmal gar nicht urkundete; damit wäre eine Itinerarstation nur deshalb ausgefallen, weil sie durch Zufall nicht belegt ist.30 Vom Spätjahr 1276 bis ins Frühjahr 1281 hielt der König sich ganz überwiegend in Wien auf,31 besuchte allerdings auch in der Zeit danach, wenn er am nördlichen Oberrhein zugange war, die Stadt Speyer merkwürdigerweise nicht. Mied er sie bewusst? Gründe dafür sind nicht ersichtlich. Vielleicht nahm er Rücksicht auf die bescheidenen Ressourcen der Stadt. Ohnehin hatte er ja schon das ganze Jahr 1274 auch keine anderen Bischofsstädte besucht, weil die Bischöfe sich über die hohen Kosten der Königsgastung beklagt hatten.32 Und die Reichs- und Freistädte opponierten zum Teil massiv gegen Rudolfs Steuerforderungen, allerdings schloss gerade die Stadt Speyer sich diesem Widerstand ebensowenig an wie die Städte Worms und Mainz.33 Desgleichen gehörte Speyer mit Mainz und Worms zu denen, die in der Affäre um den falschen Friedrich II. unerschütterlich zu König Rudolf hielten.34 Selbst dass Rudolf im März 1275 auf Betreiben des Mainzer Erzbischofs ausgerechnet in Speyer ein Dekret Kaiser Friedrichs II. gegen die Autonomiebestrebungen bischöflicher Städte bestätigt hatte,35 scheint das Vertrauen der Speyrer in den König nicht weiter getrübt zu haben. Schließlich aber kam der Herrscher im Sommer 1284 auch wieder nach Speyer. Zwischenzeitlich war dort nicht nur der Domdekan ermor-

29 Krieger (wie Anm. 5), S. 127–154. 30 Arnold Esch, Überlieferungs-Chance und Überlieferungs-Zufall als methodisches Problem des Historikers, in: Historische Zeitschrift 240, 1985, S.  529–570; Ferdinand Opll, Herrschaft durch Präsenz. Gedanken und Bemerkungen zur Itinerarforschung, in: Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung 117, 2009, S. 12–22. 31 Böhmer/Redlich (wie Anm. 16), Nr. 611a–1326a. 32 Martin (wie Anm. 18), S. 174 und 179. 33 Redlich (wie Anm. 5), S. 493; Martin (wie Anm. 18), S. 162 f.; Krieger (wie Anm. 5), S. 186–190. 34 Redlich (wie Anm. 5), S. 536 f.; Krieger (wie Anm. 5), S. 191–193. 35 Böhmer/Redlich (wie Anm.  16), Nr.  338; Remling, Urkundenbuch (wie Anm. 11), Nr. 373.

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Abb. 2. Großes Siegel der Stadt Speyer, 1357 (Generallandesarchiv Karlsruhe 42 Nr. 1129)

det worden, sondern der Papst hatte 1279 den Abt von Maulbronn sowie die Domdekane von Mainz und Worms beauftragt, den Streit zwischen der Speyrer Geistlichkeit und dem Rat der Stadt zu untersuchen.36 Bischof Friedrich hatte 1280 immerhin zugesagt, die Privilegien der Stadt künftig achten und sie nicht weiter beeinträchtigen zu wollen,37 ein Zugeständnis, das dann seine Nachfolger jahrhundertelang wörtlich wiederholen mussten, um anlässlich ihres ersten bischöflichen Einreitens in die Stadt eingelassen zu werden.38 Indes, es half alles nichts. Das 36 Hilgard (wie Anm. 7), Nr. 137. 37 Hilgard (wie Anm. 7), Nr. 139. 38 Voltmer, Bischofsstadt (wie Anm.  6), S.  287; Kurt Andermann, Zeremoniell und Brauchtum beim Begräbnis und beim Regierungsantritt Speyerer Bischöfe. Formen der Repräsentation von Herrschaft im späten Mittelalter und in der frühen Neuzeit, in: Archiv für mittelrheinische Kirchengeschichte 42, 1990, S. 125–177.

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Domstift und die drei Nebenstifte hatten sich 1281 einmal mehr zur gemeinschaftlichen Verteidigung ihrer Rechte und Freiheiten verbündet39 und der städtische Rat hatte sich ritteradliger Unterstützung aus der Umgebung vergewissert, sich auch Öffnungsrechte in Speyergauer Ritter­ adelsburgen verschafft.40 Nachdem der Rat die Getreideausfuhr aus der Stadt neuerlich verboten und den Weinkauf bei Geistlichen einmal mehr untersagt hatte, war der Stiftsklerus aus Speyer ausgezogen und Bischof Friedrich hatte gegen die Bürgerschaft das Interdikt verhängt; überdies hatte der Bischof die auf ihn verpflichteten städtischen Amtsträger entlassen und die Gerichte entsetzt. Damit das tägliche Leben in der Stadt weiterhin seinen gewohnten Lauf nehmen konnte, hatte der Rat daraufhin die nötigen Funktionen Leuten seines Vertrauens übertragen.41 Vermutlich war Bischof Friedrich Ende Juni 1284 beim König in Basel und erreichte wohl bei dieser Gelegenheit, dass Rudolf sich der Speyrer Sache endlich annahm.42 Ob darüber hinaus auch noch der schwäbische Landvogt Graf Albrecht von Hohenberg und die schwäbischen Städte beteiligt werden sollten, erscheint eher zweifelhaft.43 Wenige Wochen später kam Rudolf dann tatsächlich zu einem offenbar nur sehr kurzen Besuch nach Speyer,44 um sich die beiderseitigen Positionen vortragen zu lassen. Allerdings verging bis zur Beurkundung der Sühne, die er schließlich gemeinsam mit den Bischöfen Heinrich von Basel und Gottfried von Passau zwischen Bischof Friedrich und der Stiftsgeistlichkeit einerseits sowie der Speyrer Stadtgemeinde andererseits stiftete, noch einmal ein Vierteljahr, und ausgefertigt ist das Dokument nicht etwa in Speyer, sondern unterm 21. Oktober 1284 gelegentlich der Belagerung der Burg Waldeck bei Calw im Nordschwarzwald.45 Diese Sühne oder Rachtung, wie sie in Speyer hernach genannt wurde, zählt übrigens zu den allerersten Königsurkunden in deutscher Sprache.46 Insgesamt umfasst die Rachtung sechzehn Artikel. Sie beginnt damit, dass am darauf folgenden Sonntag, wenn die Geistlichkeit in die 39 Hilgard (wie Anm. 7), Nr. 146. 40 Hilgard (wie Anm.  7), Nr.  141, 143 und 154; zum Öffnungsrecht vgl. Kurt Andermann, Öffnungsrecht, in: Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte, Bd. 4, 2. Aufl. Berlin 2017, S. 126–128. 41 Voltmer, Bischofsstadt (wie Anm. 6), S. 287. 42 Böhmer/Redlich (wie Anm. 16), Nr. 1843. 43 Böhmer/Redlich (wie Anm. 16), Nr. 1842 f. 44 Böhmer/Redlich (wie Anm. 16), Nr. 1851. 45 Hilgard (wie Anm.  7), Nr.  149; Böhmer/Redlich (wie Anm.  16), Nr.  1865; Martin (wie Anm. 18), S. 135; Voltmer, Bischofsstadt (wie Anm. 6), S. 285–288; zum weiteren Kontext der Belagerung Waldecks vgl. Alois Gerlich, Studien zur Landfriedenspolitik König Rudolfs von Habsburg, Mainz 1963. 46 Max Vancsa, Das erste Auftreten der deutschen Sprache in den Urkunden, Leipzig 1895, S. 81.

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Stadt heimkehrte, die Bürgergemeinde sich auf dem Freithof nördlich des Doms versammeln und öffentlich erklären sollte, dass ihr gegenüber dem Klerus und dessen Besitz an Korn oder Wein keinerlei Gebot zustehe. Allein in Zeiten der Teuerung sollte erlaubt sein, die Getreide­ ausfuhr aus der Stadt zu unterbinden, freilich stets in beiderseitigem Einverständnis; für allfälligen Eigenbedarf außerhalb der städtischen Mauern sollten Sonderregelungen gelten. Die Organisation des geistlichen Weinausschanks wurde dem Bischof anheimgestellt, freilich mit dem eindeutigen Zusatz, den Pfaffen solle erlaubt sein, Wein zu verkaufen wie in der Zeit, bevor der Streit ausbrach. Soweit zu den Hauptkonfliktpunkten. Hinzu kam noch allerlei Anderes aus dem Kontext des täglichen Zusammenlebens. So sollte die Pfaffenau als Allmende wie ehedem von Klerus und Bürgergemeinde gemeinsam genutzt werden. Geistliche und weltliche Gerichte sollten entsprechend dem alten Herkommen fortbestehen,47 desgleichen sollten die bischöflichen Amtleute fungieren wie bisher. Weiterhin wurde die Forderung des kleinen Zehnten auf solche Güter beschränkt, die schon früher zehntpflichtig waren. Konflikte ganz eigener Art ergaben sich aus dem geistlichen Immunitätsbezirk auf dem äußersten Sporn des Tiefgestades über dem Rhein, den die Stadtmauer selbstverständlich mit umfasste und schützte. Streit entstand dabei immer wieder über unerlässliche Zugangs- und Wegerechte für städtische Wächterknechte sowie wegen allerlei kleiner ­Bosheiten. An den Mauertürmen nämlich hatte die Stadt die heimlich gimache – die Aborterker – nicht, wie es ansonsten üblich war, auf der Feindseite, also nach außen, angebracht, sondern nach innen, das heißt zur Seite der bischöflichen Pfalz und der domkapitelischen Gärten und Höfe. Städtischerseits war das ganz zweifellos mit Fleiß geschehen, um die Geistlichkeit zu ärgern, und nun verfügte König Rudolf, dass solche „anrüchigen“ Provokationen künftig zu unterbleiben hatten. Hier zeigt sich übrigens ein Stil gehässigen Umgangs zwischen Rat und Klerus, wie er in Speyer noch in der frühen Neuzeit, dann zusätzlich befeuert durch die Konfessionalisierung, gang und gäbe war.48 In keiner anderen Bischofsstadt entlang des Oberrheins war die Konfrontation zwischen Bürgergemeinde und Geistlichkeit vom Mittelalter bis zum Ende des Alten Reiches so unversöhnlich wie in Speyer.49 47 Wanke (wie Anm. 9), S. 265. 48 Daniela Blum, Multikonfessionalität im Alltag. Speyer zwischen politischem Frieden und Bekenntnisernst (1555–1618) (Reformationsgeschichtliche Studien und Texte 162), Münster 2016. 49 Kurt Andermann, Das schwierige Verhältnis zur Kathedralstadt. Ausweichresidenzen südwestdeutscher Bischöfe im späten Mittelalter, in: Spätmittelalterliche Residenzbildung in geistlichen Territorien Mittel- und Nordostdeutschlands, hg. von Klaus Neitmann/Heinz-Dieter Heimann (Studien zur brandenburgischen und vergleichenden Landesgeschichte 2), Berlin 2009, S. 113–131.

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Weiterhin trifft die Rachtung Vorsorge für die frühzeitige Beilegung künftigen Streits und sie trifft Entscheidungen bezüglich einiger inkriminierter Personen. Breiten Raum nimmt dann noch die Frage ein, wie mit den beiden Priestern zu verfahren sei, die entgegen dem bischöflichen Interdikt nicht nur in der Stadt geblieben, sondern dort auch mit der Bürgerschaft Gottesdienste gefeiert hatten; aber letztlich wurde deren Amnestierung dem Papst anheimgestellt. Den Altar, den die Bürgerschaft während des Interdikts für die Messfeier im Dom hatte errichten lassen, sollte sie wieder entfernen. Und schließlich werden Bischof und pfafheit ermahnt, den Bürgern liuterlich friunt zu sein und sie und ihre Helfer vom Bann zu lösen und das Interdikt aufzuheben; im Gegenzug sollten auch die Bürger von ihrer Feindschaft gegen die Geistlichkeit lassen. Im Grunde aber ließ diese von König Rudolf ganz offensichtlich nur halbherzig vermittelte Sühne alles beim Alten. Die hauptsächlichen Streitpunkte des ungeldfreien Weinausschanks und der Getreideausfuhr waren nicht wirklich ausgeräumt, und so brachte die Rachtung denn auch keinen dauerhaften Frieden.50 Schon wenige Wochen später verbündeten die drei Nebenstifte sich erneut,51 die Stadt ihrerseits schloss 1293 ein Bündnis mit den Städten Worms und Mainz.52 Im Streit um die städtische Gerichtsbarkeit53 musste Bischof Friedrich 1294 einlenken und zugleich noch eine Reihe weiterer Zugeständnisse machen.54 Damit freilich zeichnete sich das Ende der bischöflichen Stadtherrschaft bereits ab55 und nach allerlei weiterem Hin und Her trat dieses Ende tatsächlich ein, als 1302 der neue Bischof Sigibodo von Lichtenberg es ablehnte, die städtischen Privilegien wie sein Vorgänger Friedrich 1280 vollumfänglich anzuerkennen. Die Bürgerschaft verweigerte ihm daraufhin nicht allein die Huldigung, sondern auch den Einzug in die Stadt, und selbst König Albrecht I., Rudolfs Sohn, vermochte daran nichts mehr zu ändern;56 vielleicht wollte er es auch gar nicht. Trotz der unbefriedigenden Situation, die die Rachtung von 1284 hinterlassen hatte, entwickelte sich das Verhältnis Rudolfs zur Stadt Speyer aber sichtlich gut. So gebot der König im Juni 1285 seinem Hofrichter, Klagen gegen die Bürger von Speyer nicht mehr anzunehmen, weil künftig er selbst – ob fidem inpermutabilem et preclare devocionis ­memorandam constanciam prudentum virorum .. civium Spirensium – über 50 51 52 53 54 55 56

Voltmer, Bischofsstadt (wie Anm. 6), S. 287 f.; Wanke (wie Anm. 9), S. 265. Voltmer, Bischofsstadt (wie Anm. 6), S. 288. Hilgard (wie Anm. 7), Nr. 180. Hilgard (wie Anm. 7), Nr. 183. Hilgard (wie Anm. 7), Nr. 184. Voltmer, Bischofsstadt (wie Anm. 6), S. 310 f. Voltmer, Bischofsstadt (wie Anm. 6), S. 311–314; Andermann, Verhältnis (wie Anm. 49).

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Abb. 3: Gärten des Speyrer Domkapitels zwischen der bischöflichen Pfalz und der Stadtmauer, 1613 (Generallandesarchiv Karlsruhe 67 Nr. 324 fol. 106)

diese Recht zu sprechen gedenke, sofern dies die Stadt nicht ihrerseits besorge.57 Vier Wochen später bat Rudolf den Speyrer Rat, einen Vergleich mitzubesiegeln, den er mit der Stadt Wetzlar wegen verweigerter Steuern geschlossen hatte.58 Beide Male kommt hier wohl des Königs Dank und Genugtuung darüber zum Ausdruck, dass im Unterschied zu Wetzlar und anderen Städten die Speyrer sowohl in der Frage der reichs- und freistädtischen Steuern als auch gegenüber Tile Kolup, dem falschen Friedrich, den er Anfang Juli 1285 in Wetzlar hatte hinrichten lassen, ihm unverbrüchliche Treue bewiesen hatten.59 1286 urkundete Rudolf noch einmal zugunsten Speyers wegen des Vermögens nach Syrien emigrierter Juden.60 Mit gutem Speyrer Recht privilegierte er im Lauf der Jahre die Städte Neustadt an der Haardt (1275), Wolfstein (1275), Kaiserslautern (1276), Germersheim (1276), Heilbronn (1281) und

57 58 59 60

Hilgard (wie Anm. 7), Nr. 152; Böhmer/Redlich (wie Anm. 16), Nr. 1917. Hilgard (wie Anm. 7), Nr. 153; Böhmer/Redlich (wie Anm. 16), Nr. 1928. Redlich (wie Anm. 5), S. 536 f.; Krieger (wie Anm. 5), S. 191–193. Hilgard (wie Anm. 7), Nr. 158; Böhmer/Redlich (wie Anm. 16), Nr. 2054; Redlich (wie Anm. 5), S. 498 f.

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Godramstein (1285).61 Zwischen Dezember 1286 und Dezember 1288 ist der König in Speyer nicht weniger als sechsmal nachzuweisen. So positiv sich demnach König Rudolfs Verhältnis zur Stadt Speyer gestaltete, so negativ entwickelten sich seine Beziehungen zu deren Bischof Friedrich von Bolanden. Hatte Rudolf diesen 1276 noch aus der Gefangenschaft der Fleckensteiner befreit, so belagerte er ihn zehn Jahre später seinerseits sechs lange Wochen in der Stadt Lauterburg. Über den Grund dieser Belagerung wird viel gerätselt.62 Ein ungebührlicher Kuss für die junge Königin wird dafür kaum der Anlass gewesen sein, so wenig wie ein vermeintlicher Anspruch Rudolfs auf Lauterburg als Reichsgut. Plausibel erscheint hingegen eine von Oswald Redlich vermutete hochverräterische Haltung des Bischofs in der Angelegenheit um den falschen Friedrich. Und von daher lassen sich wohl auch des Königs betonte Gunsterweise für die Stadt Speyer im Sommer 1285 erklären. Im April 1291 hielt König Rudolf in Speyer seinen vorletzten Hoftag,63 auf dem er seinen 1287 in Würzburg verkündeten Landfrieden erneuerte;64 den letzten Hoftag hielt Rudolf im Monat darauf im gewissermaßen heimatlichen Murten.65 Und am 14. Juli kam er wieder nach Speyer, um, wie Ellenhard schreibt, dort zu sterben, wo reges Romanorum ab antiquo consueverunt inhumari.66 Zwei Tage später wurde er selbst bei diesen Königen begraben.67 Mit der Stadt am Rhein verbindet ihn aber seit Jahrhunderten nicht allein sein Grab bei den anderen Königen, sondern auch das zeitgenössisch lebensnahe Porträt auf dem Epitaph,68 das sein Grab zwar nie wirklich deckte, das aber uns allen vor Augen steht, sooft wir Rudolfs von Habsburg gedenken. Hermann Heimpel nannte es „das erste ‚Porträt‘ eines deutschen Königs, in schlichter Majestät“.69 61 Pirmin Spiess, Die Städtepolitik Rudolfs von Habsburg, in: König Rudolf von Habsburg. Seine Städtepolitik, seine künstlerischen Darstellungen, hg. von der Pfalzgalerie Kaiserslautern, Kaiserslautern 1976, S. [4–22]; vgl. auch Franz Staab, Quod pro nobis et imperio duximus retinendum. Landau und das Elsass in der Städtepolitik Rudolfs von Habsburg, in: Landesgeschichte und Reichsgeschichte. Festschrift für Alois Gerlich, hg. von Michael Matheus (Geschichtliche Landeskunde 42), Stuttgart 1995, S. 85–141. 62 Böhmer/Redlich (wie Anm.  16), Nr.  1814b und 2010a; Remling, Geschichte (wie Anm. 28), S. 537 f.; Redlich (wie Anm. 5), S. 466 und 542 f.; Krieger (wie Anm. 5), S. 184. 63 Böhmer/Redlich (wie Anm. 16), Nr. 2436a. 64 MGH. Constitutiones et acta publica imperatorum et regum, Bd. 3: 1273–1298, hg. von Jakob Schwalm, Hannover 1904–1906, Nr.  459; Böhmer/Redlich (wie Anm. 16), Nr. 2437; vgl. Thomas (wie Anm. 5), S. 54; Krieger (wie Anm. 5), S. 162–166. 65 Böhmer/Redlich (wie Anm. 16), Nr. 2443a. 66 Ellenhard, Chronicon, hg. von Georg Heinrich Pertz, in: MGH. Scriptores, Bd. 17, Hannover 1861, S. 118–141, hier S. 134. 67 Böhmer/Redlich (wie Anm. 16), Nr. 2518b; Redlich (wie Anm. 5), S. 729–731; Krieger (wie Anm. 5), S. 227 f. 68 Hans Körner, Grabmonumente des Mittelalters, Darmstadt 1997, S. 128–132; vgl. jetzt den Beitrag von Matthias Müller in diesem Band. 69 Heimpel (wie Anm. 5), S. 35.

Benjamin Müsegades

Der Speyerer Dom und seine Patrone im Mittelalter Für das Jahr 1291 verzeichnen neben anderen historiographischen Werken auch die Annalen des Stifts Sindelfingen den Tod und die Bestattung König Rudolfs I.: „Im Jahr 1291, am Tag vor Rensindis, kam König Rudolf in die Stadt Speyer […] und starb am Resindistag und wurde am nachfolgenden Tag rühmlich und ehrenhaft in der Kirche der heiligen Maria bei der Grablege der anderen Könige neben der Grablege König Philipps begraben.“1 Wie schon mehrere römisch-deutsche Herrscher vor ihm fand der Habsburger seine letzte Ruhe in der seit der Salierzeit bestehenden Grablege im Speyerer Dom. Viel mehr konnte oder wollte der Sindelfinger Annalist – wahrscheinlich der Chorherr Konrad von Wurmlingen – zu diesem für die Reichsgeschichte wichtigen Ereignis nicht berichten, saß er doch weit entfernt auf der anderen Seite des Rheins und dürfte über die Vorgänge in der Bischofsstadt nur durch Dritte informiert gewesen sein.2 Ob er den Speyerer Dom jemals gesehen hat, wissen wir nicht. Dabei steht seine Beschreibung fast schon repräsentativ für die Wahrnehmung des Doms in der Historiographie des hohen und späten Mittel­ alters. Speyer war zuvorderst der Ort, wo Könige und Kaiser nach der Vorstellung der Zeitgenossen im unter dem Schutz der heiligen Jungfrau stehenden Gotteshaus bevorzugt ihre letzte Ruhe fanden. Vor allem Heinrich III. und sein Sohn Heinrich IV. drückten im 11. Jahr­ hundert ihre besondere Nähe zu Maria und der unter ihrem Patronat

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Anno MCCXCI, in vigilia Rensindis, Rudolfus rex venit ad civitatem Spirensem […] et die Rensindis obijt et die crastina gloriose et honorifice sepultus fuit in monasterio sanctae Mariae apud sepulchra regum aliorum prope sepulchrum regis Philippi. Annales Sindelfingenses 1083– 1482, bearb. von Hermann Weisert, Sindelfingen 1981, a. 1291, S. 66. Vgl. zum Tod Rudolfs neben dem Beitrag von Manuel Kamenzin in diesem Band jetzt grundlegend Manuel Kamenzin, Die Tode der römisch-deutschen Könige und Kaiser (1147–1349), Diss. Heidelberg 2017. Für Kritik und Anregungen danke ich Dr. Christian Popp (Göttingen), Dr. Manuel Kamenzin (Bochum) und Lena von den Driesch, B.A. (Heidelberg) herzlich. Vgl. zur Person des Autors Annales Sindelfingenses (wie Anm. 1), S. 3, 94.

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s­ tehenden Kirche durch umfangreiche Zuwendungen aus. Es sind auch heute noch die Herrschergrablegen sowie die explizite Bezugnahme der beiden Salier auf die Mutter Gottes, die in der Forschung zum Dom besonderes Interesse finden.3 In einer Kirche von solcher Bedeutung wie der Speyerer Dom wurde jedoch mehr als nur eine Heilige verehrt. Durch den Erwerb von Reliquien und Altardedikationen sowie in der Liturgie wurden himmlische Mittler in großer Zahl angeeignet. Besonders deutlich konnte die herausgehobene Rolle eines Heiligen durch dessen Inkorporation in das Kirchenpatrozinium ausgedrückt werden. Neben Maria werden als Patrone des Speyerer Doms während des Mittelalters der bereits in der Bibel erwähnte Erzmärtyrer Stephan sowie der spätantike Papst gleichen Namens genannt. Im Folgenden wird der Blick darauf gerichtet, ab wann diese geistlichen Schutzherren neben Maria fassbar werden beziehungsweise wie belastbar die Quellen sind, in denen sich entsprechende Angaben finden. Darüber hinaus wird untersucht, welche Prozesse, Praktiken und Protagonisten die Ausgestaltung des Patronats beeinflussten. Behandelt wird der Zeitraum von der ersten Nennung des Dompatroziniums im 7. Jahrhundert

3 Ausführlich zur Rolle sowie der Wahrnehmung des Doms als letzte Ruhestätte der römisch-deutschen Herrscher Kamenzin, Tode (wie Anm. 1). Den Forschungsstand zum Speyerer Dom spiegelt umfassend Jürgen Keddigkeit/Charlotte Lagemann/ Matthias Untermann/Martin Armgart/Ellen Schumacher, Art. Speyer, St. Maria, in: Pfälzisches Klosterlexikon. Handbuch der pfälzischen Klöster, Stifte und Kommenden, Bd. 4, hg. von Jürgen Keddigkeit/Matthias Untermann/Hans Ammerich/ Charlotte Lagemann/Lenelotte Möller (Beiträge zur pfälzischen Geschichte 26,4), Kaiserslautern 2017, S. 133–238; vgl. zudem statt vieler auch: Der Dom zu Speyer. Konstruktion, Funktion und Rezeption zwischen Salierzeit und Historismus, hg. von Matthias Müller/Matthias Untermann/Dethard von Winterfeld, Darmstadt 2013; Des Kaisers letzte Kleider. Neue Forschungen zu den organischen Funden aus den Herrschergräbern im Dom zu Speyer, München 2011. Die Beziehungen zwischen den Saliern und den Speyerer Bischöfen sowie dem örtlichen Domkapitel analysieren Stefan Weinfurter, Herrschaftslegitimation und Königsautorität im Wandel: Die Salier und ihr Dom zu Speyer, in: Die Salier und das Reich, Bd. 1. Salier, Adel und Reichsverfassung, hg. von Stefan Weinfurter, Sigmaringen 1992, S. 55–96; Stefan Weinfurter, Herrscherbilder und salische Kaiserdynastie im Codex Aureus Escorialensis, in: Das salische Kaiser-Evangeliar. Der Kommentar, Bd. 1 (Colleción Scriptorium 5), hg. von Johann Rathofer, Münster/Madrid 1999, S. 201–225; Stefan Weinfurter, Speyer und die Könige in salischer Zeit, in: Deutsche Königspfalzen. Beiträge zu ihrer historischen und archäologischen Erforschung, Bd. 6. Geistliche Zentralorte zwischen Liturgie, Architektur, Gottes- und Herrscherlob: Limburg und Speyer, hg. von Caspar Ehlers/Helmut Flachenecker (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte 11/6), Göttingen 2005, S. 157–173. Einen umfassenden Blick auf Könige und Kaiser des frühen sowie hohen Mittelalters und ihre Beziehungen zu Speyer bietet Caspar Ehlers, Metropolis Germaniae. Studien zur Bedeutung Speyers für das Königtum (751–1250) (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte 125), Göttingen 1996.

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bis zum Ende des Mittelalters, wobei nicht alle Abschnitte dieses langen Zeitraums in gleicher Intensität beleuchtet werden können.4 Dabei steht nach einer Untersuchung der unterschiedlichen Kirchen­ bauten und ihrer Patrone im früh- und hochmittelalterlichen Speyer die Stellung des Erzmärtyrers und des Papstes Stephan in der Sakraltopographie und Liturgie des salischen Doms im Mittelpunkt. Hierbei wird besonders auf die Frage eingegangen, wann die Kopfreliquie des Papstes Stephan an den Oberrhein gebracht wurde und welche Konsequenzen dies für das Dompatrozinium hatte.5 Für die Untersuchung des Patronats muss der Blick auf eine an vielen Stellen fragmentierte Überlieferung gerichtet werden. Ergiebig und problematisch zugleich ist zum einen die Geschichtsschreibung im Umfeld von Bischof und Domkapitel. Sie scheint episodisch zum Ende des 13. Jahrhunderts auf, setzt dann aber erst in den letzten Jahren des Untersuchungszeitraums und zu Beginn des 16. Jahrhunderts wieder ein. Neben den Annales Spirenses (abgeschlossen um 1280) geben die Bischofschronik des Domvikars Johannes Seffried von Mutterstadt († 1472) und die Vitae praesulum Spirensium des in gleicher Funktion tätigen Wolfgang Baur († 1516) Auskunft zu den Schutzherren des Speyerer Doms.6

4 Einen Überblick zur Ereignisgeschichte dieses Zeitraums mit Verweisen auf weiterführende Literatur findet sich bei Hans Ammerich, Das Bistum Speyer von der Römerzeit bis zur Gegenwart, Annweiler 2011, S. 15–107. 5 Entwicklungen in anderen geistlichen Institutionen innerhalb Speyers wie den drei Nebenstiften St. German, Allerheiligen und SS Johannes und Guido sowie den Klöstern, Pfarrkirchen und Kapellen der Stadt werden nur dann aufgegriffen, wenn dies für die Behandlung der Fragestellung von Relevanz ist. Die Kirchen-, Kapell- und Altarpatrozinien in Speyer sind zusammengestellt in: Palatia Sacra. Kirchen- und Pfründenbeschreibungen in vorreformatorischer Zeit, Teil 1. Bistum Speyer, Bd. 1. Stadt Speyer, bisher 2 Bde. (Quellen und Abhandlungen zur mittelrheinischen Kirchengeschichte 61.2.1.1), bearb. von Renate Engels, Mainz 2005–2009. Grundlegend zur Entwicklung der Pfarreipatrozinien ist noch immer Anton Doll, Entstehung und Entwicklung der Pfarreien der Stadt Speyer, in: 900 Jahre Speyerer Dom. Festschrift zum Jahrestag der Domweihe 1061–1961, hg. von Ludwig Stamer, Speyer 1961, S. 260–291. 6 Zu ersteren beiden Werken liegen Editionen vor: Annales Spirenses, hg. von Georg Heinrich Pertz, in: MGH. Scriptores, Bd. 17, Hannover 1861, Nachdruck Stuttgart 1990, S. 80– 85; Iohannis Seffried de Mutterstadt Chronica Praesulum Spirensis civitatis, in: Heinricus de Diessenhofen und andere Geschichtsquellen Deutschlands im späteren Mittelalter, hg. von Alfons Huber (Fontes rerum Germanicarum 4), Stuttgart 1868, Nachdruck Aalen 1969, S. 327–351. Die Vitae praesulum harren noch einer kritischen Ausgabe; zurückgegriffen werden muss nach wie vor auf die Fassungen Universitätsbibliothek Würzburg, M.ch.f. 187, fol. 248r–314v (im Folgenden aufgrund der Vollständigkeit benutzt) sowie Bayerische Staatsbibliothek München, Clm 1316, fol. 1r–22av. Ebenfalls in die Reihe der historiographischen Werke aus dem Umfeld der Speyerer Geistlichkeit gehört Jakob Wimpfeling. Lob des Speyerer Doms/Laudes ecclesiae Spirensis. Faksimile der Inkunabel von 1486. Pfälzische Landesbibliothek Speyer, Inc. 141, hg. von Reinhard Düchting/Antje Kohnle, Wiesbaden 1999, das allerdings für die Fragestellung dieser Untersuchung keine Relevanz besitzt. Vgl. zur Einordnung der genannten Werke mit

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Zum anderen bieten die Nekrologe des Doms eine zentrale Quellengrundlage. Von Bedeutung sind im Folgenden der älteste überlieferte Band, der 1273 in seiner ersten Anlageschicht fertiggestellt wurde (Nekrolog II), sowie die beiden 1569 abgeschlossenen Bände (Nekrolog III). In den jeweils neueren Fassungen wurde der Großteil der Angaben aus älteren Vorlagen kopiert, jedoch teils auch als obsolet betrachtete Ausführungen nicht übernommen.7 Die Ausstattung des mittelalterlichen Speyerer Doms ist zum überwiegenden Teil nicht mehr erhalten, wurde diese doch im Zuge der Zerstörung der Stadt durch französische Truppen 1689 größtenteils vernichtet.

Einmal Maria und zweimal Stephan – alte und neue Kirchen Die Geschichte des im 11. Jahrhunderts neu errichteten Speyerer Doms begann, zumindest wenn man Johannes Seffried von Mutterstadt Glauben schenkt, mit einer Zerstörung. König Konrad II. habe, nachdem die alte unter dem Schutz des heiligen Papstes Stephan stehende

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Verweisen auf die ältere Literatur Helmut Flachenecker, Das Bild der Kaisergräber in der Speyerer Bistumschronistik, in: Deutsche Königspfalzen, Bd. 6 (wie Anm. 3), S. 183–196; mit einem weitergehenden Ausblick auf Geschichtsschreiber der nachreformatorischen Jahrzehnte Markus Müller, Die spätmittelalterliche Bistumsgeschichtsschreibung. Überlieferung und Entwicklung (Archiv für Kulturgeschichte. Beihefte 44), Köln/Weimar/Wien 1998, S. 34–41. Vgl. zur städtischen Geschichtsschreibung des 15. Jahrhunderts die Zusammenstellung bei Benjamin Müsegades, König Dagobert, Bernhard von Clairvaux und ein gescheiterter Aufstand – Erinnerungskulturen im mittelalterlichen Speyer, in: Stadtgeschichte(n). Erinnerungskulturen der vormodernen Stadt (Forum Mittelalter. Studien 14), hg. von Jörg Oberste/Sabine Reichert, Regensburg 2017, S. 159–184, hier S. 165. Einer Einschätzung durch die Forschung harrt noch ein nur in einem älteren Abdruck überliefertes Chronicon Episcoporum Spirensium, das bis 1302 reicht, jedoch durch Nachträge erweitert wurde. Seine Vorlage befand sich nach Angaben Würdtweins in der Heidelberger Bibliotheca Palatina; Nova subsidia diplomatica ad selecta juris ecclesiastici Germaniae, Bd. 1, hg. von Stephan Alexander Würdtwein, Heidelberg 1781, Nachdruck Frankfurt 1969, S. 118–196. Das Nekrolog I wurde wahrscheinlich 1689 vernichtet. Es ist nur zum Teil in neuzeitlichen Abschriften überliefert. Die älteste vollständig erhaltene Speyerer Nekrologhandschrift Generallandesarchiv Karlsruhe 64/33 (Nekrolog II) ist in ihrer Anlageschicht auf 1273 zu datieren. Auf Grundlage dieses Bandes wurde zwischen 1565 und 1569 eine aktualisierte Fassung erstellt, das Nekrolog III; Generallandesarchiv Karlsruhe 64/34 und 35; Edition: Chorregel und jüngeres Seelbuch des alten Speierer Domkapitels, Bd. 1, hg. von Konrad von Busch/Franz Xaver Glasschröder (Historisches Museum der Pfalz e. V. – Historischer Verein der Pfalz. Veröffentlichungen 1), Speyer 1923. Vgl. zu den verschiedenen Nekrologen sowie zu einer weiteren nicht überlieferten Handschrift, auf deren Grundlage zumindest zum Teil das Nekrolog II entstand, ausführlich Hansjörg Grafen, Forschungen zur älteren Speyerer Totenbuchüberlieferung. Mit einer Textwiedergabe der Necrologanlage von 1273 (Quellen und Abhandlungen zur mittelrheinischen Kirchengeschichte 74), Mainz 1996, insbesondere S. 47–69.

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Kirche abgerissen worden sei, stattdessen ein neues Gotteshaus errichten lassen, das sowohl Maria als auch dem Papst geweiht gewesen sei.8 In seiner Darstellung aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts vermengt der Domvikar mehrere Ereignisse und Entwicklungen. So dürfte in Speyer tatsächlich im frühen Mittelalter ein Dom gestanden haben, der dem heiligen Stephan geweiht war. Allerdings handelte es sich bei diesem geistlichen Patron nicht um den Papst, sondern wohl um den schon in der Bibel (Apostelgeschichte 6,1–8,2) erwähnten Erzmärtyrer gleichen Namens.9 Stephan war zudem nicht alleiniger Schutzherr der Kirche, sondern teilte sich die Funktion ausweislich je einer Urkunde des Merowingers Childerich II. (660er- oder erste Hälfte der 670er-Jahre) und Karls des Großen von 782 mit der Mutter Gottes.10 Zum Jahr 858 wird in einer Urkunde Ludwigs des Deutschen jedoch nur das Patronat Marias für den Dom erwähnt.11 Auch von späteren römischdeutschen Herrschern wird in ihren Privilegierungen des Speyerer ­Klerus alleine die Schutzherrschaft der heiligen Jungfrau angeführt, der – wie oben erwähnt – unter den Saliern, aber auch bereits unter den ottonischen Herrschern eine besondere Rolle zukam.12 Es stellt sich daher zunächst die Frage, wann und warum das Patrozinium des Erzmärtyrers Stephan verdrängt wurde. In der Forschung ist aus dem Verschwinden des Stephanspatroziniums der Schluss gezogen worden, dass zwischen 782 und 858 ein neuer nur noch Maria geweihter Dom an anderer Stelle errichtet worden sein müsse. Nach dieser These wäre der merowingerzeitliche Bau mit dem Hic basilicam illam vetustam in urbe Nemeti vel Spira in honore sancti Stephani pape et martyris constructam funditus destruens in eodem loco aliam novam mire magnitudinis, fortitudinis et pulchritudinis, que nostris temporibus cernitur, a fundamentis edificare coepit in honore sancte dei genitricis Marie et sancti Stephani pape et martyris anno domini m.xxx in profesto sancte Margarethe virginis […]; Iohannis Seffried de Mutterstadt Chronica Praesulum Spirensis civitatis (wie Anm. 6), S. 332. 9 Vgl. zu den beiden Heiligen und ihrer Verehrung Gian Domenico Gordini, Art. Stefano, protomartire, santo, in: Bibliotheca sanctorum, Bd. 11, Roma 1968, Sp. 1376–1387; Agostino Amore, Art. Stefano I., papa, santo, in: Bibliotheca sanctorum, Bd. 12, Roma 1969, Sp. 22–24. 10 ad ecclesiam domne Marie vel domni Sthephani Nimetensis; Die Urkunden der Merowinger, Teil 1, nach Vorarbeiten von Carlrichard Brühl hg. von Theo Kölzer, unter Mitwirkung von Martina Hartmann und Andrea Stieldorf (MGH. Diplomata regum Francorum e stirpe Merowingica 1), Hannover 2001, Nr. 99, S. 254. Ähnlich ist auch die Formulierung in der Urkunde Karls gehalten: ad ecclesiam domne Marie vel domni Stephani in civitate Nemetense seu Spirense; Die Urkunden der Karolinger, Bd. 1, bearb. von Engelbert Mühlbacher (MGH. Diplomata Karolinorum 1), Hannover 1906, Nr. 143, S. 195. 11 ad domum sanctae Mariae virginis, quae constat in civitate Nemeta et Spira; Die Urkunden der deutschen Karolinger, Bd. 1. Die Urkunden Ludwigs des Deutschen, Karlmanns und Ludwigs des Jüngeren, bearb. von Paul Kehr (MGH. Diplomata regum Germaniae ex stirpe Karolinorum 1), Berlin 1934, Nr. 92, S. 133. 12 Vgl. hierzu die Literatur in Anm. 6. 8

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im 7. und 8. Jahrhundert belegten Muttergottes- und Stephanspatrozinium identisch mit der Stephanskapelle, die 1231 in den Besitz des Deutschen Ordens überging. Der im Jahr 858 erwähnte Dom wäre dann zwischen 1025 und 1033 abgerissen und in seiner Nähe der salierzeit­ liche Neubau errichtet worden. Die sich aus diesen Überlegungen ableitende Conclusio, es habe zu verschiedenen Zeiten und an jeweils unterschiedlichen Stellen nacheinander drei Bauten – eine merowinger-, eine karolinger- und eine salierzeitliche Kirche – mit Domfunktion gegeben, konnte zwar weder durch schriftliche noch durch archäologische Quellen vollständig verifiziert werden, dürfte jedoch die wahrscheinlichste Ereigniskette darstellen.13 Noch bestehende liturgische Bande zwischen dem salischen Dom und der Stephanskapelle südlich des Neubaus dürften in einer Urkunde durchscheinen, mit der Propst und Kapitel des Speyerer Nebenstifts St. German 1231 die Übertragung der Kapelle an den Deutschen Orden besiegelten. In diesem Schriftstück wurde festgelegt, dass die Prozessionen zum dem Erzmärtyrer geweihten Bau durch die Änderung der Besitzverhältnisse nicht berührt werden sollten, was für eine Sonderstellung der Stephanskapelle innerhalb der Speyerer Sakraltopographie sprechen dürfte.14 13 Vorgebracht wurde die These, dass Stephanskapelle und merowingischer Dom identisch seien, erstmals von Friedrich Sprater, Die Kaiserpfalz zu Speyer, in: Pfälzisches Museum 44 (=Pfälzische Heimatkunde 23), 1927, S.  109–117, hier S.  110; vgl. hierzu sowie zum potentiellen Standort des karolingerzeitlichen Doms Anton Doll, Zur Frühgeschichte der Stadt Speyer. Eine topographische Untersuchung zum Prozeß der Stadtwerdung Speyers vom 10. bis 13. Jahrhundert, in: Mitteilungen des Historischen Vereins der Pfalz 52, 1954, S. 133–200, hier S. 153. Die weitestgehende Zustimmung der Forschung zu Spraters und Dolls Überlegungen ist dokumentiert bei Carlrichard Brühl, Palatium und Civitas. Studien zur Profantopographie spätantiker Civitates vom 3. bis zum 13. Jahrhundert, Bd. 2: Belgica I, beide Germanien und Raetia, Köln/ Wien 1990, S. 141. Skeptisch dazu, es handele sich bei der Stephanskirche um den Vorgängerbau des salischen Doms, ist allerdings Ehlers, Metropolis Germaniae (wie Anm. 6), S. 34 (mit weiterer Literatur); vgl. zum Fehlen eindeutiger Belege für eine Datierung des Baus der Stephanskapelle – allerdings mit Hinweis auf den schon von Sprater erwähnten Fund frühmittelalterlicher Schrankenfragmente im Umfeld des 1901 abgerissenen Gebäudes – sowie mit dem Verweis auf die Möglichkeit, dass das Doppelpatrozinium des 7. und 8. Jahrhunderts auch eine Baugruppe aus zwei Kirchen bezeichnet haben könnte, unlängst mit der älteren Literatur Keddigkeit/Lagemann/ Untermann/Armgart/Schumacher, Art. Speyer, St. Maria (wie Anm. 6), S. 181 f., 203 f. Wenig überzeugend ist die von Bernd Päffgen, Die Speyerer Bischofsgräber und ihre vergleichende Einordnung. Eine archäologische Studie zu den Bischofsgräbern in Deutschland von den frühchristlichen Anfängen bis zum Ende des Ancien Régime (Studia archaeologiae medii aevi 1), Friedberg 2010, S. 68 vorgebrachte These, es habe sich bei der Stephanskapelle tatsächlich um einen frühsalischen Bau gehandelt. 14 Volumus eciam, ut processiones et stationes maioris ecclesie et aliarum ecclesiarum conventualium, que in eadem ecclesia actinus fieri solebant, per predictum contractum nullatenus impediantur; Urkunden zur Geschichte der Stadt Speyer, hg. von Alfred Hilgard, Straßburg 1885, Nr. 46, S. 40 f. Als Beleg dafür, dass Stephanskapelle und merowingerzeitlicher

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Die skizzierten Entwicklungen werfen am Beispiel der Bischofsstadt am Oberrhein exemplarisch Licht auf einen Prozess, der sich im Mittelalter hunderttausendfach vollzogen haben muss: die Auswahl von Patronen für eine geistliche Institution oder Korporation und ihr Verschwinden beziehungsweise das Verdrängen derselben durch andere Heilige. Häufig werden die Entwicklungen, Praktiken und Personengruppen, die darauf hinwirkten, dass ein himmlischer Mittler als Schutzherr ausgewählt wurde oder ein Wechsel stattfand, in der Überlieferung nicht sichtbar. Auch der genaue Zeitpunkt, zu dem die Entscheidung für oder gegen einen Patron fiel, ist im Regelfall nicht rekonstruierbar. Dabei dürften die Einflüsse, die die jeweilige Auswahl beeinflussten, potentiell vielfältig gewesen sein.15 Möglich ist, dass bei der Patrozinienwahl für die Speyerer Kirche das Vorbild des Marien- und Stephanspatronats des Metzer Doms eine zentrale Rolle spielte. Da auch der Erbauungs- und Weihezeitpunkt des merowingerzeitlichen Doms in Speyer unbekannt sind, kann allerdings nicht genau verortet werden, wann das Patrozinium etabliert wurde.16 Auch die Personen oder Gruppen sowie die Umstände, die die Auswahl der beiden Heiligen beeinflussten, bleiben im Dunkeln. Dom identisch seien, sieht diese Urkunde Hermann Issle, Die Sonderstellung der Stephanskirche innerhalb der hochmittelalterlichen Stadt Speyer. Eine Studie zur Frage der Lokalisierung der Vorgängerbauten des salischen Domes, in: Archiv für mittelrheinische Kirchengeschichte 22, 1970, S. 61–64, hier S. 62–64; vgl. zu den Prozessionen vom Dom zur Stephanskapelle auch Romuald Bauerreiss, Stefanskult und frühe Bischofsstadt (Veröffentlichungen der Bayerischen Benediktinerakademie 2), München 1963, S. 24. 15 Vgl. zum Stand der Patrozinienkunde mit der älteren Literatur Christian Popp, Heilige im Fläming. Erkenntnismöglichkeiten und -grenzen bei der Erforschung des Reliquien- und Patrozinientransfers einer Region, in: Blätter für deutsche Landesgeschichte 151, 2015, S. 173–193, hier S. 174 f.; Arnold Angenendt, In honore salvatoris. Vom Sinn und Unsinn der Patrozinienkunde, in: Revue d’histoire ecclésiastique 97, 2002, S. 431–456, 791–823, insbesondere S. 431–444; Helmut Flachenecker, Patrozinienforschung in Deutschland, in: Concilium medii aevi 2, 1999, S. 145–163. Einflüsse auf die Auswahl eines Patrons diskutieren Gerd Zimmermann, Patrozinienwahl und Frömmigkeitswandel im Mittelalter, Teil 1, in: Würzburger Diözesangeschichtsblätter 20, 1958, S. 24–126, hier S. 37; Wilhelm Deinhardt, Patrozinienkunde, in: Historisches Jahrbuch 56, 1936, S. 174–207, hier S. 191–203; Arnold Angenendt, Heilige und Reliquien. Die Geschichte ihres Kultes vom frühen Christentum bis zur Gegenwart, 2. Auflage Hamburg 2007, S. 204 16 Brühl, Palatium, Bd. 2 (wie Anm. 13), S. 141, geht ohne nähere Begründung davon aus, dass die Kirche etwa ein Jahrhundert vor der Ersterwähnung, also nach der Mitte des 6. Jahrhunderts, erbaut worden sein müsse. Vgl. zum möglichen Einfluss des Metzer Doppelpatroziniums auf Speyer Alois Seiler, Die Speyerer Diözesangrenzen rechts des Rheins im Rahmen der Frühgeschichte des Bistums, in: 900 Jahre Speyerer Dom (wie Anm.  5), S.  243–259, hier S.  245  f.; Ehlers, Metropolis Germaniae (wie Anm. 6), S. 34. Siehe allgemein zu Patrozinien in rheinischen Städten der Spätantike und des frühen Mittelalters Eugen Ewig, Die Kathedralpatrozinien im römischen und im fränkischen Gallien, in: Historisches Jahrbuch 79, 1960, S. 1–61.

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Reliquie, Altar und Liturgie Wie bereits oben ausgeführt, verschwindet das Patronat des Erzmärtyrers für den Dom im 9. Jahrhundert aus den Quellen. Warum war dann der Domvikar Johannes Seffried davon überzeugt, es habe sowohl für den salierzeitlichen als auch für einen älteren Bau eine geistliche Schutzherrschaft des spätantiken Papstes bestanden? Einen Anhaltspunkt bieten die Reliquien im Dom. Die Forschung geht davon aus, dass im Umfeld der Translation des norditalienischen Abts Guido von Pomposa durch Kaiser Heinrich III. auch die Köpfe des Papstes Stephan sowie des Märtyrers Anastasius nach Speyer kamen. Zeitgenössische Quellen liefern hierfür jedoch keine Belege.17 In der Liturgie wird das Stephanshaupt erstmals sicher in einem liber ordinarius des Doms fassbar, der von seinen Herausgebern zwischen 1438 und 1470 datiert wird.18 In diesem wird die besondere Bedeutung des Kopfes für die Feierlichkeiten am Ostertag betont, was auf eine herausgehobene Stellung der Reliquie innerhalb des Domschatzes verweisen dürfte.19 17 Erstmals erwähnt wird die Translation des Stephanshaupts nach Speyer durch Heinrich III. bei Philipp Simonis, Historische Beschreibung aller Bischoffen zu Speyr, Freiburg 1608, S. 114. Ihm folgt Franz Xaver Remling, Der Speyerer Dom, zunächst über Bau, Begabung, Weihe unter den Saliern. Denkschrift zur Feier seiner 800-jährigen Weihe, Mainz 1861, S.  43; übernommen wurde dessen Annahme, es habe eine Überführung der Reliquie durch den Salier gegeben, etwa bei Johannes Emil Gugumus, Der Hl. Abt Guido von Pomposa (970–1046). Zur Tausendjahrfeier seiner Geburt, in: Archiv für mittelrheinische Kirchengeschichte 23, 1971, S. 9–17, hier S. 14 f.; Päffgen, Speyerer Bischofsgräber (wie Anm. 13), S. 101; Andreas Odenthal, Liturgie, Sakraltopographie und Saliermemorie. Eine Spurensuche zum theologischen Grundkonzept des Speyerer Domes anhand des Liber Ordinarius aus dem 15. Jahrhundert, in: Der Dom zu Speyer (wie Anm. 6), S. 279–296, hier S. 282. Auf das Fehlen von zeitgenössischen Quellen für eine Translation unter Heinrich III. verweist bereits Alois Lamott, Codex Vidobonensis 1882, ein Liber ordinarius des Speyerer Domes aus dem 13. Jahrhundert, in: Archiv für mittelrheinische Kirchengeschichte 13, 1961, S. 27–48, hier S. 33, 36 f., ohne allerdings die Reliquienübertragung als solche in Frage zu stellen. 18 Vgl. zur Datierung: Der Liber Ordinarius des Speyerer Domes aus dem 15. Jahrhundert (Generallandesarchiv Karlsruhe, Abt. 67, Kopialbücher 452). Zum Gottesdienst eines spätmittelalterlichen Domkapitels an der Saliergrablege, hg. von Andreas Odenthal/ Erwin Frauenknecht (Liturgiewissenschaftliche Quellen und Forschungen 99), Münster 2012, S. 8. Aufgrund von Überschneidungen zwischen den städtischen Festlegungen und den Bestimmungen des liber zu den Feierlichkeiten am Severinstag, könnte 1456 der terminus ante quem für die Anlage der Handschrift sein; Müsegades, König Dagobert (wie Anm. 6), S. 183 f. 19 Item wan man prime meß gelyset, so setz man die bern vff die sydeln vnd dar vff eyn syden duch, das dar zu horet vnd dar vff eyn royt syden kussen vnd dar vff sant Stephans heupt […]; Der Liber Ordinarius (wie Anm. 18), S. 87. Für eine besondere Bedeutung der Reliquie spricht auch ihre Verwendung im Rahmen der Feierlichkeiten am Tag Assumptionis Marie; vgl. Der Liber Ordinarius (wie Anm. 18), S. 113. In einem in das 13. Jahrhundert datierbaren liber ordinarius des Speyerer Doms (Österreichische Nationalbibliothek Wien, Codex Vidobonensis 1882) fehlen Hinweise auf das Stephanshaupt; Lamott, Codex Vidobonensis (wie Anm. 17), S. 36 f.

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Nach einer bei Johannes Seffried überlieferten Nachricht stiftete die Gemahlin Friedrich Barbarossas, Beatrix († 1184), das bei den Feierlichkeiten benutzte Reliquiar, auf das der Kopf gestellt wurde.20 Wie fast die gesamte mittelalterliche Domausstattung, so hat sich auch diese liturgische Gerätschaft nicht erhalten.21 Schenkt man dem Chronisten des 15. Jahrhunderts allerdings Glauben, so hätte sich das Papsthaupt zumindest im 12. Jahrhundert schon im Kirchenschatz befunden. Damit erschöpfen sich die schriftlichen Quellen. Auf die Translation der Stephansreliquie von Italien nach Speyer schon unter Heinrich III. in der Mitte des 11. Jahrhunderts könnten jedoch materielle Quellen hindeuten, die in diesem Kontext bisher nur wenig Beachtung gefunden haben. Aus Funden des späten 19. Jahrhunderts sowie von 1922 auf dem Gebiet des heutigen Finnlands sind Münzen überliefert, 20 Ista imperatrix Beatrix fieri fecit capsam magnam in summo altari reconditam, que in festivitatibus summis et in altari et in processionibus superponitur capiti sancti Stefani pape et martiris, in cuius quidem capse circumferentia hec habentur metra: Hoc altare sacrum gemmis auroque decorum Fecit peccatrix non re sed voce Beatrix Dispereat prorsus anathematis igne perustus, Quisquis id abstulerit, sacro cuicunque dicarit. In medio quoque eiusdem capse marbor album est inclusum, in cuius circumferentia hec continentur metra […]. Iohannis Seffried de Mutterstadt Chronica (wie Anm. 6), S. 345 f. Eine um vier Zeilen erweiterte Beschreibung der Inschrift findet sich auch im Chronicon Episcoporum Spirensium, wobei diese sich laut des Autors auf einem Altare portatile befand. Zudem findet sich hier kein Hinweis auf die Nutzung von Reliquiar oder Altar im Zusammenhang mit der Stephansreliquie; Nova subsidia (wie Anm. 6), S. 145. Da das Chronicon 1302 abbricht, dürfen die Eintragungen älter sein als bei Johannes Seffried; hierzu auch Anton Doll, Schriftquellen, in: Der Dom zu Speyer. Textband, bearb. von Hans Erich Kubach/Walter Haas (Kunstdenkmäler von Rheinland-Pfalz 5), München 1972, S. 11–69, hier Nr. *118, S. 43. Vgl. auch die Beschreibung der sakralen Gerätschaft durch zwei Speyer im Jahr 1660 besuchende Bolandisten: Item portatilis ara ad instar capsae auro gemmisque praeclare ornata, in qua plurimae reliquiae Beatricis cuiusdam donum; Fritz V. Arens, Speyer im Jahre 1660, in: Pfälzer Heimat 2, 1951, S. 33–44, hier S. 35. Die Stephansreliquien sind ohne Nennung des Reliquiars auch erwähnt in Wolfgang Baurs Vitae praesulum Spirensium; Universitätsbibliothek Würzburg, M.ch.f. 187, fol. 301v. Nicht durch mittelalterliche Quellen verifizieren lässt sich die Ausführung von Simonis, Historische Beschreibung (wie Anm. 17), S. 114, Bischof Sigibodo habe zu Beginn des 14. Jahrhunderts das Stephanshaupt neu einfassen lassen. 21 Zum Verbleib der Stephansreliquie finden sich gegensätzliche Ausführungen. Laut Die Kunstdenkmäler der Pfalz, Bd. 3. Stadt und Bezirksamt Speyer, bearb. von Bernhard Hermann Röttger, München 1934, S. 330, galt sie seit den Ereignissen der Französischen Revolution, die auch Speyer berührten, als verschollen. Remling, Der Speyerer Dom (wie Anm. 17), S. 43, Anm. 103, verweist jedoch darauf, dass der seines Schmucks beraubte Kopf zu Beginn des 19. Jahrhunderts an die Nonnen des Klosters Lichtenthal bei Baden-Baden kam und 1852 an den Dom zurückgegeben wurde. Eine dem heiligen Papst zugeschriebene Reliquie mit einem entsprechenden Reliquiar ist heute in der Katharinenkapelle ausgestellt.

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die Anknüpfungspunkte für die hier relevante Frage nach der Rolle des Papstes als Patron des Speyerer Doms liefern.22 Von Interesse ist hierbei eine Prägung, die auf der Vorderseite das Brustbild eines tonsurierten Heiligen und auf der Rückseite die Jungfrau Maria zeigt. Der Numismatiker Julius Menadier hat für die Münze aus einem Fund von 1896 eine Speyerer Provenienz angenommen, ohne jedoch genauer auf die Datierung einzugehen.23 Er bemerkte bereits die Übereinstimmung mit einem zwei Jahre zuvor beschriebenen Exemplar aus der Sammlung der Eremitage in St. Petersburg, das nach Meinung Hermann Dannenbergs aus einer Speyerer Prägestätte stammen könnte.24 Insgesamt lassen sich in den finnischen Funden fünf Stücke desselben Typs sowie ein Exemplar einer leicht abgewandelten Variante nachweisen, wobei in allen Fällen das Münzbild beschädigt und unvollständig ist.25 Helfried Ehrend hat beide Münztypen ohne nähere Begründung um 1050 datiert. Beim ersteren Typ ist nach seiner Auffassung auf der Vorderseite die zusammengezogene Inschrift S – ST zu erkennen, die auf den heiligen Stephan verweise.26 Einer der finnischen Münzhorte, der auch das hier interessierenden Exemplar enthielt, dürfte spätestens Ende der 1060er-Jahre angelegt worden sein.27 Dies ließe darauf schließen, dass zur personalisierten Repräsentation des geistlichen Speyers spätestens zu diesem Zeitraum nicht nur die Mutter Gottes, sondern auch ein weiterer Heiliger bemüht wurde. Die 22 Es handelt sich um Funde von insgesamt sechs Münzen aus den Jahren 1896, 1897 und 1922; vgl. zu ihrem Überlieferungskontext sowie zu den Exemplaren selbst Helmer Salmo, Deutsche Münzen in den vorgeschichtlichen Funden Finnlands (Finska Fornminnesföreningens Tidskrift 47), Helsinki 1948, S. 4, 36 f., Nr. 130–135, S. 367 f. Ebenfalls auf die Entdeckungen aus dem Jahr 1896 Bezug nimmt Julius Menadier, Ein russischer Fund deutscher Pfennige aus dem Ende des 11. Jahrhunderts (1896), in: Julius Menadier, Deutsche Münzen. Gesammelte Aufsätze zur Geschichte des deutschen Münzwesens, Bd. 4, Berlin 1898, S. 195–234, hier S. 195. 23 Menadier, Ein russischer Fund (wie Anm. 23), Nr. 102, S. 224 (Abkonterfeiung), 226 (Beschreibung). 24 Zur Übereinstimmung Menadier, Ein russischer Fund (wie Anm. 23), S. 226. Hermann Dannenberg, Die deutschen Münzen der sächsischen und fränkischen Kaiserzeit, Bd. 2, Berlin 1894, Nr. 1845, S. 748, führte den Fund im Kapitel „Münzen, deren Prägestätten nicht zu bestimmen“ auf und vermerkte zurückhaltend (Hervorhebungen im Original): „Kommt einmal ein anderes Exemplar mit [der Inschrift B.M.] S – S auf der Rs. zum Vorschein, so wird man diesen Pfennig unbedenklich an Speier geben können, wo neben der Gottesmutter der Protomartyr Verehrung genoss.“ Die Vermutung, es könne sich bei dem abgebildeten Heiligen um den Erzmärtyrer Stephan handeln, dürfte irrig sein, da dieser im 11. Jahrhundert bereits nicht mehr als Patron des Doms firmierte. 25 Salmo, Deutsche Münzen (wie Anm. 23), Nr. 130–135, S. 367 f. (Beschreibung), Tafel 59 (Fotografien). 26 Helfried Ehrend, Speyerer Münzgeschichte. Münzen, Medaillen, Marken und Banknoten, Speyer 1976, Nr. 2/41, 2/42, S. 55. 27 Es handelt sich um den Fund von 1922 im Dorf Vehmeinen; hierzu Salmo, Deutsche Münzen (wie Anm. 22), S. 36. Die Münzen im 1896 entdeckten Hort dürften um 1100 vergraben worden sein; Menadier, Ein russischer Fund (wie Anm. 22), S. 234.

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Münze könnte also eine bischöfliche Prägung sein.28 Ob es sich allerdings um eine Abbildung des heiligen Stephan handelt, lässt sich nicht eindeutig verifizieren, ist doch das ST, das Ehrend zu erkennen meint, nicht zweifelsfrei zu identifizieren.29 Dies lässt mehrere Möglichkeiten offen. Für das Jahr 1047 ist die bereits erwähnte Überführung der Gebeine des Abts Guido von Pomposa in das Speyerer Stift St. Johannes (später SS Johannes und Guido) belegt.30 Es wäre möglich, dass der tonsurierte Kopf auf der Münze eben jenen Heiligen darstellt. Allerdings kann die ikonographische Gestaltung ebenso gut auf die Köpfe des Stephan oder Anastasius hinweisen, von deren Übertragung wir keine Nachricht haben, die sich aber spätestens zum Ende des 15. Jahrhunderts im Domschatz befanden.31 Der Eintrag in die um 1280 abgeschlossenen Annales Spirenses zu Heinrich III. könnte ein Indikator dafür sein, dass durch den Salier mehr als nur die Reliquien eines Heiligen an den Oberrhein verbracht wurden: „Er war ein Liebhaber der Heiligen und ein Zusammenträger von Reliquien.“32 Auch die wesentlich besser belegte geistliche Fundierung von Heinrichs zweitem Lieblingsprojekts neben dem Speyerer Dom, des Goslarer Stifts St. Simon und Judas, mit heiligen ­Gebeinen könnte dafür sprechen, dass der Salier auch die Stadt am Oberrhein mit den Köpfen himmlischer Mittler bedachte.33 28 Vgl. zum Münzregal der Speyerer Bischöfe Wilhelm Harster, Versuch einer Speierer Münzgeschichte, in: Mitteilungen des Historischen Vereins der Pfalz 10, 1882, S. 1–165, hier S. 8 f. 29 Ehrend, Speyerer Münzgeschichte (wie Anm. 26), Nr. 2/41, S. 55, bezieht sich auf die Beschreibungen der Münzen bei Salmo, Deutsche Münzen (wie Anm. 22), Nr. 130 und 134, S. 367 f., wo allerdings keine entsprechenden Inschriften vermerkt sind. 30 Diese ist etwa erwähnt bei Hermann von Reichenau: Postea convalescens, corpus beati Widonis, Pomposiae monasterii abbatis, in magna sanctitate ante non integrum annum defuncti, plurimis glorificatum miraculis, de Parmensi, ubi sepultus fuit, civitate ad urbem Spiram transferendum, magno secum cum honore de Italia rediens devexit; Herimanni Augiensis Chronicon, hg. von Georg Heinrich Pertz, in: MGH. Scriptores, Bd. 5, Hannover 1844, S. 67–133, hier S.  127; weitere Erwähnungen der Translation sind zusammengestellt bei Doll, Schriftquellen (wie Anm. 20), Nr. 34, S. 23 f. 31 Genannt sind sie im liber ordinarius des 15.  Jahrhunderts; vgl. exemplarisch: Der Liber ordinarius (wie Anm. 18), S. 113 (Stephan), 127 (Anastasius). 32 Amator fuit sanctorum et conportator reliquiarum; Annales Spirenses (wie Anm.  6), S.  82. Allerdings könnte dieser Beleg mehr als 200 Jahre nach dem Tod Heinrichs III. auch als Hinweis auf eine erst später entstandene Speyerer Erinnerungskonstruktion vom Kaiser als Reliquienstifter gesehen werden. 33 Hierzu mit Nachweisen Tillmann Lohse, Die Dauer der Stiftung. Eine diachronisch vergleichende Geschichte des weltlichen Kollegiatstifts St. Simon und Judas in Goslar (StiftungsGeschichten 7), Berlin 2011, insbesondere S. 64 f. Die Beziehungen zwischen den Saliern und dem Stift beleuchtet auch Bernd Schneidmüller, Das Goslarer Pfalzstift St. Simon und Judas und das deutsche Königtum in staufischer Zeit, in: Geschichte in der Region. Zum 65. Geburtstag von Heinrich Schmidt, hg. von Dieter Brosius/ Christine van den Heuvel/Ernst Hinrichs/Hajo van Lengen (Veröffent­lichungen der Historischen Kommission für Niedersachsen und Bremen. Sonderband 18), Hannover 1993, S. 29–53, hier S. 29–36.

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Das Bild bleibt jedoch insgesamt unvollständig. Wird allerdings die Zuschreibung der Münzen aus den oben beschriebenen Funden nach Speyer akzeptiert und im Münzbild der heilige Papst Stephan erkannt, so könnte dies ein Indiz dafür sein, dass dieser zwischen der Mitte und dem Ende des 11. Jahrhunderts eine besondere Bedeutung für den Dom besaß. Schriftliche Quellen dieser Zeit allerdings nennen als Patronin weiterhin nur Maria.34 Ein Bericht zur Domweihe 1061, der Aufschlüsse über ein frühes Doppelpatrozinium für den salierzeitlichen Bau geben könnte, fehlt.35 Weitere Anhaltspunkte für die Stellung der beiden heiligen Stephane als potentielle Patrone des Doms kann ein Blick auf die Altäre im Kirchenraum bieten. Das Gesamtpanorama der Sakraltopographie soll an dieser Stelle allerdings nicht ausgebreitet werden. Dies hat in den letzten Jahren Andreas Odenthal in mehreren Beiträgen minutiös getan.36 Vielmehr soll der Fokus auf die Bedeutung des Erzmärtyrers und des Papstes Stephan als Altarpatrone und in der Liturgie gerichtet werden. Zuvor sei jedoch noch einmal die Ausgangslage hinsichtlich des Dompatroziniums kurz skizziert. Spätestens im Jahr 858 verschwand der Protomärtyrer Stephan aus diesem. Es ist möglich, jedoch nicht abschließend belegbar, dass diese Entwicklung mit dem Bau eines neuen Doms zusammenhing. Möglich wäre darüber hinaus, dass nach dem Baubeginn der salierzeitlichen Kirche zumindest kurzzeitig in der 34 Vgl. die Zusammenstellung für die Jahre von der Translation des heiligen Guido 1047 bis zum Tod Heinrichs IV. 1106: Doll, Schriftquellen (wie Anm. 20), Nr. 34–*90, S. 23– 37. 35 Auf das Fehlen von Quellen zum Weihevorgang verweist schon Johann Emil Gugumus, Dedicatio Spirensis ecclesie antiqua. Zur Weihe des frühsalischen Speyerer Domes im Jahre 1061, in: 900 Jahre (wie Anm. 5), S. 175–187, hier S. 177. Im zwischen 1071 und 1072 angelegten Liber pontificalis Eichstettensis wird vermerkt, Bischof Gundekar von Eichstätt habe unter anderem den Speyerer Dom geweiht. An dieser Stelle wird nur das Marienpatrozinium genannt: Istas quas hic cernitis subnotatas aecclesias consecravit Gundechar sanctae Aureatensis aecclesiae 18us episocpus: […] Domum sanctae Mariae Spirae; Gundechari Liber pontificalis Eichstettensis, hg. von Ludwig Conrad Bethmann, in: MGH. Scriptores, Bd. 7, Hannover 1846, Nachdruck Stuttgart 1995, S. 239–253, hier S. 247. Doll, Schriftquellen (wie Anm. 20), Nr. 48, S. 26, geht davon aus, dass Gundekar die Weihe des Doms nicht alleine vornahm; anders Gugumus, Dedicatio (wie oben), S. 177. Vgl. zum Entstehungskontext des Eichstätter Liber pontificalis mit weiterführender Literatur Müller, Die spätmittelalterliche Bistumsgeschichtsschreibung (wie Anm. 6), S. 70 f.; Stefan Weinfurter, Sancta aureatis ecclesia. Zur Geschichte Eichstätts in ottonisch-salischer Zeit, in: Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte 49, 1986, S. 3–40, hier S. 3–5. 36 Detailliert wurde die Sakraltopographie diskutiert in: Der Liber Ordinarius (wie Anm.  18), S.  21–36; Odenthal, Liturgie (wie Anm.  17); Andreas Odenthal, Gottesdienst, Sakraltopographie und Saliermemorie – Zum Liber Ordinarius des Speyerer Domes aus dem 15. Jahrhundert, in: Zeitschrift für Kirchengeschichte 122, 2011, S. 21–51, insbesondere S. 31–49. Einen Überblick zu den Altarpatrozinien im 13. Jahrhundert bietet Clemens Kosch, Die romanischen Dome von Mainz, Worms und Speyer. Architektur und Liturgie im Hochmittelalter, Regensburg 2011, S. 62 f.

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zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts ein Heiliger – vielleicht bedingt durch die Translation seiner Reliquien unter Heinrich III. – für die Speyerer Kirche eine so prominente Rolle einnahm, dass er gemeinsam mit Maria auf Münzen des Bischofs abgebildet wurde. Als Patron des Doms taucht ein weiterer geistlicher Schutzherr in schriftlichen Quellen jedoch weder im 11. noch im 12. Jahrhundert auf. Der Erzmärtyrer Stephan gewann nach Auffassung der Forschung zu Speyer 1130 wieder stärker an liturgischem Gewicht. Wiederholt wurde ein Eintrag in die Annalen des Klosters Disibodenberg (heute Landkreis Bad Kreuznach, Rheinland-Pfalz) für dieses Jahr als Beleg für die Errichtung eines Altars zu Ehren des Heiligen im Dom angeführt: „Speyer wurde zur Unterwerfung gezwungen. […] Geweiht wurde der Altar des heiligen Stephan, der im südlichen Teil der neuen Kirche gelegen ist, vom Herrn Adalbert, Erzbischof von Mainz, zu Ehren unseres Herrn Jesus Christus, der seligen Jungfrau Maria und besonders aller Märtyrer, namentlich des heiligen Protomärtyrers Stephan, Laurentius, Vincentius und Albanus.“37 Anton Doll hat in seinem 1954 erschienenen verdienstvollen Beitrag zur frühen Speyerer Stadtgeschichte erstmals auf diese Quelle aufmerksam gemacht und in ihr einen Hinweis auf die Wiederaufnahme des abgegangenen Kirchenpatroziniums im Sakralraum des Doms sehen wollen.38 Spätere Autoren sind ihm in dieser Deutung gefolgt.39 Tatsächlich saß Doll jedoch einem Trugschluss auf. Dies wird bei einer Gesamtlektüre des Eintrags in den Annalen zum Jahr 1130 deutlich. Die ersten Worte Spira deditione subacta beziehen sich auf die Unterwerfung Speyers durch Lothar von Süpplingenburg.40 Allerdings folgt bis zu den Ausführungen über die Weihe des Stephansaltars noch eine Fülle von Details zu verschiedenen Ereignissen von regionaler und überregionaler

37 Spira deditione subacta. […] Dedicatum est altare sancti Stephani, quod in australi parte novi monasterii situm est, a domino Adelberto Moguntino archiepiscopo in honorem domini nostri Ihesu Christi, et beatae Mariae virginis, et omnium praecipue martyrum, et nominatim sancti Stephani prothomartyris, Laurentii, Vincentii, Albani. Annales Sancti Dissibodi, hg. von Georg Waitz, in: MGH. Scriptores, Bd. 17, Hannover 1861, Nachdruck Stuttgart 1990, S. 4–30, hier S. 24. 38 Doll, Frühgeschichte (wie Anm. 13), S. 153. 39 Issle, Sonderstellung (wie Anm. 14), S. 62; Frank G. Hirschmann, Die Anfänge des Städtewesens in Mitteleuropa, Bd. 1 (Monographien zur Geschichte des Mittelalters 59,1), Stuttgart 2011, S. 321; Odenthal, Liber ordinarius (wie Anm. 36), S. 33; Odenthal, Liturgie (wie Anm. 17), S. 282. 40 Diesen Zusammenhang betont auch Doll in einer späteren Publikation; Doll, Schriftquellen (wie Anm. 20), Nr. 104, S. 40; vgl. zur Belagerung Speyers durch Lothar III. auch Oliver Hermann, Lothar III. und sein Wirkungsbereich. Räumliche Bezüge königlichen Handelns im hochmittelalterlichen Reich (1125–1137) (Europa in der Geschichte 5), ­Bochum 2000, S. 125 f.

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Bedeutung, etwa zur Wahl zweier Päpste sowie zum Tod des Bischofs von Hildesheim und des Abts von St. Alban bei Mainz.41 Die anschließend angeführte Weihe steht nicht im Zusammenhang mit Speyer, sondern viel mehr mit einem Altar des Erzmärtyrers im Kloster Disibodenberg selbst.42 Es lässt sich also für 1130 keine Errichtung eines Stephansaltars im Dom nachweisen. Ein solcher muss jedoch ausweislich späterer liturgischer Quellen zu einem unbekannten Zeitpunkt im südlichen Querhaus errichtet worden sein. Dabei ist allerdings nicht abschließend zu klären, ob er neben dem Erzmärtyrer auch dem heiligen Papst geweiht war.43 Auskunft zur Bedeutung des Altars sowie generell zur Stellung der beiden gleichnamigen Heiligen innerhalb des Sakralraums gibt neben den Nekrologen II und III vor allem der liber ordinarius des Doms aus dem 15. Jahrhundert. Die Bestimmungen im letzteren Text heben die besondere Rolle des Protomärtyrers im Rahmen der Weihnachtsmesse am 25. Dezember hervor: Vnd der Byschoff thut eyn alben an vnd thut eyn roiden rock dar vber vnd eyn roide sament Cappen. Vnd der Custer gibt jeglichem eyn halbpfundig kertzen in die hand. Vnd wan man das Benedicamus gesinget, so hebent sie das Repons an: Lapides torrentes etc. vnd der Chore singt das Respons furbass also lange, bys das sie wider komment in sant Stepphans Chore by den altare.44 Zweifelsohne wird an dieser Stelle die Bedeutung Stephans – auch unterstrichen durch die rote Kleidung, die an die Steinigung des Märtyrers erinnert – in der Liturgie des Doms deutlich. Allerdings ist es fraglich, ob damit auf die ältere Funktion des Heiligen als Patron verwiesen wurde.45 Tatsächlich dürfte an dieser Stelle liturgisch schlicht 41 Annales Sancti Dissibodi (wie Anm. 37), S. 24. 42 Dass es sich um die Weihe eines Altars in Disibodenberg handelt, bemerkte in anderem Kontext bereits Heinrich Büttner, Studien zur Geschichte von Disibodenberg. Frühgeschichte und Rechtslage des Klosters bis ins 12. Jahrhundert, Baugeschichte und Patrozinien, in: Studien und Mitteilungen zur Geschichte des Benediktiner-Ordens und seiner Zweige 52, 1934, S. 1–46, hier S. 36, 41. Vgl. zuletzt zum Stephansaltar zudem Hans Fell/Jürgen Keddigkeit/Matthias Untermann, Art. Disibodenberg, St. Maria (und St. Disibod), in: Pfälzisches Klosterlexikon. Handbuch der pfälzischen Klöster, Stifte und Kommenden, Bd. 1, hg. von Jürgen Keddigkeit/Matthias Untermann/Hans Ammerich/Charlotte Lagemann/Lenelotte Möller (Beiträge zur pfälzischen Geschichte 26,1), Kaiserslautern 2014, S. 268–320, hier S. 293. 43 Von einem Doppelpatrozinium berichtet Anfang des 17. Jahrhunderts Simonis, Historische Beschreibung (wie Anm. 17), o. S.: den andern nennet man S. Stephans Chor / welcher auch drey Altaria hat / na(e)mlich der erst beyden S. Stephan dem Pabst und auch Ertzma(e)rterern […] zugeeignet. Von der Schutzherrschaft beider Heiliger für den Altar geht auch Odenthal, Liber ordinarius (wie Anm. 36), S. 31 f., aus. 44 Der Liber Ordinarius (wie Anm. 18), S. 57. 45 Anders Issle, Sonderstellung (wie Anm.  14), S.  63; Odenthal, Liber ordinarius (wie Anm. 36), S. 34; Odenthal, Liturgie (wie Anm. 17), S. 282.

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auf den nach dem Weihnachtstag folgenden Stephanstag (26. Dezember) Bezug genommen worden sein. Wesentlich aussagekräftiger ist ein Eintrag in das 1569 fertiggestellte Nekrolog III zum Tag Inventio s. Stephani prothomartyris (3. August). Erwähnt wird hier ein Legat von zwei Pfund aus der Stiftung eines Vikars Johannes Cocus von 1472 für eine Prozession zum Altar des Patrons, des heiligen Stephan (s. Stephani patroni).46 Im Nekrolog II fehlt dieser Eintrag. Er wurde also erst bei der Neuanlage in den 1560er-Jahren eingefügt, bezieht sich aber auf eine Zuwendung von 1472, die sich anderweitig nicht belegen lässt. Von besonderer Bedeutung ist für unsere Fragestellung der Genetiv patroni. Gelesen werden kann dieser Begriff auf drei Weisen: Er könnte zum einen schlichtweg das Stephanspatrozinium des Altars (ob nun Erzmärtyrer, Papst oder beide) bezeichnen. Zum anderen wäre es möglich, dass tatsächlich Bezug auf das ältere Konpatronat des Protomärtyrers für den Dom genommen wurde. Eine dritte Möglichkeit wäre, dass eine Verwechslung mit dem heiligen Papst gleichen Namens vorlag und dieser als Dompatron bezeichnet werden sollte.47 Aus mehreren Gründen dürfte der letzteren Möglichkeit oder der Bezug des patronus auf den Altartitel der Vorzug zu geben sein. Bereits oben wurde erläutert, dass der Chronist Johannes Seffried von Mutterstadt am Ende des 15. Jahrhunderts der Auffassung war, der heilige Papst sei der Konpatron des Doms. Möglich wäre, dass der Vikar eine innerhalb des Klerus verbreitete Vorstellung wiedergab. Dies dürfte die wahrscheinlichste Variante sein, wofür mehrere Indizien sprechen. Im Nekrolog II ist für den Festtag des Papstes (2. August) neben den aus der Zeit der Anlage der Handschrift von 1273 herrührenden Worten Stephani papae et martiris („Stephans, des Papstes und Märtyrers“) von einer späteren Hand der Zusatz patroni Ecclesie Spirensis („des Pa­ trons der Speyerer Kirche“) nachgetragen worden.48 Hermann Ißle hat 46 in processione ad altare ipsius finitis secundis vesperis s. Stephani patroni et cantetur responsorium: „Isti sunt sancti“ cum vers. et antyph. super Magnificat de martyribus „Gaudent in coelis etc.“ ex ordinatione Johannis Coci vicarii anno 1472; Chorregel, Bd. 1 (wie Anm. 7), S. 376. 47 Das erwähnte Responsorium ist nicht für die Verehrung des Papstes Stephan spezifisch; vgl. zu den möglichen Reponsorien, die mit den Worten Isti sunt sancti beginnen, Corpus antiphonalium officii, Bd. 4. Responsoria, versus, hymnus et varia (Rerum ecclesiasticarum documenta. Series maior 10), hg. von Renato-Joanne Hesber, Roma 1970, Nr. 7022– 7024, S. 256. 48 Generallandesarchiv Karlsruhe 64/33, fol. 201v; dieser Eintrag findet sich auch im Nekrolog III; Chorregel, Bd. 1 (wie Anm. 7), S. 374. Die Datierung der ersten drei Worte auf 1273 nimmt auch Grafen, Forschungen (wie Anm. 7), S. 329, vor, der in ihnen jedoch eine nachträgliche Eintragung nach der Fertigstellung der ersten Anlageschicht sieht. Issle, Sonderstellung (wie Anm. 14), S. 63, datiert den ersten Teil des Eintrags auf das Ende des 13. Jahrhunderts und erkennt in den folgenden zwei Worten eine jüngere Hand, die er allerdings nicht datiert.

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nicht zuletzt aus diesem Eintrag geschlossen, der heilige Papst sei seit dem Ende des 13. Jahrhunderts als Mitpatron des Doms anzusehen.49 Die eingangs wiedergegebene Darstellung bei Johannes Seffried von Mutterstadt scheint dies zumindest für die zweite Hälfte des 15. Jahrhunderts zu stützen und könnte ältere Entwicklungen widerspiegeln. Auch Wolfgang Baur vermerkt, der salische Neubau sei sowohl Maria als auch Stephan geweiht worden.50 Wilhelm Eisengrein übernimmt diese Zuschreibung in seiner 1564 erstmals veröffentlichten Chronik ebenfalls.51 In Speyerer Festkalendern des 15. und frühen 16. Jahrhunderts werden sowohl die Festtage des Märtyrers wie auch des Papstes vermerkt, allerdings findet sich kein Hinweis auf eine herausgehobene Rolle für den Dom oder das Bistum.52 Auffällig ist in diesem Kontext, dass sich in den beiden jüngeren Nekrologen nur ein zweifelsfreier Bezug auf den Papst als Dompatron – im Nachtrag zum 2. August – findet. Möglicherweise schwankte auch innerhalb des Klerus die Auffassung darüber, ob der unter Konrad II. begonnene Bau bereits Maria und Stephan geweiht war. So ließ Bischof Mathias Ramung († 1478) laut des zu Beginn des 17. Jahrhunderts schreibenden Christoph Lehmann eine heute nicht mehr erhaltene Tafel an den Herrschergräbern im Königschor anbringen. Nach deren Text war zwar die alte abgerissene Kirche – wie bei Johannes Seffried – auch dem heiligen Papst, die neue allerdings nur Maria ­geweiht gewesen.53 49 Issle, Sonderstellung (wie Anm. 14), S. 62 f. 50 Universitätsbibliothek Würzburg, M.ch.f. 187, fol. 301r. 51 Wilhelm Eisengrein, Chronologicarum rerum amplissimae clarissimaeque urbis Spirae, Dillingen 1564, fol. 30v. Eisengrein wiederum rekurrierte für seine Chronik vor allem auf Wolfgang Baurs Werk; Franz Staab, Ein späthumanistisches Städtelob. Das Kapitel „Spira“ in der „Harmonia Ecclesia Historica“ von 1576 des Wilhelm Eisengrein, in: Palatia Historica. Festschrift für Ludwig Anton Doll zum 75. Geburtstag, hg. von Pirmin Spiess (Quellen und Abhandlungen zur mittelrheinischen Kirchengeschichte 75), Mainz 1994, S. 360–397, hier S. 373. Vgl. für die Perspektive des frühen 17. Jahrhunderts auf das angeblich bereits salierzeitliche Doppelpatrozinium Simonis, Historische Beschreibung (wie Anm. 17), S. 41. 52 Vgl. hierzu Hermann Grotefend, Zeitrechnung des deutschen Mittelalters und der Neuzeit, Bd. 2,1, Hannover 1892, S. 174, 176; Johann Emil Gugumus, Ein Speyerer Kalendar des 15. Jh. aus Cod. pal. 514 der Vatikanischen Bibliothek, in: Archiv für mittelrheinische Kirchengeschichte 11, 1959, S. 245–253, hier S. 248 f. Auf eine besondere Rolle des heiligen Papstes könnte allerdings das von Simonis, Historische Beschreibung (wie Anm. 17), S. 158, für 1452 vermerkte Gießen einer St. Stephansglocke hinweisen. 53 Hic Conradus Ecclesiam Nemetensem siue Spirensem, antiquitus constructam in honorem Sancti Stephani Papae & Martyris, diruit & amouit. Et ecclesiam, quae nunc cernitur, gloriose aedificari fecit, primarium ponendo lapidem in profesto Sanctae Margarethae virginis, Anno Domini millesiomo trigesimo, in honorem sanctissime˛ Dei genitricis Marie˛ virginis superbenedictissimae consecrata; Christoph Lehmann, Chronica der freyen Reichs Statt Speyr, Frankfurt 1612, S. 738 f.

Der Speyerer Dom und seine Patrone im Mittelalter

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Zum Beginn des 16. Jahrhunderts wird das angeblich von Kaiserin Beatrix gestiftete Reliquiar, auf das der Papstkopf zu den Osterfeierlichkeiten im Dom gestellt wurde, in den Protokollen des Domkapitels erwähnt. Sowohl in den Einträgen zu 1510 als auch 1515 wird deutlich, dass die Lade – möglicherweise durch den häufigen Gebrauch – beschädigt und reparaturbedürftig war.54 Dem modernen Betrachter stellt sich die Frage, welche Essenz aus diesen widersprüchlichen Angaben herausdestilliert werden kann. War der Papst Stephan nun Konpatron des Speyerer Doms und wenn ja, ab wann? Womöglich ist aber schon die Frage falsch gestellt und der Wunsch des Historikers überzogen, einen vergleichsweise eindeutigen „Beweis“, etwa in Form eines Hinweises auf die Änderung des Patroziniums in der Geschichtsschreibung des 11. oder 13. Jahrhundert zu erwarten. Die Durchsicht der liturgischen und historiographischen Quellen hat deutlich gemacht, dass der Stephansreliquie, vielleicht auch bedingt durch die Namensgleichheit mit dem merowingerzeitlichen Patron, im Sakralraum des Speyerer Doms eine besondere Bedeutung zukam. Möglicherweise schon im 11. Jahrhundert, spätestens aber wohl zum Ende des 13. Jahrhunderts, wurde dem heiligen Papst vom Dom­ klerus oder zumindest einem Teil desselben die Rolle des Patrons zugeschrieben, wobei der Beginn dieser geistlichen Schutzherrschaft zumindest in der Vorstellung des Johannes Seffried von Mutterstadt bis in die Salierzeit zurückverlegt wurde. Unlängst hat Jörg Bölling in einer detaillierten Studie zu den Petrus­ patrozinien im Sachsen des 11. und frühen 12. Jahrhunderts aufzeigen können, dass sich die von ihm als Nebenpatrone bezeichneten heiligen Schutzherren im Verlauf des Mittelalters an Domkirchen und in deren Umfeld in ganz unterschiedlicher Form, sei es nun in Historiographie, Hagiographie oder Liturgie, manifestieren und immer wieder auch ganz aus den Quellen verschwinden konnten.55 Auch wenn für Böllings Fallstudien andere zeittypische und regionale Entwicklungen in Rechnung gestellt werden müssen, wird doch offenbar, dass für einen Heiligen, um als Mitpatron einer Kirche angesehen zu werden, keine ebenso große Sichtbarkeit erwartet werden muss, wie für das häufig ältere 54 Am andern so were die lad, daruf caput s. Stefani stet, vergult und rieß ab, das man weg gedecht, wie es zuverkhommen were, wytern schaden zuverkommen (1510) bzw. It. zeigt ane, wie sant Stefans lade, so mit gezogem golt gemacht und teglichs abfall und vergee, nodt sy anders zuversehen (1515); Die Protokolle des Speyerer Domkapitels, Bd.  1. 1500–1517, bearb. von Manfred Krebs (Veröffentlichungen der Kommission für geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg A/17), Stuttgart 1969, Nr. 3260, S. 380; Nr. 4357, S. 417. 55 Jörg Bölling, Zwischen Regnum und Sacerdotium. Historiographie, Hagiographie und Liturgie der Petrus-Patrozinien im Sachsen der Salierzeit (1024–1125) (Mittelalter-Forschungen 52), Ostfildern 2017, insbesondere S. 255–305.

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Haupt­patrozinium.56 In diesem Sinne dürfte der Papst Stephan tatsächlich spätestens seit dem Ende des 13. Jahrhunderts als Konpatron des Speyerer Doms anzusehen sein. Dabei mag die herausgehobene Bedeutung Marias sowohl im Mittelalter allgemein als auch speziell in Speyer dazu geführt haben, dass der Heilige in dieser Funktion recht selten aufscheint.57

Fazit Der eingangs zitierte Sindelfinger Annalist konnte all dies wahrscheinlich nicht wissen. Es ist jedoch auch fraglich, ob er seine Feder anders geführt hätte, wäre ihm bewusst gewesen, dass nicht alleine Maria, sondern auch der Papst Stephan als Patron des Doms anzusehen war. Der Blick auf den Schreiber des Eintrags zum Tod Rudolfs I. ruft jedoch auch in Erinnerung, dass die Wahrnehmung eines Kirchenpatroziniums inhärent mit der Perspektive des Betrachters verbunden war. Von Sindelfingen aus war in absteigender Bedeutungszuschreibung das Ableben des Königs, das Begräbnis im Dom und dann schließlich das Patronat Marias von Interesse. Wenn schon in Speyer selbst das wahrscheinlich zu machende neue Patrozinium nur recht zurückhaltend in den liturgischen Quellen und in der Geschichtsschreibung Fuß fasste, so ist es naheliegend, dass außerhalb der Domimmunität diese Veränderung nur bedingt wahrgenommen wurde. Von städtischer Seite etwa fehlen Quellen dazu, inwiefern es ein Bewusstsein für eine Neuerung in der geistlichen Schutzherrschaft über den Dom gab. Die vorangehenden Ausführungen haben deutlich gemacht, dass die Akteure und Prozesse, die hinter der Etablierung des neuen Nebenpatrons standen, sich nur zu einem bestimmten Grad fassen lassen. Jedoch ist offenbar geworden, dass das Konpatronat des Papstes Stephan, das auch heute noch besteht, möglicherweise schon zur Mitte des 11., spätestens jedoch am Ende des 13. Jahrhunderts etabliert wurde.

56 Wobei eine klare Trennung in ein Haupt- und ein Nebenpatrozinium keinesfalls immer vorausgesetzt werden kann beziehungsweise sich die Reihenfolge der Nennung durchaus auch umkehren konnte. Marienpatrozinien allerdings wurden, auch wenn sie in der Bedeutung hinter anderen heiligen Patronen lokal faktisch zurückstanden – etwa weil deren Reliquien vor Ort verehrt wurden – in der Regel zuerst aufgeführt. Vgl. zu diesen Phänomenen die Literatur in Anm. 15. 57 Vgl. als Überblick zur Rolle Marias für das Bistum Speyer sowie zum Gnadenbild im Dom zusammenfassend Hans Ammerich, Maria Patrona Spirensis. Zur Marienverehrung im Bistum Speyer, in: Bistumspatrone in Deutschland. Festschrift für Jakob Torsy zum 9. Juni/28. Juli 1983, hg. von August Leidl, München/Zürich 1984, S. 32–41.

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Auferstehung der mittelalterlichen Herrscher? Die Habsburger im Museum Und löstet ihr, Kaiser, die Grabesnacht Und die ewigen Todesbande, Und halft in der wilden, dreitägigen Schlacht Dem geängsteten Vaterlande, Steigt oft noch auf und haltet es frei Von Sünden und Schmach und Tyrannei, Denn es thut noth des Wachens“1      Wolfgang Müller von Königswinter (1842) Im Speyerer Domgarten steht eine Skulpturengruppe, die zum festen Besichtigungsprogramm der Speyerer Gästeführer zählt. Unter dem Titel „Fährmann hol’ über“ setzt das Kunstwerk eine volkstümliche Sage des 19. Jahrhunderts ins Bild. Demnach seien in der Stunde größter Not die im Speyerer Dom bestatteten Herrscher auferstanden, um in die Leipziger Völkerschlacht einzugreifen. In düsteren Oktobernächten seien sie über den Rhein zurückgekehrt und hätten schließlich die Kunde vom Sieg über Napoleon in die Pfalz getragen. Die französische Bedrohung vor Augen, richtete sich die Hoffnung noch einmal auf die alte Kaiserherrlichkeit. Heute können die Herrscher des Mittelalters kaum mehr als Schutzgaranten herhalten. Kaum jemand würde in stürmischen Zeiten noch die Könige und Kaiser des Mittelalters herbeisehnen; in dieser Rolle sind die Salier, die Staufer oder auch die Habsburger zu Recht entzaubert worden. Der Blick auf sie ist in der zweiten Hälfte des 20. und im 21. Jahrhundert ein anderer geworden, faszinierend sind sie freilich noch immer. Als Sujet wissenschaftlicher Betrachtung geben sie weiterhin ihre Geheimnisse preis – und werfen neue Fragen 1

Sagenbuch der Bayerischen Lande aus dem Munde des Volkes, der Chronik, der Dichter, hg. von Alexander Schöppner, 3 Bde., München 1874, Band I, S. 313.

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auf, wie der vorliegende Tagungsband unter Beweis stellt. Und in der öffentlichen Wahrnehmung ziehen sie Hunderttausende in ihren Bann, wenn sie als Titelhelden großer kulturgeschichtlicher Museumsausstellungen gewissermaßen „auferstehen“. Dort stiften sie ­Identität, beantworten Fragen nach dem „woher“ und „wohin“, sind imagebildend für Regionen und Städte und ein ernstzunehmender touristischer Faktor. Nicht umsonst präsentieren die einzelnen Bundesländer große Landesausstellungen zu den Königen und Kaisern und haben Herrscherfamilien wie die Ottonen, die Salier, die Staufer, die Welfen oder die Wittelsbacher in ihre jeweilige Landesgeschichte integriert. In den letzten 50 Jahren wurden fast allen großen Dynastien des Mittelalters museale Präsentationen gewidmet. Wir erinnern uns an Ausstellungen zu Karl dem Großen 1965 und 2014 in Aachen sowie 1999 in Paderborn, Ausstellungen zu den ottonischen Kaisern Otto dem Großen 2001 in Magdeburg und Heinrich II. 2002 in Bamberg, den Saliern 1992 und 2011 in Speyer sowie 2006 in Paderborn, den Staufern 1977 in Stuttgart und 2010 in Mannheim sowie 2008 in Oldenburg zu Kaiser Friedrich II., zu den Welfen in Braunschweig 1995 mit Heinrich dem Löwen und 2009 mit Kaiser Otto IV., Ausstellungen zum luxemburgischen Kaiser Karl IV. 2016 in Nürnberg und im gleichen Jahr in Potsdam, (dazu eine große Sigismund-Präsentation in Budapest und Luxemburg 2006), zu den bayerischen Wittels­ bachern 1980 in Landshut und München und explizit zu Kaiser Ludwig dem Bayern 2014 in Regensburg, zu den pfälzischen Wittelsbachern wiederum 2013/14 in Mannheim. Als Gesamtschau von den Ottonen bis zu den Habsburgern stellte die Europaratsausstellung Heiliges ­Römisches Reich Deutscher Nation 2006 in Magdeburg alle Herrscherdynastien des Mittelalters einer breiten Öffentlichkeit vor. Wiederum als Gesamtschau bereitet die Generaldirektion Kulturelles Erbe Rheinland-Pfalz für 2020 im Landesmuseum Mainz eine Ausstellung von den Karolingern bis zu den Staufern vor. Betrachtet man die Resonanz auf die genannten Präsentationen zu den Herrscherdynastien des alten Reiches, die jede für sich genommen sechsstellige Besucherzahlen erreichte, so zählt man viele Millionen Menschen allein in Deutschland, die in kulturhistorischen Großausstellungen den mittelalterlichen Königen und Kaisern begegnet sind. Zugegeben, die Addition all dieser Besucher ist nicht ganz korrekt, da es natürlich ein breites Stammpublikum gibt, das mehrere dieser oder vielleicht sogar fast alle Ausstellungen besucht hat. Kulturgeschichtliche Großausstellungen zu mittelalterlichen Herrschern haben sich als fester Bestandteil im Kulturleben Deutschlands etabliert und üben eine ungebrochene Faszination aus. Der FAZ-Journalist

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Robert von Lucius hat einmal die Stuttgarter Staufer-Ausstellung als „Urknall der historischen Großausstellung“ bezeichnet.2 Dabei waren deren Anfänge höchst umstritten und es wurde regelrecht zum vorsichtigen Umgang mit der ‚Bedrohung‘ durch die alten Kaiser aufgerufen. Das politisch vom damaligen baden-württembergischen Ministerpräsidenten Hans Filbinger maßgeblich initiierte und ­geförderte Projekt wurde in seinen Anfängen zum Politikum. Der Landesregierung wurde vorgeworfen, die „Zuschauer hinsichtlich der ­lebensgefährlichen Konsequenz ihres „Unternehmens Barbarossa ’77“ hinters Licht zu führen“. Man sah in der Präsentation der Kunst des 12. und 13. Jahrhunderts eine „Flucht in die Idylle“, eine „Stabilisierung nach rückwärts“, Friedrich Barbarossa wurde gar als „der deutsche Schah des Mittelalters“ beschrieben.3 Trotz dieser harschen Kritik an dem Ausstellungsvorhaben geriet die Staufer-Ausstellung zum wegweisenden Erfolg. 671 000 Besucher sahen an 80 Ausstellungstagen die Schau, allein am Pfingstmontag 1977 waren es über 12.000 Besucher – eine Zahl, die heute sowohl aus sicherheitstechnischen wie auch konservatorischen Gründen nicht mehr in einem Museumsbau zulässig wäre. Die „ZEIT“ diagnostizierte, wiederum nicht ohne kritischen Unterton einen „lemmingartigen Wandertrieb zu Kunst und Kultur“. Autor Helmut Schneider sollte mit seiner Prognose Recht behalten, dass es sich um ein für künftige Geschichtsausstellungen „kaum einholbares Rekordergebnis“ handelte.4 Trotzdem steht die Staufer-Ausstellung von 1977 am Beginn eines äußerst erfolgreichen Genres, das – inzwischen vielfach erprobt – bis in unsere Zeit Erfolge schreibt und Schlagzeilen macht. Welche Rolle spielen nun die mittelalterlichen Habsburger von Rudolf bis Maximilian I. in musealen Großausstellungen? Eine große Gesamtschau vergleichbar den Präsentationen zu den Ottonen, Saliern, Staufern oder Wittelsbachern blieb bisher aus. Als einziger außerösterreichischer Grablegeort mittelalterlicher Habsburger Herrscher ist Speyer sicherlich der geeignete Ort für solch eine Epochenschau, die die Zeit von Rudolf I. bis Maximilian I. beleuchtet. Bekanntermaßen verband Kaiser Maximilian I. die Idee des Heiligen Reichs und seiner Kaiser noch einmal mit dem Speyerer Dom, für den er ein monumen­ tales Herrscherdenkmal errichten wollte.5 2 Robert von Lucius, Karl der Große? Otto der Größte! in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 285/2006, 8.12.2006, S. 42. 3 Zeitungszitate zitiert nach: Martin Grosse Burlage, Große historische Ausstellungen in der Bundesrepublik Deutschland 1960–2000 (Zeitgeschichte – Zeitverständnis 15), Münster 2005, S. 64. 4 Helmut Schneider, Die Lust nach Herkunft, in: Die Zeit, 25/1977, 17.06.1977. 5 Vgl. den Beitrag von Gabriele Köster in diesem Band.

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Im Vorfeld solch eines ambitionierten Vorhabens erscheint es geboten, einen Überblick über die bislang zu den mittelalterlichen Habs­ burgern gezeigten Ausstellungen und die Beweggründe der Organisatoren zu gewinnen. Ausstellungen finden, nicht immer – aber häufig, anlässlich von Gedenkjahren, Jubiläen oder runden Geburtstagen statt. Prüft man die Lebensdaten der mittelalterlichen Könige und Kaiser aus dem Hause Habsburg, so fällt auf, dass sich in den letzten 60 Jahren 16 Mal mit runden Geburts-, Todes- und Krönungsdaten solche Anlässe geboten hätten.6 Interessanterweise wurden bisher allerdings nur die entsprechenden Jubiläen bei den beiden Kaisern Friedrich III. und Maximilian I. in großen monothematischen Ausstellungen aufgegriffen, Rudolf7, Albrecht, Friedrich der Schöne und Albrecht II. mussten hingegen ohne die Ehrung einer großen Sonderausstellung auskommen. Ausschlaggebend sind hierfür sicherlich zum einen die jeweils kürzeren Regierungszeiten und natürlich auch die geringere allgemeine Bedeutung der jeweiligen Herrscher, zum anderen auch die weitaus überschaubarere Exponatlage, die es schwierig macht, etwa monothematische Ausstellungen zu Rudolf, Albrecht I. oder gar Friedrich dem Schönen auszurichten. Der 2019 anstehende 500. Geburtstag Kaiser Maximilians I. wird gleich an mehreren Ausstellungsorten aufgegriffen. Das Maximilianmuseum in Augsburg bereitet die Schau „Maximilian I. – Kaiser – Ritter – Bürger zu Augsburg“ vor, im Kloster Neuburg wird die Ausstellung „Der letzte Ritter und sein Heiliger“ zu sehen sein. Die Militärakademie Wiener Neustadt widmet Maximilian unter dem Arbeitstitel „Der letzten Ritter“ eine Ausstellung. Das Südtiroler Landesmuseum Schloss Tirol organisiert in Zusammenarbeit mit der Universität Innsbruck die Ausstellung „Kaiser Kunst – Kunst Kaiser. Maximilian I. 1519–2019“. In der Hofburg Innsbruck wird unter dem Titel „Lightshow Max 500“ eine „Zeitreise Kaiser Maximilians I.“ inszeniert. Im Museum Goldenes Dachl wird eine Sonderausstellung zum

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Rudolf von Habsburg – 1991: 700. Todestag, 2018: 800. Geburtstag; Albrecht I. – 2005: 750. Geburtstag, 2008: 700. Todestag; Friedrich der Schöne – 1980: 650. Todestag, 1989: 700. Geburtstag; Albrecht  II.  – 1988: 550 Jahre Königskrönung, 1989: 550. Todestag, 1997: 600. Geburtstag; Friedrich III. – 1965: 550. Todestag, 1993: 500. Todestag, 2002: 550 Jahre Kaiserkrönung, 2015: 600. Geburtstag; Maximilian  I.  – 1959: 500. Geburtstag, 1969: 450. Todestag, 2008: 500 Jahre Kaiserkrönung, 2009: 550. Geburtstag, 2019: 500. Todestag. 7 Eine kleinere Ausstellung des Rheinfelder Stadtmuseums im Haus Salmegg im Schweizer Kanton Aargau unter dem Titel „1273 – Das Krönungsjahr Rudolfs von Habsburg“ stellte schwerpunktmäßig Repliken von Exponaten der Schatzkammer in Wien aus. Vgl. Roswitha Frey, Der Herrscher mit der Adlernase, in: Badische Zeitung, 12.06.2008, S. 19.

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Maximilianjahr das Leben und Wirken von Kaiser Maximilian beleuchten. Das Südtiroler Schloss Runkelstein zeigt die Ausstellung: „Maximilian I. auf der Bilderburg. Inspiration zu seinem Gedächtnus“. Blickt man nun auf die Ausstellungshistorie der mittelalterlichen Habsburger, so stehen wiederum Präsentationen zu Kaiser Maximilian I. am Beginn. An drei Standorten, der Österreichischen National­ bibliothek, der Graphischen Sammlung der Albertina und der Waffensammlung des Kunsthistorischen Museums Wien fand anlässlich des 500. Geburtstags im Jahr 1959 die immer noch grundlegende Ausstellung „Maximilian I. 1459–1519“ statt. Das Zusammenspiel der drei Wiener Institutionen ÖNB, KHM und Albertina ermöglichte die gemeinsame Präsentation so gut wie aller in Wien bewahrten herausragenden Objekte zu Kaiser Maximilian. Im gleichen Jahr 1959 erinnerte auch das Germanische Nationalmuseum Nürnberg anlässlich des 500. Geburtstages an Kaiser Maximilian. Ludwig Grote, der seit 1958 Generaldirektor des Museums war, umriss in seinem Vorwort des Katalogs die Absicht dieses Projekts: „[…] mit dieser Ausstellung [soll] der besonders engen und mannigfaltigen Beziehungen gedacht werden, die Kaiser Maximilian I. mit Nürnberg verbunden haben. […] Er war der letzte Kaiser, der Nürnberg einen Vorrang zuerkannte und als den geistigen Mittelpunkt des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation ansah; […] Das Zeitalter Maximilians war die reichste und schönste, aber auch die letzte Blüte der Reichsstadt wie des alten Kaisertums […]“.8 Während diese Ausstellung unzweifelhaft einen stadtgeschicht­ lichen Blickwinkel einnahm, erhob ein anderes, vom Bundesland Niederösterreich veranstaltetes Projekt das Gedenken an einen mittelalterlichen Kaiser zur nationalen Aufgabe: 1966, ein Jahr nach seinem 550. Geburtstag, stand Friedrich III. im Mittelpunkt einer Ausstellung in Wiener Neustadt, die der österreichische Minister für Unterricht Dr. Theodor Piffl-Percˇević – nicht ohne Pathos – wie folgt einleitete: „Österreich ist des Reiches Herz und Schild. Dieser Ausspruch Rudolf des Stifters, dessen Taten noch heute das politische und kulturelle Antlitz Österreichs glückhaft bestimmen, war ein Bekenntnis zu Österreichs über seine Grenzen hinaus in den europäischen Raum hinein reichenden Verankerungen und Verpflichtungen. […] Des dritten Friedrich und der Kultur seiner Zeit zu gedenken, ist daher nicht nur die Pflicht der Österreicher aus Gründen ihrer wohlberechtigten Selbstachtung, sondern 8

Kaiser Maximilian I. (1459–1519) und die Reichsstadt Nürnberg. Ausstellung des Germanischen National-Museums in Verbindung mit dem Staatsarchiv Nürnberg zum 500. Geburtstag Maximilians, Nürnberg 1959, S. 2.

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bedeutet auch ein Besinnen auf eine weiterdauernde, europäische Verknüpfung und Verpflichtung Österreichs in neuer, gewandelter Zeit“.9 Die Ausstellung selbst folgte nach einer alltagsgeschichtlichen Einführung in die Zeitumstände der Wiener Neustadt dramaturgisch spannend dem Aufstieg Friedrichs III. vom Herzog, über Königswahl und -krönung bis hin zum Kaisertum, stellte das Kunstschaffen der Zeit vor und versammelte die herausragenden Zimelien zu Friedrich III. wie den Prunkwagen, das Prunkschwert oder auch die Wenzelsbibel. Das folgende große Projekt, eine 1969 vom Land Tirol im 450. Todesjahr Kaiser Maximilians I. ausgerichtete Ausstellung unter dem Titel „Maximilian I. in Innsbruck“, verband den stadt- und landesgeschichtlichen Zugriff wiederum mit europäischen Bezügen und erneut mit Pflichtbewusstsein. Eduard Wallnöfer, der Landeshauptmann von Tirol, schrieb in seinem Vorwort: „Seinem ‚Kaiser Max‘ zum 450. Todesjahr eine Ausstellung zu widmen, die die Universalität dieses großen Herrschers einem breiten Publikum zeigen soll, war […] für das Land Tirol eine Ehrenpflicht“.10 Er wünsche sich, dass aus Sagen und Legenden das wirkliche Bild dieses großen Europäers sichtbar werde. Die Ausstellung bezog sich ausdrücklich auf das Vorgängerprojekt in Wien von 1959. Sie war mit internationalen Leihgaben reich bestückt und folgte in einzelnen Kapiteln sowohl kulturgeschichtlichen Fragestellungen wie „Wissenschaft und Humanismus“, „Die Musik unter Maximilian“, als auch historischen Ereignissen und Entwicklungen wie „Krönung zum Deutschen König‘ oder „Die Erwerbung Tirols“. Anlässlich des 700. Jubiläums der Domweihe von Wiener Neustadt wurde 1979 die Niederösterreichische Landesausstellung „Die Zeit der frühen Habsburger – Dome und Klöster 1279–1379“ in Wiener Neustadt durchgeführt. Dem Anlass entsprechend hatte die Ausstellung einen klaren kunst- und kirchenhistorischen sowie regionalgeschichtlichen Schwerpunkt. Das Historische Museum der Pfalz stellte für die Ausstellung das Schwert König Albrechts I. als Leihgabe zur Verfügung. Als Leihgeber wurde fälschlicherweise im Katalog ein „Pfälzisches Landesmuseum“ genannt.11 9

Friedrich III., Kaiserresidenz Wiener Neustadt, Katalog der Ausstellung vom 28. Mai bis 30. Oktober 1966, hg. von Peter Weninger (Katalog des Niederösterreichischen Landesmuseums Neue Folge 29), Wien 1966, S. 7. 10 Maximilian I., Katalog der Ausstellung im Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum Innsbruck vom 1. Juni bis 5. Oktober 1969, hg. von Erich Egg/Artur Wittmann, Innsbruck 1969, S. 3. 11 Die Zeit der frühen Habsburger. Dome und Klöster 1279–1379, Katalog der Niederösterreichischen Landesausstellung in Wiener Neustadt vom 12. Mai bis 28. Oktober 1979, hg. vom Amt der Niederösterreichischen Landesregierung (Katalog des Niederösterreichischen Landesmuseums Neue Folge 85), Wien 1979, S. 358.

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Nach den großen Präsentationen zu Friedrich III. und Maximilian I. sowie der Schau zu den Habsburger Anfängen vergingen Jahrzehnte, ehe die mittelalterlichen Habsburger wieder in den Mittelpunkt großer Ausstellungsprojekte rückten. 1992 widmete sich die ambitionierte Ausstellung „Hispania – Austria. Die katholischen Könige. Maximilian I. und die Anfänge der Casa de Austria in Spanien“ im Kunsthistorischen Museum Schloss Ambras in Innsbruck und im spanischen Toledo den österreichisch-spanischen Beziehungen in der Ära Maximilians I. Der damalige österreichische Vizekanzler und Bundesminister für Wissenschaft und Forschung Erhard Busek gab als Ziel aus, „das europäische Selbstbewusstsein zu beleben und zu vertiefen“.12 Mit dieser Ausstellung wurde die Aufarbeitung habsburgischer Geschichte des Mittelalters in den aktuellen Kontext der Bemühungen um ein geeintes Europa gestellt. Auch Romuald Niescher, Bürgermeister von Innsbruck, unterstrich den Europagedanken des Projekts: „Das moderne und gleichzeitig traditionsbewusste Österreich und das ebenso moderne und traditionsbewusste Spanien wissen, dass der Blick von der Vergangenheit in die Zukunft zu richten ist, um das größte gemeinsame Ziel zu erreichen: ein gemeinsames Europa, zusammengehörig und zusammengeschmiedet durch gute und schlechte gemeinsame Erfahrungen. Diese Ausstellung über den Kreuzungspunkt zweier für Europa so wichtiger Kulturen vertieft rückwärts und schafft europäische Identität“.13 Eine ganz neue Fragestellung verfolgte die großangelegte Wanderausstellung „Die Habsburger zwischen Rhein und Donau“, die zwischen 1996–2002 an zwölf Ausstellungsorten in Österreich, Deutschland, Frankreich und der Schweiz gezeigt wurde.14 Das vom Schweizer Kanton Aargau initiierte, internationale Projekt setzte wiederum bewusst auf die europäische Dimension im Wirken der Habsburger. Fernab von nationaler oder regionaler Indienstnahme sollte 12 Hispania – Austria. Kunst um 1492. Die katholischen Könige. Maximilian I. und die Anfänge der Casa Austria in Spanien, Katalog der Ausstellung im Kunsthistorischen Museum Innsbruck, Sammlungen Schloss Ambras vom 3. Juli bis 20. September 1992, hg. vom Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung/Land Tirol/Stadt Innsbruck, Innsbruck 1992, S. 10 f. 13 Ebenda, S. 15. 14 Lenzburg, Historisches Museum (31.3.–3.11.96); Ensisheim, Altes Rathaus (4.4.–27.5.96); Thann, zukünftige Mediathek (1.6–5.8.96); Burg Hohlandsberg, provisorische Ausstellungsräume (15.8.–22.9.96); Mülhausen, Eingangsbereich der neuen Messehallen (27.9.– 7.10.96); Freiburg im Breisgau, Universitätsbibliothek (17.10.–10.11.96); Strassburg, l‘Hôtel de Ville (29.11.–31.12.96); Wien, Französisches Kulturinstitut (16.4.–4.6.97); Waldshut, Regierungspräsidium (7.4.–31.5.97); Bellinzona, Castelgrande (1.10.–22.10.97); Genf, MUSEUM (13.4.–16.5.99); Neuhofen/Ybbs, Kulturhof (22.4.–28.10.2001); Graz (April–Juli 2002); Kaiseraugst (22.8.–26.9.2002).

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grenzüberschreitend die gemeinsame Vergangenheit in Erinnerung gerufen werden. Die Ausstellung verfolgte allerdings nicht das Wirken der Habsburger als Könige und Kaiser des Heiligen Römischen Reichs, sondern untersuchte die habsburgisch-österreichische Präsenz in ihren Stamm- und Erblanden. Von den habsburgischen Herrscherpersönlichkeiten wurde deshalb stellvertretend nur Rudolf I., als erster König aus diesem Hause, ausführlicher dargestellt. Die Präsentation wurde von Anfang an als Wanderausstellung konzipiert, dementsprechend musste sie auf hochkarätige Leihgaben verzichten. Der österreichische Botschafter in der Schweiz Markus Lutterotti schrieb in seinem Geleitwort: „Kein anderes Herrschergeschlecht ist so ‚europäisch‘ gewesen, keines hat das übernationale Herrschaftsprinzip besser verkörpert, keines hat so vielen weit voneinander entfernten Ländern, von Spanien bis Siebenbürgen, von den Niederlanden bis Sizilien, seinen Stempel aufgedrückt. […] Mit der Idee der Einheit in der Vielfalt haben sie nicht nur den bundesstaatlichen Aufbau der Republik Österreich, sondern auch das Gefüge des integrierten Europa vorgeprägt. […] So ist die Habsburger-Ausstellung, so sehr sie auf die Vergangenheit ausgerichtet sein mag, ein wichtiger Baustein auch für die Zukunft; denn nur dann kann man die Zukunft gestalten, wenn man gelernt hat, sich der Vergangenheit unvoreingenommen zu stellen.“15 Die Worte des österreichischen Botschafters sind sicherlich nicht losgelöst von dem am 1. Januar 1995 erfolgten EU-Beitritt Österreichs zu verstehen. Zeitlich überschnitt sich diese Ausstellung mit einem weiteren Großprojekt, das eine ganz ähnliche Fragestellung verfolgte. An den drei Ausstellungsorten, in der Zehntscheuer in Rottenburg am Neckar, auf der Schallaburg in Niederösterreich und darauf folgend im Augustinermuseum Freiburg im Breisgau wurde zwischen 1999 und 2000 die Landesausstellung Baden-Württemberg „Vorderösterreich – Nur die Schwanzfeder des Kaiseradlers? Die Habsburger im deutschen Südwesten“ gezeigt. Auch diese Ausstellung widmete sich den Wirkungskreisen der Habsburger in deren ursprünglicher Heimat im Südwesten des Reiches und verfolgte den Aufstieg der Dynastie zur europäischen Großmacht bis zum Ende des Alten Reiches. Der Untertitel der Ausstellung spielt auf das resignative Zitat eines vorderösterreichischen Beamten aus dem 18. Jahrhundert an, der mit der Schwanzfeder die eingeschränkte Bedeutung der Provinz fernab von den

15 Die Habsburger zwischen Rhein und Donau, hg. vom Erziehungsdepartement des Kantons Aargau, Abteilung Kulturpflege, Aargau 1996, S. 8.

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Habsburgischen Machtzentren beschrieb. Als Ziel gaben die Ausstellungsmacher dementsprechend aus, „Vorderösterreich wieder ins Bewusstsein einer breiteren Öffentlichkeit zu bringen“.16 Die politische Dimension des Projekts drückte sich in den internationalen Grußworten aus. Erwin Pröll, Landeshauptmann von Niederösterreich, stellte das Thema in den Kontext der europäischen Einigung am Beginn einer neuen Epoche: „Es ist meine feste Überzeugung, dass im Europa des 3. Jahrtausends die Regionen und die Zusammenarbeit zwischen den Regionen an Gewicht gewinnen müssen. […] Die große „Lehrmeisterin“ Geschichte kann uns dafür keine fertigen Rezepte liefern, sehr wohl aber wertvolle Hilfestellungen geben, indem sie uns zu den Wurzeln führt […] und verdeutlicht, dass das Heute und das Morgen ohne das Gestern nicht erklärbar und nicht bewältigbar sind.“17 Ulrich Siegrist, Landammann des Kanton Aargau ging in seinem Grußwort noch einen Schritt weiter: „Heute dienen viele Aspekte der habsburgischen Geschichte als Vorbild für ein im Aufbau begriffenes gemeinsames Europa: der multikulturelle und mehrsprachige Verwaltungsstil; die Rücksicht auf bestehende Eigenheiten und Rechte; die dezentrale, regionale Sichtweise. Dadurch konnte die habsburgische Zeit die Völker zusammenführen. Möge die Auseinandersetzung mit der habsburgischen Geschichte uns weiterhin herausfordern und so zur Gestaltung unserer Zukunft beitragen“.18 Wiederum in der Herkunftsregion der Habsburger fand 1998 eine weitere Ausstellung statt, die sich allerdings nicht den Wurzeln der Dynastie, sondern einem explizit reichsgeschichtlichen Ereignis zu­ wandte. Das Stadtarchiv Freiburg zeigte im Augustinermuseum die Ausstellung „Der Kaiser in seiner Stadt. Maximilian I. und der Reichstag zu Freiburg“. Ähnlich wie das eingangs erwähnte Nürnberger Projekt von 1959 erinnerte die Ausstellung aus stadtgeschichtlicher Perspektive an das Verhältnis zum Kaiser. Auf die Freiburger Maximilian-Ausstellung folgten eine Reihe weiterer Maximilian-Ausstellungen, zunächst im Jahr 2000 eine Präsentation in Wiener Neustadt, die sich unter dem Titel „Maximilian I. Von seiner Geburt bis zur Alleinherrschaft“ den Jugendjahren des Kaisers

16 Vorderösterreich – nur die Schwanzfeder des Kaiseradlers? Die Habsburger im deutschen Südwesten, Katalog der Landesausstellung in der Zehntscheuer in Rottenburg am Neckar vom 20. Februar bis 24. Mai 1999 und auf der Schallaburg in Niederösterreich vom 19. Juni bis 1. November 1999 und im Augustinermuseum in Freiburg im Breisgau vom 1. Dezember 1999 bis 27. Februar 2000, hg. vom Württembergischen Landesmuseum Stuttgart, Ulm 1999, S. 11. 17 Vorderösterreich – nur die Schwanzfeder des Kaiseradlers? (wie Anm. 16), S. 9. 18 Vorderösterreich – nur die Schwanzfeder des Kaiseradlers? (wie Anm. 16), S. 8.

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verschrieb. Die Ausstellung sollte ausdrücklich „einen Bezug zur Lokalgeschichte vermitteln“, so Bürgermeisterin Traude Dierdorf im Vorwort. Schließlich „bescherte […] die Epoche des ausgehenden Mittel­ alters und der beginnenden Neuzeit der Stadt eine Periode besonderen Glanzes, aber auch Augenblicke höchster Not“. Als Ausstellungsziel für Wiener Neustadt rief die Bürgermeisterin aus, „weit über die Grenzen der Stadt hinaus kulturelle Akzente [zu] setzen und somit den Ruf […] als Kulturstadt [zu] festigen“.19 Jeweils ganz aus kunsthistorischem Blickwinkel widmeten sich die folgenden Projekte erneut Maximilian I. 2002 zeigte das Kunsthistorische Museum Wien die Ausstellung „Werke für die Ewigkeit. Kaiser Maximilian I. und Erzherzog Ferdinand II.“ Generaldirektor Hofrat Wilfried Seipel umschrieb den expliziten Kunstbezug in seiner scharfsinnigen Einführung: „Gerade angesichts unserer schnelllebigen Zeit sei den Besuchern der Genuss dieser Werke für die Ewigkeit empfohlen, die den Zeitgeschmack überdauert haben, auch wenn sie teilweise in eine Sparte fallen, deren Produkte heute besonders schnell veralten: die politische Propaganda.“20 Auch die Kunsthalle Bremen organisierte 2003/2004 rund um Maximilian I. eine eigene Ausstellung unter dem Titel: „Künstler und Kaiser. Albrecht Dürer und Kaiser Maximilian I.“ Ausgangspunkt war die eigene Sammlung zum grafischen Werk Albrecht Dürers. Im Zentrum der Ausstellung standen die Ehrenpforte, der Triumphwagen und der Triumphzug. Anlass der Ausstellung war nicht nur der 475. Todestag Dürers sondern die Wiederauffindung des Ehrenbogens in den Bremer Sammlungen. Schirmherr Otto von Habsburg, langjähriger Abgeordneter des Europaparlaments und Kuratoriumsmitglied der Europäischen Stiftung Kaiserdom zu Speyer, griff in seinem Grußwort naheliegender Weise die europäischen Bezüge des Themas auf, freilich aber ohne das Glatteis zu betreten, indem er die Habsburger-Herrschaft als politisches Vorbild für Europa deklariert hätte. Stattdessen hob er den Stellenwert hervor, den die Kultur für Maximilian I. hatte: „In der Zeit, in der Europa sich einigt […] ist die Erinnerung an Kaiser Maximilian I. und seine Ideen für die Zukunft von größter Bedeutung. […] [Er war …] einer jener Menschen in

19 Maximilian I. Der Aufstieg eines Kaisers: von seiner Geburt bis zur Alleinherrschaft 1459–1493, Katalog zur Ausstellung im Stadtmuseum Wiener Neustadt vom 25. März bis 2. Juli 2000, hg. von Norbert Koppensteiner/Christa Angermann, Wiener Neustadt 2000, S. 9. 20 Werke für die Ewigkeit. Kaiser Maximilian I. und Erzherzog Ferdinand II. Eine Ausstellung des Kunsthistorischen Museums Wien Sammlungen Schloss Ambras vom 6. Juli bis 31. Oktober 2002, hg. von Wilfried Seipel/Alfred Auer, Wien 2002, S. 9.

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hohen staatlichen Verantwortungen, der verstanden hatte, dass eines der wesentlichen Elemente Europas und seiner Zukunft die Kultur sein würde. […] Es ist daher für jeden, der sich mit der Zukunft unseres Erdteiles befasst, von großer Wichtigkeit, die gemeinsame kulturelle Vergangenheit herauszuarbeiten als Grundlage unseres Weges in die Zukunft“.21 Auch eine 2005 in der Innsbrucker Hofburg ausgerichtete Ausstellung stellte ähnlich wie das Bremer Projekt unter dem Titel „Maximilian I. Triumph eines Kaisers. Herrscher mit europäischen Visionen“ den Triumphzug Maximilians in den Mittelpunkt und beleuchtete davon ausgehend verschiedene Aspekte der höfischen Repräsentation und politischen Propaganda des Kaisers. Ein weiteres, rein kunstgeschichtlich orientiertes Projekt mit Bezug auf Maximilian I. richtete 2009 das Museum Frieder Burda in BadenBaden aus, das unter dem Titel „Die Künstler der Kaiser. Von Dürer bis Tizian“ die herausragenden Schätze aus dem Kunsthistorischen Museum in Wien, wie das Bildnis Maximilians I. von Bernhard Strigel, präsentierte. Obwohl es sich um eine Kunstausstellung, nicht um eine historische Ausstellung handelte, griff Museumsgründer Frieder Burda interessanterweise in seinem Grußwort den Bezug zu den geschichtlichen Wurzeln der Habsburger-Dynastie und – ähnlich wie Otto von Habsburg – zu Europa auf: „Das Kunsthistorische Museum Wien zu Gast in Baden-Baden, in jenen zwischen Hoch- und Oberrhein gelegenen, schwäbisch-alemannischen Landen, aus denen die Dynastie der Habsburger ursprünglich stammt. Mit der prachtvollen Zusammenstellung […] wollen wir einen Eindruck von der Sammelleidenschaft des mächtigsten europäischen Herrschergeschlechts vermitteln, das wie kein anderes nicht nur die politischen, sondern auch die künstlerischen Belange großer Teile Europas bestimmt hat“.22 2012 führte auch die Albertina in Wien eine Ausstellung durch, die als rein kunsthistorische Präsentation konzipiert wurde. Anlass für die Schau unter dem Titel „Kaiser Maximilian I. und die Kunst der Dürerzeit“ war ein aufwändiges Restaurierungsprojekt des Hauses: die konservatorische Bearbeitung des Triumphzugs Kaiser Maximilians I. von 21 Künstler und Kaiser. Albrecht Dürer und Kaiser Maximilian I.: Der Triumph des römisch-deutschen Kaiserhofes, Katalog der Ausstellung in der Kunsthalle Bremen vom 25. November 2003 bis 18. Januar 2004, hg. von Mathias F. Müller/Anne Röver-Kann, Bremen 2003, S. 9. 22 Die Künstler der Kaiser. Von Dürer bis Tizian, von Rubens bis Velázquez, aus dem Kunsthistorischen Museum in Wien, Katalog der Ausstellung im Museum Frieder Burda Baden-Baden vom 20. Februar bis 14. Juni 2009, hg. von Götz Adriani, Köln 2009, S. 7.

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Albrecht Altdorfer.23 Der über 100 Meter lange Bilderfries war seit 1959 nicht mehr ausgestellt worden. Im gleichen Jahr 2012 nahm die Bayerische Landesausstellung „Verbündet. Verfeindet. Verschwägert. Bayern und Österreich“ an den drei Ausstellungsorten Burghausen, Mattighofen und Braunau die territorialgeschichtlichen Verbindungen und Abgrenzungen in den Blick und beleuchtete dabei in einer klassisch kulturgeschichtlichen Schau naturgemäß auch die mittelalterliche Herrschaft der Habsburger.24 Dabei geriet der in allen anderen Habsburger Ausstellungen eher zu kurz gekommene König Friedrich der Schöne als Gegenspieler (und späterer Mitkönig) Ludwigs des Bayern ausnahmsweise in den Fokus. 2014 verfolgten die Mannheimer Reiss-Engelhorn-Museen ein ähnliches Konzept wie zuvor die Baden-Badener Kunstausstellung von 2009. Unter dem Titel „Kaiser Maximilian I. Der letzte Ritter und das höfische Turnier“ zeigte auch Mannheim eine Sammlungspräsentation des Kunsthistorischen Museums Wien.25 Im Mittelpunkt stand als Spezialthema Maximilians I. Bemühen um die höfische Vervollkommnung des ritterlichen Turnierwesens. Mit einer kleineren Ausstellung erinnerte schließlich das Stadtmuseum Wiener Neustadt 2015 unter dem Titel „A.E.I.O.V. Auf den Spuren Kaiser Friedrichs III. in Wiener Neustadt“ aus stadtgeschichtlichem Blickwinkel an den 600. Geburtstag Kaiser Friedrichs III., der sonst allerdings nicht mit größeren Ausstellungen gewürdigt wurde.26 Zieht man ein Résumé der Ausstellungsgeschichte zu den mittel­ alterlichen Habsburgern, so lassen sich drei wesentliche Blickwinkel herauslesen, aus denen die Dynastie seitens der Initiatoren und Veranstalter bisher betrachtet wurde: Zum einen aus kunsthistorischer Sicht wurden die hochkarätigen Kunstwerke der Zeit gezeigt und die Habsburger als Auftraggeber vorgestellt. Des Weiteren wurde aus nationaler, stadt- oder regional­

23 Kaiser Maximilian I. und die Kunst der Dürerzeit, Katalog der Ausstellung in der Albertina Wien vom 14. September 2012 bis 6. Januar 2013, hg. von Eva Michel/Manfred Hollegger (Ausstellung der Albertina 494), München 2012. 24 Verbündet – Verfeindet – Verschwägert: Bayern und Österreich. Katalog zur BayerischOberösterreichischen Landesausstellung in Burghausen, Braunau und Mattighofen vom 27. April bis 4. November 2012, hg. von Wolfgang Jahn/Elisabeth Vavra, 2 Bde., Augsburg/Stuttgart 2012. 25 Kaiser Maximilian I.: der letzte Ritter und das höfische Turnier. Katalog zur Ausstellung in den Reiss-Engelhorn-Museen Mannheim vom 13. April bis 9. November 2014, hg. von Sabine Haag/Michael Göbl (Publikationen der Reiss-Engelhorn-Museen 61), Regensburg 2014. 26 http://stadtmuseum.wiener-neustadt.at/ausstellungen/aeiov [letzter Zugriff: 30.9.2018].

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geschichtlicher Sicht ihre besondere Verbindung zu einzelnen Kommunen, Landstrichen oder Ländern herausgearbeitet. Zum dritten wurden die mittelalterlichen Habsburger als europäische Dynastie gezeigt und kulturpolitisch als frühe Wegbereiter der europäischen Einigung in den Dienst genommen. Auffällig ist die hohe Attraktivität, die Kaiser Maximilian als Ausstellungsthema bietet. Rechnet man die für 2019 geplanten Jubiläumsausstellungen hinzu, so wurde Maximilian I. zum Titelhelden von mehr als 15 Präsentationen. Selbst Kaiser Friedrich III. steht trotz seiner extrem langen Regierungszeit mit gerade einmal drei monothematischen Ausstellungen deutlich im Schatten seines berühmten Sohnes. Dies dürfte ganz im Sinne von Maximilian I. sein, der im ‚Weißkunig‘ sinngemäß formuliert hatte, dass demjenigen, der sich zu Lebzeiten kein Denkmal setze, nach seinem Tode auch nicht gedacht werde und sich deshalb auch alle Investitionen in die Memoria lohnten.27 Rudolf, Albrecht I., Friedrich der Schöne und Albrecht II. wurden noch nicht in großen Einzelausstellungen besprochen, sondern im Wesentlichen im Rahmen von Gesamtdarstellungen thematisiert. Was bisher vollständig fehlt, ist eine Gesamtdarstellung, die den Aufstieg der Habsburger als mittelalterliche Königsdynastie von Rudolf I. bis Maximilian I. nachzeichnet. Unter Deutschlands Museen und Ausstellungsorten eignet sich Speyer sicherlich in ganz besonderer Weise für das ambitionierte Vorhaben einer großen Habsburger-Ausstellung in Deutschland. Der rheinland-pfälzische Wissenschaftsminister Konrad Wolf hat dem Projekt im Vorfeld bereits den Titel einer Landesausstellung verliehen. In beiden Phasen der Habsburger Reichsherrschaft im Mittelalter geraten Speyer und die Pfalz zu zentralen Bezugspunkten. Die Verbindungen zwischen Rudolf und Speyer sind vielfältig und werden in diesem Band an mehreren Stellen herausgearbeitet. Stichwortartig sei noch erwähnt, dass zahlreiche pfälzische Städte wie Landau (1274), Braubach (1289), Hagenbach (1281), Kreuznach (1290), Neustadt an der Weinstraße, Montabaur (1291), Saarburg oder Welschbillig (1291) von König Rudolf I. gefördert wurden, denen er Stadtrechte erteilte, dass Albrecht I. über Adolf von Nassau in der Schlacht beim pfälzischen Göllheim siegte, dass der Luxemburger Kaiser Heinrich VII. die beiden konkurrierenden Vorgänger Albrecht und Adolf im Speyerer Dom beisetzen

27 „Wer in seinem Leben kain Gedächtnus macht, der hat nach seinem Tod kain Gedächtnus, und desselben Menschen wird mit dem Glockendon vergessen, und darumb so wird das Gelt, so ich auf die Gedechtnus ausgib, nit verloren“. Zit. nach: Kaiser Maximilian I. und die Kunst der Dürerzeit (wie Anm. 23), S. 16.

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ließ, dass sich auch Friedrich III. und Maximilian I. mehrfach in Speyer aufhielten und insbesondere Kaiser Maximilian I. mit dem geplanten gigantischen Grabdenkmal von Hans Valkenauer die Bedeutung des Speyerer Doms als Begräbnis- und Erinnerungsort des Reiches herausstellen wollte. Es wäre sicherlich eine Sensation, wenn es gelingen würde, nachträglich Maximilians Wunsch zu erfüllen und die Fragmente des Denkmals für eine große Habsburger Ausstellung nach Speyer zu holen – damit, frei nach der „Fährmanns-Sage“, die alte ­Kaiserherrlichkeit im Gewand einer modernen Ausstellung in Speyer wieder auferstehen kann.

Habsburg auf dem Weg zur Weltmacht

Martin Kintzinger

Das habsburgische Kaisertum im Spätmittelalter Erfolg im zweiten Versuch Der Aufstieg der Habsburger: die Karriere einer Familie „Sozialer Aufstieg hängt von der Familie ab“, so war im Frühjahr 2018 in einer internationalen wirtschaftswissenschaftlichen Studie zur Entwicklung des sozialen Status’ von Familien in der Gegenwart zu erfahren. Über vier Generationen bleibe demnach der Status der Vorfahren prägend für die Nachkommen.1 Für unsere heutige Gegenwart mögen solche Feststellung überraschen und sie lösen deshalb stets kontroverse Diskussionen über Chancengleichheit und Teilhabe aus. Nicht so für die Gesellschaften des Mittelalters, in denen es selbstverständlich war, dass die Lebenssituation eines Menschen unmittelbar aus der sozialständischen Zugehörigkeit seiner Familie folgte. Soziale Mobilität bedeutete immer, den eigenen, familiär überkommenen Status zu verlassen und insofern „aufzusteigen“. Für das Haus Habsburg lassen sich vier Generationen von Rudolf I. (1218–1291) bis zu Rudolf IV., dem Stifter (1339–1365), zählen oder von diesem bis zu Maximilian I. (1459–1519). Auch vom Ende des Alten

1

Sozialer Aufstieg hängt von der Familie ab, in: Zeit online 5. März 2018: http://www. zeit.de/wirtschaft/2018-03/studie-sozialer-aufstieg-bildungsgrad-eltern-abhaengig­ keit#comments [Zugriff 06.03.2018].

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Reiches unter Franz II. (1768–1835) bis zum Untergang der Habsburger Herrschaft 1918 mit Karl I. (1887–1922) waren es vier Generationen. Eine „vier-Generationen-Regel“ gibt es allerdings nicht. Nur die Vielzahl der Generationen, auf die man zurückblicken konnte, nicht aber deren genaue Anzahl spielte eine Rolle. Das familiäre Herkommen und die Zugehörigkeit zum sozialen Status des eigenen Hauses war für die Selbstwahrnehmung entscheidend. Man pflegte ein weit zurückreichendes kollektives Gedächtnis und legitimierte die eigene Position aus der langen Dauer der Tradition des eigenen Hauses. Häufig führten die Sukzessionslinien nicht unmittelbar von einem Vorfahren zu der aktuell lebenden Generation, sondern die dynastische Kontinuität konnte erst durch den Wechsel zwischen Nebenlinien sichergestellt werden. Der Anspruch langer Dauer der eigenen Familie war dadurch nicht gemindert. Karl Vocelka hielt 2015 fest: „Die Habsburger wurden zum Herrschergeschlecht des Reiches, das sich bis zum Ende der Monarchie auf die Tradition des ersten habsburgischen Herrschers, Rudolfs I., berief.“2 Innerhalb der Gesamtgeschichte der Dynastie lässt sich demnach mit Rudolf I. eine entscheidende Zäsur setzen, also mit dem „Aufstieg“ zur Königswürde. Politisch war dessen Herrschaft durch die systematische Verbindung der Reichspolitik, vor allem die von den Fürsten geforderte Stärkung des Reiches durch Revindikationen, mit einer Dynastiepolitik geprägt, die Rudolf von Beginn an auf lange Dauer anlegte.3 Bereits bis zu Rudolf I. und seit den Anfängen des Grafengeschlechts im 10. Jahrhundert hatten sich verschiedene Linien innerhalb der Familie abgelöst, die seit der Mitte des 13. Jahrhunderts den Herzogstitel in Österreich führten. Im 14. Jahrhundert bildeten sich die Albertinische und die Leopoldinische Linie aus. Der Leopoldinischen Linie entstammte im 15. Jahrhundert Herzog Friedrich V., der als Friedrich III. römisch-deutscher König und Kaiser wurde. Sein Sohn Maximilian I. begründete die Linie Österreich-Burgund und folgte seinem Vater auf dem Königs- und Kaiserthron nach. Karl V., Enkel Maximilians, führte ebenfalls die Königs- und Kaiserwürde fort und begründete im 16. Jahrhundert seinerseits die Spanische Linie (Casa de Austria), was zur Trennung in die spanische und die österreichische Linie

2 Karl Vocelka, 99 Fragen zu den Habsburgern, Berlin 2015, Kap. 7 über die Bedeutung Rudolfs I. für die Dynastiegeschichte. Zit. nach https://books.google.de/books?id =gJBvDAAAQBAJ&printsec=frontcover&hl=de&source=gbs_ge_summary_r&cad=0# v=onepage&q=wurde%20zum%20herrschergeschlecht&f=false [Zugriff 03.06.2018]. 3 Michael Menzel, Die Zeit der Entwürfe. 1273–1347 (Gebhardt. Handbuch der Geschichte 7a), Stuttgart 2012, hier S. 89–91.

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führte. Die europaweite dynastische Vernetzung der Habsburger wird an dieser Abfolge deutlich, ebenso aber die Abfolge von Veränderungen oder Brüchen innerhalb der familiären Sukzession. Welche Vergleiche bieten sich hier an? Idealtypisch für mittelalterliche Verhältnisse schien der Verlauf in Frankreich zu sein. Dort regierte die Dynastie der Kapetinger (Capet) von 987 bis 1328, nach dem söhnelosen Tod des letzten Kapetingers übernahm sodann dessen Cousin (beider Väter waren Brüder) aus der Nebenlinie der Valois die Herrschaft und behauptete sie bis 1598. Eine vergleichbare biographische Kontinuität vermochten andere europäische Häuser nicht zu erreichen, entweder wegen ausbleibender Nachkommenschaft oder machtpolitischer Umbrüche. So regierte in England das angelsächsische Haus Wessex von 802 bis zur Eroberung durch die Dänen 1013, danach folgten abwechselnd angelsächsische und dänische Herrscher bis zur Eroberung durch die Normannen 1066, sodann deren Nachfahren bis 1154 und im Anschluss das aus diesen hervorgegangene Haus Anjou-Plantagenet. Durch Thronusurpation und die Ermordung des letzten Plantagenet 1399 übernahm das Haus Lancaster die Herrschaft, die im folgenden zwischen den Häusern Lancaster und York wechselte und 1485 auf die Tudors überging, die sie bis über das 16. Jahrhundert hinaus behaupten konnten. Die Reihe der Habsburger Herrscher im Reich der römisch-deutschen Könige und im Heiligen Römischen Reich der Kaiser konnte zwar durch ihre jahrhundertlange Dauer bestechen – nicht aber, anders als bei den Capet und Valois, durch ungebrochene dynastische Linearität. Die Habsburger waren jedoch auch nicht, wie in England, durch Aufstände und Umstürze belastet. Das berühmte Diktum des tu felix Austria nube, erstmals von Rudolf IV. in der Mitte des 14. Jahrhunderts als Siegelaufdruck verwendet, markiert für die mittelalterliche „Karriere“ der Dynastie noch kein exklusives Merkmal. Zumindest das Haus Luxemburg, das im 14. Jahrhundert Könige und Kaiser stellte und den Habsburgern darin unmittelbar vorausging, war heiratspolitisch ähnlich erfolgreich. Erst unter Maximilian I. erreichte die dynastische Vernetzung der Habsburger im Westen und Osten ein Ausmaß, an das andere Familien nicht heranzureichen wussten. Seit seiner Regierungszeit wird gewöhnlich die Herrschaft der Habsburger als europäische Großmacht verstanden. Der Schritt in die Globalität gelang den Habsburgern allerdings erst durch die Entdeckung der Neuen Welt, Amerikas, nach 1492. Angeblich sollten die Zeitgenossen danach von dem Reich gesprochen haben, in dem die Sonne nie untergehe, was nicht nur symbolisch den Glanz der Habsburger Dynastie anzeigte, sondern geopolitisch die Herrschaft in

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europäischen wie überseeischen Territorien zugleich markierte. Auf eine wohl für immer rätselhaft bleibende Art hat Friedrich III. diese Perspektive für seine Familie bereits in seiner enigmatischen Devise „A. E. I. O. U.“ skizziert. Unter zahlreichen Deutungen bis zur Gegenwart waren auch solche aus der Frühneuzeit, der Phase größer Machtfülle der Habsburger. Damals wollte man die Devise Friedrichs III. als Vorausdeutung auf eine Weltherrschaft seines Hauses lesen. Authentische Deutungen Friedrichs sind nicht erhalten. Daher hat man neuerdings aus der Not eine Tugend gemacht und sich darauf geeinigt, dass er mit seiner Devise, die er auf eine Vielzahl von Gegenständen anbringen ließ, bewusst vieldeutig und rätselhaft habe bleiben wollen.4 Worin bestand nun der „Aufstieg“ des Hauses Habsburg im späten Mittelalter, in dynastischer Kontinuität, internationaler heiratspolitischer Vernetzung, erworbenen Herrschaftstiteln oder einem Machtgewinn durch Expansionspolitik? Vor allem: Welche Position kommt dem „habsburgischen Kaisertum“ des Spätmittelalters bei diesem „Aufstieg“ zu?5

Der Aufstieg einer Familie: eine Vorstellungsgeschichte Im römisch-deutschen Reich war die Sukzession auf dem Thron schon durch die politische Verfassung als Wahlreich anders geregelt als in den zu einer erblichen Nachfolgeregelung tendierenden westeuropäischen Monarchien.6 Nur deshalb können Historiker und Historikerinnen des Mittelalters den „Aufstieg“ des Hauses Habsburg heute beschreiben – weil als „Aufstieg“ gewöhnlich weder das Ergebnis von Erbfolge oder konsensual geregeltem Linienwechsel noch von Eroberung oder Usurpation verstanden wird, sondern die Durchsetzung in einem (modern gesprochen) „kompetitiven“, also gegen potentielle Konkurrenten erfolgreich bestandenen Auswahlverfahren. Daher ist Vgl. Henriette Peters, AEIOV – Versuch einer Deutung, in: Beiträge zur Wiener Diözesangeschichte 34, 1993, S. 22–25. 5 Ein eher sachbuchartiger Zugriff bei: Gerhard Herm, Aufstieg, Glanz und Niedergang des Hauses Habsburg, Düsseldorf/Wien/New York 1988, Nachdruck 1992. 6 Vgl. Martin Kintzinger, Kontingenz und Konsens. Die Regelung der Nachfolge auf dem Königsthron in Frankreich und im Deutschen Reich, in: Die mittelalterliche Thronfolge im europäischen Vergleich, hg. von Matthias Becher (Vorträge und Forschungen 84), Ostfildern 2017, S. 255–287; Martin Kintzinger, Successio. Strategien der Thronfolge in der Zeit des Hundertjährigen Krieges, in: Erbeinungen und Erbverbrüderungen in Spätmittelalter und Früher Neuzeit. Generationenübergreifende Verträge und Strategien im europäischen Vergleich, hg. von Mario Müller/Karl-Heinz Spiess/ Uwe Tresp (Studien zur brandenburgischen und vergleichenden Landesgeschichte 17), Berlin 2014, S. 227–251. 4

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schon die frühe Durchsetzung der Merowinger gegen konkurrierende Verbände, dann der Karolinger gegen die etablierte Merowingerherrschaft, der Wechsel auf die ostfränkischen Ottonen und seither jeder Wechsel einer Herrscherfamilie auf dem Thron des Reiches als Aufstieg der jeweiligen Dynastie beschrieben worden, sofern er zur Abfolge mehrerer Personen aus der Dynastie als Regenten führte.7 Auch bei der Beschreibung königlicher Herrschaft in außereuropäischen Reichen des Mittelalters wird mittlerweile das Bild des Aufstiegs zitiert.8 Wieder ist die Zahl der Generationen nicht entscheidend, wohl aber die Tatsache, dass der Wechsel in der Herrschaft nicht einmalig auf eine Person beschränkt oder wegen ungeklärter Wahlausgänge (Doppelwahlen, Gegenkönige) nicht als allgemein anerkannt gelten kann. Statuserhöhung, Dauer und bleibende Größe sind anscheinend

7 Exemplarische Belege: Volker Leppin, Geschichte des mittelalterlichen Christentums (Neue theologische Grundrisse), Tübingen 2012, Kap. 2 § 5.1: „Der Aufstieg der Karolinger mit der Kirche als Machtbasis“; Ludwig Holzfurtner, Die Wittelsbacher. Staat und Dynastie in acht Jahrhunderten (Urban-Taschenbücher 592), Stuttgart 2005, S. 15: „Herkunft und Aufstieg“; Stefan Weinfurter, Der Aufstieg der frühen Wittelsbacher, in: Stefan Weinfurter, Gelebte Ordnung, gedachte Ordnung. Ausgewählte Beiträge zu König, Kirche und Reich, hg. von Helmut Kluger/Hubertus Seibert, Ostfildern 2005, S. 135–158; Hagen Keller, Die Ottonen (C. H. Beck Wissen 2146), München 2001, S. 17: „[…] daß die Ottonen sozusagen aus kleinen Verhältnissen in raschem Aufstieg zum Königtum gelangt sind“; Gerd Althoff, Die Ottonen. Königsherrschaft ohne Staat (Urban-Taschenbücher 473), 3. Aufl. Stuttgart/Berlin/Köln 2012, S. 9: „Der Aufstieg der Liudolfinger“, Kapitelüberschrift am Textbeginn; Odilo Engels, Die Staufer (Urban-Taschenbücher 154), 9. Aufl. Stuttgart 2010, S. 17, mit einer Unterscheidung des sozialen Aufstiegs durch Amtsübertragung und Heirat, des formalen Aufstiegs durch Aufnahme unter die Reichsfürsten und des durch situative Umstände (die Hilfs­ bedürftigkeit der Salier) begünstigten Aufstiegs der Staufer; Helmut Neuhold, Die Staufer. Von 1025 bis 1268, Wiesbaden 2014, mit Erwähnung der Anfänge und des machtpolitischen Aufstiegs der Staufer, der als „Karriere“ bezeichnet wird; Vocelka, Fragen zu den Habsburgern (wie Anm. 2), Kapitelüberschrift: „Der Aufstieg der Habsburger im Mittelalter“; Jörg Hoensch, Die Luxemburger. Eine spätmittelalterliche ­Dynastie gesamteuropäischer Bedeutung. 1308–1437, Stuttgart/Berlin/Köln 2000, S. 13 zum „Aufstieg des Grafenhauses“, S. 32 zum „Aufstieg zum König- und Kaisertum“ unter Heinrich VII., S. 50 zum „Aufstieg der Dynastie“, S. 105 zum „mühsame[n] Aufstieg zur Alleinherrschaft“ Karls IV; Marie Bláhová, „Nepos vindicabit avum“. Die Ermordung Albrechts I. am 1. Mai 1308 im Bewusstsein der böhmischen Gesellschaft des 14. Jahrhunderts, in: 1308. Eine Topographie historischer Gleichzeitigkeit, hg. von Andreas Speer/David Wirmer (Miscellanea Mediaevalia 35), Berlin/New York 2010, S. 773–788, hier S. 788 zur Bedeutung der Ermordung Albrechts als „Impuls zum Aufstieg der Luxemburger Dynastie“. 8 François-Xavier Fauvelle, Das Goldene Rhinozeros. Afrika im Mittelalter, München 2017, S. 83: „Wir wissen weder, wann noch durch welche Entwicklung die Konversion [des Königs von Ghana zum Islam im 12. Jahrhundert] oder (wenn der König nicht der Linie seines Vorgängers angehörte) die Machtübernahme durch ein muslimisches Herrschergeschlecht zustande kam […]. Vielleicht geschah es infolge der Unruhen, die durch den Aufstieg der Almoraviden verursacht wurden [einer radikalen muslimischen Bewegung mit starker machtpolitischer Wirkung]“.

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die Koordinaten für die Zuschreibung eines rückblickend festzustellenden Aufstiegs. Für die hochmittelalterliche Literatur sollen „Aufstieg und weltweites Geltungsgefühl des Staufertums“ einen idealen Kontext geboten haben, wie in der älteren philologischen Forschung ausgeführt worden ist.9 Noch in der modernen Wahrnehmung von ­Poeten beeindruckt die offenkundige Herstellung von Dauer durch den so interpretierten Aufstieg von Familien aus dem Mittelalter, wie literarische Beispiele des 19. und 20. Jahrhunderts zeigen.10 Selten wird, wie von Bernd Schneidmüller 2014 zu den Welfen, die stets wertende Qualität des Wortes „Aufstieg“ und damit dessen Konstruktcharakter mit bedacht: Die „spätere Hausüberlieferung“ der Welfen habe deren „Aufstieg zu einer der vornehmsten Würden im Reich“ gefeiert, während konkurrierende Stimmen schon im Mittel­ alter den „welfischen Aufstieg als Überheblichkeit“ gebrandmarkt hätten.11 In der Selbstzuschreibung steht der Aufstieg der eigenen Familie zweifellos für Erfolg in langer Dauer, in der Fremdzuschreibung hingegen entweder für Respekt und Bewunderung oder aber für Anmaßung und Selbstüberhebung. Eine Dekonstruktion von späterer Überformung hat ebenso Joachim Ehlers 2013 in seiner Biographie Ottos von Freising geleistet: Dessen Chronik behandele in ihren ersten Kapiteln zwar den Aufstieg der Staufer, drücke darin aber keineswegs das in der älteren Forschung unterstellte vorrangige Anliegen des Chronisten aus, der in der Dynastiegeschichte lediglich den zeithistorischen Kontext zu seinem augustinischen Konzept der Geschichtsdeutung fand.12 Üblicherweise wird in der modernen Beurteilung die Zuschreibung eines „Aufstiegs“ ohnehin meist auf fachlich qualifizierte Personen bürgerlicher Herkunft, etwa gelehrte Räte oder Niederadlige im Fürstendienst angewandt, die eine Steigerung ihrer gesellschaftlichen 9 Helmut de Boor, Die höfische Literatur. Vorbereitung, Blüte, Ausklang. 1170–1250, hg. von Helmut De Boor/Richard Newald, (Geschichte der deutschen Literatur 2), München 1991, S. 1. 10 Christian Kiening, Das Mittelalter der Moderne. Rilke – Pound – Borchardt, Göttingen 2014, S. 150: „Was ihn [Rainer Maria Rilke] beeindruckt, ist der Aufstieg und die Ausbreitung des Geschlechts [eines provençalischen Adelsgeschlechts im Mittelalter]“. Vgl. auch Christian Seebald, Libretti vom „Mittelalter“. Entdeckungen von Historie in der (nord)deutschen und europäischen Oper um 1700, Tübingen 2009; Carlo Moos, Habsburg post mortem. Betrachtungen zum Weiterleben der Habsburgermonarchie, Wien/Köln/Weimar 2016. 11 Bernd Schneidmüller, Die Welfen. Herrschaft und Erinnerung (819–1252) (UrbanTaschenbücher 465), 2. Aufl. Stuttgart 2014, S. 22, S. 130. Dazu auch S. 179: Erwähnung des „langen, scheinbar unaufhaltsamen Aufstieg[s] der Welfen“. 12 Joachim Ehlers, Otto von Freising. Ein Intellektueller im Mittelalter. Eine Biographie, München 2013, S. 219.

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Stellung als sozialen Aufstieg erlebten.13 Einzelpersonen können so beschrieben werden, auch organisierte Gemeinschaften oder Städte. Die erfolgreiche Durchsetzung eines hochadeligen Thronprätendenten gegen seine Konkurrenten um einen Königsthron verlief demgegenüber völlig anders und sie betraf, im Unterschied zu diesen, zwar auch die einzelnen Personen auf dem Thron und deren unmittelbare Nachkommen, aber darüber hinaus ebenso die gesamte Dynastie. Kann man also von dem „Aufstieg“ einer Familie im Mittelalter sprechen oder gar, wie für die Wittelsbacher geschehen, einen „dezidierten Aufstiegswillen“ einer Dynastie konstatieren?14 Verbreitet ist diese Vorstellung in der heutigen Forschung eher als bildhafter Sprachgebrauch, weniger als Terminologie. Hier wirken sich auch historiographische Traditionen aus. In der englischsprachigen historischen Forschung ist man eher gewöhnt, nach dem antiken Fortuna-Motiv „Aufstieg und Fall“ zusammenzudenken. So wird die Geschichte des alten Ägyptens und des antiken Roms, des modernen Kommunismus oder des britischem Empires unter dem Lemma von rise and fall (Aufstieg und Niedergang) beschrieben.15 In der französischen Historiographie dominiert die Darstellung des Aufstiegs von einzelnen Phänomenen wie des Geldes und des amerikanischen Konservativismus oder von Einzelpersonen wie Richelieu, Napoleon oder Putin. Anders in der deutschsprachigen Geschichtswissenschaft. Hier wird eher der Aufstieg von Eliten, Mächten, Nationen oder Familien beschrieben – je nach der historischen Situation mit oder ohne Einbezug eines späteren Niedergangs oder Abstiegs und durchaus auch separat nur als Aufstiegsgeschichte.16 In einem älteren Handbuch zur Reichsgeschichte ist folgerichtig dem Ende der Staufer „der Aufstieg der Landesherren“ an die Seite gestellt.17 13 Vgl. Sozialer Aufstieg. Funktionseliten im Spätmittelalter und in der Frühen Neuzeit, hg. von Günther Scholz, München 2002. 14 Hans-Michael Körner, Die Wittelsbacher. Vom Mittelalter bis zur Gegenwart (C. H. Beck Wissen 2458), München 2009, S. 25; Vgl. Martin Clauss, Ludwig IV. – der Bayer. Herzog, König, Kaiser (Kleine bayerische Biographien), Regensburg 2014, S. 19: „Der Aufstieg der Familie gründete auf Dienst und Treue für das Königtum“. 15 Der Befund basiert auf einer bibliographischen Recherche unter englischsprachigen Neuerscheinungen. Auf den detaillierten Nachweis wird hier verzichtet. Verwiesen sei exemplarisch auf das in der deutschen Öffentlichkeit breit rezipierte Werk von Christopher Clark, Preußen. Aufstieg und Niedergang 1600–1947, München 2006. In der englischen Originalversion heißt der Titel: Iron Kingdom. The Rise and Fall of Prussia, 1600–1947, London 2006. 16 Exemplarische Nachweise: Oliver Nachtwey, Die Abstiegsgesellschaft. Über das Aufbegehren in der regressiven Moderne, Berlin 2006; Markus Friedrich, Die Jesuiten. Aufstieg, Niedergang, Neubeginn, München/Berlin 2016. 17 Joachim Leuschner, Deutschland im späten Mittelalter (Deutsche Geschichte 3), Göttingen 1983, S. 30.

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Luxemburg und Habsburg: analoge Aufstiegsgeschichten Was ist demnach unter einem „Aufstieg“ fürstlicher Familien im Mittelalter zu verstehen? Zeigen die insgesamt sieben Generationen von Rudolf I. bis zu Maximilian I. eine „Aufstiegsgeschichte“ der Dynastie der Habsburger?18 Lässt sich, wie es Olaf Leiße 2012 formulierte, rückblickend schon aus Rudolfs I. Sieg über Ottokar von Böhmen schließen: „Der Aufstieg des Hauses Habsburg war unaufhaltsam“?19 Dietmar Pieper und Johannes Salzwedel stellten 2010 dazu die Rätselfrage: „Hütet diese Familie ein Geheimnis – oder hat sie einfach seit dem Mittelalter sehr viel Glück gehabt? Wie konnte ein Grafengeschlecht aus dem Aargau zur weltweit mächtigen, jahrhundertelang regierenden Dynastie aufsteigen?“20 2015 blieb Karl Vocelka etwas dezenter, zog die Konsequenzen aber weiter aus: Mit Rudolfs I. Königtum sei „der Familie ein Aufstieg gelungen, der […] zu einer neuen Rolle führen sollte […] zum Herrschergeschlecht des Reiches“; Vocelka beschreibt damit den „Aufstieg der Habsburger im Mittelalter“.21 Als Jörg Rogge 2005 eine Darstellung zur Geschichte der Wettiner veröffentlichte, gab er ihr den Untertitel „Aufstieg einer Dynastie im Mittelalter“.22 Im selben Jahr stellten Werner Künzel und Werner Rellecke anhand der Wettiner fest: „Die Ostexpansion des Reiches bot dem einfachen Adel vielfache Gelegenheit zur politischen Bewährung und zum Aufstieg in den Reichsadel“.23 Vom frühen 13. bis frühen 14. Jahrhundert war die Entwicklung der Wettiner demnach von „Aufstieg, Herrschaftskrise und Bewahrung der reichsfürstlichen Position“ gekennzeichnet. Zwei Generationen später, in den letzten Jahren des 13. Jahrhunderts, begann die Etablierung des Grafengeschlechts der Luxemburger als politischer Akteur auf Reichsebene. Sie führte zur Königswahl Heinrichs VII. 1308 und zu seiner Kaiserkrönung 1312. Auch diese

18 Vgl. Gerhard Herm, Der Aufstieg des Hauses Habsburg, Düsseldorf/Wien/New York 1988. 19 Olaf Leisse, Der Untergang des österreichischen Imperiums. Otto Bauer und die Nationalitätenfrage in der Habsburger Monarchie (Wissenschaftliche Beiträge aus dem Tectum-Verlag. Reihe Politikwissenschaften 55), Marburg 2012, S. 48. 20 Die Welt der Habsburger. Glanz und Tragik eines europäischen Herrscherhauses, hg. von Dietmar Pieper/Johannes Saltzwedel, Stuttgart 2010, Vorwort. 21 Vocelka, Fragen an die Habsburger (wie Anm. 2). 22 Jörg Rogge, Die Wettiner. Aufstieg einer Dynastie im Mittelalter, Ostfildern 2005, das folgende Zitat aus dem Inhaltsverzeichnis, S. 5. 23 Geschichte der deutschen Länder: Entwicklungen und Traditionen vom Mittelalter bis zur Gegenwart, hg. von Werner Künzel/Werner Rellecke, 2. Aufl. Münster 2008, S. 316.

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Ereignisfolge wird in der Forschung als „Aufstieg“ beschrieben. Dieser Aufstieg der Luxemburger endete zunächst bereits 1313 mit dem unerwarteten Tod Kaiser Heinrichs und konnte erst 1346 mit der Wahl Karls IV. zum römisch-deutschen König und seiner Kaiserkrönung 1355 fortgeführt werden. Die Luxemburger Herrschaft im Reich wurde von derjenigen der Habsburger sozusagen „eingerahmt“ und profitierte zunächst nach dem Tod Rudolfs I. 1291 von der offenen Nachfolgesituation und der mangelnden Nachhaltigkeit der Herrschaft von Rudolfs Sohn, des 1298 zum König gewählten und 1308 ermordeten Albrechts I. (1255–1308), sowie seines Enkels, des in der Doppelwahl von 1314 gewählten Friedrichs (III.), des Schönen (1289–1330). Nach dem Ende der Luxemburger Herrschaft 1437 konnten die Habsburger durch Albrechts II. (1397–1439) 1421 erfolgte Hochzeit mit der einzigen Tochter des letzten Luxemburgers, Sigmund, 1438 erstmals wieder nach der Königskrone des Reiches greifen und sie fortan ihrem Haus sichern. Strukturell verlief der Aufstieg der Habsburger und der Luxemburger sehr ähnlich, von einer Grafenfamilie mit gesichertem Territorialbesitz in regionaler Randlage und guter Vernetzung zur Königsdynastie im Reich. Beide Familien durchlebten eine Zäsur ihres Aufstiegs: Die Luxemburger mussten von 1313, dem Tod Heinrichs VII., bis 1346 zur Königswahl Karls IV. warten, um ihren Aufstieg fortzusetzen, die Habsburger sogar von 1308, dem Tod Albrechts I., bis 1437. Während aber die Luxemburger 1437 in männlicher Linie ausstarben, konnten die Habsburger ihre dynastische Kontinuität in geradezu solitärer Weise fortführen. Allerdings hat die Forschung (Peter Moraw) auf einen gewichtigen Unterschied in der politischen Strategie beider Häuser hingewiesen, der den inzwischen veränderten Zeitumständen geschuldet war. Das Konzept eines hegemonialen Königtums, wie es Karl IV. realisiert und das ihn in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts zu dem Ausgreifen nach Ostmitteleuropa, über Böhmen nach Ungarn und Polen, geführt hatte, konnten die Habsburger knapp einhundert Jahre später nicht mehr realisieren. Sie waren auf ein „Randkönigtum“ verwiesen, das sie das Reich aus einer dezentralen Lage heraus regieren ließ, der Region ihrer Hausmacht. Weit mehr als Prag unter den Luxemburger wurde Wien fortan hauptsächlicher Aufenthaltsort des römisch-deutschen ­Königs und Kaisers. Ein Pendant in zentraler Lage im Reichsgebiet, wie es Nürnberg in der Zeit Karls IV. und Sigmunds war, fehlte nun.24

24 Walter Pohl/Karl Vocelka, Die Habsburger. Eine europäische Familiengeschichte, hg. von Brigitte Vacha, Graz/Wien/Köln 1992, S. 68. Vgl. zu dem skizzierten Zusammenhang die Feststellung, dass politische Handlungsräume durch Kommunikation konstituiert worden seien, in dem Beitrag Christina Lutters im vorliegenden Band.

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Trotz der erkennbaren Parallelen in der Entwicklung beider Familien und im Unterschied zu den anderen Dynastien des Reiches, die Könige und Kaiser gestellt haben, hat die Zweiphasigkeit ihrer Etablierung, vom Grafengeschlecht zum Königtum und vom Königtum zur Kaiserwürde, eine unterschiedliche Bewertung erfahren. Bei den Luxemburgern wird häufig genauer unterschieden und der „Aufstieg des Grafenhauses“ bzw. „der Grafschaft“ (so bei Jörg Hoensch 2000 bzw. Michel Pauly 2011) zur Königswürde sowie der spätere Aufstieg vom Königsrang zur Kaiserwürde unter Karl IV. separat behandelt, als zwei Schritte derselben Entwicklung.25 Anders bei den Habsburgern. Vermutlich unter dem Eindruck der bis weit über das Mittelalter und bis in die Neuzeit reichenden Erfolgsgeschichte der Habsburger wird deren mittelalterlicher Aufstieg vom Grafenhaus zur Königs- und deutlich später zur Kaiserwürde meist als ein zwar in sich differenzierter, aber als Ganzes wahrgenommener Prozess behandelt. Soweit genauer unterschieden wird, steht der Aufstieg des Grafenhauses unter Rudolf I. und dessen Königsherrschaft seit 1273 im Fokus. Die folgende Schwächeperiode im frühen 14. Jahrhundert wird dagegen meist marginal behandelt. Erstaunlicherweise kommt daneben aber auch der rangmäßig gewichtigste Schritt, der folgenreiche Griff nach der Kaiserkrone 1452, kaum als eigenständiger Aufstieg in Betracht. Fast scheint es, als sei „das habsburgische Kaisertum im Spätmittelalter“ ein wenig überraschender Befund, der sich folgerichtig aus der Vorgeschichte seit 1273 ergäbe und daher nicht mehr über das prozessuale Element des Aufstiegs zu beschreiben sei. Aber dieser Eindruck trügt. Hinsichtlich des Ranges und der langfristigen Geltung der Dynastie war der Griff nach der Kaiserkrone zweifellos der gewichtigste Schritt. „Schon die Wahl Rudolfs von Habsburg zum Herrscher des Heiligen Römischen Reiches im Jahr 1273 kann als Beginn des Aufstiegs der Habsburger zu einer großen Dynastie Europas gesehen werden, allerdings begann der wirkliche Machtzuwachs erst erheblich später“, so hielt Karl Vocelka 2010 fest.26

Das habsburgische Kaisertum im Spätmittelalter: später Beginn und lange Dauer Tatsächlich ist der Aufstieg der Habsburger im Spätmittelalter eines der eindrucksvollsten, wenn nicht das beeindruckendste Beispiel für die Profilierung und Stabilisierung einer regierenden Dynastie im römisch25 Michel Pauly, Geschichte Luxemburgs (C. H. Beck Wissen 2732), München 2011, S. 29. 26 Karl Vocelka, Die Familien Habsburg & Habsburg-Lothringen. Politik – Kultur – Mentalität, Wien/Köln/Weimar 2010, S. 21; Vgl. auch Pieter M. Judson, Habsburg. Geschichte eines Imperiums. 1740–1918, München 2017.

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deutschen Reich. Allerdings war der Anfang, wie erwähnt, durchaus mühsam, nicht nur durch das gewaltsame Ende Albrechts I., des Sohnes Rudolfs, 1308, sondern auch, weil nach der ersten Königsherrschaft der Habsburger im Reich, derjenigen Rudolfs 1273, erst 1452 mit Friedrich III. (1415–1493) ein Habsburger die Kaiserwürde erlangen konnte. Auch Rudolf I. und wieder Albrecht I. hatte diesen für die Anerkennung und Stabilisierung der eigenen Dynastie so gewichtigen Schritt als römisch-deutsche Könige ebenso mit intensivem Bemühen erfolglos angestrebt und Rudolf konnte es nicht erreichen, einen Sohn zu seinen Lebzeiten zum deutschen König erheben zu lassen.27 Dem Luxemburger Karl IV., 1355 zum Kaiser gekrönt, gelang hingegen diese Nach­ folgeregelung vivente imperatore 1376, auch wenn sie faktisch gegen die Vorgaben der zwanzig Jahr zuvor von Karl initiierten (später so genannten) Goldenen Bulle verstieß. Friedrich III. vermochte schließlich an diese Tradition anzuknüpfen, indem sein Sohn Maximilian 1486, 34 Jahre nach Friedrichs Kaiserkrönung und sieben Jahre vor dessen Tod, zum römisch-deutschen König (und Mitregenten seines Vaters im Reich) gewählt und gekrönt wurde. Die Kaiserwürde konnte Maximilian erst 1508 übernehmen. Ähnlich wie sein Vorfahr, Rudolf I., verfolgte Friedrich III. von Beginn seiner Herrschaft an die systematische Verbindung von Reichs- und Dynastiepolitik und deren sichtbare Repräsentation und Inszenierung. 1440, im Jahr seiner Königskrönung, zog er den Wiener Gelehrten und Universitätsrektor Thomas Ebendorfer (1388–1464) als Rat an seinen Hof und beauftragte ihn mit der Abfassung historiographischer Werke, so auch einer lateinischen Kaiserchronik (chronica regum Romanorum). Sie vermochte von dem Wirken des Aufraggebers, der erst zwölf Jahre später Kaiser werden sollte, noch wenig zu berichten, zeigte aber die Deutung an, die Friedrich seiner Regierung im Reich grundsätzlich geben wollte.28 Die Kaisererhebung Friedrichs III. 1452 stellte also einen „Erfolg im zweiten Versuch“ dar, der allerdings von beispielloser dynastischer Beständigkeit sein sollte. Mit Friedrichs Sohn Maximilian (1459–1519), seit 1508 Kaiser, führten die Habsburger das Reich endlich über die historiographisch später und bis heute so verstandene Schwelle um 1500 aus dem Mittelalter hinaus in die beginnende Frühneuzeit. „Unbestreitbar ist […], daß der Aufstieg Habsburgs zur Weltmacht im wesentlichen in seine Regierungszeit fällt“, hielten Walter Pohl und Karl Vocelka 1992 27 Ausführlich dazu: Menzel, Zeit der Entwürfe (wie Anm. 3), S. 102–109. 28 Heinrich Koller, Kaiser Friedrich III. (Gestalten des Mittelalters und der Renaissance), Darmstadt 2005, S. 24 f. Für kollegiale Unterstützung durch kritische Lektüre der folgenden Ausführungen zu Friedrich III. und Maximilian I. und weiterführende Hinweise dazu danke ich Prof. Dr. Thomas Winkelbauer (Wien).

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fest.29 Mit beiden, Friedrich und Maximilian, ist daher der Höhepunkt der Habsburger Herrschaft im Mittelalter verbunden, zugleich die Manifestation des „habsburgischen Kaisertums“, aber auch ein deutliches Anzeichen des Wandels. Einmal mehr fällt diese Ambivalenz im Aufstieg der Habsburger auf: Friedrich war der letzte Kaiser, der nach alter Tradition durch den Papst in Rom gekrönt wurde. Seine Kaiserkrönung hatte bereits nichts mehr von der Machtdemonstration früherer Regenten, war dafür aber von besonderer, beispiellos prunkvoller Inszenierung.30 Maximilian I. war der letzte Herrscher, der regulär noch unter päpstlicher Mitwirkung seine Kaiserwürde erhielt, wenn auch nicht als formelle Krönung, 1508 in Trient. Mit Maximilian begannen die Kaiser zugleich, den Titel eines „erwählten römischen Kaisers“ zu führen, was beides die Position der Königswähler im römisch-deutschen Reich stärkte.31 Damit wurde die politische Absicht der Goldene Bulle von 1356, aus Zeit der luxemburgischen Kaiserherrschaft, aufgegriffen, die Kurfürsten und ihre Wahlentscheidung bei der Königswahl exklusiv und auf Kosten einer päpstlichen Mitwirkung zu werten. Der Wegfall der päpstlichen Krönung kann als politischer Macht­ gewinn der Fürsten oder aber als Verlust sakraler Legitimation für den Kaiser verstanden werden. Karl V., Enkel Maximilians, teilte die Ansicht, das kaiserliche Amt verliere an Ansehen ohne päpstliche Mitwirkung und ohne die dadurch sichtbar gemachte Einheit von Kaiser und Papst. Er ließ sich daher 1530 durch Clemens VII. zum Kaiser krönen, allerdings ebenfalls nicht mehr in Rom, sondern in Bologna. Karl war der letzte deutsche König überhaupt, der eine päpstliche Kaiserkrönung erhielt: Es war das Haus Habsburg, das diese alte, seit über 700 Jahren fortgeführte mittelalterliche Tradition beendete. Ferdinand I., Bruder und Nachfolger Karls, 1531 zum römisch-deutschen König gewählt, war schließlich der letzte König, der in Aachen gekrönt wurde. Hatten sich während aller mittelalterlichen Jahrhunderte die deutschen Könige durch Verweis auf die Krönung ihrer Vorgänger seit 936 auf dem Marmorthron Karls des Großen in der Aachener Marienkirche legitimiert, so endete auch diese Tradition, wie schon diejenige der päpstlichen Kaiserkrönung in Rom, nun unter den Habsburgern.32 29 Pohl/Vocelka, Habsburger (wie Anm. 24), S. 82, S. 86; Stephan Sander-Faes, Europas habsburgisches Jahrhundert 1450-1550 (Geschichte kompakt), Darmstadt 2018. 30 Bernd Schneidmüller, Die Kaiser des Mittelalters. Von Karl dem Großen bis Maximilian I. (C. H. Beck Wissen 2398), München 2006, S. 109. 31 Bernd Schneidmüller, Grenzerfahrung und monarchische Ordnung. Europa 1200– 1500 (C. H. Beck Geschichte Europas), München 2011, S. 156. 32 Vgl. Barbara Stollberg-Rilinger, „Die Puppe Karls des Großen“ – Das Heilige Römische Reich Deutscher Nation als praktizierter Mythos, in: Mythos als Schicksal. Was konstituiert die Verfassung?, hg. von Otto Depenheuer, Wiesbaden 2009, S. 25–69, hier S. 47 f.

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Anders als Karl V., strebte Ferdinand I. die Kaiserkrönung in Rom oder an anderem Ort nicht mehr an. Sie hatte politisch wie symbolisch ihre Aussagekraft als Legitimation der Kaiserherrschaft verloren. Angesichts der konfessionellen Spaltungen im Reich war nach der Abdankung Karls 1556 die Einbeziehung des Papstes in die Kaisererhebung des deutschen Königs unter Beteiligung der protestantischen Fürsten kaum mehr aushandlungsfähig. Außerdem stellte der „familiäre“, gleichsam erbliche Übergang der Krone zwischen den Brüdern Karl und Ferdinand ohne kurfürstliche Wahl eine Herausforderung dar. Dass hieraus später eine habsburgische Praxis der Thronweitergabe werden sollte, war noch nicht abzusehen. 1558 jedenfalls proklamierten die Fürsten Ferdinand, der seit 1531 bereits König war, in Frankfurt zum Kaiser. Das Kaisertum der Habsburger, das chronologisch aus dem Mittel­ alter hinausführte, stand nicht mehr auf der Grundlage der universalkirchlichen, sakralen Legitimation der mittelalterlichen Kaiserherrschaft und ihrer zeremoniellen Inszenierung. Es bewahrte aber die Verfahren des Konsenses unter den Reichsfürsten und der Wahl durch deren kurfürstliche Elite als Rechtfertigungsgrund seines Autoritätsanspruchs. Insofern erreichte das „habsburgische Kaisertum im Spätmittelalter“ eine neue Dimension von Kaiserherrschaft, die durch internationale dynastische Vernetzung und globale Horizonte ebenso über das Mittelalter wie über das Reich in seinen überkommenen Formen hinausführte. Man kann hierin den Ursprung eines weltmonarchischen Anspruchs sehen, wie er der späteren Habsburgermonarchie bis zu ihrem Ende 1918 zugeschrieben worden ist, „die Monarchia Universalis als neuzeitliche Version des übernationalen mittelalterlichen Kaisergedankens“.33 Sie setzte einerseits die mittelalterliche Tradition des Sacrum Romanum Imperium fort, gründete sich andererseits aber auf eine weit darüber hinaus­ reichende Grundlage, auf die europaweite dynastische Vernetzung der Habsburger und auf deren neue überseeische Besitzungen. In der heute aktuellen globalhistorischen Forschung, die die europäische Expansion seit dem 15. Jahrhundert neu (nicht mehr kolonialhistorisch) definiert, steht das dem Atlantik zugewandte westliche Europa gerade in den seit dem Ende des Jahrhunderts habsburgischen Besitzungen zwischen Zentraleuropa und der iberischen Halbinsel mit am

33 Selma Krasa-Florian, Die Allegorie der Austria. Die Entstehung des Gesamtstaatsgedankens in der österreich-ungarischen Monarchie und die bildende Kunst, Wien/ Köln/Weimar 2007, S. 32; Vgl. Franz Bosbach, Monarchia Universalis. Ein politischer Leitbegriff der Frühen Neuzeit (Schriftenreihe der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften 32), Göttingen 1997.

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Anfang der Entwicklung. Allerdings kann auch dessen nur zögerliche Öffnung nicht übersehen werden und ebenso wenig die Tatsache, dass noch in der Zeit Maximilians das Interesse an künstlerischer Darstellung fremder Kulturen zwar aufkam, aber vorerst nur aus zweiter Hand, ohne Eigenerfahrung der Auftraggeber und Künstler, bedient werden konnte. Man wollte mehr, als man zu tun in der Lage war.34 Die Einheit von Dynastie und Reich war von dieser Entwicklung tatsächlich überfordert, was zum Scheitern der Ambitionen und des Kaisertums Karls V. führte.35 Hans-Heinrich Nolte resümiert hierzu 2017, dass der Kaiser „über seine Verhältnisse Politik“ gemacht und eine „imperiale Überdehnung herbeigeführt habe: „Die Politik der Universalmonarchie ging jedoch von Anfang an und bis zur Abdankung des Kaisers über die Möglichkeiten hinaus, die der Dynastie zur Verfügung standen“.36 Für die US-amerikanische Geschichtswissenschaft stellte Peter Wilson in seiner Geschichte des Heiligen Römischen Reiches 2016 fest: „The scheme failed, because Charles tried to move too far too fast“.37 Ferdinand hingegen habe einen Weg gefunden, „the future direction of Habsburg imperial governance“ zu realisieren: „the familiy justified its continued hold on the imperial title by presenting itself as trustworthy guardian of the common good and the Empire’s internal peace and external security“. Erst Ferdinand gelang es demnach, nicht mehr nur die alte Ordnung des Reiches trotz veränderter globaler Bedingungen fortzusetzen, sondern diese Ordnung den neuen Herausforderungen anzupassen. Die politische Verfassung des Wahlreiches blieb bei alledem bestehen. Indem die Rolle des Hauses Habsburg als solitärer Sachwalter des Reiches markiert wurde, konnte dessen föderale Struktur (etwa die Partizipation des Reichstags betreffend) unter einer imperial-hegemonialen Dominanz der Dynastie neu definiert und bewahrt werden. Nach ihrem zweiphasigen Aufstieg, der mit den Daten 1273 und 1452 bezeichnet ist, vermochten die Habsburger trotz allen Wandels die Spitzenposition im Reich bis 1806 zu behaupten. Nur eine kurze 34 Vgl. Wolfgang Reinhard, Die Unterwerfung der Welt. Globalgeschichte der europäischen Expansion, 1415–2015, München 2016, hier S. 19, S. 619; Zum atlantischen Aspekt der europäischen Geschichte der Vormoderne: Weltreiche und Weltmeere 1350–1750, hg. von Wolfgang Reinhard (Geschichte der Welt), München 2014, S. 766–769. 35 Vgl. Arnd Brendecke, Imperium und Empire. Funktionen des Wissens in der spanischen Kolonialherrschaft, Köln/Weimar/Wien 2009; Zum Hintergrund: Mark Greengrass, Das verlorene Paradies. Europa 1517–1648, Darmstadt 2018, S. 301–309. 36 Hans-Heinrich Nolte, Kurze Geschichte der Imperien, Köln/Weimar/Wien 2017, S. 189. 37 Peter H Wilson, Heart of Europe. A History of the Holy Roman Empire, Cambridge/ Mass. 2016, S. 438; das folgende Zitat S. 439.

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Unterbrechung von 1742 bis 1745, nachdem der Habsburger Karl VI. (1685–1740) überraschend verstorben war, brachte eine Phase der Wittelsbacher auf dem Reichsthron, die bereits zuvor nach Ludwig IV. „dem Bayern“ von 1314 bis 1330 mit Friedrich dem Schönen und von 1400 bis 1410 mit Ruprecht (Doppel-) Könige gestellt hatten. Über die 1736 geschlossene Ehe Maria Theresias (1717–1780), der Tochter Karls VI., mit Franz Stephan von Lothringen (1708–1765), 1745 als Franz I. zum Kaiser erhoben, hatten die Habsburger wieder an die Spitze des Reiches zurückgefunden. Mit Franz II. (1768–1835) war es schließlich ein Habsburger, der die Krone des Reiches unter dem Eindruck der napoleonischen Expansion 1806 niederlegte. Hier wird bis heute eine Hinterlassenschaft der Habsburger wirksam: Die gesamten Reichsinsignien, einschließlich der Krone, die im Ursprung aus der Zeit Ottos I. im 10. Jahrhundert stammt, lagern heute in der Wiener Hofburg – und dürfen wegen Ausleihverbots an keinem anderen Ort der Welt gezeigt werden. Die Ereignisse von 1806 können als Krise und Niedergang des Alten Reiches verstanden werden, nicht aber der Dynastie der Habsburger, die zwei Jahre zuvor das Kaisertum Österreich begründet hatten. Schon die Niederlegung der Krone durch Karl V. (1500–1558) 1556, unter dem Eindruck der konfessionellen Spaltung im Reich und der Herausforderungen durch die Entdeckung der Neuen Welt, begründete weder Krise noch Niedergang der Dynastie. Trotz einer Trennung des Hauses und seiner Besitzungen in die spanische Linie Philipps II., des Sohnes Karls, und die österreichische Linie Ferdinands I. (1503–1564), seines Bruders, bereits seit 1531 römisch-deutscher König und seit 1558 Kaiser, blieb die Stärke der Habsburger Dynastie erhalten.

Noch kein Großreich: Die Habsburger und das Kaisertum im späten Mittelalter Aufstieg, Erfolg und Karriere einer Familie hingen auch von den Gegebenheiten ab, den Vorläufern und Konkurrenten wie den Herausforderungen, den günstigen Umständen und den glücklichen Zufällen. Sie gaben den Rahmen vor, innerhalb dessen eigenes Handeln erst möglich war. Das gilt auch für die bemerkenswerte dynastische Politik der Habsburger. Tu felix Austria nube hätte man bereits und zeitgleich im 14. Jahrhundert ebenfalls auf das Haus Luxemburg unter Karl IV. anwenden können. Karl versuchte, durch Heiratsdiplomatie ein großes „gesamteuropäisches Reich“ zu begründen, das von der Grenze zu Frankreich im Westen bis nach Polen und Ungarn im Osten reichen sollte. Durch Verheiratung seiner Söhne Wenzel und Sigmund, die ihm

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beide als deutsche Könige nachfolgten – Wenzel von 1376 bis zur Absetzung 1400 und Sigmund von 1410/11, mit der Kaiserwürde ab 1433, bis zum Tod 1437 – wollte Karl IV. ein luxemburgisches Großreich im Osten schaffen, das das Königreich Böhmen eingeschlossen hätte. Karls Pläne waren allerdings in dieser Hinsicht nicht umsetzbar und das Haus Habsburg profitierte davon. Albrecht V., Herzog von Österreich, erreichte bereits 1421 die Verheiratung mit der noch unmündigen einzigen Tochter Sigmunds aus zweiter Ehe, Elisabeth. Mit der dynastischen Verbindung wurde ein Vorhaben realisiert, dass bereits Karl IV. favorisiert hatte. Sigmund ließ Albrecht im folgenden Jahr offiziell als seinen Nachfolger ausrufen. Da Sigmund keine weiteren Kinder bekam und das Haus Luxemburg in männlicher Linie mit seinem Tod 1437 ausstarb, konnte das Haus Habsburg die luxemburgischen Besitzungen übernehmen. Zu diesen gehörte auch die Krone Ungarns, die Sigmund durch Heirat 1387 an sich und sein Haus hatte ziehen können. So lag in der luxemburgischen Hochzeit Albrechts eine erste, wenn auch bald wieder fragil gewordene Grundlage für das spätere habsburgische Großreich von Österreich und Ungarn, unter Einschluss Böhmens.38 Albrecht V. von Österreich wurde als Albrecht II. 1438 Nachfolger seines Schwiegervaters als deutscher König sowie König von Ungarn und König von Böhmen, verstarb aber bereits im Folgejahr. Unsichere Zeiten und kriegerische Verhältnisse folgten, während derer der nach dem Tod seines Vaters geborene Sohn Albrechts und Elisabeths, Ladislaus Postumus, sich zu behaupten vermochte. Als er 17-jährig krankheitsbedingt 1457 verstarb, endete mit ihm nicht nur die Albertinische Linie des Hauses Habsburg, sondern auch die noch unter seiner Herrschaft zusammengehaltene Union der römisch-deutschen mit der ­böhmischen und der ungarischen Krone. Wie schon die Luxemburger, vermochten auch die Habsburger im 15. Jahrhundert nicht, diese Großreichskonstruktion zu behaupten. Erst 1526 fanden sie, durch die ständische Wahl Ferdinands I., Bruder Kaiser Karls V. und seit 1531 auch deutscher König, wieder Zugang zur Krone Böhmens. Im selben Jahr kam es in Ungarn zu einer Doppelwahl. Ferdinand musste sich militärisch gegen Johann Szapolyai behaupten, der eine deutliche Mehrheit der Stände hinter sich bringen konnte und als „nationaler“ König gewählt worden war. Zudem musste die Konkurrenz mit dem Osmanischen Reich um Ungarn überwunden werden, was dauerhaft erst 1699 und schließlich 1718, in den Friedensverträgen von Karlowitz und

38 Alois Niederstätter, Geschichte Österreichs, Stuttgart 2007, S. 98.

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­ assarowitz, gelang.39 Jetzt erst entstanden die Konturen der späteren P „Donaumonarchie“ der Habsburger, die über die Gründung des ­Kaisertums Oesterreich 1804 und die österreichisch-ungarische Monarchie von 1867 bis 1918 andauerte.40 Auch wenn deren Anfänge häufig im späten Mittelalter gesehen werden und dort zweifellos erstmals historische Ursprünge zu finden sind, so führte doch noch kein direkter Weg vom „habsburgischen Kaisertum des Spätmittelalters“ zu dem späteren Großreich. Für die Konstituierung der Kaiserherrschaft der Habsburger im 15. Jahrhundert war hingegen nach der Hochzeit Albrechts (II.) 1421 eine weitere Eheschließung richtungweisend: diejenige Maximilians, des Sohnes Kaiser Friedrichs III., mit Maria, der einzigen Tochter Karls des Kühnen, Herzogs von Burgund, 1477. Sie führte zur Entstehung der Habsburger Linie Österreich-Burgund, der Karl V. und Ferdinand I. entstammten und die sich in der Mitte des 16. Jahrhunderts in die Spanische (Casa de Austria) und Österreichische Linie (Haus Habsburg-Österreich) teilte. Mit der Hochzeit 1477 war mehr verbunden als nur eine familiäre Vernetzung und größere Sichtbarkeit auf der internationalen politischen Bühne. Das Herzogtum Burgund, in seinen wesentlichen Teilen zugleich Lehen der Krone Frankreichs und (als Freigrafschaft/Franche Comté) des römisch-deutschen Reiches, hatte sich in wenigen Generationen zu einem vormodernen „Staat“ mit moderner Verwaltung und insbesondere erheblichem finanziellen Vermögen wie politischer Macht herausgebildet. Dem König von Frankreich traten die Herzöge von Burgund seit längerem auf Augenhöhe entgegen. In sich diversifiziert, umfasste ihr Territorialbesitz einen weiten Raum zwischen Frankreich und dem Deutschen Reich bzw. dem Heiligen Römischen Reich, von der Nordsee bis in den Südwesten und brachte ihnen politische Unabhängigkeit und einen ungeheuren materiellen Reichtum ein.41 Obwohl trotz intensiver Bemühungen niemals Könige geworden, zählten die Herzöge von Burgund aus einer Nebenlinie des französischen Königshauses der Valois zu den großen Familien in Europa. Deren Erbe trat Maximilian 1477 an, was für ihn und seine Familie in jeder Hinsicht ein erheblicher Gewinn war und für die junge Maria von Burgund die einzig mögliche Garantie gegen den Zugriff des französischen Königs und 39 Vgl. Thomas Winkelbauer, Ständefreiheit und Fürstenmacht 1522–1699. Länder und Untertanen des Hauses Habsburg im konfessionellen Zeitalter, 1.2., Wien 2003, Bd. 1, S. 123–134. 40 In der älteren Forschung wird mitunter die Zäsur von 1526 als Beginn der späteren Habsburger Monarchie gewertet: Robert A. Kann, Werden und Zerfall des Habsburger Reiches, Graz/Wien/Köln 1962, S. 17. 41 Vocelka, Die Familien (wie Anm. 26), S. 22.

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langjährigen Feindes ihres Vaters, Ludwigs XI., der Burgund als französisches Lehen reklamierte. Darin lag zugleich eine Hypothek für Habsburg, denn Frankreich gab seine Ansprüche auf Burgund nicht kampflos auf. Maximilian musste über Jahre Krieg um das burgundische Erbe führen. Er konnte die Herrschaft seiner Dynastie aber im Ganzen geschlossen und durchsetzungsstark, durchaus auch glanzvoll bis zu seinem Tod 1519 bewahren. Deren Teilung und die Krise des Kaisertums folgten erst ein halbes Jahrhundert später.

Habsburgisches Kaisertum im Widerspruch I: neue Welt und letzter Ritter Als die „burgundische Hochzeit“ ist das dynastische Ereignis von 1477 in die Historiographie eingegangen. Die von Maximilian später, in den Jahren um 1500, aufgebauten vertrags- wie heiratspolitischen Verbindungen zu den Iberischen Königreichen einerseits, zum Königreich Polen andererseits, stabilisierten und erweiterten die europaweiten Vernetzungen und Geltungsbereiche der Habsburger Herrschaft. Mitunter wird heute gegenüber der seit Generationen erfolgreichen Heiratspolitik des Hauses Habsburg deren virtuose Steigerung mit und unter Maximilian hervorgehoben,42 die erst die Grundlage für den „späteren Aufstieg der Dynastie zu einer europäischen Großmacht“ ermöglicht habe.43 Heinz-Dieter Heimanns Einführung in die Geschichte der Habsburger unterscheidet 2016 die „königliche Dynastie“ und deren „Aufstieg im mittelalterlichen Heiligen Römischen Reich“ bis zum 15. Jahrhundert von der „kaiserlichen Dynastie“ unter dem Schlagwort „Hausmacht und Weltreich um 1500“, der die „geteilte Großdynastie“ der spanischen und österreichischen Linien ab dem 15. Jahrhundert gefolgt sei.44 Demnach wäre der Aufstieg des Hauses Habsburg in der Erlangung der Königsherrschaft im römisch-deutschen Reich zu sehen, die nach mittelalterlicher Tradition durch Wahl erfolgte und der die formal unabhängige Erhebung des Königs zum Kaiser angeschlossen war. Die

42 Vgl. Stephan Gruber, Burgund erheiraten: Maximilian I. und Maria von Burgund: http://www.habsburger.net/de/kapitel/burgund-erheiraten-maximilian-i-und-mariavon-burgund [Zugriff 21.03.2018]. 43 Martin Mutschlechner, Maximilian und die burgundische Heiratspolitik: http:// www.habsburger.net/de/kapitel/maximilian-und-die-habsburgische-heiratspolitik [Zugriff 21.03.2018]. 44 Heinz-Dieter Heimann, Die Habsburger. Dynastie und Kaiserreiche (C. H. Beck Wissen 2154), 5. Aufl. München 2016.

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Etablierung der Kaisererhebung des Königs als informeller Akt, wie seit Maximilian I. (mit der einzigen Ausnahme Karls V.) üblich geworden, der zudem die spätere, nur noch formale Königswahl des faktischen Thronerben folgte, stellt demgegenüber eine neue Qualität von Kaiserherrschaft dar, die untrennbar mit dem Haus Habsburg verbunden ist. Sie steht zugleich für das Überschreiten der Grenzen des Alten Reiches innerhalb und sogar außerhalb Europas durch die Habsburger: Als königliche Dynastie mit Kaiserwürde blieben sie innerhalb des Alten Reiches, als kaiserliche Dynastie verließen sie dessen Begrenzungen sowohl geopolitisch wie verfassungspolitisch und in ihrer symbolischen Inszenierung. Maximilian I. steht an der Schwelle der einen zur anderen Phase der Habsburgergeschichte. Seine Regentschaft führte das Haus Habsburg aus dem Mittelalter in eine neue Zeit und bewahrte dabei die lange Tradition seines Hauses, die „Ausbau des kaiserlichen Vorranges und Steigerung des Ansehens der Dynastie“ als zwei Seiten derselben Sache verstand.45 Allerdings liegt hierin auch ein unübersehbarer Widerspruch begründet: Als Person und Regent gehörte Maximilian noch ganz in die Welt des Mittelalters, pflegte seine und seines Hauses Memoria sehr bewusst und programmatisch in dieser Tradition – und ließ sich durch künstlerische Werke als Repräsentant ritterlicher Tugenden inszenieren.46 In der Moderne hat man hieraus die Zuschreibung als „letzter Ritter“ abgeleitet.47 Insbesondere die beiden von ihm bis 1517 in Auftrag gegebenen „autobiographischen“ Erzählungen vom „weißen König“ (Weißkunig) und vom Ritter Theuerdank (Thewrdanck) changieren zwischen mittelalterlicher Heldenepik mit deren klassischen Motiven und Topoi und einer idealisierten Selbstbeschreibung, die nicht nur Heldentaten, sondern auch die Brautfahrt zu Maria von Burgund im Theuerdank einschließt. Vor allem in ihrer Text-Bild-Verbindung sind sie eindrucksvolle Zeugnisse aufwendig gestalteter Buchkunst. Während der Theuerdank bereits 1517 gedruckt wurde, blieb der Weißkunig unvollendet und wurde erstmals 1775 gedruckt. Beide Werke belegen einen geradezu einzigartigen mäzenatischen Willen des Auftraggebers zur Selbststilisierung zwischen höfischer Tradition und technischer Innovation. Als erster Kaiser des Reiches ließ sich Maximilian in allen 45 Pohl/Vocelka, Habsburger (wie Anm. 24), S. 86. Vgl. Alexander Kagerer, Macht und Medien um 1500. Selbstinszenierungen und Legitimationsstrategien von Habsburgern und Fuggern (Deutsche Literatur. Studien und Quellen 23), Berlin/Boston 2017. 46 Kaiser Maximilian I. Der letzte Ritter und das höfische Turnier, hg. von Sabine Haag/ Alfried Wieczorek/Matthias Pfaffenbichler/Hans-Jürgen Buderer, Berlin 2014. 47 Joachim Ehlers, Die Ritter. Geschichte und Kultur (C. H. Beck Wissen 2392), München 2006, S. 95.

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zeitgemäßen künstlerischen Formaten portraitieren.48 Auffällig ist dabei die Sorgfalt, die er auf die Unterscheidung der abgebildeten Insignien seiner Königsherrschaft von der Wahl 1486 bis zum Tod des Vaters 1493 sowie seiner Kaiserherrschaft zunächst faktisch nach 1493 und sodann nach der förmlichen Proklamation 1508 verwendete. Er vollzog seinen persönlichen Aufstieg wie denjenigen des Hauses Habsburg symbolisch und expressiv nach.49 Zugleich kann darin ein Zeichen begründeter Vorsicht gesehen werden, denn Maximilian blieb sich bewusst, dass solcher Aufstieg immer auch auf Konkurrenzansprüche, sogar auf Widerstand stoßen konnte. Schwierigkeiten und Rückschläge hatten Maximilians Entwicklung von Beginn an mitgeprägt und die persönliche, monatelange Gefangenschaft nach einem Aufstand in Brügge, auf dem Boden der eigenen, burgundischen Herrschaft, war nicht vergessen.50 Ein eindrucksvolles Zeugnis für die Herausforderungen, denen sich der Herrscher über unterschiedliche europäische Regionen auch nach innen ausgesetzt sah, sind die dreisprachigen lateinisch-tschechisch-deutschen Glossare, die schon von Ladislaus Postumus und wieder von Maximilian überliefert sind.51 Persönlicher fürstlicher Glanz, höfische Pracht und ebenso ritterliche Tugend und Tapferkeit prägten seine Inszenierung.52 Die Darstellung als ritterlicher Fürst lag im Trend der Zeit. Bekanntlich sind die prächtigsten Ritterrüstungen damals entstanden und noch heute unversehrt in Museen zu bewundern, weil sie ausschließlich bei höfischen Festakten und feierlichen Turnieren zum Einsatz kamen, nicht mehr im kriegerischen Kampf.53 Durch die intensive Verbindung der habsburgischen mit den in ihrer Prachtentfaltung singulären burgundischen ­Formen der Hofkultur wurde Maximilians Hof zu einem Zentrum des

48 Friedrich Polleross, Tradition und Innovation. Kaiser Maximilian I. im Portrait, in: Kaiser Maximilian I. und die Kunst der Dürerzeit, hg. von Eva Michel/Maria Luise Sternath, München/London/New York 2013, S. 101–115. Vgl. Maximilians Welt. Kaiser Maximilian I. im Spannungsfeld zwischen Innovation und Tradition, hg. von Johannes Helmrath/Ursula Kocher/Andrea Sieber (Berliner Mittelalter- und Frühneuzeitforschung 22), Göttingen 2018. 49 Ebenda, S. 104–107, S. 108–113. 50 Zum Kontext mit dem burgundisch-österreichischen Streit um Burgund nach 1477: Stephan Vajda, Felix Austria. Eine Geschichte Österreichs, Wien/Heidelberg 1980, S. 200. 51 Oskar Pausch, Imperator – Kaiser – Cyesars. Die dreisprachigen Vokabulare für Ladislaus Postumus und Maximilian I. (Österreichische Akademie der Wissenschaften, Phil.-hist. Klasse Denkschriften 321; Veröffentlichungen der Kommission für Schriftund Buchwesen des Mittelalters IV,3), Wien 2004. 52 Wilson, Heart of Europe (wie Anm. 37), S. 299. 53 Kaiser Maximilian I. (wie Anm. 48), exemplarisch S. 326–331 (Katalogteil) zur ritterlichen Ausrüstung Maximilians.

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Kulturtransfers.54 Neben den bildkünstlerischen Formen der Selbstinszenierung in dichterischen Werken und Text-Bild-Wiedergaben ephemerer Architektur (Ehrenpforten, Triumphzüge) sowie baulicher Aufträge bediente er sich auch der sorgsam ausgearbeiteten historischen Rekonstruktion und fiktiven Konstruktion dynastischer Genealogie, um Alter, Legitimität und Rang seines Hauses symbolisch sichtbar zu präsentieren.55 Bernd Schneidmüller sah 2006 in Maximilian einen „Meister der Propaganda“.56 Die Förderung und Anregung volkssprachlicher wie auch lateinischer, humanistischer Schriften ließ am Hof Maximilians eine künstlerische, sogar gelehrte Kultur entstehen, die Jan-Dirk Müller 2009 als „Hybridisierung“ zwischen Wissenswelt und höfischer Welt charakterisiert hat.57 Sie galt sogar für das Interesse Maximilians an klassischen, gelehrten Texten zur Kriegführung, deren Lektüre er seinem vitalen Interesse an moderner Waffen- und Kriegstechnik (und deren erfolgreicher Anwendung) unterlegte. Joachim ­Ehlers beschrieb Maximilian 2006 als einen gelehrten Feldherrn, darin eher in burgundischer als in habsburgischer Tradition stehend.58 In diesen Zusammenhängen ging Maximilian von Beginn an eigene Wege und konnte nicht an die kulturellen Traditionen am Hof seines Vaters anknüpfen. In der detaillierten Planung der Grabmalsgestaltung, gerade auch für das Begräbnis und die Memoria der eigenen Person, drückte sich ein über den Tod hinausreichender Gestaltungswille aus, der sich schon bei Friedrich III. gezeigt hatte.59 54 Beate Kellner, Formen des Kulturtransfers am Hof Kaiser Maximilians I. Muster genealogischer Herrschaftslegitimation, in: Kulturtransfer am Königshof. Höfische Austauschprozesse und ihre Medien im Zeitalter Kaiser Maximilians I., hg. von Matthias Müller/Karl-Heinz Spiess/Udo Friedrich (Studien zur Residenzkultur 9), Berlin 2013, S. 52–103. 55 Zum Gründungsmythos der Habsburger vgl. Monika Schausten, „Herrschaft braucht Herkunft“: Biographie, Ätiologie und Allegorie in Johanns von Würzburg Wilhelm von Österreich, in: Präsenz des Mythos. Konfigurationen einer Denkform in Mittelalter und Früher Neuzeit, hg. von Udo Friedrich/Bruno Quast (Trends in medieval philology 2), Berlin/New York 2004, S. 155–175. Vgl. auch Werner Telesko, Geschichtsraum Österreich. Die Habsburger und ihre Geschichte in der bildenden Kunst des 19. Jahrhunderts, Wien/Köln/Weimar 2006. 56 Schneidmüller, Kaiser (wie Anm. 30), S. 115. 57 Jan-Dirk Müller, Maximilian und die Hybridisierung frühneuzeitlicher Hofkultur. Zum Ludus Diane und der Rhapsodie des Konrad Celtis, in: Kaiser Maximilian I. (1459–1519) und die Hofkultur seiner Zeit, hg. von Sieglinde Hartmann/Freimut Löser (Jahrbuch der Oswald von Wolkenstein-Gesellschaft 17), Wiesbaden 2009, S. 3–21. 58 Ehlers, Ritter (wie Anm. 47), S. 95. 59 Zu Friedrich III.: Rudolf J. Meyer, Königs- und Kaiserbegräbnisse im Spätmittelalter. Von Rudolf von Habsburg bis zu Friedrich III. (Forschungen zur Kaiser- und Papstgeschichte des Mittelalters. Beihefte zu J. F. Böhmer, Regesta Imperii 19), Köln/Weimar/ Wien 2000, S. 175–195; Schneidmüller, Kaiser (wie Anm. 30), S. 114.

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„Kaiser, Künstler, Kämpfer“, so ist eine Biographie von 2002 untertitelt und eine Studie von 2013 sieht Maximilian in der Rezeption seiner künstlerischen und mäzenatischen Ambitionen als Figur eines Imperator perpetuus.60 War das herrschaftspolitisch wie militärisch mitunter glücklose Kaisertum Maximilians also vor allem durch umsichtige Vertragsdiplomatie und Heiratspolitik sowie künstlerischen Selbstausdruck geprägt? Bis heute auffällig ist, wie offenbar reibungslos das Haus Habsburg nicht nur Formen des burgundischen Hofes aufnahm, sondern sich selbst in dieses Formenrepertoire hineinfügte. Dass man sich damit Traditionen der burgundischen Linie des Hauses Valois aneignete, dessen in Frankreich regierende Linie der erklärte politische Gegner Habsburgs war, schien nicht zu stören. Karl Vocelka stellte 2010 fest, die Habsburger hätten mit Burgund ein prosperierendes Land erworben, „dessen Kultur die Geschichte der Familie Habsburg stark beeinflusste“.61 Auch die funktionalen Verfahren, womit die burgundischen Herzöge ihre Herrschaft effektiv und zukunftsweisend organisiert hatten, nutzte Maximilian, häufig sogar unter für die Zeitgenossen auffälliger persönlicher Teilnahme an der Kanzleitätigkeit.62 Das vielleicht deutlichste Zeugnis solcher Aufnahmebereitschaft war die Übertragung des Ordens von Goldenen Vlies. 1430 von Herzog Philipp dem Guten von Burgund gestiftet, entstand daraus der exklusivste Hoforden des europäischen Spätmittelalters. Mit der burgundischen Hochzeit 1477 ging das Amt des Großmeisters, das zuvor Herzog Karl der Kühne bekleidet hatte, auf Maximilian I. über. Die Habsburger inventarisierten die Besitzstände des Ordens und führten dessen Formen und Traditionen ansonsten unverändert weiter.63 Im Folgenden ­repräsentierten sie sich auch durch die Insignien des Ordens, vor allem die aufwendige Ordenskette mit dem hängenden, goldenen Widderfell, dem Goldenen Vlies. Die Insignien finden sich heute, wie die Reichsinsignien auch, in der weltlichen Schatzkammer der Wiener Hofburg. Bis heute ist ein Habsburger sogenannter Souverän und Großmeister des Ordens, aktuell der 1961 geborene Enkel des letzten österreichischen Kaisers, der nach österreichischem Recht den Namen „Karl HabsburgLothringen“ führt. 60 Sigrid-Maria Grössing, Maximilian I. Kaiser, Künstler, Kämpfer, Wien 2002; Werner Telesko, Imperator perpetuus? Zur Rezeption Kaiser Maximilians I. vom 18. bis zum frühen 20. Jahrhundert, in: Kaiser Maximilian I. (wie Anm. 48), S. 116–127. 61 Vocelka, Die Familien (wie Anm. 26), S. 22. 62 Pohl/Vocelka, Habsburger (wie Anm. 24), S. 87 f. 63 Hierzu künftig: David Ganz, Stellvertretung durch bildtragende Gewänder, in: Stellvertretung im Mittelalter. Konzepte, Personen und Zeichen im interkulturellen Vergleich, hg. von Claudia Zey (Vorträge und Forschungen), Ostfildern [in Druckvorbereitung].

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Habsburgisches Kaisertum im Widerspruch II: die Leistung der langen Dauer Die europaweite Heiratspolitik, die internationale Vernetzung und die Vorbereitung für die globale Weitung in der Perspektive der Dynastie können durchaus dem Handeln Maximilians I. zugerechnet werden. Allerdings agierte er auf der internationalen Bühne nicht immer glücklich und hatte seine größten bleibenden Erfolge nach Einschätzung der Forschung auf dem Feld der erbländischen Verwaltungsreformen.64 Hierbei ist dann allerdings auch ein tendenziell utopisches Element mitzudenken, das sich etwa in der bis heute umstrittenen Erwägung Maximilians von 1510/11 ausdrückte, sich im Konflikt mit der Kurie und in Abstimmung mit Frankreich selbst als Papst nominieren zu lassen.65 Eine solche Deutung ist methodisch riskant, weil sie die sozioökonomischen wie innen- und außenpolitischen Gegebenheiten, Entwicklungen und Herausforderungen der Zeit nur als Kontexte des Herrscherhandelns aufnimmt. Dass eine Phase wirtschaftlichen Aufschwungs ab dem frühen 16. Jahrhundert einer vorangehenden Schwächephase folgte, hatte für die politischen Handlungsspielräume auch der Herrschaft zweifellos erhebliche Konsequenzen.66 In den folgenden Ausführungen soll dieser Deutungszugriff dennoch gewagt werden, weil im Zentrum die Frage nach dem Aufstieg der Dynastie und der Bedeutung der Kaiserwürde dafür stehen. Die Personalisierung des methodischen Zugriffs geschieht hier im Bewusstsein der damit versuchten selektiven Konzentration und exemplarischen Erfassung eines weiten Themenfeldes. Sie bleibt zudem auf die Personen der Fürsten und ihrer Dynastien beschränkt und erfasst nicht deren Umgebung, Hofparteien, Räte und diplomatisches Personal, die im Rahmen einer dominant personal organisierten Herrschaft bei umfassendem Zugriff einzubeziehen wären. Diese Fokussierung vorausgesetzt, ist Friedrichs III. politisches Handeln eher durch administrative und finanzielle Stärkung der eigenen Erbländer, auch die Konsolidierung der Machtverhältnisse im Reich und insgesamt eine realistische und nachhaltige Politik gekennzeichnet. Seine im Ganzen erfolgreiche Politik war allerdings, anders als später bei Maximilian, wenig von kaiserlicher Inszenierung geprägt. 64 Niederstätter, Geschichte Österreichs (wie Anm. 38), S. 99. 65 Aloys Schulte, Kaiser Maximilian I. als Kandidat für den päpstlichen Stuhl 1511, Leipzig 1906, bes. S. 71 f.: http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schulte1906 (Zugriff 18.11.2018). Dazu künftig Franz-Reiner Erkens, Kaiser und Papst als Stellvertreter Gottes, in: Stellvertretung (wie Anm. 63). 66 Ich danke Prof. Dr. Gerhard Fouquet (Kiel) für weiterführende Hinweise auf den Einbezug der wirtschaftlichen Entwicklungen.

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Bereits unter den Zeitgenossen und so auch in der späteren Historiographie galt das Ansehen Friedrichs eher wenig: Als des „Heiligen Reiches Erzschlafmütze“ (vitricus imperii) wurde er noch zu Lebzeiten und bis in die ältere Forschung verschrien und seiner Konzentration auf die Interessen der habsburgischen Territorien und Erblande wegen kritisiert.67 Dass er während seiner langen Regentschaftszeit nur neun Jahre außerhalb seiner Erblande verbrachte und von 1444 bis 1471 diese 27 Jahre lang fast gar nicht verließ, wurde ihm als Vorwurf der Absenz im Reich entgegengehalten. Ähnlich ist schon gegen die Luxemburger, Karl IV. und vor allem seine Söhne Sigmund und Wenzel, argumentiert worden.68 Bereits in der älteren Forschung gibt es aber Stimmen, die Friedrich III. mit mehr Sympathie begegneten. Alphons Lhotsky stellte fest, der Kaiser habe trotz seiner wenig kreativen Politik „doch nichts Wesentliches verdorben“ und Hermann Wiesflecker resümierte, er sei „unablässig tätig [gewesen]; nicht ohne große Ziele, auch nicht ohne Unternehmungslust, doch niemals waghalsig und auf das Mögliche vorsichtig bedacht; ungewöhnlich klug und weise, pflegte er lange zu prüfen, bevor er handelte“.69 Das Widersprüchliche mag zu seiner Persönlichkeit und seinem Handeln gehört haben, es zeigt sich aber vor allem in der jeweils interessengeleiteten Beurteilung schon durch Zeitgenossen wie auch durch spätere Beobachter. Rätselhaft an Friedrich III. bleibt vieles und stellvertretend dafür steht zweifellos seine Neigung zu Astrologie und Geheimwissen. Als Erfinder von Chiffrierungen hat er seinem berühmten Signet AEIOU, das er auf zahlreichen Gebäuden, seinem Tafelgeschirr und an anderen Stellen anbringen ließ, ein bis heute ungelöstes Geheimnis eingeschrieben. Es ist als Symbol für einen imperialen Anspruch seines Hauses gedeutet worden („Austria erit in orbe ultima“ / „alles Erdreich ist Österreich untertan“), aber auch als satirischer Kommentar zu seiner Politik („aller erst ist Österreich verloren“).70 67 Vgl. zu den literarischen Kritikern und Verteidigern Friedrichs III.: Reinhard Rudolf Heinisch, Das Bild Kaiser Friedrichs III. in der Frühen Neuzeit, in: Kaiser Friedrich III. in seiner Zeit. Studien anläßlich des 500. Todestages am 19. August 1493/1993, hg. von Paul-Joachim Heinig, Köln/Weimar/Wien 1993, S. 503–515; Zum forschungsgeschichtlichen Hintergrund auch: Paul-Joachim Heinig, Friedrich III. 1493–1993. Statt eines Vorworts, in: ebenda, S. 7–22; Dazu bereits Brigitte Haller, Kaiser Friedrich III. im Urteil der Zeitgenossen, Wien 1965; Von einer angeblichen Belanglosigkeit der Königsherrschaft Friedrichs III. zu sprechen, wie es Heinz Thomas tun wollte, ist hingegen keinesfalls angezeigt. Dazu Pohl/Vocelka, Habsburger (wie Anm. 24), S. 68. 68 Vgl. Michael Kotulla, Deutsche Verfassungsgeschichte. Vom Alten Reich bis Weimar (1495–1934), Berlin/Heidelberg 2008, S. 13. 69 Zitiert nach Pohl/Vocelka, Habsburger (wie Anm. 24), S. 81. 70 Zitiert nach ebenda, S. 84.

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Die umfassende prosopographische und institutionengeschichtliche Erschließung des Hofes Friedrichs III. durch Paul-Joachim Heinig von 1997 und aktuell die Edition und Regestierung seiner umfangreichen Hinterlassenschaft an Urkunden und Briefen erlaubt heute eine begründet differenzierte Sicht auf den Kaiser.71 Auf der aktuellen Website der Arbeitsstelle zu den Regesten Friedrichs III. bei der Mainzer Akademie der Wissenschaften findet sich daher heute das Bekenntnis: „Friedrich III. war nicht „des Heiligen Römischen Reiches Erzschlafmütze“.72 Lange schwankte das Bild Friedrichs in der Historiographie zwischen der erwähnten Geringschätzung und der Anerkennung einer klugen Diplomatie, friedfertigen Politik und Förderung der höfischen Kultur. Auch wegen seiner Leistungen bei der Konsolidierung der Dynastie und ihrer Besitzungen, nach Aufspaltungen in den vorausgegangenen Jahrzehnten, wird Friedrich III. heute das Verdienst eines entschlossenen, situativ aber an den jeweils erreichbaren Möglichkeiten ausgerichteten Handelns zugestanden.73 „Legt man statt subjektiv belasteter und vager Persönlichkeitsstudie die objektiven Tatbestände zugrunde, erkennt man, daß die Außenwirkung Friedrichs III. und seines Hofes erheblich größer war als bisher angenommen“.74 Exemplarisch lassen sich hierfür die Jahre 1473 und 1477 gegenüberstellen: Es war Kaiser Friedrich, der den hochfahrenden Karl von Burgund und dessen drängendes Verlangen nach einer Königskrone in die Schranken wies.75 Die Einzelheiten sind unklar, aber man wird voraussetzen dürfen, dass dem Kaiser die Unmöglichkeit bewusst war, dem Verlangen des Burgunders zu entsprechen, das auf der Seite der Reichsfürsten einhellig auf Ablehnung stieß. Er durchschaute Karls listiges Angebot, die Verleihung eines neu zu schaffenden Königreichs Burgund und Friesland als Lehen des Kaisers und nicht des Reiches durchzuführen.76 71 Paul-Joachim Heinig, Kaiser Friedrich III. Hof, Regierung und Politik, Bd. 1–3 (Forschungen zur Kaiser- und Papstgeschichte des Mittelalters, Beihefte zu J. F. Böhmer, Regesta Imperii 17/1–3), Köln/Weimar/Wien 1997; Vgl. auch Herrscher- und Fürstentestamente im westeuropäischen Mittelalter, hg. von Brigitte Kasten (Norm und Struktur 29), Köln/Weimar/Wien 2008, mit diversen Angaben zu den Habsburgern. 72 http://www.regesta-imperii.de/unternehmen/abteilungen/xiii-friedrich-iii.html [Zugriff 21.03.2018]; Heinig, Kaiser Friedrich III., S. 12 f. 73 Vgl. Karl Vocelka, Österreichische Geschichte (C. H. Beck Wissen 2369), 3. Aufl. München 2010, S. 20. 74 Heinig, Kaiser Friedrich III. (wie Anm. 72), S. 1320. 75 Heribert Müller, Der Griff nach der Krone. Karl der Kühne zwischen Frankreich und dem Reich, in: Karl der Kühne von Burgund. Fürst zwischen Europäischem Adel und der Eidgenossenschaft, hg. von Klaus Oschema/Rainer C. Schwinges, Zürich 2010, S. 153–169; Schneidmüller, Kaiser (wie Anm. 30), S. 113. 76 Karl Schellhass, Zur Trierer Zusammenkunft im Jahre 1473 [mit der Edition eines zeitgenössischen Briefes aus den Beständen des Frankfurter Stadtarchivs]: https://de.wikisource.org/wiki/Zur_Trierer_Zusammenkunft_im_Jahre_1473 [Zugriff 21.03.2018].

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Darauf einzugehen, hätte die kaiserliche Stellung im Reich und damit die Interessen des Hauses Habsburg dramatisch beschädigt. Dass Friedrich die Gespräche mit Karl ergebnislos abbrach und diskret (oder: heimlich) den Ort verließ, kann man ihm als Schwäche auslegen. Man kann es aber auch als pragmatische Entscheidung für die einzig mögliche Lösung in der verfahrenen Situation verstehen. Friedrich scheute sich nicht vor einem glanzlosen Verhalten, wenn er damit sein politisches Ziel erreichte. Gleichzeitig führte er geheime Gespräche über eine Eheverbindung der Häuser Habsburg und Burgund weiter, die nach dem unerwarteten Schlachtentod Karls des Kühnen vier Jahre später die Voraussetzung für die „burgundische Hochzeit“ Maximilians bildeten.77 Schon lange zuvor war der pragmatische Grundzug seiner Politik aufgefallen. Nur ein Jahr nach Friedrichs Königskrönung, 1453, ging Konstantinopel unter dem osmanischen Ansturm unter und das alte oströmisch-byzantinische Kaiserreich war unwiederbringlich verloren. Friedrich gehörte zu jenen Fürsten des Westens, denen der Aufwand für einen Entsatz der Verteidiger Konstantinopels zu groß und zu riskant erschien: „[…] von Kaiser Friedrich III. war keine wirkliche Hilfe zu erhoffen“, wie Bernd Schneidmüller 2011 resümierte.78 Erst spät wurde Friedrich III. als „planvoller Politiker und verdienter Herrscher“ gewürdigt.79 Solche Würdigung gilt vor allem seiner Regentschaft des Reiches als König und Kaiser. Sie lässt sich unter dem von Peter Moraw für die Reichsgeschichte vorgeschlagenen Modell der „gestalteten Verdichtung“ diskutieren.80 Dabei zeigt sich das Verdienst Friedrichs, unter Rückgriff auf eine Stärkung der kaiserlichen Position und der dynastischen Legitimation in der Reichsverfassung als politischer Ordnung eine neue Entwicklungsdynamik anzustoßen. Diese Initiative war überfällig, aber nicht hinreichend, weil die Konzentration des Reiches auf den Hof des Herrschers nicht mehr den Realitäten entsprach. Zwei Jahre nach Friedrichs Tod, 1495, markierte der Reichstag zu Worms eine Institutionalisierung des Verfassungs-

77 Niederstätter, Geschichte Österreichs (wie Anm. 38), S. 97, führt aus, dass Karl der Kühne noch vor der für ihn tödlich endenden Schlacht bei Nancy 1477 erklärt hatte, im Falle seines Todes die Ehe seiner Tochter Maria mit dem Habsburger Maximilian möglichst umgehend zu realisieren. Karl beabsichtigte damit offenbar, den französischen Ansprüchen auf sein Erbe zuvorzukommen. 78 Schneidmüller, Grenzerfahrung (wie Anm.  31), S.  190; Vgl. Pohl/Vocelka, Habsburger (wie Anm. 24), zur Enttäuschung der Städte angesichts der Politik Friedrichs III.: „Gegen fürstliche Bedrückung, ritterliche Fehde, marodierende Söldnerhaufen konnte man vom Kaiser keine Hilfe erwarten“. 79 Folker Reichert, Gelehrtes Leben. Karl Hampe, das Mittelalter und die Geschichte der Deutschen, Göttingen 2009, S. 217. 80 Heinig, Friedrich III. (wie Anm. 72), S. 15–17.

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dualismus zwischen dem Kaiser einerseits, den Ständen des Reiches andererseits, die sich zunehmend als dessen eigenständige Repräsentanten zur Geltung brachten.81 In einer umfangreichen Studie von 2015 beschreibt Christian Heinemeyer unter den Kennworten „Governance“ und „politische Netzwerke“ exemplarisch die Reichspolitik Friedrichs III. in der Kommunikation mit den Reichsfürsten unter den vielfältigen, nach situativem und pragmatischem Handeln verlangenden Herausforderungen der Jahre zwischen 1470 und 1475.82 Wie schon die aufsehenerregende Trierer Begegnung mit Karl dem Kühnen 1473, so ist auch die regelmäßige Reichspolitik Friedrichs III. durch einen klugen, bedarfsorientierten Pragmatismus gekennzeichnet, wie er schon den Kaisern aus dem Haus Luxemburg zugeschrieben wurde. Erstmals hat Heinrich Koller seine 2005 erschienene Biographie Friedrichs ausdrücklich unter diesem Ansatz konzipiert.83 Stimmen, die mit Friedrich III. (und nicht erst mit Maximilian I. oder Karl V.) „Habsburgs europäischen Durchbruch“ gegeben sehen, bleiben hingegen in der Minderheit.84 Die Jahre zwischen 1470 und 1475 markierten gleichzeitig jene Phase äußerer Bedrohung des Reiches, die zur Ausformung einer neuen politischen Identität und zur Ergänzung des Reichsnamens um den Zusatz „deutscher Nation“ führte.85 Friedrichs III. Politik war Teil der vielfältigen Umstrukturierung der Verhältnisse und gab ihr wirksame Impulse, aber die Innovationen in der Zeit gingen über ihn und sein Verständnis von monarchischer Autorität und personaler Herrschaft ebenso hinweg wie später die Neuprägungen der konfessionellen Ausdifferenzierung über seinen Urenkel, Karl V.86 81 Ebenda, S. 16 f.; Barbara Stollberg-Rilinger, Das Heilige Römische Reich Deutscher Nation. Vom Ende des Mittelalters bis 1806 (C. H. Beck Wissen 2399), München 2006, S. 41, spricht von einem strukturellen Spannungsverhältnis. 82 Christian Heinemeyer, Zwischen Reich und Region im Spätmittelalter. Governance und politische Netzwerke um Kaiser Friedrich III. und Kurfürst Albrecht Achilles von Brandenburg (Historische Forschungen 108), Berlin 2016; Schneidmüller, Kaiser (wie Anm. 30), S. 112 f. 83 Koller, Friedrich III. (wie Anm. 28), Vorwort. 84 Vgl. Bernd Rill, Friedrich III. Habsburgs europäischer Durchbruch, Graz/Wien/Köln 1987. 85 Schneidmüller, Grenzerfahrung (wie Anm. 31), S. 79. 86 Vgl. Schneidmüller, Kaiser (wie Anm. 30), S. 114. Eine Einordnung der hier vorgetragenen Befunde in die Diskussion über Erfolg und Scheitern der Habsburger oder eine strukturelle Überforderung ihres dynastischen Herrschaftskonzepts soll hier nicht erfolgen. Vgl. künftig Martin Kintzinger, The two Crowns of the King. Composite Monarchies as a methodical challenge of historical research on Late Medieval Europe and Sigismund´s of Luxemburg reign in German and Hungarian kingdoms, in: Ruling Composite Monarchies: Sigismund of Luxemburg (1368–1437), hg. von Suzana Miljan/Alexandra Kaar/Christopher Nicholson.

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Der Widerspruch zwischen herrscherlicher Leistung und persönlicher Kritik verbindet Friedrich III. mit dem Luxemburger Karl IV. Als Vater Böhmens und Stiefvater des Reiches war Karl gescholten worden und hatte es doch vermocht, gerade auch über die konzentrierte Stärkung seiner Dynastie und seines Königreichs Böhmen, eine bemerkenswerte Konsolidierungspolitik im römisch-deutschen Reich zu bewirken und heute als einer der bedeutendsten Kaiser des späteren Mittelalters zu gelten. Karl hatte immerhin eine Herrschaftsdauer von 32 Jahren (von 1346 bis 1378) als römisch-deutscher König und Kaiser vorzuweisen. Friedrichs III. Regierungszeit im Reich dauerte allerdings noch erheblich länger, insgesamt 53 Jahre (von 1440 bis 1493). Er war der am längsten amtierende aller mittelalterlichen Regenten des Reiches. Auch wenn die bloße Dauer kein Verdienst ist, so bot sie doch Gelegenheit zu wirksamem Handeln. Zu einer utilitaristisch erfolgsorientierten Machtpolitik, wie manche in seiner Zeit sie zum Maßstab herrscherlichen Handelns zu nehmen begannen, konnte sich Friedrich offenbar nicht verstehen.87 Auch eine Außenpolitik jenseits diplomatischer Vernetzungen durch Heiratsstrategien, ohne höfische Einbindung und vor allem ohne Bezug auf die Interessen des Hauses Habsburg, fand nur in Einzelfällen, dann allerdings bedacht und pragmatisch, die Aufmerksamkeit des Kaisers.88 Dennoch greift es zu kurz, Friedrich III. (analog zu dem Luxemburger Karl IV.) eine Begünstigung seiner Erblande auf Kosten des Reiches vorzuhalten. Vielmehr versuchte er (insoweit in der Tradition Rudolfs I.) mit ernsthaftem Bemühen, beide Interessenfelder zum Ausgleich zu bringen – und die lange Dauer seiner Regierungszeit dafür zu nutzen.89 * Ferdinand I., der 1531 zum römisch-deutschen König erhobene Urenkel Friedrich III., 1558 nach dem Rücktritt seines Bruders Karls V. zum Kaiser proklamiert, wird von seinem Biographen Alfred Kohler 2003 als „Fürst, König und Kaiser“ tituliert.90 Wie bereits erwähnt, war er nur durch die Kurfürsten zum Kaiser ausgerufen und nicht mehr

87 Vgl. Heinig, Kaiser Friedrich III. (wie Anm. 72), S. 1325. 88 Ebenda, S. 1323, S. 1327, S. 1335. 89 Vgl. Heinig, Kaiser Friedrich III., S. 1345: „Gleichwohl hat Friedrichs III. Kombination aus einem neuen, römisch-rechtlich geprägten Majestätsverständnis und dynastischem Selbstbewußtsein zu einer Neufundierung der Herrschergewalt geführt und damit entscheidend dazu beigetragen, die Reichsverfassung aus ihrer Statik herauszutreiben. Die geplanten und die zufälligen dynastischen Erfolge dieses Habsburgers gaben der römisch-deutschen Zentralgewalt ein neues Fundament“. 90 Alfred Kohler, Ferdinand I. 1503–1564. Fürst, König und Kaiser, München 2003.

Das habsburgische Kaisertum im Spätmittelalter

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durch einen Repräsentanten der Papstkirche gekrönt worden. Damit ist eine Zäsur in der Geschichte (nicht nur) des habsburgischen Kaisertums im Reich verbunden. Ob man Ferdinand dennoch ohne ­weiteres als Kaiser ansprechen kann, mag dahingestellt bleiben. Das „habsburgische Kaisertum im Spätmittelalter“, wie es mit Friedrich III. nach langer Vorgeschichte realisiert und zugleich zu seiner letzten Ausprägung geführt werden konnte, führte mit und seit Maximilian I. in die beginnende Moderne. Eine pragmatische Verbindung von Dynastie- und Reichspolitik – durchaus in dieser Reihenfolge – wird am ehesten als dasjenige Erbe der Habsburger zu sehen sein, das der beispiellosen Karriere der Dynastie in der Spätphase des Alten Reiches und noch über dessen Ende hinaus bis in die Moderne als historische Grundlage gedient hat.

Julia Burkhardt

Ostmitteleuropa als politische Region: Österreich, Ungarn und Böhmen im 15. Jahrhundert Eine Glocke überbrachte die Todesnachricht. Am Nachmittag des 23. November 1457 verstarb Ladislaus „Postumus“ (1440–1457), König von Böhmen und Ungarn sowie Herzog von Österreich, mit gerade einmal 17 Jahren in Prag. Sein Tod kam für die Zeitgenossen vollkommen unerwartet: zu jung war dieser König, zu kurz erst eigenständiger Herrscher über seine Reiche. Wohl auch deshalb ertönte bei der Begräbniszeremonie und dem Trauerzug durch Prag von allen Seiten trauervolles Jammern und Wehklagen.1 Die Wucht dieser kollektiven Bestürzung inspirierte zahlreiche Beobachter zu einer poetischen Beschreibung des Geschehens – so auch in einem Lied, das etwa ein Jahr nach Ladislaus’ Tod entstand. In dessen Mittelpunkt steht jedoch nicht das Weinen der Prager Bürger, sondern der Klang einer Kirchenglocke: Nu höret, was man sagt und singt von ainer glocken, die do klingt, si ist gar weit erschallen in Ungern in Behaim in Oesterreich in Merhern über alle.2 Die Glocke vereint alle von Ladislaus beherrschten Gebiete – Böhmen, Mähren, Ungarn und Österreich – in ihrer Trauer und erschafft so eine eigene Öffentlichkeit, gewissermaßen eine regionale Kollektivtrauer.3 1 Marie Bláhová, Die königlichen Begräbniszeremonien im spätmittelalterlichen Böhmen, in: Der Tod des Mächtigen. Kult und Kultur des Todes spätmittelalterlicher Herrscher, hg. von Lothar Kolmer, Paderborn 1997, S. 89–112, hier S. 104–106. 2 Gedicht Nr. 106 b (König Laslas Tod), in: Die historischen Volkslieder der Deutschen vom 13. bis 16. Jahrhundert, hg. von Rochus von Liliencron, Band 1, Leipzig 1865, S. 492–496, hier S. 493. 3 Christoph Fasbender, „Ach durch got vernempt die klag.“ Der Tod des Ladislaus Postumus, Königs von Ungarn und Böhmen, als mediales Ereignis, in: Daphnis 39, 2010, S. 375–390. Siehe zur Wirkmacht polemischer Dichtung in Ostmitteleuropa und ihrer

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Das Lied informiert auch noch über die zweite Art, mit der die Zeitgenossen auf den Tod des Königs reagierten – mit Spekulationen über die Todesursachen nämlich: Also kom er umb sein leben: der Gersick und sein Frau haben im vergeben.4 Demnach sollte nicht eine Krankheit den Tod des Königs versursacht haben, sondern ein hinterlistiger Giftanschlag des böhmischen Reichsverwesers Georg von Podiebrad (1420–1471) und seiner Ehefrau Johanna von Rosental (gest. 1475).5 Natürlich verbreitete sich diese Verschwörungstheorie unter Anhängern wie Gegnern wie ein Lauffeuer, in ­Erzählungen, Liedern, Gedichten und sogar Predigten. Mit ihrem ­Vorwurf des Königsmordes durch einen hohen Reichsrepräsentanten barg sie in ganz Mitteleuropa eine immense Sprengkraft für das alltägliche Miteinander. In Wien beispielsweise sah sich deshalb der Stadtrat dazu genötigt, jedwede üble Nachrede dieser Art unter hohe Strafen zu stellen.6 Die Giftmordhypothese entbehrt allerdings jeder Grundlage – Ladislaus starb höchstwahrscheinlich an der Pest. Dennoch reiht sie sich nahtlos in die Liste der dramatischen Attribuierungen ein, mit denen die Geschichte Ostmitteleuropas im 15. Jahrhundert gerne versehen wird. Giftmord, Kronraub, Ketzertum, Kindesentführung oder Landesverrat – das spätmittelalterliche Böhmen, Österreich und Ungarn bieten aufgrund der beachtlichen Dichte an wegweisenden politischen Ereignissen und außergewöhnlichen Herrscherpersönlichkeiten ausreichend Stoff für emphatische Darstellungen. Die damit verbundenen Kriege, Intrigen und Scharmützel lassen zunächst vielleicht nicht unmittelbar an die im Titel versprochene „politische Region“ denken.7

Kommentierungsfunktion zum Zeitgeschehen Thomas Haye, Poetische Briefe aus der Unterwelt: Zwei posthume Invektiven gegen Georg Podiebrad, Johann Rokycana und die Prager Utraquisten, in: Wiener Studien 119, 2006, S. 247–260. 4 Gedicht Nr. 106 b (wie Anm. 2), S. 496. 5 Zu Podiebrad und seiner Familie siehe Herbert Eckelt, Der Aufstieg der Familie Podiebrad und die Erhebung des Glatzer Landes zur Grafschaft 1459/62, in: Jahrbuch der Schlesischen Friedrich-Wilhelms-Universität zu Breslau 26, 1985, S. 293–298 sowie die Beiträge in: Poděbradové: rod cˇeskomoravských pánG, kladských hrabat a slezských knížat, hg. von Ondřej Felcman/Radek Fukala (Edice Šlechtické rody Čech, Moravy a Slezska 6), Praha 2008. 6 Ferdinand Opll, Nachrichten aus dem mittelalterlichen Wien: Zeitgenossen berichten, Wien 1996, S. 158–159. 7 Zu Ostmitteleuropa als Region siehe Jeno” Szu”cs, The Three Historical Regions of Europe. An outline, in: Acta Historica Academiae Scientiarum Hungaricae 29, 1983, S. 131–184 sowie Julia Burkhardt, Negotiating realms: political representation in late

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Und auch die Frage nach der Etablierung einer „habsburgischen Weltmacht“ um 1500, wie sie dieser Band aufwirft, erweist sich für Ostmitteleuropa nicht als selbstverständlich – zumindest, wenn man etwa 100 Jahre zurückblickt: Noch um 1400 herrschten im Reich wie auch in Böhmen und Ungarn die Luxemburger und betrieben ihre eigene „Welt-“ oder vielmehr „Europapolitik“.8 Die Habsburger dagegen saßen als Herzöge in den österreichischen Ländern, waren in Familien­ streitigkeiten verstrickt oder führten veritable Auseinandersetzungen mit dem Reichsoberhaupt (wie beispielsweise Herzog Friedrich IV., über den im Rahmen des Konstanzer Konzils 1415 sogar die Reichsacht verhängt worden war, nachdem er offen den Konzilspapst Johannes XXIII. unterstützt hatte).9 In diesem Beitrag werde ich deshalb nachzeichnen, auf welchen (bisweilen verschlungenen) Wegen eine habsburgische Vormachtstellung in Ostmitteleuropa etabliert werden konnte. Gleichzeitig möchte ich eruieren, inwiefern für Ostmitteleuropa von einer „politischen Region“ zu sprechen ist und was diese auszeichnete. Ohne die in Aussicht gestellten filmreifen Settings geht das natürlich nicht – aber auch nicht ohne die vielschichtigen und häufig komplexen Verbindungen zwischen den einzelnen Ländern. Dazu werden unterschiedliche Handlungsebenen – wie z. B. dynastische, wirtschaftliche oder religiöse Verbindungen sowie ständische und städtische Identitäten – und ihr Ineinandergreifen zu berücksichtigen sein. Die wohl augenscheinlichste Handlungsebene ist die der Herrscher und ihrer Dynastien. Hier sind zunächst die alteingesessenen Familien der Luxemburger und Habsburger mit ihren prominenten Vertretern

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medieval Poland, Hungary, and the Holy Roman Empire, in: Medieval East Central Europe in a Comparative Perspective: From Frontier Zones to Lands in Focus, hg. von Katalin Szende/Gerhard Jaritz, London 2016, S. 62–77. Siehe für einen Überblick Jörg K. Hoensch, Die Luxemburger. Eine spätmittelalterliche Dynastie gesamteuropäischer Bedeutung 1308–1437 (Urban-Taschenbücher 407), Stuttgart/Berlin/Köln 2000 sowie Heilige, Helden, Wüteriche: Herrschaftsstile der Luxemburger (1308–1437), hg. von Martin Bauch/Julia Burkhardt/Tomáš Gaudek/ Václav Žuº rek (Forschungen zur Kaiser- und Papstgeschichte des Mittelalters. Beihefte zu J. F. Böhmer, Regesta Imperii 41), Köln/Weimar/Wien 2017. Für einen Überblick siehe Karl-Friedrich Krieger, Die Habsburger im Mittelalter. Von Rudolf I. bis Friedrich III. (Urban-Taschenbücher 452), 2. Aufl. Stuttgart 2004; HeinzDieter Heimann, Die Habsburger. Dynastie und Kaiserreiche (Beck‘sche Reihe 2154), 4. Aufl. München 2009 sowie Alois Niederstätter, Das Jahrhundert der Mitte. An der Wende vom Mittelalter zur Neuzeit (Österreichische Geschichte 2: Vom Spätmittelalter bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts 1400–1522), Wien 2004. Zum Konflikt zwischen König Sigismund und Friedrich IV. siehe Heinrich Koller, Kaiser Siegmunds Kampf gegen Herzog Friedrich IV. von Österreich, in: Studia Luxemburgensia. Festschrift Heinz Stoob zum 70. Geburtstag, hg. von Friedrich Bernward Fahlbusch/Peter Johanek (Studien zu den Luxemburgern und ihrer Zeit 3), 1989, S. 313–352.

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­ igismund (1368–1437)10, seiner Tochter Elisabeth (1409–1442)11 und ihrem S Mann Albrecht II. (1397–1439)12 sowie dessen habsburgischen Verwandten Friedrich III. (1415–1493)13 oder Maximilian I. (1459–1519)14 zu nennen. Gleichzeitig griffen mit Georg von Podiebrad in Böhmen15 und Matthias „Corvinus“ Hunyadi (1443–1490) in Ungarn16 dynastische „Neulinge“ in das politische Geschehen ein – ein Umstand, der die Herrschaftsberechtigung „klassischer“ Dynastien in Frage stellte und zu einer wiederholten Verhandlung von Recht und Eignung zur Herrschaft führte. 10 Siehe aus der Fülle der Literatur Martin Kintzinger, Sigmund (1410/11–1437). Mit Jobst von Mähren (1410–1411), in: Die deutschen Herrscher des Mittelalters. Historische Portraits von Heinrich I. bis Maximilian I. (919–1519), hg. von Bernd Schneidmüller/Stefan Weinfurter, 2. Aufl. München 2018, S.  462–485; Jörg K. Hoensch, Kaiser Sigismund: Herrscher an der Schwelle zur Neuzeit 1368–1437, München 1996 sowie Kaiser Sigismund (1368–1437). Zur Herrschaftspraxis eines europäischen Monarchen, hg. von Karel Hruza/Alexandra Kaar (Forschungen zur Kaiser- und Papstgeschichte des Mittelalters. Beihefte zu J. F. Böhmer, Regesta Imperii 31), Köln/Weimar/Wien 2012. 11 Julia Burkhardt, Das Erbe der Frauen: Elisabeth von Luxemburg und Elisabeth von Habsburg, in: Heilige, Helden, Wüteriche. Herrschaftsstile der Luxemburger (1308– 1437), hg. von Martin Bauch/Julia Burkhardt/Tomásˇ Gaudek/Václav Žuº rek (Forschungen zur Kaiser- und Papstgeschichte des Mittelalters. Beihefte zu J. F. Böhmer, Regesta Imperii 41), Köln/Weimar/Wien 2017, S. 261–284. 12 Paul-Joachim Heinig, Albrecht II. (1438–1439), in: Die deutschen Herrscher des Mittelalters. Historische Portraits von Heinrich I. bis Maximilian I. (919–1519), hg. von Bernd Schneidmüller/Stefan Weinfurter, 2. Aufl. München 2018, S. 486–494 sowie Günther Hödl, Albrecht II. Königtum, Reichsregierung und Reichsreform 1438–1439 (Forschungen zur Kaiser- und Papstgeschichte des Mittelalters 3), Wien/Köln/Graz 1978. 13 Aus der reichhaltigen Literatur siehe Paul-Joachim Heinig, Friedrich III. (1440–1493), in: Die deutschen Herrscher des Mittelalters. Historische Portraits von Heinrich I. bis Maximilian I. (919–1519), hg. von Bernd Schneidmüller/Stefan Weinfurter, 2. Aufl. München 2018, S. 495–516 sowie Paul-Joachim Heinig, Friedrich III. (1440–1493). Hof, Regierung und Politik. 3 Bde. (Forschungen zur Kaiser- und Papstgeschichte des Mittelalters. Beihefte zu J. F. Böhmer, Regesta Imperii 17), Köln/Weimar/Wien 1997. 14 Siehe aus der Fülle der Literatur: Christina Lutter, Maximilian I. (1486–1519), in: Die deutschen Herrscher des Mittelalters. Historische Portraits von Heinrich I. bis Maximilian I. (919–1519), hg. von Bernd Schneidmüller/Stefan Weinfurter, 2. Aufl. München 2018, S. 518–544; Manfred Hollegger, Maximilian I. (1459–1519). Herrscher und Mensch einer Zeitenwende (Urban-Taschenbücher 442), Stuttgart 2005; Hermann Wiesflecker, Kaiser Maximilian I. Das Reich, Österreich und Europa an der Wende zur Neuzeit, 5 Bde., München 1971–1986. 15 Siehe Uwe Tresp, Ein Aufsteiger als König von Böhmen. Von der Ablehnung zur Anerkennung: Georg von Podiebrad und die Fürstentreffen am Beginn seiner Königsherrschaft 1459–62, in: Potestas 5, 2012, S. 133–153 sowie Ivan Hlavácˇ ek, Beiträge zur Erforschung der Beziehungen Friedrichs III. zu Böhmen bis zum Tode Georgs von Podiebrad (1471), in: Kaiser Friedrich III. in seiner Zeit. Studien anläßlich des 500. Todestags am 19. August 1493/1993, hg. von Paul Joachim Heinig (Forschungen zur Kaiserund Papstgeschichte des Mittelalters. Beihefte zu J. F. Böhmer, Regesta Imperii 12), Köln/Weimar/Wien 1993, S. 279–298. 16 Für einen Überblick siehe Jörg K. Hoensch, Matthias Corvinus. Diplomat, Feldherr und Mäzen, Graz/Wien/Köln 1998 sowie Matthias Corvinus, the King. Tradition and renewal in the Hungarian Royal Court, 1458–1490. Exhibition catalogue, Budapest History Museum, 19 March 2008–30 June 2008, hg. von Péter Farbaky/Enikö Spekner/ Katalin Szende/András Végh, Budapest 2008.

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Natürlich war auch das Königtum der „Etablierten“ nicht unumstritten: Sigismund von Luxemburg etwa erlangte erst durch die Ehe mit Maria von Anjou 1387 die ungarische Krone und sah sich in den Anfangsjahren seines Königtums mit der Kritik adeliger Gremien konfrontiert, die aus ihrem Recht zur Wahl des Königs auch ein Recht auf dessen Kontrolle ableiteten. Letztlich gelang es Sigismund durch eine pragmatische Lösung, die Akzeptanz seiner Herrschaft zu sichern: Er überließ die Regierungsverantwortung in den langen ­Zeiten seiner Abwesenheit seiner Ehefrau und einem adeligen Regierungsrat, was allerdings zugleich die weitere Ausformung des ständischen Handlungsbewusstseins beförderte.17 Als sein Bruder Wenzel (1361–1419) 1419 starb, beanspruchte Sigismund, der seit 1410/11 auch König im Heiligen Römischen Reich war, außerdem die böhmische Königskrone.18 Böhmen erwies sich als weitaus schwierigerer Fall, was in einem weiteren Handlungsfeld der Region, den religiösen Strukturen, begründet war: Rund um den berühmten Theologen und Reformer Johannes Hus hatte sich in Böhmen seit etwa 1400 eine gesellschaftliche Bewegung formiert, die theologische Reformforderungen mit Impulsen für soziale Veränderungen verband.19 Was als innerböhmische ­Angelegenheit begonnen hatte, wurde bald zu einer grundsätzlichen Herausforderung für die katholische Lehre und für katholische Institutionen. Von Kaiser, Papst und Konzil als Ketzer gebrandmarkt, wurden die Reformer Johannes Hus (1415) und Hieronymus von Prag (1416) deshalb auf dem Konstanzer Konzil verurteilt und hingerichtet. In der Folgezeit kam es in Böhmen zum offenen Bruch zwischen Katholiken und Hussiten, der in einen jahrzehntelangen und zerstörerischen

17 Julia Burkhardt, Frictions and Fictions of Community. Structures and Representations of Power in Central Europe, c. 1350–1500, in: The Medieval History Journal 19/2, 2016, S.  191–228; Julia Burkhardt, Ein Königreich im Wandel: Ungarn um 1400, in: Biuletyn Polskiej Misji Historycznej/Bulletin der Polnischen Historischen Mission 11, 2016, S. 407–437. 18 Ivan Hlavácˇ ek, Zu den Spannungen zwischen Sigismund von Luxemburg und Wenzel IV., in: Sigismund von Luxemburg. Kaiser und König in Mitteleuropa 1387–1437. Beiträge zur Herrschaft Kaiser Sigismunds und der europäischen Geschichte um 1400. Vorträge der internationalen Tagung in Budapest vom 8.–11. Juli 1987 anläßlich der 600. Wiederkehr seiner Thronbesteigung in Ungarn und seines 550. Todestages, hg. von Josef Macek/Erno” Marosi/Ferdinand Seibt (Studien zu den Luxemburgern und ihrer Zeit 5), Warendorf 1994, S. 45–52. 19 Einen aktuellen Überblick geben Pavel Soukup, Jan Hus (Urban-Taschenbücher 737), Stuttgart 2014 sowie A Companion to Jan Hus, hg. von František Šmahel in Zusammenarbeit mit Ota Pavlícˇ ek (Brill’s Companions to the Christian Tradition 54), Leiden 2015. Siehe außerdem die klassische Studie von František Šmahel, Die hussitische Revolution, 3 Bände (Schriften der Monumenta Germaniae Historica 43), Hannover 2002.

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­ ürgerkrieg mündete. Auf die wirtschaftlichen Verbindungen der ReB gion hatte dies folgenschwere Auswirkungen: Längst hatten sich zwischen Krakau, Nürnberg, Prag, Wien und Buda wichtige Handelsnetzwerke etabliert, die durch die schweren Kriegshandlungen nun erheblich behindert wurden.20 Obwohl Sigismund 1420 im schwer umkämpften Prag seine Krönung zum König von Böhmen durchsetzte, erkannten große Teile der Bevölkerung ihn nicht als rechtmäßigen Herrscher an. Bis in die 1430er Jahre führte der König gemeinsam mit Herzog Albrecht von Österreich einen als „Kreuzzug“ deklarierten Krieg gegen die Hussiten.21 Mit der Dauer des Krieges nahmen aber auch Friedensverhandlungen zu. Eine grundlegende Einigung zwischen dem Basler Konzil und der gemäßigten Fraktion der Hussiten gelang 1434 mit den „Basler Kompaktaten“; als zwei Jahre später auch Sigismund diese Einigung unterzeichnete und in Iglau verkünden ließ, war damit faktisch auch seine Anerkennung als böhmischer König verbunden.22 Das vorläufige Ende der Kriegshandlungen bedeutete jedoch keine Einebnung der religiösen Konfliktlinien. Davon berichtete auch der kastilische Gesandte Pero Tafur (ca. 1410–1490), der 1438 Böhmen, Mähren und Österreich bereiste: „Die Stadt Prag ist eine sehr alte und hervorragende Stadt; sie ist auch sehr wohlhabend, wiewohl sie heruntergekommen ist, seitdem die Böhmen sich der Ketzerei ergeben haben. Es 20 Siehe Miloslav Polívka, Die Handelsbeziehungen zwischen Nürnberg und den böhmischen Ländern während der hussitischen Revolution (1419–1434), in: Die hussitische Revolution. Religiöse, politische und regionale Aspekte, hg. von Franz Machilek (Forschungen und Quellen zur Kirchen- und Kulturgeschichte Ostdeutschlands 44), Köln/ Weimar/Wien 2012, S.  163–180; Alexandra Kaar, Neue Mittel der Kriegsführung? König/Kaiser Sigismund und das Handelsverbot gegen die Hussiten in Böhmen, in: Kaiser Sigismund (1368–1437). Zur Herrschaftspraxis eines europäischen Monarchen, hg. von Karel Hruza/Alexandra Kaar (Forschungen zur Kaiser- und Papstgeschichte des Mittelalters. Beihefte zu J. F. Böhmer, Regesta Imperii 31), Köln/Weimar/Wien 2012, S. 223–242; Thomas Krzenck, Die Hussitenkriege, Sachsen und Leipzig, in: Stadt und Krieg. Leipzig in militärischen Konflikten vom Mittelalter bis ins 20. Jahrhundert, hg. von Ulrich von Hehl (Quellen und Forschungen zur Geschichte der Stadt Leipzig 8), Leipzig 2014, S. 51–70. 21 Für einen Überblick siehe Thomas A. Fudge, The crusade against heretics in Bohemia, 1418–1437: sources and documents for the Hussite crusades (Crusade texts in translation 9), Aldershot 2002. Siehe außerdem Birgit Studt, Zwischen Kurfürsten, Kurie und Konzil: Die Hussitenpolitik König Sigismunds, in: Sigismundus von Luxemburg. Ein Kaiser in Europa. Tagungsband des internationalen historischen und kunsthistorischen Kongresses in Luxemburg, 8.–10. Juni 2005, hg. von Michel Pauly/François Reinert, Mainz 2006, S. 113–125. 22 Winfried Eberhard, Der Weg zur Koexistenz. Kaiser Sigmund und das Ende der hussitischen Revolution, in: Bohemia 33, 1992, S. 1–43. Siehe außerdem die Beiträge in: Jihlava a basilejská kompaktáta. 26.–28. červen 1991, sborník příspěvků z mezinárodního sympozia k 555. výročí přijetí Basilejských kompaktát, hg. von Zdeněk Jaroš, Jihlava 1993.

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schien mir nicht, dass ihre Lehre schon ausgerottet sei.“23 Für die Menschen bedeuten die instabilen Zeiten konkrete Zukunftsängste.24 So testierte Anna, die Ehefrau eines Prokop von Olšany, im Dezember 1428, sie sei zwar nicht „körperlich krank, [fürchte sich jedoch] in diesen kriegerischen und unsicheren Zeiten“ und verfasse deshalb ihr Testament.25 Beredtes Zeugnis von dem alltäglichen Ringen zwischen zwei Glaubensauslegungen geben Eingaben an die apostolische Pönitentiarie. 1456 gestand ein gewisser Jaroslav, er habe seine Cousine Margarethe trotz des Wissens um den engen Verwandtschaftsgrad geheiratet, um diese aus den Fängen der Hussiten zu befreien; fürsorglich befürchte er für den Fall der erforderlichen Scheidung nun ihren „Rückfall“. Nikolaus von Gehtutner berichtete 1474, er sei in Prag mit zwei weiteren Männern in hussitische Gefangenschaft geraten, wo ihn eine Hussitin folgendermaßen erpresst habe: „Entweder du heiratest mich, oder du wirst enthauptet.“26 Nicht zufällig scheint hier übrigens ein besonderer Zusammenhang zwischen Frauen und der Förderung der hussitischen Reformen auf. Immer wieder wurde in den zeitgenössischen Quellen nämlich eine gewisse Reformaffinität böhmischer Frauen – von der 23 Karl Stehlin/Rudolf Thommen, Aus der Reisebeschreibung des Pero Tafur, 1438 und 1439, in: Basler Zeitschrift für Geschichte und Altertumskunde 25, 1926, S. 45–107, hier S. 87. Siehe auch S. 97: „Wir brachen von Breslau auf, gelangten unter großer Mühsal und Gefahr an die Grenze von Böhmen und betraten die Markgrafschaft Mähren, welche demselben Kaiser Albert gehört […]. Es waren da viele zerstörte und verbrannte Ortschaften, welche die Böhmen verwüstet hatten.“ Zu Tafurs Böhmen-Reise siehe Jaroslav Svátek, „Je to bezesporu trápení cestovat touto zemi v takové zime.“ Andaluský rytír Pero Tafur v Cechách, ve Slezsku a na Morave (1438–1439), in: Studia Mediaevalia Bohemica 6, 2014, S. 275–288. 24 Thomas Krzenck, Die Hussitenkriege und das alltägliche Leben in böhmischen Städten, in: In memoriam Josefa Macka (1922–1991), hg. von Miloslav Polívka/František Šmahel, Praha 1996, S. 161–174. 25 Böhmische Bürgertestamente des 15. Jahrhunderts, hg. von Thomas Krzenck (Quellen zur Geschichte und Landeskunde Ostmitteleuropas 9), Marburg 2017, hier S. 10. Siehe außerdem Thomas Krzenck, Gottesfürchtig und um das Wohl der Familie besorgt. Stadtbürgerinnen in ihren Testamenten des hussitischen Zeitalters, in: Geist, Gesellschaft, Kirche im 13.–16. Jahrhundert. Internationales Kolloquium, Prag, 5.–10. Oktober 1998, hg. von František Šmahel (Colloquia mediaevalia Pragensia 1), Praha 1999, S. 145–168. 26 Lucie Doležalová, „But if you marry me.“ Reflections of the Hussite movement in the penitentiary (1438–1483), in: The long arm of papal authority: late medieval Christian peripheries and their communication with the Holy See, hg. von Gerhard Jaritz/Torstein Jørgensen/Kirsi Salonen (Medium aevum quotidianum. Sonderband 14 / CEU medievalia 8), Krems 2004, S. 113–125, Zitate S. 123 (verum dictus Jaroslaus matrimonium consumavit, ut prefatam Margaritham, que per prius secte Hussitarum erat, a dicta heresi traheret; et si divortium fieret inter eos, gravia scandala verisimiliter exoriri possent ac dicta Margaritha ad sectam hereticam rediret.) und S. 124 (Nisi ducas me in uxorem etiam decapitaveris, et si me ducere vis ac matrimonium mecum contrahere intendis, te ab huiusmodi periculo vite liberabo). S. dazu auch Arnold Esch, Wahre Geschichten aus dem Mittelalter. Kleine Schicksale selbst erzählt in Schreiben an den Papst, München 2010, S. 183–187.

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Königin bis zur einfachen Bauersfrau – beschrieben, so auch von dem bereits zitierten Reisenden Pero Tafur: „Besonders sind die Weiber für die sogenannte Gemeinschaft, ich glaube, weil das ihrer Begierde entspricht, so hörte ich wenigstens sagen.“ Die Gegner der Reformbewegung wiederum verwendeten solche Verbindungen für satirische und polemische Verunglimpfungen der Hus-Befürworterinnen.27 Durch weitaus weniger Zwang und umso größeren Weitblick zeichnete sich dagegen die luxemburgische Heiratspolitik aus. Bereits 1411 verlobte Sigismund seine damals zweijährige Tochter Elisabeth (die sein einziges Kind bleiben sollte) mit Albrecht von Habsburg; 1422 heiratete das Paar in Wien.28 Damit schuf Sigismund einen Doppelanspruch auf die Königreiche Ostmitteleuropas, denn Elisabeth sollte als Alleinerbin die Nachfolge in Böhmen, Mähren und Ungarn antreten und dort gemeinsam mit Albrecht herrschen.29 Im Gegensatz zu seinem Schwiegervater war Albrecht jedoch keine lange Regentschaft beschieden: Er starb schon im November 1439 an den Folgen der Ruhr. Mit seinem Tod endete auch die von Sigismund begründete dreifache Personalunion über Böhmen, Ungarn und das römisch-deutsche Reich. Während 1440 Friedrich von Habsburg zum

27 Karl Stehlin/Rudolf Thommen, Aus der Reisebeschreibung (wie Anm. 23), S. 87–88. Zu Frauen in der Hussitenzeit siehe John Martin Klassen, Warring maidens, captive wives, and Hussite queens. Women and men at war and peace in fifteenth century Bohemia, New York 1999. Zur zeitgenössischen Satire siehe beispielsweise Alfred Thomas, „Die Wyclifsche“. Frauen in der Hussitenbewegung, in: Schriften im Umkreis mitteleuropäischer Universitäten um 1400. Lateinische und volkssprachige Texte aus Prag, Wien und Heidelberg. Unterschiede, Gemeinsamkeiten, Wechselbeziehungen, hg. von Fritz Peter Knapp/Jürgen Miethke/Manuela Niesner (Education and society in the Middle Ages and Renaissance 20), Leiden 2004, S. 251–267. 28 Für einen Überblick siehe Amalie Fössel, Die Heiratspolitik der Luxemburger, in: Rom 1312: Die Kaiserkrönung Heinrichs VII. und die Folgen. Die Luxemburger als Herrscherdynastie von gesamteuropäischer Bedeutung, hg. von Sabine Penth/Peter Thorau (Forschungen zur Kaiser- und Papstgeschichte des Mittelalters. Beihefte zu J. F. Böhmer, Regesta Imperii 40), Köln/Weimar/Wien 2016, S. 427–444 sowie Heinz-Dieter Heimann, Herrscherfamilie und Herrschaftspraxis. Sigismund, Barbara, Albrecht und die Gestalt der luxemburgisch-habsburgischen Erbverbrüderung, in: Sigismund von Luxemburg. Kaiser und König in Mitteleuropa 1387–1437. Beiträge zur Herrschaft Kaiser Sigismunds und der europäischen Geschichte um 1400. Vorträge der internationalen Tagung in Budapest vom 8.–11. Juli 1987 anläßlich der 600. Wiederkehr seiner Thronbesteigung in Ungarn und seines 550. Todestages, hg. von Josef Macek/Erno˝ Marosi/Ferdinand Seibt (Studien zu den Luxemburgern und ihrer Zeit 5), Warendorf 1994, S. 53–66. 29 Ausführlich dazu Burkhardt, Das Erbe der Frauen (wie Anm. 11) sowie Petr Elbel/ Stanislav Bárta/Wolfram Ziegler, Die Heirat zwischen Elisabeth von Luxemburg und Herzog Albrecht V. von Österreich. Rechtliche, finanzielle und machtpolitische Zusammenhänge (mit einem Quellenanhang), in: Manželství v pozdním středovĕku: Rituály a obyčeje, hg. von Paweł Kras/Martin Nodl (Colloquia medievalia Pragiensia 14), Praha 2014, S. 79–152.

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römisch-deutschen König gewählt wurde und fortan als Friedrich III. herrschte,30 überschlugen sich in Böhmen und Ungarn die Ereignisse. Kurz nach der Wahl Friedrichs III. brachte Albrechts Ehefrau Elisabeth nämlich ihren Sohn Ladislaus zur Welt, der den Beinamen „Postumus“, also der Nachgeborene, erhielt. Gemäß der testamentarischen Verfügung des verstorbenen Königs wurde Friedrich III., ein Großcousin Albrechts, zum Vormund bestimmt.31 Um dessen Herrschaft im Namen eines Kindskönigs oder gar in eigenem Namen abzuwenden, formierten sich sowohl in Böhmen als auch in Ungarn Adelsparteien. In Böhmen einigte sich Friedrich III. schon 1443 vorläufig mit den Ständen auf eine Ausübung der Vormundschaft für Ladislaus als rechtmäßigen böhmischen König; wohl auch weil sein Einfluss im Königreich gering gewesen war, wurde 1452 zusätzlich Georg von Podiebrad zum Reichsverweser bestellt. In Ungarn entstand eine ganz eigene Dynamik. Im März 1440 ließ Elisabeth ihren vier Wochen alten Sohn in Stuhlweißenburg (Székesfehérvár) mit der ungarischen Stephanskrone krönen, die ihre Kammerfrau Helene Kottannerin in einer abenteuerlichen Nacht-und-Nebelaktion aus der Plintenburg (Visegrád) über die gefrorene Donau entwendet hatte.32 Wenig später wurde auf Betreiben einiger ungarischer Adeliger außerdem der polnische König Władysław  III. (1424–1444)

30 Andreas Büttner, Der Weg zur Krone. Rituale der Herrschererhebung im spätmittelalterlichen Reich, 2 Bände (Mittelalter-Forschungen 35), Ostfildern 2012, hier: Band 2, S. 521–562. 31 Ausführlich hierzu: Eberhard Holtz, Kaiser Friedrich III. (1440–1493) und die Länder der böhmischen Krone (Böhmen, Mähren, Schlesien), in: Jahrbuch für die Geschichte Mittel- und Ostdeutschlands 59, 2014, S. 23–58. Siehe außerdem Ivan Hlaváček, Beiträge zur Erforschung (wie Anm. 15). 32 Die Episode findet sich in: Die Denkwürdigkeiten der Helene Kottannerin (1439–1440), hg. von Karl Mollay (Wiener Neudrucke 2), Wien 1971. Siehe zu diesem beachtlichen Text Heike Sahm, Lizenz zum Stehlen. Helene Kottanners Denkwürdigkeiten (um 1450), in: Euphorion 104, 2010, S. 295–316. Aus der reichhaltigen Forschung zum „Kronraub“ siehe Andreas Rüther, Königsmacher und Kammerfrau im weiblichen Blick: Der Kampf um die ungarische Krone (1439/40) in der Wahrnehmung von Helene Kottanner, in: Fürstin und Fürst. Familienbeziehungen und Handlungsmöglichkeiten von hochadeligen Frauen im Mittelalter, hg. von Jörg Rogge (Mittelalter-Forschungen 15), Ostfildern 2004, S. 225–246; Dorothee Rippmann, Königsschicksal in Frauenhand. Der „Kronraub“ von Visegrád im Brennpunkt von Frauenpolitik und ungarischer Reichspolitik, in: Lesarten der Geschichte. Ländliche Ordnungen und Geschlechterverhältnisse. Festschrift für Heide Wunder zum 65. Geburtstag, hg. von Jens Flemming/Pauline Puppel/Werner Trossbach/Christina Vanja/Ortrud Wörner-Heil (Kasseler Semesterbücher – Studia Cassellana 14), Kassel 2004, S. 377–401; Horst Wenzel, Zwei Frauen rauben eine Krone. Die denkwürdigen Erfahrungen der Helene Kottannerin (1439–1440) am Hof der Königin Elisabeth von Ungarn (1409–1442), in: Der Körper der Königin. Geschlecht und Herrschaft in der höfischen Welt, hg. von Regina Schulte (Campus Historische Studien 31), Frankfurt 2002, S. 27–48.

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gekrönt, von dem man sich einen besseren Schutz gegen die heran­ rückenden Osmanen versprach. Zu einer eindeutigen Einigung kam es allerdings während der folgenden vier Jahre, bis Władysław III. 1444 in der Schlacht bei Varna verstarb, nicht. Stattdessen gab es zwei Könige, die auf Krönungen, Insignien und eine Teilanerkennung verweisen konnten.33 Gleichsam zum lachenden Dritten avancierte in dieser Auseinandersetzung die ungarische Reichsversammlung, die in wegweisenden Dekreten ihre eigene Bedeutung für das politische Ordnungsgefüge dauerhaft zu untermauern vermochte: „Die Krönung eines Königs hängt immer vom Willen der Landesbewohner ab, und die Kraft und Wirksamkeit der Krone erfordert ihre Zustimmung“, heißt es beispielsweise in einer 1440 erlassenen Verlautbarung, die außerdem die idoneitas zum Kriterium für Königsherrschaft erhebt.34 Gleichzeitig wurde auch dynastischen Ansprüchen ein erhebliches Gewicht beigemessen – vermutlich auch deshalb setzte man nach 1444 keinen weiteren „Gegen-König“ ein, sondern wählte mit der Bestellung des siebenbürgischen Feldherren János Hunyadi zum Reichsverweser im Jahr 1446 eine Zwischenlösung bis zur Volljährigkeit des Königs.35 Zusätzlich kompliziert wurde die ohnehin schon verworrene Lage dadurch, dass sich Ladislaus seit Oktober 1440 in Wien in der strikten Obhut seines Vormundes Friedrich befand, der für diese Haltung und seine Politik in Österreich vehement von städtischen und adeligen

33 Siehe zum Kontext Julia Dücker, Una gens, unum regnum, unus populus? „Grenzüberschreitende“ Politik im spätmittelalterlichen Polen und Ungarn, in: Faktum und Konstrukt. Politische Grenzziehungen im Mittelalter: Verdichtung – Symbolisierung – Reflexion, hg. von Nils Bock/Georg Jostkleigrewe/Bastian Walter (Symbolische Kommunikation und gesellschaftliche Wertesysteme 35), Münster 2011, S. 237–257 sowie János M. Bak, Ein – gescheiterter – Versuch Ungarn zum Ständestaat zu verwandeln, in: Ecclesia, Cultura, Potestas. Studia z dziejów kultury i społeczen’ stwa. Ksie˛ga ofiarowana Siostrze Profesor Urszuli Borkowskiej OSU, hg. von Paweł Kras/Agnieszka Januszek, Kraków 2007, S. 451–463. 34 […] considerantes etiam potissime, quod semper regum coronatio a regnicolarum voluntate dependet et efficacia et virtus corone in ipsorum approbatione consistit. Urkunde der ungarischen Stände, erlassen anlässlich der Krönung Władysławs am 14. Juli 1440, datiert auf den 17. Juli 1440. Abgedruckt als Anhang Nr. 9, in: János M. Bak, Königtum und Stände in Ungarn im 14.–16. Jahrhundert (Quellen und Studien zur Geschichte des Östlichen Europa 6), Wiesbaden 1973, S. 141–143, Zitat S. 142. Siehe dazu auch Julia Burkhardt, Frictions and Fictions (wie Anm. 17) sowie János M. Bak, “Good King Polish Ladislas …”: History and Memory of the Short Reign of Władisław Warnen’ czyk in Hungary, in: János M. Bak, Studying Medieval Rulers and Their Subjects: Central Europe and Beyond, hg. von Balázs Nagy/Gábor Klaniczay (Variorum Collected Studies Series 956), Farnham 2010, Nr. XV, S. 176–183, S. 278–281. 35 János M. Bak, Königtum und Stände (wie Anm. 34), S. 39–53. Siehe außerdem die Beiträge in: Extincta est lucerna orbis: John Hunyadi and his Time. In memoriam Zsigmond Jako, hg. von Ana Dumitran/Lorand Máldy/Alexandru Simon (Mélanges d‘Histoire Générale. Nouvelle Série), Cluj-Napoca 2009.

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Vertretern kritisiert wurde. Als 1451 von Herren, Rittern und Städtevertretern der sogenannte „Mailberger Bund“ gegründet wurde, institutionalisierte sich die innerösterreichische Opposition gegen Friedrich.36 Programmatisch erhoben die „Bündischen“ die vorzeitige Entlassung des Ladislaus Postumus aus der Vormundschaft zu ihrer Kernforderung. Als Friedrich III. sein Mündel 1452 kurzerhand mit zu seiner Kaiserkrönung nach Rom nahm und somit konkurrierenden Einflüssen in Österreich entzog, eskalierte die Lage: Nach seiner Rückkehr belagerte ein Heer der Mailberger den Kaiser in Wiener Neustadt und erzwang so die Durchsetzung der Bundesforderungen.37 Sowohl in Böhmen als auch in Ungarn wurde der knapp zwölfjährige Ladislaus als Herrscher anerkannt – allerdings gebunden an die Bestellung von Reichsverwesern durch die jeweiligen Ständeversammlungen: Georg Podiebrad in Böhmen und János Hunyadi in Ungarn. Hier offenbart sich eine strukturelle Gemeinsamkeit im Ordnungsgefüge der drei Reiche: die Beanspruchung und Ausübung von Herrschaft waren ganz wesentlich von dem Votum ständischer Versammlungen abhängig. In ihrem Rahmen wurde nicht einfach Opposition „gegen“ den Fürsten oder König gemacht, sondern eine eigenständige Politik für das jeweilige Land; bisweilen verhandelten sogar zwei Ständeversammlungen ohne die jeweiligen Herrscher untereinander. Ihre programmatischen Regierungsansprüche wurden von einer eigenen Terminologie flankiert, die dezidiert das Reich oder die Krone neben die Person des Herrschers stellte – so urkundeten beispielsweise die ungarischen Reichsversammlungen „als Repräsentanten des Reichs“ oder „im Namen der Krone“.38 Besonders in Phasen dynastischer Umbrüche wie bei Ladislaus‘ überraschendem Tod 1457 wurden die politischen Handlungsspielräume neu verhandelt. Da der erst siebzehnjährige König keinen Erben hinterlassen hatte, konnten drei Parteien die Nachfolge beanspruchen: Friedrich III. als Vormund des Verstorbenen sowie die Ehemänner von Ladislaus‘ Schwestern, König Kasimir IV. von Polen und 36 Karl Gutkas, Der Mailberger Bund von 1451. Studien zum Verhältnis von Landesfürst und Ständen um die Mitte des 15. Jahrhunderts, in: Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung 74, 1966, S. 51–94. 37 Gertrud Buttlar-Gerhartl, Die Belagerung des Ladislaus Postumus in Wiener Neustadt 1452 (Militärhistorische Schriftenreihe 57), Wien 1986. 38 Siehe hierfür mit zahlreichen Belegen János M. Bak, Königtum und Stände (wie Anm. 34), besonders S. 39–53 sowie Julia Burkhardt, Handeln und Verhandeln. Außenpolitische Dimensionen polnischer und ungarischer Reichsversammlungen im Spätmittelalter, in: Akteure mittelalterlicher Außenpolitik: Das Beispiel Ostmitteleuropas, hg. von Stephan Flemmig/Norbert Kersken (Tagungen zur Ostmitteleuropaforschung 35), Marburg 2017, S. 169–196.

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Herzog Wilhelm von Sachsen. In Böhmen wählte eine Adelsversammlung im März 1458 jedoch den bisherigen Reichsverweser Georg von Podiebrad zum König.39 Seine Wahl wurde in ganz Mitteleuropa zum Politikum – und zwar nicht nur, weil Podiebrads dynastische Berechtigung in Frage gestellt wurde, sondern auch, weil er als Anhänger der Hussiten galt. Eine Auseinandersetzung mit der päpstlichen Kurie war dadurch vorprogrammiert, und tatsächlich wurde Podiebrad 1464 von Papst Paul II. zum Ketzer erklärt und exkommuniziert.40 Für die Herrscher und Adeligen der Region war Podiebrad aber zugleich ein wichtiger Bündnispartner. In Ungarn war im Januar 1458 nämlich ähnlich unerwartet Matthias Hunyadi zum König gewählt worden, der Sohn des legendären „Türkenbezwingers“ und Reichsverwesers János Hunyadi. Diese Entscheidung war nicht unumstritten: Seit 1456 hatten sich Matthias und sein Bruder in böhmischer Gefangenschaft befunden, weil ihnen zum Vorwurf gemacht wurde, den Onkel des Ladislaus Postumus, Ulrich von Cilli, in Belgrad getötet zu haben.41 Matthias‘ Bruder war dafür 1457 von böhmischen und ungarischen Adeligen hingerichtet worden. Dass die politische Gemeinschaft Ungarns 1458 in mindestens zwei Lager – pro und contra Hunyadi – gespalten war, versteht sich also beinahe von selbst. Umso bemerkenswerter ist, wie Matthias letztlich auf den Thron gelangte: Seine Wahl war in erster Linie das Ergebnis der gezielten Verhandlungs- und Manipulationstaktik seiner Mutter Erzsébet Szilágyi und seines Onkels Mihály Szilágyi. Sie hatten vor der Wahl ein Abkommen mit der verfeindeten Familie der Gárai geschlossen und verstanden es, die erheblichen Friktionen der politischen Gemeinschaft zu nutzen – beim Wahltag sogar räumlich: Während sich nämlich auf dem Burgberg von Buda die gegen Hunyadi gerichteten Barone zusammenfanden, versammelten sich auf der anderen Seite der Donau in Pest zahlreiche Kleinadelige sowie rund 15.000 bewaffnete Unterstützer der Hunyadi-Partei, die lautstark Matthias‘ Wahl einforderten. Bedrohlich wurde die Situation für die Partei in Buda schließlich, als die Donau zufror und den Hunyadi-Befürwortern 39 Jaroslav Boubín, Ein König – zweierlei Volk. Zu den Reformbemühungen im Königreich Georgs von Podiebrad, in: Reform von Kirche und Reich zur Zeit der Konzilien von Konstanz (1414–1418) und Basel (1431–1449). Konstanz-Prager Historisches Kolloquium (11.–17. Oktober 1993), hg. von Ivan Hlavácˇek/Alexander Patschovsky, Konstanz 1996, S. 79–90. 40 Ausführlich dazu Magda Schusterová, Der Friedensvertrag Georgs von Podiebrad von 1464 vor dem Hintergrund der spätmittelalterlichen Vertragspraxis (Osnabrücker Schriften zur Rechtsgeschichte 17), Göttingen 2016, S. 41–84. 41 Johannes Grabmayer, Das Opfer war der Täter. Das Attentat von Belgrad 1456 – über Sterben und Tod Ulrichs II. von Cilli, in: Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung 111, 2003, S. 286–316.

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sprichwörtlich den Weg freigab. Bereits kurze Zeit später schlossen die zerstrittenen Barone bei einer gemeinsamen Messe öffentlich Frieden und erklärten den fünfzehnjährigen Matthias zum König.42 Unter Verweis auf eine dynastisch korrektere Thronfolge versammelte jedoch auch Miklós Újlaki, ein Habsburger Parteigänger, Unterstützer um sich. Im Februar 1459 wählten Újlaki und seine Gefolgsleute Friedrich III. zum ungarischen König, der ja nicht nur mit Ladislaus Postumus verwandt war, sondern überdies die ungarische Stephanskrone verwahrte. Erst nach zähen Verhandlungen gelang 1463 mit dem Vertrag von Wiener Neustadt eine Einigung, die vor allem für die Habsburger bedeutungsvoll sein sollte: Matthias Hunyadi erhielt die Stephanskrone und die Anerkennung als ungarischer König, billigte aber gleichzeitig für den Fall, dass er ohne Nachkommen bleiben würde, die habsburgische Erbfolge in Ungarn.43 Friedrich III. – Georg von Podiebrad – Matthias „Corvinus“ Hunyadi: diese außergewöhnliche Kombination dreier eigenwilliger Herrscher prägte die Geschichte Ostmitteleuropas bis 1469. In wechselnden Konstellationen konkurrierten sie und schlossen miteinander variabel Bündnisse – aufgrund oder trotz enger Familienverhältnisse. 1461 etwa hatte Matthias Hunyadi Katharina/Kunigunde, die Tochter Georgs von Podiebrad, geheiratet – was ihn nicht daran hinderte, 1465 (ein Jahr nach Katharinas/Kunigundes Tod) einen europäischen Kreuzzug gegen den böhmischen „Ketzer“ anzuführen.44 1462 wurde Georg von Podiebrad als Vormund für Friedrichs Sohn Maximilian in Erwägung gezogen, weil er den Kaiser aus der von Herzog Albrecht VI. von Österreich belagerten Wiener Burg gerettet hatte. Für Georg war dies kein Grund, eigene Avan42 Radu Lupescu, The election and coronation of King Matthias, in: Matthias Corvinus, the King. Tradition and renewal in the Hungarian Royal Court, 1458–1490. Exhibition catalogue, Budapest History Museum, 19 March 2008–30 June 2008, hg. von Péter Farbaky/Enikö Spekner/Katalin Szende/András Végh, Budapest 2008, S. 190–195. Zur Bedeutung und Topographie Budas siehe die Beiträge in: Medieval Buda in Context, hg. Balázs Nagy/Martyn C. Rady/Katalin G. Szende/András Vadas (Brill’s companions to European history 10), Leiden 2016. 43 Moritz Csáky, Der Vertrag von Ödenburg – Wiener Neustadt, in: Matthias Corvinus und die Renaissance in Ungarn 1458–1541. Ausstellung auf der Schallaburg vom 8. Mai bis 1. November 1982 (Katalog des Niederösterreichischen Landesmuseums, Neue Folge 118), Wien 1982, S.  261–262; Karl Nehring, Matthias Corvinus, Kaiser Friedrich III. und das Reich. Zum hunyadisch-habsburgischen Gegensatz im Donauraum (Südosteuropäische Arbeiten 72), München 1975. 44 Orsolya Réthelyi, King Matthias on the marriage market, in: Matthias Corvinus, the King. Tradition and renewal in the Hungarian Royal Court, 1458–1490. Exhibition catalogue, Budapest History Museum, 19 March 2008–30 June 2008, hg. von Péter Farbaky/Enikö Spekner/Katalin Szende/András Végh, Budapest 2008, S. 246–250. Die Ehevereinbarung wurde von den ungarischen Ständen konfirmiert, siehe den ­Heiratsvertrag als Nr. 318 und adelige Zusatzurkunde als Nr. 319 in: Hunyadiak Kora Magyarországon. Tizenegyedik Kötet, hg. von József Gróf Teleki, Pest 1855, S. 3–7.

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cen auf die römisch-deutsche Krone zurückzustellen.45 Und um seine Erbansprüche auf Ungarn zu untermauern, adoptierte schließlich der Kaiser 1463 Matthias Hunyadi – was nicht bedeutete, dass er in den folgenden Jahrzehnten nicht gegen seinen erwelten son erbittert Krieg führen konnte. Die Hand seiner Tochter Kunigunde verweigerte Friedrich III. dem Ungarn 1470 übrigens unter Verweis auf dessen niedere Herkunft – ein Uffgeruckter, ein Emporkömmling, kam für die Prinzessin nicht in Frage.46 In diesem explosiven Dreigespann isolierte sich der böhmische König Podiebrad jedoch zunehmend. Weder gelang es ihm, eigene Pläne für einen christlichen Fürstenvertrag umzusetzen (1462–1464),47 noch vermochte er sich den Protesten des „Grünberger Bundes“ zu widersetzen, der 1465 von Zdeneˇ k von Sternberg gegründet worden war und dem immer mehr katholische Adelige und Städte beitraten.48 Im folgenden Krieg gegen den „Ketzerkönig“ tat sich erneut Matthias Hunyadi hervor – und eroberte, weil ihm die Gelegenheit günstig erschien, gleich Schlesien und Mähren. 1469 und 1471 sorgte eine erneute Doppelwahl für die Einbindung einer weiteren regionalen Kraft und führte nach zahlreichen kriegerischen Auseinandersetzungen zu einer pragmatischen Konfliktlösung: Nachdem Matthias Hunyadi und Vladislav, ein Sohn des polnischen Königs, beide zum böhmischen König erhoben worden waren, kamen sie 1479 im „Frieden von Olmütz“ überein, dass sie auch beide böhmischer König bleiben sollten – Vladislav in Böhmen, Matthias in Schlesien, Mähren und den Lausitzen.49 45 Magda Schusterová, Der Friedensvertrag (wie Anm. 40), S. 55–62. 46 Siehe dazu mit Belegen Karl Nehring, Herrschaftstradition und Herrschaftslegitimität. Zur ungarischen Außenpolitik in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts, in: Revue Roumaine d’Histoire 13, 1974, S. 463–471 sowie Karina Graf, Kunigunde, Erzherzogin von Österreich und Herzogin von Bayern-München (1465–1520) – Eine Biographie, Diss. Mannheim 2000, hier S. 33–36. Online unter https://www2.uni-mannheim.de/mateo/verlag/diss/Graf/graf.pdf [letzter Zugriff: 20.11.2018]. 47 Für eine Übersetzung des Textes siehe Georg von Böhmen, Das Weltfriedensmanifest. Ein Beitrag zur Diplomatie des 15. Jahrhunderts, übersetzt von Gerhard Messler (Studien und Dokumente 10/11), Kirnbach 1973. Zur Einordnung siehe Schusterová, Der Friedensvertrag (wie Anm. 40) sowie Jaroslav Boubín, Der Versuch einer Neuordnung Europas. Das Projekt König Georgs von Podiebrad und seines Rates Antonio Marini aus dem 15. Jahrhundert, in: Auf der Suche nach einem Phantom?: Widerspiegelungen Europas in der Geschichtswissenschaft, hg. von Georg Michels (Schriften des Zentrum für Europäische Integrationsforschung 42), Baden-Baden 2003, S. 93–108. 48 Zu Sternberg siehe Robert Šimůnek, Art. „A. Sternberg“, in: Höfe und Residenzen im spätmittelalterlichen Reich. Grafen und Herren, Teilbd. 2, hg. von Werner Paravicini, bearbeitet von Jan Hirschbiegel/Anna Paulina Orlowska/Jörg Wettlaufer (Residenzenforschung 15,4), Ostfildern 2012, S. 1446–1454. 49 Zum Doppelkönigtum von Matthias Hunyadi siehe Zsuzsa Teke, Der ungarische König (1458–1490), in: Der Herrscher in der Doppelpflicht. Europäische Fürsten und ihre beiden Throne, hg. von Heinz Duchhardt (Veröffentlichungen des Instituts für Europäische Geschichte Mainz, Beiheft 43), Mainz 1997, S.  11–28 sowie František Šmahel, Der böhmische König (1469–1490), ebenda, S. 29–49.

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Bei allen Machtkämpfen zwischen Vertretern der politischen Elite aller drei Länder darf nicht vergessen werden, dass enge Verbindungen im kulturellen und wirtschaftlichen Bereich ein Wesensmerkmal der Region waren. Insbesondere Gelehrte und Religiose standen in kontinuierlichem Austausch, der von persönlichen Kontakten über die Weitergabe von Schriften bis hin zum Transfer von Ideen reichen konnte. Eine wichtige Rolle spielte dabei Wien mit seiner Universität und den zahlreichen geistlichen Einrichtungen.50 Hier promovierte 1449 der Theologieprofessor und Geschichtsschreiber Thomas Ebendorfer (1388–1464) den Dominikaner Leonhard Huntpichler (gest. 1478) im Stephansdom.51 Huntpichler, der wenig später zum stipendierten Fakultätsprofessor der Dominikaner avancierte, war von 1454 bis 1455 als Generalvikar des Predigerordens mit der Einführung der Observanz in der ungarischen Ordensprovinz betraut. Der Entschluss zur Ordensreform war 1452 gefasst worden, nachdem Prälaten aus Ungarn, die in Wien mit Ladislaus Postumus über dessen ungarisches Königtum verhandelt hatten, den reformierten Wiener Konvent besichtigt hatten – Huntpichler sollte nun für die Umsetzung des Wiener Reformmodells sorgen.52 Wie sein Beispiel oder auch das Martins von Leibitz (ca. 1400–1464), der als Abt des Wiener Schottenstiftes in seinem didaktischen Traktat „Senatorium“ den Lebensalltag in der Region beschrieb,53 zeigen, bildeten nicht etwa Kloster- oder Stadtgrenzen den Rahmen für die zeitgenössische Perspektive. Die Netzwerke der Gelehrten jener Zeit ermöglichen vielmehr neue Vorstellungen von regionaler Räumlichkeit. Einen anderen Geschmack bekommt der Begriff „kultureller Austausch“ allerdings, wenn man sich mit Johann Beckensloer befasst. Beckensloer hatte es durch die Protektion des ungarischen Königs Matthias Hunyadi zum Erzbischof von Esztergom und sogar zum Kanzler 50 Siehe die Beiträge in: Wien 1365. Eine Universität entsteht, hg. von Heidrun Rosenberg, Wien 2015. 51 Grundlegend: Isnard W. Frank OP, Leonhard Huntpichler OP († 1478), Theologieprofessor und Ordensreformer in Wien, in: Archivum Fratrum Praedicatorum 36, 1966, S. 313–388. 52 Gábor Sarbak, Über die Tätigkeit des Ordensreformers Leonhard Huntpichler OP in Ungarn, in: „swer sînen vriunt behaltet, daz ist lobelîch“. Festschrift für András Vizkelety zum 70. Geburtstag, hg. von Edit Madas/Gábor Sarbak/Márta Nagy/László Jónácsik, Budapest 2001, S. 151–156. Für einen Überblick über die Dominikaner in Ungarn siehe zudem Beatrix Romhányi, Domonkos kolostorok birtokai a késo” középkorban, in: Századok 144, 2010, S. 395–410. 53 Martin von Leibitz, Senatorium sive Dialogus historicus, in: Scriptores rerum Austriacarum II, hg. von Hieronymus Pez, Leipzig 1725, S. 623–674. Zum Leben und Wirken Martins siehe Harald Tersch, Österreichische Selbstzeugnisse des Spätmittelalters und der Frühen Neuzeit (1400–1650). Eine Darstellung in Einzelbeiträgen, Wien/Köln/ Weimar 1998, S.  52–65; Harald Tersch, Monastic Reform and Autobiographical Dialogue: The Senatorium of Abbot Martin of Leibitz, in: Medievalia 20, 2017, S. 41–59.

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geschafft. 1476 machte er sich jedoch unter dem Vorwand einer Pilgerfahrt nach Aachen mit seinem privaten Besitz und dem Domschatz von Esztergom aus dem Staub und flüchtete zu Friedrich III., wo er mit attraktiven Posten reichlich belohnt wurde. Durch die persönlichen Beziehungen zwischen den Betroffenen erhielt diese Aktion eine besonders unangenehme Note: Beckensloer, dessen Karriere in der königlichen Kanzlei Ungarns ihre Anfänge genommen hatte, hatte es durch die Protektion des Matthias Hunyadi im Laufe der Jahre vom einfachen Propst bis hin zum Bischof und sogar zum Kanzler des Königs gebracht. Dieser musste die Flucht Beckensloers, dessen Beweggründe sich nicht eindeutig identifizieren lassen, als Vertrauensbruch werten und warf dem abtrünnigen Prälaten fortan vor, für das Zerwürfnis zwischen ihm und dem Kaiser verantwortlich zu sein.54 Tatsächlich fiel 1482 ein ungarisches Heer in die Steiermark und nach Kärnten ein. 1485 konnte Matthias Hunyadi sogar Wien einnehmen und sich zum „Herzog von Österreich“ erklären.55 In den folgenden Jahren richtete es sich der ungarische König mit seiner Frau, Beatrix von Aragon (1457–1508), und seinem unehelichen Sohn Johannes Corvinus (1473–1504) symbolträchtig in Wien ein. Wie das Tagebuch des Wiener Arztes Johann Tichtel (ca. 1445/50–1503/06) belegt, agierte Matthias demonstrativ als rechtmäßiger Stadtherr: Er besichtigte den Reliquienschatz von St. Stephan, gab Universitätsgelehrten Gehälter für ihre Lehrtätigkeit, richtete Turniere aus oder erteilte Ritterschläge.56 54 Joseph Gottschalk, Der Breslauer Johannes Beckensloer, Erzbischof von Gran und Salzburg, in: Archiv für schlesische Kirchengeschichte 27, 1969, S.  98–129; Moritz Csáky, Johann Beckensloer, in: Matthias Corvinus und die Renaissance in Ungarn 1458–1541. Ausstellung auf der Schallaburg vom 8. Mai bis 1. November 1982 (Katalog des Niederösterreichischen Landesmuseums, Neue Folge 118), Wien 1982, S. 271–273. 55 Ferdinand Opll, Wienna caput Austrie ad Vngaros pervenit. Matthias Corvinus und Wien, in: Wiener Geschichtsblätter 65, 2010, S. 1–20; Katalin G. Szende, „Proud Vienna suffered sore …” Matthias Corvinus and Vienna, 1457–1490, in: Matthias Corvinus, the King. Tradition and renewal in the Hungarian Royal Court, 1458–1490. Exhibition catalogue, Budapest History Museum, 19 March 2008–30 June 2008, hg. von Péter Farbaky/Enikö Spekner/Katalin Szende/András Végh, Budapest 2008, S. 381–391; Kaiser Friedrich III. und die Wiener 1483–1485. Briefe und Ereignisse während der Belagerung Wiens durch König Matthias Corvinus von Ungarn, hg. von Ferdinand Opll/Richard Perger (Forschungen und Beiträge zur Wiener Stadtgeschichte 24), Wien 1993; Richard Perger, Die ungarische Herrschaft über Wien 1485–1490 und ihre Vorgeschichte. Zum 500. Todestag des ungarischen Königs Matthias Corvinus (gestorben 6. April 1490 in der Burg zu Wien), in: Wiener Geschichtsblätter 45, 1990, S. 53–87; Ferdinand Opll, Matthias Corvinus und Wien (1485–1490) (Wiener Geschichtsblätter, Beiheft 3), Wien 1985. 56 Ferdinand Opll, Nachrichten aus dem mittelalterlichen Wien (wie Anm. 6), S. 217–227; Johannes Tichtel‘s Tagebuch: MCCCCLXXVII bis MCCCCXCV, hg. von Theodor Georg von Karajan (Fontes rerum Austriacarum. Scriptores I), Wien 1855, hier beispielsweise S. 37: Item 24. octobris, in hac cisioiani dictione Ve, Rex et dominus noster Mathias videndi gracia venit ad reliquias sancti Stephani Vienne.

Österreich, Ungarn und Böhmen im 15. Jahrhundert

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Als der König im April 1490 verstarb, zeigte sich, wie sehr man sich mit ihm arrangiert hatte: Der Wiener Stadtrat ließ für Matthias ein Kenotaph anfertigen und organisierte Exequienfeiern im Stephansdom.57 Nach einem Jahrhundert erbitterter Auseinandersetzungen um die Kronen von Böhmen und Ungarn waren 1490 aufgrund biologischer Zufälle nur noch zwei ernstzunehmende Parteien übrig: der böhmische König Vladislav sowie die Habsburger Friedrich III. und Maximilian. Diesem Umstand trug 1491 der „Friede von Pressburg“ Rechnung: Vladislav wurde von Friedrich III. adoptiert und erhielt für sich und seine Erben Ungarn.58 Die Anwartschaft auf die Nachfolge in Böhmen und Ungarn wurde dagegen Maximilian I. und somit den Habsburgern zugesprochen. Mehr als zwanzig Jahre später bekräftigte die prächtige Wiener Doppelhochzeit diese jagiellonisch-habsburgische Einigung noch einmal: Ludwig II., der Sohn Vladislavs, heiratete Maximilians Enkelin Maria, während Ludwigs Schwester Anna Maximilians Enkel Ferdinand I. ehelichte (für den stellvertretend Maximilian I. selbst auftrat).59 Nach dem Tod Ludwigs II. in der Schlacht von Mohács 152660 wurden die über lange Jahre in Familien- und Vertragsverbindungen gefestigten Ansprüche realisiert: Seitdem regierte Ferdinand I. Böhmen, Österreich und Ungarn – und damit die Habsburger über fast ganz Ostmitteleuropa. Österreich, Ungarn und Böhmen im 15. Jahrhundert: Angesichts der vielschichtigen Beziehungen dieser Länder lässt sich sinnfällig von einer „politischen Region“ sprechen. Diese zeichnete sich durch bestän-

57 Áron Petneki, Exequiae Regis. Die Begräbniszeremonie des Königs Matthias Corvinus vor ihrem ungarischen Hintergrund, in: Der Tod des Mächtigen. Kult und Kultur des Todes spätmittelalterlicher Herrscher, hg. von Lothar Kolmer, Paderborn 1997, S. 113–123. Für eine Zusammenstellung der einschlägigen Quellen siehe Ferdinand Opll, Nachrichten aus dem mittelalterlichen Wien (wie Anm. 6), S. 226–227. 58 Vgl. zum Vertrag Martyn Rady, Jagello Hungary, in: Decreta Regni Medieavalis Hungariae (DRMH) IV: 1490–1526, hg. von Péter Banyó/Martyn Rady, Idyllwild/CA 2010, S. xi-xlvii sowie die Detailanalyse von Tibor Neumann, Békekötés Pozsonyban – országgyu”lés Budán. A Jagelló-Habsburg kapcsolatok egy fejezete (1490–1492), in: Szazadok 144, 2010, S. 335–372 (Teil 1) sowie Szazadok 145, 2011, S. 293–347 (Teil 2). 59 Eniko” Spekner, Die Geschichte der habsburgisch-jagiellonischen Heiratsverträge im Spiegel der Quellen, in: Maria von Ungarn (1505–1558). Eine Renaissancefürstin, hg. von Martina Fuchs/Orsolya Réthelyi (Geschichte in der Epoche Karls V. 8), Münster 2007, S. 23–44. 60 Antonin Kalous, The Last Medieval King Leaves Buda, in: Medieval Buda in Context, hg. Balázs Nagy/Martyn C. Rady/Katalin G. Szende/András Vadas (Brill’s companions to European history 10), Leiden 2016, S. 513–525. Zur zeitgenössischen Bewältigung seines Todes siehe außerdem Attila Györkös, Queen Mary of Hungary and the Cult of King Louis II in the Low Countries, in: Történetek a mélyföldro”l. Magyarország és Németalföld kapcsolata a kora újkorban, hg. von Réka Bozzay, Debrecen 2014, S. 362–397.

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dige Interferenzen auf dynastischer, politischer, wirtschaftlicher, kultureller und nicht zuletzt religiöser Ebene aus. In Bezug auf die Königsoder Fürstenherrschaft erwiesen sich insbesondere Böhmen und Ungarn als fluide Einflussbereiche, die sich nur durch lokale Allianzen und eine enge Abstimmung mit den Ständeversammlungen gewinnen ließen. Gleichzeitig vermochten dynastische Traditionen, wie etwa das luxemburgisch-habsburgische Doppelerbe eines Ladislaus Postumus, als integrative Klammer für die gesamte Region zu wirken. Vor allem in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts waren familiäre Zusammenhänge ein beliebtes Mittel zur Einhegung des politischen Gegners als Schwieger- oder Adoptivsohn; in den anhaltenden Thronstreitigkeiten erwiesen sie sich aber nicht als dauerhaft tragfähig. Sachliche Lösungen wie die temporäre Teilung Böhmens oder die Akzeptanz eines ungarischen Herrschers über Wien brachten nur situativ Frieden; stets wurde gleichzeitig versucht, durch Verträge und die Einbindung der gesamten politischen Gemeinschaft langfristige Einigungen zu erzielen. Politische Räume werden – dies hat auch Christina Lutter für die österreichische Herrschaft der Habsburger beschrieben – kommunikativ geschaffen und geprägt.61 In besonderem Maße gilt das für Ostmitteleuropa im 15. Jahrhundert, das durch permanente Aushandlungsprozesse über die Berechtigung und Teilhabe zur Herrschaft einerseits und durch kontinuierlich funktionierende Kontaktnetzwerke andererseits geprägt war. Vor diesem Hintergrund erklärt sich auch die Wirkmacht des ­Glockenschlags von 1457.

61 Siehe dazu den Beitrag von Christina Lutter in diesem Band.

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Wege des Hauses Habsburg in den Westen Europas 1477 bis 1519 Die Einschätzung historischer Phänomene hängt stets vom gewählten Fokus und der damit verbundenen Weite der Perspektive ab: So kann die Geschichte Habsburgs als langer und konsequenter Aufstiegsprozess beschrieben werden, der quasi linear von den Grafen im Aargau zum global ausgreifenden Kaisertum Karls V. führte. Löst man das Bild stärker auf, werden auf der scheinbaren Linie aber zahlreiche Einbrüche sichtbar: Wie die vertrauten Darstellungen der Börsenkurse weist sie Ausschläge auf, auch wenn sie auf lange Sicht einen geradezu unaufhaltsam scheinenden Aufstiegstrend zeigt. Die Phase zwischen 1477 und 1519 ist ebenfalls durch Auf und Ab gekennzeichnet, wenngleich man zunächst an die Erfolge denken mag: Mit Blick in das Reich fällt in diese Zeit die gelungene Übertragung des königlich-kaiserlichen Throns vom Vater auf den Sohn, der faktisch eine lange Bindung des römisch-deutschen Kaisertums an das Haus Habsburg folgte.1 Ebenso bedeutsam ist das entschlossene und letztlich glückliche Ausgreifen über den Rahmen des Heiligen Römischen Reichs hinaus, das eine erst europäische, dann globale Expansion des habsburgischen Einflusses ermöglichte. Ihren Höhepunkt fand diese Entwicklung im 16. Jahrhundert mit Karl V. und Philipp II. Entscheidende Weichenstellungen fielen aber in die hier untersuchte Periode, deren Eckdaten auf einen Protagonisten verweisen, der aus dem Blickwinkel der deutschsprachigen Forschung untrennbar mit dem Weg Habsburgs in den Westen verbunden ist: Kaiser Maximilian, dessen Tod sich 2019 zum 500. Mal jährt. 1

Knapp zu dieser „Nachgeschichte“ des mittelalterlichen Kaisertums s. Bernd Schneidmüller, Die Kaiser des Mittelalters. Von Karl dem Großen bis Maximilian I., München 2006, S. 113–118. Aus Sicht der burgundischen Niederlande bietet sich vielmehr an, die Zäsur um 1530 zu setzen, s. Harm von Seggern, Geschichte der Burgundischen Niederlande, Stuttgart 2018, S. 242–251. Die Orientierung an den Lebensdaten Maximilians soll hier dagegen die habsburgische Perspektive des Ausgreifens in den Vordergrund stellen.

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Zu ihm ist hier lediglich ein vorläufiges Resümee zu bieten – im Einklang mit der jüngeren Jubiläumsbegeisterung von Forschung und Öffentlichkeit sind bald zahlreiche Beiträge zu erwarten, die neue Erkenntnisse bringen werden.2 Aber auch so gilt schon lange nicht mehr, was vor wenigen Jahrzehnten Hermann Wiesflecker zur Einleitung seiner massiven Biographie Maximilians erläuterte: dass nämlich der „letzte Ritter“,3 als der Maximilian gerne bezeichnet wird, ganz im Schatten seines Enkels Karl V. stehe. Mit fünf voluminösen Bänden, die etwa 3400 Seiten umfassen,4 sowie zahlreichen Einzelbeiträgen und betreuten Dissertationen, trug Wiesflecker selbst maßgeblich dazu bei, die Situation nachgerade in ihr Gegenteil zu verkehren. Heute dominiert Maximilian das Bild der Zeit um 1500 – und er selbst hat dies mit einer Reihe von „Propagandamaßnahmen“ vorbereitet.5 Neben visuellen Großprojekten, wie der berühmten „Ehrenpforte“,6 umfasste sein „Gedechtnus“-Projekt gleich mehrere romanhafte Werke, die (auto-) 2 So etwa die Tagung „Maximilian I. (1459–1519). Person, Brüche und Umbrüche einer Brückenzeit“ (Innsbruck, Wels und Wien, 18.–23. März 2019) und die Sonderausstellungen „Maximilian I. Kaiser – Reformer – Mensch“ im Stadtmuseum Wels (21. März– 27. Oktober 2019) sowie „Maximilian I. – Aufbruch in die Neuzeit“ in der Hofburg Innsbruck (25. Mai–12. Oktober 2019). Das Land Tirol erklärte 2019 zum „Maximilianjahr“; zahlreiche Aktivitäten wurden unter https://maximilian2019.tirol/ (einges. am 20.10.2018) zusammengeführt. 3 Siehe etwa den Ausstellungskatalog Kaiser Maximilian I. Der letzte Ritter und das ­höfische Turnier [Katalog Mannheim 2014], hg. von Sabine Haag/Alfried Wieczorek/ Matthias Pfaffenbichler/Hans-Jürgen Buderer, Regensburg 2014; das Bild einer Figur an der Zeitenwende evoziert auch der Titel von Manfred Hollegger, Maximilian I. (1459–1519). Herrscher und Mensch einer Zeitenwende, Stuttgart 2005. 4 Hermann Wiesflecker, Kaiser Maximilian I. Das Reich, Österreich und Europa an der Wende zur Neuzeit. 5 Bde., München 1971–1986 [im Folgenden: Hermann Wiesflecker, Maximilian]; s. Hermann Wiesflecker, Maximilian I. Die Fundamente des habsburgischen Weltreichs, Wien/München 1991. Für eine knappe Überblicksdarstellung zuletzt Manfred Hollegger, Maximilian (wie Anm. 3) sowie Christina Lutter, Maximilian I. (1486–1519), in: Die deutschen Herrscher des Mittelalters. Historische Portraits von Heinrich I. bis Maximilian I. (919–1519), hg. von Bernd Schneidmüller/ Stefan Weinfurter, München 2003, S. 518–542 und 598 f. Vgl. auch die jüngeren Ausstellungskataloge Kaiser Maximilian [Katalog Mannheim 2014] (wie Anm. 3), und Kaiser Maximilian I. Bewahrer und Reformer [Katalog Wetzlar 2002], hg. von Georg Schmidt-von Rhein, Ramstein 2002. 5 Weiterhin grundlegend Jan-Dirk Müller, Gedechtnus. Literatur und Hofgesellschaft um Maximilian I. (Forschungen zur Geschichte der älteren deutschen Literatur 2), München 1982; s.  a. Maximilians Ruhmeswerk. Künste und Wissenschaften im Umkreis Kaiser Maximilians I., hg. von Jan-Dirk Müller/Hans-Joachim Ziegeler (Frühe Neuzeit 190), Berlin/Boston 2015, und Maximilians Welt. Kaiser Maximilian I. im Spannungsfeld zwischen Innovation und Tradition, hg. von Johannes Helmrath/Ursula Kocher/Andrea Sieber (Berliner Mittelalter- und Frühneuzeitforschung 22), Göttingen 2018. Vgl aus kunsthistorischer Perspektive Larry Silver, Marketing Maximilian. The Visual Ideology of a Holy Roman Emperor, Princeton/Oxford 2008. 6 Thomas U. Schauerte, Die Ehrenpforte für Kaiser Maximilian I. Dürer und Altdorfer im Dienst des Herrschers (Kunstwissenschaftliche Studien 95), München 2001.

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biographische Elemente in ritterliche Narrative einbetteten und Maximilian damit zum idealen wie energisch-wagemutigen Herrscher stilisierten. Es dürfte wohl in seinem Sinne sein, wenn ein Werk wie der „Theuerdank“ heute in Form eines preiswerten Faksimile-Drucks einem weiten Publikum zugänglich ist und der „Weisskunig“ bereits vor Jahrzehnten reproduziert wurde.7 Vertraut ist der letzte Habsburger-Herrscher des Mittelalters, der zugleich der erste der Neuzeit ist, auch einem breiten Fernsehpublikum durch die deutsch-österreichische Koproduktion „Maximilian“, welche die Ereignisse rund um das Jahr 1477 auf den Bildschirm brachte.8 Auch angesichts der zum Teil recht positiven Kritiken und der aufwendigen Produktion sollte man sich aber nicht blenden lassen – und so resümierte Oliver Jungen in seiner Besprechung knackig: „Die stolzen Habsburger haben Gewitzteres verdient. Burgund erst recht.“9 Trotz seiner Verzerrungen und Fehler macht das Filmprojekt aber darauf aufmerksam, wie dramatisch sich die Ereignisse des Jahres 1477 erzählen lassen, in dem Maximilian Maria von Burgund heiratete und damit einen neuen Herrschaftsraum gewann. Die hier einsetzende Entwicklung soll bis zum Jahr seines Todes nachgezeichnet werden. Der Fokus liegt dabei auf den entscheidenden Schritten und Orientierungen, die Habsburg auf den Weg zu einer globalen Perspektive brachten, nachdem die Vertreter des Hauses noch zu Beginn dieser Phase von bösen Zungen aus dem französisch-burgundischen Raum vielleicht nicht unbedingt als unkultivierte ‚Barbaren aus den Bergen‘ beschrieben wurden, aber doch zumindest als recht bäurisch: Philippe de Commynes, erst Rat und Vertrauter Herzog Karls des Kühnen von Burgund, dann Ludwigs XI. von Frankreich, zeichnete in seinen „Memoiren“ etwa ein wenig schmeichelhaftes Bild von Herzog Sigismund dem Münzreichen, den er als Beispiel eines „bestialischen Fürsten“ präsentierte.10 7 Die Abenteuer des Ritters Theuerdank. Kolorierter Nachdruck der Gesamtausgabe von 1517, hg. von Stephan Füssel, Köln u. a. 2003; Weisskunig. 2 Bde., hg. von Heinrich Th. Musper, Stuttgart 1956. Siehe zum „Weißkunig“ zuletzt Christine Bossmeyer, Visuelle Geschichte in den Zeichnungen und Holzschnitten zum „Weißkunig“ Kaiser Maximilians I., 2 Bde., Ostfildern 2015. Für eine knappe Einschätzung s. Manfred Hollegger, Maximilian (wie Anm. 3), S. 244–248. 8 Erstmals ausgestrahlt im Herbst 2017, wurde die „Miniserie“ bald auch auf DVD verfügbar gemacht. Zahlreiche technische Daten sind verfügbar unter https://de.wikipedia.org/wiki/Maximilian_%E2%80%93_Das_Spiel_von_Macht_und_Liebe (einges. am 19.9.2018). 9 Oliver Jungen, Im Nebel der Geschichte, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 1.10.2017, online: http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/medien/serien/der-zdf-dreiteiler-maximilian-ist-ein-desaster-15224344. html (einges. am 19.9.2018). 10 Philippe de Commynes, Mémoires. 2 Bde. (Textes littéraires français 585), hg. von Joël Blanchard, Genève 2007, Bd. 1, S. 131 (Begegnung Sigismunds mit Karl dem Kühnen)

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Nach einer gerafften Darstellung der Schritte nach Burgund und anschließend auf die spanische Halbinsel (I) soll die vertraute Erzählung mit Blick auf eine Reihe exemplarischer Momente und Phänomene aufgebrochen werden, die den Fokus auf ‚Leerstellen‘ des etablierten Bildes lenken: Denn wenn Maximilian seit einiger Zeit alles überstrahlt,11 so rückt damit anderes in den Hintergrund, das aber nicht weniger wichtig ist. Neben der Einschätzung des „burgundischen Erlebnisses“ und früherer Kontakte zwischen Habsburg und Burgund (II) ist insbesondere Maximilians Sohn Philipp der Schöne zu würdigen, zu dem in deutscher Sprache keine aktuelle Biographie vorliegt, an den belgische und niederländische Kollegen aber jüngst nachdrücklich erinnerten (III).12 Sein Beispiel unterstreicht die Vielstimmigkeit im Hause Habsburg – und ähnliches gilt für seine Schwester Margarete, die sich über lange Jahre als energisch-erfolgreiche Regentin der Niederen Lande ebenso einen Namen machte wie als engagierte Förderin der Künste und Mäzenin (IV).13 Ihr Leben weist stellenweise geradezu romanhafte Züge auf, von denen oft nur die dramatischen Momente ihrer Kindheit rezipiert werden, in der sie als dynastisches Faustpfand mit dem französischen Thronfolger Karl (VIII.) verlobt wurde, der sie später verstieß, was sie für mehrere Jahre zum politischen Spielball habsburgischer Eheprojekte machte. Eines davon, ihr letzter Eheschluss mit Herzog Philibert II. von Savoyen, soll hier an einen anderen Schritt Habsburgs in den Westen erinnern, mit dem die Grenzen des Reichs zwar nicht weiträumig überschritten werden, dessen Folgen ebenfalls von einigem Gewicht sind.

und 444 f. (Charakteristik Sigismunds), hier S. 445: […] et telle est la fin des princes qui veullent vivre bestialement. Allerdings schmäht Commynes auch andere deutsche Fürsten und ihre Umgebung, wenn er etwa die Begleiter Pfalzgraf Friedrichs des Siegreichen als „schmutzig“ beschreibt (ebenda, S. 130). Zu Commynes Leben und Werk s. Joël Blanchard, Philippe de Commynes, Paris 2006. 11 Hermann Wiesflecker, Maximilian (wie Anm. 4), Bd. 1, S. 12 f., verwies dagegen noch auf Heinrich Friedjung, der Maximilian als „eines der ungerechtest behandelten Opfer der Rankeschule“ bezeichnete. 12 Zentral hierzu Jean-Marie Cauchies, Philippe le Beau. Le dernier duc de Bourgogne (Burgundica 6), Turnhout 2003; s. a. auch den Katalog Philippe le Beau. Les trésors du dernier duc de Bourgogne, hg. von Bernard Bousmanne/Sandrine Thieffry/Hanno Wijsman, Brüssel 2006. 13 Als Biographie s. Ursula Tamussino, Margarete von Österreich. Diplomatin der Renaissance, Graz 1995, die allerdings mit dramatisierend-moralischer Wertung nicht geizt. Zu Margaretes Wirken als Kunstmäzenin s. Dagmar Eichberger, Leben mit Kunst – Wirken durch Kunst. Sammelwesen und Hofkunst unter Margarete von Österreich, Regentin der Niederlande (Burgundica 5), Turnhout 2002 und Women at the Burgundian Court: Presence and Influence/Femmes à la Cour de Bourgogne: Présence et Influence, hg. von Dagmar Eichberger/Anne-Marie Legaré/Wim Hüsken (Burgundica 17), Turnhout 2010.



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1477 bis 1519 – Neuorientierungen und Umbrüche Habsburgs ‚Weg in den Westen‘ setzt mit dem Paukenschlag des Jahres 1477 ein – den ein vernehmbarer Trommelwirbel schon länger angekündigt hatte: Spätestens seit 1473, als der burgundische Herzog Karl der Kühne und Kaiser Friedrich III. in Trier zu letztlich erfolglosen Gesprächen über eine Krone für den Burgunder zusammentrafen, stand ein Eheprojekt zwischen den beiden Dynastien zur Debatte.14 Karl herrschte über ein ausgedehntes Konglomerat von Territorien, das sich von Flandern, Brabant, Holland und Seeland an der Nordseeküste über den Hennegau, Luxemburg und Lothringen bis zum namensgebenden Herzogtum Burgund und zur gleichnamigen Freigrafschaft erstreckte. Als Herr über diese Gebiete verfügte er – bei allen regionalen Unterschieden und Eigenheiten, die ihn in seiner praktischen Politik einschränkten – über wirtschaftliche und militärische Ressourcen sowie politische Verbindungen, die ihn zu einem der mächtigsten Herrscher im Europa seiner Zeit machten.15 Diese Position und seine energische Politik nach innen wie nach außen sorgten aber auch für zahlreiche Probleme: Hierzu gehört der anhaltende Konflikt mit König Ludwig XI. von Frankreich, dem Karl für eine Reihe seiner Länder den Lehnseid schuldete, während andere Gebiete vom Reich lehnsrührig waren.16 Zugleich resultierten aus Karls Versuchen, seine Territorien zentral und effizient in einer Herrschaft zu integrieren, stete Auseinandersetzungen, vor allem mit den

14 Zu den Verhandlungen in Trier s. ausführlich Petra Ehm, Burgund und das Reich. Spätmittelalterliche Außenpolitik am Beispiel der Regierung Karls des Kühnen (1465– 1477) (Pariser Historische Studien 61), München 2002, S.  117–188; vgl. auch Heribert Müller, Der Griff nach der Krone. Karl der Kühne zwischen Frankreich und dem Reich, in: Karl der Kühne von Burgund. Fürst zwischen europäischem Adel und der Eidgenossenschaft, hg. von Klaus Oschema/Rainer C. Schwinges, Zürich 2010, S. 153–169. 15 Zur Biographie Karls s. Henri Dubois, Charles le Téméraire, Paris 2004 (ohne Anmerkungen und Nachweise); Richard Vaughan, Charles the Bold, The Last Valois Duke of Burgundy, London 1972 [Nachdruck Woodbridge 2002], und Werner Paravicini, Karl der Kühne. Das Ende des Hauses Burgund (Persönlichkeit und Geschichte 94/95), Göttingen/Zürich/Frankfurt a. M. 1976. Insgesamt zur Entwicklung Burgunds s. Bertrand Schnerb, L’État bourguignon (1363–1477), Paris 1999. Die letztlich scheiternde Integration zu einem umfassenden Staatswesen diskutiert Elodie Lecuppre-Desjardin, Le Royaume inachevé des ducs de Bourgogne (XIVe–XVe siècles), Paris 2016; vgl. auch Robert Stein, Magnanimous Dukes and Rising States. The Unification of the Burgundian Netherlands, 1380–1480, Oxford 2017. 16 Aus der Perspektive dieser dominierenden Konfliktlage s. Jean-Marie Cauchies, Louis XI et Charles le Hardi. De Péronne à Nancy (1468–1477): le conflit (Bibliothèque du Moyen Âge 8), Brüssel 1996.

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bedeutenden Städten seiner Länder.17 Sein Streben nach einer Krone, mit der er seine vielgestaltige Herrschaft vereinen und zugleich für sich selbst eine Rangerhöhung bewirken konnte, ist auch vor diesem Hintergrund zu verstehen. Mit Blick auf die Zukunft seiner Dynastie war Karls Politik zudem durch den biologischen Zufall bestimmt, da aus seiner zweiten Ehe mit Isabelle de Bourbon lediglich eine Tochter hervorgegangen war, die 1457 in Brüssel geborene Maria.18 Karl verfügte über keine weiteren Nachkommen: außereheliche Kinder sind nicht sicher belegt und seine zwei weiteren Ehen mit Katharina von Frankreich und Margarethe von York blieben kinderlos. Somit wurde Maria zu einer zentralen politischen Figur, war mit ihrer Hand doch die Aussicht verbunden, eine der mächtigsten Herrschaften Europas zu erben. Da eine Verheiratung dem diplomatischen Spiel ein Ende gesetzt hätte, verhandelte Karl über Jahre hinweg mit unterschiedlichen Kandidaten.19 Zu den Optionen zählte bereits in den 1460er Jahren eine Ehe mit Maximilian von Habsburg, die im Zusammenhang mit einer möglichen Königserhebung für Karls Vater, Herzog Philipp den Guten von Burgund kurz im Gespräch war.20 Konkreter wurden die Absprachen dann 1473: In Trier verhandelten Karl und Kaiser Friedrich III. nicht nur über die Rangerhöhung des Burgunders, sondern auch über eine mögliche Ehe Marias mit Maximilian, der übrigens anwesend war und hier einen ersten Eindruck vom 17 Zu Karls angespannten Verhältnis mit den Städten, insbesondere in Flandern, s. Marc Boone, Charles le Téméraire face au monde urbain: ennemis jurés et fatals?, in: Karl der Kühne von Burgund (wie Anm. 14), S. 185–201. In zahlreichen Studien beleuchtete Jan Dumolyn die urbane Kultur Flanderns und die durchaus wechselhaften Interessenlagen, die sich nicht auf eine schlichte Dichotomie zwischen Fürst und Stadt reduzieren lassen, s. etwa Jan Dumolyn/Jelle Haemers, Patterns of urban rebellion in medieval Flanders, in: Journal of Medieval History 31/4, 2005, S. 369–393. Das materielle Interesse lokaler Eliten an manchen Folgen der fürstlichen Zentralisierungspolitik betont auch Robert Stein, Magnanimous Dukes (wie Anm. 15), u. a. S. 114 und 260. 18 Zu Maria von Burgund existiert keine aktuelle Gesamtdarstellung, die wissenschaftlichen Ansprüchen gerecht werden kann, s. aber Yves Cazaux, Marie de Bourgogne, témoin d’une grande entreprise à l’origine des nationalités européennes, Paris 1967, die Beiträge im Ausstellungskatalog Bruges à Beaune. Marie, l’héritage de Bourgogne, Paris 2000 sowie demnächst die Beiträge zur Tagung „Marie de Bourgogne. Le règne, la figure et la postérité d’une princesse européenne“ (Brüssel/Brügge, 5.–7. März 2015) [in Druckvorbereitung]. 19 C. A. J. Armstrong, La politique matrimoniale des ducs de Bourgogne de la maison de Valois, in: C. A. J. Armstrong, England, France, and Burgundy in the Fifteenth Century, London 1983, S. 237–342 [orig. 1968], hier S. 261–265. 20 Petra Ehm, Burgund und das Reich (wie Anm. 14), S. 102, und Die Protokollbücher des Ordens vom Goldenen Vlies. Teil 4: Der Übergang an das Haus Habsburg (1477 bis 1480), hg. von Sonja Dünnebeil (Kieler Werkstücke D 17), Frankfurt am Main 2016, S. 17 f.

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burgundischen Glanz erhielt. Vorerst erreichte man keine Einigung. Erst Jahre später näherte man sich wieder einander an, aber letztlich kam die Ehe vor dem Tod Karls nicht zustande, der nach einer Reihe spektakulärer Niederlagen gegen eidgenössische Truppen schließlich am 5. Januar 1477 vor Nancy im Kampf gegen René II. von Lothringen und dessen Verbündete fiel.21 Entgegen einer verbreiteten Vorstellung (die auch im erwähnten Fernsehfilm aufscheint) waren die Vereinbarungen zu diesem Zeitpunkt recht weit gediehen: Im Dezember 1476 lag die päpstliche Dispens vor, die wegen der nahen Verwandtschaft zwischen Braut und Bräutigam nötig war. Bereits am 26. November dieses Jahres erklärte Maria ihrem zukünftigen Gemahl zudem in einem Brief, allen Befehlen ihres Vaters Folge leisten zu wollen (was einer Zustimmung zur Heirat gleichkam). Zugleich dankte sie Maximilian für seine Briefe und den Schmuck, den er ihr geschickt hatte.22 Dass sich die weiteren Schritte verzögerten, lag ebenso wie der letztlich erfolgte Eheschluss an Marias schwieriger Lage nach Karls Tod. Zum einen wurde sie durch ihre eigenen Untertanen bedrängt, die nun die Möglichkeit sahen, den energischen Zugriff ihres einstigen Herzogs abzuschütteln. In den Wirren der Situation brachten die Stände in den burgundischen Niederlanden Maria unter anderem dazu, ihnen in Form des „Großen Privilegs“ weitreichende Zusagen und Rechte zu verbriefen.23 Zwar erkannten sie die junge Fürstin als neue Herrin an, aber das konnte eine Reihe von Aufständen nicht verhindern, die Marias Handlungsspielraum massiv einschränkten. Am 3. April 1477 musste sie machtlos hinnehmen, dass ihre Vertrauten Guillaume Hugonet, der Kanzler Karls des Kühnen, und Guy de Brimeu, der Herr von Humbercourt, öffentlich als Verräter verurteilt und

21 Zum Verlauf der Ereignisse von 1476–1477 s. knapp Henri Dubois, Charles le Téméraire (wie Anm. 15), S. 389–411 und 429–440. Die Vorgänge bei Nancy schildert detailliert Christoph Brachmann, Memoria Fama Historia. Schlachtengedenken und Identitätsstiftung am lothringischen Hof (1477–1525) nach dem Sieg über Karl den Kühnen, Berlin 2006, S. 35–43; gesamthaft zu den sog. „Burgunderkriegen“ und ihren Reflexen in der Historiographie Gerrit Himmelsbach, Die Renaissance des Krieges. Kriegsmonographien und das Bild des Krieges in der spätmittelalterlichen Chronistik am Beispiel der Burgunderkriege, Zürich 1999. 22 Karl der Kühne (1433–1477). Kunst, Krieg und Hofkultur, hg. von Susan Marti/TillHolger Borchert/Gabriele Keck, Bern/Brügge/Brüssel 2008, S. 348, Nr. 158; ediert bei Joseph Chmel, Actenstücke und Briefe zur Geschichte des Hauses Habsburg im Zeitalter Maximilian’s I. Aus Archiven und Bibliotheken. Bd. 1, hg. von Joseph Chmel (Monumenta Habsburgica I 1), Wien 1854 [Nachdruck Hildesheim 1968], S. 137, Nr. 34. 23 Zur Situation s. die Beiträge in Marie de Bourgogne 1477, hg. von Wim P. Blockmans (Standen en Landen 80), Kortrijk 1985; der Text des von Maria am 11. Februar 1477 unterzeichneten Privilegs ist ediert von Wim P. Blocksmans u. a. in: ebenda, S. 85–95.

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hingerichtet wurden.24 Zugleich erhob Ludwig XI., Marias Taufpate, Anspruch auf die von Frankreich lehnsrührigen Gebiete. Das eigentliche Herzogtum Burgund sowie einige weitere Gebiete konnte er rasch militärisch einnehmen, während vor allem Marias Untertanen in den Niederen Landen anhaltenden Widerstand leisteten und sich für die burgundische Dynastie einsetzten.25 Abseits aller Details der dramatischen Abläufe verdeutlichen bereits diese Probleme Marias vitales Interesse an der Festigung der Verbindung zu Habsburg: Um ihre ererbte Herrschaft gegenüber dem französischen König zu stabilisieren, der durchaus auf gültige Rechtstitel verweisen konnte, musste ein Eheschluss als probates Mittel erscheinen – und eine Verbindung mit dem Sohn des Kaisers schadete sicher nicht. Die Vorbereitungen waren bereits getroffen, so dass die praktische Umsetzung relativ zügig erfolgen konnte. Angesichts der Bedrohung durch Frankreich bemühte man sich aber um zusätzliche Beschleunigung, indem man nicht Maximilians Ankunft in Brügge abwartete, wo sich die Herzogin aufhielt, sondern die Ehe per procuram schloss: in einem symbolischen Akt vollzog Maximilians Beauftragter Ludwig von Veldenz-Pfalz die Verbindung am 21. April 1477. Erst am 18. August kam der junge Erzherzog selbst in Gent an und die feierliche Hochzeit fand am Folgetag statt.26 Die beiden Eheleute, die sich im August 1477 erstmals persönlich begegneten, kooperierten bald intensiv und energisch, um das burgundische Erbe zu sichern. Angesichts der notorischen Geldknappheit des Kaisers, der zudem im Osten des Reichs mit dem ungarischen König Matthias Corvinus im Kampf lag, war von dieser Seite kaum Unterstüt-

24 Laurent Smagghe, 3 avril 1477: l’exécution du chancelier Hugonet et du Sire de Humbercourt. Mécanismes compassionnels et rhétoriques de l’émotion dans le plaidoyer de Marie de Bourgogne, in: Emotions in the Heart of the City (14th–16th century)/Les émotions au cœur de la ville (XIVe–XVIe siècle), hg. von Elodie Lecuppre-Desjardin/AnneLaure van Bruaene (Studies in European Urban History 5), Turnhout 2005, S. 177–196; zur Situation allgemein Wim P. Blockmans, Les „Pays de par-deçà“ au temps des incertitudes, in: Bruges à Beaune (wie Anm. 18), S. 39–59, hier S. 54, und Jelle Haemers, For the Common Good. State Power and Urban Revolts in the Reign of Mary of Burgundy (1477–1482) (Studies in European Urban History 17), Turnhout 2009. 25 Harm von Seggern, Geschichte der Burgundischen Niederlande (wie Anm. 1), S. 164– 171; Jean Favier, Louis XI, Paris 2001, S. 729–748; Werner Paravicini, Einen neuen Staat verhindern. Frankreich und Burgund im 15. Jahrhundert, in: Karl der Kühne von Burgund (wie Anm. 14), S. 23–40, hier S. 33. 26 Zum Ereignisverlauf detailliert Hermann Wiesflecker, Maximilian (wie Anm. 4), Bd. 1, S. 122–136; vgl. insgesamt auch Wim Blockmans, Maximilian und die burgundischen Niederlande, in: Kaiser Maximilian I. [Katalog Wetzlar 2002] (wie Anm. 4), S. 51–67. Zur Praxis des Eheschlusses per procuram s. Cyrille Debris, „Tu, felix Austria, nube“. La dynastie de Habsbourg et sa politique matrimoniale à la fin du Moyen Âge (XIIIe–XVIe siècles) (Histoires de familles. La Parenté au Moyen Âge 2), Brepols 2005, S. 363–375, hier S. 369 f. (zu 1477).

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zung zu erwarten.27 So musste Maximilian sich weitgehend darauf konzentrieren, die Mittel seiner erheirateten Länder zu mobilisieren, die unter den andauernden militärischen Konflikten stark litten. Dabei konnte er nicht selbst als Fürst eigenen Rechts agieren, sondern übte die Herrschaft im Namen seiner Gemahlin aus, die ihren Untertanen als legitime Erbin Burgunds galt. Maria bemühte sich ihrerseits, die Situation für die Zukunft zu sichern: Auf Betreiben der Stände hatte der Heiratsvertrag vom August 1477 die Nachfolge Maximilians im Falle eines kinderlosen Todes der Herzogin ausgeschlossen. Schon wenige Wochen später aber bestimmte Maria testamentarisch ihren Gemahl zum Erben ihrer Länder und ihres Vermögens.28 In der Folge wirkte zunächst das biologische Glück stabilisierend, da Maria rasch mehrere Kinder gebar: Schon am 22. Juli 1478 kam in Brügge ein Sohn zur Welt, der in burgundischer Tradition den Namen Philipp erhielt; am 10. Januar 1480 folgte ihm seine Schwester Margarete.29 Die Geburt eines männlichen Erben sicherte den Fortbestand der Dynastie, aber die politische Lage blieb wechselhaft: Im August 1479 gelang Maximilian bei Guinegate ein wichtiger Sieg gegen die Truppen des französischen Königs, der in einen Waffenstillstand mündete und nur eine vorübergehende Stabilisierung brachte.30 Bald trübten sich die Aussichten zudem durch einen schicksalhaften Unglücksfall: Maria und Maximilian hatten aus politisch-dynastischen Gründen geheiratet, sich aber offensichtlich innig zu lieben gelernt. Dieses Glück wurde brutal zerstört, als die Herzogin am 27. März 1482 im Alter von nur 25 Jahren an den Folgen eines Reitunfalls starb.31 Der Verlust mag Maximilian persönlich tief getroffen haben – für seine Herrschaft erwies er sich als verheerend. Aufgrund seines autoritären Auftretens, das wenig Rücksicht auf die Traditionen der stark urbanisierten Gebiete nahm, war sein Verhältnis mit den Untertanen bereits gespannt. Nun folgte eine offene Krisenzeit: Der „natürliche Herr“ der burgundischen Länder, so die Vertreter der Stände, war ja der kleine 27 Paul-Joachim Heinig, Friedrich III. (1440–1493), in: Die deutschen Herrscher (wie Anm. 4), S. 495–517 und 597–598, hier S. 505 f.; Karl-Friedrich Krieger, Die Habsburger im Mittelalter. Von Rudolf I. bis Friedrich III., 2. Aufl. Stuttgart 2004, S. 221 f.; Heinrich Koller, Kaiser Friedrich III. (Gestalten des Mittelalters und der Renaissance), Darmstadt 2005, S. 200–203. 28 Joseph Chmel (Hg.), Actenstücke (wie Anm. 22), Bd. 1, S. 166–168 (17. September 1477); Abb. in Karl der Kühne [Katalog] (wie Anm. 22), S. 352, Nr. 163. 29 Jean-Marie Cauchies, Philipp le Beau (wie Anm. 12), S. 3–7; ein drittes Kind, François, verstarb bald nach seiner Geburt am 2. September 1481. 30 Jan-Frans Verbruggen, De slag bij Guinegate, 7 augustus 1479. De verdediging van het graafschap Vlaanderen tegen de Koning van Frankrijk, 1477–1480 (Centre d’Histoire Militaire: Travaux 27), Brüssel 1993. 31 Yves Cazaux, Marie de Bourgogne (wie Anm. 18), S. 320–325.

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Philipp; Maximilian konnte bestenfalls für ihn die Regentschaft ausüben. Um die Frage der Vormundschaft begann daher bald ein zähes und wechselhaftes Ringen: Die Stände der Niederen Lande, allen voran Flandern, Brabant und Hennegau, forderten einen Regentschaftsrat, während Maximilian auf den Ansprüchen insistierte, die sich aus Marias Verfügung von 1477 ableiten ließen.32 So musste er in dieser Phase nicht nur die Vorstöße Frankreichs abwehren, sondern zugleich die Ansprüche seiner eigenen Untertanen, die von wirtschaftlichen bis zu politischen Forderungen reichten. Dabei besaßen die Stände hinreichend Einfluss, um Maximilian schon 1482 zum Frieden von Arras zu nötigen. Dieser Ausgleich mit Frankreich sah unter anderem die Verlobung und spätere Heirat seiner zweijährigen Tochter mit dem französischen Dauphin Karl (VIII.) vor.33 Als Mitgift sollte Margarete das Herzogtum und die Freigrafschaft Burgund in die Ehe einbringen, die sogleich an Frankreich zu übergeben waren; außerdem wurde sie selbst an den französischen Königshof überstellt, um dort erzogen zu werden.34 Es erstaunt kaum, dass Maximilian diesem Vertrag, der maßgeblich von den Ständen vorangetrieben wurde, erst nach monatelangem Widerstand zustimmte. Zugleich war die Frage der Regentschaft weiter offen, aber der kleine Philipp, der in einer Reihe feierlicher Einzüge als Herr der unterschiedlichen Territorien anerkannt wurde, war dem Zugriff seines Vaters weitgehend entzogen.35 Gleichwohl gab es auch Lichtblicke. Noch während der anhaltenden Krise konnte Maximilian einen gleichermaßen symbolischen wie praktischen Erfolg verbuchen, der seine Perspektiven auf Reichsebene deutlich aufhellte: Unter maßgeblichem Betreiben seines Vaters Friedrich wurde er zum Römischen König gewählt und am 9. April 1486 in Aachen gekrönt.36

32 Zur Situation s. Wim Blockmans, Wie beherrscht man eine reiche Peripherie? Integration und Widerstand in den habsburgischen Niederlanden 1477–1581, in: Habsburger Herrschaft vor Ort – weltweit (1300–1600), hg. von Jeanette Rauschert/Simon Teuscher/Thomas Zotz, Ostfildern 2013, S. 169–186, hier S. 175 f. 33 Zum Frieden von Arras s. Hermann Wiesflecker, Maximilian (wie Anm. 4), Bd. 1, S. 165 f.; Jean-Marie Cauchies, Maximilien d’Autriche et le traité d’Arras de 1482: Négociateurs et négociations, in: Arras et la diplomatie européenne. XVe–XVIe siècles, hg. von Denis Clauzel/Charles Giry-Deloison/Christophe Leduc, Arras 1999, S. 143– 164. 34 Zur Situation Margaretes s. Florence Trombert, Une reine de quatre ans à la cour de France: Marguerite d’Autriche, 1484–1485, in: Autour de Marguerite d’Écosse. Reines, princesses et dames du XVe siècle. Actes du colloque de Thouars (23 et 24 mai 1997), hg. von Geneviève und Philippe Contamine, Paris 1999, S. 123–161. Die territorialen Verabredungen zeigt im Kartenbild Jean Favier, Louis XI (wie Anm. 25), S. 764. 35 Jean-Marie Cauchies, Philippe le Beau (wie Anm. 12), S. 10–12. 36 Susanne Wolf, Die Doppelregierung Kaiser Friedrichs III. und König Maximilians I. (1486–1493) (Forschungen zur Kaiser- und Papstgeschichte des Mittelalters. Beihefte zu J. F. Böhmer, Regesta Imperii 25), Köln/Weimar/Wien 2005, S. 100–128; Hermann Wiesflecker, Maximilian (wie Anm. 4), Bd. 1, S. 182–199.

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In den Niederen Landen half dieser dynastische Triumph allerdings kaum: Die anhaltende Spannung mit Frankreich zehrte das Land aus und belastete die Einwohner mit immer neuen Steuerforderungen.37 Anfang 1488 eskalierte die Situation schließlich: Maximilian hatte eine Versammlung der Stände nach Brügge einberufen, als sich in einer Mischung aus Empörung und Angst vor einem gewaltsamen Durchgreifen ihres Herren die Bevölkerung erhob und den römischen König am 5. Februar 1488 kurzerhand festsetzte.38 Während er bis zum 16. Mai in der Kranenburg gefangen war, verhandelten die Generalstaaten fieberhaft in Mechelen, wo sich der achtjährige Philipp der Schöne befand, Brüssel und Gent.39 Maximilian musste derweil zusehen, wie man einer Reihe seiner Räte den Prozess machte und einige sogar enthaupten ließ.40 Unter dem Druck ließ er sich schließlich auf einen Kompromiss ein, der im Vertrag von Brügge am 12. Mai 1488 niedergelegt wurde: Zwar sollte er als Vormund für Philipp regieren, die Dinge in Flandern aber einem Regentschaftsrat überlassen. Hinzu kamen Vereinbarungen über einen Frieden mit Frankreich, die Abschaffung neuer Abgaben und anderes.41 Es überrascht kaum, dass Maximilian kurz nach seiner Freilassung die beschworenen Vereinbarungen widerrief. Zu Hilfe kam ihm dabei, dass seine Gefangenschaft im Reich als so skandalös empfunden wurde, dass es Friedrich III. sogar gelang, ein Reichsheer aufzustellen, dessen Herannahen wohl auch für das Einlenken der aufständischen Bürger in Brügge gesorgt hatte. Militärisch war dieses Heer seinen flämischen Gegnern zunächst zwar nicht gewachsen, zumal sich sogar einige von Maximilians einstigen Anhängern auf die Seite der Aufständischen stellten, die sich für die Rechte ihres „wahren Herrn“ einsetz-

37 Zur Bedeutung von Maximilians Finanzpolitik, gegen die u. a. Anfang 1488 ein Bürger Gents in einem „cahier de doléance“ ausführlich Klage erhob, s. Jelle Haemers, Faire son prouffit. Die Finanzpolitik Maximilians I. und die städtischen Aufstände in den Niederlanden (1477–1488), in: Habsburger Herrschaft (wie Anm. 32), S. 187–209, hier S. 191–198 (zur Genter Beschwerde). 38 Jean-Marie Cauchies, Philippe le Beau (wie Anm. 12), S. 13; zur Situation im Vorfeld s. Wim Blockmans, Wie beherrscht man (wie Anm. 32), S. 176 f. Detailliert zum Verlauf der Ereignisse Hermann Wiesflecker, Maximilian (wie Anm. 4), Bd. 1, S. 207–216. 39 Wim Blockmans, Wie beherrscht man (wie Anm. 32), S. 177. 40 Hermann Wiesflecker, Maximilian (wie Anm. 4), Bd. 1, S. 211 spricht von zehn Räten, die er nicht im Einzelnen nennt. Zu den prominentesten Opfern gehört Peter Langhals, enger Berater und Schatzmeister Maximilians, der zudem zwischen 1485 und 1488 als Schultheiß die Situation in Brügge dominiert hatte. Zu ihm detailliert Marc Boone, Biografie en prosopografie, een tegenstelling? Een stand van zaken in het biografisch onderzoek over Pieter Lanchals (ca. 1430/1440–1488). Een Bruggeling in dienst van de Bourgondische staat, in: Millennium 7, 1993, S. 4–13. 41 Wim Blockmans, Wie beherrscht man (wie Anm. 32), S. 177 f.

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ten, Marias Sohn Philipp. Zu den bekanntesten zählt Philipp von Kleve, der Sohn eines Ordensritters vom Goldenen Vlies und selbst eifriger Büchersammler und Kunstmäzen. Trotz – oder vielleicht gerade wegen – der langen und engen Bindung seiner Familie an die burgundischen Herzöge wurde er zwischen 1488 und 1493 zu einer zentralen Figur des Widerstands gegen die ‚auswärtigen‘ Herren.42 Während Maximilian so mit seinen Untertanen im Zwist lag, blieb seine Beziehung zu Frankreich wechselhaft: Schon der Frieden von Arras hatte Habsburg in weitere diplomatische Verwicklungen hineingezogen, da der Dauphin Karl bereits mit der englischen Prinzessin Elisabeth verlobt war. Für neue Probleme sorgte bald der Streit um die Hand der jungen Herzogin Anne de Bretagne, die ähnlich wie Maria von Burgund das einzige legitime Kind ihres Vaters war, Herzog Franz II. von der Bretagne. Seit 1486 plante man eine Ehe zwischen der damals 10-jährigen Anne und Maximilian. Als Herzog Franz 1488 starb, wurde die bretonische Frage dann virulent, um die sich ein ganzes Allianzsystem organisierte, das auch Spanien und England umfasste.43 Obwohl Maximilian und Karl VIII. noch im Frankfurter Frieden von 1489 beschworen,44 eventuelle Heiratsabsichten des römischen Königs nur in Absprache zu verfolgen, vereinbarte Maximilian auf geheimem Weg nun endgültig die Ehe mit Anne. Im Dezember 1490 wurde die Verbindung vertraglich fixiert und durch Wolfgang von Polheim per procuram in Rennes geschlossen – offensichtlich ließ Maximilian sogar die Nachricht davon verbreiten.45 Umso dramatischer wirkt der radikale Gegenschlag, den maßgeblich Anne de Beaujeu koordinierte, die Tochter des 1483 verstorbenen Ludwig XI. Den Anfang bildeten militärische Aktionen gegen die Bretagne, einschließlich der Belagerung von Rennes;46 am Ende heiratete 42 Zu Philipp s. die Beiträge in Entre la ville, la noblesse et l’État: Philippe de Clèves (1456–1528). Homme politique et bibliophile, hg. von Jelle Haemers/Céline van Hoorebeeck/Hanno Wijsman (Burgundica 13), Turnhout 2007; s.  a. Hermann Wiesflecker, Maximilian (wie Anm. 4), Bd. 1, S. 219. 43 Zu Anne s. Annick Magon de Saint Elier, Anne de Bretagne, duchesse et reine, in: Anne de Bretagne et Saint-Malo, hg. von Jean-Luc Blaise (Les dossiers de la Société d’Histoire 3), Saint-Malo 2015, S. 27–52. 44 Jean-Marie Cauchies, Philippe le Beau (wie Anm. 11), S. 17; Hermann Wiesflecker, Maximilian (wie Anm. 4), Bd. 1, S. 323 f. 45 Hermann Wiesflecker, Maximilian (wie Anm. 4), Bd. 1, S. 325 f.; Beatrix Bastl, Habsburgische Heiratspolitik – 1000 Jahre Hochzeit?, in: L’Homme. Europäische Zeitschrift für feministische Geschichtswissenschaft 7, 1996, S. 75–89, hier S. 78. 46 Für eine (populäre) Darstellung s. Henri Pigaillem, Anne de Bretagne. Épouse de Charles VIII et de Louis XII, Paris 2008, hier S. 79–102 (von der Belagerung von Rennes bis zum Eheschluss und der Krönung Annes im Februar 1492). Annes künstlerische und literarische Patronage-Tätigkeit steht im Zentrum von The Cultural and Political Legacy of Anne de Bretagne. Negotiating Convention in Books and Documents, hg.

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Karl VIII. im Dezember 1491 Anne de Bretagne und verstieß seine Verlobte Margarete (die er aber erst im Juni 1493 an ihren Vater überstellte).47 In einer von adligen Vorstellungen und einem starken Sinn für Ehre geprägten Welt stellte eine solche Kränkung einen Kriegsgrund dar. Dass es auch um den Zugriff auf Burgund ging, befeuerte die Spannung noch.48 Zwar legte man den offenen Konflikt mit dem im Mai 1493 geschlossenen, aber erst im Dezember ratifizierten Frieden von Senlis bei,49 aber für die Zukunft sollte Maximilian weitgehend eine strikt antifranzösische Haltung und Politik bewahren.50 Eine solche stand auch hinter dem nächsten bedeutsamen Eheschluss – denn wenn für eine bestimmte Phase die berühmte Wendung tu felix Austria nube zutrifft, dann für das späte 15. Jahrhundert:51 Um Allianzen gegen Frankreich bemüht, finalisierte Maximilian 1494 und 1495 eine schon länger diskutierte Verbindung seiner beiden Kinder mit zwei Partnern aus dem kastilisch-aragonesischen Königshaus.52 Ohne dies zu beabsichtigen, legte er damit den Grundstein für die Etablierung eines habsburgischen Weltreichs im 16. Jahrhundert. Bei der Doppelhochzeit zwischen Philipp dem Schönen und Johanna von Kastilien von Cynthia J. Brown, Cambridge 2010; s. insbes. den Beitrag von Elizabeth A.  R. Brown, Order and Disorder in the Life and Death of Anne de Bretagne, in: ebenda, S. 177–192, hier S. 178 f. Vgl. Anne de Bretagne: une histoire, un mythe, hg. von Pierre Chotard, Paris 2007. 47 Zu den Inhalten der Eheverträge von 1491 und 1499 (zur zweiten Ehe Annes, mit Ludwig XII.), s. Michel Nassiet, Anne de Bretagne, A Woman of State, in: Cultural and Political Legacy of Anne de Bretagne (wie Anm. 46), S. 162–175. Vgl. Elizabeth A. R. Brown, Order (wie Anm. 46), S. 178; Hermann Wiesflecker, Maximilian (wie Anm. 4), Bd. 1, S. 326–336, und Jean-Marie Cauchies, Philippe le Beau (wie Anm. 12), S. 20 f. 48 Hermann Wiesflecker, Maximilian (wie Anm. 4), Bd. 1, S. 336. 49 Jean-Marie Cauchies, Philippe le Beau (wie Anm. 12), S. 21 f.; vgl. Yvonne LabandeMailfert, Autour du traité de Senlis: la Bourgogne en question, in: Cinq-centième anniversaire de la bataille de Nancy (1477). Actes du colloque organisé par l’Institut de recherche régionale en sciences sociales, humaines et économiques de l’Université de Nancy II (Nancy, 22–24 septembre 1977) (Annales de l’Est. Mémoires 62), Nancy 1979, S. 249–268, v. a. S. 254–259. 50 Hermann Wiesflecker, Maximilian (wie Anm. 4), Bd. 1, S. 344. 51 Zu den habsburgischen Eheverbindungen im späten Mittelalter s. Cyrille Debris, „Tu, felix Austria, nube“ (wie Anm.  26); Ausblicke auf die frühe Neuzeit bieten Beatrix Bastl, Habsburgische Heiratspolitik (wie Anm. 45), und Alfred Kohler, „Tu felix Austria nube…“. Vom Klischee zur Neubewertung dynastischer Politik in der neueren Geschichte Europas, in: Zeitschrift für historische Forschung 21, 1994, S.  461–482; s.  a. Early Modern Habsburg Women. Transnational Contexts, Cultural Conflicts, Dynastic Continuities, hg. von Anne J. Cruz/Maria Galli Stampino (Women and Gender in the Early Modern World), Aldershot 2013 (mit Fokus auf die Position der Frauen als „transkulturelle“ Vermittlerinnen). 52 Jean-Marie Cauchies, Philippe le Beau (wie Anm.  12), S.  43–48; die Initiative ging dabei maßgeblich von Ferdinand von Aragón aus, s. Manfred Hollegger, Maximilian (wie Anm. 3), S. 94 f., und Hermann Wiesflecker, Maximilian (wie Anm. 4), Bd. 2, S. 27–43.



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einerseits sowie Johann von Kastilien-Aragón und Margarete von Österreich andererseits ging es zunächst nicht um ein solches Erbe.53 Für beide Dynastien stand vielmehr die Einklammerung Frankreichs zwischen den Pyrenäen und den Niederen Landen im Fokus: Maximilian versprach sich einerseits eine Entlastung an der südlichen Grenze der Niederlande. Aber auch für ihn spielte, wie vor allem für die aragonesische Krone mit ihren mediterranen Interessen und dem Anspruch auf das Königreich Neapel, der Schauplatz Italien eine bedeutende Rolle. 1494 war Karl VIII. von Frankreich triumphierend bis nach Rom und Neapel gezogen, wo er von Papst Alexander VI. am 20. Mai 1495 gekrönt wurde.54 Die antifranzösische Wendung lag daher im Interesse beider Parteien – und die Verbindung sorgte letztlich für eine markante Ausweitung des habsburgischen Interessenshorizonts, der nun den gesamten Westen Europas einschloss.55 Die heute bekannten Folgen des doppelten Bandes zwischen Habsburg und den Trastámare, das durch die Eheschlüsse vom 20. Oktober 1496 in Lierre (Philipp und Johanna) und vom 3. April 1497 in Burgos (Margarete und Johann) endgültig geschlossen wurde,56 resultierten dann aber aus dem biologischen Zufall: Der kastilisch-aragonesische Thronfolger, Margaretes Mann Johann, starb bereits am 4. Oktober 1497; der Sohn, von dem Margarete einige Wochen später entbunden wurde, kam wohl schon tot zur Welt.57 Als im Juni 1500 auch Michael, der Sohn von Johannas älterer Schwester Elisabeth (oder Isabella) mit Manuel I. von Portugal mit nicht einmal zwei Jahren verschied, ging der Thronanspruch faktisch auf Johanna und ihren Mann über: Elisabeth selbst hatte die Geburt Michaels nicht lange überlebt58 und obwohl die „katholischen Könige“ Ferdinand und Isabella schon 1498 dafür gesorgt

53 Die Vereinbarung einer Doppelhochzeit deutet dabei nicht notwendig auf die Absicht hin, eine besonders enge Bindung zu knüpfen. Vielmehr spielte auch materielle Interessen eine Rolle, da sich die zu zahlenden Mitgiften gegeneinander aufhoben, s. Hermann Wiesflecker, Maximilian (wie Anm. 4), Bd. 2, S. 38 f. Ich danke für diesen Hinweis Prof. Dr. Karl-Heinz Spieß (Greifswald). 54 Zu den Italienkriegen Karls VIII., und Ludwigs XII. s. im Überblick Philippe Hamon, Les Renaissances 1453–1559 (Histoire de France), Paris 2009, S. 324–331. 55 Als knappes Fazit zu Italien s. Hermann Wiesflecker, Maximilian (wie Anm. 4), Bd. 5, S. 624 f.; vgl. Manfred Hollegger, Maximilian (wie Anm. 3), S. 97–101 und 191–212. 56 Im Überblick s. Jean-Marie Cauchies, Philippe le Beau (wie Anm.  12), S.  41–54; s.  a. Alfred Kohler, Die Doppelhochzeit von 1496/97. Planung, Durchführung und dynastische Folgen, in: Kunst um 1492. Hispania Austria. Die katholischen Könige, Maximilian I. und die Anfänge der Casa de Austria in Spanien, Milan 1992, S. 59–86. 57 Jean-Marie Cauchies, Philippe le Beau (wie Anm. 12), S. 126. 58 Zu Elisabeth/Isabella im Überblick s. Ana Rodrigues Oliveira, Rainhas medievais de Portugal. Dezassete mulheres, duas dinastias, quatro séculos de História, Lisboa 2010, S. 526–536; knapp Jean-Marie Cauchies, Philippe le Beau (wie Anm. 12), S. 127 f.

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hatten, dass die Cortes Kastiliens und Aragóns das portugiesische Königspaar als Thronfolger anerkannten, veränderten die Todesfälle die Situation grundlegend. Damit rückte Johanna in die Rolle der Thronfolgerin und ihr Gemahl Philipp der Schöne ergriff die sich bietenden Möglichkeiten: Ab 1501 begannen er und seine Frau, sich als princes de Castille zu bezeichnen59 und noch im selben Jahr reisten sie auf die spanische Halbinsel, um ihre Ansprüche zu befestigen. Philipps erste Spanienreise ist durch eine Reihe von Berichten gut dokumentiert:60 über den Landweg quer durch Frankreich und die Pyrenäen erreichte man schließlich Toledo, wo Philipp am 7. Mai 1502 erstmals seine Schwiegereltern traf und am 22. Mai feierlich als Erbe des kastilischen Throns anerkannt wurde. Auch der Rückweg führte über Frankreich, wo Philipp, der hier im Namen seiner Schwiegereltern handelte, im April 1503 mit Ludwig XII. im Vertrag von Lyon eine Lösung für die Konflikte um das Königreich Neapel vereinbarte.61 Über die Freigrafschaft und den Sundgau führte ihn sein Weg dann ins Reich: Im September traf er in Innsbruck und Hall nach langer Zeit erstmals wieder mit seinem Vater Maximilian zusammen, bevor er im November 1503 in die Niederen Lande zurückkehrte. Als dann am 4. November 1504 die kastilische Königin Isabella „die Katholische“ in Medina del Campo starb, wurde der Thronanspruch schließlich Realität: Nach langen und gründlichen Vorbereitungen, begleitet von intensiven Korrespondenzen zwischen den Niederen Landen und der spanischen Halbinsel, aber auch von steigenden Spannungen zwischen Philipp und seinem Schwiegervater Ferdinand von Aragón, brach die Reisegesellschaft am 10. Januar 1506 erneut auf, diesmal auf dem Seeweg.62 Widrige Wetterverhältnisse erzwangen einen Zwischenaufenthalt in England, den Philipp für diplomatische Verhandlungen mit König Heinrich VII. nutzte. Erst Ende April (wohl am 22.), wurde die Fahrt fortgesetzt und nach wenigen Tagen landete die Flotte in La Coruña an.63 Trotz des Widerstands seines Schwiegervaters, mit dem er erst nach mehreren Wochen zu einem Ausgleich kam, 59 Jean-Marie Cauchies, Philippe le Beau (wie Anm. 12), S. 127. 60 Ebenda, S. 131–144. Zu den Berichten, unter denen für die erste Reise derjenige des Antoine de Lalaing herausragt, s. auch Jonathan Dumont, ‚Le lion enfin couronné‘. Pensée politique et imaginaire royal au cours des premiers voyages espagnols des princes de la Maison de Bourgogne-Habsbourg, in: Revue belge de Philologie et d’Histoire 94, 2016, S. 841–882. Lalaings Bericht ist ediert in Collection des voyages des souverains des Pays-Bas, Bd. 1, hg. von Louis-Prosper Gachard, Brüssel 1876, S. 121–340. 61 Jean-Marie Cauchies, Philippe le Beau (wie Anm. 12), S. 147 f. 62 Ebenda, S. 176–190. 63 Ebenda, S. 189 f.

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konnte Philipp seinen Anspruch auf die kastilische Krone durchsetzen. Gemeinsam mit seiner Frau Johanna wurde er am 12. Juli 1506 in Valladolid von den Cortes als Herrscher über Kastilien anerkannt – eine formelle Krönung fand (traditionsgemäß) nicht statt.64 Der Erfolg blieb allerdings Episode, da sich Philipp schon nach wenigen Monaten bei einem Ballspiel verkühlte. Dem anfänglichen ­ Kränkeln folgten rasch hohes Fieber, Schmerzen, Erbrechen – und am 25. September 1506 starb der junge König in Burgos.65 Seiner Witwe ­Johanna, die als „die Wahnsinnige“ in die Geschichte einging, eilte schon länger der Ruf voraus, für die Regierung nicht geeignet zu sein, und so führte dieser frühe Tod zu einer neuen Krise. Zwar hinterließ Philipp gleich mehrere Kinder,66 aber alle waren minderjährig, auch die zwei Söhne Karl (*1500) und Ferdinand (*1503). Wenngleich die Beziehung zwischen Philipp und seinem Vater phasenweise recht zerrüttet gewesen war, nicht zuletzt aufgrund ihrer unterschiedlichen Haltung gegenüber Frankreich, ergriff Maximilian nun ebenso energisch wie erfolgreich die Initiative: In Spanien hielt er sich aus den Verwicklungen zwischen Johanna und ihrem Vater Ferdinand zwar weitgehend heraus67, aber in den Niederen Landen setzte er seine seit 1504 zum zweiten Mal verwitwete Tochter Margarete als Statthalterin für den jungen Karl ein, die auf lange Jahre die Regierung sicherte. An Problemen mangelte es nicht, wie etwa der lange schwelende Konflikt um das Herzogtum Geldern zeigt,68 aber der geschickten und kulturell interessierten Erzherzogin gelangen wiederholt politisch-diplomatische Erfolge: Mit der Liga von Cambrai wurde 1508 die Situation mit Frankreich vorerst befriedet,69 bis die Liga von Mechelen (1513) diesen 64 Ebenda, S. 198 f. 65 Ebenda, S. 203 f. 66 In den kurzen Jahren ihrer Ehe brachte Johanna nicht weniger als sechs Kinder zur Welt; neben den beiden Söhnen Karl und Ferdinand gebar sie vier Töchter Eleonore (*1498), Isabella (*1501), Maria (*1505) und Katharina (*1507). Alle diese Töchter wurden später mit Königen verheiratet. 67 Johanna wurde dort bald von den Regierungsgeschäften ferngehalten und schließlich vollständig isoliert: ab Februar 1509 hielt sie sich dauerhaft in Tordesillas auf, wo sie faktisch inkarzeriert war. Für eine eingängige Darstellung s. Manuel Fernández Álvarez, Johanna die Wahnsinnige 1479–1555. Königin und Gefangene, München 2005, hier S. 122–127 sowie knapp Klaus Herbers, Geschichte Spaniens im Mittelalter. Vom Westgotenreich bis zum Ende des 15. Jahrhunderts, Stuttgart 2006, S. 311 f. Jean-Marie Cauchies, Philippe le Beau (wie Anm. 12), S. 230–237, beschreibt Isabella als für Philipp „peinliche“ oder „unangenehme“ Ehefrau (une épouse embarrassante). 68 Ausführlich zum Hintergrund s. Jean-Marie Cauchies, Philippe le Beau (wie Anm. 12), S. 171–176. 69 Hermann Wiesflecker, Maximilian (wie Anm. 3), Bd. 4, S. 22–36; s. a. knapp zur Liga Claire Judde de la Rivière, Naviguer, commercer, gouverner. Économie maritime et pouvoirs à Venise (XVe–XVIe siècles) (The medieval Mediterranean 79), Turnhout 2008, S. 74 f.

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Konfliktherd in einer Allianz Habsburgs mit England, Spanien und dem Heiligen Stuhl erneut aufbrach.70 Interessanterweise ließ sich Maximilian bereits 1514 mit einem französischen Plan zu einer Doppelhochzeit umgarnen, obwohl Margarete ihn nachdrücklich warnte: Ludwig XII. wollte Eleonore heiraten, die älteste Tochter Philipps des Schönen und Johannas, während Ferdinand im Gegenzug Ludwigs Tochter, die 1510 geborene Renée de France ehelichen sollte. Der Plan wurde nie realisiert, aber mit der zwischenzeitlichen diplomatischen Kehrtwendung hatte Maximilian den Allianzpartner England verprellt.71 Während Margaretes Statthalterschaft wurde Karls jüngerer Bruder Ferdinand, der 1503 in Alcalá de Henares zur Welt gekommen war, am aragonesischen Hof erzogen. König Ferdinand hatte seit 1509 auch in Kastilien offiziell die Regentschaft übernommen, nachdem man Johanna als regierungsunfähig erklärt und in Tordesillas im Kloster Santa Klara untergebracht hatte.72 Sie mag tatsächlich an psychischen Problemen gelitten haben, aber die politische Männerwelt trug sicher ihren Teil dazu bei, sie effektiv auszugrenzen. Während also Ferdinand in Spanien aufwuchs, erzog Margarete in den Niederen Landen ihren Neffen Karl und ihre vier Nichten.73 Bemerkenswert erscheint dies insofern, als sich Karl, der sich im Jahr 1515 als mündig erklärte, nach dem Tod Ferdinands „des Katholischen“ im Januar 1516 anschickte, das Königtum zu übernehmen. Sorgfältig vorbereitet zog er im September 1517 auf die iberische Halbinsel und konnte dort ohne größere Schwierigkeiten das spanische Erbe antreten, während sein Bruder in die Niederlande ging.74 Außenpolitisch zeigte sich 70 Hermannn Wiesflecker, Maximilian (wie Anm. 3), Bd. 4, S. 118 f. 71 Ebenda, Bd. 4, S. 143–147; Manfred Hollegger, Maximilian (wie Anm. 3), S. 207 f. 72 Siehe Anm. 67. Für weitere Hinweise zu Ferdinand „dem Katholischen“ s. u. a. die Beiträge in La imagen de Fernando el Católico en la Historia, la Literatura y el Arte, hg. von Aurora Egido/José Enrique Laplana, Zaragoza 2014. Zu den Kindheits- und Jugendjahren des jungen Ferdinand s. Alfred Kohler, Ferdinand I. 1503–1564. Fürst, König und Kaiser, München 2003, S. 35–59. 73 Zur Erziehung Karls V. s. ausführlich Anna M. Schlegelmilch, Die Jugendjahre Karls V. Lebenswelt und Erziehung des burgundischen Prinzen (Beihefte zum Archiv für Kulturgeschichte 67), Köln/Weimar/Wien 2011; zur Biographie s. Alfred Kohler, Karl V. Eine Biographie, München 1999, und Ernst Schulin, Kaiser Karl V., Geschichte eines übergroßen Wirkungsbereiches, Stuttgart 1999. 74 Hermann Wiesflecker, Maximilian (wie Anm. 4), Bd. 5, S. 190, datiert die Nachfolge auf 1516. Tatsächlich nahm Karl im März 1516 den Königstitel an, obwohl ihn der Consejo real vor diesem Schritt gewarnt hatte; die effektive Durchsetzung brachte aber erst der Aufenthalt in Spanien ab Herbst 1517. Die Huldigung durch die kastilischen Cortes erfolgte im Februar 1518. Zur Ankunft Karls und Eleonores (am 19. September 1517 in Tazones), s. Anna M. Schlegelmilch, Jugendjahre (wie Anm. 73), S. 530 f., und Alfred Kohler, Ferdinand I. (wie Anm. 72), S. 49–55. Harm von Seggern, Geschichte der Burgundischen Niederlande (wie Anm. 1), S. 242 f., unterstreicht die zunächst prekäre Situation Karls in Spanien.

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Karl, der mit seiner Abreise erneut Margarete als Statthalterin einsetzte, zunächst einmal recht frankreichfreundlich und suchte im Vertrag von Noyon am 13. August 1516 den Ausgleich mit Franz I.75 Die Regelung der mittlerweile stark ausgeweiteten habsburgischen Territorien erfolgte erst einige Jahre später im Teilungsvertrag von Worms bzw. Brüssel (1521/22), der die Niederlande der spanischen Linie zuschlug und damit vom Reich weitgehend abtrennte.76 Zum Zeitpunkt von Maximilians Tod im Jahr 1519 hatte sich damit die Expansion nach Westen weithin stabilisiert: die burgundischen Niederlande sowie die 1493 wiedererworbene Franche-Comté waren ebenso wie Spanien in habsburgischer Hand. Während Maximilians intensive Italienpolitik – die sich auf den Norden der Halbinsel konzentrierte – kaum greifbare Ergebnisse hinterlassen hatte (der Süden war natürlich spanisch dominiert),77 erweisen sich also im Rückblick zwei Erwerbungen durch prestigiöse Eheschlüsse und deren unvorhersehbare Folgen als Grundlage für die Öffnung erst europäischer, dann globaler Horizonte. Denn mit dem Ausgriff nach Spanien war eine zusätzliche Weitung des Blicks untrennbar verbunden: Im Jahr 1519 zählten zu den Besitzungen der kastilischen Krone in der „Neuen Welt“ neben Inseln in der Karibik und Festlandsstützpunkten in Südamerika auch schon Teile Mittelamerikas. Als Maximilian am 12. Januar 1519 auf der oberösterreichischen Burg Wels starb, bereitete Hernán Cortés gerade die Flotte vor, mit der er am 18. Februar Havanna verließ und im November Tenochtitlan erreichte.78 Maximilian, so darf man vermuten, hätte sich hierfür (aus ganz unterschiedlichen Gründen) sehr interessiert. Man muss dabei nicht, wie Wiesflecker es tat, sein portugiesisches Erbe bemühen, das auf seine Mutter Eleonore zurückging. Ganz konkret zeigt sich sein Interesse etwa in der Unterstützung Hieronymus Münzers, der mit Johann von Portugal Pläne zum weiteren Ausgreifen in die neue Welt vorbereiten sollte.79 Dieser (allzu) geraffte Überblick zu einigen der zentralen Etappen, die den habsburgischen Weg in den Westen markieren, belegt den entschlossenen Einsatz der Protagonisten, verweist aber zugleich

75 Alfred Kohler, Karl V. (wie Anm. 73), S. 60; zum späteren Verhältnis Karls mit Frankreich s. Rainer Babel, Frankreich und Karl V. (1519–1556), in: Karl V. 1500–1558. Neue Perspektiven seiner Herrschaft in Europa und Übersee, hg. von Alfred Kohler/Barbara Haider/Christine Ottner (Zentraleuropa-Studien 6), Wien 2002, S. 577–610. 76 Hermann Wiesflecker, Maximilian (wie Anm. 4), Bd. 5, S. 190. 77 Knapp Manfred Hollegger, Maximilian (wie Anm. 3), S. 210–212. 78 S. knapp Wolfgang Reinhard, Die Unterwerfung der Welt: Globalgeschichte der europäischen Expansion 1415–2015, München 2016, S. 296 f. 79 Hermann Wiesflecker, Maximilian (wie Anm. 4), Bd. 5, S. 448 f.

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auf die Bedeutung von Zufällen und Glücksmomenten. Was in der Retrospektive als konsequentes Fortschreiten erscheinen könnte, erweist sich bei genauerem Hinsehen als hochgradig kontingentes Geschehen. Um zu verdeutlichen, wie sehr eine allzu vereinheitlichende Perspektivierung trügt, sollen daher abschließend ausgewählte Pro­ blemfelder und Kontexte benannt werden, die nachdrücklich zu Differenzierungen nötigen.

Das burgundische Erlebnis Zu den Fragen, deren Beantwortung stark von der gewählten Perspektive abhängt, zählt zunächst die Einschätzung des „burgundischen Erlebnisses“, dem Wiesflecker immense Wirkung auf den jungen Maximilian zusprach: Die Eindrücke, die der junge Fürst im strahlenden Burgund gewinnen konnte, hätten sich demzufolge nicht nur in seinen Vorlieben für die höfische Repräsentation niedergeschlagen, sondern konkret im Rahmen der Herrschafts- und Verwaltungspraktiken, die er später in die habsburgischen Stammlande mitgebracht habe.80 Malte Prietzel, Manfred Hollegger und andere betonen dagegen jüngst, dass der junge Habsburger bei allem burgundischen Glanz doch sehr sorgfältig einzelne Elemente auswählte, während er andere beiseiteließ.81 Dabei lässt sich eine gewisse Zurückhaltung bei der Einführung neuer Verwaltungs- und Herrschaftspraktiken durchaus nachvollziehbar mit den unterschiedlichen regionalen Traditionen begründen, die zu Widerständen führten. Stärker überrascht dagegen der Befund, dass sich die Übernahmen bei den diplomatischen Praktiken in Grenzen hielten, wie Christina Lutter am Beispiel der Beziehungen mit Venedig zeigte.82 Dies bedeutet aber keineswegs, dass der Kontakt mit Burgund folgenlos geblieben wäre: Die Erfahrungen in den Niederen Landen 80 Ebenda, S. 228–247. 81 Malte Prietzel, Imitation, Inspiration und Desinteresse. Die Auseinandersetzung Maximilians I. mit den politischen Traditionen Burgunds, in: „Das kommt mir spanisch vor“. Eigenes und Fremdes in den deutsch-spanischen Beziehungen des späten Mittelalters, hg. von Klaus Herbers/Nikolas Jaspert, Münster 2004, S. 87–106; Manfred Hollegger, Maximilian (wie Anm. 3), S. 38–42. Zuletzt abwägend Heinz Noflatscher, Von Maximilian zu Karl V. Der Fall „Burgund-Österreich“, in: La cour de Bourgogne et l’Europe. Le rayonnement et les limites d’un modèle culturel, hg. von Werner Paravicini/Torsten Hiltmann/Frank Viltart (Beihefte der Francia 73), Ostfildern 2013, S. 721–743. 82 Christina Lutter, Politische Kommunikation an der Wende vom Mittelalter zur Neuzeit. Die diplomatischen Beziehungen zwischen der Republik Venedig und Maximilian I. (1495–1508) (Veröffentlichungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung 34), Wien/München 1998, S. 200–207.

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prägten grundlegend Maximilians Position gegenüber Frankreich – und im weiteren 16. Jahrhundert eskalierte der habsburgisch-französische Antagonismus so stark, dass er zu einem bestimmenden Element der europäischen Geschichte wurde.83 Schon Einstellungen und Haltungen an sich waren folglich bedeutsam, prägten sie doch konkrete Entscheidungen und Handlungen. Über diesen unterschwelligen Einfluss hinaus gingen zudem die Effekte im Bereich der kulturellen Beeinflussung und die resultierenden Praktiken beim Erwerb und Einsatz sozialen und kulturellen „Kapitals“: Deutlich macht dies nicht nur Maximilians Gedechtnus-Projekt, dessen starker Fokus auf Genealogisches brabantisch-niederländisch inspiriert gewesen sein mag.84 Zwar war man sich bereits im Umfeld Kaiser Friedrichs III. des Werts einer hofnahen Geschichtsschreibung bewusst, wie etwa das Beispiel Thomas Ebendorfers zeigt.85 Mit dem Werk des burgundischen Hofhistoriographen Jean Molinet, der trotz zeitweiliger Schwierigkeiten über den dynastischen Bruch von 1477 hinweg erfolgreich seine Position bewahrte,86 lernte Maximilian jedoch eine ganz andere Qualität der zeitnah zu den Ereignissen erfolgten historiographischen Stilisierung mit ausgefeilten rhetorischen Mitteln kennen. Einen nachdrücklichen Beleg bietet, um nur ein Beispiel auszuwählen, die Darstellung des Zusammentreffens von Friedrich III., Maximilian und Philipp dem Schönen in Molinets Chronik. Tatsächlich mögen die Feierlichkeiten üppig ausgefallen sein,87 aber der Chronist 83 Zum beherrschenden Konflikt zwischen Franz I. und Karl V. s. im Überblick Alfred Kohler, Karl  V. (wie Anm.  73), S.  158–164, 277–294 und 337–341; Rainer Babel, Deutschland und Frankreich im Zeichen der habsburgischen Universalmonarchie 1500–1648 (WBG Deutsch-Französische Geschichte 2), Darmstadt 2005, S. 15–55 und Philippe Hamon, Les Renaissances (wie Anm. 54), S. 341–351. 84 Zu den einschlägigen Vorläufern s. Gert Melville, Vorfahren und Vorgänger. Spätmittelalterliche Genealogien als dynastische Legitimation zur Herrschaft, in: Die Familie als sozialer und historischer Verband. Untersuchungen zum Spätmittelalter und zur frühen Neuzeit, hg. von Peter-Johannes Schuler, Sigmaringen 1987, S. 203–309. 85 Alphons Lhotsky, Thomas Ebendorfer. Ein österreichischer Geschichtschreiber, Theologe und Diplomat des 15. Jahrhunderts (MGH Schriften 15), Stuttgart 1957; vgl. auch die Einleitung des Herausgebers in Thomas Ebendorfer, Chronica regum Romanorum, 2 Bde., hg. von Harald Zimmermann in: MGH. Scriptores rerum Germanicarum Nova Series 18, Hannover 2003, Bd. 1, S. xi–lxxxiv. 86 Zuletzt Jenny Brun, Jean Molinet: propagandiste des politiques ducales ou simple témoin des tensions franco-bourguignonnes (XVe siècle)?, in: „Des bruits courent“. Rumeurs et propagande au temps des Valois, hg. von Luc Vaillancourt/Melissa Lapointe/Paul Kawczak, Paris 2017, S. 77–90 sowie die Beiträge in Jean Molinet et son temps: actes des rencontres internationales de Dunkerque, Lille et Gand (8–10 novembre 2007), hg. von Estelle Doudet/Élodie Lecuppre-Desjardin (Burgundica 22), Turnhout 2013, und Philippe Frieden, La lettre et le miroir. Écrire l’histoire d’actualité selon Jean Molinet (Bibliothèque du XVe siècle 78), Paris 2013. 87 Hermann Wiesflecker, Maximilian (wie Anm. 4), Bd. 1, S. 201 f.

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stilisiert die Begegnung der drei Generationen zu nichts weniger als einem Abbild der heiligen Dreifaltigkeit: „Und es sagten manche, die sie betrachteten: ‚Seht die Figur der Dreifaltigkeit, der Vater, der Sohn und der Heilige Geist‘.“88 Das war ein neuer und gewiss verführerischer Ton, der auch literarische Neuansätze geprägt haben mag. Daneben demonstriert vor allem der Blick auf Maximilians Einsatz visueller Repräsentations­ strategien buchstäblich augenfällig, welche Bedeutung er Burgund stets beimaß: Immer wieder begegnet in Darstellungen des Königs und späteren Kaisers prominent die Emblematik des berühmten Ritterordens vom Goldenen Vlies, der in der burgundischen „Ideologie“ eine markante Rolle spielte.89 Eine in Wien aufbewahrte Handschrift von Jakob Mennels 1518 entstandenem Zeiger führt dies im Bild der „Silberleiter“ vor, auf der eine Reihe von Figuren, die meist als Maximilians weltliche Vorfahren gedeutet werden, in den „Mondhimmel“ aufsteigen. Angeführt werden sie von Maximilian selbst, der an oberster Stelle die Kaiserkrone erhält. Die Personen begleitet eine Wappenserie, an deren oberster Stelle der Doppeladler des Reichs zu sehen ist. Auf ihn folgt aber nicht das Wappen Österreichs, sondern das burgundische!90 Im Verein mit den zahlreichen Verweisen auf Burgund, die in anderen Zusammenhängen mehr oder weniger überraschend erscheinen – so zeigt auch ein 1505 im tirolischen Hall entstandener „Schauguldiner“ das burgundische Wappen gleichberechtigt mit dem österreichischen sowie daneben deutlich die Ordenskette des Goldenen Vlies91 – muss man wohl schließen, dass das burgundische Erbe für Maximilian stets von herausragender Bedeutung blieb, wenngleich er

88 Jean Molinet, Chroniques, 3 Bde., hg. von Georges Doutrepont/Omer Jodogne (Collection des anciens auteurs belges. Nova Series 1), Brüssel 1935–1937, Bd. 1, S. 528: Et disoient aucuns qui les regardoyent: «Vecy figure de la Trinité, le Père, le Filz et Saint Esperit». 89 D’Arcy Jonathan Dacre Boulton, The Order of the Golden Fleece and the Creation of Burgundian National Identity, in: The Ideology of Burgundy. The Promotion of National Consciousness 1364–1565, hg. von D’Arcy Jonathan Dacre Boulton/Jan R. Veenstra (Brill’s Studies in Intellectual History 145), Leiden/Boston 2006, S. 21–97. Zur ­Einsetzung Maximilians als Souverän des Ordens s. jetzt Die Protokollbücher des ­Ordens vom Goldenen Vlies. Teil 4 (wie Anm. 20), v. a. S. 43–104. 90 Wien, ÖNB, Cod. 7892, fol. 23r; zum Werk (mit Abb. der „Mondleiter“) s. Kunst um 1492 (wie Anm. 56), S. 314 f., Nr. 128. Vgl. zuletzt die detaillierten Ausführungen von Volker Rödel, Kaiser Maximilians Westreich und der Quaternionen-Reichsadler, in: Francia 45, 2018, S. 85–116, hier S. 93 f. und 101 f. Ich danke Prof. Dr. Rödel für die freundliche Bereitstellung seines Manuskripts vor dessen Erscheinen. 91 Erich Egg, Die Münzen Kaiser Maximilians I., Innsbruck 1971, S. 150, Nr. 2; für eine gute Abbildung s. https://www.numisbids.com/n.php?p=lot&sid=1956&lot=2 (einges. am 24.9.2018). Weitere ähnliche Beispiele in: Kaiser Maximilian I. [Katalog Wetzlar 2002] (wie Anm. 4), S. 256 und 517.

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sorgfältig auswählte, in welchen Zusammenhängen er die neuen Gedanken und Praktiken zum Einsatz brachte, die er dort kennengelernt hatte. Im Rahmen der Herrschaftsrepräsentation war dies sicher stärker der Fall,92 während ihm etwa das selbstbewusste Handeln der reichen Stadtbürger in Flandern stets fremd blieb,93 so dass seine Politik in dieser Hinsicht kaum offener wurde. Schließlich sollte man bei der Beurteilung des „Schicksalsjahrs“ 1477 auch nicht vergessen, dass die in Brügge geschlossene Ehe keinesfalls den ersten Kontakt Maximilians oder gar des Hauses Habsburg mit dem europäischen Westen darstellte. Entsprechend fiel der „kulturelle Schock“ vielleicht doch etwas geringer aus, als man auf den ersten Blick denken möchte. Natürlich war der Habsburger in weniger glänzenden Verhältnissen aufgewachsen, als er sie in den Niederen Landen kennenlernte. Aber nicht nur hatte er selbst schon 1473 in Trier Gelegenheit, das Auftreten Karls des Kühnen kennenzulernen, sondern seine Familie hatte zudem seit den 1370er Jahren bereits mehrfach die Fühler in den Westen ausgestreckt, um sich verwandtschaftlich mit dem französischen Königshaus oder dessen engsten Umfeld zu verbinden, auch wenn die entsprechenden Projekte meist nicht realisiert wurden.94 Immerhin war aber bereits Maximilians Großonkel Leopold IV. von Österreich von 1387 bis zu seinem Tod im Jahr 1411 mit Katharina von Burgund verheiratet, einer Tochter Herzog Philipps des Kühnen.95 Näher noch liegt der Verweis auf Maximilians eigene Mutter Eleonore, eine Prinzessin aus dem berühmten portugiesischen Königshaus – deren Tante niemand geringeres war als Isabella von Portugal, die Ehefrau Philipps des Guten von Burgund und Mutter Karls des Kühnen! Zusammengenommen deutet all dies darauf hin, dass das „burgundische Erlebnis“ zweifellos lang anhaltende und tiefgreifende Auswirkungen hatte. Diese machten sich aber keineswegs in allen Lebens­ bereichen im selben Ausmaß bemerkbar – und sie sind wohl auch nicht als Reaktion auf den Kontakt mit einer bislang völlig unbekannten Welt zu verstehen.

92 Malte Prietzel, Imitation (wie Anm. 81), S. 104 f. 93 Wim Blockmans, Maximilian (wie Anm. 26), S. 65–67. 94 Zu den vorrangig burgundischen Verbindungen, die meist im Projektstatus blieben oder nur kurzzeitig Bestand hatten, s. Cyrille Debris, „Tu, felix Austria, nube“ (wie Anm. 26), S. 165–194. 95 Eva Bruckner, Formen der Herrschaftsrepräsentation und Selbstdarstellung habsburgischer Fürsten im Spätmittelalter, Diss. Wien 2009, URL http://othes.univie.ac. at/5159/1/2009-01-21_9505008.pdf (einges. am 22.3.2018), S. 165 (Lebensdaten) und 174 (Ehe und Hochzeitsfest).

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EIN Haus Habsburg? Wenn man folglich gut daran tut, die Tragweite des burgundischen Erlebnisses differenziert zu beurteilen, so macht die skizzierte Entwicklung auch deutlich, dass die vereinheitlichende Rede vom ‚Aufstieg Habsburgs‘ täuschen kann. Vielmehr konnten sich insbesondere die Interessen Maximilians und seines Sohns Philipps radikal widersprechen – was sich auch in der Korrespondenz niederschlug, in der die Differenzen in Vorwürfen und Ratschlägen aufscheinen.96 Besonders in der Haltung gegenüber Frankreich, die für Wiesflecker eine Art Lackmustest darstellte, traten die unterschiedlichen Positionen zu Tage: Während Maximilian Wiesflecker als ‚echter Burgunder‘ galt, der Frankreich zumindest kritisch-distanziert, wenn nicht sogar offen feindlich gesonnen sein musste, beurteilt er Philipp als quasi vom schlechten Einfluss seiner Berater verdorben, die ihm eine gefährliche ‚Frankophilie‘ eingepflanzt hätten.97 Dem gegenüber machte Cauchies deutlich, dass Philipp der Schöne ab seiner Mündigkeitserklärung ein durchaus eigenständiges politisches Profil entwickelte, wenngleich seine Ausrichtung von einem breiten Beraterstab mit beeinflusst wurde.98 Vor allem sollte man auch Philipps Haltung zum Ausgleich mit Frankreich differenzierter beurteilen: Letztlich wäre es irreführend, die burgundische Identität in der radikalen Gegnerschaft zur französischen Krone zu suchen. Vielmehr hatten sich die Valois-Herzöge von Burgund, die im späten 14. Jahrhundert aus einem Seitenzweig der Königsfamilie hervorgegangen waren, lange Zeit in erster Linie als französische Fürsten betrachtet und als die ersten unter den „pairs de France“.99 Es lag nahe, an diesem Erbe anzuknüpfen, das lediglich in der Regierung Karls des Kühnen gegenüber einer aggressiven Souveränitätspolitik in den Hintergrund getreten war.100 Darüber hinaus musste Philipp

96 Jean-Marie Cauchies, Philippe le Beau (wie Anm. 12), S. 92–94 und 102 f. 97 Hermann Wiesflecker, Maximilian (wie Anm. 4), Bd. 5, S. 184–187. 98 Zum Einfluss der Ratgeber auf Philipp s. Jean-Marie Cauchies, „Croit conseil“ et ses „ministres“. L’entourage politique de Philippe le Beau (1494–1506), in: À l’ombre du pouvoir. Les entourages princiers au moyen âge, hg. von Alain Marchandisse/JeanLouis Kupper (Bibliothèque de la Faculté de Philosophie et Lettres de l‘Université de Liège 283), Genève 2003, S.  385–405; Jean-Marie Cauchies, Philippe le Beau (wie Anm. 12), S. 57–75 und 219–230. 99 Élodie Lecuppre-Desjardin, Royaume inachevé (wie Anm. 15), S. 140–143 und 148– 155. 100 Zu dessen Streben nach Souveränität s. etwa Werner Paravicini, Einen neuen Staat verhindern (wie Anm.  25), hier S.  30–32; vgl. Élodie Lecuppre-Desjardin, Royaume inachevé (wie Anm. 15), S. 162–187.

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als Nachbar des mächtigen französischen Königtums auch aus praktischen Erwägungen viel an einem Ausgleich gelegen sein, wollte er eine ständige Bedrohung an den Grenzen seiner Herrschaft vermeiden. Dabei ging es auch um den Zugriff auf die burgundischen Stammlande, der mit der Rückgabe der Freigrafschaft nach dem Eklat um Margaretes Ehe zumindest in Teilen auch erreicht wurde. Damit ist hier keine einheitlich habsburgische Linie zu suchen, sondern die Perspektiven eines römischen Königs und eines burgundischen Herzogs mussten sich zwangsläufig unterscheiden. Die Bindung an Spanien trug weiter dazu bei, denn einem doppelten Nachbarn Frankreichs – im Norden wie im Süden – konnte eine Feindschaft auf Dauer nicht als attraktive Option erscheinen (sofern man nicht, wie Maximilian es zeitweise wohl tat, dem Gedanken an eine endgültige Vernichtung des französischen Königtums anhing).101 Das bedeutet zwar nicht, dass sich die Interessen der Protagonisten nicht immer wieder unter dem Dach des gemeinsamen Hauses getroffen hätten, aber man muss die Differenzen ernst nehmen, die einen burgundischen Herzog und kastilischen König von einem römisch-deutschen Herrscher trennten, dessen Interessen vorrangig den Gebieten im Osten der österreichischen Länder und Italien galten.

Margarete von Österreich und die Verbindung mit Savoyen Eine ähnliche Mischung von Eigenständigkeit und Unterordnung unter das Familieninteresse ist auch bei einem der faszinierendsten und zu Unrecht etwas im Schatten stehenden Mitglied des Hauses zu finden. Margarete von Österreich erscheint in der breiteren Forschung häufig in der Rolle eines Opfers – und tatsächlich brachten ihre Kindheits- und Jugendjahre manches Erlebnis für sie, das wohl nachgerade traumatisierend gewesen sein dürfte: die Trennung von ihrer Familie und der Weg an den unvertrauten französischen Hof gemäß den Abmachungen des Friedens von Arras (1482), die demütigende Verstoßung durch ihren Verlobten (1491) und schließlich der tragische Verlauf ihrer zwei Ehen. Nicht nur musste sie ihre Gatten Johann von Kastilien-Aragón und Philibert II. von Savoyen jeweils nach kurzer Ehe 101 Dies ging bis zu Plänen einer gemeinsamen Invasion Frankreichs im Verbund mit England, die 1492 nach einem projektierten Treffen mit Heinrich VII. stattfinden sollte, dann aber doch nicht zustande kam, s. Hermann Wiesflecker, Maximilian (wie Anm. 4), Bd. 1, S. 319 und 391–393.

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­ egraben, von denen sie zumindest den zweiten wohl innig geliebt b haben dürfte,102 sondern auch ihre einzige Schwangerschaft (von der wir wissen) mündete in eine Totgeburt.103 Aber selbst Margarete, deren langjährige Tätigkeit als Statthalterin in den Niederen Landen ihren Einsatz für die Dynastie demonstriert, konnte sich widersetzen: Deutlich wird das um 1506, als ihr Bruder Philipp in England kurzerhand für sie einen Eheschluss mit König Heinrich VII. vereinbarte. Dieser Abmachung verweigerte sich Margarete, die man nicht einmal gefragt hatte, ebenso energisch wie erfolgreich.104 Effizient verzögerte sie die Verhandlungen, bis schließlich Maximilian selbst gegen Ende des Jahres 1507 auf das Vorhaben verzichtete. Dass der prospektive Gemahl bald darauf starb, sorgte endgültig für Klarheit.105 Dieser Verlauf des Eheprojekts ist vor allem deswegen so bemerkenswert, weil sich die Angehörigen des Hauses Habsburg über die Zeiten hinweg in der Mehrzahl den dynastisch orientierten Heiratsplänen fügten. Dem gegenüber verdeutlicht Margaretes Widerstand, dass wir nicht nur Philipp den Schönen deutlicher als selbständige Figur wahrnehmen sollten, sondern auch seine Schwester. Mit Margarete ist zudem eine Variante des Ausgreifens der habsburgischen Politik in den Westen in Erinnerung zu rufen, die zumal aus der Warte der deutschsprachigen Forschung gerne vergessen wird. Aus territorialpolitischer Sicht besitzt die Ehe mit Philibert II. nämlich eine eigentümliche Zwitterperspektive. Einerseits handelt es sich aus der Perspektive des Reichs keineswegs um eine ‚internationale‘ Verbindung: Die Grafen (seit 1416 Herzöge)106 von Savoyen waren seit 1310 formell in den Reichsfürstenstand erhoben und beriefen sich

102 Einen Beleg bietet Margaretes Engagement für das Grabmal Philiberts und den Bau der Kirche in Brou, s. die Beiträge in Brou, un monument européen à l’aube de la Renaissance. Actes du colloque scientifique international de Brou, 13 et 14 octobre 2006, hg. von Caecilia Pieri, Paris 2009, v. a. Dagmar Eichberger, Distance physique – proximité spirituelle: la double présence de Marguerite d’Autriche à Brou et à Malines, S. 41–57; s. a. Dagmar Eichberger, Leben mit Kunst (wie Anm. 13), S. 37–43. 103 Zu Margarete siehe die in Anm. 13 genannten Werke. 104 Tatsächlich hatte die damals 21-jährige Margarete sich auch der Ehe mit Philibert II. von Savoyen zu widersetzen versucht, s. Cyrille Debris, „Tu felix Austria“ (wie Anm. 26), S. 271. 105 Detailliert zu den Abläufen Cyrille Debris, „Tu felix Austria“ (wie Anm. 26), S. 272– 276. 106 Zur Erhebung Amadeus’ VIII. von Savoyen in den Herzogsstand s. demnächst die Beiträge zur Tagung „La naissance du duché de Savoie 1416“ (Chambéry, 18.–20. Februar 2016; in Druckvorbereitung); zu den Hintergründen s. Jacques Chiffoleau, Amédée VIII ou la Majesté impossible?, in: Amédée VIII – Félix V. Premier duc de Savoie et pape (1383–1451), hg. von Bernard Andenmatten/Agostino Paravicini Bagliani/Nadia Pollini (Bibliothèque Historique Vaudoise 103), Lausanne 1992, S. 19–49.

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bis weit in die Neuzeit auf diesen Status.107 Spätestens seit dem späten 13. Jahrhundert wird man sie, schon aufgrund der verkehrsstrategischen Lage ihrer Territorien, aber auch angesichts ihrer weit ausgreifenden verwandtschaftlichen Verbindungen auf höchstem Niveau, zu den wichtigsten adligen Dynastien Europas zählen müssen.108 Um 1500 befand sie sich allerdings aufgrund wiederholter früher Todesfälle sowie des Ausgreifens der Eidgenossenschaft in einer Phase des Niedergangs, die 1536 im faktischen Verlust fast aller Besitzungen gipfelte. Noch war es aber nicht soweit: Savoyen besaß noch viel vom alten Glanz und die Herrschaft Philiberts II. zwischen der Bresse, dem Genfersee, Nizza und dem Piemont machte ihn für Habsburg zum interessanten Partner, der ein Gegengewicht zu Frankreich bilden konnte. Vom wirtschaftlichen und kulturellen Potential Savoyens in dieser Zeit zeugen noch heute zahlreiche Bauwerke, Handschriften und Objekte der höfischen Kultur. Interessanterweise erwies sich die Anbindung Savoyens an Habsburg auch mittelfristig als wichtiges Pfund, denn hinter dem bedeutenden Friedensvertrag bei CateauCambrésis (1559) standen die militärischen Erfolge Emanuel-Philiberts I. von Savoyen. Dieser Neffe des kinderlos verstorbenen Philibert II., einer der bedeutendsten Truppenführer Karls V. und Philipps II., konnte mit dem Vertrag von 1559 auch einen großen Teil der alten savoyischen Territorien zurückgewinnen.109

Fazit Die letzten Hinweise führen bereits weit über den hier zu schildernden Zeitraum hinaus. Sie können aber verdeutlichen, welch weitreichende und nachhaltige Folgen die skizzierten „Wege Habsburgs in den Westen“ tatsächlich hatten, und zwar auch jenseits der Ausbil107 Eine Darstellung zur Geschichte Savoyens in deutscher Sprache ist ein Desiderat. Als jüngerer Überblick bieten sich an Bernard Demotz, Le comté de Savoie du XIe au XVe siècle. Pouvoir, château et État au Moyen Âge, Genève 2000, sowie Réjane Brondy/ Bernard Demotz/Jean-Pierre Leguay, La Savoie de l’an mil à la Réforme (Histoire de la Savoie 2), Rennes 1985. Weitgehend populär und ohne hinreichende Nachweise: Histoire de la Savoie et de ses États. Texte intégral, hg. von Claire Pittard, Fouesnant 2016. Zur Erhebung in den Reichsfürstenstand s. Steffen Schlinker, Fürstenamt und Rezeption. Reichsfürstenstand und gelehrte Literatur im späten Mittelalter (Forschungen zur deutschen Rechtsgeschichte 18), Köln/Weimar/Wien 1999, S. 105–115. 108 Für eine Synthese s. Alessandro Barbero, Il ducato di Savoia. Amministrazione e corte di uno stato franco-italiano (1416–1536), Roma/Bari 2002. 109 Zum Frieden von 1559 (mit Edition des Vertrags) s. Bertrand Haan, Une paix pour l’éternité. La négociation du traité du Cateau-Cambrésis (Bibliothèque de la Casa de Velázquez 49), Madrid 2010, S. 197–224 (Edition; zu Savoyen v. a. Art. 33–43).

Wege des Hauses Habsburg in den Westen Europas 1477 bis 1519

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dung des habsburgischen Weltreichs. Damit ist abschließend vor allem zweierlei zu unterstreichen: Zum einen, und das muss wohl nicht gesondert betont werden, war die hier untersuchte Phase entscheidend für den Aufstieg Habsburgs zu buchstäblichem Weltrang – ein Aufstieg, der vor allem über den Westen Europas führt.110 Dabei ist allerdings zu beachten, dass die in der Retrospektive so konsequent erscheinenden Etappen auf diesem Weg in der Sicht der Akteure nichts Zwingendes hatten und in ihrem Erfolg nicht durch eine konsequente Strategie zu erklären sind. Sowohl die burgundische wie die spanische Ehe boten situative Chancen, die von den entscheidenden Vertretern der Dynastie konsequent ergriffen wurden. Die Reichweite der sich damit öffnenden Aussichten und die praktischen Auswirkungen ergaben sich aber in der Folge erst aus Zufällen, insbesondere im Fall Spaniens. Dass sich dennoch für das Haus Habsburg über das gesamte Spätmittelalter hinweg das Bild eines recht strategischen Einsatzes der Heiratspolitik ergibt,111 tut dieser Feststellung keinen Abbruch. Zum zweiten sind, neben den erwähnten Zu- und Glücksfällen, auch die Interessensgegensätze zu betonen, die sich unter anderem zwischen Maximilian und Philipp dem Schönen aufzeigen lassen. Dabei verdiente letzterer, ebenso wie seine Schwester Margarete, nicht nur prinzipiell in der deutschsprachigen Forschung größere Aufmerksamkeit. Vor allem sollten dabei auch die unterschiedlichen Perspektiven beachtet werden, die einen in den Niederen Landen aufgewachsenen Erben Burgunds von einem eingeheirateten österreichischen Erzherzog und römisch-deutschen König trennten, der in den burgundischen Territorien lediglich als Stellvertreter für seine Nachkommen wirken konnte. Sicher macht die verkürzende Rede vom Aufstieg „Habsburgs“ die Vorgänge und Entwicklungen leichter handhabbar. Ein bedeutendes Faszinosum dieser Geschichte besteht aber wohl auch darin, dass sie aus vielen unterschiedlichen Fäden, Interessen und Perspektiven gewoben ist, die auch ganz andere Entwicklungen ermöglicht hätten – und letztlich doch in einer Weise konvergierten, die späteren Generationen diese vereinheitlichende Konstruktion ermöglichte. Was darüber übrigens nicht vergessen werden sollte, ist die Perspektive der Bevölkerung in den betroffenen Gebieten: Nicht nur stellten die

110 Zu den Verbindungen mit den östlichen Nachbarn Habsburgs, insbesondere Polen, Ungarn und Böhmen, die im 16. Jahrhundert ebenfalls zu markanten Erweiterungen des Herrschaftsgebiets führten, s. den Beitrag von Julia Burkhardt im vorliegenden Band. 111 Cyrille Debris, „Tu felix Austria nube“ (wie Anm. 26), S. 471.

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Stände, der regionale Adel,112 Kaufleute und die weitere Bevölkerung insbesondere in den Niederen Landen einen bedeutenden Faktor in den politischen Aushandlungsprozessen wie in den militärischen Auseinandersetzungen dar. Vor allem baute die habsburgische Politik auf den Leistungen und dem Vermögen dieser Menschen auf, die davon bei weitem nicht nur profitierten. Wenn Flandern in der Mitte des 15. Jahrhunderts eine der reichsten Regionen Europas war, erscheint das Land am Ende des Jahrhunderts geradezu vom Krieg ausgezehrt.113 So sei denn ganz zum Schluss der Erinnerung an die „großen Habsburger“ jene an die „kleinen Leute“ dezidiert zur Seite gestellt!

112 S. zum Beispiel des Adels in Flandern etwa Frederik Buylaert, Eeuwen van ambitie: de adel in laatmiddeleeuws Vlaanderen (Verhandelingen van de Koninklijke Academie voor Wetenschappen, Letteren en Schone Kunsten van België. Klasse der Letteren 21), Brüssel 2010. 113 Ausführlicher hierzu demnächst die in Druckvorbereitung befindliche Arbeit von Amable Sablon du Corail, Les finances des Pays-Bas bourguignons de la mort de Charles le Téméraire à l’avènement de Charles Quint (1477–1506), Diss. masch., Université de Paris-Est, 2017; zum Beispiel Brügge, das in den 1480er Jahren eine bedeutende Krise durchlief, s. Ludo Vandamme u. a., Bruges in the Sixteenth Century: A ’Return to Normalcy’, in: Medieval Bruges, c. 850–1550, hg. von Andrew Brown/Jan Dumolyn, Oxford 2018, S. 445–484, hier S. 457 f. und 483.

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Habsburger und Osmanen bis zum Ende der Zeit Maximilians I. († 1519) I. Die Beziehungen der habsburgischen Kaiser zu den osmanischen Sultanen sind im Rahmen der Geschichtswissenschaften meist von der Frühneuzeitforschung behandelt worden. Tagungen und Ausstellungen zu dem Thema widmen sich fast ausschließlich der Epoche der Türkenkriege im 16. und 17. Jahrhundert.1 Dafür gibt es zweifellos gute Gründe. Es genügt, an die Belagerungen Wiens 1529 und 1683 zu erinnern, und allein schon die explosionsartige Zunahme der erhaltenen Objekte und schriftlichen Quellen nach 1500 legt nahe, sich auf diesen Zeitraum zu konzentrieren. Damit werden aber rund 50 Jahre habsburgischer Herrschaft ausgeblendet oder zur reinen Vorgeschichte erklärt, nämlich mindestens die Jahrzehnte seit 1453, der Eroberung Konstantinopels durch die Osmanen. Die Literatur zu den Folgen, die dieses Ereignis in den christlichen Gesellschaften Europas hatte, und allgemein zur osmanischen Expansion im Spätmittelalter ist wahrlich nicht dünn gesät. Sie bewegt sich allerdings stets in einer europäischen oder reichsgeschichtlichen Dimension, räumt der Wahrnehmungsgeschichte einen großen Platz ein und stellt häufig einen Bezug zu Humanismus und

1 Vgl. Österreich und die Osmanen. Gemeinsame Ausstellung der Österreichischen Nationalbibliothek und des Österreichischen Staatsarchivs. Prunksaal der Österreichischen Nationalbibliothek, Ausstell.-Kat. 31. Mai–30. Oktober 1983, hg. von Rudolf Neck, Wien 1983; Löwe und Halbmond. Ein Prunkzelt und Waffen aus dem Osmanischen Reich in Schloss Friedrichstein, hg. von Ina Brandt, Petersberg 2012; Das Osmanische Reich und die Habsburgermonarchie. Akten des internationalen Kongresses zum 150-jährigen Bestehen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung, Wien, 22.–25. September 2004, hg. von Marlene Kurz/Martin Scheutz/Karl ­Vocelka/Thomas Winkelbauer (Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung. Ergänzungsband 48), Wien/München 2005; Frieden und Konfliktmanagement in interkulturellen Räumen. Das Osmanische Reich und die Habs­ burgermonarchie in der Frühen Neuzeit, hg. von Arno Strohmeyer/Norbert Spannenberger, Stuttgart 2013.

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Renaissance her.2 Der Kaiser spielt kaum eine Rolle, und das kommt nicht von ungefähr, sind doch selbst die überzeugtesten Verteidiger Friedrichs III. der Ansicht, dieser sei in der Abwehr der Osmanen ziemlich untätig geblieben. Und sein Sohn Maximilian? Der nahm gleich­ zeitig mit der Publikation feuriger Kreuzzugsmanifeste hinterrücks Verhandlungen mit dem Sultan am Bosporus auf, um Venedig in die Knie zu zwingen. Lethargie und Gleichgültigkeit auf der einen, Unberechenbarkeit und Skrupellosigkeit auf der anderen Seite – Urteile dieser Art haben es verhindert, dass Friedrich III. und Maximilian einen größeren Platz in den erwähnten Werken erhielten. Die Vernachlässigung der habsburgischen Herrscher des ausgehenden 15. Jahrhunderts hat ihren Ursprung in einem Geschichtsbild, dem die Abwehr der Osmanen als die bedeutendste historische Leistung Österreichs galt. Dieses in Österreich, aber nicht nur dort, vom ausgehenden 19. Jahrhundert bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts verbreitete Axiom formuliert ein 1957 erschienener Forschungsüberblick im damaligen Zeitgeist wie folgt: „ … nicht die francisco-josephinische Zeit oder die Ära Metternichs, auch nicht die Epoche Maria Theresias dürfen wir als den Höhepunkt der österreichischen Geschichte ansehen; nicht einmal das Spätmittelalter, das den Habsburgern auf friedlichem Wege ein Weltreich bescherte. Dem Hause Österreich öffnete sich damals eine neue Welt im Westen, dem Lande sollte sich die neue Welt erst im Osten auftun, im Kampfe mit einer barbarischen Großmacht. Die Abwehr der türkischen Gefahr war die große Aufgabe, die Österreich in der abendländischen Geschichte durch nahezu zwei Jahrhunderte gestellt war; sie war die große Leistung der deutschen Linie der Habsburger, dazu bestimmt durch ihre Erbländer und als Träger der Kaiserkrone, oft gehemmt infolge der Verflechtungen des Gesamthauses in die europäischen und deutschen Gegensätze.“3

2 Vgl. Europa und die osmanische Expansion im ausgehenden Mittelalter, hg. von Franz-Reiner Erkens (Zeitschrift für historische Forschung. Beiheft 20), Berlin 1997; Europa und die Türken in der Renaissance, hg. von Bodo Guthmüller/Wilhelm Kühlmann, Tübingen 2000; Osmanische Expansion und europäischer Humanismus. Akten des interdisziplinären Symposions vom 29. und 30. Mai 2003 im Stadtmuseum Wiener Neustadt, hg. von Franz Fuchs (Pirckheimer-Jahrbuch für Renaissance- und Humanismusforschung 20), Wiesbaden 2005; Europa, das Reich und die Osmanen. Die Türkenreichstage von 1454/55 nach dem Fall von Konstantinopel. Johannes Helmrath zum 60. Geburtstag, hg. von Marika Bacsóka/Anna-Maria Blank/Thomas Woelki, Frankfurt am Main 2014. 3 Rudolf Neck, Österreich und die Osmanen. Stand und Probleme der historischen Forschung, in: Mitteilungen des österreichischen Staatsarchivs 10, 1957, S. 434–468, Zitat: S. 434.

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Eine derartige Sichtweise schreibt ungebrochen ältere Diskurse fort, mit denen die habsburgische Publizistik eine Bedrohung ganz Europas durch die Osmanen ausmalte, um eine Gemeinschaft der christlichen Mächte zu beschwören, deren Rückhalt für Österreichs Kampf gegen die Türken gewonnen werden sollte. Die Überhöhung dieses Kampfes zum schicksalshaften historischen Auftrag der Donaumonarchie ist jedoch spezifisch neuzeitlichen Zusammenhängen geschuldet. Sie wies zunächst einen Ausweg aus den Identitätsproblemen des Landes in den letzten Jahrzehnten und nach dem Untergang des habsburgischen Vielvölkerstaats; nach dem Zweiten Weltkrieg diente sie dazu, Österreichs Rang vor dem Hintergrund des Ost-West-Konflikts und der Hochschätzung des ‚christlichen Abendlandes‘ durch eine historisch verbürgte Rolle zu sichern. Es versteht sich aus heutiger Perspektive von selbst, dass die Beziehungen zwischen dem Habsburgerreich und den Osmanen nicht ausschließlich unter dem Aspekt der kriegerischen Konfrontation beschrieben werden können. Gegenseitige Wahrnehmung, Kontakte, Verflechtungen und Austauschprozesse finden derzeit auch eher die Aufmerksamkeit der Historiker als Kriegshandlungen.4 Dass der Türkendiskurs, der sich in den Schlagworten „Türkennot“ und „Türkengefahr“ verdichtete, weniger als quasi objektiver Ausdruck einer historischen Situation betrachtet werden sollte, sondern eine Untersuchung seiner Funktionen in der politischen Kommunikation und der Konstruktion von Selbst- und Feindbildern mehr Ertrag verspricht, unterliegt keinem Zweifel.5 Damit sollen nicht die konkreten Auswirkungen der osmanischen Expansion auf die von ihr betroffenen Menschen und Territorien bestritten werden, die durch die Verschiebung des Fokus auf die Diskursebene bisweilen aus dem Blick zu geraten drohten. Es war jedoch vor allem der Wandel der Forschungsinteressen, der allmählich das Verständnis dafür weckte, dass das erste halbe Jahrhundert dieser Geschichte nicht ausgeklammert werden kann.

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Vgl. Florian Kühnel, Westeuropa und das Osmanische Reich in der Frühen Neuzeit. Ansätze und Perspektiven aktueller Forschungen, in: Zeitschrift für historische Forschung 42, 2015, S. 251–283. Darauf machte Winfried Schulze, Reich und Türkengefahr im späten 16. Jahrhundert. Studien zu den politischen und gesellschaftlichen Auswirkungen einer äußeren Bedrohung, München 1978, aufmerksam; vgl. von der jüngeren Literatur vor allem Almut Höfert, Den Feind beschreiben. „Türkengefahr“ und europäisches Wissen über das Osmanische Reich (1450–1600), Frankfurt am Main 2003, besonders S. 151 ff.

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II. Als sich die Nachricht vom Fall Konstantinopels am 29. Mai 1453 im Sommer und Herbst desselben Jahres zu verbreiten begann, löste sie zwar einen Schock aus, kam aber keineswegs unerwartet.6 Die Katastrophe war schon seit dem späten 14. Jahrhundert vor der Tür gestanden. Über Byzanz und die griechische Kultur wusste man im Westen zu dieser Zeit ungleich mehr als in früheren Jahrhunderten. Außer der Bildungsbewegung des Humanismus war die osmanische Bedrohung der Katalysator dieses Zusammenrückens gewesen. Seit osmanische Heere um die Mitte des 14. Jahrhunderts nach Europa vorzudringen begannen, hatten sich die diplomatischen und gelehrten Kontakte zwischen Ost und West intensiviert, nicht zuletzt angestoßen durch die Reisen, die byzantinische Kaiser zu den Machthabern Italiens, Ungarns und Frankreichs unternahmen, deren Unterstützung sie meist erfolglos erbaten. Schließlich reiste Johannes VIII. Palaiologos zusammen mit einer großen byzantinischen Delegation zum Konzil nach Ferrara und Florenz, wo 1439 ein Unionsdekret zwischen Ost- und Westkirche unterzeichnet wurde.7 Der in Byzanz ausbrechende Widerstand gegen die Union, mit der sich die griechische Kirche dem Primat des römischen Papstes unterwarf, erschwerte die Werbung für den Türkenkrieg im Westen. Ohnehin richtete sich die politische Aufmerksamkeit der westlichen Mächte weniger auf Konstantinopel als vielmehr auf die Situation am Balkan. Ein aus Frankreich und Burgund unterstützter Kreuzzug zur Abwehr der Osmanen, den der ungarische König Sigismund initiiert hatte, scheiterte 1396 bei Nikopolis am Unterlauf der Donau, weitere Niederlagen polnisch-ungarischer Truppen folgten in den vierziger Jahren. Ungarn begann jetzt ver6

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Einen nach wie vor grundlegenden Überblick bietet Erich Meuthen, Der Fall von Konstantinopel und der lateinische Westen, in: Historische Zeitschrift 237, 1983, S.  1–35; verbesserte Fassung in: Mitteilungen und Forschungsbeiträge der Cusanus-Gesellschaft 16, 1984, S. 35–60. Vgl. Klaus-Peter Matschke, Von der Diplomatie des Überflusses zur Diplomatie des Mangels. Byzantinische Diplomaten auf der Suche nach westlicher Hilfe gegen die Türken am Vorabend des Falls von Konstantinopel, in: Gesandtschafts- und Botenwesen im spätmittelalterlichen Europa, hg. von Rainer Schwinges/Klaus Wriedt (Vorträge und Forschungen 60), Ostfildern 2003, S.  87–133; Sebastian Kolditz, Johannes VIII. Palaiologos und das Konzil von Ferrara-Florenz (1438/39). Das byzantinische Kaisertum im Dialog mit dem Westen, 2 Bde. (Monographien zur Geschichte des Mittelalters 60), Stuttgart 2014; Sebastian Kolditz, Gesandte, Gelehrte und Besucher. Byzantiner in Italien im späteren 14. und im 15. Jahrhundert, in: Menschen, Bilder, Sprache, Dinge. Wege der Kommunikation zwischen Byzanz und dem Westen, Bd. 2: Menschen und Worte, hg. von Falko Daim/Christian Gastgeber/Dominik Heher/ Claudia Rapp, Mainz 2018, S. 323–336.

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stärkt seine Position als antemurale, als „Vormauer“ und Bollwerk der Christenheit, zu betonen, um westliche Hilfe zu erhalten.8 Kurz nach der Wende zum 15. Jahrhundert sahen sich auch habsburgische Fürsten mit dem osmanischen Vorrücken konfrontiert.9 1418 schlug Herzog Ernst, der Vater Friedrichs III., den ersten Vorstoß der Osmanen in die habsburgischen Erbländer in der Steiermark zurück. Albrecht II., mit dem 1438 die Habsburger nach 130 Jahren auf den römisch-deutschen Thron zurückkehrten, erwarb durch seine Heirat mit Elisabeth, der Tochter Kaiser Sigismunds, die Königreiche Ungarn und Böhmen. Er starb 1439 während eines Feldzugs gegen die Türken in Ungarn an einer Seuche, umgeben vom Nimbus des Kämpfers gegen Hussiten und Muslime. Als Friedrich III., Herzog von Kärnten, Krain und Steiermark, 1440 zum römisch-deutschen König gewählt wurde, geriet Ungarn alsbald zwangsläufig in seinen Blick, da er Ladislaus, den in diesem Jahr geborenen Sohn und Erben seines Vorgängers, unter seine Vormundschaft nahm. Zugleich rückte er 1452 mit der Kaiserkrönung an die Spitze der europäischen Fürsten, die der Papst für einen Kreuzzug zu mobilisieren suchte. Als Kaiser, Chef des Hauses Habsburg und Landesherr hätte Friedrich, so sollte man meinen, ein Interesse haben müssen, eine effektive Abwehr der Osmanen zu gewährleisten. Tatsächlich war der Habsburger schon seit seiner Königswahl in die Überlegungen jener europäischen Mächte einbezogen worden, die für einen Kreuzzug eintraten, allen voran Burgund. Obwohl Friedrich in manchen modernen Beurteilungen fast als Sonderling erscheint, hatte er doch Teil an der zeitgenössischen Adelskultur. Dazu zählt die Jerusalemwallfahrt, die er wie Hunderte seiner Standesgenossen als junger Mann 1436 unternahm.10 Vgl. Reconfiguring the Fifteenth-Century Crusade, hg. von Norman Housley, London 2017; The Crusade in the Fifteenth Century. Converging and Competing Cultures, hg. von Norman Housley, London 2017; Martin Clauss, Die Türkenabwehr als Argument zur Einigung der Christenheit? König Sigismund und die Niederlage von Nikopolis 1396, in: Rom 1312. Die Kaiserkrönung Heinrichs VII. und die Folgen. Die Luxemburger als Herrscherdynastie von gesamteuropäischer Bedeutung, hg. von Sabine Penth/ Peter Thorau (Forschungen zur Kaiser- und Papstgeschichte des Mittelalters. Beihefte zu J.F. Böhmer, Regesta Imperii, 40), Köln/Weimar/Wien 2016, S. 445–474; Paul Srodecki, Antemurale Christianitatis. Zur Genese der Bollwerksrhetorik im östlichen Mitteleuropa an der Schwelle vom Mittelalter zur Frühen Neuzeit (Historische Studien 508), Husum 2015. 9 Für die Geschichte der Habsburger im 15. Jahrhundert, die im Folgenden nicht eigens belegt wird, vgl. als Überblick Karl-Friedrich Krieger, Die Habsburger im Mittelalter. Von Rudolf I. bis Friedrich III., 2. Aufl. Stuttgart 2004, S. 154–237, sowie die einschlägigen Beiträge in diesem Band. 10 Zum Folgenden vgl. Claudia Märtl, Friedrich III. in Venedig, in: Venedig als Bühne. Organisation, Inszenierung und Wahrnehmung europäischer Herrscherbesuche, hg. von Romedio Schmitz-Esser/Knut Görich/Jochen Johrendt (Centro Tedesco di Studi Veneziani. Studi Neue Folge 16), Regensburg 2017, S. 185–201, hier S. 185–187.

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Nach 1453 wurde diese Wallfahrt für jene, die von ihm Engagement für den Kreuzzug erwarteten, zum Argument, hatte Friedrich doch das Heilige Land und die Herrschaft der Muslime mit eigenen Augen gesehen. Es blieb freilich der Hofhistoriographie Maximilians vorbehalten, eine vermutlich ganz unbedeutende Episode, die Friedrich an der Küste in Ägypten widerfahren war, zu einer glorreichen Aktion hochzustilisieren, bei der der junge Habsburger muslimischen Nachstellungen mit stolz gehisstem Banner entkommen sein soll. Die Anbahnung seiner Ehe mit der portugiesischen Prinzessin Eleonore vollzog sich innerhalb eines Geflechts internationaler fürstlicher Beziehungen, in dem die burgundische Herzogin Isabella, eine Tante Eleonores, eine zentrale Rolle spielte. Bereits deren Eheschließung mit Herzog Philipp dem Guten hatte unter dem Vorzeichen des Kreuzzugsgedankens gestanden.11 Die 1452 durch den Papst eingesegnete Ehe Friedrichs brachte ihm verwandtschaftliche Bindungen zu den Königshäusern Portugals und Aragóns ein, die sich den Kampf gegen die Muslime im Mittelmeerraum auf die Fahnen geschrieben hatten. Einen Onkel der Eleonore, den unteritalischen König Alfons von Aragón, der neben Herzog Philipp unter den Laienfürsten am stärksten für einen Kreuzzug eintrat, besuchte das frischvermählte Paar von Rom aus in seiner Residenz Neapel. Während des Romzugs finden sich Anzeichen, dass Friedrich am Kreuzzug zumindest nicht uninteressiert war. Wenn man Friedrichs Rat und Geschichtsschreiber Eneas Silvius Piccolomini glauben darf, war es sogar der Herrscher selbst, der dieses Thema bei der Rückreise von Neapel vor dem Papst aufs Tapet brachte und Piccolomini damit beauftragte, im April 1452 in einem öffentlichen Konsistorium mit einer Rede für den Kreuzzug gegen die Muslime zu werben.12 Diese Werbungsrede für das passagium, wie es noch ganz mittelalterlich heißt, ruft in knapper Form bereits die wichtigsten Motive der späteren Türkenreden auf, also Grausamkeit der Türken, Schutz der Ehre des Christentums, Notwendigkeit und Machbarkeit des Kriegs. Im Januar 1453 trafen am Hof des Ladislaus, den Friedrich inzwischen gezwungenermaßen aus seiner Obhut hatte entlassen müssen, 11 Vgl. Heribert Müller, Kreuzzugspläne und Kreuzzugspolitik des Herzogs Philipp des Guten von Burgund (Schriftenreihe der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften 51), Göttingen 1993, besonders S.  17–23 und S.  54–58; Jacques Paviot, Les ducs de Bourgogne, la croisade et l’Orient (fin XIVe siècle–XVe siècle), Paris 2003, hier S. 62 f. 12 Eneas Silvius Piccolomini, Historia Austrialis. 1. Redaktion, hg. von Julia Knödler (MGH. Scriptores rerum Germanicarum. Nova series 24,1), Hannover 2009, S.  185  f.; 2./3. Redaktion, hg. von Martin Wagendorfer (MGH. Scriptores rerum Germanicarum. Nova series 24,2) Hannover 2009, S. 636 f., Text der Rede (Moyses vir Dei) S. 826– 842.

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und am Kaiserhof alarmierende Nachrichten aus Konstantinopel ein. Friedrich reagierte darauf am 22. Januar 1453 mit einem Schreiben an Sultan Mehmed II., das „auf eigenen Befehl des Kaisers in seinem Rat“ in Wiener Neustadt abgefasst wurde.13 In diesem vermutlich ältesten Versuch eines habsburgischen Herrschers, mit dem Sultan direkt Kontakt aufzunehmen, spricht Friedrich den Adressaten als „großmächtigen Fürsten, Herrn der Türken“ an und ermahnt ihn, von der Bedrängung des byzantinischen Kaisers, den er seinen Bruder nennt, Abstand zu nehmen. Da Konstantinopel seit den Zeiten des großen Konstantin von christlichen Kaisern regiert werde, sei das osmanische Vorgehen ganz unerträglich, und deshalb fordere er ihn mit diesem besiegelten Brief auf, die gegenüber der Stadt errichtete Belagerungsfestung abzureißen, sonst werde er, Friedrich, mit allen christlichen Königen und Fürsten geeignete Maßnahmen ergreifen müssen. Dann verging fast ein halbes Jahr, bis die Überbringer abgefertigt wurden, deren in Graz ausgestellter Geleitsbrief unmittelbar nach diesem Schreiben in die Reichsregister eingetragen ist.14 Es handelte sich um zwei fränkische Franziskaner, die Mitglieder des Minoritenkonvents in Konstantinopel waren, den Kaiserhof aufgesucht hatten und vermutlich nach ihrer Rückreise beim Sultan vorsprechen sollten. Sie erhielten ihre Beglaubigung am 29. Juni 1453, genau vier Wochen nach der Eroberung Konstantinopels, die ihren Auftrag hinfällig werden ließ. Die Nachricht vom Fall Konstantinopels verbreitete sich von Venedig aus, gelangte Anfang Juli an den Hof Ladislaus‘ in Wien, gegen Mitte Juli an den Kaiserhof in Graz und bestätigte sich dort im Laufe des Augusts endgültig. Daraufhin setzte rege Aktivität ein, allerdings – typischerweise – rhetorisch und auf dem Papier.15 Piccolomini, der 13 Deutsche Reichstagsakten unter Kaiser Friedrich III. Fünfte Abteilung, erste Hälfte: 1453–1454, hg. von Helmut Weigel/Henny Grüneisen (Deutsche Reichstagsakten. Ältere Reihe 19,1), Göttingen 1969, Nr. A.1,3, S. 7 f. 14 Deutsche Reichstagsakten 19,1 (wie Anm. 13), Nr. B.2,1, S. 19 f. Vgl. die Abbildung in dem Ausstellungskatalog: Byzanz & der Westen. 1000 vergessene Jahre, hg. von Falko Daim/Dominik Heher, Schallaburg 2018, S. 259, Nr. 215. Die Information, dass es sich bei den Empfängern um Friedrichs „Gesandte zum Herrscher der Türken“ handle, ist der Überschrift (Littera passus pro ambasiatoribus ad principem Turcorum) zu entnehmen. Sie ist glaubhaft, da auch sonst Franziskaner als Mittler zwischen West und Ost agierten, vgl. Claudine Delacroix-Besnier, Mendicant Friars between Byzantium and Rome – Legates, Missionaries and Polemists (XIIIth–XVth centuries), in: Daim, Menschen 2 (wie Anm. 7), S. 277–290. 15 Die im Folgenden erwähnten Quellen sind zusammengestellt in Deutsche Reichstagsakten 19,1 (wie Anm. 13), S. 19 ff. Von ihnen haben besonders die Schreiben Piccolominis Aufmerksamkeit gefunden, vgl. Johannes Helmrath, Pius II. und die Türken, in: Guthmüller/Kühlmann, Europa (wie Anm. 2), S. 79–137; Claudia Märtl, Donatellos Judith – ein Denkmal der Türkenkriegspropaganda des 15. Jahrhunderts?, in: Fuchs, Osmanische Expansion (wie Anm.  2), S.  53–95, hier S.  65–67; Nancy Bisaha,

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dank seines ausgedehnten Korrespondentennetzwerks über eigene Informationen verfügte, verfasste mehrere Briefe an Nikolaus von Kues und andere Freunde, in denen er den Untergang nicht nur Konstantinopels, sondern der griechischen Kultur beklagte, die er in einer ungebrochenen Kontinuität zur Antike sah. Ein päpstlicher Gesandter verkündete in ausgefeilten Ansprachen vor Ladislaus und Friedrich III. den Kreuzzugsaufruf Papst Nikolaus‘ V., andere Redner variierten Klagen um Konstantinopel und Schilderungen türkischer Gräueltaten. Die Kanzlei Friedrichs III. versandte zahlreiche schwungvoll stilisierte Schreiben, mit denen Könige, Fürsten und Gemeinwesen für das Frühjahr 1454 zu einer Versammlung nach Regensburg gerufen wurden, um über den Krieg gegen die Türken zu beschließen. Dort, bei dem ersten Türkentag der Reichsgeschichte,16 erschien zwar Herzog Philipp von Burgund und drängte nachdrücklich auf einen Kreuzzug, doch der Kaiser kam nicht und überließ es Piccolomini, als sein Vertreter die Versammlung zu leiten. Friedrich entschuldigte sich mit den Umtrieben einiger Räuberbanden in seinen Erbländern, die seine Anwesenheit in Österreich dringend notwendig machten. Der Regensburger Türkentag vertagte Entscheidungen auf eine spätere Versammlung, die im Herbst 1454 in Frankfurt stattfand, doch der Habsburger kam wieder nicht. Schließlich trat eine dritte Versammlung im Frühjahr 1455 in der Kaiserresidenz Wiener Neustadt zusammen; als Beschlüsse gefasst werden sollten, traf die Nachricht vom Tod Nikolaus‘ V. ein und alle Vorbereitungen kamen zum Erliegen. Obwohl der tatsächliche Kriegseintritt ausblieb, sollten die Aus­ wirkungen der ersten Türkentage nicht unterschätzt werden. Die hier gehaltenen Reden, vor allem jene Piccolominis, die weite Verbreitung

„Discourses of power and desire“. The letters of Aeneas Silvius Piccolomini (1453), in: Florence and beyond. Culture and politics in Renaissance Italy, hg. von David S. Peterson, Toronto 2008, S.  121–134; Norman Housley, Aeneas Silvius Piccolomini, Nicholas of Cusa, and the Crusade. Conciliar, Imperial, and Papal Authority, in: Church history 86, 2017, S. 643–667. 16 Die Quellen zu den Reichsversammlungen 1454/55 sind ediert in: Deutsche Reichstagsakten 19,1 (wie Anm.  13); Deutsche Reichstagsakten unter Kaiser Friedrich  III. Fünfte Abteilung, zweiter Teil: Reichsversammlung zu Frankfurt 1454, bearb. von Johannes Helmrath unter Mitarbeit von Gabriele Annas; und: Fünfte Abteilung, dritter Teil: Reichsversammlung zu Wiener Neustadt 1455, bearb. von Gabriele Annas (Deutsche Reichstagsakten. Ältere Reihe 19, 2 und 3), München 2013. Vgl. die Beiträge in dem Sammelband Europa, das Reich und die Osmanen (wie Anm.  2); Johannes Helmrath, The German Reichstage and the Crusade, in: Crusading in the Fifteenth Century. Message and Impact, hg. von Norman Housley, New York 2005, S.  53–69; Norman Housley, „Robur imperii“. Mobilizing Imperial Resources for the Crusade against the Turks, 1453–1505, in: Partir en croisade à la fin du Moyen Age. Financement et logistique, hg. von Daniel Baloup/Manuel Sánchez Martínez, Toulouse 2015, S. 287–306.

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fanden, begründeten den frühneuzeitlichen Türkendiskurs.17 Der osmanische Sultan und die Türken wurden zum Fremden schlechthin stilisiert, der Islam als Ausdruck asiatischer Barbarei gedeutet, gegen die sich die Kultur des christlichen Europa zur Wehr setzen müsse. Die Reichsversammlungen der Mitte des 15. Jahrhunderts beschleunigten und verdichteten aber nicht nur die Kommunikation über den geplanten Kreuzzug und den Feind, sondern auch über den Zustand des Reichs und Probleme der Reichsreform. Piccolomini, der zum führenden Propagandisten des Türkenkriegs wurde, hegte insgeheim düstere Vorahnungen hinsichtlich der Umsetzung, die sich bald bewahrheiteten. Er erkannte sehr wohl, dass die schwache Stellung des Reichsoberhaupts raschen Kriegsbeschlüssen im Wege stand. Was er als Uneinigkeit und Egoismus der christlichen Mächte brandmarkte, fasst die heutige Forschung als charakteristische Merkmale der historischen Entwicklung des Spätmittelalters auf, in dem divergente politische Interessen sich der Vision einer christlichen Einheit nicht mehr unterordnen ließen. Piccolomini rechtfertigte Friedrichs Abwesenheit in Regensburg halbherzig, scheint ihm das Fern­ bleiben von den Reichsversammlungen des Jahres 1454 aber doch übel genommen zu haben. Vor allem wusste er ganz genau, wie dieses Verhalten wirken würde: „Im Volk heißt es, der Papst und der Kaiser hätten den vom Untergang bedrohten Griechen helfen können, bevor sie unterworfen wurden. Nichts haben sie getan, sie verdienen es nicht, an der Spitze des Gemeinwesens zu stehen.“18 Die unzufriedenen deutschen Fürsten entdeckten in den Kreuzzugsplänen eine Handhabe, mit der sie den Habsburger zu längst überfälligen Reformen zwingen wollten. Themen wie Fehdewesen, Münzen und Zölle, Rechtsprechung waren schon zwei Jahrzehnte zuvor, unter 17 Vgl. Dieter Mertens, „Europa, id est patria, domus propria, sedes nostra …“. Zu Funktionen und Überlieferung lateinischer Türkenreden im 15. Jahrhundert, in: Erkens, Europa (wie Anm.  2), S.  34–57; Helmrath, Pius II. (wie Anm. 15), hier S. 83–88 und S. 117–127; Karoline Döring, Rhetorik und Politik im 15. Jahrhundert. Die „Türkenreden“ und ihre Verbreitung im Druck, in: Rhetorik in Mittelalter und Renaissance. Konzepte – Praxis – Diversität, hg. von Georg Strack/Julia Knödler (Münchner Beiträge zur Geschichtswissenschaft 6), München 2011, S. 429–453; Karoline Dominika Döring, Türkenkrieg und Medienwandel im 15. Jahrhundert (Historische Studien 503), Husum 2013, S. 74–92. 18 Pii secundi pontificis maximi Commentarii, hg. von Ibolya Bellus/Iván Boronkai, Budapest 1993, Buch I, 26, S. 64: „Poterant“ – inquit vulgus – „pereunti Greco prius opem ferre, quam caperetur. Neglexerunt. Indigni sunt, qui rei publice˛ pre˛sint.“ Im Folgenden macht Pius II. im Rückblick (nach 1462) klar, dass er das Fernbleiben des Kaisers für eine große Schande (infamia) hält. Die zeitnahen, etwas vorsichtigeren Äußerungen Piccolominis sind in den Reichstagsaktenbänden (wie Anm. 16) zusammengestellt.

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Kaiser Sigismund, intensiv diskutiert worden, doch nach der zunächst vielversprechenden Krönungsreise Friedrichs III. im Jahr 1442 in den Hintergrund getreten. Angesichts der Herausforderung durch die Türkenkriegspläne wurde der Blick für die Unzulänglichkeiten der Zustände im deutschen Reich erneut geschärft.19 Vertreter der rheinischen Kurfürsten, vor allem des Trierer Erzbischofs Jakob von Sierck, prangerten auf der Frankfurter Versammlung Missstände an, die vor einem Türkenkrieg behoben werden müssten. Ironisch traf der Nürnberger Stückeschreiber Hans Rosenplüt, von Beruf Geschützmeister, den Nagel auf den Kopf, als er in einem Fastnachtspiel kurzerhand Sultan Mehmed selbst durch seine Gesandten ein rehte reformatzen ankündigen ließ.20 Die Eroberung Konstantinopels und die ersten Türkentage fielen in das Jahrzehnt nach der Kaiserkrönung, in dem Friedrich III. den Tiefpunkt seiner langen Regierungszeit erlebte. Laut wurde darüber nachgedacht, ihn als römischen König ab- und durch einen tatkräftigeren Mann zu ersetzen, der die Reformfragen und die Türkenabwehr vorantreiben würde, wofür sich sein jüngerer Bruder, Erzherzog Albrecht, ins Gespräch brachte.21 Die osmanische Expansion schritt fast ungehemmt fort und erlitt nur durch das Scheitern der Belagerung von Belgrad im Jahr 1456 einen kurzzeitigen Rückschlag.22 König Ladislaus floh beim Anrücken des osmanischen Heeres, sodass die Aufgabe der Verteidigung dem ungarischen Reichsverweser Johannes Hunyadi zufiel. Der vielgerühmte Kriegsheld organisierte sie zusammen mit dem päpst­ lichen Kreuzzugslegaten Johannes Carvajal, einem Spanier, der zu den wichtigsten Förderern und Korrespondenzpartnern Piccolominis 19 Vgl. als Überblick Karl-Friedrich Krieger, König, Reich und Reichsreform im Spätmittelalter (Enzyklopädie deutscher Geschichte 14), 2. Aufl. München 2005; zu den im Folgenden angesprochenen Trierer Reformaktivitäten auf den Türkentagen Tobias Daniels, Diplomatie, politische Rede und juristische Praxis im 15. Jahrhundert. Der gelehrte Rat Johannes Hofmann von Lieser (Schriften zur politischen Kommunikation 11), Göttingen 2013, S. 248–265. 20 Zu dem zwischen 1453 und 1456 entstandenen Spiel vgl. Christiane Ackermann, Dimensionen der Medialität. Die Osmanen im Rosenplütschen ‚Turken Vasnachtspil‘ sowie in den Dramen des Hans Sachs und Jakob Ayrer, in: Fastnachtspiele. Weltliches Schauspiel in literarischen und kulturellen Kontexten, hg. von Klaus Ridder, Tübingen 2009, S. 189–220. 21 Konstantin Moritz A. Langmaier, Erzherzog Albrecht VI. von Österreich (1418–1463) (Forschungen zur Kaiser- und Papstgeschichte des Mittelalters. Beihefte zu J.F. Böhmer, Regesta Imperii, 38), Köln/Weimar/Wien 2015, S. 379–388. 22 Immer noch grundlegend: Johannes Hofer, Johannes Kapistran. Ein Leben im Kampf um die Reform der Kirche, Bd. 2 (Bibliotheca Franciscana 2), neue, bearb. Ausgabe Heidelberg 1965, hier S.  349–419; mehrere einschlägige Beiträge in: Extincta est lucerna orbis. John Hunyadi and his Time. In memoriam Zsigmond Jako, hg. von Ana Dumitran/Lorand Máldy/Alexandru Simon, Cluj-Napoca 2009.

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gehörte. Den Ausschlag gab jedoch der charismatische italienische Prediger Johannes Kapistran, der zahlreiche Zuhörer aus niederen Schichten als Kämpfer gewinnen konnte, die er selbst nach Belgrad führte. Dort brach überraschenderweise eine Panik unter dem osmanischen Heer aus, das ungeordnet flüchtete. Die Habsburger hatten Johannes Kapistran 1451 als Kloster- und Sittenreformator nach Österreich eingeladen und gelegentlich seinen Predigten gelauscht, wobei Friedrich III. die Worte des Asketen geradezu „begierig“ aufnahm.23 Seinen Kreuzzugsappellen waren sie allerdings nicht gefolgt. Die als Wunder gefeierte Befreiung Belgrads warf die Frage nach dem Verhältnis von menschlicher Planung und göttlichem Eingreifen auf. Für Papst Calixt III. stand fest, dass nicht allein die Bemühungen um die organisatorischen und materiellen Grundlagen eines Kreuzzugs, sondern ebenso sehr die Gebetsleistungen der Christenheit gesteigert werden mussten.24 Durch den Druck mit beweglichen Lettern konnten Formulare für den Türkenablass, Türkenbullen, Türkengebete, Türkenkalender rascher und in größerer Zahl als zuvor verbreitet werden.25 Eneas Silvius Piccolomini, der intensiv in die Kreuzzugsvorbereitungen an der Kurie eingebunden war, teilte mit Calixt III. die Überzeugung, dass persönlicher Einsatz vonnöten sei, um die christlichen Machthaber für den Türkenkrieg zu begeistern. Als er diesem im August 1458 als Pius II. auf dem Thron Petri nachfolgte, berief er als erste Maßnahme seines Pontifikats einen Fürstenkongress in Mantua ein, auf dem er den zögernden, überwiegend nur durch Gesandte vertretenen Teilnehmern mühsam Zusagen für die Beteiligung an einem Krieg zu Lande und zu Wasser abrang. Obwohl Pius II. den Kaiser mehrfach dringlich aufforderte, persönlich zu erscheinen, kam Friedrich III. nicht; der Papst musste seinen früheren Dienstherrn, der nach wie vor

23 Vgl. Kaspar Elm, Johannes Kapistrans Predigtreise diesseits der Alpen (1451–1456), in: Lebenslehren und Weltentwürfe im Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit. Politik – Bildung – Naturkunde – Theologie. Bericht über Kolloquien der Kommission zur Erforschung der Kultur des Spätmittelalters 1983 bis 1987, hg. von Hartmut Boockmann/Bernd Möller/Karl Stackmann (Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften in Göttingen. Phil.-hist. Klasse 179), Göttingen 1989, S. 500–519, hier S. 504 f., S. 513 f. Über Kapistrans Wienaufenthalt und seine Resonanz berichtet Piccolomini, Historia Austrialis 2 (wie Anm. 12), S. 438–443. 24 Zu den Kreuzzugsaktivitäten der Päpste des 15. Jahrhunderts vgl. Kenneth Meyer Setton, The Papacy and the Levant (1204–1571), Bd. 2: The Fifteenth Century, Philadelphia, Pa. 1978; Benjamin Weber, Lutter contre les Turcs. Les formes nouvelles de la croisade pontificale au XVe siècle (Collection de l’École Française de Rome 472), Roma 2013. 25 Vgl. Döring, Türkenkrieg (wie Anm. 17), hier vor allem S. 39–74.

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in politischen Nöten steckte, sogar unter Druck setzen, damit er überhaupt eine angemessene Delegation schickte. Friedrich III. wurde trotz des schwachen Bildes, das er bei der Türkenabwehr abgab, in den Thronstreitigkeiten, die auf den plötzlichen Tod Ladislaus‘ folgten, von einem Teil des ungarischen Adels 1459 gegen Matthias Corvinus zum König erhoben. Bei Pius II. löste diese Entwicklung keineswegs Begeisterung aus; sie konnte für seine Türkenkriegspläne nur hinderlich sein und bereitete ihm in Mantua nicht unerhebliche diplomatische Probleme. Nachdem die deutschen Gesandten sich schließlich zu einer Bekräftigung der schon bei den Türkentagen vereinbarten Zusagen herbeigelassen hatten, setzte der Papst die Bereitschaft des Kaisers, den Oberbefehl zu übernehmen, einfach voraus, wobei er aber nicht mit einem übermäßigen persönlichen Einsatz des Reichsoberhaupts rechnete. Er schlug Friedrich fünf Fürsten vor, die als Truppenführer des Kreuzzugsunternehmens geeignet seien, und legte ihm nahe, den Bischof von Eichstätt und den Markgrafen von Baden als kaiserliche Stellvertreter für den nun in Nürnberg abzuhaltenden Türkentag einzusetzen. Außerdem entsandte er Kardinal Bessarion in das deutsche Reich, der sich um Friedensstiftung unter den süddeutschen Fürsten, Vermittlung zwischen dem Kaiser und den Ungarn und nicht zuletzt den Kreuzzug bemühen sollte.26 Bessarion, der diese Legation am Ende als gescheitert einschätzte, konnte immerhin eine vertragliche Lösung für die Thronwirren in Ungarn vorbereiten. Friedrich III. beendete den Streit, indem er 1463 Matthias Corvinus als König anerkannte und mit ihm einen Erbvertrag schloss. Pius II. präsentierte den Türkenkrieg gegenüber Friedrich III. als ein für die Ehre von Papst wie Kaiser gleichermaßen zentrales Anliegen, dessen Vernachlässigung ihrer beider Ansehen in der Öffentlichkeit schwer beschädigen würde. In der Tat konnte er den Kaiser aus Ranggründen nicht übergehen, denn die mittelalterliche Vorstellung von den die Welt regierenden Universalgewalten Papst- und Kaisertum war immer noch sehr lebendig, so irrelevant sie auch in der politischen Realität geworden sein mochte. Friedrich III., der sich ab 1462/63 von seiner politischen 26 Vgl. Pius, Commentarii (wie Anm. 18), Buch III, 9, S. 145; III, 43, S. 186 f.; III, 47, S. 189 f.; die zahlreichen Schreiben an Friedrich III. sind verzeichnet in Repertorium germanicum, 8. Band: Verzeichnis der in den Registern und Kameralakten Pius‘ II. vorkommenden Personen, Kirchen und Orte des Deutschen Reiches, bearb. von Dieter Brosius/Ulrich Scheschkewitz, 1. Teil, Tübingen 1993, Nr. 1259, darunter auch jene vom 22. Dezember 1459 und 6. Februar 1460 mit den Vorschlägen zu Türkentag und Kreuzzug. Zu Bessarion vgl. Claudia Märtl, Kardinal Bessarion als Legat im Deutschen Reich (1460/1461), in: „Inter Graecos latinissimus, inter Latinos graecissimus“. Bessarion zwischen den Kulturen, hg. von Claudia Märtl/Christian Kaiser/Thomas Ricklin (Pluralisierung & Autorität 39), Berlin/Boston 2013, S. 123–150.

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Schwäche zu erholen begann, vermied allerdings eine konkrete Beteiligung und berief auch keinen neuen Türkentag ein, bis der päpstliche Türkenkriegsplan im August 1464 mit dem Tod Pius‘ II. scheiterte. Als politische Grundlinie Friedrichs III. wird häufig einerseits die Förderung der habsburgischen Erbländer, andererseits ein unerschütterliches Bewusstsein seiner kaiserlichen Würde bezeichnet. Gerade seine eigenen Territorien, Kärnten, Krain und Steiermark, wurden aber in den letzten drei Jahrzehnten des 15. Jahrhunderts von osmanischen Plündererscharen heimgesucht, ohne dass Friedrich viel dagegen unternahm. Die Erbitterung, die sich unter seinen Untertanen breitmachte, äußerte sich 1470 in einem in Wien an eine Mauer angeschlagenen offenen Brief, der Friedrich wegen seiner Untätigkeit auf das schärfste kritisiert und ihm mit Absetzung droht, sollte er sich nicht bessern.27 Der Kaiser gewann um diese Zeit wieder größere Spielräume, nützte diese jedoch dazu, um sich nach Westen zu wenden. 1471 erschien er beim Großen Christentag in Regensburg, dessen Ziel erneut der Kreuzzug gegen die Türken war; wieder reiste ein päpstlicher Gesandter an, wieder wurde beraten, wieder wurden Reden vorbereitet – wieder geschah nichts.28 In den beiden letzten Jahrzehnten seiner Regierungszeit kehrte Friedrich III. für mehrere Jahre seinen Erbländern den Rücken, während ihm Matthias Corvinus den Krieg erklärte, 1485 in Niederösterreich einmarschierte und bis zu seinem Tod 1490 in Wien und Wiener Neustadt residierte. Abgesehen von lokalen Autoritäten musste jetzt der ungarische König, der sich allenthalben als Türkenkämpfer feiern ließ, die Osmanenabwehr organisieren. Bei dem Versuch, die Untätigkeit Friedrichs III. in der Türkenfrage zu erklären, ist auf Äußerungen aus seiner Umgebung und von ihm selbst zu verweisen, die vielleicht einen kleinen Einblick in sein Denken gewähren. Dass der Kaiser in seinen Einladungen zu den Türkentagen und mittels der Reden seines Rats Piccolomini zum Krieg gegen die Osmanen aufrief, entsprach der allgemeinen Vorstellung von seinen Aufgaben als Schutzherr von Kirche und Christentum; wenn aber die Adressaten seiner Aufrufe sich ihm nicht anschließen wollten, wäre es fahrlässig gewesen, die eigenen viel zu schwachen Mittel dafür einzusetzen. Analoge 27 Auszugsweise gedruckt bei Paul Joachimson, Ein Pamphlet gegen Kaiser Friedrich  III. aus dem Jahre 1470, in: Historisches Jahrbuch 12, 1851, S.  351–358; zu dieser „Türkenmahnung an Kaiser Friedrich III.“, von der drei Abschriften bekannt sind, vgl. den Marburger Handschriftencensus, www.handschriftencensus.de/werke/5485 (15.11.2018). 28 Die Quellen sind ediert in: Deutsche Reichstagsakten unter Kaiser Friedrich III. Achte Abteilung, zweiter Teil: 1471, hg. von Helmut Wolff; Achte Abteilung, dritter Teil: Verzeichnisse und Register, bearb. von Gabriele Annas/Helmut Wolff (Deutsche Reichstagsakten, Ältere Reihe, 22/2–3), Göttingen 1999 und 2001.

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Überlegungen zu dem geplanten Romzug lassen sich als Meinung Friedrichs aus dem von Piccolomini im Jahr 1443 verfassten Pentalogus erschließen. Den Türkenkrieg ähnlich wie den Romzug als eine große gemeinschaftliche Aufgabe zu betrachten, lag nahe, und tatsächlich schlagen in Piccolominis erster Türkenrede, Moyses vir Dei, die Argumentationsmuster des Pentalogus noch stark durch.29 Zudem besaß Friedrich III. offenbar ein ausgeprägtes Gottvertrauen. Sein Notizbuch überliefert, von ihm eigenhändig in eigenwilliger Orthographie eingetragen, einen abgewandelten Psalmvers, der zu seinen Leib- und Magensprüchen gehört haben muss: Numquam vidi iustum derelichtum nec semen cuius querens panem (Ich habe noch nie gesehen, dass ein Gerechter [von Gott] verlassen wurde oder seine Nachkommen um Brot bettelten, Ps. 36,25).30 Vielleicht hoffte Friedrich III. insgeheim, dass Gottes Ratschluss das Türkenproblem mit geringerem Aufwand, als er für einen großen Kreuzzug nötig war, lösen würde. Etwa ein Vierteljahrhundert lang lebte am habsburgischen Hof ein Mann, dessen Lebensgeschichte die Verflechtungen verdeutlicht, die sich mit der dauerhaften Etablierung des osmanischen Reichs herausbildeten.31 Um 1470 traf Calixtus Ottomanus in Österreich ein, der vierzehn Jahre zuvor in den Westen gebracht worden war und als Halbbruder des Sultans galt, vor dessen Mordabsichten ihn ein barmherziges Geschick bewahrt hatte. An der Kurie getauft und in deren Umfeld erzogen, wurde er in den Kreuzzugsplänen der Päpste als Anwärter auf den osmanischen Thron gehandelt. Nach seiner Überstellung an den Kaiserhof begleitete er Friedrich auf allen seinen Reisen, wo er, orientalisch gekleidet und frisiert, als Bruder des ‚türkischen Kaisers‘ oder als Türkenkaiser Aufsehen erregte. Er hatte gut Latein gelernt und konnte neugierigen Humanisten, wie dem Nürnberger Stadtarzt Hartmann Schedel, Auskunft über die Verhältnisse im osmanischen Reich geben, das er freilich schon als Kleinkind verlassen hatte. Selbstverständlich erhielt der angebliche 29 Vgl. Claudia Märtl, Anmerkungen zum Werk des Eneas Silvius Piccolomini (Historia Austrialis, Pentalogus, Dialogus), in: König und Kanzlist, Kaiser und Papst. Friedrich III. und Enea Silvio Piccolomini in Wiener Neustadt, hg. von Franz Fuchs/Paul-Joachim Heinig/Martin Wagendorfer (Forschungen zur Kaiser- und Papstgeschichte des Mittelalters. Beihefte zu J.F. Böhmer, Regesta Imperii, 32), Wien/Köln/Weimar 2013, S. 1–30, hier S. 14. 30 Vgl. Märtl, Anmerkungen (wie Anm. 29), S. 22. Das Notizbuch – Wien, Österreichische Nationalbibliothek, Cod. 2674 – ist digitalisiert einsehbar unter: http://data.onb. ac.at/rep/1000591E (15.11.2018). 31 Zum Folgenden vgl. Franz Babinger, Bajezid Osman (Calixtus Ottomanus), ein Vorläufer und Gegenspieler Dschem-Sultans; Franz Babinger, Zur Lebensgeschichte des Calixtus Ottomanus (Bajezid Osman); beide Aufsätze in: Aufsätze und Abhandlungen zur Geschichte Südosteuropas und der Levante, Bd. 1, hg. von Franz Babinger, München 1962, S. 297–325 und S. 326–339.

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Osmane nie eine Chance, den Sultansthron zu übernehmen, und als 1481 Prinz Cem, zweifelsfrei ein Abkömmling der osmanischen Dynastie, in den Westen floh, wandte sich alle Aufmerksamkeit diesem zu. Calixtus Ottomanus geriet in Vergessenheit und beendete sein Leben im Jahr 1496 als niederösterreichischer Landadliger. Ganz im Gegensatz zu Friedrich III. war es für Maximilian unverzichtbar, neben vielen anderen Ruhmestiteln auch den eines Osmanenbezwingers zu erhalten. Er propagierte die Idee eines Kreuzzugs derart nachdrücklich, dass sein wichtigster moderner Biograph, Hermann Wiesflecker, den Krieg gegen die Muslime für das geheime, sehnlich herbeigewünschte Lebensziel Maximilians erklärte. Maximilian integrierte den Heidenkampf nicht nur in die literarisch-künstlerischen Projekte, mit denen er seine gedechtnus sichern wollte, sondern trat auch mit eigenen Plänen für einen Kreuzzug an den Papst heran und setzte den Türkenkrieg auf die Tagesordnung seiner Reichstage.32 Freilich entsteht beim genaueren Hinsehen hin und wieder der Eindruck, dass er die Kreuzzugspläne schon in derselben Absicht verwendete, mit welcher der Türkenkrieg später in der Frühen Neuzeit instrumentalisiert wurde: nämlich als Mittel, um mit einem unangreifbaren gemeinsamen Anliegen die Reichsstände zu gewinnen und ihre Unterstützung auch für andere politische Ziele zu erhalten. Bei mindestens zwei, möglicherweise drei Gelegenheiten wollte Maximilian jedoch Verbindung zum osmanischen Sultan aufnehmen, einmal eindeutig zu dem Zweck, mit ihm ein Bündnis gegen Venedig zu schließen. Dass er in diesem Zusammenhang einem türkischen Gesandten die Ritterwürde verlieh, könnte angesichts der christlichen Aufladung des ritterlichen Ethos verwundern; Maximilian, der selbst darüber berichtet, beeilte sich hinzuzufügen, dass es sich um einen christlichen Griechen gehandelt habe.33 An sich gehörte 32 Vgl. Hermann Wiesflecker, Kaiser Maximilian I. Das Reich, Österreich und Europa an der Wende zur Neuzeit, Bd. 2: Reichsreform und Kaiserpolitik.1493–1500. Entmachtung des Königs im Reich und in Europa, München 1975, S. 150–165, besonders S. 151; Stephan Füssel, Die Funktionalisierung der „Türkenfurcht“ in der Propaganda Kaiser Maximilians I., in: Fuchs, Osmanische Expansion (wie Anm. 2), S. 9–30. 33 Vgl. Franz Babinger, Zwei diplomatische Zwischenspiele im deutsch-osmanischen Staatenverkehr unter Bajezid  II. (1497 und 1504); Franz Babinger, Kaiser Maximilians I. „Geheime Praktiken“ mit den Osmanen (1501/11); beide Aufsätze in: Franz Babinger, Aufsätze 1 (wie Anm. 31), S. 254–269, S. 270–296; Ralf C. Müller, Der umworbene „Erbfeind“. Habsburgische Diplomatie an der Hohen Pforte vom Regierungsantritt Maximilians I. bis zum „Langen Türkenkrieg“ – ein Entwurf, in: Kurz u. a., Das Osmanische Reich (wie Anm. 1), S. 251–279, hier S. 254–258. Zur Verleihung der Ritterwürde: Deutsche Reichstagsakten unter Maximilian, Bd. 6: Reichstage von Lindau, Worms und Freiburg 1496–1498, bearb. von Heinz Gollwitzer, Göttingen 1979, Nr. 69, S. 416–418, hier S. 417.

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derlei aber bereits zu den diplomatischen Höflichkeitsgesten, die am Ende des 15. Jahrhunderts im west-östlichen Verkehr üblich waren. Maximilian handelte mit seinen Versuchen einer Kontaktaufnahme nicht ungewöhnlich, war der Sultan doch schon in den 80er Jahren zu einem gefragten Partner italienischer Potentaten geworden. Das ganze 15. Jahrhundert hindurch hatten sich christliche Machthaber und muslimische Gegner der Osmanen um eine Annäherung bemüht, um militärische Allianzen gegen den gemeinsamen Feind zu schmieden. Je mehr sich aber die westlichen Mächte mit dem Gedanken anfreunden mussten, dass das osmanische Reich mit seinen Territorien auf dem Balkan dauerhaft einen Fuß in Europa hatte, desto mehr wuchs die Bereitschaft, den Sultan in die eigenen Bündnissysteme einzubeziehen. Maximilian selbst hätte vermutlich zwischen lang- und kurzfristigen Zielen unterschieden, und den Kreuzzug als langfristig anzustreben, die Niederwerfung Venedigs als dringliches Anliegen der nächsten Zukunft bezeichnet.

III. Sultan Mehmed II., der Eroberer Konstantinopels, trat in den Türkenreden und anderen Texten der Kreuzzugspropaganda als Höllendrache, Gottesgeißel, neuer Herodes, zweiter Attila usw. auf. Im diplomatischen Verkehr der westlichen Mächte untereinander wurde er allerdings einfach als „Fürst‘ oder „Herr“ der Türken bezeichnet. Die Republik Venedig sprach ihn schon bei ihren ersten Kontaktversuchen als imperator Turcorum, den Kaiser der Türken, an. „Kaiser der Türken“ war in den volkssprachigen Quellen des deutschen Reichs eine geläufige Bezeichnung für den neuen Herrscher am Bosporus; die Illustratoren der Schedelschen Weltchronik stellten ihn den Lesern vor Augen, indem sie das Profilbild einer italienischen Medaille auf den byzantinischen Kaiser Johannes VIII. leicht abwandelten.34 Tatsächlich betrachtete Mehmed sich als den rechtmäßigen Nachfolger der byzantinischen Kaiser und strebte eine monarchia universalis, die Weltherrschaft, an, wie venezianische Gesandte nach Hause berichteten. Die Eroberung Roms gehörte zu seinen Zielen. Dass dies nicht nur eine westliche Unterstellung war, ­sondern der Denkwelt Mehmeds entsprach, kann aus griechischen und 34 Vgl. Hartmann Schedel, Weltchronik. Kolorierte Gesamtausgabe von 1493. Einleitung und Kommentar von Stephan Füssel, Köln 2001, fol. 256v (Machomet der Türcken kayser). Zum Vorbild der Darstellung, einer Medaille des Pisanello, vgl. den Interaktiven Katalog des Münzkabinetts der Staatlichen Museen Berlin, unter: https://kmk.smb.museum/object?id=18200203.

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orientalischen Quellen belegt werden. Das alte, mit der Krönung Karls des Großen entstandene „Zweikaiserproblem“ erlebte damit eine unerwartete Auferstehung. In der Frühen Neuzeit versuchten Kaiser und Sultan einander in einer Konkurrenz imperialer Konzepte zu überbieten.35 Mehmed dem Eroberer wurde ein bemerkenswertes Interesse an der Antike zugeschrieben; er ließ sich über die Taten Alexanders des Großen vorlesen und besuchte auch die Ruinen Trojas, oder was damals dafür galt.36 Eine solche Nachricht ließ im Westen aufhorchen, schließlich glaubte man seit dem 7. Jahrhundert, dass die Türken ebenso wie die Franken Nachkommen der versprengten Trojaner seien.37 Von hier zu der Annahme, Mehmed wolle mit seiner Eroberung Konstantinopels Rache für Troja üben, war nur ein kleiner Schritt. Die Einschreibung in die trojanische Geschichte bedeutete, dass die Türken am großen gemeinsamen Gründungsmythos teilhatten. Wie für viele Familien wurde zum Beispiel auch für die Habsburger eine Abstammung aus Troja postuliert. Friedrich III. legte darauf wohl kaum Wert, Maximilian aber ließ den trojanischen Helden Hektor wiederholt als seinen Vorfahren darstellen. Sowie die humanis­ tischen Intellektuellen um die Mitte des 15. Jahrhunderts die Impli­ kationen der alten Anschauung über die Abstammung der Türken 35 Vgl. Peter Thorau, Von Karl dem Großen zum Frieden von Zsitva Torok. Zum Weltherrschaftsanspruch Sultan Mehmeds II. und dem Wiederaufleben des Zweikaiserproblems nach der Eroberung Konstantinopels, in: Historische Zeitschrift 279, 2004, S. 309–334; Peter Thorau, Konstantinopel – al Qust. ant. iniya. Das zweite Rom als Mittelpunkt und Sinnbild des osmanischen Imperiums in der Herrscherideologie Mehmeds des Eroberers, in: Kaiser Konstantin der Große. Historische Leistung und Rezeption in Europa, hg. von Klaus Martin Girardet, Bonn 2007, S.  149–162; zu Konkurrenz- und Austauschphänomenen vgl. Markus Koller, Zwischen Integration und Exklusion – das Osmanische Reich in den Strukturen der europäischen Diplomatie, in: Osmanen und Islam in Südosteuropa, hg. von Reinhard Lauer/Hans Georg Majer, Berlin 2013, S. 117–137. 36 Inwiefern Mehmed als ‚Renaissanceherrscher‘ einzustufen ist, bleibt umstritten; ablehnend Anna Akasoy, Adaptation byzantinischen Wissens am Osmanenhof nach der Eroberung Konstantinopels, in: Wissen in der Krise. Institutionen des Wissens im gesellschaftlichen Wandel, hg. von Carsten Kretschmann/Henning Pahl/Peter Scholz, Berlin 2004, S. 43–56; eine positivere Sichtweise vgl. zum Beispiel in dem Sammelband: Sultan Mehmed II. Eroberer Konstantinopels – Patron der Künste, hg. von Neslihan Asutay-Effenberger/Ulrich Rehm, Köln/Weimar/Wien 2009. 37 Zum Folgenden vgl. Alheydis Plassmann, Origo gentis. Identitäts- und Legitimitätsstiftung in früh- und hochmittelalterlichen Herkunftserzählungen, Berlin 2006, S. 151– 155; Margaret Meserve, Medieval Sources for Renaissance Theories on the Origins of the Ottoman Turks, in: Guthmüller/Kühlmann, Europa (wie Anm.  2), S.  409–436; Margaret Meserve, Empires of Islam in Renaissance Historical Thought, Cambridge, Mass./London 2008, S.  22–64; Mirko Gründer, Liebe deine Feinde! Turkophilie im 15. Jahrhundert?, in: Liebe zum Fremden. Xenophilie aus geistes- und sozialwissenschaftlicher Perspektive, hg. von Klara Deecke/Alexander Drost, Köln/Weimar/Wien 2010, S. 67–84.

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erkannten, zogen sie ihre Schlüsse – die einen, indem sie Mehmed als Rächer Trojas besangen, die anderen, indem sie Nachforschungen anstellten, um den Türken die trojanische Abkunft abzusprechen. Auch Piccolomini kam schließlich zu der Auffassung, dass sie aus Skythien, dem äußersten Nordosten jenseits aller Zivilisation, kämen und von dort ihre barbarischen Sitten mitgebracht hätten. Die Türken waren somit auf doppelte Weise ausgeschlossen: wegen ihrer Religion und wegen ihrer vermeintlichen Kulturlosigkeit. Für andere Denkströmungen, die aus der eschatologischen Literatur des Hochmittelalters herrührten, konnte der Aufstieg des osmanischen Reichs nur als Vorzeichen des nahen Weltendes gedeutet werden. Waren die Türken nicht gleichzusetzen mit den Völkern Gog und Magog, die laut der Apokalypse des Johannes am Jüngsten Tag losgelassen werden? Und es konnte doch gar kein Zufall sein, dass Konstantinopel gerade in der Regierungszeit Friedrichs III. gefallen war. Schon mit dem Antritt des dritten Friedrich verbreiteten sich Prophezeiungen, dass er der Endzeitkaiser sein werde, der die heidnischen Völker besiegen, Jerusalem befreien und ein ewiges Reich des Friedens heraufführen werde, nachdem er seinen Schild im Heiligen Land an einem vertrockneten Baum aufgehängt hatte.38 Um die Wende vom 15. zum 16. Jahrhundert standen solche Gedankengänge in voller Blüte. Friedrichs Urenkel Karl V. erhielt 1516 einen Traktat gewidmet, der diese eschatologischen Perspektiven ausbreitet und die Hoffnung, der Adressat möge der die Türken bezwingende Universalmonarch sein, aus der Wiederkehr des Namens Karl ableitet.39 Friedrich III. hatte durchaus Sinn für symbolische Bezüge, die sich mit der römischen Kaisergeschichte verbanden. Die Erinnerung an den ersten christlichen Kaiser Konstantin spielte für ihn gewiss eine Rolle, und in diesem Licht ist der geplante Namenswechsel seiner Frau von Eleonore zu Helena zu sehen, für den als Begründung angegeben wird, die Deutschen würden die beiden Namen für identisch halten. Angeblich soll Eleonore vorgehabt haben, ihren zweiten Sohn Kon­ stantin zu nennen, doch Friedrich zog mit Bischof Maximilian von Lorch als Namenspatron eine Reminiszenz an das frühe Christentum im Donauraum vor; das nächste Kind, eine Tochter, erhielt den Namen 38 Zu den mit Friedrich verbundenen Endzeitkaiservorstellungen vgl. Piccolomini, Historia Austrialis 1 (wie Anm. 12), S. 124 mit Anm. 645; von der Literatur besonders Hannes Möhring, Der Weltkaiser der Endzeit, Entstehung, Wandel und Wirkung einer tausendjährigen Weissagung (Mittelalter-Forschungen 3), Stuttgart 2000, S. 248–253. 39 Vgl. Franz Bosbach, Imperium Turcorum oder Christianorum Monarchia – Die Osmanen in der heilsgeschichtlichen Deutung Mercurio Gattinaras, in: Kurz u. a., Das Osmanische Reich (wie Anm. 1), S. 167–180.

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Helena und wurde von Kardinal Bessarion getauft.40 In einem territorialen oder politischen Sinn hat Friedrich III. die Erbschaft der byzantinischen Kaiser jedoch nie beansprucht. Er griff auch die Erweiterung der Titulatur nicht auf, die Poggio Bracciolini andeutete, als er ihn 1455/56 zu erhöhten Anstrengungen in der Türkenabwehr anspornen wollte: nach dem Fall Konstantinopels sei er, Friedrich, der „einzige, bei dem der ganzvolle Titel (des Kaisers)“ verblieben sei; erstmals seit den Zeiten Karls des Großen sei damit eine unio des Kaisertums ein­ getreten, die Friedrich nicht durch Untätigkeit gefährden dürfe.41 Wenn der alte Kaiser in seinem letzten Lebensjahr bei einer Audienz für venezianische Gesandte, die ihn in Linz aufsuchten, ein golddurchwirktes Gewand „nach griechischer Sitte“42 trug, so verband er damit aber keine politische Aussage, sondern folgte einer Mode des aus­ gehenden 15. Jahrhunderts. Auch in diesem Punkt unterschied sich Maximilian stark von seinem Vater; er wollte seinen phantasievollen Plänen zufolge als Kaiser das westliche und das östliche Imperium wieder in der antiken Größe vereinigen. Schon im 14. Jahrhundert waren fiktive Briefwechsel ersonnen worden, die einen – meist völlig phantastischen – Dialog zwischen Sultanen und Päpsten oder westlichen Herrschern inszenierten.43 Die wachsende Aktualität der Türkenproblematik sorgte im 15. Jahrhundert für eine Hochblüte dieser Briefmuster, die in unterhaltsamen Variationen als nicht ganz ernstzunehmende Stimmen den basso continuo des Türkendiskurses begleiteten. Der zweifellos echte Brief Friedrichs III. an Mehmed II., von der Belagerung Konstantinopels abzulassen, wurde in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts mehrfach abgeschrieben,44 aber das zeitgenössische Publikum wollte offenbar auch Briefe der Sultane 40 Vgl. Achim Thomas Hack, Eine Portugiesin in Österreich um die Mitte des 15. Jahrhunderts. Kultureller Austausch infolge einer kaiserlichen Heirat?, in: Fuchs u. a., König (wie Anm. 29), S. 181–204, hier S. 196 f.; Hermann Wiesflecker, Kaiser Maximilian I. Das Reich, Österreich und Europa an der Wende zur Neuzeit, Bd. 1: Jugend, burgundisches Erbe und römisches Königtum bis zur Alleinherrschaft 1459–1493, München 1971, S. 66; Märtl, Kardinal Bessarion (wie Anm. 26), S. 130 mit Anm. 21. 41 Poggio Bracciolini, Lettere, hg. von Helene Harth, Bd. 3, Firenze 1987, Nr. VIII,1, S. 381–387, besonders S. 385. 42 Zu Andrea de‘ Franceschi und seinem tagebuchartigen Bericht vgl. Klaus Voigt, Italienische Berichte aus dem spätmittelalterlichen Deutschland. Von Francesco Petrarca zu Andrea de‘ Franceschi (1333–1492), Stuttgart 1973, S. 217–227. 43 Vgl. Karoline Dominika Döring, Sultansbriefe. Textfassungen, Überlieferung und Einordnung (MGH. Studien und Texte 62), Wiesbaden 2017. 44 Die Editoren, in: Reichstagsakten 19,1 (wie Anm. 13), S. 7 nennen außer dem Reichsregister vier Abschriften aus dem 15. Jahrhundert (drei erhalten, eine aus einer Erwähnung bekannt); weitere Kopien des 15. Jahrhunderts finden sich zum Beispiel in den Handschriften München, Bayerische Staatsbibliothek, Clm 19608 und Colmar, Bibliothèque municipale, ms. 45.

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Claudia Märtl

lesen. Mangels authentischer Texte wurden Schreiben erfunden, die muslimische Herrscher an westliche Fürsten gerichtet hatten. Es ist wenig verwunderlich, dass Friedrich III. und Maximilian I. ein solcher Brief zugedacht wurde. Mit unterschiedlicher Adressierung, aber in gleicher Formulierung unterbreitete ein Sultan diesen beiden Herrschern angeblich das Angebot, seine Tochter, die zum Christentum übergetreten sei, zu heiraten.45 In der habsburgischen Hofhistoriographie des frühen 16. Jahrhunderts wurde kolportiert, Friedrich III. habe dem Sultan eine Verheiratung mit seiner Tochter Kunigunde angetragen, um die Christianisierung der Türken voranzutreiben.46 Die ältere Forschung hat diese Nachricht zum Teil ernstgenommen, da sie in ihr Bild Friedrichs und Maximilians passte: der eine ein verantwortungsloser Egoist, der andere ein haltloser Phantast.47 Der Blick auf die überaus beliebten fiktiven Sultansbriefe weckt aber den starken Verdacht, dass der Urheber dieser Geschichte womöglich von einem derartigen Text inspiriert wurde und Absender wie Empfänger einfach vertauschte. Auf spielerische Art wurde damit ausgedrückt, dass der osmanische Sultan um die Wende zum 16. Jahrhundert im Kreis der europäischen Fürsten angekommen war.

45 Vgl. Döring, Sultansbriefe (wie Anm. 43), S. 72–79. 46 Karina Graf, Kunigunde, Erzherzogin von Österreich und Herzogin von BayernMünchen (1465–1520) – Eine Biographie, Diss. masch. Mannheim 2000, S. 39 f. bemerkt mit Recht, dass diese Episode „wenig Vertrauen“ verdiene. 47 So etwa Babinger, „Geheime Praktiken“ (wie Anm. 33).

Heinz-Dieter Heimann

Plus ultra? Von Kaiser Karl V. zu König ­Rudolf I. von Habsburg. Habsburgs Aufbrüche in die Welt, das Scheitern ­imperialer Weltherrschaft Kaiser Karls V. und die ­Zeichen dynastischer Erinnerungsbehauptung bis zu Kaiser Franz Joseph I. von Österreich am erneuerten Dom zu Speyer Das 19. Jahrhundert ist ein Jahrhundert Europas, ebenso ein monarchisches Jahrhundert und des neuentdeckten Mittelalters.1 Wie sehr daran auch die Dynastie der Habsburger demonstrativ teilnahm, das lässt sich eindrucksvoll bis in die Gegenwart am Dom zu Speyer ablesen. Wer den Dom durch die westliche Vorhalle betritt, begegnet dort, ehe ihn die Monumentalität des romanischen Bauwerks der Salier beeindruckt,2 ­ ­zuerst der direkt über dem Hauptportal der Vorhalle angebrachten 1 Dieter Langewiesche, Die Monarchie im Jahrhundert Europas. Selbstbehauptung durch Wandel im 19.  Jahrhundert, Heidelberg 2013; Hans-Werner Hahn, Veränderte Handlungsspielräume und neues Selbstverständnis? Deutsche Monarchen im 19. Jahrhundert, in: Niedersächsisches Jahrbuch für Landesgeschichte 89, 2017, S. 83–107; Visualisierung und Imagination. Materielle Relikte des Mittelalters in bildlichen Darstellungen der Neuzeit und Moderne, 2 Bde., hg. von Bernd Carqué/Daniela Mondini/ Matthias Noell (Göttinger Gespräche zur Geschichtswissenschaft 25), Göttingen 2006; Otto Gerhard Oexle, Die Gegenwart des Mittelalters (Das mittelalterliche Jahrtausend 1), Berlin 2013; Zur Marienverehrung: Hans Ammerich, Maria Patrona Spirensis. Marienverehrung im Dom und Bistum Speyer, in: Die Salier. Macht im Wandel, Bd. 2, Ausstellungskatalog Speyer, hg. vom Historischen Museum der Pfalz, München 2011, S. 225–231. 2 Der Dom zu Speyer, hg. von Walter Haas/Hans Erich Kubach (Die Kunstdenkmäler von Rheinland-Pfalz 5), München 1972; Es ist Speier ein alte stat. Ansichten aus vier Jahrhunderten 1492–1880, bearb. von Ludwig Anton Doll/Günther Stein, Speyer 1991, S. 53, S. 69, S. 110 mit Abbildung der Figurenprogramme an der dann abgerissenen Westwerkfassade; Geistliche Zentralorte zwischen Liturgie und Architektur, Gottesund Herrscherlob. Limburg und Speyer, hg. von Caspar Ehlers/Helmut Flachen­ ecker (Deutsche Königspfalzen. Beiträge zu ihrer historischen und archäologischen Erforschung 6), Göttingen 2005; Der Dom zu Speyer. Konstruktion, Funktion und ­Rezeption zwischen Salierzeit und Historismus, hg. von Matthias Müller/Matthias Untermann/Dethard von Winterfeld, Darmstadt 2013.

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Abb. 1: Dom zu Speyer, Westportal mit Figurengruppe der Dompatrone und Doppeladler, nach 1850

­ eiligengruppe mit der Gottesmutter Maria in der Mitte und dem H Habsburger Doppeladler zu ihren Füßen. In Konkurrenz zum Kölner Dom repräsentiert der im Wesentlichen in Verantwortung von König Ludwig I. von Bayern (1786–1868, König von 1825–1848) stilistisch erneuerte und um eine Vorhalle erweiterte Speyerer Dom Mitte des 19. Jahrhunderts eines der imposantesten Gesamtkunstwerke der Zeit. Doch nicht allein König Ludwig verantwortete diese Erneuerung. Zumal auf die erinnerungsgeschichtliche und geschichtsästhetische Ausgestaltung der Vorhalle nahm der österreichische Kaiser Franz Joseph I. (1830–1916, Kaiser seit 1848) als Repräsentant des habsburgischen Gesamthauses – im Zusammenspiel mit dem Speyerer Bischof Nikolaus von Weis (1796–1869) – signifikant Einfluss.3 3

Mit den territorialen Neuordnungen des Wiener Kongresses 1815 wurde die linksrheinische Pfalz, die seit 1797 zu Frankreich gehört hatte, Teil des Königreichs Bayern, in dem seit 1825 König Ludwig I. regierte. Er betrieb die Erneuerung des Dombaus, dessen Abriss nach 1800 verhindert worden war. Das Bistum Speyer wurde 1817/21 neu errichtet; Ludwig Lenhard, Bischof Joseph Ludwig Colmar und seine Rolle in der tragischen Schicksalsgemeinschaft des Mainzer und Speyerer Doms zur Zeit Napoleons, in: 900 Jahre Speyerer Dom, im Auftrag des Domkapitels hg. von Ludwig Stamer, Speyer 1961, S.  224–239; Jochen Zink, Ludwig I. und der Dom zu Speyer (Veröffentlichungen zur Bayerischen Geschichte und Kultur 11/86), München 1986, S. 121–177, bes. S. 143, S. 157, Anm. 12 und S. 163, Anm. 156; Johann Baptist Schraudolph, Die Entwürfe zur Ausmalung des Speyerer Doms, hg. vom Historischen Museum der Pfalz Speyer, Speyer 2014.

Von Kaiser Karl V. zu König Rudolf I. von Habsburg

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Die Vorhalle ist danach als ein Ausdruck der Geltungsbehauptung habsburgischer Erinnerung an König Rudolf I. anzusprechen, auf den sich neben dem österreichischen Kaiser auch der bayerische König ausweislich des dort aufgestellten Grabdenkmals, der Statue und der Inschriften im Mittelbogen der Vorhalle gemeinsam bezogen. Soweit in Führung des Hauses Habsburg reklamierten und demonstrierten die Dynasten ihren katholischen Glauben und ihre dynastische Konsanguinität als politischen Ausweis historischer Legitimität ihrer Herrschaftsvorstellung.4 Die Geschichte und die Gestalt des Speyerer Doms erregte nach 1815 öffentliches Interesse.5 Bereits Kaiser Franz I. von Österreich hatte am 27. Juni 1815 gemeinsam mit dem preußischen König Friedrich Wilhelm III. (1770–1840) und Zar Nikolaus I. von Russland (1796–1855, Kaiser seit 1825) den – noch als Lazarett genutzten – Dom in Speyer aufgesucht. Kaiser Franz Joseph I. knüpfte mithin an derartige Demonstrationen 4

5

Die nach 1840 in Speyer einsetzende Initiative des Wittelsbachers zur Erneuerung des Doms korrespondierte und konkurrierte mit ähnlichen Initiativen anderer Monarchen in deren Ländern. Zeitlich ein wenig früher beginnend betrieb der preußische König Friedrich Wilhelm IV. (1795–1861, König seit 1840) an Rhein und Mosel vielerorts eine Bau- und Geschichtspolitik, die nicht allein zum Wiederaufbau des Kölner Doms als deutschem Nationaldenkmal und Symbol des kommenden Reichs führte. Die Neuentdeckung der mittelalterlichen Geschichte verband die meisten dieser Projekte, die jenseits nationalgeschichtlicher Bedeutungszuweisungen zur Legitimation der Monarchien dynastie- und verwandtschaftsgeschichtliche Beziehungen, also Konsanguinität zwischen den Dynastien auswiesen; Jan Werquet, Historismus und Repräsentation. Die Baupolitik Friedrich Wilhelms IV. in der preußischen Rheinprovinz, München 2010; Heinz-Dieter Heimann, König Johann von Böhmen († 1346) und König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen: Dynastische Konsanguinität und liturgisches Gedenken in Kastel/Saar um 1840, in: Bekränzt mit Ruhm, Liebe und Verachtung. Johann von Luxemburg und Karl IV. im historischen Gedächtnis, hg. von Lenka Bobkova, Prag (im Druck). Zur vorausgegangenen Bau- und Deutungsgeschichte: Markus Späth, Bischofskirche, Herrschergrablege, Kaiserdom? Der Speyerer Dom im Spiegel seiner mittelalterlichen Deutungsgeschichte, in: Müller/Untermann/Von Winterfeld, Dom (wie Anm. 2), S.  315–335; Jens Fachbach, Die Restaurierungsgeschichte des Speyerer Domes im 17./18. Jahrhundert, in: Müller/Untermann/Von Winterfeld, Dom (wie Anm. 2), S. 335–353; Doll, Speier (wie Anm. 2); wissenschafts- und wahrnehmungsgeschichtlich regte der Dom auch den jungen Leopold (v.) Ranke zu einem Besuch in Speyer an. Es heißt bei ihm: „Ein Reisender stand im vorigen Herbst unter den aufgewühlten Gräbern der deutschen Kaiser im Dom zu Speyer; ganz früh eines Sonntags: die Sonne war noch nicht auf. Alles im Dom fand er zertrümmert, die kühle Morgenluft strich durch die offenen Fenster, Kalk und Schutt, die Überbleibsel edler Denkmale, lagen umher. Ein einziges vor allem ist übrig, der Grabstein Rudolfs von Habsburg: in dem langem, faltigen Gewand liegt Rudolf da: fromm und groß: inbrünstig umfaßte er das hohe, liebe Bild, lag über ihm da mit Tränen. Da schien die Sonne grad herein […]“. Leopold Ranke, Aus den Papieren eines Landpfarrers (1818), in: Leopold Ranke. Frühe Schriften, hg. von Walter Peter Fuchs unter Mitarbeit von Gunter Berg und Volker Dotterweich (Ranke. Aus Werk und Nachlaß 3), München 1973, S. 467–483, hier S. 478. Herrn Kollegen Johannes Süßmann, Paderborn, danke ich für diesen Hinweis.

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öffentlicher Geschichtsinteressen an dem Dom an und traf dabei auch auf erklärte Interessen in der Speyerer Bevölkerung.6 Der österreichische Kaiser Franz Joseph demonstrierte so in der Mitte des 19. Jahrhunderts – wie in verwandter Weise im Ausbau der Residenzen in Wien – auch über den Gräbern seiner Ahnen Rudolf und Albrecht in Speyer mit dem Anspruch der Translatio-Imperii-Idee des Alten Reichs ins österreichische Kaisertum dynastische und christliche Ordnungsideen.7 In der Vergegenwärtigung überhängender Traditionsausweise, Erinnerungskonstruktionen und in der Sichtbarmachung der mittelalterlichen Geschichte des Reichs, wobei man an Interessen an der Geschichte König Rudolfs I. des 18. Jahrhunderts anknüpfte,8 bildete der Speyer Dom um die Mitte des 19. Jahrhunderts für die Dynastien eine neu belebte historische Quelle und politischen Ankerpunkt der Geltung ihrer bis ins alteuropäische Mittelalter zurückreichenden Geschichte. Geschichte wurde ihr sichtbar gemachtes Argument, sie warben damit für ihren gegenwärtigen Herrschaftsanspruch. Jene Zeichen sinnlicher Repräsentation des Reichs und der Dynastie transportierten und transportieren den Mythos der Habsburger, der – 6 Joachim Kemper, Kaiser Rudolph von Habsburg an Kaiser Franz Joseph von Österreich. Zur Nachwirkung der Speyerer Kaisergräber im Haus Habsburg, in: Reichszeichen. Darstellung und Symbole des Reichs in Reichsstädten, hg. von Helge Wittmann (Studien zur Reichsstadtgeschichte 2), Petersberg 2017, S. 255–264 mit Abdruck des 1863 in Speyer gedruckten Gedichts auf Rudolf von Habsburg. Nach Auskunft des Österreichischen Staatsarchivs, Abt. Haus-, Hof- und Staatarchiv, belegen im Bestand des k. (u.) k. Ministeriums des Äußeren, Politisches Archiv, PA VII, Karton 40, Varia 1855, und Administrative Registratur (AR), Fach 1, Karton 136 Varia 3 (1900–1907) umfänglichere Akten entsprechende Aktivitäten am Wiener Hof und die des Kaisers, die „die Beteiligung S. M. des Kaisers an dem Ausbaue und der Ausschmückung des Doms zu Speyer“ betreffen. Herrn Archivdirektor Mag. Thomas Just und dem Hausarchiv danke ich für die Recherche und schriftliche Auskunft vom 29. Mai 2018. 7 Susanne Rau, Räume, Konzepte, Wahrnehmungen, Nutzung, Frankfurt am Main/ New York 2013; Brigitte Mazohl/Karin Schneider, „Translatio Imperii?“ Reichsidee und Kaisermythos in der Habsburgermonarchie, in: Was vom Alten Reich blieb – Deutungen, Institutionen und Bilder des frühneuzeitlichen Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation im 19. und 20. Jahrhundert, hg. von Matthias Asche/Thomas Nicklas/Matthias Stickler, München 2011, S. 101–129; Werner Telesko, Kaiser und Reich in der habsburgischen Denkmalkultur des 19. Jahrhunderts, in: ebenda, S. 373–399. 8 Leonhard Meister, Kayser Rudolf von Habsburg, Nürnberg 1783; Joseph Freiherr von Hormayr, Österreichischer Plutarch oder Leben und Bildnisse aller Regenten und der berühmten Feldherren, Staatsmänner, Gelehrten und Künstler des österreichischen Kaiserstaates, Bd. 1, Wien 1807, worauf die Künstler der Zeit oft zurückgriffen; Sabine Fastert, Die Entdeckung des Mittelalters. Geschichtsrezeption in der nazarenischen Malerei des frühen 19. Jahrhunderts, Berlin 2000, S. 43–106, auch zu den seit 1835 durch Ludwig I. von Bayern veranlassten Gemälden im „Saal Rudolfs von Habsburg“ der Münchener Residenz. Auf dem Schriftband am Podest des Grabdenkmals für König Rudolfs I. in der Vorhalle des Speyerer Doms verweist Ludwig auf die verwandtschaftlichen Beziehungen zwischen den Wittelsbachern und den Habsburgern mütterlicherseits.

Von Kaiser Karl V. zu König Rudolf I. von Habsburg

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neben Legenden und dem Totenkult der Dynastie – auch als Geschichtszeugnis auf der Zunge in Redeweisen unsere Gegenwart erreicht: Kaiser Karl V. – der „Sonnenkaiser“. Erstmals in der Geschichte herrschte ein Kaiser in einem Reich, in dem die Sonne nicht unterging, Karl V., der erste und einzige „Weltkaiser“. Diese Weltmachtstellung war bei höchstem persönlichen Einsatz Karls ein Produkt der Dynastie, wozu dieser sich auch in seiner Devise symbolisch bekannte: „plus ultra“ =„noch weiter“, „darüber hinaus“. Es mag Gründe geben, zur Periodisierung der Geschichte mit Kaiser Maximilian I. (1459–1519, Kaiser seit 1508)9 die Epoche des Mittelalters enden zu lassen und mit Kaiser Karl V. (1500–1558)10 den Beginn der Neuzeit zu markieren. Doch auch ein Verzicht auf diese Gewohnheiten hat bewährte Gründe, seitdem die Geschichtswissenschaft die Zuverlässigkeit solcher einst überhöht genutzter Ordnungsmittel in Zweifel zieht und stärker eine Prozessualisierung historischer Wendezeiten und Kontinuitäten beachtet.11 Im Falle Karls V. berühren sich in dessen Herrschaftszeit neue Momente europäischer Binnengliederung wie auch solche intensivierter außereuropäischer Globalgeschichte. Bei der Frage nach dem Aufstieg der Habsburger-Dynastie und deren Bedeutung im spätmittelalterlichen Reich liegt für Karl V. in der Selbstwahrnehmung seiner Kaiserherrschaft vielleicht das markanteste Kriterium, um darüber bis in die Verfassungs- und Dynastiegeschichte Zäsuren auszumachen, deren Gewichte mit politischen Anstrengungen seiner Konkurrenten und mit der Behauptung der Reichsherrschaft für die Nachfolger aus dem Haus Habsburg verbunden sind.

9 Hermann Wiesflecker, Kaiser Maximilian I. Das Reich, Österreich und Europa an der Wende zur Neuzeit, 5 Bde., Wien 1971–1986. 10 Das römisch-deutsche Reich im politischen System Karls V., hg. von Heinrich Lutz, München/Wien 1982; Karl V. Politik und politisches System, hg. von Horst Rabe, Konstanz 1996; Ferdinand Seibt, Karl V. Der Kaiser und die Reformation, 2. Aufl. Berlin 1998; Alfred Kohler, Karl V. 1500–1558. Eine Biographie, 2. Aufl. München 2000; Al­ fred Kohler, Persönlichkeit und Herrschaft, in: Kaiser Karl V. 1500–1558. Macht und Ohnmacht Europas. Ausstellungskatalog der Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland in Bonn und im Kunsthistorischen Museum Wien, Bonn 2000, S. 7–17; Karl V. 1500–1558 und seine Zeit, hg. von Hugo Soly, Köln 2000; Karl V. 1500–1558. Neue Perspektiven seiner Herrschaft in Europa und Übersee, hg. von Al­ fred Kohler/Barbara Haider/Christine Ottner, Wien 2002; Zur Forschungsgeschichte Arno Strohmeyer, Karl V. und die Universalmonarchie in der deutschen Geschichtsforschung, in: The Histories of Emperor Charles V. Nationale Aspekte von der Persönlichkeit und Herrschaft, hg. von C. Scott Dixon/Martina Fuchs, Münster 2009, S. 29–45. 11 Meistererzählungen vom Mittelalter. Epochenimaginationen und Verlaufsmuster in der Praxis mediävistischer Disziplinen, hg. von Frank Rexroth (Historische Zeitschrift Beiheft 45), München 2007.

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Mit 17 Jahren wurde 1509 Heinrich VIII. König von England, mit 20 Jahren 1515 Franz I. König von Frankreich und mit 19 Jahren wurde Karl, der Enkel Kaiser Maximilians, römisch-deutscher König. In diesen Daten allein steckt wenig Neuzeitliches. Neuzeitliche Aufbrüche sind allein hieraus nur behutsam zu reklamieren. Grundbildende und als „Beginn der Neuzeit“ gedeutete Prozesse zogen die Voraussetzungen ihrer Dynamik aus der Überwindung der „Krise des Spätmittelalters“, die im weiteren 15. Jahrhundert in verstetigten Regelungsprozessen, in Weltund Fremderfahrungen, in religiösen Bewegungen, nationalen Abgrenzungen wie ebenso in dynastisch verbundenen Großreichen neue Räume, intensivierte Mobilität, gesteigerte Konkurrenzen und Kriege öffneten. Bewährt hatte sich bereits die Internationalisierung in der Heiratspolitik der alten und neuen west-, mittel- und osteuropäischen Königsfamilien, mit einer dabei auch wachsenden Bedeutung des Papsttums als Vermittler solcher Verbindungen bis hin zur Gewährung kirchenrechtlich erforderlicher Ehedispensen, was nach den Luxemburgern im 14. Jahrhundert dann seit dem 15. Jahrhundert auch den Habsburgern zum Vorteil wurde.12 Eine Globalisierung bedeutete die vermehrte Verschleppung von Sklaven aus Westafrika über die Azoren in die Karibik, die Transferierung von Söldnern und Missionaren aus Westeuropa in die beiden eroberten Amerikas und der Rücklauf von Ressourcen von dort an die europäischen Höfe,13 eine grenzübergreifend agierende Hochfinanz, die mit der Finanzierung von Söldnerheeren und einer frühkapitalistischen Protoindustrie im Bergbau und Erzhüttenwesen verbunden war.14 Die Medienrevolution vervielfältigter Drucke kam hinzu, ebenso die beschleunigte Überwindung des Raumes im zunächst allein für die Habsburger Dynastien aufgebauten Briefimperium der dazu privilegierten Unternehmerfamilie der Thurn und Taxis.15 In diese Reihe von 12 Das spätmittelalterliche Königtum im europäischen Vergleich, hg. von Reinhard Schneider (Vorträge und Forschungen 32), Sigmaringen 1987; Karl Vocelka, „Tu felix austria nube“. Die Europäisierung der habsburgischen Dynastie, in: Europa im 15. Jahrhundert, hg. von Klaus Herbers/Florian Schulte, Regensburg 2012, S.  204–212; Karl Vocelka, Die Familien Habsburg und Habsburg-Lothringen, Wien 2010; Heinz-Dieter Heimann, Die Habsburger. Dynastie und Kaiserreiche, 5. Aufl. München 2017. 13 Eberhard Schmitt, Die Entdeckung und Aneignung der Welt, in: Ausstellungskatalog Bonn 2000 (wie Anm. 10), S. 87–99; Bernd Hausberger, Die Verknüpfung der Welt. Geschichte der frühen Globalisierung, Wien 2015. 14 Immanuel Wallerstein, Karl V. und die Entstehung der kapitalistischen Weltwirtschaft, in: Soly, Karl V. (wie Anm. 10), S. 365–391. 15 Heinz-Dieter Heimann, „brievedreger“. Kommunikations- und alltagsgeschichtliche Zugänge zur vormodernen Postgeschichte und Dienstleistungskultur, in: Kommunikation und Alltag in Spätmittelalter und Früher Neuzeit, hg. von Helmut Hundsbichler (Österreichische Akademie der Wissenschaften, Phil.-Hist. Klasse Sitzungsberichte 596), Wien 1992, S. 251–292; Martin Dallmeier, Großreich und Kommunikation, in: Kohler/Haider/Ottner, Karl V. (wie Anm. 10), S. 223–245.

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Aufbrüchen gehört nicht zuletzt die vom Wormser Reichstag 1495 beschlossene Reform des Reichs, mit dem das Reichskammergericht ab 1526 in Speyer arbeitete.16 Die Wormser Reformen bewirkten eine Institutionalisierung des Reichs, ein Steuerbewilligungsrecht durch die Reichsstände sowie die „Handhabung Friedens und Rechts“, die „dem Reichstag bald als eine Art Herrschaftsvertrag zwischen dem König und den Ständen zur Legitimation seiner Rolle“ politisches Gewicht gab und im Verhältnis „Kaiser und Reich“ das Gewaltmonopol beim Reichstag festigte.17 Die Eigentümlichkeit des seit dem frühen Mittelalter entwickelten Verfassungsorganismus des „Heiligen Römischen Reichs“ mit seiner seit dem 13. Jahrhundert starken Stellung der Kurfürsten als den bevorrechtigten Königswählern sowie den gefestigten Landesherrschaften18 geriet dabei unter Druck, je nachdrücklicher Karl V. in der Religionsfrage die Verantwortung seines Kaisertums für die Einheit der Christenheit und die römische Kirche wahrnahm. Darauf lässt sich auch seine ostentativ kommunizierte persönliche Devise „Plus ultra“ beziehen, die wiederum mit Herrschaftsvorstellungen einer „monarchia universalis“ verbunden ist.19 Die spätmittelalterliche Erfolgsgeschichte der Habsburger wurde in der Verantwortung Karls nicht einfach so bruchlos fortgesetzt. Vielmehr wurden Kontinuitäten erst erstritten, die nach Brüchen im Zyklus der Macht fragen lassen. Daraufhin ist der Weg und das Prestige des jungen Karl zu seiner erfolgreichen Wahl 1519 zum römisch-deutschen König zu bedenken und weiter zumindest nach einigen der Faktoren zu fragen, die schließlich Karl 1558 zur Abdankung von aller Haus- und Reichsherrschaft veranlassten. Die imaginäre und politische Bedeutung der Devise „plus ultra“ führt zu Karls reklamiertem Traditions- und Majestätsverständnis. Sie auch schlägt eine Brücke von der einzigartigen Chance einer „monarchia universalis“ und Hegemonialherrschaft für

16 Speyer als Hauptstadt des Reichs, hg. von Anne Baumann/Joachim Kemper (Bibliothek Altes Reich 20), München 2017. 17 Wolfgang Reinhard, Probleme deutscher Geschichte 1495–1806. Reichsreform und Reformation 1495–1555 (Gebhardt. Handbuch der deutschen Geschichte 9), 10. Aufl. Darmstadt 2001, S. 203; Peter Moraw, Versuch über die Entstehung des Reichstags, in: Politische Ordnung und soziale Kräfte im Alten Reich, hg. von Hermann Weber, Wiesbaden 1980, S.  1–36; Wolfgang Reinhard, Geschichte der Staatsgewalt. Eine vergleichende Verfassungsgeschichte Europas von den Anfängen bis zur Gegenwart, München 1999. 18 Heilig – Römisch – Deutsch. Das Reich im mittelalterlichen Europa, hg. von Bernd Schneidmüller/Stefan Weinfurter, Dresden 2006. 19 Franz Bosbach, Monarchia Universalis. Ein politischer Leitbegriff der Frühen Neuzeit, Göttingen 1988.

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Karl über deren Scheitern hinweg zu seinem Selbstverständnis, dessen Ausweise schließlich einen fernen Blick auf jenes Bild nahelegen, das seinen Ahn Rudolf bis heute mit dem Speyerer Dom verbindet. Das „Faszinosum des Phänomens“,20 das die einzigartige und Kontinente übergreifende Herrschaft Karl V., ein Resultat dynastischer Erbzufälle und Expansion, bis heute ausmacht, gilt letztlich Karls Kaisertum. Und Karl ließ an seinem Willen keinen Zweifel, das Kaisertum unbedingt erlangen zu wollen. Seiner Tante Margarete schrieb er angesichts anderweitiger Verlautbarungen, „wenn wir uns darauf einließen, die Anstrengung bezüglich unseres Bruder oder eines Dritten, wie Sie uns geschrieben haben, ins Spiel bringen, dann können wir leicht ohne Reich, Ehre und Ansehen dastehen“.21 Mit dem Tod Kaiser Maximilians am 12. Januar 1519 in Wels stellte sich die Frage der Nachfolge im Reich für das Haus Habsburg nicht gänzlich unvorbereitet, aber familienintern doch unversehens. Karl konnte sich intern behaupteten. Als ältester Sohn Philipps I. „des Schönen“ (1478–1506) war er Teil der dynastischen Herrschaftspläne und Großherrschaftsbildung seines Großvaters Maximilian. Maximilian hatte das burgundische Erbe seiner Gemahlin Maria in langen Kriegen gegen Ansprüche des französischen Königs behaupten können, was dieser im Vertrag von Senlis (1493) – für Teile Burgunds – bestätigte. Burgund wurde damit zu einer der Kernzonen habsburgischer Herrschaft. Maximilian, so kriegerisch er auch agierte, betrieb zugleich in weitreichenden Herrschaftsplänen eine vorausschauende dynastische Vertragspolitik, die allein dadurch singulär wurde, dass er über Generationen hinweg und in kreuzweisen Doppelheiraten die Verstetigung dynastischer Großherrschaft kalkulierte und sich dieses System entweder aus biologischem Zufall oder aber infolge von vorzeitigem Tod zu Zeiten Karls V. mächtepolitisch für das Haus Habsburg auszahlte. Maximilian organisierte erfolgreich nicht nur die spanische Doppelhochzeit (1496) zwischen seinem Sohn Philipp und Johanna von Kastilien und Aragón (1479–1555) und Juan mit Margarete (1480–1530). Mit viel Diplomatie erreichte er 1515 auch in Wien die Doppelhochzeit mit dem König von Böhmen und Ungarn, wonach Ludwig II. (1506–1526) Maria (1505–1558), Enkelin Maximilians, heiratete und Maximilian stellvertretend für seinen Enkel (Ferdinand) Ludwigs Schwester Anna Jagiello (1503–1547) vertraglich ehelichte. Diesem „kleinen“ Wiener Kongress von 1515 kam dabei friedenspolitisch eine vielbedachte Bedeutung zu.

20 Kohler, Karl V. (wie Anm. 10), S. 13. 21 Zitiert nach Kohler, Karl V. (wie Anm. 10), S. 69.

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Entscheidend für Karls Herrschaftspläne im Reich wurde die Gestaltung seines Herrschaftsantritts in den spanischen Königreichen. 1509 hatte Maximilian im Vertrag von Blois mit Ferdinand von Aragón verabredet, dass Ferdinand die Regentschaft für die herrschaftsunfähig gewordene Johanna ausübte, bis Karl das 20. Lebensalter erreicht habe. In seinem Testament erklärte Ferdinand 1516 Karl zu seinem alleinigen Erben, womit die dynastische Kontinuität gesichert wurde. Der Tod Ferdinands am 23. Januar 1516 betraf sodann das Verhältnis der beiden Brüder Karl und Ferdinand, dann deren hausinterne Herrschaftsvorstellungen sowie die Handhabe ihrer Reichsherrschaft. Karl reiste nach Spanien und erlangte nach einigen Widerständen gegen ihn als „landfremden“ und Verhandlungen ab 1517 in Kastilien und Aragón die Herrschaft. Die Nachricht vom Tod seines Großvaters erreichte Karl Ende Januar 1519 am Hof in Lérida. Mit dem Tod Maximilians 1519 sah dann Karl bald für sich neue Chancen auf die Nachfolge im Reich. Um diese Ziele sicher zu erreichen, ohne dabei die habsburgische Herrschaft in Burgund zu gefährden, hatten zuvor Maximilian und Karl einen Interessensausgleich mit dem französischen König ausgehandelt. Im Vertrag von Noyon verabredeten beide Seiten am 13. August 1518 diesen Ausgleich. Neben der Versicherung gegenseitiger Freundschaft vereinbarten sie eine Vermählung des siebzehnjährigen Karl mit der einjährigen Tochter des französischen Königs, wobei als Mitgift der Braut Ansprüche auf Neapel sowie höhere Zahlungen bestimmt wurden. Kaiser Maximilian folgte diesem Vertrag am 3. Dezember 1516. Allgemein sah man darin einen politisch hochbeachteten Friedenswillen. Die Abkehr von diesem Vertrag markiert dann umso deutlicher einen folgenreichen Wendepunkt in der habsburgischen Außenpolitik. Dieser Vertragsbruch ging der Konkurrenz zwischen Karl I. von Spanien und Franz I. von Frankreich um die deutsche Königswahl und das Kaisertum voraus. Die die Königswahl bestimmende Rivalität war mithin bereits die Folge vorausgegangener Umwertung des bisherigen Bündnissystems der Habsburger. Karl wie auch Franz verbanden mit dem Kaisertum für sich ähnliche hegemoniale Ziele. So folgte aus der für Karl erfolgreichen Wahl die in mehreren Kriegen ausgetragene Rivalität zwischen Frankreich und dem Machtkomplex des Hauses Habsburg, mit der denn eine „monarchia universalis“ Karls den Keim ihres Scheiterns in sich trug.22 22 Lutz, Einheit (wie Anm. 10), S. 198 ff. gegenüber Kohler, Karl V. (wie Anm. 10), S. 60 f.; König Franz I. war 1516 auch von Karl in den Orden vom Goldenen Vlies aufgenommen worden. Karl verstieß damit auch gegen Normen seiner Ordensgemeinschaft. Anna Margarete Schlegelmilch, Die Jugendjahre Karls V. Lebenswelt und Erziehung des burgundischen Prinzen (Beihefte zum Archiv für Kulturgeschichte 67), Köln/Weimar/Wien 2011, S. 596, Anm. 20.

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Der Bruch des Vertrags von Noyon fällt öffentlich noch gravierender aus, da er sich jenseits pragmatischer Intention solcher Verträge gegen verbreitete Erwartungen an eine kommende Friedenszeit richtete. In den Reihen der Humanisten widmete sich Erasmus von Rotterdam (ca. 1466– 1536) immer wieder in Schriften den drängenden Herausforderungen eines Friedens in einer Zeit, in der große Herrscherhäuser und christliche Völker und Nationen gegeneinander um die Vormacht Kriege führten. Im Vorfeld des Friedensvertrags von Noyon veröffentlichte 1516 Erasmus von Rotterdam, der damals im Umfeld des burgundischen Hofes arbeitete, die Lehrschrift „Institutio Principis Christiani“, eine Friedens- und Erziehungsschrift, die er Karl und Ferdinand widmete. Er kritisierte darin die Formen der dynastischen Heiratspolitik und warf den Monarchen allgemein vor, ihre eigentlich persönlichen Interessen fälschlich als allgemeines Wohl auszugeben. Erasmus sah in einer christlichen Lebensführung die wichtigste Voraussetzung für eine friedliche Politik. Veranlasst von den Machtkämpfen um die Vorherrschaft in (Ober-)Italien veröffentlichte er 1517 die „Querela Pacis“, „Klage der Friedensgöttin“.23 Er, wie auch der am Hof Karls tätige Franziskaner Antonio de Guevara, lehnte Vorstellungen einer Universalmonarchie ab. Hauptaufgabe des Monarchen sei es, den Frieden zu wahren.24 Die Geistlichen und Intellektuellen waren mit ihrer Friedenssehnsucht nicht allein. Ständeübergreifend bewegten in illustrierten Flugblättern und Drucken verbreitete Visionen, apokalyptische Ängste sowie Prophetien und Deutungen ungewöhnlicher Naturerscheinungen und astrologischer Zeichen die Menschen, wonach um 1500 ein Goldenes Zeitalter, verbunden mit dem Herrschaftsbeginn eines Friedenskaisers, bevorstehe. Der am 24. Februar 1500 geborene Karl erschien bald als Erbe jenes mittelalterlichen (Friedens-)Kaisers. Aufgrund seines Geburtsjahres war er zudem durch die Außerordentlichkeit der kirchlichen Jubeljahre ausgezeichnet. Damit wuchs die Bekanntheit Karls im Reich. Eine Volksliedzeile lautete: Ich hoff, die Sach soll werden gut So Carolus, des edel Plut Die Sach tut für sich nehmen.25 23 Über Krieg und Frieden. Die Friedensschriften des Erasmus von Rotterdam, hg. von Wolfgang F. Stammler/Theo Stammen, Wiesbaden 2017. 24 Kohler, Persönlichkeit (wie Anm. 10), S. 12. 25 Helga Robinson-Hammerstein, 1500 – Prognostik, Jubeljahr und habsburgisch-­ burgundische Propaganda, in: Jahrhundertwenden. Endzeit-und Zukunftsvorstellungen vom 15. bis zum 20. Jahrhundert, hg. von Manfred Jakubowski-Tiessen/Hartmut Lehmann/Johannes Schilling/Reinhart Staats (Veröffentlichungen des MaxPlanck-­Instituts für Geschichte 155), Göttingen 1999, S. 53–73, hier S. 65.

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Die Kandidatur Karls im Reich teilten in Spanien und an seinem burgundischen Hof anfangs nicht alle. Karl aber motivierte das Erbe der habsburgischen Länder. Kaiser Maximilian hatte zu Lebzeiten unter den Kurfürsten keinen Konsens für eine Nachfolge aus der Familie erreicht, so dass die Situation für einen Moment in der Schwebe schien. Karl sah nun für sich die Chance eines übergreifenden Machtgewinns. Deshalb drängte er mit allen Mitteln auf seine Wahl gegen Franz I. von Frankreich, einen ähnlich potenten Konkurrenten mit Chancen bei den Kurfürsten auf das Kaisertum. Die Fugger und italienische Bankhäuser garantierten vor der Wahl die beträchtlichen Geldleistungen Karls an die kurfürstlichen Wähler. Nicht weniger aber wog für sie die von den Reichsständen ausgehandelte Wahlkapitulation, die Karl zu beeiden hatte. Darin anerkannte Karl: daz wir […] die cristenheit und den stul zu Rom, auch bebstliche Heiligkeit und die kirchen als derselben advocat in guetem bevelch und schirm haben, darzue in sonderheit in dem heiligen reiche friden, recht und ainigkeit […]; – die […] guldin bullen [d. h. die Goldene Bulle, 1356], kuniglich landfriden [d. h. den Wormser Landfrieden, 1495] und ander des heiligen reichs ordnungen und gesetz confirmieren, erneuen und […] dieselben mit rat unser und des reichs churfursten, fursten und anderer stende pesseren […]; – als Römischer kunig in des reichs hendeln auch kain pundnus oder einung mit frömbden nationen noch sonst im reiche machen […]; – auch keiner succession oder erbschaft des oft ernennten Römischen reichs anmassen, underwinden […] sonder […] die gemelten churfursten […] zu jeglicher zeit bei irer freien wael […] beleiben und ganz unbetrengt lassen.26 An diesen Normen der Reichsverfassung entschied sich am Ende der Erfolg von Karls Kaisertum und ebenso Karls politisches Verhältnis zu seinem Bruder Ferdinand. Dieser forderte sogleich nach Karls Wahl sein Erbe ein. Den spanischen König Carlos I. wählten, begleitet von auch nationalen Argumenten, die Kurfürsten am 28. Juni 1519 einstimmig zum römisch-deutschen König Karl, wobei zuvor der französische Bewerber wie auch der sächsische Kandidat unter einzelnen Wählern bzw. beim Papst Zustimmung gefunden hatte. Nicht nur auf den Gassen der Stadt Frankfurt am Main hörte man nach der Wahl Karls: ein new lied von künig Karel: ein künig gewaltigliche von Osterreich geborn, künig Karl löbeliche 26 Quellen zur Geschichte Karls V., hg. von Alfred Kohler (Ausgewählte Quellen zur deutschen Geschichte der Neuzeit 15), Darmstadt 1990, Nr. 7, S. 53–58.

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got hat in außerkorn uber all künig zware, der fürst so hochgemuot zu regiren fürware die christenheit so guot.27 Karl reiste erst im folgenden Jahr ins Reich, um sich nach eigenwilligen Interventionen am 23. Oktober 1520 in Aachen krönen zu lassen. Zu diesem traditionsbewährten Krönungsakt wies sich Karl als Erzherzog von Österreich aus.28 Wenige Tage danach gab der Mainzer Erzbischof bekannt, dass Papst Leo X. (1513–1521) Karl den Titel „erwählter Römischer Kaiser“ zubilligte. Karl war am Ziel – und eine mögliche „monarchia unversalis“ warf ihre Schatten voraus: die Gegnerschaft mit Franz I. von Frankreich sowie die Ansprüche seines Bruders Ferdinand innerhalb der Hausmacht und im Reich. Bevor Ferdinand29 in Anwesenheit Karls V. am 5. Januar 1531 gewählt und zum römisch-deutschen König gekrönt wurde, war er bereits seit 1521 zunächst auch abhängiger Teil der „monarchia unversalis“ geworden – durch seine Bestellung zum einzigen Statthalter und dann kaiserlichen Stellvertreter sowie durch die Teilung der habsburgischen Herrschaft.30 In den Wormser (24. April 1521) und Brüsseler Verträgen (30. Januar 1522) erhielt Ferdinand, was zunächst geheim gehalten wurde, die Regierung in den Territorien des Erzherzogtums Österreich, und damit die Aufgabe, sie gegen die Osmanen zu sichern. Damit verbunden kam es zur Teilung der habsburgischen Großherrschaft in eine spanische und österreichische Linie. Diese Aufteilung schrieb sich dann folgenreich über Jahrhunderte in die europäische Mächtewelt ein.

27 Mertin Weiße, Flugschrift „Ein new lied von künig Karel“ (1519), in: Kohler, Quellen (wie Anm. 26), S. 59 f. 28 Paul-Joachim Heinig, Die letzten Aachener Krönungen: Maximilian I., Karl V. und Ferdinand I., in: Krönungen. Könige in Aachen – Geschichte und Mythos, hg. von Mario Kramp, Mainz 2000, S. 563–573. 29 Alfred Kohler, Ferdinand I. (1503–1564), München 2003; Helmut Neuhaus, Römischer König im Schatten des kaiserlichen Bruders?, in: Kohler/Haider/Ottner, Karl V. (wie Anm. 10), S. 345–359; Christopher F. Laferl, Sprache – Inhalt – Hierarchie. Zum Verhältnis zwischen Karl V. und Ferdinand I. in der Familienkorrespondenz, in: Kohler/Haider/Ottner, Karl V. (wie Anm. 10), S. 359–379; Ernst Laubach, Politik und Selbstverständnis Kaiser Ferdinands I., in: Kaiser Ferdinand I. Aspekte eines Herrscherlebens, hg. von Martin Fuchs/Alfred Kohler, Münster 2003, S. 123–147. 30 Deutsche Reichstagsakten unter Kaiser Karl V., bearb. von Adolf Wrede, Bd. 2, Gotha 1896, Nr. 21 (25. Mai 1521); Rosemarie Aulinger/Ursula Machoczek/Silvia Schweinzer-Burian: Ferdinand I. und die Reichstage unter Kaiser Karl V., in: Fuchs/Kohler, Ferdinand I. (wie Anm. 29), S. 87–123.

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Als 1525 mit dem Tod Ludwigs II. von Ungarn der 1515 verabredete Erbfall eintrat, kam Ferdinand für das Haus Habsburg in Böhmen und in Teilen Ungarns nun zu selbstständiger Herrschaft. Damit wuchs das politische Gewicht Ferdinands im Reich. Erst nachdem Karl am 24. Februar 1530 in Bologna von Papst Clemens VII. zum Kaiser gekrönt ­worden war, wurde 1531 Ferdinand zum römischen König „vivente imperatore“ gewählt. Damit verstetigten sich jene Aufteilungen und politischen Ungleichförmigkeiten, die in die eine Richtung auf verschiedenen Ebenen zu administrativen Neuordnungen und zu einem System von Absprachen zwischen den Brüdern und deren Regiment führten. In die andere Richtung führte dies fortgesetzt zu Festlegungen, Verträgen, Testamenten,31 in denen in hausrechtlichen Normen und politischen Zielen die Einheit des Gesamthauses und zugleich die Selbstständigkeit jeder der beiden Linien bedacht wurden, während Karl in seinem Kaisertum in der möglichen übergreifenden politischen Einheit uneingeschränkt die Verantwortung für die Einheit des Reichs und die Christenheit ausübte. Dieses Kaisertum inszenierte Karl V. öffentlich. Auch in Speyer zeigte er sich in seinen imperialen Zeichen und seiner Devise „plus ultra“. Der Speyerer Reichstag von 1544 gilt als einer der am besten besuchten Versammlungen in der Zeit Karls. Im ausführlichen Bericht des Würzburger Augenzeugen heißt es dazu zum 30. Januar 1544, dass der Kaiser in die Stadt einzog u. a. mit „zehen wellisch trommeter, so geplasen, drei herolten mit iren palüdimenten, die stabler und zwen mit der vergülten seulen ‚plus ultra‘“.32 Karl sah in der Einheit der Kirche und Christenheit seine Hauptaufgabe. Die Abwehr der Expansion der Osmanen trug er in vielen Kriegen rund um das Mittelmeer, mit außergewöhnlichen Erfolgen. Eine Anerkennung der lutherischen Lehre widersprach Karls Verständnis vom Kaisertum, das auf der religiösen Einheit des Reichs aufbaute. Der Konflikt darum war keimhaft bereits in der Wahlkapitulation Karls erkennbar. In der Religionsfrage drohte seit dem Wormser Reichstag 1521 die Spaltung des Reichs, obgleich Karl den theologischen Konflikt selbst eher als nachrangig erachtete. Doch das Edikt von Worms war nicht sein letztes Wort. Er rückte spätestens nach seiner Kaiserkrönung 1530 davon ab. Der Kaiser setzte nun auf Religionsgespräche, Gesetzes-

31 Armin Kohnle, Das Vermächtnis Kaiser Karls V. Die politischen Testamente, Darmstadt 2005. 32 Deutsche Reichstagsakten unter Kaiser Karl V., Bd. 15, Der Speyrer Reichstag von 1544, 4 Teile, hg. von Eike Wolgast, bearb. von Erwein Eltz, Göttingen 2001, Teil 2, Nr. 83, S. 746; zur Teilnahme Karls an der Osterprozession durch die Stadt, ebenda S. 776.

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initiativen, ein Konzil und am Ende, da er auch an papaler Eigenmacht scheiterte, auf den Krieg gegen die Anhänger der lutherischen Lehre im Reich.33 Der Kaiser setzte also auf Gewalt. Ungeachtet seines ruhmvollen Sieges über das Bündnis der lutherischen Fürsten in Mühlberg/Elbe (24. April 1547)34 scheiterte Karl aber mit seiner Idee, gegen die sich wachsender politischer Widerstand formierte. 1552 verbanden sich sein Bruder Ferdinand und einige lutherische Reichsfürsten zum Aufstand gegen Karl V. in dem Willen, die Einheit des Reichs im Konsens mit den Fürsten in einem rechtsförmlich garantierten Nebeneinander der christlichen Lehren zu erhalten. Die Spaltung des Reichs drohte weiterhin, bis erst im September 1555 der Augsburger Reichstag die Einheit des Reichs in der Religionsfrage fand. Nicht Kaiser Karl, sondern Ferdinand garantierte 1555 jenen Religionsfrieden, der es Fürsten und Stadtobrigkeiten erlaubte, über die Religion bzw. Konfession ihrer Untertanen zu entscheiden.35 Karl resignierte darüber, schließlich dankte er ab. Ein Kaisertum in Einheit des Reichs und ungeteilter Christenheit war nicht durchsetzbar, die Idee konfessionell homogener Untertanen in den Fürstenstaaten dagegen schon. Dabei hatten schon 1526 in Speyer einige lutherische Reichsfürsten den Aufbruch in eine angedeutete bi-konfessionelle Ordnung gewagt. In ihrem demonstrierten Motto „V (erbum) D (omini) M (anet) I (n) E (ternum)“ deutete sich die schwindende Bindekraft der mittelalterlichen Sakralität des Reichs sichtbar an.36 In Karls Kaisertum und Majestätsverständnis spiegelten sich Chancen einer hegemonial-monarchischen Herrschaft, der Karl zwar konsequent nachging, die aber an der Realität scheiterten, vor allem an den Normen der Reichsverfassung und den Souveränitätsinteressen der Fürsten in einem wachsend territorialisierten Reichsgefüge. Karl wurde darin der Weg zu einer monarchischen Stärkung des Kaisertums versperrt und ein formierter politischer und kirchlicher Pluralismus charakterisierte in Zukunft das „Konfessionelle Zeitalter“.37 Damit und angesichts der von Karl und Ferdinand geteilten Großdynastie mit zwei machtvollen und rivalisierenden Linien innerhalb des Gesamthauses gab es in dem Aufstiegsmodus, wie ihn die spätmittelalterlichen 33 Heinz Schilling, Karl V. und die Religion, in: Soly, Karl V. (wie Anm. 10), S. 285–365. 34 Heinz Schilling, Veni, vidi, deus vixit – Karl V. zwischen Religionskrieg und Religionsfrieden, in: Archiv für Reformationsgeschichte 89, 1998, S. 144–166. 35 Kohler, Ferdinand I. (wie Anm. 29), S. 237–257; Helmut Neuhaus, Römischer König im Schatten des kaiserlichen Bruders? Zum Verhältnis zwischen Karl V. und Ferdinand I., in: Kohler/Haider/Ottner, Karl V. (wie Anm. 10), S. 345–359. 36 Seibt, Karl V. (wie Anm. 10), S. 110; Harry Oelke, Die Konfessionsbildung des 16. Jahrhunderts im Spiegel illustrierter Flugblätter, Berlin 1992, S. 256, S. 340. 37 Heinz Schilling, Aufbruch und Krise, Deutschland 1517–1648, Berlin 1988; Wolfgang Reinhard, Lebensformen Europas, München 2004.

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Habsburger genutzt hatten, keine Fortsetzung. Der ausgehandelte Wechsel im Kaisertum markiert eine signifikante Zäsur zwischen Mittelalter und Früher Neuzeit, rechtlich, dynastisch, kulturell. Der Übergang im Kaisertum Karls zu Ferdinand (1558) korrespondierte dann mit der markanten Aufteilung des habsburgischen Gesamthauses und ihren Ideologien. Damit blieb auch die Devise „plus ultra“ einzig. Woher rührte diese Devise ideengeschichtlich, von welchen Horizonten handelte sie, wo griff die „alte Welt“ in die „neue Welt“ aus, was verband Karl V. zeitlebens mit ihr? Sein Name „Charles“, „Carlos“, „Karl“ war am burgundischen Hof Programm, von der Taufe an. In den Reihen der habsburgischen Vorfahren findet sich der Name nicht. Die Wahl des Taufnamens durch seinen Vater Philipp nahm Bezug auf den burgundischen Urgroßvater Karl den Kühnen (1430–1477) und dessen machtvolle Rolle. Der Name des Vaters wie der Karls war seit Generationen in der französischen Königsdynastie üblich. Diese Namenswahl bekräftigte die Ansprüche der Ebenbürtigkeit von Maximilians Linie Österreich-Burgund mit den Valois.38 Zur habsburgischburgundischen Verbindung mit den Valois kam in den Eltern noch die zum Haus Trastámara hinzu. Die burgundische Abstammung zeichnete die Erziehung von Maximilians Enkel Karl aus, verantwortet durch Maximilians Tochter, Erzherzogin Margarete (1480–1530) sowie durch Adrian von Utrecht, dem späteren Papst Hadrian VI. (1459–1523; Pontifikat 1522–1523).39 Das burgundische Erbe wurde gezielt Teil der sozialen, kulturellen und religiösen Erziehung Karls und damit seines Selbstverständnisses, das dann auch im Vorfeld der Nachfolger Karls im Kaisertum Maximilians dynastisch und medial öffentlichkeitswirksam vermittelt wurde. Herkommen und Alter gehörten zu den mannigfach reklamierten Ausweisen des Ansehens der Dynastien, ihres Rangs, ihrer politischen Legitimation. Deren Motive und Anlässe führten zum Mäzenatentum der Herrscherfamilien und traf sich mit ästhetischen Darstellungs- und reproduktionstechnischen Vervielfältigungsmöglichkeiten der Künstler und Kunsthandwerker der Zeit. Historiographische und bildgestützte Genealogien, schließlich Portraits40 boten traditionell vielfach genutzte Strategien zur Behauptung und der Propagierung adeliger Herkunft und höheren dynastischen Ansehens. So erachtete man jene

38 Schlegelmilch, Jugendjahre (wie Anm. 22), S. 21, Anm. 14. 39 Ebenda, S. 18 ff, S. 251 ff. 40 Zum Grabmalbildnis Rudolfs von Habsburg siehe den Beitrag von Matthias Müller im vorliegenden Band; Karl Schütz, Karl V. und die Entstehung des höfischen Portraits, in: Ausstellungskatalog Bonn (wie Anm. 10), S. 57–65.

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mit historischem Sinn erstellten Reihen von Verwandtschaften auch „als genealogische-historiographisch bewiesene Wirklichkeit“.41 Am burgundischen Hof nach 1500 entstandene Genealogien wiesen Karl als direkten Nachfahren der Herzöge von Brabant aus und präsentierten damit die ruhmreiche Vergangenheit des Königshauses, die über Karl den Großen und die römischen Caesaren bis zu Noah zurückreichte. Eine dieser reich gestalteten Genealogien zieren neben Wappenreihen zwei Säulen mit dem Schriftband „plus ultra“, um die jene Tafel auffällig für Karl verlängert wurde.42 Das so herausgestellte Familien- und Selbstbewußtsein ist nur ein Bespiel dafür, wie das Haus Habsburg dann auch die Wahlwerbung für Karl im Reich mit dem Bedeutungsanspruch des maximilianisch-burgundischem Erbes und Karls persönlicher Devise „plus ultra“ verband. In solchem Dienst dynastischer Politik erschien 1518 in Gent als Druckgraphik ein Bildprogramm der Herrscherfamilie mit ihren persönlichen Wappen und Motti über ihren Köpfen. Das Blatt zeigt Maximilian I., Maria von Burgund, Philipp den Schönen und Karl V. jeweils zu Pferd, dabei über Maximilian I. die Inschrift „HALT MAES“ und über Karl zwischen zwei Säulen „PLVS OVTRE“.43 Die jüngere Forschung hat die kunst- und werbegeschichtliche Bedeutung der drucktechnisch verbreiteten Bildnisse Karls und Ferdinands erkannt und zunehmend erschlossen,44 wonach Karl V. auch als eine Art Medienkaiser anzusprechen ist. Er bestimmte nicht nur die Themen der großartigen Tapisserien,45

41 Jan-Dirk Müller, Gedechtnus. Literatur und Hofgesellschaft um Maximilian I. (Forschungen zur Geschichte der älteren deutschen Literatur 2), München 1982; Gert Melville, Vorfahren und Vorgänger. Spätmittelalterliche Genealogien als dynastische Legitimation zur Herrschaft, in: Die Familie als sozialer und historischer Verband, hg. von Peter-Johannes Schuler, Sigmaringen 1987, S. 203–309; Karl Heinz Spiess, Familie und Verwandtschaft im deutschen Hochadel des Spätmittelalters (Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte Beiheft 11), Stuttgart 1993; Klaus Schreiner, Religiöse, historische und rechtliche Legitimation spätmittelalterlicher Adelsherrschaft, in: Nobilitas. Funktion und Repräsentation des Adels in Europa, hg. von Otto Gerhard Oexle/Werner Paravicini (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte 133), Göttingen 1997, S. 376–430; Genealogie als Denkform in Mittelalter und Früher Neuzeit, hg. von Kilian Heck/Bernhard Jahn (Studien und Texte zur Sozialgeschichte der Literatur 80), Tübingen 2000; Schlegelmilch, Jugendjahre (wie Anm. 20), S. 486, S. 497 f. 42 Genealogie Karls V. in: Ausstellungskatalog Bonn (wie Anm. 10), Abb. 1, S. 109 f. 43 Ebenda, Abb. 7, S. 113 f. 44 Karl Schütz, Karl V. und die Entstehung des höfischen Portraits, in: Ausstellungskatalog Bonn (wie Anm. 10), S. 57–65; Rainer Wohlfeil, Grafische Bildnisse Karls V. im Dienste von Darstellung und Propaganda, in: Kohler/Haider/Ottner, Karl V. (wie Anm. 10), S. 21–57, mit Hinweis auf die Vielfalt der genutzten Bildmedien und die Bedeutung der Kaiserkrönung für die Bildfindungen. 45 Ausstellungskatalog Bonn (wie Anm. 10), S. 196–205 mit weiteren Abbildungen.

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die Karl als mobile Bilddokumentationen seiner Taten mit sich führte und vor denen er sich inszenierte. Ähnliches gilt nach dem Speyerer Beleg auch für seine Devise „plus ultra“. Eine so feinsinnige Untersuchung, wie sie Rainer Wohlfeil zu den Bildnissen Karls vorlegte, vermisst man indes von Seiten der Geschichtswissenschaft zu den ungezählten Ausweisen der Devise „plus ultra“, um den Echoraum dieser ungewöhnlichen Devise hof- und kulturgeschichtlich weiter auszuleuchten.46 So sind auch Neu- und Wiederentdeckungen dieser Devise einzubringen. Eine Motivspur dieser genealogischen und dynastischen Bildprogramme, in denen Karl früh in seiner Ähnlichkeit mit Maximilian inszeniert wurde, führt in die Antikenrezeption am burgundischen und von dort am Wiener Hof. Danach verband man Karl poetisch mit heldischen und moralischen Eigenschaften des antiken Herkules. Der Herkules-Sagenstoff war am burgundischen Hof mäzenatisch hoch geschätzt, woran um 1500 und 1515 am Wiener Hof humanistische Dramen anknüpften, in deren Rollen allegorisch auch der Karl-Herkules etwa als gerechter Richter agierte und daneben panegyrisch bedacht wurde.47 In die weitere Spur der rezipierten Herakles-Sage gehört mit den bekannten „Säulen des Herkules“ auch das Motto „plus ultra“, mit dem sich Karls visualisiertes und propagiertes herrscherliches Image über die Zeit seiner Kaiserkrönung zeitlebens verband und dem die Forschung unbegrenzte symbolische Bedeutungen zuschreibt.48 Seit seinem 9. Lebensjahr gehörte Karl dem Kollegium des Ordens vom Goldenen Vlies an. Herzog Philipp III., der Gute, hatte diesen höchsten burgundischen (Ritter-)Orden 1430 anlässlich seiner Hochzeit mit Isabella von Portugal gestiftet, dessen Mitglieder neben der Bindung an den Ordenssouverän sich zu Brüderlichkeit, Gleichheit und dem Eintreten für den christlichen Glauben und zum Krieg gegen die Ketzer verpflichteten. Die Ordensritter bekamen durch den Souverän eine entsprechende Collane verliehen. Von diesen Wertvorstellungen und aus seiner höfischen Erziehung erfuhr Karl die christliche Prägung seines 46 Siehe dazu entsprechende Abbildungen im Ausstellungskatalog Bonn (wie Anm. 10), u. a. Abb. 1, 82, 340. 47 Schlegelmilch, Jugendjahre (wie Anm. 22), S. 494 f.; Franz Römer, Zur Panegyrik in der Epoche Karls V. in: Kohler/Haider/Ottner, Karl V. (wie Anm. 10), S. 67–82; Ausstellungskatalog Bonn (wie Anm. 10), Abb. 53, S. 142 f. „Karl V. als Erzherzog am Scheideweg“ (1511). 48 Sandra Sider, Transcendent Symbols for the Habsburgs: Plus ultra and the Columns of Hercules, in: Emblematica 4, 1989, S.  257–267; Schlegelmilch, Jugendjahre (wie Anm. 22), S. 493–497; Hans Joachim König, PLUS ULTRA – Ein Weltreichs- und Eroberungsprogramm? Amerika und Europa in politischen Vorstellungen im Spanien Karls V., in: Kohler/Haider/Ottner, Karl V. (wie Anm. 10), S. 197–223.

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Herrschaftsverständnisses.49 Mit seinem Herrscherantritt und seiner Volljährigkeitserklärung 1515/16 wurde Karl am 25. Oktober 1516 auch feierlich zum Ordenssouverän bestellt, weshalb diese Kette des Wappenkönigs an zentraler Stelle mit dem Emblem der Devise „PLUS OULTRE“ versehen wurde.50 Diese Devise entwickelte aus Anlass des Ordenskapitels von 1516 der Humanist Luigi Marliano,51 und ab 1517 erfolgte die Übersetzung in „PLUS ULTRA“ in Verbindung mit dem Säulen-Emblem. Seitdem findet sie sich so oder in der deutschen Übersetzung „weiter so“ auf vervielfältigten Herrscherbildnissen und Gegenständen, die Karl, den spanischen König und Enkel Maximilians, auswiesen. So zeigte man 1519 nach der Wahl Karl in einem Brustbild, eingefasst von einem architektonischen Bogen, in dessen Rundung die Wappenschilde der Kronen von Kastilien, Aragón und León, von Österreich und Burgund, darüber ein nimbierter Adler und darunter zwischen dem Wappenschild und dem Kopf Karls dessen Emblem gezeigt wird: die zwei Säulen des Herkules, seitlich beschriftet mit „Noch Weiter“.52 Offenbar aber beließen es Karl V. und sein Kreis nicht bei solchen graphischen Darstellungen der Herrscherpersönlichkeit. Die Entwicklung der Familien der beiden Brüder, die Binnenorganisation der Dynastie und die von den Reichsständen akzeptierte Rolle Ferdinands in der Reichsherrschaft neben Karl machten auch die Vergegenwärtigung des Miteinanders der Brüder und ihrer Familien zum Medium bedachter Propaganda, gerade auch dann, wenn divergierende politische Ansichten Karls und Ferdinands offensichtlicher wurden. Doppelportraits von Kaiser Karl V. und König Ferdinand I., wie sie Christoffel Bockstorfer 1530 druckgraphisch vervielfältigte, sind selten und sie erhalten nach Karls Kaiserkrönung (1530) erhöhte Bedeutung auch als Seismograph des propagierten familiären und politischen Binnenmilieus. So ist hier auf einen graphisch prachtvollen Stammbaum des Hauses Habsburg aufmerksam zu machen, der in reicher figürlich-heraldisch und historiographischer Inszenierung die Familie Kaiser Karls V.

49 Schlegelmilch, Jugendjahre (wie Anm. 22), S. 159 ff., S. 596 f. 50 Die heraldische Goldkette (potence) des Wappenkönigs des Ordens vom Goldenen Vlies, nach 1516, mit der Devise im Zentrum. Siehe Soly, Karl V. (wie Anm. 10), Abb. S. 412 f.; Daneben Ausstellungskatalog Bonn (wie Anm. 10), Abb. 61–63. Die Statuten dieses Ordens sind im Wesentlichen bis heute im österreichischen Zweig des Ordens gültig, ebenda, Abb. 63, S. 148; Annemarie Weber, Der österreichische Orden vom Golden Vlies. Geschichte und Probleme, Diss. Bonn 1971. 51 Earl E. Rosenthal, The Invention of the Columnar Device of Emperor Charles V at the Court of Burgundy in Flanders in 1516, in: Journal of the Warburg and Courtauld Institutes 36, 1973, S. 198–230; Ferner s. Ausstellungskatalog Bonn (wie Anm. 10), Abb. 82 „Siegelstock“, S. 162. 52 Wohlfeil, Bildnisse (wie Anm. 44), S. 29–31, Abb. 4.

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Abb. 2: Herrscherbildnis Karls V. zur römisch-deutschen Königswahl 1519. Hans Weidlitz, Straßburg 1500–1535 (Holzschnitt, 36,3x20,4 cm. Wien, Albertina, Inv.Nr. DG 1949/369)

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zusammen mit der seines Bruders Ferdinand in direkter Abstammung von König Rudolf I. von Habsburg zeigt.53 Die herausgestellte dynastische Kontinuität weist die Anciennität der Habsburger und der Herrschaftsidee Karls im Reich aus. In der Forschung ist dieser aquarellierte Abdruck eines Holzschnitts von vier Druckstöcken auf Pergament im Format 73 x 53 cm nahezu unbekannt. Nach kunsthistorischen Indizien könnte der Augsburger Künstler Jörg Breu d. J. (1510?–1547) der Schöpfer dieses Pergamentdrucks sein,54 der womöglich als Vorzugsexemplar für den kaiserlichen Hof gemeint war. Bis auf eine auf dem Druck in einer der Schildchen notierten Jahreszahl „1532“ ist eine exaktere Datierung bisher nicht gelungen. Damit immerhin fällt diese Graphik in den Zeitraum nach dem Sieg über Franz I. von Frankreich bei Pavia, nach der Kaiserkrönung und in den Kontext des Augsburger Reichstags, zu dessen Eröffnung am 15. Juni 1530 Kaiser Karl und sein Bruder, König Ferdinand, in die Stadt einzogen. Jörg Breu hielt dieses Ereignis in einer größeren Folge von Holzschnitten fest, wie er ebenso die bemerkenswerte Szene einer Schlittenfahrt der beiden Brüder schuf, wo der Bug von Karls Schlitten die Säulen des Herkules und seine Devise „PLUS ULTRE“ zierte. 55 Der bild- und textreiche Stammbaum visualisiert den Geltungsanspruch imperialer Suprematie der Habsburger Herrscher zusammen mit dem Ausweis ihrer historischen Legitimation im Rückgriff auf Rudolf I. von Habsburg als dem ersten der römisch-deutschen Könige aus ihrem Geschlecht. Wenn hier das herausgestellte habsburgische Herkommen soweit eindeutig erscheint, so ist dieses doch nicht selbstverständlich. Denn diese genealogische Wirklichkeit reklamierte nicht die Bindung an biblische Geschlechter oder Heilige, suchte keine ­spirituelle Verwandtschaft, sie griff auch nicht die Verwandtschaft

53 Welt im Umbruch. Augsburg zwischen Renaissance und Barock. Ausstellung der Stadt Augsburg zum 450. Jubiläum der Confessio Augustana, Bd. 1, hg. von Zentralinstitut für Kunstgeschichte und Städtische Kunstsammlungen Augsburg, Augsburg 1980, Nr. 23, s/w Abb. S. 133, ferner Abb. 91, 94, 95, S. 171–175; Jörg Völlnagel, Prachtminiaturen für die Habsburger und die Freie Reichsstadt Augsburg. Beobachtungen und neue Erkenntnisse zum sogenannten Etoncodex aus der Breu-Werkstatt, in: Jahrbuch der Berliner Museen Neue Folge 49, 2007, S. 73–84 führt neben Motiv- und Werkvergleichen über Abbildungen jüngerer habsburgischer Kaiser und Könige, darunter auch Karl V. und seine Devise sowie Ferdinand I., die Reichsstadt Augsburg als Hauptbetreiber der hier besprochenen Pracht-Werke an. Der hier vorgestellte Stammbaum findet sich dort nicht weiter erwähnt. 54 Jörg Breu ist seit 1524 in Augsburg nachweisbar, wo er nach dem Tod des Vaters dessen Werkstatt 1537 übernahm. Schwerpunkte seiner Arbeit waren Wandmalereien, Entwürfe für großformartige Holzschnitte und das Kunsthandwerk; Welt im Umbruch (wie Anm. 53), Bd. 2, S. 230; Völlnagel, Prachtminiaturen (wie Anm. 53). 55 Welt im Umbruch (wie Anm. 53), Abb. 94, S. 174.

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Abb. 3: Verwandtschaftsstammbaum der Habsburger-Dynastie zwischen König Rudolf I. und den Familien Kaiser Karls V. und König Ferdinands I., nach 1530 (Vermutlich Jörg Breu d. J. (1510–1547), Holzschnitt, aquarellierter Pergamentdruck. Stadt Augsburg, Kunstsammlungen und Museen, Graphische Sammlung, Inv.Nr. G 4822-71)

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mit burgundischen Ahnen und auch nicht mit der römischen Familie Colonna auf, worauf die Habsburger, wohl auch Karl, sehr achteten,56 vielmehr den dynastisch-deutschen und engeren reichsgeschicht­ lichen Bezug in der Abstammung der beiden Herrscherfamilien. Es handelt sich hier um einen Verwandtschaftsbaum, der die Habsburger Dynastie vom 13. bis 16. Jahrhundert in Ehepaaren zeigt, beginnend mit König Rudolf, gekrönt und mit Zepter, der unten am Fuße des Baumes neben seiner Gemahlin Anna sitzt, davor neben wappentragenden Putti zwei Löwen, die den Reichsapfel, Symbol kaiserlicher Weltherrschaft, tragen. Daneben stehen Tafeln mit Erläuterungen zur jeweiligen Person. Nach diesem Muster werden auf­ steigend mit dem Astwerk auch die weiteren Herrscherpaare bzw. Generationen über König Albrecht I. (1255–1308), verschiedene Erzherzöge des 14. Jahrhunderts, Kaiser Friedrich III. (1415–1493) und Kaiser Maximilian bis zu dessen Sohn Philipp I. (1478–1506) jeweils mit ihren Ehefrauen prachtvoll portraitartig und mit weiteren Verwandtschaften mit ihren Wappen und Tafeln visualisiert. Den Abschluss bilden die gekrönten habsburgischen Herrscherehepaare, die unter Baldachinen thronend gezeigt werden, links Karl und Isabella, rechts Ferdinand und Anna jeweils mit ihren Kindern. Der Stammbaum endet nicht bei dem älteren Karl, sondern er zeigt die beiden habsburgischen Monarchen auf gleicher Höhe – eine Ranggleichheit, die freilich reichsrechtliche Abstufungen zwischen ihnen ignoriert. Die weitere Bildaussage folgt dem imperialen Gedanken. Zwischen den Herrscherehepaaren wird der Reichsadler mit dem kaiserlichen und königlichen Wappen mit Kronen und Goldenem Vlies gezeigt, darunter die mit „Orient“ und „Occident“ bezeichneten Säulen des Herkules mit dem Motto „PLVS VLTRE“ darunter und zwischen jenen Säulen eine Weltkarte mit den benannten Kontinenten „Europa“, „Asia“ und „Africa“. Dieses Bildprogramm symbolisiert die Idee von Karls Kaisertum. „PLUS ULTRE“ schloss hier danach nicht die neuen Reiche jenseits des 56 Werner Paravicini, Colonna und Orsini. Römische Ursprungslegenden im europäischen Adel am Ende des Mittelalters, in: Adelslandschaft Mitteldeutschland, hg. von Enno Bünz/Ulrike Höroldt/Christoph Volkmar (Schriften zur sächsischen Geschichte und Volkskunde 49), Leipzig 2016, S. 19–111, bes. S. 22–24. Die genealogische Vorstellungswelt verengt sich hier augenscheinlich ins Nationale. Dies könnte auf die Reichsstadt Augsburg als Auftraggeber des Drucks hindeuten. Die Stadt propagierte die Bindung an die Habsburger gerade anlässlich des Reichstags von 1530 und der Belehnung Rudolfs mit den habsburgischen Erblanden, die vor den Toren der Stadt und insoweit in der zur habsburgischen Hausherrschaft zählenden Markgrafschaft Burgau stattfand. Diese Szene hielt eigens ein Gemälde fest; Welt im Umbruch (wie Anm. 53), Abb. Nr. 95, S. 174 f.

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Atlantiks ein, deren Herrscher Karl V. zu huldigen hatten. Der Mythos „El Dorado“ erreichte den Mythos „PLUS ULTRE“ nicht.57 Jene die Devise illustrierende Weltkarte meint keinen konkreten politisch-geographischen Raum, obgleich dieses Wissen in Augsburg präsent gewesen sein dürfte, vielmehr weist sie für diese Habsburger die Geltung einer der römischen Kaiser- und Imperiumsidee verpflichteten, universalistischen Herrschaft aus. Karls Devise, hier auf Ferdinand ausgedehnt, meinte die Idee einer „monarchia universalis“ des Hauses Habsburg, die seit der Wahl Karls zum römisch-deutschen König auch öffentliche Fürsprecher hatte. Der prominenteste Vordenker wurde Karls Großkanzler und späterer Kardinal Mercurino Arborio di Gattinara (1465– 1530). Karls Wahlsieg gegen Franz von Frankreich veranlasste im Juli 1519 Gattinara, der bereits 1517 Karl vor dessen Aufbruch zum Herrschaftsantritt in Spanien einen entsprechenden Traktat übereignet hatte, zu einem visionären Glückwunsch auf die Errichtung einer „monarchia universalis“, einer Weltherrschaft zur Wahrung des katholischen Glaubens, des allgemeinen Friedens, der Gesetze und Tugenden sowie der Zukunft der Dynastie. Gattinara schrieb: „Sire! Da Gott, der Schöpfer, Euch die Gnade erwiesen hat, Eure Würde über alle christlichen Könige und Fürsten zu erhöhen, indem er Euch zum größten Kaiser und König seit der Teilung des Reiches Karls des Großen, Eures Vorgängers, machte und Euch auf den Weg der rechtmäßigen Weltherrschaft (monarchie) verwies, um den ganzen Erdkreis unter einem Hirten zu vereinigen, ist es recht und billig, daß Eure Kaiserliche Majestät sich vor der Sünde des Undanks hüte und den Schöpfer, den wahren Geber aller Güter, erkenne.“ Als Kaiser müsse er sich für die „Erhöhung Seines heiligen katholischen Glaubens, und zur Förderung der gesamten Christenheit […] [einsetzen], auf daß Ihr […] das Gut des allgemeinen Friedens erlangen möget.“58 Die Äußerung lässt erkennen, dass man das Kaisertum Karls V., und womöglich dieser sich auch selbst in der Nachfolge Karls des Großen sah und von dorther auch Vorstellungen einer Friedenszeit und Weltherrschaft nährte.

57 Hans-Joachim König, PLUS ULTRA. Ein Weltreichs- und Eroberungsprogramm? Amerika und Europa in politischen Vorstellungen im Spanien Karls V., in: Kohler/ Haider/Ottner, Karl V. (wie Anm. 10), S. 197–222, führt einzelne spanische Stimmen an, die den Imperiumsgedanken auch auf die neuen Eroberungen ausdehnten. Zur gesamten Problematik Klaus Oschema, Bilder von Europa im Mittelalter (MittelalterForschungen 43), Ostfildern 2013. 58 Kohler, Quellen (wie Anm.  26), Nr.  8, S.  59  f.; Ilse Kodek, Der Großkanzler Kaiser Karls V. zieht Bilanz, Münster 2004, S. 14, Anm. 89 zu einer entsprechenden Denkschrift Gattinaras, die als verloren gilt, und S. 146; Schlegelmilch, Jugendjahre (wie Anm. 22), S. 617 ff.

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Der Gedanke einer „monarchia universalis“ war nicht neu. Er wurzelte hier erkennbar im mittelalterlichen Traditionsgut imperialer Herrschaftsidee und verfolgte aus diesem Weltbild abgeleitete ordnungs­ politische Vorstellungen fortdauernder Sicherung der Einheit des Imperiums und der Christenheit. Den Dynastien und Erbplänen der Habsburger oblagen danach die Grundlagen des Friedens, die letztlich im Wege inner- bzw. zwischendynastischer Beziehungen herzustellen waren. Eine solche Vorstellung der „monarchia unversalis“ dürfte diesem habsburgischen Verwandtschaftsstammbaum bildmächtig in sozialen und historischen Argumenten eingeschrieben sein. Danach scheint die Grafik im dynastischen Blick zurück, über die Gegenwart hinaus eine in die Zukunft festgeschriebene Vorstellung vom Europa der Monarchien zu propagieren – verantwortet von den Linien des Hauses Habsburg. Von Karl V. fehlen indes eindeutigere Aussagen, wie er (s)eine „monarchia universalis“ verstand. Deswegen scheiden sich hieran auch in der Forschung die Deutungen der Regentschaft Karls und seines Wegs zum Verzicht auf die Herrschaft 1558. Festzuhalten bleibt, dass Karls Kaiserpolitik zeitgemäß eine übergreifende transnationale, europäische Politik meinte. „Christenheit“, „Reich“ oder „Monarchie“ waren den dynastischen Akteuren auf jeder Seite die dazu vertrauten Begriffe für gemeinte Einheitsvorstellungen. Freilich führten sie Kriege gegeneinander darüber, wer von ihnen in dieser politisch gefassten Übereinheit den ersten Rang einnahm. Mit dieser Auseinandersetzung vermischten sie schließlich Nationsdiskurse und auf Dauer wirksame antifranzösische und antideutsche Abgrenzungen und Feindbilder. Der universalistisch ausgerichtete Staatsbildungsversuch Karls, nicht der letzte in der Geschichte Alteuropas, scheiterte. Es scheiterte aber nicht das dazu gehörende interdynastische Erbsystem habsburgischen Vorrangs. Sein Versuch der Verstetigung hergebrachter universalistischer Ordnung, der ungezählte Menschenleben und ungeahnte Ressourcen verlangte, scheiterte in der behaupteten Einheit der Christenheit am theologischen Dissens, mehr aber noch an reichsrechtlichen Verfassungsnormen und an den politischen Machtverhältnissen des vielgliedrigen Reichs. Deshalb verfestigte sich in der Zeit nach Karl V. eine Vielfalt von (Territorial-)Staaten ungleicher Verfassungen und verschiedener christlicher Konfessionen, zudem ein „nationales“ Kaisertum, dessen Dynastisierung sowohl den jüngeren Reichsreformen als auch dem Hausrecht der Habsburger folgte. Von dorther markiert der Übergang in der Herrschaft von Karl V. zu Ferdinand I. eine markante Zäsur im Kontinuum der Monarchien des Heiligen Römischen Reichs deutscher Nation.

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Die schließlich verschärfte binnenpolitische Rivalität zwischen Karl und Ferdinand, die sich seit etwa 1550 zuspitzte, gründete nicht allein in ihren unterschiedlichen Ansätzen zur Lösung der Religionsfrage. Sie hatte zudem zwei Gründe darin, dass der Versuch fortgesetzter Einheit eines additiv gebildeten Weltreichs über Karls Herrschaftszeit hinaus aus der Dynastie heraus Widerspruch erfuhr. Zudem erkannte Ferdinand früh, dass ein Herrscherwechsel an der Spitze des Reichs keine Familienangelegenheit sein konnte, sondern der Verfassung nach zwingend der Kurfürsten bedurfte. Daraufhin agierte Ferdinand, der deshalb auch aus dem Schatten seines Bruders heraustrat.59 Gleichwohl vereinbarten die beiden Brüder 1555/1558 für das Gesamthaus dauerhaft gültige familiäre und (staats-)rechtliche Normen: die Teilung in eine österreichisch-deutsche und eine spanische Linie, die in innerdynastischen Ehen das Gesamthaus mit Zugriff auf das Kaisertum verfassungskonform perpetuierten. Die Kurfürsten lehnten die von Karl zunächst vertretene sogenannte Spanische Sukzession ab, wonach die Kaiserwürde zwischen den beiden habsburgischen Linie hätte wechseln müssen. Die Kurfürsten behaupteten vehement und erfolgreich ihr Wahlrecht. Also folgte im Reich dann auch nicht Karls Sohn Philipp, sondern Ferdinand und dessen Sohn Maximilian.60 In diesem Ergebnis unterlag, gemessen an Karls Prämissen, der innerdynastische Konsens den Normen der Reichsverfassung. Am 14. März 1558 erreichte Ferdinand I. in der Frankfurter Bartholomäuskapelle als Römischer Kaiser die Nachfolge Karls. Der alte Kaiser hatte am 12. September 1558, am Hochfest Mariens, seine Kaiserkrone niedergelegt, am 21. September 1558 verstarb Karl in seiner Residenz in San Jeronimo de Yuste. Was bleibt, was verbindet im weiten Rückblick aus Speyer die Habsburger Kaiser Karl V. und König Rudolf I.? Karl sah sich selbst am Ende wohl nicht als gescheitert; er behauptete seine Kaiseridee, der er unbeirrt verpflichtet blieb. Davon zeugt gerade die Art und Weise seiner wohl bedachten Abdankung. So rechtfertigte Karl rückblickend in seiner umfänglichen Ansprache vor den Deputierten der niederländischen Generalstände am 25. Oktober 1555 seine Herrschaftsweise: Er habe die Regentschaft übernommen und schließlich das Kaisertum erreicht, „nicht um meine Besitzungen auszudehnen, sondern um nachdrücklicher für das Wohl Deutschlands und meiner anderen Königreiche […] wirksam sein zu können und in der Hoffnung, unter 59 Neuhaus, Römischer König (wie Anm. 29); Laferl, Sprache (wie Anm. 29). 60 Kohler, Quellen (wie Anm. 10), Nr. 105–107, Nr. 113, S. 403–417, S. 433–453; Mia J. Rodríguez-Salgado, Karl V. und die Dynastie, in: Soly, Karl V. (wie Anm. 10), bes. S. 103–111.

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den christlichen Völkern den Frieden zu erhalten und ihre Streitkräfte zu vereinigen zur Vertheidigung des katholischen Glaubens gegen die Türken.“ Nach Vorwürfen an die „deutsche Ketzerei“ und dem Eingeständnis eigener Schwächen heißt es weiter, „aber ich erkläre, dass ich niemals wissentlich und freiwillig Unrecht oder Gewalt geübt oder andere dazu veranlasst oder ermächtigt habe […] und ich bitte diejenigen, welchen ich in dieser Weise zu nahe getreten bin, […] mir zu vergeben.“61 Hier verabschiedete sich nach seinem Selbstverständnis souverän ein Friedenskaiser des Reichs in einer öffentlichen Bitte um Verzeihung.62 Wenn Peter Rassow 1957 seine Karls-Biographie mit dem Titel anzeigte „Der letzte Kaiser des Mittelalters“, so führt uns dieses Urteil zu unserem heutigen Verständnis der mittelalterlichen Geschichte mit auch anderen Antworten auf seine Deutungsgeschichte für unsere Zeit. Die Deutungen der Geschichte großer Reiche und die der Dynastien mit ihren bis heute gegenwärtigen Gedächtnisorten erweisen sich über die Ansprüche gegenwärtiger liberaler Ordnung hinaus als erinnerungspolitische Herausforderungen. Diese historisch wertvollen, mal gefeiert und abgelehnt, mal denkmalhistorisch konserviert und vergessen, Echoräume der Geschichte der Dynastien, die grenzübergreifend eine Geschichte der Dauer ausmacht, führen zum Tod der Mächtigen und zur Geltungsreichweite ihrer Gräber.63 Das gilt auch für Kaiser Karl V. und König Rudolf I. Angesichts dessen verweist Alfred Kohler in der Überschrift des Schlusskapitels seiner Karls-Biographie auf „Die Gefahr politischer und ideologischer Aktualisierungen“. Was geschichtspolitisch verständlich ist, bedeutet aber nicht das Ende der Geschichte. So verweist er mit vielen anderen Kennern auf neue Ansprüche der Forschung, denn „wie kaum ein Kaiser vor ihm hat Karl. V. die Kunst für seine Herrschaftsidee und sein Herrscherbewußtsein instrumentalisiert“.64 Diese kulturgeschichtliche Spur führt von „plus ultra“ und Karl V.

61 Kohler, Quellen (wie Anm. 10), Nr. 117, S. 466–468, hier S. 466 f. 62 Seibt, Karl  V. (wie Anm.  10); Ferdinand Seibt, Ein Kaiser im Himmel. Nachlese zu einem Buch über Karl V., in: Das Andere Wahrnehmen. Beiträge zur europäischen Geschichte. August Nitschke zum 65. Geburtstag, hg. von Martin Kintzinger/Wolfgang Stürner/Johannes Zahlten, Köln 1991, S. 423–235. 63 Olaf Rader, Erinnern für die Ewigkeit. Die Grablegen der Herrscher des Hl. Römischen Reichs, in: Heiliges Römisches Reich Deutscher Nation 962 bis 1806. Von Otto dem Großen bis zum Ausgang des Mittelalters, Bd. 2, hg. von Matthias Puhle/ClausPeter Hasse, Dresden 2006, S. 173–184. 64 Kohler, Karl  V. (wie Anm.  10), S.  105; Rodríguez-Salgado, Karl V. (wie Anm. 60), S. 108–110.

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über jenen gemeinsamen Stammbaum mit König Rudolf I. für die Habsburger wieder zum Speyerer Dom des 19. Jahrhunderts. Nicht erst der Umschlag dieses Buchs wirbt mit der mittelalterlichen Grabplastik, die Rudolf von Habsburg an dem von ihm selbst gewählten Gedächtnis- und Begräbnisort als den Gekrönten zeigt. Anders Karl. Er, der sich nach Yuste in eine kleine Residenz zurückzog, dort verstarb,65 ließ in der dortigen Kapelle als Altarbild sein Lieblingsbild „La Gloria“ aufstellen. Dieses Bildmotiv zeigt Karl und seine Gemahlin im Büßergewand, die Krone abgelegt, im Jenseits und in Anbetung der Trinität. Karl reklamierte kein „semper augustus“ wie die Könige und Kaiser vor ihm. Karl in Yuste und Rudolf in Speyer verbindet so sichtbar eines: sie wollten himmelwärts, nicht (mehr) „immer weiter“. Auch daran erinnerte als Kurator der österreichische Kaiser Franz Josef I.: Reich in den alt-neuen Zeichen am Speyerer Domportal.

65 Zur Christus- und Sterbefrömmigkeit Karls, die nach Karls Tod Anlass bot für inquisitorische Nachforschungen, Schilling, Religion (wie Anm. 10); Kohler, Karl V. (wie Anm. 10), S. 356–367.

Stammtafel

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Die mittelalterlichen Habsburger (Auswahl)

Rudolf I. Kg. 1273

* 1218, † 1291

oo 1. Gertrud (Anna) v. Hohenberg oo 2. Agnes (Isabella) v. Burgund

(1) Mechthild † 1304 oo Ludwig II. Hzg. v. Oberbayern

Agnes

* 1280, † 1364 oo Andreas III. Kg. v. Ungarn

(1) Albrecht I. Kg. 1298 * 1255, † 1308 oo Elisabeth v. Görz-Tirol

Rudolf I. Kg. v. Böhmen † 1307 oo 1. Blanche v. Frankreich oo 2. Elisabeth v. Polen

Friedrich d. Schöne Kg. 1314 * 1289, † 1330 oo Isabella v. Aragón

Anna

* 1318, † 1343 oo 1. Heinrich III. Hzg. v. Bayern

oo 2. Johann Gf. v. Görz

(1) Katharina † 1282 oo Otto III. Hzg. v. Niederbayern

(1) Agnes † 1322 oo Albrecht II. Hzg. v. Sachsen

(1) Hedwig † 1286 oo Otto IV. Mgf. v. Brandenburg

Leopold I. Hzg. v. Österreich * 1290, † 1326 oo Katharina v. Savoyen

Albrecht II. Hzg. v. Österreich * 1298, † 1358 oo Johanna v. Pfirt

Otto Hzg. v. Österreich, Steiermark, Kärnten * 1301, † 1339 oo 1. Elisabeth v. Niederbayern oo 2. Anna v. Böhmen

Rudolf IV. Hzg. v. Österreich * 1339, † 1365 oo Katharina v. Böhmen

Albrecht III. Hzg. v. Österreich † 1395 oo 1. Elisabeth v. Luxemburg oo 2. Beatrix v. Zollern

(2) Albrecht IV. Hzg. v. Österreich * 1377, † 1404 oo Johanna v. Bayern-Straubing Margarete

* 1395, † 1447

oo Heinrich XVI. Hzg. v. Bayern-Landshut

Anna * 1432, † 1462 oo Wilhelm III. Hzg. v. Sachsen

Elisabeth * 1437, † 1505 oo Kasimir Andreas IV. Kg. v. Polen

Ladislaus V. Postumus Kg. v. Ungarn Kg. v. Böhmen * 1440, † 1457

(1) Guta

(1) Rudolf II. Hzg. v. Österreich † 1290 oo Agnes v. Böhmen

* 1271, † 1297 oo Wenzel II.

Kg. v. Böhmen

Johann Parricida Hzg. v. Österreich und Steiermark * 1290, † 1313

Leopold III. Hzg. v. Österreich * 1351, † 1386 oo Viridis Visconti

Ernst d. Eiserne Hzg. v. Österreich * 1377, † 1424 oo 1. Margarete v. Pommern oo 2. Zimburgis v. Masovien

Leopold IV. Hzg. v. Österreich * 1371, † 1411 oo Katharina v. Burgund

(2) Friedrich III. Kg. 1440/42 Ks. 1452 * 1415, † 1493 oo Eleonore v. Portugal

Albrecht II. Kg. 1438 Kg. v. Böhmen 1437 Kg. v. Ungarn 1438 * 1397, † 1439 oo Elisabeth v. Luxemburg

(1) clementia † 1293 oo Karl Martell Kg. v. Ungarn

(2) Margarete * 1416, † 1486 oo Friedrich II. Kfs. v. Sachsen

Maximilian I. Kg. 1486, Ks. 1508 * 1459, † 1519 oo 1. Maria v. Burgund oo 2. Bianca Maria Sforza

Philipp d. Schöne Ehzg. * 1487, † 1506 oo Johanna I. v. Kastilien

Karl V. Kg. v. Spanien 1516, Ks. 1519 * 1500, † 1558 oo Isabella v. Portugal

(2) Albrecht VI. Hzg. v. Österreich * 1418, † 1463 oo Mathilde v. d. Pfalz

Friedrich IV. Hzg. v. Österreich † 1439 oo 1. Elisabeth v. d. Pfalz oo 2. Anna v. Braunschweig

(2) Katharina * 1420, † 1493 oo Karl I. Mgf. v. Baden

(2) Sigmund Hzg. v. Österreich * 1427, † 1496 oo 1. Eleonore v. Schottland oo 2. Katharina v. Sachsen

Kunigunde

* 1465, † 1520 oo Albrecht IV.

Hzg. v. Bayern-München

Margarete v. Österreich Regentin d. Niederlande * 1480, † 1530 oo 1. Johann Infant v. Kastilien oo 2. Philibert II. Hzg. v. Savoyen Ferdinand I. Kg. 1531, Ks. 1556 * 1503, † 1564 oo Anna v. Ungarn und Böhmen Gestaltung Isabel Kimpel

Die Autorinnen und Autoren Prof. Dr. Kurt Andermann, Universität Freiburg, Historisches Seminar, Abt. Landesgeschichte, Werthmannstr. 8, D-79085 Freiburg, mail: [email protected] PD Dr. Julia Burkhardt, Universität Heidelberg, Historisches Seminar, Grabengasse 3, D-69117 Heidelberg, mail: [email protected] Dr. Andreas Büttner, Universität Heidelberg, Historisches Seminar, Grabengasse 3, D-69117 Heidelberg, mail: [email protected] Prof. Dr. Dr. h.c. Gerhard Fouquet, Universität Kiel, Historisches Seminar, Akademieprojekt „Residenzstädte im Alten Reich“, Leibnizstr. 3, D-24118 Kiel, mail: [email protected] Prof. Dr. Heinz-Dieter Heimann, Flörenhof 5, D-33106 Paderborn-Elsen, mail: [email protected] Prof. Dr. Julia Hörmann-Thurn und Taxis, Universität Innsbruck, Institut für Geschichtswissenschaften und Europäische Ethnologie, Innrain 52d, A-6020 Innsbruck, mail: [email protected] Dr. Manuel Kamenzin, Universität Bochum, Historisches Institut, Fachnummer 182, Universitätsstraße 150, D-44801 Bochum, mail: [email protected] Prof. Dr. Martin Kaufhold, Universität Augsburg, Lehrstuhl für Mittelalterliche Geschichte, Universitätsstr. 10, D-86135 Augsburg, mail: martin. [email protected] Prof. Dr. Martin Kintzinger, Universität Münster, Historisches Seminar, Domplatz 20–22, D-48143 Münster, mail: [email protected] Museumsdirektorin Dr. Gabriele Köster, Kulturhistorisches Museum Magdeburg, Otto-von-Guericke-Straße 68-73, D-39104 Magdeburg, mail: [email protected] Prof. Dr. Christian Lackner, Universität Wien, Institut für Österreichische Geschichtsforschung, Universitätsring 1, A-1010 Wien, christian.lackner@ univie.ac.at Prof. Dr. Christina Lutter, Universität Wien, Institut für Österreichische Geschichtsforschung, Universitätsring 1, A-1010 Wien, [email protected]

Die Autorinnen und Autoren

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Prof. Dr. Claudia Märtl, Universität München, Historisches Seminar, Geschwister-Scholl-Platz 1, D-80539 München, mail: [email protected] Prof. Dr. Matthias Müller, Universität Mainz, Institut für Kunstgeschichte und Musikwissenschaft, Abt. Kunstgeschichte, Jakob-Welder-Weg 12, D-55128 Mainz, mail: [email protected] Dr. Benjamin Müsegades, Universität Heidelberg, Institut für FränkischPfälzische Geschichte und Landeskunde, Grabengasse 3, D-69117 Heidelberg, mail: [email protected] Prof. Dr. Klaus Oschema, Universität Bochum, Historisches Institut, Universitätsstraße 150, D-44801 Bochum, mail: [email protected] Prof. Dr. Bernd Schneidmüller, Universität Heidelberg, Historisches Seminar, Grabengasse 3, D-69117 Heidelberg, mail: bernd.schneidmueller@ zegk.uni-heidelberg.de Ltd. Museumsdirektor Dr. Alexander Schubert, Historisches Museum der Pfalz Speyer, Domplatz 4, D-67346 Speyer, mail: [email protected] Prof. Dr. Dieter Speck, Universität Freiburg, Universitätsarchiv, Werthmannstraße 14, D-79085 Freiburg, mail: [email protected] Prof. Dr. Martina Stercken, Universität Zürich, Historisches Seminar/ZHM, Schönberggasse 2, CH-8001 Zürich, mail: [email protected]

Abbildungsverzeichnis Titelabbildung Epitaph König Rudolfs im Speyerer Dom, © Domkapitel Speyer, Foto: Renate Deckers-Matzko. Zum Geleit: Abb. 1: Dom zu Speyer, Foto Klaus Landry, Europäische Stiftung Kaiserdom zu Speyer. Abb. 2: Gottesmutter Maria, Jesuskind, Doppeladler. Westportal des Speyerer Doms (19. Jh.). – Abbildungsnachweis: akg-images. Bernd Schneidmüller, Rudolf von Habsburg Abb. 1: Epitaph König Rudolfs im Speyerer Dom, Ausschnitt (Kopf und Brust). – Abb. 2: König Rudolf von Habsburg thronend, Frontalansicht, Denkmal in der Westvorhalle des Speyerer Doms (19. Jh.). – Abb. 3: König Rudolf von Habsburg thronend, Seitenansicht, Denkmal in der Westvorhalle des Speyerer Doms (19. Jh.). – Abbildungsnachweis: Alle Abbildungen © Domkapitel Speyer, Abb. 1: Foto Renate Deckers-Matzko; Abb. 2: Foto: Friederike Walter; Abb. 3: Foto: Peter Drach. Martin Kaufhold, Ehre und Wiederherstellung des Reiches Abb.: Speyer 1291: Bestätigung des Mainzer Reichslandfriedens Kaiser Friedrich II. von 1235 durch König Rudolf (Stadtarchiv Speyer, 1 U Nr. 17). – Abbildungsnachweis: Stadtarchiv Speyer. Martina Stercken, Herrschaft gestalten Abb. 1: Habsburgischer Machtbereich um 1282 (Krieger, Die Habsburger, S. 72, Ausschnitt). – Abb. 2: Abtei Muri, Johann Kaspar Winterlin, 1615 (Zentralbibliothek Zürich, Graphische Sammlung, Muri AG I, 4). – Abb. 3: Abteikirche Ottmarsheim (Matthäus Merian, Topographia Alsatiae, Frankfurt a. M. 1643/44, S. 41, Ausschnitt, Zentralbibliothek Zürich, Graphische Sammlung T 137:a). – Abb. 4: Grabmal der Anna von Habsburg im Basler Münster (Marquard Herrgott, Rusten Heer, Martin Gerbert, Monumenta Augustae domus Austriacae, Tom. 4, 1–2: Taphographia Principum Austriae, St. Blasien 1772, Bd. 2, 1, Tab. IX). – Abb. 5: Kloster Königsfelden, Albrecht Kauw, 1669 (wikimedia-commons: https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Koenigsfelden1669.jpg). – Abb. 6: Die Habsburg in Jakob Fuggers ‚Ehrenspiegel des Hauses Österreich‘, 1555 (München, Bayerische Staatsbibliothek, Cgm 895: http://daten.digitale-sammlungen. de/~db/0010/bsb00103105/images/). – Abb. 7: Habsburgische Stadtgründungen des 13. Jahrhunderts (Stercken, Städte der Herrschaft, S. 31,

Verzeichnis der Abbildungen

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Ausschnitt). – Abb. 8: Volkssprachliche (Teilungs-)Urkunde von 1238/1239 (Archives de l‘ancien Evêché de Bâle). – Abb. 9: Habsburgischer Rodel über Einkünfte und Verpfändungen, um 1273 (Staatsarchiv Zürich, Stadt und Landschaft Nr. 3228). – Abb. 10: Acta Murensia, Genealogia, um 1150, Abschrift um 1400 (Staatsarchiv Aarau AA/4947: https://www.e-codices. unifr.ch/de/list/one/saa/4947). – Abb. 11: Prospectus Monastery Murensis, Kupferstich Leodegar Mayer, Muri 1750 (Staatsarchiv Aargau GS/00644-2). – Abbildungsnachweis: Alle Abbildungsvorlagen wurden von der Verfasserin übergeben, die auch die Abbildungsrechte für diesen Beitrag erwarb. Matthias Müller, Das Stirnrunzeln des Königs Abb. 1: König Rudolf I. von Habsburg (Zeichnung aus Lavaters „Physiognomischen Fragmenten“, Bd. 2, 1776). – Abb. 2: König Rudolf I. von Habsburg (Kupferstich von Pieter van Sompel nach Pieter Claesz Soutman, um 1640). – Abb. 3: Grabbildnis König Rudolfs I. von Habsburg (um 1290, Speyer, Dom). – Abb. 4: Bronzestatue König Rudolfs I. von Habsburg (Ausschnitt, 1516/17, Innsbruck, Hofkirche). – Abb. 5: Hans Knoderer: Gemälde der Grabplatte König Rudolfs I. von Habsburg (1508, Wien, Kunsthistorisches Museum). – Abb. 6: Erzherzog Rudolf IV. von Habsburg, der Stifter (ca. 1360/65, Wien, Dommuseum). – Abb. 7: Bernhard Strigel: Bildnis Kaiser Maximilians I. (1507, Wien, Kunsthistorisches Museum). – Abb. 8: Blatt 16 aus dem Codex Vindobonensis Palat. Nr. 3540 mit einer Skizze der Grabplatte König Rudolfs I. von Habsburg (1. H. 16. Jh.). – Abb. 9: Grabbildnis König Rudolfs I. von Habsburg (um 1290, Speyer, Dom): Ausschnitt mit der Kopfpartie. – Abb. 10: Albrecht Dürer: Bildnis Kaiser Maximilians I. (1519, Wien, Kunsthistorisches Museum). – Abb. 11: Grabbildnis des französischen Königs Philippe III. (1285, Saint-Denis, Abteikirche). – Abb. 12: Grabmal für die hessischen Landgrafen Heinrich I. und Heinrich d. J. (um 1310, Marburg, Elisabethkirche). – Abb. 13: Hl. Johannes aus der Kreuzigungsgruppe des Westlettners im Naumburger Dom (um 1250). – Abb. 14: Hans Valkenauer: Königsfigur für Maximilians I. Denkmal für den Speyerer Dom (1514, Salzburg, Salzburg Museum). – Abbildungsnachweis: Abb. 9: Hermann-Josef Schwab; Abb. 11: Edwin Rae; die übrigen Abbildungen stammen aus dem Bildarchiv des Verfassers. Gabriele Köster, Der Dom zu Speyer als Memorialort des Reiches Abb. 1: Standbild eines Kaisers vom Kaiserdenkmal für Speyer, Salzburg Museum, Salzburg. – Abb. 2: Standbild einer Kaiserin vom Kaiserdenkmal für Speyer, Salzburg Museum, Salzburg. – Abb. 3: Standbild eines Königs vom Kaiserdenkmal für Speyer, Salzburg Museum, Salzburg. – Abb. 4: Gabriel von Seidl, Rekonstruktion des Kaiserdenkmals für Speyer, 1910, historische Fotoaufnahme, Salzburg Museum, Fotoarchiv, Salzburg. – Abb. 5: Teilstück des Kronreifs vom Kaiserdenkmal für Speyer, Salzburg Museum, Salzburg. – Abb. 6: Blattaufsatz vom Kaiserdenkmal für Speyer,

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Verzeichnis der Abbildungen

Salzburg Museum, Salzburg. – Abb. 7: Figürliche Konsole des Kaiserdenkmals, Salzburg Museum, Salzburg. – Abb. 8: Skulpturenbaldachin des Kaiserdenkmals, Salzburg Museum, Salzburg. – Abb. 9: Basis des Kaiserdenkmals, Salzburg Museum, Salzburg. – Abb. 10: Seitenwandung des Grabmals für Kaiser Friedrich III., 1508–1517, Stephansdom, Wien. – Abb. 11: Konrad Meit, Baldachingrab für Margarete von Österreich, Statthalterin der Niederlande, 1526–1532, Kloster Brou, Bourg-en-Bresse. – Abb. 12: Entwurfszeichnung für das Sebaldusgrab, 1488, Akademie der Bildenden Künste, Kupferstichkabinett, Wien. – Abb. 13: Vischer d. Ä. und Söhne, Sebaldusgrab, 1507–1519, St. Sebald, Nürnberg. – Abb. 14: Heiliges Grab in der Mauritiusrotunde, um 1260, Münster Unserer Lieben Frau, Konstanz. – Abb. 15: Großes Majestätssiegel Kaiser Maximilians I., 1500, Galvanoplastische Kopie, Germanisches Nationalmuseum, Nürnberg. – Abb. 16: Madern Gerthener, Turmbekrönung der Stiftskirche St. Bartholomäus in Frankfurt am Main (sogenannter ‚Kaiserdom‘), entworfen 1415. – Abb. 17: Turmbekrönung der Pfarrkirche St. Giles in der Königsstadt Edinburgh, um 1500. – Abbildungsnachweis: Abb. 1–3, 5–9: Salzburg, Salzburg Museum; Abb. 1, 4: nach Vaelske 2000; Abb. 10: © ÖAW, Institut für Mittel­ alterforschung, Arbeitsgruppe Inschriften (Fotograf Michael Malina); Abb. 11: © David Bordes; Centre des monuments nationaux, Image Reference: DBW18-0081; Abb. 12: © Akademie der bildenden Künste Wien, Kupferstichkabinett; Abb. 13: © User: Uoaei1, Wikimedia Commons, Lizenz: CC-BY-SA-4.0; Abb. 14: © User: Fb78, Wikimedia Commons, Lizenz: CC-BY-SA-3.0; Abb. 15: Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum; Abb 16: © User: Quartl, Wikimedia Commons, Lizenz: CC-BY-SA-3.0; Abb. 17: © User: Martin Abegglen, Wikimedia Commons, Lizenz: CC-BY-SA-2.0. Manuel Kamenzin, Wie es einem König gebührt? Abb. 1: König Rudolf in seinem Krankenbett zu Erfurt. Österreichische Chronik der 95 Herrschaften (1479/80) (Burgerbibliothek Bern, Cod. A 45, fol. 75v). – Abb. 2: Anweisungen des Minoriten Moritz Specker für den unbekannten Maler der Miniatur. Österreichische Chronik der 95 Herrschaften (1479/80) (Burgerbibliothek Bern, Cod. A 45, fol. 75v). – Abb. 3: Moritz von Schwind, Kaiser Rudolfs Ritt zum Grabe (1857) (Öl auf Leinwand, 150 x 295 cm, Kunsthalle zu Kiel, Inv. 35). – Abbildungsnachweis: Abb. 1 und 2: www.e-codices.ch, DOI: http://dx.doi.org/10.5076/e-codicesbbb-A0045; Lizenz: CC BY-NC 4.0; Abb. 3: (c) Kunsthalle zu Kiel. Kurt Andermann, König Rudolf von Habsburg und die Stadt Speyer Abb. 1: Majestätssiegel König Rudolfs, 1275 (Generallandesarchiv Karlsruhe D Nr. 87). – Abb. 2. Großes Siegel der Stadt Speyer, 1357 (Generallandesarchiv Karlsruhe 42 Nr. 1129). – Abb. 3: Gärten des Speyrer Domkapitels zwischen der bischöflichen Pfalz und der Stadtmauer, 1613 (Generallandesarchiv Karlsruhe 67 Nr. 324 fol. 106). – Abbildungsnachweis: Alle Abbildungen © Generallandesarchiv Karlsruhe.

Verzeichnis der Abbildungen

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Heinz-Dieter Heimann, Plus ultra? Abb.1: Dom zu Speyer, Westportal mit Figurengruppe der Dompatrone und Doppeladler, nach 1850. – Abb.2: Herrscherbildnis Karls V. zur römisch-deutschen Königswahl 1519. Hans Weidlitz, Straßburg 1500–1535 (Holzschnitt, 36,3x20,4 cm. Wien, Albertina, Inv.Nr. DG 1949/369). – Abb.3: Verwandtschaftsstammbaum der Habsburger-Dynastie zwischen König Rudolf I. und den Familien Kaiser Karls V. und König Ferdinands I., nach 1530 (Vermutlich Jörg Breu d. J. (1510–1547), Holzschnitt, aquarellierter Pergamentdruck. Stadt Augsburg, Kunstsammlungen und Museen, Graphische Sammlung, Inv.Nr. G 4822-71). – Abbildungsnachweis: Abb. 1: © Domkapitel Speyer, Foto: Peter Drach; Abb. 2: © Albertina Wien; Abb. 3: © Stadt Augsburg, Kunstsammlungen und Museen.

Wir danken den aufgeführten Institutionen und Personen für die freund­ liche Bereitstellung des Bildmaterials. Leider war die eindeutige Ermittlung der Bildrechte nicht in allen Fällen möglich. Berechtigte Ansprüche werden selbstverständlich im Rahmen der üblichen Vereinbarungen abgegolten.

Namenregister Von Isabel Kimpel

Vorbemerkung: Die Lemmata König Rudolf I. und Habsburger werden wegen ihres beständigen Vorkommens hier nicht aufgenommen. Bei der alphabetischen Ordnung von spätmittelalterlichen Tauf- und Zu- bzw. Beinamen wird bisweilen dem Taufnamen der Vorrang gegeben. Verwendete Abkürzungen: Bf. = Bischof; Ebf. = Erzbischof; Ehg. = Erzherzog; frk. = fränkisch; Gem. = Gemahlin; Gf./Gfn. = Graf/Gräfin; Hg./Hgn. = Herzog/Herzogin; Hl. = Heiliger/Heilige; Kg./Kgn. = König/Königin; Kl. = Kloster; Ks./Ksn. = Kaiser/Kaiserin; Mkgf. = Markgraf; röm.dt. = römisch-deutsch; s. = siehe; So. = Sohn; To. = Tochter; v. = von. Aachen 62, 83, 84, 87, 89, 93–95, 99, 101, 108, 113, 114, 274, 308, 311, 314, 321, 375, 408, 420, 470 Aarau 70 Aare 67 Aargau 57, 62, 70, 74, 141–143, 146, 148, 149, 151–153, 155, 411 Adelheid, Gem. Gf. Reinhards I. v. Hanau 306 Adelvolk v. Lachen, Stiftspropst v. Allerheiligen (Speyer), Domscholaster v. Speyer 301–303, 310, 317 Admont 122 Adnet 243, 251, 261 Adolf (v. Nassau), röm.-dt. Kg. 11, 25, 47, 91, 92–94, 96, 98, 99, 109, 110, 122, 143, 238, 282, 286–288, 361 Adrian v. Utrecht s. Hadrian VI., Papst Ägypten 444 Aeneas Silvius Piccolomini s. Pius II., Papst Afrika 464 Agnes (Isabella), röm.-dt. Kgn., Gem. Kg. Rudolfs I. 163, 178, 316 Agnes, To. Ks. Friedrichs I. Barbarossa 238, 264, 272 Agnes, To. Kg. Albrechts I., Gem. Kg. Andreas’ III. v. Ungarn 96, 110, 166, 172, 180 Agnes, To. Kg. Rudolfs I., Gem. Hg. Albrechts II. v. Sachsen 31, 178, 309

Agnes, To. Kg. Ottokars II. v. Böhmen, Gem. Hg. Rudolfs II. v. Österreich 164, 179 Agnes, To. Kg. Wenzels II. v. Böhmen 179, 181 Agnes, Schwester Hg. Bertholds V. v. Zähringen 31 Agnes, To. Hg. Leopolds I. v. Österreich 182, 184 Agnes, To. Pfalzgf. Ludwigs II. des Strengen 178 Agnes, Gem. Mkgf. Heinrichs III. v. Meißen und Thüringen 173 Agnes v. Bolanden, To. Werners IV. v. Bolanden 308 Albert, So. Hg. Friedrichs IV. v. Lothringen 180 Albert (II.) v. Sachsen-Wittenberg, Bf. v. Passau 178 Albert v. Lachen, Magister 303 Albert v. Mußbach, Domdekan v. Speyer 300, 301, 303, 317, 321 Albert v. Remchingen, Domherr v. Speyer 304, 305, 317 Albertino Mussato, Geschichtsschreiber 110 Albrecht I., röm.-dt. Kg. 11, 22, 30, 37, 38, 47, 64, 70, 83, 84, 91–99, 109, 110, 112, 121–125, 143, 144, 161–163, 165, 166, 168, 169, 172, 176, 179, 180, 185, 238, 242, 278, 282, 286–288, 290, 328, 352, 353, 361, 371, 373, 461, 480

Namenregister

Albrecht II., röm.-dt. Kg., Kg. v. Böhmen, Kg. v. Ungarn, Hg. v. Österreich 137, 352, 361, 371, 378, 379, 396, 398–400, 443 Albrecht II., Hg. v. Österreich, So. Kg. Albrechts I. 124–126, 128, 129, 131– 133, 135, 142, 144, 146, 147, 162, 165, 168, 170, 178, 182 Albrecht III., Hg. v. Österreich, So. Hg. Albrechts II. v. Österreich 134, 136, 168, 169, 171, 175, 177, 186, 190, 191, 193 Albrecht IV., Hg. v. Österreich 186 Albrecht VI., Hg. v. Österreich 149, 150, 153, 187, 190–192, 195–197, 200, 201, 405, 448 Albrecht II., Hg. v. Sachsen 31, 53, 309 Albrecht IV., Gf. v. Habsburg 72, 74, 278 Albrecht, Gf. v. Hohenberg, Landvogt v. Schwaben 326 Albrecht, Gf. v. Löwenstein, illegitimer So. Kg. Rudolfs I. 314 Alcalá de Henares 427 Alexander VI., Papst 424 Alexander, Domdekan v. Speyer 317 Alfons (v. Kastilien), röm.-dt. Kg. 28, 89, 273 Alfons V., Kg. v. Aragón 444 Almoraviden 367 Alpen 33, 55, 58, 69, 117, 146–148 Altdorf 309 Altdorfer, Albrecht, Künstler 360 Altheim 199 Amadeus VIII., Hg. v. Savoyen 435 Amerika 365, 428, 464 Anastasius, Märtyrer 338, 341 Andrea de’ Franceschi 457 Andreas III., Kg. v. Ungarn 96, 166, 167, 180 Andreas, Hg. v. Slawonien und Kroatien 179 Anjou 164, 175, 179, 181 Anjou-Plantagenet 365 Anna, Hl. 111 Anna, Ksn., Gem. Ks. Ferdinands I. 409, 466, 480

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Anna (Gertrud), röm.-dt. Kgn., Gem. Kg. Rudolfs I. 31, 63, 64, 88, 92, 141, 278, 281, 480 Anna, To. Kg. Albrechts I., Gem. Heinrichs VI. v. Schlesien-Breslau 166, 180 Anna, To. Kg. Friedrichs d. Schönen, Gem. Hg. Heinrichs III. v. (Nieder-) Bayern 167, 168, 172, 182, 183 Anna, To. Kg. Johanns v. Böhmen, Gem. Hg. Ottos v. Österreich, Steiermark, Kärnten 174, 182 Anna, To. Kg. Wenzels II. v. Böhmen 179 Anna, Gem. Hg. Friedrichs IV. v. Österreich 151 Anna, To. Hg. Ludwigs II. v. (Ober-) Bayern 178 Anna, To. Hg. Friedrichs IV. v. Lothringen 180 Anna, To. Hg. Albrechts II. v. Sachsen 178 Anna, Gfn. v. Habsburg, Gem. Gf. Johann Heinrichs v. Görz 160 Anna, To. Gf. Burkhards III. v. Hohenberg 162, 163, 178 Anna, To. Gf. Hartmanns V. v. Kyburg 70, 162 Anna, Gem. eines Prokop v. Olšany 399 Anne de Beaujeu, To. Kg. Ludwigs XI. v. Frankreich, Gem. des Hg.s Pierre de Beaujeu v. Bourbon 422 Antoine I. de Lalaing, Statthalter v. Holland und Seeland 425 Appenzell 148 Aragón 164, 182, 423–425, 427, 444, 467, 476 Arlberg 65 Arnold, Konrad, Magister 196–199 Arpaden 164, 166, 175, 180 Arras 420, 422, 434 Askanier 164, 166, 175, 178–180 Asien 447, 480 Atlantik 481 Augsburg 322, 472, 478, 480 Avignon 164 Azoren 464

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Namenregister

Babenberg, Babenberger 117, 120, 121, 125, 278 Bacharach 103, 311 Baden 59, 67, 68, 143, 151, 154, 305 Baden, Mkgf. 295, 323, 450 Balduin v. Luxemburg, Ebf. v. Trier 100 Balkan 442, 454 Bamberg 131, 268, 272–274 Barcelona 102, 103 Basel 23, 37, 54, 59, 63, 64, 91, 104–106, 110, 141, 146, 194, 278, 306, 314, 322, 326, 398 Baur, Wolfgang, Domvikar v. Speyer 333 Bayern (auch Nieder- und Oberbayern) 176, 188, 220, 244, 246, 248, 269, 350 Beatrix, Ksn., Gem. Ks. Friedrichs I. Barbarossa 238, 264, 272, 339, 347 Beatrix, To. Kg. Ferdinands I. v. Neapel, Gem. Kg. Matthias „Corvinus“ Hunyadi v. Ungarn 408 Beatrix, To. Kg. Karls Martell v. Ungarn 179 Beatrix, To. Burggf. Friedrichs V. v. Nürnberg, Gem. Albrechts III. 169, 186 Beatrix v. Löwen-Gaesbeck 173 Belgien, belgisch 414 Belgrad 404, 448, 449 Berchtold v. Falkenstein, Abt des Kl. St. Gallen 29, 69 Berg, Gf. 102 Beringer v. Entringen, Bf. v. Speyer 297, 301, 304, 305, 317 Berlewin Zurno, Marschall Pfalzgf. Ludwigs II. 310 Berlewinus, Domscholaster v. Worms 304 Bern 29, 59, 146–148, 155 Bernhard II., Hg. v. Schweidnitz 182 Bertha, Ksn., Gem. Ks. Heinrichs IV. 238 Berthold IV., Hg. v. Zähringen 162 Berthold V., Hg. v. Zähringen 10, 31 Berthold, Burggf. v. Magdeburg 170 Berthold, Gf. v. Rabenswalde 170 Berthold v. Remchingen 305 Berthold v. Scharfenberg, Domkantor v. Speyer 301, 302, 317

Bessarion, Kardinal, päpstl. Legat 450, 457 Blanche, To. Kg. Philipps III. v. Frankreich, Gem. Hg. Rudolfs III. v. Österreich und Steiermark 126, 165, 181 Blanche, To. Hg. Friedrichs IV. v. Lothringen 180 Blois 467 Bockstorfer, Christoffel, Künstler 476 Bodensee 147, 150 Böhmen, Böhmer, böhmisch 36, 52, 120, 130, 131, 137, 139, 150, 161, 164, 168, 169, 173, 175, 176, 288, 311, 371, 378, 390, 393–401, 403–406, 409, 410, 437, 443, 466, 471 Bolanden 300, 306, 308, 309, 314, 316 Bolko II., Gf. v. Schweidnitz-Jauer 184 Bologna 375, 471 Bonn 103, 104, 106, 110 Boppard 88, 90 Bosporus 440, 454 Bourg-en-Bresse 255, 256 Bouvines 51 Brabant 415, 420, 430, 474 Bramante, Donato 249 Brandenburg 161, 169, 175 Braubach 361 Braunschweig 273 Breisach 59, 145 Breisgau 144, 145, 147, 149, 151, 152, 198 Bremgarten 68, 69 Breslau 399 Bresse 436 Bretagne, bretonisch 422 Breu, Jörg der Jüngere, Künstler 478, 479 Brimeu, Guy de, Herr v. Humbercourt 417 Brixen 131 Brixen, Bf. 134 Brou 255, 256, 435 Bruchsal 302, 310 Brugg 25, 67, 68, 143, 287 Brügge 382, 418, 419, 421, 432 Brunegg (Burg) 67 Brüssel 416, 421, 428, 470 Buda 137, 398, 404 Bülach 68 Buonconvento 47

Namenregister

Burgau 143, 480 Burgos 424, 426 Burgund 24, 59, 150, 153, 165, 364, 379, 380, 382, 384, 387, 388, 413–415, 417– 423, 429–434, 437, 442–444, 466–469, 473–476, 480 Burkhard III., Gf. v. Hohenberg 162 Byzanz, byzantinisch 388, 442, 445, 454, 457 Calais 170 Calixt III., Papst 449 Calixtus Ottomanus 452, 453 Calw 326 Cambrai 426 Capet 365 Carlos I., Kg. v. Spanien s. Karl V., Ks. Cateau-Cambrésis 436 Cem, osman. Prinz 453 Childerich II., frk. Kg. 335 Chur 59 Clemens VII., Papst 375, 471 Clementia, To. Kg. Rudolfs I., Gem. Kg. Karls (Martell) v. Ungarn 31, 164, 179 Clementia, To. Kg. Karls Martell v. Ungarn 179 Colmar 9, 22, 23, 29, 31, 34, 59, 67, 84, 86, 90, 228, 295, 296, 298, 315 Colonna 172, 180, 480 Commynes, Philippe de, politischer Ratgeber 413, 414 Constantia, To. Ks. Konstantins d. Großen 263 Cortés, Hernán, Konquistador 428 Cosenza 273, 274 Crecy 169 Dagstuhl 306 Dalberg, Gf. 209, 220 Dänemark, Dänen 365 Deutschland, Deutscher, deutsch (auch Oberdeutschland, Süd[west]deutschland,) 10, 14–16, 22, 24, 26, 28, 29, 33, 35–37, 47, 49, 50, 52, 55–57, 74, 81, 86, 95, 136, 137, 147, 150, 155, 156, 158, 162–165, 168, 176, 177, 190, 196, 213, 225, 232, 234, 244, 245, 265, 273, 276, 277, 279, 296, 306, 314, 326, 331, 332, 335, 364–366, 369, 371, 373, 375, 377,

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378, 380, 382, 389, 390, 400, 401, 406, 411, 413, 414, 434, 437, 440, 443, 447, 448, 450, 454, 456, 464, 465, 467, 469, 477, 478, 481–484 Diessenhofen 68, 104 Dieter, Magister, Domcellerar 305, 317 Dieter Nessel v. Mauer (bei Heidelberg), Ritter 316 Dietmar (der) Setzer, Vagant, Spruchdichter 23 Dippertus, Domherr v. Speyer 305, 317 Disibodenberg 343, 344 Doberan 263 Donau 117, 126, 143, 147, 149, 355, 379, 401, 404, 441, 442, 456 Dürer, Albrecht, Künstler 221, 222, 223, 358, 359 Dürnkrut 51, 164 Dürnstein an der Donau 126 Ebendorfer, Thomas, Geschichtsschreiber 373, 407, 430 Eberhard (II.) v. Waldburg, Bf. v. Konstanz 29 Eberhard I., Raugf. v. Baumburg, Bf. v. Worms 302 Eberhard II. v. Strahlenberg, Bf. v. Worms 301, 304 Eberhard I., Gf. v. Habsburg-Laufenburg 70 Eberhard I., Gf. v. Württemberg 98 Eberhard v. Entrigen, Edelfreier 304 Eberhard v. Eppenstein, Vogt v. Kyburg 97 Eberhard v. Offenbach, Domherr v. Speyer 304 Eberhard v. Strahlenberg, Edelfreier 304 Eberstein, Gf. 295 Edinburgh 265, 267 Editha, ostfrk. Kgn., Gem. Kg. Ottos d. Großen 268 Eduard I., Kg. v. England 50 Egolf v. Landsberg, Domherr v. Speyer 305, 317 Eichstätt, Bf. 450 Einsiedeln 72 Eisenach 273

498

Namenregister

Eleonore, Ksn., Gem. Ks. Friedrichs III. 428, 432, 444, 456 Eleonore, To. Kg. Philipps I. d. Schönen v. Kastilien, Léon 426, 427 Eleonore, To. Kg. Peters II. v. Sizilien 182 Elgg 68 Elisabeth, röm.-dt. Kgn., Gem. Kg. Albrechts I. 95, 110, 123, 162, 164, 166, 168, 169, 172, 176, 179, 180 Elisabeth, röm.-dt. Kgn., Gem. Kg. Friedrichs des Schönen, s. Isabella/ Elisabeth Elisabeth, röm.-dt. Kgn., Kgn. v. Böhmen, Kgn. v. Ungarn, To. Ks. Sigismunds, Gem. Kg. Albrechts II. 137, 138, 140, 378, 396, 400, 401, 443 Elisabeth, Kgn. v. Böhmen, Kgn. v. Polen, Gem. Hg. Rudolfs III. v. Österreich und Steiermark 181 Elisabeth, To. Kg. Ferdinands II. v. Aragón und Kastilien, Gem. Kg. Manuels I. v. Portugal 424 Elisabeth, To. Kg. Albrechts I., Gem. Hg. Friedrichs IV. v. Lothringen 165, 180 Elisabeth, To. Kg. Friedrichs des Schönen 168, 176, 182, 183 Elisabeth, To. Kg. Wenzels II. v. Böhmen 179 Elisabeth, To. Kg. Andreas III. v. Ungarn 180 Elisabeth, engl. Kg.stochter, verlobt mit Kg. Karl VIII. v. Frankreich 422 Elisabeth, Nichte Kg. Ludwigs I. v. Ungarn 186 Elisabeth, Gem. Hg. Ottos v. Österreich, Steiermark, Kärnten 175, 182 Elisabeth, Gem. Hg. Albrechts III. v. Österreich 168, 171, 175–186 Elisabeth, To. Hg. Albrechts II. v. Sachsen 178 Elisabeth, To. Hg. Friedrichs IV. v. Lothringen 180 Elisabeth, To. Hg. Heinrichs VI. v. Schlesien-Breslau 180 Elisabeth, To. Hg. Leopolds III. v. Österreich 186 Elisabeth, Gfn. v. Virneburg 167, 182

Ellenhard, Geschichtsschreiber 15, 270, 279, 280, 282, 315, 316, 330 Elsass/Elsaß (auch Oberelsass) 16, 19, 62, 72, 74, 93, 104, 141–143, 149, 151, 152, 163, 165, 225, 306 Emanuel-Philibert I., Hg. v. Savoyen 436 Endingen 145 Engelberg 72 Engelbert v. Valkenburg, Ebf. v. Köln 48, 89 Engelhard Schenk v. Erbach, Domherr v. Speyer 317 England, Engländer, englisch 46, 50, 53, 56, 185, 263, 365, 369, 422, 425, 427, 434, 435 Enguerrand VI. de Coucy 166, 169, 184 Enguerrand VII. de Coucy 166, 184 Enns 136 Ensisheim 34, 59, 151, 152, 156 Eppstein, Herren 312 Erasmus v. Rotterdam, Gelehrter 468 Erfurt 276, 287, 290, Ernst, Ebf. v. Magdeburg 268 Ernst der Eiserne, Hg. v. Österreich 186, 443 Erzsébet Szilágyi, Mutter Kg. Matthias’ „Corvinus“ Hunyadi v. Ungarn 404 Esztergom s. Gran Eufemia, To. Hg. Heinrichs VI. v. Schlesien-Breslau 180 Europa, europäisch 11, 14, 24, 28, 29, 49, 50, 53, 118, 119, 125, 139, 161, 163–165, 173, 174, 176, 177, 225, 228, 319, 355, 356, 358, 359, 361, 365–367, 371, 372, 375, 377, 379, 381, 382, 384, 385, 389, 393–395, 404, 405, 411, 415, 416, 430, 436–443, 447, 454, 458, 463, 464, 470, 480, 482 Eußerthal, Kl. 94, 96, 109, 110 Fabri, Felix 109 Falkenstein 312 Felicitas, Gfn. v. Luxemburg 182 Ferdinand I., röm.-dt. Kg., Ks. 113, 118, 140, 375–379, 390, 391, 409, 426, 427, 466–474, 476, 479–483 Ferdinand II., Kg. v. Aragón, Kastilien, Léon, Neapel, Sizilien 424–427, 467

Namenregister

Ferdinand II., Ehg. v. Österreich 358 Ferrara 442 Flandern 415, 426, 420, 421, 432, 438 Fleckenstein 295, 297, 298, 300, 306, 308, 309, 316, 323 Florenz 442 Floris V., So. Kg. Wilhelms (v. Holland) 276 Fontainebleau 277 Forcalquier 313 Frankenreich 53, 445 Frankfurt am Main 29, 50, 93, 94, 104, 114, 265, 266, 289, 312, 376, 422, 446, 448, 469, 483 Frankreich, Franzose, französisch 23, 50, 53, 56, 83, 112, 165, 166, 170, 196, 222, 225, 226, 228, 245, 263, 277, 311, 334, 339, 365, 369, 377, 379, 380, 384, 385, 388, 413, 414, 418–428, 430, 432– 434, 436, 442, 466, 467, 469, 473, 482 Franz I., Kg. v. Frankreich 428, 430, 464, 467, 469, 470, 478, 481 Franz II., Hg. v. der Bretagne 422 Frauenfeld 68 Freiburg (im Breisgau) 59, 145, 150, 151, 187–201 Freiburg (im Üchtland) 59, 70 Freudenau an der Aare 67 Friedberg 59 Friedrich I. Barbarossa, röm.-dt. Kg., Ks. 13, 28, 109, 238, 272–274, 276, 322, 339, 351 Friedrich II., röm.-dt. Kg., Ks., Kg. v. Jerusalem, Kg. v. Sizilien 28, 30, 32, 40, 44, 45, 49, 52–55, 86, 238, 272, 273, 275, 283, 313, 320, 324, 329, 330, 350 Friedrich III., röm.-dt. Kg., Ks. 112, 113, 135, 138, 139, 149, 150, 152, 251, 254, 296, 352–355, 360–362, 364, 366, 373, 374, 379, 383, 385–391, 396, 400–403, 406, 408, 409, 415, 416, 420, 421, 430, 440, 443–453, 455–458, 480 Friedrich der Schöne, röm.-dt. Kg. 83, 84, 97, 98, 102–108, 110, 112, 113, 124– 126, 144, 145, 159, 164, 166–168, 172, 181–183, 269, 277, 289, 352, 360, 361, 371, 377 Friedrich, So. Kg. Rudolfs I. 278

499

Friedrich II., Hg. v. Österreich, So. Hg. Ottos v. Österreich, Steiermark, Kärnten 182, 184 Friedrich III., Hg. v. Österreich, So. Hg. Albrechts II. v. Österreich 185 Friedrich IV., Hg. v. Österreich 148, 149, 151, 152, 186, 395 Friedrich III. der Weise, Hg. v. Sachsen 188 Friedrich I., Pfalzgf. bei Rhein 414 Friedrich, So. Hg. Friedrichs IV. v. Lothringen 180 Friedrich II. v. Bolanden, Bf. v. Speyer 278, 284, 285, 295–298, 300, 304, 306– 310, 312–316, 321, 323, 325, 326, 328, 330 Friedrich IV., Gf. v. Leiningen 311 Friedrich, Raugf. v. Baumburg, Domherr v. Speyer 301, 304, 317 Friedrich III., Burggf. v. Nürnberg 311, 313, 323 Friedrich v. Fleckenstein, Bruder Wolframs v. Fleckenstein 308 Friedrich v. Schönberg 305 Friedrich v. Strahlenberg, Domherr v. Speyer 304 Friesland 273, 387 Fuchsmagen, Johannes, Humanist 201 Fugger 469 Fugger, Johann Jakob 291, 292 Fürstenfeld 107, 269, 270 Gaming 126, 127, 128 Gárai 404 Gattinara, Mercurino Arborio di, Kardinal, Großkanzler Ks. Karls V. 481 Geldern 426 Geldern, Gf. 102 Genfersee 436 Gemminger, Johannes, Basler Offizial 195 Gent 184, 418, 421, 474 Genua 47 Georg, Bf. v. Speyer, So. Pfalzgf. Philipps des Aufrichtigen 297 Georg v. Podiebrad, Reichsverweser v. Böhmen 394, 396, 400, 403–406 Gerardus Blancus, Kardinalbf. 15, 279

500

Namenregister

Gerhard II. v. Eppstein, Ebf. v. Mainz 93, 285, 315 Gerhard, Gf. v. Katzenelnbogen 315 Gerhard, Raugf. v. Baumburg, Stiftspr. v. St. German (Speyer) 301, 302, 310, 317 Germersheim 15, 16, 19, 277, 279–281, 283, 292, 329 Gerthener, Madern, Künstler 265, 266 Gertrud v. Hohenberg s. Anna, röm.dt. Kgn. Gertrud, To. Kg. Rudolfs I. s. Agnes Ghana 367 Ghibellinen 311 Gisela, Ksn., Gem. Ks. Konrads II. 238, 271 Glarus 59 Godramstein 330 Göllheim 94, 286, 361 Görz 183 Görz-Tirol 53, 117, 176, 179, 185 Goslar 283, 341 Gottfried I., Bf. v. Passau 326 Gottfried, Gf. v. Sayn 313 Gottfried III. v. Fleckenstein 306 Gottfried v. Ensmingen, Geschichtsschreiber 270, 279, 280, 282, 285 Gran 138, 407 Graz 209, 445 Gregor X., Papst 50, 312 Griechenland, griechisch 442, 446, 447, 453, 454, 457 Grünberg 406 Grüningen 68 Günther XXI., Gf. v. Schwarzburg 284, 289 Guevara, Antonio de, Geschichtsschreiber 468 Guido, Abt v. Pomposa 338, 341, 342 Guinegate 419 Gundekar, Bf. v. Eichstätt 342 Gundelsheim 301 Guta, To. Kg. Rudolfs I., Gem. Kg. Wenzels II. v. Böhmen 31, 164, 179 Guta, To. Kg. Albrechts I., Gem. Gf. Ludwigs VI. v. Öttingen 167, 180 Guta, To. Kg. Johanns v. Böhmen 182 Guttenberg 316

Habsburg (Burg, s. auch Neu-Habsburg) 25, 33, 59, 63, 66–68, 79, 81, 93, 98, 143 Hadrian VI., Papst (Adrian v. Utrecht) 473 Hagenau 51, 59, 306, 312, 314, 322, 324 Hagenbach 361 Haigerloch 145 Hailes 273, 276 Haimbach 234 Hall 128, 134, 201, 425, 431 Hanau 306, 312 Hans Luppold v. Hermannsgrün 238 Hans Rosenplüt, Dichter 448 Hans v. Thierstein, Landvogt v. Ensisheim 152 Hardegg 170, 184 Hartmann, So. Kg. Rudolfs I. 70, 162, 179, 278 Hartmann V., Gf. v. Kyburg 70 Hartmann v. Baldegg, Burggf. v. Stein im Rhein (bei Rheinfelden), Reichsvogt v. Basel 91, 142 Hartwig, Bf. v. Regensburg 263 Havanna 428 Hedwig, To. Kg. Rudolfs I., Gem. Mkgf. Ottos IV. v. Brandenburg 31, 164, 179 Hedwig, Gfn. v. Kyburg 278 Heidelberg 187, 188, 195–197, 289, 310, 314, 334 Heidelsheim 305 Heilbronn 329 Heiligenkreuz 278 Heiliges Land 444, 456 Heiliges Römisches Reich 10, 24–26, 28, 30, 39, 42, 55, 74, 106, 118, 124, 137, 139, 147, 163, 164, 187, 267, 268, 271, 313, 323, 350, 351, 353, 356, 365, 372, 373, 376, 379, 386–388, 390, 391, 397, 411, 415, 425, 428, 447, 465–467, 469– 472, 474, 478, 482 Heinrich I., ostfrk. Kg. 53, 54 Heinrich II., röm.-dt. Kg., Ks. 268, 274 Heinrich III., röm.-dt. Kg., Ks. 238, 331, 338, 339, 341, 343 Heinrich IV., röm.-dt. Kg., Ks. 28, 238, 331, 342

Namenregister

Heinrich V., röm.-dt. Kg., Ks. 238, 271, 273, 319 Heinrich VI., röm.-dt. Kg., Ks. 28, 273, 275, 276 Heinrich VII., röm.-dt. Kg., Ks. 25, 47, 96–103, 110, 113, 161, 176, 181, 282, 287, 288, 293, 361, 370, 371 Heinrich Raspe, röm.-dt. Kg., Landgf. v. Thüringen 25, 89, 273, 275 Heinrich (VII.), röm.-dt. Mitkg., So. Ks. Friedrichs II. 47, 109, 273, 274 Heinrich (VI.), Kg. v. Böhmen, Hg. v. Kärnten, Krain, Mkgf. v. Mähren, Gf. v. Tirol 131, 173 Heinrich VII., Kg. v. England 425, 434, 435 Heinrich VIII., Kg. v. England 464 Heinrich, Enkel Kg. Rudolfs I. 278 Heinrich der Löwe, Hg. v. Bayern, Hg. v. Sachsen 28, 350 Heinrich II., Hg. v. (Nieder-)Bayern 180 Heinrich III., Hg. v. (Nieder-)Bayern 168, 183 Heinrich I., Hg. v. Österreich, So. Kg. Albrechts I. 167, 182 Heinrich VI., Hg. v. Schlesien-Breslau 166, 180 Heinrich, So. Hg. Ottos III. v. (Nieder-) Bayern 178 Heinrich III., Mkgf. v. Meißen, Landgf. v. Thüringen 173 Heinrich v. Finstingen, Ebf. v. Trier 311 Heinrich II. v. Isny, Ebf. v. Mainz 285, 315, 326 Heinrich Knoderer, Bf. v. Basel, Ebf. v. Mainz 54 Heinrich II. v. Virneburg, Ebf. v. Köln 104–106, 167 Heinrich v. Leiningen, Bf. v. Speyer, Kanzler Kg. Wilhelms (v. Holland) 297, 300, 308, 315, 320 Heinrich III. v. Neuenburg, Bf. v. Basel 29 Heinrich, Gf. v. Zweibrücken, Domherr v. Speyer 317 Heinrich I., Landgf. v. Hessen 227 Heinrich der Jüngere, Landgf. v. Hessen 227 Heinrich, Abt des Kl. Admont 122

501

Heinrich III. v. Metz, Abt des Kl. Eußerthal 110 Heinrich v. Fleckenstein, Domherr v. Speyer 306, 308, 317 Heinrich v. Landenberg 122 Heinrich v. Langenstein, Theologe 191 Heinrich v. Scharfenberg, Bruder Bf. Konrads v. Scharfenberg 302 Helena, Gem. Ks. Friedrichs III. s. Eleonore Helfrich v. Talheim, Domcellerar 317 Hennegau 415, 420 Hermann II., Mkgf. v. Brandenburg 166, 180 Hermann v. Reichenau, Geschichtsschreiber 341 Herrnsheim 209, 220 Hessen 219, 225 Hieronymus v. Prag, Theologe 397 Hildesheim 344 Hohenberg, Gf. 29, 63, 145, 163 Hohenburg 306 Hohenfelsen 312 Hohenzollern 169 Hohlandsberg (Burg) 67 Holland 415 Homberg, s. Hohenberg Horneck 301 Hugo v. Offenbach, Burggf. auf der Spiegelburg, Landvogt im Speyergau 304 Hugo v. Spiegelberg, Domherr v. Speyer 304, 317 Hugonet, Guillaume, Kanzler Hg. Karls d. Kühnen v. Burgund 417 Hummel, Matthäus, Gründungsrektor der Universität Freiburg 196, 197 Huntpichler, Leonhard, Theologe 407 Iberische Halbinsel 375, 380, 427 Iglau 398 Ingolstadt 187, 188 Innocenz IV., Papst 30, 40, 72 Innsbruck 128, 151, 209, 222, 238, 425 Iolanthe, Gfn. v. Bar 179 Isabella, Ksn., Gem. Ks. Karls V. 480 Isabella/Elisabeth (v. Aragón), röm.-dt. Kgn., Gem. Kg. Friedrichs d. Schö-

502

Namenregister

nen 102, 104–106, 110, 164, 172, 174, 181, 182 Isabella I., Kgn. v. Kastilien, Léon, Gem. Kg. Ferdinands II. v. Aragón 424, 425 Isabella, To. Kg. Johanns I. v. Portugal, Gem. Hg. Philipps III. v. Burgund 432, 444 Isabella, To. Kg. Philipps d. Schönen v. Kastilien, Léon 426 Isabella, Gem. Hg. Philipps III. v. Burgund 475 Isabelle, To. Hg. Karls I. v. Bourbon, Gem. Hg. Karls d. Kühnen v. Burgund 416 Ita v. Lothringen, Gem. Gf. Radbots v. Habsburg, Gründerin des Kl. Muri 78, 79 Italien, Italiener, italienisch 19, 32, 47, 100, 101, 110, 117, 130, 161, 169, 275, 288, 338, 339, 424, 428, 434, 442, 444, 449, 454, 468, 469 Jagiellonen 409 Jakob II., Kg. v. Aragón 104, 106, 164, 174, 181 Jakob v. Sierck, Ebf. v. Trier 448 János Hunyadi, Reichsverweser v. Ungarn 402–404 Jaroslav 399 Jean de Hocsem, Geschichtsschreiber 95 Jerusalem 28, 263, 267, 443, 456 Jesus Christus 229, 231, 234 Joachim v. Fiore, Abt, Ordensgründer 21 Johann, Kg. v. Böhmen, So. Ks. Heinrich VII. 102, 168, 180, 183 Johann II., Kg. v. Portugal 428 Johann, Infant v. Kastilien, Gem. Margaretes v. Österreich 424, 434, 466 Johann, Gf. v. Brabant 181 Johann Beckensloer, Ebf. v. Esztergom 407, 408 Johann Heinrich (v. Luxemburg), Kg. v. Böhmen 131, 174, 175, 288 Johann Heinrich, Mkgf. v. Mähren 168, 185

Johann Heinrich, Gf. v. Görz 160, 168, 172, 183 Johann Parricida (v. Schwaben), Hg. v. Österreich und Steiermark, Neffe Kg. Albrechts I. 47, 179 Johann Szapolyai, Kg. v. Ungarn und Kroatien 378 Johann v. Viktring, Geschichtsschreiber 89, 91–93, 98, 99, 106, 107, 132, 172, 175, 176 Johanna I., Kgn. v. Kastilien, Gem. Philipps des Schönen 423–427, 466, 467 Johanna, To. Kg. Eduards I. v. England 179 Johanna, To. Kg. Eduards III. v. England 184 Johanna, Gfn. v. Pfirt 144, 146, 162, 165, 168, 182, 185 Johanna v. Rosental, Gem. Georgs v. Podiebrad 394 Johannes der Täufer 111 Johannes, Apostel 229–231, 234 Johannes v. Arimatia 321 Johannes XXII., Papst 174 Johannes XXIII., Papst 148, 395 Johannes VIII. Palaiologos, byzant. Ks. 442, 454 Johannes Carvajal, päpstl. Legat 448 Johannes Corvinus, So. Kg. Matthias „Corvinus“ Hunyadi v. Ungarn 408 Johannes Hunyadi, ungarischer Reichsverweser 448 Johannes Cocus, Vikar 345 Johannes/Jan Hus, Theologe 397, 400 Johannes Kapistran, Prediger 449 Johannes v. Mußbach, Domherr v. Speyer 303 Johannes Seffried v. Mutterstadt, Domvikar v. Speyer 333, 334, 338, 339, 345–347 Johannes, Kanonist 194 Juan v. Kastilien s. Johann, Infant Kärnten 37, 51, 94, 115, 117, 130–133, 136, 160, 200, 408, 451 Kästenburg 316 Kage v. Schäffolsheim 305 Kaiserslautern 329

Namenregister

Kaltenperger, Wolfgang, Bildhauer 244 Kapetinger 163, 165, 181, 365 Karibik 428, 464 Karl der Große, frk. Kg., Ks. 23, 28, 83, 84, 86, 89, 99, 111, 113, 238, 274, 335, 350, 375, 455, 457, 474, 481 Karl IV., röm.-dt. Kg., Ks. 28, 38, 39, 111, 112, 130, 131, 133, 134, 147, 160, 168, 170, 171, 175, 177, 289, 296, 350, 371– 373, 377, 378, 386, 390 Karl V., röm.-dt. Kg., Ks. 113, 236, 243, 364, 375–379, 381, 389, 390, 411, 412, 426–428, 430, 436, 456, 459, 463–485 Karl VI., Kg. v. Frankreich 377 Karl VIII., Kg. v. Frankreich 414, 420, 422–424 Karl I. v. Anjou, Kg. v. Sizilien 50, 313 Karl I. Robert, Kg. v. Ungarn 179 Karl v. Anjou, genannt Martell, Kg. v. Ungarn 31, 164, 179 Karl der Kühne, Hg. v. Burgund 379, 384, 387–389, 413, 415–417, 432, 433, 473 Karl, Hg. v. Kalabrien, Sohn Kg. Roberts v. Sizilien 159, 164, 181 Karl I., Mkgf. v. Baden 197, 198 Karl, So. Kg. Rudolfs I. 63, 141, 278 Karlowitz 378 Karnburg 131 Karolinger 53, 336, 350, 367 Kasimir III., Kg. v. Polen 183 Kasimir IV., Kg. v. Polen 403 Kastilien 398, 423–426, 428, 434, 467, 476 Katharina, Gem. Kg. Matthias „Corvinus“ Hunyadi v. Ungarn, To. Georgs v. Podiebrad 405 Katharina, Gem. Hg. Karls d. Kühnen v. Burgund, To. Kg. Karls VII. v. Frankreich 416 Katharina, Gem. Hg. Ottos III. v. (Nieder-)Bayern, To. Kg. Rudolfs I. 31, 164, 178 Katharina, Gem. Hg. Rudolfs IV. v. Österreich 133, 160, 168, 171, 185, 186 Katharina, Gem. Hg. Leopolds IV. v. Österreich 151, 152 Katharina, To. Kg. Albrechts I. 159, 161, 164, 181

503

Katharina, To. Kg. Philipps d. Schönen 426 Katharina, To. Hg. Albrechts II. v. Österreich 185 Katharina, To. Hg. Leopolds I. v. Österreich 166, 169, 170, 182, 184 Katharina, To. Hg. Leopolds III. v. Österreich 186 Katharina, To. Hg. Philipps II. d. Kühne v. Burgund 432 Katharina, Gfn. v. Görz 186 Katharina, To. Mkgf. Johann Heinrichs v. Mähren 177 Katharina, To. Gf. Amadeus’ V. v. Savoyen, Gem. Hg. Leopolds I. v. Österreich 104, 165, 169, 176, 182 Katzenelnbogen, Gf. 312 Kelsterbach am Main 315 Kenzingen 145 Kerer, Johannes, Magister 197 Kiburg 142 Klosterneuburg 123 Knoderer, Hans, Künstler 209, 211, 213, 215, 218, 221, 222, 224, 231 Köln 48, 231, 268, 309, 312, 313, 460, 461 Königsfelden 64, 65, 126, 166, 289, 290 Königslutter 271, 273, 276 Kolmar s. Colmar Komorn 138 Konrad II., röm.-dt. Kg., Ks. 10, 238, 271, 319, 334, 346 Konrad III., röm.-dt. Kg. 273, 274, 276 Konrad IV., röm.-dt. Kg., Kg. v. Jerusalem, Kg. v. Sizilien 49, 87, 89, 273, 275 Konrad II., Gf. v. Hardegg 170, 184 Konrad v. Eberstein, Bf. v. Speyer 320 Konrad III. v. Scharfenberg, Bf. v. Speyer 297, 302, 307 Konrad IV. v. Thann/Dahne, Bf. v. Speyer 297, 307 Konrad (III.) v. Lichtenberg, Bf. v. Straßburg 94 Konrad v. Horneck, Bruder des Dompropsts Werner v. Horneck 301 Konrad Kago, Domherr v. Speyer 305, 317 Konrad v. Mure, Lehrmeister 81 Konrad v. Remchingen 305

504

Namenregister

Konrad v. Wurmlingen, Geschichtsschreiber 331 Konradin, Hg. v. Schwaben, Kg. v. Jerusalem, Kg. v. Sizilien 46, 281, 311, 323 Konstantinopel 388, 439, 443, 445, 446, 448, 454–457 Konstanz 146, 262, 263, 395, 397 Konstanz, Bf. 195 Konstanze, Ksn., Kgn. v. Sizilien, Gem. Ks. Heinrichs VI. 275 Konstanze v. Schweidnitz 174, 182 Kottannerin, Helene, Kammerfrau Kgn. Elisabeths v. Luxemburg 138, 401 Krain 37, 51, 115, 133, 136, 451 Krakau 398 Kranenburg 421 Krenkingen 59 Kreuzlingen 72 Kreuznach 361 Kunigunde, Ksn., Gem. Ks. Heinrichs II. 268, 274 Kunigunde, To. Ks. Friedrichs III. 458 Kunigunde, To. Georgs v. Podiebrad, Gem. Kg. Matthias „Corvinus“ Hunyadi v. Ungarn s. Katharina Kunigunde v. Bolanden 307 Kunigunde v. Leiningen, Gem. Werners IV. v. Bolanden 308 Kunz Horn 251 Kyburg 59, 67, 68, 70, 89, 91–93, 96–98, 110, 287 Kyburg-Dillingen, Gf. 70 La Coruña 425 Laax 67 Ladislaus V. Postumus, Kg. v. Böhmen, Kg. v. Ungarn 138, 139, 378, 382, 393, 394, 401–405, 407, 410, 443–446, 448, 450 Lagenberg (Burg) 67 Lancaster 365 Landau 361 Langhals, Peter, Schatzmeister Ks. Maximlians I. 421 Latomus, Johann, Geschichtsschreiber 284 Laufenburg (am Rhein) 59, 67, 68

Lausitz 406 Lauterburg 314–316, 330 Lautern 88 Leimen 310 Leiningen, Gf. 295 Leipzig 187, 188 Lenzburg im Aargau 67, 68, 70, 146 Leo IX., Papst 62 Leo X., Papst 470 Léon 476 Leonhard v. Keutschach, Ebf. v. Salzburg 261 Leopold I., Hg. v. Österreich 97, 98, 102–104, 107, 125, 165–169, 176, 182– 184 Leopold II., Hg. v. Österreich 182, 184 Leopold III., Hg. v. Österreich 134, 136, 144, 145, 148, 155, 169, 186, 190, 191, 193 Leopold IV., Hg. v. Österreich 186, 432 Lérida 467 Levold v. Northof, Geschichtsschreiber 33, 38 Lierre 424 Limburg (Burg) (Kaiserstuhl) 67 Limmat 67 Linz 197, 457 Löwenstein 316 Lombardei 32 Longchamp 277 Lorch 273–275 Lothar III., röm.-dt. Kg., Ks. 271, 273, 276, 343 Lothringen 59, 78, 165, 180, 415 Ludwig „der Deutsche“, ostfrk. Kg. 335 Ludwig IV., röm.-dt. Kg., Ks. 103, 104, 106–108, 110, 112, 131, 144, 145, 163, 168, 174, 176, 178, 188, 269, 289, 350, 360, 377 Ludwig II., Kg. v. Böhmen, Kg. v. Kroatien, Kg. v. Ungarn 409, 466, 471 Ludwig IX., Kg. v. Frankreich 53, 112, 313 Ludwig XI., Kg. v. Frankreich 380, 413, 415, 418, 422 Ludwig XII., Kg. v. Frankreich 425, 427 Ludwig II. der Strenge, Pfalzgf. bei Rhein, Hg. v. (Ober-)Bayern 31, 43,

Namenregister

44, 52, 53, 87–89, 93, 108, 109, 176, 178, 308–311, 323 Ludwig I. (V.), Mkgf. v. Brandenburg, Hg. v. (Ober-)Bayern, So. Ks. Ludwigs IV. 132, 133, 168 Ludwig III., Gf. v. Froburg 72, 74 Ludwig VI., Gf. v. Öttingen 167 Ludwig VII., Gf. v. Öttingen 180 Ludwig, Gf. v. Veldenz-Pfalz 418 Ludwig v. Helmstatt, Bf. v. Speyer 234 Lüthold (II.) v. Rötteln, Bf. v. Basel 72 Luigi Marliano, Humanist 476 Lukardis, To. Philipps V. v. Bolanden 314 Luxemburger, luxemburgisch 47, 98, 113, 118, 130, 132, 133, 136, 161, 166, 168, 169, 171, 174, 175, 182, 185–187, 287–289, 296, 350, 361, 365, 370–373, 375, 377, 378, 386, 389, 390, 395, 400, 410, 415, 464 Luzern 23, 70, 145, 148 Lyon 30, 313, 425 Mähren 98, 120, 393, 398–400, 406 Magdeburg 170, 268 Mailand 101, 139, 169 Mailberg 403 Mainz 43–46, 48, 54, 74, 88, 90, 301, 302, 305, 306, 311, 313, 322, 324, 325, 328, 344, 387, 470 Mantua 449, 450 Manuel I., Kg. v. Portugal 424 Marburg 219, 225, 228 Margarete, Ksn., Gem. Ks. Heinrichs VII. 47 Margarete, Gem. Kg. Ottokars II. v. Böhmen, ehem. Gem. Kg. Heinrichs (VII.) 35 Margarete, Gem. Kg. Eduards I. v. England, To. Kg. Philipps III. v. Frankreich 50 Margarete v. Österreich, Regentin der Niederlande, To. Ks. Maximilians I. 255, 256, 414, 419, 420, 423, 424, 426– 428, 434, 435, 437, 466, 473 Margarete, Hgn. v. Bayern, verlobt mit Otto, So. Hg. Ottos v. Österreich, Steiermark, Kärnten 184

505

Margarete v. Tirol, genannt Margarete Maultasch, (1) Gem. Johann Heinrichs v. Luxemburg, (2) Gem. Mkgf. Ludwigs I. v. Brandenburg 129, 131– 134, 140, 168, 185 Margarete, To. Hg. Albrechts II. v. Österreich, (1) Gem. Meinhards III. v. Tirol und Bayern, (2) Mkgf. Johann Heinrichs v. Mähren 185 Margarete, To. Kg. Wenzels II. v. Böhmen 179 Margarete, To. Hg. Friedrichs IV. v. Lothringen 180 Margarete, To. Hg. Heinrichs VI. v. Schlesien-Breslau 180 Margarete, To. Hg. Leopolds III. v. Österreich 186 Margarete-Kunigunde, To. Kg. Władysław I. v. Polen 182 Margarethe, Kgn., Gem. Kg. Ludwigs IX. v. Frankreich 313 Margarethe, Gem. Hg. Karls d. Kühnen v. Burgund 416 Margarethe, To. Hg. Albrechts II. v. Österreich 168 Margarethe, To. des Hg.s Charles I. de Bourbon, Mutter Hg. Philiberts II. v. Savoyen 255 Margarethe, Gem. Vogt Rudolfs v. (Alten-) Landenberg 97 Margarethe 399 Maria, Hl. 231, 331–335, 340, 342, 346, 348, 460 Maria, Gem. Ks. Maximilians I., To. Hg. Karls d. Kühnen v. Burgund 379, 381, 413, 416–419, 420, 422, 466, 474 Maria, Gem. Ks. Sigismunds 397 Maria, Kgn. v. Böhmen, Kgn. v. Ungarn, To. Ehg. Philipps d. Schönen, Gem. Kg. Ludwigs II. v. Böhmen und Ungarn 409 Maria, To. Kg. Jakobs II. v. Aragón 174, 182 Maria, To. Hg. Karls v. Kalabrien 181 Maria, To. Kg. Philipps d. Schönen, Gem. Kg. Ludwigs II. v. Böhmen und Ungarn 426, 466 Mark (Gf.schaft) 33, 39

506

Namenregister

Martin v. Leibitz, Abt des Schottenstifts in Wien 407 Mathias v. Neuenburg, Geschichtsschreiber 19, 24, 25, 29, 32, 34, 39, 40, 105, 107, 111, 146, 283, 291 Mathias Ramung, Bf. v. Speyer 346 Matthias „Corvinus“ Hunyadi, Kg. v. Ungarn und Kroatien, Kg. v. Böhmen 396, 404–409, 418, 450, 452 Mauerbach 126, 277, 289 Maulbronn 323, 325 Mauritius, Hl. 111 Maximilian I., röm.-dt. Kg., Ks. 113, 118, 139, 140, 153, 209, 213, 214, 221– 223, 233–238, 242–246, 249, 251, 261, 263–265, 289, 297, 351–355, 357––365, 370, 373, 374, 376, 379–385, 388, 389, 391, 396, 405, 409, 411–414, 416–435, 437, 439, 440, 444, 453–455, 457, 458, 463, 464, 466, 467, 469, 473–476, 480 Maximilian II., Ehg. v. Österreich, Ks., So. Ks. Ferdinands I. 483 Maximilian, Bf. v. Lorch 456 Mechelen 421, 426 Mechthild, To. Kg. Rudolfs I., Gem. Pfalzgf. Ludwigs II., Hg. v. (Ober-) Bayern 31, 87, 176, 178, 308, 309 Mechthild, To. Pfalzgf. Ludwigs II. des Strengen 178 Mechthild, Gem. Gf. Burkhards III. v. Hohenberg, To. Pfalzgf. Rudolfs v. Tübingen 163 Mecklenburg 263 Medina del Campo 425 Mehmed II., Sultan 445, 448, 454–457 Meienberg 68, 69 Meinhard II., Gf. v. Görz (IV.) –Tirol, Hg. v. Kärnten 53, 99, 130 Meinhard III., Gf. v. Tirol-Görz , Hg. v. Bayern 133, 134, 176, 185 Meinhardiner 130 Meiningen 196 Meit, Konrad, Bildhauer 256 Mellingen 68, 70 Memmingen 309 Mengen 59 Mennel, Jakob, Geschichtsschreiber 431 Merowinger 335–337, 367

Merseburg 232 Messina 273, 275 Metz 337 Michael, Erzengel 16, 281 Michael, So. Kg. Manuels I. v. Portugal 424 Middelburg 273, 276 Mihály Szilágyi, Ban v. Koratien, Slawonien, Dalmatien, Reichsverweser v. Ungarn 404 Miklós Újlaki, Ban v. Kroatien, Slawonien, Dalmatien, Macsó, Vojwode v. Siebenbürgen 405 Mittelmeer 444, 471 Mölfeld, Johannes, Magister 196 Mösch, Johannes, Theologe 199 Mohács 409 Molinet, Jean, Geschichtsschreiber 430 Montabaur 361 Montorio 249 Monza 101 Morgarten 97, 144 Mühlberg/Elbe 472 München 93, 107, 245, 246, 289 Münster im Schwarzwald 145 Münzer, Hieronymus, Humanist 428 Murbach, Abt 59, 70 Muri 59, 61, 62, 64, 71, 78, 79, 81, 278 Murten 330 Mußbach 303 Nabburg 196 Näfels 148 Nancy 388, 417 Naumburg 229, 230 Neapel 311, 424, 425, 444, 467 Neckar 144, 147 Nellenburg 150 Neu-Habsburg (Burg) 67 Neuberg an der Mürz 126, 148, 175 Neuenburg 145, 151 Neustadt an der Haardt/an der Weinstraße 329, 361 Niederaltaich 84 Niederlande (auch Niedere Lande, Burgundische Niederlande) 255, 356, 414, 417, 420, 421, 424–430, 432, 435, 437, 438 Nikodemus v. Arematia 231

Namenregister

Nikolaus V., Papst 446 Nikolaus v. Kues 446 Nikolaus v. Hagenau, Bildhauer 260 Nikolaus v. Gehtutner 399 Nikopolis 442 Nizza 436 Noah 474 Nordsee 415 Normannen 319 Noyon 428, 467, 468 Nürnberg 30, 52, 83, 84, 107, 111, 113, 114, 169, 251, 255, 259, 260, 309, 322, 371, 398, 448, 450, 452 Oberwesel 305 Obizio, Abt v. Cosenza 275 Odilienberg 306 Olmütz 406 Olšany 399 Ordericus Vitalis, Geschichtsschreiber 319 Orient 273, 452, 455 Osmanisches Reich, Osmanen 378, 388, 402, 439–443, 445, 447–449, 451–454, 456, 458, 470, 471 Österreich, Österreicher, österreichisch 13, 23, 30, 36, 37, 39, 49, 51, 57, 63, 83, 94, 95, 109, 115–121, 123, 125, 126, 128, 136, 138–140, 141, 143, 145–148, 150– 156, 158, 163, 165, 166, 168, 170, 176, 187, 190–193, 200, 201, 215, 219, 220, 244, 245, 278, 282, 286, 287, 290–292, 351, 355, 356, 364, 377–380, 386, 393– 395, 398, 402, 403, 409, 410, 428, 431, 434, 437, 440, 441, 446, 449, 452, 453, 469, 470, 473, 476, 483 Ostfranken 367 Öttingen 176 , 180 Oppenheim 93 Orsini, römische Adelsfamilie 33 Osmanen 137, 138 Ottmarsheim 59, 62, 63 Otto I. der Große, ostfrk. Kg., Ks. 13, 28, 238, 268, 350, 377 Otto III., ostfrk. Kg., Ks. 33 Otto IV., röm.-dt. Kg., Ks. 72, 273, 275, 276, 313, 350 Otto III., Hg. v. (Nieder-)Bayern 31, 164, 178

507

Otto, Hg. v. Österreich, Steiermark, Kärnten 131, 168, 174, 175, 182, 184 Otto, So. Hg. Albrechts II. v. Sachsen 178 Otto IV., Mkgf. v. Brandenburg 31, 164, 179 Otto V., Mkgf. v. Brandenburg 160, 161, 171 Otto II., Gf. v. Plain-Hardegg 170 Otto, Bf. v. Freising, Geschichtsschreiber 20, 274, 368 Otto v. Bruchsal, Vater Ottos v. Bruchsal d. Ä. 310 Otto v. Bruchsal der Ältere, Stiftspr. v. St. Guido (Speyer) 301, 302, 310–313, 317, 323 Otto v. Bruchsal, Neffe Ottos v. Bruchsal d. Ä. 310, 311 Otto v. St. Blasien, Geschichtsschreiber 276 Ottokar II. Přemysl, Kg. v. Böhmen 22, 23, 26, 30, 34–36, 50, 51–53, 55, 115– 117, 120, 121, 125, 126, 164, 278, 324, 370 Ottokar (aus der Gaal), Geschichtsschreiber 16, 36, 37, 92, 93, 98, 99, 122, 123, 225, 280–285, 293 Ottonen 335, 350, 351, 367 Palermo 273, 275 Paris 195, 196, 277 Passarowitz 379 Paul II., Papst 404 Paul v. Geldern, Magister 191 Pavia 478 Pero Tafur, Gesandter 398, 400 Pest 404 Peter II., Kg. v. Sizilien 181, 182 Peter II., Gf. v. Savoyen 29, 32, 70 Peter v. Fleckenstein, Dompropst v. Speyer 306, 308, 309, 317 Petersberg bei Halle 276 Pfalz 176, 207, 244, 302, 308, 310, 350, 361 Pfeffer, Johannes, Theologe 194, 197 Pfinzing, Melchior, Sekretär Ks. Maximilians I., Propst v. St. Sebald in Nürnberg 259 Pfirt 144, 165, 176, 182

508

Namenregister

Philibert II., Hg. v. Savoyen 255, 414, 434–436 Philipp (v. Schwaben), röm.-dt. Kg. 47, 72, 272–274, 285, 323, 331 Philipp III., Kg. v. Frankreich 50, 226 Philipp IV., Kg. v. Frankreich 277 Philipp V., Kg. v. Frankreich 277 Philipp der Schöne, Kg. v. Kastilien 414, 419–427, 430, 433, 435, 437, 466, 473, 474, 480 Philipp II., Kg. v. Spanien, So. Ks. Karls V. 377, 411, 436, 483 Philipp II. der Kühne, Hg. v. Burgund 432 Philipp III. der Gute, Hg. v. Burgund 384, 416, 444, 446, 475 Philipp der Aufrichtige, Pfalzgf. bei Rhein 297 Philipp I., Gf. v. Savoyen 180 Philipp V. v. Bolanden 300, 314 Philipp v. Bolanden-Falkenstein, Onkel Friedrichs v. Bolanden 308, 311, 312 Philipp v. Falkenstein, Reichsministeriale 87 Philipp v. Kleve, Herr zu Ravenstein 422 Piasten 166, 175, 180, 181, 184 Piemont 436 Pilgrim, Magister 194 Pippin (der Jüngere), frk. Kg. 277 Pisa 288 Pius II., Papst (Aeneas Silvius Piccolomini) 35, 444–452, 456 Plain-Hardegg, Gf. 170 Plintenburg s. Višgard Poggio Bracciolini, ital. Humanist 457 Poissy 277 Polen, polnisch 138, 263, 371, 377, 380, 437, 442 Polheim, Wolfgang v. 422 Portugal 425, 428, 432, 444 Prag 50, 133, 170, 289, 371, 393, 398, 399 Přemysliden 164, 169, 175, 179 Pressburg 409 Primkos II., Hg. v. Schlesien-Glogau 174 Provence 313 Pyrenäen 424, 425

Querfurt 170 Raban v. Helmstatt, Bf. v. Speyer 296 Radbot, Gf., Gründer des Kl. Muri 78, 79 Rapperswil, Gf. 29, 68, 142 Rapperswyl s. Rapperswil Ravenna 263 Ravensburg 104, 309 Regensberg 68 Regensburg 107, 263, 446, 447, 451 Reinhard I., Gf. v. Hanau 306 Reinhard v. Hoheneck, Reichsministeriale 87 René II., Hg. v. Lothringen 417 Renée, Hgn. v. Ferrara, To. Kg. Ludwigs XII. v. Frankreich 427 Rennes 422 Retz 170 Reuss 67 Rhein, rheinisch (auch Hochrhein, Oberrhein) 10, 20, 30, 37, 57, 58, 67, 88, 94, 103, 141–144, 146, 148–153, 155, 156, 160, 190, 196, 236, 279, 295, 296, 305, 310, 311, 314, 319, 321, 323, 324, 327, 330, 331, 333, 337, 341, 349, 355, 448, 464, 465, 469, 470, 474, 477, 478, 480, 481, 483 Rheinfelden 38, 59, 91, 92, 121, 145, 151 Riccobaldus v. Ferrara, Geschichtsschreiber 281 Richard (v. Cornwall), röm.-dt. Kg. 28, 46, 87, 89, 101, 273, 276, 311 Richard I. Löwenherz, Kg. v. England 13 Richensee 68 Richenza, Ksn., Gem. Ks. Lothars III. 272 Richwin v. Schönberg, Domherr v. Speyer 302, 305, 317 Riedlingen 143 Riemenschneider, Tilman, Bildhauer 268 Rixa, Kgn. v. Böhmen, Kgn. v. Polen s. Elisabeth, Kgn. v. Böhmen, Kgn. v. Polen Robert (v. Anjou), Kg. v. Neapel (Sizilien) 159 Roger II., Kg. v. Sizilien 275

Namenregister

Rom, Römer, römisch 10, 15, 19, 24, 25, 28, 29, 31–35, 46, 86, 102, 110, 136, 139, 158, 162–164, 168, 172, 176, 177, 192, 243, 244, 249, 263, 265, 269, 270, 273, 276, 277, 279, 280, 288, 311–313, 331, 332, 335, 364–366, 371–380, 388, 390, 400, 401, 403, 406, 411, 413, 420–422, 424, 434, 437, 442–444, 448, 452, 454, 456 Rosenthal 286 Rudger de Annenvelth, Domherr v. Speyer 305, 317 Rüdiger v. Dürn, Domherr v. Speyer 317 Rudolf (v. Rheinfelden), röm.-dt. Kg. 232 Rudolf I. (III.), Kg. v. Böhmen, Hg. v. Österreich und Steiermark 126, 161, 165, 181 Rudolf, So. Kg. Albrechts I. 278 Rudolf, Hg. v. Lothringen, So. Hg. Friedrichs IV. v. Lothringen 180 Rudolf II., Hg. v. Österreich, So. Kg. Rudolfs I. 37, 38, 70, 121, 142, 164, 179 Rudolf IV., Hg. v. Österreich 112, 126, 128, 129, 133–136, 144, 146–148, 150, 168, 171, 185, 187, 190, 193, 194, 200, 212, 213, 224, 363, 365 Rudolf, So. Hg. Ottos III. v. (Nieder-) Bayern 178 Rudolf I., Pfalzgf. bei Rhein, Hg. v. (Ober-)Bayern 103, 178, 288 Rudolf v. Hoheneck, Ebf. v. Salzburg, Kanzler Kg. Rudolfs I. 313 Rudolf II., Gf. v. Habsburg 72 Rudolf III., Gf. v. Laufenburg 72, 74 Rudolf v. (Alten-)Landenberg, Vogt v. Kyburg 97 Rudolf v. Trostberg, Vogt v. Kyburg 97 Rudolf v. Fleckenstein 308 Rumelant v. Sachsen, Minnesänger 86 Ruprecht, röm.-dt. Kg. 296, 377 Saarburg 361 Sachsen 37, 175, 188, 347, 469 Salier, salisch 11, 54, 111, 271, 277, 319, 331, 332, 335, 336, 338, 341, 346, 347, 349–351, 459 Salzach 243

509

Salzburg 122, 131, 234, 236, 237, 243– 248, 261 San Jeronimo de Yuste 483, 485 Sandhausen 310 Savoyen 165, 182, 434–436 Sayn, Gf. 311 Schaffhausen 59, 145, 151 Scharfeneck 306 Schedel, Hartmann, Arzt, Humanist 452 Schenkenberg (Burg) 67 Scheverlingenburg 273, 276 Schlesien 166, 406 Schlesien-Breslau 175 Schönau bei Dahn 295 Schottland 265 Schwaben 104, 142, 145, 147, 148, 150, 151, 153, 162, 163, 304, 326 Schwarzenbach 68, 69 Schwarzwald 142, 144, 147, 149, 151, 152, 326 Schweiz 141, 143–145, 147, 148, 155, 203 Schwyz 59, 143 Sebald, Hl. 259 Seeland 415 Sempach 70, 145, 148, 151, 154–156 Senlis 423, 466 Serbien 172 Seulnhofer, Johann, Magister 196 Siboto v. Lichtenberg, Domherr v. Speyer 317 Siebenbürgen 356 Siegfried v. Westerburg, Ebf. v. Köln 89 Siegfried I. v. Lichtenberg, Bf. v. Hildesheim 273 Siegfried v. Venningen, Bf. v. Speyer 296 Siegfried Retschel, Stadtkämmerer v. Speyer 321 Sigibodo II. v. Lichtenberg, Bf. v. Speyer 328 Sigismund/Sigmund, röm.-dt. Kg., Ks., Kg. v. Ungarn und Kroatien, Kg. v. Böhmen 114, 136, 137, 148, 350, 371, 377, 378, 396–398, 400, 442, 448 Sigmaringen 143 Sigmund (v. Tirol), Hg. v. Österreich 149–151, 153, 191, 197, 198, 201, 413 Sigulo, Schultheiß v. Speyer 305

510

Namenregister

Sindelfingen 91, 92, 331, 348 Sizilien (Kg.reich) 28, 275, 356 Solothurn 146, 147 Spanien 355, 356, 364, 379, 380, 414, 422, 425–428, 437, 448, 466, 467, 469, 470, 476, 481, 483 Specker, Clemens, Minorit 290, 291 Speyer 9–11, 13, 15–20, 27, 41, 42, 45, 52, 55, 62, 92, 93, 98, 103, 104, 109, 203, 207–209, 213, 215, 218–220, 222, 224, 225, 228, 229, 231–250, 253, 255, 259– 261, 263–265, 267, 269–273, 276–293, 295–317, 319, 321–349, 351, 361, 362, 459–461, 465, 471, 472, 475, 483, 485 Speyergau 326 Split 263 St. Andreas in Cham (Schweiz) 68 St. Blasien, Kl. 59, 72, 142 St-Denis 225, 228, 274, 277 St. Gallen 59, 69, 146, 147 St. Gotthard 59, 145, 146 Staufer, staufisch 11, 26, 32, 46–49, 51, 53, 54, 57, 71, 108, 111, 162, 272, 275, 277, 281, 283, 286, 297, 306, 307, 310– 313, 319, 323, 349–351, 367–369 Steiermark, steirisch 19, 30, 37, 51, 63, 94, 95, 109, 115, 120, 122, 128, 131, 133, 136, 158, 163, 165, 176, 200, 278, 280, 281, 285, 293, 408, 443, 451 Stein im Rhein (bei Rheinfelden) (Burg) 68, 91, 92, 93 Stephan, Erzmärtyrer 114, 332–335, 340–344, 346 Stephan I., Papst, Hl. 332, 333–335, 338, 342, 344–348 Stephan VII. Dušan, Zar v. Serbien 172, 183 Stephan II., Hg. v. Bayern 183 Stoß, Peter, Geheimschreiber Ks. Maximilians I. 236 Strahlenberg 304 Straßburg 23, 59, 94, 156, 229, 279, 280, 283, 295, 306, 315, 322, 324, 477 Strigel, Bernhard, Künstler 213, 214, 222 Stürtzel, Konrad, Kanzler Ks. Maximilians I. 194, 197 Stuhlweißenburg 138, 401 Sundgau 144, 149, 151, 152, 425

Sursee 70 Syrien 329 Székesfehérvár s. Stuhlweißenburg Tenochtitlan 428 Theoderich der Große, Kg. der Ostgoten 28, 263 Theodericus v. Orvieto, päpstl. Kaplan 15, 279, 285, 293 Thibaud, So. Hg. Friedrichs IV. v. Lothringen 180 Thomas v. Cantimpré, Theologe 22 Thomas v. Kleve, Magister 194 Thüringen 9, 170 Thurgau 59, 70, 150 Thuróczy, János, Geschichtsschreiber 138 Tichtel, Johann, Wiener Arzt 408 Tile Kolup, der „falsche Kg. Friedrich II.“, auch bekannt unter Dietrich Holzschuh 316, 324, 329, 330 Tirol 117, 128–136, 146–150, 153, 156, 158, 168, 169, 173, 200, 201, 431 Tirol-Görz s. Görz-Tirol Tizian, Künstler 359 Toledo 425 Tolomaeus v. Lucca, Geschichtsschreiber 32 Tordesillas 426, 427 Trastámare 424, 473 Trausnitz 176 Treviso 159 Triberg 145 Trient 131, 374 Trient, Bf. 134 Trier 306, 311–313, 389, 415, 416, 432 Trifels 87, 88, 92–95, 99, 109–112, 302 Troja, trojanisch 34 Tudor 365 Türing v. Hallwil, Adliger 196 Türkei, Türken 439–441, 444–453, 455– 458 Tulln 125, 278 Ulm 104, 260, 322 Ulrich II., Gf. v. Cilli 404 Ulrich I. v. Münzenberg 306

Namenregister

Ungarn 125, 137–139, 164, 166, 175, 176, 263, 371, 377–379, 393–397, 400–410, 418, 437, 442, 443, 450, 451, 466, 471 Unterwalden 59 Urban V., Papst 175 Uri 143 Valkenauer, Hans, Bildhauer 234, 235, 243, 244, 246, 249, 251, 260, 261, 267, 362 Valladolid 426 Valois 365, 384, 433, 473 Varna 402 Venedig 429, 440, 445, 453, 454, 457 Veringen 143 Vierwaldstättersee 67 Villingen 23 Villinger, Jakob, Schatzmeister Ks. Maximilians I. 236 Vincenz v. Beauvais, Enzyklopädist 21 Violante Visconti 186 Viridis Visconti, Gem. Hg. Leopolds III. v. Österreich 169, 186 Virneburg 176, 182 Vischbeck, Gerhard, Magister 194 Vischer, Peter der Ältere, Bildhauer 255, 256 Visconti 169, 186 Višegard 138, 401 Vladislav II., Kg. v. Böhmen, Kroatien, Ungarn 406, 409 Waldeck 326 Waldkirch 145 Waldshut 68, 69, 150 Wallsee, Herr 122 Walram, Domkustos v. Speyer 317 Walther Klein, Domherr v. Speyer 305, 317 Walther v. Klingen, Minnesänger 23 Wasgau 323 Weidenberg 194 Weiditz/Weidlitz, Hans, Künstler 477 Weißenburg 324 Welfen 33, 78, 350, 368 Wels 428, 466 Welschbillig 361 Wenzel (IV.), röm.-dt. Kg., Kg. v. Böhmen 377, 378, 397

511

Wenzel II., Kg. v. Böhmen 31, 94, 161, 164, 179, 181 Wenzel III., Kg. v. Böhmen, Kg. v. Ungarn 179 Wenzel, So. Hg. Albrechts II. v. Sachsen 178 Werner v. Eppstein, Ebf. v. Mainz 25, 43, 44, 48, 52, 89, 311 Werner de Annenvelth, Domherr v. Speyer 305, 317 Werner IV. v. Bolanden, Reichstruchsess 300, 311 Werner v. Bolanden, Bruder Bf. Friedrichs v. Bolanden 312 Werner v. Horneck, Dompropst v. Speyer 301, 302, 309, 312, 317 Werner v. Weiler, Domherr v. Speyer 304, 317 Wessex 365 Wettiner 159, 160, 187, 188, 370 Wettingen 59, 287 Wetzlar 316, 329 Wien 23, 36, 63, 83, 84, 96, 98–100, 102, 116, 121–123, 125–128, 146, 172, 177, 187–191, 193–201, 213, 224, 251, 255, 289, 314, 373, 377, 384, 394, 398, 400, 402, 405, 407–410, 431, 439, 445, 451, 466, 475 Wiener Neustadt 289, 314, 403, 405, 445, 446, 451 Wil 69 Wildegg (Burg) 67 Wilhelm (v. Holland), röm.-dt. Kg. 25, 47, 86, 89, 273, 274, 276, 315, 323 Wilhelm, Hg. v. Österreich, So. Hg. Leopolds III. v. Österreich 186 Wilhelm III., Hg. v. Sachsen 404 Wilhelm II., Abt des Schottenkl. (Wien) 123 Wilhelm Eisengrein, Geschichtsschreiber 346 Willisau 70 Wimpfeling, Jakob, Humanist 242, 333 Wimpfen 301 Windische Mark 37, 51, 115, 160 Winterthur 68, 70 Wittelsbacher 111, 112, 118, 130, 132, 133, 144, 145, 162, 163, 166–169, 171,

512

Namenregister

176, 178, 182, 183, 185, 187, 188, 289, 350, 351, 369, 377, 460, 461 Wittenberg 175, 187, 188 Wladyslaw III. Jagiełło, Kg. v. Polen 138, 401, 402 Woldemar, Mkgf. v. Brandenburg 166, 180 Wolf, Kilian, Magister 197 Wolfram v. Fleckenstein, Ritter 295– 297 Wolfstein 329 Worms 238, 243, 301, 302, 304, 306, 309, 316, 324, 325, 328, 388, 428, 465, 469– 471 Württemberg 153 Würzburg 330, 471

York 365 Zähringer 9, 10, 31, 32, 34, 70, 142 Zdeněk v. Sternberg, böhm. Adliger 406 Ziegler, Niklas, Sekretär Ks. Maximilians I. 297 Zofingen 59, 147 Zollern 169, 186 Zürich, Zürcher 39, 40, 42, 59, 67, 68, 81, 122, 142, 146–149, 155 Zürichgau 142 Zug 59, 70 Zweibrücken, Gf. 295